Ferrari Das schnellste Unternehmen der Welt
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Ferrari Das schnellste Unternehmen der Welt
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Christiane Oppermann ist freie Autorin und eine der profiliertesten Wirtschaftsjournalistinnen Deutschlands. Sie arbeitete unter anderem als Redakteurin beim Stern und beim manager magazin sowie als Ressortleiterin Wirtschaft bei der Woche. Zu ihren Veröffentlichungen zählen John F. Kerry: Wird Amerika wieder demokratisch? und das Schwarzbuch Banken.
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Christiane Oppermann
Ferrari Das schnellste Unternehmen der Welt
Campus Verlag Frankfurt / New York
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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-593-37649-0
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2005 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main Umschlaggestaltung: Büro Hamburg Umschlagmotiv © Martyn Goddard/CORBIS Satz: Fotosatz L. Huhn, Maintal-Bischofsheim Druck und Bindung: Freiburger Graphische Betriebe Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
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Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gründerzeit und Aufbruch Wie Enzo Ferrari eine Legende schuf . . . . . . . . . . . . . 13 Aufwärmtraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Autos zum Träumen und Siegen . . . . . . . . . . . . . . 34 Ein unbestelltes Haus Wie mit Fiat manches besser und vieles schlechter wurde . . 59 Die Zeiten ändern sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Das Erbe des Patriarchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Das Comeback Wie Luca di Montezemolo dem Cavallino die Peitsche gab . .
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Alte Hasen und junge Pferde . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Die Entdeckung der Langsamkeit . . . . . . . . . . . . . 128 Annus Horribilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Träume auf vier Rädern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Das schnellste Unternehmen der Welt . . . . . . . . . . . 178 Die Wiederholungstäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Schutzengel, Spielverderber und Milliarden . . . . . . . . 227 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
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Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
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Einleitung
»Barchetta«, »Monza«, »Enzo Ferrari«, »Maranello«, »612 Scaglietti« – das sind Namen, die Bilder von rasend schnellen Sportwagen, eleganten Karosserien und die Klangkulissen aufbrausender Zwölfzylinder-Motoren heraufbeschwören. »F2004«, »Hockenheim«, »Formel 1« und »Ferrari« sind die Zauberformeln, die Millionen Menschen vor die Fernseher locken und Armeen rotkostümierter Fans mit Kind, Caravan und Camping-Grill an die Rennpisten treiben. Kein anderes Autounternehmen übt eine so magnetische Wirkung auf Menschen aller Schichten, Kulturkreise und Einkommensklassen aus wie die Scuderia Ferrari. Selbst in den biederen Wohnvierteln und Schrebergärten flattern in der Rennsaison die roten Fahnen mit dem schwarzen Pferd auf gelbem Grund. Was hat Ferrari, was die anderen Unternehmen – die auch schnelle und schöne Wagen herstellen – einfach nicht haben? Wie gelang es, aus den Autos, die in der kleinen Fabrik in Maranello gebaut werden, wahre Kunstwerke des Automobilbaus, den Inbegriff von Leistung und Leidenschaft zu schaffen? Schon zu Enzo Ferraris Zeiten gründete der Ruhm der Firma, vor allem aber ihr finanzielles Überleben, auf den »für die Straße« produzierten Sportwagen, die die kleine, hoch qualifizierte Mannschaft in Maranello für die Reichen und Berühmten in aller Welt gefertigt hat. Mit ihnen sollte das Geld für den Rennsport verdient werden. Diese Fahrzeuge aus der Fabrik nahe Modena sind auch heute hoch begehrte Preziosen des Luxusautomobilmarktes.
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Kein anderer Rennstall im Formel-1-Zirkus war in den vergangenen Jahren so erfolgreich wie die Scuderia Ferrari. Das Unternehmen mit dem steigenden Pferd im Emblem hat alles kassiert, was sich in der Königsklasse des Autosports gewinnen ließ. Die Souveränität und Kontinuität, mit der Ferraris Formel-1-Piloten einen Sieg nach dem anderen für die Rennwagenbauer aus Maranello einfuhren, hatte die Teams der Konkurrenten fast zu Statisten degradiert. Selbst erfolgreiche Automobilkonzerne wie BMW und DaimlerChrysler konnten die Siegesserie der »Roten« lange nicht brechen. Immer wieder fuhren ihre Teams den roten Stars der Asphaltpisten, Michael Schumacher und Rubens Barrichello, hinterher. Lange Zeit versuchten die Renndirektoren der Wettbewerber, den Erfolg der Ferraris mit der überragenden Begabung des Formel-1-Superstars Michael Schumacher zu erklären, der emotionslos und präzise jede Strecke zu meistern schien und seinen Boliden als Erster über die Zielgerade brachte. Fünfzehn teils schwere Unfälle hat »Schumi«, wie ihn seine Fans bewundernd nennen, in seinem Rennfahrerleben überstanden – ohne erkennbare Blessuren davonzutragen. Seit aber Rubens Barrichello, Ferraris zweiter Formel-1-Fahrer, zweimal auch den Titel des Vizeweltmeisters errang, lässt sich die Erfolgsserie nicht mehr mit dem überragenden Talent von Michael Schumacher allein erklären. Irgendetwas muss die Scuderia Ferrari anders gemacht haben als die anderen Mannschaften. Dies ist eine Frage, die längst nicht nur die Automobilmanager umtreibt, sondern auch in anderen Konzernen von größtem Interesse ist. Wie gelang dem Ferrari-Management das Kunststück, aus einer Truppe von hochsensiblen Spezialisten und überbezahlten Chaoten ein Team zu schmieden? Wie schafften sie es, ihre Mannschaft immer wieder aufs Neue zu motivieren? Nach jeder erfolgreichen Saison Leistung und Leidenschaft der Techniker, Ingenieure und Fahrer pünktlich zum Beginn des neuen Rennjahres neu zu entfachen?
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Einleitung
Der Erfolg der vergangenen Jahre hat auch altgediente Ferraristi überrascht, denn sie erinnern sich noch an die mageren Jahren der Scuderia, als die roten Flitzer bestenfalls im Mittelfeld die Zielgerade passierten, wenn sie nicht wegen technischer Mängel vorher die Rennstrecke verlassen mussten. Das waren die Zeiten, als die Scuderia nur noch vom Mythos der Vergangenheit zehrte. Von dem im Rückblick verklärten Erfolg des Gründers Enzo Ferrari, der zu den großen Pionieren im Automobilbau zählt. Denn ihm war es gelungen, seinen Rennstall durch alle Krisen immer wieder auf Siegeskurs zu führen und eine Marke zu schaffen, die selbst ein Vierteljahrhundert nach dem Tod des Patrons trotz zahlreicher Niederlagen und Misserfolge nichts von ihrem strahlenden Image verloren hat. Doch Siege auf den Rennstrecken und die Erträge aus der Amateursparte reichten schon zu Enzo Ferraris Zeiten nicht: Ohne die Hilfe eines mächtigen Partners, des Autokonzerns Fiat, wäre die Scuderia wie viele ehemalige Konkurrenten längst nur noch ein Kapitel in der Rennsporthistorie. Der Wechsel des Familienunternehmens in den Großkonzern Fiat hat den Rennstall nicht nur vor der drohenden Pleite und dem Untergang gerettet, sondern ihm nach Jahren der Mittelmäßigkeit auch einen neuen, modernen Patron beschert, der den Vergleich mit Enzo Ferrari, was Leidenschaft für den Rennsport und Führungsstärke angeht, nicht scheuen muss. Luca di Montezemolo, der in seiner Jugend für kurze Zeit noch unter Ferrari gearbeitet hatte, gelang das Kunststück, den Geist des Alten zu pflegen und dennoch neue Erfolge zu erzielen: diesmal auf der Rennstrecke und im Unternehmen. Auch die Erwartungen der modernen Mediengesellschaft haben neue Maßstäbe gesetzt. Aus dem einst exklusiven Zeitvertreib ehrgeiziger junger Männer ist im vergangenen Jahrhundert ein globaler Rennzirkus, ein Milliardengeschäft der internationalen Markenkonzerne und TV-Anstalten geworden. DaimlerChrysler, BMW, Ford, Renault, Toyota und Ferrari schicken ihre
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Hígh-Tech-Flitzer auf die Asphaltpisten – und ein Millionenpublikum in aller Welt schaut zu. Bernie Ecclestone ist der Intendant dieser Wandershow. Seine Hauptaufgabe ist es, das Publikum bei Laune, die Spieler, die Automobilkonzerne und Motorsportler an der langen Leine und die Sponsoren in Spendierlaune zu halten. Dieser profitable Dreisprung drohte in den vergangenen Jahren aus dem Gleichgewicht zu geraten. Der Dauersieger Schumacher im Ferrari begann Langeweile im Publikum zu verbreiten. Die Autokonzerne muckten gegen das Diktat des grand old man auf. Deshalb wurden die Regeln des multimedialen Monopolys geändert und die Teams zu einer Änderung ihrer Strategie gezwungen. Die neuen Regeln verlangen vor allem von Ferrari, dessen Stärke auf ausgedehnten Testprogrammen und unlimitiertem Verschleiß von Motoren, Reifen und Material beruht, rigoroses Umdenken. Nicht nur Geschwindigkeit ist im Rennzyklus 2005 gefragt, sondern Dauerleistung – ein Kriterium, das bei Ferrari eine große Rolle spielt, wenn es um die Disziplinierung von Mitarbeitern geht, nicht aber um die Wiederverwendung von Motoren und Material. Die Analyse von Ferrari wird auch Erkenntnisse liefern, die für Spitzenmanager anderer Unternehmen von großem Interesse sein können: Wie können Tradition und Innovation eine Symbiose eingehen und als überzeugende Führungsinstrumente die Mitarbeiter zu Hochleistungen motivieren? Dabei geht es auch darum, wie aus einer internationalen Truppe von Spezialisten ein eingeschworenes Team geformt werden kann. Denn von allen Branchen hat der Motorsport die längste Erfahrung mit multinationalen Mannschaften. Ferrari – das ist ein Marketing-Miracle, die Kreation einer weltweit anerkannten Marke, wie es nur wenige gibt und die seit mehr als einem halben Jahrhundert die Phantasie vieler Menschen beflügelt. Es ist vor allem aber ein Fallbeispiel für die erfolgreiche Transformation eines autokratisch geführten Familienunternehmens in ein modernes Unternehmen, das mit einer Mischung aus
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Leidenschaft und zeitgemäßen Managementmethoden auf Erfolgskurs gehalten wird – und sich vom Leistungsdruck im Formel-1-Zirkus immer wieder emanzipieren konnte.
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Gründerzeit und Auf bruch Wie Enzo Ferrari eine Legende schuf
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Es war ein bitterkalter Wintertag, Schneestürme fegten über die Emilia-Romagna, wo so ziemlich alles wächst und gedeiht, was Italien zum Leben braucht. An jenem 18. Februar des Jahres 1898 war von der Lieblichkeit der Gegend wenig zu spüren. Die Straßen waren unpassierbar, die kleinen Dörfer menschenleer. Das Leben schien stillzustehen. Selbst dringende Besorgungen mussten aufgeschoben werden, denn niemand traute sich, die schützende Behausung zu verlassen. Auch Alfredo Ferrari wagte nicht, nach Modena zu reisen. Dabei hatte der Werkstattbesitzer eine durchaus erfreuliche Nachricht den Behörden zu vermelden: die Geburt seines Sohnes Enzo Anselmo, der an diesem Tag das Licht der Welt erblickt hatte. Erst zwei Tage später machte sich Alfredo auf den Weg zum Amt, um seinen Sohn anzumelden. Damit war bereits die erste Besonderheit im Leben des kleinen Enzo eingetreten: Er hatte zwei Geburtstage: das Datum, an dem er geboren worden war, und den 20. Februar, den der Standesbeamte als Geburtsdatum des Säuglings notierte, weil nach dem damals geltenden Recht erst der Tag der Anmeldung im Standesamt die Existenz eines neuen Bürgers begründete. Die ersten Jahre des jungen Ferrari verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Der Vater betrieb eine Schlosser- und Schmiedewerkstatt. Die Familie lebte in durchaus komfortablen Verhältnissen in dieser eher ländlichen Gegend am Rande Modenas. Sie bewohnten ein kleines Haus, dem die kleine Fabrik des Familien-
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oberhauptes angegliedert war. Nach der Jahrhundertwende besaßen sie sogar ein eigenes Auto. In dieser Umgebung zeigte Enzo schon früh mehr Interesse an Kurbelwellen als an Kühen. Der Höhepunkt seiner Kindheit und das Schlüsselerlebnis, das sein künftiges Leben bestimmen sollte, war der Besuch eines Autorennens, des Circuito di Bologna. 1908 nahm Vater Alfredo ihn mit zu dem Ereignis in der Provinzhauptstadt. Damals war der Automobilsport noch eine sehr junge Sportart. Am 22. Juli 1894 war das erste offizielle Rennen in Frankreich ausgetragen worden – eine Wettfahrt über Fernstraßen, die oft nicht besser waren als Schotterwege. An der ersten, als Vorläuferin des heutigen Rennzirkus der Formel 1 gewerteten Rallye Paris–Rouen nahmen 21 Fahrzeuge teil, die im 30-Sekunden-Takt auf die 126 Kilometer lange Strecke geschickt wurden. Um die Jahrhundertwende gewann der Automobilsport schnell an Popularität, und immer neue »Große Preise« in den Metropolen und Provinzhauptstädten Europas und der USA wurden veranstaltet. Erst nach einer Reihe von schweren Unfällen wurden die Rennen von den öffentlichen Straßen auf Pisten, die nur für den Automobilsport angelegt worden waren, verlagert. Das Erlebnis in Bologna ließ den jungen Enzo nicht mehr los. Er war fasziniert von den Fahrzeugen, die von tollkühnen Fahrern über die Straßen der Stadt gejagt wurden. Er hatte seine Leidenschaft für Automobile entdeckt und sich in den Kopf gesetzt, dass er eines Tages selbst eines dieser Gefährte über die Rennpisten steuern würde.
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Auf wärmtraining
Vater Alfredo Ferrari nahm die anhaltende Begeisterung seines jüngeren Sohnes ernst und förderte sie nach Kräften. Trotz Ausbruchs des Ersten Weltkrieges schickte er ihn zum Istituto Tecnico nach Modena. Die Ingenieursausbildung sollte Enzo später den Einstieg in die Automobilindustrie erleichtern. Doch bereits 1915 musste der Schüler das Institut wieder verlassen und sein Studium abbrechen – sein Vater und sein älterer Bruder waren gestorben. Enzo Ferrari gelang es, eine Stelle als Ausbilder für die Feuerwehr in Bologna zu erlangen. Nun unterrichtete er angehende Feuerwehrleute und bereitete sie auf ihre neuen Aufgaben vor. Im Jahr 1917, mit 19 Jahren, wurde Enzo Ferrari zum Kriegsdienst an der Front eingezogen. Wegen seiner Erfahrungen als Hufschmied, die er in der Werkstatt seines Vaters gesammelt hatte, wurde Ferrari nicht in den Kampf geschickt, sondern hinter der Front eingesetzt. Er war für die Hufeisen der Maultiere zuständig, die die Kanonen der Artillerie zogen. 1918 wurde er als unheilbar an der Spanischen Grippe erkrankt entlassen. Enzo aber überlebte die heimtückische Krankheit, der in Europa Hunderttausende zum Opfer fielen. Nach seiner Genesung gab ihm sein früherer Arbeitgeber, der Chef der Bologneser Feuerwehrbrigade, ein Empfehlungsschreiben für einen Bekannten mit, der beim italienischen Automobilkonzern Fiat arbeitete. Ferrari machte sich große Hoffnungen auf eine Anstellung in Fiats Rennsportabteilung. Doch seine Bewer-
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bung wurde abgelehnt, weil er keine abgeschlossene Ausbildung als Techniker und Ingenieur vorweisen konnte. Enttäuscht nahm er einen Job als Prüfer und Kontrolleur bei einem Chassisbauer in Turin an. Auch das war kein Weg, der ihn seinem Ziel, Rennfahrer zu werden, näher brachte. Frustriert und desillusioniert kehrte er nach Hause zurück. Doch es dauerte nicht lange, bis Enzo Ferrari die große Enttäuschung überwunden hatte und sich wieder auf Arbeitssuche, nunmehr in Bologna, begab. Diesmal hatte er mehr Glück: Er bekam einen Job in der Werkstatt Giovannoni, die sich aufs Ausschlachten von Gebrauchtwagen, speziell Kleintransportern, spezialisiert hatte. Die Chassis dieser Kraftfahrzeuge wurden dann nach Mailand weiterverkauft und wieder im Fahrzeugbau verwendet. Interesse an diesen Autoskeletten hatten neben anderen auch Motorsportler, die die Plattformen als Basis für Rennwagen nutzten. Zu Ferraris Aufgaben gehörte es, die ausgebauten Chassis nach Mailand zu transportieren. Eine Pflicht, die er nur zu gerne übernahm, brachte sie ihn doch seinen Idolen, den Rennfahrern, näher. Zu Giovannonis Kunden zählte auch Ugo Sivocci, dem der junge Mann mit seinen ehrgeizigen Ambitionen auffiel. Sivocci beschaffte Ferrari einen Job in Mailand, und der ergriff die neue Chance sofort. Für eine kurze Zeit montierte Ferrari Isotta-Fras chini-Motoren auf gebrauchte Chassis. Dann wurden Sivocci und Ferrari zusammen von dem Sportwagenbauer SA Costruzioni Meccaniche Nazionali angeheuert. Hier konnte Ferrari endlich erste Erfahrungen als Rennfahrer sammeln. Sein Debüt gab der Neuling in dieser Disziplin am 5. Oktober 1919 bei dem Bergrennen Parma–Poggio di Berceto. Am Steuer eines CMN-Wagens mit Isotta-Fraschini-Motor schaffte er den 5. Platz in seiner Klasse und den 12. Rang unter allen gestarteten Fahrzeugen – kein berauschendes Ergebnis. Ferrari begriff, dass er sich noch sehr viel besser vorbereiten müsste, wenn er ganz vorne mitfahren wollte. Ein Jahr später wechselte erst er und kurze Zeit später auch Sivocci ins Rennteam
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von Alfa Romeo. Dort passierte er 1920 bei der Targa Florio auf Sizilien als Zweiter die Ziellinie der 148,8 Kilometer langen Strecke. 1923 gewann er das Rennen auf dem Circuito di Sivocci in Ravenna. Den größten Coup landete er 1924 bei der Fahrt zum Coppa Acerbo in Pescara. In seinen Memoiren schilderte er das Rennen: »Von allen Wettbewerben, an denen ich in jener Zeit teilnahm, erinnere ich mich mit einer gewissen Genugtuung an meinen Sieg in Pescara 1924, in einem Alfa Romeo R.L. Mit diesem Wagen hatte ich bereits in Ravenna den Savio-Kurs gewonnen und in Rovigo die Rennstrecke von Polesine, aber im Wettbewerb um den Acerbo-Pokal habe ich meinen Ruhm als Rennfahrer begründet. Tatsächlich konnte ich Mercedes schlagen, die gerade erst die Targa Florio gewonnen hatten. Dem Alfa-Team gehörte auch der damalige Star Campari an, der einen P2 fuhr, aber unglücklicherweise aufgeben musste. Es war vereinbart worden, dass ich Campari vorbeifahren lassen sollte, wenn er hinter mir auftaucht. Von der ersten Runde an habe ich immer wieder in den Rückspiegel geschaut und darauf gewartet, dass Campari aufholt. Doch er kam nicht. Das machte mich zwar nervös, denn Camparis Auto war schneller als meines und außerdem waren da ja noch die Mercedes-Fahrer im Rennen. Deshalb gab ich Gas. Denn mir war auch klar geworden, dass ich einen sehr guten Start gehabt hatte und vorn lag. Ich fuhr also mit voller Kraft weiter und gewann. Im Ziel erzählte mir Campari dann, wie er das Rennen verbracht hatte. Nachdem er wegen einer defekten Kupplung hatte aufgeben müssen, hatte er sich in einer Seitenstraße versteckt, damit seine Gegner nicht zu früh bemerken, dass er ausgefallen war.« Nach weiteren Siegen wurde er zum Werksfahrer befördert. Das bedeutete, dass er nicht mehr die gebrauchten Rennwagen fahren musste, sondern in den neuesten Modellen die großen Wettbewerbe bestreiten durfte. Bei der Vorbereitung für den europäischen Grand Prix in Lyon 1924 stieg Enzo Ferrari jedoch nach einigen Trainingsrunden zur
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Verwunderung von Mitstreitern und Rivalen aus seinem Sportwagen und kündigte an, künftig keine großen Rennen mehr fahren zu wollen. Seine Teamkollegen waren überrascht, dass er seine erfolgversprechende Karriere so leichtfertig aufgab. Hatte Ferrari plötzlich Angst vor seiner eigenen Courage bekommen, oder wollte er mit seinem plötzlichen Sinneswandel seiner Frau einen Liebesdienst erweisen? Die Tänzerin Laura Garello, die Ferrari 1923 geheiratet hatte, sah es in der Tat gar nicht gerne, wenn Ferrari Rennen fuhr und sein Leben riskierte. Deshalb hatte sie ihn bedrängt, den gefährlichen Motorsport aufzugeben.
Der lange Weg vom Mechaniker zum Unternehmer Doch auch nach dem spontanen Abschied vom Rennsport konnte Ferrari als Testingenieur im Alfa-Team bleiben. Die zweite Chance verdankte Ferrari seiner Begabung für technische Errungenschaften und seinen Fähigkeiten als Mechaniker. Trotz des überraschenden Erfolges seiner jungen Motorsportkarriere hatte Ferrari nicht nur auf seine Fähigkeiten als Fahrer gesetzt, sondern gleichzeitig seine Kenntnisse als Techniker und Ingenieur vertieft. Nun wurde er der Spezialist für komplizierte Probleme im Rennteam. Doch das war nicht seine einzige Einkommensquelle: Er war auch der zuständige Händler für Alfa-Romeo-Fahrzeuge in Modena. Drei Jahre später kehrte Ferrari noch einmal auf die Piste zurück. 1927 saß er wieder als Fahrer in einem Rennwagen. Diesmal fuhr er auf eigene Rechnung. Es gelang ihm, mit Überraschungssiegen in Alessandria und Modena aufzufallen. Doch das blieb ein kurzes Intermezzo. Am 16. November 1929 gründete Enzo Ferrari zusammen mit den Rennfahrern Graf Carlo Felice Trossi und Mario Tadini die Società Anonima Scuderia Ferrari. Kurz: die Scuderia Ferrari S.p.A. mit Sitz in der Viale Trentino e Trieste in Modena. Un-
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terstützt wurde er bei seinem Start in die Selbstständigkeit von den reichen Erben eines Textilunternehmens aus Ferrara: Augusto und Alfredo Caniato. Die beiden Brüder waren Amateurfahrer und wichtige Kunden von Alfa Romeo. Als sich der Automobilkonzern 1925 vorübergehend aus dem Renngeschäft zurückzog, wurde Ferrari beauftragt, sich um die wohlhabenden und vom Motorsport faszinierten Brüder aus Ferrara zu kümmern. Vor allem sollte er dafür sorgen, dass die Caniatos jeden Service erhielten, den sie für ihr kostspieliges Hobby brauchten: den Transport der Fahrzeuge an die Piste, technische Wartung und jede andere Dienstleistung, die sie wünschten. Ferrari nutzte die Gelegenheit und schlug Alfa einen Deal vor: Seine Firma erbrachte diese Leistungen, und Alfa beteiligte sich an seinem Unternehmen. Ähnliche Vereinbarungen schloss er mit Bosch, Shell und Pirelli. Auf diese Weise konnte er sich die Lieferung von Zündkerzen, Öl, Sprit und Zubehör zu Vorzugspreisen sichern. Der Jungunternehmer begann Rennautos nach eigenen Plänen zu entwickeln. Zum Emblem seiner Firma wählte er ein schwarzes springendes Pferd auf gelbem Grund. Um dieses Firmenwappen entspann sich schnell eine Legende. Das Cavallino rampante schmückte im Ersten Weltkrieg das Kampfflugzeug von Francesco Baracca, einem jungen adeligen Piloten, der zum Kriegshelden aufgestiegen war, weil er während des Krieges 34 gegnerische Flugzeuge abgeschossen hatte. Kurz vor Kriegsende wurde seine Maschine getroffen und er stürzte ab. Seinen Vater, den Grafen Baracca, traf Ferrari häufig bei Autorennen. Und 1923 – so hat Enzo Ferrari immer gern erzählt – habe ihn dann die Gräfin Paolina Baracca bedrängt, mit dem Emblem, das einst die Flugzeuge ihres Sohnes zierten – ein schwarzes springendes Pferd – seine Rennwagen zu schmücken: »Das bringt Ihnen Glück.« Ferrari wählte als Hintergrund für das schwarze Pferd das Gelb der Wappenfarbe von Modena und platzierte die italienischen Landesfarben in einem Balken darüber.
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Mit 31 Jahren war Enzo Ferrari vom Angestellten zum Scheinselbstständigen aufgestiegen. Er arbeitete auf eigene Rechnung, war aber abhängig von seinem alten Arbeitgeber. Sein junger Rennstall hatte das Motorsportprogramm von Alfa Romeo übernommen, aber das Personal, vor allem die Rennfahrer, durfte Ferrari nach eigenem Ermessen einstellen. Dabei zeigte sich, dass Enzo Ferrari nicht nur ein gewiefter Geschäftsmann war, sondern auch ein überaus geschickter Unternehmensführer, der es verstand, renommierte Fachleute für seine Projekte zu gewinnen. Schon im ersten Jahr seiner Unternehmertätigkeit hatte Ferrari 50 Motorsportler unter Vertrag – darunter auch die Stars dieser Disziplin. Er konnte Giuseppe Campari gewinnen – und Tazio Nuvolari. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Schon im ersten Jahr nahm die Scuderia an 22 Veranstaltungen teil und errang acht Siege und mehrere gute Platzierungen. Großen Anteil an dem beeindruckenden Start des Unternehmens hatte sicher Nuvolari. Auch im Rückblick war das Engagement des sechs Jahre älteren Rennsportlers Ferraris größter Coup. Nuvolari, der in Casteldario bei Mantua geboren worden war, hatte seine Karriere als Autohändler begonnen und die Liebe zum Rennsport bei Motorradrennen entdeckt, an denen er nach dem Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte. Zusammen mit dem italienischen Rennfahrer Achille Varzi hatte Nuvolari zunächst einen eigenen Rennstall gegründet. In diesem Unternehmen brachte Varzi vor allem das Kapital und Nuvolari das Können ein. Letzterer siegte mit Bu gatti-Sportwagen in zahlreichen Rennen. Was ihm keineswegs das Lob seines Geschäftskollegen eintrug, sondern zu einer schweren Belastung für die Partnerschaft wurde. Der für seine Exzentrik ebenso wie für seinen Reichtum bekannte Varzi neidete Nuvolari seine Erfolge und die Popularität. Die Stimmung wurde frostig. Schließlich trennten sich die beiden Gründer, und Nuvolari begann als Profifahrer für andere Rennställe zu arbeiten – dazu gehörte für einige Jahre auch Ferrari. Wegen seines draufgängerischen Fahrstils, seiner Tollkühnheit wurde er von seinen Fans »der fliegende
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Mantuaner« genannt. Und diesem Spitznamen machte er alle Ehre. Wenn Nuvolari am Steuer eines Sportwagens saß, ging es um alles oder nichts. Kein Rennfahrer hatte in jenen Jahren so viele Unfälle mit zum Teil schweren Verletzungen wie der kleine Mann aus Mantua, der die aerodynamisch wenig ausgefeilten Sportwagen am liebsten im Powerslide mit Vollgas durch die Kurven der Pisten jagte. Enzo Ferrari bewunderte Nuvolaris Mut, konnte aber nur schwer akzeptieren, dass jemand besser war als er – und ihm seine Überlegenheit auch zeigte. Ferraris gekränkte Eitelkeit wurde bald zur Belastung für das Arbeitsverhältnis, obwohl die beiden passionierten Autonarren einander nach außen mit Respekt begegneten. Zu Beginn seiner Unternehmerkarriere fuhr auch Ferrari noch einige Rennen mit. Bei einem dieser Rennen im Jahr 1931 kam es zu einer Art Showdown zwischen dem Chef und seinem besten Piloten. Nuvolari siegte um Haaresbreite vor Ferrari. Ferrari konnte die Schmach seiner Niederlage nur schwer verwinden. Er kündigte wieder einmal den Abschied vom aktiven
Von links: Baconin Borzacchini, Enzo Ferrari, Tazio Nuvolari und ein Mechaniker vor einem Alfa Romeo 8C »Monza«
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Rennsport an. Allerdings bot ihm diesmal die Geburt seines Sohnes Alfredo (Dino) im Januar 1932 einen sehr glaubwürdigen Vorwand, sich aus dem Motorsport zurückzuziehen und das Cockpit der Sportwagen künftig Nuvolari und anderen Profifahrern zu überlassen. Nuvolari, der eher schmächtige Motorsportler mit einer Körpergröße von nur 1,60 Meter, war längst zum Star und zum Helden auf den Rennpisten in ganz Europa geworden. Schon nach wenigen Siegen boten seine Sparsamkeit, sein trockener Humor und sein Wagemut, den er am Steuer der kleinen Flitzer zeigte, Stoff für Legenden. So mokierte er sich einst über Enzo Ferraris Großzügigkeit, ihm für die Teilnahme bei der Targa Florio im Jahr 1932 ein Bahnticket auch für die Rückfahrt nach Modena gekauft zu haben. Nuvolari hielt das für eine Verschwendung: »Wenn man bei einem Rennen antritt, rechnet man auch damit, in einer Holzkiste zurückzukehren.« Natürlich gewann er das Rennen und brauchte die Rückfahrkarte doch. Im Jahr 1933 trat die erste Krise auf. Bis dahin waren die Geschäfte für die Scuderia gut gelaufen – dank Ferraris umsichtiger Kooperations- und Partnerschaftsstrategie. Doch nun drohte ihm der Hauptsponsor Alfa Romeo wegzulaufen. Die Mailänder steckten in einer finanziellen Klemme und wollten sich völlig aus dem Rennsport zurückziehen. Damit hätte Ferrari zwar endlich das alleinige Verfügungsrecht über sein Unternehmen gehabt, aber auch keine Rennwagen mehr für den Einsatz in den Wettbewerben bekommen. Er hätte seinen Betrieb schließen müssen, denn auch die Fahrer hätten ihn verlassen. Schließlich rettete ihn die Reifenfirma Pirelli. Sie intervenierten bei der Alfa-Romeo-Direktion zugunsten Ferraris und erreichten, dass die Scuderia sechs neue Rennwagen des Typs P3 erhielt. Außerdem sollten der Fahrzeugentwickler Luigi Bazzi sowie der Testfahrer Attilio Marinoni künftig für Ferrari arbeiten. In aktuellem Managementjargon hieße das: Alfa Romeo hatte seine Rennabteilung outsourced. Für Ferrari hätte dieses Arrangement den Durchbruch bringen
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können – er verfügte nun über die nötige Manpower und das Material, um die Scuderia zur erfolgreichsten internationalen Rennfirma ausbauen zu können. Doch im internationalen Motorsport gaben jetzt andere das Tempo vor. Die deutschen Automobilhersteller hatten in jenen Jahren eindeutig die Nase vorn. Die Flitzer der Auto Union und die Silberpfeile von Mercedes-Benz waren der italienischen Konkurrenz technisch weit überlegen. Unterstützt von Hitlers Naziregime, das einen Sieg in den internationalen Autorennen als nationales Propagandaereignis feierte, hatten die deutschen Automobilbauer ausreichend Kapital zur Verfügung für Investitionen in ihre Rennabteilungen. Das Naziregime subventionierte die deutschen Teams mit mehreren Hunderttausend Mark. Die italienischen und französischen Rennabteilungen, die bisher die Rennen dominiert hatten, fielen immer weiter zurück: Ihre Fahrzeuge konnten mit der deutschen Automobiltechnik und dem hohen Materialeinsatz nicht mehr mithalten. Nur in kritischen Situationen konnten die Champions der italienischen Scuderia ihre Stärke ausspielen. So hatte Ferraris Spitzenfahrer Tazio Nuvolari einen seiner spektakulärsten Auftritte 1935 auf dem Nürburgring beim »Großen Preis von Deutschland«. Bei strömendem Regen gewann er das Rennen, obwohl er mit einem deutlich schwächer motorisierten Fahrzeug gegen die Silberpfeile von Mercedes-Benz antrat. Manfred von Brauchitsch, der letzte deutsche Konkurrent, der noch im Rennen geblieben war, hatte die Reifen seines Mercedes-Rennwagens so abgefahren, dass sie in der letzten Runde platzten, und musste – den Sieg zum Greifen nahe – aufgeben. Nuvolari fuhr als Erster über die Ziellinie. Die Siegerehrung an jenem denkwürdigen Tag bot Stoff für Anekdoten. Den Veranstaltern, die fest mit der Überlegenheit der deutschen Teilnehmer gerechnet hatten, fehlte die Schallplatte mit der italienischen Nationalhymne. Auch da konnte Nuvolari aushelfen: Vorsichtshalber hatte er immer eine Platte mit der Hymne in seinem Gepäck. Trotz der Erfolge Nuvolaris blieb das Verhältnis zwischen dem
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Rennfahrer und seinem Chef gespannt. Hinzu kam, dass der Motorsportler zunehmend unzufriedener mit dem Material wurde, das ihm Ferrari zur Verfügung stellte. So wundert es wenig, dass er seine Zusammenarbeit mit Ferrari und Alfa Romeo aufkündigte, als er 1938 mit einem neuen Alfa Romeo, dem Tipo 308, beim Training in Südfrankreich wieder einen schweren Unfall erlitten hatte. Bei dem schlecht konstruierten Wagen war die Benzinleitung defekt, und das Fahrzeug hatte Feuer gefangen. Nuvolari sprang in Panik aus dem Fahrzeug, kurz bevor der Wagen explodierte und ausbrannte. Nuvolari überlebte das Desaster wie durch ein Wunder mit einigen leichten Verbrennungen und Prellungen. Daraufhin schwor er sich, nie wieder einen Alfa in einem Rennen zu steuern – und unterschrieb einen Vertrag mit der deutschen Auto Union. Dort war ein Platz frei geworden, nachdem der damalige Spitzenfahrer Bernd Rosemeyer tödlich verunglückt war.
Rückschlag und Neuanfang Schon 1937 hatte Italiens Diktator Benito Mussolini die italienische Autoindustrie aufgefordert, für die einheimischen Rennfahrer bessere Wagen zu konstruieren, damit sie bei den internationalen Wettbewerben nicht länger ihrer deutschen Konkurrenz hinterherfahren müssten. Vor allem bei Alfa Romeo wurden die notwendigen Konsequenzen gezogen, um den Wunsch des Duce umzusetzen. Die Unternehmensleitung beschloss, die Motorsport abteilung wieder in den Konzern zu integrieren. Als Ferrari 1937 seine Pläne für einen neuen konkurrenzfähigen Rennwagen präsentierte, wurde ihm die neue Strategie eröffnet. Am 1. Januar 1938 verkündete die Unternehmensleitung, dass Alfa Romeo wieder selbst ins Renngeschäft einsteigen werde und künftig Wagen mit eigenem »Alfa-Corse«-Emblem auf die Piste
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schicken wollte. Enzo Ferrari, der bisher als Outsourcing-Partner die Motorsportaktivitäten des Konzerns übernommen und weiterentwickelt hatte, wurde quasi enteignet. Er musste die Rennwagen, die Entwicklungen und Pläne für die nächste Generation von Fahrzeugen an den Konzern abtreten. Seine Träume vom selbstständigen Unternehmertum zerplatzten, er hatte nun die Wahl, mittellos auf der Straße zu stehen oder die Leitung der Rennabteilung des Automobilkonzerns zu übernehmen. Er entschied sich für Alfa Romeo. Der Leiter der Entwicklungsabteilung des Konzerns, der Spanier Wilfredo Ricart, wurde sein Chef. Doch glücklich wurde Ferrari nicht mit seinem neuen Job. Es fiel ihm schwer, sich in die Hierarchie einzuordnen. Konflikte mit dem Alfa-Romeo-Direktor Ugo Gobbato und seinem direkten Vorgesetzten waren programmiert. Den Entwicklungsingenieur Ricart konnte Ferrari nicht leiden. Aus seinen Ressentiments machte der Ex-Unternehmer keinen Hehl. Er lästerte über den »Spanier«, er habe schmieriges langes Haar und könne einem nicht einmal anständig die Hand geben. Sein Händedruck sei so schwach, dass man das Gefühl habe, man halte ein Stück leblosen Fleisches in den Fingern. Die Trennung, die 1939 vollzogen wurde, war alles andere als angenehm. Zusammen mit seinen zwei engsten Kollegen Luigi Bazzi und Alberto Massimino verließ er die Firma. Alfa Romeo versuchte zwar nicht, die Truppe zu halten, diktierte aber Ferrari einen Aufhebungsvertrag mit umfangreichem Konkurrenzverbot. Demnach war es ihm vier Jahre lang nicht gestattet, unter seinem Namen Rennwagen zu bauen oder an Autorennen teilzunehmen. Doch zurück im freien Unternehmertum, ließ er sich nicht aufhalten. Endlich hatte er sich völlig von der Firma getrennt, die lange Jahre sein Einkommen gesichert, aber auch so lange sein Leben bestimmt hatte. Jetzt war er endlich sein eigener Herr. In Modena gründete er umgehend ein neues Unternehmen. In Maranello eröffnete er eine kleine Fabrik, die während des Krieges
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Werkzeugmaschinen herstellte. Unter dem Firmennamen »Auto Avio Costruzioni« baute er noch zwei Sportwagen, die er 1940 in der Mille Miglia, dem berühmten italienischen Straßenrennen, an den Start schickte. Es war die letzte Veranstaltung dieser Art – danach wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges alle Motorsportaktivitäten in Italien eingestellt. 1944 wurde Ferraris kleines Werk ausgebombt. Noch bevor die Fabrik wieder aufgebaut war, hatte Ferrari aber einen weit reichenden Entschluss gefasst. Er wollte seine Rennwagen künftig komplett in eigener Regie bauen: Motor, Getriebe, Chassis und selbst die Karosserie – alles sollte aus Maranello stammen, made by Ferrari. Dieser Entscheidung ist die Scuderia bis heute treu geblieben: Als einziger Rennstall im Formel-1-Geschäft stellt Ferrari alle wesentlichen Teile in eigener Regie her. Auch wenn andere Wettbewerber wie heute McLaren-Mercedes oder BMW-Williams ihre Rennaktivitäten Spezialisten überlassen und nur noch wichtige Elemente wie die Motoren der Rennwagen liefern. Die ehrgeizigen Pläne des Commendatore, wie Enzo Ferrari seit Ende der zwanziger Jahre genannt wurde, erforderten allerdings einen hohen Einsatz von Kapital, über das Ferrari nicht verfügte. Weder als Rennfahrer noch als angestellter Spitzenmanager oder als Unternehmer hatte Ferrari es je verstanden, Geld auf die hohe Kante zu legen. Mit den Autorennen ließen sich keine Reichtümer anhäufen. Bestenfalls kam er gerade so über die Runden, in den meisten Fällen musste er sich Mittel für die Investitionen leihen. Die Rennfahrer, die in seinen Autos an den Start fuhren, mussten die Siegprämie mit ihm teilen – Ferrari bekam 50 Prozent von den Einnahmen. Ferraris dritter Neubeginn im Jahr 1946 fand wieder im Zeichen des springenden Pferdes statt. Nun konnte der Commendatore wieder unter seinem eigenen Namen durchstarten. Der erste Ferrari, der 1947 beim Großen Preis von Monaco an den Start ging, war der Tipo 125, den Gioacchino Colombo, ein langjäh-
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riger Mitarbeiter des Commendatore, entwickelt hatte. Angetrieben wurde das Fahrzeug von einem um 60 Grad gedrehten Zwölfzylinder-Motor, dem ersten dieser Art aus dem Entwicklungsbüro von Colombo und dem Ingenieur Luigi Bazzi. Noch in jenem Jahr konnte Ferrari die ersten Siege verzeichnen: Franco Cortese gewann in dem Spider das Rennen auf dem Caracalla-Ring in Rom. 1949 fuhren die Ferrari-Rennwagen bereits bei den internationalen Rennen in der Spitzengruppe mit. Alberto Ascari erreichte als Erster das Ziel bei den Großen Preisen der Schweiz und Italiens. Sein Teamkollege Luigi »Gigi« Villoresi siegte in den Niederlanden. Diese Erfolge brachten Ferrari wieder internationale Anerkennung, die Genugtuung aber, den Erzrivalen Alfa Romeo bezwingen zu können, musste noch warten.
Großer Preis von Monaco in Monte Carlo 1950: José Froilan Gonzalez im Maserati 4CLT/48, dicht gefolgt von Luigi Villoresi im Ferrari 125.
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Alfa Romeo ging erst 1950 wieder bei den großen internationalen Grand-Prix-Wettbewerben an den Start. Dann allerdings mit einem leistungsfähigeren Motor als Ferrari. Alfas Alfetta konnte 335 PS mobilisieren, der Tipo 125 schaffte nur 300 Pferdestärken. Zwar hatte Ferrari als Erster den Zwölfzylinder-Motor entwickeln und in einen Rennwagen einbauen lassen, doch die Konkurrenz war nicht nur nachgezogen, sondern hatte ihn schon wieder überholt. Wieder einmal hatte Ferrari das Tempo des technischen Fortschritts und die Leistungsfähigkeit seiner Konkurrenten verpasst. Wie einst die deutschen Automobilkonzerne stärkere und leistungsfähigere Boliden entwickelt hatten und damit an die Welt spitze fahren konnten, ohne dass die italienischen Sportwagenbauer mit eigenen Entwicklungen Paroli bieten konnten, so war dem Commendatore nun im eigenen Land ein alter Wettbewerber herangewachsen, dem er sogar noch die wesentlichen Basisentwicklungen für seinen Erfolg geliefert hatte. Die technische Überlegenheit seines ehemaligen Arbeitgebers und größten Konkurrenten führte dazu, dass Ferrari sich zu einem für ihn ungewöhnlichen Schritt entschloss. Obwohl er in seinem 200-Mann-Betrieb am liebsten alles selber machen, entscheiden und bestimmen wollte, übertrug er in der drohenden Krise die technische Leitung seines Rennteams einem jungen Ingenieur. Der damals 32-jährige Aurelio Lampredi sollte dafür sorgen, dass die Ferraris künftig technisch in der Lage waren, die Wettbewerber abzuhängen. Fürs Erste konnte Lampredi die vorhandenen Motoren nur tunen, um sie auf 315 PS zu bringen, langfristig setzte er auf die Entwicklung eines stärkeren Zwölfzylinder-Antriebs, der dann schon 330 PS erreichen sollte, für einen neuen Rennwagen, den Tipo 375. Für die erste Formel-1-Saison 1950 war das zu spät. Die Roten aus Maranello wurden mit dem alten Grand-Prix-Modell schon bei den ersten Rennen von Alfa Romeo so an die Seite gedrängt, dass Ferrari auf eine Teilnahme beim offiziellen Start der neuen
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Königsklasse des Motorsports in Silverstone verzichtete. Die Schmach, bei diesem Rennen vor internationalem Publikum von seinem Erzrivalen in den Schatten gestellt zu werden, wollte sich der Commendatore ersparen. So blieb 1950 das Jubeljahr für Alfa Romeo. Mit vier Fahrern starteten die Mailänder in die Formel-1-Ära und belegten beim ersten Rennen gleich die drei vorderen Plätze. Sieger wurde der populäre Nino Farina, promovierter Ökonom und Neffe des Karosseriebauers Giovanni Battista Farina, der als »Pininfarina« Geschichte im Automobildesign geschrieben hat. Der vierte Mann des Alfa-Corse-Teams, der Argentinier Juan Manuel Fangio, fiel nach einer Kollision mit den Strohballen zur Streckenbegrenzung nach einem Motorschaden aus. Ferrari ließ seine Fahrer erst wieder im Großen Preis der Nationen am 30. Juli in Genf starten. Alberto Ascari fuhr den neuen Zwölfzylinder von Lampredi. Die Strategie schien erfolgreich zu sein, denn Ascari konnte sich an die Alfettas heranpirschen, fiel dann aber mit einem Motorschaden aus. Dass das Rennen lange in der kollektiven Erinnerung der Motorsportgemeinde haften blieb, liegt an dem schweren Unfall, den Ascaris Teamkollege Gigi Villoresi verursachte. Er kam mit dem alten 3,3-Liter-Modell von der Strecke ab und raste in die Zuschauermenge. Während Villoresi mit Kopfverletzungen, Brüchen des Schlüsselbeins und des Oberschenkels vergleichsweise glimpflich davonkam, starben vier Besucher, und 27 wurden schwer verletzt in Krankenhäuser eingeliefert. Am 3. September in Monza kann Ferrari endlich Hoffnung schöpfen, dass sein Tipo 375 den Erzrivalen schlagen könnte. Obwohl auch die Mailänder aufgerüstet haben – ihre Geheimwaffe ist die Alfetta Tipo 159, bringt 370 PS und verbraucht 150 Liter eines Spezialspritgemischs auf 100 Kilometern – gelingt es Ascari im Ferrari 375, den Alfa-Fahrer Farina mit der neuen Alfetta 159 zu überholen. Dann allerdings ereilt ihn ein für viele Jahre immer wieder auftretendes Phänomen: Im entscheidenden Moment gab
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der Ferrari seinen Geist auf – Motorschaden. Ascari gelang es zwar noch, durch einen Fahrzeugwechsel ins Rennen zurückzukehren, doch die Chance auf einen Sieg war vertan. Immerhin schaffte es Ferrari, die legendäre Mille Miglia zu gewinnen, in der Sport- und Tourenwagen an den Start gehen. Erst das Jahr 1951 brachte Enzo Ferrari die lange ersehnte Revanche. Bei dem Grand-Prix-Rennen im englischen Silverstone am 14. Juli konnte sein Team den Rivalen Alfa Romeo in die Schranken weisen: José Froilan Gonzalez, der »Stier der Pampas«, gewann das Rennen im Ferrari 375 F1 vor den als unbesiegbar geltenden Alfettas 159. Als Enzo Ferrari per Telefon über den Erfolg informiert wurde, war er befreit und erleichtert. Aber das reichte ihm nicht. Um seinen Triumph über die Mailänder voll auszukosten, die ihn 1939 so erniedrigt hatten, musste er ihnen ihre Niederlage auf besonders pathetische und boshafte Weise unter die Nase reiben. In einem Telegramm schrieb er, »dass ich für unseren Alfa noch immer die zart-süße erste Liebe eines Jünglings empfinde« und »unter
Alberto Ascari 1954 auf der Rennstrecke von Monza. Im Jahr darauf kommt Ascari auf derselben Strecke beim Training ums Leben.
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die Tränen der Begeisterung mischen sich solche des Schmerzes. Denn an diesem Tag kommt mir die Gewissheit, dass ich meine Ziehmutter umgebracht habe.« Das war etwas voreilig, denn der »Muttermord« fand 1951 doch nicht statt. Die Ferraris siegten zwar noch auf dem Nürburgring und in Monza, aber als am Ende der Saison abgerechnet wurde, stellte noch einmal Alfa Romeo den Weltmeister. Diesmal war es der Argentinier Juan Manuel Fangio, der die meisten Punkte in den Formel-1-Rennen errungen hatte. Doch im Jahr 1952 war dann endlich Ferrari an der Reihe. Die Scuderia war zum ersten Mal in der Formel-1-Geschichte das schnellste Unternehmen. Alberto Ascari wurde Weltmeister und wiederholte den Triumph auch 1953. Drei Jahre später, 1956, siegten die Roten aus Maranello als Partner von Lancia mit Juan Manuel Fangio und 1958 mit Mike Hawthorn. Doch zu dem Zeitpunkt hatte sich Alfa Romeo schon lange aus der Königsklasse des Motorrennsports zurückgezogen.
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A u t o s z u m Tr ä u m e n und Siegen
Schon in den fünfziger Jahren hatte Enzo Ferrari begonnen, ein zweites Standbein für sein Unternehmen aufzubauen. Die Produktion von rasanten Sportwagen für die Straße sollte zur Finanzierung der Rennaktivitäten beitragen. Als Klientel für die Luxusboliden hatte der Unternehmer wohlhabende Autoamateure, Filmstars und gut betuchte Zeitgenossen ins Visier genommen, denen das Vergnügen, im Ferrari über die Pisten und Promenaden zu rauschen, ein Vermögen wert sein würde. Der Aufbau dieser Luxusklasse bereitete zunächst keine Schwierigkeiten. In den ersten vier Jahren wurden die gleichen Modelle, die für die Rennen gefertigt wurden, auch für einzelne Kunden produziert. Das war damals nicht ungewöhnlich, denn viele Motorsportler fuhren ihre Rennwagen auch im normalen Straßenverkehr. So nutzte der Mille-Miglia-Pilot Giovanni Marzotto das Fahrzeug, mit dem er zweimal an dem berühmten Straßenrennen teilgenommen hatte, auch, um morgens zur Arbeit ins Werksgelände in Maranello zu kommen. Die Stückzahlen dieser für den Verkauf hergestellten Serie waren allerdings klein, bisweilen wurde nur ein einziges Exemplar der Supersportwagen montiert. Der Commendatore hatte auch begriffen, dass die Boliden, die er zu Spitzenpreisen versilbern wollte, nicht nur über die leistungsfähigsten Motoren verfügen mussten, sondern dass sie auch optisch für Furore sorgen sollten. Während im Rennsport die Form nur der Funktion folgen musste, ging es bei den Fahrzeugen, die als Traumautos für rei-
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che Privatkunden und Amateure produziert werden sollten, auch darum, ein stimmiges Design zu entwickeln, das neben Power gleichermaßen Prestige symbolisiert.
Von Träumen und Albträumen Deshalb begann Ferrari auch auf die Karosserie seiner Sportwagen zu achten. Auf diesem Gebiet hatte die Scuderia keine Erfahrungen und auch keine Spezialisten. Ferrari suchte die Kooperation mit den besten Designern im Automobilbau. Zu den international renommierten Star-Karosseriebauern zählten schon damals Giovanni Battista »Pinin« Farina und dessen Sohn Sergio. Vater und Sohn waren die Abkömmlinge einer Großfamilie, die von Anfang an beim Automobilbau und beim Motorsport dabei war. Die beiden Brüder Farina hatten 1896 die Wagenbaufirma Stabilimenti Farina gegründet. Der Sohn des älteren Bruders war der Rennfahrer Dr. Giuseppe »Nino« Farina, der 1950 erster Weltmeister in der Formel 1 wurde. Giovanni Battista war der jüngere der beiden Brüder, und wurde auch »Pinin« oder »der Kleine« Farina genannt. 1930 trennte er sich vom älteren Bruder und machte sich mit Carrozzeria Pinin Farina selbstständig. Erst von 1958 an, als sein Sohn Sergio das Unternehmen übernommen hatte, wurde der Firmenname in »Pininfarina« geändert. Der jüngere Bruder wurde der berühmte Karosseriebauer, der die spektakulären Blechkleider für viele Luxuswagen schneiderte – vor allem aber für Ferrari. Diese Zusammenarbeit hatte zumindest in ihren Anfängen einige Hindernisse zu überwinden. Der Patron »Pinin« Farina und Ferrari waren genau genommen Weggefährten. Sie kannten sich seit den zwanziger Jahren, als sie beide noch selbst Rennen fuhren. Zeitgenossen berichteten, dass die beiden Patriarchen, jeder eigensinnig und eitel wie eine Diva, einander stets argwöhnisch beäugt und den Aufstieg des anderen
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Ein Ferrari 166 MM Barchetta von 1950. MM steht für Mille Miglia.
mit Interesse verfolgt hatten. Sich getroffen und miteinander geredet hatten sie allerdings nie – bis zu jenem Tag im Jahr 1951, als sie sich nach langen Vorbereitungen und diplomatischen Winkelzügen schließlich auf neutralem Boden in einem Restaurant in Tortona an einen Tisch setzten. Aus diesem wohlvorbereiteten »Gipfeltreffen« wurde, wie Farina später formulierte, »ein lebenslanger Dialog«. Für Ferrari entsprangen daraus einige der feinsten und elegantesten Roadster und Cabrios. Farina schneiderte beispielsweise die Karosserien für den 375 America, den 250 GT Europa und den 250 GT Lusso. Der Commendatore aus Maranello suchte aber nicht nur die Kooperation mit Farina, sondern auch die mit Vignale, Ghia und Touring – der Creme der italienischen Designerzunft. Die ersten Adressen im internationalen Karosseriebau schufen die Preziosen, die bis heute das Herz jedes Oldtimersammlers und Ferrari-Fans
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höher schlagen lassen. Alfredo Vignale entwarf zusammen mit seinem Chefdesigner Giovanni Michelotti ein Coupé und den berühmten Spider Vignale, ein Cabriolet auf der Basis des 166 MM. Zu den Kunden dieser Vignale-Ferraris gehörten der Filmregisseur Roberto Rossellini und König Leopold III. von Belgien, der sich im Briefwechsel mit Ferrari als wahrer Automobilfachmann erwies. In den Landgasthäusern in der Umgebung von Maranello führten die beiden Automobilexperten ihre Gespräche bei Lasagne und Lambrusco fort, wie Ferrari in seinen Memoiren berichtete. So schrieb er über die Begegnungen mit seinem berühmten Kunden: »König Leopold ist eigentlich ein verhinderter Ingenieur und Techniker, dem man die Bitterkeit anmerken kann, dass er dieser besonderen, natürlichen Neigung nicht hatte folgen können. Ich muss sagen, wenn man ihm auch gerne wahre oder erfundene Unstetigkeit vorwirft, am Volant beweist er großen Mut und Geistesgegenwart.« Auch der Schah von Persien, Reza Pahlevi, ließ sich in Maranello über neue Modelle und die automobile Luxusklasse informieren. Der Monarch kam mit seiner damaligen Ehefrau Kaiserin Soraya, die mit ihrem legeren Outfit die Aufmerksamkeit des Commendatore mehr beanspruchte als ihr Gemahl mit seinem Interesse an Ferraris automobilen Wunderwerken. Zur Stammklientel des Autobauers zählte aber auch Bernhard, Prinz der Niederlande, der als unerschütterlicher Rennfanatiker und Autoliebhaber Ferraris Achtung errang. Prinz Bernhard besuchte die Scuderia ein- bis zweimal pro Jahr. Als er bei einem Staatsbesuch seiner Ehefrau Juliana, Königin der Niederlande vor Entourage und Protokoll nach Maranello geflohen war, blieb es der Königin, die in Genua weilte, vorbehalten, die Abwesenheit ihres Ehemanns zu erklären: Er sei in der Hauptstadt, antwortete sie auf die einschlägigen Fragen. Als einer ihrer Gesprächspartner verwundert zurückfragte: »In Rom?«, klärte ihn die Königin auf: »O nein, sie sind schlecht informiert, für meinen Gemahl ist Maranello die Hauptstadt.« Neben den aristokratischen Aficionados hatte Ferrari natürlich auch viele Freunde im Showbusiness der
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fünfziger und sechziger Jahre. So nannten auch der Schauspieler David Niven und seine italienische Kollegin Anna Magnani einen Ferrari ihr Eigen. Die Vignale-Modelle wurden aber auch von Playboys wie Profirio Rubirosa und später Gunther Sachs gefahren. Zunächst kümmerte sich Ferrari persönlich um seine kapriziöse und kapitalkräftige Kundschaft. Doch im Laufe der Jahre überließ er den Vertrieb der Luxusboliden einschlägigen Händlern wie Luigi Chinetti in New York und Colonel Ronnie Hoare von Maranello Concessionaires in London. Kataloge und Werbekampagnen brauchte er nicht – wer das Geld und das Interesse an den eleganten Fahrzeugen hatte, wusste, an wen er sich wenden musste. Die Erfolge auf den Rennpisten waren das beste Marketing für die Power-Cars. Mit diesen Sportwagen, Coupés und Spiders sorgte Ferrari für Furore bei den Ausdauerrennen wie dem 24-Stunden-Rennen in Le Mans, in Daytona Beach in den USA, dem 100-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring und der Mille Miglia in Italien. Immer wieder gelang es der Scuderia zu siegen oder wenigstens in der Spitze mitzufahren. Produziert wurden die Luxuswagen in kleinsten Serien, vom Spider Vignale gab es beispielsweise nur 60 Fahrzeuge – das war in jenen Jahren für Ferrari fast schon eine Großserie, von manchen Modellen wie dem 410 S Spider und Coupé wurden nur vier Wagen hergestellt, vom Sportrennwagen der Versionen 290 S, 315 S und dem 335 S gab es gerade mal sieben Exemplare, die meistens nur in Rennen eingesetzt wurden. Im Jahr 1948 wurden fünf Fahrzeuge für die Privatkundschaft gebaut, 1949 waren es 21 und 1950 auch nur 26 Fahrzeuge. Erst 1957 überstieg die Jahresfertigung 100 Autos, 113 Boliden wurden in Maranello hergestellt. 1961 stellten fast 500 Mitarbeiter bereits 441 Wagen her sowie zwei Dutzend Fahrzeuge für die Formel 1, die Formel 2 und die Langstreckenrennen. Rund 55 Mitarbeiter kümmerten sich um die Rennsparte. Die Luxusvehikel wurden fast in Handarbeit gefertigt: Rund zwei Wochen dauerte es, bis ein Motor her-
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gestellt war, 2 500 Arbeitsstunden waren notwendig, um einen »Serienwagen« zu montieren, 30 Inspektoren waren allein für die Qualitätskontrolle der Sportwagen zuständig. Für ein Formel-1Fahrzeug wurden bis zu 4 000 Arbeitsstunden kalkuliert. Größere Stückzahlen brachte die Ferrari-Serie 250 in ihrer Version Coupé GT, die Pininfarina entwickelt hatte. Um der Nachfrage standhalten zu können, musste die Firma ihre Fabrik erweitern und Aufträge an Subunternehmer abgeben. Zu den Auserwählten, die einen Ferrari bauen durften, zählte auch die Carrozzeria Boano, die der ehemalige Pininfarina-Mitarbeiter Mario Boano gegründet hatte. Die 80 Wagen, die aus dem kleinen Designstudio mit angeschlossener Fertigung stammten, trugen den Namen »Boano«. Als der Unternehmer zu Fiat wechselte, übernahm sein Schwiegersohn Ezio Ellena die Firma und die Fertigung weiterer 50 Fahrzeuge der Serie. Vorläufer waren die Modelle 250 Europa und 250 GT Europa, die beide von Pininfarina entworfen worden waren und sich vor allem durch ihre Motorisierung unterschieden: Der GT wurde von einem Colombo-Motor angetrieben, bei dem 250 Europa hatte Lampredi das Aggregat entwickelt. Der GT wurde mit seiner Vier-Gang-Synchronschaltung, dem kürzeren Radstand und seiner gut proportionierten Karosserie zum Inbegriff eines Sportwagens in den fünfziger Jahren. Bis 1960 wurden allein bei Pininfarina 350 Fahrzeuge dieses Modells in den verschiedenen Versionen hergestellt – darunter auch das Cabriolet dieses Typs. Eine Variante wurde für den USMarkt entworfen: der 250 California, ein Straßenauto, das auch in Rennen gefahren werden konnte. Im Vergleich zu seinen europäischen Verwandten war der California aggressiver im Fahrverhalten und sparsamer in der Dekoration der Karosserie: Auf eine Stoßstange beispielsweise war verzichtet worden. Später wurde die 250er-Linie auch um eine Berlinetta erweitert, die auch erfolgreich in Autorennen eingesetzt wurde. Der GT 250 SWB (wobei SWB für »Short Wheel Base« steht, was »kurzer Radstand« bedeutet) mit einem weiter reduzierten Abstand zwischen den Ach-
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Der 250 LWB California von 1959 trägt seine Bezeichnung Long Wheel Base (langer Radstand) zu Recht.
sen, der von Pininfarina entwickelt und von Scaglietti konstruiert wurde, sowie der 250 2+2, der Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder bot, sowie der 250 GT Lusso verlängerten die Serie und erhöhten die Stückzahlen, was erforderlich war, damit die Sportwagen in ihren Rennversionen auch den Regeln für die Straßen- und Langzeitwettbewerbe entsprachen. In den zehn Jahren von der Einführung dieses Modells bis zu seinem Ende 1963 wurden mehr als 2 500 Fahrzeuge gebaut. Es war das erfolgreichste Modell in der Geschichte der Scuderia – allerdings verglichen mit anderen Sportwagen wie den Rennern von Porsche keineswegs das zuverlässigste. Bill Davis, damals Herausgeber des US-Magazins Road and Track erwarb in New York bei Ferraris Repräsentanten Luigi Chinetti einen 250 GT/L – in Fachkreisen auch »Berlinetta Lusso« genannt. Von ihm stammt folgender Be-
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richt: »Zunächst ging einmal die Uhr nicht. Aber wer braucht schon eine Uhr in einem Ferrari? Dann brannte der Zigarettenanzünder ständig die Sicherung durch. Die Hupe hing am selben Stromkreis, also ging sie auch nicht mehr. Der Tacho fiel aus. Am Benzineinfüllstutzen war eine Schweißnaht porös. Mit jedem Tanken schwappte Benzin in den Kofferraum.« Darüber hinaus ließ sich das Seitenfenster vom Beifahrersitz nur bis zur Hälfte herunterkurbeln, an der Fahrertür blieb die Scheibe ebenfalls mehrmals stecken. Der Fahrersitz war so eng an der Mittelkonsole eingebaut worden, dass bei jedem Verstellen des Sitzes das kostbare Leder zerschrammt wurde. Und dann »fiel auch noch der Gummi vom Gaspedal ...« Trotz allem hielt Davis das Auto, das er zum Preis von zwei amerikanischen Luxusschlitten erworben hatte, für »das göttlichste Transportmittel, das je zusammengeschraubt wurde«. Eines der beliebtesten Modelle, der GTO, von dem insgesamt 272 Autos gebaut wurden – das letzte Fahrzeug dieses Typ verließ 1986 das Werk – verlangte von seinen Eigentümern ein hohes Maß an Enthusiasmus und Nachsicht. Der Sportwagen, der eine Spitzengeschwindigkeit von über 300 Stundenkilometern erreichen konnte, wenn alles passte, hatte Probleme mit Elektronik und den Turboladern, den Bremsanlagen und der Thermik. Eine Reihe dieser Luxuswagen waren sogar ausgebrannt. Wer seinen GTO etwa eine Nacht im Regen stehen ließ, musste mit einem schweren Motorschaden rechnen, wenn er den Boliden am nächsten Tag startete. Die beiden Turbolader sogen nämlich das im Motorraum angesammelte Regenwasser an und bliesen es fatalerweise in die Brennkammern. Rostschutz gab es ohnehin nicht, auf Regen und feuchtes Klima reagierte die Karosserie des GTO wie bei vielen anderen Typen der Scuderia mit hässlichen Rostbeulen. Wer einen Blechschaden verursacht hatte, musste die Ersatzteile von Hand anfertigen lassen. Selbst bei Autos des gleichen Typs gab es kaum zwei identische Teile, alles musste nachjustiert werden. Zahlreiche Anekdoten belegen, wie Ferrari mit den be-
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Ferrari 250 GTO. Von dieser Erfolgsserie wurden über 500 Sportwagen hergestellt.
rechtigten Klagen und Beschwerden seiner Kunden umging. Einen Amerikaner, der die Schwierigkeiten seines Ferraris monierte, der im langsamen Stadtverkehr der kalifornischen Metropolen ausfiel, weil der Motor zu heiß wurde, nahm der Commendatore mit auf eine Testfahrt durch Modena. Natürlich kannte auch Ferrari die Hitzeanfälligkeit seiner Wagen, die für Promenierfahrten nicht konstruiert waren, aber diese Schwäche zuzugeben lag ihm fern. So hielt der Firmenchef immer an, wenn die Temperatur des Motors in den kritischen Bereich stieg, mal zeigte er seinem Fahrgast eine besondere Sehenswürdigkeit, mal lud er ihn auf einen Aperitif in eine Bar ein. Der Kunde hatte zwar das Spielchen des Ingegnere durchschaut, war aber zu höflich, um Ferrari die Tour zu vermasseln. Sehr viel unangenehmer war die Enttäuschung eines Landsmannes von Ferrari. Der Traktorhersteller Ferrucio Lamborghini war ein Liebhaber schneller Sportwagen und deshalb Eigentümer einiger Ferraris, deren Zuverlässigkeit aber sehr zu wünschen
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übrig ließ. Doch Ferrari schenkte den Beschwerden des Unternehmers, der sein Geschäft nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Recycling alter Armeefahrzeuge in Traktoren begonnen hatte, nicht die erwartete Aufmerksamkeit. Lamborghini war enttäuscht und schwor sich, dem arroganten Ferrari-Chef eine Lektion zu erteilen und ihm auf seinem eigenen Terrain Konkurrenz zu machen. Lamborghini ließ einen Sportwagen entwickeln. Für dieses ambitionierte Projekt wurden Ingenieure eingestellt, darunter auch Giotto Bizzarini, der für Ferrari den berühmten GTO entwickelt hatte. Nach wenigen Monaten präsentierte der Landmaschinenhersteller einen Sportwagen, den 350 GTV, der in Fachkreisen in höchsten Tönen gelobt wurde. Der Bolide war komfortabel zu fahren und bot mit 360 PS mehr Leistung als der Ferrari 250 V-12. Er verfügte über eine Reihe technischer Innovationen wie unabhängige Stoßdämpfer und vier Nockenwellen, während Ferraris Kreationen damals nur zwei hatten. Für die Serienproduktion wurde der Flitzer zwar etwas gedrosselt und die Karosserie von Touring abgespeckt, aber Lamborghini hatte auf Anhieb etwas geschaffen, was viele für unmöglich gehalten hatten: ein Fahrzeug, dass sich durchaus mit den Kunstwerken aus Ferraris Fabrik messen konnte und in einem Punkt diese sogar übertraf. Lamborghinis Luxussportwagen waren zuverlässig. Ferrari konterte ein Jahr später, 1964, zur Vorstellung von Lamborghinis Serienversion, mit dem 275. Der hatte zwar etwas weniger PS als der Herausforderer, verfügte aber über drei Doppelvergaser und konnte mit dem 1965 präsentierten 275 GTB Speziale Serie I GTB/C einen Verwandten vorzeigen, der erfolgreich Straßenrennen bestritt und damit auch den zahmeren Versionen den entscheidenden Nimbus verlieh. Dass der Newcomer dennoch sein eigentliches Ziel nicht erreichte und die Ferraris nicht von der Straße vertreiben konnte, lag an dem speziellen Image, das die Scuderia ihren Kunden durch die einzigartige Kombination von Rennstall und Automanufaktur bieten konnte. Wer einen Ferrari kaufte, hatte ein Vehikel erworben,
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das auch Abenteuer und Tollkühnheit transportierte, Mythos und Legende derjenigen weitertrug, die in den roten Autos gesiegt hatten – und gestorben waren. Das war offensichtlich Ferrari-Fahrern Grund genug, sich mit den Unzulänglichkeiten ihrer Preziosen abzufinden. Zumal die Pannen der kommerziellen Fahrzeuge oft einen direkten Bezug zur Renngeschichte der Scuderia hatten. Die Defekte und Mängel der Supersportwagen resultierten oft auch aus der speziellen Beschaffenheit der Teile für die Sportwagen. Häufig wurden ausrangierte Rennwagen auseinander genommen und die Teile beim Bau der Straßenwagen recycelt. Viele Entwicklungen und Innovationen wie spezielle Stoßdämpfer und Scheibenbremsen wurden erst Jahre später auch in die kommerziellen Fahrzeuge integriert. Enzo Ferrari hatte den Ehrgeiz, mit seinen Rennwagen Preise zu gewinnen, und diesem Ziel mussten sich alle anderen Aktivitäten unterordnen. Die Straßenwagen waren nur wichtig, wenn sie die finanzielle Grundlage für die Weltmeisterläufe schufen. Eine Rechnung, die nicht immer aufging, auch wenn die Konkurrenz gern behauptete, dass Ferrari aus einem Materialeinsatz von 2 Millionen Lire einen Erlös von 8 Millionen zaubern konnte.
Eine Tragödie und ihre Folgen Mitte der fünfziger Jahre plagten Ferrari noch ganz andere Sorgen: Sein Sohn und einziger Erbe Dino war unheilbar erkrankt. Am 30. Juni 1956, im Alter von nur 24 Jahren, starb er an Nierenversagen. Sein Tod traf Ferrari zutiefst. Er versuchte die Erinnerung an sein Kind wachzuhalten, indem er eine Reihe von Modellen in den folgenden Jahrzehnten nach ihm benannte. Zu jenem Zeitpunkt wussten nur wenige, dass Dino keineswegs der einzige männliche Nachkomme Ferraris war. 1945 hatte die langjährige Geliebte des Patrons, Lina Lardi, ebenfalls einen Sohn geboren, der auf den Namen Piero getauft worden war. Vor seiner
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Frau Laura hatte Ferrari die Liaison und die Existenz seines zweiten Kindes lange verborgen. Erst als er seinem Nachkommen 1965 einen Job in der Rennabteilung verschaffte, ließ sich die Vaterschaft nicht mehr verbergen. Die Ähnlichkeit zwischen dem jungen Lardi und dem alternden Patron war nicht zu übersehen. Piero Lardi erhielt eine für einen Newcomer erstaunlich anspruchsvolle Position. Er war für den Einkauf und die Supervision der Produktion des Dino 206 verantwortlich. 1970 holt ihn der Vater in die Leitung des Sportbereichs der Scuderia. Doch erst nach dem Tod von Laura Ferrari im Jahr 1978 erhielt Piero Lardi auch den Namen seines Vaters. Der Commendatore sorgte später dafür, dass Piero Lardi-Ferrari auch einen Sitz im Aufsichtsrat von Ferrari und Fiat erhielt sowie 10 Prozent des Aktienkapitals der Scuderia. Das Ehepaar Ferrari verarbeitete den Verlust des gemeinsamen Kindes auf sehr eigene Weise. Laura stürzte sich in die Arbeit, sie war von nun an immer in den Boxen an den Rennpisten zu finden. Enzo hingegen blieb zu Hause und ließ sich per Telefon über den Verlauf der Rennen informieren. Die Zurückgezogenheit bedeutete allerdings nicht, dass er keinen Anteil am Geschäft nahm. Im Gegenteil: Ferrari kümmerte sich um jedes Detail, kein Vorgang war zu unbedeutend, als dass der Commendatore nicht davon unterrichtet werden wollte. Mit zunehmendem Alter wurde er nicht nur einsamer, sondern auch unberechenbarer und autokratischer. Er heuerte und feuerte seine Mitarbeiter, wie es ihm passte. Ob Rennfahrer, Ingenieure oder Vertriebsleute – viele wurden spontan aus einer Laune he raus eingestellt, aber oft auch genauso schnell wieder gefeuert. Er beherrschte die hohe Kunst des Überredens, er konnte charmant sein, aber auch scharfzüngig und zynisch jede Schwäche seiner Mitmenschen bloßstellen. Selbst seine besten Fahrer waren vor Ferraris Spott nicht sicher: Über Giuseppe Campari lästerte der Chef einst, dass dessen ganzer Körper mit schwarzem Flaum bedeckt sei, unter dem die Haut schweinchenrosa und mit Schweißperlen bedeckt durchscheine.
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Schon 1935 schilderte der Rennfahrer René Dreyfus, der von Bugatti zu Ferrari gewechselt war, die Stimmung in Ferraris Scuderia: Es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob man im Bugatti-Team oder bei Ferrari arbeite. »Mit dem Bugatti-Teammanager lebte man praktisch zusammen, Ferrari hat man nur besucht. Bei Ferrari habe ich das Renngeschäft gelernt, denn er war ohne jeden Zweifel ein Geschäftsmann. Enzo Ferrari war ein angenehmer Mann und freundlich im Umgang, aber nicht gerade herzlich. So gab es nicht das Gefühl, Teil einer Familie zu sein, das beispielsweise die Maserati-Brüder vermittelt haben, oder das Vertrauen und den Spaß, den man mit den Bugatti-Leuten haben konnte. Enzo Ferrari liebte Autorennen, aber es war mehr als die Begeisterung eines Enthusiasten, sein Verhältnis zum Motorsport hatte einen eher realistischen, pragmatischen Zug. Das war sicher eine gute Einstellung für jemanden, der ein Imperium aufbauen wollte.« Auch andere Rennfahrer bekamen die kühle Distanz und die Arroganz ihres Patrons zu spüren. Giancarlo Baghetti erinnerte sich noch Jahre später an sein Einstellungsgespräch mit Enzo Ferrari im Januar 1961: »Seine Begrüßung war genauso eiskalt wie das Wetter draußen.« Nach diesem kühlen Empfang war Baghetti fast überrascht, dass ihm ein Vertrag als Fahrer angeboten wurde. Der Newcomer in der Königsklasse revanchierte sich mit einem spektakulären Sieg: Er gewann sein erstes Rennen als Formel-1Pilot in Reims. Doch trotz dieses überraschenden Erfolgs zeigte Ferrari bald wenig Interesse an dem jungen Mann, dem es nicht mehr gelang, ein weiteres Rennen zu gewinnen. Baghetti kündigte schließlich und begann auf eigene Rechnung zu fahren. Während des Trainings zum Großen Preis von Italien in Monza 1966 traf er wieder auf Ferrari. Baghetti fühlte sich mit seinem neuen Rennwagen, einem Lotus-BRM, nicht sehr sicher und hatte bei den Probeläufen auch keine überzeugenden Ergebnisse erzielt. Außerdem kam er sich in der Gegenwart seines ehemaligen Arbeitgebers wie ein Verräter vor. Doch Ferrari, der immer für Überraschungen gut war, war keineswegs beleidigt oder ge-
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Die Karosserie dieses Ferrari 246 Dino von 1960 stammt von Medardo Fantuzzi.
kränkt, sondern eher besorgt und verständnisvoll. Er machte seinem ehemaligen Mitarbeiter ein Angebot, das Baghetti nicht ausschlagen konnte: »In Maranello steht noch ein Dino 246. Willst du ihn fahren?« Baghetti erinnerte sich Jahrzehnte später, dass er so überwältigt von der großzügigen Geste des alten Mannes war, dass er nur stumm nicken konnte.
Schwarze Zeiten Schon Ende der fünfziger Jahre zeigte sich, dass die Ergebnisse der Diversifikation in Ultra-Luxus-Autos nicht ausreichten, um die stetig steigenden Investitionen in den Motorsport zu kompen-
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sieren. Der Wettbewerb der Techniker und Ingenieure, die Fahrer mit noch schnelleren Wagen auf die Piste zu schicken, brachte eine Vielzahl technischer Innovationen, die von allen anderen Teams übernommen werden mussten, wenn sie nicht weit zurückfallen wollten. Die Konstruktionen der Hochleistungsfahrzeuge mussten ständig verändert werden, um die Boliden einerseits zu beschleunigen, andererseits aber überhaupt noch auf der Piste zu halten. Zahllose Unfälle bei Testläufen, im Training und im Rennen, bei denen viele Formel-1-Piloten tödlich verunglückten, erforderten ständigen Nachschub an Material und Fahrzeugen. Ferrari war ständig klamm. Und andere Automagnaten wie Henry Ford II. warteten nur auf eine günstige Gelegenheit, um die Legende Ferrari übernehmen zu können. Ford war ein großer Bewunderer des Commendatore und seines Rennstalls. Privat fuhr der Konzernherr sogar einen schwarzen Ferrari. Anfang der sechziger Jahre bot Ford seine Unterstützung an. Doch zu einem offiziellen Kooperationsvertrag kam es nicht: Denn der Autoboss aus Detroit wollte dem Chef der Scuderia die Führung des Motorsportteams nicht allein überlassen. Diese Garantie war für Ferrari unverzichtbar. Obwohl bereits ein Termin zur Unterzeichnung des Vertrages vereinbart wurde, der 20. Mai 1963, ließ Ferrari das Arrangement platzen. Damit hatte er sich einen mächtigen Feind geschaffen. Ford setzte nun alles daran, dem Ferrari-Chef und seiner Scuderia das Leben und das Siegen schwer zu machen. Mit neuen Motoren wie einem Sieben-Liter-Achtzylinder-Antrieb oder einem überarbeiteten und getunten Daytona-Coupé fuhr Ford den Ferraris davon. Vor allem in den Langstreckenwettbewerben und den 24-Stunden-Rennen von Le Mans gelang es dem US-Konzern, den Rivalen vier Jahre hintereinander zu besiegen. Die Scuderia konnte zwar bei den Rennen in Europa mit Fahrzeugen wie dem 275 P und dem 330 P (P2, P3 und P4) überzeugen, doch auf dem für den Verkauf der Luxusboliden so wichtigen US-Markt stand sie auf verlorenem Posten.
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Die Schwächen in den Sportwagenwettbewerben und den Ausdauerrennen wogen umso schwerer, als das springende Pferd auch im Hauptgeschäft, den Formel-1-Rennen, strauchelte. Ferrari konnte die Spitzenposition, die er 1952 und 1953 mit Alberto Ascari errungen hatte, nicht halten. Sein Spitzenfahrer wanderte zum Konkurrenten Lancia ab, weil er dort mehr Geld bekam, und nahm auch den ehemaligen Chefkonstrukteur aus Ferraris Zeiten als Rennstallchef von Alfa Romeo, Vittorio Jano, mit. Jano war der Konstrukteur der Fahrzeuge P2 und P3. Ascaris Teamkollege Luigi Villoresi wechselte zu Maserati. Ferrari schien ihnen nicht nachzutrauern, sondern baute ein neues Formel-1-Team auf, dem der ehemalige Alfa-Romeo-Spitzenfahrer Nino Farina angehörte sowie der frühere Maserati-Lenker José Froilan Gonzalez und der Newcomer Mike Hawthorn. Doch in der Saison 1954 tritt auch Mercedes zum ersten Mal in der Formel 1 an. Sechs Millionen Mark hatte der Stuttgarter
Mike Hawthorn (links) im Ferrari 500 und Juan Manuel Fangio im Maserati A6GCM beim Großen Preis von Frankreich 1953 in Reims. Mit einer Sekunde Vorsprung auf Fangio holte Hawthorn den Sieg für Ferrari.
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Autokonzern in seine neue Rennsparte investiert. Mit sensationellem Erfolg: Mit einem neuen Silberpfeil, dem legendären W-196 mit gedrehtem Achtzylinder-Motor und einer silberfarbenen Karosserie in Stromlinienform, gewann der ehemalige Alfa-Fahrer und Ex-Weltmeister Juan Manuel Fangio die Formel-1-Weltmeisterschaft. Gonzalez im Ferrari wird immerhin noch Zweiter. Im darauf folgenden Jahr gewinnt Mercedes in großem Stil: die Formel-1-Weltmeisterschaft, die Sportwagen-Weltmeisterschaft und die Tourenwagen-Europa-Meisterschaft – allesamt Wettbewerbe, in denen Ferrari bisher brilliert hatte. Doch Ferrari konnte aufatmen: Der Stuttgarter Autokonzern zog sich danach aus dem Formel-1-Geschäft zurück – erst Ende der neunziger Jahre sollten die Untertürkheimer wieder in der Königsklasse vorne mitmischen – als Partner des britischen Rennstalls McLaren. Ferrari nutzte die Gunst der Stunde und engagierte den MercedesSpitzenfahrer Juan Manuel Fangio. Der bekam als Dienstwagen den überholten Boliden D50, den Lancia entwickelt hatte und der nach der Auflösung des Lancia-Rennteams von Ferrari übernommen wurde. Fiat hatte den Deal vermittelt und versprochen, die Scuderia mit jährlich 50 Millionen Lire (damals etwa 500 000 Mark) zu subventionieren. Außerdem engagierte der Commendatore Lancias Chefkonstrukteur Vittorio Jano und kündigt seinem bisherigen technischen Direktor Lampredi. Mit den neuen Sportwagen, dem neuen Konstrukteur und Fangio im Cockpit schaffte Ferrari 1956 wieder die Weltmeisterschaft, was er vor allem dem erfahrenen Formel-1-Piloten zu verdanken hatte, denn die Fahrzeuge haben keine Siegerqualitäten: Sie fallen häufig aus – weil die Lenkhebel brechen. Außerdem werden die Lancia-Ferraris mit den falschen Reifen auf die Piste geschickt. Die Klagen der Fahrer finden jedoch in der Scuderia kein Gehör, denn Enzo Ferrari hatte die Parole ausgegeben, dass bei Unfällen zwar viele Faktoren eine Rolle spielen können, aber am Ende immer der Fahrer die entscheidenden Fehler macht.
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Deshalb wurden die schwerwiegenden Mängel auch im Jahr 1957 nicht behoben. Mit der Folge, dass Ferrari kein Formel-1Rennen gewann. Doch das war nicht das einzige Unglück: Bei der Mille Miglia kommen die Ferrari-Fahrer Alfonso de Portago und Ed Nelson mit einem Tempo von 200 Stundenkilometern von der Straße ab und rasen in die Menschenmenge: Die beiden Fahrer und zehn Zuschauer sterben, darunter fünf Kinder. Nach dem Blutbad wird die Mille Miglia verboten, und gegen den Commendatore sowie die Reifenfirma Englebert wird wegen Totschlags ermittelt. Papst Pius XII. nennt Enzo Ferrari »einen grausigen Saturn, der seine Kinder bei lebendigem Leib verschlingt«. Doch Ferrari ging unbeirrt von der weltlichen wie der kirchlichen Kritik seinen Weg weiter. Er meidete allerdings öffentliche Auftritte. Rennen besuchte er nicht mehr, allenfalls beim italienischen Grand Prix in Modena zeigte er sich an der Strecke. Auch 1958 verlor Ferrari wieder zwei Rennfahrer: Der Italiener Luigi Musso starb beim Rennen in Reims am 6. Juli und Peter Collins am 3. August auf dem Nürburgring beim Großen Preis von Deutschland. Vor allem Mussos Tod wirft auch ein wenig schmeichelhaftes Licht auf den Ferrari-Boss. Vor der Austragung des Grand Prix in Reims war die Stimmung im Ferrari-Team eisig. Musso hatte sich mit seinen beiden britischen Kollegen, Peter Collins und Mike Hawthorn, überworfen. Er wollte das mit 10 Millionen Franc dotierte Rennen in Reims unbedingt gewinnen und hoffte auf eine Stallorder zu seinen Gunsten. Die Gelegenheit schien günstig, denn Ferrari hatte seinen besten Fahrer Collins von der Teilnahme am Hauptrennen ausgeschlossen, weil er keine Lust gezeigt hatte, bei dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans mitzufahren. Doch die Order kam nicht. Musso war verzweifelt: Er brauchte die Siegprämie, um seine Schulden zu bezahlen. Der Commendatore hingegen hielt den Konkurrenzkampf im Team eher für förderlich, weil er den Druck auf die Fahrer erhöhte, ihr Bestes zu geben, um zu gewinnen.
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Luigi Musso im Ferrari 246 Dino beim Großen Preis von Holland 1958 in Zandvoort.
Merkwürdigerweise erhielt Musso am Vorabend der Veranstaltung – wie Enzo Ferrari später berichtete – noch einen anonymen Brief mit dem Inhalt: »Du musst gewinnen.« Am nächsten Tag setzte der Italiener alles auf eine Karte und fuhr schneller, als es sein Können und sein Wagen zuließen. Mit 240 Stundenkilometern kam er von der Strecke ab, überschlug sich mehrmals und war sofort tot. Enzo Ferrari soll sich nach dem Abgang seines Fahrers rührend um Mussos Geliebte gekümmert haben. Champion dieses Jahres wurde schließlich im Ferrari Dino der Brite Mike Hawthorn, der sich danach aber aus dem Rennzirkus zurückzog. Die zum ersten Mal ausgeschriebene Konstrukteurs-
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weltmeisterschaft ging allerdings an die Konkurrenz, der britische Rennstall Vanwall kassierte den Titel. Enzo Ferrari brauchte für die neue Saison 1959 wieder ein neues Team: Vier Fahrer hatte er verloren – neben den beiden Toten und dem Aussteiger Hawthorn hatte Ferrari seinem Formel-1-Piloten Wolfgang Graf Berghe von Trips für die nächste Saison gekündigt, nachdem der sich bei einem Crash eine langwierige Knieverletzung zugezogen hatte. Dennoch fiel es dem Commendatore nicht schwer, die freien Plätze zu besetzen. Es gab immer wieder Rennfahrer, die ihre Karriere auf den Asphaltpisten mit einem Aufenthalt bei Ferrari krönen wollten oder aber einfach einen Job suchten, weil immer mehr kleine Rennställe aufgeben mussten. So gelang es Ferrari 1961, wieder den Fahrerweltmeister zu stellen und auch den Konstrukteurstitel zu erringen. Phil Hill war der Pilot, der mit dem überarbeiteten Dino die Scuderia an die Spitze brachte und dazu beitrug, dass Ferrari wieder ganz oben war. Dabei war Hill bis zum 10. September des Jahres nur zweite Wahl, die Führung in der WM-Wertung hatte sich bereits Graf Trips erobert, den Ferrari nach einjähriger Pause wieder in Gnaden aufgenommen hatte. Doch Trips verunglückte in Monza tödlich und machte damit den Weg frei für den jungen Amerikaner. Die starke Leistung von Trips – bis zu seinem Tod – und von Hill sowie die verbesserte Performance der Fahrzeuge verschaffte Ferrari sogar den Konstrukteursweltmeistertitel. Als die Titel verliehen wurden, rumorte es bereits hinter den Kulissen der Scuderia. Acht Mitarbeiter, darunter Ferraris Renndirektor Romolo Tavoni, der Motorenentwickler Carlo Chiti und der Fahrwerkskonstrukteur Giotto Bizzarini, verließen die Scuderia fristlos. Den Grund lieferte Laura Ferrari. Mit fortschreitendem Alter wurde Laura Ferrari zunehmend wunderlich, wie Freunde und Bekannte besorgt beobachteten, und neigte zu heftigen Wutausbrüchen, wenn ihre Anweisungen nicht »subito« befolgt wurden. Die Ehefrau des Commendatore hatte sich nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes Dino immer
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Mit seinem Sieg beim Großen Preis von England 1961 in Aintree setzte sich Wolfgang von Trips an die Spitze der WM-Wertung.
stärker in die Geschäfte der Scuderia eingemischt. Sie verlangte von den Chefs der Rennabteilung, zu den Formel-1-Veranstaltungen gefahren und dort betreut zu werden – ein Wunsch, den die Betroffenen nicht immer hoch motiviert erfüllten. Im Herbst 1961 hatte sie sich die Bücher des Unternehmens vorgenommen. Was sie sah, brachte sie so in Rage, dass sie den kaufmännischen Leiter ohrfeigte. Die Folge war der geschlossene Auszug der Führungscrew, die sich mit dem geschlagenen Kollegen solidarisiert hatte. Die Abtrünnigen gründeten den neuen Rennstall ATS (Automobili Turismo e Sport), der zunächst von einem südamerikanischen Millionär finanziert wurde, aber nur eine kurze Zeit existieren konnte. Diesmal fiel es Ferrari nicht leicht, die große Lücke zu füllen. Der Ingenieur Mauro Forghieri war gerade 26 Jahre alt, als er zum Leiter der Konstruktionsabteilung ernannt wurde. Die Saison 1962 wurde zu einer der schwächsten für Ferrari. Ex-Welt-
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meister Hill konnte kein Grand-Prix-Rennen mehr gewinnen und wechselte Ende des Jahres zu ATS. Erst mit dem Engagement des Briten John Surtees in der Saison 1963 gelang Ferrari ein bescheidenes Comeback. Der Wagen mit dem springenden Pferd konnte wieder vorne mitfahren. Dank der Ausfälle und Unzulänglichkeiten der Konkurrenz schaffte Surtees ein Jahr später zu seiner eigenen Überraschung die Weltmeisterschaft, und die Scuderia wurde Konstrukteursweltmeister. Aber Surtees sparte auch nicht mit Kritik an der Führung des Rennstalls: »Für Enzo Ferrari und seine Mannschaft begann die Formel-1-WM-Saison ohnehin immer erst nach den 24 Stunden von Le Mans.« Der Weltmeister war befremdet, dass er »in einer Saison, in der so viele Dinge in Maranello schief gingen«, überhaupt den Titel gewinnen konnte und auch die Arbeit der Konstrukteure in Maranello ausgezeichnet wurde. Ferrari hatte seine Kräfte auf die Sportwagenrennen und GranTurismo-Wettbewerbe konzentriert, wo er gegen die Mannschaften von Ford antreten musste, die Millionen US-Dollar in ihre Teams und die Entwicklung neuer Fahrzeuge pumpten, um die Scuderia in diesen Disziplinen zu schlagen – für vier Jahre durchaus mit Erfolg. Die erste große Krise für Ferrari in der Formel 1 war nicht mehr zu übersehen. Bis 1975 sollte es keinem Piloten der Scuderia gelingen, wieder die Weltmeisterschaft zu erringen. Bisweilen schickte der Commendatore nur noch ein Team ins Rennen.
Rettung in der Not Ende der sechziger Jahre stand Enzo Ferrari finanziell mit dem Rücken an der Wand. Er brauchte einen Partner, der sich am finanziellen Risiko des Motorsports beteiligte. Dafür kam nach dem Debakel mit Henry Ford nur Fiat in Frage.
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Italiens größter Automobilkonzern war für Ferrari auch damals kein völlig neues Terrain. Der frühere Fiat-Generaldirektor Vittorio Valetta hatte dem Chef der Scuderia schon zu Beginn seiner Unternehmertätigkeit Hilfe in schlechten Tagen angeboten. Und schon 1965 hatte die Scuderia begonnen, zusammen mit dem Autogiganten aus Turin Motoren zu produzieren. Damals waren Angestellte des Konzerns in Maranello just zu dem Zeitpunkt eingetroffen, als Ferrari einen neuen kompakten Sechszylinder-Motor, den der Motorenentwickler Francesco Rocchi entworfen hatte, testen ließ. Genau so einen Antrieb brauchte Fiat für ein Coupé und ein Cabriolet, die für das oberste Preissegment des Marktes entwickelt werden sollten. Als die Konzernmanager die neue Maschine sahen, waren sie schnell bereit, davon eine Serie von 500 Stück zu produzieren. Diese Vereinbarung half auch Ferrari, den Motor in der Formel 2 einzusetzen. Zu den Anforderungen für eine Teilnahme an diesen Rennen für Straßenwagen gehörte, dass wesentliche Teile wie der Motor auch tatsächlich in Serienfahrzeuge eingebaut wurden. Die Mindestgröße einer Serie lag bei 500 Stück. Im Jahr 1967 konnte Ferrari mit dem Coupé 365 GTB/4, dem Daytona, wie der Wagen genannt wurde, in dieser Disziplin punkten. Doch im Jahr 1969 brauchte Ferrari nicht nur die Hilfe eines Kooperationspartners, sondern einen verlässlichen Investor. Am 18. Juni 1969 unterzeichnete er einen Vertrag mit Gianni Agnelli, dem Chef des Fiat-Konzerns. Der größte italienische Autokonzern beteiligte sich zu 40 Prozent an der Scuderia Ferrari SpA. 49 Prozent behielt Ferrari, ein Prozent ging an seinen Design-Partner Sergio Pininfarina. Nach dem Tod von Enzo Ferrari würde Fiat weitere 40 Prozent übernehmen, die restlichen 10 sollte dann Enzos Sohn Piero Lardi-Ferrari erhalten. Es war ein Agreement unter Gentlemen. Italiens populärster Autobauer und der berühmteste Avvocato des Landes versicherten sich ihres gegenseitigen Respekts. Ferrari war sich sicher, dass Agnelli ihm nicht in die Führung seines Geschäfts und – wich-
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tiger noch: der Rennabteilung – hineinreden würde. Er erhielt einen Sitz im Aufsichtsrat und konnte selbst den Zeitpunkt seines Rückzugs bestimmen, Altersgrenzen wurden nicht festgelegt. In Maranello entfachte die neue Verbindung zwischen der Scuderia und dem größten italienischen Autokonzern dank des daraus resultierenden Geldsegen emsige Bautätigkeit: Das Werk wurde ausgebaut und eine neue Teststrecke in Fiorano eingerichtet.
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Ein unbestelltes Haus Wie mit Fiat manches besser und vieles schlechter wurde
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Als Enzo Ferrari sich zum Verkauf der Scuderia an Fiat entschloss, ging es nicht allein um Geld. Es war der verzweifelte Versuch des alternden Patrons, sein Haus zu bestellen. Er war bereits 71 Jahre alt. Zwar hielt er noch immer die wichtigen Fäden in seiner Hand, aber die Zeit lief ihm davon, er musste Sorge für die Zeit nach ihm treffen. Sein geliebter Erstgeborener Dino war seit mehr als 30 Jahren tot, seinen zweiten Sohn, Piero Lardi, hatte er zwar in seine Firma geholt, doch ob er wirklich zum Nachfolger taugte, musste er erst beweisen. Enzo Ferrari holte Piero 1970 in die Leitung des Rennbereichs, den er nun zusammen mit ihm führen wollte. Lardi erhielt eine Position, die dem freundlichen Mann mit sehr angenehmen Umgangsformen, wie ihn Freunde und Mitarbeiter schilderten, kaum Freiheiten ließ, sich zu entfalten. Der egozentrische Vater mit seinen einsamen Entscheidungen und unberechenbaren Entschlüssen degradierte den Sohn schnell zum Assistenten. Darüber hinaus hatte Ferrari damit sichergestellt, dass nichts ohne ihn, gegen seine ureigenen Interessen entschieden wurde. Er konnte sich auf Lardi und dessen Loyalität verlassen.
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So trugen auch die Entscheidungen des Jahres 1970 die Handschrift des Patriarchen. Für die Scuderia stiegen zwei neue Piloten ins Cockpit: der Belgier Jackie Ickx, der schon 1968 für die Scuderia engagiert worden war, dann aber im darauf folgenden Jahr für den Rennstall des Briten Jack Brabham an den Start gegangen war. Mit seinem tollkühnen Fahrstil hatte er schnell den Respekt von Kollegen und Zuschauern gewonnen. Neben Ickx wurde auch Gianclaudio »Clay« Regazzoni angeheuert, der bei Ferrari seine Formel-1-Karriere startete und schon im ersten Jahr einen Überraschungssieg beim Grand Prix in Monza erzielte. Der dritte Mann war Ignazio Giunti. Die drei starteten im neuen Ferrari 312 B mit 450 PS gegen ein deutlich größeres Feld. Vier neue Rennställe hatten sich gemeldet: das britische Team March, die italienische Rennfirma De Tomaso, die neuen Unternehmen Surtees und Tyrell. Außerdem war auch Alfa Romeo mit von der Partie – diesmal mit dem britischen Partner McLaren. Rund 20 Fahrer gingen bei den Formel-1-Rennen an den Start. Die Weltmeisterschaft wurde zunehmend populär, weil Satellitentechnik für bessere Übertragungsmöglichkeiten der Veranstaltungen sorgte und die Massenmedien das Interesse ihrer Leserschaft an den Motorsportveranstaltungen schürten. Hinzu kam, dass die stärksten Fahrer relativ gleichmäßig über die Spitzenteams verteilt waren, sodass sich die Besten immer wieder in der Führung des Feldes abwechselten und die Rennen spannend blieben.
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Auch Ferrari konnte sich mit Ickx und Regazzoni in der Spitzengruppe halten. Jackie Ickx lag sogar bei einigen Rennen in Führung, wurde aber durch Motorausfälle, gebrochene Benzinleitungen und Ventilschäden immer wieder ausgebremst. So reichte es für die Scuderia zwar nicht zum Sieg, aber Ickx und Regazzoni belegten am Ende der Saison Platz zwei und drei. Der oberste Platz auf dem Siegerpodest blieb jedoch frei, denn Weltmeister Jochen Rindt war bereits tot. Der Formel-1-Pilot des britischen Rennstalls von Colin Chapman war mit seinem Lotus 72 beim Großen Preis von Italien am 5. September 1970 in Monza verunglückt. Die Bremsen des Boliden versagten bei der Einfahrt in die berüchtigte Curva Parabolica. Sein Lotus schoss in die Leitplanken und blieb im Sandbett am Rande der Piste stehen. Für den Österreicher kam jede Hilfe zu spät. Durch den Aufprall war Rindt nach vorn geschleudert worden, und eine scharfe Kante des Armaturenbretts hatte seine Luftröhre durchtrennt. Die Untersuchung des Unfalls ergab, dass Rindt bei diesem Rennen alles auf eine Karte gesetzt hatte. Weil er fürchtete, dass sein Lotus auf dem schnellen Kurs von Monza den beiden Ferraris von Ickx und Regazzoni unterlegen sein könnte, hatte er Spoiler und Flügel abmontieren lassen. Dadurch wurde sein Formel-1-Wagen zwar schneller, aber auch instabiler. Außerdem hatte er die Beingurte abmontieren lassen, die er als unbequem empfand. Die eigentliche Ursache für den tödlichen Crash aber war die damals neuartige Bremsanlage, innenboards montierte Scheibenbremsen, die zur Überhitzung und zum Bruch neigten. Beim zweiten Lotus von Chapmans Rennstall war die Bremswelle wenige Wochen zuvor in einem Rennen gebrochen und hatte einen schweren Unfall verursacht, den Rindts Teamkollege nur knapp überlebte. Rindt, der im Jahr 1970 erst beim dritten Rennen der Saison, dem Großen Preis von Monaco, beginnen konnte, WM-Punkte zu sammeln, schien eine erstaunliche Glückssträhne zu haben. Gleichzeitig profitierte er aber auch von den Pannen der Ferraris, die nach einigen harten Duellen mit dem britischen Rennwagen immer wieder ausfie-
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len. Vor Monza hatte Rindt bereits 45 WM-Punkte gesammelt und lag damit in Führung. In den darauf folgenden drei Rennen in Kanada, den USA und Mexiko konnte ihm kein anderer Fahrer den Titel streitig machen, denn in jener Saison waren viele gleich starke Fahrer in vergleichbar unzuverlässigen Autos unterwegs. Selbst Jackie Ickx, der die Punktezahl seines Konkurrenten nach dessen Tod noch hätte überbieten können, wurde im entscheidenden Augenblick beim vorletzten WM-Lauf in Watkins Glen durch eine gebrochene Benzinleitung ausgebremst. Danach brachte ihn auch ein Sieg in Mexico City nur auf 40 Punkte und damit auf den zweiten Platz. Im Laufe der siebziger Jahre zeichnete sich ab, dass die Rennen nicht nur von den Konstrukteuren, sondern auch von den Reifenfirmen entschieden werden. Zu Beginn der Saison 1972 waren zwar die Fehler der vergangenen Saison behoben, der neue Zwölfzylinder-Boxermotor mit 460 PS galt als das beste Antriebs aggregat der Saison, doch die Zuverlässigkeit ließ wieder zu wünschen übrig. Die Boliden fielen immer wieder aus – wegen technischer Mängel. Entnervt setzte sich Ickx wieder in das Vorjahresmodell und wurde zur Enttäuschung der Saison. Nur einen einzigen Grand Prix konnten Ickx und Regazzoni gewinnen: Auf dem Nürburgring feierten die beiden Ferrari-Fahrer einen Doppelsieg. Für Ickx aber begann danach das Ende. Er war als großer Hoffnungsträger in die Saison gestartet. Und so dicht war Ferrari schon lange nicht mehr an der Weltmeisterschaft in der Königsklasse vorbeigefahren. Ein Blick hinter die Kulissen in Maranello offenbart die Ursache für das schwache Abschneiden von Ickx und Regazzoni. Die beiden Rennfahrer litten bei den Formel-1-Rennen unter der chaotischen Firmenpolitik. Enzo Ferrari verlangte, dass die Fahrzeuge der Scuderia bei allen Rennen an den Start gingen – und siegten. Nicht nur in der Formel 1. Sondern auch in der Formel 2, bei der Tasmanien-Serie, bei den CanAm, bei den entscheidenden Sportwagen-Langstreckenrennen und bei den europäischen Berg-
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meisterschaften. Dabei hatte Ferrari allerdings übersehen, dass die Zeiten, in denen die Modelle für die einzelnen Meisterschaften mit einigen Handgriffen umgebaut und dem jeweiligen Reglement angepasst werden konnten, längst vorbei waren. Während die Konkurrenz sich auf einzelne Klassen im Motorsport konzen trierte oder aber genug finanzielle Mittel bereitstellte, um mehrere Teams gleichzeitig auszustatten, wurden in Maranello Geld und Zuwendung mehr nach Gutsherrenart verteilt. Wer sich gerade des Wohlwollens des Cavaliere erfreute, hatte auch den besten Zugriff auf die Ressourcen. Auch die Formel-1-Piloten fuhren häufig in der Formel 2, in den Tasmanien-Rennen oder nahmen an anderen Wettbewerben teil. In diesem Zusammenhang schildert der Ferrari-Biograf Brock Yates eine Szene, die den autokratischen Führungsstil Ferraris pointiert: Im Winter 1968/69 nahmen Ferraris Formel-1-Pilot Chris Amon und ein Newcomer in der Szene, der Brite Derek Bell, an der Tasmanien-Rundfahrt teil. Sie hatten spezielle Fahrzeuge – 2,5-Liter-Rennwagen mit Serienmotoren – erhalten. Chris Amon, der bei den Formel-1-Rennen vom Pech verfolgt war, gewann in Neuseeland überzeugend. Als beide wieder in Maranello eingetroffen waren, wurde Amons Mechaniker Roger Bailey von Enzo Ferrari persönlich eine Uhr mit dem Cavallino rampante überreicht. Amon ging leer aus. In der Saison 1972 standen die Vorbereitungen für die Marken-WM der Drei-Liter-Sportprototypen im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Ein neues Team, Rennleiter Peter Schetty, der früher in einem Ferrari Berg-Europameister geworden war, und Chefmechaniker Ermanno Cuoghi, sorgten für eine optimale Abstimmung des Sportwagenmodells Tipo 312 B. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Die Scuderia startete in zehn Rennen und gewann alle, sechs davon mit Jackie Ickx am Steuer. Ferrari wurde Markenweltmeister.
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Einsatz für di Montezemolo Obwohl Gianni Agnelli, Hauptaktionär und Konzernchef des größten italienischen Automobilkonglomerats, Enzo Ferrari freie Hand bei der Führung des Motorsportbereichs versprochen hatte, zog er 1973 die Reißleine. Der Commendatore hatte die Intervention seines mächtigen Geschäftspartners provoziert, als er Ende 1972 androhte, dass die Scuderia sich aus der Formel 1 zurückziehen könnte. Damit wollte Ferrari auf die marode Finanzlage seines Unternehmens aufmerksam machen. Doch diesmal wollte Agnelli nicht noch einmal Geld geben, sondern dem zunehmenden Dilettantismus in Maranello ein Ende bereiten. Deshalb schickte er einen seiner Vertrauten in die Luxusautoschmiede. Luca Cordero di Montezemolo sollte als Assistent von Enzo Ferrari den Rennstall leiten. Di Montezemolo war Jurist und hatte in Rom und an der New Yorker Columbia University studiert. Seine ersten Berufserfahrungen hatte er in der renommierten Kanzlei Chiomenti in Rom und in der New Yorker Anwaltskanzlei Bergreen & Bergreen gesammelt. Mehr als seine internationale Ausbildung verlieh seine Nähe zum Agnelli-Clan und vor allem zum Avvocato persönlich dem Auftritt des 25-jährigen Managers Gewicht. Als Erstes wurde die Entscheidung, den aktuellen FerrariRennwagen 312 B3 von John Thompson in der britischen Kons truktionsfirma TC Prototypes entwickeln zu lassen, korrigiert. Ferraris Chefkonstrukteur Forghieri, der von dem Projekt zuvor ausgeschlossen worden war, sollte das Fahrzeug jetzt renntauglich machen. Es war das erste Monocoque-Modell, in dem der Innenraum als feste Schale konstruiert wird, um den Fahrer bei Kollisionen zu schützen. Ferraris Hausdesigner sollte ihn nun zu einem Wagen machen, der für den Formel-1-Einsatz geeignet ist und auch ein Rennen bis zum Zieleinlauf durchhält. Dann kümmerte sich di Montezemolo um die Formel-1-Fahrer, die mit dem Auto auf die Piste gehen sollten. Jackie Ickx, der in
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den vergangenen Jahren so viele Chancen verpasst hatte, bekam noch eine Gelegenheit, sich in dem neuen Auto zu bewähren. Für das Heimrennen in Monza durfte Ickx noch einmal den überarbeiteten 312 B3 fahren, er landete auf dem achten Platz und verließ Ferrari. Im Training war der Werksfahrer deutlich schneller gewesen als der Starpilot. Montezemolo hatte längst einen Nachfolger für den Belgier gefunden: den österreichischen Nachwuchsfahrer Andreas Nikolaus (Niki) Lauda. Der hatte sich erst 1971 in den Formel-1-Zirkus eingekauft und in einem F1-Wagen des britischen Rennstalls March erste Grand-Prix-Erfahrung sammeln dürfen. Im September 1971 lieh sich Lauda 35 000 britische Pfund von einer Bank, um für die Saison 1972 den zweiten Rennwagen des Teams, das Mosley, Reed und Herd gegründet hatten, übernehmen zu dürfen. Noch einmal 8 000 Pfund bezahlte er für die Teilnahme an den F2-Wettbewerben jenes Jahres. Mosley, Reed und Herd waren knapp bei Kasse und brauchten Laudas Geld, um den Winter zu überstehen. Doch trotz der für damalige Verhältnisse stattlichen Startgebühr sollte er in der Mannschaft nur die zweite Geige spielen. An der Spitze stand der Schwede Ronnie Peterson, auf den sich alle Hoffnung auf einen Formel-1-Sieg konzentrierte. Marchs Toppilot galt als besonders rücksichtsloser Fahrer, der weder sich noch das Material schonte, wenn es darum ging, als Erster ans Ziel zu kommen. Für die Saison 1972 erhielt er einen neuen Rennwagen, den March 721 X, der ihm den Sieg im der Weltmeisterschaft ermöglichen sollte. Doch das Wunderwerk erwies sich als deutlich labiler, als den hoch gesteckten Zielen zuträglich war. Zwar wurde eilig versucht, aus dem March-Modell 722, einem Formel-2-Fahrzeug, einen F1-tauglichen Rennwagen zu kons truieren. Peterson errang tatsächlich noch neun WM-Punkte, Weltmeister aber wurde der Brasilianer Emerson Fittipaldi. Niki Lauda spielte in dem Chaos keine Rolle. Alle Anstrengungen kon-
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zentrierten sich darauf, Peterson mit einem konkurrenzfähigen Boliden zu versorgen, für Laudas Ambitionen blieb weder Geld noch Zeit. Zu Beginn des Jahres 1973 suchte sich Lauda einen neuen Rennstall, bei dem er mehr Chancen hätte, sein Talent zu beweisen. Schließlich erschlich er sich einen Platz und ein renntaugliches Fahrzeug bei der britischen Motorsportfirma British Racing Motors (BRM), die 1949 als »britischer Ferrari« gegründet worden war. BRM hatte zwar wie Ferrari das hehre Ziel, ihre Wagen komplett selbst zu bauen, von der Konstruktion des Chassis bis zum Motor, doch die Mitgründer Rudd und Owen hatten eine lange Durststrecke zu überwinden, bis ihre Sportwagen den Belastungen von Grand-Prix-Rennen gewachsen waren. Den Höhepunkt erlebte das Team 1962, als Graham Hill in dem damals neuen V8-BRM P57 mit Achtzylinder-Motor und Benzineinspritzung Weltmeister wurde und BRM auch den Titel als weltbester Konstrukteur holte. Diese Erfolge konnte BRM allerdings nicht wiederholen. Zwar gelang es dem Team immer, in den internationalen Championships ein oder zwei Rennen zu gewinnen, aber den großen Wurf schafften sie nicht mehr. Als Niki Lauda 1973 unbedingt für die Briten fahren wollte, erfand er einen fiktiven Großsponsor, der das finanziell notorisch knappe Team fördern wolle. Lauda wurde angenommen. Die Raten für den Platz in der BRM-Mannschaft wollte er abstottern und dabei dem BRM-Management vorgaukeln, dass es sich um die Zuwendungen des Sponsors handelte. Lauda traf bei BRM auf renommierte Konkurrenz: den Tessiner Clay Regazzoni, der von Ferrari zu BRM gewechselt war, und Jean-Pierre Beltoise. Damit war auch die interne Hackordnung klar: An erster Stelle stand Regazzoni, dann Beltoise, und als Letzter war Lauda dran. Doch der Österreicher, der 2 Millionen Schilling Schulden hatte, setzte alles daran, seine Position zu verbessern. Im Rennen von Zandvoort errang er seine ersten WM-Punkte, in Monte Carlo lag er lange auf dem dritten Platz vor Ferrari-Fahrer Jackie Ickx
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– bis sein Motor ausfiel. Immerhin konnte Lauda in dieser Saison zeigen, dass er erfahren und mutig genug war, Formel-1-Rennen zu fahren und möglicherweise auch zu gewinnen. Sein Lohn war ein Angebot aus Maranello.
Ferrari und Niki Lauda Bei Ferrari konnte Lauda endlich durchstarten: Im April 1974 gewann er sein erstes Formel-1-Rennen. Nach dem französischen Grand-Prix-Wettbewerb übernahm er die Führung in der Weltmeisterschaft. Doch dann verließ ihn das Glück: Bei den nächsten Rennen fiel entweder sein Ferrari 312 B3 aus – mal verlor ein Reifen Luft, mal war es Motorschaden –, oder Lauda selbst fuhr seinen Wagen durch übertriebenen Ehrgeiz und ein waghalsiges Überholmanöver zu Schrott. Zwar gelang es ihm beim vorletzten Rennen der Saison, sich noch einmal an die Spitze des Feldes zu setzen, doch im letzten Drittel des Rennens wurde er unverschuldet in einen Unfall verwickelt und landete in den Leitplanken. Am Ende der Saison wurde Clay Regazzoni, der zu Beginn der Saison 1974 wieder zu Ferrari zurückgekehrt war, immerhin noch Zweiter in der Fahrerweltmeisterschaft. In Italien brach ein Sturm der Empörung los. Strategie und Management der Ferrari-Rennabteilung wurden aufs Heftigste kritisiert. Man hätte Lauda bei den Rennen in Jarama und Zandvoort befehlen müssen, Regazzoni vor zu lassen, dann hätte die Scuderia jetzt den Weltmeister gestellt. Doch Ferrari – oder war es vor allem di Montezemolo mit dem Einverständnis des Großaktionärs Agnelli? – stellte sich vor Lauda und verteidigte die Rennregie: Das Ferrari-Team sei »absolut erstklassig« gewesen. Die »Kooperation zwischen Team und Fahrern war fantastisch, absolut hundertprozentig«. Vor allem di Montezemolo hatte seine Hoffnungen auf Lauda
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gesetzt. Ihm gefiel die Einstellung des Österreichers zum Rennsport und zur Arbeit. Lauda hatte damals die Aufgaben eines Rennfahrers neu definiert als Partner des Entwicklungsingenieurs: »Es gibt keinen Ingenieur, der sich rein theoretisch hinsetzt und aufgrund seiner Hochschulausbildung ein superschnelles Auto baut.« Er könne nur ein Auto »mit dem Fahrer drinnen« bauen. Er brauche die Erfahrungen des Fahrers, der ihm sagt, wie sich das Auto verhält. »Der Ingenieur muss eine Basis schaffen, der Fahrer muss von dieser Basis aus weiterbauen.« Mit diesem Konzept sei Jackie Stewart dreimal Weltmeister geworden. Für seine Arbeit bedeute diese enge Zusammenarbeit, dass der Fahrer nicht erst am Freitag kommen, ein bisschen trainieren und am Sonntag ins Rennen gehen könne. »Heute ist es so, dass man einfach von Montag bis Donnerstag fahren muss, um in der Lage zu sein, am Freitag, Sonnabend und Sonntag eine Leistung zu bringen. Die ganze Technik ist derart kompliziert geworden, man muss sich die ganze Woche damit beschäftigen.« Diese Einstellung unterschied sich deutlich von der Haltung, die Laudas Vorgänger Jackie Ickx gezeigt hatte, der sich zwar immer über die Mängel und Fehler seines Dienstwagens beschwert hatte, aber doch nie die notwendige Konsequenz gezogen und zusammen mit den Mechanikern und Ingenieuren an ihrer Beseitigung gearbeitet hatte. Viele Jahre später sollte Ickx erklären: »Wenn ich heute noch einmal 20 wäre, würde ich es wahrscheinlich nicht mehr in die Formel 1 schaffen, weil ich mich nie damit abfinden konnte, mein ganzes Leben auf den Grand-PrixSport und seine kommerziellen Verpflichtungen auszurichten. Mit Haut und Haaren sich der Formel 1 zu verschreiben, wie es mittlerweile notwendig geworden ist, war nie und nimmer mein Fall gewesen.« Auch Laudas Teamkollege Clay Regazzoni hatte eine emotionalere, weniger analytische Auffassung von seinem Berufsleben. Er galt als Rennfahrer klassischen Stils, der mit Leidenschaft und Abenteuerlust an den Start ging und darauf setzte, dass ihm das
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bestmögliche Auto an die Hand gegeben werde, mit dem er dann zurecht kommen müsse. Zweifellos eine Einstellung, an der auch Ferrari mehr Gefallen fand. Seit den Jahren seiner Freundschaft mit der italienischen Rennfahrerlegende Tazio Nuvolari bewunderte er die wagemutigen, impulsiveren Fahrer, auch wenn sie – was das Material anging – viel zerstörerischer waren. Dennoch konnte niemand in der Scuderia übersehen, dass die Zukunft den Laudas gehören würde. Schon in der Saison 1975 hatte der Österreicher seinen großen Auftritt. Die Scuderia hatte ein neues Modell, den Tipo 312 T, entwickelt. Doch zwei Wagen des Typs ramponierte Regazzoni bei den Tests. Lauda beschädigte seinen 312 T im Training für den Grand Prix in Kyalami. Die Schäden konnten zwar behoben werden, doch Lauda schaffte danach nur noch den fünften Platz. Regazzonis Wagen fiel kurz vor Ende des Rennens aus. In Barcelona führte Lauda vom Start weg, bis er von einem Konkurrenten touchiert wurde und mit dem Wagen seines Teamkollegen Regazzoni kollidierte. Damit waren die Hoffnungen der Scuderia an den Leitplanken zerschellt. Doch das gesamte Rennen musste nach einem schweren Unfall, bei dem fünf Menschen starben und neun Zuschauer schwer verletzt wurden, abgebrochen werden. Erst im nächsten Wettbewerb in Monte Carlo kam Lauda wieder zum Zuge. In dem Regenrennen übernahm er vom Start an die Führung und fuhr ohne Zwischenfall als Erster über die Ziellinie, obwohl er sein Fahrzeug aus Sorge vor weiteren Pannen schonte. Ferrari hatte ihn noch mit aller Subtilität unter Druck gesetzt. Noch vor der Abreise ins Fürstentum hatte er Lauda ausrichten lassen, dass es an der Zeit sei, dass die Scuderia wieder einen Sieg in Monte Carlo erringe. Der letzte läge immerhin 20 Jahre zurück. Jeden anderen Rennfahrer mit weniger ausgeprägtem Selbstbewusstsein hätte diese Ermahnung zur Verzweiflung getrieben. Denn Lauda lag vor dem Rennen in Monte Carlo auf einem ziemlich aussichtslosen neunten Platz. Er hatte in der Saison gerade erst fünf WM-Punkte sammeln können. Der Spitzenreiter Emerson Fittipaldi hatte 15, und selbst sein Teamkollege Regazzoni
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lag mit sechs Punkten einen Platz vor dem Hoffnungsträger der Scuderia. Doch Lauda fuhr sein Rennen routiniert und kühl. Nach dem Sieg versuchte er seinen spektakulären Erfolg herunterzuspielen: »Da passte einfach alles. Unser Auto war großartig, in Tausenden Testkilometern hatten wir es entwickelt. Es war das Auto der Stunde. Auch fahrerisch wird man perfekt, sicherer – und umgekehrt: Man trifft auf jeder Strecke sofort die perfekte Abstimmung früher als die Konkurrenz. Und wenn man im Rennen vorne ist, ein paar schnelle Runden hinzaubert, hat man alles unter Kontrolle.« Laudas Erfolgsserie hielt an. Er holte sich die nächsten beiden Grand Prix und fuhr beim Großen Preis der Niederlande auf einen sicheren zweiten Platz. In Monza wurde Lauda schließlich zum Weltmeister gekürt, wobei ihm auch da ein zweiter Platz reichte. Auf dem höchsten Platz des Siegerpodestes aber stand Regazzoni, der für seinen Teamkollegen und neuen Weltmeister Tempo und die Bahn frei gemacht hatte. Die Scuderia Ferrari hatte es wieder einmal geschafft: Sie hatte nicht nur den schnellsten Fahrer, sondern auch die besten Konstrukteure, denn auch dieser Titel ging nach Maranello. Di Montezemolo konnte zufrieden sein, wenn auch diese Saison etwas schmerzhaft für ihn gewesen sein dürfte: In Zandvoort war er in der Boxengasse von dem Lotus des schwedischen Rennfahrers Ronnie Peterson überrollt worden und hatte sich dabei einen Beinbruch zugezogen. Auch 1976 lief die Saison gut für Ferrari an, im Tipo 312 T fuhr Lauda in den ersten beiden Rennen in Brasilien und Südafrika klar an der Spitze, Regazzoni siegte in Long Beach. In Spanien ging Lauda mit zwei gebrochenen Rippen an den Start – der Weltmeister war mit dem Rasentraktor beim Mähen umgekippt – und musste sich nach der Hälfte der Strecke von dem neuen Talent der Saison, dem Briten James Hunt, überholen lassen. Belgien und Monte Carlo gingen an Lauda und Ferrari, doch in Schweden bremsten Abstimmungsprobleme die Leistung der Ferraris, die sich kaum
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auf der Piste halten ließen. Einen Monat später in Frankreich fielen beide »springenden Pferdchen« mit Motorschaden aus. Am 18. Juli brachte Regazzoni Lauda um den Grand Prix in Großbritannien. Er provozierte einen Unfall kurz nach dem Start, dem nur Lauda, der die Spitze des Feldes übernommen hatte, entkommen konnte. Regazzoni, der von der vierten Startposition aus ins Rennen gegangen war, gab sofort Gas und preschte auf die Höhe von Laudas Ferrari vor. Die beiden Fahrer gingen Kopf an Kopf in die erste Rechtskurve – ein völlig aberwitziges Manöver, denn Regazzoni brachte den eigenen Teamkollegen in große Bedrängnis. Doch während Lauda links an Regazzoni vorbei durch die Kurve kam, verlor der Herausforderer die Kontrolle über das Fahrzeug, drehte sich und blieb schließlich frontal zum heranbrausenden Feld stehen. James Hunt konnte nicht mehr ausweichen und fuhr auf den Ferrari auf. Sein McLaren hob ab, landete aber wieder auf den Rädern. Der Fahrer blieb unversehrt – nur die Spurstange war gebrochen. Hunt steuerte sofort die McLarenBox an. Das Rennen wurde abgebrochen. Eigentlich wäre damit für den Briten auch der Kampf zu Ende gewesen, denn er hatte die erste Runde nicht beendet. Doch ein lautstarker Protest des Publikums, das seinen Liebling fahren und siegen sehen wollte, führte dazu, dass die Rennleitung eine Ausnahme machte und Hunt noch einmal starten ließ. Danach gab es einen spannenden Zweikampf zwischen Lauda und Hunt, den der Brite für sich und seinen Rennstall McLaren entschied, weil Lauda durch Getriebeprobleme gebremst wurde. Nach diesem Rennen führte der Ferrari-Pilot mit 58 zu 35 Punkten vor Hunt. Erst nach dem 12. September fällten die FIA-Funktionäre die Entscheidung, dass Hunts zweiter Start nicht regelkonform war und er nachträglich disqualifiziert wurde. Die WM-Punkte, die er in Silverstone erhalten hatte, wurden wieder gestrichen. Da hatte sich jedoch bereits die Tragödie ereignet, die zunächst alle Titelhoffnungen der Scuderia auf einen Schlag zerstörte: Am 1. August 1976 verunglückt Lauda lebensgefährlich auf dem Nür-
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burgring. Im Streckenabschnitt »Bergwerk« kommt sein Ferrari von der Piste ab, schlägt gegen die Leitplanken und fängt Feuer. Dass er dem Inferno lebend entkommt, verdankt Lauda vor allem drei Rivalen. Der Amerikaner Brett Lunger, dessen Surtees mit dem brennenden Ferrari kollidiert, Guy Edwards, der seinen Hesketh am Wrack vorbeisteuern kann, und Arturo Merzario im Wolf-Williams halten an und helfen dem Streckenposten, den Schwerverletzten aus den brennenden Trümmern zu ziehen. Sein Helm ist ihm bei dem Unfall vom Kopf gerissen worden. Er hat schwere Verbrennungen an Kopf und Körper, Atemwege und Lunge sind schwerst geschädigt durch die giftigen Dämpfe, die das Feuer freigesetzt hat. Eine Woche schwebt er in Lebensgefahr, empfängt sogar die Sterbesakramente, dann hat er die Krise überwunden, sein Kopf und Gesicht aber sind für immer gezeichnet. Doch es war keine Frage für ihn, dass er so schnell wie möglich in den Rennzirkus zurückkehren würde. Seine Ärzte dachten, dass er im Oktober wieder fit sein könnte, doch Lauda wollte das Rennen am 12. September in Monza, das Heimspiel für die Scuderia, nicht verpassen. Vielleicht hatte er auch von den Gerüchten erfahren, dass in Maranello bereits nach einem Nachfolger für ihn gesucht wurde. Der Umbau des Rennteams war bereits in vollem Gange: Der Argentinier Carlos Reutemann trainierte bereits im zweiten Ferrari neben Regazzoni. Der Schwede Ronnie Peterson wurde ebenfalls als Favorit gehandelt. Doch in Monza stand Lauda wieder am Start, nachdem er die vorangegangenen Testfahrten bestanden hatte. Er war noch immer angeschlagen, aber fest entschlossen, durchzuhalten. Sein Teamkollege Regazzoni hatte sich bereits ins Abseits manövriert, weil er beim Grand Prix in Zandvoort erst in der fünften Runde vor Schluss angefangen hatte, den führenden Fahrer James Hunt zu bedrängen, und beim notwendigen Überholmanöver schließlich von einem anderen Fahrer aufgehalten wurde. Hunt siegte und konnte seinen Rückstand auf Lauda in der Gesamtwertung abbauen. Regazzoni sollte im nächsten Jahr nicht mehr für Ferrari fahren. In
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Monza schaffte Lauda – kaum genesen, mit dicken Verbänden um den Kopf – immerhin den vierten Platz, Ronnie Peterson gewann. Vor Lauda lagen noch drei Rennen, eine gewaltige Herausforderung, denn nicht nur der Pilot war noch ein Rekonvaleszent, auch sein Wagen war nicht fit. Während sich Lauda von seinen schweren Verletzungen erholte, wurde der 312 T nicht weiterentwickelt. Auch sonst hatte sich einiges verändert. Agnelli wollte di Montezemolo wieder zurück ins Imperium holen: Er sollte Senior Vice President im Konzern werden und verantwortlich für die externe Kommunikation des Automobil- und Industriekonglomerats zeichnen. Di Montezemolo hatte seine erste Aufgabe mit Bravour erfüllt, die lange Zeit erfolglose Scuderia hatte seit seinem Amtsantritt wieder Tritt gefasst. Sein Nachfolger in Maranello war Daniele Audetto, ein ehemaliger Kunststudent und Kunstkritiker, der als Co-Pilot bei Rallyes und im Team von Lancia seine Leidenschaft zum Motorsport ausgelebt hatte. Nach einem schweren Unfall humpelte er und ließ sich in Team management und Marketing ausbilden. Der Wechsel fand offensichtlich zu einer Zeit statt, wo vor allem Erfahrungen im Umgang mit dem Team wichtig gewesen wären, um die Trainingsabläufe und die Weiterentwicklung der Formel-1-Boliden zu forcieren. Doch das geschah nicht, und so musste sich Lauda anstrengen, um das Versäumte aufzuholen – zunächst ohne überzeugenden Erfolg. Hunt gewann die Rennen in Kanada und den USA, Lauda konnte wenigstens in Watkins Glen einige Punkte sammeln. Die Weltmeisterschaft würde also erst in Japan, auf dem Fuji International Speedway, der zum ersten Mal Austragungsort eines Formel-1-Wettbewerbs sein würde, entschieden. Im Training schlug Hunt den Titelverteidiger Lauda um ein paar Hundertstelsekunden. Die schnellste Zeit allerdings fuhr Mario Andretti. Als das Rennen am Sonntag beginnen soll, regnet es in Strömen. Der Start wird um 90 Minuten verzögert, ohne dass sich das Wetter bessert. Das Rennen beginnt, Lauda beendet die erste
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Runde als Zehnter. Dann fährt er in die Ferrari-Box, steigt aus: »Ich habe nicht die Absicht, mich umzubringen.« Damit ist die Fahrerweltmeisterschaft für Ferrari in dieser Saison verloren. Andretti gewinnt das Rennen, James Hunt wird Weltmeister. Rennleiter Audetto und der Chefkonstrukteur Forghieri drängten Lauda, seine Aufgabe mit technischen Defekten zu begründen. Doch der Österreicher lehnte ab. Die beiden Teamchefs konnten sich noch mit dem Konstrukteurstitel trösten, der wieder an Ferrari ging. Als Lauda nach Maranello zurückkehrte, empfing ihn eisige Kälte. Enzo Ferrari war enttäuscht, er zweifelte an den Fähigkeiten Laudas als Weltklassefahrer. Der Unfall am Nürburgring hatte ihn offensichtlich nicht nur physisch aus der Bahn geworfen. Der auch psychisch angeschlagene Mann könnte kaum noch gewinnen. Mancher in Maranello hielt den Champion des Jahres 1975 auch schlicht für einen Feigling. Ferrari wollte Lauda eigentlich einen Vertrag als Cheftester und Teammanager anbieten. Doch der Österreicher gab nicht nach. Er bestand auf der Erfüllung seines Vertrages als Fahrer. Er kämpfte um seinen Boliden und um seine Position als die Nummer eins im Team. Diese Position war eigentlich schon einem anderen zugebilligt worden: dem Argentinier Carlos Reutemann, der ursprünglich für den glücklosen Regazzoni angeheuert worden war und der 1977 seine erste komplette Saison in der Maranello-Mannschaft fahren sollte. Doch Lauda bestand darauf, dass er und nicht sein Teamkollege das Testprogramm des in die Jahre gekommenen 312 T2 absolviert. Er handelte auch Probefahrten vor dem Rennen im südafrikanischen Kyalami aus. Seine detaillierte und disziplinierte Vorbereitung zahlte sich aus: Lauda erfuhr sich, wie viele Beobachter meinten, »den wichtigsten Sieg seiner Karriere«. Auf jeden Fall hatte er allen bewiesen, dass er noch immer gewinnen wollte und es auch konnte. Dennoch wurde 1977 keine einfache Saison für Lauda. Die Stim-
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mung in Maranello blieb angespannt, der 312 T2 ließ an Zuverlässigkeit und Abstimmung zu wünschen übrig, und Lauda hatte etwas von seiner Souveränität eingebüßt: Er war nicht mehr so cool wie vor seinem Unfall. Neue Konkurrenten setzten ihm zu: Der Südafrikaner Jody Scheckter hatte den WM-Auftakt in Buenos Aires auf einem Wolf-Cosworth gewonnen. Auch in Monte Carlo wiederholte er seinen Triumph. Niki Lauda gelang es aber, den Großen Preis von Deutschland in Hockenheim zu holen: Ein Jahr nach seinem schweren Unfall war das eine fast übermenschliche Leistung. Er war fast wieder der Alte: »Manche kannst nur überzeugen, wennst gewinnst«, sagte er dazu süffisant in seinem unverkennbaren Wiener Dialekt und fügte hinzu: »Jeder Sieg ist schön, aber dieser ganz besonders.« Danach konnte er erleichtert wieder auf die Siegerstraße einbiegen. Auch das Rennen in Zandvoort gewann er. Damit war der Weltmeistertitel in greifbare Nähe gerückt. Doch dann sorgte Lauda für die eigentliche Sensation: Noch vor den letzten drei Rennen der Saison verkündete er seinen Abschied von Maranello: Es sei an der Zeit zu gehen, die Beziehung zum Team sei nicht mehr dieselbe wie einst, erklärte er lapidar seine »Scheidung« von Ferrari. 1978 sollte er für den Rennstall Ecclestone-Parmalat im Cockpit sitzen. Der Patron war tief enttäuscht und verletzt von Laudas Entscheidung und der Tatsache, dass Lauda von sich aus gekündigt und nicht Ferrari dem eigenwilligen Starpiloten den Laufpass gegeben hatte. Der Cavaliere konterte zynisch, dass der Österreicher sich wie Judas benommen hätte und sich nicht für 30 Silberlinge, sondern für 30 Salami verkauft habe – zu den Großsponsoren des Teams Brabham-Alfa Romeo gehörte der damals größte ita lienische Nahrungsmittelkonzern Parmalat. Trotzdem musste Lauda noch wenigstens ein Rennen für Ferrari fahren: den Grand Prix in Watkins Glen in den USA. Er wurde Vierter – und war damit schon Weltmeister der Formel 1. Diesmal
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musste der Champion ohne seinen Chefmechaniker Ermanno Cuoghi antreten, denn den hatte Ferrari am Tag vor dem Rennen gefeuert, weil er ebenfalls gewagt hatte zu kündigen und mit seinem F1-Piloten in Ecclestones Brabham-Team zu wechseln. Auch Lauda sollte kein weiteres Rennen mehr für die Scuderia fahren, der er zum dritten Mal auch den Titel des Konstrukteursweltmeisters mit beschafft hatte. Ferrari ließ sich solch ein unbotmäßiges Verhalten nicht gefallen und schickte im kanadischen Mosport neben Lauda und Reutemann einen dritten Fahrer an den Start: den Kanadier Gilles Villeneuve. Noch im August 1977, kurz nach der Kündigung von Lauda, wurde er von Ferrari angeworben. Als Lauda die unabgesprochene Teamerweiterung wahrnahm, meldete er sich krank und verzichtete auf den Start. Mit dem Abgang von Lauda und zuvor schon di Montezemolo hatten wieder Enzo Ferrari und seine alte Truppe das Kommando in Maranello übernommen. Dreimal war der Rennstall für die beste Konstrukteursleistung ausgezeichnet worden, zweimal hatte er den besten Formel-1-Fahrer der Welt gestellt. Doch diese Erfolgsserie schien niemanden daran zu erinnern, dass sie ein Ergebnis des Führungsstils und der Disziplin des Agnelli-Zöglings di Montezemolo und der Profes sionalität des disziplinierten Arbeiters Niki Lauda war. Sie hatten neue Maßstäbe gesetzt in der Königsklasse, die aber in den folgenden Jahren wieder von den leidenschaftlichen Abenteurern im Cockpit beherrscht wurde, die nur zu gerne ihre Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit des Wagens überschätzten.
Die letzte Hoffnung des Cavaliere Kaum hatte di Montezemolo Maranello den Rücken gekehrt, galten wieder die Grundsätze des alten Cavaliere – wie die Berufung von Gilles Villeneuve zeigte. Am 23. Oktober 1977, beim letz-
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ten Rennen der Saison in Fuji, hatte Villeneuve Laudas 312 T2 übernommen und ging für Ferrari an den Start. Er beendete das Jahr mit einem spektakulären Unfall. Nach einer Kollision schoss der Ferrari über die Leitplanken, erschlug zwei Zuschauer und verletzte sieben schwer. Wie durch ein Wunder blieb Villeneuve unverletzt. In seiner ersten kompletten Formel-1-Saison 1978 sorgte Villeneuve immer wieder als schnellster Fahrer für Aufsehen. Zwar war mit dem Argentinier Carlos Reutemann noch ein routinierter Pilot im Ferrari-Team, der in jener Saison vier Rennen gewann. Aber seine Tage in Maranello waren gezählt. Weil El Lole, wie Reutemann von seinen Kollegen genannt wurde, nach Ansicht von Enzo Ferrari den Sieg beim Rennen am Zellweg verpasst hatte, befand der Commendatore, dass sein Fahrer die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt hätte, und schickte ihn nach dem Ende der Saison in die Wüste. Doch wenn Ferrari jemanden wirklich mochte, wie den Kanadier Gilles Villeneuve, konnte er ihm fast alles verzeihen. Obwohl Villeneuve mit seinem tollkühnen Fahrstil mehr Rennwagen zerlegte als irgendein anderer Formel-1-Pilot der Scuderia in jenen Jahren, nannte Ferrari ihn nur seinen »Prinzen der Zerstörung«, trug ihm aber den Materialverschleiß nicht weiter nach. Villeneuve faszinierte die »schiere Lust und Leidenschaft, am Lenkrad eines Rennwagens alles zu riskieren, als gäbe es kein Morgen«, beschrieb der Motorjournalist Eberhard Reuß Ferraris Lieblingsfahrer. Der Franzose war genau so, wie sich Ferrari die wahren Profis der Piste vorstellte, seit er mit dem legendären Draufgänger Tazio Nuvolari zusammengearbeitet hatte – und wie er selbst nie war. Auch Nuvolari war jedes Rennen mit totalem Einsatz von Mensch und Material gefahren ist. Und beide Rennfahrer waren über eine andere Disziplin, in der Wagemut und Risikobereitschaft gefragt sind, zum Autorennen gekommen: Nuvolari hatte seine ersten Siege auf dem Motorrad gewonnen, Villeneuve war ein halbes Jahrhundert später über Snowmobile-
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Rennen in seiner Heimat in die Formel 2 und dann in den GrandPrix-Zirkus geraten. Zunächst fuhr er in einem kapitalschwachen Ecurie Canada Team und gewann die Formula Atlantic. Seine spektakuläre Leistung war der Rennleitung von McLaren aufgefallen, die den furchtlosen Fahrer zu sich holte. Nach einigen Wettbewerben im Jahr 1977 wurde er auch dort schon als Nachwuchstalent und Hoffnungsträger gehandelt. Doch bevor er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen konnte, holte ihn Ferrari nach Maranello. Dass Villeneuve durch eine Kollision aus Unachtsamkeit in Long Beach den Sieg in dem Rennen verspielt hatte, störte Ferrari nicht. Andere Piloten hätten dafür einen Platzverweis und die Kündigung kassiert. Doch trotz seiner Sympathie für Villeneuve setzte Ferrari seinem wagemutigen Favoriten zunächst noch den Südafrikaner Jody Scheckter vor die Nase, der deutlich taktischer an die Rennen heranging und begriffen hatte, dass am Ende einer Saison die Gesamtpunktzahl über die Weltmeisterschaft entscheidet.
Enzo Ferrari im Gespräch mit Gilles Villeneuve.
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Villeneuve hingegen ging es nur darum, die Rennen zu gewinnen. Bei allem Ehrgeiz hätte Villeneuve es nie gewagt, sich einer Anweisung der Rennleitung zu widersetzen. Eine Stallorder war so unfehlbar wie ein päpstliches Dogma. So hielt er sich auch an die Anweisung, Scheckter zu unterstützen, und versuchte gar nicht erst, im entscheidenden Rennen 1978 in Monza an dem Teamkollegen und Spitzenreiter vorbeizuziehen, obwohl er damit nicht nur den Sieg verschenkt hatte, sondern möglicherweise auch den Weltmeistertitel. Villeneuve beschied sich auch mit dem zweiten Platz in Montreal und gewann das letzte Rennen dieser Saison in Watkins Glen. Hätte er sich nicht an die Anweisungen der FerrariRennleitung gehalten, wäre er vielleicht Weltmeister geworden. Nach der neuen Weltmeisterschaft von Scheckter, die der Scuderia auch noch den Titel in der Konstrukteurswertung eintrug, legte sich in Maranello wieder Mehltau über Fahrer und Mechaniker. Im darauf folgenden Jahr konnten Scheckter und Villeneuve keinen Titel, nicht einmal ein einziges Grand-Prix-Rennen gewinnen. Von der FISA, der obersten Rennleitung der F1-Competition, war ein Verbot der beweglichen Schürzen beschlossen worden. Das waren Spoiler, die den Abstand zwischen Karosserie und Boden verringerten, um den leichten F1-Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten mehr Bodenhaftung zu verleihen. Nach heftigen Protesten und Boykotten einzelner Rennställe – darunter auch Ferrari – wurde das Verbot zwar wieder aufgehoben, aber dennoch war klar, dass sich die Konstrukteure etwas einfallen lassen mussten, um die immer leichteren Boliden mit ihren immer stärkeren Motoren künftig auf dem Boden halten zu können. Außerdem hatte die Konkurrenz nicht geschlafen und sich mit stärkeren und zuverlässigeren Rennwagen zurückgemeldet. Die Kooperation zwischen F1-Pilot und Techniker funktionierte in anderen Teams besser als in der Scuderia. Der Weltmeister von 1979 Scheckter hatte die Querelen mit der obersten Regelinstanz zum Anlass genommen, zum Saisonende seinen Rückzug von der For-
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mel 1 zu verkünden, weil das dramatisch gestiegene Kurventempo ein zu hohes Risiko für die Sicherheit der Fahrer darstellte. Für Scheckter engagierte Ferrari den Franzosen Didier Pironi. Er wurde allerdings als zweiter Mann eingestellt. Der damals 29jährige Motorsportler hatte sich einen Namen gemacht, als er 1977 das F3-Rennen in Monaco gewann. Der Rennstall von Ken Tyrell verschaffte ihm 1978 das Debüt in der Formel 1. Er blieb dort zwei Jahre, in denen er zwar keine Großen Preise gewinnen konnte, aber dennoch die Gelegenheit nutzte, seine Fähigkeiten zu zeigen, und sich den Ruf eines hoffnungsvollen Nachwuchstalents zu verschaffen. 1980 war er in das Team von Lignier gewechselt, für das er den ersten Grand-Prix-Sieg beim Großen Preis von Belgien erringen konnte. 1981 startete er für Ferrari. Im gleichen Jahr stieß auch Harvey Postlethwaite zur Truppe in Maranello. Der Brite sollte die Chassis der Ferrari-Modelle überarbeiten und für den neuen Turbo-Antrieb mit sechs Zylindern ein modernes Fahrzeug konstruieren, das im Vergleich zu den Vorgängermodellen 312 T4 und 312 T5 die Bodenhaftung verbesserte, ohne auf die verbotenen Spoiler zurückgreifen zu müssen. Postlethwaite, der bisher für Ken Tyrells Mannschaft gearbeitet hatte, fand das Ferrari-Werk Maranello völlig unvorbereitet auf die Herausforderungen, denen sich die Rennfahrer nun gegen übersahen. Traditionell hatte sich Ferrari vor allem auf die Entwicklung neuer Motoren konzentriert und den Anforderungen, die künftig an Chassis und Fahrercockpit gestellt werden sollten, deutlich weniger Beachtung geschenkt. Bestimmte Konstruktionsverfahren, wie beispielsweise das Monocoque, den Innenraum aus Karbonkunststoff, in dem der Fahrer sitzt, konnte er nicht nutzen, weil Ferrari keine Erfahrung im Umgang mit diesem neuen, extrem belastbaren Kunststoff-Mix hatte. Deshalb erhielt der 126 CK Turbo nur einen halbsteifen Innenraum, der mit Spezialverfahren noch besonders ausgehärtet wurde. Dennoch hatte Postlethwaites Grand-Prix-Wagen nur etwa 25 Prozent des Abtriebs, über den die Fahrzeuge der Konkurrenz verfügten.
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Schwieriger zu beherrschen war allerdings in jener Saison noch das »Turbo-Loch«, die Verzögerung, mit der der Druck auf das Gaspedal an das Aggregat weitergeleitet wurde. Trotz dieser technischen Handicaps gelang es Gilles Villeneuve in Monaco und Barcelona, als Erster die Ziellinie zu überqueren. Die Probleme, die den Ferrari-Piloten das Siegen unmöglich gemacht hatten, schienen 1982 gelöst zu sein. Mit dem Tipo 126 C2, der von einem 1,5-Liter-V6-Motor mit 600 PS angetrieben wurde, hatte Ferrari endlich wieder ein Fahrzeug, das Hoffnung auf den ersten Platz aufkeimen ließ. Doch dann führten zwischenmenschliche Komplikationen zu einem tragischen Unfall. Beim Großen Preis von San Marino in Imola wurde Villeneuve von seinem damaligen Teamkollegen, dem Franzosen Didier Pironi, gelinkt. Nachdem Villeneuve in Führung gegangen war und Didier auf dem zweiten Platz lag, forderte die Ferrari-Rennleitung die beiden Fahrer auf, keine Risiken mehr einzugehen und in dieser Reihenfolge das Rennen zu beenden. Doch in der letzten Runde hielt sich Pironi nicht an die Order und zog an Villeneuve vorbei. Der war zutiefst gekränkt und wollte Pironi beim nächsten Rennen zeigen, wer der Chef im Team ist. Zwei Wochen später im belgischen Zolder kam es in den letzten Minuten der Trainingssession zu einem fatalen Unfall. Villeneuve fuhr in vollem Tempo auf den langsam dahinrollenden Jochen Mass, der einen March steuerte. Beide Rennfahrer begriffen noch die sich anbahnende Katastrophe und versuchten auszuweichen, wählten aber die gleiche Richtung. Villeneuves Ferrari flog durch die Luft und überschlug sich mehrmals. Villeneuve wurde aus seinem Sitz geschleudert und schlug in erheblicher Entfernung von den Trümmern seines Fahrzeugs auf. Er war sofort tot. In seinen Erinnerungen bekannte Ferrari: »Gilles Villeneuve war eine große Kämpfernatur und hat den Namen Ferrari noch berühmter werden lassen. Ich hatte ihn gern.« Villeneuve ist bis heute der letzte Rennfahrer, der sein Leben auf der Rennpiste am Steuer eines Ferraris verloren hatte. Auf
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der Totenliste der vorangegangenen Jahrzehnte stehen die Namen renommierter Fahrer wie Giuseppe Campari, Alberto Ascari, Eugenio Castellotti, Luigi Musso, Peter Collins, Ken Wharton, Alfonso de Portago, Wolfgang Graf Berghe von Trips, Tommy Spychiger, Lorenzo Bandini … Zur Legendenbildung über das Leben und Wirken des Commendatore gehört auch, dass Ferrari sehr darunter gelitten habe, dass sich diese Männer in seinen Wagen zu Tode gefahren haben. Er habe sich in seinem Bauernhaus verkrochen, das er in Maranello bezogen hatte, um den Fragen der Journalisten, die vor dem Werksgelände warteten, zu entgehen. Tatsächlich hat Ferrari vielen seiner Piloten nicht allzu lange nachgetrauert, von einigen Ausnahmen wie Villeneuve abgesehen. Der Tod gehört mit zum Geschäft. Dass Ferrari sich dennoch immer stärker abschottete von der Scuderia und dem Renngeschehen, lag zunächst eher daran, dass er während der Veranstaltungen ohnehin nicht hätte eingreifen können, später kam hinzu, dass er immer gebrechlicher wurde und einfach schlecht gehen konnte. Außerdem hat seine abwesende Präsenz zur Mythenbildung beigetragen. Oft spiegelte der physische Rückzug aber auch Ferraris Gemütslage wider. Er hatte schon immer einen Hang zur Melancholie, aber auch zu Selbstmitleid. Der Patriarch, der seinen Namen als Kultmarke im Motorsport und im obersten Luxussegment der Automobilindustrie etabliert hatte, fühlte sich bisweilen vom Schicksal unfair behandelt. Nach dem Tod seines Stars war nun Pironi der erste Mann im Fahrerteam, und Ferrari zweifelte, ob der ehrgeizige und arrogante Franzose tatsächlich das Zeug dazu hatte, Weltmeister zu werden. Für das Rennen in Zolder wurden die Ferraris zurückgezogen, aber in Zandvoort zum Großen Preis der Niederlande stand Pironi wieder am Start, der zweite Mann im Team war der Franzose Patrick Tambay, der zuvor für McLaren und Talbot-Ligier gestartet und dabei nicht gerade vom Erfolg verwöhnt worden
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war. Tambay galt aber als Mann mit ausgezeichneten Manieren und einem hohen Maß an Disziplin, er hatte sich als unermüdlicher Testfahrer einen guten Namen gemacht. In der neuen Konstellation gewann Pironi in Zandvoort, Tambay kam als Achter ins Ziel. In Monte Carlo blieb Pironis Ferrari kurz vor dem Ziel liegen, weil ihm der Sprit ausgegangen war. Dann schaffte er den dritten Platz in Detroit und den neunten in Montreal, wo nach einem schweren Unfall beim Start, als Pironis Wagen abgesoffen war, der Grand Prix neu gestartet werden musste. Immerhin führte Pironi mit 39 Punkten vor dem Franzosen Prost und dem Österreicher Lauda. Doch dann kam der Große Preis von Deutschland, der auf dem Hockenheimring ausgetragen wurde. Pironi wollte wieder einmal beweisen, dass er der schnellste Fahrer ist, und hatte sich bereits im Qualifying die Pole Position erobert. Doch Pironi ließ es nicht damit bewenden, obwohl es in Strömen regnete. Er hatte bereits nach vier Runden die schnellste Zeit herausgefahren, als er im Regennebel zu spät den Wagen von Prost vor sich sah. Eine Kollision ließ sich nicht mehr vermeiden. Auch Pironis Ferrari wurde von der Piste gefegt, überschlug sich mehrmals und blieb dann stehen. Alles erinnerte an den tödlichen Unfall von Villeneuve wenige Wochen zuvor. Doch es gab einen wesentlichen Unterschied: Diesmal hielten die Sicherheitsgurte und das Monocoque den Fliehkräften stand. Pironi hing blutüberströmt, bewusstlos und mit mehrfach gebrochenen Beinen in seinem völlig zerbeulten Cockpit – aber er lebte. Per Hubschrauber wurde er ins nächste Universitätskrankenhaus transportiert, und dank einer Notoperation konnte eine Amputation vermieden werden. Pironi würde in jenem Jahr nicht mehr in den Rennzirkus zurückkehren können. Ferrari soll nur: »Adieu, mondiale« gesagt haben, als er von dem üblen Crash unterrichtet wurde. Wenig später war klar, dass Pironi nach 30 Operationen, um die Funktionsfähigkeit seiner Beine wiederherzustellen, über-
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haupt keine Formel-1-Rennen mehr fahren würde. Er stieg später auf Rennboote um. Bei einem Rennen im Kanal vor Southampton 1987 überschlug er sich mit seinem Boot und war sofort tot. Weltmeister wurde 1982 der Schwede Keke Rosberg im Williams-Cosworth. Auch in den folgenden Jahren kam Ferrari nicht einmal mehr in die Nähe eines Weltmeistertitels. Die Formel 1 wurde von McLaren beherrscht, und die Teams aus Maranello konnten bis zum August 1988 von 78 Grand-Prix-Rennen gerade mal fünf gewinnen und 13-mal einen zweiten Platz erzielen. Ferrari rutschte ab in die Mittelmäßigkeit.
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Das Erbe des Patriarchen
Als Enzo Ferrari am 14. August 1988, einem sonnigen Augustsonntag, starb, hinterließ er ein Unternehmen, das sich in der Welt der Reichen und Schönen als Inbegriff von Luxus und Leistung fest etabliert hatte. Hinter den Kulissen hingegen wirkte die Scuderia wie ein Handwerksbetrieb, der nach dem alleinigen Willen des Gründers geführt wurde, dessen Wort Gesetz war, auch wenn er seine Meinung häufig änderte. Ferraris Ziele aber blieben immer dieselben: Er wollte Prestige, Macht und Anerkennung. Um das zu erreichen, waren ihm Zeit seines Lebens alle Mittel recht. So hatte er sich ein durchaus machiavellistisches Herrschaftsgefüge aufgebaut, mit Adlaten und Günstlingen, die er wie Bauern auf einem Schachbrett hin- und herschieben und, wenn es sein musste, für seine eigenen Ziele opfern konnte. Er ließ sich gerne Ingegnere (Ingenieur) nennen, obwohl seine Fähigkeiten und sein Interesse an den technischen Möglichkeiten und der Leistungsfähigkeit seiner Automobile mit zunehmendem Alter stark abgenommen hatten und es ihm eigentlich nur noch darum ging, mit der höchsten PS-Zahl oder den spektakulärsten Siegen auftrumpfen zu können. Wie vielen alternden Patriarchen gelang es auch Ferrari nicht, einen kompetenten Nachfolger aufzubauen. Im Gegenteil: Er hatte sogar alles darangesetzt, potenzielle Erben rechtzeitig zu demontieren und ihre Autorität, so sie denn überhaupt welche hatten, zu untergraben. Ein Ergebnis von Ferraris Führung war, dass in der
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Scuderia ein Betriebsklima herrschte, das einen idealen Nährboden für Intrigen und Machtkämpfe bot. Dies galt vor allem für die wichtigsten Bereiche des Rennstalls: die Entwicklungsabteilung der Scuderia und die Führung des Rennteams. Nach Luca di Montezemolo war es keinem der Manager gelungen, ein ähnlich erfolgreiches Team zusammenzustellen und zu motivieren. Zunächst wurde Daniel Audetto zum Manager der Rennabteilung berufen. Er kam aus dem Fiat-Konzern und hatte dort das Lancia-Rallye-Team geleitet. Auch ihm wurden enge Kontakte zur Agnelli-Familie nachgesagt. Im Führungsstil unterschied er sich deutlich von di Montezemolo. Er war lässiger im Umgang mit seinen Mitarbeitern und zeigte deutlich größeres Interesse an den Intrigen und Ränkespielchen, die mit der Ankündigung von di Montezemolos Abgang sofort wieder auflebten. Audetto sonnte sich gerne in Glamour und Glanz, die seine Position als Chef des legendären Rennstalls umgaben und denen er auch seine Stellung in der europäischen Schickeria verdankte. Er sah sich eher als Playboy denn als Coach einer Gruppe hochsensibler und eitler Spitzensportler und Kreativer. Konflikte mit dem damaligen Star der Renntruppe, Niki Lauda, der vor allem während der Saison ein eher asketisches Leben führte, waren programmiert. Vor allem, weil Audetto offensichtlich weniger Wert auf die detaillierte Arbeit an den Rennwagen durch zahllose Testfahrten legte. Als Lauda das Regenrennen in Fuji aufgegeben und damit auch auf den Weltmeistertitel verzichtet hatte, stellte sich Audetto auf die Seite der Lauda-Kritiker. Als der Österreicher Ferrari schließlich verließ, hieß der Rennmanager schon nicht mehr Audetto. Der Mann mit den Playboy-Allüren hatte nur ein kurzes Gastspiel gegeben, bevor er wieder auf eine andere Position im Fiat-Konzern berufen wurde. Lauda betrachtete das insgeheim als Sieg über den ungeliebten Chef, doch sein Nachfolger machte dem Starfahrer das Leben auch nicht leichter. Diesmal hatte sich offenkundig Ferrari durchgesetzt und einen
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seiner Günstlinge auf die wichtige Position berufen: Roberto Nosetto. Der neue Chef war ein alter Bekannter, er gehörte seit 20 Jahren zur Scuderia und war vor allem durch seinen Hang zur Skurrilität aufgefallen. Nosetto hatte eine unübersehbare Vorliebe für die Farbe Grün, was er auch bei der Wahl seiner Kleidung zeigte. Und er war übermäßig abergläubisch. Er war bekannt dafür, dass er die Zahl Sieben für seine Unglücksziffer hielt, und wäre – so behaupteten jedenfalls Mitarbeiter und Kollegen – nie in einen Leihwagen gestiegen, der eine 7 im Nummernschild trug. Seine farbliche Präferenz wie seine Zahlenphobie machten den Teamchef schnell zur tragischen Figur und zur Zielscheibe von Spott und Hohn. Doch Nosetto erwies sich als Diener seines Herrn. Als Lauda nach einem vierten Platz in Watkins Glen – im drittletzten Rennen der Saison – bereits zum Weltmeister gekürt wurde, würdigte Nosetto den erfolgreichen Fahrer ganz im Sinne des Patriarchen keines Wortes, denn damals war ja schon bekannt, dass Lauda fahnenflüchtig geworden war. Die Siegesfeier war eine verkrampfte Show für die Medien, intern war das Klima frostig. Dabei hätte dieser Erfolg ganz besondere Anerkennung verdient. Denn Lauda hatte das brillante Ergebnis gegen alle Erwartungen erzielt. Es war der krönende Abschluss einer Saison, die von Anfang an eigentlich nicht zu gewinnen gewesen war. Bereits zu Beginn des folgenden Jahres war die Stimmung im Team gespannt, weil wieder einmal klar war, dass Ferrari viel zu beschäftigt mit den internen Rankünen und Querelen gewesen war und wichtige Entwicklungen im Renngeschäft nicht mitbekommen hatte. Der Zwölfzylinder-Motor, den die Scuderia in ihre Wagen einsetzte, war gegenüber den moderneren CosworthAggregaten so veraltet, dass nur durch eine Modifikation kaum Wettbewerbsfähigkeit hergestellt werden konnte. Außerdem hatte der Chefkonstrukteur des Lotus-Teams Colin Chapman ein neues Fahrgestelldesign entwickelt, das den Rennwagen deutlich mehr Bodenhaftung verlieh. Er hatte Tragflügel an die Seitenflächen des Lotus 78 umgekehrt eingebaut und dadurch erreicht, dass sich der
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Wagen durch die aerodynamische Strömung am Boden festsaugte. Dank dieses ground effects konnten die flachen Boliden schneller fahren und vor allem die Kurven der Rennstrecken mit höheren Geschwindigkeiten nehmen. Bei Ferrari hingegen hatte man sich nie lange mit den Finessen der Karosserie aufgehalten. In Maranello wurde an der Überzeugung festgehalten, dass Autorennen durch die Stärke des Motors entschieden werden und durch das Können und den Mut der Fahrer. Jetzt mussten sie feststellen, dass sie die Zeichen der Zeit wieder einmal zu spät erkannt hatten. In jenem Jahr, 1978, wurde der glücklose Manager Nosetto durch Marco Piccini abgelöst. Der Bankierssohn Piccini hatte selbst einmal dem Traum nachgehangen, Rennfahrer zu werden oder als Konstrukteur von wettbewerbsfähigen Fahrzeugen für die Königsklasse des Motorsports in die Geschichte eingehen zu können. Nachdem ihm in keiner der beiden Disziplinen ein Durchbruch gelingen wollte, hatte ihn die Familie schließlich zu Ferrari vermittelt. Piccinis Vater, der eine Bank in Monaco betrieb, soll damals auch den größten Teil von Ferraris Privatvermögen verwaltet haben. Außerdem zeichnete sich Piccini als frommer Katholik aus mit guten Verbindungen zum Vatikan. Auch in Maranello suchte Piccini die Nähe des Patrons und agierte bald als Stimme seines Herrn. Zwar musste er von Ferrari und seinen Günstlingen viele anzügliche Witze über seine Frömmigkeit und die Kirche erdulden, doch das hinderte ihn nicht daran, sich in der Intrigenwirtschaft des Unternehmens zu etablieren. Er hatte schnell begriffen, dass er seine Stellung sichern konnte, wenn er ständigen Kontakt zu Ferrari hielt und dem Ingegnere vor allem das berichtete, was der alte Mann hören wollte. Während der Rennwochenenden soll sich Piccini, der fast immer in einem langen dunkelblauen Wollmantel aufgetreten sein soll, mehr in öffentlichen Telefonzellen, die in der Nähe der Strecke lagen, als in der Boxengasse aufgehalten haben. Nur während der Rennen am Sonntag schwiegen die Telefone, dann schaute sich Ferrari das Geschehen auf der Piste im Fernsehen an.
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Aufmarsch der Konstrukteure Nachdem der Ferrari-Chefkonstrukteur Forghieri 1979 das schier Unmögliche geschafft und dem Spitzenteam der Scuderia Scheckter/Villneuve ein der Konkurrenz gleichwertiges Auto entwickelt hatte, den 312 T4, konnten die Tifosi noch einmal richtig feiern: der Weltmeistertitel sicherte auch Forghieris Stellung im Unternehmen. Eine Saison später war alles wieder vorbei. 1980 brachte den Ferraris eine schier nicht enden wollende Serie von Niederlagen: Weiter als auf den fünften Platz konnten Villeneuve und Scheckter ihre Boliden nicht nach vorn fahren – wenn sie die Distanz überhaupt bewältigen konnten und nicht wegen Motorschäden oder anderer Qualitätsmängel auf der Strecke liegen blieben. Forghieri bekam 1981 Verstärkung – nicht gerade mit seiner Billigung. Der Brite Harvey Postlethwaite sollte sich der Fahrwerkskonstruktionen, der aerodynamischen Anforderungen an die Karosserie und des Bremsverhaltens annehmen und die chronischen Schwächen des Ferrari-Teams beseitigen. Postlethwaite war ein Ingenieur, der sich bereits in den Formel-1-Crews von March, Wolf, Fittipaldi und Hesketh einen Namen als Spezialist für Karbonfiberfahrgestelle und aerodynamische Vorrichtungen an den Höchstgeschwindigkeitskarossen gemacht hatte. Der hagere Mann mit besten Zeugnissen war allerdings ein etwas steifer, schwieriger Zeitgenosse, der seine Leistungen nicht gerne unter den Scheffel stellte. Bei Ferrari war er mit dieser Attitüde nicht gerade auf Erfolgskurs. Denn traditionell hatte der Alte wenig Interesse an Bremsen, Fahrgestellen und Flügeln, er verglich am liebsten die PS-Zahlen seiner Motoren mit denen der Konkurrenz. Keiner sollte stärkere Antriebe haben als seine Ferraris. Als bekannt wurde, dass BMW mit einem Turbolader aus ihrem Vierzylinder-Formel-1-Motor bis zu 1 100 PS Leistung herausholen konnten, verlangte er von Forghieri die Entwicklung eines vergleichbaren Antriebs, denn
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das in Maranello entwickelte V6-Aggregat brachte nur 800 PS. Einwände seiner Ingenieure, dass diese Leistung des BMW-Vierzylinders nur durch spezielle Vorrichtungen der Kraftstoffzufuhr möglich wurde, nahm Ferrari nicht zur Kenntnis. Forghieri, der seinem Herrn stets zu Diensten war, begann einen vergleichbaren Motor zu entwickeln. Er setzte dabei auf die 1 200 Kubikzentimeter-Turbo-Formel. Sein Liebesdienst für Ferrari wurde ihm im Team ziemlich übel genommen. Postlethwaite hielt das ganze Vorhaben für sinnlos, weil dieser Motor nie die erhoffte Leistung bringen würde. Piero Lardi-Ferrari, der sich von Forghieri nie ernst genommen fühlte, schlug sich auf die Seite des Briten. Der 154 C erwies sich in der Tat als nicht funktionsfähig und fügte dem Ansehen seines Chefkonstrukteurs großen Schaden zu. Auch Ferrari, der bereits gefürchtet hatte, dass Forghieri sein eigenes Image als Autokonstrukteur in den Schatten stellen könnte, nutzte die Schwäche seines Mitarbeiters und verfolgte ihn mit Spott und Hohn. Forghieri schlug zurück und erklärte, dass Ferrari technisch »seit 10 Jahren tot« sei. Es war der Anfang vom Ende. Forghieri wurde nach mehr als 20-jähriger Arbeit für die Scuderia und trotz der Tatsache, dass sein jüngster Motor, der 126 C Turbo V6, ein Erfolg zu werden versprach, nach allen Regeln schlechten Führungsstils gemobbt. Der Machtkampf eskalierte, als Porsche die Wagen der Scuderia bei den Langstreckenrennen überholte. Der 911 Turbo und der neue 928 waren den Ferraris qualitativ überlegen und wohl auch leistungsfähiger als die Wagen aus Maranello. Doch auch bei den Grand-Prix-Rennen hatten die Stuttgarter Sportwagenbauer die Nase vorn als Motorenlieferanten für das TAG-McLaren-Team. Ein schwerer Schlag für Ferraris Image, für den Forghieri die Verantwortung übernehmen musste. 1984 wurde er als Chef der Technischen Abteilung abgelöst und mit dem exotischen Titel eines Direktors des »Ufficio Ricer-
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che Studi Avanzati« ins Abseits befördert. Was immer an Studien aus dem neu geschaffenen Forschungsbüro herauskommen sollte, es würde ernsthaft niemanden interessieren. Wenig später verließ er Ferrari und ließ sich von Lamborghini anheuern. Nachdem der Sportwagenbauer vom damaligen Chrysler-Chef Lee Iacocca gekauft worden war, wurde das Unternehmen auf ein Debüt in der Formel 1 vorbereitet. Forghieri traf dort auf andere ehemalige Ferrari-Mitarbeiter wie Daniel Audetto. In Maranello hatte nun Postlethwaite, der von Piero Lardi-Ferrari unterstützt wurde, das Kommando in der Technischen Abteilung des Rennteams übernommen. Doch Besserung war nicht in Sicht. Auch 1986 konnten die Ferrari-Fahrer keinen Grand Prix holen, die Weltmeisterschaft schien in unerreichbare Ferne gerückt. Noch einmal griff der Commendatore persönlich ein. Er versuchte den britischen Ingenieur John Barnard zu engagieren. Barnard galt als ein eher schweigsamer Mann, der aber beachtliche Erfolge vorweisen konnte: Er hatte die Chaparrals konstruiert, die 1980 das Langzeitrennen in Indianapolis über eine Distanz von 500 Meilen gewonnen hatten, und war der Entwickler der äußerst erfolgreichen Formel-1-Flitzer von TAG-McLaren. Ferrari versuchte also, dem Erzrivalen das Gehirn des Teams wegzuschnappen. Doch Barnard war nicht sonderlich angetan von der Aussicht, in der italienischen Provinz zu leben und zu arbeiten – auch wenn sie Maranello hieß und das Mekka der Autofans war. Doch Ferrari ließ nicht locker, er wollte den Mann unbedingt haben – um jeden Preis. Für die damals stattliche Summe von 500 000 US-Dollar im Jahr zuzüglich Spesen willigte Barnard ein, der Firma anzugehören – was allerdings eher symbolisch gemeint war, denn Barnard arbeitete von Großbritannien aus für die Scuderia. Dieses Zugeständnis allein zeigt deutlich, wie kritisch selbst Ferrari die Lage einschätzte. Das Engagement auf Distanz konnte nicht gut gehen: Zum einen war der Cheftechniker vor Ort, Postlethwaite, degradiert
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worden und mit ihm auch sein Gönner, Ferraris Sohn Piero, zum anderen lässt sich an Fax und Computer allein kein so komplexes Fahrzeug wie ein F1-Auto entwickeln. Allerdings sorgte Barnard zunächst dafür, dass Ferrari sich nicht mit der gleichzeitigen Entwicklung eines Langstrecken-Boliden verzettelte, sondern sich auf die Formel 1 konzentriert: die Entwicklung eines neuen Modells für die 500 Meilen von Indianapolis wurde gestoppt. Auch diese Personalveränderung brachte nicht die gewünschten Ergebnisse. Auch 1987 fuhr Ferrari der Konkurrenz hinterher, die nicht nur die besseren Autos hatte, sondern auch die besten Fahrer im Formel-1-Zirkus, Alain Prost und Ayrton Senna. Während Ferraris eher mittelmäßige Piloten auch noch durch Fahrzeuge gehandicapt wurden, die sich als nicht zuverlässig und belastbar erwiesen. Im Juni 1987 versuchten nun Postlethwaite und Lardi-Ferrari die desolate Situation durch das Engagement eines weiteren Kons trukteurs zu lösen und holten den Franzosen Jean-Claude Migeot zu Ferrari. Migeot sollte neue aerodynamische Erkenntnisse in die Konstruktion des Monocoque einbringen. Außerdem erwartete Postlethwaite von ihm Unterstützung bei der Entwicklung eines Kunststofffahrgestells und der Aufhängung. Das Engagement war offenbar nicht mit Ferrari abgesprochen. Der Commendatore begriff diese Aktion als Palastrevolution und forderte von seinem Sohn eine Erklärung. Die Unterredung eskalierte in einem Streit zwischen Vater und Sohn, der in der Entlassung Lardi-Ferraris als Chef der Rennabteilung gipfelte. Auch Technik-Chef Postlethwaite und Migeot mussten gehen. Damit hatte Barnard indirekt einen weiteren Freibrief für seine Entwicklungsarbeit aus der Ferne erhalten und konnte ungestört weiter an seiner Idee einer elektronischen Getriebeschaltung tüfteln. Ohne effiziente Führung verlor sich die Rennabteilung in Rankünen und Machtkämpfen.
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Kommen und Gehen Hohe Fluktuation gab es auch bei den Fahrern. Ferrari hegte von Anfang an großes Misstrauen gegenüber den Männern, die sich bei Grand-Prix-Rennen in seinen Höchstgeschwindigkeitswagen todesmutig an den Start wagten. Er war argwöhnisch, weil sie oft genug seine Wagen beschädigten durch Kollisionen oder durch rüden Umgang mit der empfindlichen Technik. Wem es nicht gelang, Siege für die Scuderia zu erzielen, der hatte keine Aufenthaltsberechtigung in Maranello. Das Gleiche galt für jene Formel1-Helden, die allzu schonungslos die mangelnde Qualität für die Niederlagen verantwortlich machen wollten. Trotz des rüden, oft ungerechten Führungsstils fanden sich immer wieder junge Männer, idealistische Nachwuchskräfte, erfahrene Pistenjäger, die sich um freie Plätze im Cockpit der Ferraris bewarben. Im Jahr 1987 musste beispielsweise der Schwede Johansson seinen Wagen für den österreichischen Rennfahrer Gerhard Berger räumen. Immerhin gelang es Berger noch, zwei Rennen gegen Ende der Saison zu gewinnen. Gleichzeitig gab Ferrari die Entwicklung eines neuen Sportwagens in Auftrag, der dem damals neuen Porsche 959 davonfahren sollte. Die Stuttgarter hatten einen Sportwagen konstruiert, der mit Allradantrieb und zwei Turboladern Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern schaffen sollte, was mehr war, als Ferraris Supermodell Testarossa erreichte. Der F40, wie der Super-Bolide genannt wurde, erschien rechtzeitig zur 40-Jahr-Feier der Scuderia und zum 90. Geburtstag des Firmengründers: Ein Coupé, das zwei Turbolader und einen markanten Heckspoiler hatte sowie ebenfalls mehr als 300 Stundenkilometer schnell war. Ferrari soll einem Freund gegenüber die Qualitäten des neuen Flaggschiffs für die Reichen und Berühmten mit folgendem Satz hervorgehoben haben: »Das Auto ist so schnell, dass du dir in die Hosen machst«, zitiert ihn FerrariBiograf Brock Yates.
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Sein 90. Geburtstag am 18. Februar 1988 war der letzte große Auftritt des Commendatore. Mit der Grandezza eines alten Patriarchen nahm er die Huldigungen und Lobreden seiner Mitarbeiter, Kunden und Anteilseigner entgegen. Er konnte jedoch nicht verbergen, dass er schwer unter seinen Altersgebrechen litt. Vor allem die Beine versagten – er konnte kaum noch laufen. Immer häufiger war er zu schwach, um sein Bett zu verlassen. So musste er dem zweiten Großereignis jenes Jahres fernbleiben: Als Papst Johannes Paul II. auf einer Reise durch die Region auch in Maranello Station machte, konnte er den hohen Gast nur telefonisch begrüßen. Es war, so berichten Zeitgenossen, ein längeres Gespräch, dessen Inhalt nicht bekannt gegeben wurde. Es wurde aber kolportiert, dass der Heilige Vater dem Commendatore dabei entweder die Beichte abgenommen oder ihn zumindest wieder in den Schoß der katholischen Kirche aufgenommen habe. Zu Ferraris Selbstverständnis, der immer bedauert hatte, dass ihm die »Gabe des Glaubens« fehle, würde es gut passen, dass er nur das Kirchenoberhaupt als Gesprächspartner für Glaubensfragen und Gewissensnöte akzeptierte. Ferraris Verhältnis zum Vatikan war gespannt seit dem spektakulären Unfall im Jahr 1957 bei der Mille Miglia. Damals waren nicht nur der Ferrari-Pilot Alfonso de Portago und sein Kopilot, sondern auch zehn Zuschauer ums Leben gekommen. Die Führung des Kirchenstaats stimmte in den Chor der Kritiker des Patriarchen von Maranello ein. Bei dem Besuch des Papstes, den mit Ferrari befreundete Priester der Region eingefädelt hatten, konnte die Kluft im Jahr 1988 offensichtlich geschlossen werden. Johannes Paul II., der von Ferraris Sohn Piero durch die Fabrik geführt wurde, ließ sich auch in einem der Sportcoupés über die Rennstrecke in Fiorano chauffieren. Danach segnete der Heilige Vater die beiden Rennwagen, die beim Grand Prix in Kanada starten sollten – was allerdings nicht zu dem erhofften weltlichen Ergebnis, einem Doppelsieg, führen sollte. Bei allen Lobreden wurde jedoch ein Manko deutlich, das Fer-
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Während seines Besuchs im Ferrari-Werk am 4. Juni 1988 stieg Papst Johannes Paul II. vom Papamobil auf Ferrari um und ließ sich im nagelneuen Mondial Cabriolet über die Rennstrecke chauffieren.
raris Scuderia seit ihrer Gründung begleitet hatte: Es fehlte jede Art von langfristiger strategischer Ausrichtung. Maßstab für alle Aktivitäten war der Chef; sein Wille, seine Vorlieben und seine Anerkennung waren die einzigen Auszeichnungen, die in Maranello wirklich zählten. Nach dem Tod Ferraris wurde diese Orientierung zur schweren Hypothek für das Unternehmen, dem nun Maßstab und Motor abhanden gekommen waren. »Ferrari kostet dich zwei Jahre deines Lebens«, resümierte der Rennfahrer Michele Alboreto Ende 1988 kurz vor seinem Abgang aus dem Team von Maranello. Für ihn kam Nigel Mansell. Der Brite hatte bereits für andere Rennteams im Cockpit gesessen, war jedoch an dem damals als unschlagbar geltenden Duo Alain Prost und Ayrton Senna gescheitert, die beide für McLaren-Honda fuhren, sich aber dennoch unerbittlich bekämpften. Als Mansell nun nach Maranello kam, war dort noch Berger,
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der darauf gehofft hatte, zur Nummer eins im Formel-1-Team der Scuderia aufzurücken. Doch auch Mansell, der die größe Erfahrung im Grand-Prix-Zirkus vorweisen konnte, wollte solche Entwicklung nicht kampflos hinnehmen. In den Testfahrten lagen beide Fahrer gleichauf, in den Rennen der Saison hingegen hatte Mansell die Nase vorn: Er konnte 1989 zwei Rennen gewinnen und lag mit 38 Punkten auf dem vierten Rang des Klassements. Berger hingen hatte wegen zahlreicher technischer Ausfälle und den üblichen technischen Mängeln nur eine Grand-Prix-Veranstaltung gewonnen und kam nur auf 22 Punkte. Betriebswirtschaftlich war Ferrari ohnehin angeschlagen. Verschärft wurde die Situation durch das Versäumnis, einen geordneten Übergang vorzubereiten. Ferrari, der bis zuletzt nicht wirklich bereit war, seine Macht zu teilen, und der immer wieder für Überraschungen und Interventionen ins Renngeschäft gut war, hinterließ ein bedenkliches Machtvakuum. In einer Branche, in der hochsensible und eitle Kreative den Ton angaben, ein sicherer Kurs ins Verderben.
Wer soll’s richten? Einen Nachfolger, der den charismatischen, aber kontroversen Gründer ersetzen konnte, gab es nicht. Fiat hatte nach dem Tod des Gründers die Mehrheit der Anteile übernommen, 90 Prozent der Scuderia gehörten nun dem Industriekonglomerat, die restlichen 10 Prozent lagen in den Händen von Piero Lardi-Ferrari. Auch Fiat versuchte zunächst mit einer Personalveränderung den Abstieg in die Mittelmäßigkeit zu stoppen. Cesare Fiorio wurde der Leiter des Sportbereichs. Fiorio stammte aus einer Turiner Familie von Lederfabrikanten. Schon sein Vater Sandro, der in seiner Jugend als Rennfahrer erste Erfolge gesammelt hatte, hatte sich mit dem Rallye-Virus infiziert. Er hatte das Familiengeschäft
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verkauft und sich als PR-Chef und Kommunikationsdirektor von dem Sportwagenbauer Lancia anheuern lassen. Sein Sohn Cesare wollte ebenfalls Rallyefahrer werden und begann seine Karriere in dieser Disziplin in einem Fiat 500, während er noch Politik studierte. Der Durchbruch als Champion in der großen Klasse blieb ihm verwehrt, sein Debüt endete in einem Unfall in Monte Carlo. Fiorio begann 1963 sein eigenes Team aufzubauen, das er HF Squadra Corse nannte. Just zu der Zeit beschloss Lancia den Rückzug aus dem Renngeschäft. Dem jungen Gründer eines Rennstalls gelang es, sieben Lancia Flavia Coupés zu übernehmen, die von einer Turiner Tuningfirma für die Rallye-Saison vorbereitet wurden. Die ersten Ergebnisse 1964 waren zwar mäßig, Fiorios Team kam in Monaco über den 13. Platz nicht hinaus, obwohl fünf Wagen an dem Rennen teilgenommen hatten. Doch später im Jahr gab es bereits einen dritten Platz bei der BlumenRallye und zwei Siege bei einer Alpen-Wettfahrt und der Rallye de Lorraine in Frankreich. Nun setzte Vater Sandro seinen Einfluss in der Firma ein und erreichte, dass sein Sohn bis 1965 von Lancia kostenlos Autos für die Rennen erhielt. Fiorio übernahm wie einst Enzo Ferrari bei Alfa Romeo die Rennabteilung von Lancia. Er leitete das Team mit großem Erfolg: Seine Firma stellte 1969 den Europameister. Als Fiat im gleichen Jahr Lancia übernahm, blieb Fiorios Arrangement bestehen. Fiorio konnte die Turiner sogar überzeugen, dass er Ferraris Dino-Motoren in seine Rennwagen einsetzen konnte. Mit großem Erfolg: Sein Team gewann 1974, 1975 und 1976 die Konstrukteurstitel in der Rallye-Klasse. 1984 bot Fiat dem erfolgreichen Chef des Rennstalls den Job als Leiter und Koordinator aller Motorsportaktivitäten des gesamten Konzerns an. Fiorio nahm an. Dazu gehörte bald auch ein Verwaltungsratssitz bei dem italienischen Traditionsfußballclub Juventus Turin, der ebenfalls von Fiat und den Agnellis unterstützt wurde. Als Fiat 1988 Alfa Romeo übernahm, war Fiorio auch für deren Motorsport-Engagement zuständig.
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Im März 1989 schickte ihn Fiat als Sportdirektor und Manager des Rennteams zu Ferrari. Fiorio sollte die Sisyphusarbeit übernehmen, das Prestigeunternehmen aus der Mittelmäßigkeit wieder in die Spitzengruppe der Formel 1 zu führen. Die Königsklasse wurde zu der Zeit beherrscht von McLaren-Honda und dem Fahrer-Duo Alain Prost und Ayrton Senna. Der Franzose und der Brasilianer lieferten sich brillante Zweikämpfe, die zunächst der fünf Jahre ältere und strategisch überlegene Prost gewann, doch 1988 zog der rücksichtlosere, emotionalere Senna an seinem Teamkollegen vorbei und wurde zum ersten Mal in seiner Karriere Weltmeister – und begann, den Titelträger von 1985 und 1986 Prost von seinem Podest zu stoßen. Die teaminterne Rivalität wurde für Prost zur unerträglichen Belastung. In der Saison 1989 kam es zum Eklat, als Senna wieder einmal eine interne Anweisung, Prost zu unterstützen, missachtete. Senna habe sich nicht an das Überholverbot in der Startrunde gehalten, sondern sei gnadenlos an ihm vorbeigefahren, klagte Prost. Der gescholtene Kollege verteidigte sich schroff: »Wenn ich überholen kann, dann tue ich das auch.« Senna war für seinen rücksichtslosen Fahrstil bekannt, er kannte auf der Piste keine Gnade, weder anderen Teilnehmern gegenüber, noch um Material zu schonen. Mit seinen lebensgefährlichen Überholmanövern hatte er nicht nur sich selbst und die Rivalen in äußerst brisante Situationen gebracht, sondern mehrfach Verweise und Bußgelder von der obersten Rennleitung kassiert. Doch 1989 wollte er sich von nichts und niemandem stoppen lassen. Er fuhr in jeder Beziehung Vollgas, bis ihn die Technik im Stich ließ, in drei Rennen in Phoenix, Montreal und Le Castellet blieb er mit Defekten an der Zündung, am Getriebe beziehungsweise am Motor auf der Strecke. Für Prost rückte die Chance, ein drittes Mal die Weltmeisterschaft zu gewinnen, in greifbare Nähe. Er hatte neues Selbstbewusstsein gewonnen durch die Erfolge auf der Piste, aber auch durch einen neuen Vertrag: Er hatte sich ent-
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schlossen, den Rennstall zu wechseln. Sein Wagen sollte künftig rot sein und sein Arbeitsplatz in Italien liegen. Prost sollte ab 1990 für Ferrari fahren: »Jetzt, wo alle Welt weiß, dass ich McLaren verlassen werde, fühle ich mich wie befreit. Endlich kann ich mich wieder voll auf meinen Job konzentrieren, ohne durch Gedanken über mögliche Vertragsverlängerungen abgelenkt zu werden.« Das Hochgefühl trug ihn zum Gewinn der Weltmeisterschaft 1989, die er erst im letzten Rennen der Saison in Suzuka nach einem dramatischen Zweikampf mit Senna für sich entscheiden konnte. Sein Noch-Teamkollege hatte ihn bei einem hoch gefährlichen Überholmanöver von der Piste geschubst und wurde für diesen rabiaten Vorfall disqualifiziert. Doch auch in Maranello erwartete Prost kein Honeymoon. John Barnard, Ferraris britischer Konstrukteur, hatte seine LongDistance-Relationship mit der Scuderia beendet und war zum Benetton-Ford-Team gewechselt. Mit seinem technischen Erbe, das er bei Ferrari hinterlassen hatte, hatte Prost immerhin eine solide Ausgangsbasis für die Titelverteidigung, von der nun die Tifosi profitiert hätten. Der Österreicher Gerhard Berger hatte zwar das Feld geräumt und Prosts Platz im McLaren-Honda-Team eingenommen, doch bei Ferrari wartete auch der Brite Nigel Mansell darauf, endlich ganz oben auf dem Podest zu stehen. Prost musste also auch im neuen Team um seinen Platz als Nummer eins kämpfen. Zunächst begann die Saison ganz nach den Erwartungen des Franzosen: Tatsächlich gelang es ihm, immerhin fünf Grand Prix zu gewinnen. Senna errang allerdings sechs Große Preise und auch den WM-Titel. In der Saison 1991 begann Mansell sich gegen die Dominanz von Prost zu wehren. Beim Rennen im spanischen Estoril drängte Mansell seinen Kollegen beim Start an die Boxengasse und ermöglichte dadurch dem McLaren-Honda-Duo Senna und Berger, sich an die Spitze des Feldes zu setzen. Am Ende gewann Man-
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Piero Lardi-Ferrari präsentiert im Zeitgenössischen Museum in Tokio den Ferrari FX, der speziell für diese Show angefertigt wurde. Das Design stammt von Pininfarina.
sell, Senna wurde Zweiter und Prost, der den Rückstand durch das Ausweichmanöver mühsam aufholen musste, landete auf dem dritten Platz. Der Titelverteidiger war sauer, auf Mansell, aber auch auf die Ferrari-Rennleitung, die ihre Leute nicht im Griff hatte: »Ein so schlecht geführtes Team ist es gar nicht wert, den Weltmeister zu stellen!« Der Vorfall trug dazu bei, dass sich Fiat-Chef Gianni Agnelli wieder in die Führung der Scuderia einmischte. Fiorio musste seinen Platz räumen, und an die Spitze des Unternehmens rückten Piero Lardi-Ferrari, Marco Piccini und Claudio Lombardi. Besonders interessant war die Ernennung von Lombardi zum sportlichen Direktor des Teams. Der Konstrukteur Lombardi war Fiorios Nachfolger bei Lancia gewesen und hatte die Firma auf dem erfolgreichen Rallye-Kurs, den Fiorio eingeschlagen hatte, gehalten. Bei Ferrari hatte der Absolvent der Bologneser Universität allerdings einen weniger glanzvollen Start.
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Die Saison 1991 wurde wieder einmal zum Desaster für Ferrari. Der neue Rennwagen Tipo 643 erwies sich schnell als Flop. Den leistungsstärkeren, besser abgestimmten Flitzern der Konkurrenz konnten die Tifosi nichts entgegensetzen. Der Tipo 643 war in typischer Ferrari-Manier zusammengeschustert worden. Es fehlte an allem: an Innovationen, konsequenter Umsetzung und ausreichender Zeit für Tests und Vorbereitung. Prost konnte die Materialmängel nicht durch seine Fahrkünste ausgleichen. Als er erkannte, dass er kaum Chancen haben würde, seinen Erzrivalen Senna im Kampf um den WM-Titel zu schlagen, hielt er sich an der neuen Mannschaft, die mit seiner Hilfe aufgebaut wurde, schadlos. Vor allem Lombardi, der Direktor des Rennteams, wurde von dem frustrierten Rennfahrer ins Visier genommen. Prost versäumte keine Gelegenheit, seine Chefs auf ihr Versagen in der Führung der Scuderia hinzuweisen. Kritisch wurde die Lage, weil Ferrari auch andere F1-Teams mit den Motoren belieferte und diese Kooperationsverträge im Laufe der für alle Partner desolaten Saison gekündigt wurden. Prosts Abrechnung hatte allerdings eine andere Wirkung, als der Querulant erwartet hatte: Nicht die Ferrari-Manager mussten diesmal gehen, sondern Prost. Nach der Niederlage in Suzuka war auch sein Schicksal entschieden. Fiat-Chef Agnelli begriff, dass er einen neuen Mann nach Maranello schicken musste, wenn er den vollständigen Untergang seiner Luxusmarke verhindern wollte. Seine Geheimwaffe im Kampf gegen den Abstieg war ein alter Bekannter: Luca Cordero di Montezemolo.
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Das Comeback Wie Luca di Montezemolo dem Cavallino die Peitsche gab
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Als Luca Cordero di Montezemolo im Herbst 1991 zum Präsidenten der Ferrari SpA ernannt wurde, hatte er eine eher ungewöhnliche Karriere absolviert. Nach seinem Abschied von der Scuderia 1977 war er zunächst der Chef der PR- und Kommunikationsabteilung des Fiat-Konzerns geworden. 1981 hatte er als Chief Executive Officer die gesamten Verlagsaktivitäten der FiatGruppe geleitet, zu denen auch die italienische Tageszeitung La Stampa gehörte. 1984 wurde er Chef der Cinzano-Gruppe und koordinierte die Vorbereitungen des italienischen America’s-CupTeams auf der Segelyacht Azzurra. Italien nahm damals zum ersten Mal an der Regatta teil, die zu den anspruchsvollsten Segelwettbewerben im internationalen Wassersport gezählt wird. Von dort war es nur ein kleiner Schritt zu seiner nächsten Aufgabe mit hohem nationalem Prestige: Di Montezemolo begann 1986 seine vierjährige Tätigkeit als Direktor des Organisationskomitees der Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien. Danach ging er zur amerikanischen RCS-Gruppe und war dort als CEO für den Video-Bereich zuständig. Gleichzeitig kontrollierte er als Aufsichtsratsmitglied die TV-Anstalt TF1. Dort ereilte ihn wieder der Ruf von Gianni Agnelli, als Feuerwehrmann nach Maranello zurück zu kehren.
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Alte Hasen und junge Pferde
Di Montezemolo zögerte nicht lange mit seiner Entscheidung, die Führung der Scuderia zu übernehmen, und machte sich an die Aufräumarbeiten. Marco Piccini, der »Monsignore« in der Geschäftsführung, der erst wenige Monate zuvor, nach dem Abgang von Fiorio, die Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen hatte, wurde in allen Ehren verabschiedet. Den für den Rennbereich zuständigen Geschäftsführer Claudio Lombardi versetzte di Montezemolo zur Entwicklung der Motoren und Rennwagen. Größere Schwierigkeiten bereitete die Suche nach einem kompetenten Teammanager und nach einer neuen Crew von Formel-1-Piloten. Der britische Konstrukteur John Barnard, der 1990 seine Arbeit für Ferrari aufgegeben hatte und zur Konkurrenz, dem Benetton-Ford-Team, gewechselt war, wurde wieder zurückgeholt. Er durfte auch weiterhin von seinem Büro in Großbritannien aus für die Roten neue Rennwagen konstruieren. Di Montezemolo engagierte seinen alten Freund Niki Lauda, der das »Kapperl« nach seinem letzten Sieg 1984 an den Nagel gehängt hatte und sich nur noch dem Aufbau und Management seiner Fluglinie Lauda Air in Österreich widmete. Lauda wurde di Montezemolos wichtigster Berater, der schonungslos die Schwachstellen der Organisation aufdeckte. »Weil Ferrari über Jahre die Formel-1-Entwicklung verschlafen hat, sind wir in ein irres Minus geraten«, sagt er 1993 in einem Interview mit dem Spiegel. »Wer so tief in der Scheiße steckt wie
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wir, braucht viel Zeit. Früher reichte es, den besten Fachmann zu holen und das meiste Geld zu haben – dann war man in Kürze wieder oben. Heute ist die Technik so komplex, dass Entwicklungen unendlich dauern. Ferrari läuft die Zeit davon.« Ferrari habe durch den Bau von normalen Straßenautos ein Strukturproblem, erklärte der ehemalige Rennfahrer. Dadurch sei »der ganze Apparat etwas behäbig und kann nicht so rasch und schlagfertig reagieren wie die englischen Formel-1-Spezialisten, die den ganzen Tag nichts anderes im Kopf haben, als diese Rennwagen so schnell wie möglich zu machen«. Ebenso rigoros, wie er als junger Rennfahrer mit seinen unermüdlichen Testfahrten Konstrukteure und Mechaniker auf Trab gehalten hatte, bis er die leistungsstärksten Boliden erhielt, welche die Maraneller Manufaktur herzustellen vermochte, versuchte Lauda auch jetzt wieder Ordnung und Disziplin in das Team zu bringen. Schon die erste Maßnahme hätte fast eine Palastrevolution ausgelöst, wenn der Leidensdruck durch die Krise nicht so hoch gewesen wäre: Lauda ließ die mehrstündigen Mittagspausen verkürzen und den Lambrusco als frei verfügbares Tafelgetränk streichen. Dabei sei es ihm nicht darum gegangen, den FerrariMitarbeitern angestammte Privilegien zu kappen, sondern um den Anbruch einer neuen Zeit zu demonstrieren. Den wirklich entscheidenden Kampf musste Lauda allerdings im Kernbereich der Scuderia ausfechten – in der Motorenentwicklung. Der Profi plädierte für den Einsatz von Zehnzylinder-Motoren in den Ferrari-Rennwagen. Damit hatte er ein Sakrileg begangen: Er hatte den Mythos Enzo Ferrari verraten und sich selbst als schnöder Bilderstürmer und Ketzer geoutet. Überzeugungsarbeit musste er nicht nur bei den Mitarbeitern in der Fabrik leisten, sondern auch beim Chef persönlich. Denn auch di Montezemolo, der als Jurist und Marketingexperte wenig Kenntnisse von Motoren, Drehmoment und der Beanspruchung der Aggregate auf den neuen Pisten hatte, fürchtete um das Image der Marke Ferrari, wenn diese Tradition aufgegeben würde: »Der
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Zwölfzylinder ist das Sexualorgan eines jeden Ferrari«, hatte di Montezemolo immer wieder gepredigt. Und ganz im Stile traditionellen Machotums ausgeführt, dass Größe – der Anblick des wuchtigen Zwölfzylinder-Antriebs mit seinem gewaltigen Sound – das entscheidende Kriterium sei, das Ferrari für Männer so attraktiv mache. Doch der viel rationalere Lauda hatte objektive Gründe für seine Forderung nach kleineren, antriebsstärkeren Motoren. Er prophezeite, dass Ferrari erst dann wieder in der Formel 1 an der Spitze mitfahren und eine Weltmeisterschaft gewinnen könne, »wenn wir uns vom Zwölfzylindermotor verabschiedet haben. Auf den aktuellen, engen Rennstrecken kommt es darauf an, aus niedrigen Drehzahlen Leistung zu produzieren. Das kann ein kleinerer Motor besser.« Und an die Adresse der unverbesserlichen Anhänger der alten Motorenmythologie aus Enzo Ferraris Zeiten gerichtet, warnte er kühl: »Die Formel 1 ist brutal, da darf man keine nostalgischen Rücksichten nehmen.« Ein Mythos könne nur erhalten werden, wenn er permanent erneuert werde. »Entweder durch eine charismatische Figur wie Enzo Ferrari oder durch Siege. Der Alte ist tot, also müssen wir den Mythos durch Leistung konservieren.« In Italien, wo Ferrari Teil der kollektiven Identität ist, die Vorgänge in Maranello nationale Bedeutung haben und intensiver beobachtet werden als die Arbeit der Regierung in Rom, war die anhaltende Erfolglosigkeit der Scuderia ein Politikum. Und dass nicht einmal der Machtwechsel eine Wende zum Besseren brachte, war eine Trägodie. Auch dass ein Österreicher den Kurs des Unternehmens maßgeblich und oft nur aus der Ferne, von Wien aus, mitbestimmte, irritierte viele Ferrari-Fans nicht nur in Maranello. Doch Lauda war nicht bereit, auf die Befindlichkeiten der italienischen Öffentlichkeit einzugehen. Er war ein viel beschäftigter Mann: Chef der Lauda Air, einer österreichischen Charterflugzeuggesellschaft, die nach Jahren des Überlebenskampfes
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endlich dank einer Lufthansa-Kooperation in ruhigeren Höhen fliegen konnte. Dennoch forderte das Management seinen ganzen Einsatz, und der Job als Koordinator des Rennstalls war eigentlich ebenfalls keine Nebenbeschäftigung. Lauda beschrieb seine Arbeitsteilung: »Meinen Hauptberuf hier in Wien erfülle ich zu 120 Prozent. Für Ferrari bin ich nach meiner Arbeit für Lauda Air tätig. Ich bin bei den Rennen und vier- bis fünfmal pro Monat zu Meetings in Maranello. Der Rest wird am Telefon erledigt.« Im Juli 1993 erhielt er Verstärkung: Jean Todt kam als Leiter und Manager des Rennteams ins Reich der Roten. Das Engagement des Franzosen polnischer Herkunft irritierte die Tifosi und die italienische Öffentlichkeit. Noch nie war die wichtige Position des Rennteammanagers bei diesem Nationalheiligtum mit einem Ausländer besetzt worden. Doch Todts Qualifikation für diesen Job war über jeden Zweifel erhaben. Der 1946 in Pierrefort in Frankreich geborene Sohn eines polnischen Arztes hatte eine eindrucksvolle Karriere als Manager von Motorsportteams absolviert, als er nach Maranello kam. Erste Erfahrungen im Autorennsport machte er als Beifahrer eines Kommilitonen im Mini Cooper S, den er von seinem Vater geborgt hatte, bei einer Straßenrallye. Todt navigierte seinen Freund sicher ins Ziel. Seines erstes Engagement als Profi bekam er von NSU als Beifahrer (und Navigator) des Rallye-Fahrers Guy Chasseuil. Das Ziel, selbst als Pilot Rallyes zu fahren, gab er nach einigen Versuchen auf, weil ihm die Rolle des Beifahrers und Navigators besser gefiel. 1969 nahm er als Co-Pilot von Jean-François Piot in einem Ford Capri zum ersten Mal an internationalen Rennen teil. 1971 gewann er die Rallye von Portugal – als Beifahrer von Jean-Pierre Nicolas. In den folgenden drei Jahren war er der Coach und Beifahrer von Rauno Aaltonen, Ove Andersson und Achim Warmbold. 1975 wurde er zum Sprecher der RallyeFahrer in der FISA gewählt und lieferte sich in dieser Eigenschaft heftige Wortgefechte mit dem Chef des Dachverbands FIA, JeanMarie Balestre.
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Von links: Rennfahrer Gerhard Berger, Berater Niki Lauda und Teamleiter Jean Todt.
Er fuhr in Fiat-Fahrzeugen mit und in Peugeots Rallyewagen, bevor er sich entschloss, zu Talbot Sunbeam Lotus zu gehen. 1981 gewann Talbot den Konstrukteursweltmeistertitel in der Rallyeklasse. 1982 zog Todt sich aus der aktiven Rennfahrerei zurück und übernahm den neu gegründeten Peugeot-Talbot-Sportbereich mit dem Ziel, ein Auto zu entwickeln, um den Rallye-Weltmeistertitel zu holen. In der Folge siegte Peugeot-Talbot viermal in der Rallye Paris–Dakar und räumte auch in einigen Bergrennen ab. 1990 wurde Todts Bereich ausgeweitet, der Automobilkonzern entschied, auch an Sportwagenwettbewerben teilzunehmen. Todt gelang es mit seinem Team 1992, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und die Sportwagenweltmeisterschaft zu gewinnen. Danach versuchte er die Konzernleitung zum Einstieg in die Formel 1 mit einem eigenen Team zu bewegen. Doch 1993 wurde sein Plan abgelehnt. Todt, der sich einen Namen als Perfektionist und erfolgreichster Team-Manager im Motorsport gemacht hatte, war frustriert.
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In dieser Situation meldete sich Ferrari-Chef di Montezemolo, um den Starmanager für Maranello abzuwerben. Todt ließ sich nicht lange bitten. Als er bei Ferrari eintraf, erkannte er schnell die Schwachstellen des Teams: Die Scuderia hatte sich in interne Querelen und Grabenkämpfe verstrickt, die anhaltende Serie von Niederlagen hatte zu Frustrationen und gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt. Die Stimmung war frostig und verzweifelt. Todt begriff, dass es seine vordringlichste Aufgabe war, das Team auf eine gemeinsame Aufgabe und ein gemeinsames Ziel zu verpflichten. Das konnte bei einem ehrgeizigen Mann wie Todt nur lauten, den Weltmeistertitel wieder nach Maranello zu holen. Doch davor musste er erst mal die Fundamente schaffen. Todt, der sein Leben seiner Arbeit als Manager von Motorsport-Crews gewidmet hatte, musste seinen Mitarbeitern erst einmal zeigen, dass der Berufsalltag andere Höhepunkte haben muss als ausgedehnte Mittagspausen und endlose Diskussionen und dass man auch die Abendstunden im Büro verbringen kann, wenn man es am Tag nicht geschafft hat, seine Aufgaben zu erledigen. Mit anderen Worten: Der neue Manager straffte die Organisation und die Rituale. Sein Arbeitstag hatte 14 Stunden, und er war bei jedem Rennen dabei. Es war für ihn nie eine Frage, dass er nach Maranello ziehen würde. Nur 15 Wochenenden pro Jahr verbrachte er im Schnitt in seinem Appartement in Paris, an der Place de l’Étoile. Ansonsten war er stets dort, wo seine Anwesenheit am dringendsten benötigt wurde. Auch heute noch kokettiert er mit seinem jovialen Umgang seinen mittlerweile 650 Mitarbeitern gegenüber. Jeder kann jederzeit zu ihm kommen. Und weil er nicht jeden Mitarbeiter mit Namen kennt, hat er sich eine Liste anlegen lassen, die außer den Fotos der Beschäftigten in seinem Reich auch die Namen und wichtigsten Daten enthält. Dieses Verzeichnis bewahrt er in einer Schreibtischschublade in seinem Büro in Maranello auf. Todt ist kein Mann, der viele Worte macht, aber er kann zuhören und schnell entscheiden. Vor allem aber gelang es ihm bei
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seinem Amtsantritt, die zahllosen offenen Kommunikationskanäle, über die die Öffentlichkeit und vor allem die Presse über die Stimmung und jedes Gerücht auf dem Laufenden gehalten wurde, zumindest teilweise zu schließen. Die Kommunikation mit der Außenwelt lief über Lauda und den Präsidenten der Scuderia, di Montezemolo. Todts Informationsmodell klappte zwar nicht sofort, aber er schuf im Laufe der Jahre eine Reihe von Präzedenzfällen, die allen klar machten, dass der Chef meinte, was er sagte. Neben den Erste-Hilfe-Maßnahmen in der Belegschaft war höchste Eile geboten für Korrekturen und Reparaturen im Kerngeschäft: Vor allem brauchte die Scuderia wettbewerbsfähige Fahrzeuge und Fahrer, die die Hochleistungsboliden schnell und zuverlässig über die Rennpisten fahren konnten. Zunächst ging es darum, ein neues Team von Piloten zu finden, denn nicht nur Alain Prost hatte Maranello verlassen, auch Nigel Mansell hatte gekündigt und kurze Zeit später einen Vertrag mit Williams-Renault für die Saison 1991 unterschrieben. Als Ersatz für Mansell hatte Ferrari noch 1990 Kontakt zu dem italienischen Rennfahrer Alessandro Nannini aufgenommen. Der Bruder der populären Rocksängerin Gianna Nannini war seit Ende der siebziger Jahre im Motorsport aktiv. Zunächst hatte er mit einer Citroën Diane erfolgreich an Straßenrallyes teilgenommen. 1980 wurde er in das Tourenwagenrallye-Team Lancia Stratos aufgenommen. Weil ihm aber die Rennpisten besser gefielen, unterzeichnete er 1982 einen Vertrag mit dem Rennstall Minardi und startete für die kleine Firma in der Formel 2. Erst 1987 stieg er in die Formel 1 ein – für das Motorsportteam von Benetton-Ford, eine erst kurze Zeit vorher begründete Grand-Prix-Allianz. 1989 gewann er für Benetton-Ford den Großen Preis von Japan, beim Großen Preis von Ungarn wurde er von Ayrton Senna in Führung liegend von der Piste geschubst, und in Spanien 1990 schaffte er den dritten Platz. Nannini, der stets gewitzelt hatte, dass er nie so populär wer-
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den würde wie seine berühmte Schwester, gewann nie eine Weltmeisterschaft in dieser Kategorie, was wohl auch daran lag, dass er seine Formel-1-Karriere bereits 1990 nach einem tragischen Unfall beenden musste. Nahe dem Landsitz der Familie stürzte Nannini mit einem Hubschrauber ab. Dabei wurde dem Sportler der rechte Arm abgetrennt. Dank rascher chirurgischer Hilfe konnte der Arm zwar wieder angenäht werden, er blieb aber steif – trotz aller medizinischen und physiotherapeutischen Maßnahmen. 1992 stieg Nannini wieder in die Tourenwagenwettbewerbe ein. Doch die Hoffnung bei Ferrari, einen rennerfahrenen Landsmann im Team zu haben, war zerplatzt. Im Jahr 1991, als di Montezemolo wieder das Steuer in Maranello übernahm, betrat ein junger Nachwuchsfahrer die GrandPrix-Bühne: Michael Schumacher durfte sein Debüt in der Königsklasse am Steuer eines Jordan-Williams geben – mit erstaunlichem Erfolg: Beim Qualifying schob sich der junge Deutsche auf die siebte Startposition vor. Das Rennen selbst musste er allerdings nach wenigen Runden wegen eines Kupplungsschadens aufgeben. Für Ferrari startete in dem durch Mansells Abgang und Nanninis Unfall verwaisten Cockpit der Franzose Jean Alesi. Als er 1991 bei der Scuderia unterschrieb, hatte er bereits eine recht eindrucksvolle Karriere als Fahrer in Tourenwagenrallyes und in der Formel 3 hinter sich. In die Grand-Prix-Klasse des Motorsports geriet er 1989, nachdem Michele Alboreto das Rennteam Tyrell kurz vor dem Großen Preis von Frankreich verlassen hatte. Tyrell verschaffte Alesi einen respektablen Einstand in der Formel 1. Bei seinem ersten GP-Rennen lag er zeitweilig auf dem zweiten Platz hinter Prost und schaffte am Ende immerhin den vierten Rang. Auch 1990 konnte er sich in der Spitzengruppe halten, er wurde Zweiter hinter Ayrton Senna in Phoenix und in Monte Carlo. Diese Höhenflüge trugen ihm Angebote von Williams und Ferrari ein. Zunächst unterschrieb er bei dem britischen Team, als dort aber auch Mansell anheuerte, änderte Alesi seine Entscheidung, löste den Vertrag und akzeptierte die
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Offerte aus Maranello mit der Begründung, dass »sein Herz seinen Kopf beherrscht habe«. Zusammen mit Prost konnte er allerdings 1991 und 1992 keinen Großen Preis gewinnen. Daran änderte auch der Machtwechsel an der Spitze der Scuderia nichts. Alesi wurde immer frustrierter und hysterischer, was sein Verhältnis zum neuen Ferrari-Chef di Montezemolo nicht gerade gestärkt haben dürfte. 1995 war sein Aufenthalt bei Ferrari zu Ende. Seit 1993 war der Österreicher Gerhard Berger Alesis Teammate. Berger war nach drei Jahren, in denen er für McLaren fuhr, wieder zur Scuderia in Maranello zurückgekehrt. Im ersten Jahr für Ferrari erreichte er immerhin den achten Platz in der Weltrangliste, 1994 gelang es ihm, die Saison als Dritter zu beenden und einen Großen Preis zu gewinnen. Der Weltmeister aber hieß zum ersten Mal Michael Schumacher und dessen Fahrzeug war ein Benetton-Renault. Dennoch bescherte das damalige Fahrerteam Ferrari die besten Ergebnisse seit vielen Jahren. Ein Jahr später allerdings zeigte sich, dass die beiden Spitzenfahrer ihre Plätze nicht halten konnten. Alesi fuhr zwar auf dem Nürburgring auf den zweiten Platz, hatte aber, nachdem er sich trotz Regenwetters mit Trockenreifen an die Spitze des Feldes gesetzt hatte, den bereits sicher geglaubten Sieg noch an Michael Schumacher im Benetton-Renault abgeben müssen. Nachdem Alesi wieder einmal gepatzt und auch Berger die Erwartungen, die die Tifosi in ihn gesetzt hatten, nicht erfüllt hatte, meuterten in Maranello die Techniker und Konstrukteure. Sie behaupteten nur zu gerne, dass ihre Autos von den falschen Leuten gefahren wurden. Sie gaben schließlich ihr Bestes und verlangten nun, dass auch der Beste ihre High-Tech-Kunstwerke über die Pisten steuert. Es gab eigentlich nur einen Kandidaten im internationalen Fahrerlager, der für diesen Job infrage kam: der Deutsche Michael Schumacher, der bereits 1994 den Meistertitel geholt hatte
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und 1995 trotz aller Querelen mit seinem Team Benetton-Renault und der obersten Renninstanz der FIA kurz davor stand, den Erfolg zu wiederholen. Di Montezemolo hatte bereits im Sommer 1995 die Verhandlungen aufgenommen und konnte sich im Oktober freuen – denn er hatte den amtierenden Weltmeister nach Maranello geholt.
Ein Junge aus Kerpen Bei seiner Ankunft bei Ferrari galt Schumacher bereits als weißer Rabe, als Ausnahmetalent unter den Motorsportlern. Auch seine Biografie war für jene Zeit eher ungewöhnlich und klang nach einem modernen Märchen: Ein armer Junge aus einem Provinzkaff in Nordrhein-Westfalen wird zur Ikone der Formel 1. Schumacher hatte keinen reichen Vater, der seinem Sohn wie im Fall des Brasilianers Ayrton Senna die ersten Rennwagen spendiert und die Teilnahme an Motorsportveranstaltungen finanziert. Bei den Schumachers wurde jeder Pfennig dreimal umgedreht, und neue Autos gab es schon gar nicht. Vater Rolf war Ofenbauer, der mit Frau und Sohn im Wohnwagen von Auftrag zu Auftrag über Land zog. Irgendwann hatte er das fahrende Gewerbe satt und landete in Kerpen-Manheim, einem kleinen Ort mit 1 260 Einwohnern und einer Kartbahn, die den Namen eines berühmten deutschen Formel-1-Piloten trug: Wolfgang Graf Berghe von Trips. Rolf Schumacher machte an dieser kleinen Rennbahn einen Imbiss auf. Von einem Marktwagen aus bediente er die Kinder und ihre ehrgeizigen Väter mit Cola, Pommes und Bier. Er erwarb einen Anteil an der Kartbahn, eröffnete eine feste Gaststätte, die seine Frau Elisabeth betrieb. Vater Rolf hatte zu dieser Zeit längst seinem Sprössling einen Gokart gebaut – ein Holzgestell mit einem ausgedienten Rasenmäher motor. Die erste Fahrt des Vierjährigen endete an einem Laternen-
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pfahl. Doch ein Jahr später hielt Jung-Michael, gerade mal fünf Jahre alt, bereits seinen ersten Siegerpokal in Händen. Die beiden anderen Jungen, die neben ihm auf den niedrigeren Podeststufen standen, überragten ihn trotzdem: sie waren mehr als doppelt so alt wie er. Viele weitere Pokale folgten, doch der Vater blieb skeptisch. Auch als Michael sein Talent als Gokartfahrer nach etlichen Rennen bewiesen hatte, kam der Vater nicht auf die Idee, dass diese Begabung seines Sohnes förderungswürdig sein könnte. »Wir haben uns unsere Karts aus dem Schrott der anderen zusammengebaut«, erinnert sich Schumacher an die mageren Jahre seiner Kindheit. Michael ist sieben, als sein Bruder Ralf auf die Welt kommt. Auch er wird – kaum dass er laufen kann – mit drei Jahren in einen Kart gesetzt. Der Ältere hilft dem Kleinen. Als die Familie wieder einmal knapp bei Kasse ist, verkauft der Vater den Gokart seines Ältesten. Glücklicherweise hat der mit seiner Fähigkeit, die schnellsten Runden auf der Bahn drehen zu können, seine ersten Sponsoren gefunden: Den Teppich- und Tapetenhändler Gerd Noack und später den Automatenaufsteller Jürgen Dilk. Noack kauft ihm sein Kart zurück und finanziert die ersten Reisen zu den großen Kartrennen. Michael Schumacher ist zwar erst 12 Jahre alt und darf offiziell in Deutschland noch gar keine Rennen fahren. Aber der Motorsport-Vater lässt seinen Zögling für Luxemburg starten, dort dürfen schon Zwölfjährige Rennen fahren. Doch bald schon konnte Noack die Kosten für Michael Schumachers Karriere nicht mehr allein tragen. 1981 sprang Automatenaufsteller Dilk ein: Er erwies sich als erfolgreicher Spendensammler, bei Kfz-Werkstätten, Gaststätten, Fleischereien und Autohäusern bat er um Geld für Michael Schumachers Motorsportambitionen. Der revanchierte sich mit ersten Plätzen: Er gewann die Deutsche Kartmeisterschaft der Junioren, ein Jahr später war er Vizeweltmeister und mit 18 Jahren Europameister.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Schule bereits hinter sich gebracht. Ohne große Auszeichnung – für Hausaufgaben hatte er einfach keine Zeit. Jede freie Minute verbrachte er auf der Kartbahn. Wenn er nicht sein Fahrzeug fuhr oder an ihm bastelte, dann musste er die Bahn fegen oder Schrauben und andere Teile putzen, die für die Reparatur der kleinen Flitzer gebraucht wurden. Auf diese Weise konnte er sich Taschengeld verdienen. Auch die Lehre als Kfz-Mechaniker hatte Schumacher mehr schlecht als recht bestanden, weil ihm die theoretische Prüfung einige Mühe bereitete. Zum Büffeln hatte er einfach keine Lust. Sein Interesse galt ausschließlich dem Motorsport. Für hochfliegende Träume hatte er keine Zeit. Vielleicht fehlte ihm auch das nötige Selbstvertrauen, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Die Formel 1 war für ihn damals kein Thema. So träumte der junge Michael auch nicht von einem Ferrari, sondern bestenfalls von einem Fahrzeug, in dem er den nächsten Wettbewerb gewinnen könnte. Das nächste Rennen war stets das Wichtigste in seinem Leben, das gewonnen werden musste, damit er weitermachen konnte. Dafür sorgte auch Dilk, der sich unermüdlich nach finanzkräftigen Sponsoren umsah, die seinem Schützling die nächste Stufe seiner Rennkarriere bezahlen könnten. So gelang es ihm, Michael Schumacher in die Formel Ford zu lancieren. Nach einer Testfahrt von 20 Runden hatte Ford entschieden: Schumacher bekam einen Vertrag für die nächsten vier Rennen. Ende 1988 klopfte Dilk an die Tür, die seinem Zögling den Weg in die Königsklasse des Motorsports eröffnen sollte. Über Kontakte in der Rennszene erhielt Dilk den Tipp, sich an ATS zu wenden. Hinter diesen drei Buchstaben verbarg sich der Formel3-Rennstall des Stuttgarter Unternehmers Willi Weber. Als Weber Schumacher bei einer Testfahrt auf dem Nürburgring beobachtete, war er begeistert von den Fähigkeiten des jungen Mannes: Er hielt ihn für einen »Rohdiamanten«, der noch geschliffen und poliert werden musste, bis er richtig funkelt. Er schlug dem Jungen
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aus Kerpen einen Deal vor, der einzigartig war in der deutschen Motorsportszene: Zwei Jahre lang würde er Schumacher mit den nötigen Fahrzeugen für Tourenwagenrennen ausstatten und ihm obendrein noch monatlich von 2 000 Mark zahlen. Das waren für den mittellosen Nachwuchsfahrer geradezu paradiesische Bedingungen. Denn normalerweise mussten die Fahrer, die für Weber auf den Rennpisten Gas geben wollten, Geld mitbringen: Stattliche 650 000 Mark kostete die Ehre, von ATS betreut zu werden. Allerdings erhielt auch Schumacher keine uneigennützige mildtätige Gabe. Als Gegenleistung musste er sich verpflichten, auf zehn Jahre das Management seiner Verträge Weber zu überlassen und ihm 20 Prozent von jeder Mark, die er verdiente, abzugeben. Schumacher musste nur eines tun: möglichst schnell Auto fahren und alles abräumen, was zu gewinnen war. Daran hielt er sich mit eiserner Disziplin: Bei seinem ersten Formel-3-Rennen schaffte er auf Anhieb den dritten Platz. Im fünften war er der Sieger. Im Finale auf dem Hockenheimring fehlte ihm nur ein Punkt zum Deutschen Meister. Der Österreicher Karl Wendlinger gewann den Titel, Schumacher wurde zusammen mit Heinz-Harald Frentzen Zweiter. Die Leistung der drei Nachwuchsfahrer imponierte dem Leiter des Gruppe-C-Rennteams von Mercedes-Benz, Jochen Neerpasch. Innerhalb eines Jahres hatte Schumacher zwei Verträge, die das bezahlten, was er schon immer am liebsten tun wollte: Autorennen fahren. Er war Werksfahrer bei Mercedes und Formel-3-Pilot bei Weber. Nur mit dem Gewinnen haperte es plötzlich. Die ersten drei Rennen der nächsten Saison konnte er nicht einmal zu Ende fahren, obwohl er bei zwei Veranstaltungen aus der Pole Position gestartet war. Beim dritten Rennen wurde sein Auto disqualifiziert, weil der VW-Reynard das vorgeschriebene Mindestgewicht unterschritt. Schumacher war verzweifelt, er hatte Angst, dass er »am Ende der Saison wieder Kart fahren muss«. Also arbeitete er noch här-
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ter, trainierte noch mehr, überprüfte sein Fahrzeug noch genauer. Das Ergebnis der Schufterei: Von den sechs noch ausstehenden Rennen gewann er fünf. Im nächsten Jahr wollte er in die Formel 3 000 oder die Formel 1 aufsteigen, das hatten ihm seine neuen Mentoren Weber und Neerpasch versprochen. Doch Neerpasch, der ein Konzept für den Einstieg von Mercedes in die Formel 3 000 mit dem Nachwuchstrio entwickelt hatte, scheiterte bei der Präsentation im Vorstand des Automobilunternehmens. Pech für Neerpasch, der sich nach einem neuen Job umsehen musste, und mehr noch für die drei Hoffnungsträger. Zu Beginn der Saison waren alle aussichtsreichen Cockpits in dieser Klasse besetzt. Frentzen kündigte daraufhin seinen Werksvertrag mit den Untertürkheimern und versuchte auf eigene Faust den Einsteig in die Formel 1 zu schaffen. Am Ende der Saison gelang es ihm, bei Nova in der Formel 3 000 unterzukommen. Schumacher, der außerhalb der Rennpiste jedes Risiko vermied, übte sich lieber in Geduld, was ihm sicher nicht leicht fiel.
Vom Neuling zum Weltmeister Doch im August ist plötzlich alles ganz anders: Im Jordan-Team fehlt ein Formel-1-Fahrer. Weil der Jordan-Pilot Bertrand Gachot einen Händel mit einem Taxifahrer in London mit Brachialgewalt und Tränengas ausgetragen und sich dann auch noch bei der richterlichen Anhörung unflätig benommen hatte, wurde er in polizeilichen Gewahrsam genommen und konnte zum Rennen in Silverstone nicht antreten. Jochen Neerpasch erkennt die Chance, die Gachots Ausfall seinem Schützling bietet. Er bringt Schumacher ins Gespräch, und Willi Weber regelt das Finanzielle. Er bürgt persönlich für einen Betrag von 450 000 Mark, der bei Jordan hinterlegt werden muss. Die Testfahrten meistert Schuma-
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cher bravourös, er fährt Zeiten, die die Rennleitung des britischen Teams kaum glauben kann. Schumacher startete bei seinem offiziellen Debüt am 25. August 1991 in Spa auf der siebten Position. Kurz nach dem Start musste er jedoch aufgeben – seine Kupplung war defekt. Mit diesem Start hatte er jedoch einen Fuß in der Tür zum Motorsportparadies. Der Großwesir des Formel-1-Reiches Bernie Ecclestone und Schumachers Dealmaker Willi Weber versuchten den Nachwuchsstar in der Formel 1 zu etablieren. Die Motive der beiden Herren waren unterschiedlich und doch kongruent. Weber eröffneten sich neue Verdienstquellen, wenn sein Klient, der in der Motorsportszene seit seinem ersten Start in Spa »the Wunderkid« genannt wurde, in der viel populäreren Formel 1 startete, und Ecclestone erhoffte sich höhere Zuschauerquoten, wenn mit dem jungen Draufgänger auch ein Deutscher dabei war, der über genügend Potenzial und Mut verfügte, um die Altherrenriege auf der Piste aufzumischen. Schumacher wird bei Benetton-Ford untergebracht. 1992 fährt er auf den dritten Platz bei den Großen Preisen von Mexiko und Brasilien. Er ist überwältigt und beunruhigt über die Lobeshymnen, die er von den Medien erhält: »Ich hoffe, dass die Presse und die Fans mich nicht fallen lassen, wenn ich mal nur fünfte und sechste Plätze einfahre.« Am 30. August 1992 gewinnt er in Spa sein erstes Formel-1-Rennen. Er ist 23 Jahre alt. In der nächsten Saison nimmt er Kurs auf die Weltmeisterschaft. Die Siege von gestern, davon ist er überzeugt, zählen nichts; wenn er weitermachen will, muss er weiter siegen. Er wirkt ein wenig hölzern, steif, sein Dauerlächeln einstudiert, aber er beherrscht die Sprache des Zirkus – englisch – und den unauffällig einwandfreien Auftritt. Als Werksfahrer bei Mercedes lernt man eben nicht nur schnell fahren, sondern auch Umgangsformen für das Leben außerhalb der Piste. Der emeritierte Formel-1-Pilot Niki Lauda verteidigt den jungen Kollegen: »Michael Schumacher hat seine Prioritäten ganz klar erkannt, ich muss gewinnen, dafür
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tue ich alles. Er macht’s für sich selber richtig, für den Außenstehenden, der natürlich gerne einen charismatischen, interessanten Menschen vor sich sehen will, der hat’s im Moment vielleicht ein bissl schwer damit. Nur muss man die kurze Zeit bedenken, in der alles über ihn hereingeprasselt ist. Ich glaube, wenn man ihm etwas Zeit gibt, dann werden sich auch die anderen Dinge ganz natürlich entwickeln und er wird auch diese Leistung bringen können.« Bei Benetton-Ford gab es diese Muße nicht. Dort wartete ein neuer Bolide, der genau auf die Bedürfnisse Schumachers zugeschnitten war. Der B194 war ein leichter Wagen, für den Ford den extrem leistungsstarken V8-Cosworth-Zetec-R-Antrieb produzierte. Der Bordcomputer konnte pro Sekunde bis zu 1,7 Millionen Befehle bearbeiten. Doch die technische Wundermaschine allein hätte Schumacher nie an die Spitze des Feldes getragen. Die zweite Stärke des Benetton-Teams war die Strategie auf der Piste. Ohne dieses Konzept, erinnerte sich Schumacher, hätte er nie gewinnen können: Denn »auf der Strecke hätte ich so gut wie nie eine Chance gehabt, einen Williams-Renault zu überholen, die hatten sehr viel mehr PS als wir«. Die zeitlich richtigen Tankstopps waren ein essenzieller Bestandteil dieses Plans. Zum Erstaunen, aber auch zur Erleichterung der Benetton-Crew erwiesen sich die Boliden FW 16 des Williams-Renault-Teams als nicht so stark wie befürchtet. Sie zeigten einen überraschenden Entwicklungsrückstand, den allerdings Williams-Spitzenfahrer Ayrton Senna zunächst durch seine Fahrtechnik ausgleichen konnte. Schumacher und Senna lieferten sich Duelle, die jedoch zugunsten des Deutschen ausgingen. In Brasilien, zu Beginn der Saison, scheiterte Senna bei dem Versuch, mit Schumacher gleichzuziehen, sein Fahrzeug kreiselte ins Kiesbett. In Japan wurde er durch eine Kollision mit dem McLaren-Peugeot-Piloten Mika Häkkinen aus dem Rennen katapultiert. Für den sieggewohnten Brasilianer, dessen Ehrgeiz Niederlagen nicht verkraften konnte, war das eine bittere Erfahrung.
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Das dritte Rennen jenes Jahres in Imola bringt eine neue Dimension in Schumachers Rennfahrerdasein: Beim Training verunglückt der österreichische Rennfahrer Roland Ratzenberger. Der 31-Jährige rast mit mehr als 300 Stundenkilometern in eine Betonmauer, er erleidet einen Genickbruch und ist sofort tot. Beim Rennen am darauf folgenden Sonntag führt Ayrton Senna knapp vor Schumacher, der ihn dicht verfolgt. Plötzlich kommt Sennas Wagen von der Piste ab, Schumacher sieht noch die Staubwolke, fährt dann aber weiter. Das Rennen wird abgebrochen und neu gestartet. Niemand sagt Schumacher, dass Senna den Unfall nicht überlebt hat. Eine Fahrgestellstrebe hat sich durch den Helm in seinen Kopf gebohrt, als der Wagen nach dem Bruch der Lenksäule von der Piste schleudert und gegen eine Begrenzungsmauer prallt. Senna hatte nicht den Hauch einer Chance. Manche haben Schumacher sogar nach dem Schluss des Rennens, das er gewann, noch erklärt, dass Senna überlebt hätte, um die Konfrontation mit der tödlichen Konsequenz des Rennfahrerdaseins noch ein wenig hinauszuschieben. In der Öffentlichkeit stellten die Unfälle des Wochenendes den Motorsport, vor allem aber die Formel 1 infrage. Schumacher versuchte den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen mit einem Bekenntnis zu dieser Sportart, die viele für eine sinnlose Verschwendung von Ressourcen jeder Art halten. Er hielt ein für seine Verhältnisse geradezu leidenschaftliches Plädoyer: »Diese Unfälle sind extrem, es hätte nicht schlimmer kommen können, aber ich bin mir sicher, dass die Formel 1 nach wie vor ihren Platz beibehält, weil es immer noch genügend Menschen gibt, die diesen Sport betreiben möchten, die diesem Sport beiwohnen möchten, die dem Rennsport viel abgewinnen können. Wenn wir alle der Meinung wären, dass dieser Sport hirnrissig oder mörderisch ist, dann würde keiner von uns ihn betreiben. Hysterie ist nicht der richtige Weg, um auf die tödlichen Unfälle von Roland (Ratzenberger) und Ayrton (Senna) in Imola […] zu reagieren. Wir müssen aus diesen schrecklichen Erfahrungen lernen, dann hat die Formel 1 auch Zukunft.«
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Seine eigene Karriere in jenem Jahr wurde überschattet von Unregelmäßigkeiten und Regelverstößen, die größtenteils Benettons Rennleitung verursachte, die aber an Schumacher hängen blieben. In Silverstone am 10. Juli 1994 überholt er bei der Aufwärmrunde unmittelbar vor Rennbeginn den auf der Pole Position startenden Damon Hill. Das ist ein Verstoß gegen das Reglement der FIA, der mit einer 10-Sekunden-Zeitstrafe geahndet wird. Doch Schumacher hält nicht an, sondern gibt Gas. Was zunächst noch als jugendlicher Leichtsinn wirkt, wird zur Affäre. Ist Schumacher weitergefahren, weil er eine entsprechende Anweisung von der Benetton-Rennleitung bekommen hat? Hat ihm Teamleiter Flavio Briatore zugerufen: »Bleib draußen, wir regeln das!«? Die schwarze Flagge, die den sofortigen Boxenstopp signalisiert, beachtet er ebenfalls nicht. Dieses Vergehen wird mit Disqualifikation bestraft. Doch Schumacher denkt gar nicht daran, die Benetton-Box außerplanmäßig anzusteuern. Erst als er ohnehin einen Tankstopp einlegen muss, pausiert er für 10 Sekunden – in der Hoffnung, dass Benetton-Rennleiter Briatore bereits mit Ecclestone einen Deal vereinbart hat, das Ignorieren der Schwarzen Flagge werde fallen gelassen, wenn Schumacher die Strafpause absäße. Das Rennen verliert er und wird für zwei Rennen gesperrt: kleiner Fehler, große Wirkung. Danach in Spa wird er mit einer zu dünnen Bodenplatte auf die Piste geschickt – und disqualifiziert. Trotz aller Pannen hat Schumacher noch einen Punkt Vorsprung auf den Zweiten Damon Hill. Es kommt zu einem aberwitzigen Unfall: Schumacher kommt mit seinem Benetton-Ford von der Strecke ab, streift eine Mauer, schleudert über die Piste und kollidiert mit dem Rennwagen von Hill. Die Fahrer überstehen den Unfall unverletzt, aber beide Fahrzeuge sind beschädigt, der Benetton-Bolide ist mehr oder weniger Schrott. Doch Hill kann weiterfahren. Bange Minuten für Schumacher. Am Unfallort wartet er, dass Hill wieder vorbeifährt. Doch der kommt nicht, auch sein Wagen hat nach dem Bruch einer Aufhängung den Geist aufgegeben. Schumacher ist Weltmeister – mit einem Punkt Vorsprung.
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Den Titel widmet er seinem toten Kollegen Ayrton Senna. Er hat ihn gegen sein Team erzielt. In zwei Rennen wurden ihm 16 Punkte gestrichen, zwei weitere Veranstaltungen musste er auf der Zuschauertribüne verbringen. Trotzdem ist er die Nummer eins geworden. In der Formel-1-Szene zollten ihm vor allem die alten Routiniers der Piste Respekt. Für Jackie Stewart war Schumacher »momentan der Beste«. Doch in der Öffentlichkeit blieben die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erfolgs. In der nächsten Saison wollte er allen zeigen, dass er fair gewinnen kann, doch bei Benetton gehörte Mogeln offensichtlich zur Strategie. In Brasilien entsprach Schumachers Sprit nicht genau dem Reglement, später kam noch heraus, dass sein Fahrzeug eine Software enthielt, in der die verbotene Traktionskontrolle verborgen war, welche die Bodenhaftung der Fahrzeuge erhöht. Schumachers Manager Weber schritt ein und nutzte die Schummeleien der Benetton-Rennleitung, um die Vertragsbedingungen seines Schützlings zu verbessern. Schumacher kassierte nun eine Million US-Dollar pro Veranstaltung und war nicht länger an den Rennstall gebunden. Und er gewann in dieser Saison, in der er sich immer wieder riskante Duelle mit dem Briten Hill lieferte, immer mal wieder kurz davor stand, wegen Regelverstößen und rüden Fahrstils ausgeschlossen und gesperrt zu werden. Am Ende der Saison hatte Hill vier Grand-Prix-Rennen gewonnen, Schumacher aber neun. Er war Weltmeister – und er hatte einen neuen Rennstall gefunden. Ab 1996 sollte er für Ferrari fahren.
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Den Deal eingefädelt hatte Ferrari-Berater Niki Lauda. Er machte aus seiner Wertschätzung für den damals gerade erst 26 Jahre alten Spitzenfahrer kein Hehl: »Michael Schumacher ist einer, der mit dem Auto aufgewachsen ist, deshalb gelang es ihm, in derart kurzer Zeit zu solchen Lorbeeren in der Formel 1 zu kommen. Normalerweise dauert das zwei, drei Jahre, bis man sich so richtig etabliert hat und vielleicht einmal im richtigen Auto sitzt, um Weltmeister zu werden. Michael Schumacher hat das in rasendem Tempo gemacht, weil er einfach von all seinen Möglichkeiten, die er körperlich und geistig mitbringt, vom lieben Gott voll als Rennfahrer abgesegnet wurde, schon bei seiner Geburt. Und deswegen funktioniert das auch so gut.« Würde Schumacher aber auch in Maranello funktionieren? Als der Kerpener seinen neuen Arbeitsplatz in Augenschein nahm, war er überrascht: »Als ich zum erstenmal das Ferrari-Werk besucht habe, bin ich tatsächlich erschrocken. Das war einfach nicht up to date«, erinnert er sich noch Jahre später. Aber er erkannte auch das Potenzial: »Das Team Ferrari war im Umbruch, nicht zuletzt auch durch meine Verpflichtung war Rennleiter Jean Todt in der Lage, neue und effizientere Strukturen zu schaffen.« Zur Sicherheit wurde dem Star noch ein neuer Kollege an die Seite gestellt: Der Nordire Eddie Irvine bekam das zweite Cockpit bei den Roten. Der aus Newtownards in Nordirland stammende Edmund (Eddie) Irvine begann seine Rennfahrerkarriere 1983 in der irischen Formel Ford. Zwei Jahre später fuhr Irvine in der
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britischen Formel Ford, 1988 in der britischen Formel 3 und von 1989 bis 1993 dann in der Formel 3 000 in Europa und Japan. Sein erstes Grand-Prix-Rennen in der Formel 1 bestritt er im Oktober 1993 in Suzuka beim Jordan-Team, das in der Saison sechs Fahrer einsetzte. Bei Regenwetter konnte er seine Stärken auf der ihm aus seiner Formel-3 000-Zeit vertrauten Strecke ausspielen. Er erreichte den sechsten Platz und ließ sich nicht einmal von dem führenden Ayrton Senna einschüchtern. Seine couragierte Fahrweise sicherte ihm bis Ende 1995 neben Rubens Barrichello einen festen Vertrag beim Team Eddie Jordans, der zuvor verstärkt Paydriver eingesetzt hatte, Fahrer, die für den Platz im Cockpit eines Jordan-Rennwagen bezahlen mussten. Als Jordan in der Saison 1995 mit dem Peugeot-Motor endlich wieder einen konkurrenzfähigen Antrieb hatte, konnte auch Irvine in der Spitzengruppe mitfahren. Zu seinen besonderen Fähigkeiten zählte es, im Rennen »die Tür zuzumachen« – Konkurrenten nicht überholen zu lassen. Er galt damals als einer der am schwierigsten zu passierenden Piloten. Diese Nervenstärke hatte sicher dazu beigetragen, dass er einen Vertrag bei Ferrari für die Saison 1996 erhielt – als Wasserträger für Michael Schumacher. In dieser Rolle erwies er sich nach geringfügigen Anlaufproblemen und kleinen Triumphen, wenn er Schumacher in einem Qualifying überholte, zunächst noch als verlässlicher zweiter Mann, der die Nummer eins im Team nach hinten abschirmen konnte. In der Praxis zeigte sich allerdings bald, dass Irvine ein deutlich emotionalerer Fahrer war als Schumacher, ein Vertreter der alten Garde, der sich in die heißen Kisten schwingt und drauflosfährt. Die minutiöse Detailarbeit an den Fahrzeugen, wie sie Lauda gut eine Dekade zuvor exerziert und wie sie Schumacher erst bei Benetton gepflegt hatte und nun auch bei Ferrari einführte, lag ihm nicht besonders. Jean Todt hatte für das Engagement von Michael Schumacher gute Gründe. Er wollte nicht nur den besten Fahrer im Formel-1Zirkus an die Scuderia binden, damit der die besten Zeiten erzie-
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len und die Fahrerweltmeisterschaft in einem roten Auto gewinnen kann, sondern Todt ging es in erster Linie darum, die Techniker und Konstrukteure des Rennstalls auf Touren zu bringen. Wenn auch der beste Fahrer in den Boliden aus Maranello keinen Großen Preis holen kann, muss es ja an den Fahrzeugen liegen und nicht, wie die Ingenieure im Ferrari-Werk gerne behaupteten, an der Inkompetenz der Piloten, die ihre vermeintlichen HighTech-Schätzchen nicht richtig behandelten. Todt wusste schon lange, dass Ferraris größtes Problem in der veralteten Technik lag. Zu lange hatte die Scuderia auf die Stärke ihrer Motoren vertraut und die Grundsätze der Aerodynamik, der Fahrwerksabstimmung vernachlässigt. Doch in den drei Jahren, die der hoch gelobte Rennteammanager jetzt bei Ferrari verbracht hatte, war es ihm nicht gelungen, in die verschworene Gemeinschaft des Technikteams einzudringen und die Abteilung, die noch immer den alten Zeiten mit dem Commendatore nachtrauerte, auf einen neuen Kurs einzuschwören. Schumacher war für Todt jetzt der Schlüssel zum Erfolg, man könnte auch sagen: seine letzte Chance.
Auf der Suche nach dem Dream Team Ferrari-Präsident di Montezemolo war ungeduldig geworden. Er wollte endlich Siege sehen. Die Weichen für den Erfolg waren bereits gestellt: Er hatte nicht nur Todt engagiert, sondern auch den britischen Designer John Barnard zurückgeholt. Barnard hatte nach seinem Abgang bei Ferrari 1997 für Benetton ein neues Design-Center aufgebaut: die Benetton Advanced Research Group in Godalming. Dort hatte er den B191 konstruiert, der die Basis für den B194 lieferte, mit dem Schumacher seinen ersten Weltmeistertitel holte. Doch dann gab es Ärger mit Benetton über Honorare und Geld, das Vertrauensverhältnis zwi-
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schen dem Rennteam und dem Konstrukteur war offensichtlich irreparabel beschädigt worden. Barnard schmiss alles hin und begann für Toyota in aller Stille und streng geheim einen Formel-1-Wagen zu konzipieren. Doch den Japanern war der Einstieg in die Formel 1 damals noch viel zu riskant. So war Barnard frei für das Angebot aus Maranello. Das Kons truktionsbüro, das ihm eingerichtet worden war, hieß Ferrari Design and Development – und lag in Shalford in der Grafschaft Surrey. Wie bei seinem ersten Ferrari-Engagement weigerte sich Barnard auch diesmal wieder, nach Maranello umzuziehen. Ferrari-Präsidentenberater Lauda verteidigte 1993 in einem Interview mit dem Spiegel noch die Ausgliederung des Konstruktionsbüros: »Wir müssen bei der Inzucht der englischen Rennställe, die alle nördlich von London angesiedelt sind, mitmachen: Da gehen alle in einen Pub, trinken Bier und tauschen Informationen aus. Nur wer in diesem Nukleus der Formel 1 sitzt, weiß, was der andere tut. Ferrari aber sitzt in Maranello weit weg vom Schuss, kriegt erst verspätet mit, wo die Entwicklung hingeht. Jetzt entwirft Barnard unsere Autos, schickt die Konstruktionspläne nach Italien, wo sie dann gebaut werden.« Dass sich Barnard diese Privilegien aushandeln konnte, lag an der Stimmung, die damals die Formel-1-Teams erfasst hatte. Nicht länger waren die mutigen Piloten der schnellen Boliden die Helden im Rennzirkus, sondern die Techniker, die Konstrukteure, die die PS-starken Flitzer erschaffen hatten. Sie galten als die wahren Künstler, wurden hofiert wie Hollywood-Diven und konnten sich fast alles erlauben – solange sie Autos konzipierten, mit denen sich Siege einfahren ließen. Barnard zehrte 1993 noch vom Ruhm seiner vergangenen Jahre. Der geniale Ingenieur galt als der große Visionär und Guru der Branche. Bei McLaren hatte er 1981 den für die Raumfahrt entwickelten Werkstoff Kohlefaser in die Formel 1 eingeführt. Die Rennwagen wurden mit ihren Monocoques aus Karbonverbin-
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dungen leichter und dennoch sicherer. Ende der achtziger Jahre entwickelte er für Ferrari ein halbautomatisches Getriebe, für das er in Maranello zunächst belächelt wurde. Doch Barnards Erfindung revolutionierte die Formel 1. Kupplungspedal und Schalthebel sind seitdem out, die sieben Gänge der modernen Renngetriebe betätigen die Piloten mit dem Mittelfinger über Wippen am Lenkrad. Doch als er jetzt wieder für Ferrari arbeitete, schien ihm nichts Rechtes mehr einzufallen. Hinzu kam, dass die Kooperation, die Lauda aus der Ferne als Long-Distance-Arbeitsverhältnis angebahnt hatte, in der Praxis ganz anders aussah. Nur widerwillig nahmen die Ingenieure in Maranello die Zeichnungen und Pläne des Briten zur Kenntnis, die ihnen in der Regel per Fax zugingen. Die Umsetzung der mit Tesa-Streifen zusammengeklebten Konstruktionsskizzen wurde von der Technikmannschaft als Demütigung empfunden und entsprechend nachlässig bearbeitet. Das Formel-1-Modell, in dem Schumacher 1996 auf die Pisten geschickt wurde, fiel in 16 Rennen siebenmal aus. Zwar konnte Schumacher immer wieder im Qualifying die Pole Position erreichen, doch im Rennen selbst musste er seinen roten Boliden häufig stehen lassen. Nur seinen exzellenten Fahrkünsten war es zu verdanken, dass er in dem fehlerhaften F310 in Imola bei einem Regenrennen auf dem zweiten Platz landete. In Barcelona gelang es ihm sogar, den Grand Prix zu gewinnen. Danach konnte er noch die Rennen von Spa-Francorchamps und Monza gewinnen. Schumacher war erleichtert, vor allem über den Erfolg in Monza, Ferraris Hausstrecke: »Dieser Tag ist durch nichts zu übertreffen.« Die Siegerehrung wurde zum Triumphzug für die Roten, in Maranello wurde ausgiebig gefeiert, doch die Krise war nicht überwunden – noch lange nicht. Denn der neue Wagen für die nächste Saison erfüllte nicht die Erwartungen, die Todt und seine Männer an ihren Chefkonstrukteur gestellt hatten. Schumacher war mit Barnards Auto höchst unzufrieden. Nach den ersten Pro-
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befahrten des neuen Ferrari fällte er ein vernichtendes Urteil: »Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.« Auf der Teststrecke im spanischen Jerez de la Frontera hatte der Weltmeister von 1994 und 1995 bei seinem neuen Arbeitsgerät festgestellt, dass der Wagen bei eingeschlagener Lenkung zum Kurvenaußenrand zog – ein Fahrverhalten, das Personenwagen für Otto Normalverbraucher aus Sicherheitsgründen serienmäßig haben, das aber in der Formel 1, wo die Jagd nach der Weltmeisterschaft in Hundertstelsekunden auf der engen Ideallinie in den Kurven entschieden wird, zur sicheren Niederlage führt. Schumachers ernüchternde Jungfernfahrt führte dazu, dass Barnards Ansehen bei Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo in rasantem Tempo schwand. Der Ferrari-Boss hatte bereits beim Roll-out des neuen Boliden verkündet, dass Barnards Vertrag erst nach den Testfahrten in Spanien entschieden würde. Tatsächlich waren die Würfel schon viel früher gefallen: Schumacher hatte seinen neuen Arbeitgebern dringend empfohlen, den damaligen Benetton-Ingenieur Ross Brawn abzuwerben. Brawn hatte aus dem Entwurf des B191, den Barnard bei Benetton abgeliefert hatte, den B194 und den 195 konzipiert, mit denen Schumacher Weltmeister geworden war.
Stars und Sternchen Der Machtwechsel im Technischen Büro von Ferrari war damals kein Einzelfall. Die Ingenieure wechselten ihre Arbeitgeber in jenen Jahren mit hoher Geschwindigkeit. Für die besten Köpfe in diesem Metier wurden Millionengehälter gezahlt und Privilegien wie Sonderkonditionen obendrauf gelegt. Sie wurden als Heilsbringer und Retter des modernen Grand-Prix-Zirkus umworben. Die renommierten Karosseriebauer der Branche, die sich längst nicht mehr als Blechschneider empfanden, sondern als Künstler,
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die aus modernen Materialien wie Karbon und Leichtmetall futuristische Autos kreierten, konnten Fahrzeuge schaffen, die auch aus mittelmäßigen Fahrern Champions machten. So gelang es 1996 dem eher durchschnittlich talentierten Engländer Damon Hill, in einem Williams-Rennwagen dem Ferrari-Piloten und amtierenden Weltmeister Schumacher davonzueilen. Deshalb hatten die schlauen Köpfe in den Redaktionen der Fachmedien längst Schumachers wahre Gegner analysiert. Das Stuttgarter Fachorgan der PS-Presse auto, motor und sport etwa erklärte, dass Schumachers Rivale »nicht im Cockpit, sondern am Zeichentisch« säße. Sein Name war Adrian Newey. Der hatte zusammen mit Patrick Head, dem Technischen Direktor von Williams, ein Auto entworfen, das den Ferraris, McLarens und Benettons um Sekunden voraus war. Damit hatte das Williams-Team allen gezeigt, wie perfektes Design und genaueste Fahrwerkabstimmung aus einem durchschnittlichen Fahrer einen Weltmeister machen können. Auch Ferrari begriff die Lehren aus der anhaltenden Erfolglosigkeit – und legte sowohl Ross Brawn als auch Newey stattliche Angebote vor. Der Berufsstand hatte sich in den neunziger Jahren deutlich gewandelt. Statt der Mechaniker, die durch ihre Liebe und Erfahrung im Umgang mit den Rennwagen eines Tages auch zum Konstrukteur aufgestiegen waren, hatten nun Ingenieure mit Spezialkenntnissen in Aerodynamik, Raumfahrttechnik und Kinetik die Konstrukteursabteilungen erobert. Brawn, der schließlich als Schumachers Favorit Nachfolger von Barnard bei Ferrari wurde, hatte seine Karriere am Atomforschungszentrum in Harwell begonnen. Sein Gegenspieler bei Williams, Newey, hatte Aeronautik studiert und war dann von dem damaligen Formel-1-Rennstall March angeworben worden. Die Faszination, die die Jobs in der Formel 1 auf die jungen Ingenieure ausüben, liegt in dem Tempo, in dem möglichst perfekte Lösungen für diffizile Probleme gefunden werden müssen. Ihnen
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bleiben in der Saison nur 14 Tage, um Defekte zu finden und zu beheben. Außerdem können sie in der Regel aus dem Vollen schöpfen. Dank der Millioneneinsätze der Sponsoren hatten die Rennställe schon Mitte der neunziger Jahre Budgets von 50 Millionen USDollar zur Verfügung, um jede Chance zur Beschleunigung der ultraleichten Flitzer mit ihren gigantischen Motorleistungen ausnutzen zu können. Ihre Arbeitgeber erwarteten ständig neue Rekorde: »Wenn wir heute mit einer Runde Vorsprung gewinnen«, sagte einmal der Benetton-Technik-Chef Pat Symonds, »wollen wir beim nächsten Mal zwei Runden Vorsprung haben.« Doch den perfekten Rennwagen gibt es nicht: »Jeder Rennwagen ist ein Kompromiss«, erklärte Brawn 1999 im Spiegel. Um das zu schaffen, müsste für jede Grand-Prix-Strecke ein eigenes Modell konzipiert werden. Das heißt, es müssten eigentlich 17 verschiedene Autos gebaut werden, deren Fahrverhalten genau auf die Beschaffenheit einer bestimmten Strecke, ihre Kurven, Bodenwellen und dergleichen mehr abgestimmt ist. Und selbst dann müssten noch Kompromisse eingegangen werden. Denn es ist ein riesiger Unterschied, bei welchem Wetter, welchen Temperaturen und Windverhältnissen eine Piste befahren wird. Ob ihr Belag durch eine Hitzeperiode und Sonneneinstrahlung aufgeweicht oder durch häufige Regengüsse immer wieder feucht gehalten wird. Hinzu kommt unterschiedliches Fahrverhalten durch wechselndes Gewicht. Ein vollgetankter Rennwagen hat ein anderes Kurvenverhalten als einer, der mit fast leerem Tank über die Strecke zischt. Bei den rund 500 Kilogramm leichten Rennwagen verursacht die Tankfüllung allein Gewichtsschwankungen von bis zu 20 Prozent. Aerodynamische Gesetze bestimmen längst die Form der Karosserie sowie Form und Ansatz der Front- und Heckflügel. Der Unterboden der Fahrgestelle ist so konstruiert, dass die Wagen durch den Fahrtwind mit einer Kraft von rund zwei Tonnen auf den Asphalt gepresst werden. Ab einem Tempo von 170 km/h könnten die Flitzer theoretisch an der Decke fahren.
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Auch die Oberflächenstruktur der Karosseriefarbe spielt neuerdings eine Rolle. Ein rauer Lack führt zu Verwirbelungen über dem Fahrzeug, die die Bodenhaftung erhöhen können. Als wahrer Künstler, der das komplette Programm von aerodynamischen, kinetischen und elektronischen Anforderungen nahezu perfekt beherrscht, galt Mitte der neunziger Jahre Newey, der seine Einfälle damals noch für das Williams-Team realisierte. Er ist auch der Meister der einfachen Lösung. Hohe Nase, taillierter Rumpf und tiefes Cockpit zeichnen typische Newey-Boliden aus. Die Konsequenzen der Simplizität musste der Fahrer ertragen. Williams-Piloten hatten die mit Abstand unbequemste Sitzposition. So manchem Formel-1-Piloten war die flache Schale einfach zu klein. Mit zunehmender Popularität und Anerkennung war auch so mancher Konstrukteur zur eitlen Diva mutiert. Als dem vielerorts hoch geschätzten Ingenieur Newey die Forderung nach mehr Eigenständigkeit bei Williams abschlägig beschieden wurde, kündigte er kurzerhand seinen mit einer Million Pfund jährlich dotierten Vertrag vorzeitig. Im April 1997 – zwei Jahre vor dem offiziellen Ende seines Williams-Engagements, wechselte er zu McLaren, die mit ihrem neuen Partner Mercedes dringend der Hilfe des Gurus bedurften. Seit 49 Rennen hatte das McLaren-Team kein Rennen mehr gewonnen, und die Stuttgarter, die erst 1995 als Partner der Briten wieder in die Formel 1 eingestiegen waren, wollten schnell Erfolge sehen. Bei Ferrari hatte Brawn die »neue Herausforderung« für ein Jahressalär von 1,5 Millionen Mark angenommen. Der Kons trukteur aus Manchester, der dem Benetton-Team zweimal zum Titel verholfen hatte, wirkt nicht gerade wie ein Prototyp der Formel-1-Gemeinde. Der Brite ist leidenschaftlicher Gärtner, Rosenliebhaber und Angler. Der Mann mit den Eigenschaften eines britischen Countryman hatte eine Sisyphusaufgabe übernommen: Er musste die 200 Mitarbeiter zählende Ingenieurabteilung, das
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Herzstück der italienischen Traditionsmarke, nach den Querelen der vergangenen Jahre und den Erfahrungen mit seinem abwesenden Vorgänger Barnard erst einmal befrieden. Unterstützt wurde er bei seinem Megaprojekt von dem Aerodynamikexperten Rory Byrne. Der Südafrikaner Byrne hatte bereits eine lange Karriere im Motorsport hinter sich und wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen, als ihn Jean Todt auf seinem »Altersruhesitz« in Thailand aufspürte. Dort wollte der Fahrzeug designer eine Tauchschule eröffnen. Einen Namen als Formel-1Karosserieentwickler hatte sich Byrne bei Benetton gemacht, als er den Wagen entworfen hatte, mit dem Schumacher 1994 Weltmeister wurde. Schon damals konnte er auf eine wechselvolle Karriere zurückblicken. Geboren in Pretoria, hatte Byrne an der Witwatersrand University in Johannesburg Ingenieurwissenschaften studiert. Sein Ziel war es damals, Segelflugzeuge und Glider zu konzipieren. Doch durch den Besuch eines Freundes in Großbritannien kam Byrne mit dem Motorsport in Kontakt und wurde sofort nachhaltig mit dem Rennvirus infiziert. Er half dem Freund beim Design seines Rennwagens für die Formel Ford 1600. Seine Modifikationen waren offenbar so erfolgreich, dass ihm sofort ein Vertrag als Chefdesigner eines kleinen Rennwagenbauers angeboten wurde. 1978 engagierte ihn das Toleman-Motorsportteam als Cheftechniker für die Formel 2. Das Debüt in die Formel 1 erfolgte, als Toleman Anfang der achtziger Jahre beschloss, auch in der Königsklasse mitzufahren. Nach einem eher mäßigen Start – Byrnes Modell TG81 war nicht gerade erfolgreich – gelang ihm 1984 der große Wurf. Er baute einen konkurrenzfähigen Wagen, in dem Ayrton Senna seine Formel-1-Karriere begann. 1986 wurde das Team von Benetton übernommen. Gerhard Berger holte in der gleichen Saison in Mexiko den ersten Grand Prix für das nunmehr unter Benetton Formula firmierende Team. 1989 verließ Byrne für zwei Jahre Benetton, um einen anderen Rennstall mit seiner Erfahrung auf Touren zu brin-
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gen. Doch nachdem das Engagement eingestellt wurde, kehrte er wieder zu Benetton zurück und begann mit dem jungen Rennfahrer Michael Schumacher zu arbeiten. Als Schumacher Ende 1995 Benetton verließ, wollte sich auch Byrne aus dem Renngeschäft zurückziehen. Daraus wurde nichts. Ende 1996 trafen sich die beiden Männer wieder in Maranello, dort wartete schon ihr alter Kumpel Brawn. Motiviert hatte Byrne die Aussicht, einmal in seinem Leben für die Roten arbeiten zu dürfen. Wie Brawn war auch Byrne der Ansicht, dass »eine Motorsportkarriere erst dann komplett ist, wenn man einmal für Ferrari gearbeitet hat«. Zu dem Zeitpunkt hatten die drei allerdings noch keine Ahnung, welchen Schikanen sie auf dem Weg an die Spitze begegnen würden.
Die Pannenmeister Die Saison 1997 steht noch im Zeichen von Barnards Entwicklung. Trotzdem liegt Michael Schumacher plötzlich auf Weltmeisterkurs. Sein Hauptrivale in diesem Jahr ist der Kanadier Jacques Villeneuve, der Sohn des legendären Rennfahrers Gilles Villeneuve, der 1984 am Steuer eines Ferraris noch zu Lebzeiten Enzo Ferraris verunglückt war. Jacques Villeneuve fährt für WilliamsRenault, dessen Wagen zu jener Zeit als die perfekten Vehikel für den Meisterschaftstitel gelten. Villeneuve gewinnt die ersten Rennen in Brasilien und Argentinien und hat nach drei von 17 Grand-Prix-Veranstaltungen die Nase vorn. Doch Schumacher kann mithalten. Als er in Monte Carlo als Erster das Ziel erreicht, führt er die Weltrangliste an. Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel: In Spanien gewinnt Villeneuve und steht wieder vorne. In Montreal und in MagnyCours holt wiederum Schumacher die Preise und führt plötzlich
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mit 14 Punkten Vorsprung. In Silverstone scheitert Schumacher an einem Radlagerschaden seines Ferraris, in Hockenheim reicht Schumacher ein zweiter Platz, um einen Zehn-Punkte-Vorsprung zu halten. Villeneuve pirscht sich nach dem Sieg in Ungarn auf drei Punkte heran. Das Regenrennen in Spa geht wieder an Schumacher. In Monza schafft keiner der beiden Kontrahenten den Sprung aufs Siegerpodest. In Österreich übersieht Schumacher eine gelbe Flagge und erhält eine Zeitstrafe von 10 Sekunden, die er in der Box absitzt. Trotz dieser Verzögerung wird er Sechster. Mit einem Punkt Vorsprung auf Villeneuve tritt er auf dem Nürburgring an. Diesmal bleibt Schumacher auf der Strecke, weil sein kleiner Bruder Ralf, der seine erste Formel-1-Saison für den britischen Rennstall Jordan fährt, eine Art Massenkarambolage verursacht, in der auch Michael Schumacher von der Piste geschubst wird. Die Folge: Villeneuve führt mit 77 zu 68 Punkten vor Schumacher und es sind noch zwei Rennen zu absolvieren. Vom Großen Preis von Japan wird Villeneuve ausgeschlossen, weil er eine gelbe Flagge übersehen hat und seit einem ähnlichen Vergehen in einem der früheren Rennen unter Bewährung fuhr. Er startet trotzdem unter Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung, die später in Paris gefällt wird. In Suzuka startet Ferrari mit flexiblen Frontflügeln, die nach Reglement eigentlich nicht eingesetzt werden dürfen, aber hier nicht moniert werden. Villeneuve zieht nach dem Start davon, fährt dann aber auf Nummer sicher. Für Ferrari gibt diesmal Irvine Vollgas, so hat es die Rennregie von Todt beschlossen. Und Schumacher lässt seinen Teamkollegen vorbeiziehen, der auch noch Villeneuve überholt. Nach einem Boxenstopp liefern sich die beiden Spitzenfahrer Schumacher und Villeneuve einen gefährlichen Zweikampf bei einem Tempo von 300 Stundenkilometern. Villeneuve ist bei der Ausfahrt aus der Boxengasse sofort auf die Rennspur eingebogen und hat Schumacher fast von der Piste gedrängt. Der Kerpener gewinnt trotzdem. Später stellt er verärgert
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fest: »Villeneuve hat ein Gentlemen’s Agreement gebrochen, wonach man bei der Boxenausfahrt nicht sofort auf die Rennlinie einschert. Zudem ist er, als ich ausweichen musste, zickzack gefahren. Das war nicht ungefährlich.« Schumacher führt nun mit 78 zu 77 Punkten. Beim letzten Rennen in Jerez de la Frontera kommt es zum Showdown – und zum Eklat. Schumacher führt vom Start weg. Villeneuve bleibt ihm auf den Fersen. Beide fahren auf Sicherheit. In der 48. Runde, nach zwei Tankstopps, zieht Villeneuve in einer Rechtskurve plötzlich innen vorbei. Schumacher reagiert völlig überrascht schnell und heftig: Er zieht seinen Wagen nach rechts und rammt sein Vorderrad in Villeneuves linke Flanke. Villeneuve kommt danach zwar nur als Dritter ins Ziel – den Sieg »schenkt« er den beiden bisher glücklosen McLaren-Mercedes Piloten Mika Häkkinen und David Coulthard. Aber er hat es geschafft: Der neue Weltmeister heißt Jacques Villeneuve. Schumacher wird wegen seiner üblen Rempelei, die er zunächst noch als Hilfestellung für Villeneuve darstellt, um zu verhindern, dass jener aus der Kurve rutscht, der Vizetitel aberkannt, sein Name wird aus dem Gesamtklassement des Jahres 1997 gestrichen, aber er darf seine Siege und WM-Punkte für die Statistik behalten. Doch Bernie Ecclestone spricht aus, was viele im Formel-1-Zirkus denken: »Lieber mit Anstand Zweiter werden als so eine Aktion!« In Italien und in Deutschland bricht eine Welt zusammen. Hohn und Häme ergießen sich über den zweifachen Weltmeister. Die Italiener betrachten das Engagement des Deutschen gar als Mesalliance. Doch intern gelingt es, die Wogen zu glätten. Di Montezemolo war entschlossen, Ferrari wieder ein glänzendes Comeback zu verschaffen. Und er wollte seinem Team noch eine Chance geben. Schumacher war ja dem Ziel nahe gekommen. Also trat der Ferrari-Präsident auch zu Beginn des Jahres vor die Presse und schürte neue Erwartungen für die kommende Saison: »Wir werden gewinnen.«
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Doch nicht nur bei Ferrari, auch bei McLaren-Mercedes wollte man endlich die Früchte des hohen Investments ernten, das seit 1995 in der Königsklasse versenkt wurde. Adrian Newey hatte für das leistungsstärkere V10-Antriebsaggregat ein ebenso leistungsfähiges Fahrwerk konzipiert, dessen verlängerter Radstand ein optimales Verhältnis von Gewichtsverteilung, Aerodynamik und Fahrverhalten darstellt. Reifenlieferant Bridgestone hatte die passenden Gummis geliefert, die gemäß den neuen Vorschriften ein Rillenprofil hatten und um 2 Zentimeter schmaler ausfielen. Der neue Bolide des McLaren-Mercedes-Teams sorgte schon bei seiner Präsentation für Aufsehen. Er hatte neue Bremssysteme, verbrauchte weniger Sprit und kam in 3,8 Sekunden von null auf 160 Kilometer pro Stunde. Ferrari beantragte beim Großen Preis von Brasilien ein Verbot des Bremssystems, das Mercedes als verkappte Vierradlenkung bezeichnet hatte, und die Sportkommissare gaben dem Begehren nach. Doch selbst dieser fast hilflos wirkende Eingriff konnte die technische Überlegenheit der McLaren-Mercedes-Wagen nicht brechen. Die einzige Schwäche, die den Piloten Häkkinen und Coulthard in dieser Saison zu schaffen machte, waren Schwierigkeiten beim Starten. Das System funktionierte nur einmal pro Rennen, ein unübersehbares Handikap, wenn der Start wiederholt werden musste, wie beim Großen Preis von Frankreich. Beim ersten Start waren die McLaren-Mercedes-Fahrer dem Feld schnell davongefahren. Doch beim zweiten Anlauf kamen die Boliden nicht auf Touren, Schumacher und Irvine zogen vorbei. Eine der raren Chancen in einer Saison, in der Ferrari mit deutlich unterlegenen Wagen eigentlich zum Hinterherfahren verdammt war. Auch wenn es Schumacher gelang, mit seinen Fahrkünsten die Schwächen des Fahrzeugs fast zu kompensieren und sich die zweite Position zu sichern. Nach neun von 16 Rennen lag Häkkinen mit 56 Punkten zwei Punkte vor Schumacher. Doch in den darauf folgenden Läufen in Österreich und auf dem Hockenheimring erhöhte sich der Abstand auf 16 Punkte.
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Schuld daran war auch ein Strategiefehler der Ferrari-Rennleitung. In Hockenheim sollte Schumacher den neuen F300 mit verlängertem Radstand einsetzen – ein Fahrzeug, das noch nicht ausreichend getestet worden war. Der Versuch endete im Desaster. Nach dem erfolglosen Training am Freitag stieg Schumacher wieder in seinen alten Wagen, der allerdings auch nicht voll funktionsfähig war. Das Fahrwerk war nicht richtig abgestimmt, der Wagen rutschte von der Piste, der V-10-Motor blieb stehen. Schumacher begann das Rennen auf dem neunten Platz, konnte sich aber immerhin auf den fünften Rang vorschieben. Beim Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaroring verabschiedeten Schumacher und sein Technischer Direktor Ross Brawn eine neue Rennstrategie: Schumacher sollte drei Tankstopps einlegen statt der üblichen zwei. Dadurch würde er mit geringerem Gewicht fahren können und die Reifen weniger belasten. Brawn machte ihm klar, dass er nur eine Chance hatte, wenn er in 19 Runden 25 Sekunden auf McLaren-Mercedes herausfahren konnte. Brawns Kalkül ging auf: Zur großen Überraschung seiner Konkurrenten lieferte Schumacher dieses Ergebnis. Jean Alesi, sein Vorgänger bei Ferrari, kommentierte die Leistung mit einem Vergleich: »Michael ist jetzt so gut wie Ayrton Senna in seiner Glanzzeit. Er kann jede Art von Speed abrufen, wann immer er will.« Auch Schumacher konnte die Freude über diese Glanzleistung nicht verbergen: »Heute ging für mich ein Traum in Erfüllung. Jetzt ist der Titelkampf wieder offen.« Das nächste Rennen findet auf Schumachers Lieblingsstrecke in Spa-Francorchamps statt – im Regen, was dem Ferrari-Starpiloten ebenfalls sehr entgegenkommt. Doch dann kommt alles anders: Eine Massenkarambolage, in die zwölf Boliden verwickelt sind, erfordert einen Neustart. Häkkinen, der beim ersten Versuch noch allen davongefahren ist, kommt beim zweiten Mal nicht in Fahrt und muss die Spitze an Damon Hill abgeben. Der
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Finne holt dann aber auf und will an Schumacher vorbeiziehen, streift den Ferrari, die beiden Kontrahenten drehen sich weg und Häkkinens McLaren-Mercedes wird von einem anderen Fahrer von der Piste und aus dem Rennen katapultiert. Schumacher fährt weiter, den sicheren Sieg vor Augen, der sein Punktekonto auf 80 erhöhen und ihn an die Spitze der WM-Liste setzen würde. Er liegt mit 37 Sekunden vorn, als er plötzlich den zweiten McLaren-Mercedes mit David Coulthard im Volant vor sich sieht. Der lässt ihn aber nicht passieren. Blaue Flaggen signalisieren Coulthard den Ferrari vorbeizulassen. Doch der reagiert nicht und fährt mit 170 Stundenkilometern eher langsam. Er beschleunigt auch nicht, als Schumacher mit 230 Stundenkilometern von hinten heranrast – fast zwangsläufig fährt Schumacher auf ihn auf. Der Ferrari-Pilot landet im Kiesbett, Vorderrad und Spoiler sind zertrümmert und auch die Hoffnungen auf Sieg und Titel in der Regenschlacht von Spa untergegangen. Nach dem Schluss der Veranstaltung stürmt Schumacher in die McLaren-Box und brüllt Coulthard an: »Du Scheißkerl wolltest mich umbringen«. Die Entscheidung über den Weltmeistertitel fiel wie im Jahr zuvor erst in Suzuka, Schumacher lag vier Punkte hinter Häkkinen, eigentlich eine aussichtslose Position, denn seinem Kontrahenten reichte auch ein zweiter Platz für den Titelgewinn, doch Schumacher kämpfte verbissen um die letzte Chance. Im Rennen aber stoppte ihn ein Defekt in der Kupplungshydraulik beim Start, sodass er sich auf die letzte Startposition begeben musste. Dennoch fuhr er noch als Dritter über die Ziellinie. Häkkinen war Weltmeister. Schumacher wurde in den italienischen Medien besonders übel zugerichtet. Darin drückte sich vor allem die Enttäuschung und Frustration der Italiener aus, dass mit ihrem Nationalheiligtum immer noch kein Staat zu machen war. Wieder hatte es für die Scuderia nicht gereicht. Wieder gab es nur einen zweiten Platz im Weltklassement. Und wieder versprach Ferrari-Chef di Montezemolo den Journalisten und der weltweiten Fangemeinde zu Beginn des Jah-
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res 1999, dass Ferrari nun bestens gerüstet sei für den Titelgewinn – dank der Leidenschaft für den Rennsport in der Scuderia sowie der perfekten Vorbereitung. Und wieder zeigte sich zu Beginn der Saison, dass Ferrari die Versprechen des Chefs nicht erfüllen konnte.
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Nach den ersten beiden Formel-1-Rennen der Saison 1999 war klar, dass Michael Schumacher und Ferrari zurückrudern mussten. Die Hoffnung des Superstars aus Kerpen, bereits ab dem ersten Grand Prix 1999 in Australien konkurrenzfähig zu sein, hatte sich nicht erfüllt. Bei Schumachers Wagen gab es Probleme mit dem Lenkrad, einer der Schalter, die den Leerlauf regeln, hatte einen Wackelkontakt, der erst in der Aufwärmrunde zum Hauptrennen bemerkt wurde. Schwierigkeiten gab es auch mit den Reifen. Die Bridgestone-Pneus erwiesen sich als zu hart. Sie erreichten nicht die richtige Temperatur und Haftung. Doch immerhin gelang es dem zweiten Mann in der FahrerCrew, Eddie Irvine, als Erster über die Ziellinie zu fahren. Der Sieg aber schien bei Irvine nicht nur Freude auszulösen. Er nahm ihn zum Anlass, die Rennleitung der Scuderia abzuwatschen: »Wir haben eine Baustelle«, klagte Irvine, »und müssen noch viel Arbeit erledigen.« Er verwies auf die Konkurrenz McLaren, die »auf Anhieb ein perfektes Auto hingestellt« hätten. Doch auch bei McLaren-Mercedes war nicht alles so perfekt, wie Irvine meinte. Bei den »Silberpfeilen« wurden zu Beginn der Saison 1999 Motor und Getriebe noch gründlicheren Tests unterzogen, und auch an der Hydraulik musste nachgearbeitet werden. Deren Ausfall zwang den in Melbourne lange Zeit führenden Weltmeister Mika Häkkinen schließlich zur Aufgabe. Doch Irvine war mit seiner Abrechnung noch nicht fertig – er hielt sich auch am Capo des Teams schadlos: »Mit McLaren
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würde Michael wieder Weltmeister. Ich weiß nicht, warum er Ferrari fährt.« Mit Blick auf den nächsten WM-Lauf in Brasilien feuerte er eine weitere Verbalattacke ab: »Es wäre schön, wenn Michael das nächste Rennen nicht beendet und ich erneut gewinne«, sagte der Wasserträger. Und fügte noch hinzu, »Michael ist die Nummer eins. Ich weiß, dass ich ihn vorbeilassen muss, wenn er hinter mir ist.« So eine öffentliche Abrechnung hatte es in der Formel 1 schon lange nicht mehr gegeben. Irvine hatte die Regeln des Anstandes verletzt und sich selbst um Kopf und Kragen geredet. »Schmeißt Eddie Irvine endlich raus. Er ist kein Teamspieler«, polterte der Südafrikaner Jody Scheckter, der Ferrari-Weltmeister von 1979. In Maranello wurde die Kritik des Nordiren nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Schumacher hielt sich zurück. Rennleiter Jean Todt aber nahm Stellung zu den Vorwürfen seines Mitarbeiters. Er kam nicht umhin, öffentlich Besserung zu geloben: »Beim Rennen in Barcelona am 30. Mai werden wir endgültig wissen, wo wir stehen. Da darf unser Rückstand höchstens zwei Zehntelsekunden betragen«, erklärte der Teamchef. Beim ersten Grand-Prix-Lauf in Melbourne war Schumacher im Training rund 1,3 Sekunden langsamer gewesen als Weltmeister Mika Häkkinen, beim zweiten Rennen der Saison in São Paulo fehlte noch immer eine Sekunde auf den Titelverteidiger im McLaren-Mercedes. Todt schaute tapfer nach vorne. Ärgerlich für ihn war, dass auch McLaren-Mercedes deutlich nachgelegt und die Winterpause für die Entwicklung eines neuen Formel-1-Fahrzeugs genutzt hatte. Für die Antriebsaggregate von Mercedes-Motorenspezialist Mario Illies hatte der renommierte britische Designer Newey ein neues, aerodynamisch einwandfreies Outfit geschneidert. Die neuen Erkenntnisse der beiden Experten, die in dem Wagen umgesetzt wurden, führten dazu, dass McLaren-Mercedes schneller beschleunigen konnte als die Ferraris – wenn die Wagen nicht wegen anderer Pannen ausfielen.
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Ferrari-Teamchef Todt wies auch darauf hin, dass der Abstand auf McLaren im Training zwar sehr groß gewesen sei, der Rückstand im Rennen aber verringert werden konnte. Todt wusste allerdings auch, dass es vor dem Ferrari-Heimspiel am 2. Mai in Imola keine Hoffnung auf Besserung gab: »Wir sind zur Zeit nicht dazu in der Lage, Platz eins und zwei aus eigener Kraft zu erreichen.« Auch Eddie Irvine musste nach seinem durchaus erfolgreichen Saisonstart – durch den Sieg in Melbourne führte er auch die Weltrangliste an – bald wieder kleinere Brötchen backen. Die Rangordnung änderte sich schon in Brasilien wieder. Mika Häkkinen übernahm die Führung, die aber nach dem Ferrari-Heimspiel in Imola wieder an Schumacher ging – entgegen den Erwartungen Todts gelang es Schumacher nämlich, den Grand Prix zu gewinnen. In Monaco erzielen Schumacher und Irvine sogar einen Doppelsieg. In Maranello atmet man erleichtert auf. In Barcelona und Montreal hingegen kassiert Häkkinen die Großen Preise und liegt wieder an der Spitze des Gesamtklassements. Schumacher ist durch einen Fahrfehler in Kanada von der Strecke abgekommen und gegen eine Betonmauer gefahren. In der Regenfahrt in Magny-Cours siegt mit dem Jordan-Piloten Heinz-Harald Frentzen ein Außenseiter, aber Häkkinen wird Zweiter. Schumacher schafft gerade noch den fünften Platz. Und dann zieht der Formel-1-Zirkus nach Silverstone. Für Ferrari der Beginn einer großen Krise, die fast das Team auseinander gesprengt hätte. Im Großen Preis von Großbritannien fährt Schumacher frontal gegen eine Betonmauer – fast ungebremst. Er überlebt, aber sein rechter Unterschenkel, Wadenbein und Schienbein, sind glatt gebrochen. »Du überlegst dir fieberhaft, was du noch tun kannst, um den Wagen zu verlangsamen, aber alles geht so schnell, dass dir fast nichts mehr übrig bleibt, als die Dinge fatalistisch auf dich zukommen zu lassen«, analysiert er wenige Tage später seinen bis dahin folgenschwersten Crash. Die Ursache des Unfalls ist erschreckend banal: Eine Schraube
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hatte sich gelöst, und die Bremsflüssigkeit war ausgelaufen. Als Schumacher in der Kurve abbremsen wollte, reagierten die Bremsen nicht. Der Wagen wurde aus der Kurve in die Mauer katapultiert. Dank des Karbonfaser-Cockpits war Schumacher von lebensgefährlichen Verletzungen verschont geblieben, Helfer konnten ihn zudem schnell aus dem zertrümmerten Auto bergen.
Die Stunde des Querulanten Bitter für die Scuderia war allerdings, dass Schumacher für mehrere Wochen ausfiel, um die Heilung des Bruches nicht zu gefährden. Diese Auszeit nutzte Irvine, um sich zu profilieren, verbal in Interviews und auf der Piste. Dabei erwies sich der Ferrari-Fahrer als besonders übler Kollege. So sparte er nicht mit Kritik an seinem Vorturner und pöbelte öffentlich: »Schnelligkeit allein reicht nicht. Man darf keine Fehler machen. Und er macht viele, zu viele«, sagte Irvine über Schumachers Fahrstil in einem Interview der italienischen Wochenzeitung Famiglia Cristiana über seinen verletzten Teamkollegen. Außerdem sei »eines klar: Ferraris Chancen, die WM zu gewinnen, sind jetzt viel besser als vor Michaels Unfall«. Irvines lästerliche Bemerkungen lösten in Maranello, aber auch im übrigen Italien einen Sturm der Entrüstung aus. Zumal er andernorts auch durchblicken ließ: »Wenn Schumacher im nächsten Jahr wieder die Nummer eins ist, gehe ich weg.« Die renommierte Tageszeitung Corriere della Sera nahm den Kritiker selbst ins Visier: »Dieses Interview ist dazu geeignet, die ohnehin schon seit langer Zeit tote Beziehung zwischen ihm und Ferrari endgültig zu begraben«, und beklagte das schlechte Timing von Irvines Generalabrechnung: Er habe sich den unpassendsten Moment ausgesucht.
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Schumacher und sein Manager demonstrierten Gelassenheit und überließen anderen die Verteidigung: »Das lässt uns kalt. Über solche Äußerungen regen wir uns sicher nicht auf. Es gibt wichtigere Dinge«, erklärte Schumachers Manager Willi Weber zu dem Eklat. Irvine pöbele ja schon die ganze Zeit. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo schritt höchstpersönlich zur Ehrenrettung seines Spitzenfahrers und bekannte sich eindeutig zu dem zweimaligen Weltmeister, der als Pilot Nummer eins auch in der kommenden Saison für die Scuderia fahren sollte. Unter dem Druck der unerwarteten Kritik von Medien und Öffentlichkeit machte Irvine das Schlimmste, was er unter diesen Umständen tun konnte: Er dementierte vor Journalisten, einen Großteil der Aussagen gemacht zu haben. »Ich habe gesagt, Michael macht Fehler. Wir alle machen Fehler. Aber das habe ich vor drei Monaten gesagt«, erklärte der Nordire auf einer Pressekonferenz vor dem Grand-Prix-Lauf in Budapest. Er könne sich leider nicht an den Namen der Zeitung erinnern und das Interview sei drei Monate alt. Er habe auch nie behauptet, er werde Ferrari verlassen, wenn Schumacher die Nummer eins bleibe. Derartiges sei Erfindung, alles »bullshit«. Mit seinen Verbalattacken hatte er zwei Eigentore geschossen. Zum einen hatte er die öffentliche Stimmung, die sich nach seinen zwei Grand-Prix-Siegen zu seinen Gunsten gedreht hatte, wieder zum Kippen gebracht. Zum anderen hatte Irvine, der zu jenem Zeitpunkt in der Gesamtwertung mit 52 Punkten vor Mika Häkkinen (44 Punkte) führte, die Chancen auf Schumachers Hilfe bei einem möglichen Kampf um den Weltmeistertitel endgültig verspielt. »Welche Hilfe kann er dann noch erwarten von einem Schumacher, den er so kritisiert hat?« Die Gazzetta dello Sport stellte sich ganz auf die Seite des Kerpeners und schmückte ihre Titelseite mit der Karikatur einer Sonnenfinsternis, bei der die Sonne Schumacher für kurze Zeit vom Mond Irvine verdunkelt wird und danach wieder in hellem Licht erstrahlt.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte Irvine längst seine Fühler zu dem Rennstall Stewart-Ford ausgestreckt, der zu Beginn des Jahres 1999 in Jaguar umgetauft worden war. Für ein Jahresgehalt von neun Millionen Pfund (umgerechnet rund 13,5 Millionen Euro) würde er künftig für die Briten starten. Bei Ferrari hingegen wurde mit dem Brasilianer Rubens Barrichello verhandelt. Irvine zog alle Register. Hatte er vor dem Hockenheim-GrandPrix sogar öffentlich über »Schumis« Rücktritt spekuliert, so streute er nun Zweifel über Schumachers Leistungen bei dessen Comeback, das für das Rennen in Monza geplant war. Auch mit den Ferrari-Verantwortlichen rechnete er schonungslos ab. Es sei offensichtlich, dass sich Rennleiter Jean Todt »über Schumachers Siege mehr freut. Das kann ich seinem Gesicht ansehen«, schimpfte der Nordire. Zu Technik-Chef Ross Brawn habe er auch nicht das richtige »Feeling«. Insgesamt, resümierte Irvine, habe er zwar »wenige Freunde bei Ferrari«, an der Unterstützung des Teams zweifele er jedoch nicht: »Es wäre idiotisch, auf den WM-Titel zu verzichten, nur weil er nicht von Michael gewonnen wird.« Schließlich schaltete sich sogar Gianni Agnelli in das immer peinlichere Scharmützel ein. Der Ehrenpräsident des Fiat-Konzerns und die Graue Eminenz von Ferrari verkündete, dass er davon ausgehe, dass Schumacher bereits beim WM-Lauf in Monza wieder in seinem Cockpit sitzen werde. Doch diese Erwartung erfüllte sich nicht. Der Beinbruch heilte schlechter, als von vielen in Maranello erhofft. Weder in Monza noch auf dem Nürburgring konnte Schumacher an den Start gehen. Die größte Blamage des Teams mitzuerleben blieb dem noch immer nicht völlig genesenen Spitzenpiloten so erspart. Am 26. September 1999 beim Rennen auf dem Nürburgring fuhr der Ferrari-Pilot Irvine in der 21. Runde an die Box, um seine Regenreifen gegen Trockenpneus wechseln zu lassen. Doch der Mechaniker am rechten Hinterrad hatte offensichtlich das Kommando
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falsch verstanden: Er zog keinen Trocken-, sondern einen neuen Regenreifen auf. Als der Fehler erkannt wurde, war kein Ersatz zur Stelle. Ein zufällig in der Box anwesender Journalist spürte den fehlenden Reifen auf. Doch bis der vierte Reifen montiert war, verging wertvolle Zeit: Stattliche 28,2 Sekunden dauerte Irvines Boxenstopp. Der Ferrari-Pilot, der bis zu dem Reifenchaos an zweiter Stelle gelegen hatte, fiel zurück: Nicht nur der Sieg war damit verschenkt, sondern auch der Spitzenplatz in der WMWertung. Die Geschichte des Boxendebakels machte schnell die Runde und sorgte für Heiterkeit in der Formel-1-Szene. Für die italienischen Medien aber war der Fall überhaupt nicht komisch. Sie forderten personelle Konsequenzen: »Jean Todt muss gehen, er ist verantwortlich für das Desaster. Gleich nach dem WM-Finale in Japan muss er weg, sofort. Das ist die einzige Chance, um Ferrari im nächsten Jahr vor weiteren Pleiten zu retten«, forderte Tuttosport auf der ersten Seite. Süffisanter, aber nicht minder verletzend kommentierte die seriöse Tageszeitung Corriere della Sera die »Dreirad-Affäre«: »Ferrari verliert den Kopf und ein Rad.« Der frühere Rennfahrer Hans-Joachim Stuck nannte Ferrari in der Bild-Zeitung eine »Gurkentruppe, die für den Komödienstadl extra Eintritt verlangen müsste«, und stellte sich die Frage, die längst auch in Maranello die Runde machte: »Will Ferrari eigentlich nicht Weltmeister werden?« Selbst in der Hitze der öffentlichen Attacken versuchte Todt, cool zu bleiben und Schadensbegrenzung zu betreiben. »Wir veranstalten jetzt keine Hexenjagd«, erklärte er. »Wenn wir gewinnen, gewinnt das ganze Team. Und wenn wir verlieren, müssen alle die Verantwortung für die Niederlage übernehmen.« Und er appellierte an den Teamgeist: »Wir müssen zusammenhalten und uns neu organisieren, um bereit zu sein, solche plötzlichen Dinge zu regeln.« In Maranello hatte das Debakel noch ein Nachspiel. Dort schrillten die Alarmglocken, die Reifenpanne wurde als beson-
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ders verletzend empfunden, weil nicht ein technischer Defekt oder Ausfall eines High-Tech-Systems die Niederlage verursacht hatte, sondern der menschliche Faktor, ein Fehler in der Organisation. Da tickte in der Scuderia noch der Geist des Alten: Auch Enzo Ferrari hatte besonders empfindlich reagiert, wenn menschliches Versagen seiner Fahrer oder Manager die Arbeit seiner Techniker ruinierte. Für den Marketingmann di Montezemolo ging es aber auch um den höchsten immateriellen Wert des Unternehmens: Das Image der Traummarke drohte durch die lächerliche Panne beschädigt zu werden. Deshalb knöpfte sich di Montezemolo die »Reifentrottel« aus der »Dorfwerkstatt« diesmal auch persönlich vor. Die Verantwortlichen wurden zum Rapport einbestellt: Der technische Direktor Ross Brawn, Aerodynamik-Spezialist Rory Byrne und vor allem Rennleiter Jean Todt mussten sich der Kritik des Präsidenten stellen. Di Montezemolo war wütend, seine Geduld erschöpft. Seine Standpauke ließ nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig, wie in der Presse kolportiert wurde: »Wir haben uns vor aller Welt bis auf die Knochen blamiert. Ich habe Verständnis für die Reaktionen. So was darf uns nie wieder passieren, und das wird auch nie wieder passieren, wenn wir die Weltmeisterschaft gewinnen wollen. Das ist noch immer unser Ziel. Aber das geht nur, wenn wir nicht noch einmal eine derartige Vorstellung abliefern wie jetzt auf dem Nürburgring.« Obwohl alle drei Topmanager des Teams für einen reibungslosen Ablauf der Rennen Verantwortung trugen, konzentrierte sich di Montezemolos Unmut vor allem auf den Direktor des Teams, Jean Todt. Der Franzose musste sich in die Rolle des alleinigen Sündenbocks schicken und die Hauptverantwortung für den missglückten Boxenstopp übernehmen. Es wurde eng für den ehrgeizigen Teammanager, der es nach sechs Jahren noch immer nicht geschafft hatte, die Scuderia wieder zur Weltmeisterschaft zu führen. Jean Todts Tage in Maranello schienen gezählt, sein berufliches Überleben hing an einem seidenen Faden: Nur wenn es ihm
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gelänge, Schumacher zur Rückkehr zu bewegen, könnte er seine Stellung verbessern. Dem Kerpener war der Ernst der Situation wohl bewusst, und er ließ seinen Freund nicht im Stich. Im vorletzten WM-Lauf in Malaysia stieg er wieder ins Cockpit. Doch auch diese Veranstaltung endete im Desaster für Ferrari. Zwar gewann das Ferrari-Team den vorletzten WM-Lauf souverän: Eddie Irvine fuhr vor Michael Schumacher als Erster über die Ziellinie. Doch kurze Zeit später verkündete die Rennleitung des Internationalen Automobilverbands (FIA) die Disqualifikation der beiden Ferrari-Fahrer. Die Seitenflügel entsprächen nicht den Vorschriften, sie seien 10 Millimeter zu lang. Für die Tifosi schien es, als habe sich alles gegen sie verschworen. Das Vertrauen zu Teamchef Todt sank auf den Nullpunkt. Der musste öffentlich die Verantwortung für das neuerliche Debakel übernehmen. Aber er wandte sich tapfer gegen die »unverhältnismäßige« Entscheidung und versuchte zu kämpfen: »Mir tut es im Herzen weh, aber ich habe Lust zu reagieren. Weil die kleine Differenz es nicht rechtfertigt, beide Autos zu disqualifizieren.« Schützenhilfe bekam Todt diesmal auch von Paolo Fresco, dem Präsidenten des Mutterkonzerns Fiat. Fresco erklärt in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen: »Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass wir auf der Piste gewonnen haben, und zwar großartig. Wir dürfen uns nicht zu sehr von dieser sehr traurigen Disqualifikation beeinflussen lassen.« Noch in Sepang hatte Ferrari gegen die Entscheidung protestiert. Zurück in Maranello, wurde der formelle Einspruch vorbereitet. Doch alle Proteste halfen nichts. Die FIA blieb bei ihrer Disqualifikation. Mit dieser Hypothek zog das Ferrari-Team zum letzten Rennen nach Suzuka. Wie in den Jahren zuvor musste auch 1999 dort die Entscheidung über die Weltmeisterschaft fallen. In der Rangliste für den besten Formel-1-Fahrer der Welt führte Irvine mit einem Vorsprung von vier Punkten vor dem Titelverteidiger Häkkinen. So hatte der Nordire vor dem Rennen auch vollmun-
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dig erklärt: »Die Chancen stehen 50:50. Mein Ziel ist der vierte Platz.« Mit anderen Worten: Irvine setzte darauf, dass sein Teamkollege Michael Schumacher, an dem er in dieser Saison kein gutes Haar gelassen hatte, für ihn den Wasserträger spielen und auf Sieg fahren würde. Denn wenn der finnische McLaren-MercedesPilot nicht als Erster über die Ziellinie führe, hätte dieser Rang Irvine schon zum Gesamtsieg gereicht. Doch wie so oft in dieser Saison kam alles anders.
Finale Grande Die Chronologie des Rennens gibt auch einen Einblick in die strategische Planung und Leitung dieser Wettbewerbe. Der Fahrer, der in den Hochleistungsautos über die Strecke jagt, empfängt seine Anweisungen von den Strategen des Teams, die auf Bildschirmen in der Boxengasse den Verlauf des Rennens verfolgen, analysieren und Order erteilen. Die Piloten als Marionetten der Bildschirmstrategen zu bezeichnen wäre sicher übertrieben, aber niemand kann ernsthaft leugnen, dass wesentliche Entscheidungen in der Boxengasse und nicht im Rennwagen getroffen werden. Das WM-Finale von Suzuka 1999 zeigt, worauf es im modernen Formel-1-Zirkus wirklich ankommt. Rund 146 000 Zuschauer in Suzuka und Millionen Formel1-Fans in aller Welt erlebten ein furioses Finale, dessen wahres Drama sich jedoch erst bei einer sorgfältigen Nachlese offenbarte. Schumacher begann das Rennen als Trainingsschnellster von der Pole Position aus. Er wurde aber schon in der Startphase vom Weltranglistenzweiten Häkkinen abgehängt, der sozusagen einen Raketenstart hinlegte. Schumachers Ferrari hingegen kam nur schwer auf Touren. Er konnte nur noch hinter Häkkinen herjagen. Als Dritter reihte sich der Franzose Olivier Panis im Prost-Peugeot
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in die Spitzengruppe ein. Der zweite McLaren-Mercedes-Fahrer David Coulthard versuchte den Williams-Fahrer Heinz-Harald Frentzen in Schach zu halten, konnte durch dieses Manöver aber nicht verhindern, dass Irvine ihn überholte und sich auf den vierten Rang vorschob. Das Spitzenfeld zog sich immer weiter auseinander. Die beiden Vorjahreskontrahenten Häkkinen und Schumacher lieferten sich einen Zweikampf der Sonderklasse. Vor allem der Finne gab Gas wie vielleicht noch nie zuvor in seinem Leben. Nach fünf Runden betrug der Vorsprung von Häkkinen auf Irvine 11,9 Sekunden, nach zehn waren es 21 Sekunden. Durch den Ausfall des Franzosen Panis in seinem Prost-Peugeot lag Irvine plötzlich auf dem dritten Platz. Der Nordire versuchte nun den Schotten David Coulthard abzublocken und ihn am Überholen zu hindern. In der 19. Runde fuhr Häkkinen an die McLaren-Box zum Auftanken und konnte nach 8,8 Sekunden wieder auf die Piste gehen. Damit lag er aber zunächst 10,8 Sekunden hinter Schumacher zurück. Sein Vorsprung vor Irvine wiederum betrug 16 Sekunden. Als dann nacheinander Schumacher, Coulthard und Irvine zum Tanken in die Boxengasse einbiegen mussten, konnte der Titelverteidiger wieder die Führung übernehmen. Das McLaren-Team war offensichtlich Bruchteile von Sekunden schneller als die Ferraristi: Coulthard war etwas früher wieder auf der Piste als Irvine und konnte sich so auf die dritte Position vorschieben. McLarens Nummer eins hatte seinen Vorsprung von sechs Sekunden halten können, als Schumacher wieder die Verfolgung aufnahm. Coulthard und Irvine folgten in einem Abstand von 40 Sekunden. Der McLaren-Pilot versuchte den Ferrari-Fahrer so lange aufzuhalten, bis andere Verfolger aus dem Hauptfeld näher aufgeschlossen hatten. Denn jeder Wagen, der sich zwischen Häkkinen und Irvine schieben würde, könnte Häkkinen helfen. Die Rennstrategen von Ferrari durchschauten Coulthards Absicht und riefen Irvine in der 33. Runde zum planmäßigen Stopp in die Boxengasse.
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Coulthard versuchte daraufhin, das Tempo zu erhöhen, um nicht durch einen späteren eigenen Boxenstopp hinter Irvine herfahren zu müssen. Das Manöver scheiterte, der McLaren-Fahrer schlidderte von der Piste in die Leitplanke. Die Frontpartie von Coulthards Boliden war zerstört. Häkkinens Wasserträger musste sehen, dass er schnell die Box erreichte, um sich eine neue »Nase« aufsetzen zu lassen. Dadurch fiel er auf Platz neun zurück. Der Wagen war aber durch den Leitplanken-Crash stärker beschädigt, als die Mechaniker zunächst erkannt hatten. In der 42. Runde musste der Schotte aufgeben. Schumacher steuerte planmäßig in der 38. Runde zum zweiten Mal die Box an, Häkkinen legte seinen Tankstopp eine Runde später ein. Der Finne hatte 11,7 Sekunden auf den Deutschen herausgefahren. Dieser Vorsprung reichte ihm, um auch ohne die Hilfe seines Teamkollegen unbedrängt als Erster die Ziellinie zu passieren. Häkkinen feierte nach insgesamt 53 Runden den 14. Sieg seiner Laufbahn und verwies Irvines neuen »Wasserträger« Michael Schumacher mit einem Vorsprung von fünf Sekunden auf den zweiten Platz. Irvine war bei dem unaufholbaren Rückstand von 1:35,6 Minuten im Rennen Dritter geworden – und immerhin Vizeweltmeister in der Gesamtwertung. Er war in diesem Rennen nie eine echte Gefahr für den Finnen gewesen, der seinen zweiten WM-Titel verdient gewonnen hatte. Doch so einfach mochte sich Irvine nicht geschlagen geben. Die Nachbereitung des Rennens lieferte den Stoff für eine Fortsetzung der Führungskrise im Ferrari-Stall. Irvine, der sich zu früh auf die überragenden Fahrkünste seines Kollegen Schumacher verlassen hatte, der ihm den WM-Titel sozusagen auf dem Silbertablett servieren sollte, war frustriert und wütend. Es dauerte nicht lange, bis er die Schuld an seiner verpassten Chance bei Schumacher gefunden hatte. Dabei hätte der großmäulige Pilot sich in erster Linie selbst anstrengen müssen, um vor seinem finnischen Rivalen das Ziel zu erreichen.
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In Maranello wie in ganz Italien war die Enttäuschung groß. Die geplante Triumph-Party in der Ferrari-Kapitale nahe Modena wurde schnell wieder abgesagt. Obwohl es durchaus etwas zu feiern gab. Ferrari hatte immerhin noch mit 128 Punkten vor McLaren-Mercedes erstmals seit 1983 wieder die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gewonnen, die das Team mit den meisten WM-Punkten auszeichnet. Doch dieser Erfolg konnte weder bei Ferrari noch in Maranello im Oktober 1999 irgendwelche Begeisterungsstürme auslösen. Die italienischen Medien mochten sich nicht mit dem Unvermögen Irvines abfinden und machten für die neuerliche Niederlage Ferraris beim Kampf um die Fahrerweltmeisterschaft Schumacher verantwortlich. Der Deutsche hatte allerdings Kritik provoziert, als er bei einem Pressegespräch unvorsichtig durchblicken ließ, dass er keine allzu große Trauer darüber empfinde, dass Irvine nicht Weltmeister geworden war. In der veröffentlichten Meinung ging es allerdings auch um den Besuch einer Party, an der Schumacher überhaupt nicht teilgenommen hatte. Ein italienischer TV-Sender hatte Bilder gezeigt von Schumacher, seinem Bruder Ralf und Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug auf einer Party, die nach dem Großen Preis von Japan stattgefunden hatte. Laut TV-Bericht habe es sich dabei um die Siegessause von McLaren-Mercedes gehandelt, auf welcher der Ferrari-Mann wild gefeiert habe, statt Trauer über die verpasste Chance zu empfinden. Tatsächlich aber hatte Schumacher gar nicht an der Siegesfete, sondern nur an der traditionellen WM-Abschlussfeier der deutschen Formel-1-Engagierten bei Karl-Heinz Zimmermann, dem Wirt des Williams-Teams, teilgenommen. »Michael war nicht bei Mercedes, sondern bei Williams«, versuchte auch Schumachers Manager Willi Weber richtig zu stellen. »Diese ganzen verbalen Querschläger lassen uns kalt und ändern nichts am guten Verhältnis mit Ferrari.« Doch diese Details, auch wenn sie der Wahrheit entsprachen, interessierten die italienischen Medien wenig. Sie waren sauer,
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dass Ferrari wieder einmal verloren hatte, und »Michele«, der Deutsche, war als Sündenbock erste Wahl. »Ein Schatten über Schumacher. Besiegt, aber zufrieden«, empörte sich die Tageszeitung La Repubblica. »Dieses verrückte Fest mit den Siegern. Mambo, Bier und Umarmungen mit dem Mercedes-Team: Der Deutsche steht unter Anklage.« Auch die Gazzetta dello Sport ging mit Schumacher hart ins Gericht: »Was machte dieser betrunkene Schumacher auf dem McLaren-Fest? [...] Da sieht man die Verdächtigungen sprießen: Dieser verpatzte Start, diese unklaren Aussagen und seine Freude, Irvine nicht siegen gesehen zu haben – Schumis Besäufnis hat die Ferraristi verletzt.« La Repubblica ging noch einen Schritt weiter und warf Schumacher vor, er habe seinem britischen Teamkollegen Eddie Irvine in dem titelentscheidenden Saisonfinale gar nicht helfen wollen. »Wir sollten uns nicht mehr über Schumacher wundern, über seine fehlende Großzügigkeit, über seine niedrige Konzentration, wenn er einem Teamkollegen helfen soll […] Sicherlich fühlt man sich von Schumacher am Boden liegen gelassen, von einem, der uns fliegen lassen sollte. Aber seine Charaktereigenschaften, nennen wir sie ruhig unsympathisch, waren immer dieselben. Er hat sich nie verstellt.« Niki Lauda versuchte den Krach um Schumacher noch mit einem Anflug von Humor herunterzuspielen: »Ach, Irvine is a Kaschperl«, erklärte der frühere Formel-1-Weltmeister und Ferrari-Berater in einem Interview mit der deutschen Illustrierten Stern. Schumacher sei »ein gnadenloser Siegfahrer, der sein Talent mit positiver Brutalität umsetzt«. Irvine könne, gemessen an seinen Fähigkeiten als Fahrer, sich weder mit Mika Häkkinen noch mit Schumacher vergleichen. Der Kerpener sei ein Ausnahmetalent, er habe »den kürzesten Draht vom Hintern ans Hirn«. Und wenn er nicht verunglückt wäre, hätte er auch den Titel geholt. »Der fährt so schnell, dass er die optimale Runde, die der Computer ausrechnet, unterbieten kann.« Wie er das schaffe, könne keiner erklären.
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Die Kritik in den italienischen Medien über Schumachers vermeintlichen Verrat an Irvine und an Ferrari wollte aber nicht verstummen. Ferrari hatte offenbar vergessen, dass das Medienzeitalter auch eine geschickte Kommunikationsstrategie im Unternehmen erforderte. Ein Manko, das umso erstaunlicher ist, als Ferrari-Chef di Montezemolo einst selbst für die Außendarstellung des Fiat-Konzerns zuständig war. Als die anhaltende Schumacher-Schelte zu einer Belastung für das Unternehmen zu werden drohte und danach als letzte Konsequenz nur die Entlassung Schumachers übrig geblieben wäre, was ernsthaft niemand wollte, weil es keinen besseren Kandidaten für diesen Job gab, schritt di Montezemolo endlich ein. Um die Demontage seines Spitzenfahrers zu beenden, erklärte er anlässlich einer Bilanzpressekonferenz in Fiorano: »Die Polemik um Schumacher in Japan war lächerlich. Schumacher ist ein korrekter Junge.« Allerdings konnte sich auch di Montezemolo einige mahnende Worte an die Adresse des Kerpeners nicht verkneifen: »Aber er muss sich bewusst sein, dass es eine große Ehre ist, für Ferrari zu fahren. Und er ist so intelligent, um zu verstehen, was dies für das italienische Publikum bedeutet.« Doch auch Irvine rief der Ferrari-Boss streng zur Ordnung: »In der Piloten-Wertung darf man nicht nur von Hilfe reden und da rauf hoffen, dass andere gewinnen. Man muss das selbst machen. Eddie hat jedenfalls eine wunderbare Saison gehabt.« Es waren di Montezemolos Abschiedsworte für Irvine. Der Nordire hatte selbst eingesehen, dass er nach seinen Auftritten keine Zukunft mehr in Maranello haben würde, und war mit Jaguar-Cosworth handelseinig geworden. Doch auch für Schumacher hatte der Kommunikationsfauxpas der vergangenen Wochen noch ein Nachspiel. Di Montezemolo verordnete seinem Spitzenfahrer einen Maulkorb: »Von jetzt an spricht niemand mehr ohne die Autorisierung von Ferrari.« Obendrein legte der Ferrari-Chef seinem bestbezahlten Angestellten
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nahe, einen »Kurs in Kommunikation« zu besuchen. Statements wie Schumachers berühmten Satz: »Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht allzu enttäuscht darüber bin, dass Eddie Irvine nicht Weltmeister wurde«, dürfe es nicht wieder geben, stellte der Chef klar. Und damit auch allen klar wurde, dass es ihm bitterernst ist, räumte di Montezemolo in der Presse- und PR-Abteilung auf. Schumacher musste seinen persönlichen Pressesprecher Heiner Buchinger entlassen. Der Betriebswirt und Kommunikationswissenschaftler war 1995 sein Medienkoordinator und Sprecher geworden. Davor war er Chefredakteur des Fachblattes Sport auto gewesen und hatte zehn Jahre als Journalist bei der Motorpresse in Stuttgart gearbeitet. Buchinger gab sich damals gelassen: »Das lag schon lange in der Luft. Es gab unterschiedliche Auffassungen mit Ferrari darüber, wie die Pressearbeit mit Michael Schumacher zu gestalten ist.« Der Abschied von seinem Adjutanten dürfte Schumacher damals nicht leicht gefallen sein. Buchinger war für ihn rund um die Uhr als Berater verfügbar und galt neben seinem Manager Willi Weber als engster Berater des Formel-1-Piloten. Doch der Gefeuerte empfindet keine Bitternis gegenüber seinem Arbeitgeber: »Er musste sich als Ferrari-Angestellter seinem Chef beugen, so schwer ihm das gefallen ist. Dass es so kommen musste, war zu erwarten, seit sich Herr di Montezemolo in die Öffentlichkeitsarbeit eingeschaltet hat.« Immerhin setzte sich Schumacher dafür ein, dass sein Pressesprecher zunächst in der Familie blieb: Buchinger arbeitete im Jahr 2000 für Michael Schumachers kleinen Bruder Ralf, der für BMW-Williams in der Formel 1 fuhr. Um Michael Schumachers Presseangelegenheiten kümmerte sich seit dem 1. Januar 2000 die Motorsportjournalistin Sabine Kehm. Die Diplomsportwissenschaftlerin hatte zuvor bei der Welt und der Süddeutschen Zeitung über die Formel 1 berichtet.
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Wenn Ferrari-Chef Luca di Montezemolo über die Straßenwagen von Ferrari spricht, schlüpft er furcht- und gnadenlos in die Rolle eines Amateurs mediterraner Provenienz. Mit dem Vokabular eines Latin Lovers schwärmt er von »Leidenschaft und Passion«. Das Ziel des heutigen Fiat-Chefs, der in Personalunion auch noch als Präsident die Scuderia lenkt, lautet: »Wer einen Ferrari gefahren ist, darf nicht mehr ruhig schlafen dürfen.« Und wenn er diese Schlaflosigkeit in der Gemeinde betuchter Luxussportwagenfans verbreitet hat, kann sich Montezemolo umso beruhigter zurücklehnen. Das war nicht immer so. Als di Montezemolo 1991 den Chefposten in Maranello übernahm, war auch die Automobilsparte, die die superteuren Sportwagen für die Straße und den Boulevard oder am häufigsten wohl für eine klimatisierte Edelgarage fertigte, ins Schleudern geraten. Ende der achtziger Jahre hatte ein Nachfrageboom die Wartelisten anschwellen lassen und einen Grauen Markt geschaffen, auf dem die Preziosen aus Maranello zu astronomischen Preisen angeboten wurden. Der Tod des Cavaliere und der hedonistische Zeitgeist hatten eine beispiellose Hys terie unter den Liebhabern exklusiver Sportwagen entfacht. Vor allem japanische Autofans zahlten Fantasiepreise für die Wagen made in Maranello.
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Inflation und Massenware Ende der achtziger Jahre galt Japan noch als Wirtschaftswunderland, das seinen Wohlstand mit billigen Krediten auf Pump finanzierte, und als globales Konsumparadies. Japanische Konzerne zahlten Unsummen für europäische Kunst, Schlösser und Antiquitäten, bei den Unternehmern, Managern und Beamten des Inselstaates standen europäische Luxuswaren hoch im Kurs. Haute Couture, Designer-Pumps, Chateaux Margot und Foie gras waren ebenso begehrt wie Porsche, Lamborghini oder eben Ferrari. Von dieser Shoppingtour profitierten alle Sportwagenhersteller: für den BMW-Roadster Z 1, der für 85 000 Mark nach rund zweijähriger Wartezeit ab Werk geliefert wurde, wurden Aufschläge von 20 000 Mark für einen Vertrag mit früherem Liefertermin geboten. Beim 90 000 Mark teuren Mercedes SL betrug die Ungeduldsprämie bis zu 30 000 Mark. Für den Porsche 959 (450 PS, 315 km/h) wurden bis zu einer Million Mark geboten, mehr als das Doppelte des Listenpreises. Ferrari profitierte ebenfalls von der Gier nach schneller Befriedigung: So stieg der Wert eines 328 GTB, der Anfang 1989 noch zum Listenpreis von rund 118 000 Mark bestellt werden konnte, bis zur Auslieferung sieben Monate später um ein Mehrfaches. Für den 270 PS starken Sportwagen wurden Mondpreise geboten. Geschürt wurde die Wertsteigerung allerdings auch durch die Ankündigung der Firmenleitung, dass dieses Modell, das seit 1975 produziert und immer wieder ein bisschen modifiziert und technisch überarbeitet wurde, Ende des Jahres 1989 eingestellt werde. Per Zeitungsinserat versuchten Liebhaber der Gefährte mit dem springenden Pferd auf der Haube, noch einen dieser Wagen zu ergattern, die noch zu Lebzeiten von Enzo Ferrari entwickelt, entworfen und oft auch montiert worden waren: »Zahle bar bis 310 000 Mark«, lautet eine Suchanzeige in der Fachzeitschrift auto, motor und sport. Eine halbe Million Mark war einem anderen Inserenten die
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offene Targa-Version des keilförmigen, von Star-Designer Pininfarina entworfenen Sportwagens mit Achtzylinder-Mittelmotor wert. Der offizielle Listenpreis lag bei 124 800 Mark. Der Ferrari F40, ein 324 km/h schneller und 478 PS starker Bolide wurde für eine Million Mark gehandelt, obwohl der nicht straßentaugliche Wagen im Handel für 444 000 Mark bestellt werden konnte – Lieferdatum unbekannt. Japanische Kunden sollen damals aber auch knapp zwei Millionen Mark locker gemacht haben. Die Inflation beunruhigte sogar die Händler der Scuderia: zum einen bekamen sie von dem boomenden Geschäft, das einen Grauen Markt geschaffen hatte, nichts ab, denn sie durften die Objekte der maßlosen Begierde offiziell nur zum mageren Listenpreis verkaufen. Zum anderen fürchteten sie, dass die Stimmung gerade durch die astronomischen Wertsteigerungen umkippen und sie später auf den Luxusschlitten sitzen bleiben könnten. Der märchenhafte Wertzuwachs hatte längst auch Kopisten und Fälscher mobilisiert. Tatsächlich gab es billige Karosserie nachbauten aus Kunststoff, die auf die Fahrgestelle amerikanischer oder japanischer Mittelklassewagen geschraubt wurden und damit auch weniger betuchten Sportwagenfans die Illusion vermittelten, den Einstieg in die automobile Luxusklasse geschafft zu haben. Den Möchtegern-Ferraristi war es dann wohl auch egal, dass unter der Haube ihrer Pseudo-Sportwagen nur ein Vierzylinder-Mittelklassemotor schnurrte. Der Sound eines Achtoder Zwölfzylinders aus der Scuderia war bei dem Schnäppchenangebot nicht drin. Ferrari-Chef di Montezemolo widerstand der Versuchung, die Produktion der überwältigenden Nachfrage anzupassen. Mehr als 4 000 Fahrzeuge im Jahr sollten nicht für den gesamten Weltmarkt hergestellt werden. Und selbst das war noch zu viel, wie sich bald zeigen sollte. Schon 1991 war – wie erfahrene Händler des Cavallino rampante befürchtet hatten, der Spuk vorbei. Die Nachfrage brach ein, die Produktionszahlen mussten halbiert werden. Wer seinen Ferrari zu überhöhten Preisen erworben und
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Der Ferrari F40 wurde 1987 anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums präsentiert.
dennoch mit einem Spekulationsgewinn gerechnet hatte, war bitter enttäuscht. Der Absatzrückgang der Luxusmobile beunruhigte sogar den Fiat-Chef Gianni Agnelli. Die Scuderia wurde aus dem Konzernvermögen in den Privatbesitz seines Clans umgeschichtet. Denn auch der Auto-Absatz bei Fiat war ins Stocken geraten. Bei Ferrari rächten sich die Preisinflation und das Platzen der globalen Seifenblase. Viele Neukunden der Scuderia fühlten sich übervorteilt und begannen, ihre teuren Preziosen genauer unter die Lupe zu nehmen. Was sie sahen und – im wahrsten Sinne des Wortes – erfuhren, gefiel so manchem überhaupt nicht. Er saß in einem Auto, das innen höchst spartanisch ausgestattet war, das sich mit einem hochgezüchteten Motor kaum auf europäischen Straßen bewegen ließ und dessen schlechte Fahrwerksabstimmung das Steuern des Boliden zu einem hoch riskanten Abenteuer machte. Aus dem Flirt mit der italienischen Schönheit war eine ernste Beziehungskrise geworden.
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Di Montezemolo begriff, dass er etwas unternehmen musste, wenn er diese einst lukrative Sparte, die 1 500 Mitarbeiter beschäftigte, vor dem Absturz retten wollte. Italiens größter Autokonzern Fiat hatte 1969 die Edelfahrzeugschmiede Ferrari nicht übernommen, um dem alten Gründer einen Freundschaftsdienst zu erweisen, sondern um einen Imagetransfer für die eigenen Marken zu erhalten und eine Rendite für das Investment zu erhalten. Durch die Produktion und den Absatz der Luxusvehikel sollten die Rennaktivitäten finanziert werden, und außerdem sollte noch etwas unterm Strich übrig bleiben. Die Formel-1-Auftritte sollten die Werbeveranstaltungen für die Sportwagensparte darstellen. Eine Rechnung, die nicht aufging, weil die Roten auf den Formel-1-Pisten mehr durch große Pannen als Große Preise auffielen. Und weil die anspruchvolle Ferrari-Klientel die Nähe zur Turiner Massenware abschreckend fand. Der Bestseller, das Modell 348, von dem zwischen 1989 und 1994 knapp 9 500 Fahrzeuge gebaut wurden – so viele wie nie zuvor – wurde wegen seiner spartanischen Ausstattung, seines von einigen Kunden als beliebig empfundenen Designs und seines anstrengenden Fahrverhaltens, aber auch wegen seines Achtzylinder-Motors von kritischen Ferraristi zum »Achtzylinder-Fiat« degradiert. Die wahren Ferrari-Liebhaber monierten, dass die Scuderia durch die hohe Stückzahl die Exklusivität aufs Spiel setze. Von den »echten Ferraris« wurden zu Zeiten des Firmengründers nur einige Dutzend oder höchstens ein paar Hundert Fahrzeuge ausgeliefert. Auf der anderen Seite konnten weniger betuchte Käufer, die bei Fiat einen preiswerten Mittelklassewagen suchten, mit der Verbindung zu Ferrari wenig anfangen. Mancher befürchtete gar, dass die Allianz mit dem exklusiven Rennstall den Preis der Massenware unnötig in die Höhe treiben könnte. Solche Überlegungen trieben in jüngster Vergangenheit auch andere Automobilmanager um. Nachdem sich Massenhersteller wie VW durch die Übernahme von kleinen Edelmarken ins obere
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Luxussegment gewagt haben, zeigt sich immer deutlicher, dass dieser Imagetransfer nicht funktioniert und vor allem das Image der Luxusmarke darunter leidet. Die Ermahnung »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern« gilt also auch im Automobilbau, wie Fiat und di Montezemolo bald lernen mussten. Ferrari mochte zwar die Hilfe von Fiat annehmen, um die Produktion zu optimieren, aber geredet werden sollte über diese Unterstützung von der mächtigen Muttergesellschaft besser nicht.
Die neue Sinnlichkeit Unter Enzo Ferrari war es eigentlich vor allem darum gegangen, Motoren mit Rädern zu bauen; für Fahrwerk, Straßenlage und eine komfortable Ausstattung des Innenraums hatte der Commendatore kein Gespür. Für ihn zählte nur die PS-Zahl des Antriebsaggregats. Der Absturz der Ferrari-Sportwagen hatte jedoch deutlich gezeigt, dass diese Zeit vorbei war. Auch Porsche, Mercedes und BMW hatten gezeigt, dass sie extrem schnelle Wagen bauen konnten, die aber den erheblichen Vorteil hatten, dass auch untrainierte Möchtegernrennfahrer sie im normalen Straßenverkehr lenken konnten. Die Ingenieure und Designer der deutschen Sportwagenbauer hatten eben auch über Aerodynamik, Bremstechnik, Rostschutz und Fahrwerksabstimmung nachgedacht, um ihren Kunden auch technisch perfekte und ästhetisch ansprechende Fahrzeuge bieten zu können. Unter dem Druck der Konkurrenz musste Ferrari sein Produkt deutlich überarbeiten. Di Montezemolo versuchte potenziellen Käufern der Hochleistungsflundern neue Argumente für ihre Entscheidung zu liefern oder wenigstens die Begehrlichkeit zu schüren. Er folgte damit dem Marketinggrundsatz des amerikanischen
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Kosmetikherstellers Charles Revson, der seine Mitarbeiter immer ermahnte, dass in den Fabriken Kosmetikartikel hergestellt werden, in den Drugstores aber Träume verkauft werden. Übersetzt hieß das: In Maranello müssen die Autos gebaut werden, von denen Männer jeden Alters träumen. Di Montezemolo, der von Pleuelstangen und Karbonfiber nur wusste, dass sie »Bestandteile eines Produktes sind, das unverschämt sexy ist«, setzte deshalb bei der Sanierung der Straßenautosparte auf den Reiz sinnlicher Eigenschaften. Ferrari ist in der Darstellung des Ferrari-Chefs »hot technology« – »hot« steht bei ihm für emotionale Technik, »für die Musik des Motors, die Anmutung des Cockpits, den Geruch des Leders«. Zum Verkaufs- und Marketingdirektor ernannte di Montezemolo den italienischen Manager Michele Scannavini. Ihm wurde auch die Verantwortung für den Aufbau einer Merchandising-Sparte übertragen. Immerhin: Mit dem Verkauf von Mützen, Mokkatassen und Miniaturmodellen der berühmten Formel-1-Rennwagen an die weltweite Fangemeinde verdient Ferrari im Schnitt rund 10 Prozent seines Jahresumsatzes. Zur Sanierungsarbeit des Unternehmenschefs gehörte neben der Einführung eines neuen Marketingkonzeptes aber auch die technische und personelle Aufrüstung des Unternehmens: »Wir waren Mechaniker, die sich mit Motoren, Bremsen und Getrieben auskannten«, analysierte der Ferrari-Präsident die Schwachstellen der Firma, »aber wir hatten keine Ahnung von den neuen Entwicklungen im Motorsport, von Elektronik und Aerodynamik.« Diese Kenntnisse mussten durch Experten in das Unternehmen hineingeholt werden. Von der Reorganisation profitierte zwar in erster Linie die Formel-1-Abteilung, aber auch die Sportwagendivision wurde durch den neuen Geist, der durch die ehrwürdigen Hallen wehte, inspiriert. Di Montezemolo entfachte ein Feuerwerk der Superlative, Jahr für Jahr ließ er ein neues Modell für die internationale Millionärsklasse entwickeln.
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Im Oktober 1992 präsentierte di Montezemolo den ersten Sportwagen, der unter seiner Ägide in Maranello gebaut worden war: Der 456, der von Amedeo Felisa entwickelt worden, trug die Handschrift des Pininfarina-Designgurus Lorenzo Ramaciotti. Es war ein klassischer Ferrari Gran Tourismo, dessen Herzstück ein mit Computerhilfe konstruierter Zwölfzylinder-Motor war, der eine Leistung von 442 PS brachte. Außerdem gab es einigen Komfort wie automatisch zurückgleitende Vordersitze, um Fahrgästen, die auf den beiden hinteren Notsitzen Platz nehmen sollten, den Einstieg zu erleichtern. Zur Standardausstattung gehörte sogar ein Radio, das allerdings sehr kompliziert in der Bedienung gewesen sein soll. In der folgenden Dekade wurden knapp 3 300 Fahrzeuge dieses Typs gebaut – die meisten sogar mit blauer Lackierung. Der Anlauf dieses Modells war allerdings beschwerlich. Er war sozusagen in die Flaute gerollt. Der Absatz von Ferrari-Sportwagen war auf gerade mal 220 Fahrzeuge im Jahr 1993 geschrumpft. Im Januar 1994 wurde ein echter Ferrari in der Tradition der früheren Straßenrennwagen vorgestellt: der F333 SP, ein flacher roter Bolide mit Heckflügeln und einem Zwölfzylinder-Motor, der über eine Leistung von 650 PS verfügte. Die Karosserie bestand aus Karbonfiber und Nomex. Die Fahrerkabine bestand aus einem Monocoque aus Karbonfiber und Aluminium. Dieses Modell war für den reichen Amateurrennfahrer gebaut worden. Und Ferrari hatte es für Straßenrennen konzipiert. Insgesamt wurden nur zwölf dieser spartanisch-edlen Sportwagen ausgeliefert. Ein neuer Bestseller in der Firmengeschichte wurde der von 1994 bis 1998 hergestellte F355: 11 258 Fahrzeuge wurden von diesem Sportwagen gebaut, der am 24. Mai 1994 in Maranello von Ferrari-Chef di Montezemolo persönlich vorgestellt wurde. Vor 50 handverlesenen Journalisten erklärte sein Design-Partner Sergio Pininfarina, dass die Form der neuen Serie von Sportwagen durch die Tests im Windkanal dem State of the Art aerodynamischer Erkenntnisse entspreche. Der Bolide erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern. Angetrieben
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wurde er von einem Achtzylinder-Motor, wobei jeder Zylinder über fünf Kammern verfügte und alle zusammen eine Leistung von 380 PS brachten. Das nächste Modell war auf Inititive von Enzo Ferraris Sohn Piero entstanden, der den Anstoß für eine Art Neuinterpretation des ersten Ferrari-Sportwagens, des Barchetta 125 S aus dem Jahr 1947, gegeben hatte. Als sich die Ingenieure und Designer 50 Jahre später dieses Themas annahmen, entstand ein exklusiver Bolide, der F50. Firmenchef di Montezemolo pries den Roten als »ein Formel-1-Auto, mit dem man auch zum Brötchenholen fahren kann«. Das war klassisches Understatement, denn das High-TechGefährt hatte einen Zwölfzylinder-Motor, der mit 520 PS berauschende 325 Stundenkilometern schaffte. Aerodynamisch optimiert in unzähligen Windkanaltests, war die Karosserie von Pininfarina so gestaltet worden, dass der Bolide bei hohen Geschwindigkeiten durch den Abtrieb wie ein Brett auf der Straße lag. Besondere Genugtuung zogen die Ingenieure aus der Tatsache, dass der F50 bei Geschwindigkeitstests auf der Rennstrecke in Fiorano vier Sekunden pro Runde schneller war als der Vorgänger aus den Zeiten des Commendatore, der F40. Die Innenausstattung des F50, dessen Stückzahl auf 349 Wagen limitiert wurde, war schlicht spartanisch. Wer sich endlich auf den Fahrersitz geschoben hatte, blickte auf eine wenig elegante Kombination aus analogen und digitalen Instrumenten. Einzig der Duft des Connolly-Leders der Sitzbezüge erweckte den Eindruck exklusiver Eleganz. Das Herz jedes Ferraristi aber schlug schneller bei dem Anblick des offenen Schaltgetriebes mit sechs Gängen – und natürlich des Motorblocks, der unter der langen Haube lagert. Gern erklärt di Montezemolo seine spezielle Beziehung zum Zwölfzylinder, der einst Ferraris Markenzeichen in der Formel 1 war. »Der Motor ist das Sexualorgan eines jeden Ferrari«, hatte Luca di Montezemolo die Bedeutung des Aggregats beschrieben, »für uns kommt nur ein Zwölfzylinder in Frage.« Damit hatte
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der Ferrari-Boss sofort die Sympathie seiner Motorentechniker gewonnen. Die wollten von dem bulligen Motor nicht lassen und ihn auch weiterhin in der Formel 1 einsetzen. Obwohl das schwere Aggregat wegen seines Gewichts, seines ungeheuren Spritdursts und der großen Kühlwassermenge deutliche Nachteile gegenüber den flinkeren Zehnzylindern hatte, versuchten die Techniker in Maranello den Chef mit immer höheren PS-Zahlen zu beeindrucken. Als jedoch die Siege ausblieben, wurde der Zwölfzylinder in die kommerzielle Sparte verbannt, nun verlieh er mit seinem unverwechselbaren Klang den bulligen Boliden für die exklusive Gemeinde der Ferraristi die angemessene Beachtung. Zu den am meisten beachteten Modellen aus der Zeit nach dem Tod des Gründers zählt der Nachfolger des berühmten Testarossa, der wegen seiner schieren Power, seines Motorsounds, seines Stylings und seiner Klientel, die sich gern als wohlhabende Machos geben, auch im Volksmund »Testosteron« genannt wurde. Der neue »550 Maranello«, wie der Flitzer nach dem Ort seiner Herstellung genannt wird, fand von Anfang an ungeteiltes Lob des Beraters der Scuderia und früheren Weltmeisters Niki Lauda. Nach der ersten Testfahrt pries er den neuen kommerziellen Bannerträger der Scuderia als den »besten Ferrari, der je gebaut wurde«. Lauda war einer der Ersten, die das Geschoss fahren durften, das von einem Zwölfzylinder-Motor mit einem Hubraum von 5,5 Litern und mehr als 500 PS angetrieben wurde. Der Wagen, der 1996 zum ersten Mal in Deutschland unter Teilnahme des Ferrari-Starpiloten Michael Schumacher vorgestellt wurde, war auf Anhieb ein Erfolg. Das war umso bedeutender, als der Werbeträger der kommerziellen Autosparte bei Ferrari, die Formel-1Abteilung, durch die Pannenserie ausgefallen war. Allerdings hatte man sich bei Ferrari auch alle Mühe gegeben, ein wahres Luxusauto zu bauen. Den 324 700 Mark teuren Zweisitzer zeichnete eine betont schlichte und fast elegante Karosserie aus, bei der der Designer Pininfarina auf Drängen von di Montezemolo auf den üblichen Zierrat von Spoilern und Flügeln verzich-
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Der Testarossa der fünfziger Jahre. Dieses Modell stammt aus dem Jahr 1958.
tet hatte – ohne dass die Aerodynamik des 320 Stundenkilometer schnellen Wagens zu kurz gekommen wäre. Konzipiert als Gran Turismo, wurde bei dem Maranello Wert auf ein ansprechendes Cockpit gelegt, in dem Platz für Radio und Klimaanlage war. Den Ferraristi, die lieber etwas komfortabler saßen, wurde ein etwas weicherer gepolsterter Sitz angeboten. Der wirkliche Clou aber war, dass der Maranello auch mit einer elektro-hydraulischen Automatikschaltung geliefert werden konnte, wie sie in den Formel-1-Rennwagen von Schumacher und Irvine eingebaut war. Zum Aufpreis in der Höhe eines Kleinwagens wurde statt des Schaltknüppels vor der Mittelkonsole dieser Wippschalter am Lenkrad eingebaut, der dem Fahrer das wirklich coole Rennwagen-Feeling vermittelt. Vor allem aber wurde versucht, alle Schwächen, die die Attraktivität des Vorgängers Testarossa bei manchem potenziellen
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Design der achtziger Jahre: Der neue Testarossa ist unverkennbar ein Kind seiner Zeit.
Kunden doch schmälerten, zu beheben: Der alte Bolide, der 1984 auf die Boulevards und Autobahnen zu rollen begann, war ein flacher Renner mit einer überbreiten Heckpartie. Eine vernichtende Kritik hatte das Modell von dem britischen Fachblatt Classic Cars erhalten: Nach Meinung der Experten war der Testarossa »ein plattgedrücktes, raues, plumpes, albernes Monstrum«, das die Tradition der Firma fortsetze, die notorisch Autos liefere, die zwar glamourös, aber »immer auch mechanisch altmodisch und fehlerhaft gewesen« seien. Auch der Maranello mit der flachen Motorhaube, einem rundlichen Heck und dem kühnen Schwung über den hinteren Kotflügeln, den Designer Sergio Pininfarina »den Muskel des Autos« nannte, soll Potenz symbolisieren – auch er ist ein Männerauto. Oder, wie Marketing-Chef Scannavini die anvisierte Kundschaft
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eingrenzte: »Frauen sind nicht unsere Zielgruppe, nicht mal Teil unserer Zielgruppe.« Unangenehmerweise musste aber auch die Scuderia zur Kenntnis nehmen, dass im Zuge der Emanzipation auch Frauen immer mehr mitreden, selbst beim Erwerb von Preziosen aus Maranello. Das Zugeständnis war eben ein etwas größerer Innenraum und mehr Bequemlichkeit – ein kleiner Schritt zur Akzeptanz der gesellschaftlichen Veränderungen, die auch bedeuteten, dass Frauen das Steuer eines Ferraris für sich beanspruchen konnten. Für Enzo Ferrari wäre das noch einer Entweihung seiner Ikonen gleichgekommen, obwohl auch einige frühere Modelle der Scuderia durchaus von weiblichen Händen gesteuert wurden, was der Cavaliere aber beharrlich ignorierte. Dennoch stellt der 550 Maranello sozusagen den Brückenschlag dar, das technische Erbe des Commendatore mit den Verhältnissen der modernen automobilen Gesellschaft auszusöhnen. Auch die Präsentation in Deutschland auf dem Nürburgring erwies sich als geschickter Marketing-Schachzug. Das Publikum auf den vollen Tribünen der Rennstrecke applaudierte und jubelte vor Begeisterung, als Schumacher in seinem roten Maranello vorfuhr. Scannavini, der als Marketing-Chef die Verantwortung für die Show trug, war von dem Empfang, der vor allem natürlich dem Formel-1-Titelträger galt, überwältigt: »Ich hätte nie geglaubt, dass die kühlen Deutschen so enthusiastisch sein können.« Allerdings hatte der Marketing-Chef auch die gläubige Fangemeinde des Unternehmens eingeladen und das größte europäische Treffen der Ferraristi genutzt für den Stapellauf des neuen Flaggschiffs. Rund 1 400 Modelle aus allen Epochen der Scuderia symbolisierten den Glanz der Marke und sorgten für zusätzliche Attraktivität. Und es half auch den kommerziellen Interessen des Unternehmens: Der damals größte deutsche Ferrari-Händler Helmut Becker aus Düsseldorf konnte bereits unmittelbar nach der Präsentation zwölf Bestellungen nach Maranello weiterleiten.
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Aber auch die gebrauchten Luxusvehikel profitierten von dem Engagement des deutschen Starfahrers für die italienische Automanufaktur: »Dank Schumacher verkaufen sich gebrauchte Ferraris unter 100 000 Mark von selbst. Und wenn Schumi Weltmeister wird, steigen die Preise noch einmal um 20 Prozent«, frohlockten die Händler. Darauf mussten sie 1996 allerdings noch lange warten. Schneller war Ferrari mit der Produktion eines neuen Supermodells: Der Modena, der 1999 im annus horribilis der Scuderia, als die Formel-1-Truppe wieder einmal die Weltmeisterschaft vergeigt hatte, debütierte, sorgte wenigstens für ein wenig Glanz in diesem Jahr. Es war ein neues Modell der Achtzylinder-Motoren-Serie, die etwas preisgünstiger als die großen Boliden mit ihren Zwölfzylinder-Motoren war und auch straßentauglicher im Fahrverhalten. Der neue Ableger dieser Gattung stammte von Sergio Pininfarina. Das Design des Wagens mit Mittelmotor war wie die anderen großen Vorläufer der Nach-Enzo-Ära im Windkanal entworfen worden. 5 400 Stunden lang war getestet, gefeilt, gebogen und montiert worden, bis ein schlichtes elegantes Coupè geboren war, das die Vorgaben von Spoilerfeind di Montezemolo bestens erfüllte. Zum Preis von 165 000 Euro für die Basisversion war der Modena nicht gerade ein Schnäppchen selbst für den Besserverdiener unter den Ferraristi. Als Hommage an den Firmengründer wurde 2002 der SuperPower-Macho-Bolide Enzo präsentiert, ein Geschoss mit Flügeltüren. Einen spektakulären Auftritt bescherte dem »Rennwagen für die Straße«, wie das Kraftpaket vom Hersteller beschrieben wurde, allein das Gebrüll des Sechs-Liter-Zwölfzylinder-Aggregats, das eine Höchstgeschwindigkeit von 350 Stundenkilometern leisten sollte. Konzipiert wurde der Paradehengst des Rennstalls von dem für die Spezialserien zuständigen Ingenieur Giuseppe Petrotta und dem für die Konstruktion der Rennwagen zuständigen Spezialisten Rory Byrne. Michael Schumacher, der Formel-1-Star der Scuderia, ließ sich nur zu gerne als Testfahrer anheuern. Auf
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dem werkseigenen Kurs in Fiorano jagte er mit dem Superflitzer durch die Kurven, damit die Abstimmung von Fahrwerk und Reifen, Beschleunigung und Bremsverhalten optimiert werden konnte. Nur 399 Stück wurden von der Rakete gebaut. Den treuen Kunden der Automanufaktur wurde der Bolide zum Preis von rund 500 000 Euro angeboten. Wie sich bald zeigte, fast ein Schnäppchenpreis: Im Sommer 2004 kostete der Enzo bereits 645 000 Euro, und wenige Monate später erzielte ein Modell der Serie bei einer Versteigerung des Internetauktionshauses Ebay einen Preis von 785 000 Euro. Doch die wirkliche Begeisterung der Autokritiker rief ein anderes Modell hervor, das 2004 auf den exklusiven Edelmarkt rollte: der Ferrari 612 Scaglietti. Die Karosserie des Gran Turismo hatte der Designer Ken Okuyama aus dem Hause Pininfarina entworfen. Gelobt wurde vor allem die elegante Linienführung des Coupés: »Wie die Bügelfalten auf den Kotflügeln mit einem lässigen Schwung den riesigen Kühlergrill umrunden, wie elegant die
Im Rahmen der Ferrari Racing Days 2002 auf dem Nürburgring wird der Hochleistungssportwagen »Enzo« erstmals einem breiten Publikum vorgestellt.
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Spitzname »The Ingrid«: Der 612 Scaglietti.
Haube in die Frontpartie eingebettet ist und wie fein die mandelförmigen Klarglas-Scheinwerferabdeckungen geformt sind – das hat Stil und Klasse«, lobte gar der Autoredakteur des sonst eher PS-kritischen deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Die Karosserie und das Fahrgestell wurden in Aluminiumbauweise hergestellt. Der Motor sitzt hinter der Vorderachse, Kupplung und Sechsgang-Automatikgetriebe sind an der Hinterachse platziert. Dadurch ist der hintere Teil des Wagens etwas schwerer, was, wie die Firma erklärte, »zu deutlichen Vorteilen hinsichtlich der Fahrdynamik« führe. Der V-Zwölfzylinder-Motor mit 5,7 Litern Hubraum entwickelt 540 PS (400 kW), die eine Höchstgeschwindigkeit von 315 Stundenkilometern erreichen sollen. Damit ist das lässig-elegante Coupé seinem einzigen Rivalen, dem Bentley Continental GT, ebenbürtig, dessen W-Zwölfzylinder-Motor mit 560 PS (411 kW) auf 318 Stundenkilometer kommen soll. Offiziell gilt der Ferrari 612 Scaglietti als Viersitzer, wobei die Fondplätze eher Notsitze sind und Erwachsenen nur auf Kurzstrecken zugemutet werden können. Der Kofferraum des Ferrari
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bietet immerhin 240 Liter Fassungsvermögen, was für ein Modell aus Maranello durchaus stattlich ist. Rund 210 000 Euro kostet das Auto. Der Beiname des neuen Ferrari, Scaglietti, ist eine Hommage an Sergio Scaglietti, einen Karosseriebauer, der in den fünfziger und sechziger Jahren elegante und aufsehenerregende Modelle entworfen hatte. Intern trägt der neue Ferrari aber den Spitznamen »The Ingrid«, weil seine Linienführung an das Modell 375 MM Berlinetta Aerodynamica aus dem Jahre 1954 erinnert. Von diesem Wagen war nur ein einziges Exemplar gefertigt worden, und das bekam der Regisseur Roberto Rossellini, der es seiner damaligen Frau, der Schauspielerin Ingrid Bergman, überließ. So gesehen ist der 612 auch ein Zugeständnis an eine neue Zielgruppe, die lange nur als Beifahrerinnen geduldet wurde. Auch heute noch sind nur 9 Prozent aller Ferrari-Eigentümer Frauen.
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Eigentlich hätte 1999 zu den besseren Jahren der Scuderia zählen können, denn immerhin wurde in dieser Saison der Titel des besten Teams, die Konstrukteursweltmeisterschaft, gewonnen. Doch was wirklich in Erinnerung blieb, waren die Pannen der »Dorfwerkstatt«. So blieb Rennteamchef Jean Todt nur der Kotau vor den frustrierten Tifosi und das Versprechen, alles, aber auch wirklich alles daranzusetzen, dass im Millenniumsjahr 2000 alles besser wird und Ferrari diesmal wirklich den begehrtesten Titel in der Fahrerweltmeisterschaft holt. Es waren wohl nicht viele, die diesem Versprechen, das seit Jahren wie ein Mantra wiederholt wurde, noch Glauben schenken konnten. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt … Im zweiten Rennwagen der Scuderia saß nicht mehr der großmäulige Eddie Irvine, der bisweilen – wie einige Medienvertreter gerne behaupteten – schneller reden als fahren konnte. Damit in der neuen Saison nicht wieder ein teaminterner Wettbewerb für schlechte Stimmung sorgte und die Chancen von Michael Schumacher auf den Formel-1-Gesamtsieg schmälerte, wurde der zweite Mann des Pistenduos sorgfältig ausgesucht. Die Wahl fiel auf den Brasilianer Rubens Barrichello. Der Rennfahrer hatte wie Schumacher seine Motorsportkarriere im Gokart begonnen. Mit elf und zwölf Jahren war er brasilianischer Juniorenmeister geworden. 1993 debütierte er in der Königsklasse, wo er für Jordan fuhr. Seit 1997 war er bei Stewart-Ford, wo er das Angebot von Ferrari erhielt.
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Schumacher begrüßte den Kollegen mit einem freundschaftlichen Lob: »Rubens ist ein guter Typ, ich hatte nie irgendwelche Probleme mit ihm.« Er entdeckte sogar eine Art Seelenverwandtschaft zu dem Neuen im Team: »Wie ich ist er verheiratet, er führt kein so verrücktes Leben wie Eddie. Ich bin sicher, dass wir auf und neben der Strecke gut miteinander auskommen werden.« In einem Interview mit der italienischen Zeitung Gazetta dello Sport nahm er auch zu der künftigen Rangordnung im Team Stellung. Er habe keinen Passus im Vertrag, der ihm die Position einer Nummer eins im Team zusichere, Ferrari biete seinen Fahrern zwei gleichwertige Fahrzeuge und erwarte, dass jeder alle Chancen nutze. Es war sicher eine nette Geste, um Barrichello nicht von Anfang an zum Wasserträger zu degradieren. Aber in Maranello und im Weltreich der Roten gab es keinen Zweifel, dass es in der Scuderia nur einen gab, der das Zeug zum Champion hatte und dem sich alles unterzuordnen hatte: Schumacher. Wenn diese Hackordnung anerkannt wurde, dann hatte der Zweite keine Probleme. Wie sagte doch Schumacher im Interview: »Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu anderen Fahrern, aber mit Rubens wird es sicher besser sein als mit Eddie Irvine.« Der Auftakt zu der Weltmeisterschaft des Jahres 2000 fand am 9. Februar 2000 statt. An diesem Tag wurde der Schleier gelüftet und der F1 2000 wurde Journalisten und der großen Fangemeinde vorgestellt. Chefkonstrukteur Ross Brawn hatte einen komplett neuen Wagen entwickelt – nicht ein einziges Teil des Fahrzeugs der vergangenen Saison, des F399, war in den neuen eingebaut worden. Außerdem war es Brawn gelungen, das Gewicht des F1 2000 deutlich unter die Mindestgrenze von 600 Kilogramm zu reduzieren. Dies eröffnete den Ingenieuren die Chance, zusätzliches Gewicht so zu platzieren, dass der Bolide besser auf die Bedingungen der jeweiligen Strecke abgestimmt werden konnte. Angetrieben wurde die F1-Rakete von dem Motor »049« – mit neuer Elektronik und fast 850 PS. Damit wollte die Scuderia den
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McLaren-Mercedes MP4/15 des damaligen Titelverteidigers Mika Häkkinen einholen. Schumacher, der noch in der einsetzenden Dunkelheit des Wintertages erste Runden auf dem Testkurs von Fiorano gedreht hatte, erklärte mit strahlendem Gesicht: » Der ist sauschnell. Das ist der beste Ferrari, den ich je gefahren bin.« Vor den Journalisten und Tifosi beschwor er seine Motivation und Loyalität zur Scuderia: »Ich gehöre jetzt seit fünf Jahren zur Ferrari-Familie und gehe mit viel Enthusiasmus in die neue Saison. Ich hoffe, dass wir diesmal etwas mehr Glück haben. Ich kann nichts versprechen, aber wir werden zumindest alles versuchen. Die Nummer eins auf dem Auto ist das, was dieses Team verdient.« Zum ersten Mal versuchte der Kerpener vor den Medien und Mitarbeitern italienisch zu sprechen. Er hatte die kleine Rede auswendig gelernt. Das war nicht die einzige Tortur, der sich der Rennfahrer zusätzlich zu den Vorbereitungen auf die neue Saison unterzogen hatte. In einem privaten kleinen Trainingslager in Dubai hatte Schumacher unter der Aufsicht seines Coachs ein rigoroses Fitnessprogramm absolviert, um den Strapazen der kommenden Rennen gewachsen zu sein. Die Fahrer der Formel 1 leisten Schwerstarbeit: Durch extreme Beschleunigung der Flitzer, die in 3,7 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer und in 2,5 von 100 auf null gebracht werden können, entstehen enorme physische Belastungen für die Männer, die in ihren feuerfesten Overalls von Sechspunkt-Gurten auf ihren schmalen Schalensitzen festgezurrt werden. In den Kurven wirken durch die Geschwindigkeit extreme Fliehkräfte von bis zu 4 g, das heißt, dass sich in diesen Situationen das Gewicht von Kopf und Helm vervierfacht – die Hals- und Nackenmuskeln müssen 30 Kilogramm halten. In dem Augenblick, in dem diese Kräfte nachlassen, wird der Kopf schlagartig in die entgegengesetzte Richtung gedrückt. Diese Kräfte belasten natürlich auch die Beine. Besonders schwierig wird es, wenn in Rechtskurven
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die Fliehkräfte auf das rechte Bein drücken, mit dem die Piloten möglichst dosiert Gas geben müssen. Um dem Druck nach außen standhalten zu können, muss auch die Beinmuskulatur entsprechend trainiert werden. Vollbremsungen verlangen von dem linken Bein, das nach dem Einsatz der elektronisch-hydraulischen Kupplungsautomatik nur noch zum Bremsen eingesetzt wird, einen Druck auf das Bremspedal von 80 Kilogramm. Um den Wagen mit den breiten Reifen und ihren Rillenprofilen durch die Kurven zu steuern, oder bei Überholmanövern, sind Kräfte in den Armen von bis zu 40 Kilogramm notwendig. Auch Herz- und Kreislauf werden durch die hohe Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit belastet, die den Rennfahrern abverlangt werden. Auf dem kurvenreichen und durch Betonwände bewehrten Stadtkurs von Monte Carlo kommen manche Piloten auf Pulsfrequenzen von 180 bis 210 Schlägen pro Minute. Wer da nicht in Topform an den Start geht, steht die 90 Minuten, die ein Formel-1-Rennen im Schnitt dauert, niemals durch. Die Topfahrer des Formel-1-Zirkus haben sich spezielle Hometrainer entwickeln lassen, in denen diese kräftezehrenden Belastungen simuliert werden können. Die Kosten solcher mobilen Kraftstudios liegen bei rund einer halben Million Euro. So viel soll jedenfalls Schumachers Fitness-Bus kosten, der den Rennfahrer während der Saison zu allen Austragungsorten der Formel-1Wettbewerbe begleitet. In der Winterpause 1999/2000 hat der Starpilot besonders intensiven Gebrauch von seinen privaten Folterkammern gemacht: Seine Fitnesswerte seien besser als in den vergangenen Jahren, versicherte der Profi bei der Saisoneröffnungspressekonferenz in Maranello: »Ich habe mit höherer Qualität trainiert als früher, ich bin hundertprozentig fit.« Auch Ferrari-Chef di Montezemolo lobte die Trainingsanstrengungen seines Hoffnungsträgers: »Ich habe Schumacher noch nie in so großartiger Form gesehen.« Der Boss der Scuderia hatte auch einen besonderen Kraftakt
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geleistet, um den Erfolg im Jahr 2000 herbeizuzwingen: Das Budget des Rennstalls wurde auf 500 Millionen Mark erhöht. Im Jahr zuvor hatte Ferrari »nur« etwa 450 Millionen Mark zur Verfügung gehabt. Die führenden Mitarbeiter wussten diese Zuwendung und das hohe Engagement der Truppe durchaus zu schätzen: »Wir haben eine fantastische Mannschaft, die nichts weniger verdient hat, als in diesem Jahr beide WM-Titel zu holen«, erklärte Technik-Chef Ross Brawn begeistert. Die Zeit bis zum 12. März, dem offiziellen Beginn der Saison in Melbourne, nutzte Schumacher für ausgiebige Tests und Abstimmungen des neuen Fahrzeugs. Vor allem Startprozeduren wurden wieder und wieder durchexerziert, um die Abstimmung von Getriebe und Kupplung zu optimieren. Im Jahr zuvor waren die roten Boliden bei einigen Rennen nur schwer auf Touren gekommen.
Ein verheißungsvoller Auftakt Irgendwie – das sollten die Veranstaltungen für Fans und Presse in Maranello signalisieren – war in dieser Saison des Jahres 2000 alles anders. Die Mannschaft, die Renndirektor Jean Todt sich in den vergangenen sechs Jahren zusammengetrommelt hatte, war zu einer eingeschworenen Truppe geworden, die nur ein Ziel kannte: die Fahrerweltmeisterschaft 2000. Auch Schumacher hatte sich anders auf dieses Ereignis eingestellt als sonst: »Seit meiner Benetton-Zeit habe ich mich so reingesteigert, das Team auf Vordermann zu bringen, anzutreiben, dass ich vielleicht dabei über meine Grenzen hinausgegangen bin. Das hat sicherlich meine Leistung beeinträchtigt. Ich war nicht mehr so fit, nicht mehr so begeisterungsfähig fürs Fahren. Den Unterschied merke ich jetzt ganz deutlich.«
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Als die Stimmung in der Scuderia in voreilige Siegesgewissheit umzuschlagen drohte, holte di Montezemolo sie auf den Boden zurück: »Ich freue mich, dass sich unsere beiden Fahrer Michael Schumacher und Rubens Barrichello so positiv über das neue Auto geäußert haben, aber dennoch müssen wir unbedingt mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Wir haben eine sehr lange und schwierige Saison vor uns, in der absolut alles möglich ist, positiv wie negativ. Das haben wir schließlich im letzten Jahr sehr schmerzlich erfahren müssen.« Die Mahnungen schienen zunächst deplatziert: In Melbourne erzielte die Scuderia einen Doppelsieg, Schumacher fuhr vor Barichello über die Ziellinie. Der Erzrivale des Ferrari-Stars, McLaren-Mercedes-Pilot Mika Häkkinen, der zunächst in Führung lag, fiel in der 19. Runde nach Druckverlust in der pneumatischen Ventilsteuerung aus. In Brasilien zwei Wochen später setzte sich Schumacher sofort an die Spitze des Feldes und fuhr den Sieg sicher nach Hause. Häkkinen fiel in der 31. Runde aus nach Problemen mit dem Öldruck. Schumacher hatte bereits 20 WM-Punkte gesammelt, der Titelverteidiger noch nicht einen. Danach bedankte sich Schumacher artig bei den Anhängern der Scuderia: »Wir haben so viele Fans hier, die motivieren uns zusätzlich. Wir werden jedenfalls alles versuchen, um sie glücklich zu machen.« Doch vor allem warnte er vor allzu optimistischen Erwartungen: »Der Vorsprung ist zu gering, um langfristig zu denken. Es dauert noch bis Ende Oktober, bis das Spielchen zu Ende ist und wir wirklich wissen, wo wir stehen. 20 Punkte reichen nicht aus, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wir können nicht erwarten, dass wir jetzt einen Durchmarsch machen.« Auch den Hinweis, dass seit 1994 jeder Formel-1-Pilot, der in Brasilien gewonnen hatte, auch Weltmeister wurde, mochte er nicht als gutes Omen werten: »Ich glaube nicht an Statistik.« Schumacher wusste auch, dass er seine Siege den Ausfällen des McLaren-Mercedes verdankte.
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Das wiederholte sich auch in Imola, dem dritten Rennen der Saison. Schumacher konnte zwar sein WM-Punkte-Konto noch weiter auffüllen. Er musste aber zunächst hinter Häkkinen herfahren, der den besseren Start erwischt hatte und sofort mit voller Power losraste. Schumacher hatte keine Chance zum Überholen des Finnen. Die Entscheidung auf dem Motodromo Enzo e Dino Ferrari, Schumachers Hausstrecke, fiel erst beim zweiten Boxenstopp. Als Häkkinen in der 44. Runde zum Auftanken in die Boxengasse fuhr, hatte er noch einen Vorsprung auf seinen Verfolger von 2,6 Sekunden. Nach 8,3 Sekunden konnte der McLarenMercedes-Fahrer die Servicestation wieder verlassen. Doch sein Wagen kam nicht so recht auf Touren, ein in der Garagengasse liegendes Blechteil habe seinen Unterboden beschädigt und ihm den Vortrieb genommen, klagte er später. Als Schumacher erst in der 48. Runde zum Tanken vorfuhr, weil er beim ersten Tankstop mehr Sprit aufgenommen hatte als sein Gegner, hatte er einen Vorsprung auf Häkkinen von zehn Sekunden. Schumacher war aber nach 6,2 Sekunden wieder auf der Strecke, er profitierte von der »fantastischen« Teamarbeit, die Brawns Mannschaft zeigte, und lag damit vier Sekunden vor Häkkinen, der eine wilde Aufholjagd begann. In der Box der Scuderia, wo sechs Techniker, Strategen und Renndirektor Todt den Wettkampf auf Bildschirmen verfolgten und alle Daten, die ihnen aus dem Cockpit von Schumachers und Barrichellos Boliden gemeldet wurden, verglichen und analysierten, stieg die Nervosität: Häkkinen holte auf. Die Strategen konnten den Punkt ausrechnen, wann der Finne das Heck des F2000 vor sich sehen würde. Schumacher musste noch zulegen, wenn er den Sieg nach Hause holen wollte. Doch er schaffte es und honorierte noch von der Ehrenrunde aus die Leistung seines Technikteams: »Danke, Jungs, gut gemacht.« Das dachten auch die Tifosi, die sich im Motodrom versammelt hatten, um »il Tedesco« und Ferrari siegen zu sehen. Schumachers WM-Bilanz: Er hatte 30 Punkte, Häkkinen, der Zweiter wurde, seine ersten sechs Zähler.
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Im britischen Silverstone, wo Schumacher im Jahr 1999 seinen schweren Rennunfall hatte, riss die Siegesserie erst einmal ab: Der Ferrari-Starpilot wurde Dritter nach Häkkinen und dessen zweitem Mann im Team, David Coulthard. Noch schlechter schnitt Schumacher beim Großen Preis von Spanien in Barcelona am 7. Mai ab. Schuld an dieser Niederlage waren ein Unfall und eine Panne bei Schumachers Boxenstopps. Was in Imola so vorbildlich geklappt hatte, funktionierte in Spanien nicht so recht. Nach dem ersten Boxenstopp fuhr er seinen Chefmechaniker Nigel Stepnay über den Haufen. Beim zweiten Halt in der Garage, um Sprit nachzufüllen, passte der Tankschlauch nicht. Als er wieder auf der Piste war, hatte er 17,2 Sekunden verloren und damit auch den Sieg verschenkt. Er musste Coulthard vorbeiziehen lassen und dann auch noch seinen jüngeren Bruder Ralf, der im Cockpit eines BMW-Williams saß. Am Ende blieb für Michael Schumacher nur noch der fünfte Platz: Häkkinen, Coulthard, sein Teamgefährte Barrichello und sein Bruder Ralf lagen vor ihm. Seine Platzierung reichte gerade noch für zwei WM-Punkte. Die italienische Presse, die noch in Imola in den höchsten Tönen Ferrari und den Star der Scuderia gefeiert hatte, machte Michael Schumacher nun für das Desaster verantwortlich. Die britische Tageszeitung The Times kritisierte: »Wenig lief für Schumacher, der mit einem komfortablen Vorsprung kam, aber nun wegen seiner Fehler vor einem harten Kampf steht.« Zweifel machte sich breit auch im Pressetross, der die Scuderia belagerte: Renndirektor Todt musste sich harte Fragen der Journalisten gefallen lassen: So wurde auch nach den Konsequenzen gefragt, die Todt ziehen würde, wenn Ferrari am Ende wieder nicht gewinnen sollte: »Ich persönlich fürchte keine Konsequenzen. Ich arbeite sehr hart, seit ich bei Ferrari bin. Das Team hat sich seit meinem Arbeitsantritt im Juli 1993 stark verbessert. Wenn mich jemand austauschen möchte, habe ich damit kein Problem. Aber derzeit bin ich glücklich mit Ferrari, und Ferrari ist glücklich mit mir.«
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Lieber noch nimmt Todt Stellung zur Stärke und Performance des Ferrari-Teams: »Wir waren auch schon im Vorjahr stark. Leider hatte Michael zur Saisonmitte seinen schweren Unfall in Silverstone. Wir sind dennoch Konstrukteursweltmeister geworden und haben den Fahrertitel mit Eddie Irvine erst im letzten Rennen verloren. 1997 und 1998 haben wir die Fahrer-WM ebenfalls erst beim Finale verloren. Wenn man alle Formel-1-Teams seit 1997 nimmt, war Ferrari das beständigste. Das sind Tatsachen.« Die natürlich in der Hektik der Rennen und Berichterstattung nur zu gerne übersehen werden. Der Sieg der Scuderia und Schumachers auf dem Nürburgring bei Regen ließ auch in der Presse wieder die Sonne über Ferrari scheinen. Schumacher lag in der Gesamtwertung nun 18 Punkte vor Häkkinen. Sie hatten wieder einmal alles richtig gemacht: Das Auto fuhr auch im Regen schnell, und der Wechsel von Trockenpneus auf Regenreifen bereitete keine Probleme. Für Michael Schumacher ein Tag ganz nach seinen Vorstellungen: »Manchmal werden Träume wahr. Wir sind in einer guten Situation. Wir haben ein gutes Auto, ein gutes Team. Jetzt haben wir einen großen Vorsprung. In den Jahren zuvor war das Gegenteil der Fall. Ich hoffe, dass wir den Vorsprung bis zum Saisonende halten können«, sagte der Champion auf der obligatorischen Pressekonferenz nach Champagnertaufe und Siegerehrung. Monte Carlo wird indes wieder zum Albtraum: Schumacher liegt zwar in Führung, kann das Rennen durch die engen Straßen des Stadtstaates aber nicht beenden wegen eines Defektes, den jeder Fahrer von Gebrauchtwagen kennt: Der Auspuff bricht ab. Bei einem Formel-1-Boliden löst dieser verhältnismäßig kleine Schaden eine Kettenreaktion aus, die am Ende das Fahrzeug lahm legt. Der Bruch des Auspuffs an Schumachers F2000 überhitzt die Aufhängung des Hinterrades und führt zum Bruch. In der 56. Runde ist das Rennen für den Spitzenreiter vorbei. Schumachers Trost: Auch sein Rivale hat mit technischen Problemen zu kämpfen: Häkkinen wird nach Problemen mit Bremspedal und
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Getriebe nur Sechster und verliert seinen zweiten Platz in der Gesamtwertung an seinen Teamkollegen Coulthard. Dass sich sein Bruder Ralf bei einem Unfall das Bein verletzt hatte, erfuhr der Ferrari-Pilot erst nach dem Rennen. Todt wollte seinen Spitzenmann nicht ablenken und beunruhigen. In Montreal, der nächsten Station der langen Rennsaison, konnte Michael Schumacher wieder strahlen. Nach einem Rennen in strömendem Regen ging er als Erster durchs Ziel, Barrichello hielt ihm als Zweiter den Rücken frei. Die Presse in Italien, aber auch in Großbritannien feierte die beiden Fahrer der Scuderia – vor allem natürlich Schumacher – enthusiastisch. Die Gazzetta dello Sport jubelte: »Ferrari, eine Symphonie. Die roten Boliden dominieren sowohl auf dem Trockenen als auch im Regen. Harter Schlag für McLaren. Meisterwerk von Schumi und Barrichello.« Und Tuttosport triumphierte: »Was kann man mehr von zwei spektakulären Ferrari-Piloten verlangen, die trotz des Regens das Rennen dominieren? Der fünfte Erfolg Schumachers ist einen halben Titel wert.« Der britische Daily Mirror kommentierte den Rennverlauf: »Schumi, der Unüberwindliche, hatte das Rennen mit Hilfe der Konkurrenz schon vor dem Start gewonnen. Coulthard produzierte einen völlig verkorksten Start, und Häkkinen rollte rückwärts, als die Ampel ausging. Schumacher stellt den Rennsport auf den Kopf – Sieg schon vor dem Start. Er benötigt von niemandem Hilfe, bekam aber dennoch viel davon.« Schumacher bemühte sich, die Erwartungen zu dämpfen: »An den WM-Titel denke ich im Augenblick überhaupt noch nicht, denn bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg. Ich bin schon zehn Jahre dabei und weiß, was alles passieren kann. Das Blatt kann sich auch wieder wenden. Solange rechnerisch noch alles möglich ist, beschäftige ich mich nicht mit diesem Thema. Weltmeister ist man erst nach dem Finale, wenn einen keiner mehr einholen kann.«
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Trendwende Schon in Montreal hatte sich gezeigt, dass der F2000 keineswegs unverwüstlich war. Als sein Rivale, der McLaren-Mercedes-Pilot Coulthard, eine Zeitstrafe absitzen musste, versuchte Schumacher seinen Dienstwagen zu schonen und fuhr etwas langsamer. Sensoren hätten ihm »technische Probleme signalisiert«, sagte er. »Wir müssen den Ferrari jetzt zerlegen, um rauszufinden, was los war. Manchmal ist ein Sensor kaputt, manchmal hat man auch wirklich ein Problem. Wenn man im Auto sitzt, hat man keine Chance, das zu kontrollieren.« Bei seinem Siegeszug in Montreal war die Bremsanlage neu abgestimmt worden, dadurch rutschte Schumacher bei einem Bremsmanöver ins Kiesbett: »Die Vorderräder haben ein bisschen überbremst. Wir hatten als Vorsichtsmaßnahme die Bremsbalance verstellt. Wir hatten die Balance stärker auf die Vorderräder gelegt, weil wir hinten ein Anzeichen von einem Warnsignal hatten. Dadurch überbremsen die Vorderräder sehr schnell, dann kriegt man das Auto nicht mehr zum Stehen.« Dennoch erweckte Schumacher bei seinem Auftritt den Eindruck, dass die Scuderia diesmal alle Probleme unter Kontrolle habe und sie beheben könnte, bevor sie zum Debakel würden. Das war ein Trugschluss, wie sich zwei Wochen später am 2. Juli 2000 beim Großen Preis von Frankreich in Magny-Cours zeigte. Für Schumacher war das Rennen in der 59. Runde zu Ende – Motorschaden. Aus dem Heck des roten Rennwagens stieg dicker Qualm auf. Schumacher erklärte dazu frustriert: »Technische Defekte können jedem passieren, das gehört zum Motorsport.« Aber er warnte auch die eigene Crew: Ferrari habe offenbar über die Distanz im Vergleich zu McLaren Probleme. In diesem WM-Lauf hatte der Ferrari-Fahrer aber bereits die Führung dem McLaren-Mercedes-Piloten Coulthard überlassen müssen, der die schnellsten Zeiten fuhr und nach 72 Runden auch als Erster das Ziel erreichte. Barrichello landete nach Häkkinen auf Platz 3.
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Schumacher hatte bisweilen auch ein Problem mit der Nähe: In Österreich auf dem Kurs von Zeltweg landete der Deutsche nach einer Kollision mit einem Nachwuchsfahrer, Ricardo Zonta, der in einem BAR-Honda saß, im Kiesbett. Es war offensichtlich ein Fahrfehler des Meisters, der wieder einmal »die Tür zugemacht« hatte und niemanden passieren lassen wollte. Schumacher, dem es immer schwer fällt, eigene Fehler zuzugeben, hielt sich an dem jungen Kollegen schadlos. Er machte den brasilianischen Nachwuchsfahrer für das Debakel verantwortlich: »Es ist ein bisschen dumm, wenn übermotivierte junge Kollegen so fahren. Ich habe schon spät gebremst, aber Zonta hat sich völlig überschätzt«, tadelte der Routinier seinen Gegner. »Es ist unmöglich, wenn jemand, der mit der WM absolut nichts zu tun hat, so reagiert. Darüber wird noch zu reden sein. Ich gehe aber davon aus, dass er das nicht mit Absicht getan hat. Leider könnte das jedoch eine entscheidende Rolle im Titelkampf spielen.« Doch der Beschimpfte hielt dagegen: »Ich habe mir diese Szene genau auf Video angeschaut und gesehen: Das war nicht mein Fehler, weil Schumacher von innen gekommen ist.« Die Pechsträhne der Scuderia reisst nicht ab: Bei seinem Heimspiel auf dem Hockenheimring ist für Schumacher das Rennen schon nach 500 Metern zu Ende. Der Italiener Giancarlo Fisichella im Benetton war von hinten auf Schumachers Ferrari aufgefahren und hatte ihn aufs Kiesbett katapultiert: »Abgeschossen« heisst das im Motorsport. Wieder zieht Schumacher seinen Unfallgegner zur Rechenschaft: »Die Fahrer hinter einem müssen eigentlich aufpassen, was man macht. Er kann nicht einfach im gleichen Moment rüberfahren wie ich. Er ist hinten und muss schauen. Wenn überhaupt, muss Fisichella früher einlenken.« Doch Fisichella lässt sich von dem Spitzenfahrer der Formel 1 nicht so einfach einschüchtern. Er verteidigt sich und gibt den Schwarzen Peter an Schumacher zurück: »Es war nicht mein Fehler. Ich hatte einfach keinen Platz zum Ausweichen. Er sollte damit aufhören, beim Start zickzack zu fahren, dann wäre dieser Crash vielleicht
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nicht passiert. Ein Spurwechsel ist okay, aber nicht zwei oder drei.« Schumi, der Pistenrüpel. Nachdem das Auto endlich funktionstüchtig ist, fällt nun offensichtlich der Fahrer aus. Die Crew, die hart für den Sieg gearbeitet hat, ist entsetzt, als sie den Unfall auf dem Bildschirm verfolgt. Doch Barrichello rettet die Ehre der Scuderia, indem er trotz Wolkenbruchs gegen Ende des WM-Laufs auf Trockenreifen Häkkinen überholt und seinen ersten Großen Preis gewinnt. Auch das nächste Rennen wird vergeigt. Schumacher und sein Kollege Barrichello schaffen es zwar auf dem Hungaroring in Budapest bis zur Ziellinie – allerdings erst hinter Häkkinen. Der Finne hatte nun auch die Führung im Gesamtklassement übernommen. Der Technische Direktor von Ferrari, Ross Brawn, suchte die Erklärung in der Lösung der Reifenprobleme, die McLarenMercedes offenbar besser gelungen sei. Es gehe darum, so erklärte Brawn, »über viele Runden die Haftung der Reifen vorne und hinten anzugleichen und damit eine neutrale Balance für das Auto zu finden, ohne dabei die Hinterreifen zu zerstören«. Eine entscheidende Rolle spielen aber auch die Abstimmung der Aufhängungsgeometrie, der Gewichtsverteilung und der Aerodynamik. Dass beispielsweise Häkkinen seinen McLaren zwischen dem Qualifying und dem Rennen noch steigern konnte, zeige, wie »schmal der Grat zwischen gut und katastrophal« ist. Hatte also die Scuderia, verwöhnt durch die ersten Erfolge der Saison, die Arbeit an der Optimierung des Rennwagens vernachlässigt? So deutlich mochte Brawn die Schwachstellen nicht zugeben. Diesen Teil übernahm der Grandseigneur der italienischen Automobilindustrie Gianni Agnelli. Er warf den Mitarbeitern der Scuderia unverblümt vor, »dass Schumacher schlecht startet, ist weniger seine Schuld als die von Ferrari«. Agnelli stand hinter Schumacher. Er hatte den Rennfahrer selbst engagiert und der
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Scuderia mit den Worten präsentiert: »Jetzt habt ihr den besten Piloten der Welt. Nun gibt es keine Ausreden mehr.« Nach dem Rennen in Spa-Francorchamps waren die Tifosi ebenso sprachlos wie das Management der Scuderia oder ihr Star Michael Schumacher: Nachdem der Deutsche bis zur viertletzten Runde geführt hatte, war sich Ferrari sicher, den Sieg bereits kassiert zu haben. Doch dann drehte Häkkinen plötzlich auf. In einer mutigen Attacke überholte er erst Ricardo Zonta, den er damit überrundete, und dann degradierte er den bis dahin führenden Schumacher. Häkkinens Doppelschlag löste in der düpierten Scuderia Sprachlosigkeit und in der italienischen Presse haltlose Bewunderung aus: »Die McLaren schießen wie Ufos davon, und Ferrari schaut wie betäubt zu«, kommentierte die römische Zeitung La Repubblica. »Häkkinen verhöhnt Schumi mit einem Meisterwerk. Sein Überholmanöver war für Ferrari schlimmer als eine Ohrfeige.« Nach der herben Niederlage suchte Schumacher eine Erklärung in der technischen Performance seines Fahrzeugs: »Man kann einfach sagen, dass wir zu langsam waren. Wir müssen versuchen, das Auto als ganzes Paket besser hinzubekommen. Wir müssen noch mehr arbeiten.« Dabei hatte Ferrari vor dem WM-Lauf in Spa bereits den Motor überarbeitet und die Aerodynamik optimiert. Es fiel dem Formel-1-Piloten offensichtlich schwer, zu akzeptieren, dass Häkkinen in diesem Rennen besser gefahren war als er, der offensichtlich ein Abonnement darauf zu haben glaubte, als bester Formel-1-Fahrer der Welt respektiert zu werden. Nur wenige vermochten noch daran zu glauben, dass der Trend doch noch umgekehrt werden und die Ferrari-Fahrer beim Heimspiel in Monza siegen könnten. Selbst Konzernherr Gianni Agnelli gehörte nicht dazu. Als er dem Rennteam einen Blitzbesuch in Monza abstattete, wo Schumacher und Barrichello trainierten, versuchte er die Mitarbeiter der Scuderia und die Nation bereits auf eine weitere Niederlage vorzubereiten: Nach seiner An-
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sicht habe die Scuderia nur noch eine Chance von 40 Prozent, den Großen Preis von Italien zu gewinnen, sagte der Industrielle und erklärte, dass er mit Ferrari leide. Schumacher, der einen neuen Motor in seinen Wagen bekommen hatte, versuchte verzweifelt, Optimimus zu verbreiten und Mut zu machen, seinem Team, aber auch sich selber: »Der Titel ist noch lange nicht verloren. Erst wenn es rechnerisch nicht mehr klappen kann. Und bis dahin werden wir alles geben.« Er glaubte, dass er »die WM noch umbiegen kann«. Ferrari-Chef di Montezemolo versuchte ebenfalls den zu erwartenden Schaden einer erneute Niederlage beim Kampf um die Fahrerweltmeisterschaft schon im Vorfeld zu begrenzen und äußerte Zweifel an dem von Schumacher angekündigten Comeback. Vor allem aber rügte er die negative Darstellung der Formel-1-Performance der Scuderia. »Wenn man die Presse liest, könnte man denken, wir lägen auf dem 30. Platz.« Er bat die lokalen Medien um ausgewogene Berichterstattung, die die ungeheuren Anstrengungen der Scuderia angemessen würdige. Wenige Tage später, am 10. September, konnte Italien, konnten die Bürger von Maranello und Hunderttausende von Tifosi in aller Welt aufatmen: Schumacher hatte es geschafft – er hatte in Monza den Gran Premio d’Italia gewonnen. Es war ein Rennen, das von einem schweren Unfall überschattet wurde. Heinz-Harald Frentzen kollidierte mit Barrichello, beide wurden von der Piste katapultiert und rasten in einen Streckenposten. Der Feuerwehrmann erlag wenig später seinen schweren Verletzungen. Schumacher und Häkkinen, die an der Spitze ihren Zweikampf ausfochten, erfuhren von dem Unglück erst nach dem Ende der Veranstaltung. Schumacher gelang es, vom Start weg die Führung zu übernehmen, und Häkkinen, der wegen schlechter Abstimmung von Fahrwerk, Reifen und Aerodynamik Mühe hatte, seinen Wagen in der Balance zu halten, hatte keine Chance, an seinem Rivalen vorbeizuziehen. Dieses Rennen brachte die Wende für die Scuderia, aber weni-
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ger wegen des Sieges, den Schumacher souverän erzielt hatte, sondern wegen des Nervenzusammenbruchs, den der kühle Deutsche während der Pressekonferenz erlitt. Minutenlang sah die Welt einen hemmungslos weinenden Schumacher. Es war zu viel zusammengekommen, der immense Druck, in Monza gewinnen zu müssen, der ständige Vergleich mit seinem Idol Senna, dessen Rennrekord er mit seinem 41. Grand-Prix-Sieg eingestellt hatte, und dann noch der Tod des Streckenpostens und der Jubel von mehr als 20 000 Tifosi, die nach dem Rennen auf die Piste stürmten und Schumacher, ihren neuen Helden, berühren wollten. Als der »Rennroboter«, wie Schumacher wegen seiner Coolness und zur Schau getragenen Souveränität immer genannt wurde, jetzt auch noch die Fragen der Journalisten beantworten sollte, die ihn noch zwei Wochen zuvor mit Häme und Boshaftigkeit als Versager kritisiert hatten, verlor er die Fassung. »Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen«, bekannte er später. Der Schock, der die Journalisten beim Anblick des schluchzenden Rennfahrers befallen hatte, schlug sich am nächsten Tag in der Presse nieder. Nicht die schnellste Rundenzeit, die Boxenstoppstrategie oder die Bewältigung des Schrottfeldes, das Frentzens folgender Auffahrunfall hinterlassen hatte, waren das Thema des Tages, sondern »Schumis« Tränen. Der Corriere dello Sport titelte: »Triumph und Tränen« und erklärte seinen Lesern den neuen Schumacher, der »in Monza zum Menschen geworden ist. […] Seit gestern ist er nicht mehr derselbe.« Die Gazzetta dello Sport kommentierte: » Am Lenkrad ist er wie ein Roboter, aber als er überraschend in Tränen ausbrach, sah man seine Leidenschaft und seine Emotionen.« In den Chor der neuen Fangemeinde stimmte der Corriere della Sera ein: »Mit seinen Tränen nimmt der Computerpilot Michael ein Bad in der Menschlichkeit. Auch im Leben von Supermännern gibt es Momente, in denen sie wieder menschlich werden.« Zur Reflexion blieb freilich wenig Zeit, »Schumi« lag in der Weltrangliste noch immer zwei Punkte hinter Häkkinen. Und
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der Zirkus hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt zur nächsten Station des Spielplanes: Nach neun Jahren Pause wurde in Indianapolis in den USA wieder ein Formel-1-Lauf ausgetragen. Beim Qualifying fährt Michael Schumacher auf die Pole Position. Doch als das Rennen beginnt, regnet es. Die Formel-1-Wagen starten entsprechend mit Regenreifen. Noch in der Startphase schiebt sich McLaren-Mercedes-Pilot David Coulthard vor den Ferrari-Mann, verfolgt wird das Duo von Mika Häkkinen. Als das Wetter wechselt und die Sonne die Asphaltstrecke trocknet, beginnen die Teams ihre Boliden auf Trockenpneus umzurüsten. Als Erster fährt Barrichello zum Reifenwechsel in die Box. Schumacher bleibt Coulthard auf den Fersen und nutzt in der achten Runde eine Gelegenheit, an dem McLaren-Mercedes vorbeizuziehen. Ein riskantes Manöver, denn der Überholvorgang findet in einer Kurve statt und Coulthard lässt sich weit nach außen treiben, um dem Ferrari die Passage zu versperren. Der lässt sich aber nicht aufhalten und riskiert sogar die Berührung der beiden Wagen an den Rädern. Schumacher fährt in der Spitzenposition weiter und hält erst in der 16. Runde an der Box, um seine Pneus auszuwechseln. Der Stopp ist perfekt organisiert, alle Reifen liegen bereit, die Mechaniker arbeiten in Rekordzeit. Nach nur sieben Sekunden fährt Schumacher wieder auf die Piste. Coulthard muss für seine Blockade eine Zeitstrafe von zehn Sekunden absitzen und kann sich danach erst auf dem 13. Platz wieder ins Feld einreihen. Häkkinen jagt hinter Schumacher her, bis in der 26. Runde sein Motor ausfällt. Barrichello schiebt sich auf die zweite Position hinter seinem Teamkollegen vor. Fünf Runden vor Schluss sorgt Schumacher noch für Entsetzen in der Ferrari-Box. Ohne ersichtlichen Grund kommt er mit seinem Boliden von der Piste ab und dreht sich auf dem Randstreifen. Dann fährt er weiter, als ob nichts geschehen sei. Die Renncrew hält den Atem an. Über Funk meldet sich ihr Topfahrer: »Keine Angst, ich bin jetzt wach.« Er hat neun Sekun-
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den durch den Dreher eingebüßt – und gewinnt dennoch souverän den Großen Preis von Amerika. Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Siegerehrung schildert er den Vorfall launig: »Um ehrlich zu sein, zu diesem Zeitpunkt bin ich fast ein wenig spazieren gefahren und habe die Konzentration verloren. Ich kam aufs Gras und drehte mich. Ich hoffe, dass ich damit nicht die Herzinfarkt-Rate in meinem Team erhöht habe. Aber ich hatte den Fans ja auch eine gute Show versprochen. Ich hoffe, das war gut genug.« Nach dieser gelungenen Vorstellung war er der Siegertrophäe wieder ein gutes Stück näher gekommen. Häkkinen lag in der Gesamtwertung acht Punkte hinter ihm, und es waren nur noch zwei Rennen zu absolvieren. Das war Anlass für einige Rechenspielchen, wie Schumacher den begehrten Titel erobern könnte. Rein rechnerisch hätten ihm zwei zweite Plätze gereicht. Aber auch ein Sieg und ein Ausfall hätten ihm noch die Weltmeisterschaft beschert, denn bei Punktgleichstand hätte die Zahl der gewonnenen Rennen den Ausschlag gegeben, und da führte Schumacher mit sieben Siegen vor Häkkinen, der nur vier WM-Läufe gewonnen hatte. Es könnte natürlich auch ganz anders kommen … Deshalb wollte Schumacher auch keine Euphorie aufkommen lassen – weder bei seinem Team noch bei den Tifosi und erst recht nicht bei sich selbst. Jean Todt unterstützte Schumacher in seinem Bemühen, nicht in verfrühten Siegestaumel zu verfallen. Der Mann, der vor Aufregung immer an seinen Fingernägeln reißt, trug schon seit Wochen weiße Tesaband-Pflaster an seinen Fingerspitzen. Der Druck, der auf dem Team lag, war mit den Händen zu greifen. Niemand wollte noch einmal einen Patzer machen, noch einmal etwas übersehen oder vergessen; das Auto musste durchhalten, technische Defekte durfte es nicht mehr geben.
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Die Früchte der Teamarbeit In dieser Stimmung kam Ferrari in Japan an. Am 8. Oktober beim Großen Preis von Japan waren in der Tat alle Fähigkeiten des Rennteams gefordert. Schumacher begann den Lauf von der Pole Position aus, wurde jedoch noch beim Start von seinem Rivalen Häkkinen überholt. Die beiden Spitzenfahrer setzten sich schnell vom übrigen Feld ab. Häkkinen konnte seinen Vorsprung nach dem ersten Boxenstopp sogar auf drei Sekunden ausbauen. Dann jedoch begann es zu regnen, Häkkinen fuhr in der 38. Runde zum Reifenwechseln und Tanken an die McLaren-Box. Ferraris Technischer Direktor Brawn entschied hingegen, Schumacher noch zwei Runden länger auf der Piste zu lassen. Als er dann in die Box kam, legten die Roten einen Service in Rekordzeit hin. Innerhalb von nur sechs Sekunden war der Bolide aufgetankt und auf Regenreifen umgerüstet – McLaren hatte 8,4 Sekunden für denselben Service an Häkkinens Wagen gebraucht. Über Funk wurde Schumacher von seinem Rennstrategen über die Lage der Konkurrenz informiert: »Als ich aus der Box fuhr, sagte Ross Brawn über Funk, es sieht gut aus, es sieht gut aus. Ich habe damit gerechnet, dass er dann sagt, es sieht nicht mehr gut aus. Plötzlich hörte ich aber von ihm, es sieht sehr gut aus. Das war einer der größten Momente meiner Karriere.« Als Schumacher auf die Piste zurückkam, konnte er sich selbst von der neuen Lage überzeugen: Er konnte den McLaren des Finnen im Rückspiegel erkennen. Von da an musste der Kerpener nur noch Gas geben und dafür sorgen, dass sein Rivale nicht mehr an ihm vorbeikam. Als er die Ziellinie passierte, kannte der Jubel keine Grenzen. Sie hatten es geschafft: Nach 21 Jahren war endlich wieder ein Ferrari-Pilot Weltmeister geworden. Schumacher vergoss Freudentränen. Er war der erste Deutsche, der den Weltmeistertitel für Ferrari errungen hatte. Sein Teamdirektor, der sonst so kühle Todt, küsste ihn auf den Helm: »Dies ist ein wunderschöner Moment«, sagte Todt. Es war der größte
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Michael Schumacher im F2000 beim Großen Preis von San Marino in Imola. Mit diesem Fahrzeug wurde Ferrari nach 21 Jahren wieder Weltmeister.
Erfolg nicht nur seiner siebenjährigen Ferrari-Ära, sondern seiner Motorsportkarriere überhaupt. »Ich bin glücklich und fühle mich geehrt, mit einem so fantastischen Team und einem so außergewöhnlichen Fahrer wie Michael zusammenzuarbeiten.« Der revanchierte sich mit einer für ihn ungewöhnlich emotionalen Erklärung: »Der Formel 1 wird nachgesagt, dass dort nur egomanische Menschen eine Chance haben. In meinem Fall stimmt das sicher nicht. Ich suche den Spaß mit anderen. Ich bin kein Einzelgänger, ich bin ein Mannschaftsspieler. Das ist auch bei Ferrari ganz wichtig, im Team etwa über die richtige Boxenstopptaktik nachzudenken. Wenn unser Technik-Chef Ross Brawn wie in Suzuka eine geniale Strategie austüftelt und das Team sie zu hundert Prozent umsetzt, kann ich mich darüber tierisch begeistern.« In Maranello platzte die Siegesnachricht – durch die Zeitverschiebung – genau in die heilige Messe, die in der kleinen Stadt jeden Sonntag um 10 Uhr zelebriert wird. Ein kleiner Junge rannte den Kirchengang zum Altar hoch, um den Pfarrer von dem freudigen Ereignis zu unterrichten. Der Gottesmann wusste, was
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sich in Ferrari-Town gehört, und änderte sofort sein Programm. Er beeilte sich, die Eucharistiefeier schnell zu vollenden. Unter dem Klang der Kirchenglocken verkündete er seiner Gemeinde die frohe Botschaft und gab damit den Startschuss für ein rauschendes Fest. Ein Auto-Corso mit ohrenbetäubendem Hupkonzert zog durch die Straßen, die Stadt ertrank in einem roten Fahnenmeer. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Nie fühlten sie sich ihrem Helden »Michele« so nahe, waren ihm so dankbar. Auch wenn für die Menschen in der Kleinstadt eigentlich nur die Autos zählen, nur die roten Boliden als Gottheiten verehrt werden, in solchen Augenblicken höchsten kollektiven Glücks und Stolzes bekommt auch der Pilot etwas von der überschäumenden Freude und Dankbarkeit ab. Es war der Augenblick, in dem viele Ferraristi ihren Frieden machten – mit der Tatsache, dass die Ferrari-Renncrew keine italienische Veranstaltung mehr ist, sondern ein globales Unternehmen, dass seine Mannschaft nach Kompetenz und nicht nach Nationalität ausgesucht hat. Es spielte nun auch keine Rolle mehr, dass ein »Tedesco« und ein Brasilianer in den Cockpits der roten Boliden saßen, dass sie einem Team angehörten, das unter dem Kommando eines Franzosen stand, dass Technik und Design, eigentlich typische Domänen der Italiener, in den Händen eines Briten und eines Südafrikaners lagen. Nur für die Konstruktion der Motoren und die Abstimmung der hochsensiblen Wunderkisten waren immer noch Italiener verantwortlich – und über allem wachte natürlich der Präsident der Veranstaltung Luca di Montezemolo, der dafür gesorgt hatte, dass die Männer genügend Zeit und Geld hatten, um sich zu einem Team zusammenraufen zu können. Die Globalisierung der Formel-1-Division hatte in den Jahren des Misserfolges durchaus auch Naserümpfen über die Fremden ausgelöst, die in die heiligen Stätten des geliebten Cavaliere eingefallen waren und doch nichts ausrichten konnten. Auch dass die offizielle Unternehmenssprache nun englisch war, war zunächst als skandalöser Bruch mit den Traditionen empfunden worden.
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Dabei war es nur eine pragmatische Entscheidung, um die interne Kommunikation zu erleichtern, denn nicht einmal der Star der Scuderia hatte in all den Jahren, die er in Maranello verbracht hatte, so viel Italienisch gelernt, dass er sich mit seinen Mitarbeitern und Mitbürgern hätte verständigen können. Bei der immer wieder in den Zeiten des Misserfolgs aufflammenden Globalisierungskritik in Maranello wurde allerdings geflissentlich übersehen, dass die tollkühnen Männer, die sich noch zu Zeiten Enzo Ferraris in die roten Kisten der Scuderia gesetzt hatten, um auf den Asphaltpisten Kopf und Kragen zu riskieren, vom Anfang des Motorsports an ein buntes Völkchen von Söldnern aus aller Herren Länder gewesen waren, die wegen ihres Mutes und ihres Engagements, aber nicht wegen ihres Passes rekrutiert worden waren. Ferrari-Boss di Montezemolo hatte nur mehr Funk tionen internationalisiert – und das, wie sich zeigte, mit Erfolg. Das sahen, nachdem nun der entscheidende Sieg errungen und Ferrari mit Hilfe der Fremden endlich den so heiß ersehnten Titel errungen hatte, auch eingefleischte Maraneller ein. Und so wurde die internationale Truppe endlich aufgenommen, nicht nur in die Gemeinde der Hüter des heiligen Grals, sondern auch in die Herzen der Menschen, die ihr Leben mit dem Autowerk verbunden hatten. Und das trifft in Maranello auf fast jede Familie zu. Zwei Wochen später kassierten die Roten beim Großen Preis von Malaysia in Sepang auch noch die Konstrukteursweltmeisterschaft. Sieben Jahre hatten sie gebraucht, sieben Jahre hatte die Ferrari-Führung ihnen Zeit gegeben zu wachsen und zu siegen. Im entscheidenden Augenblick hatten sie alle wichtigen Faktoren richtig eingestellt. Schumacher hatte selbst auf die Frage, ob er in diesen Rennen des Jahres 2000, in denen es um alles ging, Angst vor einer technischen Panne habe, geantwortet: »In der Schlussphase eines Rennens fängt man an, mit seinem Auto zu reden, versucht ihm irgendwie zu verstehen zu geben, dass es bis zum Ende durchhalten soll.«
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Das klang skurril, barg aber wohl mehr als nur einen Funken Wahrheit in sich. Tatsächlich hängen Sieg und Niederlage in der Königsklasse des Motorsports, wie sich gerade in jener Saison gezeigt hatte, von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab, dass es an ein Wunder grenzt, wenn die Boliden und ihre Fahrer einigermaßen sicher und zuverlässig über die Runden und ins Ziel kommen. Verglichen mit den High-Tech-Produkten anderer Industrien, lässt sich die Performance der Formel-1-Fahrzeuge am ehesten mit der Zuverlässigkeit von PCs und Software aus den Pioniertagen des Computerzeitalters vergleichen. Auch damals war es fast ein magischer Moment, wenn die Betriebssysteme nicht im entscheidenden Augenblick abstürzten und alle Daten in ein Schwarzes Loch gesogen wurden.
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Die Wiederholungstäter
Noch bevor die Entscheidung über den Konstrukteurstitel gefallen war, hatte Ferrari-Boss Luca Cordero di Montezemolo bereits die Losung für das folgende Jahr ausgegeben. Bei einem Pressedinner anlässlich des Autosalons in Paris sagte er, dass er zuversichtlich sei, dass Ferrari diesen Erfolg auch im nächsten Jahr wiederholen könne. Das war mehr als nur der Pep-Talk eines Firmenchefs, der seine Mitarbeiter davor warnen wollte, sich nicht nach einem erfolgreichen Abschluss in die Hängematte zu legen. Es war wohl auch die Einsicht, dass er mit seinem Team eine ganz besondere Mannschaft zusammengestellt hatte, die in Unternehmen seltenen Korpsgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt hatte. Wenn ein Fallbeispiel für ein Motivationslehrbuch gesucht wird, böte sich die Scuderia sicher dafür an. Alle Faktoren für eine erfolgreiche Unternehmensführung hatte die Scuderia integriert. Das fing schon mit der Vorgabe eines klaren Ziels an, mit dem sich alle identifizieren können: die nächste Weltmeisterschaft in der Formel 1 zu gewinnen. Daraus konnte jeder Bereichsleiter die für ihn wichtigen Etappenziele ableiten. Er musste mit seinen Leuten den leistungsstärksten und zuverlässigsten Motor entwickeln, die leichteste, aber stabilste und aerodynamisch opimale Karosserie bauen, die besten Strategien für die Rennen entwickeln, die Mechaniker im Werk und an der Strecke auf Präzision und Tempo drillen; und die Rennfahrer mussten darauf achten, dass sie sich körperlich fit hielten, um den physischen Belastungen gewachsen
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zu sein, für die mentale Konzentration war ein geordnetes Familienleben und ein solider Lebenswandel ebenso entscheidend wie die Bereitschaft, die Entwicklung durch unermüdliche Testfahrten zu unterstützen. Jean Todt, der Chef des Rennteams, den seine Kollegen intern den »Napoleon« nennen, hatte in einem Interview mit dem Spiegel die wesentlichen Züge seines Führungsstils erklärt und seine Kooperation mit dem Weltmeister Schumacher beschrieben: »Wir arbeiten fantastisch zusammen und pflegen eine für dieses Metier ungewöhnliche Freundschaft. Aber er ist ein rational denkender Mensch. Er weiß, was ich leiste, und er weiß, was die anderen leisten. Ich kann kein Problem mit dem Motor lösen, dafür gibt es unsere Ingenieure. Ich habe nur eine Organisationsstruktur geschaffen, die funktioniert. Insofern bin ich für Michael wie eine Garantie, dass die Dinge nicht aus der Bahn laufen.« Um die oft komplexen Abläufe in der Mannschaft, die zu einem großen Teil aus hochkarätigen Experten besteht, zu vereinfachen, hat Todt eine geradezu pedantische, »preußische« Organisation eingeführt, die bereits mit kleinen, für viele banalen Dingen beginnt. So ist Todt davon überzeugt, dass »man nicht in einem schmutzigen oder unaufgeräumten Büro« arbeiten kann. Der Ästhet, der in Paris ein geräumiges Appartement mit spärlicher Möblierung sein Zuhause nennt, ist auch in seinem Job ein Sauberkeitsfreak: »Ich hasse Zigarettenstummel auf dem Fußboden.« Disziplin und Ordnung erwartet er auch von seinen Mitarbeitern: »Als ich antrat, habe ich den Leuten erklärt, dass an einem Grand-Prix-Wochenende nicht nur das Auto in bestmöglicher Verfassung sein muss, sondern auch die Mechaniker. Das bedeutet: kein Alkohol, sauberes Hemd, frische Rasur. Bei den Dreitagebärten habe ich Konzessionen machen müssen. Ich habe eingesehen, dass die italienische Mentalität eine besondere ist und es wichtigere Dinge gibt, für die man seine Prinzipien aufrechterhalten muss, als das tägliche Rasieren.«
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Für manchen Mitarbeiter im Werk waren Todts Prinzipien sicher ein herber Eingriff in seine persönliche Freiheit. Hinzu kam, dass auch Schumacher – wie einst Niki Lauda – seine Arbeit als Rennfahrer nicht als saisonale Wochenendbeschäftigung begriff, die am Freitag mit einigen Trainingsfahrten begann und am Sonntag nach dem Rennen aufhörte. Der Deutsche testete seine Rennwagen mehr und länger als die meisten früheren Ferrari-Piloten. Oft ließ er sich sogar Scheinwerfer auf die Boliden bauen, um noch am Abend weitermachen zu können. Dieses totale Engagement hat dem Spitzenfahrer bei der Belegschaft großen Respekt verschafft. Im Umgang mit den Mitarbeitern, sagt Todt, sei der Formel-1-Fahrer, der in der Öffentlichkeit als ein kühler, introvertierter Mensch auftritt, der selten lächelt, offen, bestimmt und immer freundlich, er diskutiere mit ihnen, verliere aber nie die Fassung, sondern nehme sie ernst und gehe auch mit ihnen essen. »Wenn er mit den Mechanikern zusammen ist, spürt jeder, dass er gern dabei ist.« Doch auch der beste Fahrer, so sieht es Todt, ist nur so gut wie seine Mannschaft: »Wenn das Team ihn eine Runde zu früh oder zu spät zum Boxenstopp ruft, kann das über Sieg oder Niederlage entscheiden, da mag er Gas geben, wie er will. Die Formel 1 ist ein Teamsport.« Das drückt sich nach Ansicht von Todt auch darin aus, dass es, selbst wenn es nicht so gut lief, Pannen auftraten, die Ferrari-Crew wieder einmal am Sieg vorbeifuhr, »nie einen Vorwurf gegeben [hat]. Wir haben gemeinsam viel durchgemacht, das schweißt zusammen.« Seine eigene Rolle wechsle zwischen Arzt und Feuerwehrmann, doch vor allem sei er »der General Manager, der die richtigen Leute auswählen, überzeugen und einsetzen muss«. Er sei dafür verantwortlich, dass das richtige Klima herrsche, »damit sie ihren Job gut machen können. Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, müssen die Mitarbeiter glücklich sein. Wenn sie von frühmorgens bis in die Nacht arbeiten sollen, dann muss die Atmosphäre angenehm sein.« Im Umgang mit seinen Mitarbeitern lege er Wert
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auf »Höflichkeit und Respekt. Ich bin hier für 600 Mitarbeiter verantwortlich. Ich habe nicht jeden Namen im Kopf, aber ich kenne jedes Gesicht. Denn alle sind durch mein Büro gegangen. Jeder Neue kommt zu mir: vor der Vertragsunterzeichnung und in der ersten Arbeitswoche. Alle wichtigen Entscheidungen werden durch mich verkündet. Keiner soll glauben, dass ich von manchen Dingen nichts weiß.« Er selbst schont sich nicht. Er ist kein jetsettender Businessman, der seine Zeit vor allem im Flugzeug verbringt und von einem Termin zum nächsten jagt, Todt verbringt »verdammt viele Stunden« in seinem Büro, oft sitzt er dort bis Mitternacht. Und nicht selten besteht sein Lunch aus einem Marmeladenbrot und einer Tasse Tee: »Ich gebe mich meinem Job hin, ich glaube an das, was wir tun.« Mehr erwartet er auch von seinen Mitarbeitern nicht. Aber auch kein Jota weniger. Dass diese Hingabe auch von Schumacher gefordert wird, musste ihm niemand sagen. Denn auch er lebt nur für die Formel 1 – und dann auch für seine Familie. Die Frage nach den Hobbys bleibt er meistens schuldig. Diese Kombination aus Leidenschaft, Disziplin und Willensstärke war es, die Ferrari an die Spitze getragen hat. Der profane Dreiklang hat auch in den kommenden Saisons seine Wirkung nicht verfehlt.
Trümmer, Schlachten, Siege Ins Jahr 2001 startete Schumacher mit einem spektakulären Auftakt. Im Training vor dem Großen Preis von Australien in Melbourne kam der Ferrari-Pilot mit den Hinterreifen von der Strecke ab und überschlug sich – zum ersten Mal in seiner Karriere, wie er auf einer Pressekonferenz vor Ort erklärte. Doch der Unfallhergang war dem Formel-1-Fahrer, der unverletzt seinem zerbeulten Rennfahrzeug entstiegen war, weniger wichtig als die Tatsache,
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dass er und sein Fahrerkollege Barrichello drei Sekunden schneller waren als im Jahr zuvor. Das Rennen in Melbourne kassierte der Deutsche souverän. Auch in Malaysia ließ der Titelverteidiger nichts anbrennen. Durch das Wasserbad von Sepang fuhr er so souverän, dass mancher Rivale es nicht glauben mochte, dass Ferrari diese Überlegenheit nur den neuen Reifen verdankte. Während andere Rennställe ihre Fahrzeuge mit Regen- oder Trockenpneus auf die Piste schickten, ließ Ross Brawn bei Schumachers Boliden Intermediates montieren. Diese Reifen gelten als Mittelding zwischen Regen- und Trockenpneus. Schumacher erklärte dazu, dass Tests in der vergangenen Saison gezeigt hätten, dass diese Reifensorte bei Bedingungen wie in Sepang das Auto um mehrere Sekunden schneller machten. Obendrein hatte Technik-Chef Ross Brawn dem modifizierten Ferrari des vergangenen Jahres für die Strecke einen Doppeldeckerflügel verpasst. Für die Strecke in São Paulo, wo der dritte Formel-1-Lauf des Jahres 2001 ausgetragen wurde, hatte der Cheftechniker, der in der Branche auch das »Superhirn« genannt wird, einen überarbeiteten Frontflügel entwickelt, der in die Fahrzeuge von Schumacher und Barrichello eingebaut wurde. Die Veränderungen wurden von Experten mit großem Interesse beobachtet: Sie könnten die Boliden bis zu drei Sekunden schneller machen. In der Aerodynamik, die lange Jahre Ferraris große Schwachstelle gewesen war und ihnen viele Niederlagen eingebracht hatte, galt die Scuderia plötzlich als Frontrunner, sogar McLaren-Mercedes, die einst im Ruf standen, auf diesem Gebiet die Perfektionisten zu sein, hatten offenkundig den Anschluss verloren. Dennoch gab auch in diesem Jubeljahr die eine oder andere Panne. In Brasilien fuhr der McLaren-Mercedes-Fahrer David Coulthard an dem Titelverteidiger vorbei auf den ersten Platz, weil Schumacher bei regennasser Fahrbahn zweimal ausrutschte und über die Piste schleuderte. Ferrari hatte – wie sich später herausstellte – »die Abstimmung verpatzt«.
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Ein ähnliches Drama wiederholte sich in Imola im vierten WM-Lauf. Auch hier gelang es Coulthard, den Sieg einzufahren, diesmal war am Ferrari-Flitzer von Schumacher die Aufhängung am linken Vorderrad gebrochen. Dadurch war der Vorsprung des Titelverteidigers in der WM-Wertung dahingeschmolzen, er und Coulthard hatten nun beide 26 Punkte. In Österreich am 13. Mai stand wieder der Schotte vor ihm auf dem Siegertreppchen, und Barrichello musste per Stallorder den Teamkollegen vorbeiziehen lassen und selbst auf den zweiten Platz verzichten. Am 17. Juli bei Testfahrten in Monza überlebte der Ferrari-Star seinen bislang schwersten Unfall – seit dem Crash in Silverstone 1999: Mit einer Geschwindigkeit von 310 Stundenkilometern fuhr Schumacher ungebremst in eine besonders enge Kurve hinein, verlor die Gewalt über das Fahrzeug, schleuderte über die Piste an einer Leitplanke entlang und landete in einem Reifenstapel. Die Wucht des Aufpralls hatte beide Vorderräder samt Aufhängung zerrissen. Der Bolide war Schrott. Doch Schumacher war glücklicherweise nichts passiert. »Leider sind das die unvorhersehbaren Dinge, die in diesem Job passieren können«, bedauerte FerrariPräsident Luca di Montezemolo bei einem Pressegespräch den Vorfall. Schumacher nahm sich einige Tage frei, fuhr nach Hause zur Familie und begann am 20. Juli wieder mit dem Training. Am 29. Juli stand er wieder am Hockenheimring am Start. Dort löste er selbst unabsichtlich einen weiteren Unfall aus. Beim Start kam sein Ferrari nicht vom Fleck. Dadurch raste ein anderer Fahrer, der Brasilianer Luciano Burti, auf den liegen gebliebenen Boliden. Burti wurde von der Piste katapultiert und überschlug sich mehrfach, blieb jedoch unverletzt. Zwei Wochen später, am 20. August, konnte der Pfarrer in Maranello wieder die Kirchenglocken läuten: Ferrari hatte in Budapest auf dem Hungaroring bereits den Weltmeistertitel gewonnen – vier Rennen vor Saisonende, so früh wie nie zuvor. Wenige Tage nach dem glanzvollen Triumph krachte es wieder. Auf der Teststrecke in Mugello löste sich bei einem Tempo
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von 310 Stundenkilometern der Heckflügel von Schumachers Ferrari, er verlor die Kontrolle über das schlingernde Fahrzeug und raste mit einer Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern in einen Reifenstapel. Er stieg unverletzt aus einem zertrümmerten Schrotthaufen, die Sicherheitszelle hatte ihm das Leben gerettet. Als er zu dem Unfall in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Stellung nimmt, klingt es schon wieder abgeklärt: »Es wird immer ein Restrisiko geben. Aber jeder Mensch, der in ein Flugzeug steigt, weiß doch auch, dass er mal abstürzen kann. Und trotzdem nimmt er den Flieger. Aber ich danke Gott jedes Mal, wenn ich es heil überstanden habe.« Auf weitere Testfahrten verzichtet er bis zum Grand Prix in Spa-Francorchamps, seiner Lieblingsstrecke. Dort siegt er wieder. Und auch das Finale in Suzuka kassiert er souverän. Damit hat er von den 17 Rennen der Saison neun gewonnen. Nur bei drei Siegerehrungen hat er nicht wenigstens auf dem Podest gestanden. Tatsächlich waren Schumacher und der Scuderia die Titel in dieser Saison nicht zu nehmen. Der Kerpener war allen davongefahren. »Er ist der kompletteste Rennfahrer der Gegenwart«, lobte die DTM-Motorsportlerin Ellen Lohr im Spiegel. »Dass das ganze Ferrari-Team wie ein Anzug um den vierfachen Weltmeister herum geschneidert ist und ihm zudem das eine oder andere Mal das nötige Glück zur Seite stand, macht es für die anderen nahezu unmöglich, ihn zu schlagen.« Die Saison 2002 bot Schumacher die Chance, mit dem Rekordhalter von WM-Titeln, Juan Manuel Fangio, gleichzuziehen, der fünfmal die Formel-1-Weltmeisterschaft gewonnen hatte, davon allerdings viermal in Folge. Im Formel-1-Zirkus hatte Ferrari mit dem Starpiloten Schumacher bereits zu Beginn des Jahres eine uneinnehmbare Spitzenposition erarbeitet. Selbst der Rivale McLaren-Mercedes, der selbst zweimal mit Mika Häkkinen den Weltmeistertitel errungen hatte, aber auch BMW-Williams hatten den Kampf um die Meisterschaft bereits aufgegeben: »Platz zwei ist ganz klar unser Ziel. Aber das
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wird ein hartes Stück Arbeit«, sagte der BMW-Sportdirektor Gerhard Berger. »Ferrari ist für mich weiter ganz klar die Nummer eins. Sie zu schlagen wird ganz, ganz schwer.« Am Anfang sah es allerdings so aus, als ob Ferrari sich wieder einmal selbst besiegen wollte. Bei den Testfahrten in Spanien vor dem ersten Grand-Prix-Lauf der Saison, der traditionell in Melbourne in Australien ausgetragen wird, verunglückten beide Piloten am selben Tag. Zuerst erwischte es Schumacher, der mit einer Geschwindigkeit von 225 Stundenkilometern in einer Kurve plötzlich die Kontrolle über seinen Wagen verlor und rückwärts in einen Reifenstapel geschleudert wurde. Der Aufprall mit dem Heck war so heftig, dass beide Hinterräder aus der Aufhängung gerissen wurden. Wieder hatte Schumacher Glück und konnte sich unverletzt aus dem Wrack befreien. Seinen Teamkollegen Barrichello ereilte wenig später das gleiche Schicksal: In einer Kurve geriet sein Ferrari außer Kontrolle, schleuderte über die Piste und landete in den Reifenstapeln. Auch sein Bolide war danach ein Schrotthaufen. Die Trümmerautos wurden sofort nach Maranello abtransportiert. Die Ursache für die Unfälle war zunächst unklar, später ließ Ferrari bekannt geben, dass es sich um Fahrfehler gehandelt hätte. Beide Piloten hatten ihre modifizierten Vorjahresmodelle getestet, mit denen sie auch in Melbourne zum Saisonauftakt antreten sollten. Nach diesem spektakulären Start ins neue Rennjahr verlief der Rest des Jahres für Schumacher außerordentlich erfolgreich. Für Unruhe sorgte allerdings sein Teamkollege Barrichello, der seiner Rolle als Helfer und Wasserträger des großen Meisters allmählich überdrüssig wurde und selbst um den Titel fahren wollte. In Melbourne verursachte der ambitionierte Brasilianer einen schweren Crash unmittelbar nach dem Start. Barrichello, der die Pole Position innehatte, begann mit einer hektischen ZickzackFahrt, um Fahrer aus den hinteren Startpositionen am Vorbeifahren zu hindern. Ralf Schumacher, der in seinem BMW-Williams
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Von links: Rubens Barrichello, Luca di Montezemolo, Jean Todt und Michael Schumacher bei der Vorstellung des F2002.
vorbeiziehen wollte, fuhr auf Barrichellos Ferrari auf, durch den Aufprall wurde der BMW-Bolide drei Meter durch die Luft geschleudert, landete aber auf allen vier Rädern in der Auslaufzone. Der »kleine Schumacher« blieb unverletzt. Hinter den beiden Kontrahenten krachte es jedoch weiter. Insgesamt waren acht Autos in den Massencrash verwickelt und konnten das Auftaktrennen anschließend von der Tribüne aus verfolgen. Michael Schumacher konnte der Massenkarambolage durch blitzschnelles Ausweichen auf den Grünstreifen entkommen und lieferte sich mit seinem Erzrivalen David Coulthard im McLaren-Mercedes und Juan Pablo Montoya im zweiten BMW-Williams ein spannendes Rennen. Nachdem Coulthard, der zunächst führte, von der Fahrbahn gerutscht war, übernahm Schumacher die Führung und wurde kurze Zeit später von Montoya überholt. Fünf Runden später gelang es wiederum Schumacher, sich an die Spitze zu setzen, die er bis ins Ziel behielt. Nach dem Rennen rügte der Sieger zunächst seinen Teamkollegen Barrichello: »Wenn Rubens vorne liegt, trägt er Scheuklap-
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pen. Ich habe versucht, ihn zu überholen. Er hat mich geblockt und dann gebremst.« Schumacher forderte die Verantwortlichen des Verbandes auf, gegen »die Richtungswechsel, die in keiner Weise regelkonform sind«, etwas zu unternehmen. »Er darf nur einmal die Linie wechseln.« Im Übrigen war der Ferrari-Pilot mit dem Auftakt ganz zufrieden. »Das war ein perfekter Saisonstart, den wir uns nicht ganz so erträumt hatten. Ich gehe mal davon aus, dass wir in diesem Jahr noch viel Spaß haben werden.« In Malaysia kollidiert Michael Schumacher mit Montoya, der in der ersten Kurve versucht, den Ferrari-Fahrer abzublocken. Das lässt sich Schumacher aber nicht gefallen. Er hält dagegen – » … also hat es gerappelt«, erklärt er später. Danach hat er immerhin noch den dritten Platz geschafft. Gewonnen hat sein Bruder Ralf. Das ist auch schon Schumachers schlechtestes Ergebnis in den 17 Rennen des Jahres. In São Paulo am 31. März stehen wieder beide Schumachers auf dem Podest, den Großen Preis von Brasilien kassierte der ältere. Den zweiten Platz belegt David Coulthard im McLarenMercedes. Danach räumt Michael Schumacher gnadenlos ab: den Großen Preis von San Marino in Imola, von Spanien in Barcelona, von Österreich. In Monaco reicht es nur für den zweiten Platz. In Magny-Cours beim Großen Preis von Frankreich am 21. Juli ist ihm die Weltmeisterschaft bereits sicher – in Rekordzeit. Noch nie vorher war der Titelkampf in der Königsklasse so früh entschieden – im elften Lauf der Saison, sechs Rennen vor dem offiziellen Ende. Es war eine beispiellose Serie – ein Rekordjahr ohnegleichen. Ferrari hat die Doppelweltmeisterschaft errungen, denn natürlich holt Barrichello den Vizetitel. Konstrukteurschampion des Jahres 2002 war die Scuderia bereits in Budapest am 18. August geworden – in Zahlen ausgedrückt: Michael Schumacher hatte 144 Punkte errungen und steigerte seine persönliche Bestmarke um 21 Zähler, Barrichello hatte 77 Punkte erzielt. Mit insgesamt 15 Doppelsiegen waren sie das erfolgreichste Fahrerduo der gesamten Formel-1-Geschichte, auch den McLaren-Rekord
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von 1989 mit den Piloten Ayrton Senna und Alain Prost hatten sie kassiert. Als Konstrukteursweltmeister hatte Ferrari so viele Punkte gesammelt wie der Rest des Feldes zusammen. Zum Saisonabschluss zeigte sich Schumacher emotional angerührt von seinen Erfolgen. Der Weltmeister dankte vor allem seiner »Roten Göttin«: »Unser Auto müsste eigentlich einen Oscar für Zuverlässigkeit bekommen. Das zeigt, wie gut unser Team gearbeitet hat.« In 22 Rennen in Folge hat Schumacher mit dem roten Boliden das Ziel erreicht – in einer für ihre Ausfälle bekannten Sportart ein unglaublicher Erfolg. »Das zu wiederholen wird sehr schwer«, fügte der für seinen Pragmatismus bekannte Motorsportler hinzu. »Deshalb muss man diesen Moment auch wirklich genießen.« Und völlig überwältigt von dem Augenblick gestand er: »Ich habe auf dem Podest an meine Familie und an Gott gedacht, der mir ein so schönes Geschenk gemacht hat.« Für Misstöne in dieser Rekordsaison sorgten allerdings zwei Vorfälle, in denen der Scuderia vorgeworfen wurde, sie habe per Stallorder den Zieleinlauf manipuliert. Am lautesten war die Kritik beim Großen Preis von Österreich, als Barrichello per Funk angewiesen wurde, Schumacher passieren zu lassen. Barrichello gehorchte, und Schumacher revanchierte sich bei der Siegerehrung, als er seinem »Wasserträger« seinen Platz auf dem Podest und den Pokal überließ. Dieses offenkundige Eingeständnis der Manipulation brachte Fans und Funktionäre in Rage. Das Thema Teamorder beschäftigte über zwei Wochen die Medien, die FIA und natürlich den Chef der Formel-1-Veranstaltungen Bernie Ecclestone. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Enttäuschte Fans drohten zunächst gar, Schumacher wegen Wettbewerbsverzerrung zu verklagen. Der Technische Direktor und Rennstratege der Scuderia rechtfertigte die Anweisung: »Es geht um Ferrari und um Erfolg für das Team. Solange bei Ferrari ein Fahrer existiert, der eine bessere Chance hat als sein Kollege, den WM-Titel zu gewinnen, wird es aus diesem Grund Vorteile für diesen Fahrer geben.«
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Tatsächlich hatte Ferrari nichts Illegales getan, das musste auch FIA-Präsident Max Mosley zugeben: »Es hat schon immer Stall order gegeben. Wenn wir sie verbieten würden, wäre es unmöglich, ein solches Verbot durchzusetzen. Denn es gibt so viele verschiedene Wege, Stallorder zu praktizieren, ohne dass es jemand merkt.« Dennoch wurden die Beteiligten vor das World Council der FIA zitiert. Was die Funktionäre noch mehr ärgerte als die Stallorder an sich, war Schumachers Geste auf dem Podest. Und die wurde richtig teuer: Wegen der Verletzung von Artikel 170 des Reglements (»Es ist die Verpflichtung eines jeden Teams, dass seine vertraglich gebundenen Fahrer die Prozedur der Siegerehrung einhalten und in keiner Weise die nationalen Autoritäten des Gastgeberlandes brüskieren«) wurden sie zu einer Geldstrafe von einer Million US-Dollar verurteilt. Die Hälfte war sofort zu entrichten, die restlichen 500 000 US-Dollar auf Bewährung in einem Jahr. Diese Entscheidung fällte der Weltrat am 26. Juni 2002. Ferrari ließ nur mitteilen: die Scuderia »respektiere wie immer die Entscheidung der FIA«. Zu diesem Zeitpunkt hatte Teamchef Todt bereits einen Kotau vor der öffentlichen Meinung angedeutet: »Wir haben diese Entscheidung getroffen, und wir stehen dazu. Ich will jetzt nicht darüber reden, wie unsere Strategie in Zukunft aussehen wird.« Durch Schumachers weitere Erfolge verebbte die Diskussion zunächst. Doch nach dem vorletzten Rennen der Saison in Indianapolis flackerte sie wieder auf. Diesmal hatte Schumacher seine Fähigkeit, den Ausgang eines Rennens beeinflussen zu können, etwas überschätzt. Er wollte einen ganz knappen Sieg, ein Fotofinish, zu seinen Gunsten herbeizaubern, deshalb reduzierte er kurz vor dem Zieleinlauf die Geschwindigkeit etwas, um auf seinen Teamkollegen Barrichello zu warten. Der war dann aber doch schneller, als Schumacher erwartet hatte, und schob die »Nase« seines Boliden als Erste über die Ziellinie. Natürlich wurde Schumacher vorgeworfen, er habe Barrichello den Sieg geschenkt.
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In Suzuka wiederholte der Meister zwar dieses Spielchen, doch diesmal stimmte auch sein Timing. In der letzten Runde fuhr er betont langsam an der Boxengasse vorbei, um sein Team zu ehren, doch diesmal achtete er genau darauf, dass ihn sein Verfolger nicht überholen konnte. Mit einer halben Sekunde Vorsprung erreichte er vor Barrichello das Ziel. Bei so viel Chuzpe, so viel Können und auch so viel Glück waren den Journalisten schon lange die Attribute ausgegangen, mit denen sie den Ausnahmefahrer und seine Truppe noch schmücken konnten. Bei allem Jubel kam jedoch Ferrari-Teamchef Jean Todt nicht umhin, an die Schwächen der Scuderia zu erinnern. Für Mr. Perfect gab es noch reichlich Potenzial für Verbesserungen. In einem Interview mit Sport-Bild goss der Franzose kräftig Wasser in den Wein und warnte davor, im Jubelrausch die Realitäten zu verkennen: »Diese Saison war noch nicht perfekt. Perfekt wären 17 Doppelsiege in 17 Rennen. Also 272 Punkte. Das haben wir nicht geschafft. Es gibt bei uns noch reichlich Verbesserungspotenzial. Motor, Elektronik, Chassis, Reifen. Alles war gut, aber nichts perfekt.«
Höhen und Tiefen Ob die mahnenden Worte ihres Chefs überhört wurden oder die Mannschaft einfach ausgepowert war oder die Konkurrenz sich ihrer Stärken besonnen hatte – der Start der Scuderia in die nächste Saison war keineswegs glanzvoll. Die vom Erfolg verwöhnten Ferrari-Mitarbeiter mussten plötzlich erkennen, dass ihre Asse schwächelten. Schon beim ersten Rennen des Jahres 2003 landete Schumacher nach einem Start von der Pole Position auf Rang 4. Er fuhr in einem modifizierten Wagen des Vorjahres und hatte gegen die
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Fahrzeuge von McLaren-Mercedes, die offensichtlich die Abstimmung ihrer Boliden optimiert hatten, wenig Chancen. Zumal Kimi Räikkönen Schumachers Verdrängungsmanövern trotzte. Rubens Barrichello verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete in den Leitplanken. Sieger wurde McLaren-Mercedes mit David Coulthard am Steuer. In Malaysia schnitt Schumacher noch schlechter ab: sechster Platz durch einen Unfall, den er selbst verursacht hatte. Beim Blockieren von David Coulthards Überholmanöver hatte sich Schumacher zu sehr auf seinen Hintermann konzentriert und nicht bemerkt, dass vor ihm der Renault-Pilot Jarno Trulli fuhr. Der Titelverteidiger fuhr auf, musste seinem Boliden in der Ferrari-Box eine neue Frontpartie einsetzen lassen und wurde dann noch zu einer Zeitstrafe verurteilt. Danach war das Rennen für ihn gelaufen: »Der Unfall passierte aufgrund meiner eigenen Dummheit«, erklärte Schumacher. Rubens Barrichello landete auf dem zweiten Platz und konnte die ersten WMPunkte sammeln. In Brasilien wurde Schumacher Opfer des Tropenregens und des Aquaplanings: Er lag auf der dritten Position, als er in der 27. Runde die Kontrolle verlor und in einem Reifenstapel landete. Barrichello, der in der 45. Runde die Führung in dem Rennen übernehmen konnte und zum ersten Mal in seiner Profikarriere einem Sieg in seinem Heimatland entgegenfuhr, blieb zwei Runden später liegen – ihm war der Sprit ausgegangen. Der Grund war simpel und erinnert an die Pannenjahre der Scuderia: Die Übertragung der Telemetriedaten, die alle Funktionen der Rennwagen erfassen, an die Rennstrategen war ausgefallen. Und die Ingenieure in der Box hatten sich bei der Bestimmung von Barrichellos Benzinverbrauch schlicht verrechnet. Erst in Imola gelang es Schumacher wieder, einen Großen Preis zu gewinnen. Das Rennen fand für die beiden Brüder aus Kerpen unter unglücklichen Umständen statt: Am Sonntagmorgen starb ihre Mutter nach einer Notoperation in einem Kölner Krankenhaus. Nach dem Qualifying am Tag zuvor waren die beiden Brü-
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der und ihre Ehefrauen noch an das Sterbebett geeilt, um abends wieder nach Imola zurückzukehren. Am Sonntag vor dem Rennen erhielten sie dann die Nachricht, dass Elisabeth Schumacher am Morgen verstorben war. Die Renndirektoren Jean Todt und Frank Williams boten ihnen an, auf den Start zu verzichten. Doch Michael und Ralf Schumacher lehnten ab. Mit Trauerflor um Arm und Helm stiegen sie in ihre Boliden. Im Rennen führte zunächst Ralf Schumacher im BMW-Williams, nachdem er seinen Bruder Michael überholt hatte. Der Titelverteidiger blieb seinem Bruder dicht auf den Fersen und setzte ihn unter Druck. Erst nach dem Boxenstopp des BMW-WilliamsPiloten gelingt es dem älteren der Schumachers, die Führung zu übernehmen. Ein Schaltfehler ruinierte schließlich Ralf Schumachers Chancen auf einen Platz auf dem Treppchen. Michael übernahm die Führung. Barrichellos Ambitionen auf den Sieg wurden durch eine Panne in der Ferrari-Box torpediert, ein Reifen ließ sich nicht festziehen. Am 4. Mai in Spanien konnte Schumacher endlich seinen neuen F2003 GA einsetzen. Alle vorangegangenen WM-Läufe musste er mit dem Vorjahresmodell bestreiten, was nur bedingt ein Nachteil war, weil auch die McLaren-Mercedes-Piloten im alten Wagen fuhren. Ihr angekündigter MP4/18 sollte sogar während der ganzen Saison nicht einsatzbereit werden. Der neue Ferrari besteht die Premiere höchst erfolgreich. Schumacher fährt einen Vorsprung von 2,4 Sekunden auf seinen Teamkollegen Barrichello und den Rest des Feldes heraus. Der Brasilianer wird noch von dem spanischen Renault-Fahrer Fer nando Alonso überholt. Michael Schumacher überfährt als Erster die Ziellinie. Auch den letzten Großen Preis von Österreich – ab 2004 werden keine WM-Läufe mehr in der Alpenrepublik ausgetragen, um Shanghai als neue Rennstrecke in die Liste der Veranstaltungsorte aufnehmen zu können – entscheidet Schumacher nach einem har-
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ten Kampf mit viel Glück für sich. Durch Verzögerungen beim Boxenstopp – die Tankanlage passt nicht recht auf den Ferrari, überlaufender Sprit entzündet sich – kommt der Titelverteidiger erst nach 20 Sekunden auf die Strecke zurück. Er liegt nur auf der dritten Position, hinter Montoya und Räikkönen. Doch dann fällt der Motor des BMW-Williams aus und Räikkönen nimmt den Fuß vom Gas, um eine Kollision zu vermeiden. Schumacher nutzt die Schrecksekunde des Finnen, um an ihm vorbeizuziehen. Trotz eines Ausrutschers gelingt es ihm danach, die Spitze zu halten und das Rennen zu gewinnen. Sein Teamkollege Barrichello wird Dritter. In Monte Carlo schaffte Michael Schumacher, der von der fünften Position gestartet war, gerade noch den dritten Platz. Das war zwar eine sehr ordentliche Leistung, weil der Kurs durch die Betonschluchten des Fürstentums kaum Möglichkeiten zum Überholen bietet, aber für den Titelverteidiger dennoch enttäuschend. Als Ursache für seinen verpassten Sieg nannte er die Reifen, die Rennstrategie und die stärkere Konkurrenz. Barrichello landet abgeschlagen auf dem achten Platz. In Kanada fuhr er wieder allen davon und übernahm mit 54 Punkten endlich wieder die Führung im Gesamtklassement, gefolgt vom McLaren-Mercedes-Fahrer Räikkönen, der ihm mit 51 Punkten hart auf den Fersen blieb. Auch in der Rangliste der Konstrukteursmeisterschaft liegt Ferrari wieder an erster Stelle. Und es blieb eine Zitterpartie bis zum Saisonfinale in Suzuka. Auf dem Nürburgring startete er als Zweiter, kam aber erst als Fünfter ins Ziel. Durch eine Rempelei mit Montoya, der ihn überholen wollte, geriet Schumacher ins Kiesbett, wo er sich festfuhr und erst mit Hilfe von Streckenposten wieder auf die Piste geschoben werden konnte. Sieger wurde sein Bruder Ralf, Barrichello landet auf dem dritten Rang. Weil jedoch Räikkönen mit einem Motorschaden ausfiel, behielt Schumacher den ersten Platz in der Weltrangliste. Und er hatte schon wieder eine Rekordmarke gesetzt: Als erster Rennfahrer in der Geschichte der Formel 1 hat
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er die 1 000-Punkte-Marke überschritten. Auch das ist ein Erfolg – über den er sich allerdings nicht so recht freuen konnte: Ihm fehlte der erste Platz auf dem Siegertreppchen. Beim Großen Preis von Ungarn wurde der Titelverteidiger Opfer der Rennstrategie. Gerade noch im Ausrollen erreichte er zum zweiten Nachfüllen die Ferrari-Tankstelle, sein Tank war komplett leer gefahren und der Motor bereits abgestorben. Barrichello fiel in der 20. Runde aus: Die Aufhängung hinten links war gebrochen. Die Reaktion der Medien auf diese offenkundigen Versäumnisse war verheerend: Ferrari und Schumacher wurden mit Häme überschüttet und abgeschrieben. Die Scuderia reagierte beleidigt und bat die FIA, die Reifen der Konkurrenz zu prüfen, die von Michelin stammten und deren Lauffläche sich durch die Reibungshitze unzulässig verbreitern würde. Der Brief wurde zunächst anonym abgesandt, doch dann bekannte sich Ferrari zu den Forderungen. Der Reifenkonzern stelle seinen Formel-1-Kunden schmalere Pneus zur Verfügung, was die Boliden schneller mache. Trotzdem gewann Schumacher mit den Bridgestone-Slicks das Rennen und konnte endlich wieder sein Punktekonto auffüllen. Barrichello wurde Dritter. In Indianapolis gelang dem Titelverteidiger zum letzten Mal in dieser ernüchternden Saison ein Sieg. Barrichello musste schon in der dritten Runde nach einer Kollision ausscheiden. Der Saisonabschluss in Japan wird zur Nervenprobe. Schumacher, der sein Qualifying in strömendem Regen absolviert hat, startet von der denkbar ungünstigen Position Nummer 14. Wenn er sein Ziel, den sechsten Titelgewinn, erreichen will, muss er sich mindestens auf den achten Platz vorkämpfen, und Räikkönen, der sechs Plätze vor Schumacher liegt, darf nicht gewinnen. Barrichello, der sich bei trockenem Wetter qualifizieren konnte, hat die Pole Position inne, die er allerdings bald an Montoya im BMWWilliams verliert. Michael Schumacher muss Boden gewinnen, er versucht den Japaner Takuma Sato, der für BAR-Honda fährt, zu überholen,
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doch der »macht die Tür zu«, er will den Titelverteidiger nicht passieren lassen. Als Schumacher dennoch versucht, den BARHonda-Wagen zu überrunden, fährt er mit seinem Boliden auf Satos Fahrzeug auf und reißt sich den Frontflügel ab. Er fährt sofort an die Ferrari-Box und lässt sich ein neues Teil einsetzen. Als er nach gut 18 Sekunden wieder auf die Piste zurückkehrt, liegt er auf dem letzten Platz. Das Unternehmen »Titelgewinn« scheint ruiniert. Dann aber fällt Montoya mit einer defekten Hydraulik aus. Barrichello übernimmt die Führung. In der 27. Runde hat sich Räikkönen auf den zweiten Platz vorgeschoben, Schumacher auf den zwölften. Erst in der 40. Runde liegt der Deutsche auf dem dringend erforderlichen achten Platz. Eine Runde später fährt ihm sein Bruder Ralf von hinten in den Wagen, der BMW-Williams erwischt mit dem Frontflügel den linken Hinterreifen des älteren Schumacher. Der Titelverteidiger befürchtet, dass der touchierte Pneu Luft verlieren wird, kann sich aber einen weiteren Boxenstopp nicht leisten. Sein Ferrari ruckelt durch einen Schaden an der Bremsplatte wie bei einer Fahrt über Kopfsteinpflaster, aber er hält durch, bis er die Ziellinie überquert und den ersehnten Punkt ergattert hat. Und Barrichello hat an der Spitze des Feldes ganze Arbeit geleistet und Räikkönen in Schach gehalten. Damit hat Schumacher zum sechsten Mal den Weltmeistertitel errungen. Auch die Konstrukteursweltmeisterschaft geht nach Maranello. Doch die rechte Freude mochte sich zunächst nicht einstellen: »Es war ein hartes Jahr, ein harter letzter Abschnitt der Saison, und es war ein sehr hartes Rennen, vielleicht eines meiner härtesten«, sagte er in einem Interview nach der Siegerehrung, bei der er nicht auf dem Podest stand. »Aber man muss viel mehr an das Team denken. Sie haben wieder einen unglaublichen Job gemacht. Rubens Barrichello ist fantastisch gefahren und hat mir sehr geholfen. Mein Rennen war eher durchwachsen mit einigen Zwischenfällen, ein verrückter Tag. Ich kann mich für das Team freuen, aber noch nicht für mich selbst.«
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Der Maßstab aller Dinge Der knappe Sieg hatte Folgen. Schumacher hatte 2003 ungewöhnliche Schwächen gezeigt – und die Konkurrenz witterte bereits Morgenluft. McLaren-Mercedes und BMW-Williams rechneten sich Chancen aus, die Vorherrschaft der Roten in der kommenden Saison zu brechen. Nachdem der Jubel über den Rekordtitel Schumachers verklungen war, machten sich in den Medien Zweifel breit, ob Schumachers und Ferraris Performance noch für eine weitere erfolgreiche Saison ausreichen würde. Selbst der frühere Ferrari-Pilot und Berater der Scuderia, Niki Lauda, der mittlerweile seine Erfahrungen im Motorsport dem Rennstall von Jaguar zur Verfügung stellte, beschwor schon die Götterdämmerung der Roten herauf. Doch die Zweifler und potenziellen Nutznießer hatten ihre Rechnung ohne Jean Todt gemacht. Der Franzose, der bereits ein Jahr zuvor von Ferrari-Präsident di Montezemolo in den Verwaltungsrat der Scuderia berufen worden war, hatte längst dafür gesorgt, dass alle Vorbereitungen für einen neuen Start auf Hochtouren liefen. Die Entwicklung des neuen Ferrari F2004 war viel weiter fortgeschritten als vor einem Jahr die Arbeit an dem F2003. Außerdem hatte Todt personelle Veränderungen vorgenommen. Der Ingenieur Luca Baldisseri sollte sich ab 2004 um die Rennstrategie kümmern. Von 2000 bis 2002 war der Italiener Schumachers persönlicher Renningenieur gewesen. Mit seiner Hilfe hatte der Kerpener die ersten drei Weltmeisterschaften im Ferrari gewonnen. Anfang 2003 hatte Baldisseri seinen Posten an der Strecke gegen einen Job in der Ferrari-Zentrale in Maranello getauscht. Als die Lage im Sommer 2003 brenzlig wurde und der Titelgewinn in unerreichbare Ferne zu rücken schien, hatte sich Brawn von dem Experten bereits gelegentlich unterstützen lassen. »Ich brauchte jemanden, der mir bei der Strategie assistierte. Die ganze
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Vorbereitung, die ganzen Parameter – das ist alles komplizierter geworden«, erklärte Brawn die personelle Verstärkung. Für die neue Saison sollte sich Baldisseri vor allem um die Taktik kümmern. Beim Saisonauftakt in Melbourne gab das Ferrari-Team zur Überraschung der Motorsportszene richtig Gas. Michael Schumacher fuhr noch im Vorjahresmodell und stellte sich nach der Qualifizierung an die Spitze des Feldes, Barrichello kam auf den zweiten Platz. Im Rennen legten sie einen Start-Ziel-Sieg hin. Schumacher fuhr allen davon, und Barrichello gelang es trotz nachlassender Bremsen, seinen zweiten Platz zu halten. Die Konkurrenten waren von der unerwarteten Stärke der Roten völlig überrascht. Der neue BMW-Sportdirektor Mario Theissen, der Nachfolger von Gerhard Berger, ermahnte seine Mannschaft: »Wir haben viel zu tun. Das Ergebnis entspricht nicht ganz unseren Erwartungen, insbesondere nicht der Abstand auf Ferrari.« Die Roten schürten die Verunsicherung der übrigen Teilnehmer am Formel-1-Zirkus durch gezielte Informationen zur Entwicklung. So erklärte der Technische Direktor Ross Brawn: »Wir haben im Winter einige interessante Reifenkonstruktionen entwickelt, die die Temperatur-Problematik von Malaysia lösen sollten.« Das Thema Reifen ist bis heute eines der heikelsten in der Formel 1. Seit der französische Reifenhersteller Michelin wieder Pneus für die Rennen produziert und sich als Alternative zu dem langjährigen Hoflieferanten Bridgestone positioniert hat, wird den Gummis neue Bedeutung beigemessen. Die Szene ist in zwei Lager gespalten: hier die Avantgardisten, die Michelin Tür und Tor geöffnet haben, dort die Traditionalisten, die Bridgestone die Treue halten. Die japanische Firma kann sich auch darauf berufen, den Weltmeister auszustatten. In Malaysia rechneten sich die Michelin-Kunden bessere Chancen auf einen Erfolg aus, weil die französischen Pneus hitzeverträglicher sein sollen als die japanischen, die sich langsamer er-
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wärmen, dann aber auch haltbarer sind. Doch die Temperaturen in Sepang waren am Renntag mit 35 Grad Celsius bei 62 Prozent Luftfeuchtigkeit kühler als erwartet. Der Pistenbelag, ein Spezialteer, erwärmte sich nur bis auf 42 Grad. Die Michelin-Fraktion hätte es lieber heißer gehabt, weil dann die französischen Reifen überlegen sind. Doch sicher gab nicht nur die Bereifung den Ausschlag, dass der Große Preis von Malaysia wieder an den Titelverteidiger ging. Die Mannschaft aus Maranello war einfach besser vorbereitet, hatte das zuverlässigere Auto und Fahrer, die konditioniert sind, konstante Leistung zu bringen. Das traf vor allem auf Schumacher zu, der wegen seiner Dauerperformance vielen Zeitgenossen unheimlich war. Auch in Sepang gelang ihm ein Start-Ziel-Sieg. Nur auf dem zweiten Platz hatte sich die Besetzung geändert: Barrichello lag auf dem dritten Rang beim Start, Juan Pablo Montoya war im BMW-Williams auf Platz zwei vorgestürmt. Dessen Teamkollege Ralf Schumacher, der vom siebten Rang das Rennen begonnen hatte, war erst durch eine Kollision aufgehalten worden, bei der sich ein Teil des Frontflügels gelöst hatte; in der 29. Runde musste er nach einem Motorschaden ganz aufgeben. Der Große Preis von Bahrein, eine der Premieren in dieser Saison, ging ebenfalls an das Team der Scuderia. Schumacher und Barrichello legten einen glatten Start-Ziel-Durchmarsch hin. Räikkönen fiel nach einem Motorschaden in der achten Runde wieder aus, und auch seinem Teamkollegen David Coulthard gelang es nicht, über die Ziellinie zu fahren. Ralf Schumacher versuchte sich an einem Konkurrenten im Mittelfeld durchzuzwängen, unterschätzte dessen Sturheit, drehte sich ins Kiesbett und von dort auf den 18. Platz. Immerhin gelang es ihm, sich noch auf den siebten Rang vorzuarbeiten. Sein Teamkollege Montoya wurde durch einen Getriebeschaden ausgebremst und beendete das Wüstenrennen auf Rang 13. Der Cheftechniker der Scuderia, Ross Brawn, konnte es nicht fassen, dass seine Piloten kaum ernstzunehmende Gegenwehr er-
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fuhren – oder andersherum formuliert: dass die Mitbewerber sich so große Blößen gaben und sich offensichtlich nicht ausreichend auf die Saison vorbereitet hatten: »Ohne arrogant sein zu wollen, ich bin überrascht, wie gut alles gelaufen ist. Einfach fantastisch.« BMW-Mann Theissen verordnete seiner Mannschaft nach dem enttäuschenden Auftakt: »Kopf runter und weiterarbeiten.« In Imola startete Michael Schumacher zwar vom zweiten Platz aus, kam aber dennoch als Erster ins Ziel, gefolgt von dem BARHonda-Piloten Jenson Button, der die Pole Position innehatte. Barrichello landete auf dem sechsten Platz, vor Ralf Schumacher. Der dritte Mann auf dem Siegertreppchen war BMW-WilliamsPilot Montoya. In der Formel-1-Gemeinde breitete sich Langeweile aus: Auf die Siegprämie hatte Michael Schumacher anscheinend ein Abonnement. Nur wer hinter ihm aufs Siegertreppchen steigen durfte, änderte sich – gelegentlich. Während die Nummer eins an der Spitze ihre schnellen Runden zog, wurde auf den billigeren Plätzen gekämpft, geschoben und gerempelt. Da blieben die millionenteuren Boliden mit defekten Motoren liegen, da spielten sich die Dramen der Königsklasse ab. Nach dem Grand Prix von Europa auf dem Nürburgring präsentierte sich die Gesamtwertung eindeutig: Schumacher hatte mit dem Sieg 60 Punkte angesammelt, Barrichello mit Platz zwei 46 Punkte. Im Grunde genommen war die Weltmeisterschaft bereits entschieden. Schumacher befand sich auf der Zielgeraden zu seinem siebten Titelgewinn. Spannung boten vor allem die Rennen, in denen die FerrariCrew einmal nicht von der Pole Position startete, wie etwa beim Großen Preis von Kanada, wo Schumacher erst aus der dritten Reihe vom sechsten Platz aus den WM-Lauf beginnen konnte. Die erste Startposition hatte sich sein Bruder Ralf erobert. Doch die BMW-Williams-Boliden wurden nachträglich disqualifiziert, weil ihre Bremsbelüftungen größer waren als durch das Reglement erlaubt. Den gleichen Regelverstoß stellten die Kontrolleure der FIA
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auch bei den Fahrzeugen von Toyota fest, die ebenfalls aus der Wertung gezogen wurden. So blieb es am Ende bei der bekannten Reihenfolge: Michael Schumacher vor Rubens Barrichello, danach folgte der Shootingstar des Jahres, der Brite Jenson Button. Der Grand Prix in Indianapolis begann in der Reihenfolge Barrichello/Schumacher und endet mit Schumacher/Barrichello. 80 Punkte hatte der Titelverteidiger damit auf dem WM-Konto bereits angesammelt. Ralf Schumacher wurde Opfer eines spektakulären Unfalls: Bei Tempo 300 platzte dem jüngeren Schumacher ein Reifen, er prallte rückwärts gegen eine Mauer und wurde auf die Piste zurückkatapultiert. Er erlitt dabei eine schwere Gehirnerschütterung sowie zwei Wirbelfrakturen und musste sich für mehrere Wochen aus dem Formel-1-Zirkus zurückziehen. Bei der übrigen Konkurrenz machte sich Verzweiflung breit, vor allem McLaren-Mercedes wurde zur Quelle verzweifelter Komik. Der Mannschaft von Ron Dennis und Norbert Haug gelang es nicht einmal zuverlässig, ihre Boliden über die Ziellinie zu bekommen. In Magny-Cours änderte Ferrari die Taktik der Boxenstopps: Statt der mittlerweile üblichen drei Tankvorgänge wurden nun vier Stopps eingelegt. Der Vorteil für den Titelverteidiger: Er fährt mit weniger Last und ist schneller. Die Abfertigung in der Box wurde so weit optimiert, dass die Zeitgewinne auf der Piste die Verluste in der Box klar überwogen. Im Regenrennen um den Großen Preis von Frankreich konnte diese neue Strategie nur das bekannte Ergebnis bringen: Schumacher gewann souverän vor dem Renault-Piloten Alonso. Nach weiteren Siegen in Silverstone und auf dem Hockenheimring hatte sich Ferrari nach dem Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaroring am 15. August 2004 mit 202 Punkten bereits die Konstrukteursweltmeisterschaft gesichert – zum sechsten Mal in Folge und so früh wie nie zuvor. Das rote Duo hatte wieder einmal einen Weltrekord aufgestellt. Michael Schumacher bemühte sich, keinen allzu großen Jubel
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aufkommen zu lassen. In dem obligatorischen Interview gab er sich cool und geschäftsmäßig: »Hier in Ungarn so zu gewinnen angesichts der Niederlage im Vorjahr zeigt, warum wir den Titel verdienen. Mir gehen so langsam die Worte aus. Es war eine großartige Art und Weise, wie wir die Marken-WM wieder geholt haben. Dies zeigt auch, wie einzigartig unser Team ist. Jeder einzelne hat diesen Triumph verdient.« Es war nur noch eine Formsache, ob er seinen siebten Weltmeistertitel beim nächsten Rennen in Spa oder beim Heimspiel in Monza holen würde. Das sah auch Schumacher so: »Es ist bei beiden Rennen attraktiv, den Titel zu holen, da ich zu beiden Strecken jeweils besondere Beziehungen habe. Spa liegt unter anderem sehr nahe an meiner Heimat. Für Monza sprechen viele Gründe, die auf der Hand liegen. Mir würde es überall gefallen.« Er hätte die nächsten Rennen schon zu Fuß absolvieren müssen, um den sicheren Titel noch zu verlieren. Doch das würde nicht passieren – er konnte in dieser Saison gar nicht anders als gewinnen: »Es hat einfach nur Spaß gemacht. Wir haben eine tolle Atmosphäre im Team. Wir wollen den Erfolg genießen, solange es geht. Es könnte ja irgendwann mal wieder anders werden. Aber wir wollen das so lange wie möglich hinausschieben.« In Spa hatte er dann die offizielle Bestätigung: Der neue Weltmeister war der alte. Doch auch bei diesem Erfolg stand er nicht ganz oben auf dem Treppchen. Zum Gewinn des Titels reichte ihm schon ein zweiter Platz. Den ersten errang Kimi Räikkönen: McLaren-Mercedes war es endlich gelungen, seinem Spitzenfahrer einen Wagen zur Verfügung zu stellen, der nicht nur schnell fahren kann, sondern auch die Distanz eines Rennens durchhält. Doch zunächst zog die Branche den Hut vor Schumachers neuem Rekord: sieben Weltmeistertitel, fünf in Folge, auch das hatte vor ihm noch keiner geschafft: »Michael ist ein absoluter Ausnahmesportler, der durch seine Hingabe, seine Beharrlichkeit, sein Talent und seinen Willen zu einer Ikone seiner Sportart ge-
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worden ist. Er hat in seiner Karriere etwas Einzigartiges geschaffen, was auf lange, lange Zeit, vielleicht für immer, seinesgleichen suchen wird«, huldigte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen dem neuen Champion. Die Scuderia war der Maßstab aller Dinge in der Königsklasse geworden. Auf die Frage eines Interviewers, was BMW von Ferrari lernen könnte, sagte Theissen: »Ferrari hat vor zehn Jahren mit der Umstrukturierung des Teams begonnen und neue Strukturen, Schlüsselstellen und Arbeitsprozesse eingeführt. Im Prinzip haben sie alles geändert. Der Rennstall ist heute perfekt orchestriert, die Abläufe stimmen – das ist die Grundlage für den momentanen Erfolg.« Eine Woche darauf aber wäre das Erfolgskapitel der Scuderia beinahe geschlossen worden: Bei einer Testfahrt in Monza verunglückt Michael Schumacher. Er probiert unterschiedliche Drücke bei Reifen aus. Bei einer dieser Probefahrten platzt einer der Bridgestone-Pneus, der Weltmeister wird mit einem Tempo von mehr als 200 Stundenkilometern in eine Mauer katapultiert. Die Techniker an der Strecke halten den Atem an. Die Zeit – einige Sekunden – bis Schumacher in dem völlig zertrümmerten Auto eine Hand hebt, wird für die fassungslosen Zuschauer zur Ewigkeit. Dann bricht ein Jubelgeheul los. Die Ingenieure fliegen über die Piste, um ihrem Helden aus dem Wrack zu helfen. Es ist sein 15. schwerer Unfall. Er unterbricht das Training für ein paar Tage, aber beim Rennen in Monza sitzt er wieder im Cockpit eines roten Boliden. Es hat geregnet am Renntag, die Fahrbahn ist noch nass, doch Schumacher lässt Trockenpneus aufziehen. In den ersten Runden schlingert er in den Kurven, aber er fährt weiter. Er fällt auf den 15. Platz zurück und gibt, als sich die Straßenverhältnisse gebessert haben, Gas. Am Ende reicht es noch für den zweiten Rang. Den Sieg erringt vor Hunderttausenden von Tifosi Rubens Barrichello. Schumacher muss in dieser Saison eigentlich nicht mehr siegen. Und tut es dennoch: In Suzuka beispielsweise holt er sich
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den 13. Grand Prix dieses Jahres. Ging es ihm darum, die Scharte vom Vorjahr auszuwetzen, als er die Strecke mit einem achten Platz verlassen musste? Oder musste er die Niederlage, die er zwei Wochen zuvor bei der WM-Premiere in Shanghai erlitten hatte, durch einen weiteren Erfolg tilgen? Oder war es einfach seine Lust am Fahren und die Verantwortung gegenüber seinem Team, die ihn noch einmal zu Höchstleistungen antrieben? Beim letzten Rennen der auf 18 Grand-Prix-Veranstaltungen erweiterten Saison in Brasilien bot sich den Zuschauern ein ungewohntes Bild: Die Ferraris kämpften mit Abstimmungsproblemen und kamen nicht in die Gänge. Schumachers Fahrzeug war bereits beim Training mit einem Motorschaden ausgefallen. Zum Qualifying musste der Weltmeister mit einem Ersatzwagen antreten und zehn Plätze weiter hinten starten. Ihm unterliefen aber auch einige Fahrfehler und Dreher. Die Konkurrenten waren ob der »durchwachsenen« Leistung des Schumi-Teams ratlos. Der Weltmeister landete abgeschlagen auf dem siebten Platz, und auch Barrichello, der Vize in der Weltrangliste, fuhr bei seinem Heimspiel nur auf den dritten Rang. Hatten sich Schumacher und sein Team in dieser Supersaison, in der Ferrari sozusagen im Sprinttempo durch den Marathon gejagt war und fast alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gab, einfach verausgabt? Oder bereitete sich die Scuderia, vorausschauend, wie sie nun einmal war, bereits auf die nächste Saison vor und testete neue Systeme, Strategien und Situationen, die erforderlich werden, wenn sich die FIA mit der geplanten Regeländerung durchsetzt? Den Meistern aus Maranello wurde Ende 2004 alles zugetraut. Nur keine Niederlage.
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Schut zengel, Spielverderber und Milliarden
Als die glanzvolle Saison zu Ende ging, hatte Jean Todt, der im Sommer 2004 zum Generaldirektor der Scuderia aufgestiegen war, bereits die Ziele für das nächste Jahr vorgegeben: Auch 2005 wollte die seit einem halben Jahrzehnt dominierende Scuderia der Formel 1 ihren Stempel aufdrücken und ihre märchenhafte Erfolgsserie fortsetzen. Die 15 Grand-Prix-Siege durch Schumacher (13) und Rubens Barrichello (2), der sechste Konstrukteurstitel und Schumachers fünfter Fahrertriumph in Folge sowie der zweite Platz des Brasilianers im Vorjahr waren auch für 2005 die Messlatte. Aber der Scuderia-Chef hatte auch Lob für seine 1 500 Mitarbeiter in der Automanufaktur und die rund 650 Spezialisten, die für den Rennbereich arbeiten: »Wir erleben eine glänzende Zeit. Das ist einmalig in unserer Geschichte und in der Formel 1«, freute sich der sonst eher nüchterne Todt und hob die Tugenden des Teams hervor, die diese Erfolge erst möglich gemacht hätten, »die Kontinuität und Stabilität der Mannschaft«, die seit 1997 auf dieses Ziel hinarbeitet – jedes Jahr aufs neue hoch motiviert. »Wir wissen, dass das nicht ewig so weitergeht, aber wir wollen möglichst lange erfolgreich sein.« Die Mitarbeiter wissen natürlich auch, wem sie diese Erfolgsserie verdanken: dem talentiertesten Piloten im Formel-1-Zirkus Michael Schumacher und dem ebenso begabten Manager Jean Todt. Doch der Ferrari-Chef hält nicht viel von Personenkult, deshalb stellt er lieber die Leistungen der ganzen Mannschaft heraus:
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»Ferrari ist schon immer Legende und Traum. Das hängt nicht von Schumacher und Todt ab. Wir müssen auch demütig sein. Das ist nur eine Übergangsphase.« Todt hat immer Angst, dass sich jemand auf den Lorbeeren der vergangenen Saison ausruhen könnte. Deshalb treibt er seine Truppe immer wieder zu Höchstleistungen an. Selbst an dem Tag, als Schumacher zum siebten Mal die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, gab es zwar Champagner aus Pappbechern und Schinkenbrötchen im Motorhome an der Rennstrecke, doch die Sause wurde auf später verschoben. Kurze Zeit nach der kleinen Feier hatte Todt bereits eine Besprechung für die leitenden Köpfe des Rennteams angesetzt. Das Thema des Meetings: die Analyse der Fehler, die selbst dieser Mannschaft unterlaufen sind, die im Herbst 2004 als die perfekteste in der Formel-1-Szene galt.
Alles bleibt anders Todt hatte gute Gründe, seine Mannschaft schnell wieder auf Touren zu bringen, denn in den vergangenen beiden Jahren hatte sich das Umfeld der Formel-1-Szene dramatisch verändert. Die Sitten waren rauer und die wirtschaftliche Lage enger geworden. Am deutlichsten zeigt sich das am Teilnehmerkreis. Der Rennstall des ehemaligen Formel-1-Piloten und Serienweltmeisters Alain Prost musste Insolvenz anmelden und die Arena verlassen. Prost, der seine eigene Formel-1-Firma 1997 durch die Übernahme des Ligier-Teams gestartet hatte, war mit 30 Millionen Euro überschuldet. An 83 Grand-Prix-Läufen hatte Prosts Crew teilgenommen, doch an die Spitze fahren konnten Piloten des Teams, das seine Motoren für die eingesetzten Boliden von Ferrari bekam, bei keiner dieser Veranstaltungen. 300 Mitarbeiter des Teams hatten ihren Job verloren, darunter auch vier der fünf Fahrer. Betroffen waren der Argentinier Gaston Mazzacane, der
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Brasilianer Luciano Burti, der 2001 in Spa einen Rennunfall mit schweren Kopfverletzungen überlebt hatte, Thomas Enge und Heinz-Harald Frentzen. Der Franzose Jean Alesi hatte sich bereits im Sommer 2001 abgesetzt und war zu Jordan gewechselt. Auch Ford hatte sich Ende 2004 aus der Premiumklasse des Motorsports zurückgezogen. Für Prost und Ford betraten zwei neue Wettbewerber die Szene: der japanische Automobilkonzern Toyota und der französische Hersteller Renault. Die Japaner hatten lange gezögert, ob sie sich auf das Abenteuer in der Königsklasse des Motorsports einlassen sollten. Was den Konzern, der als besonders konservativ in seinen Entscheidungsprozessen und in der Investitionspolitik gilt, zu einem Einstieg bewogen hatte, waren Marketingaspekte: ein höherer Bekanntheitsgrad und größere Attraktivität bei jugendlichen Autokäufern. Die Anziehungskraft, die die Rennen gerade in dieser Disziplin des Motorsports auf die Kunden ausüben, soll auf die Autos für den Massenmarkt überschwappen. In Europa hatte sich der Konzern mit seinem Programm als Lieferant ökonomisch vernünftiger und technisch zuverlässiger Fahrzeuge etabliert. Das Formel-1-Engagement sollte das eher langweilige Image aufpolieren. Als klares Ziel war die Absatzsteigerung von damals 660 000 Fahrzeugen auf 800 000 Autos vorgegeben worden. Als das Toyota-Management sich für das Formel-1-Engagement entschieden hatte, kam allerdings nur der Alleingang infrage. Wie Ferrari wollte auch Japans größter Autokonzern mit einem komplett in Eigenregie gebauten Formel-1-Wagen antreten. Dafür wurde in Köln eine Fabrik aufgebaut, die die Boliden herstellen sollte. Allein diese Investition wurde mit mehr als 125 Millionen Euro beziffert. Insgesamt wird Toyota pro Jahr 450 Millionen Euro für das Rennteam ausgeben. 550 Mitarbeiter werden dort beschäftigt – einschließlich zahlreicher Experten, die von anderen Crews abgeworben wurden. Auch Renault hatte sich entschlossen, wieder in der Königsklasse mitzumischen. Diesmal nicht als Lieferant von Motoren
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– von 1989 bis 1997 hatte der französische Automobilkonzern die Motoren für die Rennställe Benetton und Williams geliefert –, sondern als aktiver Rennstall. Bei Ferrari wurden die Veränderungen im Formel-1-Zirkus mit Argwohn registriert. Vor allem der Auftritt von Toyota bereitete den Italienern große Sorgen. Die Scuderia fühlte sich als Opfer eines Spionagefalls. Zwei ehemalige Ingenieure aus Maranello sollen geheime Daten an Toyota geliefert haben. Im November 2004 erhob die Staatsanwaltschaft in Modena Anklage gegen die Verdächtigen. Die größten Probleme bereiteten dem Ferrari-General Todt im Herbst 2004 jedoch die Vorbereitungen für die nächste Saison: Noch nie zuvor hatte die FIA so viele und so einschneidende Veränderungen so kurzfristig beschlossen wie im Jahr 2004, die größtenteils bereits in der folgenden Saison in Kraft traten. Als im Herbst 2004 die Entwicklung der Rennfahrzeuge von Schumi & Co für die nächste Rennsaison anlief, kamen sich die Ingenieure vor wie Geisterfahrer, die mit Tempo 200 im Nebel über die Autobahn rauschen. Denn die Regeln, die ab März 2005 gelten sollten, waren im Oktober des Vorjahres noch nicht en detail bekannt. Deshalb hatte Todt entschieden, dass Ferrari – anders als in den vorangegangenen Jahren – die Titel zu Beginn der Saison 2005 zunächst mit einem Übergangsmodell verteidigen sollte. Bei den ersten vier WM-Läufen der am 6. März in Australien beginnenden Rennsaison sollten Schumacher und Barrichello mit einem den neuen Regeln angepassten F2004 B an den Start gehen. Erst Anfang Mai beim Großen Preis von Spanien – so der Plan – würde dann der F2005 eingesetzt werden. Dieser Bolide, der den neuen Regeln entsprechen musste und Ende Februar vorgestellt wurde, war gleichzeitig eine betriebsinterne Premiere: Es war der erste Rennwagen, den der Konstrukteur Aldo Costa entwickelt hat. Costa ist der designierte Nachfolger des Chefkonstrukteurs Rory Byrne, der 2006 aufhören und mit Frau und Sohn eine
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Tauchschule in Thailand eröffnen will. Diesen Plan, seinen Lebenstraum, wollte sich Byrne schon 1996 erfüllen, als ihn der Ruf nach Maranello ereilte. Nachdem er nun zehn Jahre für Ferrari ständig neue Fahrzeuge, aerodynamische Konzepte, Bauteile entwickelt, im Windkanal getestet, auf der Teststrecke erprobt, modifiziert und eingebaut oder verworfen hat, will er sich nun in den vorgezogenen Ruhestand zurückziehen: »Irgendwann ist alles vorbei. 2006 höre ich definitiv auf«, hatte Byrne verkündet. Todt und Schumacher fiel es nicht leicht, die Entscheidung Byrnes zu akzeptieren. Denn Byrne gehört gemeinsam mit dem Teamchef, dem Cheftechniker Ross Brawn und dem Leiter des Motorenbereichs Paolo Martinelli zum engsten Führungskreis und zu den Vertrauten von Michael Schumacher. Er hat ihn praktisch fast seine ganze Formel-1-Karriere lang begleitet – schon als Formel-1Neuling bei Benetton hat Schumacher mit dem Aerodynamik-Ingenieur aus Südafrika zusammengearbeitet. Die beiden verbindet eine mehr als professionelle Freundschaft. Byrne »lebt praktisch im Windkanal« – wie der Ferrari-Champion aus Erfahrung weiß. Byrnes Nachfolger, Aldo Costa, leitete bei der Scuderia das Technische Büro, das für alle Berechnungen zuständig ist. Mit dem neuen F2005 sollte der Ingenieur sozusagen sein Meisterstück ablegen. Eine Prüfung unter extremen Bedingungen, denn die FIA hatte erst im November 2004 die neuen Spezifikationen für die Formel-1-Rennwagen herausgegeben. Die wesentlichen technischen Veränderungen betrafen die aerodynamischen Konstruktionen der Boliden, die den Abtrieb um 20 Prozent reduzieren sollen – dadurch können die leichten Fahrzeuge bei hohen Geschwindigkeiten schneller die Bodenhaftung verlieren. Die regelkonformen Formel-1-Wagen sollen weniger ausladende Flügel, Spoiler und andere aerodynamische Aufbauten haben und insgesamt schlanker ausfallen, aber dennoch alle Sicherheitsausstattungen der alten haben. Noch entscheidender für die Arbeit der Rennställe sind jedoch
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die neuen Bestimmungen, nach denen seit 2005 ein Motor zwei Rennwochenenden halten muss und nur je ein Satz Reifen für das Qualifizierungstraining am Samstag und das Rennen am Sonntag eingesetzt werden darf. Bisher galt die Regel, dass ein Antriebsaggregat ein Qualifying und einen WM-Lauf überstehen musste. Reifen durften die Firmen so viele einsetzen, wie sie wollten. Mit dieser Reform hatte der ehemalige FIA-Präsident Max Mosley mehrere Ziele verfolgt. Einerseits wollte er den finanziellen Aufwand reduzieren, den die Rennteams aufbringen müssen, um an den Formel-1-Wettbewerben teilnehmen zu können. Zum anderen wollte er verhindern, dass die großen Automobilhersteller ihre Boliden mit High-Tech-Sensoren, Computersystemen und Überwachungstechnologie so vollstopfen, dass auch mittelmäßige Fahrer oder sogar – wie in der Raumfahrt – unbemannte Fahrzeuge Weltmeister werden können. Die Enttechnisierung sollte zudem auch dazu beitragen, dass der Geschwindigkeitsrausch der Motorenentwickler gebremst wird. Vor allem mit dem letzteren Punkt hatte Mosley ein Thema aufgegriffen, das in der Formel-1-Szene seit Jahren diskutiert wird. Der enorme technische Fortschritt bei der Konstruktion der Monocoques, des Innenraums der kleinen Hochleistungsgeschosse, und der Einsatz von Werkstoffen aus der Raumfahrt hatte in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass die Formel-1-Fahrzeuge zwar viel sicherer wurden, die Zahl der tödlichen Unfälle drastisch abnahm, aber gleichzeitig die Leistung der Motoren exponentiell gesteigert wurde. Dadurch werden Beschleunigungswerte und Spitzengeschwindigkeiten erreicht, die schon heute an die Grenze der physischen Belastbarkeit der Fahrer gehen. Aufprallunfälle mit Spitzengeschwindigkeiten von 400 Stundenkilometern, die längst keine Utopie mehr sind, würden auch die durchtrainierten Spitzensportler nicht mehr überleben. Die enormen Kräfte, die bei solchen Kollisionen freigesetzt werden, würden zu tödlichen inneren Verletzungen, zu Rissen von Organen und Adern führen. Die Unfallopfer würden innerlich verbluten.
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Eine Reihe von Formel-1-Piloten hatte deshalb schon lange für die Entdeckung der Langsamkeit in dieser Disziplin des Motorsports plädiert. Zu Ihnen zählen auch die Brüder Schumacher. »Generell ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dass die Autos verlangsamt werden«, sagte der schnellste Rennfahrer seit fünf Jahren, Michael Schumacher, im Herbst 2004. »Wenn man sich das letzte Rennen in Brasilien anschaut, waren 90 Prozent der Fahrer nicht mehr in der Lage, den Kopf gerade zu halten, weil die Belastungen der Nackenmuskulatur so immens gestiegen sind. Die Formel 1 entwickelt sich so schnell. Wenn man da nicht einen Riegel vorschiebt, kommt man an einen Punkt, an dem die Strecken nicht mehr sicher genug sind.« Aber Schumacher sah noch andere Risiken, die eine fortschreitende Technisierung auslösen würde. Zwar mache die Technik die »einstige Knochenarbeit im Cockpit überflüssig«, weil »der Fahrer seine Hände am Lenkrad lassen« könne. Die Anstrengung sei aber die gleiche: »Denn die Fahrer müssen ihre Entscheidung, wann sie dem Getriebe die Schaltbefehle erteilen, nach wie vor allein treffen. Durch die schnelleren Schaltvorgänge erhöht sich die Kurvengeschwindigkeit – und damit die psychische Belastung«, sagte Schumacher in einem Interview mit dem Spiegel. Wenn die Entwicklung jedoch den Punkt erreiche, an dem der Fahrer nur noch zum Befehlsempfänger und Statisten degradiert werde und der Rest die Elektronik und der Computer erledige, dann müssten »alle qualifizierten Fahrer Angst haben, dass ihre Fähigkeiten demnächst keine Rolle mehr spielen«. Denn die meisten Automobilkonzerne »interessieren sich nicht für den Fahrer, sondern vorrangig für ihre Technik und die Vorteile, die sie daraus gegenüber der Konkurrenz erzielen«. Auch sein jüngerer Bruder Ralf, der von 2005 an für Toyota fährt, setzt sich für die Entschleunigung des Motorsports in der Königsklasse ein: »Es ist an der Zeit, dass die Formel 1 einmal etwas eingebremst wird. Sonst sind wir ruck, zuck an den 1 000 PS, und das wird dann schon sehr gefährlich. Das sport-
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liche und finanzielle Überleben und die Sicherheit in der Formel 1 müssten uns allen eigentlich mehr am Herzen liegen als das endlose Emporrüsten.« Die FIA hatte nach langem Ringen mit den Automobilkonzernen noch weitere einschneidende Leistungseinschränkungen der Motoren von 2006 an durchgesetzt. Demnach müssen die bis dato eingesetzten Drei-Liter-Aggregate mit zehn Zylindern auf 2,4-Liter-Antriebe mit acht Zylindern reduziert werden. Die Leistung der Motoren wird von etwa 1 000 PS auf 700 PS beschränkt. Damit die kleineren, unabhängigen Rennteams durch die zusätzlichen Investitionen nicht in eine Existenzkrise geraten, dürfen sie die derzeitigen Triebwerke bis 2007 weiter nutzen, müssen allerdings die Drehzahl reduzieren. Mosley wäre gerne noch einen Schritt weitergegangen und hätte das halbautomatische Getriebe, das über Wippschalter am Lenkrad geschaltet wird, verboten und den Piloten wieder den guten alten Schaltknüppel verordnet. Auch die Traktionskontrolle, die verhindert, dass die Räder durchdrehen, wenn die Fahrer zu heftig aufs Gaspedal treten, sollte es künftig ebenso wenig geben wie eine Servolenkung. Im Grunde genommen wollte Mosley alle elektronischen Fahrhilfen verbieten und die Piloten in Boliden auf die Pisten schicken, die fahrtechnisch an die sechziger Jahre anknüpfen. Jeder Skoda hätte dann mehr Elektronik an Bord gehabt als die Formel-1-Gemeinde. Außerdem sollte künftig nur noch ein einziger Reifenlieferant die Königsklasse mit den Spezialpneus ausstatten dürfen. Mosleys Vorschläge lösten bei den Rennfirmen und den im Verband zusammengeschlossenen Automobilherstellern heftige Diskussionen aus. Die Automobilkonzerne BMW, DaimlerChrysler und Honda, die die Formel 1 als Spielwiese für ihre HighTech-Entwicklungen betrachten und sich gerne mit den neuesten Features zur Automobiltechnologie brüsten, protestierten gegen die Drosselung der Motorenleistung. Der notorische Verlierer der Formel-1-Szene, der Rennstall Minardi, fühlte sich durch die an-
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gekündigten Änderungen, die zunächst Investitionen erfordern, in seiner Existenz bedroht. Schließlich einigten sich die FIA und ihre Mitglieder auf einen Kompromiss. Mit den Maximalforderungen konnte sich Mosley zwar nicht durchsetzen, aber auch die erreichten Beschränkungen werden den Hochgeschwindigkeitssport verändern. Vor allem die beiden Reifenhersteller Bridgestone und Michelin sind unter Druck geraten, sie müssen härtere Gummimischungen anbieten, die den unterschiedlichen Temperaturen und Gegebenheiten der 18 Strecken, die 2005 zum Formel-1-Zirkus gehören, gerecht werden und trotzdem länger halten als bisher. Die Teams werden sich an den Rennwochenenden noch intensiver als bisher um die Wetterbedingungen kümmern müssen, um die optimalen Pneus aufziehen zu können. Neben den Beschränkungen in der Motorisierung und beim Reifenverbrauch durch das seit März 2005 gültige Abkommen drohen aber noch weitere Vereinbarungen: die Beschränkung der Tests, die die Rennställe pro Jahr durchführen dürfen. Neun Formel-1-Rennställe hatten sich auf eine Verringerung der Testfahrten verständigt. 24 Tage seien genug, hieß es, die Kosten müssten gesenkt werden. Damit stießen sie allerdings auf erbitterte Opposition bei Ferrari. Vor allem Fiat-Konzernherr di Montezemolo, der in Personalunion auch noch oberster Chef von Ferrari ist, hat die Vereinbarung heftig kritisiert und seine Zustimmung verweigert. Er sähe überhaupt keinen Anlass, der Konkurrenz bei den von ihnen geforderten Testbeschränkungen entgegenzukommen. »Stellen Sie sich vor, Sie würden im Fußball Juventus oder Bayern München oder Manchester United vorschreiben, nur morgens oder nur mittwochs zu trainieren. Das wäre dumm, Manipulation«, sagte di Montezemolo in einem Interview mit der Welt am Sonntag. Di Montezemolo will sich von niemandem vorschreiben lassen, was er wann und wie oft testen lassen will: »Wenn ich fünf Tage die Woche mit meinem Team testen will, ist das mein Problem.«
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Für die Sparappelle der Formel-1-Konzerne und die Bemühungen, die astronomischen Ausgaben, die sich pro Jahr auf insgesamt mehr als 2,2 Milliarden US-Dollar belaufen, zu senken, hat di Montezemolo allerdings größtes Verständnis. Ferrari ist mit einem Jahresetat von rund 400 Millionen US-Dollar der Big Spender in dieser Szene. Kein anderes Team lässt sich seine Motorsportaktivitäten so viel kosten wie die Scuderia. Die Finanzierung des Formel-1-Zirkus wird für die Branche aber spätestens ab 2007 zum Problem, wenn die FIA die Zigarettenwerbung auf den Boliden verboten hat. Denn die Tabakkonzerne Philip Morris, Reemtsma und andere sind die größten Sponsoren der Königsklasse. Allein Ferrari erhält von seinem Mäzen Philip Morris pro Jahr rund 60 Millionen US-Dollar. Dafür hat die Scuderia die Zigarettenmarke Marlboro auch in den offiziellen Namen der Scuderia aufgenommen und die Farbe der roten Boliden in Richtung Marlbororot verändert. Ein Ausfall der Tabakwerbung ließe sich nicht so leicht verkraften. Nur rund 30 Millionen US-Dollar steuert der Telekommunikationskonzern Vodafone bei, der Beitrag des langjährigen Partners Shell wird als Geheimnis behandelt. Da aber di Montezemolo stets behauptet hat, dass etwa 45 Prozent des Jahresetats aus Sponsorengeldern finanziert werden muss, dürften auf den Dritten im Bunde rund 50 bis 60 Millionen US-Dollar entfallen. Di Montezemolo weiß, dass in den nächsten Jahren gespart werden muss, sieht das Potenzial jedoch bei der Technik. Die Begrenzung der Motorenleistung hält er deshalb für »einen wirksamen Beitrag, um Kosten zu sparen«. Die Testfahrten zu beschränken empfindet der Ferrari-Chef als einen »merkwürdigen Beschluss«. Schließlich ginge es dabei um sein Geld: »Selbst wenn ich es aus dem Fenster werfe – ich mache damit, was ich will. Interne Entscheidungen müssen unberührt bleiben.« Diese großzügige Haltung kann sich der italienische Graf durchaus leisten: Ferrari verfügt über eigene Teststrecken. Aber auch Ferrari werde künftig bei seinem Testprogramm 3 Millionen Euro einsparen. Eine Ver-
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einbarung zur Beschränkung der Tests werde er auch weiterhin boykottieren, erklärte di Montezemolo: »Wir gehen unseren Weg. Die anderen machen, was sie für richtig halten.« Das ist allerdings nicht der einzige Streitpunkt zwischen Ferrari und dem Rest der Welt. Nach der ungebrochenen Erfolgsserie ist die Branche auf den Dauersieger nicht so gut zu sprechen. Bei McLaren-Mercedes, BMW-Williams, bei Jordan und den übrigen Teams ist die Dominanz der Roten längst zu einem Albtraum geworden: Die Power, mit der Schumacher und Barrichello in jeder Saison die Pisten beherrschten, hatte eine geradezu hypnotisierende Wirkung auf ihre Piloten ausgeübt. Wer Schumacher kommen sah, schien unwillkürlich den Fuß vom Gas zu nehmen. Über die Ohnmacht der zu Statisten degradierten Teams kursierten bereits Witze: »Wie wird der Rennzirkus wieder spannend?«, lautete die Frage. »Ganz einfach, die Ferrari-Konkurrenten dürfen in Zukunft schon am Samstag starten.«
Das Geld liegt auf der Piste Mehr noch als die permanenten Demütigungen ihrer Pistencracks ärgerte die anderen Rennställe, dass die Motorsportveranstaltung durch Schumachers frühe Titelgewinne an Attraktivität verlieren und die »Formel Schumi«, wie die Fans und Kritiker die Rennveranstaltungen nach dem Dauersieger getauft hatten, beim Fernsehpublikum gähnende Langeweile verbreiten würde. Auch dabei ging es in erster Linie ums Geld. Die Formel-1-Rennställe bangen um ihre finanzielle Zukunft. Noch lassen sich die Teilnehmer das Spektakel im Jahr mehrere Milliarden US-Dollar kosten. Doch die Finanzierung des Formel-1-Zirkus wird für die Branche spätestens ab 2007 zum Problem, wenn die FIA die Zigarettenwerbung auf den Boliden endgültig verbietet. Tabakkonzerne wie Philip Morris und Reemtsma sind die größten Sponsoren der
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Königsklasse. Allein Ferrari erhält von seinem Mäzen Philip Morris pro Jahr rund 60 Millionen US-Dollar. Einen Ausgleich der Finanzierungslücke erhoffen sich die Formel-1-Konzerne und Firmen von anderen Sponsoren, vor allem aber von den Medienanstalten, die für die weltweite Verbreitung der Megashow sorgen. Rund 500 Millionen US-Dollar zahlten die TV-Anstalten für die Ausstrahlung der Rennen. Geld, das über Werbeeinnahmen, die sich nach Einschaltquoten berechnen, wieder hereinkommen muss. Unter den Rennställen werden 47 Prozent dieser Summe aufgeteilt. Den Rest behält der Veranstalter, der die Rennen organisiert, die Anlagen mietet und die Termine aushandelt. Diese Verteilung von Profiten missfiel den Automobilkonzernen schon lange. Denn der Impresario, der die jährliche Milliarden-Show inszeniert, ist Bernie Ecclestone, ein ehemaliger Gebrauchtwagenhändler, der sich eine Weile als Rennstallbesitzer versucht hatte, bis er die wahre Goldgrube des Motorsports entdeckte: Die Vermarktung der Rechte und Lizenzen. Damit hat Ecclestone sich selbst zum Milliardär gemacht und die Formel 1 zum Entertainment für ein globales Milliardenpublikum. Ärgerlich für die Darsteller war dabei immer nur, dass sie dem Formel-1-Chef nie in die Karten, genauer: in die Bücher blicken durften. Der clevere Geschäftsmann, der sich als leidenschaftlicher Händler versteht, hat es verstanden, ein Imperium von Schachtelfirmen aufzubauen, das zu durchschauen selbst Banker ein Jahr brauchten. Zwar wurden Ecclestones Geschäfte schon immer mit einer Art ehrfürchtigem Argwohn betrachtet, zum offenen Konflikt kam es allerdings erst, als der Formel-1-Guru 75 Prozent seiner Anteile an der entscheidenden Kernfirma SLEC erst an seine Frau veräußerte, die sie an den damaligen Neuer-Markt-König Thomas Haffa verkaufte. Der wiederum reichte sie an den Filmmogul Leo Kirch weiter, der dann die Verträge mit den TV-Anstalten schließen sollte. Der Deal in der Größenordnung von 2,1 Milliarden Euro hatte nur einen Schönheitsfehler: Keiner der Käufer
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hatte das Geld, um den Deal zu finanzieren, und die Erträge aus den Veranstaltungen und dem Rechteverkauf gingen für die Bedienung einer Anleihe drauf, die Ecclestone dieser Firma aufgebürdet hatte, bevor er sie veräußerte. Der Zusammenbruch des auf Pump gebauten EM.TV-Imperiums von Haffa und der Kollaps von Kirchs Medienkonzern führten schließlich dazu, dass die Gläubigerbanken des Filmmoguls, allen voran die Bayerische Landesbank, in den Besitz des Formel-1-Veranstalters kamen. Ausüben konnten sie ihre Eigentümerrechte allerdings nicht, denn Ecclestone hatte sich vertraglich zusichern lassen, dass er auch weiterhin der Chef des Unternehmens bleiben, und ohne seine Zustimmung keine Entscheidungen getroffen werden könnten. Gegen diesen Vertrag strengten die deutschen Banken zwar eine Klage an, mit der sie erreichen konnten, dass sie über ihre Anteile verfügen können, doch geholfen hat ihnen das wenig: Weil sie nichts von dem glamourösen PS-Spektakel verstehen, können sie auch nicht mitreden. Gerhard Gribkowsky, Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesbank und Verwalter der Formel-1-Beteiligung, erklärte dazu im Spiegel: »Wir wären schlecht beraten, wenn wir Ecclestone als zentrale Figur des Formel-1-Sports ausgrenzen würden. Er hat in mehr als drei Jahrzehnten intensive Kontakte zur Industrie, zu Sponsoren, Rennstreckenbetreibern und anderen Beteiligten aufgebaut, und seine Lebensleistung muss man anerkennen.« Die Banker sitzen noch in einer Sackgasse: Veräußern können sie die Anteile erst, wenn die Anleihe zurückgezahlt ist. Das wird vermutlich 2007 der Fall sein. Dann könnte das SLECPaket an die Börse gebracht werden. Ob sie dann bekommen, was die Formel-1-Rechte damals wert waren, als sie sie als Kreditsicherung übernahmen, hängt davon ab, ob es bis dahin nur eine dieser Motorsportveranstaltungen gibt oder deren zwei. Denn die Automobilkonzerne sahen nach dem geplatzten Mega-Deal die lange herbeigesehnte Gelegenheit gekommen, den undurchschaubaren und ungeliebten Ecclestone auszubooten und
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eine eigene Formel-1-Serie ins Leben zu rufen. »Die Ära der EinMann-Show ist vorbei. Die Formel 1 muss sich ändern und ihre Regeln überdenken. Die Situation derzeit ist lächerlich, das Spielzeug ist kaputt«, lautete die Kampfansage der Aufständischen. Unter der Führung des früheren Mercedes-Chefs und DaimlerChrysler-Vorstands Jürgen Hubbert versuchen DaimlerChrysler, BMW, Renault, Honda und Toyota seit Jahren, eine eigene PS-Show auf die Beine zu stellen. Auch Ferrari wehrte sich zunächst nicht gegen eine Aufnahme in den illustren Kreis. Einen Namen hatten sie bereits gefunden: Grand Prix World Championship (GPWC). Was zunächst nur als Erpressungsversuch geplant war, um Ecclestone eine höhere Beteiligung abzuhandeln, wurde nun zur Konkurrenzveranstaltung und zur Bedrohung des real existierenden Formel-1-Zirkus. Die FIA-Funktionäre, die ebenfalls kein Interesse hatten, das Arrangement mit Ecclestone aufzukündigen, bewegten den mitt lerweile über 70-Jährigen immerhin zu einer Reihe von Zugeständnissen, um die Rebellen zu besänftigen. »Ab 2008 werden die Teams 50 Prozent des gesamten Einkommens von Bernies Firmen bekommen. Dazu wird es rückwirkende Zahlungen für 2004, 2005, 2006 und 2007 geben«, verkündete FIA-Präsident Mosley am 10. Februar 2005 in London. »Ab 2008 wird der Anstieg enorm sein – wenn sie unterschreiben. Es werden zwischen 500 Millionen und einer Milliarde US-Dollar auf die Teams verteilt.« Als Mosley seine Ankündigung machte, wusste er genau, dass die GPWC-Fronde bereits erheblich geschwächt war. Sie hatte nämlich ihren wichtigsten Verbündeten verloren: Ferrari. Ohne allzu großes Aufsehen hatten Jean Todt und Luca di Montezemolo einen eleganten Deal eingefädelt, von dem zunächst vor allem einer etwas hat: die Scuderia aus Maranello. Sie unterschrieben ohne öffentliches Aufhebens das neue Concorde Agreement, das Regelsystem der Formel 1, das sie im Zweifel vorher mit entworfen hatten. Ecclestone hatte das Entgegenkommen mit
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einem kleinen Sonderbonus von 100 Millionen Euro honoriert. Das Interesse von Ferrari liegt auf der Hand: Ferrari braucht schon aus Werbezwecken die Formel 1 mindestens genauso sehr wie umgekehrt. Irgendwie wirkten die Herren der GPWC danach etwas hilflos, ein wenig dilettantisch. Sie hatten bei ihrem Aufstand einfach übersehen, dass es zwischen der Scuderia und Ecclestone, aber auch zu den Funktionären der FIA alte und bewährte Beziehungen gab. Das Netzwerk, das Enzo Ferrari einst geknüpft hatte, hält noch immer. Dass sich Ferrari mit dieser Aktion isoliert haben könnte, schreckt Todt nicht. Politische Grabenkämpfe und Intrigen haben den Grand-Prix-Zirkus schon immer geprägt. »Ferrari ist in der Formel 1 immer isoliert gewesen. Das Wichtigste ist, dass wir gute Arbeit leisten und den anderen das Leben schwer machen.« Und das heißt für den General der Scuderia: Siegen. Das fiel Todt und seiner Truppe jedoch in der Saison 2005 ziemlich schwer. Das neue Reglement traf die Scuderia, die ihren Erfolg auf unlimitierten Materialeinsatz, kontinuierliche Optimierung und schnellen Wechsel von Fahrzeugen, Motoren und Reifen gegründet hatte, ins Herz. Die für jeden Ferrari typischen Schwächen bei Dauereinsätzen bremsten nun Schumacher und Barrichello aus. Der Kerpener fuhr zwar immer wieder die schnellsten Runden, nur mit der Langlebigkeit seines Wagens war es nicht weit her. Die Entdeckung der Langsamkeit, die die FIA allen Rennställen – vor allem aber den übermächtigen Roten – verordnet hatte, zeigte ihre Wirkung – und dem schnellsten Unternehmen der Welt seine Grenzen.
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Literatur
Ferrari – und vor allem seine legendären Autos und Rennwagen – haben unzählige Bücher inspiriert. In erster Linie sind dies Bildbände, die Boliden für Rennpisten und Boulevards in allen Details zeigen und fachkundig beschreiben. Zu diesen Werken gehören: Laban, Brian: Ferrari. London: Parragon 2003. Lyons, Pete: Ferrari. Geschichte, Typen, Technik. Königswinter: HeelVerlag 1992, 2. Auflage. Schlegelmilch, Rainer W./Lehbrink, Hartmut/Osterroth, Jochen von: Ferrari. Königswinter: Könemann/ Tandem Verlag 2004. Seiff, Ingo: Ferrari. Hamburg: Hoffmann & Campe 1998, 2. Auflage. Mit den Geschehnissen, den Siegen und Niederlagen in der Formel 1 befassten sich Autoren wie: Bauer, Tanja: Formel 1 Privat. Mauerbach/Wien: Eugen Ketterl 2002. Brümmer, Elmar/ Schlegelmilch, Rainer W.: Powerplay 2004. Köln: Egmont vgs 2004. Reuß, Eberhard: 50 Jahre Formel 1. Stuttgart: Motorbuch Verlag 1999. Schlang, Achim: Grand Prix. Schumacher F1-Superstar – Die Rennen zur Formel-1-Weltmeisterschaft 2003. Stuttgart: Motorbuch Verlag 2003. Schlegelmilch, Rainer/Lehbrink, Hartmut: Die gesamte Welt der Formel 1. Köln: Karl Müller Verlag 2003. Selch, Gerald (Hrsg.): Formel Schumi. Ferrari und BMW – Weltmeister und Herausforderer. Berlin: Ullstein 2002.
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Einblicke in das Unternehmen, in das Leben von Enzo Ferrari und sein Wirken verschaffen vor allem folgende Biografien: Ferrari, Enzo: Meine Memoiren. München: Verlag Moderne Industrie 1965, 2. Auflage. Yates, Brock: Ferrari – Eine Legende lebt: Das aufregende Leben des Enzo Ferrari. München: Heyne 1998. Neben diesen Werken wurden vor allem aber Berichte über das Unternehmen, den Gründer, die Rennwagen und die Luxussportwagen sowie die Erfolge und Niederlagen in Fachzeitschriften, internationalen Tagesund Wochenzeitungen, Magazinen sowie im Internet herangezogen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Reportagen und aktuellen Meldungen im Magazin Der Spiegel und auf SpiegelOnline.
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Chronik
1898 Am 18. Februar wird Enzo Anselmo Ferrari in Modena geboren. arbeitet im Kfz-Betrieb 1918 von Giovannoni in Bologna und baut alte Ferrari Lancia-Lieferwagen in Personenfahrzeuge um. Er knüpft erste Kontakte mit der Motorsportszene.
1919Nazionali (CMN) bei Er wird Testfahrer von Costruzioni Meccaniche Mailand. In seinem ersten Bergrennen belegt er den 4. Platz.
Er wechselt ins Rennteam von Alfa Romeo. Die Targa Florio 1920 in Sizilien gewinnt er als Klassensieger und wird Zweiter im Gesamtklassement.
1923 Ferrari siegt beim Circuito del Savio in Ravenna im Sechszylinder RL Targa Florio. Begegnung mit dem Grafen Baracca, der Ferrari das Wappen mit dem springenden Pferd überlässt. Am 28. April heiratet er die Schauspielerin Laura Domenica Garello. In Modena kauft er das Grundstück Viale Trento e Trieste 31.
Ferrari wird zum Cavaliere 1924 ernannt, nachdem er fünf Rennen gewonnen hat.
1925 Der Rennfahrer eröffnet eine Werkstatt und Alfa-Romeo-Repräsentanz in der Viale Trento e Trieste. Er erhält den Titel Cavaliere Ufficiale.
1927 Ferrari wird zum Commendatore ernannt. 1929 Gründung der Società Anonima Scuderia Ferrari als privater Rennstall und offizielle Vertretung der Alfa-Romeo-Rennaktivitäten.
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1932
Am 19. Januar wird der Sohn Alfredo »Dino« geboren. Ferrari beendet seine Rennkarriere, er hat in zwölf Jahren an 39 nationalen Motorsportwettbewerben teilgenommen und davon elf gewonnen. Mit dem P3, den der Konstrukteur Vittorio Jano für Ferraris Alfa-Romeo-Team entwickelt hatte, gewinnen Carraciola, Nuvolari und Borzacchini den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring.
1938 Alfa Romeo integriert die Rennaktivitäten wieder in das Unternehmen, Ferrari übernimmt die Leitung des Alfa Corse genannten Teams.
1939 Der Commendatore verlässt mit einigen Mitarbeitern Alfa Romeo. Das gegen ihn verhängte Konkurrenzverbot umgeht er durch Gründung einer neuen Firma: die Auto Avio Costruzioni, in der 40 Leute beschäftigt werden.
1940
In Ferraris neuer Firma entsteht das erste Auto, der Vettura 815, mit Achtzylinder-Motor und 75 PS. Beim ersten Rennstart bei der Mille Miglia fallen beide Fahrzeuge dieses Typs aus.
1943
Ferrari baut in Maranello, einem kleinen Dorf in der Nähe von Modena, ein neues Werk, in dem 100 Arbeitsplätze entstehen. Der offizielle Firmensitz bleibt in Modena in der Viale Trento e Trieste. In der Fabrik in Maranello werden vorwiegend Schleifmaschinen hergestellt.
1945
Ferrari gründet endlich seine eigene Firma, mit dem springenden Pferd auf gelbem Grund im Logo. Im Mai wird sein außerehelicher Sohn Piero Lardi geboren. Gioacchino Colombo entwirft den Motor für den ersten echten Ferrari.
1946 Der Zwölfzylinder-Motor wird getestet.
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1947
Im Ferrari 125 S gewinnt Franco Cortese den Großen Preis von Rom auf dem Caracalla-Ring. Aurelio Lampredi wird Chefkonstrukteur, der Motorenentwickler Colombo wird Berater und später Chef der Motorenentwicklung. Insgesamt werden in diesem Jahr drei Rennwagen gebaut.
1948Neuer Eigentümer ist Der erste Rennwagen der Scuderia wird verkauft: Graf Soave Besana. Clemente Biondetti und Igur Troubetzkoy gewinnen in einem 166 Spider Corsa die Targa Florio. Im Coupé 166 S trägt Biondetti den Sieg in der Mille Miglia davon. Der erste straßentaugliche Ferrari, der 166 Sport, wird auf dem Turiner Autosalon vorgestellt. Die Jahresproduktion beläuft sich auf vier Rennwagen und Sportflitzer.
1949
Biondetti/Benedetti gewinnen im Ferrari 166 Barchetta die Targa Florio und Biondetti auch die Mille Miglia, Graf Bruno Sterzi wird mit dem 166 Sport Erster im Tourenwagenrennen Coppa Intereuropa in Monza. Luigi Chinetti und Lord Selsdon siegen in der Barchetta beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Bei den Grand-Prix-Wettbewerben holen die Rennwagen Tipo 125 mit Ascari, Villoresi und Whitehead am Steuer die Großen Preise der Schweiz, der Niederlande, von Italien und der Tschechoslowakei. In der Formel 2 erringt der Tipo 125 mit 2-Liter-Saugmotor die Trophäen in Luxemburg, Garda, Brüssel, Bari, Neapel, Rom und Reims. Insgesamt baut Ferrari 21 Straßen- und Rennwagen der Typen 166 Inter, 166 Mille Miglia und 166 Corsa.
1950 Alberto Ascari siegt im Formel-2-Rennen am Nürburgring. In der Formel 1 gelingt nur ein Erfolg: der Große Preis von Spanien Ende Oktober. Auf dem Autosalon in Paris stellt Ferrari die Touring Barchetta 340 America mit dem neuen 4,1-Liter-Zwölfzylinder-Motor von Lampredi vor.
Luigi Villoresi siegt im1951 Ferrari 340 America Coupé Vignale in der Mille Miglia. Froilan Gonzalez gewinnt den Formel-1-Lauf in Großbritannien, Alberto Ascari holt den Großen Preis auf dem Nürburgring. Die 212-Export-Barchetta und zwei Vignale-Coupés belegen die ersten drei Plätze in der Tour de France für Automobile. Ascari und Villoresi siegen im Formel-1-Lauf von Monza. Zwei 212-Inter-Coupés Vignale gewinnen die Carrera Panamericana in Mexiko.
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Fiat-Großaktionär Gianni Agnelli kauft seinen ersten Ferrari, ein 195 Inter Coupé Vignale.
Die Mille Miglia gewinnt ein 250 S Coupé1952 Vignale. In der Formel 1 stellt Ferrari mit Alberto Ascari zum ersten Mal den Weltmeister.
1953 Gianni Marzotto siegt in der Mille Miglia mit dem 340 MM Spider. Ferrari gewinnt die erste Markenweltmeisterschaft. Ascari verteidigt erfolgreich den Weltmeistertitel in der Formel 1. Ferrari produziert 57 Fahrzeuge der Straßensportwagen 212 Inter, 250 Europa, 342 America, 375 America und der Rennwagen 166 MM, 250 MM, 340 MM und 375 MM.
1954 Ferrari kann in der Formel 1 nur die Großen Preise von Großbritannien und Spanien erringen. Die Siege beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans sowie bei der Carrera Panamericana mit dem 375 Plus Spider bleiben in diesem Jahr die einzigen. Allerdings geht die Markenweltmeisterschaft wieder an Ferrari. Auf dem Autosalon in Paris präsentiert Enzo Ferrari den 250 GT mit der Karosserie von Pinin Farina.
Nur in Monte Carlo1955 kann Ferrari in der Formel 1 die Übermacht von Mercedes brechen. Ferrari übernimmt den Rennstall von Lancia und erhält finanzielle Unterstützung von Fiat-Erbe Gianni Agnelli.
1956
Ferraris Sohn Dino stirbt. Ein Ferrari 290 MM gewinnt die Mille Miglia. Auch die Markenweltmeisterschaft geht nach Maranello. Der neue 250 GT Berlinetta gewinnt die Tour de France. Im AchtzylinderLancia-Ferrari holt Juan Manuel Fangio den Weltmeistertitel in der Formel 1.
1957 Ferrari kann nur in der Markenweltmeisterschaft den Titel verteidigen. Das Werk produziert 113 Sport- und Rennwagen der Typen 250 GT in den verschiedenen Versionen, als Coupé Ellena, Boano oder Cabriolet von Pinin Farina, Berlinetta von Scaglietti oder Zagato sowie den Luxus-Boliden 410 Superamerica.
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1958 Der neue
Zwölfzylinder-Testarossa gewinnt die Sportwagenrennen Targa Florio und Le Mans. Mike Hawthorn gewinnt im Ferrari die Formel-1-Weltmeisterschaft.
Ferrari kann keinen 1959 Titel verteidigen. Auf dem Autosalon in Paris wird der 250 GT SWB mit kurzem Radstand vorgestellt.
1960
Ferrari setzt auch Rennwagen mit Mittelmotor ein: Ein MittelmotorDino gewinnt im Formel-2-Rennen in Stuttgart mit Wolfgang Graf Berghe von Trips am Steuer. Am Ende der Saison schafft Ferrari sogar noch die Weltmeisterschaft für Sportwagen. Enzo Ferrari wird von der Universität Bologna zum Ingegnere h.c. ernannt.
Mit dem Ferrari 156 mit 1,5-Liter-Sechszylinder-Mittelmotor1961 wird der Amerikaner Phil Hill Weltmeister in der Formel 1. Ferrari gewinnt mit dem Testarossa 250 wieder die Sportwagenmeisterschaft.
1962 Ferrari wird Weltmeister im Langstreckenrennen mit dem neuen Dino 246 S. Der 250 GTO geht bei den europäischen Bergmeisterschaften als Erster über die Ziellinie. In der Formel 1 verläuft die Saison enttäuschend: Nicht ein einziges Mal steht ein Ferrari-Fahrer auf dem ersten Platz.
1963
Das Debakel in der Formel 1 geht weiter, nur den Großen Preis von Deutschland kann Ferrari für sich entscheiden. Dafür gewinnt Ferrari die Sportwagenmeisterschaft. Ford unterbreitet Ferrari ein Übernahmeangebot, das der Firmenchef ausschlägt, weil er auch die Kontrolle der Rennabteilung abgeben müsste. Lamborghini stellt seinen ersten Supersportwagen mit Zwölfzylinder-Motor vor. Im Werk von Maranello werden mehr als 500 Sportwagen der Modelle 250 GT 2+2, 250 GT/L Berlinetta Lusso, 250 GT Spider California, 250 GT Berlinetta, 250 GTO, 330 America und 400 Superamerica hergestellt.
1964
Ferrari wird mit John Surtees Formel-1-Weltmeister und gewinnt den Konstrukteurstitel. Auch die Sportwagen-WM geht an Ferrari sowie der Champion-Titel in der Gran-Turismo-Klasse. Auf dem Pariser Au-
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tosalon werden die Berlinetta 275 GTB und der Spider 275 GTS vorgestellt.
In der Formel 1 fahren die Ferrari wieder hinterher, meistens 1965 den Lotus Climax. Aber Ferrari verteidigt den Titel in der Sportwagenweltmeisterschaft und die Berg-Europameisterschaft. Gianni Agnelli hilft Ferrari, seine Produktion mit Hilfe eines Rationalisierungsfachmanns umzustrukturieren.
1966 In Maranello wird gestreikt. Trotzdem gelingt es John Surtees, Vizeweltmeister in der Formel 1 zu werden. In der Markenweltmeisterschaft fahren die Ferraris Ford hinterher. Ferrari präsentiert einen 275 GTB/4 mit vier Nockenwellen, in Paris auf dem Autosalon sorgt ein dreisitziger 365 P mit Mittelmotor für Furore. Agnelli übernimmt einen der beiden Prototypen. Fiat beginnt mit dem Bau eines Dino-Sportwagens mit einem Sechszylinder-Motor von Ferrari.
Ferrari kann mit dem1967 neuen Rennsportwagen 330/P4 die Markenweltmeisterschaft wieder für sich entscheiden. In Turin stellt Ferrari den Dino GT mit Sechszylinder-Mittelmotor vor.
1968 Ferrari verzichtet auf die Teilnahme an den Markenweltmeisterschaften in der Fünf-Liter- und der Drei-Liter-Klasse, weil die Regeln geändert wurden: Die in den Sportwagen eingesetzten Motoren müssen in Serien von mindestens 25 Stück gefertigt werden. Die Berlinetta 365 GTB/4 Daytona wird vorgestellt.
1969 Ferrari gewinnt nur die Berg-Europameisterschaft, startet aber wie üblich auch in allen anderen Sparten des automobilen Motorsports. Ford und Porsche hängen die Ferraris ab. Fiat übernimmt 49 Prozent des Aktienkapitals und die Serienproduktion von Ferrari sowie die Finanzierung der Rennabteilung, deren Kontrolle aber Enzo Ferrari behält. Der Dino GT wird in Serie hergestellt, als direkter Konkurrent von Porsche.
1970 Jackie Ickx wird mit dem Formel-1-Rennwagen 312 B Vizeweltmeister. Ferrari nimmt wieder an der Markenweltmeisterschaft in der Fünf-LiterKlasse teil, schafft es aber nicht zum Weltmeister.
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1971
Auch in diesem Jahr kann Ferrari weder in der Formel 1 noch in der Marken-WM den ersten Platz belegen. Mit dem 365 GT4/Berlinetta Boxer debütiert der erste Zwölfzylinder-Ferrari mit Mittelmotor. Insgesamt wird die Jahresproduktion auf eine Rekordmarke von 1 246 Sportwagen gesteigert. In Fiorano wird eine drei Kilometer lange Teststrecke gebaut.
1972 mit dem Prototyp Ferrari gewinnt die Marken-WM für Sportwagen 312 B und dem 365 GTB/4 Daytona, fährt aber in der Formel 1 meistens hinterher.
1973
Ferrari zieht sich aus den Wettbewerben um die Marken-WM zurück, um alle Aktivitäten auf die Formel 1 zu konzentrieren, schafft es aber auch dort nicht, an die Spitze zu fahren. Der neue Dino 308 GT4 mit der Karosserie von Bertone wird auf der Autoschau in Paris vorgestellt. Luca di Montezemolo wird offiziell Assistent von Ferrari in der Rennabteilung.
1974 Niki Lauda verschafft Ferrari ein Comeback in der Formel 1 mit dem neuen 312 B3. Nach 3 911 Fahrzeugen wird die Produktion des Sechszylinder-Dino eingestellt.
1975
Niki Lauda wird Weltmeister im Ferrari 312 T und verschafft den Maranellern auch noch den Konstrukteurstitel. In der Sparte Straßensportwagen gelingt mit der Entwicklung des 308 GTB ein Bestseller.
1976 Ferrari wird durch den schweren Unfall von Lauda auf dem Nürburgring nur Vizeweltmeister. Di Montezemolo wechselt wieder zu Fiat. Der 400 A, der erste Zwölfzylinder-Ferrari-Sportwagen mit Automatikgetriebe, erscheint
Ferrari räumt in der Formel 1 wieder ab:1977 Lauda gewinnt den WM-Titel und Ferrari den Konstrukteurstitel. Trotz des Erfolgs verlässt Lauda das Team, und Gilles Villeneuve übernimmt sein Fahrzeug.
1978 Enzo Ferraris Ehefrau Laura Domenica stirbt mit 78 Jahren. In der Formel 1 steigt die Scuderia wieder auf den dritten Platz ab.
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1979
Der Südafrikaner Jody Scheckter erringt den WM-Titel und die Konstrukteursmeisterschaft. In der Produktion in Maranello gibt es einen neuen Rekord: Von den Typen 208 GT4, 308 GT4, 308 GTB, 308 GTS, 400 GT, 400 A und 512 BB wurden 2 221 Sportwagen hergestellt.
1980
Auch in Maranello beginnt die Ära der Einspritzmotoren. Zuerst wird dieses Aggregat in den Mondial 8 eingebaut. Außerdem stellt Ferrari eine viertürige Limousine vor.
1982 Gilles Villeneuve verunglückt tödlich, sein Teamkollege Didier Pironi wird wenige Wochen später schwer verletzt, erringt aber immer noch den Titel des Vizeweltmeisters. Ferrari wird Konstrukteurschampion.
1983 Die Scuderia bezieht ein neues Quartier an der fertig gestellten Teststrecke in Fiorano. Ferrari erringt in der Formel 1 mit dem Turbo 126 C3 den Konstrukteurstitel.
1985
Ferrari wird mit Michele Alboreto im neuen 900 PS starken Sechszylinder-Turbo-Ferrari Vizeweltmeister in der Formel 1. Die Produktion der Straßensportwagen steigt weiter: 3 125 Fahrzeuge der Typen 208 GTB Turbo, 208 GTS Turbo, 308 GTB quattrovalvole, 308 GTS quattrovalvole, 328 GTB, 328 GTS, Mondial Coupé quattrovalvole, Mondial Cabriolet quattrovalvole, Mondial 3,2 Coupé, Mondial 3,2 Cabriolet, 412, Testarossa und GTO.
John Barnard wird Technischer Direktor,1986 arbeitet aber von Großbritannien aus.
1987
Ferrari präsentiert den Supersportwagen F40, der von einem Achtzylinder-Doppelturbomotor mit einer Leistung von 478 PS angetrieben wird. In Imola wird das 40-jährige Firmenjubiläum gefeiert.
1988 Im Februar feiert Enzo Ferrari seinen 90. Geburtstag, Er erhält die Ehrendoktorwürde in Physik. Am 14. August stirbt Enzo Ferrari in seinem Haus am Largo Giuseppe Garibaldi. Gerhard Berger gewinnt das Formel-1-Rennen in Monza im September, es ist der einzige WM-Lauf in diesem Jahr, in dem ein Ferrari-Pilot als Erster über die Ziellinie fährt.
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C h r o n i k 253
1989
Die Regeln für die Formel 1 werden geändert: Es dürfen nur noch Saugmotoren mit höchstens 3,5 Litern Hubraum eingesetzt werden. Ferrari geht mit einem Zwölfzylinder-Motor mit 600 PS Leistung und einem halbautomatischen 7-Gang-Getriebe an den Start. Formel-1-Pilot Nigel Mansell gewinnt die WM-Läufe in Brasilien und Ungarn, sein Teamkollege Berger in Portugal.
1990 Der Formel-1-Weltmeister Alain Prost wechselt zu Ferrari und wird Vizeweltmeister. In der Produktion der Straßenwagen haben die nun 1 832 Beschäftigten 4 293 Sportwagen der Typen 348 TB, 348 TS, Mondial Coupé und Cabriolet, F40 und Testarossa hergestellt. Insgesamt haben jetzt seit 1947 immerhin 58 070 Ferraris das Werk in Maranello verlassen.
1991 Die Produktion von Sportwagen steigt auf eine neue Rekordmarke von 4 589 Fahrzeugen. In der Formel 1 ist die Scuderia eher glücklos, mehr als ein paar zweite und dritte Plätze können die beiden Formel-1-Piloten Alain Prost und Jean Alesi nicht schaffen. Im November übernimmt Luca di Montezemolo den Posten des Generalbevollmächtigten bei Ferrari.
1992 Zum ersten Mal in der Firmengeschichte sinkt der Absatz der Straßensportwagen. Nur noch 3 470 Fahrzeuge werden in Maranello produziert. Der 456 GT mit vier Sitzen wird präsentiert.
Die Herstellung der Sportwagen 1993 muss weiter gedrosselt werden auf 2 325 Fahrzeuge, die Belegschaft wird reduziert. Der 348 Spider, ein Cabriolet, wird vorgestellt. Jean Todt wird Direktor des Rennteams.
1994
Der Absatz der Sportwagensparte erholt sich leicht auf 2 639 Fahrzeuge. In der Formel 1 gewinnt Berger immerhin den Großen Preis von Deutschland in Hockenheim.
Auf dem Genfer Automobilsalon debütiert der F50, von dem1995 nur 349 Stück gebaut werden sollen. Insgesamt werden in diesem Jahr 3 158 Sportwagen montiert.
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254 F e r r a r i – D a s
schnellste
Unternehmen
der
W e lt
1996 Der zweifache Weltmeister Michael Schumacher fährt jetzt für Ferrari. Er gewinnt die WM-Läufe in Spanien, Belgien und Monza. Auf einer Ferrari-Party auf dem Nürburgring wird der Maranello 550 in Anwesenheit von Formel-1-Prominenz und zahlreichen Tifosi vorgestellt. 3 370 Sportwagen werden in diesem Jahr gebaut. Ende des Jahres verstärken Ross Brawn als Technischer Direktor und Rory Byrne als Chefkonstrukteur Ferraris neue Rennmannschaft.
1997
In der Formel 1 verpasst Michael Schumacher knapp den WM-Titel. Die Formel-1-Läufe in Monte Carlo, Kanada, Frankreich und Belgien gewinnt er, in Suzuka gelingt dem Ferrari-Team mit Schumacher und Eddie Irvine sogar ein Doppelsieg. Doch beim letzten Rennen jener Saison in Spanien muss Schumacher sich Jacques Villeneuve, dem Sohn des ehemaligen Ferrari-Fahrers Gilles Villeneuve, geschlagen geben. Das große Ereignis ist die 50-Jahr-Feier der Scuderia. Rund 80 000 Fahrzeuge hat die Automanufaktur im vergangenen halben Jahrhundert ausgeliefert.
1998 Schumacher gewinnt die Großen Preise von Argentinien, Kanada, Frankreich, Ungarn, Großbritannien und Italien, doch zum Gewinn des WM-Titels reicht es wieder nicht. Die Reifen bremsen den F300 in den ersten sechs Rennen aus.
Ferrari stellt mit Eddie Irvine den Vizeweltmeister und erreicht1999 den WMTitel in der Konstrukteurswertung, der Spitzenreiter Schumacher fällt nach einem Unfall in Silverstone für sechs Rennen aus. In der Sportwagensparte präsentiert Ferrari das Coupé 360 mit Achtzylinder-Motor und einer Leistung von 400 PS.
2000 Nach 21 Jahren stellt Ferrari wieder den Weltmeister in der Formel 1. Mit dem F2000 gelingt es Schumacher, neun der 17 WM-Läufe zu gewinnen. Sein neuer Teamkollege, Rubens Barrichello, wird Vierter in der WM-Wertung. Die Sportwagensparte schickt den 360 Spider und den 360 Modena 2000 auf die Straße.
Ferrari schafft den 2001 Titelgewinn in der Fahrerweltmeisterschaft und in der Konstrukteurskategorie. Der F2001 ist das beste Auto, das die For-
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C h r o n i k 255 mel-1-Piloten seit langem haben. Barrichello schafft Platz 4 in der Fahrerwertung. Zum 50-jährigen Jubiläum des Karosseriedesigners Pininfarina wird ein neues Cabriolet entwickelt: die Barchetta Pininfarina. Die Modellreihe wird auf 448 Edelboliden limitiert.
Die Siegesserie in der Formel 1 hält an. 2002 Das Ferrari-Duo Schumacher/ Barrichello holt wieder den Konstrukteurstitel, der Deutsche gewinnt erneut die Fahrerweltmeisterschaft. Als Hommage an den Firmengründer debütiert der Hochleistungssportwagen Enzo, von dem nur 399 Exemplare hergestellt werden.
Der neue Weltmeister ist der Alte, obwohl es Schumacher in 2003 dieser Saison schwerer fällt, seinen Titel zu verteidigen. Der neue F2003 ist nicht ganz so zuverlässig wie sein Vorgänger. Die Sportwagenserie 360 wird überarbeitet, der neue Challenge Stradale 2003 bringt noch ein paar PS mehr auf die Straße und beschleunigt noch schneller.
2004 Wieder das gleiche Bild wie in den Vorjahren. In der Formel 1 fährt Schumacher den Sieg ein, Barrichello wird Vizeweltmeister, der Konstrukteurstitel geht ebenfalls an die Scuderia und die 650 Mitarbeiter der Rennabteilung. Im Mai wird Luca di Montezemolo zum Chef des Fiat-Konzerns berufen, sein Nachfolger als Generaldirektor bei Ferrari ist Jean Todt. Der 612 Scaglietti sorgt für Aufsehen. Der neue Zwölfzylinder ist eine Hommage an die Barchetta des Designstudios in den fünfziger Jahren.
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Bildnachweise
Fotomotiv Vorsatz, vorne: © Neill Bruce S. 23, 29, 32, 42, 49, 52, 54, 81, 103, 113, 164, 175, 197, 209: dpa S. 36, 40, 47, 171, 172: © Neill Bruce S. 98: Ullsteinbild S. 176: R. Meinert, © Neill Bruce Fotomotiv Vorsatz, hinten: dpa
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Register
Abtrieb 83, 169, 231 Achtzylinder-Motor 48, 50, 69, 163, 165, 169, 174, 234, 246, 248, 252, 254 Aerodynamik 23, 92, 95, 130, 134–137, 141, 146, 152, 166–168, 171, 190–192, 201, 205, 231 Agnelli, Gianni 56, 67, 70, 76, 79, 103 f., 107, 150, 164, 190 f., 248, 250 Aintree (Rennstrecke)54 Alesi, Jean 116 f., 142, 229, 253 Alfa Romeo 19–24, 26 f., 29–33, 49, 63, 100, 245 f. Andretti, Mario 76 f. Ascari, Alberto 29, 31–33, 49, 85, 247 f. Audetto, Daniele 76 f., 89, 94 Auto Union 25 f. Automobili Turismo e Sport (ATS) 54 f. Baghetti, Giancarlo 46 f. BAR-Honda 189, 217 f., 222 Barnard, John 94 f., 102, 109, 130–134, 137 f., 252
Barrichello, Rubens 8, 129, 150, 178 f., 183–185, 187 f., 190– 192, 194, 205 f., 208–218, 220–223, 225–227, 230, 237, 241, 254 f. Benetton 124, 126 f., 129 f., 133, 135–138, 182, 230 Benetton-Ford 102, 109, 115, 123 f., 126, 189 Benetton-Renault 117 f. Berger, Gerhard 96, 98 f., 102, 113, 117, 137, 208, 220, 252 f. Bergman, Ingrid 177 BMW 8 f., 92 f., 162, 166, 208 f., 220, 222, 225, 234, 240 BMW-Williams 28, 160, 185, 207–209, 215–219, 221 f., 237 Brawn, Ross 133–136, 138, 142, 150, 152, 179, 182, 184, 190, 196 f., 205, 219–221, 231, 254 Briatore, Flavio 126 Bridgestone 141, 145, 217, 220, 225, 235 British Racing Motors (BRM) 46, 69
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Bugatti 22, 46 Byrne, Rory 137 f., 152, 174, 230 f., 254 Campari, Giuseppe 19, 22, 45, 85 Carrozzeria Boano 39 Chinetti, Luigi 38, 40, 247 Collins, Peter 51, 85 Colombo, Gioacchino 28 f., 246 f. Concorde Agreement 240 Cortese, Franco 29, 247 Costa, Aldo 230 f. Coulthard, David 140 f., 143, 155 f., 185, 187 f., 194, 205 f., 209 f., 214, 221 DaimlerChrysler 8 f., 234, 240 Design (Sportwagen) 31, 35 f., 90, 103, 134, 165, 168, 170, 172, 174 f., 198 di Montezemolo, Luca 9, 67, 73, 76, 79, 89, 104, 107, 109, 111, 114, 116–118, 130, 133, 140, 143, 149, 152, 159–161, 163, 165–170, 174, 181, 183, 192, 198 f., 201, 206, 209, 219, 235–238, 240, 251, 253, 255 Dreyfus, René 46 Ecclestone, Bernie 10, 79, 123, 140, 211, 238–241 Ecclestone-Parmalat 78 EM.TV 239 Entschleunigung 233 Enttechnisierung 232
Unternehmen
der
W e lt
Fahrwerksabstimmung 130, 134, 164, 166 Fangio, Juan Manuel 31, 33, 49 f., 207, 248 Fantuzzi, Medardo 47 Ferrari, Alfredo 15–17 Ferrari, Alfredo “Dino” 24, 44, 53, 61, 246, 248 Ferrari, Enzo 7, 9, 15–32, 34–38, 42, 44–56, 61, 65 f., 77, 79– 81, 84 f., 88 f., 91 f., 96–98, 100, 110 f., 152, 166, 173, 241, 245 f., 248–252 Ferrari-Garello, Laura 20, 45, 53, 245, 251 Ferrari Design and Development 131 Ferrari-Rennteam 75, 89, 94, 98, 101, 104, 112, 131, 191, 196, 202, 228 f., 232, 234 Ferrari, Fahrzeugmodelle – America 247–249 – Barchetta 7, 36 f., 169, 247, 255 – Berlinetta 39 f., 56, 177, 248– 251 – California 39 f., 249 – Daytona 56, 250 f. – Dino 45, 47, 52 f., 249–251 – Enzo 7, 174 f. – Europa 36, 39, 248 – Maranello 170–173, 254 – Mille Miglia 36 f., 177, 247 f. – Modena 174, 254 – Spider 37 f., 247 f., 250, 253 f. – Testarossa 96, 170–172, 249, 252 f.
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R e g i s t e r 259 – F40 96, 163 f., 169, 252 f. – F50 169, 253 – F333 SP 168 – F355 168 – FX 103 – 375 MM Berlinetta Aerodynamica 177 – 612 Scaglietti „The Ingrid“ 7, 175 f., 255 Ferrari, Fahrzeugserien – Tipo 125 28–30, 169, 247 – Tipo 126 83 f., 93, 252 – Tipo 166 36 f., 247 f. – Tipo 206 45 – Tipo 246 47, 52 f., 249 – Tipo 250 36, 39–43, 248 f. – Tipo 275 43, 48, 250 – Tipo 290 38, 248 – Tipo 312 63, 66–68, 70, 72 f., 76 f., 80, 83, 92, 250 f. – Tipo 328 162, 252 – Tipo 330 48, 249 – Tipo 348 165, 253 – Tipo 365 56, 250 f. – Tipo 375 31 f., 36, 177, 248 – Tipo 400 249, 251 f. – Tipo 456 168, 253 – Tipo 550 170–173, 254 – Tipo 643 104 Ferrari, Formel-1-Rennwagen – F300 142, 254 – F310 132 – F2000 179, 188, 197, 254 – F2003 215, 219, 255 – F2004 7, 219, 230 – F2005 230 f. – P2 19, 48 f.
– P3 24, 48 f., 246 – P4 48, 250 – 375 30–32 – 312 B 63, 66–68, 70, 250 f. – 312 T 72 f., 76 f., 79, 83, 92, 251 FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) 74, 112, 118, 126, 153, 211 f., 217, 222, 226, 230–232, 234 f., 240 f. Fiat 9, 17, 39, 45, 50, 55 f., 61, 89, 99–101, 103, 107, 113, 150, 153, 159, 161, 164–166, 235, 248, 250 f., 255 Fiorio, Cesare 99–101, 103, 109 FISA (Fédération Internationale du Sport Automobile) 82, 112 Fittipaldi, Emerson 68, 72 Ford 9, 48, 55, 229, 249 f. Ford, Henry II. 48, 55 Forghieri, Mario 54, 67, 77, 92–94 Formel 1 7 f., 11, 16, 28, 30 f., 33, 35, 38 f., 46, 48–51, 53–55, 63–68, 70 f., 76, 78–80, 83, 86 f., 92, 94–96, 99, 101, 109–111, 113, 115 f., 118, 120, 122 f., 125, 127– 129, 131–134, 136 f., 139, 145–147, 151, 153 f., 157 f., 160, 165, 167, 169–171, 178, 180 f., 183, 186, 189, 191, 192, 194, 197 f., 200 f., 203– 205, 207, 210 f., 216 f., 220, 223 f., 227–241, 247–255 Formel 2 38, 56, 65 f., 68, 81, 115, 137, 247, 249
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Formel 3 000 122, 129 Frentzen, Heinz-Harald 121 f., 147, 155, 192 f., 229 Fuji International Speedway (Rennstrecke) 76, 80, 89
Unternehmen
der
W e lt
Intrigen 89, 91, 114 Irvine, Eddie 128 f., 139, 145– 151, 153–160, 171, 178 f., 186, 254
Giunti, Ignazio 63 Gonzalez, José Froilan 29, 32, 49 f., 247 Grand Prix World Championship (GPWC) 240 f. Grauer Markt 161, 163 Ground effect 91 Häkkinen, Mika 124, 140–143, 145–147, 149, 153–156, 158, 180, 183–188, 190–196, 207 Haug, Norbert 157, 223 Hawthorn, Mike 33, 49, 51–53, 249 Hill, Damon 126 f., 134, 142 Hill, Phil 53, 55, 249 Hockenheimring 7, 78, 86, 121, 139, 141 f., 150, 189, 206, 223, 253 Honda 98, 101 f., 189, 217 f., 222, 234, 240 Hunt, James 73–77 Iacocca, Lee 94 Ickx, Jackie 63–69, 71, 250 Image 9, 43, 93, 110, 152, 165 f., 229 Imagetransfer 166 Imola (Rennstrecke) 84, 125, 132, 147, 184 f., 197, 206, 210, 214 f., 222, 252
Jaguar 150, 159, 219 Jano, Vittorio 49 f., 246 Johannes Paul II. 97 f. Jordan 122, 129, 139, 147, 229, 237 Jordan-Williams 116 Konstrukteurstitel/-weltmeisterschaft 52 f., 55, 69, 73, 77, 79, 82, 157, 178, 186, 199, 210 f., 216, 218, 223, 227, 251 f., 254 f. Kyalami (Rennstrecke) 72, 77 Lamborghini 43, 94, 162, 249 Lamborghini, Ferrucio 42 f. Lampredi, Aurelio 30 f., 50, 247 Lancia 33, 50, 100 f., 103, 115, 248 Lardi, Lina 44 Lardi-Ferrari, Piero 44 f., 56, 61, 93–95, 97, 99, 103, 169, 246 Lauda, Niki 68–79, 86, 89 f., 109–113, 115, 123, 128 f., 131 f., 158, 170, 203, 219, 251 Le Mans, 24-Stunden-Rennen 38, 48, 51, 55, 113, 247–249 Leopold III. von Belgien 37 Lombardi, Claudio 103 f., 109 Lotus 46, 64, 73, 90, 250
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R e g i s t e r 261 Magny-Cours (Rennstrecke) 138, 147, 188, 210, 223 Mansell, Nigel 98 f., 102 f., 115, 253 March 63, 68, 84, 92, 134 Markenweltmeisterschaft 66, 248, 250 Maserati 29, 46, 49 McLaren 50, 63, 74, 81, 85, 87, 93 f., 117, 131, 134, 136, 145, 147, 155 f., 158, 187 f., 191, 196, 210 McLaren-Honda 98, 101 f. McLaren-Mercedes 28, 140–143, 145 f., 154 f., 157, 180, 183 f., 188, 190, 194, 205, 207, 209 f., 214–216, 219, 223 f., 237 McLaren-Peugeot 124 Mercedes-Benz 25, 49 f., 121, 136, 248 Merchandising 167 Michelin 217, 220 f., 235 Migeot, Jean-Claude 95 Mille Miglia 28, 32, 38, 51, 97, 246–248 Monocoque 67, 83, 86, 95, 131, 168, 232 Monte Carlo 29, 69, 72 f., 78, 86, 100, 116, 138, 181, 186, 216, 248, 254 Montoya, Juan Pablo 209 f., 216–218, 221 f. Monza (Rennstrecke) 7, 31–33, 46, 53, 63 f., 73, 76, 82, 132, 139, 150, 191–193, 206, 224 f., 247, 252, 254
Mosley, Max 212, 232, 234 f., 240 Musso, Luigi 51 f., 85 Mussolini, Benito 26 Nannini, Alessandro 115 f. Neerpasch, Jochen 121 f. Newey, Adrian 134, 136, 141, 146 Nosetto, Roberto 90 f. Nürburgring 25, 33, 38, 51, 65, 74, 77, 117, 120, 139, 150, 152, 173, 175, 186, 216, 222, 246 f., 251, 254 Nuvolari, Tazio 22–26, 72, 80, 246 Panis, Olivier 154 f. Peterson, Ronnie 68 f., 73, 76 Philip Morris 236, 237 f. Physische Belastung der Fahrer 180 f. Piccini, Marco 91, 103, 109 Pinin Farina, Giovanni Battista 31, 35 f., 248 Pininfarina, Sergio 35, 168, 172, 174 Pininfarina 35, 39, 56, 103, 163, 168–170, 175, 255 Pironi, Didier 83–86, 252 Porsche 40, 93, 96, 162, 166, 250 Postlethwaite, Harvey 83, 92–95 Prost, Alain 86, 95, 98, 101–104, 115–117, 211, 228 f., 253 Prost-Peugeot 154 f.
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262 F e r r a r i – D a s
schnellste
Räikkönen, Kimi 214, 216–218, 221, 224 Ratzenberger, Roland 125 Rechte und Lizenzen 238–240 Reemtsma 236 f. Regazzoni, Gianclaudio “Clay” 63–65, 69–75, 77 Renault 9, 229, 240 Reutemann, Carlos 75, 77, 79 f. Rindt, Jochen 64 Rossellini, Roberto 37, 177 Scaglietti, Sergio 40, 177, 248 Scannavini, Michele 167, 172 f. Scheckter, Jody 78, 81–83, 92, 146, 252 Schumacher, Michael 8, 10, 116–130, 132–134, 137–143, 145–150, 153–160, 170 f., 173 f., 178–199, 202–228, 230 f., 233, 237, 241, 254 f. – Benetton-Fahrer 123 f., 126 f., 138 – Formel 3 120 f. – Formel Ford 120 – Kartrennen 119 – Mercedes-Werksfahrer 121, 123 – Sponsoren 119 f. – Weltmeistertitel für Ferrari 196 f., 206, 210, 218, 224, 254 f. Schumacher, Ralf 119, 139, 157, 160, 185, 187, 208, 210, 215 f., 218, 221–223, 233 Sechszylinder-Motor 56, 83, 245, 249 f.
Unternehmen
der
W e lt
Senna, Ayrton 95, 98, 101–104, 115 f., 118, 124 f., 127, 129, 137, 142, 193, 211 Sepang (Rennstrecke) 153, 199, 205, 221 Shell 236 Silverstone (Rennstrecke) 31 f., 74, 122, 126, 139, 147, 185, 206, 223, 254 Sivocci, Ugo 18 Spa-Francorchamps 123, 126, 132, 139, 142 f., 191, 207, 224, 229 Sponsoren 10, 69, 135, 236–238, 240 Stallorder 51, 82, 206, 211 f. Surtees (Rennstall) 63, 75 Surtees, John 55, 249 f. Suzuka (Rennstrecke) 102, 104, 129, 139, 143, 153 f., 207, 213, 216, 225, 254 TAG-McLaren 93 f. Tambay, Patrick 85 f. Tasmanien-Rennen 65 f. Theissen, Mario 220, 222, 225 Todt, Jean 112–115, 128–130, 132, 137, 139, 146 f., 150– 153, 178, 182, 184–187, 195 f., 202–204, 209, 212 f., 215, 219, 227 f., 230 f., 240, 253, 255 Toyota 9, 131, 229 f., 233, 240 Traktionskontrolle 127, 234 Trips, Wolfgang Graf Berghe von 53 f., 85, 118, 249
(262)
R e g i s t e r 263 Tyrell (Rennstall) 63, 83, 116 Vanwall 53 Vierzylinder-Motor 92 f. Vignale, Alfredo 36 f. Villeneuve, Gilles 79–82, 84–86, 92, 138, 251 f., 254 Villeneuve, Jacques 138–140, 254 Villoresi, Luigi «Gigi» 29, 31, 49, 247 Vodafone 236 Watkins Glen (Rennstrecke) 65, 76, 78, 82, 90
Weber, Willi 120–123, 127, 149, 157, 160 Williams (Rennstall) 134, 136, 155, 157, 230 Williams-Renault 115, 124, 138 Zandvoort (Rennstrecke) 52, 69 f., 73, 75, 78, 85 f. Zehnzylinder-Motor 110, 170, 234 Zwölfzylinder-Motor 7, 29–31, 65, 90, 111, 163, 168–170, 174, 176, 246 f., 249, 251, 253, 255
(263)