Peter Dubina
Entscheidung im Weltraum
BOJE · WELTRAUMABENTEUER
Inhalt: Auf einer Insel im Pazifischen Ozean hat soeb...
57 downloads
977 Views
795KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Peter Dubina
Entscheidung im Weltraum
BOJE · WELTRAUMABENTEUER
Inhalt: Auf einer Insel im Pazifischen Ozean hat soeben eine amerikanische Atombomben-Testexplosion stattgefunden. Als die beiden Mitarbeiter der Nationalen Atomenergiebehörde der USA, Rod Ellis und Jim Wheeler, zusammen mit dem Marinepiloten Dan Quade, an Bord eines Hubschraubers vom Flugzeugträger „USS Centaur“ zu einem Erkundungsflug starten, ahnen sie nicht, daß sie sich wenige Minuten später in Lebensgefahr befinden werden. Als ein unbekanntes Flugobjekt auf den Radarschirmen des Flugzeugträgers auftaucht und Marinepilot Quade von der Bodenstation zur sofortigen Rückkehr aufgefordert wird, ist es schon zu spät. Ein Ufo - ein Raumschiff aus den Tiefen des Weltalls - bemächtigt sich des Hubschraubers und seiner Besatzung. Die drei Männer geraten in die Gewalt außerirdischer Lebewesen. Auf einer fremden Welt, einem Wüstenplaneten unter dem Licht einer geheimnisvollen Doppelsonne, beginnt für sie ein alptraumhaftes Abenteuer, wie es nie zuvor ein Mensch zu bestehen hatte. ab 10 Jahre
Peter Dubina
Entscheidung im Weltraum
1. Auflage 1973 © Boje-Verlag, Stuttgart Gesamtherstellung: Ebner, Ulm Printed in Germany ISBN 3 414 16500 7
Ufo im Angriff Wie eine drohend geballte, ungeheure Faust stand der schwarze Rauchpilz der Atombomben-Testexplosion über dem Bikini-Atoll der Ralikinseln. Vor dem rotglühenden Hintergrund des Sonnenuntergangs wirkte er wie ein Zeichen der endgültigen Vernichtung. Gewaltig und scheinbar reglos ragte er über der Koralleninsel auf. Rod Ellis von der Nationalen Atomenergiebehörde der USA konnte sich von dem unheimlichen Anblick nicht losreißen. Er stand auf dem Achterdeck des amerikanischen Flugzeugträgers „USS Centaur“ und stemmte sich gegen den scharfen Seewind, der seinen blauen Marine-Overall flattern ließ. Rod Ellis war ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann mit scharfgeschnittenem Gesicht und kühl blickenden Augen. Er trug den bei Piloten an Bord eines Flugzeugträgers üblichen Overall, gummibesohlte Leinenschuhe und eine Leinenschildmütze mit dem Zeichen der US-Marine. Die „USS Centaur“, das Flaggschiff des Flottenverbandes, der aus dem Flugzeugträger, einem Kreuzer, 3 Zerstörern und einem Versorgungsschiff bestand, und die Testexplosion der 20-Megatonnen-Bombe aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, besaß 67000 Bruttoregistertonnen und trug 50 „Skyhawk“-Jagdbomber. Der Kontrollturm mit seinem Wald von Funk- und Radarantennen überragte haushoch das Flugdeck des Trägers, auf dem gerade eine „Skyhawk“-Maschine startbereit gemacht wurde. „Nachdenklich, was?“ sagte eine Stimme neben Rod Ellis, und er wandte sich zur Seite. Ein Mann, der den gleichen Overall trug wie er, war zu ihm an die Reling getreten. Er hatte blondes, zu einer Bürstenfrisur geschnittenes Haar |4|
und blaue Augen. Sonne und Seewind hatten sein energisches Gesicht mit dem starken Kinn und den scharfen Falten neben den Mundwinkeln gebräunt. „Wenn das einen nicht nachdenklich stimmt –“, erwiderte Rod Ellis, auf den düsteren Rauchpilz über der Koralleninsel deutend. „Ich habe mich gerade gefragt, was wohl geschehen würde, wenn solche Bomben jemals im Kriegsfall von westlicher oder östlicher Seite eingesetzt würden, Jim.“ „Wenn sie jemals zum Einsatz gebracht werden sollten, brauchtest du dir wenigstens keine Sorgen mehr darüber zu machen, ob du deine letzte Lebensversicherungsprämie rechtzeitig bezahlt hast“, erwiderte Jim Wheeler, wie Rod Ellis bei der Nationalen Atomenergiebehörde der USA, „weil dann nämlich die gesamte Erdoberfläche in eine einzige, radioaktive Wüste verwandelt würde und wir alle innerhalb kürzester Frist nicht mehr am Leben wären.“ „Das ist nicht der richtige Augenblick für Scherze, glaube ich“, sagte Rod Ellis ernst. „Es sollte auch gar kein Scherz sein“, meinte Wheeler. „Ein Atomkrieg würde das Ende für die Menschheit bedeuten. Das wurde mir klar, als diese verdammte Bombe auf ihrem Stahlgerüst auf der Insel detonierte. Die Flutwelle, die sie auslöste, ließ selbst die ,Centaur’ erzittern.“ Er wurde vom Aufheulen des Düsentriebwerks des „Skyhawk“-Jagdbombers unterbrochen, der am Beginn der Startbahn auf dem Flugdeck des Trägers stand. Das Kreischen des Aggregats war so laut und durchdringend, daß es jede Unterhaltung unmöglich machte. |5|
Die Maschine war mit 4 Bordkanonen, Kaliber 20 mm, bewaffnet und trug 24 FFAR-Raketen unter den Tragflächen. Rod Ellis konnte Kopf und Schultern des Piloten in der Kanzel der „Skyhawk“ erkennen. Fliegerhelm, Sauerstoffmaske, Mikrofon und Schutzbrille ließen sein Gesicht beinahe unmenschlich erscheinen. Der Pilot hob die rechte Faust und spreizte den Daumen nach oben, zum Zeichen, daß er startbereit war. Im nächsten Augenblick schoß eine gelbe Stichflamme aus dem Raketenkatapult, auf dem der Düsenjäger stand. Die Maschine raste über das Flugdeck, hob ab und jagte, auf dem glühenden Auspuffstrahl ihres Düsenaggregates reitend, in den weiten Himmel hinauf. Der Rauch des Raketenkatapults, das den Flugzeugen half, die beim Start nötige Geschwindigkeit zu entwickeln, vernebelte das Deck der „USS Centaur“ und wurde dann vom Wind davongetrieben. „Hast du das gesehen?“ fragte Rod Ellis Jim Wheeler. „Hat die Marine vor, einen Krieg zu entfesseln, oder warum läßt sie sonst einen gefechtsbereiten, mit Bordkanonen und Raketen bestückten Jagdbomber aufsteigen?“ „Derjenige, der den Befehl dazu gegeben hat, wird sich schon etwas dabei gedacht haben“, erwiderte Wheeler. Er nahm Rod Ellis beim Arm. „Es wird Zeit, sich zum Flug fertigzumachen. Unsere Maschine wird bereits an Deck gebracht.“ Er deutete auf eine tonnenschwere, hydraulische Hebeplattform, mit der die „Skyhawk“-Maschinen, die im Unterdeck standen, zum Flugdeck hinaufgeschafft wurden. Eben brachte sie eine Bell 47, einen leichten |6|
dreisitzigen Hubschrauber nach oben. Rod Ellis und Jim Wheeler hatten schon mehrere Probeflüge mit der Maschine gemacht. Sie war mit einem luftgekühlten 6-Zylinder-Boxermotor, LycomingVO-435 C2, ausgerüstet, der den Rotor antrieb, 260 PS Startleistung entwickelte, ein Abfluggewicht von 1067 kg schaffte und der nur 12,58 m langen Maschine eine Höchstgeschwindigkeit von 145 Stundenkilometer verlieh. Sein geringes Gewicht machte den Hubschrauber schnell und wendig. „Mister Ellis und Mister Wheeler, in der Radarabteilung melden!“ dröhnte der Bord-Lautsprecher. „Also los, gehen wir und holen uns die Starterlaubnis“, sagte Wheeler. Er zog sich die Mütze tiefer in die Stirn. „Wir sind schließlich hier, um zu arbeiten.“ Es war ihre Aufgabe, im Auftrag der USAtomenergiebehörde zu einer, dem Bikini-Atoll weit vorgelagerten Koralleninsel, eigentlich nur einem Riff, zu fliegen, um dort Messungen durchzuführen. „Nun reiß dich schon von dem Anblick los“, fuhr er fort, da Rod Ellis noch immer zu dem drohenden Atompilz hinüberstarrte. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, so daß sich Faltenfächer in seinen Augenwinkeln bildeten. „Mir gefällt es ebensowenig wie dir. Aber es ist nun einmal unsere Aufgabe, uns damit zu beschäftigen. Also, bringen wir’s hinter uns!“ Rod Ellis nickte und löste fast widerstrebend seinen Blick von dem ungeheuren Gebilde aus Rauch, Staub und radioaktiver Asche. Während er neben Jim Wheeler über das Flugdeck auf den Kontrollturm zuschritt, sagte er: „Jedesmal, |7|
wenn ich solch einen Atompilz sehe – und ich habe, weiß Gott, schon mehr als einen gesehen –, überläuft es mich stets von neuem eiskalt. Sie sind so verdammt groß und geben einem das niederträchtige Gefühl, daß wir die Gewalten, die wir selbst entfesselten, nicht mehr unter Kontrolle haben. Hundert oder zweihundert solcher Bomben könnten die Menschheit vollständig vernichten – und was übrig bliebe, würde an den radioaktiven Niederschlägen zugrunde gehen.“ „Man kann immerhin hoffen, daß die Angst der Menschen vor der atomaren Vernichtung größer ist als ihr Haß gegeneinander“, gab Jim Wheeler zur Antwort. „Das würde der Menschheit millionenfaches Elend ersparen.“ Sie stiegen hintereinander eine schmale, unter ihren Schritten klirrende Metalltreppe hinauf, betraten einen kurzen, von kaltem Neonlicht erfüllten Korridor im Kontrollturm der „USS Centaur“ und erreichten eine Tür mit der Aufschrift „Radarraum“. Rod Ellis öffnete sie, betrat die Radarstation und blieb unwillkürlich einen Augenblick stehen, um sich an das hier herrschende Halbdunkel zu gewöhnen. Radarschirme glühten fahl und ließen die Gesichter der Männer, die sich darüberneigten, grün erscheinen. „Commander Lockwood wartet bereits auf Sie, Sir!“ sagte ein Deckoffizier zu Rod Ellis, wobei er zu einem Radargerät hinüberdeutete, um das mehrere Männer einen Halbkreis gebildet hatten. Er führte sie durch den überfüllten Raum und meldete: „Mister Ellis und Mister Wheeler, Sir!“ Ein grauhaariger Marineoffizier mit schmalem, energischen Gesicht und den vier Silberstreifen und |8|
dem Stern eines Commanders auf den Ärmeln seiner Uniformjacke, blickte flüchtig auf. „Sind Sie bereit?“ fragte er Rod Ellis. „Ja, Commander. Wir warten nur auf Starterlaubnis.“ Commander Keith Lockwood senkte seinen Blick wieder auf den Radarschirm, der den leeren Himmel zeigte. „Wir haben bisher mit der Startfreigabe gezögert, weil wir ein nicht bestimmbares Flugobjekt auf dem Schirm hatten. Niemand konnte ausmachen, worum es sich handelte.“ Rod Ellis faßte den leeren Radarschirm genauer ins Auge. „Ich kann nichts erkennen, Sir.“ „Es ist vor wenigen Minuten mit ungeheurer Geschwindigkeit am linken Rand des Radarschirms verschwunden“, antwortete der Commander. „Schwer zu sagen, was es war. Ein sehr hoch fliegendes Flugzeug könnte nicht eine derartige Geschwindigkeit entwikkeln. Möglicherweise war es nur ein gleitender Reflex an der Grenze zwischen zwei Luftschichten mit verschiedenen Temperaturen, den wir auf dem Radarschirm gesehen haben. Es könnte auch eine durch die Detonation der Atombombe auf dem Atoll hervorgerufene Erscheinung sein. Aber ich bin mir nicht sicher ... Für alle Fälle habe ich Befehl gegeben, einen Jagdbomber aufsteigen zu lassen, um das unbekannte Flugobjekt – wenn es sich bei dem Bläschen auf dem Radarschirm um ein solches handelt – abzufangen oder zu vertreiben. Trotzdem muß ich Ihnen sagen, Mister Ellis, daß es mir lieber wäre, wenn Sie auf Ihren Flug verzichten würden – zumindest so lange, bis wir uns Gewißheit darüber verschafft haben, worum es sich bei |9|
der Erscheinung handelt.“ „Commander“, erwiderte Rod Ellis, „unser Auftrag lautet, innerhalb einer gewissen Frist nach der Detonation des nuklearen Sprengsatzes die Instrumente in den Bunkern auf dem Korallenriff, das dem Atoll vorgelagert ist, zu überprüfen. Bei Einbruch der Dunkelheit wäre diese Frist überschritten; wir müssen also jetzt starten.“ „Ich dachte mir schon, daß Ihre Antwort so ausfallen würde“, sagte Lockwood. „Ich habe zwar die Macht, Sie zurückzuhalten, aber“ – er zögerte eine Sekunde – „ich möchte mir nicht selbst Schwierigkeiten vor einem Untersuchungsausschuß des Verteidigungsministeriums bereiten. Man würde es dort nicht gern sehen, wenn ich Sie bei der Ausführung Ihres Auftrages behinderte. Aber Sie werden den Hubschrauber auf keinen Fall selbst steuern. Diese Aufgabe wird ein geschulter Marinepilot übernehmen.“ „Das dürfte kaum notwendig sein, Commander“, widersprach Rod Ellis. „Ich bin mit der Maschine ausreichend vertraut. Es herrscht gutes Wetter und –“ „Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt“, unterbrach ihn Lockwood. „Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, dann werden sie mit Sicherheit nicht auf das Wetter zurückzuführen sein, Mister Ellis. Wir haben auf dem Radarschirm in großer Höhe über dem Meer etwas beobachtet, von dem sich mit Sicherheit weder sagen läßt, was es ist, noch, weshalb es gerade jetzt und hier auftauchte. Aus diesem Grund wird ein erfahrener Pilot Ihre Maschine fliegen. Das ist ein Befehl, dem Sie sich zu fügen haben, denn Sie sind hier an Bord eines US-Kriegsschiffs.“ | 10 |
„Petty Officer Quade!“ rief der Commander über die Schulter. Aus dem halbdunklen Hintergrund des Radarraums trat ein untersetzter, breitschultriger Mann in dem orangeroten Overall aller Marinepiloten. Er hatte ein kantiges Gesicht, helle Augen und kupferfarbenes, militärisch kurzgeschnittenes Haar. Er trug gummibesohlte Deckschuhe, die übliche Marinemütze und im Revolverhalfter an seinem Leinengürtel einen Colt. „Das ist Petty Officer Dan Quade“, fuhr Lockwood fort. „Sein Marinerang entspricht dem eines Sergeants in der Armee. Er wird Ihren Hubschrauber fliegen.“ Rod Ellis musterte den stämmigen Marineflieger. „Wenn Sie es befehlen, Commander –“, murmelte er. Lockwood nickte. „Petty Officer Quade wird sich Ihren Anordnungen an Land fügen. Während des Hinund Rückfluges unterstehen Sie seinem Kommando.“ Aus einem Wandlautsprecher drang eine metallisch dröhnende, durch atmosphärische Störungen verzerrte Stimme: „Uniform Delta 1-0-2 ruft ,Centaur’! Uniform Delta 1-0-2 ruft ,Centaur’! Kommen!“ Einer der Radarleute reichte Lockwood ein Handmikrofon und sagte: „Das ist die vorhin gestartete ,Skyhawk’-Maschine, Commander. Leutnant McIntosh, Sir.“ Lockwood nahm das Mikrofon und schaltete es ein. „Commander Lockwood. Wie sieht’s aus, Leutnant?“ „Ich bin jetzt auf 3500 Fuß Höhe, Sir“, kam die Antwort, „und steige weiter. Der Himmel ist so leer wie ein abgeräumter Billardtisch. Auch das Rundum-Radar an Bord meiner Maschine zeigt nichts außer ein paar hohen Zirruswolken. Ich melde mich wieder, wenn ich | 11 |
5000 Fuß erreicht habe. Roger!“ Roger bedeutete: Ende der Durchsage! „Möglicherweise wurden unsere Radargeräte wirklich durch eine atmosphärische Spiegelung irregeführt“, sagte Lockwood nachdenklich und gab das Mikrofon zurück. „Also gut, Mister Ellis, Sie können starten. Wieviel Zeit werden Sie schätzungsweise brauchen, um –“ „Ich glaube, der Flug und die Messungen an Land werden nicht länger als eine Stunde dauern“, warf Rod Ellis ein. „Sehen Sie zu, daß Sie rechtzeitig vor dem Dunkelwerden fertig sind. Petty Officer Quade hat Anweisung, vor Einbruch der Nacht zurückzukehren. Denn eine Landung in der Dunkelheit auf dem Deck eines Flugzeugträgers ist auch mit einem Hubschrauber keine einfache Sache.“ „Ja, Commander“, nickte Ellis. Er verließ den Radarraum. Jim Wheeler und Dan Quade folgten ihm. Ihr Hubschrauber stand schon einsatzbereit auf dem Flugdeck, als sie hintereinander die Eisentreppe hinunterklirrten. Rod Ellis zog eine Strahlenschutzkapsel aus der Brusttasche seines Overalls und reichte sie Quade. „Heften Sie das deutlich sichtbar an Ihre Montur und tragen Sie es, bis wir wieder an Bord des Flugzeugträgers sind, Petty Officer“, sagte er. „Hinter dem roten Schutzglas befindet sich ein Streifen unbelichteten Filmmaterials. Solange sich keine Veränderungen daran zeigen, ist alles in Ordnung. Wird der Filmstreifen aber dunkel, dann machen Sie, daß Sie von der Stelle wegkommen, an der Sie sich befinden, denn dort herrscht dann gefährlich starke radioak| 12 |
tive Strahlung.“ Quade nickte nur und heftete die Kapsel achtlos an seinen Overall. Wortlos ging er um den Hubschrauber herum und öffnete den linken Einstieg, um sich hinter den Steuerknüppel der Bell 47 zu setzen. „Da haben wir aber einen gesprächigen Piloten erwischt“, witzelte Wheeler. „Das scheint einer von diesen Kommißstiefeln zu sein, bei denen der Mensch erst vom Sergeant aufwärts beginnt und die schon beim bloßen Anblick eines Zivilisten rot sehen.“ Rod Ellis zuckte mit den Schultern. „Los, steig ein!“ erwiderte er. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Ihre Meßgeräte hatten sie bereits einige Stunden zuvor in die Bell 47 geschafft. Jetzt schnallten sie sich mit Sicherheitsgurten auf ihren Sitzen fest, dann warf Ellis die rechte Einstiegsluke zu und verriegelte sie von innen. „Es kann losgehen!“ sagte er zu Quade. Der Petty Officer nickte abermals stumm, blickte aus zusammengekniffenen Augen auf das im roten Abendsonnenschein liegende Flugdeck hinaus, wo ein Mechaniker ihm das Startzeichen gab. Dann beugte er sich vor, betätigte die Zündung und ließ den Motor anlaufen. Mit einem dröhnenden Knall, der gleich darauf in ein stotterndes Husten überging, erwachte die Maschine zum Leben. Der Auspuff spie eine Wolke blauen Öldunstes aus, die die Pilotenkanzel einhüllte. Dann waren nur noch das scharfe Sausen der Rotorflügel und das gleichmäßige Pochen des Motors zu hören. Quade zog die Steuersäule zu sich heran, und die Bell 47 hob vom Flugdeck ab, schien einen Augenblick lang in der Luft stillzustehen und schoß dann mit | 13 |
plötzlich steigender Geschwindigkeit in den glühenden Himmel hinein. Rod Ellis sah das stählerne Flugdeck mit seinen weißen und gelben Markierungen unter sich wegsakken. Der Hubschrauber beschrieb einen Halbkreis, und Ellis konnte die ganze Beobachtungsflotte tief unter sich liegen sehen. Die Meeresoberfläche glänzte wie gehämmertes Kupfer. Die Bell 47 gewann von Sekunde zu Sekunde an Geschwindigkeit und ließ die „USS Centaur“ und die übrigen Schiffe rasch hinter sich. Rod Ellis wandte seine Aufmerksamkeit dem ungeheuren, düsteren Atompilz zu, der über dem Bikini-Atoll stand. Als der „Skyhawk“-Jagdbomber, der vor dem Hubschrauber von der „USS Centaur“ aufgestiegen war, in einiger Höhe über die Bell 47 hinwegdonnerte, sagte Jim Wheeler: „Leutnant McIntosh scheint nichts gefunden zu haben. Ich möchte wissen, was die Radarleute an Bord des Flugzeugträgers wirklich auf ihren Bildschirmen gesehen haben.“ Rod Ellis blickte durch das Plexiglas des Kanzeldaches nach oben. Aber hoch über der Maschine wölbte sich nur der leere, glühende Himmel. „Möglicherweise war es eine Erscheinung, die in Zusammenhang mit der Explosion der Atombombe stand“, entgegnete er. „Was glauben Sie, Petty Officer?“ Quade hielt den Blick geradeaus gerichtet, als er antwortete : „Wenn irgend etwas dort oben gewesen wäre, hätte der Jagdbomber es vertrieben oder abgeschossen – soviel steht fest. Aber das Ding bewegte sich auf den Radarschirmen mit so ungeheurer Geschwindigkeit – weit über 10 000 Stundenkilometer –, daß | 14 |
es sich dabei um keinen festen Körper gehandelt haben kann. Er wäre durch den Luftwiderstand und die dadurch hervorgerufene Reibungshitze einfach verglüht.“ Danach preßte er seine Lippen fest aufeinander und konzentrierte sich auf die Bedienung des Steuerknüppels. Rod Ellis warf ihm einen Seitenblick zu. „Sie glauben also, es war –“, begann er. Aber in der gleichen Sekunde wurde er von einer Stimme aus dem kleinen Lautsprecher des Bordsprechfunkgeräts unterbrochen: „Commander an Petty Officer Quade! Kommen!“ Dan Quade griff nach den Kopfhörern mit Mikrofon, die von einer Metallklammer unter dem Gerät festgehalten wurden, hielt die Sprechmuschel vor seinen Mund und meldete sich: „Hier spricht Quade, Sir!“ „Petty Officer, kehren Sie sofort zum Flugzeugträger zurück! Wir haben das unbekannte Flugobjekt wieder auf den Radarschirmen. Es steht in 20 000 Fuß Höhe über Ihnen. Wenn Sie nach oben blicken, müßten Sie es ausmachen können.“ Unwillkürlich sahen die drei Männer an Bord des Hubschraubers durch das Kanzeldach der Bell 47. Dann antwortete Quade: „Alles, was ich erkennen kann, ist etwas, das einem helleuchtenden Stern gleicht.“ „Das ist das Ufo. Sie müssen –“, plötzlich war die Stimme aus dem Lautsprecher von starken knatternden, rauschenden, prasselnden Frequenzstörungen überlagert – „... kehren – gefährlich – wissen nicht, wie – Befehl zum sofortigen Rück... – Sie werden – es senkt sich – ungeheure Geschwin...“ | 15 |
Rod Ellis starrte Quade an, der die Kopfhörer fallen gelassen hatte und mit einer Hand vergeblich am Kanalwähler herumfingerte, um die Frequenz genauer einzustellen. „Verdammt!“ stieß Quade hervor, doch seine Stimme ging in einem immer lauter werdenden Dröhnen unter. Im selben Augenblick wurde die Kanzel des Hubschraubers und alles, was sich darin befand, plötzlich von blendendem, scharlachrotem Licht überflutet. Ruckartig hob Rod Ellis den Kopf – und erstarrte für eine Sekunde. Dann schrie er: „Quade!“ Eine ungeheure, leuchtende Masse, hellrot glühend wie Eisen, das aus der Glut eines Schmelzofens gerissen worden war, stürzte wie ein flammender Meteor auf den Hubschrauber nieder. Das Dröhnen, Kreischen und Schrillen wurde so durchdringend, daß es jedes andere Geräusch übertönte. Und immer greller wurde der Lichtschein. Quade packte den Steuerknüppel mit beiden Händen und versuchte, den Hubschrauber aus der tödlichen Bahn der herabstürzenden Masse zu reißen. Aber es war bereits zu spät. Das ungeheure, glühende Etwas nahm schon fast den ganzen Himmel über der Bell 47 ein. Das letzte, was Rod Ellis sah, war Quade, der mit verzerrtem Gesicht am Steuerknüppel zog. Dann riß er beide Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen.
| 16 |
Die Wächter des Alls Das erste, was Rod Ellis vernahm, als er aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, war ein rhythmisches, dumpfes Hämmern. Zuerst fragte er sich, woher das Geräusch käme. Aber noch bevor er die Augen aufschlug, begriff er, daß es der Schlag seines eigenen Herzens war. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, die Lider zu öffnen. Ganz dicht vor dem seinen sah er ein fremdes Gesicht, ein Gesicht mit menschlichen Zügen, aber lang und schmal. Erst als sein Blick klarer wurde, erkannte er, daß es ein Spiegelbild seines eigenen Gesichts in einer gekrümmten, durchsichtigen Fläche war, die sich vor ihm wölbte. Als nächstes wurde er sich bewußt, daß er aufrecht stand – und daß er sich nicht bewegen konnte. Er versuchte, eine Hand zu heben, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Aus den Augenwinkeln heraus nahm er wahr, daß er nicht allein war. Zu seiner Rechten standen zwei Gestalten: Jim Wheeler und Dan Quade. Sie standen aufrecht wie er selbst in übermannshohen, glasartigen Röhren auf Metallsockeln, die Hände um Metallbügel geschlossen. Jeder von ihnen trug um die Stirn einen Reifen mit handtellergroßen, runden, silbernen Scheiben an den Schläfen. Beide schienen wach zu sein, denn ihre Augen standen offen; aber beide verhielten sich ebenso unbeweglich wie Rod Ellis. Es war vollkommen still, bis auf das Geräusch des pochenden Herzens und das Atmen, das Ellis hörte. Es war sein eigener Atem. Der Raum, in dem er sich befand und von dem er | 17 |
nur einen Teil sehen konnte, war niedrig und bis auf die drei Röhren vollkommen leer, die metallenen Wände glatt und fugenlos. Rod Ellis fragte sich, wie es kam, daß er noch am Leben war. Nur langsam und bruchstückhaft kehrten seine Erinnerungen zurück: Licht, grelles Licht; das abstürzende Ufo; ein furchtbares Dröhnen; Quade, der am Steuerknüppel des Hubschraubers riß; und dann ... Was war dann geschehen? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was danach geschehen war. Rod Ellis versuchte, den Mund zu öffnen und einen Laut hervorzubringen, um Jim Wheeler und Dan Quade auf sich aufmerksam zu machen, aber er hatte keine Macht über seinen Körper; nur die Augen konnte er bewegen. Er ließ seinen Blick durch den niedrigen Raum wandern, doch es war ihm unmöglich, zu sagen, wo er sich hier befand. Dieser Raum konnte überall und nirgends sein. Er enthielt nichts, was als Anhaltspunkt dafür hätte dienen können, wo die drei Männer gefangengehalten wurden. Denn daß sie Gefangene waren, daran zweifelte Rod Ellis nicht eine Sekunde lang. Er war sich darüber im klaren, daß er eigentlich hätte tot sein müssen, ebenso wie Wheeler und Quade. Das abstürzende Ufo, jene flammende, ungeheure Masse – was immer es auch gewesen sein mochte –, hätte sie und ihren Hubschrauber zerschmettern müssen. Aber er lebte. Sein Herz schlug, und er hörte die Geräusche seines eigenen Atems. In diesem Augenblick begann sich ein Teil der Wand ihm gegenüber zu verändern und wurde durchscheinend wie mattes Glas, hinter dem Licht aufleuchtet. | 18 |
Rod Ellis starrte darauf und fühlte, wie ein Schauer über seinen Rücken rann, als er die dunklen Umrisse plumper Gestalten hinter der durchsichtigen Fläche wahrnahm. Waren es überhaupt Gestalten? Er fand keinen Ausdruck dafür. Nur eines konnte er mit Gewißheit sagen: Sie waren nicht menschlich. Niemals zuvor in seinem Leben hatte er etwas Ähnliches gesehen. Eiskalte Furcht und Entsetzen, die ihm Übelkeit verursachten, stiegen in ihm auf und würgten ihn. Die entsetzlichen Gestalten hinter der durchsichtigen Wand bewegten sich langsam und schwerfällig. Und dann vernahm Rod Ellis eine Stimme. Aber er hörte sie nicht mit seinen Ohren, wie er jedes andere Geräusch wahrzunehmen gewohnt war; sie ertönte in seinem Kopf. Und obwohl sie ebenso nichtmenschlich war wie die schrecklichen Gestalten, konnte er doch jedes Wort, das sie sprach, deutlich verstehen. „Erdenmenschen!“ sagte die körperlose Stimme, die für Rod Ellis wie ein metallisches Flüstern klang. Sie machen sich durch Gedankenübertragung verständlich, dachte er. Dann, schlagartig, wurde ihm bewußt, was die Stimme gesagt hatte: Erdenmenschen! „Wer seid ihr?“ wollte er, von Entsetzen erfüllt, schreien. Aber sein Körper gehorchte ihm nicht; kein Laut kam über seine Lippen. Doch seine Gedanken waren verstanden worden. „Wir sind die Wächter des Alls“, flüsterte die Stimme in Rod Ellis’ Kopf. „Was ist mit uns geschehen? Wo sind wir, und warum sind wir hier?“ dachte er. Im selben Augenblick, in dem seine Gedanken die | 19 |
Worte geformt hatten, glühte ein kreisrunder Ausschnitt der Wand auf, als huschten flackernde, farbige Lichtstrahlen darüber hin. Dann nahmen die nebelhaften Umrisse schärfere Konturen an, und ein Bild entstand, dreidimensional und farbig. Rod Ellis blickte in einen ungeheuren, schwarzen Abgrund, aus dem Myriaden winziger, scharfer Lichtpunkte stachen. Mitten darin hing – blau wie ein Saphir und mit leuchtendweißen Flecken übersät – eine ständig kleiner werdende Scheibe. Ellis starrte darauf, und sein Mund wurde trocken. Er fühlte, wie sein Herzschlag zu rasen begann. Mühsam gelang es ihm, einen Gedanken zu formen: „Das – ist – die – Erde!“ „Ihr befindet euch an Bord eines Raumschiffes, das sich von eurer Heimatwelt entfernt“, sagte die körperlose Stimme. „Das Ufo ...“, dachte Rod Ellis. „Aber – aber es ist auf uns herabgestürzt. Es hätte uns zerschmettern müssen. Und doch –“ „Und doch seid ihr noch am Leben“, vollendete die fremde Stimme in Ellis’ Gedanken. „Habt keine Angst, euch wird nichts geschehen. Ihr seid dazu ausersehen, zu überleben.“ „Was überleben?“ „Die Vernichtung eurer Welt“, antwortete die flüsternde, metallisch klingende Stimme. „Ihr werdet die letzten Menschen sein!“ Rod Ellis versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ihr wollt die Erde vernichten? Warum? Was haben wir euch getan? Ich weiß nicht einmal, wer ihr seid –“ | 20 |
Er mußte unerträglich lange auf Antwort warten, ehe die fremde Stimme fortfuhr: „Wir sind die Wächter des Alls. Wir wachen darüber, daß nicht Rassen wie die eure Tod und Vernichtung in den Weltraum tragen. Es gibt unzählige menschenähnliche und nichtmenschliche Rassen im All, die vor dem Tod bewahrt werden müssen, den ihr ihnen mit euren Vernichtungswaffen bereiten könntet.“ „Sprecht ihr von der Atombombe?“ „Davon und von anderen, in ihrer Wirkung noch viel furchtbareren Waffen, die ihr entwickeln würdet, wenn wir euch genügend Zeit ließen. Ihr seid im Besitz einer Macht, die für viele Sternenrassen die Vernichtung bedeuten könnte – denn ihr habt das Tor zum All schon aufgestoßen und würdet bald in der Lage sein, mit euren Raumschiffen den Tod zu fernen Sternen zu tragen. Ihr würdet versuchen, Planeten zu erobern und zu versklaven, wie ihr es auf eurer eigenen Welt seit Jahrtausenden getan habt. Und ihr würdet schließlich jeden Widerstand, auf den ihr träfet, mit Gewalt brechen. Ihr würdet mit allen Mitteln versuchen, die Herrschaft über das All an euch zu reißen – denn ihr seid besessen von eurer Gier nach Macht. Das ist es, was verhindert werden muß.“ „Das ist nicht wahr“, entgegnete Rod Ellis. „Noch hat die Menschheit die Schwelle zum Weltraum nicht so weit überschritten, daß sie eine Gefahr für andere Sternenrassen darstellen könnte. Und noch kann niemand sagen, ob es jemals dazu kommen wird –“ „Die Stunde würde kommen. Und deshalb muß eine Rasse wie die eure, die zu einer Bedrohung für alle anderen Wesenheiten in den Tiefen des Alls gewor| 21 |
den ist, vernichtet werden, bevor sie Unheil anrichten kann.“ Rod Ellis fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach und übers Gesicht rann. Noch immer hatte er ein Gefühl der Unwirklichkeit, als rede er mit den Gestalten eines wirren Traums, der ihn gefangenhielt. Alles erschien ihm wie eine Fieberfantasie; die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Einbildung schienen zu zerfließen. Er fühlte sich wie unter dem Einfluß einer starken Droge stehend, die ihm etwas zeigte, was in Wirklichkeit gar nicht vorhanden war. „Woher wollt ihr wissen, daß wir nicht bereit wären, mit fremden Weltraumrassen friedlich nebeneinander zu leben?“ fragte er. Angst stieg in ihm auf, aber er schämte sich dessen nicht, denn eine dumpfe Ahnung sagte ihm, daß die schrecklichen Wesen hinter jener durchsichtigen Wand ihm gegenüber wirklich über eine Macht verfügten, die für menschliche Begriffe unvorstellbar war. Plötzlich zweifelte er nicht mehr daran, daß sie ihre Drohung in die Tat umsetzen und die Menschheit auslöschen konnten, wenn das ihrem Willen entsprach. „Wir wissen es, weil wir seit einer Million Jahren eure Entwicklung verfolgt haben“, lautete die Antwort. „In allem, was euch fremd ist, seht ihr eine Gefahr, die vernichtet werden muß.“ „Es gibt keinen Beweis dafür, daß eure Überlegungen richtig sind!“ schrien Rod Ellis’ Gedanken. „Wir werden dir beweisen, daß wir uns nicht irren“, sagte die flüsternde Stimme. „Sieh her!“ In dem freien Raum zwischen der durchsichtigen | 22 |
Wandfläche und den drei Röhren, in denen Ellis, Wheeler und Quade gefangen waren, erschien wie aus dem Nichts ein heller Nebelstreif, verdichtete sich und begann Gestalt anzunehmen. Wie gebannt starrte Rod Ellis auf die sich immer deutlicher abzeichnenden Umrisse. Sekunden später stand eine Frau dort, wo kurz zuvor noch der Nebel gewesen war. Sie war gut gewachsen und hatte hüftlanges Haar, schwarz und glänzend wie das Gefieder eines Raben. Ihr Mund glich einer roten Koralle und ihre Augen leuchtendblauen Sternsaphiren. Nie zuvor hatte Rod Ellis größere Schönheit gesehen. „Wenn dieses Geschöpf vom zwölften Planeten der roten Riesensonne Antares im Sternbild des Skorpions euch in einer fremden, vielleicht feindlichen Umwelt gegenübertreten würde –“, begann die körperlose Stimme. „Dann würden wir ihm unvoreingenommen begegnen“, warf Rod Ellis ein. „Die Menschen sind nicht Feinde des außerirdischen Lebens.“ „Wenn ihr aber erkennen würdet, was sich hinter dieser menschlichen Gestalt, die von den eigentlichen Bewohnern jenes Planeten nur als Tarnung benutzt wird, wirklich verbirgt, was würdet ihr dann tun?“ Die Gestalt begann, vor Rod Ellis’ Augen zu verschwimmen und wurde plötzlich zu einem vielgliederigen Spinnentier. Ellis’ erster Gedanke galt seiner Verteidigung, während er voll Ekel auf das scheußliche Lebewesen starrte. „Begreifst du nun?“ fragte die flüsternde, metallische Stimme. „Dein erster Gedanke war: Vernichten! Töten! Hättest du eine Waffe gehabt und deinem ersten | 23 |
Impuls folgen können, würdest du diesen Bewohner des Planetensystems der roten Sonne Antares getötet haben, als du seine wahre Gestalt sahst – und hättest damit eine der höchsten Intelligenzen im Bereich eurer eigenen Galaxis vernichtet. Eure Rasse kennt nur die Ausrottung aller fremdartigen Lebensformen. Wohin immer sie im Weltraum vorstoßen würde, hinterließe sie eine Spur des Todes und der Verwüstung. Deshalb werden wir euren Heimatplaneten vernichten.“ Das scheußliche Lebewesen vor Rod Ellis löste sich in Nebel auf, der ebenso plötzlich verschwand, wie er gekommen war. „Es gibt Hunderttausende von verschiedenen Arten des Lebens in den Sonnensystemen, Sternhaufen und Galaxien“, fuhr die körperlose Stimme fort. „Die meisten von ihnen sind friedlich und einer Rasse wie der menschlichen nicht gewachsen. Ihr würdet sie unterdrücken oder ausrotten – aus Unwissenheit, Habgier oder Angst. Wir haben lange darauf gewartet, daß ihr euch mit zunehmendem Wissen ändern würdet – aber ihr habt immer nur untereinander Kriege geführt und eure Intelligenz zur Herstellung immer schrecklicherer Vernichtungswaffen benützt. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß sich das jemals ändern wird. Ließen wir euch gewähren, ihr würdet zu den Todfeinden außerirdischen Lebens.“ „Ich glaube, ihr habt noch einen anderen Grund für das, was ihr tun wollt“, erwiderte Rod Ellis und legte seinen ganzen Haß und seine ganze, hilflose Verzweiflung in diesen einen Gedanken. „Ihr beherrscht das Weltall, und ihr fürchtet, diese Macht einmal an die Menschheit zu verlieren. Vielleicht sind wir grau| 24 |
sam, aber ihr seid unmenschliche Bestien. Vielleicht haben wir in der Vergangenheit in unserer Welt zu große Zerstörungen angerichtet und zuviel Blut vergossen; aber das ist nichts gegen das, was ihr tun wollt: eine ganze Rasse mit ihrem Planeten auslöschen.“ „Wenn dadurch tausendmal größeres Unheil vermieden wird, ist unsere Handlungsweise gerechtfertigt.“ „Ihr werft euch zu Richtern über die Menschheit auf“, sagte Rod Ellis verzweifelt, „dabei seid ihr nicht besser als wir. Ihr wollt uns vernichten, damit eure eigene Macht ungefährdet bleibt.“ „Das ist keine Frage der Macht, denn wir sind euch tausendfach überlegen und brauchen euch nicht zu fürchten. Doch das Unheil, das ihr über Hunderte bewohnter Welten bringen würdet, das fürchten wir.“ „Und was soll mit mir und meinen beiden Kameraden geschehen? Was habt ihr mit uns vor? Warum habt ihr uns nicht zusammen mit der Menschheit und der Erde der Vernichtung überlassen? Wir sind doch wertlos für euch. Und wenn wir schon sterben müssen, ist es besser, wir sterben mit unserer eigenen Welt.“ „Das ist unmöglich, denn wir wollen eure Verhaltensweise und eure Gehirne untersuchen,, um herauszufinden, was euch in den Vernichtungswahn, den ihr Krieg nennt, hineingetrieben hat. Wir glauben, auf diese Weise anderen Welten das Schicksal eures Heimatplaneten ersparen zu können.“ „Ihr gebt der Menschheit also keine Chance?“ „Nein. Das Verschwinden einer einzelnen Rasse aus den Tiefen des Weltraums ist ohne Bedeutung. Schrecklich wäre es aber, sie überleben zu lassen, damit sie | 25 |
andere vernichten kann.“ „Aber ihr – ihr vernichtet noch erbarmungsloser! Dazu würden Menschen nicht fähig sein!“ „Wir sind die Wächter des Alls“, war die Antwort. Sie machte Rod Ellis mit grausamer Klarheit bewußt, daß jedes weitere Wort verloren war. Der Untergang der Erde und die Vernichtung der Menschheit waren beschlossene Sache; nichts würde sie aufhalten. Aus den Augenwinkeln warf er einen Blick zu Jim Wheeler und Dan Quade hinüber. „Haben sie mit angehört, was zwischen uns gesprochen wurde?“ wollte er wissen. „Sie selbst sollen dir bestätigen, daß sie jedes Wort gehört haben“, antwortete die flüsternde Stimme. Eine Sekunde darauf vernahm Rod Ellis eine andere Stimme, die er als die Jim Wheelers erkannte: „Ich habe alles verstanden, Rod. Aber ich glaube noch immer nicht daran, daß das alles hier Wirklichkeit ist.“ „Es ist aber so“, mischte sich Dan Quades Stimme ein. „Ich weiß zwar nicht, was mit uns geschehen ist, seit das Ufo auf unseren Hubschrauber stürzte. Aber das hier ist weder Traum noch Einbildung, sondern harte, greifbare Wirklichkeit.“ „Was sollen wir tun?“ fragte Wheeler. Ellis hörte Angst aus seinen Worten heraus. Seiner Stimme hätte Jim Wheeler vielleicht einen festeren Klang geben können. Seine Gedanken jedoch konnte er zu nichts zwingen; sie verrieten nur allzu deutlich das Entsetzen, das ihn gepackt hatte. „Wir können gar nichts tun“, gab Quade zurück. „Wir sind in der Gewalt dieser Lebewesen, oder was immer sie sein mögen. Sie haben uns gebannt und | 26 |
scheinen sicher zu sein, mit uns machen zu können, was sie wollen.“ „Quade hat recht“, sagte Rod Ellis. „Sie haben uns in der Gewalt. Wir sind ihnen vollkommen ausgeliefert und können gar nichts tun, Jim. Nicht einmal unsere Gedanken können wir vor ihnen verbergen.“ Dann richtete er eine letzte, verzweifelte Bitte an die nichtmenschlichen Gestalten hinter der durchsichtigen Wand: „Wenn ihr der Menschheit noch eine Frist von tausend Jahren gebt, werden wir euch beweisen, daß wir nicht nur zu zerstören verstehen, sondern –“ „Nein“, lautete die endgültige Antwort. „Ihr hattet Zeit genug, zu beweisen, daß ihr mehr könnt als vernichten. Aber je intelligenter ihr wurdet, um so schrecklicher wurde eure Zerstörungswut. Da ihr die Atomenergie entdeckt habt und nichts Besseres damit anzufangen wußtet, als sie als Waffe zu mißbrauchen, laßt ihr uns keine andere Möglichkeit, als euch zu vernichten. Welches Wissen ihr euch auch aneignet, immer wird es in euren Händen zu einer tödlichen Waffe. Eure Rasse ist eine Gefahr, die es zu beseitigen gilt. Ihr werdet Zeugen der Zerstörung eurer Welt werden. Wir werden die Erde in eine zweite Sonne verwandeln, in deren Glut alles Leben zu Asche verbrennen wird.“ „Ihr Mörder!“ schrien Rod Ellis’ Gedanken. „Mörder! Mörder! Unmenschliche Bestien! Ihr seid Ausgeburten von Fieberfantasien, Gestalten, dem Hirn eines Wahnsinnigen entsprungen! Ihr wollt einen ganzen Planeten mit tausendfältigem Leben vernichten ... Verflucht sollt ihr sein! Verflucht! Verflucht!“ Wie ein Rasender versuchte er, den unheimlichen Bann abzuschütteln, der ihn gefangenhielt. Er wollte | 27 |
seine Hände von den Metallbügeln losreißen, um die sie geschlossen waren. Er wollte sich gegen die gewölbte Wand der gläsernen Röhre werfen und sie mit seinen Fäusten zertrümmern. Er mußte irgend etwas tun, um die entsetzlichen Gestalten hinter der durchsichtigen Wand daran zu hindern, ihre Drohung in die Tat umzusetzen. Aber seine Glieder waren wie aus Blei; nicht einmal einen Finger konnte er bewegen. Er konnte weder den Mund öffnen noch den Kopf zur Seite wenden. Ein Schluchzen der Verzweiflung entrang sich ihm. Dann flüsterte die fremde Stimme in seinen Gedanken: „Sieh auf den Planeten Erde und werde Zeuge unserer Macht! Wir schaffen eine neue Sonne, die ihre Strahlen in die unendlichen Tiefen des Weltraums schicken wird. Ihr Licht soll für die euch fremden Lebensformen in Hunderten von Planetensystemen ein Zeichen dafür sein, daß sie von den Menschen nichts mehr zu befürchten haben.“ Unwillkürlich hielt Rod Ellis in seinen krampfhaften Anstrengungen inne und starrte auf den Bildschirm, der ihm ein dreidimensionales, farbiges Bild der Erde zeigte, die vor dem sternenübersäten, schwarzen Hintergrund des Alls zu einer saphirblauen Scheibe von Münzgröße zusammengeschrumpft war. Auf einmal – unmerklich erst, dann immer schneller – begann sich die Farbe des Planeten zu verändern. Aus Blau wurde Violett, ein dunkles, drohendes Rot, leuchtender Scharlach und dann ein grelles Weiß, das den Glanz der fernen Sterne überstrahlte. Eine neue, in schrecklichem, blauweißem Feuer leuchtende Sonne war im Weltraum entstanden, ein glühender Ball ent| 28 |
fesselter atomarer Kräfte. Die Erde, die Menschheit – tot, alles tot. Nur noch ein Hexenkessel kochender Atome. Eine zweite Sonne. „Ihr verfluchten Bestien!“ brüllte Rod Ellis, in diesen Sekunden nicht mehr Herr seiner selbst. Auf einmal schien alles um ihn her in rote Glut getaucht. Sämtliche Konturen verschwammen vor seinen Augen. Der Raum, in dem er sich befand, begann sich in rasendem Wirbel um ihn zu drehen. Er schrie, schrie, schrie, während er in einen schwarzen Abgrund stürzte.
| 29 |
Im Weltraum gestrandet Er wußte nicht, wie lange er ohne Besinnung gewesen war, als er wieder zu sich kam. Ihm schien, es habe nur Sekunden gedauert. Während er langsam ins Leben zurückkehrte, nahm er zwei Dinge wahr: er lag ausgestreckt auf einem harten Untergrund, und er konnte sich bewegen. Die geheimnisvolle Lähmung war verschwunden. Mit geschlossenen Augen hob er mühsam seine rechte Hand und fuhr sich damit übers Gesicht. Ein stechender Schmerz ließ ihn zusammenzucken und unwillkürlich aufstöhnen. Seine Finger wurden feucht. Er schlug die Augen auf und starrte auf seine Hand. Sie war blutig. Er mußte eine Wunde im Gesicht haben. Er drehte den Kopf zur Seite und sah, daß er im Winkel zwischen zwei schiefen Metallflächen lag. Er befand sich noch immer an Bord des Ufos, in demselben Raum, in dem er die Vernichtung der Erde hatte mit ansehen müssen. Aber der Raum hatte sich sehr verändert. Er war nicht mehr hell erleuchtet, sondern halbdunkel und empfing sein schwaches Licht durch ein gewaltiges, zackiges Loch in einer Wand, wo das Metall aufgerissen und die schartigen Ränder nach innen gebogen waren. Von draußen drang dämmerige, rote Helligkeit herein. Es war vollkommen still. Rod Ellis richtete sich auf einem Ellenbogen auf und ließ seinen Blick in die Runde gehen. Das Innere des Ufos war verwüstet. Die drei gläsernen Röhren, in denen er, Jim Wheeler und Quade gefangengehalten wurden, waren zersplittert. Unweit von ihm lag, das Gesicht nach unten, Wheeler regungslos auf dem | 30 |
Boden. Dan Quade hockte zusammengesunken in den Resten seiner Röhre, die nur noch einen Meter hoch aufragte. Überall lagen Trümmer herum, und ein eigenartiger, scharfer Geruch hing in der Luft. Rod Ellis kroch über den Boden bis zu Jim Wheeler und rollte ihn mühsam auf den Rücken, dann preßte er sein Ohr an Wheelers Brust. Er hörte das dumpfe Pochen des Herzens: Jim Wheeler war also noch am Leben. Rod Ellis ergriff ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. Wheeler stöhnte. Nach einer Weile öffnete er die Augen. Er schien Rod zu erkennen, denn er bewegte die Lippen; aber es dauerte fast eine Minute, bevor er ein paar verständliche Worte hervorbrachte. „Was – ist – geschehen?“ fragte er dann heiser. „Ich weiß es nicht genau, denn ich bin erst vor Minuten zu mir gekommen. Aber eine Ahnung sagt mir, daß das Ufo irgendwo gestrandet ist. Eine Katastrophe muß sich an Bord ereignet haben, während wir ohne Besinnung waren. Nur eines ist sicher: wir sind nicht mehr im Weltraum!“ Er deutete auf das gewaltige Leck in der Wand des Ufos. Wäre dieses Loch – etwa durch einen Meteortreffer – im luftleeren Weltraum entstanden, so wäre infolge der explosiven Druckverminderung im Inneren des Raumschiffes binnen Sekundenbruchteilen alles Leben ausgelöscht worden. Das Blut hätte begonnen, in den Adern zu kochen, und der Tod wäre entweder durch Ersticken oder durch Zerplatzen des menschlichen Körpergewebes eingetreten. „Hilf mir, Quade aus seiner Röhre zu holen!“ sagte Rod Ellis. Wheeler richtete sich taumelig auf Händen und Knien auf, und beide krochen über den schiefen | 31 |
Metallboden zu der zerschmetterten Röhre, in der Dan Quade zusammengesunken lag. Nachdem sie ihn herausgezogen hatten, ließen sie ihn erschöpft zu Boden gleiten und kauerten sich neben ihm nieder. „Er trägt noch seinen Revolver“, murmelte Jim Wheeler. „Wahrscheinlich haben die Außerirdischen nicht gewußt, daß es sich bei dem Ding um eine Waffe handelt, sonst würden sie es ihm kaum gelassen haben. Was ist eigentlich aus ihnen geworden? Sind sie noch am Leben, oder –?“ Rod Ellis blickte zu dem Teil der Wand hin, hinter dem er die unheimlichen Wesen gesehen hatte. Ein breiter Spalt klaffte dort, durch den ebenfalls rote Helligkeit schimmerte. Rod öffnete Quades Revolverhalfter und zog den Colt heraus. Er öffnete die Trommel und überzeugte sich davon, daß sechs Patronen in den Kammern staken. Dann schloß er die Waffe wieder, entsicherte sie und kroch, den Revolver schußbereit in der rechten Hand, auf das Loch in der Wand zu. „Wenn einer von ihnen am Leben ist, dann nur noch für Sekunden“, sagte er gepreßt. Er warf einen Blick durch den Spalt, der breit genug war, einen Mann durchzulassen; gleichzeitig schob er die Hand mit der Waffe vor, den Finger um den Abzug gekrümmt. Aber er brauchte nicht zu schießen, denn in dem Raum, in den er hineinsah, gab es kein Leben mehr. Durch ein weiteres Leck in der gewölbten Decke fiel rotes Licht herein, in dessen mattem Schein Rod Ellis seltsam geformte, zum Teil zerschmetterte Instrumentenpulte sah. In dem Raum mußte ein verheerendes Feuer gewütet haben, denn an den Wänden | 32 |
waren überall noch die Spuren emporleckender Flammen zu sehen. Auch hier war der Boden mit Trümmern bedeckt. Dazwischen lagen Aschenhaufen, deren seltsame Umrisse an die unheimlichen Gestalten der außerirdischen Lebewesen erinnerten, die die drei Männer an Bord der Ufos gefangengehalten hatten. „Da ist keiner mehr am Leben“, sagte Rod zu Jim Wheeler, der ihm gefolgt war. „Der Brand muß blitzschnell um sich gegriffen haben, und die Außerirdischen verkohlten in Sekunden zu glühender Asche. Vielleicht befanden sie sich – ähnlich den irdischen Astronauten – in einer Atmosphäre aus reinem Sauerstoff. Das würde die starke Hitzeentwicklung erklären.“ Wheeler nickte mit verzerrtem Gesicht. „Sie haben die Erde nicht lange überlebt“, entgegnete er. „Und sie sind zur Hölle gefahren, bevor sie unsere Gehirne untersuchen konnten.“ „Ich hätte sie gern selbst dorthin geschickt: zur Hölle“, stieß Rod Ellis hervor. „Nun sind sie durch Feuer gestorben wie die Erde. Was für unmenschliche Bestien müssen das gewesen sein!“ Er schob den Revolver in die eine Schenkeltasche seines Overalls und wandte sich ab. „Wir müssen hier ‘raus!“ murmelte er. „Fühlst du dich stark genug, mir zu helfen, Quade hinauszuschleppen?“ „Ich halte es für besser, ihn im Ufo zu lassen, bis er zu sich kommt. Hier ist er wenigstens geschützt. Was uns draußen erwartet, wissen wir nicht.“ „Ja, du hast recht“, gab Rod Ellis zu. Sie krochen zu dem großen Leck in der Wand des Raumschiffes. Durch die Öffnung konnten sie festen Boden unter sich sehen: mit feinem, weißem Staub bedeckte Erde, auf der rote, | 33 |
kristallinische Gesteinstrümmer verstreut lagen. Rod ließ sich als erster durch das Leck gleiten, wobei er sich vor den scharfen, zackigen Metallkanten in acht nehmen mußte. Er sprang auf den Boden hinunter, taumelte vor Schwäche, fiel auf die Knie, richtete sich aber schnell wieder auf, zog den Revolver und trat gebückt unter dem weit vorspringenden Rand des Ufos hervor. Dann blieb er stehen. Vor ihm dehnte sich eine ungeheure, weiße Ebene, in der Ferne begrenzt von ockergelben, rostfarbenen und blauen, wildzerklüfteten Bergketten. Darüber wölbte sich ein purpurner Himmel, erhellt von zwei Sonnen, die einander so nahe standen, daß sie sich zu berühren schienen. Die eine, kleinere, war gelb, die andere, doppelt so große, leuchtete blau. Beide Sonnen waren von einem glühenden, roten Ring umgeben, von dem aus sich eine gewaltige, scharlachrote Spirale in einem Dutzend Windungen über den ganzen Himmel bis hinunter zum Horizont schwang. Rod Ellis hörte, wie Wheeler neben ihn trat. Tonlos fragte er: „Wo sind wir, Jim? Das ist –“ Seine Stimme versagte. „Das muß eine fremde Welt sein“, entgegnete Wheeler unnatürlich ruhig, „ein Planet unter einer Zwillingssonne.“ „Eine – Zwillingssonne?“ „Vielleicht ,Beta in der Leier’, Sirius im Sternbild des Großen Hundes, die Doppelsonne Bungula, Procyon oder Regulus. Ich weiß es nicht.“ Rod Ellis tat ein paar Schritte in die Wüste hinein, den Blick noch immer auf die beiden Sonnen in dem | 34 |
roten Himmel gerichtet. Dann blieb er stehen und sah sich um. Nirgendwo war eine Spur von Leben zu entdecken. So mußte die Erde am ersten Schöpfungstag ausgesehen haben – Wüste, nackte Berge und ein glühender Himmel. Rod drehte sich zu Jim Wheeler um. Sie sahen sich an, und Wheeler schüttelte den Kopf. „Niemand kann dir sagen, was geschehen ist und wo wir hier sind“, antwortete er auf Rod Ellis’ unausgesprochene Frage. „Die Sterne, die du genannt hast, wie weit sind sie“ – Rod zögerte – „von der Erde entfernt?“ „Die erdnächste Zwillingssonne ist Bungula – 4,3 Lichtjahre von unserer eigenen Sonne entfernt. Aber dieser Doppelstern kann ebensogut Rigel sein, der 650 Lichtjahre von unserem Heimatsystem entfernt ist, oder ein fremdes Gestirn, verloren in der Unendlichkeit des Weltraums, Tausende und aber Tausende von Lichtjahren von der Erde entfernt – oder von dem, was von der Erde übriggeblieben ist. Wir wissen ja nicht einmal, wie lange es her ist, daß wir den Untergang der Erde mitansehen mußten.“ Wheeler verstummte. Rod Ellis starrte ihn an. „Das heißt“, sagte er, „daß wir die letzten lebenden Menschen sind, auf einem verlorenen Planeten irgendwo im All, ohne eine Möglichkeit zur Rückkehr...“ Jim Wheeler ließ sich erschöpft auf die Knie sinken und stützte sich mit einer Hand auf die Erde. „Rückkehr wohin?“ fragte er. „Vergiß nicht, die Erde ist tot!“ „Sie haben sie angezündet wie eine Fackel, innerhalb von Sekunden in eine zweite Sonne verwandelt. Wie war das möglich?“ | 35 |
„Ich weiß es nicht. Vielleicht durch die Ausnutzung irgendwelcher ungeheurer Kraftfelder im Weltraum. Die Außerirdischen, die uns hierhergebracht haben, waren der Menschheit an Wissen um Jahrzehntausende voraus. Und irgendwo dort draußen im All“ – er hob den Blick zu dem roten Himmel, und sein Gesicht verzerrte sich – „verbrennt langsam die Erde. Wir sind in dieser fremden, toten Welt ebenso zum Tod verurteilt, wie es die Menschen waren, die in der atomaren Glut auf der Erde verbrannten. Auf diesem Planeten bietet sich uns keine Überlebenschance...“ „Wer sagt das?“ fragte eine Stimme hinter ihm. Dan Quade hatte sich aus dem Leck in der Wand des Ufos gleiten lassen. Obwohl er vor Schwäche schwankte, hielt er sich aufrecht. „Ich sage das“, erwiderte Wheeler. „Sehen Sie sich um, dann wissen Sie, warum!“ Quade taumelte unter dem Rand des Ufos hervor. Dann hielt er mitten im Schritt inne, und Rod Ellis sah, wie sein Gesicht sich in ungläubigem Entsetzen verzerrte. „Wo sind wir?“ brachte er mühsam und mit bleichen Lippen hervor. „Auf einem fremden Planeten, irgendwo im Weltraum“, antwortete Rod. „Das ist alles, was wir wissen. Das Ufo ist aus unerklärlichen Gründen hier gestrandet; wir sind die einzigen Überlebenden. Aber es ist zumindest unsicher, wie lange wir noch am Leben sein werden.“ Quade hatte sich umgedreht. Sein Blick ging von Rod Ellis zu Wheeler. „Ist das wahr, was er sagt?“ Jim Wheeler hob einen Brocken roten, kristallini| 36 |
schen Gesteins auf. „So wahr, wie ich das hier in meiner Hand halte.“ Rod ging ein Stück in die Wüste hinein, blieb dann stehen und wandte sich um. Jetzt konnte er das ganze Ufo übersehen. Es hatte die Form eines gewaltigen Diskus – sein Durchmesser mochte 100 Meter oder mehr betragen – und bestand aus einem silbrig schimmernden Metall. Sein rückwärtiger, vollkommen zerschmetterter Rand ruhte zwischen mächtigen Felsen, die das Raumschiff überragten. Das Ufo schien bei der Landung in die roten Felsen hineingerast zu sein. Es mußte beim Niedergehen, wahrscheinlich aber schon während seines Fluges durch den Weltraum – sonst wäre eine Landung auf diesem toten Planeten nicht versucht worden –, außer Kontrolle geraten sein. Rod kehrte zu Jim Wheeler und Dan Quade zurück, den Revolver wieder in die Schenkeltasche seines Overalls steckend. „Jim, wie schnell kann das Ufo sich durch den Weltraum bewegt haben?“ fragte er. Wheeler zuckte mit den Schultern. „Setzen wir einmal voraus, wir seien auf einem Planeten der erdnächsten Zwillingssonne, Bungula, gestrandet, dann hätte das Ufo, wenn es sich mit Lichtgeschwindigkeit – also mit 300 000 Kilometern in der Sekunde – durchs All bewegt hätte, fast 4V2 Jahre gebraucht, um das System der Bungula zu erreichen. Aber nach der von Einstein aufgestellten Relativitätstheorie kann kein dreidimensionaler Körper absolute Lichtgeschwindigkeit erreichen; er könnte dann nicht mehr als Materie existieren und würde sich in Energie verwandeln. Doch abgesehen davon, hätte der Raumflug des Ufos zur Bungula, wenn es auch nur um wenige Prozent unterhalb der | 37 |
Grenze der absoluten Lichtgeschwindigkeit geblieben wäre, nicht 4V2 Jahre gedauert, sondern 40 oder 400 oder noch länger; und wir wären alle längst zu Staub zerfallen, bevor wir diesen Planeten erreicht hätten.“ „Das waren auch meine Überlegungen“, nickte Rod Ellis, „aber ich wollte eine Bestätigung von dir. Das bedeutet, daß die Außerirdischen eine Möglichkeit gefunden haben, die gefährliche Grenze der Lichtgeschwindigkeit zu umgehen und –“ „Und vielleicht in Bruchteilen von Sekunden Entfernungen von Tausenden von Lichtjahren zu überwinden“, vollendete Wheeler, „denn bisher konnte noch kein Mensch beweisen, was wirklich geschieht, wenn ein dreidimensionaler Körper die absolute Lichtgeschwindigkeit erreicht. Diese Zwillingssonne könnte demnach auch ein uns vollkommen unbekanntes Gestirn sein, irgendwo in den Tiefen des Weltraums.“ „Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: wir müssen die Sternbilder vergleichen, sobald die Nacht hereinbricht“, sagte Rod Ellis. „Ein Unterschied von 4V2 Lichtjahren in der Entfernung kann keine allzu starken Verschiebungen in den Sternbildern bewirken. Zumindest müßten sie große Ähnlichkeit mit denen aufweisen, die man von der Erde aus sehen konnte – wenn wir uns wirklich im System der Bungula befinden.“ „Und wenn wir herausgefunden haben, wo wir sind, welchen Nutzen können wir dann aus unserem Wissen ziehen?“ warf Quade in zornigem Hohn ein. „Wir brauchen Wasser und Nahrung, wenn wir am Leben bleiben wollen. Aber in dieser Wüste werden wir höchstens eines finden: den Tod.“ | 38 |
Jim Wheeler tauschte einen Blick mit Rod. „Er hat recht“, sagte er. „Wir können nicht hier bleiben. Hier gibt es weder Wasser noch Nahrung. Wenn wir sie irgendwo finden, dann wahrscheinlich in den Bergen am Rand der Ebene. Der Planet hat eine Lufthülle, die in ihrer Zusammensetzung derjenigen der Erde zu gleichen scheint. Sie enthält jedenfalls ausreichend Sauerstoff und Wasserdampf – also müßten wir irgendwo auch auf Wasser stoßen. Aber wir müssen ‘raus aus der Wüste, denn hier gibt es keinen Tropfen Feuchtigkeit. Nirgendwo ist eine Spur von Vegetation zu sehen. Diese weiße Ebene ist tot.“ Und nach kurzem Überlegen setzte er hinzu: „Beinahe so tot wie die Erde!“ Rod Ellis blickte über die Schulter nach den Bergen. „Bis dorthin sind es 10 Meilen oder mehr.“ „Wir werden es schaffen, weil wir es schaffen müssen, um zu überleben“, sagte Wheeler. „Laß uns aufbrechen, solange wir noch einigermaßen bei Kräften sind!“ Rod nickte. Aber als er sich umdrehte, trat ihm Quade mit ausgestreckter Hand in den Weg. „Was wollen Sie?“ fragte Rod Ellis verständnislos. „Den Revolver“, antwortete Quade. „Eine Waffe gehört in die Hand eines Mannes, der gelernt hat, damit umzugehen. Sollten wir in Gefahr geraten, ist es besser, wenn ich den Revolver habe.“ „Glauben Sie, ich könnte eine Waffe nicht handhaben?“ „Doch“, sagte Quade gepreßt. „Sie sind Wissenschaftler, Ellis. Leute Ihres Schlages haben bewiesen, daß sie sich auf den Umgang mit Waffen verstehen, als sie die furchtbarste Vernichtungswaffe aller Zeiten | 39 |
schufen: die Atombombe. Die Bombe und die Männer, die sie entwickelten, tragen ihren Teil der Schuld an der Vernichtung der Erde. Ich habe immer gewußt, daß ihr Wissenschaftler gefährliche, unberechenbare Narren seid. Deshalb möchte ich jetzt den Revolver haben!“ Rod Ellis zögerte. Aber als er in die harten, hellblauen Augen Quades blickte, las er darin die Bereitschaft des anderen, wenn nötig um den Besitz der Waffe zu kämpfen. Er zog den Revolver aus der Tasche seines Overalls und reichte ihn Quade mit dem Kolben voran. „Sie können uns keine Schuld an dem anlasten, was geschehen ist“, sagte er dabei. „Es war kein von Menschen heraufbeschworener Atomkrieg, dem die Erde zum Opfer fiel.“ „Aber es wäre mit Sicherheit so gekommen, wenn nicht die dort drin“ – Quade deutete auf das gestrandete Raumschiff der Außerirdischen – „der Menschheit zuvorgekommen wären. Sie, Ellis, werden wahrscheinlich behaupten, die Schuld am Einsatz solcher Waffen wie der Atombombe und die durch sie verursachten Katastrophen träfe nicht die Wissenschaftler, sondern Leute wie mich, die den Krieg zu ihrem Handwerk erwählt haben. Aber im Abwälzen eurer Schuld auf andere wart ihr Wissenschaftler schon immer groß. Als die erste Atombombe auf Hiroshima fiel, waren die eigentlich Schuldigen an der Vernichtung von Zigtausenden von Menschenleben nicht die Männer, die die Bombe abgeworfen, sondern diejenigen, die sie entwikkelt hatten. Von Anbeginn der Menschheit waren alle Anstrengungen der Wissenschaft“ – er spie das Wort förmlich aus – „darauf gerichtet, eine Waffe herzustel| 40 |
len, die furchtbar genug war, die ganze Welt zu vernichten. Nun ist die Erde vernichtet. Darum sage ich, daß ihr gefährliche und unberechenbare Narren seid.“ Er schob den Revolver ins Halfter, Rod dabei haßerfüllt anstarrend. Der zwang sich, den Blick Quades ruhig zu erwidern. Aber in seiner Stimme war ein Beben, als er antwortete: „Wenn niemand versucht hätte, sich Wissen anzueignen, lebte die Menschheit heute noch in der Steinzeit.“ „Aber sie wäre wenigstens noch am Leben!“ warf Quade ein. „Die Wissenschaftler suchten nur nach Erkenntnissen“, fuhr Rod Ellis fort. „Doch wann immer sie auf eine neue Erkenntnis stießen, kamen Männer, denen Macht über alles ging – Politiker und Militärs –, und mißbrauchten das errungene Wissen.“ Quade sah ihn aus seinen harten, hellen Augen an, und seine Hände schlossen sich zu Fäusten. „Nun gut“, sagte er. „Wenn Sie Waffen und Macht gleichsetzen, dann vergessen Sie niemals, daß ich die einzige Waffe in dieser Welt habe – und damit alle Macht.“ „Der Revolver wird Ihnen nicht viel nützen, Quade“, entgegnete Rod Ellis. „Worüber, glauben Sie, verleiht Ihnen die Waffe Macht? Über eine tote Welt? Wenn wir nicht bald Wasser und Nahrung finden, werden Sie bald ebenso tot sein wie diese Wüste – trotz des Revolvers.“ „Wie er schon sagte“ – Quade deutete mit dem Kinn auf Jim Wheeler, der sich während des scharfen Wortwechsels zwischen Ellis und Dan Quade vom Boden erhoben und neben Rod gestellt hatte – „werden wir Wasser am ehesten in den Bergen am Rand der Wüste | 41 |
finden.“ Damit drehte er sich um und ging auf die weiße, flimmernde Ebene hinaus, eine schnurgerade Reihe von Fußspuren in dem knöcheltiefen Sand hinterlassend. Jeder seiner Schritte wirbelte eine kleine Staubwolke auf, während er sich langsam vom Ufo entfernte. „Wir haben keine andere Wahl, als ihm zu folgen“, brach Jim Wheeler nach einer Weile das Schweigen. „Er hat die einzige Waffe, über die wir verfügen. Ohne ihn sind wir jeder Gefahr schutzlos preisgegeben.“ „Vielleicht wird Quade selbst bald zur größten Gefahr für uns werden“, erwiderte Rod Ellis. „In seinen Augen zählen wir zu denen, die schuld sind an der Zerstörung der Erde.“ Sie verließen den Schatten, den das gestrandete Raumschiff warf, tauchten in das grelle Licht der Zwillingssonne und traten den Marsch durch die öde, weiße Wüste des fremden Planeten an.
| 42 |
Der Wüstenplanet Die beiden Sonnen, die gelbe und die blaue, standen schon tief am Himmel, als die drei Männer den Fuß einer zerklüfteten Bergkette am Rand der weiten Ebene erreichten. Sie waren vollkommen erschöpft. Das Gehen in dem tiefen, heißen Staub, das zuletzt nur mehr ein Dahintaumeln gewesen war, der quälende Durst, der ihre Lippen rissig gemacht hatte, und die glühenden Strahlen der erbarmungslos herabbrennenden Doppelsonne hatten ihnen kaum Kraft genug gelassen, sich aufrecht zu halten. Während der letzten Meile des Marsches waren Rod Ellis und Jim Wheeler mehrmals zusammengebrochen und hatten, nach Atem ringend, im Sand gelegen, bevor sie wieder auf die Beine gekommen und hinter der fernen, kleinen Gestalt von Dan Quade hergetaumelt waren. Die Berge kamen quälend langsam näher – nackte, von tiefen Schründen, Rinnen und Runsen zerfurchte, ockergelbe, rostfarbene und blaue Felsflanken, deren kahle Zinnen turmhoch in den roten Himmel ragten. Rod Ellis fühlte, wie ihm unter dem Overall der Schweiß über den Körper rann. Seine Augen waren geblendet vom Licht der Zwillingssonne, so daß ihm die Schatten am Fuß der Bergflanken tief schwarz erschienen. Taumelnd tat er die letzten Schritte, die ihn zu einer schräg aus dem Boden ragenden Felsplatte brachten, an deren Rand Quade zusammengesunken war. Der ehemalige US-Marinepilot stützte sich mit beiden | 43 |
Händen auf das Geröll, das hier den Sandboden der Wüste ablöste. Er atmete keuchend. Sein Kopf hing herab, und als er ihn mühsam hob, blickte Rod Ellis in ein von den furchtbaren Anstrengungen des Marsches gezeichnetes Gesicht mit geröteten, von der Sonne entzündeten Augen und blutigen, aufgesprungenen Lippen. Rod und Jim Wheeler ließen sich ebenfalls zu Boden sinken. Minutenlang schwiegen sie, weil keiner von ihnen die Kraft hatte, auch nur ein einziges Wort hervorzustoßen. Schließlich hob Quade seine rechte Hand und deutete auf einen Einschnitt in einer nahen Felswand, der wie der Eingang zu einer schmalen Schlucht aussah. „Dieser Weg scheint tiefer in die Berge hineinzuführen“, brachte er über seine trockenen Lippen. „Außerdem sind wir in der Schlucht vor dieser verfluchten Sonne geschützt. Also los, weiter!“ Er machte Anstalten, sich aufzurichten. „Ich kann nicht mehr!“ keuchte Jim Wheeler. „Und wenn mein Leben davon abhinge, ich könnte keinen Schritt mehr tun.“ „Ihr Leben hängt davon ab!“ sagte Quade. „Ich weiß zwar nicht, ob es überhaupt Wasser in diesen Bergen gibt; aber ich kann mit Sicherheit sagen, daß wir keines finden werden, wenn wir hier liegenbleiben.“ Er kam auf die Beine, stand schwankend da und blickte auf Rod Ellis und Jim Wheeler hinunter, dann drehte er sich um und ging mit gebeugten Schultern und herabhängenden Armen auf den Eingang zur Schlucht zu. Rod legte Wheeler eine Hand auf die Schulter, dann | 44 |
kämpfte er seine Schwäche nieder und stand auf. „Komm weiter!“ sagte er. Als Jim Wheeler nicht antwortete, stieß er ihn mit dem Fuß an. Da hob Wheeler den Kopf. „Glaubst du wirklich, daß wir hier irgendwo Wasser finden werden?“ fragte er heiser. „Schau dich doch um! Nirgendwo findest du Anzeichen von Vegetation. Bedeutet das nicht, daß es hier gar kein Wasser geben kann?“ „Vielleicht tiefer in den Bergen –“, murmelte Rod Ellis. „Wir müssen weiter! Wenn dieser Planet keine Monde besitzt – was wir nicht wissen –, wird die Nacht vielleicht so dunkel, daß wir unsere Suche nach Wasser nicht fortsetzen können. Und wer weiß, wie lange eine Nacht auf dieser Welt dauert!“ Er stolperte hinter Quade her, und nach einer Weile hörte er, daß Jim Wheeler ihm mit schleppenden Schritten folgte. Die Schlucht war schmal. Links und rechts ragten gewaltige Felswände empor, die aussahen, als seien sie eben erst auseinandergeborsten und könnten sich ebenso plötzlich wieder schließen. Hier herrschte Dämmerlicht; der Widerschein des roten Himmels ließ die oberen Ränder der nackten Felswände erglühen. Der Grund der Schlucht war mit Geröll und größeren Steinbrocken bedeckt. Plötzlich sah Rod Ellis, wie Quade, der ihm weit voraus war, stehenblieb, nach kurzem Zögern zu laufen begann und nach wenigen Schritten verschwand, als habe sich der Erdboden unter ihm geöffnet und ihn verschlungen. Rod starrte dorthin, wo Quade eben noch | 45 |
gewesen war, dann taumelte er weiter, so schnell er konnte. An der Stelle, an der er Dan Quade zuletzt gesehen hatte, wichen die Felswände auf beiden Seiten jählings zurück; hier war die Schlucht zu Ende. Der Boden senkte sich steil dem Grund eines ungeheuren Tals entgegen, das quer zur Richtung der engen Schlucht verlief. Es war von so gewaltigen Ausmaßen, daß sein bloßer Anblick auf Rod Ellis erdrückend wirkte. Die Talsohle mochte eine Meile, der obere Rand fünf, sechs oder mehr Meilen breit sein. Die Felswände – sie sahen aus wie Bergketten –, die das Tal flankierten, schienen mit ihren Zinnen den glühenden Himmel zu stützen. Das Gestein war weiß, mit eingelagerten, breiten roten und blauen Schichten. Diese Felsbarrieren mußten Tausende von Metern hoch sein. In erhabener Unberührbarkeit und gleichsam versteinertem Schweigen lagen sie unter den Strahlen der tief am Horizont stehenden Zwillingssonne. Der Grund des Tals war in blaue Schatten getaucht, aus denen ein zinnfarbenes, vielfach gewundenes Band schimmerte: Wasser! Ein Fluß. Rod Ellis fuhr sich mit dem Handrücken über die trockenen, rissigen Lippen, dann stolperte er den Abhang hinunter. Übereinandergetürmte Felsbrocken und -platten versperrten ihm den Weg; er kletterte mühsam über sie hinweg. Quade hatte das Wasser beinahe erreicht. Rod sah die winzig klein erscheinende Gestalt tief drunten über einen freien Uferstreifen laufen und dann der Länge nach am Rand des Flusses niederstürzen. Keuchend erreichte er selbst Minuten später den | 46 |
Grund der Schlucht; nun hörte er die Geräusche, die das schnell und reißend dahinströmende Wasser verursachte: Glucksen, Schäumen, Rauschen. Scharfkantige Steine schlitzten seinen Overall auf. Doch ohne darauf zu achten, taumelte er weiter, fiel neben Quade nieder und tauchte sein Gesicht mit offenem Mund in die kalten Fluten. Erschöpft vom Trinken hob er schließlich den Kopf, wälzte sich auf eine Seite und stützte sich auf den Unterarm. Wenige Schritte von ihm entfernt, lag Quade in durchnäßtem Overall, immer noch schwer atmend von den Anstrengungen des Wüstenmarsches. Jim Wheeler sank eben am Flußufer in die Knie und schöpfte mit beiden Händen Wasser. „Das“, keuchte Quade, „gibt uns eine Frist. Jedenfalls werden wir die nächsten vierundzwanzig Stunden überleben, denn jetzt haben wir Wasser. Das Verhungern dauert viel länger als das Verdursten; und wo es Wasser gibt, gibt es vielleicht auch irgendwelche Lebewesen, von denen wir uns ernähren können.“ „Ich habe nie gewußt, wie kostbar Wasser sein kann“, entgegnete Rod Ellis. „Auf der Erde hatte es nicht die gleiche Bedeutung wie hier –“ Er brach ab, als die Erinnerung an das, was geschehen war, mit aller Macht auf ihn einstürmte. „Auf der Erde haben wir vieles als selbstverständlich hingenommen“, sagte Quade. „Aber hier ist alles anders.“ „Hatten Sie Angehörige auf der Erde?“ fragte Rod Ellis, dem ehemaligen US-Marinepiloten in die hellen, harten Augen blickend. „Nein. Sie?“ | 47 |
Rod schüttelte den Kopf. „Weder ich noch Jim. Es gibt also in dieser Hinsicht nicht allzuviel, was uns an die Erde bindet.“ „Wir werden immer an die Erde und die Vergangenheit gebunden sein. Erinnerungen sind ein unzerstörbares Band“, warf Wheeler ein. Quade gab ihm einen Blick. „Sie müssen mit den Erinnerungen brechen, oder sie werden Sie irgendwann um Ihren Verstand bringen. Wo immer wir hier auch sein mögen, wir müssen am Leben bleiben; nichts anderes ist jetzt wichtig.“ „Überleben“, sagte Jim Wheeler bitter. „Wozu? Hier gibt es nur Wüste, Steine, nackte Berge, aber nirgendwo Leben.“ „Wenn Sie, wie ich, eine militärische Ausbildung mitgemacht hätten, dann wüßten Sie, daß Überleben alles ist“, entgegnete Quade. „Solange man am Leben ist, kann man hoffen; nur die Toten sind ohne Hoffnung. Und ich will überleben – selbst in dieser toten Wüste. Ich werde mich bis zum letzten Atemzug ans Leben klammern!“ Rod Ellis gestand sich ein, daß er von dem eisenharten Willen dieses Mannes zum Leben beeindruckt war. Quades Worte gaben ihm nicht nur Hoffnung, sie zwangen ihn förmlich dazu; aber gleichzeitig berührten sie ihn auf eine seltsame Weise unheimlich. Dan Quade war offensichtlich ein Mann, dem jedes Mittel recht sein würde, sein eigenes Überleben zu sichern. „Wir gehen am besten flußabwärts“, sagte Rod. „Wenn es auf diesem Planeten Leben gibt, dann wahrscheinlich in der Nähe des Wassers. Und irgendwo muß der Fluß auch in ein größeres Gewässer – vielleicht in | 48 |
ein Meer – münden.“ Quade nickte. „Also los, weiter!“ Er stand auf und ging mit schleppenden Schritten am Fluß entlang. Torkelnd folgten ihm Rod Ellis und Jim Wheeler. Obwohl das Ufer mit flachgewaschenen Steinen wie mit einem Pflaster bedeckt war, machte ihnen das Gehen Mühe. Rod mußte sich zwingen, immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er fragte sich, woher Quade die Kraft und Willensstärke nahm, sich unermüdlich weiterzuschleppen. Der Himmel wurde langsam dunkel; sein Purpur verwandelte sich in ein tiefes Violett. Aber immer noch war es hell genug, um alle Einzelheiten in der weiten Schlucht deutlich erkennen zu können. Rod überlegte, woher dieses geheimnisvolle Licht kommen mochte, denn die Zwillingssonne war schon hinter dem oberen Rand der Felswand jenseits des Flusses verschwunden. Er war so erschöpft, daß er die näherkommenden Geräusche erst hörte, als er sah, wie Quade, der etwa zehn Schritt vor ihm ging, plötzlich stehenblieb und warnend die rechte Hand hob. Metallisches Rasseln und Dröhnen, begleitet von gellenden Schreien und fremdartigen, schnaubenden und stampfenden Lauten, tönte durch die riesige Felsenschlucht und weckte einen Widerhall aus den steilen Abhängen zu beiden Seiten des Flusses wie aus einer mächtigen, erzenen Glocke. „Das Schreien klingt wie von menschlichen Stimmen“, sagte Quade gepreßt. Er zog den Revolver. „Dort hinüber!“ stieß er hervor und deutete mit dem Lauf der Waffe auf einen nahen Felsvorsprung. | 49 |
Nur Sekundenbruchteile, nachdem sie hinter dem verwitterten Vorsprung in Deckung gegangen waren, tauchten hinter einer Biegung des Tals zwei dunkle Gestalten auf. Sie wirkten merkwürdig menschenähnlich, obwohl sie sich in einer Art von plumpem Galopp bewegten. Sie kamen bis auf wenige Schritte an das Versteck der drei Männer heran, und Rod Ellis rann ein Schauer über den Rücken, als er sah, daß ihre Gesichter die von Affen waren: breit, schwärzlich, mit niedrigen Stirnen, böse funkelnden kleinen roten Augen unter vorspringenden Brauenwülsten und kurzem Fell. Affen, in metallbeschlagenes schwarzes Leder gekleidet, mit Waffen in den plumpen Händen, wie Rod Ellis sie noch nie gesehen hatte. Das Klirren und Rasseln wurde immer lauter, und dann tauchten hinter der Biegung der Schlucht zwei Gefährte auf, die wie altägyptische Streitwagen aussahen. Aber es waren keine Pferde, die sie zogen. Es waren – Rod Ellis keuchte ungläubig – geflügelte Löwen, die mit mächtigen Sätzen hinter den beiden Verfolgten herpreschten. Jedes Gespann bestand aus vier Löwen, deren gefiederte Schwingen weit auseinandergespreizt waren. Die Streitwagen waren mit je zwei Männern besetzt – kein Zweifel, daß es Menschen oder zumindest sehr menschenähnliche Wesen waren und daß es sich bei ihnen um Männer handelte. Einer lenkte jeweils das Löwengespann, während der andere, nur mit einem Lendenschurz und einem eigenartigen, helmähnlichen Kopfschmuck bekleidet, einen Bogen mit auf die Sehne gespanntem Pfeil in den Händen hielt. | 50 |
Während das eine der beiden dunklen Affenwesen weiterfloh, blieb das andere stehen, drehte sich um und hob mit einem Knurrlaut seine rätselhafte Waffe. Ein bleistiftdünner, blendend heller Strahl schoß daraus hervor und traf den vordersten Streitwagen mit seinen vier geflügelten Löwen. Rod Ellis sah, wie sich Löwen, Wagen und Wagenlenker von einer Sekunde zur anderen in glühenden, hellroten Nebel auflösten; im nächsten Augenblick waren sie verschwunden. Der Bogenschütze im zweiten Streitwagen hob seine Waffe und schnellte den Pfeil von der Sehne, als sein Gefährt an der unheimlichen, dunklen Gestalt vorbeijagte, die Sekunden zuvor den ersten Wagen ausgelöscht hatte. Deutlich hörte Rod Ellis den leisen Knallton der Bogensehne und das Surren, mit dem der Pfeil sein Ziel traf. Das Affenwesen stürzte vornüber, krümmte sich auf der Erde und lag still. Das andere war weitergelaufen und hatte den Felsvorsprung, hinter dem Rod Ellis, Wheeler und Quade in Deckung gegangen waren, schon hinter sich gelassen, als Rods linker Fuß auf einem losen Stein ausglitt. Bei diesem Geräusch drehte sich das Affenwesen trotz seiner Plumpheit blitzschnell um und riß seine Waffe hoch. Da handelte Quade. Er warf sich zur Seite und rollte ein paar Schritte weit über den Boden. Der Todesstrahl aus der Waffe des affenähnlichen Wesens verfehlte ihn nur um Handbreite und verwandelte einen Felsblock hinter ihm in eine glühende Dampfwolke. Bevor die unheimliche Gestalt zum zweiten Schuß kam, richtete sich Quade auf den Knien auf, umspannte den Kolben seines Revolvers mit beiden Händen und | 51 |
feuerte, fast ohne zu zielen, ein-, zwei-, dreimal. Das Krachen der Schüsse widerhallte wie Donner in der gewaltigen Schlucht. Mündungsblitze zuckten aus Quades Colt. Rod Ellis, der nur wenige Schritte von dem Affenwesen entfernt war, hörte die dumpfen Geräusche, mit denen die Kugeln ihr Ziel trafen. Die plumpe, dunkle Gestalt schwankte, stieß einen grollenden Laut aus, ließ den Todesstrahler fallen und stürzte mit einer halben Körperdrehung aufs Gesicht. Dan Quade drehte sich um und richtete seinen Colt auf die beiden Männer in dem Streitwagen; doch die hatten ihr Gefährt zum Halten gebracht und blickten wir erstarrt auf die drei Menschen. Gleich darauf ertönte von neuem ein Rasseln und Klirren, und ein halbes Dutzend weiterer, von geflügelten Löwen gezogener Kampfwagen tauchte auf. Quade ließ den Revolver sinken. „Das sind zu viele, als daß wir uns einen Fluchtweg freikämpfen könnten“, sagte er heiser. Er erhob sich von den Knien und blieb aufrecht stehen, den Colt in der herabhängenden Rechten. Die Streitwagen hielten in einem weiten Halbkreis am Flußufer. Kurz darauf setzte sich einer von ihnen wieder in Bewegung und rollte, von den geflügelten Löwen gezogen, langsam auf Quade zu, bis er in einer Entfernung von nur zehn Schritten erneut zum Stehen kam. Der Bogenschütze auf der Plattform des Wagens war ein hochgewachsener Mann in schimmerndem Brustpanzer, weißem Lendenschurz, Bogenhandschützer und einem hohen Helm, der einer altägyptischen Pharaonenkrone glich. Sein Gesicht war schmal und scharfgeschnitten, wurde von funkelnden, | 52 |
dunklen Augen beherrscht und von einem wie ein Strich dünnen, schwarzen Bart umrahmt. Er hielt einen Bogen in der Linken. Neben ihm waren ein Köcher mit Pfeilen, ein Bündel kurzschäftiger Speere mit breiten Spitzen, ein runder Metallschild und eine Streitaxt mit Doppelblatt an der hüfthohen Schutzwand des Kampfwagens befestigt. Ein auf einem hölzernen Schaft errichteter großer Fächer aus schillernden, bunten Federn wölbte sich wie ein Feldzeichen über dem Gefährt. „Dieser da hat einen Hras getötet“, sagte der Bogenschütze, dessen Pfeil eines der beiden fliehenden Affenwesen niedergestreckt hatte, und deutete auf Quade. „Er schlug ihn mit einem Donner, und der Hras stürzte tot nieder.“ Rod Ellis brauchte mehrere Sekunden, um zu begreifen: Er konnte dieses menschenähnliche Wesen eines fremden Planeten unter den Strahlen einer geheimnisvollen Zwillingssonne verstehen, konnte jedes einzelne seiner Worte genau verstehen. Aber es war nicht Gedankenübertragung, mittels derer das Wesen sich verständlich machte. Es redete; seine Lippen formten Laute. Und er, Rod Ellis, verstand den Sinn dieser Laute. „Ich kann verstehen, was er sagt. Aber... das ist unmöglich!“ brachte er hervor. Quade brachte ihn mit einer scharfen Handbewegung zum Schweigen. Der Bogenschütze im silbernen Brustpanzer blickte von seinem Streitwagen auf sie nieder. „Wenn ihr Feinde der Hras’ seid“, sagte er, das R in dem Wort „Hras“ wie einen dumpfen Kehllaut rollend, „seid ihr unsere Freunde. Ihr ähnelt den Männern meines Volkes, aber | 53 |
ihr gehört nicht zu uns. Kommt ihr aus dem Land jenseits der Wüste Kurum?“ Quade schickte einen raschen Seitenblick zu Rod. „Versuchen Sie, ihm begreiflich zu machen, woher wir kommen – wenn Sie’s können, Ellis!“ Rod sagte leise: „Weg mit dem Revolver!“ und lauter zu dem Bogenschützen im Streitwagen: „Wir kommen aus einem Land, das“ – er zögerte und suchte nach den richtigen Worten – „jenseits aller Grenzen liegt.“ „Jenseits aller Grenzen liegt das Schattenreich der Toten. Woher aber kommt ihr?“ fragte der Gepanzerte, diesmal in scharfem Ton. Seine rechte Hand spielte mit dem gefiederten Ende eines Pfeils. Rod Ellis sah das plötzlich erwachte Mißtrauen aus seinen dunklen Augen blitzen. „Wir kommen von den Sternen“, antwortete er rasch, ohne zu wissen, ob das Wort „Sterne“ überhaupt eine Bedeutung für diese außerirdische Rasse hatte. „Von den Sternen?“ Der Bogenschütze warf den Kopf in den Nacken und brach in ein scharfes, zorniges Gelächter aus, in das die Krieger auf den anderen Wagen einfielen. Der Mann im silbernen Brustpanzer blickte wieder auf Rod Ellis, Wheeler und Quade hinab. „Ihr müßt Verrückte sein, Lügner – oder beides. Die Sterne sind der Wohnsitz der Götter. Ihr seid keine Götter, nur Menschen. Laßt sehen, ob euer Blut nicht ebenso rot ist wie unseres!“ Er zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Bogensehne. Im nächsten Augenblick war Quades Revolver auf ihn gerichtet, und der Hahn klickte. Doch Rod griff schnell zu, umspannte Quades Handgelenk | 54 |
mit festem Griff und drückte den Lauf der Waffe nach unten. „Hör zu!“ sagte er zu dem gepanzerten Krieger. „Wir kamen in einem großen, silbernen Sternenschiff. Es stürzte vom Himmel in die Wüste. Dort liegt es noch immer. Wirst du uns glauben, wenn du es siehst?“ Der andere ließ den Bogen mit dem Pfeil auf der halbgespannten Sehne sinken. Sein Blick ging zwischen Rod Ellis, Quade und Wheeler hin und her. „Wenn ihr wirklich von den Sternen kommt“, entgegnete er zweifelnd, „seid ihr Götter – und niemand darf gegen einen Gott die Waffen erheben. Ich werde Streitwagen in die Wüste schicken und das Sternenschiff suchen lassen. Hast du nicht die Wahrheit gesagt, und meine Krieger kehren zurück, ohne das Sternenschiff gefunden zu haben, sterbt ihr alle, bevor die zwei Sonnen noch einmal ihren Weg am Himmel zurückgelegt haben. Dann werdet ihr den Göttern geopfert, die ihr gelästert habt. Ich bin Aram, und mein Wort ist Gesetz! Jeder von euch steigt auf einen Wagen. Du“ – er deutete auf Rod Ellis – „fährst mit mir!“ Er schob Bogen und Pfeil in den Köcher, nahm die Streitaxt mit den beiden blinkenden Schneiden aus ihrer Halterung und gab Rod durch eine Handbewegung zu verstehen, daß er aufsteigen solle. Die geflügelten Löwen fielen in plumpen Galopp. Der Streitwagen Arams beschrieb einen Halbkreis am Flußufer und donnerte dann, gefolgt von den anderen, in die Richtung, aus der er gekommen war. Nach einer halben Meile wich die himmelhohe Felswand am diesseitigen Flußufer zurück, und Rod Ellis, der hinter Aram und dem Wagenlenker stand, bot sich ein schauriger Anblick. | 55 |
Jehud Am Fuß der Felswand, die hier einen kleinen, halbkreisförmigen Talkessel bildete und in der zahlreiche Höhlen- oder Stolleneingänge gähnten, war eine Reihe hölzerner Kreuze errichtet worden – Rod zählte zwölf –, an deren jedem mit gespreizten Armen ein totes Affenwesen hing. Arams Streitwagen rollte an diesen schrecklichen Straf- oder Siegeszeichen vorbei. Rod blickte zu den schwärzlichen Affengesichtern empor, die über den Fluß hinweg ins Leere starrten, und schauderte bei dem Anblick. Aram deutete mit seiner Doppelaxt auf die Gekreuzigten. „Wir überraschten diese Hras’, die ihre Stadt verlassen hatten, um hier nach heiligen Steinen zu suchen“, sagte er; grausamer Triumph lag in seiner Stimme. „Ihre Waffen, mit denen sie tödliche Blitze schleudern, nützten ihnen nichts. Unser Angriff traf sie unvorbereitet und mit solcher Wucht, daß sie gar nicht dazu kamen, sich zu wehren. Wir selbst haben in diesem Kampf nur einen einzigen Streitwagen verloren. Der Tag wird kommen, an dem die ganze Welt zwischen den vier Säulen, die den Himmel tragen, wieder uns gehört, so wie es war, bevor die Hras’ kamen. Wir sind ein mächtiges, freies Volk – keine Sklaven!“ „Die Hras’ versuchen, euch die Freiheit zu nehmen?“ fragte Rod, der den Blick nicht von den schaurigen Kreuzen abzuwenden vermochte. „Sie haben viele von uns geraubt, um sie in ihrer uneinnehmbaren Stadt am Rande der Wüste Kurum zu | 56 |
Sklaven zu machen“, antwortete Aram finster. „Aber eines Tages – bald – werden wir sie vernichten!“ „Was ist das für eine Stadt, von der du sprichst?“ wollte Rod Ellis wissen. „Wo liegt sie, und wie sieht sie aus?“ Kaum hatte er die Fragen gestellt, als er auch schon begriff, daß er einen Fehler begangen hatte. Arams Augen wurden schmal, sein Blick wieder mißtrauisch. „Für einen, der mit einem Sternenschiff vom Wohnsitz der allwissenden Götter herabgekommen sein will, weißt du sehr wenig über die Menschenwelt“, entgegnete er. „Die Stadt der Hras’ heißt Chasrom Ariot, ,Stadt des tödlichen Lichts’; sie ist selbst mit zehntausend Streitwagen nicht einzunehmen, denn wer es wagt, sich ihr zu nähern, wird von Flammen erfaßt und verbrennt zu Asche.“ „Woher kamen die Hras’? Seit wann besteht Chasrom Ariot?“ „Wer fragt danach, woher sie kamen! Vielleicht stammen sie aus den Gebieten jenseits der Wüste Kurum. Wir wissen, daß sie unsere Todfeinde sind – und das allein ist für uns von Bedeutung. Entweder es gelingt uns., sie zu vernichten, oder der Tag wird kommen, an dem sie uns alle zu Sklaven machen. Sie ähneln mehr Tieren als Menschen. Lieber will ich im Kampf gegen sie fallen, als mich ihnen unterwerfen!“ Sie hatten nun die lange Reihe gespenstischer Kreuze hinter sich gelassen, und Rod Ellis sah am Flußufer zwei Streitwagen warten, auf denen gefangene Hras’ mit auf den Rücken gefesselten Armen, eine Seilschlinge um den Nacken, standen. Um ihre Hüften waren Eisenketten gewunden, deren Enden an den | 57 |
Streitwagen befestigt waren. „Ihr habt einen Hras getötet“, fuhr Aram fort. „Was ist das für ein Donner, mit dem ihr eure Feinde zerschmettert? Ist er stark genug, um eine Bresche in die Wälle von Chasrom Ariot zu schlagen?“ „Das kann ich nicht sagen, bevor ich die Stadt gesehen habe“, antwortete Rod Ellis, der fieberhaft versuchte, das Gesehene und Gehörte in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Diese fremde und gleichzeitig so menschenähnliche Welt schien ihm unbegreiflich. Sie glich einem Fiebertraum, war aber viel gefährlicher – denn sie war harte, schreckliche Wirklichkeit. „Wenn ihr lange genug lebt – das heißt, wenn meine Krieger das Sternenschiff in der Wüste finden, mit dem ihr vom Himmel gestürzt seid, werdet ihr die Stadt der Hras’ sehen“, sagte Aram. „Schneller!“ befahl er seinem Wagenlenker. Die Löwen streckten sich, jeden Sprung mit einem Schlag ihrer mächtigen Flügel begleitend. „Was wird mit den Gefangenen geschehen?“ fragte Rod, als die beiden Streitwagen mit den gefesselten Hras’ einschwenkten und zwischen den anderen Wagen dahinjagten. „Sie werden Hamuz geopfert!“ Aram hob den Blick zum nächtlichen Himmel, an dem noch immer die von der Zwillingssonne ausgehende, rotglühende Spirale leuchtete. „Hamuz ist der Vater aller Götter- und Menschengeschlechter. Er hat uns Stärke und Macht verliehen; dafür opfern wir ihm das Blut unserer Feinde !“ Danach schwiegen sie. Einmal sah sich Rod nach Jim Wheeler und Dan Quade um; beide fuhren auf Streitwagen hinter dem Arams. Die Kolonne donnerte | 58 |
am Flußufer entlang, verließ aber bald das gewaltige Tal und bog in eine enge, gewundene Schlucht ein. Das Rasseln und Klirren der eisenbeschlagenen Räder widerhallte von den Felswänden. Hoch über dem Eingang zur Schlucht sah Rod zwei festungsähnliche, in das Gestein hineingetriebene Bauwerke, die offenbar dazu bestimmt waren, die Felsenenge gegen Angreifer zu verteidigen. „Kein Feind ist jemals lebend durch diese Schlucht vorgedrungen“, sagte Aram, mit seiner Doppelaxt zu den Festungswerken hinaufdeutend. „Auch wir kennen, wie die Hras’, das Feuer als Waffe. Unsere Wurfmaschinen können von dort oben eine Glut herabschleudern, die Steine zum Glühen bringt und sogar im Wasser brennt.“ Das muß eine Art Naphtha oder „Griechisches Feuer“ sein, dachte Rod Ellis. Das und Steinlawinen, die sicher von den Rändern der Schlucht hinuntergestürzt werden konnten, mochten die Felsenenge für jeden mit den Verteidigern auf derselben Stufe der Waffenentwicklung stehenden Angreifer uneinnehmbar machen. Aber für die Hras’ mit ihren Laserstrahlwaffen war das kein ernsthaftes Hindernis. Nach einer Meile wichen die hohen Felswände zu beiden Seiten der dahinstürmenden Streitwagen plötzlich zurück, und ein großer Talkessel, umgeben von fast senkrecht aufragenden Bergflanken, öffnete sich vor Rods Augen. Er mochte einen Durchmesser von zwei, drei Meilen haben und schien ebenso unfruchtbar zu sein wie die Wüste, in der das Ufo zerschellt war. Unwillkürlich hielt Rod Ellis den Atem an, als er die Stadt vor sich liegen sah. | 59 |
Sie mußte Raum für Tausende und Abertausende von Menschen bieten. Die Häuser – das waren kleine, mit Fenster- und Türöffnungen versehene, eng aneinandergebaute Würfel, weiß oder ockerfarben. Deutlich waren Straßenzüge zu erkennen. Beherrscht wurde die Stadt jedoch von zwei mächtigen Pyramiden – gewaltiger als die des alten Ägypten – mit Plattformen anstelle der Spitzen, gekrönt von tempelartigen Bauwerken, die von flackernden, rauchenden Feuern beleuchtet wurden. Eine aus rotem Stein errichtete Sphinx in Gestalt eines aufrecht schreitenden, geflügelten Löwen, fünfundzwanzig oder mehr Meter hoch, erhob sich zwischen den Pyramiden. Auf sie zu führte eine breite Straße, gesäumt von Dutzenden, auf Sockeln von doppelter Mannshöhe ruhenden, kleineren Löwenfiguren. Aram deutete mit seiner Streitaxt. „Das ist Jehud, die Stadt, die zu Hamuz’ Ehre erbaut wurde“, sagte er stolz. „Jehud, die Uneinnehmbare, die Gewaltige; der Ort, wo Hamuz einst seinen Fuß auf die Menschenwelt setzte.“ In breiter Front, immer drei nebeneinander, fuhren die Streitwagen, von den fauchenden geflügelten Löwen gezogen, durch die Stadt. Die Straße zu den Pyramiden war von dichten Menschenmengen gesäumt, die Rod Ellis, Wheeler und Quade anstarrten. Als Rod auf Arams Wagen die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, ertönten hinter ihm plötzlich Lärm und Geschrei. Rod drehte sich um und sah, daß die Menschen an den Straßenrändern Steine aufhoben und damit nach den Hras’ warfen, die jetzt in Fesseln zu Fuß hinter den Streitwagen herstolperten, an die sie gekettet | 60 |
waren. Die Menschen – Männer, Frauen und Kinder – schüttelten die geballten Fäuste gegen die Hras’, und ihre Gesichter waren verzerrt von Haß, Angst, Wut und Abscheu. Eines der Affenwesen brach, von einem wuchtig geschleuderten Stein an der Schläfe getroffen, zusammen. Aber der Streitwagen, an den es gefesselt war, hielt nicht an, sondern rollte weiter und schleifte es am Boden hinter sich her. Schließlich hielten die Wagen vor den Pyramiden; die beiden Hras’ wurden losgebunden und in einen starken, hölzernen Käfig gestoßen. „Bewacht sie gut“, befahl Aram seinen Kriegern, „denn sie sollen morgen zu Hamuz’ Ehre geopfert werden!“ Rods Blick ging von der einen Pyramide zu dem geflügelten Löwenkoloß. Was für ein ungeheuerliches, drohendes Götterbild das war! Durch das Geschrei der Menge, die noch immer Steine gegen den Käfig mit den gefangenen Hras’ schleuderte und von Arams Kriegern mit Streitwagen zurückgedrängt werden mußte, vernahm Rod ein dumpf dröhnendes Grollen, das geradenwegs aus dem Inneren der Erde zu kommen schien. Er sah sich nach der Quelle der unheimlichen Laute um, konnte aber außer der dichten Menschenmenge, die sich auf dem weiten Platz vor den Pyramiden drängte, nichts entdecken. Aram gab seinem Wagenlenker ein Zeichen, und der Streitwagen rollte zu einem abseits von der Stadt gelegenen, großen, ganz aus weißem Stein errichteten, palastähnlichen Gebäude, dessen flaches Dach von niedrigen, massiven Säulen getragen wurde. | 61 |
„Steig ab!“ befahl Aram Rod Ellis, schob seine Streitaxt in ihre Halterung am Wagenrand und sprang selbst auf die Erde hinunter. Jim Wheeler und Dan Quade kamen heran. „Sklaven werden sich um euch kümmern, bis sich erwiesen hat, ob ihr von den unsterblichen Göttern gesandte Boten seid, oder – den Göttern geopfert werden müßt wie die gefangenen Hras’.“ Sie wurden auf einen Befehl Arams von nur mit Lendenschurzen bekleideten Sklaven in einen niedrigen, aber weiten Raum des Palastes gebracht – alle Räume unter diesem Dach schienen nur von außen betretbar zu sein und untereinander keine Verbindungstüren zu haben –, in dem von einer Feuerstelle Rauch aufstieg. Sechs Krieger in hohen Helmen, Brustpanzern und leopardenfellähnlichen Umhängen, mit Metallschilden, Lanzen und Bronzebeilen bewaffnet, bewachten den Eingang. „Wir sind Gefangene“, stellte Jim Wheeler fest und kehrte von der Türhöhlung, durch die er einen Blick nach draußen geworfen hatte, zur Feuerstelle zurück, wo sich Rod Ellis und Quade auf zwei hölzernen Hokkern niedergelassen hatten. „Der einzige Fluchtweg, der sich bietet, führt durch die Tür dort, und die wird schwer bewacht. Wenn Arams Männer das Ufo in der Wüste nicht finden, dann –“ Rod, der seine Hände am Feuer wärmte, unterbrach ihn: „Reden bringt uns nicht weiter! Wir sind in ihrer Gewalt und können nichts tun als abwarten.“ „Solange ich den habe, bin ich niemandem ausgeliefert“, warf Quade ein und zog seinen Revolver. Er wog den Colt in der Hand. | 62 |
„Wieviel Patronen haben Sie für die Waffe?“ fragte Rod Ellis. Unwillkürlich griff Quade nach der flachen, ledernen Patronentasche mit dem eingeprägten Zeichen der US-Marine an seinem Leinengurt. „Fünfzehn“, antwortete er nach kurzem Zögern. „Aber –“ „Wie weit, glauben Sie, würden Sie damit kommen? Hundert Schritt vielleicht; dann würden Sie mit Bronzebeilen in Stücke gehauen werden. Um uns den Weg aus diesem Tal zu erkämpfen, benötigten wir Laserstrahlwaffen, wie die Hras’ sie haben.“ „Das ist auch etwas, das ich nicht verstehen kann“, sagte Wheeler. „Die Hras’ und die menschenähnlichen Wesen auf diesem Planeten sind Todfeinde. Arams Krieger töten die Affenwesen, wo sie ihrer habhaft werden, oder sie opfern sie vor einem Götterbild in Gestalt eines geflügelten Löwen. Die Hras’ hätten mit ihren Waffen die Stadt Jehud und deren Bewohner wahrscheinlich längst vernichten können, und doch haben sie es bisher nicht getan. Warum nicht, da Arams Rasse doch eine ständige, tödliche Bedrohung für sie darstellt?“ „Vielleicht wissen sie nicht, wo sie Jehud suchen müssen oder ob es die Stadt überhaupt gibt“, mutmaßte Quade. „Dieser Talkessel liegt versteckt inmitten von Bergen und Wüste...“ „Wenn Aram die Wahrheit gesagt hat, haben die Hras’ eine große Anzahl von Menschen entführt“, murmelte Rod Ellis nachdenklich. „Ich glaube nicht, daß es ihnen schwergefallen wäre, aus ihren Gefangenen herauszuholen, was sie wissen wollten. Ihr unverständliches Verhalten ihren Todfeinden gegenüber muß daher einen anderen Grund haben.“ | 63 |
Quade stand auf und schob den Colt ins Halfter zurück. „Ich habe noch keine Rasse – zumindest keine menschliche – gesehen, die die Macht, über die sie verfügte, nicht auch anzuwenden bereit gewesen wäre.“ „Vielleicht ist das die Erklärung: die Hras’ sind nichtmenschliche Wesen; sie denken vielleicht anders als wir.“ „So groß kann der Unterschied nicht sein. Sie verfügen über Waffen von furchtbarer Wirkung, und wir haben erlebt, daß sie nicht zögern, sie einzusetzen.“ „Und was folgern Sie daraus?“ fragte Wheeler. Quade drehte sich zu ihm um. Das offene Feuer warf flackernde Helligkeit auf sein Gesicht; seine Augen funkelten. „Daß die Hras’ gefährlich sind. Das ist das mindeste, was man daraus folgern muß. Wer im Besitz solcher Waffen ist, könnte einer primitiven Welt wie dieser mit Gewalt seinen Willen aufzwingen. Wenn es –“ Er wurde unterbrochen, als ein Sklave mit einer großen Metallplatte hereinkam, auf der drei irdene Töpfe mit gekochter Nahrung und drei weitere standen, die eine klare, goldfarbene Flüssigkeit enthielten. Er stellte sie auf einen Hocker und verließ wortlos wieder den Raum. Jim Wheeler schlug mit den Fingerknöcheln seiner Rechten gegen die Metallplatte; es gab einen gedämpften Klang. „Bronze“, sagte er. „Arams Rasse scheint sich auf einer der irdischen Bronzezeit entsprechenden Entwicklungsstufe zu befinden. Eisen habe ich bisher nur | 64 |
an ihren Streitwagen gesehen. Die Hras’ sind den Menschen auf diesem Planeten technisch um zehnoder zwanzigtausend Jahre voraus. Wie ist es möglich, daß zwei so verschieden hohe Kulturen in einer Welt nebeneinander bestehen können? Die Kultur der Hras’, die, zumindest in technischer Hinsicht, wahrscheinlich sogar über der irdischen steht, scheint keinerlei Einfluß auf Arams Rasse ausgeübt zu haben, obwohl sie einander räumlich so nahe sind. Das kommt mir vor, als ob auf der Erde neben dem modernsten Atomreaktor ein Stamm Steinzeitmenschen in Höhlen gehaust hätte.“ „Du hast recht“, nickte Rod Ellis, „irgendwie paßt das alles nicht zusammen. Zwei einander berührende Kulturen können sich nicht über Jahrtausende hinweg mit so unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwikkeln, daß die Lücke, die zwischen ihnen klafft, von Jahrhundert zu Jahrhundert größer wird. Wenn die Hras’ schon immer auf diesem Planeten gelebt hätten, hätte ihr Einfluß die Entwicklung von Arams Rasse bestimmt erheblich beschleunigt.“ „Du glaubst, die Affenwesen stammen nicht von diesem Planeten? Du glaubst, sie kamen irgendwann aus den Tiefen des Weltalls hierher?“ „Es wäre immerhin möglich, daß sie die Raumfahrt beherrschen“, gab Rod zu bedenken. „Aber die Antwort auf diese Frage kennen nur die Hras’ selbst. Vielleicht könnten wir uns mit den Gefangenen in dem hölzernen Käfig am Fuß der Pyramide verständigen, wenn man uns zu ihnen ließe; doch damit ist nicht zu rechnen.“ „Ein Mensch kann nicht mit einem Affen reden“, sagte Quade. „Diese Wesen sehen aus wie ...“ | 65 |
„Ihr Aussehen ist ohne Bedeutung. Die Intelligenz eines Lebewesens steht in keinem Zusammenhang mit dessen äußerer Erscheinungsform“, unterbrach ihn Rod. „Wahrscheinlich ist das ganze Weltall von Leben erfüllt. Aber sicher weisen nur die wenigsten unter den intelligenten Rassen in ihrem Aussehen menschliche Züge auf.“ „Die Außerirdischen in dem Ufo haben sogar den Beweis dafür angetreten“, warf Wheeler ein. Er trat näher ans Feuer, um sich zu wärmen. „Auf diesem Planeten ist ein grausamer Krieg im Gang – aber niemand kann sagen, wer ihn begonnen hat.“ „Das ist doch ohne Bedeutung“, entgegnete Quade. „Wenn ich zwischen Menschen und Affen wählen muß, entscheide ich mich für die Menschen.“ „Diese Menschen werden uns vielleicht morgen einem Gott in Gestalt eines geflügelten Löwen opfern“, sagte Rod. „Wir hatten nicht damit gerechnet, in dieser fremden Welt überhaupt höheres Leben zu finden, und waren glücklich, als wir auf menschenähnliche Wesen trafen. Aber vielleicht sind menschliche Lebensformen wirklich die gefährlichsten von allen, so wie die Außerirdischen im Ufo es behauptet haben.“ Er verstummte, sah sich mit plötzlich erwachtem Mißtrauen um und ließ seinen Blick über die steinernen Wände des Raums bis hin zur Türhöhlung gehen. „Ich habe das Gefühl, daß wir beobachtet werden“, sagte er dann. „Ich weiß nicht, ob ihr es spürt – aber seit ich in dem gestrandeten Ufo wieder zu mir kam, werde ich das Gefühl nicht los, bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung von unsichtbaren Augen verfolgt zu werden. Doch jedesmal, wenn ich mich umdrehe, ist | 66 |
niemand da. Gerade vorhin war mir wieder, als stünde jemand hinter mir; aber außer uns ist ja niemand in diesem Raum. Hast du es nicht auch gespürt, Jim?“ Wheeler schüttelte den Kopf. „Mach dir darüber keine Gedanken!“ meinte er. „Wahrscheinlich sind es Einbildungen, die dich täuschen. Wir sind alle mit unseren Kräften am Ende.“ „Vielleicht hast du recht!“ Rod Ellis ließ sich wieder auf den Hocker sinken, von dem er sich erhoben hatte. „Manchmal scheint es mir eine Ewigkeit her zu sein, daß das Ufo uns von der Erde entführte; und ein andermal ist mir wieder, als seien inzwischen nicht einmal vierundzwanzig Stunden vergangen.“ „Unser Zeitbegriff ist durcheinandergeraten“, entgegnete Wheeler, „weil wir nicht wissen, wie lange wir in dem Ufo ohne Bewußtsein waren. Aber –“ Er brach ab und wandte sich der Türhöhlung zu, wo Geräusche laut geworden waren. „Es scheint, daß über unser Schicksal bereits entschieden worden ist“, sagte er dann heiser. Rod Ellis blickte auf. Aram hatte den Raum betreten. Diesmal war er unbewaffnet und trug weder Helm noch Brustpanzer. Hinter ihm überschritten zwei Männer in knöchellangen, gelben Gewändern die Schwelle. Sie hatten kahlrasierte Köpfe, trugen breite Halsketten aus mit winzigen Ringen zusammengefügten, bunten Metallplättchen und in ihren Händen goldene Stäbe mit kleinen, geflügelten Löwenfiguren an den Spitzen und Peitschen mit vergoldeten Handgriffen und sieben Riemen. Arams funkelnde, dunkle Augen musterten Rod Ellis, Wheeler und Quade im Flammenschein der Feuerstelle. „Meine Krieger haben das silberne Sternen| 67 |
schiff, von dem ihr erzählt habt, in der Wüste gefunden“, sagte er. „Die Priester des Hamuz“ – er deutete auf die beiden Männer in den gelben Gewändern – „glauben, daß ihr Boten der Götter seid, daß Hamuz euch gesandt hat, damit ihr uns helft, Chasrom Ariot zu zerstören und die Hras’ zu vernichten.“
| 68 |
Ein Opfer für Hamuz Aram trat näher an die offene Feuerstelle heran. „Der Ratschluß der ewigen Götter, der dem Volk durch die Priester gedeutet wird, ist oft hinter einem Schleier von Geheimnissen verborgen“, murmelte er. „Zwar bin ich noch immer davon überzeugt, daß ihr Menschen seid wie ich und daß ich euer Blut mit einem Schlag meiner Streitaxt zum Fließen bringen könnte; aber manchmal bedienen sich die Unsterblichen auch der Menschen, um ihren Willen in die Tat umzusetzen. Wenn es euch gelingt, die ,Stadt des tödlichen Lichts’ der Zerstörung durch mein Volk zu überantworten, werde ich mich nicht mehr weigern zu glauben, daß ihr Halbgötter seid. Dann wird eure Macht über mein Volk in Jehud grenzenlos sein. Die Priester und mit ihnen das Volk glauben, daß Hamuz euch die Macht gegeben hat, die Mauern von Chasrom Ariot zum Einsturz zu bringen und eine Bresche für unsere Streitwagen zu schlagen, die Hras’ in Furcht und Entsetzen zu stürzen und das tödliche Licht, das ihre Stadt uneinnehmbar macht, zu überwinden. Jetzt ist es an euch, zu beweisen, daß ihr Halbgötter seid! Morgen werdet ihr beim großen Opferfest des Hamuz eure Plätze zu Füßen des Gottes einnehmen, und mein ganzes Volk wird vor euch auf die Knie fallen, um euch anzubeten.“ „Heißt das, daß wir nicht länger Gefangene sind?“ fragte Rod Ellis. Aram nickte mit unbewegtem Gesicht. „Ihr könnt euch inner- und außerhalb des Palastes und überall in der Stadt frei bewegen; aber versucht nicht, das Tal zu verlassen. Hamuz möge euren Schlaf | 69 |
segnen!“ Aram wandte sich der Türöffnung zu, wo die Priester ihn erwarteten. Doch Rods Stimme hielt ihn zurück: „Beantworte mir eine Frage! Haben die Hras’ jemals versucht, Jehud zu zerstören?“ Aram drehte sich halb um, schien jedoch Rods Blick nicht begegnen zu wollen, denn er sah starr auf eine Wand. „Jehud ist unbezwingbar, denn Hamuz hält seine schützende Hand darüber“, antwortete er ausweichend. In der nächsten Sekunde hatte er mit den beiden Priestern den Raum verlassen. Rod trat auf die Türschwelle und blickte nach draußen. Die schwerbewaffneten Krieger, die vor dem Eingang Wache gehalten hatten, waren verschwunden. „Ich glaube, wir können den Palast ungefährdet verlassen“, sagte er und trat in die seltsam erleuchtete Nacht hinaus. Die von der roten Glut der Zwillingssonne ausgehende Feuerspirale umschlang den Himmel wie mit einem purpurnen Band. „Halbgötter –“, murmelte Jim Wheeler. „Sie sehen Halbgötter in uns und versprechen uns grenzenlose Macht, wenn wir ihnen helfen, die Hras’ zu vernichten.“ „Warum auch nicht?“ entgegnete Quade scharf. „Wir strandeten auf einem scheinbar vollkommen unbewohnten Planeten – ohne Hoffnung, zu überleben. Jetzt sind wir wieder unter Menschen, und der Zufall hat es so gefügt, daß wir alle Macht dieser Welt in unseren Händen vereinen können. Dafür ist die Vernichtung der Affenwesen kein zu hoher Preis.“ „Reizt es Sie, Macht zu haben, Quade?“ fragte Rod | 70 |
Ellis. „Uneingeschränkte Macht über andere?“ „Mit der Macht“, antwortete Quade, „verhält es sich wie mit einer gefährlichen Waffe: sie gehört in die Hände derer, die damit umzugehen verstehen.“ „Und Sie trauen sich den Umgang mit der Macht zu, der Macht über eine ganze Welt, über einen fremden Planeten, auf den wir nur durch einen unglückseligen Zufall verschlagen wurden?“ „Wir sind nun einmal hier. Die Erde, so wie wir sie kannten, gibt es nicht mehr. Da wir also auf diesem Planeten leben müssen – uns bleibt keine Wahl –, übe ich lieber selbst Macht aus, als mich der Gewalt von Steinzeitmenschen oder intelligenten Affen zu unterwerfen.“ „Wenn wir uns in den Krieg zwischen den Menschen dieses Planeten und den Hras’ einmischen“, sagte Rod, „wird er vielleicht mit der völligen Vernichtung einer der beiden Rassen enden.“ „Aber mit unserer Hilfe könnten die Bewohner von Jehud die Überlebenden sein. In einer Menschenwelt können wir leben, nicht aber in einer, die von Affen beherrscht wird.“ „Bisher wissen wir über die Hras’ nicht mehr, als Aram uns erzählt hat. Wenn wir uns innerhalb des Tals wirklich frei bewegen dürfen, möchte ich mit den im Käfig gefangenen Affenwesen sprechen. Vielleicht kann ich mich ihnen verständlich machen.“ „Selbst wenn es Ihnen gelänge, würde das die Bewohner von Jehud nicht daran hindern, die Hras’ morgen ihrem geflügelten Löwengott zu opfern“, entgegnete Quade. ,>Außerdem glaube ich nicht, daß Sie mit den Affen werden reden können. Das einzige, was | 71 |
ich bisher von ihnen gehört habe, waren Brüll- und Grunzlaute.“ „Das war, als die beiden Hras’ am Fluß ihren letzten Kampf kämpften“, sagte Rod. „Auch Menschen, die den Tod vor Augen sehen, sprechen nicht, sondern schreien nur, Quade. Ich will wenigstens versuchen, mit den Hras’ zu reden.“ Der starke, hölzerne Käfig am Fuß der Pyramide, zu deren Tempelplattform eine breite Steintreppe hinaufführte, war von einem Ring lodernder Feuer umgeben. Im flackernden Licht der Flammen blinkten die runden Metallschilde, hohen Helme und Bronzewaffen der Krieger, die den Opferkäfig bewachten. Aber keiner trat Rod in den Weg, als er näherkam. Die beiden Hras’ hockten, die breiten Rücken gegen die Gitterstäbe gelehnt, regungslos im Käfig. Rod Ellis ging so nahe heran, daß ihn nur noch ein, zwei Schritte von dem ihm zunächst sitzenden Gefangenen trennten. Doch der Hras beachtete ihn gar nicht. Er hatte den Kopf zur Seite gewandt, eine Wange gegen das Holzgitter gepreßt und blickte zum nächtlichen Himmel auf. Unendliche Trauer sprach aus der Haltung seines Kopfes und aus seinen Augen, die im Feuerschein wie kleine, runde Silberscheiben glänzten. Die kurzen, krummen Beine hatte er von sich gestreckt, und seine mächtigen, behaarten Hände lagen wie tot auf der Erde. „Ich möchte mit dir reden – aber du kannst mich wahrscheinlich nicht verstehen“, begann Rod Ellis. Das Affenwesen starrte weiter zu den Sternen hinauf; kein Zucken in seinem häßlichen, schwarzen | 72 |
Gesicht verriet, daß es Rods Worte gehört hatte. „Ich suche Antwort auf viele Fragen und glaubte, sie hier zu finden“, fuhr Rod Ellis fort. „Ich komme von den Sternen, zu denen du schaust. Von einem Planeten, der in eine glühende Sonne verwandelt wurde. Ich weiß nicht einmal, was für eine Welt das ist, auf der ich gestrandet bin. Uns geht es ähnlich: wir sind beide Gefangene.“ Er betrachtete das plumpe Affengesicht, das wie aus schwarzem Stein gehauen wirkte. „Der einzige Unterschied zwischen uns ist der“, fuhr er fort, „daß du morgen einem geflügelten Löwengott geopfert werden wirst, während ich am Leben bleibe, wenn ... wenn ich mithelfe, deine Rasse zu vernichten.“ Da kam Bewegung in die unheimliche, dunkle Gestalt. Der Hras wandte langsam den Kopf und sah Rod an, während seine Hände sich um die Holzstangen des Gitters schlossen. „Du kannst mich also doch verstehen!“ sagte Rod. Er ließ sich auf ein Knie sinken, so daß sich sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem des Hras’ befand. Das Affenwesen öffnete seinen breiten, lippenlosen Mund. „Ja, ich verstehe dich“, erwiderte es. „Aber ich glaube dir nicht, denn du gehörst zu den Ashranots.“ „Ashranots“ – das muß die Bezeichnung der Hras’ für die Bewohner Jehuds sein! dachte Rod. „Kennen denn die Ashranots Weltraumschiffe und Raumflüge?“ fragte er. „Haben sie diesen Planeten jemals verlassen? Glauben sie nicht vielmehr, der Himmel werde von vier mächtigen Säulen getragen und die Sterne seien der Wohnsitz der Götter?’’ | 73 |
„Wer bist du, wenn du kein Ashranot bist?“ fragte das dunkle Affengesicht hinter dem Gitter des Opferkäfigs. „Du weist die gleichen Rassenmerkmale auf wie sie. Du mußt zu ihnen gehören!“ „Ich sagte dir, ich sei einer, der seine Heimat im Weltall verloren hat. Das ist die Wahrheit. Die Ashranots erwarten von mir und den beiden anderen Männern, die mit mir auf diesem Planeten gestrandet sind, daß wir ihnen helfen, euch zu vernichten.“ „Warum bist du dann an unseren Käfig gekommen? Was glaubst du, von uns erfahren zu können?“ „Als die Ashranots euch mit ihren Streitwagen am Fluß überfielen und alle Hras’ bis auf euch beide töteten, sollt ihr auf der Suche nach heiligen Steinen gewesen sein ...“ „Die Ashranots nennen dieses Gestein so, weil sie wissen, daß es für uns von großem Wert ist. Wir gewinnen aus ihm ein Erz, dem dieselbe Kraft innewohnt, die Sonnen zum Glühen bringt.“ „Das muß Uranerz sein“, sagte Rod. „Jetzt bin ich sicher, daß ihr aus dem Weltraum auf diesen Planeten gekommen seid. Eine Rasse, die intelligent genug ist, aus atomaren Kernspaltungsvorgängen Energie zu gewinnen, würde, wenn sie von Anbeginn in dieser Welt gelebt hätte, großen Einfluß auf die Entwicklung aller übrigen Rassen des Planeten ausgeübt haben. Da die Ashranots aber erst Bronze und Eisen zu bearbeiten gelernt haben, können die Hras’ noch nicht lange auf diesem Planeten sein.“ „Du hast recht“, nickte das Affenwesen. „Wir kamen aus dem All. Unsere eigene Welt war todgeweiht. Ein Atombrand, der im Herzen des Planeten ausgebrochen | 74 |
war, fraß ihn langsam auf. Diese Welt war die einzige in erreichbarer Nähe, die uns eine Möglichkeit bot, zu überleben. Aber seit wir den Fuß auf diesen Planeten gesetzt haben, sind wir von haßerfüllten Feinden umgeben.“ „Ihr habt die Macht, eure Feinde zu vernichten. Ich habe die furchtbare Wirkung eurer Waffen kennengelernt.“ „Wir sind hierhergeflohen“, sagte das Affenwesen und hob wieder den Blick zum Nachthimmel und seinen Sternen, „um zu überleben – nicht, um zu töten und zu zerstören.“ „Wenn ihr wirklich aus den Tiefen des Alls gekommen seid, wo sind dann eure Raumschiffe?“ wollte Rod wissen. Aber darauf erhielt er von dem Hras keine Antwort. Er versuchte es anders: „Was ist das für ein Sonnensystem, aus dem ihr kamt?“ „Sein Name würde dir nichts sagen“, erwiderte das Affenwesen. „Es besteht aus einer blauweißen Sonne und zwölf Planeten weit draußen am Rand der Sterneninsel, zu der auch dieser Planet und seine Zwillingssonne gehören.“ „Habt ihr wirklich Menschen geraubt“, fragte Rod nach einem Augenblick des Schweigens, „um sie zu Sklaven zu machen?“ Schwerfällig schüttelte der Hras seinen plumpen, auf einem breiten Nacken sitzenden Kopf. „Nein, nicht zu Sklaven“, antwortete er, „sondern zu –“ Er brach ab, als sich das Gerassel eisenbeschlagener Räder näherte. Rod blickte über die Schulter und sah einen von vier geflügelten Löwen gezogenen Streit| 75 |
wagen heranrollen und halten. Aram stieg ab; er trug seine Doppelaxt in der Rechten. „Du sprichst mit den Gefangenen – warum?“ fragte er zornig. „Glaubst du, sie werden dir verraten, wie wir Chasrom Ariot einnehmen können?“ „Nein. Aber sie haben mir gesagt, daß die Hras’ nicht eure Feinde sein wollen. Warum verfolgt ihr sie so unerbittlich? Warum tötet ihr sie, anstatt mit ihnen zu reden?“ „Mit diesen Tieren reden?“ stieß Aram hervor. „Ihr haßt sie also nur, weil sie anders aussehen als ihr!“ In diesem Augenblick streckte der Hras, mit dem Rod gesprochen hatte, eine seiner plumpen Hände durch das Käfiggitter und hielt Rod an seinem zerfetzten Overall fest. „Geh nicht nach Chasrom Ariot!“ rief er. „Es wäre dein Tod. Wenn du wie wir von den Sternen kommst, gehörst du nicht zu den Ashranots. Kämpfe nicht gegen uns! Bleib Chasrom Ariot fern, sonst –“ Weiter kam er nicht. Arams Gesicht hatte sich verzerrt; nun riß er die Streitaxt hoch und ließ sie herabsausen. Die scharfe Bronzeklinge blitzte im Feuerschein auf, und das Affenwesen taumelte mit einem Aufschrei zurück. Aram hatte ihm den Arm durchhauen. Die abgeschlagene Hand blieb an Rods Overall hängen, dann fiel sie zu Boden. „Chasrom Ariot wird fallen!“ schrie Aram. „Wir werden die Hras’ vernichten! Selbst die Erinnerung an euch werden wir austilgen!“ Er gab den Wächtern ein Zeichen. Zwei von ihnen | 76 |
traten vor, zogen Pfeile aus ihren Köchern, legten sie auf die Sehnen und spannten ihre kurzen, krummen Bogen. Die Sehnen ertönten, die Pfeile trafen ihr Ziel. Das Affenwesen im Käfig schwankte, knickte in die Knie, und seine Stirn schlug gegen die Erde. Rod Ellis starrte Aram aus geweiteten Augen an. „Warum hast du das getan?“ brachte er hervor. „Er hatte Hand an dich gelegt, an einen Halbgott. Wer das wagt, büßt dafür mit seinem Leben“, antwortete Aram, aber er wich Rods Blick aus. Auf einen Befehl von ihm wurde der hölzerne Käfig geöffnet und der von Pfeilen durchbohrte Hras herausgeschleift. Der zweite Gefangene kam, als die Tür wieder verriegelt war, ans Gitter und sah den Kriegern nach, die die leblose Gestalt wegschleppten. „Das hast du nicht getan, weil du glaubtest, er wolle mich angreifen!“ sagte Rod zu Aram, der die Schneide seiner Streitaxt säuberte. „Du wolltest verhindern, daß der Gefangene mich davor warnte, dir bei der Zerstörung Chasrom Ariots zu helfen! Warum habt ihr nie versucht, mit den Hras’ in Frieden auszukommen?“ „Wir würden alle unsere Freiheit verlieren, wenn wir aufhörten, die Hras’ zu bekämpfen“, gab Aram mit schmalen Lippen zurück. „Soll Jehud eine Stadt der Sklaven werden?“ „Ich glaube nicht, daß die Hras’ euch unterdrücken wollen. Wenn das ihre Absicht wäre, hätten sie es längst tun können; die Macht dazu haben sie. Ihr selbst aber treibt Sklaverei – das habe ich mit eigenen Augen gesehen!“ „Dann sieh noch mehr mit deinen eigenen Augen!“ | 77 |
sagte Aram gefährlich leise. Er winkte Rod mit einer herrischen Geste, ihm zu folgen, und schritt auf das gewaltig aufragende Standbild des geflügelten Löwengottes zu. Vor dem Sockel der steinernen Statue gähnte ein Loch mit einem Durchmesser von fünfundzwanzig Schritt im Boden. Aram deutete mit seiner Streitaxt nach unten. Rod schauderte, als er in der Tiefe mehrere riesige Echsen mit Kämmen aus zackigen Knochenplatten auf den Rücken und einem langen Horn über jedem Auge sah. Die Echsen fauchten und brüllten. Jetzt wußte Rod, woher das dumpfe Grollen gekommen war, das er gehört hatte, als er in Arams Streitwagen auf den Platz vor den Pyramiden gerollt war. „Das sind, wie die geflügelten Löwen, heilige Tiere des Hamuz“, sagte Aram und gab den Kriegern am Rand der Grube ein Zeichen, das tote Affenwesen hinunterzuwerfen. „Sie vollziehen die Opfer, die wir dem Vater der Götter und Menschen darbringen.“ Der Hras flog in die Grube hinab, und die Riesenechsen stürzten sich mit solcher Gier auf ihn, daß die Erde unter den Tritten ihrer plumpen, säulenförmigen Beine erzitterte. Rod wandte sich ab, doch Aram trat ihm in den Weg. „Wer nicht unser Verbündeter sein will, der ist unser Feind!“ sagte er drohend. „Und unsere Feinde gehen alle diesen Weg!“ Er wies in die Grube. „Helft uns, Chasrom Ariot zu zerstören – ihr habt die Macht dazu –, und unser Volk wird euch göttliche Ehren erweisen, solange ihr lebt. Wir werden euch Standbilder auf den Gipfeln der Berge errichten, und eure Namen sollen in Stein gemeißelt werden. Tausende werden bereit sein, | 78 |
auf euren Befehl hin Pyramiden zu errichten, Kriege zu führen, zu erobern, zu erbeuten, zu unterwerfen, die Herrschaft über die ganze Welt für euch zu erringen. Ihr werdet uns lehren, Waffen, wie ihr sie führt, zu schmieden, deren Donner jeden Feind zerschmettert. Eure Macht wird grenzenlos sein, wenn Chasrom Ariot in Schutt und Asche gesunken ist!“ Er gab Rod Ellis den Weg frei, und Rod kehrte zum Palast zurück. In dem Raum, in dem Jim Wheeler und Quade auf ihn warteten, setzte er sich an die Feuerstelle, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und verbarg sein Gesicht in beiden Händen. So saß er eine Weile, bis Jim Wheeler zu ihm trat, ihn bei den Schultern nahm und rüttelte. Dann erst hob er den Kopf. Sein Blick begegnete dem Wheelers. „Sie sind Barbaren, Jim“, sagte er angewidert. „Wenn wir ihnen helfen und ihr Vorhaben, Chasrom Ariot zu zerstören, gelingt – was nicht sicher ist –, tragen wir Mitschuld an der Vernichtung einer ganzen Rasse, denn Arams Krieger werden nicht einen einzigen Hras am Leben lassen.“ „Was ist geschehen?“ fragte Wheeler. Rod berichtete in wenigen Worten, was sich ereignet hatte, seit er den Raum, in den er nun wieder zurückgekehrt war, verlassen hatte. „Den Bewohnern von Jehud zu helfen, wäre ein unmenschliches Verbrechen“, endete er. „Sie stehen auf einer so niedrigen Entwicklungsstufe, daß es Begriffe wie Gut und Böse für sie noch gar nicht zu geben scheint. Sie teilen alle Lebensformen in menschliches und nichtmenschliches Leben ein. Und alles, was an Gestalt und Verhaltensweise nicht ihnen selbst gleicht, | 79 |
versuchen sie zu vernichten. Es ist Furcht, was sie treibt – aber das macht sie nicht weniger gefährlich.“ Quade erhob sich von seinem Hocker. „Vielleicht haben Sie recht, Ellis, und das ist eine barbarische und grausame Welt“, entgegnete er. „Aber vergessen Sie nicht, daß dies nicht die Erde ist! Wir müssen uns einer neuen Welt, einem fremden Planeten, anpassen, wenn wir am Leben bleiben wollen. Das Dasein ist ein ewiger Kampf, in dem die Schwachen untergehen und die Harten noch härter werden. Warum sollten wir den Bewohnern von Jehud nicht helfen, die Stadt der Hras’ zu zerstören, da das doch unsere einzige Chance ist, zu überleben? Die Hras’ sind keine Menschen.“ „Das ist die gleiche Logik, die die Bewohner von Jehud treibt: Alles nichtmenschliche Leben muß vernichtet werden, bevor es zu einer Gefahr werden kann! Aber vielleicht wollen die andersgearteten Lebewesen gar nicht unsere Feinde sein; vielleicht wehren sie sich nur, wenn sie angegriffen werden; vielleicht hindert uns nur unser eigenes Freund-Feind-Denken daran, zu erkennen, daß in den meisten Fällen die ersten Angriffe nicht von unseren Gegnern ausgehen, sondern von uns selbst. Angst läßt uns zu Angreifern werden; aus Angst töten wir; aus Angst beginnen wir Kriege ...“ Ein harter Glanz trat in Quades Augen. „Es ist nicht Angst, was mich zu meinem Entschluß bewogen hat“, sagte er, zog seinen Revolver und hielt ihn so, daß der Stahl des Colts im Feuerschein blinkte. „Ich stelle mich auf die Seite der Bewohner von Jehud – und ich bin der einzige Mensch auf diesem Planeten, der im Besitz einer Waffe ist, die denen der Hras’ ebenbürtig scheint.“ | 80 |
Die stählerne Pyramide Die Streitwagen rasselten in langer Reihe am Fuß einer Felswand entlang auf die Wüste zu, die im grellen Schein der Zwillingssonne lag. Rod Ellis stand in seinem zerlumpten Marine-Overall hinter Aram auf dem ersten Wagen, dessen Löwengespann schnell dahintrabte. Während des Opferfestes vor dem Hamuz-Standbild in Jehud hatten Rod, Wheeler und Quade die fantastischen Gewänder von Hohenpriestern des Hamuz-Kults getragen, dazu den Schmuck und die Symbole ihrer Würde: die Halskette, den goldenen, löwengekrönten Stab und die siebenschwänzige Peitsche. Rod Ellis erinnerte sich mit Grausen an das Opfer; aber ein noch unheimlicheres Gefühl beschlich ihn, wenn er an den eigenartigen Ausdruck auf Quades Gesicht dachte, als Widderhörner und Bronzeluren von den Höhen der Pyramiden gerufen hatten und eine nach Tausenden zählende Menschenmenge vor den drei Männern auf die Knie gefallen war, um sie anzubeten. Zum erstenmal hatten sie das Gefühl absoluter Macht über andere Menschen kennengelernt. Ihn, Rod Ellis, hatte es erschreckt; aber Quade schien es mit einer seltsamen Genugtuung erfüllt zu haben. „Dan Quade hat Macht geschmeckt; er wird nie wieder von ihr lassen wollen“, hatte Jim Wheeler zu Rod gesagt, als sie nach dem Opferfest in Arams Palast zurückgekehrt waren. Rod schrak aus seinen Gedanken auf, als die Streitwagen zwischen zwei langgestreckten, zerklüfteten, fel| 81 |
sigen Hügelketten anhielten, auf denen gestrüppartige Vegetation wucherte: dornige Pflanzen, deren starre, gerade Äste von schütterem, purpurfarbenem Blattwerk umgeben waren. Aram stieg vom Wagen und winkte Rod, Wheeler und Quade, ihm zu folgen. „Kommt! Jetzt sollt ihr die ,Stadt des tödlichen Lichts’ sehen, Chasrom Ariot, die Festung der Hras’.“ Begleitet von schwerbewaffneten Kriegern, stiegen sie einen Abhang hinauf. Aram selbst trug nicht einmal einen Schild; seine einzige Waffe war ein kurzer Dolch, dessen Scheide an seinem linken Unterarm festgeschnallt war. Er schien die Macht des tödlichen Lichts zu kennen und zu wissen, daß es weder einen Schutz noch eine Waffe dagegen gab; oder er wußte, daß sie sich auf dem Hügel außerhalb der Reichweite der geheimnisvollen Waffe und damit in Sicherheit befanden. Sie erreichten den oberen Rand der Anhöhe und blickten auf die weite, sonnenflimmernde Ebene hinaus, die sich vor ihren Augen bis zum Horizont dehnte. Rod wußte nicht zu sagen, was er eigentlich zu sehen erwartet hatte. Hatte er geglaubt, Chasrom Ariot sei eine schimmernde, hoch aufragende Festung, so sah er sich enttäuscht. Chasrom Ariot war ein aus gewaltigen Steinblöcken aufgeschichteter, ringförmiger Wall, beherrscht von einem plumpen, eckigen Turm, auf dessen Höhe irgend etwas blendend im Sonnenlicht flammte. „Das ist die ,Stadt des tödlichen Lichts’„, sagte Aram, „vor deren Mauern mehr von uns den Tod fanden als in allen anderen Kriegen zusammen, die unser Volk | 82 |
geführt hat.“ „Mit bloßen Augen kann man von hier aus keine Einzelheiten erkennen“, murmelte Quade. „Aber daß das eine starke, leicht zu verteidigende Festung ist, sieht man auf den ersten Blick.“ „Diesen Wall im Feuer von Laserstrahlwaffen zu überwinden, ist für Angreifer, die mit Bogen, Bronzeäxten und Schilden bewaffnet sind, unmöglich“, entgegnete Rod. „Gegen ihn wären selbst schwere Maschinengewehre und Granatwerfer machtlos. Sie würden eine Kanone brauchen, um eine Bresche in den Wall zu brechen, Quade. Ihr Revolver nützt Ihnen da gar nichts!“ „Es wird nicht einfach sein, in die Festung hineinzugelangen – aber ich halte es nicht für unmöglich“, gab Quade zurück. „Welche Bewandtnis hat es mit dem tödlichen Licht, Aram?“ Aram streckte den rechten Arm aus. „Ein Feuerstrahl geht von der Höhe des Turms aus. Siehst du den dunklen Kreis, der die Stadt einschließt? Das ist verbrannte Erde. So weit reicht das tödliche Licht.“ „Der Ringwall wird wahrscheinlich von Wachtposten der Hras’ besetzt sein“, vermutete Quade. „Es gibt nur eine Möglichkeit, ungesehen bis an den Fuß der Mauer heranzukommen: wir müssen es nachts versuchen.“ „Sie vergessen, daß es auf dieser Welt auch nach Sonnenuntergang nie vollkommen dunkel wird“, sagte Rod. „Die rote Spirale am Himmel leuchtet auch bei Nacht hell.“ „Sie glauben, daß sie sich nie verdunkelt?“ „Nicht vor Ablauf von einigen Milliarden Jahren“, | 83 |
entgegnete Rod. „Sie besteht wahrscheinlich aus ionisiertem Gas, das durch die Zentrifugalkraft aus dem ungeheuer schnell umlaufenden Äquator der größeren, blauen Sonne herausgerissen wird. Der kleinere, gelbe Stern fängt einen Teil der Sonnenmaterie ein und behält sie als Ring um seinen eigenen Äquator; den Rest schleudert er in einer gewaltigen Spirale hinaus in den Weltraum. Bevor die beiden Sonnen in Milliarden von Jahren erlöschen, wird die Gasspirale nicht aufhören, zu glühen.“ „Aram“, unterbrach Quade plötzlich Rod Ellis, „hat die Festung einen Zugang auf der uns abgewandten Seite?“ „Nein, Chasrom Ariot hat keine Tore. Wer auf einem Streitwagen um die Stadt fährt, sieht nur den geschlossenen, steinernen Wall.“ „Aber auf irgendeinem Weg müssen die Hras’ ihre Festung doch verlassen können. Wie gelangen sie zu der Stelle am Fluß, an der sie nach den heiligen Steinen suchen?“ „Das weiß niemand“, entgegnete Aram finster. „Sie tauchen einfach auf und verschwinden wieder. Doch auf welche Weise sie in die Stadt gelangen oder sie verlassen, könnten nur sie selbst sag ...“ Er hatte noch nicht ausgesprochen, als von der Höhe des Turms in Chasrom Ariot ein blendender Feuerstrahl herabzuckte. Etwa eine halbe Meile vor dem felsigen Hügelkamm, auf dem Rod, Quade, Wheeler, Aram und dessen Krieger standen, traf der Strahl den Boden und hinterließ, als er erlosch, eine rauchende Furche im Erdreich. „Das war ein Warnschuß“, sagte Jim Wheeler. „Sie | 84 |
haben uns entdeckt. Weg von hier!“ Sie verließen die Anhöhe. Wieder unten auf der Talsohle angelangt, bestiegen sie die Streitwagen; die geflügelten Löwen fielen in einen raschen Trab, und die Wagenkolonne donnerte zwischen den langgestreckten Hügelketten dahin. Am Ende der engen Schlucht tat sich eine weite, öde Niederung auf, die in der Ferne von schroffen, weißen Bergen begrenzt wurde. Inmitten der Ebene ragte ein pyramidenähnliches Bauwerk auf, dessen stechende Lichtreflexe verrieten, daß es aus Metall bestand. „Was ist das?“ fragte Rod Aram, während die Streitwagen auf die Pyramide zurollten. „Das ist ein uralter Tempel, den ein längst vergessenes Volk für einen uns unbekannten Gott errichtet hat; so wird es erzählt.“ „Eine Pyramide aus Erz ...“, murmelte Rod. Das Bauwerk mochte eine Höhe von fünfzig Metern haben und lief nach oben spitz zu. Vielleicht war es in Wirklichkeit noch höher und sah nur deshalb niedriger aus, weil der feine Flugsand der Wüste den unteren Teil der Pyramide längst unter sich begraben hatte. Die Streitwagen hielten im Schatten des Bauwerks an, in dessen einer Wand ein gewaltiges, dreieckiges Tor gähnte. Hinter seiner Schwelle herrschte Dunkelheit. „Was befindet sich in der Pyramide?“ fragte Rod. Aram machte sofort eine scharf abwehrende Handbewegung. „Keiner meines Volkes hat diesen Tempel jemals betreten“, antwortete er. „Das ist ein Ort, an dem die Geister der Toten umgehen.“ | 85 |
„Warum sind wir dann hierhergekommen?“ „Weil auch die Hras’ dieses Tal meiden. Noch nie wurde einer von ihnen hier gesehen. Wenn wir in der Nähe von Chasrom Ariot sind, schlagen wir unser Lager immer in Sichtweite der Pyramide auf. Hier sind wir sicher; außerdem gibt es in dieser Niederung eine Wasserstelle.“ Aram wandte sich an Quade: „Nun habt ihr die Festung der Hras’ gesehen. Besitzt ihr Macht genug, um die Mauern von Chasrom Ariot zum Einsturz zu bringen? Wie können wir die Stadt zerstören?“ „Das wird nicht einfach sein“, erwiderte Quade, breitbeinig dastehend, die rechte Hand auf den Kolben seines Revolvers im Halfter gestützt. „Wir müssen erst einen Weg finden, in die Festung einzudringen.“ „Dann findet ihn!“ beharrte Aram. „Gib uns Zeit, damit wir uns darüber klar werden können, was getan werden muß!“ forderte Quade und gab, als Aram nickte, Rod und Wheeler ein Zeichen, ihm zu folgen. Nahe dem Eingang der Pyramide blieb er stehen und wartete, bis die beiden anderen herangekommen waren. „Es ist soweit! Jetzt müßt ihr euch entscheiden, auf welche Seite ihr euch schlagen wollt“, sagte er dann. „Meine Entscheidung habe ich ja schon am Abend vor dem Opferfest in Jehud gefällt.“ „Quade, seien Sie doch kein Narr!“ entgegnete Rod. „Sie wissen ebensogut wie wir, daß es unmöglich ist, die Festung der Hras’ mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einzunehmen. Und wenn es Ihnen gelänge, würden Sie damit ein unmenschliches Verbrechen begehen.“ | 86 |
„Wir haben nur die Wahl, zu sterben oder zu überleben und mehr Macht in unseren Händen zu vereinen, als je ein Mensch vor uns.“ „Und dafür würden Sie, wenn es in Ihrer Macht stünde, die Rasse der Hras’ opfern?“ „Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich mich bis zum letzten Atemzug an das Leben klammern werde“, erwiderte Quade mit harter Stimme. „Und die Macht über diese Welt wird in unseren Händen besser aufgehoben sein als in denen von Steinzeitmenschen oder Affen.“ „Worauf stützen Sie eigentlich Ihren verfluchten Machtanspruch?“ fragte Rod gepreßt. „Darauf!“ Quade zog seinen Revolver und hielt ihn Rod vors Gesicht. „Der Besitz dieser Waffe bedeutet bei den Bewohnern von Jehud ungefähr dasselbe, was der Besitz der Atombombe bei den Menschen auf der Erde bedeutet hat: Macht! Allein die Hras’ könnten uns diese Macht streitig machen – also vernichten wir sie, bevor sie uns gefährlich werden können.“ „Jetzt begreife ich, warum Sie nur jene Männer verdammten, die die Atombombe entwickelten, aber nicht die, die sie als Mittel zur Macht mißbrauchten.“ „Denken Sie über mich, wie Sie wollen, Ellis“, entgegnete Quade. „Ich werde meinen Weg trotzdem gehen, und nichts wird mich davon ...“ „Rod!“ unterbrach ihn plötzlich Jim Wheeler, der die erbitterte Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern bis zu diesem Augenblick schweigend und nachdenklich verfolgt hatte. Widerstrebend wandte sich Rod Ellis von Quade ab und Wheeler zu, der an der Strahlenschutzkapsel | 87 |
nestelte, die er noch immer an seinem Marine-Overall trug. Wheeler machte die Kapsel los und hielt sie Rod hin. „Sie hat sich verfärbt, seit wir an dieser Stelle stehen – zwar nur schwach, aber immerhin deutlich sichtbar“, sagte er. „Das bedeutet, daß wir einer, wenn auch nicht sehr starken, radioaktiven Strahlung ausgesetzt sind.“ Rod starrte auf den schmalen Streifen Filmmaterial unter dem durchsichtigen roten Lichtfilter. Kein Zweifel, er hatte sich verfärbt, war dunkler geworden. Da aber weder Rod selbst noch Quade mehr ihre Strahlenschutzkapseln trugen, war ein Vergleich unmöglich. „Vielleicht ist die Verfärbung durch das besondere Licht der Doppelsonne hervorgerufen worden“, meinte Rod. „Nein.“ Jim Wheeler schüttelte den Kopf. „Läge es daran, wäre das Filmmaterial schon vollkommen schwarz, denn wir waren dem Sonnenlicht lange genug ausgesetzt. Es muß eine schwache radioaktive Strahlung sein, die diese Veränderung bewirkt hat.“ Unwillkürlich warf Rod einen Blick zu dem dreieckigen, offenen Eingang der Pyramide hinüber; dann sah er Wheeler an, und der nickte. „Es gibt nur diese eine Möglichkeit: Die Strahlung dringt aus der Pyramide und wird erst wahrnehmbar, wenn man sich dem Eingang nähert. Nach allen anderen Seiten wird sie durch die Metallwände abgeschirmt.“ „Und was bedeutet das?“ fragte Quade mißtrauisch. „Das heißt, daß sich irgend etwas im Inneren der | 88 |
Pyramide befindet“, antwortete Jim Wheeler, „das uns möglicherweise gefährlich werden kann.“ Rod schritt auf den Eingang des Bauwerks zu, blieb an der Schwelle stehen und starrte angestrengt in das dunkle Innere der Pyramide, konnte jedoch nichts erkennen. „Wir brauchen eine Fackel oder etwas Ähnliches, wenn wir da drin auch nur die Hand vor Augen sehen wollen“, sagte er. „Sie wollen in die Pyramide eindringen – trotz der radioaktiven Strahlung?“ Quade sah Rod aus zusammengekniffenen Augen ungläubig an. „Wenn wir uns nur kurz aufhalten, besteht kaum Gefahr. Die Strahlung ist verhältnismäßig schwach.“ Rod kehrte zu den wartenden Streitwagen zurück. „Ihr seid verrückt!“ stieß Aram zornig hervor, als Rod ihm sagte, was sie vorhatten. „Dieser Tempel ist eine Heimstätte der Geister. Wer in ihn eindringt, sieht das Tageslicht lebend nicht wieder.“ „Die Geister fürchten wir nicht, aber die Dunkelheit könnte uns gefährlich werden. Wir brauchen eine Fackel.“ Aram zögerte, doch dann rief er einem seiner Krieger einen kurzen Befehl zu. Der zog aus dem Köcher an seinem Streitwagen, in dem seine Wurflanzen staken, einen armlangen Holzpfahl hervor, dessen eines Ende mit in Naphtha getränktem Werg umwickelt war. Mit Feuerstein und Eisen schlug er Funken und brachte die Fackel zum Brennen; dann reichte er sie Rod, der mit ihr zur Pyramide zurückkehrte. Ohne Zögern betrat er den unbekannten, finsteren Raum hinter dem dreieckigen Eingang. Dan Quade und Wheeler folgten ihm. Quade entsicherte seinen Colt, | 89 |
bevor er die Schwelle des Tempels überschritt. Der flackernde Schein der Fackel erhellte das Dunkel nur in einem Umkreis von zehn, zwölf Schritten. Rod sah ein stählernes Blinken und ging darauf zu. Seine linke Hand berührte die kalten, glatten, runden Sprossen einer Metallleiter. Er hob die Fackel, so hoch er konnte; aber ihr Lichtschein drang nicht bis zum oberen Ende der Leiter, die sich über den drei Männern in der Dunkelheit verlor. „Hier!“ Rod reichte Jim Wheeler die Fackel, kauerte sich nieder und begann, den Sand, auf dem sie standen, mit beiden Händen aufzuwühlen. Schon nach kurzer Zeit stießen seine Finger auf Widerstand. „Halte die Fackel tiefer!“ sagte er zu Wheeler. In der matten, schwankenden Helligkeit konnten sie sehen, daß Rod Ellis unter der dicken Sandschicht einen Metallboden freigelegt hatte. Rod richtete sich wieder auf, nahm Jim Wheeler wortlos die Fackel ab und stieg die Leiter hinauf. Etwa fünfzehn Meter über dem Boden traf er auf ein Hindernis, das ihm den Weg versperrte: eine geschlossene Luke. Er drückte mit aller Kraft dagegen, aber der massive Metalldeckel ließ sich nicht bewegen. Schließlich gab Rod seine Bemühungen auf und kletterte wieder nach unten. „Was immer das hier auch sein mag – ein von einer primitiven Rasse errichteter Tempel ist es mit Sicherheit nicht“, sagte er. „Was hältst du davon, Jim?“ Wheeler erwiderte Rods Blick. „Wenn das Ding nicht diese rätselhafte Pyramidenform hätte, würde ich sagen, wir sind“ – er zögerte – „in einem Raumschiff.“ „Warum eigentlich nicht?“ fragte Rod. „Die Raum| 90 |
schiffe fremder Sternenrassen haben wahrscheinlich andere Formen, als wir sie von der Erde gewöhnt sind. Es wäre immerhin möglich, daß es sich bei dieser Pyramide um ein Raumschiff der Hras’ handelt.“ Er leuchtete mit der Fackel in dem hohen, dunklen Raum umher. Aber die zu der verschlossenen Luke hinaufführende Leiter war der einzige Gegenstand, der sich darin befand. „Ob Raumschiff oder Tempel – für uns ist beides ohne Bedeutung“, brach Quade schließlich das Schweigen. „Nur eins ist jetzt wichtig: die Zerstörung Chasrom Ariots.“ „Vielleicht gibt es doch etwas, das wichtiger ist – zumindest im Augenblick“, entgegnete Jim Wheeler. Er trat in den Lichtkreis der Fackel, und Rod sah, daß er einen etwa faustgroßen Steinbrocken in einer Hand trug. In der anderen hielt er seine Strahlenschutzkapsel. „Das Filmmaterial in der Kapsel färbt sich zusehends dunkler, seit ich diesen Stein aufgehoben habe, der halbverborgen im Sand lag“, murmelte er. „Das kann nur eins bedeuten: der Brocken enthält Uranerz. Da hast du die Quelle der radioaktiven Strahlung. Ich bin sicher, wenn wir sorgfältig suchten, würden wir unter der Sandschicht auf dem Boden noch mehr von diesen Steinen finden.“ Er warf den Brocken weg und die Strahlenschutzkapsel hinterher. „Aber wie kommt uranhaltiges Gestein in diese Pyramide?“ Er tauschte einen Blick mit Rod Ellis. Sie kannten beide die einzige Antwort auf Wheelers Frage; aber Quade war es, der sie aussprach: „Das müssen die heiligen Steine sein, die von den Hras’ in den Höhlen | 91 |
am Ufer jenes Flusses in der Wüste gesucht werden. Und das kann nur bedeuten, daß vor nicht allzulanger Zeit einige der Affenwesen hier waren. Sie brachten Erzladungen in die Pyramide. Aber warum hierher? Warum schafften sie sie nicht geradenwegs nach Chasrom Ariot? Weil –“ seine Augen weiteten sich unwillkürlich – „die Stadt der Hras’ überhaupt keinen Eingang besitzt. Es muß also einen unterirdischen Zugang zu der Festung geben, einen Weg, der ... der seinen Anfang in dieser Pyramide nimmt. Der geheime Eingang – er muß hier sein, hier in diesem Raum!“ Quade bewegte sich rückwärts auf den Ausgang zu. „Wohin wollen Sie?“ fragte Rod. „Zu Aram. Jetzt weiß ich, wie Chasrom Ariot zerstört werden kann.“ „Quade!“ Unwillkürlich tat Rod einen Schritt auf ihn zu, aber sofort richtete sich die Mündung von Quades Revolver auf ihn. „Stehenbleiben, Ellis! Bleiben Sie mir vom Leib, oder ich schieße Sie nieder!“ „Quade –“, versuchte Rod es noch einmal, aber die einzige Antwort, die er erhielt, war das Klicken des Revolverhahns. In diesem Augenblick wurde der hohe Raum von blendender Helligkeit überflutet, die das Licht der Fackel verblassen ließ. Quade fuhr herum und wollte zum Ausgang der Pyramide fliehen, aber plumpe Gestalten mit dunklen Affengesichtern versperrten ihm den Weg. Er sah Laserstrahlwaffen in ihren Händen blinken und hielt mitten in der Bewegung inne. Das harte, weiße Licht zeigte Rod Ellis, daß sie | 92 |
von einem Ring von Hras’ eingeschlossen waren, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schienen. Die in schwarzes, metallbeschlagenes Leder gekleideten affenartigen Wesen hielten ihre Waffen schußbereit im Anschlag, und ihre Finger waren um die Abzugshähne gekrümmt. Es gab kein Entkommen. „Quade“, sagte Rod heiser, „werfen Sie Ihren Revolver weg! Oder wollen Sie, daß wir alle hier sterben?“
| 93 |
In der Gewalt der Hras’ Quades Rechte öffnete sich, und sein Colt fiel mit dumpfem Laut zu Boden. Eines der Affenwesen bückte sich und hob die Waffe auf. Ein anderes trat auf Rod Ellis und Jim Wheeler zu und winkte ihnen mit dem Lauf seines Laserstrahlers, gegen die eine Wand des Raums zurückzuweichen. Rod fühlte einen scharfen Luftzug im Nacken, wandte den Kopf und sah, daß eine finstere, quadratische Öffnung in der Wand gähnte. Das mußte der geheime Zugang sein, durch den die Hras’ unbemerkt in die Pyramide eingedrungen waren. „Da hinein!“ sagte das Affenwesen in befehlendem Ton. Rod trat durch den Eingang in einen dunklen Stollen, der so schmal war, daß er bei jeder Bewegung mit seinen Schultern gegen die Wände rechts und links stieß. Ihm folgten das Affenwesen mit der schußbereiten Laserstrahlwaffe, Jim Wheeler, ein weiterer Hras, Quade und schließlich der Rest der unheimlichen, affenartigen Geschöpfe. Der Stolleneingang schloß sich, und es wurde schwarze Nacht um Rod. Ein harter Stoß traf seinen Rücken, und er stolperte vorwärts. Der unterirdische Gang schien schnurgerade zu verlaufen; sein Boden führte zuerst abwärts, wurde aber bald eben. Rod tastete sich an den Stollenwänden entlang. Die Plötzlichkeit, mit der die Ereignisse über ihn hereingebrochen waren, machte es ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Überfall in der Pyramide | 94 |
durch die Hras’ und seine Entführung sowie die von Wheeler und Quade konnten nicht länger als eine knappe Minute gedauert haben. Er konnte nicht sagen, wie lange er so dahingestolpert war, als er auf einmal einen schwachen Lichtschimmer vor sich sah; der Weg durch die Dunkelheit hatte ihm jedes Gefühl für Zeit und Entfernungen genommen. Aber er konnte sich denken, wo der unterirdische Gang enden würde. Die Helligkeit, auf die er sich zubewegte, wurde immer stärker. Der Boden des Stollens stieg an. Und plötzlich war Rod im Freien. Geblendet vom Sonnenlicht, schloß er die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, daß er am Fuß eines aus mächtigen, fast fugenlos aufeinandergetürmten Steinblöcken bestehenden Walles stand. Seine Ahnung hatte nicht getrogen – er befand sich im Inneren der Festung Chasrom Ariot. Hinter ihm wurden Jim Wheeler und Dan Quade aus dem unterirdischen Gang gestoßen. Man führte sie über einen freien Platz, der von niedrigen Steinhäusern umgeben war, deren jedes nur ein einziges, offenbar gleichzeitig als Tür und Lichtluke dienendes Mauerloch besaß. Sie waren halbkugelförmig gebaut und erinnerten an Bienenkörbe. Rod schätzte die Anzahl dieser Behausungen auf etwa hundert, während er den Platz überquerte. Von allen Seiten strömten die dunklen, sich plump bewegenden Affenwesen herbei, um die drei Gefangenen anzustarren. Doch anders als die Bewohner von Jehud machte keines von ihnen Anstalten, Steine aufzuheben und die Männer damit zu bewerfen. Rod, Wheeler und Quade wurden zu dem Chasrom | 95 |
Ariot beherrschenden Turm geschafft. Sie mußten eine schmale, steinerne Wendeltreppe emporsteigen, wobei jeder ihrer Schritte von den mißtrauisch blickenden Hras’ mit schußbereiten Waffen überwacht wurde. Seit sie den von der Pyramide in die Festung führenden, unterirdischen Gang betreten hatten, war von ihren Wächtern kein Wort mehr an sie gerichtet worden. Oben auf der Treppe angelangt, wurde ihnen durch ein Zeichen bedeutet, stehenzubleiben. Einer der Hras’ trat durch eine schmale Tür in der massiven Mauer. „Was, glaubst du, haben sie mit uns vor?“ fragte Jim Wheeler Rod leise. „Sie werden uns umbringen“, antwortete Quade an Rod Ellis’ Stelle. Seine Stimme klang gepreßt und heiser. „Aber vielleicht foltern sie uns auch vorher, um uns zum Reden zu bringen. Es ist Ihre Schuld, Ellis, und auch Ihre, Wheeler, daß alles so kam, wie es gekommen ist. Statt gemeinsam gegen die Hras’ zu kämpfen ...“ „Seid still!“ unterbrach ihn einer der Wächter und stieß ihn mit seiner Laserstrahlwaffe an. In diesem Augenblick öffnete sich die schmale Tür wieder, und der Hras, der vorhin hinter ihr verschwunden war, erschien und bedeutete den drei Männern, den Raum, den er eben verlassen hatte, zu betreten. Rod überschritt die Schwelle als erster und fand sich in einem runden, niedrigen Raum wieder, dessen ganze Einrichtung aus einem langen Tisch und drei hölzernen Stühlen bestand. Die Mauern bestanden aus dickem Stein und die Fenster waren schmale, schießschartenartige Luken, durch die nur wenig Tageslicht hereindrang. Eine steile Treppe führte zum | 96 |
nächsthöheren Turmgeschoß hinauf. Auf den Stühlen hinter dem Tisch saßen drei Hras’. Es war ihnen anzusehen, daß sie alt waren; ihr Fell war silbergrau, und ihre Augen hatten das rote Feuer verloren, das in denen der jüngeren Affenwesen glomm. Sie trugen auch nicht die übliche metallbeschlagene, schwarze Lederkleidung, sondern waren in lange, rote Gewänder gehüllt, die ihre gekrümmten, plumpen Füße verbargen. Zwei mit Laserstrahlern bewaffnete Hras’ blieben rechts und links neben der Tür stehen. Die übrigen verließen, nachdem einer von ihnen Quades Revolver auf den Tisch gelegt hatte, auf eine Handbewegung eines der drei rotgekleideten Affenwesen den Raum. Nachdem die Tür ins Schloß gefallen war, erhob sich einer der Hras’ hinter dem Tisch, schob seinen Stuhl zurück, kam in dem eigentümlichen, torkelnden Gang seiner Rasse auf Rod Ellis, Wheeler und Quade zu, blieb vor ihnen stehen und musterte eingehend ihre Gesichter. „Ihr gleicht den Bewohnern von Jehud“, sagte er mit dunkler, grollender Stimme. „Seid ihr Ashranots?“ „Nein“, erwiderte Rod. „Wer seid ihr dann?“ „Wir kommen aus dem All. Unser Raumschiff ist auf diesem Planeten gestrandet.“ Das Affenwesen wiegte nachdenklich seinen plumpen Kopf. „Eure Kenntnis der Weltraumfahrt beweist, daß ihr die Wahrheit gesagt habt und keine Ashranots seid“, gab es zu. „Aus welchem Sonnensystem kommt ihr, und wie heißt euer Heimatplanet?“ „Wir nannten ihn Erde“, sagte Rod. „Er wurde, | 97 |
ähnlich wie der Planet, von dem ihr kommt, durch atomares Feuer vernichtet.“ „Wer hat dir erzählt, woher wir kommen?“ Rod zögerte; aber er hatte sich schon zu weit vorgewagt, um jetzt noch zurück zu können. Er entschloß sich, die Wahrheit zu sagen. „Nachdem das Raumschiff, mit dem wir diesen Planeten erreicht hatten, in der Wüste zerschellt war, stießen wir auf Ashranots, die uns nach Jehud brachten. Dort wurden wir Zeugen eines Festes zu Ehren des höchsten Gottes der Ashranots, bei dem gefangene Hras’ geopfert wurden. In der Nacht vor dem Opferfest sprach ich mit einem von ihnen. Was ich über euch weiß, weiß ich von ihm.“ Das rotgekleidete Affenwesen starrte Rod an, dann senkte es den Blick und hob seine plumpen Hände in einer Geste stummer Verzweiflung. Als es wieder sprach, hatte seine Stimme einen anderen Klang angenommen; müde und bitter tönten jetzt seine Worte. „Dann wißt ihr auch, daß die Ashranots einen Vernichtungskrieg gegen uns führen! Sie sind eine primitive, grausame Rasse. Grausam aus Furcht, Unwissenheit, Unverständnis und Aberglauben.“ „Es steht in eurer Macht, diese Gefahr zu beseitigen und Jehud und seine Bewohner auszulöschen.“ „Damit würden wir ein schreckliches Verbrechen begehen“, erwiderte der Hras. „Niemand hat das Recht, Leben zu vernichten!“ „Aber ihr nehmt euch das Recht, Menschen zu versklaven“, warf Quade ein. „Oder willst du behaupten, ihr hättet keine Menschen entführt?“ | 98 |
Das Affenwesen wandte ihm sein flaches, dunkles Gesicht zu. „Wir haben Ashranots nach Chasrom Ariot gebracht“, entgegnete es ruhig. „Aber nicht um sie zu versklaven, sondern um ihnen die Furcht vor uns zu nehmen und ihnen zu zeigen, daß wir nicht ihre Feinde sind. Sie werden eines Tages zu ihrer eigenen Rasse zurückkehren, um sie von unseren friedlichen Absichten zu überzeugen. Ihr könnt sie sehen und mit ihnen sprechen, wenn ihr wollt. Sie werden euch bestätigen, daß ich die Wahrheit gesagt habe.“ „Seien Sie still, Quade!“ sagte Rod mit harter Stimme, als Quade zu einer Erwiderung ansetzte. Dann wandte er sich wieder dem Hras zu. „Warum habt ihr bisher noch nicht versucht, Verbindung mit den Bewohnern von Jehud aufzunehmen?“ „Wir stehen dicht vor diesem entscheidenden Schritt. Aber wir mußten die Ashranots, die wir in unsere Stadt geholt haben, zuerst gut darauf vorbereiten, denn wir wollen nicht, daß sie nach ihrer Rückkehr als fluchbeladen von ihrer eigenen Rasse den Göttern geopfert werden.“ „Wie lange ist es her, daß ihr auf diesem Planeten gelandet seid?“ fragte Rod. „Sehr lange – gemessen an der Lebensdauer eines Hras’ oder Ashranots.“ „Und die Pyramide in der Wüste, in der eure Leute uns gefangengenommen haben, ist euer Raumschiff?“ „So ist es“, bestätigte das Affenwesen. „Wir haben die Atomreaktoren, die das Antriebssystem des Raumschiffes bildeten, ausgebaut, nachdem wir diese Welt erreicht hatten, und in natürlichen Höhlen tief unter Chasrom Ariot neu errichtet. Auf diese Weise verfügen | 99 |
wir wenigstens über genügend Energie, um unsere Zivilisation am Leben zu erhalten.“ „Und diese Festung habt ihr zu eurem Schutz erbaut?“ „Nein.“ Der Hras schüttelte den Kopf. „Chasrom Ariot muß bereits Jahrtausende alt und seit Hunderten von Jahren verlassen gewesen sein, als wir es in Besitz nahmen. Irgendein längst vergessenes Volk hat den Wall, diesen Turm und die kleinen Steinhäuser errichtet. Die verlassenen Ruinen boten uns Zuflucht und Sicherheit. Damals“, fügte er hinzu, „waren wir noch zahlreicher. Aber die ständigen Überfälle der Ashranots haben schwere Blutopfer von uns gefordert.“ „Wie viele wart ihr, als ihr diese Welt erreichtet?“ „Viele, sehr viele. Heute zählen wir nicht mehr als zwei-, dreihundert.“ „Ich glaube dir nicht!“ sagte Quade scharf. „Wenn der Krieg gegen die Bewohner von Jehud so schwere Opfer von euch fordert, wie du behauptest, warum schlagt ihr eure Feinde dann nicht härter? Jedes denkende Lebewesen setzt sich zur Wehr, wenn es angegriffen wird.“ „Auch wir wehren uns. Auch wir töten. Aber zum Unterschied von den Ashranots tun wir es nur, wenn wir gezwungen sind, uns zu verteidigen. Einmal werden die Bewohner von Jehud ebenso denken wie wir; jetzt aber kämpfen und töten sie noch aus Furcht vor allem, was ihnen nicht gleicht. In jedem Lebewesen, das anders geartet ist als sie, sehen sie einen Feind, eine Bedrohung. Es ist Angst, was sie so grausam und unbarmherzig macht. Sie haben noch kein Verständnis für andere Lebensformen; ein Nebeneinanderleben ohne | 100 |
Furcht können sie sich noch nicht vorstellen. Wenn wir die Ashranots aber vernichteten, würden wir ihnen die Möglichkeit nehmen, sich zu entwickeln und vielleicht einmal die höchste Stufe der Zivilisation zu erreichen. Das ist der Grund, weshalb Jehud noch nicht zerstört ist und seine Bewohner sich noch immer als die Herren der Welt betrachten können.“ „Seid ihr euch darüber im klaren, daß die Ashranots Chasrom Ariot zerstören wollen?“ fragte Rod. „Sie haben versucht, uns zu vernichten, seit wir zum erstenmal mit ihnen in Berührung kamen“, lautete die Antwort. „Sie griffen uns sofort an, weil wir in ihren Augen nichtmenschlich sind und ihnen deshalb erschreckend und gefährlich erschienen. Sie töteten einige von uns mit ihren primitiven Waffen, als wir auf dem Weg durch die weiße Wüste vom Raumschiff nach Chasrom Ariot waren. Wir schlugen sie mit unseren Hitzestrahlern zurück und töteten dabei viele von ihnen. Seitdem sind sie unsere erbitterten Feinde.“ „Und jetzt habt ihr einen großen Hitzestrahler auf diesem Turm errichtet, um die Festung gegen jeden Angreifer verteidigen zu können ...“ Das rotgekleidete Affengesicht nickte. „Wir brauchen unsere Waffen nur zur Verteidigung, denn wir wollen weder erobern noch beherrschen, nicht unterdrücken und nicht versklaven. Unser Streben ist nicht auf Macht gerichtet, sondern allein auf die Erhaltung unserer Rasse, deren letzte Überlebende wir sind. Wir sind sogar bereit, den Ashranots zu helfen und unser Wissen mit ihnen zu teilen.“ „Sie verlangten unsere Hilfe bei der Zerstörung Chasrom Ariots“, sagte Rod langsam und jedes Wort | 101 |
betonend. Der Hras erwiderte seinen Blick aus wissenden, traurigen Augen. „Daran habe ich keinen Moment gezweifelt“, entgegnete er. Zwei, drei Schritte seiner krummen, plumpen Beine brachten ihn zum Tisch, von dem er Quades Revolver aufhob. „Das ist eine Waffe, die einer primitiven Rasse wie den Ashranots unheimlich erscheinen muß; tötet sie doch, ohne daß man Geschosse fliegen sieht. Es ist begreiflich, daß sie nun hoffen, diese Waffe werde ihnen helfen, Chasrom Ariot zu erstürmen und alle Hras’ zu vernichten“, Er wandte sich an Rod: „So ist es doch?“ „Ja.“ „Wir werden euch davon überzeugen, daß Chasrom Ariot auch mit Waffen wie dieser nicht eingenommen werden kann. Begleitet mich, ich will euch das Herzstück unserer Verteidigungsanlagen zeigen.“ Er ging quer durch den Raum zu der steilen Steintreppe, die nach oben führte. Der Durchstieg zum nächsthöheren Turmgeschoß war mit einer schweren, eisenbeschlagenen, hölzernen Falltür gesichert. Der rotgekleidete Hras gab den beiden bewaffneten Wächtern ein Zeichen, diese Tür zu öffnen, dann stieg er die schmalen Stufen hinauf. Rod Ellis, Wheeler und Quade folgten ihm. Sie erreichten die Plattform, die von einer hüfthohen Mauer umgeben war. In der Mitte stand eine Maschine, die Rod in ihrer Form entfernt an einen irdischen Laserstrahler erinnerte. Aus einem kegelförmigen, metallenen Ansatzstück, das schwenkbar gelagert war, ragte ein meterlanger, armdicker Zylinder aus durchsichtigem, rubinrotem Material, umgeben von einer dicken, engge| 102 |
wundenen Spirale, die wie aus einem Kristall geschliffen wirkte. „Das ist die Waffe, mit der wir Chasrom Ariot verteidigen“, sagte das Affenwesen und legte eine seiner plumpen Hände auf den Hitzestrahler. „Sie entwickelt genug Energie, um mit ihrem gebündelten Strahl eine weite Fläche vor den Mauern der Stadt in verbrannte Erde verwandeln zu können. Weder Stein noch Metall oder irgendein anderes Material vermag der Hitze des Energiestrahls zu widerstehen, den diese Waffe aussendet.“ Dabei deutete er auf einen roten Knopf, der unter einem durchsichtigen, glasartigen Schutzschild an dem Hitzestrahler leuchtete. „Wir geben euch frei“, fuhr er fort, „und lassen euch zu den Ashranots zurückkehren, denn ihr gleicht dieser Rasse mehr als der unseren. Ihr seid zwar viel intelligenter als die Bewohner von Jehud; dennoch werdet ihr unter ihnen glücklicher leben als unter uns. Versucht, die Ashranots dazu zu bewegen, den Kampf gegen uns einzustellen! Sagt ihnen, daß wir nicht ihre Feinde sein wollen! Aber begeht nicht den Fehler, mit ihnen gegen uns zu kämpfen – auch wenn sie euch artverwandt und wir euch artfremd sind. Es wäre euer Tod!“ „Wenn wir zurückkehren und ihnen die Wahrheit sagen, sterben wir so oder so“, murmelte Quade gepreßt und so leise, daß nur Rod Ellis ihn verstehen konnte. „Ihr habt ein Raumschiff. Warum sucht ihr euch nicht einen anderen Planeten, um auf ihm zu leben?“ fragte Rod den rotgekleideten Hras. „Die Welt, aus der wir kommen“, antwortete das | 103 |
Affenwesen, „war eine glückliche und schöne Welt. Dieser Wüstenplanet kann sie uns nicht ersetzen. Aber es wäre sinnlos, ihn wieder zu verlassen. Kein anderer Planet dieses Sonnensystems ist geeignet, höheres Leben zu tragen. Uns würde nur die Unendlichkeit des Alls bleiben. Die nächste Sonne ist über zweihundert Lichtjahre entfernt. Als wir diese Welt erreichten, lagen wir an Bord unseres Raumschiffes in einem Kälteschlaf, der unsere Zellalterung und Körperfunktionen so verlangsamte, daß wir während des Weltraumfluges kaum alterten. Nur auf diese Weise war es uns möglich, die ungeheure Entfernung zwischen unserem Heimatgestirn und diesem Planeten zu überwinden. Hier haben wir nicht die Möglichkeit, uns noch einmal in einen Kälteschlaf zu versetzen; uns fehlen alle Voraussetzungen dafür. Von uns wäre nur Staub übrig, wenn unser Raumschiff das nächste Sonnensystem erreichen würde. Nein, wir haben keine Wahl! Wir müssen uns in dieser Welt behaupten oder untergehen. Und wir haben nicht eine sterbende Welt verlassen, um hier den Tod zu finden!“ „Dann seid ihr wie wir an diesen Planeten gefesselt“, erwiderte Rod, als der Hras geendet hatte. „Wir sind die letzten Überlebenden einer einst mächtigen Rasse. Sterben wir, so erlischt unsere Rasse mit uns. Aber auch für die Urbewohner dieses Planeten, die vernunftbegabten Geschöpfe, die diese Welt hervorgebracht hat, wäre es verhängnisvoll, wenn es ihnen gelänge, uns zu vernichten. Wir kennen die Geheimnisse der Atomspaltung, der Raumfahrt und viele andere. Wir könnten den Ashranots helfen, in ihrer Entwicklung Jahrtausende zu überspringen. Aber | 104 |
bevor wir damit beginnen können, muß der Krieg zwischen ihnen und uns beendet sein. Die Bewohner von Jehud sind stolz, unwissend und grausam. Uns ist es bisher nicht gelungen, Frieden mit ihnen zu schließen, da sie uns, unserer fremden Gestalt wegen, nur Haß und Mißtrauen entgegenbringen. Euch aber, die ihr ihnen gleicht, könnte es gelingen. Kommt!“ Er stieg die Steintreppe wieder hinunter. Die Falltür blieb offen. Niemand achtete darauf. Unten angelangt, fuhr der Hras fort: „Wir verlangen ein Zeichen des guten Willens von den Bewohnern Jehuds: Unsere Leute, die in den Höhlen an den Ufern des Flusses in der Wüste nach Uranerz suchen, dürfen nicht mehr angegriffen werden. Man wird euch jetzt durch den unterirdischen Gang in die Pyramide, wie ihr unser Raumschiff nennt, zurückbringen, damit ihr ...“ „Willst du mir vorher noch einige Fragen beantworten?“ unterbrach ihn Rod. „Es gibt Dinge, die wir wissen müssen, da wir gezwungen sind, für immer auf diesem Planeten zu bleiben.“ „Frage!“ entgegnete das Affenwesen ruhig. „Dann sage mir, wie es kommt, daß wir einander verstehen, obwohl wir von Gestirnen stammen, die Tausende, vielleicht Hunderttausende von Lichtjahren voneinander entfernt sind?“ „Nicht auf alle Fragen gibt es Antworten“, sagte der Hras, und Rod glaubte, dabei ein seltsames Glitzern in den Augen des Affenwesens sehen zu können. „Manches bleibt für immer verborgen.“ Wieder hatte Rod das unheimliche Gefühl, jemand stehe dicht hinter ihm und beobachte ihn. Er wandte | 105 |
den Kopf; aber da war niemand. „Dann beantworte meine Frage!“ hörte er Quade sagen, der neben ihm stand. „Wenn es uns gelingt, die Bewohner von Jehud dazu zu überreden, den Kampf gegen euch einzustellen – was wird dann aus uns?“ „Ihr werdet, als Lebewesen ihrer Rasse, unter den Ashranots leben“, antwortete der rotgekleidete Hras in einem Ton, als verstehe er den Sinn der Frage nicht. „Das genügt nicht!“ erwiderte Quade, und seine Augen verengten sich. „Der Preis, den ihr uns bietet, ist nicht hoch genug. Die Ashranots bieten mehr. Sie bieten – Macht!“
| 106 |
Die Entscheidung fällt „Macht?“ Das Affenwesen blickte Quade starr an. „Wozu willst du Macht? Um zu herrschen?“ „Wozu wollt ihr Macht? Denn daß ihr danach trachtet, daran kann kein Zweifel bestehen. Euer Plan ist, die Herrschaft über diesen Planeten an euch zu reißen. Mich täuscht ihr nicht!“ „Macht ist eine Waffe, die sich leicht gegen den kehrt, der sie führt. Wir erstreben sie nicht.“ „Aber sie fällt euch in dem Augenblick zu, in dem die Bewohner Jehuds ihren Kampf gegen euch einstellen – das wißt ihr genau.“ „Wir wollen überleben“, erwiderte das Affenwesen, „und das können wir nur in Frieden.“ „Nein, nur der Mächtige überlebt. Und deshalb ...“ „Das reicht, Quade!“ sagte Rod Ellis scharf. „Ich bin dafür, den Vorschlag der Hras’ anzunehmen. Wir sollten wenigstens versuchen, dem sinnlosen Blutvergießen auf diesem Planeten, bei dem niemand etwas gewinnen kann, ein Ende zu bereiten. Wir sind nun einmal dazu verurteilt, in dieser Welt zu leben; und dazu ist es notwendig, ein Übereinkommen mit den Hras’ zu treffen.“ „Begreifen Sie denn nicht, daß diese Affen im Begriff sind, die Herrschaft über diese Welt an sich zu bringen?“ fragte Quade höhnisch. „Wir sollen ihnen dabei helfen; und wenn sie ihr Ziel erreicht haben, lassen sie uns fallen. Haben Sie vor, Ihr Leben als gewöhnlicher Bauer bei einem Volk zu verbringen, das Sie ebensogut als Gott verehren könnte?“ „Uns bleibt doch gar keine andere Wahl, als den | 107 |
Vorschlag der Hras’ anzunehmen“, sagte Rod zornig. „Es gibt immer noch eine andere Möglichkeit“, erwiderte Quade. „Und diese Möglichkeit...“ „Diese Möglichkeit heißt ,Gewalt’!“ vollendete das rotgekleidete Affenwesen. „Du glaubst, wer Macht erringen will, muß bereit sein, Gewalt anzuwenden.“ Rod Ellis’ Blick ging zwischen Quade und dem Hras hin und her. Die beiden mit Laserstrahlern bewaffneten, in schwarzes, metallbeschlagenes Leder gekleideten Wachtposten waren unwillkürlich einen Schritt vorgetreten und hielten ihre Waffen schußbereit. „Halten Sie den Mund, Quade!“ stieß Rod hervor. „Ich habe genug von Ihrem Gerede. Es geht hier um mehr als um bloße Macht für irgendeinen von uns. Begreifen Sie denn nicht, daß wir in dieser fremden Welt nur dann eine Überlebenschance haben, wenn weder die Hras’ noch die Bewohner von Jehud unsere Feinde sind?“ „Wollen Sie nichtmenschlichen, außerirdischen Lebewesen vertrauen, Sie Narr?“ fragte Quade mit leiser, gepreßt klingender Stimme. „Haben Sie vergessen, was die Außerirdischen in dem Ufo, mit dem wir hierherkamen, mit der Erde gemacht haben? Haben Sie vergessen, was sie mit unseren Gehirnen anfangen wollten, sobald sie uns auf ihre Heimatwelt gebracht hätten? Wer nicht menschenähnlich aussieht, ist ein Todfeind des Menschen. Woher wollen Sie wissen, was hinter den Fratzen dieser intelligenten Affen vorgeht?“ „Ich habe nicht behauptet, das zu wissen. Aber ich kenne Ihre Gedanken, Quade“, gab Rod Ellis ebenso leise zurück. „Ihr ganzes Trachten ist nur auf Macht gerichtet.“ | 108 |
„Wollen Sie sich als Mensch wirklich Affen unterwerfen? Tieren, die ...“, begann Quade, wurde aber unterbrochen, als die Tür so heftig aufflog, daß sie gegen die Mauer schlug. Unwillkürlich drehte sich Rod um und sah einen krummbeinigen Hras’ hereinstolpern. Das rotgekleidete Affenwesen wandte sich dem Neuankömmling zu. „Was willst du?“ „Die Streitwagen der Ashranots sammeln sich vor den Mauern“, antwortete der Hras. „Sie befinden sich noch außerhalb der Reichweite des großen Hitzestrahlers, scheinen sich aber zum Angriff bereitzumachen. Noch nie haben sie eine so starke Streitmacht zusammengezogen; es müssen Hunderte von Kampfwagen sein.“ „Es gibt nur einen Umstand, der sie dazu veranlassen könnte, unsere Stadt anzugreifen – ungeachtet der schweren Verluste, die sie dabei erleiden würden.“ Der rotgekleidete Hras warf einen Blick auf Rod Ellis, Wheeler und Quade und runzelte die Stirn. Er trat an eine der schmalen Lichtluken, sah hinaus und winkte dann die drei Männer heran. Als er zur Seite trat, um sie einen Blick nach draußen werfen zu lassen, sah Rod, daß die weiße Ebene am Fuß der fernen Hügelkette – gerade noch außerhalb der Reichweite des großen Hitzestrahlers – mit Streitwagen übersät war. Es mußten Hunderte und Aberhunderte sein. Bronzewaffen, -helme und -schilde blinkten in der Sonne, die mächtigen Schwingen der geflügelten Löwen schimmerten, und das Feldzeichen aus bunten Federn, das sich über Arams Kampfwagen wölbte, leuchtete hell. „Das ist ja eine ganze Armee!“ murmelte Jim Whee| 109 |
ler überrascht. „Wie konnte Aram die so schnell zusammenrufen?“ „Ich bin sicher, er hatte ihr schon befohlen, uns in weitem Abstand zu folgen, als wir aus Jehud aufbrachen; wir sollten sie nur vor dem entscheidenden Augenblick nicht zu Gesicht bekommen“, antwortete Rod. „Aber was verspricht sich Aram von einem Sturm auf Chasrom Ariot? Wenn er ahnt, daß wir in der Festung sind, müßte er sich auch denken können, daß wir als Gefangene der Hras’ hier sind.“ „Ich glaube zu wissen, worauf Aram wartet“, sagte Quade. „Wir haben ihm erklärt, die größte Schwierigkeit bei der Einnahme und Zerstörung Chasrom Ariots bestünde darin, in die Festung hineinzugelangen. Da Aram ahnt, daß wir uns jetzt innerhalb ihrer Mauern befinden, erwartet er wahrscheinlich von uns, daß wir das tödliche Licht unschädlich machen und eine Bresche für seine Streitwagen in den Wall brechen.“ „Ich hoffe, er läßt sich nicht dazu verleiten, anzugreifen“, erwiderte Rod. „Es wäre Wahnsinn!“ „Er wird angreifen. Er muß angreifen“, unterbrach ihn Quade. „Und ich werde ihm die Bresche öffnen, die er braucht, um Chasrom Ariot einzunehmen.“ Er hatte so leise gesprochen, daß der rotgekleidete Hras, der einige Schritte abseits stand, nicht hören konnte, was er zu Rod Ellis und Jim Wheeler sagte. „Wollen Sie etwa eine fünf Meter dicke Steinmauer mit Ihren bloßen Händen einreißen?“ fragte Wheeler in höhnischem Ton. Auch Rod ließ sich durch die scheinbare Unmöglichkeit dessen, was Quade vorhatte, einen Augenblick lang täuschen. Als er Quades Antwort hörte, wurde ihm schlagartig klar, welchen Fehler er began| 110 |
gen und wie sehr er diesen Mann unterschätzt hatte; aber da war es schon zu spät. „Nicht mit meinen Händen“, sagte Quade, „sondern mit der einzigen Waffe, die imstande ist, selbst Felsgestein durch Hitze in glühenden Rauch zu verwandeln.“ Das letzte Wort war kaum über seine Lippen gekommen, als er auch schon blitzschnell herumwirbelte. Mit einem Sprung war er beim Tisch, auf dem sein Revolver lag, ergriff die Waffe, ließ sich fallen, rollte ein paar Meter weit über den Boden, richtete sich dann auf beiden Knien auf und riß den Revolver hoch. Der Colt spie dicht hintereinander vier Mündungsflammen aus. Das Krachen der Schüsse in dem engen, niedrigen Raum ließ die Turmwände erzittern. Die beiden Wachtposten an der Tür, die inzwischen wieder geschlossen worden war, brachen unter Quades Schüssen zusammen, bevor sie ihre Laserstrahlwaffen heben konnten. Quade sprang auf, war mit zwei, drei langen Schritten bei dem rotgekleideten Hras, packte ihn, drehte ihn um und hielt ihn wie einen lebenden Schild vor sich, indem er seinen linken Arm von rückwärts um die Kehle des Affenwesens schlang und ihm mit der Rechten gleichzeitig die Revolvermündung an die Schläfe setzte. Die beiden anderen Hras’ an dem langen Tisch saßen wie versteinert auf ihren Stühlen. Auch Rod Ellis und Jim Wheeler waren durch Quades schnelles, entschlossenes Handeln so überrascht worden, daß sie keine Möglichkeit gehabt hatten, zu verhindern, was in Sekundenbruchteilen geschehen war. „Jetzt spiele ich mein Spiel!“ stieß Quade hervor. Im gleichen Augenblick flog die Tür nach innen | 111 |
auf, und mehrere Affenwesen, die durch die Schüsse aufgeschreckt worden waren, drangen mit feuerbereiten Laserstrahlern in den Raum ein. Aber sie hielten zögernd inne, als sie sahen, was geschehen war. Unschlüssig blickten sie von den beiden toten Wachtposten auf Quade und dessen lebenden Schutzschild. „Keinen Schritt näher!“ warnte Quade die Hras’. „Wenn einer von euch die Hand gegen mich erhebt, muß der da“ – er drückte den Lauf des Coltrevolvers härter gegen den plumpen, runden Schädel seiner Geisel – „sterben. Hinaus mit euch!“ Langsam, widerstrebend zogen sich die Hras’ zurück. Quade wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte. „Was haben Sie jetzt vor?“ fragte ihn Rod. Dan Quade wandte sich ihm zu, ohne dabei seine Geisel loszulassen. „Ganz einfach“, antwortete er, „ich werde den Wall um Chasrom Ariot mit der Laserstrahlkanone auf diesem Turm wegschmelzen und Arams Streitwagen so einen Weg in die Stadt öffnen. Da sich die meisten Verteidiger der Festung wahrscheinlich auf der Mauer befinden und mit ihr verschwinden werden, wird Aram nur auf geringen Widerstand stoßen. Wir brauchen nur Chasrom Ariot und zwei-, dreihundert nichtmenschliche Lebewesen zu vernichten, Ellis, und diese ganze Welt gehört uns. Wir werden wie Götter über sie herrschen!“ „Ich fange an zu verstehen, was die Außerirdischen in dem Ufo meinten, als sie sagten, die Menschheit sei besessen von der Gier nach Macht und der schlimmste Feind allen nichtmenschlichen Lebens“, erwiderte | 112 |
Rod. „Aber ich werde nicht zusehen, wie Sie die letzten Überlebenden einer intelligenten Rasse, wie die Hras’ es sind, der Ausrottung preisgeben.“ „Versuchen Sie nicht, mich daran zu hindern! Ich will Sie nicht erschießen; aber ich werde es tun, wenn Sie mich dazu zwingen“, sagte Dan Quade gefährlich leise. Rückwärts gehend und seine Geisel mit sich ziehend, bewegte er sich auf die Steintreppe zu, die durch die noch immer offenstehende Falltür zur Turmplattform führte. „Quade, wenn Sie Ihr Vorhaben ausführen, werden Sie hundertmal mehr Schuld an der Vernichtung der Hras’ tragen als Aram und seine Krieger. Denn die Ashranots bekämpfen alles nichtmenschliche Leben aus Furcht. Sie aber, Quade, töten kalten Herzens um der Macht willen.“ „Reden Sie nur weiter, Ellis!“ erwiderte Quade. „Das Handeln übernehme ich! Aus dem Weg, Wheeler!“ Jim Wheeler, der zwischen dem zurückweichenden Quade und dem Fuß der schmalen Treppe stand, trat einen Schritt zur Seite. „Quade, Sie können nicht einer ganzen Rasse vernunftbegabter Lebewesen die Chance zum Überleben nehmen“, versuchte Rod es noch einmal. „Kein Preis ist hoch genug dafür, auch nicht grenzenlose Macht.“ Plötzlich stieß Dan Quade mit seinem rechten Fuß gegen die unterste Stufe der Steintreppe. Eine Sekunde lang wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, und in diesem Moment warf sich Jim Wheeler auf ihn. Doch Quade war auf der Hut. Blitzschnell schwenkte er den | 113 |
Lauf seines Revolvers, den er bisher auf Rod Ellis gerichtet gehalten hatte, herum. Ein Schuß peitschte. Wheeler schrie auf. Sein linkes Bein knickte ein, und er fiel schwer zu Boden. Das Kupfermantelgeschoß aus Quades Waffe hatte seinen Oberschenkel auf die kurze Entfernung glatt durchschlagen. „Stehenbleiben, Ellis!“ befahl Quade, den Colt wieder auf Rod richtend. „Ich habe noch immer eine Kugel in der Waffe.“ Er begann, die Treppe hinaufzusteigen. Aber das ging nur mühsam, weil er den Hras mit sich zog und das Affenwesen mit seinen kurzen, krummen Beinen sich auf den hohen Stufen nicht rasch genug bewegen konnte. Wheeler lag stöhnend am Boden und umklammerte sein verletztes Bein mit beiden Händen. Blut sickerte durch seinen zerfetzten Overall. Er hob mühsam den Kopf und warf Rod einen schmerzerfüllten Blick zu. „Du mußt ihn aufhalten“, keuchte er. „Wenn es dir nicht gelingt, ihn aufzuhalten, wird er seine Drohung wahrmachen.“ Inzwischen hatten Quade und seine Geisel die oberste Treppenstufe erreicht und traten auf die Turmplattform hinaus. Dort angelangt, stieß Quade das rotgekleidete Affenwesen zur Seite, stemmte eine Schulter gegen die offene Falltür und versuchte, sie zu schließen. Rod Ellis begriff, daß es jetzt auf Sekundenbruchteile ankam. Gelang es Dan Quade, die schwere, eisenbeschlagene Falltür um ihre Drehachse schwingen und zufallen zu lassen, gewann er genug Zeit, um die Laserstrahlkanone oben auf dem Turm gegen den Wall von | 114 |
Chasrom Ariot zu richten und den Abzug zu betätigen. Dann brauchte er den Hitzestrahler nur einmal um seine Achse zu schwenken, und der Energiestrahl, gegen den es keinen Schutz gab, würde den mächtigen Steinwall in glühenden Nebel verwandeln. Rod hetzte die Stufen hinauf und warf sich mit aller Kraft gegen die bereits zuschwingende Falltür. Diese kippte wieder nach hinten und traf Quade dabei so hart, daß er bis an die Turmbrüstung zurücktaumelte. Er versuchte, seinen Revolver auf Rod zu richten, doch da war dieser schon bei ihm, umspannte sein Handgelenk mit beiden Händen und schlug Quades Rechte gegen die steinerne Brüstung – einmal, zweimal, dreimal. Quades Finger öffneten sich, und seine Waffe fiel klirrend zu Boden. Keuchend hin und her taumelnd, rangen die beiden Männer miteinander. Plötzlich riß sich Quade mit einer gewaltigen Anstrengung los. Seine Schläge trafen Rod schnell und hart und zwangen ihn auf die Knie. Dann verschränkte Quade beide Hände ineinander, holte aus und traf Rod wie mit einem Keulenschlag über den Nacken. Die Welt schien vor Rods Augen zu explodieren. Sein Körper war plötzlich ohne Kraft, und er fiel nach vorn aufs Gesicht; doch er verlor nicht die Besinnung. Er hörte, wie Quade sich mit der Falltür abmühte und diese donnernd zufiel. Dann sah er – da er den Kopf kaum heben konnte – Quades Füße über den Steinboden auf die Laserstrahlkanone zugehen. Mühsam wälzte er sich auf die Seite – und dabei fiel sein Blick auf den Colt, der eine Armeslänge von ihm entfernt lag. | 115 |
Er streckte die Hand danach aus, ohne auf den Schmerz zu achten, der bei dieser Bewegung, von seinem Nacken ausgehend, durch seinen ganzen Körper rann. Seine Finger berührten den Griff der Waffe und schlossen sich um ihn. Der Colt war entsichert und schußbereit. Rod richtete ihn auf Quade, der gerade die Laserstrahlkanone herumschwenkte und mit ihr auf den Wall unterhalb des Turms zielte. „Quade“, brachte er heiser hervor, „ich habe Ihnen gesagt, wenn wir uns in den Krieg zwischen den Menschen dieses Planeten und den Hras’ einmischen, wird er mit der völligen Vernichtung einer der beiden Rassen enden. Aber das lasse ich nicht zu! Eher erschieße ich Sie!“ Dan Quade hielt inne und blickte über die Schulter. Er sah in die Mündung seines eigenen Revolvers. „Nein“, entgegnete er mit einem verzerrten Grinsen, „Sie werden nicht auf mich schießen, Ellis. Ein Soldat lernt, Menschen zu töten; aber Sie sind nur ein Wissenschaftler. Sie werden nicht abdrücken, dazu fehlt Ihnen der Mut. Und Sie werden auch nicht verhindern können, daß dieser Planet meine Beute wird. Man wird ihn einmal ,Quades Stern’ nennen –“ Er zerrte an dem gläsernen Schutzschild über dem roten Feuerknopf der Laserstrahlkanone, doch es löste sich nicht aus seiner Haltevorrichtung. Da hob Quade die geballte Faust, um ihn zu zerschmettern. In diesem Augenblick krümmte Rod den Finger um den Abzug des Revolvers. Der Schuß peitschte, und plötzlich saß ein Loch mitten im Rücken von Quades Marine-Overall. Dan Quade schwankte; seine Faust | 116 |
sank herab. Er wandte Rod sein bleiches Gesicht zu. Blut trat auf seine Lippen. „Warum?“ fragte er. „Warum haben – Sie das – getan, Ellis? Wir hätten – diese Welt – wie Götter – beherrschen können. Unsere – Macht – wäre – grenzenlos –“ Er brach ab, tat ein, zwei schwankende Schritte in Rod Ellis’ Richtung, dann wurde sein Gesichtsausdruck leer, und er fiel vornüber. Doch in diesem Augenblick ereignete sich etwas, das Rod mit mehr Entsetzen erfüllte als die Sekunde, in der er gezwungen gewesen war, Quade zu erschießen: Alle Bewegungen ringsum hörten plötzlich auf. Es war, als sei ein Film, der eben noch mit normaler Geschwindigkeit vor Rods Augen abgelaufen war, mit einemmal angehalten worden. Dan Quades fallender Körper blieb in verzerrter Haltung wenige Handbreit über dem Boden in der Luft hängen. Das rotgekleidete Affenwesen, das mit geweiteten Augen verfolgt hatte, was geschah, verharrte wie festgebannt mitten in einem Schritt nach vorn, den es hatte tun wollen. Alles um Rod Ellis verlor seine festen Formen, Licht und Farben, wurde zu undeutlichen Schemen, und dann, dann, dann ...
| 117 |
Das Urteil der Außerirdischen Schreie. Angst. Entsetzen. Grelle Farben. Dann Dunkelheit. Rod Ellis rang nach Atem und kämpfte einen verzweifelten, aber aussichtslosen Kampf gegen ein Gefühl bleierner Schwere, das seinen Körper starr und unbeweglich machte. Er versuchte, die Augen zu öffnen; es gelang ihm nur unter schier übermenschlicher Anstrengung. Zuerst sah er nichts außer dichtem, wogendem, rotem Nebel, dann nahm er irgendwelche seltsamen, durchscheinenden Umrisse wahr. Und plötzlich wußte er, worauf er starrte: auf das Spiegelbild seines eigenen Gesichts in einer gekrümmten, durchsichtigen Fläche. Die jähe Erkenntnis, wo er sich befand, traf ihn wie ein Schlag. Er war in dem gleichen Raum jenes Ufos, in dem er schon einmal erwacht war, vor – ja, wie lange war das her? Minuten? Tage? Eine Ewigkeit oder nur Sekunden? Aber er wußte genau, daß dieses Ufo auf einer unvorstellbar fernen, fremden Welt gestrandet war. Er selbst war durch eines der Lecks ins Freie geklettert, in das Licht jener Zwillingssonne. Und nun –? Wie betäubt starrte er durch die gewölbte Glaswand. Aus den Augenwinkeln konnte er neben sich zwei regungslose Gestalten in gläsernen Röhren erkennen: Jim Wheeler und – Dan Quade; Quade, den er vor wenigen Sekunden – waren es wirklich nur Sekunden gewesen? – mit dessen eigenem Revolver erschossen hatte. Ihre Overalls, die er als verschlissen und staubbedeckt in Erinnerung hatte, schienen unbeschädigt, sie | 118 |
selbst unverletzt zu sein. Rod Ellis fühlte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte und dann rasend schnell zu hämmern begann. Er richtete den Blick geradeaus. Ein Teil der ihm gegenüberliegenden Metallwand war so durchsichtig wie mattes Glas, und dahinter bewegten sich schwerfällig die unheimlichen Gestalten der Außerirdischen. Als Rod in dem gestrandeten Ufo zu sich gekommen war, hatte er diese Wesen zu Asche verbrannt gefunden; aber sie waren offensichtlich nicht tot, sie lebten. Sein Verstand weigerte sich, die Tatsachen als solche anzuerkennen. „Was ist geschehen?“ wollte er fragen, konnte aber seine Lippen nicht bewegen; die geheimnisvolle Starre, die ihn schon einmal an diesem Platz festgebannt hatte, war wieder über ihn gekommen. Doch seine Gedanken waren verstanden worden, das zeigte deutlich die Antwort, die auf seine Frage erfolgte. „Du hattest einen Traum, Erdenmensch“, flüsterte die leise, metallisch klingende Stimme, die er schon kannte, in seinem Kopf. „Einen – Traum?“ „Dieser Traum führte dich in eine fremde Welt, dich und deine beiden Begleiter, die mit dir an Bord dieses Raumschiffes kamen. Eine Entscheidung wurde von euch verlangt, und ihr habt sie getroffen – ein jeder von euch auf seine Weise.“ „Ich verstehe nicht ...“ „Dann hör gut zu, und du wirst verstehen!“ sagte die leise Stimme. „Als wir euch von eurer Welt entführten, taten wir es, um Menschen einer Prüfung zu unterzie| 119 |
hen. Was euch gesagt wurde, bevor der Traum über euch kam, war die Wahrheit: Die Menschheit kann zu einer großen, vielleicht tödlichen Gefahr für alle anderen Lebewesen im Weltall werden. Sie ist eine stolze und kriegerische Rasse, behaftet mit tiefem Mißtrauen und gefährlichen Vorurteilen gegen Wesenheiten, deren Äußeres dem ihren nicht gleicht. Die Menschheit hat zwar während der letzten Jahrhunderte ungeheure technische Fortschritte gemacht, aber sie trägt noch immer das Erbe jener ersten Menschen in sich, die, von Gefahren umgeben, alles und alle bekämpfen mußten, um zu überleben. Das ist es, was die Menschheit, die an der Schwelle zur Eroberung des Weltraums steht und über schreckliche Vernichtungswaffen verfügt, so gefährlich macht. Niemand vermag zu sagen, was wirklich geschehen wird, wenn Menschen einmal ihren Fuß auf Welten unter dem Licht fremder Sonnen setzen werden. Es besteht die Möglichkeit, daß die Urbewohner jener Planeten von den Menschen unterdrückt, vielleicht sogar in interstellaren Kriegen ausgerottet werden. Wir, die Wächter des Alls, müssen dafür sorgen, daß sich keine Rasse intelligenter Lebewesen zum Herrn über andere macht. Angst, Machtgier und Haß gegen alle nichtmenschlichen Formen intelligenten Lebens lassen die Menschheit zu einer Bedrohung für viele andere Rassen im All werden.“ Plötzlich wurde Rod Ellis bewußt, daß die flüsternde Stimme in der Gegenwarts-, nicht in der Vergangenheitsform von den Menschen sprach. „Aber – ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie die Erde und mit ihr die Menschheit verbrannte“, dachte er. „Die Erde ist nicht tot“, lautete die Antwort. „Hätten | 120 |
wir sie vernichtet, so würden wir uns dadurch auf eine Stufe mit den primitivsten und barbarischsten Rassen im Weltraum gestellt haben. Daß ihr glauben mußtet, eure Heimatwelt sei verbrannt, war ein Teil der Prüfung, der wir euch unterwarfen. Es war notwendig, euch glauben zu machen, ihr wärt vollkommen auf euch gestellt und könntet niemals wieder in eure eigene Welt zurückkehren. Die letzte Kette, die euch an die Erde fesselte, mußte zersprengt werden. Denn auch jene Menschen, die als erste in ein fremdes Sonnensystem vordringen werden, werden keine Möglichkeit haben, jemals wieder zur Erde zurückzukehren. Wir mußten wissen, wie Menschen in dieser Ausnahmesituation handeln würden. Und nun sieh her!“ Jener kreisrunde Ausschnitt der Wand, auf dem Rod Ellis die vermeintliche Vernichtung der Erde hatte mit ansehen müssen, zeigte auf einmal ein dreidimensionales, farbiges Bild der Erde, die, leuchtendblau wie ein Saphir und mit weißen Wolkenfeldern übersät, vor dem Hintergrund von Myriaden glitzernder Sterne im Weltraum hing. Stumm nahm Rod diesen wunderbarsten Anblick seines Lebens in sich auf. Die Erde lebte! Alles, was er gesehen und erlebt hatte, war ein Traum gewesen, nichts als ein schrecklicher Traum. „Aber dieser Traum könnte einmal Wirklichkeit werden“, sagte die leise, metallisch klingende Stimme; und erst in diesem Augenblick erinnerte sich Rod wieder daran, daß die Außerirdischen seine Gedanken lesen konnten. „Wir verfügen über die Macht, Planeten in atomarer Glut untergehen zu lassen. Doch das darf nur der allerletzte Schritt sein, um zu verhindern, daß | 121 |
Krieg, Tod und Vernichtung von Sonnensystem zu Sonnensystem, von Planet zu Planet getragen werden. Aber so weit wird es die Menschheit selbst nicht kommen lassen, will uns scheinen.“ „Soll das heißen, daß wir die Probe bestanden haben?“ Rod Ellis löste seinen Blick von dem Bild der Erde im Weltraum und richtete ihn auf die unheimlichen Gestalten der Außerirdischen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Euer Handeln läßt uns glauben, daß es Kräfte der Vernunft und der Gewalt gibt, die das Tun und Lassen der Menschen bestimmen, daß aber schließlich die Vernunft – wenn auch erst nach langem, erbittertem Ringen – siegen wird.“ „Und die Hras’ und die Ashranots – waren sie alle nur Gestalten eines wirren Traums?“ „Das Leben hat sich im Weltall vielgestaltig entwikkelt. In eurem Traum habt ihr Dinge erlebt, die wahr sind, und andere, die eurer eigenen Fantasie entsprangen. Wo aber die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit verlief, werdet ihr nie erfahren; es ist auch ohne Bedeutung für euch. Wichtig für die Menschheit ist allein, daß ihr Fortbestehen gesichert ist. Als du den Mann namens Dan Quade getötet hast, hast du damit zugleich das Leben der Menschheit gerettet.“ „Aber ich –“ „Er war bereit, bedenkenlos eine ganze Rasse zu opfern, um Macht zu erlangen. Du hast ihn daran gehindert. Dan Quade verkörpert die nackte Gewalt, die in den Menschen schlummert; du verkörperst die Vernunft. Von drei Menschen haben im Augenblick der Entscheidung zwei den richtigen Entschluß gefaßt: | 122 |
sie waren bereit, nichtmenschlichen Lebewesen unter Verzicht auf Machtgewinn und unter Mißachtung von Angst, Haß und Mißtrauen gegenüber andersgeartetem Leben zu helfen. Um die intelligente Rasse der Hras’ zu retten, warst du bereit, einen der – wie du glauben mußtest – drei letzten überlebenden Menschen zu opfern. Dieser Entschluß, der dir nicht leichtgefallen sein kann, gab bei unserer Entscheidung den Ausschlag zugunsten der Menschheit.“ „Aber wie war es möglich, daß wir einen gelenkten Traum erlebten – wenn es wirklich ein Traum war?“ „Es gibt nichts, was uns unmöglich ist. Wir führten euch durch die fremde Welt eures Traums, ließen euch aber immer die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, und verfolgten nur alle eure Handlungen.“ „Deshalb also fühlte ich mich ununterbrochen beobachtet, seit das Ufo auf jenem Planeten, von dem ihr behauptet, er sei nur ein Traumgebilde gewesen, strandete“, erwiderte Rod Ellis. „Und deshalb konnten wir sowohl die Hras’ als auch die Ashranots verstehen.“ Als er darauf keine Antwort erhielt, fragte er: „Was wird nun mit uns geschehen?“ Diesmal meldete sich die flüsternde Stimme wieder: „Ihr werdet in eure Heimatwelt zurückkehren.“ „Fürchtet ihr nicht, wir könnten über das reden, was wir erlebt haben?“ Rod war sich darüber im klaren, daß es für ihn nicht ungefährlich war, diese Frage zu stellen. „Ihr könnt darüber sprechen“, lautete die Antwort, „aber niemand wird euch glauben; dafür ist gesorgt.“ „Sagt mir wenigstens, wer ihr seid und woher ihr kommt!“ Aber noch während Rod Ellis in Gedanken | 123 |
diese Worte formte, begann mit einemmal das Bild vor seinen Augen zu verschwimmen. Er hatte das Gefühl, durch eine optische Linse zu blicken, deren Einstellung immer unschärfer wurde. Wortfetzen drangen an sein Ohr. Ein Gegenstand trat aus dem Nebel hervor, der ihn umgab, nahm scharfe Umrisse an und wurde deutlich sichtbar: Es war ein Armaturenbrett, das Armaturenbrett eines Hubschraubers. Die Wortfetzen wurden zu verstümmelten, aber halbwegs verständlichen Lauten, und Rod Ellis nahm wahr, daß sie aus dem Bordlautsprecher des Bell-47Hubschraubers tönten: „... ty Officer Quade, kom...! Petty Officer Qua ..., kommen! Können Sie mich ... ren? Quade, ant... Sie!“ Hellrotes Licht überflutete die Pilotenkanzel der Bell 47 und ließ Sicherheitsglas und Metall blinken. Geblendet schloß Rod Ellis die Augen. Er hörte ein Dröhnen und Heulen über dem Hubschrauber, das sekundenlang die aus dem Bordlautsprecher dringende Stimme übertönte, aber rasch leiser wurde und in ein hohes, dünnes Pfeifen umschlug. Gleichzeitig wurde der grelle Lichtschein schwächer, so daß Rod Ellis erkennen konnte, in welche Richtung die Bell 47 flog: Sie stürzte aus dem glühenden Abendhimmel in einer immer steiler werdenden Kurve der dunkel schimmernden Oberfläche des Meeres entgegen. Die Schnelligkeit, mit der die Maschine fiel, war erschreckend. „Quade, Achtung!“ schrie Rod. Aber Dan Quade zerrte bereits mit beiden Händen an der Steuersäule des Hubschraubers. Der Absturzwinkel der Bell 47 wurde flacher; der wirbelnde Rotor | 124 |
bremste jetzt ihren Fall. In einer Höhe von knapp hundert Fuß gelang es dem Piloten, die Maschine abzufangen, die nun dicht über den Wellenkämmen dahinschoß. Über sie hinweg raste mit brüllendem Düsentriebwerk ein „Skyhawk“-Jagdbomber im Angriff auf das Ufo, das sich mit unheimlicher Geschwindigkeit von dem Hubschrauber entfernte. Der Bomberpilot mußte jedoch eingesehen haben, daß er das Ufo mit seiner Maschine nicht einholen konnte, denn er feuerte zwölf seiner vierundzwanzig FFAR-Raketen auf den fliehenden Gegner ab. Die „Skyhawk“ verschwand für Sekundenbruchteile in einer weißen Qualmwolke; dann jagte der Raketenschwarm, eine Rauchspur hinter sich herziehend, auf sein Ziel zu. Doch er erreichte es nicht. Als die Geschosse noch etwa fünfzig Meter von dem rotglühenden, metallischen Flugkörper entfernt waren, detonierten sie mitten in der Luft, als seien sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Das Ufo gewann an Geschwindigkeit, wurde zu einem münzgroßen, hellen Lichtfleck, zu einem Stern – dann war es im Rot des Sonnenuntergangs verschwunden und der Himmel leer bis auf den Jagdbomber, der einen weiten Kreis beschrieb und erneut über die Bell 47 hinwegdonnerte, als wollte der Pilot den drei Männern in ihrem kleinen Hubschrauber zeigen, daß sie nicht allein waren. Rod drehte sich auf seinem Sitz um und warf Jim Wheeler einen Blick zu. Wheeler war bleich. Er sagte: „Ich habe nicht geglaubt, daß wir die Erde jemals wiedersehen würden. Was haben die Außerirdischen mit | 125 |
uns gemacht, Rod? Ist es möglich, die Träume dreier Menschen so zu lenken, daß sie gemeinsam das erleben, was wir erlebt haben?“ „Es könnte immerhin sein“, murmelte Rod Ellis, und seine Stimme klang anders als sonst. „Aber wenn die Außerirdischen die Macht haben, uns solchen Proben zu unterwerfen, dann verfügen sie wahrscheinlich auch über Mittel, einen Planeten wie die Erde auszulöschen. Und wenn das so ist, haben wir drei das Schicksal der Erde und der Menschheit entschieden. Aber wir wissen ja nicht, was wirklich mit uns geschehen ist, während wir an Bord des Ufos waren ...“ „Und ich hätte das Leben der Menschheit und der Erde verspielt“, unterbrach ihn Quade, durch das Sicherheitsglas der Pilotenkanzel geradeaus über das Meer starrend, auf dem nun die dunklen Umrisse des Flugzeugträgers „USS Centaur“ und der ihn begleitenden Zerstörer und Versorgungsschiffe auftauchten. „Ja, Sie hätten das Spiel verloren“, entgegnete Jim Wheeler. Er ließ den Kopf sinken und stützte ihn auf eine Hand. „Sie, der Mann, der die Wissenschaft eines Verbrechens bezichtigte, weil sie die Atombombe schuf, der aber mit keinem Wort jene Männer verdammte, die diese Waffe als Mittel zur Macht mißbrauchten. In der fremden Welt, in der wir – sei’s im Traum oder in Wirklichkeit – waren, galt Ihr Revolver soviel wie auf der Erde eine A-Bombe. Und Sie waren bereit, ihn zu gebrauchen, um Ihr Ziel – Macht – zu erreichen. Ausgerechnet ein Wissenschaftler mußte Sie daran hindern, eine ganze Rasse auszulöschen, Quade.“ Dan Quade versuchte nicht, sich zu verteidigen. Er starrte nur stumm geradeaus. Der „Skyhawk“-Jagd| 126 |
bomber heulte über den langsam fliegenden Hubschrauber hinweg und setzte zur Landung auf dem stählernen Flugdeck der „USS Centaur“ an. In diesem Augenblick wurde das Bordsprechfunkgerät der Bell 47 wieder lebendig. Eine Stimme drang aus dem Lautsprecher: „Petty Officer Quade, können Sie mich hören? Hier spricht Commander Lockwood! Kommen!“ Quade griff nach dem Kopfhörermikrofon, das zwischen ihm und Rod Ellis auf dem Vordersitz des Hubschraubers lag. „Ich kann Sie deutlich verstehen, Commander“, antwortete er. „Ich befinde mich im Anflug auf die ,Centaur’ und werde in wenigen Minuten auf ihrem Deck landen. Wir sind dem Angriff des Ufos ohne Beschädigung entronnen.“ „Das kann ich vom Kontrollturm aus selbst sehen“, entgegnete Lockwood. „Was ich wissen will, ist, was während des Angriffs geschah.“ „Ich – ich begreife nicht, was Sie meinen, Sir“, sagte Quade ausweichend. „Das herabstürzende Ufo ...“ „Petty Officer“, tönte die Stimme des Commanders scharf aus dem Lautsprecher, „sowohl Ihr Hubschrauber als auch das Ufo waren für kurze Zeit von den Radarschirmen der ,Centaur’ verschwunden. Beide waren nicht mehr auszumachen, bis sie plötzlich wieder sichtbar wurden. Ich möchte wissen, was während dieser Zeitspanne mit Ihnen geschah!“ Quade zögerte und wechselte einen Blick mit Rod Ellis, dann fragte er: „Wie lange erfaßte uns das Radar nicht, Sir?“ „Sie waren volle zehn Sekunden nicht auszuma| 127 |
chen, Petty Officer. Was hat sich in diesen Sekunden ereignet?“ Lockwoods Stimme hatte einen befehlenden Tonfall angenommen. Dan Quade ließ das Mikrofon sinken. „Zehn Sekunden –“, murmelte er, „das ist vollkommen unmöglich. Zehn Sekunden! Nur zehn Sekunden! Selbst wenn es nur ein Traum war, was wir erlebten, muß es viel, viel länger gedauert haben. Ellis, was soll ich antworten?“ Rod schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß es nicht“, gab er zurück. „Es wäre sinnlos, die Wahrheit zu sagen; niemand würde uns glauben. Die Außerirdischen wußten das.“ Quade hielt das Kopfhörermikrofon wieder vor seinen Mund. „Sir, es muß ein Ausfall der Radargeräte gewesen sein, irgendein technischer Fehler, der uns von den Bildschirmen verschwinden ließ; vielleicht starke elektromagnetische Störfelder, die von dem Ufo ausgingen. Eine andere Erklärung habe ich nicht.“ Eine Weile herrschte Schweigen, das vom gleichmäßigen Pochen des Hubschraubermotors und dem Sausen der Rotorflügel übertönt wurde, dann drang abermals Lockwoods Stimme aus dem Lautsprecher: „Sie sind dem Ufo ganz nahe gekommen – jedenfalls näher als irgendein anderer lebender Mensch vor Ihnen, Petty Officer. Konnten Sie Einzelheiten des unbekannten Flugobjekts ausmachen?“ Quade holte tief Atem, „Nein, Sir“, antwortete er. „Wir konnten nichts erkennen außer einem grellen, blendenden Lichtschein. Vielleicht konnte der Pilot des ,Skyhawk’-Jagdbombers mehr ausmachen; er hat das Ufo schließlich unter Beschuß genommen.“ „Er sah nur undeutliche Umrisse hinter dem grellen | 128 |
Licht und glaubt, daß das Ufo annähernd diskusförmig war“, entgegnete der Commander. „Gut, kehren Sie erst mal an Bord zurück, Petty Officer, dann werden wir weitersehen.“ Ein metallisches Klicken aus dem Lautsprecher verriet, daß die Funkverbindung zwischen dem Hubschrauber und der „USS Centaur“ abgebrochen war. Quade legte das Kopfhörermikrofon neben sich. „Sie glauben also, daß es besser ist, zu schweigen, Ellis?“ fragte er, nachdem einige Sekunden verstrichen waren. „Ich sehe keinen Grund, über das zu reden, was uns widerfahren ist“, sagte Rod. „Niemand würde uns glauben. Wir waren nur zehn Sekunden lang nicht auf den Radarschirmen der ,Centaur’ zu sehen. Während dieser kurzen Zeitspanne hatten wir einen langen Traum, oder ...“ „Oder?“ fragte Jim Wheeler und lehnte sich auf dem Rücksitz des Hubschraubers nach vorn. „Oder wir waren in diesen zehn Sekunden auf jenem fernen Planeten, haben uns unter den Strahlen der Zwillingssonne durch die Wüste geschleppt, haben am Opferfest der Ashranots in Jehud teilgenommen, gelangten durch den unterirdischen Gang in die Stadt der Hras’ – und ich habe Sie in Chasrom Ariot erschossen, Quade.“ „Du hältst es für möglich, daß alles nicht doch nur ein Traum war?“ fragte Jim Wheeler. „Aber der ungeheure Zeitunterschied –? Wenn überhaupt, so haben wir die Erde nur für zehn Sekunden verlassen; solange erfaßten uns die Radargeräte der ,Centaur’ nicht. Haben wir diese fremde Welt im All jedoch wirk| 129 |
lich betreten, dann müssen wir vorher und nachher eine unbekannt lange Zeit in dem Ufo zugebracht haben und waren außerdem tagelang in Jehud. Dafür gibt es keine Erklärung.“ „Es gibt für alles eine Erklärung – wir kennen sie nur oft nicht“, erwiderte Rod Ellis. „Wer von uns weiß denn, was wirklich geschieht, wenn ein Raumschiff auf seinem Flug durch das Weltall die Zeitgrenze durchbricht, also eine Geschwindigkeit erreicht, die höher ist als die des Lichts? Vielleicht ist die Zeit etwas Ähnliches wie der Raum, und wir Menschen haben nur noch nicht gelernt, uns in ihr zu bewegen, so wie wir uns im Raum nach allen Seiten bewegen können. Bevor sie uns verließen, sagten die Außerirdischen, wir hätten einige Dinge erlebt, die wahr gewesen, und andere, die nur unserer Fantasie entsprungen seien.“ „Sie sagten aber auch“, entgegnete Jim Wheeler, „wir würden nie herausfinden, wo die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit verlief.“ „Und daß das im Grunde auch ohne Bedeutung für uns sei. Wichtig für die Menschheit sei allein, daß ihr Fortbestehen gesichert sei. Aber es gibt eine Möglichkeit, herauszufinden, was Traum war und was Wirklichkeit.“ Die Bell 47 senkte sich auf das Flugdeck der „Centaur“ nieder. Rod sah Gestalten in blauen und orangeroten Overalls sich an Deck gegen den Luftwirbel des Hubschrauberrotors stemmen. Da lehnte er sich zu Quade hinüber, öffnete dessen Revolverhalfter, zog die Waffe heraus, öffnete die Trommel des Colts und schüttelte die Patronen aus den Kammern in seine linke Hand. Nicht eine einzige leere | 130 |
Hülse war darunter. Rod lud den Revolver wieder und schob ihn in Dan Quades Halfter, als der Hubschrauber auf dem stählernen Flugdeck aufsetzte. „Quade, öffnen Sie Ihren Overall!“ sagte er. Dan Quade starrte ihn verständnislos an, während er den Motor abstellte und der Rotor über dem Kabinendach sich allmählich langsamer drehte. Doch wortlos kam er der Aufforderung nach und streifte den Marine-Overall von seinem Oberkörper. „Sind Sie jemals am Rücken verletzt worden?“ fragte Rod, während sich draußen auf dem Deck der „Centaur“ schon mehrere Mechaniker näherten und der Besatzung Zeichen gaben, die Türen der Pilotenkanzel von innen zu öffnen. „Nein“, antwortete Quade, „nie.“ „Das dachte ich mir“, sagte Rod Ellis und blickte auf die frische, rote Narbe, die auf Quades Rücken an der Stelle leuchtete, auf die Rod gezielt hatte, als er Dan Quade mit dessen eigenem Revolver hinter der Laserstrahlkanone auf dem Turm in Chasrom Ariot erschoß.
| 131 |