René Toth Zwischen Konflikt und Kooperation
VS RESEARCH
René Toth
Zwischen Konflikt und Kooperation Fünfzehn Jahre...
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René Toth Zwischen Konflikt und Kooperation
VS RESEARCH
René Toth
Zwischen Konflikt und Kooperation Fünfzehn Jahre Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Verena Metzger / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17599-7
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
7
1 Einleitung
9
1.1 Forschungsfragen und Hypothese
12
1.2 Inhalt und Aufbau
13
2 Theoretische Vorüberlegungen 2.1 Krieg - Bürgerkrieg - ethnopolitische Konflikte 2.1.1. Ethnopolitische Konflikte und deren Ursachen
15 15 16
2.1.2. Die Zeit des Umbruchs in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts 2.1.3 Charakteristika der Kriegsführung in den Neunzigern
21 24
2.2 Kriegsbeendigung und Friedenskonsolidierung
31
2.2.1 Friedenskonsolidierung in der Theorie
31
2.2.2 Friedenskonsolidierung in der Praxis
40
2.3. Spoiler-Probleme und ihre Auswirkungen auf die Friedenskonsolidierung
46
2.3.1 Der Begriff des "Spoilers" bei Stephen Stedman
48
2.3.2 Kritik und Präzisierungen
51
2.3.3 Motive hinter "spoiling"
56
2.3.4 Spoiler-Management
63
2.4 Zusammenfassung
66
6
Inhaltsverzeichnis
3 Der Krieg in Bosnien und Herzegowina und seine Vorgeschichte 3.1 Der Zerfall der Bundesrepublikjugoslawien 3.1.1 Erklärungsversuch I: Die These des "uralten Hasses"
69 69 69
3.1.2 Erklärungsversuch II: Ethnopolitische Konflikte als Folge komplexer Entwicklungen
71
3.2 Der Krieg in Bosnien und Herzegowina
78
3.2.1 Auf dem Weg zur Unabhängigkeit
78
3.2.2 Der Krieg in Bosnien und Herzegowina 1992-1995
84
3.2.3 Die Ökonomie des Krieges
93
4 Dayton und das Ende des Krieges
l0l
4.1 Das Friedensabkommen von Dayton
101
4.2 Kritik am Friedensabkommen von Dayton
107
5 Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina
113
5.1 Die Ausgangslage der Friedenskonsolidierung
113
5.2 Ziele der Friedenskonsolidierung
116
5.3 Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 1995-2010
118
5.3.1 Die Ausgangsposition für potentielle Spoiler
119
5.3.2 Problemfeld I: Demokratisierung in Post-Dayton Bosnien und Herzegowina
124
5.3.3 Problemfeld II: Transformation der Ökonomie
174
5.3.4 Spoiling Peace in Bosnia?
187
6 SchIussbetrachtungen
213
Literatur
217
Abkürzungsverzeichnis
AbiH
Armija Republike Bosne i Hercegovine (Armee der Republik Bosnien und Herzegowina)
BdKJ
Bund der Kommunisten Jugoslawiens
BiH
Bosna i Hercegovina
EBRD
European Bank for Reconstruction and Development
EC
European Community
EG
Europäische Gemeinschaft
ESI
European Stability Initiative
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EUSR
European Union Special Representative in Bosnia and Herzegovina
GAO
U.S. Government Accountability Office
GFAP
General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina
HchrBH
Helsinki Committee for Human Rights in Bosnia and Herzegovina
HDZ
Hrvatska demokratska zajednica (Kroatische Demokratische Union)
HOS
Hrvatske obrambene snage (Kroatische Verteidigunskriifte)
HVO
Hrvatsko vijece obrane (Kroatischer Verteidigungsrat)
HR
High Representative of the international community in Bosnia and Herzegovina
HRW
Human Rights Watch
ICG
International Crisis Group
IPTF
International Police Task Force
IFOR
Implementation Force
IWF
Internationaler Währungsfonds
JVA
Jugoslawische Volksarmee
Abkürzungsverzeichnis
8 KM
Konvertibilna Marka (Konvertible Mark)
NATO
North Atlantic Treaty Organization
NHI
Nova Hrvatska Inicijativa (Neue Kroatische Initiative)
OHR
Office of the High Representative of the international community in Bosnia and Herzegovina
OSCE
Organization for Security and Co-operation in Europe
PDP
Partija Demokratskog Progresa (Partei des Demokratischen Fortschritts)
PIC
Peace Implementation Council
RS
Republika Srpska
SAA
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen
SAP
Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess
SBiH
Stranka za Bosnu i Hercegovinu (Parteiftir Bosnien und Herzegowina)
SDA
Stranka demokratske akcije (Partei der demokratischen Aktion)
SDS
Srpska Demokratska Stranka (Serbische Demokratische Partei)
SFOR
Stabilization Force
SNS
Srpski Narodni Savez (Serbischer Volksbund)
SNSD
Stranka Nezavisna Socijalisticka Demokratska (Partei der un-
abhängigen Sozialdemokraten) SPS
Socijalisticka Partija Srbije (Sozialistische Partei Serbiens)
SRS
Srpska Radkalna Stranka (Serbische Radikale Partei)
SRSJ
Savez reformskih snaga Jugoslavije (Bund der &formkriifte Jugoslawiens)
UNDP
United Nations Development Programme
UNHCR
United Nations High Commissioner for Refugees
UNO
United Nations Organization
UNPROFOR United Nations Protection Force USAID
United States Agency for International Development
VfGH
Verfassungsgerichtshof
VRS
Vojska Republike Srpske (Armee der &publika Srpska)
1
Einleitung
Angola, Ruanda, Liberia oder Bosnien und Herzegowina, all diese Staaten werden im allgemeinen Vernehmen mit blutigen Auseinandersetzungen, Vertreibungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht. Beinahe täglich, so schien es, erreichten uns über die Nachrichtenkanäle neue Meldungen über den Ausbruch von Kampfhandlungen in verschiedensten Teilen der Welt. Nicht zuletzt aufgrund der dadurch erzeugten öffentlichen Bestürzung begann die internationale Staatengemeinschaft im selben Zeitraum eine aktivere Rolle in diesen Konflikten einzunehmen. "Humanitäre Interventionen" lautete eines der Schlagwörter in diesem Zusammenhang. Internationale Akteure vermittelten Friedensabkommen, griffen militärisch ein oder engagierten sich im Wiederaufbau der kriegszerstörten Gesellschaften und Staaten. Gleichzeitig entwickelte sich eine verstärkte wissenschaftliche und politische Diskussion über geeignete Instrumente zur Schaffung einer nachhaltig gesicherten Friedensordnung, welche ein Ausbrechen neuer bewaffneter Konflikte in Zukunft verhindern sollte. Zu oft scheiterten Friedensabkommen in der Phase ihrer Implementierung und neue Kampfhandlungen brachen aus. (Vgl. Stedman 2002: 1) Der damalige UN-Generalsekretär Boutrous-Boutrous Gali versuchte mit seiner ,.Agenda für den Frieden", welche er im Jahr 1992 vorstellte, eine neue Basis für das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft in Post-Konflikt-Gesellschaften zu legen. "Post-conflict peacebuilding" bzw. Friedenskonsolidierung lautete sein Ansatz, welcher über die Sicherung eines Waffenstillstandes weit hinaus ging und den Aufbau staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen miteinbezog, welche einen zukünftigen, friedlichen Konfliktaustrag ermöglichen sollten. (Vgl. Schneckener 2005: 18f.) In der Folge versuchten zahlreiche internationale Organisation unter Einsatz großer finanzieller und personeller Ressourcen die Ideen dieses Ansatzes unter realen Begebenheiten zu implementieren. Schon sehr bald sollte sich zeigen, dass sich die Umsetzung der hohen Ziele der Friedenskonsolidierung ,,im Feld" als äußerst schwierig gestaltet und das internationale Engagement konnte daher bis dato nur in wenigen Fällen als Erfolg bezeichnet werden. (Vgl. Schneckener 2005: 36) Aus diesem Grund gilt es sich die Frage zu stellen, aus welchen Gründen die international unterstützte Schaffung einer Friedensordnung im jeweiligen Kontext gescheitert ist. Diese Arbeit soll sich anband des Fallbeispiels Bosnien und Herzegowina mit einem Aspekt dieser Erklärungsversuche beschäftigen - dem Einfluss R. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
Einleitung
individueller Akteure, sogenannten Spoilern, auf den Prozess der Friedenskonsolidierung.
Der Fall Bosnien und Herzegowina
Das Friedensabkommen von Dayton (General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina/GFPA), welches am 14. Dezember 1995 von den Vertretern aller kriegsführenden Parteien unterzeichnet wurde, setzte einen formalen Schlussstrich unter einen äußerst blutig geführten Krieg in Bosnien und Herzegowina, der sich als letzter in eine Serie von bewaffneten Auseinandersetzungen einreihte, welche den Zerfallsprozess des Bundesstaates Jugoslawien seit dem Beginn der Neunziger begleiteten. Mit diesem Übereinkommen war auch die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft auf ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen ethnonationalen Gruppen in einem gemeinsamen und funktionsfähigen Staat Bosnien und Herzegowina verbunden. Doch trotz eines enormen Einsatzes an personellen als auch finanziellen Ressourcen fällt eine Bewertung der erzielten Fortschritte über eine Jahrzehnt nach dem Ende der Kampfhandlungen äußerst ambivalent aus. Auf der einen Seite konnte ein neuerliches Ausbrechen des Konflikts (bzw. der Konflikte) vor allem durch eine starke militärische Präsenz ausländischer Streitkräfte verhindert werden. Auch bei der Durchsetzung von demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien konnten durchaus Erfolge erzielt werden. Die bisher abgehaltenen Wahlen können als weitgehend fair und transparent betrachtet werden, die Bewegungsfreiheit, auch über Entitätsgrenzen hinweg, konnte verbessert werden, die Bürger können aus einem vielfältigen medialen Angebot wählen und schließlich konnte einer großen Anzahl von Flüchtlingen eine Rückkehr in ihre ursprünglichen Heimatgemeinden ermöglicht werden. Diesen Erfolgen stehen aber auch eine Reihe von ungelösten Problemen gegenüber und so ist Bosnien und Herzegowina auch fünfzehn Jahre nach Dayton noch weit von einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung entfernt. So ist es für die Konstitution des Gesamtstaates bezeichnend, dass ein Großteil der oben angeführten Fortschritte erst nach erheblichem Druck von Seiten der internationalen Gemeinschaft bzw. deren Vertreter in Bosnien zustande kamen. (Vgl. Gromes, 2004: S. 7f.) Das Ziel der Schaffung von funktionierenden demokratischen Institutionen, in denen alle drei ehemaligen Kriegsparteien konstruktiv zusammenarbeiten, liegt auch heute noch in weiter Ferne. Aufgrund der weitreichenden Kompetenzen des hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft (HR) und der fehlenden Effizienz der bosnischen Institutionen kann Bosnien und Herzegowina heute als internationales Protektorat angesehen werden. Trotz gewisser Hoffnungen muss eine baldige Änderung dieses Zustands als eher unwahrscheinlich bezeichnet werden. Aufgrund dieser Tatsachen erscheint es notwendig sich die Frage zu stellen,
Einleitung
11
worin die Ursachen für die fehlenden Fortschritte im Friedensprozess in Bosnien liegen. Neben gewissen Problemen, die sich zum einen sicherlich aus dem teilweise etwas unklar formulierten und manchmal auch widersprüchlichen Vertragswerk von Dayton speisen (Vgl. Cousens, 2002: S. 543), wurde die Umsetzung dieses Friedensabkommens zum anderen auch durch die große Anzahl an involvierten internationalen Akteuren erschwert, deren Initiativen oft nicht koordiniert waren und es so zu vielen Überschneidungen, Widersprüchen und auch Kompetenz-streitigkeiten kam. (Vgl. Jones, 2002: S. 90ff.) In diesem Buch soll allerdings, wie eingangs schon erwähnt, eine andere Hürde für eine effektive Implementierung des Vertrages von Dayton näher untersucht werden - nämlich Akteure die mit verschiedensten Mitteln und aus unterschiedlichen Motiven heraus versuchen, die Umsetzung dieses Abkommens zu torpedieren und damit als wesentliche Hindernis für eine Konsolidierung des Friedens in Bosnien und Herzegowina angesehen werden können. Vor allem die ethnonationalistischen Parteien in diesem Land, deren Aufstieg mit dem Beginn der Sezessionsbestrebungen in Jugoslawien begann, die im Wesentlichen auch als Vertreter der kriegs führenden Parteien angesehen werden können und deren Macht mit Dayton schließlich weitgehend gefestigt wurde, sollen dabei im Zentrum der Analyse von Spoilerl-Aktivitäten stehen. Diese Parteien eigenen sich für diese Untersuchung vor allem daher, da sie einerseits mit nur kurzen Unterbrechungen seit der Beendigung des Krieges immer die Vertreter der politischen Führung dieses Landes entsendeten und damit durch ihre Politik und ihre Zielsetzungen großen Einfluss auf die Entwicklung Bosnien und Herzegowinas nehmen konnten. Andererseits konnte auch beobachtet werden dass diese teils offensichtlich, teils versteckt immer noch an ihren einstigen Kriegszielen festhalten und einer tiefgreifenden Zusammenarbeit mit den anderen ethnischen Gruppen v.a. in den gesamtbosnischen Institutionen weitgehend ablehnend gegenüberstehen. Aus Kreisen dieser Parteien werden z.B. immer wieder Forderungen nach einer Sezession der jeweiligen Entität laut. Zudem werden vor allem in den Wahlkämpfen unverhohlen ethnisch-nationalistische Argumente gebracht und alte Feindbilder aus Kriegszeiten wieder aufgewärmt. So schrieb der Hohe Repräsentant Miroslav Lajcak noch im Jahr 2008 in einem Statement: "One of the consequences of the poisoned atmosphere is the fact that sorne politicians in this country are not ready to cooperate with their fellow citizens, in other words they do not consider citizens of other ethnicities as their own, and they are unwilling to assume full responsibility for running this country." (OHR 200Sa)
"Spoiler" ist der in der englischen Facbliteratur verwendete Ausdtuck für oben genannte Akteure. In Ermangelung eines passenden deutschen Fachbegriffs werde ich diesen auch in dieser Arbeit verwenden.
12
Einleitung
Wenige Monate später forderte er: "The politicalleadership in BilI must stop onee and for ever with unilateral threats and challenges to the Dayton Peace Agreement [...] BIH politicians must end their praetiee of threatening unilateral changes to the constitutional structure of the country [...]." (OHR 2008b) Der im November 2008 erschienene Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zu Bosnien und Herzegowina hielt schließlich unter anderem fest: "Overall, nationalist rhetorie has prevailed and Bosnia and Herzegovina's leaders have made no progress towards ereating, through the reform of the eonstitutional framework, more funetional and affordable State structures which support the proeess of European integration." (EUCOM 2008: 8) Wie aus diesen Statements hervorgeht dürfte die Politik der dominanten, nationalistischen Parteien in Bosnien und Herzegowina einen erheblichen Anteil am Reformstau und an den Problemen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung in diesem Land haben. Kleine formale Fortschritte werden meist durch die politische Praxis schnell wieder zunichte gemacht, wodurch die zukünftige Entwicklung Bosnien und Herzegowinas weiterhin ungewiss bleibt.
1.1 FOfschungsfragen und H2pothese Wie aus der kurzen Einleitung zu sehen war, kann der Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina noch lange nicht als abgeschlossen angesehen werden. Vielmehr drängt sich die Vermutung auf, dass eine nachhaltige Friedenskonsolidierung durch verschiedene Akteure in Bosnien und Herzegowina zumindest verlangsamt, wenn nicht sogar weitgehend verhindert wird. Die zentrale These des Buches beruht auf der Annahme, dass vor allem die ethnisch-nationalistischen Parteien Bosniens großen Anteil an diesen ungewissen Aussichten haben, da diese mit ihrer politischen Arbeit gezielt versuchen, die Implementierung des Friedensabkommens von Dayton zu verschleppen, um ihre politische und zum Teil auch ökonomische Machtposition, die sie im unabhängigen Bosnien und Herzegowina nach 1995 einnehmen konnten, nicht zu verlieren. Folgende Fragestellungen sollen dabei helfen, diese Hypothese zu überprüfen: Welche Akteure können im Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina ausgemacht werden, die mit Hilfe des Spoiler-Konzepts erfasst werden können und damit eine ernsthafte Gefahr für eine nachhaltige Friedenskonsolidierung darstellen?
Inhalt und Aufbau
13
Warum treten diese Akteure und hier insbesondere die ethnischnationalistischen Parteien als Spoiler auf? Welche Mittel setzen sie dabei ein? Welche Ziele verfolgen sie mit dieser Strategie? Welche Auswirkungen haben sie auf den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina? Gibt es von Seiten der internationalen Gemeinschaft ein effektives "Spoiler-Management"? Welche Strategien verfolgt die internationale Gemeinschaft dabei? Haben sich grundlegende Einstellungen bzw. Zielsetzungen der potentiellen Spoiler im Verlauf der letzten zwölf Jahre verändert? Warum kam es zu Veränderungen bzw. warum wurde die ursprüngliche Strategie beibehalten?
1.TInhalt und Aufbau Dieses Buch gliedert sich in drei thematisch aufeinander aufbauende Teile. In einem ersten Teil sollen zunächst die thematischen Grundlagen erarbeitet werden, welche es in weiterer Folge erlauben den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina hinsichtlich des Auftretens von potentiellen Spoilern zu untersuchen. Dabei soll am Beginn eine kurze Einleitung zu allgemeinen Kriegstheorien stehen, wobei im Besonderen auf die Debatte eingegangen werden soll, welche seit dem Beginn der 90er Jahre geführt wird und sich mit den Besonderheiten der Kriegsführung in einer globalisierten Welt nach dem Ende der großen Systemkonfrontation beschäftigt. Darauf aufbauend soll auf verschiedene Konzepte zur Beendigung von Bürgerkriegen eingegangen werden. Im Hinblick auf die Beschäftigung mit Bosnien und Herzegowina soll dabei vor allem auf "post-conflict peacebuilding" bzw. "Friedenskonsolidierung" und das Modell der Konkordanzdemokratie näher eingegangen werden, da diese in der Umsetzung des Friedensvertrages von Dayton eine entscheidende Rolle spielen. Dabei soll allerdings nicht nur rein deskriptiv vorgegangen werden, sondern die dargestellten Konzepte sollen auch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Danach werde ich mich mit Problemen bei der Implementierung von Friedensabkommen näher beschäftigen, wobei der Fokus hier auf einer näheren Betrachtung des Spoiler-Konzepts liegen wird. In einem zweiten Teil soll schließlich ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Staates Bosnien und Herzegowina seit dem Ende des Krieges im Jahr 1995 näher beleuchtet werden. Hier soll einerseits auf die Entwicklung des politischen Systems eingegangen werden und andererseits die wichtigsten Erfolge und auch Misserfolge als auch problematische Entwicklungen, die im Laufe der
14
Einleitung
Implementierung des GFAP beobachtet werden konnten, angeführt werden. Da eine umfassende Analyse der Entwicklungen die Dimension jedes Buches sprengen würde, beschränkt sich diese Arbeit auf eine Untersuchung des Transformationsprozesses in den Problemfeldem Demokratisierung und ökonomischer Wiederaufbau. Im dritten und zentralen Teil dieses Buches werde ich mich schließlich mit dem Einfluss von Spoilern und hier vor allem mit den ethnisch-nationalistischen Parteien auf die Friedenskonsolidierung in post-Dayton Bosnien beschäftigen. Dabei soll die theoretische Diskussion des ersten Teiles mit den praktischen Erfahrungen, welche im zweiten Teil beschrieben werden, verbunden und überprüft werden. Die zentrale Aufgabe dieses Abschnitts ist es, einen Erklärungsansatz für das Verhalten der ethnonationalistischen Parteien im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zu finden. Darüber hinaus wird untersucht, wie die internationale Gemeinschaft auf die verschiedensten Problemstellungen reagierte und versuchte, diesen Prozess in konstruktive Bahnen zu lenken.
2
Theoretische Votüberlegungen The nations andpeoples rf the United Nations arefortunate in a wqy that those rf the LeagHe rf Nations were not. We have been given a second chance to mate a world rf OHr Charter that thl!J wers denied. With the cold war ended we have drawn backfrom the brink rf a co'!frontation that threatened the world, anti, too often, paraIJsed OHr organisation. (Boutrous-Gilli, Boutrous: An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping. Para.75)
2.1
Krieg - Bürgerkrieg - ethnopolitische Konflikte
Während viele Beobachter der internationalen Politik und auch die internationale Staatengemeinschaft mit dem Ende des Kalten Krieges, wie aus dem einleitenden Zitat des ehemaligen UN-Generalsekretärs Boutrous Boutrous-Gali zu erkennen, eine neue Ara in der Weltpolitik heraufbeschworen, in der nicht mehr Konflikt und Auseinandersetzung sondern Frieden und Zusammenarbeit die wesentlichen Grundelemente des internationalen Systems bilden sollten, musste man vielerorts schnell erkennen, dass die weitreichenden Veränderungen in nahezu allen Weltregionen in dieser Zeit auch den Nährboden für gegenteilige Entwicklungen bildeten. Staatszerfall und Staatenbildung, jene Prozesse welche für diese Phase charakteristisch waren, bildeten vielerorts die Grundlage für das Ausbrechen neuer Konflikte, welche oft mit dem Terminus ethnonationaler Konflikt beschrieben wurden. Die internationale Gemeinschaft sah sich dabei meist gezwungen hilflos mitanzusehen, wie in immer weiteren Teilen der Welt neue Konflikte ausbrachen. Der Völkermord in Ruanda, "ethnische Säuberungen" in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien oder die vollkommene Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wurden zu Metaphern für die nicht für möglich gehaltene Brutalität mit denen diese Konflikte ausgetragen wurden. Einige Autoren wie zum Beispiel der US-Amerikaner Robert Kaplan sahen sich durch diese Bilder dazu veranlasst von einer "Coming Anarchy" (Kaplan 1994a), einer Rückkehr des Tribalismus und dem Zusammenbruch der bestehenden Gesellschaftsordnung zu sprechen. Alte ethnische Rivalitäten, welche durch den Kalten Krieg nur verdeckt waren, seien nun wieder an die Oberfläche gekommen und enduden sich in blutigen Auseinandersetzungen, so die vielerorts gängige Argumentation. (Vgl. Keen 2000: 20f.) Für die Analyse von Ursachen gewaltsam ausgetragener Konflikte und für ein tieferes Verständnis jener Prozesse, welche den Nährboden für diese bilden, sind Erklärungen dieser Art allerdings etwas zu kurz gegriffen. (Vgl. Keen 2000: 21 f.) Vielmehr ist eine "neue" Sichtweise auf diese notwendig, welche die komplexen globalen Entwicklungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts miteinbezieht. Daher soll hier zunächst versucht werden, jene internationalen Veränderungen darzustellen, R. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
16
Theoretische Vorüberlegungen
die dazu beigetragen haben, dass es zu diesem rasanten Anstieg ethnopolitisch motivierter Gewalt in den letzten Jahrzehnten gekommen ist.
2.1.1. Ethnopolitische Konflikte und deren Ursachen In der Zeit rund um das Ende der Ost-West-Konfrontation konnte in nahezu allen Teilen der Welt ein starker Anstieg an ethnopolitisch motivierter Gewalt verzeichnet werden, wobei am Beginn der Neunziger ein Höhepunkt erreicht wurde. Vor allem in den post-kommunistischen Staaten aus dem Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion und in Afrika südlich der Sahara brach eine Vielzahl an blutig ausgetragenen Konflikten aus. 2 Bevor die Hintergründe dieser Entwicklung hier lliiher beleuchtet werden, sollen allerdings noch einige wichtige Begriffsdeftnitionen und Klarstellungen vorgenommen werden, die in Zusammenhang mit ethnopolitischen Konflikten stehen. Eine zentrale Rolle in dieser Diskussion nimmt dabei das Konzept der ethnischen Identität ein. Die meisten Menschen verfügen über eine oder mehrere solcher ethnischen Identitäten, auch wenn diese im Normalfall im Unterbewusstsein als Teil der gesamten Identität eines Individuums dahinschlummert, wobei es in der sozialwissenschaftlichen Literatur eine große Diskussion über Herkunft und Wirkungsweise solcher Identitäten gibt. Im Wesentlichen kann man zwei Hauptströmungen unterscheiden, wobei die Primordialisten auf der einen Seite von einem statischen Identitätsbegriff ausgehen. Identität deftniert sich demnach durch einen gemeinsamen Ursprung, gemeinsame Rituale oder Verhaltensweisen und ist von vorn herein vorgegeben und in seiner Basis nicht veränderbar. Dem gegenüber steht eine konstruktivistische Sichtweise, die ethnische Identitäten als soziale Konstrukte versteht, die sich immer wieder an neue Kontexte anpassen können und sich daher immer im Wandel beftnden. (Vgl. Gurr 2002: 4f., Harff/Gurr 2004: 96f.) So sieht Stuart Hall "Identität als eine Konstruktion, als einen Prozess, der niemals abgeschlossen ist, der immer 'gewonnen' oder 'verloren' werden kann." (Hall zit. nach Lutter/Reisenleiter 2005: 84) Ethnische Identitäten können also abhängig vom Umfeld in dem eine bestimmte ethnische Gruppe mit anderen Gruppen interagiert immer wieder neu geschaffen und verändert werden. In dieser Arbeit soll von diesem konstruktivistischen Ansatz ausgegangen werden, wobei aber auch davon ausgegangen wird, dass kollektive Werte und Erfahrungen für die Herausbildung 2
Zwischen 1986 und 1998 gab es insgesamt 52 neue ethnopolitische Konflikte welche die Schwelle zur Gewalt überschritten, davon entfielen 30 auf die Region Naher Osten, Asien und Afrika, 14 auf Staaten aus dem post-kommunistischen Bereich und 8 auf die westlichen Industrienationen und Lateinamerika. Das Jahr 1990 bildete dabei einen Höhepunkt mit 13 neuen ethnopolitischen Konflikten. (Vgl. Gurr 2002: 46)
Krieg - Bürgerkrieg - ethnopolitische Konflikte
17
solcher ethnischen Identitäten eine wichtige Rolle spielen. (Vgl. Gurr 2002: 4f., Harff/Gurr 2004: 96f.) Eine weitere Frage, die es hier zu kliiren gibt, ist die nach den Umständen unter denen ethnische Identitäten zur Basis politischer Mobilisierung werden. Wie vorher schon kurz angedeutet, spielt sie für die meisten Individuen im normalen Leben kaum eine Rolle und schlummert im Prinzip im Unterbewusstsein dahin. (VgL Volkan 1999: 38) Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie allerdings zur Triebfeder des eigenen und kollektiven Handelns vor allem in den Beziehungen zu anderen Gruppen werden. Für Gurr spielt daher der Stellenwert den die jeweilige ethnische Identität im alltäglichen Leben einnimmt eine wesentliche Rolle für den Ausbruch ethnisch motivierter Konflikte. (VgL Gurr 2002: 66f.) Dabei wird sich dieser Stellenwert im Vergleich zu anderen Teilen der Identität (z.B. Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse) erhöhen, wenn eine bestimmte ethnische Gruppe 3 aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser kollektive Diskriminierung hinnehmen muss. Als Beispiel hierfür könnten Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt wie zu Bildung oder politische Unterdrückung angeführt werden, wobei diese Einschränkungen auch nur in den Gefühlen der Mitglieder einer ethnischen Gruppe existieren können, d.h. ausschlaggebend ist hier "gefühlte Unterdrückung", die empirisch mitunter schwer zu erheben ist. (VgL Gurr 2002: 6672) "Treat a group differently, by denial or privilege, and its members become more self-concious about their common bonds and interests. Minimize differences, and communal identification becomes less significant as a unifying principle." (Gurr 2002: 6) Ethnopolitische Gruppen4 beginnen also um solche kollektiv erfahrenen Diskriminierungen zu beseitigen sich auf ihre eigene ethnische Identität zurückzubesinnen, wobei diese nach einer Metapher von Volkan als schützendes Zelt dient, welches alle Gruppenmitglieder umgibt. (Vgl. Volkan 1999: 41f.) In solchen Situationen beginnen auch politische Anführer (in Volkans Metapher jene Personen, welche das Zelt in die Höhe halten (VgL Volkan 1999: 41f.), eine wichtige Rolle zu spielen. Die Mitglieder einer Gruppe werden ihrer Politik folgen, wenn sie sich davon erwarten können, dass die gefühlten kollektiven Diskriminierungen dadurch in absehbarer Zeit beseitigt werden können. (VgL Gurr 2002: 67; Volkan 1999: 42) Ethnopolitische Konflikte können demnach als Konflikte zwischen einem Staat und ethnischen Gruppen gesehen werden, deren zentrales Interesse darin besteht, ihre als diskriminierend wahrgenommenen Beziehungen zu diesem grundlegend zu verändern. Als treffend erweist sich daher die Definition von Ted Gurr, 3
4
Als ethnische Gruppe werden gesellschaftliche Gruppen bezeichnet, deren Mitglieder eine auf gemeinsamen Werten, Erfahrungen oder Bräuchen aufbauende ethnische Identität teilen. (Vgl. Gurr 2002: 5) Als ethnopolitische Gruppen werden jene gesellschaftliche Gruppen bezeichnet, deren ethnische Identität zu einer Basis für politisches Handeln bzw. Behandlung wird. (Vgl. Gurr 2002: 5)
18
Theoretische Vorüberlegungen
der ethnopolitische Konflikte als Konflikte definiert, ,,in which claims are made by anational or minority group against the state or against other political actors." (Gurr 2002: 65) Aufgrund des Umfangs der Forderungen nach einer Neuordnung der Beziehungen mit einem übergeordneten Staat können zwei Übergruppen ethnopolitischer Gruppierungen unterschieden werden. Auf der einen Seite stehen "nationale Gruppen", die ein gewisses Maß an eigenständigem Nationalbewusstsein pflegen. Die für diese Untersuchung wichtigste Gruppe aus diesem Bereich stellen die Ethnonationalisten dar, welche über ein mehr oder weniger abgeschlossenes Siedlungsgebiet verfügen in dem sie normalerweise die Bevölkerungsmehrheit stellen. Ihr Hauptziel besteht meist darin politische Autonomie zu erreichen oder einen eigenen Staat zu errichten. Als Beispiel hierfür können die unterschiedlichen ethnischen Gruppen im früheren Bundesstaat Jugoslawien angeführt werden, die alle über ein historisch determiniertes Siedlungsgebiet verfügten und innerhalb der jeweiligen Gruppe eine gemeinsame ethnische Identität aufrechterhielten. Auf der anderen Seite stehen Minderheiten, deren politisches Engagement hauptsächlich auf besseren Zugang zu politischen Institutionen oder auf eine Verbesserung von Minderheitenrechten abzielt. Als Beispiel hierfür können die türkischen Zuwanderer in Deutschland oder die chinesische Minderheiten in vielen Staaten Südostasiens angeführt werden. 5 (VgL Gurr 2002: 16fE; Harff/Gurr 2004: 19-34) Während Minderheiten also an einer besseren Partizipation innerhalb des bestehenden politischen Systems interessiert sind, streben Ethnonationalisten nach einer weitgehenden Neuordnung der Beziehungen mit dem übergeordneten Staat. So fordern sie "typischerweise eine Selbstregulierung, die es ihnen ermöglicht, auf Dauer ihre politischen, kulturellen und/oder sozio-ökonomischen Angelegenheiten selbst zu bestimmen und gleichzeitig ihre besonderen Anliegen vis-a-vis der Gesamtgesellschaft zu vertreten." (Scbneckener 2002: 37) Anhaltende politische oder ökonomische Diskriminierung bilden meist allerdings nur den Anfangspunkt eines beginnenden ethnischen Konflikts. Vor allem für den Umfang der Ziele und den Mitteln mit denen diese erreicht werden sollen spielen weitere Faktoren eine wichtige Rolle, welche von Ted Gurr als "capacity for ethnopolitical action" (Vgl. Gurr 2002: S. 74ff.) bezeichnet werden. Die Kapazitäten einer ethnischen Gruppe genügend Anhänger für ihre Anliegen gegenüber dem Gesamtstaat zu rekrutieren, hängen vor allem mit den internen Strukturen der betreffenden Gruppe zusammen, wobei der Zusammenhalt im Inneren eine wichtige Rolle spielt. Dieser kann nicht nur durch die Betonung einer gemeinsamen ethnischen Identität gewährleistet werden, sondern hängt von 5
Für eine ausführlichere Klassifizierung kosmopolitischer Gruppen siehe: Gurr 2002: S. 16ft: Bzw. Hatff/Gurr 2004: S. 19-30.
Krieg - Bürgerkrieg - ethnopolitische Konflikte
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weiteren strukturellen Variablen ab. (Vgl. Gurr 2002: 75) So haben empirische Studien gezeigt, dass ethnopolitisch motivierte Konflikte vor allem dann auftreten, wenn rivalisierende ethnische Gruppierungen in voneinander mehr oder weniger abgegrenzten Siedlungsgebieten leben, d.h. die jeweilige Gruppe darin die Mehrheitsbevölkerung stellt. (Vgl. Gurr 2002: 75f.) Mobilisierung für ethnopolitische Anliegen wird auch dann einfacher sein, wenn innerhalb der Gruppe schon eine historisch gewachsene Form von Organisation existiert. Auch den Anführern einer ethnischen Gruppe kommt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zu. Nur wenn sie es schaffen politische Grabenkämpfe innerhalb der eigenen Gruppe zu beenden und alle wichtigen Akteure auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen, werden sie in der Lage sein genügend Anhänger für ihre eigenen Ziele zu mobilisieren. Kann eine derartige Einigkeit nicht erreicht werden, hat die gesamte ethnopolitische Protestbewegung wenig Aussicht auf Erfolg. Gurr fasst dieses Argument sehr treffend zusammen: "If the aspiring leaders of ethnopolitical groups fail to build inclusive coalitions, mobilization and joint action are impeded, resources are deflected into factional fighting, and it is easier for states to co-opt and deflect communal opponents." (Gurr 2002: 77) Diese Notwendigkeit zur Vereinheitlichung führt, wie Bardhan am Beispiel der HinduNationalisten in Indien zeigt, in vielen Fällen allerdings auch dazu, dass moderate Kräfte von radikaleren Kräften zurückgedrängt werden, wodurch die Interaktion mit anderen ethnischen Gruppen weiter erschwert wird. (Vgl. Bardhan 1997: 76;79) Anführer müssen in den Augen ihrer Basis aber auch als authentisch wahrgenommen werden, d.h. sie müssen ihn als angemessenen Vertreter ihrer Gruppe akzeptieren, der in der Lage ist ihre Forderungen gegenüber den übergeordneten Institutionen umzusetzen. (Vgl. Gurr 2002: 78) Neben diesen gruppeninternen Faktoren, welche zur Erklärung ethnopolitischer Konflikte herangezogen werden können gibt es auch noch Variablen, die außerhalb der jeweiligen ethnischen Gruppen zu finden sind und von Gurr als "political opportunity structures" (Vgl. Gurr 2002: 79ff.) bezeichnet werden und sich auf das politische Umfeld beziehen in dem sich die betreffenden ethnischen Gruppierungen bewegen. In demokratischen Staaten wird es für Minderheiten leichter sein ihre Forderungen mit friedlichen, konventionellen Mitteln zu erreichen, da politische Partizipation und Zugang zu den Institutionen im Normalfall gewährleistet werden. Zudem verfügen diese Staaten meist über ausreichende Ressourcen um Diskriminierung und Schlechterstellung von benachteiligten Gruppen zu beseitigen. Auf der anderen Seite stehen autokratische Systeme in denen Aufstände jeglicher Art normalerweise unter Androhung bzw. Anwendung von Gewalt sofort wieder unterdrückt werden. Die Chancen für eine erfolgreiche ethnopolitische Protestbewegung stehen in diesen Staaten also mehr als schlecht. (Vgl. Gurr 2002: 84f.; Harff/Gurr 2004: 104f.)
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Zwischen diesen beiden Extremen liegen jene früher meist autokratischen Staaten, welche in der Spätphase des Ost-West-Konflikts begonnen haben, demokratische Systeme aufzubauen. Diese Phase der Transition von Autokratie zu Demokratie stellt vor allem in heterogenen Staaten für ethnische Minderheiten oft ein Dilemma dar. Auf der einen Seite können durch demokratische Reformen die Barrieren für den Zugang zu politischen Institutionen und zum politischen System als Ganzes erheblich verringert werden. Auf der anderen Seite fühlen Minderheiten in einer solchen Übergangsphase einen Verlust an Sicherheit, vor allem wenn die neue politische Elite keine glaubwürdigen Garantien für den zukünftigen Status von eventuellen Minderheiten abgibt. 6 Gerade von radika1en Anführern ethnopolitischer Gruppen wird dieses Gefühl der Unsicherheit oft missbraucht, um ihre eigenen politischen Ziele umzusetzen. Dazu kommt noch die Tatsache, dass diese Transformationsländer noch über kein gefestigtes politisches System und auch im Gegensatz zu gefestigte Demokratien noch nicht über ausreichend Ressourcen verfügen, um mit aufkeimenden ethnonationalen Protesten umzugehen. Im Endeffekt führen solche Entwicklungen oft zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppierungen. (Vgl. Gurr 2002: 85ff.) Daher kann man sagen, dass "democratization in its early stages facilitates both ethnically based protest and rebellion. The worst-case scenario is that the rejection of accommodation by one or aIl contenders will lead to civil war and the reimposition of autocratic rule by the strongest contender." (Gurr 2002: 87) Ein weiterer wichtiger externer Faktor für ethnonationale Konflikte stellt das jeweilige internationale Umfeld bzw. die Einbettung der betreffenden ethnischen Gruppe in dieses dar. Vor allem Unterstützungsleisrungen aus dem Ausland - entweder von befreundeten Staaten oder aus der Diaspora - können eine wichtige Rolle für den Erfolg einer ethnopolitischen Bewegung spielen. Des weiteren können erfolgreiche ethnopolitische Protestbewegungen auch als Anreiz für ähnliche Gruppierungen in anderen Staaten dienen, ebenfalls aktiv zu werden. (Vgl. Gurr 2002: 89ff.) Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ethnopolitische Konflikte das Resultat einer Vielzahl an miteinander verwobenen Einflussfaktoren sind. Sie sind nur selten das Ergebnis religiöser oder kultureller Unterschiede und ihr Ursprung
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Als Beispiel lässt sich hier Kroatien anführen, wo in der ersten kroatischen Verfassung die Rechte der serbischen Minderheit stark beschnitten wurden. Für die serbische Bevölkerung im unabhängigen Kroatien bestand so die Gefahr in diesem neuen Staat marginalisiert zu werden. Diese Angst nützten die Anführer serbischer Kroaten um einen Aufstand mit dem Ziel einer Sezession der serbischen Teile zu initiieren. (Vgl. Ognyanova 2005: 13f.)
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liegt auch nicht in "ewigen Feindschaften", wie so oft behauptet wird. 7 Vielmehr sind ethnopolitische Konflikte die Folge geschickter Agitation von Führungspersönlichkeiten in ethnischen Gruppen, welche unter bestimmten Voraussetzungen (wie ökonomische oder politische Diskriminierung), aufbauend auf dem psychologisch verbindenden Element der ethnischen Identität in der Lage sind, Gruppenmitglieder für ihre eigenen politischen Ziele zu mobilisieren. Darüber hinaus spielt das nationale wie das internationale Umfeld in das die jeweiligen Länder eingebettet sind, eine ebenso wichtige Rolle für die Form des Konfliktaustrags. (Vgl. Gurr 2002: 94f.)
2.1.2. Die Zeit des Umbruchs in den ietifen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Betrachtet man diese Faktoren und vergleicht sie mit der Zeit am Ende des Kalten Krieges, so kann man sehr schnell zur Erkenntnis kommen, dass die globalen Veränderungen welche in dieser Phase ihren Anfang nahmen einen optimalen Nährboden für ethnopolitische Protestbewegungen bildeten. Auf der einen Seite bedeutete das Ende des bipolaren internationalen Systems einen Zusammenbruch jener hegemonialen Machtstrukturen, welche für den Ost-West-Konflikt charakteristisch waren und ethnopolitische Konflikte in vielen Teilen der Welt vielfach überlagerten. (Vgl. Schneckener 2002: 12) Auf der anderen Seite wurden gerade in den, dem sowjetischen Machtblock zugehörigen Staaten Osteuropas und Asiens in denen Ideologie und nicht ethnische Identitäten unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zusammenschweißen sollte, ethnonationale Regungen weitgehend unterdrückt. (Vgl. Harff/Gurr 2004: 10) Dennoch wurden auch in diesen Ländern schon in der Zeit des Staatssozialismus von verschiedensten ethnischen Gruppierungen Forderungen nach mehr Autonomie und mehr Rechten laut. In Jugoslawien begannen die einzelnen Republiken schon in den sechziger Jahren mehr Rechte auf Kosten des Gesamtstaates einzufordern. (Vgl. Calic 1996: 33f:) Auch die Abchasen in Georgien und Armenier in Aserbaidschan artikulierten schon damals ihre Forderungen nach mehr Selbstbestimmung, die jedoch weitgehend ungehört blieben. (Vgl. Gurr 2002: 52) In der Zeit des Umbruchs Ende der achtziger Jahre sahen diese Gruppierungen verstärkt eine Chance ihre Ziele zu erreichen, d.h. das Ende des hegemonialen internationalen Systems brachte in vielen Teilen der Welt auch eine Rückbesinnung auf alte ethnische Trennlinien mit sich: "When empires and hegemonial state systems decline, ethnification occurs." (Gurr 2002: 94) 7
"Such explanations usually become significant because they are invoked by contemporary ethnopolitical leaders seeking to mobilize support, not because cultural or historical differences generate a primordial urge to conflict." (Gurr 2002: 95)
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In vielen post-kommunistischen Staaten dieser Region trug allerdings noch ein weiterer Umstand zur Zunahme ethnopolitisch motivierter Protestaktivitäten bei. In nahezu allen diesen Ländern wurde mit dem Ende der Bipolarität ein Prozess der Demokratisierung eingeleitet. Wie vorher schon erwähnt führt diese Entwicklung generell dazu, dass der Zugang zum politischen System für Minderheiten erleichtert wird. Demokratisierung führte in vielen Fällen allerdings auch zu politischer Fragmentierung und damit in weiterer Folge zu politischer Instabilität. Vor allem in multiethnischen Staaten wie Jugoslawien, war schon in den achtziger Jahren eine zunehmende Zersplitterung basierend auf ethnischen Trennlinien zu beobachten. Diese Situation wurde von geschickten Anführern ethnischer Gruppen dazu benutzt, um moderatere Kräfte weitgehend zu verdrängen. (Vgl. Gurr 2002: 43) Ausgehend von einer nationalistischen Angstrhetorik schärften sie die interethnischen Trennlinien und bildeten so die Basis für die folgenden blutigen Auseinandersetzungen. Die Zunahme ethnopolitischer Konflikte am Ende des Kalten Krieges muss noch im Licht eines anderen dominierenden Phänomens dieser Zeit gesehen werden: der Globalisierung. Die immer weiter fortschreitende globale Vernetzung, nicht nur im Bereich der internationalen ökonomischen Beziehungen, sondern auch in den Sozialbeziehungen, brachte weltweit weitreichende politische und gesellschaftliche Veränderung mit sich. Nationalstaatliche Grenzen verloren immer mehr an Bedeutung, sowie Nationalstaaten insgesamt immer mehr an eigenständiger Gestaltungsmacht an eine übergeordnete, globale Ebene (im Wesentlichen kontrolliert von den internationalen Finanzinstitutionen) abgeben mussten. Der private Sektor gewann enorm an Einfluss, während demokratisch gewählte Institutionen in vielen Teilen der Welt immer weniger in der Lage waren, die Interessen ihrer Bevölkerung zu befriedigen. (Vgl. HippIer 2005: 3f.) Vor allem in den Ländern des Südens aber auch in den ehemaligen kommunistischen Ländern aus dem Einflussbereich der Sowjetunion brachten diese Entwicklungen für einige Akteure gewisse Vorteile mit sich. Ganze Ökonomien wurden von einer Handvoll Personen aus der politischen Elite zur persönlichen Bereicherung in Beschlag genommen. Mark Duffield fasste diese Entwicklung folgendermaßen zusammen: "Political actors have been able to control local economies and realize their worth tbrough the ability to forge new and flexible relations with liberalized global markets. [...] deregulation has prompted the emergence of a globalized criminal economy." (Duffield 2000: 72) Vor allem unübersichtliche Bürgerkriegssituationen wurden von geschäftstüchtigen Anführen zur persönlichen Bereicherung ausgenützt. Zudem wurden Ressourcen die danach am Weltmarkt verkauft wurden, gestohlen und ausgebeutet um den bewaffneten Kampf überhaupt zu finanzieren oder zu verlängern. (Vgl. Arnson: 9f.)
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Auf diese neue Form der Kriegsökonomie soll allerdings im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden. Hier soll nur festgehalten werden, dass die (neo-)liberale Globalisierung in vielen Teilen der Welt Bedingungen hervorbrachte, welche wesentlich zu Ausbruch und Prolongierung kriegerischer Auseinandersetzungen beitrugen. Globalisierung führt jedoch nicht nur zu Integration und zunehmender Verflechtung (mit ihren positiven wie negativen Auswirkungen), sondern wird auch von einer entgegengesetzten Strömung begleitet, die als Fragmentierung bezeichnet wird. Vor allem im sozio-kulturellen Bereich ist diese Gegenbewegung verstärkt zu bemerken. Die globale Ausbreitung westlicher kultureller, politischer oder gesellschaftlicher Vorstellungen und Angebote stieß in vielen Regionen der Welt auch auf zunehmenden Widerstand. Zukunftsängste infolge rascher Veränderungen und Angst vor sozialem Abstieg vor dem Hintergrund zunehmender globaler Arbeitsmigration und groß angelegten Betriebsabsiedelungen in Billiglohnländer, trugen zu dieser Tendenz bei. Für Ulrich Menzel sind wir "derzeit Zeugen von zwei Megatrends, die unterschiedlichen Llgiken gehorchen: Auf der einen Seite [...] der Trend zu Globalisierung [...] auf der anderen Seite [...] der Trend zu Fragmentierung aller Lebensbereiche." (Menzel 1998: 38f.) So kam es vielfach zu einer Wiederbelebung des Lokalen und der damit verbundenen Werte und Traditionen. Die als Bedrohung des "Eigenen" wahrgenommene Homogenisierungstendenz der Globalisierung führte somit zu einer stärkeren Rückbesinnung auf die eigene "historisch gewachsene Identität [und] begünstigt damit zweifelsfrei partikulare Tendenzen, die ihre Ausprägung in fundamentalistischen und ethno-nationalistischen Bewegungen finden." (Varwick 2004: 165) Globalisierung trägt demnach in seiner Schattenseite wesentlich zu einer zunehmenden Konfliktanfilligkeit des internationalen Systems bei. Zusammenfassend kann man sagen, dass die zu beobachtende Häufung ethnopolitischer Konflikte in den Neunzigern vor dem Hintergrund verschiedener miteinander verflochtener globaler Entwicklungen zu sehen ist: Staatszerfall und Staatenbildung, Demokratisierung, Globalisierung. Alle diese Phänomene zusammen bildeten die Grundstruktur jenes internationalen Umfelds, welches verschiedene Gruppen und Akteuren die Möglichkeit und teilweise auch die Anreize gab, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen.
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2.1.3 Charakteristika der Kriegifiihrung in den Neunzigern Die seit dem Ende des Ost-West Konflikts zu beobachtenden Kriege erregten aber nicht nur aufgrund der kontextuellen Ursachen, die ihnen zu Grunde lagen, vermehrt Aufmerksamkeit in der Sozialwissenschaft, sondern auch der im Vergleich zu früheren Konflikten teilweise veränderte Charakter des Konfliktaustrags, führte zu einer verstärkten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen. Mary Kaldor führte für diese Konflikte die Bezeichnung "Neue Kriege" ein (VgL Kaldor 2007), wobei der Terminus "neu" den Wandel in der Art und Weise der Kriegsführung nach dem Kalten Krieg ausdrücken sol1. 8 Wurden seit der Herausbildung des westfilischen Systems von Nationalstaaten am Beginn des 17. Jahrhunderts internationale Konflikte in der Regel als zwischenstaatliche Kriege zwischen formal gleichgestellten, souveränen Staaten ausgetragen, fand gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Großteil der bewaffneten Auseinandersetzungen innerhalb bestimmter Staaten statt, wobei diese meist als Bürgerkriege bezeichnet wurden. Dieser Wandel von zwischenstaatlichen zu innerstaatlichen Konflikten ist gekennzeichnet von einer Bedeutungszunahme privater oder halb-staatlicher Gewaltakteure. Die (neo-)liberale Reformpolitik der "BrettonWoods Zwillinge"9 in den Achtzigern führte vielfach dazu, dass Staaten immer weniger in der Lage waren, öffentliche Leistungen für ihre Bürger zu erbringen. Dies hatre zur Folge, dass private Akteure verstärkt versuchten diese "Versorgungslücke" zu schließen, wodurch der Staat und seine Institutionen immer mehr an Legitimität verloren. Während Einfluss und Macht privater Gewaltakteure immer 8
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Hier bleibt anzumerken, dass es in der wissenschaftlichen Literatur auch einige Stimmen gibt die einer solchen Diagnose kritisch gegenüberstehen bzw. für übertrieben halten. "Neue Kriege" sind demnach nicht unbedingt "neu", da viele Besonderheiten der "Neuen Kriege" schon in früheren bewaffneten Konflikten zu finden waren. Vielmehr hätten sich empirische Untersuchungsmethoden sowie die grund1egende Herangehensweise an das Phänomen Krieg in der Konfliktforschung verändert bzw. verbessert, wodurch viele Ergebnisse dieser Arbeit als "neu" erscheinen, obwohl mit den selben Methoden und der selben Datenlage solche Befunde auch schon für frühere Konflikte hätten erzielt werden können. Edward Newman schreibt dazu: "It is essential to understand whether it is our approach and analysis that have changed, or the social reality, or both. I would argue that both have indeed changed, but the change in reality is not as great as that presented by much literature on wars and conflict." (Newman 2004: 185) Die "Neue Kriege"-Literatur ttug aber dennoch vor allem in der Erforschung der tiefer liegenden Kriegsursachen erheblich zu einem besseren Verständnis gegenwärtiger Konflikte bei, auch wenn einige Befunde vielleicht mit Vorsicht genossen werden müssen. (Vgl. Newman 2004: 179-187) Als "Bretton-Woods Zwillinge" werden Weltbank und IWF bezeichnet, deren Gründung im Rahmen einer internationalen Konferenz in Bretton-Woods im Jahr 1944 beschlossen wurde.
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weiter stiegen, bröckelte das Gewaltmonopol des Staates immer weiter ab. (Vgl. Newman 2004: 176) "Within this context, violence is effectively privatized, as the state's control and monopoly over violence declines as an extension of the erosion of state capacity." (Newman 2004: 176) "Warlords", d.h. lokale, private Kriegsherren die eigene Armeen unterhalten, wurden zu Symbolfiguren für die Privatisierung des Krieges dieser Zeit. Kriegsvölkerrecht oder gar humanitäres Völkerrecht kümmert diese oft bunt zusammengewürfelten aber schwer bewaffneten Gruppen wenig. Statt dessen scheint es so als sei in diesen Konflikten Gewalt Mittel und Zweck in einem. Systematische Verfolgung und Vertreibung der Zivilbevölkerung, Massenvergewaltigungen, Menschenhandel oder Zwangsrekrutierungen auch von Minderjährigen waren in den Neunzigern häufig zu beobachtende Auswüchse dieser Entwicklung. (Vgl. Münkler 2002: 33-43) Charakteristisch für diese Konflikte ist dabei, dass sie hinsichtlich Ausrüstung, Rekrutierung und Ausbildung von einer starken Asymmetrie geprägt sind, v.a. wenn staatliche Armeen bewaffneten Aufständischen gegenüberstehen. Daher spielen in diesen Kriegen die Strategien der Partisanen- und Guerillakriegsführung eine wesentliche Rolle, da diese Taktiken es der asymmetrisch unterlegenen Partei erlauben, ihre strategischen Nachteile in Vorteile umzuwandeln. (VgL Münkler 2006: 160E) So wird der Nachteil der geringeren Truppenstärke verbunden mit geringerer Feuerkraft, durch gezielte Angriffe auf Nachschub und verstreute Einheiten des Gegners, in den Vorteil der höheren Beweglichkeit umgewandelt. Da der Partisane Entscheidungsschlachten meidet und dem Prinzip "der Dislozierung der Kräfte in Raum und Zeit" (Münkler 2002: 24) folgt, gibt es in solchen Auseinandersetzungen immer wieder Veränderungen in der Intensität des Konfliktes, der einmal dahinschwelt um kurze Zeit später wieder voll auszubrechen. Dabei entsteht das Dilemma, dass anders als bei klassischen Staatenkriegen, welche mit formalen Rechtsakten begonnen und auch beendet wurden, bei dieser Form des Konflikts oft weder ein genauer Anfangspunkt noch ein genauer Endpunkt ausgemacht werden kann. Da die Schwelle zur Rückkehr zum bewaffneten Kampf hier meist sehr niedrig ist, ist es vor allem für etwaige Friedensbemühungen sehr wichtig, dass alle wichtigen Akteure rniteinbezogen werden und ein möglicher Friedensschluss von einem Friedensprozess begleitet wird. Dieser muss versuchen die gesamtgesellschaftliche Gewaltbereitschaft zu senken und Möglichkeiten zu Kooperation und friedlichem Interessensausgleich bereitzustellen, um ein neuerliches Aufflackern von bewaffneten Auseinandersetzungen zu verhindern. (Vgl. Münkler 2002: 27f.) Eine weitere zentrale These der Debatte über "neue Kriege" ist der Wandel der grundlegenden Handlungsmotive der beteiligten Akteure. Spielten v.a. in der Zeit des Kalten Krieges Ideologien und geostrategische Überlegungen in diesem Bereich eine zentrale Rolle, so sind heute die "Politik der Identität" (Vgl. Kaldor
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2006: 131-148) und ökonomische Überlegungen die wichtigsten handlungsleitenden Motive. Da diese Punkte v.a. auch hinsichtlich einer Beschäftigung mit SpoilerAktivitäten in Friedensprozessen eine wichtige Rolle spielen, soll auf diese im Folgenden nun gesondert und genauer eingegangen werden.
Die "Politik der Identität" Identitäten und Identitätspolitik spielen wie vorher schon beschrieben für die Mobilisierung politischer Gruppen eine enorme Bedeutung. Vor allem in den Konflikten, welche seit dem Ende des Ost-West Konflikts verstärkt zu beobachten waren, war immer wieder eine Wiederbelebung und Instrumentalisierung solcher bestehender kollektiver Identitäten auszumachen. Mary Kaldor führte dafür den Begriff der "Politik der Identität" ein, mit denen sie "Bewegungen [bezeichnet], die ihre Gefolgschaft auf Grundlage ethnischer, rassischer oder religiöser Identität mobilisieren, und zwar zum Zwecke der Erlangung staatlicher Macht." (Kaldor 2007: 131). In früheren Konflikten wurde gesellschaftlicher Zusammenhalt meist durch Rückgriffe auf ideologisch definierte Ideen und Veränderungswünsche erzielt. Menschen sollten sich hinter diesen gemeinsamen Ideen versammeln und für deren Umsetzung eintreten, wobei ethnische oder religiöse Unterschiede in der Regel keine Rolle spielten. Ideologie überlagerte solche Differenzen und diente als Bindeglied innerhalb dieser Gesellschaften. (Vgl. Kaldor 2007: 133) "In der Regel ist eine Politik dieses Typs auf Integration angelegt und schließt alle ein, die der zentralen Idee anhängen. [00'] Im Gegensatz dazu ist die Politik der Identität eher fragmentierend, rückwärtsgewandt und ausschlussorientiert." (Kaldor 2007: 133f.) Aufbauend auf bestehenden kollektiven Identitäten verfestigt und verschärft die "Politik der Identität", getragen von radikalen nationalistischen Forderungen, mögliche Disparitäten zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Vor dem Hintergrund erodierender Staatlichkeit und wirtschaftlicher Krise wird Nationalismus und die eigene ethnische Identität eine wichtige Waffe im Kampf um knappe Ressourcen. (Vgl. Kaldor 2007: 136) Vor allem in den ehemaligen kommunistischen Ländern befanden sich die Menschen seit den Achtziger Jahren immer mehr auf der Suche nach einem neuen Identifikationsmerkmal, nachdem das alte - die Ideologie des Kommunismus - immer mehr an Anziehungskraft verlor. Nationalismus und eine Wiederbelebung einer eigenen "historischen" Identität welche im kommunistischen System keinen Platz fand, boten hier eine willkommene Alternative. Geboten wurde diese von geschickten Politikern, die ihrerseits selbst um politische Macht und Einfluss in den sich in einem Zerfallsprozess befindlichen oder schon neu geschaffenen Staaten kämpfen mussten. (Vgl. Kaldor 2007: 134-140) Der Erfolg blieb ihnen nicht verwehrt, wofür Kaldor eine plausible Erklärung bietet:
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"In Gesellschaften, deren Bürger davon ausgehen, dass man von ihnen ein ganz bestimmtes Wahlverhalten erwartet, und die an die Existenz politischer Alternativen nicht gewöhnt sind und sie wohl auch nicht für beständig halten, ist die Entscheidung für die eigene Nationalität die naheliegendste Option." (Kaldor 2007: 137)
Ein Klima der Angst vor möglichen Einbußen in ökonomischer wie gesellschaftlicher Natur in einem zukünftigen, fundamental veränderten Staat war die Folge dieser Art von Politik. Gleichermaßen schritt die gesellschaftliche Polarisierung, d.h. die Fragmentierung in meist anhand ethnischer Kriterien definierter Gruppen mit enormen Tempo voran. Innergesellschaftliche Konflikte gewannen immer mehr an Schärfe, während moderate Positionen immer weiter in den Hintergrund gedrängt wurden. "Je größer das allgemeine Gefühl der Unsicherheit, desto größer ist die Polarisierung der Gesellschaft, und umso weniger Raum gibt es für eine alternative, auf Integration abzielende Politik" (Kaldor 2007: 144) Am Ende dieser Entwicklung standen meist mit äußerster Brutalität ausgetragene Kriege, in denen sich alle beteiligten Gruppen einen "eigenen" Teil des Kuchens sichern wollten. Als Hinterlassenschaft verblieb oft ein Trümmerfeld mit extrem polarisierten gesellschaftlichen Strukturen, in denen Mechanismen der Kooperation und Konsensfindung zwischen den verschiedenen Gruppierungen nachhaltig zerstört wurden. Für die Zeit nach dem Ende der blutigen Auseinandersetzungen und des Wiederaufbaus bürdete die vielerorts radikale Identitätspolitik allen Beteiligten eine enorme Hypothek auf, welche ein friedliches und kooperatives Zusammenleben in einem gemeinsamen Staat auf lange Zeit erheblich behindern wird.
Die politische Ökonomie der "neuen Kriege" Die Debatte um die "neuen Kriege" brachte auch einem bislang wenig untersuchten Aspekt der modernen Kriegsführung verstärkte Aufmerksamkeit ein: das Zusammenspiel von ökonomischen Überlegungen und kollektiver Gewaltanwendung. Dabei spielte die Kriegswirtschaft auch in allen bisherigen Kriegen eine zentrale Rolle, da jeder bewaffnete Kampf Ressourcen verbraucht. Um diesen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, müssen die beteiligten Akteure dafür sorgen, dass ein ausreichender und beständiger Zufluss an Ausrüstung, Verpflegung und Waffen sichergestellt werden kann. In klassischen Kriegen wird dazu im Normalfall die reguläre Wirtschaft der entsprechenden Länder adaptiert und auf Produktion von Rüstungs- und anderen für die Versorgung der Truppen notwendigen Gütern umgestellt. In Bürgerkriegen engagierte, nicht-staatliche Akteure, denen diese Option fehlt, müssen dagegen auf alternative Formen der Ressourcen-
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beschaffung zurückgreifen, wobei ihnen unterschiedliche Möglichkeiten offen stehen. Dabei können Konfliktparteien im Wesentlichen entweder auf jene lokale Ressourcen zurückgreifen welche im von den eigenen Kräften kontrollierten Gebiet vorhanden sind oder sich um Unterstützung außerhalb des Kriegsgebiets bzw. jenes Staates auf dem der Konflikt ausgetragen wird, bemühen. Vor Ort vorhandene Ressourcen werden von den jeweiligen bewaffneten Gruppen meist unter Androhung bzw. Anwendung von Gewalt von der ansässigen Zivilbevölkerung angeeignet. Internationale Hilfsgüter, welche eigentlich das Leid der an den Kämpfen unbeteiligten Menschen lindern sollten, gelangen so oft über Umwege in die Hände der Konfliktparteien. (Vgl. Rufin 1999: 27-31) Eine weitere weitaus effektivere Strategie der Ressourcenallokation in innerstaatlichen Konflikten stellt für viele bewaffnete Bewegungen allerdings die Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität dar, wobei diese sich hierbei vor allem in "illegale[r] Produktion, illegalen Abbau oder Handel von legalen oder illegalen Gütern oder Diensdeistungen" engagieren. (Rufin 1999: 31) Die "Produktpalette" reicht dabei von illegal geförderten Rohstoffen (z.B. Diamanten, Gold, tropischen Hölzern) über den Handel mit illegalen Drogen bis hin zum Menschenhandel. In Staaten mit fragilen Strukturen oder in Staaten, in denen sich neu geschaffene staatliche Institutionen noch in einer Konsolidierungsphase befinden, kann darüber hinaus auch immer wieder eine Kriminalisierung der formellen Wirtschaft beobachtet werden, wobei nicht-staatliche Gewaltakteure dem schwachen Staat die Kontrolle über ganze Wirtschaftsbereiche entziehen und für die eigenen Ziele instrumentalisieren. (Vgl. Rufin 1999: 31-34) Solche Formen der Raubökonomie oder einer Kriminalisierung der wirtschafdichen Strukturen waren in Folge unübersichdicher Kriegssituationen allerdings auch in früheren Zeiten sehr häufig zu beobachten. (VgL Berdal/Malone 1999: 1) Die "neuen Kriege" brachten allerdings eine Veränderung im Stellenwert ökonomischer Überlegungen mit sich. Dienten oben genannte Formen der Ressourcenaneignung früher zur Aufrechterhaltung des Kampfes, so hat es heute oft den Anschein, als sei die Anhäufung materieller Reichtümer das Ziel der blutigen Auseinandersetzung. "While economic resources [00'] had always been vital to sustain these conflicts, what appeared new was the degree to which these resources themselves emerged not as a means to an end but as the very object of the sttuggle." (Arnson 2005: 3) Beobachtungen aus verschiedensten gegenwärtigen Bürgerkriegen schienen diese These zu bestärken. Charles Taylor "verdiente" mit den Konflikten in Liberia von 1992 bis 1996 über 400 Millionen USo. Und auch in anderen Ländern, wie Angola, Demokratische Republik Kongo oder auch Bosnien und Herzegowina profitierten geschickte "politische Unternehmer" finanziell von Bürgerkriegssituationen. (Vgl. Berdal/Malone 2000: Sf.)
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Einige Autoren wie Paul Collier und Anke Hoeffler (Vgl. Collier/Hoeffler 2000) gingen sogar so weit, dass sie die These formulierten, dass ökonomische Motive G,greed'') in gegenwärtigen Konflikten die primäre Konfliktursache darstellen. In ihren empirischen Untersuchungen kamen sie zum Schluss, dass populäre Erklärungsversuche, die ethnische/religiöse Fragmentiemng, politische Unterdrückung oder ökonomische Ungleichheiten (zusammengefasst unter dem Begriff "grievances'') ins Zentrum der Untersuchungen rückten, schlichtweg falsch sind. (Vgl. Collier 2000: 96ff.) So hielt Paul Collier in einem Artikel fest: "The results overwhelmingly point to the importance of economic agendas opposed to grievance. Indeed, the grievance factors ate so unimportant or perverse [...] I think, grievance-based exp1anations of civil war ate so seriously wrong." (Collier 2000: 96)
Obwohl diese Diagnose mit Sicherheit übertrieben ist und von Collier und Hoeffler in späteren Arbeiten auch abgeschwächt wurde (Vgl. Collier/Hoeffler 2004), ist es dennoch unbestreitbar, dass ökonomische Überlegungen vor allem in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Einfluss auf die Motive der involvierten Akteure in ethnonationalen Konflikten oder Bürgerkriegen ausübten. Die Entstaatlichung des Krieges und die damit einhergehende Zunahme in der Anzahl der privaten Gewaltakteure führte immer mehr dazu, dass ökonomische Interessen die grundlegenden Zielsetzungen der Konfliktparteien veränderten. "Ohne Rentabilität der Gewalt keine Privatisierung des Krieges", schreibt dazu Herfried Münkler. (Münkler 2002: 161) Die verstärkte internationale Vernetzung im legalen wie illegalen ökonomischen Sektor, sowie die Herausbildung eines weitgehend unbeschränkten Weltmarktes für viele Güter, boten lokalen Eliten und Warlords immer mehr die Möglichkeit von der illegalen Ressourcenaneignung zu profitieren. Damit verbunden ist allerdings auch die Tatsache, dass es im Interesse dieser Akteure liegt, dass jenes Umfeld welches ihnen diese Profite ermöglicht auch bestehen bleibt, d.h. es besteht das Interesse dass der Kriegszustand aufrechterhalten bleibt und staatliche Strukturen weiterhin schwach bleiben. (Vgl. Berdal/Malone 1999: 7f.) "The most basic of military objectives in wat - that is, defeating the enemy in battle - has been replaced by economically driven interests in continued fIghting and the institutionalization of violence at what is for some clearly a profitable level of intensity". (Berdal/Malone 1999: 2)
Ökonomische Motive spielen allerdings nicht in allen Phasen eines bestimmten Konfliktes eine dominierende Rolle. Vielmehr verändern sich im Verlauf dieser Auseinandersetzungen die grundlegenden Handlungsmotive der beteiligten Akteure. In einem Versuch "greed"-orientierte und "grievance"-orientierte Erklärungsversuche zu vereinen, stellte William Zartman in seinem Artikel "Need, Creed, and Greed in Intrastate Conflicts" (Zartman 2005: 256-284) die Dynamik. von inner-
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staatlichen Konflikten anband einer Wirkungskette dar, wobei den verschiedenen Eskalationsphasen des Konflikts unterschiedliche Handlungsmotive zugrunde liegen. (Siehe Tabelle 1) Ausgangspunkt der Betrachtung sind schwache oder fragile Staaten, die nicht (mehr) in der Lage sind grundlegende öffentliche Güter für die eigene Bevölkerung bereitzustellen. In einer ersten Phase werden Motive, auf denen ein innerstaatlicher Konflikt basiert, durch gesellschaftliche Missstände, ökonomische Ungleichbehandlung oder Ausschluss vom politischen System geprägt. Diese negativen Erfahrungen (needs) bilden allerdings noch nicht genug Anreiz für eine erfolgreiche kollektive Mobilisierung. Dazu braucht es einen externen Akteur: den politischen Unternehmer. "It takes a pyromanie to throw a match into the socia1 tinder heap. The state weakness creates an open space for those who would fill the vacuum; the
•
Konfliktverlauf
Grundmotiv
Charakteristika
1. Phase
2.
Phase
Need
Creed
Greed
• Armut, Ausschluss von sozialen Dienstleistungen • ökonomische Diskriminierung • unerfüllte Hoffnungen (z.H. an Systemwechsel)
• Auftreten politischer Unternehmer • Mobilisierung der Gruppe basierend auf ethnischer Identität • Sicherung von Ressourcen für weiteren Konfliktverlauf
• Konfliktende nach Sieg einer Partei oder Verhandlungen • "self-serving stalemate" - politische Ziele rücken in den Hintergrund - ökonomische Motive als primäre Konfliktmotivation
0
~
r:l
~
~
3. Phase
Tabelle 1: Das Zusammenspiel von Need, Creed und Greed, nach Zar/man 2005: 266-269.
deprivation gives them a cause to do so." (Zartman 2005: 266f.) Dieser ist in der Lage, Teile der betreffenden Gesellschaft durch Aktivierung ihrer ethnischen Identität zu mobilisieren, wodurch diese zum zentralen Konfliktmotiv wird. "Identity becomes the major resource in the generation of conflict, and so the process passes from need to creed." (Zartman 2005: 267) In dieser Phase geht es für den politischen Unternehmer bzw. Anführer der jeweiligen Gruppen in erster
Kriegsbeendlgung und Friedenskonsolidierung
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Linie darum, den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe zu festigen und genügend Ressourcen für den weiteren Konfliktverlauf sicherzustellen. Sind diese Ziele erreicht, kann der Konflikt in eine offene Eskalationsphase übergehen, die so lange andauert bis es entweder zu einem einseitigen Sieg einer Konfliktpartei oder zu einem Friedensschluss nach Verhandlungen kommt. Treten diese beiden Fälle nicht ein, kann es in lang anhaltenden Auseinandersetzungen zu einem anderen Ergebnis kommen - dem "self-serving, stable stalemate". (Zartman 2005: 269) Dieses bietet den beteiligten Akteuren "a comfortable resting place for rebellion and an acceptable division of territories for the government".l0 (Zartman 2005: 269) Die Erreichung der ursprünglichen politischen Ziele rückt in den Hintergrund., während ökonomische Motive immer wichtiger werden. "Greed, in the third stage, deforms and obscures the original bases in Need and Creed, and it hijacks the conflict from social (group) to personal (individual) benefits." (Zartman 2005: 270) Ist ein Krieg erst einmal in einer solchen Phase angekommen, ist eine Beilegung des bewaffneten Konflikts nur mehr sehr schwer zu erreichen. Zu groß sind die Anreize die eine Aufrechterhaltung des Kriegszustandes mit sich bringt, und zu klein die Anreize die eine Beseitigung dieses Zustandes bietet. Diese Umstände stellen für einen möglichen Friedensprozess große Herausforderungen dar, da ein solcher nicht nur die grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Konfliktursachen bearbeiten, sondern auch die politische Ökonomie des Krieges einbeziehen muss.
'ITKriegsbeendigung und Friedenskonsolidierung 2.2.1 Friedenskonsolidierung in der Theorie Nachdem die grundlegenden Ursachen und Charakteristika innerstaatlicher Konflikte dargestellt wurden, gilt es sich die Frage zu stellen: Wie können von Bürgerkriegen tief zerrüttete Gesellschaften nachhaltig befriedet werden? 10 Ein Paradebeispiel für einen Konflikt der in einer Phase eines "self-serving stable stalemates" feststeckt, kann im Bürgerkrieg in Kolumbien gefunden werden. Alle Gewaltakteute in diesem Krieg befinden sich im Moment in einer Situation in der sie davon profitieren können. "In Columbia, tbe original demands of tbe rebellion have been forgotten as tbe Merry Men of tbe FARC and tbe ELN have learned to enjoy living in Sherwood Forest and benefiting from drug ttade and oi! trade extortion, while tbe militias born of the state or parts of it, or in which tbe state has acquiesced, such as tbe United Self-Defence Forces of Colombia (AUC), riyal tbem in tbe same pursuit." (Zartman 2005: 275; mehr zur politischen Ökonomie des Bürgerkriegs in Kolumbien: Chernick, Marc 2005: 178-205)
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Theoretische Vorüberlegungen
Unter dem Eindruck der steten Zunahme innerstaatlicher Konflikte in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, begann sich die Friedens- und Konfliktforschung verstärkt mit den unterschiedlichen Aspekten dieser Entwicklung auseinanderzusetzen. Dabei stand allerdings die Kriegsursachenforschung im Vordergrund, während Fragen nach jenen Bedingungen, welche der Sicherstellung und Bewahrung friedlicher Verhältnisse behilflich sind, wenig Beachtung fanden. (Vgl. Matthies 1995: 10) Krieg wurde gemeinhin als gesellschaftliche Dysfunktion gesehen, die es zu beseitigen galt. "The resulting temptation is to turn away from warfare as quickly as possible, to put the madness of war into the past, and to get back to "normal" with the greatest possible haste." (Keen 2000: 21) Das primäre Ziel der Konfliktregulierung musste demnach darin bestehen, Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien zu beenden. Die gängige Formel zur Konflikttermination lautete daher: keine Kämpfe = kein Krieg = Frieden. (Vgl. Matthies 1995: 11; 13) Die Konzentration auf die Erreichung dieses "negativen Friedens", der sich lediglich durch die Abwesenheit militärischer Gewalt definiert, verdeckt allerdings die Sicht auf grundlegende Probleme von durch Kriegen in ihren Grundfesten erschütterten Gesellschaften. Frieden bedeutet viel mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg, Frieden erfordert auch eine grundsätzliche Neuordnung gesellschaftlicher Beziehungen und die Bewältigung jener politischen, sozialen oder ökonomischen Verwerfungen, welche ursächlich mit dem Ausbruch der Kampfhandlungen zusammenhängen. "A transition from war to peace is likely to represent a realignment of political interests and a readjustment of economic strategies rather than a clean break from violence to consent, from theft to production, or from repression to democracy. [...] A Iasting solution to civil war depends not simply on creating incentives for the acceptance of peace, irrespective of how exploitative it may be, but on the creation of a peace that takes account of the desires and the grievances that drove people to war in the fIrst place." (Keen 2000: 38f.)
So wurde bald klar, dass positive Verhandlungen und die Unterzeichnung formaler Friedensschlüsse keine hinreichenden Bedingungen für die Etablierung eines nachhaltigen Friedens in den betroffenen Gesellschaften darstellen. Diese Einsicht wurde durch Beobachtungen aus Ländern wie Angola, Liberia oder Ruanda bestärkt, in denen auf zunächst als Erfolg betrachtete Friedensabkommen nach kurzer Zeit neuerlich bewaffnete Auseinandersetzungen folgten. (Vgl. Stedman 2002: 1E) Bald begann sich die Sozialwissenschaft in stärkerem Maße damit zu beschäftigen, warum Friedensprozesse in einigen Fällen einen erfolgreichen Ausgang nehmen und in anderen Fällen die Zeit der Verhandlungen nur eine Zwischenphase vor einem neuerlichen Ausbrechen von Kampfhandlungen darstellen. Je nach Autor und Studie waren es andere Kriterien, die entscheidend für Erfolg und Misserfolg dieser Prozesse waren. Für Fen Osler Hampson, der sich als
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einer der ersten mit diesem Problemfeld beschäftigte, spielten internationaler Beistand, die "Reife" des Konflikts,11 der Einfluss regionaler Akteure und die Qualität eines Friedensabkommens eine entscheidende Rolle. (Vgl. Stedman 2002: 4f.) Für Barbara Walter können Friedensprozesse und die Implementierung von Friedensabkommen nur dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn internationale Akteure bereit sind, diese zu überwachen und falls notwendig auch durchzusetzen. (Vgl. Walter 161ff.; Stedman 2002: 5ff.) Auch Stephen Stedman und Donald Rothchild beschäftigten sich mit jenen Bedingungen, welche die erfolgreiche Implementierung von Friedensabkommen erschweren. Für sie sind fehlende Koorclinierung zwischen den mit der Umsetzung der oft unklar formulierten Abkommen betrauten internationalen Organisationen, die fehlende Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft ausreichend Ressourcen für diese Aufgaben bereitzustellen oder die Anwesenheit von Akteuren, die wenig bis gar kein Interesse an der Umsetzung dieser Abkommen haben, die grundlegenden Ursachen für das Scheitern von Friedensprozessen. (Vgl. Stedman 2002: 8ff.) Obwohl in ihren Details recht unterschiedlich, haben diese Arbeiten jedoch eines gemeinsam: Man erkannte, dass "Kriegsbeendigung nicht mehr der klare terminliche Abschluss eines gewaltförmigen Konfliktaustrages [war], sondern ein komplexer und langwieriger Prozess der Transformation vom Krieg zum Frieden." (Matthies 1995: 13) Mit dieser Erkenntnis eng in Zusammenhang steht das Konzept der Friedenskonsolidierung G,post-conflict peacebuilding"). Geprägt wurde dieser Begriff vom ehemaligen UN-Generalsekretär Boutrous Boutrous-Gali, der in seiner ,,Agenda für den Frieden" aus dem Jahr 1992 die Notwendigkeit für ein verstärktes Engagement der internationalen Gemeinschaft nach dem formalen Ende des Krieges und eine intensivere Beschäftigung mit dem Wiederaufbau der betreffenden Staaten und Gesellschaften einfordert. So schrieb er: "Um wirklich erfolgreich zu sein, werden friedensschaffende und friedenssichernde Einsätze auch umfassende Anstrengungen zur Ermittlung und Förderung von Strukturen beinhalten müssen, die geeignet sind den Frieden zu konsolidieren und bei den Menschen ein Gefühl des Vertrauens und Wohlbefindens zu fördern." (Boutrous-Gali 1992: Para. 55) Friedenskonsolidierung ist demnach mit Friedensschaffung G,peacemaking'') und Friedenserhaltung G,peacekeeping'') ein vitaler Bestandteil der Transformation kriegerischer in friedliche Verhältnisse. Nach Boutrous-Gali ist das primäre Ziel von Friedenskonsolidierung die Schaffung gesellschaftlicher Verhältnisse, die ein 11 Das Konzept der "reifen Momente" in einem Konflikt stammt von William Zartman. Dieser argumentiert, dass Konfliktparteien dann an einem Ftiedensprozess teilnehmen, wenn diese sich in einer gegenseitigen Pattsituation befinden, die keiner Partei Aussicht auf Erfolg beschert. (Mutual Hurting Stalemate) Erst wenn ein Konflikt in einer solchen für beide Seiten ausweglosen Situation "feststeckt" können gegenseitige Verhandlungen mit Aussicht auf Erfolg begonnen werden. (VgL Zartman 2003: 19-29)
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Theoretische Vorüberlegungen
neuerliches Aufflackern des bewaffnete Konflikts verhindern können. (Vgl. Boutrous-Gali 1992: Para. 57) Erreicht werden soll ein solcher Zustand durch verschiedenste Maßnahmen, wie Demobilisierung und Demilitarisierung der Konfliktparteien, Beseitigung von Minenfeldern, Unterstützung beim Aufbau neuer demokratischer Institutionen und Strukturen, Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, Rückkehr von Flüchtlingen, Durchführung freier und fairer Wahlen oder vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien in den Bereichen Kultur und Bildung. (Vgl. Boutrous-Gali 1992: Paras. 55-56 und 58-59) Mit dem Konzept der Friedenskonsolidierung verabschiedete man sich endgültig vom "negativen Frieden" als befriedigenden Zustand nach Beendigung eines bewaffneten Konflikts und ersetzte ihn statt dessen durch einen viel umfassenderen "positiven" Friedensbegriff. "Damit ist die Friedenskonsolidierung Ausdruck der alten und neuen Erkenntnis, dass 'Frieden mehr ist als Nicht-Krieg'." (Matthies 1995: 20) Dabei muss aber auch die Frage gestellt werden, worin ein solcher "positiver Frieden" besteht bzw. wodurch er sich definieren lässt. Galtungs Definition, als ein Zustand der Abwesenheit jeglicher struktureller Gewalt, mag vielfach als ein zu hoch gestecktes Ziel angesehen werden. (Vgl. Matthies 1995: 27f.) Zumindest in einem theoretischen Sinne ist sie dennoch hilfreich, denn sie "verweist über den Zustand des Nicht-Krieges hinaus auf gesellschaftliche Strukturen und Prozesse, die gegeben sein müssten, um dauerhaft und verlässlich Gewalt- und Kriegsträchtigkeit abzubauen." (Matthies 1995: 28) Dieter Senghaas versucht daher diese theoretische Position in eine praktische Handlungsanleitung mit konkreten Zielvorgaben umzumünzen. Positiver Friede kann demnach durch einen politischen Prozess erreicht werden, der gesellschaftliche Bedingungen schafft die ein friedliches Zusammenleben aller gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht. Frieden wird als "Zivilisierungsprojekt [verstanden], das darauf abzielt, tragende Bausteine einer stabilen Friedensordnung zusammenzufügen, die verlässlich garantiert, dass unvermeidliche gesellschaftliche Konflikte gewaltfrei und geregelt ausgetragen werden." (Matthies 1995: 29) Die Grundpfeiler dieser Friedensordnung12, welche sich aus Erfahrungen aus der europäischen Geschichte ableiten, fasst Senghaas im sogenannten "zivilisatorischen Hexagon" (Abb. 2) zusammen, welche die Basis für friedliches und konstruktives gesellschaftliches Zusammenleben bilden. (Vgl. Senghaas 1995: 196-223) Dazu gehört zum einen die Entprivatisierung von Gewalt und die (Wieder-)Herstellung des (staatlichen) Gewaltmonopols. Dies darf allerdings nicht zu willkürlicher Anwendung staatlicher Gewalt führen, sondern muss durch rechtsstaatliche 12 Als "Friedensordnung" wird in der Friedensforschung "eine demokratische Ordnung [bezeichnet], in der die Gefahr des gewaltsamen Konfliktaustrags nicht (mehr) besteht," (Lutz 1999 zit. nach: Gärtner 2005: 42)
35 Pl::i.JJZi.pien zum einen legitimiert und zum anderen beschränkt werden. Den dritten Eckpfeiler de5 zivilisatorischen Hexagons bilden die Herausbildung von inDcrgesdbchafi:lk:hen Interdependen2CD. die in differenziercen GesellschUten zu .titkttc:' Selbstkontrolle und -behernc:hung bdt:mgen können. Dieser M«h.njsmus 2W: Affi:ktkonttolle ist die "Grundlage eicht nur von Aggte3sionshcmmung und Gcwaltverzkht" sonde:m darauf aufbauend von Tolennz und KompromissB.bigkcit." (Senghaas 1995: 200) Des weiteren kann laut Scoghaas eine dauerb,&c Fricdensotdnung nur erreicht werden., wenn den Bütgem die Mfiglichkcit geboten wird. iht:e InbefelSC11 Aktiv in den politischen Prozess dn2ubringen. Nur in politiJch.en Systemen welche flaibel und effektiv auf die Wünsche und Angstt ihret Bürget eingehen können, ist eine Verlagerung der funn des KonBikm.ust:ngc von einer gewaltsamen auf eine friedliche Ebene gewihrleistet. Bog damit VO':bunden ist der .e<:hstc Pfeiler des zivilisa.torischen Heugons: lIOZialc: Guechtigkcit. GIeicbm.i.ßigc: Woblstand!l'Ve.fU:ilung und die Sichentcllung cinc:lI ~ Maßes an Lebc:nsqualität stellen demnach fundamentale: VorausKtzuDgco. fiir die Funktions&higkd.t ckmomtische:t. rechtsstaatlicher Systane dar. So acbttibt ScDgbau: ,.Die mataidk Atmkht:nll:lß VOll. Rcch~ imbaondctt im Sinne dna .AntcilI an Wohlfahrt, Lu .Jto nicht eine poIitiscbc: Oricnticruag. der in tokhcn GcIC1lJchafu:n nach Belieben gefolgt werden kann; &ie iM vielmcbr eioe kODUitutm: Bedingung der Lr:benafihiFit voo teehts&taailith Chdnuogeo und dunit deI
innererl.Fricdeos." (Scnghau 1995: 2OtE)
Den IcttteD Bckpunkt bildet eine mmtruktive po1iti&c:he StteitkuItur, ~ sich auf die Em~ vedässlicbet und funktionierende Mechanismen zur friedlichen .An:ikuLltion und Bearbcitung von KooiIikten in einer Gesdlachaft
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Theoretische Vorüberlegungen "Gibt es in einer aufgegliederten, aber deshalb auch zerklüfteten Gesellschaft faire Chancen für die Artikulation und den Ausgleich von unterschiedlichen Interessen, kann unterstellt werden, dass ein solches Arrangement verlässlich verinnerlicht wird, eine Bereitschaft zur produktiven Auseinandersetzung mit Konflikten vorliegt und kompromissorientierte Konfliktfähigkeit einschließlich der hierfür erforderlichen Toleranz zu einer selbstverständlichen Orientierung politischen Handelns wird." (Senghaas 1995: 202)
Das Modell des zivilisatorischen Hexagons fasst somit jene gesellschaftlichen Eigenschaften zusammen, die es einer Gesellschaft ermöglichen, Konflikte in einer konstruktiven und friedlichen Art und Weise zu bearbeiten. Friedensprozesse können mit diesem aber auch hinsichtlich ihrer Qualität bzw. ihrer Fähigkeit gesellschaftliche Verhältnisse nachhaltig zu befrieden evaluiert werden. (Vgl Matthies 1995: 29f.) Andererseits lassen sich daraus auch verschiedene Aufgaben ableiten, wie sie teilweise auch in der ,,Agenda für den Frieden" festgehalten wurden, die im Rahmen einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung in PostKonflikt-Gesellschaften erfüllt werden müssen. Diese lassen sich im Wesentlichen in fünf großen Teilbereichen zusammenfassen. (Vgl. Schneckener 2005: 21f.; Matthies 1995: 23-27) Zum einen müssen im Rahmen der Friedenskonsolidierung all jene sicherheitspolitischen Probleme adressiert werden, die für eine gesellschaftliche Nachkriegsordnung eine erhebliche Gefahr darstellen können. Dabei geht es in erster Linie um die Herstellung eines sicheren Umfeldes, in dem alle anderen Aspekte der Friedenskonsolidierung ohne drohende Gefahr eines neuerlichen Ausbruchs von Kampfhandlungen bearbeitet werden können. Gemäß dem Grundsatz ,,lacking security on the ground, there cannot be deep implementation of [...] an agreement" (Spear 2002: 141), kann Friedenskonsolidierung nur dann beginnen und gelingen, wenn mögliche militärische Optionen für alle beteiligten Parteien ausgeschlossen werden. Zu diesem Aufgabenkomplex zählen die Entwaffnung und Demobilisierung ehemaliger Kombattanten bzw. deren Reintegration in die zivile Gesellschaft, Minenräumung, der Aufbau von Polizei und Justiz und einer neuen gemeinsamen Armee. 13 Der zweite Problembereich befasst sich mit der (Wieder-)Herstellung politischer Strukturen nach rechtsstaatlichen Prinzipien, die einerseits einen friedlichen innergesellschaftlichen Konfliktaustrag ermöglichen und andererseits den Bürgern bzw. der Zivilgesellschaft Partizipationsmöglichkeiten einräumen. Daneben müssen Instrumentarien und Institutionen geschaffen werden, welche effektiven Minderheitenschutz oder die Achtung der Pressefreiheit und der Grundrechte überwachen und gewährleisten können. Dazu bedarf es vor allem in stark fragmentierten und nach den Erfahrungen blutiger Auseinandersetzungen 13 Für eine genauere Befassung mit diesem Aufgabenbereich siehe: Spear 2002: S.141-159.
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meist auch stark polarisierten Gesellschaften, eines politischen Systems, dass allen am Konflikt maßgeblich beteiligten Akteuren die Möglichkeit zur Teilnahme bietet. Nur wenn alle relevanten Gruppen davon überzeugt sind, dass ihre Anliegen auch Beachtung finden, werden sich zukünftige Konflikte vermeiden lassen. So schreibt Volker Matthies: "Wenn den maßgeblichen sozialen und politischen Kräften einer Gesellschaft nicht eine angemessene Beteiligung an der Macht und den Entscheidungsprozessen eingeräumt wird, kann es kaum einen stabilen Friedensprozess geben." (Matthies 1995: 24) Damit stellt die politische Dimension der Friedenskonsolidierung auch einen zentralen Aufgabenbereich in den Wiederaufbaubemühungen dar, der wesentlichen Einfluss auf Erfolg und Misserfolg der gesamten komplexen Bemühungen zur Stabilisierung des Friedens ausüben kann. (Vgl. Cousens 2001a: 11ff.; Kumar 2001: 183f.) Elizabeth Cousens und Chetan Kumar argumentierten in ihrem Buch "Peacebuilding as Politics: Cultivating Peace in Fragile Societies" (Cousens/Kumar 2001), um die zentrale Stellung dieses Aspekts der Friedenskonsolidierung hervorzuheben, folgendermaßen: "We argue that the most effective means to self-enforcing peace is to cultivate political processes and institutions that can manage group conflict without violence but with authority and, eventually, legitimacy. If war is a continuation of poIitics by other means, peacebuilding can be seen as an opportunity to charmel 'war' into manageable forms of competition or to support [...] the reinstitution of political Iife." (Cousens 2001a: 12)
Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie die meist neu zu schaffenden staatlichen Strukturen und Institutionen beschaffen sein müssen, um den Prozess der politischen Konsolidierung nachhaltig positiv zu beeinflussen. In Wissenschaft und Praxis wurden in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit eine Reihe verschiedener Regelungsmodelle entworfen (Vgl. z.B. Schneckener 2002), wobei den sogenannten power-sharing Modellen eine besondere Bedeutung zukommt. Vor allem in ethnisch stark fragmentierten Gesellschaften sollen diese eine Basis für eine zukünftige konstruktive Zusammenarbeit der verschiedenen ethnopolitischen Gruppen bilden, wobei ,,[die Grundidee] [...] darin [besteht], die politische Macht zwischen zwei oder mehreren ethno-nationalen Gruppen auf der Basis formaler oder informeller Regeln zu teilen. Diese Machtteilung impliziert, dass die Gruppen ein politisches Gemeinwesen (Staat oder Region) gemeinsam regieren und daher wichtige Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen treffen müssen." (Schneckener 2002: 237)
Power-sharing Modelle versuchen also aufbauend auf formalen Regeln, die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu politischer Kooperation in den dafür vorgesehenen Institutionen zu bewegen. Dem gegenüber stehen demokratische Konsens- oder Mehrheitssysteme, in denen im Normalfall mehrere Parteien eine Koalitionsregierung bilden bzw. das Wahlsystem so konstruiert ist, dass der
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Wahlsieger automatisch eine parlamentarische Mehrheit erlangen kann und die Vertreter für die hochrangigen Posten in der staatlichen Verwaltung entsendet. (Vgl. Sisk 1996: 31f.) Dies kann in ethnisch fragmentierten Staaten allerdings dazu führen, dass bestimmte ethnische Minderheiten aufgrund ihrer demographischen Größe nur geringe Möglichkeiten haben, sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen und ihre Interessen in den politischen Entscheidungsfindungsprozess einzubringen. Für diese Gruppen besteht somit die Gefahr ständig von der Mitbestimmung im politischen System ausgeschlossen zu werden. (Vgl. Sisk 1996: 32) Diese Gefahr des permanenten Ausschlusses versuchen power-sharing Modelle zu beseitigen, indem allen ethnopolitischen Gruppen Zugang und Gestaltungsmacht in den staatlichen Institutionen zugesichert wird. Durch die verschiedenen formalen Regelungen und die Zusammenarbeit in den Institutionen sollen Mittel und Wege gefunden werden, die zukünftig einen friedlichen innergesellschaftlichen Konfliktaustrag ermöglichen. "The mies of the political game can be structured to institutionalize moderation on divisive ethnic themes, to contain, the desttuctive tendencies, and to preemt the centrifugal thrust created by ethnic politics." (Sisk 1997: 33) Power-Sharing Modelle basieren im Wesentlichen auf fünf Grundelementen. (Vgl. Sisk 1997: 36ff.; Schneckener 2002: 240f.) Zum einen setzt sich die Exekutive nach bestimmten Regeln aus Vertretern aller relevanten Gruppen zusammen, um jeder Gruppe ein gewisses Maß an Mitbestimmungsrecht zuzusichern. "The common denominator and the most important feature is that decision making takes place consensually at the top among elites representing underlying social segments." (Sisk 1997: 36) Darüber hinaus werden auch alle anderen wichtigen Gremien und Posten in der öffentlichen Verwaltung, Wirtschaft, Polizei, Justiz oder Militär nach dem Prinzip der Proportionalität vergeben. Zudem erhält jede Gruppe umfassende Vetorechte, die verhindern sollen, dass Beschlüsse zum Nachteil einer bestimmten Gruppe gefasst werden. Ein weiteres Grundelement von power-sharing Modellen ist das Prinzip der "Gruppen-Autonomie" (Schneckener 2002: 240), d.h. dass "jede Gruppe [...] bis zu einem gewissen Grad über eine Selbstverwaltung mit eigenen Organen und entsprechenden Aufgabenbereichen [verfügt]." (Schneckener 2002: 240). Diese Regelung bringt mit sich, dass die jeweiligen ethnopolitischen Gruppen ähnlich dem Subsidiaritätsprinzip der Europäischen Union die Möglichkeit erhalten, Problemstellungen, welche vornehmlich ihren eigenen Bereich betreffen, selbst zu bearbeiten und zu lösen. In der Praxis kann dies durch die Einführung eines föderalen Systems oder durch Autonomiebestimmungen für bestimmte Gebiete umgesetzt werden. Das fünfte grundlegende Charakteristikum der power-sharing Modelle bezieht sich auf Instrumentarien und Institutionen zur Streitschlichtung, welche dazu dienen in verfahrenen Situationen Lösungswege aufzuzeigen oder wichtige Streitfragen zu klären. Dadurch soll verhindert werden, dass das politische System aufgrund anhaltender Streitigkeiten über bestimmte Fragen blockiert wird.
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Die detailgenaue Umsetzung dieses Modells in der Praxis führt allerdings nicht zwangsläufig zu einer erfolgreichen Friedenskonsolidierung, vor allem wenn starre, formelle Regelungen getroffen werden, die sich nicht an den bestehenden Bedingungen vor Ort orientieren und somit Kompromissfindung behindern, anstatt sie zu fördern. Die zu schaffenden Strukturen sollten daher so beschaffen sein, dass sie anpassungsfahig sind und sich gegebenenfalls auch auf neue Situationen einstellen können. (Vgl. Schneckener 2002: 493f.) Vielmehr sollten sie aber als ein Einstieg in einen sehr langwierigen Prozess der Friedenskonsolidierung gesehen werden, der die Konfliktparteien über einen längeren Zeitraum vom Pfad des Konflikts und des Dissenses auf den Pfad der Kooperation und des Kompromisses führt. (VgL Schneckener 2002: 488f.) Kumar meint dazu, dass "peacebuilders should not focus on prescribing or operating specific political structures but on facilitating or enforcing the conditions that constitute an appropriate context for these structures to emerge." (Kumar 2001: 184) Ein dritter Bereich der Friedenskonsolidierung befasst sich mit den sozioökonomischen Folgen des Krieges bzw. deren Bewältigung. Die Hauptaufgabe in diesem Bereich liegt über einen längeren Zeitraum gesehen in der Transformation der während des Krieges entstandenen Bürgerkriegsökonomie in eine reguläre Ökonomie. Dazu gehört auch eine Entkriminalisierung der Wirtschaft und die Schaffung gesetzlicher Verhältnisse, die einen Wiederaufbau und die Wieder-belebung der vom Krieg meist stark in Mitleidenschaft gezogenen Ökonomie ermöglichen. (Vgl. Woodward 2002: 188) Zudem bedarf es der Wiederherstellung öffentlicher Dienstleistungen, wie z.B. der Gesundheitsversorgung oder des Bildungssystems. Erst wenn die Bürger eines betroffenen Staates erkennen, dass friedliche Verhältnisse auch ein gewisses Maß an höherer Lebensqualität mit sieh bringen, besteht eine große Chance auf eine nachhaltige Befriedung der innergesellschaftlichen Konfliktkultur: "Some signal that there will be a 'peace-dividend' - that the benefits will outweigh the costs - must be palpable for people to make even the minimal investment in rebuilding their lives and supporting politically those promoting peace." (Woodward 2002: 186)
Als vierter Aspekt der Friedenskonsolidierung kann die Bearbeitung der psycho-sozialen Kriegsfolgen gesehen werden. Hier geht es vor allem um die Wiederherstellung der durch die Erfahrungen des gewaltsamen Konflikts stark beeinträchtigten oder gar weitgehend zerstörten sozialen Beziehungen innerhalb der betroffenen Gesellschaft. So ist zum einen eine Betreuung vom Krieg besonders in Mitleidenschaft gezogener Gesellschaftsschichten, wie kriegstraumatisierter Kinder, Frauen aber auch ehemaliger Kämpfer notwendig, um eine einfachere Reintegration zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen auch Maßnahmen getroffen werden, die
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einen Versöhnungsprozess innerhalb der Gesellschaft einleiten können. Dazu "bedarf es [...] [der Initüerung] eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses über die Ursachen und Folgen des Krieges, um Hass und Misstrauen abzubauen und kollektive Traumata zu bewältigen." (Matthies 1995: 26) Über die wichtige Rolle von Versöhnung im Rahmen der Friedenskonsolidierung schreibt Martina Fischer zudem: "Versöhnung wird als Voraussetzung für dauerhaften Frieden und für die Vorbeugung des Ausbruchs weiterer Gewalthandlungen erachtet, insbesondere dann, wenn es sich um Gesellschaften handelt, die von ethnopolitischen Gewaltkonflikten geprägt sind, und in denen die Kontrahenten oft in Nachbarschaft auf engstem Raum zusammenleben und von daher die Zukunft gemeinsam gestalten müssen." (Fischer 2008: 1) Dies unterstreicht die hohe Relevanz, die eine Bearbeitung dieses Problemfeldes beim Aufbau einer nachhaltig gesicherten Friedensordnung einnimmt. Ein fünfter Aspekt der Friedenskonsolidierung geht über den betroffenen Staat hinaus und verlangt die Miteinbeziehung der angrenzenden Staaten oder anderer regionaler Akteure in den Friedensprozess, da diese oft in unterschiedlichem Ausmaß in den Konflikt involviert waren. So schreibt Ulrich Schneckener: "Erfolgreiches peacebuilding ist heute kaum mehr vorstellbar ohne die systematische Berücksichtigung regionaler Faktoren." (Schneckener 2005: 22) Fragen über die Rückkehr von Flüchtlingen oder Maßnahmen zur Unterbindung grenzüberschreitender Kriminalität stellen daher wichtige Problemstellungen dar, die in einem umfassenden Friedensprozess adressiert werden müssen. Friedenskonsolidierung ist somit ein vielschichtiger und meist auch sehr langwieriger Prozess, in dessen Verlauf eine Vielzahl an verschiedenen miteinander interdependenten Aspekten zu beachten sind. Von Erfolg wird dieser Prozess dann gekrönt sein, wenn diese Faktoren in ausreichendem Maße berücksichtigt werden und die im Rahmen dieser Arbeit geschaffenen Strukturen durch die Initüerung eines kollektiven Lernprozesses dazu beitragen, die Konfliktkultur innerhalb einer bestimmten Gesellschaft zu verändern. (Vgl. Schneckener 2002: 484-490)
2.2.2 Friedenskonsolidierung in der Praxis In der Praxis kann Friedenskonsolidierung nur selten an die hohen Ansprüche der zu Grunde liegenden theoretischen Konzepte heranreichen. Nur in wenigen Fällen gelang es den internationalen Organisationen, den Friedensprozess nachhaltig zu stabilisieren. Die Friedensbemühungen in Namibia, Mosambik, EI Salvador, Guatemala oder in Timor Leste zählen zu diesen friedenspolitischen Erfolgsgeschichten. Die Liste der Fehlschläge ist allerdings um einiges länger. In Sri Lauka, Angola, Somalia, Ruanda, oder Sierra Leone ist die Friedenskonsolidierung kläglich
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gescheitert, nachdem bereits nach einer kurzen Kampfpause wiederum neue, teilweise noch heftigere bewaffnete Auseinandersetzungen ausbrachen. Und in Ländern wie Libanon, Liberia oder Bosnien und Herzegowina ist bis dato noch nicht endgültig klar, ob der peacebuilding-Prozess eine dauerhafte Befriedung der innergesellschaftlichen Verhältnisse mit sieh bringt (Vgl. Downs/Stedman 2002: 59). Angesichts dieser Situation schreibt Ulrich Schneckener: "Das Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis, zwischen friedenspolitischem Anspruch und der zur Verfügung stehenden Ressourcen, zwischen geweckten Erwartungen und Politikergebnissen ist beim peacebuilding nach wie vor erheblich." (Schneckener 2005: 36) Die Gründe für diese Diskrepanz zwischen theoretischen Konzeptionen und praktischen Erfahrungen sind allerdings sehr vielschichtig und nur selten auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Eines der grundlegenden Probleme der Friedenskonsolidierung liegt in den unterschiedlichen Strategien, mit denen von Seiten der internationalen Gemeinschaft versucht wird, in Konfliktregionen Bedingungen für eine nachhaltige Friedensordnung zu schaffen. Je nach Ansatz stehen dabei andere Prioritäten im Vordergrund. Vom (Neo-)Liberalismus inspirierte Strategien des post-conflict peacebuilding basieren auf der Annahme, dass der freie Markt der beste Ort ist, um Konflikte auszutragen und sie zu lösen. Dementsprechend stehen Maßnahmen zum raschen Aufbau eines demokratischen Systems nach westlichem Vorbild, eine zügige Durchführung erster freier Wahlen und ökonomische Liberalisierung, d.h. Marktöffnung und Privatisierung im Vordergrund. Ein anderer Ansatz orientiert sich eher an sicherheitspolitischen Problemstellungen (1. Säule der Friedenskonsolidierung) und konzentriert sich in erster Linie auf deren Bearbeitung. Eine dritte Strategie forciert primär den Aufbau staatlicher Strukturen und Institutionen und orientiert sich somit hauptsächlich am zweiten Teilbereich des vorher erläuterten Konzepts. Letztlich gibt es auch noch Ansätze die einen Friedensprozess "von unten" präferieren, d.h. die Förderung und der Aufbau zivilgesellschaftlicher Organisationen und Netzwerke stehen im Vordergrund. Einerseits soll dadurch ein den Interessen der Bürger entsprechendes Gegengewicht zum politischen System geschaffen und andererseits ein Prozess der Versöhnung auf der "GraswurzelEbene" eingeleitet werden. (VgL Schneckener 2005: 22-26) Im Grunde genommen kann keine dieser verschiedenen Strategien mit ihren sehr unterschiedlichen Zielsetzungen als gänzlich falsch oder zur Gänze erfolgsversprechend erachtet werden. Vielmehr hat jede dieser Konzeptionen ihre Stärken und Schwächen. Ein grundlegendes Problem, welches allen diesen Ansätzen innewohnt, ist die Tatsache, dass sie auf westlichen Erfahrungswerten und Modernisierungsmodellen basieren. Den mit der Durchführung der Maßnahmen zur Friedenskonsolidierung betrauten Organisationen mangelt es oft an ausreichendem Wissen
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über die Konfliktregion und um die fundamentalen Ursachen des Konflikts, den sie zu befrieden versuchen. Dadurch werden oft Konzepte und Programme erstellt, die in der Realität im jeweiligen Konfliktumfeld schlichtweg nicht durchzusetzen sind. "War-torn societies need highly context-sensitive approaches to political stabilization, reform and reconstruction, and international efforts that are informed enough to adapt themselves to changing circumstances in real time." (Cousens 2001a: 15) Doch die Entscheidung, wie und wann sich ein bestimmter Staat an der Friedenskonsolidierung in einem fremden Land beteiligt, wird in den jeweiligen Hauptstädten entschieden und gründet sich so gut wie nie auf einer eingehenden Einschätzung der Lage und den Erfordernissen vor Ort. Statt dessen stehen Konzepte im Vordergrund, die sich eher an den Interessen der involvierten Drittstaaten orientieren und nicht an den realen Begebenheiten in den betreffenden Konfliktregionen. (Vgl. Schneckener 2005: 34ff; Kumar 2001: 187f.) (Neo-)Liberale Ansätze haben zudem sicher Recht in der Annahme, dass Demokratisierung und freie Marktwirtschaft und damit verbunden wirtschaftliche Entwicklung, wie vorher bereits gezeigt, einen wichtigen Beitrag zur Konfliktverhütung leisten können. Jedoch haben verschiedenste praktische Erfahrungen auch gezeigt, dass diese Strategie in vielen Fällen auch einen negativen Effekt auf eine nachhaltige Befriedung der innergesellschaftlichen Beziehungen ausüben kann. So schreibt Charles-Philippe David in einem Artikel: "Transplanting the liberal model of market democracy encounters unforeseen obstacles at best, and at worst engenders perverse effects to the point of jeopardizing the peace [...]. Liberalization that is too fast-paced appears to exacerbate rather than resolve the problems of violence." (David 1999: 29) Problematisch ist hier vor allem die Förderung demokratischer Standards und des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Parteien in stark fragmentierten postKonflikt-Gesellschaften nach westlichem Vorbild. Wo diese Praktiken in gefestigten Demokratien durchaus positiv zu bewerten sind, können sie in von Bürgerkriegen gezeichneten Staaten zu weiterer Destabilisierung führen. (Vgl. David 1999: 32f.) Vor allem die Abhaltung freier Wahlen unmittelbar nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens ist in diesem Zusammenhang meist als eher kontraproduktiv zu bewerten, da in einer Situation in der die Erinnerungen an die Zeit des Krieges und der Gewalt noch allgegenwärtig sind, die politische Kultur noch immer von den Akteuren aus dieser Phase geprägt wird und moderate Kräfte noch nicht die Gelegenheit hatten ihre Position zu festigen, die Wähler sich für jene Parteien entscheiden werden, denen sie auch während des Konflikts gefolgt sind. In der Praxis bedeutet dies meist eine Bestätigung und demokratische Legitimierung der alten Eliten (Vgl. Schneckener 2002: 26; David 1999: 33f.). "Hasty elections are not [00'] a panacea. They are often extremely costly when they are not, to paraphrase Clausewitz, the continuation of war by other means." (David 1999: 34) Parade-
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beispiel für eine solche Entwicklung ist wiederum Bosnien und Herzegowina, wo wenige Wochen nach dem Friedensschluss von Dayton erste freie Wahlen durchgeführt wurden. Das Ergebnis war ein überragender Sieg der nationalistischen Parteien, welche maßgeblich an der Eskalation des Konflikts beteiligt waren. Durch diesen Wahlsieg konnten diese eine dominante Stellung im politischen Systems Nachkriegsbosniens einnehmen und die politische und gesellschaftliche Neuordnung des Landes stark beeinflussen. (Vgl. Kumar 2001: 191;204; Schneckener 2002: 2006) "Elections held in a more democratic environment might have, among other outcomes, led to a political process more capable of dealing with issues arising from different identities of Bosnia's citizens." (Kumar 2001: 191) Zudem führen die von der internationalen Gemeinschaft in ethnisch fragmentierten Gesellschaften oft favorisierten power-sharing Modelle, die dem Aufbau des politischen Systems zugrunde liegen, nicht in jedem Fall zu verstärkter interethnischer Kooperation und gemeinsamer Kompromissfindung, sondern zu anhaltender Polarisierung und Blockadepolitik. So versetzen die teils sehr umfassenden Vetorechte die einzelnen Minderheiten in die Lage, wichtige Entscheidungen und Reformen auf dem langen Weg der Friedenskonsolidierung zu verschieben oder gar zu verhindern. (Vgl. Schneckener 2002: 324f.) Zudem tragen power-sharing Modelle vielfach dazu bei, auf ethnischen Identitäten basierende Gruppenloyalitäten durch die Proportionalitätsregelungen und oft weitreichenden Autonomiebestimmungen, weiter zu bestätigen anstatt sie aufzubrechen. Um Zugang zu bestimmten Positionen zu erlangen, müssen sich die Mitglieder der Gesellschaft, um das Prinzip der Proportionalität einzuhalten, zu einer bestimmten Gruppe bekennen. (Vgl. Schneckener 2002: 330ff.) Dadurch entsteht laut Schneckener " [...] folgendes Dilemma: Einerseits sind Konkordanzdemokratien mehr als andere Modelle aus institutionellen Imperativen auf eine gewisse Stabilität und Berechenbarkeit der Gruppenloyalitäten angewiesen, andererseits wird die Bildung von multikulturellen Identitäten bzw. überlappenden Mitgliedschaften nicht gefördert." (Schneckener 2002: 332; Vgl. auch Simonsen 2005: 302ff.) Für den Prozess einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung können diese beiden Aspekte erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen, da für dessen Erfolg eine Transformation bestehender Identitäten fundamental ist. Auch der zweite Bereich liberaler Strategien zur Friedenskonsolidierung kann unter bestimmten Umständen die Stabilisierung friedlicher Verhältnisse eher behindern, anstatt sie zu befördern. Zum einen haben die von Weltbank und Währungsfonds den Staaten auferlegten Strukturanpassungsprograrnme oft verheerende Auswirkungen auf die Staatsftnanzen und damit auf die Fähigkeit der betreffenden Länder wichtige öffentliche Güter bereitzustellen. Charles-Phillipe David führt hierfür das Beispiel EI Salvador an: "For example, the austerity measures imposed on EI Salvador have substantially diminished the resources available for
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integration of former fighters into civilian life. The result has been an increase in criminal violence against the backdrop of economic regression." (David 1999: 35) Auch in anderen Ländern wie Nicaragua oder Mozambique führte die rasche Einführung einer (neo-)liberalen Marktwirtschaft zu ähnlichen Entwicklungen, indem wirtschaftliche Disparitäten verstärkt, anstatt abgeschwächt wurden. Im Endeffekt führte dies wiederum zu einem höheren Gewalt- und Konfliktpotential (Vgl. David 1999: 35f.) Zum anderen "unterstützt die Betonung von Markt, Deregulierung und Privatisierung eher die Interessen derer, die als Kriegsgewinnler aus dem Konflikt hervorgegangen sind." (Schneckener 2005: 26) Bürgerkriegsökonomien und illegale ökonomische Strukturen, die während des Krieges aufgebaut wurden, werden durch (neo-)liberale Reformen in den meisten Fällen nicht aufgebrochen sondern noch weiter bestärkt. Die internationale Vorgabe, so schnell wie möglich marktwirtschaftliche Strukturen zu schaffen führte in vielen Fällen dazu, dass viele Akteure, die sich schon während des Konflikts ganze, ursprünglich in Staatseigentum stehende Betriebe angeeignet haben, im Zuge der Privatisierungsmaßnahmen zu legalen Eigentümern wurden (Vgl. Donais 2005: 38ff.; Schneckener 2005: 26). Timothy Donais beschreibt diesen Umstand sehr treffend: "From the very beginning, the prioritization oE outcomes over process - such that getting state assets into private hands as quickly as possible has been viewed as more crucial than the process by which this is accomplished - has implicitly condoned enormous levels oE corruption." (Donais 2005: 39)
Zusammenfassend kann man sagen, dass die (neo-)liberale peacebuildingStrategie als "Handlungsanleitung" für den Transformationsprozess von gewaltsamen zu friedlichen gesellschaftlichen Strukturen - zumindest in der Form in der sie bis jetzt in die Tat umgesetzt wurde - nur wenig geeignet ist. In Extremfällen wurde dieser Prozess durch die Reformen eher behindert und das innerstaatliche Konfliktpotentia1 noch weiter verschärft, anstatt verringert. Aber auch die anderen vorher skizzierten Ansätze weisen einige Schwachpunkte auf. Bei Strategien die sich vornehmlich auf die Bearbeitung des sicherheitspolitischen Prob1emfeldes konzentrieren besteht nach Schneckener die Gefahr, dass sie ,,in der Praxis zu einem Security Only-Ansatz mutieren, eher stabilitätsbezogen denn reformorientiert." (Schneckener 2005: 26) Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kombattanten, der Aufbau neuer staatlicher Sicherheitsstrukturen und die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols sind zwar von fundamentaler Bedeutung für den Erfolg des Prozesses der Friedenskonsolidierung, dennoch darf dabei nicht vergessen werden, dass peacebuilding nur dann erfolgreich sein kann, wenn eine ganze Reihe unterschiedlicher Aspekte aus verschiedenen Problemfeldern berücksichtigt und bearbeitet wird (Vgl. Debiel et al. 2005: 7f.) .Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei den anderen beiden peacebuilding-Strategien, wenn der Fokus zu sehr auf den für das jeweilige Konzept zentralen Bereich gelegt wird
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(Vgl. Schneckener 2005: 26f.), denn im Extremfall kann "die Stärkung eines Bereiches von Staatllchkeit [...] die Schwächung eines anderen bedeuten." (Debiel et al. 2005: 8) Um die Auswirkungen dieses Problems zu minimieren wäre es notwendig, eine auf die Bedingungen vor Ort Rücksicht nehmende, ausgewogene Mischung aus den dargestellten Strategien zu wählen. In der Praxis kommen in den meisten Fällen in einem bestimmten Friedenskonsolidierungsprozess auch mehrere Strategien, oft auch gleichzeitig zum Einsatz. Jedoch ist dies nicht unbedingt auf eine kritische Betrachtung früherer peacebuilding-Missionen zurückzuführen, sondern beruht vielmehr auf organisationspolitischen Faktoren. In den internationalen Friedensmissionen der letzten Jahre war eine immer größer werdende Anzahl involvierter Akteure zu beobachten. (Vgl Jones 2001: 104f.) Dabei wurde des öfteren die Erfahrung gemacht, dass jeder seine eigene Strategie und seine eigenen Ziele verfolgt - basierend auf den eigenen Vorstellungen über den betreffenden Konflikt und in weiterer Folge den Prozess der Friedenskonsolidierung. Aufgrund feWender effektiver Koordinationsmechanismen resultiert daraus eine Situation, in der es vielfach zu programmatischen überschneidungen und im scWechtesten Falle auch zu entgegengesetzten Entwicklungen kommt, d.h. einerseits werden oft ohnehin knappe Ressourcen verschwendet und andererseits behindern sich die beteiligten Akteure gegenseitig. (Vgl Schneckener 2005: 27; 34f.; Jones 2002: 89-95) Konsistente, aufeinander aufbauende und aufeinander abgestimmte Strategien sind die Seltenheit - mit teils erheblich negativen Auswirkungen auf die Friedenskonsolidierung. So schreibt Jones: "What is dear, in any case, is that absent effective coordination by the UN, a comparable regional or international organization, or a lead state, the effectiveness of implementation efforts will be heavily constrained. 1bis will, of course, be more consequential in cases where implementation is more difficult - but it is precisely in the most difficult cases that an effective international effort is most needed to ensure peace." Gones 2002: 112) Die negativen Auswirkungen dieser unkoorclinierten Vermengung unterschiedlicher Strategien werden noch dadurch verstärkt, dass die beteiligten internationalen Akteure von einem zu kurzen Zeitrahmen ausgehen, in dem die entsprechenden Reformen durchgeführt und eine Stabilisierung des Friedens erreicht werden soll. Dabei wird allerdings oftmals übersehen, dass die Transformation kriegerischer in friedliche Verhältnisse ein langwieriger Prozess ist, der nur dann erfolgreich sein kann, wenn er Schritt für Schritt durchgeführt wird. Durch einen zu kurzen Zeithorizont und feWende Koorclinierung der verschiedenen Aktivitäten werden allzu oft Reformen und Entwicklungen eingeleitet, ohne dass das notwendige Umfeld dafür bereitsteht. (Vgl. Cousens 2001a: 14)
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Theoretische Vorüberlegungen
Doch nicht nur die eben dargestellten Probleme auf Seiten der internationalen Gemeinschaft führen in vielen Friedensprozessen zu Rückschlägen und unerwünschten Entwicklungen. Auch in den betroffenen Gesellschaften selbst, existieren nach lang anhaltenden ethnopolitischen Konflikten Strukturen und Akteure, die in der Lage sind den Prozess einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung zu behindern und im äußersten Fall sogar zu verhindern. Darauf soll nun im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden.
2.3.
Spoiler-Probleme und ihre Auswirkungen auf die Friedenskonsolidierung
In der Konfliktforschung wurde lange davon ausgegangen, dass der Weg vom Krieg zum Frieden ein mehr oder weniger geradliniger Weg ist, in dessen Verlauf sich die beteiligten Konfliktparteien an einem bestimmten Punkt, nach rationaler Abwägung der aus einer Weiterführung des bewaffneten Kampfes entstehenden Vor- und Nachteile, entscheiden in Friedensverhandlungen einzutreten und im Endeffekt friedliche Verhältnisse der bewaffneten Auseinandersetzung vorziehen. Basierend auf diesem Verständnis ging die internationale Gemeinschaft davon aus, dass traditionelle Methoden der Diplomatie, wie sie in Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen ausgewiesen werden,14 in der Lage sind, die Motive der am Konflikt beteiligten Akteure so zu ändern, dass nicht mehr der militärische Sieg im Vordergrund steht, sondern die Suche nach einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss. Im äußersten Fall sollte die gegenseitige Konsensbereitschaft bzw. die Bereitschaft zum Beginn eines Friedensprozesses durch die Anwendung militärischer und nicht-militärischer Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta15 gewissermaßen "erzwungen" werden. (Vgl. Richmond 2006: 61) Historische Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass diesen Strategien zur Konfliktlösung Grenzen gesetzt sind und der formale Eintritt in Friedensverhandlungen oder gar die Unterzeichnung eines Friedensvertrages noch lange keine hinreichende Bedingung für die Etablierung einer dauerhaften Friedensordnung darstellen. So schreibt Oliver Richmond: 14 Nach Kapitel VI, Artikel 33 der Charta der Vereinten Nationen werden als Instrumentarien zur internationalen Streitschlichtung konkret Verhandlungen, Untersuchungen, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Regelung, Anrufung regionaler Organe und Abkommen genannt. (Vgl. Neuhold et al. 2004: Band 2: 14) 15 Unter diesen Punkt fallen einerseits die vollständige oder teilweise Unterbrechung der wirtschaftlichen Beziehungen, der Eisenbahn-, Schiffs-, Luft-, Post-, Telegraphen-, Radio- und sonstigen Verbindungen und der Abbruch diplomatischer Beziehungen. (Art. 41) Diese Maßnahmen können falls notwendig durch militärische Operationen zu Luft, See oder Land ergänzt werden (Art. 42). (Vgl. Neuhold et al. 2004: Band 2: 16f:)
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"Such orthodox thinking assumes peacemaking is a mediated and coercive bargaining process fitting into a power-political framework and assuming rationality. The powerpolitical framework assumes that the disputants have made a simple choke between violent conflict and compromise, the disputants choosing the latter as victory is perceived to be out of theit grasp. Yet there is where traditional analyses break down. [...] the establishment of a peace process does not necessarily mean the end of violence, nor that disputants have fully accepted a mediated compromise around a negotiating table." (Richmond 2006: 61) In diesem Sinne bedeutet eine Unterschrift unter einem Friedensabkommen nicht zwangsliiufig, dass die betreffende Konfliktpartei mit dem ausverhandelten Kompromiss einverstanden ist. Die formale Zustimmung zu einem Friedensprozess kann viele Ursachen haben, die nicht unbedingt auf einem Wunsch nach einer nachhaltigen Befriedung der Beziehungen mit der Gegenseite basieren und vielleicht zum bestimmten Zeitpunkt lediglich als geschicktes taktische Manöver angesehen werden muss. Friedensverhandlungen können den beteiligten Akteuren (von Seiten der intervenierenden Parteien oft unbeabsichtigte) Anreize bieten, die die Zustimmung zu einem Kompromissvorschlag nach Abwägung der Kosten und Nutzen zum gegebenen Zeitpunkt als wünschenswert erscheinen lassen. Die grundlegenden Ziele und Motive des Konflikts müssen sich dadurch aber nicht unbedingt ändern. Hinter der Bereitschaft zu Verhandlungen kann zum Beispiel auch das Interesse der Konfliktparteien stehen die eigenen Ziele zu legitimieren. Zudem bedeutet eine Einladung zur Teilnahme am Friedensprozess vor allem für ethnopolitische Gruppen auch ein gewisses Maß an Anerkennung und die Bestätigung bestimmter Akteure als deren rechtmäßige Vertreter. Die Phase der Friedensverhandlungen kann allerdings aus diesem Blickwinkel auch als strategisch gute Gelegenheit betrachtet werden, die jeweiligen Streitkräfte neu zu formieren und sich auf eine neuerliche Offensive vorzubereiten. (Vgl. Richmond 2006: 62) Aus der Sicht der Konfliktparteien kann dadurch eine Win-Win Situation entstehen, in der sie auf der einen Seite zwar formal Kompromisse eingehen und politisch aber auch ökonomisch vom Friedensprozess profitieren, auf der anderen Seite ihre ursprünglichen Ziele aber nicht aufgeben, sondern höchstens die Strategie anpassen, mit denen sie diese erreichen wollen. "They engage in a process of acceptance and then rejection, in which they attempt to manipulate the process in their own favour without losing the resources it brings to them, but also without having to make the concessions the process is predicated upon." (Richmond 2006: 62) Für den Prozess einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung, die sich an den Bedingungen eines positiven Friedensbegriffes orientiert und auf eine Veränderung der innergesellschaftlichen Beziehungen abzielt, können solche Strategien sehr gefährlich werden, indem sie die meist ohnehin schon unübersichtlichen und von gegenseitigem Misstrauen geprägten Situationen nach dem formalen Ende von Bürgerkriegen noch weiter komplizieren und unberechenbarer machen. Die inter-
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Theoretische Vorüberlegungen
nationale Gemeinschaft ist nun angehalten, effektive Gegenstrategien zu entwickeln, um negative Auswirkungen auf den jeweiligen Friedensprozess zu verhindern. Dafür ist allerdings ein tieferes Verständnis der handlungsleitenden Motive und Erwartungshaltungen von einzelnen Akteuren in Friedensprozessen notwendig. (Vgl. Newman/Richmond 2006: 2)
2.3.1
Der Begriff des "Spoilers" bei Stephen Stedman
Stephen Stedman war der erste, der sich in der Politikwissenschaft diesem Problemfeld eingehend annahm. Der 1997 in der Zeitschrift "International Security" erschienene Artikel "Spoiler Problems in Peace Processes" (Stedman 1997) stellte einen ersten Versuch dar, sich auf systematische Art und Weise, dem oftmals destruktiven Verhalten einzelner Konfliktakteure während Friedensverhandlungen und Friedenskonsolidierung zu beschäftigen. Als "Spoiler", in der deutschsprachigen Literatur auch "Störenfriede" genannt (Vgl. Schneckener 2003), wurden von Stedman "leaders and parties who believe that peace emerging from negotiations threatens their power, worldview, and interests, and use violence to undermine attempts to achieve it" definiert. (Stedman 1997: 5) Dabei geht der Autor davon aus, dass Friedensprozesse zwangsläufig solche Akteure "produzieren", da Friedensabkommen, welche alle betroffenen Parteien gleichermaßen zufrieden stellen, in der Realität nicht zu erreichen sind. Das Auftauchen von Spoilern in einem bestimmten Friedensprozess muss daher nach Stedman auch im Kontext dieses Prozesses analysiert werden. So schreibt er: "Spoilers exist only when there is a peace process to undermine, that is, after at least two warring parties have committed themselves publicly to a pact or have signed a comprehensive peace agreement." (Stedman 2997: 7) In einem ersten Versuch eine Klassifizierung der verschiedenen Typen von Spoilern vorzunehmen, unterscheidet Stedman zwischen Akteuren, die an einem Friedensprozess teilnehmen (inside spoiler; und solchen die außerhalb eines solchen stehen (outside spoiler;. Erstere sind zwar nach außen dazu bereit an einem solchen Prozess mitzuwirken und unterzeichnen mitunter auch ein mögliches Friedensabkommen, verweigern in weiterer Folge allerdings eine konstruktive Beteiligung an der Umsetzung dessen. 16 Letztere sind von vorn herein nicht bereit an solchen Verhandlungen teilzunehmen bzw. werden dazu nicht eingeladen und versuchen
16 Als Beispiel für einen solchen inside spoiler führt Stedman u.a. die angolanische UNITA an, die zwar 1991 den Friedensvertrag von Bicesse unterzeichnete, aber nach einer Niederlage in den darauf folgenden Wahlen in! Jahr 1992 wieder zu den Waffen griff. (Vgl. Stedman 1997: 8; 36-40)
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daher einen Friedensschluss mit allen Mitteln zu verhindern. 17 Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Spoiler-Typen besteht in der Wahl von Mittel und Strategien mit denen die jeweiligen Ziele erreicht werden sollen. Während inside spoiler versuchen, ihre wahren Absichten zu verdecken, um vom Friedensprozess nicht ausgeschlossen zu werden und daher offene Konfrontationen meiden 18, demonstrieren outside spoiler ihre ablehnende Haltung in den meisten Fällen durch massive Gewaltanwendung. (Vgl. Stedman 1997: 8) Neben dieser Klassifizierung hinsichtlich ihrer Position im Friedensprozess nimmt Stedman noch eine zweite Differenzierung der verschiedenen potentiellen Spoiler vor. Demnach lassen sie sich nicht nur hinsichtlich ihrer Position unterscheiden, sondern auch hinsichtlich des Umfangs ihrer Ziele und der Bedeutung die eine Erreichung dieser für die entsprechende Gruppe einnimmt. Nach Stedman lassen sich hier drei verschiedene Typen ausmachen (Vgl. Stedman 1997: lOf.). Zum einen gibt es den limited spoiler, der eher moderate Zielsetzungen verfolgt. Spoiler dieses Typs suchen nicht die totale Macht über ein bestimmtes politisches Gemeinwesen, sondern versuchen in erster Linie konkrete Veränderungen in einzelnen Problemfeldern zu erreichen, wie eine Verbesserung des Minderheitenschutzes oder der ökonomischen Situation der jeweiligen Gruppe bzw. Zugang zum und ein gewisses Maß an Mitgestaltungsmacht im politischen System. Zum anderen existieren auch Gruppen, deren Interesse in der Befriedigung eines totalen Machtanspruchs liegt. Diese als total spoiler bezeichneten Akteure können als radikaler Gegenpol zu eben genannten gesehen werden, da sie sich weder mit einer Teilung der politischen Macht zufrieden geben, noch zu einer Veränderung ihrer grundlegenden Zielsetzungen bereit sind. So schreibt Stedman: "Total spoilers are led by individuals who see the world in all-or-nothing terms and often suffer from pathological tendencies that prevent the pragmatism necessary for compromise settlements of conflict. Total spoilers often espouse radical ideologies; total power is a means for achieving such goals as the violent transformation of society." (Stedman 1997: 10f.) Der total spoiler steht demnach jedem Versuch einer Konflikttransformation durch gegenseitige Verhandlungen und Kompromisse ablehnend gegenüber - zumindest solange er seine eigenen Ziele dadurch gefährdet sieht. "Unilaterale Lösungen" (Ayres 2006: 4) stehen daher im Vordergrund. Als Paradebeispiel für einen Akteur, 17 Als Beispiel hierfür führt Stedman das "Committee for the Defence of the Revolution" (CDR) im Bürgerkrieg in Ruanda an, welche die Umsetzung des Arusha-Abkommens aus dem Jahr 1993 mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern versuchte. (Vgl. Stedman 1997: 8; 20-26) 18 So schreibt Stedman: "Inside spoilers need to comply enough to convince others of their goodwill, but not so much that it weakens their offensive military capability." (Stedman 1997: 8)
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der solche nicht kompromissfahigen totalen Zielsetzungen verfolgt, kann die palästinensische Hamas angeführt werden, deren Weigerung das Ziel der Vernichtung Israels aufzugeben, verbunden mit regelmäßiger Gewalteskalation, ein wesentliches Hindernis für eine Belebung des Friedensprozesses im Nahen Osten darstellt. (Vgl. Kydd/Walter 2002: 279-289) Neben total und limited spoiler definiert Stedman noch einen weiteren Spoiler-Typus, der seine Ziele und Strategien immer wieder situationsbedingt anpasst und als gree4J spoiler bezeichnet wird. "The greedy spoiler holds goals that expand or contract based on calculations of cost and risk. A greedy spoiler may have limited goals that expand when faced with low costs and risks; alternatively, it may have total goals that contract when faced with high costs an risks" (Stedman 1997: 11) Demnach ähnelt er in gewissen Situationen eher einem total spoiler, während er in anderen wiederum eher die Position eines limited spoiler einnimmt. (Vgl. Stedman 1997: 11) Das Verhalten des gree4J spoilers kann daher auch als opportunistisch bezeichnet werden, da sich Mittel und Ziele sehr stark am Umfeld in dem er agiert und am erwarteten Nutzen einer bestimmten Handlungsoption orientieren. (Vgl. Greenhill/Major 2007: 9) Für den Erfolg und Misserfolg von Spoiler-Aktivitäten sind nach Stedman zwei weitere Aspekte von entscheidender Bedeutung. Der erste streicht den Einfluss von Nachbarstaaten auf den Verlauf bestimmter Friedensprozesse heraus: "The attitude of tbe surrounding states towards a peace agreement in a neighbour's civil war plays a key role in supporting or undermining tbe prospects of peace. Spoilers to a peace agreement, for example, are likely to be much stronger and more vocal if tbey are confident tbat tbey can count on neighbouring states for sanctuary, guns, fuel and capitaL" (Downs/Stedrnan 2002: 57) Demnach spielt die Einstellung von Nachbarstaaten zu einem Friedensabkommen und deren Interessen im jeweiligen Konflikt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung bestimmter Akteure, gegen einen vorgesehenen Friedensprozess zu mobilisieren. "In every case where there is a hostile neighbour, there is a spoiler." (Downs/Stedman 2002: 59) Vor allem durch die Bereitstellung wichtiger Ressourcen können benachbarte Länder bestimmte Akteure zu einer dem Friedensprozess gegenüber destruktiven Haltung ermutigen. Verstärkt sind solche Unterstützungsleistung vor allem dann zu beobachten, wenn der Nachbar die Position eines Patronagestaates einnimmt und sich zum Schutz bestimmter Gruppen im angrenzenden Staat verpflichtet fühlt. (Vgl. Schneckener 2003: 9) Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von Stedman hervorgehoben wird, ist die Verfügbarkeit von handelbaren Ressourcen in einem bestimmten Krisengebiet, wie z.B. Bodenschätze, Edelsteine oder wertvolle Hölzer. Diese Güter, welche im Normalfall ohne größere Probleme am Weltmarkt verkauft werden können, liefern einerseits eine Einkommensquelle zur Versorgung der eigenen Kämpfer und bieten
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andererseits einen Anreiz die Kampfhandlungen aufrechtzuerhalten, wenn die dadurch erzielten Profite eine mögliche Friedensdividende überschreiten. Vor allem in Konflikten in den rohstoffreichen Ländern Afrikas sind die negativen Auswirkungen dieses Aspekts auf verschiedenste Friedensbemühungen zu beobachten. (Vgl. Downs/Stedman 2002: 57) Obwohl Stedmans Konzeption des Spoiler-Problems bei der Implementierung von Friedensabkommen einen wichtigen Anstoß für eine eingängigere Beschäftigung mit dem Verhalten bestimmter Akteure in Friedensprozessen darstellte und somit einen wichtigen Beitrag zu einer Vertiefung des Verständnisses von innergesellschaftlichen Konflikten und deren Auswirkungen auf die Nachkriegsperiode leistete (Vgl. Greenhill/Major 2007: 7), weist seine Darstellung dennoch einige Schwachpunkte auf und bedarf einiger Präzisierungen.
2.3.2
Kritik und Priizisierungen
Ein wichtiger Aspekt der Klärung bedarf, ist die Frage nach einer Grenze zwischen Verhalten, welches als spoiling bzw. als Gefahr für die Friedenskonsolidierung angesehen werden kann und Handlungsweisen, welche zwar aus einer kritischen Betrachtung eines bestimmten Friedensprozesses resultieren, aber als legitimer Ausdruck oppositioneller Meinungen gedeutet werden können. Diese Klarstellung ist insofern bedeutend, als es für die Analyse einer bestimmten Konfliktsituation notwendig ist, jene Akteure die an einer Weiterführung des Friedensprozesses interessiert sind und im Verlauf dessen gewisse Punkte problematisieren, von jenen Akteuren zu unterscheiden, die dem Prozess der Friedenskonsolidierung (oder Teilen davon) aus verschiedenen Gründen von Grund auf ablehnend gegenüberstehen und die Umsetzung wichtiger Reformen aus eigenem Interesse behindern. Zudem muss verhindert werden, dass das Konzept der Spoiler zur Diskreditierung bestimmter Gruppen missbraucht wird. So kann es vorkommen, dass politische Akteure ihren politischen Gegner als "Spoiler" bezeichnen und so dessen politische Zielvorstellungen zu delegitimieren versuchen, während die eigenen Vorstellungen als die "richtigen" dargestellt werden. "The act of labelling a particular group as a "spoiler" may reflect a political agenda which is an extension of the conflict itself, or the interest of third parties." (Newman/Richmond 2006: 3) In diesem Zusammenhang ist weiters anzumerken, dass das Konzept der "spoiler" vielfach aus einem sehr subjektiven Blickwinkel zur Analyse bestimmter Konfliktkonstellationen angewandt wird. Wie im vorigen Abschnitt schon angemerkt, basiert die Arbeit der in Krisenregionen engagierten internationalen Akteure auf Grundannahmen und Wertvorstellungen, welche in den seltensten Fällen speziell auf die entsprechende Konfliktsituation abgestimmt sind. Vielmehr werden
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Planungen und Problemlösungskonzepte auf der Basis allgemeiner Theorien zu Krieg und Frieden erarbeitet, in der die Logiken des freien Marktes und des freien Wettbewerbes eine dominante Position einnehmen, während alternative Handlungsoptionen meist wenig Beachtung finden. (Vgl. Newman/Richmond 2006: 4E) Dabei wird allerdings übersehen, dass sich in einer Krisenregion über einen langen Zeitraum hinweg womöglich gesellschaftliche Strukturen entwickelt haben, welche zwar nicht mit dem Modell des ,,liberalen Friedens" vereinbar sind, aber in der jeweiligen Gesellschaft als Norm angesehen werden und einen positiven Nutzen für eine nachhaltige Befriedung der innergesellschaftlichen Beziehungen erbringen können. Eine radikale Umsetzung (neo-)liberaler Reformen, die keine Rücksicht auf bestehende Verhältnisse nimmt, kann wie vorher schon gezeigt zu erheblichen Problemen auf dem langen Weg einer nachhaltigen Konsolidierung des Friedens führen und Gegenbewegungen hervorrufen, die sich dieser Neugestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu widersetzen versuchen. Sehr treffend fassen Newman und Richmond zusammen: "However, the liberal peace is sometimes problematic. Democracy (at least polyarchy), human rights (especially in terms of civil an political rights), market values, globalization, self-determination, and the idea of the state are not necessarily universal values, nor appropriate in conflieted or divided societies. Moreover, the manner in which they are being promoted is, arguably, not even-handed and certainly loaded in favour of the market and the status quo rather than social justice. Therefore, peace processes are not always equitable or 'fair'." (Newman/Richmond 2006: 5)
D.h. bei der Analyse von spoiling-Aktivitäten in einem bestimmten Friedensprozess muss berücksichtigt werden, dass dessen Konditionen nicht von allen betroffenen Akteuren und Gruppen gleichermaßen als idealer Soll-Zustand anerkannt werden. Vielmehr wird jede Gruppe über ihre eigenen Präferenzen und Vorstellungen über eine aus dem jeweiligen Blickwinkel tragfähige Nachkriegsordnung verfügen und versuchen diese in den Prozess der Friedenskonsolidierung einzubringen. Unter diesem Gesichtspunkt muss bei einer eingehenden Analyse von Spoiler-Problemen in Friedensprozessen auch die Frage gestellt werden, inwieweit die Intervention von Seiten der internationalen Gemeinschaft selbst, gewissen Akteuren jene Anreize gibt, die schließlich dazu führen dass diese sich gegen ein bestimmtes Friedensabkommen stellen und zu "spoiling"-Strategien greifen. (VgL Newman/Richmond 2006: 8) Um voreilige Verurteilungen und einen analytischen Bias weitgehend zu vermeiden sind mehrere Anpassungen des Stedmanschen Spoiler-Konzepts notwendig. Zum einen ist die Frage näher zu erörtern, wann eine Gruppe als Spoiler zu bezeichnen ist. Folgt man Stedmans Argumentation, so gilt jeder Akteur als Spoiler, der sich einem bestimmten Friedensabkommen widersetzt. (Vgl. Stedman 1997: 5;
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7f.) Diese Grundannahme ist allerdings nicht sehr zielführend, da wie eben schon gezeigt, allein die Ablehnung bestimmter Bestimmungen eines FriedensscWusses nicht ausreicht, um einen Akteur als Spoiler oder als Gefahr für den Frieden zu bezeichnen. In einer kritischen Betrachtung dieses Aspekts schreiben Greenhill und Major: ,,A group does not 'become' a spoiler when it acts in ways that ate contrary to the peace process [...] but rather when the outcome of their action spoils the process." (Greenhill/Major 2007: 10) D.h. nicht von allgemeinen (westlichen) Ansichten über Krieg und Frieden divergierende Präferenzen und Vorstellungen sind entscheidende Unterscheidungsmerkmale um Akteure als Befürworter oder Gegner eines Friedensprozesses einzuordnen, sondern die unterschiedlichen Strategien mit denen eine Erfüllung ihrer eigenen Zielvorstellungen erreicht werden soll. Daher fordern mehrere Autoren auch, den Fokus von der Identiftzierung von "Spoilern" auf die Identifizierung von "spoiling" zu verlegen, d.h. der Fokus wird von der Identifizierung von Akteuren mit bestimmten unveränderlichen Verhaltensmerkmalen, auf die Analyse bestimmter Strategien verlagert. (Vgl. Newman/Richmond 2006: 5f.;17; Findley 2007: 2f.) "Analytically, labeling groups as spoilers is laden with pitfalls. Shifting the emphasis from a group label to an action helps to solve the problem." (Findley 2007: 3) Durch diese Verschiebung der Analyseebene soll in erster linie verhindert werden, dass Gruppen aufgrund ihrer politischen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen apriori als Spoiler behandelt werden19 (Vgl. Newman/Richmond 2006: 5). Wenn man spoiling als Strategie und nicht als Verhaltensmerkmal einzelner Gruppen betrachtet, müssen alle in einem Friedensprozess beteiligten Akteure als potentielle Spoiler angesehen werden, da jeder Akteur die Möglichkeit hat, in bestimmten Situationen auf Taktiken zurückzugreifen, die als spoiling zu werten sind. (Vgl. Newman/Richmond 2006: 5; Findley 2007: 2f.; 28ff.) D.h. im Bestreben den Ausgang eines Friedensprozesses nach den eigenen Vorstellungen zu beeinflussen, werden einzelne Akteure auf Strategien zurückgreifen, die diesen als Ganzes gefiihrden können. In erster Iinie geht es also um die Formung eines Friedensprozesses nach den jeweils eigenen Vorstellungen. Die Verhinderung friedlicher Verhältnisse und eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der bewaffneten Auseinandersetzung ist dabei oft nicht primäres Ziel, unter gewissen Umständen allerdings Resultat der gewäWten Strategie. "Each potential spoiler uses strategies to alter the course and outcome of a process and, whether intending or not, risks derailing the process completely." (Findley 2007: 3) Wo ist nun die Grenze zu ziehen zwischen legitimer Oppositionspolitik und 19 Folgt man Stedmans Konzept, wonach jede Gruppe, die gegenüber einem bestimmten Friedensabkommen eine ablehnende Haltung einnimmt als spoiler bezeichnet werden kann, so wäre z.B. aus Sicht von Vertretern einer (neo-)liberalen Friedenskonzeption jeder marxistisch/sozialistisch orientierter Akteur ein spoiler, egal wie er seine Vorstellungen im Verlauf des Friedensprozesses einbringt.
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prozesses zu "spoiling"-Strategien greifen, obwohl sie prinzipiell die Möglichkeit dazu besitzen. Wie vorher schon erwähnt, verfolgt jede beteiligte Partei ihre eigenen Vorstellungen über verschiedenste Aspekte einer tragfähigen Nachkriegsordnung. Dennoch versucht nicht jede Gruppe diese mit allen Mitteln in die Realität umzusetzen. Nach Marie-Joelle Zahar basieren die Entscheidungen der beteiligten Akteure auf einer sorgfältigen Abwägung der zu erwartenden Kosten und Nutzen die die einzelnen Handlungsoptionen mit sich bringen. (Vgl. Zahar 2003: 119) Obwohl sich Zahar nur mit den Kosten eines neuerlichen Gewaltausbruchs beschäftigt, ist ihr Argument dennoch sehr hilfreich, da es einen neuen Blickwinkel eröffnet, die der Dynamik von innergesellschaftlichen Konflikten Rechnung trägt. In Stedmans Konzept verfügen alle potentiellen Spoiler über weitgehend feste Vorstellungen2t, welche im Verlauf des Konflikts in konkrete Handlungen umgesetzt werden, d.h. ein Akteur, dem je nach Spoiler-Typus (limited, greedy, total) unterschiedliche Eigenschaften zugerechnet werden, verfügt über Typ-spezifische Handlungsoptionen aus denen er auswählen kann. Demnach wäre es unmöglich, einen total spoiler- im Unterschied zu einem limited spoiler- in einen Friedensprozess zu integrieren, da ersterer einem Friedensprozess aus bestimmten Gründen gänzlich ablehnend gegenübersteht und daher unter keinen Umständen bereit ist, daran teilzunehmen. Diese Sichtweise vergisst allerdings, dass die einzelnen in einem Konflikt involvierten Akteure ihre Strategien und Vorstellungen im Verlauf des Konflikts immer wieder überprüfen und anpassen. Damit verbunden sind auch ihre Verhaltensweisen immer wieder Veränderungen unterworfen. "This is because the distinction between limited, greedy and total spoilers is situation dependent and not actor dependent." (Greenhill/Major 2007: 36) Nach Findley (2007: 59ff.) befinden sich demnach alle beteiligten Parteien in einem ständigen Lernprozess in dem sie ihre ursprünglichen Zielvorstellungen an ihren zum gegebenen Zeitpunkt vorhandenen Ressourcen (capabilities) und dem ihnen zur Verfügung stehenden Spielraum (opportunity structure) überprüfen. Der Begriff "Spielraum" kann hier folgendermaßen definiert werden: "Factors compromising the opportunity structure include the relative strength of the various parties, the number of actors [...], as well as third parties that monitor or enforce attempts at peace, because these factors eiffect what is possibleJor the lIanous groups. " (Findley 2007: 59) Zusammen sind diese beiden Variablen im Verlauf eines Konflikts ständigen Veränderungen unterworfen, wodurch sich auch kurzfristige Ziele und Strategien verändern müssen.. "As time goes on, and the environment in which 21 Nach Stedman sind die einzelnen spoiler-Typen weitgehend statische Charakteristika, welche einzelnen Akteure zugeschrieben werden können. Eine Veränderung des Typs und damit der grundlegenden Eigenschaften ist nur möglich, wenn es innerhalb einer Gruppe z.B. zu einem Wechsel in der Führung kommt. In diesem Fall könnte ein neuer, moderaterer Anführer einen total spoiler z.B. in einen limited spoiler "verwandeln". (Vgl. Stedman 1997: 11f.)
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groups find themselves changes, groups repeatedly revise their beliefs and demands." (Findley 2007: 63) Auslöser für solche Veränderungen kann eine Verschiebung der militärischen Kräfteverhältnisse oder eine Intervention von Seiten der internationalen Gemeinschaft sein, um nur zwei Beispiele zu nennen. Daraus lässt sich folgern, dass die Entscheidung einer bestimmten Konfliktpartei zu "spoiling"-Strategien zu greifen, keine definitive ja/nein-Entscheidung ist, deren Gültigkeit unbegrenzt ist, sondern dass diese aufgrund der laufenden Veränderungen des Umfeldes in dem diese agiert immer wieder aufs neue getroffen werden muss. Während in einer bestimmten Situation eine Rückkehr zur militärisehen Konfrontation als beste Taktik erscheint um die eigenen Ziele zu erreichen, kann es einige Monate später zielführender sein, sich formal an einem Friedensprozess zu beteiligen und Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Die Entscheidung als Spoiler aufzutreten ist also nie eine endgültige. Vielmehr werden bestimmte Akteure in günstigen Situationen, nach Einschätzung ihrer eigenen Möglichkeiten, zu solchen möglicherweise destruktiven Strategien greifen um ihre eigenen Vorstellungen und Ziele zu verwirklichen. "Groups can use spoiling strategies early in the process to obtain more concessions, or they can use such strategies to bring about areturn to war in hopes that a new, more favourable process will begin. In this way, as groups come to understand what they expect to gain from a settlement process (l.e., based on the state of the world they are in), they can adapt accordingly by using spoiling strategies." (Findley 2007: 68) Fasst man alle diese Argumente zusammen, lässt sich folgende Definition des Spoiler-Begriffes ableiten. Spoiler können als Akteure verstanden werden, welche im Verlauf eines Friedensprozesses aus einer breiten Palette an Handlungsoptionen Strategien auswählen, die sich destruktiv auf diesen Prozess auswirken und daher als "spoiling" zu bezeichnen sind. ,,Destruktiv" soll dabei bedeuten, dass diese Taktiken das übergeordnete Ziel eines jeden Friedensprozesses - die Erreichung eines "positiven Friedens", dessen Basis die Herausbildung gesellschaftlicher Strukturen bildet, welche zukünftig einen gewaltfreien innergesellschaftlichen Konfliktaustrag ermöglichen - in Frage stellen bzw. gefahrden. Dabei muss das eigentliche Ziel dieser Akteure nicht immer darin bestehen diesen Prozess als Ganzes zu zerstören. Vielmehr gehen sie dieses Risiko ein, um ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in diesen einzubringen. Darüber hinaus werden potentielle Spoiler ihre Strategien auf der Basis einer Abwägung der zu erwartenden Kosten und Nutzen immer wieder an die sich verändernden Umstände in einem bestimmten Konflikt bzw. Friedensprozess anpassen.
Spoiler-Probleme und ihre Auswirkungen auf die Friedenskonsolidierung 2.3.3
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Motive hinter "spoiling"
Nachdem die Grundzüge des Spoiler-Konzepts dargestellt und ausgehend von Stedmans Darstellungen eine erweiterte Deftnition des Begriffs "Spoiler" erarbeitet wurde, muss sich nun die Frage gestellt werden, welche Motive grundsätzlich hinter einer Entscheidung stehen, "spoiling"-Taktiken im Rahmen eines Friedensprozesses anzuwenden. In Anlehnung an Ulrich Schneckener (Vgl Schneckener 2003: 4ff.) soll hier versucht werden, die am Beginn dieser Arbeit dargestellten Erkenntnisse aus der Kriegsursachenforschung mit dem Konzept der Spoiler in Bürgerkriegen zu verbinden. Hierfür ist allerdings noch einer weitere Anpassung an Stedmans SpoilerKonzept notwendig. Stedman weist in seinen Artikeln mehrmals darauf hin, dass das Verhalten einzelner Spoiler immer im Kontext des jeweiligen Friedensabkommens zu sehen ist, d.h. ohne FriedensscWuss gibt es keine Spoiler. (Vgl Stedman 1997: 7; Stedman 2003: 108) Die meisten Studien, die sich mit diesen Akteuren in einzelnen Konflikten auseinandersetzen, legen den Fokus ihrer Untersuchungen daher im Normalfall auch auf die Phase der Implementierung eines bestimmten Abkommens. Wie Findley allerdings anmerkt, wäre es hilfreicher wenn das Verhalten potentieller Spoiler über den gesamten Verlauf eines Konfliktes bzw. Friedensprozesses beobachtet werden würde. So schreibt er: "Extant studies focusing only on the impiementation stage miss some of the most important dynamies of spoiling behaviour. Namely, what potential spoilers da earIy in the peace process - in anticipation of an implementation phase - has important consequences for what oceurs Iater. In other words, the events earIy in the peace process create path dependencies and, thus, studies of spoilers focusing on the impiementation stage only capture a subset of spoiling behaviour in peace processes." (Find1ey 2007: 4) Das Verhalten von potentiellen Spoilern sollte daher nicht unbedingt im Zusammenhang mit einem bestimmten Friedensabkommen gesehen werden, sondern im Kontext eines bestimmten Friedensprozesses. Konflikte verlaufen in mehreren Phasen, die vom Ausbruch der Kampfhandlungen über das Stadium der Friedensverhandlungen bis hin zur Implementierung eines aus diesen Verhandlungen hervorgegangenen Friedensabkommens reichen, wobei dieser Prozess nur in den seltensten Fällen linear abläuft. Vielmehr kann es immer wieder zu RüekscWägen kommen, die den Friedensprozess wieder auf eine schon bezwungen geglaubte Stufe zurückwerfen können. Zudem sind die einzelnen Phasen interdependent und werden nicht unabhängig voneinander durchlaufen, d.h. - um ein triviales Beispiel zu nennen - wird eine Entscheidung zu einer neuerlichen militärischen Offensive negative Auswirkungen auf die Chancen für
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Theoretische Vorüberlegungen
"spoiling"? Newman und Richmond schlagen hier folgende Unterscheidung vor: "What are acceptable are strategies that do not call into question the integrity of the peace framework as a final outcome." (Newman/Richmond 2006: 17) Wie vorher schon erwähnt ist das Ziel einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung, die sich an den Bedingungen eines "positiven Friedens" orientiert, die Schaffung von gesellschaftlichen Verhältnissen, welche einen gewaltfreien innergesellschaftlichen Konfliktaustrag ermöglichen. Verbindet man diese Grundvorstellung mit der "spoiling"Definition von Newman und Richmond, so sind jene Strategien als "spoiling" zu bezeichnen, deren unmittelbare Auswirkungen auf einen bestimmten Friedensprozess dazu führen können, dass das längerfristig angestrebte Ziel einer dauerhaften Befriedung der innergesellschaftlichen Verhältnisse ernsthaft gefihrdet wird. 20 In ethnisch differenzierten Staaten, in denen eines der grundlegenden Ziele der Friedenskonsolidierung die Etablierung von Mechanismen zur konsensorientierten und friedlichen interethnischen Kooperation ist, kann diese Aussage folgendermaßen umformuliert werden: Von "spoiling" kann man dann sprechen, wenn bestimmte Akteure versuchen, das Ziel einer konstruktiven Zusammenarbeit über ethnische Grenzen hinweg in Frage zu stellen oder zu verhindern. Welche Mittel stehen potentiellen Spoilern nun zur Verfügung, um ihre eigenen Interessen in einem Friedensprozess durchzusetzen? Ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur die sich mit diesem Themenkomplex auseinandersetzt, befasst sich in der analytischen Auseinandersetzung lediglich mit dem Extremfall der physischen Gewaltanwendung. (Vgl. z.B. Ayres 2006; Greenhill/Major 2007; Stedman 1997) Dabei stehen potentiellen Spoilern eine Vielzahl an weiteren, gewaltfreien Optionen zur Verfügung, welche in diesem Kontext berücksichtigt werden müssen. (Vgl. Findley 2007: 38) Die Versch1eppung wichtiger Reformen, die Verweigerung konstruktiver und konsensorientierter Zusammenarbeit über Gruppengrenzen hinaus, die Weigerung die eigenen Kämpfer zu demobilisieren, radikale Rhetorik (Vgl. Schneckener 2003: 7ff.) - um nur einige Beispiele zu nennen - sind ebenso wirksame Strategien auf die einzelne Akteure zurückgreifen können, um einen gegebenen Friedensprozess zu beeinflussen und ungewollt oder gewollt zu gefihrden. Daher soll in dieser Arbeit auch von einem sehr breiten Ansatz ausgegangen werden, wenn es um den Umfang der den potentiellen Spoilern zur Verfügung stehenden strategischen Optionen geht. Entscheidend ist hierbei nicht die Strategie an sich, sondern die Auswirkungen dieser auf den Prozess der Friedenskonsolidierung. Hier können auch gewaltlose Formen von "spoiling" ein ebenso destruktives Potential entwickeln, wie die offene Anwendung physischer Gewalt. (Vgl. Findley 2007: 38) Eine weitere hilfreiche Anpassung des Spoiler-Konzepts von Stedman geht der Frage nach, warum nicht alle potentiellen Spoiler im Verlauf eines Friedens20 Die Eckpunkte dieses Ziels können im zivilisatorischen Hexagon gefunden werden.
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Theoretische Vorüberlegungen
mögliche Friedensverhandlungen und damit einer Befriedung des Konflikts haben. (Vgl. Findley 2007: 38-44) Für die Untersuchung von "spoiling"-Verhalten in innergesellschaftlichen Konflikten ergibt sich daraus eine weitere wichtige Annahme, nämlich dass die Bedingungen des Konflikts wesentlichen Einfluss auf Motive und vor allem Zielvorstellungen der potentiellen Spoiler ausüben. So schreibt Edward Newman: ,,A clear understanding of the nature of different types of conflict is necessary in order to anticipate and address spoiling and spoilers. Ultimately, therefore, an understanding of the relationship between the nature of conflict an the nature of spoiling is important for achieving a viable peace process and settlement" (Newman 2006: 134) Während sich Newman in seinem Artikel lediglich mit dem Einfluss ökonomischer Motive auf das Verhalten potentieller Spoiler als einem speziellen Charakteristikum gegenwärtiger innerstaatlicher Konflikte bzw. "neuer Kriegen" beschäftigt, soll hier auch auf andere Aspekte dieser Diskussion und deren Auswirkungen auf die beteiligten Akteure eingegangen werden. Wie im ersten Teil dieses Kapitels dargestellt, basieren die Entscheidungen und Handlungen der einzelnen Konfliktparteien nach William Zartman auf drei unterschiedlichen Grundmotiven: need, creed und greed, wobei je nach Konfliktphase ein anderes Motiv eine dominante Stellung einnehmen kann. (Vgl. Zartman 2005: 262-270) Aus diesen ergeben sich im Endeffekt auch die Motive und Zielvorstellungen der potentiellen Spoiler in einem Friedensprozess, welche im Folgenden kurz erläutert werden sollen. (Vgl. Schneckener 2003: 4ft:) Neeci: Als "needs" deftniert Zartman "general qualities required by people for their existence." (Zartman 2005: 263) Sie stellen wie am Beginn dieses Buches schon erwähnt einen grundlegenden Faktor dar, der, falls diese nicht in ausreichendem Maße für das jeweilige Individuum erfüllt werden, zum Ausbruch innergesellschaftlicher Konflikte beiträgt. (Vgl. Zartman 2000: 255) Das Ziel der am Konflikt beteiligten Akteure ist demnach, die durch die (aus einer subjektiven Sichtweise erfahrene) Nichterfüllung der grundlegenden Bedürfnisse entstandenen, gesellschaftlichen Missstände, wie z.B. ökonomische oder politische Diskriminierung, zu beseitigen. Für potentielle Spoiler kann dies ein wichtiges handlungsleitendes Motiv darstellen, wenn aus der Sicht dieser Akteure in einem bestimmtem Friedensprozess verabsäumt oder nicht in ausreichendem Maße sichergestellt wird, dass jene gesellschaftlichen Ungleichheiten, die in erster Linie zum Ausbruch des bewaffneten Konflikts beigetragen haben, durch diesen beseitigt werden. Im Extremfall fürchten sie, "dass der Friedensprozess [...] neue Missstände schafft, indem bestimmte Regelungen als Diskriminierung aufgefasst werden oder indem sie gänzlich von der Teilhabe an der Macht und an ökonomischen Ressourcen ausgeschlossen sind." (Schneckener 2003: 4) Im Versuch den Prozess der Friedenskonsolidierung nach der
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Unterzeichnung eines formalen Friedensschlusses dahingehend zu beeinflussen und zu verändern, dass die ursprünglichen (subjektiven) Ursachen des Konflikts beseitigt werden bzw. keine neuen Unlgeichheiten entstehen, werden einige Akteure zu Strategien greifen, die den Friedensprozess als Gesamtes in Frage stellen und als "spoiling" zu bezeichnen sind. Dieses Handlungsmotiv wird für Akteure eine besondere Rolle spielen, die sich in zwei bestimmten Situationen wiederftnden. Zum einen betrifft es vor allem jene Konfliktakteure, welche von einem Friedensprozess gänzlich ausgeschlossen sind und deshalb keine Möglichkeit haben, ihre eigenen Vorstellungen in diesen einzubringen. Unter diesen Bedingungen werden diese weiter für ihre eigenen Vorstellungen von gesellschaftlicher Gerechtigkeit kämpfen. (Vgl. Zahar 2003: 118E; Gurr 2000: 210) Zum anderen werden potentielle Spoiler versuchen, ein Friedensabkommen vor allem dann zu unterwandern, wenn dieses lediglich aufgrund starken Drucks von Seiten der internationaler Gemeinschaft oder anderer externen Akteuren zustandegekommen ist. Chetan Kumar schreibt dazu: "The nature of compromise reached by protagonists directly affects the prospects of longer-term relations between them. [...] shotgun compromises enforced by external actors might require the continued use of the shotgun in order to stay enforced, as is evident in Bosnia. Sometimes, compromises that are important to the external parties but do not address the primary issues among the domestic parties may collapse quickly." (Kumar 2001: 196) Friedensabkommen die lediglich den Zweck haben, die bewaffneten Kampfhandlungen zu beenden und nicht in ausreichendem Ausmaß auf die fundamentalen Kriegsursachen eingehen, werden demnach keine großen Aussichten auf Erfolg haben, da die beteiligten Konfliktparteien nach Möglichkeit auch weiterhin versuchen werden, ihre grundlegenden Ziele zu verfolgen. Das selbe gilt für die weiter oben bereits beschriebenen Probleme, die eine (neo-)liberale Friedenskonzeption mit sich bringt. (Vgl. Richmond 2006: 59E; 71E) Creed: Creed ist das zweite grundlegende Handlungsmotiv welches im Verlauf von innergesellschaftlichen Konflikten eine zentrale Rolle spielt. Nach Zartman wird damit eine Entwicklungsstufe des Konflikts bezeichnet, auf der subjektive Erfahrungen ökonomischer oder politischer Diskriminierung mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe verbunden werden. In dieser Phase beginnen die jeweiligen ethnischen Identitäten vor allem als Mobilisierungsfaktor eine wichtige Rolle zu spielen. Gelingt es geschickten politischen Akteuren die Mitglieder einer ethnopolitischen Gruppe auf der Basis einer kollektiven Identität zu vereinen, wird diese zu einem grundlegenden Aspekt des Konflikts. (Vgl. Zartman 2005: 263; 266f.) Mit dieser Entwicklung können sich auch die Kriegsziele verändern. Ging es am Beginn um die Beseitigung gesellschaftlicher Missstände, so verlangen "creed-based conflicts [...] access to separate or
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Theoretische Vorüberlegungen
preferential justice, either to redress the discrimination or to achieve preferential treatment as demanded by the creed." (Zartman 2000: 257) Als Handlungsmotiv für potentielle Spoiler spielt diese Konfliktdimension insbesondere dann eine Rolle, wenn "die Störenfriede [...] in einem konkreten Abkommen ihre kollektive wie auch individuelle Identität gefährdet oder nicht ausreichend gewürdigt [sehen]." (Schneckener 2003: 5) Im Unterschied zum vorherigen Motiv, welches sich mit der grundsätzlichen Beseitigung der erfahrenen gesellschaftlichen Missstände zufrieden gibt, werden hier meist noch weitreichendere Veränderungen gefordert. So schreibt Zartman: "Although areturn to equality is less difficult to achieve, it usually is not satisfying to the rebel group, which seeks compensation for past grievances as well as removal of future ones, and in procedural as weil as substantive terms." (Zartman 2000: 257) Demnach werden die beteiligten politischen Akteure einem Friedensprozess ablehnend gegenüberstehen und unter Umständen zu "spoiling"-Strategien greifen, wenn die Forderungen der jeweiligen ethnopolitischen Gruppe nach Anerkennung, Autonomie, Schutz oder positiver Diskriminierung deren Ansicht nach nicht in ausreichendem Maße umgesetzt werden. Im Extremfall stellen diese Gruppen ihre eigenen Vorstellungen über die Interessen aller anderen beteiligten Konfliktparteien und ethnopolitischen Gruppen. Dies kann sich in einem ""Suprematieanspruch" gegenüber anderen Gruppen ausdrücken oder in der Präferenz einer politischen Ordnung, die sie anderen Gruppen aufzwingen wollen (z.B. Gottesstaat)." (Schneckener 2003: 5) Für den Prozess der Friedenskonsolidierung kann erhebliches destruktives Potential entstehen, wenn es nicht gelingt, die verschiedenen ethnopolitischen Gruppen zu einer konsensorientierten Zusammenarbeit zu bewegen und Ethnizität als dominantes gesellschaftliches cleavage zu beseitigen. (VgL Schneckener 2003: 5) Die Notwendigkeit einer "De-Ethnifizierung" des politischen Systems für den Prozess einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung streicht auch Simonsen hervor, indem er schreibt: "Important opportunities rnay be lost if the intervening actors fail to acknowledge the dynamic nature of ethnicity and opt for policies that institutionalize ethnic differences." (Simonsen 2005: 297) Greed: Greed ist in Zartmans Argumentation das Charakteristikum der dritten und finalen Evolutionsstufe eines innergesellschaftlichen Konflikts. Der Einfluss dieses Faktors auf Bürgerkriegsökonornien und den Verlauf von kriegerischen Auseinandersetzungen wurde weiter oben schon beschrieben. In dieser Phase werden die beiden zuvor genannten Motive weitgehend durch ein Streben nach persönlicher Profitmaximierung abgelöst. (VgL Zartman 2005: 268ff.) Sehr treffend formuliert dies David Keen, wenn er über Bürgerkriegsökonomien in fragilen Staaten schreibt: "Particularly where chains of command are weak, war may be the continuation of economics by other means." (Keen 2000: 27) Dieser Motivwandel bringt letztendlich die Gefahr mit sich, dass für einige Beteiligte die Fortführung des
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Konflikts größere Anreize mit sich bringt als dessen Befriedung. "Greed is often not oriented towards solutions or problem-solving, but toward private gain and continuation of conflict, which is the source of its legitimation." (Zartman 2000: 258) Für potentielle Spoiler stellt dies natürlich ein sehr starkes Motiv dar, sich gegen einen Friedensprozess und eine nachhaltige Friedenskonsolidierung zu stellen. Einige Akteure (vor allem aus dem Umfeld der politischen Eliten) sind im Verlauf eines Konflikts in der Lage, sich die Kontrolle über enorme ökonomische Ressourcen anzueignen, sei es über den "Diebstahl" ganzer ehemaliger verstaatlichter Industriezweige, die meist gewaltsame Aneignung wichtiger Ressourcen wie Edelsteine und Metalle, die Abzweigung von humanitären Hilfsgütern oder die Kontrolle über illegale Schmuggelnetzwerke. All diese Möglichkeiten zur persönlichen Bereicherung stellen eine Anreiz ftir eine Fortführung des Konflikts dar und nicht für dessen Beilegung. (Vgl. Malone/Sherrnan 2005: 238f.) Doch nicht nur die persönliche Bereicherung spielt in diesem Zusammenhang für potentielle Spoiler eine wichtige Rolle, sondern auch die Absicherung von Macht. Privilegierte Zugriffsmöglichkeiten auf große ökonomische Ressourcen bringen auch eine Zunahme an Einflussmöglichkeiten und eine Verbesserung der eigenen Machtposition mit sich. Ein Friedensprozess der beinha1tet, irreguläre Bürgerkriegsökonomien in reguläre, legale ökonomische Strukturen zu verwandeln, kann für einige Akteure somit nicht nur einen Verlust an ökonomischer sondern auch an politischer Macht bedeuten. (Vgl. Schneckener 2003: 5) Wie man sieht bietet das greed-Motiv für potentielle Spoiler, die ihre Entscheidungen auf einer sorgfältigen Abwägung der zu erwartenden Kosten und Nutzen eines konkreten Friedensabkommens basieren, vieWiltige Anreize zu destruktiven Strategien zu greifen, um ihre ökonomische als auch politische Situation, welche sie möglicherweise erst durch den Konflikt erlangen konnten, zu bewahren. "Spoiling behaviour is an extension of the incentives that certain actors have in the continuation of conflict, because this provides an environment in which illicit and profitable activities can be pursued." (Newman 2006: 147) Wie auch beim need-Motiv müssen allerdings auch hier die möglichen negativen Auswirkungen eines liberalen Friedenskonzepts auf das Verhalten potentieller Spoiler näher betrachtet werden. Vor allem die Maßnahmen im Rahmen einer sogenannten "ökonomischen Schocktherapie" können wie weiter oben im Kontext der Friedenskonsolidierung schon beschrieben, die Basis für destruktives Verhalten einzelner Akteure bilden. Rasche Liberalisierung und Privatisierung von Staatseigentum führte vielfach dazu, dass illegal angeeignetes Eigentum vielfach legalisiert wurde und in den Händen von Personen verblieb, welche maßgeblich zum Ausbruch des bewaffneten Konflikts beigetragen haben. (Vgl. Donais 2005: 38ff.) Im Endeffekt verbleiben durch diese Praxis große ökonomische Ressourcen und damit
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Theoretische Vorüberlegungen
verbunden politische Einflussmöglichkeiten in den Händen von Akteuren, denen eine nachhaltige Friedenskonsolidierung eher ein Dorn im Auge, als ein erstrebenswertes Ziel ist. Autismus der Gewalt: Dieses vierte von Schneckener angeführte Motiv, welches potentielle Spoiler in ihren Handlungen beeinflusst, lässt sich vor allem in Konfliktregionen beobachten, in denen die bewaffnete Auseinandersetzung über einen sehr langen Zeitraum andauerte. In diesem Fall ändert sich in erster Linie die Funktion von Gewalt und Gewaltanwendung, "d.h. was zunächst als Mittel zur Erreichung von politischen Zielen gedacht war, entwickelte sich im Zuge des gewaltsamen Konflikts zum Selbstzweck." (Schneckener 2003: 5) Die Anwendung von Gewalt ist in einer solchen Situation für manche Akteure das einzige (und durchaus auch anerkannte) Mittel um Entscheidungen herbeizuführen und durchzusetzen. Daher schreibt Keen: ,,[...] we may need to understand and acknowledge that for significant groups this violence represents not a problem but a solution." (Keen 2000: 25), d.h. Gewalt an sich wird hier nicht mehr als (gesellschaftliches) Problem wahrgenommen, sondern als legitimes Mittel um Probleme zu lösen. Akteure, die einem solchen ,,Autismus der Gewalt" erliegen, sind für einen Friedensprozess an dessen Ende die Schaffung eines konsensorientierten gesellschaftlichen Umfelds steht, welches einen friedlichen (gewaltlosen) Konfliktaustrag ermöglicht, nur mehr sehr schwer zu gewinnen. (Vgl. Schneckener 2003: 5f.) In der Praxis ist wohl am ehesten davon auszugehen, dass diese einzelnen Motive bei potentiellen Spoilern nicht unbedingt einzeln und isoliert zu beobachten sind, sondern meist ein Mix, in dem je nach Situation ein anderes Motiv in den Vordergrund rücken wird. Vor allem könnte ein Unterschied in der Motivlage zwischen politischen Eliten und der ethnopolitischen Gruppe allgemein bestehen. Während die Anführer eher an persönlicher Bereicherung und Absicherung ihrer Position interessiert sind (greed), wird die Basis eher an den ursprünglichen Zielen, nämlich der Beseitigung gesellschaftlicher und ökonomischer Missstände interessiert sein (need/creed). (Vgl. Collier 2000: 92) Demnach kann es dazu kommen, dass innerhalb einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, je nach Ebene, in diesem Zusammenhang andere dominante Motive zu beobachten sind. Für ein effektives Spoiler-Management scheint es allerdings unerlässlich, die grundlegenden Motive potentieller Spoiler in einem bestimmten Konflikt zu untersuchen und darauf aufbauend Gegenstrategien zu entwickeln. Erst wenn man erkennt und berücksichtigt aus welchen Gründen und unter welchen Voraussetzungen bestimmte Akteure zu "spoiling"-Strategien greifen, werden diese erfolgreich sein.
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2.3.4
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Spoiler-Management
Nachdem nun Ziele und Motive von potentiellen Spoilern in Friedensprozessen dargestellt wurden, gilt es sich die Frage zu stellen, mit welchen Maßnahmen gegen solche Akteure gezielt entgegengewitkt werden kann. In der Literatur wurden dazu mehrere grobe Strategien entwickelt, welche im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Inducement: Diese Strategie des Spoiler-Managements setzt in erster Linie darauf, dass Verhalten der jeweiligen Spoiler gegenüber einem Friedensprozess über die (teilweise) Erfüllung seiner Forderungen positiv zu beeinflussen. "Inducement as a strategy for managing spoilers entails taking positive measures to address grievances of factions who obstruct peace." (Stedman 1997: 12) Wie vorher erwähnt, ist das grundlegende Ziel aller potentiellen Spoiler, die Beeinflussung des Friedensprozesses nach den eigenen Vorstellungen. Die Inducement-Strategie setzt genau in diesem Punkt den Hebel an. Durch die Anpassung des Friedensprozesses an die Wünsche der beteiligten Akteure witd versucht eine möglichst große Zustimmung zu diesem zu erhalten, während für einige Parteien unter Umständen unannehmbare Punkte fallen gelassen werden. Dabei reicht das Spektrum dieser Strategie von Minimalkonzessionen, wie die ~rantie zur Teilhabe am Friedensprozess, bis hin zur Erfüllung sehr kostspieliger Forderungen durch die internationale Gemeinschaft. (Vgl. Stedman 1997: 12f.) Ein Sonderfall dieser Taktik ist die Strategie der Bestechung, bei der potentielle Spoiler "durch materielle Anreize [...] zu einem kooperativen Verhalten oder aber zum Schweigen gebracht" (Schneckener 2003: 12) werden. Diese Strategie ist jedoch sehr umstritten, da die Ausschüttung von finanziellen Mitteln an bestimmte Akteure auch als eine Form von Belohnung für deren destruktives Verhalten gesehen werden kann. In diesem Sinne bietet diese Strategie auch einen Anreiz "spoiling"-Taktiken anzuwenden. In gewissen Fällen mag es allerdings als letztes Mittel gelten, um einige Akteure davon abzuhalten, den Friedensprozess weiterhin in Gefahr zu bringen. (Vgl. Schneckener 2003: 12) Sozialisierung: Die Strategie der Sozialisierung zielt darauf ab, dass potentielle Spoiler "im Rahmen von institutionellen Arrangements und durch die politische Praxis an die Einhaltung der vereinbarten Spielregeln und Normen gewöhnt [werden]." (Schneckener 2003: 12). Stedman stellt hier zwei Hauptaufgabenbereiche der internationalen Gemeinschaft fest. Zum einen bedarf es einer sorgfiltigen Anwendung von "Zuckerbrot und Peitsche", um das Verhalten der potentiellen Spoiler in eine konstruktive Richtung zu lenken. Zum anderen bedarf es der Überzeugungskraft der internationalen Akteure, um die positiven Aspekte und Werte des Friedensprozesses hervorzuheben und in den Köpfen der beteiligten Akteure zu verankern. (Vgl. Stedman 1997: 13) Im Wesentlichen soll dadurch ein kollektiver
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Theoretische Vorüberlegungen
Lernprozess angeregt werden, in dessen Verlauf potentielle Spoiler die Vorteile einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung erkennen und in weiterer Folge ihre destruktiven Strategien aufgeben. (Vgl. Schneckener 2003: 12; Schneckener 2002: 484ft:) Die Schwierigkeit dieser Strategie besteht von Seiten der internationalen Gemeinschaft hauptsächlich darin, einen bestimmten Friedensprozess so zu gestalten, dass dieser einen solchen kollektiven Lernprozess ermöglicht und nicht behindert. So müssen Institutionen z.B. so geschaffen werden, dass sie Anreize für kooperatives, konsensorientiertes Verhalten bieten und nicht Blockadepolitik befördern und belohnen. (Vgl. Schneckener 2002: 488ft:) Zwang (Coercion): Diese Strategie des Spoiler-Managements versucht das Verhalten potentieller Spoiler durch die Androhung bzw. Anwendung von Zwangsmaßnahmen zu beeinflussen. "A strategy of coercion relies on the use or threat of punishment to deter or alter unacceptable spoiler behaviour or reduce the capability of the spoiler to disrupt the peace process." (Stedman 1997: 13) In diesem Fall werden die Konfliktparteien gewissermaßen "zu einem Friedensabkommen und dessen Implementierung 'gezwungen'" (Schneckener 2003: 12). Im äußersten Fall beinha1tet diese Strategie den Versuch, potentielle Spoiler mit Waffengewalt zu besiegen und ihnen damit Ressourcen und Möglichkeiten für weiteres, dem Friedensprozess gegenüber destruktives Verhalten zu nehmen. (Vgl. Stedman 1997: 13f.) Stedman führt zwei weitere Variationen dieser Strategie an, die nicht alleine auf die militärische Unterwerfung dieser Akteure abzielen. Zum einen nennt er die departing train-Strategie, die mit folgender Metapher erklärt werden kann: "The departing train [...] implies that the peace process is a train leaving the station at a preordained time: once set in motion, anyone not on board will be left behind." (Stedman 1997: 14) D.h. dass Parteien, die sich nicht an einem Friedensprozess beteiligen wollen, ab einem bestimmten Zeitpunkt von diesem ausgeschlossen werden und dieser ohne deren Beteiligung weitergeführt wird. Damit verlieren sie die Möglichkeit diesen zumindest "von innen" zu beeinflussen. Von Seiten der internationalen Gemeinschaft ist bei dieser Strategie allerdings ein hohes Maß an Geschlossenheit (vor allem in Bezug wer und warum ausgeschlossen werden soll) und Bereitschaft zur militärischen Unterstützung des Friedensprozesses erforderlich, da davon ausgegangen werden muss, dass die ausgeschlossenen Akteure diesen weiterhin torpedieren werden. Zudem ist in den oft unübersichtlichen Bürgerkriegssituationen in der Praxis oft nur schwer zu entscheiden und zu bestimmen, wer ernsthaft an einem Friedensprozess interessiert ist und daher mitwirken darf und wer dagegen ist und daher ausgegrenzt wird, (Vgl. Stedman 1997: 45f.) ganz abgesehen von der Tatsache, dass dies keine objektive Entscheidung sein muss und die subjektiven Interessen Dritter widerspiegelt.
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Die zweite Variation dieser Zwangs-Strategie ist die Androhung eines Rückzugs der internationalen Gemeinschaft aus dem Friedensprozess (withdrawa~. Die Androhung des Entzugs finanzieller Hilfsleistungen oder des Abzugs von peacekeeping-Missionen soll bestimmte Akteure, die vom internationalen Engagement prinzipiell profitieren, zu einer konstruktiven Mitarbeit am Friedensprozess bewegen. (Vgl. Stedman 1997: 14) Doch auch diese Strategie ist ein zweischneidiges Schwert, da im Falle eines Rückzugs alle beteiligten Akteure bestraft werden, egal ob Spoiler oder nicht. "The strategy is ablunt instrument in that the punishmentwithdrawal-promises to hurt parties who have fulftlled their obligations and rewards any spoiler who opposes international engagement." (Stedman 1997: 14) Damit bietet diese Strategie im schlechtesten Fall potentiellen Spoilern, die sich gegen ein internationales Eingreifen aussprechen, einen Anreiz den Friedensprozess weiterhin zu untergraben. Funktionsfähig ist sie nur, wenn alle beteiligten Parteien darin übereinstimmen, dass eine internationale Präsenz in einem Krisengebiet wünschenswert ist. (Vgl. Stedman 1997: 44f.) Als eine weitere Variation dieser Strategie der Zwangsmaßnahmen, kann das Modell von Greenhill und Major gesehen werden, welches auf die capabilities potentieller Spoiler abzielt. Nachdem wie vorher schon gezeigt, die Entscheidung zu "spoiling"-Strategien zu greifen, wesentlich von den zur Verfügung stehenden Ressourcen und dem Spielraum der potentiellen Spoiler abhängt, plädieren die beiden dafür, dass die internationale Gemeinschaft dafür sorgen muss, dass sich diese beiden Aspekte zum Nachteil dieser Akteure entwickeln. In der Realität kann dies durch eine strenge Kontrolle der Ausfuhr von bestimmten Gütern, die als Finanzierungsquelle dienen können oder durch die Unterbindung des Ressourcenzuflusses von außen durch eine Diasporagemeinschaft oder Nachbarländer, erzielt werden. Darüber hinaus sollte die internationale Gemeinschaft nach Greenhill und Major dafür sorgen, dass sich die Kräfteverhältnisse in einem Konflikt nicht zu Gunsten jener Akteure verschieben, die an einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung nicht interessiert sind. Dem gegenüber wird allerdings auch die Bereitstellung von Anreizen gefordert, um Parteien die konstruktiv am Friedensprozess mitwirken in gewisser Weise zu "belohnen". (Vgl. Greenhill/Major 2007: 14f.; 36-40) Verhandlungslbsung: Diese Strategie des Spoiler-Managements zielt darauf ab, dass die beteiligten Konfliktparteien durch Verhandlungen einen Kompromiss bei strittigen Punkten erreichen und daher im weiteren Verlauf auf "spoiling"Strategien verzichten. Dazu bedarf es einerseits, dass unannehmbare Maximalpositionen aufgegeben werden und andererseits, dass die beteiligten Konfliktakteure zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit sind, wodurch sich eine Dynamik entfalten kann, die zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts führen kann. (Vgl. Schneckener 2003: 11 f.) Im Wesentlichen wird hier versucht, potentiellen Spoilern eine alternative, im Gegensatz zu "spoiling" mit dem Friedensprozess verträgliche
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Theoretische Vorüberlegungen
Strategie anzubieten, mit der die Konfliktparteien ihre eigenen Vorstellungen einbringen können. Marginalisierung: Diese Strategie verfolgt im Wesentlichen das Ziel, "den politischen Einfluss von Störenfrieden systematisch einzudämmen, diese Akteure intern zu spalten und letztendlich in der Gesellschaft zu marginalisieren." (Schneckener 2003: 12) In multiethnischen Staaten kann dies durch geschickte Wahlregelungen erreicht werden, wie z.B. durch die Förderung moderater Politiker und multiethnischer Parteien, mit dem Ziel Ethnizität als dominantes gesellschaftliches cleavage zu beseitigen. Weiters wären auch sogenannte "vote-pooling"-Wahlsysteme möglich, welche zumindest in der Theorie moderate Politiker gegenüber ihren radikalen Gegenparts bevorzugen. (Vgl. Sisk 1996: 42f.; 60f.) Grundsätzlich versucht diese Strategie des Spoiler-Managements, moderate Akteure zu fördern und somit deren gesellschaftlichen Einfluss zu steigern, während radikalen Akt-euren zum einen die Basis und zum anderen ihre Legitimität entzogen werden soll. Alle hier dargestellten Strategien des Spoiler-Managements sind aufgrund der komplexen Situationen und der Vielzahl an potentiellen Spoilern für sich alleine in den meisten Fällen wahrscheinlich nicht erfolgreich. Um effektiv gegen das Problem der Spoiler in Friedensprozessen vorzugehen, bedarf es einerseits einer eingehenden Diagnose des Spoiler-Problems als auch der grundlegenden Konfliktursachen. Darauf aufbauend sollten aus oben genannten Strategien jene ausgewählt werden, die für den betreffenden Konflikt am ehesten Erfolg versprechen. (Vgl. Schneckener 2003: 12f.)
2.4 Zusammenfassung Wie zu sehen war, sind die in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Konflikte, welche teils mit äußerster Brutalität geführt wurden und einer großen Zahl an teils unbeteiligten Menschen das Leben kosteten, das Ergebnis einer Vielzahl an komplexen und miteinander verwobenen Entwicklungen, die einfache Erklärungen und Lösungen unmöglich machen. Für die internationale Staatengemeinschaft und hier vor allem die Vereinten Nationen, welche im Normalfall mit der Befriedung und in weiterer Folge mit der Begleitung und Überwachung von Friedensprozessen bzw. der Implementierung von Friedensabkommen betraut sind, stellt diese Komplexität eine ungeheure Herausforderung dar. Viel zu oft sind die eingebundenen Institutionen in der Umsetzung konkreter Friedensschlüsse in den letzten Jahren gescheitert. Zum Teil liegt dies an den Strategien und Modellen selbst, die dabei verfolgt wurden. Anstatt sich je nach Konflikt einzeln mit den grundlegenden Konfliktursachen zu beschäftigen und darauf aufbauend, eine kontextspezifische und systematische Vorgehensweise
Zusammenfassung
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zu entwickeln, verließ man sich auf von der westlichen Modernisierungsgeschichte abgeleitete Blaupausen. Diese und andere Defizite in der Planung und Koordination der sogenannten Friedensmissionen, führten vielfach zu unerwünschten Ergebnissen. Dasselbe gilt für den Umgang mit Akteuren, die an einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung des Konflikts wenig Interesse zeigen und daher mit verschiedensten Strategien versuchen diesen Prozess zu konterkarieren. Auch hier wären die involvierten internationalen Organisationen gefordert, je nach Akteurskonstellation angepasste Gegenstrategien zu entwerfen um eine konstruktive Fortsetzung des Friedensprozesses zu gewährleisten. Dafür bedarf es allerdings wiederum einer eingehenden Untersuchung der grundlegenden Konfliktursachen und deren Bearbeitung, da sich Motive und Antrieb der potentiellen Spoiler aus diesen Bedingungen speisen und effektives Spoiler-Management nur dann betrieben werden kann, wenn diese Aspekte im Verlauf eines Friedensprozesses berücksichtigt werden. Um die bisher vorgebrachten theoretischen Positionen an einem konkteten Fallbeispiel zu überprüfen, soll im nächsten Abschnitt dieser Arbeit der Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina hinsichtlich des Auftreten und des Einflusses von potentiellen Spoilern näher untersucht werden.
3
Der Krieg in Bosnien und Herzegowina und seine Vorgeschichte
3.1
Der Zerfall der Bundesrepublik Jugoslawien
Der zwischen 1992 und 1995 andauernde Krieg in Bosnien und Herzegowina, in dessen Verlauf zwischen 100.000 und 150.000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen zu Flüchtlingen wurden, hat, wie der Zusammenbruch des Bundesstaates Jugoslawien insgesamt, eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Besonderheiten und Verlauf dieses Konfliktes nach sich gezogen. Diese wissenschaftliche Beschäftigung brachte allerdings nicht ein kohärentes Bild dieses Krieges hervor. Ganz im Gegenteil kristallisierten sich verschiedene miteinander konkurrierende Erklärungsansätze heraus, aus denen in weiterer Folge auch unterschiedliche Ansätze zur Krisenbewältigung abgeleitet wurden. Vor allem im Hin-blick auf die Aussichten einer erfolgreichen Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina spielt dies eine wichtige Rolle, denn wie Cousens schreibt: "How one explains the breakup of Yugoslavia bears heavily on how one assesses Bosnia's current prospects for peace." (Cousens 2001 b: 115)
3.1.1
Erklärungsversuch I: Die These des "uralten Hasses"
In der Kontroverse über die Ursache der Konflikte in Jugoslawien lassen sich im Wesentlichen zwei Erklärungsversuche unterscheiden. Auf der einen Seite standen dabei jene Autoren, die die Wurzeln dieses Krieges in historisch gewachsenen Antagonismen zwischen den verschiedenen ethnonationalen Gruppen am Balkan zu finden wussten. Robert Kaplan war es, der mit seinem im Jahr 1993 erstmals erschienenen Buch "Balkan Ghosts - A Journey Through History" (Kaplan 1994b), die These des "historischen Hasses" zwischen den ethnischen Gruppen in dieser Region, wekher durch das kommunistische System lediglich verdeckt bzw. unterdrückt wurde, am prominentesten und einflussreichsten vertrat. In seinem "Reisebericht" durch die Geschichte der Balkanregion beschreibt er, ausgehend von seiner Version der historischen Feindschaft zwischen Serben und Kroaten, Bosnien und Herzegowina als einen "morass of ethnically mixed villages in the mountains. " (Kaplan 1994b: 61 E) Bosnien witd als rückständig porträtiert, als "rural, isolated, and full of suspicions and hatreds to a degree that the sophisticated Croats in
R. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Zagreb could barely imagine. ,<22 (Kaplan 1994b: 62) Angesichts der ewigen Spannungen zwischen Serben und Kroaten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, war Kaplans Argumentation folgend, der Krieg in Bosnien nach dem Ende des kommunistischen Systems vorherzusehen. So schrieb er: "Bosnia did have one sophisticated urban center, however; Sarajevo, where Croats, Serbs, Muslims and Jews had rraditionally lived together in reasonable harmony. But the villages around were full of savage hatreds, leavened by poverty and alcoholism. The fact that most hortifying violence - during both World War 11 and the 1990s occurred in Bosnia was no accident." (Kaplan 1994b: 62) Eine solche Darstellung, die suggeriert, dass ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gruppen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens aufgrund des hier implizierten unumgänglichen gegenseitigen Hasses unmöglich sei, mag zwar eine einfache Erklärung für die komplexen Ursachen der zu beobachtenden Konflikte bieten, dennoch hält sie keiner genaueren Betrachtung stand. Zum einen missachtet sie die Tatsache, dass sich die Geschichte des Balkans nicht auf eine Geschichte des Krieges und des gegenseitigen Hasses reduzieren lässt, sondern wie in vielen anderen Teilen der Welt auch hier Phasen zu beobachten waren, die sich durch Kooperation auszeichneten, als auch solche die von Konflikten geprägt waren. So schreibt auch Mary Kaldor: "Was diese Position nicht erklärt, sind die langen Perioden friedlicher Koexistenz verschiedener Gemeinschaften und Nationalitäten, genausowenig wie das Aufflammen des Nationalismus an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten." (Kaldor 2007: 65) Zum anderen bestärkt diese These die Argumentationslinien jener politischen Führer, deren politisches Programm auf der Unmöglichkeit des friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher ethnischer Gruppen basiert. "Those who are ready to use easy labels and to accept the inevitabiliry of ethnic violence may actua1ly play into the hands of local actors seeking to bolster their own power and privileges by forcing politics along ethnic lines and by presenting themselves internationally and domestically as the leaders of "ethnic groups"." (Keen 2000: 22) D.h. im Wesentlichen reproduzieren Erklärungsversuche, die auf dem Dogma eines "uralten Hasses" zwischen den ethnischen Gruppen auf dem Balkan basieren, jene Mythen, welche von nationalistischen Führern verbreitet wurden, um ihre eigene Politik und ihren eigenen Machtanspruch zu legitimieren. In die selbe Kerbe schlägt auch CarlUlrik Schierup: ,,'All history including modern historiography is mythology' (Friedman 1992:837) and, seen in this perspective, popular images of the 'return of history', may give evidence as to the self-fulfilling capacity of discourses tied to contemporary claims 22 Im Prinzip reproduziert Kaplan hier ein gängiges Vorurteil gegenüber den Muslimen Jugoslawiens, die oft als rückständig porträtiert wurden. (Vgl. Calic 1996: 57)
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for power, more than they demonstrate the inevitable and spontaneous 'rebirth' of supposedly primorclial feelings, identities and cultural values." (Schierup 1999a: 3)
Trotz der vielen Unzulänglichkeiten dieser These, die in weiterer Folge auch einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung, d.h. der Schaffung von gesellschaftlichen Strukturen, welche ein friedliches Zusammenleben der ethnischen Gruppen ermöglichen, zwangsläufig nur geringe Chancen einräumt, war sie in den Neunzigern bis in die höchsten politischen Kreise weit verbreitet. So fasste z.B. der damalige USAußenminister Warren Christopher die Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien folgendermaßen zusammen: "Der Tod Präsident Titos und das Ende der kommunistischen Herrschaft haben den Deckel auf dem brodelnden Kessel des uralten ethnischen Hasses gelüftet." (zit. nach: Wieland 2000: 247) Ahnliches verlautbarte auch der damalige britische Premierminister John Major: "Once the discipline [of the communist regime; Anm. des Autors] had disappeared, those ancient hatreds reappeared, and we began to see their consequences when the fighting occurred." (zit. nach: Wieland 2000: 247) Ein Ergebnis dieser auf den höchsten Ebenen der internationalen Politik weit verbreiteten Einschätzung war, dass die Sicht auf einige andere mögliche Konfliktursachen verstellt wurde, deren Verständnis ein möglicherweise wirkungsvolleres Engagement der internationalen Gemeinschaft vor allem in Bosnien und Herzegowina zur Folge gehabt hätte. (VgL Wieland 2000: 247)
3. 1.2 Erkliirungsversuch II: Ethnopolitische Kotiflikte als Folge komplexer Entwicklungen Ein zweiter, alternativer Erklärungsversuch des gewaltsamen Zerfalls des Bundesstaates Jugoslawien ist im Wesentlichen kongruent mit den am Anfang dieser Arbeit dargestellten Positionen zu ethnopolitischen Konflikten. Nicht ein primordial definierter "ethnischer Hass", der gleichzeitig mit dem Verschwinden des kommunistischen Systems in seiner vollen Tragweite wieder an die Oberfläche kam, ist hier der entscheidende Aspekt, sondern eine Vielzahl an miteinander verwobenen, komplexen Entwicklungen führten zur gewaltsamen Auflösung Jugoslawiens und in weiterer Folge auch zum bewaffneten Konflikt in Bosnien und Herzegowina. Dabei soll allerdings nicht behauptet werden, dass die Zusammenarbeit unter den sechs Republiken (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Mazedonien) der 1945 gegründeten Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (ab 1963 Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) immer konfliktfrei ablief. Vielmehr waren seit der Staatsgründung immer wieder verschiedenste Konflikte zwischen den einzelnen Republiken zu beobachten. Zum einen handelte es sich hier um ökonomische Verteilungskonflikte zwischen dem reicheren Norden und den ärmeren, weniger entwickelten Süden. Die starken sozio-
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ökonomischen Ungleichheiten, die durch einen Lastenausgleich, d.h. Kapitaltransfer von den nördlichen in die südlichen Republiken, wettgemacht werden sollten, hatten, wie Calic beschreibt, ein "permanentes Gefühl der Benachteiligung" zur Folge. (Calic 1996: 33) "Während die weniger entwickelten Landesteile stets größere Anstrengungen bei der finanziellen Umverteilung forderten, beklagten die Wohlhabenderen immer wieder ihre wirtschaftlichen Verluste." (Calic 1996: 33) Neben dem ökonomischen war auch ein machtpolitischer Verteilungskonflikt zu beobachten. In den sechziger Jahren begann in den Republiken ein stärkeres Aufbegehren gegenüber dem Gesamtstaat, was in erster Linie mit einer Forderung nach mehr Mitspracherecht in zentralen Angelegenheiten einherging. Trotz des föderativen Charakters Jugoslawiens war der Staat in der Realität sehr zentralistisch organisiert und die einzelnen Regionen besaßen "kaum reale Mitspracherechte in der Bundespolitik". (Calic 1996: 17) Die unmittelbare Zeit nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Gründung des Bundesstaates Jugoslawien war von einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs und einer Verbesserung der Lebensumstände eines Großteils der Bevölkerung gekennzeichnet. Doch schon in den sechziger Jahren begannen sich die wirtschaftlichen Aussichten immer mehr einzutrüben und die Deftzite des jugoslawischen Modernisierungsweges traten immer offener zu Tage. (Vgl. Calic 1996: 32f.) Vor diesem Hintergrund begannen in dieser Zeit einige weitreichende Reformen, die eine Machtverschiebung von der Bundesebene auf die Republiksebene bewirkten. Ein wesentlicher Punkt dieser Neuordnung der staatlichen Kompetenzen waren die Verfassungsänderungen von 1971 und 1974, die den Republiken eine Fülle an neuen Kompetenzen auf Kosten des Gesamtstaates einräumten. Finanzen, Bildung, Justiz und Polizei wurden so zu Angelegenheiten der Teilstaaten. (Vgl. Cousens 2001b: 116) Auch die kommunistische Partei spaltete sich in eigenständige Gruppen auf und wurde gewissermaßen "nationalisiert". (Vgl. Kaldor 2007: 68) Zudem bedurften alle wichtigen Entscheidungen der Zustimmung der sechs Republiken und der zwei autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo. (Calic 1996: 34) Von den meisten Autoren wird diese massive Dezentralisierung an Kompetenzen als ein entscheidender Wendepunkt in der Entwicklung des föderalen Staates Jugoslawien gedeutet, der den Nationalismen in den einzelnen Republiken enormen Aufwind bescherte. (Vgl. Calic 1996: 34f.; 78f.; Cousens 2001b: 116; Kaldor 2007: 68f.; Schierup 1999b: 38ff.) So schrieb Calic: "Der Strukturwandel der Bundesverfassung in Richtung einer weitgehenden Dezentralisierung und Föderalisierung kann als Voraussetzung für das Erstarken der nationalen Eliten in den Teilrepubliken gelten." (Calic 1996: 78) Vor allem auf dem ökonomischen Sektor brachten die durchgeführten Reformen nicht die gewünschten Ergebnisse. "Rather than leading to the expected great leap ahead, radical reformism without an adequate institutional infrastructure
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was to bring economic, political and social anarchy and fragmentation." (Schierup 1999b: 38) Anstatt an gemeinsamen Problemlösungsstrategien für die sozioökonomischen Herausforderungen zu arbeiten, entwickelten sich auf Republiksebene immer stärker voneinander abgekoppelte, miteinander in Konkurrenz stehende Ökonomien.(Vgl. Calic 1996: 62f.) Wie Carl-Ulrik Schierup zeigte, brachte diese Fragmentierung der jugoslawischen Ökonomie auch eine ReTraditionalisierung der Gesellschaft mit sich, mit dem Resultat einer stärkeren Betonung ethnisch definierter Gruppen1oyalitäten. Damit war eine Basis gelegt für den aufstrebenden, radikalen ethnischen Nationalismus, der seit in den Achtzigern verstärkt an Einfluss gewann. (Vgl. Schierup 1999b: 39ff.) Eine besondere Verstärkung erhielten diese partikularistischen Tendenzen im Zuge der Vertiefung der Weltwirtschaftskrise, welche um 1980 Jugoslawien mit voller Wucht traf. Die stark exportorientierte jugoslawische Wirtschaft, deren Aufbau zum Großteil durch ausländische Kredite finanziert wurde, begann extrem unter den Folgen der sinkenden Nachfrage in den Hauptexportmärkten zu leiden. Wirtschaftliche Stagnation und steigende Außenverschuldung (20 Mrd. USO im Jahr 1982) waren die Folge. (Vgl. Kaldor 2007: 69f.) Auch ein Strukturanpassungskredit der Weltbank über 267 Millionen USD im Jahr 1980 konnte die Talfahrt der Wirtschaft nicht stoppen. Betrug das jährliche Wirtschaftswachstum im Jahr 1978 noch 9%, wuchs die jugoslawische Wirtschaft im Jahr 1982 nur mehr um 0,5% und fiel im darauffolgenden Jahr in eine Rezession. 23 Im Jahr 1982 wurde ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geschlossen, im Zuge dessen Jugoslawien ein Zahlungsaufschub für einen 2 Milliarden Dollar Kredit gewährt wurde. Dieses war allerdings an strenge Auflagen geknüpft: Abwertung des Dinars, Marktliberalisierung und Kürzung von Sozialleistungen. (pugh et al. 2004: 152) Eine Folge dieser Programme waren, wie in vielen anderen Teilen der Welt in denen der IWF Strukturanpassungsprograrnme durchführte, zunehmende soziale Unruhen infolge sinkender Kaufkraft und sozialem Abstieg eines großen Teils der Bevölkerung. (Vgl. Pugh et al. 2004: 153) Politische Akteure, die eine weitere FragmentierungJugoslawiens anhand ethnischer Trennlinien propagierten, erhielten dadurch weiteren Auftrieb. So schrieb Schierup: "This was, as has during the last few years been proved again and again almost everywhere in Europe, a fertile soil for ethnic nationalist mohilisation." (Schierup 1999b: 55) Ähnlich formulierte es auch Michael Pugh: "Structural Adjustment occurred just as vested interests in decentralization were consolidating power. It was the worst possible moment." (Pugh et al. 2004: 152) Zu den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen kamen in den achtziger Jahren auch noch einige Korruptionsskandale und eine zunehmende Kriminalisie23 Die ökonomischen Daten stammen aus den Datenbanken der United Nations Statistics Division. Abrufbar unter: 1lIWW.unstats.un.org (Zugriff: 20.2.2009)
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rung der Wirtschaft, die das Vertrauen der Bevölkerung in den gesamtjugoslawischen Staat weiter schrumpfen ließen. (Vgl. Kaldor 2007: 70) Der Tod des Staatsgründers Tito im Jahr 1980 und das sich abzeichnende Ende der Ost-West Konfrontation, in der Jugoslawien eine neutrale Position einnahm und die Bewegung der Blockfreien anführte, führten zudem zu einem teilweisen Verlust des jugoslawischen Selbstverständnisses und der multi-ethnischen Identität. (Vgl. Calic 1996: 35f.) Und genau in diese Bresche begannen die ethnonationa1en Herausforderer aus den einzelnen Republiken verstärkt zu schlagen. Diese stellten sich als Erneuerer des jugoslawischen Systems dar, als Garant für eine bessere Zukunft. Die "anti-bürokratische Revolution", propagiert von Slobodan Milosevic kann hierfür als Beispiel dienen. Diese stellte sich als ein Bruch mit dem alten kommunistischen System dar, als ein Neuanfang, der Serbien wieder Aufschwung und Wohlstand bringen sollte. (Vgl. Schierup 1999b: 55f.) Mit einer Mischung aus nationalistischer und populistischer Rhetorik gelang es ihm, die Massen in Serbien für seine politischen Ziele zu mobilisieren. "It was able to present itself as something genuinely contemporary - the agent for a transition into a brighter 'European' future - while at the same time successfully allying itself with, incorporating and merging traditional nationalism and its populist support into one over-arching ideologicalpolitical hegemony." (Schierup 1999b: 55) Die Lösung der "serbischen Frage" war ein zentrales Thema der Reden Milosevics, in dessen Zusammenhang er u.a. "die Beseitigung einer vermeintlich jahrhundertealten Benachteiligung und Bedrohung des serbischen Volkes; die Wiederherstellung der vollen Staatssouveränität Serbiens über sein ganzes Territorium, womit die Aufhebung der Autonomie des Kosovos und der Vojvodina gemeint war; sowie die "Herstellung der vollen nationalen und kulturellen Integrität des serbischen Volkes, unabhängig davon, in welcher Republik oder Provinz es sich befmdet"" (Calic 1996: 73),
thematisierte. Bei riesigen Massenkundgebungen, die Ende der Achtziger in ganz Serbien stattfanden, brachte er seine politischen Ideen unter das Volk und schaffte es so, eine Massenbasis für seine Anliegen zu schaffen. (Vgl. Pesic 1996: 21) Doch nicht nur in Serbien, auch in anderen Republiken gewannen nationalistische Politiker immer mehr an Einfluss. In Kroatien war es Franjo Tudjman, Gründer der "Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft" (Hrvatska demokratska zajednica/HDZ), der versuchte mit nationalistischer Rhetorik die Massen für seinen "pointiert kroatozentrischen Kurs" (Calic 1997: 37) zu mobilisieren. Der ehemalige Partisanengeneral und Historiker, der mehrmals wegen nationalistischer Äußerungen im Gefangnis saß, trat offen für ein "Kroatien nur für Kroaten" ein (Vgl. Lampe 2000: 360) und verherrlichte die Zeit des von 1941-1945 existieren "Unabhängigen Staates Kroatien", der unter der Führung der faschistischen Ustasa, ein Satellitenstaat des nationalsozialistischen Deutschlands
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war. 24 (Vgl. Calic 1997: 51f.) Unterstützung für seine Politik erhielt er vor allem aus
der kroatischen Diaspora, aus deren Reihen er im Laufe der Achtziger ein potentes internationales Unterstützernetzwerk organisieren konnte. (Vgl. Kaldor 2007: 74f.) Am Ende des Jahrzehnts begann sich die Desintegration Jugoslawiens stark zu beschleunigen. Differenzen über die Neugestaltung des jugoslawischen Staates traten nun immer offener zu Tage. Vor allem der Konflikt zwischen der Parteiführung in Slowenien und der in Serbien, zwischen Befürwortern demokratischer Reformen auf der einen und Befürwortern des Einparteiensystems auf der anderen Seite, spitzte sich immer weiter zu. In Slowenien und Kroatien wurde 1989 formal ein Mehrparteiensystem eingeführt, während in Serbien die Autonomie des Kosovo, wo es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, und der Vojvodina aufgehoben wurde. Anfang des Jahres 1990 kam es schließlich mit dem Auszug der slowenischen und kroatischen Delegierten aus dem Bundeskongress zum endgültigen Zusammenbruch der kommunistischen Einheitspartei, des "Bundes der Kommunistenjugoslawiens" (BDKJ). (Vgl. Calic 1996: 37f.) Auch auf anderen Ebenen setzte sich die Auflösung des jugoslawischen Bundesstaates rasant fort. Der gemeinsame Wirtschaftsraum zerfiel am Ende des Jahrzehnts gänzlich in regional abgeschlossene Ökonomien, wirtschaftliche Kooperation wurde gänzlich eingestellt und ging in offene Konfrontation über. Nachdem alle Republiken außer Serbien und Montenegro ihrer Souveränität erklärten, verlor der Gesamtstaat in nahezu allen Politikbereichen seine Gestaltungsmacht. (Vgl. Calic 1996: 38f.) Die teilweise radikale nationalistische Rhetorik, die in den einzelnen Republiken in dieser Phase zu vernehmen war, führte auch zur Festigung der ethnischen Identitäten in den jeweiligen Regionen. Im Wesentlichen folgten die Vertreter des nationalistischen Kurses in Jugoslawien, wie Irina Ogyanova schreibt, überall dem gleichen Muster: "The aim everywhere was the creation of anational state. It went through two phases: 1) Transformation of the federal republic into anational state. 2) Attempt 10 unify in it the members of the same ethnic group in the neighbouring republies - actually each republic wanted to proteet its integrity while at the same
24 Der "Unabhängige Staat Kroatien" existierte von 1941 bis 1945. Unter dem UstasaRegime, dass das "Ideal eines ethnisch homogenen großkroatischen Staates" (Calic 1996: 51) verfolgte, wurden neben Rama und Juden vor allem Serben Opfer von Verfolgung, Vertreibung und Mord. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges war in Jugoslawien nach 1945 immer wieder Anlass für unterschiedliche Kontroversen zwischen Serben und Kroaten, was sich vor allem auf die unterschiedliche Wahrnehmung des Ustasa-Regimes zurückführen lässt. Während ein Großteil der Kroaten diese Zeit positiv bewertet, stellt sie für die meisten anderen ethnopolitischen Gruppen in dieser Region ein kollektives Trauma dar. (VgL Calic 1996: 51-56)
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Der Krieg in Bosnien und Herzegowina und seine Vorgeschichte time was fighting to destroy that of the its neighbours. Nationalists recognized the right of self-determination of their countrymen outside their country and their right to secession and unification with the mother-state, but rejected the same rights to the national minorities inside their state [...]." (Ogyanova 2005: 9)
Die Folge war eine zunehmende Polarisierung, die durch gezielte Angstrhetorik der Nationalisten noch weiter geschürt wurde. Während in Serbien immer öfter von einem drohenden "Genozid"25 an der serbischen Bevölkerung (Vgl. Calic 1996: 74) und einer Rückkehr der kroatischen Ustasa gewarnt wurde, verbreitete die nationalistische Propaganda in Kroatien Bilder von Verbrechen der serbischen Cetniks und warnte vor der Zerstörung der christlich-katholischen Kultur durch die "Byzantiner". (Vgl. Ogyanova 2005: 15) Vor dem Hintergrund der ökonomischen Dauerkrise, der zunehmenden Handlungsunfähigkeit des jugoslawischen Staates, verbunden mit zunehmendem Einfluss der nationalistischen Akteure, verloren jene Identitätsmerkmale die nicht ethnisch definiert waren immer mehr an Relevanz, während die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- und Sprachgemeinschaft immer wichtiger wurde. Calic fasst diese Entwicklung folgendermaßen zusammen: "Im Gegensatz zu früher betrachtete 1990 nur noch eine Minderheit die ethnische Vielfalt im Land als Bereicherung. Vielen Jugoslawen erschien nun die nationale Geschichte, die eigene Sprache und Kultur von herausragender Wichtigkeit. Immer mehr Menschen betrachteten die nationale Homogenisierung ihrer Heimat 'als entscheidender Hebel, mit dem sich die Frage des persönlichen Wohlstands und Glücks lösen ließe." (Calic 1996: 36)
Die zunehmende wirtschaftliche und politische Spaltung des Landes, wurde also von einer zunehmenden Fragmentierung des Landes entlang ethnischer Trennlinien begleitet. Am deutlichsten kann diese Spaltung an den Ergebnissen der ersten freien Wahlen in Jugoslawien abgelesen werden, die im Laufe des Jahres 1990 in allen sechs Republiken durchgeführt wurden. Vier Wahlgänge konnten die nationalen Herausforderer für sich entscheiden. Der erste fand im April 1990 in Slowenien statt, wo das oppositionelle Wahlbündnis DEMOS als klarer Wahlsieger hervorging. Milan Kucan wurde zum Präsidenten gewählt. In den darauf folgenden Wahlen in Kroatien konnte sich die HDZ als stimmenstärkste Partei durchsetzen. Parteiehef und -gründer Franjo Tudjman wurde im Mai vom Parlament in Zagreb zum Präsidenten gewählt. Im Dezember folgte schließlich der Urnengang in Serbien, in dem Slobodan Milosevics "Sozialistische Partei Serbiens" (Socijalisticka Partija 25 ""Genozid" meint in diesem Zusammenhang nicht nur die physische Vernichtung, sondern auch wirtschaftliche und demographische Unterdrückung." (Calic 1996: 74) u.a. wird im berüchtigten Memorandum der serbischen Akademie der Wissenschaften von 1986, vor diesem drohenden Genozid an der serbischen Bevölkerung v.a. im Kosovo gewarnt. (Vgl. Serbian Academy of Arts and Sciences 1986: S SE.)
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Srbije/SPS), als Nachfolgepartei des serbischen Ablegers des aufgelösten BdKJ, die meisten Sitze im Parlament erringen konnte. Milosevic selbst wurde zum Präsidenten Serbiens gewählt. (VgL Lampe 2000: 359f.) Die Wahlen in Bosnien und Herzegowina brachten die zunehmende ethnische Fragmentation am deutlichsten zum Ausdruck. Von vielen Beobachtern wurde diese als "Volkszählung" bezeichnet, da der Großteil der Stimmen, entsprechend der demographischen Verteilung, auf die nationalistischen Parteien entfiel. (Vgl ealic 1997: 85) Die bosnischen Muslime wählten mehrheitlich Alija Izetbegovics "Partei der demokratischen Aktion" (Stranka demokratske akcije/SDA), während die kroatischen Bevölkerungsteile für den bosnischen Ableger der HDZ stimmten und die bosnischen Serben die "Serbische Demokratische Partei" (Srpska Demokratska Stranka/SDS) unter Radovan Karadzic wählten. Zusammen konnten diese drei Parteien 86% der Sitze im Parlament in Sarajevo erringen. Nur in den südlichen Republiken Mazedonien und Montenegro konnten sich reformkommunistische Parteien durchsetzen, die an einem Fortbestand des jugoslawischen Staatenbundes festhie1ten. (Vgl. Lampe 2000: 362) Die einzige erwähnenswerte pro-jugoslawische Partei, welche landesweit angetreten war, war Ante MarkoviCs "Savez reformskih snaga Jugoslavije" (Bund der Reformkräfte Jugoslawiens/SRSJ). Markovic war seit 1989 Premierminister Jugoslawiens und vermochte während seiner Amtszeit, durch ein striktes Spar- und Restrukturierungsprogramm, die Talfahrt der jugoslawischen Wirtschaft zumindest kurzfristig zu stoppen. Trotz seiner Popularität war er nicht in der Lage, eine große Anzahl an Stimmen für die SRSJ zu gewinnen. Am besten schnitt er noch in Bosnien und Herzegowina ab, wo seine Partei einen Stimmenanteil an 14% erreichen konnte. Insgesamt konnte die Partei jedoch nur 5% der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen. (Vgl. Lampe 2000: 359) Mit den Wahlen im Jahr 1990 wurde die Fragmentierung Jugoslawiens endgültig besiegelt. Jene Parteien und Politiker, die für einen Fortbestand des föderalen Staatenbundes eintraten, wurden mit großer Mehrheit abgewählt. Jene Politiker, die einen eigenständigen Weg ihrer Republiken propagierten, erhielten vom Volk demokratische Legitimation. Am 25. Juni 1991 erklärten sich Slowenien und Kroatien schließlich für unabhängig, wodurch der Zerfall des Bundesstaates Jugoslawien endgültig besiegelt wurde. Der Zusammenbruch Jugoslawiens und die damit verbundenen ethnopolitischen Konflikte waren letztendlich nicht das Produkt eines "uralten ethnischen Hasses", sondern im Wesentlichen das Resultat post-moderner Entwicklungen. Wie am Beginn dieser Arbeit auf einer allgemeinen, theoretischen Ebene dargestellt, waren es wirtschaftliche Krisen, deren (neo-)liberale Bereinigungsversuche mit enormen sozialen Kosten verbunden waren, zusammen mit einem Verlust an Identität (infolge des langsamen Erodierens des sozialistischen Raumes im Osten
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Der Krieg in Bosnien und Herzegowina und seine Vorgeschichte
Europas) und Vertrauen in die kommunistische Führung und damit an das Projekt eines vereinten Jugoslawiens, welche den Boden für nationalistisch gesinnte Akteure im ehemaligen Jugoslawien bereiteten. Unter diesen schwierigen Bedingungen kam schließlich noch die Transformation von Autoritarismus und Einparteiensystern zu Demoktatie und Mehrparteiensystern, in deren Verlauf sich die nationalistischen Parteien als einzige Alternative zum bestehenden kommunistischen Parteienapparat etablieren konnten. Durch die von ihnen betriebene Massenmobilisierung auf der Basis einer "Politik der Identität" trat eine auf ethnischen Trennlinien basierende Polarisierung der Gesellschaft immer offener zu Tage. Am Ende überwog das Trennende das Vereinende und Jugoslawien hörte auf, als gemeinsamer Staat zu existieren.
4.T
Der Krieg in Bosnien und Herzegowina
3.2.1
Auf dem
W~
zur Unabhängigkeit
Wie in den anderen Republiken, begannen auch in Bosnien und Herzegowina nationalistische Politiker ab den achtziger Jahren verstärkt an Einfluss zu gewinnen. Dabei konnte das multiethnische Bosnien und Herzegowina, dessen Bevölkerung sich 1990 zu 43,7% aus Muslimen, 31,3% Serben und 17,3% Kroaten zusammensetzte (Vgl. Calic 1996: 44) auf eine lange Geschichte der Kooperation zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen zurückblicken. Über Jahrhunderte hatte sich in dieser Region ein multikulturelles und -konfessionelles Selbstverständnis entwickelt, welches zu einem hohen Maß an inter-ethnischer Kooperationsbereitschaft geführt hatte. (Vgl. Calic 1996: 45f.) Im Lauf der Geschichte gab es zwar immer wieder Spannungen zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen (Vgl. hierzu z.B.: Sethre 2004), dennoch wurde die ethnische Gruppenzugehörigkeit von einem Großteil der Bevölkerung nicht als dominante gesellschaftliche Trennlinie wahrgenommen. "There were many different ways in which people from different ethnic and religious backgrounds in Bosnia lived together and side by side, so that there has always been coexistence and conflict, tolerance and prejudice, suspicion and friendship." (Calic 2003: 109) So war es auch in Bosnien und Herzegowina, wo sich im Vergleich zu den anderen jugoslawischen Republiken, die meisten als ,Jugoslawen" bezeichneten. 26 (Vgl. Wieland 2000: 260)
26 Im Jahr 1961 stammten 87% der Personen in Jugoslawien, die auf die Frage nach ihrer Nationalität ,Jugoslawen" angaben, aus Bosnien und Herzegowina. (Vgl. Wieland 2000: 260) In Bosnien und Herzegowina selbst bezeichnete sich damals 8,4% der Bevölkerung als ,Jugoslawen". (Vgl. Lampe 2000: 337)
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Obwohl nationalistische Tendenzen in Bosnien und Herzegowina schon mit den in den Sechzigern auf gesam~ugoslawischerEbene begonnenen Dezentralisierungstendenzen zu beobachten waren, gewannen diese partiku1aristischen Strömungen erst mit den einschneidenden Ereignissen in den Achtzigern zunehmend an Einfluss. Ein Grund war, dass die seit den Siebzigern an Ausmaß rasant zunehmende ökonomische Krise diese Teilrepublik besonders hart traf. Bosnien und Herzegowinas Ökonomie war besonders stark mit denen der Nachbarrepubliken verbunden. Die im vorherigen Kapitel beschriebene zunehmende nationale Abschottung der einzelnen Wirtschaftsräume, die den innerjugoslawischen Handel zunehmend beeinträchtigte, wirkte sich daher besonders negativ aus. Hinzu kam, dass diese Republik zu den am wenigsten entwickelten im gesamten jugoslawischen Raum zählte und daher sehr stark von Kapitaltransfers aus den reicheren Regionen abhängig war. (Vg1. Calic 1996: 60ff.) Vor dem Hintergrund zunehmender Wohlfahrtsverluste, verstärkte sich auch in Bosnien und Herzegowina unter den ethnonationalen Gruppen ein gegenseitiges Gefühl der Benachteiligung. Wie im restlichen Jugoslawien auch, gewann im Gegenzug die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe immer mehr an Gewicht. Calic schrieb daher: "The fact that more and more Bosnians found themselves living below the poverty level had an extremely negative impact on the fragile, multinational republic of BosniaHerzegovina, especially mixed municipalities." (Calic 2003: 110) Verbunden mit der nachlassenden Anziehungskraft des jugoslawischen Selbstverständnisses ,,in Form von Arbeiterselbstverwaltung, sozialistischer Marktwirtschaft und Blockfreiheit" (Calic 1995: 161) fanden nationalistische Bewegungen in diesem Kontext eine ideale Basis vor, von der aus sie einen großen Teil der Bevölkerung für ihre politischen Ziele mobilisieren konnten. Im Lauf der Achtziger übertrugen sich die nationalistischen Strömungen in den benachbarten Republiken Kroatien und Serbien zunehmend auch auf die entsprechenden Bevölkerungsgruppen in Bosnien. (Vg1. Calic 1996: 82f.) Im Jahr 1989 wurden die ersten Ableger der HDZ in der Nachbarrepublik gegründet. Vorrangiges Ziel war die Vereinigung aller kroatischen Gebiete in einem zukünftigen unabhängigen Staat Kroatien. (VgL Ognyanova 2005: 20; Calic 1996: 72) Analog zur HDZ verfolgte auch die 1990 gegründete SDS unter Radovan KaradZic die Etablierung eines Großserbiens, welches alle Gebiete Jugoslawiens umfassen sollte, in denen Serben lebten. (Vg1. Calic 1996: 72) Aber auch der muslimische Nationalismus, der sehr stark mit dem Namen Alija Izetbegovic verbunden war, fand in dieser Zeit immer mehr Anhänger. Seine Kritiker beschuldigten ihn, einen islamischen Staat in Bosnien und Herzegowina aufbauen zu wollen. Wegen eines von ihm verfassten Manifests, der "Islamischen Deklaration", wurde er 1983 zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Auch wenn er sich selbst immer
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wieder als anti-nationalistisch darstellte und Nationalismus allgemein "als westlichen Import, der den Werten des Islam entgegenstünde" (Wieland 2000: 278) bezeichnete, trug er durch seine Politik, die in erster Linie die bosnischen Muslime ansprechen sollte, dennoch zur ethnonationalen Spaltung des Landes bei. (Vgl. Wieland 2000: 275ff.) Eines hatten diese Parteien, wie Ljiljana Smajlovic argumentierte, gemeinsam: ,.Alle drei Parteien waren antikommunistisch und appellierten an die Loyalität ihrer Anhänger gegenüber Tradition, Religion ihrer Vorfahren und gemeinsamen historischen Bindungen und Blutsbanden." (Smajlovic 1995:182) Die ersten freien Wahlen in Bosnien und Herzegowina Ende 1990 brachten schließlich den vorher schon erwähnten Sieg der nationalistischen Kräfte. Im Vorfeld dieser Wahlen waren diese noch geeint gegen die kommunistische Partei aufgetreten und hatten versucht, sich als die beste Option für die Zukunft des Landes zu präsentieren. 27 Doch die kurz nach dem Wahlgang gegründete Koalitionsregierung aus SDA, SDS und HDZ manövrierte sich schon bald in eine politische Sackgasse und der parteiübergreifende Konsens zerfiel. Die wesentlichen Streitpunkte betrafen dabei die Fragen nach der zukünftigen institutionellen und politischen Ordnung Bosnien und Herzegowinas (multiethnischer Zentralstaat vs. Kantonisierung) und des Status' innerhalb Jugoslawiens (Unabhängigkeit vs. Verbleib im jugoslawischen Staatenbund). (Vgl. Calic 2003: 111) Keine der drei nationalistischen Parteien nahm dabei eine eindeutige Position ein. Izetbegovic favorisierte anfangs einen Verbleib der Republik in einem reformierten föderalen Staat Jugoslawien. Später revidierte er diese Position und trat offen für die Unabhängigkeit Bosniens ein. Nach Wieland kann seine spätere Haltung folgendermaßen zusammengefasst werden: ,,1)Er [Izetbegovic, Anm. des Autors] wollte nun ein souveränes BosnienHerzegowina und 2) ein ungeteiltes Bosnien-Herzegowina, also keinen muslimischen Nationalstaat." (Wieland 2000: 280) Auch wenn Izetbegovic, wie er immer wieder betonte, ein multiethnisches Bosnien wollte, konzentrierte sich seine Politik auf die bosnischen Moslems. Sein Vorschlag, dass Bosnien und Herzegowina in die Organisation Islamischer Staaten eintreten sollte goss zusätzliches Öl ins Feuer und bot den serbischen und kroatischen Nationalisten eine willkommene Gelegenheit, die Angst vor einem islamischen Staat Bosnien und Herzegowina weiter zu schüren. (Vgl. Wieland 2000: 279f., Silber/Little 1995: 253) Auch die Haltung der HDZ in Bezug auf die zukünftige politische und institutionelle Ordnung Bosniens war voller Widersprüche. Franjo Tudjman und Mate Boban, Chef der bosnischen HDZ, traten zwar öffentlich für ein ungeteiltes und unabhängiges Bosnien, auf der Basis Z7 Alija Izetbegovic hielt sogar auf der Gründungsveranstaltung der SDS eine Rede. Bei einer Gedenkveranstaltung in Foca erklärten er und Radovan Karadzic in Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg, dass "niemals wieder [...] Blut die Drina herabfließen [dürfe]." (Wieland 2000: 274)
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einer Föderation dreier autonomer Teilgebiete ein, hinter verschlossenen Türen verhandelten sie in mehreren Geheimtreffen jedoch mit den Serben über eine Aufteilung des Landes zwischen Serbien und Kroatien. (Vgl. Ognyanova 2005: 21) Im Gegensatz zu SDA und HDZ waren die bosnischen Serben gegen die Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas. Mit der "BeJgrader Initiative" legten sie im Sommer 1991 einen Plan vor, der Bosnien als Teil eines neuen Jugoslawiens ohne Slowenien und Kroatien vorsah, von Izetbegovic schließlich aber abgelehnt wurde. (Vgl. Silber/Litde 1995: 253f.) Die politische Situation in Bosnien und Herzegowina nach den Wahlen 1990 kann als äußerst undurchsichtig charakterisiert werden, da sich die führenden Politiker immer wieder in Widersprüche verstrickten und so wie es scheint, ihre wahren Absichten nicht preisgeben wollten. So schrieben Silber und Litde: "Nach außen hin schienen die Bündnisse festzustehen, hinter dem Rücken konspirierte jeder mit jedem, um herauszufinden, ob irgendwo ein besserer Deal möglich wäre." (Silber/Litde 1995: 253) Die Lage in anderen TeilrepublikenJugoslawiens hatte sich in der Zwischenzeit weiter zugespitzt und mit den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens am 25. und 26. Juni 1991 intensivierten sich die bewaffneten Auseinandersetzungen. In Slowenien war der Kampf um die Unabhängigkeit nach einigen Tagen wieder beendet. Die Jugoslawische Volksarmee zog sich vollständig zurück und Belgrad erkannte die Unabhängigkeit der nördlichsten Republik am 18. Juli 1991 formal an. (Vgl. Lampe 2000: 370) In Kroatien dauerte die militärische Auseinandersetzung zwischen kroatischen Verbänden und serbischen Einheiten wesendich länger an. Die kroatischen Serben, die in den südlichen Regionen Kroatiens die Bevölkerungsmehrheit bildeten, riefen schon im Oktober 1990 die ,,Autonome Provinz Krajina" aus, die sich im März 1991 nach einem Referendum zuerst für unabhängig und dann den Anschluss an Serbien erklärte. Bis zum Dezember 1991 gelang es den serbischen Verbänden mit Unterstützung der JVA ein Drittel des Territoriums Kroatiens unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach Vermitdung der UNO unterzeichneten die Konfliktparteien im Jänner 1992 ein Waffenstillstandsabkommen, im Zuge dessen die von den serbischen Einheiten besetzten Gebiete zu "United Nations Protected Areas" (UNPAs) erklärt wurden. Zur Überwachung des Abkommens wurde eine multinationale Friedenstruppe (United Nations Protection Force/UNPROFOR) entsendet. (Vgl. Ognyanova 2005: 16ff.; Lampe 2000: 370ff.) Gleichzeitig zu diesen Entwicklungen nahmen auch die politischen Spannungen im benachbarten Bosnien und Herzegowina zu. Am 14. Oktober 1991 zerbrach die Koalition aus SDA, SDS und HDZ endgültig. Dem vorausgegangen war eine Sitzung des Parlaments in Sarajevo, in der SDA und HDZ gegen den Willen der bosnischen Serben einen Beschluss zur Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas fassten. Letztere zogen daraufhin aus dem Parlament aus und stellten
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die Mitarbeit in den bosnischen Institutionen ein. (Vgl. Calic 1996: 97; Silber/Little 1995: 255ff.) ObwoW der 14. Oktober allgemein als der Tag angesehen wird, an dem der Konsens der nationalistischen Parteien in Bosnien endgültig zerbrach, muss sich die Frage gestellt werden, ob die Dreiparteienkoalition nicht schon in den Monaten zuvor nur noch auf dem Papier bestand. Denn schon im September begannen die bosnischen Serben autonome Regionen auszurufen. 28 (Vgl. Gow 2007: 363) Darüber hinaus hatten alle beteiligten Parteien bereits im Verlauf des Jahres mit dem Aufbau separater militärischer Strukturen begonnen. (Vgl. Rathfelder 2007: 351f.) Die Fragmentierung und Desintegration Bosnien und Herzegowinas war demnach schon vor dem formalen Zusammenbruch der Dreiparteienkoalition im Oktober 1991 sehr weit fortgeschritten. Das Ende der Regierung bedeutete schließlich das formale Ende für die Suche nach einem multiethnischen Kompromiss für Bosnien und Herzegowina. In nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens vertiefte sich die Spaltung des Landes. Die Medienlandschaft zersplitterte genauso wie die bosnische Wirtschaft immer mehr entlang ethnonationaler Grenzen. Im September berichtet die jugoslawische Nachrichtenagentur, "dass viele Firmen ihre Steuern nicht mehr an den Staat, sondern direkt an die jeweils bevorzugte Nationalpartei abführten." (Calic 1996: 88) Hinzu kam die vollkommene politische Spaltung des Landes. Nach ihrem Auszug aus dem Parlament im Oktober riefen die bosnischen Serben ihre eigene parlamentarische Vertretung ins Leben. In einem von der SDS organisierten Referendum im November 1991 sprach sich der serbische Bevölkerungsteil Bosniens mit einer großen Mehrheit für den AnscWuss an Serbien aus. Am 29.1. und 1.3.1992 wurde eine landesweite Volksabstimmung zur Unabhängigkeit des Landes durchgeführt, an dem die bosnischen Serben allerdings ihre Teilnahme verweigerten. 99,4% der restlichen Bevölkerung sprachen sich in dieser für die Unabhängigkeit aus. (Vgl Rathfelder 2007: 352) Angesichts der zunehmenden Polarisierung in Bosnien und Herzegowina begann die Europäische Gemeinschaft (EG) im Februar 1991 mit umfangreichen Vermittlungstätigkeiten. Die Vertreter der drei ethnopolitischen Gruppen konnten sich im März auch auf einen KompromissvorscWag einigen, der den Fortbestand des Landes innerhalb der bestehenden Grenzen und eine (ethnisch deftnierte) Kantonisierung nach dem Modell der Schweiz vorsah. (Vgl. Calic 1996: 188ff.) Der Plan scheiterte allerdings, nachdem Izetbegovic, der sich schon vorher immer wieder gegen eine Dreiteilung auf der Basis ethnischer Kriterien aussprach, seine ursprüngliche Zustimmung wieder zurückzog. (Vgl Silber/Little 1995: 260ff.) Dieser erste Friedensplan für Bosnien und Herzegowina hat allerdings nicht nur 28 Am 12.9.1991 wurde die Autonomie der Region "Herzegowina" proklamiert, es folgten am 16.9. die Region ,,Bosnische Krajina" und am 17.9. die "Romanija". Am 21.11. folgte die Autonomie der Region "Nordbosnien". (Gow 2007: 363)
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wegen seines Scheiterns eine besondere Bedeutung für den folgenden Konflikt. In den Worten von Marie-Janine Calic: "Die frühzeitige Festlegung auf das ethnische Prinzip erwies sich für den Verlauf des Krieges als ausgesprochen fataL Da die Grenzen der zu verhandelnden Kantone von Anfang an umstritten und umkämpft waren, kann man ohne Übertreibung feststellen, dass die Kantonsverhandlungen vom Frühjahr 1992 konfliktverschärfend wirkten. Sie haben ohne Zweifel die "Schlacht um die Kantone" erst richtig angeheizt. Auch die ethnischen Massenvertteibungen werden nur im Hinblick auf die Kantonslösung verständlich." (Calic 1996: 190) Der erste Vermittlungsversuch der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina war also nicht nur erfolglos, sondern hatte weitreichende negative Konsequenzen für den weiteren Konfliktverlauf. 29 Der EG-Vorschlag zeigt auch, dass die Ursachen des Konflikts in Bosnien und Herzegowina in den höchsten diplomatischen Kreisen, in der ethnischen Heterogenität des Landes gesehen wurde. Ein westlicher Diplomat sagte nach den Verhandlungen: "Drawing the map is also going to be a nightmare. [...] The urban areas are ethnically mixed. Families are mixed. Even apartment buildings are mixed." (Sudetic 2002) Mit dieser Aussage wird klar, dass die westliche Diplomatie die These des "uralten Hasses" auf dem Balkan vertrat, der ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gruppen unmöglich macht. Eine tiefergehende Untersuchung der Konflikte in Jugoslawien und deren Ursachen, hätte womöglich zu effizienteren Strategien der internationalen Gemeinschaft geführt und nicht zu weiterer Eskalation beigetragen. (VgL Wieland 2000: 247) Anfang April 1992 begannen die ersten schweren bewaffneten Auseinandersetzungen auf bosnischem Territorium. Genau zu diesem Zeitpunkt, am 6. April 1991, erfolgte die diplomatische Anerkennung Bilis durch die EG. Einen Tag später erklärte sich die "Serbische Republik Bosnien-Herzegowina"30 ihrerseits für 29 Dies war allerdings nicht das erste umstrittene Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien. Schon im Vorfeld der diplomatischen Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die EG, gab es vielfältige Warnungen vor den möglichen destabilisierenden Konsequenzen, die ein solcher Schritt nach sich ziehen könnte. So schrieb z.B. der damalige UN-Generalsekretär Perez de Cuellar schon am 10. Dezember 1991 in einem Brief an niederländischen Außenminister, dem damaligen Ratsvorsitzenden, angesichts der bevorstehenden Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch die EG: ,,1 am deeply worried that any early, selective recognition could widen the present conflict and fuel the explosive situation especially in Bosnia-Herzegovina and also Macedonia; indeed, serious consequences could ensue for the entire Balkan region. 1 believe, therefore, that uncoordinated actions should be avoided." (UN: 1991, S.21) 30 Diese bestand aus den serbischen Gebieten, die im Verlauf des Jahres 1991 ihre Autonomie erklärten. Schon am 9.1.1992 hatten diese die "Serbische Republik in Bosnien und
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unabhängig. Von einem einheitlichen Gewaltmonopol des Staates konnte im Falle Bosnien und Herzegowinas also schon am Tage seiner formalen Anerkennung als Staat keine Rede sein. Vielmehr war Bosnien zu diesem Zeitpunkt in zumindest zwei Teile zerfallen, deren politische Führungen fundamental verschiedene Ansichten über die Zukunft dieses Landes vertraten. (Vgl. ealic 1996: 89-97)
3.2.2
Der Krieg in Bosnien und Herzegowina 1992-1995
In den Tagen nach der Anerkennung durch die EG und die USA überschritt der Konflikt in Bosnien und Herzegowina endgültig die Schwelle zum Krieg. Auf dem gesamten Territorium des Staates wurden ab April 1992 schwere Kämpfe gemeldet. Im Westen, im Neretva-Tal wie im Nordosten kämpften Einheiten der bosnischen Serben gegen bosnische Kroaten, im Nordwesten, in der Region Bihac und in Ostbosnien kämpften Bosniaken gegen bosnische Serben. Nach den ersten vier Wochen des Krieges, befanden sich nach UN-Angaben bereits 520.000 Menschen auf der Flucht vor den Kämpfen. (Vgl. UN 1992: Paras. 4;6) Die bosnischen Serben konnten in den ersten Kriegsmonaten, aufgrund ihrer militärischen Überlegenheit, die größten Gebietsgewinne für sich verzeichnen. Die ,,Armee der Republika Srpska" (VRS) profitierte vor allem von den zurückgelassenen Waffen der JVA, die sich mit 4. Mai 1992 offiziell aus Bosnien zurückgezogen hatte, die VRS aber auch im weiteren Verlauf des Konflikts militärisch und logistisch unterstützte. Die Einheiten der bosnischen Kroaten und der bosnischen Moslems waren der VRS am Beginn des Konfliktes weit unterlegen. Die ,,Armee der Republik Bosnien und Herzegowinas" (ABiH) wurde erst im Verlauf des Konfliktes aufgebaut und setzte sich in den ersten Kriegsmonaten aus mehreren weitgehend unabhängigen Freiwilligenverbänden zusammen, die sich im Vorfeld des Krieges regional gebildet hatten. Innerhalb der ABiH bestanden kaum vernetzte Kommandostrukturen und funktionierende Kommunikationslinien, zudem waren die Einheiten schlecht ausgebildet und bewaffnet. Die offizielle Armee der bosnischen Kroaten, der "Kroatische Verteidigungsrat" (HVO), setzte sich ebenfalls aus mehreren lokalen Milizverbänden zusammen, konnte jedoch auf umfangreiche Unterstützung durch die kroatische Armee setzen. (Vgl. Zunec/Kulenovic 2007: 390-394; ealic 1996: 98-101) Neben den regulären Armeen der drei Kriegsparteien operierten auf dem Gebiet Bosnien und Herzegowinas aber auch noch eine Reihe paramilitärischer Verbände31 , die zum Teil auf eigene Faust, zum Teil auf Befehl der Führung der Herzegowina" proklamiert. 31 Ein Bericht der Vereinten Nationen (ON 1994c; UN 1994d), schildert die Operationen der nicht-staatlichen Gewaltakteure in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien ein-
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jeweiligen ethnopolitischen Gruppe agierten. Auf serbischer Seite ist hier die "Serbische Cetnik-Bewegung" von Vojislav SeSelj, Arkans "Serbische Freiwilligengarde", die "Weißen Adler" und die "Serbische Garde" zu nennen. Auf kroatischer Seite operierten u.a. die "Wölfe von Vukovar", die "Zebras", die "Schwarze Legion" und die "Kroatische Verteidigungsunion" (HOS). Die Rekrutierung für diese paramilitärischen Einheiten erfolgte meist aus den rechtsextremen und kriminellen Milieus Kroatiens und Serbiens. Auch auf Seiten der bosnischen Moslems tauchten im Verlauf des Krieges solche paramilitärischen Verbände auf. In erster Linie waren es hier islamische Kämpfer aus dem Ausland, die sogenannten Mujaheddin, die in eigenen Verbänden gemeinsam mit der ABiH kämpften. Alle diese Einheiten waren berüchtigt für die Brutalität und Kompromisslosigkeit mit der sie vor allem gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Zudem führte die große Anzahl dieser Verbände zu einer Fragmentierung des Gewaltmonopols, nicht nur auf der Ebene des Gesamtstaates, sondern auch auf der Ebene der drei Konfliktparteien. Klare Hierarchien, Zuständigkeiten und Verantwortung waren aufgrund des undurchsichtigen Geflechts an verschiedenen militärischen Gruppierungen oft nicht mehr auszumachen. Zudem fühlten sie sich, wie in anderen, als "neue Kriege" klassifizierten Konflikten dieser Zeit auch zu beobachten, in einem rechtsfreien Raum, in dem Kriegsvölkerrecht oder humanitäres Völkerrecht keine Rolle spielten. (Vgl. Calic 1996: 102ff.; Zunec/Kulenovic 2007: 397) Ein Bericht des damaligen UN-Beaufttagten für Bosnien und Herzegowina, Marrack Goulding, bestätigt diese Annahmen: "Freedom of movement is virtually non-existent: arecent UNHCR convoy had to negotiate its way through 90 roadblocks between Zagreb and Sarajevo, many of them manned by undisciplined and drunken soldiets of undetermined political affiliation and not responsible to any identifiable central authority. Relief supplies are stolen, vehicles hijacked and international aid workets threatened and abused." (UN 1992: Para. 6)
In den ersten Kriegsmonaten verdeutlichten sich auch die Kriegsziele der Konfliktparteien. Sowohl die bosnischen Serben als auch die bosnischen Kroaten verfolgten die Strategie, die mehrheitlich von ihrer eigenen ethnischen Gruppe bewohnten Gebiete, vor dem Hintergrund eines möglichen Zusammenschlusses mit den jeweiligen Nachbarstaaten, unter ihre Kontrolle zu bringen bzw. zu vereinen. Die militärische weit unterlegenen Bosniaken konnten vor allem zu Kriegsbeginn dagegen militärisch kaum offensiv vorgehen und waren dazu gezwungen sich auf die Verteidigung ihrer eigenen Mehrheitsgebiete in Mittelbosnien und in der Region Bihac zu konzentrieren. Ihr vorrangiges Ziel bestand darin, die Erhaltung Bosnien und Herzegowinas als Gesamtstaat zu sichern. (Vgl. Calic 1996: lOSE.) Clausewitz' Diktum, wonach "Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln sei", mag in Anbetracht der Entwicklungen in den ersten Kriegsmonaten in Bosnien, eine gehend.
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gute Beschreibung für diese sein. Wollten die politischen Führer der bosnischen Kroaten und bosnischen Serben im Vorfeld des Krieges Selbstverwaltung und Selbstbestimmungsrecht für ihre Mehrheitsgebiete - zumindest vordergründig - mit politischen Mitteln verwirklichen, wurden diese Ziele ab April 1991 mit militärischen Mitteln zu erreichen versucht. Der negative Effekt des oben skizzierten EGVorschlags wurde jetzt deutlich. Durch militärische Eroberungen und die Schaffung ethnisch homogener Regionen versuchten die politischen Führer der bosnischen Serben und der bosnischen Kroaten ihre Herrschaft in bestimmten Gebieten auszuweiten und zu konsolidieren, wodurch sie sich nicht zuletzt eine bessere Ausgangsposition bei zukünftigen Verhandlungen über die Aufteilung (Kantonisierung) des Landes versprachen. (Vgl. Calic 1996: 190) So hieß es auch in einem UN-Bericht, angesichts der ersten großen Offensive der bosnischen Serben im April 1992: "All international observers agree that what is happening is a concerted effort by the Serbs of Bosnia-Herzegovina, [...] to create "ethnically pure" regions in the context of negotiations on the "cantonization" of the Republic in the EC Conference on Bosnia-Herzegovina [...]." (UN 1992: Para. 5) Die Desintegration des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowinas beschleunigte sich in den folgenden Monaten rasant. Nachdem die bosnischen Serben schon im April die Unabhängigkeit der "Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina" verkündet hatten, riefen die bosnischen Kroaten im Juni 1992, die "Kroatische Gemeinschaft Herceg-Bosna" aus, die später ebenfalls ihre Unabhängigkeit proklamierte. Wie Calic berichtet, war die Vorgehensweise in allen autonomen Regionen gleich. Nachdem die Autonomie bzw. Unabhängigkeit der jeweiligen Region ausgerufen wurde, folgte der Aufbau paralleler staatlicher Strukturen, die nicht mit dem eigentlichen Zentrum Sarajevo kooperierten, sondern mit Belgrad bzw. Zagreb. Auf beinahe allen Ebenen des öffentlichen Lebens erfolgte eine Vereinheitlichung der Systeme mit denen in den benachbarten Titularstaaten und damit verbunden eine institutionelle Abkopplung von den (ohnehin fragilen) staatlichen Strukturen Bosnien und Herzegowinas. Nach der strukturellen Homogenisierung, wurde in weiterer Folge in den autonomen Gebieten auch der Versuch einer ethnischen und kulturellen Homogenisierung unternommen. Dies beinhaltete zum einen die Verdrängung von Symbolen, Bräuchen, Sprachen etc. der anderen ethnonationalen Gruppen. Zum anderen begann in vielen Teilen Bosniens die systematische Diskriminierung und Vertreibung jener Teile der Zivilbevölkerung, die nicht Teil der im jeweiligen Gebiet bestimmenden ethnischen Gruppe waren. (Vgl. Calic 1996: 90-97) Zusammenfassend schrieb Calic: "Unter der euphemistischen Bezeichnung "ethnische Säuberungen" fand so eine regional flächendeckende und alle Ebenen des öffentlichen Lebens umfassende nationale Homogenisierung statt [...]" (Calic 1996: 95)
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Bis zum Ende des Jahres 1992 konnten die bosnischen Serben ca. zwei Drittel des Territoriums Bosnien und Herzegowinas erobern. Während die bosnischen Kroaten die Kontrolle über die mehrheitlich kroatische Westherzegowina halten konnte, kontrollierte die ABiH nur noch Teile Zentral- und Ostbosniens, indes die Verbindung zu einigen größeren und strategisch teils wichtigen Städten wie Bihac, Srebrenica, Zepa, GoraZda, Zenica und Tuzla durch die Truppen der VSA abgeschnitten wurde. Auch die Hauptstadt Sarajevo wurde seit Beginn des Krieges von Einheiten der bosnischen Serben belagert und stand unter ständigem Artilleriebeschuss. Die Lage für die Regierungstruppen wurde im Winter 1992/93 noch ungünstiger, als das militärische Bündnis mit den bosnischen Kroaten immer brüchiger wurde. Spätestens im April 1993 standen sich die ehemaligen Verbündeten als Feinde gegenüber. Alle militärisch erreichten Gebietsverschiebungen waren verbunden mit den oben beschriebenen Maßnahmen zur ethnischen Homogenisierung der besetzten Landstriche. (VgL Rathfelder 2007: 356f.) In der Zwischenzeit verstärkte sich auch das internationale Engagement in diesem Konflikt. Die ursprünglich für Kroatien konzipierte UNPROFOR-Friedensmission wurde auch mit einem Mandat für Bosnien und Herzegowina ausgestattet, welches zunächst auf die Unterstützung bzw. Überwachung der Verteilung humanitärer Hilfsgüter beschränkt war, in den kommenden Kriegsjahren allerdings zahlreiche Erweiterungen erfahren sollte. Auch die NATO wurde ab Mitte 1992 vom UN-Sicherheitsrat mit verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit den Konflikten in Jugoslawien betraut. Dazu gehörten die Überwachung des Waffenembargos und des Flugverbots über bosnischem Territorium, welches im Oktober 1992 beschlossen wurde. (Vgl. Leurdijk 1996: 22-32) Auch auf diplomatischer Ebene setzte die internationale Gemeinschaft ihr Engagement fort. Mit der "Internationalen Konferenz für das ehemalige Jugoslawien", einem eigens geschaffenen UN-Organ, sollten Vorschläge für eine friedliche Streitbeilegung erarbeitet werden. Im Jänner 1993 wurde den Konfliktparteien schließlich ein neuer Friedensplan (bekannt als Vance/Owen-Plan) vorgelegt. Nach diesem sollte Bosnien und Herzegowina als weitgehend dezentralisierter Staat mit einer Zentralregierung in Sarajevo fortbestehen, der sich aus zehn autonomen Provinzen zusammensetzt. 32 Vorrangiges Ziel des Planes war es, die weitere Desintegration Bosnien und Herzegowinas zu verhindern und die "ethnischen Säuberungen" der ersten Kriegsmonate rückgängig zu machen. Die Grenzen der einzelnen autonomen Regionen sollten aus diesem Grund so gezogen werden, dass keines dieser Gebiete als ethnisch homogen bezeichnet werden konnte. Die Frage der Grenzziehung war es schließlich auch, über die die drei Konfliktparteien in langen Verhandlungsrunden stritten. Entgegen der ursprünglichen Intention des Plans, versuchte jede 32 Für Details zum Verhandlungsprozess und zum Plan selbst siehe: UN 1993a und UN 1993b.
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Konfliktpartei die Grenzen zu ihrem Gunsten zu verschieben. Von den drei beteiligten Parteien kritisierte Alija Izetbegovic den Vorschlag am heftigsten, da darin seiner Meinung nach "ethnische Säuberungen" und Gebietsgewinne der bosnischen Serben belohnt werden würden. (VgL UN 1993b: Para.14) Nach langen Verhandlungen konnten dennoch alle drei Konfliktparteien zu einer Zustimmung zum Vance/Owen-Plan bewegt werden, wobei die bosnischen Serben die Gültigkeit der Vereinbarung vom Einverständnis des Parlaments und der Bevölkerung der Serbischen Republik in Bosnien abhängig machten. Diese lehnten den Plan im Mai schließlich ab, womit auch der Vance/Owen-Plan gescheitert war. (Vgl. ealic 1996: 190-196) Als direkte Konsequenz der Ablehnung durch die Vertreter der bosnischen Serben, stellte Serbien und Montenegro - zumindest offiziell - alle Unterstützungsleistungen (mit Ausnahme humanitärer Hilfe) für diese ein. (VgL UN 1993c: Para. 3) Die Kämpfe in Bosnien und Herzegowina gingen unterdessen unvermindert weiter. Die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft, dass die gemeinsamen Verhandlungen zwischen Bosniaken und bosnischen Kroaten über den Vance/OwenPlan zu einer Erneuerung der Kooperation zwischen den beiden Konfliktparteien führen würde, wurde nicht erfüllt. (Vgl. UN 1993c: Para. 3) Stattdessen gewann dieser Konflikt stark an Intensität, wobei die ABiH ab der Mitte des Jahres 1993 in der Lage war, große, von der HVO besetzte Territorien, zurückzuerobern. In anderen Teilen Bosniens geriet die ABiH allerdings immer weiter in die Defensive, nachdem die bosnischen Serben eine neue Offensive gegen einige strategische wichtige Städte in Ostbosnien gestartet hatten. (Vgl. Rathfelder 2007: 357; ealic 1996: 107) Angesichts schwerer Angriffe und der Gefahr, dass diese von der VSA überrannt werden würden, erklärte der UN-Sicherheitsrat am 16. April 1993 die Stadt Srebrenica und drei Wochen später die Städte Sarajevo, Tuzla, Zepa, Gorazde und Bihac zu Sicherheitszonen ~,safe areas''). UNPROFOR wurde mit deren Schutz betraut und das Mandat der UN-Truppe dahingehend stark erweitert. (Vgl. Leurdijk 1996: 33-37) Während die Kämpfe nach dem Scheitern des Vance/Owen-Plans erneut aufflammten, legten die Vertreter der bosnischen Serben und Kroaten einen neuen Plan über die Aufteilung des Landes vor. (Vgl. UN 1993c: Paras. 6-14) Dieser Vorschlag, der von der internationalen Gemeinschaft aufgegriffen und die Basis für den Owen/Stoltenberg-Plan bildete, sah die Errichtung einer Konföderation aus drei Staaten vor, der "Union der Republiken Bosnien und Herzegowinas", wobei die zentralen Kompetenzen bei den einzelnen Teilrepubliken verbleiben sollten. (Vgl. ealic 1996: 197f.; UN 1993e: Appendix 1) Im folgenden Verhandlungsprozess waren es wie bei den vorhergehenden Vorschlägen die innerstaatlichen Grenzen, die zu den heftigsten und langwierigsten Diskussionen führten. 33 In den ersten 33 Lord Owen, der Verhandlungsführer der Europäischen Union, sagte in diesem Zusam-
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Fassungen dieses Planes hätte das Territorium der muslimischen Republik, weniger als 30% der Gesamtfläche Bosnien und Herzegowinas betragen und wäre gänzlich von den anderen beiden Republiken umgeben gewesen. (Vgl. UN 1993d: Paras. 511; 30-47) Nach langen Verhandlungen, in deren Verlauf sich auch die Europäische Union verstärkt einbrachte und die drei Parteien mit Hilfe verschiedener Anreize zu einer Zustimmung zu diesem Friedensplan bewegen wollte, scheiterte auch der Owen/Stoltenberg-Plan im Verlauf des Winters 1993/94. Die heftigsten Vorbehalte gegen eine Dreistaaten-Konföderation kamen diesmal von den bosnischen Moslems, die mit einer Zustimmung zu diesem Plan die meisten Abstriche von ihren eigentlichen Kriegszielen hinnehmen hätten müssen. (Vgl. Calic 1996: 199ff.) Schon kurz nachdem der Owen/Sto1tenberg-Plan als gescheitert galt, wurde im April 1994 eine neue Friedensinitiative ins Leben gerufen. Grundlage hierfür bildete das Washingtoner Abkommen, welches zum einen den Krieg zwischen Bosniaken und Kroaten im März 1994 beendete und zum anderen die Grundlage für die Bildung einer muslimisch-kroatischen Föderation in Bosnien und Herzegowina darstellte. Diese Vereinbarung über eine zukünftige Kooperation der beiden ehemaligen Kriegsgegner war vor allem ein Ergebnis eines verstärkten diplomatischen Engagements der USA. Die Clinton-Administration hatte im Vorfeld dieser Übereinkunft den Druck auf Tudjman und Izetbegovic erheblich erhöht und die beiden Kriegsparteien gewissermaßen zu diesem Abkommen "gezwungen". (Vgl. Ivankovic/Me1Cic 2007: 430f.; Silber/Little: 383-389) Die Erneuerung der muslimisch-kroatischen Kooperation bildete in weiterer Folge die Basis für einen weiteren Versuch der internationalen Gemeinschaft, den Konflikt in Bosnien und Herzegowina zu befrieden. Die in diesem Zusammenhang gebildete Kontaktgruppe, die sich aus Vertretern der USA, Russland, der Europäischen Union (Frankreich, DeutscWand, Großbritannien) und der Vereinten Nationen zusammensetzte, sollte durch gemeinsame Verhandlungen mit den einzelnen Konfliktparteien nach Auswegen aus dem Krieg in Bosnien suchen. Der daraus resultierende Friedensplan sah die Teilung des Landes in zwei Teilrepubliken vor, wobei für die muslimisch-kroatische Föderation 51% und für die Serbische Republik 49% des Territoriums Bosnien und Herzegowinas vorgesehen waren. Um die Zustimmung der drei Konfliktparteien zu diesem Plan zu erwirken, wurde umfangreiche Wiederaufbauhilfe und ein Ende des Embargos gegen Serbien in Aussicht gestellt. Für den Fall einer Ablehnung drohte die internationale Gemeinschaft mit weitreichenden Konsequenzen. Zum einen sollten weitere Verstöße gegen Resolutionen des Sicherheitsrates schärfer geahndet werden und zum anderen, als letzte Konsequenz, wurde ein Ende des Waffenembargos und damit ein menhang: "It is painfully slow and demoralizing at times. You fight over every village. Then you look back and find that the village has 150 people in it. It's ridiculous." (Darnton 1993)
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Abzug von UNPROFOR angedroht. (Vgl. UN 1994a: Paras. 60-61) Obwohl Slobodan Milosevic die Führung der bosnischen Serben um Radovan KaradZic dazu drängte, diesen Friedensplan anzunehmen, verwarf diese im August 1994 auch diesen Vorschlag, während alle anderen involvierten Parteien ihr Einverständnis signalisiert hatten. Offiziell waren es wieder Vorbehalte gegen die angedachte Grenzziehung innerhalb Bosnien und Herzegowinas, die zur Ablehnung des Kontaktgruppen-Plans führten. (Vgl. Calic 1996: 202ff.) Mit dieser Entscheidung der bosnischen Serben vollzog sich auch ein Bruch mit Milosevic, der auf eine Annahme des Plans der Kontaktgruppe gedrängt hatte (Vgl. Silber/Little 1995: 405417) und in Folge dessen Ablehnung durch die Führung der bosnischen Serben, die politischen und ökonomischen Kontakte mit diesen abbrach und die Grenzen zu den serbischen Gebieten in Bosnien und Herzegowina schließen ließ. (Vgl. UN 1994b: Para. 2) Das Jahr 1994 wurde allerdings nicht nur durch die gescheiterten Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft geprägt, sondern ab dem Sommer dieses Jahres begann sich auch die strategische Situation der drei Konfliktparteien zu verändern. Der ABiH war es in Folge des Abkommens von Washington gelungen, neue Nachschubwege zu sichern, die Truppen zu reorganisieren und mit der Hilfe illegaler Kanäle die Bewaffnung ihrer Soldaten zu verbessern. Gemeinsam mit der HVO waren die Regierungstruppen zunehmend in der Lage auch offensive militärische Operationen durchzuführen. (Vgl. Calic 1996: 108;243; Andreas 2004: 42f:) Die VSA hingegen war immer weniger in der Lage erfolgreiche Angriffe zu starten, während die Moral ihrer Soldaten immer weiter sank. (Vgl. Rathfelder 2007: 358) Nach dem Ablauf einer viermonatigen Waffenpause im April 1995 beschleunigten sich die Ereignisse in Bosnien und Herzegowina zusehends. An allen Fronten flammten die Kämpfe verstärkt auf. Am 6. Juli 1995 starteten die bosnischen Serben einen Angriff auf die beiden UN-Schutzzonen Zepa und Srebrenica. Die dort stationierten, nur leicht bewaffneten Blauhelme hatten der VSA nichts entgegenzusetzen. Nach der Eroberung der beiden Städte durch die Streitkräfte der bosnischen Serben, ermordeten diese mehrere Tausend Menschen. Die Empörung der Weltöffentlichkeit führte dazu, dass sich die internationale Gemeinschaft zu einem robusteren Vorgehen gegen die bosnischen Serben entschied. Im Falle eines sich ankündigenden Angriffs auf GoraZde, drohte die NATO mit ernsthaften Vergeltungsschlägen aus der Luft. Schon am 15. Juni 1995 beschloss der UN-Sicherheitsrat die Entsendung einer 12.500 Mann starken "Schnellen Eingreiftruppe" (Rapid Reaction Force) zur Unterstützung des nur leicht bewaffneten und weit verstreuten UNPROFOR-Kontingents. Die bosnischen Serben hatten diese Verwundbarkeit der UN-Truppen in der Vergangenheit immer wieder ausgenutzt, um die NATO von Luftschlägen gegen ihre Einheiten
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abzuhalten. Mit der geographischen Konzentration von UNPROFOR nach dem Eintreffen der schnellen Eingreiftruppe war die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen gegen die internationale Militärpräsenz infolge von NATO-Angriffen weitgehend gebannt. (Vgl. Calic 1996: 245f.) Die angedrohten massiven Luftangriffe wurden nach einem Granatenangriff auf einen Marktplatz in Sarajevo am 28. August 1995 gestartet. Obwohl gewisse Zweifel bestehen, dass das Geschoss tatsächlich von serbischen Stellungen abgefeuert wurde (Vgl. Geyer 2005), reagierte die NATO auf dieses Ereignis mit massiven Luftschlägen gegen serbische Ziele in Bosnien und Herzegowina. Zusätzlich nahmen Einheiten der Rapid Reaction Force Stellungen der bosnischen Serben rund um Sarajevo unter Artilleriebeschuss. Die Bombardements, welche vierzehn Tage andauerten, führten zu einer weitgehenden Zerstörung der Kommando- und Kommunikationsstrukturen der VSA Nachdem die bosnischen Serben noch vor Ablauf eines Ultimatums ihre schweren Waffen rund um Sarajevo zurückgezogen hatten, wurden die NATO-Operationen vorläufig ausgesetzt. (Vgl. Leurdijk 1996: 78-82) Gleichzeitig mit den NATO-Luftangriffen starteten die ABiH und der HVO eine groß angelegte Offensive gegen die VSA, in deren Verlauf sie die Belagerung der nordbosnischen Enklave Bihac beenden und weite Teile Westbosniens erobern konnten. Die Einheiten der bosnischen Serben hatten diesem Vormarsch nur wenig entgegenzusetzen. Im September drohte sogar ein Angriff auf die serbische Hochburg Banja Luka, der jedoch auf Druck Clintons gestoppt wurde. Am 10. November 1995 konnten sich die Konfliktparteien schließlich auf einen Waffenstillstand einigen, der den Weg für weitere Friedensverhandlungen freimachte. (Vgl. Rathfelder2007: 359;Calic 1996:244) Nachdem sich die Konfliktparteien schon im September nach intensiven Vermittlungsbemühungen des US-Sondergesandten Richard Holbrooke auf "basic principles" für ein politische und institutionelle Neuordnung Bosnien und Herzegowinas einigen konnten, begannen am 1. November auf einer Luftwaffenbasis in Dayton, Ohio die Verhandlungen über ein umfassendes Friedensabkommen, an denen der bosnische Präsident Alija Izetbegovic, der kroatische Präsident Franjo Tudjman und Slobodan Milosevic als Vertreter der bosnischen Serben teilnahmen. Am 21. November 1995 konnten die Gespräche mit der Paraphierung des ,,Allgemeinen Rahmenabkommens für Frieden in Bosnien und Herzegowina" erfolgreich abgeschlossen werden. Am 14. Dezember erfolgte in Paris die Unterzeichnung des Abkommens durch die Vertreter der drei Konfliktparteien. (Vgl. Leurdijk 1996: 91-95, Almond 2007: 441f.) Damit war der Krieg in Bosnien und Herzegowina offiziell beendet. Warum brachten gerade die Friedensverhandlungen in Dayton den langersehnten Durchbruch in Bosnien und Herzegowina? Ein Teil der Antwort auf
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diese Frage findet sich in der veränderten militärischen und strategischen Situation im Jahr 1995. Während die bosnischen Serben immer mehr in die Defensive gerieten, waren die ABiH und der HVO in Verlauf des Jahres erstmals in der Lage groß angelegte Offensiven zu starten. Das stark asymmetrische Kräfteverhältnis, das lange Zeit für diesen Krieg kennzeichnend war, hatte sich im Verlauf des Jahres immer stärker zu Ungunsten der VSA verändert, wodurch eine Weiterführung des Krieges für die bosnischen Serben aus militärisch-strategischer Sicht immer unattraktiver wurde. (Vgl. Cousens 2002: 537) Entscheidende Veränderungen vollzogen sich allerdings auch auf internationaler Ebene. Früheren Friedensvorschlägen mangelte es oft an ausreichender gemeinsamer und vor allem nachdrücklicher Unterstützung von Seiten der internationalen Gemeinschaft. Ahnlich wie bei den drei vorangegangenen Friedensinitiativen zeigten sich die drei Konfliktparteien auch bei den Verhandlungen in Dayton nicht vollends zufrieden mit den ausverhandelten Abkommen. (Vgl. Cousens 2002: 541f.) Im Gegensatz zu den Jahren davor trat die internationale Gemeinschaft im Verlauf des Jahres 1995 aber geeint auf und verfolgte zudem eine einheitliche Strategie um den Krieg in Bosnien und Herzegowina zu beenden. Darüber hinaus zeigte sie sich mit der Entsendung der Rapid Reaction Force und den massiven Luftangriffen auf serbische Stellungen auch zunehmend bereit, bislang weitgehend zahnlose Resolutionen und Aufforderungen des Sicherheitsrates mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Für die drei Konfliktparteien verringerte sich dadurch der Spielraum bei den Verhandlungen zum Dayton-Abkommen, da ihnen bewusst war, dass ein Scheitern der Verhandlungen mit erheblichen Konsequenzen verbunden sein würde. (Vgl. Cousens 2002: 536ff.) Die veränderte militärische Lage und der große Druck, der von Seiten der internationalen Gemeinschaft auf die Kriegsparteien ausgeübt wurde, waren demnach die wesentlichen Faktoren, die einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in Dayton bedingten. Zu diesem Schluss kamen auch Biermann und Vadset: "The failure of the peace agreements could be attributed to lack of joint political back-up by major powers - something that Dayton did not lack. In distinction to Autumn 1995, the negotiation process was at that time (m 1993) overshadowed by deep disagreements in the EU and between Europe and the United States." (Biermann/Vadset 1998: 72) Das Abkommen von Dayton war also mehr das Resultat einer robusteren Diplomatie der internationalen Gemeinschaft, als einer veränderte Auffassung der Lage durch die drei Konfliktparteien. Cousens schreibt daher: "As a result, and arguably most important, the Bosnian war did not end with a "mutually hurting stalemate" but with what is better called a "coerced compromise"." (Cousens 2002: 538) Die Tatsache, dass die Konfliktparteien zu diesem Friedensabkommen in gewissem Maße gezwungen wurden, stellte für den Prozess einer nachhaltigen Frie-
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denskonsolidierung eine schwierige Ausgangslage dar, wie später noch eingehender gezeigt wird.
3.2.3
Die Ökonomie des Krieges
Im Hinblick einer Untersuchung des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina nach dem AbscWuss des Friedensabkommens von Dayton, ist es wichtig, neben der politischen und sozialen auch die ökonomische Dimension dieses Konflikts zu untersuchen. Dabei sind in Bosnien zwei unterschiedliche wirtschaftliche Sphären zu unterscheiden, die im Verlauf des Konflikts völlig gegenteilige Entwicklungen verzeichneten. Auf der einen Seite verbuchte die Republik einen dramatischen Niedergang der formalen Ökonomie. Bis zum Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen im Jahr 1995 betrug die Produktivität der bosnischen Wirtschaft nur noch 5-10% jener der Vorkriegszeit, während das Volkseinkommen nur noch 25% des Niveaus des Jahres 1990 betrug. (Vgl. Calic 1996: 269) Dieser Rückgang in der ökonomischen Leistungsfahigkeit des Landes lässt sich auf mehrere Ursachen zurückführen. Zum einen ist dieser eine direkte Folge der Kampfhandlungen, die enorme Zerstörungen an Industriebetrieben und der gesamten Infrastruktur des Landes hinterließen. Die Schätzungen der materiellen Kriegsschäden variieren von 15-20 Mrd. USD (Weltbank) bis hin zu 50-70 Mrd. USD (Regierung BiH). (World Bank 1996: 10; Calic 1996: 269) Zum anderen ist dieser Rückgang allerdings auch ein Resultat der ethnischen Dreiteilung des Landes. Wie Bougarel (1999: 194f.) zeigte, begannen die nationalistischen Parteien in Bosnien unmittelbar nach ihrem WaWsieg im Jahr 1990 mit der ZerscWagung der bosnischen Wirtschaftsgüter. Viele der großen Industriebetriebe des Landes (z.B. Energoinvest, UNIS, SIPAD) wurden in diesem Zusammenhang auf ethnischer Basis aufgeteilt. Mit dem Ausbruch des Krieges und der damit einhergehenden territorialen Fragmentierung Bosnien und Herzegowinas, zeigte sich sehr schnell die negative Seite dieser Politik.. In Folge der Kampfhand lungen, die neben der Zerstörung wichtiger Industrieanlagen auch eine Unterbrechung wichtiger Straßenverbindungen bedeuteten, war es vielen Betrieben nicht mehr möglich ihre wirtschaftlichen Beziehungen inner- und außerhalb Bosniens aufrechtzuerhalten. Im Endeffekt führte dies zu einem regelrechten Einbruch der Produktivität der bosnischen Wirtschaft. Der Aufbau einer echten Kriegswirtschaft, die zum einen das Überleben der Bevölkerung und zum anderen den Nachschub an Nahrungsmitteln, Ausrüstung und Waffen für die kämpfenden Truppen sichern sollte, gelang während des Krieges in Bosnien und Herzegowina kaum einer Kriegspartei. Der Versuch der bosnischen Regierung ab dem Herbst 1993 die Wirtschaft der unter ihrer Kontrolle
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verbliebenen Territorien auf die Anforderungen eines Krieges umzustellen, führte zwar zu einer leichten Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, von einer mobilisierten Ökonomie, die in der Lage war die Versorgung von Zivilbevölkerung und Soldaten mit den notwendigsten Gütern sicherzustellen, konnte allerdings nicht die Rede sein. Die Versorgung der Bevölkerung wurde weiterhin zum Großteil aus Subsistenzwirtschaft und durch humanitäre Hilfsleistungen gesichert. Die Armee stützte sich bei der Bereitstellung der notwendigen Ressourcen für den bewaffneten Kampf überwiegend auf Unterstützungsleistungen aus dem Ausland (Zufluss an Geld, Waffen) und auf Plünderungspraktiken. (Vgl. Bougarel 1999: 196f.;208-213) Die ,,Autonomen Regionen" der bosnischen Kroaten und bosnischen Serben litten hingegen durch ihre enge Anbindung an den Wirtschaftsraum der benachbarten Staaten Kroatien und Serbien weit weniger unter der Fragmentierung der bosnischen Ökonomie. 34 Die "Serbische Republik" erfuhr allerdings eine deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation nach der Verhängung eines Wirtschaftsembargos durch Serbien, als Konsequenz der Ablehnung des Kontaktgruppenplanes durch die Führung um Radovan KaradZic. Die Etablierung einer echten Kriegswirtschaft scheiterte in weiterer Folge am Widerstand einiger Parlamentarier, die ihre ökonomische Basis durch eine Mobilisierung der Wirtschaft für den Krieg gefiihrdet sahen. (Vgl. Bougarel1999: 213-218) Die ethnische Fragmentierung des bosnischen Wirtschaftsraumes ist allerdings nicht nur im Lichte des wirtschaftlichen Niederganges zu sehen. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieses Buches, ist auch die gesellschaftliche und machtpolitische Dimension dieser Entwicklung zu beachten. Die Aufteilung der bosnischen Wirtschaft und damit der sozialisierten Betriebe auf der Basis ethnischer Kriterien, durch die mit den ersten freien Wahlen an die Macht gekommenen nationalistischen Eliten, führte zu einem zunehmenden Klientelismus im ökonomischen Bereich. In Zeiten der ökonomischen Krise, in denen die Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozio-ökonomischen Abstieg groß war, resultierte dies in die Entstehung eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen nationalistischen Eliten auf der einen Seite und den Arbeitern auf der anderen Seite. (Vgl. Schierup 1999b: 39E) Die Folge war die Entstehung von "vertical patron-client relationships and nepotist networks of favouritism" (Schierup 1999b: 40), auf deren Basis die nationalistischen Eliten und Parteien ihre Macht weiter ausbauen konnten. Die ethnonationalen Parteien nutzten die wirtschaftliche Transformation des Landes von Planwirtschaft zu Marktwirtschaft also geschickt aus, um ihre eigene Machtposition
34 Darüber hinaus erhielten die beiden Gebiete auch enorme direkte finanzielle Unterstützungsleistungen aus dem jeweiligen Nachbatstaat. Nach Bougate~ machten die finanziellen Transfers von Serbien in die autonomen Regionen in Bosnien und in Kroatien 20% des damaligen Bruttosozialprodukts des Landes aus. (Vgl. Bougarel 1999: 216)
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zu konsolidieren. Francesco Strazzari beschreibt diese Entwicklung folgendermaßen: "While nationalist politics derailed the path of democratization, the introduction of a market economy often meant the unleashing of plundering practices: in this context, the predominance of sodalistic forms of "soda! property" made the conquest of the levers of politica! power synonymous with the opportunity to control the process of (re)allocation of property rights. The Yugoslav model [...] ended up encouraging the formation of loca! economic elites and of a client system that often followed ethnic demarcations. (Strazzari 2003: 142) U
Letztendlich bildete diese besondere Verbindung zwischen ethnopolitischer Elite und ethnopolitischer Gruppe eine Basis für die sich weiter vertiefende Spaltung der bosnischen Gesellschaft, sowie für die Unterstützung und Mobilisierung der nationalistischen Parteien. "During the 1980s and 1990s, in a situation where national conflicts coming to a head, such local a1liances transformed themselves into broader, populist, state-people-führer-Iike movements." (Schiemp 1999b: 40) Im Hinblick auf den Prozess der Friedenskonsolidierung stellt diese ethnopolitische Spaltung des bosnischen Wirtschaftsraumes und dessen Kontrolle durch die nationalistischen Parteien eine enorme Herausforderung dar. Während die formale Ökonomie in Bosnien und Herzegowina, wie eben gezeigt, einen enormen Niedergang erfuhr und zudem in mehrere separate SubÖkonomien zerfiel, erfuhr der Bereich der informellen, illegalen Wirtschaft einen enormen Aufschwung. Mehrere Ursachen können hierfür geltend gemacht werden. Zum einen war die zunehmende Kriminalisierung der bosnischen Wirtschaft eine indirekte Folge der Erosion des staatlichen Gewaltmonopols. Das Auftreten halb-staatlicher bzw. privater Gewaltakteure auf den Schauplätzen des Krieges war eng verbunden mit der Entstehung einer Raubökonomie in Bosnien und Herzegowina. Viele der Kämpfer dieser Einheiten, zum Großteil rekrutiert aus den kriminellen Milieus des ehemaligen Jugoslawiens, verstanden es, den weitgehend rechtsfreien Raum der in Bosnien infolge der Kriegshandlungen entstanden war, zu ihrer persönlichen Bereicherung auszunützen. In der Belgrader Zeitschrift Vreme war so auch zu lesen: "The Bosnian war had just started [...] creating the opportunity for low-risk robbery in patriotic costume." (zit. nach: Andreas 2004: 35) Die berüchtigten irregulären Einheiten von Vojislav Sdelj ~,Weiße Adler'') und Zeljko "Arkan" RaZnatovic ~,Tiger'') taten sich in diesem Zusammenhang besonders hervor. Schon 1991 war in einem internen Memo der JVA zu lesen, dass das "primary motive [of Se/klj's and Arkan's troops, Anm. des Autors] was not fighting against the enemy, but robbery of ptivate property and inhumane treatment of Croatian citizens." (UN 1994c: 26) Die Vorgehensweise war in den meisten Fällen ähnlich. Nachdem ein Dorf von den Pararnilitärs erobert wurde, begannen die Einheiten mit dem Diebstahl der sich dort
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befindlichen Wertgegenstände, um sie später am Schwarzmarkt zu verkaufen. (Vgl. Andreas 2004: 35) Arkan verdiente mehrere Millionen USD mit dem Verkauf von gestohlenem Eigentum aus Bosnien und Herzegowina. (Vgl. UN 1994c: 32) Die im Jahr 1991 verhängten wirtschaftlichen Sanktionen der internationalen Gemeinschaft bildeten ungewollt eine weitere Basis für die Prosperität der informellen Ökonomie in Bosnien und Herzegowina. "Embargo Busting" ist eines der Schlagwörter, welches in diesem Zusammenhang zu nennen ist. Bereits am 25. September 1991 verhängte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 713 ein Verbot der Einfuhr von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Jugoslawien. Dieses Waffenembargo traf im Besonderen die bosnischen Regierungstruppen, die am Beginn des Krieges nur über wenige Waffen und unzureichende Ausrüstung verfÜgten. Die anderen beiden Kriegsparteien hatten den Vorteil, dass sie von den Nachbarstaaten Kroatien und Serbien (illegal) mit Waffen versorgt wurden bzw. wie im Falle der VRS auf die zurückgelassenen Bestände der JVA zurückgreifen konnten. Die illegale Einfuhr von militärischer Ausrüstung gestaltete sich für die ABiH zudem besonders schwierig, da diese zum Großteil über kroatisches Territorium transportiert werden musste. Neben hohen "Transitgebühren" von 30%, die dafür bezahlt werden mussten, erschwerte sich dieses Unterfangen mit Ausbruch des kroatisch-bosniakischen Krieges in Bosnien und Herzegowina zusätzlich. (Vgl. Andreas 2004: 42) Trotzdem gelang es der bosnischen Regierung ein Schmugglernetzwerk aufzubauen, dass zwischen 1992 und 1995 enorme Mengen an militärischer Ausrüstung in das Kriegsgebiet schmuggelte. Viele dieser Geschäfte liefen über eine Organisation namens "Third World Relief Agency" (IWRA) mit Hauptquartier in Wien, die als humanitäre Organisation getarnt, Waffen im Wert von mehreren hundert Millionen USD an die ABiH lieferte. Das Geld hierfür wurde zum großen Teil durch "Spenden" islamischer Staaten aufgebracht. (Vgl. Hajdinjak 2002: 10f.; Andreas 2004: 42f.) Die kroatisch-bosniakische Aussöhnung im Frühjahr 1994 erleichterte die illegale Einfuhr von Waffen nach Bosnien erheblich. Mit Duldung der USA gelang es der bosnischen Regierung Waffen in großem Ausmaß verdeckt ins Land zu schleusen, wobei vor allem der Iran in den Jahren 1994 und 1995 verstärkt als Waffenlieferant für die ABiH auftrat. Nach Andreas sollen im Verlauf des Krieges 14.000 Tonnen Kriegsmaterial mit einem Wert von 150-200 Millionen USD aus dem islamischen Staat nach Bosnien und Herzegowina gelangt sein. (Vgl. Andreas 2004: 43) Doch nicht nur der Schwarzmarkt für Waffen, sondern auch der illegale Handel mit Waren des täglichen Bedarfs florierte während des Krieges in Bosnien. Vor dem Hintergrund der territorialen Fragmentierung, der Bildung von Enklaven und der zunehmend schwierigen Versorgungslage der Bevölkerung bot die Kontrolle wichtiger Verkehrsverbindungen viele Möglichkeiten für gute Geschäfte. Durch die Besteuerung oder Beschlagnahmung humanitärer Hilfsgüter, die sich
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später auf den Schwarzmärkten der eingeschlossenen Gebiete wiederfanden, konnten geschäftige Akteure auf jeder Konfliktseite enorme Profite lukrieren, während die Preise für lebensnotwendige Güter in den betroffenen Gebieten explodierten. Das Geschäft mit der Not der Menschen war während dieses Krieges oft ein sehr ertragreiches. (Vgl Bougarel 1999: 199f.) Besonders interessant erscheint die Tatsache, dass in der Frage des Geschäfts und des illegalen Handels ethnische Trennlinien nur eine nebensächliche Rolle spielten. Trotz der teilweise heftigen Kampfhandlungen zwischen den verschiedenen Kriegsparteien kam der illegale Warenverkehr zwischen diesen nie zum Stillstand. So berichtet Bougarel, dass "die "Serbische Republik" hauptsächlich von "Herceg-Bosna" mit Öl und Treibstoff beliefert wurde [...] [und] die Stadtverwaltungen von Banja Luka und Zenica einen regen Handel betrieben, der diskret über den Berg Vlasic abgewickelt wurde; die Verantwortlichen von Zenica belieferten den Schwarzmarkt von Tuzla35 und wurden dabei reich." (Bougarel1999: 202) Diese Beobachtung macht zwei Dinge deutlich: Zum einen fand diese ökonomische Kooperation zumindest zu einem erheblichen Teil auf höchster politischer und militärischer Ebene statt und zum anderen wird am Beispiel des Handels zwischen Tuzla und Zenica ersichtlich, dass Geschäfte auch auf dem Rücken der eigenen ethnischen Gruppe gemacht wurden. Die These, wonach "neue Kriege" ab einem gewissen Punkt eher durch die Verfolgung ökonomischer, denn politischer Motive gekennzeichnet sind, findet hier seine Bestätigung. Noch offensichtlicher wird diese apolitische Haltung einiger beteiligter Akteure in Anbetracht der Tatsache, dass die ökonomische Kooperation auch auf militärischer Ebene fortgesetzt wurde. Dies beinhaltete den Verkauf oder die Vermietung von Waffen und Ausrüstung an andere Kriegsparteien. (Vgl. Bougarel 1999: 203f.) Die Offensive der ABiH im Herbst 1995, in deren Verlauf diese die Blockade der Enklave Bihac durchbrechen und einen großen Teil Westbosniens von den bosnischen Serben erobern konnte, geschah zum Teil mit Waffen die die ABiH zuvor von der bosnisch-serbischen Armee erworben hatte. (Vgl. Andreas 2004: 41) Aus beinahe jeder Situation gelang es geschickten Akteuren in den Armeen ökonomische Profite zu erzielen, dies reichte vom Verkauf von Artillerieunterstützung bis hin zur Versorgung von Verwundeten des Gegners gegen Bezahlung. (Vgl. Pugh et al. 2004: 156f.; Bougarel 1999:203f) Am Beispiel des eingeschlossenen Sarajevos kann in diesem Zusammenhang auch gezeigt werden, wie ein - zumindest in Ansätzen vorhandenes - "self-serving stable stalemate" zu einer Prolongierung des Konflikts beitragen kann. Obwohl die bosnischen Serben bereits in den ersten Kriegstagen einen Angriff auf die Stadt starteten, war während der gesamten Dauer des Krieges kein ernsthafter Versuch 35 Banja Luka wurden von den bosnischen Serben gehalten, während Zenica und Tuzla von der ABiH gehalten wurde.
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der VRS zu beobachten, die Stadt gänzlich einzunehmen. Statt dessen wurde die Belagerung der Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas beinahe dreieinhalb Jahre lang aufrechterhalten, obwohl die Armee der bosnischen Serben den bosnischen Regierungstruppen in der Stadt kräftemäßig weit überlegen war. (Vgl. Calic 1996: 109) Mehrere Erklärungen können hierfür angeführt werden. Zum einen mag das Ausbleiben eines finalen Angriffs auf Sarajevo daran gelegen haben, dass die Generäle der VSA eine vollständige Eroberung in einem Kampf Haus um Haus für unmöglich gehalten haben. Die Belagerung und der ständige Beschuss der Stadt von den, von den bosnischen Serben gehaltenen, umliegenden Hügeln und die zunehmende Sttangulierung Sarajevos mögen daher als die sttategisch bessere Option gegolten haben. (Vgl. UN 1994d: Para. 27) Zum anderen konnten die bosnischen Serben die umstellte Stadt als politisches Pfand für zukünftige Verhandlungen über einen Friedensverttag für Bosnien einsetzen. Dieses hätten sie verloren, wenn sie Sarajevo - wie vielfach befürchtet - im Verlauf des Krieges eingenommen hätten. (Vgl. Andreas 2004: 36) Die Belagerung der Stadt kann allerdings noch aus einer anderen Perspektive bettachtet werden. Diese offenbart, dass der anhaltende Belagerungszustand, in dessen Verlauf tausende Menschen getötet und ungeheure materielle Schäden angerichtet wurden, neben eben genannten Aspekten auch auf ein ökonomisches Motiv der beteiligten Akteure zurückzuführen ist. Sarajevo bot im Verlauf des Krieges für gewiefte Kriegsprofiteure viele Möglichkeiten zur persönlichen Bereicherung. Die bosnischen Regierungsttuppen in der Stadt waren am Beginn des Krieges auf diesen nur mangelhaft vorbereitet, was sich vor allem an fehlender ausreichender militärischer Ausrüstung widerspiegelte. Um die Verteidigung Sarajevos zu organisieren griff die Regierung unter Alija Izetbegovic auf die Hilfe einiger krimineller Akteure, wie Jusuf "Juka" Prazina oder Ramiz "telo" Delalit36 zurück. (Vgl. Andreas 2004: 36f[, Vgl. auch UN 1994d: 10) Diese nutzten ihre Verbindungen zu kriminellen Netzwerken, um die illegale Versorgung der in der Stadt befindlichen Einheiten mit militärischen Ausrüstungsgegenständen zu verbessern. Zudem hildeten die kriminellen Banden anfangs auch das personelle Rückgrat bei der Verteidigung der Stadt. So schreibt Andreas: "Crirninal gangs - teamed up, ironically with police forces - were armed and able to provide some initial semblance of cohesion in the absence of a formal military apparatus." (Andreas 2004: 37) Aufgrund ihrer Verdienste bei der Verteidigung der Stadt in den ersten Kriegsmonaten wurden diese Akteure mit hohen militärischen Posten belohnt. (Vgl. Andreas 2004: 37) Dabei verfolgten diese keineswegs nur politische Ziele, sondern bauten ihr Engagement zum großen Teil auf die Verwirklichung ökonomischer Interessen. In einem UN-Bericht ist über Juka zu lesen: "It was reported that Juka's forces abused 36 Nach Andreas heißt" Celo" mit vollem Namen Ismet Bajramovic. (Andreas 2004: 37) Hier wird auf die Angabe des UN-Berichts zurückgegriffen.
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their position as the cities defenders to extort money and valuables from residents and raid the city's warehouses and shops. [...] On Mount Igman, Juka beat and stole from soldiers and civilians alike, regarclless of nationality." (ON 1994c: 23) Im Verlauf des Jahres 1993 begann die bosnische Regierung, in mehreren Aktionen den Einfluss dieser kriminellen Gruppen zurückzudrängen und die Streitkräfte zu professionalisieren. 37 (Vgl. Andreas 2004: 37) Dem Florieren der illegalen Ökonomie in der Stadt tat dies allerdings keinen Abbruch. Sarajevo war weiterhin auf die Versorgung mit Gütern, abseits von humanitären Hilfslieferungen angewiesen. Wie an anderen Schauplätzen des Krieges auch, war auch hier ein reger Handel zwischen den Konfliktparteien zu beobachten. Wahrend am Tag gekämpft wurde, trafen sie sich am Abend an bestimmten Punkten um illegale Geschäfte mit Schwarzmarktgütern abzuwickeln. (Vgl. Andreas 2004: 38; Bougarel 1999: 203) Somit war eine bizarr anmutende Situation zu beobachten, in der die Belagerer die Eingeschlossenen mit essentiellen Gütern versorgten: "Black market profiteering meant that the besiegers were supplying the besieged, which in turn helped to prolong the siege stalemate." (Andreas 2004: 38) Einigen Akteuren in der bosnischen Armee gelang es darüber hinaus aus der Kontrolle des Tunnels, der von den Regierungstruppen gehaltene Gebiete in Zentralbosnien mit der Hauptstadt verband, ökonomischen Profit zu schlagen. Nach Andreas behielt die ABiH 30% der durch diesen Tunnel transportierten Waren für sich ein. (Vgl. Andreas 2004: 39f.) In einem Zeitungsbericht wurde eine Anrainerin mit den Worten zitiert: "May the commanders remember that they have gotten rich by smuggling through our house." (zit. nach Andreas 2004: 40) Zusammenfassend kann man sagen, dass auf allen drei Seiten des Konflikts in Bosnien und Herzegowina die Verwirklichung ökonomischer Interessen eine nicht zu vernacWässigende Rolle einnahm. Jede Konfliktpartei brachte Akteure hervor, denen es gelang, aus der unübersichtlichen und schwierigen Lage als ökonomische Profiteure hervorzugehen. Der Schmuggel von Waren aller Art war in den Kriegsjahren ein einträgliches Geschäft, das darüber hinaus auch jene Ressourcen bereitstellte, die für eine Aufrechterhaltung des bewaffneten Kampfes notwendig waren. In gewisser Weise gingen der Konflikt und die illegale Schattenwirtschaft ein symbiotisches Verhältnis ein: die Fortführung des Krieges war auf illegale Geschäfte angewiesen, das Florieren des illegalen Sektors auf die Fortführung des Krieges. Ein zentrales Argument der Literatur über "Neue Kriege", scheint damit gestützt. (Vgl. Münkler 2002: 159-173) Paradoxerweise trug die "Ökonomisierung des Krieges" allerdings nicht nur zu seiner Prolongierung bei, sondern - zumindest teilweise - auch zu dessen Beendigung im Jahr 1995, da das Auftauchen von Kriegsprofiteuren, die ihren neu erworbenen Reichtum und ihre damit verbundene Macht37 ,Juka" schloss sich daraufhin der HVO an, und beteiligte sich im Raum Mostar an der Vertreibung und Ermordung bosnischet Moslems. (Vgl. UN 1994c: 22f.)
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position teilweise offen zur Schau stellten, durchaus negative Auswirkungen auf die Moral der Kämpfer hatte. 38 (Vgl. Bougare1 1999: 207f.; 212f.) Vor allem die VSA hatte gegen Ende des Krieges mit schlechter werdender Kampfmoral und damit verbunden schwindender militärischer Schlagkraft zu kämpfen. (Vgl. Rathfe1der 2007: 358) Die wachsende Diskrepanz in den Lebensumständen zwischen "neureicher" Elite und dem Gros der Bevölkerung und Soldaten, war neben den bereits vorher erwähnten, womöglich ein weiterer wichtiger Aspekt, der zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses und damit zum Friedensabkommen von Dayton führte. Genauere Untersuchungen fehlen hierzu allerdings noch. Die eben vorgebrachten Aspekte der Ökonomie des Krieges in Bosnien und Herzegowina stellen allerdings auch im Hinblick auf den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina, nach dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1995, eine große Herausforderung dar. Die dargestellte Kriminalisierung des Konfliktes, die ethnische Fragmentierung des Wirtschaftsraumes und die engen Verbindungen zwischen nationalistischen Eliten und kriminellen Akteuren stellen eine denkbar schlechte Ausgangsposition für die Schaffung einer tragfahigen Friedensordnung in diesem Staat dar. (Vgl. Andreas 2004b: 3-9; Nitzschke/ Studdard 2005: 229f.)
38 Im September 1993, begannen aus diesem Grund Einheiten der VSA in Banja Luka eine Meuterei. In öffentlichen Aussendungen prangerten die beteiligten Soldaten die Machenschaften von bestimmten Kriegsprofiteuren an und forderten eine gerechte Verteilung der ökonomischen Ressourcen und deren Bündelung für die Kriegsanstrengungen. Auch in der ABiH wuchs im Verlauf des Krieges der Unmut über jene Akteure, die aus den Schrecken des Krieges ökonomische Profite lukrierten. (Vgl. Bougarel1999: 207f.; 212f.)
4
Dayton und das Ende des Krieges
4.1
Das Friedensabkommen von Dayton
Das Friedensabkommen von Dayton, welches dem dreieinhalbjährigen Krieg in Bosnien und Herzegowina ein formelles Ende setzte, stellte die Grundlage für den Wiederaufbau des Landes dar. Neben der Vereinbarung eines Waffenstillstandes, enthielt es weitreichende Bestimmungen zu Verfassungsordnung, Demobilisiserung, Menschenrechten oder Rückkehr von Flüchtlingen. Trotz seines unmittelbaren Erfolges - der Beendigung der Kampfhandlungen - wurde dieses Abkommen seit seiner Unterzeichnung aufgrund seiner Widersprüchlichkeit oftmals heftig kritisiert. (Vgl. z.B. Cousens 2002: 543) Deshalb soll nach einer kurzen Darstellung der in diesem Abkommen enthaltenen Bestimmungen, auf einzelne Kritikpunkte näher eingegangen werden. Der Friedensschluss von Dayton besteht aus dem "General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegowina" (GFAP), elf Annexen und einer Reihe von Statements und Briefen. Im GFAP verpflichten sich die Vertragsparteien 39 zu einer friedlichen Beilegung ihrer Konflikte (Art. I) und zur Unterstützung der Umsetzung jener Bestimmungen, welche in den elf Annexen zu finden sind (Art. II-VIII). In Art. IX versprechen die Unterzeichner ihre Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen. Zudem beinhaltet Art. X die gegenseitige Anerkennung der Republik Bosnien und Herzegowina und der Föderalen Republik Jugoslawien. (Vgl. UN 1995: 2-4) Den Kern des Friedensabkommens bilden die elf Annexe, in denen die Grundelemente einer Friedensordnung für das Land erläutert werden. Annex 1-A befasst sich mit den militärischen Aspekten des Friedensschlusses. Darin enthalten ist u.a. die Verpflichtung zur Einstellung der Kampfhandlungen (Art. II), des Rückzugs ausländischer militärischer Verbände (Art. III) und der Verlegung der Streitkräfte innerhalb bestimmter Fristen hinter die Waffenstillstandslinie (Art. IV). Zur Überwachung der Implementierung dieser Bestimmungen stimmen die Parteien der Entsendung einer unter NATO-Kommando stehenden multinationalen Friedenstruppe ~,Implementation Force" - IFOR) zu (Art.VI). (Vgl. UN 1995: 7-24) Annex 1-B beinhaltet im Wesentlichen die Verpflich39 Als Vertragsparteien gelten die Republik Bosnien und Herzegowina, die Republik Kroatien und die Föderale Republik Jugoslawien (als Vertretung der Republika Srpska).
R. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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tung zur Teilnahme an vertrauensbildenden Maßnahmen zur Förderung von Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region. (Vgl. UN 1995: 42-46) In Annex 2 wird der wenzverlauf zwischen der Föderation von Bosnien und Herzegowina (hier später als Föderation bezeichnet) und der RepubIika Srpska (RS) festgelegt. In Art. V wird festgeschrieben, dass im Disput über die Region Brcko40 ein Schiedsgericht eingesetzt wird, welches innerhalb eines Jahres über den endgültigen Status dieses Gebietes entscheiden soll. (Vgl. UN 1995: 47-49) Annex 3 beinhaltet Bestimmungen zur Durchführung freier Wahlen in Bosnien und Herzegowina in einem Zeitraum von sechs bis neun Monaten nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages. Die Verttagsparteien verpflichten sich zur Gewährleistung eines sicheren und politisch neutralen Umfelds, in dem diese abgehalten werden können (Art. I). Die OSZE wird damit betraut, zur Vorbereitung der Wahlen eine Provisorische Wahlkommission (provisional Election Commission - PEC) einzurichten (Art. III). Jeder Bürger Bosnien und Herzegowinas, der das 18. Lebensjahr abgescWossen hat, ist wahlberechtigt. Auf der Basis der VolkszäWung von 1991 erhielten alle WäWer das Recht, in jenen Gemeinden an der Wahl teilzunehmen (persönlich oder mit Briefwahl), in der sie vor dem Krieg gewohnt haben. In Ausnahmefällen können sie allerdings auch an jenen Orten ihre Stimme abgeben, in denen die Betreffenden vor haben, in Zukunft zu leben (Art. IV). (Vgl. UN 1995: 53-56) Annex 4 beinhaltet die Verfassung der Republik Bosnien und Herzegowina. Darin wird Bosnien und Herzegowina als souveräner, unabhängiger und demokratischer Staat festgeschrieben, der aus zwei Entitäten (Föderation von Bosnien und Herzegowina und Republika Srpska) und aus drei konstitutiven Staatsvölkern besteht (präambel; Art. I) In Art. II wird festgelegt, dass in dem Land die höchsten Standards an Grund- und Menschenrechten eingehalten werden. Zudem wird in Art. II, Abs. 5 das Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen auf eine Rückkehr in ihre Heimatorte betont. (Vgl. UN 1995: 59-63) Die Verfassung (Vgl. UN 1995: 59-81) beinhaltet in Art. III auch eine Auflistung von Kompetenzen der Bundesebene und der beiden Entitäten. Wichtigste Aufgaben auf Republiksebene sind demnach die Außenpolitik, der Außenhandel, Zoll- und Geldpolitik und die Betreuung von Flüchtlings- und Immigrationsfragen. Daneben übernimmt der Bund u.a. auch die Überwachung des Flugverkehrs und erhält Kompetenzen in der internationalen Strafverfolgung (Art. III, Abs. 1). Alle 40 über die Entitätszugehörigkeit der Region Brcko entbrannte während der Friedensverhandlungen ein heftiger Streit zwischen Vertretern der Föderation und der Republika Srpska. Für die bosnischen Serben war dieses Gebiet von besonderer Bedeutung, da es die einzige Landverbindung zwischen den beiden Teilen ihrer Entität darstellt. Für die Föderation ist Brcko und der Posavina-Korridor insofern wichtig, als er eine Verbindung zwischen Zentralbosnien und Kroatien bildet. (Vgl. Calic 1996: 262)
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darüber hinausgehenden Aufgaben werden von den Entitäten wahrgenommen. Dazu gehören zentrale Bereiche wie Verteidigungspolitik, Justizwesen oder Bildung. überdies erhalten sie das Recht "Sonderbeziehungen" zu den jeweiligen Nachbarstaaten aufzubauen (Art. III, Abs.2 und Abs. 3). Die parlamentarische Versammlung auf Bundesebene ist auf der Basis eines Zwei-Kammern-Systems aufgebaut. Das Haus der Volker setzt sich aus 15 Delegierten zusammen, wobei jedes konstitutive Volk fünf Mitglieder entsendet. Für eine beschlussfähige Mehrheit wird die Zustimmung von neun Delegierten benötigt. Die je fünf bosniakischen und kroatischen Delegierten werden vom Repräsentantenhaus der Föderation ernannt, die fünf serbischen von der Nationalversammlung der Republika Srpska (Art. Iv, Abs. 1). Die zweite Kammer, das Repräsentantenhaus, setzt sich aus 42 Mitgliedern zusammen, von denen zwei Drittel in der Föderation und ein Dritrel in der RS gewählt werden. Eine beschlussfähige Mehrheit ergibt sich hier mit der Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder (Art. rv., Abs. 2). Das institutionelle Design baut somit sehr stark auf die proportionale Repräsentation - einem zentralen Element von power-sharing-Systemen - der drei konstitutiven Völker. In den parlamentarischen Verfahrensabläufen kommen darüber hinaus noch weitere power-sharing-Elemente zur Anwendung. Erhält eine Vorlage eine Mehrheit, so sollen die Abgeordneten darauf achten, dass aus jeder Entität mindestens ein Drittel der Abgeordneten ihre Zustimmung erteilt haben. Ist dies nicht der Fall wird eine Kommission eingerichtet, unter deren Vermittlung ein Mehrheitsbeschluss nach diesen Prinzipien ermöglicht werden soll. Gelingt dies nicht, genügt eine einfache Mehrheit, gesetz dem Fall, dass nicht mehr als zwei Drittel der Abgeordneten einer Entität mit Nein gestimmt haben. Mit dieser Regelung können im Prinzip keine Beschlüsse gegen den Willen der Föderation bzw. der Republika Srpska gefasst werden. Diese indirekte Veto-Möglichkeit wird noch durch ein direktes Veto-Recht im Haus der Volker ergänzt. Dieses besagt, dass eine Mehrheit an bosniakischen, kroatischen oder serbischen Delegierten eine Gesetzesvorlage als "destruktiv für das vitale Interesse" der jeweiligen Volksgruppe beurteilen können. Wird dieses "vitale Interesse" bekundet, bedarf die betreffende Vorlage einer Mehrheit an Stimmen aus jeder konstitutiven Volksgruppe um angenommen zu werden. Wenn jedoch eine Majorität aus einer dieser Gruppen, dieses "vitale Interesse" beeinsprucht, wird wieder eine Kommission eingerichtet, um das Problem innerhalb von fünf Tagen zu lösen. Gelingt dies nicht, wird der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet, der letztinstanzlich entscheidet, ob der Einspruch gerechtfertigt war oder nicht (Art. Iv, Abs. 3). An der Spitze des Staates Bosnien und Herzegowina steht der Verfassung nach ein dreiköpftges Staatspräsidium (Art. V), wobei sich das Kollegium aus je einem Bosniaken, einem Kroaten und einem Serben zusammensetzt. In der ersten Legislaturperiode übernimmt jener Kandidat den Vorsitz, der bei den Wahlen die
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meisten Stimmen gewinnt. Für die Zeit danach wurde ein Rotationsprinzip eingeführt. Die Mitglieder des Präsidiums werden direkt vom Volk gewählt, wobei der serbische Vertreter von den Wählern in der RS und der bosniakische und kroatische Vertreter von denen in der Föderation bestimmt wird. Zu den wichtigsten Kompetenzen der Präsidentschaft (Art. V, Abs. 3) zählen die außenpolitische Vertretung des Landes und die Durchführung von Entscheidungen der parlamentarischen Versammlung. Zudem ist die Präsidentschaft auch für die Koordination mit den in Bosnien tätigen internationalen Organisationen verantwortlich. Entscheidungen werden in der Präsidentschaft im Konsens gefällt. Ist eine Konsensbildung nicht möglich, so kann eine Entscheidung auch per Mehrheitsbeschluss gefällt werden. Auch auf dieser Ebene gibt es die Möglichkeit einen solchen zu beeinspruchen, wenn ein Mitglied der Meinung ist, dass dieser "destruktiv für das vitale Interesse einer Entität" ist (Art. V, Abs. 2(d)). Macht ein Präsidiumsmitglied von diesem Recht gebrauch, werden in dieser Frage entweder die Nationalversammlung der Republika Srpska (falls der Einspruch durch das serbische Mitglied erfolgte) oder die bosniakischen bzw. kroatischen Delegierten des Hauses der Völker eingeschaltet. Befinden mindestens zwei Drittel binnen einer Frist von zehn Tagen, dass in der vorliegenden Sache kein "vitales Interesse" verletzt wird, gilt diese als angenommen (Art. V, Abs. 3). Der Ministerrat bildet neben Parlament und Präsidentschaft das dritte Verfassungsorgan (Art V, Abs. 4). Dieser setzt sich aus einem Vorsitzenden (bestimmt durch die Präsidentschaft) und den Ministern zusammen. Die Minister und deren Stellvertreter werden vom Vorsitz vorgeschlagen und vom Repräsentantenhaus bestätigt. Die Aufgabe des Ministerrats ist die Durchführung jener Entscheidungen, die in der Kompetenz des Bundes liegen. Wie in den anderen Organen, wurde auch in diesem ein Nationalitätenproporz festgeschrieben, da nicht mehr als zwei Drittel der Ministerposten mit Personen aus der Föderation besetzt werden dürfen. Darüber hinaus müssen Minister und Stellvertreter unterschiedlichen konstitutiven Volksgruppen angehören (Art. V, Abs. 4(b)). Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist das vierte Verfassungsorgan der Republik Bosnien und Herzegowina (Art. VI). Er setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen, von denen vier vom Repräsentantenhaus der Föderation, zwei von der Nationalversammlung der Republika Srpska und die restlichen drei vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, nach Beratung mit dem Staatspräsidium, bestellt werden. Die vom EuGH bestimmten Richter, dürfen dabei keine Bürger Bosnien und Herzegowinas sein. Ein Mehrheitsbeschluss (Quorum) ist in diesem Organ mit einer einfachen Mehrheit der Mitglieder möglich. Der VfGH fungiert als Hüter der Verfassung. Zu seinen Hauptaufgaben zählen die Klärung von Streitigkeiten zwischen den Entitäten, zwischen den Entitäten und dem Staat und zwischen den Institutionen Bosnien und Herzegowinas. Zudem prüft er u.a. die
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Vereinbarkeit der Verfassung bzw. Gesetze der beiden Entitäten und deren Sonderbeziehungen zu Nachbarstaaten mit der Verfassung der Republik Bosnien und Herzegowina. Als fünftes Verfassungsorgan legt die Dayton-Verfassung die Zentralbank fest, welche die alleinige Autorität über Währungsausgabe und Fiskalpolitik Bosniens besitzt (Art. VII). Der Zentralbankrat setzt sich aus einem Gouverneur und drei weiteren Mitgliedern zusammen, wobei wiederum zwei aus der Föderation (die sich ihr Stimmrecht teilen) und einer aus der Republika Srpska stammen müssen. Der Gouverneur wird vom IWF ernannt, die restlichen Mitglieder von der Präsidentschaft. Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schafft noch ein weiteres Verfassungsorgan: das Standing Committee on Military Matters (Art. V, Abs. 5), welches durch das Staatspräsidium aufgestellt werden soll. Die Präsidiumsmitglieder, die lt. Verfassung zivile Befehlsgewalt über die Streitkräfte ausüben, sind dabei selbst Mitglieder dieses Komitees. Aufgabe dieses Organs ist die Koordinierung der Streitkräfte in Bosnien und Herzegowina. Neben der institutionellen Ordnung Bosnien und Herzegowinas enthält die Verfassung noch einige weitere wichtige Bestimmungen. Zum einen wird in Art. VIII, Abs. 3 festgelegt, dass das Budget des Gesamtstaates von den beiden Entitäten bereitgestellt wird (2/3Föderation, 1/3 RS). Zum anderen bestimmt Art. IX, Abs. 1, dass Personen welche vom Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien gesucht, verurteilt oder gegen die gerade eine Verhandlung stattfindet, von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Art. X legt noch fest, dass die in Art. 1I festgeschriebenen Grundrechte nicht suspendiert oder verändert werden können. Der Verfassung von Bosnien und Herzegowina folgt in Annex 5 die Regelung, dass sich die Parteien zur Einrichtung von Schiedsgerichten zur Klärung von Streitigkeiten zwischen den Entitäten bereit erklären (Vgl. UN 1995: 81). Annex 6 des Friedensabkommens von Dayton (Vgl. UN 1995: 82-93) beinhaltet noch einmal eine Auflistung der in Bosnien und Herzegowina geltenden Grund- und Menschenrechte (Art. I; Appendix). Zur Überwachung der Einhaltung dieses Rechtskatalogs wird eine Menschenrechtskommission eingerichtet, die sich wiederum aus einem Ombudsmann für Menschenrechte und einer MenschenrechtsKammer zusammensetzt (Art. lI-VIII). Von besonderer Wichtigkeit ist Annex 7, der das Recht von Flüchtlingen und Vertrieben auf eine Rückkehr in ihre Heimatorte und auf Entschädigung bzw. Rückerstattung für zerstörtes oder gestohlenes Eigentum regelt. (Vgl. UN 1995: 94102). Die Vertragsparteien verpflichten sich zur Schaffung eines sicheren Umfelds und zur Beseitigung aller gesetzlichen oder administrativen Hürden, die eine freie Rückkehr der Geflohenen und Vertriebenen behindern könnten (Art. I-lI). Darüber
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hinaus beinhaltet Annex 7 die Einrichtung einer Commission for Displaced Persons and Rifugees, die sich mit Fragen der Restitution bzw. Entschädigung für gestoWenes oder enteignetes unbewegliches Eigentum (Grundstücke, Immobilien) auseinandersetzt (Art. VII-XII). Zum Schutz und zur Erhaltung von Nationaldenkmälern, wird mit Annex 8 eine Commission to Preseroe National Monuments eingerichtet (Vgl. UN 1995: 103-107). Annex 9 beschäftigt sich mit dem Aufbau von öffentlich-rechtlichen Unternehmungen (in den Bereichen Energie, Postwesen, Kommunikation, Transport und andere Versorgungsbetriebe), als wesentlicher Motor des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Hierzu wird mit der Commission on Public Corporations eine weitere Kommission eingerichtet (Vgl. UN 1995: 108-110). Annex 10 beschäftigt sich mit der zivilen Implementierung des Friedensabkommens (Vgl. UN 1995: 111-115). Mit Art. I wird das Amt des Hohen Repräsentanten (OHR) geschaffen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Arbeit der involvierten internationalen und nationalen Organisationen bzw. Akteure bei der Implementierung der zivilen Aspekte des Vertrages von Dayton zu koordinieren und zu unterstützen. Zudem überwacht der Hohe Repräsentant die Einhaltung der zivilen Aspekte des Friedensabkommens durch die Vertragsparteien. Bedeutend ist vor allem der Inhalt von Art. V; der dem OHR die letztinstanzliche Interpretationsmacht über die den zivilen Bereich betreffenden Bestimmungen der Übereinkunft von Dayton zuschreibt. ObwoW die Einrichtung des Peace Implementation Council (pIC) kein dezidierter Teil des Friedensabkommens von Dayton ist, soll hier dennoch kurz auf dieses, im Dezember 1995, auf der ersten Friedensimplementierungs-Konferenz in London gegründete Gremium eingegangen werden. Im PIC sind 55 Staaten und Organisationen vertreten, welche den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina unterstützen. Um den Verlauf des Friedensprozesses zu diskutieren, sollten sich die Mitglieder dieses Rates auf jährlichen Konferenzen zusammenfinden. Darüber hinaus wurde als Exekutivorgan des PIC ein Steering Boartfl eingerichtet, welches unter dem Vorsitz des HR monatlich über den Fortschritt des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina beraten sollte und dem OHR "political guidance on peace implementation" (pIC 1995: Para. 21, Pkt. 3) geben sollte. (Vgl. PIC 1995: Paras. 20-21; Sabic 2005: 146E) Der PIC kann somit als oberstes politisches Organ der internationalen Mission in Bosnien bezeichnet werden. In Annex 11 wird scWussendlich die Bildung einer International Police Task Force (IPTF) in Bosnien und Herzegowina festgelegt. Diese soll die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien überwachen und gewährleisten bzw. beim Aufbau der 41 Eine liste der im PIe bzw. Steering Board des PIe vertretenen Staaten bzw. Organisationen findet sich unter: http://www.ohr.int/pic/defau1t.asp?contenUd=38563 (Zugriff: 20.1.2009)
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betreffenden bosnischen Institutionen behilflich sein (Beratung, Training). (Vgl. UN 1995: 116-121)
P.T
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Das eben in seinen Konturen dargestellte Vertragswerk von Dayton war das Ergebnis einer langwierigen Suche nach einem tragfähigen Kompromiss, der von allen drei beteiligten Konfliktparteien getragen werden konnte. Das oberste Ziel der internationalen Vermittler in den Verhandlungen zu diesem Abkommen war, den Krieg zu beenden. Klare Vorstellungen, unter welchen Bedingungen das effektive Funktionieren eines zukünftigen gemeinsamen Staates Bosnien und Herzegowina bewerkstelligt werden könnte, feWten allerdings. So ist es auch wenig verwunderlich, dass der Friedensvertrag von Dayton in vielen Bereichen widersprüchlich und unklar blieb, wodurch der Prozess der Friedenskonsolidierung in diesem Land zusätzlich erschwert wurde. In gewisser Weise mag dieses Abkommen, so wie es unterzeichnet wurde, im Herbst 1995 die beste Möglichkeit gewesen sein, um die Zustimmung der Konfliktparteien und damit ein Ende des Krieges zu gewinnen, doch als Basis für den Wiederaufbau eines durch einen mehrjährigen Krieg gezeichneten Landes, ist Dayton höchst problematisch. (Vgl. Donais 2005: 47) Zu diesem ScWuss kommt auch Donais, wenn er schreibt: "The accords' creative ambiguity may have been essential in reaching an agreement, but this same ambiguity has undermined progress towards the ultimate goals of peace, security, democracy, and prosperity laid out at Dayton." (Donais 2005: 1) Darüber hinaus ist eine Diskussion der grundlegenden Probleme des Friedensabkommens von Dayton, vor allem in Bezug auf die Untersuchung der Aktivitäten von potentiellen Spoilern während des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina bedeutend. Unklarheiten im Friedensschluss, können von solchen Akteuren ausgenützt werden, um ihre eigenen Interessen und Vorstellungen weiter zu verfolgen, auch wenn diese mit diesem Prozess nicht vereinbar sind. ,,[...] when peace agreements leave important matters undecided, then the warring parties are much more likely to hedge their bets, take advantage when provisions of an agreement are not specific, and interpret ambiguous terms in ways that benefit them during implementation." (Stedman 2002: 9) Der woW am häufigsten vorgebrachte Kritikpunkt am Vertragswerk von Dayton (Vgl. Donais 2005: 49f.; Cousens 2002: 543; Dzihic 2005: 19) ist dessen inhärenter Widerspruch zwischen ethnischer Aufteilung und Reintegration des Landes. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Verfassungsordnung Bosnien und Herzegowinas, die zwar einen Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina mit eigenen Institutionen vorsah, in denen die drei konstitutiven Volksgruppen konsens-
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orientiert zusammenarbeiten sollen, den Großteil der politischen Machtbefugnisse aber den beiden Entitäten zuschrieb (Vgl. Donais 2005: 50; Schneckener 2002: 292f.), welche sich in erster Linie ethnisch definieren. So wird die Föderation von Bosnien und Herzegowina als Entität der Bosniaken und Kroaten verstanden, während die Republika Srpska als Entität der Serben gilt. 42 Beide verfügen über eigene, vom Gesamtstaat weitgehend unabhängige politische Institutionen, wie Parlament, Regierung oder Verfassungsgerichtshof. (Vgl. Gromes 2007: 164-168) Obwohl in Dayton mit diesen Regelungen zwar an einem vereinten Bosnien und Herzegowina festgehalten wurde, wurde durch die Etablierung der ethnisch definierten Entitäten gleichzeitig die von den Kriegsparteien intendierte Teilung des Landes zementiert. Während in diesem Bereich dem Verlauf des Krieges Rechnung getragen wurde, wurde an anderen Stellen wieder versucht, die Folgen des Krieges rückgängig zu machen und einen Status quo ante wiederherzustellen. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem im Friedensvertrag mehrfach angeführten Recht von Flüchtlingen und Vertriebenen auf eine Rückkehr in ihre Heimatorte, womit die während der Kriegsjahre erfolgte ethnische Homogenisierung großer Territorien wieder rückgängig gemacht werden sollte. Während Dayton auf der einen Seite ethnisch deftnierte Territorien schuf, wurde andererseits versucht, die ursprüngliche Siedlungsstruktur und damit den multiethnischen Charakter Bosnien und Herzegowinas wiederherzustellen. (Vgl. Donais 2005: 51) Elizabeth Cousens fasst dieses Spannungsverhältnis sehr treffend zusammen: "On the one hand, Dayton stabilized lines of confrontation and derived political rights from them; on the other, it aspired to override such divisions both from above - in its joint institutions - and from below, in its provisions to return." (Cousens 2002: 543) Einen weiteren Anlass zur Kritik bildeten die im politischen System Bosnien und Herzegowinas eingebauten konkordanzdernokratischen Regelungen. Wie im ersten Teil dieser Arbeit kurz ausgeführt, sollen diese in multi-ethnischen Staaten sicherstellen, dass alle ethnopolitischen Gruppen am politischen Entscheidungsftndungsprozess mitwirken können. (Vgl. Sisk 1996: 4f.) Das Problem von powersharing Systemen liegt allerdings darin, dass unter bestimmten Voraussetzungen, diese eher zu einer Perpetuierung ethnisch motivierter Politik beitragen, als zu deren Schwächung. (Vgl. Sisk 1996: 38-40) Im institutionellen Gefüge Bosnien und Herzegowinas wurden alle Elemente einer Konkordanzdemokratie nach Lijphart (Vgl. Sisk 1996: 36f.; Schneckener 2002: 240f.) verwirklicht: Gruppenautonomie, durch die Schaffung zweier ethnisch definierter Entitäten; weitreichende Vetorechte 42 Dieser Umstand zeigt sich besonders deutlich in den Verfassungen der beiden Entitäten. In der ursprünglichen Föderationsverfassung werden nur Bosniaken und Kroaten als konstitutive Völker genannt, in der Republika Srpska werden nur die Serben als ein solches bezeichnet. (Vgl. Grames 2007: 164; 167)
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für die ethnopolitischen Gruppen; Teilung der Machtbefugnisse und proportionale Repräsentation in den Staatsgremien (Vgl. Schneckener 2002: 298f.). Autoren wie z.B. Schneckener (Schneckener 2002: 295-298) oder Simmonsen (Simmonsen 2005: 303f.) sehen in der spezifischen Umsetzung dieses Ansatzes in Bosnien und Herzegowina einige Gefahren für den Prozess der Friedenskonsolidierung. Durch die weitreichenden Vetomöglichkeiten, die den ethnopolitischen Gruppen in den gemeinsamen Institutionen zugesprochen werden, besteht die Gefahr einer weitgehenden Blockade dieser Gremien. Zudem verlangt der Umstand, dass das Wahlvolk in den Wahlen zu den gesamtstaatlichen Organen in ethnopolitische Gruppen geteilt ist43, von den ethnonationalen Parteien nicht, dass sie um Stimmen außerhalb ihrer eigenen Gruppe kämpfen. Damit geht ein wesentlicher Faktor, welcher zu politischer Moderation beitragen soll, verloren und im Endeffekt trägt diese Regelung eher dazu bei, ethnische Trennlinien weiter zu bestärken, anstatt diese allmählich durch andere, gruppenübergreifende zu ersetzen. Unter Umständen tragen power-sharing Modelle - entgegen ihrer ursprünglichen Intention - somit eher zu einer Behinderung als zu einer Förderung multiethnischer Politik bei. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt am Friedensabkommen von Dayton ist dessen unrealistischer bzw. in weiten Teilen nicht vorhandener Zeitplan, der für die Transformation Bosnien und Herzegowinas in eine friedliche und konsensorientierte Gesellschaft aufgestellt wurde. Die Stationierung der internationalen Friedenstruppe IFOR war anfangs lediglich auf zwölf Monate beschränkt. 44 In diesem Zeitraum sollten in mehreren detailliert dargestellten Phasen die militärischen Bestimmungen in Annex 1-A des Friedensabkommens von Dayton umgesetzt werden und ein sicheres Umfeld in Bosnien geschaffen werden, wekhes die Basis für einen dauerhaften Frieden in diesem Land legen sollte. (Vgl. Sabic 2005: 159-164) Im Gegensatz zum militärischen Teil, der über einen genauen Zeitplan verfügte, beinhalteten die Annexe zu den zivilen Aspekten von Dayton weitgehend keine zeitlichen Pläne zu deren Implementierung. Lediglich Annex 3 legte fest, dass innerhalb von sechs bis neun Monaten nach Unterzeichnung des Abkommens erste freie Wahlen durchgeführt werden sollten und Annex 2 bestimmte, dass die BrckoFrage innerhalb eines Jahres gelöst werden sollte. Ein detaillierter Fahrplan der festgelegt hätte, in wekher Reihenfolge die verschiedenen, oftmals interdependenten Maßnahmen zur Friedenskonsolidierung umgesetzt werden sollten, fehlte allerdings 43 Die Wähler in der Republika Srpska wählen die serbischen Vertreter in Präsidentschaft und Repräsentantenhaus des Gesamtstaates, während die Wähler in der Föderation die bosniakischen und kroatischen Vertreter wählen. 44 Diese Frist von zwölf Monaten, in der die Implementierung des Friedensabkommens von Dayton weitgehend abgeschlossen werden sollte, kam vor allem auf Druck der USA zustande, die ein längeres Engagement in Bosnien und Herzegowina nach den schlechten Erfahrungen in Somalia unbedingt verhindern wollten und nur einem zeitlich überschaubaren Engagement zustimmten. (Vgl. Cousens 2002: 545)
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(VgL Cousens 2001b: 129; Cousens 2002: 543). "Other than deadlines, the settlement gave no direction on the relative importance of its many and varied provisions, no mechanism to set priorities among them, and no anticipation of Iikely consequences should those priorities remain unestablished or unwisely set." (Cousens 2002: 543) Das Abkommen von Dayton stellt somit in erster Linie ein Nebeneinander verschiedener Maßnahmen dar, als eine kohärente Strategie zur Friedenskonsolidierung. In diesem Zusammenhang steht ein weiterer Kritikpunkt an Dayton: obgleich die militärischen Aspekte äußerst detailliert dargestellt wurden, blieben im Bereich der politischen und institutionellen Neuordnung des Landes viele Fragen ungeklärt, während der Transformation der Kriegsökonomie in eine reguläre Ökonomie im Grunde gar kein Platz eingeräumt wurde. (Vgl. Dzihic 2005: 20) Lediglich in der Präambel der Verfassung findet sich ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft, während an anderen Stellen einzig von der Notwendigkeit des wirtschaftlichen Wiederaufbaus gesprochen wird. (VgL UN 1995: 108; 111) Klare Vorgaben und Zielsetzungen sucht man vergebens. Ungeklärte Fragen in Bezug auf die politische und institutionelle Neuordnung fmden sich z.B. in den offen gelassenen Verfahrensweisen im Ministerrat oder in der nicht gänzlich geregelten Verteilung der Kompetenzen zwischen Gesamtstaat und Entitäten. (Vgl. Gromes 2007: 173) Zudem wird auf den latenten Konflikt zwischen Bosniaken und Kroaten in der Föderation überhaupt nicht eingegangen. (Vgl. Cousens 2001b: 128f.) Die herausragende Stellung der militärischen gegenüber den zivilen Aspekten des Friedensabkommens zeigt sehr deutlich, dass die internationale Gemeinschaft im Jahr 1995 in erster Linie daran interessiert war den Krieg zu beenden, während die tieferliegenden Ursachen des Krieges weitgehend unberührt blieben. (Vgl. Donais 2005: 1f.) Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt am Vertragswerk von Dayton betrifft die Tatsache, dass jene Akteure, die maßgeblich für den Ausbruch des bewaffneten Konflikts verantwortlich waren, nicht nur eine zentrale Rolle in den Verhandlungen zu diesem Abkommen zugesprochen bekamen, sondern auch in dessen Implementierung. Zu den Auswirkungen dieses Umstands auf den Verhandlungsprozess schreibt Donais sehr treffend: ,,[...] because none of the leaderships would have signed an agreement that did not protect their own political interests, the resulting agreement did much to ensure the perpetuation in power of existing elites." (Donais 2005: 52) Dies bedeutete zum einen eine Legitimation der partikularen Interessen dieser Akteure und zum anderen die Verabschiedung eines Friedensabkommens, welches diese bestätigte. Darüber hinaus ist der Erfolg des Prozesses der Friedenskonsolidierung maßgeblich vom Wohlwollen und der Mitarbeit der nationalistischen Eliten abhängig. Die sich hieraus ergebende paradoxe Situation fasst Vesna Bojicic-Dzelilovic folgendermaßen zusammen:
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"The responsibility for implementing the agreement thus rested with the same parties, and indeed by and !arge the same peop1e, in the political establishment of the country, which had waged the war, and which held the view that the agreement failed to provide satisfactory solutions to their demands." (Bojidc-Dzelilovic 2006: 206)
Schon bei der Unterzeichnung des Friedensabkommens war somit vorauszusehen, dass die Nationalisten in Bosnien ihre Interessen auch nach dem Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen weiter verfolgen würden, mit erheblichen Konsequenzen für den Prozess der Friedenskonsolidierung4s (Vgl. Donais 2005: 51f.) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fülle an Widersprüchen und Unklarheiten, die dem Vertragswerk von Dayton innewohnten, eine denkbar schlechte Ausgangsposition für eine nachhaltige Transformation der bosnischen Gesellschaft von Krieg zu Frieden bildeten. Cousens resümierte daher: "What it offered was a a cease-fire amid a daunting set of challenges: parties whose objectives had not changed and who remained in power, plans for power sharing that threatened to consolidate national exclusion rather than mitigate it, and sodal wounds from a war fought with extraordinary cruelty." (Cousens 2001 b: 130)
45 Zu diesem Kritikpunkt muss allerdings auch angemerkt werden, dass, wie zum Beispiel Zahar (2003: 120f.) argumentierte, gerade Akteure welche von einem Friedensprozess ausgeschlossen werden, wenig Interesse an dessen Erfolg besitzen und daher eher daran arbeiten werden, diesen zu behindern und möglicherweise zu Fall zu bringen, als Akteure, welche an diesem Prozess beteiligt sind. Eingebundene Parteien "profitieren" in gewisser Weise von einem solchen Prozess (Friedensdividende), zum Beispiel durch eine Legitimierung ihrer politischen Macht oder durch den Zugang zu internationalen Hilfsgeldern. Ein von diesen Akteuren verursachtes Ende des Friedensprozesses wäre auch mit dem Verlust der Friedensdividende verbunden und birgt daher hohe Kosten für diese. Für Ausgeschlossene verhält es sich gegenteilig. Während für diese die Kosten einer vollständigen Transformation des Konflikts hoch sind, sind die Kosten für eine Rückkehr zum Konflikt niedrig. Betrachtet man die oben genannte Kritik und dieses Argument - heide durchaus berechtigt und ein Teil der Wahrheit - zusammen, so zeigt sich, wie schwierig die theoretischen Konzepte der Friedenskonsolidierung, aufgrund vieler inhärenter Widersprüche, in der Praxis umzusetzen sind.
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina
5.1
Die Ausgangslage der Friedenskonsolidierung
Der AbscWuss der Friedensverhandlungen zum Abkommen von Dayton war der Beginn eines langwierigen Prozesses, in dessen Verlauf die hinter dieser Übereinkunft stehende Willenserklärung der Koniliktparteien, den Krieg in Bosnien und Herzegowina zu beenden und friedliche Verhältnisse (wieder-)herzustellen, in eine tatsächliche Konsolidierung des Friedens in diesem Land umgesetzt werden musste. In Anlehnung an die fünf Säulen der Friedenskonsolidierung, ergaben sich eine Reihe an Aufgaben, die im Rahmen eines solchen Prozesses zu bewältigen waren. Ein erster wichtiger Schritt erforderte demnach die Bearbeitung von Problemstellungen des sicherheitspolitischen Sektors, mit dem Ziel eine zukünftige militärische Konfrontation zwischen den Koniliktparteien zu verhindern. In Bosnien und Herzegowina bedeutete dies in erster Linie die Sicherung des Waffenstillstandes zwischen den ehemaligen Koniliktparteien, verbunden mit einer weitgehenden Demobilisierung und Entwaffnung der verschiedenen regulären und irregulären Kämpfer. (VgL Cousens 2002: 545ff.) Zur Durchsetzung und Überwachung der vielfaltigen in diesem Problemfeld geplanten Maßnahmen, wurde mit IFOR eine 60.000 Mann starke multinationale Friedenstruppe nach Bosnien entsandt. (Vgl. Sabie 2005: 156-164) Nach der Bereitstellung eines sicheren Umfelds konnte mit den Umsetzung jener Vorhaben begonnen werden, die die restlichen, "zivilen" Aspekte der Friedenskonsolidierung betrafen. Dies bedeutete zum einen den (Wieder-)Aufbau staatlicher Strukturen und Institutionen, wie sie in der mit dem Abkommen von Dayton verabschiedeten Verfassung vorgesehen waren. Dazu gehörte auch die Sicherung rechtsstaatlicher Standards und die Durchführung freier WaWen. War die Zielsetzung im sicherheitspolitischen Sektor auf die Sicherung eines friedlichen Umfelds in Bosnien und Herzegowina ausgerichtet, so war das Ziel des institutionbuilding "to create a framework in which the local peop1e would take over the peace process and continue building society and the state upon the foundations set down by the international community." (Sabie 2005: 170). Ein weiterer wichtiger Punkt der im Rahmen der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina adressiert werden musste, war die Bearbeitung der sozioökonomischen Kriegsfolgen. Die absoluten ZaWen sprechen in diesem Bereich für sich und streichen die Notwendigkeit und Bedeutung der Bearbeitung der vielR. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
faltigen Aspekte dieses Problemfelds zur Etablierung eines nachhaltig gesicherten Friedens hervor. Im Verlauf des dreieinhalbjährigen Krieges hatten ca. 150.000 Menschen ihr Leben verloren, weitere 174.000 erlitten Verwundungen. (Vgl. Calic 1996: 269) 1,2 Millionen Bürger Bosnien und Herzegowinas flüchteten in diesem Zeitraum ins Ausland, während 900.000 zu Flüchtlingen im eigenen Land wurden. (Vgl. UN 1995b: Para. 15) 80% der Bevölkerung waren am Beginn des Jahres 1996 auf die Versorgung mit humanitärer Hilfsgüter angewiesen. 18% der Häuser wurden vollkommen zerstört, während 60% zumindest teilweise Beschädigungen aufwiesen. Die Wirtschaft des Landes lag Ende 1995 am Boden. Die Industrieproduktion betrug nur noch 5% jener von 1990, das jährliche Pro-KopfEinkommen war im selben Zeitraum von 1900 USD auf 500 USD gesunken. (Vgl. OHR 1996: Paras. 34; 72) Der Umfang an Aufgaben, die sich daraus ergaben waren enorm, wenn auch, wie vorher gezeigt wurde, dass Friedensabkommen von Dayton diesbezüglich nur sehr vage Bestimmungen enthielt. Um den Menschen in Bosnien und Herzegowina eine Zukunftsperspektive zu geben, bedurfte es der Wiederherstellung der weitgehend zerstörten Infrastruktur des Landes, sowie einer Wiederbelebung der Wirtschaft. Letztere musste überdies von einer sehr stark kriminalisierten Kriegsökonomie wieder in eine reguläre Ökonomie transformiert werden. Zudem musste die internationale Gemeinschaft dafür sorgen, dass im Rahmen der Friedenskonsolidierung jene Bedingungen geschaffen werden, die die von den Kriegsparteien im Dayton-Abkommen garantierte Rückkehr der zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen erlaubten. Besondere Beachtung bedurfte auch die Wiederherstellung der Gesundheitsversorgung oder des Bildungswesens. (Vgl. Calic 1996: 269275) Wie in anderen Nach-Bürgerkriegsgesellschaften auch, bedurfte eine nachhaltige Sicherung des Friedens in Bosnien und Herzegowina auch die Bewältigung der psycho-sozialen Kriegsfolgen. Die traumatischen Erfahrungen des Krieges, denen ein Großteil der Bevölkerung von 1992 bis 1995 ausgesetzt war, hinterließen bei vielen psychische Störungen, die eine reibungslose gesellschaftliche Reintegration oft erschwerten. Während Opfer von Gewalttaten häufig von Angstzuständen geplagt wurden, litten viele der ehemaligen Soldaten an Depressionen und Schuldgefühlen. (Vgl. Calic 1996: 275-277) Dazu kam, dass Opfer und Täter im Falle Bosnien und Herzegowinas nach dem Krieg oft noch Tür an Tür zusammenlebten. Eine Verfolgung der in diesem Krieg begangenen Kriegsverbrechen und in weiterer Folge die Einleitung eines Versöhnungsprozesses, der die psycho-sozialen Kriegsfolgen miteinbezieht und einen konstruktiven Umgang mit den Geschehnissen des Krieges einleitet, bildete daher einen wichtigen Baustein im Prozess einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung. (Vgl. Fischer 2008) Ivana Franovic schrieb dazu: " [...] peacebuilding is not possible without facing the
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Die AusgangsIage der Friedenskonsolidierung
past; otherwise we can just reach fake or fragile 'peace'." (Franovic 2008: 34) Zur Begleitung, Unterstützung und Umsetzung der unterschiedlichsten Maßnahmen, die sich aus den eben dargestellten Notwendigkeiten des Friedenskonsolidierungsprozesses in Bosnien und Herzegowina ergaben, wurden in den einzelnen Teilbereichen eine Vielzahl an internationalen Organisationen als "lead agencies" mit Aufgaben betraut (siehe Tab. 2). Aufgabenbereich
,,lead ageney"
Militärische Aspekte
NATO (bis 2004), EU (seit 2005)
Regionale Stabilisierung
OSZE, Stabilitätspakt für Osteuropa
Wahlen
OSZE
Verfassung
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, IWF
Menschenrechte
OSZE, Europarat, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, UNHCR
Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen
UNHCR,EU
Commission to Pteserve Narional Monuments
UNESCO
Wiederaufbau der Wirtschaft
EBRD, Weltbank, EU, UNDP
Zivile Implementierung
OHR
International Police Task Fotce, EU Police Mission
UNO (bis 2003), EU (seit 2003)
Zenttalbank
IWF
Bildung
OSZE, Stabilitätspakt für Osteuropa
Tabelle 2: Internationale Akteure in Bosnien und Herzegowina, Quelle: Schneekener 2005: 20; Cousens 2002: 539.
Neben diesen in Tabelle 2 angeführten Organisationen, führten seit Ende 1995 eine unüberschaubare Anzahl an weiteren internationalen Organisationen und NGOs verschiedenste Programme im Kontext der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina durch (Vgl. Sabic 2005: 179). Zudem erhielten Vertreter der internationalen Gemeinschaft Sitze und Mitspracherecht in vielen, mit dem Friedensvertrag von Dayton eingerichteten, bosnischen Institutionen. (Vgl. Cousens 2002: 542) Die schwierige Aufgabe die unterschiedlichen Strategien und Zielsetzungen dieses unübersichtlichen internationalen Engagements im Prozess der Friedenskon-
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
solidierung in Bosnien zu koordinieren und in eine gemeinsame, kohärente Handlungsweise einzubinden, oblag, wie in Annex 10 des Abkommens von Dayton vorgesehen, dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina bzw. bis zu einem gewissen Grad dem PIe. (Vgl. Sabic 2005: 171-177)
3.T
S ie1e der FriedenskonsoIidierung
Worin bestehen nun die Ziele des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina, bzw. wann kann von einer nachhaltig gesicherten Friedensordnung in Bosnien gesprochen werden? Die Beantwortung dieser Frage ist insofern wichtig, als sich daraus auch ableiten lässt, welche Handlungen potentieller Spoiler als "spoiling" und welche als legitimer Ausdruck politischer Überzeugungen zu bezeichnen sind. In der Theorie verlangt Friedenskonsolidierung die Schaffung von gesellschaftlichen Strukturen, die in Zukunft einen gewaltfreien innergesellschaftlichen Konfliktaustrag ermöglichen. Im konkreten Fall Bosnien und Herzegowina definierte der Peace Implementation Council auf der ersten Friedenskonferenz in London die Vision einer nachhaltigen Friedensordnung für dieses Land folgendermaßen: "They [the parties of the Dayton-agreement, Anm. des Autors] are committed to crearing astate which will bring the peoples of Bosnia and Herzegovina together within a social and political framework which will enable the country to take its rightful place in Europe." (pIC 1995: Para. 1) Neben dieser allgemein formulierten Erklärung, führte der PIC auch einige konkrete Zielvorstellungen an, die im Rahmen der Implementierung des Friedensabkommens von Dayton realisiert werden sollten: "The Conference agrees that the peace should result in: 1. the creation of a climate of stability and security in Bosnia and Herzegovina and the achievement of a durable and lasting political settlement; 2.the establishment of new political and constitutional arrangements for Bosnia and Herzegovina that will bring the country together within a framework of democracy and the rule of law; 3. the proteetion and promotion of human rights and the early return of refugees and displaced persons; 4. the establishment of an open, free-market economy in Bosnia and Herzegovina; 5. a kick start to economic reconstruction; 6. the normalisation of relations between Bosnia and Herzegovina and her neighbours, the region and the rest of the international community; 7. the creation of a direct and dynamic contractual relationship between Bosnia and Herzegovina and the European Union within the framework of a regional approach; 8. successful irnplementation of the Basic Agreement on the region of Eastern
Ziele der Friedenskonsolidierung
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Slavonia, Baranja and Western Sirmium; 9. irnportant economic opportuniries for countries neighbouring former Yugoslavia." (pIC 1995: Para. 3)
Zusammenfassend ergaben sich, aus den von der internationalen Gemeinschaft vorgestellten neun Eckpunkten der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina, folgende Grundelemente einer nachhaltigen Friedensordnung: Sicherheit, Demokratie, freie Marktwirtschaft, regionale Stabilität, europäische Perspektive. "The post-Dayton state-building agenda, [00'] has been an effort to cre-ate the conditions for self-sustaining peace through the establishment of a liberal, democratic, multi-ethnic Bosnian state able eventually to take its place within the broader European family of nations." (Donais 2005: 47) Obwohl die Vorstellungen der internationalen Gemeinschaft, worin eine tragfahige Friedensordnung in Bosnien und Herzegowina bestehen sollte, durchaus kritisch betrachtet werden kann und muss, soll dessen Kernaussage dennoch dazu dienen, eine konkrete Definition dafür zu ftnden, wie sich "spoiling"-Verhalten im Kontext der Friedenskonsolidierung in diesem speziellen Fall darstellt. Sabic schrieb dazu: "The ultimate goal is to entrench a perception that a single and undivided Bosnia-Herzegovina offers more to each of the three Bosnian peoples than any other solution." (Sabic 2005: 24) Das vordergründige Ziel bzw. der Fokus des internationalen Engagements in Bosnien und Herzegowina besteht demnach in der Etablierung eines multi-ethnischen Staates Bosnien und Herzegowina, in dem die verschiedenen ethnopolitischen Gruppen ihre Konflikte friedlich und konsensorientiert in den gemeinsamen Institutionen austragen. 46 Daraus abgeleitet können als "spoiling" jene Verhaltensweisen bzw. Strategien deftniert werden, die sich direkt oder indirekt gegen den Fortbestand Bosnien und Herzegowinas als vereinter, multi-ethnischer Staat richten bzw. die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens der verschiedenen ethnopolitischen Gruppen dieses Landes in Frage stellen bzw. behindern. Diese Speziftzierung des Begriffs "spoiling", soll als Basis für die Untersuchung des Einflusses potentieller Spoiler auf den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien dienen.
46 Verdeutlicht wird dies durch eine Aussage des ersten Hohen Repräsentanten Carl Bildt: "Today, Bosnia is a shattered, divided country, tom apart by the most brutal war in Europe during my generation. Gradually, we must start to create the conditions for bringing back together what must come back together for peace to last and for justice to be created for each and everyone - Bosnian Muslim, Bosnian Serb, Bosnian Croat. This must be a country for all of them." (OHR 1995: 1)
118
3.4
Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 1993-1010
Im Folgenden soll nun der Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina hinsichtlich des Einflusses potentieller Spoiler näher untersucht werden. Als potentielle Spoiler werden in erster Iinie die drei nationalistischen Parteien betrachtet, deren Macht und Einfluss, wie vorher gezeigt, zum einen zum Ausbruch des Krieges bzw. zur ethnischen Fragmentierung des Landes beigetragen, zum anderen aber auch in erheblicher Weise das Friedensabkommen von Dayton geprägt haben. Besondere Berücksichtigung sollen dabei, wie vorher bereits angedeutet, auch die Auswirkungen des internationalen Engagements in diesem Kontext erfahren. Die Implementierung der militärischen Aspekte des Friedensvertrages, war jener Bereich des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina, der mit den geringsten Problemen behaftet war und auf den geringsten Widerstand von Seiten der drei Konfliktparteien in Bosnien und Herzegowina stieß. Durch die Präsenz der 60.000 Mann starken NATO-Friedenstruppe IFOR, konnte der Rückzug der drei Armeen sehr schnell durchgesetzt, ausländische Kämpfer verließen zu einem großen Teil das Land und der Waffenstillstand konnte weitestgehend gesichert werden. Die Implementierung der zivilen Aspekte des Friedensabkommens von Dayton erwies sich dagegen als weitaus schwieriger. (Vgl. Cousens 2001 b: 130; Almond 2007: 442) Deshalb soll in der folgenden Untersuchung des Verhaltens potentieller Spoiler im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina in erster Iinie die Umsetzung der zivilen Bereiche der Dayton-Übereinkunft im Mitrelpunkt stehen. Im Rahmen dieses Buches wäre es allerdings nicht möglich, alle Aspekte der Implementierung der zivilen Dimension dieses Abkommens zu analysieren. Daher werden im Folgenden zwei zentrale Bereiche des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina hinsichtlich des Einflusses potentieller Spoiler exemplarisch untersucht. Am Beginn wird eine Darstellung jener Aspekte der Friedenskonsolidierung stehen, die allgemein unter dem Begriff "Demokratisierung" zusammengefasst werden können. Dazu gehören im Falle Bosnien und Herzegowinas vor allem der Aufbau der gemeinsamen staatlichen Strukturen, die Abhaltung von Wahlen, Entwicklung von Mechanismen zur demokratischen Entscheidungsfindung bzw. die Durchführung wichtiger Reformen, die das Überleben Bosniens als geeinten, multiethnischen Gesamtstaat ermöglichen bzw. sichern sollen. Der zweite Bereich, der in die Analyse des Verhaltens potentieller Spoiler miteinbezogen werden soll, betrifft den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes bzw. die Transformation der bosnischen Ökonomie von sozialistischer Planwirtschaft bzw. (kriminalisierter) BÜtgerkriegsökonomie hin zu freier Marktwirtschaft.
Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 1995-2010
5.3.1
119
Die Ausgangspositionftir potentielle Spoiler
Im theoretischen Teil wurde mit Findley (Vgl. Findley 2007: 59ff.) argumentiert, dass das Verhalten potentieller Spoiler wesentlich von den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen (capabilities) und dem Umfeld in dem sie sich bewegen (opportuni!J structure) abhängig ist. Um den Einfluss bzw. die Motive potentieller Spoiler im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zu verstehen, ist es daher notwendig diese beiden Aspekte näher zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist zu Beginn anzumerken, dass jede der drei Konfliktparteien den Verhandlungstisch in Dayton weitgehend unzufrieden verließ. Die bosnischen Serben, waren dabei noch diejenigen, denen das Friedensabkommen von Dayton am akzeptabelsten erschien. Durch die Etablierung, der mit weitreichenden staatlichen Kompetenzen ausgestatteten Republika Srpska, hatten sie eines der vordergründigsten Kriegsziele - die Sezession der serbischen Gebiete Bosnien und Herzegowinas und deren AnscWuss an Serbien - durch die de facto Anerkennung der Republika Srpska als weitgehend autonome Republik, zumindest teilweise erreichen können (Vgl. Cousens 2002: 541; Calic 1996: 258). Dennoch kritisierten Radovan KaradZic und andere führende Politiker der RS das Abkommen von Dayton heftig, da eine Vereinigung mit Serbien damit weitgehend vom Tisch war. So wurde KaradZic mit den Worten zitiert: "Dayton represents an overall defeat of the Serbs. [...] We have not fulftlled large parts of our goals." (zit. nach: Zahar 1999: 279). Unzufriedenheit löste auf Seiten der bosnischen Serben zudem die Tatsache aus, dass die Republika Srpska de facto in zwei Teile geteilt war und keinen Zugang zum Meer erhielt (Vgl. Cousens 2002: 541; Calic 1996: 258). Auf Seiten der Bosniaken und der bosnischen Kroaten waren die Vorbehalte gegenüber dem Kompromiss von Dayton noch um einiges größer. Das oberste Ziel der Bosniaken - die Erhaltung Bosnien und Herzegowinas als Gesamtstaat in seinen ursprünglichen Grenzen - wurde in Dayton zwar verwirklicht. Dennoch zeigte sich auch diese Seite sehr unzufrieden, da das Abkommen keinen starken Zentralstaat vorsah, sondern einen weitgehend dezentralisierten Staat Bosnien und Herzegowina, dessen zentrale Kompetenzen in zwei ethnisch definierten Entitäten lagen. Darüber hinaus waren viele Bosniaken nach den militärischen Erfolgen im Sommer und Herbst 1995 der Meinung, dass eine Fortführung der militärischen Konfrontation ein besseres Ergebnis erbracht hätte. (Vgl. Cousens 2002: 543; Calic 1996: 257) Am wenigsten zufrieden mit dem Kompromiss von Dayton zeigten sich die bosnischen Kroaten. Im Gegensatz zu den bosnischen Serben, sahen sie ihr Ziel der Unabhängigkeit der kroatischen Gebiete und deren Vereinigung in einem "GroßKroatien", nicht einmal ansatzweise verwirklicht. Die autonome Republik HercegBosna wurde durch Dayton formal aufgelöst und ging in der Föderation von
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
Bosnien und Herzegowina auf, in der sich die bosnischen Kroaten die Macht mit den Bosniaken teilen mussten. (Vgl. Cousens 2002: 541; 543) Der Umstand, dass diese Einigung unter großem Druck von Seiten der internationalen Gemeinschaft zustande kam und nur in unzureichendem Ausmaß die Interessen der drei Parteien widerspiegelte, legt die Vermutung nahe, dass die Unterschrift unter diesen Friedensvertrag eher ein taktisches Manöver der Konfliktparteien war, als der Ausdruck einer veränderten Auffassung, wonach eine friedliche Beilegung des Konflikts besser wäre als eine Fortführung der militärischen Konfrontation. So schreibt Cousens: ,,[...] it was no secret that the parties to Dayton were ambivalent about signing and could be expected to try to obstruct implementation, at least tactically." (Cousens 2002: 541; Bojicic-Dzelilovic 2006: 207) Im Konkreten zeigt die tiefe Unzufriedenheit aber auch, dass die Friedensverhandlungen von Dayton keine für alle beteiligten Seiten akzeptable Antwort auf eine der zentralen Fragen dieses Konfliktes lieferten. Diese beschäftigte sich mit der Staatlichkeit Bosnien und Herzegowinas: Sollte Bosnien, wie von den Bosniaken immer wieder verlangt, als geeinter multi-ethnischer Staat fortbestehen, oder sollte das Land, wie von bosnischen Kroaten und bosnischen Serben gefordert, nach ethnischen Kriterien geteilt werden. Dayton lieferte hierfür keine wirkliche Antwort, sondern stellte, wie vorher schon erwähnt, vielmehr einen Balanceakt zwischen ethnischer Teilung und multiethnischer Integration dar, mit dem sich schließlich keine Konfliktpartei glücklich zeigte. Der im Friedensabkommen enthaltene in sich widersprüchliche und teilweise recht unklar formulierte Kompromiss mag zwar eine Notwendigkeit gewesen sein, um den Krieg zu beenden, doch gleichzeitig bietet er den Konfliktparteien in der Phase seiner Implementierung und der Friedenskonsolidierung viele Möglichkeiten, die Ergebnisse von Dayton im Nachhinein noch zu verändern (Vgl. Donais 2005: 49). Elizebeth Cousens schrieb in diesem Zusammenhang etwas provokant: "This did not make it totally flawed, as some critics argued, only predictable." (Cousens 2001b: 130) Der Spielraum, bzw. die opportunity structure den potentielle Spoiler am Beginn der Friedenskonsolidierung vorfanden, um im Rahmen dieses Prozesses die vom Friedensabkommen von Dayton nur unzureichend beantworteten Fragen zu lösen, wurde weitgehend durch dieses vorgegeben. Mehrere Aspekte sind hier zu nennen. Zum einen bot der Friedensvertrag vor allem den nationalistischen Parteien, durch die Tatsache, dass sie eine zentrale Rolle in der Implementierung des DaytonAbkommens zugesprochen bekamen, eine große Machtfülle, die sie dazu ausnutzen konnten, ihre eigenen - mit den Zielsetzungen einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung nicht zu vereinbarenden - Vorstellungen aus Kriegstagen weiter zu verfolgen (Vgl. Donais 2005: 51f.). Hinzu kam, dass die fehlende Eindeutigkeit in vielen Bereichen des Friedensabkommens von Dayton jede Partei dazu ermächtigte, den Text in ihrem Sinne auszulegen. "Dayton meant, and continues to mean, fun-
Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 1995-2010
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damentally different things to the different parties" (Donais 2000: 237), schreibt dazu Timothy Donais. Weitere Widersprüche und Konflikte waren dadurch vorprogrammiert, da alle drei Konfliktparteien in der Lage waren, Dayton im Sinne ihrer eigenen Interessen zu interpretieren und ihre ursprünglichen Ziele weiterzuverfolgen (Vgl. Donais 2000: 237). Aus diesen Aspekten ergaben sich für die Konfliktparteien wichtige Ansatzpunkte, von denen ausgehend, sie in der Lage waren den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen und im Extremfall auch zu blockieren. Einschränkend auf die opportuni!J structure potentieller Spoiler wirkte sich die Tatsache aus, dass die Option einer Rückkehr zum bewaffneten Kampf bzw. die groß angelegte Anwendung kollektiver Gewalt durch die starke Präsenz an NATO-Truppen weitgehend ausgeschlossen werden konnte (Vgl. Gromes 2003: 9f.). Die capabilities bzw. die Ressourcen, auf die die nationalistischen Parteien im Prozess der Friedenskonsolidierung zurückgreifen konnten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, ergaben sich zum Großteil aus den vorher beschriebenen speziellen Bedingungen des Konfliktes in Bosnien und Herzegowina. Im Zentrum des Interesses müssen hier die Machtstrukturen der nationalistischen Parteien stehen, die diese vor und während des Krieges auf- und ausgebaut hatten und in der Phase der Etablierung eines nachhaltigen Friedens eine wichtige Ressource zur Wahrung des politischen und gesellschaftlichen Einflusses darstellten. In einem Bericht der European Stabili!J InitiatilJe (ES!) aus dem Jahr 1999 wurde die Funktionsweise dieser Machtstrukturen beschrieben (Vgl. ESI 1999: 418). Demnach können diese als eine Fortsetzung des sowjetischen NomenklaturaSystems verstanden werden, wonach die Kontrolle über zentrale Bereiche des Staates und der Gesellschaft über ein feudal, hierarchisches System ausgeübt wurde. Die kommunistische Partei nahm in diesem eine dominante Position ein und war Dreh- und Angelpunkt für alle wichtigen Entscheidungen. Im Falle Bosniens übernahmen die nationalistischen Parteien diese Position, nachdem sie aus den ersten freien Wahlen im Jahr 1990 als überlegener Sieger hervorgingen und die kommunistische Partei weitgehend entmachtet wurde. Die territoriale Fragrnentierung Bosnien und Herzegowinas, die ihren deutlichsten Ausdruck in der Proklamation mehrerer autonomer Regionen fand, führte dazu, dass diese Parteien in den jeweiligen Gebieten ihre Machtposition und das System der Parteiherrschaft weitgehend ungehindert ausbauen und im Endeffekt das politische, ökonomische und gesellschaftliche Leben unter ihre Kontrolle bringen konnten. So war im ESI-Bericht zu lesen: "By maintaining the system of party rule during the war, they achieved direct control over the administrative organs, the military command, and the management of economic assets." (ESI 1999: 4).
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
Im Bereich der Ökonomie war es den nationalistischen Parteien zum Beispiel über die Kontrolle der Zahlungsbfuos möglich, finanzielle Transaktionen oder das Steuerwesen zu überwachen. Darüber hinaus waren sie, durch die Besetzung der Führungsgremien ehemaliger Staatsbetriebe mit ihren Gefolgsleuten, nicht nur in der Lage diese zu kontrollieren, sondern auch die Vergabe von Arbeitsplätzen und Wohnungen zu beeinflussen (Vgl. ESI 1999: 5). Zudem spielte die Kontrolle der bosnischen Wirtschaft durch die nationalistischen Parteien, eine wichtige Rolle in der Finanzierung ihrer politischen Aktivitäten. (Vgl. Pugh et al. 2004: 172). Neben dem wirtschaftlichen Sektor war es den nationalistischen Parteien während des Krieges auch auf einer politisch, institutionellen Ebene gelungen, in den jeweiligen Gebieten separate, vom Gesamtstaat autonome Strukturen aufzubauen. Dadurch entstanden in Bosnien zusätzlich zum Gesamtstaat drei voneinander weitgehend abgekoppelte politische Sphären, die jeweils von einer anderen nationalistischen Partei dominiert wurden. So schrieb Donais auch: ,,[...] in reality, there is not a single Bosnian body politic but three, each aligned to greater or lesser degrees araund a single nationalist power structure." (Donais 2005: 59) Jede dieser politischen Parallelsttukturen verfügte über ein eigenes Geflecht an staatlichen Institutionen, die von der jeweiligen nationalistischen Partei dominiert wurden (Vgl. Grames 2007: 176-179). Das autoritäre Herrschaftssystem von SDA, SDS und HDZ umfasste auch die Kontrolle von Polizei, Justiz und Geheimdiensten, deren Arbeit weniger rechtsstaatlichen Prinzipien als dem Willen der jeweiligen Partei folgte. Daneben wurde in den Kriegsjahren eigene Medien aufgebaut, die mehr oder weniger als Parteiorgane fungierten und die Rhetorik der von den nationalistischen Parteien betriebenen "Politik der Identität" verbreiteten. (Vgl. ESI 1999: 5f.; Grames 2007: 180; 183). Eine Besonderheit der nationalistischen Machtstrukturen, die sich aus der Kriminalisierung des wirtschaftlichen Sektors während des Krieges erklären lässt, war die enge Verflechtung von SDA, SDS und HDZ mit Akteuren aus dem kriminellen Untergrund. Diese "symbiotische Beziehung", wie Donais und Pugh (Donais 2005: 69; Pugh et al.: 172) dieses Netzwerk aus kriminellen und politischen Akteuren bezeichneten, wurde mit dem Ende des Krieges nicht beendet, sondern blieb auch weiterhin bestehen (Vgl. Donais 2005: 68-70). In einem Bericht an den Kongress in Washington war sogar zu lesen: "Having used illegal networks for military and economic ends during the war, political parties are now inseparable from criminal organizations." (GAG 2000: 14E) Diese illegalen ökonomischen Aktivitäten bedeuteten für die nationalistischen Parteien vor allem wichtige finanzielle Einnahmen, für die anderen beteiligten Akteure boten sie eine willkommene Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung und zur Erlangung politischer Macht (Vgl. Pugh et al.: 173).
Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 1995-2010
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Werden diese hier kurz dargestellten Aspekte der nationalistischen Machtstrukturen in Bosnien und Herzegowina, wie sie mit dem Ende des Krieges existierten, zusammenfassend betrachtet, so ergeben sich zwei wichtige ScWüsse in Hinblick auf den Prozess der Friedenskonsolidierung. Zum einen stellen diese Parallelstrukturen für die in Bosnien dominanten Parteien wichtige materielle als auch machtpolitische Ressourcen (capabilities) bereit, die dazu dienen deren politischen Einfluss in diesem Land zu wahren. "For the ruling parties on each side of the ethnic divide, the merging of economic and political control is a means of generating the necessary resources to continue to fight for the rights of "their" constituent people." (Donais 2005: 73) Zum anderen stellen diese Machtstrukturen bzw. deren Erhaltung nach dem Ende des Krieges für die nationalistischen Parteien ein sehr starkes Motiv dar, sich einer nachhaltigen Konsolidierung des Friedens auf der Basis des Abkommens von Dayton zu widersetzen, da viele Bestimmungen dieses Vertragswerkes und darauf aufbauend die Zielsetzungen der internationalen Gemeinschaft mit der Existenz solcher Parallelstrukturen nicht zu vereinbaren sind und daher auf deren Auflösung abzielen. So wird die Etablierung demokratischer Strukturen in Bosnien und Herzegowina nur möglich sein, wenn wichtige Entscheidungen nach klar nachvollziehbaren Regeln in den Institutionen des Staates getroffen werden und nicht in den verdeckten Entscheidungsgremien von SDA, SDS und HDZ. Zudem steht ein wesentliches Merkmal eines demokratischen Systems - die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative - in klarem Widerspruch zu den von diesen Parteien in ihren Gebieten während des Krieges aufgebauten, streng hierarchischen, autoritären Herrschaftssystemen. Was für den Prozess der Friedenskonsolidierung als essentiell erscheint, bedeutet für die nationalistischen Parteien in Bosnien und Herzegowina allerdings eine Gefährdung ihrer finanziellen als auch politischen Basis, die wesentlich von der Erhaltung des Status quo aus Kriegstagen abhängig ist (VgL Donais 2005: 69f.; Sabic 2005 36f.). So war auch im Bericht der ESI zu lesen: ,,[...] the nationalist regimes have built power struetures whieh ineorporate the legacy of communism, and whieh depend on war-time social, politieal and eeonornie conditions. They work to sustain these eonditions, in order to preserve their own power. [...] Even though many of the reforms promoted by the international community seem manifestly in the publie good, and many have widespread popular support, they will meet with resistanee from the nationalist parties as long as the underlying strategie eonditions remain in plaee." (ESI 1999: 17)
Neben der Bereitstellung wichtiger Ressourcen stellen die Machtstrukturen der nationalistischen Parteien daher für ebendiese, aus strategischer Sicht, einen sehr wichtigen Anreiz dar, den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zu hintertreiben, da der Einfluss dieser Akteure in großem Maße von der Erhaltung dieser Strukturen abhängig ist.
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili
Zusammenfassend gesagt, fanden sich SDA, SDS und HDZ, als potentielle Spoiler, nach dem formalen Ende des Krieges in einer Situation wieder, in der die internationale Gemeinschaft mit erheblichen Aufwand ein Abkommen zu implementieren versuchte, dass nur sehr geringfügig die Interessen der drei ehemals kriegsführenden Parteien widerspiegelte. Durch den widersprüchlichen und mehrdeutigen Charakter dieses Friedensvertrages, eröffneten sich für diese Akteure allerdings Gelegenheiten, die sie dazu ausnutzen konnten, die Ergebnisse der Verhandlungen in Dayton im Nachhinein noch zu adaptieren. Ihre materielle und politische Machtbasis hierfür, fanden sie in den während des Krieges aufgebauten parallelen Machtstrukturen, deren Erhalt allerdings in einem klaren Widerspruch zu den Zielsetzungen einer nachhaltigen Friedenskonsolidierung stand. Wie sich dieses Umfeld auf die Politik von SDA, SDS und HDZ in Bosnien nach Dayton auswirkte, soll nun im Folgenden an den zwei vorher dargestellten Bereichen gezeigt werden.
5.3.2 Problemjeld I: Demokratisierung in Post-Dqyton Bosnien und Herzegowina Demokratisierung kann als eines der Kernelemente des internationalen Engagements im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina angesehen werden. Begründet werden kann dies durch die allgemeine Vorstellung, wonach demokratische Strukturen durch die Bereitstellung von klar definierten Mechanismen und Verfahrensweisen zur Streitschlichtung einen wesentlichen Beitrag zum gewaltfreien Austrag gesellschaftlicher Konflikte leisten können. (Vgl. Gromes 2007: 56) Diese Überzeugung spiegelt sich auch in der Präambel der Verfassung für Bosnien und Herzegowina wider, wo zu lesen ist, dass "democratic governmental institutions and fair procedures best produce peaceful relations within a pluralist society." (UN 1995a: 59).
Der Beginn der Friedenskonsolidierung und die erstenfreien Wahlen im September 1996 Für die in Bosnien involvierten internationalen Akteure, bedeutete Demokratisierung im ersten Jahr der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina in erster Linie die Organisation der ersten freien Wahlen (Vgl. Gromes 2007: 187), die nach dem Vertrag von Dayton bereits innerhalb der ersten sechs bis neun Monate nach dem formalen Ende des Krieges durchgeführt werden sollten. Der erste Urnengang nach dem Ende eines blutigen Bürgerkrieges, der meist von einem Zusammenbruch der politischen Ordnung, des Rechtsstaates und einer weitgehenden Polarisierung der Gesellschaft gekennzeichnet ist, besitzt dabei eine sehr große symbolische Dimension. Freie Wahlen verkörpern (v.a. für die beteiligten internationalen Akteure) einen Bruch mit der kriegerischen Vergangenheit und
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gleichzeitig den Beginn einer neuen Ara, die von einer konsensorientierten Zusammenarbeit innerhalb demokratischer Strukturen gekennzeichnet sein soll. (Vgl. Lyons 2002: 216E) "Die Wahlen sollen demonstrieren, dass der Krieg vorbei ist, politische Konflikte nun ohne Gewalt ausgetragen werden und wieder normale Zustände herrschen." (Gromes 2003: 26) In Bosnien und Herzegowina erhoffte sich die internationale Gemeinschaft, dass neben dieser Symbolkraft die Durchführung von freien Wahlen einen ersten Anstoß zum Abbau ethnischer Trennlinien und der ethnischen Polarisierung des Landes bringen würden. "Electoral politics, it was hoped, would permit the articulation of a broad spectrum of political identities, ideologies and interests, that would trump the ethnic polarization that had stoked the war." (Manning 2004: 61) In erster Linie war es in der Realität allerdings die intendierte symbolische Wirkung, die dazu führte, dass der erste Urnengang bereits neun Monate nach der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton im September 1996 durchgeführt wurde. Denn jene Bedingungen, wie sie im Friedensvertrag für die Abhaltung von freien, fairen und sicheren Wahlen definiert wurden (Vgl. UN 1995a: 53), konnten innerhalb dieser kurzen Zeitspanne nicht bereitgestellt werden, wie im Folgenden gezeigt wird. Bereits im Verlauf der ersten Hälfte des Jahres 1996 zeigte sich, dass die Implementierung des Friedensabkommens auf erheblichen Widerstand von Seiten der dominanten nationalistischen Parteien stoßen würde. Erste ernsthafte Spannungen waren innerhalb der Föderation von Bosnien und Herzegowina zu beobachten. Die HDZ und die SDA weigerten sich strikt, ihre während des Krieges aufgebauten Paralle1strukturen aufzugeben und Kompetenzen an die neu geschaffenen gemeinsamen Institutionen abzugeben. Besonders deutlich zeigte sich dies in der geteilten Stadt Mostar, wo der Plan der EU-Administration die Stadt wieder zu vereinen und eine multi-ethnische Verwaltung aufzubauen, von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Bosniaken und Kroaten gekennzeichnet war. Der Leiter der EU-Mission legte Anfang 1996 nach tätlichen Angriffen auf seine Person schließlich sogar sein Amt nieder. (Vgl. Calic 1996: 263fE) In bestimmten Teilen des Landes, waren zudem auch nach dem AbscWuss der Friedensverhandlungen in Dayton, noch zahlreiche Versuche der Konfliktparteien zu beobachten, die ethnische Homogenisierung der von ihnen beanspruchten Territorien voranzutreiben. Am deutlichsten zeigte sich dies in Sarajevo, wo ein Großteil der serbischen Bevölkerung die Stadt am Beginn des Jahres 1996 in Richtung Republika Srpska verließ. Zum einen folgten sie damit einem Aufruf der SDS, zum anderen war dies eine Reaktion auf die gezie1te Verfolgung serbischer Bevölkerungsteile. (Vgl. OHR 1996a: Paras. 49-50) Doch nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in vielen anderen Landesteilen wurde die Politik der ethnischen Homogenisierung fortgesetzt, mit dem Ergebnis, dass bis
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September 1996 ca. 90.000 Personen ihre Heimatorte verließen. Bewegungsfreiheit über Entitätsgrenzen hinweg war im ersten Halbjahr 1996 de facto nicht existent. (VgL ICG 1996a: 18; Vgl. auch HRW 1996) Darüber hinaus beklagte der Hohe Repräsentant bereits in seinem zweiten Bericht die zunehmende Weigerung der herrschenden Parteien die Implementierung wesentlicher Punkte des Friedensabkommens von Dayton voranzutreiben. (Vgl. OHR 1996b: 74-83) Angesichts dieser wenig ermutigenden Entwicklungen wurde sehr schnell klar, dass die nationalistischen Parteien ihre partikularen Agenden auch nach dem Ende des Krieges weiter verfolgen würden: ,,As international peacebuilders descended on Bosrua in 1996 to begin the task of rebuilding the country along liberal democratic lines, it rapidly came clear that each of these structures [the power structures of the nationalist parties; Anm. des Autors] had its own post-Dayton agenda, and that in many respects these agendas were in serious confliet with the international blueprint for rebuilding Bosrua." (Donais 2005: 59)
Im Vorfeld der September-Wahlen verschärfte sich die politische Situation in Bosnien und Herzegowina zusehends. Die nationalistischen Parteien nutzten ihre Machtposition gezielt aus, um für ein Wahlergebnis zu sorgen welches ihren Vorstellungen entsprechen würde. Die Berichterstattung der Medien, die zum Großteil unter der direkten Kontrolle der nationalistischen Parteien standen, war äußerst einseitig und im Großen und Ganzen behielten diese ihre Rolle aus Kriegstagen bei, wo sie in erster Linie als Sprachrohr von SDA, SDS und HDZ dienten. Oppositionelle Parteien wurden offen diffamiert und erhielten selbst nur eingeschränkte Medienpräsenz. (Vgl. ICG 1996a: 26-32; Donais 2000: 240) Angesichts der einseitigen und extrem polarisierenden Berichterstattung in den Medien der Republika Srpska ließ sich der Hohe Repräsentant Carl Bildt sogar zur Aussage hinreißen, dass diese ein Art von Propaganda sein würde, von der "even Stalin would be ashamed 0[" (zit. nach: ICG 1996a: 28) Die ohnehin schwache Opposition war allerdings nicht nur Ziel verbaler Attacken, sondern wurde auch immer wieder Opfer tätlicher Angriffe oder gezielter Diskriminierung. "On a11 three sides of the ethnic divide, opposition party rallies were regularly disrupted by ruling party supporters, while opposition members were threatened, beaten, or fired from their jobs for their political activities." (Donais 2000: 240) Zum polarisierten Umfeld trugen zudem jene Personen bei, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden, jedoch auch nach dem Ende des Krieges wichtige Positionen innehatten. Als Paradebeispiel wurde hier immer wieder Radovan Karadiic angeführt, der zwar auf Druck der internationalen Gemeinschaft von seinem Amt als Präsident der Republika Srpska zurücktrat, jedoch im Hintergrund innerhalb der SDS weiterhin politisch aktiv blieb. (VgL ICG 1996a: 22f.)
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Der Wahlkampf der nationalistischen Parteien spiegelte deren partikularistisch ausgerichtete "Politik der Identität" wider. SDA, SDS und HDZ verbanden ihr Abschneiden bei den Wahlen mit dem WoW ihrer jeweiligen Volksgruppe. Am deutlichsten brachte dies die SDS zum Ausdruck, die mit dem Slogan "SDS=RS" warb (Gromes 2007: 200). Darüber hinaus schürten sie die Angst vor neuerlichen Kämpfen und einer Marginalisierung durch die anderen ethnopolitischen Gruppen. (Vgl. Gromes 2007: 200-202) Der Wahlkampf machte klar, dass diese Parteien ihre ursprünglichen Kriegsziele - trotz ihrer formalen Zustimmung zu einem Friedensabkommen und damit einem Bekenntnis zu einem vereinten Bosnien und Herzegowina - weiterverfolgen würden. So schrieb auch der OHR: "The dections campaigns [...] have confirmed how aIl of them are continuing to pursue their originallong-term national aims [...]. Nationalist issues [...] were at the forefront of the campaigns of the major parties, while pressing economic and social issues of the country were solely neglected." (OHR 1996c: Para. 80)
Die nationalistischen Regime hintertrieben im Vorfeld der Wahlen nicht nur die Herstellung eines sicheren und fairen Umfeldes, sondern manipulierten zudem gezielt WäWerlisten zu ihren Gunsten. Die Regelung, wonach Bürger in Ausnahmefillen in jenen Gemeinden wäWen durften, in denen sie vor hatten in Zukunft zu leben, wurde dazu benutzt, in bestimmten Gemeinden und Regionen des Landes künstliche demographische Mehrheiten herzustellen. Vor allem SDS und HDZ drängten serbische bzw. kroatische Flüchtlinge dazu, in strategisch wichtigen Gebieten zu wählen. 47 (Vgl. Donais 2000: 241f.; Grames 2007: 199f.) Trotz der herrschenden Bedingungen, welche der Durchführung einer fairen und freien Wahl nicht sehr zuträglich waren, entschied sich die OSZE, welche mit deren Durchführung und Organisation betraut war, diese dennoch am 14. September 1996 abzuhalten. Lediglich die geplanten Kommunalwahlen sollten, aufgrund von massiven Manipulationen der WaWlisten zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden (Vgl. Gromes 2007: 194). Viele internationale Beobachter, allen voran die International Crisis Group (lCG), hatten zuvor vor diesem Schritt gewarnt. In einem Aufruf die Wahl zu verschieben, schrieb die ICG im August 1996: "Elections are not a panacea. They can serve a useful purpose if they represent a meaningful expression of popular sentiment. Elections in Bosnia and Herzegovina, if they are held on 14 September, will not accomplish this end. Instead, they will speed the path to partition and deprive western States of invaluable leverage." (leG 1996b: 27)
Der gemeinsame Grundtenor dieser Kritik war die Sorge, dass Wahlen im vorherrschenden politischen Umfeld Bosnien und Herzegowinas die Machtbasis der 47 So brachte die SDS von den ca. 123.000 bosnisch-serbischen Flüchtlingen, die sich in Serbien aufhielten ca. 31.000 dazu in der Stadt Brcko zu wählen, während 20.000 weitere sich im Wählerverzeichnis von Srebrenica registrieren ließen. (VgI. Donais 2000: 241)
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nationalistischen Parteien weiter stärken würden, anstatt sie zu schmälern (Vgl. Manning 2004: 63). Interessanterweise vertrat sogar der damalige OSZE-Vorsitzende Flavio Cotti diese Meinung, nachdem er mit den Worten zitiert wurde: "There exists the most serious danger that they [the elections; Anm. des Autors] degenerate into pseudo-democratic legitimization of extreme nationalist power structures and ethnic cleansing." (zit. nach: Gromes 2007: 194) Die internationale Gemeinschaft begründete die Notwendigkeit dieser WaWen ihrerseits immer wieder damit, dass ohne diese, die Arbeit in den gemeinsamen Institutionen nicht beginnen könne (Vgl. OHR 1996b: Para. 27). Trotz der weitreichenden Vorbehalte wurde schließlich vor allem auf Druck der USA am WaWtermin im September 1996 festgehalten. 48 Bis auf einige kleinere Zwischenfälle lief die waW schließlich verhältnismäßig ruhig ab. Wie aufgrund des Umfelds in dem sie durchgeführt wurden vorherzusehen war, brachten sie allerdings einen fulminanten Sieg der drei großen ethnonationalistischen Parteien. Bei den WaWen zur Präsidentschaft gewannen Izetbegovic (SDA), Krajisnik (SDS) und Zubak (HDZ) mit deutlichem Vorsprung vor ihren Mitbewerbern. Im Repräsentantenhaus auf Staatsebene konnten die drei Parteien 36 der 42 zu vergebenden Sitze erringen, während SDA und HDZ im Repräsentantenhaus der Föderation 114 von 140 Mandaten für sich gewinnen konnten. Zudem erreichte die SDA in den WaWen zu den Kantonsversammlungen in sechs Kantonen die absolute Mehrheit, während die HDZ in den restlichen vier Kantonen eine absolute Mehrheit an Stimmen für sich verbuchen konnte. Die SDS gewann ihrerseits die WaWen zu den Institutionen der Republika Srpska. Biljana PlavSic konnte sich in der WaW zum Präsidentenamt durchsetzen, während die Partei in der waW zur Nationalversammlung 52,3% der Stimmen und damit eine absolute Mehrheit erreichen konnte (Vgl. Gromes 2007: 203-206). ObwoW die waW ohne größere Zwischenfälle, im Sinne von Gewaltanwendung, ahlief, war sie doch von einigen organisatorischen und technischen Mängeln gekennzeichnet. Bemerkenswert ist im Besonderen die Tatsache, dass die WaWbeteiligung, wenn theoretisch mögliche WaWbevölkerung und die zaW der abgegebenen Stimmen verglichen werden, bei 103,9% lag, was auf einige schwerwiegende Unregelmäßigkeiten während des WaWganges hindeutet (Vgl. ICG 1996b: 52-56). Die OSZE bestätigte die WaWergebnisse dennoch und ließ die WaWzettel eine Woche später zerstören. (Vgl. Cousens 2001b: 133) 48 Zwei Aspekte erklären die Haltung der USA, wo im Dezember 1996 Präsidentschaftswahlen anstanden. Bill Clinton war aus wahltaktischer Sicht zum einen dazu gezwungen, sein Versprechen, wonach die US-amerikanischen Soldaten bis Jahresende aus Bosnien abgezogen werden würden, einzuhalten. Zum anderen konnte er die erfolgreiche Dutchführung von Wahlen in Bosnien in seinem eigenen Wahlkampf als außenpolitischen Erfolg verkaufen. (Vgl. Cousens 2001 b: 132; Donais 2000: 239)
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Die nationalistischen Parteien hatten somit mit den ersten Wahlen im Jahr 1996 ihre Ziele weitgehend erreicht. Ihre dominante Position wurde nicht nur bestätigt, sondern erhielt nun auch den Anstrich der demokratischen Legitimität. (VgL Dzihic 2005: 21f.) Die internationale Gemeinschaft hingegen fand sich in dem Dilemma wieder, dass durch ihr Festhalten an schnellen Wahlen genau jene Akteure gestärkt wurden, denen der OHR zuvor eine mangelnde Bereitschaft zur vollen Umsetzung des Abkommens von Dayton nachgesagt hatte (Vgl. OHR 1996a; OHR 1996b). Angesichts des Wahlergebnisses schrieb Susan Woodward daher: "Far from producing a smooth transition and an easy exit for IFOR [...], the election predictably gave the democratic starnp of approval to the three nationalist parties that had waged the war." (zit. nach: Donais 2000: 243) Janusz Bugajski fügte hinzu: "Instead of cementing together the two halves of Bosnia, the general elections consolidated the power of the three ethno-nationalist political forces." (Bugajski 2002: 541) Die Etablierung der gemeinsamen Institutionen, sollte sich als äußerst schwierig herausstellen. Die dreiköpfige Präsidentschaft trat nur unter großen Druck des Hohen Repräsentanten zusammen, tat dies aber regelmäßig. Das Parlament hingegen trat erst nach fast vier Monaten zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bis zu einem neuerlichen Zusammentreffen sollte es weitere vier Monate dauern. Das einzige politische Organ, welches sich in regelmäßigen Abständen zu Sitzungen zusammenfand war der Ministerrat, wobei konkrete Ergebnisse und Arbeitsfortschritte selten waren. (Vgl. OHR 1997a: Paras. 18-29; Gromes 2007: 207f.) Resümierend schrieb der OHR im Juli 1997: "Little is achieved without prompting by, or support from, my Office." (OHR 1997a: Para. 18) Auch auf der Entitätsebene konnten in den Monaten nach den WaWen keine wesentlichen Fortschritte erzielt werden. Vor allem die bosnischen Kroaten in der HDZ weigerten sich immer wieder in den Institutionen der Föderation mitzuwirken. Stattdessen gründeten sie mit der "Kroatischen Gemeinschaft HercegBosna" eine eigene Interessensvertretung. Der Streit zwischen Teilung und Reintegration Bosnien und Herzegowinas, der vom Friedensvertrag von Dayton eher prolongiert denn gelöst wurde, dominierte das politische Geschehen. Während die nationalistischen Parteien ihre Mitarbeit in den gemeinsamen Institutionen auf einem minimal möglichen Niveau hielten, machten sie wenig bis keine effektiven Anstalten ihre aus dem Krieg stammenden Parallelstrukturen abzubauen (Vgl. Gromes 2007: 208-210). Im Wesentlichen war der Konflikt Mitte 1997 wieder an einem ähnlichen Punkt angelangt, an dem im Jahr 1992 die Koalition zerbrach und in weiterer Folge der Krieg ausbrach. Angesichts der weitgehenden Handlungsunfähigkeit der bosnischen Institutionen legte der PIe bei seinem Treffen im portugiesischen Sintra im Juli 1997 das erste Mal konkrete Deadlines fest, um bestimmte Entscheidungen voran-
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zutreiben. 49 über mögliche Konsequenzen im Falle einer Nichteinhaltung dieser Fristen, sollte später im konkreten Falle entschieden werden. Darüber hinaus bekräftigte der PIC, dass die Ausschüttung von internationalen Hilfsgeldern an die erfolgreiche Implementierung des Abkommens von Dayton gebunden sei und ermächtigte das OHR, aktiv gegen solche Medien vorzugehen, deren Art der Berichterstattung im Widerspruch zu den Bestimmungen und Zielen des Friedensvertrags standen. (Vgl. PIC 1997a: Paras. 23-63; 70; 92-93) Krise in der Republika Srpska Im ersten Halbjahr 1997 waren innerhalb der Republika Srpska aber auch erste Risse in den Machtstrukturen der SDS zu erkennen. Rund um die Präsidentin der serbischen Republik Plavsic hatte sich ein Zirkel gebildet, der sich zunehmend vom radikaleren Kreis der Partei rund um Radovan KaradZic distanzierte. Dieser Konflikt führte zu einer wachsenden Spaltung der Organe der Republika Srpska, was sich vor allem an den Polizeikräften der Entität zeigte, die sich in ein ProPlavsic- und in ein Pro-KaradZic-Lager teilten. Als diese Auseinandersetzung in den Sommermonaten 1997 zusehends eskalierte, stellte sich die internationale Gemeinschaft offen auf die Seite PlavSics. Die internationale Friedenstruppe SFORsO übernahm den Schutz der Präsidentin und ging gegen jene Polizeieinheiten vor, die ihre Loyalität zu KaradZic bekundeten. Der Streit innerhalb der SDS endete mit der Ansetzung von Neuwahlen in der Republika Srpska, im Rahmen derer PlavSic mit ihrer eigenen Partei, dem "Serbischen Volksbund" (Srpski Narodni SavezjSNS), antreten wollte. (Vgl. Gromes 2007: 213; Bugajski 2002: 541f.) Der ~eite Wah(gang: Kommunalwahlen im September 1997 Im September 1997 standen schließlich, die im Vorjahr aufgrund der massiven Manipulationsversuche verschobenen Kommunalwahlen an. Um die 1996 zu beobachtenden Verfälschungen der Wählerlisten zu minimieren, änderte die OSZE die Wahlregeln dahingehend, dass Flüchtlinge nur noch in jenem Fall in einer Gemeinde wählen durften, wenn sie bereits vor dem 31. Juli 1996 in dieser als Einwohner registriert waren. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme musste allerdings bezweifelt werden, da der Großteil der demographischen Verschiebungen, aufgrund der Politik der ethnischen Homogenisierung, vor dem Juli 1996 stattfand. (VglICG 1999: 13) Im Gegensatz zur vorangegangenen Wahl leistete die OSZE zudem keine
49 Dazu gehörte u.a. die Ernennung von Botschaftern, die Bestimmung einer Staatsflagge, Gesetze zur Regelung der StaatsbÜTgerschaft und der Ausstellung von Reisepässen. (Vgl. PIe 1997: Paras. 27-31) 50 Die 31.000 Mann starke SFOR (Stabilization Force) war der Nachfolger von IFOR, deren Mandat im Dezember 1996 endete. (Vgl. Sabic 2005: 164-166)
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finanzielle Wahlkampfunterstützung für SDA, SDS und HDZ, sondern vergab solche Mittel nur noch an oppositionelle Parteien. (Vgl. Gromes 2007: 214) Für die nationalistischen Parteien waren diese Kommunalwahlen besonders wichtig, da die Kontrolle der Gemeindeverwaltungen zum einen ihren Einfluss auf lokaler Ebene sichern und zum anderen in umstrittenen Regionen ihren Anspruch auf diese Gebiete bestätigen könnte. "Given the significant authority vested in municipal assemblies, both the Serb and Croat ruling parries viewed electoral victory in municipalities under their control as critical to consolidating war-time territorial gains.[...] The Bosnian Muslims [...] saw the municipal elecrions as an opportunity to regain a political foothold in territories, particularly in Eastern Bosnia, from which they had been brutally c1eansed during the war." (Donais 2000: 245)
Das Wahlkampfklima zeigte daher auch kaum Veränderungen zum Vorjahr. Die ethnonationalistischen Parteien nutzten ihren Einfluss auf die Medienlandschaft, um ihre Wählerschaft entlang ethnonationaler Trennlinien zu mobilisieren. 51 Die Berichterstattung war in den meisten Fällen äußerst selektiv. Bis zum Sommer 1997 hatten mit der Unterstützung des OHR zwar einige unabhängige Medien ihre Arbeit aufgenommen, doch ihre Reichweite war im Vergleich mit den von den großen Parteien kontrollierten Medien eher bescheiden (Vgl. IWPR 1997b: 3-7). Im Vorfeld dieser Wahlen intervenierte die internationale Gemeinschaft erstmals auch offen in die Medienlandschaft des Landes, als IFOR-Soldaten Transmitterstationen der SRT, eines von der SDS dominierten Rundfunks in der Republika Srpska, besetzten. Dieser war in der Vergangenheit immer wieder durch seine offensive und einseitige Berichterstattung aufgefallen, die sich vor allem gegen die internationale Gemeinschaft und im Besonderen IFORjSFOR richtete (VgL IWPR 1997a: 1-2). Erst nachdem die Leitung des Senders zugestimmt hatte, in Zukunft in ihren Sendungen ein breiteres Spektrum an Meinungen zu verbreiten, durfte SRT wieder senden (Vgl. OHR 1997b). Trotz der Veränderungen des Wahlgesetzes, versuchten die ethnonationalistischen Parteien auch bei den Kommunalwahlen, Wählerlisten zu ihrem Gunsten zu fälschen, um künstlich demographische Mehrheitsverhältnisse herbeizuführen. Als eine Konsequenz strich der OHR daher einige Kandidaten der HDZ von den Wahllisten, worauf diese einen Boykott der Wahlen androhte, der jedoch später wieder zurückgezogen wurde (Vgl. Gromes 2007: 215; leG 1999: 14). Das Ergebnis des Wahlganges bestätigte die Macht von SDA, SDS und 51 Eine eingehende Darstellung und Analyse der Berichterstattung im Vorfeld der Kommunalwahlen im September 1997 findet sich in den Berichten, welche gemeinsam von den NGOs Institute for War and Peace Reporting und Media Plan zusammengestellt http://www.mediaonJine.ba/en/arhiva/arhiva_ii!!/estaja/monitoring/1997/index.html wurden: (Zugriff: 20.1.2009)
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HDZ schließlich ein weiteres Mal. Insgesamt konnten die drei Parteien 67% der Sitze für sich gewinnen, wobei in der Föderation diese Zahl sogar bei 81 % lag, in der Republika Srpska immerhin bei 57%. Lediglich in Tuzla, konnte sich mit der Sozialdemokratischen Partei, eine multi-ethnische Partei durchsetzen (Vgl. leG 1997: 8). In einem Umfeld, welches in Folge des dreieinhalbjährigen Krieges und des polarisierenden Wahlkampfes der ethnonationalistischen Parteien noch immer von größter Unsicherheit geprägt war, hatten die Bürger Bosnien und Herzegowinas zum zweiten Mal jenen Akteuren ihre Stimme zukommen lassen, von denen sie den größtmöglichen Schutz ihrer eigenen Interessen erwarteten. So schrieb auch die International ensis Group: "Given the very recent experience of war, the prime factor motivating the electoral decision of almost all Bosnians is fear of the two othet constituent peoples of Bosnia and Hetzegovina to which they do not belong. Understandably, thetefore, almost evetybody votes for the candidate and/or party which prornises the most robust defence against the perceived threat, that is, for the nationalist party. But since the nationalist parties are themselves the threat to the two other peoples, the consequence is a vicious cycle of hatred and fear." (lCG 1997: Bf.)
Bosnien und Herzegowina fand sich damit in einem Dilemma, das davon geprägt war, dass jene Parteien, denen wenig an einer nachhaltigen Konsolidierung des Friedens mit dem Ziel der (Re-)Etablierung einer multiethnischen Gesellschaft lag, mit den Wahlen auch als jene Akteure bestätigt wurden, denen mit dem Abkommen von Dayton eine zentrale Rolle in eben diesem Prozess zugesprochen wurde. Ein wesentliches Problem entstand nach den Wahlen, als es darum ging die lokalen Verwaltungen auf der Basis der Wahlergebnisse zusammenzusetzen. Vor allem in den sechs Gemeinden (darunter Z.B. Srebrenica), in denen listen eine Mehrheit gewannen, die sich für die Rechte von Vertriebenen einsetzten, versuchten die regierenden nationalistischen Parteien, die Konstituierung der Gemeinderäte, teilweise mit gewaltsamen Mitteln, zu behindern. Donais sprach daher in diesem Zusammenhang auch von "de facto governments in exile" (Donais 2000: 245), die nach den Kommunalwahlen im September 1997 in einigen Gemeinden entstanden. Insgesamt dauerte es fast ein Jahr bis in allen Gemeinden die Zusammensetzung der Gemeinderäte feststand und die konstituierende Sitzung abgehalten werden konnte 52 (Vgl. Donais 2000: 245f.; Gromes 2007: 217).
Neuwahlen in der Republika Srpska Am 17. November 1997 fanden schließlich auch noch die Neuwahlen in der Republika Srpska statt, deren Ergebnis einen deutlich geringeren Stimmenanteil für 52 Eine Ausnahme hildete hier Srebrenica, wo his zu den nächsten Kommunalwahlen 1999 keine Einigung auf die Zusammensetzung des Gemeinderates erzielt werden konnte. (Vgl. ICG 1999: 14f.)
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die SDS aufwies. Ihr Anteil an Sitzen in der Nationalversammlung der Republika Srpska halbierte sich beinahe auf 24 von 83 möglichen Sitzen. PlavSics neu gegründeter Serbischer Volksbund (SNS) kam immerhin auf 15 Sitze. Im Gegenzug konnte die Serbische Radikale Partei (SRS) ihre Sitzanzahl auf 15 mehr als verdoppeln (Vgl. Gromes 2007: 218). Nach den Wahlen folgten wiederum schwierige Verhandlungen zur Regierungsbildung, die erst im Jänner 1998 abgeschlossen werden konnten. Diesmal konnten sich die nationalistischen Kräfte nicht durchsetzen, da mit den Stimmen der oppositionellen und bosniakischen Parteien Milorad Dodik zum Premierminister gewählt wurde. Dessen "Partei der unabhängigen Sozialdemokraten" (Stranka Nezavisna Socijalisticka Demokratska/SNSD) konnte bei den Wahlen zwar nur zwei Sitze erringen, dennoch galt er für die internationale Gemeinschaft als Hoffnungsträger für den politischen Wandel in der Republika Srpska. (Vgl. Petritsch 2001: 99f:) Der OHR bezeichnete die Wahl seiner Regierung deshalb auch als "a major democratization step in the Republika Srpska and a likely turning point for the overall implementation of the Peace Agreement." (OHR 1998a: Para. 54). Dodik versprach eine bessere Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft, die Bearbeitung der wirtschaftlichen Probleme der RS und die BescWeunigung der Flüchtlingsrückkehr. Um seine Position zu festigen, erhöhte die internationale Gemeinschaft den Umfang der für die serbische Republik bereitgestellten Hilfsgelder. (Vgl. Petritsch 2001: 100f.; Gromes 2007: 224)
Gemischte Bilanz nach iJVeiJahren undAJisweitung der Vollmachten des Hohen ßepra"sentanten Trotz dieses vermeintlichen Erfolges, fiel die Bilanz nach den ersten zwei Jahren internationaler Demokratisierungspolitik in Bosnien und Herzegowina äußerst ambivalent aus. Als der PIC im Dezember 1997 in Bonn zu einer weiteren Friedensimplementierungskonferenz zusammentraf, konnten nur in wenigen Bereichen positive Entwicklungen vermeldet werden. Der PIC strich vor allem die erfolgreiche Durchführung von drei Wahlgängen, den Beginn der Entwicklung unabhängiger Medien, die zunehmende Anzahl von Personen, die an das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag überstellt worden waren und die Durchführung vertrauensbildender Maßnahmen im sicherheitspolitischen Problemfeld heraus. 53 (Vgl. PIC 1997b: Para. 3) Die Liste an nicht-erreichten Zielen und beständigen Hindernissen im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina 53 Bei genauerer Betrachtung, erscheinen einige diese Erfolgsmeldung allerdings in einem etwas zwiespältigen Licht. Zwar mag es durchaus ein Erfolg gewesen sein, dass innerhalb der ersten beiden Jahre, zwanzig (von 78 angeklagten) Personen an des Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt wurden, doch einige prominente mutmaßliche Kriegsverbrecher, wie z.B. Radovan Karadzic befanden sich Ende 1997 immer noch auf freien Fuß und übten weiterhin großen politischen Einfluss aus. Zudem weigerten sich die Behörden in der Republika Srpska beharrlich mit dem Tribunal zusammenzuarbeiten. (Vgl. ICG 1999: 4; PIC 1997b: 9)
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fiel allerdings um einiges länger aus. Vor allem in jenen Bereichen, in denen eine ergebnisorientierte Zusammenarbeit über ethnische Gruppengrenzen hinweg notwendig gewesen wäre, blieben konkrete Erfolge meist aus. Die gemeinsamen Institutionen arbeiteten ineffektiv und brachten in wesentlichen Fragen keine endgültigen Entscheidungen zustande. Die regierenden Parteien konnten sich auch zwei Jahre nach Kriegsende zum Beispiel immer noch nicht auf allseits akzeptierte kollektive Symbole für den Staat Bosnien und Herzegowina einigen. Dazu kam, dass es immer noch keine gemeinsamen Banknoten oder öffentliche Unternehmen, zur Sicherstellung der Versorgung mit wichtigen öffentlichen Gütern, gab. SDA, SDS und HDZ konnten sich in diesem Zeitraum auch nicht auf ein einheitliches Staatsbürgerschaftsrecht einigen, mit der Konsequenz, dass es Ende 1997 noch keinen bosnischen Reisepass gab. Vielfach kam es zudem zu Menschenrechtsverletzungen, in erster Linie begangen von Polizeieinheiten, die sich immer noch eher den weiterhin bestehenden nationalistischen Machtstrukturen verbunden fühlten, als den gemeinsamen Institutionen. (VgL PIC 1997b: Para.4). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die nationalistischen Parteien in diesem Zeitraum ihre Macht und ihre para-staatlichen Strukturen zum Großteil weiter konsolidieren konnten, während, als eine direkte Konsequenz daraus, die Reintegration Bosnien und Herzegowinas äußerst schleppend verlief. Um den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zu beschleunigen, und bestehende Blockaden in den bosnischen Institutionen zu umgehen, erteilte der PIC in Bonn dem Hohen Repräsentanten die Befugnis, in bestimmten Situationen bindende Entscheidungen zu treffen. Dazu gehörten die Bestimmung von Ort, Zeit und Vorsitz von Sitzungen der gemeinsamen Institutionen. Für den Fall, dass sich die regierenden Parteien zukünftig bei gewissen Problemstellungen auf keine gemeinsame Position verständigen können, sollte der HR vorübergehende Entscheidungen treffen, deren Gültigkeit so lange bestehen sollte, bis der Ministerrat selbst einen im Einklang mit Dayton stehenden Kompromiss erarbeitet hatte. Darüber hinaus sollte der Hohe Repräsentant in Zukunft Personen ihres Amtes entheben können, falls deren Positionen mit dem Friedensvertrag bzw. den Gesetzen des Landes im Widerspruch stünden. (Vgl. PIC 1997c: Para. XI) Mit diesen Bestimmungen erweiterte sich der Einfluss der internationalen Gemeinschaft im Demokratisierungsprozess in Bosnien und Herzegowina enorm, wodurch von diesem Zeitpunkt an, Bosnien als "Semi-Protektorat" bezeichnet werden kann, in dem versucht wurde eine "Demokratie mit undemokratischen Mitteln" (Gromes 2007: 220) zu etablieren. (VgL Gromes 2007: 220; Dzihic 2005: 22f.) Schon wenig später sollte der OHR seine neu gewonnenen Befugnisse zum ersten Mal einsetzen. Noch im Dezember 1997 erließ er aufgrund der anhaltenden Blockade in den bosnischen Institutionen ein Staatsbürgerschaftsgesetz. In den ersten Monaten des Jahres 1998 folgten eine Vielzahl an weiteren Entscheidungen,
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die bisher an der Verweigerungshaltung der regierenden Parteien gescheitert waren. So bestimmte der Hohe Repräsentant die Einführung einer gemeinsamen Währung, eine gemeinsame Staatsflagge und die Ausgabe von neuen Autokenmeichen. 54 (Vgl Petritsch 2001: 102-108) Dass kollektive Symbole des Staates von den internationalen Akteuren erlassen wurden und nicht von den gewählten politischen Vertretern, ist ein Indiz, wie wenig Interesse diese am gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina hatten. Im März 1998 wurde mit dem Bürgermeister des mehrheitlich kroatischen Stolac, Pero Raguz (HDZ), der erste gewählte Politiker Bosnien und Herzegowinas vom OHR seines Amtes enthoben. Die lokalen Behörden hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt beharrlich gegen die Rückkehr Vertriebener Bosniaken gestellt, wobei gewaltsame Ausschreitungen gegen rückkehrwillige Personen meist ungeahndet blieben bzw. von der HDZ (und ihr nahestehender Organisationen) selbst organisiert wurden. Stattdessen forcierte sie die Umsiedlung bosnischer Kroaten aus Zentralbosnien in diese Region, um eine demographische Mehrheit herzustellen. (Vgl Petritsch 2001: 108E.; ESI 1999: 8E.) Ahnliches wiederholte sich im April in Drvar, wo sich die HDZ vehement gegen die Rückkehr der vertriebenen serbischen Bevölkerung stemmte. Trotz Manipulationsversuchen hatte sich in dieser von den bosnischen Kroaten beanspruchten Gemeinde eine serbische Liste durchsetzen können, womit der Bürgermeisterposten an einen Serben vergeben werden musste. Wie in anderen Fällen auch, benutzte die HDZ die ihr nahe stehende Kriegsveteranen-Organisation HVIDRA um die Rückkehr serbischer Vertriebener, teilweise mit gewaltsamen Mitteln, zu verhindern (Vgl Bojicic-Dzelilovic 2006: 211ff.). Nach der Ermordung zweier serbischer Rückkehrer, entließ der Hohe Repräsentant den kroatischen VizeBürgermeister und den Polizeichef des Ortes. Die Folge waren schwere Ausschreitungen der kroatischen Bevölkerung, in deren Verlauf Mitarbeiter internationaler Organisationen und der serbische Bürgermeister tätlichen Angriffen ausgesetzt waren (Vgl Donais 2000: 246; OHR 1998b). In den folgenden Monaten enthob der Hohe Repräsentant weitere, teilweise hohe Politiker aus allen politischen Lagern ihres Amtes (Vgl. Petritsch 2001: 110). Das OHR nutzte somit in der ersten Hälfte des Jahres 1998 seine neu gewonnenen Befugnisse in vollem Umfang, um die Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina voranzutreiben. Wichtige Gesetze wurden im Zuge dessen verabschiedet und mehrere Personen, die als Hindernisse bei der Implementierung des Abkommens von Dayton ausgemacht wurden, entlassen. Obwohl damit einige dringende Probleme gelöst werden konnten, blieben grundlegende Streitfragen 54 Durch die Einführung der neuen Autokennzeichen sollte die Bewegungsfreiheit über Enritätsgrenzen hinweg verbessert werden, da diese, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, keine Rückschlüsse auf die Herkunft des Fahrzeuges zuließen. (VgL Petritsch 2001: 106f.)
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davon weitgehend unberührt. Dzihic schrieb daher: "Trotz der sichtbaren Fortschritte durch die Verabschiedung dieser Maßnahmen gab es aber keine substanziellen Bewegungen bei den dominanten Problemen BuHs, etwa bei der schwachen staatlichen Funktionalität, der Dominanz des Ethnischen oder der schlechten wirtschaftlichen Situation." (Dzihic 2005: 22f.)
Wahlen im Jahr 1998 und der AJifbau moderater Parteien Das grundlegende, dem Konflikt zugrunde liegende Streitpunkte, wie die endgültige Klärung der Staatlichkeit Bosnien und Herzegowinas, auch 1998 immer noch im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen zwischen den drei ethnonationalen Gruppen standen, zeigte sich zum wiederholten Male sehr stark im Vorfeld der allgemeinen Wahlen im September 1998. Zwei Jahre nach dem ersten Urnengang sollten die Vertreter in den höheren Organen auf Staats-, Entitäts-, und Kantonsebene neu gewählt werden. Die OSZE versuchte durch neue Regelungen eine polarisierende Wahlkampfrhetorik zu unterbinden und die zentralen Themen von streng ethnisch deftnierten hin zu solchen Problemstellungen zu bewegen, die alle ethnonationalen Gruppen gleichermaßen betreffen. So wurden Parteien von der Wahl ausgeschlossen, die Hetzparolen gegen Mitbewerber oder andere ethnische Gruppen verbreiteten. Zudem verpflichtete die OSZE alle Parteien, die zur Wahl antreten wollten, zur Ausarbeitung von konkreten Wahlprogrammen, in denen diese ihre Positionen zu Flüchtlingsrückkehr, Minderheitenschutz und sozio-ökonomischen Problemen darlegen mussten. Darüber hinaus versuchte das OHR FernsehDebatten der Spitzenkandidaten zu organisieren, die jedoch zum Teil von diesen boykottiert wurden (Vgl. leG 1998: 8; Gromes 2007: 230). Ein weiterer signiftkanter Wandel in der Wahlvorbereitung der internationalen Akteure bestand im Versuch, gezielt oppositionelle Parteien zu stärken. Davon profttierten vor allem die SDP, die Sozialdemokraten, die Neue Demokratische Initiative (NH1)55 und jene Parteien, des Wahlbündnisses Sloga. 56 Die Strategie der internationalen Gemeinschaft bestand darin, gezielt einige Parteien zu potentiellen Herausforderern der dominanten nationalistischen Akteure aufzu 55 Die NHI war eine Abspaltung von der HDZ, die von moderaten Kräften um das kroatische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums Krdimir Zubak im Mai 1998 gegründet wurde. Die Partei stellte sich offen gegen die Politik der HDZ, die eine Reintegration der kroatischen Gebiete in die gemeinsamen Strukturen Bosnien und Herzegowinas hintertrieb. (Vgl. Bugajski 2002: 555) 56 Im Wahlbündnis "Sloga" fanden sich die Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) von Milorad Dodik, PlavSics Serbische Volksgemeinschaft (SNS) und die Sozialistische Partei der Republika Srpska (SPRS) zusammen. Sloga galt in den Augen des OHR als moderate Alternative zu den nationalistischen Parteien der RS. (Vgl. Bugajski 2002: 550; 553; 563f.)
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bauen und diese zu schwächen. Der Wunsch des OHR vor den Wahlen war eindeutig: die nationalistischen Parteien sollten abgewählt werden. (Vgl. Gromes 2007: 231f.) Trotz dieser Anstrengungen verlief der Wahlkampf in ähnlichen Bahnen, wie in den Jahren zuvor. Die ethnonationalistischen Parteien versuchten ihre Wählerschaft wieder mit der Forcierung streng ethnisch deftnierter Problemstellungen zu mobilisieren. Im Mittelpunkt stand einmal mehr die ungelöste Frage der Staatlichkeit Bosnien und Herzegowinas, während sich SDA, SDS und HDZ einmal mehr als Beschützer der Interessen ihrer jeweiligen ethnopolitischen Gruppe verstanden. Die Serbische Radikale Partei (SRS), die im Wahlkampf um die Posten im Entitäts- und Staatspräsidium gemeinsam mit der SDS auftrat, forderte z.B. mehrmals die Vereinigung aller serbischen Gebiete in einem "Groß-Serbien" (Vgl. OHR 1998c). Ante Jelavic von der HDZ meinte auf der anderen Seite: "We will be strong in protecting the rights of all citizens - and especially the protection of Croat interests." (zit. nach: Gromes 2007: 230f.) Die von der internationalen Gemeinschaft unterstützten moderaten Parteien mussten sich wiederholt Verratsvorwürfe gefallen lassen. Einige oppositionelle Wahlveranstaltungen wurden zudem Ziel geplanter Störaktionen, in deren Verlauf wahlwerbende Personen immer wieder tätlichen Angriffen ausgesetzt waren. Die Wahlkommission strich als eine Folge dieser Ausschreitungen mehr als vierzig Kandidaten von den Wahllisten. 57 (Vgl. Gromes 2007: 229-231) Die mediale Berichterstattung war im Vergleich zu den Wahlen in den Jahren davor um einiges ausgeglichener, auch wenn immer noch klare Verbindungen zwischen einzelnen Parteien und bestimmten Medien erkennbar waren. Zudem wurde im Zusammenhang mit dem Wahlkampf kaum über Ereignisse berichtet, die außerhalb jener Entitäten und Regionen stattfanden, in denen sich die Hauptzielgruppe der jeweiligen Informationsträger befanden. Trotz dieser Probleme hatte die Medienstrategie des OHR durchaus Wirkung gezeigt und trug zu einer kritischeren und ausgewogeneren Berichterstattung im Vorfeld der Wahlen bei (Vgl. OSCE/ODIHR 1998: 20-26). Die Wahl an sich verlief nach Meinung von Wahlbeobachtern, trotz einiger kleinerer Probleme ruhig und fair. Die Hoffnungen der internationalen Gemeinschaft, dass sich moderate Kräfte durchsetzen könnten, wurde allerdings nur teilweise erfüllt. In der Föderation verzeichneten ähnlich wie 1996 HDZ und SDA (die bei diesen Wahlen gemeinsam mit der "Partei für Bosnien und Herzegowina" (SBiH) unter dem Namen KCDBiH angetreten war) den größten Wählerzuspruch. Jene Parteien, die vor den Wahlen vom OHR massiv unterstützt wurden, schnitten eher mäßig ab und konnten nur in den Kantonswahlen vereinzelte Erfolge einfahren. 57 20 davon betrafen die HDZ, elf die SRS und jeweils vier das Wahlbündnis KCDBiH von SDA und SBiH. (VgL Grames 2007: 229)
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Am Ende wurden Alija Izetbegovic (SDA bzw. KCDBiH) und Ante Jelavic (HDZ) in das Staatspräsidium gewählt, während die beiden Parteien in der Wahl zum Repräsentantenhaus knapp 68% für sich verbuchen konnten. Zudem gewannen sie in allen Kantonen mit einem deutlichen Stimmenvorsprung gegenüber den Oppositionsparteien. (Vgl. Gromes 2007: 232-236) Etwas anders gestaltete sich das Bild in der Republika Srpska, wo die SDS nach der Neuwahl Ende 1997 eine weitere Wahlniederlage einstecken musste. Lediglich in der Wahl zum Präsidentenamt in der serbischen Republik konnte sich mit Nikola Poplasen der gemeinsame Kandidat von SDS und SRS gegen Amtsinhaberin Biljana Plavsic durchsetzen. In das Staatspräsidium hingegen, wurde mit Zivko Radisie der Kandidat des Wahlbündnisses Sloga gewählt. Dieses konnte zudem in der Wahl zur Nationalversammlung der RS knapp 31% der Stimmen erreichen, während die SDS auf nur noch 21,7% kam (Vgl. Gromes 2007: 232-237). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wahlen im Jahr 1998 zwar eine unterschiedlich deutliche Schwächung der nationalistischen Parteien mit sich brachten, allerdings konnten diese vor allem in der Föderation weiterhin auf stabile Mehrheiten bauen. Lediglich in der Republika Srpska scmen sich der Einfluss der nationalistischen Parteien zu schmälern, auch wenn die SDS stärkste Einzelpartei blieb. Die internationale Gemeinschaft, die im Vorfeld der Wahlen sehr viel Energie und materielle Mittel in den Aufbau oppositioneller Parteien investierte, musste das Ergebnis daher eher als ernüchternd betrachten (Vgl. Gromes 2007: 237; Donais 2000: 247): "For those in the pro-Dayton camp, the 1998 election results were particularly disappointing in light of the amount of effort expended by the international community to level the political playing field in Bosnia and give non-nationalist parties every opportunity to compete on equal terms with the nationalists." (Donais 2000: 247)
Die Wahl im Jahr 1998 verdeutlichte auch eines der grundlegenden Probleme des bosnischen Wahlsystems. Durch die Trennung der Wahlbevölkerung in weitestgehend ethnisch definierte Gruppen, ergibt sich für die ethnonationalistischen Parteien kein Anreiz, außerhalb ihrer jeweiligen Gruppe um Stimmen zu werben, da die Wähler ihrer eigenen Gruppe reichen um bei den Wahlen Erfolg zu haben. Die Auflösung der bestehenden ethnischen Trennlinien wird dadurch erheblich erschwert. (Vgl. Donais 2000: 247f.; 250)
Prolongierung der Krise in der Republika 5rpska In der Föderation wurden nach den Wahlen alle wesentlichen Posten großteils durch Mitglieder von HDZ und SDA besetzt, wodurch die Zeichen auf Kontinuität standen. In der Republika Srpska hingegen, bahnte sich die nächste Krise an (Vgl. ICG 1999b: 2-4), nachdem SDS und SRS mit Poplasen zwar den Präsidenten
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stellten, jedoch über keine parlamentarische Mehrheit verfügten. Poplasen, der nach der Verfassung der Republika Srpska das Recht innehatte, einen Ministerpräsidenten vorzuschlagen, versuchte nach den Wahlen in erster Linie, die Bestätigung des bisherigen Ministerpräsidenten Dodik zu verhindern. Der Präsident schlug in den folgenden Monaten einige Kandidaten vor, die jedoch im Parlament auf beständige Ablehnung schließen. Die serbische Republik fand sich in einer Pattsituation wieder, in der sich zwei antagonistische Lager auf keine gemeinsame Vorgehensweise einigen konnten. Die von Anfang an ablehnende Haltung des OHR 58 gegenüber der Person Poplasen sollte sich in der Folge weiter verstärkten. Nachdem der Hohe Repräsentant den Präsidenten der serbischen Republik vorher schon der Obstruktionshaltung bezichtigte, indem er sich über demokratische Prozeduren hinwegzusetzen versuche (Vgl. OHR 1999a: Paras. 36-40), endete der Machtkampf in der Republika Srpska Anfang März 1999 mit der Entlassung Poplasens durch den HR. Der letzte Punkt in einer langen Liste von Verfehlungen Poplasens aus der Sicht des Hohen Repräsentanten, war dessen Versuch Dodik, mittels eines Misstrauensvotums seines Amtes als vorübergehender Ministerpräsident der RS zu entbinden (Vgl. OHR 1999b). Fast gleichzeitig mit der Entlassung Poplasens, fiel die lang erwartete Entscheidung einer internationalen Schiedskommission über den zukünftigen Status der Region Brcko, die in der Vergangenheit ob ihrer Sensibilität immer wieder aufgeschoben wurde. (Vgl. Bugajski 20002: 544) Das Schiedsgericht kam letztendlich zum Entschluss, Brcko keiner Entität zuzusprechen, sondern einen neutralen Distrikt zu errichten, der einer multiethnischen Verwaltung unterstehen sollte. Sofort nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung folgte eine Welle der Empörung in der Republika Srpska, gefolgt von teilweise gewaltsamen Demonstrationen, da viele in der serbischen Republik Brcko immer noch als strategisch wichtige Verbindung zwischen den beiden Hälften ihrer Entität sahen, deren Kontrolle mit dem Fortbestand der RS verbunden wurde. Nachdem der serbische Vertreter im Staatspräsidium seine Mitarbeit in diesem Gremium vorübergehend aufkündigte, trat auch Milorad Dodik, für viele überraschend, von seinem Amt als Ministerpräsident der RS zurück, wodurch die zwei höchsten politischen Posten in der serbischen Republik zu diesem Zeitpunkt unbesetzt waren. Der Hohe Repräsentant konnte Dodik zwar noch im März zu einer Rücknahme seines Rücktritts bewegen, doch die
58 Der OHR machte von Beginn an klar, dass PoplaSens Politik als Präsident der RS genau überwacht werden würde. (Vgl. OHR 1998: Para. 53) Besonders bestärkt sah sich der Hohe Repräsentant in seiner Haltung gegenüber Poplaiien, als dieser zu seiner Amtseinführung den Gründer der Partei SRS, Vojislav Sdelj einlud, der nach einer Rede in Banja Luka vom OHR kurzerhand zur Persona non grata erklärt wurde und von SFOREinheiten aus dem Land gebracht wurde. (Vgl. leG 1999b: 2; OHR 1999a: Pata. 39)
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sich rapide verschärfende Krise im Kosovo warf bereits ihre Schatten voraus. (Vgl. ICG 1999b: 4-8). Mit dem Beginn der NATO-Bombardements erhielt die Krise in der Republika Srpska eine weitere Dimension. Während die weiterhin amtierende Interimsregierung unter Milorad Dodik versuchte die Wogen zu glätten, nutzten die nationalistischen Parteien die Situation aus, um Massenkundgebungen zu organisieren und die serbischen Bürger für ihre Politik zu mobilisieren. Den Behörden in der Republika Srpska gelang es allerdings die, aufgrund der Ereignisse in den vorangegangenen Monaten ohnehin schon äußerst angespannte Situation, vor einer weiteren signifikanten Verschlechterung zu bewahren. (Vgl. ICG 1999b: 8f.; OHR 1999c) Diese Vorfälle in der Republika Srpska stellten Entwicklungen in den anderen Bereichen Bosnien und Herzegowinas deutlich in den Hintergrund. Doch auch auf Föderations- und Staatsebene herrschte in den Monaten nach den allgemeinen Wahlen 1998 weitgehend politischer Stillstand. Der OHR bescheinigte den gemeinsamen Institutionen anfangs zwar eine konstruktivere Form der Zusammenarbeit (Vgl. OHR 1999a: Para. 14), einige Monate später war allerdings klar, dass sich die Kooperation innerhalb dieser Organe, aufgrund der unterschiedlichen Prioritäten der Entitäten und ethnopolitischen Gruppen, weiterhin schwierig und ineffizient gestaltete (Vgl. OHR 199ge: Paras. 8-10). Innerhalb der Föderation bekundeten die bosnischen Kroaten immer lauter ihre Unzufriedenheit mit der ihnen von Dayton zugesprochenen politischen und institutionellen Stellung auf Entitäts- und Staatsebene. Kriegsveteranen-Verbände wie die HVIDRA starteten im Frühjahr 1999 eine Kampagne, in deren Verlauf sie die Etablierung einer dritten, "kroatischen" Entität forderten. Nach der Ermordung des kroatischen Vize-Innenministers der Föderation, Jozo Leutar, im März 1999, verkündete die HDZ zudem einen einwöchigen Boykott der gemeinsamen Institutionen. (Vgl. Bojicic-Dzelilovic 2006: 215; OHR 1999d: Paras. 32-34) Während die öffentlichen Forderungen einiger HDZ-Politiker nach einer eigenen Entität in der Folgezeit wieder etwas abflauten, verlief die Reintegration separater bosniakischer und kroatischer Strukturen in gemeinsame Institutionen aufgrund gegenseitiger Blockaden weiterhin schleppend (Vgl. OHR 199ge: Paras. 12-21).
Die Amtszeit Woffgang Perntschs: JJ Vote for change!" Im Sommer 1999 trat mit Wolfgang Petritsch ein neuer Hoher Repräsentant sein Amt mit dem Vorhaben an, die Effizienz der gemeinsamen Institutionen in Bosnien und Herzegowina zu erhöhen und den Prozess der Friedenskonsolidierung zu beschleunigen. "Ownership", sollte dabei das grundlegende Motto seiner Amtszeit sein. Damit meinte Petritsch, dass die Entscheidungsträger in Bosnien selbst ihrer Verantwortung die Zukunft dieses Landes zu gestalten nachkommen müssten und
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kein ,,Abhängigkeitssyndrom" (petritsch 2001: 257) entstehen (bzw. weiterbestehen) dürfe, in dem der OHR letztendlich alle wichtigen Entscheidungen treffe. So schrieb er: " [...] wir [müssen] direkt mit den Menschen in Bosnien und Herzegowina zusammenarbeiten. Nicht nur mit den Politikern, die in den meisten Fällen das eigentliche Problem sind, sondern auch mit jenen Teilen der Zivilgesellschaft, so unausgereift sie auch sein mag, die Veränderung wollen." (petritsch 2001: 256)
Mit dieser Aussage machte er auch klar, wen er als Hauptgrund für den schleppenden Verlauf des Prozesses der Friedenskonsolidierung sah: die nationalistischen Parteien. Ein Monat nach seinem Amtsantritt sagte er in noch deutlicheren Worten vor dem North Atlantic Council: "Entrenched and powerful nationalist parties take a minimalist view of Dayton. Their commitment to a multi-ethnic sovereign state is paper-thin and composed largely of empty rhetoric. I have zero tolerance for extremism." (OHR 1999f) Wie schwer es werden würde, das Konzept des "Ownerships" in Bosnien und Herzegowina, aufgrund des fehlenden Willens der regierenden Parteien starke und handlungsfahige gemeinsame Institutionen aufzubauen, in die Tat umzusetzen, sollte sich bald zeigen. Schon in seinem ersten Bericht, beklagte er trotz einiger Fortschritte die mangelnde Kooperationsbereitschaft der politischen Verantwortlichen: "The representatives of the three constituent people tended to promote primarily the aims of their own group." (OHR 1999g: Para. 2). Darüber hinaus kritisierte er im Speziellen die mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Bosniaken und Kroaten innerhalb der gemeinsamen Institutionen der Föderation (Vgl. OHR 1999g: Paras. 22-28). Wie weit das Konzept "Ownership" des neuen Hohen Repräsentanten, in Anspruch und Wirklichkeit schon kurz nach seinem Amtsantritt auseinanderdrifteten, zeigt sich an der Zahl seiner Entscheidungen. Während 1998 noch 29 Entscheidungen und sechs Absetzungen zu zählen waren, erhöhten sich diese im Jahr 1999 auf 90 Entscheidungen und 31 Absetzungen (Vgl. Gromes 2007: 242). Dadurch wird deutlich, in welchem Ausmaß das OHR zur treibenden politischen Kraft im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina geworden war. Wie schleppend die Arbeit in den gemeinsamen Institutionen verlief, wird an einem anderen Beispiel ersichtlich. Die parlamentarische Versammlung auf Bundesebene erließ im November 1999 einen Arbeitsplan - und zwar den für das Jahr 1999 (Vgl. OHR 2000a: Para. 4). Petritsch sollte allerdings auch sehr schnell seine Ankündigung, gegen radikale Kräfte vorzugehen, in konkrete Taten umsetzen. Neben der Entlassung mehrere Personen aus ihren Ämtern, ging er im Hinblick auf die für April 2000 angesetzten Kommunalwahlen gezielt gegen SRS und die "Serbische Partei der Republika Srpska" (SSRS), einer kleineren serbisch-nationalistischen Partei, vor. In einem Brief drohte Petritsch mit dem Ausschluss der SRS von den Wahlen, sollte
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Poplasen, der sich und von seiner Partei immer noch als Präsident der RS angesehen wurde, weiterhin Mitglied der SRS bleiben. Gleichzeitig bekräftigte er, dass auch alle anderen Parteien, die beabsichtigten an der Wahl teilzunehmen, unter strenger Aufsicht des OHR stehen würden. (Vgl. OHR 1999h). Da die SRS auf seine Aufforderung nicht reagierte, setzte der Hohe Repräsentant seine Drohung in die Tat um und verweigerte der Partei die Teilnahme an den folgenden Kommunalwahlen. (Vgl. OHR 1999g: Para. 35) Im Vorfeld der Wahlen verdeutlichten die internationalen Akteure ihren Wunsch, dass die Wahlbevölkerung bei dieser Gelegenheit erstmals in großem Ausmaß moderate Kräfte, den nationalistischen Parteien vorziehen sollten. Petritsch schrieb später dazu: "Mittlerweile machten wir keinen Hehl daraus, dass wir mit den regierenden Parteien unzufrieden waren. Und so lautete der Slogan der OSZE: "Stimmt für Veränderungen"." (petritsch 2001: 158) Mit der Einführung "offener Listen" erhielten die Wähler erstmals die Möglichkeit, einzelnen Politikern ihre Stimme zu geben. Damit verbunden war die Hoffnung von OSZE und OHR, dass dadurch moderate Politiker, mit klaren Programmen und Zielsetzungen in wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen, den Vorzug gegenüber solchen Akteuren bekommen würden, deren Wahlprograrnm lediglich ein Spiegel einer "Politik der Identität" war (Vgl. Petritsch 2001: 158). Der Wahlkampf verlief ruhiger als die vorangegangenen. Die Sprache war weniger hetzerisch und die Medienberichterstattung ausgeglichener, was zum Großteil darauf zurückzuführen war, dass politische Werbung in den Medien zum ersten Mal verboten war und diese unter strenger Aufsicht der internationalen Akteure standen (Vgl. Media Plan 2000: 9;15). Nationalistische Rhetorik blieb dennoch nicht gänzlich aus, wobei unter anderem Alija Izetbegovic, mit eigenwilligen Aussagen auffiel. Auf einer Wahlveranstaltung sagte er, nachdem er seine demokratische Einstellung bekräftigte, dass "Ustasas und Cetniks" die wahren Feinde der SDA seien. Dem fügte er hinzu: "These are the people who, during hard and critical days, raised their hand against an innocent people, against the state of B&H and, primarily, against all that it stands for, and consequently, against the border services, functioning of state institutions, a single passport, a single currency." (Habul 2000) An anderer Stelle sagte er über Sarajevo: "This is our city, we have fought for it and nobody will take it away from us." (Drazenovic 2000) Diese stereotypisierenden Aussagen, wie sie der OHR in einer kritischen Stellungnahme bezeichnete (Vgl. OHR 2000b), wurden vor allem in der Republika Srpska heftig diskutiert, in der die einzelnen Parteien allerdings selbst auf vorwiegend ethnonationale Themen setzten. Die Aussagen Izetbegovics passen sehr gut zu einer allgemeinen Beobachtung Petritschs, der später schrieb, dass die nationalistischen Parteien in erster Linie "ihre Verdienste um die Verteidigung der jeweiligen Volksgruppe während des Krieges und ihrer "nationalen Interessen"" (petritsch 2001: 158), betonten, anstatt auf
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konkrete Probleme des Landes einzugehen. (Vgl. Petritsch 20001: 158) Die Aussagen zeigten aber auch, wie weit Bosnien und Herzegowina auch über vier Jahre nach Kriegsende noch von einer gemeinsamen Vision für die Zukunft entfernt war und wie tief die Gräben zwischen den ethnonationalen Gruppen immer noch waren. Emir Habul schrieb hier sehr treffend in seinem Artikel: ,,[...] it points [the speech of lzetbegovic; Anm. des Autors] to several things which are important for the desriny of B&H: what negative effects a carelessly uttered word can have even if true; that the relation towards the past is srill not defined, and especially the nations of fascism and anti-fascism; that there are three truths about the past, present and future of B&H; it also points to the character of the electoral campaign, the political climate and the relation towards Bosnia and Herzegovina." (Habul 2000) Izetbegovics SDA war es allerdings auch, die am Wahltag als der "große Verlierer" dastand, da sie von der SDP als stimmenstärkste Partei abgelöst wurde. Die HDZ hingegen konnte alle mehrheitlich kroatischen Gemeinden für sich entscheiden, obwohl es im Vorfeld der Wahlen Hoffnungen gegeben hatte, dass sich durch den politischen Wandel im benachbarten Kroatien, der auf den Tod des Präsidenten Franjo Tudjman im Dezember 1999 folgte, auch in den kroatischen Mehrheitsgebieten in Bosnien und Herzegowina moderate Kräfte als ernsthafte Konkurrenten der bislang uneingeschränkt regierenden HDZ herausbilden würden. 59 Die kurze Zeitspanne zwischen dem Wahlsieg der moderaten Kräfte in Kroatien und den Kommunalwahlen in Bosnien reichte dafür allerdings nicht aus. In Ermangelung echter Alternativen blieben viele bosnisch-kroatische Wähler dem Urnengang fern, was zu einer teilweise extrem niedrigen Wahlbeteiligung in den kroatischen Gebieten führte. (Vgl. Petritsch 2001: 159; Gromes 2007: 248) Die International Crisis Group schrieb dazu: "These statistics suggest that while perhaps many Croat voters in the traditional HDZ heartland of Herzegovina are fed up with the HDZ, they do not see a viable political alternative or simply do not believe that their vote will make a difference." (lCG 2000: 12) Die HDZ konnte demnach trotz ihrer schwindenden Anziehungskraft, aufgrund ihres monopolähnlichen Status in den kroatischen Gebieten, einen großen Wahlerfolg einfahren. In der Republika Srpska konnte die SDS mit 38% der Wählerstimmen ihre Position als stärkste Kraft zurückgewinnen. Die Gründe für diesen Sieg waren offensichtlich. Der Krieg im Kosovo, die NATO-Bombardements, der Wahlausschluss der SRS und die Verhaftung und Überstellung des ehemaligen serbischen 59 Nach den Wahlen im Jänner 2000, musste die HDZ in Kroatien erstmals in die Opposition, während gemäßigte Politiker, wie der neu gewählte Präsident Stipe Mesic, als Wahlsieger hervorgingen. Damit wurde auch die Position der HDZ, die bislang auf massive Unterstützungsleistungen aus Zagreb zählen konnte, stark geschwächt. (Vgl. Petritsch 2001: 161f.)
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Staatspräsidiumsmitglieds Krajisnik nach Den Haag kurz vor den Wahlen, stellten zusammengenommen einen starken Mobilisierungsfaktor für die Anhänger der ethnonationalistischen SDS dar (Vgl. ICG 2000: 13; Gromes 2007: 248). Milorad Dodik kam mit dem SNSD nur auf 10% der Stimmen und ging genauso wie Plavsic stark geschwächt aus den Wahlen hervor. Mit der PDP (partei für demokratischen Fortschritt) schnitt in der RS allerdings eine weitere gemäßigte Partei mit 8% Stimmenanteil relativ gut ab. (Vgl. ICG 2000: 14) Das ambivalente Ergebnis dieser Wahlen, führte auch zu gegenteiligen Analysen. Petritsch strich vor allem den wachsenden Wählerzuspruch für demokratische, nicht-nationalistische Parteien und damit verbunden die Stärkung des politischen Pluralismus in Bosnien und Herzegowina hervor (Vgl. Petritsch 2001: 159f.). Die International Crisis Group, betonte dies zwar ebenfalls, übersah jedoch nicht, dass vor allem SDS und HDZ in ihren jeweiligen ethnopolitischen Gruppen, die dominante politische Macht bildeten. Daher appellierte sie an die internationale Gemeinschaft, dass die Förderung moderater Alternativen zu diesen Parteien weiter fortgesetzt und intensiviert werden müsse, um die politische Landschaft in Bosnien nachhaltig zu verändern (Vgl. ICG 2000: 15E). Kurz nach den Wahlen traf der PIC in Brüssel zu einer Friedensimplementierungskonferenz zusammen. In einer dort verabschiedeten Deklaration (Vgl. PIC 2000) wurden zwar einige Fortschritte im Friedenskonsolidierungsprozess festgestellt, gleichzeitig aber festgehalten, dass diese positiven Entwicklungen großteils nur nach erheblichen Interventionen der internationalen Akteure zustande gekommen waren. Fehlverhalten wurde vor allem den regierenden Parteien zur Last gelegt, die, so die Meinung des PIC, immer noch in erster Linie die Interessen ihrer jeweiligen ethnonationalen Gruppe zu bedienen versuchten, anstatt die des gemeinsamen Staates Bosnien und Herzegowina. In der Deklaration von Brüssel wurde darüber hinaus aber auch die Perspektive einer weiteren Annäherung an die Europäische Union betont, womit die Absicht der EU verbunden war, auf dem westlichen Balkan längerfristig jene Bedingungen zu schaffen, die eine Integration dieser Länder in europäische Strukturen erlauben. In Bosnien und Herzegowina sollte die Aussicht auf einen möglichen Beitritt zur Europäischen Union, in erster Linie als Anreiz dienen, die bislang schleppend verlaufende Implementierung des Friedensabkommens von Dayton zu beschleunigen (Vgl. Juncos 2005: 98). Die Europäische Kommission schrieb später, dass dadurch "der Druck der Bonner Befugnisse schrittweise durch die Anziehungskraft der europäischen (und euroatlantischen) Institutionen ersetzt wird." (EUCOM 2003: 12) Als ersten Schritt stellte die EU daraufhin bereits im März 2000 eine "Road Map" vor, die 18 Kriterien enthielt, deren Erfüllung eine Bedingung für eine weitere Vertiefung der Integration im Rahmen eines "Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses" (SAP) war (Vgl. EUCOM 2003: 5; Gromes 2007: 504).
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Während die EU im Frühjahr 2000 mittels der Betonung der Beitrittsperspektive den Prozess der Friedenskonsolidierung zu beschleunigen versuchte, begannen in Bosnien und Herzegowina allerdings schon wieder die Vorbereitungen für die nächsten allgemeinen Wahlen, die im November 2000 anstanden. Die Monate zwischen diesen und den Kommunalwahlen waren dabei von einer Reihe an Veränderungen in der politischen Landschaft des Landes geprägt. Die krisengeschüttelte Republika Srpska war weiterhin von äußerster politischer Instabilität gekennzeichnet, die sich durch das Auseinanderbrechen der Sloga-Koalition und dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Dodik im September 2000 noch verschärfte. (Vgl. Petritsch 2001: 162f.) Die Entmachtung Slobodan Milosevics im benachbarten Jugoslawien, gaben der internationalen Gemeinschaft dennoch Anlass zur Hoffnung, dass sich auch in der Republika Srpska moderate Kräfte durchsetzen würden. Der neu gewählte Präsident Jugoslawiens, Vojislav Kostunica unterstützte im Wahlkampf allerdings die SDS, während die internationalen Akteure gleichzeitig ein Verbot dieser Partei diskutierten (Vgl. ICG 2000b: M.). Innerhalb der HDZ kam es in dieser Zeit immer öfter zu innerparteilichen Auseinandersetzungen, die sich an der Frage nach der zukünftigen politischen Orientierung der Partei entzündeten. Die neue kroatische Regierung hatte im Verlauf des Jahres 2000 ihre Versprechen gegenüber der internationalen Gemeinschaft weitgehend eingelöst und die Unterstützungsleistungen an die von der bosnischen HDZ betriebenen parallelen Strukturen in der Föderation eingestellt. Vor allem die radikalen Kräfte innerhalb dieser Partei fürchteten aufgrund dieses Ressourcenschwundes und der bei den Kommunalwahlen zu beobachtenden nachlassenden Mobilisierungskraft unter den bosnischen Kroaten einen allmählichen Verlust ihrer bislang weitgehend ungefahrdeten Machtposition (Vgl. Petritsch 2001: 162f.). Doch auch die SDA, als zweiter dominanter Akteur innerhalb der Föderation, sah sich nach den Kommunalwahlen mit einer eher ungewissen Zukunftsperspektive konfrontiert, da sie innerhalb der bosniakischen Wählerschaft immer mehr Stimmen an die multiethnisch orientierte SDP verlor. Öffentlich vorgetragene Korruptionsvorwüfe, die schon vor den Wahlen auf Gemeindeebene verstärkt diskutiert wurden, brachten die Partei zudem zunehmend in Bedrängnis. (Vgl. ICG 2000b: 3f.). Zusammengenommen fanden sich die nationalistischen Parteien vor allem in der Föderation im Vorfeld der allgemeinen Wahlen im Jahr 2000 in einer schwierigen Situation wieder. Die bosnische HDZ verlor mit Franjo Tudjman ihren wichtigsten Unterstützer, während die SDA in zunehmenden Maße von der bosniakischen Bevölkerung für Korruption und Misswirtschaft verantwortlich gemacht wurde. Die Strategie der internationalen Akteure, moderate Parteien zu echten Konkurrenten der nationalistischen Parteien aufzubauen, hatte mit dem Wahlsieg der SDP bei den Kommunalwahlen zudem erste Erfolge gezeigt. In der
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Republika Srpska, in der die SDS schon länger in eine Oppositionsrolle gezwungen war, schienen sich die Vorzeichen allerdings wieder zu ändern. Während Dodik und sein SNSD zunehmend an Unterstützung verlor, durften sich die SDS mit dem neuen jugoslawischen Präsidenten Kostunica über einen neuen, einflussreichen Unterstützer freuen. Angesichts der ungewissen Situation, in der sich zumindest zwei der drei nationalistischen Parteien vor den November-Wahlen wiederfanden, traten diese im Wahlkampf äußerst konfrontativ auf. Die SDA attackierte in diesem vor allem ihren neuen Herausforderer SDP, unter anderen mit dem Vorwurf, das alte kommunistische System mit seiner serbischen Dominanz wieder errichten zu wollen (Vgl. ICG 2000b: 4). Die Wahlkampfslogans waren eindeutig: "Stimm für dein Volk." oder "Jeder hat das eigene (Volk) gewählt. Was ist mit Dir?" (Gromes 2007: 249) war auf Plakaten der SDA zu lesen. Den mit Abstand aggressivsten Wahlkampf führte die HDZ, der sich vor allem auf das Thema einer angeblichen Marginalisierung der Kroaten in Bosnien und Herzegowina konzentrierte. Ihre zentrale Wahlkampfbotschaft, die sich auf zahlreichen Plakaten wiederfand, lautete daher auch: "Determination or Exttnction" (lCG 2000b: 4), womit nach der Meinung der ICG eine klare Botschaft verbunden war: "vote for the HDZ or face extermination." (lCG 2000b: 4). Dazu lancierten sie Fernsehspots, in denen zu sehen war wie muslimische Reiter in die Schlacht zogen (Vgl. Gromes 2007: 250). Aufgrund einer neuerlichen Änderung des Wahlrechts im Oktober 2000, gewann die Rhetorik der HDZ noch einmal an Schärfe. Die geänderten Bestimmungen betrafen das Prozedere für die Wahl der Delegierten im Haus der Völker der Föderation, wo bislang in den Kantonsversammlungen die bosniakischen Vertreter den bosniakischen Delegierten und die kroatischen Vertreter den kroatischen Delegierten wählten. Nach der Änderung sollten die Delegierten von allen Abgeordneten gemeinsam gewählt werden. (Vgl. Bieber 2001: 3f.; Gromes 2007: 250) Die HDZ, die mit dieser Regelung ihre Machtposition noch stärker gefährdet sah, fühlte sich dadurch in ihrem aggressiven Kurs bestätigt und schürte weiterhin öffentlich die Angst vor einer Marginalisierung der bosnischen Kroaten (Vgl. ICG 2000b: 5). Nachdem ihr Parteiführer Ante Jelavic im Oktober die Föderation bereits für tot erklärt hatte, rief die HDZ gemeinsam mit anderen Parteien und Organisationen am Ende des Monats in Novi Travnik einen "Kroatischen Nationalkongress" ein, auf dem für den Wahltag zusätzlich die Abhaltung eines Referendums über die Rechte der bosnischen Kroaten beschlossen wurde (Vgl. Gromes 2007: 250; ICG 2000: 5). Dabei sollten die bosnischen Kroaten die Frage beantworten, ob "Croats should have their own political, educational, scientific, cultural and other institutions on the entire territory of Bosnia and Herzegovina." (Bieber 2001: 2) Die separatistische Haltung der Partei unterstrich der Vize-Vorsitzende Marko Tokic, als er auf einer Wahlveranstaltung sagte: "HDZ
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will fulfil the centennial aspiration of BH Croats to connect to the mother country, the only one and eternal Croatia." (Hchr BIH 2000) Die internationalen Akteure warnten die beteiligten kroatischen Parteien danach mehrmals, dass die Abhaltung eines solchen Referendums illegal wäre und drohten mit Konsequenzen (Vgl. OHR 2001a: Para. 15). Angespornt vom aggtessiven Wahlkampfklima in der Föderation, setzte auch die SDS in der Republika Srpska auf ethnonationale Themenstellungen. Nach der Ankündigung des Referendums der bosnischen Kroaten, forderten einige serbische Politiker ihrerseits die Abhaltung eines Referendums über die Unabhängigkeit der RS. Darüber hinaus warnte die SDS vor "Gefahren", die eine Reintegration Bosnien und Herzegowinas mit sich bringen würde. Im Distrikt Brcko organisierte sie einen einwöchigen Studentenprotest, in dem gegen gemeinsamen Unterricht mit bosniakischen Schülern, gegen einen multiethnischen Distrikt und gegen die internationale Gemeinschaft demonstriert wurde (Vgl. ICG 2000: 7f.). Zusammengenommen führten die SDA, SDS und HDZ ihren Wahlkampf ein weiteres Mal endang ethnischer Trennlinien. Hauptthema für diese Parteien blieb die Frage nach der Staadichkeit Bosnien und Herzegowinas, was sich am deutlichsten durch das Referendum der HDZ zeigte. Am Wahltag zeigte sich schließlich eine Fortsetzung des Trends der Kommunalwahlen. In der Wahl zum Repräsentantenhaus auf Staatsebene konnte die SDP die meisten Mandate erringen und stellte in der Föderation die stimmenstärkste Partei. SDA und und HDZ konnten ihre Stimmenanteile weitgehend halten. Die SDS gewann in der Republika Srpska über 18% an Stimmen hinzu und stellte wieder die stärkste Partei. Die "Partei für demokratischen Fortschritt" (partija Deokratskog Progresa/PDP), die sich für die volle Implementierung des Abkommens von Dayton einsetzte (Vgl. Bugajski 2002: 555), erreichte mit 15% der Stimmen auf Anhieb den zweiten Platz, noch vor Dodiks SNSD. Mit diesem Ergebnis besetzten SDA, SDS und HDZ allerdings nur noch 19 der 42 Sitze im Repräsentantenhaus Bosnien und Herzegowinas, womit theoretisch eine Regierung ohne diese Parteien möglich wurde. (Vgl. Gromes 2007: 251f.) Bezüglich des kroatischen Referendums, gab die HDZ an, dass 70% der Wahlberechtigten daran teilgenommen und 99% für eigene kroatische Strukturen und Institutionen in Bosnien und Herzegowina gestimmt haben (Vgl. Bieber 2001: 2). Die Wahlkommission zog aus der Abhaltung dieser Abstimmung im Nachhinein die Konsequenz, dass sie in fünf Kantonen die beiden stimmenstärksten Kandidaten der HDZ von den Ergebnislisten strich. Ihre Posten als Mandatare sollten darüber hinaus unbesetzt bleiben. (Vgl. ICG 2000b: 5) In der Wahl zum Repräsentantenhaus der Föderation konnte die SDA ihren ersten Platz behaupten, während die SDP ihr bis auf wenige Zehntel Prozentpunkte heranrücken konnte. Die HDZ verlor leicht, wodurch auch hier eine Mehrheit
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gegen die ethnonationalistischen Parteien möglich wurde. In den Wahlen zu den Kantonsversamrnlungen stellte die SDP genauso wie die SDA in drei Kantonen die stimmenstärkste Fraktion. Die HDZ entschied vier Kantone für sich, zwei davon mit absoluter Mehrheit. (Vgl. Grames 2007: 252f.) Die beiden Wahlen zu den Institutionen der Republika Srpska konnte die SDS jeweils für sich entscheiden. Zum neuen Präsidenten der serbischen Republik wurde Mirko Sarovic gewählt, im Repräsentantenhaus erhöhte die SDS ihren Stimmenanteil von knapp 24% auf 36%, erreichte jedoch keine Mehrheit an Sitzen. Auch hier kam die PDP auf ca. 12% der Stimmen, und belegte hinter der SNSD, die nur leichte Zugewinne verbuchen konnte, Platz drei. (Vgl. Grames 2007: 254) Das Kommentar des Hohen Repräsentanten fiel wie bei den Kommunalwahlen zwiespältig aus: "Overall the election results confirmed the pluralist nature of the Bill political landscape and continuation of the trend of grawing support for more moderate political parties. However, nationalist parties still draw significant support from their respective ethnic groups." (OHR 2001a: Para. 2) Die International Crisis Group schrieb vorausschauend: "Given these eleetion results, over the next two yeats the intetnational eommunity ean expeet continued obstruetion, in patticulat from the HDZ and SDS, regatding the sttengthening of Bosnia as a single state. [...] The natute of this obsttuetion will depend on the eoalitions formed in the national and Federation Patliaments, as well as in the RS National Assembly over the next few months." (leG 2000b: 9)
Die rechnerische Möglichkeit einer Regierungsmehrheit ohne Beteiligung von SDA, SDS und HDZ auf Staats- und Entitätsebene bot erstmals die Gelegenheit, dass eine Regierung an die Macht kommen konnte, die sich nicht offen gegen die volle Umsetzung des Abkommens von Dayton stellte. Was für die internationale Gemeinschaft eine positive Entwicklung darstellte, war für die drei nationalistischen Parteien naturgemäß eine negative, da sie ihre bislang weitgehend uneingeschränkte Machtposition und ihr System des Machterhalts einzubüßen drohten. Florian Bieber schrieb dazu: "While in the pre-wat yeats the patties engaged in a flawed attempt of "powershating", the cooperation after the Dayton Peaee Aecords amounted latgely to a division of power. Each party latgely respeeted the "right" of the other nationalist patties to govern their respeetive nation, and cooperation, if required by the institutions, was limited to a division of aeeess to state assets and resourees." (Bieber 2001: 5)
Die Angelobung einer Regierung, ohne deren Beteiligung, war für SDA, SDS und HDZ ein tiefer Einschnitt, da das von Bieber dargestellte System des gegenseitigen Machterhalts damit einzustürzen drohte. (Vgl. Bieber 2001: 5)
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Die ,AUianzftir den Wandel" Die langen Verhandlungen über mögliche Regierungskoalitionen brachten zumindest in der Föderation und auf der Ebene des Gesamtstaates eine Regierung hervor, in der die drei nationalistischen Parteien nicht vertreten waren. Unter der Führung von SDP und SBiH hatte sich nach den Wahlen unter erheblichen Interventionen von Seiten der internationalen Gemeinschaft eine ,,Allianz für den Wandel" gebildet, die sich insgesamt aus zehn Parteien zusammensetzte. ObwoW sie auf keiner dieser beiden Ebenen über eine Mehrheit verfügte, gelang es ihr die notwendigen Stimmen für eine Regierungsbildung zu fmden. (VgL Gromes 2007: 256f.) In der Republika Srpska wurde unter der Führung der PDP eine Koalitionsregierung aus vier Parteien gebildet, darunter auch die SDS. Deren Beteiligung stieß vor allem in den USA auf erhebliche Kritik, worauf die Partei in einem Gespräch mit dem Hohen Repräsentanten erklärte, dass sie die Umsetzung des Abkommens von Dayton vollständig unterstützen und in allen Bereichen mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten werde. Damit signalisierte die SDS eine radikale Korrektur zentraler Positionen (Vgl. Gromes 2007: 255ft; OHR 2000). Interessanterweise kritisierte Milorad Dodik, der vom OHR als moderate Alternative zur SDS unterstützt wurde, die (vermeintlich) neue Haltung dieser Partei sehr scharf, da er die Interessen der RS gefährdet sah. (VgL ESI 2001: 9) Kroatische Selbstverwaltung Die HDZ setzte ihre Obstruktionspolitik auch nach den WaWen unbeirrt fort. Nachdem sie mit dem Versuch scheiterte, durch eine Blockade der Institutionen auf Staats- und Entitätsebene eine Regierungsbildung ohne ihre Beteiligung zu verhindern, erklärte sich der "Kroatische Nationalkongress" am 3. März 2001 als einzig legitime politische Vertretung der Kroaten in Bosnien und Herzegowina und rief die kroatische Selbstverwaltung aus (Vgl. Bieber 2001: 2; Gromes 2007: 260t). Diese war in den Augen der HDZ eine Form der Selbstverteidigung der bosnischen Kroaten "from all assaults on theit rights and freedoms and permanendy damaging consequences of action of the authorities established against theit democratically expressed will." (Drazic 2001) Ein eigener Präsident wurde gewäWt, ein Legislativrat sowie eigene Räte auf Kantons- und Gemeindeebene eingerichtet und die Einführung eigener Symbole vereinbart. Darüber hinaus sollte auch die HVO wieder eine eigenständige Armee werden, die dem OberbefeW des Präsidenten des "Kroatischen Nationalkongresses" unterstehen sollte. Der Kongress kündigte allerdings auch an, dass die kroatische Selbstverwaltung wieder zurückgenommen werde, wenn die internationalen Vertreter und die "politischen Partner" der HDZ in Bosnien und Herzegowina innerhalb von fünfzehn Tagen die neue Wahlregelung zurücknehmen und die in der Verfassung festgeschriebene konkordanzdemo-
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kratische Machtteilung der drei ethnonationalen Gruppen fortgesetzt werde (VgL Drazic 2001). Das OHR reagierte auf diese Ankündigung mit der Absetzung mehrerer Politiker der HDZ, darunter deren Parteivorsitzenden und Mitglied des Staatspräsidiums, Ante Jelavic. Die kroatischen Nationalisten setzten allerdings weiter auf Konfrontation und verweigerten weiterhin die Mitarbeit in den gemeinsamen Institutionen (Vgl. OHR 2001b). Darüber hinaus forderte sie Ende März kroatische Soldaten auf, ihren Dienst niederzulegen und die Kasernen zu verlassen. 7000 der 8000 Angehörigen des HVO kamen diesem Aufruf nach Angaben der HDZ nach, wobei jeder Soldat, 500 KM vom "Kroatischen Nationalkongress" als Kompensationsleistung bekam (Vgl. OHR 2001c). Im April 2001 sollte den internationalen Akteuren allerdings ein Schlag gegen die separaten Machtstrukturen der HDZ in Bosnien und Herzegowina gelingen. Am 6. April durchsuchten Wirtschaftsprüfer mit Unterstützung der SFOR Räumlichkeiten der Hercegovacka Banka in Mostar, aufgrund des begründeten Verdachts, dass dieses Institut maßgeblich zur illegalen Finanzierung der parallelen Strukturen der kroatischen Nationalisten beitrug. In späteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Hercegovacka Banka der Dreh- und Angelpunkt eines weit verzweigten Netzwerkes zur Finanzierung der illegalen Machtstrukturen der HDZ war. Dabei sollen ca. 650 Millionen D-Mark über diese Bank von Kroatien nach Bosnien Herzegowina geflossen sein, die einerseits zur Deckung von Sozialleistungen andererseits aber auch zur illegalen Bereicherung von hohen HDZFunktionären dienten und die finanzielle Basis der von dieser Partei aufgebauten Parallelstrukturen darstellten. (Vgl. Donais 2005: 76) Noch im April stellte der Hohe Repräsentant die Bank unter internationale Aufsicht. In Folge dieser Ereignisse kam es in den kroatischen Gebieten zu mehreren gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und SFOR-Einheiten. Wie in der Vergangenheit öfter zu beobachten, benutzte die HDZ auch bei dieser Gelegenheit die HVlDRA um diese zu organisieren (Vgl. Bojicic-Dzelilovic 2006: 214). Darüber hinaus versuchten die kroatischen Nationalisten die Bevölkerung bzw. einige Personen und Organisationen, die sich öffentlich gegen die kroatische Selbstverwaltung aussprachen, durch Einschüchterung und Androhung von Gewalt auf ihrer Linie zu vereinen (Vgl. OHR2001d). Mit der Übernahme der Hercegovacka Banka versuchte die internationale Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina erstmals gegen die finanzielle Basis der separaten Machtstrukturen einer nationalistischen Partei vorzugehen. Die kroatischen Soldaten kehrten in den folgenden Monaten wieder in ihre Kasernen zurück und die HDZ beteiligte sich ab Ende November 2001 wieder an den gemeinsamen Institutionen der Föderation, womit sie nach Meinung des OHR ihr Vorhaben der kroatischen Selbstverwaltung aufgegeben hatte. Ante Jelavic, wurde
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allerdings im Oktober neuerlich zum Präsidenten der Partei gewählt, womit ihr nationalistischer Kurs prolongiert wurde. (Vgl. OHR 2002a: Paras. 6-7; Gromes 2007: 263) ObwoW das Projekt der kroatischen Selbstverwaltung Ende 2001 bereits als gescheitert angesehen werden musste, machte die HDZ im Verlauf dieser Ereignisse klar, dass die Etablierung einer eigenen kroatischen Entität immer noch eines ihrer grundlegenden Ziele war, welches sie auch über fünf Jahre nach Kriegsende noch verfolgte.
Die Arbeit der AJliani[Cgierung Für die ,,Allianz für den Wandel", in deren Regierungsarbeit die internationale Gemeinschaft große Hoffnungen auf eine BescWeunigung des Prozesses der Friedenskonsolidierung gesetzt hatte, stellte diese eben dargestellte Krise einen sehr schwierigen Beginn dar. Dennoch gelang es der Allianzregierung, trotz ihrer Heterogenität und ihrer dünnen Mehrheiten, in ihrer 18-monatigen Amtszeit einige wichtige Fortschritte zu erzielen. Die Effizienz der gemeinsamen Institutionen auf Staatsebene konnte gestärkt werden, was zu einer deutlichen Erhöhung der ZaW der verabschiedeten Gesetze und BescWüsse führte (Vgl. Gromes 2007: 278f.). So konnte unter anderem nach jahrelangen Verhandlungen im August 2001 ein permanentes WaWgesetz für Bosnien und Herzegowina bescWossen werden (Vgl. OHR 2002b: 6). Petritsch bezeichnete daher am Ende seiner Amtszeit den Ministerrat auch als "hard-working and pragmatic cabinet" (OHR 2002b: Para. 11), eine Einschätzung die in den Jahren davor unmöglich war. Darüber hinaus konnten wichtige Änderungen in den Verfassungen der Entitäten durchgesetzt werden, die nach einem Urteil des VfGHs im Jahr 2000 notwendig geworden waren. Das aus diesem Verhandlungsprozess resultierende Mrakovica-Sarajevo-Abkommen 6o, wurde trotz des Widerstandes der nationalistischen Parteien in den Entitätsparlamenten angenommen und die entsprechenden Verfassungsbestimmungen in Einklang mit der Verfassung des Staates gebracht. 61 (Vgl. OHR 2002b: Paras. 13-15; Gromes 2007: 280-282) In der Föderation gelang es der Allianzregierung einige wichtige Schritte in 60 Der VfGH hatte im Jahr 2000 in einem Urteil befunden, dass Teile der Verfassungen der Entitäten im Widerspruch zur Verfassung des Gesamtstaates standen. Die Bedeutenste betraf die Stellung der ethnonationalen Gruppen in den Entitäten, da in der RS nur Serben und in der Föderation nur Bosniaken und Kroaten als konstitutive Volksgruppen galten. Infolge des Mtakovica-Sarajevo Abkommens wurden die beanstandeten Verfassungsbestimmungen überarbeitet. Neben der Änderung der Bestimmungen über die konstitutiven Volksgruppen, wurde in der RS ein Zwei-Kammern-Parlament ein-geführt und in beiden Entitäten die bestehenden konkordanzdemokratischen Regelungen ausgeweitet. (VgI. Neuss12004: 65-70) 61 Einzelne Bestimmungen der geänderten Verfassungen, mussten aufgrund der Blockade der nationalistischen Parteien vom Hohen Repräsentanten verordnet werden. (VgI. OHR 2002b: Para .14)
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Richtung Reintegration der separaten bosniakischen und kroatischen Strukturen zu setzen. So wurde die Armee der Entitä~2 verkleinert, die bislang geteilten Pensionsfonds vereinigt und Reformen im Gesundheits- und Sozialbereich durchgeführt. (VgL leG 2002a: 10-12) Auf gesamtstaatlicher Ebene konnte die Allianzregierung einige zentrale Reformvorhaben vorantreiben, auch wenn diese Bemühungen während ihrer Amtszeit zu keinen endgültigen Ergebnissen führten. Dazu gehörten die Reform der Streitkräfte, des Polizei- und Justizwesens und des Bildungssystems.
Vcrteidigungsriform Die Verteidigungsreform war ein zentrales Anliegen, der in Bosnien und Herzegowina involvierten Akteure, da die de facta Teilung der bosnischen Armee in "zweieinhalb Armeen", wie Vetschera schrieb (Vetschera 2005: 106), nicht nur eine enorme Verschwendung von Ressourcen bedeutete, sondern auch die Reintegration des Staates behinderte. (Vgl. Vetschera 2005: 106-108) Bereits seit 1999 versuchte die internationale Gemeinschaft verstärkt, Kompetenzen im Bereich der Verteidigungspolitik von den Entitäten auf den Gesamtstaat zu übertragen. Nachdem eine Verkleinerung der Streitkräfte relativ zügig durchgeführt werden konnte, sollte über die Schaffung eines gemeinsamen Verteidigungsministeriums die Vereinigung der Armeen vorangetrieben werden. (Vgl. Vetschera 2005: 110-118) Vor allem in der Republika Srpska stieß dieses Vorhaben auf erheblichen Widerstand, was sich in erster Linie aus der Symbolkraft einer eigenen Armee erklären lässt. "Schließlich wurde die Tatsache der Verfügung über eigene Streitkräfte insbesondere auf der serbischen Seite auch als Symbol, wenn nicht sogar als Beweis für die stets zumindest implizit behauptete Souveränität der Entitäten betrachtet." (Vetschera 2005: 108) Obwohl in der Amtszeit der ,,Allianz für den Wandel" einige wichtige Fortschritte, auch gegen den Willen der Republika Srpska, erzielt werden konnten (VgL OHR 2002b: Para. 17), dauerte es bis zum Ende des Jahres 2003, um eine endgültige Einigung auf ein Verteidigungsgesetz zu erzielen, welches die entsprechenden Kompetenzen von den Entitäten auf den Gesamtstaat übertrug. Im März 2004 trat schließlich das erste Mal ein Verteidigungsminister auf Staatsebene seinen Dienst an. (Vgl Vetschera 2005: 115-131) Polizei- undJustitriform Neben der Verteidigungsreform, war die Reform des Polizei- und Justizwesens ein wichtiger Themenkomplex, dessen Bearbeitung unter anderem in die Zeit der Allianzregierung fiel. Die Arbeit dieser Organe war in post-Dayton Bosnien und 62 Die überproportional große Armee der Föderation, verschlang enorme Ressourcen und war mit daraus resultierenden Verteidigungsausgaben von 300 Mio. KM pro Jahr, der größte Einzdposten im Budget der Entität. (VgL leG 2002a: 11; Vetschera 2005: 107)
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Herzegowina immer wieder heftiger Kritik von Seiten internationaler Menschenrechtsorganisationen und auch des OHR ausgesetzt (Vgl. z.B. UNHCR 1999: Paras. 6-7; OHR 1998a: Paras. 79-83). Die Polizeikräfte waren nach dem Krieg in drei ethnisch definierte Teile gegliedert und zeigten kaum Interesse Menschenrechtsverletzungen gegen Mitglieder anderer ethnischer Gruppen zu verfolgen. In den ersten Jahren nach dem Krieg war es dabei vor allem die Polizei selbst, die gegen Mitglieder anderer Minderheiten in ihrem Gebiet gesetzwidrig vorging und für einen erheblichen Teil der zu beobachtenden Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war (Vgl. OHR 1996c: Paras. 49; 51). Die Polizeikräfte standen dabei unter direktem Einfluss der nationalistischen Parteien und stellten einen zentralen Bestandteil derer Machtstrukturen dar, was zu einer sehr starken Politisierung und Degenerierung dieser Organe zu Erfüllungsgehilfen der Politik der nationalistischen Machtblöcke führte. (Vgl. ESI 1999: 5f.; ICG 1999a: 43). Der mit dem Aufbau einer professionellen, multiethnischen Polizei betrauten International Police Task Force (IPTF), gelang es zwar die personelle Stärke der bosnischen Polizei von 44.000 auf 17.000 zu verkleinern und führte verschiedenste Schulungen zu deren Professionalisierung durch, signiftkante Fortschritte in den Bereichen Reintegration und Beendigung politischer Einflussnahme konnte sie allerdings nicht erreichen, wenngleich zumindest gesetzwidrige Handlungen und Verstöße gegen Menschenrechte von Angehörigen der Polizei im Laufe der Zeit immer weiter abnahmen (Vgl. Gromes 2007: 272-274; ICG 1999a: 43-50). Ähnlich wie die Polizei, stand auch das Justizsystem Bosnien und Herzegowinas nach dem Krieg unter starkem Einfluss der nationalistischen Parteien. Korruption oder politisch motivierte Postenbeseztungen und Entlassungen standen an der Tagesordnung (Vgl. Gromes 2007: 275). Hinzu kamen Inefftzienz und feWende Kapazitäten zur Behandlung komplizierter Fälle (Vgl. OHR 2002b: Para. 53), wobei sich ersteres vor allem aus der komplizierten institutionellen Ordnung post-Dayton Bosnien und Herzegowinas ergab. Wie in nahezu allen anderen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen wurde mit dem Friedensvertrag von Dayton auch das Justizsystem zweigeteilt, wobei beide Teile unabhängig voneinander agierten und unterschiedlichen Gesetzen und Regeln folgten (Vgl. ICG 2002b: 4). Der Aufbau unabhängiger Justizorgane war daher einer der zentralen Reformpunkte, auf die die internationale Gemeinschaft im Verlauf ihres Engagements in Bosnien und Herzegowina immer stärker drängte. (Vgl. PIC 2000: Pkt. 3) Eine VielzaW an internationalen Organisationen erarbeiteten daher seit dem FriedensscWuss von Dayton unterschiedlichste Programme zur Reform des Justizsystems und zur Stärkung des Rechtsstaates, denen es allerdings an einer gemeinsamen strategischen Planung feWte, wodurch viele dieser Bemühungen wirkungslos blieben. Da die jeweils regierenden Parteien, inklusive der ,,Allianz für den Wandel", sich dieses Problemfelds nur sehr widerwillig annahmen, gingen alle wesentlichen Fortschritte
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in diesem Problemfeld auf Interventionen des Hohen Repräsentanten zurück. (Vgl. ICG 2002b: 2-3; 8-12) Den von ihm durchgesetzten Entscheidungen folgte eine Neuordnung des bosnischen Gerichtswesens, nahezu alle wesentlichen Posten wurden neu besetzt und neue Organe, wie der "High Judicial Prosecutional Council", der fortan Personalentscheidungen ohne parteiliche Einflussnahme treffen sollte, wurden ins Leben gerufen. (Vgl. Gromes 2007: 276f.) Zudem wurde auf gesamtstaatlicher Ebene ein Gerichtshof eingerichtet, der als übergeordnetes Bindeglied zwischen den einzelnen Justizorganen der Entitäten dienen sollte. (Vgl. ICG 2002b: 25f.) Bis zum Jahr 2005, konnte so nach und nach ein Justizsystem etabliert werden, welches weitgehend frei von politischer Einflussnahme arbeiten konnte. (Vgl. Gromes 2007: 278)
Bildungsreform
Ein weiterer wichtiger Reformbereich betraf das Bildungssystem, das ähnlich wie die zuvor genannten Bereiche, nach dem Ende des Krieges entlang ethnischer Trennlinien geteilt war. Die Folge waren drei unterschiedliche Lehrpläne, drei Unterrichtssprachen und ethnisch getrennte Schulen, in denen die "Politik der Identität" zu einem Teil des Unterrichts wurde. (Vgl. Petritsch 2001: 172; Kreso 2008: 364-368) Der Hohe Repräsentant Petritsch bezeichnete das Bildungssystem des Landes daher im Jahr 2000 auch als "ein Spiegelbild der ethnischen Säuberungen, die dieses Land während des Krieges erlitten hat. Die einzige Beschreibung für ein solch zurückgebliebenes System ist 'erzieherische Apartheid'!" (petritsch 2001: 175) Einige sehr frühe Versuche der internationalen Akteure, das bosnische Bildungswesen zu reformieren und in Einklang mit den Anforderungen des Prozesses der Friedenskonsolidierung und der Etablierung einer multi-ethnischen Gesellschaft zu bringen, scheiterten an der ablehnenden Haltung der nationalistischen Parteien, welche multiethnisch orientierte Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in erster Linie als Gefahr ihrer eigenen Machtbasis ansahen. (Vgl. Petritsch 2001: 173) So schrieb Kreso: "It would appear that in the current political climate, the authorities are content to keep education just the way it is due to its vulnerability and the way in which it can be used for the purposes of political indoctrination [...]." (Kreso 2008: 365) Die Gefahr eines solchen Bildungssystems, welches auf ethnische Separation anstatt multiethnische Reintegration setzt, für die gesamte Gesellschaft und die gemeinsame Zukunft des Landes sind offensichtlich: "By maintaining the status quo, schools predispose young people towards segregation and engrain in them strongly discrirninatory attitudes that lead them to believe that such intolerance represents socially acceptable behaviour." (Kreso 2008: 365) Bis zum Ende des Jahrs 2002 blieben allerdings die meisten Vorgaben der internationalen Akteure in diesem Problemfeld unbeachtet, oder wurden nur teilweise implementiert. Signifikante Fortschritte konnten daher nicht beobachtet
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werden, was vor allem auf den erheblichen Widerstand von Seiten der nationalistischen Partei zurückzuführen war. (Vgl. OHR 2002b: Paras. 25-26) Eine Bilanz über die Amtszeit der ,,Allianz für den Wandel", kann angesichts der dargestellten Ergebnisse nur zwiespältig ausfallen. Obwohl in einigen wichtigen Bereichen große Fortschritte verzeichnet werden konnten, blieb die Allianzregierung in anderen Bereichen deutlich hinter den Erwartungen. Die ICG führt dies vor allem auf die innere Heterogenität der zehn Parteien umfassenden Koalition zurück, da positive Entwicklungen vor allem in jenen Themenkomp1exen zu beobachten waren, die innerhalb der Allianz weitgehend unumstritten waren. Dort, wo die einzelnen Parteien divergierende Interessen verfolgten, blieben positive Ergebnisse weitgehend aus (Vgl. ICG 2002a: i-ii). Besonders deutlich zeigte sich dies in jenen Bereichen, die von den Entitäten als Symbole ihrer Souveränität (bzw. Staatlichkeit) betrachtet wurden bzw. die Machtstrukturen der nationalistischen Parteien gefihrdeten, wie bei den Reformbemühungen in den Bereichen Militär, Justiz, Polizei oder Bildung ersichtlich war. Dzihics Einschätzung für eine frühere Phase der Friedenskonsolidierung, besaß damit auch während der Amtszeit der ,,Allianzregierung" Gültigkeit: ,,Allgemein zeigten sich auch in dieser Phase, dass die Fortschritte in den Bereichen am schwierigsten zu erreichen sind, die die alten nationali(istisch)en Machtstrukturen gefährden und auf die Stärkung der integrativen Staatlichkeit BuH's hoffen lassen." (Dzihic 2005: 24)
Wahlen im Jahr 2000: Die Rückkehr der "nationalistischen Regierungen" Nach einer knapp eineinhalbjährigen Amtszeit, musste sich die ,,Allianz für den Wandel" neuerlichen Wahlen stellen. Die Allianz selbst, driftete ab dem Frühjahr 2002 immer weiter auseinander, wobei vor allem die beiden größten Koalitionsparteien SBiH und SDP immer mehr in Konkurrenz zueinander auftraten. Die Zustimmung der Bevölkerung war zudem stark im Fallen begriffen, da die Regierung die hohen Erwartungen, die in sie gesetzt worden waren nur teilweise erfüllen konnte. Lauter werdende Korruptionsvorwürfe verstärkten diesen Trend zusätzlich (Vgl. Grames 2003: 46). Die nationalistischen Parteien selbst, zählten zu den größten Kritikern der "Allianz für den Wandel". Vor allem die SDA, die in den Wahlen im Jahr 2000 sehr viele bosniakische Stimmen an die SDP verloren hatte, warf der Regierung bei zahlreichen Gelegenheiten vor, die Interessen der Bosniaken nicht in ausreichendem Maße zu schützen und zu berücksichtigen. (Vgl. ICG 2003a: 5f.; Gromes 2003: 45) Die SDA setzte diese Strategie in ihrem Wahlkampf fort und stellte einen neuerlichen Wahlsieg der SDP als Bedrohung für die ethnonationale Gruppe der Bosniaken dar. Analog dazu orientierten sich auch die serbischen Parteien in ihrem Wahlkampf an ethnopolitischen ThemensteIlungen und betonten ihrerseits die Bedrohung des serbischen Volkes und der Republika Srpska. (Vgl. Hehr BH 2002) Darüber hinaus erhitzte ein kurz vor den Wahlen veröffentlichter
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Bericht zu den in Srebrenica im Juli 1995 begangenen Verbrechen 63 und eine Rede des jugoslawischen Präsidenten Kostunica, in der er behauptete, dass die Trennung der Republika Srpska von Serbien keine dauerhafte sei, die Gemüter in Bosnien und Herzegowina. (Vgl. Gromes 2003: 32E; Hchr BH 2002) Insgesamt war der Wahlkampf der nationalistischen Parteien in erster Linie vom Versuch gekennzeichnet, ihre jeweilige ethnonationale Gruppe durch die gezielte Betonung ethnisch definierter Themen auf ihrer Linie zu vereinigen. (Vgl. ICG 2003a: 8; Gromes 2007: 283f.) Der neue Hohe Repräsentant Paddy Ashdown, der im Mai 2002 das Amt von seinem Vorgänger Wolfgang Petritsch übernommen hatte, leitete auch einen Paradigmenwechsel in der Strategie der internationalen Akteure ein. Während letzterer in seiner Amtszeit aktiv moderate, nicht-nationalistische Parteien unterstützte, um ein politisches Gegengewicht zu den dominanten nationalistischen Parteien zu etablieren, verkündete Ashdown in seiner Antrittsrede: "It is not my job to interfere in elections. I will support actions and reforms, not personalities or parties. It is up to the people of BiH to choose their government. And it will be my duty to work with whatever government they choose." (OHR 2002c) Trotz dieser Ankündigung unterstützte das OHR im Vorfeld der Wahlen moderate Parteien, insbesonders die SDP, wenn auch in einem wesentlich geringeren Ausmaß als in den vorangegangenen Wahlgängen. (Vgl. ICG 2003a: 10) Die Wahlen selbst, brachten die nationalistischen Parteien zurück an die Macht, während vor allem die SDP herbe Verluste hinnehmen musste. SDA und HDZ wurden wieder die stärksten Kräfte in der Föderation und stellten sowohl im Repräsentantenhaus als auch in den Kantonen die stärksten Fraktionen. Die SDS verlor zwar an Stimmen, konnte ihre Position als stärkste Partei in der Republika Srpska jedoch halten. 64 Die Kandidaten der SDA, SDS und HDZ gewannen darüber hinaus die Wahlen zum Staatspräsidium, während Dragan Cavic (SDS) zum Präsidenten der Republika Srpska gewählt wurde. Von den Parteien der ,,Allianz für den Wandel" traf es die SDP, wie bereits angedeutet, am härtesten, nachdem sie in den Wahlen in der Föderation über 10% an Stimmen verlor. Die SBiH konnte dagegen ihren Stimmenanteil geringfügig ausbauen. In der Republika Srpska konnte 63 Der Bericht, der vom Büro der Serbischen Republik für Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal herausgegeben wurde, revidierte die Todeszahlen von 8.000 auf 2.000, wobei darin behauptet wurde, dass nur 100 Menschen davon Verbrechen von bosnischen Serben zum Opfer gefallen wären. Der restliche Teil sei im Kampf gestorben. Die SDA und das OHR verurteilten den Bericht umgehend nach seine Veröffentlichung auf das Schärfste. (Vgl. Gromes 2003: 32) 64 Die Verluste (-6%) können großteils dadurch erklärt werden, dass bei den Wahlen im Jahr 2002, die SRS wieder zugelassen wurde und 4,8% der Stimmen erreichte. Bei den vorangegangenen Wahlen hatte die Wählerschaft der SRS zum Großteil die SDS gewählt.
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der SNSD seinen Stimmenanteil beinahe verdoppeln und wurde hinter der SDS wieder zweitstärkste Kraft. (Vgl. Gromes 2007: 285-289) Nach ihrem Wahlsieg, kehrten die nationalistischen Parteien nach zweijähriger, teilweiser Abstinenz auf allen Ebenen des Staates in die Regierungen zurück. In vielen nationalen und internationalen Zeitungen wurde daraufhin ein äußerst düsteres Bild der Zukunft des Staates Bosnien und Herzegowina gemalt. Einige forderten Ashdown, dem Mitschuld am Wahlsieg der Nationalisten vorgeworfen wurde, sogar auf, die Wahlen für ungültig zu erklären (Vgl. ICG 2002a: 14). Der Hohe Repräsentant sah in diesem Wahlergebnis allerdings keinen neuerlichen Aufschwung des Nationalismus, sondern eine Forderung der Bürger nach schnelleren Reformen. Zudem bekräftigte er, dass die nationalistischen Parteien in den letzten Jahren einen inhaltlichen Wandel vollzogen hätten, den sie nun in konkrete realpolitische Ergebnisse umsetzen könnten. An diesen wollte er sie letztendlich auch messen (Vgl. OHR 2002d). Tatsächlich hatten SDA, SDS und HDZ in den vergangenen Monaten moderatere Töne angeschlagen und sich zumindest rhetorisch stärker in die politische Mitte bewegt. Bosnien und Herzegowina wurde allgemein als Staat anerkannt und die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bzw. die Umsetzung des Abkommens von Dayton betont. Vielfach verstrickten sich diese Parteien in ihren Ankündigungen allerdings in widersprüchliche Aussagen, die zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses verkündeten Kurswechsels hochkommen ließen. (Vgl. ICG 2002a: 16-24) Der Hohe Repräsentant konzentrierte sich in der Folgezeit auf die Durchsetzung seines Reformprogramms, welches er unter den Slogan "First Justice. Then Jobs. Through Reform." (OHR 2002c) stellte. Das Ziel der Integration Bosnien und Herzegowinas in die Strukturen der EU wurde dabei zu einer tteibenden Kraft hinter diesen Reformvorhaben, die von Ashdown bei nahezu jeder Gelegenheit betont wurde. Bereits im September 2002 erklärte die EU, dass Bosnien und Herzegowina die Bedingungen der "Road-Map" erfüllt hätte, womit ein wesentlicher Schritt zur Aufnahme von Verhandlungen über eine "Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen" getan war. Im November 2003 folgte eine "Feasibility Study" der Europäischen Kommission, in welcher sechzehn konkrete Punkte genannt wurden, deren Erfüllung eine Bedingung für weitere Verhandlungen darstellte (Vgl. OHR2003b). Nahezu alle Parteien bekannten sich zum Ziel der europäischen Integration und zur Durchführung der dafür notwendigen Reformen. In einem bisher einzigartigen Schritt in post-Dayton Bosnien und Herzegowina unterzeichneten Regierungs- und Oppositionsparteien im Februar 2004 eine gemeinsame Deklaration, in der sie sich dazu bekannten, gemeinsam nach Kompromissen zu suchen,
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um die Bedingungen der EU und der NAT0 65 zu erfüllen. (Vgl. OHR 2004a) Dieser Ankündigung folgten in den Monaten danach auch tatsächliche Fortschritte, die sich in einer Reihe von Gesetzesbeschlüssen widerspiegelten. (Vgl. OHR 2004b: Paras. 24-33) Die Perspektive eines baldigen Beitritts zur Europäischen Union, schien sich angesichts dieser Ereignisse als moderierend auf die bislang prekäre politische Situation in Bosnien auszuwirken. Vor allem schien die in den vergangenen Jahren so dominante Frage nach der Staatlichkeit Bosnien und Herzegowinas an Relevanz abgenommen zu haben, da führende Politiker nicht müde wurden zu bekräftigen, dass dieses Land als vereinter Staat ein Mitglied der EU werden würde. (VgL Gromes 2007: 305f.) Diese auf den ersten Blick positiven Entwicklungen und die großteils sehr positiven Berichte des Hohen Repräsentanten, in denen er in erster Linie die Fortschritte des Landes betonte (Vgl. OHR 2004b), täuschten allerdings darüber hinweg, dass die regierenden Parteien auch weiterhin eine Politik entlang ethnischer Trennlinien betrieben und Ziele verfolgten, die mit dem Prozess der Friedenskonsolidierung nur schwer in Einklang zu bringen waren. Die gemeinsamen Institutionen des Staates blieben weiterhin schwach, während die weiter oben schon beschriebenen Reformen in den Bereichen Bildung, Justiz, Polizei und Verteidigung weiterhin durch die Blockadehaltung einzelner bosnischer Parteien und Politiker verzögert wurden (Vgl. Jelacic 2004). Dizdarevic schrieb daher auch: ,,[...] Ashdown's "reformists" have never at any point undertaken a single reform on thei! own volition [...]. Those laws that have been adopted and those reforms that have been undertaken have all been the froir of either imposition or the pressures of international actors, and by no means reflect the political will of the ruling parties." (Dizdarevic 2004: 41)
Die Politik unter der neuen Regierung, war trotz moderat anmutender Erklärungen und Beteuerungen immer noch durch das Prinzip des "Ethnischen" geprägt. (Vgl. Dzihic 2005: 26) Vor allem in der Republika Srpska wehrten sich die serbischen Parteien, gegen eine Kompetenzverlagerung von den Entitäten hin zum Gesamtstaat, während die bosniakischen Parteien einen starken gemeinsamen Staat bis hin zur Auflösung der Republika Srpska forderten. (Vgl. Gromes 2007: 307-310)
Harte Sanktionen des Hohen Repräsentanten und Kommunalwahlen im Jahr 2004 Angesichts des geringen Reformtempos in einigen Bereichen, wuchs die Kritik der internationalen Gemeinschaft an der bosnischen Regierung und sogar Ashdown, der die nationalistischen Parteien zuvor noch zu Partnern erklärt hatte, kritisierte deren offensichtliche Obstruktionspolitik sehr scharf. (Vgl. Jelacic 2004) Dieser Kritik folgten harte Sanktionen. Nachdem die HDZ in einigen Kantonen wichtige 65 Bosnien und Herzegowina bemühte sich gleichzeitig um eine Aufnahme in die "Partnerschaft für den Frieden" der NATO. (VgL Vetschera 2005: 112)
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Schritte im Bereich der Bildungsreform verzögerte, reagierte Ashdown mit einer vorübergehenden Einstellung der Zahlungen an diese Partei. (Vgl. OHR 2004c) Die gleiche Sanktion traf wenig später die SDS, aufgrund ihrer beharrlichen Weigerung mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenzuarbeiten. (Vgl. OHR 2004d) Nachdem Bosnien und Herzegowina aus dem selben Grund im Juni 2004 die Aufnahme in die Partnerschaft für den Frieden verwehrt wurde und die Reform der Polizeikräfte aufgrund des anhaltenden Widerstandes in der Republika Srpska weiterhin stockte, ging Ashdown noch einen Schritt weiter und enthob mit einem Schlag sechzig Personen in der Republika Srpska - die meisten davon Mitglieder der SDS - ihrer Ämter (Vgl. Katana 2004a; Lyon 2006: 56f.). Dieses harte Vorgehen des Hohen Repräsentanten stieß vor allem in der Republika Srpska auf Unverständnis und Ablehnung. Tatsächlich fiel diese Entscheidung zu einem denkbar ungünstigen Augenblick. Zum einen waren für den Oktober bereits wieder Kommunalwahlen vorgesehen, zum anderen hatte erst wenige Tage zuvor, der Präsident der RS Dragan Cavic in einer Fernsehansprache erstmals eingestanden, dass die Serben Verantwortung für das Massaker in Srebrenica übernehmen müssten (Vgl. Gromes 2007: 301). Unmittelbar nach der Bekanntgabe der Entlassungen formierte sich unter allen serbischen Parteien erster Widerstand. Sowohl Oppositions- als auch Regierungsparteien verurteilten den Erlass, der in erster Linie als Angriff auf die Strukturen der Republika Srpska verstanden wurde. Darüber hinaus sahen sich viele Politiker in ihrer Ansicht bestätigt, dass die internationalen Akteure gemeinsam mit der SDA an einer Abschaffung "ihrer" Entität und an einer Zentralisierung Bosnien und Herzegowinas arbeiten würden. Als erste Konsequenz daraus wurden aus der Regierung jene Minister entlassen, die der SDA angehörten. Damit eröffnete Ashdown, der vorher schon vielfach, wegen seines eigenwilligen Stils, Entscheidungen im Alleingang und ohne Konsultationen mit Partnern in Bosnien zu treffen (Vgl. Dizdarevic 2004: 41f.; Dzihic 2005: 28), in die Kritik geraten war, den serbischen Parteien in der heiklen Vorwahlphase die Möglichkeit, die Frage nach der zukünftigen Struktur Bosnien und Herzegowinas zu einem zentralen Thema zu machen. (Vgl. Katana 2004a; Katana 2004b) Vor allem die serbischen Parteien, warnten im folgenden Wahlkampf vor, der ihrer Meinung nach, unsicheren Zukunft der Republika Srpska. Aber auch die anderen Parteien konzentrierten sich auf ethnonationale Themen und die vermeintliche Bedrohung der eigenen Volksgruppe, während lokale Themen weitgehend unberücksichtigt blieben. Die nationalistischen Parteien konnten vor den Kommunalwahlen darüber hinaus auch auf eine starke Unterstützung von Seiten hoher Vertreter der Glaubensgemeinschaften setzen, die bei zahlreichen Gelegenheiten die Rhetorik von SDA, SDS und HDZ aufgriffen und die vermeintliche Bedrohung der jeweiligen ethnonationalen Gruppe betonten. (Vgl. Hchr BH 2004; Gromes 2007: 312f.)
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Die Wahlen, im Zuge derer nicht einmal 50% der Wähler in Bosnien und Herzegowina von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, brachten einmal mehr einen Sieg der nationalistischen Kräfte. Von den 140 Gemeinden, in denen die Bürgermeister das erste Mal per Direktwahl gewählt wurden, konnten sich die Kandidaten von SDA, SDS und HDZ in 90 durchsetzen. Die größten Verluste musste neben der SDP, allerdings die SDS hinnehmen, die gemessen am gesamten Stimmenanteil vom SNSD als stimmenstärkste Partei abgelöst wurde, jedoch immer noch die meisten Bürgermeister stellte. 66 (Vgl. OSCE/ODIHIR 2004: 22) Während die meisten Kommentatoren den SNSD damit als den größten Wahlsieger feierten, wurde die SDS als der größte Verlierer gewertet. Jedoch darf dieses Ergebnis nicht als ein Votum für moderate Kräfte innerhalb der Republika Srpska - Kräfte die multiethnischen Pluralismus ethnischen Partikularismus vorziehen - verstanden werden, da sich Milorad Dodik in den letzten Jahren immer mehr als Beschützer und Verfechter der ethnonationalen Interessen der bosnischen Serben hochstilisiert hatte und zu den größten Kritikern des vermeintlich gemäßigten Kurses der SDS zählte. (Vgl. Katana 2004c; Gromes 2007: 389f.) Zwar trug die schlechte wirtschaftliche Lage in der RS zu den Stimmenverlusten der SDS bei, doch wie Branko Todorovic vom Helsinki Komitee für Menschenrecht in der RS sagte: "Dodik did not win the elections with talk of social democracy. [00'] In the Republika Srpska [00'] part of the people simply felt that the SDS was no longer able to adeqllil.tely protect Serbian national interests." (zit. nach Katana 2004c) Große Veränderungen in der Haltung der wichtigsten politischen Akteure in der Serbischen Republik zu bislang umstrittenen Themenstellungen waren demnach nicht zu erwarten. Nach den Wahlen wurden die Europäische Integration und die dafür notwendigen Reformen wieder das dominante Thema in der bosnischen Politik. (Vgl. OHR 2005a: Paras. 29-31) Während in bestimmten Bereichen wie in der Verteidigungsreform signifikante Fortschritte erzielt wurden (Vgl. OHR 2005b: Paras. 47-50), blieben positive Veränderungen vor allem in den Bereichen Polizeireform und Zusammenarbeit mit dem ICTY aufgrund der anhaltenden Blockadehaltung der Behörden in der Republika Srpska weitgehend aus. Wegen der weiterhin als ungenügend eingestuften Kooperation mit dem Tribunal in Den Haag67 und der 66 Der Grund für die große Diskrepanz zwischen prozentualem Stimmenanteil und Anzahl der Bürgermeister, liegt im komplizierten Wahlsystem, welches bei den Kommunalwahlen 2004 erstmals angewendet wurde. Die Bürgermeister wurden (bis auf Sarajevo, Brcko und Mostar) per Direktwahl gewählt, während die Zusammensetzung der Gemeinderäte per Verhältniswahl bestimmt wurde. Daher konnte die SDS zwar tnit 35 Bürgermeister mehr als doppelt so viele wie der SNSD (17) gewinnen, in den Gemeindeversammlungen jedoch tnit 122.000 Stimmen etwas weniger als der SNSD (126.000) erreichen. (Vgl. OSCE/ODIHIR 2005: 3; 22; Gromes 2007: 313) 67 Zwar hatte die Polizei der Republika Srpska noch im Herbst acht bosnische Serben, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt wurden, verhaftet. Da die beiden in diesem
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damit verbundenen Ablehnung der NATO, Bosnien und Herzegowina in die Partnerschaft für den Frieden aufzunehmen, erließ der Hohe Repräsentant Ende 2004 weitere Sanktionen gegen die Serbische Republik. Neun Personen wurden ihrer Amter enthoben, Bankkonten eingefroren und konkrete Fristen festgelegt, bis zu deren Ablauf wichtige Reformschritte gesetzt werden mussten. Im Falle einer Nichteinhaltung drohten weitere Konsequenzen. (Vgl. OHR 2005c) Wie bereits einige Monate zuvor, kritisierten die serbischen Parteien geschlossen das Vorgehen der internationalen Akteure und bekräftigten, dass gegen den Willen einer konstitutiven Volksgruppe keine Veränderungen der verfassungsmäßigen Strukturen sowohl in der Republika Stpska als auch auf gesamtstaatlicher Ebene durchgeführt werden dürften, womit eine angebliche Bedrohung des Status' der Serbischen Republik neuerlich zu einem zentralen Thema wurde. Aus Protest trat RS-Ministetpräsident Dragan Mikarevic (PDP) zurück 68 , was der SDS die Gelegenheit gab, zusammen mit der SRS eine neue Regierung zu bilden. Wie zuvor, bezweifelten viele Beobachter die Wirksamkeit dieser drastischen Maßnahmen von Seiten des OHR. (Vgl. Gromes 2007: 315; Katana 2005a) Die seit langen angestrebte Polizeireform drohte sich indessen immer mehr zu einer unendlichen Geschichte zu entwickeln. Die Verantwortlichen in der Republika Stpska weigerten sich beharrlich, einen Kompetenztransfer in diesem Bereich von der Entitäts- auf die Staatsebene zu akzeptieren. Die von den internationalen Akteuren erarbeiteten Reformvorschläge 69 wurden durchwegs als eine Angriff auf die in der Verfassung von Dayton garantierten Strukturen der Republika Stpska gedeutet und abgelehnt. An dieser Sichtweise änderten auch zahlreiche Versicherungen von Seiten der internationalen Gemeinschaft, die den verfassungsmäßigen Status und die zukünftige Existenz der Serbischen Republik garantierten, wenig. Vielmehr fanden die Verantwortlichen in der RS Unterstützung für ihre Position in Serbien und auch im PIe-Mitglied Russland, deren politische Vertreter regelmäßig vor einer Auflösung der Entität warnten. (Vgl. Lyon 2006: 5565) Nach einer neuerlichen Ablehnung einer Polizeireform auf der Basis der drei EU-Prinzipien durch die parlamentarische Versammlung der RS im September 2005, wurde diese und damit verbunden eine weitere Annäherung an die EU vielZusammenhang meistgesuchten Personen Radovan KaradZic und Radko Mladic allerdings immer noch auf freiem Fuß waren, wertete die NATO und das ICIY die Zusammenarbeit als unzureichend. (Vgl. OHR 2005a: Para. 24) 68 Darüber hinaus reichten auch die beiden Minister der PDP auf Staatsebene ihren Rücktritt ein, während die Minister der SDS ihren Rücktritt androhten. Das Resultat war eine mehrmonatige Blockade des Ministerrats auf Staatsebene. (Vgl. Gromes 2007: 316) 69 Diese Reformvorschläge bauten auf drei Prinzipien auf, die von der EU vorgegeben wurden: 1. Polizeiwesen als alleinige Kompetenz des Gesamtstaates, 2. keinen politischen Einfluss auf die Polizeiarbeit, 3. regionale Organisation der Polizei auf der Basis technischer, nicht politischer Überlegungen. (Vgl. Lyon 2006: 56)
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fach bereits für gescheitert erklärt. (VgL Katana 200Sb) Mit den Worten "Think again - before its to late" (OHR 200Sd) und der Androhung weiterer weitreichender Konsequenzen, erhöhte die internationale Gemeinschaft auf einer gemeinsamen Pressekonferenz wenig später den Druck auf die Serbische Republik. (Vgl. OHR 200Sd) Knapp zwei Wochen später, votierte das Parlament der RS für eine Polizeireform und die Prinzipien der EU, womit die letzte Hürde auf dem Weg zur Ausverhandlung eines Stabilisierungs- und Assozüerungsabkommens (SAA) aus dem Weg geräumt war. Kurz darauf verkündete die EU die Aufnahme von Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. (Vgl. OHR 200Se) Das Kapitel Polizeireform war damit aber noch lange nicht abgescWossen, wie sich später noch zeigen wird.
Vetfassungsreform und Wahlen 2006 Nachdem dieser Stolperstein auf dem Weg der Annäherung an die EU aus dem Weg geräumt schien, konzentrierten sich die politischen Debatten über die Zukunft Bosnien und Herzegowinas verstärkt auf ein anderes Thema: Verfassungsreform. Die Debatte über eine Revision der Verfassung von Dayton war dabei keine Neue, sondern begleitete den Prozess der Friedenskonsolidierung in diesem Land spätestens seit dem Jahr 2000. Die Diskussionen zu diesem Thema, geführt von unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Gruppierungen, bauten auf einem gemeinsamen Grundtenor auf, wonach die verfassungsmäßige Struktur Bosnien und Herzegowinas, wie sie in Dayton festgelegt worden war, in zunehmenden Ausmaß ein Hindernis für die weitere Entwicklung dieses Staates darstellte. Dabei war allerdings keine einheitliche Linie zu erkennen, sondern wie in nahezu allen anderen Bereichen auch, besaß jede Initiative und jede ethnopolitische Gruppe ihre eigenen Vorstellungen über eine zukünftige Verfassung. (Vgl. Kukic 2006: 6-13) Während Bosniaken und Kroaten für eine tiefgreifende Reform bis hin zur Abschaffung der Entitäten plädierten, überwog in der Republika Srpska die Haltung, wonach nur kleinere Veränderungen akzeptabel seien bzw. die Eckpfeiler der Verfassung von Dayton und damit die Integrität und der Fortbestand der Republika Srpska nicht berührt werden dürften. (Vgl. Dizdarevic 2006: 39) Trotz dieser fundamental entgegengesetzten Positionen konnte sich bis März 2006 eine Koalition aus sechs Parteien (SDA, SDS, HDZ, SDP, SNSD, PDP), nicht zuletzt aufgrund erheblichen Drucks von Seiten der internationalen Gemeinschaft, über die Grundzüge einer Verfassungsreform einigen. Diese Übereinkunft sah die Abschaffung des dreiköpfigen Staatspräsidiums zugunsten eines Präsidenten mit zwei Vizepräsidenten vor, welche nicht mehr vom Volk, sondern vom Parlament auf Staatsebene bestellt werden sollten. Darüber hinaus sah es Veränderungen in den Strukturen und Kompetenzen der Parlamente und des Ministerrats auf Staatsebene vor. Bei Fragen zur EU-Integration, sollte darüber hinaus nicht mehr die Zustim-
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mung der Entitäten erforderlich sein. Im April verfehlte eine Abstimmung im Repräsentantenhaus in Sarajevo die für einen Beschluss notwendige Mehrheit jedoch um zwei Stimmen, wobei die Gegenstimmen in erster Linie aus dem Lager der SBiH und der HDZ 1990 70 kamen. (Vgl. leG 2007: 10; Grames 2008: 21) Damit war das Thema Verfassungsreform vorläufig gescheitert. Die Frage wie und ob eine Änderung der Verfassung von Dayton durchgeführt werden sollte, blieb in den kommenden Monaten und im Vorfeld der allgemeinen Wahlen am 1. Oktober 2006 das zentrale Thema. Gekennzeichnet war dieser Zeitraum von einer stetigen Zunahme interethnischer Spannungen, die sich teilweise in bewaffneten Angriffen auf religiöse oder kulturelle Symbole der ethnonationalen Gruppen entluden. Teilweise war dies eine direkte Folge der zunehmend nationalistischen Rhetorik, die von führenden Politikern im Hinblick auf die Wahlen verwendet wurde. (Vgl. Hchhr BH 2007) Das Helsinki Komitee schrieb in diesem Zusammenhang: "With the goal of winning support of voters, political leaders and election candidates largely resorted to nationalistic rhetoric and creation of fear among ethnic groups. The politicians' statements mostly reminded of the time preceding the war period in the nineties." (Hchr BH 2007) Interessanterweise waren es nicht mehr in erster Linie die drei großen nationalistischen Parteien, die diesen nationalistischen Diskurs dominierten, sondern vor allem die "neuen" Ethno-Nationalisten in Form von SBiH und SNSD. Deren Parteiführer Haris SilajdZic und Milorad Dodik dominierten den Wahlkampf, in dem sie die Frage nach einer neuen Verfassung zum Hauptthema machten. Während die SBiH immer wieder eine Auflösung der Entitäten forderte und die Republika Srpska als ein Produkt des Genozids bezeichnete, entgegnete Dodik mit der Androhung eines Unabhängigkeitsreferendums für die Serbische Republik. Themen wie Arbeitslosigkeit, Korruption oder wirtschaftliche Entwicklung spielten dagegen kaum eine Rolle. (Vgl. Vuletic/Bukovac 2006: 2E) Dodik stellte sogar die Annäherung an die EU infrage, als er sagte: "if the abolishment of the RS is precondition for EU integrations, than we will rather say good bye to Europe. " (zit. nach: Vuletic/ Bukovac 2006: 3) Der Konfikt zwischen den ethnonationalen Gruppen schien somit auch elf Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton, für den Großteil der Politiker in Bosnien, der bedeutendste Ansatzpunkt zur Mobilisierung der Wähler zu sein. Etwas polemisch stellen Vuletic und Bukovac die zentrale Frage vor den Wahlen dar: ,,[...] who is the most stubborn politician, the strongest person and the strongest party able to protect my peoples national interest and stand for my believes over the 70 Die HDZ 1990 hatte sich im April 2006 von der HDZ abgespalten. Die thematischen Unterschiede zwischen diesen beiden Parteien sind allerdings äußerst geringfügig, da die Spaltung eher aus einem Personalstreit als aus einem partei-ideologischen Zwist resultierte. (Vgl.Vuletic/Bukovac 2006: 7;12)
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Potentielle Spoiler und deren Einfluss auf die Friedenskonsolidieurng in Bili future sttucture of Bili, no mattet how irrational it is, and no mattet of what they planed to do or what they did so far in improving my standard of life?" (VuletiC/Bukovac 2006: 4)
Mit dem neuen Hohen Repräsentanten Christian Schwarz-Schilling änderte sich auch einmal mehr die Strategie des OHR, wie sich vor den Wahlen deutlich zeigte. Schwarz-Schilling, der mit dem Vorsatz angetreten war, der letzte HR zu sein, vollzog unmittelbar nach Amtsantritt Ende Jänner 2006 einen radikalen Bruch mit dem Kurs seines Vorgängers Ashdown, als er ankündigte, seine Bonner Vollmachten, nur noch in Ausnahmefillen einsetzen zu wollen. (Vgl. ICG 2007: 4-6) Vor den Wahlen beließ es Schwarz-Schilling gemäß seines "sanften Ansatzes" im Großen und Ganzen deshalb auch bei Aufforderungen an die Wähler, jene Politiker zu wählen, die in der Lage seien, Bosnien auf dem Weg nach Europa voran zu bringen. (Vgl. OHR2006a) Am WaWtag entschied sich jedoch der Großteil jener, die ihre Stimme abgegeben hatten, für die nationalistischen Parteien. Die großen Wahlsieger waren wie zu erwarten der SNSD und SBiH, während SDA, SDS und HDZ teilweise empfindliche Verluste verzeichneten. Deutlich zeigt sich dies zum einen in den Wahlen zum Staatspräsidium, in das erstmals kein Vertreter dieser drei Parteien einziehen konnte. SilajdZie setzte sich hier gegen Tihie (SDA) durch, während Radmanovie (SNSD) über den Kandidaten der SDS triumphierte. Eine Überraschung war die Wahl für den kroatischen Vertreter, in der Komsie von der SDP sich gegen den HDZ-Politiker Jovie durchsetzen konnte. In den Wahlen zum Repräsentantenhaus auf Staatsebene blieb die SDA zwar stimmenstärkste Kraft, SBiH und SNSD konnten aber auch hier deutlich zulegen, während die HDZ wiederum viele Stimmen an die HDZ 1990 verlor. Ein ähnliches Bild ergab sich für das Repräsentantenhaus der Föderation. In der Wahl zur Nationalversammlung der Republika Srpska konnte die SNSD sogar knapp eine absolute Mehrheit erreichen, indes die SDS ein Drittel ihrer Stimmen verlor. Zum neuen Präsidenten der RS wurde Milan Jelie (SNSD) gewählt, der damit gegen Amtsinhaber Cavie als Sieger hervorging. (Vgl. Gavrie/Banovie 2007: 59-61; Gromes 2007: 345-348) Das scWechte Abschneiden der drei bislang dominierenden nationalistischen Parteien lässt sich aus mehreren Ursachen erklären. Zum einen führten die vielen internen Streitigkeiten innerhalb dieser Parteien, die sich am deutlichsten anband der Spaltung der HDZ zeigten, zu einem Vertrauensverlust in der potentiellen Wählerschaft. Zum anderen gelang es SBiH und SNSD im Vorfeld dieser Wahlen besser, sich als Bewahrer der nationalen Interessen der jeweiligen Volksgruppe zu positionieren. Der Streit und die Debatte über die zukünftige Verfassung des Landes wurde am deutlichsten von diesen beiden Parteien geführt, während SDA, SDS und HDZ sich zurückhaltender verhielten. (Vgl. Gavrie/Banovie 2007: 12f.) Darüber hinaus gelang es vor allem Dodik, im Gegensatz zur SDS, die immer mehr
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für die schlechte wirtschaftliche Lage in der Republika Srpska verantwortlich gemacht wurde und als Hort der Korruption galt (Vgl. Katana 2004c), sich als jene Alternative zu positionieren, die die Serbische Republik in eine bessere Zukunft führen würde. So wurde ein Mitglied des SNSD mit den Worten zitiert: "The new concept of European solution is on the stage now. It comprehends economic prosperity which reflects through parol 'RS- better part of Bill'... It comprehends referendum, the only indisputably democratic tooI. ..Carrier of such concept is Milorad Dodik and SNSD." (zit. nach OHR 2006b) Damit wurde die SDS Opfer einer Strategie, die sie vor den ersten Wahlen im Jahr 1990, in denen sie sich als Alternative zu den unpopulär gewordenen Kommunisten präsentierte, selbst angewendet hatte. Bis auf die SDS, die sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in Opposition ging, konnten sich die nationalistischen Parteien nach mehreren Monaten der Verhandlungen auf Koalitionen auf den drei höchsten Ebenen des Staates einigen. (Vgl. OHR 2007a: Paras. 20-21) Der Ton in der bosnischen Politik änderte sich dadurch kaum. Dodik hielt seine Drohungen über eine Unabhängigkeitsreferendum weiter aufrecht, während SDA und SBiH sich durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Februar 2007, in dem die Ereignisse in Srebrenica im Juli 1995 als Genozid bewertet wurden, bestätigt fühlten, die Auflösung der ihrer Meinung nach auf Völkermord gebauten Republika Srpska zu fordern. (Vgl. Gromes 2008: 22) Da mit dem SNSD und der SBiH zwei, in ihren Positionen völlig antagonistische Parteien in der Regierung vertreten waren, blieben Fortschritte in den für eine weitere Annäherung an die EU wichtigen Bereichen wie Polizei- und Verfassungsreform großteils aus. In einem Fortschrittsbericht der EU, der Ende 2007 veröffentlicht wurde, war daher folgendes zu lesen: "Overall, Bosnia and Herzegovina's politicalleaders have given lirnited attention to the necessary reforms and nationalist rhetoric has prevailed. Bosnia and Herzegovina has made no progress towards creating more functional and affordable State sttuctures which support the process of European integration, e.g. through constitutional reform." (EUCOM 2007: 8)
Polizeireform war auch das Thema, welches Miroslav Lajcak, der Christian SchwarzSchilling nach nur etwas mehr als einem Jahr, in seinem Amt als Hoher Repräsentant in Bosnien und Herzegowina ablöste, auf seiner Prioritätenliste ganz oben ansetzte. (Vgl. OHR 2007b) Nachdem die regierenden Parteien bis Ende September keinen, im Einklang mit den EU-Prinzipien stehenden Kompromiss finden konnten, begann Laje:ik wieder verstärkt auf seine Vollmachten zurückzugreifen, um wichtige Reformen in Bosnien und Herzegowina voranzubringen. Nach und nach wollte er von nun an, durch eine Reihe von Erlässen, die noch bestehenden Hürden auf dem Weg zur Annäherung an die EU beseitigen und die
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Funktionalität des bosnischen Staates zu erhöhen. 71 (Vgl. OHR 2007d) Doch das OHR musste seine anvisierte Verschärfung der Gangart schon nach den ersten Entscheidungen, mit denen die Verfahrensweisen in Ministerrat und Parlament geändert wurden, wieder zurücknehmen. Vor allem in der RS fiel die Reaktion auf die Erlässe heftig aus. Dodik drohte eine vollständige Blockade der bosnischen Institutionen an und die Nationalversammlung bezeichnete die Vorgehensweise als verfassungswidrig. (Vgl. ICG 2009: 12() Wesentlich verheerender als die Angriffe aus der serbischen Entität war für Laj6ik allerdings der Verlust an Unterstützung von Seiten des PIe. Obwohl dieser anfangs dem OHR noch seine volle Unterstützung zusicherte (Vgl. OHR 2007d, Annex), schwand der Wille die schärfere Vorgehensweise mitzutragen schon nach wenigen Wochen. Im Endeffekt musste Lajcäk seine Strategie still und leise zu Grabe tragen. Anstatt die Funktionalität des Staates zu erhöhen und Bosnien auf dem Weg der Europäischen Integration einen Schritt weiter zu bringen, war die Glaubwürdigkeit des OHR noch stärker beschädigt und BiH um einen Konfliktpunkt reicher. (Vgl. ICG 2009: 13() Dennoch konnte sich die Regierungskoalition noch im Jahr 2007 auf ein grundlegendes Übereinkommen über eine Reform der Polizeikräfte einigen. Kritiker merkten allerdings an, dass der letztendlich gefundene Kompromiss, gemessen an den ursprünglichen Bedingungen der EU, unzureichend sein (Vgl. ICG 2009: 13), dennoch erklärte die EU wenig später, dass alle Kriterien für die Unterzeichnung eines SAAs erfüllt seien. Der Hohe Repräsentant prophezeite in seiner Freude über diese Entwicklungen eine neue Ära der politischen Zusammenarbeit in Bosnien und Herzegowina: "The political debate in Bosnia and Herzegovina is entering a new phase. Politicians have shown leadership and a willingness to reach compromise for the benefit of all citizens." (OHR/EUSR 2007c) Das von Lajcäk postulierte neue, konstruktive politische Klima sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein. 71 Auf eine Pressekonferenz am 18. Oktober 2007, begründete Lajcak seine Vorgehensweise folgendermaßen: "We are all aware that Bosnia and Herzegovina does not function as it should, does not function as a healthy, normal state. The goal of the international community, whose highest representative I am here, is to change this - and change it to the better. [...] There are several ways how this objective can be achieved. The most favourable of them is to achieve this goal through European integration. [...] But because your politicians rejected going on this modern, European road, inevitably we must now search for other ways to come to a stable, modern and demoeratic Bosnia and Herzegovina. [...] This is the beginning of a process in which I will continue working on a more efficient implementation of the Dayton Agreement and on strengthening the functionality of this country." (OHR 2007d) 72 So sagte selbst ein bosnischer Minister Anfang 2008 in einemInterview: "We bad to adopt the police reform, no matter what form it took. This reform is not a sufficient step forward but it allows us to bave something that we need: to sign the SAA." (AFP 2008)
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Rhetorische Eskalation Am 26. Januar verabschiedete die Nationalversammlung der Republika Srpska eine Resolution, in der sie die Umgestaltung Bosnien und Herzegowinas in eine asymmetrische Föderation forderte und das Recht auf Selbstbestimmung und Sezession für die Serbische Republik beanspruchte. Die Verabschiedung dieser Deklaration, die im Zusammenhang mit der bevorstehenden Unabhängigkeitserklärung des Kosovo zu sehen war, wurde zwar umgehend von OHR und PIC zurückgewiesen (Vgl. OHR 2008c: Paras. 5-6), bestimmte aber die Richtung in die sich Bosnien in den nächsten Monaten entwickeln würde. Ende Februar bekräftigte der PIC trotzdem seinen Wunsch, das OHR zu schließen und dessen Agenden an den EUSR zu übergeben. Konkret wurde ein Kriterienkatalog beschlossen, dessen Erfüllung eine Voraussetzung für das Ende der OHR-Mission in Bosnien und Herzegowina sein sollte. So müssen noch offene Fragen und Streitpunkte in Bezug auf die Aufteilung des Eigentums des Staates bzw. des Militärs und der Status der Region Brcko endgültig geklärt werden. Dazu muss die fiskalische Stabilität und die Rechtsstaatlichkeit Bosnien und Herzegowinas gesichert sein. Des weiteren wurde die Transition des OHR von der Unterzeichnung des SAAs und einer positiven Bewertung der politischen Situation abhängig gemacht. (Vgl. PIC 2008) Eine der wenigen, aus der Sicht der Friedenskonsolidierung positiven Entwicklungen im ersten Halbjaht 2008 war die Verabschiedung von zwei Gesetzen zur Polizeireform, auf die man sich im Dezember verständigt hatte, die es ermöglichten, dass am 16. Juni das SAA unterzeichnet werden konnte. Bezeichnend für die politische Situation in diesem Land ist die Zeitspanne von mehr als sechs Monaten, die notwendig war um ein Abkommen der Regierungskoalition in konkrete Beschlüsse und Gesetze zu fassen. (Vgl. OHR 2008c: Paras. 17-21) Dieses Ereignis wurde allerdings durch zunehmend schlechte Nachrichten überschattet. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008, löste starke Reaktionen in der Republika Srpska aus. Neben zahlreichen Demonstrationen forderten einige radikale serbische Vereinigungen ihrerseits die Unabhängigkeit der Serbischen Republik. Dodik reagierte diesbezüglich zwar zurückhaltend, machte aber klar, dass er jeden Versuch der diplomatischen Anerkennung des Kosovos durch Bosnien und Herzegowina verhindern werde. (Vgl. Alic 2008) Darüber hinaus sagte er in einem Interview: ,,[that it would prove] difficult to explain to people why the Kosovo principle cannot apply to Republika Srpska [...]." (Alic 2008) Wenige Tage später folgte eine neuerliche Deklaration der Nationalversammlung der RS, in der festgehalten wurde, dass die Serbische Republik ein Referendum über ihre Unabhängigkeit abhalten würde, falls der Kosovo von einer großen Zahl an Staaten anerkannt werden würde. (Vgl. Gromes 2008: 22) In den folgenden Monaten wurde der Streit über die Staatlichkeit Bosnien und Herzegowinas neuerlich verstärkt ausgetragen. Die kroatischen Parteien, allen
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voran die HDZ, die zuletzt kompromissorientierter aufgetreten waren, forderten im Verlauf des Jahres 2008 wieder verstärkt eine eigene, dritte Entität ein, da sie sich in zunehmenden Maße aus dem politischen System des Gesamtstaates ausgeschlossen fühlten. (Vgl. Sito-Sucic 2008) Dragan Covic beklagte sich in einem Interview: "Nobody asks us about anything in any of the two regions and we have no constitutional right to make decisions equally as do the other two peoples." (Sito-Sucic 2008) Im Juli bekräftigten HDZ und HDZ 1990 ihren Standpunkt, wonach die Schaffung einer dritten Entität eine Option sei, die sie verfolgen würden. (Vgl. OHR 2008d: Para. 9) Neben diesen neuerlichen kroatischen Forderungen, spitzte sich der Konflikt zwischen Bosniaken und Serben immer weiter zu. Haris Silajdzic, wiederholte im September 2008 vor der UN-Generalversamrnlung indirekt seine Anschuldigungen, wonach die Republika Srpska ein Produkt des Genozids sei. Milorad Dodik wiederum verkündete, dass die Serbische Republik keine weiteren Kompetenzen an den Gesamtstaat abgeben werden, sondern ganz im Gegenteil versuchen werde, verlorene Kompetenzen zurückzugewinnen. (Vgl. OHR 2008d: Paras. 14-15) Zum einen waren diese Äußerungen im Kontext der bevorstehenden Kommunalwahlen im Oktober 2008 zu sehen, zum anderen zeigten sie aber auch, dass interethnische Kooperation, zumindest unter den politischen Eliten in Bosnien, auch dreizehn Jahre nach Kriegsende eine Ausnahme darstellte. Kurz vor den Wahlen, verlangte die Führung der SDA sogar, dass die Dayton-Verfassung wieder durch die Verfassung der "Republik von Bosnien und Herzegowina" aus Kriegstagen ersetzt werden sollte. (Vgl. OHR 2008d: Para. 7) Der Wahltag brachte schließlich eine neuerliche Bestätigung der nationalistischen Parteien. Der SNSD erfuhr eine Bestätigung ihrer Position als stärkste serbische Partei, während die SDS ähnliche Verluste wie bei den allgemeinen Wahlen im Jahr 2006 hinnehmen musste. Die SDA hingegen, konnte ihre Rolle als führende bosniakische Partei deutlich zurückgewinnen. Die HDZ blieb im Vergleich zu den Wahlen 2004 stabil und verlor nur wenige Stimmen an die HDZ 1990. Die SDP konnte zwar nur neun Bürgermeisterposten erringen, stellte aber insgesamt in den Gemeindevertretungen die drittstärkste Kraft. (Vgl. Krause 2008: 4) Ethnonational definierte Parteien hatten sich somit auch bei den vorläufig letzten Wahlen in Bosnien und Herzegowina als jene Kräfte mit dem größten Mobilisierungspotential erwiesen. Große Hoffnungen auf eine Veränderung der politischen Situation ließ dieses Ergebnis nicht zu. Nach den Wahlen 2008: Von Prud nach Butmir Obwohl die Rufe nach einem Unabhängigkeitsreferendum in der RS auch nach dem Wahltag nicht verstummten und die generelle politische Situation weiterhin äußerst angespannt blieb (Vgl. OHR 2008d: Paras. 12-17), konnten die Vertreter der führenden Parteien am 8. November 2008 in der kleinen nordbosnischen Gemeinde
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Prud die Unterzeichnung eines aus ihrer Sicht "historischen Kompromisses" verkünden. Diese Übereinkunft sollte den Beginn eines Prozesses markieren, dessen Ziel es war, gemeinsame Positionen zur Erfüllung der vom PIC im Februar aufgestellten Forderungen zu finden und das Vorhaben einer Verfassungsreform auf eine neue tragfähige Basis zu stellen. (Vgl. ICG 2009a: S.4f.) Doch die weiteren Treffen im Rahmen des Prud-Prozesses machten die Uneinigkeit und die Vielzahl der unterschiedlichen Visionen über die Zukunft Bosnien und Herzegowinas schnell sichtbar. Die Frage nach der Struktur des Staates war auch hier wieder ein zentrales Thema, an dem sich die Streitigkeiten letztendlich am stärksten entzündeten. Die RS lehnte jeden VorscWag vehement ab, der Veränderungen am Status der Entität bedeuten hätte können. Der SNSD wiederholte unterdessen immer wieder seine Forderungen nach einem Sezessionsrecht für die RS und scWug u.a. die Umbildung Bosnien und Herzegowinas in eine "Union unabhängiger Staaten" vor. (Vgl. OHR 2009a: Paras. 4-5) Auf der anderen Seite zeigte sich im Verlauf des Prud-Prozesses die tiefe Spaltung innerhalb der SDA sehr deutlich. Auf der einen Seite stand dabei Parteichef Tihie, der in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 immer stärker versuchte, auf die anderen ethnopolitischen Gruppen zuzugehen und Kompromisse für die anstehenden Probleme BiHs zu finden. So versicherte er den Parlamentariern der RS im Oktober, dass der Status der Entität nicht ohne Zustimmung ebendieser verändert werden könne. Und im Dezember hielt er zudem eine vielbeachtete Rede, in der er die Bosniaken dazu aufforderte, "the philosophy of victimhood and selfpity" (zit. nach ICG 2009a: 6) aufzugeben und stattdessen gemeinsam mit Kroaten und Serben an der Lösung der Probleme BiHs zu arbeiten. (Vgl. OHR 2009a: Para. 8, ICG 2009a: 6) Diese Aufforderung, die durchaus als Umkehr des bosniakischen Selbstverständnisses nach dem Ende des Krieges gewertet werden kann, brachte ihm harsche Kritik sowoW aus seinem eigenen, als auch aus dem Lager der SBiH ein, das ihm des Verrats am Staat und der Nation bezichtigte. Diese Spaltung innerhalb der Bosniaken, erschwerte für Tihie die ohnehin komplizierten und emotional aufgeladenen Verhandlungsrunden zusätzlich. (Vgl. ICG 2009a: 6) Im Verlauf der ersten Hälfte des Jahres 2009 zeichnete sich schließlich immer stärker ab, dass der Prud-Prozess nicht den erhofften Ausweg aus der politischen Sackgasse bringen würde. Den Anfang vom Ende leitete Milorad Dodik ein, als er Ende Februar eine Verhandlungsrunde verließ, nachdem er neue (unannehmbare) Konditionalitäten für weitere Verhandlungen (z.B. Sezessionsrecht der RS nach einer Wartezeit von drei Jahren) gestellt hatte. (Vgl. OHR 2009a: Para. 13, ICG 2009a: 5) Aus der RS waren in den folgenden Monaten auch immer wieder sehr scharfe Angriffe auf das OHR zu vernehmen. Vor allem Dodik trat immer deutlicher gegen die internationale Verwaltung und deren Entscheidungen auf. Im April verlautbarte er, ,,[that] the stability of Bosnia and Herzegovina is most endangered
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by the long-term and illegal acitvity of the Office of the High Representative." (OHR 2009a: Para. 6) Diese direkten Angriffe auf das OHR machen deutlich, dass das OHR in den letzten Jahren sehr stark an Autorität in BiH verloren hat. Angesichts der angespannten Lage in Bosnien und Herzegowina und den unzureichenden Fortschritten in Bezug auf die im Februar 2008 formulierten Vorbedingungen für den Abzug des OHR, verlängerte der PIC im März 2009 dessen Mandat und bestellte Valentin Inzko zum Nachfolger von Miroslav Lajcak, der das Amt des slowakischen Außenministers annahm, als Hoher Repräsentant. (Vgl. PIC 2009) Inzko, der diese Rolle zu einem denkbar schwierigen Zeitpunkt übernahm, in einer Phase die von ständig wachsenden politischen Antagonismen gekennzeichnet war, machte schon in seiner ersten Rede vor dem Parlament deutlich, dass er gewillt sei, sich aktiv am politischen Prozess in BiH zu beteiligen. So sagte er: ,.As EU Special Representative, I will play a strong role in facilitating compromise and progress on a more comprehensive European integration agenda." (OHR 2009b) Wie schwierig dies in Anbetracht der immer offener vorgetragenen Angriffe auf dieses Amt vor allem aus der RS sein würde, sollte sich schon sehr bald zeigen. Die Rede Inzkos machte noch einen weiteren Punkt sehr deutlich: die Anziehungskraft einer stärkeren Integration in europäische Strukturen hatte in den letzten Jahren, zumindest auf der Ebene eines Teils der politischen Elite, anscheinend sehr stark nachgelassen. Die Hoffnung, dass die Vision einer europäischen Zukunft die politische Blockade lösen und zu einer stärker konsensorientierten Zusammenarbeit der ethnopolitischen Gruppen führen würde, schien sich nicht zu bestätigen. So sagte der neue Hohe Repräsentant nüchtern: "There was an expectation, widely shared both here and abroad, that last June's signature of the Stabilisation and Association Agreement with the EU would unleash a single-minded and energetic determination 10 make Bosma and Herzegovina's European aspiration a reality. But this hasn't happened."
Mit dieser lapidaren Analyse muss allerdings auch der strategische Ansatz der internationalen Akteure in Frage gestellt werden, die in erster Linie auf die moderierende Wirkung einer EU-Beitrittsperspektive gebaut war. Doch mangels Alternative sollte dieser Ansatz auch in Inzkos bisheriger Amtsperiode den programmatischen Kern des internationalen Engagements in BiH bilden. Die politische Situation veränderte sich in den nächsten Monaten nicht. Die bosnischen Politiker konnten sich bei den wenigen Gelegenheiten bei denen sie zusammentrafen nur zu geringfügigen Kompromissen einigen, während aggressive Rhetorik immer offener in der Öffentlichkeit vorgetragen wurde. Wieder war es Dodik, der sich mit seinen Aussagen zur Staatlichkeit BiHs und seinen Angriffen auf das OHR das meiste Gehör verschaffte. (Vgl. OHR 2009c: Paras.4-lO) Angesichts des politischen Stillstandes war es auch wenig verwunderlich, dass die EU Bosnien und Herzegowina die Aufhebung der Visapflicht verwehrte. (Vgl.
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OHR 2009c: Paras. 15-16; 29-31) Ein weiteres Opfer der ständigen politischen Provokationen war der Prud-Prozess, der im Sommer 2009 als gescheitert angesehen werden kann. Wieder hatten sich partikulare politische Interessen, verdeutlicht im Streit über die Neuordnung des Staates, gegenüber den gemeinschaftlichen Interessen aller drei ethnischen Gruppen durchgesetzt und die Blockade des politischen Systems prolongiert. Sehr treffend analysierte der HR in diesem Zusammenhang: "lli-advised discussions on the future territorial organization of the country as part of initial constitutional reform consultations led to all sides falling back to their maximalist positions and in some cases going beyond what they had previously called for." (OHR 2009a: Para. 4) Die Auseinandersetzungen zwischen dem Hohen Repräsentanten und den offtziellen Vertretern der RS, allen voran Dodik, fand im September 2009 einen weiteren Höhepunkt. Nachdem Inzko per Erlass die Blockade eines landesweiten Energieversorgers durch die RS beenden wollte, reagierte die Nationalversammlung der Entität mit einer Erklärung, in der sie alle Entscheidungen des HR als "null and void, illegal and a violation of the Dayton Peace Agreement" (OHR 2009c: Para. 23) bezeichnete. Darüber hinaus drohte Dodik alle serbischen Repräsentanten aus den staatlichen Institutionen abzuziehen, sollte der Hohe Repräsentant seine Befugnisse ein weiteres Mal einsetzen. (VgL OHR 2009c: Para 23; leG 2009b: 2) Der beständige Konflikt zwischen den internationalen Akteuren und den Vertretern der Republika Srpska schien somit endgültig zu eskalieren.73 Bezeichnend für die angespannte Lage ist die Tatsache, dass in Zusammenhang mit Bosnien und Herzegowina immer öfter wieder das Wort "Krieg" in den Mund genommen wurde. Vor allem in Verbindung mit der beständigen Forderung von Vertretern der RS nach Unabhängigkeit, ließen sich die Protagonisten aller Seiten zu Kommentaren hinreißen, die von der jeweils anderen Seite als Kriegsdrohung aufgenommen wurden. (VgL Latal 2009) Obwohl ein neuerlicher Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen als unwahrscheinlich gelten muss (VgL Gromes 2009: 2-4), deuten die immer häufiger auftretenden Debatten über das Thema "Krieg", dennoch auf eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzungen hin. 73 Der Konflikt zwischen diesen beiden Akteuren gewann bereits seit dem Frühjahr ständig an Intensität. So beschloss die Nationalversammlung der RS im Mai, dass sie gegen die Übertragung von Kompetenzen von den Entitäten auf den Gesamtstaat Klagen einbringen werde. Zudem legte sie eine Liste vor, in der 68 abgegebene Kompetenzen aufschienen, von denen nach Meinung der Parlamentarier nur drei rechtmäßig an den Staat abgegeben wurden. Inzko kritisiere diese Entscheidung scharf und annullierte sie einen Monat später. Im Verlauf des Sommers setzte Dodik seine Angriffe auf das OHR immer pointierter fort. So drohte er u.a. alle bisherigen HRs zu verklagen und betonte immer wieder, dass er die Bonner Vollmachten und alle daraus resultierenden Entscheidungen als illegal und nicht verfassungsmäßig ansah. (Vgl. OH 2009c: Paras.8-10; 19-21)
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In einem Versuch die angespannte Situation zu beruhigen und die politische Blockade zu beenden, luden die USA und die EU im Oktober 2009 die Vertreter der führenden Parteien zu Gesprächen auf die Butmir-Militärbasis, dem EUFORHauptquartier. Dabei legten die internationalen Akteure ein umfassendes Reformpaket vor (Vgl. ICG 200%: 7f.), welches sowohl Änderungen der Verfassung als auch die noch offenen Punkte der PIC-Konditionen vom Februar 2008 ansprach. (Vgl. ICG 200%: 4) Die Voraussetzungen für den erhofften Durchbruch waren von Beginn an schlecht. Der überwiegende Teil der teilnehmenden Parteien macht von Anfang an klar, dass ihren bisherigen Positionen keine großen Änderungen unterzogen werden würden (Vgl. Alic 2009). Dodik wurde vor dem Treffen mit den Worten zitiert: ,,1 don't really love Bosnia and Herzegovina, I am interested in RepubIika Srpska only, but we can open the talks." (Alic 2009) Deutlicher kann das Desinteresse an einem Ende der politischen Patrsituation nicht ausgedrückt werden. Nach zwei ergebnislosen Verhandlungsrunden und einem "nachgebesserten" Angebot der internationalen Gemeinschaft mussten auch die Butmir-Gespräche Ende November 2009 als gescheitert angesehen werden. Das Jahr 2010 brachte bislang keine großen Veränderungen. Abgesehen, dass Bill als Nicht-Ständiges-Mitglied in den UN-Sicherheitsrat gewählt wurde und die NATO den Staat in den Membership Action Plan - einer Vorstufe zum vollständigen Beitritt - aufgenommen hat, gab es nur marginale Fortschritte. Die bosnischen Politiker verharren auf ihren altbekannten Positionen und der Dissens über grundlegende Fragen verhindert weiterhin wichtige Reformschritte. (Vgl. OHR 2010) Seit 2008 findet sich in jedem Bericht des OHR eine Passage mit nahezu identischem Wortlaut: ,,[...] nationalist, anti-Dayton rhetoric challenging the sovereignty, territorial integrity and constitutional order of Bosnia and Herzegovina [00']' have continued to dominate politics in Bosnia and Herzegovina. Of particular note are the ongoing attaeks by the Republika Srpska government against State institutions, competencies and laws. Together with provocative statements &om the Bosniak side questioning the right of the Republika Srpska to enst, this has served to further undermine inter-ethnic trust, creating a cycle where it is more and more difficult for the countries leaders to meet each other half way so that they may make decisions needed to take the country forward." (OHR 2008d: Summary)
Größere Veränderungen dieser Situation sind in naher Zukunft nicht zu erwarten. Im Herbst 2010 werden die Bürger Bosnien und Herzegowinas ein weiteres Mal zu den Urnen schreiten, um die politischen Vertreter in den höchsten staatlichen Gremien zu bestimmen. Die Wahlkampfphase wird sich nach Meinung vieler Beobachter kaum von den bisherigen unterscheiden: ethnonationale Themenstellungen werden dominieren, während die grundlegenden ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Probleme in den Hintergrund gedrängt werden. (Vgl. OHR 2010:
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Para. 3; Alic 2010) Auf den langersehnten Durchbruch in Bosnien und Herzegowina wird man also noch weiter warten müssen.
Fazit nachfürifzehn Jahren Demokratisierung in Bosnien und Herzegowina Fünfzehn Jahre nach dem formalen Ende des Krieges, fällt eine Bilanz über die internationale Demokratisierungspolitik in Bosnien und Herzegowina äußerst zwiespältig aus. Die Gesellschaft und das politische System ist im Jahr 2010 immer noch entlang ethnischer Trennlinien gespalten, interethnische Kooperation vor allem unter den Eliten eher die Ausnahme als die RegeL (Vgl. Gromes 2009: 28ff.) Der Gesamtstaat besitzt aufgrund des Widerstands in den ethnisch definierten Entitäten auch weiterhin nur wenige Kompetenzen. Die meisten politischen Parteien fühlen sich nicht der gesamten Bevölkerung verpflichtet, sondern lediglich ihrer jeweiligen ethnonationalen Gruppe, deren Unterstützung sie sich in erster Linie durch die gezielte Bedienung ethnischer cleavages zu sichern versuchen. Die durch die Verfassung von Dayton etablierten demokratischen Strukturen und Institutionen arbeiten aufgrund ihrer Komplexität und mangelnder Kompromissbereitschaft weiterhin äußerst ineffektiv und stellen vielfach eher ein Hindernis als einen Mechanismus zur Sicherung demokratischer Verfahrensweisen dar. (Vgl. Bertelsmann Stiftung 2007: 5-12) Hinzu kommt, dass Bosnien und Herzegowina immer noch als ein internationales Halb-Protektorat angesehen werden muss, in dem vor allem der Hohe Repräsentant mit seinen weiten Vollmachten immer wieder in den politischen Prozess interveniert. (Vgl. Gromes 2008: 31-33) Dieser Befund darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bosnien und Herzegowina in den letzten fünfzehn Jahren auch einige wichtige Schritte vorwärts gemacht hat, auf dem langen Weg der Friedenskonsolidierung. Der Konflikt wurde zum Großteil in die durch das Friedensabkommen von Dayton geschaffenen Institutionen verlegt, und Grundfreiheiten wie Meinungs-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit konnten weitgehend realisiert werden. Darüber hinaus wurden zahlreiche Wahlen zu den Organen des Staates und der Entitäten durchgeführt, welche in zunehmenden Ausmaß als frei und fair bezeichnet werden konnten. (VgL Gromes 2007: 320-330; 338-340) Ein grundlegendes Problem Bosnien und Herzegowinas auf dem Weg zu einer multiethnischen, demokratischen Gesellschaft besteht allerdings weiterhin darin, dass die Frage der Staatlichkeit bislang nicht endgültig gelöst scheint. Nachdem die Akzeptanz des gemeinsamen Staates Bosnien und Herzegowinas langsam zuzunehmen schien, begann sich diese Entwicklung in den letzten Jahren wieder umzukehren. Vor allem in der Republika Srpska stellte Milorad Dodik die Abspaltung der Entität und somit die Zukunft des Staates Bosnien und Herzegowina immer öfter in Frage. 2007 sagte er z.B. "er glaube nicht, dass Bosnien und Herzegowina 2017 noch bestehen werde" (Gromes 2008: 23) und im Februar 2009
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meinte er in einem Interview: "Bosnien ist für uns ein Zwang." (Ivanji 2009). Die zunehmende Radikalisierung der Rhetorik unter den Politikern führte schließlich dazu, dass auch unter den Bürgern des Landes (v.a. in der RS) die Zustimmung zum gemeinsamen Staat im Sinken begriffen ist. (VgL Gromes 2008: 22E; 27E) Eines der Kerne1emente des ethnopolitischen Konflikts in Bosnien und Herzegowina - die Frage nach der Struktur des Staates - ist somit immer noch ein Thema an dem sich heftige Streitigkeiten entzünden. Die fehlende Akzeptanz des Staates, dessen noch immer in weiten Teilen bestehende gesellschaftliche und institutionelle ethnische Teilung und damit verbunden das Fehlen einer gemeinsamen Zukunftsvision führen dazu, dass Bosnien und Herzegowina auch fünfzehn Jahre nach Kriegsende noch nicht als konsolidierte Demokratie bezeichnet werden kann, auch wenn vereinzelte Erfolge nicht zu verleugnen sind. Zu diesen Schlüssen kommen auch zahlreiche sozialwissenschaftliche Indizes wie der Bertelsmann Index (Vgl. Bertelsmann Stiftung 2007) oder Nations in Transit (Vgl. Jelisic 2008), die Bosnien und Herzegowina wesentliche demokratische Defizite bescheinigen. Dieses demokratische Defizit zeigt sich deutlich in der großen Diskrepanz zwischen Themen, welche nach Meinungsumfragen die Bürger Bilis am stärksten beschäftigen und jenen Themen, die die tagespolitische Agenda dominieren. In einer im Oktober 2009 durchgeführten Umfrage des National Democratic Institute waren die fünf meistgenannten Probleme Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Korruption, Ökonomie und die politische Landschaft. (Vgl. NDI 2009a: 7) Die Parteien in Bosnien und Herzegowina nehmen sich dieser Themen zwar durchaus an, dennoch werden diese von den Streitigkeiten über die territoriale und institutionelle Organisation des Staates oft überdeckt. ,,[...] because ethnic issues crowd out other issues, and thus repress the formation of other political alignments, Bosnians do not have the possibility to debate and argue over other topics." (NDI 2009b:7) Der Mangel an Debatten über Sachthemen und damit verbunden die sehr starke Dominanz des Ethnischen in der politischen Kultur hat die Herausbildung eines gemeinsamen, über ethnonationale Gruppen hinausgehenden Demos bislang weitgehend verhindert. Gerade dieser Abbau der ethnisch definierten Grenzen wäre allerdings sowohl für die Demokratisierung als auch für den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina von enormer Bedeutung.
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ProblemJeId II: Transformation der Ökonomie
Die Transformation des ökonomischen Sektors stellte neben dem eben dargestellten Bereich der Demokratisierung eine zweite wichtige Säule des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina dar. Ausgehend von der Tatsache, dass der Konflikt in Bosnien auch eine starke sozio-ökonomische Dimension besaß bzw. noch immer besitzt, ist dieser Aspekt von zentraler Bedeutung im gesamten Prozess der nachhaltigen Sicherung des Friedens. So schrieb auch der Hohe Repräsentant in seinem ersten Bericht: "It is self-evident that economic revival and long-term rebuilding of the economy are preconditions for stability and peace." (OHR 1996a: Para. 35) Unmittelbar nach dem Abschluss der Friedensverhandlungen von Dayton machten sich eine Reihe von internationalen Organisationen daran, den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu planen. Die daraus resultierende Strategie teilte diesen Prozess in drei Phasen (Vgl. World Bank 1996: viii f.): In einer ersten sollten die immensen Zerstörungen an der Infrastruktur Bosnien und Herzegowinas beseitigt und so die Grundlage für wirtschaftlichen Aufschwung in diesem Land gelegt werden. In einer zweiten Phase sollten efftziente staatliche Strukturen aufgebaut werden, welche in der dritten Phase die Transformation der bosnischen Ökonomie in eine freie Marktwirtschaft unterstützen sollten. Bereits im Frühjahr 1996 wurde unter der Leitung der Weltbank im Rahmen eines Prioriry Reconstruction Programs mit dem Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur begonnen. Im Zuge dessen wurden bis zum Jahr 2000 3,7 Milliarden USD an Projekte in Bosnien und Herzegowina ausgeschüttet. Aus einem rein technischen Blickwinkel war dieses Programm ein voller Erfolg. Schulen konnten wieder aufgebaut, Verkehrswege und die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser wieder instandgesetzt werden. (Vgl. World Bank 2000: 2f.) Darüber hinaus erlebte die bosnische Wirtschaft in diesen Jahren ein kleines Wirtschaftswunder, welches maßgeblich mit der großen Summe an internationalen Geldern die in das Land flossen und den Tausenden an Mitarbeitern internationaler Organisationen, NGOs und anderen in Bosnien engagierter Akteure, welche nach 1995 in das Land kamen, zusammenhing. (petritsch 2001: 86f.) Das auf diese Weise generierte Wirtschaftswachstum betrug zwischen 1995 und 1998 durchschnittlich 35%.74 Geralcl Knaus beschreibt den Zufluss an internationalen Mitteln daher auch als "the economic equivalent of
74 Diese Zahl muss allerdings vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die wirtschaftliche Erholung im Jahr 1995 infolge des Krieges auf einem sehr niedrigen Niveau ihren Ausgang nahm. Auch wenn die Wachstumsraten in den ersten Jahren sehr hoch waren, hatte das Brutto-Sozialprodukt im Jahr 1999 erst 60% jenes von 1990 erreicht. (Vgl. World Bank 2004: 3)
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discovering oil." (Knaus 2005: 89) Dieses Programm hatte neben seinen unbestreitbaren, unmittelbaren Erfolgen, allerdings auch seine Schattenseiten. Zum einen konzentrierten sich die meisten Projekte auf die Wiederherstellung der Infrastruktur, während der Schaffung grundlegender Bedingungen für eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft, wie zum Beispiel der Wiederaufbau zerstörter Industriean1agen und der Schaffung von Arbeitsplätzen wenig Beachtung geschenkt wurde. Wie im Bereich der Demokratisierung entstand auch hier in ein Abhängigkeitssysndrom, da die bosnische Ökonomie und deren relative Prosperität in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wesentlich vom Zufluss internationaler Hilfsgelder abhängig wurde. Damit drohte ein neuerlicher wirtschaftlicher Verfall, sollte die internationale Gemeinschaft ihr Engagement in Bosnien beenden. (Vgl. Donais 2005: 94; Pugh et al. 2004: 161) Zum anderen trug der massive Zufluss an internationalen Geldern in den ersten Jahren der Friedenskonsolidierung zur Stärkung der nationalistischen Parteien und ihrer Machtstrukturen bei. Die internationale Gemeinschaft versuchte die Ausschüttung dieser Mittel an strenge Konditionalitäten zu knüpfen, um die lokalen Akteure zur Umsetzung der Bestimmungen von Dayton zu bewegen. (Vgl. OHR 1996b: Para. 25) Da die SDS-dominierte Verwaltung in der Republika Srpska diese nicht erfüllte, war sie in den ersten beiden Jahren weitgehend vom Zufluss dieser Hilfsgelder ausgeschlossen, wodurch sich das bosnische "Wirtschaftswunder" in erster Linie auf die Gebiete der Föderation beschränkte, während in der RS die wirtschaftliche Lage schlecht blieb. 75 Erst nachdem im Jahr 1997 Milorad Dodik Ministerpräsident wurde, floss ein größerer Anteil dieser Gelder in die RS. (Vgl. Petritsch 2001: 101; OHR 1996c: Para. 65) Die Konditionalitäten konnten allerdings aus mehreren Gründen nicht verhindern, dass die nationalistischen Parteien zu den Profiteuren des unmittelbaren wirtschaftlichen Wiederaufbaus zählten. Zum einen lag dies an den weit verzweigten Organisationsstrukturen dieser Parteien selbst, wodurch diese nach dem Krieg sowohl den politischen als auch den wirtschaftlichen Bereich kontrollieren konnten. Da die internationalen Akteure bei der Umsetzung ihrer Projekte auf lokale Be75 Dieser Punkt ist insofern interessant, als durch diese Form der Konditionalitäten und der
daraus resultierenden asymmetrischen wirtschaftlichen Entwicklung, die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den ethnonationalen Gruppen in Bosnien und Herzegowina (Vgl. UNDP 2997: 70) noch weiter verstätkt wurden, anstatt sie abzubauen. Ruft man sich ins Gedächtnis, dass die Ursachen der Desintegration Jugoslawiens und in weiterer Folge auch der Krieg in Bosnien zum Teil in den von den ethnonationalen Gruppen wahrgenommenen sozio-ökonomischen Ungleichheiten zu finden waren, musste diese Entwicklung eher konfliktverschärfend wirken. Obwohl diese Konditionalitäten durchaus notwendig gewesen sein mögen, wirkten sie sich möglicherweise negativ auf den Prozess der Friedenskonsolidierung aus. (Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Young 1999: 166)
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hörden und Unternehmen angewiesen waren, welche meist ein deutliches Nahverhältnis zu den im jeweiligen Gebiet dominierenden Parteien aufwiesen, lief ein Großteil des Wiederaufbaus über die Machtstrukturen von SDA, SDS und HDZ ab. (VgL ESI 1999: 15E; Donais 2005: 93; Cox 2001: 11) Diese konnten daraus einen zweifachen Profit schlagen: "Localleaders benefited materially from the aid programme through control of local companies contracted for reconstrucrion work, an through the supply of goods and rentaI prernises to international agencies. They benefited polirically, not just being able to provide their constituency with international 00, but also from the ability to direct aid according to political criteria." (ESI 1999: 15)
Darüber hinaus wurde das System der Konditionalitäten von den involvierten internationalen Organisationen selbst hintertrieben, da sie wie Timothy Donais schrieb "appeared more concerned with the rapid disbursal of funds than with the political implications of reconstruction activity." (Donais 2005: 93) Aus der Sicht der Friedenskonsolidierung erscheint diese erste Phase der ökonomischen Transformation deshalb in einem etwas anderen Licht, als aus einem Blickwinkel, der sich streng an ökonomischen Indikatoren orientiert. Im schlechtesten Fall wurde durch die fehlende Berücksichtigung der offensichtlichen Wechselwirkungen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus mit dem politischen Wiederaufbau, jene Akteure gestärkt, welchen wenig an einer Reintegration der bosnischen Gesellschaft und des Staates lag (Vgl. Donais 2005: 93; Cox 2001: 12; ESI 1999: 16): "In other words, a reconstruction effort aimed at contributing to the rebirth of the Bosnian state was simultaneously helping to entrench the position of local political actors, many of whom were openly hostile to this goal." (Donais 2005: 93) Nachdem der grundlegende Wiederaufbau geleistet war, begannen die internationalen Akteure die Transformation der bosnischen Ökonomie von einer sozialistischen Planwirtschaft hin zu einer freien Marktwirtschaft. Die Pläne hierfür unterschieden sich, trotz des besonderen Kontextes in dem dieser Prozess in Bosnien und Herzegowina durchgeführt werden sollte, kaum von denen für andere osteuropäische Transformationsländer. (Vgl. Young 1999: 166f.; Donais 2005: 89f.) Die grundlegenden Merkmale dieser Sttategie76 lassen sich auf drei Elemente reduzieren: makroökonomische Stabilität, Liberalisierung bzw. Deregulierung und 76
Timothy Donais fasste diese folgendermaßen zusammen: "In Bosnia's case, this "basis package" prescribed placing resttictive limits on governmental capacity to act in the econornic realm, establishing a rigorous framework for the establishment and maintenance of macroeconornic stability, and transferring ownership of state- owned enterprises into private hands as quickly as possible. It also prescribed liberalizing the Bosnian economy both internally, through easing of government resttictions on market transactions, and externally, through lowering tariff barriers, maintaining domestic currency convertibility, and facilitating entry of foreign firms into the domestic market." (Donais 2005: 89f.)
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Privatisierung. (Vgl. Donais 2005: 89f.; 95) Gemäß dem (neo-)liberalen Paradigma, sollte sich der Staat auf die Rolle eines Aufpassers konzentrieren und jene Rahmenbedingungen bereitstellen, welche das Funktionieren einer freien Marktwirtschaft ermöglichen bzw. in weiterer Folge gewährleisten sollten. (Vgl. World Bank 1996: Para. 109) Während der Staat, der aufgrund der strengen Vorgaben zur fiskalischen Disziplin, in seinen Möglichkeiten ohnehin eingeschränkt war (Vgl. World Bank 1996: Para. 45), sollte der wirtschaftliche Aufschwung in erster Linie durch eine Wiederbelebung des privaten Sektors getragen werden: "Therefore, the basic strategy for economic revival should be a revival of the private sector as the main engine of increased production and employment." (World Bank 1996: Para. 45) "Weniger Staat, mehr Privat." lautete demnach - trivial formuliert - auch das wirtschaftspolitische Kredo in post-Dayton Bosnien und Herzegowina. Die Besonderheiten dieses Falles, sollten die Umsetzung der einfach klingenden Pläne der internationalen Finanzinstitutionen allerdings erheblich erschweren, wie im Folgenden gezeigt werden wird.
Makrookonomische Stabilisierung Die Kontrolle makroökonomischer Stabilität war in Post-Dayton Bosnien und Herzegowina eine Angelegenheit der internationalen Akteure. Preisstabilität, stabile Währung und ein ausgeglichener Staatshaushalt waren dabei die Ziele. (Vgl. Pugh et al. 2004: 163; Donais 2005: 96) Während die Weltbank das Festhalten an diesen starren Prinzipien als "a key requirement for successful recovery" (World Bank 1996: Para. 39) befand, strichen Pugh und Donais die negativen Auswirkungen dieser Politik auf die bosnische Ökonomie hervor. Zum einen führte der strenge fiskalische Rahmen, der den erst im Entstehen begriffenen bosnischen Institutionen auferlegt wurde, dazu, dass diese wichtige Aufgaben (v.a. im Sozialbereich) nicht erfüllen konnten. (Vgl. Donais 2005: 97) Zum anderen wirkten diese Maßnahmen eher hemmend auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau, da infolge extrem teurer Kredite im Land selbst nur sehr wenig Kapital zur Verfügung stand, welches privaten Investoren zur Verfügung stand. Da ausländische Direktinvestitionen aufgrund der unsicheren Lage weitgehend ausblieben (Vgl. Pugh et al. 2004: 165f.), konnte sich der private Sektor nicht zum angedachten Motor des Wirtschaftsaufschwungs entwickeln. (Vgl. Donais 2005: 97; Pugh et al. 2004: 162) Lberalisierung Liberalisierung bedeutete im Kontext Bosnien und Herzegowinas den weitgehenden Abbau von Beschränkungen, welche das uneingeschränkte Funktionieren eines freien Marktes behindern hätten können. (Vgl. Donais 2005: 98) Da eine umfassende Analyse aller Maßnahmen, welche in diesem Zusammenhang durchgeführt wurden den Umfang dieses Buches sprengen würde, soll im Folgenden lediglich auf
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einzelne Maßnahmen eingegangen werden, welche die Reintegration des Staates berührten. Eines der Hauptprobleme in diesem Bereich war, dass der bosnische Wirtschaftsraum infolge des Krieges in drei Teile zersplittert war, wobei jeder Teil über eigene Bestimmungen und Institutionen zur Regulierung verfügte. Diese Spaltung fand lange Zeit einen deutlichen Ausdruck in den separaten Zahlungsbüros, welche erst im Jahr 2000 auf Initiative der internationalen Akteure aufgelöst wurden. Ihren Ursprung fanden diese bereits in Jugoslawien, wo sie die Aufgabe eines zentralen wirtschaftlichen Kontrollorgans einnahmen. Im Verlauf des Krieges in Bosnien und Herzegowina entstanden aus dem zentralen Zahlungsbüro, drei parallele Zahlungsbüros, welche der Kontrolle der nationalistischen Parteien unterstanden. Auch nach dem Jahr 1995 stellten diese Organe einen zentralen Bestandteil der bosnischen Wirtschaft dar. Alle finanziellen Transaktionen, wie Gehaltszahlungen, Banktransaktionen, Steuer- und Zolleinnahmen liefen über das System der Zahlungsbüros ab. Für die nationalistischen Parteien bedeutete die Kontrolle dieser Organe, nicht nur eine vollständige Kontrolle über den wirtschaftlichen Bereich, sondern auch eine Finanzierungsquelle zur Erhaltung ihrer parallelen Machtstrukturen. (Vgl. Zaum 2006: 45f.; ICG 1999c: 11 f.) Aus diesem Grund begannen die internationalen Akteure auf Anweisung des PIC im Jahr 1999 mit der Ausarbeitung von Plänen, zur Transformation dieses Systems. Das grundlegende Ziel dieses Reformvorhabens war es, die bisherigen Kompetenzen dieser Organe auf neu zu schaffende staatliche Institutionen und Banken zu übertragen. (Vgl. OHR 199ge: Para. 76) Dieses Vorhaben stieß auf breite politische Ablehnung in den Entitäten, wodurch die Gesetzesänderungen im Falle der Republika Srpska vom Hohen Repräsentanten im Dezember 2000 per Erlass durchgesetzt werden mussten. Die Regierung und das Parlament in der Födetation hatte dem Großteil des Gesetzespakets widerwillig und nur aufgrund starken internationalen Drucks bereits zuvor zugestimmt. Die restlichen Gesetze wurden ebenfalls im Dezember 2000 vom Hohen Repräsentanten durchgesetzt. Das neue Zahlungssystem, welches im Jänner 2001 seine Atbeit aufnahm, verbesserte nicht nur die Funktion des Finanzsystems, sondern beschnitt im erheblichen Maße die finanziellen Grundlagen der separaten Machtstrukturen der nationalistischen Parteien. (Vgl. Zaum 2006: 46-51) Zaum resümierte daher: "Without the payment bureaux, the parties controlling them [...] llost] not only an important source of income but also a tool for controlling Bill's economy." (Zaum 2006: 53) Viele andere Reformen im Bereich Liberalisierung und Reintegration des Wirtschaftsraumes verliefen nach einem ähnlichen Muster wie die Reorganisation des System der Zahlungsbüros, d.h. Reformen wurden erst nach erheblichen Druck von Seiten der internationalen Akteure durchgeführt. Die nationalistischen Parteien hatten wenig Interesse daran jene strukturellen Bedingungen aufzugeben, welche die
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Basis ihrer eigenen Parallelstrukturen waren. (Vgl. Donais 2005: 72f.) "For the ruling parties on each side of the ethnic divide, the merging of economic and political control is a means of generating necessary resources to continue the fight for the rights of "their" constitutent people." (Donais 2005: 73) Die internationalen Akteure konnten im Verlauf der Jahre zwar einige Reformen auf den Weg bringen, welche zu einer stärkeren Vereinheitlichung des bosnischen Wirtschaftsraumes und zum Abbau wirtschaftlicher Barrieren führten, dennoch konnten die engen Verbindungen zwischen ökonomischen und politischem Sektor nicht gänzlich gelöst werden. (Vgl. Bertelsmann Stiftung 2007: 13f.) Die wahrscheinlich bedeutendste Initiative in diesem Bereich wurde gesetzt, als der damalige Hohe Repräsentant Paddy Ashdown ein "Bulldozer Committee" ins Leben rief, dessen Ziel es war, innerhalb von 150 Tagen, fünfzig Reformen im Bereich der Wirtschaft durchzusetzen. Vom OHR selbst als großer Erfolg bezeichnet (Vgl. OHR 2003b), bezweifelten andere Beobachter die nachhaltige Wirkung dieser raschen Reformen. (Vgl. Bertelsmann Stiftung 2007: 14) Während die größten Fortschritte in diesem Problemfeld in den Jahren 2003-2005 erzielt werden konnten (Vgl OHR 2005a: Paras. 43-51), führte die allgemeine Verschlechterung der politischen Lage ab dem Jahr 2006 auch im ökonomischen Problemfeld zu einer Verlangsamung des Reformtempos. Ahnlich wie auf Staatsebene widersetzten sich die Verantwortlichen in der RS in zunehmenden Maße der Reintegration des bosnischen Wirtschaftsraumes. So schrieb der HR Ende 2008: "With regard to other single economic space reforms, no progress was made on any issue requiring a transfer of competence, owing to ongoing opposition by the Republika Srpska to any transfer of competences to the Bosnia and Herzegovina institutions." (OHR 2008d: Para. 55)
Privatisierung Die Privatisierung der im Staatseigentum stehenden Unternehmen und Anlagen nahmen, wie vorher schon erwähnt, eine zentrale Rolle in den Plänen der internationalen Akteure für die Transformation der bosnischen Ökonomie ein. Schon unmittelbar nachdem dieser Prozess im Jahr 1997 unter der Aufsicht von USAID seinen Anfang nahm, wurde klar, dass dieser ein weiterer Aspekt in den politischen Auseinandersetzungen der nationalistischen Parteien um die Kontrolle bestimmter Gebiete in Bosnien und Herzegowina werden würde. Dabei hatten die internationalen Akteure, die sich dieses Problems durchaus bewusst waren versucht, über eine Strategie, welche den regionalen Behörden die Hauptkompetenzen in diesem Bereich zuschrieb, politische Auseinandersetzungen zu minimieren. (Vgl World Bank 1996: 43; 52) ,,[...] privatization should take into account the ethnic diversity of the country, especially since most enterprises and banks are controlled by distinct ethnic groups. Thus privatization may be most effective if it is organized in a regionally decentralized manner" (World Bank 1996: 52), hieß es in einem
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Strategiepapier der Weltbank. Gemäß dieses Ansatzes wurden zwölf Privatisierungsagenturen gebildet: je eine für die Republika Srpska und die Föderation und zehn weitere auf Kantonsebene. Da die nationalistischen Machtstrukturen auf lokaler Ebene allerdings am deutlichsten ausgebaut waren, erhielten SDA, SDS und HDZ enormen Einfluss auf den Prozess der Privatisierung, welchen sie in weiterer Folge in ihrem Sinne ausnutzen sollten. Der Versuch diesen Aspekt der wittschaftlichen Transformation zu depolitisieren, hatte am Ende genau den gegenteiligen Effekt. In einem ICG-Bericht war zu lesen: "From the very start this institutional and regulatory framework had enormous potential for corruption. It offered politicians the chance to confirm the effects of ethnic cleansing by means of ethnically exclusive privatisations." (lCG 2001b: 19) Der Prozess der Demokratisierung in Bosnien und Herzegowina war daher in den folgenden Jahren vom Versuch der nationalistischen Parteien gekennzeichnet, mit Hilfe geschickter Anpassung ihre ökonomische als auch politische Macht zu stabilisieren, wobei sie auf mehrere Strategien zurückgriffen. Timothy Donais beschrieb diese folgendermaßen: "First, delay the process as much as possible, since within the tripartite Bosnian partocracy a state-owned enterprise is as good as a party-owned enterprise; and second, ensure that whatever privatization does take place leaves former state enterprises in the hands of either the ruling parties themselves or their friends and allies." (Donais 2005: 117) Aufgrund der anhaltenden Verzögerung des Prozesses der Privatisierung durch die nationalistischen Parteien konnte bis zum Ende des Jahres 2002 nur ein Viertel des Umfangs der zur Privatisierung ausgeschriebenen Unternehmen auch tatsächlich in private Hände übergeben werden, wobei ein Großteil auf kleinere Betriebe entfiel. (VgL Pugh 2004: 164) Um die Transparenz der Privatisierungsverfahren zu erhöhen und den Einfluss der lokalen Machthaber zu verringern, hatte der Hohe Repräsentant zwar schon im Juli 1998 ein entsprechendes Gesetz erlassen und eine Kommission gegründet, welche einen ordnungsgemäßen Verlauf dieser Verfahren garantieren sollte (Vgl. OHR 1999d: Paras. 96-98), der Effekt dieser Maßnahmen dürfte allerdings äußerst gering gewesen sein. Im April 1999 schrieb die International Crisis Group daher: "The ruling political parties deliberately and consistently find bureaucratic reasons for delaying the start of privatization, so as to retain their hold over the economy and polity, as well as to profit from the financial gain accruing from state-owned assets." (lCG 1999c: 12) Gleichzeitig verfolgten die nationalistischen Parteien auch den zweiten Aspekt ihrer Strategie, indem sie sicherstellten, dass privatisierte Betriebe auch weiterhin unter ihrer direkten oder zumindest indirekten Kontrolle stehen würden. So wurden im Staatseigentum stehende Unternehmen vornehmlich an Investoren verkauft, welche der für den Verkauf zuständigen Partei nahestanden. Die Preise die
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hierfür bezahlt werden mussten, lagen in den meisten Fällen weit unter dem tatsächlichen Wert der Anlagen. (Vgl. Pugh 2006: 145f.) Als Paradebeispiel kann die Privatisierung des "Holiday Inn" in Sarajevo angeführt werden. Obwohl dessen Wert auf 10-15 Millionen USD geschätzt wurde, konnte eine der SDA nahestehende Person das Hotel in einem dubiosen Geschäft gegen die Bezahlung von 3 Millionen USD erwerben. Dieser war der einzige Bieter gewesen, nachdem internationalen Investoren der Zugang zum Bieterverfahren durch bürokratische Hürden erschwert wurde. (Vgl. GAO 2000: 31f.) Aufgrund der offensichtlichen Mängel annullierte ein Gericht in Sarajevo den Verkauf wenig später. (Vgl. ICG 2001 b: 20) Ahnlich verhielt es sich mit der Privatisierung des TelekomUnternehmens "Eronet", welches ohne ordentliches Bieterverfahren an drei Unternehmen verkauft wurden, welche eine besondere Nähe zur HDZ aufwiesen. (Vgl. ICG 2001b: 26) Die nationalistischen Parteien nutzten in diesem Zusammenhang auch ihre im Krieg aufgebauten Verbindungen zur kriminellen Unterwelt aus, um Unternehmen an Personen zu verkaufen, welche der jeweiligen Partei nahestanden. Bereits zuvor hatte die Koalition aus SDA, SDS und HDZ ein Amnestiegesetz für Deserteure auf Wirtschaftsverbrechen, welche zwischen Jänner 1991 und Dezember 1995 begangen wurden (illegaler Handel, Steuerhinterziehung, Missbrauch humanitärer Hilfe), ausgeweitet (Vgl. Andreas 2004a: 44f.). Im Zuge der Privatisierung von Staatsunternehmen stellten diese Akteure, mit ihrem auf diese Weise "gewaschenem", im Krieg illegal erworbenem Vermögen, für die nationalistischen Parteien eine Möglichkeit dar, Betriebe zu privatisieren, aber dennoch einen gewissen Einfluss darauf ausüben zu können. (Vgl. Pugh 2004: 171-173) Als Beispiel kann Hasan Cengic angeführt werden, welcher vor dem Krieg in bescheidenen Verhältnissen als islamischer Kleriker lebte. Während des Krieges konnte er zu einer zentralen Figur in der illegalen Beschaffung von Waffen und Ausrüstung für die ABiH avancieren, wodurch er persönlich ein Vermögen anhäufen konnte. Nach dem Ende der Kampfhandlungen baute er mit diesem Geld ein kleines Wirtschaftsimperium auf. (Vgl. Andreas 2004b: 5) Infolge dieser Erfahrungen bezeichneten einige Beobachter den Privatisierungsprozess in Bosnien und Herzegowina schlichtweg als "Diebstahl". (Vgl. Pugh 2006: 146) Im April 2000 beklagte ein Mitarbeiter des OHR. öffentlich, dass bis dato ein Großteil der privatisierten Betriebe in das Eigentum der nationalistischen Parteien übergegangen waren. (Vgl. GAO 2000: 31) Eine weitere Möglichkeit für die nationalistischen Parteien ihren Einfluss auf die bosnische Wirtschaft auch nach einer weitgehenden Privatisierung zu sichern, ergab sich aus der von den internationalen Akteuren v.a. für kleinere Unternehmen favorisierten Strategie der "Voucher-Privatisierung". Diese sah die Ausgabe an Anteilsscheinen an die Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas vor, um bestimmte finanziellen Forderungen gegenüber dem Staat (z.B. unbezahlter Sold, Geld
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aus eingefrorenen Auslandskonten) abzudecken. Diese Vouchers konnten in weiterer Folge dazu benutzt werden um im Staatseigentum stehende Wohnungen oder Anteile an Unternehmen zu kaufen. (Vgl. Donais 2005: 120) Neben dem grundlegenden Problem, dass im Rahmen dieser Strategie Unternehmen privatisiert wurden, ohne Erlöse für den Staatshaushalt zu erzielen (Vgl. Donais 2005: 121f.; GAO 2000: 30), nutzten die nationalistischen Parteien Schwachpunkte aus, um den ökonomischen Sektor in Bosnien und Herzegowina weiter endang ethnonationaler Grenzen zu harmonisieren. Die zuständigen Behörden vergaben Vouchers vornehmlich an Mitglieder ihrer eigenen ethnonationalen Gruppe. Über die Hälfte dieser Anteilsscheine gingen in beiden Entitäten an ehemalige Soldaten, als Kompensation für ihren Dienst in den jeweiligen Armeen während des Krieges. (Vgl. ICG 2001b: 19; Donais 2005: 120E) Da viele Bürger in ihren Vouchers, aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation, wenig Nutzen sahen, versuchten sie diese zu verkaufen oder für andere Güter einzutauschen, wodurch ein Markt entstand, auf dem diese Anteilsscheine für einen Bruchteil ihres Nominalwertes erworben werden konnten. Aufgekauft wurden diese zum großen Teil von Fonds und Personen aus dem Netzwerk nationalistischer und krimineller Akteure. (Vgl. Donais 2005: 121; ICG 2001b: 19) Nachdem USAID seine Unterstützung für den Privatisierungsprozess in der Föderation, aufgrund der vielen Unregelmäßigkeiten am Beginn des Jahres 2000 eingestellt hatte (Vgl. GAO 2000: 31), vollzogen die internationalen Akteure einen Strategiewechsel und legten fest, dass 138 große Unternehmen über öffendiche Ausschreibungen und mit Unterstützung internationaler Experten privatisiert werden sollten. Die Vergabe sollte dadurch transparenter und mehr internationale Investoren angelockt werden. (Vgl. Donais 2005: 123) Obwohl die Privatisierung äußerst langsam verlief, wurde in der Föderation bis zum Herbst des Jahres 2008 41 % des zur Privatisierung ausgeschriebenen Kapitals in private Hände übergeben. In der RS, in der dieser Prozess schneller ablief, betrug dieser Prozentsatz sogar 68%. Im Bankensektor wurden bis zu diesem Zeitpunkt beinahe alle ehemals staadichen Banken an private Investoren verkauft. (Vgl. EUCOM 2008: 28E)
Auswirkungen der weltweiten ökonomischen Krise auf die Wirtschtif1 BiHs Die ökonomische Krise, die ab dem Ende des Jahres 2008 nach und nach das gesamte globale Wirtschaftssystem betraf, wirkte sich auch in der ohnehin schwachen Ökonomie Bilis negativ aus. Wie andernorts, wurde auch hier ein signifIkanter Rückgang in der Wirtschaftsleistung verzeichnet. Nahezu alle ökonomischen Indikatoren für das Jahr 2009 waren mit negativen Vorzeichen versehen. Das BIP schrumpfte im Vergleich zum vorherigen Jahr um drei Prozent und ausländische Direktinvestitionen gingen um 18 Prozent zurück. (Vgl. OHR 2010: Para. 48). Noch deudichere Einbrüche wiesen die Zahlen zur Industrieproduktion
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auf Vor allem in der metall- und holzverarbeitenden Industrie, die den überwiegenden Anteil an der gesamten industriellen Produktion in Bill ausmacht, mussten infolge des Rückgangs der weltweiten Nachfrage Kapazitäten in großem Ausmaß zurückgefahren werden. 77 (Vgl. PöscW 2009: 1; IMF 2010: 4) Abseits absoluter ökonomischer ZaWen ist für Bosnien und Herzegowina allerdings vor allem die mit der Wirtschaftskrise einhergehende VerscWechterung der ohnehin prekären sozio-ökonomischen Lage des Gras der Bevölkerung zu beachten. Schätzungen zufolge verloren von Oktober 2008 bis Ende 2009 ca. 90.000 Personen ihre Arbeitsplätze (Vgl. PöscW 2009: 2), was zu einem weiteren Anstieg der Armut führen wird. Für den ohnehin fragilen gesellschaftlichen Zustand BiHs, birgt die weitere VerscWechterung der sozio-ökonomischen Lage zusätzliche Gefahr für neuerliche Spannungen, vor allem wenn mögliche Verteilungskonflikte wieder verstärkt mit ethnischen Vorzeichen versehen werden. (Vgl Grames 2009: 6) So schrieb der OHR im Mai 2009: "IE action is not taken rapidly, tbere is a risk of eventual fmancial collapse attendant social unrest and political instability." (OHR 2009a: Para. 46) Um die Folgen der Krise bewältigen zu können, verständigten sich die Verantwortlichen in Bill mit dem IWF Mitte 2009 auf ein sogenanntes Stand-ByArrangement. Über eine Laufzeit von drei Jahren sollten auf Basis dieser Übereinkunft 1,2 Mrd. Euro ausbezaWt werden. (Vgl. OHR 2009c: Para. 48) Die internationale Hilfe war angesichts der Liquiditätsengpässe des bosnischen Staates und der Entitäten notwendig geworden. Dennoch bargen die Konditionalitäten (Vgl. IMF 2010:15) an die die Ausschüttung der Gelder gebunden war, Potential für soziale Unruhen. Kern des vom IWF auferlegten Reformpragramms war die überbordenden Ausgaben des Staates und der Entitäten für deren Strukturen und die vom gesamten Umfang her großzügigen ZaWungen an Kriegsveteranen und deren Hinterbliebene zu beschneiden. (Vgl. OHR 2009c: Para. 48; IMF 2010: 9ff.) Letzteres ist in Bill ein äußerst heikles Thema, da die Kriegsveteranenverbände großen gesellschaftlichen Einfluss besitzen. Vor allem die nationalistischen Parteien, die enge Verbindungen mit einigen Verbänden unterhalten, sind sich dessen bewusst und ignorierten frühere Forderungen nach einer Beschneidung ftnanzieller Transfers für diese Gruppe weitestgehend. Doch die angespannte Haushaltslage, vor allem in der Föderation, zwang die Entscheidungsträger dazu, die Forderung der IFIs nach Reformen in diesem Sektor zu akzeptieren. (Vgl. Alic 2010) Eine Folge dieser 77 In det RS weisen die Zahlen allerdings sogar einen markanten Anstieg der Industrieproduktion um 19 Prozent. Dies ist allerdings auf die Wiederinbetriebnahme einer Öl-Raffinerie zurückzuführen. Nimmt man diese aus den Daten zeigt sich auch in det RS ein deutlicher Produktionsruckgang. (VgL Pöschl 2009: 1; IMF 2010: 4) Dieser Umstand zeigt auch die relative Schwäche der bosnischen Ökonomie, da ein einzelner Betrieb die wirtschaftlichen Kennzahlen massiv beeinflussen kann.
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Entscheidung waren teils gewaltsame Proteste dieser Verbände. (Vgl. Pleho 2010) Der erste Bericht des IWF im März 2010, der die Fortschritte unter dem Stand-ByAgreement bewertete, fillte schließlich ein positives Urteil über die bisherigen Anstrengungen und gab grünes Licht für weitere Zahlungen. (Vgl. IMF 2010: 14; 16) Während der ftnanzielle Kollaps des Landes damit zumindest für den Moment abgewendet wurde, bleiben die strukturellen Schwächen der Ökonomie BiHs weiterhin bestehen. Die Auswirkungen des Reformprogramms, welches dem Land von den internationalen Akteuren zuletzt auferlegt wurde, werden sich allerdings erst zeigen. Die Ökonomie Bosnien und Herzegowinasftitifzehn Jahre nach Kriegsende Werden die Ergebnisse der Transformation der bosnischen Ökonomie in eine freie Marktwirtschaft, welche hier in ihren Grundzügen dargestellt wurde, aus einer rein ökonomischen, technischen Perspektive betrachtet, war in bestimmten Bereichen durchaus Erfolg zu verzeichnen. Die internationalen Finanzinstitutionen und auch die Europäische Kommission heben in ihren Berichten vor allem die konstanten wirtschaftlichen Wachstumsraten, die niedrige Inflation und die sinkende Außenverschuldung des Landes hervor. Darüber hinaus konnte Bosnien und Herzegowina in bis 2007 einen starken Anstieg an ausländischen Direktinvestitionen verzeichnen. (VgL EUCOM 2008: 24-28) Auf der anderen Seite verzeichnet das Land immer noch ein riesiges Hande1sbilanzdeftzit, obwohl die Exporte in den letzten Jahren signiftkant an Umfang zunahmen. Die Arbeitslosigkeit ist nach offtziellen Angaben mit 41,8% sehr hoch 78 und fast ein Drittel der Bevölkerung ist akut armutsgefährdet. (Vgl. OHR 2009c: Para. 47; UNDP 2007: 70) Die schlechte wirtschaftliche Situation eines großen Teils der Bevölkerung, auf die diese Zahlen hindeuten, zeigen den untergeordneten Rang, den die sozialen Auswirkungen der (neo-)liberalen Reformpolitik in den Plänen der internationalen Akteure in den vergangenen Jahren einnahmen. "Poverty and unemployment, industrial and trade policy have either been neglected or treated as a kind of unavoidable collateral damage in the mission to make BiH profttable for investors." (Pugh 2006: 149) Vielmehr hat die Reformpolitik der internationalen Akteure, wie schon in anderen Ländern, in denen ähnliche Programme durchgeführt worden waren (Vgl. Young 1999: 168f.), zur weit verbreiteten Armut der Bevölkerung beigetragen. So schrieb die Bertelsmann Stifrung exemplarisch für den Bereich der Privatisierung: "Despite the relative high growth rates, unemployment has been increasing in recent years as a consequence of privatization." (Bertelsmann Stiftung 2007: 17) Aus der Sieht der Friedenskonsolidierung müssen diese Entwicklungen problematisch erscheinen, denn der ökonomische Transformationsprozess hat es in 78 Der inoffiziellen Wert liegt aufgrund des großen Anteils inoffiziell Beschäftigter bei ca. der Hälfte dieses Wertes. (Vgl. OHR 2009c: Para. 47)
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Bill offensichtlich nicht geschafft, eine Basis für die Stabilisierung des Friedens zu legen. Eine Friedensdividende, soll in diesem Zusammenhang heißen, eine deutliche Verbesserung der sozio-ökonomischen Situation, hat es für die meisten Bürger Bosnien und Herzegowinas nicht gegeben. Hinzu kommt, dass die Entwicklung in den beiden Entitäten nicht anrumernd im Gleichschritt verlief: Ausgehend vom Argument, dass die Verschlechterung der sozio-ökonomischen Lage eine zentrale Rolle, vor allem als Mobilisierungsfaktor für die ethno-nationalistischen Parteien, in der Desintegration Jugoslawiens dargestellt hat, muss eine ähnliche Situation in Bosnien und Herzegowina als Gefahr für den Prozess der Friedenskonsolidierung bettachtet werden. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Perspektiven, welche die formale Ökonomie einem beträchtlichen Teil der bosnischen Bevölkerung bietet, ermöglicht gerade der informelle Sektor für viele Menschen die Möglichkeit ihre Lebensumstände zu sichern. "In this context, shadow markets act as a survival mechanism, enabling people to exist at, or just above, the general poverty line." (Pugh 2006: 150) Die informellen, kriminellen Netzwerke welche vor und während des Krieges entstanden waren, passten sich nach dem Ende der Kampfhandlungen sehr schnell an die neuen Gegebenheiten an und konnten ihre Aktivitäten sogar noch weiter ausbauen. Das Ausmaß an Aktivitäten dieser Akteure in Bereichen wie Schmuggel mit Waren aller Art, Drogen-, Menschen oder Waffenhandel stellt in Bosnien und Herzegowina einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor dar. Schätzungen zufolge, machte der informelle Sektor in der Republika Srpska in den ersten Jahren nach dem Krieg über ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung der Entität aus. (Vgl. Pugh 2004: 170-176) Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, hatten diese Akteure in den Nachkriegsjahren keine Probleme Personen für ihre Dienste zu rekrutieren. Älteren Schätzungen zufolge, beträgt die tatsächliche Arbeitslosenzahl in Bosnien und Herzegowina etwa die Hälfte der offtziellen Zahlen, aufgrund des großen Teils der Bevölkerung, welche ihr Einkommen aus dem informellen Bereich beziehen. (Vgl. Pugh 2004: 169f:) Obwohl die Schattenökonomie damit einen positiven Effekt auf die Lebensumstände eines Teils der Bürger ausübt und die Deftzite der formellen Ökonomie teilweise kompensiert, stellt sie den Staat aus ökonomischer Sicht vor das Problem, dass er durch die illegalen Praktiken einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen verliert und deshalb, seine durch die (neo-) liberale Reformpolitik ohnehin schon beschränkten Funktionen, noch schlechter ausüben kann. In einem UNDP-Bericht war daher zu lesen: "Yet the informal sector has a paradoxical, two-fold role: it acts as an invisible social mitigator as it provides earnings for a large number of people but on the other hand is a generator of poverty, as it dodges employmenttelated taxes and benefits, reducing not only budget funds, but also sodal funds (pensions, healthcare, sodal proteetion, etc.)." (UNDP 2007: 77)
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Aus der Sicht der Friedenskonsolidierung ist dieser Aspekt insofern problematisch, als er jene Strukturen bestärkt, welche wenig Interesse an einer "Normalisierung" der Verhältnisse und damit auch an einer weitgehenden staatlichen Reintegration besaßen. Die (neo-)liberale Reformpolitik der internationalen Akteure hat zu dieser Situation ihren Teil beigetragen. "In their effort to make these econornies conductive to shareholding and private profit, external actors have engendered an incoherent policy by which the goal of state building is at cross-purposes with the prograrn of withdrawing the state from the economy." (Pugh 2004: 185)
Hinzu kommt die teilweise verantwortungslose Umgang der bosnischen Politiker mit öffentlichen Ausgaben. Die ohnehin schon, gemessen an der einge-schränkten Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, sehr hohen Kosten des Staates, mit seiner vielschichtigen und komplexen Struktur (Vgl. Dziliic 2007: 19f.), stieß in den letzten Jahren immer öfter an die Grenzen der Finanzierbarkeit. Alleine die Ausgaben für die zahlreichen Staatsbediensteten machen rund ein Viertel des jährlichen Budgets aus (Vgl. IMF 2010: 23). Vor allem in der Föderation kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Budgetengpässen. Dennoch wurden angesichts schlechter Umfragewerte kurz vor den Wahlen im Jahr 2006 von den Regierungs-parteien in der Entität Sonderzahlungen für ehemalige Soldaten eingeführt.(Vgl. Pleho 2010) Das Ergebnis war, wie Alic (Alic 2010) schreibt: "The move saved the elections for both [SDA and HDZ, Anm. des Autors], but the bud-get could not sustain it." Zur Finanzierung musste die Entität im Endeffekt Kredite von privaten Banken aufnehmen und im Zuge der IWF-Konditionalitäten musste das ent-sprechende Gesetz wieder zurückgenommen werden. (Vgl. Pleho 2010) Auch ein im Jahr 2009 geschaffener "Fiscal Counci1", der sich in erster Linie aus aus den Premier- und Finanzministern auf Staats- und Entitätsebene zusammensetzt und zur Koordination der Fiskalpolitik der einzelnen institutionellen Ebenen dienen sollte, ist weit davon entfernt effektiv Entscheidungen zu treffen. Wie in anderen Bereichen auch, steht die Interessensvertretung der eigenen territorialen Einheit im Vordergrund, während die Interessen des Gesamtstaates im Hintergrund stehen. (Vgl. OHR 2009a: Para. 45)
5.3.4
Spoiling Peace in Bosnia?
Nach der Darstellung des Verlaufs der Friedenskonsolidierung in post-Dayton Bosnien und Herzegowina in den Bereichen Demokratisierung und ökonomische Transformation, soll nun mit Hilfe des im ersten Teils dargestellten Konzept des "spoiling", der Einfluss der nationalistischen Parteien SDA, SDS und HDZ auf diesen Prozess näher analysiert werden.
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Die Erfahrungen, aus beinahe fünfzehn Jahren Demokratisierungspolitik in Bosnien und Herzegowina haben gezeigt, dass ein formales Ende des Krieges noch lange kein Ende des dem Kriege zugrunde liegenden Konflikts bedeuten muss. Vielmehr lässt sich an diesem Beispiel zeigen, mit welchen Mitteln und Strategien die Konfliktparteien, deren Repräsentanten SDA, SDS und HDZ sind, in der Phase der Implementierung eines Friedensabkommens versuchten, ihre grundlegenden Ziele, welche sie mit dem FriedensscWuss nicht ausreichend erreicht sahen, im Rahmen der mit diesem geschaffenen Strukturen zu erreichen. Die Ziele von SDA, SDS und HDZ Die drei Konfliktparteien verließen den Verhandlungstisch in Dayton, wie gezeigt, mit äußerst gemischten Gefühlen, da der dort unter starkem internationalen Druck zustandegekommene Kompromiss ihre eigentlichen Zielsetzungen im besten Falle nur teilweise erfüllte. Ironischerweise sollte sich bereits damals anbahnen, was für den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina charakteristisch ist: Kompromiss und Zusammenarbeit erfolgte weitgehend nur unter erheblichem Zwang der internationalen Akteure. "Nearly all key reform bills over the past decade were either imposed by the High Representative directly or negotiated under its heavy-handed influence." (Bertelsmann Stiftung 2007: 20) Diese aktive Rolle der internationalen Akteure, die sich im Verlauf der ersten Jahre der Friedenskonsolidierung allmäWich entwickelte, resultierte aus den unterschiedlichen Vorstellungen der internationalen Gemeinschaft und der dominanten lokalen Akteure SDA, SDS und HDZ, worin das endgültige Ergebnis dieses Prozesses bestehen sollte. Während das OHR und andere internationale Organisationen ihre Arbeit mit dem Ziel begannen, einen multiethnischen Staat Bosnien und Herzegowina (wieder) zu errichten, verfolgten die Konfliktparteien weiterhin die Etablierung ethnisch definierter territorialer Einheiten. (VgL Donais 2005: 53) Verdeutlichen lässt sich dieses Argument aufgrund der Prävalenz der Frage über die Struktur des Staates Bosnien und Herzegowina, die im Abkommen von Dayton mit einem widersprüchlichen Kompromiss zu lösen versucht wurde, über den gesamten bisherigen Zeitraum der Friedenskonsolidierung. Auch wenn die damit verbundene Diskussion im Verlauf der Jahre mit unterschiedlicher Vehemenz geführt wurde, nahm sie im politischen Prozess dennoch meist eine dominante Stellung ein. Beinahe jede Entscheidung wurde auf "vitale Interessen" der ethnonationalen Gruppen reduziert, während die Entwicklung des Gesamtstaates als zweitrangig betrachtet wurde. (Vgl. Dizdarevic 2004: 38) Nahezu alle Reformen, die eine Stärkung des gemeinsamen Staates vorsahen, mussten so von den internationalen Akteuren durchgesetzt werden, während die nationalistischen Parteien nach der Erhaltung des Status quo, d.h. der Aufrechterhaltung der ethnonationalen Teilung des Landes bzw. damit verbunden ihrer eigenen parallelen Machtstrukturen,
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trachteten (Vgl. Dzihic 2005: 26) und darüber hinaus ihre ehemaligen Kriegsziele doch noch zu erreichen versuchten. (Vgl. ICG 1999a: 57) SDA, SDS und HDZ sahen die Ergebnisse der Verhandlungen von Dayton somit keineswegs als endgültig an (Vgl. Gromes 2007: 330), sondern versuchten die Entwicklungen im Rahmen des Prozesses der Friedenskonsolidierung so zu verändern, dass diese ihren eigenen Vorstellungen entsprachen. Dabei fanden sich diese Akteure am Ende des Jahres 1995 in unterschiedlichen Positionen wieder, welche ihre Vorgehensweise und ihre unmittelbaren Zielsetzungen beeinflussten. Die bosnischen Kroaten sahen sich nach Dayton mit einer Situation konfrontiert, in der ihrer ethnonationalen Gruppe durch die konkordanzdemokratischen Regelungen in den bosnischen Institutionen zwar ein Mitspracherecht im politischen System garantiert wurde, sie aber im Gegensatz zu den Serben keine eigenen (verfassungsmäßigen) politischen Strukturen erhielten. Vielmehr waren sie auf allen Ebenen des Staates zur Machtteilung mit den anderen Gruppen "gezwungen". Die HDZ versuchte daher immer wieder, diese als benachteiligend wahrgenommene Situation79, nachträglich zu verändern, indem sie immer wieder ihre Forderung nach einer "Gleichstellung" mit Bosniaken und Serben in den politischen Prozess, bis hin zur Etablierung einer eigenen "kroatischen Entität", einbrachten. (Vgl. Donais 2005: 60; Manning 2004a: 72f.) ,,[...] the HDZ has taken advantage of this perceived vulnerability to pursue a consistently hard and obstructionist line, regularly calling for a "third," Croat-majority, entity within Bosnia [...]." (Donais 2005: 60) Am deutlichsten kam diese Zielsetzung nach den Wahlen im Jahr 2000 zum Vorschein, als unter der Führung der HDZ die Selbstverwaltung ausgerufen wurde und die bosnischen Kroaten ihre Mitarbeit in den verfassungsmäßigen Institutionen vorübergehend einstellten. (Vgl. Gromes 2007: 260-264) Die bosnischen Serben fanden sich nach den Verhandlungen in Dayton dem gegenüber in einer Situation wieder, in der sie "near-sovereign control over a virtually mono-ethnic entity" (Donais 2005: 59) ausüben konnten. Da die SDS als dominanter politischer Akteur innerhalb dieser Gruppe mit der Etablierung der Republika Srpska ihre Kriegsziele weitgehend realisieren konnte, war sie im Gegensatz zur HDZ, die auf die Schaffung "eigener" politischer und institutioneller Strukturen hinarbeitete, in erster Unie darauf bedacht, die weitreichenden Kompetenzen der als "serbisch" wahrgenommenen Entität zu bewahren. (Vgl. Manning 2004b: 62; Donais 2005: 59) ,,[...] the party leadership has been at pains both to dorninate politics in RS, and to demonstrate that RS is a legitimate, functionally 79 Diese empfundene Benachteiligung drückte ein HDZ-Funktionär folgendermaßen aus: "SDS and SDA have achieved their goals so they have no reason to exist. SDS has the Republika Srpska. SDA did an even better job - they produced a majoritarian system and this electorallaw [2000 rule changes] made Croats a minority without influence on the federal level. Serbs received an entity and Muslims received an entity, and Croats are amorphous." (zit. nach: Manning 2004: 72)
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democratic entity in order to fend off periodic calls for its dissolution [...]." (Manning 2004b: 62) Die SDS sah die Republika Srpska in erster Linie als Staat der bosnischen Serben an (VgL Zahar 1999: 280; Manning 2004b: 66), dessen weitgehende Eigenständigkeit innerhalb des Staates Bosnien und Herzegowina zum einen "beschützt" und zum anderen nach Gelegenheit auch ausgebaut werden sollte. So schrieb auch die International Crisis Group: "The strategy of SDS leaders [...] has been to preserve, protect and enhance their entity's 'sovereignty' while blocking any and all measures that would strengthen the state, however symbolic this measures might be and however beneficia1 they could prove for the people of the RS." (lCG 2001a: 42) Obwohl sie mit dieser strategischen Zielsetzung die Reintegration des Gesamtstaates behinderte und von der internationalen Gemeinschaft als eines der größten Hindernisse für die Implementierung des Abkommens von Dayton betrachtet wurde, fand sich die SDS im Laufe der Zeit in einer Situation wieder, in der sie zu den stärksten Verfechtern des Friedensvertrages (d.h. in erster Linie jener Teile, welche die "Souveränität" der RS betrafen) geworden war und sich dessen vielfach geforderter Revision widersetzte. (Vgl. Donais 2005: 57) An dieser in gewissen Maßen ironischen Situation ist abzulesen, welch schwierige Ausgangslage Dayton für den Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina gelegt hatte. Im Falle der SDS ist allerdings anzumerken, dass sie in den letzten Jahren von Dodiks SNSD als dominanter serbischer Akteur in der Politik Bilis weitgehend abgelöst wurde. Eine Charakterisierung der grundlegenden strategischen Ziele der SDA in diesem Prozess ist insofern schwierig, als die Führung dieser Partei immer wieder widersprüchlich agierte. Auf der einen Seite befürwortete sie einen multiethnischen Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina und forderte eine Stärkung der gesamtstaatlichen Institutionen, auf der anderen Seite stilisierte sie sich wie SDS und HDZ zum Beschützer der ethnonationalen Interessen der Bosniaken. (Vgl. Sabic 2005: 57-62; ESI 1999: 14-17) Die SDA agierte deshalb über den größten Teil der letzten fünfzehn Jahre in einem Zwiespalt, indem sie einerseits die Reintegration des Gesamtstaates forderte, andererseits allerdings dieser Entwicklung selbst gegensteuerte, indem sie ethnische cleavages aufrechterhielt und sich in gewissen Bereichen (z.B. Flüchtlingsrückkehr, Mitarbeit in den gemeinsamen Institutionen) auch aktiv im Widerspruch zu ihren eigenen Grundsätzen und den Anforderungen des Prozesses der Friedenskonsolidierung verhielt. (Vgl. ESI 1999: 15) Eine eindeutige Charakterisierung der SDA wird zusätzlich dadurch erschwert, dass innerhalb dieser Partei keine einheitliche Linie in Bezug auf eine Zukunftsvision für Bosnien und Herzegowina auszumachen ist, da verschiedene Persönlichkeiten in der SDA über extrem unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema verfügen. (VgL Sabic 2005: 62; Donais 2005: 61) Versucht man die Politik der SDA dennoch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammenzufassen, so lässt sich sagen, dass diese innerhalb
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der letzten fünfzehn Jahre das Ziel verfolgte, einen starken Zentralstaat Bosnien und Herzegowina aufzubauen, jedoch gleichzeitig nach dem Erhalt einer separaten, bosniakischen politischen Arena bzw. nach einer bosniakischen Mehrheit innerhalb dieses Staates suchte. (VgL Donais 2005: 60f.; Manning 2004a: 75) Zusammenfassend betrachtet versuchten SOA, SOS und HDZ nach dem Abschluss der Friedensverhandlungen in Dayton aus unterschiedlichen Positionen heraus und mit unterschiedlichen Zielsetzungen, welche jedoch in allen drei Fällen in weiten Teilen mit denen während des Krieges konvergierten, den Prozess der Friedenskonsolidierung in solche Bahnen zu lenken, welche ihren eigenen Vorstellungen entsprachen. Am deutlichsten zeigte sich dies bei SDS und HOZ, während die SDA die meiste Zeit äußerst ambivalent agierte. In Summe blieben drei unterschiedliche Visionen des Staates Bosnien und Herzegowina, welche auf keinen gemeinsamen Nenner zu bringen waren und im Widerspruch zur Idee eines multiethnischen Staates standen. Das hier diskutierte Beispiel ist ein Beleg für das in der theoretischen Diskussion vorgebrachte Argument (Vgl. Richmond 2006: 71-74), dass Konfliktparteien ihre ursprünglichen Kriegsziele weiterverfolgen werden, wenn sie diese in einem Friedensabkommen nicht ausreichend erfüllt sehen. So schrieb die ICG für SDS und HDZ: "Both parties are now attempting to now realise by peaceful means the goals they could not achieve through force of arms." (Vgl. ICG 1999a: 51)
Instrumente des spoiling Um diese Ziele im Rahmen des Prozesses der Friedenskonsolidierung zu erreichen, griffen die nationalistischen Parteien auf verschiedenste Mittel zurück, wobei sie die Besonderheiten des politischen Systems Bosnien und Herzegowinas, wie es mit dem Friedensschluss von Dayton etabliert wurde und die ihnen zur Verfügung stehenden Machtressourcen, als ein Erbe des Krieges, geschickt für ihre Zwecke ausnützten. Eines der wirksamsten Instrumente, welches den hier untersuchten potentiellen Spoilern zur Verfügung stand, war die gezielte Manipulation und Mobilisierung der Wahlbevälkerung auf der Basis ethnischer Trennlinien vor den zahlreichen Urnengängen der letzten fünfzehn Jahre. Während sich die internationalen Akteure von freien, demokratischen Wahlen erhofften, dass sich zumindest mittelfristig moderate Kräfte gegenüber den nationalistischen Parteien durchsetzen werden (Vgl. Manning 2004a: 62), ging es für letztere bei diesen Gelegenheiten in erster Linie darum, ihre dominante Position im politischen System Bosnien und Herzegowinas zu erhalten bzw. demokratisch zu legitimieren. (Vgl. Lyons 2002: 217) "Bosnia's political elites have used elections as a means of advancing their wartime objectives through non-military means" (Donais 2000: 237), resümierte Timothy Donais daher.
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Obwohl OSZE und OHR, als zentrale internationale Akteure in diesem Bereich, mit verschiedenen Maßnahmen versuchten, ein Wahlsystem zu etablieren, welches moderate Wahlsieger gewissermaßen "produzieren" würde, gelang es SDA, SDS und HDZ immer wieder, Wahlen als Mittel zur Erreichung ihrer eigenen Ziele zu instrumentalisieren (wenn auch mit durchaus unterschiedlichem Erfolg). Da die nationalistischen Parteien ihre politische Machtposition in erster Linie dem, nicht zuletzt von ihnen geschürten, auf ethnonationale Trennlinien reduzierten Konflikt verdankten, ging es für sie in Post-Dayton Bosnien darum, diese cleavages als bedeutenden Mobilisierungsfaktor weiter aufrechtzuerhalten. So schrieb Manning für die HDZ: ,,[...] HDZ found the wartime political cleavage very much alive in the post-war political arena, and [...] found that keeping it alive prevented successful challenges from rival parties." (Manning 2004b: 68) Alle bisherigen Wahlgänge konzentrierten sich daher auch auf Themenstellungen, welche als vitale Interessen der jeweiligen ethnonationalen Gruppen verkauft wurden und mit einer Rhetorik der "Politik der Identität" verbunden waren. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das komplizierte Wahlsystem Bosnien und Herzegowinas, welches durch seine ethnische Dreiteilung der Wählerschaft für ethnonational definierte Parteien nur wenig Anreiz gab, außerhalb der eigenen Gruppe um Stimmen zu werben. (VgL Donais 2000: 252; Manning 2004a: 71E) "Bosnia's electoral rules have in fact contributed to further ethnic polarization by allowing candidates of all three ethnic groups to achieve electoral success through narrow appeals to ethnic solidarity." (Donais 2000: 252) Darüber hinaus nutzten SDA, SDS und HDZ auch ihre eigenen Machtstrukturen aus Kriegstagen, um bei den Wahlen erfolgreich abzuschneiden. Zum einen konnten sie durch ihre Kontrolle, über für die Bürger wichtige soziale und ökonomische Ressourcen, Druck auf die Wähler ausüben, für sie zu stimmen. Zum anderen konnten sie durch die Kontrolle von Polizei und Medien, vor allem in den ersten Jahren, moderate Parteien weitgehend aus dem Wahlkampf drängen. (Vgl. Donais 2000: 239-248; Manning 2004a: 68E) Das Resultat war, dass SDA, SDS und HDZ im gesamten bisherigen Verlauf der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zu den einflussreichsten Akteuren im politischen System zählten, auch wenn sie in den letzten Jahren an Dominanz eingebüßt haben. (Vgl. Manning 2004a: 66f.) Des weiteren benutzten sie vor allem die Zeit vor Wahlen um die Relevanz ethnischer Trennlinien innerhalb der bosnischen Gesellschaft zu festigen und so ihre eigene Position zu erhalten. ,,[...] by keeping the cleavage alive and by remaining viable, but problematic, electoral contenders, they ensure organizational survival and also call into question the legitimacy or viability of the settlement, leaving the door open for improvements in their own position." (Manning 2004b: 68) Neben dem Versuch über Wahlen als starke politische Akteure demokratische Legitimität zu erfahren und Einfluss auf den Prozess der Friedenskonsoli-
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dierung zu wahren, versuchten SDA, SDS und HDZ innerhalb der gemeinsamen, auf Machtteilung ausgelegten, Institutionen ihre Ziele zu erreichen. Dies geschah allerdings nicht durch Zusammenarbeit, sondern durch Blockade. (Vgl. Schneckener 2002: 296) Besonders deutlich zeigten sich im Falle Bosnien und Herzegowinas die negativen Auswirkungen konkordanzdemokratischer Regelungen, wenn die dominanten politischen Akteure eher an der Erhaltung des Status quo, als an einer konsensorientierten Zusammenarbeit interessiert sind. Durch die weitreichenden Veto-Möglichkeiten, von denen die nationalistischen Parteien regen Gebrauch machten, gestaltete es sich schwierig, Entscheidungen zu fillen. (Vgl. Bertelsmann Stiftung 2007: 19; Gromes 2007: 377) Darüber hinaus wurde durch das Prinzip der proportionalen Repräsentation der ethnonationalen Gruppen auf zahlreichen Ebenen des politischen Systems, das "Prinzip des Ethnischen" sowohl in den Institutionen als auch in der Gesellschaft weiter gefestigt, anstatt abgeschwächt. (Vgl Dzihic 2005: 30; Gromes 2007: 379) Die Arbeit in den staatlichen Institutionen war daher die meiste Zeit vom Konflikt zwischen den ethnonationalen Parteien geprägt, welche sich als Vertreter ihrer jeweiligen Gruppen verstanden und antagonistische Zielsetzungen verfolgten. "Most blockages in terms of reforms originate [...] from the narrow, ethnic agenda of most political parties, which prevents consensus building." (Bertelsmann Stiftung 2007: 24) Die nationalistischen Parteien haben somit die Schwachpunkte konkordanzdemokratischer Systeme gezielt dazu ausgenutzt, um auf der einen Seite Reformen und Veränderungen zu verhindern, welche im Widerspruch zu ihren eigenen Zielsetzungen standen und zum anderen um den Konflikt zwischen den ethnonationalen Gruppen aufrecht zu erhalten. Die Konsensftndung innerhalb der demokratischen Strukturen wurde dadurch erheblich erschwert und wichtige Fragen, wie die nach der endgültigen politischen und institutionellen Ordnung des Staates konnten auch nach beinahe fünfzehn Jahren Friedenskonsolidierung nicht geklärt werden. Die nationalistischen Parteien versuchten allerdings auch außerhalb der demokratischen Strukturen den Prozess der Friedenskonsolidierung zu beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Zusammenhang immer wieder die Kriegsveteranenverbände, welche eng mit den Parteien verbunden waren. Am Beispiel der HVlDRA, welche der HDZ nahesteht, zeigte sich, dass diese Verbände immer wieder als militanter Arm der politischen Parteien auftraten und deren Ziele mit radikaleren Mitteln durchzusetzen versuchten. Bombenanschläge, Organisation von Massenkundgebungen oder die Errichtung von Straßensperren zählten dabei zu den Taktiken.so (Vgl. Bojicic-Dzelilovic 2006: 208-214) Vor allem im Bereich der Flüchtlingsrückkehr setzten die nationalistischen Parteien auf allen Seiten auf Diskriminierung bis hin zu direkter Gewaltanwendung, um die ethnisch homogene 80 Ähnliche Taktiken verfolgten auch der SDS nahestehende Veteranenverbände. (Vgl. leG 2001a: 14; 34)
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Struktur der unter ihrer Kontrolle stehenden Gebiete aufrechtzuerhalten. (Vgl. Hchr BH 2001; Bojicic-Dzeliliovic 2006: 211f.; leG 2001a: 38-41) Durch die Aufrechterhaltung eines "Klimas der Angst" und gezielter Benachteiligung sollten potentielle Rückkehrer von ihren Plänen, wieder in ihre ursprünglichen Heimatorten zurückzukehren, abgebracht werden. Der Bereich der Ökonomie bot potentiellen Spoilern in Bosnien und Herzegowina einige weitere Instrumente, welche sie zur Steuerung des Prozesses der Friedenskonsolidierung benutzen konnten. Der ökonomische Sektor war dabei von zweifacher Bedeutung für die nationalistischen Parteien. Zum einen bot er jene Ressourcen, welche die Basis der separaten Machtstrukturen bildeten und zum anderen bot er verschiedenste Möglichkeiten, die ethnische Dreiteilung des Landes und damit verbunden die ethnische Homogenisierung auch nach dem Ende des Krieges mit "friedlichen" Mitteln aufrechtzuerhalten. (Vgl ESI 1999: SE) Ersteres impliziert daher, dass die nationalistischen Parteien im Rahmen des Prozesses der Friedenskonsolidierung gewissermaßen versuchen mussten, den am Ende des Krieges vorherrschenden Status quo aufrechtzuerhalten, um ihre gesellschaftliche und politische Machtposition nicht zu gefährden. Aufgrund des Ansatzes der internationalen Akteure, die Transformation der Wirtschaft rein technisch zu betrachten und Auswirkungen auf die politischen Aspekte des Prozesses der Friedenskonsolidierung zu vernachlässigen (Vgl. Donais 2005: 4OE), stießen SDA, SDS und HDZ lange Zeit auf wenig Probleme, ihre Kontrolle über die Ökonomie Bosnien und Herzegowinas zu konsolidieren. (Vgl Donais 2005: 91; 112f.) Dabei verfolgten die nationalistischen Parteien eine zweigeteilte Strategie. In bestimmten Bereichen, wie z.B. Privatisierung passten sie sich dem neuen Umfeld an und versuchten diesen Prozess in ihrem Sinne zu beeinflussen. Timothy Donais schrieb in diesem Zusammenhang sehr deutlich: "Bosnia's privatization process has shown with perhaps the greatest clarity the ability of the country's nationalists to manipulate an international strategy which largely ignored the political and ethnic implications of privatization." (Donais 2005: 165) Wie vorher dargestellt konnten sie durch diese Anpassung ihre Kontrolle über einen großen Teil der bosnischen Wirtschaft bestätigen. In anderen Bereichen der ökonomischen Transformation setzten SDA, SOS und HDZ hingegen auf gezielte Blockade, um Entscheidungen und Reformen zu verhindern, welche eine Reintegration des Wirtschaftsraumes und damit Einbußen im Einfluss ihrer eigenen Machtstrukturen bedeutet hätten. Die Vereinigung der Zahlungsbüros, die Errichtung einer Zentralbank oder der Abbau bestimmter Regelungen und Strukturen, welche eine Trennung des politischen und ökonomischen Sektors bedeutet hätten, wurden weitgehend vom Hohen Repräsentanten durchgesetzt oder sehr lange verschleppt. (Vgl Donais 2005: 99-103; Zaum 2006: 47-51) Mit einer Mischung aus Anpassung und Blockade gelang es den nationalistischen Parteien den Prozess der ökonomischen Transformation bzw. dessen
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Idealbild aus der Sicht der internationalen Gemeinschaft, somit so zu beeinflussen, dass er ihren eigenen Zielen dienlich war. Nachdem die Kontrolle der Ökonomie damit selbst ein wirksames Instrument des spoiling war, eröffnete diese in der Folge weitere Möglichkeiten zur Steuerung des Prozesses der Friedenskonsolidierung, da der Einfluss auf die den Bürgern zur Verfügung stehenden ökonomischen Ressourcen gleichzeitig einen Einfluss auf diese mit sich brachte. "People continue to vote for tbe nationalist parties because tbose are tbe parties witb tbe surest ability to deliver tbe resources tbey need to survive", beschrieb Manning (2004a: 68) diesen Zusammenhang. Deutlich zeigte sich dies im Bereich der Flüchtlingsrückkehr, in dem die nationalistischen Parteien ihre ökonomische Macht gezielt dazu nutzten, die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen anderer etbnonationaler Gruppen zu verhindern, mit dem Ziel die ethnische Homogenität ihrer jeweiligen Mehrheitsgebiete aufrechtzuerhalten. (Vgl. Donais 2005: 129-133) Entschieden sich Rückkehrer in Regionen zurückzukehren, in denen sie einer Minderheit angehören würden, sahen sie sich meist mit gezielter ökonomischer Diskriminierung konfrontiert. Arbeitsplätze in den von den nationalistischen Parteien kontrollierten Betrieben wurden ihnen in vielen Fällen (Vgl. Hchr BH 2001) verweigert, während der Zugang und die Versorgung mit öffentlichen Diensdeistungen (z.B. Telefon, Strom, Wasser) oder Sozialleistungen mit erheblichen Hürden verbunden war. (Vgl. Donais 2005: 131137; 152) Auf der anderen Seite erhielten Mitglieder jener etbnonationalen Gruppe, der auch die jeweils dominante Partei angehörte, bevorzugten Zugang zu Atbeitsmarkt, Land und anderen öffentlichen Leistungen. Ein Bericht des Helsinki Komitees für Menschenrechte beschrieb diese Situation folgendermaßen: " [..,] citizens who do not belong to tbe ruling parties cannot get job, return tbeir property, and have adequate medical care. At tbe same time, tbe autborities are absolutely numb for life interests and needs of citizens." (Hchr BH 2001) Diese gezielte Diskriminierung etbnonationaler Minderheiten, hielt viele Flüchdinge und Vertriebene davon ab, in ihre ursprünglichen Heimatorte zurückzukehren und führte stattdessen dazu, dass diese sich in Gebieten niederließen, in denen sie einer etbnonationalen Mehrheit angehörten. Gleichzeitig war sie ein wirksames Instrument der nationalistischen Parteien, um die ethnische Homogenität und damit eine Basis ihrer politischen Macht aufrechtzuerhalten. (Vgl. Donais 2005: 134- 136) Der Einsatz dieser Instrumentarien trug im Endeffekt einen erheblichen Teil dazu bei, dass Bosnien und Herzegowina auch fünfzehn Jahre nach Kriegsende ein endang ethnischer Trennlinien gespaltenes Land ist und immer noch in einer sehr frühen Phase der Friedenskonsolidierung feststeckt. Daher können diese, in Anbetracht der im ersten Teil dieser Atbeit festgehaltenen Deftnition von spoiling, als solches bezeichnet werden, da die nationalistischen Parteien mit dem Einsatz dieser Mittel diesen Prozess und dessen Ziele zutiefst konterkarierten. Hier ist allerdings
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auch zu erwähnen, dass diese strategisch und mit Bedacht eingesetzt wurden und ihre Auswirkungen nie zu einem vollständigen Zusammenbruch des Prozesses der Friedenskonsolidierung zu führen drohten. Vielmehr bewegten sich die potentiellen Spoiler in Bosnien und Herzegowinas entlang eines schmalen Grats, zwischen teilweiser Partizipation und totaler Blockade. (Vgl. Gromes 2008: 12f.) Dies deutet auf eine Bestätigung, des in der theoretischen Diskussion vorgebrachten Arguments, wonach das Ziel von spoiling nicht das Ende eines Friedensprozesses ist, sondern dessen Steuerung. (Vgl. Findley 2007: 35f.) Während die Vision eines multiethnischen Staates, wie sie von der internationalen Gemeinschaft getragen wurde, für die nationalistischen Parteien wenig Anziehungskraft bot, da diese eine starke Erosion ihrer politischen und gesellschaftlichen Macht bedeutet hätte, bot der Prozess der Friedenskonsolidierung an sich, für diese auch positive Aspekte, welche sie mit einer Rückkehr zur offenen Konfrontation verloren hätten. Dazu gehörte zum Beispiel die demokratische Legitimierung als rechtmäßiger Vertreter der jeweiligen ethnonationalen Gruppe oder das in der Verfassung des Landes gesicherte Recht auf Teilnahme am politischen Entscheidungsfindungsprozess für jede Gruppe. (Vgl. Gromes 2008: 12f.) Darüber hinaus gewährte der Prozess der Friedenskonsolidierung den nationalistischen Parteien, wie im Fall des unmittelbaren wirtschaftlichen Wiederaufbaus deutlich zu sehen war, Zugang zu internationalen Geldern, welcher im Fall einer vollständigen Blockade (am Beispiel der RS in den ersten Jahren nach Dayton ersichtlich) und einer daraus möglicherweise resultierenden Beendigung des internationalen Engagements in Bosnien verloren gegangen wäre. Timothy Donais schrieb daher auch: "Bosnia's nationalist parties have, in fact, been remarkably resourceful in navigating between the twin imperatives of conserving their own sources of power and authority while demonstrating sufficient cooperation with the peace impiementation process to avoid provoking a more aggressive international response. " (Donais 2005: 169)
Motive derpotentiellen Spoiler Welche Motive stehen nun hinter der Politik von SDA, SDS und HDZ, wie sie in den vergangenen fünfzehn Jahre betrieben wurde? Im theoretischen Teil wurden vier grundsätzliche Motive, welche zu spoiling-Verhalten führen können, dargestellt: need, creed, greed und Autismus der Gewalt. Wie bereits vermutet, lässt sich das Verhalten potentieller Spoiler nicht auf ein einziges, klar definiertes Motiv reduzieren. Das Beispiel Bosnien und Herzegowina hat gezeigt, dass diese Akteure aus mehreren miteinander verflochtenen Beweggründen, Strategien verfolgten, welche im Endeffekt die anvisierten Ziele des Prozesses der Friedenskonsolidierung in Frage stellten.
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Zum einen ist ein deutliches need-Motiv erkennbar, da das Friedensabkommen von Dayton die grundlegenden Konfliktursachen nur unzureichend adressierte, wodurch die nationalistischen Parteien, diese im Verlauf des Friedensprozesses weiter thematisierten. ,,[...] the inability of Dayton's architeets to settle the fundamental conflict over which the war was fought ensured that post-Dayton Bosnia would continue by the same logic of ethnic nationalism that produced the war in the first place." (Donais 2003: 249) Das Motiv "need" ist allerdings nur sehr schwer vom Motiv "creed" zu trennen, da alle Parteien gewisse Aspekte des Friedensprozesses als "Bedrohung" ihrer eigenen ethnopolitischen Gruppe wahrgenommen bzw. ihre Forderungen mit den Interessen der jeweiligen Gruppe verbunden haben. Die HDZ empfand die mit Dayton geschaffene institutionelle und territoriale Teilung des Landes als diskriminierend gegenüber den bosnischen Kroaten. Aus diesem Grund forderten die Politiker dieser Partei immer wieder eine "Gleichstellung" mit den anderen ethnopolitischen Gruppen. (Vgl Manning 2004a: 72(; Sito-Sucic 2008) Carrie Manning schrieb in diesem Kontext: "From the Croat nationalist point of view, the constitutional framework provides no shelter for the preferred strategy of ttying to segment the political arena, as it has for the Bosnian Serbs." (Manning 2004a: 73) Mit Wahlkampfslogans, wie "Entschlossenheit oder Vernichtung" (Gromes 2007: 251) im Jahr 2000 oder "Nie mehr ohne uns über uns" (Gromes 2007: 283) im Jahr 2002 brachte die HDZ, die von ihr wahrgenommene Bedrohung der bosnischen Kroaten durch das politische System auf den Punkt. Als unter Führung der HDZ im Frühjahr 2001 die kroatische Selbstverwaltung ausgerufen wurde, führten die dafür verantwortlichen Politiker diesen Schritt ebenfalls auf die fehlende Gleichstellung der ethnopolitischen Gruppen zurück. So verband der damalige Parteichef Jelavic eine Rücknahme der Entscheidung zur Selbstverwaltung mit der Rücknahme von Wahlregeln, welche er als diskriminierend gegenüber den bosnischen Kroaten verstand. (Vgl. Drazic 2001) Bei der gleichen Gelegenheit sprach er immer wieder von der vermeintlich antikroatischen Stimmung in Bosnien und Herzegowina: "lIDs Alliance is nothing but an anti-Croat coalition which does not respect the elecrion will of the Croat electorate and its legitimate representatives. [...] The arrogance of the international comrnunity and political self-deception of the leaders of the Alliance disregarded our demand that constituting of authorities past the will of the Croat people would be prevented. [ ] the puppet, illegal, anti-Croat authorities of the Social Democratic Party (SDP) [ ] is doing its best to make B&H a shaky, crisis and conflict stricken area, astate in which the Constiturion, laws, elecrion mechanisms and parliamentary institutions which protect and guarantee ethnic equality are not worth acent." (zit. nach: Drazic 2001)
Während das Ziel der HDZ, separate kroatische Strukturen in Bosnien und Herzegowina zu schaffen, sehr stark auf die, als diskriminierend wahrgenommene Stellung der bosnischen Kroaten im politischen System des Landes zurückzuführen
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ist, spielte bei der SDA ein anderer Aspekt des Motivs "creed" eine bedeutende Rolle: die Beseitigung früher erlittenen Unrechts. (Vgl. Schneckener 2003: 5; Zartman 2000: 257) Für die Bosniaken, welche sich in erster Linie als Opfer einer serbischen und zum Teil auch kroatischen ,,Aggression" verstanden (Vgl. Gow 2007: 372-374), war die Etablierung der Republika Srpska aus ihrem Blickwinkel eine unrechtmäßige Belohnung für den an ihrer eigenen ethnonationalen Gruppe, während des Krieges begangenem Genozid. Führende Politiker betonten diesen Aspekt vor allem in den letzten Jahren immer wieder. (Vgl. Grames 2008: 21f.) Ende 2005 brachte der Parteivorsitzende der SDA, Sulejman Tihic eine Klage beim VfGH ein, in der er die Änderung des Namens ,,Republika Srpska" forderte, da er diesen als Diskriminierung gegenüber den anderen ethnonationalen Gruppen ansah. (Vgl. Gromes 2007: 310) Im August 2008 verdeutlichte der Sohn des ehemaligen Präsidenten A1ija Izetbegovic, Bakir Izetbegovic diese Position, als er in einem Zeitungsinterview sagte: "Weil die Wahrheit über den Krieg in Bosnien ist, dass die Republika Srpska auf Gewalt, Ungerechtigkeit, furchtbaren ethnischen Säuberungen, Massengräbern, auf Srebrenica und geplanten Massenvergewaltigungen von Frauen etc. gegründet wurde. Die Serben sind nicht bereit, für die wabre Geschichte des jüngsten Krieges, weil das sollte zu der logischen Folgerung führen, dass die Republika Srpska abgeschafft wird." (Der Standard, 24.7.2008)
Die SDA empfand demnach den FriedensscWuss von Dayton dahingehend diskriminierend, als er begangenes Unrecht an ihrer eigenen ethnonationalen Gruppe nicht in ausreichendem Maße revidierte bzw. durch die Etablierung der Republika Srpska dieses legitimierte. Die Forderung nach einer Revision des Vertrages von Dayton und der Abschaffung der Entitäten lässt sich daher aus diesem Motiv erklären. Während sich die SDA unter Parteichef Tihic in den letzten Jahren von dieser "Opferrolle" zu distanzieren schien, übernahm die SBiH unter dem streitbaren Haris SilajdZic diese weitgehend. Da die SDS mit Dayton eine weitgehend "serbische" Entität erhalten hatte, spielte eine wahrgenommene Diskriminierung, als Grundlage ihrer politischen Ausrichtung eine weniger wichtige Rolle. Da aber der Prozess der Friedenskonsolidierung auf das Ergebnis eines reintegrierten, multiethnischen Staates abzielte, fand sich diese Partei ebenfalls in einer Situation wieder, in der sie eine vermeintlich drohende MarginaJisierung der bosnischen Serben, als Motiv für ihre politischen Zielsetzungen verkaufen konnte. earrie Manning brachte diese Situation auf den Punkt: "Since the unsegmented political arena of the Republic of Bosnia and Herzegovina, Serbs are less than 50 per cent of the voting population, a stronger central government puts Serbs in the position of being governed by their former military rivals. This is unacceptable to SDS [...]." (Manning 2004a: 73) Während HDZ und SDA Teile des Abkommens von Dayton als diskriminierend
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oder unrechtmäßig empfanden, ergab sich die von der SDS als Gefährdung ihrer eigenen ethnonationale Gruppe eingestufte Situation, erst im Kontext des Prozesses der Friedenskonsolidierung. Aus der von dieser Partei bewusst manipulierten Angst, wonach eine Reintegration des Staates die bosnischen Serben als Ganzes in eine verwundbare Position bringen würde, erllirt sich deren Ablehnung gegenüber den auf Reintegration ausgelegten Teilen des Friedensabkommens. Immer wieder bekundeten Politiker dieser Partei daher in der Öffentlichkeit, dass sie eine Schwächung der Republika Srpska (d.h. in erster Iinie eine Verlagerung zentraler Kompetenzen an den Gesamtstaat) nicht akzeptieren und den weitgehend eigenständigen Status der RS beschützen würden. (Vgl. leG 2001a: 42-45) Vor den WaWen im Jahr 2004 bekräftigte der damalige Präsident der Partei, Cavic, diese Haltung indem er sagte, dass ohne die Republika Srpska auch Bosnien und Herzegowina nicht weiterbestehen werde. (Vgl. OHR 2004e) Wenig später beschwor ein weiteres hochrangiges Mitglied der Partei die drohende Gefahr einer Übervorteilung der bosnischen Serben, als er meinte, dass die "battle for RS has still not been ftnished and it is taking place not only at the level of Bill but also at the locallevel [...]." (OHR 2004e) Zusammengenommen stellten durch das Abkommen von Dayton oder im Verlauf der Friedenskonsolidierung entstehende, als Diskriminierung bzw. "Bedrohung" der eigenen ethnonationalen Gruppe wahrgenommenen Entwicklungen, für alle drei Parteien ein starkes Motiv dar, den Friedensprozess dahingehend zu beeinflussen, dass diese beseitigt bzw. nicht auftreten werden. Vor allem im vorher beschriebenen Problemfeld der Friedenskonsolidierung, welches sich mit der ökonomischen Transformation der bosnischen Ökonomie beschäftigte, war das Verhalten dieser potentiellen Spoiler, auf ein Motiv zurückzuführen, welches in der theoretischen Diskussion als "greed" bezeichnet wurde. Wie in der kurzen Darstellung über die ökonomischen Aspekte des Krieges in Bosnien und Herzegowina gezeigt wurde, fanden sich viele Personen aus dem Umfeld von SDA, SDS und HDZ im Verlauf des Krieges in einer Position wieder, in der sie aus der unübersichtlichen Situation infolge der Kampfhandlungen und den Besonderheiten der bosnischen Bürgerkriegsökonomie, persönliche finanzielle Profite generieren konnten. (Vgl. z.B. Andreas 2004a) Damit verbunden stellte die Kontrolle über weite Bereiche der bosnischen Ökonomie eine materielle Grundlage für den Aufbau und den Erhalt ihrer parallelen Machtstrukturen dar. (Vgl. ESI 1999: 5f.) Diese Parteien sahen sich im Verlauf der Friedenskonsolidierung allerdings einem Prozess gegenüber, dessen Ziel es war, separate Strukturen abzubauen und stattdessen einen funktionsfiihigen Staat Bosnien und Herzegowina zu errichten. Dies beinhaltete auch die Reintegration, der entlang ethnischer Trennlinien gespaltenen, bosnischen Ökonomie. Da aber ein Verlust über die Kontrolle weiter Teile der Wirtschaft zu gleichen Maßen mit einem Verlust an Ressourcen für die Aufrechterhaltung der separaten Strukturen und damit auch die Gefahr eines
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drohenden Verlusts an politischer Macht verbunden war, entstand für SDA, SDS und HDZ nach dem Ende des Krieges ein starker Anreiz am damaligen Status quo festzuhalten. (Vgl. Donais 2005: 71-73) ,,[...] a eloset reading of Bosnia's political economy of conflict makes the source and the rationale for this opposition quite elear: both peacebuilding and market-building threatened to undermine the country's post-war political economy, and thus the political and economic under-pinnings of power." (Donais 2005: 165) Für die nationalistischen Parteien war demnach die Beibehaltung der ökonomischen Situation, wie sie sich unmittelbar nach dem Krieg präsentierte, wesentlich verlockender und aus deren Blickwinkel durchaus verständlich, als die Reintegration des Staates und die Trennung der politischen und wirtschaftlichen Sphären. Neben diesen drei Motiven, welche zur Erklärung der Verhaltensweisen der nationalistischen Parteien im Prozess der Friedenskonsolidierung herangezogen werden können, drängt sich im Falle Bosnien und Herzegowinas ein weiterer wichtiger Aspekt auE Dieser beruht auf der Annahme, dass das oberste Ziel von Politikern und Parteien in Demokratien darin besteht, genug Anhänger zu mobilisieren, um mit entsprechenden Wählerstimmen politische Positionen besetzen zu können, welche eine Teilhabe an der politischen Macht (weiter) garantieren. (Vgl. Downs 1968: 24-30) Wie Thorsten Gromes (Vgl. Gromes 2007: 83) schrieb, besitzen dabei in Nach-Bürgerkriegsgesellschaften jene c1eavages ein großes Mobilisierungspotential, welche auch während des gewaltsam ausgetragenen Konflikts eine zentrale Rolle einnahmen. Gemäß diesem Argument versuchten SDA, SDS und HDZ aus rationalen Überlegungen die Prävalenz der Trennlinien zwischen den ethnonationalen Gruppen, welche vor und während des Krieges zu einer starken Polarisierung der Gesellschaft geführt hatten, weiter aufrechtzuerhalten, um auch zukünftig in einem demokratischen System einen entsprechenden Anteil an der politischen Macht zu erlangen. Carrie Manning schrieb in diesem Zusammenhang am Beispiel von SDS und HDZ: "The leadership of both parties have pursued a similar goal, namely to preserve their own power by preserving the existence of ethnically segmented political arenas within the Republic of Bill as a whole." (Manning 2004b: 62) Da das Wahlsystem Bosnien und Herzegowinas eine Trennung der Wählerschaft auf der Basis ethnonationaler Kriterien festschrieb, erwies sich diese Strategie als äußerst effektiv für die nationalistischen Parteien. (Vgl. Manning 2004a: 72-75) Der anhaltende Konflikt zwischen den ethnonationalen Gruppen stellte für die nationalistischen Parteien somit in ihrem Kampf um politischen Einfluss und Macht eine politische Ressource dar, welche sie in den zahlreichen Wahlen durchaus geschickt ausnutzen konnten. (Vgl. Gromes 2007: 373f.) In einer Untersuchung zu diesem Thema kam Carrie Manning zum ScWuss, dass vor allem die HDZ aus dieser Strategie großen Nutzen ziehen konnte: "Because Croats are a minority of the population of the Federation [...], HDZ suc-
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cessfully makes the proteetion of ethnonational rights and political power a pillar of its message, perpetuating the wartime political cleavage." (Manning 2004b: 68) Was aus der Sicht Außenstehender möglicherweise als irrationaler Nationalismus erscheinen mag, ist für die nationalistischen Parteien selbst, eine erfolgreiche Strategie Wähler zu mobilisieren. Zusammengefasst lässt sich das Verhalten der nationalistischen Parteien im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina auf Motive zurückführen, wekhe zum einen aus dem kollektiven Interesse der jeweiligen ethnonationalen Gruppe 81 und zum anderen aus den persönlichen Interessen der einzelnen Akteure bzw. Parteien resultierten. Spoiler-Management der internationalen Akteure Die internationalen Akteure führten auftretende Probleme im Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina zumeist auf die Politik der nationalistisehen Parteien zurück. (Vgl. Gromes 2007: 338) Um den Einfluss dieser Parteien im politischen System zu schwächen, verfolgten die relevanten internationalen Organisationen dabei eine Reihe von verschiedenen Strategien, wekhe im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. In den ersten Jahren nach Dayton sollte vor allem über die Strategie der Marginalisierung versucht werden, die Anziehungsktaft von SDA, SDS und HDZ innerhalb der Bevölkerung zu verringern, was sich vor allem im Vorfeld von Wahlen zeigte. Dabei verfolgten OSZE und OHR, als bedeutendste internationale Akteure in diesem Bereich, mehrere Ziele, wie Carrie Manning schrieb: ,,After the ftrst disastrous elections in 1996, [...] [they] began to use elections as an explicit tool for sidelining the nationalist parties, encouraging moderates, and improving compliance with Dayton." (Manning 2004a: 69) Zum einen erfuhr das Wahlsystem, welches in seiner ursprünglichen Form für Parteien keinen Anreiz bot, um Stimmen außerhalb ihrer eigenen ethnonationalen Gruppe zu kämpfen immer wieder Anpassungen, welche multiethnisch orientierten Parteien einen Vorteil verschaffen sollten. Den Auftrag dazu erhielten OSZE und OHR im Jahr 1997 vom PIC, der in seiner Abschlusserklärung festhielt: "The Council considers mulri-ethnicity a fundamental goal for the consolidation of a stable and democratic Bosnia and Herzegovina. It therefore recognises the need to support the establishment of new multi-ethnic parties and to strengthen the existing ones. It invites the High Representative, the OSCE and the Council of Europe to take due account of tbis need when reviewing the draft Election Law." (pIC 1997c: Para. VIA)
81 Dies soll bedeuten, dass die nationalistischen Parteien ihre Politik im Sinne der kollektiven Interessen der jeweiligen ethnonationalen Gruppe verstehen.
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In der Folge wurden immer wieder Veränderungen am Wahlsystem vorgenommen, um moderate, multiethnische Parteien gegenüber den nationalistischen Parteien in eine bessere Position zu bringen. (VgL Gromes 2007: 228; 248; 250) Der Erfolg dieser Maßnahmen erwies sich jedoch als bescheiden, denn die nationalistischen Parteien erreichen bei den Wahlen in Bill zusammengenommen immer noch den größten Stimmenanteil. (Vgl. Manning 2004a: 75) Darüber hinaus versuchten die internationalen Akteure gezielt, multiethnische Parteien zu ernstzunehmenden Protagonisten im politischen System Bosnien und Herzegowinas aufzubauen. Obwohl diese Strategie bereits unter dem Hohen Repräsentanten Carlos Westendorp ihren Anfang nahm (Vgl. Donais 2003: 247), wurde sie in der Amtszeit Wolfgang Petritschs am konsequentesten verfolgt. Dodik und PlavSic waren die ersten Politiker in der Republika Srpska, welche (gegenüber der SDS) als moderat eingeschätzte Akteure auf massive Unterstützung von Seiten der internationalen Gemeinschaft zählen konnten. Vor allem die Regierung unter Milorad Dodik konnte lange Zeit auf die uneingeschränkte Unterstützung der internationalen Akteure zählen. (Vgl. Cox 2001: 14-15; Petritsch 2001: 92-101) In der Föderation setzten die internationalen Akteure ihre Hoffnungen auf die multiethnische SDP, als Alternative zur SDA und auf die NHI, als Alternative zur HDZ. (Vgl. DuPont 1999: 349E) Die International Crisis Group schrieb daher Ende 1999, " [that OSCE] was actively involved in the international community's effort to unseat SDA, HDZ and the Serb nationalist block, most notably the SDS and SRS," (lCG 1999a: 15) Diesen und anderen kleineren Parteien fehlte es in den ersten Jahren Post-Dayton Bosnien und Herzegowinas in erster Linie an der notwendigen Infrastruktur, um ernsthafte Kampagnen planen und durchführen zu können. SDA, SDS und HDZ hingegen konnten aufgrund ihrer weit vernetzten und gefestigten Struktur auf große finanzielle und personelle Ressourcen zurückgreifen, was ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber den oft erst im Entstehen begriffenen moderaten Parteien verschaffte. Um diese Kluft zwischen nationalistischen und moderaten Parteien zu verringern, stellten OSZE und fallweise auch andere internationale Akteure letzteren vor den Wahlen in den Jahren 1998 und 2000 in großem Umfang Büroinfrastruktur zur Verfügung, führten Schulungen durch und unterstützten diese bei der Ausarbeitung und Durchführung der Wahlkampagnen. (Vgl. Du Pont 1999: 352-354) Zudem waren auch die Medienkampagnen vor den Wahlen im Jahr 2000, mit den Slogans "Vote for Change" und "Vote down Corruption", als deutliches Signal gegen die nationalistischen Parteien zu verstehen. (Vgl. ICG 2000a: M.; ICG 2000b: 3) Als ein weiterer wichtiger Bestandteil der Marginalisierungsstrategie galt die Reform des Mediensektors in Bosnien und Herzegowina, da infolge des starken Einflusses von SDA, SDS und HDZ die Berichterstattung in den ersten Jahren nach dem Krieg stark einseitig und zugunsten dieser Parteien ausfiel, während deren politische Gegenspieler in der Berichterstattung regelmäßig diffamiert wurden. Über
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die Förderung und den Aufbau unabhängiger Medien erhofften sich die internationalen Akteure daher eine Stärkung jener Kräfte, welche für die Umsetzung des Abkommens von Dayton eintraten und eine bessere Einbindung moderater Positionen in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs. (Vgl. Petritsch 2001: 163166) Mit dem Wahlsieg der SDP im Jahr 2000 und der rechnerischen Möglichkeit einer Regierung ohne Beteiligung der nationalistischen Parteien schien die Strategie der Marginalisierung erste Erfolge zu zeigen. Nach starken Interventionen von Seiten hochrangiger Diplomaten, gelang es nach den Wahlen schließlich die heterogene ,,Allianz für den Wandel" in die Regierung zu heben, was international als großer Erfolg und Fortschritt gefeiert wurde. (Vgl. ICG 2002a: 256f.) Trotz der ersten Erfolge, welche die Strategie der Marginalisierung aus der Sicht der internationalen Akteure in Bosnien und Herzegowina zeigte, vollzog sich mit dem Ende der Amtszeit Petritschs und dem Beginn der Amtszeit Ashdowns einen radikaler Paradigmenwechsel im Bereich des Spoiler-Managements. Mit seiner Aussage ,,1 will support action and reforms, not personalities or parties" (OHR 2002c), verkündete er das Ende der Strategie der Marginalisierung bereits bei seiner Antrittsrede. Seine Strategie kann als der Versuch gesehen werden, die nationalistischen Parteien zu "sozialisieren". Dazu verpflichtete er alle Parteien auf sein Reformprogramm ,Jobs and Justice", welches als Basis für die politische Entwicklung in den folgenden Jahren dienen sollte. (VgL ICG 2003: 32) Ashdown erhoffte sich, dass die nationalistischen Parteien vor dem Hintergrund dieser klaren Zielsetzungen, welche sie im Vorfeld der Wahlen unterstützt hatten, ihre Einstellungen anpassen und sich zu reformorientierten Parteien wandeln würden. Nach deren Wahlsieg sagte er daher: "What is [...] encouraging, is that all the so-called 'nationalist' parties now say they are in favour of these reforms too. [...] If those parties that aspire to government in this country mean what they say about joining the reform movement, if they are really prepared to back up their words with deeds, then let them begin by supporting, and then playing their part in implementing these reforms without delay." (OHR 2002d)
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, sah Ashdown die nationalistischen Parteien somit weniger als potentielle Spoiler, sondern eher als potentielle Partner. (Vgl. Dzihic 2005: 26) Anstatt nach moderaten Parteien als Alternative zu den Nationalisten zu suchen, schrieb die ICG, "Ashdown has sought to remake as well to rebrand the nationalists." (lCG 2003: 38) Neben seinem eigenen Reformprogramm, war es auch die Betonung einer europäischen Perspektive, welche die nationalistischen Parteien auf einen moderaten Kurs umschwenken lassen sollte: "The hope is that the desire of all Bosnians for acceptance as citizens of Europe and a share of the prosperity it entails [...] can be used to balance the centrifugal forces of ethnic separatism." (ESI 2000: 54) Der Hohe Repräsentant setzte im Rahmen seiner Strategie der Sozialisierung allerdings auch auf seine weitreichenden Vollmachten,
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um die Durchsetzung seiner Reformvorhaben zu unterstützen. So erließ er wie seine Vorgänger Gesetze, entließ Politiker und Offizielle aus ihren Ämtern und verweigerte einzelnen Personen die Mitarbeit in den gemeinsamen Institutionen. (Vgl. ICG 2003: 30-39) Im Verlauf seiner Amtszeit, als Ashdown erkennen musste, dass die nationalistischen Parteien immer noch in erster Linie partikulare Interessen verfolgten, anstatt die des gemeinsamen Staates, begann sich seine Einstellung gegenüber diesen Akteuren zu ändern (Vgl. Bajtarevic/Jelavic 2004) und damit auch seine Strategie des Spoiler-Managements. Während die ersten knapp zwei Jahre seiner Amtszeit vom Versuch geprägt waren, die regierenden Parteien mit Zuckerbrot und Peitsche zur Umsetzung seiner Reformagenda zu bewegen, waren die letzten 18 Monate als Hoher Repräsentant von harten Sanktionen vor allem gegen SDS und HDZ geprägt. (Vgl. z.B. OHR 2004c; OHR 2004d) Zwang als ein Instrument des Spoiler-Managements, welches im Falle Bosnien und Herzegowinas seinen deutlichsten Ausdruck in der Entlassung zahlreicher Politiker und Offizieller aus ihren Positionen und in der Durchsetzung wichtiger Gesetze fand, wurde schon von seinen Vorgängern häufig angewendet. Angesichts des langsamen Reformtempos in Bosnien und Herzegowina hatte sich der PIC 1997, auf der Friedensimplementierungskonferenz in Bonn, für ein robusteres Vorgehen der internationalen Akteure im Prozess der Friedenskonsolidierung entschieden, welches ihren Ausdruck in den erweiterten Befugnissen des HR fand. (Vgl. ESI 2000: 25f.) "They were intended as a tool to force the common institutions to function, threatening the representatives with the sanction of an international imposition." (ESI 2000: 26) Bis zum Ende der Amtsperiode Ashdowns wurden die Bonner Vollmachten insgesamt 768 mal eingesetzt, wobei 191 Personen ihrer Ämter enthoben wurden. (Vgl. Gromes 2007: 317-319) Knapp zwei Drittel entfielen davon auf die Amtszeit Ashdowns, der, wie zuvor schon geschrieben, am Ende seiner Amtszeit Reformen und Konsens zwischen den Parteien, mit Drohungen und harten Sanktionen durchzusetzen versuchte. (Vgl. z.B. OHR 2005d) Vom Versuch die nationalistischen Parteien zu "sozialisieren", war damit Ende 2005 wenig übrig geblieben. Miroslav Laj6ik setzte in seiner Amtszeit ebenfalls auf die Strategie, die nationalistischen Parteien zur Zusammenarbeit und zur Konsensfindung zu zwingen, als er Ende 2007 ankündigte, in regelmäßigen Abständen bestimmte Entscheidungen, auf die sich die Regierungsparteien nicht einigen konnten, per Dekret durchzusetzen. "The next day, Lajcak issued the first of what was meant to be aseries of farreaching edicts, on a more or less regular basis, until such time as Bosnian politicalleaders showed a willingness to work together and in line with their European commitments." (lCG 2009: 12) Zwang stellte somit ein "letztes Mittel" dar, mit dem die internationalen Akteure die nationalistischen Parteien zur Umsetzung des Abkommens von Dayton bewegen wollten.
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Effektivität des Spoiler-Managements und Eitifluss atif potentieUe Spoiler Welchen Einfluss übten die vielfältigen Eingriffe der internationalen Akteure nun tatsächlich auf die Politik von SDA, SDS und HDZ, als potentielle Spoiler, aus? Carrie Manning vertrat in einer Studie, in der sie den politischen Wandel dieser Parteien untersucht hatte, die Meinung, dass diese Akteure, obwoW sie ethnonationale cleavages immer noch als ihre zentrale Ressource ansehen um ihre WäWerschaft zu mobilisieren, die Versuche der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina diese zu marginalisieren oder auf die Umsetzung des Abkommens von Dayton zu verpflichten, zu innerparteilichen Veränderungen geführt haben. (Vgl. Manning 2004a: 77-82) Vor allem die SDS, welche immer wieder scharfen Sanktionen ausgesetzt war, vollzog im Laufe der Jahre ihrer Meinung nach einen starken programmatischen Wandel. (Vgl. Manning 2004a: 8082) Nachdem sich die internationale Gemeinschaft in den ersten Jahren PostDayton Bosniens großteils weigerte, wirtschaftliche Wiederaufbauhilfe an die sich in einer schweren ökonomischen Krise befindlichen Republika Srpska zu leisten, zeigten sich erste Risse innerhalb der Partei. "This policy contributed to factional splits within the SDS regime, providing a political platform for opposition to emerge," (ESI 2000: 48), sollte ESI später resümieren. Die angesprochene Opposition, angeführt von Biljana Plavsic, distanzierte sich unter tatkräftiger Mithilfe der internationalen Akteure vom radikalen Kern um Radovan KaradZic und gründete mit dem SNS eine eigene Partei. (Vgl. ESI 1999: 12) Nachdem sie ihre Position als Regierungspartei in der Republika Srpska, nicht zuletzt aufgrund der starken internationalen Unterstützung für Doclik verloren hatte, vollzog die SDS spätestens ab dem Jahr 2000 einen rhetorischen Wandel, welcher einen deutlichen Ausdruck in der Erklärung der Parteiführung im Dezember 2000 fand, in der sich die Partei zur vollen Umsetzung des Abkommens von Dayton bekannte. (Vgl. OHR 2000c) Unter den Parteivorsitzenden Kalinic und Cavic, betonten SDS-Politiker immer wieder ihr Bekenntnis zu Bosnien und Herzegowina und Dayton. (Vgl. Gromes 2007: 331f.) Manning schrieb daher im Jahr 2004: "The eurrent leadership is eager to shed its image as a nationalist party in the eyes of the international authorities. Party president Dragan Kalinic now argues that SDS, and Serbs more generally, have gradually come to accept Bill and Dayton, because they have RS." (Manning 2004a: 81) Dieser öffentlich bekundete Wandel der Partei, übersetzte sich allerdings nur teilweise in eine Änderung der realpolitischen Linie. Die SDS widersetzte sich auch weiterhin einer Stärkung des Gesamtstaates und arbeitete nur widerwillig mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammen (Vgl. Gromes 2007: 278; 296f.). Es ist daher fraglich, ob die weitreichenden Sanktionen der internationalen Akteure gegen diese Partei zu einer tatsächlichen Änderung der programmatischen Ausrichtung der SDS führten, oder ob diese lediglich als eine oberflächliche Anpassung an das sich im Laufe der Jahre - nicht zuletzt aufgrund der Interventionen der internationalen
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Gemeinschaft - veränderte politische Umfeld in Bosnien und Herzegowina zu verstehen sind. Ähnlich verhält es sich mit der SDA, welche von den drei hier untersuchten Parteien jedoch die geringste Aufmerksamkeit von Seiten der internationalen Gemeinschaft erhielt. (Vgl. Manning 2004a: 77) Da sich die von den internationalen Akteuren stark unterstützte multiethnische SDP immer mehr zu einem ernsthaften Konkurrenten für die SDA entwickelte, versuchte auch die SDA ihre politische Strategie anzupassen. Insofern hatte der internationale Druck zumindest indirekten Einfluss auf die programmatische Ausrichtung der Partei. (Vgl. Manning 2004a: 74f.; 77) Nach dem Ausscheiden des langjährigen Parteivorsitzen Alija Izetbegovic und der Wahlniederlage im Jahr 2000, begann die Partei unter dem neuen Parteichef Tihic eine Neuausrichtung. Unter ihm sollte sich die SDA stärker in die politische Mitte bewegen und versuchen, auch Mitglieder anderer ethnonationaler Gruppen anzusprechen. Zudem gilt der neue Parteivorsitzende als ein Vertreter des säkularen Flügels der Partei, der in Fragen der Religion wesentlich gemäßigtere Positionen vertritt, als sein Vorgänger. (Vgl. ICG 2003: 16-19) "Bosnische Identität, europäische Weg", das Motto des Parteitages 2005, sollte den Wandel der Partei verdeutlichen. (Vgl. Gromes 2007: 337) Wie angedeutet, schaffte es allerdings auch die SDA in den letzten Jahren nicht immer, ihren eigenen Ansprüchen und ihrer moderat anmutenden Rhetorik gerecht zu werden. Zum einen ist diese Neuausrichtung hin zur Mitte innerhalb der Partei nicht unumstritten, wodurch es immer wieder zu Kämpfen zwischen dem moderaten und dem ethnonationa1istisch ausgerichteten Flügeln kommt. (Vgl. Vuletic/Bukovac 2006: 12) Darüber hinaus kämpft die SDA immer noch mit dem Erbe ihrer Vergangenheit, wie die ICG befand: ,,[...] the SDA continues to bear the burden of its leaders' past religiosity and tacit clericalism, their wartime embrace of the wider Islamic world, and their eager pursuit of personal enrichment both during and after the war." (lCG 2003: 16) Tihics Partei trug in den letzten Jahren mit ihren scharfen Angriffen auf die RS auch ihren Teil zur zunehmenden Polarisierung des politischen Umfelds in Bosnien und Herzegowina bei. (Vgl. Gromes 2008: 21f.) Mit Aussagen wie "die Serben sind nicht bereit für die wahre Geschichte des jüngsten Krieges, weil das sollte zu der logischen Folgerung führen, dass die Republika Srpska abgeschafft wird" von Bakir Izetbegovic (Der Standard, 24.7.2008), erscheint die propagierte, neue multiethnische Ausrichtung eher als Fassade, denn als neues Programm. Zusammengenommen bleibt die SDA ein schwer einzuschätzender Akteur im politischen System Bosnien und Herzegowinas, dessen Rhetorik oft von seiner Realpolitik abweicht. Die dritte hier untersuchte Partei HDZ, hat nach der Meinung Carrie Mannings in der Post-Dayton-Ära die wenigsten Anpassungen an ihre ursprüngliche Strategie vorgenommen. (Vgl. Manning 2004b: 68) Nach dem Scheitern der
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kroatischen Selbstverwaltung, dem robusten Vorgehen der internationalen Akteure gegen die separaten Strukturen der Partei und der schwindenden Unterstützung aus dem benachbarten Kroatien ab dem Jahr 2001 (Vgl Bojicic-DzeWovic 2006: 216; Gromes 2007: 262f.), trat sie in den folgenden Jahren dennoch um einiges gemäßigter auf als in der Zeit zuvor, obwohl sie die Vision separater kroatischer Strukturen nicht gänzlich aufgab. (Vgl. ICG 2009: 10; ICG 2003: 19-21) Die Forderung nach kroatischer Selbstbestimmung war allerdings nicht mehr von solch groß angelegten Aktionen begleitet, als noch vor dem Jahr 2001, was darauf hindeutet, dass die Initiativen der internationalen Akteure gegen die Parallelstrukturen der HDZ durchaus von Erfolg gezeichnet waren. So schrieb auch Vesna Bojicic-DzeWovic: "By using a range of strategies the international community has succeeded in weakening the HDZ BiR power base and forcing it increasingly to channel its grievances through the formal institutions." (Bojicic-DzeWovic 2006: 216) Dh. die HDZ verfolgte zwar immer noch ihre ursprünglichen Ziele, verfügte aber nicht mehr über jene Mittel, um diese außerhalb der legalen demokratischen Strukturen Bosnien und Herzegowinas zu verwirklichen. Darauf deutet auch eine Aussage des derzeitigen Parteichefs Dragan Covic hin, als er vor den Wahlen im Jahr 2002 verkündete, dass die HDZ zwar nach besseren Lösungen für die Kroaten suche, allerdings innerhalb der verfassungsmäßigen Institutionen. (Vgl. Gromes 2007: 284) Diese Situation, an der auch die Spaltung der Partei im Jahr 2006 wenig änderte, hält bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an. Die ICG schrieb daher Anfang 2009: "The smallest of Bosnia and Herzegovina's constituent nations, the Croats quietly support comprornise and avoid talk of their longstanding goal of a third territorial entity all their own. But their political leadership remains comrnitted to some form of territorial autonomy [...]." (lCG 2009: 10) Die zahlreichen Eingriffe der internationalen Gemeinschaft in das politische Geschehen in Bosnien und Herzegowina haben also durchaus zu Veränderungen im Auftreten und in den Strategien potentieller Spoiler beigetragen. Thorsten Gromes schrieb daher im Jahr 2006: "Zehn Jahre nach dem Friedensschluss zeigten sich SDS, HDZ und SDA personell wie programmatisch gewandelt und in ihrer Macht beschnitten. Sie waren nicht mehr die Kriegsparteien von einst, blieben aber mehr ethnische als demokratische Kräfte." (Gromes 2007: 338) Die offene Frage bleibt allerdings, inwieweit der öffentlich verkündete Richtungswechsel auch zu einer tatsächlichen Änderung innerhalb dieser Parteien führte. Dies wird vielfach bezweifelt. Dzihic schrieb in diesem Zusammenhang zum Beispiel von "zwischenzeitlich gelernten moderateren Tönen für die westlichen Politiker." (Dzihic 2005: 26) Ein Politiker einer liberalen Partei in Bosnien fügte dem hinzu: "On the surface the leaders of the nationalist parties have changed. They would not say today some stupid things they said before. I do not know how much is real." (zit. nach: Gromes 2007: 392f.) Vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Polarisierung des
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politischen Umfelds in Bosnien in den letzten beiden Jahren, erscheint es fraglich, wie tiefgreifend die Veränderungen in diesen Parteien tatsächlich waren. Zudem könnte vor allem für SDS und SDA, der zunehmende Erfolg von SNSD und SBiH, welche sehr stark die früheren Positionen dieser Parteien besetzen (Vgl. z.B. Gromes 2008: 21-24), zu einer stärkeren Rückbesinnung auf diese ursprünglich propagierten Standpunkte führen. Abgesehen davon, dass der tatsächliche Einfluss des Spoiler-Managements auf die nationalistischen Parteien fraglich ist, waren im Engagement der internationalen Akteure einige wichtige Schwachpunkte zu erkennen. Der offensichtlichste betrifft den Versuch, gemäßigte Parteien zu ernsthaften Konkurrenten von SDA, SDS und HDZ aufzubauen. Besonders deutlich zeigte sich dies in der Republika Srpska, in der der ehemalige Favorit der internationalen Gemeinschaft, Milorad Dodik, im Laufe der Jahre seine moderate Ausrichtung beiseite legte und immer stärker in die Rolle des Vertreters der ethnonationalen Interessen der bosnischen Serben scWüpfte. Anstatt den Einfluss eines potentiellen Spoilers zu beschneiden, haben die internationalen Akteure einen weiteren geschaffen. "The Dodik government offered the same resistance to development of the central institutions as had its SDS predecessors," schrieb Marcus Cox (2001: 15) daher bereits im Jahr 2001. Der Vorsitzende des SNSD erwies sich dabei als geschickter Stratege. Zum einen war ihm bewusst, dass eine zu enge Kollaboration mit der internationalen Gemeinschaft sein Ansehen unter der Bevölkerung der RS beschädigen würde. Zum anderen wusste er allerdings auch um seine Position in den Augen der internationalen Akteure, welche ihn lange Zeit als weit und breit einzige, moderate serbische Alternative zur SDS ansahen. (Vgl. Cox 2001: 14f.; Bugajski 2002: 551) Mit einem gekonnten Spagat zwischen diesen beiden Polen zwischen dem Verfechten der ethnonationalen Interessen der RS und der Reintegration des Staates - schaffte er den Aufstieg von einer 2%-Partei (1997) zu einer Partei welche bei den letzten allgemeinen WaWen über 40% der Stimmen und eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung der Republika Srpska erreichen konnte. (Vgl. Gromes 2007: 218; 348) ,,[...] whenever tensions rose in Bosnia, the position of the ISDP [SNSD, Anm. des Autors] altered, as Dodik did not want to be perceived as a puppet of international poliey and calculated that the High Representative would support him because of a lack of credible non-nationalist alternatives." (Bugajski 2002: 551)
Dodik konnte seine eigene Machtposition ausbauen und festigen, indem er die Strategie der Marginalisierung der internationalen Akteure für seine eigenen Ziele zu instrumentalisieren wusste. Heute besitzt Dodik weitgehend uneingeschränkte Macht innerhalb der RS und widersetzt sich im Einklang mit den anderen nationalistischen Parteien der Reintegration Bosnien und Herzegowinas. (Vgl. ICG 2001a: 4; ICG 2009: 7-10)
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Ahnlich verhielt es sich auch in der Föderation, wo die SDP als Favorit der internationalen Gemeinschaft, nach ihrem Wahlsieg im Jahr 2000, in den folgenden Jahren einen erheblichen Teil ihres Stimmenanteils wieder einbüßte. Stattdessen entwickelte sich die SBiH zum ersten Herausforderer der SDA, wobei diese in ihrer Rhetorik und ihren Positionen letztere mittlerweile überflügelt. (Vgl. ICG 2009: 5-7) Da die Strategie der Marginalisierung auch keine ernstzunehmenden Alternativen zur HDZ aufbauen konnte (Vgl. Manning 2004b: 68), muss diese als äußerst ineffizient bezeichnet werden. Anstatt moderate Parteien längerfristig zu befördern, wurde mit Dodiks SNSD sogar ein Akteur gestärkt, welcher aus der Sicht der Friedenskonsolidierung äußerst problematisch auftritt. Neben den eben dargestellten Schwachpunkten der Strategie der Marginalisierung, waren auch in den anderen Instrumenten des Spoiler-Managements der internationalen Akteure deutliche Defizite zu erkennen. Vor allem die Absetzung zahlreicher Politiker und Offizieller, führte in den allermeisten Fällen zu keinen tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der betroffenen Parteistrukturen. Zum einen lag dies daran, dass im Falle der Entlassung hochrangiger Parteimitglieder, diese auch nach der Entscheidung des Hohen Repräsentanten meist ihre Funktionen und ihren Einfluss behielten. (Vgl. ESI 2000: 33f.) Ante Jelavic zum Beispiel, ehemaliger Parteichef der HDZ und Mitglied des Staatspräsidiums, wurde zwar im März 2001 vom Hohen Repräsentanten all seiner politischen Ämter enthoben, behielt aber dennoch noch einige Jahre seine Position an der Spitze der HDZ. (Vgl. Manning 2004a: 79f.) Zum anderen wurden abgesetzte Personen in der Regel von der gleichen Partei wieder nachbesetzt, wodurch eine Änderung des Verhaltens aufgrund dieser Maßnahme eher als illusorisch erscheinen musste. (Vgl. ESI 2000: 34) Darüber hinaus konnten die betroffenen Parteien Sanktionen auch in politische Profite urnmünzen. Die Diskussion über ein Verbot der SDS im Jahr 2000, die Festnahme Krajisniks und der Ausschluss der SRS von den Wahlen, nützte vor allem der SDS, welche diese Aktionen auf Angriffe auf die Republika Srpska interpretieren und so viele Wähler mobilisieren konnte. (Vgl. Gromes 2007: 247f.; ICG 2000b: 8f.) Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen potentielle Spoiler, erwies sich in der Praxis daher zum einen als nicht besonders effektiv und zum anderen gab dieses Vorgehen in einigen Fällen den betroffenen Akteuren die Möglichkeit, dieses als Angriff auf die gesamte ethnonationale Gruppe hochzustilisieren und so die Unterstützung unter der Bevölkerung zu steigern. Am Beispiel der Entwicklung der SDP zeigt sich noch ein weiterer Schwachpunkt des Spoiler-Managements in Bosnien und Herzegowina: fehlende Kontinuität. Anstatt an einer gemeinsamen, längerfristigen Strategie zu arbeiten, verfolgte beinahe jeder Hohe Repräsentant seine eigenen Ziele und seinen eigenen Ansatz im Umgang mit potentiellen Spoilern. Dabei hatte sich mit dem Wahlsieg der SDP im Jahr 2000, der in großen Teilen auf den kontinuierlich betriebenen Versuch der
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beiden HR Westendorp und Petritsch zurückzuführen ist, den Einfluss der nationalistischen Parteien zu schwächen, gezeigt, dass ein längeres Festhalten an einer Strategie durchaus zu Erfolgen führt. Wie vorher schon gezeigt, änderten sich die Strategien des SpoilerManagements ab der Amtszeit Ashdowns allerdings sehr häufig, wobei das Pendel immer wieder von eher sanften Maßnahmen (Sozialisierung) bis zu extrem harten Maßnahmen (Zwang) hin und her schwenkte. Nachdem Ashdown am Ende seiner Amtsperiode seine Vollmachten in großem Umfang gegen die nationalistischen Akteure einsetzte, machte sein Nachfolger von Anfang an klar, dass er vor habe, diese nur in Ausnahmefällen einzusetzen. Miroslav Lajcik: und später auch Valentin Inzko setzten wiederum sehr stark auf seine Befugnisse als Hoher Repräsentant, um Entscheidungen voranzutreiben und Blockaden zu beseitigen. (Vgl. ICG 2007: 5-8; ICG 2009: 12-14) Bereits im Jahr 2007 hatte die International Crisis Group davor gewarnt, dass die abrupten Stilwechsel zu einem Verlust der politischen Glaubwürdigkeit und des Einflusses des OHR führen könnten. Ein hoher Mitarbeiter des Büros wurde mit den Worten zitiert, wonach diese "completely emasculated us and gave a road map to everyone who wanted to obstruct us." (lCG 2007: 6) Nachdem einige Politiker in Bosnien und Herzegowina in den letzten Jahren immer offener Entscheidungen des OHR kritisierten und sich diesen auch zunehmend widersetzten, dürfte sich diese Prognose erfüllt haben. (lCG 2007: 7; ICG 2009: 14) Die fehlende, auf längerfristige Ziele ausgerichtete, strategische Planung innerhalb des OHR, führte somit nicht nur zu einer nachlassenden Effizienz dessen Arbeit (Vgl. ESI 2000: 30-32), sondern auch zu einem Verlust an Macht 82 innerhalb des politischen Systems Bosniens, wodurch es den internationalen Akteuren immer schwerer fällt mäßigend auf potentielle Spoiler einzuwirken. ,,'Bosnian officials are now more likely to defy a Bonn powers imposition' if the OHR ttied to force them to make political decisions they felt were against their basic national interests." (lCG 2009: 14), resümierte daher die ICG. Zusätzlich geschwächt wird die Position des OHR durch die seit längerem andauernde Diskussion über die Zukunft der Mission. Solange deren Zukunft nicht geklärt ist, ist auch eine längerfristige, sttategische Planung nicht möglich. Neben diesen eben dargestellten Schwachpunkten des internationalen Spoiler-Managements, welche in erster Linie dessen Effektivität betrafen, trug die internationale Gemeinschaft im Rahmen ihres Engagements in einigen Bereichen auch zur Stärkung potentieller Spoiler bei. 82 Die schwächer werdende Position des OHR ist zu einem erheblichen Teil auch durch das nachlassende Interesse der internationalen Staatengemeinschaft an Bosnien und Herzegowina zu erklären. Ohne starke Rückendeckung des PIC fällt es dem Hohen Repräsentanten zunehmend schwerer, strittige Entscheidungen durchzusetzen. (Vgl. ICG 2009: 14)
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Im theoretischen Teil wurde argumentiert, dass die Konzeption des "liberalen Friedens" in vielen Post-Konflikt-Gesellschaften den Prozess der Friedenskonsolidierung eher behindert als befördert. Der Plan, mit dem unzählige internationale Organisationen im Jahr 1996 ihre Arbeit in Bosnien und Herzegowina aufnahmen, folgte diesem Konzept in weiten Teilen. Gemäß dem Paradigma "Peace through political and economic libera1ization" (paris 1997: 63), sah dieser die schnelle Durchführung von Wahlen und eine rasche Transformation der bosnischen Ökonomie in eine freie Marktwirtschaft vor. Das starre Festhalten an diesen Prinzipien, führte wie zuvor schon beschrieben, eher zu einer Bestärkung der nationalistischen Parteien, als zu deren Schwächung. So resultierte die Durchführung erster Wahlen wenige Monate nach dem Ende des Krieges, in einem immer noch extrem polarisierten Umfeld, in einer demokratischen Legitimierung der potentiellen Spoiler. (Vgl. Gromes 2007: 385) Die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft, dass die regelmäßige Abhaltung von freien Wahlen, gewissermaßen automatisch zur Ablöse dieser Akteure führen würde, haben sich auch in den kommenden Jahren nicht bestätigt. (Vgl. Manning 2004a: 62f.) Das Insistieren auf die Wahl im Jahr 1996 nutzte daher vor allem den nationalistischen Parteien, welche ihre Position gefestigt sahen und weiterhin ihre partikularen Zielsetzungen verfolgen konnten. Im Jahr 2004 schrieb Manning daher: "Still, the effects of those ftrst elections may have entrenched the wartime nationalist parties to the extent that it became nearly impossible to dislodge them." (Manning 2004: 68) Im Gegensatz zur Annahme der internationalen Gemeinschaft, dass Wahlen sich mäßigend auswirken würden, nutzten die ethnonationalen Parteien diese, um ethnonationale Trennlinien aufrechtzuerhalten. Gromes schrieb daher: "Es bleibt [...] der starke Eindruck, dass die Wahlkämpfe die Spannungen zwischen den Volksgruppen mehr aufrechterhalten als reduziert haben." (Gromes 2007: 374) Der zweite zentrale Aspekt des Konzepts des liberalen Friedens - schnelle marktwirtschaftliche Reformen - führte im Kontext Bosnien und Herzegowinas zu ähnlichen Ergebnissen. Sie verfehlte nicht nur, die Basis für eine nachhaltige Erholung der vom Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft zu legen, sondern erweiterte die Ressourcen der nationalistischen Machtstrukturen, anstatt sie zu beschneiden. Der Versuch der internationalen Akteure die Transformation des ökonomischen Sektors von der Transformation des gesellschaftlichen und politischen Bereichs, ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des bosnischen Falles zu trennen, eröffneten den nationalistischen Parteien Möglichkeiten, beides in ihrem Sinne zu beeinflussen. (Vgl. Donais 2005: 165) So schrieb Michael Pugh: "[00'] the politics of postconflict transformation failed to counter the economic interests of these entrepreneurs in maintaining a weak, fragmented state. Further, the neoliberal economic policies [00'] offered entrepreneurs further opportunities to capitalize on state weakness." (Pugh 2004: 145) Besonders deutlich zeigte sich dies, wie weiter
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oben dargestellt, im Prozess der Privatisierung, welcher von der ICG mit den Worten "has gone horribly wrong" (lCG 2001b: 18) kommentiert wurde. Anstatt zur Reintegration des bosnischen Wirtschaftsraumes und damit zu einer ökonomischen Basis für die Rückkehr von Flüchtlingen und dem Aufbau staatlicher Strukturen beizutragen, endete diese in einer gegenteiligen Entwicklung, in der die nationalistischen Parteien ihre ökonomische Macht konsolidieren und darauf aufbauend ihre eigenen politischen Ziele weiter verfolgen konnten. (Vgl. Donais 2005: 124-127) Zusammenfassung Das Spoiler-Management der internationalen Gemeinschaft erwies sich im Falle Bosnien und Herzegowinas bei zusammenfassender Betrachtung als äußerst ineffizient. Das Fehlen einer kohärenten Strategie, dass seinen Ausdruck in einem häufig wechse1nden Umgang mit den nationalistischen Parteien fand, schmälerte den Einfluss der getroffenen Maßnahmen auf die potentiellen Spoiler und resultierte zudem in einem Verlust an Vertrauen in die internationalen Akteure. Darüber hinaus, passten sich jene Kräfte, welche der Obstruktion des Prozesses der Friedenskonsolidierung bezichtigt wurden, schneller an die sich verändernden Umstände in Post-Dayton Bosnien und Herzegowina an, als die internationale Gemeinschaft, welche an starr formulierten Paradigmen weitgehend festhielt und Anpassungen erst vornahm, nachdem sie ihre eigenen Ziele zuvor bereits selbst zutiefst konterkariert hatte. Das Wahlsystem wurde erst systematisch angepasst, nachdem die nationalistischen Parteien, wie vielfach prognostiziert, ihre politische Macht und ihre Ziele in den ersten Wahlgängen demokratisch legitimiert hatten. Im Prozess der Privatisierung des staatlichen Eigentums wurde erst die Reißleine gezogen, nachdem potentielle Spoiler ihre Kontrolle über einen großen Teil der Ökonomie bereits legalisieren und konsolidieren konnten. Im schlechtesten Fall trug das Engagement der internationalen Gemeinschaft zur Erweiterung der capabilities und opportunity structure dieser Akteure bei, anstatt sie einzuschränken. Die potentiellen Spoiler haben sich im Falle Bosnien und Herzegowinas hingegen als sehr geschickt erwiesen, diese Schwachstellen des Prozesses der Friedenskonsolidierung herauszufinden und für ihre eigenen Ziele zu instrumentalisieren.
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Das hier vorliegende Buch verfolgte das Ziel, am Fallbeispiel Bosnien und Herzegowina herauszufinden, inwiefern einzelne Akteure - sogenannte Spoiler - in der Lage sind, den Prozess der Friedenskonsolidierung zu beeinflussen. Die vorangegange Darstellung dieses Prozesses hat gezeigt, dass dieses Land auch fünfzehn Jahre nach dem Ende des Krieges immer noch weit von einer konsolidierten Friedensordnung entfernt ist. Aufgrund der schwierigen Ausgangslage in dem die Transformation vom Krieg zum Frieden in diesem Land nach einem zweieinhalbjährigen Bürgerkrieg ihren Anfang nahm, war die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft auf eine schnelle Normalisierung und eine baldige Reintegration der Gesellschaft, welche den ethnonationalen Konflikt hinter sich lassen und statt dessen auf interethnische Kooperation setzen würde, wahrscheinlich zu optimistisch. Zu tief waren die Wunden des Krieges und das Land zu gespalten, als dass eine kurze Episode international überwachter Friedenskonsolidierung zu einschneidenden und nachhaltigen Veränderungen führen konnte. Sehr schnell mussten die in Bosnien und Herzegowina engagierten internationalen Akteure deshalb erkennen, dass der Aufbau gesellschaftlicher und politischer Strukturen, welche dazu beitragen, friedliche Verhältnisse nachhaltig zu sichern, ein sehr viel längerer und womöglich auch steinigerer Weg sein wird, als ursprünglich angenommen. In der einleitenden theoretischen Diskussion wurde argumentiert, dass das Ende eines Krieges noch lange nicht das Ende eines Konfliktes bedeuten muss. Das Beispiel Bosnien und Herzegowina ist ein deutlicher Beleg für diese Annahme. Einem Krieg, der sein Ende in einem Friedensabkommen fand, welches grundlegende Konfliktursachen nur unzureichend behandelte und wichtige Fragen unbeantwortet ließ, folgte ein langjähriger Prozess der Friedenskonsolidierung, welcher vom Versuch gekennzeichnet war, die fehlenden Antworten auf diese zu finden. So ist auch heute noch der Streit über die innere Organisation des Staates und den Mechanismen der interethnischen Kooperation das dominante, allen anderen übergeordnete, politische Thema. Obwohl in einigen Bereichen durchaus Fortschritte erzielt werden konnten, ist Bosnien und Herzegowina auch im Jahr 2010 ein im Großen und Ganzen dreigeteiltes Land. Zwar existieren gemeinsame staatliche Strukturen und der Staat bekam im Laufe der Jahre, meist auf Druck der internationalen Gemeinschaft, mehr Kompetenzen zugewiesen. Die Dominanz des Konflikts zwischen den ethnonationalen Gruppen, vor allem auf politischer Ebene, scheint allerdings ungebrochen. R. Toth, Zwischen Konflikt und Kooperation, DOI 10.1007/978-3-531-92630-8_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Zu einem großen Teil tragen die nationalistischen Parteien, durch ihre Versuche den Prozess der Friedenskonsolidierung nach ihren eigenen Vorstellungen zu beeinflussen, die Verantwortung für diese, gemessen an den Zielen der Friedenskonsolidierung, unbefriedigende Situation. Nachdem sie den Verhandlungstisch in Dayton mit einem Kompromiss verlassen hatten, der ihren Vorstellungen in großen Teilen zuwider lief, passten sich SDA, SDS und HDZ sehr schnell an das neue Umfeld an, welches sich ihnen im Kontext der Bemühungen der internationalen Akteure, eine nachhaltig gesicherte Friedensordnung zu schaffen, bot. Diese Adaption betraf dabei in erster Linie ihre Strategien mit denen sie ihre weitgehend unveränderten Ziele aus Kriegstagen zu erreichen versuchten. Wenn Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist, so ist der Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina provokant formuliert, die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Vielleicht war der Kompromiss von Dayton für die Konfliktparteien auch gerade aus diesem Grund akzeptabel, weil er ihnen die Möglichkeit eröffnete, bestimmte Fragen im Nachhinein noch zu "verhandeln". Während des Krieges war der Einsatz von Waffengewalt das primäre Mittel um dessen Verlauf zu beeinflussen, Entscheidungen herbeizuführen und Ziele zu erreichen. Diese Option fiel nach dem AbscWuss der Friedensverhandlungen weg. Stattdessen bot der Prozess der Friedenskonsolidierung in Bosnien und Herzegowina potentiellen Spoilern eine Reihe an alternativen Instrumenten, welche sie zu dessen Lenkung in ihrem Sinne einsetzen konnten. Durch Blockade der gemeinsamen Institutionen, Verweigerung der Zusammenarbeit, Manipulation von WaWen oder dem Schüren von Ängsten konnten sie eine weitgehende Reintegration der bosnischen Gesellschaft und des Staates untergraben, während sie ethnonationale Trennlinien aufrechterhielten. Damit verhinderten sie eine vollständige Transformation des Konfliktes zwischen den ethnonationalen Gruppen, ohne den Prozess der Friedenskonsolidierung als Ganzes zu gefahrden. Eine Rückkehr zum offenen Krieg war genauso wenig das Ziel, wie die Erfüllung der Vision der internationalen Gemeinschaft von einem multiethnischen Bosnien. Der Mittelweg, der die die letzten fünfzehn Jahre charakterisierte, zwischen vollständigem Scheitern und teilweiser Kooperation, war es, der diesen Parteien den Erhalt ihres Einflusses und ihrer Macht sichern sollte. Mit einigen Abstrichen ist ihnen dies auch gelungen. Bis auf die SDS, welche ihre Führungsposition an den SNSD abgeben musste, stellen diese Parteien immer noch die stärksten politischen Kräfte innerhalb ihrer jeweiligen ethnonationalen Gruppe dar. Mit dem fortbestehenden politischen und gesellschaftlichen Einfluss dieser Akteure blieb auch der Antagonismus zwischen ihren eigenen und den Zielen der Friedenskonsolidierung bestehen, wodurch letztere auch weiterhin zum Großteil unerreicht bleiben. ObwoW das Verhalten der nationalistischen Parteien in diesem Prozess in großem Ausmaß die derzeitige Lage in Bosnien und Herzegowina erklären kann,
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muss auch das Engagement der internationalen Gemeinschaft kritisch betrachtet werden. Der Ansatz des "liberalen Friedens" erwies sich wie schon in anderen PostKonflikt-Gesellschaften, als Handlungsanleitung für die Bereitstellung eines Umfeldes, in dem der Aufbau einer nachhaltig gesicherten Friedensordnung stattfinden soll, ungeeignet. Vorgefertigte Konzepte, welche gemäß dem Motto "one size fits all" uneingeschränkte Gültigkeit besitzen sollen, werden den komplexen Ursachen und Verhältnissen vor und nach Konflikten in den allermeisten Fällen nicht gerecht. Das Beispiel Bosnien und Herzegowina hat gezeigt, dass internationales Engagement, welches die speziellen Charakteristika des konkreten Falles nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, schnell zu Ergebnissen beitragen kann, welche den anvisierten Zielen selbst im Wege stehen. Um der Gefahr zu entgehen, dass internationale Akteure in einem Friedensprozess selbst zu Spoilern mutieren, wäre es daher notwendig einige bislang weitgehend unhinterfragte Grundannahmen zu überdenken. Freie Wahlen führen zum Beispiel nicht automatisch zur Festigung demokratischer Strukturen und zur Prolongierung eines neuen Weges der Kooperation und des Konsens. Sie können unbestritten dazu beitragen, allerdings nicht in einem Umfeld, welches sich gerade durch fehlende Kooperationsbereitschaft auszeichnet und etablierte bzw. akzeptierte Strukturen zur Streitschlichtung fehlen, wie im Falle Bosnien und Herzegowinas deutlich gesehen. Genauso können marktwirtschaftlich orientierte Reformen zu wirtschaftlichem Aufschwung und damit zu einer Verbesserung der sozio-ökonomischen Situation der Bevölkerung bzw. damit verbunden zu einer Verringerung des innergesellschaftlichen Konfliktpotentials beitragen. Werden diese allerdings durchgeführt, ohne - wie im Fall Bosnien und Herzegowinas geschehen - auf die besonderen Bedingungen und Anforderungen einer Ökonomie und einer Gesellschaft einzugehen, welche von den strukturellen und ökonomischen Auswirkungen eines mehrjährigen Krieges gezeichnet ist, stellen diese eine neue Hürde auf dem langen Weg der Friedenskonsolidierung dar, anstatt diesen zu unterstützen. Um die Transforrnation vom Krieg zum Frieden zu meistern, bräuchte es die vielfach geforderten Strategien, welche auf den konkreten Fall abgestimmt und Interdependenzen der verschiedenen Teilaspekte berücksichtigen. In Bosnien war dies nicht der Fall und so wirkte das internationale Engagement, wie vorher schon geschrieben, teilweise den ohnehin hoch gesteckten Zielen der Friedenskonsolidierung entgegen. Neben diesen grundlegenden Problemen internationaler Interventionen, erwies sich auch das Spoiler-Management im hier untersuchten Fall als ineffizient. Im Grunde kann dies wieder auf eine fehlende kohärente und auf längerfristige Ziele ausgerichtete Strategie der beteiligten Akteure zurückgeführt werden. Die häufigen Kurswechsel des Hohen Repräsentanten, verhinderten nachhaltige Erfolge weitestgehend und schwächten dessen eigene Position im Verlauf der Jahre und Ereignisse zusehends. Dabei hat sich in Bosnien gezeigt, dass Spoiler-Management
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genauso wie der Prozess der Friedenskonsolidierung insgesamt ein längerer Prozess ist, der wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen linear verlaufen wird. Darüber hinaus muss sich die internationale Gemeinschaft verstärkt die Frage stellen, welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang tatsächlich in der Lage sind, das Verhalten potentieller Spoiler in einem Friedensprozess zu beeinflussen. Die in Bosnien und Herzegowina angewandten Instrumente verfeWten dieses Ziel nicht nur aufgrund ihrer Kurzfristigkeit, sondern oft auch aufgrund ihrer ihnen innewohnenden Defizite. Im Endeffekt scheint es bislang so, als hätten sich die potentiellen Spoiler in Bosnien und Herzegowina durchgesetzt. Während die internationale Gemeinschaft ihre Ziele, trotz des enormen Einsatzes an materiellen und personellen Ressourcen nur teilweise erreichen konnte, gelang es den nationalistischen Parteien ihre Machtpositionen zum großen Teil konsolidieren und den Prozess der Friedenskonsolidierung dahingehend zu beeinflussen, sodass er ihren eigenen Vorstellungen nicht zu stark zuwiderläuft und eine zukünftige Erreichung ihrer Ziele verhindert. Der endgültige Ausgang dieses Prozesses erscheint ungewisser denn je. Während die internationale Gemeinschaft immer stärker, nicht zuletzt aufgrund der bislang aus ihrer Sicht stark frustrierenden Ergebnisse, in einer seit Jahren andauernden Diskussion über die Zukunft des OHR feststeckt, dominiert der Konflikt zwischen den ethnonationalen Gruppen über die Struktur des Staates auch weiterhin. Der Fall Bosnien und Herzegowina hat sehr deurlich gezeigt, dass individuelle Akteure ein Interesse daran besitzen und auch in der Lage sind, den Prozess der Transformation vom Krieg zum Frieden in ihrem Sinne zu gestalten, wobei sie dessen Ziele oft entgegenwirken. Die Sozialwissenschaften wären daher gefordert, diesem bislang eher vernachlässigtem Teilaspekt von Friedensprozessen, mehr systematische Beachtung einzuräumen.
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