Konflikt- und Verhandlungsmanagement
Joachim Tries · Rüdiger Reinhardt
Konflikt- und Verhandlungsmanagement
Konflikte konstruktiv nutzen
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Dr. Joachim Tries Bagelstraße 121 40479 Düsseldorf
[email protected] www.konfliktmanagement.beushausen-partner.de Prof. Dr. habil. Rüdiger Reinhardt Professor für ABWL und Human Resource Management Leiter des Studiums „Wirtschaftspsychologie“ FernHochschule Riedlingen Lange Straße 19 88499 Riedlingen
[email protected]
ISBN 978-3-540-34039-3
e-ISBN 978-3-540-34040-9
DOI 10.1007/978-3-540-34040-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Im Mittelpunkt unserer Überlegungen zum Konflikt- und Verhandlungsmanagement steht die (pro-)aktive Konfliktbearbeitung. Sie verfolgt ein doppeltes Ziel: Zum einen ist sie vom Grundgedanken der Kooperation getragen, d.h. dass die Maximierung des gemeinsamen Ertrags im Mittelpunkt der einzelnen Bemühungen steht. Zum anderen dient sie der (Re-) Stabilisierung des den Konflikt „umgebenden“ sozialen Systems, d.h. dass dieses soziale System auch in Zukunft für die Konfliktpartner noch tragfähig und attraktiv sein soll. Diese (pro-)aktive Konfliktbearbeitung wird in der Praxis durch zwei wesentliche Säulen getragen: x
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Mittels einer umfassenden Konfliktanalyse wird den Konfliktteilnehmern ein Instrumentarium an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe es einerseits gelingt, den Weg in Richtung proaktiver Konfliktbearbeitung zu ebnen und andererseits die Konfliktbeteiligten in die Lage zu versetzen, sich optimal auf eine solche proaktive Konfliktbearbeitung – meist in Form einer Verhandlung – vorzubereiten. Eine Verhandlung ist dabei ein kommunikativer Prozess, der durch verschiedene Strategien und den ihnen zugehörige Taktiken getragen wird. Intuitiv wenden wir dieses Verhalten in vielfältigen Situationen an, auch wenn wir gar nicht von Verhandlung sprechen. Nicht immer ist aber die Intuition die Avantgarde des Wissens: Verhandlungen gehorchen Regeln. Sie äußern sich in Verhandlungsphasen und in Sprachakten, deren wechselseitige Dynamik zu einer Ent- oder Anspannung des Konfliktverlaufes und der Verhandlungsprozesse selbst beitragen. Diese Dynamik im Rahmen eine Verhandlungsprozessanalyse kennen und anwenden zu lernen, bildet die zweite Säule dieses Buches.
Diese Konflikt- und Verhandlungsprozessanalyse bildet den anwendungsorientierten Rahmen unserer Überlegungen. Darüber hinaus stellen wir Ihnen all diejenigen theoretischen Grundlagen vor, die notwendig sind, um die Tiefen der Konflikt- und Verhandlungsprozessanalyse ausloten zu können. Was bedeutet vor diesem Hintergrund Konflikt- und Verhandlungsmanagement?
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Vorwort
Konfliktmanagement fasst alle diejenigen Kompetenzen zusammen, durch die es möglich wird, Konflikte und deren Folgen systematisch zu beschreiben, zu analysieren und in eine proaktive Konfliktbewältigung zu überführen. Hierzu zählt auch, Konflikte dort zu verhindern, wo sie durch inkompetentes Verhalten ausgelöst werden. Hier sprechen wir von Konfliktprophylaxe. Verhandlungsmanagement basiert auf jenen Kompetenzen, die zu einer professionellen Gestaltung dieser Bewältigungsprozesse, insbesondere eben einer Verhandlung, beitragen.
Erwarten Sie bitte in unserem Ansatz keine „Rezeptologie“. Ein „Methodenpapst“ hat einmal sinngemäß gesagt: „Gebe Menschen ein und dasselbe Rezept, nach dem sie eine Schwarzwälder Kirschtorte backen sollen. Es entstehen so viele Variationen wie es Menschen gibt, die diese Torte backen. Der geübte Bäcker liest ein Rezept anders als der naive Teigkneter“. So ist das mit den Rezepten eben: Wer bereits Profi ist, kann sie ergänzend zur Hilfe nehmen, für andere werden sie im schlimmsten Fall zum Bumerang. Versuchen Sie daher zunächst, ihr Konflikt- und Verhandlungsmanagement zu fundieren und dann zu professionalisieren. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern, dass sie aufgrund der Lektüre dieses Buches viel Erkenntnisgewinn schöpfen und etliche Anwendungsmöglichkeiten für sich identifizieren können. Über einen entsprechenden Austausch würden wir uns als Autoren sehr freuen. Zudem möchten wir uns insbesondere bei Frau Mag. Habicher und Frau Mag. Pöschl sowie Frau Sibille Reinhardt bedanken, sowie dem Springer Verlag – besonders Herrn Dr. Werner A. Müller – für seine Unterstützung dieses Vorhabens. Düsseldorf und Telfs, im März 2008
Joachim Tries Rüdiger Reinhardt
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis........................................................................... XV Tabellenverzeichnis ............................................................................ XVII Übungsverzeichnis ................................................................................XIX Einführung ................................................................................................. 1 Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?) ...................................... 5 Zusammenfassung................................................................................ 5 Konflikte als „Selbstverständlichkeit“ ................................................. 5 Zunehmende Komplexität als Ausgangspunkt............................. 5 Konfliktquellen zwischen Globalisierung und Individuum.......... 6 Konflikttypen ............................................................................... 7 Der „Homo Reziprocans“............................................................. 8 Aktive Konfliktbearbeitung.......................................................... 9 Das Unbehagen an Konflikten ........................................................... 10 Unbehagen 1: Vielfalt und Unschärfe ........................................ 11 Unbehagen 2: Der Mensch als „homo conflictus“ ..................... 15 Unbehagen 3: Unerfüllte Erwartungen wirken wie Strafe ......... 16 Unbehagen 4: Ungewissheit des Ausgangs................................ 17 Unbehagen 5: Macht .................................................................. 19 Unbehagen 6: Unzureichende Kompetenz, mit Konflikten konstruktiv umzugehen .............................................................. 19 Kontrollfragen.................................................................................... 22 Weiterführende Literatur.................................................................... 23 Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung ................................... 25 Zusammenfassung.............................................................................. 25 Konfliktdefinition............................................................................... 26 Interdependenz ........................................................................... 26 Zieldivergenz.............................................................................. 27 Attraktive Alternative................................................................. 28
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung: Definition eines Konfliktes ........................ 30 Konflikte: Effekte auf die Qualität sozialer Systeme ................. 31 Zur Entstehung von Konflikten.......................................................... 33 Konfliktgenese durch Änderungen in einer Person.................... 34 Allokation knapper Ressourcen.................................................. 41 Zunahme der Strukturkomplexität: Entwicklung supranationaler Regeln.......................................... 43 Kontrollfragen.................................................................................... 45 Weiterführende Literatur.................................................................... 46 Modul 3: Konfliktkomplexität................................................................ 47 Zusammenfassung.............................................................................. 47 Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität.................. 47 Übersicht .................................................................................... 47 Determinanten der Konfliktkomplexität .................................... 49 Kontrollfragen.................................................................................... 66 Weiterführende Literatur.................................................................... 67 Modul 4: Konfliktarten ........................................................................... 69 Zusammenfassung.............................................................................. 69 Ziel- und Mittelkonflikte.................................................................... 70 Rollenvielfalt und Rollenkonflikte..................................................... 73 Interrollenkonflikt ...................................................................... 74 Intersenderkonflikt ..................................................................... 75 Intrasenderkonflikt ..................................................................... 75 Rollen-Selbst-Konflikt ............................................................... 76 Rollenwandel.............................................................................. 77 Kontrollfragen.................................................................................... 78 Weiterführende Literatur.................................................................... 79 Modul 5: Macht........................................................................................ 81 Zusammenfassung.............................................................................. 81 Machtmotiv ........................................................................................ 81 Machtmittel und Machtinstrumente ................................................... 83 Personale Macht ......................................................................... 83 Strukturelle Macht...................................................................... 88 Folgen des Machteinsatzes................................................................. 90 Akzeptanz und Identifikation ..................................................... 90 Gefolgschaft ............................................................................... 90 Trotz ........................................................................................... 91 Widerstand ................................................................................. 92
Inhaltsverzeichnis
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Koalitionsbildung ....................................................................... 92 Verhandlung ............................................................................... 92 Kontrollfragen.................................................................................... 93 Weiterführende Literatur.................................................................... 93 Modul 6: Konfliktbedingungen und reaktive Formen der Konfliktbewältigung ......................................................................... 95 Zusammenfassung.............................................................................. 95 Konfliktbewältigung .......................................................................... 95 Konfliktdisposition..................................................................... 96 Kompetenz ................................................................................. 96 Handhabungsformen von Konflikten ......................................... 98 Elemente reaktiver Formen der Konfliktbearbeitung......................... 99 Negative Verhinderung .............................................................. 99 Verzögerung der Konfliktbewältigung..................................... 100 Vermeidung .............................................................................. 102 Verdrängung............................................................................. 103 Unterdrückung.......................................................................... 104 Flucht........................................................................................ 105 Institutionalisierte Konfliktlösung............................................ 105 Kontrollfragen.................................................................................. 106 Weiterführende Literatur.................................................................. 107 Modul 7: Kooperation und Wettbewerb.............................................. 109 Zusammenfassung............................................................................ 109 Grundlegende Begriffe und Definitionen......................................... 109 Kooperation .............................................................................. 110 Wettbewerb .............................................................................. 110 Altruismus ................................................................................ 112 Individualismus ........................................................................ 112 Koopetition............................................................................... 113 Formen der Kooperation .................................................................. 113 Natürliche Kooperation (oder emotionale Kooperation).......... 114 Strategische Kooperation (oder rationale Kooperation)........... 114 Empathische Kooperation ........................................................ 114 Pseudoempathische Kooperationen.......................................... 114 Die Rationalität der Kooperation: Das Gefangenen-Dilemma ........ 115 Ausgangssituation des Experiments ......................................... 115 Kooperation und Wettbewerb im Experiment.......................... 117 Motivationale Orientierung.............................................................. 121 Grundlagen ............................................................................... 121 Erfassung der Motivationalen Orientierung ............................. 122
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Inhaltsverzeichnis
Kontrollfragen.................................................................................. 126 Weiterführende Literatur.................................................................. 127 Modul 8: Konfliktanalyse...................................................................... 129 Zusammenfassung............................................................................ 129 Einführung ....................................................................................... 129 Konfliktanalyse ................................................................................ 132 1. Allgemeine Beschreibung des Konflikts .............................. 132 2. Vertiefte Konfliktdarstellung ............................................... 140 3. Beschreibung von Verhaltensweisen und Forderungen ....... 149 4. Bewältigungsbereitschaft ..................................................... 151 5. Verhandlungsflexibilität....................................................... 153 Kontrollfragen.................................................................................. 160 Weiterführende Literatur.................................................................. 160 Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement................... 161 Zusammenfassung............................................................................ 161 Einführung ....................................................................................... 161 Arbeitsdefinition einer Verhandlung........................................ 161 Entwicklungstendenzen bei einer Verhandlung ....................... 162 Pfad 1: Der reaktive Verlauf ............................................................ 163 1. Vermeidung .......................................................................... 164 2. Verdrängung......................................................................... 164 3. Unterdrückung...................................................................... 164 4. Wildwuchs............................................................................ 166 Pfad 2: Die proaktive Konfliktbearbeitung ...................................... 166 1. Verhandlungsvorbereitung ................................................... 167 2. Ergebniserwartung und Verhandlungsziel ........................... 169 Kontrollfragen.................................................................................. 172 Weiterführende Literatur.................................................................. 172 Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen......................... 173 Zusammenfassung............................................................................ 173 Einführung ....................................................................................... 173 Psychologische Ansätze ................................................................... 174 Behavioristische Ansätze ......................................................... 174 Sozialpsychologische Ansätze ................................................. 175 Kausale Erklärungen des Verhandlungserfolgs ............................... 176
Inhaltsverzeichnis
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Kommunikationstheoretische Ansätze............................................. 179 Einführung................................................................................ 179 Hauptergebnisse kommunikationstheoretischer Verhandlungsforschung............................................................ 179 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen ............................ 187 Kontrollfragen.................................................................................. 188 Weiterführende Literatur.................................................................. 189 Modul 11: Die inhaltliche Perspektive des Verhandlungsprozesses – Taktiken ............................................... 191 Zusammenfassung............................................................................ 191 Einführung ....................................................................................... 191 Darstellung der Taktiken.................................................................. 193 Die offensiven Taktiken ........................................................... 193 Defensive Taktiken................................................................... 200 Integrative Taktiken ................................................................. 204 Zur Rolle von Emotionen ......................................................... 207 Übungen zu den Taktiken ................................................................ 208 Übung: Teil 1 ........................................................................... 208 Übung: Teil 2 ........................................................................... 211 Übung: Teil 3 ........................................................................... 213 Kontrollfragen.................................................................................. 214 Weiterführende Literatur.................................................................. 214 Modul 12: Die zeitliche Perspektive des Verhandlungsprozesses – Verhandlungsdynamik .......................................................................... 217 Zusammenfassung............................................................................ 217 Einführung ....................................................................................... 217 Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses ...................... 218 Verhandlungsphasen ................................................................ 218 Verhandlungsperioden.............................................................. 224 Verhandlungsepisoden ............................................................. 229 Kontrollfragen.................................................................................. 231 Weiterführende Literatur.................................................................. 231 Modul 13: Konfliktprophylaxe ............................................................. 233 Zusammenfassung............................................................................ 233 Einführung ....................................................................................... 233 Individuelle Antizipation aus Erfahrung .................................. 235 Real entstehende Störungen mit einem antizipierten Gefährdungspotenzial............................................................... 235
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Inhaltsverzeichnis
Managementverhalten .............................................................. 235 Missverständnisse..................................................................... 236 Konfliktsensibilisierung durch Fachliteraturen ........................ 236 Strukturelle Konfliktprophylaxe ...................................................... 237 Abbau von Spannungen und sozialen Störungen ..................... 237 Verringerung/Veränderung der sozialen Struktur .................... 239 Konfliktvermeidung durch klare Ziele und Kompetenzstrukturen ........................................................ 240 Verringerung von Nullsummensituationen .............................. 241 Gelebte Gerechtigkeitskultur.................................................... 241 Steuerung von internen Koalitionen......................................... 242 Individuelle Konfliktprophylaxe...................................................... 242 Erlebt Störungen frühzeitig ansprechen ................................... 243 Die eigene Dialogfähigkeit ausbauen....................................... 243 Konfliktkosten.................................................................................. 250 Stress- bzw. emotionale Kosten ............................................... 250 Zeitkosten ................................................................................. 252 Cash-Kosten ............................................................................. 253 Opportunitätskosten ................................................................. 254 Screening Konfliktkosten................................................................. 256 Eher strukturelle Konfliktquellen ............................................. 256 Konfliktquellen im unmittelbaren Umgang mit anderen.......... 257 Kontrollfragen.................................................................................. 259 Weiterführende Literatur.................................................................. 259 Modul 14: Konflikt- und Verhandlungsmanagement – ein durchgängiges Fallbeispiel.............................................................. 261 Zusammenfassung............................................................................ 261 Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell........................ 261 Anhang 1: Hinweise für die Übungen .................................................. 275 Lösungsvorschlag für Übung 39 ...................................................... 275 Lösungsvorschlag für Übung 48 ...................................................... 280 Lösungsvorschlag für Übung 50 ...................................................... 281 Lösungsvorschlag für Übung 51 ...................................................... 282 Lösungsvorschlag für Übung 52 ...................................................... 289 Lösungsvorschlag für Übung 53 ...................................................... 290 Lösungsvorschlag für Übung 54 ...................................................... 291 Lösungsvorschlag für Übung 55 ...................................................... 292
Inhaltsverzeichnis
XIII
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse ................................................. 293 Teil 1: Allgemeine Beschreibung des Konflikts .............................. 293 Teil 2: Vertiefte Konfliktdarstellung................................................ 296 Teil 3: Beschreibung von Verhaltensweisen und Forderungen .............................................................................. 298 Teil 4: Bewältigungsbereitschaft...................................................... 299 Teil 5: Verhandlungsflexibilität ....................................................... 300 Glossar .................................................................................................... 301
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1. Abb. 2. Abb. 3. Abb. 4. Abb. 5. Abb. 6. Abb. 7. Abb. 8. Abb. 9. Abb. 10. Abb. 11. Abb. 12. Abb. 13. Abb. 14. Abb. 15. Abb. 16. Abb. 17. Abb. 18. Abb. 19. Abb. 20. Abb. 21. Abb. 22. Abb. 23. Abb. 24. Abb. 25. Abb. 26. Abb. 27. Abb. 28. Abb. 29. Abb. 30.
Unbehagen gegenüber Konflikten ...........................................11 „Konfliktogramm“ ...................................................................18 Qualität des sozialen Systems in Abhängigkeit der Konfliktbearbeitung...........................................................32 Konfliktquellen (Übersicht).....................................................34 Einfluss Dritter.........................................................................57 Konfliktkette ............................................................................58 Negativer Einigungsraum ........................................................61 Positiver Einigungsraum..........................................................62 Konfliktkomplexität und Anzahl der Konfliktgegenstände .....65 Konfliktarten............................................................................70 Gemischte Konflikte ................................................................71 Rollenvielfalt ...........................................................................73 Rollenvielfalt und Konfliktimplikationen................................74 Konfliktbewältigungsformen ...................................................99 Grundlegende interpersonale Handlungsmuster ....................111 Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas ......................116 Auszahlungsmatrix (Beispiel)................................................118 Ergebnismatrix „Motivationale Orientierung“ ......................124 Ausgangssituation bei der Konfliktanalyse ...........................130 Perspektiven zur Konfliktanalyse ..........................................131 Einfluss von Drittparteien ......................................................142 Proaktiver und reaktiver Verlauf des Konfliktmanagements......................................................162 Elemente einer Verhandlung .................................................167 Klassifikation von Verhandlungen ........................................169 Psychologischer Stammbaum der Konfliktund Verhandlungsforschung ..................................................174 Kausale Erklärungsperspektiven zum Verhandlungserfolg........................................................177 Drei Phasen eines Verhandlungsprozesses ............................181 Zeitliche Verzögerungen zwischen Verhandlungsakten........184 Verhandlungsstrategien und -taktiken ...................................192 ABC-Analyse Absatz.............................................................206
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 31. Abb. 32. Abb. 33. Abb. 34. Abb. 35. Abb. 36.
Zeitliche Gliederung eines Verhandlungsprozesses ..............218 Phasen einer Verhandlung .....................................................223 Verlaufsformen von Verhandlungsprozessen ........................224 Verhandlungsperioden ...........................................................226 Verzögerung zwischen zwei Verhandlungsepisoden.............229 Konflikt- und Verhandlungsmanagement aus kybernetischer Sicht ........................................................262
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Tabelle 2. Tabelle 3. Tabelle 4. Tabelle 5. Tabelle 6. Tabelle 7. Tabelle 8. Tabelle 9.
Konflikttypen und -anlässe.....................................................13 Kontingenztafel ......................................................................38 Soziale Aggregate und Implikationen für Konflikte ..............50 Konfliktbeispiele mit unterschiedlichen Komplexitäten ........64 Vorannahmen über Marktbedürfnisse (Rollen) und unternehmerische Entscheidungskonsequenzen..............77 Belohnung/Bestrafung in Abhängigkeit der sozialen Ebene..................................................................85 Spielverlauf (Beispiel)..........................................................118 Wechsel in eine offensive Strategie .....................................228 Wechsel in eine defensive Strategie.....................................228
Übungsverzeichnis
Übung 1. Übung 2. Übung 3. Übung 4. Übung 5. Übung 6. Übung 7. Übung 8. Übung 9. Übung 10. Übung 11. Übung 12. Übung 13. Übung 14. Übung 15. Übung 16. Übung 17. Übung 18. Übung 19. Übung 20. Übung 21. Übung 22. Übung 23. Übung 24. Übung 25. Übung 26. Übung 27. Übung 28. Übung 29. Übung 30. Übung 31. Übung 32. Übung 33. Übung 34.
Assoziationen zum Begriff „Konflikt“..................................10 Erfahrungen mit Konflikten ..................................................15 Konflikt aufgrund von Erwartungsfrustration.......................17 Prognose eines Konfliktausgangs..........................................18 Vorbilder bei der Konfliktbearbeitung ..................................21 Profil des Unbehagens...........................................................22 Konfliktbeschreibungen ........................................................31 Verbesserung der Qualität des sozialen Systems ..................33 Bedürfnisse und Konfliktpotenziale......................................37 Verstärkung und Bestrafung von Verhalten..........................40 Konfliktauslöser ....................................................................41 Darstellung von Komplexität ................................................45 Einschätzung der Konfliktstärke ...........................................48 Interpersonenkonflikte ..........................................................50 Personen-Gruppen-Konflikte ................................................51 Person-Organisationskonflikte ..............................................52 Gruppen-Gruppen-Konflikt...................................................53 Gruppen-Organisationskonflikte ...........................................54 Gruppen-Gesellschaftskonflikte............................................54 Organisations-Organisationskonflikte...................................55 Einfluss Dritter ......................................................................57 Komplexe Konflikte..............................................................66 Gemischter Konflikt..............................................................73 Rollenvielfalt.........................................................................74 Interrollenkonflikt .................................................................75 Intersenderkonflikt ................................................................75 Intrasenderkonflikt ................................................................76 Rollen-Selbst-Konflikt ..........................................................77 Selbsteinschätzung: Machiavellismus...................................81 Verhaltens- und Schicksalskontrolle .....................................87 Machtformen im Alltag.........................................................89 Negative Verhinderung .......................................................100 Konfliktverzögerungen........................................................102 Konfliktvermeidung ............................................................103
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Übungsverzeichnis
Übung 35. Übung 36. Übung 37. Übung 38. Übung 39. Übung 40. Übung 41. Übung 42. Übung 43. Übung 44. Übung 45. Übung 46. Übung 47. Übung 48. Übung 49. Übung 50. Übung 51. Übung 52. Übung 53. Übung 54. Übung 55. Übung 56. Übung 57. Übung 58. Übung 59. Übung 60. Übung 61. Übung 62. Übung 63. Übung 64.
Kollektive Konfliktunterdrückung ......................................105 Assoziationen zu Konflikt und Wettbewerb .......................109 Förderliche und einander behindernde Situationen.............111 Formen der Koopetition ......................................................113 Zuordnung von Äußerungen zu Kategorien........................155 Eigene Konfliktanalyse .......................................................159 Kognitiver Wandel ..............................................................163 Win-Lose-Verhältnis...........................................................166 Umgang mit Forderungen ...................................................194 Zurückweisung von Forderungen........................................194 Bewertung eines Dialogs.....................................................195 Erfahrungen mit Drohungen................................................196 Bewertung eines Dialogs.....................................................196 Übung zu offensiven Taktiken ............................................199 Beispiele von Zustimmung..................................................201 Übung zu defensiven Taktiken............................................203 Identifikation von Taktiken.................................................208 Identifikation von Taktiken I...............................................220 Identifikation von Taktiken II .............................................221 Identifikation von Taktiken III............................................222 Identifikation von Taktiken IV............................................223 Identifikation von Stereotypen I..........................................230 Identifikation von Stereotypen II ........................................238 Begründung personeller Umbesetzungen............................240 Relevanz von Zielsystemen.................................................241 Verteilung von Aufmerksamkeit.........................................241 Identifikation mikropolitischer Aktivitäten.........................242 Konflikt-Stressbilanz...........................................................252 Identifikation von Konfliktkosten .......................................255 Ableitung von Maßnahmen zur Konfliktprophylaxe ..........273
Einführung
Dieses Buch spiegelt das Curriculum aus unserer Trainings- und Weiterbildungspraxis wider, das sich modular aufbaut und folgender Struktur folgt: x
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In Modul 1 – Konflikte machen uns zu schaffen – verdeutlichen wir, dass Konflikte zum einen alltäglich und nicht vermeidbar sind, und zum anderen, dass gerade die Globalisierung mit ihren Effekten zu einer prinzipiellen Konfliktintensivierung beiträgt. Zudem greifen wir hier das Phänomen des Unbehagens auf, das oftmals in Verbindung mit Konflikten einhergeht. Daher werden die wesentlichen Ursachen für Unbehagen herausgearbeitet. In Modul 2 – Konflikt: Definition und Entstehung – wird zunächst der Begriff „Sozialer Konflikt“ definiert, woran sich die Darstellung wesentlicher Konfliktursachen anschließt, die durch einzelne Personen, durch Personengruppen oder durch andere Bedingungen, z. B. durch den Verteilungskampf um knappe Ressourcen, entstehen können. Dabei wird bereits deutlich, dass das Denken in linearen Ursache-Wirkungsketten zur „Erklärung von Konflikten“ kaum angebracht ist. Um zukünftig Konflikte und deren Komplexität bzw. Intensität beschreiben zu können, werden in Modul 3 – Konfliktkomplexität – wesentliche Konfliktparameter dargestellt. Vereinfacht können wir sagen: Je komplexer die soziale Struktur der Kontrahenten, je weiter die Forderungen, Erwartungen oder Interessen auseinander liegen und je größer die Drohpotenziale sind, desto größer ist die Konfliktintensität und um so komplizierter wird eine Verhandlung. In Modul 4 – Konfliktarten – führen wir zunächst in den Unterschied zwischen Ziel- und Mittelkonflikten ein und beschreiben die Dynamik zwischen ihren möglichen Übergangsformen. In diesem Modul lernen Sie zudem Rollenkonflikte kennen, wobei wir hier die vier wesentlichen Formen von Rollenkonflikten vorstellen. Macht als stetiger Begleiter sozialer Systeme wird in Modul 5 – Macht – bearbeitet. Ihre persönliche Machtdisposition kann mittels der
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Machiavellismus-Skala erfasst werden. Wer Macht nutzt oder mit ihrem Einsatz droht, sollte allerdings auch über deren Folgen wissen. Mit dem Modul 6 – Reaktive Formen der Konfliktbewältigung – führen wir in die Formen der Konfliktbewältigung ein. Sie ist in sozialen Systemen entscheidend durch die individuelle Konfliktdisposition, die Konfliktkompetenz und durch die Interpretation der Konfliktsituation geprägt. Zudem werden hier die Bearbeitungsformen mit einer in der Tendenz reaktiven Bearbeitung erörtert. Wir sagen „in der Tendenz“, weil in Konflikten durchaus einmal Auszeiten sinnvoll sein können und weil es dem Menschen gelingt, seinen eigenen kognitivemotionalen Apparat derart zu verändern, dass aus einem unbewältigten Konflikt neue Sichtweisen und damit verbundene Chancen entstehen können. Schließlich beschreiben wir hier verschiedene Eskalationsstufen und damit verbundene Umgangsformen. In Modul 7 – Kooperation und Wettbewerb – wird auf kooperativ bzw. kompetitiv organisierte Strukturen und deren Wechselbeziehung zur eigenen Motivationalen Orientierung hingewiesen. Unterschiedliche Formen der Kooperation werden darin aufgegriffen. Einen Schwerpunkt bildet der so genannte Nichtnullsummenkonflikt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen die Möglichkeit haben, gemeinsam einen optimalen Gewinn zu erzielen. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit dem zentralen Experiment spieltheoretischer Überlegungen – dem Gefangenendilemma. In Modul 8 – Konfliktanalyse – stellen wir Ihnen das Instrument der Konfliktanalyse vor. Die Konfliktanalyse zielt darauf ab, in einem Konflikt die eigene Position und die vermeintliche Position des Anderen zu explizieren. Diese Gegenüberstellung hilft, sowohl die Konfliktbearbeitung in der Form der Verhandlung vorzubereiten als auch die Lösungschancen vorzudenken. Während einer Verhandlung bietet sie gute Chancen, die Einigungsräume ab- und einschätzen zu helfen, um ggf. Kurskorrekturen vornehmen zu können. Mit dem Modul 9 – Einführung in das Verhandlungsmanagement – bauen wir auf der Differenzierung zwischen einer reaktiven und einer proaktiven Konfliktentfaltungstendenz auf: Ein reaktiver Konfliktverlauf basiert auf einer nur unsystematischen Analyse des Konflikts und führt zu Verhaltensweisen wie Konfliktvermeidung, -verdrängung oder -unterdrückung usw. (vgl. Modul 6). Demgegenüber basiert eine proaktive Konfliktbearbeitung auf einer systematischen Evaluation des Konflikts (vgl. Modul 8) und enthält die Elemente „Verhandlungsvorbereitung“, „Herausbildung von Ergebniserwartungen“, „Verhandlungsprozess“ und „Zwischenergebnisse des Verhandlungsprozesses“.
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In Modul 10 – Theoretische Grundlagen der Verhandlung – arbeiten wir drei Ansätze der Konflikt- und Verhandlungsforschung aus, nämlich behavioristische, sozialpsychologische und kommunikationstheoretische Ansätze. Letztere Ansätze werden dadurch verdeutlicht, dass hier insbesondere Aspekte wie Verhandlungsstrategien und -taktiken, Erwartungen und Reziprozität des Verhandlungsverhaltens vertieft, diskutiert und deren Zusammenhang zum Verhandlungserfolg herausgearbeitet werden. Taktiken im Verhandlungsprozess werden in Modul 11 diskutiert. Aufbauend auf der Differenzierung zwischen distributiven – also offensiven und defensiven – und integrativen Verhandlungsstrategien wird die Relevanz und kommunikative Ausgestaltung folgender Verhandlungstaktiken herausgearbeitet: „Forderungen stellen“, „den anderen zurückweisen“, „Selbstverpflichtung zeigen“, „Drohungen aussprechen“, „attackieren“, „Auf- und Anforderungen tätigen“, „Zustimmung signalisieren“, „eigene Forderungen zurücknehmen“, „sich verpflichten“, „sich rechtfertigen“, „Akzeptanz zeigen“, „Information weitergeben“, „zur Klärung beitragen“ und „Suche nach Problemlösungen“. In Modul 12 – Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik – legen wir unsere Aufmerksamkeit auf die wechselseitige Wirkung der taktischen Varianten im Zeitverlauf: Durch die bewusste Gestaltung von Verhandlungsepisoden, -perioden und -phasen gelingt es zum einen im Rahmen der distributiven Phase die eigene Position nicht nur optimal darzustellen, sondern auch so herauszuarbeiten, dass im Rahmen der darauf folgenden integrativen Phasen ein maximaler gemeinsamer Gewinn möglich wird. Modul 13 – Konfliktprophylaxe – dient dazu zu zeigen, wie sich Konflikte durch bewusstes und zielorientiertes Handeln oder durch veränderte Strukturen vermeiden lassen. Im Mittelpunkt hierbei stehen zum einen strukturelle wie auch kommunikative Implikationen der Konfliktprophylaxe, die zudem anhand entsprechender Konfliktkosten vertieft werden. Ein Schnelltest hilft Ihnen dabei, entsprechende Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Im letzten und 14. Modul – Ein Fallbeispiel – werden anhand eines durchgängigen Praxisbeispiels die Inhalte aus den vorausgegangenen Modulen beschrieben und anhand eines geeigneten Konflikt- und Verhandlungsmodells verdichtet.
Wie schon gesagt, spiegelt dieses Buch das Curriculum aus unserer Trainings- und Weiterbildungspraxis wider. Daraus resultieren eine Reihe
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Einführung
struktureller Besonderheiten, durch die unsere Didaktik verdeutlicht werden soll. Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass Ihr Wissenserwerb zum Thema Konflikt- und Verhandlungsmanagement mittels über einhundert Beispielen und über sechzig Übungen systematisch und gezielt unterstützt wird. Dieser Wissenserwerb wird zudem durch den Aufbau der jeweiligen Module gefördert: 1. 2. 3. 4.
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Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen des jeweiligen Moduls. Text, einschließlich vieler Beispiele, Übungsaufgaben und Abbildungen. Kontrollfragen, durch deren Beantwortung Sie ermessen können, ob Sie die wesentlichen Inhalte auch entsprechend verstanden haben. Weiterführende Literatur: Die Literaturhinweise dienen nicht nur dem Zweck des ordentlichen Gedankenverweises, sondern sollen auch jene anregen, die sich in dieses Thema vertieft einarbeiten wollen oder gar müssen. Im Anhang finden Sie neben den obligatorischen Verzeichnissen auch eine Listung der Beispiele sowie Musterlösungen zu den Aufgaben, soweit dies notwendig ist.
Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Zusammenfassung Mit dem ersten Modul wollen wir Sie anregen, dem Begriff „Konflikt“ offen und unter einem neuen Blickwinkel zu begegnen. Zunächst ist festzuhalten, dass Konflikte – entgegen dem Wünschenswerten – vitaler Bestandteil des Lebens und Motor von Veränderungen sind. Je komplexer soziale Systeme sind, desto umfangreicher werden Konfliktquellen und Konfliktpotenziale, die nicht nur auf soziale Systeme, sondern auch auf das einzelne Individuum – als kleinste Einheit eines sozialen Systems – abstrahlen. Und der Mensch als Individuum ist ebenfalls Quelle vielfältiger Konflikte. Obwohl Konflikte alltäglich sind – und an Häufigkeit noch zunehmen – ist zu beobachten, dass Menschen üblicherweise schlecht auf einen zielführenden Umgang mit Konflikten vorbereitet sind. In diesem Zusammenhang diskutieren wir fünf Einflussfaktoren des „Unbehagens“, das Konflikte bei uns oftmals auslöst – und quasi die emotionale Blaupause im Umgang mit Konflikten darstellt.
Konflikte als „Selbstverständlichkeit“ Zunehmende Komplexität als Ausgangspunkt Konflikte sind Artefakte der Evolution und liegen dem Evolutionsprinzip des „survival of the fittest“ implizit zugrunde. Fitness meint allerdings nicht sozialdarwinistisch, dass sich der Stärkere durchsetzt. Natürlich spielt Stärke und die mit ihr einhergehende Macht eine Rolle, allerdings beinhaltet dieses Überlebensprinzip weitaus klügere Konzepte, insbesondere die Anpassung eines kognitiven Schemas an neue Erfahrungen (Akkommodation) und die Anpassung eines neuen Sachverhalts an ein vorhandenes Schema (Assimilation).
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Dabei können wir zwischen folgenden grundlegenden Konfliktquellen unterscheiden. x
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Menschen entwickeln auf der Basis ihrer Bedürfnisausformung Interessen, Motive und Ziele, die sie emotional für mehr oder minder wichtig erachten. Diese Interessen, Ziele und Motive wandeln sich mit der Zeit. Damit wandeln sich auch gemeinsame Interessen, Ziele und Motive der übergeordneten sozialen Systeme, wie z.B. Beziehungen oder aber auch auf Organisations- oder nationaler Ebene. Die zweite Konfliktquelle entsteht aus dem globalen Glaubensbekenntnis wirtschaftlichen Wettbewerbs. Unter dem Aspekt knapper Ressourcen versuchen alle Marktteilnehmer ihre Handlungsökonomien zu optimieren.
Damit existiert eine Konfliktdoppelhelix, die zum einen aus dem Wettbewerb um Ideen, Ressourcen und Märkten und zum anderen aus dem Wettbewerb optimaler Handlungsoptionen besteht. Grenzt man Individuen von sozialen Systemen voneinander ab, so lässt sich folgendes festhalten: Je komplexer und differenzierter soziale Systeme und je differenzierter die Bedürfnisse, Erwartungen und Ansprüche der Individuen sind, desto größer sind die damit einhergehenden Konfliktmöglichkeiten. Konfliktquellen zwischen Globalisierung und Individuum Die sich seit geraumer Zeit beschleunigende Globalisierung schafft neue Märkte und neue Handlungsoptionen, aber auch ein Wachstum an Differenzierung und Disparität, die ihrerseits immense Konfliktquellen darstellen. Einem schärfer werdenden Wettbewerb, muss sich der Einzelne in seinen Milieus (z. B. multikulturelle Vielfalt) ebenso stellen wie in seinem beruflichen Umfeld: Die modernen Nomaden agieren global unter zunehmendem Verlust einer raum-zeitlichen Identität. Internationale Arbeitsteilung und vagabundierende Produktionsstätten, einschließlich der damit einhergehenden lokalen Veränderungen und Einschnitte, schaffen weitere Konfliktquellen. Auch wenn die Lebensqualität vieler Gesellschaften infolge einer verbesserten Beteiligung an den globalen Wertschöpfungsketten stetig steigt, können wir die Augen nicht davor verschließen, dass ca. 2 Milliarden Menschen unter desaströsen Lebensbedingungen existieren und weit von Mindeststandards entfernt leben müssen. Diese Form der Ungleichverteilung von Chancen betrifft wiederum alle sozialen Systeme, angefangen beim Einzelnen bis hin zu Weltregionen. Kein Wunder also, dass Konfliktpotentiale stetig wachsen.
Konflikte als „Selbstverständlichkeit“
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Aber es sind nicht nur die „großen Veränderungen“ in der globalen Welt, die als Konfliktauslöser gelten. Jedes Individuum ändert im Verlauf seiner Biographie Interessen und Bedürfnisse. Was gestern noch gemeinsames Gut eines Zusammenlebens war, kann heute aufgehoben sein. Daraus entstehen Ziel- und Interessenkonflikte auf einfacher Ebene, die subjektiv sehr kostenintensiv sein können. Unter Kosten subsummieren wir nicht nur materielle Aspekte, sondern verstehen hierunter auch emotionale Kosten. Die modernen Lebensformen unserer Zeit und die damit einhergehenden (hedonistischen) Orientierungen führen zu einer vergrößerten Komplexität und somit zu einem größeren Konfliktpotenzial. Kulturen durchdringen Individuen und soziale Systeme. Globalisierung ist ohne Migration nicht denkbar. Durch Migration und Welthandel werden unsere bekannten und weitgehend vertrauten kulturellen Milieus aufgebrochen. Trotz des Jahrzehnte währenden internationalen Tourismus und vielfältiger Kultur- und Güterdurchmischungen besteht in vielen Fällen die Furcht vor dem Verlust kultureller Identität. Diese diffuse Furcht, eine Melange aus Nichtwissen, Intoleranz und Anpassungsfriktionen bildet vielfältige Konfliktquellen, die bis auf den Einzelnen „hinunter wirken“ können. Die obigen Beispiele machen deutlich, dass Konflikte Gang und Gäbe sind und es kein Entkommen aus ihnen gibt. Sie sind vitaler Bestandteil des Lebens, auch wenn sie uns vorübergehend lähmen oder – noch schlimmer – eskalieren und den privaten bis öffentlichen Frieden oder zumindest die Balance und Harmonie gefährden. Die Beispiele machen aber auch deutlich, dass mit zunehmender Komplexität Strukturen, wie z.B. Gesetze, Regeln, institutionelle Ziele, Verbandsinteressen die Entstehung, den Verlauf und die Bewältigung von Konflikten enorm beeinflussen. Konflikttypen In dieser Publikation unterscheiden wir zunächst zwischen strukturellen, interpersonalen und intrapersonalen Konflikten: x
Zwischen Organisationen, Institutionen und Gesellschaften entstehen tagtäglich Konflikte, die wir als strukturelle Konflikte beschreiben können. „Strukturell“ meint hier zunächst, dass solche Konflikte unabhängig von den Interessen der darin involvierten Individuen erscheinen. Beispiele hierfür sind: Die Entlassung von Mitarbeitern aufgrund von Ertragsrückgängen, Verdrängungswettbewerb oder zwischenstaatliche Krisen. Diesen soziologischen Ansatz verfolgen wir im vorliegenden Buch nicht weiter, da in vielen Fällen „hinter den Strukturen“ Menschen agieren und entscheidend auf den Konfliktverlauf einwirken. Hierbei erinnern wir beispielsweise an Michael Gor-
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x
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
batschow, ohne den die deutsche Wiedervereinigung zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hätte. Nehmen wir auf der anderen Seite die Busch-Administration und deren Interpretation der „Achse des Bösen“. Interpersonale Konflikte entstehen demgegenüber zwischen konkret handelnden Akteuren. Nicht dass diese gänzlich frei in ihrer Bedürfnis-/Zielgestaltung wären: Wir nehmen gesellschaftliche Rollen ein, an die unterschiedlichste Erwartungen geknüpft sind. Erfüllen wir sie nicht, liegt der Konflikt auf der Hand. Solche Erwartungen sind jedoch nicht starr und können in vielen Funktionen, die wir als Gatte, Führungskraft, Mitarbeiter/in oder Funktionär/in ausfüllen, ausgestaltet werden. Insofern sind soziale Konflikte selten frei von strukturellen Einflüssen. Auf der anderen Seite: Strukturen erhalten ihre Lebendigkeit durch die in ihnen handelnden Menschen. Also sind strukturelle Konflikte immer auch personal-determinierte Konflikte. Von einem intrapersonalem Konflikt sprechen wir, wenn ein Konflikt nicht zwischen Akteuren, sondern innerhalb einer Person auftritt – und sich nach folgendem Motto umschreiben lässt: „Möchten habe ich schon gewollt, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“ Starke intrapersonale Konflikte, denen sich der Mensch hilflos ausgeliefert fühlt, können durchaus zu psychischen Störungen führen.
Wir beschränken unsere Argumentation auf interpersonale Konflikte, wobei wir allerdings Strukturen insofern nicht ausgrenzen, soweit der Erfolg zur Lösung struktureller Konflikte überwiegend von Personen abhängig ist. Insofern berücksichtigen wir auch keine intrapsychischen Konflikte, die zu behandelbaren psychischen Störungen führen, gehen aber auch auf intrapsychische Konflikte dort ein, wo sie alltäglich in Erscheinung treten, ohne zu Pathologien zu führen resp. führen zu müssen. Dass die beabsichtigten Abgrenzungen nicht immer präzise vorgenommen werden können, ist uns bewusst. Der „Homo Reziprocans“ Wir werden als Menschen in Kulturen hineingeboren und darin erzogen. Unsere Erwartungen an uns und andere sind zu großen Teilen davon geprägt. Jeder Kulturraum verfügt über seine grundlegenden Doktrin, seien sie ideologischer, religiöser oder wirtschaftlicher Art. Für unsere weitere Betrachtung sind letztere von besonderer Bedeutung, weil sie das Menschenbild und damit auch unser Konfliktverständnis beeinflussen. Dem homo sapiens sapiens wurden viele Etiketten verliehen, um ihn besser zu
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verstehen: Als homo ludens ist er der spielende, experimentierende, neugierige, innovative Mensch. Das Bild vom homo oeconomicus beschreibt ihn als rationales Wesen, das auf seinen Vorteil aus und von der Übervorteilung getrieben ist. Dieses Bild hat entscheidend unser Wirtschaftsverständnis geprägt. In den letzten Jahren kristallisiert sich ein neues Menschenbild heraus, das in vielen Wissenschaftsdisziplinen an paradigmatischer Bedeutung gewinnt. Der homo reciprocans setzt nicht auf kurzfristige Übervorteilung, sondern eher auf nachhaltige Fairness. Angesichts der dramatischen Umweltveränderungen, aber auch angesichts der sich anhäufenden wissenschaftlichen Evidenzen, nach dem ein reziprokes Verhalten effizienter und ökonomischer ist, werden wir dieses Menschenbild als roten Faden durch unsere Betrachtungen thematisieren. Um es vorweg zu nehmen: Eine Verhandlung führt nur dann zu einem positiven, die soziale Entität aufrecht erhaltenden Ergebnis, wenn eine Bereitschaft zur Reziprozität vorhanden ist. Ausschließliche Übervorteilungsstrategien sind in unserem Wirtschaftssystem zwar noch immer dominant, sie tragen aber auch die Gefahr der Eskalation und damit den Umschlagspunkt zu einer Situation in sich, in der es keinen Gewinner, sondern nur noch Verlierer gibt. Aktive Konfliktbearbeitung Wir können Konflikte nicht angemessen handhaben, wenn wir sie stets negativ betrachten. Konflikte sind der Motor von Veränderungen, wenn wir sie positiv betrachten. In unseren vielfältigen Veranstaltungen haben wir die Teilnehmer/innen immer wieder gebeten, freie Assoziationen zum Begriff Konflikt aufzuschreiben – und jedes Mal überwogen negative Assoziationen. Das ist kein Zufall. Erstens sind Konfliktursachen häufig diffus oder unbestimmt. Sie bahnen sich schleichend an, bis sie einen „Kulminationspunkt“ erreichen, der den Konflikt offenbar werden lässt. Die damit verbundene Konfliktgeschichte zurück zu verfolgen, fällt dem Ungeübten nicht leicht. Schnell kann es zu emotionalen Verwerfungen kommen. Zudem entspricht es unseren Erfahrungen, dass Konflikte „nach hinten losgehen“. Statt sie zu lösen, drohen sie zu eskalieren. Also lieber die Finger davon lassen, als die Ungewissheit noch zu erhöhen. Es verwundert also nicht, dass Konflikte für viele Menschen kleine Bedrohungen darstellen. Auf Drohpotentiale, in denen der Mensch sich als hilflos erlebt, reagiert er unter Umständen mit Flucht oder Vermeidung. Wir betrachten solche Formen der Nicht-Konfliktbearbeitung als regressive Akkommodation: Menschen versuchen, die Konflikte aus ihrem Alltag auszublenden.
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Das Unbehagen an Konflikten Obwohl unser Leben aus einem Strom von Konflikten besteht, ungeachtet der Frage, ob wir selbst Konfliktquelle oder ihnen ausgesetzt sind, beschleicht uns zum einen Unbehagen, wenn wir an Konflikte denken. Sie sind häufig vielfältig und unscharf, ohne dass eine Konfliktursache genau auszumachen wäre. Zum anderen wissen wir um unseren eigenen Beitrag zu Konflikten und deren Verlauf. Als „homo conflictus“ verfügen wir nicht über – gelernte – effiziente Methoden der Konfliktbearbeitung. Zudem erleben wir in Konflikten, dass unsere Erwartungen nicht erfüllt werden – oder nicht in der gewünschten Form. Nichterfüllte Erwartungen wirken wie Strafe. Sie lösen Emotionen aus. Und wenn wir dann Konflikte aktiv bearbeiten wollen oder müssen, kennen wir ihren Ausgang nicht. Das schafft Ungewissheit. Sie ist die Quelle für Zögerlichkeiten. Konfliktakteure stehen zudem nicht immer in Augenhöhe gegenüber. Ungleiche Machtverhältnisse, und dazu gehört auch die psychische Macht, reduzieren die Optionen auf eine faire Lösung. Insgesamt, so fassen wir als letztes Unbehangen zusammen, fehlt es uns an Kompetenz, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Übung 1. Assoziationen zum Begriff „Konflikt“
Bevor Sie fortfahren: Lassen Sie sich bitte zehn Assoziationen zum Begriff „Konflikt“ einfallen. Vergleichen Sie Ihre Überlegungen später mit dem Text. Dauer: ca. 10 Minuten Was ist „Unbehagen“? Wir sprechen von Unbehagen als einem unscharfen Begriff, der aus einer Mischung von Gedanken (Kognitionen), Empfindungen (Emotionen) und Befürchtungen besteht. In summa ist Unbehagen eine ganzkörperliche Reaktion auf Ungewissheit. Diese muss nicht als Persönlichkeitsmerkmal grundlegend das eigene Konfliktverhalten bestimmen, sondern kann durchaus „konfliktsituativ“ sein. Im Folgenden wollen wir Ihnen sechs Aspekte näherbringen, mit deren Hilfe erklärt werden kann, wie Unbehagen mit der Konflikthaftigkeit von Situationen einhergeht (vgl. Abb. 1).
Das Unbehagen an Konflikten Vielfalt und Unschärfe
Ungewissheit des Ausgangs
homo conflictus
unerfüllte Erwartungen
Unbehagen gegenüber Konflikten
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Macht
unzureichende Kompetenz
Beeinflussung der Konfliktbearbeitung
Abb. 1. Unbehagen gegenüber Konflikten
Unbehagen 1: Vielfalt und Unschärfe Konflikte und die vielfältigsten Formen ihrer Bewältigung werden häufig als Schattenseiten unseres sozialen Miteinanders betrachtet. Das hat seinen Grund: Kaum lernen wir irgendwo, allenfalls in der Schule des Lebens, mit diesen „Störungen“ umzugehen. Dass dies ein internationales Phänomen ist, belegen über 30 Fachzeitschriften, die sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit Konfliktentstehung und -bearbeitung beschäftigen. In der Realität sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass das Leben aus Konflikten besteht, egal wo wir eine Beziehung zu anderen Menschen eingehen. Das beginnt in der Kindheit, indem unsere seligen und manchmal naiven Wünsche nicht erfüllt werden. Bereits das schreiende Baby, das etwas nicht bekommt, verfügt über eine grundlegende Form der Konfliktbewältigung: „Schreie und mach’ sie mürbe!“ – dann wird Dein Wunsch erfüllt. Eltern, die auf diese Mechanik hereinfallen, sind ihres Konfliktes Schmied. In der Schule entstehen nicht nur Konflikte zwischen Schülern, sondern auch dann, wenn Lehrer/innen eine Leistung anders bewerten als ein Schüler selbst, oder wenn die Eltern andere Erwartungen haben, als der Schüler sie abzuliefern in der Lage oder bereit ist. In der Beziehung zwischen Mann und Frau kommen Konflikte auf, die häufig leise anfangen und sich im Laufe der Zeit dermaßen eskalieren können, dass die Beziehung aufgegeben und jede andere Lebensform eine scheinbar attraktivere Alternative bietet. In diese instabilen Balancen fließt natürlich der Zeitgeist ein: Geschlechtskonflikte sind in den letzten Jahr-
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zehnten auch entstanden, weil sich die geschlechtsspezifischen Einstellungen und die damit verbundenen Erwartungen stark gewandelt haben. Jedes Unternehmen bildet einen Infektionsherd für Konflikte. Nicht etwa deswegen, weil Unternehmen besonders an- oder auffällige Systeme darstellen, sondern weil Konflikte systemisch notwendig sind. Die Vielzahl von Zielen, Interessen, Optionen und Erwartungen generieren einfach ein enormes Konfliktpotenzial. Die Kunst der Unternehmensführung sollte nicht darin liegen, solche Konflikte zu unterdrücken. Wesentlich wirksamer ist es, durch Konfliktprophylaxe potenziell vermeidbare Konflikte auszuschließen, um sie dort professionell zu bewältigen, wo sie den Unternehmenserfolg fördern1. Durch seine intensive Nutzung steht der Mensch inzwischen in einem globalen Konflikt zur Natur. Ihre Sprache besteht aus Anomalien und Abweichungen vom langfristigen Trend. Konfliktbeteiligte sind hier jene Experten und Expertinnen, die die Sprache der Natur interpretieren können und jenen, die eine intensive Nutzung an den Tag legen. Dies sind nicht nur Wirtschaftsunternehmen sondern auch die Mehrheit der Privathaushalte – zumindest in den Industrienationen. Viele dieser Konflikte basieren auf unterschiedlichen Annahmen und Einstellungen, denen zwei grundlegende Motive zugeordnet werden können. Etwas pointiert formuliert besteht die eine Haltung darin, einen Konflikt so zu nutzen, um daraus als Gewinner herauszugehen, die andere Haltung zielt darauf ab, den gemeinsamen Gewinn zu optimieren. Wir werden uns diesem Thema ausführlich widmen. Diese beiden Haltungen können wir als Spannungsbogen zwischen Wettbewerb und Kooperation beschreiben, wobei die globale Wirtschaftsideologie auf einem Wettbewerbsfundament basiert. Es hat den Anschein, als hätte Kooperation darin „schlechte Karten“. Wirtschaft ist Wettbewerb und Wettbewerb bedeutet oftmals: „Was der eine bekommt, verliert der andere“. Allerdings gilt auch: In allen Sozialstrukturen, in denen die Summe aus Gewinn des einen und dem Verlust des anderen gegen Null läuft, liegen Konflikte in der Natur der Sache. Insofern ist unser globaler Kapitalismus auch ein „globaler Konfliktismus“, um es einmal salopp zu formulieren. Verteilungskonflikte, wie sie die Weltgeschichte auszeichnet, haben in allen Jahrtausenden auch zu Kriegen geführt. Der Krieg, hat Bismarck gesagt, ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. In der Tat ist das 1
Um Missverständnisse zu vermeiden, möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Konfliktprophylaxe keine Methodik zur Unterdrückung von Konflikten darstellt, sondern nur deren Auftrittswahrscheinlichkeit reduziert (vgl. Modul 13).
Das Unbehagen an Konflikten
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korrekt: Wo – politische – Verhandlungen, aus welchen Gründen auch immer, soweit eskalieren, dass es kein Zurück mehr gibt, wird die Welt der konstruktiven Lösungen verlassen. An ihre Stelle tritt die Zerstörung, ob im Ehekrieg oder im Krieg der Nationen. Es gibt eine sehr große Anzahl von Konfliktanlässen und -quellen. Die nachfolgende Tabelle will nur einen kleinen Ausblick geben, mit welchen Konfliktpotentialen wir täglich durch das Leben navigieren (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1. Konflikttypen und -anlässe Konflikttypus
Konfliktanlässe
Verletzung von Regeln
x x x x
gesetzliche Regeln Vertragsregeln Gruppenvereinbarungen informelle Regeln
Beziehungs-/Lebenskonzepte
x x x x x
Kinderwunsch Lebensraum Lebensdichte Grundlegende Erwartungen an den Partner Ausprägung der Balance
Konflikte zur Verhaltenssteuerung
x x
Aufmerksamkeitskonflikt Zuwendungskonflikt (erlebte Ungerechtigkeit) Führungskonflikte uneindeutige Entscheidungskompetenzen uneindeutige Entscheidungswege
x x x Organisationskonflikte
Lebensabschnittskonflikte
x x x x
Gruppeninteressen versus Geschäftsprozessinteressen Unternehmenskultur Beförderungsmöglichkeiten Entscheidungsinsuffizienz
x x
Trennung Ruhestand
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Tabelle 1 (Fortsetzung) Konflikttypus
Konfliktanlässe
Allmende-Konflikte
x x
Überfischung Treibhaus-Emissionen
Ressourcen-Konflikte
x x x x x
Budget Kaufkraft Positionen Wasser Marktanteil in gesättigten Märkten
Handlungskonflikte
x x
Pseudoempathie Unwahrheiten
Rollenkonflikte
x x x
unvereinbare Erwartungen an eine Person fehlende Identifikation mit einer Rolle gerichtete Erwartungen
Informationskonflikte
x x x x x
unvollständige Informationen Rauschen in der Kommunikation Medienbrüche Darstellungskonflikte Bring- bzw. Holschuld
Entscheidungskonflikte
x x x x
keine Entscheidungen ambivalente Entscheidungen Rückdelegation hohe Unsicherheit
Machtkonflikte
x
Furcht vor Machtverlust und Diskreditierung anderer hierarchische Machtkonflikte ungerechter Einsatz von Macht
x x Kommunikationskonflikte
x x x
fehlende Übereinstimmung zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation Missverständnisse Sender-Empfänger-Diskrepanzen
Das Unbehagen an Konflikten
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Übung 2. Erfahrungen mit Konflikten
Formulieren Sie zu mindestens fünf Punkten aus obiger Tabelle jeweils einen Konflikt, den sie selbst erlebt oder (in den Medien) wahrgenommen haben. Dauer: ca. 45 Minuten Unbehagen 2: Der Mensch als „homo conflictus“ Ein weiterer Konfliktmotor liegt in uns selbst. Der Mensch ist der Motor sozialer – und auch naturbezogener – Konflikte. Zum einen stehen wir laufend in vielfältigen sozialen Beziehungen, deren Erwartungen an den Einzelnen im Widerspruch stehen können. Die Kunst besteht dann darin, es allen recht zu machen, ohne sich selbst dabei aus den Augen zu verlieren. Dies kann zu Belastungen führen, die an manchen Stellen ohne die Hilfe anderer nicht mehr aufzulösen sind. Psychopathologien sind in aller Regel Ausdruck nicht verarbeiteter Konflikte zwischen Selbst- und Fremdansprüchen. Durch die Zuschreibung „krank zu sein“, wird der/die so Überforderte gegen die vermeintlich zerstörende Wirkung der Anspruchsüberflutung zunächst immunisiert, um im Schonraum der Therapie Gegenmuster zu entwickeln. Zum anderen wandelt sich der Mensch im Verlaufe seiner Biographie. Zwar bleiben wesentliche Bedürfnisse erhalten, ihre Ausprägung aber kann sich ändern. Nicht nur Bedürfnisse bzw. deren Befriedigung sind Konflikttreiber, es sind auch die Gedanken und die damit verbundenen emotionalen Empfindungen. Dieser kognitiv-emotionale Apparat ist einem dauerhaften Inferno von Informationen ausgesetzt, das seine Spuren hinterlässt. Soziale Wahrnehmungen und Einstellungen, kurzum unsere „Weltkonstruktion“ ist nicht starr, sondern unterliegt einer dynamischen Veränderung. Hierdurch ändern sich auch Interessen, Meinungen und Emotionen. Diese Änderungen können ebenfalls vielfältige Konflikte auslösen. Beispiel 1 Das Unternehmen R ändert seine Strategie und ist der Meinung, neue Geschäftsfelder erobern zu wollen. Von den Experten wird verlangt, sich neue Techniken anzueignen und die Vertriebsverantwortlichen sind gefordert, in ihnen unbekannte Märkte einzutreten. Da es ihnen an Erfahrungen mangelt, entsteht Unsicherheit, die sich in massiven Gegenargumenten äußert.
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Wir leben nicht in einer heilen Welt. Wenn auch absolut betrachtet nur wenige Menschen illegitime Mittel gegen andere Menschen einsetzen, sind die Auswirkungen häufig verheerend. Kriminelle Handlungen sind immer dramatisch, weil Menschen plötzlich und unerwartet einem Konflikt hilfund machtlos ausgesetzt sind. Noch verworfener wird es, wenn Gruppen unter dem Vorwand eines politischen Auftrages morden und zerstören. Hier liefert uns die Welt gegenwärtig genügend Beispiele, die wir aus Presse, Internet und Fernsehen kennen. Die Bewältigung solcher Konflikte geht fast an die Grenzen menschlicher Vernunft und menschlicher Kreativität. Nicht umsonst verlaufen diese Auseinandersetzungen über Jahre oder Jahrzehnte, weil sich die Akteure auf übergeordnete Ansprüche berufen und Armeen der Unvernunft befehligen. Religionen waren und sind in erster Linie ein Instrument, um Konflikte zwischen Menschen einzugrenzen. Ohne „übernatürliche Aufsicht“, so das kulturelle Vermächtnis aus der Vergangenheit, verzehre sich der Mensch in hedonistischen Auslebungen, durch die Konflikte mit anderen Mitgliedern der Gemeinschaft vorgezeichnet sind. Wir müssen hier nicht das Bild vom Wolf im Schafspelz bemühen – aber der Mensch ist weniger „homo rationalis“ als vielmehr „homo conflictus“. Globalisierung und religiöse Vermischungen gehen einher, deren eine Antwort auch darin liegt, auf die Macht des Überirdischen zu verzichten. Wir sind für uns verantwortlich und uns gegenüber verantwortlich. Unbehagen 3: Unerfüllte Erwartungen wirken wie Strafe Ein Konflikt besteht darin, nicht das zu bekommen, was man erwartet. Unerfüllte Erwartungen wirken wie Strafe. Und derjenige, der verhindert hat, zu bekommen, was man wollte, ist derjenige, der bestraft. Strafe, das kennen wir, lösen Emotionen aus: Ärger, Scham, Wut, Unwohlsein, eben mehr oder minder großen Seelenschmerz. Durch unser häufig unreflektiertes oder zumindest nicht umfassend reflektiertes Umgehen mit solch einer Situation haben wir die „negative Seite“ von Konflikten überschätzen gelernt. Natürlich führt nicht jede unerfüllte Erwartung gleich zu einem Konflikt. Die Erwartung kann x x x x
von geringer Bedeutung gewesen sein. bereits als unwahrscheinlich „kogniziert“ worden sein. durch andere Zuwendungen überdeckt worden sein. durch nachvollziehbare Gründe/Argumente als unhaltbar verstanden worden sein.
Das Unbehagen an Konflikten x
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bereits so häufig aufgetreten sein, dass sie keine Verwunderung mehr auslöst.
Mit anderen Worten: Erwartungen, die nicht erfüllt werden, weil sich jemand dagegenstellt, benötigen ein Mindestmaß an Leidensdruck, um sich als Konflikt erkennen zu geben. Darin liegt jedoch auch eine Crux. Eine Vielzahl von Konflikten entsteht als schleichender Prozess, bei dem jede unerfüllte Erwartung an sich nicht tragisch ist, aber die Summe der unerfüllten Erwartungen emotional aufgerechnet wird und dann irgendwann vulkanartig explodiert. Das ist der zweite Aspekt, warum Konflikte auf uns eher unangenehm wirken: sie können plötzlich und unvorhersehbar ausbrechen. Um im Bild des Vulkans zu bleiben: Am Ende von Modul 8 verfügen Sie über eine Anzahl seismographischer Instrumente im Rahmen der Konfliktanalyse, durch die es Ihnen leichter fällt, einen Konflikt und dessen Verlauf zu erkennen und zu analysieren. Übung 3. Konflikt aufgrund von Erwartungsfrustration
Rekapitulieren Sie einen Konflikt, in dem Ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden und versuchen Sie zu beschreiben: x Wer hat diese Erwartungen nicht erfüllt? x Wie haben Sie dies erlebt? x Was haben Sie gegenüber der Person empfunden? Dauer: ca. 30 Minuten Unbehagen 4: Ungewissheit des Ausgangs Der nächste Grund, warum wir auf Konflikte nicht gut zu sprechen sind, liegt daran, dass es nicht leicht ist, solche auch zu lösen. Genau genommen können mehrheitlich Konflikte auch nicht gelöst, allenfalls bewältigt werden. Wir stehen mehr oder minder bewusst in einer Konfliktsituation vor einem komplexen Dilemma: x x x x x
Sollen wir die Forderung nach der Erfüllung der Erwartung mit allem Druck durchzusetzen versuchen? Wie hoch sind die Kosten bei einem solchen Vorgehen? Habe ich die Argumente und Instrumente, um mich durchzusetzen? Was passiert, wenn der andere nicht nachgibt? Wieweit kann ich selbst nachgeben?
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Wird das Ergebnis der Konfliktbearbeitung fair ausfallen? Was muss ich infolge des Ergebnisses ändern?
Um solche Ungewissheiten zu reduzieren, haben Gesellschaften eine Fülle von Ritualen zur Konfliktbewältigung entwickelt, denken wir an Verordnungen, ihnen zugrunde liegenden Gesetze, Straf- und Bürgerliches Gesetzbuch, Verhaltensregeln in Unternehmen, Vertragsrecht, Grundgesetz. Aber selbst in formal geregelten Konfliktverläufen sind deren Verhandlungsergebnisse ungewiss. Noch mehr Unsicherheit entsteht, wenn weder Rituale noch Erfahrungen mit der Konfliktbearbeitung vorliegen. Die Ungewissheit, welchen Verlauf Konflikte und deren Bearbeitung annehmen, schafft Ungewissheit. Die Intensität mit der sie auftritt, hängt von verschiedensten Aspekten ab, wie wir noch sehen werden. Übung 4. Prognose eines Konfliktausgangs
Skizzieren Sie einen eigenen oder gerade in den Medien behandelten Konflikt mittels des „Konfliktogramms“ (vgl. Abb. 2) und versuchen Sie, den Ausgang zu prognostizieren. Dauer: ca. 10 Minuten Forderungen B
Forderungen A
Grundlegende Unterschiede
1.
1.
1.
2.
2.
2.
3.
+
3.
=
3.
4.
4.
4.
5.
5.
5.
Ergebnismöglichkeiten 1. 2. 3. Meine Ergebniserwartung
Abb. 2. „Konfliktogramm“
Das Unbehagen an Konflikten
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Unbehagen 5: Macht Ungleiche Machtverhältnisse bilden einen weiteren Grund, warum uns Konflikte eher unangenehm sein können. Nicht immer verfügen die Parteien oder Personen in einem Konflikt über dieselben oder über vergleichbare Ressourcen der Interessendurchsetzung. Macht, so werden wir feststellen, beeinflusst die Lösungsmöglichkeiten enorm. Machtinstrumente sind aber nicht nur die Verfügbarkeit über martialische Instrumente oder zugeschriebene Durchsetzungsbefugnisse. Macht besteht auch in der Stärke der Argumentation, im Grad des Verstehens, im Umfang der Kreativität oder in der Stärke eines psychisch-emotionalen Einflusses. Selbst Dummheit und Uneinsichtigkeit können zum Machtinstrument werden. Verschiedene Konflikte, so werden Sie sagen, haben mit mir und meinen sozialen Beziehungen, in denen ich lebe, weniger zu tun. Es ist auf der einen Seite richtig, einen Teil der Konflikte weniger als soziale und eher als „systembedingte“ Konflikte zu betrachten. Sie existieren ungeachtet der aktuell handelnden Personen. Wir werden später solche Abgrenzungen vornehmen. Auf der anderen Seite sollten wir uns vor Augen halten, dass es Menschen sind, durch die Systeme mit Leben gefüllt werden und dass es Menschen sind, die Konflikte eskalieren lassen oder eben zu bearbeiten helfen. Eines ist richtig: Einen Teil institutioneller oder gesellschaftlicher Konflikte kann der Einzelne nicht bearbeiten. Dabei bedarf es Gleichgesinnter oder einem Konglomerat aus Interessenverbünden. Indes ist, wie wir sehen werden, die Dynamik, mit der Konflikte verlaufen und wie sie durch Verhandlung bewältigt werden können, ungeachtet der Größe der sozialen Aggregate grundlegend identisch: Private wie gesellschaftliche Konflikte können eskalieren oder durch den Versuch eines Interessenausgleiches bearbeitet werden. Die Kybernetik von Konflikt- und Verhandlungsdynamiken ist universell, auch wenn sie durch unterschiedliche Werte und damit verbundener Umgangsformen natürlich differenziert betrachtet werden muss. Solche Differenzierungen sind jedoch beschreibbar. Unbehagen 6: Unzureichende Kompetenz, mit Konflikten konstruktiv umzugehen So virtuos wir sind, Konflikte zu erzeugen, so stümperhaft sind wir weitgehend, sie konstruktiv zu bewältigen. Hierfür sind viele Ursachen zu nennen:
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Wenige reale Vorbilder
Nicht viele Menschen erleben das Privileg, in einer familiären Welt groß geworden zu sein, in der Konflikte „positiv“ ausgetragen werden. In den Bildungseinrichtungen arbeiten Menschen mit einer hohen Fachkompetenz, jedoch gehört Konfliktmanagement im Klassenzimmer eher zufällig zum Angebot an den Hochschulen. Erst in letzter Zeit haben sich infolge zunehmender Aggressivität in den Schulen beachtenswerte Deeskalationskonzepte entwickelt. Konfliktbewältigung in den Medien
Nicht von der Anzahl Gewalt anwendender Szenen in den Medien oder von den aggressiven Spielen im Internet soll hier die Rede sein. Sicherlich mögen sie bei zu Gewalt neigenden Menschen die Hemmschwelle herabsetzen. Viel ausschlaggebender sind die Nachrichten und Talkshows. Nach dem Motto „Eine gute Nachricht ist eine schlechte Nachricht“ werden weniger Erfolge als vielmehr Konflikteskalationen gezeigt. Über einen größeren Streik berichten Medien ausführlich, über die Einigung dürfen die Verhandlungsführer dann allenfalls ein wenige Sekunden dauerndes Statement abgeben. Talkshows sind in erster Linie Shows der Selbstinszenierung. Nur selten sind Moderatoren in der Lage, die Gesprächsprozesse so zu steuern, das dem Zuschauer deutlich wird, welche Lösungsoptionen zur Verfügung stehen. Gewinner (im Sinne von Aufmerksamkeit und weiteren Talkterminen) sind jene, die der Show einen affektiven Appeal geben, weniger jene, die um Konsens bemüht sind. Curriculare Fehlanzeige
Ein Curriculum „Konfliktmanagement“ als Element eines sozial- und wirtschaftskundlichen Unterrichts fehlt durchgehend. Natürlich existieren uferlose Angebote mehr oder minder qualifizierter Bildungsangebote insbesondere für Menschen, die beruflich laufend oder wiederkehrend in Konflikten stehen. Das ist nicht die Frage. Für Kinder und Jugendliche stehen keine durchgängigen Angebote zur Verfügung, um systematisch an ein Repertoire zur Konfliktbearbeitung herangeführt zu werden.
Das Unbehagen an Konflikten
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Übung 5. Vorbilder bei der Konfliktbearbeitung
Beschreiben Sie, mit wem/unter welchen Anlässen Sie gelernt haben, Konflikte zu bearbeiten x Meine Vorbilder x Meine Seminare x Meine Erfahrungen Dauer: ca. 30 Minuten Form- und Quellenvielfalt von Konflikten scheinen schier unerschöpflich. Nicht immer sind dabei klare Ursachen zu erkennen, sie können sich einfach nur entwickelt haben, etwa wenn sie erst als Summe von Störungen eine „Systematik“ erlangen. Es verwundert also nicht, wenn Konflikte Spannungen und Emotionen erzeugen. Spannungen entstehen, wenn Bedürfnismuster infolge der Verhaltensweisen anderer nicht erfüllt werden können. Dies wird als Bestrafung erlebt und Strafe löst Emotionen aus, insbesondere, wenn diese Strafe als unberechtigt oder unfair interpretiert wird. Aber nicht nur der strafende Charakter eines Konfliktgeschehens bewirkt Emotionen. Unterstützend wirkt auch die Ungewissheit über den weiteren Konfliktverlauf. Die an sich selbst gestellten Fragen können beispielsweise sein: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Wie reagiert der andere, wenn ich den Konflikt anspreche? Welche Zugeständnisse muss ich machen? Ist der andere zu Zugeständnissen überhaupt bereit? Trägt eine Lösung zu Verbesserung der Qualität des sozialen Systems bei? Kann es nicht noch viel schlimmer werden, weil sich einiges unterhalb der Wasseroberfläche angestaut hat? Wie gehe ich mit meinen Emotionen um? Wie gehe ich mit den möglichen Emotionen des anderen um? Habe ich die Kraft, den Konflikt auszustehen?
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Modul 1: Konflikte machen uns zu schaffen(?)
Übung 6. Profil des Unbehagens
Beschreiben Sie Ihr „Profil des Unbehagens“ anhand folgender Checkliste. Können Sie hierbei Schwerpunkte erkennen? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Dauer: ca. 20 Minuten Stimme
Stimme
voll und
gar
gar zu
nicht zu
1. Ich fühle mich oftmals Konflikten ausgesetzt, deren Entstehung ich nicht nachvollziehen kann.
o—o—o—o—o—o—o
2. Konflikte belasten mich emotional stark.
o—o—o—o—o—o—o
3. Unerfüllte Erwartungen führen bei mir leicht zu Konflikten.
o—o—o—o—o—o—o
4. Die Folgen von Konflikten lassen sich nur schwer vorhersehen.
o—o—o—o—o—o—o
5. Konflikte lassen sich durch Machteinsatz generell leicht lösen.
o—o—o—o—o—o—o
6. Ich habe nur unzureichend gelernt, konstruktiv mit Konflikten umzugehen.
o—o—o—o—o—o—o
Kontrollfragen 1. Beschreiben Sie drei Vorteile interpersoneller Konflikte. 2. Unterscheiden Sie zwischen interpersonalen und strukturellen Konflikten. 3. Nennen Sie Gründe, warum ein struktureller in einen interpersonalen Konflikt überführbar ist. 4. Welche Quellen des Unbehagens bei Konflikten gibt es?
Weiterführende Literatur
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Weiterführende Literatur Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Medien und Gewalt. Befunde der Forschung seit 1998 (aus dem Internet downloadbar: http://www.bmfsfj.de/). Freud, S. (2001): Das Unbehagen in der Kultur, in S. Freud (Hrsg.): Das Unbehagen in der Kultur und andere kulturtheoretische Schriften, Stuttgart, S. 2549. Glasl, F. (2004): Selbsthilfe in Konflikten. Bern. Knapp, P./Novak, A. (2006): Effizientes Verhandeln. Frankfurt. Kreyenberg, J. (2005): Konfliktmanagement. Berlin. Kriz, J. (1995): Muster personaler und interpersonaler Wirklichkeitskonstruktionen. In: H. R. Fischer (Hrsg.) Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Zur Auseinandersetzung um ein neues Paradigma. Heidelberg, S. 6382. Luhmann, N. (1994): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. Rubin, J./Brown, B. (1975): The Social Psychology of Bargaining and Negotiation. New York. Schwarz, G. (2005): Konfliktmanagement. Wiesbaden.
Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Zusammenfassung Um von einem interpersonalen Konflikt sprechen zu können, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: (1) Interdependenz der Akteure; (2) Zieldivergenz zwischen den Akteuren; (3) eine fehlende attraktive Alternative. Konflikte führen nicht nur zu Unbehagen, sondern haben auch einen immensen Einfluss auf die Qualität der von Konflikten betroffenen sozialen Systeme, wie z.B. Grad der Zufriedenheit, Gestaltungsraum, emotionales Klima und Umfang und Qualität befriedigter Bedürfnisse. Von Bedeutung ist, dass Konflikte selten als Ergebnis einer eindeutig zuschreibbaren Ursache entstehen. Sie sind häufig Folge unscharfer Quellen, die in einem scheinbar undurchschaubaren Beziehungsgeflecht stehen. Sie sind wie ein Strom, der sich aus vielen und teilweise unbekannten Quellen nährt. Eine wesentliche Quelle ist der Mensch selbst – allerdings nicht im trivialen Sinne. Er ändert im Verlauf seiner individuellen Biographie seine Erwartungen und seine Beiträge an die mit ihm korrespondierenden Umwelten. So klug der Mensch auch zu sein vorgibt: Ihn treibt entscheidend die Sehn-Sucht nach Belohnung und die Vermeidung von Strafe. Was das eine ist (also Belohnung) und das andere nicht sein soll (also Bestrafung), wird „von außen“ injiziert. Denn, was belohnenden (z.B. Zufriedenheit) und bestrafenden Charakter (z.B. Unbehagen, Unzufriedenheit) hat, ist gelernt. Noch komplizierter: Die Innenwelt des Menschen ist nicht „von außen“ ausschließlich determiniert, sie ist im gleichen Atemzug auch immer eine selbst gestaltete – eine konstruierte – Welt. Wo Güter knapp sind, wird der Mensch scheinbar archaisch. Er verstrickt sich in Tragödien nach dem Motto „Vorteile jetzt, Folgen kommen nach der Sintflut – die heißt heute Tsunami“. Das meint zweierlei: (1) Der Mensch versteht seine Klemme nicht, in der er sitzt. (2) Er meint, die Nutzen nutzen und die Folgekosten auf die Allgemeinheit kontieren zu können. Schließlich hat der Mensch sich Kraft seines neuronalen Synapsendschungels eine Komplexität geschaffen, die ihm zu schaffen macht. Globalität heißt Gebirgsverfaltungen der Missverständnisse. Wir sind in unse-
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
rer Kultur (zum Glück: zunächst) inhaftiert und nehmen die Welt wahr, wie wir sie sehen. Globalität führt uns vor Augen: Unsere Sichtweise ist beschränkt und gekränkt. Damit müssen wir fertig werden. Und ohne Konflikte geht das nicht! Diese etwas philosophisch anmutenden Überlegungen verfolgen vier Ziele: Zum einen: Wir sind immer Macher und Gemachte! Zum anderen: Das ist keine Entschuldigung! Zum Ditten: Es gibt keine abstrakte Welt – ich bin immer Teil davon! Viertens: Gib Deine Welt als Gedankenexperiment auch mal in der vorhandenen Form auf – und lass’ dich auf etwas Neues ein!
Konfliktdefinition Wie wir gesehen haben, ist der Begriff des Konfliktes weit gefasst und reicht vom kindlichen Streit um die Sandschippe bis in die Komplexität der Weltpolitiken. Trotz dieser Bandbreite unterscheiden sich diese Konflikte nicht in ihren Grundstrukturen. Streit muss dabei nicht zwingend mit einem Konflikt verbunden sein, etwa im Wettstreit, wenn die Zielstrukturen gar keine andere Möglichkeit als den (sportiven) Streit zulassen und die Akteure mit den zugrunde liegenden Regeln leben wollen. Auch dem Streitgespräch (eher als Disput) liegt nicht zwingend ein Konflikt zugrunde, Talksendungen leben schließlich davon und wir wissen, dass die so genannten Kontrahenten hinter den Kulissen bisweilen freundschaftlich verbunden sind. Um von einem interpersonalen Konflikt sprechen zu können, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: x x x
Interdependenz der Akteure Zieldivergenz zwischen den Akteuren eine fehlende attraktive Alternative.
Interdependenz Wie wir wiederholt festgestellt haben, lebt der Mensch in vielfältigen sozialen Systemen, deren zentraler Zweck darin besteht, durch koordinierte Aktivitäten gemeinsam vereinbarte Ziele zu erreichen. Hierdurch entsteht eine wechselseitige Interdependenz. Davon sind nur solche Ziele ausgegrenzt, die unmittelbar oder mittelbar nicht durch die Interdependenz beeinflusst sind.
Konfliktdefinition
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Von einer kooperativen Interdependenz sprechen wir, wenn auf freiwilliger oder auf zweckrationaler Basis, Personen wenigstens einen Teil der Aktionen anderer unterstützen (siehe vertieft Modul 7). Das Gegenteil stellt eine kompetitive Interdependenz dar, in der der eine zu Lasten des anderen ein Ziel erreicht. Das Fußballturnier stellt ein klassisches Beispiel dar. Die wechselseitige Interdependenz besteht in dem Turnier selbst und aus den entsprechenden Sportregeln. Sie bilden die notwendige Voraussetzung, um in den Wettbewerb treten zu können. Nicht jede Interdependenz muss „symmetrisch“ und freiwillig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Machtmittel unterschiedlich ausgeprägt sind (Modul 5). Als Gegenteil zur Interdependenz müsste eigentlich die Dependenz, also die einseitige Abhängigkeit bestehen. Sie tritt jedoch nur in wenigen Situationen auf. Vielmehr lassen sich scheinbare Dependenzen auf reale Interdependenzen zurückführen. Zieldivergenz Unser Alltagsleben lehrt uns, dass trotz gemeinsam vereinbarter Ziele Störungen auftreten können, die die gemeinsame Zielerreichung behindern, erschweren oder gar unmöglich machen. Da soziale Systeme aus Individuen und Strukturen bestehen, existieren schließlich neben den gemeinsamen Zielen auch individuelle Ziele. Aus welchen Gründen auch immer, können zwischen den gemeinsamen und individuellen Zielen Unvereinbarkeiten auftreten. Beispiel 2 Ein Pärchen zieht in eine andere Stadt, weil „er“ eine neue Stelle antritt. Beide sind mit dem Umzug einverstanden und vereinbaren, dass „er“ ihr bei der Suche nach einer Arbeit unterstützend zur Seite steht. Der neue Job okkupiert „ihn“ voll und ganz, seine Unterstützung findet nicht statt. Die erschwerte Suche nach einer Arbeit für „sie“ löst Unzufriedenheit aus, „sie“ beginnt, ihren Unmut zu äußern. „Du hast kein Verständnis für meine Arbeit, ich muss mich unter Beweis stellen …“, sind seine Gegenargumente. „Du interessierst Dich nicht für mich, sondern nur für Deine Belange“, kontert sie. Ein Teil der gemeinsam vereinbarten Ziele ist aufgegeben worden.
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Beispiel 3 Ein Arbeitsvertrag definiert eine Interdependenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Für erbrachte Leistungen erhält der Arbeitnehmer ein vereinbartes Entgelt. Mehr oder minder explizit erwartet der Arbeitgeber ein über die formalen Anforderungen hinaus gehendes Engagement. Der Arbeitnehmer möchte im Unternehmen Karriere machen, mehrmals bleibt er bei Stellenbesetzungen unberücksichtigt. Seine Arbeitsmoral sinkt und damit seine Leistungen auch. Minderleistungen stehen im Widerspruch zur Marktpositionierung des Unternehmens – ein Konflikt ist entstanden. In beiden Beispielen wird deutlich, dass die eigenen unerfüllten Zielabsichten (Job für „sie“, Karriere) Auslöser für die (latente) Aufkündigung der gemeinsamen Zielabsichten sind und den Kristallisationspunkt für einen Konflikt bilden. Attraktive Alternative Wir werden später vertieft auf Dynamiken zu sprechen kommen, die das Bild von homo reciprocans als Erweiterung zum Bild des homo oeconomicus zu verstehen helfen und uns in unserer Orientierung, warum Menschen sich verhalten, wie sie es tun, unterstützen. Für unser momentanes Verständnis reicht es aus uns vorzustellen, dass Menschen über eine „Attraktivitätserwartung“ an soziale Systeme verfügen. Vereinfacht formuliert: Bekomme ich meiner Erwartung entsprechend das zurück, was ich im Verhältnis dazu in das soziale System investiere? Entsteht das Gefühl oder der Eindruck, die „Outcomes“ seien deutlich geringer als die „Inputs“, entsteht Unzufriedenheit. Diese kann zum Verlassen des sozialen Systems führen, wenn ein anderes soziales System den Eindruck macht, „mehr“ zu bieten. Es wird zur attraktiven Alternativen.
Konfliktdefinition
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Beispiel 4 Zwei Supermärkte im Umkreis von 500 Metern stehen Person A alternativ zur Verfügung. A bewertet beide Märkte nach folgenden Kriterien (max. 5 Punkte) Bewertungskriterien
Supermarkt 1 SM1
Supermarkt 2 SM2
Erreichbarkeit
5
(5)
3
Angebotsstruktur
4
(3)
5
Warenverfügbarkeit
4
(2)
5
Convenience
3
(1)
5
Gesamtbewertung
16
(11)
18
SM2 ist zwar attraktiver, aber die Wechselkosten scheinen Person A zu hoch: kennen lernen der neuen Sortimentsstruktur, der weitere Weg bei schlechtem Wetter. Im Laufe der Zeit verschlechtert SM1 seine Kundenaufmerksamkeit, die Regallücken werden größer, attraktive Artikel, die der Kunde regelmäßig erwirbt, werden ausgelistet, die Wartezeiten an der Kasse nehmen zu, das Personal scheint überfordert zu sein und wird zusehends unfreundlicher. Damit verändert sich die Bewertung des SM1 (Werte in Klammern) und der SM2 ist deutlich attraktiver geworden, die Wechselkosten eingerechnet.
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Beispiel 5 Unser oben dargestellter Arbeitnehmer sucht nach Alternativen und erhält ein entsprechendes Angebot. Er versucht nun auch, die Attraktivität der Alternative zu bewerten. Bewertungskriterien
altes Unternehmen
alternatives Unternehmen
Wegeaufwand
5
3
Verdienstmöglichkeiten
3
5
Karrieremöglichkeiten
1
5
Unternehmenskultur
3
4
Gesamtbewertung
12
17
Deutlich wird, dass das neue Unternehmen wesentlich attraktiver ausfällt und selbst aufkommende Wechselkosten kompensieren würde. Noch gravierender würde der Unterschied werden, wenn die einzelnen Bewertungskriterien unterschiedlich gewichtet werden, z.B. erhielte die Karriereaussicht ein doppeltes Gewicht. In unserer offenen Gesellschaft und globalen Welt wächst die Verfügbarkeit über attraktive Alternativen, so dass wir auch jenseits aller Wirtschaftsökonomie von einem Wettbewerb der Attraktivität sprechen können. Zusammenfassung: Definition eines Konfliktes Auf Basis der bisherigen Überlegungen haben wir die drei Definitionskriterien für den Begriff „Konflikt“ erarbeitet und können nun sagen: Ein Konflikt zwischen mindestens zwei Menschen liegt vor, wenn x
zumindest zwei Personen oder Gruppen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis (Interdependenz) zueinander stehen.
x
für keine der Personen oder Gruppen eine attraktive Alternative besteht, die bestehende Beziehung zu verlassen.
x
zumindest eine Person/Gruppe ein Ziel verfolgt, das mit dem Ziel zumindest einer anderen Person unvereinbar ist.
Konfliktdefinition
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Übung 7. Konfliktbeschreibungen
Beschreiben Sie mindestens drei soziale Systeme, in denen Sie sich regelmäßig aufhalten, nach folgenden Aspekten: 1. Welches sind gemeinsame Ziele? 2. Welche Konflikte sind in letzter Zeit aufgetreten? 3. Mit welchen Ihrer Ziele sind konfligante Verhaltensweisen unvereinbar? 4. Welche attraktiven Alternativen lassen sich denken? Dauer: ca. 60 Minuten Konflikte: Effekte auf die Qualität sozialer Systeme Konflikte haben einen Einfluss auf die Qualität sozialer Systeme. Allgemeingültige Qualitätsindikatoren sind kaum benennbar, da sie kulturellen und individuellen Maßstäben gehorchen. Beispielhaft können wir dennoch nennen: x x x x
Grad der Zufriedenheit Gestaltungsraum Emotionales Klima Umfang und Qualität befriedigter Bedürfnisse
Störungen und Konflikte verringern nicht zwingend, jedoch ab einer – individuell unterschiedlichen – Belastungsstufe deutlich diese Qualität. Ziel der Konfliktbearbeitung ist es daher immer auch, diese Qualität möglichst wieder herzustellen oder sogar zu verbessern (vgl. Abb. 3). Nachdem Störungen ein kritisches Ausmaß erreicht haben, entsteht ein Konflikt, der weiter köchelt und zu einem Zeitpunkt bearbeitet wird. Die Qualität der Bearbeitung kann drei Ausprägungen annehmen: (1) Die Qualität des sozialen Systems wird zwar erhöht, aber nicht auf ihr Ursprungsniveau zurückgeführt. (2) Es gelingt, den Ursprungszustand wieder herzustellen und (3) die Akteure schaffen es, die Qualität sogar zu verbessern.
Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
System gewinnt alte Qualität zurück
Zeitpunkt der Konfliktbearbeitung
Minimalkonsens
Störungen
System bleibt instabil
kritischer Wert
System steigert deutlich Qualität
vor dem Konflikt
tion ala Esk äre por tem
Qualität des sozialen Systems
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Zeitachse
Abb. 3. Qualität des sozialen Systems in Abhängigkeit der Konfliktbearbeitung
Beispiel 6 Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens beschließt, die Geschäftsfelder auszuweiten. Für die Schlüsselpersonen bedeutet dies Mehrarbeit. In Strategiesitzungen kommt es zu Auseinandersetzungen. Der Inhaber spürt, dass sich diese Mitarbeiter sperren und die Geschäftsfelderweiterung nicht mittragen. Als Lösung bietet er ihnen eine Gewinnbeteiligung an, ohne das Gehalt zu reduzieren. Durch diesen Anreiz beteiligen sich die Schlüsselpersonen engagiert an der Weiterentwicklung des Unternehmens. Nach den ersten Erfolgen bietet der Inhaber nicht nur eine Gewinnbeteiligung, sondern eine Mitinhaberschaft an1.
1
Die Hereinnahme der Mitarbeiter in die Mitverantwortung als Gesellschafter kann in diesem Fall aus verschiedenen Perspektiven als Qualitätssteigerung betrachtet werden.
Zur Entstehung von Konflikten
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Übung 8. Verbesserung der Qualität des sozialen Systems
Beschreiben Sie aus Ihrer Erinnerung ein Beispiel, in dem durch Konfliktbewältigung die Qualität des sozialen Systems nachhaltig verbessert wurde. Dauer: ca. 30 Minuten
Zur Entstehung von Konflikten Wie wir im vorhergehenden Modul bereits angerissen haben, scheint das Universum möglicher Konflikte unendlich zu sein. Die Frage ist, ob wir Muster entwickeln können, wie und warum Konflikte entstehen und wie sie verlaufen. Alltagssprachlich suchen wir nach Konfliktursachen. Den Begriff „Ursache“ sollten wir allerdings nur als eine Annäherung verstehen, um an einen Ausgangspunkt des Konfliktes zu geraten, der für seine Bewältigung aktuell von Bedeutung ist. Suchen wir nämlich nach Ursachen der Ursachen, die in einer langen Vergangenheit liegen, laufen wir Gefahr, uns in einer nicht endenden Ursachenkette zu verstricken, die Wissenschaftler als den infiniten Regress bezeichnen2. So ist es typisch in sozialen Konflikten eine Vergangenheitsrechnung aufzumachen, die darin mündet, sich gegenseitig mit Vorwürfen zu überschütten, die für das Hier und Jetzt kaum eine Hilfe sind, allenfalls zur (situativen) Eskalation eines Konfliktes beitragen. Viele Konflikte entstehen und entwickeln sich aber nicht plötzlich, so dass ein kausalanalytisches Verständnis nach der Gleichung „(vermeintliche) Ursache“ + plus Zusatzeinflüsse3 = Wirkung pragmatisch nicht hilfreich ist. Vielmehr entstehen Konflikte aus einem Mix verschiedenster Anlässe, daraus wahrnehmbarer Verhaltensweisen und deren Interpretation durch soziale Systeme, die hiervon betroffen sind. In der Regel haben Konflikte eine nicht als Konflikt in Erscheinung tretende Vorgeschichte, in der Störungen auftreten und deren Intensität, Häufigkeit und ggf. Regelmäßigkeit zunächst zu Irritationen führen. 2
3
Wir wollen an dieser Stelle die Bedeutung historischer Ursachen nicht verniedlichen. Schließlich heißt Kultur auch, Geschichte zu verstehen und zu berücksichtigen. In eher alltäglichen Konflikten spielen „geschichtsgeladen“ Ursachen aber eine periphere Rolle. Diese „Zusatzeinflüsse“ heißen in der Wissenschaftssprache „intervenierende Variable“. Etwas frei übersetzt: Da gibt es etwas, das wir zwar zu meinen kennen, dessen Einfluss wir jedoch leider nicht im Detail eruieren können.
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Dennoch können wir Voraussetzungen benennen, die Konflikte wahrscheinlich machen. Wir nennen sie potenzielle Konfliktquellen. Die nachfolgende Abbildung fasst wesentliche Konfliktquellen4 im Überblick zusammen, die wir im Verlaufe des Moduls vertiefen (vgl. Abb. 4)5. Konflikte durch Änderung der Person Bedürfnisausformung Änderung kognitiv-emotionaler Strukturen Allokation knapper Ressourcen Zielkonflikte Ökonomischer Wettbewerb Allmendekonflikte Machtkonflikte Veränderung externer Regeln Basel II EU – Norm
(Inter-) kulturelle Konflikte Disparitäten Kulturelle Anpassung Ideologisierung Kognitiv-kommunikative Asynchronität Missverständnisse Kognitive „Paralleluniversen“
Abb. 4. Konfliktquellen (Übersicht)
Konfliktgenese durch Änderungen in einer Person Wandel der Bedürfnisausformung
Der Mensch, so unterstellen wir, weist eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse auf. Sie zu realisieren, gelingt ihm in den meisten Fällen durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen mit anderen Akteuren des und der sozialen Systeme. Zufrieden mit dem sozialen System ist der Einzelne, sofern zumindest zwei Kriterien erfüllt sind: 4
5
Wir gebrauchen auch im laufenden Text alternativ den Begriff „Konfliktherd“. Er ist sinnbildlich dem physiologischen Verständnis entlehnt, das Epidemien durch „Anlassherde“ entstanden sind und sich „deregulativ“ entwickeln können (verfeinern). Die folgende Argumentation stellt somit eine Vertiefung der Überlegungen aus Modul 1 dar.
Zur Entstehung von Konflikten x
x
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Der Einzelne kann seine Bedürfnisse mit Hilfe des sozialen Systems befriedigen; dabei sind ein Teil der Bedürfnisausformungen (als Interessen und Ziele) gemeinsame „Bedürfnisse“ des sozialen Systems. Das Geben und Nehmen muss – auf längere Sicht – als fair erlebt werden.
Ein Gefühl von Unfairness („ich gebe mehr als ich bekomme“) entsteht durch eingeschränkte Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung. Schauen wir uns beide Aspekte vertieft an. Noch intensiver als Unfairness wirkt die Bedrohung der Bedürfnisbefriedigung durch andere Menschen. Sie kann uns derart in große (innere, seelische) Not bringen, dass wir nicht mehr sachlich und besonnen bleiben, sondern emotionsgetrieben um unser „Überleben“ kämpfen. Durch solche Gefahr oder durch solches Erlebnis können Gefühle des Mangels, der Frustration, der Verunsicherung und Bedrohung entstehen, die möglicherweise so stark werden, dass die eigene Existenz als gefährdet erlebt wird. Dieses Bedrohungserleben kann sich bis zu Angst- und Panikgefühlen steigern und ist dann so unangenehm, dass es nicht lange ausgehalten werden kann. Das ist verknüpft mit einem Erleben von Ohnmacht und es löst die so genannte Stressreaktion mit den instinktgetriebenen Verhaltensweisen Flucht, Kampf oder sich totstellen aus. In Anlehnung an Maslow (1954) unterscheiden wir verschiedene Bedürfnisebenen. Auch wenn dieses Bedürfnismodell sicherlich wissenschaftlich überholt ist6, bietet es dennoch eine plastische Abbildung unseres Bedürfnishaushaltes. Wir haben: x
x
x
x
6
Physiologische Bedürfnisse: Nahrung, Flüssigkeit, Sauerstoff, Bewegung, Wärme, Kälte, Schlaf, Erholung, Sexualität, Gesundheit, Wohlbefinden. Soziale Bedürfnisse: Kontakt, Nähe, Intimität, Zuwendung und Liebe geben und empfangen, Zugehörigkeit, Wertschätzung, Respekt, Anerkennung, verstanden werden, Unterstützung, Solidarität, sich aufeinander verlassen können, Gerechtigkeit. Sicherheitsbedürfnisse: Schutz vor körperlichen und seelischen Bedrohungen, Schutz vor Gewalt, Angstfreiheit, Geborgenheit, vertrauen können. Ich-Bedürfnisse: Autonomie, Selbstentfaltung, Selbstachtung, Würde, Selbstwert, Identität, Authentizität, Stärke, Leistung und Kompetenz, Unabhängigkeit, Freiheit, eigener Raum, Rückzug, Orientierung, Ordnung, Stimmigkeit, Schönheit, Wissen, Verstehen, Sinn. Das Bohr’sche Atommodell ist von ähnlicher Bedeutung. Auch wenn es das heutige Wissen um Atome nicht widerspiegelt, ist es anschaulich und ermöglicht sogar die „Physik“ des Schwarzen Loches zu erklären.
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Eigentlich keine der Nennungen kann ohne die/den Anderen realisiert werden. In einer arbeitsteiligen, hochgradig differenzierten Gesellschaft ist Bedürfnisbefriedigung eine Frage der „Inter-Aktion“ bzw. des „sich gegenseitig Durchdringens“. Menschen bzw. soziale Systeme durchdringen sich gegenseitig in der Absicht, solitäre und gemeinsame Ziele – und damit eben Bedürfnisse – zu befriedigen7. Selbst Ich-Bedürfnisse haben ohne andere keinen Wert. Autonomie im Sinne von Abgrenzung und einem hohen Maß an Selbstverwirklichung, aber auch Selbstverantwortung, braucht den/die Anderen, um sich abgrenzen zu können. Selbstwert ist nur durch soziale Vergleichsmöglichkeiten erfahrbar, Leistung findet nicht in einem isolierten Raum, sondern in einem Leistungsmilieu statt. Den vitalen und grundlegenden Zusammenhang zwischen Ich und den Anderen hat der Philosoph Ernst Bloch einmal so formuliert: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“ Das, was wir als menschliches Sein bezeichnen, ist von Geburt an auf ein Wir, auf ein interpersonales System, angelegt, sei es in der Erziehung, im Beziehungs-, im Berufsleben und in allen anderen Formen humaner und kultureller Systeme. Bedürfnisse sind lebenserhaltende und die Lebensqualität gestaltende Grundlage unseres Handelns, Denkens und Fühlens. Ihre Bedrohung, Einschränkung oder Behinderung sind die eigentlichen Ursachen für personale wie für kollektive Konflikte. Ob diese Einschränkungen real, eingebildet oder kollektiv suggeriert sind, ist eine zweite, aber dennoch wichtige Frage. Bedürfnisausformungen als Treiber des Einzelnen sowie sozialer Systeme sind keine statischen Konstruktionen. Das Nahrungsbedürfnis begleitet uns vom ersten bis zum letzten Atemzug. Die Form der Nahrungsbefriedigung verändert sich fortlaufend und entwickelt sich vielleicht vom Milch-saugenden Nesthocker über den Fastfood-verzehrenden Pennäler zum Gourmet in späterer Lebensphase. Das Bedürfnis nach Anerkennung wird komplexer und Teil des Lebensstils. Der eine benötigt einen Mercedes, um gesellschaftliche Anerkennung zu erfahren, der nächste kann auf Insignien des äußeren Wohlstandes verzichten und erlebt Anerkennung durch Menschen, die in der persönlichen Werteskala sehr hoch stehen. Vertrauen als Bedürfnis beginnt mit einem Urvertrauen und wird später
7
„Die Rolle des Feuers in der Sozialwerdung des Menschen“ kann als Beispiel für diese Argumentation herangezogen werden: Überlebenskonflikte hat es auch in Horden gegeben. Die Kulturtechnik, Feuer zu beherrschen, hat die soziale Nähe des Menschen grundlegend verändert. Um die wärmende Feuerquelle versammelten sich Menschen in einer neuen Nähe, die Möglichkeit, Nahrungsmittel zu garen, veränderten sowohl Arbeitsteilung wie auch die Zeithorizonte der Menschen. Hierdurch entstanden auch neue Formen der Konflikte.
Zur Entstehung von Konflikten
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durch Erfahrungen und Interpretationen differenzierter, ggf. bis zu einer Ausprägung des durchgängigen Misstrauens (vgl. Modul 7). Bedürfnisausformungen und Umweltmöglichkeiten stehen natürlich in einer engen Wechselwirkung. Insofern können wir zwei zentrale Ursachendimensionen unterscheiden, durch die Verschiebungen und Verwerfungen von Bedürfnissen entstehen und als Kristallisationskeime von Konflikten in Frage kommen: den Einzelnen „selbst“ sowie „seine“ Umgebungen. Übung 9. Bedürfnisse und Konfliktpotenziale
Beschreiben Sie mindestens fünf Bedürfnisausformungen, die Sie nicht genügend befriedigen können. Beschreiben Sie die damit verbundenen Konfliktpotenziale. Dauer: ca. 30 Minuten Wandel in der Einstellung von Menschen
Der soziale Mensch, wie wir ihn heute kennen, besteht aus einem komplizierten Netzwerk von Gedanken, Emotionen, Neigungen, Interessen, Motiven und Zielen. Im Verlauf jeder individuellen Biographie treten darin Änderungen hervor, die die Austauschbalance zwischen Akteuren belasten oder sogar zerstören können. Beispiel 7 A ist durch berufliche Herausforderungen angespannt und verändert seine Aufmerksamkeit gegenüber B. B erlebt dieses Defizit und reagiert ebenfalls durch ein subtil sinkendes Interesse an den Gedanken und Sorgen von A. Hierdurch entsteht eine diffuse Spannung, die nicht auf ein einzelnes Erlebnis reduziert werden kann. Die aufkommenden Spannungen sind einfach zu verstehen, wenn wir unterstellen, dass das Verhalten von Menschen ständigen Belohnungsund Bestrafungserlebnissen ausgesetzt ist. Die Verhaltentheorie zeigt, dass Verhaltensweisen, die unter Belohnung stehen, ausgeformt und/ oder häufiger ausgeübt werden. Umgekehrt: Unter Bestrafung stehende Verhaltensweisen werden abgebaut und seltener gezeigt (oder raffinierter organisiert). Beide Akteure erleben im genannten Beispiel Bestrafung durch Verlust an Aufmerksamkeit. Die angespannte Situation selbst wird ebenfalls als Bestrafung „gefühlt“: x B mag denken: A interessiert sich nicht für mich, also reagiere ich mit Liebesentzug x A mag denken: B ist in letzter Zeit komisch. Ich kann nicht einmal mein Bedürfnis nach Intimität befrieden.
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
Die Folgen, die durch Erlebnisse entstehen, die verstärkend oder bestrafend wirken, können wir in einer einfachen Matrix darstellen (vgl. Tabelle 2). Tabelle 2. Kontingenztafel Darbietung
Entzug
Angenehme Konsequenz
Positive Verstärkung (Bonbons geben; angenehmes Ereignis)
Bestrafung durch Verstärkerentzug (keine Bonbons geben; Entzug eines angenehmen Ereignisses)
Unangenehme Konsequenz
Bestrafung durch aversiven Reiz (Ohrfeige geben; unangenehmes Ereignis)
Negative Verstärkung (keine Ohrfeige geben; Entzug eines unangenehmen Ereignisses)
Wir werden die Überlegungen zu Verstärkung und Bestrafung wiederkehrend einsetzen, da sie eine Vielzahl unserer Handlungsweisen zu verstehen helfen. Der Grundgedanke ist folgender: Jedes Verhalten eines Menschen wird durch andere Personen (schlichtweg: die Umwelt) zurückgemeldet. Dieses Feedback kann positiv oder negativ verstärkend oder bestrafend sein. Natürlich existieren auch umfangreiche neutrale Rückmeldungen.8 Der Verhaltenspsychologe Skinner (1974) hat hierzu verschiedene Gesetzmäßigkeiten herausgearbeitet, die bei aller Kritik an diesem einfachen Modell dennoch die Reaktionsweisen von Menschen verstehen helfen: 1. Wird eine Handlung (ein Verhalten) verstärkt, dann steigt die Auftrittswahrscheinlichkeit dieses Verhalten an resp. wird es wiederkehrend gezeigt. 2. Wird eine Handlung (ein Verhalten) bestraft, dann sinkt die Auftrittswahrscheinlichkeit dieses Verhaltens.
8
Neben physiologischen und durch Kultur generalisierte „Rückmelder“ (Verstärker), entsteht die positive oder negative Qualität der meisten Rückmelder nach dem Prinzip der klassischen Konditionierung. Insofern sind wir in vielem viel weniger „frei“, als wir uns das anzumaßen denken.
Zur Entstehung von Konflikten
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Dieses verhaltensorientierte „Menschenmodell“ hat eine Crux: Menschen unterscheiden sich individuell in der Interpretation von Belohnung und Bestrafung. Hier greifen die jeweiligen kognitiv-emotionalen Muster des Einzelnen. Der Besuch einer Opernaufführung kann für den einen Hochgenuss, für den anderen Strapaze sein. Jugendkultur heißt so, weil sie über generationenspezifische Belohnungsmuster verfügt. Leistung ist für den einen Herausforderung und eine gemeisterte Aufgabe erzeugt Glückshormone, während sie für den anderen Stress, Überforderung oder Leid bedeutet. Bedürfnisausformung und Belohnungs-/Bestrafungskontingenzen stehen somit in einem engen Zusammenhang. Beispiel 8 Irgendwann wollten die Kinder in ein Fastfoodrestaurant, nennen wir es M-Imbiss. (Belohnung: Ich kann mitreden und war schon bei …), für die Eltern ein Horrorszenario – und so bahnt sich ein kleiner Kulturkonflikt an. Die Eltern, ganz in der Überzeugung, ihre Kultur- und Gourmeterlebnisse hätten die Kinder bereits nachhaltig geformt, wagen den Schritt in den M-Imbiss. Die Kinder sind natürlich begeistert. Da kommt den Eltern der Zufall zur Hilfe. Glücklicherweise benehmen sich einige Gäste dermaßen unkultiviert, indem sie Essensingredenzien durch den Raum werfen. Die Kinder sind schockiert und wollen sehr schnell die Lokalität verlassen. Der Effekt: Die Kinder verzichten auf ihr Fastfood für einige Zeit. Vielleicht acht oder neun Monate später berichten die Präpubertierenden, wie toll es doch in dem M-Imbiss sei und sie sich sehr wohl gefühlt hätten. Was war passiert? Zunächst hatte sich die Belohnungsstruktur, die durch das M-Imbiss in Erwartung trat, geändert. Der Druck, nicht im M-Imbiss gewesen zu sein, wirkte zunehmend bestrafend, kombiniert mit einer in Aussicht stehenden Belohnung, sich gemeinsam zu treffen (dazuzugehören), abhängen zu können (Teilhabe am Austausch) und schließlich bei Cola und Pommes flirten zu können. M-Imbiss war zum Kulminationspunkt der präpubertären Bedürfnisausformung geworden. Solche Veränderungen in der Belohnungs- und Verhaltensstruktur erleben wir immerzu auch als Erwachsene. Beispiel 9 Ein Mitarbeiter steht unter hoher Anerkennung durch den Vorgesetzten. Die Arbeit macht Spaß, auch besondere Anstrengungen führen nicht zur wahrnehmbaren Ermüdung. Abends ist genug Elan für Besuche in Thea-
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
tern oder anderer Erlebnisse an szenigen Orten vorhanden. Es findet ein Vorgesetztenwechsel statt. Der „Neue“ verfolgt andere Ziele, so dass dieselben Leistungen des Mitarbeiters nicht nur nicht gewürdigt, sondern durch zusätzliche Anfragen, Verzögerungen und Rechtfertigungen bestraft und der Arbeitsaufwand erhöht wird. Die Folgen liegen auf der Hand. Frustration, abnehmende Motivation, Müdigkeit und Lustlosigkeit schleichen sich ein und berühren auch das Privatleben. Das Interesse an kulturellen Ereignissen sinkt. Es entsteht ein stärkeres Bedürfnis nach Ruhe und Cocooning. Wie veränderte Lebensbedingungen zu veränderten Verhaltensweisen und diese zu Konflikten führen, beschreibt Loriot in seinem „Papa Ante Portas“ sehr schön. Die Verhaltensallüren, die im Berufsleben zur Belohnung führten, lösen in der Familie eine desaströse Lawine aus. Übrigens: Nur wenige Vorgesetzte können ihr Rollenrepertoire zu Hause an der Garderobe abgeben und in einen privaten Stil übergehen. So berichten Manager, dass sie ihre „Schneidigkeit“ in das Privatleben übertragen und dort natürlich auf Widerstand stoßen. „Hier bist Du nicht der Chef“ wird ihnen deutlich gemacht. Übung 10. Verstärkung und Bestrafung von Verhalten
Beschreiben Sie Verhaltensweisen, die Sie im Verlaufe der letzten zwei Jahre verändert haben und benennen Sie die damit verbundene Kontingenzstruktur (Verstärkung/Bestrafung). Dauer: ca. 30 Minuten Eng verbunden mit Verhaltensweisen sind Interessen. Als Interesse bezeichnen wir die besondere Aufmerksamkeit und das besondere Engagement gegenüber einer Sache oder einem sozialen System. Je höher die Aufmerksamkeit oder (An-)Teilnahme ist, ein desto größeres Interesse wird unterstellt. Besteht eine besondere Aufmerksamkeit oder (An-)Teilnahme, können wir davon ausgehen, dass die Sache oder das soziale System über besondere Belohnungsstrukturen verfügt. Das Interesse, an einem Marathon teilzunehmen, besteht in der Überwindung eigener Grenzen, in der Anerkennung durch soziale Umgebungen und durch die Freude, das Ziel erreicht und den inneren Schweinehund überwunden zu haben. Auch das „Neue“ an einer Sache oder Person(engruppe) kann belohnend wirken, insbesondere für Menschen, die sehr neugierig sind.
Zur Entstehung von Konflikten
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Verändert sich die Kontingenzstruktur, so können wir einfach schlussfolgern, dass sich unter Umständen auch das Interesse geändert hat. „Unter Umständen“ sagen wir, weil Menschen sich natürlich auch neue Belohnungsstrukturen schaffen können, um das Interesse nicht zu verlieren. Interessen verändern sich im Lebensverlauf also auch und sind damit eine weitere Quelle für Konflikte. Übung 11. Konfliktauslöser
Beschreiben Sie veränderte Verhaltensstile und Interessen, durch die Sie gegenüber anderen Personen Konflikte „verursacht“ haben. Dauer: ca. 30 Minuten Allokation knapper Ressourcen Die Mehrheit der für unsere Bedürfnisausformungen erforderlichen Ressourcen sind knapp. Dies gilt nicht nur für Naturressourcen oder für Märkte, sondern auch für Aufmerksamkeit und andere Verhaltensmuster, durch die unsere sozialen Systeme gestaltet sind. Ohne an dieser Stelle in wirtschaftstheoretische Exzesse zu verfallen: Die globale Ökonomie basiert auf Allokationskonflikten knapper Ressourcen, die wir in verschiedene Konfliktdramatiken unterteilen können. Märkte
Unternehmen und deren Bewertungen richten sich entscheidend daran aus, wie es ihnen gelingt, im Wettbewerb ihre Märkte zu bearbeiten, um darin Gewinne zu erzielen. Märkte sind grundsätzlich endlich und somit in der Regel nur durch Wettbewerb zu erobern9. Allmende-Tragödie
In einer frühen Arbeit hat der Umweltschutzexperte Hardin (1968) seine Theorie von The Tragedy of the Commons vorgestellt, die inzwischen durch die Klimaentwicklung an Brisanz gewonnen hat. Er argumentierte, dass natürliche Ressourcen als Allgemeingut von den Menschen im Interesse der eigenen Profitmaximierung übermäßig genutzt werden, so dass
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Dieses Bild mag idealisiert sein vor dem Hintergrund, dass ca. 500 weltweit agierende Unternehmen etwa 60 % des globalen Bruttosozialproduktes kontrollieren. (Quelle: Weltbank).
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
schließlich das (Gemein-)Gut ausgeschöpft ist. Die hierdurch entstehenden Folgekosten trägt die Allgemeinheit. Indem Hardin unterstellt, dass es für dieses Dilemma keine technologische Lösung gäbe, verknüpft er mit der Allmendetragödie ein Menschenbild, das sich an kurzfristigen Erfolgen (Profit) unter Ausschaltung langfristiger Kosten orientiert. Solche Allmende(d)effekte können auch bei kollektiven Arbeitsleistungen auftreten, in denen die Einzelleistungen nicht gewürdigt werden. Die in einer Gruppe „faulen“ Mitarbeiter/innen erhalten z.B. den selben Lohn wie die „fleißigen“ Mitarbeiter/innen. Ein großer Teil unseres konfliganten Handelns besteht individuell wie sozial darin, einen möglichst großen Kuchen von Knappheiten abzubekommen, während andere dies zu verhindern versuchen. Typische Allmendekonflikte sind: x x x x
Überzogene Familienkonten Auseinandersetzung um Budgets Überfischung der Weltmeere CO2-Emissionshandel (allerdings als erste Lösung aus dem Emissionskonflikt) Beispiel 10 Sie beschließen Fernfahrten nur noch mit der Bahn durchzuführen und in der Stadt ebenfalls in 90% aller Fälle öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Hieraus entstehen Restriktionen: Verlust an Spontaneität, eingeschränkte Mobilität usw. Wie reagieren Sie und die Mitglieder Ihrer sozialen Systeme (Familie, Arbeitgeber, Verein, dessen Vorstandsmitglied Sie sind) auf diese Änderungen Ihrer Lebensgewohnheiten? Beispiel 11 Eine Infrarotanalyse zeigt, dass die Wärmedämmung Ihres Hauses enorm verbesserungswürdig ist. Sie beauftragen einen Experten, umfassende Vorschläge zu erarbeiten. Zur Finanzierung benötigen Sie einen Bankkredit. Auf was müssen Sie verzichten? Wie reagieren die Mitglieder Ihrer Familie hierauf? Und vor allem: Ihre Bank?
Zur Entstehung von Konflikten
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Zunahme der Strukturkomplexität: Entwicklung supranationaler Regeln Der Koordinationsanspruch und -bedarf in einer global agierenden Welt wächst „exponentiell“. mit der Folge, dass sich autonome Regelungsansprüche der einzelnen nationalen Systeme verringern. Damit steigt der Abstimmungsbedarf zwischen den verschiedenen Organschaften steil an. Die hieraus entstandene Komplexität führt in vielen Fällen zu zwingenden Konflikten, die sich bis auf soziale Aggregate geringer Komplexität auswirken. Beispiel 12 Vereinfacht soll das von der EU erlassene Basel II-Abkommen Gefährdungen von Banken im Rahmen ihrer Kreditgeschäfte regeln helfen. In Abhängigkeit ihres Risikowertes werden Banken „geratet“ und mit Auflagen versehen. Zur Risikoeinschätzung stehen vielfältige Instrumente zur Verfügung. Ein Instrument sieht auch die Risikobewertung von Unternehmen hinsichtlich der Kreditvergabe durch eine Bank vor. Vielen Klein- und Mittelstandsunternehmen sind die damit verbundenen Konsequenzen aus den veränderten kreditwirtschaftlichen Rahmenbedingungen– trotz umfassender Aufklärungsarbeiten und Bewertungsangeboten – nicht in allen Konsequenzen bewusst. In der Folge entstehen Konflikte, die die Existenz eines Unternehmens gefährden können, etwa wenn Kontokorrentrahmen verkürzt oder Kredite erst gar nicht bewilligt werden. Interpenetrationsdynamiken
Umfassende soziale, wirtschaftliche und technologische Veränderungen lassen sich in ihrer Eigendynamik nicht mehr auf spezifische soziale Systeme zurückführen. Es entsteht eine un- oder nur noch schwer regulierbare Komplexität, in der sich Ideen, Werte, Institutionen, Erfahrungen oder Erwartungen gegenseitig durchdringen und zu unvorhersehbaren Artefakten führen. Zunehmende Unordnung schafft selbstverständlich auch ein Wachstum an Konflikten. Wir wollen in der Folge nur einige Beispiele vergegenwärtigen. Beispiel 1: Kompression von Zeit und Raum
Insbesondere das Internet und damit die Verfügbarkeit an Informationen im weitesten Sinn haben die Welt zum bildlich gesprochenen „global village“ zusammengerückt. Hierdurch haben sich viele Prozesse derart be-
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
schleunigt, dass soziale Systeme zunehmend unter Zeitdruck leiden. Sinkende Produktlebenszyklen erfordern beispielsweise massive Maßnahmen zur „Produktion von Aufmerksamkeit“. Die weltweite Verdrahtung hat die internationale Arbeitsteilung binnen weniger Jahre anwachsen lassen. Viele Menschen, aber auch Unternehmen passen sich nicht in gebotener Geschwindigkeit an, bzw. verfügen nicht über die Ressourcen, um sich anpassen zu können. Beispiel 2: Kulturelle Durchdringung und Disparität
Die weltweiten Wanderbewegungen von Menschen aus armen Regionen in die Hoffnungswelten wohlhabenderer Nationen sind allenfalls eingrenzbar, aber nicht aufhebbar. Wir leben nicht mehr in einfachen Kulturenklaven. Kulturen durchmischen sich in den Spannungsfeldern zwischen Kulturkonservatismus, Fundamentalismus und neuer kultureller Melangen. Die damit einhergehenden Konflikt erleben wir persönlich und medial vermittelt jeden Tag. Die Zugriffsmöglichkeiten auf medial vermittelte Regionen in dieser Welt führt dort auch zu einem steigenden Bewusstsein ungleichgewichtiger Chancen, die sich den Prognosen zufolge eher noch verschärfen werden. Die nächste massive Auseinandersetzung, so ist zu befürchten, wird sich auf die Verteilung der zunehmend gefährdeten Trinkwasserressourcen beziehen. Beispiel 3: Kognitiv-kommunikative Asynchronität
Dieser Begriff hört sich vielleicht ein wenig aufgeblasen an. Wir könnten schlichtweg auch von Missverständnissen sprechen. Aber: Dieser Begriff greift zu kurz, denn Missverständnisse basieren auf der Tatsache, dass der Empfänger einer Botschaft etwas anderes erfasst, als dass, was der Sender mitzuteilen versucht. Ein herrliches Kinderspiel, dass die Entwicklung von Missverständnissen aufgreift, ist die „Stille Post“. Ein Kind beginnt mit einer Aussage, die es in das Ohr des nächsten Kindes einflüstert. Dies gibt nun das weiter, was es verstanden hat. Am Ende der Kette kommt unter Garantie etwas anderes heraus, als der Anfangssender gesagt hatte. Betrachten wir dieses Phänomen als „physikalisches“ Missverständnis. Gravierender sind Unterschiede, die entstehen, wenn Menschen gebeten werden, zu ein und demselben Begriff Assoziationen abzurufen und dabei ganz unterschiedliche Bilder entstehen.
Kontrollfragen
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Beispiel 13 Die Stadt D bat Jugendliche, ihre Bilder von einem Jugendzentrum zu malen. Gemeinsam wurden dann diese Bilder ausgewertet und verdichtet. In dem Rohmaterial waren verschiedene Muster erkennbar: x Muster 1: Das Jugendzentrum als Tankstelle (für das eigene Wohlbefinden) x Muster 2: Das Jugendzentrum als Wohnraum: Geborgenheit, Rückzug, aber auch runder Tisch, an dem palavert werden kann x Muster 3: Das Jugendzentrum als Kompensationsanstalt (Schularbeitenhilfe, Rat und Tat, usw.) Menschen sprechen über ein und dasselbe, meinen jedoch etwas ganz Unterschiedliches. Wenn Sie meinen, dieses Phänomen sei trivial, bieten wir Ihnen folgende Übungen an. Übung 12. Darstellung von Komplexität
Malen Sie und ihr(e) Partner/in das Bild eines gemeinsamen Hauses – jeder für sich oder bitten Sie einige Kollegen, über alle Hierarchieebenen hinweg ein Mind-Map-Bild von „ihrem“ Unternehmen zu malen. Dauer: ca. 30120 Minuten Die Aufgabe von Kultur besteht im wesentlichen darin, einen Zeichenund Begriffsapparat zur Verfügung zu stellen, der es den Mitgliedern der Kultur möglicht macht, miteinander in den Dialog zu treten. Der Verlust an entzifferbarer Kultur und die laufende Entwicklung neuer kultureller Gegebenheiten und Muster erhöht natürlich die Anzahl von Konflikten infolge von Missverständnissen. Nicht ohne Grund bemühen sich globale Akteure, die kulturellen Gepflogenheiten ihrer zukünftigen Geschäftsfelder und -partner kennen- und verstehen zu lernen.
Kontrollfragen 1. Durch welche Merkmale ist ein Konflikt gekennzeichnet? 2. Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen Konflikten und der Qualität sozialer Systeme identifizieren?
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Modul 2: Konflikt – Definition und Entstehung
3. Warum ist die Suche nach der Konfliktursache meist müßig? 4. Welche Quellen der Konfliktverursachung gibt es?
Weiterführende Literatur Berkel, K. (2005): Konflikttraining. Frankfurt. Bloch, E. (1985): Tübinger Einleitung in die Philosophie. Stuttgart. Ebner, T. (2005): Streitbeilegung im Welthandelsrecht – Maßnahmen zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten. Tübingen. Glasl, F. (2004): Konfliktmanagement. Bern. Hardin, G. (1968): The Tragedy of the Commons. Science, 162. pp. 12431248. Knapp, P./Novak, A. (2006): Effizientes Verhandeln. Frankfurt. Maslow, A.H. (2002; im Original 1954): Motivation und Persönlichkeit. Stuttgart. Skinner, B.F. (1973): Wissenschaft und menschliches Verhalten. Science and Human Behavior München. Skinner, B.F. (1974): Die Funktion der Verstärkung in der Verhaltenswissenschaft. München.
Modul 3: Konfliktkomplexität
Zusammenfassung Konflikte können einfach, aber auch komplex strukturiert sein; sie können mehr oder weniger belastend wirken und ihre Folgen können eher harmlos bis stark verheerend sein. Die Intensität, mit der Konflikte individuell wie kollektiv eingeschätzt werden, lässt sich nur wenig verlässlich messen, sehr wohl aber subjektiv einschätzen. Die Komplexität von Konflikten ist entscheidend durch die Größe der an ihnen beteiligten sozialen Aggregate, durch die unterschiedlichen Möglichkeiten der Einflussnahme Dritter, durch die Zentralität der Streitfrage, dem möglichen Einigungsraum sowie durch das zur Verfügung stehende Drohpotenzial bestimmt. Die Anzahl der Konfliktgegenstände wirken auf seine Komplexität, können aber auf den Einigungsraum erleichternd wirken.
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität Übersicht Wie wir in Modul 9 sehen, laufen Konflikte, werden sie nicht konstruktiv bearbeitet, in Gefahr zu eskalieren. Je mehr Schärfe ein Konflikt gewinnt, desto mehr Aufwand muss in der Regel betrieben werden, um zu einem sinnvollen Ergebnis zu gelangen. Konflikte werden in unterschiedlicher Intensität erlebt. Beeinflussende Faktoren sind im wesentlichen aufkommender Stress (vgl. Modul 13), Zeitaufwendungen, Qualitätsverlust innerhalb oder zwischen sozialen Systemen, Bewältigungsaufwand, Opportunitätskosten und Allmendekosten: x
x
Selbst professionelle Konfliktmanager können Stress oder emotionalen Überlagerungen (Modul 13) ausgesetzt sein, wenn sie selbst betroffen sind. Für Dritte Konflikte zu bearbeiten wird immer anders erlebt. Konflikte kosten Zeit, sei es, weil sie Diskussionen auslösen, man sich mit ihnen beschäftigt oder weil sich ihre emotionale Belastung auf Motivation und Konzentration auswirkt. Diese Zeit erzeugt sehr
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x
Modul 3: Konfliktkomplexität
schnell hohe Kosten, wenn viele Akteure mitwirken oder einfach nur betroffen sind. In Arbeitswelten werden Zeitverlusten infolge von Konflikten viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wie im vorhergehenden Modul beschrieben, basiert die Qualität eines sozialen Systems auf seiner Austauschbalance. Konflikte führen zu Schwankungen und können damit die Qualität einer Beziehung beeinflussen. Beispiel 14 In einer Führungskreissitzung verbittet sich A den Phrasenton von B. Der reagiert darauf beleidigt und reduziert seinen Kontakt zu A. Ihr Umgang wird förmlich. Ein spontaner Austausch findet kaum noch statt.
x
Opportunitätsaspekte bestehen insbesondere aus verloren gegangenen Chancen. Die im vorhergehenden Beispiel genannten Führungskräfte A und B haben ihren spontanen Gedanken- und Wissensaustausch aufgegeben. Hierdurch gaben sie auch die Chance auf, gemeinsam neue Ideen oder Optionen zu entwickeln. Dramatisch können Opportunitätskosten werden, wenn die verloren gehenden Chancen „überlebenswichtig“ sind.
Übung 13. Einschätzung der Konfliktstärke
Schlagen Sie die Tageszeitung auf. Sie ist voller Konfliktbeschreibungen. Wählen Sie drei Konflikte (Gesellschaft/Kultur, Politik und Wirtschaft) und versuchen Sie die Konfliktstärke zu beschreiben. Als Hilfe dient Ihnen nachfolgendes Beispiel. „Es ist das schmutzige Geschäft der Apotheker, dass sie sich solche (Rabatt-)Geschenke machen lassen“, sagte Lauterbach der „Berliner Zeitung“. Die Pharmazeuten verkauften die teuren Originalmedikamente dann anstelle billiger Nachahmerprodukte an den Kunden weiter, um zusätzlichen Gewinn zu machen. Der Schaden für das Gesundheitswesen beläuft sich nach Schätzungen Lauterbachs auf zwei bis drei Milliarden Euro. Dabei sind Apotheker eigentlich gesetzlich angehalten, dem Patienten die preiswertesten Mittel zu verkaufen. Im Rahmen der Gesundheitsreform wurden die Ärzte deshalb verpflichtet, wenn möglich kein bestimmtes Präparat, sondern lediglich einen speziellen Wirkstoff zu verschreiben. Einige Hersteller von Nachahmerprodukten – sogenannten Generika – versuchen diese Praxis offenbar zu unterlaufen, indem sie Apothe-
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Übung 13 (Fortsetzung)
kern Medikamente kostenlos überlassen. „Es ist nicht unüblich, dass Apotheker von diesen Firmen für jede bezahlte Packung eine weitere Packung geschenkt bekommen“, sagte Peter Kraus, Vorsitzender des Deutschen Generikaverbandes. Die geschenkten Mittel würden später von den Apothekern zum vollen Preis bei den Kassen abgerechnet, sagt Kraus (Quelle: Spiegel online vom 20.07.05). Kurzanalyse des Konfliktes: x Beteiligt sind Pharmaindustrie, Apotheker, Krankenkassen und Patienten. x Gesamtschaden, den die Krankenkassen – und schließlich die Patienten – zahlen: über 2 Mrd. x Angesichts des vorherrschenden “Gesundheitsnotstandes“ können wir sowohl von Zielkonflikten ((1) Konkurrenzkampf zwischen der Pharmaindustrie, (2) Renditekonflikt der Apotheker, wie auch von einem Wertkonflikt (unlauteres Marktgebaren vor dem Hintergrund des Gesundheitsnotstandes)) sprechen. x Insgesamt liegt eine hohe Konfliktstärke vor. Dauer: ca. 30 Minuten
Determinanten der Konfliktkomplexität Nachdem wir jetzt eine Übersicht über Konfliktintensität und -komplexität gegeben haben, wollen wir das Thema „Konfliktkomplexität“ weiter ausbauen. Die Konfliktkomplexität hängt von den vier folgenden Faktoren ab: x x x x
Soziale Aggregation Einfluss Dritter Zentralität der Streitfrage Drohpotenzial
Soziale Aggregation
Menschen bewegen sich in sozialen Systemen unterschiedlicher Komplexität. Die Mitgliedschaft in einer Familie ist überschaubarer als die Mitgliedschaft in einem Verein, diese ist wieder weniger komplex als die Mitgliedschaft in einem großen Unternehmen oder eben als die Staatsbürgerschaft einer großen Nation. Hieraus leiten sich verschiedene Konflikt-
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Modul 3: Konfliktkomplexität
strukturen in Abhängigkeit der Komplexität der sozialen Systeme ab (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3. Soziale Aggregate und Implikationen für Konflikte
Aggregate
Individuum
Gruppe
Organisation
Gesellschaft
Individuum
Zwischenmenschliche Konflikte, wie wir sie bereits aus den Beispielen kennen
Ein Mitarbeiter trägt die Abteilungskultur nicht mit
Freizeitbedürfnis eines Einzelnen und Einsatzbedürfnis des Unternehmens
Individuelle Entfaltungswünsche und rechtliche Schranken
Gruppe
Mobbing einer Gruppe gegenüber einem Einzelnen
Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern
Eine Abteilung soll ausgegründet werden, die Abteilung wehrt sich
Gruppierungen erkennen die Rechtsordnung nicht an – z.B. Hooligans
Organisation
Eine Organisation verwehrt einem Einzelnen den Zutritt
Ein Unternehmen schränkt die Aufgaben einer Abteilung ein
Wettbewerb zwischen Unternehmen
Wertkonflikte zwischen Organisation und Gesellschaft
Gesellschaft
Willkürhandlungen jenseits unseres Rechtsverständnisses
Benachteiligung gesellschaftlicher Gruppierungen
Infrastrukturelle oder fiskalpolitische Friktionen
Handelsbarrieren
Interpersonenkonflikte Die einfachste (formale) Form besteht, wenn nur zwei Personen einen Konflikt austragen, an dem ansonsten keine weiteren Personen oder soziale Systeme beteiligt sind. Beispiele kennen Sie genügend, vom Ehekrieg über Konflikte zwischen zwei Personen in der Arbeitswelt. Übung 14. Interpersonenkonflikte
Bitte nennen und beschreiben Sie zumindest drei Konflikte zwischen zwei Personen aus der jüngsten Vergangenheit. Dauer: ca. 45 Minuten Person(en)-Gruppen-Konflikte Personen, die mit einer Gruppe in einem Konflikt stehen, können sowohl Mitglied dieser Gruppe sein, aber auch außerhalb dieser Gruppe stehen. Typische Konfliktmuster sind:
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Beispiele x Ein Gruppenmitglied teilt einen Teil der Erwartungen oder Normen der Gruppe nicht. Seine Begründungen werden von den übrigen Gruppenmitgliedern nicht akzeptiert. x Ein Schulkind verhält sich wiederkehrend gegenüber den anderen Klassenmitgliedern unfair (was immer das nun heißt). Die Klassenmitglieder lassen das Kind „links liegen“, er oder sie entwickelt sich zum Außenseiter. x Die Gründerin eines Vereins, inzwischen als Geschäftsführerin tätig, verfolgt eine Vereinspolitik, die von den Mitgliedern nicht getragen wird. Es entsteht ein massiver Konflikt, mit dem Ziel, die Gründerin aus den Machtpositionen zu entfernen. Sie wehrt sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. x Bei breitem Konsens zwischen den Herausgebern einer Zeitschrift entstehen immer wieder im Redaktionsteam Konflikte zwischen einem der Herausgeber und den anderen Herausgebern. Der Grund: Seine Beiträge zeichnen sich durch sprachliche Flapsigkeiten aus, die man als gesprochenes Wort, aber nicht als geschriebenen Text durchgehen lassen kann. x In einem Team entzieht sich ein Mitglied wiederkehrend seinen Verpflichtungen, insbesondere wenn aus zwingenden Gründen Aufgaben delegiert werden müssen. Seine „Faulheit“ verärgert die anderen, die einspringen und noch mehr arbeiten müssen. Übung 15. Personen-Gruppen-Konflikte
Beschreiben Sie mindestens drei Konflikte zwischen einer Person und einer Gruppe. Dauer: ca. 45 Minuten Person-Organisations-Konflikte Unter dem Begriff der Organisationen werden Unternehmen, Universitäten, Verbände und ähnliche Körperschaften zusammengefasst, ungeachtet der Frage, ob die Organisation Gewinne erwirtschaftet oder nicht. Das Spektrum der möglichen Konflikte ist sehr groß.
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Beispiele x Typische Konflikte zwischen Einzelpersonen und Organisationen sind Kundenreklamationen. Eine erbrachte Leistung wird vom Kunden als ungenügend bezeichnet und entsprechend reklamiert. Kluge Unternehmen haben allerdings hierauf Handlungsmuster entwickelt, die den Konflikt sehr schnell auflösen, um die Kundenzufriedenheit sicherzustellen. x Widersprüche auf Bescheide sind in unseren demokratischen Gesellschaften Gang und Gäbe. Häufig sind die damit verbundenen Prozedere hochgradig formalisiert, um die Handlungsoptionen der Konfliktparteien so eindeutig wie möglich zu regeln. Übung 16. Person-Organisationskonflikte
Beschreiben Sie mindestens zwei Konflikte auf der Ebene Person-Organisation, die Sie selbst erlebt haben oder von denen Sie gehört haben. Dauer: ca. 45 Minuten Personen-Gesellschaft (Staat)-Konflikte Die Gesellschaft resp. der Staat wird durch diverse Institutionen repräsentiert, gegen die sich in der Regel Konfliktmuster äußern. Hierzu gehören x x x x
Petitionen Verstöße gegen hoheitliche Regelungen strafrechtliche Verstöße die Abstimmung gegen die EU-Verfassung
Neben strafrechtlichen Konflikten handelt es sich jedoch häufig in diesem Zusammenhang um Gruppen-Gesellschaftskonflikte, die wir weiter unten beschreiben. Gruppen-Gruppen-Konflikte Konflikte zwischen Gruppen bilden eine vitale Konfliktquelle. Auch hier sind alltägliche Muster zu erkennen.
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Beispiele x Zwei Nachbarschaften zanken sich um das Unkraut aus des Nachbarn Garten. Wiederholt interveniert der eine Nachbar mit der Bitte, der andere möge doch seinen Garten sorgfältig pflegen, um den Pollenflug der Unkräuter zu verhindern. Der andere Nachbar meint, es gäbe kein Unkraut, insofern werde er bei seiner knappen Zeit nur die notwendigste Pflege einsetzen. Wie das so im Leben ist: Nun wird nicht mehr gemeinsam gegrillt und über den Gartenzaun hinweg getratscht. x In der Planungssitzung für das kommende Geschäftsjahr müssen auch die IT-Ressourcen veranschlagt werden. Eine lange Liste geforderter IT-Projekte wird nach Prioritäten gewichtet. Prompt kommt es zu einer vehementen Auseinandersetzung zwischen den Bereichsverantwortlichen, insbesondere zwischen denen, deren Prioritäten im letzten Drittel stehen und denen, die bevorzugt positioniert sind. „Wenn das so ist, dann kann ich die von mir vorgetragenen Ziele nicht in vollem Umfang erreichen“ ist ein beliebtes Muster. x In Verbänden bilden sich häufig Meinungsfraktionen. Je nach Bedeutsamkeit der Meinungsunterschiede entstehen Flügelkämpfe, die so weit gehen können, dass die eigentlichen Ziele verloren zu gehen drohen. Übung 17. Gruppen-Gruppen-Konflikt
Beschreiben Sie einen solchen Gruppen-Gruppen-Konflikt ausführlich und versuchen Sie zu analysieren, wie dieser Konflikt entstanden ist. Dauer: ca. 30 Minuten Gruppen-Organisations-Konflikte In Organisationen bilden sich unter Umständen Fraktionen, die sich gegen die Ziele und Interessen der Organisation auflehnen, sich dann auch ggf. verselbständigen. Während sich die einen als die „jungen Wilden“ oder als die „innovativen Macher“ bezeichnen, versucht die Organisation, diese „Separatisten“ zu stigmatisieren: „Die Gruppe der Loser“ oder „Die Gruppe der ewig Unzufriedenen“ mögen mögliche Etikettierungen lauten. Dabei sollten wir nicht verkennen, dass Separierungen zwar die Macht einer solchen Organisation schwächen kann, nicht selten aber auch aus sol-
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Modul 3: Konfliktkomplexität
chen Bewegungen Innovationen entstehen, die eine gestandene Organisation nicht erträgt. Übung 18. Gruppen-Organisationskonflikte
Versuchen Sie einen Gruppen-Organisationskonflikt zu erkennen (ggf. auch aus der Presse) und beschreiben Sie die unterschiedlichen Zielsetzungen zwischen Organisation und der Gruppe, die sich mit Separationsgedanken befasst. Dauer: ca. 30 Minuten Gruppen-Gesellschafts-Konflikte Gesellschaftliche Gruppen, die sich von der Gesamtgesellschaft ausgeschlossen fühlen, entstehen täglich aufs neue, ungeachtet der Frage, in welcher Form und mit welchen Mitteln diese Gruppen ihre Sichtweise kommunizieren oder austragen. Allein die Mutmaßung, eine Gruppe könnte sich ausgeschlossen fühlen, kann ausreichen, um aus einem latenten einen manifesten Konflikt zu machen. So flammten beispielsweise im Mai 2007, als der neue französische Präsident Sarkozy gewählt worden war, sofort die Straßenkämpfe in den Randgebieten der Großstädte wieder auf. Die dort lebenden Menschen fühlten sich nicht repräsentiert und durch diverse Äußerungen des Wahlkämpfers Sarkozy provoziert. In einer multikulturellen Gesellschaft entstehen laufend solche Interessenkonflikte, wobei wir den Gruppenbegriff hier sehr weit fassen wollen. Übung 19. Gruppen-Gesellschaftskonflikte
Beobachten Sie die Nachrichten (Zeitung, TV, Internet) und versuchen Sie, einen solchen Konflikt zwischen Gruppen (besser: Gruppierungen) und Gesellschaft zu beschreiben. Dauer: ca. 30 Minuten Organisations-Organisations-Konflikte Da unser gesellschaftliches Leben weit reichend durch Organisationen geprägt ist, bilden Konflikte zwischen Organisationen einen umfassenden Konfliktfundus. Die Marktwirtschaft lebt schließlich von solchen Konflikten in unterschiedlichsten Formen: x x
Wettbewerb und Marktpositionierung Feindliche Übernahmen
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität x x
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Basel II-Scoring durch eine Bank und daraus entstehende Friktionen für ein Unternehmen Klassische Tarifkonflikte zwischen den Unternehmerverbänden und den Institutionen der Arbeitnehmervertretungen.
Sie müssen nur die Zeitung aufschlagen und Ihnen springt täglich ein solcher Konflikt ins Auge – beispielhaft sind hier folgende Überschriften darstellbar (Handelsblatt Online vom 11.05. 2007): x x x x
Wenn der Techniker nicht mehr klingelt: Streik von ca. 10 000 Telekommitarbeitern im Rahmen der Ausgründungsvorhaben Übernahmespekulationen: RWE ist eine reiche Braut Tarifabschluss mit Augenmaß Profianleger werfen der Deutschen Post Taschenspielertricks vor.
Übung 20. Organisations-Organisationskonflikte
Greifen Sie sich einen Konflikt aus den Medien heraus und verfolgen Sie seinen Verlauf nach folgenden Kriterien x Welche Ziele/Interessen haben die jeweiligen Organisationen? x Welche Mittel setzen sie ein, um ihren Zielen Nachdruck zu verleihen? x Welches abschließende Ergebnis wurde erzielt? x Wer sind die Gewinner, wer sind die Verlierer? Dauer: ca. 45 Minuten Organisations-Gesellschafts-Konflikte Neben strukturellen Konflikten, die zwischen hoheitlichen Organisationen und der Judikative auftreten können, sind insbesondere Konflikte zwischen Lobbyistenorganisationen und den staatlichen Apparaten als alltägliches Konfliktgeschehen zu nennen. Ein großer Bereich strafrechtlich definierbarer Konflikte nährt sich aus Separatistenbewegungen, die illegitime Mittel einsetzen ebenso wie aus der organisierten Kriminalität. Konflikte zwischen Gesellschaften oder Gesellschaftsverbänden Diese Konflikte gehören in den politischen Bereich, werden sich aber angesichts des Autonomieverlustes der Einzelstaaten und des anwachsenden
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Regelungsrechtes transnationaler Organisationen mit rechts formender oder sanktionsberechtigter Gewalt erhöhen. Klassische Muster sind x x x x x x x x
Rechtsverordnung der EU und ihre Auswirkungen auf die Einzelstaaten Umgekehrt: die Durchsetzung nationaler Interessen auf transnationaler Ebene WTO-Rechtsbestimmungen auf die EU-Gesetzgebung Handelsbarrieren zwischen Staaten oder Staatengruppen UNO-Sanktionen gegen Einzelstaaten Der Aufbau atomarer Drohpotentiale gegen Ideologiesysteme Ressourcenmissbrauch zu Lasten dritter Staaten Kriegerische Handlungen
Die Hintergründe der Konfliktzunahmen ergeben sich aus zwei wesentlichen Entwicklungen. Zum einen definieren sich Gesellschaften durch ihre Kulturwerte und Wertordnung. Je offener Gesellschaften werden, und dies ist im Rahmen der Globalisierung nicht mehr aufzuhalten, desto multikultureller werden diese Gesellschaften. Unterschiedliche Kulturen müssen aber nicht zwingend auch über kompatible Kulturwerte verfügen. Der andere Hintergrund: Zumindest für die westliche Welt ist Demokratie ein zentraler Wert. Die Durchgriffsrechte transnationaler Organisationen werden als „durch das Volk nicht legitimiert“ erlebt und stehen somit im Widerspruch zum Demokratieverständnis. Der Einfluss Dritter
Hinter den Hauptakteuren in Konflikten stehen direkt oder indirekt in vielen Fällen Dritte mit deutlichen Erwartungen oder als Meinungsmacher. So kann das Verhalten der Ehegattin implizit auch durch die Erwartungen ihrer Eltern bestimmt sein, der Vorgesetze wird durch die impliziten oder explizit formulierten Erwartungen des nächst höheren Vorgesetzten beeinflusst. Solche kognitiven und emotionalen Meinungs- oder gar Scharfmacher führen wir in vielen Fällen mit uns. Noch komplizierter wird ein Konflikt, wenn hinter den Hauptakteuren weitere Akteure stehen, die untereinander unterschiedliche Erwartungen formulieren oder vertreten. Hierdurch entsteht ein Konflikt zwischen den Hauptakteuren und den diversen Meinungsfraktionen hinter den Hauptakteuren (vgl. Abb. 5).
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Einfluss ausübende Dritte
a Konfliktakteure
Einfluss ausübende Dritte
a
a
a
Konfliktakteure
Abb. 5. Einfluss Dritter
So fließen in vielfältige politische Einigungsprozesse die Interessen und politischen Willensbildungen unterschiedlicher Flügel ein. Die Interessen und Ziele der Verhandlungsführer können dabei von nachrangiger Bedeutung sein. Ähnliches gilt für Tarifkonflikte. Auch dort haben die Verhandlungsführer und deren Delegationen die unterschiedlichen Binneninteressen und -politiken zu berücksichtigen. Übung 21. Einfluss Dritter
Beschreiben Sie mindestens zwei Konflikte, durch die Sie Abb. 5 konkretisieren. Dauer: ca. 30 Minuten
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Noch komplexer wird ein Konflikt, wenn eine Konfliktkette entsteht; dieses Problem wird anhand des folgenden Beispiels illustriert (vgl. Abb. 6). Beispiel 15 B ist vertraglicher Zulieferant für A (vgl. Abb. 6). Im Vertrag sind Preise, Mengen, Qualität und Liefertermine definiert. B verletzt wiederholt Liefertermine. Hierdurch kann A seine wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber C nicht einlösen. In solchen Fällen ist, wie in vielen anderen Situationen des Alltages auch, ein Dritter (das Unternehmen B) Auslöser für einen Konflikt zwischen den Unternehmen A und C. Für Generalunternehmen, die gegenüber einer Gesellschaft auch für Leistungen Dritter in der Verantwortung stehen, sind solche Konflikte leidvoller Alltag.
B
a
A
a
C
Abb. 6. Konfliktkette Zentralität der Streitfrage
Übersicht Nicht jeder Konflikt im definitorischen Sinn löst einen tatsächlichen Konflikt im erlebten Sinne aus. Hierfür können verschiedene Gründe angeführt werden 1. Entweder ist die Streitfrage für beide Seiten zu nebensächlich, so dass alternative Verhaltensmuster zu Verfügung stehen Beispiel 16 Der Kauf eines neuen Familienautos führt zu einem kleinen Konflikt zwischen dem Ehepaar. Er plädiert für einen A6, eben für seine Lieblingsmarke, sie für einen SUV, um genügend Platz für die Alltagsutensilien der Kinder zur Verfügung zu haben. Mit der Entscheidung für den SUV kann er zwar sein Bedürfnis nach seiner Lieblingsmarke nicht nachkommen, auf der anderen Seite ist er insgesamt wenig markenbesessen und freut sich mehr über die Freude seiner Frau.
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
2.
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Die Konflikte sind ritualisiert und jeder kennt die gemeinsamen Einigungsprinzipien, die auf ein langfristiges Gleichgewicht der Interessen hinauslaufen.
Beispiel 17 Wieder einmal steht die Urlaubsplanung an. Sie möchte gerne in der Sonne faulenzen, er lieber in Nordeuropa durch Wälder und über Seen streifen. Wie immer, versucht jeder im Wissen um den Ausgang, zunächst seine Interessen durchzusetzen. Es endet wie es enden muss: Das letzte mal waren wir in Norwegen, also dieses Mal ab nach Italien. Da ist übrigens die Küche besser. 3.
Der Konflikt wird für eine Seite kognitiv umgeformt. Der Konfliktpartner passt sich im Laufe der Gespräche den Interessen des anderen an, weil er darin auch Vorteile für sich selbst erkennt. Alltagssprachlich kennen wir alle den Satz: Manche muss man zu ihrem Glück zwingen.
Einstellungen und Zentralität der Streitfrage Neben gesellschaftlich zentralen Werten verfügt jedes Individuum über eigene Bedeutsamkeiten, die scheinbar nicht verhandelbar sind. Sie konkretisieren sich in Einstellungen und damit einhergehender Verhaltensweisen, Wünschen oder Erwartungen. In soziologischen und kommunikationstheoretischen wie -pragmatischen Literaturen wird auch in diesem Zusammenhang von Relevanzbereich gesprochen. Beispiel 18 Sie unterhalten sich auf einer Party in einem Kreis und hören die Gesprächsfetzen nur als allgemeines Gemurmel. Plötzlich fällt Ihr Name. Sofort ändern Sie Ihre Aufmerksamkeit und richten diese auf den Gesprächskreis, der Ihren Namen genannt hat. Konflikte, die die Grundfesten des Selbstbildes berühren oder dieses gefährden, weisen eine wesentlich höhere Intensität aus. Im Gegensatz zu weniger komplexen Gefährdungen der Bedürfnisausformungen gehen sie eben an die Substanz.
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Beispiele 19a, b Ein Ehepaar diskutiert wiederholt über ihren Kinderwunsch. Animiert durch politische Leitmodelle und weiteren angekündigten staatlich eingeleiteten Unterstützungen forciert sie diesen Wunsch. Er steht dem nicht negativ gegenüber, macht aber deutlich, dass sein persönlicher Schwerpunkt auf die Karriereentwicklung ausgerichtet ist und er somit die klassische Familienstruktur wünscht. Dies sieht sie nun gar nicht ein und greift „klassische“ Zeitgeistargumente auf. Die in Jahren der Prosperität erkämpften Wochenarbeitsstunden stehen in Folge des internationalen Wettbewerbs zur Disposition. So sachlich und rational Arbeitgeber resp. ihre Verbände die globale Wettbewerbsfähigkeit auch von den Lohnkosten abhängig begründen, ist die verkürzte Arbeitszeit für die Arbeitnehmerinstitutionen ein symbolisches Privileg, das es zu verteidigen und am besten nicht aufzuheben gilt. Solche Konflikte, dies haben wir alle schon an uns selbst erfahren und erleben es fast täglich in den Medien, sind hochgradig emotional geladen und entziehen sich häufig jeglicher Rationalität. Fanatismus, Fundamentalismus und andere Formen des Dogmatismus leben von der „Unangreifbarkeit“ und somit „Unverhandelbarkeit“ der formulierten Werte. Diese zum Teil irrational-emotionalen Verankerungen machen es so schwer bis unmöglich, solche Konflikte „mit europäisch-gesundem Menschenverstand“ zu bewältigen. Eskalationen sind häufig die Folgen und dies nicht nur im gesellschaftlichen, sondern auch im Ehekrieg. Wir können daher festhalten: Je intensiver ein Konflikt zentrale Werte und Einstellungen berührt, desto intensiver wird er. Einigungsraum Die Abweichung von Zielen und die Bemühung, diese Abweichung zu beheben setzt eine Dynamik frei, die unter anderem darin besteht, die eigene Position nicht (zu früh) aufzugeben und den eigenen Widerstandspunkt zu formulieren – nach dem Motto „ Bis dahin und nicht weiter!“.
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Widerstandspunkt (B) Maximales Entgegenkommen von B Einigungsraum (A)
Anfangsposition von B ???
Anfangsposition von A
Einigungsraum (B)
Maximales Entgegenkommen von A Widerstandspunkt (A)
Abb. 7. Negativer Einigungsraum
In einem Konflikt unterstellen wir, dass die Konfliktparteien jeweils über einen Einigungsraum verfügen, die den Unterschied zwischen maximaler und Mindesterwartung ausdrückt. Die Mindesterwartung formuliert zugleich als Widerstandspunkt das maximale Entgegenkommen gegenüber dem Konfliktpartner. Überschneiden sich beide Einigungsräume nicht, sprechen wir von einem negativen Einigungsraum. Beispiel „Makler“ (1) Ein Interessent beabsichtig ein Haus zu kaufen und führt nach langer Suche ein Gespräch mit einem Makler. Der Interessent will höchstens 300 000 Euro ausgeben (Widerstandspunkt), er erwartet für das ihm vorgestellte Objekt einen Preis von 240 000 Euro. Der Makler fordert 350 000 Euro und kommt nach wiederholten Gesprächen dem Interessenten bis zu 325 000 Euro entgegen. Bei beiden ist der Widerstandspunkt erreicht, so dass es nicht zu diesem Verkauf kommt. Überlappen sich demgegenüber die Einigungsräume der Konfliktpartner, besteht ein positiver Einigungsraum, innerhalb dessen das Ergebnis verhandelt wird.
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Modul 3: Konfliktkomplexität Einigungsraum (B)
Widerstandspunkt (B) Maximales Entgegenkommen von B
Anfangsposition von A
Anfangsposition von B
Maximales Entgegenkommen von A Widerstandspunkt (A)
Einigungsraum (A)
Abb. 8. Positiver Einigungsraum
Beispiel „Makler“ (2) Verändern wir die Widerstandspunkte des Maklers auf 290 000 Euro und den des Interessenten. auf 320 000 Euro. Beide einigen sich auf folgendes Ergebnis: Der Kaufpreis beträgt 310 000 Euro, dafür veranlasst der Makler bestimmte Reparaturen und eine Teilbepflanzung des Gartens. Die damit verbundenen Kosten veranschlagen beide auf ca. 10 000 Euro, so dass Makler wie Interessent sich in der Mitte getroffen haben. In einer Verhandlung sind natürlich die Widerstandspunkte häufig nicht bekannt und müssen erst verhandelt werden. Die Kunst der Verhandlung besteht insbesondere darin, negative Einigungsräume in positive zu überführen. Dies gelingt leichter, wenn Paketforderungen bestehen oder entwickelt werden. Drohpotential
Die Drohung ist eine verbale oder nonverbale Ankündigung von strafenden Maßnahmen mit dem Ziel, den anderen einzuschüchtern bzw. dazu zu zwingen, auf die geforderten Interessen und Ziele einzugehen. Dabei
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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gilt gemäß Savielly Tartakower: „Die Drohung ist mächtiger als die Ausführung“. Beispiele x „Wenn Du Deine Hausaufgaben nicht gemacht hast, dann gibt es auch kein Fernsehen“, kündigt den Entzug einer Belohnung (Fernsehen zu können) für den Fall an, dass die Erwartungen der Mutter oder des Vaters, die Hausaufgaben zu komplettieren, nicht erfüllt werden. x Die Aufforderung seiner Frau „Liebling, wir müssen reden“, empfindet ein Mann meist als Bedrohung. Er bekommt Angst und geht in Abwehrstellung, berichtet der Bonner Beratungsdienst „simplify.de“. Frauen hingegen bleiben bei Kritik vergleichsweise ruhig, so lange er nicht laut wird. x „Wir werden solange Streiken, bis die Arbeitgeberseite ein Angebot auf den Tisch legt, das wirkliche Bewegung anzeigt.“ x Die Finanzsanktionen der USA drängen Nordkorea in die Ecke: Nun droht der kommunistische Staat Kreisen zufolge mit einem zweiten Atomtest (Focus online vom 31.01.2007). x Der Iran hat die Drohung der USA, im Atomstreit notfalls auch militärische Mittel einzusetzen, als nicht ernst zu nehmend abgetan (Focus online vom 20.04. 2006). Drohungen finden wir als einen laufenden Begleiter in Konfliktentwicklungen und insbesondere auf einer fortgeschrittenen Eskalationsstufe. Wie die Beispiele zeigen, kündigen sie entweder den Entzug einer positiven oder den Einsatz einer bestrafenden Kontingenz nach dem Motto „Wenn nicht …, dann [Drohung]“ an. Das Droharsenal reicht von psychischen Maßnahmen (z.B. Liebesentzug, Ankündigung einer bestimmten Absicht) über finanztechnische Instrumente bis hin zur Androhung von Waffengewalt. Die Wirkung einer Drohung hängt entscheidend davon ab, wie die Gegenseite die Durchsetzbarkeit der Drohung einschätzt. Hat das Kind gelernt, dass genügend Quengeln reicht, um trotzdem fernsehen zu können, wird es sich durch die Drohung kaum beeinflussen lassen. Der Iran schätzt die politische Lage und die öffentliche Meinung in den USA so ein, dass es der Regierung nicht gelingen wird, einen Angriff gegen das Land zu begründen und darzustellen. Die Ergebnisse von Urabstimmungen im Vorfeld von Streiks signalisieren die Macht, mit der die Streikdrohung umgesetzt werden kann.
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Mit anderen Worten: Drohungen verfehlen ihre Wirkung und beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit, wenn die bedrohte Seite begründet annehmen kann, dass die drohende Person/Partei entweder nicht über das Drohpotenzial verfügt (Beispiel Nordkorea: Verfügt das Land tatsächlich über Atomsprengkörper? – oder, wenn sie über das Potenzial zwar verfügt, es nicht durchsetzen kann). Tabelle 4. Konfliktbeispiele mit unterschiedlichen Komplexitäten Konflikt 1: Eher niedrige Komplexität
Konflikt 2: Hohe Komplexität
Ein Interessent für eine Einfamilienimmobilie und ein Verkäufer stehen in einer Preisverhandlung. Der Interessent zeigt, dass ihm viel an dem Erwerb des Objektes liegt, er aber den geforderten Preis nicht zahlen kann. Der Verkäufer hat Gefallen an dem Interessenten und sieht das Eigentum später in guten Händen. Da er eine Erbengemeinschaft vertritt, kann er ohne Rücksprache den Preis nicht ändern. Gerne wolle er mit den anderen sprechen, könne aber nichts zusagen.
Der Chefeinkäufer bittet den Key Accounter eines Zulieferanten zum Gespräch und konfrontiert ihn mit drei Vorgaben der Geschäftsführung x Deutlich bessere Qualität ohne Schwankung x 10 % Preisreduktion als Basispreis x Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben für zukünftige von der Firma zugelieferte Module. Der Key Accounter kennt sein Unternehmen sehr gut und auch dessen Spielräume. Er deutet an, natürlich nach Rücksprache mit der Geschäftsführung, die Forderungen nicht kurzfristig erfüllen zu können. Der Chefeinkäufer verhält sich reserviert und fädelt das Gespräch mit dem Hinweis aus, man habe in der Vergangenheit insgesamt zufriedenstellend zusammengearbeitet. Er wünsche sich, dass dies auch für die Zukunft gelten könne.
Einflussfaktoren der Konfliktkomplexität und -intensität
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Anzahl der Verhandlungsgegenstände
Die Konfliktkomplexität wird zu einem hohen Maß von der Anzahl der Verhandlungsgegenstände beeinflusst. Die Anzahl der zu bewältigenden Konflikte kann umfassend sein, wenn man beispielsweise an Koalitions- oder andere politische Verhandlungen denkt. Konflikte bzw. Verhandlungsgegenstände können dabei unabhängig oder abhängig von einander sein. Beispiel 20 Zulieferant und Abnehmer verhandeln über Preise in Abhängigkeit der Liefermenge. Demgegenüber wäre eine Verhandlung über Tariferhöhung und Laufzeit des Tarifvertrages formal unabhängig. Letzteres Beispiel macht bereits deutlich, dass die Konfliktbearbeitung multipler Gegenstände in verschiedenen Formen stattfinden kann. Entweder verhandelt man alle Gegenstände gleichzeitig, nacheinander oder als ein Gesamtpaket. Die Verhandlungsgegenstände sind… unabhängig
abhängig
simultan
sequentiell
Gesamtpaket
Abb. 9. Konfliktkomplexität und Anzahl der Konfliktgegenstände
Insgesamt verlaufen Verhandlungen zufrieden stellender, wenn es gelingt, selbst von einander unabhängige Konfliktgegenstände zu einem Gesamtpakt zu verknüpfen und damit eine Quasi-Abhängigkeit herzustellen. Wie wir später noch sehen werden, verbessert dieser Ansatz den Einigungsraum.
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Modul 3: Konfliktkomplexität
Beispiel 21 Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens beabsichtigt, aus Altersgründen sein Unternehmen zu verkaufen. An die potentiellen Käufer adressiert er vier Bedingungen: Es soll (1) ein Mindestpreis nicht unterschritten werden, und (2) der Verkauf soll schrittweise erfolgen: in den nächsten drei Jahren will er 51 % der Unternehmensanteile halten und so (3) als Hauptgeschäftsführer noch tätig sein. Er schließt (4) ein Wettbewerbsverbot aus, um auch nach dem Verkauf noch sein Expertenwissen anbieten zu können. Die interessierten potenziellen (Mit-)Inhaber entscheiden sich, jede Forderung separat zu verhandeln. Dabei formulieren sie (intern) ihrerseits folgende Ziele: Zu (1): Ein fairer Kaufpreis kann angeboten werden. Zu (2): Ein schrittweiser Verkauf ist unter der Prämisse möglich, dass in der dreijährigen Übergangszeit die Unternehmensstrategien entscheidend durch die zukünftigen Mehrheitsinhaber bestimmt werden. Zu (3) – der Rolle als Hauptgeschäftsführer – kann im Rahmen eines Geschäftsverteilungsplanes zugestimmt werden. Zu (4): Ein Wettbewerbsverbot muss sichergestellt sein. Dabei entscheiden die zukünftigen Anteilseigner, dass jeder Verhandlungsgegenstand ein K. O.-Kriterium bedeuten kann. Übung 22. Komplexe Konflikte
Formulieren Sie aus Ihrer Erfahrung multiple Konflikte und die Versuche, sie zu lösen. Dauer: ca. 30 Minuten
Kontrollfragen 1. Wovon hängt die Intensität von Konflikten ab? 2. Wovon hängt die Komplexität von Konflikten ab? 3. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Konfliktkomplexität und -intensität? 4. Welche sozialen Konfliktaggregate gibt es? 5. Welche Rolle spielt die Einflussnahme Dritter bei Konflikten? 6. Welche Rolle spielt die „Zentralität der Streitfrage“ bei Konflikten? 7. Was versteht man unter dem „Einigungsraum“? 8. Welche Rolle spielen Drohungen bei Konflikten?
Weiterführende Literatur
67
9. Welche Vor- und Nachteile haben mehrere Konfliktgegenstände bei der Lösung von Konflikten?
Weiterführende Literatur Deutsch, M. (1976): Konfliktregelung. Konstruktive und destruktive Prozesse. München, Basel. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (2002): Das Harvard-Konzept: Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Frankfurt / New York. Glasl, F. (2004): Konfliktmanagement. Bern. Tries, J. (1985): Bedingungen kooperativen Verhaltens: Eine Meta-Analyse. Dissertation, Universität Düsseldorf. Tries, J./Hornke, L. F. (1987): Abschlußbericht zum Forschungsprojekt „Untersuchungen wirksamer Faktoren auf die Etablierung kooperativer Verhandlungsstrategien bei gegebener Konfliktstruktur“. RWTH Aachen, Institut für Psychologie.
Modul 4: Konfliktarten
Zusammenfassung Grundlegend unterscheiden wir zunächst zwischen Ziel- und Mittelkonflikten, die mit unterschiedlichen Strategien behandelt werden. In vielen Fällen unseres Konfliktalltags kommen jedoch Mischformen vor oder anfängliche Mittelkonflikte schlagen in Zielkonflikte um. Wie wir später in den Modulen 10 und 11 sehen werden, besteht die Aufgabe einer Verhandlung darin, einen Ziel- in einen Mittelkonflikt und diesen in eine Problemlösung zu überführen. Koordiniertes Verhalten wird in sozialen Systemen im Wesentlichen durch Rollen geregelt. Rollen sind „die sozialen Kleider“, durch die Menschen auf der einen Seite eher prognostizierbar sind, diese auf der anderen Seite aber auch Erwartungen an den Rollenträger vermitteln. Menschen sind Träger vielfältiger Rollen, die zueinander in Konflikt geraten können. Beispiel 22: Ein politischer Konflikt „Putin erklärte, im Verhältnis zur EU gebe es ‚Gott sei Dank keine Konflikte‘. Beide Seiten hätten ‚verschiedene Ansichten, wie Probleme zu lösen sind. Aber es besteht auf beiden Seiten der Wunsch, diese Probleme zu lösen, und das ist schon gut‘“ (zit. aus rp-online vom 15.05. 2007). Was war geschehen? Das am 18.05.2007 in Samara anberaumte Spitzentreffen zwischen der EU und Russland stand unter dem Konflikt russischer Ankündigungen zu Maßnahmen gegen die Absicht der USA, Abwehrsysteme auf polnischem Boden zu stationieren. Hierdurch fühlt(e) sich Russland potentiell bedroht. Der deutsche Außenminister Steinmeier war unter der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU daher kurzfristig mit Putin in Moskau zusammengetroffen, um das Spitzentreffen von diesem Konflikt zu deeskalieren, um eine Verschlechterung der russisch-europäischen Beziehungen oder sogar eine weitergehende Eskalation zu verhindern. Zur Vorgeschichte: Die USA hatten nicht mit der EU, sondern bilateral mit Polen und Tschechien Vereinbarungen zum Aufbau von Raketenschutzschildern verhandelt, durch die sich Russland bedroht fühlt(e).
70
Modul 4: Konfliktarten
Putin drohte daher seinerseits mit der Aussetzung des KSE-Abrüstungsvertrages. Der Konflikt wurde verschärft, indem Russland ein Einfuhrverbot für polnische Landwirtschaftsprodukte ausgesprochen hatte. Polen seinerseits legte ein Veto ein, um den EU-Russland-Termin zu verhindern. Damit drohte das EU-Russland-Verhältnis zumindest deutlich abzukühlen. Durch die Gespräche zwischen Putin und Steinmeier (und natürlich anderen Teilnehmern) konnte die Entwicklung deeskaliert werden, indem ein Zielkonflikt (zumindest diplomatisch) in ein Problem (Mittelkonflikt) überführt wurde.
Ziel- und Mittelkonflikte Grundlegend unterscheiden wir daher zwischen Ziel- und Mittelkonflikten sowie zwischen Mittelkonflikten und Problemstellungen. Konfliktintensität
Zielkonflikt: Gefahr der Win-LoseLösung
Mittelkonflikt: Gefahr des Umschlags in Zielkonflikt
„klassische“ Problemlösung
Abb. 10. Konfliktarten
Aus Abb. 10 werden folgende Aspekte sichtbar: x
x
Zielkonflikte: Zwischen den Akteuren sozialer Systeme oder zwischen sozialen Systemen bestehen unterschiedliche Zielauffassungen (Interessen, Motive) die zu einseitiger oder gegenseitiger Behinderung führen. Mittelkonflikte: Zwischen den Akteuren sozialer Systeme oder zwischen sozialen Systemen besteht ein gemeinsames Zielverständnis aber abweichende Vorstellungen, wie (mit welchen Mitteln) sie eingelöst werden sollen. Der bestehende Mittelkonflikt behindert allerdings die Qualität des sozialen Systems bzw. die zwischen den sozialen Systemen.
Ziel- und Mittelkonflikte x
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Problemstellung: In Problemstellungen liegen entweder noch keine oder keine abschließend bewertbaren Mittelvorstellungen vor. Die Aufgabe der Akteure ist es, eine solche zu finden. Die Qualität des sozialen Systems oder zwischen den sozialen Systemen mag zwar gestört (oder angespannt) sein, die Kriterien eines Konfliktes sind jedoch nicht erfüllt.
Die umgangssprachliche Formulierung „Da haben wir aber ein Problem“ dient häufig dazu, den Begriff Konflikt zu vermeiden. Die Phobie vor offen angesprochenen Konflikten ist in verschiedenen sozialen Systemen offensichtlich. Auf sie angesprochen, neigen Repräsentanten sozialer Systeme in der Öffentlichkeit zu vielfältigen Sprachbelustigungen wie etwa „Von einem Konflikt können wir nicht sprechen, natürlich bestehen gewisse Meinungsverschiedenheiten …“ oder „Der Begriff ist vollkommen fehl am Platz. Wir sind gerade dabei, in einvernehmlichen Gesprächen …“ Im Alltag finden wir häufig gemischte Konflikte oder Phasen, in denen Mittel- in Zielkonflikte übergehen können (vgl. Abb. 11). B Mittel
Ziel
Ziel
reiner Zielkonflikt
Mittel
gemischter Konflikt
gemischter Konflikt
A
reiner Mittelkonflikt
Abb. 11. Gemischte Konflikte
Klassische Zielkonflikte haben wir bereits häufig angesprochen, so dass wir in der Folge Beispiele für Mittel- und gemischte Konflikte anführen wollen.
72
Modul 4: Konfliktarten
Beispiel 23: Mittelkonflikte (1) Ehepaar Ein Ehepaar diskutiert über die von beiden sehnsüchtig erwartete Anschaffung einer neuen Küche. Zur Finanzierung stehen verschiedene Alternativen zur Verfügung: Aufnahme eines Kredites, Auflösung eines festgeschriebenen Geldes, die Bitte an die Großmutter, finanziell auszuhelfen. Die unterschiedlichen Alternativen lösen bei den beiden unterschiedliche Konfliktempfindungen aus: Er: Ich möchte ungern hierfür einen Kredit aufnehmen; wir brauchen eine Finanzierungshilfe noch beim Wärmeschutz. Sie: Ich mag nur ungern Großmutter ansprechen; sie hat dann den Eindruck, wir könnten uns das nicht leisten. Er: Die Auflösung des Festgeldes ist auch Mist. Dann verlieren wir Geld. Sie: Das tun wir so oder so. Oder wollen wir doch auf die ausgesuchte Küche verzichten? Er: Nein, bloß nicht, dann kann ich endlich mit Gas kochen. (2) Unternehmen Vertriebs- und Marketingchef sitzen zusammen, um eine große Aktion zu planen, durch die mindestens 6 000 Unternehmen erreicht werden sollen. Beide sind sich über die Notwendigkeit und die damit verfolgten Absichten einig. Der Vertriebschef bevorzugt einen Folder, auf dem nur das entsprechende Branchenprodukt dargestellt wird. Der Marketingleiter wiederum wünscht, die gesamten Branchenprodukte darzustellen. Beide Seiten disputieren über Vor- und Nachteile der jeweiligen Lösung. Die Lösung des Vertriebsverantwortlichen behindert den Marketingleiter, die Macht der Produktlinie und die daraus folgernden Querempfehlungen nicht darstellen zu können. Er sieht also seine Marketingziele eingegrenzt. Verallgemeinernd kann man sagen: Ein Mittelkonflikt schlägt in einen Zielkonflikt um, wenn die einzusetzenden Mittel die Ziele zumindest eines Akteurs gefährden. Das einleitende EU-Russlandbeispiel macht aber auch deutlich, dass ein Zielkonflikt in einen (diplomatischen) Mittelkonflikt überführt werden kann. Die Überführung eines Zielkonflikts in einen Mittelkonflikt gelingt, wenn (a) übergeordnete gemeinsame Ziele nicht gefährdet werden sollen und (b) Konsens darüber besteht, nach Mitteln suchen zu wollen, um den untergeordneten Konflikt zu bereinigen.
Rollenvielfalt und Rollenkonflikte
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Übung 23. Gemischter Konflikt
Beschreiben Sie aus Ihrer Alltagserfahrung einen Zielkonflikt, der in einen Mittelkonflikt übergeführt wurde. Beschreiben Sie die Gründe hierfür. Dauer: ca. 30 Minuten
Rollenvielfalt und Rollenkonflikte Eine besondere Form der Konflikte wird unter dem Begriff „Rollenkonflikte“ zusammengefasst. Rollen sind mit Positionen verbundene Erwartungen, Befugnisse und Ausgestaltungsmöglichkeiten. Im Sinne Dahrendorfs homo sociologicus ist der Mensch Inhaber vielfältiger Rollen, durch die der Einzelne seine sozialen Positionen ausformuliert. Die mit einer Rolle verbundenen Erwartungen und Befugnisse werden auf der einen Seite an seine Träger herangetragen (Führungsrolle, Vaterrolle). Auf der anderen Seite ist der Einzelne in der Lage, die einzelnen Rollen nach individuellem Gustus auszugestalten, soweit die „Essentials“ der Rolle nicht verloren gehen. Passiert dies, kommt es zum Rollenwandel, der wiederum entsteht, wenn Rollenstrukturen nicht mehr akzeptiert und grundlegend verändert werden müssen. So haben sich z.B. in den letzten Jahrzehnten die Rollenbilder von Mann und Frau entscheidend verändert. Es liegt auf der Hand, dass zwischen und innerhalb von Rollen vielfältige Konflikte auftreten können. Abbildung 12 zeigt die Vielfalt der Rollen, die ein Mensch einnehmen kann. Dabei wird auch deutlich, dass Rollen unterschiedlich wichtig sein können.
Vereinsvorstand
Tochter
Elternsprecher
Selbstständig
Projektmitarbeit Mutter
Geliebte
Selbstkonzept
Abb. 12. Rollenvielfalt
Netzwerkpartner
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Modul 4: Konfliktarten
Übung 24. Rollenvielfalt
Entwickeln Sie in Anlehnung an das obige Schaubild eine Übersicht Ihrer verschiedensten Rollen und die an Sie gerichteten Erwartungen. Dauer: ca. 45 Minuten Diese Rollenvielfalt ist ihrerseits wiederum Quelle vielfältiger Konflikte, die wir im Anschluss an Abb. 13 beschreiben wollen. Rollenkonflikte
Inter-Rollenkonflikt
Intra-Rollenkonflikt
Inkompatibilität zweier Rollen
Rolle- Selbst-Konflikt
Inkompatibles Rollen- und Selbstkonzept
Intersenderkonflikt
Intrasenderkonflikt
Sandwichposition: An eine Rolle werden viele unterschiedliche Erwartungen gestellt
Inkompatible Erwartungen an eine Rolle
Abb. 13. Rollenvielfalt und Konfliktimplikationen
Interrollenkonflikt Von einem Interrollenkonflikt sprechen wir, wenn zwei mit einer Person verankerten Rollen im Widerspruch zueinander stehen. Beispiel 24 Eine Mutter erzieht ihre Kinder alleine. Beide Kinder sind in einer Entwicklungsphase, in der sie sehr viel Aufmerksamkeit benötigen und durch ihre Entwicklung die Mutter auch intensiv belohnen. Auf der anderen Seite will und muss die Mutter den Lebensunterhalt verdienen. Durch ihre Tätigkeit, die ihr enorme Freude bereitet und in der sie sehr erfolgreich ist, steht sie im Konflikt zwischen genügend Zeit für die Kin-
Rollenvielfalt und Rollenkonflikte
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der und genügend Zeit für ihre Tätigkeit. Erschwert wird der Konflikt, da die Mutter in ihrer Berufsrolle außerhalb des Lebensraumes Termine wahrnehmen will und muss, die teilweise mit Übernachtungen verbunden sind. Übung 25. Interrollenkonflikt
Beschreiben Sie einen selbst erlebten Interrollenkonflikt und soweit es möglich ist, wie sie ihn gelöst haben. Dauer: ca. 30 Minuten
Intersenderkonflikt Ein Intersenderkonflikt liegt vor, wenn an ein und dieselbe Rolle unterschiedliche Erwartungen gestellt werden. Beispiel 25 Eine souverän agierende Führungskraft steht in einer Sandwichposition. Der Vorstand erwartet einen eher autoritären Führungsstil und beurteilt moderne Führungstechniken und -instrumente als Unsinn. Zumindest der Vorstandsvorsitzende lebt diesen Stil durch sein Gebaren vor. Auf der anderen Seite erwarten die Mitarbeiter einen Führungsstil, wie sie ihn in verschiedenen Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung kennen gelernt haben. Übung 26. Intersenderkonflikt
Beschreiben Sie einen entsprechenden Intersenderkonflikt, den sie selbst erlebt oder beobachtet haben. Dauer: ca. 30 Minuten Intrasenderkonflikt Der Intrasenderkonflikt beschreibt die von einer Person oder einem sozialen System ausgehenden Erwartungen, die in sich widersprüchlich sind.
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Modul 4: Konfliktarten
Beispiel 26 Derselbe Vorsitzende des Vorstandes erwartet von seinen Außendienstdirektoren ein selbständiges und eigenverantwortliches Handeln. Führen sie Maßnahmen durch, die nicht „von oben abgesegnet sind“ drohen deutliche negative Sanktionen subtilster Art. Solche Intrasenderkonflikte sind in Unternehmen allseits bekannt, etwa im Spannungsbogen zwischen formulierten Leitsätzen und dem tatsächlichen kulturellen Leben im Unternehmen. „Der Mensch ist Mittelpunkt“ lautet die Proklamation. „Der Mensch ist Mittel! Punkt!“ wird als Unternehmenskultur vorgelebt. Ein klassischer Intrasenderkonflikt liegt etwa auch dann vor, wenn eine Frau von ihrem Mann ein maskulines Auftreten erwartet, er sich aber nicht als Macho verhalten soll. Übung 27. Intrasenderkonflikt
Beschreiben Sie einen entsprechenden Intrasenderkonflikt Dauer: ca. 30 Minuten
Rollen-Selbst-Konflikt Der Rollen-Selbst-Konflikt entsteht, wenn an die Rolle gerichtete Erwartungen nicht mit dem eigenen Selbstkonzept übereinstimmen. Beispiel 27 Die in dem Abschnitt Intersenderkonflikt geschilderte Führungskraft lehnt selbst einen autoritären Führungsstil ab. Statt dessen bevorzugt er einen offenen Diskurs und eine zunehmende Eigenverantwortung der Mitarbeiter/innen. Um dies zu dokumentieren, führt er verschiedene Umgangsformen ein, unter anderem: x x
x x
Zeiten der offenen Tür für jede/n Mitarbeiter/in Regelmäßige Feedbackgespräche in Form verkürzter Beurteilungsgespräche, in denen sich der Vorgesetzte auch einem offenen Feedback aussetzt Maßnahmen, durch die jede/r Mitarbeiter/in sich entlang der Bereichsziele und der eigenen Interessen fortentwickeln kann Teamorganisationen, durch die (wenigen) Interessierten ein Abendstudium möglich ist
Rollenvielfalt und Rollenkonflikte
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Es wird selbstverständlich, dass die Führungskraft durch seine Vorgesetzte laufend in Schranken gehalten wird und seine Leistungen sowie Verhaltensweisen unter strengster Beobachtung stehen. Zurecht gewiesen wird er durch diffizile Sanktionierungsmuster. Übung 28. Rollen-Selbst-Konflikt
Beschreiben Sie einen Rollen-Selbst-Konflikt, den Sie selbst durchlebt haben. Skizzieren Sie auch das damit verbundene Selbstkonzept. Dauer: ca. 30 Minuten Rollenwandel Gesellschaftlicher Wandel führt meistens auch zur Änderung vieler Rolleninhalte. Nicht nur die Emanzipationsbewegung, sondern auch Zeitgeist bestimmen dabei neu auszuformende Erwartungen, Berechtigungen und damit verbundene Sanktionierungsmuster. Nicht selten erfordern solche umfassende Änderungen des Rollen- oder Selbstverständnisses strategische Reaktionen von Unternehmen; dies soll anhand der Änderung des „Kundenkonzepts“ von Unternehmen aufgrund veränderter Kundenrollen skizziert werden. In Anlehnung an Kotler/Bliemel (1992, S. 19ff.) lassen sich vier Grundeinstellungen von Unternehmen in Bezug auf ihren Markt und ihre Kunden unterscheiden, die zusammengefasst in Tabelle 5 wiedergegeben werden: Tabelle 5. Vorannahmen über Marktbedürfnisse (Rollen) und unternehmerische Entscheidungskonsequenzen Konzept
Annahmen
Entscheidungskonsequenzen
Produktionskonzept
x Verbraucher bevorzugen Produkte, die weithin verfügbar gehalten werden und kostengünstig sind.
x hohe Fertigungseffizienz x Schaffung eines flächendeckenden Produktionssystems
Produktkonzept
x Konsumenten bevorzugen jene Produkte, die ein Höchstmaß an Qualität, Leistung und gesuchten Eigenschaften bieten.
x Herstellung guter Produkte x Produktverbesserung
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Modul 4: Konfliktarten
Tabelle 5 (Fortsetzung) Konzept
Annahmen
Entscheidungskonsequenzen
Verkaufskonzept
x Verbraucher kauft von sich aus i.d.R. keine ausreichende Menge der vom Unternehmen angebotenen Produkte
x aggressives Verkaufen x aggressive Absatzförderung
Marketingkonzept (Kundenorientierung)
x Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes müssen erst ermittelt werden
x Bedürfnisse und Ziele des Zielmarktes müssen von eigenem Unternehmen wirksamer und wirtschaftlicher zufriedengestellt werden als durch die Wettbewerber
Kontrollfragen 1. Worin besteht der Unterschied zwischen einem Ziel- und einem Mittelkonflikt? 2. Was passiert, wenn x ein Mittel- in einen Zielkonflikt umschlägt? x ein Ziel- in einen Mittelkonflikt umschlägt? 3. Welche Bedeutung haben Rollen im Alltag? 4. Welche wesentlichen Rollenkonflikte gibt es?
Weiterführende Literatur
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Weiterführende Literatur Dahrendorf, R. (1965): Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. München. Funke, J. (2003): Problemlösendes Denken. Stuttgart. Gigerenzer, G./von Bertelsmann, H.K. (2007): Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München. Glasl, F. (2004): Konfliktmanagement. Bern. Kotler, P./Bliemel, F. (2005): Marketing-Management. München. Kreyenberg, J. (2005): Konfliktmanagement. Berlin. Schwarz, G. (2005): Konfliktmanagement. Wiesbaden.
Modul 5: Macht
Zusammenfassung Macht beschreibt die Fähigkeit, das Denken und Handeln anderer Menschen auch gegen deren Willen zu beeinflussen. Der Einsatz von Macht ist an verschiedene Voraussetzung gebunden. Zunächst müssen Menschen Macht einsetzen wollen (Machtmotiv), zum anderen müssen sie über Machtmittel verfügen und eine Berechtigung zu deren Einsatz ableiten können. In offenen Gesellschaften ist dies selbst nicht selten ein Konfliktpunkt. Vertieft werden die verschiedenen Formen der Machtanwendung, aber auch ihre Folgen werden beschrieben. Dieses Modul soll deutlich machen, dass Konflikte und deren Bearbeitung nicht immer „in Augenhöhe“, sondern durch das Ungleichgewicht von Machtmitteln bestimmt sein können. Die Folgen eines Einsatzes machen aber auch deutlich, dass hierdurch Konflikte zu eskalieren drohen.
Machtmotiv Menschen unterscheiden sich in der Ausprägung, ob und wie sie Macht ausüben wollen. Die Machiavellismus-Skala besteht aus 18 Items, durch die eine Machtorientierung beschreibbar ist (in Anlehnung an Henning/Six 1977). Übung 29. Selbsteinschätzung: Machiavellismus
Bewerten Sie sich bitte nach Ihrem eigenen Machiavellismuswert, indem Sie für jedes Item folgende Skala einsetzen: Werte ab 90 Punkten verweisen auf ein sehr ausgeprägtes Machtmotiv; Werte unterhalb von 54 zeigen, dass das Zeigen von Macht für Sie keine hohe Bedeutung hat): Zeit: ca. 20 Minuten
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Modul 5: Macht
Übung 29 (Fortsetzung)
Beantworten Sie die folgenden Fragen, indem Sie diejenige Zahl einkreisen, die Ihrer typischen Einstellung bzw. Ihrem typischen Verhalten entspricht. Beantworten Sie bitte jede Frage. Benutzen Sie folgende Skala: 1 = Ich handle nie auf diese Art und Weise 2 = Ich handle selten auf diese Art und Weise 3 = Ich neige nicht dazu, auf diese Art und Weise zu handeln 4 = Ich neige dazu, auf diese Art und Weise zu handeln 5 = Ich handle oft auf diese Art und Weise 6 = Ich handle immer auf diese Art und Weise
nie
selten
eher nein
eher ja
oft
immer
Machiavellismus – Fragebogen
1.
Im Umgang mit Menschen ist es am besten, ihnen das zu sagen, was sie hören wollen.
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2.
Es ist nicht so wichtig wie man gewinnt, sondern dass man gewinnt.
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3.
Bescheidenheit ist nicht nur unnützlich, sie ist sogar schädlich.
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4.
Jeder ist sich selbst der Nächste.
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5.
Man sollte am Guten solange wie möglich festhalten, aber im Notfall vor dem Schlechten nicht zurückschrecken.
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6.
Um eine gute Idee durchzusetzen, ist es unwichtig, welche Mittel man anwendet.
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7.
Sicheres Auftreten ist mehr wert als Empfänglichkeit für Gefühle.
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8.
Man sollte nur dann den wahren Grund seiner Absichten zeigen, wenn es einem nützt.
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Machtmittel und Machtinstrumente
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Übung 29 (Fortsetzung) Wer sich für die Zwecke anderer ausnützen lässt, ohne es zu merken, verdient kein Mitleid.
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10. Ein weitgestecktes Ziel kann man nur erreichen, wenn man sich manchmal auch etwas außerhalb des Erlaubten bewegt.
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11. In Gesellschaft ist es günstiger, sich der Meinung des jeweiligen Gastgebers anzupassen.
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12. Für das eigene Vorwärtskommen muss die Familie manchmal Opfer bringen.
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13. Man kann ein Versprechen ruhig brechen, wenn es für einen selbst vorteilhaft ist.
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14. Man soll seine Bekanntschaften unter dem Gesichtspunkt auswählen, ob sie einem nützen können.
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15. Meistens ist es günstiger, seine wahren Absichten für sich zu behalten.
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16. Das Wichtigste im Leben ist, nicht den Anschluss zu verlieren.
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17. Wer einem anderen zum Aufstieg verhilft, richtet sich selbst zugrunde.
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18. Man muss die Taten der Menschen nach dem Erfolg beurteilen.
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9.
Machtmittel und Machtinstrumente Personale Macht Auf die Macht der Identifikation weist schon der Vater der Theorie vom Lernen am Modell, Albert Bandura im Jahr 1963 hin. Nicht nur die Verfügungsgewalt über Sanktionierungsinstrumente, sondern auch persönliche Faktoren des Modells erleichtern das Lernen des Beobachters. Hierzu ge-
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Modul 5: Macht
hören u. a. Ansehen, Sympathie, Attraktivität sowie die emotionale Beziehung zwischen Modell und Beobachter. Unsere wissenschaftlich-technische Welt wird entscheidend durch Experten geprägt. Ihren Stellungnahmen, Gutachten oder Untersuchungsergebnissen kommt mit zunehmender Reputation des Experten auch eine zunehmende Einflussnahme zu. Der Einfluss von Experten ist jedoch auch davon abhängig, inwieweit es ihnen gelingt, an die „Meinungskonstruktion“ von Entscheidungsträgern anzuknüpfen. Schaffen Experten diesen Anschluss nicht, entsteht nicht selten das Dilemma, dass nicht die „bessere“ Expertise, sondern die „einfachere“ Darstellung in die Entscheidung einfließt. Nicht allein der Begriff des Informationsmonopols weist auf die Macht des Informationsgebarens hin. Subtile Formen der Ausübung von Informationsmacht besteht auch im Zeitpunkt, wann Informationen zur Verfügung gestellt werden. Beispiel: Die Rache der Sekretärin Führungskreissitzungen werden in der Regel mit Hilfe einer Tagesordnung vorbereitet. Im Wettbewerb um die Tagesordnungspunkte übernimmt die entsprechende Vorstandssekretärin Frau R. eine Schlüsselrolle in zweierlei Hinsicht: Zum einen kommentiert sie die eingebrachten Themen gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden („Das Thema von Herrn X. brauchen wir doch in der Sitzung nicht, oder?“) nach dem Grad der ihr entgegengebrachten Aufmerksamkeit und Sympathie, zum anderen liebt sie es als persönliche Rache gegen alle Führungskräfte unterhalb des Vorsitzenden, die Agenda erst in „letzter Sekunde“ zu übermitteln. Je knapper die Zeit, desto weniger gründlich kann eine Vorbereitung stattfinden. Von Informationsohnmacht sprechen wir gerne mit Hinblick auf die unermessliche Informationsflut im Internet. Gerade auch durch die plebiszitären Möglichkeiten des Netzes und die ungebrochene Mitteilsamkeit der Menschen entstehen Informationskonvolute, die kaum noch ökonomisch zu handlungsbedeutsamen Wissen zusammengefasst werden können. Über Die Macht der Sanktion durch Belohnung und Strafe verfügt jeder, ob formell oder – meist noch wirksamer – informell. Rollenmacht
In sozialen Systemen kommt der Macht weicher Faktoren eine immense Bedeutung zu. Rollen als Handlungsmuster drücken u. a. aus, welche Ver-
Machtmittel und Machtinstrumente
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haltensweisen opportun sind und welche tunlichst nicht an den Tag gelegt werden sollten. Macht durch Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit als Ingredienz einer Person oder eines sozialen Systems kennt vielfältige Schattierungen. Hierzu zählen Authentizität insbesondere bei Ich-Botschaften, Beweisführungen und faktische Untermauerungen bei Sachaussagen, Plastizität und Verallgemeinerbarkeit bei dem Einsatz von Beispielen oder Analogien. Diese Aspekte werden wir später in Modul 11 bei aufgabenorientierten Verhaltensweisen wieder aufgreifen. Macht durch Belohnung und Bestrafung
Sozial-emotionale Zuwendung bildet eines der mächtigsten Machtinstrumente besonders bei solchen Menschen, die von solchen Zuwendungen ausgehungert sind. Das Repertoire umfasst hunderte menschlicher Verhaltensweisen (vgl. Tabelle 6). Tabelle 6. Belohnung/Bestrafung in Abhängigkeit der sozialen Ebene Ebene
Modus der Machtausübung
Personale Ebene
x x x x
Aufmerksamkeit versus ignorieren Antworten versus übergehen Lächeln versus abweisender Gesichtsausdruck Ausreden lassen versus unterbrechen
Gruppale Ebene
x x
x
Zugehörigkeit zu informellen Kreisen Übernahme bestimmter Aufgaben mit hohem symbolischen Wert Sitz- und Platzordnungen Terminverfügbarkeit Gemeinsamer Besuch von nicht-beruflichen Veranstaltungen Einladung zum Essen
x x
Einladung als wichtige Person in Gremien Einladung zu elitären Veranstaltungen
x x x
Formale/offizielle Ebene
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Modul 5: Macht
Verhaltens- und Schicksalskontrolle
Wir hatten in Modul 2 über Belohnungs- und Bestrafungskontingenzen geschrieben und vor diesem Hintergrund das Potenzial einer Drohung betrachtet. Hinter beiden Aspekten steht natürlich der Gedanke, dass sich Menschen durch ihre Kontingenzpotentiale, mit denen sie belohnen oder bestrafen können, unterscheiden. Das Sprichwort, „Wer intensiver liebt, der leidet auch mehr“ macht genau diesen Unterschied deutlich. Liebesentzug wirkt bei dem intensiver Liebenden wesentlich massiver als bei dem weniger intensiv Liebenden. Die Kontingenzpotentiale beschreiben schlichtweg das, was wir unter Macht verstehen: Durch Belohnung und Strafe andere in ihrem Verhalten (und Denken) beeinflussen zu können. Thibaut/Kelley (1959) unterscheiden zwei wesentliche Formen der Machtasymmetrie. Als „Verhaltenskontrolle“ beschreiben die Autoren die Möglichkeit, mit der eine Person oder ein soziales System den Handlungsraum einer anderen Person oder eines anderen sozialen Systems einseitig einschränken kann. Normen, Regeln und Gesetze können als Instrumente der Verhaltenskontrolle ebenso betrachtet werden wie (mitbestimmungspflichtige) technische Lösungen zur Kontrolle von Mitarbeiter/innen. Verhaltenskontrolle ist nicht von vorne herein negativ zu bewerten. Regelungen im eben genannten Sinne sind die Grundlagen eines Miteinanders und Basis unseres Grundgesetzes: Die Freiheit des Einzelnen endet an der Gefährdung der Freiheit des anderen. Ob nun alle damit verbundenen Normen, Regeln und Gesetze sinnvoll sind, steht auf einem anderen Blatt. Beispiel 28 Die von dem deutschen Innenminister geforderte verstärkte Kontrolle der virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten dient nicht nur dazu, kriminelle Vorhaben und deren Koordination aufzuspüren, sondern verfolgt auch den Zweck, kriminelle Machenschaften durch diese Kontrollmöglichkeiten zu verhindern, also Verhaltenskontrolle einzuführen. Keine Frage ist dabei natürlich die Güterabwägung zwischen unserem Demokratieverständnis und möglicher potentiellen Gefährdungen. Schicksalskontrolle besteht nach Thibaut/Kelley (1959), wenn eine Person oder ein soziales System den Handlungsraum einer anderen Person oder eines anderen sozialen Systems, unabhängig von deren Handlungen, einschränken kann.
Machtmittel und Machtinstrumente
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Beispiel 29 Ein Mitarbeiter ist bei einem Vorgesetzten stigmatisiert. Ungeachtet seiner Leistungen und seines Engagements erhält er statt Anerkennung Ermahnungen über Bagatellen, die bei anderen Mitarbeitern nicht wahrgenommen werden oder Anlass zur Bemängelung sind. Übung 30. Verhaltens- und Schicksalskontrolle
Entwickeln Sie je ein Szenario, in denen Sie einer Verhaltens- und einer Schicksalskontrolle ausgesetzt waren. Dauer: ca. 30 Minuten Distanzmacht
Menschen oder größere soziale Systeme von sich bzw. anderen sozialen Systemen in Distanz oder fern zu halten, gilt als Machtinstrument insbesondere in sozialen Gruppierungen. Neben der bereits erwähnten Distanz“lehre“ durch Sitz- und Platzordnungen entstehen andere Formen von Distanz durch x x x x x x
Desinteresse an Personen, Meinungen, Themen Distanzformen der Begrüßung (Typisch: „Guten Tag Herr X“ – „Guten Tag“.) Alle Formen der hierarchischen Positionierung Höhenunterschiede vor und hinter dem Schreibtisch Grad der erlaubten Legerheit Teilnahmeberechtigung an besonderen Events Beispiel 30 Herr A, noch nicht designiertes Mitglied des Vorstandes, sitzt mit Vorstandsvorsitzenden anderer Unternehmen am Frühstückstisch. Auf eine Frage hin antwortet er zwar sachlich korrekt, allerdings in einer frühstücksgerechten Flapsigkeit. Sein legerer Ton wird zurückgewiesen: „Noch tragen Sie nicht das Portepee.“
Die Berechtigung, Forderungen zu stellen und durchzusetzen, wird in der Regel durch formale Normen, Vertragswerke oder durch Gepflogenheiten, die zum Alltagsbestandteil geworden sind, geregelt. Für nicht wiederkehrende Ereignisse leiten sich solche Rechte entweder aus der Position oder aus besonderen Vollmachten ab.
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Modul 5: Macht
Strukturelle Macht Neben militärischer Macht, die hier nicht weiter berücksichtigt wird, besteht ein wesentlicher Machtfaktor in/zwischen Institutionen und Nationen durch den politischen Einfluss der einzelnen Fraktionen bzw. Flügel. Unternehmensentscheidungen werden nicht selten durch mikro- wie makropolitische Einflüsse gestaltet. Hier ist weniger die Rolle des Einzelnen als Mikropolitiker angesprochen, sondern vielmehr die auf zugeschriebenen Plebisziten basierende Einflussnahme. Hierzu gehören nicht nur der Wählerauftrag, sondern auch Ergebnisse von Meinungsumfragen, öffentlichen Meinungsentwicklungen durch die Medien, Fraktionsbildungen (Seilschaften) in Unternehmen usw. Verfügungsgewalt
Als am Ende des ersten Quartals 2007 der amtierende Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, Herr Kleinfeld, sein Mandat durch den Aufsichtsrat nicht wie gewünscht verlängert bekam, wurde dies mit dem Hinweis versehen, dass die amerikanische Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) in einer frühzeitigen Vertragsverlängerung einen Affront sehen könnte. Als ein an der New York Stock Exchange notiertes Unternehmen musste Siemens eine Untersuchung durch die SEC hinsichtlich der Schwarzgeldaffäre annehmen. Das Untersuchungsergebnis, wie immer es ausfällt, hat für Siemens weit reichende Konsequenzen. Durch die versagte Vertragsverlängerung sollte nicht eine Beteiligung von Herrn Kleinfeld unterstellt werden, vielmehr galt dieser Akt – so mögen wir dies einmal interpretieren – als Respektbekundung gegenüber der hohen Verfügungsgewalt der SEC. Das Beispiel macht die Bedeutung von Aufsichtsgremien und entsprechender Institutionen, die mit einem umfassenden Mandat ausgestattet sind deutlich. Interpretationsgewalt
Neben den staatlichen und ihnen untergeordneten Gremien kommen insbesondere anerkannte Personen oder Institutionen an das Privileg der Interpretationsgewalt. Hierzu gehören, katholische Glaubensfragen betreffend, der römisch-katholische Papst, aber auch anerkannte Institutionen der Meinungsbildung, heißen sie Amnesty International, Weltbank oder UNO. Ein medienwirksames Beispiel persönlicher Interpretations- und Wortgewalt ist sicherlich Marcel Reich-Ranitzki, der sich über Jahrzehnte zum „Literaturpapst“ entwickeln konnte.
Machtmittel und Machtinstrumente
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In der multimedialen Welt entstehen parallel immer mehr Muster plebiszitärer Interpretationsgewalten wie die bereits erwähnten Konsumentenplattformen oder stark in Mode gekommenen Web-Logs. Illegitime Macht
Neben den Gefahren, bestehende Rechte, Normen oder Ethiken durch Machtanwendung zu überschreiten, besteht ein prägender Teil des Missbrauchs von Macht durch illegitime Anwendungen, hierzu gehören Formen der physischen und psychischen Gewalt ebenso wie der Versuch, Forderungen durch Attentate, deren Androhung und Geiselnahmen durchzusetzen. Übung 31. Machtformen im Alltag
Beschreiben Sie zu jeder der vier Machtformen ein Beispiel aus Ihrem oder dem medialen Alltag. Dauer: ca. 30 Minuten Finanzielle bzw. ressourcenbezogene Macht
Die „Herrschaft durch Vermögen“ (Plutokratie) durchzieht die Geschichte wie ein roter Faden. Auch wenn unsere Demokratien die gesellschaftlichen Beteiligungschancen aller Bürger grundrechtlich absichern, steht es außer Frage, dass auch heute, gerade im Zuge neoliberaler Entwicklungen, Vermögensmacht eine entscheidende Rolle in sozialen Systemen spielt. Auf der personalen Ebene erhöhen Statussymbole die Attraktivität von Menschen. Auf der wirtschaftlichen Ebene können wir drei zentrale Tendenzen erkennen: Finanziell „gesunde“ Unternehmen verfügen über einen größeren Kreditspielraum und können sich so wesentlich flexibler an Veränderungen anpassen. Erfolgreiche Großunternehmen nutzen ihre Macht, um in einigen Fällen oligopole Strukturen, mit zum Teil illegitimen Mittel (z. B. Preisabsprachen), zu errichten. Zum Teil existieren weltweit monopolähnliche Unternehmen, die einen umfassenden Einfluss auf Gesellschaften und Märkte ausüben. Noch bedenklicher sind Entwicklungen, in denen nicht nur eine Produktmacht, sondern zudem auch eine Medienmacht verknüpft sind. Je stärker sich solche „Wirtschaftsplutokratien“ ausdehnen, desto geringer wird der Entscheidungsspielraum kleiner und mittelständischer Unternehmen, insbesondere, wenn sie als Mitglied in einer Zulieferantenkette agieren.
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Modul 5: Macht
Folgen des Machteinsatzes Menschen und andere soziale Systeme reagieren auf Machteinsatz mit unterschiedlichen, von der Sache und der Situation abhängigen, Mechanismen. Diese sind: x x x x x x
Akzeptanz und Identifikation Gefolgschaft (Compliance) Trotz (Reaktanz) Widerstand Koalitionsbildung Verhandlung
Akzeptanz und Identifikation Die einfachste Situation besteht darin, ein „Machtwort“ ohne Widerspruch anzuerkennen, weil es nachvollziehbar und widerspruchsarm in die eigene Konstruktion eingebettet werden kann. Ein deutscher Kanzler machte von sich Reden, als er als „Basta-Kanzler“ durch die Medien ging (Google: 1.280 Treffer). Wir erwähnen dies hier, weil natürlich nicht jede Frage, jedes Problem im realen Leben ausdiskutiert werden kann und ein Machtwort sicherlich nicht immer die eleganteste, aber hin und wieder die effektivste Entscheidungsform bildet. Machtworte können allerdings auch verunsichern, wenn sie an Konsequenzen appellieren, die im Repertoire des Adressaten nicht vorhanden sind oder bei ihm einen starken kognitiv-emotionalen Widerspruch, hier sprechen wir später von kognitiver Dissonanz, erzeugen. Gefolgschaft Stehen für den Fall, dass ein Machtwort nicht akzeptiert werden kann, weder Handlungs- noch attraktive Alternativen zur Verfügung, besteht eine gängige Möglichkeit in der Unter- oder Einordnung zur Verfügung. Sie ist häufig von einer reaktiven Akkommodation begleitet (siehe Modul 1), dass heißt, die geforderten Optionen werden in die eigene Wirklichkeitskonstruktion integriert. Einstellungswandel hat sehr deutlich mit solchen Mechanismen zu tun. Gefolgschaft kann aber auch zu einer veränderten Kommunikation und darin zu einem gemeinsamen Lernen führen. In der Medizin wird gerne von Patienten-Compliance gesprochen. Dieser Prozess ist auch für Kon-
Folgen des Machteinsatzes
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fliktlösungen in Form von Personal- und Organisationsentwicklung von Bedeutung. Beispiel 31 Diabetes-II Patienten müssen ihren Lebensstil, hier insbesondere die körperlichen Aktivitäten und Ernährungsverhalten in Abhängigkeit der Insulindosen, nachhaltig verändern. Kliniken haben daher umfassende Schulungsprogramme entwickelt, deren Ziel es ist, dass die Patienten nicht nur die entsprechenden Zusammenhänge kennen, sondern in ihren Alltag pragmatisch integrieren. Viele Schulungsprogramme, die unter dem Begriff der Anpassungsmaßnahmen zusammengefasst werden, lieferten noch bessere Ergebnisse, wenn sie die Akribie solcher Complianceprogramme übernähmen. Nichtgefolgschaft führt zum Konflikt – und wenn es mit der eigenen Gesundheit ist. Trotz Nicht nur Kinder sind trotzig. Arbeitsverweigerung oder die Weigerung, Wissen weiterzugeben, sind typische Erwachsenenmuster als Reaktionen auf machtvoll durchgesetzte Erwartungen. Während solche Verweigerungen in ernsthafte Konflikte münden können, ist die eher emotionale Schmollreaktion eine harmlose Variante, um nicht vorhandenes Einvernehmen auszudrücken. Schließlich treffen wir immer wieder auf das Phänomen – auch bei Erwachsenen – das Gegenteil vom Geforderten zu tun. Wer seine Pappenheimer kennt, wird dies taktisch einsetzen können – allerdings ohne Garantie bzw. Gewährleistung. Beispiel 32 Zwei in einem (eher irrational anmutenden) Wettbewerb stehende Manager liefern sich Argumentationsschlachten, die sie eifersüchtig auf ihre Wirkung gegenüber Dritten hin beobachten. Für Lösungsprozesse sind diese Auseinandersetzungen eher unproduktiv. Die Situation entspannt sich, nachdem einer der Akteure dazu übergeht, eher das Gegenteil (soweit dies formulierbar ist) von dem vorzuschlagen, was er eigentlich zu sagen beabsichtigt. Hieraus entstehen Lösungen, in denen er im ersten Schritt als vermeintlicher Verlierer gegenüber den Dritten dasteht. Sehr bald durchschaut das Publikum allerdings dieses Spiel.
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Modul 5: Macht
Widerstand Widerstand ist die willentlich und nicht selten auch organisierte Form, machtvoll angetragene Forderungen zu unterlaufen. Passiver Widerstand in Form von Dienst nach Vorschrift über politische Willensbildungsprozesse sind noch die „kultiviertesten“ Ausprägungen. Widerstand droht aber auch immer wieder, in individuelle oder von Gruppen organisierte Sabotage überzugehen. Die Kosten für diesbezügliche Sabotageakte werden allein in Deutschland auf über sechs Milliarden Euro geschätzt, ohne dass hierüber gerne gesprochen wird1. Koalitionsbildung Bereits oben hatten wir auf die Mechanismen hingewiesen, durch Koalitionsbildungen Macht oder Gegenmacht aufzubauen. Insbesondere innerhalb von Unternehmen bilden sich auf den verschiedenen Führungsebenen schnell Koalitionen, um Gruppeninteressen besser zu artikulieren, ihnen mehr Umsetzungskraft zu verleihen oder einfach auch nur, um die eigene Position zu stabilisieren. Solche Koalitionen sind natürlich nicht immer konstruktiv, zielen sie doch häufig darauf ab, Altes zu bewahren und Veränderungen, wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern. Verhandlung Qua Macht etwas durchzusetzen und hierdurch einen Konflikt auszulösen, bedeutet in einer offenen Gesellschaft ja nicht resignative Hingabe. Gerade das Instrument der Verhandlung ist geeignet, auf Macht basierende Forderungen, Regeln usw. für entsprechende Entscheidungen zu nutzen, zu modifizieren oder auch aufzuheben. Unsere Gesellschaften kennen hier sowohl formelle Strukturen (z.B. Betriebsverfassungsgesetz) als auch persönliche Muster zwischen Akteuren. Häufig besteht bei letzteren die Kunst darin, eine machtbasierte Entscheidung ohne Gesichtsverlust zu verändern. 1
Die Studie von Ernst & Young aus dem Jahr 2002 spricht sogar für das Jahr 2001 von einem polizeilich registriertem Schaden von 6,7 Mrd. Euro, verursacht durch wirtschaftskriminelle Handlungen. Staatsanwälte und Wirtschaftsverbände schätzen, dass den Betrieben jährlich Verluste in einer Größenordnung von 35 Mrd. DM (Gestmann, 1998) durch schädigendes und zerstörerisches Mitarbeiterverhalten entstehen (vgl. http://www.umweltbundes amt.de/anlagen/ EUN_A2_ Manual.pdf; Download vom 17.10.2007).
Weiterführende Literatur
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Kontrollfragen 1. 2. 3. 4.
Worin unterscheiden sich Verhaltenskontrolle und Schicksalsmacht? Wie kann man Machtmotivation messen? Welche Grundformen der Machtausübung gibt es? Welche Folgen des Machteinsatzes kennen Sie?
Weiterführende Literatur Bandura, A./Walters, R.H. (1963): Social Learning and Personality Developement. New York. Bourdieu, P. (1992): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur. Hamburg. French, J. P. R. Jr./Raven, B. (1960). The Bases of Social Power. In D. Cartwright/Zander (eds.): Group dynamics (pp. 607623). New York. Henning, H.J./ Six, B. (1977): Konstruktion einer Machiavellismus-Skala. Zeitschrift für Sozialpsychologie, Band 8, S. 185198. Lewicki, R.L./Hiam, A./Olander, K.W. (1996): Verhandeln mit Strategie. St. Gallen. Popitz, H. (1992): Phänomene der Macht. Tübingen. Thibaut, J.W./Kelley; H.H. (1959): The Social Psychology of Groups. New York.
Modul 6: Konfliktbedingungen und reaktive Formen der Konfliktbewältigung
Zusammenfassung Auf Konflikte reagieren Menschen unterschiedlich. Die Form der Konfliktbewältigung wird entscheidend durch Situation, individuelle Disposition und individuelle Kompetenz beeinflusst. Diese beiden individuellen Faktoren werden dargestellt. Bevor wir uns in den Modulen 1113 mit den proaktiven Formen der Konflikthandhabung – nämlich Verhandlung und Konfliktprophylaxe – auseinandersetzen, stellen wir hier sieben Stile einer im weitesten Sinne reaktiven Konfliktbearbeitung vor. Sie reichen von der negativen Verhinderung über die Verzögerung und Vermeidung bis hin zur Verdrängung und Flucht. Die aufgezwungene Konfliktlösung stellt Möglichkeiten der Konfliktbewältigung mit Hilfe oder durch neutrale Dritte vor. Nicht alle hier erörterten Formen müssen zwingend reaktiv sein, sie können kurzfristig auch deeskalierend und entspannend wirken. Insgesamt aber erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit einer Konflikteskalation, sei es in Form eines anwachsenden intrapsychischen oder interpersonalen Konfliktes.
Konfliktbewältigung Menschen resp. soziale Systeme reagieren unterschiedlich auf Konflikte. Ihre Reaktionsmuster sind durch die eigene Konfliktdisposition, Kompetenz, durch die Interpretation der Situation sowie durch die antizipierten Lösungsmöglichkeiten beeinflusst. Hinzu können situative Elemente wie Stimmung oder aktuelle Energie kommen.
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
Konfliktdisposition Menschen sind unterschiedlich aufgeschlossen, mit Konflikten umzugehen. Thomas/Kilmann entwickelten 1972 das Conflict Mode Instrument, mit dem sie fünf Stile im Konfliktumgang herausarbeiteten: x
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Kompetitive Konfliktdisposition: Menschen, die diesen Stil bevorzugen, wissen was sie wollen und nehmen Positionen ein, die sie nicht so schnell wieder aufgeben. Sie verfügen häufig über Macht, mit der sie die Positionen durchsetzen. Kollaborative Konfliktdisposition: Menschen, die sich eher als behilflich und unterstützend wahrnehmen, tendieren dazu, die Interessen der anderen in die eigene Position einzubeziehen. Obgleich sie nicht minder durchsetzungsfähig sein können wie die Kompetitiven, ist ihre Kooperationsbereitschaft von der Einsicht getragen, dass jeder im sozialen System von Bedeutung ist. Kompromissorientierte Konfliktdisposition: Kompromissbereitschaft bedeutet in diesem Zusammenhang, einen Konflikt so zu bewältigen, dass die Lösung weitgehend fair ausfällt. Diese Menschen erwarten, dass die Konfliktbereinigung einen Austausch von Geben und Nehmen darstellt. Anpassungsorientierte Konfliktdisposition: Menschen mit dieser Orientierung versuchen Konflikte zu entschärfen bzw. aufzubereiten, indem sie zu Lasten der eigenen Interessen nachgeben. Sie sind kooperativ orientiert, jedoch weniger durchsetzungsstark. Ausweichen als Konfliktdisposition: Diese Menschen versuchen, Konflikten auszuweichen. Kommt es zur Konfliktbearbeitung, akzeptieren sie auch „faule Kompromisse“, um eine Konfliktverschärfung zu verhindern.
Kompetenz In Anlehnung an Heyse/Erpenbeck (2003) ist Kompetenz die Fertigkeit, auf der Basis von Wissen (explizit und implizit) selbstorganisiert zu denken und zu handeln. Verhandlungskompetenz setzt eine Vielzahl grundlegender sozial-kommunikativer und domainspezifischer Fertigkeiten voraus (vgl. auch Spangle/Isenhart 2003).
Konfliktbewältigung
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Im Rahmen des Konfliktmanagements wollen wir folgende Elemente unterscheiden: x
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Konfliktanalytische Fertigkeiten beschreiben die Analyse und Bewertung von Konflikten aus der eigenen und aus der Sicht des Kontrahenten, mit dem Ziel, hieraus Lösungsmöglichkeiten abzuleiten. Kommunikative Fertigkeiten fokussieren insbesondere die Grundformen der Gesprächssteuerung, die Formen des aktiven Zuhörens sowie ein Repertoire, durch verschiedene Fragetechniken Informationen anzufordern. In vielen Verhandlungssituationen treten Akteure wiederholt oder für eine längere Zeit auf. Freundlich und offen miteinander umgehen zu können, auch wenn in der Sache „hart“ verhandelt wird, wirkt deeskalierend und trägt zu einer offeneren Atmosphäre bei, durch die Lösungsmöglichkeiten auch einfach einmal nur angedacht werden können. Die Bedeutung der Kreativität sollte nicht unterschätzt werden. Gerade in festgefahrenen oder deutlich problemorientierten Konflikten liegen Lösungsalternativen häufig außerhalb der vorherrschenden Kognitionen. Als Transgressionskompetenz bezeichnen wir das Vermögen, komplizierte Zusammenhänge so zu vereinfachen, dass auch Nichtexperten in die Lage versetzt werden, diese Zusammenhänge zu begreifen und Entscheidungen treffen zu können. Die Steuerung von Verhandlungsprozessen umfasst zum einen die Fertigkeit, sprachliche Beiträge in Taktiken und damit verbundener Strategien zu übersetzen. Zum anderen beinhaltet diese Kompetenz, die eigenen Strategien so einzusetzen, dass das Verhandlungsprozedere weitgehend konstruktiv auf eine Lösung hin verläuft. Komplexitätskompetenz meint, komplexe Zusammenhänge erfassen und zu mentalen Bildern zusammenfügen zu können. In Bezug auf Konflikte ist damit insbesondere gemeint, vor dem Hintergrund der eigenen Konfliktdisposition und motivationalen Orientierung Lösungen zu entwickeln, die weniger der eigenen Orientierung, sondern einer Effizienzorientierung gehorchen. Eine hohe Konkurrenzorientierung sollte zum Beispiel nicht davon ablenken, dass strategische Kooperationen nachhaltig effizienter sein können.
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
Interpretation der Situation: Unter der Interpretation der Situation fassen wir die kognitiv-emotionale Konstruktion des Konfliktes zusammen. Wie wir später sehen werden, machen wir uns ein Bild von der Entstehung, der Entwicklung, den Folgen und dem weiteren Verlauf eines Konfliktes. Aussicht auf eine Lösung: Je geringer die Chancen eingeschätzt werden, dass ein Konflikt „fair“ gelöst werden kann, desto geringer ist die Bereitschaft, ihn bearbeiten zu wollen.
Handhabungsformen von Konflikten Nimmt eine Person bzw. ein soziales System an, dass die Kosten infolge einer Konfliktbearbeitung höher sind als die aktuellen Kosten im Konflikt, besteht die Tendenz, den Konflikt nicht konstruktiv bearbeiten zu wollen. In Anlehnung an Braun (1979) unterscheiden wir vier Handhabungsformen von Konflikten: x
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Zum einen lassen sich anbahnende oder aus der Erfahrung heraus antizipierbare Konflikte verhindern, indem entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen sind. Diese stellen wir in Modul 13 dar. Konfliktprophylaxe reduziert, verhindert aber nicht, dass Konflikte entstehen, sie sind im Sinne von Dahrendorf (1972) allgegenwärtig und nicht vermeidbar. Als reaktiven Umgang mit Konflikten bezeichnen wir die Formen negative Verhinderung, Verzögerung, Vermeidung, Verdrängung, Flucht und Unterdrückung. Reaktiv sind sie, insofern die Umgangsformen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Qualität der sozialen Beziehung verschlechtern, sogar zur Eskalation führen können. Suboptimal sind aufgezwungene Konfliktlösungen, die als Minimalvereinbarung gelten können. Sie mögen zwar vorübergehend den Konflikt entschärfen, die Gefahr, dass er in anderer Form wieder auftritt, ist jedoch sehr groß, soweit durch den Zwang keine kognitiven Veränderungen stattfinden. Von einer proaktiven Konfliktbewältigung sprechen wir, wenn die Beteiligten eine Lösung erarbeiten, die zumindest die Qualität vor dem Konflikt wieder herstellt. Sie behandeln wir in Modul 13.
In Abb. 14 werden diese Überlegungen zusammengefasst dargestellt.
Elemente reaktiver Formen der Konfliktbearbeitung
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Abb. 14. Konfliktbewältigungsformen
Zusammenfassend können wir sagen: Die bevorzugte Form einer Konfliktbearbeitung besteht aus einer Wechselwirkung aus Situation, Konfliktdisposition und Konflikt- und Verhandlungskompetenz.
Elemente reaktiver Formen der Konfliktbearbeitung Wir sprechen von in der Tendenz reaktiven Formen der Konfliktbearbeitung, wenn durch die Verhaltensweisen mindestens einer Person der Konflikt nicht mit dem Ziel aufgegriffen wird, ihn so zu bewältigen, dass die Qualität des sozialen Systems wieder hergestellt resp. verbessert wird. „In der Tendenz“ bedeutet, dass durchaus auch in den nachfolgend beschriebenen Aktionsmustern Möglichkeiten bestehen, den Konflikt zumindest temporär zu deeskalieren oder ihn durch Anpassung zu lösen. Negative Verhinderung Eine negative Verhinderung liegt vor, wenn Menschen in Erwartung eines Konfliktes Verhaltensweisen wider die eigene Einstellung an den Tag le-
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
gen, um einen Konflikt nicht aufkommen zu lassen oder seine Eskalation nicht fortzuschreiben. Beispiel 33 Das Unternehmen A fordert von Unternehmen B einen Preis, durch den sich der Gewinn von B existentiell verringert. Kurzfristig stehen dem Unternehmen B keine Maßnahmen zur Prozessoptimierung zur Verfügung, durch die die Stückkosten deutlich gesenkt werden können. Auch fehlt eine attraktive Alternative in Form eines anderen Abnehmers. Das Unternehmen B beugt sich der Preisforderung und beschließt erstens, die Prozesse nachhaltig zu optimieren und zweitens einen verbesserten Absatz sicherzustellen. Übung 32. Negative Verhinderung
Nennen Sie aus Ihrem Alltag Situationen negativer Verhinderung. Dauer: ca. 15 Minuten
Verzögerung der Konfliktbewältigung Konflikte sind uns mehr oder weniger suspekt wenn wir erwarten, dass eine befriedigende Bewältigung nicht in Aussicht steht. Subjektiv empfinden wir es als erträglicher, mit dem Konflikt zu leben. In der Tat schätzen wir (emotional und gedanklich) einen Ertrag ab: Welche Kosten entstehen, wenn der Konflikt fortbesteht gegenüber den Kosten, die durch eine Bewältigung entstehen können? Da der Ausgang einer Konfliktbewältigung offen ist, besteht eine Vielfalt möglicher Kosten, z.B. absehbare Zugeständnisse, die möglichst vermieden werden sollten, unzureichende Argumente, mit denen die eigene Position begründet und verteidigt werden kann, vermeintlich stärkere Argumente des Anderen, die Gefahr, als Verlierer aus dem Konflikt herauszugehen oder Zeit- und emotionale Aufwendungen. Argumente, durch die eine Konfliktbewältigung verzögert werden kann, sind leicht gefunden. „Ich komme morgen darauf zurück“ oder „Lass’ uns morgen darüber reden, heute bin ich zu geschafft“ sind typische private Muster, durch die wir die Existenz des Konfliktes anerkennen, ihm aber dennoch aus dem Weg gehen wollen. Anderntags ist dann wieder keine Zeit. Dies bedeutet, andere Tätigkeiten und Erledigungen haben eine höhere Priorität. In der Zwischenzeit tritt der Konflikt nicht auf und seine auslösenden Empfindungen und die damit verbundenen Gedanken verblassen bis zur
Elemente reaktiver Formen der Konfliktbearbeitung
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nächsten wiederkehrenden Situation. In institutionellen Umgebungen werden Konflikte verzögert, indem Konferenztermine spät angesetzt werden, auf Dritte verwiesen wird oder ein Termin für ein Gespräch erst Tage oder Wochen später vergeben wird. Solche Verzögerungstaktiken werden auch gerne eingesetzt, um Zeit zu gewinnen, sei es mit dem Ziel, Allianzen im Hintergrund zu bilden, weitere Informationen zu sammeln oder an verschiedenen Lösungsszenarien zu arbeiten. Beispiel 34 In einer Vertragsverhandlung zwischen zwei Unternehmen kommt es zu Formulierungen, die von einer der beiden Parteien nicht angenommen werden können. Sie sind grundlegend. Statt einer Verhandlung über diese Vertragspassagen verzögert das Unternehmen weitere Gespräche mit dem Hinweis, der Vertrag werde im Aufsichtsrat diskutiert und anschließend juristisch gewürdigt. Mit diesen Hinweisen entsteht Zeit, Alternativen zu erarbeiten. Eine andere Variante der Verzögerung besteht darin, die vereinbarte Lösung anzuerkennen, sich jedoch nicht daran zu halten und dies im Einzelfall auch begründen zu können. In der Erfindung von Ausreden, die konkrete Situation als Sonderfall einer allgemeinen Vereinbarung zu erklären, sind Menschen äußerst kreativ. Langanhaltende Verzögerungen von Konfliktbewältigungen bauen auch auf die Resignation des Anderen. Die an eine Person gestellten Erwartungen, die den Konflikt begründen, werden immer wieder eingefordert, bis der Gewöhnungsprozess dazu führt, dass die Erwartungen angepasst worden sind. Dies gilt auch im umgekehrten Fall, in dem Erwartungen nicht erfüllt werden, bis sie nicht mehr erwartet werden. Beispiel 35 Wir alle kennen die Sprachregelung, „jemand sitze etwas aus“. Diese Methode erfreut sich großer Beliebtheit in allen Institutionen. Formulierte Erwartungen werden ignoriert oder durch Scheinargumente abgewehrt. In einem Unternehmen wehrte ein Manager eine Tagung mit Kunden ab, indem er laufend andere Termine forderte, die Tagesordnung und Referentenliste ständig änderte und insgesamt über den Sinn und Zweck der Veranstaltung nörgelte. Dieses Verhaltensmuster legte er solange an den Tag, bis der Initiator aufgab und die Tagungsabsicht annullierte.
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
Übung 33. Konfliktverzögerungen
Listen Sie mindestens einen aktuellen Konflikt auf, in dem Verzögerungen zu seiner Bewältigung auftreten und formulieren Sie die mutmaßlichen Absichten der Verzögerung. Dauer: ca. 30 Minuten
Vermeidung Wir vermeiden Verhaltensweisen gerne dann, wenn wir davon ausgehen, dass dieses Verhalten negative Konsequenzen, d.h. Bestrafung, nach sich zieht und positive Folgen, d.h. Belohnungen nicht in Aussicht stehen. Dieser Mechanismus kann durch die Grundlagen der Lerntheorien (Skinner, 1974) gut erklärt werden. Danach bauen wir besonders solche Verhaltensweisen auf und aus, die belohnende Konsequenzen zur Folge haben und verhindern Verhaltensweisen, die bestrafende Folgen anzeigen (siehe Modul 5). Vermeiden heißt also, negativen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen oder den Entzug positiver Konsequenzen zu verhindern. In unserem Konfliktalltag spielen solche Situationen eine überwältigende Rolle, gerade weil wir uns dieser Dynamik gar nicht bewusst sind. Beispiel 36 Mitarbeiter A durchlebt einen Konflikt infolge der Erwartungen seines Vorgesetzten: Er soll einen Bericht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeben. Andere Aufgaben, die auch in der Einschätzung des Vorgesetzten eine höhere Priorität besitzen, rauben jegliche Zeit, um diesen Bericht erstellen zu können. Obwohl der Mitarbeiter sehr engagiert ist, vermeidet er es, den Vorgesetzten auf diesen Konflikt anzusprechen. Er befürchtet, dass ein falscher Eindruck „hängen“ bleiben könnte und seine Leistungsbeurteilung gefährden würde. Solche Befürchtung ist nicht einmal unbegründet. Schließlich neigen wir zu einer selektiven Wahrnehmung, in der besonders nicht erwartete oder besondere Verhaltensweisen erinnert werden. Das tägliche Engagement ist selbstverständlich und wird kaum noch besonders wahrgenommen. Was als positive oder negative Folge eines Verhaltens gewertet wird, unterliegt bei weitem der subjektiven Interpretation einer Person. A würde gerne an B eine Bitte äußern, von der A annimmt, B werde diese verärgert
Elemente reaktiver Formen der Konfliktbearbeitung
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abschlagen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass A diese Situation vermeidet. Auf der anderen Seite könnte A natürlich auch denken: Steter Tropfen höhlt den Stein und er könnte sich freuen, wenn B sich als Folge seiner Äußerung ärgert. Unter dieser Prämisse wären die kurz- und langfristigen Folgen positiv: A erwartet, dass in nächster Zukunft seiner Bitte entsprochen wird und „labt“ sich auf dem Weg dorthin am Ärger von B. Übung 34. Konfliktvermeidung
Listen Sie zwei Konflikte aus ihrer Erfahrung auf, die sich durch Vermeidung auszeichnen. Formulieren Sie die Gründe für die Vermeidung. Dauer: ca. 30 Minuten
Verdrängung Unangenehme Gedanken, die uns in irgendeiner Form gefährden können, neigen dazu, dann verdrängt zu werden, wenn für diese Gedanken und den damit verbundenen Erfahrungen keine Lösungsmuster zur Verfügung stehen. Dabei unterscheiden wir zwei Formen der Verdrängung: die bewusste und die unbewusste. Die letztere reicht in den Bereich der Psychopathologie und soll hier nicht thematisiert werden. Bewusste Verdrängung liegt vor, wenn unangenehme Gedanken durch positive Gedanken überlagert respektive ausgeblendet werden. Neben individueller Verdrängung spielen kollektive Verdrängungsmechanismen von Gruppen, Institutionen oder Gesellschaften eine große Rolle. Von kollektiver Verdrängung sprechen wir, wenn die Mehrheit einer Gruppe den Verdrängungsmechanismus aktiv oder passiv unterstützt. Die öffentlichen Medien unterstützen diese Mechanismen, indem sie durch die Selektion ihrer Informationen und Berichte an den Ausblendungen teilnehmen. Insofern verhalten sie sich in der Tendenz verdrängungskonform. Die Verdrängung von Konflikten kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden und findet ihren Ausgangspunkt bei einem Phänomen, das in der Literatur als „group think“ diskutiert wird: Janis/Mann (1978) haben festgestellt, dass sich bestimmte Gruppen dadurch auszeichnen, dass nicht die Problemlösung, sondern die Aufrechterhaltung positiver Emotionen als Primärziel der Gruppenaktivität bezeichnet werden muss. Genauere Analysen zeigen, dass hier folgende Effekte nachgewiesen werden können: Scheinsicherheit, kollektive Vernunft, Gruppenmoral, Abwehr gegenüber externen Informationen, geteilte Klischees, Selbst-Zensur, Konsens-Illusion, Druck auf Abweichler:
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
In Organisationen finden sich häufig solche Phänomene, die als Verdrängung von relevanten Informationen gedeutet werden können – z.B. in der Kommunikation zwischen Managern und Experten. Bekannte Beispiele hierfür sind der misslungene „Elch-Test“ bei Daimler Chrysler zur Einführung des Smart oder aber die ChallengerKatastrophe: In beiden Fällen ignorierten bzw. verdrängten die verantwortlichen Manager relevante Informationen der Experten, so dass der Fehlschlag bzw. das Missgeschick unsausweichlich wurde. Auch in Gesellschaften lassen sich eine Reihe von Verdrängungseffekten identifizieren, die dort häufig unter der Überschrift des „Tabus“ auftauchen: Greift man beispielsweise auf das Thema „Ausländerintegration“ zurück, so kann man erkennen, dass die allgemeine „MultiKulti-Euphorie“ die angemessene Wahrnehmung – und rechtzeitige Handhabung – des Integrationsproblems verhindert hat. Ähnliche Beispiele lassen sich bei dem Thema „Euthanasie“ finden: Steigende Nachfrage bei entsprechenden Sterbehilfe-Organisationen und sogar steigende Selbsttötungsraten bei Senior-Innen werden bislang nicht als Resultat eines ökonomischen Problems erkannt und diskutiert.
Unterdrückung Die machtpolitische Unterdrückung gesellschaftlicher Konflikte können wir täglich den Medien entnehmen. Sie sind so vielfältig, dass wir sie als Laien selten erinnern und als historischen Prozess abbilden können. Der Mechanismus ist – bei allen Unterschieden im Einsatz der Mittel – immer derselbe: Konflikte werden nicht zugelassen und der Einsatz von Machtinstrumenten verhindert sowohl die Anerkennung des Konfliktes wie seine Bewältigung. Der Mitteleinsatz kann dabei subtil sein und basiert darauf, Sanktionen anzudrohen und entsprechend einzusetzen. Die Drohung eines Unternehmens, seinen Werbeetat zu verlagern gehört ebenso zu den gängigen Instrumenten wie beispielsweise die unausgesprochenen Hinweise eines Unternehmens, bei bestimmtem „nonkonformistischen“ Verhalten eine Beförderung zu verhindern oder zu verzögern. Gerade in Unternehmen spielt die Konfliktbereitschaft Einzelner in Abhängigkeit der vorherrschenden Konfliktkultur eine entscheidende Rolle. In vielfältige Personaldiskussionen fließen nicht nur Kompetenz, Engagement und Leistungsbereitschaft, sondern auch die Konfliktkonformität ein. Auch das Privatleben kennt Mechanismen zur Konfliktunterdrückung, die als solche gar nicht sofort erkennbar sein müssen. Bemühen wir ein Beispiel aus dem Klischee der Geschlechterrollen. Die Frau will nach dem Babyjahr
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ihre berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen und erwartet von ihrem Mann, sich an Erziehung und Haushalt entsprechend zu beteiligen. Er stimmt zu, bemüht sich gleichzeitig um eine berufliche Beförderung mit dem Ziel, seinen zukünftigen Mehraufwand an Arbeit als Begründung einbringen zu können, nun doch nicht mehr als Unterstützer für die Familienaufgaben zur Verfügung stehen zu können. Er stellt seine berufliche Entwicklung als einmalige Karrierechance dar, der sich – zum Wohle aller – die Familie untergliedern sollte. Übung 35. Kollektive Konfliktunterdrückung
Nennen Sie für folgende Situationen je ein Beispiel aus eigener Erfahrung oder aus den Medien: Kollektive Unterdrückung auf gesellschaftlicher, unternehmerischer und privater Ebene. Dauer: ca. 45 Minuten
Flucht Von Flucht sprechen wir, wenn ein soziales System insgesamt oder in bestimmten Bereichen verlassen wird, um erwarteten negativen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen. Hierzu zählen sowohl politisch motivierte, individuelle als auch Massenfluchten ebenso wie „mikroskopischgesellschaftliches“ Verhalten, etwa Fahrerflucht, die Flucht in die Krankheit oder in Kopfschmerzen, aber auch die Flucht in andere Aufgaben, die eine positive Belohnung versprechen. Beispiel 37 A soll eine Expertise erstellen, von der er/sie weiß, dass das Ergebnis zu starken Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten führen wird. A vermeidet nicht nur, das Konzept zu erarbeiten, sondern flieht in eine Aufgabe, deren Wichtigkeit als Grund eingesetzt wird, die Expertise noch nicht abgeschlossen zu haben(!).
Institutionalisierte Konfliktlösung Anerkannte Konflikte, die unmittelbar nicht verhandelbar oder nicht mehr verhandelbar sind, werden – häufig – durch Dritte „verordnet“. Institutionell stehen hierfür eine Reihe von Gremien zur Verfügung:
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Modul 6: Reaktive Formen der Konfliktbewältigung
Der Ombudsmann: Verschiedene Organisationen bedienen sich per Verordnung oder freiwillig eines Ombudsmannes, der ohne komplizierten Apparat einen Streitfall neutral betrachten soll, indem er die von den Parteien vorgebrachten Argumente abwägt und unter Berücksichtigung von Folgekosten eine für die Parteien akzeptable Lösung empfiehlt. Ombudsmänner und -frauen finden sich in Gremien der UNO, auf politischen Ebenen und in der Privatwirtschaft, z.B. in den verschiedenen Kreditbranchen. Der Schlichter: Gerade in festgefahrenen Tarifkonflikten werden nicht selten Personen gesucht, die Kraft ihrer Reputation zwischen den Parteien zu vermitteln suchen, um aus der Perspektive des Dritten eine Einigung zu erzielen, in denen die Kontrahenten keinen Gesichtsverlust erleiden. Das Schiedsamt: Um insbesondere Amtsgerichte zu entlasten, bietet die Rechtssprechung eine „vorgerichtliche“ Verfahrensform an, in der Schiedsmänner und -frauen im Rechtskonflikt stehenden Personen einen friedlichen Ausgleich anbieten. Der Bereich umfasst zivilrechtliche und geringe strafrechtliche Auseinandersetzungen. Petitionsausschuss: Bundestag und Landtage verfügen über Petitionsausschüsse, um Bürgern, die sich ungerecht behandelt fühlen, eine Einigungsforum anzubieten. Der neutrale informelle Dritte: Niemand ist im Konfliktfall daran gehindert, einen neutralen Dritten als Vermittler zu berufen. Dabei müssen die Kontrahenten jedoch vorab klären, ob eine etwaige Empfehlung des Dritten für sie verbindlich ist. Die Richtlinienkompetenz: Institutionen regeln durch sog. Kompetenzpläne die Durchgriffsrechte insbesondere ihrer Führungskräfte. Durch sie sind Manager in der Lage, gerade auch in Konflikten qua Machtwort Anweisungen zu erteilen.
Kontrollfragen 1. Welche Ausprägungen hat der Begriff „Konfliktdisposition“? 2. Welche Bedeutung haben die vier Kompetenzbereiche für die Konfliktbearbeitung? 3. Welche Formen der Konfliktbearbeitung gibt es? 4. Wie sieht das Konflikteskalationsmodell von F. Glasl aus?
Weiterführende Literatur
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Weiterführende Literatur Braun, G.E. (1979)): Das liberalistische Modell als konzeptioneller Bezugsrahmen für Konfliktanalyse und Konflikthandhabung. In: Dlugos, G. (Hrsg.): Unternehmensbezogene Konfliktforschung. Stuttgart. Dahrendorf (1972) Konflikt und Freiheit: Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft. München. Heyse, V. Erpenbeck J. (2005): Kompetenztraining. Stuttgart. Janis, I. L. & Mann, L. (1977). Decision Making: A Psychological Analysis of Conflict, Choice, and Commitment. New York. Kreyenberg, J. (2005): Konfliktmanagement. Berlin. Schwarz, G. (2005): Konfliktmanagement. Wiesbaden. Skinner, B.F. (1974): Die Funktion der Verstärkung in der Verhaltenswissenschaft. München. Spangle, M./Isenhart, M.W. (2003): Collaborative Approaches to Resolving Conflict. Thomas, K.W. (1974): Thomas-Kilmann Conflict Mode Instrument. New York.
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Zusammenfassung Die Bewältigung von Konflikten basiert darauf, eine Nullsummensituation (was der eine bekommt, verliert der andere) in eine Nichtnullsummensituation (beide Seiten können gewinnen) zu überführen. Wir können es auch so ausdrücken: Einen Weg zu finden, dass nach Bewältigung des Konfliktes die Qualität des sozialen Systems wieder anwächst. Dies bedeutet in der Regel, sich aufeinander zu zu bewegen. Die Bereitschaft hierzu hängt sehr deutlich von der eigenen Orientierung ab: Bin ich ein kooperativer oder ein wettbewerbsorientierter Typ. Während unsere Wirtschaft uns suggeriert, Wettbewerb sei die erfolgreichste Form, werden wir in diesem Abschnitt feststellen, dass dies nur bedingt wahr ist. Diese Inhalte werden auf Basis des Gefangenendilemmas illustriert. Übung 36. Assoziationen zu Konflikt und Wettbewerb
Bevor Sie weiter lesen: Notieren Sie je fünf Gedankenassoziationen, die Ihnen zu Kooperation und Wettbewerb einfallen. Dauer: ca. 15 Minuten
Grundlegende Begriffe und Definitionen Kooperation als ethische Tugend und Wettbewerb als ökonomisches Prinzip stehen sich seit eh und je gegenüber. Dem „Aug’ um Aug’“ folgen christliche Tugenden, die über kooperative Strukturen hinausgehen und die Eigennützigkeit verwerfen. Es entsteht der ambivalente Eindruck, als sei Kooperation schön und gut, jedoch naiv, denn im „wirklichen“ Leben herrsche ausschließlich Wettbewerb. Auf der anderen Seite können wir nicht verleugnen, dass Kooperation als Fundament gesellschaftlicher Entwicklung wahrgenommen werden kann. Nur dort, wo gemeinsam Ziele verfolgt und realisiert werden, lassen sich große Vorhaben realisieren. Soziale Systeme basieren auf Kooperation; durch sie sind sie definiert. Und
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Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
dennoch: In jeder kooperativen Entität besteht auch Wettbewerb. Um Klarheit in die Dynamik von Kooperation und Wettbewerb zu bekommen und deren wechselseitige „Bedingtheit“ zu erkennen, starten wir mit Definitionen. Kooperation Wir können definieren: Eine Situation ist kooperativ, wenn die Ziele/Interessen von (mindestens) zwei Personen in einer sich GEGENSEITIG FÖRDERNDEN Wechselbeziehung stehen. Was heisst „GEGENSEITIGE FÖRDERUNG“? •
•
Die beteiligten Personen sind so miteinander verbunden, dass die Zielerreichung der einen Person die Zielerreichung der anderen Person fördert und umgekehrt. WENN PERSON A IHREM ZIEL NÄHERKOMMT, KOMMT AUCH PERSON B IHREM ZIEL NÄHER und umgekehrt.
Beispiele x In einem Unternehmen arbeiten zwei Mitarbeiter/innen gemeinsam an einem Projekt. Zwar besteht Aufgabenteilung, dennoch kann sich das Projekt nur weiterentwickeln, wenn beide ihre Leistungen einbringen, um die nächsten Schritte zu planen und umzusetzen. x In der Formel I stehen die Fahrer im Medienmittelpunkt. Ihre Leistungen können sie nur zum Sieg führen, wenn die Ingenieurteams einen hochklassigen Wagen zur Verfügung stellen; umgekehrt sind die Ingenieurteams auf das Feedback der Fahrer angewiesen.
Wettbewerb Wir können definieren: Eine Situation ist wettbewerblich (aus dem Englischen auch kompetitiv), wenn die Ziele von mindestens zwei Personen in einer sich GEGENSEITIG BEHINDERNDEN Wechselbeziehung stehen. Was heisst „GEGENSEITIGE BEHINDERUNG“? •
•
Die beteiligten Personen sind so miteinander verbunden, sodass die Zielerreichung der einen Person die Zielerreichung einer anderen Person behindert und umgekehrt. WENN PERSON A SICH IHREM ZIEL NÄHERT, WIRD PERSON B DARAN GEHINDERT, IHREM ZIEL NÄHER ZU KOMMEN.
Grundlegende Begriffe und Definitionen
111
Beispiele x In einem ausgeschriebenen Architektenwettbewerb konkurrieren zwei Büros um den ersten Platz. Jede Aktion des Büros A, durch die es seinen Entwurf der Jury schmackhaft macht, bringt Büro B ins Hintertreffen, soweit dieses nicht ebenfalls aktiv wird. x In begrenzten Märkten gilt: Was der eine bekommt, das verliert der andere. Übung 37. Förderliche und einander behindernde Situationen
Suchen Sie nach Situationen aus Ihrem Alltag, für die beide Beziehungsformen zutreffen und beschreiben Sie die Formen der gegenseitigen Förderung oder Behinderung. Dauer: ca. 30 Minuten Auf individueller Ebene gelten Kooperation und Wettbewerb als zwei Dimensionen möglicher sozialer Handlungsmuster. Diese lassen sich dadurch präzisieren, dass man die individuelle Handlungsorientierung in Abhängigkeit des Spannungsfeldes zwischen „Verfolgung eigener Interessen“ und „Verfolgung der Interessen des Anderen“ darstellt (vgl. Abb. 15); Deutsch (1973) hat diese Differenzierung unter der Überschrift „Motivationale Orientierung“ in die Konfliktforschung eingeführt (vgl. Modul 7). Interessen des anderen Kooperation
Altruist
Individualist
Eigene Interessen
Wettbewerb
Abb. 15. Grundlegende interpersonale Handlungsmuster
112
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Aus Abb. 15 wird deutlich, dass neben Kooperation und Wettbewerb weitere soziale bzw. motivationale Orientierungen bestehen: Altruismus und Individualismus. Altruismus Altruismus (lateinisch: der andere) wird weitläufig als selbstloses Handeln bezeichnet, das universell und nicht nur bei Menschen vorkommt. Beispiele hierfür sind die Intervention in einen massiven Konflikt, an dem man nicht beteiligt ist, um anderen zu helfen, der spontane Entschluss, in den Fluss zu springen, um jemanden vor dem Ertrinken zu retten, die Spende an eine Hilfsorganisation oder in der Vergangenheit die selbstlose Rettung politisch Verfolgter, die unter extreme Strafe gestellt war. Der Altruist, so unsere Alltagsannahme, opfert sich auf, damit andere Vorteile erlangen, ohne dass er dafür eine Gegenleistung erwartet. Umfassende Forschungsergebnisse zeichnen jedoch neben der ethischen Motivation zum Altruismus ein anderes Bild: Dieses prosoziale Verhalten lässt sich demnach dadurch erklären, dass man aufgrund der Erwartung, dass einem in Zukunft geholfen wird, altruistisch handelt. Verändert sich jedoch diese Erwartung, verändert sich auch das Altruismusmotiv. So wurden verschiedene Experimente durchgeführt, in denen Studenten mit dem Phänomen des barmherzigen Samariters konfrontiert wurden. Abschließend wurden Gruppen gebildet, die unterschiedlich unter Zeitdruck oder andere Stressformen gestellt waren. Auf dem Weg zu einem anderen Gebäude begegnete ihnen eine Person, die Hilfe benötigt hätte. Die Studentengruppen ließen in ihrer Hilfsbereitschaft um so mehr nach, je stärker sie unter Druck standen (vgl. Staub 1979). Individualismus Individualismus als soziale Orientierung meint, ohne Abhängigkeit von Dritten die eigenen Bedürfnisse befrieden zu können. Der Individualist meidet daher soziale Situationen, die seine „Freiheit“ gefährden und ihn in die soziale Verantwortung nehmen könnten. In jüngerer Zeit mehren sich die Hinweise auf zunehmend hedonistische Tendenzen als Ausrichtung auf eine Lust als höchstes Gut. Nicht mehr ein soziales System, sondern die unverzügliche Lustbefriedigung steht im Mittelpunkt. Dabei sind die Menschen, die zu dieser Befriedigung beitragen, austauschbar.
Formen der Kooperation
113
Koopetition Kooperation und Wettbewerb sind also zwei Mischformen sozialer Verhaltensweisen, von denen angenommen wird, dass die eine eher zum Altruismus und die andere eher zum Individualismus neigt. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit kommen beide Formen auch als Mischform vor. Um sie beschreiben zu können, wurde im Fachjargon das Kunstwort Koopetition, zusammengesetzt aus KOOPEration und kompeTITION. Damit wird das Phänomen zu beschreiben versucht, dass soziale Systeme ohne Widerspruch zeitgleich in einem wettbewerblichen und kooperativen Verhältnis stehen können. So kooperieren zum Beispiel Unternehmen in der Forschung, verhalten sich am Markt als Wettbewerber. Wissenschaftler mögen in dem einen Zusammenhang kooperieren, in einem anderen Zusammenhang, etwa wenn es um Veröffentlichungen oder um die Einwerbung von Drittmitteln geht, stehen sie in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. In der Wirtschaft vermehrt anzutreffende Netzwerke (oder Cluster), in denen Unternehmen auf der einen Seite kooperieren, auf der anderen Seite als Konkurrenten auftreten, setzen sich immer mehr durch. Berühmt für ein solches historisches Netzwerk ist der Bau der Hoover-Staumauer in der Nähe von Las Vegas. Die konkurrierenden Firmen schlossen sich zusammen, da keine Einzelfirma insbesondere die Sicherheitsrücklagen hätte erbringen können. Übung 38. Formen der Koopetition
Nennen Sie weitere Formen der Koopetition aus Ihrer Erfahrung. Beschreiben Sie die Nutzen aus den Koopetitionen. Dauer: ca. 30 Minuten
Formen der Kooperation Wir können zwischen vier Formen der Kooperation unterscheiden: (1) der natürlichen, (2) der strategischen, (3) der empathischen und (4) der pseudoemphatischen Kooperation (vgl. Spieß 1998).
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Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Natürliche Kooperation (oder emotionale Kooperation) Intime wie auch viele spontane Beziehungen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Kooperation aus, durch die der Wert der Beziehung gekennzeichnet ist. Kinder bauen spontan zusammen im Sandkasten eine Burg, tauschen Sandschippen und Autos aus, um am gemeinsamen Konstruieren und Spielen Freude zu haben. Befreundete Menschen treffen sich zu einem Kochevent, um gemeinsam ein Menü zuzubereiten, dabei Wein zu schlürfen, zu reden und einen geselligen Abend zu verbringen. Das gegenseitige Geben und Nehmen ist weit reichend emotional determiniert. Strategische Kooperation (oder rationale Kooperation) Von strategischer Kooperationen sprechen wir, wenn das Handeln der Akteure, zumindest das einer Seite, rational darauf ausgerichtet ist, durch Kooperation ein gemeinsames Ziel effizienter zu erreichen. In Unternehmen setzt sich immer mehr durch, dass die wirksame Aussteuerung von Geschäftsprozessen entscheidend durch die Qualität der Zusammenarbeit entlang der Prozesskette und weniger im Rahmen abteilungsbegrenzter Verhältnisse bestimmt ist. Empathische Kooperation Empathie beschreibt das Vermögen, sich in andere hineinzuversetzen – die Gedanken und Empfindungen des anderen zu erschließen und in die eigenen Überlegungen zu integrieren (oder davon bewusst abzugrenzen). Den anderen aus seiner Perspektive zu verstehen, bedeutet nicht, seine Haltung übernehmen zu müssen. Spieß (1998) weist zu Recht darauf hin, dass es um so bedeutender sein wird, empathische Kooperationsstrukturen zuzulassen und zu fördern, je mehr wir Institutionen nicht als rationalökonomische Systeme, sondern als ein Konglomerat aus Rationalität, Sozialität und auch Irrationalität akzeptieren lernen. Pseudoempathische Kooperationen Eine pseudoempathische Kooperation liegt vor, wenn mindestens eine Partei Empathie mit dem Ziel vortäuscht, über den anderen mehr zu erfahren,
Die Rationalität der Kooperation: Das Gefangenen-Dilemma
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um durch dieses Wissen die eigene Position zu stärken. Weniger geschickte Täuscher sind daran zu erkennen, dass ihr Interesse zu dick aufgetragen ist, oder dass ein Informationsaustausch einseitig verläuft oder dass Feedbacks stereotyp formuliert sind.
Die Rationalität der Kooperation: Das Gefangenen-Dilemma Unser Alltag ist durch vielfältige soziale Strukturen durchdrungen, in denen es weniger eindeutig ist, ob eine Kooperation überhaupt möglich ist: In verschiedenen sozialen Settings besteht die Chance zu kooperieren, gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, bei einseitiger Kooperation zu verlieren. Diese Situationen sind von Ungewissheit geprägt. In den Verhaltenswissenschaften, und hierzu zählen wir an dieser Stelle nicht nur die Psychologie oder Soziologie, sondern auch die Volks- und Betriebswirtschaft bis hin zu großen Teilen der Biologie, hat die Spieltheorie in den vergangenen Jahrzehnten zur Erforschung sozialer Verhaltensweisen in ambiguenten Situationen wichtige Impulse geliefert; im Mittelpunkt standen hierbei Experimente im Zusammenhang mit dem Gefangenendilemma. Da dieses grundlegend für das Verständnis von Kooperation und Wettbewerb ist, wollen wir dies an dieser Stelle etwas ausführlicher darstellen. Ausgangssituation des Experiments In den USA werden zwei Männer festgenommen, die unter dem Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben. Sie sind in getrennten Zellen untergebracht. Der Sheriff macht nun jedem der Arretierten – den Personen A und B – folgendes Angebot: x
x x
Wenn Du die Tat als erster gestehst, bist Du Kronzeuge und gehst als freier Mann nach Hause. Dein Kollege wird dann eine voraussichtliche Strafe von 5 Jahren Freiheitsentzug bekommen. Schweigt ihr beide, so haben wir doch genug Indizien, um euch beide für ca. 2 Jahre einzusperren. Gesteht ihr beide, fällt die Strafe nicht so hoch aus, aber 4 Jahre werden immer noch drin sein.
116
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Beide haben nicht die Gelegenheit, sich abzusprechen. Wie werden sie sich verhalten? In Abb. 16 wird die Auszahlungsmatrix dieser Situation dargestellt. B Schweigen
Geständnis
0 Jahre
2 Jahre Schweigen
5 Jahre
2 Jahre A
5 Jahre
4 Jahre
Geständnis
0 Jahre
4 Jahre
Abb. 16. Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas
Die obere Zahl in den vier Zellen zeigt das Ergebnis für Gefangenen B, die untere für A. Die existierenden vier Kombinationsmöglichkeiten hängen nicht nur von der eigenen, sondern auch von der Entscheidung des Komplizen ab – das Verhalten von A und B ist interdependent. Worin besteht nun das Dilemma? Individuell scheint es für beide vorteilhafter zu sein, auszusagen. Der Gefangene denkt sich: „Falls der andere gesteht, reduziere ich mit meiner Aussage meine Strafe von fünf auf vier Jahre; falls er aber schweigt, dann kann ich mit meiner Aussage meine Strafe von zwei Jahren auf Null reduzieren! Also sollte ich auf jeden Fall gestehen!“ Diese Entscheidung zur Aussage hängt nicht vom Verhalten des anderen ab, und es ist anscheinend immer vorteilhafter zu gestehen. Eine solche Strategie, die ungeachtet der gegnerischen gewählt wird, wird in der Spieltheorie als dominante Strategie bezeichnet. Wie die Matrix zudem zeigt, wären beide Gefangene jedoch besser gestellt, wenn sie sich beide entschieden zu schweigen. Dann erhielten beide nur 2 Jahre Gefängnis. Die Spielanlage verhindert aber gerade die Verständigung zwischen den Gefangenen und provoziert so einen einseitigen Verrat, durch den der Verräter das für ihn individuell bessere Resultat
Die Rationalität der Kooperation: Das Gefangenen-Dilemma
117
‚Freispruch‘ (falls der Mitgefangene schweigt) oder vier statt fünf Jahre (falls der Mitgefangene gesteht) zu erreichen hofft. Versuchen dies aber beide Gefangenen, so verschlimmern sie – auch individuell – ihre Lage, da sie nun je vier Jahre statt der zwei Jahre Gefängnis erhalten. In diesem Auseinanderfallen der möglichen Strategien besteht das Dilemma der Gefangenen. Die vermeintlich rationale, schrittweise Analyse der Situation verleitet beide Gefangenen zum Geständnis, was zu einem schlechten Resultat führt. Das bessere Resultat wäre durch gemeinsame Kooperation erreichbar, die aber anfällig für Vertrauensbruch ist. Kooperation bringt für beide Beteiligte demnach Vorteile. Wenn einer der Beiden versucht, zu kooperieren und der andere lehnt ab, so hat ersterer Nachteile, weil er ausgebeutet werden kann. Diese Situation ist die übliche, die immer wieder im Leben eintritt. Ob in dieser Situation eine Kooperation zustande kommt oder nicht, hängt vom Verhältnis der möglichen Gewinne und Verluste jedes einzelnen Spielers ab. Kooperation und Wettbewerb im Experiment Im Rahmen einer mittlerweile unüberschaubaren Vielzahl von Studien wurde untersucht, wie sich wiederholte Entscheidungen von A und B auf das Gesamtergebnis auswirken. Hierbei wird folgende begriffliche Transformation vorgenommen: Aus „Schweigen“ resultiert eine kooperative Haltung – nämlich die Suche nach dem beiderseitigem Vorteil, und aus „Gestehen“ wird „Defektion“ (aus dem Englischen: „defection“ ~ „zum Feind überlaufen“, d.h. das gemeinsame Ziel aus den Augen verlieren und nur an sich denken). „Defektion“ wird im Rahmen der Spieltheorie als wettbewerbliches Verhalten interpretiert. Endliche sequentielle Spiele
In Abb. 17 wird anhand der Auszahlungsmatrix die Ausgangssituation, vor der Spieler A und B stehen, deutlich. In Tabelle 7 wird ein exemplarischer Spielverlauf gezeigt.
118
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Abb. 17. Auszahlungsmatrix (Beispiel) Tabelle 7. Spielverlauf (Beispiel)
Person B
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Spielzug
K
D
D
K
K
K
K
K
D
D
Punkte
0
1
5
3
3
3
3
0
1
1
Spielzug
D
D
K
K
K
K
K
D
D
D
Punkte
5
1
0
3
3
3
3
5
1
1
Summe
Person A
1
23
28
Wir können die Motive und Gedanken der Spieler anhand obiger Ergebnistabelle sehr schön nachvollziehen: x
Spielzug 1: Person B beginnt mit einem Wettbewerbsverhalten, Person A mit einem kooperativen Verhalten. Person B will mehr als Person A, während Person A für beide dasselbe Ergebnis wünscht. Person A ist in diesem Spielzug der Verlierer.
Die Rationalität der Kooperation: Das Gefangenen-Dilemma
x
x
x x
x
119
Spielzug 2: Person B hat vermeintlich mit ihrer Wettbewerbsstrategie Erfolg. Person A lässt sich das jedoch nicht gefallen. Sie wechselt die Strategie. Nun sind beide Verlierer. Spielzug 3: Person B erkennt die Falle und wechselt ebenfalls die Strategie. Person A will aber deutlich machen, dass sie sich nicht ausbeuten lässt, insofern bleibt sie bei der vorherigen Wahl. Spielzüge 47: Erst jetzt haben beide Personen die Optimalität der wechselseitigen Abhängigkeit erkannt und verhalten sich “rational“. Spielzüge 89: Person B versucht gegen Ende des Spiels (der Interdependenz) noch einmal ihren Gewinn zu Lasten von Person A zu erhöhen, die diesen Versuch sofort kontert. Spielzug 10: Aufgrund des Misstrauens bleiben beide Personen bei der vorherigen Wahl.
Wer hat nun gewonnen? Augenscheinlich Person B – sie hat einen um fünf Punkte höheren Gewinn. Aber hat Person B wirklich gewonnen? Das maximale Ergebnis betrüge für beide Spieler über 10 Züge 2 x 30 Punkte, also 60 Punkte insgesamt. Insofern haben beide gegenüber diesem Maximalgewinn verloren: Person A sieben Punkte, Person B zwei Punkte. Insofern waren die Spieler ineffizient. Von besonderer Bedeutung ist hier, dass beide Personen wissen, dass das Spiel nur aus zehn Zügen besteht. Daher ist die Gefahr besonders groß, gegen Ende des Spiels wettbewerbliches Verhalten zu zeigen, da klar ist, dass der Gegner keine Vergeltung mehr üben kann. Berücksichtigt man die obigen Überlegungen zur „dominanten Strategie“, so ist es rational, ausschließlich wettbewerbsorientiert zu spielen, da sich das „Vergeltungsargument“ quasi „nach vorne schiebt“: Weil es rational ist, im zehnten Zug wettbewerblich zu spielen, gilt dies auch für den neunten, den achten usw. – schließlich will man Vergeltung verhindern. Damit aber wird deutlich, dass die Interdependenzstruktur oftmals nicht wirklich durchschaut wird: Es geht nicht mehr darum, den – gemeinsamen – Gewinn zu maximieren, sondern nur noch darum zu verhindern, dass der Gegner besser abschneidet als man selbst. Unendliche sequentielle Spiele
Die wissenschaftliche Forschung ist auf dieses Dilemma aufgesprungen, weil die Struktur recht einfach ist und dennoch nur schwer die optimale Interdependenz erkannt wird. Axelrod hat im Jahr 1980 KollegInnen, die zu dieser Zeit zu den anerkanntesten Konfliktforschern gehörten, gebeten, für das Gefangenendilemma eine optimale Strategie zu entwickeln. Diese
120
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Strategien wurden dann programmiert, so dass sie in einem Turnier jeder gegen jeden spielen konnten. Diese Ergebnisse veröffentlichte er und bat um weitere Strategien, die im nächsten Turnier antreten sollten. In beiden Fällen war eine Strategie allen anderen Strategien überlegen: Sie hieß damals schon TIT FOR TAT (frei übersetzt: „Wie Du mir, so ich Dir“). Sie zeichnet sich durch drei besondere Merkmale aus: x x
x
Merkmal 1 – „Sei nett!“: Der Grundgedanke ist, in einer ambiguenten Situation mit einem Kooperationsangebot zu beginnen. Merkmal 2 – „Übe sofort Vergeltung!“: Die Kooperationsbereitschaft darf nicht naiv sein. Nimmt der andere diese nicht an und versucht eine Gewinndifferenzierung zu seinen Vorteilen herauszuarbeiten, so zeige Zähne und sei ebenfalls zur Übervorteilung bereit. Merkmal 3 – „Sei vergebend!“: Ist der andere zur Kooperation bereit, hat er also dein Handlungsmuster gelernt, dann sei auch du sofort wieder zu einer Kooperation bereit.
Axelrod (1980) kann aufzeigen, dass die Haltung, nicht nachtragend zu sein, vielen Menschen schwer fällt und es so zu einer Eskalation des Spielverlaufes (oder eben einer sozialen Situation) kommen kann. Die Ergebnisse von Axelrod zeigen uns, dass in einer Welt, in der Wettbewerb das entscheidende Handlungsrational zu sein scheint, es schwer fällt, den Vorteil kooperativer Interdependenzen zu erkennen und Vertrauen aufzubauen – und sich somit „fair“ zu verhalten. Insofern sind kooperationsfördernde Maßnahmen in sozialen Situationen dann zu kultivieren, wenn das Gesamtergebnis hierdurch entscheidend verbessert werden kann. Aufgrund der Studien von Axelrod lassen sich die folgenden Vorschläge zur Förderung von Kooperation ableiten: x x x x x
x x
Sei nicht neidisch – Kooperation lohnt sich auch, wenn die Partner unterschiedlich hohe Gewinne erzielen! Defektiere nicht als erster! Erwidere sowohl Kooperation als auch Defektion! Sei nicht zu raffiniert, damit der Partner deine Taktik erkennen kann! Erhöhe das Gewicht der Zukunft, kooperiere nicht mit zu vielen, damit sich die Anzahl der Kooperationen mit jedem einzelnen Partner erhöht! Verbreite die Erkenntnisse über die zu bevorzugenden Strategien! Erinnere dich an Verhaltensweisen des Kooperationspartners aus der Vergangenheit!
Motivationale Orientierung
121
Motivationale Orientierung Grundlagen Aufgrund seiner Überlegungen zum Konkurrenz- und Kooperationsverhalten in experimentellen Spielen führte Deutsch (1958) das Konstrukt „Motivationale Orientierung“ ein. Danach lassen sich als Basismotive kooperative, kompetitive und individualistische Orientierungen unterscheiden und wie folgt definieren (vgl. Abb. 15): x x x
Kooperative Individuen sind motiviert, neben ihrem eigenen auch das Wohl des Anderen zu berücksichtigen. Kompetitive Motivation bedeutet, die eigenen Interessen zu verfolgen und zu versuchen, besser abzuschneiden als der Gegenspieler. Individualistisch motivierte Personen beabsichtigen, ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf andere zu verfolgen.
Der Motivationsbereich ist nach den beiden Dimensionen „Eigene Interessen“ und „Interessen des anderen“ aufgespannt. Kooperative, individualistische und kompetitive Orientierung sind als lineare Kombinationen dieser beiden Grundkomponenten eingezeichnet und entsprechend definiert: x x x
Im kooperativen Bereich besteht das Ziel darin, den gemeinsamen Gewinn zu maximieren. Das individualistische Motiv ist gekennzeichnet durch das Ziel, den eigenen Gewinn zu maximieren. Der kompetitve Motivbereich ist über das Ziel definiert, die Gewinndifferenz zu maximieren.
Durch weitergehende Experimente konnten wichtige Tatbestände identifiziert werden: x
Unabhängig von der Manipulation der anderen Bedingungen zeigen kooperativ motivierte Personen ein höheres Maß an kooperativem Verhalten und erzielten höhere gemeinsame Gewinne als individualistisch orientierte Personen. In der kompetitiven Bedingung erfolgten die meisten nicht-kooperativen Spielzüge und die niedrigsten gemeinsamen Gewinne. Deutsch (1973) interpretiert diese Ergebnisse dahingehend, dass eine kooperative Motivierung kooperatives Verhalten fördere, selbst wenn die Bedingungen dafür ungünstig seien (keine Kommunikation, keine Reversibilität). Kooperatives Verhalten wiederum fördert einen produktiven Konfliktverlauf.
122
x
x
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
Rubin/Brown (1975) fassen die Ergebnisse zu Motivationaler Orientierung aus experimentellen Spielen zusammen: „Regardless of the particular method by which MO has been varied, it appears that a cooperative MO leads to more effective bargaining than an individualistic, and especially than a competitive, MO. Indeed, 44 of the 51 studies reviewed lend partial or complete support to this conclusion“ (Rubin/Brown, 1975, S. 213). Kelley/Stahelsky (1970) erklären diese Ergebnisse wie folgt: Motivationale Orientierung wird als stabiles Persönlichkeitsmerkmal mit den Ausprägungen „kooperativ“ und „kompetitiv“ bezeichnet. Diese Persönlichkeitstypen nehmen die soziale Realität unterschiedlich wahr, insbesondere das Verhalten anderer Menschen auf der Dimension „kooperativ-kompetitiv“. Kooperativ orientierte Personen erwarten, dass in der Welt ein breites Spektrum von Kooperation/Wettbewerb zu beobachten ist. Kompetitiv Orientierte gehen hingegen stärker von der Erwartung aus, dass ihre Mitmenschen ebenfalls kompetitiv orientiert sind. Daher verhalten sie sich kompetitiv, wodurch sie bei anderen ein ebensolches Verhalten auslösen und ihre Erwartung bestätigt sehen. Diese „Dreieckshypothese“ konnte wiederholt experimentell bestätigt werden (z.B. Maki/McClintock 1983).
Erfassung der Motivationalen Orientierung Die folgende Übung soll Ihnen helfen, eine erste Einschätzung Ihrer Motivationalen Orientierung im Rahmen eines Konfliktgeschehens zu erfassen. Wir möchten Sie daher bitten, die folgenden drei Schritte der nächsten Übung zu vollziehen; Sie werden ca. 30 Minuten hierfür benötigen. Schritt 1 Beantworten Sie die folgenden Fragen, indem Sie diejenige Zahl einkreisen, die Ihrer typischen Verhaltensweise in Konfliktsituationen entspricht. Beantworten Sie bitte jede Frage. Benutzen Sie folgende Skala: 1 = Ich handle nie auf diese Art und Weise 2 = Ich handle selten auf diese Art und Weise 3 = Ich neige nicht dazu, auf diese Art und Weise zu handeln 4 = Ich neige dazu, auf diese Art und Weise zu handeln 5 = Ich handle oft auf diese Art und Weise 6 = Ich handle immer auf diese Art und Weise
Motivationale Orientierung
123
Konfliktsituationen-Fragebogen
nie
selten
eher nein
eher ja
oft
immer
In Konfliktsituationen …
1.
überlasse ich es anderen Personen, sich um die Lösung zu kümmern
1
2
3
4
5
6
2.
versuche ich, allen Beteiligten gegenüber freundlich zu sein
1
2
3
4
5
6
3.
bleibe ich bei meinem Standpunkt
1
2
3
4
5
6
4.
bleibe ich objektiv gegenüber allen Seiten
1
2
3
4
5
6
5.
suche ich nach einer Lösung, mit der jeder einverstanden ist
1
2
3
4
5
6
6.
gehe ich der Auseinandersetzung aus dem Weg
1
2
3
4
5
6
7.
arbeite ich daran, die Harmonie beizubehalten
1
2
3
4
5
6
8.
gewinne ich Leute für meine Idee
1
2
3
4
5
6
9.
verstärke ich den Konflikt, weil ich ein übergeordnetes Ziel erreichen möchte
1
2
3
4
5
6
10. suche ich nach dem Mittelweg
1
2
3
4
5
6
11. warte ich, bis sich der Konflikt von selbst löst
1
2
3
4
5
6
12. gebe ich mein Bestes, um den Streit zu schlichten
1
2
3
4
5
6
13. behalte ich stets die Kontrolle
1
2
3
4
5
6
14. suche ich nach einer wirksamen, kreativen Lösung
1
2
3
4
5
6
15. gehe ich Kompromisse ein, bis jeder zufrieden ist
1
2
3
4
5
6
16. vermeide ich es, zu provozieren
1
2
3
4
5
6
124
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
17. gebe ich meine eigenen Ziele zugunsten der Harmonie auf
1
2
3
4
5
6
18. bekomme ich am Ende das, wovon ich weiß, dass es richtig ist
1
2
3
4
5
6
19. suche ich ständig nach der besten Lösung
1
2
3
4
5
6
20. versuche ich, einen Kompromiss einzugehen
1
2
3
4
5
6
Schritt 2 Übertragen Sie Ihre Antworten aus dem Fragebogen in das untere Raster und berechnen Sie dann für jede Spalte die Gesamtsumme.
A
B
C
D
E
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17
18.
19.
20.
Gesamt
Schritt 3 Übertragen Sie Ihre Ergebnisse aus Schritt 2 in Abb. 18. Stellen Sie fest, in welchem der fünf Felder Sie die meisten Nennungen haben. Interessen des anderen
B
D
E A
C Eigene Interessen
Abb. 18. Ergebnismatrix „Motivationale Orientierung“
Motivationale Orientierung
125
Die folgende Übersicht soll Ihnen helfen, Ihren dominanten Konflikthandhabungsstil genauer zu erfassen: x
x
x
x
x
Stil A: Sie neigen dazu, Konflikte zu vermeiden. Die Aufrechterhaltung des Status Quo scheint Ihnen wichtiger als der Versuch, den Konflikt konstruktiv anzugehen. Stil B: Sie legen hohen Wert darauf, von anderen akzeptiert zu werden. Die Aufrechterhaltung der Beziehung scheint Ihnen wichtiger als das Verfolgen eigener Ziele. Stil C: Für Sie steht das Erreichen der eigenen Ziele im Vordergrund. Harmonie und Rücksichtsnahme treten in den Hintergrund. Oftmals glauben Sie, dass Sie nur dann gewinnen können, wenn der andere verliert. Stil D: Dieser Stil verdeutlicht, dass Sie sowohl Interesse an einer optimalen Konfliktlösung haben; gleichzeitig ist Ihnen die Beziehung zum Partner sehr wichtig. Daher sind Sie oftmals kreativ, um beide Ziele erreichen zu können. Stil E: Kompromisse scheinen für Sie die Idealvorstellung von „Konfliktlösungen“ zu sein: Sie stellen sich der – vermeintlich vorgegebenen Realität – und neigen dazu, weniger das Optimum für beide Seiten zu suchen (vgl. Stil D), sondern geben sich häufig damit zufrieden, dass beide Seiten gleichviel Abstriche machen müssen.
Interpretation: Die Forschung zeigt, dass Stil D oftmals zu überlegenen Verhandlungsprozessen und -ergebnissen führt. Wir möchten Ihnen daher einige Hinweise geben, wie Sie Konflikte verstärkt auf Basis des Stils D bearbeiten können. 1. Konzentrieren Sie sich auf gemeinsame Ziele x
x
Identifizieren Sie die zugrunde liegenden Interessen und Ziele der Konfliktbeteiligten und versuchen Sie darüber ein gemeinsames Verständnis herzustellen. Prüfen Sie regelmäßig nach, ob bzw. in welchem Umfang ein solches gemeinsames Verständnis vorliegt.
2. Entwickeln und fördern Sie Beziehungen x x
Zollen Sie gegenüber allen Konfliktpartnern den nötigen Respekt. Unterlassen Sie persönliche Angriffe: Es geht um unterschiedliche Ziele, nicht um die Personen.
126
Modul 7: Kooperation und Wettbewerb
3. Verdeutlichen Sie die unterschiedlichen Perspektiven x x x
Ermutigen Sie die Betroffenen, die unterschiedlichen Positionen klar herauszuarbeiten. Machen Sie die Differenzen deutlich. Identifizieren Sie die Annahmen, die hinter den einzelnen Positionen stehen.
4. Überprüfen Sie die verschiedenen Standpunkte x x
Betonen Sie die Gemeinsamkeiten. Erkennen Sie die Beiträge der einzelnen Teilnehmer an.
5. Arbeiten Sie explizit mit den vorhandenen Differenzen x x x
Ermutigen Sie die Teilnehmer, auf den Ideen der Anderen aufzubauen, und diese nicht zu ignorieren. Arbeiten Sie mit konkreten Daten – und zwar sowohl in bestätigender wie auch widersprechender Art und Weise. Suchen Sie nach gemeinsamen Themen auch vor dem Hintergrund eines größeren Kontextes.
6. Sorgen Sie dafür, dass eine „win-win“-Situation entstehen kann: x x x
Ermutigen Sie die Suche nach neuartigen Vorschlägen. Suchen Sie nach einer Lösung, bei der alle gewinnen können. Fragen Sie nach Bestätigung der eingebrachten Vorschläge.
Fasst man diese Anregungen zusammen, so wird deutlich, dass solche Verhaltensweisen dazu beitragen, eine Konflikteskalation zu vermeiden und den Übergang von der distributiven Phase in eine Problemlösungsphase einzuleiten (vgl. Modul 11).
Kontrollfragen 1. Wie lassen sich Kooperation und Wettbewerb voneinander abgrenzen? 2. Beschreiben Sie die produktiven Effekte von Kooperation und Wettbewerb? 3. Welches sind die Hauptergebnisse der Gefangenendilemma-Experimente? 4. Was versteht man unter „Motivationaler Orientierung“?
Weiterführende Literatur
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Weiterführende Literatur Axelrod, R. (1980a): Effective Choice in the Prisoner’s Dilemma. Journal of Conflict Resolution, 24, 325. Axelrod, R. (1980b): More Effective Choice in the Prisoner’s Dilemma. Journal of Conflict Resolution, 24, 379403. Axelrod, R. (1991): Die Evolution der Kooperation. München. Deutsch, M. (1958): Trust and Suspicion. Journal of Conflict Resolution, 2, 265279. Deutsch, M. (1973): The Resolution of Conflict. London. Hornke, L.F./Tries, J. (1985): Zwischenbericht zum Forschungsprojekt: Untersuchungen wirksamer Faktoren auf die Etablierung kooperativer Verhandlungsstrategien bei gegebener Konfliktstruktur. Universität Düsseldorf, Erziehungswissenschaftliches Institut II. Kelley, H.H./Stahelsky, A.J. (1970): The Social Interaction Basis for Cooperators and Competititors Beliefs about Others. Journal of Personality and Social Psychology, 16, 6691. Maki, J.E./McClintock, C.G. (1983): The Accuracy of Social Value Prediction. Journal of Personal and Social Psychology, 45(4), pp. 829838. Rubin, J./Brown, B. (1975): The Social Psychology of Bargaining and Negotiation. New York. Spieß. E. (2003): Effektiv kooperieren. Weinheim. Staub, E. (1979): Positive Social Behavior and Morality. New York. Tries, J. (1985): Bedingungen kooperativen Verhaltens: Eine Meta-Analyse. Dissertation Universität Düsseldorf. Tries, J./Hornke, L. F. (1987): Abschlußbericht zum Forschungsprojekt „Untersuchungen wirksamer Faktoren auf die Etablierung kooperativer Verhandlungsstrategien bei gegebener Konfliktstruktur“. RWTH Aachen, Institut für Psychologie. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965): A Behavioral Theory of Labor Negotiations: An Analysis of a Social Interaction System. New York.
Modul 8: Konfliktanalyse
Zusammenfassung Die Konfliktanalyse stellt einen ersten wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur konstruktiven Gestaltung bzw. Handhabung von Konflikten dar: Sie dient der expliziten Vorbereitung auf eine Verhandlung. In der Konfliktanalyse finden sich die relevanten Aspekte aus den vorherigen Modulen wieder. Ausgehend von der jeweiligen Frage der Konfliktanalyse vertiefen wir diese anhand geeigneter Beispiele und Übungen.
Einführung Einen Konflikt kann man mit einer gewissen Naivität hinnehmen. Das reicht häufig bei Bagatellkonflikten. Soll jedoch die soziale Entität nicht an Qualität einbüßen oder sich sogar verbessern, ist eine Konfliktanalyse – insbesondere als Vorbereitung einer Verhandlung – angezeigt. Die Konfliktanalyse ist der Versuch, den Konflikt, seine Bestimmungsgrößen und mögliche Durchsetzungs- oder Einigungsszenarien aus der „eigenen“ Sichtweise zu diagnostizieren. Die „eigene“ Sichtweise schließt dabei allerdings auch die Perspektive des Anderen ein: Zwischen zwei Personen/Gruppen besteht ein Konflikt; Person A (oder Gruppe A) analysiert diesen Konflikt aus seiner/ihrer Perspektive (vgl. Abb. 19). Was der Konfliktpartner will, welche Motive und Ziele ihn „treiben“ ist nicht immer bekannt. Je weniger wir hierüber wissen, desto mehr sind wir gefordert, Mutmaßungen über die Perspektive des Anderen anzustellen. Solche Mutmaßungen bezeichnen wir als Heuristiken. Sie haben den Charme, nicht „bewiesen“ zu sein. Insofern gilt es, die Heuristiken im Analyse- und im Verhandlungsverlauf zu korrigieren.
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Modul 8: Konfliktanalyse
W as Ge me sin da ine d n Em un ke d n du pf ng inen
Konflikt aus der Perspektive von A
Was ist meine Konfliktperspektive Was ist vermutlich die Konfliktperspektive des anderen
Person A
Person B
Abb. 19. Ausgangssituation bei der Konfliktanalyse
Bei einer Konfliktanalyse können wir zunächst zwischen vier verschiedenen Situationen unterscheiden: 1. Ich kenne meine Motive und Ziele. Die Heuristiken über Motive und Ziele des anderen basieren auf einer wahrgenommenen Realität (z.B. durch Äußerungen, gut interpretierbare Verhaltensweisen, die fundiert auf Motive und Ziele schließen lassen). 2. Ich kenne meine Motive und Ziele. Die Motive und Ziele des anderen sind für mich diffus. Soweit Nachfragen möglich ist, kann die Heuristik über die Motive und Ziele des Anderen angereichert werden. Ist Nachfrage ausgeschlossen, gilt der vorsichtige Prozess der Mutmaßungen über den Anderen. 3. Beide kennen die gegenseitigen Motive und Ziele. Es besteht Konsens über den Konflikt. 4. Ich kenne weder meine noch die Motive und Ziele des Anderen. Der Konflikt ist insgesamt diffus. Streng genommen können wir jetzt noch aus der Perspektive des Anderen den „Konfliktzustand“ beschreiben: 5. Der Andere kennt meine Motive und Ziele. 6. Der Andere kennt meine Motive und Ziele nicht oder nur diffus, er kennt seine Motive und Ziele. 7. Der andere kennt seine Motive und Ziele nicht oder nur diffus.
Einführung
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Ein zentraler Bestandteil des Konfliktmanagement besteht demnach darin, einen Konflikt soweit es möglich ist, zu erfassen und zu analysieren. Beachten Sie bitte bei der weiteren Lektüre, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, ein „wahres“ Bild von einem Konflikt zu gewinnen, sondern lediglich ein Bild von dem, wie jeder Akteur sich und seinen „Gegenspieler“ wahrzunehmen versucht. Insofern bildet die Konfliktanalyse ein Hilfsmittel, den eigenen Blick zu schärfen. Konfliktperspektive von A
Die vermeintliche Konfliktperspektive von B Grundlage für eine Konfliktmoderation
KonfliktAnalyse Konfliktperspektive B
Die vermeintliche Konfliktperspektive A
Abb. 20. Perspektiven zur Konfliktanalyse
Abbildung 20 zeigt den variablen Einsatz des Instrumentes. Je nach Situation hilft es dem Einzelnen, einen anstehenden Konflikt weitestgehend vollständig zu erfassen. Je nach Bereitschaft kann natürlich auch der Konfliktpartner diese Analyse durchführen. Ein erster Schritt zur Konfliktbewältigung besteht dann darin, die Sichtweisen aufeinander abzugleichen. Ist eine emotionsarme Auseinandersetzung nicht möglich, sollte ein neutraler Dritter diesen Prozess moderieren. Wir bitten Sie nun im ersten Schritt, das Analyseinstrument anhand der vorgegeben Beispiele kennenzulernen. Im zweiten Schritt bitten wir Sie, anhand eines eigenen aktuellen, sich anbahnenden oder vergangenen Konfliktes eine solche Analyse durchzuführen. Legen Sie hierfür jetzt schon den Konfliktanalysebogen bereit. Den Bogen finden Sie unter www. konfliktmanagement.beushausen-partner.de bzw. im Anhang.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Konfliktanalyse Die Konfliktanalyse besteht aus den folgenden fünf Teilen: 1. 2. 3. 4. 5.
Allgemeine Beschreibung des Konflikts Vertiefte Konfliktdarstellung Beschreibung von Verhaltensweisen und Forderungen Bewältigungsbereitschaft Verhandlungsflexibilität
1. Allgemeine Beschreibung des Konflikts Nachvollziehbare Konfliktbeschreibung
1.1 Beschreiben Sie zunächst den Konflikt aus Ihrer Sicht so, dass ein Unbeteiligter ihn verstehen kann. Ziel ist es, die verschiedenen Facetten eines Konfliktes zu formulieren und in eine Gestalt zu bringen. Implizite Elemente eines Konfliktes sollen möglichst aufgedeckt werden. Soweit Verhaltensbeschreibungen erfolgen, sollte das Verhalten so berichtet werden, dass ein Außenstehender es beobachten kann. Soweit möglich sollen auch Häufigkeiten und die Ausprägung eines Verhaltens dargestellt werden. Beispielsweise hilft eine Aussage „verweigert die Arbeit“ kaum. Worin besteht die Verweigerung und wie intensiv fällt diese aus? Eine Konkretion liegt vor, wenn es heißt: „… bearbeitet die Akten nicht, obwohl ich es angeordnet habe“ oder „berichtet trotz dreimaliger Aufforderung nicht über das Ergebnis der Maßnahme.“ Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (1) Die Personen A (Ich), B und C, Betreiber einer Gemeinschaftspraxis, vereinbaren, in regelmäßigen Gesprächen die therapeutischen Angebote aufeinander abzustimmen, die Patienten auf die Leistungen der anderen Therapeuten hinzuweisen sowie die Leistungen insgesamt auszubauen. Die von mir initiierten Terminvorschläge werden immer wieder hinaus gezögert. Es fehle an Zeit. Findet ein Termin dennoch statt, kommt B zu spät oder sie wird – trotz gegenteiliger Vereinbarung – auf dem Handy angerufen. Zudem beteiligt sie sich kaum an der Diskussion, während C eher meine Überlegungen übernimmt. Insgesamt sind die Beiträge unausgewogen.
Konfliktanalyse
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Beispiel „Konkurrenz“ (1) Die Unternehmen A (Ich) und B, ehemals Kooperationspartner, haben ihre Zusammenarbeit aufgekündigt. Sie agieren nun auf dem Markt als Wettbewerber. Um dies zu verhindern, versucht B den Wettbewerb von A durch gerichtliche Maßnahmen zu torpedieren. Damit beginnt eine Auseinandersetzung über Rechtsanwälte. Dies kostet Zeit, Geld und Energie. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (1) Ich wurde als Assistent der Geschäftsführung vom Unternehmen X angeworben, dann aber einem Abteilungsleiter, dem eigentlichen Macher des Unternehmens zugeordnet. Seine Informationspolitik gegenüber der Geschäftsleitung war sehr dosiert. Sein Interesse, mich ausreichend so zu informieren, dass ich handlungsfähig hätte sein können, war verschwindend gering. Auf meine Intervention hin, er möge mich an Verantwortung heranführen, reagierte er mit den Worten: „Entweder die gesamte Verantwortung für einen Teilbereich oder gar nicht“. Dies setzte aber arbeitsorganisatorisch eine 12-stündige Verfügbarkeit voraus. Dies war mit meinem berufsbegleitenden Studium unvereinbar. Beschreibung der Konflikthistorie
1.2 Beschreiben Sie die Konflikthistorie, soweit es sich nicht um einen ad-hoc-Konflikt handelt. Wie weiter vorne beschrieben sprechen wir nicht sofort von einem Konflikt, wenn erstmalig im Verständnis unserer Definition sich ein anderer so verhält, dass entgegen der expliziten oder impliziten Vereinbarungen Restriktionen entstehen. Soweit möglich sollten diese frühen Störungen erkannt werden, um auf mögliche Auslöser aufmerksam zu werden. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (2) Die Störungen beginnen bereits mit dem geringen Interesse der beiden Mittherapeuten, überhaupt koordinierende Sitzungen einzuberaumen. Die wiederkehrenden Terminverschiebungen machen dies deutlich. Beispiel „Konkurrenz“ (2) Die Störungen begannen bereits vor zwei Jahren, als der ehemalige Kooperationspartner kein Interesse am Ausbau des Geschäftsfeldes zeigte und immer wieder Argumente fand, warum dies nicht darstellbar sei.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Beispiel „Zwischen den Fronten“ (2) Die Störungen begannen mit dem ersten Arbeitstag, an dem ich dem Abteilungsleiter zugeordnet wurde. Er begegnete mir – so habe ich das empfunden – misstrauisch und zeigte mit Verweis auf Zeitmangel wenig Bereitschaft, mich einzuarbeiten. Auftretende Spannungen
1.3 Benennen Sie auftretende Spannungen. Die Wiederholung der als Störung verstandenen Verhaltensweisen führen ab einer bestimmten Intensität zu Emotionen, sei es in Form von Ärger, Anspannung, Unruhe oder auch diskreditierende Gedanken: „Dieser Armleuchter.“ Die Beschreibung dieser Spannung hilft, den eigenen Beitrag zum Konfliktverlauf zu verstehen. Habe ich nämlich einmal jemanden als Armleuchter etikettiert, dann verhalte ich mich so, dass er diesem Bild entsprechen kann. Dieses Phänomen werden wir später unter dem Begriff der sich selbst erfüllenden Prophezeiung vertiefen. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (3) Die Terminverschiebungen ärgerten mich und ich reagierte sicherlich nicht souverän, wenn ich die Absagen erhielt. Meine Forderungen nach einem neuen Termin wurden zusehends fordernder (aggressiver) formuliert. Beispiel „Konkurrenz“ (3) Die Störungen schlugen in deutliche Spannungen um, als ein Auslandgeschäft platzte und nachhaltigen Schaden anrichteten. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (3) Die wiederkehrenden Hinweise des Abteilungsleiters, mein Studium mache eine intensive Einarbeitung zunichte, führten zu einer frostigeren Atmosphäre zwischen uns. Die Sprache wurde formaler und war schließlich frei von Freundlichkeit oder Herzlichkeit. Auch mein Hinweis, der Geschäftsführung sei von Anfang an das Studium bekannt gewesen – und hierdurch habe man mich als Assistenten eingestellt – führten zu keiner Entspannung.
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Umschlagen in einen Konflikt
1.4 Verdeutlichen Sie, wann die Situation in einen Konflikt umgeschlagen ist. Der Umschlagspunkt von einer Störung in einen Konflikt lässt sich an dem Gedanken festmachen, dass die Störungen einer Systematik oder einer Absicht unterliegen: Sie sind nicht „zufällig“. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (4) B’s wiederkehrendes Verhalten (zu spät, Handy, früher gehen) interpretiere ich als Desinteresse an einer Gemeinschaftspraxis. Entweder findet man einen Konsens oder B sollte sich eine Alternative suchen. Vielleicht ist sie ja eher Einzelkämpferin, die mit einer eigenen Praxis besser zurecht kommt – auch wenn hierdurch Synergieeffekte nicht zustande kommen. Beispiel „Konkurrenz“ (4) Die Spannung schlägt in einen – zunächst verborgenen – Konflikt um, als Unternehmen B einen neuen Vertrag anbietet, der nicht mehr den Geist der Zusammenarbeit, sondern den Geist eines Zulieferanten trägt. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (4) Offen tritt der Konflikt zutage, als der Abteilungsleiter deutlich seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit aufkündigt. Dabei wiederholt er die bereits genannten Argumente. Bisherige Formen der Konfliktbewältigung
1.5 Wie wurden in dieser Beziehung Konflikte in der Vergangenheit bewältigt? Die Bandbreite möglicher Formen reicht von vollkommener Passivität über Versuche, den Konflikt zu thematisieren bis hin zu Vereinbarungen, die jedoch nicht eingehalten wurden. Nicht selten erleben wir, dass ein Konflikt von einem Akteur aufgegriffen wird, er oder sie der Konfliktbeschreibung zustimmt, ohne dass sich allerdings am Verhalten langfristig etwas ändert.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (5) Bis auf wiederholte Ansprachen und Darstellung der Bedeutung gemeinsamer Sitzungen habe ich nichts unternommen. In der Tat stimmte auch B immer dieser Notwendigkeit zu, ohne jedoch ihr Verhalten zu ändern. Beispiel „Konkurrenz“ (5) Wir haben als Unternehmen A, als wir merkten, dass der Konflikt zu eskalieren drohte, einen Assetdeal vorgeschlagen. Scheinbar ist Unternehmen B auch in die Verhandlung eingetreten. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (5) Mein Hinweis, ich stehe doch noch in der Ausbildung fruchtete nicht. Auf mein Bitte an die Geschäftsführung, mich zu unterstützen, reagierte der Abteilungsleiter mit der Androhung seiner Kündigung: „So könne er den Bereich nicht verantworten.“ Verborgene Konfliktursachen
1.6 Gibt es nach Ihrer Ansicht einen tiefer liegenden Konflikt? Mit anderen Worten: Ist der von Ihnen beschriebene Konflikt nur der sichtbare Teil des Eisberges? Ohne in eine unendliche Begründungskette zu verfallen, ist es durchaus möglich, dass dem konfliganten Verhalten des Anderen mir unzugängliche Ursachen zugrunde liegen. Hierüber kann ich durchaus spekulieren. D.h., aus meinem Wissen heraus formuliere ich Vermutungen im Wissen darum, dass diese Gedanken nur und ausschließlich nur Vermutungen sind. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (6) Ich vermute, dass B auch privat unter starker Anspannung steht und Probleme mit ihrem Zeitmanagement hat. Beispiel „Konkurrenz“ (6) Appetit kommt beim Essen. Das Unternehmen B wollte, nach dem es erlebt hat, dass der Geschäftsbereich gute Umsätze abwirft, ein wesentlich größeres Stück vom Kuchen und sich zugleich von einer Abhängigkeit befreien. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (6) Der Abteilungsleiter verfügte über ein Informations- und Machtmonopol. Seine Erfolge waren ja nachweislich. Er befürchtete aber, durch
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meine Position zumindest teilweise entmachtet zu werden. Das Studium war für ihn ein willkommener Anlass, mich ins Aus zu manövrieren. Vielleicht spielte auch Neid eine Rolle. Beidseitigkeit der Konfliktwahrnehmung
1.7 Ist die andere Konfliktpartei ebenfalls davon überzeugt, dass ein Konflikt besteht? Eine als Konflikt bezeichnete Situation muss nicht zwingend von allen Akteuren als Konflikt wahrgenommen werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Verhaltensgewohnheiten – und dahinter stehende Selbstverständlichkeiten – aufeinander treffen oder wenn die an einen Akteur gestellten Erwartungen nicht bekannt sind. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (7) Der Konflikt mag sich für B mehr als privater Konflikt dargestellt haben. Sie ist ihren unterschiedlichen Rollen als Mutter, Klassensprecherin usw. nicht gerecht geworden. Meine Forderungen, die ja ein Mehr an Engagement meinten, standen dem gegenüber. Beispiel „Konkurrenz“ (7) Im Moment des Angebots zu einem Assetdeal war der Konflikt für Unternehmen B virulent geworden. Das Verhalten unter der Oberfläche, einerseits Verhandlungen mit uns zu führen, zeitgleich aber auch verdeckt den Markt ohne uns – trotz bestehenden Vertrags – zu bedienen, führte sehr schnell zur Eskalation. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (7) Ich vermute, der Konflikt ist bereits mit meiner Einstellung – im Nachhinein ohne seine Zustimmung – aufgetreten, nur eben auf mein Studium verlagert worden. Eigene Belastung durch den Konflikt
1.8 Schätzen Sie bitte die Intensität, mit der Sie der Konflikt belastet, ein. Auf einer Skala von 1 bis 6 wird die subjektive Belastung infolge des Konfliktes eingeschätzt. Je höher die Belastung ist, desto dringlicher ist eine Bewältigung angezeigt. Zudem gilt in der Tendenz: Je größer die Belastung ist, desto schwerer fällt es, eine notwendige Distanz herzustellen, durch die die Sicht des anderen Akteurs eingenommen werden kann.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Belastung des Partners durch den Konflikt
1.9 Wie meinen Sie, würde Ihr Konfliktpartner seine Belastung einschätzen? Grundlage bildet dieselbe Skala. Die Einschätzung der vermuteten Belastung des Anderen basiert in der Regel auf Beobachtungen. Hinweise für Belastung sind neben dem sprachlichen Hinweis Stimmveränderungen, Körperhaltung, Vermeidungs- oder Fluchtverhalten. Vermeidungsverhalten liegt vor, wenn ein Akteur die den Konflikt kennzeichnende Situation vermeidet aufzusuchen – oder es vermeidet, das Thema zum Gespräch zuzulassen. „Können wir darüber morgen sprechen …“. Von Fluchtverhalten sprechen wir, wenn ein Akteur „das Weite“ sucht, sobald die Konfliktsituation auftritt. Er flieht aus der Situation. Die Gegenüberstellung der eigenen Belastung und der vermeintlichen Belastung des anderen ist ein möglicher Hinweis, ob der Konflikt in seiner Bedeutsamkeit von beiden unterschiedlich oder ähnlich gesehen wird. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (8) Skala Ich 4 B 2 Begründung: Ich nehme an, dass B über eine für sie attraktive Alternative nachdenkt und eher bereit ist, die Gemeinschaftspraxis zu verlassen. Ich meinerseits sehe in ihrer Dienstleistung eine gute Bereicherung. Beispiel „Konkurrenz“ (8) Skala Unternehmen A 6 Skala Unternehmen B 5 Begründung: Der fehlgeschlagene Assetdeal sowie die Kraft- und Kostenaufwendungen im Rechtsstreit behindern eine zügige Marktbearbeitung und verunsichern die Stakeholder. Demgegenüber wird Unternehmen B meinen, sich gegenüber A durchsetzen zu können. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (8) Skala Ich 4 Skala Abteilungsleiter 2 Begründung: Natürlich wünsche ich mir eine gute Lösung. Auf der anderen Seite schaffe ich mir durch das Studium zukünftige, bessere Optionen als die, mich mit dem Abteilungsleiter herumschlagen zu müssen.
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Für den Abteilungsleiter bin ich eher eine ärgerliche Angelegenheit. Seine Kompetenz und seine Netzwerke sind so stark, dass ich ihn gar nicht gefährden könnte, selbst wenn ich dies wollte. Optimales Ergebnis aus eigener Sicht
1.10 Beschreiben Sie Ihre Wunschvorstellung: Zu welchem Ergebnis sollte die Konfliktbewältigung kommen? Beschreiben Sie Ihre Mindesterwartung an ein Ergebnis. Der Grundgedanke ist, dass sich jeder Konflikt bewältigen lässt. Eine nachhaltige Bewältigung setzt allerdings einen Ergebnisraum minimaler und maximaler Erwartungen voraus. Um in ein den Konflikt bewältigendes Gespräch zu gelangen, ist es erforderlich, dass ich mir Gedanken über das beste und das minimal-akzeptable Ergebnis mache. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (9) Schön wären regelmäßige Sitzungen mit einem Zeitplan in ungestörter Form. Eine Agenda sollte zur Verfügung stehen und jeder sollte Aufgaben übernehmen. Beispiel „Konkurrenz“ (9) Trotz der bereits eingetretenen Eskalation läge eine Lösung darin, Arbeitsteilungen und gegenseitige Unterstützung in unterschiedlichen Geschäftsfeldern herzustellen. Dies wäre in der Tat eine Win-WinSituation. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (9) Definition einer zeitlich bewältigbaren Aufgabe, durch die ich meinen Eifer, mein Können und mein Engagement unter Beweis stellen könnte. Optimales Ergebnis aus Sicht des Partners
1.11 Versuchen Sie diese Beschreibung aus der Perspektive der anderen Konfliktpartei. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (10) Ganz einfach: Sie in Ruhe zu lassen, keine Verpflichtungen herzustellen und auf ihre angespannte Situation Rücksicht zu nehmen.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Beispiel „Konkurrenz“ (10) Wiederherstellung des Status Quo vor dem Konflikt. Dass dies unmöglich ist, weiß ich. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (10) Ich glaube schon, dass der Abteilungsleiter Entlastung gewünscht hat – allerdings ohne das Informationsmonopol aufgeben zu müssen. Minimales Ergebnis aus Sicht des Partners
1.12 Beschreiben Sie die vermutete Mindesterwartung aus der Perspektive der anderen Konfliktpartei. Von Tarifverhandlungen wissen wir – zumindest aus den Medien – um das Kräftemessen zwischen den Maximal- und Minimalforderungen der Tarifpartner. Beide Seiten berechnen nicht nur den eigenen Widerstandspunkt, sondern auch den mutmaßlichen Widerstandspunkt des Kontrahenten. Analog sollte in dieser Analyse verfahren werden: Wenn es zu einer Bereinigung des Konfliktes kommt, was erwartet der andere vermutlich idealer weise oder als Mindestmaß (meines Entgegenkommens). Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (11) Ganz einfach: Sie in Ruhe zu lassen, keine Verpflichtungen herzustellen und auf ihre angespannte Situation Rücksicht zu nehmen. Beispiel „Konkurrenz“ (11) Sollte eine Rückkehr zu einer Einigung überhaupt noch möglich sein, wird Unternehmen B enorme Forderungen stellen, die einen Einigungsraum fast schon unmöglich machen. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (11) Ich nehme an, der Abteilungsleiter fordert die Aufgabe des Studiums.
2. Vertiefte Konfliktdarstellung Konfliktanalyse ist ein „iterativer“ Prozess. In einer weiteren Annäherung soll der Konflikt noch tiefer durchdrungen werden. Wir greifen nun wieder die oben dargestellten Fallbeispiele auf.
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Konfliktbeteiligte
2.1 WER ist am Konflikt unmittelbar beteiligt? Im Sinne unserer sozialen Aggregate können Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen am Konflikt beteiligt sein. Je präziser diese benannt werden, desto deutlicher sind später die entsprechenden Einigungserwartungen formulierbar. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (12) Alle drei Therapeuten sind am Konflikt beteiligt. Schließlich zeigt auch C kein förderliches Verhalten, indem er zwar den Sitzungen zustimmt, sie aber auch selbst wieder verschiebt oder nicht als Treiber der Sitzungen auftritt. Er nimmt (als Mann) zwischen den beiden Frauen eine Sandwich-Position ein. Beispiel „Konkurrenz“ (12) Zunächst sind die beiden Unternehmen am Konflikt beteiligt, später greifen Experten (Anwälte, Gerichte) in das Prozedere ein. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (12) Neben mir und dem Abteilungsleiter war auch die Geschäftsführung in den Konflikt verwickelt. Bereits mit dem Einstellungsverfahren und der Position hat sie Keime für den Konflikt gelegt: Der Abteilungsleiter war nicht involviert, die Position war als Assistenz der Geschäftsführung und nicht als Assistenz für den Abteilungeleiter formuliert. Zudem konnte hierdurch der Abteilungsleiter annehmen, die Geschäftsführung setze mit mir ein Trojanisches Pferd ein, das das Informations- und Machtmonopol knacken sollte. Einfluss Dritter
2.2 Wirken BEEINFLUSSENDE Personen/Gruppen auf die Konfliktparteien? Aufgabe ist es, mittelbar oder unmittelbar auf die Konfliktpartner einwirkende Dritte und deren Intentionen zu beschreiben. Ein einfaches Soziogramm könnte beispielsweise wie folgt aussehen (vgl. Abb. 21):
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Modul 8: Konfliktanalyse
Person AA
Person BB1
steht beratend zur Seite
Person A
Person B
erwartet ein bestimmtes Ergebnis
versorgt B mit Argumenten
Person BB2
Abb. 21. Einfluss von Drittparteien
Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (13) Seitens B sind „Beeinflusser“ die Erwartungen/Bedürfnisse der schulpflichtigen und minderjährigen Tochter sowie die des neuen Lebensgefährten. Sie fordern mehr Zeit und einen durchgängigen Zugriff auch in Bagatellangelegenheiten. Beispiel „Konkurrenz“ (13) Im Unternehmen A ist es der Führungskreis, der an der Konfliktgestaltung gemeinsam arbeitet. In der Tat versuchte das Unternehmen B eine Führungskraft herauszulösen. Im Unternehmen B stehen die Interessen insbesondere eines Shareholders maßgeblich hinter der Konfliktentwicklung. Sein Ziel ist es, zu gegebenem Zeitpunkt aus einem Konzernvorstand in die Vorstandsverantwortung „seiner“ Firma einzutreten. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (13) Direkt beeinflussende Dritte nehme ich nicht wahr. Natürlich nutzte der Abteilungsleiter seine Allianzen, um die eigene Position zu stärken. Ich merkte, dass mir das Studium immer wichtiger wurde – mein Ehrgeiz stieg an.
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Präzisierung des Konfliktgegenstands
2.3 Beschreiben Sie den Konfliktgegenstand präzise. Ein Konflikt ist entscheidend durch die Situation gekennzeichnet, dass mindestens eine Person ein Ziel verfolgt, das mit dem Ziel des Anderen unvereinbar ist, dann liegt in der konfliganten Zielverfolgung der Konfliktgegenstand. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (14) Mein Ziel (Person A) ist es, den gemeinsamen und meinen Geschäftserfolg auszubauen. Der Aufbau eines Kundenstammes und eine hohe Kundenbindung sind unerlässlich. Dies können wir nur gemeinsam schaffen. B scheint diese Sicht nicht zu teilen und lebt lieber von der Hand in den Mund. Sie ist eigentlich kein Geschäftspartner. C ist seit längerer Zeit am Markt und schon eingeführt. Er teilt zwar meine Haltung, sein Handlungsbedarf ist aber weniger dringend. Beispiel „Konkurrenz“ (14) Im Rahmen des Kooperationsvertrages wollten wir gemeinsam Marktmacht und eine hohe Rentabilität erwirtschaften. Diese Win-WinSituation ist nun in eine Konkurrenzsituation übergegangen und ich (Firma B) sehe natürlich, dass die Gefahr vorübergehend vorhanden ist, dass wir beide verlieren. Im Moment konkurrieren wir mittels hoher Werbe- und Vertriebsaufwendungen. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (14) Mein Ziel war es, unter gegeben Bedingungen in eine Führungsposition hineinzuwachsen. Der Abteilungsleiter wollte jedoch nicht abgeben. Förderliche Verhaltensweisen
2.4 Welche Verhaltensweisen sind nicht mit dem Ziel vereinbar? Konflikte werden nicht abstrakt, sondern konkret durch Verhaltensweisen angezeigt. Die Aufgabe besteht darin, diese zu benennen. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (15) B’s Verhaltensweisen sind: x Termine nicht wahrzunehmen x zu spät zu kommen und früher zu gehen
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x x
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während der Sitzung zu telefonieren übernommenen Aufgaben nicht nachzukommen und mit „Ich hatte keine Zeit“ zu begründen.
Beispiel „Konkurrenz“ (15) Die folgenden Verhaltensweisen des Unternehmens A waren mit dem Geist des Kooperationsvertrages nicht vereinbar: x Aufkündigung der Kooperationsbedingungen x vermehrte Werbung ohne Logo der Firma A Nachdem der Konflikt eskaliert war, ergaben sich weitere zieldivergente Verhaltensweisen, die eine endgültige Trennung mutmaßen ließen: x Zeitliche Verzögerungen, um eine Entscheidung zu finden x Scheinverhandlung, während der bereits Mailingaktionen angelaufen waren. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (15) Die unvereinbaren Verhaltensweisen lassen sich auf einen Nenner bringen: Es waren die fehlende Bereitschaft, mich in Aufgaben und damit verbundener Prozesse einzuweisen. Abhängigkeitsstrukturen
2.5 Welche Abhängigkeitsstrukturen bestehen? Wenn wir von gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen sprechen, dann können diese hinsichtlich der verfügbaren Macht unterschiedlich gewichtet sein. Ein Vorgesetzter ist natürlich von den Leistungen seiner Mitarbeiter/innen abhängig wie diese von seinem Führungsrepertoire abhängig sind. Dennoch verfügt er qua Rolle über Machtinstrumente. Abhängigkeiten bestehen in arbeitsteiligen Organisationen im Wesentlichen in den Beiträgen zu den Geschäftsprozessen, die die einzelnen Mitarbeiter/innen verantworten. Ist B von den Vorleistungen von A abhängig und dieser liefert sie nicht in vereinbartem Umfang, kann B seine Aufgaben nicht erfüllen. Steht er in direktem Kundenbezug, führt diese doppelte Abhängigkeit zu Konflikten mit dem Kollegen A, aber auch zu Konflikten mit dem Kunden. Neben Macht- und arbeitsorganisatorischen Abhängigkeiten bestehen natürlich eine Fülle weiterer gegenseitiger Abhängigkeitsstrukturen, die bei gemeinsamer Zielstruktur die Zielerreichung eines Einzelnen oder einer Gruppe verhindern können:
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x x x x x
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Notwendige Ressourcen werden nicht zur Verfügung gestellt. Wissen wird nicht weitergegeben. Aufmerksamkeit wird nicht gezollt. Instruktionen sind uneindeutig. Zuneigung/Liebe wird entzogen. Beispiel 38 Mittelständische Unternehmen sind häufig inhabergeführt und manche Unternehmer neigen dazu, den Begriff Familienbetrieb sehr weit auszudehnen. Neben den Angestellten, die nicht zur Familie gehören, agieren beispielsweise die Gattin als Finanzbuchhalterin, die Tochter als Marketingverantwortliche und der Sohn als zukünftiger Geschäftsführer. Gattin und Tochter verfügen über keine entsprechende Fachausbildung, so dass Rechnungsstellungen und Debitorenkonten schlecht geführt sind. Da sowieso keine Kostendisziplin (und -planung) existiert, verlustiert sich die Tochter in Marketingaktionen ohne Sinn und Verstand. An diesem – glücklicherweise – nicht repräsentativen Beispiel wird das ganze Ausmaß der Abhängigkeitsstrukturen deutlich. Auf Interventionen des Chefs gegenüber seiner Gattin reagiert diese mit Liebesentzug. Mahnt der Vertrieb ein professionelleres Marketing an, solidarisieren sich Mutter und Tochter; der Vertrieb wird intern stigmatisiert. Dazwischen steht der Sohn, der zwar BWL studiert hat, dem es aber erstens an praktischen Kenntnissen fehlt und der zweitens nicht gelernt hat, eine Firma zu führen. Sein Vater ist ihm aufgrund des Beziehungswirrwarrs kein gutes Modell.
Forderungen
2.6 Welche Forderungen werden gestellt? Konflikte bewältigen zu wollen heißt, Verhaltensweisen zu ändern. Diese Änderung bezeichnen wir als Forderung, auch wenn sie wesentlich diplomatischer formuliert werden. Beispiel 39 Nehmen wir folgenden Dialog: A: „Ich fände es gut, wenn Du meine Sichtweise verstehen könntest und Du Dein Verhalten darauf einstelltest“. B: „Verstehen kann ich das schon, aber Deinem Wunsch generell nachzukommen, kann ich nicht versprechen.“ Die wechselseitigen Forderungen lauten:
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A: B:
Modul 8: Konfliktanalyse
Verstehe mich! Verändere Dein Verhalten! Akzeptiere, dass ich dies nicht immer kann!
In späteren Modulen, in denen wir Verhandlungsdynamiken beschreiben, spielen Forderungen und der Umgang mit ihnen eine entscheidende Rolle. Zunächst arbeiten wir weiter an den Beispielen „Gemeinschaftspraxis“, „Konkurrenz“ und „Zwischen den Fronten“. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (16) Ich (Person A) fordere die Einhaltung der Termine und die disziplinierte Umsetzung der Beschlüsse. B fordert mehr Rücksichtnahme auf ihre private Situation. C fordert (indirekt), ihn so weit wie möglich in Ruhe zu lassen. Beispiel „Konkurrenz“ (16) Das Unternehmen B forderte bis zu einem gewissen Zeitpunkt die Wiederherstellung des Status Quo. Als das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört war, konnten keine Forderungen mehr formuliert werden. Das Unternehmen A machte ein attraktives Angebot zu einem Assetdeal. Ein Angebot kann als eine Forderung verstanden werden. A machte im Rahmen alternativer Szenarien auch deutlich, einen möglichen Konkurrenzkampf nicht zu wollen. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (16) Meine Forderungen sind bekannt: Aufgaben und Verantwortungen übernehmen zu können, die sich mit meinem Studium vereinbaren lassen. Demgegenüber forderte der Abteilungsleiter die Aufgabe des Studiums. Konzessionsbereitschaft
2.7 Welche Konzessionsbereitschaft liegt vor? An dem kurzen Dialogbeispiel können wir bereits eine Konzessionsbereitschaft feststellen: B ist bereit, das Verhalten zu ändern, aber eben nicht unter jeder Bedingung. Würde A nun dieses Entgegenkommen akzeptieren und würden beide ggf. die Bedingungen eingrenzen, unter denen dieses Verhalten nicht gezeigt werden soll, wäre der Konflikt bewältigt. Die Kunst des Entgegenkommens liegt darin, diese Konzessionen so zu formu-
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lieren, dass die beteiligten Konfliktpartner diese auch tatsächlich akzeptieren können. Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (17) Es ist ja nicht so, dass B gar kein Interesse an einer besseren Koordination der Angebote hätte. Mir gegenüber (Person A) rechtfertigt sie schon hin und wieder ihr Verhalten, sie müsse sich eben um ihre Tochter kümmern und die neue Beziehung sei ihr natürlich wichtig. Damit zeigt sie eine gewisse Bereitschaft, an Bedingungen mitzuwirken, die meinen Erwartungen zumindest im Ansatz entsprechen. Mein Entgegenkommen kann darin liegen, einen Teil der Aufgaben, die aus den Vereinbarungen resultieren, selbst zu erledigen und B hierdurch zu entlasten. Beispiel „Konkurrenz“ (17) Im Moment sind alle Möglichkeiten ausgereizt, den Konflikt gütlich und einvernehmlich zu lösen. Vielleicht ergeben sich Optionen, wenn wieder Sachrationalität eingekehrt ist. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (17) Ich war bereit, an den „Nichtstudientagen“ länger im Unternehmen zu bleiben und auch abwechselnd sonntagabends mit der Arbeitsvorbereitung für den Montag zu beginnen. Der Abteilungsleiter war diesem Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt. Lösungsalternativen
2.8 Welche Lösungsalternativen liegen vor? Konfliktbewältigung ist immer auch ein Lernprozess, in vielen Fällen aber auch ein Prozess, in dem Kreativität gefordert ist. Insofern können wir auch, sobald eine Bewältigungsbereitschaft grundsätzlich vorhanden ist, von Problemlösung sprechen. Lösungsalternativen liegen häufig nicht in den Denkstrukturen, die den Konflikt beherrschen, sondern außerhalb der eingetretenen Denkpfade.
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Modul 8: Konfliktanalyse
Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (18) Mögliche Alternativen wären aus meiner Sicht (Person A) x Die Tochter von B kann an den Sitzungen teilnehmen (und macht ihre Hausaufgaben); Störungen werden akzeptiert. x Dafür vereinbart B, während der Sitzung nur noch „Notrufe“ zuzulassen x Wir können die Sitzungen auch in die Privatwohnungen verlegen, damit fühlen sich die Partner (insbesondere von B) vielleicht nicht so ausgeschlossen. Beispiel „Konkurrenz“ (18) Alternativen, die nun zunächst nicht mehr realisiert werden können, wären gewesen: x Jedes Unternehmen bearbeitet seine angestammten Märkte x Vertriebsaufwendungen werden punktuell gemeinsam getragen x Unternehmen B überträgt Back-Office-Leistungen an Unternehmen A. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (18) Ich sehe eine einfache Lösungsstruktur: x Klare Aufgaben und ein abgestimmtes Zeitmanagement x Umbenennung der Position in Assistent des Abteilungsleiters. Hier habe ich keine Eitelkeiten, da ich von der Pike auf lernen kann. Emotionen
2.9 Welche Emotionen werden frei? Je tiefer Konflikte in die (Selbst-)Wertstruktur eines Menschen eindringen, desto mehr Emotionen können sie frei setzen. Emotionen wiederum reduzieren die eigentlich erforderliche Sachlichkeit und Klarheit. Auf der anderen Seite sollten wir uns unserer Emotionen nicht schämen; sie sind Teil unserer Persönlichkeit. Menschen unterscheiden sich allerdings im Grad ihrer Beherrschung, Profiverhandler haben sogar gelernt, ihre Emotionen zu überdecken oder mit ihnen bewusst zu spielen.
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Beispiel „Gemeinschaftspraxis“ (19) Bei mir (A): Ärger – aggressiver Tonfall Bei B: vermutlich gespielte Gleichgültigkeit Bei C: keine, eher Gelassenheit. Beispiel „Konkurrenz“ (19) Bei Teilen des Unternehmens B: Verlustängste Firma A: Mischung aus Ärger, Aggression und Kampfeslust. Beispiel „Zwischen den Fronten“ (19) Emotionen sind eigentlich kaum frei geworden. Natürlich habe ich mich an manchen Stellen geärgert. Dies hat aber mein Verhalten nicht beeinflusst.
3. Beschreibung von Verhaltensweisen und Forderungen Nachdem der Konfliktrahmen erarbeitet worden ist, werden nun die verschiedenen Perspektiven der Konfliktparteien und deren Einfluss auf den jeweils anderen noch näher beschrieben, um im Sinne des „iterativen“ Prozesses weitere Motive erkennen zu können. Zudem lassen sich in diesem Abschnitt die bisherigen Ergebnisse der Analyse gut gegenüberstellen. Zur Abwechslung werden wir einen neuen Konflikt aufgreifen und ihn ausführlich beschreiben. Beispiel ABC-Unternehmen (1) In einem Unternehmen ABC stehen die beiden Geschäftsführer GF A und GF B in einem angespannten Verhältnis. Während GF A eine offensive Marktexpansion im Hochpreissegment beabsichtigt, bevorzugt B die Strategie, Großkunden durch Preisnachlässe langfristig zu binden. Beide Geschäftsführer stehen also im Wettbewerb um die richtige Strategie. Sie versuchen unternehmensintern Gefolgschaft sicherzustellen. Während GF A massive Leistungssteigerungen erwartet, versucht B durch Anbiederungsverhalten die Mitarbeiter/innen auf seine Seite zu bringen: Alles ist ja so schwierig! Wir werden den Konflikt aus der Sichtweise von GF A formulieren.
150
Modul 8: Konfliktanalyse
3.1 Worin besteht der Konflikt? Meine Interessen und Ziele x x x
x x x
Die Interessen und Ziele meines Konfliktpartners
Verdoppelung des Ergebnisses Aufbau neuer Geschäftsfelder eine für beide Seiten (Anbieter und Nachfrager) interessante Preispolitik Ausbau des Servicepersonals Übernahme von Unternehmen Joint Ventures mit potentiellen Großkunden
x
x
Ausbau von Rahmenverträgen zu wettbewerbsfähigen Preisen Ausbau der Dienstleistungsstruktur für den bestehenden Kundenstamm
3.2 Welche Verhaltensweisen Ihres Konfliktpartner behindern welche Ihrer Verhaltensweisen? Seine/Ihre Verhaltensweisen x x x
meine Verhaltensweisen
behindern
Infragestellen meiner strategischen Ausrichtung Seine Einmischung in den Vertrieb seine Form, hinter meinem Rücken Mitarbeiter auszufragen
x
x
x
behindern meinen Aufbau von Commitment in der Belegschaft behindern meine enge Bindung der Vertriebsverantwortlichen an mich behindern die von mir eingeforderte Arbeitseffizienz und stören ganz einfach das Klima.
3.3 Welche Ihrer Verhaltensweisen behindern das Verhalten Ihres Konfliktpartners? Meine Verhaltensweisen x x x
behindern
Meine Informationspolitik Mein gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern Meine Kontakte zu vielfältigen Experten
x x x
sein Verhalten
schneiden ihn vom Geschehen ab isolieren ihn zusehends schneiden ihn von der Wissensentwicklung ab
Konfliktanalyse
151
Ein Konflikt ist keine einseitige Angelegenheit. Besonders im Fall schleichender Konfliktentwicklungen entstehen vielfältige Verhaltensweisen, die zum Ausbau oder zur Eskalation des Konfliktes beitragen. 3.4 Welche Verhaltensweisen Ihres Konfliktpartners haben Sie besonders irritiert oder geärgert? Seine Verhaltensweisen x
x
Sein laufendes Rechtfertigungsverhalten und seine ewige Vergangenheitsdenke Seine Bemühungen, andere auszuhorchen
Meine Gedanken x
x
Mit dem kannst Du nichts bewegen wollen wir des Anstandes wegen hier nicht wiedergeben
Meine Empfindungen x x
Ärger bisweilen auch Wut eher belustigt
Verhaltensweisen, die zum Konflikt beitragen, hinterlassen Gedanken und in vielen Fällen auch Emotionen. Dies gilt es transparent zu machen. Entsprechend gilt auch die umgekehrte Perspektive. 3.5 Welches sind Ihre Forderungen an den Konfliktpartner? Welches sind die vermuteten Forderungen an Sie? Meine Forderungen x x x
Seine (vermuteten) Forderungen
Übernahme meiner Strategie x Verlässliche Übernahme von x Verantwortung Ergebnisse abliefern x
mehr eingebunden zu sein mehr Informationen zu erhalten auch geliebt zu werden
Diese Beispiele sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus dem gesamten Konfliktprozedere. Sie machen deutlich, dass es möglich ist, die verschiedenen Perspektiven auf der Verhaltens- und auch auf der Gedankenebene darzustellen. 4. Bewältigungsbereitschaft Die nachfolgenden vier Statements machen die beidseitige Bereitschaft transparent, den Konflikt bewältigen zu können. Tragen Sie auf den Skalen
152
Modul 8: Konfliktanalyse
Ihre Einschätzung (durch ein Kreuz) und die vermutete Sicht des Kontrahenten (durch einen Kreis) ein. Stärke des Abhängigkeitsverhältnisses
4.1 Wie intensiv ist Ihr gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis? stark
o------o-----o-----o------o-----o
schwach
Bei einem geringen Abhängigkeitsverhältnis entstehen schnell attraktive Alternativen. Der Konflikt wird nicht bewältigt, sondern durch einen Wechsel der Beziehungsstruktur aufgehoben. Beispiel ABC-Unternehmen (2) Die Abhängigkeit des GF A vom GF B ist niedrig. Er kann seine Strategie auch ohne GF B durchsetzen. Umgekehrt kann GF B auf Dauer nur seine Stellung behaupten, wenn er sich an den Erfolg von GF A anhängt. Diese Abhängigkeit ist asymmetrisch. Umgehbarkeit des Konflikts
4.2 Ist der Konflikt umgehbar? stark
o------o-----o-----o------o-----o
schwach
Nicht jeder Konflikt muss „um jeden Preis“ bewältigt werden. Sind die immateriellen und materiellen Konfliktkosten geringer als der Bewältigungsaufwand, kann es durchaus (vorübergehend) sinnvoll sein, den Konflikt auszublenden oder aufzuheben. Beispiel ABC-Unternehmen (3) Der Konflikt wäre ausblendbar, wenn beide GF Verantwortungen übernähmen, die von einander unabhängig sind. So könnte GF B sich um den Ausbau des Auslandsgeschäftes kümmern, während GF A das Inlandsgeschäft gemäß seiner Strategie bewältigt. Interesse an der Konfliktbewältigung
4.3 Wie stark ist Ihr Interesse an einer Konfliktbewältigung? stark
o------o-----o-----o------o-----o
schwach
Konfliktanalyse
153
Das Interesse an einer Bewältigung kann durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein. Der eine mag an einer Bearbeitung interessiert sein, der/die andere aus unterschiedlichen Gründen nicht: zum Beispiel weil der Konflikt nicht belastend wirkt, oder weil er eskalieren soll oder weil keine Lösung vorstellbar ist. Beispiel ABC-Unternehmen (3) GF A hat kein Interesse an einer Konfliktbewältigung, außer der, GF B schliesst sich den Überlegungen an und beginnt, sich an einer proaktiven Bewältigung zu beteiligen. Hier werden auch noch einmal die unterschiedlichen Lernstrategien deutlich: Während GF B eher der assimilative Typ ist, versteht sich GF A als ein adaptiver Mensch, der mit anderen nach Lösungsmöglichkeiten sucht. Konzessionsbereitschaft
4.4 Können Sie/Ihr Konfliktpartner zu einer Konzession bereit sein? stark
o------o-----o-----o------o-----o
schwach
Sind beide Seiten zu keiner Konzession bereit, verschärft sich der Konflikt mit hoher Wahrscheinlichkeit. Sind beide explizit zu Konzessionen bereit, geht der Konflikt fast schon in eine Problemlösung über. Die Crux bei Verhandlungen liegt, wie wir später sehen werden, darin, die Konzessionsbereitschaft zum richtigen Zeitpunkt zu kommunizieren. Wir sprechen ja nicht umsonst in vielen Fällen vom „Verhandlungspoker“. Beispiel ABC-Unternehmen (4) Im Beispiel 2 weiter oben hatten wir eine Konzessionsbereitschaft formuliert. Würden A und B sich nun intensiv dazu bekennen, könnte dies bereits die Lösung darstellen.
5. Verhandlungsflexibilität Mit Vorgriff auf den Verhandlungsprozess (vgl. Modul 11) werden hier grundsätzliche Verhaltensweisen in Verhandlungen aufgeführt. Wir wollen sie zunächst auf erlebte Konflikte und die damit verbundenen Bewältigungsgespräche beziehen.
154
Modul 8: Konfliktanalyse
Beispiel 40 Ein Unternehmen besteht aus zwei Inhabern. Kurz vor der Insolvenz wird die Suche nach einer Lösung intensiviert. In dessen Verlauf treten massive Unterschiede in den Unternehmenskonzeptionen auf, die wir uns ansehen: Inhaber A
Inhaber B
x
durchdachte Planung ist notwendig
x
minimale Planung und Verpflichtung
x
erweiterte Produktpalette
x
Eingrenzung der Produktpalette
x
hohe Kundenbindung
x
Kunde als ärgerliche Tatsache
x
Bereitschaft, Kapital einzuschießen
x
keine Möglichkeit, Kapital zuzugeben
Aus den damit verbundenen Gesprächen ergeben sich Grundmuster, mit denen sich die Konfliktpartner begegnen. Merkmale
Ich stark
Mein Konfiktpartner schwach
stark
schwach
1. Deutlich Forderungen stellen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
2. Den anderen zurückweisen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
3. Selbstverpflichtung zeigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
4. Drohungen aussprechen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
5. Attackieren
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
6. Auf- und Anforderungen tätigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
7. Zustimmung signalisieren
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
Konfliktanalyse
Merkmale
Ich stark
155
Mein Konfiktpartner schwach
stark
schwach
8. Eigene Forderungen zurücknehmen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
9. Sich verpflichten
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
10. Sich rechtfertigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
11. Akzeptanz zeigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
12. Information weitergeben
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
13. Zur Klärung beitragen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
14. Suche nach Problemlösung
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
Übung 39. Zuordnung von Äußerungen zu Kategorien
Versuchen Sie einmal die nachfolgenden Aussagen anhand des obigen Schemas zu analysieren und den jeweiligen Kategorien zuzuordnen. Dauer: ca. 30 Minuten Verhalten A A: „Wir haben dringenden Klärungsbedarf, kannst Du Dich heute Nachmittag freimachen?“ B: „Wenn es denn sein muss.“ A: „Es muss. Wir wollen schließlich uns und der Firma eine Zukunft geben.“ Beide treffen sich um 15 Uhr im Konferenzzimmer. A: „Du weißt, dass unser Kontokorrentrahmen reduziert worden ist und die Bank sehr nervös reagiert. Wir müssen unbedingt als erstes ein Konzept erstellen, wie wir in Zukunft am Markt auftreten wollen.“
Verhalten B
156
Modul 8: Konfliktanalyse
Übung 39 (Fortsetzung)
B: „Für den kleinen Kundenstamm brauchen wir kein großes Konzept …“ A: „Doch. Unsere Lage ist ja nicht ohne Grund misslich …“ B: „Klar, wir haben einen weiteren Konkurrenten bekommen …“ A: „Bisher war es uns möglich, die Konkurrenz durch bessere Leistungen abzuwehren und die Kunden an uns zu binden …“ B: „Die Kunden mit ihren laufenden Sonderwünschen und Unbeholfenheiten stören mich bei der Arbeit …“ A: „Ich denke, die Kunden sind Deine Arbeit, besser: Deine Brötchengeber.“ B: „Jetzt fang nicht wieder so an. Außerdem hat sich doch noch kein Kunde beschwert.“ A: „Glücklicherweise doch. Herr XY hat mich angerufen …“ B: „Ach, diese blöde Socke schon wieder …“ A: „Ich habe kein Verständnis für Deine Haltung. Ein Kunde, der sich beschwert, ist mir zehnmal lieber als ein Kunde, der zum Wettbewerber geht. Das heißt, wir müssen uns überlegen, wie wir unseren Kundenstamm ausbauen und bestehende Kunden halten.“ B: „Du hast ja schon recht …“
Konfliktanalyse Übung 39 (Fortsetzung)
A: „Ich habe mir einmal die Umsätze angesehen und mich bei der Konkurrenz umgeguckt. Zwei Dinge stelle ich fest: Erstens wird unsere Dienstleistung K nicht angenommen – hiermit haben wir keinen müden Euro verdient – zum anderen fehlen uns neuere Dienstleistungen rund um das Internet.“ B: „Wir sollten uns nicht verzetteln. Besser ein kleines Angebot als eine Angebotsvielfalt ohne Profil …“ A: „Ja, das stimmt …“ B: „… also können wir diesen Punkt schon einmal streichen.“ A: „Nein, ich denke, wir machen jeder für sich einmal ein kleines Konzept, wie unsere zukünftigen Dienstleistungen aussehen sollen, um uns deutlich zu profilieren.“ A: „Ich erwarte von Dir, dass Du dem nachkommst. Wir könnten am Montag unsere Überlegungen austauschen und ein gemeinsames Konzept unseres zukünftigen Dienstleistungsangebotes beschließen.“ B: „Bis Montag schaffe ich das nicht …“ A: „Nicht böse sein, ich erwarte es …“ B: „Mal sehen, ob ich dann Montag da bin.“ A: Was ist Deine Alternative? B: Wir können doch die Flipcharts nehmen und jetzt gemeinsam etwas erarbeiten.
157
158
Modul 8: Konfliktanalyse
Übung 39 (Fortsetzung)
– Eine Stunde später – A: „Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden?“ B: „Einige Sachen finde ich gut. Dein Schmusekurs mit den Kunden gefällt mir nicht.“ A: „Ich erwarte nicht von Dir, dass Du die Kunden knutscht. Aber sie sollen mit uns sehr zufrieden sein und gerne wiederkommen. Sie müssen das Gefühl haben, dass wir immer für sie da sind. Das ist Service.“ B: „Na, da müssen wir noch einmal darüber reden. Ich sehe ja ein, dass wir Internetdienstleistungen aufnehmen müssen, aber ich kenne mich kaum aus.“ A: „Dann lernen wir es eben. Das ist doch kein Thema. Lass’ uns jetzt mal weiterkommen.“ B: „Womit denn noch? Es ist gleich fünf.“ A: „Die schwierigste Arbeit haben wir noch vor uns. Ohne frisches Kapital kommen wir nicht über die Runden. Und die Banken machen dicht.“ B: „Du weißt, dass ich über kein nennenswertes Vermögen verfüge.“ A: „Ja, dass ist auch nicht das Thema. Ich kann mein Haus beleihen. Dann hätten wir Geld. Damit bin ich aber nur einverstanden, wenn unsere Ausrichtung klar und Erfolg versprechend ist. Das musst Du mir schon noch deutlich machen.“
Konfliktanalyse
159
Übung 39 (Fortsetzung)
B: „Wie soll ich das tun? Was willst Du wirklich? Mich loswerden? Dann gehe ich eben ins Angestelltenverhältnis zurück.“ A: „Unsinn. Wir haben die Firma aufgebaut und werden sie auch fortführen. Wenn Du nicht so starrköpfig bist, macht es ja auch Freude, mit Dir zu arbeiten.“ B: „Ich kann nun mal nicht anders. Ich bin Tüftler, kein Verkäufer.“ A: „Wenn Du Dir Mühe gibst, sind Deine Leistungen exzellent. Ich habe das Gefühl, der Kunde muss Dir sympathisch und am besten noch kompetent sein, dann läufst du zu Hochformen auf.“ B: „Da ist sicherlich was dran …“ A: „Bist Du einverstanden, wenn wir auf der Basis der Matrix, die wir auf dem Flipchart entwickelt haben, konkrete Schritte ableiten und uns verpflichten, diese auch einzuhalten?“ B: „Insgesamt schon. Können wir dies morgen weiter besprechen. Ich habe noch einen Termin auf dem Golfplatz. Wichtiger Kunde.“ In Anhang 1 geben wir Ihnen eine Musterlösung für diese Übung. Übung 40. Eigene Konfliktanalyse
Nehmen Sie nun bitte den Bogen zur Konfliktanalyse (vgl. Anhang 2; download: über www.konfliktmanagement.beushausen-partner.de) und erarbeiten Sie einen eigenen Konflikt. Dauer: ca. 120 Minuten
160
Modul 8: Konfliktanalyse
Kontrollfragen 1. Wozu dient eine Konfliktanalyse? 2. Worin bestehen die Grenzen einer Konfliktanalyse? 3. Nennen Sie die wichtigsten Phasen einer Konfliktanalyse!
Weiterführende Literatur Berkel, K. (2005): Konflikttraining. Frankfurt. Donohue, W.A. (1981): Analyzing Negotiation Tactics: Development of a Negotiation Interact System. Human Communication Research, 7, 273287. Glasl, F. (2004): Konfliktmanagement. Bern. Knapp, P./Novak, A. (2006): Effizientes Verhandeln. Frankfurt. Putnam, L. L. (1982). “Paradigms for Organizational Communication Research: An Overview and Synthesis”, Western Journal of Speech Communication, 46, 192206. Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “Reciprocity in Negotiations: An Analysis of Bargaining Interaction”, Communication Monographs, 49, 171191. Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “The Role of Communication in Bargaining”, Human Communication Research, 8, 262280. Schwarz, G. (2005): Konfliktmanagement. Wiesbaden. Ury, William, L./Brett, Jeanne M./Goldberg, Stephen, B. (1996): Konfliktmanagement – wirksame Strategien für den sachgerechten Interessensausgleich. Frankfurt M.: Campus Verlag, 2. Aufl.
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
Zusammenfassung Aufbauend auf der Differenzierung zwischen einer reaktiven und einer proaktiven Konfliktentfaltungstendenz (vgl. Module 6 und 8) werden hier die grundlegenden Elemente des Verhandlungsmanagements, nämlich „Verhandlungsvorbereitung“, „Herausbildung von Ergebniserwartungen“, „Verhandlungsprozess“ und „Zwischenergebnisse des Verhandlungsprozesses“ herausgearbeitet. Die Konzepte „Einigungsraum“ und „Widerstandspunkt“ (vgl. Modul 3) helfen uns darauf aufbauend zwischen vier Typen von Verhandlungen zu unterscheiden.
Einführung Arbeitsdefinition einer Verhandlung Als Verhandlung bezeichnen wir „… einen Prozess, bei dem zwei oder mehrere Personen bzw. Gruppen vor dem Hintergrund eines Konfliktes durch Austausch zwischen ihnen festzulegen versuchen, was jeder geben und nehmen, ausführen oder bekommen wird“ (vgl. Tries/Hornke 1987). Dabei kann die Verhandlung als eine Sequenz mit folgenden Merkmalen beschrieben werden: x x
x
Auf der Basis des Ausgangskonflikts verfügen die Teilnehmer über voreingestellte Ergebniserwartungen, die im Verhandlungsverlauf durch die Evaluation des Konfliktprozesses an die jeweilige Situation angepasst werden; durch diesen Anpassungsprozess kommt es schließlich zum Austausch strategischer Handlungen, auf die die Konfliktpartner reagieren und so den aktuellen Konflikt neu definieren.
162
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
Entwicklungstendenzen bei einer Verhandlung Die Argumentation in den bisherigen Modulen 1 bis 8 verdeutlicht, dass man im Rahmen des Konfliktmanagements zwischen zwei Entwicklungstendenzen differenzieren kann – nämlich eine reaktive und eine proaktive Konfliktentfaltungstendenz. Die grundlegende Überlegung ist hier, dass es sich hierbei nicht nur um eine rein analytische Unterscheidung handelt, sondern dass es gute Gründe zur Annahme gibt, Vorsorge für eine proaktive Konfliktentwicklung leisten zu können. Hierzu hatten wir insbesondere das Instrument der Konfliktanalyse kennengelernt. Da das Verhandlungsmanagement als Fortsetzung eines konstruktiven bzw. gelungenen Konfliktmanagements aufgefasst werden kann, soll zunächst nochmals eine Übersicht über die bisherige Argumentation der beiden Entwicklungstendenzen von Konflikten gegeben werden. Ausgangspunkt hierfür ist Abb. 22. Keine Beseitigung / Regelung der Störung
// Tendenz zur reaktiven Bearbeitung
Vermeidung Verdrängung
Person B
Störung
Beziehung
Strukturdimension
Person A
Ursachendimension
Konflikt
Sonstige Einflüsse
Unterdrückung
unsystematische Evaluation
Wildwuchs Eskalation
Wissen Erfahrung Kompetenz
systematische Evaluation: Konfliktanalyse
Tendenz zur proaktiven Bearbeitung
Verhandlung
Beseitigung / Regelung der Störung
Abb. 22. Proaktiver und reaktiver Verlauf des Konfliktmanagements
Wir hatten bereits wiederholt zwischen zwei grundlegenden Formen der Konfliktbearbeitung unterschieden. Die erstere können wir als eine reaktive Form bezeichnen, da mit ihr die Systemqualität beeinträchtigt oder sogar in Frage gestellt wird, und die zweite als proaktive Form, weil hier die Systemqualität wieder hergestellt wird.
Pfad 1: Der reaktive Verlauf
163
Aus wahrgenommenen Störungen entsteht zumindest für einen Akteur – Person B und/oder Person A – die eigene Abbildung, dass ein Konflikt vorliegt, der nicht auf temporäre oder umweltliche Ereignisse zurückzuführen ist. Der Konflikt, so die Eigenkonstruktion, ist anthropogen und liegt innerhalb des sozialen Systems – ungeachtet der Frage, welche externen Faktoren in den Konflikt hineinspielen (Punkte 13 in Abb. 22). Das folgende Beispiel zeigt die verschiedenen Variationen reaktiver Konfliktbearbeitung. Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 1) Ein Steuerberater, Erwin, und ein Steueranwalt, nennen wir ihn Hans, gründen eine gemeinsame Sozietät mit folgenden Zielen: x Beide wollen sich gegenseitig Mandanten übertragen, wobei klar ist, dass nicht jede Steuersache von anwaltlicher Bedeutung ist und nicht jeder Mandant von Hans automatisch zum Steuerberater Erwin wechselt. x Im Internet und in anderen Medien wollen sie gemeinsam auftreten. Die interne Zusammenarbeit wird nach vereinbarten Verrechnungssätzen kalkuliert. Ebenso haben die beiden einen Schlüssel für die Verteilung der Gemeinkosten erarbeitet. Nach anfänglicher Euphorie nimmt Hans wahr, dass er mehr Mandanten an Erwin übergeben kann als ungekehrt. Zudem wurmt ihn, dass Erwin einen Teil seiner Arbeitszeit auf dem Golfplatz verbringt. Übung 41. Kognitiver Wandel
Beschreiben Sie den möglichen kognitiven Wandel des Steuerberaters gegenüber dem Steueranwalt. Dauer: ca. 15 Minuten
Pfad 1: Der reaktive Verlauf Ausgehend von einer unsystematischen Evaluation der Konfliktausgangssituation, die mit einer eher reaktiven Grundhaltung gepaart ist (Punkte 5 und 6) erfolgen Verhaltensweisen wie Vermeidung, Verdrängung usw. (Punkt 7). Zusammengenommen führt das dazu, dass keine Beseitigung oder zumindest Regelung der ursprünglichen Störung erwartet werden kann: Individuelle Erwartungen werden nicht erfüllt – und die Stabilität bzw. Qualität des sozialen Systems nimmt ab.
164
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
1. Vermeidung Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 2) … Eigentlich will Hans seinen Partner auf das Ungleichgewicht ansprechen. „Ich arbeite mehr und habe weniger von unserer gemeinsamen Sozietät“ denkt er. „Bei der nächsten Tasse Tee spreche ich Erwin an.“ Es passiert jedoch nichts. Hans vermeidet es, Erwin anzusprechen. Er kennt dessen rhetorische Antwort zu genüge: Der Golfplatz sei das beste Akquisitionstheater. Zudem verfügt Erwin über das Geschick, bei aufkommender Kritik entweder aufbrausend zu kontern oder sich beleidigt zurückzuziehen. Erwin stellt immer mehr den Sinn des gemeinsamen Projektes in Frage. Die Gefahr ist groß, dass das Selbstverständnis des sozialen System bedroht wird.
2. Verdrängung Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 3) … Eigentlich will Hans seinen Partner auf das Ungleichgewicht ansprechen. Er vermutet aber, dass Erwin mit ihm rhetorisch „Florett fechten“ wird und seine Wünsche und Interessen ins Leere laufen. Hans geht zunehmend mehr Erwin aus dem Weg, setzt sich immer weniger für einen Mandantentransfer ein und versucht, unabhängig von seinem Partner neue Wege in der Kundengewinnung zu gehen. Er ist sehr engagiert und kann von daher den Konflikt mit Erwin gut ausblenden. Verdrängungsmechanismen müssen nicht a priori negativ sein; sie werden es erst dann, wenn sie sich negativ zu dem sozialen System rückkoppeln. Verdrängungen drohen, die Qualität eines sozialen Systems zu verringern. 3. Unterdrückung Während die beiden vorhergehenden Dynamiken als Prozesse der Selbststeuerung verstanden werden, beschreibt die Unterdrückung den Einfluss durch den „auslösenden“ Akteur. Er (oder sie) lässt den Konflikt nicht nur nicht zu, sondern bestraft seine Thematisierung. Die erste Stufe mag damit
Pfad 1: Der reaktive Verlauf
165
beginnen, den vom anderen als Konflikt erlebten Zusammenhang vollends abzulehnen. Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 4) … Hans spricht Erwin bei einer Tasse Tee an. Hans: „Sag mal Erwin, mich beschäftigt seit geraumer Zeit unser Verhältnis.“ Erwin (etwas abweisend): „Wie meinst Du das?“ Hans: „Nun,zum einen bekomme ich kaum Mandanten aus deinem Klientel …“ Erwin: „… Das war uns doch von Anfang an klar. Wir haben ausdrücklich gesagt: Nicht jeder Mandant ist auch rechtsbedeutsam.“ Hans: „Okay, ja. Aber Du hast von mir 15 Mandanten bekommen und ich von Dir gerade einmal einen einzigen. Das ist ein Missverhältnis.“ Erwin: „Quatsch, das entspricht genau dem realistischen Anteil. Ich weiss nicht, was du willst.“ Hans: „Außerdem treibst Du Dich mehr auf dem Golfplatz herum, während ich hier im Büro arbeite.“ Erwin: „Komm mir bloß nicht mit einer Neidattacke. Durch diesen Sport gewinne ich interessante neue Klienten, die auch für Dich von Bedeutung sein können. Ich mach’ Golf für uns beide. Und was die Arbeit angeht. Mach Dir da mal keine Sorgen, erstens bin ich auch abends unterwegs und zum Teil auch am Wochenende. Wenn du so weiter meckerst und Deinen Frust raus lässt, sollten wir lieber das Gespräch beenden. Für Dich ist das Glas immer halb leer.“ Erwin steht auf. Personen wie soziale Systeme verfügen über ein umfassendes Repertoire, Konflikte zu unterdrücken; beispielhafte Äußerungen hierzu sind: x x x x
Wenn Du damit einen Konflikt hast, ist das Deine Sache. Wir kennen ja ihre stets pessimistische Haltung. Ich sehe darin keinen Konflikt, sondern eine Herausforderung. Wenn wir alle Konflikte ernst nähmen, könnten wir nicht mehr handeln.
Die Muster laufen auf dasselbe Prinzip hinaus: Der Konfliktempfindende wird in Frage gestellt und nicht die Sache. Unterdrückung führt entweder zur kognitiv-emotionalen Anpassung oder aber zur Rebellion. Rebellion gefährdet das soziale System.
166
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
4. Wildwuchs Eine wiederkehrende Form, (beidseitig) einen Konflikt nicht konstruktiv zu bearbeiten, besteht darin, ihn „einfach“ laufen zu lassen. Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 5) Egal auf welchen der drei obigen „Pfade“ der Konflikt durchlaufen worden ist: Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass er eskaliert und das soziale System „Sozietät“ zu gefährden droht. Erwin und Hans gehen sich zunehmend aus dem Weg. Ihr Umgangston wird formaler, die gemeinsame Tasse Tee als Ritus und als Austausch von Informationen findet nicht mehr statt. Nach einiger Zeit beginnt Erwin, die Gemeinkosten zu bemäkeln. Hans kontert ebenfalls mit beliebigen Nörgeleien. Zum Eklat kommt es, als ein Kunde von Hans in der Wartezone nicht durch Erwin zurückgegrüßt wird. Die anfängliche Absicht, durch Synergien Mehrwert zu schöpfen, ist bereits (fast) aufgegeben. Damit ist auch das Fundament der Selbsterhaltung des Systems „Sozietät“ stark angegriffen. Aus einem Partnerverhältnis entwickelt sich ein Win-Lose-Verhältnis. Übung 42. Win-Lose-Verhältnis
Wie kann man dieses Win-Lose-Verhältnis beschreiben? Dauer: ca. 15 Minuten Mit anderen Worten: Die Akteure im Sozietätssystem investieren nicht mehr in ihre gemeinsamen Interessen, sondern spätestens jetzt besinnen sich beide auf das Eigeninteresse, unabhängig vom anderen die eigene wirtschaftliche Basis abzusichern. Nach wiederholten Versuchen kommt es zum Bruch, die gemeinsame Kanzlei wird aufgegeben. Damit wird der andere als Element des Systems aufgegeben: Wildwuchs erhöht die Wahrscheinlichkeit der Konflikteskalation.
Pfad 2: Die proaktive Konfliktbearbeitung Ein Konflikt hat dann große Chancen im Interesse eines Systemerhalts oder sogar -wachstums bearbeitet zu werden, indem man darüber spricht, wie der Konflikt zu bewältigen sei. Hier kann der erste Schritt darin bestehen, den anderen von der Bedeutsamkeit des Konfliktes zu überzeugen.
Pfad 2: Die proaktive Konfliktbearbeitung
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Solche Gespräche nennen wir Verhandlung, deren Zweck es ist, einen möglichst „guten“ Konsens darüber zu erzielen, wie das System zukünftig weiter erfolgreich agieren kann (vgl. Punkt 12). Der Erfolg einer Verhandlung ist entscheidend durch die jeweilige Verhandlungskompetenz gekennzeichnet, die wir in den folgenden Modulen ausführlich darstellen1. In Abb. 23 werden die zentralen Elemente einer solchen Verhandlung gezeigt und anschließend in Form einer Übersicht erläutert. systematische Evaluation: Konfliktanalyse
Ergebniserwartung
Verhandlungsprozess
Parallelprozess: Selbstverhandlung
VerhandlungsVorbereitung
Verhandlungs(zwischen-) Ergebnis
Abb. 23. Elemente einer Verhandlung
Wie sehen die einzelnen Elemente einer Verhandlung aus? 1. Verhandlungsvorbereitung Die Verhandlungsvorbereitungen können nach erfolgter Konfliktanalyse beginnen und orientieren sich an drei zentralen Fragen: x x x 1
Wann setzen wir uns zusammen? In welcher Atmosphäre setzen wir uns zusammen? Mit welchen Erwartungen setzen wir uns zusammen? Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es prinzipiell möglich ist, ohne vorherige Konfliktanalyse in eine Verhandlung einzusteigen. Im Rahmen unserer Überlegungen wollen wir jedoch davon ausgehen, dass Verhandlungskompetenz ebenfalls eine entsprechende Konfliktkompetenz voraussetzt.
168
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
In formalen Verhandlungen gelten diese grundlegenden Fragen genauso wie in informellen (privaten) Gesprächen, die einer Konfliktbearbeitung dienen, nur dass sie bei formalen Verhandlungen wesentlich ausgeprägter und protokollhaft vereinbart werden: x zu 1: Zeitpunkt: Soweit der Zeitpunkt nicht per Protokoll oder durch wild wachsende Ereignisse definiert ist, sollten Zeitfenster formuliert werden, in denen die für das Gespräch notwendige Zeit auch tatsächlich störungsfrei zur Verfügung steht. Die Unart, sein Gegenüber durch wiederkehrende Störungen einzuschüchtern zu versuchen, ist einfach nur flegelhaft und stillos. x zu 2: Atmosphäre: Trotz einer – auch emotional – angespannten Situation sollten Akteure darauf bedacht sein, durch atmosphärische Äußerlichkeiten entspannend zu wirken. Für private soziale Verhandlungen mag dies das italienische Restaurant sein, soweit eine gewisse Intimität gewahrt bleibt. Formale Verhandlungen unterliegen hier häufig dem Protokoll. Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 6) Kehren wir zu Erwin und Hans zurück. Sie haben sich nicht in die reaktive Konfliktsackgasse begeben. Zwischen beiden verläuft nun folgender Dialog bei der berühmten Tasse Tee: Hans: „Erwin, wir arbeiten nun seit einem halben Jahr zusammen. Mal läuft es gut, mal etwas weniger. Was hältst Du davon, wenn wir morgen im Lakesite Inn lunchen gehen und dabei einmal ein Resümee ziehen, wie wir unsere Zusammenarbeit noch optimaler gestalten können.“ Erwin: „Warte mal, um 11 bin ich bei Fa. Schnullermann, dass dauert bis etwa 12:30 Uhr. Dann könnten wir uns gegen viertel vor Eins im Inn treffen. Ich finde es gut, einmal unser erstes halbes Jahr zu würdigen.“ Ein bemerkenswertes historisches Beispiel für die Auswirkung der Atmosphäre auf den Verhandlungserfolg beschreiben die Usancen der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden: Nach dem Friedensschluss in Münster und Osnabrück fanden weitere Verhandlungen in Nürnberg statt. Trotz scharfer Gegensätze zwischen den Kontrahenten gelang es, durch gemeinsame „Dinnerveranstaltungen“ eine vertrauensvollere und entspannte Atmosphäre herzustellen. Zwischenergebnisse wurden stets, auch unter Teilnahme der Bevölkerung, ausgiebig gefeiert. Die Kontrahenten zelebrierten ein Friedensmahl, das in die Geschichte einging.
Pfad 2: Die proaktive Konfliktbearbeitung
169
2. Ergebniserwartung und Verhandlungsziel In Modul 3 hatten wir bereits zwischen einem positiven und einem negativen Einigungsraum unterschieden. Im positiven Einigungsraum lagen die Forderungen so nahe, dass eine Einigung sehr wahrscheinlich ist. Der negative Einigungsraum zeichnete sich durch die Situation aus, dass die Forderungen und das maximale Entgegenkommen beider Parteien sich nicht überschnitten. Beide Situationen suggerieren dabei, die jeweiligen Verhandlungsspielräume seien bekannt.
Abb. 24a, b. Klassifikation von Verhandlungen
Vor dem Hintergrund der Kombination der beiden Matrizen aus Abb. 24 können wir vier verschiedene Verhandlungstypen unterscheiden: x
Verhandlung erster Ordnung: Es besteht ein positiver Einigungsraum; die Verhandlung besteht darin, den Einigungspunkt zu erarbeiten
170 x
x
x
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
Verhandlung zweiter Ordnung: Forderungen und Widerstandspunkte sind bekannt und indizieren einen negativen Einigungsraum. Der erste Schritt der Verhandlung besteht darin, Optionen auszuloten, durch die ein positiver Einigungsraum hergestellt werden kann. Verhandlung dritter Ordnung: Die Forderung und der Widerstandspunkt nur einer Partei ist bekannt. Die andere Seite versucht, den Status Quo aufrecht zu erhalten. Das Verhandlungsziel besteht zunächst darin, den Status Quo aufzubrechen. Verhandlung vierter Ordnung: Die Forderungs- und Widerstandspunkte beider Parteien sind nicht bekannt. Gegebenenfalls kennen die Parteien diese selbst nicht. Das Verhandlungsziel besteht darin, zunächst die Forderungen (Erwartungen) gegenseitig zu erarbeiten.
Vereinfacht können wir sagen, dass ein Verhandlungsprozess darin besteht, die Verhandlung niedrigster Ordnung einzulösen, um sich darin abschließend einigen zu können. Die Konfliktanalyse hilft, den Positions- und Erwartungsdschungel zu lichten, um möglichst optimale Ziele einlösen zu können.
Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 7) Erwin und Hans haben das Dessert vor sich stehen. Während des Hauptganges haben sie sich gegenseitig belobigt und festgestellt, dass sie doch tolle Hechte sind. Nun läutet Hans sein eigentliches Anliegen ein: Hans: „Wir sind angetreten, durch die gemeinsame Sozietät mehr Mandanten zu bekommen und gegenseitig hierdurch auch mehr zu verdienen. Seit geraumer Zeit habe ich ja das Gefühl, dass dies eine eher einseitige Angelegenheit ist. Von Dir habe ich in den letzten Monaten 10 Mandanten bekommen, Du von mir zwar nur fünf, die aber mit einem stattlichen Honorarvolumen. Wenn ich einmal nur den Umsatz nehme, dann ist Deiner durch meine Aktivitäten doppelt so hoch wie umgekehrt …“ Erwin: „Das ist aber kurzfristig gedacht …“ Hans: „… lass mich das noch bitte weiter ausführen. Die internen Verrechnungseinheiten sind ähnlich disproportional. Du rechnest zu recht fast doppelt soviel intern ab, wie ich es kann. Dennoch sind die Betriebskosten gleichlastig verteilt …“ Erwin: „Nun mal langsam Erwin. Die steuerrechtlichen Fragen, die ich zu beantworten habe, müsstest Du ansonsten auch an einen Anwalt geben, und das nicht zu internen Verrechnungssätzen.“
Pfad 2: Die proaktive Konfliktbearbeitung
171
Hans: „Daran will ich mich auch gar nicht hochziehen. Mir geht es um das Symptomatische daran. Du sagst, auf dem Golfplatz zu akquirieren ist wichtig. Das mag nicht falsch sein. Ich weiß, das der Platz ca. 900 Mitglieder hat, davon sind gut 60% eigenständige Unternehmer oder zumindest Entscheider. Wenn es Dein Ziel wäre, davon in 12 Monaten 10% für uns zu gewinnen, ginge das ja in Ordnung. Das wären immerhin ca. 50 neue Mandanten. Wir arbeiten jetzt seit 6 Monaten zusammen. Mir hast Du keinen Klienten aus diesem Umkreis gebracht.“ Erwin: „Du weißt doch wie das läuft. Zunächst musst Du en passant Interesse erzeugen, dann beginnt der Vertrauensaufbau. Es ist doch nicht so, dass all diese potentiellen Klienten nicht bereits über Steuerberater verfügten. Bei Steueranwälten ist das etwas anderes. Außerdem kann ich Dich gerne in den Club einführen. Kommanditistenanteile und Jahresbeiträge halten sich in überschaubaren Grenzen.“ Hans: „Darum geht es doch nicht. Erstens habe ich kein Verhältnis zum Golf, zum anderen: Warum sollen wir denselben Acker zweimal bestellen. Mein Wunsch ist es, nicht jetzt stundenlang in die Vergangenheit zu schauen, sondern zu klären, wie wir in Zukunft unser Geschäftsgebaren so ändern, dass wir beide zumindest annähernd dieselben Vorteile haben.“ Erwin: „Okay, was stellst Du Dir denn vor?“ Unterbrechen wir hier das Gespräch, das sich bereits als eine klassische Verhandlung darstellen lässt. Ungeachtet der sprachlichen Nuancen wird deutlich, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt x x x
das System „Sozietät“ nicht zur Disposition steht. der Konflikt von Erwin durch Hans anerkannt wird. Hans eine Vorstellung einfordert, auf deren Basis er sich äußern kann.
Damit ist ein erstes Zwischenergebnis erzielt, durch das der Konflikt allerdings noch nicht gelöst ist. Die Verhandlungsakteure haben sich jedoch bereits von einer Verhandlung vierter auf eine Verhandlung zweiter Ordnung hinbewegt. Noch kann ein negativer Einigungsraum entstehen, den zu überwinden viel Kraft kostet. Damit wird deutlich, das in einer proaktiven Konfliktbearbeitung die Funktion der Verhandlung darin besteht, einen Zustand wieder herzustellen, der die Selbsterhaltung des sozialen Systems sichert. Dabei ist es durchaus möglich, eine Lösung zu erarbeiten, die zu einer höheren Systemqualität als zum Zeitpunkt vor dem Konflikt führt.
172
Modul 9: Einführung in das Verhandlungsmanagement
Kontrollfragen 1. Welche Merkmale weisen die vier Elemente reaktiven Konfliktverhaltens auf? 2. Beschreiben Sie die zentralen Merkmale einer proaktiven Konfliktbearbeitung!
Weiterführende Literatur Braun, G.E. (1979)): Das liberalistische Modell als konzeptioneller Bezugsrahmen für Konfliktanalyse und Konflikthandhabung. In: Dlugos, G. (Hrsg.): Unternehmensbezogene Konfliktforschung. Stuttgart. Fisher, R. / W. Ury / B. Patton, 2002: Das Harvard-Konzept: Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Frankfurt / New York. Tries, J. (1985): Bedingungen kooperativen Verhaltens: Eine Meta-Analyse. Dissertation, Universität Düsseldorf. Tries, J./Hornke, L. F. (1987)): Abschlußbericht zum Forschungsprojekt „Untersuchungen wirksamer Faktoren auf die Etablierung kooperativer Verhandlungsstrategien bei gegebener Konfliktstruktur“. RWTH Aachen, Institut für Psychologie.
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
Zusammenfassung Zunächst werden drei Ansätze der Konflikt- und Verhandlungsforschung vorgestellt, nämlich behavioristische, sozialpsychologische und kommunikationstheoretische Ansätze. Die kommunikationstheoretischen Ansätze werden dadurch vertieft, dass hier insbesondere Aspekte wie Verhandlungsstrategien und -taktiken, Erwartungen und Reziprozität des Verhandlungsverhaltens diskutiert und deren Zusammenhang zum Verhandlungserfolg herausgearbeitet werden. Zudem wird gezeigt, welche Einflussfaktoren den Erfolg einer Verhandlung bestimmen können, woraus sich entsprechende Rückschlüsse für die Gestaltung konkreter Verhandlungssituationen ziehen lassen.
Einführung Die Konflikt- und Verhandlungsforschung basiert auf einer Vielzahl theoretischer Wurzeln, deren angemessene Würdigung die vorliegende Publikation sprengen würde. Nachdem wir bereits in Modul 7 das spieltheoretische Paradigma skizziert haben, wollen wir uns in diesem Modul auf die theoretischen Perspektiven konzentrieren, mit deren Hilfe sich Kompetenzen des Verhandlungsmanagements begründen lassen. Wir werden uns somit auf die folgenden drei Perspektiven beschränken: Zunächst werden wir eine Übersicht über die psychologischen Zugänge zur Konflikt- und Verhandlungsforschung geben, woran sich eine Übersicht über die relevanten Einflussfaktoren auf das Verhandlungsergebnis anschließt. Die Kritik an dieser „Kausalperspektive“ führt schließlich zur kommunikationswissenschaftlichen Fokussierung auf das Verhandlungsgeschehen – dieser kommunikationstheoretische Zugang wird uns dann im weiteren Verlauf der Argumentation insbesondere interessieren.
174
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
Psychologische Ansätze Die Konflikt- und Verhandlungsforschung geht aus psychologischer Sicht auf verschiedene Wurzeln zurück; eine Übersicht findet sich in Abb. 25. Behavioristischer Rahmen
Operante Konditionierung Skinner
Sozial- kognitive Theorien Bandura
Sozialpsychologischer Rahmen
Austauschtheorie(n)
Konflikttheorien
Thibaut & Kelley
Deutsch
Equity - / Walster Reziprozitätsund andere theorien
Bargaining Process Analysis
Theorie kooperativer Interaktionen Hake
Theorie kooperativer Zielstrukturen Deutsch
Putnam & Jones
Abb. 25. Psychologischer Stammbaum der Konflikt- und Verhandlungsforschung
Behavioristische Ansätze Unter behavioristischen Ansätzen fasst man Theorien zusammen, die Verhalten in seiner Differenziertheit, Häufigkeit und Intensität als Ergebnis externer Reize (Signale) erklären. Ein Signal wird kognitiv verarbeitet und unter anderem danach differenziert, ob es eine positive oder negative Konsequenz ankündigt. Bereits in Modul 3 haben wir die verschiedenen Formen dieser Konsequenzen kennen gelernt. Nach Skinner (1974) ist kooperatives Verhalten als soziale Episode das Ergebnis operanter Konditionierung, d.h. Ausformung durch positive und negative Konsequenzen. Mit seinem Verhalten verstärkt A die Zielerreichung von B und umgekehrt. Als soziale Episode kann die kleinste Einheit einer Interaktion bezeichnet werden. Den Begriff der Episode greifen wir später bei Verhandlungsanalysen auf. Bandura (1963), ebenfalls ein Vertreter der – später als kognitiven – Behaviorismus bezeichneten Schule greift die Kognitionen des Menschen auf, in dem er menschliches Verhalten als Ergebnis der Wechselbeziehung zwischen Personenmerkmalen, Umweltmerkmalen und Verhaltensmerkmalen erklärt. Er fokussiert sein theoretisches Gebäude auf das Lernen am
Psychologische Ansätze
175
Modell. Vereinfacht können wir dies so beschreiben: Durch Beobachtung lernen Beobachtende Verhaltensweisen und deren Konsequenzen kennen, die sie im positiven Fall nachahmen. Erlebt der Nachahmende in der Verhaltensreplikation positive Folgen, kann das Verhalten ausgeformt und verfeinert werden. Umfassend beschreibt Bandura Voraussetzungen in der Modellperson und in der Umweltstruktur, die einen Modellierungsprozess optimieren helfen. Ohne Zweifel ist es richtig, dass Menschen in der Kindheit bis in das hohe Alter Modellen ausgesetzt sind, deren Verhaltensweisen in die eigenen Muster eingebaut werden oder deren Verhaltensweisen abstoßend wirken und das eigene Verhaltenrepertoire auszudifferenzieren helfen. Beide Schulen liefern wichtige Hinweise für unser eigenes Konfliktverhalten und die bevorzugten Formen, wie wir Konflikte bewältigen. Die in Modul 2 dargestellte Unbeholfenheit im Umgang mit Konflikten ist in einem entscheidenden Maße erlernt. Aber auch die Entstehung von Konflikten kann durch lerntheoretische Annahmen zu großen Teilen erklärt werden. Ändern sich nämlich, durch welche Anlässe auch immer, die Kontingenzstrukturen einer Person, ändert sich auch die Bedürfnisausformung. Hierdurch können durchaus konfligante Muster entstehen. Sozialpsychologische Ansätze In der Folge von Homans (1961) Austauschtheorie haben Thibaut/Kelley (1959, 1978) die Interdependenztheorie entwickelt. In ihrer Urform besagt die Austauschtheorie, dass Menschen in sozialen Austauschbeziehungen stehen, die sie durch das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis bewerten. Die Autoren unterscheiden zwischen symmetrischer und asymmetrischer Interaktion. x x
x
Kooperation als Form prosozialen Verhaltens ist symmetrisch in dem Sinne, dass alle Akteure die gleiche (Gestaltungs-)Macht aufweisen. Nach diesem Verständnis ist auch Altruismus Ausdruck einer prospektiven Austauschbalance: Ich helfe (im Moment) uneigennützig in der Erwartung, dass mir in einer solchen oder ähnlichen Situation auch geholfen werden würde. Asymmetrische Formen der Interaktion unterscheiden Thibaut und Kelley in „Macht zur Verhaltenskontrolle“ (behavior control) und in „Macht zur Schicksalskontrolle“ (vgl. Modul 3).
Walster und Mitarbeiter (1973, 1978) erweitern den Ansatz von Thibaut/ Kelley zur Equity-Theorie: Gruppen können ihr Ergebnis optimieren, wenn die Kosten und die Nutzen zwischen den Mitgliedern gerecht (equi-
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Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
tabel) verteilt sind. Erlebte Ungerechtigkeit löst Stress aus, der seinerseits dazu beiträgt, die Equity-Balance wieder herzustellen. Zufriedenheit, so die Autoren, sei das ausschlaggebende Element einer stabilen Beziehung, weniger der Versuch, Gewinn zu maximieren. Den operanten Ansatz Skinners resp. Banduras und das austauschtheoretische Konzept verknüpfen Hake und Vukelich (1972) zu einem „Produktionsmodell“ kooperativen Verhaltens. Eine interdependente Kontingenz besteht, wenn der Verstärker einer Person sowohl vom Verhalten der anderen Person wie vom eigenen Verhalten abhängig ist. Deutsch (1973) arbeitet (auf der Grundidee der Lewin´schen Feldtheorie) die besondere Bedeutung der Zielinterdependenz heraus: Es gibt Ziele, die alleine durch eine gemeinsame Zielerreichung realisierbar sind. Er unterscheidet zudem zwischen gegenseitig unterstützenden, konträren und individuellen Zielstrukturen, durch die die Wahrscheinlichkeiten der Zielerreichungen bestimmt sind.
Kausale Erklärungen des Verhandlungserfolgs Die vorhandene psychologische Literatur zum Thema „Determinanten des Verhandlungserfolges“ kann in Anlehnung an Crott/Kutschker/Lamm (1977) anhand der in Abb. 26 gezeigten Synthese wiedergegeben werden1. Grundlegend hierbei ist die Idee, dass strukturelle und situative Merkmale (= unabhängige Variablen) auf den Verhandler einwirken und dessen Verhalten durch seine Persönlichkeit (= intervenierende Variable) beeinflusst wird. Die Interaktion dieser Variablenklassen beeinflusst zum einen den konkreten Verhandlungsverlauf wie auch die subjektiven und objektiven Verhandlungsergebnisse (= Abhängige Variablen).
1
Diese Synopse wurde von den Autoren im Rahmen spieltheoretischer Untersuchen erstellt. Da eine Vielzahl der hier aufgeführten Variablen auch im Rahmen verhaltensorientierter Konfliktforschung untersucht wurde, halten wir es für legitim, einen entsprechenden Transfer vorzunehmen.
Kausale Erklärungen des Verhandlungserfolgs
177
Unabhängige Variablen Strukturelle Merkmale • Pareto-Optimalität • Art und Höhe der Gewinne • Droh- und Bestrafungsmöglichkeiten • Zahl der Verhandlungsgegenstände • Zahl der Parteien • Ausgleichszahlungen
Situative Merkmale • Verhandlungserfahrungen • Zeitdruck, Kosten • Schlichtung • Anspruchsniveau • Verhandlungsverhalten des Partners
Intervenierende Variablen Persönliche Variablen • Kultureller Hintergrund • Erziehung • Persönlichkeitseigenschaften
Abhängige Variablen Verhandlungsverlauf • Konzessionsverhalten • Einsatz von Drohungen usw. Objektive Ergebnisse • Gewinn, Kosten • Verhandlungsdauer
• •
Informationsaustausch Kommunikation, Überredung, Absprachen Subjektive Ergebnisse • Zufriedenheit mit den Ergebnissen • Zufriedenheit mit dem Verhandlungsgeschehen
Abb. 26. Kausale Erklärungsperspektiven zum Verhandlungserfolg (Quelle: nach Crott et al. 1977, S. 21)
Im einzelnen werden aus Abb. 26 folgende Aspekte deutlich: x
x
x
x
Strukturelle Merkmale: Das Verhandlungsgeschehen ist in einen externen formalen bzw. strukturellen Rahmen eingebettet (vgl. Modul 1), der von den Verhandlern nur schlecht bis gar nicht beeinflusst werden kann. Situative Merkmale spielen auch in das Verhandlungsgeschehen hinein, sind allerdings wesentlich flexibler handhabbar – bzw. vor der Verhandlung entscheidbar – als strukturelle Merkmale. Die persönlichen Variablen beschreiben die individuellen Persönlichkeitsaspekte der jeweiligen Verhandlungspartner, die den Verhandlungsablauf beeinflussen, aber eben auch nur schwer veränderbar sind. Der Verhandlungsverlauf wird hier als Resultat struktureller, situativer und personaler Einflussfaktoren aufgefasst und beschreibt letztlich die kommunikativen Aspekte einer Verhandlung.
178 x
x
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
Objektive Ergebnisse: Die primäre Zielsetzung einer Verhandlung besteht darin, die eigenen Ziele zu erreichen. Daher sind „Gewinn“ und „Kosten“ relevante Messgrößen zur Erfassung des Verhandlungserfolgs. Da die Handhabung von Konflikten zeitliche Ressourcen benötigt, spielt die Dauer bis zum Verhandlungsende hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Subjektive Ergebnisse: Neben den objektiven spielen ebenso die subjektiven Ergebnisse eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt hierbei steht sowohl die Zufriedenheit mit dem Verhandlungsgeschehen wie auch mit dem erzielten Ergebnis.
Vergleicht man die diesem Modell zugrundeliegenden Überlegungen mit unserer bisherigen Argumentation, so fallen folgende zentrale Unterschiede auf: 1. Hier wird der Verhandlungsverlauf als Ergebnis der Interaktion verschiedener unabhängiger und intervenierender Variablen betrachtet. Wir werden in der folgenden Argumentation den Verhandlungsverlauf bzw. -prozess als Gestaltungsmerkmal – also als unabhängige Variable – auffassen (vgl. Modul 11). Wie noch zu zeigen sein wird, ist dies der Schlüssel zu einer höheren Verhandlungsflexibilität und Ergebnisqualität. 2. Wir haben bislang sehr stark aus einer „subjektiven“ Wahrnehmungsperspektive der Akteure heraus argumentiert. Demgegenüber suggeriert die Synopse von Crott et al. – die hier lediglich stellvertretend für analoge Argumentationen steht – „quasi-objektivierbare“ Zusammenhänge, die sich zudem kausal im Sinne einer „Wenn-dann“-Beziehung interpretieren lassen. Auch wenn wir diese Ergebnisse nicht grundsätzlich in Frage stellen wollen, helfen diese Befunde für eine individuelle Verhandlungsführung nicht weiter, da die Mehrzahl der o.g. Variablen quasi „festliegt“. Wir sind viel mehr davon überzeugt, dass der subjektive Umgang mit diesen Variablen einen zentralen Schlüssel zu einem befriedigenden Verhandlungsergebnis darstellt. 3. Bei einer solchen Kausalinterpretationen wird zudem der Prozesscharakter einer Verhandlung vernachlässigt: Letztlich bleibt unklar, wie die einzelnen Variablen verarbeitet werden und sich in der entsprechenden Argumentation niederschlagen. Aus diesem Grund wollen wir zum Abschluss dieses Moduls den dritten Theoriestrang – die kommunikationstheoretischen Ansätze – darlegen. Mit ihrer Hilfe gelingt es, die eingeschlagene „subjektbezogene“ Argumentation aufrechtzuerhalten und mit der Prozessperspektive zu kombinieren.
Kommunikationstheoretische Ansätze
179
Kommunikationstheoretische Ansätze Einführung Die bisher beschriebenen Modelle sind weitgehend statisch-deterministischer Natur: Eine Anzahl von unabhängigen Variablen (Konfliktursachen) wirken auf abhängige Variablen (Konfliktfolgen). Moderiert wird diese Ursachen-Wirkungskette von intervenierenden Variablen, das sind Einflusskräfte, die sich (experimentell) nicht erschließen lassen oder durch die sich die verschiedensten Untersuchungen a priori unterscheiden. Zu den intervenierenden Variablen gehören sowohl Persönlichkeitsmerkmale wie auch situative Unterschiede (vgl. u.a. Crotts Modell). Kommunikationstheoretische Ansätze (z.B. Putnam/Jones 1982; Putnam 1988; Kolb/ Putnam 1992) weichen von einer solchen kausalanalytischen Betrachtung ab und stellen vielmehr den prozeduralen Charakter von Verhandlungen zur Bearbeitung von Konflikten in den Mittelpunkt. Die kleinste prozedurale Einheit einer Verhandlung ist das Verhalten der Akteure. Die zweite – und für unsere späteren Betrachtungen wichtige – soziale Einheit in einer Verhandlung bildet die Episode als Zusammenfassung einer Interaktion nach dem Muster „A´s Verhalten + B´s Verhalten bilden eine Episode“. So entstehen Episodenketten, die sich als Verhandlungsperioden darstellen lassen. Wie später noch gezeigt wird, gehen die Autoren davon aus, dass eine faire Einigung in einer Verhandlung nur durch Kooperation entsteht, die sich aber erst spät, nachdem die Verhandlungsoptionen ausgereizt sind, einstellt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse aus dieser Forschungsperspektive eindrucksvoll, dass verhandelnde Akteure den Verhandlungsprozess durch optimale Verhaltensweisen effizient steuern können. Ihre Befunde zeigen, dass durch „optimierte“ Strategiekombinationen optimierte gemeinsame Ergebnisse erzielt werden können. Hauptergebnisse kommunikationstheoretischer Verhandlungsforschung Im Folgenden wollen wir die zentralen Ergebnisse kommunikationstheoretischer Verhandlungsforschung skizzieren und für unsere Überlegungen fruchtbar machen. Insbesondere gehen wir hierbei auf die Ergebnisse von Putnam/Jones (1982), Putnam (1988) und Kolb/Putnam (1992) ein.
180
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
1. Verhandlungsstrategien und Ergebniserwartungen
Ergebnis 1:
Verhandlungsstrategien und Ergebniserwartungen ändern sich während des Verhandlungsverlaufs.
Verhaltensweisen und Episoden in Verhandlungen können Strategien zugeordnet werden, die sich im Verlauf der Verhandlung ändern. Hiermit knüpfen die Autoren an die Ergebnisse der spieltheoretisch ausgelegten experimentellen Ergebnisse an. Wir hatten bereits im Rahmen der spieltheoretischen Diskussion folgende Merkmale der Strategie „Tit for tat“ kennengelernt (vgl. Modul 7): x x
x
Merkmal 1 – „Sei nett!“: Der Grundgedanke ist, in einer ambiguenten Situation mit einem Kooperationsangebot zu beginnen. Merkmal 2 – „Übe sofort Vergeltung!“: Die Kooperationsbereitschaft darf nicht naiv sein. Nimmt der andere diese nicht an und versucht eine Gewinndifferenzierung zu seinem Vorteilen herauszuarbeiten, so zeige Zähne und sei ebenfalls zur Übervorteilung bereit. Merkmal 3 – „Sei vergebend!“: Ist der andere zur Kooperation bereit, hat er also dein Handlungsmuster gelernt, dann sei auch du sofort wieder zu einer Kooperation bereit.
Dieses „Erfolgsprinzip“ lässt sich auch auf reale Verhandlungen anwenden, selbst und insbesondere dann, wenn zunächst keine Nicht-Nullsummen-Bedingungen vorliegen. Wer Verhandlung a priori als eine Veranstaltung betrachtet, in der es nur Gewinner und Verlierer geben kann, ist kaum bereit, seine Erwartungen an den Verhandlungsverlauf anzupassen. 2. Entwicklung von Lösungen und Widerstandspunkt
Ergebnis 2:
Verhandler versuchen, eine Anzahl akzeptabler Lösungen zu entwickeln und versuchen dabei den gegnerischen Widerstandspunkt zu entdecken.
Eine Verhandlung stellt sich demnach als ein dualer Prozess dar. Zum einen versuchen die Akteure ihre Maximalforderungen aufrechtzuerhalten, gleichsam suchen sie nach dem Entgegenkommen und dem Widerstandspunkt des anderen. Diese Dualität besteht natürlich auf beiden Seiten. Jede Verhandlung stellte einen Rückkopplungsprozess dar. Eine Verhandlung würde nicht stattfinden, wenn die Parteien (sozialen Systeme) nicht versuchten, ihre maximale Forderung durchzusetzen. Dazu gehört auch, den Widerstandspunkt des Kontrahenten zu evaluieren, ohne die ei-
Kommunikationstheoretische Ansätze
181
gene Änderungsbereitschaft preiszugeben. Wir können diese Phase vorab in drei Perioden aufgliedern (vgl. Abb. 27). x x x
Periode 1: Zwischen A und B besteht ein negativer Einigungsraum Periode 2: Beide Kontrahenten suchen nach den Widerstandspunkten des anderen. Periode 3: Beide Parteien versuchen, die Widerstandspunkte in einen positiven Einigungsraum zu überführen. Konfliktstärke
Zu ne hm en de ne Ko ga tiv nf lik en ts Ei tä ni rk gu e au ng fg sr ru au nd m s
Such nach Widerstandspunkten
Ab ne hm en de po Ko sit ive nf lik n ts Ei tä ni rk gu e ng au sr fg au ru nd m s
Zeit
Abb. 27. Drei Phasen eines Verhandlungsprozesses
Beispiel: „Wir werden unseren Streik konsequent fortsetzen, bis die andere Seite zeigt, dass sie von ihren derzeitigen Forderungen abrückt.“ Mit einer solchen Aussage wird nicht angezeigt, die eigene Forderung durchsetzen zu müssen, sondern versucht, durch Bewegung den Widerstandspunkt der anderen Seite zu entdecken. Den Begriff Widerstandspunkt hatten wir in Modul 3 kennen gelernt. Wir könnten so eine Verhandlung als einen Prozess, der aus drei dominanten Phasen besteht, betrachten. 3. Kommunikation und Informationsaustausch
Ergebnis 3:
Kommunikation koordiniert den expliziten Austausch von Informationen.
Bewegung in einer Verhandlung entsteht durch Austausch von Informationen. Wie wir sehen werden, spielt die Informationspolitik in einer Verhandlung eine entscheidende Rolle.
182
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
4. Enthüllung von Erwartungen
Ergebnis 4:
Während der Verhandlung kommt es zu einer Enthüllung der Erwartungen und möglichen Aktionen der Verhandler.
Erwartungen stehen hier als Oberbegriff für Forderungen, Entgegenkommen, ggf. auch für den Auf- und Ausbau weiterer Verhandlungsgegenstände. 5. Phasenwechsel
Ergebnis 5:
Der Wechsel von der distributiven Phase zur integrativen Phase findet durch Kommunikation statt. Reziprozität von Informationsaustausch ist besonders bedeutsam.
Hiermit liefert die Forschung drei wesentliche Erkenntnisse: Zum einen beschreibt sie einen Verhandlungsprozess als eine Folge der beiden bereits kennen gelernten Strategien. Ein auf gegenseitige Akzeptanz aufbauendes Verhandlungsergebnis lässt sich erzielen, wenn der Austausch distributiver Strategieelemente (Taktiken) in einen Austausch integrativer Strategieelemente übergeht. Wir werden in Modul 11 sehen, dass zwischen den beiden Phasen eine dritte existiert, in der sich die integrative Phase ankündigt. Zweitens wird nochmals die besondere Rolle der Kommunikation als Medium für den Strategieaustausch betont, der, drittens, davon bestimmt ist, dass Informationen gleichermaßen empfangen und gesendet werden. Die Evaluation des Widerstandspunktes gelingt besonders, wenn es den Akteuren gelingt, Informationen über das Konfliktszenario des anderen zu „ergattern“. Der Informationsgewinn schafft Optionen, x x
die eigene Weitergabe von Informationen zu verhindern resp. einzuschränken. die Informationsweitergabe des Kontrahenten aktiv zu animieren.
Der Versuch, Informationsvorteile zu erheischen, ist nur von kurzfristigem Erfolg gekrönt. Natürlich erwarten eingefleischte Verhandler eine prinzipielle Reziprozität im Informationsaustausch. 6. Reziprozität der Strategien
Ergebnis 6:
Die Wahl der Strategien beider Parteien stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander. Dabei beeinflussen die unterschiedlichen Rollen die Struktur dieser Interaktionsmuster.
Kommunikationstheoretische Ansätze
183
Die Bedeutung der Reziprozität wird erweitert. Nicht nur der Austausch von Informationen, sondern auch der Austausch von Strategien verläuft reziprok. Vereinfacht bedeutet dies: Auf einen distributiven Akt folgt ebenfalls ein distributiver Akt der Gegenseite, während auf einen integrativen Akt ein ebenfalls integrativer folgt. Wie wir später noch sehen werden, sind hierbei verschiedene wesentliche Nuancen zu beachten. Putnam/Jones (1982) weisen dabei beispielhaft auf zwei verschiedene Muster hin. In dem folgenden Muster versucht die eine Seite, den bestehenden Status Quo zu erhalten, während die andere versucht, Forderungen durchzusetzen: x 1. Status quo Muster am Beispiel Tarifkonflikt: (1) Arbeitgebervertreter zeichnen sich – im Gegensatz zu Gewerkschaftlern – durch die Wahl defensiver und selbstunterstützender Akte aus. (2) Gewerkschaftler unterstützen ihre Forderungen durch offensive Taktiken. x 2. Stabilitätsmuster in Dyaden: In privaten Beziehungsmustern spielen Emotionen eine größere Rolle als in nichtintimen interpersonalen Konflikten. Vorwürfe und Gegenvorwürfe führen zu einem Schlagabtausch, der zwar zu eskalieren droht, auf der anderen Seite aber auch zum Ritual geworden sein kann. Beispiel 41 Er: „Ich bin sauer, schon wieder kommst Du später als angekündigt. Ich warte mit dem Essen bereits seit einer dreiviertel Stunde. Deine Unpünktlichkeit geht mir auf den Geist. Jetzt habe ich keinen Appetit mehr.“ Sie: „Du weißt genau, dass ich nächste Woche eine große Veranstaltung habe. Da kann ich nicht einfach gehen, um Deinen Kochkünsten gerecht zu werden. Und wenn Du keinen Appetit hast bitte, dann gehe ich eben rüber zur Toscana.“ Beide schmollen vor sich hin, trinken dennoch ein Glas Wein und ziehen anschließend gemeinsam ins Lokal. Emotionen und Vorwürfe sprechen eine eskalative Sprache. Dennoch wissen beide, dass der Ärger wieder verraucht und der gemeinsame Abend gerettet werden wird. Wäre demgegenüber das Fundament der Beziehung bereits deutlich angekratzt, würde derselbe Konflikt als Beleg für die nicht mehr funktionierende Beziehung interpretiert und der Abend wäre gelaufen: Sie im Lokal und er vor dem Fernseher.
184
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
7. Distributive Substrategien
Die distributive Strategie kann in die „Substrategien“ offensiv und defensiv aufgegliedert werden.
Ergebnis 7:
Vereinfacht dargestellt, versucht die offensive Strategie die Position des Anderen anzugreifen, währen die defensive Strategie darin besteht, die eigene Position zu behaupten. Damit kommen drei Strategien in einer Verhandlung zum Einsatz, nämlich offensive, defensive und integrative Strategien. Weiter oben war schon angedeutet worden, dass strategische Austausche nicht unmittelbar erfolgen sondern zeitverzögert auftauchen können. Diese Zeitverzögerung wird als Lag (Kluft) beschrieben (vgl. Abb. 28). 1
2 3
4 5
D
I
D
D D
D
8 9
1 1 0 1
1 1 2 3
1 1 4 5
D
1 1 6 7
1 1 8 9
2 0 um eine Episode verzögert
I D
I D
6 7
D D
um zwei Episoden verzögert
I
. . . . . D
D
I D
D
D D
D D
D D
I
um fünf Episoden verzögert
Abb. 28. Zeitliche Verzögerungen zwischen Verhandlungsakten
Aufgrund solcher Lag-Sequenz-Analysen entstanden vielfältige Einsichten über die innere Dynamik von Kommunikations- und Verhandlungsprozessen (vgl. Putnam 1981, 1982; Putnam/Jones 1982). 8. Reziprozität bei distributiven Strategien
Ergebnis 8:
Reziprozität bei den distributiven Strategien (O-O bzw. D-D) führt mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass der Konflikt nicht gelöst werden kann.
Kommunikationstheoretische Ansätze
185
Stellen Sie sich die Situation vor, in der sich zwei verhandelnde Akteure darauf reduzieren, sich gegenseitige Forderungen vorzuhalten. Daraus entsteht allenfalls ein zunehmendes Forderungsvolumen, jedoch in keinster Weise eine Entwicklung in der Verhandlung. Beispiel 42 Greifen wir das vorherige Beispiel auf. ER könnte seine Forderungen auflisten: ¾ Pünktlichkeit ¾ Früheres Kommen ¾ Würdigung seiner Kochkünste ¾ Insgesamt mehr Rücksichtnahme auf seine Bedürfnisse Demgegenüber listet SIE ihre Erwartungen (Forderungen) auf: ¾ Akzeptanz ihrer zeitlichen Flexibilität ¾ Würdigung ihres Engagements und abendliche Unterstützung ¾ Höhere Großzügigkeit im Umgang mit der Zeit. Wenn beide sich ausschließlich mit den jeweiligen Forderungen konfrontieren, entsteht keine Bewegung. Vielmehr keimt die Gefahr auf, ein „Forderungsgleichgewicht“ herzustellen. Und so werden unter Umständen Forderungen nachgekarrt, die zu diesem Konflikt in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Umgekehrt mögen zwei Verhandler sich darin begnügen, ihre eigenen Positionen ausschließlich zu begründen. So scheinbar unendlich der Argumentationsraum auch sein mag, eine Entwicklung entsteht hier nicht. Beispiel 43 Die Diskussion um den Klimawandel ist, soweit man – schwarz-weiß gemalt – von zwei Positionen sprechen kann, von einer Anhäufung der die jeweiligen Positionen begründende Argumente gekennzeichnet. Die wissenschaftliche Welt anerkennt und quantifiziert (zumindest teilweise sehr valide und reliabel) den anthropogenen Faktor der Treibhausdynamik, während die „Lobby der Leugner“ zumindest bis zum G8-Gipfel 2007 penetrant versucht, deutlich zu machen, dass Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen abzulehnen sind. Beide Seiten ersprießen sich darin, ihre Positionen zu begründen, ohne dass – auch vereinfacht – eine Verhandlungsbereitschaft und -dynamik entsteht.
186
Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
9. Inverse Reziprozität distributiver Strategien
Ergebnis 9:
Inverse Reziprozität (O-D bzw. D-O) fördert den Verhandlungsprozess und scheint eine stabilisierende Funktion zu haben.
Die Schlussfolgerung liegt eigentlich auf der Hand. Wenn eine „lineare“ Reziprozität distributiver Muster keine oder kaum eine Bewegung in die Verhandlung bringt, dann muss die Umkehrung dieses Prinzips Wirkungen zeigen. Und in der Tat konnte genau dieses Ergebnis gezeigt werden: Bewegung entsteht, wenn zwar zunächst die Reziprozität des distributiven Musters aufrechterhalten wird, innerhalb dessen jedoch die O- und DStrategien invers reziprok angewendet werden. Vereinfacht hieße dies: Auf einen offensiven Akt von A sollte B eher mit einem defensiven Akt reagieren und umgekehrt. Beispiel 44 A: „Ich erwarte, dass Sie ab morgen wieder zur Normalität zurückkehren. Dies bedeutet, Sie kommen ausgeschlafen und pünktlich zur Arbeit.“ (offensiv) B: „Die aktuelle Situation ist für uns neu. Ich muss dazu beitragen, dass wir auch als Familie funktionieren. Noch haben wir keine Stabilität nachts und ich bin zu recht gefordert, meinen Beitrag zu liefern.“ (defensiv) Wie wir noch sehen werden, muss diese Inversionsverhandlungslage nicht zwingend innerhalb einer Episode stattfinden, sie wird in der Regel „Lag-verzögert“ auftauchen. Treten, so die verallgemeinerungsfähige Konsequenz, solche inversen Austauschstrukturen auf, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Lösung des Konflikts auf Basis einer konstruktiven Verhandlung. 10. Inverse Reziprozität und Erfolg
Ergebnis 10:
Inverse Reziprozität (O-D bzw. D-O) findet sich hauptsächlich bei erfolgreichen Dyaden.
Selbst bei andauernder inversiver Distributivität entsteht noch kein Ergebnisraum, in dem eine Lösung formuliert werden kann. Entscheidend sind – selbst in distributiven Mustern – integrative Elemente, die zwei Effekte haben:
Kommunikationstheoretische Ansätze x x
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Sie wirken deeskalierend und indizieren eine Einigungsbereitschaft. Sie bewirken eine integrative Reziprozität. Beispiel 45 A: „Ich erwarte, dass Sie ab morgen wieder zur Normalität zurückkehren. Dies bedeutet, Sie kommen ausgeschlafen und pünktlich zur Arbeit.“ (offensiv). B: „Sie haben ja vollkommen recht. Wir müssen eine Lösung finden, die meiner Rolle hier und meiner Familie gerecht wird.“ (integrativ). A: „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine plötzliche Veränderung dieser Art nicht einfach zu bewältigen ist.“ (integrativ).
11. Informationsweitergabe und integratives Verhalten
Ergebnis 11:
Informationsweitergabe wird häufig mit integrativem Verhalten beantwortet.
Informationen zur eigenen Position können auf Anfrage oder aus freien Stücken an den Kotrahenten weitergegeben werden. In der Regel beinhalten solche Informationen Begründungen (Daten, Analogien, Beispiele, Erfahrungen) oder Hintergrundwissen zur eigenen Position. Eine solche Öffnung findet natürlich nur statt, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Umgang mit diesem Wissen nicht die eigene Position wesentlich schwächt. Insofern kann die Weitergabe als eine Bereitschaft interpretiert werden, Bewegung in den Verhandlungsprozess zu bringen. Diese Bereitschaft wird überzufällig häufig mit einem integrativen Akt „belohnt“. Die Weitergabe von Information ist deutlich von rechtfertigenden oder die Forderung unterstützenden Argumenten abzugrenzen – die Weitergabe von Informationen vermittelt „Hintergründe“ der eigenen Position. Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen Damit scheint deutlich zu werden, dass effektives Verhandeln gerade von der Möglichkeit abhängt, das Verhalten des Partners identifizieren zu können und auf dieses mittels einer geeigneten „strategischen Antwort“ reagieren zu können. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Konflikt lediglich moderat eskaliert und eine gemeinsame Position erarbeitet werden kann. Dabei sind reziproke Sequenzen (Strategien werden mit gleichen
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Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
Strategien beantwortet) und invers-reziproke Sequenzen („entgegengesetzte“ Reaktionen folgen aufeinander) besonders bedeutsam. Diese Forschungsperspektive verdeutlicht zudem, wie durch Prozessanalysen zwischen effektivem und ineffektivem Verhandlungsverhalten präziser als durch die ausschließliche Berücksichtigung von Effizienzparametern (Lösungszeit, erzielter Gewinn des „Siegers“ etc.) im Rahmen von „Kausalmodellen“ differenziert werden kann. Auf der Basis der hier dargestellten Überlegungen haben wir ein pragmatisches Verhandlungsprozessmodell entwickelt. Im Mittelpunkt hierbei stehen zwei Perspektiven: x
x
Auf der einen Seite geht es um die Präzisierung des Verhandlungsprozesses aus inhaltlicher Sicht – in Modul 11 werden wir hier insbesondere über den Schwerpunkt der Verhandlungsstrategien und -taktiken reden. Auf der anderen Seite geht es um die Aufgliederung einer Verhandlung in verschiedene Phasen, die ihrerseits in Perioden und Episoden untergliedert werden können (vgl. Modul 12). Im Verlaufe des Verhandlungsprozesses steuern die Akteure die Phasen durch die Anwendung bestimmter Strategiemuster bzw. Taktiken. Der eskalierende bzw. deeskalierende Verlauf einer Phase wird durch Episoden, der kleinsten Einheit einer sozialen Interaktion, beeinflusst.
Zusammengefasst wollen wir herausarbeiten, dass die Kunst der Verhandlungssteuerung im gezielten Einsatz von taktischen Äußerungen während des Verhandlungsprozesses liegt.
Kontrollfragen 1. Beschreiben Sie die Hauptmerkmale der behavioristischen Konflikttheorien! 2. Welche Hauptmerkmale weist das Kausalmodell des Verhandlungserfolges von Crott et al. auf? Worin bestehen seine Schwächen? 3. Skizzieren Sie die Hauptbefunde kommunikationstheoretischer Ansätze zur Verhandlungsforschung!
Weiterführende Literatur
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Modul 10: Verhandlung – Theoretische Grundlagen
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Modul 11: Die inhaltliche Perspektive des Verhandlungsprozesses – Taktiken
Zusammenfassung Aufbauend auf der Differenzierung zwischen offensiven, defensiven und integrativen Verhandlungsstrategien wird die Relevanz und die konkrete sprachliche Ausgestaltung folgender Verhandlungstaktiken ausführlich herausgearbeitet: „Forderungen stellen“, „den anderen zurückweisen“, „Selbstverpflichtung zeigen“, „Drohungen aussprechen“, „attackieren“, „Auf- und Anforderungen tätigen“, „Zustimmung signalisieren“, „eigene Forderungen zurücknehmen“, „sich verpflichten“, „sich rechtfertigen“, „Akzeptanz zeigen“, „Information weitergeben“, zur „Klärung beitragen“ und „Suche nach Problemlösungen“.
Einführung Um die in Modul 10 formulierten strategischen Elemente handhabbar zu machen, bedienen wir uns dem folgenden pragmatischen Modell (vgl. Abb. 29):
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess Strategien OFFENSIV
DEFENSIV
INTEGRATIV
Forderungen
Zustimmung
Akzeptanz
Zurückweisung
Zurücknahme
Selbstverpflichtung
Verpflichtung
Aufgabenverhalten
Rechtfertigung
Weitergabe Info
Drohung Statistiken Analogien Beispiele Kausalitäten
Attacke Auf- / Anforderung
Problemlösung
Abb. 29. Verhandlungsstrategien und -taktiken
Aufgrund von Abb. 29 wird zunächst folgendes deutlich: x
x
x
Eine offensive Strategie zielt darauf ab, die Position des Anderen anzugreifen und ihn aufzufordern, sich auf die eigene Position zu zu bewegen. Beispiel: „Natürlich liegen uns alternative Angebote vor“ (Drohung). „Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass Sie uns einen neuen Verrechungspreis nennen“ (Forderung). Die Funktion der defensiven Strategie besteht darin, die eigene Position zu behaupten und gegen Angriffe zu verteidigen. Gelingt dies nicht, wird die Position zumindest punktuell aufgegeben. Beispiel: „Wir kennen ja nun auch unsere Wettbewerber und deren Kalkulationsansatz. Sicherlich ist unser Verrechnungssatz deutlich höher. Wie Sie und wir wissen, liegt unser Stundenaufkommen deutlich unter dem des Wettbewerbs“ (Rechtfertigung). Die integrative Strategie zeichnet sich durch Bemühungen aus, Gemeinsamkeiten und später gemeinsame Positionen herauszuarbeiten, die sich als Fundament des weiteren Verhandlungsprozederes auszeichnen. Beispiel: „Ich sehe ja ein, dass Sie im Preisvergleich unsere Position darstellen müssen. Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam eine Gesamtkalkulation erstellen. Dann sehen wir beide, welche Vorteile Sie haben“ (Akzeptanz und Aufgabenverhalten).
Darstellung der Taktiken
193
Die in Abb. 29 dargestellten Taktiken sind sprachliche Äußerungen in einer Verhandlung. Mit anderen Worten: Fast jede Aussage der Verhandlungsakteure kann einer dieser Taktiken zugeordnet werden.
Darstellung der Taktiken In der Folge stellen wir die Taktiken mit sprachlichen Beispielen vor. Sie bilden sozusagen die Vokabeln einer Verhandlung. Die offensiven Taktiken 1. Forderung
Die Forderung bildet den Kern offensiven Verhaltens, auch dann, wenn Forderungen diplomatisch moderat formuliert werden. Die Forderung spiegelt die beste Erwartung an ein Verhandlungsergebnis wider. x x x x
„Wir fordern …“ „Wir erwarten ein Mindestgebot …“ „Ohne dies geht es nicht. Das müssen wir tun …“ „Ihre Alternativen sind gering. Sie werden dem nachkommen müssen …“ Beispiel 46 Verhandler B: „Mit Ihrem Vorhaben haben Sie eine Dimension eröffnet, die jeglicher wirtschaftlichen Vernunft widerspricht“ (Zurückweisung). „Wir fordern Sie schlicht und ergreifend auf, den Kerngedanken Ihrer Forderung aufzugeben“ (später werden wir sehen, dass hierin bereits ein wichtiger Hinweis eingebettet ist und sogar einem Angebot entspricht: Gebt ihr den Kern der Forderung auf, dann können wir uns bewegen). Verhandler Y: „Wir haben bisher sehr gut zusammengearbeitet und ich denke, dass dies wirklich eine Win-Win-Situation war. Aber wie Sie ja schon bemerkt haben, gewinnt die Preisoptik immer mehr an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, mich darin zu unterstützen, auch zukünftig mit Ihnen zusammenarbeiten zu können.“
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Übung 43. Umgang mit Forderungen
Nennen Sie aus Ihrem Alltag wiederkehrende Forderungen und beschreiben Sie die Art und Weise, wie diejenigen, an die diese Forderungen adressiert wurden, damit umgehen. Dauer: ca. 30 Minuten 2. Zurückweisung
Die Zurückweisung erfolgt in der Regel auf eine Forderung oder ein rechtfertigendes Argument. Sie zeigt an, dass sich der Zurückweisende dem nicht anschließt. x x x x x x
„Dieser Überlegung kann ich nicht folgen …“ „Das ist doch Unsinn …“ „Mir stehen andere Daten zur Verfügung …“ „Das glaube, wer will …“ „Ich sehe dies vollkommen anders …“ „Unsere Erfahrungen haben das Gegenteil gezeigt …“ Beispiel 47 Verhandler A (Bekräftigung einer Forderung): „Sie kennen unsere Forderung und die Rahmenbedingungen, die an diese Forderung geknüpft sind. Wir sehen keine Möglichkeit, hiervon abzuweichen.“ Verhandler B (Zurückweisung): „Ihre Forderungen gehen vollkommen an der Realität vorbei. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir hierauf auch nur im Ansatz eingehen können.“
Übung 44. Zurückweisung von Forderungen
Entwickeln Sie aus Ihrem Erfahrungsschatz verschiedene Situationen, in denen eine Forderung zurückgewiesen wurde. Dauer: ca. 30 Minuten
Darstellung der Taktiken
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Übung 45. Bewertung eines Dialogs
Ordnen Sie dem Folgenden die Taktiken „Forderung“ und „Zurückweisung“ zu: x Mitarbeiter: „Sie kennen meinen Wunsch, mich weiterzuentwickeln. Ich habe jetzt eine Möglichkeit, ein berufsbegleitendes Studium zu beginnen.“ x Vorgesetzter: „Das finde ich natürlich toll …“ x Mitarbeiter: „Dies bedeutet aber auch, dass ich freitags nicht zur Verfügung stünde. Mein Vorschlag ist, dass ich für zwei Jahre meine Arbeitszeit auf 80 % verringere.“ x Vorgesetzter: „Das finde ich natürlich weniger toll. Sie wissen, dass wir freitags den Wochenabschluss machen. Hier sind wir auf Sie angewiesen.“ Dauer: ca. 5 Minuten 3. Drohung
Die verschiedenen Formen der Drohung hatten wir bereits in Modul 3 kennen gelernt. Sie sind auch in einer Verhandlung ein Instrument, durch das die Unnachgiebigkeit, eine Position zu aufzugeben bzw. eine Forderung durchzusetzen, unterstrichen werden soll. x x x x x
„Wir können natürlich auch anders …“ „Wenn Sie nicht …, dann …“ „Hinter mir steht die gesamte Belegschaft …“ „Der Aufsichtsrat erwartet ein Commitment …“ „Ihrer Forderung nachzukommen, bedeutet, unser Unternehmen zu verlegen …“ Beispiel 48 Verhandler A (Drohung): „Wenn von der heutigen Verhandlung keine Signale ausgehen, dass der Zug in Fahrt kommt, kennen Sie unsere nächsten Schritte. Die Vorbereitungen zur Urabstimmung laufen auf vollen Touren. Und die Stimmung an der Basis ist Ihnen bestens bekannt.“
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Übung 46. Erfahrungen mit Drohungen
Rekonstruieren Sie aus Ihren Erfahrungen verschiedene Situationen, in denen Drohungen ausgesprochen wurden. Dauer: ca. 15 Minuten Übung 47. Bewertung eines Dialogs
Ordnen Sie der folgenden Aussage die beiden Taktiken „Zurückweisung“ und „Drohung“ zu: Mitarbeiter: „Ich weiß, dass dies ein Knackpunkt ist. Aber ich habe mich so mit dem Gedanken des Aufbaustudiums angefreundet, dass ich nicht davon abweichen will. Ich bin jung und die Zukunft steht mir noch offen …“ Dauer: ca. 5 Minuten 4. Attackierende Argumente
Eine Verhandlung verliefe trivial, würden die Forderungen resp. die jeweiligen Positionen nicht sachlich begründet werden können. Sachliche Begründungen können auch Be- und Empfindsamkeiten sein. Je nach Thema und dessen Komplexität werden dabei die vier folgenden typischen Instrumente der Überzeugungsarbeit eingesetzt. a) Statistiken und andere Kennzahlen
In der quantitativen, aber auch qualitativen Begründung spielen Zahlen eine enorme Rolle. Je besser sie hergeleitet und veranschaulicht werden, desto wirksamer sind sie. Auch die Quelle der Zahlen ist bedeutsam, da sie in vielen Fällen bereits einen bestimmten methodischen Ansatz indiziert. Je neutraler die Datenquelle ist, desto mehr Vertrauen strahlen diese Zahlen (manchmal unbegründet) aus. Experten streiten sich daher häufig weniger um die Zahlen selbst, sondern um die Methoden ihrer Erhebung und Auswertung. Hier gilt nach wie vor das Churchill in den Mund gelegte Zitat: „Ich traue nur den Statistiken, die ich selbst manipuliert habe“. Wer häufig mit Statistiken oder Indikatoren umgeht, sollte wissen, wie sie zustande kommen. b) Grafiken
Auch Grafiken sind kritisch zu betrachten. Durch Skalierungen können kleine Effekte als großartige Leistungen herausgestellt werden. Eine Un-
Darstellung der Taktiken
197
verfrorenheit erlebte einer der Autoren auf einer Vertriebskonferenz. Die regionalen Vertriebsleiter stellten ihre Quartalsergebnisse vor, die allesamt zwischen +30 und +50 % zu den Werten des Vergleichszeitraums lagen. Der Regionalleiter mit den geringsten Umsatzzuwächsen verwendete jedoch eine Skalierung zwischen 0% und 10%. Dadurch erhöhte sich die Steigung der Geraden – was eine besonders hohe Leistung suggerierte. c) Analogien und Beispiele
Nicht in jedem Fall stehen „harte“ Fakten zur Verfügung, sondern Erfahrungswerte, die zu der aktuellen Situation in Beziehung gesetzt werden können. Beispiele sind beliebte Argumentarien, da sie häufig am Erfahrungshorizont der Akteure anknüpfen. Dabei sind Beispiele durchaus kritisch zu betrachten, insofern die Rahmen- oder Randbedingungen, für die diese Argumente beispielhaft waren, häufig nicht berücksichtigt werden. Beispiel für die Verwendung eines Beispiels Mitarbeiter: „Wir haben doch Beispiele im eigenen Hause. Frau M. besucht dieselbe Akademie und sie hatte keine Probleme seitens des Unternehmens. Im Gegenteil, durch eine großzügige Arbeitsplanung, sie nimmt sich einen Teil der Arbeit mit nach Hause, wird sie deutlich unterstützt.“ Vorgesetzter: „Sie können die Situation nicht mit Frau M. vergleichen. Als Gruppenleiter sind Sie wesentlich für den Wochenabschluss mit verantwortlich. Frau M. ist eine sicherlich sehr qualifizierte Sachbearbeiterin, die jedoch – zumindest noch – nicht in dieser Verantwortung steht.“ d) Kausalitäten
„Wenn-dann“- oder „Je-desto“-Aussagen liefern Begründungen, die scheinbar schwer zu widerlegen sind. Aber auch hier gelten häufig situative oder intervenierende Randbedingungen, die eine einfache Schlussfolgerung in Frage stellen können. Beispiel: In der Einschätzung einer Verhandlungssituation betont ein Akteur: „Die Erfahrung hat doch gezeigt: Wenn wir hart bleiben, kommt uns die andere Seite entgegen. Also gibt es keinen Grund, großzügiges Entgegenkommen zu zeigen.“ Im Verhandlungsverlauf erfährt dieser Akteur, dass „seine“ Form hart zu bleiben, auf Widerstand stößt, da er eine wesentliche Rahmenbedingung außer Acht gelassen hatte; besser wäre folgende Formulierung gewesen:
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
„Die Erfahrung hat doch gezeigt: Wenn wir hart bleiben, kommt uns die andere Seite entgegen, soweit sie über keine Alternative verfügt. Ich unterstelle, dass auch dieses Mal keine zur Verfügung steht. Also gibt es keinen Grund, großzügiges Entgegenkommen zu zeigen.“ Aufgrund des Verhandlungsverhaltens der „Gegenseite“ müsste nun die Vermutung aktiviert werden, es stünde eine Alternative zur Verfügung. x x x x x
„Nehmen Sie das Beispiel vom letzten Monat. Da hat das auch nicht funktioniert.“ „Vergleichen wir die Situation mit unserem damaligen Misserfolg. Ich sehe hier dieselben Strukturen …“ „Ich muss Ihnen folgende Zahlen in Erinnerung rufen …“ „Mein Verhalten wird durch meinen Umsatzerfolg gerechtfertigt. Meine Zuwachsraten sind die höchsten.“ „Wenn wir das Unternehmen nicht übernehmen, dann macht es die Firma X.“
5. Anforderungen
Unter Anforderungen werden alle Sprachakte zusammengefasst, durch die die andere Seite aufgefordert wird, Argumente zu nennen, die letztlich dazu führen soll, deren Position aufzuweichen. Je mehr Argumente nämlich eine Seite veröffentlicht, desto größer wird die Angriffsfläche. x x x x x
„Rechnen Sie mir das einmal bitte vor …“ „Welche Erfahrungen spiegeln Ihre Aussage wider?“ „Ich verstehe die Begründung nicht. Erläutern Sie mir …“ „Kann ich die Unterlagen in Ruhe durcharbeiten?“ „Erklären Sie mir, wie diese Abweichung zustande kommt …“ Beispiel 49 Kunde: „Die Nutzen Ihrer Dienstleistung kann ich nachvollziehen. Ich meine jedoch, dass sich das nicht rechnet. Es sei denn, Sie belehren mich eines anderen.“ (Anforderung). Berater: „Gehen wir einmal davon aus, dass Ihre Ausfallquote bei 1 % liegt und dass Sie durch unsere Dienstleistung mindestens 2 % mehr Umsatz tätigen. Wenn ich beide Positionen addiere, heben sich schon fast die Kosten auf.“ (Rechtfertigung). Kunde: „Meine Ausfallquote liegt deutlich unter einem Prozent. Zudem sehe ich keine Chancen, durch Ihr Angebot meinen Umsatz zu stei-
Darstellung der Taktiken
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gern. Wenn das mein Ziel ist, muss ich andere Maßnahmen ergreifen.“ (Zurückweisung). Übung 48. Übung zu offensiven Taktiken
Bitte ordnen Sie den nachfolgenden Sprachakten die entsprechenden offensiven Taktiken zu: Dauer: ca. 30 Minuten Sprachakt 1. „Aufgrund unser Untersuchungen, die Ihnen bekannt sein sollten, erwarten wir ein deutliches Entgegenkommen ihrerseits.“ 2. „Ihr Angebot freut uns und dokumentiert die Bereitschaft, unsere erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen zu wollen. Natürlich haben wir unsererseits die Schwierigkeit, Ihr Angebot intern durchzusetzen.“ 3. „Ihren Argumenten kann ich nicht folgen, zumal die den Ergebnissen unterlegte Methode wenig nachvollziehbar ist.“ 4. „Wir haben unsererseits Bewegungsbereitschaft gezeigt. Nun liegt es an Ihnen, in die Verhandlung Bewegung zu bringen.“ 5. „Ich habe meine Position dargestellt und auch angedeutet, wie ich mir die Lösung vorstelle. Sollte jemand anderer Meinung sein?“ 6. „Wenn Sie dieses Szenario darstellen, bedeutet dies eine Absatzverdopplung pro Jahr. Halten Sie dies nicht für sehr ambitioniert?“ 7. „Natürlich würden wir gerne auf Sie zurückgreifen können. Aber Sie wissen: Die Konkurrenz schläft nicht und klopft laut an die Türe.“ 8. „In den Medien: Wenn sich die andere Seite nicht endlich bewegt, weiß sie, was passiert.“
Taktik
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Übung 48 (Fortsetzung)
9. „Dieses Konzept könnte Basis für weitere Gespräche sein. Sie verwenden jedoch immer dieselben Begriffe, von denen Sie wissen, dass diese Begriffe bei einigen als Reizworte Emotionen auslösen.“ 10. „Du gleichst dem Geist, den Du begreifst. Nicht mir.“ 11. „Natürlich sind erneuerbare Energiequellen von enormer Bedeutung. Aber ohne Atomstrom, das haben wir vorgerechnet, können die Emissionsziele nicht in dem Zeitraum eingelöst werden.“
Defensive Taktiken 6. Zustimmung
Stimmt eine Partei einer Forderung, deren Begründung oder einer Erwartung zu, läuft sie Gefahr, die eigene Position aufzuweichen. Der Versuch der Gegenseite besteht natürlich darin, dies zu erzeugen. x x x x x
„Natürlich kann ich nicht leugnen …“ „In diesem Punkt haben Sie (vollkommen) recht …“ „Das belegen meine Daten auch …“ „Ich habe keine besseren Argumente …“ „Diese Erfahrung sollten wir in der Tat nicht wiederholen …“ Beispiel 50 Shareholder: „Sie haben in Ihrem Businessplan für dieses Jahr 35 Mio. Umsatz ausgewiesen. Wenn ich das Halbjahresergebnis hochrechne, selbst wenn ich noch einen Beschleunigungsfaktor einrechne, erreichen wir gerade einmal 20 Mio. Euro Umsatz. Wie begründen Sie das?“ (Anforderung). Vorstand: „Sie wissen wie wir, dass die Schätzungen für das erste Geschäftsjahr auf der Annahme gründeten, das Unternehmen Y zukaufen zu können. Trotz positiver Äußerungen hat sich dieser Deal in das Gegenteil verkehrt. Wir sind nun Wettbewerber und diese Tatsache bindet einen großen Teil unserer Vertriebsressourcen.“ (Rechtfertigung). Shareholder: „Das kann ich nicht leugnen.“ (Zustimmung).
Darstellung der Taktiken
201
Vorstand: „Ich teile zudem Ihre Schätzung nicht ganz (Zurückweisung). Wir haben noch mindestens 20 Kunden in der Pipeline, die im Herbst aktiv werden. Diese hinzu gerechnet, schätze ich den Umsatz auf mindestens 25 Mio. Euro. Zudem haben wir die Budgets bei weitem unterschritten, so dass wir fast die Umsatzrendite erreichen werden, zumindest steht eine schwarze Null davor.“ (attackierende Argumente). Shareholder: „Das müssen Sie mir einmal genauer darstellen.“ (Anforderung). 7. Zurücknahme
Verlassen die Parteien ihre Positionen nicht, entsteht keine Bewegung. Unter Zurücknahme verstehen wir alle Äußerungen, die dazu beitragen, dass sich die Akteure auf die Forderungen oder Erwartungen der anderen Seite zu bewegen. x x x x x x
„Ich kommen Ihnen entgegen …“ „Ich biete Ihnen alternativ dazu …“ „Sie haben mich überzeugt …“ „Wenn ich Ihre Argumente aufnehme, dann muss ich zustimmen …“ „Diese Forderung nehme ich zurück …“ „Mit Ihrer Vorstellung kann ich mich zwar nicht anfreunden, aber …“ Beispiel 51 Kunde: „Wir haben noch einmal mit spitzem Bleistift Ihr Angebot nachgerechnet. Wenn Sie sicher stellen können, dass die von Ihnen unterstellten Bedingungen eingelöst werden und wenn Sie dann bereit sind, einen Festpreis zu vereinbaren, dann können wir Ihren Verrechungssatz in die weiteren Überlegungen einbeziehen.“ Anbieter: „Den Festpreis können wir durchaus akzeptieren (Akzeptanz), soweit Ihr Unternehmen durch eine entsprechende Arbeitsvorbereitung Verzögerungen verhindert.“ (Forderung). Kunde: „Im Prinzip sage ich hierzu ja (Zustimmung). Wir müssen dies jedoch vertraglich genau festlegen.“ (Forderung).
Übung 49. Beispiele von Zustimmung
Nennen Sie aus Ihren Erfahrungen Formulierungen der Zustimmung Dauer: ca. 20 Minuten
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
8. Verpflichtung
Verpflichtungen zementieren einen Teil der von der anderen Seite formulierten Forderung oder damit einhergehender Erwartungen. Sie verändern ebenfalls die eigene Position. x x x x
„Ich werde mich danach verhalten/ausrichten/daran orientieren …“ „Sie können darauf zählen …“ „Gut, dann übernehme ich …“ „Die Kosten gehen zu meinen Lasten …“ Beispiel 52 Der eben formulierte Kunde hätte auch sagen können: „Einverstanden. Wir stellen sicher, dass unsere Arbeitsvorbereitungen so durchgeführt werden, dass bei Ihnen keine Ausfallzeiten oder andere durch uns veranlasste Verzögerungen entstehen. Sollten Verzögerungen durch uns veranlasst sein, gehen diese zu unseren Lasten.“
9. Rechtfertigung
Dienen attackierende Argumente dem Zweck, die Position des anderen aufzuweichen, dient die Rechtfertigung der Fundierung der eigenen Position. Auch hier bilden Statistiken, Analogien und Beispiele die entscheidende Rolle. x x x x x
„Unsere neuen Untersuchungen haben gezeigt …“ „Wir haben jede Menge guter Resonanzen …“ „In einer ähnlichen Situation habe ich durch mein Verhalten gezeigt, dass …“ „Sie glauben doch nicht, dass wir das nicht durchdacht/berücksichtigt haben.“ „Das haben wir immer so gemacht.“
Darstellung der Taktiken
203
Beispiel 53 Geschäftsführer: „Aus den dargestellten Gründen erwarte ich, dass Sie und Ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen Ihre Regionen durchleuchten und neue Branchen als Kundenpotentiale benennen.“ Ein Vertriebsleiter: „Ihre Forderung in Gottes Ohren. Bereits heute sind unsere Zeitpläne so dicht, dass wir die Arbeit kaum noch schaffen. Ich will das konkretisieren: Zumindest zweimal im Monat beginne ich meine Arbeitswoche bereits sonntags mittags. Mein Projektkoordinator hat jede Menge Überstunden angehäuft. Meine Sekretärin geht auf dem Zahnfleisch. (Rechtfertigung) Wann bitte soll ich diese Aufgabe auch noch ausfüllen? Sagen Sie mir das!“ (rhetorische Aufforderung). Übung 50. Übung zu defensiven Taktiken
Bitte ordnen Sie den nachfolgenden Sprachakten die entsprechenden defensiven Taktiken zu: Dauer: ca. 30 Minuten Sprachakt 1. „Nun mal langsam. Ich habe Ihnen meine Berechnungen vorgelegt. Auch weitere Untersuchungen belegen den Zusammenhang und verweisen auf ein unübersehbares Risiko. Insofern ändere ich meine Position nicht.“ 2. „Wir haben noch einmal mit spitzem Bleistift gerechnet und können Ihnen deutlich entgegenkommen.“ 3. „Ihre Argumente sind plausibel. An diesem Punkt folge ich Ihnen.“ 4. „Soweit Sie unserem Vorschlag im Grundsatz zustimmen, werde ich sehen, dass unserseits die von Ihnen geforderten Kriterien garantiert werden.“ 5. „Wenn Sie denn zumindest Herrn U. fördern würden.“ 6. „Das war ein hartes Gerangel. Aber ich unterschreibe.“ 7. „Ihre Metapher ist einleuchtend. Ich folge ihr.“
Taktik
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Übung 50 (Fortsetzung)
8. „Nehmen Sie doch das Beispiel: In den Kommunen, in denen die autofreien Fußgängerzonen wieder aufgehoben wurden, wird mehr Umsatz gemacht.“ 9. „Nun gut, wenn das Budget insgesamt zu kürzen ist, leiste ich meinen Beitrag um 15 %.“
Integrative Taktiken 10. Akzeptanz
Wird eine Forderung, ein Argument oder eine Erwartung von der Gegenseite explizit aufgenommen, sprechen wir von Akzeptanz. Akzeptanz ist mehr als Zustimmung, da sie die Hereinnahme in die eigenen Forderungen bzw. Erwartungen kommuniziert. x x x x x
„Gut, dann einigen wir uns darauf …“ „Mit dem Ziel/den Mitteln bin ich durchaus einverstanden …“ „Diesen Entwurf kann ich gegenüber meinen Vorgesetzten vertreten …“ „Richtig, dieses Argument sollten wir besser gemeinsam herausarbeiten …“ „Lasst uns so vorgehen …“ Beispiel 54 Geschäftsführer: „Ich weiß, dass Sie alle sehr fleißig und engagiert sind. Ich komme Ihnen entgegen. Die Regionalanalysen lasse ich zentral durchführen.“ (Verpflichtung). „Ich komme Sie dann in den Niederlassungen besuchen und wir formulieren gemeinsam anhand der erstellten Listen einen konkreten Aktionsplan.“ (Aufgabenorientierung, soweit der Besuch keine Drohung darstellt). Vertriebssprecher: „Doch, das ist ein konstruktiver Vorschlag. Da mache ich – und sicher auch die Kollegen – mit.“ (Akzeptanz).
Darstellung der Taktiken
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11. Weitergabe von Information
Hierunter können alle Sachinformationen subsumiert werden, die die Position der „anderen Seite“ unterstützen respektive helfen, den Einigungsraum konkret auszugestalten. Beispiel 55 Vertriebssprecher: „Schließlich kann ich Ihnen nicht widersprechen. Unsere klassischen Branchen wandern immer wahrnehmbar in östlicher Richtung ab. Wir müssen für uns neue Branchen erobern und wenn ich sehe, was sich im Bereich der regenerativen Energien tut, sind wir in der Nachhaltigkeitswirtschaft noch nicht gut aufgestellt.“ 12. Lösungssuche /-prozedere
Die Handlungsmuster unterscheiden sich nicht von solchen in Problemlösesituationen. Beispiel 56 Vertriebssprecher: „Um schnell Fuß zu fassen, könnten wir doch branchenspezifische Veranstaltungen durchführen. Unter einem akuten Dachthema mit einem bekannten Referenten könnten wir uns und unsere Leistungen gut darstellen. Zudem würden wir die Entscheidungsträger direkt kennen lernen. Und bei einem attraktiven Thema werden die zu uns kommen.“ 13. Aufgabenorientiertes Verhalten
Unter aufgabenorientierten Verhalten verstehen wir solche Handlungen, die weder die eigene Position in Frage stellen noch die Position der anderen Seite angreifen. In jeder Situation kann es passieren, dass Daten, Fakten, Überlegungen noch einmal vertiefend nachgefasst werden müssen, um sie besser zu verstehen und bewerten zu können. x x x x
„Das muss ich noch einmal durchrechnen …“ „Kann so sein, aber ich muss erst weitere Informationen einholen …“ „Lassen Sie die Graphik noch einen Moment stehen. Ich will die Zahlen nachvollziehen.“ „Helfen Sie mir, das Argument richtig zu verstehen.“
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Beispiel 57 In einer Vertriebskonferenz, in der konkurrierende Strategien heiß diskutiert werden, präsentiert die Strategieseite 1 folgende Graphik (vgl. Abb. 30). Teilnehmer Strategieseite 2: Die Grafik sieht ja toll aus. Helfen Sie mir nur, sie richtig zu verstehen. Bedeutet dies, dass wir fast ein Paretoverhältnis vorfinden und 36 Unternehmen, also 75 %, lediglich zu 34 % zum Absatz beitragen? ABC – Absatzanalyse in Einheiten: 48 Kunden, die wir beliefern Absatzvolumen: 300 Einheiten
Maximum: 34 Einheiten
8
2
1
12 Kunden (25 %) nahmen 5 Einheiten (4 %) ab.
12 Kunden nahmen 198 Einheiten ab. Mit anderen Worten: 25 % der Kunden tragen zu 66 % des Absatzes bei.
24 Kunden nahmen 90 Einheiten ab. (50 % der Unternehmen mit einem Absatz von 30 %)
Abb. 30. ABC-Analyse Absatz 14. Problemlösung
Die Verhandlung schlägt in einen Problemlöseprozess um, wenn die gemeinsamen Ziele feststehen, ohne dass bereits die Wege dorthin ausdefiniert wurden. In dieser Phase greifen nun die „klassischen“ Instrumente der Problemlösungsszenarien. Die Konfliktgefahr ist noch nicht gebannt, wenn unterschiedliche Wege und deren „Seiteneffekte“ plötzlich wieder zur Diskussion anstehen und einen weiteren Verhandlungsbedarf erforderlich machen. Beispiel „Steuerbüro“ (Teil 8) Kommen wir noch einmal auf die „Steuersozietät“ zurück. Hans und Erwin haben sich darauf verständigt, mit mehr Systematik an die Gewinnung neuer Kunden heranzugehen und insbesondere auch die Be-
Darstellung der Taktiken
207
standskunden auf die Leistungen des jeweiligen Partner deutlicher aufmerksam zu machen. Hierfür beraumen sie einen neuen Termin an und bitten Jonas, der gerade als Student in der Sozietät ein Praktikum absolviert, das „Brainstorming“ zu moderieren.
Zur Rolle von Emotionen Natürlich können Emotionen eine bewusste Rolle in Verhandlungen spielen. Soll eine Verhandlung emotional entschärft werden, bedienen sich die Akteure bekannter positiver emotionaler Signale: x x x x x
Freundlichkeit Blickkontakt Aufmerksamkeit Höflicher Tonfall Den anderen aussprechen lassen
Umgekehrt können natürlich auch atmosphärische Störungen durch den Einsatz von Emotionen provoziert werden: x x x x x
Aggressiver Tonfall Störungen Den anderen unterbrechen Mimische Ablehnung Plötzlich den Raum verlassen
Von einer Forderung abrücken zu müssen, insbesondere dann, wenn sie am Rand eines möglichen Einigungsraumes liegen, wird nicht selten als Gesichtsverlust betrachtet, insbesondere dann, wenn die Öffentlichkeit involviert ist. Hierbei entstehen ggf. auch eher negative denn positive Emotionen. Integrative Phasen sind ihrerseits eher positiv emotional gefärbt: „Die Kuh ist (fast) vom Eis“. Insofern entsteht eine gewisse Erleichterung auf der einen und eine sachlich-fachlich getragene Arbeitsatmosphäre auf der anderen Seite. Je fortgeschrittener die „Lösungsarbeit“ ist, desto gelöster wird auch die Atmosphäre. Wird auf Experten zurückgegriffen, so kennen sich diese häufig ohnehin. Angespannt wird es, wenn an Feinheiten gearbeitet wird und dies einfach zeitraubend ist.
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
Übungen zu den Taktiken Übung 51. Identifikation von Taktiken
Sie haben nun 14 taktische Vokabeln kennen gelernt. Zu wissen, dass es sie gibt, bildet bekanntermaßen keine Gewähr, sie identifizieren und auch anwenden zu können. Wir bieten Ihnen nun verschiedene Texte, die Sie bitte durcharbeiten, indem Sie die entsprechenden Taktiken zuordnen. Im Anhang stellen wir Ihnen die Musterlösungen vor. Dauer: ca. 30 Minuten pro Übung
Übung: Teil 1 Oben wurde bereits die Situation vorgestellt, dass auf einer Vertriebskonferenz die neue Marktstrategie seitens der Geschäftsführung vorgestellt wurde. Nachdem das globale Ziel, binnen drei Jahren das Ergebnis vor Steuern verdoppeln zu wollen, vorgestellt wurde, kommt es zum Eklat. Sprachakte GF: „Damit dürfte klar sein: In drei Jahren haben wir unser Ziel den Ertrag zu verdoppeln, eingelöst.“ V1: „Das sind doch Wahnsinnsziele, die wir nicht einlösen können.“ V2: „Uns steht der Preistiger im Nacken.“ V3: „Zudem greift das Bietverfahren online immer mehr um sich, das reduziert unsere Chancen.“ V4: „Neue Branchen. Das ist vollkommen überzogen,“ wird laut: „wie sollen wir das umsetzen, unsere Zeit reicht ja gerade einmal aus und ohne Stunden am Wochenende im Büro wäre das gar nicht zu lösen.“
Taktiken
Übungen zu den Taktiken
GF: „Meine Herren. Ich verstehe Ihre Irritation teilweise. Auf der anderen Seite müssten Sie den Schuss doch gehört haben. Unsere Investoren erwarten die Ziele und dies, meine Herren, zu recht. Ich stehe vollkommen dahinter. Dass Sie ausgelastet sind, stimmt. Wir werden hier auch gemeinsam Entlastungsschritte einleiten. Dazu komme ich später. Ich möchte zunächst auf das Schreckgespenst Onlinebeating eingehen. Zum einen sind unsere Gewichte sehr gut, so dass wir uns nicht in die Preisspirale begeben müssen. Zum anderen zitiere ich Ihre eigenen Vorschläge, durch Komplettpreise aus unserer Performanz Kapital zu schöpfen und zugleich dem Kunden eine auch für ihn attraktive Alternative bieten zu können. Die zum Teil von uns gemeinsam geführten Verhandlungen waren durch die Bank weg erfolgreich. Zu den neuen Branchen. Wir kennen alle die Abwanderungsgedanken eines Teils unserer Kunden. Wir leben in der Zeit globaler Arbeitsteilung. Vor diesem Hintergrund können wir Kunden verlieren, ungeachtet ob heute oder erst in zwei bis drei Jahren. Bestimmte Branchen, die auch für uns lukrativ sind, haben wir noch gar nicht ins Auge gefasst. Ich werfe Ihnen mal ein Chart an die Wand, auf dem Sie erkennen, welche Marktchancen wir nicht nutzen. Dazu kommen noch neue Branchen, die sich aus den technologischen Entwicklungen ergeben. Auch für diese sind unsere Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung. Wenn nicht wir, dann die anderen. Ziehen Sie bitte Ihre Schlussfolgerungen daraus. Sie möchten sicher nicht, dass ich Ihre Lernfähigkeit in Zweifel ziehe.“
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
V6: „Darf ich mal unterbrechen? Ich sehe auch die Entwicklung, wie Sie sie dargestellt haben. Ich meine auch, dass es dringend erforderlich ist, uns von bestimmten Aufgaben zu befreien, die sich delegieren lassen. Sie wissen aber auch, dass es sehr zeitaufwendig ist, über Referenzprojekte in neue Branchen einzudringen. In vielen Fällen stehen unsere Wettbewerber bereits in den Unternehmen – und die machen ihre Arbeit auch nicht schlecht.“ GF: „Schön zu hören, dass Sie zumindest meine Grundauffassung teilen. Natürlich kostet es Kraft, eine neue Branche zu erobern. Aber erstens, da müssten Sie mich doch hinreichend kennen, lasse ich Sie nicht im Regen stehen. Zweitens bieten wir Ihnen Hilfen, um eine Wertschöpfungskette umfassend abgreifen zu können.“ V4: „Wenn ich mich in meiner Region auf das Spiel einlassen soll, laufe ich Gefahr, meine bestehenden Kunden zu vernachlässigen. Die sind sehr anspruchsvoll und wollen auch dann hofiert werden, wenn keine Aufträge vorliegen. Außerdem, und dieses Problem muss erst einmal gelöst werden, brauchen wir Fachpersonal, das die Arbeit vor Ort auch machen kann. Wo sollen wir die denn herbekommen? Ich bleibe dabei: Die Ziele sind der helle Wahnsinn.“ GF: „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder setzen wir die Konferenz fort, um gemeinsam erste Schritte zu formulieren. Oder aber, wir beenden die Runde und ich erwarte von Ihnen binnen 14 Tagen eine dezidierte Dreijahresplanung mit den genannten Zielen.
Übungen zu den Taktiken
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Ich habe keine Lust, in diesem kompetenten Kreis, der jede Stunde ein paar tausend Euro kostet, über notwendige Kundenbetreuung zu sprechen. Natürlich müssen wir ernste Risiken und Schwächen benennen. Allerdings nicht als Rechtfertigung des Nichtstuns, sondern als Aufgaben, die wir zu bewältigen haben. Mein Vorschlag. Es ist jetzt halb Eins, im Nebenzimmer hat Frau X einen Imbiss vorbereitet, wir machen eine halbe Stunde Mittagpause, Sie können sich untereinander verständigen, welcher Weg Ihnen lieber ist. Nachtrag: Natürlich entlässt man einen Vertrieb nicht unmotiviert. Dennoch müssen manchmal deutliche Worte sein. Übrigens wusste der GF, wie sich die Vertriebsmannschaft entscheiden wird. Und seinen Frust bei einer Frikadelle rauszulassen, ist nicht weiter tragisch.
Übung: Teil 2 Sprachakte „Ich freue mich, dass Sie Zeit gefunden haben. Lassen Sie mich zunächst kurz unser Unternehmen vorstellen.“ „… und darum habe ich Ihnen den Vorschlag unterbreitet, für die Dienstleistung X ein Joint Venture – mal unabhängig von der organisatorischen Form – einzugehen.“ „Danke, dass war sehr aufschlussreich. Bevor wir Ihre Idee aufgreifen, lassen Sie mich zunächst die Philosophie unseres Hauses darstellen. Die Dienstleistung X bieten wir als Bereich unserem Unternehmen an. Es gibt auch derzeit keine politische Strömung, diese Leistung auszugründen, dazu gehörte auch die von Ihnen ja verdeckt formulierte Erwartung, den Bereich in eine eigenständige Unternehmung zu überführen.“
Taktiken
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
„… das eigenständige Unternehmen wäre ja nur eine Möglichkeit und Sie wissen ja, dass Ihr Wettbewerber diesen Weg gegangen ist.“ „… ja sicherlich, aber unsere Sicherheitsphilosophie basiert gegenwärtig auf Eigenleistungen. Hier sind wir bekanntermaßen führend und wollen dies auch bleiben. Das gelingt zumindest besser, wenn die Dienstleistung im Hause bleibt. Wir verfügen über eine großzügige Ausstattung. Eine andre Frage ist natürlich, ob wir nicht dennoch Formen der Kooperation finden können, denn Ihr Unternehmen ist ja sehr reputiert.“ „Was sind Ihre Vorstellungen zu einer Kooperation?“ „Nun, ich denke, Sie könnten bestimmte Leistungen in unserem Hause erbringen, umgekehrt könnten wir in der Tat gemeinsam eine Dienstleistung Y konfigurieren und in den Markt einführen.“ „Natürlich freut mich Ihr Angebot. Ich sehe allerdings die Schwierigkeit der neuen Dienstleistung Y darin, dass uns die Ressourcen fehlen, um auf Augenhöhe mitentwickeln zu können.“ „Das ist ja einfach nur eine Frage der prozentualen Beteiligung, wir können eine Binnenabrechnung schaffen und den Profit entsprechend der Investitionsverhältnisse aufteilen.“ „Ich persönlich wäre mit einer solchen Lösung im Prinzip einverstanden. Aber Sie kennen unsere Shareholder, die im Fall von Kooperationen die Mehrheit in der Hand halten möchten.“ „Das erschwert natürlich eine Umsetzung. Welche Lösungen sehen Sie?“ „Was halten Sie von dem Vorschlag, wenn wir zunächst in der Tat für Sie tätig werden. Auf der anderen Seite würden wir dann auf Ihre Mitarbeiter zurückgreifen, wenn uns die bekannten Großaufträge mehr Ressourcen abverlangen als wir zur Verfügung haben.“
Übungen zu den Taktiken
Übung: Teil 3 Aussage K: „Herr B., ich kann mich im Grundsatz mit Ihrem Angebot, mein Unternehmen zu erwerben, anfreunden. Über den möglichen Kaufpreis hatten wir ja schon gesprochen. Dennoch müssen wir weitere Aspekte berücksichtigen.“ B: „Es freut mich, ihre grundsätzliche Entscheidung zu hören. Das ist auch ein Vertrauensbeweis und natürlich können wir über alles reden.“ K: „Wichtig ist mir, dass Ihr Unternehmen meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen übernimmt. Sie waren stets loyal und sind wirklich motiviert und qualifiziert.“ B: „Im Prinzip steht dem nichts im Wege. Herr T. hat die Personalunterlagen durchgearbeitet. In die abschließende Bewertung des Kaufpreises müssen wir natürlich betriebliche Altersansprüche einrechnen.“ K: „Mir liegt es insbesondere am Herzen, Herrn U. zu fördern. Ich habe ihn erst vor einem Jahr eingestellt und er sollte eine führende Position übernehmen, um mich zu entlasten. Damals war ja der Verkauf noch nicht einmal angedacht.“ B: „Ich denke, wir finden eine befriedigende Lösung. Für gute Leute ist in unserem Unternehmen immer Platz.“ K: „Was halten Sie davon, wenn Sie Herrn U. zum Niederlassungsleiter ernennen?“ B: „Die Idee ist prächtig. Noch wissen wir beide ja nicht genau, in welchem Umfang wir den hiesigen Markt erobern können. Sollte die Absicht entstehen, mit Ihrem Unternehmen eine weitere Niederlassung zu eröffnen, wäre dies sicherlich eine Option.“ K: „Es wäre wirklich schade, wenn an diesem Thema die Verhandlungen scheitern würden.“
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Modul 11: Taktiken im Verhandlungsprozess
B: „Sie haben doch sicher noch weitere Anliegen?“ K: „Nun, wir beide wissen doch, dass mein Unternehmen über meinen Namen seine Reputation erworben hat. Schön wäre natürlich, wenn wir zumindest für eine Übergangszeit den Namen beibehalten könnten.“ B: „Herr K., ich baue doch auf Ihre Reputation. Sie sind es, der die Beziehungen zu den Kunden in den Händen hat. Hier müssen wir uns grundsätzlich überlegen, wie wir den Transfer gestalten. Ohne Sie geht gar nichts.“ K: „Das ehrt mich zu hören. Natürlich werde ich Sie bzw. Ihre Mitstreiter bei unseren Kunden einführen.“ B: „Was halten Sie davon, wenn wir jetzt Essen gehen und die weiteren Feinheiten bei einem guten Glas Wein besprechen?“
Kontrollfragen 1. Anhand welcher Strategien – und welcher Taktiken – lässt sich das Verhandlungsverhalten beschreiben? 2. Nennen Sie Sprachbeispiele zu den jeweiligen Taktiken!
Weiterführende Literatur Brams, S.J/Taylor, A.D. (1996): Fair Division: From Cake-Cutting to Dispute Resolution. Cambridge. Lewicki, R.L./Hiam, A./Olander, K.W. (1996): Verhandeln mit Strategie. St. Gallen. Putnam, L. L. (1988). “Communication and Interpersonal Conflict in Organizations”, Management Communication Quarterly, 1, 293301. Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “Reciprocity in Negotiations: An Analysis of Bargaining Interaction”, Communication Monographs, 49, 171191. Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “The Role of Communication in Bargaining”, Human Communication Research, 8, 262280.
Weiterführende Literatur
215
Putnam, L. L., and Roloff, M. E. (Eds.), (1992). Communication and Negotiation. Newbury Park, CA: Sage. Thompson, L.L. (2006) (Hrsg): Negotiation Theory and Research. New York. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (2002): Das Harvard-Konzept: Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Frankfurt/New York.
Modul 12: Die zeitliche Perspektive des Verhandlungsprozesses – Verhandlungsdynamik
Zusammenfassung Um Verhandlungsprozesse zielgerichtet und bewusst zu steuern, ist es erforderlich, die verschiedenen taktischen Varianten der drei Strategien anwenden zu lernen und die wechselseitige Wirkung der taktischen Varianten auf die Verhandlungsdynamik zu verstehen. Daher wird hier die Aufmerksamkeit auf die wechselseitige Wirkung der taktischen Varianten im Zeitverlauf gerichtet: Durch die bewusste Gestaltung von Verhandlungsepisoden, -perioden und -phasen gelingt es, im Rahmen der distributiven Phase die eigene Position nicht nur optimal darzustellen, sondern auch so herauszuarbeiten, dass im Rahmen der darauf folgenden integrativen Phase ein maximaler gemeinsamer Gewinn möglich wird.
Einführung Nachdem wir die Taktiken und die dazugehörigen Strategien als Vokabeln kennen gelernt haben, gilt es nun, die „Grammatik“ einer Verhandlung zu verstehen und anhand von Beispielen zu erkennen. Ein Verhandlungsprozess beschreibt den gesamten Verlauf vom ersten bis zum letzten Verhandlungstermin, also auch dann, wenn Verhandlungen in verschiedene Zeitsegmente zergliedert werden. Die Vorverhandlungen, ob, wann, unter welchen Voraussetzungen, zu welchem Themenbereich und mit welchen Teilnehmern können bereits Teil des Verhandlungsprozesses sein. In politischen Dimensionen übernehmen häufig Unterhändler hinter den Kulissen diese Aufgaben. In vielen ritualisierten Verhandlungen sind diese Vorverhandlungen klar geregelt. Demgegenüber benötigen private Verhandlungen (Gespräche) ein Minimum an Vorbereitungen. Der Verhandlungsprozess wird in Phasen aufgegliedert. Sie zeichnen sich durch den Einsatz dominanter Strategien aus. Jede Phase wiederum wird in Perioden unterteilt. Perioden sind kommunikative Abschnitte, in
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Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
denen die Teilnehmer bestimmte Strategierollen übernehmen. Jede Periode wiederum wird in die kleinste Einheit einer Interaktion, der Episode, untergliedert. Eine Episode wäre: A stellt eine Frage und B antwortet (vgl. Abb. 31). Analogie zum Theater
1.
Verhandlungsepisoden
Dialog / Auftritt
2.
Verhandlungsperioden
Bild
3.
Verhandlungsphasen
Akt
Abb. 31. Zeitliche Gliederung eines Verhandlungsprozesses
Um diese Gliederung verständlicher zu machen, können wir eine Analogie zum Theater bemühen. Ein Theaterstück (Verhandlungsprozess) besteht aus einzelnen Akten (Verhandlungsphasen), jeder Akt aus verschiedenen Bildern (Verhandlungsperioden) und jedes Bild schließlich aus einer Kette von Dialogen (Kette von Verhandlungsepisoden).
Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses Verhandlungsphasen Phase I
Zu Beginn einer Verhandlung wird zunächst jede Partei versucht sein, die eigene Maximalforderung zu behaupten. Wir können diese Phase als dominant distributiv bezeichnen. In starken Konflikten kommen attackierende und rechtfertigende Schlagabtausche ebenso vor, wie Versuche, Unnachgiebigkeit und Bereitschaft zur Eskalation zu zeigen. Wir kennen die entsprechenden Medienmeldungen in Tarifkonflikten: „… liefen gestern Abend die Tarifverhandlungen ergebnislos aus. Die Gewerkschaft hat für übermorgen Warnstreiks angekündigt …“.
Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses
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In weniger intensiven Konflikten besteht die Aufgabe darin, den Konfliktpartner von der eigenen Position zu überzeugen und die Position des anderen aufzuweichen. Beispiel „Inhaberkonflikt“ (1) Zwei Inhaber verhandeln (streiten) über die Neuaufstellung ihres Unternehmens. Dabei verfolgen beide entgegengesetzte Strategien. Sprachakte Inhaber A: „Ich denke, dass wir uns einig sind, uns neu positionieren zu müssen. Ich möchte noch einmal meine Position deutlich machen. Erstens müssen wir unser Serviceangebot erweitern und unsere besonderen Leistungen deutlicher herausstellen. Darin eingebettet sein muss auch eine bessere und zielgerichtetere Kundenbetreuung. Gerade unsere A-Kunden müssen mehr hofiert werden. Zum anderen müssen wir unsere Produktpalette ausweiten und diese Produkte stärker bewerben. Streng genommen müssen wir mehr und besser kommunizieren.“ Inhaber B: „Klar, wir haben auch gerade die Mittel, um erstens Produkte einzukaufen und zweitens Personal vorzuhalten, um Deinen Forderungen zu entsprechen. Ich bin der Meinung, dass wir uns ganz eindeutig als Serviceunternehmen positionieren sollten und den Produktverkauf vollkommen aufgeben. Du könntest die Betreuung der Kunden übernehmen und ich verantworte die Werkstatt.“ Inhaber A: „Dieser Weg ist mir zu bequem und geht übrigens an den Bedürfnissen der Kunden vorbei. Die wollen alles aus einer Hand und sich nicht mit verschiedenen Personen oder Zulieferanten abgeben. Ich sehe die große Gefahr, dass dann Produktanbieter das Geschäft machen und wir weiter Umsatz verlieren.“
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Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Inhaber B: „Ich habe mit der Firma XY gesprochen. Die sind durchaus bereit, ihren Service auszulagern. Wenn wir noch zwei oder drei weitere Unternehmen finden, die dazu bereit sind, dann haben wir einen „automatischen“ Kundenstamm.“ Inhaber A: „… und sind vollkommen von Dritten abhängig. Nein, ich spreche mich um jeden Preis dafür aus, die Wertschöpfungskette zu erweitern und trete auch gerne zu XY und Co in den Wettbewerb.“ Inhaber B: „Was heißt um jeden Preis?“ Übung 52. Identifikation von Taktiken I
Ordnen Sie die einzelnen Sprachakte aus obigem Beispiel den jeweiligen Taktiken zu. Dauer: ca. 15 Minuten Wie Sie feststellen, zeichnet sich diese Phase durch offensive und defensive Taktiken aus, um die eigene Position so weit wie möglich behaupten zu können. Die zweite Funktion dieser Phase besteht darin, den Bewegungsspielraum der anderen Seite zu eruieren, um einen möglichen Einigungsraum „herauszuarbeiten“. Beispiel „Inhaberkonflikt“ (2) Sprachakte Inhaber A: „Unsere Zusammenarbeit hat sich bewährt und ich möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Wir ergänzen uns in unseren Stärken doch sehr gut.“ Inhaber B: „Das verstehe ich jetzt als eine versteckte Drohung. Du erwartest von mir, dass ich Dir bedingungslos entgegenkomme.“ Inhaber A: „Nicht bedingungslos, sondern zunächst nur „im Prinzip“, nämlich das wir den Service und den Produktverkauf ausweiten.“ Inhaber B: „Vorschlag: Wir verheddern uns im Moment. Lass mich darüber schlafen und morgen weiter sprechen.“
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Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses
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Übung 53. Identifikation von Taktiken II
Analysieren Sie auch diese Phase! Dauer: ca. 15 Minuten Nun könnten die Medien melden, dass die Verhandlung ergebnislos abgebrochen wurde, jedoch anderntags fortgesetzt wird – was ja schon konstruktiv ist. Phase II
Die zweite Phase beginnt, wenn die Kontrahenten wahrnehmen, dass ein positiver Einigungsraum möglich wird und Bewegung entsteht: Forderungen werden zurückgenommen oder modifiziert. Wir werden im weiteren Verlauf unseres Fallbeispiels sehen, dass nun erstmalig und zart auch integrative Taktiken zum Einsatz kommen. Beispiel „Inhaberkonflikt“ (3) Sprachakte Am anderen Tag wird das Gespräch fortgesetzt. Inhaber B: „Du weißt, dass ich Servicemensch aus Leidenschaft bin. Insofern fällt es mir schwer, über Produktverkauf nachzudenken. Und meinen Schwerpunkt will ich nicht aufgeben – wenn Du so willst, auch um jeden Preis. Und ich weiß auch nicht, wie wir den Einkauf der Produktpalette finanzieren sollen. Du weißt, dass mein Haus beliehen und mein persönlicher finanzieller Spielraum eng ist. Unsere eigenen Firmenrücklagen sind geschrumpft, davon können wir gerade einmal unsere Werbemaßnahmen finanzieren.“ Inhaber A: „Ja, ich weiß. Ich habe mit meiner Frau gesprochen. Wir wären bereit, auf unser Haus eine Hypothek zu nehmen, durch die wir eine Finanzierung sichern.“ Inhaber B: „Dann stehe ich in Deiner Schuld. Das passt mir ja nun gar nicht.“
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Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Inhaber A: „Was soll das. Mit einem Teil Deiner Tantieme zahlst Du Deinen Anteil zurück. Insgesamt haben wir dann mehr als wenn wir so weiter krauchen.“ Inhaber B: „Käme ich Deiner Vorstellung nach, was wären denn deine konkreten Ideen dazu?“ Übung 54. Identifikation von Taktiken III
Analysieren Sie auch hier die taktischen Folgen und versuchen Sie zu beschreiben, woran erkennbar ist, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Konflikt befriedigend gelöst werden kann. Dauer: ca. 15 Minuten Phase III
Die dritte Phase zeichnet sich durch deutlich erhöhte „Problemlösearbeit“, bei großen Verhandlungen dann in Expertengruppen aus. Die Phase verläuft integrativ, auch wenn die eine oder andere Idee zur Problemlösung abgelehnt wird. Beispiel „Inhaberkonflikt“ (4) Sprachakte Inhaber A: „Wir sollten die Schwerpunkte beibehalten: Du verantwortest den Service, ich die Produkte. Intern sollten wir unsere Arbeitsschwerpunkte verlagern. Gerne übernehme ich die Kundenbetreuung, soweit Du nicht sowieso im Kontakt stehst. Auch das Marketing will ich verantworten, natürlich in Absprache mit Dir, dass ist ja keine Frage. Aber Du bist nun mal der etwas introvertierte Tüftler, das ist ja auch gut, und ich entlaste Dich so, dass Du Deine Servicespielräume hast.“ Inhaber B: „Okay, wenn Du es so siehst, kann ich da grundlegend mit leben. Wir sollten natürlich die Feinheiten noch ausführlich besprechen.“
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Inhaber A: „Na klar, wir können ja jetzt einen groben Fahrplan entwickeln und ihn bis Ende nächster Woche verfeinern. Dann weiß jeder, woran er ist. Den Neuanfang sollten wir mit unseren Frauen in unserem Stammrestaurant würdigen.“ Übung 55. Identifikation von Taktiken IV
Analysieren Sie auch diese Phase! Dauer: ca. 15 Minuten Analyse der Verhandlungsphasen
Den obigen Beispielen zum „Inhaberkonflikt“ liegt ein Phasenablauf zugrunde, der jetzt vertieft dargestellt werden soll (vgl. Abb. 32; vgl. auch Abb. 27): x
x
x
Distributions-Reziprozität (D-D-R): Die Beispiele 1 und 2 verdeutlichen zunächst eine Dominanz offensiver und defensiver Aussagen, also distributiver Taktiken, die zudem eine gewisse Reziprozität; die Verteilung zwischen offensiven und defensiven Elementen spielt hier eine untergeordnete Rolle (D-D-R). Strategie-Shift (S-S): In dieser Phase kündigt sich ein positiver Einigungsraum an, ohne dass der Einigungspunkt schon erreicht wäre. Die Anzahl integrativer Episoden wächst, wie Beispiel 3 verdeutlicht. Integrations-Reziprozität (I-I-R): In Beispiel 4 wird die Reziprozität integrativer Akte zwischen den Akteuren deutlich. Distributive Elemente kommen seltener vor, sie können jedoch das abschließende Ergebnis gefährden – wenn „der berühmte Teufel im Detail steckt“.
Abb. 32. Phasen einer Verhandlung
Natürlich verlaufen diese Phasen nicht immer so ideal. Die nachfolgende Abbildung zeigt unterschiedliche Verlaufsformen (vgl. Abb. 33).
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Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Abb. 33. Verlaufsformen von Verhandlungsprozessen
Gerade komplexe Verhandlungen, die sich zudem durch unterschiedliche Verhandlungsthemen auszeichnen, verlaufen eher in der Art, wie sie im unteren Beispiel (vgl. Abb. 33) dargestellt sind. Zusammenfassung: Verhandlungsphasen
Ein Verhandlungsprozess wird in Phasen zergliedert. Dabei haben wir drei Typen von Phasen kennen gelernt: Die reziprok distributive, die Shift- und die reziprok integrative Phase. Diese können sich in realen Verhandlungen zu beliebigen Ketten zusammensetzen. Verhandlungsperioden Wir sprechen von Strategiereziprozität auch innerhalb der distributiven Strategien. Was passierte, wenn ununterbrochen offensive Taktiken des Einen mit offensiven Taktiken des Anderen beantwortet würden? Schauen wir uns dies an einem Beispiel an:
Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses
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Beispiel 58 Person A: „Unsere Forderung steht fest und bietet keinen Spielraum.“ Person B: „Ich habe nicht das Mandat, ebenfalls unsere Position aufzugeben. Wir fordern von Ihrer Seite Bewegung.“ Person A: „Ihre Forderungen sind vollends überzogen. Da kann es keine Bewegung geben.“ Person B: „Ihr Status-Quo-Geplänkel ist kontraproduktiv. Geben Sie es auf, oder wir werden den Verhandlungsdruck erhöhen.“ Einmal ungeachtet der Frage, ob ein Gespräch so undiplomatisch verlaufen würde, kündigt es die Gefahr der Eskalation an. Wir können verallgemeinern: Der über längere Abschnitte vollzogene Austausch offensiver Taktiken erhöht die Gefahr der Eskalation. Nehmen wir umgekehrt an, beide Seiten würden ausschließlich defensive Taktiken anwenden. Erleben wir dies an einem Beispiel nach. Beispiel 59 Person A: „Wir haben umfassende Argumente genannt, die unsere Sichtweise rechtfertigen. Aber ich möchte noch ein Argument drauflegen …“ Person B: „Auch wir haben Ihnen gegenüber wie gegenüber der Medienöffentlichkeit für unsere Position geworben. Auch wir werden durch weitere Argumente unsere Position vertiefen …“ Person A: „Zudem, diese Karte habe ich noch gar nicht ausgespielt, spricht für unsere Forderung auch …“ Wir brauchen diesen Defensiv-Austausch (D-D) nicht weiter zu verfolgen. Bereits hier erkennen wir einen Ermüdungseffekt: Die Kontrahenten legen lediglich Argumente mit dem Ziel nach, die eigene Position als die „einzig richtige“ darzustellen. Entsteht ein reziproker Austausch integrativer Kommunikationsakte (I-I), ist die Verhandlung in eine Phase der Problemlösung übergegangen. Diese Phase ist jedoch kein Garant für eine endgültige Bewältigung des Konfliktes durch das Verhandlungsgeschehen. Diese Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
226 x x x
Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Ein O-O-Muster birgt die Gefahr einer Eskalation. Ein D-D-Muster hat oftmals zur Folge, dass die Verhandlung „einschläft“. Die Entwicklung eines I-I-Musters stellt die Voraussetzung für eine konstruktive Konflikthandhabung dar.
Mit anderen Worten: Wenn sich innerhalb der distributiven und auch der Shiftphase offensive und defensive Muster nicht abwechseln, entsteht keine Bewegung, sondern eher Eskalation und Stagnation. Hier greift nun der Begriff der Periode, den wir uns zunächst abstrakt ansehen. Person A
Person B
O
O
D
O
D
D
D
Periode 1
D
O
D
O
O
Periode 2
Abb. 34. Verhandlungsperioden
Die Abbildung zeigt, dass Person A über drei Sprachakte sich offensiv, Person B sich demgegenüber defensiv verhält. Im vierten Sprachakt ändert Person A (bewusst) von einer offensiven zu einer defensiven Strategie, auf die hin Person B die offensive Rolle übernimmt. Solche Strategieformationen innerhalb der distributiven Phasen bezeichnen wir als Periode. Die Aufgabe der Akteure ist es, durch Wechsel der distributiven Rollen Bewegung in die Verhandlung zu bringen. Das hört sich zunächst komplizierter an, als es im wirklichen Verhandlungsleben tatsächlich ist. Beispiel „Paargespräch“ (1) Wir wählen einen privaten Konflikt. Ein Paar diskutiert über den Umzug in eine neue Stadt, da SIE ein attraktives Angebot dort erhalten hat. SIE: „Ich finde das Angebot einfach umwerfend. Damit entstehen irre Chancen. Die Voraussetzung ist klar, ich muss vor Ort präsent sein und wünschenswert wäre ein entsprechender Umzug.“ (Forderung = O).
Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses
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ER: „Ich finde das natürlich toll und freue mich für Dich. Du weißt aber, dass ich eine so attraktive Position nicht so schnell wieder bekommen kann – und mein Gehalt ist ja auch nicht zu verachten.“ (Rechtfertigung, nicht umziehen zu wollen = D). SIE: „Naja, Dein Gehalt. Wie oft kommst Du frustriert nach Hause. Dann ist nicht selten der Abend gelaufen. Gestern zum Beispiel. Du warst sauer, weil Dein Kollege Y versucht hat, Dein Projekt auf Eis zu legen. Das ist doch wirklich keine Qualität.“ ER: „Das findest Du überall. Ideal gibt es nur im Nirgendwo. Zudem müssten wir unsere netten Freunde aufgeben. Wir wohnen angenehm und die Kulturangebote sind auch nicht zu verachten.“ (Rechtfertigung der eigenen Position = D). SIE: „Du hast ja Recht. Wir geben einiges auf.“ (Zustimmung = D). ER: „Insofern meine ich, solltest Du Dir das dreimal überlegen und nicht nur Deinem Impuls folgen. Wir sollten hier wohnen bleiben, Dir stehen auch hier viele Möglichkeiten offen.“ (Forderung = O). SIE: „Das stimmt schon, aber ich verspreche Dir, alles zu tun, damit wir uns in der neuen Stadt wohl fühlen.“ (Verpflichtung = D). ER: „Wenn Du dann noch die Zeit hast. Denk an die Einarbeitung.“ (Zurückweisung = O). SIE: „Na, das ist ja auch nicht allein meine Sache. Daran musst Du Dich schon beteiligen.“ (Forderung = O). ER: „Klar, das wäre unsere gemeinsame Sache.“ (Zustimmung = D). An diesem kleinen Gespräch können wir die Periodenmuster sehr schön erkennen. Natürlich verlaufen diese auch nicht so stringent reziprok, wie sie hier dargestellt worden sind. Durchaus können auch offensiv-offensivund defensiv-defensiv-Perioden entstehen. Entscheidend ist, dass diese Reziprozität bewusst so gesteuert wird, dass die Verhandlung nicht eskaliert, wenn dies nicht beabsichtigt ist und auch nicht einschläft. Die Frage ist nun: Wie stellt man absichtlich einen Periodenwechsel her? Wir können ja schlecht sagen: „Lass’ uns mal wechseln!“. Befindet sich jemand in einer defensiven Situation, bildet die Auf- und Anforderung (offensives Muster) das beste taktische Element, um eine offensive Position zu übernehmen. Die anderen offensiven Taktiken bergen die Gefahr in sich, eine weitere offensive Vorgehensweise fortzusetzen. Natürlich können auch andere offensive Taktiken einen Musterwechsel einleiten; sie sind jedoch mit größeren Risiken verbunden:
228
Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Tabelle 8. Wechsel in eine offensive Strategie
Person A setzt ein …
wahrscheinliche Muster von Person B
x
x Gefahr der Drohung (O)
Zurückweisung
x Chance der Rechtfertigung (D) x
Drohung
x Gefahr der Gegendrohung (O)
x
Attacke
x Gegenangriff
x
Forderung
x Gegenforderung
Will ein Akteur eine offensive Periode beenden und in die defensive Strategie wechseln, fällt dies wesentlich leichter, denn hierzu stehen alle taktischen Elemente zur Verfügung, die teilweise Gefahr laufen, die eigene Position aufzuweichen Tabelle 9. Wechsel in eine defensive Strategie
Person A setzt ein …
wahrscheinliche Muster von Person B
x
Zustimmung
x
fühlt seine Position bestärkt
x
Zurücknahme
x
steigert den Grad der Offensivität
x
Verpflichtung
x
Zustimmung durch B
x
Rechtfertigung
x
Zurückweisung
Die Rechtfertigung und die bedingte Zustimmung bilden gute Akte, den beabsichtigten Wechsel herbei zu führen. Redewendungen bedingter Zustimmung sind beispielsweise x x x
„Unterstellt, Ihre Daten sind richtig, kann ich Ihnen zumindest folgen.“ „Angenommen ich stimmte Ihnen zu, könnte dies bedeuten, dass …“ „Wenn Sie diese Überlegungen berücksichtigen, kann ich Ihnen in diesem Punkt nicht widersprechen.“
Zeitliche Perspektiven eines Verhandlungsprozesses
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Zusammenfassung: Verhandlungsperioden
Die Kunst der Steuerung von Verhandlungsprozessen besteht darin, die Perioden in distributiven Verhandlungsphasen bewusster zu steuern und zu gestalten. Da Verhandlungen einen dynamischen kybernetischen Prozess darstellen (vgl. Modul 14), funktionieren diese Muster nicht deterministisch, sie verbessern und optimieren den Verhandlungsverlauf. Verhandlungsepisoden Die kleinste Verhandlungseinheit, durch die ein Verhandlungsprozess beschrieben werden kann, haben wir als Episode bezeichnet. Die Äußerung von A und die Erwiderung durch B bilden einen Interaktionsakt und somit eine Episode. Wir schauen nun quasi mit dem Mikroskop auf die Verhandlung. Dies ist notwendig, da selbst Episoden ihre eigene Dramaturgie ausweisen, die einen Verhandlungsverlauf enorm beeinflussen können. Die bisherige Forschung konnte zeigen, dass insbesondere Integrationsangebote nicht sofort erwidert werden (vgl. Modul 10). Dies kann dann zu Irritationen oder sogar zu Verhärtungen führen, wenn man diesen Verzögerungseffekt nicht berücksichtigt. Schauen wir uns zunächst einen Verlauf auch wieder abstrakt an. Person A
Person B
O
O
D
O
D
Periode 1
D
D
O
I
I
D
O
Periode 2
Abb. 35. Verzögerung zwischen zwei Verhandlungsepisoden
Die obige Abbildung zeigt, dass auf ein integratives Angebot von B die Person A zeitverzögert „reagiert“. Solche Verzögerungen können bis zu mehreren Episoden dauern. Setzte B nun naiv die Verhandlung fort, fühlte er sich für sein Angebot bestraft und könnte zu einer offensiven Strategie wechseln.
230
Modul 12: Verhandlungsprozess und Verhandlungsdynamik
Beispiel „Paargespräch“ (2) SIE: „Ich akzeptiere ja Deine Bedenken.“ (Akzeptanz = I); „Es ist ja nicht so, dass mir nicht auch mulmig ist.“ (Weitergabe von Information = I). ER: „Dann spricht ja alles für meine Bitte, hier zu bleiben und das Angebot auszuschlagen.“ (Forderung = O). SIE: „Der Mut zu dieser Schlussfolgerung ist typisch für Dich.“ (Zurückweisung = O). ER: „Hast Du doch selbst gesagt.“ (Zurückweisung = O). SIE: „Quatsch!“ (Zurückweisung = O). ER: „Wenn wir wirklich umziehen, dann müssen wir das Prozedere aber genauestens klären. Und es ist ja klar, dass wir während der Probezeit nicht umziehen. Auch werde ich erst mit absehbarer endgültiger Übernahme deinerseits mir einen neuen Job suchen.“ (Beginnende Problemlösung = I). Zusammenfassung: Verhandlungsepisode
Die Steuerung eines Verhandlungsprozesses erfolgt auf der Ebene der Episoden! Durch sie können inverse Reziprozitäten gesteuert sowie Verhandlungsphasen gespreizt und verkürzt werden. Natürlich hängt dies von den in vorhergehenden Modulen beschriebenen Konfliktparametern ab. Unser Konflikt- und Verhandlungsmodell hebt weder Konflikte auf, noch garantiert es den Verhandlungserfolg. Es trägt aber entscheidend zur Güte eines Verhandlungsergebnisses bei und macht die Verhandlungsakteure sicherer. Übung 56. Identifikation von Stereotypen I
Um ein Gefühl für Episoden und deren Einfluss auf das weitere Verhandlungsgeschehen zu bekommen, bedarf es einiger Übung. x Rekonstruieren Sie Ausschnitte aus einem selbst erlebten Verhandlungsgespräch in Dialogform. Markieren Sie darin die „Episodeneffekte“ und deren Wirkung auf den weiteren Gesprächsverlauf. x Verfolgen Sie qualifizierte Talk Shows (z. B. „Hart, aber fair“ oder „Anne Will“). Notieren Sie sich Episodeneffekte und deren Wirkungen nun auch auf das nonverbale Verhalten (etwa auf die Sitzhaltung, den Blickkontakt oder auf die Stimmlage). Dauer: ca. 60 Minuten
Weiterführende Literatur
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Kontrollfragen 1. Anhand welcher Merkmale unterscheidet man Verhandlungsepisoden von -perioden und -phasen? 2. Welche Phasen lassen sich im Rahmen einer Verhandlung unterscheiden?
Weiterführende Literatur Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “Reciprocity in Negotiations: An Analysis of Bargaining Interaction”, Communication Monographs, 49, 171191. Putnam, L. L., and Jones, T. S. (1982). “The Role of Communication in Bargaining”, Human Communication Research, 8, 262280. Putnam, L. L., and Roloff, M. E. (Eds.), (1992). Communication and Negotiation. Newbury Park, CA: Sage. Thompson, L.L. (2006) (Hrsg): Negotiation Theory and Research. New York. Tries, J./Hornke, L. F. (1987)): Abschlußbericht zum Forschungsprojekt „Untersuchungen wirksamer Faktoren auf die Etablierung kooperativer Verhandlungsstrategien bei gegebener Konfliktstruktur“. RWTH Aachen, Institut für Psychologie.
Modul 13: Konfliktprophylaxe
Zusammenfassung Verschiedene Konflikte können durch bewusstes und zielorientiertes Handeln oder durch veränderte Strukturen vermieden werden. In diesem Modul unterscheiden wir zwischen strukturellen Veränderungen auf der einen und Formen einer sensibleren Kommunikationskultur in angespannten Situationen auf der anderen Seite. Des Weiteren beschreiben wir Kosten, die durch Konflikte und deren unbefriedigter Bearbeitung entstehen können. Hierbei wird deutlich, dass Konfliktprophylaxe in Organisationen insbesondere durch effektive Führung betrieben werden kann. Abschließend erhalten Sie einen Kurztest, der Ihnen behilflich ist, Konflikte bewusster zu vermeiden.
Einführung Auch wenn der Mensch Verursacher von Konflikten ist, stellt sich doch die Frage, ob und wie Konflikte verhindert werden können, die – was ein wenig absurd klingt – einfach „nur“ überflüssig und ärgerlich sind. Der Grundgedanke ist einfach: Verfügten Menschen nicht nur über Kompetenzen, in und mit Konflikten sowie mit Verhandlungen umzugehen, sondern auch über die Kompetenz, Konflikte zu verhindern, wären ihre sozialen Beziehungen wertvoller und effizienter. Dieser Gedanke ist nicht affirmativ als Plädoyer zu verstehen, Konflikte nicht zuzulassen, ganz im Gegenteil, Konfliktprophylaxe schafft Freiraum für (subjektiv interpretierte) bedeutsamere Konflikte1.
1
Insofern können wir drei Kompetenzfelder unterscheiden: Konflikt-, Verhandlungs- und prophylaktische Kompetenz.
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Beispiel 60 Unternehmen investieren enorme Summen in Trainings, um Beurteilungsgespräche zu kultivieren. Sie tun dies, weil sie von der Sorge getragen sind, dass im Moment abweichender Beurteilungswerte zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter Konflikte entstehen könnten, die individuell und organisatorisch (z. B. Betriebs-/Personalrat) Konfliktkosten erzeugen könnten. Es ist ja ein Segen, dass Unternehmen dies als Konfliktherd wahrnehmen. Eine einfachere und auch nachhaltigere Lösung bestünde darin, eine Führungskultur zu implementieren, in der ein solcher Konflikt gar nicht als (nicht bewältigbarer) Konflikt auftauchen könnte. Sprachliche Beispiele hierfür könnten sein: x „Frau D., Sie bewerten sich als enorm flexibel. Da habe ich Sie um zwei Punkte ‚schlechter‘ bewertet. Lassen Sie uns über diesen Unterschied in unseren Wahrnehmungen sprechen.“ x „Frau D., unsere Bewertungen stimmen in vielen Aspekten überein. In der Flexibilität weichen wir ab. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, woran das liegt.“ x „An der ‚Flexibilität’ sind wir doch deutlich auseinander. Bitte verstehen Sie das nicht falsch. Ich halte Sie für flexibel. Das ist nicht die Frage. Aber ich erwarte da mehr von Ihnen. Darf ich das erörtern?“ Die Beispiele stehen stellvertretend für viele Konfliktmomente im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Alltag: Wenn wir Konflikte antizipieren oder deren „Schmetterlingsschlag2“ vernehmen können, die aufgrund fehlender (kommunikativer) Kompetenz vermeidbar wären, sollten wir alles veranlassen, um tatsächlich zu deren Verringerung beizutragen. Die Kompetenz und die Bereitschaft zur Antizipation möglicher Konflikte (und ggf. verheerender Folgen) kann hier beispielhaft auf verschiedene „Konfliktlandschaften“ zurückgeführt werden:
2
Die Metapher des Schmetterlingsschlags gilt als Paradebeispiel chaotischer Systeme: Ein Schmetterlingsschlag kann theoretisch – mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit – einen Hurrikan auslösen. Wir sollten diese Metapher als Analogie nutzen: Ein vermeintlich harmloses Verhalten kann zu einem Vulkanausbruch zwischen sozialen Aggregraten führen.
Einführung
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Individuelle Antizipation aus Erfahrung In vielen sozialen Situationen ist bekannt, dass bestimmte Verhaltensweisen beim Anderen Konflikte bewirken. Dies gilt insbesondere, wenn erwartete Rückmeldungen ausbleiben oder erwartete Interessen nicht erwidert werden und der Einzelfall verallgemeinert wird. Beispiel 61 Sie: „Hast Du mal nachgeschaut, was heute Abend auf der Kabarettbühne gegeben wird?“ Er: „Nein, wollten wir heute Abend ausgehen?“ Sie: „Du weißt, dass ich gerne ins Kabarett gehe. Wir hatten Anfang der Woche darüber gesprochen. Aber es ist typisch, meine Interessen interessieren Dich nicht.“
Real entstehende Störungen mit einem antizipierten Gefährdungspotenzial In diesem Fall entstehen Störungen wiederholt von außen, die einen konfliganten Einfluss auf eine soziale Beziehung haben – eben weil diese Störungen wiederkehrend auftreten. Beispiel 62 Er (per Telefon): „Liebes, ich komme nicht wie erwartet gegen 18:30 Uhr. Mir ist noch ein Gespräch dazwischen gekommen und ich muss noch dringend einen Vorgang bearbeiten und mailen.“ Sie, ironisch: „Na, das kommt ja mal wieder überraschend.“ Zynisch: „Du solltest mal ein Seminar zum Zeitmanagement buchen. Vielleicht gelingt es uns dann besser, unsere gemeinsame Zeit zu planen. Emotional: Ich bin aufgebracht. Schon wieder ist der Abend mit Dir im Eimer. Dann gehe ich eben alleine ins Kabarett. Toll“, (legt den Hörer auf).
Managementverhalten Führungskräfte müssen keine „nice boys/girls“ sein, um als gerecht erlebt zu werden. Häufige Konfliktquellen sind schlichte Wahrnehmungsverzerrungen: Gute Leistungen werden als selbstverständlich erachtet und nicht
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
wahrgenommen, während temporäre oder singuläre Leistungsschwächen besonders betont und verallgemeinert werden. Beispiel 63 GF zum Abteilungsleiter: „Was halten Sie eigentlich von Herrn X?“ Abteilungsleiter: „Ich weiß nicht, was Ihre Frage bezweckt. Aber mit seinen Leistungen bin ich mehr als zufrieden. Er arbeitet selbständig, akkurat und zeigt ein angenehmes Verhalten, mir wie seinen Mitarbeitern gegenüber.“ GF: „Ihr Wort in Gottes Ohren. Ich werde dennoch einmal ein Auge auf ihn werfen. Sie müssen ihn enger führen.“ Abteilungsleiter: „Ihre Meinung überrascht mich.“ GF: „Ich hatte einen Zwischenbericht angefordert. Er entsprach nicht meinen Erwartungen.„ Abteilungsleiter: „Waren die bekannt?“ GF: „Was heißt bekannt. Über Selbstverständlichkeiten will ich kein Wort verlieren.“ Gerade Leistungsbeurteilungen bilden eine sensible Konfliktquelle, da Vorgesetzte ihre Urteile selten anhand repräsentativer Muster, sondern eher anhand kritischer Ereignisse fällen. Missverständnisse Missverständnisse treten aus verschiedenen Gründen immer wieder auf. Sie resultieren in der Regel aus verschiedenen Interpretationsmustern sozialer oder sachlicher Situationen, aber auch aus unterschiedlichen Bewertungsmustern. Konfliktsensibilisierung durch Fachliteraturen Fachzeitschriften und andere wissenschaftliche Beiträge liefern filigrane Erkenntnisse, durch die Konflikte entstehen oder verstärkt werden. Sie dringen selten in das „öffentliche“ Bewusstsein ein. Damit werden Chancen vertan, durch Wissen von und Verständnis über soziale(n) Dynamiken Konfliktpotenziale zu reduzieren oder sie sogar zu vermeiden. Einige Beispiele mögen dies deutlich machen. Die Frage ist, ob wir überhaupt bereit sind, in Konfliktprophylaxe zu investieren. Setzt diese Bereitschaft eine bestimmte Disposition voraus? Die
Strukturelle Konfliktprophylaxe
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Bereitschaft, Konflikte konstruktiv zu verhindern, scheint nach Canary/ Lakey (2006) durch ein bestimmtes Menschenbild geprägt zu sein. Aktive Konfliktprophylaxe x x x x
setzt eine ethische Verantwortung voraus impliziert eine „innere“ Integrität gegenüber Anderen verzichtet auf Übervorteilung zu Lasten des Schwächeren und verzichtet auf Verletzungen des Anderen.
Konfliktprophylaxe basiert folglich auf einer grundlegenden Bereitschaft, „in Augenhöhe“ soziale Systeme auszugestalten und die Interessen und Wünsche des/der Anderen genau so wichtig und ernst zu nehmen wie die eigenen. Auch wenn wir in Modul 1 sagten, dass viele strukturelle Konflikte auf interpersonale Konflikte zurückgeführt werden könnten, wollen wir in diesem Modul zwischen beiden bewusst unterscheiden.
Strukturelle Konfliktprophylaxe Das Universum möglicher konfliktvermeidender Interventionen in Strukturen ist größer als wir es in einem Modul darstellen können. Dennoch wollen wir acht wesentliche Maßnahmen vorstellen, durch die Konfliktpotenziale erheblich abgebaut werden können. Abbau von Spannungen und sozialen Störungen Menschen neigen dazu, andere Menschen verkürzt wahrzunehmen und in Form von Stereotypen abzubilden. So werden beispielsweise Meinungen Dritter über einen Anderen vorbehaltlos übernommen (Lernen am Modell) und das eigene Verhalten hieraus ausgerichtet: Ich verhalte mich entsprechend meines stereotypen Bildes und nehme besonders solche Verhaltensweisen des Anderen wahr (oder interpretiere diese um), die dieses Bild zu bestätigen scheinen. Ein andere Dynamik entsteht aus nicht erfüllten Erwartungen. Sie werden in vielen Fällen nicht sachlich zur Kenntnis genommen, sondern als Bestrafung der eigenen Person erlebt. Hieraus entstehen Emotionen, z.B. Gleichgültigkeit, Desinteresse, Antipathie und Kognitionen. Beispielsweise könnte der Geschäftsführer im obigen Fall denken: Der Herr Abteilungsleiter nimmt den Mitarbeiter X zu positiv wahr. Sollte er mit einem Beförderungsvorschlag kommen, werde ich ihn ablehnen.
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Die eigene Urteilsbildung sollte stets im Mittelpunkt stehen. Differenzierte Wahrnehmung und kritische Selbstbeurteilung dieser Wahrnehmungen bilden dabei das wesentliche Handwerkszeug: x x x x
Ist das, was ich wahrnehme, repräsentativ oder nur auf einen kleinen Ausschnitt bezogen? Setze ich positive Rückmeldungen ein, wenn Leistungen erwartungsgemäß erbracht werden? Habe ich meine Erwartungen präzise (genug) formuliert? Waren meine Instruktionen eindeutig?
Dieses kleine Einmaleins der Führungslehre trägt entscheidend zur Unternehmenskultur bei und reduziert potentielle Konflikte deutlich. Ferner sollten negative Kommentare Dritter weitgehend ignoriert werden, um deutlich zu machen, dass sich die soziale Beeinflussbarkeit in Grenzen hält – ganz frei davon machen können wir uns jedoch nicht. Beispiel 64 Gruppenleiterin zum Abteilungsleiter: „Also der Herr X, schon wieder habe ich feststellen müssen, dass er neben seiner Arbeit andere Aufgaben erledigt, die ich ihm nicht aufgetragen habe. Am liebsten würde ich ihn loswerden.“ Abteilungsleiter zu Gruppenleiterin: „Hat er denn seine Pflichtaufgaben nicht erfüllt?“ Gruppenleiterin: „Doch schon.“ Abteilungsleiter: „Sehen Sie. Übrigens hatte Herr X mir vorgeschlagen, einen Teil des Bearbeitungsprogramms gruppenübergreifend zu vereinfachen. Damit wären wir schneller und sparten deutlich Zeit ein. Ich habe dies noch nicht veröffentlicht, weil ich erst einmal sein Konzept hören wollte.“ Übung 57. Identifikation von Stereotypen II
Beobachten Sie einmal Ihre nähere Umgebung. In welchen Situationen und mit welchem vermuteten Ziel argumentieren Menschen mit Stereotypen? Dauer: ca. 30 Minuten
Strukturelle Konfliktprophylaxe
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Verringerung/Veränderung der sozialen Struktur Es ist einfach so, dass sich auch einmal Menschen nicht riechen können. Dies muss nicht an Ausdünstungen liegen, sondern kann auch auf Auftretens- und Verhaltensstile zurückgeführt werden. Beispiel 65 Fachreferent zum Vorgesetzen: „Frau Y, die Sie mir als Auszubildende zugeordnet haben, mit ihr komme ich nicht zurecht.“ Vorgesetzter: „Was meinen Sie?“ Fachreferent: „Sie sieht immer so knöselig aus, macht den Eindruck, als käme sie gerade aus dem Bett an den Schreibtisch. Zudem kann sie sich nichts merken, vergisst übertragene Aufgaben oder führt sie einfach nicht aus.“ Vorgesetzter: „Haben Sie mit ihr gesprochen?“ Fachreferent: „Schon, aber das hat bisher nichts gebracht.“ Dieser Konflikt zieht sich. Auch nach drei Monaten äußert sich der Fachreferent negativ, obwohl der Vorgesetzte beobachtet hat, dass die Auszubildende die von ihm übertragenen Aufgaben korrekt und prompt erledigt. Sicherlich, denkt er, könnte sie an ihrem Äußeren etwas tun. Der Vorgesetzte beschließt, die Auszubildende direkt in seinen Bereich zu versetzen. Beispiel 66 Abteilungsleiter zum Hauptabteilungsleiter: „Mit meiner Sekretärin, der Frau Z. komme ich nicht klar. Sie ist kratzbürstig. Ist ja auch klar. Sie ist ein Heimkind.“ Das Gespräch wird unappetitlich. Der Hauptabteilungsleiter macht kurzen Prozess. Hauptabteilungsleiter: „Sie wissen, dass ich eine Sekretärin suche. Ich spreche mit Frau Z., wenn Sie einverstanden sind. Wir können dann mit dem Betriebsrat eine Versetzung vereinbaren, falls das Gespräch mit Frau Z. entsprechend verläuft.“ Nach kurzer Zeit übernimmt Frau Z. das Sekretariat des Hauptabteilungsleiters. Sie blüht auf, lernt dazu und übernimmt nach weiteren drei Jahren ein Vorstandssekretariat.
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Solche Beispiele häufen sich. Eine räumliche Trennung oder Versetzung, soweit dies möglich ist, sind häufig die „preiswertesten“ Lösungen. Gegen stabile und in eine Person eingefressene Vorurteile scheitern an vielen Stellen die sozialen Interventionstechniken, oder sie wären zu aufwendig. Übung 58. Begründung personeller Umbesetzungen
Wenn Sie Ihr berufliches Umfeld betrachten: In welchen Situationen wäre es sinnvoll, personelle Umbesetzungen vorzunehmen. Begründen Sie diese! Dauer: ca. 30 Minuten Konfliktvermeidung durch klare Ziele und Kompetenzstrukturen Während in großen Unternehmen Zielsysteme und damit einhergehende Managementinstrumente Gang und Gäbe sind, haben sie sich in mittelständischen und Non-Profit-Organisationen noch immer nicht flächendeckend durchgesetzt. Betriebliche und persönliche – aufeinander abgestimmte – Zielplanungen, deren Überprüfung durch „Meilensteine“ sowie darauf aufbauende Feedbackgespräche tragen zu einer transparenten Unternehmenskultur entscheidend bei. Die Einstellung von Mitarbeiter/innen und die ihnen vorausgehenden und mit dem Einstellungsverfahren einhergehenden Maßnahmen verhindern ebenfalls antizipierbare Konflikte, so diese Instrumente professionell eingesetzt werden. Gerade der Erwartungs- und Kompetenzabgleich in solchen Situationen ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Beispiel 67 In einem Bewerbungsgepräch formuliert der bevorzugte Kandidat seine Erwartung, nach bewiesener Kompetenz Prokura zu erhalten. Der Geschäftsplan sieht jedoch für diese Position Prokura nicht vor. Der das Gespräch führende Fachvorstand weicht aus und stellt die Möglichkeit in Aussicht. Der Personalvorstand macht in der Nachbesprechung auf den Konflikt aufmerksam. Der Fachvorstand ignoriert dies. Nach zwei Jahren fordert der inzwischen erfolgreiche Kandidat „seine“ Prokura ein, die ihm nicht gewährt wird. Danach bewirbt er sich woanders und verlässt das Unternehmen.
Strukturelle Konfliktprophylaxe
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Übung 59. Relevanz von Zielsystemen
Soweit nicht in Ihrem Unternehmen bereits mit Zielsystemen gearbeitet wird: In welchen Situationen halten Sie solche Systeme für sinnvoll? Dauer: ca. 30 Minuten
Verringerung von Nullsummensituationen Zeit, Aufmerksamkeit, Geld und andere materielle Begehrlichkeiten sind in unserer Gesellschaft eine knappe Ressource, um die Akteure im Wettbewerb zueinander stehen. Natürlich basiert ein Unternehmen auch auf einem internen Wettbewerb, wenn wir beispielsweise an Karrierepositionen oder die Inanspruchnahme besonderer Privilegien denken. In diesen Fällen spielen eher die Transparenz und empfundene Gerechtigkeit eine Konflikt reduzierende Rolle. Vielfältige andere, insbesondere belohnende Mechanismen werden jedoch knapp gehalten, ohne dass dies zwingend erforderlich ist. Hierzu gehören unter anderem gezollte Aufmerksamkeit, die Möglichkeit, Ideen und Vorstellungen einbringen zu können oder die Chance, besondere Aufgaben als Herausforderungen delegiert zu bekommen. Übung 60. Verteilung von Aufmerksamkeit
Beobachten Sie: Erhalten Sie/verteilen Sie Aufmerksamkeit eher systematisch oder eher zufällig? Dauer: ca. 30 Minuten
Gelebte Gerechtigkeitskultur Neben der Aufbau- und der Ablauforganisation bildet die gelebte Unternehmenskultur die dritte Organisationssäule. Ideale Gerechtigkeitselemente in dieser Kultur sind: x x x x x x x
Offenheit und Kritik Vertrauen hohe, aber nicht überzogene Leistungserwartungen Anerkennung begründete Ausnahmen von Regeln Kompetenz als Machtkriterium Lernbereitschaft und -fähigkeit
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Primat der Geschäftsprozesse und nicht der Abteilungsinteressen Humor Ambiente Kundenorientierung Erfolge sollen gefeiert werden.
Steuerung von internen Koalitionen Mikropolitik durch Koalitionsbildung in Unternehmen spielt eine große Rolle und gilt als der informelle Machtfaktor schlechthin. Mikropolitische interne Netzwerke haben Vorteile (kurze Wege, schnelle Entscheidungen), aber natürlich auch Nachteile (Macht als Rationalitätsprinzip und nicht die Sache). Koalitionsbildung wird nicht zu verhindern, ihr Einfluss aber verringerbar sein, wenn x x x x
die Unternehmenskultur auf Gerechtigkeit angelegt ist Entscheidungen rational und transparent gefällt werden Prozessoptimierungen unter Beteiligung der Betroffenen durchgeführt werden die Koalitionsmacht nicht von Vorgesetzen anerkannt wird.
Übung 61. Identifikation mikropolitischer Aktivitäten
Listen Sie, soweit vorhanden, einmal die verschiedenen Koalitionen in Ihrem Arbeitsumfeld auf und versuchen Sie, deren Mikropolitik zu beschreiben. Dauer: ca. 30 Minuten
Individuelle Konfliktprophylaxe Jede(r) Einzelne kann durch seine Gesprächskompetenz zu einer Verringerung von aufkommenden Konflikten oder deren Deeskalation beitragen. Wir können hier zwischen drei wesentlichen Handlungsmustern unterscheiden.
Individuelle Konfliktprophylaxe
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Erlebt Störungen frühzeitig ansprechen Erlebte Störungen werden ab einem Zeitpunkt nicht mehr mit einem Zufall, sondern mit möglichen Ursachen attribuiert. Soweit diese in einem Anderen ausgemacht werden, sollten sie frühzeitig als Vermutung, nicht als Tatsache formuliert und die daraus entstehenden Betroffenheiten beschrieben werden. Dieses Verhalten kann als Werben für die eigene Befindlichkeit verstanden werden. Natürlich setzt dieses Vorgehen ein grundlegendes Vertrauen voraus. Beispiel 68 Vorgesetzter: „Herr X, ich weiß ja nicht, ob dies Zufall ist, aber ich habe in den letzten Tagen im Vorbeigehen zweimal beobachtet, dass Sie sich amüsiert mit ihren Kollegen unterhielten. Dagegen habe ich ja nichts, soweit Sie nicht sich und Ihre Kollegen von der Arbeit abhalten.“ Herr X: „Ich habe Sie sehr wohl wahrgenommen und auch gemerkt, dass Sie unser Gespräch missbilligten. In beiden Fällen gab es aber einen konkreten Anlass, den wir regulieren mussten. Natürlich flaxen wir dabei manchmal rum. Das spricht aber eher für als gegen unsere Arbeitsmotivation.“ Vorgesetzter: „Dagegen habe ich auch nichts. Ich möchte nur nicht, dass die Abteilung in den Ruf gerät, lustig und faul zu sein. Sie wissen, wie schnell, vielleicht auch aus Neid, Vorurteile entstehen, die sich dann wie ein Lauffeuer ausbreiten. Das wäre mir nicht recht. Ansonsten wissen Sie ja auch, dass ich mit Ihren Leistungen durchaus zufrieden bin.“ In unseren verschiedenen Alltagen sind wir laufend solchen Störungen ausgesetzt. Wir sollten sie nicht dramatisieren, aber, wenn das Gefühl in uns anzeigt, handeln zu sollen, auch nicht unsere Überlegungen verschweigen. Entscheidend ist, dass die Gedanken nicht vorwurfsvoll, sondern als Irritation formuliert werden und der Andere die Gelegenheit erhält, hierzu Position zu beziehen. Die eigene Dialogfähigkeit ausbauen Soweit Sie als Leser/in bereits an entsprechenden Trainings teilgenommen haben, hilft Ihnen der Text, sich an entsprechende Empfehlungen zu erinnern. Die nachfolgenden zwölf Fertigkeiten, einen Dialog besser auszugestalten, wirken insbesondere auch in Konfliktsituationen.
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Aktives Zuhören
Aktives Zuhören wird eher durch die Körpersprache ausgedrückt. Sie signalisiert, am Thema und an den Aussagen interessiert zu sein. Hierzu gehören Blickkontakt, Gesten, durch die Aussagen des Anderen „kommentiert“ werden, Störungen durch Dritte zu vermeiden, oder sich in dringenden Fällen dafür zu entschuldigen. Das Gegenteil, nämlich Desinteresse zu bekunden wird durch folgende Verhaltensweisen angezeigt: Den Blick durch den Raum schweifen zu lassen, mit anderen zu tuscheln, während eines Beitrages andere Aufgaben zu erledigen, mit dem Handy zu spielen, besonders laut mit dem Löffel den Kaffee umzurühren und ähnliche Störmanöver. Missverständnissen vorbeugen
In vielen Gesprächen sitzen Akteure an einem Tisch, die über ganz unterschiedliche Denkmuster verfügen. Ein Entscheidungsträger muss beispielsweise nicht zwingend über das Expertenwissen seines Gegenübers verfügen. Ein herausgestelltes Beispiel kann in einem anderen Kontext gänzlich andere Schlussfolgerungen nach sich ziehen. Unvollständige oder nicht nachvollziehbare Daten und Abbildungen bergen die Gefahr in sich, ebenfalls missverstanden zu werden. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Entscheidend für einen Akteur, der eine Botschaft platzieren will, ist es, nicht aus seiner eigenen Perspektive, sondern aus der Perspektive des Gegenübers zu argumentieren. Dies setzt voraus, diese erkannt zu haben und das eigene Aussagensystem in diese Perspektive zu übersetzen. Bedeutungsinhalte veröffentlichen
Hinter so manchen Aussagen verbirgt sich mehr, als die Aussage beinhaltet. Fehlinterpretationen können dann entstehen, wenn der „Sender“ annimmt, dass der „Empfänger“ diese Implikationen der Aussage kennt. Noch gravierender können Fehlinterpretationen entstehen, wenn der Sender auf der Basis seines impliziten Wissens agiert, das der Empfänger nicht kennen kann. Nachfragen
Etwas nicht zu verstehen ist keine Schande, sondern eine Herausforderung, Neues zu lernen. Je weniger selbstsicher Menschen sind, desto geringer ist jedoch ihre Bereitschaft, ihr Unverständnis oder ihre Unkenntnis aufzudecken. Ein Kommunikator sollte dies berücksichtigen und zu Verständnisfragen anregen.
Individuelle Konfliktprophylaxe
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Beispiel 69 Einer der Autoren hielt einen Vortrag, in dem unter anderen an die Ergebnisse einer OECD-Studie erinnert werden sollte. Er war der Meinung, den Zuhörer/innen sei die Studie bekannt. An den großen Augen des Auditoriums merkte er, dass dies nicht der Fall zu sein schien. Natürlich wagte niemand nachzufragen, da jeder dachte, die anderen würden die Studie kennen. Also fragte der Referent, ob die Studie und deren Bedeutung bekannt seien. Fast alle schüttelten den Kopf. Daraufhin wich er vom Vortrag ab und stellte die Studie ausführlicher vor. Aber auch in Zwiegesprächen ist Nachfragen ein wesentliches Instrument, um eine hohe Synchronität zwischen den Akteuren herzustellen. Hier unterscheiden wir zwischen direktem und vergewisserndem Nachfragen. Direktes Nachfragen x x x x
„Können Sie mir bitte den Begriff erläutern?“ „Das Verfahren habe ich nicht verstanden.“ „Was meinen Sie mit …“ „Ich habe Ihre Aussage nicht verstanden. Versuchen Sie es noch einmal für mich.“
Vergewisserndes Nachfragen x
„Um sicherzugehen: Habe ich richtig verstanden, dass …“
Zwischenergebnisse kommunizieren
Gespräche zielen häufig auf eine Reihe von Teil-, Zwischen- und abschließenden Ergebnissen. Insofern sollte ein Gespräch (ob im kleinen oder großen Kreis) darauf angelegt sein, diese Etappen zusammenzufassen und deren Bedeutung für die weiteren Überlegungen heraus zu stellen. Beispiele 70ac Beispiel (a) Besprechungsleiterin: „Wenn wir in der Analyse übereinstimmen, dann könnten wir … Herr Y, Sie scheinen noch Zweifel zu haben?“ Herr Y: „Nein, jetzt nicht mehr. Ich musste nur noch einmal ein Argument durchdenken.“
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Beispiel (b) Akteur: „Um das für mich richtig abzuspeichern, lassen Sie mich mit meinen Worten einmal zusammenfassen …“ Beispiel (c) Geschäftsführer: „Ich habe das richtig verstanden? Wir haben in diesem Segment Marktanteile verloren, weil wir die Entwicklungen unseres wesentlichen Wettbewerbers nicht frühzeitig erkannt haben. Hierdurch sagen Sie, seien wir im Absatz in die Defensive geraten. Vor diesem Hintergrund betonen Sie auch die Schwächen in unserem Frühwarnsystem. Sind diese Schlussfolgerungen korrekt?“ Ironie und Sarkasmus nicht einsetzen
Ironie und Sarkasmus können durchaus die Würze in einem Dialogmenü sein. Wenn weitreichende Entscheidungen oder eskalative Konfliktverläufe anstehen, sollte auf diese Zutaten allerdings verzichtet werden. Solche sprachlichen Elemente bezeugen eher eine gewisse Distanz oder Überheblichkeit. Beispiele und Analogien einsetzen
Bereits im Modul 11 haben wir auf die Bedeutung einer Aussage, die Argumente untermauert, hingewiesen. Hier sei lediglich daran erinnert, dass, je plastischer und konkreter eine Aussage ausgestaltet wird, es den zuhörenden Akteuren leichter fällt, einen Anschluss an die eigene Gedankenwelt zu finden und die Aussagen in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Damit öffnen sich natürlich Aussagen auch der Kritik bzw. dem Versuch, sie zu widerlegen. Hier sollten wir es mit den wissenschaftlichen Erkenntnistugenden halten: Eine nicht gelungene Widerlegung schafft zwar nicht mehr Wahrheit, macht sie aber als beste zur Verfügung stehende Überlegung robuster. Verzicht auf Pauschalierungen/Killerphrasen
Wir neigen mehr oder minder dazu, vom Einzelfall auf das Allgemeine zu schließen. Dieser alltägliche Induktionismus führt schnell in Einbahnstraßen. Einige Sprachsentenzen mögen dies verdeutlichen:
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„Das haben wir immer schon so gemacht …“ „Ihren Vorschlag haben wir bereits vor drei Jahren erfolglos umgesetzt.“ „Wenn wir diese Instrumente einsetzen, kann nur Mist herauskommen.“
Die Gefahr dieser Verallgemeinerungen liegt nicht darin, dass sie zu gegebenem Anlass falsch waren, sondern in der Regel darin, dass die Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt werden. Beispiel 71 Teilnehmer 1: „Herr X, Ihren Vorschlag, eine breit angelegte Mailingaktion durchzuführen, ist ja an sich richtig. Aber unsere Erfahrungen von vor zwei Jahren sprechen gegen den Erfolg. Wir sollten uns andere Instrumente einfallen lassen.“ Herr X: „Ich habe mir die Evaluation der Aktion angesehen. Es gibt klare Unterschiede zwischen der von Ihnen zu recht kritisierten ehemaligen und der heutigen Maßnahme. Erstens wurde vor zwei Jahren die Aktion kurz vor Weihnachten durchgeführt. Da interessiert sich jeder für den Tannenbaum. Das Jahr ist mehr oder minder in der Branche gelaufen. Zum anderen war das Layout schwer und animierte nicht zur Interaktion. Hier gehen wir mit der Werbeagentur neue Wege.“ Wenn ein Einzelfall als verallgemeinerbar herausgestellt wird, sollten die konkreten Rahmenbedingungen und alternative Wege in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gezogen werden. Insbesondere fehlende Alternativen machen häufig eine Verallgemeinerung scheinbar unangreifbar. Beispiel 72 Bereichsleiter: „Wir haben immer mit Umsatzeinbußen zu rechnen, wenn vor dem Outlet eine Baustelle eröffnet wird. Das belegen die Zahlen. Insofern müssen wir die Umsatzerwartungen hier zurückführen.“ Geschäftsführer: „Klar hemmen Baustellen den Umsatz. Soweit sehe ich die Zahlen auch. Die Frage ist aber doch, was wir dagegen tun können. Fatal wäre es, wenn wir uns dem Baustellenschicksal hingeben. Hier ist unser aller Phantasie gefragt. Darüber möchte ich mit Ihnen nachdenken.“
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
Erst neu denken, dann sprechen
Spontaneität ist eine gute Sache – wenn sie passt. In kommunikativen Situationen fühlen wir uns unnötigerweise unter einem Geschwindigkeitsdruck, mit Antworten oder Beiträgen parieren zu müssen. Mehr Gelassenheit entsteht, wenn wir Momente des Schweigens ertragen und noch einmal darüber nachdenken, was wir sagen wollen. Beispiel 73 In einem Colloquium stürmten auf den Referenten vielfältige, zum Teil sehr komplizierte Fragen ein. Dies brachte ihn, Profi, der er war, nicht aus der Fassung. Komplizierte Fragen eröffnete er mit den Variationen des folgenden Statements: „Ich habe Ihre Frage verstanden, lassen Sie mich ein wenig über die Antwort nachdenken.“ Er nahm sich dann 5 bis 10 Sekunden Zeit. Eine solche Schweigephase wird als recht lang erlebt. Dennoch hilft die Pause, nicht nur darüber nachzudenken, was zu sagen ist, sondern auch, wie es gesagt werden könnte. Für Entspannung sorgen
Gerade in konfliganten Gesprächsmomenten hört man die Spannung knistern. In vielen Fällen sind „Entspannungstechniken“ dann unangebracht. Insofern sollten die Akteure durch ihr konkretes Verhalten zu einer Entspannung beitragen. Hierfür stehen vielfältige kleine (rhetorische) Hilfsmittel zur Verfügung: x x x
Eine kleine Pause kann Wunder wirken Die Spannung beim Namen nennen und entkrampfen Mit einer – allerdings nicht überzogenen – Lockerheit fortfahren Beispiel 74 Akteur: „Ich weiß, dass ich durch meine Aussagen einen Spannungsbogen aufgeschlagen habe. Sie und ich hören es ja förmlich knistern. Lassen Sie mich dennoch fortfahren und für meine Position werben. Dann können Sie gerne auf mich losgehen – mit Argumenten versteht sich.“
Nicht beleidigt sein
In manchen Situationen wird ein sachlich gemeinter Konflikt als persönlicher Angriff erlebt. Hierauf reagieren Menschen mit reaktiven Mustern; sei es, dass sie sich zurückziehen, mit einer beleidigten Stimmlage fortfah-
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ren oder über die Verhältnisse hinaus aggressiv reagieren. Natürlich hat man (und frau) sich nicht immer unter Kontrolle. Aber auch hier ist es einfacher, die Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen, statt sich in die eigene Spirale des Beleidigtseins zu begeben. Augenhöhe herstellen
Wir verfügen über ein breites Repertoire, durch das wir dem Anderen zu verstehen geben können, nicht auf Augenhöhe zu kommunizieren. Neben den verschiedensten Symbolen der Macht geschieht dies nicht selten „subkutan“: Argumente werden ignoriert, lächerlich gemacht, mit spitzen Bemerkungen abgetan, als typischer Beitrag etikettiert. Dies soll dem Anderen die eigene Überlegenheit und damit die machtvollere Kraft der Argumente dokumentieren. Will man jedoch ein Ergebnis, ganz gleich, ob es sich um eine Problemlösung oder um ein Verhandlungsergebnis handelt, erzielen, das von allen Beteiligten getragen wird, sollten solche Optionen nicht zur Geltung kommen. Umgang mit Emotionen
Insbesondere negative Emotionen werden durch Verhaltensweisen ausgelöst, die ihrerseits den Konfliktverlauf deutlich beeinflussen können. Aus einer Sach- entsteht eine Emotionsspirale und erhöht die Wahrscheinlichkeit der Eskalation. Je intimer Beziehungen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass solche Muster auftreten. Das Spektrum der Emotionen ist groß und reicht von Ärger über Furcht bis zur Scham. Damit einher gehen physiologische Erregungszustände. Beides wirkt sich wiederum auf das eigene Verhalten aus. Je unangenehmer die Emotionen erlebt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass distributive Verhaltensmuster (vgl. Modul 10) entstehen und integrative Optionen in den Hintergrund treten. Selbst das Türeschlagen ist ein typisches aggressives Muster, das die meisten von uns kennen. Einen emotionalen Teufelskreis zu durchbrechen ist sicherlich nicht einfach. Dennoch sollten wir uns zwei grundlegende Chancen vor Augen halten. Die eine besteht darin, die in diesem Buch veröffentlichten Dynamiken zu internalisieren. Mit wachsender Kompetenz, Konflikte und Verhandlungsgespräche zu managen, wächst auch die Souveränität, deeskalativ Gespräche zu gestalten. Auf der anderen Seite sind wir alle auch Gefangene unserer Achillesfersen. Da hinein gestochen, siegt die Emotion zugunsten der Vernunft. Wir sollten uns dessen nicht schämen. Sollten die Emotionen weiter angeheizt werden, gibt es nur ein Entkommen vor dem Siedepunkt: Das Gespräch
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
unterbrechen und erst dann fortzuführen, wenn die starken Gefühle abgekühlt sind. Eine Entschuldigung für das eigene unfaire Verhalten hilft, wenn es denn auch ehrlich gemeint ist, zu einem späteren Zeitpunkt, das Gespräch auf einer wesentlich sachlicheren Ebene fortzusetzen. Schließlich hilft es auch, bevor Emotionen ausgelebt werden, sie mitzuteilen und um eine entsprechende Rücksicht zu ersuchen. Das hört sich natürlich wieder fürchterlich rational an.
Konfliktkosten Die Kosten, die infolge von Konflikten und deren unbefriedigter Bewältigung entstehen, sind nur schwer zu ermessen. Dies gilt für intime Beziehungen ebenso wie für internationale Konflikte und deren Auswirkungen. Jenseits volkswirtschaftlicher Kostenrechnungen wollen wir jetzt fünf im Alltag auftauchende Kostenbereiche darstellen, ohne auch nur im Anschein zu versuchen, diese zu quantifizieren. Stress- bzw. emotionale Kosten Unbewältigte Konflikte nagen an vielen Stellen an der Zeit. Allein verlorene Arbeitszeiten, weil Mitarbeiter/innen im Konflikt zueinander stehen oder von ihren aktuellen Konfliktbetroffenheiten berichten, summieren sich schnell zu hohen Summen. Hierzu sind auch jene Ausfallzeiten zuzurechnen, die entstehen, wenn sich Mitarbeiter/innen aufgrund von Konflikten in Krankheit zu retten versuchen. In Modul 2 haben wir bereits gezeigt, dass die Entstehung von Konflikten eng mit einer unzureichenden Bedürfnisbefriedigung einhergeht. Wir können also festhalten: Bedürfnisbedrohungen sind der Kern von sozialen Konflikten! Dieses Bedrohungserleben kann sich bis hin zu Angst- und Panikgefühlen steigern und ist dann so unangenehm, dass es nicht lange ausgehalten werden kann – in aller Regel wird hier die sog. Stressreaktion3 ausgelöst. 3
Wenn wir Menschen in eine „gefährliche“ Situation geraten, schüttet unser Gehirn Stresshormone aus und aktiviert die Nerven, die unsere Organe steuern. Die Stresshormone wie z.B. Cortisol, Adrenalin usw. stellen Energie bereit, damit wir uns in der gefährlichen Situation wehren können, und die Nerven erhöhen oder reduzieren die Aktivität von dafür nötigen Organen. Aktiviert werden Gehirn, Augen, Herz und Muskeln, in ihrer Funktion werden – oft nach vorheriger rascher Leerung – Magen, Darm und Blase reduziert. Durch diese Stressreaktion sind wir in der Lage, entweder rasch zu fliehen, zu kämpfen oder
Konfliktkosten
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Das Erleben von Konflikten geht in vielen Fällen mit entsprechenden Stressreaktionen einher, die negative Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle, Willen und Verhalten haben (vgl. Glasl 2004, S. 40ff.): x
x
x
x
x
Röhrenblick auf der Ebene der Wahrnehmung: Selektive Wahrnehmung: übersehen, überhören, filtern; kognitive Kurzsichtigkeit; Zeitperspektive wird verkürzt; Radius der Aufmerksamkeit ist stark eingeengt. Schwarz-Weiss-Polarisierung auf der Ebene des Denkens: Verlust der Besonnenheit; Kurzschlüsse: Jumping to solutions; Vorurteile und fixierte Bilder; Freund-oder-Feind-Kategorien. Misstrauen und Empathieverlust auf der Ebene des Fühlens: Durch Überforderung – untergründiges Angst- und Bedrohungsgefühl; Wut, Angst, Lähmung wirken als treibende Basisemotionen; Empfindlichkeit, Unsicherheit, Misstrauen; Schutzpanzer der Unempfindlichkeit; Gefühlskälte – explosive Gefühlsausbrüche; Verlust der Empathiefähigkeit. Egozentrik auf der Ebene des Willens: Instinktive Willenssteuerung: Kampf, Flucht, tot stellen; starke Ego-Zentrierung: „ICH will …!“; Sturheit: Versteifung des Willens; Radikalisierung und Fanatismus; Regressionen: kindliche und tierische Antriebe. Instinktgetriebenes Reiz-Reaktions-Verhalten; Kampf: aggressives Verhalten; Flucht: Rückzugsverhalten; Todstellen: Apathie, Gefühllosigkeit; frühkindliche Überlebensmuster; Missverständnisse durch Fehlinterpretationen des Verhaltens anderer.
in Schreckstarre zu fallen. Über viele Jahrtausende war die Stressreaktion für uns Menschen überlebenswichtig. Wenn früher ein Jäger einem Raubtier begegnete, waren Flucht oder Angriff gute Möglichkeiten, um die Begegnung mit dem Raubtier zu überstehen. Aber auch durch eine Schreckstarre konnte man überleben: Raubtiere reagieren vor allem auf flüchtende Wesen, ein tot scheinendes Wesen lassen sie dagegen oft in Ruhe. Auch heute noch ist die Stressreaktion wichtig, für Menschen in Kriegsgebieten und in feindlicher Natur. Aber die meisten Probleme, die wir modernen Menschen heute haben, lassen sich nicht durch Kampf lösen. Streit mit dem Vorgesetzten, mit Kollegen, zu viel und zu schwere Arbeit, Geldprobleme, zu kleine Wohnung, zu viel Lärm, Arbeitslosigkeit, Streit mit dem Partner oder Kindern, etc. Solche sozialen Probleme sind weder mit Kampf, Flucht oder Starre lösbar. Aber unser Körper macht trotzdem das Gleiche wie schon vor 10 000 Jahren: er schaltet auf „Kampf“ um – obwohl er uns damit mehr schadet als nützt.
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Es ist einsichtig, dass solche stressbezogenen Effekte eine Vielzahl von weiteren negativen Konsequenzen auf unternehmens- wie privater Ebene und auch auf gesellschaftlicher Ebene nach sich ziehen – z.B. in Form entsprechender Gesundheitskosten. Exemplarisch sollen hier die Stresskosten in der Schweiz angeführt werden: Die jährlichen Kosten von Stress an schweizerischen Arbeitsplätzen kann im Jahr 2004 auf mindestens 4 Milliarden Franken geschätzt werden (das entspricht ca. 1,2 Prozent des BIP), und diese Kosten entstehen nicht in erster Linie bei den 12 % der Befragten, die angeben, unter Stress zu leiden, sondern zur Hauptsache bei der Gruppe derjenigen, die angeben, Stress zu kennen, darunter aber nicht speziell zu leiden (70 % der Befragten, 72 % der Stresskosten) (vgl. http://www.seco.admin.ch/themen/00385/01908/01919/ 01966/index.html?lang=de vom 15.10.2007). Übung 62. Konflikt-Stressbilanz
Ziehen Sie bitte Ihre eigene Konflikt-Stressbilanz: Wie stark und wie oft wird Ihr Wohlergehen von Konflikten beeinträchtigt? Wie oft schlagen soziale Konflikte in innere Konflikte um? Wie schützen Sie sich vor dem Stress, der durch soziale Konflikte ausgelöst wird? Wie gut gelingt Ihnen dies? Dauer: ca. 30 Minuten
Zeitkosten Relativ trivial dagegen nimmt sich der zeitliche Verzögerungsfaktor infolge von Konflikten aus. Wenn wir allerdings Verzögerungseffekte aufgrund von Kompetenzeitelkeiten heranziehen würden, kämen wir ebenfalls zu erschreckenden Ergebnissen.
Beispiel 75 Ohne die föderalistischen Strukturen Deutschlands und anderer Staaten in Frage stellen zu wollen: Sowohl die berühmte und berüchtigte PISAStudie wie auch die für den frühkindlichen Bereich gültige OECDStudie „Starting Strong“ (2006) bemängeln die Qualitätsheterogenität des deutschen Bildungssystems auch und gerade wegen ihrer Ländervielfalt. In einer globalen Welt verhält sich der Nationalstaat wie zu einer Zeit, in der Häuptlinge über Gedeih und Verderb zu entscheiden
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hatten – und über diesen Streit ausgestorben sind. In einer beschleunigten Welt können wir uns Verzögerungseffekte nicht mehr leisten. Dies gilt natürlich auch auf jeder betrieblichen Ebene. Cash-Kosten Entscheidungen, das dürfte inzwischen deutlich sein, basieren in vielen Fällen nicht auf einem sachrationalen Austausch. In vielen Fällen sind sie manifest oder latent von Konflikten durchzogen (siehe Modul 10). Durch Fehlentscheidungen jenseits aller Sachlichkeit entstehen u. a. unnötige Ausgaben und Fehlinvestitionen. Beispiel 76 In einer Sitzung berichtete ein Vorstand stolz über ein aus der Verkehrsplanung übernommenes Analyseinstrument. Es ermögliche sehr dezidiert Hunderte von Clustern zu bilden, durch die Verhaltensströme zugeordnet und Risiken frühzeitig erkannt werden könnten. Diese Software habe er übrigens auf dem Golfplatz kennen gelernt und angeordnet, sie in die eigenen Auswertungsprogramme zu übertragen. Ein vorwitziger Mitdenker entpuppte sich prompt als unerwünschter Querdenker. Bei 10 000 Fällen und angenommenen 200 Clustern ergäbe sich eine Zellenbesetzung von 50 Einheiten pro Cluster. Welche praktischen Schlussfolgerungen denn nun zu ziehen wären? „Alle erforderlichen!“, lautete die Antwort. Das System wurde angeschafft, implementiert und nie in Betrieb genommen. Die Wirklichkeit hatte das System eingeholt. Gesamtschaden: x Anschaffungs- und Implementierungskosten x Ablenkungskosten von den drohenden Risiken. Nicht minder dramatisch sind Kosten, die durch Kundenverluste infolge interner Konflikte entstehen. Die Liste der Kundensabotagen als Folge demotivierter Mitarbeiter/innen liest sich häufig wie ein Krimi. Beispiel 77 Der neue Geschäftsführer in einem Unternehmen will alles anders machen. Er kommt aus einer anderen Kultur und ordnet im Vertrieb neue Formen der Kundenansprache an, die vielleicht in seinem Land erfolg-
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Modul 13: Konfliktprophylaxe
reich sein mögen. Die Vertriebsmitarbeiter versuchen erfolglos, auf die nationalen Gepflogenheiten hinzuweisen. Barsch verlangt er, seine Form zu übernehmen. Nicht nur, dass gegenüber den Kunden alle Souveränität verloren geht, die MitarbeiterInnen entwickeln fast schon eine Telefonangst.
Opportunitätskosten Viele Managementinstrumente tragen dazu bei, die Chancen in der Zukunft zu optimieren. Aber auch sie scheitern an Konflikten zwischen Menschen. Beispiel 78 Ein Tochterunternehmen (T) hatte sich aus einer Schieflage zu einem starken Marktpartner entwickelt. Diese Leistung ging auf alle Mitarbeiterebenen zurück. Die Geschäftsführung hatte es verstanden, gemeinsam mit der Unternehmensberatung schrittweise das Unternehmen zu stabilisieren und als Benchmark vorzubereiten. Ein Börsengang drei bis vier Jahre später war avisiert. Im Verlauf dieses Prozesses fand im Hauptunternehmen (H) ein Wechsel im Vorstand statt. Aus welchen Gründen auch immer wurde das intelligente Management gegen einen sog. Hardliner ausgetauscht. Diskursives Vorgehen war nicht mehr gefragt. Das intelligente Management wurde durch unterwürfige Co-Vorstände ersetzt. Die nachweislichen Leistungen des Vorstandsvorsitzenden von T wurden systematisch desavouiert (und seine Freistellung von vielen Rechtsklagen begleitet). Nach anfänglichem Erfolg geriet T in seinen kritischen Zustand zurück. Die Experten/Expertinnen und die Hoffnungsträger/innen hatten das Unternehmen längst verlassen. Jene, die in einer Veränderungsbewerbung keine Chance sahen (z. B. Alter, Mobilitätsmöglichkeiten) reduzierten ihr Engagement auf den Gefrierpunkt. In der jüngeren Vergangenheit stand das Unternehmen zum Verkauf an und selbst aggressive Investoren scheuen davor zurück. Dieses Beispiel soll zeigen, dass in einer rational etikettierten Welt, in der von Strukturen und damit einhergehender Verpflichtungen die Rede ist, konfligante Desaster durch personale Inkompetenzen entstehen. Die Opportunitätskosten gehen in die Millionen.
Konfliktkosten
255
Einfacher, dennoch nicht weniger von Bedeutung, sind ungenutzte Potenziale von Mitarbeitern/innen, die sich aufgrund vielfältiger Konflikterlebnisse nicht mehr ermutigt sehen, eigene Beiträge einzubringen. So manche schwache Vorgesetze kanzeln starke Ideen ab, okkupieren sie oder verzerren sie. Anstelle quantifizierbarer Daten wollen wir auch hier wieder ein Fallbeispiel einbringen. Beispiel 79 Mitarbeiter S ging schon lange mit einer Idee schwanger, bestimmte Kontrollmechanismen zu optimieren. Er hatte diese Idee seiner Gruppenleiterin, Frau H., vorsichtig mitgeteilt. Sie hatte die Idee nicht verstanden und sah darin eine Bedrohung ihrer eigenen Position: Sollte sich S durchsetzen, könnte er an Machteinfluss gewinnen und sie (so ihre Überlegung) sogar ersetzen. Insofern versuchte sie, alle Hebel in Bewegung zu setzen, diesen Mitarbeiter zu diskreditieren. Das gelang ihr auf verschiedenen Ebenen. Der verantwortliche Bereichsdirektor hatte davon Kenntnis erlangt und bat S um ein Gespräch. Im Ergebnis gab er S den Auftrag, ein Konzept und eine Projektskizze zu erstellen, soweit seine Tagesarbeit dies zuließe. Der untergeordneten Gruppenleiterin wurde der Sonderauftrag mitgeteilt und auch glaubhaft begründet, warum dies eine Angelegenheit zwischen dem Direktor und Herrn S sei. Daraufhin setzte H über informelle Kommunikationswege alle Hebel in Bewegung, das Projekt zu verhindern. Dennoch setzte sich S´s Idee in der Praxis um. Die Einsparungen des Unternehmens beliefen sich auf Hunderttausende. Natürlich entwickelte sich S weiter, leider nicht in dem Unternehmen. Er hat heute einen hoch dotierten Job inne. Über Frau H. wollen wir nicht weiter sprechen. Übung 63. Identifikation von Konfliktkosten
Versuchen Sie anhand eines aktuellen oder in jüngerer Zeit entstandenen Konfliktes die verschiedenen Kostenformen zu benennen. Dauer: ca. 60 Minuten
256
Modul 13: Konfliktprophylaxe
Screening Konfliktkosten Die beiden folgenden Übungen sollen Ihnen helfen, sich selbst hinsichtlich der beiden Aspekte „Vermeidung struktureller Konfliktquellen“ und „Vermeidung interpersonaler Konfliktquellen“ einzuschätzen. Eher strukturelle Konfliktquellen Mögliche Konfliktquellen ergeben sich hier u. a. aus Vorurteilen, sozialer Dichte, unklaren Erwartungen und knappen Ressourcen. Hilfreiche Maßnahmen zur Konfliktprophylaxe können hier sein: x x x x x x x
Begründungen anfordern, die beobachtbar und nachvollziehbar sind Umsetzungen, Versetzungen in Abrede mit allen Beteiligten gemeinsam überprüfbare Ziele vereinbaren, Zwischenziele benennen und gemeinsam überprüfen (Feedbackgespräch) Bei Neueinstellungen die Realität herausarbeiten und keine verschönte Welt beschreiben Mit Aufmerksamkeit/Anerkennung fair umgehen Ideen zulassen besondere Herausforderungen schaffe
Teil 1: Strukturelle Konfliktquellen – Fragebogen
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu
Bitte schätzen Sie sich auf den nachfolgenden Skalen ein.
1.
Ich verfüge über eine hohe Bereitschaft zu Offenheit und Kritik.
1
2
3
4
5
6
2.
In meinem Bereich ist eine Vertrauenskultur deutlich erlebbar.
1
2
3
4
5
6
3.
Meine Leistungserwartungen an andere sind stets präzise formuliert.
1
2
3
4
5
6
Screening Konfliktkosten
257
4.
Ich zolle anderen bewusst Respekt und Anerkennung.
1
2
3
4
5
6
5.
Ich begründe Abweichungen von Regeln grundsätzlich.
1
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3
4
5
6
6.
Ich orientiere mein Verhalten eher an Kompetenzen als an Machtpositionen.
1
2
3
4
5
6
7.
Ich fördere Lernbereitschaft systematisch.
1
2
3
4
5
6
8.
Ich orientiere mich eher an Geschäftsinteressen als an Abteilungsinteressen.
1
2
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5
6
9.
Humor ist auch im Berufsleben wichtig.
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5
6
10. Eine hohe Kundenorientierung ist erfolgsentscheidend.
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6
11. Ambiente ist im Berufsleben wichtig.
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4
5
6
Konfliktquellen im unmittelbaren Umgang mit anderen Mögliche Konfliktquellen ergeben sich hier u. a. daraus, dass Störungen nicht frühzeitig angesprochen werden oder Emotionen drohen, die Überhand zu erlangen. Hilfreiche Maßnahmen zur Konfliktprophylaxe können hier sein: x x x x
wahrgenommene Störungen und deren Begründung als Vermutung formulieren Widerspruch zulassen Emotionen beschreiben, solange dies möglich ist Auszeit nehmen.
258
Modul 13: Konfliktprophylaxe
Stimme gar nicht zu
Bitte schätzen Sie sich auf den nachfolgenden Skalen ein.
Stimme voll und ganz zu
Teil 2: Konfliktquellen im unmittelbaren Umgang mit anderen – Fragebogen
1.
Ich höre stets aktiv zu.
1
2
3
4
5
6
2.
Bei aufkommenden Missverständnissen interveniere ich rechtzeitig.
1
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4
5
6
3.
Ich liefere proaktiv Hintergrundinformationen (Bedeutungsinhalte).
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3
4
5
6
4.
Wenn mir etwas unklar ist, frage ich immer nach.
1
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3
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6
5.
Ich fordere regelmäßig Zwischenergebnisse ein oder kommuniziere sie selbst.
1
2
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4
5
6
6.
Ich achte darauf, Ironie und Sarkasmus in Konfliktsituationen zu vermeiden.
1
2
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6
7.
Ich fordere Analogien und/oder Beispiele an oder liefere selbst Beispiele und/ oder Analogien.
1
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6
8.
Ich konkretisiere meine Überlegungen systematisch.
1
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6
9.
Ich achte stets darauf, was und wie ich etwas sage, bevor ich spreche.
1
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5
6
10. In angespannten Situationen versuche ich stets für Entspannung zu sorgen.
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5
6
11. Auch wenn ich betroffen bin, bleibe ich sachlich.
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6
12. In angespannten Gesprächen lege ich Wert darauf, dass sich mein Gegenüber auf gleicher Augenhöhe erlebt.
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4
5
6
Weiterführende Literatur
259
Kontrollfragen 1. Welche Elemente einer strukturellen Konfliktprophylaxe gibt es? 2. Benennen Sie die Elemente einer individuellen Konfliktprophylaxe! 3. Warum lassen sich mit einer Konfliktprophylaxe Konflikte nicht vermeiden?
Weiterführende Literatur Berkel, K. (2005): Konflikttraining. Frankfurt. Blackard, K./Gibson, J.W. (2002): Capitalizing on Conflict. Palo Alto. Canary, D.J. /Lakey, S.G. (2006): Managing Conflict in a Competent Manner. A Mindful Look at Events that Matter. In: Oetzel, J.G./TingToomy, S.(eds.): The Sage Handbook of Conflict Communication. Integrating Theory, Research, and Practice. New York. Glasl, F. (2004): Konfliktmanagement. Bern. Isaacs, W. (1999): Dialogue and the Art of Thinking Together. New York. Jones, T.S. (2000): Emotional Communication in Conflict. Essence and impact. In: W. Eadie & P. Nelson (eds.): The Language of Conflict and Resolution, pp. 81104. New York. Kreyenberg, J. (2005): Konfliktmanagement. Berlin. Lazarus, R. S./Folkman, S. (1984): Stress, Appraisal and Coping. New York. LeMar, B. (1997): Kommunikative Kompetenz. Der Weg zum innovativen Unternehmen. München. Lewicki, R.L./Hiam, A./Olander, K.W. (1996): Verhandeln mit Strategie. St. Gallen. Slaikeu, Karl A., and Ralph H. Hasson (1998): Controlling the Costs of Conflict: How to Design a System for Your Organization. San Francisco. Ury, W./Brett, J.M./Goldberg, S.B. (1988): Getting Disputes Resolved: Designing Systems to Cut the Costs of Conflict. San Francisco. Woodrow, P. (1998): Reducing The Costs Of Conflict Through Dispute Resolution Systems Design. Retrieved from the Web August 27, 2005.
Modul 14: Konflikt- und Verhandlungsmanagement – ein durchgängiges Fallbeispiel
Zusammenfassung In der Beschreibung der verschiedenen Konflikt- und Verhandlungspfade war deutlich geworden, dass die damit einhergehenden Prozesse nicht linear fortschreiten, sondern im Prinzip aus einer Folge von Rückkopplungen bestehen. Das daraus resultierende kybernetische Modell des Konfliktund Verhandlungsmanagements wird anhand eines durchgängigen Fallbeispiels erläutert, um diese Wechselbeziehungen und Rückkopplungen nachvollziehbar darstellen zu können.
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell Konflikte sind also ein natürlicher Bestandteil unseres kulturellen Alltags. Sie entstehen gewollt oder ungewollt, gewinnen unter Umständen eine Eigendynamik bis zu einem Zeitpunkt, zu dem sie zumindest von einem Akteur als Konflikt „erlebt“ werden. Hieraus entsteht ein Regelkreis möglicher Konfliktbearbeitungen, die von vielfältigen weiteren Gegebenheiten beeinflusst sind. Die nachfolgende Abbildung zeigt die verschiedenen Pfade destruktiver und konstruktiver Konfliktbearbeitung auf. Den gesamten Zusammenhang, einschließlich der möglichen Wechselwirkungen zwischen den drei Hauptelemente Konfliktprophylaxe, Konfliktanalyse und Verhandlungsprozessanalyse können wir auch anhand eines kybernetischen Modells darstellen (vgl. Abb. 36).
262
Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
Keine Beseitigung / Regelung der Störung
//
8
Tendenz zur reaktiven Bearbeitung
Vermeidung
6
Verdrängung
1A
Person B
14
1A
1
4
Strukturdimension
1B
2
Störung
Beziehung
Ursachendimension
Konfliktprophylaxe
Konflikt Person A
Sonstige Einflüsse
Wildwuchs
5
13
Eskalation
Wissen Erfahrung Kompetenz
9 7
systematische Evaluation: Konfliktanalyse
Tendenz zur proaktiven 11 Bearbeitung
10
Verhandlung
3
Beseitigung / Regelung der Störung
Unterdrückung
unsystematische Evaluation
12
12a
VerhandlungsVorbereitung
12b
Ergebniserwartung
12c
Verhandlungsprozess
12d
Verhandlungs(zwischen-) Ergebnis
Abb. 36. Konflikt- und Verhandlungsmanagement aus kybernetischer Sicht
Das kybernetische Modell des Konflikt- und Verhandlungsmanagements (KVM) wird anhand der folgenden Erläuterungen und Beispiele verdeutlicht. [1] Selbst und Beziehung Unsere Gesellschaft kann als ein komplexes Gebilde unterschiedlichster Individuen und sozialer (Sub-)Systeme betrachtet werden. Ungeachtet, wie aggregiert diese Systeme sind, handeln darin Menschen immer aus gemeinsamen Zwecken (Zielen) heraus, die nicht im gefährdenden Widerspruch zu den eigenen Bedürfnisausformungen und Wertorientierungen stehen dürfen. KVM-Beispiel (Teil 1) Theo ist der Geschäftsführer eines Unternehmens, das sich durch innovative Produkte ein weltweites Renommee erarbeitet hat. Sein Entwicklungsleiter, Jank, soll, so ist es vereinbart, laut Plan per anno drei neue Produkte marktreif entwickeln. Wenn wir in Systemkategorien denken, können wir folgende Teilsysteme nennen:
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell x x x
263
Das Unternehmen als System. Die Arbeits- und Rollenbeziehung Jank und Theo als Subsystem. Theo und Jank jeweils als Individualsysteme.
[2] Störungen Störungen sind Ereignisse, durch die Absichten nicht, nicht in der erwarteten Qualität oder nur mit erhöhtem Energieaufwand umgesetzt werden können. Solche Störungen entstehen innerhalb eines Systems oder werden von außen an ein System herangetragen. KVM-Beispiel (Teil 2) Einen Monat vor der Deadline für die Markteinführung berichtet Jank Theo, dass der Termin für das Produkt X nicht gehalten werden könne. Es müsse ein Detail neu konstruiert werden, da es den Qualitätserwartungen nicht entspricht. Dies würde zu zweimonatigen Verzögerungen führen. Seine Begründungen sind stichhaltig, so dass Theo notgedrungen mit der Nachricht leben kann. Glücklicherweise sind noch keine Informationen zum Neuprodukt nach außen gegangen. Theo betrachtet dies als ärgerliche Störung, die in der Entwicklung jedoch vorkommen kann, zumal die Auftragslage gut ist und die Jahresziele mit hoher Wahrscheinlichkeit eingelöst werden. [3] Sonstige Einflüsse Störungen können natürlich auch von außen kommen, ohne dass diese direkt beeinflussbar wären; hierzu zählen z.B. unvorhersehbare Materialknappheiten am Markt oder unverschuldete Produktionsausfälle von Zulieferanten. [4] Konlikt KVM-Beispiel (Teil 3) Für die nächste Führungskräftesitzung in vierzehn Tagen setzt Theo – eher intuitiv – die Übersicht über die jeweiligen Projektstatusse der Entwicklungsabteilung auf die Agenda. Er bittet Jank um einen entsprechenden Vortrag und um eine konkrete Aktenlage. Jank berichtet über die Projekte und vermittelt, dass alle anderen Entwicklungen im Zeitplan lägen. Dies dokumentiert er durch entsprechende Unterlagen. Lediglich bei Produkt X macht er deutlich, dass,
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Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
entgegen seiner Ankündigung, die Verzögerung doch größer ausfallen werde. Hieraus entsteht ein Disput. Theo: „Jank, Du hast mir vor 14 Tagen von einer zweimonatigen Verzögerung berichtet. Dies habe ich akzeptiert. Nun brauchst Du noch weitere zwei Monate. So geht das nicht. Ich möchte eine genaue Analyse, wie es dazu kommen konnte.“ Fred (Vertriebsleiter): „Das ist eine Katastrophe. Ich habe unseren A-Kunden bereits informell in Gesprächen X vorgestellt und auch schon den Einführungstermin bekannt gegeben. Die ersten Aufträge rauschen rein.“ Jank: „Fred, da bist Du selber Schuld. Du weißt um unsere Schwierigkeit. Wir können in der Microproduktion für eine Komponente die Qualität nicht sichern. Ausfall und Schwankungen sind zu groß. Wir hatten das Verfahren im kleinen Maßstab im Griff. Bei der Großproduktion sind Probleme entstanden, die wir noch weiter analysieren müssen. So ist das mit der Verfahrenstechnik.“ Theo: „Also Jank, so geht das nicht. Natürlich muss Fred unsere Kunden heiß machen und das macht er bei den A-Kunden in persönlichen Gesprächen. Wir verhindern Umsatz, wenn wir erst in letzter Sekunde zu kommunizieren beginnen. Schließlich sind die Entwicklungskosten hoch und großzügig bemessen. Dafür verlange ich aber weitestgehend Termintreue. Ich möchte Dich nach der Sitzung in meinem Büro sprechen.“ Die unvereinbaren Ziele des Konfliktes sind nun offen ausgesprochen und können verkürzt beschrieben werden: x x x
Das Produkt wird noch später in den Markt eingeführt Kunden werden verärgert sein Zudem muss sich nun Theo gegenüber den Shareholdern rechtfertigen – die interessieren sich nicht für Details.
[5] Unsystematische Evaluation In Konfliktsituationen fragen wir mehr oder weniger bewusst nach deren „Ursachen“: Wir wollen den Konflikt möglichst verstehen und seine eventuellen Auswirkungen antizipieren. KVM-Beispiel (Teil 4) Trotz exzellenter Ergebnisse befürchtet Theo, dass sein Image leiden könnte. Er bevorzugt es jedoch, aus einer Position der Stärke zu agie-
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell
265
ren. Natürlich versteht er das verfahrenstechnische Problem. Dennoch fragt er sich, ob dieses nicht bereits in einer frühen Phase hätte erkannt werden können. „Hoffentlich“, denkt er, „hat Jank nicht noch weitere Leichen im Projektkeller.“ Er beschließt eine umfassende Projektrevision unter Zuhilfenahme eines externen Ingenieurbüros. [6] + [7] Reaktive Bearbeitung Grundsätzlich gilt: Die Art und Weise, wie mit Konflikten umgegangen wird, beeinflusst den zukünftigen Systemwert – in monetärer und beziehungsmäßiger Hinsicht. Die Ergebnisse einer Konfliktbearbeitung können sein: x x x x x
Der Systemwert sinkt weiter … … bis zum Abbruch oder Zusammenbruch des Systems Der Systemwert wird auf dem Niveau zu Beginn des Konfliktes „eingefroren“ Der Systemwert erreicht das Niveau vor dem Konflikt Der Systemwert liegt über dem Niveau vor dem Konflikt.
Die ersten beiden Ergebnisse werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eingelöst, wenn der Konflikt durch Passivität zukünftig weiter schwelt. Um die damit verbundenen Prozesse besser zu verstehen, unterscheiden wir zwischen den Prozessen innerhalb einer Person (oder einer Gruppe) und den damit verbundenen Erscheinungsformen. Auf jede Art der Störung reagiert ein kognitives System, sei es ein Individuum oder eben eine soziale Gruppe, auf vier verschiedene Arten und Weisen. Die ersten beiden Bewältigungsformen – Vermeidung und Unterdrückung – bestehen im Kern darin, die Störungen (unbewusst) als Gegebenheiten anzuerkennen. Diese passive oder reaktive Form, mit einem Konflikt umzugehen, führt zu verschiedenen Erscheinungsformen, wie sie in Abb. 36 dargestellt sind. Wird ein Konflikt nicht konstruktiv „in Angriff“ genommen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die als Konfliktursachen genannten Handlungsweisen zunehmen und damit den Konflikt verstärken. Wir sprechen auch von einer Eskalation. Die Kosten des Konfliktes steigen, während die Effizienz des Systems sinkt. Die Gefahr einer solchen Entwicklung liegt im Vulkaneffekt. Irgendwann „platzt der Kragen“ und die darauf folgenden Reaktionen sind nur noch schwer zu kontrollieren. Dies gilt nicht nur in intimen Beziehungen sondern auch in der großen Politik: Diplomatische Versuche, einen Konflikt zu deeskalieren, scheitern an der Fehleinschätzung der
266
Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
Kontrahenten und es entsteht ein Punkt der unmöglichen Umkehr (point of no return). Alle Versuche sind ausgereizt und Mittel der Gewalt verdrängen die Aussprache. KVM-Beispiel (Teil 5) Der Revisionsbericht liegt vier Wochen später vor. Er benennt gravierende Schwächen und Risiken in der Abteilung Produktentwicklung und Verfahrenstechnik. Zusammengefasst heißt es: „Verschiedene Module der Simulationssoftware entsprechen nicht dem Stand des Wissens. Hierdurch können bestimmte Verfahren nicht erkannt werden. Die Qualitätstechniken in der Projektentwicklung genügen nicht den hohen Erwartungen des Unternehmens. Hierdurch sind Zeitrisiken und deren Folgen nicht auszuschließen. Alternativ sollte die Six Sigma-Technik1 eingesetzt werden. Zudem merken die Experten kritisch an, dass der Leiter der Abteilung sehr häufig auf Kongressen unterwegs sei und zu vermuten ist, dass seine Führungsaufgaben hinten anstehen. Dies hätten auch einige Mitarbeiter/innen der Abteilung vorsichtig geäußert.“ Nachdem Theo den Bericht verarbeitet hat, bittet er Jank zum Gespräch. Er hatte den Bericht ebenfalls erhalten. Theo: „Jank, der Bericht ist starker Tobak. Was sagst Du dazu?“ Jank: “Was die Simuware angeht, kann ich nicht abstreiten, dass wir zu spät ein Update veranlasst haben. Herr S. hat hier seine Pflichten nicht erfüllt. Six Sigma als Qualitätstechnik einzuführen, halte ich schlichtweg für Unsinn. Es ist viel zu kompliziert und bindet zudem weitere Ressourcen. Unsere Qualitätsverfahren reichen aus. Den Vorwurf, ich triebe mich zu sehr auf Kongressen herum, finde ich einfach nur lächerlich. Du weißt, in welchen Ausschüssen ich sitze und dies ist unsere verabredete Politik. Zudem erfährst Du auf dem grauen Kongressmarkt mehr als in jeder Fachzeitschrift. Schließlich treffe ich einen Teil unserer Kunden und bin damit nahe am Ohr ihrer Bedürfnisse. So also bitte nicht.“ Theo: „Ich habe das ja mitgetragen. Aber kann es nicht sein, dass Du 1
Six Sigma hat sich in jüngerer Vergangenheit zu einer anspruchvollen Qualitätstechnik entwickelt, durch die mittels statistischer Verfahren Leistungsschwankungen drastisch reduziert werden können. Der Begriff selbst leitet sich aus der Normalverteilung ab, die in insgesamt sechs Standardabweichungen (+/- 3 Sigma vom Mittelwert) unterteilt wird. Diese Fläche entspricht 99,87 % der Gesamtfläche der Normalverteilung.
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell
267
in diese Welt fliehst, um Dich auch Deiner Führungsverantwortung zu entziehen?“ Jank: „Das ist doch Quatsch. Meine Crew besteht aus Hochkarätern. Die müssen nicht geführt werden.“ Theo: „Das ist mir neu. Du bist auch hochkarätig. Und was meinst Du, was wir gerade machen? Ich nehme meine Führungsverantwortung Dir gegenüber wahr. Wenn dies nicht geschähe, würde doch der Wildwuchs fortschreiten und morgen stiege mein Rechtfertigungsbedarf gegenüber unseren Shareholdern. Auf diese Eskalation kann ich gut verzichten.“ [9] + [10] + [11] Konfliktanalyse Eine konstruktive Konfliktbearbeitung ist von der Absicht getragen, den – ökonomischen und sozialen – Wert eines Systems wieder herzustellen oder gar zu verbessern, ohne die eigene Position unmittelbar aufzugeben. Der erste Schritt in einem solchen Bewältigungspfad besteht darin, einen bestehenden Konflikt so weit wie möglich systematisch zu ergründen. Hierzu ist es wichtig, auf entsprechendes – möglichst systematisiertes und geprüftes – Wissen im Umgang mit Konflikten zurückgreifen zu können bzw. die hierbei erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen reflektiert zu nutzen. Im Rahmen unserer Argumentation wird dies im Kontext der Konfliktanalyse sichergestellt. Diese Konfliktanalyse hilft, die eigenen Erwartungen an das soziale System und an ein Bewältigungsergebnis für sich offenzulegen und die Motive des Kontrahenten resp. des Konfliktpartners zu erkunden. Erkunden meint hier, Überlegungen anzustellen, warum sich der andere so verhalten hat, dass es zu einem Konflikt kommen konnte und welche “inneren“ Kräfte ihn zu dieser Umgangsform angetrieben haben. Wir bezeichnen das Vermögen, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, auch als Empathie. Der Versuch, die Sicht des anderen einzunehmen hat nichts damit zu tun, diese Sicht auch zu akzeptieren. KVM-Beispiel (Teil 6) Der Verlauf in unserem Gespräch hätte auch anders aussehen können. Nehmen wir an, Theo verfügte über unsere Konfliktanalyse. Durch sie ist er zu folgendem Schluss gekommen: 1. „Jank zieht sich zunehmend aus der Führungsverantwortung. 2. Ich habe hierauf zu wenig geachtet. Also ist dies auch mein Problem. 3. Jank wird dies nicht ohne Weiteres zugeben.
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Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
4. Wir müssen einen Status wieder herstellen, durch den wir unsere Termine und Verpflichtungen einhalten können. Diesbezüglich gibt es keinen Kompromiss. 5. Ich werde im Gespräch mit Jank einfordern, an den Abteilungsbesprechungen bis auf Weiteres teilzunehmen. Das wird er als Affront betrachten. 6. Jank verfügt über großes Wissen, das für das Unternehmen wertvoll ist. Insofern sind wir von ihm abhängig. Wäre der Konflikt nicht, machte mir das nichts aus. 7. Ich brauche zügig eine Lösung. Einmal, um meine Reputation gegenüber unseren Shareholdern zu behalten und um zweitens Jank schützen zu können. Ich werde das Gutachten des Ingenieurbüros nicht weitergeben. Das stellt zwar ein Risiko dar. Aber ich bin es Jank schuldig. 8. Ich muss mich vorsichtig an ihn herantasten.“ Hier wird deutlich, dass wir uns Gedanken darüber machen, warum und wie „der andere“ funktioniert. Solche Theorien sind äußerst subjektiv, wir nennen sie daher subjektive Alltagstheorien. Was uns treibt, und dies ist das Entscheidende, sind unsere Gedanken und daraus abgeleitete Handlungs„maxime“. [12a] Verhandlungsvorbereitung Aus eigenem Erleben oder den Medien haben wir bereits mitbekommen, dass Verhandlungsvorbereitungen manchmal wichtiger sind als die Verhandlungen selbst. Dies gilt im Kleinen wie im Großen. Zunächst gilt es, die eigene Veränderungsbereitschaft abzuklären und festzulegen, wo der Schwellenwert liegt, der nicht überschritten werden kann. Dies ist in manchen Fällen eher ein kreativer (Individuum), in anderen Fällen eher ein diskursiver Akt (Gruppe). In komplexeren Situationen gehen Verhandlungen mit einem Kontrahenten den Verhandlungen innerhalb der Gruppe voraus. Im nächsten Schritt werden Argumente für die eigene Position zusammengeführt und umfassend begründet. Daran schließt sich an, die (vermuteten) Argumente und Begründungen der anderen Seite zu analysieren bzw. abzuleiten. Quellen dieser Ableitung sind vergangene Erfahrungen, Ankündigungen im Vorfeld der Verhandlungen bis hin zu Hintergrundinformationen aus diversen Quellen sowie das Verhalten selbst. Auf staatlicher Ebene liefern in der Regel die Geheimdienste versteckte oder verdeckte Informationen, die allerdings politisch interpretiert werden müssen.
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell
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Sind die Szenarien über mögliche Einigungsräume entwickelt, steht auch eine Einigungswahrscheinlichkeit “im Raum“. Durch sie werden die weiteren Rahmenbedingungen verhandelt oder einfach nur vereinbart. Dabei spielt die Atmosphäre eine größere Rolle, als häufig angenommen wird. Räumliches Arrangement, Zeitpunkt, Formen des Warming Ups, die Struktur der Agenda, das Interesse der (medialen) Öffentlichkeit, der Umfang der informellen Gespräche, die Rückkopplung mit Dritten, das einzusetzende Drohpotential, der Einsatz zwischen Experten und Verhandlungsstrategen, alle diese Aspekte sollten im Vorfeld überlegt sein. KVM-Beispiel (Teil 7) Theo beschließt, sich auf das Gespräch mit Jank sehr gut vorzubereiten. Zuviel hängt davon ab und in den grundlegenden Zielen will er keinen Kompromiss eingehen. Zudem möchte er in Ruhe, ohne zeitliche Einschränkung und ohne Störungen, das Gespräch führen. Zur Vorbereitung entwickelt Theo für sich eine Argumentationsliste zu allen drei genannten Risiken. x Risiko 1 – Software Updating: Durch ein paar Telefonate eruiert Theo den Stand der Softwareentwicklung für die Verfahrenssimulation. Dabei stellt er fest, dass das letzte Update vor zwei Jahren stattgefunden hat und entscheidende Kenntnisse nicht zur Verfügung stehen. Sein Ziel ist es, eine sofortige Aktualisierung zu fordern. x Risiko 2 – Qualitätstechnik: Auch hier macht sich Theo kundig. Ein befreundetes Unternehmen setzt Six Sigma ein. Bei einem Mittagessen lernt er in den Grundzügen das Verfahren kennen. Er bittet das Unternehmen um Unterstützung, falls dies notwendig sei. x Risiko 3 – Außentermine und zu geringe Führung: Zunächst stellt Theos Sekretärin auf der Basis der Reisekostenabrechnungen alle Termine von Jank zusammen. Dabei wird deutlich, dass er in der Tat in deutschen, europäischen und sogar amerikanischen Ausschüssen aktiv ist. Dies über das Jahr verteilt, verbringt er allenfalls die Hälfte der Wochentage im Unternehmen. Hier muss sich etwas ändern, beschließt Theo, will jedoch offen lassen, was. Theo lädt Jank zu einer Tagesbesprechung im Golfhotel ein. Das Ambiente ist dort sehr angenehm, die Küche leicht. Zwar steht ein Besprechungsraum zur Verfügung, das sonnige Wetter lädt aber zu teilweisen Gesprächen auf der Terrasse ein. Sie ist schwach frequentiert, so dass die Vertraulichkeit gewahrt bleibt.
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Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
[12c] Verhandlungsprozess Wir hatten die Struktur einer Verhandlung in den Modulen 11 und 12 ausführlich beschrieben. Insofern geben wir hier nur eine kurze Zusammenfassung des Gesprächsverlaufs wieder. Natürlich wissen beide Akteure, warum und worüber das Gespräch (die Verhandlung) geführt werden wird. Nach dem Warming Up kommt Theo zur Sache. KVM-Beispiel (Teil 8) Theo: „Lass uns ganz entspannt über die drei Risiken sprechen, die das Gutachten herausgestellt hat. Wir haben den ganzen Tag Zeit. Lass uns weniger über Rechtfertigungen sprechen, sondern auf Lösungen ausgerichtet sein.“ Jank: „Begeistert war ich von dem Gutachten nicht, das kannst Du Dir vorstellen. Die haben mir ganz schön ans Bein gepinkelt.“ Theo: „Jank, darum geht es doch nicht. Ich denke, wir haben beide dieselben Ziele. Wir sollten unsere Wege und Mittel überdenken, wie wir sie auch erreichen. Und da sind wir beide aufeinander angewiesen. Zudem ist das Ingenieurbüro hochgradig ausgewiesen. Das musst selbst Du anerkennen. Schließlich bleibt der Bericht in der Schublade. Er geht nur uns beide an.“ Jank: „Das erwarte ich auch von Dir. Schließlich sind wir bisher einen guten gemeinsamen Weg gegangen.“ Theo: „Lass uns mit dem ersten Punkt anfangen. Du weißt: Das Release der Software. Was ist Deine Idee?“ Jank: „Wir müssen sofort updaten. Das ist keine Frage. Die Mittel sind ja auch da. Ich habe eine andere Sorge. Ohne Schulung und Einarbeitung geht das nicht. Die Software ist sehr komplex geworden. Das bindet natürlich Kapazitäten, die ich dringend wegen der Verzögerungen benötige.“ Theo: „Wir kommen nicht daran vorbei. Was können wir tun?“ Jank: „Ich habe schon mal überlegt, ob wir nicht einen oder eine Mitarbeiterin einstellen, die ausschließlich für uns die Simulationen fährt. Natürlich in Zusammenarbeit. Vielleicht können wir einen Diplomanden gewinnen, natürlich auch eine Diplomandin, aus der Hochschule, die entscheidend an der Softwareentwicklung beteiligt ist. Bei erfolgreicher Diplomierung würden wir dann eine Festanstellung machen, soweit sich der oder die Kandidat/in bewährt hat.“ Theo: „Das ist gut. Ich stimme dem zu. Ruf doch gleich mal Professor A. an. Er kann sicher jemanden empfehlen.“
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell
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– eine halbe Stunde später – Theo: „So, das haben wir erledigt. Du fährst am Montag zur Hochschule und sprichst mit ein paar Interessenten, die Dir A. vorstellt. Wir können sofort einstellen. Und eine Diplomarbeit an einer realen Fragestellung ist doch interessant. Da freue ich mich. Der Zug kommt in Bewegung.“ Jank: „Okay, ich habe eben mit meiner Sekretärin gesprochen. Sie organisiert alles. Kommen wir zum zweiten Punkt. Den Vorschlag, Six Sigma einzuführen, finde ich unangemessen. Unsere Qualitätstechniken stimmen. Und dieses Verfahren ist so kompliziert, dass ich befürchte, es bindet zuviel Manpower bei zuwenig Zusatznutzen.“ Theo: „Besonders kompliziert scheint es nicht zu sein. Du kennst Dich doch in statistischen Methoden aus. Ich musste erst einmal nachgucken. In Methoden war ich nie stark. – PAUSE– Übrigens habe ich mit S gesprochen, Du weißt, einem befreundeten Kollegen. Du müsstest ihn kennen. Die setzen die Technik seit 2004 ein und, soweit ich das verstehen konnte, mit sehr gutem Erfolg.“ Jank: „Die beiden Unternehmen kannst Du nicht vergleichen. Deren Interesse ist es, ihre Prozesse zu optimieren. Ich mache Projekte, insbesondere verfahrenstechnische Entwicklungen.“ Theo: „Das stimmt schon. Aber für beide gilt: Es geht um die Gestaltung von internen Geschäftsabläufen, sozusagen um Prozessdesigns. Ich bitte Dich, Dir das einmal in dem Unternehmen anzusehen. Lass uns beide hinfahren.“ Jank: „Du kennst meinen Terminkalender. Frühestens in zwei Monaten wäre hierfür Luft.“ Theo: „Darüber sprechen wir nach dem Lunch. Lass uns eine Kleinigkeit essen.“ – nach dem Lunch – Theo: „Ich möchte jetzt einen Cappucchino und ein Wasser. Was trinkst Du?“ Jank: „Ich muss unbedingt mal eine Bionade probieren. Alle Welt spricht davon. Und hier steht sie auf der Getränkekarte.“
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Modul 14: Ein durchgängiges Fallbeispiel
– Nach der Bestellung – in der Zwischenzeit flaxen beide ein wenig herum – Theo: „Um das nicht aus den Augen zu verlieren. Ich möchte, dass wir uns Six Sigma real life ansehen. Und nicht erst in zwei Monaten. Damit kommen wir aber auch schon zum dritten Punkt. Ich sag das mal ganz einfach: Du bist zu wenig im Unternehmen. Deine Crew braucht Dich und Du musst sie führen.“ Jank: „Bisher war das Gespräch ja wirklich konstruktiv. Jetzt bringst Du mich aber auf die Palme. Klar bin ich viel unterwegs. Aber diese Kontakte sind unser Kapital. Das weißt Du genau. Ich bin hierdurch am Puls der Zeit und, was noch entscheidender ist, durch meine Gremienarbeit kann ich den Takt mitgestalten.“ Theo: „Ich weiß. Es ist ja auch nicht so, dass ich Dir etwas vorwerfe …“ Jank: „… das will ich auch nicht hoffen.“ Theo: „Aber: Du musst im Unternehmen präsenter sein. Sonst läuft Dir Deine Crew davon.“ Jank: „Das ist Unsinn. Die meisten sind Selbstläufer, hochqualifizierte Frauen und Männer. Die brauchen keine Führung. Das sind Kollegen bzw. Kolleginnen!“ Theo: „Ich sehe das anders. Führen ist nicht unbedingt eine Herrschaftsaufgabe. Klar, ihr habt, und das finde ich gut, ein kollegiales Verhältnis in der Abteilung. Daran soll sich nichts ändern. Aber keiner von uns, weder Du noch ich, können ohne Rückmeldung aus unseren Umgebungen leben. Du warst bei vielen Aufsichtsratssitzungen dabei. Die kritischen Fragen und Anmerkungen unserer Shareholder, aber auch die Streicheleinheiten, die Anerkennungen, die wohlwollende Zustimmung zu unseren Überlegungen, sie machen stark, aber sie sind auch Wegweiser, um eigene Ideen, Konzepte, die nicht zu Ende gedacht sind, zu korrigieren. Der Aufsichtsrat führt mich – nicht unbedingt operativ, dafür aber auch deutlich und ja nicht unsympathisch. Denk mal laut darüber nach.“ Jank: „So ganz von der Hand weisen will ich das nicht. Aber: die Arbeit in den Gremien ist mein Lebenselixier …“ Theo: „Da hast Du was Bedeutendes gesagt. DEIN Elixier. Lass mich mal für einen Moment provozieren dürfen, ohne dass Du Dich angegriffen fühlst. Du lebst lieber in den akademischen Welten Deinesgleichen. Führen ist für Dich lästig, unangenehm und einfach nur
Kybernetisches Konflikt- und Verhandlungsmodell
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schnöde. Du stehst darüber. Deine Mitarbeiter und –innen stehlen Dir die Zeit. So siehst Du das.“ – Schweigen für Sekunden, die wie Minuten wirken – Jank: „Meinst Du das wirklich?“ Theo: „Beantworte Du die Frage.“ Jank: „Vielleicht hast Du recht. Klar ist es schöner, den Kongresstango zu tanzen als die trivialen operativen Alltäglichkeiten zu bewältigen. Dafür zahlen wir schließlich gute Gehälter.“ Theo: „Schon. Aber ohne einen stetigen Erwartungsabgleich und ohne Feedback entsteht keine Bewegung. Und wir müssen uns doch extrem schnell bewegen.“ Jank: „Was schlägst Du vor?“ Theo: „Was schlägst Du vor?“ Jank: „Da ist doch Frau RA. Sie hat sich in den letzten zwölf Monaten herausragend entwickelt. Können wir sie nicht zur Stellvertretenden machen?“ Theo: „Im Prinzip ja. Wenn Du bereit bist, mit mir über zwei Aspekte weiter nachzudenken. Erstens ist Frau RA nicht morgen Führungskraft, nur weil wir sie dazu berufen. Zum anderen: Du trägst die Verantwortung und wir sollten Dich wieder zurück in das Unternehmensboot holen. Will heißen: Sei bereit, über die Gremienarbeit kritisch nachzudenken. Wir können es uns einfach nicht leisten, Dich als high potential auf einen Außenministerposten abzuschieben.“ Jank (seufzt tief durch): „Ich habe Deine Botschaft verstanden. Teile sie ja grundsätzlich. Lass uns noch den Spätnachmittag genießen und dieses Problem separat angehen.“ Theo: „Einverstanden. Wenn Du Dir innerhalb von 14 Tagen mit mir Six Sigma in reality ansiehst und wenn Du mir bis Montag einen Entwurf vorlegst, wie Du Dich in Zukunft in Deiner Abteilung verstehen willst.“ Übung 64. Ableitung von Maßnahmen zur Konfliktprophylaxe
Schließen Sie aus dem gesamten Material dieses Moduls Ihre persönlichen Schlussfolgerungen. Formulieren Sie diese schriftlich als Selbstvereinbarung und setzen Sie sich Meilensteine zur Selbstüberprüfung. Dauer: ca. 30 Minuten
Anhang 1: Hinweise für die Übungen
Lösungsvorschlag für Übung 39 Versuchen Sie, die nachfolgenden Aussagen anhand des obigen Schemas zu analysieren und den jeweiligen Kategorien zuzuordnen. Dauer: ca. 30 Minuten Verhalten A
Verhalten B
A: „Wir haben dringenden Forderung Klärungsbedarf, kannst Du Dich heute Nachmittag freimachen?“ B: „Wenn es denn sein muss.“
Zustimmung
A: „Es muss. Wir wollen Attacke schließlich uns und der Firma eine Zukunft geben.“ Beide treffen sich um 15 Uhr im Konferenzzimmer. A: „Du weißt, dass unser Forderung Kontokorrentrahmen reduziert worden ist und die Bank sehr nervös reagiert. Wir müssen unbedingt als erstes ein Konzept erstellen, wie wir in Zukunft am Markt auftreten wollen.“ B: „Für den kleinen Kundenstamm brauchen wir kein großes Konzept …“
Zurückweisung
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
A: „Doch. Unsere Lage ist ja Rechtfertigung nicht ohne Grund misslich …“ B: „Klar, wir haben einen weiteren Konkurrenten bekommen …“
Zustimmung
A: „Bisher war es uns mög- Weitergabe von lich, die Konkurrenz durch bes- Information sere Leistungen abzuwehren und die Kunden an uns zu binden …“ B: „Die Kunden mit ihren laufenden Sonderwünschen und Unbeholfenheiten stören mich bei der Arbeit …“
Zurückweisung
A: „Ich denke, die Kunden Attacke sind Deine Arbeit, besser: Deine Brötchengeber.“ B: „Jetzt fang nicht wieder so an. Außerdem hat sich doch noch kein Kunde beschwert.“
Zurückweisung
A: „Glücklicherweise doch. Attacke Herr XY hat mich angerufen …“ B: „Ach, diese blöde Socke schon wieder …“
Zurückweisung
A: „Ich habe kein Verständ- Attacke nis für Deine Haltung. Ein Kunde, der sich beschwert, ist mir zehnmal lieber als ein Kun- Forderung de, der zum Wettbewerber geht. Das heißt, wir müssen uns überlegen, wie wir unseren Kundenstamm ausbauen und bestehende Kunden halten.“ B: „Du hast ja schon recht …“
Zustimmung
Lösungsvorschlag für Übung 39
A: „Ich habe mir einmal die Weitergabe von Umsätze angesehen und mich Information bei der Konkurrenz umgeguckt. Zwei Dinge stelle ich fest: Erstens wird unsere Dienstleistung K nicht angenommen – hiermit haben wir keinen müden Euro verdient – zum anderen fehlen uns neuere Dienstleistungen rund um das Internet.“ B: „Wir sollten uns nicht verzetteln. Besser ein kleines Angebot als eine Angebotsvielfalt ohne Profil …“ A: „Ja, das stimmt …“
Rechtfertigung
Zustimmung
B: „… also können wir diesen Punkt schon einmal streichen.“
Forderung
A: „Nein, ich denke, wir ma- Zurückweisung chen jeder für sich einmal ein Forderung kleines Konzept, wie unsere zukünftigen Dienstleistungen aussehen sollen, um uns deutlich zu profilieren.“ A: „Ich erwarte von Dir, dass Forderung Du dem nachkommst. Wir könnten am Montag unsere Überlegungen austauschen und ein gemeinsames Konzept unseres zukünftigen Dienstleistungsangebotes beschließen.“ B: „Bis Montag schaffe ich das nicht …“
Zurückweisung
A: „Nicht böse sein, ich er- Forderung warte es …“ B: „Mal sehen, ob ich dann Montag da bin.“
zur Klärung beitragen
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
A: Was ist Deine Alternative? Anforderung B: Wir können doch die Flipcharts nehmen und jetzt gemeinsam etwas erarbeiten.
zur Klärung beitragen
– Eine Stunde später – A: „Bist Du mit dem Ergeb- Aufforderung nis zufrieden?“ B: „Einige Sachen finde ich gut. Dein Schmusekurs mit den Kunden gefällt mir nicht.“
Zustimmung (D) Zurückweisung
A: „Ich erwarte nicht von Forderung Dir, dass Du die Kunden knutscht. Aber sie sollen mit uns sehr zufrieden sein und gerne wiederkommen. Sie müssen das Gefühl haben, dass wir immer für sie da sind. Das ist Service.“ B: „Na, da müssen wir noch einmal darüber reden. Ich sehe ja ein, dass wir Internetdienstleistungen aufnehmen müssen, aber ich kenne mich kaum aus.“
Zurücknahme (D)
A: „Dann lernen wir es eben. Forderung (O) Das ist doch kein Thema. Lass’ uns jetzt mal weiterkommen.“ B: „Womit denn noch? Es ist gleich fünf.“
Zurückweisung (O)
A: „Die schwierigste Arbeit Weitergabe von haben wir noch vor uns. Ohne Information frisches Kapital kommen wir nicht über die Runden. Und die Banken machen dicht.“ B: „Du weißt, dass ich über kein nennenswertes Vermögen verfüge.“
Weitergabe von Information
Lösungsvorschlag für Übung 39
A: „Ja, dass ist auch nicht das Thema. Ich kann mein Haus beleihen. Dann hätten wir Geld. Damit bin ich aber nur einverstanden, wenn unsere Ausrichtung klar und Erfolg versprechend ist. Das musst Du mir schon noch deutlich machen.“
Lösungssuche (I) Forderung (O)
B: „Wie soll ich das tun? Was willst Du wirklich? Mich loswerden? Dann gehe ich eben ins Angestelltenverhältnis zurück.“
Zurückweisung Drohung
A: „Unsinn. Wir haben die Verpflichtung Firma aufgebaut und werden sie auch fortführen. Wenn Du nicht so starrköpfig bist, macht es ja auch Freude, mit Dir zu arbeiten.“ B: „Ich kann nun mal nicht anders. Ich bin Tüftler, kein Verkäufer.“
Rechtfertigung
A: „Wenn Du Dir Mühe Attacke gibst, sind Deine Leistungen exzellent. Ich habe das Gefühl, der Kunde muss Dir sympathisch und am besten noch kompetent sein, dann läufst du zu Hochformen auf.“ B: „Da ist sicherlich was dran …“ A: „Bist Du einverstanden, Anforderung wenn wir auf der Basis der Matrix, die wir auf dem Flipchart entwickelt haben, konkrete Schritte ableiten und uns verpflichten, diese auch einzuhalten?“
Zustimmung
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
B: „Insgesamt schon. Können wir dies morgen weiter besprechen. Ich habe noch einen Termin auf dem Golfplatz. Wichtiger Kunde.“
Zustimmung
Lösungsvorschlag für Übung 48 Sprachakt
Taktik
1. „Aufgrund unser Untersuchungen, die Ihnen be- Attacke kannt sein sollten, erwarten wir ein deutliches Entgegenkommen ihrerseits.“ 2. „Ihr Angebot freut uns und dokumentiert die Be- Zurückweisung reitschaft, unsere erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen zu wollen. Natürlich haben wir unsererseits die Schwierigkeit, Ihr Angebot intern durchzusetzen.“ 3. „Ihren Argumenten kann ich nicht folgen, zumal Zurückweisung die den Ergebnissen unterlegte Methode wenig nachvollziehbar ist.“ 4. „Wir haben unsererseits Bewegungsbereitschaft Aufforderung gezeigt. Nun liegt es an Ihnen, in die Verhandlung Bewegung zu bringen.“ 5. „Ich habe meine Position dargestellt und auch an- Anforderung gedeutet, wie ich mir die Lösung vorstelle. Sollte (*1) jemand anderer Meinung sein?“ 6. „Wenn Sie dieses Szenario darstellen, bedeutet Anforderung dies eine Absatzverdopplung pro Jahr. Halten Sie dies nicht für sehr ambitioniert?“ 7. „Natürlich würden wir gerne auf Sie zurückgrei- Drohung fen können. Aber Sie wissen: Die Konkurrenz (*2) schläft nicht und klopft laut an die Türe.“ 8. „In den Medien: Wenn sich die andere Seite nicht Drohung endlich bewegt, weiß sie, was passiert.“
Lösungsvorschlag für Übung 50
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9. „Dieses Konzept könnte Basis für weitere Gesprä- Aufforderung che sein. Sie verwenden jedoch immer dieselben Begriffe, von denen Sie wissen, dass diese Begriffe bei einigen als Reizworte Emotionen auslösen.“ 10. „Du gleichst dem Geist, den Du begreifst. Nicht Zurückweisung mir.“ 11. „Natürlich sind erneuerbare Energiequellen von Attacke enormer Bedeutung. Aber ohne Atomstrom, das haben wir vorgerechnet, können die Emissionsziele nicht in dem Zeitraum eingelöst werden.“ (*1) Hier schwingt schon im Unterton eine gewisse Drohung mit: „Wehe, Sie sind anderer Meinung.“ Je nach Position und Gebaren wird dies auch als Drohung wahrgenommen. Sonst hätte der Sprecher sagen können: „Ich bitte um Ihre Sichtweisen.“ (*2) Die Drohung mit der Konkurrenz soll die Position des Anderen aufweichen.
Lösungsvorschlag für Übung 50 Bitte ordnen Sie den nachfolgenden Sprachakten die entsprechenden defensiven Taktiken zu: Dauer: ca. 30 Minuten Sprachakt
Taktik
1. „Nun mal langsam. Ich habe Ihnen meine Berech- Rechtfertigung nungen vorgelegt. Auch weitere Untersuchungen belegen den Zusammenhang und verweisen auf ein unübersehbares Risiko. Insofern ändere ich meine Position nicht.“ 2. „Wir haben noch einmal mit spitzem Bleistift ge- Zurücknahme rechnet und können Ihnen deutlich entgegenkommen.“ 3. „Ihre Argumente sind plausibel. An diesem Punkt Zustimmung folge ich Ihnen.“
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
4. „Soweit Sie unserem Vorschlag im Grundsatz zu- Verpflichtung stimmen, werde ich sehen, dass unserseits die von Ihnen geforderten Kriterien garantiert werden.“ 5. „Wenn Sie denn zumindest Herrn U. fördern wür- Forderung den.“ 6. „Das war ein hartes Gerangel. Aber ich unter- Zustimmung schreibe.“ 7. „Ihre Metapher ist einleuchtend. Ich folge ihr.“
Zustimmung
8. „Nehmen Sie doch das Beispiel: In den Kommu- Rechtfertigung nen, in denen die autofreien Fußgängerzonen wieder aufgehoben wurden, wird mehr Umsatz gemacht.“ 9. „Nun gut, wenn das Budget insgesamt zu kürzen Zurücknahme ist, leiste ich meinen Beitrag um 15 %.“
Lösungsvorschlag für Übung 51 Teil 1 Oben wurde bereits die Situation vorgestellt, dass auf einer Vertriebskonferenz die neue Marktstrategie seitens der Geschäftsführung vorgestellt wurde. Nachdem das globale Ziel, binnen drei Jahren das Ergebnis vor Steuern verdoppeln zu wollen, vorgestellt wurde, kommt es zum Eklat. Sprachakte
Taktiken
GF: „Damit dürfte klar sein: In drei Jahren Forderung haben wir unser Ziel den Ertrag zu verdoppeln, eingelöst.“ V1: „Das sind doch Wahnsinnsziele, die wir Zurückweisung nicht einlösen können.“ V2: „Uns steht der Preistiger im Nacken.“
Rechtfertigung
V3: „Zudem greift das Bietverfahren online Rechtfertigung immer mehr um sich, das reduziert unsere Chancen.“
Lösungsvorschlag für Übung 51
V4: „Neue Branchen. Das ist vollkommen ü- Rechtfertigung berzogen,“ wird laut: „wie sollen wir das umsetzen, unsere Zeit reicht ja gerade einmal aus und ohne Stunden am Wochenende im Büro wäre das gar nicht zu lösen.“ GF: „Meine Herren. Ich verstehe Ihre Irritati- Zurückweisung on teilweise. Auf der anderen Seite müssten Sie den Schuss doch gehört haben. Unsere Investoren erwarten die Ziele und dies, meine Herren, zu recht. Ich stehe vollkommen dahinter. Dass Sie ausgelastet sind, stimmt.
Zustimmung
Wir werden hier auch gemeinsam Entlas- Verpflichtung tungsschritte einleiten. Dazu komme ich später. Ich möchte zunächst auf das Schreckgespenst Rechtfertigung Onlinebeating eingehen. Zum einen sind unsere Gewichte sehr gut, so dass wir uns nicht in die Preisspirale begeben müssen. Zum anderen zitiere ich Ihre eigenen Vorschläge, durch Komplettpreise aus unserer Performanz Kapital zu schöpfen und zugleich dem Kunden eine auch für ihn attraktive Alternative bieten zu können. Die zum Teil von uns gemeinsam geführten Verhandlungen waren durch die Bank weg erfolgreich. Zu den neuen Branchen. Wir kennen alle die Rechtfertigung Abwanderungsgedanken eines Teils unserer Kunden. Wir leben in der Zeit globaler Arbeitsteilung. Vor diesem Hintergrund können wir Kunden verlieren, ungeachtet ob heute oder erst in zwei bis drei Jahren. Bestimmte Branchen, die auch für uns lukra- Rechtfertigung tiv sind, haben wir noch gar nicht ins Auge gefasst. Ich werfe Ihnen mal ein Chart an die Wand, auf dem Sie erkennen, welche Marktchancen wir nicht nutzen.
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
Dazu kommen noch neue Branchen, die sich Rechtfertigung aus den technologischen Entwicklungen ergeben. Auch für diese sind unsere Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung. Wenn nicht wir, dann die anderen. Ziehen Sie bitte Ihre Schlussfolgerungen daraus. Sie möchten sicher nicht, dass ich Ihre Lernfähigkeit in Zweifel ziehe.“ „V6: „Darf ich mal unterbrechen? Ich sehe auch die Entwicklung, wie Sie sie Zustimmung dargestellt haben. Ich meine auch, dass es dringend erforderlich Zustimmung ist, uns von bestimmten Aufgaben zu befreien, die sich delegieren lassen. Sie wissen aber auch, Attacke dass es sehr zeitaufwendig ist, über Referenzprojekte in neue Branchen einzudringen. In vielen Fällen stehen unsere Wettbewerber bereits in den Unternehmen – und die machen ihre Arbeit auch nicht schlecht.“ GF: „Schön zu hören, dass Sie zumindest meine Grundauffassung teilen. Natürlich kostet Verpflichtung es Kraft, eine neue Branche zu erobern. Aber erstens, da müssten Sie mich doch hinreichend kennen, lasse ich Sie nicht im Regen stehen. Zweitens bieten wir Ihnen Hilfen, um eine Wertschöpfungskette umfassend abgreifen zu können.“ V4: „Wenn ich mich in meiner Region auf das Attacke Spiel einlassen soll, laufe ich Gefahr, meine bestehenden Kunden zu vernachlässigen. Die sind sehr anspruchsvoll und wollen auch dann hofiert Forderung werden, wenn keine Aufträge vorliegen. Außerdem, und dieses Problem muss erst einmal gelöst Zurückweisung werden, brauchen wir Fachpersonal, das die Arbeit vor Ort auch machen kann. Wo sollen wir die denn herbekommen? Ich bleibe dabei: Die Ziele sind der helle Wahnsinn.“
Lösungsvorschlag für Übung 51
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GF: „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten. Drohung Entweder setzen wir die Konferenz fort, um gemeinsam erste Schritte zu formulieren. Oder aber, wir beenden die Runde und ich erwarte von Ihnen binnen 14 Tagen eine dezidierte Dreijahresplanung mit den genannten Zielen. Ich habe keine Lust, in diesem kompetenten Zurückweisung Kreis, der jede Stunde ein paar tausend Euro kostet, über notwendige Kundenbetreuung zu sprechen. Natürlich müssen wir ernste Risiken und Schwächen benennen. Allerdings nicht als Rechtfertigung des Nichtstuns, sondern als Aufgaben, die wir zu bewältigen haben. Mein Vorschlag. Es ist jetzt halb Eins, im Ne- Aufgabenorientiertes benzimmer hat Frau X einen Imbiss vorbereitet, Verhalten wir machen eine halbe Stunde Mittagpause, Sie können sich untereinander verständigen, welcher Weg Ihnen lieber ist. Teil 2 Sprachakte
Taktiken
„Ich freue mich, dass Sie Zeit gefunden haben. AufgabenLassen Sie mich zunächst kurz unser Unternehmen orientierung vorstellen.“ „… und darum habe ich Ihnen den Vorschlag un- Aufgabenterbreitet, für die Dienstleistung X ein Joint Ven- orientierung ture – mal unabhängig von der organisatorischen Form – einzugehen.“ „Danke, dass war sehr aufschlussreich. Bevor wir Weitergabe von Ihre Idee aufgreifen, lassen Sie mich zunächst die Information Philosophie unseres Hauses darstellen. Die Dienstleistung X bieten wir als Bereich unserem Unter- Zurückweisung nehmen an. Es gibt auch derzeit keine politische Strömung, diese Leistung auszugründen, dazu gehörte auch die von Ihnen ja verdeckt formulierte Erwartung, den Bereich in eine eigenständige Unternehmung zu überführen.“
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
„… das eigenständige Unternehmen wäre ja nur Attacke eine Möglichkeit und Sie wissen ja, dass Ihr Wettbewerber diesen Weg gegangen ist.“ „… ja sicherlich, aber unsere Sicherheitsphiloso- Rechtfertigung phie basiert gegenwärtig auf Eigenleistungen. Hier sind wir bekanntermaßen führend und wollen dies auch bleiben. Das gelingt zumindest besser, wenn die Dienstleistung im Hause bleibt. Wir verfügen Aufgabenüber eine großzügige Ausstattung. orientierung Eine andre Frage ist natürlich, ob wir nicht dennoch Formen der Kooperation finden können, denn Ihr Unternehmen ist ja sehr reputiert.“ „Was sind Ihre Vorstellungen zu einer Kooperati- Anforderung on?“ „Nun, ich denke, Sie könnten bestimmte Leistun- Aufgabengen in unserem Hause erbringen, umgekehrt könn- orientierung ten wir in der Tat gemeinsam eine Dienstleistung Y konfigurieren und in den Markt einführen.“ „Natürlich freut mich Ihr Angebot. Ich sehe aller- Zustimmung dings die Schwierigkeit der neuen Dienstleistung Y Rechtfertigung darin, dass uns die Ressourcen fehlen, um auf Augenhöhe mitentwickeln zu können.“ „Das ist ja einfach nur eine Frage der prozentua- Lösungslen Beteiligung, wir können eine Binnenabrechnung vorschlag schaffen und den Profit entsprechend der Investitionsverhältnisse aufteilen.“ „Ich persönlich wäre mit einer solchen Lösung im Zustimmung Prinzip einverstanden. Aber Sie kennen unsere Sha- Zurückweisung reholder, die im Fall von Kooperationen die Mehrheit in der Hand halten möchten.“ „Das erschwert natürlich eine Umsetzung. Wel- Anforderung che Lösungen sehen Sie?“
Lösungsvorschlag für Übung 51
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„Was halten Sie von dem Vorschlag, wenn wir Lösungszunächst in der Tat für Sie tätig werden. Auf der an- vorschlag deren Seite würden wir dann auf Ihre Mitarbeiter zurückgreifen, wenn uns die bekannten Großaufträge mehr Ressourcen abverlangen als wir zur Verfügung haben.“
Teil 3 Aussage
Taktik
K: „Herr B., ich kann mich im Grundsatz mit Ihrem Angebot, mein Unternehmen zu erwerben, anfreunden. Über den möglichen Kaufpreis hatten wir ja schon gesprochen. Dennoch müssen wir weitere Aspekte berücksichtigen.“
Zustimmung Anforderung
B: „Es freut mich, ihre grundsätzliche Entscheidung zu Zustimhören. Das ist auch ein Vertrauensbeweis und natürlich mung können wir über alles reden.“ K: „Wichtig ist mir, dass Ihr Unternehmen meine Mitar- Forderung beiter und Mitarbeiterinnen übernimmt. Sie waren stets loyal und sind wirklich motiviert und qualifiziert.“ B: „Im Prinzip steht dem nichts im Wege. Herr T. hat die ZustimPersonalunterlagen durchgearbeitet. In die abschließende mung Bewertung des Kaufpreises müssen wir natürlich betrieb- Forderung liche Altersansprüche einrechnen.“ K: „Mir liegt es insbesondere am Herzen, Herrn U. zu Forderung fördern. Ich habe ihn erst vor einem Jahr eingestellt und er sollte eine führende Position übernehmen, um mich zu entlasten. Damals war ja der Verkauf noch nicht einmal angedacht.“ B: „Ich denke, wir finden eine befriedigende Lösung. ZustimFür gute Leute ist in unserem Unternehmen immer Platz.“ mung K: „Was halten Sie davon, wenn Sie Herrn U. zum Nie- Lösungsderlassungsleiter ernennen?“ vorschlag
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Anhang 1: Hinweise für die Übungen
B: „Die Idee ist prächtig. Noch wissen wir beide ja nicht (bedingte) genau, in welchem Umfang wir den hiesigen Markt erobern Zustimkönnen. Sollte die Absicht entstehen, mit Ihrem Unterneh- mung men eine weitere Niederlassung zu eröffnen, wäre dies sicherlich eine Option.“ K: „Es wäre wirklich schade, wenn an diesem Thema die Drohung Verhandlungen scheitern würden.“ B: „Sie haben doch sicher noch weitere Anliegen?“
Anforderung
K: „Nun, wir beide wissen doch, dass mein Unterneh- Forderung men über meinen Namen seine Reputation erworben hat. Schön wäre natürlich, wenn wir zumindest für eine Übergangszeit den Namen beibehalten könnten.“ B: „Herr K., ich baue doch auf Ihre Reputation. Sie sind (bedingte) es, der die Beziehungen zu den Kunden in den Händen hat. ZustimHier müssen wir uns grundsätzlich überlegen, wie wir den mung Transfer gestalten. Ohne Sie geht gar nichts.“ K: „Das ehrt mich zu hören. Natürlich werde ich Sie Verpflichbzw. Ihre Mitstreiter bei unseren Kunden einführen.“ tung B: „Was halten Sie davon, wenn wir jetzt Essen gehen guten und die weiteren Feinheiten bei einem guten Glas Wein be- Appetit sprechen?“
Lösungsvorschlag für Übung 52
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Lösungsvorschlag für Übung 52 Beispiel „Inhaberkonflikt“ (1) Zwei Inhaber verhandeln (streiten) über die Neuaufstellung ihres Unternehmens. Dabei verfolgen beide entgegen gesetzte Strategien. Sprachakte
Taktiken
Inhaber A: „Ich denke, dass wir uns einig sind, Rechtfertigung uns neu positionieren zu müssen. Ich möchte noch (Begründung der einmal meine Position deutlich machen. Erstens eigenen Position) müssen wir unser Serviceangebot erweitern und unsere besonderen Leistungen deutlicher herausstellen. Darin eingebettet sein muss auch eine bessere und zielgerichtetere Kundenbetreuung. Gerade unsere A-Kunden müssen mehr hofiert werden. Zum anderen müssen wir unsere Produktpalette ausweiten und diese Produkte stärker bewerben. Streng genommen müssen wir mehr und besser kommunizieren.“ Inhaber B: „Klar, wir haben auch gerade die (a) ZurückMittel, um erstens Produkte einzukaufen und zwei- weisung tens Personal vorzuhalten, um Deinen Forderungen zu entsprechen. Ich bin der Meinung, dass wir uns ganz eindeutig als Serviceunternehmen positionie- (b) Forderung ren sollten und den Produktverkauf vollkommen aufgeben. Du könntest die Betreuung der Kunden übernehmen und ich verantworte die Werkstatt.“ Inhaber A: „Dieser Weg ist mir zu bequem und geht übrigens an den Bedürfnissen der Kunden vorbei. Die wollen alles aus einer Hand und sich nicht mit verschiedenen Personen oder Zulieferanten abgeben. Ich sehe die große Gefahr, dass dann Produktanbieter das Geschäft machen und wir weiter Umsatz verlieren.“
(a) Zurückweisung
(b) Rechtfertigung
Inhaber B: „Ich habe mit der Firma XY gespro- Lösungsvorschlag chen. Die sind durchaus bereit, ihren Service auszulagern. Wenn wir noch zwei oder drei weitere Unternehmen finden, die dazu bereit sind, dann haben wir einen „automatischen“ Kundenstamm.“
290
Anhang 1: Hinweise für die Übungen
Inhaber A: „… und sind vollkommen von Drit- Zurückweisung ten abhängig. Nein, ich spreche mich um jeden Preis dafür aus, die Wertschöpfungskette zu erweitern und trete auch gerne zu XY und Co in den Wettbewerb.“ Inhaber B: „Was heißt um jeden Preis?“
Anforderung
Lösungsvorschlag für Übung 53 Beispiel „Inhaberkonflikt“ (2) Sprachakte
Taktiken
Inhaber A: „Unsere Zusammenarbeit hat sich be- Forderung währt und ich möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Wir ergänzen uns in unseren Stärken doch sehr gut.“ Inhaber B: „Das verstehe ich jetzt als eine ver- Zurückweisung steckte Drohung. Du erwartest von mir, dass ich Dir bedingungslos entgegenkomme.“ Inhaber A: „Nicht bedingungslos, sondern zu- Forderung nächst nur „im Prinzip“, nämlich das wir den Service und den Produktverkauf ausweiten.“ Inhaber B: „Vorschlag: Wir verheddern uns im Moment. Lass mich darüber schlafen und morgen weiter sprechen.“
Lösungsvorschlag für Übung 55
291
Lösungsvorschlag für Übung 54 Beispiel „Inhaberkonflikt“ (3) Sprachakte
Taktiken
Am anderen Tag wird das Gespräch fortgesetzt. Inhaber B: „Du weißt, dass ich Servicemensch Rechtfertigung aus Leidenschaft bin. Insofern fällt es mir schwer, über Produktverkauf nachzudenken. Und meinen Anforderung Schwerpunkt will ich nicht aufgeben – wenn Du so (einer Lösung) willst, auch um jeden Preis. Und ich weiß auch nicht, wie wir den Einkauf der Produktpalette finanzieren sollen. Du weißt, dass mein Haus beliehen und mein persönlicher finanzieller Spielraum eng ist. Unsere eigenen Firmenrücklagen sind geschrumpft, davon können wir gerade einmal unsere Werbemaßnahmen finanzieren.“ Inhaber A: „Ja, ich weiß. Ich habe mit meiner Lösungsvorschlag Frau gesprochen. Wir wären bereit, auf unser Haus eine Hypothek zu nehmen, durch die wir eine Finanzierung sichern.“ Inhaber B: „Dann stehe ich in Deiner Schuld. Zurückweisung Das passt mir ja nun gar nicht.“ Inhaber A: „Was soll das. Mit einem Teil Deiner Lösungsvorschlag Tantieme zahlst Du Deinen Anteil zurück. Insgesamt haben wir dann mehr als wenn wir so weiter krauchen.“ Inhaber B: „Käme ich Deiner Vorstellung nach, Anforderung was wären denn deine konkreten Ideen dazu?“
292
Anhang 1: Hinweise für die Übungen
Lösungsvorschlag für Übung 55 Beispiel „Inhaberkonflikt“ (4) Sprachakte
Taktiken
Inhaber A: „Wir sollten die Schwerpunkte bei- Lösungsvorschlag behalten: Du verantwortest den Service, ich die Produkte. Intern sollten wir unsere Arbeitsschwerpunkte verlagern. Gerne übernehme ich die Kundenbetreuung, soweit Du nicht sowieso im Kontakt stehst. Auch das Marketing will ich verantworten, natürlich in Absprache mit Dir, dass ist ja keine Frage. Aber Du bist nun mal der etwas introvertierte Tüftler, das ist ja auch gut, und ich entlaste Dich so, dass Du Deine Servicespielräume hast.“ Inhaber B: „Okay, wenn Du es so siehst, kann Zustimmung ich da grundlegend mit leben. Wir sollten natürlich die Feinheiten noch ausführlich besprechen.“ Inhaber A: „Na klar, wir können ja jetzt einen Zustimmung groben Fahrplan entwickeln und ihn bis Ende nächster Woche verfeinern. Dann weiß jeder, woran er ist. Den Neuanfang sollten wir mit unseren Frauen in unserem Stammrestaurant würdigen.“
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
Teil 1: Allgemeine Beschreibung des Konflikts 1.1 Beschreiben Sie zunächst den Konflikt aus Ihrer Sicht so, dass ein Unbeteiligter ihn verstehen kann.
1.2 Beschreiben Sie die Konflikthistorie, soweit es sich nicht um einen Ad-hoc-Konflikt handelt. Wann und unter welchen Begebenheiten traten erste Störungen auf?
1.3 Benennen Sie auftretende Spannungen.
294
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
1.4 Verdeutlichen Sie, wann die Situation in einen Konflikt umgeschlagen ist.
1.5 Wie wurden in dieser Beziehung Konflikte in der Vergangenheit bewältigt?
1.6 Gibt es nach Ihrer Ansicht einen tiefer liegenden Konflikt? Mit anderen Worten: Ist der von Ihnen beschriebene Konflikt nur der sichtbare Teil des Eisberges?
1.7 Ist die andere Konfliktpartei ebenfalls davon überzeugt, dass ein Konflikt besteht?
1.8 Schätzen Sie bitte die Intensität, mit der Sie der Konflikt belastet, ein. sehr stark o-----o-----o------o-----o-----o gar nicht
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
295
1.9 Wie meinen Sie, würde Ihr Konfliktpartner seine Belastung einschätzen? sehr stark o-----o-----o------o-----o-----o gar nicht
1.10 Beschreiben Sie Ihre Wunschvorstellung: Zu welchem Ergebnis sollte die Konfliktbewältigung kommen? Beschreiben Sie auch Ihre Mindesterwartung an ein Ergebnis.
1.11 Versuchen Sie diese Beschreibung aus der Perspektive der anderen Konfliktpartei.
1.12 Beschreiben Sie die vermutete Mindesterwartung aus der Perspektive der anderen Konfliktpartei.
296
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
Teil 2: Vertiefte Konfliktdarstellung 2.1
WER ist am Konflikt unmittelbar beteiligt?
2.2
Wirken BEEINFLUSSENDE Personen/Gruppen auf die Konfliktparteien? Wenn ja, welche? Wie wirken sie ein?
2.3
Beschreiben Sie den Konfliktgegenstand präziser.
2.4
Welche Verhaltensweisen der anderen Konfliktpartei sind nicht mit dem gemeinsamen Ziel vereinbar?
2.5
Welche Abhängigkeitsstrukturen bestehen?
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
2.6
Welche Forderungen werden gestellt?
2.7
Welche Konzessionsbereitschaft liegt vor?
2.8
Welche Lösungsalternativen liegen vor?
2.9
Welche Emotionen werden frei?
297
298
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
Teil 3: Beschreibung von Verhaltensweisen und Forderungen 3.1
Worin besteht der Konflikt?
Meine Interessen und Ziele.
3.2
Welche Verhaltensweisen Ihres Konfliktpartners behindern welche Ihrer Verhaltensweisen?
Seine/Ihre Verhaltensweisen
3.3
behindern
meine Verhaltensweisen
Welche Ihrer Verhaltensweisen behindern das Verhalten Ihres Konfliktpartners?
Meine Verhaltensweisen
3.4
Die Interessen und Ziele meines Konfliktpartners.
behindern
sein Verhalten
Welche Verhaltensweisen Ihres Konfliktpartners haben Sie besonders irritiert oder geärgert?
Seine Verhaltensweise
Meine Gedanken
Meine Empfindungen
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
3.5
Welches sind Ihre Forderungen an den Konfliktpartner? Welches sind die vermuteten Forderungen an Sie?
Meine Forderungen
Seine (vermuteten) Forderungen
Teil 4: Bewältigungsbereitschaft 4.1
Wie intensiv ist Ihr gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis? stark o------o-----o-----o------o-----o schwach
4.2
Ist der Konflikt umgehbar? stark o------o-----o-----o------o-----o schwach
4.3
Wie stark ist Ihr Interesse an einer Konfliktbewältigung? stark o------o-----o-----o------o-----o schwach
4.4
299
Können Sie/Ihr Konfliktpartner zu einer Konzession bereit sein? stark o------o-----o-----o------o-----o schwach
300
Anhang 2: Bogen zur Konfliktanalyse
Teil 5: Verhandlungsflexibilität Merkmale
Ich stark
Mein Konfiktpartner schwach
stark
schwach
1.
Deutlich Forderungen stellen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
2.
Den anderen zurückweisen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
3.
Selbstverpflichtung zeigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
4.
Drohungen aussprechen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
5.
Attackieren
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
6.
Auf- und Anforderungen tätigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
7.
Zustimmung signalisieren
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
8.
Eigene Forderungen zurücknehmen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
9.
Sich verpflichten
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
10. Sich rechtfertigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
11. Akzeptanz zeigen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
12. Information weitergeben
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
13. Zur Klärung beitragen
o—o—o—o—o—o—o
o—o—o—o—o—o—o
14. Suche nach Problemlösung
o—o—o—o—o—o—o
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Glossar
Die nachfolgernden Erläuterungen sind eher umgangssprachlich formuliert. Studierende oder Experten/Expertinnen finden im laufenden Text die entsprechenden Literaturverweise zur Vertiefung. Adaption Form des (gemeinsamen) Lernens, durch das eine aktive, gestaltende Neuanpassung zwischen sozialen (Sub-)Systemen hergestellt wird (Form des sozialen Lernens). Aggregate, soziale Soziale Systeme weisen unterschiedliche Komplexitäten auf. Die kleinste Einheit eines sozialen Systems ist das Individuum. Dyaden (z.B. Paarbeziehung), Gruppen (z. B Wanderverein), Organisationen (z. B. Unternehmen, institutionalisierte Religionsgemeinschaften), Metaorganisationen (z. B. Verbände), Nationalstaaten, Staatenverbünde (z. B. EU) sowie global geregelte Zweckgemeinschaften (z. B. WTO) und transnationale Regulierungsorganisationen (z. B. UNO) lassen sich als unterschiedlich komplexe soziale Aggregate beschreiben. Jedes Aggregat ist im Verständnis der Systemtheorien gegenüber seinen Umwelten abgrenzbar (abgeschlossen). Akkomodation Die regressive Akkomodation (interne Ausblendung) beschreibt den Prozess, durch den der einen Widerspruch erzeugende Teil der Umwelt ausgeblendet wird, während durch die reaktive Akkomodation (konstruktive Milieuanpassung) ein Teil der Wirklichkeitskonstruktion umstrukturiert wird. Allmendeklemme, -dilemma, -tragödie Allmende = Gemeinschaftsgut, das von der frühen Weide einer Dorfgemeinschaft bis hin zu inzwischen globalen Ressourcen, wie etwa das Klima und seine damit verbundenen Herausforderungen, oder etwa den Weltmeeren und den darin liegenden Gefahren der Überfischung reichen. Die drei Begriffe bezeichnen unterschiedliche Grade der Übernutzung eines Gemeinschaftsgutes. Die Allmendeklemme beschreibt die Eingren-
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zungen eines jeden Gemeinschaftsmitgliedes in der Nutzung des Gemeinschaftsgutes. Zum Allmendedilemma entwickelt sie sich, wenn eine (kollektive) Haltung nach dem Motto entsteht: Halte ich mich an die Regeln, wird ein anderer diese Ressourcen statt meiner zu nutzen wissen. Die Allmendetragödie ist entstanden, wenn aus dem Dilemma heraus alle Akteure die Ressourcen soweit übernutzen, dass irreversible Schäden entstehen, die sich nicht mehr national- oder globalwirtschaftlich begründen lassen. Dabei können wir zwischen zwei Begründungsebenen unterscheiden: (1) Die Tragödie besteht in einem unkalkulierbaren Verhältnis zwischen Investition und Wiederherstellung des Gemeinschaftsgutes (keiner weiß genau, wie es ausgeht: siehe Klimawandel) und (2) dem Bestreben, Gewinne aus der Allmendenutzung zu „individualisieren“, deren Kosten jedoch zu kollektivieren. Die Nutzung des Atomstroms bietet ein extremes Beispiel. Selbst wenn man sich als Befürworter eines Nuklearkraftwerkes outen würde, käme man nicht um die kollektive Verantwortung der Strahlungsgefahren umhin: Der Lebenszyklus der Nuklearindustrie unterschreitet um ein Vielfaches die Halbwertszeiten der Strahlungsstoffe. Letztendlich werden die abfallbeseitigenden Spätmaßnahmen immer kollektiviert werden. Alternative, attraktive Menschen bewerten den Aufenthalt in sozialen Systemen nach subjektiven „Befriedigungsmaßstäben“ entlang ihrer ebenfalls subjektiven Bedürfnisausformung. Diese Bewertung findet auf zwei Ebenen statt: Nämlich wie sie ihren emotionalen Erlebnishaushalt in gegebenen Situationen ausbalancieren können und zweitens, welche subjektiv eingebildeten Alternativen ihnen zur Verfügung stehen. Sind sie der Meinung, die bestehende Situation sei weniger befriedigend als eine mögliche Alternative, bewerten sie diese als besonders attraktiv. Die Vermutung liegt nahe, dass, je emotionaler die Entscheidungslandschaft geprägt ist, desto weniger werden die Wechselkosten bedacht. Altruismus Das (christlich geprägte) Prinzip der uneigennützigen Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden wird durch Forschungsergebnisse der letzen 20 Jahre deutlich relativiert. In der Tat erkennen wir eine spontane Hilfsbereitschaft, wenn sich Menschen in besonderer Not befinden. Die in verschiedenen Disziplinen zusammengetragenen Ergebnisse zeigen aber auch folgendes Bild: Die Bereitschaft zu altruistischem Verhalten steigt mit der Annahme des Helfenden, dass ihm/ihr in ähnlicher Situation auch geholfen werden würde. Insofern steht selbst hinter dem Uneigennützigkeitsprinzip ein sog. Reziprozitätsempfinden.
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Assimilation Neuartige Eindrücke werden umgeformt und in die bestehende Wirklichkeitskonstruktion integriert. Widersprüche werden uminterpretiert, die bestehende Wirklichkeitskonstruktion wird bestätigt. Balance Vereinfacht versucht dieser Begriff die Wechselbeziehung zwischen sozialen Systemen grundlegend zu erfassen. Menschen fühlen sich dann „wohl“, wenn sie der Meinung sind, dass zwischen dem, was sie „geben“ und dem, was sie „bekommen“ ein weitestgehendes Gleichgewicht besteht. Dieser „Austauschgedanke“ konnte in vielen Untersuchungen prinzipiell bestätigt werden, wenngleich das Balancegefühl von verschiedensten „nicht wahrnehmbaren“ Bedingungen beeinflusst ist. Bedürfnisse Die biologische Reproduktion bildet das Fundament von Bedürfnisstrukturen. Je entwickelter Spezies sind, desto mehr Bedürfnisebenen erweitern das biologische Reproduktionsmodell. Der „homo sapiens sapiens“ verfügt demnach über eine Bedürfnis“taxonomie“, die der Psychologe Maslow als Bedürfnispyramide abgebildet hat. Dieses Modell liefert sicherlich heute keine hinreichenden Erklärungen für den komplexen Bedürfnishaushalt der Menschen. Dennoch liefert es im Sinne einer didaktischen Vereinfachung ein eingängiges Verständnis von Bedürfnissen. Die Ausformung der einzelnen Bedürfnisbereiche unterliegt kulturellen und individuellen Variationen. Bedürfnisausformung, Wandel der Nicht die taxonomisch darstellbaren Bedürfnisse, sondern die (Lebens-)Art und -Weise, wie sie in den biografischen Lebenszyklen der Menschen von Bedeutung sind, verändern sich auf eine nur schwer nachvollziehbare Weise. Neben kritischen Lebensereignissen sind es oft schleichende Prozesse, die zu einer Veränderung der Lebensausformung führen. Bedürfnisbefriedigung Befriedigung kennen wir aus sexuell orgastischem Erlebnis. Das Befriedigungskonzept geht aber weit darüber hinaus. Das deliciöse Dinner „for two“, das gemeinsame Erfolgserleben, das Gefühl, momentan beheimatet zu sein, die Euphorie, etwas durchschaut oder der Stolz, ein Ziel erreicht zu haben, aber auch schlicht, die Geborgenheit, den oder die andere Person neben sich zu spüren, bilden fundamentale – subjektive – Befriedigungserlebnisse. Insofern dürfen wir durchaus auch die diversen Kulturartefakte
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von hohem Imagewert als materiellen Ersatz für authentische Bedürfnisbefriedigungen betrachten. Bestrafung Bestrafung bezeichnet zunächst die Durchsetzung von Strafe. Strafe ist ein höchst subjektiver Begriff und bezeichnet also einen als unangenehm erlebten Eingriff am Individuum. Der Grundgedanke ist folgender: Ein Mensch verhält sich in bestimmter Weise und ein anderer Mensch (oder andere Menschen, Gruppen, …) reagiert hierauf bestrafend, indem er zu Bestrafenden unangenehmen Situationen aussetzt oder angenehme Konsequenzen vorenthält bzw. entzieht. Beziehung Beziehung ist – zumindest im Verständnis demokratischer Systeme – ein diskursiver Akt zum Aufbau und zur Sicherstellung einer Æ Balance. Exund implizit sind damit unterschiedliche Erwartungen verbunden. Beziehungsqualität Beziehungsqualität kann als die situativ und darin auf Dauer vermutete Balanceerwartung formuliert werden. Häufen sich Situationen, in denen diese Balance nicht erlebt wird, schlagen Situationen in Konflikte um. Als Indikatoren einer Beziehungsqualität können u. a. Grad der Zufriedenheit, Gestaltungsspielraum, emotionales Klima und der Umfang sowie die Qualität der Bedürfnisbefriedigung genannt werden. Dependenz Formen der Abhängigkeit mindestens einer Person von einer anderen. Dominante Formen sind die Verhaltens- und die Schicksalskontrolle. Dritte Dritte sind Personen oder andere soziale Aggregate, die mittelbar auf einen Konflikt oder eine Verhandlung Einfluss ausüben. Unter dem Begriff der neutralen Dritten werden Mediatoren oder Schlichter verstanden. Erwartungs- und Einigungsraum Konfligante Sichtweisen lassen sich in einem Erwartungsraum abbilden. Er beschreibt die Unterschiede im „Moment des Konfliktes“ ohne die Optionen eines Entgegenkommens zu berücksichtigen: Maximalerwartungen stehen sich gegenüber. Im Wissen, dass die soziale Interdependenz nicht aufgegeben werden soll oder kann, verfügen oder entwickeln die Kontrahenten einen Spielraum des Entgegenkommens. Diesen bezeichnen wir als subjektiven Eini-
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gungsraum. Überschneiden sich beide subjektiven Einigungsräume, sprechen wir von einem positiven Ergebnisraum: das Ergebnis liegt (mit hoher Wahrscheinlichkeit) innerhalb der Schnittmenge der Erwartungen. Liegen beide Einigungsräume auseinander, sprechen wir von einem negativen Erwartungsraum. Noch ist keine Aussicht vorhanden, eine Schnittmenge herzustellen, um darin dann schließlich einen positiven Ergebnisraum zu formulieren. Erst wenn die Kontrahenten bereit sind, ihre Widerstandspunkte, nämlich die Grenzen hin zu einem positiven Einigungsraum zu verschieben, entsteht eine Chance, den Konflikt konstruktiv zu bewältigen. Emotionen in Konflikten und Verhandlungen Je intimer und weniger rational soziale Aggregate gestaltet sind, desto stärker sind Konflikte und Verhandlungen von Emotionen und sie begleitender Affekte beeinflusst. Die Bedeutung und die Rolle der Emotionen wurde in dieser Publikation weitgehend ausgespart, da die psychologischen Zusammenhänge zwischen Emotionen, Kognitionen und Verhalten den Rahmen gesprengt hätten. Ergebnis siehe Verhandlungsergebnis Ermüdungseffekt Ein Ermüdungseffekt taucht in einer Verhandlung auf, wenn die verhandelnden Parteien über längere Perioden in einen ausschließlich defensiven Austausch treten. Erwartung Erwartungen sind die an ein/e andere/s Person/soziales Aggregat gerichteten Ziele, Interessen, Bedürfnisse. Sie können materieller oder immaterieller Natur sein. Auch müssen Erwartungen nicht zwingend expliziert sein. Nicht selten erwarten Personen von anderen, aus dem Beziehungskontext heraus Erwartungen erschließen zu können. Erwartungen, unerfüllte Erwartungen sind unerfüllt, wenn sie nicht in der Häufigkeit, Intensität oder Qualität die Bedürfnisausformung des Erwartenden befriedigen. Erwartungsfrustration Als Folge unerfüllter Erwartungen kann eine Frustration entstehen, aufgrund derer sich ein Konflikt verschärft (eskaliert).
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Gefangenen-Dilemma Das Gefangenen-Dilemma (engl. Prisoner’s Dilemma) beschreibt eine in vielfältigen Forschungsprogrammen übernommene Situation, in der Akteure die Alternativen besitzen, gegeneinander oder miteinander ein (Spiel-)Ergebnis zu erzielen. Gewinn Im Konflikt- und Verhandlungszusammenhang sprechen wir von Gewinn als Folge des Verhaltens in Null- und Nichtnullsummenspielen. In Nullsummenspielen gewinnt der Eine, was der andere verliert. In Nichtnullsummenspielen unterscheiden wir drei Formen des Gewinns: x die absolut erhaltene Anzahl an ausgeschütteten Gewinnelementen (Punkte, Geld, …) x die zum Mitspieler in Beziehung gesetzte Anzahl an Gewinnausschüttungen x ein scheinbarer Gewinn liegt vor, wenn zwar Gewinnanteile erwirtschaftet wurden, diese jedoch unterhalb eines kritischen Wertes liegen. homo … Aus dem lateinischen die Grundform für den Menschen als Spezies. Neben dem homo sapiens sapiens als der aufrecht gehende Mensch haben die verschiedenen Fachdisziplinen dem Menschen noch andere Wesensattribute zugeschrieben, u. a.: homo conflictus Mit dem Begriff homo conflictus wollen wir darauf hinweisen, dass es im Wesen des menschlichen Zusammenlebens liegt, gewollt oder ungewollt Konflikte zu erzeugen. Sie sind Lebensbestandteil des sozialen Mit- und Gegeneinanders. homo oeconomicus Insbesondere volkswirtschaftliche Sichtweisen auf das Wesen des Menschen beschreiben ihn als einen rationalen, an wirtschaftlichen Vorteilen ausgerichteten Akteur. Der homo oeconomicus bildet den Grundtyp des Neoliberalismus. homo reciprocans In Erweiterung zum homo oeconomicus wird der homo reciprocans als Wesen beschrieben, das zwar auf eigene Vorteile durchaus bedacht ist, dies jedoch nicht um jeden Preis. Demnach orientiert sich der Mensch entscheidend an einer (subjektiv empfundenen) Balance des Gebens und Nehmens.
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homo sociologicus Der von Dahrendorf in die Rollendiskussion eingebrachte Begriff beschreibt den Menschen als Wesen, das ohne soziale Bezüge und Systeme nicht seine Wesenheit realisieren kann. Um die verschiedenen Erwartungen zwischen Menschen besser und konfliktärmer koordinieren zu können, übernimmt der einzelne verschiedene Rollen. Individualismus Wir berufen uns als Menschen gerne auf unsere Einmaligkeit und das Recht, diese auch ausleben zu können. Der soziale Mensch wäre dann einer, dessen Grenzen der Einmaligkeit durch die übergeordneten Interessen der Gruppe eingegrenzt sind. Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt sich unter dem Begriff des Hedonismus eine verstärkte Tendenz, sich zunehmend an den eigenen Wünschen und Interessen und weniger an denen der sozialen Gruppen auszurichten. Interessen Von Interesse sprechen wir, wenn ein Mensch/eine soziale Gruppe gegenüber einer Sache oder einem anderen sozialen Aggregat eine besondere Aufmerksamkeit oder eine besondere Anteilnahme entgegenbringt. Interaktion Die Interaktion beschreibt alle Formen der aufeinander folgenden Austauschbeziehungen von Lebewesen. Interdependenz Soziale Systeme funktionieren nur dann, wenn die in ihnen vereinbarten Ziele, Erwartungen, Forderungen, Handlungsmuster aufeinander abgestimmt sind. Hierdurch besteht ein wechselseitiges Abhängigkeitsmuster, das nicht zwingend ausgeglichen sein muss. Interpenetration Der gegenseitige Einfluss innerhalb und zwischen sozialen Systemen und die sie umgebenden Milieus verläuft nicht nach einfachen kausalen Mustern. Vielmehr durchdringen sich die Einflusskräfte oft auf einer unvorhersehbaren Weise. Diesen dynamischen Aspekt beschreibt dieser Begriff. Kognitiv-kommunikative Asynchronität Menschen sprechen häufig über ein und dasselbe und meinen dennoch unterschiedliche Dinge, selbst wenn sie über einen gemeinsamen kulturellen Zeichen- und Begriffsapparat verfügen. Durch die Migration vieler unterschiedlicher kultureller Identitäten zerfließen die „Semantiken“ zwischen
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handelnden Akteuren und müssen immer wieder neu erobert werden. Hier befinden wir uns in einem Umbruch, der weder wissenschaftlich noch pragmatisch erobert ist. Kommunikation und Konflikt Der Mensch ist Mensch (im Sinne des homo sapiens sapiens) durch sein differenziertes und reflexives Kommunikationsgebaren. Und der Mensch kommuniziert immer. Es gibt keine Nicht-Kommunikation (Watzlawick?) Selbst der nicht erinnerte Traum ist Selbst-Kommunikation. Insofern kommt ihr eine doppelte Rolle zu: Kommunikation katalysiert Konflikte wie sie sie in Verhandlungen zu bewältigen versucht. Konfliktanalyse Instrument zur Analyse eines Konfliktes mit dem Ziel, die eigene und die vermutete Perspektive des Konfliktgegenübers besser verstehen und für eine Verhandlung besser vorbereiten zu können. Konfliktarten In der Praxis unterscheiden wir zwischen Ziel- und Mittelkonflikten. Zielkonflikte sind durch unterschiedliche Ziel-, Bedürfnis-, Interessenauffassungen definiert. In Mittelkonflikten besteht Commitment über die Zielbereiche, jedoch Dissens, wie diese erreicht werden sollen. Mittelkonflikte können sehr schnell in Zielkonflikte umschlagen. Als drittes Element einer latenten Konflikteruption stehen Problemlösungen. Die Ziele sind klar und um die angemessenen Alternativen, sie einzulösen, wird noch sachlich (?) disputiert. Scheinbar rationale Hilfsmittel sollen den „besten“ Weg ausloten. In diesen Phasen besteht – insbesondere bei einer insuffizienten Moderation – die Gefahr, das eine Problemlösung in einen Mittel- und der in einen „plötzlichen“ Zielkonflikt umschlägt. Konfliktbearbeitung Wir unterscheiden in unserem Modell zwischen re- und proaktiver Konfliktbearbeitung. Erste erhöht die Wahrscheinlichkeit einer unbefriedigenden Konfliktentwicklung (siehe Eskalation), während die proaktive Konfliktbearbeitung synonym einen Verhandlungsprozess meint. Konfliktbewältigung Ein Konflikt gilt als bewältigt, wenn ein Verhandlungsergebnis erarbeitet wurde, das von den verhandelnden Parteien akzeptiert wird und durch das die Beziehungsqualität verbessert werden konnte. Den Begriff der Konfliktlösung vermeiden wir bewusst, da er suggeriert, es würde ein Zustand
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hergestellt, wie er vor dem Konflikt vorhanden war. Dies ist in den seltensten Konflikten tatsächlich der Fall. Konflikt, Definition Zusammengefasst liegt ein Konflikt dann vor, wenn zumindest ein mit anderen in Wechselbeziehung stehender Akteur erlebt, dass seinen (Teil-) Bedürfnissen entgegen der (impliziten oder expliziten) Vereinbarung nicht entsprochen wird und keine attraktive Alternative zur Verfügung steht. Konfliktdisposition Das von Thomas/Kilman (1972) entwickelte „Conflict Mode Instrument“ unterscheidet fünf Formen des bevorzugten Umgangs mit Konflikten. Konflikt, Flucht aus einem Wird eine soziale Situation nicht aufgesucht, um hierdurch einen Konflikt oder seine Bewältigung zu verhindern, sprechen wir von Flucht. Konflikt, gemischter siehe Zielkonflikt Konflikt, Komplexität eines Je mehr Einflussfaktoren einen Konflikt mit gestalten, desto komplexer wird er. Wir zeigen vier Dimensionen zunehmender Konfliktkomplexität: Soziales Aggregat, Einfluss Dritter, Zentralität der Streitfrage, Drohpotenzial. Konfliktmanagement Unter Konfliktmanagement fassen wir alle Kompetenzen zusammen, durch die es möglich wird, Konflikte und deren Folgen systematisch zu beschreiben, zu analysieren und in eine proaktive Konfliktbewältigung zu überführen. Konfliktprophylaxe Eine Vielzahl von Konflikten ließe sich vermeiden, wenn Erwartungen, Ziele, Ressourcen, Umgangsformen, Bedarfsausformungen klarer und verständlicher kommuniziert würden oder Missverständnisse früher aufgeklärt werden könnten. Insofern ist es möglich, Konfliktpotenziale zu analysieren und durch geeignete Maßnahmen deutlich zu reduzieren. Konfliktquellen Die Quellen, aus denen sich Konflikte speisen, scheinen schier unendlich zu sein. In der Gegenwart können wir drei entscheidende Konfliktquellen ausmachen: Das Individuum mit seinen sich verändernden Bedürfnisaus-
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formungen, die Verteilung knapper Ressourcen sowie die beschleunigte Globalisierung. Konflikttypen In diesem Buch unterscheiden wir zwischen strukturellen, interpersonalen und intrapersonalen Konflikten. Wir versuchen aus pragmatischen Gründen, strukturelle Konflikte so weit wie es geht auf interpersonale Konflikte zurückzuführen. Intrapersonale Konflikte sowie die intrapersonalen Dynamiken, durch die Konflikte entstehen, sind in dieser Veröffentlichung ausgeklammert. Konfliktunterdrückung Form der reaktiven Konfliktbearbeitung nach dem Motto: Nutze Deine Macht und lasse den Konflikt nicht als Konflikt auftreten. Konfliktursachen Soziale Konflikte gehen selten auf einfache Ursachen zurück, vielmehr entfalten sie sich aufgrund diffuser und nur schwer nachvollziehbarer Rückkopplungen zwischen den Kontrahenten. Æ Konfliktquellen Konfliktverlauf siehe Eskalation Konfliktvermeidung Form der reaktiven Konfliktbearbeitung nach dem Motto: Gehe dem Konflikt aus dem Weg. Konfliktverdrängung Form der reaktiven Konfliktbearbeitung nach dem Motto: Denke an etwas anderes, aber nicht über den Konflikt nach. Konstruktion Der (soziale) Mensch verfügt über sein individuelles Verständnis von sich und seiner Beziehung zur Welt. Insofern spielt nicht die scheinbar verobjektivierte Welt für die individuellen Wahrnehmungen, Interpretationen und Veränderungen eine Rolle, sondern primär die subjektive Ich- und Weltkonstruktion. Dieser Ansatz geht auf die Theorien des Konstruktivismus zurück. Kontrahent Die Sprache des Krieges kennt Gegner und Feinde. Diese Begriffe beschreiben in aller Regel eine Auseinandersetzung am Ende der Eskalati-
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onsstufen. In den meisten Fällen ist es das Ziel einer Konfliktbewältigung, eine Beziehungsqualität wieder sicherzustellen, in der sich die Akteure eher als Partner verstehen. Insofern haben wir versucht, dieses Spannungsverhältnis zwischen aktuellem Konflikt und späterem Miteinander auch sprachlich abzubilden. In den laufenden Texten verwenden wir daher eher die Begriffe „Konfliktpartner“ oder Kontrahent. Kooperation Eine Situation ist kooperativ, wenn die Ziele/Interessen von (mindestens) zwei Personen in einer sich GEGENSEITIG FÖRDERNDEN Wechselbeziehung stehen. Kooperation, Formen der Natürliche Kooperation ist die Basis intimer, aber auch spontaner Beziehungen, die durch einen hohen Grad an Emotionalität geprägt ist. Die strategische Kooperation, auch rationale Kooperation, zeichnet soziale Aggregate aus, in denen durch Kooperation versucht wird, (ein) Ziel(e) wirksamer zu erreichen. Emotionalität spielt eine untergeordnete Rolle. Empathische Kooperation liegt vor, wenn Akteure in der Lage sind, das eigene Verhalten aus der Perspektive der/des Anderen zu gestalten. Wird Empathie zum eigenen Vorteil vorgetäuscht, sprechen wir von pseudoempathischer Kooperation. Koopetition Koopetition ist ein Kunstwort, das sich aus KOOPEration und KompeTION zusammensetzt. Es beschreibt Situationen, in denen soziale Akteure gleichzeitig kooperieren und im Wettbewerb zueinander stehen. Beispielhaft sind gemeinsame Entwicklungsprojekte (Kooperation), deren Ergebnisse im Wettbewerb (Kompetition) ausgetragen werden. Macht Macht beschreibt die Personen oder anderen sozialen Aggregaten zugeschriebene Möglichkeit oder reale Verfügungsgewalt über Machtmittel, durch die das Denken und Handeln anderer Menschen auch gegen deren Willen gestaltet werden kann. Machtmotiv Eine in der Fachliteratur weit verbreitete Ansicht formuliert, dass Menschen über ein „persönliches“ Machtmotiv verfügen. Diese Denkweise erinnert an die archaische Form des Alpha-Tieres und der sozialdarwinistischen Interpretation der Evolution. Viele Menschen glauben an die
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eindimensionale Machtorientierung, die klassisch durch die sog. Machiavellismusskala beschrieben wird. Macht, Reaktionen auf Macht zu ertragen entwickelt sich zwischen Anpassung und Widerstand. Sechs entscheidende Folgen auf Machtausübung sind (1) Akzeptanz und Identifikation, (2) Gefolgschaft, (3) Trotz, (4) Widerstand, (5) Koalitionsbildung und (6) Verhandlung. Motivationale Orientierung Deutsch (1958) unterscheidet zwischen kooperativer, kompetitiver und individualistischer Grundorientierung, durch die sich Menschen unterscheiden. Prisoner’s Dilemma Game siehe Gefangenen-Dilemma Rollenkonflikt Zur Koordination und zum Abgleich der Bedürfnisuniversen übernehmen Menschen Rollen, durch die sie in Ausschnitten „geortet“ werden können. Jeder Mensch ist Träger vielfältiger Rollen, die untereinander in Konflikt treten können. Strategie siehe Verhandlungsstrategien Strategische Reziprozität in Verhandlungen Werden dieselben Strategiemuster in einer Verhandlung ausgetauscht, sprechen wir von linearer Reziprozität. Eine inverse Reziprozität liegt vor, wenn „entgegengesetzte“ Strategiemuster eingesetzt werden. Taktik siehe Verhandlungstaktiken Unbehagen Konflikte konstruktiv zu bearbeiten, gehört nicht zur grundlegenden Kulturtechnik wie etwa Lesen, Schreiben, Rechnen. Insofern lösen Konflikte, gerade weil sie aus vielen Facetten bestehen, häufig ein Unbehagen aus. Unterdrückung siehe Konfliktunterdrückung
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Verdrängung siehe Konfliktverdrängung Verhandlung, Definition Verhandlung stellt einen Prozess dar, in dessen Verlauf im Konflikt stehende Akteure durch verbalen Austausch versuchen, ein gemeinsames Ergebnis herzustellen. Verhandlungserfolg, kausale Erklärung Crott et al. (1978) beschreiben ein kausalanalytisches Modell des Verhandlungserfolges. Dabei bilden strukturelle und situative Merkmale die unabhängigen Variablen, die durch persönliche Variablen beeinflusst sind. Den Verhandlungserfolg als abhängige Variable differenzieren sie in objektive und subjektive Ergebnisse. Verhandlungserfolg ist demnach als Ergebnis zu beschreiben, das subjektiv zufrieden stellend erlebt wird. Verhandlungsprozess Ein Verhandlungsprozess kann in Phasen, Perioden und Episoden unterteilt werden. Verhandlungsphasen unterscheiden sich durch die in ihnen vorherrschenden dominanten Strategiemuster. Dabei lassen sich diese Phasen in Perioden untergliedern, in denen verschiedene Strategiereziprozitäten dominieren. Als Verhandlungsepisoden werden die aufeinander folgenden Austauschverhältnisse zwischen Verhandlungsakteuren bezeichnet. Verhandlungstaktiken Die drei Verhandlungsstrategien lassen sich in jeweils verschiedene Taktiken beschreiben, die sprachlich in einer Verhandlung eingesetzt werden. Verhandlungsziel Als Verhandlungsziele beschreiben wir die Maximalforderungen der Kontrahenten, die während des Verhandlungsprozesses in aller Regel verändert werden. Verhandlungsstrategien Verbale Verhandlungen bestehen aus einem Austausch von Strategien, die sich ihrerseits wiederum aus verschiedenen Taktiken zusammensetzen. Die offensive Strategie zielt darauf ab, die Position des Anderen zu schwächen, durch defensives strategisches Verhalten versuchen Kontrahenten die eigene Position zu verteidigen. Die integrative Strategie besteht in Bemühungen, ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen.
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Verhandlungstypen Wir unterscheiden vier verschiedene Verhandlungstypen unterschiedlicher Komplexität, die im laufenden Text als Verhandlung erster bis vierter Ordnung dargestellt sind. Vermeidung siehe Konfliktvermeidung Wechselbeziehung siehe Interdependenz Wettbewerb Eine Situation ist wettbewerblich (aus dem englischen auch kompetitiv), wenn die Ziele von mindestens zwei Personen in einer sich GEGENSEITIG BEHINDERNDEN Wechselbeziehung stehen. Widerstandspunkt Der Widerstandspunkt (engl. focal point) beschreibt einen (dynamischen) Grenzwert, bis zu dem eine Partei/ein Kontrahent bereit ist, der anderen Seite entgegenzukommen. Wildwuchs Eine wiederkehrende Form, (beidseitig) einen Konflikt nicht konstruktiv zu bearbeiten, besteht darin, ihn „einfach“ laufen zu lassen. Wildwuchs erhöht die Wahrscheinlichkeit der Konflikteskalation. Zentralität der Streitfrage Je tiefer ein Konflikt in das „Innenleben“ eines Menschen (eines sozialen Aggregats) eingreift, desto bedeutsamer wird er. Werden für einen Menschen grundlegende Werte oder Normen verletzt, hat ein Konflikt eine andere Bedeutung als würden bestimmte Gedanken oder Handlungsmuster „in Frage gestellt“. Internalisierte Werte und Normen sind emotional besetzt, Regeln und Einstellungen sind von emotional durchfärbten Kognitionen hinterlegt, Handlungsmuster und einzelne Verhaltensweisen gehorchen Kognitionen, die, wenn sie Irritationen auslösen, auf ihr emotionales Fundament zurückwirken (können). Vereinfacht: Je höher das emotionale Involvement, desto zentraler wird der Konflikt erlebt. Ziel siehe Verhandlungsziel
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Ziel- und Mittelkonflikt Ein Zielkonflikt liegt vor, wenn zwischen den Akteuren sozialer Systeme oder zwischen sozialen Systemen unterschiedliche Zielauffassungen (Interessen, Motive) bestehen, die zu einseitiger oder gegenseitiger Behinderung führen. Besteht zwischen den Akteuren sozialer Systeme ein gemeinsames Zielverständnis, aber abweichende Vorstellungen, wie (mit welchen Mitteln) sie eingelöst werden sollen, liegt ein Mittelkonflikt vor. In der Realität treten häufig gemischte Konflikte auf. In einem Konfliktverlauf kann ein Mittel- in einen Zielkonflikt umschlagen. Demgegenüber besteht in einer Verhandlung das Bestreben, einen Ziel- in eine Mittelkonflikt und schließlich in eine Problemlösung zu überführen. Zufriedenheit siehe Verhandlungsergebnis