Vor Junggesellen wird gewarnt Kate Hoffmann
Bei der Beantwortung aller Haushaltsfragen ist Emily, Herausgeberin einer H...
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Vor Junggesellen wird gewarnt Kate Hoffmann
Bei der Beantwortung aller Haushaltsfragen ist Emily, Herausgeberin einer Hausfrauenzeitschrift einfach hervorragend. Für Garrett McCabe, überzeugter Junggeselle und Verfasser einer Kolumne füri unverheiratete Männer ist das betuliche Familienleben höchst unverständlich. Also schreibt er einen bissigen Artikel und bekommt jede Menge Ärger: Sein Chef verlangt, daß er sich bei Emily entschuldigt. Ais Garrett sie persönlich kennenlernt kann er es kaum glauben. Vor ihm steht eine zierliche, scheue und hinreißend schöne junge Frau.
1. KAPITEL „Welche Farbe bevorzugt sie für ihre Dessous?" fragte Garrett McCabe, während er die Auslage des Miederwarengeschäfts musterte. Dann bemerkte er den schockierten Gesichtsausdruck seines Freundes, Josh Banks. Der Dritte im Bunde bei diesem Stadtbummel, Tru Hallihan, warf Garrett einen mißbilligenden Blick zu, bevor er sich wieder dem Schaufenster zuwandte. Josh vergewisserte sich, daß keiner der Passanten, die an diesem Samstagmorgen das Beverly-Einkaufscenter bevölkerten, Garretts indiskrete Frage gehört hatte, und erwiderte ruhig: „Ich denke, das geht nur meine Frau und mich etwas an." „Wie du willst. Allerdings habe ich eine unschlagbare Theorie entwickelt, was Damenunterwäsche angeht", fuhr Garrett fort. „Laß hören", forderte Tru ihn auf. „Wie ihr euch sicher erinnert, war dieses Thema bereits Gegenstand meiner Zeitungskolumne. Die Farbe ihrer Dessous verrät viel über die Persönlichkeit einer Frau. Nehmen wir den Typ rote Wäsche: Sie wagt viel, ist aber für meinen Geschmack zu dominant. Frauen, die weiße Dessous tragen, leiden oft unter sexuellen Defiziten und sind eher praktisch veranlagt. Laßt die Finger von Frauen, die Blümchenunterwäsche tragen. Sie haben den Kopf voll romantischer Flausen. Dann gibt es noch die, die Schwarz tragen. Sie …" „Taryn trägt Schwarz", mischte Josh sich ein. Garrett lächelte. „Glückskind. Unverklemmt und abenteuerlustig. Also, geh rein und kauf Taryn etwas nettes Schwarzes. Zum Beispiel das dort drüben." Er deutete auf ein schwarzes Spitzenbustier. Josh blinzelte hinter seiner konservativen Metallbrille und rückte seine Krawatte zurecht. „Du meinst, ich soll da reingehen und das da kaufen? Ich weiß nicht einmal, wie man so was nennt." „Ein Bustier", half Garrett ihm. „Ich dachte, du brauchst ein Geschenk für euer Jubiläum?" „Es sieht reichlich unbequem aus", meinte Josh, nachdem er das Objekt eingehend begutachtet hatte. „Seid ihr beide wirklich jemals mit einer Frau zusammengewesen, die so etwas getragen hat?" 2
Tru schob die Hände in die Taschen seiner Lederjacke. „Leider nicht", seufzte er. „Ich auch nicht", gab Josh zu. Beide wandten sich erwartungsvoll an Garrett. Er wählte seine Worte sorgsam, denn immerhin hatte er einen Ruf zu wahren. Garrett McCabe war Autor der beliebten Zeitungskolumne „Boys' Night Out", die zweimal wöchentlich erschien und Männern, besonders Junggesellen, sagte, was Trend war und was nicht. Er galt als Überzeugtester Junggeselle von Los Angeles. Allerdings klafften auch hier Wunsch und Wirklichkeit ein klein wenig mehr auseinander, als Garrett bereit war, öffentlich zuzugeben. Er war nunmehr der einzige der drei Freunde, der nicht verheiratet war. Der ehemalige Privatdetektiv Tru Hallihan hatte vor drei Monaten die Therapeutin Caroline Leighton geheiratet. Und Josh, Steuerberater von Beruf, war vor ein paar Wochen in Las Vegas durch die Malerin Taryn Wilde vom Junggesellen zum Ehemann avanciert. Bis vor kurzem noch hatten Tru, Josh und Garrett jeder für sich allein im berühmt-berüchtigten Apartmenthaus „Bachelor Arms" gewohnt. Jetzt lebte Tru mit Caroline zusammen in deren Haus oben in Laurel Canyon, und Taryn war bei Josh eingezogen. Man sah sich ab und zu beim Mittagessen und traf sich immerhin noch regelmäßig an den Dienstagen im Flynn's zum Pokern. Garrett bedauerte die Heirat seiner beiden Freunde. Sicher, Caroline und Taryn waren wunderbare Frauen, aber er war davon überzeugt gewesen, daß er, Josh und Tru Junggesellen in alle Ewigkeit sein würden. Offensichtlich bin ich der einzige, der an die Berufung zum Junggesellendasein wirklich glaubt, dachte Garrett. Ich will frei sein und wenn ich mit einer Frau zusammen bin, dann nur zu meinen Bedingungen. Garrett warf einen letzten Blick auf das Bustier. „Ehrlich gesagt, habe ich leider noch nie eine Frau mit solch exklusivem Geschmack kennengelernt. Aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben." Nicht daß Garrett jemals schlechte Erfahrungen mit der Ehe gemacht hätte. Seine Eltern, seine Großeltern, seine sieben Geschwister waren sämtlich glücklich verheiratet. Eine Tradition, der sich mitt3
lerweile kein Mitglied der Familie mehr entziehen konnte. Auch Garrett nicht. Daß er mit fünfunddreißig Jahren immer noch unverheiratet war, gab in der Familie Anlaß zu einigen Spekulationen. Allmählich wurden seine Ferienaufenthalte zu Hause in Boston durch unzählige bohrende Fragen der Familie und arrangierte Treffen mit heiratsfähigen Frauen zur Qual. Er bemühte sich schon lange nicht mehr, seine Handlungsweise zu rechtfertigen, und nahm an, daß seine Weigerung, zu heiraten, auch dem Wunsch entsprang, seiner Familie zu trotzen. „Kauf das Ding, Josh", sagte er nun zu seinem Freund. „Du wirst es nicht bereuen." „Ich dachte eigentlich an etwas … etwas Traditionelleres", wandte Josh ein. „Es muß doch Dinge geben, die man sich üblicherweise zu Jubiläen schenkt. Silber zum Beispiel bedeutet fünfundzwanzig Jahre, Gold fünfzig Jahre. Und zwei Wochen?" „Für zwei Wochen gibt es sexy Unterwäsche", erklärte Garrett. „Nach zwei Monaten schenkt der aufmerksame Ehemann schwarzes Leder." Josh sah Tru fragend an, doch der schüttelte den Kopf. „Laß uns woanders unser Glück versuchen", meinte Josh schließlich. „Ich habe so das Gefühl, daß dieses Jubiläum Taryn wichtig ist, und ich habe keine Lust, gleich zu Beginn meiner Ehe einen Fehler zu machen." „Na gut", lenkte Garrett ein. „Aber sieh zu, daß es nicht mehr so lange dauert. Ich muß noch vor fünf Uhr meine Kolumne fertigschreiben, und ich habe noch nicht einmal eine Idee, um was es diesmal gehen soll. Warum versuchen wir es nicht mal in der Buchhandlung oben im achten Stock? Kochbücher machen sich immer gut als Geschenk. " Joshs Miene hellte sich auf. „Ein Kochbuch? Das könnte es sein, denn Taryn möchte unbedingt kochen lernen." Er warf dem schwarzen Bustier noch einen sehnsüchtigen Blick zu und ging dann zur Rolltreppe hinüber. Das Beverly-Center war die Krönung der Einkaufszentren von Los Angeles. Polierter rötlichgrauer Marmor wechselte sich ab mit Glas und Stahl, melodiöse Hintergrundmusik erfüllte die lichtdurch4
fluteten, klimatisierten Etagen, der aromatische Duft von exotischen Gerichten lockte Passanten in die edlen Restaurants. Hier konnte man im Überfluß alles kaufen, ob man es nun brauchte oder nicht. Garrett haßte Einkaufszentren fast noch mehr als Zahnarztpraxen. Was finden Frauen bloß an 170 Läden auf acht Etagen? fragte er sich. Vielleicht ist es genetisch bedingt. Männer haben X- und YChromosomen, Frauen dagegen X und E, wobei E für Einkaufszentrum steht, dachte er sarkastisch. Eine seiner Kolumnen hatte dieses E bereits zum Thema gehabt. Als sie den achten Stock erreichten, bemerkte Garrett eine lange Schlange von Leuten, die ihren Anfang offensichtlich in der Buchhandlung nahm. „Vielleicht solltest du dich lieber für Parfüm entscheiden, Josh. Im Buchladen scheint zuviel los zu sein." Garrett reckte sich, um das Transparent über der Tür der Buchhandlung lesen zu können. „Irgendeine Autorin namens Emily Taylor signiert ihr neuestes Buch." „Emily Taylor!" rief Tru. „Caroline besitzt alle Bücher von ihr. Sie liest sie abends im Bett." „Wie schmeichelhaft für dich", neckte ihn Garrett. „Hat sie etwas mit At Home zu tun?" erkundigte sich Josh. „Genau. Das Magazin für ein schönes Zuhause", bestätigte Tru. „Emily Taylor At Home". „Wer ist Emily Taylor?" wollte Garrett wissen. „Eine Hausfrau, nehme ich an", erwiderte Tru. „Von Berufs wegen." „Ich wußte gar nicht, daß es so etwas gibt", sagte Garrett. „Kann ich sie mieten, damit sie sich um mein Apartment kümmert? Und um meine Wäsche, um die Vorräte …" Josh schüttelte den Kopf. „Taryn sagt, Emily Taylor habe die Sorge für ein schönes Zuhause zur Kunst erhoben. Taryn versucht, sie in der Küche zu kopieren, aber ich glaube, es ist besser, wenn sie bei dem bleibt, was sie am besten macht: Popcorn in der Mikrowelle und Orangensaft." „Du hast es gut", mischte sich Tru ein. „Caroline versucht, Emily Taylors Gartentips umzusetzen. Das bedeutet, ich muß ebenfalls 5
gärtnern. Die letzten vier Wochen haben wir damit verbracht, mehrjährige Stauden zu besorgen. Außerdem habe ich mindestens eine Tonne Gartenerde vom Auto in den Garten geschafft und letzten Sonntag das Baseballspiel der Lakers verpaßt, weil ich herausfinden sollte, welchen pH-Wert unsere Erde hat. Caroline hat angekündigt, daß wir einen englischen Vorgarten haben werden, der dem von Emily Taylor bis auf das letzte Blättchen gleicht." „Taryn hat versucht, aus einer Tischdecke einen Duschvorhang zu machen", berichtete Josh. „Als ich ihr Geld für einen richtigen Duschvorhang geben wollte, hat sie mir erklärt, daß es darum gar nicht gehe. Dann fing sie an zu weinen und warf mir vor, ich würde ihre Bemühungen nicht ernst nehmen, und sie sei als Hausfrau eine Versagerin. Danach mußte ich einen Artischockenauflauf essen", fügte er hinzu und schauderte. „Ich glaube, ich höre nicht recht", wetterte Garrett. „Ihr laßt also zu, daß diese Emily Taylor euer Leben regiert?" „So schlimm ist es nun auch wieder nicht", wehrte Josh ab. „Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Taryn meint nur, sie benötige etwas Unterstützung, um eine gute Ehefrau zu werden. Ich wette, sie würde sich über ein signiertes Buch von Emily Taylor zu unserem Jubiläum freuen." „Stellen wir uns an", mahnte Tru. „Wenn Caroline herausfindet, daß ich Emily Taylor so nahe gekommen bin und ihr kein signiertes Buch mitgebracht habe, muß ich wahrscheinlich einen Monat lang Schafsmist umgraben." Tru und Josh reihten sich in die Schlange ein, die hauptsächlich aus fröhlich miteinander schwatzenden Frauen bestand. Garrett sah ihnen ungläubig hinterher und folgte dann. „Ihr müßt wahnsinnig sein", sagte er zu seinen beiden Freunden. „Warte es ab", erwiderte Tru. „Was?" fragte Garrett. „Du hast das Lächeln deiner Frau noch nicht gesehen, wenn du etwas ganz Besonderes für sie tust", erklärte Tru. „Es gibt nichts Schöneres auf der Welt." „Ich bin gern verheiratet", warf Josh ein. „Taryn macht mein Leben 6
… aufregend." „Und ich habe vor, bis ans Ende meines Lebens Junggeselle zu bleiben", stellte Garrett fest. Tru und Josh grinsten sich wissend an. „Ihr glaubt mir wohl nicht", fragte Garrett drohend. „Sicher glauben wir dir", beruhigte ihn Tru. „Aber was ist mit der Frau im Spiegel?" „Genau", rief Josh. „Du hast die Frau in diesem verhexten Spiegel in Trus ehemaligem Apartment doch gesehen! Weißt du nicht mehr, was Eddie und Bob uns über die Legende erzählten?" Garrett erinnerte sich genau an die lächerliche Geschichte. Angeblich erschien die Frau im Spiegel nur einem Menschen, dessen größte Angst oder dessen größte Hoffnung wahr würde. Das „Bachelor Arms" war die Wiege unzähliger Geschichten über Geister. Morde, Intrigen und Selbstmord. Jeder erzählte sie weiter, so daß schließlich sogar Garrett gemeint hatte, die Frau im Spiegel zu sehen. Doch er wußte, daß es so etwas nicht geben konnte. „Sagt bloß nicht, daß ihr auf so etwas hereinfallt", gab Garrett zurück. „Warum nicht?" erwiderte Tru. „Ich habe die Frau gesehen. Josh ebenfalls." „Laß gut sein", sagte Garrett. „Viel mehr als die Frau im Spiegel interessiert mich im Moment, warum es einer professionellen Hausfrau namens Emily Taylor gelingt, jeden Mann auf diesem Planeten unterzukriegen. Ich glaube, ich habe ein Thema für meine Kolumne gefunden." „Das würde ich nicht tun", flüsterte Josh mit einem Blick auf die Frauen, die in der Schlange warteten. „Damit könntest du dir das ganze weibliche Geschlecht zum Feind machen." „Ich habe keine Angst vor einer altmodischen kleinen Hausfrau", gab Garrett zurück. „Glaubst du, sie mischt mir Arsen in ein paar Haferflockenplätzchen und zwingt mich, sie zu essen? Oder haut sie mich mit einem nassen Mop?" Während ihres Gesprächs hatten sie sich der Buchhandlung stetig genähert. Die Schlange vor ihnen war nicht mehr allzu lang. Garrett 7
reckte den Kopf, um einen Blick auf die Hausfrau aller Hausfrauen zu erhaschen. Eine gedrungene, dunkelhaarige Frau saß hinter einem Tisch, etwa fünf Meter entfernt von ihm. Sie trug ihr Haar in einem Knoten, der mitten auf ihrem Kopf saß, und ihre Lesebrille mit Metallfassung war ihr bis zur Nasenspitze gerutscht. Sie sah aus wie aus einer Werbung für Kekse. Genau das hatte Garrett erwartet. Er nahm eine Ausgabe von „Emily Taylors Sommer an der See" von einem Seitentisch und blätterte sie durch. Tips für gelungene Picknicks und Barbecues reihten sich aneinander. Das letzte Mal, daß Garrett im Freien gegessen hatte, war bei einem Spiel der Dodgers. Ein Hot dog und ein schnell hinuntergekipptes Bier, das war alles, was es gegeben hatte. Er blätterte weiter und mußte lächeln. Perfekte kleine Dinners im Grünen, Essen von sauberen kleinen Tellern, und keine einzige Ameise in Sicht. Nun, er würde Emily Taylor wie ein Täubchen in der nächsten Ausgabe von „Boys' Night Out" rupfen. Sofort formten sich Worte in seinem Kopf, und er war in Versuchung, Papier hervorzukramen, um sie aufzuschreiben. Doch zunächst würde er sich dieses „Täubchen" einmal näher ansehen. Josh und Tru kamen zurück, jeder mit einem signierten Buch in der Hand. Nun ging Garrett hinüber zum Autorentisch. Er gab sein Buchexemplar der dunkelhaarigen Miss Taylor. „Schreiben Sie einfach, dem besten Autor, den ich kenne' hinein", forderte Garrett sie auf. Sie schüttelte nervös den Kopf. Garrett runzelte die Stirn. Was ist los mit ihr? dachte er. Hat sie zuviel Möbelpolitur eingeatmet? „Könnten Sie bitte noch einmal wiederholen, was Miss Taylor in Ihr Exemplar schreiben soll?" bat die Frau hinter dem Autorentisch. Sie nahm ihm das Buch aus der Hand und gab es an eine Frau zu ihrer Linken weiter. Garrett hatte bisher nicht die geringste Notiz von ihr genommen. Er betrachtete die ruhige Gestalt. Kein Wunder, daß ich sie übersehen habe, dachte er. Auf den ersten Blick sah sie völlig unscheinbar aus. Doch dann sah er in ihre unglaublich grünen Augen und 8
musterte die Frau genauer. Wild gelocktes rotes Haar fiel ihr bis auf die Schultern, und die Zartheit und Blässe ihrer Haut gaben ihr etwas Porzellanfigurenhaftes. Sie trug ein einfaches geblümtes Kleid, das nichts von ihrer Figur preisgab. Ruhig, ohne ein Lächeln, sah sie zu Garrett auf. „Sie sind Emily Taylor?" fragte Garrett. „Ja, dies ist Emily Taylor", antwortete die dunkelhaarige Frau. „Sie freut sich, Sie kennen zu lernen. Bitte wiederholen Sie noch einmal, was Miss Taylor in Ihr Buch schreiben soll." Garrett war einen Moment sprachlos. Dann streckte er seine Hand aus. „Ich habe Sie mir anders vorgestellt", sagte er. Emily Taylor sah zu ihm auf, lächelte aber weder, noch ergriff sie seine Hand. „Ich fürchte, Miss Taylor hat keine Zeit, sich zu unterhalten", belehrte ihn die Assistentin. „Es warten noch viele Leute, die sie sehen möchten. Bitte machen Sie den Platz frei." „Aber sie hat mein Buch noch nicht signiert", bemerkte Garrett, der immer noch Emily ansah. Emily blinzelte, öffnete das Buch und schrieb ihr Autogramm in ordentlicher Schrift hinein. Dann gab sie es Garrett mit einem künstlichen Lächeln zurück. „Vielen Dank", murmelte sie und blickte sofort wieder zu Boden. Garrett lächelte. „Nein", sagte er. „Ich danke Ihnen." Tru und Josh warteten vor dem Zeitschriftenregal. Als Garrett zu ihnen trat, rieb er sich demonstrativ beide Arme, als wäre ihm kalt. „Bißchen kühl hier drin", meinte er zu seinen Freunden. Josh sah ihn erstaunt an. „Mir ist nicht kalt." Tru grinste und legte ein Magazin zurück ins Regal. „Was ist los, McCabe?" fragte er. „Hat dein berühmter Charme sie nicht aufgetaut?" Garrett grinste. „Ein harter Brocken, diese Lady", gab er zu. „Gentlemen, ich brauche nicht mehr weiterzusuchen. Diese frostige Göttin des Haushalts erscheint in der nächsten Kolumne von ‚Boys' Night Out'. Kommt, laßt uns hier verschwinden. Ich muß an meinen Schreibtisch." „Ich gehe nicht wieder hinaus", sagte Emily verzweifelt und lehnte 9
sich haltsuchend an ein hohes Bücherregal. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich hier angekettet oder sich in der winzigen Toilette eingeschlossen. „Die vielen Leute - es ist einfach unerträglich! Es waren sogar Männer darunter. Und alle wollten mit mir reden. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte." Nora Griswold, ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin, schwieg einen Moment. Dann sagte sie: „Emily, das sind deine Fans. Sie lieben dich. Alles, was sie wollen, ist die Möglichkeit, dich zu sehen. Du weißt doch genau, wie gut sich deine Bücher in Kalifornien verkaufen. Was hast du geglaubt, wer sie kauft?" „Ich fühle mich aber wie ein schmieriger Vertreter, der den Leuten etwas andreht", jammerte Emily. „Und wenn ich wieder da hinausgehe, finden sie heraus, daß ich nicht die Verkörperung der modernen kreativen Hausfrau bin, sondern ein neurotisches Nervenbündel." „Laß das, Emily", sagte Nora bestimmt. „Du bist ein Profi und in deinem Metier ausgezeichnet. Alle Frauen dieses Landes mögen und respektieren dich. Du hast es geschafft, daß es hierzulande etwas bedeutet, wenn eine Frau sich bemüht, ein schönes Heim zu schaffen. Schau dir all die berufstätigen Frauen an, die wer weiß was dafür geben würden, wenn sie zu Hause sein könnten, um deine Ideen in Haus und Garten umzusetzen." „Du übertreibst", widersprach Emily. „Ich habe vielleicht ein wenig Talent für Kunsthandwerk, ja, und vielleicht auch fürs Kochen. Meinetwegen auch fürs Gärtnern. Aber deswegen bin ich noch lange nichts Besonderes.'' „Ganz im Gegenteil. Du bist eine wichtige Persönlichkeit - allerdings mit einem ausgemachten Minderwertigkeitskomplex." „Geh du doch nach draußen", rief Emily. „Du kannst ja die Bücher signieren und mit den fremden Leuten reden. Versuch doch mal, intelligent zu erscheinen, wenn dir ein Kloß im Hals steckt und du am liebsten in Tränen ausbrechen würdest." „Ich bin nicht diejenige, die sie sehen wollen. Sie wollen Emily Taylor." „Warum muß ich das bloß tun?" schluchzte Emily und raufte sich ihre kupferroten Locken. „Ich wollte nie, daß wir das so groß auf10
ziehen. Mir hätte es genügt, ein paar Bücher zu schreiben und unbekannt zu bleiben. Ich hatte noch nicht einmal Interesse an der Zeitschrift, ehe du mich dazu überredet hast. Nora, ich bin eine einfache Hausfrau aus Rhode Island. Meine Schulbildung ist mangelhaft, beruflich war ich nie gefordert, einen Ehemann habe ich auch nicht mehr vorzuweisen. Ich bin nicht der Star, den du aus mir machen willst." „Du bist ein Star, ob du willst oder nicht, Emily. Und es wird Zeit, daß du dich wie einer benimmst. Es ist wichtig, Parker Publishing zu zeigen, daß du hinter der Zeitschrift stehst. Daß du bereit bist, Werbung für deinen Namen zu treiben." Emily ließ sich in einen Klappstuhl sinken und begann, mechanisch Butterkekse in sich hineinzustopfen, die auf einem Teller lagen, den der Manager der Buchhandlung für sie bereitgestellt hatte. Die Kekse waren nicht selbstgemacht, aber zumindest stammten sie aus England. Emily konnte das beurteilen. In der Novemberausgabe ihrer Zeitschrift hatte sie über die „Shortbread" genannten Butterkekse einen Artikel geschrieben und dafür sämtliche Varianten dieser Plätzchen getestet, die in den Vereinigten Staaten aufzutreiben waren. Dann hatte sie ihren Leserinnen ein eigenes Rezept vorgestellt. Sie war sogar für eine Woche nach England gefahren, um Antiquitätenläden nach den schönsten Backformen abzusuchen. „Erklär mir bitte noch einmal, warum wir unsere Zeitschrift ‚At Home' unbedingt verkaufen müssen", sagte sie zu Nora, während sie einen Keks kaute. „Ich arbeite gern mit Arnie Wilson. Er hat mich nie dazu gezwungen, Bücher zu signieren oder in der Öffentlichkeit aufzutreten." "Arnie war ein wunderbarer Verleger und Geschäftspartner", erläuterte Nora. „Aber er wird in den Ruhestand treten, und Richard Parker besitzt genau die finanziellen Mittel, die wir brauchen, um ‚At Home' zum Marktführer zu machen. Wir sollten begeistert sein, daß er unsere kleine Zeitschrift überhaupt in Erwägung gezogen hat. Außerdem müssen wir dann nie mehr überlegen, woher wir das Geld für die Bezahlung unserer Mitarbeiter nehmen." „Na, so schlimm war es doch wirklich nie", warf Emily ein. „Es hat doch immer funktioniert." 11
„Mit Parker wird es besser funktionieren. Er wird dich zu einem Markennamen in der Heim- und Gartenszene machen, Emily." „Ich bin bereits so etwas wie ein Markenname, und ich hasse es. Ich möchte nur in Ruhe an meinen Projekten arbeiten." „Daran ist Eric schuld, meinst du nicht?" erwiderte Nora. „Was hat mein Exmann damit zu tun?" „Dein werter Exmann ist an allem schuld. Er hat dein Selbstvertrauen zerstört." Emily seufzte und nahm sich einen neuen Keks. „Fang nicht wieder mit deiner Amateurpsychologie an, Nora. Ich bin einfach nur schüchtern." „Du hast da draußen nicht mal zwanzig Worte von dir gegeben. Und die bestanden aus ,vielen Dank'. Die Leute erwarten, daß du fröhlich und intelligent bist. Du hast uns gezeigt, wie man Pfirsichpotpourri macht und echte Louisiana-Pralinen. Du hast uns beigebracht, wie man Fußböden und Wände verziert. Du hast uns gelehrt, wie man simple Barbecues oder Nachmittagskaffees zu unvergeßlichen Erlebnissen machen kann. Und jetzt reiß dich zusammen und lerne, deinen Fans ins Auge zu sehen." „Na gut!" sagte Emily halbwegs überzeugt. Sie stand auf, doch sofort überkam sie wieder Angst. Die Butterkekse lagen ihr wie Steine im Magen. „Wir müssen noch etwas besprechen", hielt Nora sie zurück. Emily setzte sich. „Was denn noch, Nora? Du hast doch nicht etwa gleich die nächste Signierstunde ausgemacht? Ich werde so etwas nie wieder machen. Bitte, bitte, zwing mich nicht dazu." „Keine Angst, es geht nur um eine Party. Richard Parker hat dir zu Ehren ein paar Gäste eingeladen. „Wie viele?" „Nicht viele", versicherte Nora. „Bitte sei ehrlich. Wenn man dich kennt, weiß man, daß du ein Rolling-Stones-Konzert für eine kleine Veranstaltung hältst." „Ich habe ihn nicht gefragt, wie viele Leute kommen." Emily gab nicht nach und fixierte Nora mit ihrem Blick. Sie waren so lange befreundet, daß Nora die einzige Person war, der Emily 12
Trotz zu bieten wagte. „Ungefähr hundert", gab Nora endlich zu. „Aber es findet bei ihm zu Hause in Beverly Hills statt." „Bei ihm zu Hause? Na prima. Ich hoffe, er hat ein starkes Schloß an seiner Badezimmertür, weil ich mich dort für den gesamten Abend einschließen werde. Du weißt doch, wie ich Partys hasse. Ich eigne mich nicht für Smalltalk. Die Leute reden über Politik und weltweite Probleme, und inzwischen wünsche ich mir, die Küche zu inspizieren. Oder den Flur zu tapezieren." Nora tätschelte ihren Arm, und Emily sah unglücklich zu ihr auf. „Mach dir einfach nicht so viele Gedanken darüber. Und jetzt gehe ich uns einen Kaffee holen. Dann machen wir noch eine halbe Stunde weiter. Diesmal möchte ich, daß du mit den Leuten redest, Emily." „Warum machen wir eigentlich nicht mal einen Beitrag über Kaffee?" sagte Emily plötzlich. „Kaffee ist im Moment so im Trend: Cappucino, Caffelatte, Mokka, und diese wunderbare Vielfalt an Kaffeebohnen. Wir finden das alles so selbstverständlich, aber keiner macht sich Gedanken darüber, wie wichtig diese Dinge für uns sind. Man könnte eine kleine Geschichte des Kaffees hinzufügen und unseren Leserinnen zeigen, wie man die verschiedenen Kaffeevarianten zu Hause selbst herstellen kann. Was meinst du?" „Du denkst zuviel ans Arbeiten." „Was gibt es denn sonst noch?" fragte Emily. „Männer, zum Beispiel." „Das ist dein Betätigungsfeld, Nora, nicht meins." Emily errötete. „Ich bin nicht einmal fähig, mit einem Kater zu reden, ohne einen Knoten in der Zunge zu haben. Welcher Mann würde so etwas wie mich überhaupt interessant finden?" „Vielleicht dieses unglaubliche Mannsbild, das vorhin ein Autogramm von dir wollte. Der Typ, der dir die Hand schütteln wollte." „Ich habe ihn nicht bemerkt", antwortete Emily. Nora stemmte die Hände in die Hüften und sah Emily seufzend an. „Hoffnungslos. Absolut hoffnungslos." „Nun geh schon und besorg uns den Kaffee, Nora. Währenddessen kratze ich meinen restlichen Mut zusammen und bereite mich darauf 13
vor, meinen Fans gegenüberzutreten." „Beeil dich. Unsere Pause ist fast vorbei." Als Nora den Raum verlassen hatte, atmete Emily tief auf. Natürlich hatte Nora recht. Früher oder später würde sie ihre Ängste überwinden müssen und sich ihrer Karriere stellen. Aber gerade darin war sie nie gut gewesen. Schon als Kind hatte sie alles getan, um zu gefallen, und gehofft, gutes Betragen würde ihr die notwendige Aufmerksamkeit und Anerkennung zuteil werden lassen. Ihr Vater war zu beschäftigt, um sich seiner Tochter zu widmen, und ihre Mutter ging in dem Kreis ihrer reichen Freundinnen auf, die sich karitativen Verpflichtungen widmeten. Ihre drei älteren Brüder waren bereits fast erwachsen, als sie geboren wurde. So kam es, daß der erste Mensch, der ihr Beachtung schenkte, Eric war. Sie heiratete ihn am Tag nach ihrem achtzehnten Geburtstag. Es war eine riesige Hochzeit. Die ganze gute Gesellschaft von Newport war geladen, um die Verbindung von zwei alten und reichen Familien zu feiern. Dann hatten sie sich bemüht, ein gemeinsames Leben aufzubauen. Eric erklomm die Karriereleiter in der Firma seines Vaters, Emily kümmerte sich um den Haushalt. Eric verbot ihr, eine Arbeit anzunehmen, noch weniger wollte er etwas von Studienwünschen oder einer anderen Ausbildung hören. So wandte sie all ihre Energie darauf, die beste Hausfrau zu werden. Sie besuchte Kochkurse, lernte, wie man ein Haus geschmackvoll ausstattet, und verwandelte ihr Heim nach und nach in ein Musterbild, das wert gewesen wäre, in der Zeitschrift „Schöner Wohnen" zu erscheinen. Emily rieb ihre müden Augen, als wolle sie die quälenden Erinnerungen vertreiben. Erinnerungen an den Tag, an dem ihr Mann nicht nach Hause gekommen war. Er hatte alles zurückgelassen, sogar seinen Rasierapparat und seine Lieblingsschuhe. Nach fünf Jahren einer, wie sie geglaubt hatte, glücklichen Ehe, mußte sie seine Sachen aussortieren, als wäre er gestorben. Eine Weile trauerte sie, dann aber gingen ihre Ersparnisse zur Neige, und das Bankkonto war leer. Sie war zu stolz, Eric um Unterhalt zu bitten, und nach Hause zu ihrer Familie wollte sie nicht. Man hielt sie für eine Versagerin. Also besann sie sich auf das einzige, was sie wirklich konnte, und 14
startete damit eine Karriere. Selten hatte sie bisher ein Ratgeberbuch gefunden, das sich unterhaltsam mit Innendekoration beschäftigte. Daher entschloß sie sich, ein eigenes zu schreiben. Das erste Buch entstand an ihrem Küchentisch, und die Grafiken und Fotos stammten ebenfalls von ihr. „Ein neues Kleid für die Wohnung - selbstgemacht" wurde von zwölf Verlagen abgelehnt, bevor sie nach zwei Jahren endlich jemanden fand, der ihr eine Chance gab. Als der Scheck mit dem kleinen Vorschuß eintraf, bezahlte sie damit eine Rate ihres Kredits und kochte sich selbst ein Gourmetdinner. Zu ihrer Überraschung erhielt sie einen Monat später einen Folgeauftrag, diesmal sogar für zwei Bücher. So ging es immer weiter. Nach drei Jahren und vier weiteren Büchern fand sie eine Partnerin, Nora Griswold. Diese energische Dame kam sofort mit einem Veränderungsvorschlag. Warum gab Emily nicht eine monatliche Zeitschrift heraus? Sie, Nora, würde sich um das Management kümmern, und Emily würde das kreative Potential beisteuern. Ohne die Raten für ihren Kredit im Hinterkopf, hätte Emily sofort nein gesagt. Doch Nora blieb hartnäckig. Schließlich war sie in derselben Situation: vom Ehemann verlassen und Auge in Auge mit immer höheren Schulden, dazu ein heruntergekommenes Bauernhaus in Connecticut mit sieben hungrigen Katzen. Ihren Verleger, Arnie Wilson, fanden sie durch Zufall. Nora bearbeitete ihn so lange, bis er einverstanden war, „At Home" ein Jahr lang herauszugeben. Als Gegenleistung erhielt er einen Anteil am Gewinn. Aus dem einen Jahr wurden zwei Jahre, dann drei, und zum Schluß hatten sie mit „At Home" ein Magazin im Markt, das die Einstellung der Menschen gegenüber der Gestaltung eines schönen Zuhause nachhaltig veränderte. Nora öffnete die Tür und schaute herein. „Hier ist der Kaffee. Bist du bereit?" Emily nickte und schauderte, wenn sie an die Menschenmenge dachte, die sie draußen erwartete.
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2. KAPITEL Garrett sah auf die Uhr, als er aus der Haustür des „Bachelor Arms" trat. Die Morgensonne schien auf den ausgeblichenen rosa Stuck der Fassade, und er suchte in seiner Jackettasche nach seiner Sonnenbrille. Als er den Weg hinüber zum Parkplatz ging, ließ er seinen Blick über das schöne alte Haus der Jahrhundertwende wandern. Es hatte zuerst einer reichen Familie gehört, und war in den dreißiger Jahren in drei luxuriöse Apartments aufgeteilt worden, bewohnt von den berüchtigtsten Junggesellen Hollywoods, denen es auch seinen sprichwörtlichen Namen verdankte. Im Laufe der Zeit waren die Apartments immer wieder in kleinere Einheiten aufgeteilt worden. Doch von außen behielt das Haus mit seinen gußeisernen Baikonen, dem Turm, den türkisfarbenen Ornamenten und dem tropischen Garten den Charme einer grandiosen Epoche. Zwanzig Minuten später hielt Garrett auf dem Parkplatz der „Los Angeles Post". Sein Chefredakteur, Don Adler, hatte ihn um sieben Uhr morgens angerufen und in die Redaktion befohlen. Es mußte etwas Besonderes sein, denn Garrett arbeitete meist zu Hause und erschien nur selten im Verlag. „Wie konnten Sie so etwas schreiben?" brüllte Adler ihn an und wedelte mit einer Ausgabe der „Post". „Guten Morgen", erwiderte Garrett fröhlich und ließ sich auf die Besuchercouch fallen. „Wo ist das Problem?" „Wo das Problem ist? Hier, in dieser Zeitung. Ihre Kolumne." „Aber Sie lesen sie doch, bevor sie in Druck geht. Sie waren begeistert. Und meine Leser auch." „Ich will, daß Sie eine Richtigstellung schreiben." Garrett lachte. „Wie käme ich dazu? Meine Kolumne ist humorvolle Unterhaltung. Für so etwas druckt man keine Richtigstellung. Soll ich etwa schreiben ‚die Los Angeles Post bedauert den Irrtum'? Was ist bloß in Sie gefahren?" „Richard Parker." „Was zum Teufel hat Richard Parker damit zu tun?" 16
„Wo leben Sie, McCabe? Richard Parker ist Präsident und Vorstand von Parker Publishing. Parker Publishing wiederum ist Inhaber dieser Zeitung, und meines Redakteursstuhls, wie Sie wissen sollten." „Oh, ich verstehe! Die Frau von Richard Parker ist ein Fan von Emily Taylor." „Nein. Er selbst ist der große Bewunderer. Er bewundert sie so sehr, daß er ihre Zeitschrift kaufen will. Bevor Sie die verflixte Kolumne geschrieben haben, sah es so aus, als hätte er es geschafft." Richard Parker war bekannt für seine rauhen Geschäftsmethoden. Auf diese Weise hatte er vor fünf Jahren die „Post" erworben und seinen Verlag seitdem um mehrere Zeitschriften vergrößert. Garrett wußte, wie das lief. Parker kaufte den Hauptanteil an einer Publikation und versprach, alle könnten so weiterarbeiten wie bisher. Dann setzte er die finanzielle Daumenschraube an. Kreative Mitarbeiter standen plötzlich ohne Job da, die Stimmung sank, die Auflage fiel, und dann brachte er die übrigen Eigner dazu, ihm ihre Anteile zu verkaufen. Was übrig blieb, war eine leicht angekratzte Zeitung oder Zeitschrift mit immer noch gutem Namen, die nun Parker ganz allein gehörte. Manager wurden durch Parkers Leute ersetzt, wer nicht auf Linie war, konnte gehen. Garrett war klar, daß Adler nicht gehen wollte. Ein Chefredakteur, der dem Verleger ausgeliefert war, war eine gefährliche Person. „Es ist doch nur Spaß, Don. Jeder weiß es. Auch Parker. Kann die Frau denn keinen Spaß vertragen?" fragte Garrett. „Hohepriesterin der Kräuter? Die Chintz-Königin? Raumausstatterin für Seifenopern? Wirklich lustig." „Deswegen habe ich es geschrieben." „Ich will, daß Sie das in Ordnung bringen, McCabe. Heute noch. Oder ich lasse Sie die nächsten zehn Jahre Todesanzeigen texten. Emily Taylor ist für Parker Publishing wichtiger als Garrett McCabe. Also machen Sie Mr. Parker glücklich und entschuldigen Sie sich persönlich bei Miss Taylor." Garrett stand auf und beugte sich über den Schreibtisch. „Sie wollen, daß ich mich für eine meiner Kolumnen entschuldige?" 17
Adler nickte. „Ich will es, Parker will es, und der Rest der Mitarbeiter ebenfalls." „Keine Chance. Lieber texte ich Todesanzeigen. So witzige Traueranzeigen haben Sie noch nie gelesen. Die Leute werden die Los Angeles Post nur noch wegen dieser schwarzumrandeten Dinger kaufen." „Haben Sie immer noch nicht begriffen, daß es hier um Ihren Job geht, McCabe? Wollen Sie ihn wirklich wegen so einer dummen kleinen Hausfrau verlieren?" Garrett ging wortlos zur Tür und riß sie auf, doch Adler hielt ihn auf. „Was Parker will, kriegt er. Zurzeit ist es eben Emily Taylor." Garrett fluchte leise und rief hinaus in den Gang: "Alvin! Alvin, wo steckst du?" Alvin Armstrong, neunzehn Jahre jung, Volontär und „Mädchen für alles", kam angerannt. Er gehörte offiziell in die Sportredaktion, aber dort war man froh, wenn man ihn los war. „Ich ziehe ,Alex' vor, Mr. McCabe", sagte er und bemühte sich, seiner hohen Stimme eine männlichere Note zu geben. "Alex paßt besser zu einem Sportreporter. Alex Armstrong." „Alvin, Alex, ist mir egal", erwiderte Garrett irritiert. „Geh in den besten Blumenladen von L.A. und bestelle ein Dutzend Rosen. Nein, lieber zwei Dutzend. Gelbe Rosen." Alvin grinste verschwörerisch. „Probleme mit den Ladies, Mr. McCabe? Kann ich nachfühlen. Frauen sind noch mein Untergang." „Bevor du die Rosen bestellst, sollst du rauskriegen, wo Emily Taylor sich zurzeit aufhält. Sie …" „Oh, ich weiß, wer Emily Taylor ist", unterbrach ihn Alvin. „Parker Publishing will ihre Zeitschrift kaufen. Parker hat sie in seinem eigenen Haus in Malibu untergebracht. Sie arbeitet dort während der Verhandlungen an der nächsten Ausgabe, gemeinsam mit ihrer Partnerin Nora Griswold." Garrett starrte Alvin überrascht an. „Sie wohnt in seiner Strandvilla? Woher weißt du diese Dinge? Mehr noch, warum weiß ich das alles nicht?" 18
„Ich habe einen Freund in der Poststelle, der mich auf dem laufenden hält. Parker gibt auch eine große Party für Emily Taylor. Morgen abend bei ihm zu Hause in Beverly Hills. Mein Kumpel mußte die Einladungen adressieren und austragen." „Eine Party für Emily Taylor? Für mich hat Parker noch nie eine gegeben", sagte Garrett. „Bringen Sie mir ein Autogramm von ihr mit?" bat Alvin. „Meine Mutter ist ein absoluter Fan." „Meine Einladung muß auf dem Postweg verloren gegangen sein", gab Garrett ironisch zurück. „Wahrscheinlich, weil Sie sie in Ihrer Kolumne hochgenommen haben. Und ziemlich heftig, wenn ich das bemerken darf." Alvin kicherte. Garrett zog Alvin in sein Büro. „Kannst du herausbekommen, wo sich Emily Taylor in diesem Moment aufhält?" „Klar. Parkers Sekretärin ist zuständig für ihren Tagesablauf, und mein Kumpel hat bestimmt mal einen Blick darauf geworfen." „Großartig. Kauf die Rosen und bring sie persönlich vorbei." Garrett wandte sich zu seinem Schreibtisch um, nahm ein Blatt Papier und schrieb: Liebe Miss Taylor, das mit der Kolumne tut mir leid. Ich hoffe, Sie nehmen es nicht persönlich. Es war keinesfalls so gemeint. Mit freundlichen Grüßen Garrett McCabe Er reichte Alvin das Blatt. „Leg das zu den Rosen. Dann komm sofort zurück und erzähl mir, wie es gelaufen ist. Detaillierte Beschreibung, bitte." Alvin streckte die Hand aus. „Ich brauche Geld für den Bus und für die Blumen." Garrett zog seine Autoschlüssel aus der Hosentasche und gab sie ihm. „Ein Kratzer, eine Beule, und ich drehe dir den Hals um! Laß das Verdeck oben und fahr nicht auf den Schnellstraßen. Höchstgeschwindigkeit für dich zehn Meilen unter dem Limit. Verstanden?" „Wow!" rief Alvin. „Ich darf Ihren Mustang fahren!" 19
„Und für die Rosen zahlt die Zeitung. Nimm dir das Geld aus der Kaffeekasse. Los, geh schon. Ich muß noch eine Kolumne schreiben und habe keine Zeit für die Anbeter von Emily Taylor." Garrett setzte sich an seinen Schreibtisch und begann über dem Thema seines nächsten Artikels zu brüten. Normalerweise arbeitete er zu Hause, doch heute war er zu nervös, um in seinen eigenen vier Wänden etwas Gescheites zu produzieren. Außerdem war er neugierig auf Alvins Bericht und würde kein Auto haben, bis Alvin zurück war. Er starrte auf den leeren Computerbildschirm und den blinkenden Cursor. Eine Stunde später war der Bildschirm immer noch leer. Garrett rieb sich die Augen. Was soll's? dachte er. In diesem Zustand kann ich sowieso nicht schreiben. Die Nachricht, daß er, Garrett McCabe, der mit seiner Kolumne die Auflage der Zeitung erhöht hatte, nun plötzlich die zweite Geige hinter einer unterkühlten Berufshausfrau spielen sollte, machte ihm zu schaffen. Vielleicht war es Zeit für eine Neuorientierung. Schon lange hatte er sich überlegt, den Job bei der „Post" aufzugeben und sich als Kolumnist für verschiedene Zeitungen selbständig zu machen. Er hatte sogar bereits einige Agenturen angeschrieben, doch noch keine Antwort erhalten. Einer Agentur anzugehören, die ihn und seine Artikel vermarktete, wäre optimal gewesen. Es würde ihn völlig unabhängig machen. Er könnte leben, wo es ihm Spaß machte, und alles, was er brauchte, wären ein Computer und ein Faxgerät. Das Bild einer Berghütte über einem kristallklaren, blauen See tauchte vor seinen Augen auf, und er verlor sich in Tagträumen von einem freien Junggesellendasein. „Mr. McCabe?" weckte Alvins Stimme ihn unsanft aus seinen Visionen. Der Junge hielt eine lange Blumenschachtel in der Hand. „Was ist los? Hast du sie nicht gefunden?" wollte Garrett wissen. „Ich habe genau das getan, was Sie mir aufgetragen haben. Ihre Partnerin, Nora Griswold, nahm die Rosen entgegen. Einige Minuten später brachte sie sie mir wieder und schickte mich weg." Alvin nahm den Deckel von der Blumenschachtel und ließ den Inhalt auf Garretts Schreibtisch purzeln. Vierundzwanzig Rosenstiele und vier20
undzwanzig abgeknickte Blüten. Dazu die Schnipsel seines Entschuldigungsbriefs. Alvin seufzte mitfühlend. „Meine große Erfahrung mit den Ladies sagt mir, daß Emily Sie nicht mag." Garrett nahm einen der geköpften Rosenstiele. „Kann sein, daß sie mich jetzt noch nicht mag, aber sie wird mich kennenlernen. Ich kann nämlich überaus charmant sein." „Es muß doch einen Weg geben, dieses Layout etwas fröhlicher zu machen", flüsterte Emily verzweifelt. „Es sieht einfach langweilig aus." Die letzten drei Stunden hatte sie im Fotostudio verbracht und versucht, jene zwanzig verschiedenen Pilzarten, die es in den Vereinigten Staaten zu kaufen gab, gefällig zu arrangieren. Aber zufrieden war sie nicht. „Wir fotografieren Pilze", sagte Nora trocken. „Sie sind alle braun oder grau oder weiß. Was kann man schon damit machen, außer ein wenig Spaghettisoße darüber zu gießen und sie mit Parmesan zu bestreuen?" „Wenn wir eines dieser Fotos hier drucken, wird man auf der Magazinseite kaum noch etwas von den Formen erkennen können. Sag Colin, ich möchte mehr Farbe." „Nein", sagte Nora stur. Emily sah sie erstaunt an. Das hatte es noch nie gegeben. „Du meinst, mehr Farbe für das Layout ist unnötig?" „Ganz im Gegenteil. Aber wenn das jemand Colin mitteilt, bist du es, Emily. Ich bin es leid, immer die Überbringerin schlechter Nachrichten zu sein. Das letzte Mal teilte mir Colin sehr deutlich mit, wohin ich mit meinen siebzehn verschiedenen Arten Fruchtsaft verschwinden könnte. Geh du zu ihm." „Ich kann nicht", erwiderte Emily. „Er ist der beste Fotograf für Nahrungsmittel an der gesamten Westküste, und außerdem … was verstehe ich schon von Fotografie?" Sie seufzte. „Vielleicht ist das Foto ja doch nicht so schlecht." „Du willst doch, daß das Layout neu arrangiert wird, Emily. Sag es ihm. Du bist die Chefin. Setz dich durch." „Kannst du mir mal verraten, warum du mich unbedingt zu etwas 21
machen möchtest, was ich nicht bin?" fragte Emily. „Weil es endlich Zeit ist, daß du das, was du möchtest, auch selbst einforderst. Hör auf, immer mit dem zufrieden zu sein, was man dir vorsetzt." „Mußt du mich so quälen?" jammerte Emily. „Liebes, wir haben die Möglichkeit, unsere Zeitschrift ,At Home' zum dicksten Fisch auf dem Markt zu machen. Um das zu erreichen, ist es notwendig, daß auch du deinen Part richtig spielst. Dazu gehört, daß du dich nicht mehr wie ein Veilchen im Moos versteckst. Laß uns mit Colin beginnen. Versuche es, und du wirst sehen!" In diesem Moment trat Colin ins Studio und schaltete noch einige zusätzliche Lampen über dem großen Tisch in der Mitte des Raumes ein. Emily sah ihm zu und überlegte, ob Nora vielleicht recht hatte. Aber war Colin wirklich ein gutes Versuchskaninchen? Schließlich waren sie auf ihn angewiesen. Er arbeitete mit ihnen, obwohl ,At Home" weniger zahlte als die anderen Magazine. Emily schluckte zweimal und sagte dann vorsichtig: „Colin?" Der Fotograf drehte sich nicht einmal um, doch Nora schob sie einfach vorwärts. Sie trat zögernd neben den Fotografen. „Colin, ich … ich würde gerne das Layout dieses Fotos mit Ihnen besprechen." Sie holte tief Luft. „Es ist nicht genug Farbe darin." Colin blickte über die Schulter, zwischen zwei Fingern hielt er ein Diapositiv. „Was?" fragte er abwesend. „Wir brauchen mehr Farbe im Bild", wiederholte Emily. „Was halten Sie von ein paar natürlichen Elementen, wie Moos zum Beispiel", fügte sie hinzu. „Moos würde mir gefallen." Er hob spöttisch die Augenbrauen. „Moos?" Sie nickte. „Ja. Bitte gestalten Sie das Layout interessanter, indem Sie Materialien aus dem natürlichen Umfeld der Pilze benutzen: Baumrinde, farbenfrohe Blätter, schöne Steine, vielleicht sogar ein paar Wildblumen oder Farnkraut. Das bringt Wärme und Farbe ins Bild." Colin sah sie durchdringend an. „Oder vielleicht auch nicht", brachte sie mit versagender Stimme heraus. 22
Nach einer kleinen Ewigkeit sagte Colin endlich mit einem Achselzucken: „Kein Problem. Mache ich gleich." „Wirklich?" stammelte Emily erleichtert. „Sie sind die Chefin, Miss Taylor", erwiderte Colin. „Das … das bin ich, nicht wahr?" bestätigte Emily. „Vielen Dank." Colin eilte davon, um seinen Assistenten genaue Anweisungen zu geben. Emily wandte sich an Nora. „Bist du nun zufrieden?" ,Absolut. Und wie fühlst du dich?" „Stark und unbesiegbar. Wie Miss Superwoman." „Gut", erwiderte Nora. „Dann sollten wir noch einmal über die Party am Freitagabend reden." Emily stöhnte genervt und begann, ihre Unterlagen in ihre Tasche zu stopfen. Sie hatte nicht die geringste Lust, über Richard Parkers Party zu reden. All ihre Stärke schien wie weggeblasen, wenn sie an die Menschenmenge dachte, die sie dort erwarten würde, und sie mittendrin, unfähig, den Mund aufzumachen. Einer der Assistenten Colins unterbrach ihre unerfreulichen Gedanken. „Draußen ist ein Mr. Garrett McCabe, der Sie sprechen möchte, Miss Taylor. Er sagte, Sie erwarteten ihn." „Oh, nein", murmelte Nora verärgert. „Jetzt macht der Teufel bereits Hausbesuche." „Der Teufel?" fragte Emily verstört. „Wer ist dieser Garrett McCabe? Müßte ich ihn kennen?" „Sagen Sie Mr. McCabe, daß Miss Taylor keine Zeit hat", befahl Nora. „Warum nicht?" wollte Emily wissen. „Glaub mir, du willst ihn bestimmt nicht sehen, Emily." Doch Colins Assistent kam nicht mehr dazu, ihren Befehl auszuführen. Ein großer Mann schob ihn zur Seite und baute sich mit einem Arm voll Blumen vor Emily auf. Er schob ihr die Blumen hin. „Hier", sagte er nachdrücklich. „Nehmen Sie." Was für ein rüder Kerl, dachte sie und hielt den Blumenstrauß zur Seite, um sein Gesicht sehen zu können. Es schien ihr vage vertraut. Der Mann war groß und sonnengebräunt. Er trug ein modisches, sportliches Jackett und Hosen mit Bügelfalte. Sein hellbraunes Haar 23
war von sonnengebleichten Strähnen durchzogen, und sein Hemd hatte genau denselben Farbton wie seine hellblauen Augen, mit denen er kühl ihre Reaktion beobachtete. „Kenne ich Sie?" fragte Emily. Er lächelte zynisch. „Wenn Sie glauben, Sie müßten Ihre Position der Stärke gegen mich ausspielen, dann nur zu", sagte er. „Ich bin hier, um mich offiziell zu entschuldigen, und wenn Sie klug sind, akzeptieren Sie das. Ich drohe nicht, Miss Taylor, aber ich empfehle es Ihnen nachdrücklich." „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz", stammelte Emily, während ihr Blick auf dem attraktiven Gesicht verweilte. Sie versuchte, sich abzuwenden, doch ihr war, als sähe sie eine meisterliche Marmorskulptur, das perfekte Bild eines Mannes - zum Leben erwacht. „Spielen Sie nicht das Dummchen! Ich weiß, was Sie wollen, und das Heimchen am Herd beeindruckt vielleicht Richard Parker, aber mich nicht." Erschrocken erwachte Emily aus ihrem Tagtraum und preßte die Blumen an ihren Körper. Wer war dieser Mann bloß, und warum war er so wütend auf sie? „Mr. … Mr. …" „McCabe." Er lachte hart. „Ich gebe zu, Sie spielen Ihr Spiel wirklich gut. So kühl und beherrscht. Sie erinnern sich durchaus nur noch vage an mich?" „Ja", gab Emily zu. Warum erinnere ich mich nicht an ihn, wenn wir uns vorher schon mal begegnet sind, fragte sie sich. Schließlich trifft man nicht jeden Tag einen griechischen Gott. Der Mann namens McCabe schüttelte angewidert den Kopf. „Ich gebe es auf. Ich habe getan, was man mir aufgetragen hat, aber jetzt ist Schluß. Ich habe mich entschuldigt. Aber wenn Sie noch einmal versuchen, meine Karriere zu behindern, Miss Taylor, dann werden Sie mich kennen lernen. Verstanden?" Mit weitgeöffneten Augen nickte Emily sprachlos. Irgendwie bekam sie mit, daß ihre Unterhaltung nun beendet war und er genauso schnell wieder verschwinden würde, wie er hergekommen war. Sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen - vergeblich. 24
Der Mann drehte sich mit einem unterdrückten Fluch um und ging mit großen Schritten zur Tür. Er warf sie hinter sich ins Schloß. Noch minutenlang konnte man im Zimmer die Anspannung fühlen, in die er alle Anwesenden versetzt hatte. Endlich atmete Emily auf. „Wie konnte ich vergessen, daß ich diesem Mann bereits begegnet bin?" „Du warst ein wenig abgelenkt", erwiderte Nora mit einem verkniffenen Lächeln. „Das war der Kerl aus dem Buchladen. Der dir die Hand schütteln und mit dir reden wollte. Anscheinend hast du an diesem Tag aber nicht viel wahrgenommen." „Vermutlich hätte ich ihm die Hand geben sollen", meinte Emily nun. „Warum war er so wütend? Nur weil ich die Anstandsregeln nicht beachtet habe? Ich scheine heute die erste Begegnung mit einem verrücktgewordenen Fan gehabt zu haben." Sie wandte sich an Nora. „Genau deswegen möchte ich nicht berühmt werden." „Ich glaube, Garrett McCabe kann man nicht zu deinen Fans zählen", sagte Nora. "Aber verrückt könnte er sein." Sie holte ihre Aktentasche und entnahm ihr einen Zeitungsausschnitt. „Es ist wohl besser, wenn du das hier liest", meinte sie und reichte ihn Emily. „Ich wollte ihn dir eigentlich nicht zeigen, aber er erklärt Mr. McCabes ungewöhnliches Verhalten." Emily verlagerte die Blumen auf ihrem Arm und überflog die Autorenzeile. „Er ist Journalist", sagte sie überrascht. „Darüber kann man streiten", antwortete Nora. „Lies." Langsam las Emily den Artikel durch, doch je weiter sie kam, desto weniger verstand sie, was McCabe damit bezweckt hatte. Seine bissigen Kommentare waren wohl humorvoll gemeint, aber sie konnte nichts Erheiterndes daran finden. Er machte sich über sie, ihre Arbeit, ihre Leser und alles, was ihr etwas bedeutete, lustig! Die Vergangenheit schien sie plötzlich eingeholt zu haben, und sie mußte blinzeln, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Zu oft schon hatte sie diese Angriffe über sich ergehen lassen müssen. Es war lange her, fast lange genug, um es vergessen zu haben. Damals hatte sie gelächelt und geschwiegen. Für Eric waren die Dinge, auf die sie stolz war, nie etwas Besonderes gewesen, und sie hatte ihm 25
geglaubt. Was sie tat, war nicht wichtig. Jetzt kam Garrett McCabe, sah aus wie ein griechischer Gott, und versuchte, sie ebenso klein zu machen wie ihr Exmann. Doch diesmal war sie selbstbewußt genug zu wissen, daß er kein Recht hatte, so über sie zu urteilen. Er kannte sie noch nicht einmal. Zum ersten Mal unterdrückte sie ihre Wut nicht. Sie wußte, daß auf ihrem Gebiet ihr niemand etwas vormachte, und daß ihre Leserinnen Respekt für ihre Bemühungen verdienten, ein schönes Zuhause zu schaffen. „Es tut mir leid, Emily". sagte Nora. „Ich hätte dir den Artikel zeigen sollen, aber ich wußte doch, wie sehr er dich kränken würde." „Schon gut, Nora", besänftigte sie Emily. „Ich bin froh, daß ich ihn gelesen habe. Und ich bin nicht verletzt." „Nicht?" „Nein", erwiderte Emily. „Ich bin wütend. Maßlos wütend." Nora lächelte erleichtert. „Dann bist du auch nicht böse über das, was ich getan habe." „Kommt drauf an. Was ist es?" „Soweit ich es beurteilen kann, ist Mr. McCabe wegen dieses Artikels in Teufels Küche geraten. Richard Parker ist der Besitzer der Zeitung, für die McCabe schreibt. Er dürfte nicht erfreut über die Kolumne gewesen sein. Er hat ihn wahrscheinlich gezwungen, sich zu entschuldigen. Daher die zwei Dutzend gelben Rosen und der äußerst verbindliche Brief." „Er hat mir Rosen geschickt? Und einen Brief? Wann?" „Heute am frühen Nachmittag", erklärte Nora. „Da ich wußte, wie gekränkt du sein würdest - jedenfalls, wenn du die Kolumne gelesen hättest - sandte ich die Blumen zurück. Mit abgeknickten Köpfen. Den Brief habe ich zerrissen. Ich konnte einfach nicht anders." Emily lächelte unheilvoll. „Also, ich wäre auf den Rosen herumgetrampelt und hätte sie durch den Papierwolf gejagt." Nora kicherte. „Dann ist es dir recht gewesen? Ich hatte befürchtet, daß du seine Entschuldigung annehmen würdest." „Bist du wahnsinnig?" rief Emily. „Die Hohepriesterin der Kräuter und Gewürze macht sich nicht mit einem eitlen griechischen Gott gemein, der an Größenwahn leidet. Ich habe noch nie jemanden 26
gehaßt, aber es könnte sein, daß ich jetzt damit anfange." Doch das war leichter gesagt als getan, dachte Emily, als sie ihre Nase in dem großen Blumenstrauß vergrub. Die Blüten dufteten, und das Bild von Garrett McCabe stieg vor ihr auf. Er sah unglaublich gut aus, alles an ihm atmete Energie und Kraft. Sie dachte an das markante Gesicht, die breiten Schultern und langen Beine, seinen sinnlichen und doch energischen Mund und die hellen blauen Augen. Emily seufzte. Er war wirklich ein unglaubliches Mannsbild, wie Nora das nannte. Doch außerdem war er ihr Feind. „Schauen Sie sich das an! Dies sind die Listen der aufgebrachten Anrufer wegen Ihres Artikels über Emily Taylor. Dreihundert an einem einzigen Tag. Ein neuer Rekord!" Garrett stand am Fenster im Büro seines Chefredakteurs und beobachtete das Treiben auf der Straße unten. Was hatte er sich da bloß eingebrockt? Und wieso eigentlich? Immerhin war Emily Taylor eine Person des öffentlichen Lebens, und über solche Leute hatte er bereits unzählige humorvolle Artikel geschrieben. Und jetzt tat jeder so, als hätte er Mutter Teresa persönlich beleidigt. Er drehte sich um und ging hinüber zum Chefschreibtisch. Adler griff nach einem Röhrchen mit Magentabletten, schüttete ein paar davon in seine Hand und beförderte sie schwungvoll in seinen Mund. Er bot Garrett auch welche an, doch dieser lehnte ab. „Was gedenken Sie zu tun, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen?" erkundigte sich der Chefredakteur, während er auf den Tabletten kaute. „Wieso ich? Merken Sie nicht, was Miss Taylor bezweckt? Sie benutzt die Situation, um den Kaufpreis für ihr Magazin in die Höhe zu treiben. Parker soll sehen, wie beliebt und unbezahlbar sie ist. Dafür opfert sie mich und meine Karriere. Wahrscheinlich steckt sie selbst hinter all diesen Anrufen." Er lachte zynisch. „Haben Sie mal kontrolliert, wie viele Anrufer wirklich Abonnenten der „Post" sind?" Adler strich sich das schüttere Haar aus der Stirn. „Natürlich haben wir das. Alle haben das Blatt abonniert", antwortete er. „Hören Sie zu, McCabe, die Befehle für Sie kommen von ganz oben. Entweder versöhnen Sie sich mit Miss Taylor, oder Parker sucht sich einen 27
Sündenbock. Ich persönlich habe keine Lust, dieser Sündenbock zu sein." „Ihrer Meinung nach bin ich also schuld? Sie haben die Kolumne doch gelesen, bevor sie in Druck ging. Sie sind der Chefredakteur. Sie hätten es verhindern können. Aber das haben Sie nicht getan, weil Sie ebenso wenig wie ich wußten, was geschehen würde." „Gebe ich ja zu. Haben Sie wenigstens versucht, sich zu entschuldigen?" „Zweimal sogar. Gestern. Mit Blumen. Emily Taylor ist aber nicht so leicht herumzukriegen. Ich glaube nicht, daß sie eine Entschuldigung von mir akzeptieren wird. Jedenfalls nicht, bevor sie allen Nutzen aus der Situation gezogen hat." „Es muß einen Weg geben, wie man sie besänftigt", beharrte Adler. „Denken Sie sich etwas aus." Garrett stützte seine Hände auf Adlers Schreibtisch und lehnte sich vor. „Besorgen Sie mir eine Einladung zu Parkers Party", sagte er, „und ich verspreche Ihnen, daß die Sache beigelegt wird. Sie wird eine Entschuldigung, die in aller Öffentlichkeit vorgebracht wird, nicht zurückweisen." „Ich kann Ihnen meine Karten leider nicht geben. Meine Frau will unbedingt hingehen und Emily Taylor kennenlernen." „Ich wünschte, ich hätte die Frau nie kennengelernt", rief Garrett. Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wirklich? fragte er sich. Sicher, er würde zurzeit nicht in Schwierigkeiten stecken, wenn er nicht durch Zufall in jene Buchhandlung geraten wäre. Aber merkwürdigerweise bereute er die Begegnung mit Emily Taylor nicht. Irgend etwas interessierte ihn an dieser Frau. Sie war faszinierend widersprüchlich. Oberflächlich gesehen wirkte sie unscheinbar und war gewiß nicht der Typ Frau, dem er einen zweiten Blick gegönnt hätte. Doch er hatte den Blick nicht von ihrem Gesicht wenden können, und ihre Stimme brachte etwas in ihm zum Klingen. Es mußte ihre verborgene Stärke sein. Eine starke Frau hinter dieser hübschen und unschuldigen Maske mußte jeden Mann faszinieren. 28
„Keine Sorge", murmelte Garrett und ging zur Tür. „Ich verschaffe mir schon eine Einladung." Bevor er den Raum verließ, wandte er sich noch einmal um. "Also wirklich, Don", sagte er, „von Ihnen hätte ich ein wenig mehr Unterstützung erwartet." „Meine Unterstützung haben Sie, McCabe. Hundert Prozent. Und jetzt sehen Sie zu, daß Sie Emily Taylor dazu kriegen, ihre Hunde zurückzupfeifen. Wenn es Ihnen gelingt, sie weichzukneten, dann winkt Ihnen die Gehaltserhöhung, die Sie haben wollen." Garrett verließ Adlers Büro und zog die Tür hinter sich zu. „Alvin!" rief er. "Alvin, ich brauche dich!" Alvin erschien aus dem Nichts. Garrett fragte sich, ob der Junge überhaupt jemals arbeitete. Er schien immer gerade dann bereit zu sein, einen Auftrag anzunehmen, wenn Garrett ihn brauchte. Er folgte Garrett auf den Fersen bis zu dessen Büro. „Alvin, ich möchte, daß du mir eine dieser Einladungen zu Richard Parkers Party besorgst." „Alex, Sir", erwiderte Alvin. „Wären Sie so nett, sich daran zu erinnern?" „Richtig, Alex. Geh zu deinem Kumpel in der Poststelle und sieh zu, was du erreichst. Es gibt sicher ein paar übrig gebliebene Karten, die irgendwo herumliegen." Garrett nahm sein Jackett von der Stuhllehne und griff nach einem Blatt Papier und einem Bleistift. „Dann bringst du mir die Einladung rüber ins Flynn's." „Aber Sie haben doch einen Abgabetermin." „Ich schreibe besser, wenn ich ein Bier dabei trinke. Außerdem ist der Abgabetermin erst in ein paar Stunden." Er sah auf seine Armbanduhr. „In sieben Stunden, um genau zu sein. Glaubst du, du schaffst es, …?" „Alex", beharrte der Junge. „Richtig, Alex", wiederholte Garrett automatisch. „Dann werden Sie also Emily Taylor wieder sehen", fragte Alvin mit wissendem Grinsen. „Habe keine Wahl", erwiderte Garrett. „Nicht, wenn ich meinen Job behalten will." „Ich wette, sie ist richtig hübsch", bemerkte Alvin. „Vielleicht so, 29
wie meine Mutter, nur jünger." „Ich kenne deine Mutter nicht, aber ich kann dir eins sagen: es würde dir gar nicht gefallen, Emily Taylor in deinem Leben zu haben", gab Garrett spöttisch zurück und verließ den Raum. Er ging durch die Nachrichtenredaktion und lief die Hintertreppe hinunter zu den Parkplätzen. Kurze Zeit später lenkte er den Mustang auf die Straße und reihte sich in den Verkehr ein. Der Wilshire Boulevard war dicht befahren, so daß es kein Vergnügen war, die drei Meilen bis zu seiner bevorzugten Kneipe zurückzulegen. So hatte er Zeit, sich Emily Taylor ins Gedächtnis zu rufen, wie sie bei ihrer letzten Begegnung ausgesehen hatte: einen großen Blumenstrauß im Arm, grüne Augen, aus denen sie ihn gespielt schockiert angesehen hatte, ihr feines Gesicht … Eigentlich wirkte sie gar nicht wie eine kalte, rücksichtslose Geschäftsfrau. Eher sanft und lieblich, ohne Geziertheit. Garrett schüttelte den Kopf. Obwohl er mittlerweile wußte, daß ihre süße Unschuld nichts als Fassade war, hatte er das Gefühl, daß sie etwas verbarg, von dem sie nicht wollte, daß es öffentlich bekannt wurde. Vielleicht zog ihn das so an. Als Journalist mußte er neugierig sein. Die Kneipe Flynn's war voller Feierabendgäste, als er endlich dort ankam. Er bemerkte Jill Foyle, eine seiner Nachbarinnen im „Bachelor Arms". Sie saß am anderen Ende der Bar und unterhielt sich mit Eddie Cassidy, dem Barkeeper und Mitglied beim Dienstagabendpoker. Garrett ließ sich auf dem leeren Barhocker neben Jill nieder und warf Papier und Bleistift auf den Tresen. „Miss Foyle", neckte er sie, „was gibt es neues in der Singleszene?" Jill wandte sich zu ihm um, strich sich eine platinblonde Haarsträhne hinters Ohr und lächelte spöttisch. „Was ist los, McCabe? Bist du mal wieder auf der Suche nach einer Story?" „Du hast doch deinen Finger immer am Puls der Zeit, Foyle. Immerhin hast du mich mit Themen versorgt wie ,Schokolade als Aphrodisiakum' und Verabredungen per Computer'. Gibt es nun etwas Spannendes oder nicht?" 30
„Gibt es nicht", erwiderte Jill. „Nachdem du die arme Emily Taylor in deiner letzten Kolumne hast hochgehen lassen, möchte ich mit dir eigentlich nicht mehr gesehen werden." Garrett stöhnte. „Du jetzt auch noch!" „Emily Taylor ist eine Heilige", klärte Jill ihn auf. „Sie hat es geschafft, daß eine Frau Anerkennung dafür findet, wenn sie ihrem Mann und ihren Kindern ein schönes Zuhause bietet. Kein Wunder, daß sie Millionen Fans hat." „Ich bin keiner davon", gab Garrett zurück. „Und was ist dein Problem?" „Emily Taylor und ihre Hausfrauenarmee setzen alles daran, daß aus Männern Schoßhündchen werden", sagte Garrett. „Hast du jemals daran gedacht, daß Männer ihr Heim genießen, das ihre Frau für sie gestaltet hat?" fragte Jill. „Wer weiß, vielleicht würdest sogar du es schön finden, wenn eine Frau für dich kocht … eine, die dich nicht für einen grauenvollen Egoisten hält." Garrett sandte ihr einen schockierten Blick. „Ich habe ein behagliches Zuhause, und zu essen habe ich auch. Niemand befiehlt mir, meine Socken wegzuräumen oder den Mülleimer rauszutragen." „Essen aus dem Schnellrestaurant und ein alter Ohrensessel machen noch kein behagliches Zuhause", erwiderte Jill. „Den Sessel habe ich von Tru Hallihan. Seine Frau wollte ihn nicht mehr haben. Hier hast du ein perfektes Beispiel für das, was ich sagen wollte." „Du kannst sagen, was du willst, aber weder Tru noch Josh machen einen unterdrückten, unglücklichen Eindruck. Ganz im Gegenteil." Das mußte Garrett zugeben. „Tru und Josh hatten ganz einfach das Glück, die beiden letzten aufregenden Frauen Kaliforniens kennen zu lernen", antwortete er. „Dich natürlich ausgenommen." „Sehr charmant, McCabe." Jill nippte an ihrem Drink. „Du suchst also etwas Aufregendes?" „Jedenfalls wirst du mich nicht dabei ertappen, wie ich nach einer Superhausfrau wie Emily Taylor Ausschau halte", sagte Garrett. „Keiner will Artikel über die Freuden eines Junggesellen lesen, wenn der Autor verheiratet ist." 31
„Nun, diesmal kann ich dir nicht helfen, McCabe. Such dir deine Story selbst." Garrett sah ihr nach, als sie zur Tür ging, und bestellte bei Eddie ein neues Bier. Eddie warf einen Blick auf das leere Blatt Papier auf dem Tresen. „Um wen geht es in deinem nächsten Artikel?" wollte er wissen. "Am liebsten würde ich mich noch einmal an Emily Taylor wagen", murmelte Garrett. „Unglücklicherweise teilt mein Chefredakteur diese Vorliebe nicht." „Hast du immer noch nicht genug?" „Noch nicht." Er dachte an den Auftrag, sich mit Emily Taylor zu versöhnen und kochte innerlich. Niemals zuvor hatte er klein beigeben müssen. Allerdings war Emily Taylor auch kein typisches Thema für seine Kolumne. Sie hatte Richard Parker als großen Beschützer. Wenn er sich etwas Gutes tun und seinen Job behalten wollte, erledigte er, was Adler von ihm verlangte. Doch Garrett McCabe tat nur selten etwas, das gut für ihn war.
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3. KAPITEL „Du hättest etwas Geblümtes anziehen sollen, und nicht dein kleines Schwarzes, wenn du vorhast, dich hinter den Zimmerpflanzen zu verstecken." Emily saß auf einem Polstersofa, sah zu Nora auf und ließ den Blattstängel einer Grünpflanze los, der ihr Gesicht verborgen hatte. „Ich bewunderte gerade diese Schefflera. Sie sieht sehr gepflegt aus." Alles, womit sich Richard Parker umgab, war gepflegt - sein Haus, seine Autos, seine Frau, und Richard Parker selbst. Der Verleger verkörperte den kalifornischen Traum vom Erfolg, man sah ihm an, daß eine ganze Truppe von Leuten nur dazu da war, seine Befehle auszuführen. Neben ihm kam sich Emily zerzaust und unordentlich vor. Ihr Haar löste sich ständig aus dem Knoten in ihrem Nacken. Ihr Kleid war ihr eine Nummer zu groß, und ihre Strumpfhose zierte eine Laufmasche vom Knöchel bis zum Knie. Emily betrachtete die elegante Einrichtung und fragte sich, was Richard Parker bloß mit ihrer bescheidenen Zeitschrift wollte. Er besaß doch bereits alles: ein großes Haus in Beverly Hills, eine Strandvilla in Malibu, teure Autos. Ihr eigenes kleines Haus hätte drei oder vier Mal in diesen Palast in Beverly Hills gepaßt. Hier gab es überdies nicht einen einzigen Winkel, in dem man ein Projekt von Emily Taylor hätte verwirklichen können. Das Haus wirkte, als hielte Mrs. Parker nichts vom Selbermachen. „Du solltest dich unter die Leute mischen", sagte Nora. Emily seufzte. „Ich möchte wissen, was ich hier eigentlich soll." „Ganz einfach. Mit Leuten reden, die etwas zu sagen haben. Ihnen das Gefühl geben, daß sie wichtig sind. Nett sein zu Richard Parker und seinen Kronprinzen. Sie davon überzeugen, daß der Kauf von ,At Home' das einzig richtige ist." „Davon bin ich selbst nicht überzeugt", murmelte Emily. Was diesen Kreisen über Statistiken, Umfrageergebnisse und Auflagenhöhe geredet wurde, interessierte sie wenig. Nora hatte sich bisher um alles Geschäftliche gekümmert, sie selbst war für das Kreative zuständig. 33
Jetzt aber spürte sie, daß der Verkauf von „At Home" Veränderungen mit sich bringen würde. „Sie haben mir mitgeteilt, daß man meinen Bekanntheitsgrad erhöhen will." „Ja, zum Beispiel damit, daß wir dein Porträt auf dem Titel jeder neuen Ausgabe bringen." „Kannst du vergessen." „Warum?" „Schau mich doch an. Wer kauft eine Zeitschrift, auf deren Titelbild eine Frau mit meinem Haar abgebildet ist? Außerdem wird dann jeder wissen, wer ich bin." „Genau darum geht es", erwiderte Nora. „Die Leute werden mich überall anstarren. Im Supermarkt muß ich mit ihnen reden. Verrücktgewordene Fans werden mir auflauern. Wie dieser Garrett zum Beispiel." „Da wir gerade von ihm sprechen - hier kommt er", sagte Nora trocken. Emily sah ihn nun ebenfalls und sprang mit klopfendem Herz auf. „Um Himmels willen", keuchte sie, „glaubst du, er ist hergekommen, um neuen Ärger zu machen?" Sie reckte sich, um ihn besser sehen zu können. „Diesmal hat er keine Blumen mitgebracht. Vielleicht weiß er gar nicht, daß ich hier bin." Nora warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. „Mittlerweile solltest du begriffen haben, daß diese Party dir zu Ehren gegeben wird, Emily." „Dann gehe ich in die Küche, bis er weg ist", stieß Emily hervor und verschwand, bevor Nora etwas sagen konnte. Ihr war klar, daß Garrett McCabe die Konfrontation mit ihr suchte, und sie wollte ihm dazu keine Gelegenheit geben. Daß sie ihn so merkwürdig anziehend fand, war ein weiterer Grund, seine Nähe nicht zu suchen. Schließlich hatte er sie beleidigt. Und seine Art der Entschuldigung war mehr, als sie ertrug. Emily heftete sich an die Fersen eines livrierten Bediensteten und folgte ihm in den rückwärtigen Teil des Hauses. Die Küche war riesengroß und voller Angestellter, die sich um das leibliche Wohl der Gäste kümmerten. Ein idealer Platz zum Verstecken. Sie be34
obachtete das Treiben eine Zeitlang und begann wenig später, Champignons mit einer Austernpaste zu füllen, die in einer Schüssel dafür bereitstand. „Könnten Sie mir bitte verraten, was Sie mit meinen Pilzen tun?" ließ sich die Stimme einer jungen Frau vernehmen, die ihrer Kleidung zufolge offensichtlich Chefköchin war und Emily mißtrauisch beäugte. „Ich … ich dachte, ich könnte vielleicht helfen", stammelte Emily. „Haben Sie gehackte Walnüsse? Sie würden für die gefüllten Champignons einen wunderbaren Abschluß bilden. Sie passen gut zum Gesamtbild, und der nussige Geschmack gibt der Füllung den gewissen Pfiff." „Walnüsse?" Die Chefin des Schlemmerservice betrachtete die Pilze und fuhr sich mit der Hand nachdenklich über das Kinn. „Eine Idee, die mir bisher noch nicht gekommen ist. Louis!" rief sie. „Geh und besorg mir Walnüsse. Gleich!" Als die gehackten Nüsse vor ihr lagen, streute Emily ein paar über einen gefüllten Champignon und reichte ihn dann der Köchin. Diese probierte und sagte dann erfreut: „Hm, das schmeckt gut. Sehr gut sogar!" „Ich fürchte nur, es erhöht die Kalorienzahl und den Fettanteil", bemerkte Emily schüchtern. „Aber glauben Sie nicht, man sollte es wagen?" Die Frau nickte und nahm einen Spieß mit Shrimps von einem Backblech. „Hier, versuchen Sie einmal." Emily schob eine gegrillte Meeresfrucht in den Mund und lächelte. „Wunderbar. Sie haben Limonensaft in die Marinade getan, nicht wahr?" „Woher wußten Sie das? Es ist ein Rezept von Emily Taylor", erläuterte die Köchin. „Sie ist heute abend Ehrengast. Glauben Sie, sie wird es bemerken?" Emily verschluckte sich fast. „Auf jeden Fall." „Wissen Sie, es ist richtig nervenaufreibend, für jemanden wie Emily Taylor zu kochen. Sie ist eine Perfektionistin. Und sie richtet die Sachen immer unglaublich gefällig für das Auge an. Es ist kaum 35
möglich, sie nachzuahmen." „Keine Angst", sagte Emily beruhigend. „Es sieht alles wundervoll aus, und es schmeckt auch so." In diesem Moment riß jemand die Küchentür auf, so daß ein Kellner das Tablett mit Vorspeisen auf seinem Arm nicht mehr retten konnte. Es flog scheppernd zu Boden und sandte Spritzer von Basilikumpaste über Emilys Beine. Sie erkannte das Rezept sofort. Garrett McCabe stand vor ihr und lächelte zynisch. „Wer Miss Taylor sucht, findet sie natürlich in der Küche." Die Köchin starrte Emily ungläubig an. „Sie sind Emily Taylor", flüsterte sie. Dann ergriff sie Emilys Hand und schüttelte sie so heftig, als wolle sie Eiweiß zu Schnee schlagen. „Aber sollten Sie nicht draußen bei den Gästen sein?" fragte die Köchen verwirrt. „Es ist doch Ihre Party." „Genau", mischte sich McCabe ein. „Was machen Sie hier eigentlich? Verstecken Sie sich vor mir?" Emily blickte ihn stumm an. Er sah unglaublich gut aus. Garrett McCabe besaß eine natürliche Eleganz, die nur noch mehr einschüchterte. Langsam näherte er sich Emily. Sie wich zurück, bis sie ans Büffet stieß. Abwehrend hielt sie den kleinen mit Shrimps bestückten Spieß vor sich wie eine Waffe. Doch Garrett McCabe ließ sich davon nicht irritieren. Er zog eine Meeresfrucht vom Spieß und schob sie in den Mund. „Hm", sagte er. „Sehr gut." „Das kommt von der Limone", murmelte Emily. „In der Marinade." Er hob eine Augenbraue. „Ich gebe Ihnen gern das Rezept", sagte Emily. „Ich bin nicht hierher gekommen, um ein Rezept für Shrimps abzuholen", fauchte McCabe. „Wir werden jetzt dieses kleine Mißverständnis zwischen uns ein für allemal ausräumen." „Mißverständnis?" wiederholte Emily. „Mr. …" Sie sah in seine Augen, und sein Name fiel ihr nicht ein. Sie wußte nur noch, daß er die faszinierendsten Augen besaß, die sie jemals gesehen hatte. Ihr Puls begann zu rasen, und sie errötete. 36
„McCabe", knurrte er und nahm ihre Hand. „Kommen Sie. Wir müssen etwas Geschäftliches besprechen. Sofort." „Ich würde lieber hier bleiben, wenn Sie nichts dagegen haben, und die Champignons füllen." „Ich habe etwas dagegen." Er schob Emily aus der Küche und mitten unter die Partygäste. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer, als sie sich bis in die Mitte des Raumes begaben. Emily hätte sich vor den neugierigen Blicken am liebsten verkrochen. Richard Parker trat neben Emily. „Ist alles in Ordnung, Miss Taylor?" Sie nickte heftig. „Ja … natürlich." Parker wandte sich an den Mann neben ihr. „Was machen Sie denn hier, McCabe? Ich habe Sie nicht eingeladen." „Ich bin gekommen, um mich förmlich bei Miss Taylor für den Inhalt meiner Kolumne zu entschuldigen", entgegnete McCabe. Parker dachte einen Moment nach. „Gute Idee, McCabe. Ich wußte, daß Sie mich verstehen würden." „Miss Taylor", sagte Garrett zu Emily, „es tut mir leid, wenn mein Artikel, der humorvoll gemeint war, Parker Publishing und der Los Angeles Post Schaden zugefügt hat. Ein Angriff gegen Sie persönlich war nicht meine Absicht." „Ich … ich verstehe", sagte Emily. „Ich … ich akzeptiere Ihre Entschuldigung. Kann ich jetzt gehen?" „Sehr anständige Entschuldigung", lobte Parker und klopfte Garrett auf die Schulter. „Freut mich, daß Sie beide jetzt gute Freunde sind. Miss Taylor, Mr. McCabe wird Ihnen jederzeit zur Verfügung stehen. Wenn Sie irgend etwas brauchen sollten, solange Sie bei uns sind, möchte ich, daß Sie McCabe dafür engagieren. Er wird sich darum kümmern. McCabe kennt Los Angeles besser als irgend jemand sonst, daher sind Sie in guten Händen. Nicht wahr, McCabe?" „Ich fürchte, ich habe keine Zeit, um …", begann Garrett mit eisiger Stimme. „Aber sicher haben Sie Zeit. Was meinen Sie, Adler?" Der Chefredakteur stand am Rande der Gruppe und nickte. Emily hatte keine Ahnung, wer Adler war, doch er besaß offensichtlich 37
Macht über Garrett McCabe, wenn auch nicht soviel wie Parker. Parker lächelte. „Gut. Sie haben Ihre Anweisungen erhalten, McCabe. Wenn Sie ein wenig Zeit mit Miss Taylor verbringen, werden Sie einsehen, wie fehlgeleitet Ihre Kommentare waren." McCabe lächelte mit zusammengepreßten Lippen. „Ganz wie Sie denken. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, Richard. Der Ehrengast und ich müssen über den Zeitplan für die nächsten Tage reden." Emily warf Garrett McCabe einen scheuen Blick zu. Er sah so wütend aus, daß es ihr nicht angeraten schien, auch nur eine weitere Sekunde über irgend etwas mit Garrett McCabe zu diskutieren. Garrett nahm Emily am Arm und dirigierte sie auf die große Terrasse, die auf der Gartenseite lag. Er beherrschte mühsam seine Wut. „Ich hoffe, Sie sind jetzt zufrieden", stieß er hervor. Emily blieb stehen, entwand ihren Arm seiner Umklammerung und sagte mit schwankender Stimme: „Ich verstehe einfach nicht, warum Sie so wütend auf mich sind. Wenn irgend jemand das Recht hätte, wütend zu sein, dann bin ich es." Sie überlegte einen Moment. „Um die Wahrheit zu sagen: Ich bin wütend auf Sie, denn Sie haben in Ihrem Artikel äußerst verletzende Dinge über mich geschrieben." Garrett wunderte sich erneut über die Perfektion, mit der Emily Taylor die Rolle der unschuldig Verfolgten spielte. Sogar das Zittern in ihrer Stimme und die geröteten Wangen schienen echt. „Nie zuvor hat jemand so häßliche Dinge über mich gesagt", fuhr Emily fort. "Außer einer anderen Person, aber das liegt lange zurück." Garrett lehnte sich gegen das Terrassengeländer und betrachtete spöttisch Emilys Profil. „Hoffen Sie wirklich, mich mit Ihrem Spielchen einfangen zu können? Ich weiß genau, was Sie vorhaben, Miss Taylor." „Und was wäre das?" „Hören Sie auf damit, mir etwas vorzumachen. Sie wissen genau, warum ich wütend bin." „Nora erzählte mir, daß Sie wahrscheinlich Ärger mit Mr. Parker wegen Ihres Artikels über mich bekommen haben. Aber Sie können 38
mich doch nicht für etwas verantwortlich machen, was Sie geschrieben haben." Garrett fluchte innerlich. Er mußte zugeben, daß sie recht hatte. „Darum geht es nicht", beharrte er trotzdem. „Ich habe Mr. Parker bereits mitgeteilt, daß der Inhalt Ihrer Kolumne keinen Einfluß auf die Verhandlungen haben wird", fuhr Emily fort. „Immerhin herrscht in diesem Land Meinungsfreiheit." „Dann sind Sie mir also nicht böse?" „Doch. Aber ich nahm an, es wäre das beste, Mr. Parker nichts davon zu sagen. Er wirkte sehr besorgt um mich, und das wollte ich nicht." „Was ist mit den Anrufen bei der Los Angeles Post? Das haben doch Sie arrangiert!" „Welche Anrufe?" Garrett holte tief Luft. Er gewann immer mehr den Eindruck, daß er Emily Taylor tatsächlich Unrecht getan hatte. „Sie benutzen die Situation wirklich nicht, um den Preis für Ihre Zeitschrift in die Höhe zu treiben?" „Zunächst einmal habe ich mich überhaupt noch nicht entschieden, ob ich wirklich verkaufen will", sagte Emily. „Nora ist diejenige, die verkaufen will." „Nora?" „Meine Partnerin, Nora Griswold. Sie hat Ihre Rosen geköpft und den Brief zerrissen, weil sie mich beschützten wollte." Garrett sah sie eindringlich an. Konnte jemand wirklich so naiv und lieb sein? Emily Taylor, der neue Stern am Verlagshimmel. Die clevere Geschäftsfrau, die es geschafft hatte, eine einfache Idee zu einer Erfolgsstory zu machen, so daß sich sogar Richard Parker dafür interessierte. Irgendwo mußte hinter der lieblichen Maske der Tiger lauern. Doch je näher er sie kennen lernte, desto mehr bezweifelte er seine Theorie. In ihren großen, grünen Augen las er Offenheit und eine Spur Vorsicht, als ob sie unsicher sei oder Angst vor ihm hätte. „Dann war meine grandiose Entschuldigung also nicht notwendig?" fragte Garrett. „Ich habe mich völlig umsonst vor meinem Verleger 39
und den Leuten im Staub gewunden?" „Ja", antwortete Emily, korrigierte sich gleich darauf aber verlegen. „Ich meine natürlich, nein. Nachdem das ganze Mißverständnis ausgeräumt ist, fühle ich mich wirklich viel wohler. Und ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen Los Angeles zu erkunden." „Sie glauben doch nicht etwa tatsächlich, daß ich Ihren Chauffeur spielen werden, oder?" Emily sah zu ihm auf. „Aber Mr. Parker hat es doch angeordnet." „Ich habe weder Zeit noch Lust, als Stadtführer zu dienen. Und um eines klarzustellen: Meine Kolumne war weder ein Mißverständnis noch eine Fehleinschätzung. Ich schreibe über das, was ich sehe, und ich stehe dahinter." „Sie kennen mich doch gar nicht", rief Emily. „Gut genug." Er konnte spüren, daß er sie verletzt hatte. Ihre Unterlippe zitterte leicht, als sie leise erwiderte: „Und ich kenne Sie. Sie sind arrogant und herrschsüchtig, dazu noch engstirnig." „Also gut, Miss Taylor. Wer sind Sie wirklich?" gab er resigniert zurück. Er hatte plötzlich das Bedürfnis, ihr zu zeigen, daß er sie nicht verletzen wollte. „Warum nehmen Sie sich nicht die Zeit, es herauszufinden?" schlug Emily vor. „Wenn Sie erst sehen, worin meine Arbeit besteht, werden Sie Ihren Fehler erkennen und …" „… einen weiteren Artikel über Sie schreiben." „Nein!" sagte Emily entschieden. „Was dann?" „Dann werde ich vielleicht auch meine Meinung über Sie ändern." Garrett lächelte. „Das ist ein faires Angebot." „Gut, abgemacht", erwiderte Emily. Er streckte die Hand aus, und sie legte ihre zögernd hinein. Ihre zarten, wohlgeformten Finger hatten kurz geschnittene Nägel und bildeten einen starken Kontrast zu den manikürten, lackierten Fingernägeln der Frauen, mit denen er sich normalerweise umgab. Diesmal jedoch gefiel ihm, was er sah. Es war angenehm, sie zu berühren. Emily war sanft und lieblich, 40
und sie duftete wie eine Frühlingsbrise. Sie war weiblich, ohne sich provozierend sexy zu kleiden, und schien sich ihrer Schönheit überhaupt nicht bewußt zu sein. Ihre Figur war nicht vollkommen, ihr Haar sah aus, als habe sie es mit dem Rechen gekämmt, aber obwohl sie nicht der Typ Frau war, den er, Garrett, bevorzugte, vermutete er, daß ihr Ehemann sich glücklich schätzen konnte. Dieser Gedanke ernüchterte ihn. „Sie erreichen mich in meinem Büro, Miss Taylor." Immer noch meinte er, den sanften Druck ihrer Hand zu spüren. "Auf Wiedersehen." Als er die Terrassenstufen erreicht hatte, rief Emily: „Mr. McCabe?" Er wandte sich um. „Ja, Miss Taylor." „Wären Sie so nett, mich nach Hause zu fahren?" Zuerst war Garrett wenig erfreut über diese Bitte. Bei jeder anderen Frau hätte er eine deutliche Einladung zu mehr darin gesehen, doch bei Emily Taylor wirkte es wie ein verzweifelter Hilferuf. „Aber es ist doch Ihre Party", wandte er ein. „Sie sollten bleiben." „Ich will aber nicht. Außerdem glaube ich nicht, daß sie mich vermissen. Nora ist ja dort." Sie lächelte und errötete zugleich. „Diese vielen Leute machen mich nervös. Ich möchte viel lieber nach Hause, aber Nora hat die Autoschlüssel." Garrett grinste und bot ihr den Arm. Sie hakte sich bei ihm unter, und zusammen gingen sie die Stufen hinunter. „Vielleicht hatten Sie recht, Miss Taylor." „Womit?" fragte sie und schaute zu ihm auf. „Vielleicht kenne ich Sie wirklich nicht." Schweigend legten sie die zwanzig Meilen nach Malibu zurück, wo sich die Strandvilla Parkers befand. Emily war keine Meisterin des Smalltalks, außer es drehte sich um Dinge wie die Vorteile von Aluminiumkochgeschirr gegenüber Kupfer oder die beste Art, Eier zu trennen. Sie nahm an, daß Garrett McCabe sich weder für das eine noch für das andere interessierte. Aus dem Radio tönte leise Rockmusik, und Garrett summte dann und wann die Melodie mit. Seine Stimme war angenehm tief und warm. Emily schloß die Augen und gab sich den sanften Klängen 41
hin. In Gedanken sah sie sich und Garrett tanzen. Er trug einen Frack, und sie ein langes weißes Abendkleid. Sie schmiegte sich in seinen Arm, ihre Körper berührten sich, sein Atem streichelte ihr Ohr. Er sang das Lied leise mit, und sie blickte lächelnd in seine Augen. Mit der Hand fuhr sie zärtlich durch sein sonnengebleichtes Haar … „Welches Haus ist es?" schreckte Garrett sie aus ihren Träumen auf. „Dort drüben, das dritte nach der Straßenlaterne." Garrett fuhr schwungvoll in die Einfahrt der Strandvilla und parkte den Wagen. Dann begutachtete er das pompöse Haus. „Also dafür zahlen die Leser der Los Angeles Post!" „Ja", hauchte sie. „Nicht schlecht." Einen Moment herrschte Schweigen. Dann fragte Emily: „Möchten Sie gerne mit reinkommen? Ich habe heute morgen Kuchen gebacken und Vanilleeis gemacht." Noch weniger originell geht es nicht, dachte sie frustriert. Wahrscheinlich ging Garrett McCabe sonst mit Frauen aus, die genau wußten, was sie im rechten Moment sagen mußten. Einen Drink hätte ich ihm anbieten sollen, das ist es. Nicht daß sie nach elf Jahren außer Übung war. Sie hatte nie Übung in solchen Dingen besessen, weil sie Eric direkt von der Schulbank weg geheiratet hatte. Er war der einzige Mann, mit dem sie jemals ausgegangen war, mit dem sie geschlafen hatte, der einzige, der sie jemals nach Hause gefahren hatte. Mit vierunddreißig Jahren besaß sie weniger Erfahrung mit Männern als ein durchschnittlicher Teenager. Was erwartete ein Mann von einer Frau in einer solchen Situation? „Sie müssen nicht mitkommen", murmelte sie und stellte sich vor, wie es sein würde, mit ihm allein in der romantischen Villa am Strand zu sein. „Vermutlich sind Sie müde und …" „Ich komme gerne mit", sagte Garrett. „Bin neugierig, wie Parkers Zweitwohnsitz von innen aussieht. Wahrscheinlich bekomme ich nie wieder Gelegenheit, eine Strandvilla in Malibu zu besichtigen." 42
Er stieg aus dem Wagen und ging auf die Beifahrerseite, um Emily die Tür zu öffnen. Höflich bot er ihr die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Anscheinend besitzt er zumindest außerhalb seiner Kolumne Manieren, dachte Emily, während sie ihm voran zum Haus ging. Sie öffnete die Haustür und schaltete das Licht ein. Der ganze Raum wurde sofort erleuchtet. Ventilatoren surrten leise an der gewölbten Decke, die zwei Stockwerke überspannte. Durch das Glasdach konnte man den nächtlichen Himmel sehen, und selbst bei geschlossenen Fenstern war die Brandung zu hören. „Wow", sagte Garrett. „Das ist einfach großartig." „Es ist recht angenehm", bestätigte Emily und lotste ihn zur Küche. „Sie mögen das Haus nicht?" „Es ist einfach nicht mein Zuhause", erklärte sie. „Ich fühle mich in meiner gewohnten Umgebung wohler." „Wenn das hier nicht zum Wohlfühlen ist, dann weiß ich nicht, was sonst", meinte Garrett und setzte sich auf einen Stuhl am Buffett, während sie den Kuchen anschnitt. „Wo sind Sie zu Hause?" „In Rhode Island", antwortete Emily. „Nahe Newport. Meine Eltern hatten dort ein Sommerhaus. Möchten Sie Kaffee?" „Gern", sagte Garrett. „Ich nehme an, Sie sind nicht gerne von Ihrer Familie getrennt." „Es geht. Meine Eltern sind sehr beschäftigt. Mutter mit ihren Wohltätigkeitsveranstaltungen, Vater in seiner Firma. Meine Brüder haben alle eine eigene Familie." „Ich sprach eigentlich eher von Ihrem Ehemann. Und Ihren Kindern." Emily erstarrte. „Ich … ich habe keine Familie. Trinken Sie Ihren Kaffee schwarz?" „Mit Milch", bat Garrett. „Also sind Sie nicht verheiratet?" „Nicht mehr. Ich weiß, es paßt nicht ganz zu dem, was ich tue, aber ein schönes Zuhause ist immer wichtig, egal welche Kombination von Menschen darin lebt. Ich lebe eben allein." „Komisch. Ich war sicher, daß Sie verheiratet sind." Garrett lächelte sie auf eine merkwürdige Weise an und erhob sich, als ob er sich 43
plötzlich unbehaglich fühlte. „Ich sollte mich besser auf den Weg machen. Es ist eine lange Fahrt zurück in die Stadt." „Natürlich", erwiderte Emily. „Ich gebe Ihnen Kuchen mit." Ohne auf seinen Protest zu achten, packte sie einige Kuchenstücke auf einen Teller, schlug Folie darüber und drückte sie ihm in die Hand. „Ich würde Ihnen gerne auch Vanilleeis mitgeben, aber ich fürchte, es schmilzt unterwegs." „Danke", sagte Garrett und hob die Folie leicht an. „Sieht gut aus. Riecht auch gut." „Ich hoffe, er wird Ihnen schmecken", sagte Emily, während sie ihn zur Tür brachte. „Vielen Dank fürs Heimbringen", fügte sie noch hinzu. „Keine Ursache", gab Garrett zurück. „Bis demnächst." „Bis demnächst", antwortete sie. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloß. „Dumm", murmelte sie. „Bodenlos dumm. Was ist los mit dir, Emily Taylor? Erst beleidigt dich der Kerl öffentlich, dann nimmst du ihn mit nach Hause und bietest ihm Kuchen an. Hast du den Verstand verloren?" Während sie weiter leise vor sich hinschimpfte, dachte sie, daß es ihr noch nie gelungen war, längere Zeit auf jemanden wütend zu sein. Nur sich selbst grollte sie oft genug, so auch jetzt. Wann immer sie nervös oder durcheinander war, empfand sie das starke Bedürfnis, etwas zu backen. Ich werde Plätzchen backen, entschloß sie sich, doch selbst als sie Butter, Zucker und Mehl verrührte, ging ihr Garrett McCabe nicht aus dem Kopf. Zwei Stunden später lagen sechs Dutzend Schokoladenplätzchen einladend in einer Glasschale, und Garrett McCabe war fast vergessen - bis Nora nach Hause kam. „Hier bist du also!" rief Nora und warf ihren Mantel über einen Stuhl. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht." Dann sah sie die Schüssel mit den Plätzchen und die benutzten Backutensilien. „Erzähl sofort, was los ist." „Nichts", erwiderte Emily. „Du weißt doch, daß ich Partys hasse." „Wie bist du nach Hause gekommen." „Garrett McCabe hat mich heimgefahren." 44
„Kein Wunder, daß du so entnervt bist. Was hat er dir angetan?" „Gar nichts. Es war eine schöne Fahrt. Er kam mit rein, ich habe ihm Kuchen eingepackt, und dann ging er wieder." Nora kicherte. „Kuchen? Er sieht mir irgendwie nicht so aus, als wüßte er das zu schätzen." „Alle Männer mögen Kuchen", erklärte Emily. "Außerdem war es eine Art Friedensangebot. Wir haben den Streit beigelegt." „Beigelegt? Nachdem er dich öffentlich beleidigt hat? Warum so schnell?" „Keine Ahnung", gab Emily zurück und schob ein Schokoladenplätzchen in den Mund. „Mir geht es besser, wenn ich freundlich zu den Leuten bin." Ein zweites Plätzchen folgte dem ersten. „Wie freundlich warst du denn zu diesem unglaublichen Mannsbild?" fragte Nora anzüglich. „Laß das", fuhr Emily sie an und errötete. „Ich habe kein Interesse an einem Mann wie Garrett McCabe." „Nein? Als ich hörte, daß Parker ihm befahl, dir Los Angeles zu zeigen, habe ich mich gefragt, wann euer erster Ausflug stattfinden soll." „Bisher haben wir noch keine Pläne. Aber ich möchte unbedingt den Antiquitätenmarkt besuchen." Sie ließ warmes Wasser ins Spülbecken laufen und gab einen Spritzer Spülmittel hinein. „Dort gibt es drei Etagen mit Antiquitätenläden unter einem Dach. Vielleicht finde ich etwas, um meine Flaschensammlung zu ergänzen." „Glaubst du, so etwas macht einem Mann wie McCabe Spaß?" fragte Nora spöttisch. „Das ist mir egal. Alles was ich will, ist, daß er etwas lernt." „Was hat diesen Schub an Selbstbewußtsein bei dir ausgelöst, Emily? Sonst fandest du Männer wie McCabe immer furchteinflößend." „Keine Ahnung. Mit ihm ist es irgendwie anders. Vermutlich, weil ich so wütend auf ihn war." „Kann schon sein", erwiderte Nora mit einem undurchdringlichen Lächeln. Sie nahm ein Plätzchen und biß ein Stück ab. „Oder ihr zwei seid einfach füreinander geschaffen." „Nora, tu mir einen Gefallen und kümmere dich um dein eigenes 45
Liebesleben", fauchte Emily. „Himmel, du kannst ja richtig wild sein", lachte Nora. „Ich bin einfach nur völlig erschöpft", gab Emily zurück. „Gute Nacht, ich gehe schlafen." Drei Stunden später lag sie immer noch hellwach im Bett. Ihr Körper sehnte sich nach Schlaf, doch er wollte nicht kommen. Sie zog die Decke über den Kopf, als könne sie damit alle Schwierigkeiten, die sie vor sich sah, fernhalten. Sie wäre gern zu Hause in Rhode Island gewesen, wo das Leben seinen täglichen Gang ging. Und wo Männer wie Garrett McCabe ihr keinen zweiten Blick gönnen würden.
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4. KAPITEL Garrett öffnete die Tür zu seinem Apartment im „Bachelor Arms" und hob den zusammengefalteten Zettel vom Boden auf, während er sich bemühte, den Kuchenteller nicht fallen zu lassen. Er knipste mit dem Ellbogen das Licht an und kickte mit dem Fuß die Tür zu. Was für ein Tag - und was für ein Abend! Er wußte nicht mehr, wann er die Kontrolle über das Geschehen verloren hatte. Schon auf der Party, oder als Emily ihn bat, sie nach Hause zu fahren? Auf jeden Fall war alles anders, seit er wußte, daß sie nicht verheiratet war. An einem einzigen Abend hatten sich seine Gefühle für sie von strikter Ablehnung in unleugbare Anziehung verwandelt. Ausgerechnet Emily Taylor! Garrett ließ sich auf die Couch fallen und sagte sich zum hundertsten Mal, daß Emily Taylor das genaue Gegenteil einer Frau war, die er attraktiv fand. Es gab keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Er war spontan, sie plante alles sorgfältig. Er schrieb Satiren, sie schrieb Kochrezepte. Er war überzeugter Junggeselle, sie dagegen das Heimchen am Herd. Er aß im Schnellrestaurant, und Emily Taylor backte Kuchen. Er zog die Folie von dem Teller, den sie ihm mitgegeben hatte, nahm ein Stück Kuchen und biß ein großes Stück ab. Während er kaute, entfaltete er den Zettel und las die hastig gekritzelte Notiz, die ihn einlud, mit Josh und Taryn eine Pizza zu teilen. Er zerknüllte den Zettel und warf ihn in die Richtung des Papierkorbs. Im Moment war ihm nicht nach Gesellschaft, schon gar nicht nach der eines frischverheirateten Paares. Nachdem er jedoch das zweite Stück Kuchen verdrückt hatte, stellte er fest, daß die Gesellschaft von Josh und Taryn vielleicht doch besser war als sein stilles Apartment und die Erinnerung an Emily Taylor. Er ging in die Küche, um sich die Hände zu waschen, dann verließ er seine Wohnung in Richtung von Josh's Apartment. „Garrett! Wann bist du nach Hause gekommen?" fragte Taryn, die ihn herzlich umarmte. 47
„Vor ein paar Minuten." „Josh und Tru sind Pizza holen gegangen. Möchtest du etwas trinken?" „Ein Bier wäre prima", sagte Garrett und trat ins Wohnzimmer. Es war das erste Mal, daß er die Wohnung betrat, nachdem Taryn bei Josh eingezogen war. An den Wänden hingen dicht an dicht Taryns selbstgemalte Bilder, in jeder freien Ecke standen Leinwände herum, doch in all dem Chaos wirkte das Zimmer wohnlich und angenehm. „Hallo, McCabe", begrüßte ihn Caroline, die auf dem Sofa saß. Sie winkte ihm zu und klopfte einladend auf das Kissen neben ihr. Garrett setzte sich neben Trus Frau. Wieder einmal war er erstaunt, wie selbstverständlich die beiden Frauen ihn als Freund ihrer Männer in ihr Leben integrierten. „Hattest du eine Verabredung?" fragte Caroline. „Nein, so kann man es nicht nennen. Richard Parker gab eine Party zu Ehren von Emily Taylor." „Und du warst dort? Nach deinem Artikel hätte ich angenommen, daß sie die Hunde auf dich hetzt", sagte Taryn neugierig. „Im Gegenteil. Emily Taylor und ich sind gute Freunde", erwiderte Garrett. „Mein Verleger will ihre Zeitschrift kaufen, und dann sind wir alle eine große Familie." Caroline sah Taryn verschwörerisch an. „Du und Emily Taylor. Könnte gutgehen. Jedenfalls ziehen sich Gegensätze an." Garrett grinste. „Ist das ein professioneller Rat, Dr. Lovelace?" „Nur eine Überlegung." „Wenn du Emily nicht willst, könnte ich dir Margaux empfehlen", warf Taryn ein. „Sie ist eine gute Freundin von mir. Möchtest du ihre Telefonnummer haben?" Garrett rutschte unbehaglich auf dem Polster hin und her. „Wann wollten Josh und Tru wieder da sein?" „Lenk nicht ab, Garrett. Siehst du nicht, daß wir uns nur um dein Glück bemühen?" „Danke. Ich bin aber bereits glücklich und zufrieden ohne Ehefrau." „Na gut", lenkte Taryn ein. „Dann erzähl uns wenigstens mehr über 48
Emily Taylor …" Doch ehe Garrett antworten konnte, flog die Wohnungstür auf, Josh und Tru kamen herein, jeder beladen mit einer großen Pizzaschachtel. „Hallo, McCabe", rief Tru. „Schön, daß du gekommen bist. Hattest du eine Verabredung?" „Du auch noch", beschwerte sich Garrett. „Reicht es nicht, daß deine Frau mich ständig unter die Haube bringen will?" „Ach, weißt du, es ist gar nicht so übel, verheiratet zu sein. Versuchs doch selbst, und du wirst sehen", erwiderte Tru und blickte verliebt zu Caroline hinüber. Garrett konnte nicht umhin festzustellen, daß er in seinen bisherigen Beziehungen niemals eine solche Intensität und Vertrautheit erlebt hatte, wie sie zwischen diesen beiden Paaren herrschte. Plötzlich fühlte er sich als fünftes Rad am Wagen. Während sie die Pizza aßen, sprachen sie über allgemeine Dinge wie Sport oder Autos und ließen das Thema Ehe fallen. Doch Garrett dachte insgeheim weiter darüber nach, wie blaß sein Junggesellendasein neben dem farbenfrohen Eheleben seiner Freunde wirkte. Bald, nachdem der Kaffee getrunken war, erhob sich Garrett. „Ich verabschiede mich besser." „Willst du wirklich schon gehen?" fragte Taryn. „Ja, denn der Tag war lang und anstrengend." Er wandte sich an Josh und Tru. „Euch sehe ich Dienstag beim Poker." „Bis Dienstag also", erwiderte Josh. „Bist du sicher, daß du die Telefonnummer von Margaux nicht möchtest?" rief ihm Taryn hinterher, als er bereits an der Tür war. „Sie ist Französin und …" Weiter kam sie nicht, denn Josh hielt ihr mit der Hand den Mund zu. Garrett nickte ihm dankbar zu und schloß die Tür hinter sich. Auf halbem Weg zu seinem Apartment entschloß er sich, noch einmal auszugehen. Ich brauche weder Ruhe noch häuslichen Frieden, dachte er. Was ich brauche, ist Spannung und Abenteuer. Und ich weiß, wo ich das kriege. Das Flynn's war bis auf den letzten Platz besetzt. Stimmengewirr und verräucherte Luft umfingen Garrett, als er sich umsah. Es wim49
melte nur so von schönen Frauen. Er trat an die Bar und winkte Eddie heran. „Einen Scotch, bitte", rief er über den Tresen. „Kein Glück gehabt?" fragte Eddie anzüglich, als er das Glas mit der goldenen Flüssigkeit vor Garrett hinschob. Garrett nahm einen tiefen Schluck. „Bin noch nicht ganz sicher. Ich sage dir nach dem nächsten Drink Bescheid." Er drehte sich um und sah einer gutaussehenden Frau nach, die ein enges rotes Minikleid trug und gerade den Raum durchquerte. Sie setzte sich an einen Tisch zu einer ebenfalls auffallend hübschen Freundin. An jedem anderen Abend hätte er beiden einen Drink spendiert und sich zu ihnen gesetzt. Heute aber fand er ihre Aufmachung irgendwie geschmacklos. Er mußte ständig an Emily Taylor denken, an ihr scheues Lächeln, ihre großen Augen und ihren unaufdringlichen Stil. Sie gab nicht vor, mehr zu sein, als sie war. Trotzdem nahm er nicht an, daß er bereits alles von Emily Taylor wußte. Nur war er sich nicht sicher, ob er mehr von ihr erfahren wollte. „Ich wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann, McCabe." Richard Parker saß breit hinter seinem großen Mahagonischreibtisch und sah zufrieden aus. Parkers Sekretärin hatte Garrett heute morgen mitgeteilt, daß er genau dreißig Minuten habe, um bei ihrem Chef im Büro zu erscheinen. Er war daher absichtlich etwas zu spät gekommen. „Ihre kleine Entschuldigung auf meiner Party war genau das richtige, um uns voranzubringen", führte Parker weiter aus. „Tut mir leid, ich verstehe nicht ganz, um was es geht", gab Garrett zurück. „Sagen wir es offen, McCabe. Emily Taylor ist ganz und gar nicht überzeugt, daß sie ihr Magazin an Parker Publishing verkaufen soll. Wir werden deshalb alles tun, um sie zu überzeugen - auch mit Ihrer Hilfe." „Miss Taylor legt keinen großen Wert auf meine Meinung." Garrett mochte Richard Parker nicht besonders. Der Kerl war ihm zu glatt, 50
zu selbstsicher. Er nahm an, daß er für Geld alles haben könne. Und er ging mit Menschen nicht gerade zimperlich um. „Haben Sie Miss Taylor seit der Party letzten Freitag gesehen?" fragte Parker. „Nein." „Ich möchte, daß Sie sie anrufen und für ihre Unterhaltung sorgen. Zeigen Sie ihr Disneyland oder irgend etwas, das sie gern sehen möchte. Die Kosten gehen zu Lasten der Zeitung." „Miss Taylor macht auf mich nicht den Eindruck, als würde sie ihre Zeit gern mit mir verbringen." „Dann sorgen Sie dafür, daß sich das ändert", verlangte Parker. „Warum?" fragte Garrett direkt. „Weil wir für den Vertrag drei Unterschriften brauchen. Von Arnie Wilson haben wir sie bereits, Nora Griswold würde ihre geben, aber Miss Taylor sperrt sich nach wie vor." „Und eine Stadtbesichtigung unter meiner Führung soll das ändern?" fragte Garrett wenig überzeugt. „Nachdem Sie das kleine Mißverständnis wegen Ihrer ungeschickten Kolumne korrigiert haben, sollten wir, denke ich, Ihre Talente nutzen, um die Verhandlungen im Sinne von Parker Publishing zu beeinflussen." Ungeschickt? wiederholte Garrett im Stillen und dachte zynisch: Es gab Zeiten, da war „Boys' Night Out" dein Lieblingskind, Mr. Parker. „Mittlerweile gab es nämlich Briefe an die Redaktion, man hat öffentlich vorgeschlagen, daß Sie und Emily Taylor gemeinsam in Talkshows auftreten sollen, und ich nehme an, daß Adler Ihnen die Zahl der gekündigten Abonnements übermittelt hat. Sie haben Glück, daß die Zeitung hundertprozentig hinter Ihnen steht, McCabe. Allerdings gibt es für Kolumnisten, die die Auflage der Zeitung hinuntertreiben, wenig zu tun. Auch bei anderen Blättern." „Was ist, wenn Emily Taylor gar nicht verkaufen will?" „Hören Sie zu, McCabe. Diese kleine, geschiedene Hausfrau aus Rhode Island hat nicht mehr Geschäftssinn als eine Mücke. Für einen begehrten Junggesellen wie Sie kann es doch nicht schwer sein, so 51
ein Mäuschen dahin zu bringen, wo wir sie haben wollen." An dieser Stelle hätte Garrett seinem Gegenüber am liebsten einen Faustschlag in das glatte Gesicht verpaßt, doch er beherrschte sich und fragte: „Und wenn nicht?" „Ihr Problem, McCabe. Sie muß verkaufen! Wir machen sie zu einem Markenzeichen. Ihr Name bedeutet Geld für uns, viel Geld." „Ihr liegt aber nichts daran, sich selbst zu vermarkten." „Genau solche Informationen möchte ich von Ihnen haben, McCabe. Wenn sie nicht mitspielt, habe ich bereits andere Pläne." „Und die wären?" „Ganz einfach. Parker Publishing kauft ihren Namen, nicht die Person. Mit ihr werde ich fertig." Parker grinste zufrieden, und Garrett war sich zum ersten Mal darüber klar, zu welcher Hinterhältigkeit der Mann fähig war. Trotzdem entschied er sich, das Spiel noch eine Weile mitzuspielen. Wenn er herausgefunden hatte, um was es Parker wirklich ging, war noch genug Zeit, sich für einen Weg zu entscheiden. „Was genau wollen Sie eigentlich von mir?" fragte er. „Beschäftigen Sie sich mit Emily Taylor. Kriegen Sie raus, was sie denkt. Wenden Sie Ihren Charme an, und geben Sie ihr einen Grund, nach Kalifornien umzusiedeln." „Was springt dabei für mich heraus?" „Es wird sich lohnen, verlassen Sie sich auf mich, McCabe. Sagen wir, doppeltes Gehalt." Garrett bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen. Doppeltes Gehalt? Also mußte ,At Home’ weit größere Bedeutung für Parker besitzen, als er bisher angenommen hatte. Doppeltes Gehalt bedeutete, daß er mehr verdienen würde als sein Chefredakteur. „Und, machen Sie mit, McCabe?" Garrett zwang sich zu einem Lächeln. „Ich werde mich bemühen", log er und hoffte, daß es überzeugend klang. Parker streckte ihm die Hand hin, und Garrett schüttelte sie kräftig. „Ich wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann, McCabe. Berichten Sie mir über Ihre Erfolge regelmäßig. Alles, was Miss Taylor beschäftigt, interessiert mich, wenn Sie verstehen, was ich meine", 52
sagte der Verleger. „Vollkommen", erwiderte Garrett. Parker ging zur Tür und öffnete sie für ihn. „Ich bin sicher, wir werden beide davon profitieren." „Auf jeden Fall", sagte Garrett und trat auf den Flur. „Ich hoffe, Sie bekommen alles, was Sie verdienen, Sir." Garrett verlor keine Zeit, um auf den Lift zu warten. Er lief die Treppen hinunter in den dritten Stock und riß die Glastür der Redaktion auf. „Alvin!" rief er. „Wo steckst du?" „Bin schon da, Mr. McCabe", rief der Junge und stand wie aus dem Boden gewachsen vor ihm. Garrett nahm ihn am Ärmel und zog ihn in Adlers Büro. Es war leer, und Garrett schloß die Tür hinter ihnen. „Ich brauche deine Unterstützung, Alvin. Es ist wichtig, und du darfst keiner Menschenseele etwas davon verraten. Es bleibt unter uns - und deinem Kumpel in der Poststelle." „Was gibt es?" fragte Alvin mit großen Augen. „Nennen wir es brisante journalistische Recherche", antwortete Garrett. „Sag deinem Kumpel, daß ich alles wissen will, was über die Verhandlungen mit ,At Home' über seinen Tisch läuft. Jedesmal, wenn Emily Taylor erwähnt wird, ist es wichtig für mich. Wenn es etwas Schriftliches ist, möchte ich, daß eine Kopie davon bei mir landet." „Ist das nicht verboten?" wollte Alvin wissen. „Manchmal muß ein Journalist auch etwas Verbotenes tun. Vertrau mir." „Ich könnte dadurch Schwierigkeiten kriegen." „Wenn etwas passiert, übernehme ich die Verantwortung. Meinst du, du kannst mir helfen?" „Ich werde es versuchen", sagte Alvin. „Können Sie dann auch etwas für mich tun?" „Klar", erwiderte Garrett. „Willst du mein Auto übers Wochenende?" „Nein, viel einfacher. Würden Sie bitte in Zukunft Alex zu mir sa53
gen, Mr. McCabe?" Garrett grinste und boxte den Jungen leicht gegen die Schulter. „Ist gespeichert, Alex." Er tippte sich gegen die Stirn. „Und jetzt - ab an die Arbeit. Auf mich wartet eine Pokerpartie." Garrett verließ das Büro. Wenn Parker etwas Unsauberes mit Emily Taylor vorhatte, würde er es zuerst mit Garrett McCabe zu tun bekommen. Nora parkte ihren Wagen gegenüber dem Verlagsgebäude der Los Angeles Post. Vom Beifahrersitz aus konnte Emily sehen, daß vor dem Gebäude Leute standen, die Transparente hielten, doch erst, nachdem Nora und sie die Straße überquert hatten, war zu erkennen, was auf den Transparenten stand: „Schreibverbot für Garrett McCabe". „Hausfrauen sind stolz auf ihren Job". „Emily Taylor for President." Emily hielt Nora am Arm fest und blieb stehen. „O nein!" stöhnte sie. „Sie haben es immer noch nicht vergessen. Sie demonstrieren für mich. Wer sie wohl dazu aufgefordert hat?" „Niemand", erklärte Nora geduldig. „Es sind deine Fans." „Ich kann da nicht vorbeigehen", sagte Emily ängstlich. „Es erkennt dich doch keiner." „Und wenn eine von ihnen bei der Signierstunde in der Buchhandlung war?" gab Emily zu bedenken. „Dann laß uns den Seiteneingang benutzen", lenkte Nora ein. „Na gut." Emily folgte ihr und überlegte, daß es vielleicht besser gewesen wäre, wieder umzudrehen. Sie fragte sich, ob es klug war, Garrett McCabe wiederzusehen. Sie nahmen den Aufzug und fuhren in den dritten Stock, wo sich die Redaktionsräume befanden. Nora schob Emily sanft auf den Gang. Sie selbst fuhr in den siebten Stock, denn sie hatte eine Verabredung mit Richard Parker. „Versuch doch, dich zu amüsieren", riet sie Emily, während die Türen sich schlossen. Die Redaktion bestand aus einem riesigen, hell erleuchteten Raum mit Dutzenden von Glaskabinen, in denen hektische Reporter tele54
fonierten oder in ihre Computertastatur hämmerten. Emily hatte keine Ahnung, wie sie in diesem Ameisenhaufen jemals zu Garrett McCabe gelangen sollte, und blieb einfach stehen, bis ein junger Mann vorbeikam und sie fragte, ob er ihr helfen könne. „Ja", antwortete sie schüchtern. „Ich suche Garrett McCabe." „Zwei Reihen weiter", erklärte der junge Mann. „Ich bringe Sie hin." „Danke", murmelte Emily und folgte ihm zu einem Glaskabinett. „Sie haben Glück, daß er im Büro ist", informierte sie ihr Begleiter. „Normalerweise schreibt er zu Hause oder in einer Kneipe namens Flynn's. Kennen Sie ihn schon länger? Übrigens, ich bin Alex Armstrong, Sportreporter." Er streckte ihr seine Hand hin. Emily lächelte und hielt gleich darauf die Luft an, als Garrett McCabe hinter Alex erschien. „Na, wenn das nicht Emily Taylor ist! Aus der Küche direkt in die Zeitung." „Sie sind Emily Taylor?" keuchte Alex. „Toll! Meine Mutter findet Ihr Magazin einfach klasse. Und sie besitzt all Ihre Bücher. Kann ich ein Autogramm haben?" Emily zwang sich zu lächeln. Jeder Fan, der sie ansprach, machte sie nervös. „Warum geben Sie mir nicht Ihre Adresse? Dann sende ich Ihrer Mutter ein signiertes Exemplar meines neuen Buches." „Das würden Sie wirklich tun? Vielen, vielen Dank!" Nachdem Alex seine Adresse auf ein Stück Papier gekritzelt hatte, schob Garrett ihn unnachgiebig aus dem Büro. „So, Miss Taylor", sagte er, als sie allein waren. „Sind Sie gekommen, um Ihren Fanclub vor dem Haupteingang persönlich zu begutachten?" Emily errötete. „Es tut mir leid. Ich hoffte, sie würden Ihren Artikel längst vergessen haben, und hatte keine Ahnung, daß ich so etwas hier vorfinden würde." Garrett grinste. „Ich muß verrückt sein, aber ich glaube Ihnen, Miss Taylor. Sie können so unschuldig erröten." Das hatte zur Folge, daß sich die Farbe auf Emilys Wangen nur noch vertiefte. Sein Charme brachte sie mehr aus der Fassung als seine Wut. Ihre Knie wurden weich, ihr Puls raste, und es fiel ihr 55
absolut keine Erwiderung ein. „Was kann ich also heute für Sie tun, Miss Taylor?" „Sie … sie können mich Emily nennen", entfuhr es ihr. „Das fällt mir leicht, … Emily." Er sprach ihren Namen aus wie eine Liebkosung, und zum ersten Mal in ihrem Leben erschien er ihr nicht altmodisch und prüde. Sie hatte ihren Namen immer gehaßt, aber so, wie Garrett McCabe ihn aussprach, konnte man ihn fast mögen. „Und in welcher Angelegenheit kommen Sie zu mir?" erkundigte er sich. „Pilze", platzte sie heraus. „Ich habe ein Problem mit meinen Pilzen." „Wie bedauerlich", sagte er amüsiert. „Was kann man da machen?" Emily holte tief Atem. „In jeder Ausgabe meiner Zeitschrift gibt es einen Beitrag, genannt 'Variationen'. Normalerweise geht es um Nahrungsmittel, manchmal auch um den Anbau verschiedener Gemüse. In der nächsten Ausgabe machen wir ein Feature über Pilze, aber das Foto ist nicht gut geworden. Pilze sehen auf Fotos einfach langweilig aus. Bisher hatten wir Tomaten, Wintergemüse, Äpfel, Paprika und viele Dinge, die es in verschiedenen Varianten gibt - und in vielen Farben." „Und was haben Ihre Pilze mit mir zu tun, Emily?" „Eigentlich nichts", erwiderte sie. "Außer, daß wir jetzt einen Beitrag über Blumen bringen. Ich möchte, daß Sie mich in die Descanso-Gärten fahren, denn dort blühen zurzeit die Kamelien. Mr. Parker hat doch gesagt, daß Sie mir Los Angeles zeigen würden. Erinnern Sie sich nicht?" „Ich erinnere mich durchaus", sagte er trocken. „Werden Sie mich also begleiten, Mr. McCabe?" „Garrett". korrigierte er. Sie schluckte und wiederholte: „Garrett." „Na schön, ich werde Sie begleiten", erklärte er. „Ich muß nur kurz meinen Artikel abliefern, dann gehöre ich für den Rest des Tages Ihnen." Für jede andere Frau wären bei diesen Worten Träume wahr ge56
worden, doch Emily gehörte nicht zu ihnen. Garretts angeborener Charme und seine Neigung zum Flirten machten ihr angst. Fast war es ihr lieber, wenn er wütend auf sie war. „Auf geht's", sagte Garrett nun. „Ich gebe meinen Text auf dem Weg nach draußen ab." „Bitte, lassen Sie uns durch den Seitenausgang gehen", bat Emily. „Ich möchte den Frauen vor dem Haupteingang kein Schauspiel bieten." Garrett lachte. „Wieso nicht? Wenn Sie das Haus mit mir verlassen, können Sie den Damen gleich mitteilen, daß Sie nicht dafür sind, mir Schreibverbot zu erteilen." „Nein!" rief Emily panisch. „Wie? Sie sind für ein Schreibverbot?" „Nein, natürlich nicht. Ich kann einfach nicht mit ihnen reden. Ich werde nervös und weiß nicht, was ich sagen soll." Garrett betrachtete sie einen Moment und legte dann seine Hand auf ihre. „Keine Angst, Emily", sagte er. „Die meisten von denen möchten Ihnen einfach nur sagen, wie sehr sie Sie bewundern und mögen." „Ich weiß, aber ich fühle mich so schrecklich dabei", erklärte Emily. „Nora sagt, wenn wir an Parker verkaufen, muß ich dulden, daß sie mein Bild auf der Titelseite drucken." „Haben Sie etwas dagegen?" "Allerdings." Garrett nahm ein Exemplar der „Post" und schlug die Seite mit seiner Kolumne auf. „Sie drucken in jeder Ausgabe ein Porträt von mir direkt neben meinem Artikel. Ich finde es okay." „Es sieht Ihnen nicht besonders ähnlich", sagte Emily. „Wahrscheinlich sind Sie froh darüber." „Warum sollte ich?" „Die Leute werden Sie dann auf der Straße nicht erkennen." „Aber darum geht es doch. Sie sollen mich erkennen. Wenn sie mich kennen und mögen, kaufen sie die Zeitung. Die Auflage steigt, und meine Karrierechancen wachsen." Emily seufzte. „Sie sind so mutig", sagte sie bewundernd. Ihr war 57
klar, daß dieser Mut sich nicht nur auf dieses Foto bezog. Garrett wirkte so unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung, und die Energie, die er ausstrahlte, konnte jeder spüren, der mit ihm zusammen war. Er lächelte, nahm sein Jackett von der Stuhllehne und zog es an. „Warum sagen Sie Parker nicht, daß Sie das nicht wollen?" „Nora meint, ich müsse einfach lernen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Wenn ich das nicht könnte, käme der Verkauf nicht zustande. Sie ist der Meinung, daß das Angebot von Parker Publishing das Beste ist, was uns jemals passiert ist. Ich bin mir da nicht so sicher." Garrett griff nach einigen Papieren auf seinem Schreibtisch und geleitete Emily aus dem Büro. „Sie möchten also lieber nicht verkaufen", erkundigte er sich und warf die Papiere im Vorübergehen in einen Abfalleimer am Ende des Ganges. „Ach, ich weiß nicht. Wahrscheinlich stelle ich mich einfach nur dumm an. Veränderungen liegen mir nicht. Ich möchte, daß alles so bleibt, wie es war." „Manchmal können Veränderungen viel Gutes bewirken", meinte Garrett und dirigierte sie durch die komplizierten Gänge, indem er ihr eine Hand leicht auf den Rücken legte. Sofort konzentrierten sich all ihre Gedanken und Empfindungen auf diesen einen Punkt, und wider alle Vernunft wünschte sie sich, daß dieses erregende Gefühl nie aufhören würde. „Das ist genau das, was ich befürchte", murmelte Emily und betrat den Lift.
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5. KAPITEL Osterglocken. Bisher hatte Garrett nur gewußt, daß diese Dinger gelb waren und im Frühling blühten. Doch nun sah er zu, wie Emily Taylor jede einzelne Unterart, die es von diesen Blumen in den Descanso-Gärten gab, begutachtete und die Details erklärte. Falls er jemals Hoffnungen gehegt hatte, Emily Taylor näher kennenzulernen, so waren sie in dem Augenblick geschwunden, als sie die Gärten betraten. Denn von nun an konzentrierte sich Emily zunächst auf die Kamelien, die es hier in sechshundert Varianten gab doch sie waren zum Glück schon fast verblüht. Dann ging es weiter zu den Orchideen, die im Freien wuchsen, was Emily entzückte. Nachdem sie zwei Stunden alle der Reihe nach betrachtet hatte, entschied sie, daß Orchideen doch nicht das richtige waren. Zu exotisch für ihre Leserschaft und in kälteren Gefilden nicht gut zu halten. Unterwegs waren sie einem älteren Botaniker begegnet, der ebenfalls zu Besuch in den Gärten war. Zuerst hatte sich Emily scheu zurückgehalten, doch bald fanden sie gemeinsamen Gesprächsstoff. Blumenzwiebeln waren anscheinend ein faszinierendes Thema. Iris, Tulpen und Narzissen bildeten den Inhalt einer intensiv geführten Diskussion. Emily schien beeindruckt von dem enzyklopädischen Wissen des Botanikers, was Mulch, Pflanz- und Blütezeit und Vermehrung anging. Garrett wurde nicht mehr beachtet und war gezwungen, dem Paar zu folgen, das die Wege des Parks abschritt. Mittlerweile hätte er Emily am liebsten in den nächsten Haufen Torfmull gesteckt, der am Wegrand lag. Sie war so ins Gespräch vertieft, daß sie seine Anwesenheit überhaupt nicht mehr wahrnahm, und er fragte sich, was er wohl jemals an dieser Frau attraktiv gefunden hatte. Anscheinend war sie in der Lage, sich so für etwas zu begeistern, daß alles andere nicht mehr wichtig war. Was mache ich bloß, wenn sie diese Begeisterung irgendwann auf mich überträgt, fragte er sich. Allerdings schien er hier nichts befürchten zu müssen, so lange irgend etwas Grünendes und Blühendes im Wege war. Wahrscheinlich 59
ist es gut so, dachte er. Dann habe ich zumindest Mr. Parker nichts zu berichten. In diesem Moment erinnerte sich Emily seiner. „Sind sie nicht wundervoll?" rief sie aus. Garrett blieb automatisch stehen und war gefangen von dem Anblick, der sich ihm bot. Sie schien auf wunderbare Weise in diesen Garten zu gehören. Die Schönheit der Blumen, der Duft und die Farben gaben ihr Glanz, und sie gab ihn zurück. Ihr kupferfarbenes Haar schimmerte im Sonnenlicht, und die leichte, warme Brise fächelte ihr dann und wann ein paar Locken ins Gesicht, das von der Sonne zart gerötet war. Kleine Sommersprossen bedeckten Nase und Wangen. Ihr hinreißendes Lächeln aber stahl jeder Blüte die Schau. „Wunderschön", rief er zurück. Sie wandte sich erneut dem Botaniker zu, und sie gingen weiter. Garrett war plötzlich überhaupt nicht mehr ungehalten. Emily besaß eine natürliche Grazie, die ihn mehr anzog, als alles, was ihm eine Frau bisher zu bieten vermocht hatte. Merkwürdig, dachte er. Selbst die Blumen wirken lebendiger, wenn sie in der Nähe ist. Als der Botaniker sie endlich verließ, war Garrett sich nicht mehr sicher, ob es gut war, mit Emily allein zu bleiben. Irgend etwas war hier draußen inmitten all der Blumen mit ihm passiert. „Ich möchte jetzt gern zum Flieder hinübergehen", sagte Emily. „Sind Sie nicht erschöpft?" fragte Garrett. „Wir sind schon eine Ewigkeit unterwegs. Sollten wir nicht lieber etwas essen gehen?" „Ich möchte möglichst alles sehen", erwiderte Emily. „Nur noch den Flieder, dann können wir gehen." Während sie den Weg entlangeilten, las Emily ihm aus dem Gartenführer vor. Mitten im Satz blieb sie plötzlich stehen. „Riechen Sie den Duft?" Er sog den Atem tief durch die Nase ein und nickte. „Was ist es?" „Flieder. Ich habe einige Büsche zu Hause", antwortete sie. „Manchmal, wenn die Luft im Frühling geschwängert mit Fliederduft ist, fülle ich große Vasen damit, und das ganze Haus riecht danach." Sie runzelte die Stirn. „Hoffentlich verpasse ich es dieses Jahr nicht." Bald hatten sie die Quelle dieser Wohlgerüche erreicht. Mit heller 60
Freude bog sie einen Zweig zu sich hinab und barg ihr Gesicht in den hellen Blüten. Langsam wandte sie sich zu Garrett um, während sie die Blüte immer noch an die Nase hielt. „Es ist himmlisch", seufzte sie, schloß die Augen und atmete tief ein. Er hätte nicht erklären können, wie es gekommen war. Vielleicht war der betäubende, sinnliche Duft des Flieders daran schuld, daß er nicht widerstehen konnte und zu ihr trat, um sie sanft auf den Mund zu küssen. Sie atmete heftig ein, und er öffnete die Augen. Emily sah ihn panisch erschrocken an, so daß er sie freigab und innerlich sein Verhalten verfluchte. Sie war anders als die Frauen, die er kannte. Bei ihnen konnte er auf routinierte Weise Verlangen wecken und befriedigen. Doch Emily Taylor hatte offensichtlich keine Erfahrung in erotischen Dingen. Doch während er seinen Fehler noch bedauerte, sah er, daß sie lächelte. „Vielleicht sollten wir hinüber zu den Rosen gehen", murmelte sie mit erhitzen Wangen. Er nickte lächelnd und nahm ihre Hand. Zu seiner Überraschung versuchte sie nicht, sie ihm zu entziehen, sondern ließ es zu, daß ihre zarten, schlanken Finger sich mit seinen verschränkten. Hand in Hand wanderten sie die Wege entlang. Irgendwann verschwand Emilys Besessenheit, jede Blüte einzeln zu untersuchen. Statt dessen erzählte sie, was sie über Rosenzucht wußte. Das war eine ganze Menge. Beeindruckt hörte Garrett ihr zu, doch mehr noch genoß er die Melodie ihrer Stimme. Es wurde ihm klar, daß er nie wieder eine Rose auf die übliche Weise betrachten würde. Auch würde es ihm nie wieder in den Sinn kommen, einer Frau, die er kaum kannte, zwei Dutzend Rosen zu schicken. Rosen waren etwas, was ihn für immer an Emily Taylor erinnern würde, genauso wie Flieder oder Osterglocken. „Woher wissen Sie so viel über Rosen?" fragte er. „Und über Blumen im allgemeinen, Gemüse im besonderen und die Zubereitung von Shrimps?" Sie zuckte die Achseln. „Weiß nicht. Ich habe es mir im Laufe der Zeit selbst beigebracht. Es hat mich einfach interessiert. Aber natür61
lich ist eine Marinade für Shrimps nicht so wichtig wie Astrophysik und der Inhalt einer Pastete nicht mit den Vorteilen von Biochemie zu vergleichen." „Wer sagt das?" „Sie", erwiderte Emily. „In Ihrer Kolumne. Ich nehme an, die meisten Menschen würden Ihnen zustimmen. Mein Exmann auf jeden Fall." Er bemerkte die Trauer in ihren Augen. „Emily, es tut mir leid, wenn ich irgend etwas geschrieben habe, was Sie verletzt hat. Es war nicht persönlich gemeint." „Das weiß ich", sagte sie sanft. „Wahrscheinlich wird es Zeit, daß ich ein bißchen härter im Nehmen werde." „Nicht nötig. Sie haben so viel Erfolg mit Ihren Büchern und Ihrer Zeitschrift." „Ich bin ein Feigling", versicherte ihm Emily. „Die Bücher habe ich aus reiner Existenznot geschrieben. Ich kann einfach nichts anderes." „Sie sollten sich endlich eingestehen, daß Sie sehr gut sind in dem, was Sie tun. Sie haben eine Menge Talent." Emily sah zu ihm auf. „Wirklich?" „Ohne Zweifel", erwiderte er und war in Versuchung, sie erneut zu küssen. „Wir sollten gehen", murmelte sie. „Wenn Sie das möchten", sagte Garrett enttäuscht. Auf der Fahrt zurück nach Malibu unterhielten sie sich in unpersönlichem Ton über den Tag in den Gärten. Insgeheim fragte sich Garrett jedoch, was zum Scheitern ihrer Ehe geführt hatte. Emily selbst konnte nicht der Grund gewesen sein. Er sah in ihr eine Traumehefrau, auf die jeder Mann nur stolz sein konnte. Also mußte die Schuld bei ihrem Exmann liegen. „Wo möchten Sie morgen hinfahren?" fragte er. Emily fuhr aus ihren Gedanken auf. „Wie bitte?" „Morgen", wiederholte er. „Möchten Sie vielleicht den Wochenmarkt besuchen? Wir könnten am Nachmittag hinfahren und die Angebote der verschiedenen Marktstände für ein frühes Abendessen 62
nutzen. Essen Sie einfach wenig zum Frühstück und zu Mittag. Wir schlemmen uns schon durch." „Ich weiß nicht recht", sagte sie. „Eigentlich muß ich mich um dieses Foto für die Rubrik 'Variationen' kümmern." Garrett wischte ihren Einwand beiseite. „Ich könnte Sie um zwei Uhr in Malibu abholen, und ich versichere Ihnen als versierter Stadtführer - Sie werden den Ausflug nicht bereuen." Sie zögerte. „Ich würde Sie gerne morgen anrufen. Dann kann ich absehen, ob es in meinen Zeitplan paßt." Der Rest der Fahrt verging schweigend. Als er vor der Strandvilla hielt, wartete Emily nicht, bis er ihr die Autotür öffnete, sondern stieg hastig aus dem Wagen. „Auf Wiedersehen", rief sie ihm kurz zu, bevor sie im Haus verschwand. Garrett blieb noch zehn Minuten regungslos im Auto sitzen, bevor er sich wieder in den Verkehr einreihte. Einmal ist sie naiv und offen, dachte Garrett, ein andermal geheimnisvoll. Doch die Frau, die er zwischen Blumen geküßt hatte, ließ ihn nicht mehr los. „Du hast Croissants gebacken. Also muß es etwas Ernstes sein." Emily versuchte, durch das Backofenfenster zu erkennen, ob die Croissants mittlerweile die richtige goldbraune Farbe erhalten hatten, und stellte die Uhr noch einmal ein. Dann wandte sie sich zu Nora um, die im Bademantel in der Küche stand und sich verschlafen die Augen rieb. Ihre bloßen Füße steckten in Plüschhausschuhen, und mitten auf dem Kopf thronte ihr Markenzeichen, der Haarknoten. „Warum glaubst du immer, wenn ich backe, hätte das verborgene Motive? Vielleicht wollte ich einfach nur frische Croissants zum Frühstück", gab Emily zurück. „Um morgens um acht Uhr frische Croissants zu haben, mußt du um zwei Uhr nachts anfangen zu backen. Das heißt, du konntest nicht schlafen." Sie gähnte und streckte sich. „Los, sag es mir. Du weißt doch, daß ich es ohnehin früher oder später herausbekomme." Emily goß eine Tasse Kaffee ein und schob sie Nora über den eleganten Tresen zu, an dem in diesem Haus gefrühstückt wurde. Natürlich hatte sie einen Grund für ihre Schlaflosigkeit. Garrett McCabe. 63
Und der Kuß. Immer und immer wieder hatte sie sich diesen Moment in Erinnerung gerufen, während sie im Bett lag. Und mit jeder neuen Erinnerung kam das überwältigende Begehren zurück, das dieser Kuß in ihr ausgelöst hatte. Warum nur? fragte sie sich. Entweder konnte Garrett McCabe einfach gut küssen, oder sie war tatsächlich viel zu lange nicht mehr mit einem Mann zusammengewesen. Eric hatte nie solch heftige Gefühle in ihr erweckt. Daß man beim Küssen weiche Knie bekam, atemlos wurde und erwartungsvoll mehr verlangte, hatte sie nie erfahren. Die Zuwendung, die sie von Eric bekommen hatte, beschränkte sich auf seine Pflichten als Ehemann und die üblichen Geschenke zu Geburts- und Jahrestagen. Sie hatte pflichtgemäß Freude darüber geäußert, doch was sie für Garrett McCabe empfand, hatte nichts mit Pflichtgefühl zu tun. Der Kuß hatte sie aufgewühlt, und sie wollte mehr. „Du warst schon im Bett, als ich gestern nacht nach Hause kam", sagte Nora. „Daher mußt du mir jetzt erzählen, wie es mit Garrett McCabe war." Emily schluckte. „Nett. Die Gärten waren wunderschön, obwohl die Kamelien schon fast verblüht waren. Aber die Rosen sind sehenswert, ebenso die Frühlingsblumen. Ich habe entschieden, daß wir in der Rubrik 'Variationen' einen Beitrag über Blumenzwiebeln bringen. Wir fotografieren die Zwiebel einer Blume, und daneben eine frischgeschnittene Blüte. Es ist wahrscheinlich am besten …" „Bleib bei der Sache, Emily. Wir sprachen über Garrett McCabe." „Okay." Emily gab auf. „Er hat mich geküßt. Wir haben uns geküßt. Bist du nun zufrieden?" Nora grinste und nahm einen Schluck Kaffee. „Sehr. Und du?" „Was meinst du damit?" „War es befriedigend für dich?" Und wie, dachte sie. Laut aber antwortete sie: „Keine Ahnung. Ich besitze ja nicht allzu viele Vergleichsmöglichkeiten." „Mach mir nichts vor. Du mußt doch wissen, wie du dich dabei gefühlt hast." Emily errötete bei der Erinnerung an die Berührung seiner Lippen. „Ich … ich habe mich geschämt… und es zugleich unglaublich ge64
nossen", gab sie zu. „Meine Knie waren wacklig, ich hatte Schmetterlinge im Bauch, und meine Gedanken wirbelten schneller als mein Mixer im Topf." „Prima", lobte Nora. „Dann dachte ich daran, daß ich normalerweise immer alles falsch mache, wenn ich mit Männern zusammen bin, und sagte Garrett, wir sollten besser gehen." „Nicht so gut", befand Nora. Emily öffnete die Backofenklappe und zog das Blech mit den herrlich duftenden, goldbraunen Croissants heraus. „Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Die Reihenfolge war komplett durcheinandergeraten. Zuerst hält man Händchen, dann küßt man sich, so ist es doch richtig, nicht wahr? Und dann war da auch noch die Zunge im Spiel. Ich habe einen großen Fehler gemacht." „Hör mal zu, Emily, es wird Zeit, daß du etwas erkennst. Du bist jetzt bereits eine ganze Weile erwachsen, du lebst dein eigenes Leben, du verdienst dein eigenes Geld. Du solltest nun auch nach deinen eigenen Regeln leben. Wenn du Garrett McCabe im Berufsverkehr auf dem Wilshire Boulevard küssen willst - ob mit oder ohne Zungenspiel -dann tu es." „Aber ich weiß doch gar nicht, welche Regeln für mich richtig sind. Ich kenne nur Regeln, wie man ein perfektes Souffle macht oder wie man Rosen züchtet, die keinen Mehltau bekommen. Was Männer betrifft, habe ich keine Ahnung, was ich will. Also halte ich mich von Garrett McCabe so fern wie möglich." Nora schüttelte den Kopf. „Wenn ich du wäre, würde ich die Gelegenheit beim Schopf ergreifen, um etwas mehr Erfahrung zu sammeln." Emily dachte einen Moment nach. „Garrett möchte, daß wir heute zusammen zum Wochenmarkt fahren. Er will mich um zwei Uhr abholen, falls ich nicht absage. Das sollte ich jetzt wohl tun." Sie stand auf, um zum Telefon zu gehen. „Nicht, Emily", hielt Nora sie zurück. „Bis zwei Uhr ist es noch eine Weile hin. Leg dich ins Bett und schlaf dich aus. Du wirst sehen, nachher siehst du die Sache schon anders." 65
„Ich habe aber keine Zeit, Nora. Hier ist eine Liste der Blumenzwiebeln, die auf der Seite abgebildet werden sollen. Wir müssen die Gärtnereien anrufen, um zu fragen, ob wir sie bekommen können und ob wir auch die dazugehörigen Blumen schneiden dürfen." „Gib mir die Liste. Ich mache das schon. Los, ins Bett mit dir." Emily schüttelte zögernd den Kopf. „Ich werde mich nicht mit Garrett McCabe einlassen, Nora. Es wäre schlimmer, als mit Eric verheiratet zu sein. Wenn wir mit Parker abgeschlossen haben, werden wir wieder nach Rhode Island zurückkehren." „Das steht noch nicht fest", erwiderte Nora. „Parker möchte, daß wir unsere Zelte in Kalifornien aufschlagen." „In Kalifornien?" rief Emily erschrocken. „Auf keinen Fall!" „Und warum nicht?" „Zum einen gibt es hier keine vier Jahreszeiten. Unsere Zeitschrift ist aber darauf angewiesen. Stell dir vor, unsere Winternummer sähe genau so aus wie die Sommerausgabe. Zum anderen möchte ich nicht in einem Land leben, wo immer nur die Sonne scheint. Ich brauche Regen und Schnee und Wind und all das." „Ja, Eiseskälte möglichst noch. Emily, wir könnten jederzeit an die Ostküste fahren, um der Saison entsprechende Beiträge zusammenzustellen", erklärte Nora. „Und meinetwegen, damit du schlechtes Wetter genießen kannst." „Aber ich müßte mein Haus aufgeben und meinen bevorzugten Markt und den besten Obst- und Gemüsehändler in Rhode Island. Was ist mit dem Gartencenter, wo ich schon seit Jahren einkaufe? Und was wird aus meinem Garten? Wenn ich an meine winterharten Stauden denke … Und meine Rosen! Ich könnte niemals ohne meine Rosen leben." „Denk trotzdem einfach mal darüber nach", meinte Nora sachlich. „Wir können es uns ja aussuchen, ob wir das Büro verlegen oder nicht." „Falls wir verkaufen, können wir darüber diskutieren. Doch meine Entscheidung ist noch nicht gefallen." „Warum zögerst du eigentlich noch, Emily? Der Verkauf ist das Beste, was uns passieren kann. Ich habe mir die Vertragsentwürfe 66
genau angesehen und bin sie mit Parker und seinen Anwälten durchgegangen. Es gibt keinen Grund, nein zu sagen." „Es stört mich einfach, daß wir nicht mehr die Kapitalmehrheit haben werden. Richard Parker hätte das Sagen, und wir bekämen ein Gehalt. Immerhin steht mein Name auf dem Titel. Es ist doch unser Baby, Nora." „Wir werden nach wie vor allein verantwortlich für den Inhalt sein. Aber das finanzielle Risiko läge bei Parker. Wäre es nicht wundervoll, jeden Monat ein festes Gehalt zu bekommen?" „Vielleicht. Trotzdem möchte ich eigentlich die Verantwortung nicht abgeben. Nenn es Instinkt oder weibliche Intuition." „Ich habe eher das Gefühl, du überträgst deine ganze Unsicherheit in der Sache McCabe auf das Geschäft mit Parker Publishing", konstatierte Nora. „Kann sein", gab Emily zu. „Ich habe schließlich weder Ahnung von Männern noch von Geschäften. Du bist die Fachfrau." Nora kam auf Emily zu und legte ihr den Arm um die Schultern. „Wir sind Partner, Emily, und keine von uns wird diesen Vertrag allein unterzeichnen. Entweder gemeinsam oder gar nicht." „Ich vertraue dir, Nora." Emily rieb sich müde die Augen. „Hier in Kalifornien ist alles so anders und schwierig." „Du bist einfach nur müde. Geh zu Bett, und ich rufe Garrett McCabe an und sage ihm, daß du heute nachmittag keine Zeit hast." „Danke", sagte Emily erleichtert und erschöpft. Sie sah sich in der Küche um. Die Unordnung, die ihre Backorgie hinterlassen hatte, konnte bleiben, wie sie war. Sie würde ins Bett gehen und versuchen, nicht mehr an Garrett McCabe und die aufwühlenden Empfindungen zu denken, die er in ihr auslöste. Bald bin ich wieder zu Hause, dachte sie. Ich werde mich um meinen Garten kümmern, neue Ideen für Dekorationen haben und meine französischen Kochkenntnisse erweitern. Doch es half nichts. Sie wußte, daß der Verkauf von „At Home" sie in Kalifornien festhielt, und sie wußte auch, daß sie sich niemals sicher fühlen würde, so lange es Garrett McCabe in ihrem Leben gab.
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6. KAPITEL Emily schlief unruhig und träumte schlecht. Irgendwann zwischen Wachen und Traum klopfte und klingelte es an der Haustür. Zuerst zog sie die Decke über den Kopf und ignorierte das Geräusch, doch es hörte nicht auf. Endlich schlug sie die Augen auf und sah auf die Digitalanzeige des Weckers. Es war genau zwei Uhr. Es klingelte wieder Sturm. Himmel, dachte sie erschrocken. Ist das etwa Garrett McCabe? Emily sprang aus dem Bett und zog hastig ihren rosafarbenen Morgenmantel über das weiße Nachthemd. Dann eilte sie zur Tür und vergewisserte sich durch den Spion, daß ihre Ahnung richtig gewesen war. Verflixt, dachte sie, das hat Nora auf dem Gewissen. Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Es klingelt erneut, gleichzeitig klopfte Garrett energisch an die Tür. Emily entschloß sich, zu öffnen und ihn zum Gehen aufzufordern. „Emily?" Garrett schob den Kopf durch den Türspalt. „Ist alles in Ordnung?" „Ich … ich bin noch nicht fertig", sagte sie unbeholfen. Garrett sah auf die Uhr. „Hatten wir nicht zwei Uhr ausgemacht?" „Ja, aber ich hatte Nora gebeten, Ihnen zu sagen, daß ich keine Zeit habe." Garrett maß die zierliche Gestalt im Morgenrock mit einem amüsierten Blick. „Keine Zeit?" Emily war es peinlich, daß er ihre Lüge durchschaute. „Okay, ich bin in ein paar Minuten fertig." Sie warf die Tür vor Garretts Nase ins Schloß, doch sofort klopfte es wieder. Als sie die Tür einen Spalt breit öffnete, fragte Garrett grinsend: „Wollen Sie mich nicht wenigstens hereinbitten?" „Ich bin nicht angezogen", gab Emily zu. „Interessant", murmelte er. „Das meinte ich nicht", stammelte sie errötend. „Ich bin im Bademantel. Ich habe verschlafen." „Liebe Miss Taylor, ich glaube, ich bin alt genug, um beim Anblick einer Dame im Morgenrock meine tierischen Instinkte zu zügeln. 68
Glauben Sie mir, es wäre viel gemütlicher, wenn ich drinnen warten könnte." Emily nahm all ihren Mut zusammen und öffnete die Tür ganz. Automatisch zog sie den Kragen ihres Morgenrocks enger zusammen, als sie sah, wie interessiert Garrett sie von oben bis unten musterte. Dann lächelte er. „Ich ziehe mich besser an", hauchte sie. „Gute Idee", sagte Garrett. „Dieser rosa Flanell ist doch etwas zu aufregend, um eine entspannte Konversation zu garantieren." Emily errötete heftig und floh. Im Schlafzimmer angelangt, warf sie die Tür hinter sich zu. Sie bebte und fragte sich, wie sie den Nachmittag mit Garrett McCabe überstehen sollte. Auch ohne daß er sie berührte, weckte dieser Mann Wüsche in ihr, die alles andere als jugendfrei waren. „Ich werde diesen Nachmittag überstehen", sagte sie zu sich selbst. „Ich bin erwachsen und stelle meine eigenen Regeln auf." Sie dachte einen Moment nach und fügte hinzu: „Jedenfalls solange er mich nicht küßt." Dann begann sie, ihren Kleiderschrank nach einem passenden Outfit für diesen Ausflug zu durchwühlen. Doch alles, was ihr in die Hände fiel, waren geblümte Hemdblusenkleider mit Spitzenkragen. Endlich holte sie einen schicken ärmellosen Overall aus weichem Stoff hervor und einen hautengen Body zum Darunterziehen. Sie öffnete die drei oberen Knöpfe des Overalls und fühlte sich fast unanständig, weil sie keinen BH trug. Arme und Dekollete waren nackt. Deshalb nahm sie noch ein Sweatshirt mit, falls es kühl werden würde. Flotte Leinenschuhe und Ringelsöckchen ergänzten ihren neuen Look. Bevor sie das Zimmer verließ, warf Emily rasch einen Blick in den großen Spiegel neben der Tür. Sie zeigte wesentlich mehr Haut als vorhin im Bademantel, doch sie fühlte sich nicht halb so nackt. Eher … sexy. Mit den Fingern fuhr sie sich noch einmal durch ihr zerzaustes Haar. Das mußte genügen. Ich werde Garrett zeigen, daß ich nicht einfach nur ein Hausmütterchen von der Ostküste bin, dachte sie. Ihre Kleidung trug dazu 69
bei, daß sie sich sicherer fühlte, fast, als habe der kalifornische Lebensstil bereits auf sie abgefärbt. Sie fand Garrett dort vor, wo sie ihn verlassen hatte, nämlich an der Haustür. „Warum haben Sie es sich nicht bequem gemacht?" wollte sie wissen. „Sie haben doch gesagt, ich solle hier warten" neckte er sie. „Sie sehen hübsch aus", fügte er hinzu. Emily beschloß, diesen Kommentar zu ignorieren, obwohl sie errötet war. Garrett ergriff ihre Hand und hielt sie fest. „Wenn Sie fertig sind, sollten wir gehen." Sie blickte auf die miteinander verschränkten Hände und hätte fast vergessen zu atmen. „Ich bin … fertig", murmelte sie. Der warme Frühlingswind fächelte ihre Gesichter, als sie mit offenem Verdeck die Küstenstraße entlangfuhren. Der Himmel war strahlend blau, und Emily konnte das Meer riechen. Wenn ihr ein paar Monate zuvor jemand gesagt hätte, daß sie eines Tages in einem Sportwagen an der Seite eines gutaussehenden Mannes den California Highway entlangfahren würde, hätte sie ihn für unzurechnungsfähig erklärt. Sie ließ die Sonne auf ihr Gesicht scheinen und schloß die Augen. Ich will nichts von Garrett McCabe, redete sie sich ein. Ich brauche keinen Mann, um glücklich zu sein. Eine zarte Berührung auf ihrer Wange ließ sie aufschrecken. An einer roten Ampel strich er ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Blicke trafen sich sekundenlang, und Emilys Herz schien stillzustehen. Unfähig sich zu rühren, schwieg sie. Alles in ihr konzentrierte sich auf den Punkt, an dem seine Finger sie berührten. Dann war es auch schon wieder vorbei, und Garrett fuhr seelenruhig weiter. Emilys Gedanken wirbelten durcheinander. Sie fragte sich, was diese Geste bedeutete. Zuneigung? Gedankenlosigkeit? Im Moment gab es auf diese Fragen keine Antwort. „Haben Sie Hunger?" fragte Garrett. „Eigentlich nicht", erwiderte sie. Hunger war zurzeit das letzte, woran sie dachte. Dann erinnerte sie sich daran, wohin sie fuhren. 70
„Nun ja, vielleicht doch. Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen." Garrett lachte. „Sagen Sie immer das, was andere Leute hören wollen?" „Nein", wehrte sich Emily. „Oder nur manchmal." Garrett bog in eine Parklücke ein. Sie hatten den Wochenmarkt erreicht. Er zog den Schlüssel ab und begann, das Verdeck hochzuklappen. „Also, haben Sie nun Hunger oder nicht? Ich kann mit der Wahrheit leben, wissen Sie", sagte Garrett mit einem Augenzwinkern, als er ihr aus dem Wagen half. Emily lächelte. „Noch nicht, aber bald." Der Wochenmarkt lag im Wilshire District, und Emily hatte gelesen, daß dieser Bezirk in den dreißiger Jahren am Rande der Stadt gelegen hatte, so daß die Bauern der Umgebung ihn bequem erreichen konnten. Nun befand sich der Markt inmitten der ausufernden Stadt - ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Eine aromatische Mischung exotischer Gerüche ließ Emily erwartungsvoll schnuppern. Alles, was das Herz begehrte, war hier zu bekommen. Von den üblichen landwirtschaftlichen Erzeugnissen über Fleisch, Käse und Backwaren bis zu Blumen und Fisch. Alles frisch und direkt vom Erzeuger. Andere Stände boten internationale Küche aus allen Teilen der Welt, daneben gab es allerlei Schnickschnack und Kunsthandwerk zu kaufen. „Wunderbar", sagte Emily. „Das ist genau das, was ich liebe." „Wo möchten Sie beginnen?" fragte Garrett. Am liebsten hätte sie damit begonnen, ihre Arme um seinen Hals zu schlingen und ihn zu küssen. Doch das war unmöglich. Also wandte sie sich den Auslagen zu. Normalerweise fühlte sie sich in solchen Menschenmengen unbehaglich, aber mit Garrett an ihrer Seite empfand sie keine Scheu. Bald zog sie von Marktstand zu Marktstand und prüfte die Ware, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ab und zu aßen sie eine Kleinigkeit an einem der Stände, die exotische Gerichte anboten. Der Nachmittag verging wie im Flug, und 71
Emily konnte sich nicht erinnern, jemals so viel Spaß gehabt zu haben. Endlich, nachdem beim besten Willen keine weitere Tüte mehr auf Garretts Arme paßte, entschied sie, daß es Zeit war zu gehen. In ihrem Einkaufsrausch hatte sie gar nicht bemerkt, daß Garrett seinen Ärger nur noch mühsam beherrschte. Offensichtlich hielt er nicht viel von Kauforgien. „Schon?" fragte Garrett ironisch und stellte die Taschen auf einer Bank ab. „Wir sind doch erst seit drei Stunden hier." Aus einer der Tüten fiel eine gelbe Paprika zu Boden. Er gab ihr einen Fußtritt und sandte sie kullernd den Gang hinab. „Warum haben Sie nichts gesagt?" fragte Emily, die jetzt genau sah, wie wenig er sich amüsiert hatte. „Dann wären wir nicht so lange geblieben." „Und ich hätte verpaßt, daß es jemanden gibt, der wegen frischem Gemüse Freudentänze aufführt." „Frisches Obst und Gemüse ist wichtig für die richtige Ernährung", erwiderte sie. „Je frischer, desto besser. Es ist eine Herausforderung, die jeweils besten Angebote zu finden." "Alles, was ich sagen wollte, ist, daß ich nicht erwartet habe, daß Sie jeden einzelnen Marktstand abklappern. Ich sehe schon meine nächste Kolumne vor mir: „Mein Tag auf dem Wochenmarkt" von Garrett McCabe." „Es war ein Fehler von mir zu glauben, Sie würden mich verstehen", sagte Emily traurig. „Oh, ich verstehe Sie sehr gut", erwiderte Garrett trocken. „Nur daß Sie nicht verlangen können, daß es mir Spaß macht." „Ich weiß. Die meisten Männer haben keinen Spaß am Einkaufen", gab Emily zu. „Genau. Und trotzdem geraten wir immer wieder an Frauen, die es schaffen, uns stundenlang durch die Stadt zu schleifen. Noch ein Geschäft. Und noch eins. Schauen Sie", wies er auf einen Mann, der neben seiner Frau an einem Stand wartete. „Dort ist ein perfektes Exemplar. Man könnte Angst bekommen." „Was wollen Sie eigentlich damit sagen?" fragte Emily. 72
Garrett schob den Autoschlüssel ins Schloß, riß die Tür auf und begann, die Tüten auf dem Rücksitz zu verstauen. Dann ließ er das Verdeck herunter. „Nur, daß wir einen ganzen Nachmittag mit etwas verschwendet haben, was man in zehn Minuten im Supermarkt hätte erledigen können." Emily betrachtete ihn aufmerksam. „Sie sind eifersüchtig", bemerkte sie plötzlich. „Wie kommen Sie auf diese schwachsinnige Idee?" Er ließ sich auf den Fahrersitz gleiten und schaltete den Motor ein. Emily lächelte triumphierend. „Eifersüchtig auf ein paar Tüten Gemüse. Sie sind wütend, weil ich Ihnen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe." „Was?" rief Garrett. „Ich habe Sie hierhergefahren, weil Richard Parker es von mir verlangt hat." „Ach, und ich dachte, Sie hätten mir einen netten gemeinsamen Nachmittag versprochen." „Falls das wahr ist, muß ich komplett verrückt gewesen sein. Los, steigen Sie ein." Emily setzte sich auf den Beifahrersitz und wandte sich den Tüten auf der Rückbank zu, um sie zu sichern. „Man muß Obst und Gemüse vorsichtig behandeln. Es bekommt ihm nicht, durchgeschüttelt zu werden." Garrett antwortete nicht und fuhr los. Emily lehnte sich zurück und machte sich auf eine lange, schweigende Fahrt gefaßt. Was so vielversprechend begonnen hatte, war zu einem kompletten Desaster geworden. Der Nachmittag war hin. Als sie die Strandvilla in Malibu erreichten, stieg sie aus dem Wagen, bevor er noch den Motor abgeschaltet hatte. Sie holte so viele Tüten vom Rücksitz, wie sie tragen konnte. „Warten Sie, ich helfe Ihnen", sagte Garrett. „Bemühen Sie sich nicht", gab Emily zurück. „Ich möchte Ihre Abneigung gegen Gemüse nicht noch verstärken." Doch in diesem Moment fiel ihr eine Tüte aus der Hand. Einige Tomaten rollten auf den Rücksitz. „Verflixt, stellen Sie die Tüten hin, Emily. Ich sagte, ich helfe Ih73
nen." Er kam auf die Beifahrerseite, nahm ihr eine der Taschen aus der Hand und ging zur Haustür. Sie versuchte, es zu verhindern, hatte aber keinen Erfolg. Wutentbrannt griff sie nach einer Tomate und warf sie nach ihm. Sie traf seine Schulter und zerplatzte. Zumindest, dachte Emily befriedigt, sind die Tomaten reif. Garrett blieb stehen, um ein paar Tomatenkerne und Saft vom Kragen zu wischen. Dann drehte er sich um und kam mit grimmigem Gesichtsausdruck auf Emily zu. Hastig ergriff sie eine weitere Tomate und brachte sich in Verteidigungsstellung. Doch da war er bereits bei ihr, hielt ihren Arm fest und preßte ihr Handgelenk, so daß sie gezwungen war, ihr Wurfgeschoß fallen zu lassen. Auge in Auge standen sie voreinander, erhitzt, mit klopfendem Herzen. Und dann geschah es. Emily schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn leidenschaftlich, als ob sie Jahre unterdrückten sexuellen Verlangens aufholen müsse. Herausfordernd strich sie mit der Zunge über seine Lippen, als wollte sie ihm dadurch beweisen, daß er nicht einfach mit ihr machen konnte, was er wollte. Garrett stöhnte leise. Sie sah Begierde in seinen Augen aufflackern, und plötzlich lichtete sich der sinnliche Nebel in ihrem Kopf. Emily stieß einen erstickten Laut aus, riß sich los und rannte ins Haus. Sie lief in ihr Schlafzimmer und verschloß die Tür hinter sich. Doch auch das war ihr noch nicht weit genug weg von ihm. Erst als sie sich im Badezimmer eingeschlossen hatte, fühlte sie sich sicher. Ihre Wangen brannten vor Scham. Niemals zuvor hatte sie einem Mann offen gezeigt, daß sie ihn begehrte. Doch diesen Mann wollte sie so sehr, daß es fast körperlich schmerzte. „Wir können hier nicht reden", flüsterte Alvin in den Telefonhörer, so daß Garrett ihn kaum verstand. „Nicht in der Nachrichtenredaktion. Wir treffen uns um Mitternacht - Sie wissen schon, wo. Ich werde ein blaues Jackett tragen und eine Baseballmütze." Garrett konnte Alvin von seinem verglasten Büro aus am anderen Ende des großen Redaktionsraumes sehen. „Ich warte nicht bis Mitternacht, Armstrong", sagte er. „Wir treffen uns um sieben." Zu jeder 74
anderen Zeit hätte er sich über Alvins James-Bond-Allüren amüsiert, aber heute gingen sie ihm auf die Nerven. Doch er wußte, daß er auf Alvins Informationen angewiesen war, deshalb fügte er hinzu: „Setz eine Sonnenbrille, und sieh zu, daß dir niemand folgt." Damit legte er den Hörer auf. Er wollte endlich herausfinden, was Richard Parker wirklich vorhatte, obwohl das letzte Zusammentreffen mit Emily Taylor und ihren Wurfgeschossen ihm gezeigt hatte, daß sie anscheinend keinen selbsternannten Beschützer brauchte. Garrett lachte bei der Erinnerung an die fliegenden Tomaten. Und gab im Stillen zu, daß der Kuß ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Selbst nach Tagen noch meinte er, ihre fordernden, weichen Lippen spüren zu können. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, diese Begegnung fortzusetzen, dachte er sehnsüchtig. Was hatte sie nur dazu bewogen, ihre Hemmungen über Bord zu werfen und ihm um den Hals zu fallen? Keine Ahnung, entschied Garrett. Schließlich war es auch nicht wichtig. Emily und er lebten auf verschiedenen Planeten. Der Ausflug zum Wochenmarkt hatte es deutlich gezeigt. Eine Beziehung mit Emily Taylor kam für ihn nicht in Frage. Ich wäre nach einem Monat reif fürs Irrenhaus, dachte er amüsiert, wenn ich mit ihr zusammen wäre. Nicht, daß eine Beziehung nicht gewisse Vorteile gehabt hätte. Es müßte spannend sein, die leidenschaftliche Frau unter der kühlen Fassade Emily Taylors zu entdecken. Und es war ein Vergnügen, ihr bei allem, was sie tat, zuzusehen. Überdies konnte sie kochen. Garrett wußte jedoch, daß Emily Erwartungen an eine Beziehung hatte, die er niemals erfüllen würde. Sie braucht jemanden, der sie heiratet, dachte er, doch dieser Jemand heißt nicht Garrett McCabe. Dafür hing er viel zu sehr an seiner Freiheit. Das erklärte jedoch nicht, warum er mit seinen Nachforschungen über Richard Parker seinen Job riskierte. Er hatte Parker heute morgen getroffen und ihm ein paar Informationen übermittelt, die völlig wertlos waren. Parker war enttäuscht. Garrett versprach, bald mit mehr aufzuwarten. Er wußte, daß Parker gefährlich war. Emily durfte 75
ihm nicht schutzlos ausgeliefert werden. Bis jetzt hatte er allerdings noch nichts über Parker herausgefunden, was sein Mißtrauen gerechtfertigt hätte. Garrett sah auf die Uhr. Um sieben Uhr erwartete er Alvin im „Bachelor Arms". Wenn er sich beeilte, konnte er noch ein paar Zeilen seiner nächsten Kolumne schreiben. Diesmal würde es um Einkaufstips für unterdrückte Ehemänner gehen. Dann läge ein freies Wochenende vor ihm, das er mit ausgesprochen männlichen Vergnügungen auszufüllen gedachte. Hauptsache, er geriet nicht in die Nähe Emily Taylors. Als er das „Bachelor Arms" erreichte, wartete Alvin bereits auf ihn. Er preßte einen großen Briefumschlag gegen die Brust, was verständlich war, denn die beiden neugierigsten Nachbarinnen Garretts hatten ihn mit Beschlag belegt. Zu dritt saßen sie auf den Treppenstufen, die kleine Russin Natasha Kuryan zur Rechten, zur Linken die blonde Jill Foyle. Natasha war einst Visagistin in Hollywood gewesen und hatte ein besonderes Talent, Neuigkeiten aus den Mietern des „Bachelor Arms" herauszuholen. Jill spielte ihren Sex-Appeal aus, und es war klar, daß Alvin gegen diese weibliche Übermacht keine Chance hatte. „Garrett!" rief Natasha. „Da bist du ja. Wir haben uns mit deinem kleinen Freund unterhalten." „Guten Abend, Natasha. Hallo, Jill. Was hat mein kleiner Freund euch erzählt?" fragte Garrett. „Wie es im Leben eines berühmten Sportreporters zugeht", erwiderte Natasha in ihrem typisch russischen Akzent. „Und wir haben eine Menge Neues über Garrett McCabe erfahren", warf Jill ein. „Wir wußten gar nicht, daß du und Emily Taylor so gute Freunde seid." „Unsinn", schnitt Garrett Alvin das Wort ab, der etwas sagen wollte. „Es handelt sich um eine rein geschäftliche Angelegenheit. Mein Chef hat mich beauftragt, Emily Los Angeles zu zeigen. Das ist alles." Jill beäugte ihn amüsiert. „Garrett McCabe und Emily Taylor - was für ein seltsames Paar." 76
„Ganz meine Meinung", stimmte Garrett ihr zu. „Macht keinen Unterschied", mischte sich Natasha ein. „Wenn sie diejenige ist, dann soll sie es sein. Seht euch doch an, was Josh und Truman passiert ist. Sie hatten keine andere Wahl, und jetzt sind sie glücklich verheiratet. Da war eine stärkere Macht im Spiel." „Mag sein, aber hier gibt es keine überirdischen Mächte", konterte Garrett. „Du glaubst also nicht an die Frau im Spiegel?" fragte Natasha. „Nein!" antwortete Garrett. „Los, Alex, wir gehen was trinken." Im Flynn's herrschte bereits lebhafter Betrieb, doch der große Freitagabend-Andrang begann erst nach acht Uhr. Garrett winkte Eddie zu und wies Alvin an, sich an einen Tisch in einer ruhigen Ecke zu setzen, während er an der Bar die Drinks bestellte. Als er zurückkehrte, stellte er die gefüllten Gläser auf den Tisch und fragte: „Also, was hast du mitgebracht?" Alvin kippte den Inhalt seines Glases auf einen Zug, wischte sich mit der Hand über den Mund, unterdrückte einen Rülpser und grinste. „Ich bin nur der Zuträger. Der Inhalt geht mich nichts an." „Dann gib her", forderte Garrett und streckte die Hand aus. Alvin reichte ihm zögernd den Umschlag, und Garrett riß ihn neugierig auf. Er entnahm ihm ein Bündel Hausmitteilungen und überflog deren Text. „Hat dein Kumpel irgend etwas gehört?" „Nein, aber er hat etwas gesehen. Eine Mitteilung Parkers an einen seiner Anwälte. Er konnte keine Kopie davon machen, aber er sagt, es wäre um die Rechte an Emily Taylors Namen gegangen. Und ihre weitere Beteiligung an der Zeitschrift sowie die Kündigungsfristen ihres Angestelltenverhältnisses." „Bist du sicher, daß er das richtig verstanden hat?" fragte Garrett. „Wieso sollte Parker das Magazin haben wollen und Emily Taylor nicht? Die Zeitschrift lebt doch nur durch sie. Warum sind Emily und Nora dann nur noch Angestellte?" Alvin zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Kann ich jetzt gehen, Mr. McCabe? Ich muß noch mal zurück in die Zeitung. Rowdy hat noch was zu tun für mich." Garrett nickte, und Alvin stand auf. „Sind Sie sicher, daß Sie kei77
nen Ärger kriegen werden?" „Ganz sicher", sagte Garrett. „Ich habe dir doch mein Wort gegegeben“ Garrett sah ihm nach, als er durchs Lokal ging. Alvin starrte eine besonders attraktive Frau dermaßen an, daß er über einen Stuhl stolperte und fast einen Tisch abgeräumt hätte bei dem Versuch, nicht hinzufallen. Endlich war er durch die Tür verschwunden, und Garrett atmete auf. Er wandte sich erneut den Papieren zu und überlegte, wie deren Inhalt mit dem, was Alvin ihm gerade mitgeteilt hatte, in Zusammenhang zu bringen war. Doch sie enthielten keinen Hinweis auf eine Kündigungsklausel, nur ein Konzept für eine Videoserie, basierend auf Emilys Zeitschrift, und eine mögliche Fernsehshow. Ein Satz, den Parker zu ihm gesagt hatte, fiel ihm plötzlich wieder ein: „Wenn sie nicht mitspielt, werden wir andere Lösungen finden …" Parker war scharf auf die Zeitschrift, und er wollte Emily Taylors Namen. Doch was war mit der Person selbst? Emily würde niemals in Videofilmen mitspielen oder bei Wohltätigkeitsveranstaltungen auftreten, um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Konnte Parker sie einfach ausbooten, wenn sie sich weigerte? Nein, entschied Garrett. Immerhin würden ihr auch nach dem Verkauf noch ein Drittel der Zeitschrift gehören. Und Nora besäße das zweite Drittel. Wenn sie wollten, konnten sie Parker hinauswerfen. Also alles kein Problem? überlegte er. Wahrscheinlich sehe ich Gespenster. Außerdem ist Emily Taylor alt genug, um ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Vielleicht will ich gar nicht sie schützen, sondern nur mich selbst, dachte er. Wenn sie nicht verkauft und mit ihrer Zeitschrift wieder nach Rhode Island verschwindet, bin ich sie los. Und auch meine Gefühle für sie. Mittlerweile gab er zu, daß er Gefühle für Emily Taylor hatte, die nicht bloß freundschaftlicher Natur waren. Er begehrte sie, er wollte in ihrer Nähe sein, ihre Stimme hören. Und er wollte sie ansehen, bis er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
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7. KAPITEL „Ich werde deinen Rat nicht befolgen." Nora sah vom Fototisch auf, eine Blumenzwiebel in der Hand. „Was sagtest du, Emily?" „Daß ich deinen Rat nicht befolgen werde", wiederholte Emily, die auf der gegenüberliegenden Seite des Fotostudios stand. „Ich habe dir schon so viele Ratschläge gegeben", seufzte Nora. „Welchen davon meinst du?" Emily nahm eine Iris und fuhr sich mit der leuchtenden Blüte über die Lippen. „Den, der Garrett McCabe betrifft." „Davon gibt es auch mehrere", belehrte sie Nora. „Der eine hieß: sei aggressiver, der nächste: hab mehr Spaß, und dann war da noch einer, der Rache enthielt." „Ich habe entschieden, daß ich niemand bin, der sich einfach nimmt, was er begehrt", erläuterte Emily. „Was ist passiert?" „Ich habe ihn geküßt." „Na, wunderbar", rief Nora. „Davor habe ich eine Tomate nach ihm geworfen. Und danach bin ich weggerannt und habe mich im Badezimmer eingeschlossen." „Hast du ihn wenigstens getroffen?" „Und wie. Er hat mich so wütend gemacht. Erst brachte er mich auf den Wochenmarkt, um einzukaufen. Dann wurde er eifersüchtig auf das Gemüse." Nora verstand sofort. „Aha. Das männliche Ego verträgt es nicht, wenn man etwas anderem mehr Aufmerksamkeit schenkt." „Es hat mir einfach nur gezeigt, daß er überhaupt nicht in der Lage ist, zu verstehen, woraus meine Arbeit besteht. In dieser Hinsicht ist er genau wie Eric." „Aber du hast ihn geküßt", beharrte Nora. „Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit", entgegnete Emily und wandte sich einer Kiste mit Blumenzwiebeln zu. Doch sie wußte, daß es eine Lüge war. Sie hatte längst Gefühle für Garrett McCabe entwickelt, die alles andere als eine vorübergehende Laune waren. Zwar 79
sagte sie sich, daß nach elf Single-Jahren jeder Mann, der ihr Aufmerksamkeit schenkte, zum Märchenprinzen werden mußte, aber erstens war Garrett McCabe aus jenem Stoff, aus dem die Träume sind, und zweitens gefiel es ihr. „Miss Taylor?" Emily schrak auf und wischte sich die Erde von den Fingern. Bekky, Colins erste Assistentin, stand im Gang, der zum Eingang führte und sah nervös aus. „Miss Taylor, dieser Blumenbote ist wieder da", sagte Becky. „Das müssen die restlichen Blumenzwiebeln sein", rief Nora aus der hinteren Ecke des Studios. Becky kam ins Studio und schloß die Tür hinter sich. „Nein, es ist derjenige, der hier vor ein paar Wochen hereingeschneit kam. Er sagte, Sie würden ihn erwarten." „Garrett McCabe?" fragte Emily. „Natürlich erwarten wir ihn", sagte Nora freundlich und trat an Emilys Seite. „Bitten Sie ihn herein." „Nein!" rief Emily. „Doch", beharrte Nora und schob sie zur Tür. „Warum tust du das?" jammerte Emily. „Er hat den ersten Schritt getan. Jetzt bin ich neugierig, wie es weitergeht", antwortete Nora grinsend. In diesem Moment betrat Garrett auch schon den Raum. Er hielt einen großen Blumenstrauß in der Hand, der sein Gesicht fast verbarg. „Wie romantisch", flüsterte Nora. „Paß auf, der will mehr." Garrett reichte Emily die Blumen. „Zweimal bin ich mit meinen Blumen bisher gescheitert. Über dem dritten Mal, so heißt es doch, liegt ein Zauber." „Danke", sagte Emily leise. „Hat Mr. Parker Sie auch diesmal wieder geschickt?" „Nein", erwiderte Garrett, allerdings etwas unbehaglich. „Es war meine Idee. Ich dachte, wir sollten wieder einmal einkaufen gehen. Das letzte Mal hatte ich noch nicht die richtige Einstellung dazu." „Sie würden tatsächlich noch einmal mit mir einkaufen gehen?" 80
fragte Emily verwundert. „Klar. Gleich jetzt, wenn Sie möchten. Wohin geht's?" „Was ist mit dem Antiquitätenmarkt?" half Nora weiter. „Emily hat mir erzählt, sie würde gerne schauen, ob sie dort ihre Flaschensammlung ergänzen kann." Sie streckte Garrett die Hand hin. „Ich bin Nora Griswold, Emilys Geschäftspartnerin. Ihre Rosen habe ich auf dem Gewissen." Garrett schüttelte ihre Hand. „Garrett …" „McCabe", vervollständigte Nora. „Ich erkannte Sie nach dem kleinen Foto, das neben Ihrer Kolumne prangt. Und Sie waren im Buchladen." „Sie sammeln Flaschen?" fragte Garrett zu Emily gewandt. Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß ihn die Aussicht, Flaschen einzukaufen, ebensowenig begeisterte wie die Gemüseorgie. „Was für Flaschen?" ,Antike Flaschen, natürlich. Nahezu jede Art. Wenn ich eine finde, in die ich mich verliebe, kaufe ich sie." „Der Antiquitätenmarkt soll riesengroß sein", mischte Nora sich ein. „Wahrscheinlich benötigt man Tage, um sich für eine Flasche zu entscheiden. Am besten, ihr fahrt gleich los. Ich kümmere mich um das Foto." Emily unterdrückte ein Kichern. Nora hatte gegenüber Eric immer Rachegelüste gehegt. Nun übertrug sie diese offensichtlich auf Garrett McCabe. „Ja, gehen wir", sagte Emily. Nora tätschelte Garretts Arm. „Ich bin sicher, Sie werden sich gut unterhalten, Mr. McCabe. Bestimmt so gut, wie ich mich durch Ihre Kolumne unterhalten fühle." Garrett wußte offensichtlich nicht, was er davon halten sollte. Deshalb nickte er nur und folgte Emily dann nach draußen. „Dies also ist Ihre Partnerin", sagte er zu Emily. „Jetzt weiß ich auch, warum Sie keinen Wachhund brauchen." „Nora übertreibt ihre Beschützerhaltung manchmal", gab Emily zu. „Aber sie ist meine beste Freundin. Sie hatte die Idee mit der Zeitschrift. Seit sie mit mir zusammenarbeitet, haben wir Erfolg." 81
„Warum verkaufen Sie dann?" wollte Garrett wissen. Emily hatte sich in den Anblick seines offenen Sporthemdkragens verloren und wünschte, sie hätte Gelegenheit, die Muskeln, die sich unter dem Stoff abzeichneten, unter ihren Händen zu spüren. Deshalb antwortete sie erst nach einem Moment der Rückbesinnung. Arnie Wilson, unser bisheriger Verleger, geht in den Ruhestand und will seinen Anteil an der Zeitschrift verkaufen." Garrett nahm ihre Hand. Dann blieb er stehen, und sie sah fragend zu ihm auf. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus, als er sich zu ihr beugte und ihr einen Kuß auf den Mund hauchte. Zart, aber dennoch erfüllt von Verlangen, einladend und völlig ausreichend, um die Schmetterlinge in ihrem Bauch wieder tanzen zu lassen. Gleich darauf strich er ihr eine Haarlocke aus der Stirn und lächelte auf seine unnachahmlich charmante Weise. „Ich dachte, wir erledigen das gleich, bevor ich noch lange darüber nachdenke", sagte er. „Sie denken darüber nach, mich zu küssen?" fragte sie innerlich bebend. „Ab und zu", lächelte er. „Also seien Sie nicht überrascht, wenn es wieder passiert." Emily errötete. „Bin … bin ich nicht." Hand in Hand gingen sie zu seinem Wagen. „Sie sagten auf der Party, die Parker gab, daß Sie noch nicht wissen, ob Sie wirklich verkaufen wollen. Haben Sie Ihre Meinung geändert?" Anscheinend ist es für Garrett normal, im gleichen Atemzug zu küssen und vom Geschäft zu reden, dachte Emily verwirrt. „Ich versuche, Noras Sicht der Dinge zu akzeptieren", erwiderte sie. „Nora sagt, der Verkauf ist das Beste, was unserer Zeitschrift passieren kann. Parkers Geld wird die Sache für uns natürlich einfacher machen. Nora hat immer Probleme, Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht zu halten. Ich würde ihr das Leben gern etwas leichter machen." „Die Verhandlungen laufen also gut?" „Ziemlich", sagte Emily. „Glaube ich zumindest. Ich habe damit nicht viel zu tun. Unsere Anwälte machen das für uns." „Aber Sie sind nicht besonders erfreut, mit Parker zusammen82
arbeiten zu müssen", deutete Garrett ihre Gedanken und öffnete die Beifahrertür. „Für Parker zu arbeiten", korrigierte Emily und ließ sich auf den Sitz nieder. „Wieso für?" fragte Garrett. Emily zuckte die Achseln. „Müssen wir unbedingt über geschäftliche Dinge sprechen? Ich bekomme davon sofort Kopfschmerzen." In Wahrheit hätte sie Garrett viel lieber geküßt, als mit ihm über irgend etwas zu reden, doch sie mußte wohl warten, bis er wieder das Bedürfnis danach verspürte. „Ich bin einfach nicht zur Geschäftsfrau geboren", fuhr sie fort. "Am liebsten möchte ich, daß es wieder so wird wie früher. Nur ich und meine Schreibmaschine, zu Hause am Küchentisch. Parker hat andere Pläne. Er will, daß ich öffentlich auftrete, mein Image verbessere." „Und das möchten Sie nicht?" „Ach, es ist ja nicht so, daß ich nicht will. Ich kann einfach nicht. Das wäre nicht die wahre Emily Taylor." „Und wie ist die wahre Emily Taylor?" wollte er wissen. Emily biß sich auf die Unterlippe. „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten - ich bin ziemlich schüchtern." „Tatsächlich? Ist mir nicht aufgefallen. Ich dachte, Sie hätten von Natur aus so rosige Wangen." Emily ignorierte seinen liebevollen Spott. „Man hat es nicht einfach, wenn man so veranlagt ist", sagte sie leise. „Meine Mutter hat mich jeden Samstag in eine Schule für gutes Benehmen geschickt. Ich schloß mich in der Toilette ein, bis der Unterricht vorüber war. Dann ging ich nach Hause und berichtete, wie toll es gewesen war. Irgendwann entschied sie, daß ich ein hoffnungsloser Fall sei, und gab es auf." Garrett legte seinen Arm um ihre Schultern und spielte mit den Locken in ihrem Nacken. „Mir gefallen Sie so, wie Sie sind", sagte er lächelnd. Emily erwiderte sein Lächeln zögernd. Dann lehnte sie sich zurück, während Garrett den Wagen anließ. Seine Worte klangen in ihr nach. Ich muß ihn mißverstanden ha83
ben, dachte sie. Jemandem gefallen, wie ich bin? Ich gefalle mir ja selbst nicht so, wie ich bin. Emily hatte die Idee gehabt, das Abendessen draußen am Strand einzunehmen statt in der Villa. Sie breiteten eine Decke über den Sand und stellten den großen Picknickkorb darauf, den sie aus dem Haus hier heruntergeschleppt hatten. Garrett besaß nicht viel Erfahrung mit Picknicks, aber der Sonnenuntergang und die Meeresbrandung trugen mehr zu einer romantischen Atmosphäre bei als gedämpftes Licht und Hintergrundmusik in einem seiner Lieblingsrestaurants. Während er genüßlich die Beine ausstreckte und an einem Glas Wein nippte, dachte er sogar, daß es eigentlich fast nicht besser werden konnte. Das Picknick war der perfekte Abschluß eines überraschend schönen Tages. Am Nachmittag hatten sie den Antiquitätenmarkt besucht und waren auf der Suche nach den schönsten Flaschen durch die Geschäfte gestreift. Emily besaß ein umfangreiches Wissen über Antiquitäten, und sie unterhielt ihn mit Details über besonders schöne Stücke, die sie sahen oder gab ihm Einblick in die Zeit, in der ein Objekt entstanden war. Der Ausflug endete damit, daß Garrett für eine horrende Summe eine mechanische Spielzeugkasse erstand, nachdem Emily ihm versichert hatte, daß es ein Sammlerstück sei und der Preis angemessen. Dennoch handelte sie mit dem Verkäufer und erreichte, daß Garrett zehn Prozent weniger zahlen mußte. Als sie schließlich zum Wagen zurückgingen, lud Garrett sie zum Abendessen ein, doch zu seinem Erstaunen lehnte sie ab. Emily war den ganzen Tag äußerst zurückhaltend gewesen und hatte jeden körperlichen Kontakt vermieden. Selbst seinem Blick wich sie aus. Er nahm an, sie grolle ihm immer noch wegen seines Verhaltens nach dem Ausflug auf den Wochenmarkt. Der spontane Kuß heute mittag schien nicht viel geholfen zu haben. Daher beschloß er, sie zum Abschied erneut zu küssen, um ihre Reaktion zu testen. In Malibu angekommen, überraschte Emily ihn dann mit einer Einladung zum Picknick und schickte ihn fort, damit er eine Flasche Wein besorge. In der Zwischenzeit bereitete sie das Essen zu, und als er zurückkam, fand er einen Korb mit Speisen vor, die jedem Gour84
met das Wasser im Mund zusammenfließen lassen würden. Bei jeder anderen Frau hätte er angenommen, daß sie durch die Hintertür entwischt sei und sich in den Delikatessenläden von Malibu eingedeckt habe, doch bei Emily wußte er, daß er die Rezepte für diese Köstlichkeiten wahrscheinlich in ihren Kochbüchern wiederfinden würde. Er erkannte sogar einige der Zutaten wieder, die sie auf dem Wochenmarkt gemeinsam eingekauft hatten. Also war dieser Tag doch nicht ganz umsonst, dachte er befriedigt. Jedenfalls verschaffte er ihm ein Picknick am Strand von Malibu mit einer hinreißenden Frau. „Möchten Sie noch etwas Kartoffelsalat?" fragte Emily. Garrett schüttelte den Kopf. Er stellte seinen Teller ab und lehnte sich zurück. Die warme Brise blies seinen offenen Hemdkragen noch weiter auf, und er ließ mit geschlossenen Augen die Abendsonne auf sein Gesicht scheinen. „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut und so viel gegessen habe", sagte er. „Der Kartoffelsalat war außergewöhnlich." „Ich mache ihn mit Olivenöl und frischem Basilikum an. Dazu kommen Ricotta und Parmesankäse. Es ist eine italienische Variante und viel netter als der übliche Kartoffelsalat mit Mayonnaise, finden Sie nicht?" Er wandte sich Emily zu und sah in ihre Augen, die fragend auf ihn gerichtet waren. Diese Augen hatten ihn von Anbeginn fasziniert. Für einen Moment stockte ihm der Atem, so schön sah sie aus. Die sinkende Sonne zauberte Glanzlichter in ihr Haar, und die Meeresbrise zerzauste ihre Locken. Garrett strich ihr sanft eine Strähne hinters Ohr und ließ seine Hand eine Weile dort. Emily benutzte nur wenig Make-up, sie wirkte natürlich und ungekünstelt. Er streichelte ihre Wange und fühlte ihre zarte Haut. Garrett wußte, daß er spätestens jetzt hätte aufhören müssen, doch er konnte es nicht. Sie trug wieder eines ihrer lose fallenden geblümten Kleider. Mittlerweile fand er, daß ihre Wahl genau richtig war, denn so konzentrierte sich der Blick auf ihr schönes Gesicht. Außerdem freute es ihn, daß sie ihren Körper nicht zur Schau stellte, obwohl ihn das nicht davon abhielt, sich ihre hübschen Kurven deutlich vorzustellen. 85
„Du liebst deine Arbeit, nicht wahr?" fragte Garrett. Die vertraute Anrede war plötzlich da, und Emily wehrte sich nicht. „Ja", erwiderte sie. „Aber eigentlich habe ich gar keine Wahl. Es ist das einzige, was ich kann." „Wie hast du angefangen?" wollte er wissen und fuhr mit dem Daumen die Linie ihres Ohres nach. „Warum hast du dein erstes Buch geschrieben?" Sie schmiegte sich automatisch in seine liebkosende Hand. „Ach, das war wegen all der unbezahlten Rechnungen und weil mein Mann mich gerade verlassen hatte." „Dein Mann war ein Dummkopf." „Nein", sagte Emily. „Ich war einfach nicht die Frau, die er haben wollte. Wir heirateten, als ich achtzehn war. Alles, was ich konnte, war kochen und gärtnern. Er verließ mich wegen einer Frau mit dem Doktortitel der Universität Princeton. Mit ihr konnte er reden. Sie verfügte außerdem über eine umfangreiche Oberweite und langes blondes Haar." Emily seufzte. „Du siehst, ich habe keinen Erfolg bei Männern." „Ich würde einen einzigen Mann nicht als statistischen Beweis für diese Aussage nehmen", widersprach Garrett. Er spielte mit den Locken in ihrem Nacken und zog Emily sanft zu sich heran. „Nehmen wir an, daß sich das Blatt gerade wendet", murmelte er und küßte sie. Bisher hatte er sie geküßt, um sie zu necken, ihren Widerstand zu erproben, doch nun wollte er, daß sie sich in diesem Kuß verlor, so wie er im Begriff war, sich zu verlieren. Süße, begehrenswerte Emily, dachte er überwältigt. Sachte verlagerte er ihre Position, so daß sie nun neben ihm auf der Decke lag, und beugte sich über sie. Auf ihrem Gesicht malten sich Bestürzung, Freude, Erwartung - und Leidenschaft. Dann schloß sie die Augen, als fürchte sie sich vor ihm, und er strich zärtlich über ihre Brauen, um die Anspannung zu lösen. Plötzlich schlug sie die Augen auf. Nun erst schien sie zu begreifen, was geschehen würde. Mit einem Ruck setzte sie sich auf und begann, das Geschirr zusammenzuräumen. 86
„Habe ich schon den Parmesankäse erwähnt?" fragte sie. „Er ist auch im Kartoffelsalat." Garrett ließ sich frustriert auf die Decke sinken. Solche Szenen hatte er bereits erlebt, aber sie lagen Jahre zurück, als er noch zur Schule gegangen war. Das letzte Mal auf dem Rücksitz eines Chevrolets. „Ich will mit dir nicht über Kartoffelsalat reden, Emily." „Na schön", murmelte Emily außer Atem. „Wie hat dir das gegrillte Hähnchen geschmeckt?" Diesmal nahm er ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, ihn anzusehen. Er näherte seinen Mund ihren Lippen, bis er sie fast berührte und er ihren schnellen Atem spüren konnte. „Ich will auch nicht über Grillhuhn reden", flüsterte er. „Wirst du mich noch einmal so küssen wie eben?" fragte Emily mit vibrierender Stimme. „Ich habe es ernsthaft erwogen." Sie schloß die Augen und wartete ruhig. Garrett küßte sie nur ganz zart und fühlte, wie sie sich entspannte. „Weißt du", sagte er leise, „daß ich das schon den ganzen Tag tun wollte?" Er ließ keine Antwort zu, sondern fuhr mit der Zunge leicht über ihre Unterlippe, bevor er ihren Mund eroberte. Nie gekannte Lustgefühle durchströmten Emily, und sie hörte beinahe auf zu atmen. Als Garrett sie schließlich freigab, war ihr Gesicht gerötet, und ihre Augen waren riesengroß. Obwohl sie versuchte, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen, sah er, daß ihre Lippen zitterten und wie rasch ihr Atem ging. „Ich … ich muß dir etwas sagen", begann sie. „Möchtest du mich nicht lieber küssen?" „Nein … ich meine …" Sie schluckte und nahm allen Mut zusammen. „Du bist der zweite Mann in meinem Leben, den ich geküßt habe, und …" „Dann hast du eine ganze Menge nachzuholen." „Ich möchte aber nicht. Weißt du, ich habe über das alles nachgedacht und mich entschieden, daß wir gute Freunde bleiben sollten. Ich werde bald wieder nach Rhode Island zurückkehren, und es ist völlig sinnlos, hier eine Beziehung anzufangen." 87
Garrett wandte sich ab. Zum ersten Mal in seinem Leben war er der Empfänger dieser Botschaft, die er sonst so oft verkündet hatte. Anscheinend verließ ihn allmählich seine erotische Ausstrahlung, wenn es ihm nicht gelang, eine Frau zu verführen, die zehn Jahre lang ohne Mann gelebt hatte. „Ist es wirklich das, was du möchtest, Emily?" Sie begann, den Picknickkorb langsam wieder zusammenzupacken. „Es ist das Beste, glaube ich. Für uns beide." „Und was ist, wenn ich nicht einverstanden bin?" „Versteh doch. Ich bin einfach nicht in der Lage …" Er verschloß ihr die Lippen mit seinem Zeigefinger. „Wir haben uns doch nur geküßt, Emily. Wenn ein Mann und eine Frau sich mögen, tun sie das. Ich habe nicht vorgeschlagen, daraus lebenslänglich zu machen." „Das heißt?" „Es heißt, daß du dir aussuchen kannst, was du möchtest. Niemand macht dir Vorschriften. Ich bin gern mit dir zusammen. Du hast die wundervollsten grünen Augen, die ich jemals gesehen habe. Und ich finde es schön, dich zu küssen." Sie lächelte. „Du kannst sehr charmant sein, Garrett McCabe." Er schob sie wieder auf die Decke zurück und stützte sich mit beiden Armen auf, so daß sie unter ihm lag. „Du hast mich noch nicht kennengelernt", sagte er heiser und küßte sie erneut. Sie fuhr mit den Händen unter den Rand seines Hemdkragens und streichelte seine Haut. Es erregte ihn über die Maßen, als er fühlte, wie bereitwillig sie seine Zärtlichkeiten erwiderte. Garrett ließ sich auf sie sinken und preßte seine Hüften gegen ihren Schoß. Er fühlte sich wieder als Teenager, der auf dem Rücksitz seines Wagens die ersten Erfahrungen mit der Liebe macht. Sie nahmen sich Zeit, den Mund des anderen zu erforschen, doch jeder Kuß steigerte Garretts Verlangen. Es war Wahnsinn, zu glauben, daß es ihm je genügen könnte, Emily nur zu küssen und zu streicheln. Er wollte hören, wie sie verlangend stöhnte und in seinen Armen vor Lust verging. Er wollte alles. Er zog sich zurück und sah den erwartungsvollen Ausdruck in ihren 88
Augen. Langsam öffnete er Knopf um Knopf ihres Kleides. Dann schob er den weichen Stoff zur Seite und atmete tief ein, als er mit einer Hand ihre Brust umfaßte. Er spürte, wie sich die Knospe aufrichtete, und beugte sich vor, um die zarte Haut zu küssen und mit der Zunge zu liebkosen. Emily atmete heftig ein, doch trotz seiner Erregung fühlte er, wie sie sich unter ihm versteifte und versuchte, ihn wegzuschieben. „Hab keine Angst, Emily", flüsterte er zärtlich. „Ich verspreche dir, daß ich dir nicht wehtun werde. Ich möchte dich lieben." Sie warf ihren Kopf abwehrend hin und her. „Nein!" rief sie. „Ich kann nicht!" Sie rollte sich unter ihm weg und bemühte sich, auf die Füße zu kommen. Ihr Kleid raffte sie über den Brüsten zusammen. „Emily, warte, ich wollte nicht …" „Nein. Es tut mir so leid, aber … aber ich kann einfach nicht." Sie lächelte ihn an, wie um Verzeihung flehend, und rannte zur Villa zurück. Wenig später, nachdem er sich selbst zum Teufel gewünscht hatte, stellte Garrett den zusammengepackten Picknickkorb auf die Stufen vor der Haustür. Plötzlich fiel ihm ein, daß er vollkommen vergessen hatte, daß es Dienstagabend war. Dienstag war Pokertag, und bisher hatte er keine einzige Partie verpaßt. Die Jungs werden sich wundern, wo ich bleibe, dachte er amüsiert. Aber schließlich hatte ich Emily Taylor im Arm, und das ist genug, um einen Mann seinen Namen vergessen zu lassen.
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8. KAPITEL „Das flüssige Zeug", sagte Tru Hallihan. „Bei mir funktioniert das immer." „Ich benutze lieber das Pulver, weil es schneller hilft", wandte Josh Banks ein. „Damit könntest du aber die Rohre ruinieren", entgegnete Tru. Garrett zog einen Stuhl heran und gesellte sich zu seinen Freunden, die sich offensichtlich mitten in einer der berühmten DienstagabendDiskussionen befanden. Immer, wenn er zu spät kam, war er völlig außerstande zu erkennen, um was es ging. So auch jetzt. Er nahm den Bierkrug, goß sich ein Glas ein und fragte: „Über was redet ihr?" Tru reichte ihm die Karten, damit Garrett abhob. „Abflußreiniger." ,Abflußreiniger?" fragte Garrett ungläubig. „Was hat euch denn auf dieses Thema gebracht?" „Heute abend dreht sich alles um Reinigungsmittel", informierte ihn Eddie. „Möbelpolitur und Geschirrspülmittel hatten wir schon. Zu schade, daß du es verpaßt hast. Wo warst du überhaupt?" „Ich mußte noch arbeiten", log Garrett, denn er würde den Teufel tun und seinen Freunden erzählen, daß er den Abend schmusend mit Emily Taylor am Strand verbracht hatte. Sein Image würde darunter entscheidend leiden. „Tru bevorzugt Spülmittel für sensible Haut", fuhr Bob fort. „Josh sagt allerdings, daß es einen Schleier auf den Gläsern hinterläßt. Was benutzt du, McCabe?" „Keine Ahnung", knurrte Garrett. „Was kümmert es euch?" „Spülst du dein Geschirr überhaupt?" wollte Josh wissen. „Ich werfe es weg, wenn es schmutzig ist", sagte Garrett. „Warum diskutieren wir darüber?" „Dann betreibst du eine außergewöhnliche Verschwendung", meinte Josh. „Geschirr ist doch teuer." „McCabe benutzt Pappteller", informierte ihn Tru und nahm seine Karten auf. „Habe ich auch jahrelang gemacht, aber mittlerweile finde ich es schöner, von Porzellangeschirr zu essen. Im Sitzen und nicht mehr schnell mal was im Stehen in den Mund schieben wie 90
früher. Caroline achtet darauf. Weißt du, McCabe, du solltest dir auch mal in gutes Geschirr investieren. Ich bin sicher, es gefällt dir." „Dann verbringe ich meine Zeit nur noch mit Spülen", gab Garrett zurück. "Außerdem benutze ich keine Pappteller, sondern welche aus Kunstschaum." „Nicht besonders umweltfreundlich", meinte Eddie. „Sie schmelzen in der Mikrowelle", fügte Bob hinzu. „Und kosten mehr als Pappgeschirr", ergänzte Josh. „Porzellan ist viel rentabler. Taryn und ich haben uns registrieren lassen und haben schon vier vollständige Gedecke als Hochzeitsgeschenk erhalten." „Registrieren lassen?" fragte Garrett. „Bisher war mir nicht bekannt, daß man Teller als Waffe benutzt." „Wütende Ehefrauen tun es", murmelte Eddie und sortierte seine Karten. Alle in der Runde starrten ihn neugierig an, doch er zuckte die Achseln und schwieg. „Wenn man heiratet, kann man sich in einem Kaufhaus registrieren lassen", erklärte Tru nun. „Du suchst dir alle Dinge aus, die du für deinen Hausstand brauchst, und dann fertigen sie davon eine sogenannte Hochzeitsliste an. Deine Freunde tragen sich dann einfach nur auf der Liste ein, und so schenkt niemand etwas doppelt oder etwas, das du nicht gebrauchen kannst." „Ich nehme drei", sagte Garrett, und Tru gab ihm drei Karten. „Warum habt ihr mir nichts davon gesagt?" beschwerte er sich. „Stunden habe ich damit verbracht, eure Hochzeitsgeschenke zu suchen." „Über so eine Hochzeitsliste läßt man nur auf Anfrage etwas verlauten", sagte Josh. „Ich nehme zwei." Garrett schüttelte den Kopf. „Hört sich an wie ein Geheimbund." „Nein, kannst du in jedem Benimmbuch nachlesen. Soll ich dir eins geben?" fragte Bob. „Ich nehme eine." „Nein, bestimmt nicht", erwiderte Garrett. „Der ganze Hochzeitskram macht mir Angst." „Kannst du nicht sagen, bevor du es nicht ausprobiert hast", neckte ihn Tru. „Ich hätte nicht übel Lust, eine Kolumne über diesen schwachsinnigen Brauch zu schreiben", überlegte Garrett laut. „Eigentlich 91
war geblümte Bettwäsche dran, aber Hochzeitsregister sind vielleicht noch besser." „Wieso geblümte Bettwäsche?" wollte Josh wissen. „Wenn ein Mann gezwungen ist, in geblümter Bettwäsche zu schlafen, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, daß er vollkommen unter die Knute seiner Frau geraten ist. Machen wir die Probe aufs Exempel. Wer von euch schläft unter Blümchendecken?" Eddie, Josh und Tru sahen sich gegenseitig verlegen an. Ertappt, dachte Garrett zufrieden. „Hast du kürzlich die Sendung ,Los Angeles Live' auf KTRL im Radio gehört?" fragte Eddie, um das Thema zu wechseln. „Es ging um dich und Emily Taylor. Seit der Diskussion, ob Elvis nicht besser ausgesehen hätte, wenn er blond gewesen wäre, habe ich keine so erhitzte Radioschlacht mehr gehört. Deine Leser gegen ihre Leserinnen." „Ich wünschte, ich hätte diese verflixte Kolumne nie geschrieben", murmelte Garrett. „Warum?" wandte Tru ein. „Deine Leser waren begeistert. Jeder redet darüber. Neulich standen sogar Demonstrantinnen für Emily Taylor vor dem Zeitungsgebäude der ,Post'. Eine bessere Publicity kannst du dir doch nicht wünschen." „Könnte sein, daß die ganze Berühmtheit mit der Kündigung endet", bemerkte Garrett bitter. „Taryn hat mir erzählt, daß Parker Publishing die Zeitschrift Emily Taylors kaufen will", warf Josh ein. „Das wußte ich nicht, als ich den Artikel schrieb, und jetzt sitze ich zwischen allen Stühlen." „Wo liegt das Problem?" fragte Tru. „Richard Parker versucht mich zu benutzen, um Emily zum Verkauf zu drängen." „Widerlich", meinte Eddie. „Ganz meine Meinung", sagte Garrett. „Ich hoffe nur, daß Emily Taylor das von selbst merkt und abspringt." „Und wenn nicht?" wollte Tru wissen. „Darüber denke ich lieber nicht nach. Außerdem tendiert sie im 92
Moment dazu, das Angebot abzulehnen. Sie hat keine Lust, in der Öffentlichkeit aufzutreten, wie Parker das von ihr fordert, denn sie ist schüchtern, und mehr als eine Handvoll Leserinnen wissen gar nicht, wie sie aussieht. Es gibt auch kein Bild von ihr in der Zeitschrift oder in ihren Büchern." Josh warf eine Spielmarke in den Topf, der mitten auf dem Tisch stand. „Als Verleger ihrer Zeitschrift wird Parker natürlich daran interessiert sein, auch ihre Person zu vermarkten." „Aber er weiß, daß sie das nicht will", erwiderte Garrett. „Ich habe es ihm gesagt." „Dann ist es ihm vielleicht egal." „Mag sein. Doch was ist, wenn er kauft und hinterher versucht, sie dazu zu zwingen?" überlegte Garrett. „Kommt darauf an, was er tatsächlich gekauft hat", gab Josh zurück. „Es gibt tausend Möglichkeiten, Verträge zu gestalten." „So wie es aussieht, wird ihm ein Drittel der Zeitschrift gehören. Emily wird ihm niemals den Löwenanteil überlassen, denn damit hätte er sie in der Tasche." „Dann braucht sie auch nichts zu fürchten. Ihre Anwälte werden sich schon darum kümmern, daß alles in Ordnung ist", sagte Josh. Er blickte nachdenklich auf seine Karten und warf dann zwei Spielmarken in den Topf. „Ich erhöhe. Weißt du, McCabe, der Name Emily Taylor ist es, der wirklich etwas wert ist." „Was meinst du damit?" fragte Garrett. „Über meinen Schreibtisch sind schon viele Verträge gelaufen, die verkaufsfördernde Maßnahmen zum Inhalt hatten. Sponsoring von Sportlern oder anderen Berühmtheiten zum Beispiel. Sie verkaufen die Rechte an ihrem Namen. Es könnte daher eine Klausel im Vertrag geben, der Richard Parker erlaubt, Emily Taylors Namen für Werbezwecke zu nutzen." „Na ja, dann schaltet er halt ein paar Anzeigen mit ihrem Namen. Was macht das schon?" meinte Garrett. „Es gibt eine ganze Menge, was er in Sachen Werbung unternehmen kann. Produkte mit ihrem Namen, Fernsehshows, Heimvideos. Verglichen mit den Einnahmen, die er damit erzielen kann, 93
ist die Zeitschrift ein kleiner Fisch. Wenn Emily Taylor ihn läßt, kann er Geld mit ihrem Namen machen, obwohl ihm nur ein Drittel des Magazins gehört. „Und wenn ihm mehr gehören würde?" fragte Garrett. „Dann verdient er sich eine goldene Nase. Jedenfalls kann er sie jederzeit loswerden, besonders, wenn sie die Zusammenarbeit in einigen Bereichen verweigert." „Aber ihre Anwälte werden sie davor schützen, meinst du nicht?" „Wenn sie clever sind und auch die Details kritisch prüfen, dann ja. Doch glaube nicht, daß Richard Parker heute dort wäre, wo er ist, wenn er nicht über Leichen gehen würde, bildlich gesprochen. Warn sie doch einfach", schlug Josh vor. „Ich hoffe, daß sie sich von allein gegen den Verkauf entscheidet", erwiderte Garrett. „Wenn das geschieht, behalte ich wenigstens meinen Job." „Und wenn nicht?" fragte Tru. „Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist. Jedenfalls lasse ich sie nicht blind ins Messer laufen, das garantiere ich euch." Tru sah ihn plötzlich aufmerksam an. „Diese Frau bedeutet dir etwas, stimmt's?" „Ich habe einfach das Bedürfnis, sie zu beschützen", gab Garrett zu. „Keine Ahnung, warum." „So wie eine jüngere Schwester?" erkundigte sich Tru. Garrett dachte einen Moment darüber nach. Nein, es waren ganz und gar keine brüderlichen Gefühle, die er Emily gegenüber hegte. Er begehrte sie, wie noch kein Mann eine Frau begehrt hatte. Doch bisher hatte er keinen Erfolg gehabt. In letzter Zeit waren sie sooft wie möglich zusammengewesen, sei es nun, daß sie gemeinsam italienische Geschirrtücher einkauften oder zu einem Spiel der Dodgers gingen, damit auch Garrett nicht zu kurz kam. Er konnte sich mittlerweile nicht mehr vorstellen, irgend etwas ohne Emily zu tun. Jede Minute mit ihr war ihm wichtig, wußte er doch, daß es nicht für immer sein würde. Und es gab noch so viel über sie zu lernen. Doch obwohl sie einander in der vergangenen Woche unglaublich 94
nahegekommen waren, blieb es bei einem keuschen Kuß vor der Haustür zum Abschied, erfüllt von unausgesprochenem Verlangen. Leider waren aus den gemeinsamen Tagen bisher keine gemeinsamen Nächte geworden. Garrett wußte, daß seine Gefühle für Emily niemals ganz verschwinden würden, solange sie in seiner Nähe war. Auf der anderen Seite war er sich darüber im Klaren, daß eine Liebesnacht mit ihr die Dinge unnötig komplizieren würde, wenn sie Kalifornien verließ. Er seufzte und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Immerhin besaß wenigstens Emily noch einen klaren Kopf, was er von sich nicht behaupten konnte. „Was bedeutet dir Emily Taylor eigentlich?" fragte Tru neugierig. „Emily Taylor ist dazu bestimmt, ihren Ehemann sehr glücklich zu machen", sagte Garrett ausweichend. "Aber dieser Ehemann werde nicht ich sein." „Wäre auch reine Verschwendung", behauptete Tru. „Du wüßtest sie gar nicht zu schätzen." „Wüßte ich schon", erwiderte Garrett. „Ich schätze sie jeden Tag mehr." Er grinste. „Sie hat mir eine Zimmerpflanze gekauft und sie zu mir nach Hause liefern lassen." „Garrett McCabe und eine Zimmerpflanze?" witzelte Tru. „Bist du sicher, daß du die Verantwortung tragen kannst?" „Entgegen der allgemein vorherrschenden Meinung bin ich durchaus nicht völlig verantwortungslos", knurrte Garrett. „Ich erfreue mich an der Pflanze und sehe jeden Tag nach ihr und gieße sie. Sie macht das Zimmer wohnlicher. Dann hat Emily mir noch einen Strauß Osterglocken für meinen Schreibtisch ins Büro gebracht. Sieht fröhlich aus." Josh blickte von seinen Karten auf. „Du solltest Emily heiraten." Garrett lachte laut auf. „Das will ich aber nicht." „Warum nicht?" fragte Josh und blinzelte hinter seiner metallgefaßten Brille. Garrett öffnete den Mund, doch seine Antwort ließ auf sich warten. Sie ist eine wunderbare Frau, überlegte er. Sie ist sexy auf ihre ganz eigene Weise, und ich könnte mir tatsächlich vorstellen, mit ihr zu95
sammenzuleben. Alles, was ich habe, sind ein paar Gründe, warum ich sie besser nicht heiraten sollte. „Könnten wir uns bitte wieder auf die Karten konzentrieren", sagte er, griff nach dem Stapel und mischte. „Also, Eddie, welches Geschirrspülmittel benutzt du?" „Hallo", sagte Emily lächelnd und schwenkte eine Papiertüte über die Glaswand von Garretts Bürozelle, „ich habe ein neues Plätzchenrezept ausprobiert und brauche ein Versuchskaninchen." Garrett, der am Computer gesessen hatte, sah sich erstaunt um und verspürte plötzlich eine unbändige Freude darüber, ihr strahlendes Gesicht zu sehen. „Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen", erwiderte er und streckte die Hand aus. Emily trat ein, entzog aber die Tüte seinem Griff. „Plätzchen ißt man nicht zu Mittag, sondern als Nachtisch", neckte sie ihn. „Dann sollten wir ausgehen und etwas Nahrhafteres zu uns nehmen, Miss Taylor", gab er liebevoll zurück. „Später esse ich deine Plätzchen und sage dir, was du für eine tolle Köchin bist." „Bäckerin", korrigierte sie. „Wohin gehen wir heute?" fragte Garrett. „Ich kann leider nicht", sagte sie bedauernd. „Nora und ich haben in zwanzig Minuten ein Meeting mit Parker." „Dann haben wir doch genug Zeit", wandte er ein und ergriff ihre Hand. „Wo bitte kann man ein ordentliches Mittagessen in zwanzig Minuten bekommen?" fragte sie ungläubig. „Warte es ab, Miss Taylor. Nun wirst du zur Abwechslung einmal meine Kochkunst kennenlernen." Garrett schob sie vor sich her zum Lift. „Gleich probierst du die besten Burritos des ganzen Landes." „Dann laß mich vorsichtshalber wenigstens die Plätzchen mitnehmen", meinte sie. Sie verließen das Verlagsgebäude und gingen die Straße hinunter. „Mexikanisches Essen hat einen extrem hohen Fettgehalt", sagte Emily. „Es gibt eine neue Studie darüber." Garrett lachte. „Genau das ist der Grund, warum es so gut schmeckt. Komm, Emily, genieß ausnahmsweise mal das Leben." 96
An einer Taco-Bude, die in leuchtenden Farben bemalt war, bestellte Garrett die Gerichte. Auf Plastiktabletts balancierten sie ihre Getränke und das Essen wenig später nach draußen, wo sich Tische befanden. Emily setzte sich und nippte an ihrem Getränk, während sie zusah, wie Garrett seinen Burrito auspackte. Er biß hinein und hielt ihn Emily dann unter die Nase. „Schmeckt prima. Komm, probier doch mal." Emily knabberte an einer hausgemachten Tortilla und rümpfte die Nase. „Na ja", kommentierte sie ohne Begeisterung. „Hast du jemals zuvor im Schnellrestaurant gegessen?" wollte Garrett wissen. „Eigentlich nicht. Nora hat mich auf der Fahrt nach Connecticut durch ein Drive-in-Restaurant geschleust. Die Idee, mit dem Auto ins Restaurant zu fahren, Essen einzupacken und unterwegs zu verspeisen, fand ich tatsächlich faszinierend. Aber die Gerichte waren äußerst unverdaulich. Zuviel Salz, zuviel Fett. Ich möchte im Restaurant lieber bedient werden, an einem Tisch sitzen und gemütlich die Speisekarte studieren." "Aber es ist doch ganz nett, ab und zu mal etwas Neues kennenzulernen", meinte Garrett. „Oder nicht?" Emily lächelte. „Ich habe durch dich in einem Monat mehr aufregende neue Dinge erlebt als in den zwanzig Jahren davor." „Das läßt sich leicht fortsetzen", grinste er. „Ich verspreche es dir." Sie spürte den erotischen Unterton und wurde rot. „Laß uns zurück zum Verlag gehen. Ich komme zu spät zu meinem Treffen." Garrett nahm ihren verschmähten Burrito und verstaute das eingewickelte Stück in der Jackentasche. Dann ergriff er sein Wasserglas. „Was gibt es Wichtiges zu besprechen?" „Die Anwälte wollen uns die letzten Vertragsklauseln erläutern und meine Fragen beantworten", antwortete sie, während sie zurückgingen. „Du bist noch nicht entschlossen zu verkaufen, oder?" fragte Garrett. Emily lächelte reuevoll. „Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich werde den Vertrag nun doch unterschreiben." 97
Garrett schob den Rest des Burrito in den Mund und warf das Papier in einen Abfalleimer. „Du verkaufst aber doch nicht das gesamte Magazin. Ihr tauscht doch nur einen Geschäftspartner aus." „Nicht ganz", erwiderte Emily. „Was meinst du damit?" erkundigte er sich besorgt. „Ich darf über die Verhandlungen nicht sprechen", sagte Emily. „Hier, probier mal ein Plätzchen. Himbeere mit Schokolade. Echt sündhaft." Sie hielt ihm ein Plätzchen direkt vor den Mund. Garrett nahm es ihr aus der Hand und steckte es in den Mund. Vor dem Verlagsgebäude hielt er Emily zurück. „Wir müssen aber darüber reden. Jetzt." „Ich kann nicht", rief Emily und sah auf die Uhr. „Ich bin verabredet." „Dann kommst du eben zu spät", beharrte Garrett. „Du bist Emily Taylor. Dir gehört die Zeitschrift. Ohne dich können sie nicht anfangen." „Nora sagt, die Vertragsverhandlungen gehen niemanden außer uns etwas an." Emily drehte sich um und lief die Stufen hoch zur Tür, aber Garrett holte sie ein und zwang sie, wieder mit hinunterzukommen. „Es ist mir egal, was Nora sagt. Die Wahrheit, bitte. Ich dachte, Parker würde nur ein Drittel der Anteile kaufen." Sie blickte verwirrt zu ihm auf. Offensichtlich verstand sie sein hartnackiges Interesse nicht. „Er möchte nun doch den Hauptanteil übernehmen. Nora und ich werden jeweils vierundzwanzigeinhalb Prozent behalten. Darüber hinaus bekommen wir ein Gehalt, sind zuständig für Gestaltung und Inhalt, während Parker sich um die Finanzen und den Vertrieb kümmert." , Aber du wirst den Vertrag heute noch nicht unterschreiben, oder?" drang Garrett weiter in sie. Sie starrte ihn fassungslos an und verstand nicht, warum er so eindringlich mit ihr sprach. „Wirst du?" verlangte er Antwort. „Nein. Wir besprechen nur die letzten Änderungen. Nächste Woche ist der Vertrag dann unterschriftsreif. Wo liegt der Unterschied?" 98
"An deiner Stelle würde ich es mir sehr genau überlegen, ob ich diesen Vertrag unterschreibe, Emily", warnte er. „Das habe ich bereits und bin überzeugt, daß es das Beste für uns ist. Wir können nicht mehr so weiterwirtschaften wie bisher. Die Zeitschrift ist uns über den Kopf gewachsen." Garrett fühlte sich hin und hergerissen. Wenn Parker erfuhr, daß er Emily gewarnt hatte, war er seinen Job los. Ließ er Emily blind ins Messer laufen, verhielte er sich damit noch widerlicher als Parker selbst. Es gab keinen Ausweg, nur ein unsicheres Balancieren. „Du weißt, was Parker will", erinnerte Garrett sie. „Er möchte aus dir eine Berühmtheit machen. Du bist das Mittel, mit dem er die Zeitschrift verkaufen will, und er wird dir nicht erlauben, dich dem zu entziehen." „Mittlerweile glaube ich, daß ich es lernen werde, mich in der Öffentlichkeit zu bewegen", antworte Emily hoffnungsvoll. „Ich fühle mich wesentlich sicherer. Außerdem tut Parker nichts, was nicht auch ein anderer Verleger tun würde. Wenn ich verkaufe, muß ich lernen, mich meinen Fans zu stellen." „Ich glaube nicht, daß du das kannst", sagte Garrett unumwunden. „Wirklich … wirklich nicht?" fragte Emily. Garrett spürte die Unsicherheit in ihrer Stimme und hätte ihr am liebsten gesagt, daß er der Meinung war, daß sie alles tun konnte, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Doch ob sie mit einer Rolle in der Öffentlichkeit glücklich würde, bezweifelte er. Es würde bedeuten, daß sie sich ständig verstellen mußte. Das wollte er nicht mit ansehen müssen. „Du hast es selbst gesagt", erwiderte er. „Vielleicht habe ich meine Meinung geändert?" „Möglich, aber die Person Emily Taylor kannst du nicht ändern." „Danke für dein Vertrauen", gab sie zurück. „Ich sage dir nur, was du bereits weißt", antwortete er sanft. Er schwieg und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann umfaßte er zärtlich Emilys Kinn und sah ihr in die Augen. „Versprich mir einfach nur, daß du heute nichts unterschreibst, Emily. Nicht, bevor wir Gelegenheit hatten, ausführlich darüber zu sprechen." „Ich bin durchaus in der Lage, meine Entscheidungen allein zu tref99
fen", sagte Emily empört. „Du brauchst mir nicht zu erzählen, was ich tun soll." Garrett legte ihr beide Hände um die Taille und zog sie an sich. Dann sagte er, seine Lippen nahe an ihrem Mund: „Das tue ich auch nicht. Du bedeutest mir nur einfach sehr viel." Dann küßte er sie liebevoll, doch sie erwiderte den Kuß nicht, sondern machte sich los. „Lenk nicht vom Thema ab, Garrett McCabe", sagte sie bestimmt. „Ich werde mit dieser Angelegenheit allein fertig. Und jetzt muß ich zu meinem Termin." Damit drehte sie sich um und ging die Stufen wieder hinauf. „Emily!" rief er. „Was gibt es noch?" fragte sie. „Ich mag dich genau so, wie du bist", sagte er. „Daran solltest du denken." Seine Worte verwirrten sie. „Das hat mein Exmann auch immer gesagt", murmelte sie. „Verdammt, Emily! Ich bin nicht dein Exmann", rief er. „Du kannst mir vertrauen." Sekundenlang starrte sie ihn erwartungsvoll an. Garrett hatte das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen und sie vor Parker zu schützen. Er wollte ihre Selbstzweifel und die Verletzungen heilen, die das Scheitern ihrer Ehe bei ihr hinterlassen hatten. Doch genau jetzt verbat sich Emily Taylor jegliche Einmischung. „Laß uns heute abend darüber reden", sagte Garrett. „Ich hole dich in der Strandvilla um sechs Uhr ab. Wir gehen essen, und ich bitte dich, eine Kopie des Vertrags mitzubringen." „Ich habe bereits Pläne für heute abend. Nora will mit mir essen gehen." „Wir müssen aber darüber reden, Emily. Wenn nicht heute, dann morgen." Sie nickte ihm kurz zu und ging ins Verlagsgebäude. Garrett kickte wütend ein paar Kieselsteine durch die Gegend. Es gab einfach keinen Ausweg. Eigentlich konnte er seinen Schreibtisch gleich räumen. Wenn Emily gegenüber Parker irgend etwas verlauten ließ, war er draußen, bevor die nächste Ausgabe der „Post" in Druck ging. 100
Garrett seufzte angewidert. Er wußte nicht einmal, warum er für einen Mann wie Parker überhaupt arbeitete. Er hatte nie zu dessen Bewunderern gehört und verabscheute seine Geschäftspraktiken. Es wäre kein Problem, für eine andere Zeitung zu schreiben. In Boston hatte man sich seit einem Jahr um seine Mitarbeit bemüht. Doch das allerletzte, was er wollte, war zurück nach Hause zu gehen. Seattle hatte auch Interesse gehabt, aber dort sollte es angeblich fast jeden Tag regnen. Vielleicht, überlegte er, war es das beste, zu gehen, bevor Parker auf die Idee kam, ihm zu kündigen. Es würde ihm zumindest einen Vorteil vor Parker verschaffen. Und Boston lag jedenfalls näher bei Rhode Island als Los Angeles. Dieser Gedanke ließ Garrett innerlich zusammenzucken. Bin ich wirklich schon so weit, daß ich an eine Zukunft mit Emily denke? fragte er sich. Zukunftsplanungen, die nur eine einzige Frau beinhalteten, waren ihm bisher fremd gewesen. Wenn überhaupt, dann käme dafür nur Emily in Frage. Garrett rieb sich die Augen und fischte dann in seiner Hosentasche nach den Autoschlüsseln. Eine lange Autofahrt, das ist es, was ich jetzt brauche, dachte er. Oder ein Bier im Flynn's. Ein Bier ist genau das richtige, um meiner Zukunft mit Gelassenheit entgegensehen zu können, entschied er. Emily betrachtete das Kleid im Schaufenster und versuchte sich vorzustellen, wie sie darin wohl aussehen würde. Es war schwarz, die Farbe, die sie normalerweise auf Beerdigungen, Cocktailpartys und bei Gelegenheiten trug, wo sie nicht auffallen wollte. Doch der Saum dieses Kleides bedeckte knapp die Oberschenkel, und das Dekollete wies dieselbe Stoffknappheit auf. Darüber hinaus war es ärmellos. Selbst ihre Unterwäsche bot weniger Ausblick auf ihren Körper. „Kauf es doch, wenn es dir gefällt", meinte Nora. Emily lachte. „Es ist aber nicht ganz das, was ich suche." „Nur weil es nicht mit Blumen bedruckt ist. Los, geh rein und probier es an. Du wirst wundervoll darin aussehen." „Lieber nicht", sagte Emily und setzte ihren Bummel auf der Melrose Avenue fort. „Ich könnte den Anblick meiner Hüften in diesem 101
Ding nicht ertragen." Nora und sie waren nach dem Meeting mit Richard Parker zu einem Einkaufsbummel aufgebrochen, um sich für die drei anstrengenden, öden Stunden mit den Anwälten zu entschädigen. „Wozu brauchst du eigentlich ein neues Kleid?" erkundigte sich Nora. „Für ein heißes Rendezvous mit Garrett McCabe?" „Nicht gerade ein Rendezvous. Ich wollte ihn zum Abendessen einladen - selbstgekocht natürlich. Als Dankeschön dafür, daß er mich durch Los Angeles kutschiert hat. Da wir nach Hause zurückkehren, dachte ich an morgen abend." „Das hört sich nicht gerade begeistert an." „Das mit dem Kochen?" „Nein, daß wir an die Ostküste zurückgehen." Emily lächelte gezwungen. „Ich freue mich auf zu Hause. Ich vermisse meinen Garten und mein Haus." „Weißt du", wandte Nora ein, „wir könnten eigentlich bleiben. Hier in Kalifornien ist es doch toll. Wir könnten ein Haus kaufen und einen neuen Garten anlegen. Und wir wären näher bei Parker Publishing. Garrett McCabe lebt übrigens auch hier …" „Das ist kein Grund für mich, zu bleiben", gab Emily zurück. „Warum nicht? Wer weiß, vielleicht entwickelt sich da etwas." „Wir sind Freunde", sagte Emily. „Das ist alles." „Warum schaust du dann drein wie ein kleines Mädchen, das gerade ihr Eis in den Sand hat fallenlassen?" Emily seufzte. „Ich weiß auch nicht. Garrett und ich hatten eine kleine Auseinandersetzung heute morgen. Keine Ahnung, was er damit bezweckte. Alles, was er erreicht hat, ist, daß er mich fatal an meinen Exmann erinnerte." „Schade. Muß ich ihn jetzt auf die Liste der Widerlinge setzen?" „Noch nicht", lenkte Emily ein. „Ich bin sicher, wir werden das ausdiskutieren und uns danach wieder gut verstehen." „Hört sich fürchterlich vernünftig an. Hast du wirklich alles so gut unter Kontrolle?" „Ich habe mich verändert, seit wir nach Kalifornien gekommen sind", erklärte Emily. „Ich bin selbstbewußter geworden und in der 102
Lage, meine Angelegenheiten selbst zu ordnen. Obwohl Garrett das anders zu sehen scheint. Er glaubt, er müsse mich beschützen wie ein kleines Dummchen." „Solange es Garrett McCabe ist, der dich beschützen will, würde ich dagegen nichts einzuwenden haben", meinte Nora. „Ich will aber nicht, daß er denkt, ich sei irgendein hilfloses Mäuschen. Er hat sich in den Kopf gesetzt, daß ich den Vertrag mit Parker nicht unterschreiben soll, bevor er sich den Vertrag nicht angesehen hat. Aber er will mir nicht sagen, warum. Unsere Beziehung ist normalerweise sehr offen und ehrlich. Trotzdem glaube ich, daß er mir etwas verschweigt." „Du kennst ihn gut mittlerweile, nicht wahr?" „Ich fühle mich wohl in seiner Gegenwart und kann ich selbst sein." Emily schwieg einen Moment und lächelte dann. „Und er hat gesagt, daß er mich genau so mag, wie ich bin." Sie machte erneut eine Pause und sprudelte dann hervor: „Deshalb habe ich vor, mit ihm zu schlafen." „Was?" rief Nora, blieb vor einer Buchhandlung stehen und hielt Emily am Ärmel fest. Emily machte sich los und ging schnell weiter. Nora lief ihr nach. „Sag das noch mal." „Ich überlege, ob ich Garrett McCabe verführen soll." „Und was hat dich auf diese Idee gebracht?" wollte Nora wissen. „Du predigst mir doch immer, ich soll neue Erfahrungen machen und dazulernen. Außerdem möchte ich nicht, daß Eric der einzige Mann ist, mit dem ich jemals Sex hatte." „Hört sich logisch an." Nora zog Emily am Arm in die nächste Espressobar. „Und wie willst du dieses Unternehmen durchführen?" flüsterte sie, nachdem sie einen Tisch gefunden hatten. „Ich hoffte, du würdest mir einige Tipps geben." „Ich? Als hätte ich ein ausgeprägtes Liebesleben! Falls du es nicht bemerkt haben solltest, Emily, es ist keineswegs so, daß die Männer bei mir Schlange stehen." Die Kellnerin kam, und Nora bestellte zwei Milchkaffees. „Aber du warst doch verheiratet", sagte Emily, als die Kellnerin 103
sich entfernt hatte. „Du auch", entgegnete Nora. Emily begann, eine Serviette zu zerknüllen. „Ich habe zumindest nie versucht, meinen Ehemann zu verführen", gab sie zu. „Du mußt wenigstens ein oder zweimal in deinem Leben die Initiative ergriffen haben, Nora. Was muß ich tun?" „Nun ja, ich glaube nicht, daß du mit Garrett McCabe, Strenger Lehrer und unartiges Mädchen' spielen willst." Nora lächelte. „Dann spielten wir noch …" Sie hielt inne und räusperte sich. „Schon gut. Sag mir lieber, wie du es anstellen willst." "Also, erst koche ich etwas Feines, dann gibt es ein romantisches Dinner zu zweit. Ich denke, es sollte bei ihm zu Hause stattfinden. Er hat morgen abend ein Meeting im Verlag, und ich könnte in der Zwischenzeit kochen und den Tisch decken. Dann wäre ich schon da, wenn er nach Hause kommt." „Und weiter?" fragte Nora. „Essen wir." „Und danach?" „Tja, das ist der Punkt", sagte Emily. „Wir essen … und dann … dann tun wir es. Ach ja, und eine Flasche Wein wollte ich auch noch mitbringen. Ein paar Gläser Wein machen die Sache vielleicht … einfacher." „Immerhin ein Plan", meinte Nora. „Kein besonders genialer, aber immerhin ein Anfang." „Was habe ich vergessen?" „Zum Beispiel, worüber du mit McCabe reden willst." „Wieso reden? Eric und ich haben nie geredet. Wir … wir fingen einfach an." „Garrett wird aber wahrscheinlich eine Erklärung dafür verlangen, warum du ihm die Kleider vom Leib reißt und über ihn herfällst." Emily errötete. „So wollte ich es ja nicht machen. Ich dachte, wenn ich den Ball ins Rollen bringe, wird Garrett schon wissen, was er zu tun hat." Der Kaffee wurde gebracht, und Nora wartete, bis sie wieder allein waren, bevor sie fortfuhr. „Könnte gut gehen. Was aber, wenn 104
nicht?" „Warum sollte er nicht? Männer haben doch so etwas wie Bedürfnisse. Wenn sie einmal erregt sind, kann man sie nicht mehr aufhalten. Das hat mir meine Mutter am Hochzeitstag gesagt." Sie nahm die Zuckerdose und schüttete ein wenig in den Kaffee. „Idioten wie Eric haben Bedürfnisse. Männer wie Garrett McCabe benutzen ihren Verstand. Höchstwahrscheinlich hat er genau soviel Interesse daran, dir Lust zu bereiten wie sich selbst." Emily schluckte. „Mir Lust zu bereiten?" „Natürlich", sagte Nora. „Männer sind heutzutage wesentlich offener, was die Wünsche der Frauen betrifft." „Was … was ist, wenn ich nicht kann?" „Man sagt doch immer, es sei wie Radfahren", beruhigte Nora sie. „Wenn man es einmal gelernt hat, kann man es für immer." „Aber was ist, wenn ich nie Radfahren gelernt habe?" „Emily, du warst verheiratet. Du hast mit deinem Mann geschlafen. Und du hast …" Nora begriff plötzlich. „Du meinst, du hast nie … Lust empfunden?" „Ist das ein großes Problem?" fragte Emily. „Kann er das überhaupt beurteilen? Ich will natürlich nicht, daß er denkt, ich hätte keine Erfahrung. Vielleicht sollten wir ein paar Bücher kaufen, damit ich mich damit beschäftigen kann." Nora nahm einen Schluck Kaffee. „Emily, ich denke, das Beste ist, wenn du der Natur einfach ihren Lauf läßt. Diese Dinge kann man nicht aus Büchern lernen. Was zwischen dir und Garrett McCabe geschieht, wird etwas Einmaliges sein, etwas noch nie Dagewesenes." „Dann glaubst du nicht, daß ich einen Fehler mache?" wollte Emily wissen. „Manchmal muß man seinen Gefühlen folgen", sagte Nora sanft. „Selbst wenn das Herz schon weiß, was der Verstand noch leugnet." „Und was soll das sein?" „Das mußt du schon allein herausfinden", erwiderte Nora mit einem geheimnisvollen Lächeln. „Jetzt aber: wie wollt ihr euch schützen? Hast du dafür vorgesorgt?" 105
Emily schaute sie verwirrt an. „Du meinst …" „Genau", sagte Nora. „Ist das nicht sein Job?" Nora lachte. „Du bist wirklich schon lange nicht mehr auf dem Laufenden, Emily." Emily versuchte zu lächeln. Im Stillen betete sie, daß es wirklich wie Fahrradfahren sein würde. Das einzige Problem war - bildlich gesprochen - ihr erstes Fahrrad, das nicht viel getaugt hatte. Hoffentlich bleibe ich auf dem brandneuen in der Spur, dachte sie hoffnungsvoll.
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9. KAPITEL Emily verlagerte die drei Einkaufstüten auf ihrem Arm, um die Eingangsfront des „Bachelor Arms" besser überblicken zu können. Sie war bisher nur einmal hier gewesen - als sie Garrett die Zimmerpflanze brachte. Damals hatte der Hausmeister sich bereit erklärt, die Pflanze persönlich bei Garrett abzuliefern. Doch heute antwortete in der Hausmeisterwohnung niemand auf ihr Klingeln, so daß sie schon befürchtete, es gäbe keine Möglichkeit, in Garretts Wohnung zu gelangen. "Also keine Überraschung", murmelte sie und dachte an die Eiskrem, die in einer der Tüten vor sich hinschmolz, ganz zu schweigen von den Meeresfrüchten, die wahrscheinlich langsam verdarben. Ohne Essen keine Verführung. Und dabei hatte sie sogar selbstgemachte Schokoladenplätzchen mitgebracht, um den Hausmeister zu bestechen. Enttäuscht ließ sie sich auf den Treppenstufen nieder und wartete. Eine große Bananenpalme beschirmte sie vor der Nachmittagssonne. Das „Bachelor Arms" war ein wunderschönes altes Gebäude, das aussah, als stamme es direkt aus einem Hollywoodfilm. So etwas gab es in Rhode Island nicht, und Emily gefiel die spanisch anmutende Architektur. Wenn ich nicht ins Haus gelange, muß ich mir etwas anderes für heute abend überlegen, dachte sie. Suchend blickte sie ein letztes Mal den Weg entlang und sah zwei Frauen, die auf das Haus zugingen. Die größere von beiden war dunkelhaarig und trug ein elegantes Kostüm. Die andere, zierlich und blond, trug ein knallbuntes Flatterkleid und Schnürstiefel. Emily besah sich ihr eigenes einfaches Sommerkleid, das mit Blumen bedruckt war und einen breiten weißen Spitzenkragen hatte. Vielleicht hätte ich mir beim Bummel auf der Melrose Avenue doch ein neues Kleid leisten sollen, überlegte sie. Sexy, oder wenigstens elegant, etwas, das zu Los Angeles paßt. Zu Emilys Überraschung kamen die beiden Frauen direkt auf den Hauseingang des „Bachelor Arms" zu. „Hat man Sie ausgesperrt?" 107
fragte die Blonde freundlich lächelnd. Emily lächelte zögernd und stand auf, während sie ihr Kleid glattstrich. „Nicht ganz. Ich hatte gehofft, der Hausverwalter würde mich in eines der Apartments lassen. Aber er ist nicht da." „Ken Amerson ist entsetzlich vorsichtig. Er würde nicht einmal den Präsidenten der Vereinigten Staaten in eines der Apartments lassen. Wen wollten Sie besuchen?" fragte die zierliche Frau. „Garrett McCabe." „Sind Sie Emily Taylor?" fragte die Dunkelhaarige. Emily nickte erstaunt. Woher kannten diese Frauen sie? Waren sie vielleicht bei der Signierstunde in der Buchhandlung gewesen? Oder waren sie Freunde von Garrett? Himmel, waren es vielleicht seine Freundinnen? Die Blonde streckte ihr die Hand hin. „Ich bin Taryn Wilde. Ich bin mit Josh Banks verheiratet. Er ist ein Freund von Garrett." „Und ich bin Caroline Hallihan. Tru, mein Mann, ist ebenfalls ein Freund von Garrett." Erleichtert schüttelte Emily beiden die Hand und lächelte bereits etwas selbstbewußter. „Wir wollten bei Taryn Kaffee trinken", erklärte Caroline. „Haben Sie Lust mitzukommen? Sie könnten bei uns warten, bis Garrett kommt." „Ich fürchte, das geht nicht", sagte Emily. „Wenn ich nicht in seine Wohnung komme, muß ich mir etwas anderes für unser Abendessen überlegen." „Ich kann Ihnen aufschließen", bot Taryn an. „Garrett läßt immer einen Zweitschlüssel in einem Blumentopf, damit seine Putzfrau in die Wohnung kann." Jede nahm eine der Einkaufstüten, dann gingen sie gemeinsam ins Haus, den langen Flur entlang und ein paar Treppen hoch, bis sie vor Apartment 2-D standen. Glücklicherweise lag der Schlüssel am vorgesehenen Ort. Taryn nahm ihn und schloß auf, so daß Emily eintreten konnte. Sie sah sich zögernd um. Was sie eigentlich erwartet hatte, wußte sie nicht genau, vielleicht eine etwas überlegtere Möblierung. Jedes 108
Möbelstück war für sich genommen schön, doch nichts paßte zueinander, als habe Garrett vergessen, was sich bereits in der Wohnung befand, wenn er etwas Neues anschaffte. Dazu kam noch eine offensichtliche Vorliebe für neutrale Farben. Die Zimmerpflanze, die Emily ihm geschenkt hatte, war der einzige Farbtupfer hier. Am liebsten hätte sie die Verführung verschoben und sofort mit der Neueinrichtung und Neudekoration der Wohnung begonnen. „Ziemlich streng, nicht wahr?" sagte Taryn. „Ich wollte ihm mal eines meiner Bilder geben, aber er lehnte ab." „Verglichen mit Trus Junggesellenbude ist es hier recht wohnlich", warf Caroline ein. „Er hatte einen riesigen Fernseher, einen Ohrensessel und sonst nur Bücher wo man ging und stand." „Wenigstens ein paar farbenfrohe Kissen", murmelte Emily. „Dann könnte man es schon ertragen. Für den Stuhl da drüben würde ich einen Bezug in Rostrot oder in Dunkelgrün nähen. Vorhänge am Fenster wären auch nicht schlecht, um etwas Atmosphäre zu schaffen. Und ein paar schönere Bilder, als dieses Bierdosenposter. Dieser Frühstückstisch da drüben würde auf jeden Fall rausfliegen." „Dann sollten Sie am besten gleich anfangen, bevor Garrett nach Hause kommt", meinte Caroline. „Was halten Sie davon, diesen entsetzlichen Ohrensessel zu entfernen, den mein Mann ihm vermacht hat? Wenn Sie Hilfe brauchen, um ihn zu bewegen, rufen Sie uns." „Oh, nein!" rief Emily erschrocken. „Ich habe doch nur … Ich will bestimmt nicht …" Sie atmete tief ein. „Dies ist Garretts Wohnung, nicht meine. Wenn er es so haben will, soll es mir recht sein." „Sie können doch auf jeden Fall in Ihrem Haus leben", schlug Taryn vor. Emily schüttelte den Kopf. „Mein Haus befindet sich in Rhode Island. Außerdem werden wir nicht zusammen leben. Garrett und ich sind Freunde, sonst nichts." „Aha", sagte Caroline. „Wir verstehen völlig." Sie sah zu Taryn hinüber und zog eine Braue hoch. „Sie sind bloß Freunde. Dann sollten wir Ihnen Gelegenheit geben, das Abendessen zuzubereiten. 109
Komm, Taryn." Die beiden gingen zur Tür. „Was gibt es denn heute abend?" wollte Taryn noch wissen. „Meeresfrüchte Chardonnay in Blätterteigtaschen", antwortete Emily. „Geschmorte Karotten in Ingwer, Spinatsalat in Himbeervinaigrette. Und als Nachtisch Apfelkuchen." „Hört sich lecker an", sagte Taryn und winkte Emily zu, als sie das Apartment verließ. „Wenn Sie irgend etwas brauchen, klingeln Sie ruhig." Caroline folgte ihr. „Wir sehen uns bestimmt bald wieder", rief sie Emily zu. Emily lächelte, als sie die Tür hinter ihnen schlossen. Fast bedauerte sie, daß man sich nur so kurz unterhalten hatte, denn daß sie die beiden wieder sehen würde, bezweifelte sie. Taryn und Caroline behandelten sie nicht wie die berühmte Emily Taylor, sondern wie eine Freundin. Das rührte sie, denn außer Nora gab es nicht viele Freundinnen in ihrem Leben. Seufzend sah Emily auf die Uhr. Drei Stunden noch, in denen sie das Abendessen zubereiten konnte. Im Auto lagen immer noch eine Kiste und eine weitere Einkaufstüte. Sie nahm den Wohnungsschlüssel vom Tisch neben der Tür und ging mit plötzlich flauem Gefühl im Magen zurück zum Auto. Dieser Abend würde etwas Besonderes sein. Köstliches Essen, ein gutes Gespräch, und dann … Emily unterdrückte die aufsteigende Nervosität. Nicht dran denken, sagte sie sich. Jedenfalls nicht, bevor das Essen fertig ist. Zwei Stunden später hatte sie allen Grund, den Erfolg dieses Abends zu bezweifeln. Alles begann mit Garretts Küche. Emily hatte zumindest mit einer Grundausstattung an Töpfen, Pfannen und Kochbesteck gerechnet. Doch in dieser Küche gab es nichts dergleichen. Garretts Schränke waren leer. Ihr Ehrgeiz erwachte. Unter diesen erschwerten Umständen ein Abendessen zu bereiten, war eine Herausforderung. Sie rollte den Teig mit einer Bierflasche aus und mußte alle Augenblicke innehalten, um Fetzen des Etiketts aus dem Teig zu pulen. Danach wurde es noch schwieriger. Den Salat mußte sie in Ermangelung einer 110
Schüssel in einem kleinen Bottich anmachen, den sie unter der Spüle fand. Der einzige vorhandene Topf diente erst zum Andünsten der Karotten und dann zum Anrühren der Soße, während die Meeresfrüchte in einem alten Kaffeetopf gekocht wurden. Sie deckte den Tisch mit Wegwerfgeschirr und Besteck aus Plastik, sowie mit den zwei Weingläsern, die sie mitgebracht hatte. Alles stand auf einer hinreißenden irischen Tischdecke aus Leinen und wurde erleuchtet von Kerzen in Messinghaltern. Insgesamt bot der Tisch einen äußerst merkwürdigen Anblick. Doch Emily war nicht zum Lachen zumute. Als sie endlich die mit Meeresfrüchten gefüllten Teigtaschen auf einer zerbeulten Pizzaform angerichtet und in den Ofen geschoben hatte, standen Tränen in ihren Augen. Der Backofen benötigte viel gutes Zureden und die Höchsttemperatur, um überhaupt zu funktionieren, doch irgendwann begannen die Teigtaschen, sich aufzublähen. Da erst stellte sich bei Emily so etwas wie ein leiser Triumph ein. Zumindest bis Garrett die Tür aufschloß und ins Zimmer trat. Hastig glättete sie ihr Kleid und versuchte, ihre verwirrten Locken zu ordnen. Sie sah von der Küche aus, wie er die Schlüssel auf den Tisch warf. Dann drehte er sich um und blickte sie erstaunt an. „Emily, was tust du denn hier? Ich habe versucht, dich vom Büro aus anzurufen, aber Nora sagte, du wärst verabredet." Sie lächelte gezwungen. „Ich … ich habe für dich gekocht", sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich wollte mich bei dir bedanken, daß du mir Los Angeles gezeigt hast." Garrett lächelte. „Du hast für mich gekocht?" „Meeresfrüchte Chardonnay im Teigmantel", sagte Emily. „Und Apfelkuchen als Dessert." „Riecht gut", meinte er schnuppernd. Sie ging einen Schritt auf ihn zu. „Es war eine große Herausforderung, in dieser Küche etwas zustande zu bringen. Du besitzt ja überhaupt nichts, womit man kochen könnte. Ein Topfset aus Aluminium und ein paar Schüsseln könnten nicht schaden. Und vielleicht noch ein paar Kochutensilien." Garrett ging auf sie zu und küßte sie auf die Stirn. „Ich sehe schon, 111
wir müssen mal wieder einkaufen gehen", murmelte er. „Eigentlich wäre so eine Liste im Kaufhaus doch gar keine schlechte Idee." Ein warmer Schauer durchlief sie bei der Berührung seiner Lippen. Der Kuß war wie ein Versprechen. Mit neu erwachtem Mut schlang sie ihre Arme um seinen Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund. Was zögernd begonnen hatte, endete in einem langen, intensiven Kuß, der Begehren in ihr aufflackern ließ. Als es vorüber war, hielt Garrett sie mit beiden Armen von sich weg und sah ihr tief in die Augen, als versuchte er, ihre Gedanken zu lesen. Sie lächelte und strich ihm leicht durchs Haar. Dann beugte er sich wieder über sie und nahm ihre Lippen in Besitz, diesmal fordernder, aufwühlender, mit der Zunge das Innere ihres Mundes erkundend. Er preßte Emilys Körper eng an den seinen und gab sich seinen Gefühlen hin. Niemals zuvor war sie auf diese unglaublich besitzergreifende und doch liebevolle Weise geküßt worden. Schwindlig, mit weichen Knien, erwiderte sie seine Liebkosungen, fuhr mit ihrer Zunge über seine Unterlippe, wollte mehr von ihm lernen. Beide steigerten gegenseitig ihre Lust, um eine Ahnung davon zu erlangen, was sein konnte. „Dieses Dinner beginnt mir zu gefallen", flüsterte Garrett an ihrem Ohr. „Oh", keuchte sie. „Das Essen! Ich muß mich darum kümmern." Doch Garrett küßte sie erneut und verdrängte alle Gedanken ans Kochen. Irgendwann wußte sie nicht einmal mehr, ob sie noch atmete, ob sie noch aufrecht stand. „Etwas ist anders zwischen uns, Emily", sagte er, während seine Lippen ihrem Mund immer noch nahe waren. „Ich dachte, wir wären nur Freunde." „Ich habe es mir anders überlegt", antwortete sie. „Bist du sicher", fragte er lächelnd, doch mit Glitzern in den Augen. Sie nickte und biß sich auf die Unterlippe. „Wir sind erwachsen und stellen unsere eigenen Regeln auf." Er strich zärtlich über ihre Wange. „Ja, wir sind erwachsen." Emily atmete tief ein. „Ja", hauchte sie und sah zu ihm auf. Er war 112
der attraktivste Mann, den sie jemals gesehen hatte. Stunden hätte sie damit zubringen können, sein Gesicht zu betrachten, in seine Augen zu blicken und ihre Finger durch sein seidiges sonnengebleichtes Haar gleiten zu lassen. „Möchtest du ein Glas Wein?" Garrett streichelte ihre Oberarme und lächelte. „Gern." Emily eilte in die Küche und war dankbar für die Gelegenheit, ihre Gedanken zu ordnen. Es funktioniert anscheinend, dachte sie. Alles, was ich tun muß, ist bei Sinnen zu bleiben und die Führung zu behalten. Sie wühlte in den Schubladen auf der Suche nach einem Korkenzieher, bevor sie sich erinnerte, daß sie einen mitgebracht hatte. Sobald der Korken draußen war, goß sie einen großen Schluck Wein in ein Glas und stürzte es in einem Zug hinunter. Dann goß sie mit zitternder Hand beide Gläser voll, bevor ihr die Flasche endgültig entglitt und im Spülbecken zerbrach. Mit dem Wein schien sich auch ihr ganzer Mut durch den Abfluß zu verabschieden. „Ist alles in Ordnung da drin?" rief Garrett. "Alles okay", antwortete sie. Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, fand sie Garrett auf dem Sofa, Sie setzte sich neben ihn und reichte ihm sein gefülltes Glas. „Wie war's im Büro?" fragte sie und verfluchte sich im selben Augenblick für den banalen Satz. Um ihr Erröten zu verbergen, nahm sie einen großen Schluck Wein. Garrett legte seinen Arm auf die Sofalehne und spielte mit den Locken an Emilys Schläfe. Obwohl sie diese Berührung kannte, war es heute intimer, verheißungsvoller, erregender. „Nett", erwiderte er. „Es tut mir leid, daß wir uns gestern gestritten haben", sagte sie. „Ich habe den Vertrag mitgebracht. Wenn du hineinsehen möchtest…" „Nicht jetzt", sagte er weich und stellte sein Weinglas auf den Tisch. Dann nahm er ihr ebenfalls das Glas aus der Hand und stellte es ab. Garrett zog sie zu sich heran und küßte sie verlangend. Emily erwiderte den Kuß leidenschaftlich und hingebungsvoll. Sie wußte, daß die die richtige Wahl getroffen hatte. Wie würde es wei113
tergehen? Konnte sie den nächsten Schritt tun? Sie ergriff seine Hand und führte sie langsam bis zu ihren Brüsten. Für eine Sekunde öffnete sie die Lider und sah ihn mit verhangenem Blick an. Sie war verrückt nach ihm, all ihre Sinne schlossen sich ihm auf, und ihre Haut schien zu glühen, wo seine Hände sie berührten. Emily atmete tief ein - und schnupperte plötzlich. „Irgend etwas brennt", sagte sie. „Allerdings", murmelte Garrett. „Du kannst sicher sein, daß ich es bin." Er drückte sie sanft auf die Couch, legte sich auf sie und bog ihre Arme zurück. Doch Emily befreite sich aus seinem Griff und schob ihn zurück. Dann setzte sie sich. „Nein. Irgend etwas brennt gerade an." Sie sprang auf und rannte in die Küche. Dabei brachte sie ihr verrutschtes Kleid in Ordnung. Rauch stieg aus dem Ofen. Emily riß die Ofentür auf, aber sie besaß keine Topflappen, um die verschmorten Teigtaschen herauszuholen." „Ich kriege sie nicht raus!" rief sie. „Es ist zu heiß. Hast du keine Handschuhe oder Topflappen?" Garrett war ihr gefolgt und suchte fieberhaft in der Küche nach etwas Passendem. „Ich benutze den Backofen normalerweise nicht. Der Thermostat ist kaputt." „Wie kannst du nur ohne Backofen auskommen?" fragte sie entgeistert. „Der gehört doch zum Leben wie fließend warmes Wasser." Schließlich rannte Garrett ins Badezimmer und kam mit einem Handtuch zurück. Er wickelte es um seine Hände und zog die Pizzaform aus dem Herd. Die Teigtaschen sahen aus wie Hockey-Pucks: schwarz, hart und ungenießbar. Garrett nahm einen und warf ihn auf die Platte der Anrichte. „Sollen die so dunkel sein?" „Nein!" erwiderte Emily. Er zuckte die Achseln. „Ach so. Ich dachte, du machst irgend etwas Ausgefallenes." Emily stöhnte verzweifelt und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Tränen schossen in ihre Augen und rollten die Wangen hinunter. „Ich wollte alles so schön machen", schluchzte sie. „Und jetzt ist alles ruiniert." 114
„Es ist doch schön, Emily", sagte Garrett und löste ihre Hände vom Gesicht. Sie ließ sie traurig sinken. „Nein, ist es nicht. Absolut nicht." Sie lachte resigniert. „Ich wollte ein romantisches Dinner zu zweit. Und dann … dann wollte ich dich verführen." Ihr Lachen wurde schrill. „Stell dir vor: da habe ich mir wegen der Verführungsszene Gedanken gemacht, und nun bin ich nicht einmal in der Lage, das Essen zu kochen. Ich muß verrückt gewesen sein. Ich weiß nicht mehr, was ich tue." Garrett umfaßte ihre Taille und küßte ihre Wangen. „Ach, weißt du, so hungrig bin ich gar nicht", sagte er und legte einen Finger unter ihr Kinn, so daß sie zu ihm aufblicken mußte. „Ich habe spät zu Mittag gegessen." Sie blinzelte. „Tatsächlich?" Er nickte und drückte ihr einen Kuß auf den Scheitel. Dann packte er sie fester um die Taille, hob sie auf den Küchentresen und drängte sich zwischen ihre Beine. „Vergiß das Abendessen, Emily", flüsterte er. „Verführ mich." Sie schluckte. „Wirklich?" Er strich mit den Händen ihre Oberschenkel hinauf und zog sie dann näher zu sich. „Wirklich." Sie wurde über und über rot. „Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, wie." „Ich helfe dir dabei. Was hältst du davon, zuerst mein Hemd aufzuknöpfen?" Mit unsicheren Fingern öffnete sie einen Knopf nach dem anderen. Ihr Selbstbewußtsein wuchs, je weiter sie nach unten kam. Schließlich schob sie das geöffnete Hemd zur Seite und legte ihre Handflächen auf Garretts muskulöse Brust. Sie konnte seinen Herzschlag fühlen. Er war langsam und entspannt, ganz anders als ihr rasender Puls. Er hielt ihr seine Handgelenke hin, damit sie die Manschetten öffnen konnte. Dann schüttelte er das Kleidungsstück einfach ab, so daß es auf den Küchenboden fiel. Sie streichelte seine warme Haut, und er genoß es mit geschlossenen Augen. Langsam erforschte sie mit 115
den Händen seinen Körper, strich über seine muskulösen, breiten Schultern und den flachen, harten Bauch. Nie zuvor hatte sie einen Mann auf diese Weise berührt, so entspannt und bewundernd. Sein Körper war in jeder Hinsicht perfekt, stark und fest, überwältigend in seiner Schönheit. „Knöpf dein Kleid auf", murmelte er und beobachtete sie unter halbgeschlossenen Lidern. Sie schüttelte den Kopf. „Tu es für mich", sagte sie bestimmt und wunderte sich über ihre Courage. Garrett lächelte und ließ sich Zeit beim Öffnen ihres Kleides, das von oben bis unten durchgeknöpft war. Bei jedem Knopf hielt er inne, um zu erkunden, was sich darunter verbarg. Bald rutschte das Kleid von ihren Schultern und lag wie eine blumige Wolke auf dem Tresen. Nun trug sie nur noch ihr dünnes Unterkleid, BH und Slip. „Sollten wir jetzt nicht ins Schlafzimmer gehen?" fragte sie. „Nein, ich will dich hier und jetzt." Es war das erste Mal, daß sie es in der Küche tun würde. Eigentlich kannte sie das Liebesspiel überhaupt nur unter der Bettdecke im abgedunkelten Schlafzimmer. Die Idee erschien ihr verlockend sündhaft. Mit Garrett wird es aufregend sein, dachte sie und antwortete leise: „Ich finde die Küche wunderbar." Garrett lachte leise und ließ zwei Finger unter die dünnen Träger ihres Unterrocks gleiten, um ihn von ihren Schultern zu streifen. Jede ihrer Reaktionen bereitete ihm unaussprechliches Vergnügen. Ihr Blick war umflort und voller Verlangen, er machte ihn heiß und begierig, doch er beherrschte sich. Emily spürte die Schmetterlinge im Bauch stärker denn je, und obwohl sie sich ein wenig fürchtete, hielt sie ihn nicht zurück. Garrett sollte ihr zeigen, wie eine Frau fühlen konnte. Er lächelte und rieb einen der Träger zwischen Daumen und Zeigefinder. „Weiß", sagte er. „Ich glaube, ich muß meine Theorie über Unterwäsche überprüfen." Dann begann er, ihre Brüste zu liebkosen, die noch von einem seidenen BH bedeckt waren. Emily unterdrückte ein Stöhnen, doch dann beugte er sich vor, nahm eine hochaufgerichtete Brustknospe 116
zwischen die Lippen und spielte durch den feuchten Stoff mit ihr. Ein Schauer der Lust durchströmte ihren ganzen Körper wie ein heiße Woge. Ihr war bewußt, daß Garrett dies nicht zum ersten Mal tat, und statt Eifersucht zu empfinden, war sie froh darüber, daß er soviel Erfahrung besaß. Es war, als hätte er mit seiner Liebkosung sämtliche ihrer Hemmungen beseitigt. Plötzlich wollte sie mehr, und war sich doch nicht sicher, was genau. Tief in ihr zog sich etwas zusammen, Furcht und Verlangen ließen sie erbeben. Sie fuhr Garrett mit den Fingern durchs Haar und preßte ihn gegen die weiche Rundung ihrer Brust, bis sie es vor Erregung kaum noch aushielt. Ihre Haut brannte, wo seine Lippen Spuren der Lust hinterließen. „Ich will dich, Emily", flüsterte er an ihrer Wange. „Laß mich dich lieben." Er sah ihr in die Augen, und sie nickte stumm. Liebe mich, schrie es in ihr. Liebe mich, bis ich mich nicht mehr daran erinnere, daß ich jemals mit einem anderen geschlafen habe. Liebe mich so, daß ich nie wieder einen anderen Mann haben will. Garrett umfaßte eines ihrer Fußgelenke und drückte einen sanften Kuß auf ihre Fußsohle, bevor er begann, mit Händen und Lippen ihr Bein zu liebkosen. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich auf die Berührung seiner warmen Lippen. Es schien, als hätten sich die Rollen vertauscht, als sei er nun Verführer und sie Verführte. Aber es machte ihr nichts aus. Alles, was sie wollte, war, daß das, was er gerade mit ihr tat, niemals aufhörte. Als er ihr Knie erreicht hatte, ergriff er den Saum ihres Unterkleids und schob es hoch bis zu ihren Hüften. Dann fuhr er fort und ließ seine Zunge über die sensible Haut der Innenseite ihres Oberschenkel gleiten. Sie wußte, daß es dabei nicht bleiben würde, und hatte nichts dagegen. Garrett würde der erste sein, der sie auf diese Art liebte. Sie warf den Kopf in den Nacken, legte die Hände auf seine Schultern und verlor sich in den aufbrandenden Gefühlen. Langsam schob er den Slip beiseite, und dann berührte er sie, erst mit dem Finger, dann mit seiner Zunge. Alle Hemmungen, die sie bisher noch gehabt hatte, verflogen, als sein heißes, zärtliches Zun117
genspiel ihr nie gekannte Freuden schenkte. Sie stöhnte und flüsterte seinen Namen. Ohne sich dessen bewußt zu sein, fuhr sie ihm durchs Haar und zog ihn näher zu sich. Ihre Erregung stieg und stieg, bis sie glaubte sterben zu müssen, wenn sie nicht Erfüllung fand. Ihr gesamter Körper schien vor Lebendigkeit zu vibrieren, und sie versank in einem köstlichen Sinnestaumel, schöner als alles, was sie sich je erträumt hatte. Und dann endlich löste sich die fast unerträgliche Spannung, die sich tief in ihr aufgebaut hatte, und wirbelte sie fort. Sie atmete hektisch und stoßweise, warf sich stöhnend hin und her. Niemals zuvor hatte sie einen solchen Gipfel erreicht. Garrett war derjenige, mit dem sie dieses einzigartige Erlebnis teilte, diese leidenschaftliche, kraftvolle Explosion der Sinne, diese absolute Hingabe von Körper und Seele. Als der Höhepunkt langsam abklang, öffnete sie die Augen. Garrett blickte sie an, wartend. Plötzlich verspürte sie eine nie gekannte erotische Macht und öffnete den Gürtel seiner Hose. Ohne Eile löste sie Knopf und Reißverschluß, doch Garrett packte sie am Handgelenk. „Wenn du weitermachst, Emily, gibt es kein Zurück mehr", sagte er mühsam beherrscht. Sie sah ihn an und befreite ihre Hand aus seinem Griff. Dann begann sie, die harte Ausbuchtung seiner Boxershorts zu streicheln. Garrett nahm ihr Gesicht in beide Hände und küßte sie wie ein Verdurstender. Überwältigt von Verlangen rissen sie sich gegenseitig die restlichen Kleider vom Leib, bis sie sich Haut an Haut in die Arme sinken konnten. Er murmelte heiser ihren Namen, und nun wußte sie, daß ihn nichts mehr aufhalten würde. Mit einer Hand langte sie in die Einkaufstüte, die neben ihr auf der Anrichte lag, und zog eine kleine Schachtel hervor. Garrett sah ihr zu, wie sie eines der Plastikpäckchen öffnete und ihm den Schutz mit ungeübten Fingern überstreifte. Langsam führte sie ihn, und er drang vorsichtig in sie ein, hart und sicher. Sie spürte, wie er ihr Inneres ausfüllte, und stöhnte, als er sich zu bewegen begann. Erst jetzt erlebte sie, wie es zwischen Mann und 118
Frau eigentlich sein sollte. Geteiltes Begehren, geteilte Lust, Geben und Nehmen und gemeinsames Erklimmen des Gipfels. Später, nachdem sie sich noch einmal in seinem Bett geliebt hatten, schlief sie in seinen Armen ein, befriedigt und erfüllt. Das war es also gewesen, was sie all die Jahre vermißt hatte, was ihr in ihrer Ehe zugestanden hätte. Dies war der Mann, den sie eigentlich hätte haben sollen. Garrett McCabe. Es war heller Morgen, als Emily die Augen aufschlug. Sie lag ganz still und blinzelte, während sie versuchte, sich zu erinnern, wo sie war. „Guten Morgen, Schlafmütze", grüßte Garretts Stimme. Sie rollte sich auf die andere Seite und sah, daß er neben dem Bett stand, nur mit einer Jeans bekleidet, deren oberster Knopf offenstand. Nun erinnerte sie sich. Sie lag in seinem Bett. Sie war nackt, und er bekleidet. Der Morgen danach. Und Emily hatte nicht die geringste Ahnung, was man in dieser Situation normalerweise tat. „Ich laufe rüber zum Bistro und hole uns etwas zum Frühstück. Die Morgenzeitung natürlich auch", sagte er, knöpfte die Jeans zu und schlüpfte in ein Paar abgetragene Leinenschuhe. Emily war erleichtert. „Finde ich prima", meinte sie und zog die Decke bis zum Hals. Er streifte ein T-Shirt über, beugte sich über das Bett und küßte Emily auf die Stirn. Sofort spürte sie das nun schon vertraute Begehren in sich aufsteigen, vermischt mit Zuneigung für diesen Mann. Am liebsten hätte sie die Hand nach ihm ausgestreckt und ihn zurück ins Bett geholt, um der Wirklichkeit noch eine Weile nicht ins Auge sehen zu müssen. Doch sie tat es nicht. Garrett ging zur Schlafzimmertür. „Geh nicht weg, Emily. Wir müssen ein paar Dinge besprechen, wenn ich zurückkomme." „Besprechen? Über das … alles reden?" stammelte sie errötend. Garrett lachte. „Vielleicht nicht sofort", neckte er sie. „Es könnte sein, daß wir uns sonst ablenken lassen. Ich bin in zehn bis fünfzehn Minuten wieder da. Schlaf doch noch eine Runde." Emily sah ihm nach, als er den Raum verließ und hörte, wie die Haustür zufiel. War es normal, daß man am Morgen danach darüber 119
redete? Alarmiert sprang sie aus dem Bett, warf sich eines der Bettücher über und rannte in die Küche. Ihre Kleider lagen dort noch so, wie sie sie gestern nacht verlassen hatte. Sie ließ das Laken fallen und zog sich an. Dann stand sie inmitten der unaufgeräumten Küche, schloß die Augen, stützte die Arme auf die Anrichte, und plötzlich wurde ihr bewußt, was sie getan hatte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag und trieb ihr Tränen in die Augen. Alles sollte so einfach und durchdacht sein. So eine Art Anschauungsunterricht. Sie hatte ihn verführen und dann verlassen wollen. Doch nun wurde sie überwältigt von Gefühlen, deren sie nicht mehr Herr wurde. Sie wollte diese Wohnung nicht verlassen, und alles, was sie gemeinsam erlebt hatten, nur als angenehme Erinnerung behalten. Sie begehrte ihn so heftig wie nie zuvor, sehnte sich nach seiner Zärtlichkeit und danach, jeden Morgen mit ihm aufzuwachen. Sie hatte das Bedürfnis, ihm ein Heim zu schaffen, mit ihm Kinder zu haben und gemeinsam mit ihm alt zu werden. Alles, was sie sich im Leben wünschte, wünschte sie sich mit ihm. Es hatte keinen Sinn mehr, ihre Gefühle zu leugnen. Zu lange schlummerten sie bereits unterdrückt in einer Ecke ihres Herzens. Sie wußte doch, daß es keine gemeinsame Zukunft mit Garrett McCabe für sie gab. Er wollte weder heiraten noch eine längerfristige Beziehung. Als überzeugtester Junggeselle von Los Angeles basierte seine Karriere darauf, daß er ungebunden war. Das Risiko, ihr Herz einem Mann zu schenken, der es höchstwahrscheinlich in tausend Stücke zerbrechen würde, konnte sie sich nicht leisten. Daher gab es nur eine einzige Entscheidung. Sie mußte ihn verlassen, weggehen, so weit weg wie möglich. Ihn nie wiedersehen. Eine Träne rann über ihre Wange, doch sie wischte sie ab und riß sich zusammen. Dann suchte sie nach ihrem Autoschlüssel und ging hinüber zum Telefon. Sie wählte die Nummer der Strandvilla und wartete, bis Nora an den Apparat ging. Sie hörte sich verschlafen an. „Hallo?" 120
„Nora? Ich bin es. Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe." „Emily?" „Nora, ich habe eine Bitte. Du mußt etwas für mich tun." Nora gähnte. „Hm?" „Ich möchte, daß du Richard Parker anrufst und ihm sagst, daß wir ihn und seinen Anwalt in drei Stunden treffen wollen. Dann rufst du unseren Anwalt an und bittest ihn, uns in Parkers Büro zu treffen. Und dann bestell bitte zwei Flugtickets an die Ostküste für heute nachmittag. Hast du alles notiert?" „Was ist letzte Nacht passiert?" , Alles", gab Emily zu und versuchte, ruhig zu klingen. „Hast du alles notiert? Ich bin in einer Stunde in Malibu und hole dich ab. Mit gepackten Koffern. Ich will nach dem Meeting so früh wie möglich zum Flughafen. Es ist Zeit, dieses Geschäft endlich zu Ende zu bringen." „Was ist los, Emily?" fragte Nora besorgt. Emily unterdrückte ein Schluchzen. „Ich glaube … ich … ich liebe Garrett McCabe."
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10. KAPITEL Garrett schlenderte die Straße entlang, knabberte an einem Doughnut und las dabei die Morgenzeitung. Das Frühstück für Emily klemmte unter seinem Arm. Er fühlte sich beschwingt und hätte am liebsten fröhlich gepfiffen, etwas, was er noch nie getan hatte. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden war Freude in sein Leben eingekehrt. Kaum konnte er glauben, daß er noch einen Monat zuvor fest an seine Zukunft als Junggeselle geglaubt hatte. Und nun gab es Emily in seinem Leben. So schön, so sexy, so süß. Plötzlich wußte er, warum er so lange gewartet hatte. Weil er geahnt hatte, daß es irgendwo auf der Welt diese Emily Taylor gab. Beinahe hätte ich sie gehen lassen, dachte er. Wenn die letzte Nacht nicht gewesen wäre, wüßte ich immer noch nicht, was ich wirklich für sie empfinde. Und sie wäre nach Rhode Island zurückgegangen, ohne mich. Sein Entschluß stand fest. Er würde die „Post" verlassen und mit Emily zusammen an die Ostküste ziehen. Vielleicht gäbe es eine neue Chance für ihn in Boston, oder er konnte noch einmal die Agentur ansprechen. Er konnte es sich sogar leisten, eine Weile auszusteigen und einfach nur mit Emily zu leben. Wenn es an der Zeit war, würde er sie heiraten. Als er über den Flur zu seiner Wohnung ging, hörte er sein Telefon klingeln. Er öffnete die Tür, stellte die Sachen, die er trug, auf einem Beistelltisch ab und nahm den Hörer ab. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, flüsterte Alvins Stimme am anderen Ende: „Vorsicht, ich bin im Verlag. Am besten kommen Sie gleich rüber." Garrett lachte. „Keine zehn Pferde würden mich heute morgen dorthin bringen, Alex." „Sie werden heute morgen den Vertrag unterzeichnen. Ungefähr in drei Stunden. Die Neuigkeit kam gerade durch." „Das ist unmöglich", widersprach Garrett. „Sie können ohne Emily gar nichts unterzeichnen." „Sie rief heute morgen an und berief das Meeting ein, Mr. McCabe." 122
„Was?", rief Garrett. „Wann?" „Vor zehn Minuten. Mein Kumpel hat es mitbekommen." „Dein Kumpel hat nicht alle Tassen im Schrank. Wenn er wieder klar im Kopf ist, ruf mich an. Aber nicht heute morgen. Ich hänge jetzt das Telefon aus." Garrett legte auf und zog den Stöpsel aus dem Apparat. Er hatte nicht vor, sich beim Frühstück mit Emily stören zu lassen. Und später, später würden sie sich lieben. „Emily", rief er und ging zum Schlafzimmer. „Hier ist der Kaffee. Und die Zeitung." Der Anblick des leeren Bettes verschlug ihm die Sprache. „Emily?" Er schaute im Bad nach, doch dort war sie auch nicht. Erst, als er in die Küche kam und ihre Kleider nicht mehr vorfand, begriff er, daß sie fort war. „Verdammt", murmelte er. Offensichtlich hatte Alvin die Wahrheit gesagt. Aber sie durfte den Vertrag nicht unterschreiben, bevor sie nicht mit ihm darüber geredet hatte. Was zum Teufel bezweckte sie mit ihrem Anruf bei Parker?" Dann fiel ihm ein, daß es ihr vielleicht als einziger Weg erschienen sein konnte, mit ihm, Garrett, zu leben, wenn sie verkaufte und nach Kalifornien zog. Sie war dabei, den größten Fehler ihrer beruflichen Karriere zu machen, und er war der Grund dafür. Was soll ich jetzt tun, fragte er sich. Ich habe nicht den geringsten Beweis, daß Parker ein krummes Ding mit ihr vorhat. Wenn wir Glück haben, ist es sogar das beste, was sie tun kann. Ich behalte meinen Job, und sie kommt nach Kalifornien. Auf den ersten Blick erschien es sogar als die angenehmere Lösung. Wenn Richard Parker nicht gewesen wäre. Garrett durchwühlte die Einkaufstüten, die Emily gestern mitgebracht hatte. Da sie ihm erzählt hatte, sie habe eine Kopie des Vertrags dabei, hoffte er, sie dort zu finden. Endlich fand er die Papiere auf einer Ablage neben dem Kühlschrank. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, daß er genau noch eine Stunde Zeit hatte herauszufinden, was Parker mit Emily Taylor vorhatte. Doch nach fünf Minuten erkannte er, daß er Hilfe brauchte, um die Klauseln des Vertrags zu verstehen. Josh! dachte er, nahm seine 123
Schlüssel und rannte zur Tür. Wenn er Glück hatte, erwischte er seinen Freund, bevor dieser ins Büro ging. Auf sein Klopfen öffnete Taryn ihm die Tür. Ihr Haar war zerzaust, und sie trug einen Morgenmantel. „Hallo, McCabe. Was ist los?" „Ist Josh noch da?" Sie nickte. „Josh", rief sie ins Zimmer. „Garrett ist hier." Sie trat zurück und ließ Garrett ein. „Ich bringe dir eine Tasse Kaffee." Garrett war zu nervös, um sich zu setzen. Er lief im Zimmer auf und ab und versuchte, ruhiger zu werden. Eine Minute später erschien Josh, bereits in Anzug und Krawatte. „Was gibt es, McCabe?" Garrett hielt ihm den Vertrag hin. „Ich brauche deine Hilfe", sagte er. „Ich muß einen Grund finden, warum Emily den Vertrag mit Parker nicht unterzeichnen soll. Und diesen Grund brauche ich schnell." „Sind sie da drin?" fragte Garrett und ging einfach an der Sekretärin Richard Parkers vorbei in Richtung Sitzungszimmer. „Sie dürfen dort nicht hinein", rief sie. „Mr. McCabe, kommen Sie sofort zurück! Dies ist ein internes Meeting." Die Sekretärin lief ihm nach, konnte ihn aber nicht aufhalten. Er riß die Tür zum Sitzungszimmer auf, so daß diese gegen die Wand donnerte und ein paar Gemälde zum Wackeln brachte. Die fünf Leute, die sich in Parkers Büro befanden, drehten sich um. Emily, Nora, Richard Parker und die zwei Anwälte starrten ihn erschrocken an. Garrett bemerkte, daß Emily erhitzt und müde aussah. Am liebsten hätte er sie sofort in die Arme genommen und getröstet. „Es tut mir leid, Sir", sagte die Sekretärin nun. „Ich habe versucht, ihn aufzuhalten, aber …" „Schon gut", erwiderte Parker und musterte Garrett arrogant. „Vielleicht möchte er uns erklären, was hier eigentlich vorgeht." „Er … er hat hiermit nichts zu tun", sagte Emily. „Dies ist meine eigene Entscheidung." Garrett trat auf die Gruppe zu. „Emily, wir müssen miteinander reden." „Meinen Sie nicht, es wäre etwas zu spät, um noch zu reden, Mc124
Cabe?" Nora mischte sich ein. „Rede mit ihm, Emily." Einer der Anwälte räusperte sich. „Ich würde Ihnen nicht empfehlen, im Moment mit irgend jemandem zu sprechen, Miss Taylor. Jedenfalls nicht ohne Ihren Anwalt." „Ich werde nicht mit ihm sprechen. Er hat nichts damit zu tun", antwortete sie ruhig. „Dies ist meine Entscheidung, und was auch immer er vorbringen könnte, würde sie nicht ändern." Garrett sah ihr direkt in die Augen. „Emily, ich will dich zu nichts überreden. Aber du bedeutest mir sehr viel. Deshalb wollte ich dir einige Dinge erklären, die du hättest wissen müssen, bevor du diesen Vertrag unterzeichnetest." „Ich habe Ihre Talente falsch eingeschätzt, McCabe", sagte Parker bissig. „Denn ich bin davon ausgegangen, daß Sie Miss Taylor von den Vorteilen eines Verkaufes an Parker Publishing überzeugen können. Harten wir nicht eine Abmachung?" „Eine Abmachung?" Emily sah Parker fragend an. „Ich verstehe nicht. Was hat Garrett mit dem Verkauf von ,At Home' zu tun?" Garrett lachte bitter. „Dank Mr. Parker stecke ich bis zum Hals in dieser Affäre." „Wieso?" „Du hast keine Ahnung, was für ein Mensch Richard Parker ist, Emily. Und du weißt nicht, welche Teufeleien er ausgeheckt hat, um dich dazu zu bringen, diesen Vertrag zu unterschreiben." Parker lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch. „Schenken Sie uns doch Erleuchtung, McCabe, und sagen Sie uns, wer der Mann ist, der Ihren monatlichen Gehaltsscheck unterschreibt." „Ich möchte mit Emily unter vier Augen sprechen", sagte Garrett. „Komm, Emily. Nimm diesen Vertrag und zerreiße ihn." Ihr Anwalt erhob sich. "Also, wie schon gesagt, sollte Miss Taylor nicht …" „Es reicht", sagte Garrett mit Schärfe. „Sie wird mit mir reden, und zwar allein." Emily schüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht mit. Was du zu sagen 125
hast, können alle hören." „Na schön", erwiderte Garrett. „Dann paß auf! Parker war besorgt, daß du dem Verkauf nicht zustimmen würdest. Darum wollte er mich benutzen, um durch meinen Einfluß Druck auf dich auszuüben." „Dich benutzen? Wie denn?" „Er wollte, daß ich dich … wie nannte er es … mit meinen Verführungskünsten bestricke", sagte Garrett offen. „Dann erwartete er von mir, daß ich ihm berichte, was du über den Gang der Verhandlungen erzählst. Um das alles etwas zu beschleunigen, gab er mir zu verstehen, daß mein Job auf dem Spiel stehe, wenn ich nicht tue, was er verlangt." „Das ist eine Lüge", behauptete Parker. „Und hast du es getan?" wollte Emily wissen. Garrett schüttelte den Kopf. „Ich habe ihm nie etwas erzählt, das er nicht ohnehin schon wußte. Darüber hinaus berichtete ich einiges, was nicht der Wahrheit entsprach." „Das meinte ich nicht", sagte sie zögernd. „Sag mir, ob du deswegen soviel Zeit mit mir verbracht hast." „Nein", antwortete Garrett wütend. „Du weißt, wie ich über diesen Verkauf denke. Und mein Job ist mir egal." „Ich glaube dir nicht", entgegnete Emily mißtrauisch. „Das alles war Teil des Plans. Die Kolumne, die Entschuldigung, die Zeit, die wir miteinander verbracht haben. So, wie das alles lief, wäre ich nie dahinter gekommen. Ihr habt alle gedacht, ich wäre eine kleine, naive Hausfrau, die man manipulieren kann." „Du weißt genau, daß das nicht wahr ist", sagte Garrett. „Ich habe niemals versucht, dich zum Verkauf zu überreden. Tatsache ist, daß ich ständig versucht habe, es dir auszureden." „Ist das wahr?" fragte Nora und faßte Emily am Arm. „Ist er daran schuld, daß du den Vertrag nicht unterschrieben hast?" Garrett starrte Emily überrascht an. „Du hast den Vertrag platzen lassen?" „Sie haben gegen mich intrigiert, McCabe", mischte sich Parker ein. „Soviel kann ich Ihren Ausführungen entnehmen." Garrett lachte ihm ins Gesicht. „Genau. Vorsätzlich und erfolg126
reich. Sie sind der letzte, dem Emily ihre Zeitschrift verkaufen sollte. Sie wollten nicht Emily Taylor, sondern ihren Namen und die Millionen, die Sie damit verdienen können. Es wird Zeit, daß die Leute hier im Zimmer erkennen, wie mies Sie sind, Parker." Parker lächelte dünnlippig. „Und Sie sind …" „Sparen Sie sich das", unterbrach ihn Garrett. „Ich kündige." „Sie sind entlassen!" schrie Parker. „Pech gehabt. Ich kündige", entgegnete Garrett. „Den Triumph, mir zu kündigen, lasse ich Ihnen nicht." Er ging zu Parkers Schreibtisch hinüber, nahm einen Stoß Papier, der dort lag und fragte: „Ist das der Vertrag?" Emily nickte. Garrett zerriß ihn und warf ihn auf den Schreibtisch. „Wenn Sie uns nun entschuldigen wollen, Miss Taylor und ich haben noch etwas zu besprechen, bevor ich meinen Schreibtisch räume." Garrett nahm Emily an der Hand und zog sie vom Stuhl hoch. „In dieser Stadt werden Sie nie wieder einen Job bekommen, dafür sorge ich, McCabe", brüllte Parker. „Und Sie, Miss Taylor, haben die Chance Ihres Lebens vertan. Ein Jahr, und Ihre lächerliche Zeitschrift ist ruiniert." Emily drehte sich um und sah Parker furchtsam an, doch Garrett schob sie rücksichtslos aus dem Sitzungszimmer. „Vielleicht hat er recht", meinte Emily leise. „Vielleicht mache ich wirklich einen Fehler, wenn ich den Vertrag nicht unterzeichne." „Er will dich nur einschüchtern, Emily", beruhigte sie Garrett. „Früher oder später hätte Parker deine Zeitschrift so verändert, daß du ,At Home' nicht mehr wiedererkannt hättest. Wahrscheinlich wären Nora und du überhaupt nicht mehr Teil davon gewesen." Emily befreite sich aus seinem Griff. „Warum hast du mir das nicht einfach gesagt?" „Ich wollte ja. Heute morgen beim Frühstück. Doch dann warst du verschwunden." „Warum nicht früher?" „Ich hatte keine Beweise, solange ich keine Kopie des Vertrags gesehen hatte. Und als sie mir dann vorlag, habe ich kein Wort davon 127
verstanden, so daß Josh mir die Paragraphen erläutern mußte. Er war der Meinung, du hättest Grund, mißtrauisch zu sein." Emily blieb stehen, kreuzte die Arme über der Brust und schob das Kinn vor. „Na gut, aber du hättest nicht den Ritter spielen müssen, der mich aus den Klauen Parkers errettet. Ich bin absolut in der Lage, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Ich wußte, daß irgend etwas faul war", gestand sie. „Deshalb habe ich nicht unterschrieben. Dich brauchte ich dazu nicht." „Emily, ich sorge mich aber um dich", sagte er und nahm sie in die Arme. Sie machte sich los. „Danke, aber wie du sehen kannst, ist alles wunderbar gelaufen." „Was ist los mit dir?" wollte Garrett wissen. „Nichts." „Warum fahren wir dann nicht nach Malibu und holen deine Sachen aus der Villa, bevor Parker sie auf die Straße werfen läßt?" schlug Garrett vor. „Du kannst bei mir bleiben, bis du wieder nach Hause willst. Wir gehen heute nachmittag in die Stadt und kaufen Töpfe und Pfannen. Und alles andere auch, was man in der Küche benötigt. Dann lehrst du mich kochen." Emily vermied seinen Blick und blinzelte nervös. „Nora und ich fliegen heute nachmittag zurück an die Ostküste. In zwei Stunden, um genau zu sein." Garrett umfaßte ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Warum, Emily? Warum gehst du, wenn sich für uns alles zum Guten wendet?" Sie schluckte hart und zuckte dann in gespielter Gleichgültigkeit die Achseln. „Nur weil wir letzte Nacht miteinander geschlafen haben, müssen wir noch lange nicht zusammenbleiben. Wir sind erwachsen und stellen unsere eigenen Regeln auf." Garrett lachte. „Komm schon, Emily. Du willst mich doch nur zum Besten halten. Deine Gefühle liegen anders. Ich weiß, daß letzte Nacht mit uns etwas ganz Besonderes geschehen ist. Das kannst du nicht leugnen." „Es war toll", bestätigte Emily betont lässig. 128
„Warum hast du mit mir geschlafen, wenn du nichts für mich empfindest?" „Um Erfahrung zu sammeln", antwortete sie. „Ich wollte wissen, ob ich es noch kann." „Ich glaube dir nicht", sagte Garrett. „Sag mir die Wahrheit." Sie holte tief Atem. „Ich war bereits einmal verheiratet, und es war keine Erfahrung, die ich wiederholen möchte. Ich bin ein Versager in langfristigen Beziehungen, und ich riskiere nicht, mein Gleichgewicht zu verlieren." „Dein Exmann war ein Versager, nicht du, Emily", gab Garrett zurück. „Ich habe zuviel erwartet." „Nur das, was du verdienst. Einen Mann, der dich liebt und dich glücklich macht. Der dich bewundert für das, was du tust." „Und was habe ich denn schon zu bieten, Garrett?" „Wenn du das mittlerweile nicht weißt, Emily, dann ist dir nicht zu helfen. Du mußt es selbst herausfinden. Wenn du aufhörst, an dir selbst zu zweifeln, begreifst du vielleicht, welche Möglichkeiten es für uns beide gibt." „Tut mir leid, aber ich glaube nicht, daß das je geschieht." Er hätte sie am liebsten geschüttelt, doch statt dessen küßte er sie tief und leidenschaftlich. „Ich glaube, doch", sagte er. „Emily?" Garrett drehte sich um. Nora stand hinter ihm und beobachtete die Szene. „Ich bin abfahrbereit, Emily. Das Flugzeug wartet nicht. Unser Anwalt räumt die Scherben weg, die wir hinterlassen haben. Kommst du mit?" Emily nickte und befreite sich aus Garretts Umarmung. „Tu es nicht, Emily", beschwor Garrett sie. „Du kannst doch nicht einfach vergessen, was letzte Nacht zwischen uns geschehen ist." Sie blieb stehen und lächelte ihn unter Tränen an. „Das werde ich auch nicht", sagte sie, nahm Nora am Arm und eilte mit ihr davon. Garrett starrte ihr hinterher und lachte dann ärgerlich. Was für eine Ironie des Schicksals! Vielleicht war es genau das, was er nach so 129
vielen Jahren verdiente, die er als ewiger Junggeselle bindungslos dahingelebt hatte. Er hatte Frauen geliebt und verlassen, als wäre es ein Sport. Und jetzt, da er endlich eine Frau gefunden hatte, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte, gab sie ihm den Laufpaß. „Laß sie gehen", murmelte Garrett. „Zurück in ihre kleine, abgeschirmte Welt mit ihren Blumenbeeten, ihrem Gemüse und ihrer Kochkunst." Ich brauche sie nicht, dachte er: Lange genug bin ich ohne sie ausgekommen, und ich werde es wieder können.
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11. KAPITEL
Emily stieß den Spaten ins Beet, wendete ihn und gab die fruchtbare, dunkle Erde der Frühlingssonne preis. Dann nahm sie einen Klumpen in die Hand und roch daran. Sie liebte den intensiven Geruch von frischer Erde, besonders im Frühling, wenn das junge Gras sproß und eine warme Brise vom Meer her wehte. Seit ihrer Heimkehr letzte Woche war sie nicht dazu gekommen, ins Freie zu gehen. Ihr Garten blieb sich selbst überlassen und warf in der Zwischenzeit das Winterkleid ab. Heute aber hatte sie endlich Zeit gefunden, Beete umzugraben und die Erde zu lockern. Ihre Wangen brannten vom frischen Wind, und in ihren Locken fanden sich kleine Zweige und Blätter. Zum ersten Mal, seit sie Garrett McCabe in Kalifornien zurückgelassen hatte, stieg ein Hoffnungsschimmer in ihr auf, daß es irgendwann wieder ein normales Leben für sie geben würde. Die Suche nach einem neuen Verleger hatte Nora und sie sofort nach ihrer Rückkehr beschäftigt, obwohl Emily wenig Lust dazu hatte. So machte sie sich lieber in ihrem Garten zu schaffen und versuchte zu vergessen. Doch das schien unmöglich. Die Erinnerung an Garrett kam ständig zurück, Tag und Nacht stand sein Bild vor ihren Augen, sie hörte seine Stimme und spürte wieder seine Hände auf ihrer Haut. Die Entfernung änderte nichts an den nagenden Zweifeln, die sich schon auf dem Rückflug von Los Angeles eingeschlichen hatten. Wäre eine Beziehung zwischen uns vielleicht doch möglich gewesen, fragte sie sich und schüttelte gleich darauf den Kopf. Sie ließ den Klumpen Erde fallen und rief sich alle Ängste und Zweifel in Erinnerung, den Schmerz, den Eric ihr zugefügt hatte, als er sie verließ. Aber selbst das überzeugte sie nicht mehr. Garrett war nicht Eric. Er wußte um ihre Unsicherheit, ihre Versagensängste. Und trotzdem akzeptierte er sie so wie sie war. Nur, wie konnte sie feststellen, ob Garrett sie liebte? 131
Gab es dafür eine Methode? Oder mußte sie auf ihre Gefühle vertrauen? Elf Jahre hatte sie allein verbracht, ohne einen Mann überhaupt zu vermissen. Sie besaß alles, was sie brauchte: ein Zuhause, das ihr gehörte, einen Beruf, den sie liebte, und eine Zeitschrift, die viele tausend Leserinnen und Leser im ganzen Land hatte. All das schien ihr jedoch nun zweitrangig. Die Zukunft bot ihr langweilige, normale Tage und einsame Nächte. Es hatte Zeiten gegeben, da sie ihr Alleinsein genossen hatte. Doch nun war ihr Garrett McCabe begegnet, und mit ihm waren Wärme und Liebe in ihr Leben eingekehrt - für kurze Zeit. „Ich werde irgendwann wieder glücklich sein", rief sie hinauf in die Kronen der Bäume. „Glücklich!" Dies versicherte sie sich seit ihrer Rückkehr tausendmal am Tag. „Das hoffe ich auch!" rief es zurück. Emily sah auf und erblickte Nora, die in Anorak, schmutzigen Jeans und Gummistiefeln vor dem Haus stand. Emily winkte ihr zu, und Nora kam über den Rasen auf sie zu. „Was machst du denn hier?" fragte Emily. „Ich habe dir etwas mitgebracht, um dich aufzuheitern." „Was denn?" „Schafsmist", sagte Nora. Sie blieb neben Emily stehen und besah sich den Garten. „Richtig guten Mist. Er ist in meinem Transporter. Wo möchtest du ihn hinhaben?" „Nicht vor die Haustür", rief Emily. „Fahr hinten herum, dann laden wir ihn am Zaun ab." „Wie geht's denn sonst so?" „Prima. Ich habe mich um die Rosen gekümmert, und die mehrjährigen Stauden kommen alle." „Das meinte ich nicht, Emily." „Mir geht's gut." „Hast du etwas von ihm gehört?" Emily schüttelte den Kopf. „Das erwarte ich auch nicht. Er hat sein Leben, ich habe meins." „Jedenfalls hat er keinen Job mehr", sagte Nora. „Wegen dir." 132
„Wegen mir? Das ist nicht wahr." „Nein? Er hat seinen Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt, um zu verhindern, daß du den Vertrag unterschreibst." „Woher soll ich wissen, daß das wahr ist? Weißt du, ob Parker uns wirklich hereinlegen wollte?" „Ich bin mittlerweile ziemlich sicher", erwiderte Nora. „Unser Anwalt hat sich den Vertrag, den Garrett zerriß, angesehen und daraufhin ehemalige Geschäftspartner Parkers angerufen, die ihm von ihren schlechten Erfahrungen berichteten. Parker wollte die völlige Kontrolle über ,At Home', Emily. Er hätte uns entlassen, wenn er uns nicht mehr gebraucht hätte." „Garrett hat mich trotzdem angelogen." „Wieso? Er hat nur versucht, dich zu schützen." „Er hätte mir von Parkers Absichten früher erzählen können." „Ich glaube, du benutzt das nur als Vorwand, Emily." „Warum verteidigst du ihn?" fragte Emily irritiert. „Ich dachte, du fändest ihn genauso mies wie Eric." „Wenn ein Mann auf diese Art und Weise für dich kämpft, verdient er es nicht, mit Eric in einen Topf geworfen zu werden." Emily seufzte und begann wieder, ihren Spaten in die Erde zu stechen. „Was ist der wahre Grund dafür, daß du ihn nicht wiedersehen willst, Emily?" Sie hielt inne, stützte sich auf den Spaten und sagte: „Ich habe Angst." „Vor was?" „Daß Garrett mich irgendwann genauso langweilig findet wie Eric. Als wir heirateten, haben wir uns geliebt, Nora. Aber in den fünf Jahren unserer Ehe hat sich viel verändert. Wer sagt mir, daß das mit Garrett nicht auch passiert?" „Niemand kann dir eine Garantie für ewige Liebe geben, Emily. Vertrau einfach auf dein Herz. Vertraue Garrett." „Garrett liebt mich nicht", sagte Emily leise. „Er will nicht heiraten und eine Familie gründen. Es war für ihn einfach nur eine schöne Nacht, und jetzt ist es vorbei." 133
„Wenn du das glaubst, würde nicht einmal eine Tonne Schafsmist helfen, deine Stimmung zu heben", meinte Nora grinsend. Emily kicherte und wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange. „Wahrscheinlich nicht. Aber ein paar Säcke Torf vielleicht." Nora legte ihr den Arm um die Schultern. „Los, komm. Wir laden den Hänger ab, und dann fahren wir in die Stadt und kaufen Torf." Emily schlang ihre Arme um Noras Hals. „Du bist die beste Freundin, die ich jemals finden konnte, Nora." Sie tätschelte Emilys Rücken. „Ich weiß, ich weiß. Es ist eine schwere Aufgabe, aber irgend jemand muß sie ja übernehmen." Emily sah sie an und lächelte. Nun ging es ihr bereits ein wenig besser. Und ein Einkaufsbummel im Gartencenter war unter Garantie ein prima Heilmittel für trübe Stimmungen. „Geben Sie die Gewürzmischung ins Wasser zu den Makkaroni", las Garrett laut. Er schaute in den Topf und dann wieder auf die Packung. Einfache Zubereitung, hieß es. Josh Banks hatte sich früher oft mit Käse überbackene Makkaroni auf diese Art gekocht. Doch irgendwie sah das alles nicht ganz richtig aus. Die Makkaroni erschienen ihm wesentlich größer, als er es in Erinnerung hatte. Und wie sollte er die Gewürzmischung auflösen, wenn gar kein Wasser mehr im Topf war? Vielleicht befand sich die ganze Flüssigkeit in den Röhren der Nudeln? Kopfschüttelnd riß er die Packung auf und gab das rötliche Pulver zusammen mit einem guten Schuß Milch in den Topf. Dann fügte er noch ein Stück Butter hinzu. „Sieht wie Makkaronisuppe aus", meinte er, schaute nochmals auf die Packung und stellte den Topf wieder auf den Herd. „Wahrscheinlich muß es noch eine Weile kochen." Garrett spähte in die Mikrowelle, wo seit zehn Minuten Hot Dogs vor sich hingarten. Allerdings sahen sie mittlerweile nicht mehr wie Hot Dogs aus. Er riß die Tür auf. Merkwürdigerweise schienen die Hot Dogs explodiert zu sein. Jedenfalls hatten sich kleine Stückchen dessen, was sein Hauptgericht werden sollte, überall in der Mikrowelle verteilt. „Scheint doch keine so gute Idee gewesen zu sein", gab er zu. 134
Er sah sich in Emilys Küche um und stellte fest, daß er sie, nachdem Nora ihn eingelassen hatte, innerhalb einer Stunde in ein Chaos verwandelt hatte. Trotzdem gab er sich alle Mühe mit dem Essen, das er zubereiten wollte. Emilys Dinner war ihm noch lebhaft in Erinnerung - und auch das, wohin es geführt hatte. Also würde er dasselbe wagen. Vielleicht konnten Hot Dogs und überbackene Makkaroni dazu beitragen, daß es für sie beide einen Neuanfang gab. Er blickte auf seine Armbanduhr. Emily würde um sieben Uhr aus dem Büro nach Hause kommen. Garrett wischte sich die Hände an der Schürze ab, die er umgebunden hatte und machte sich daran, eine Flasche Wein zu öffnen. Dann begab er sich auf eine Besichtigungstour durch Emilys Haus. Es war ein wunderschönes Anwesen, zwischen Middletown und Newport gelegen. Das geräumige Cottage spiegelte Emilys Wesen hell und schön, warm und fröhlich. Jedes Möbelstück, jedes Gemälde und auch der dekorative Schnickschnack wirkte sorgfältig ausgewählt. Merkwürdigerweise fühlte Garrett sich hier mehr zu Hause als in seinem eigenen Apartment. Umgeben von Dingen, die Emily liebte, spürte er ihre Anwesenheit selbst, wenn sie nicht da war. Er wanderte weiter und gelangte ins Schlafzimmer. Hier zog ein großes Himmelbett seine Aufmerksamkeit an. Er schlug die Vorhänge zurück und lächelte, als er die geblümte Bettwäsche sah. Es störte ihn nicht mehr. In welchen Laken er die Nächte verbrachte, war ihm egal, solange Emily an seiner Seite lag. Dann gab es noch ein Büro und einen separaten Schlafraum, sowie das Eßzimmer. Hier erst erinnerte er sich daran, daß er den Tisch noch nicht gedeckt hatte. Garrett setzte sich auf einen Stuhl und trank einen großen Schluck direkt aus der Weinflasche. Müde rieb er sich die Augen. Seit vierundzwanzig Stunden hatte er nicht geschlafen. Los Angeles hatte er zwei Wochen nach Emily den Rücken gekehrt. Es waren zwei furchtbare Wochen gewesen. Er vermißte Emily unendlich, doch er wußte, daß er ihr Zeit geben mußte, seine Gefühle für sie zu akzeptieren. Er konnte nur hoffen, daß sie ihn ebenso vermißt hatte. 135
Von Los Angeles aus war er direkt nach Boston geflogen, wo er ein Bewerbungsgespräch beim Chefredakteur des „Globe" gehabt hatte. Vier Stunden später besaß er einen neuen Job und damit alles, was er benötigte, um sein Leben mit Emily zu teilen. Spontan rief er von Boston aus Nora im Büro an, um sie nach dem Weg zu Emilys Heim zu fragen. Er fand ihre Unterstützung und gelangte so ins Haus. Das mit dem Abendessen war ihm später eingefallen. Jetzt dachte er, daß er die Kocherei lieber gelassen hätte. Er seufzte und schloß die Augen. Etwas anderes als Gerichte aus dem Schnellrestaurant brachte er einfach nicht auf den Tisch. Doch mit dem Essen hatte er Emily beweisen wollen, daß er Interesse und Verständnis für ihre Arbeit aufbrachte. Obwohl er nicht wußte, ob sie ihn in ihrer Küche oder in ihrem Bett überhaupt jemals wieder haben wollte. Ein überraschter Aufschrei ließ ihn hochfahren. Im Aufstehen warf er den Stuhl um und lief in die Küche. Emily stand mit wütend funkelnden Augen in der rückwärtigen Tür zur Küche. Garrett grinste und winkte ihr zu. „Hallo, Süße. Wie war dein Tag?" Sie schrie vor Schreck auf. „Was … was machst du denn hier?" wollte sie wissen. „Wie bist du hereingekommen?" Sie kam in die Küche und sah sich um. „Und wer hat dieses Chaos hier veranstaltet?" Sie sah noch schöner aus, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Ihr kupferfarbenes Haar lockte sich wild um ihr zartes Gesicht, und ihn verlangte danach, sie in die Arme zu schließen. „Tut mir leid, das mit der Küche", sagte Garrett. „Ich wollte eigentlich noch aufräumen, bevor du kommst." „Es tut dir leid? Du brichst in mein Haus ein, ruinierst meine Küche, und das ist alles, was dir dazu einfällt?" fauchte sie. „Ich bin nicht eingebrochen. Nora hat mir aufgeschlossen." „Verdammt", entfuhr es Emily. „Wann wird sie endlich lernen, sich aus meinem Leben herauszuhalten?" Er grinste. „Sie weiß halt, wie sehr du mich vermißt hast." „Habe ich nicht. Dein Charme zieht bei mir nicht mehr, Garrett 136
McCabe." Er ging langsam auf sie zu, und Emily wich zurück, so daß der große Küchenblock in der Mitte des Raumes zwischen ihnen war. „Du hast mich wirklich nicht vermißt?" „Nein", sagte sie und griff nach einem Apfel, der in einem Korb auf der Anrichte lag. Angriffslustig hob sie den Arm. „Emily, Emily! Du wirst doch nicht etwa wieder Nahrungsmittel nach mir werfen?" „Ich will, daß du hier verschwindest", befahl sie. „Sofort." „Was in Parkers Büro geschehen ist, ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Und ich glaube dir einfach nicht, daß deine Gefühle sich geändert haben." „Woher willst du wissen, was ich empfinde?" „Du liebst mich, Emily", sagte Garrett einfach. Emily lachte. „Tue ich nicht." „Und ich liebe dich." Erschrocken ließ sie den Arm mit dem Apfel sinken. Die Frucht fiel ihr aus der Hand und rollte über den Küchenfußboden. „Es ist die Wahrheit. Ich liebe dich." „Woher willst du das wissen?" „Ganz einfach. Ich habe nie zuvor eine andere Frau geliebt. Es gibt für mich keinen Zweifel, Emily." „Sag es noch einmal", bat Emily. „Ich liebe dich." Garrett warf den Kopf in den Nacken und lachte glücklich. „Ich liebe Emily Taylor", rief er. „Und ich will, daß alle es wissen." Sie sah ihn eine Weile stumm an. Endlich sprach sie. „Und Emily Taylor liebt dich." Garrett breitete seine Arme aus. Sie lief um den Küchenblock herum und warf sich ihm an den Hals. Er küßte sie liebevoll und sanft, doch die Zärtlichkeit war erfüllt von dem verborgenen Verlangen der letzten Wochen. Sie seufzte, als er kleine Küsse auf ihren Augen und ihren Wangen verteilte, bevor er ihren Mund mit seinen Lippen erneut in Besitz nahm. Dann löste sie sich von ihm und schnupperte. „Was riecht da?" Sie 137
ging hinüber zum Herd und schaute in den Topf. „Um Himmels willen!" rief sie, schaltete die Herdplatte aus, nahm den Topf herunter und drehte ihn auf den Kopf. Nichts geschah. „Was war da drin?" „Unser Abendessen." Sie schüttelte den Kopf. „Bitte, eines mußt du mir versprechen. Betätige dich nie wieder ohne Vorwarnung in meiner Küche." „Ich weiß nicht, ob ich das versprechen kann", sagte er und nahm sie erneut in die Arme. „Wieso?" „Weil wir heiraten werden", erläuterte Garrett. „Und wenn wir heiraten, möchte ich kochen. Wir teilen uns die Arbeit." „Was?" entfuhr es Emily. „Na ja, es ist doch bloß fair, wenn wir die Hausarbeit gemeinsam erledigen." „Ich meine nicht das Kochen. Was hast du zuvor gesagt?" „Daß wir heiraten werden", wiederholte Garrett. „Soll das ein Heiratsantrag sein?" „Ich nehme an, du willst, daß ich es ordentlich mache", seufzte Garrett. Emily nickte. Garrett ließ sich auf ein Knie nieder, sah zu ihr auf, nahm ihre rechte Hand und sagte: „Emily Taylor, willst du meine Frau werden?" Sie sah ihn aus funkelnden grünen Augen an. „Warum sollte ich dich heiraten, Garrett McCabe?" Er räusperte sich. „Weil ich dich liebe und mein ganzes Leben mit dir verbringen will." Er dachte einen Moment nach und fügte hinzu: „Oh, und weil ich zugesagt habe, für den ,Boston Globe' einen Artikel über das Leben als Ehemann zu schreiben." Emily lachte hell auf. „Du bist entsetzlich. Was soll ich bloß mit dir machen?" Garrett zog sie herunter zu sich und schloß sie in die Arme. „Nun, wir befinden uns in der Küche", neckte er und knabberte an ihrem Ohrläppchen. „Und wir sind beide erwachsen." Er küßte sie in den Nacken und hörte, wie sie schneller atmete. „Und wir stellen unsere eigenen Regeln auf." 138
„Hm", gab sie zur Antwort. Er sah sie an, bis sie die Augen wieder öffnete. „Warum verführst du mich nicht noch einmal?"
- ENDE -
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