Zwei Freunde – das sind Georg, die eigentlich Georgina heißt, und der Hund Tim. Noch bevor sie als Fünf Freunde weltber...
14 downloads
888 Views
4MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Zwei Freunde – das sind Georg, die eigentlich Georgina heißt, und der Hund Tim. Noch bevor sie als Fünf Freunde weltberühmt werden, gehen Georg und Tim schon zusammen durch dick und dünn und lösen mutig ihre ersten Fälle, in diesem Band erleben sie ein neues Abenteuer. Bei einem Spaziergang trifft Georg auf den verängstigten und hungrigen kleinen Philipp und nimmt sich seiner an. Nachdem sie zufällig ein Gespräch zweier Erwachsener mit angehört hat, ist klar: Philipp wurde ganz offensichtlich entführt. Georg versteckt den Jungen auf der Felseninsel. Bald aber kommen ihr die beiden Entführer auf die Spur …
DIE AUTORIN
Enid
Blyton
starb 1968 im Alter von 71 Jahren Bereits zu Lebzeiten war sie eine der beliebtesten und bekanntesten englischen Autorinnen Es gibt wohl kaum einen Schriftsteller, der größeren Einfluss auf das Kinderbuch der Nachkriegszeit hatte. Enid Blyton liebte die Kinder in aller Welt und schrieb für sie etwa 700 Bucher, 10 000 Kurzgeschichten viele Lieder, Gedichte und Theaterstücke
Zwei Freunde und der unbekannte Junge Aus dem Englischen von Anna Claudia Wang Illustriert von Lesley Harker
OMNIBUS
Der OMNIBUS Verlag gehört zu den Kinder- & Jugendbuch-Verlagen in der Vcrlagsgruppe Random House München Berlin Frankfurt Wien Zürich www.omnibus-verlag.de
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform 1. Auflage 2002 © 2001 für die deutschsprachige Ausgabe OMNIBUS/C. Bertelsmann Jugendbuch Verlag, München m der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten © für den Originaltext 2000 Enid Blyton Limited, London Enid Blytons Unterschrift ist ein eingetragenes Warenzeichen von Enid Blyton Limited. Die englische Ausgabe erschien unter dem Titel »Just George - George, Timmy and the Stranger in the Storm« bei Hodder Headline Limited, London, und wurde geschrieben von Sue Welford. The right of Sue Welford to be identified as the Author of the Work has been asserted by her in accordance with the Copyright, Designs and Patents act 1998. © für die Innenillustrationen 2000 Lesley Harker Übersetzung: Anna Claudia Wang Umschlagbild: Michael Braman/Which Art Umschlagkonzeption und Reihengestaltung: Atelier Langenfass st - Redaktion: Brigitta Taroni (Büro linguart, Zürich) Satz: Uhl + Massopust, Aalen Druck: GGP Media, Pößneck ISBN 3-570-12648-X Printed in Germany
Inhalt 1 Ein ungebetener Gast
8
2 Der Fremde im Sturm
19
3 Philipp
32
4 Rätsel über Rätsel
41
5 Ein Plan
54
6 Würste in der Hosentasche
64
7 Das Nachtlager
72
8 Flucht auf die Felseninsel
81
9 Die Schmugglerkate
92
10 Noch einmal auf die Felseninsel
100
11 Diebe im Morgengrauen
112
12 Ausgetrickst!
122
13 Wieder zu Hause
131
1 Ein ungebetener Gast
»Ach Tim, das ist wunderbar«, seufzte Georg, die es sich auf dem warmen goldenen Sand gemütlich machte und dem Rauschen des Meeres zuhörte. Sie hatte sich eine Kuschelkuhle gegraben und für Tim, ihren jungen Hund, eine kleinere. »Ist es nicht toll, dass wir auf dieser aufregenden Insel spielen können, wann immer wir wollen?« Georg war sehr glücklich und mehr als satt, nachdem sie das köstliche Picknick, das sie mit auf die Insel genommen hatte, bis auf den letzten Krümel verputzt hatte. Es bestand aus Broten mit kna8
ckigem Salat und reifen Tomaten aus dem Garten drauf, einem saftigen Apfel und einem Stück hausgemachtem Schokoladenkuchen. Sie hatte alles verdrückt und am Ende mit einer Sprudellimonade hinuntergespült. »Wulf«, antwortete ihr zottiger brauner Hund und kuschelte sich neben sie in seine eigene kleine Kuhle. Er legte die feuchte Nase zwischen die Pfoten und starrte den Möwen nach. Am liebsten hätte er sie gejagt, aber er wusste, dass er das nicht durfte. Auch Tim war glücklich und satt. Johanna, die freundliche Haushaltshilfe von Georgs Mutter, hatte für ihn eine Tüte mit seinen Spezialhundekeksen in den Picknickkorb gepackt und er hatte sie genüsslich verschlungen. »Ich wusste, du würdest mir zustimmen«, lachte Georg, die sich aufsetzte und Tim umarmte. »Du verstehst immer ganz genau, was ich sage.« Georg hatte den kleinen Hund einst mutterseelenallein im Moor gefunden, das ein Stück von ihrem Haus entfernt lag. Als sich auf ihre Suche hin niemand meldete, hatte sie ihn behalten dürfen – unter der Bedingung, dass er brav war. Leider war er das oft ganz und gar nicht. Tim hatte bereits die Lederpantoffeln und die Aktentasche von Georgs Vater zerkaut. Der Küchenteppich schien ihm ebenfalls zu schmecken und in die Blumenbeete ihrer Mutter hatte er unzählige Löcher gebuddelt. Er war 9
deswegen schon oft aus dem Haus verbannt worden, aber bis jetzt hatte Georgs Vater immer wieder eingelenkt und ihm verziehen. Heute allerdings war Tim sehr brav. Er hatte mit Georg einen wunderbaren Tag mit vielen Spielen auf der Felseninsel verbracht. Diese Insel lag mitten im blauen Wasser der Felsenbucht und gehörte Georgs Mutter, die versprochen hatte, sie Georg eines Tages zu schenken. »Das wird wunderbar, wenn die Insel eines Tages mir gehört«, schwärmte Georg und blickte auf das Meer hinaus. Es war ein traumhafter Sonnentag, wenn sich auch allmählich am Horizont dunkle Gewitterwolken zusammenzuziehen schienen. »Wir könnten dann herkommen und in der Burg leben, wann immer wir wollen«, fuhr sie fort und ihre lebhaften blauen Augen glänzten. »Wuff«, antwortete Tim und schielte nach den lärmigen Dohlen, die einen der zerfallenen Türme der alten Burgruine mitten auf der Insel umkreisten. Er war sich nicht sicher, ob er in dem feuchten und kalten alten Gemäuer leben wollte, aber wenn seine Besitzerin das gut fand, würde er sich ihr anschließen. Er folgte ihr überallhin und wich wenn immer möglich keinen Moment von ihrer Seite. Die Burg hatte sich jahrhundertelang stolz und aufrecht über dem Meer erhoben. Obwohl die beiden Türme inzwischen ziemlich zerfallen waren 10
und der Burghof mit Gras überwachsen war, hielt Georg das Gebäude für einen der geheimnisvollsten und aufregendsten Orte der Welt. Sie liebte es sich auszumalen, wie sie als Soldat
11
auf dem Festungswall auf und ab schritt und die Bucht gegen Piraten und Feinde beschützte, mit Tim, dem wilden Hund, an der Seite, der sie verjagte. Oft hüpfte sie die alten Stufen zum Burghof hinab in den ummauerten Saal, in dem einst ein riesiges Feuer im Kamin geprasselt hatte. Dabei stellte sie sich vor, wie sie sich in kalten Winternächten in warme Wolfsfelle kuschelte, während draußen über der See die Stürme tobten. Georg war ein eigenwilliges Mädchen. Eigentlich hieß sie Georgina, doch sie hasste es, wenn man sie so nannte, und hörte deshalb gar nicht erst hin. Sie war überaus mutig und ungestüm und ein richtiger Rabauke. Ihre Himmelfahrtsnase war voller Sommersprossen und das dunkle lockige Haar hatte sie sich selbst kurz geschnitten. Sie konnte segeln und fischen, rannte schnell wie der Wind und pfiff, dass man es meilenweit hörte. Es hatte ihr nie etwas ausgemacht, allein zu spielen, aber nun, da sie Tim hatte, war sie sogar noch glücklicher. Georg hatte zwei Vettern und eine Kusine, die in London lebten, die sie aber noch nie gesehen hatte. Sie hießen Julius, Richard und Anne. Nach einer Weile seufzte Georg und stieg aus ihrer Kuhle. »Komm Tim, alter Junge«, rief sie ihm zu und betrachtete die Wolken, die sich zusammenzogen. »Es ist besser, wenn wir unsere Sachen packen und nach Hause gehen, bevor das Gewitter los12
geht.« »Wuff«, antwortete Tim. Er rappelte sich auf und rannte mit hoch erhobenem Zottelschwanz umher. Ein paar Kaninchen, die zufrieden hinter ihnen an einigen Grashalmen gemummelt hatten, verschwanden mit bebenden weißen Schwänzen in ihren Löchern. »Lass dir ja nicht einfallen, diese süßen kleinen Kaninchen zu jagen«, wies Georg ihn streng zurecht und hob den Korb auf. »Du weißt genau, dass ich das nicht erlaube.« »Wuff«, erwiderte Tim und ließ die Ohren hängen. Er wusste, dass seine Besitzerin alle Tiere liebte und er kein einziges von ihnen jagen durfte. Manchmal war es allerdings sehr hart, ihr zu gehorchen. Schließlich liegt die Kaninchenjagd einem jungen Hund sozusagen im Blut! »Tut mir leid, alter Junge«, lachte Georg und ging durch den Sand zu der Stelle, an der sie ihr kleines Holzboot an Land gezogen hatte. »Mach dir nichts daraus. Sobald wir zu Hause sind, spielen wir mit dem Ball. Den kannst du jagen, so viel du willst.« Tim gab es auf, die Kaninchen hoffnungsvoll anzustarren, und trabte hinter ihr her Richtung Boot. Er sprang hinein, stellte sich in den Bug und wartete. Georg ließ den Korb ins Boot fallen und schob dieses ins Wasser. »Und los geht’s, Tim«, keuchte sie, sprang hinein und packte die Ruder. »Bald sind 13
wir wieder zu Hause.« Das Haus, in dem Georg mit ihren Eltern wohnte, hieß Felsenhaus. Es war uralt und sehr weitläufig, hatte weiße Steinmauern und eine alte Haustür aus Holz. Es stand auf einer niederen Klippe mit Blick auf die Felsenbucht. Es war einfach wunderbar, am Meer zu wohnen, und niemand in Georgs Familie hätte sich vorstellen können, woanders zu leben, nicht einmal ihr Vater, ein Wissenschaftler, der die meiste Zeit in seinem Arbeitszimmer verbrachte. Umsichtig und geschickt lenkte Georg ihr Ruderboot durch das gefährliche Riff zum Strand zurück. Sie liebte die Seeluft und das schmatzende Geräusch der Wellen, die gegen die Bootswand schwappten. Während sie ruderte, strich die Meerbrise durch ihre kurzen Locken. Da sie so viel Zeit im Freien verbrachte, waren ihre Arme und Beine haselnussbraun. Tim stand im Bug und bellte die Wellen drohend an. Sollte es eine davon wagen, über den Rand ins Boot zu schwappen, würde er sehr böse werden! Bald hatten sie wieder trockenen Boden unter den Füßen. Georg zog das Boot weit aus dem Wasser. Falls tatsächlich ein Sturm aufkam, würde die Flut hochsteigen und sie wollte nicht, dass ihr Boot 14
weggespült wurde. »Los Tim«, rief sie, packte den Picknickkorb und rannte den Strand hoch. »Wer zuerst zu Hause ist!« »Wuff, wuff«, bellte Tim, der neben ihr herrannte und hüpfte. Wettrennen waren fast so spaßig wie mit dem Ball zu spielen. Sie flogen förmlich über den Sand, den Klippenweg hoch und den Pfad entlang, der zum Felsenhaus führte. Oben kamen beide keuchend und atemlos an. »Du meine Güte, Georg«, rief Johanna aus, als das Mädchen und der Hund in die Küche stürzten. »Was habt ihr denn ausgefressen?« Georgs kurze Hosen waren verschmiert und ihre Knie ebenfalls. Ihr Haar war völlig zerzaust und auf der Nase prangte ein Schmutzfleck. Die paar reifen Brombeeren, die sie irgendwo am Wegrand entdeckt und verdrückt hatte, hatten violette Spuren in den Mundwinkeln hinterlassen. Alles in allem sah sie ziemlich zerlumpt aus. »Es war irre toll«, strahlte Georg und erzählte Johanna, wie sie mit Tim auf der Insel Verstecken gespielt hatte. »Ich habe mich im alten Kamin im Burgsaal versteckt und Tim musste ewig lange herumschnüffeln, bis er mich gefunden hat.« »Das kann ich mir denken«, meinte Johanna. »Jetzt gehst du aber besser und wäschst dich, bevor deine Mutter dich so sieht.« 15
»Erst spielen wir noch etwas mit dem Ball«, entgegnete Georg und hüpfte wieder nach draußen. »Komm Tim!« Sie hatte ihm ein Spiel versprochen und das war viel wichtiger, als sich zu waschen. Tim rannte bellend voraus. Er trabte durch den Obstgarten, Richtung Baumhaus. Georg holte seinen Ball aus dem Geräteschuppen und rannte hinter ihm her. »Da! Hol ihn!«, rief sie und warf den Ball so weit sie nur konnte. Er flog über die Blumen ihrer Mutter hinweg und landete in der Hecke. Tim raste hinterher. Er fuhr die Hecke entlang und schnüffelte und schnupperte, bis er schließlich ganz im Gebüsch verschwand. »Gut gemacht!«, rief Georg und klatschte in die Hände, als der Hund mit dem Ball im Maul wieder zum Vorschein kam. »Bring ihn her! Sei ein braver Hund!« Aber Tim gehorchte nicht gleich und so rief Georg erneut nach ihm. »Tim! Bring sofort den Ball hierher!« Da hörte sie ihn wütend bellen. Sie runzelte die Stirn. Was er wohl anbellte? Er klang sehr aufgebracht. Sie rannte durch den Garten, um nachzusehen. Kein Wunder, kriegte Tim sich kaum ein! Vor dem Gartentor stand ein kleiner, ziemlich verwahrlost 16
aussehender Junge und spähte hinein. Er war blond und trug ein schmutziges T-Shirt und seine dünnen Beine steckten in einer kurzen Hose. Alles in allem sah er nicht gerade Vertrauen erweckend aus. Tim stand am Gartentor und bellte. Sein Nacken-
fell sträubte sich. Der Anblick des Fremden gefiel ihm offensichtlich ganz und gar nicht. »He«, rief Georg, als sie den Jungen entdeckte. »Das ist mein Garten, den darfst du nicht betreten! Zieh Leine, du regst meinen Hund auf!« Der Junge fuhr zusammen und starrte sie an. Georg fand, dass er wie ein erschrecktes Kaninchen aussah. »Hast du gehört?«, rief sie laut. »Verschwinde!« 17
Sie mochte es nicht, wenn ein fremder Junge, den sie nie zuvor gesehen hatte, sie anstarrte. Kaum sah er, wie das wütende Mädchen auf ihn zueilte, drehte der Junge sich um und ergriff die Flucht, wobei er Georg und Tim noch einen ängstlichen Blick über die Schulter zuwarf. Er rannte auf dem Klippenweg davon. »Den sind wir los!«, freute sich Georg, als der Junge hinter dem Klippenvorsprung verschwand. »Wer das wohl war?«, fragte sie Tim und beugte sich vor, um ihm einen liebevollen Klaps zu geben. »Ziemlich unverschämt, wie der uns angestarrt hat, was?« »Wuff, wuff«, stimmte Tim zu und bellte zur Sicherheit noch zweimal laut. Seine rosa Zunge hing heraus und er wirkte sehr zufrieden mit sich. Es fand es toll, seine Besitzerin vor Fremden zu schützen. »Guter Hund!«, lobte ihn Georg und tätschelte ihn noch einmal. »Du hast ihn verjagt!« Sie lehnte sich weit über das Tor und spähte in alle Richtungen, um sicher zu gehen, dass der Junge wirklich weg war. »Komm Tim«, sagte sie, als sie keine Spur mehr von ihm entdecken konnte. »Lass uns weiterspielen.«
18
2 Der Fremde im Sturm
»Du hast doch wohl nicht vergessen, dass deine Eltern heute in Urlaub fahren?«, fragte Johanna, als Georg mit Tim vom Garten hereinkam. Georg sann noch immer dem Jungen am Gartentor nach. »Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Sie nehmen den Zug nach London und dann einen, der sie an die Küste bringt, und von dort fahren sie hinüber nach Frankreich.« »Stimmt«, sagte Johanna. »Deine Mutter findet, dein Vater habe zu viel gearbeitet und brauche mal Ferien.« 19
»Und du bleibst hier und kümmerst dich um mich«, fügte Georg hinzu. In diesem Augenblick betrat Georgs Mutter mit zwei Koffern beladen die Küche. »So ist es«, bemerkte sie. »Und du wirst während unserer Abwesenheit ein braves Mädchen sein und keinen Unfug anstellen, versprochen, Liebes?« »Ich werde mir Mühe geben«, erwiderte Georg und zog einen Flunsch. Sie hasste es, wenn man ihr sagte, sie müsse brav sein. In ihrem Alter konnte man doch unmöglich dauernd brav sein. Das war wirklich zu viel verlangt. »Quentin, bist du soweit?«, rief ihre Mutter und ging in die Diele zurück. »Bitte beeil dich, sonst verpassen wir den Zug!« »Wahrscheinlich hat Vater vergessen, dass ihr wegfahren wollt«, meinte Georg und ihr Schmollmund verzog sich zu einem Grinsen. Ihr Vater war unglaublich zerstreut und vergaß alle möglichen Dinge. Sogar so etwas wie Urlaubspläne. »Ach je«, stöhnte Georgs Mutter, als immer noch kein Ton aus dem Arbeitszimmer ihres Mannes am anderen Ende des Flurs zu hören war. »Ich hoffe doch … Quentin, Schatz!«, rief sie erneut. »Bist du soweit?« In dem Moment kam Georgs Vater heraus. Seine dunkeln Brauen zu einem nachdenklichen Knoten zusammengeballt, eilte er durch den Flur auf sie 20
zu. »Warum rufst du denn dauernd nach mir, Fanny?«, fragte er ärgerlich. »Ich bin gerade dabei, ein paar wichtige Aufzeichnungen zu Ende zu bringen.« »Du hast keine Zeit, um noch irgendwas zu Ende zu bringen«, entgegnete seine Frau und packte ihn mit Nachdruck am Arm. »Wir müssen jetzt gehen, sonst verpassen wir den Zug.«
»Hier, Vater«, grinste Georg und reichte ihm den Hut. »Viel Vergnügen in Paris.« »Was …?«, wunderte sich der Vater stirnrunzelnd. »Ach so, ja … Paris.« Er protestierte noch immer, als seine Frau ihm 21
einen Koffer in die Hand drückte und ihn zur Tür hinausschob. »Wiedersehen Georg, Wiedersehen Johanna. Wir sind bald wieder da«, rief sie und eilte mit ihm den Gartenweg hinab und durch das Tor. »Wiedersehen Tim, sei auch schön brav.« »Tschüss Mutter«, rief Georg den Eltern munter hinterher, als sie Richtung Bahnhof verschwanden. »Ich hoffe, sie sitzen im Zug, bevor es anfängt zu regnen«, bemerkte Johanna nach dem Abschiedwinken. »Ich glaube, bald geht ein Gewitter los.« »Wunderbar«, freute sich Georg und blickte zum Himmel hoch, der sich immer mehr verdunkelte. »Ich dachte schon, dass sich etwas zusammenbraut. Ich liebe Gewitter. Und du, Johanna?« »Nein, ich nicht«, antwortete diese. »So ein furchtbares Getöse.« »Also wir schon, stimmt’s Tim?«, rief Georg aufgeregt. »Ich hoffe, dass es ganz oft blitzt!« Das Gewitter brach am späteren Abend los, als sie schon im Bett lagen. Georg war bereits in die Küche geschlichen, um Tim in ihr Zimmer zu holen. Obwohl der kleine Hund eigentlich nicht auf ihrem Bett schlafen durfte, schlich sie jede Nacht hinunter und holte ihn. Sie ertrug den Gedanken nicht, dass er die ganze Nacht allein war. Zum Glück fragten ihre Eltern nie, wo er schlief. 22
Hätten sie es getan, dann hätte Georg ihnen die Wahrheit gesagt. Auch wenn sie manchmal ungezogen und sehr eigenwillig war, so war sie doch ehrlich und log nie. Beim ersten Donnerrollen sprang Georg aus dem Bett und eilte ans Fenster, um hinauszusehen. »Tim, sieh nur! Hast du das gesehen!«, staunte sie, als ein gewaltiger Blitz über den Himmel zuckte. Das Gewitter kam immer näher. Es begann zu regnen. Riesentropfen peitschten gegen das Fenster. Der Wind frischte auf und große Wellen krachten auf den Strand. Die Fenster im ganzen Haus klirrten. Georg war fasziniert vom Anblick der tosenden, schaumgekrönten Brecher, die von den plötzlichen Lichtblitzen erhellt wurden. »Wuff, wuff«, bellte Tim aufgeregt jeden Donnerschlag an. Wieder leuchtete ein weiterer, ungeheuer greller Blitz auf, der die ganze Küste erhellte. Georg schnappte nach Luft, sie traute ihren Augen kaum. Da war jemand am Strand und rannte, so schnell er konnte, über den Sand. »Tim! Hast du das gesehen?«, rief sie. »Da draußen ist jemand! Wer um alles in der Welt könnte das sein?« »Wuff«, meinte Tim und reckte den Hals. Doch es gab nichts mehr zu sehen. Die geheimnisvolle 23
Gestalt war im Dunkeln verschwunden. Und auch als weitere Blitze den Küstenstreifen erhellten, war sie nirgends mehr zu erblicken. »Tja«, meinte Georg. »Wer immer das gewesen ist, wird auf jeden Fall klatschnass. Man muss ganz schön verrückt sein, um in einer solchen Nacht rauszugehen.« »Wuff«, pflichtete Tim ihr wie gewöhnlich bei. Er beobachtete Gewitter liebend gern vom Fenster aus, aber eines am eigenen Leib zu erleben, würde ihm auch nicht passen. »Ich wüsste zu gern, wer das war, du nicht auch, Tim?«, fragte Georg, die plötzlich fror. Sie drehte sich um und kuschelte sich ins Bett. »Wenn der nicht aufpasst, holt er sich noch eine Lungenentzündung.« Am anderen Morgen wunderte sich Georg noch immer über die unbekannte Gestalt, die sie im Sturm gesehen hatten. »Komm Tim«, sagte sie deshalb nach dem Frühstück. »Lass uns nachsehen, ob irgendwelche Spuren da sind.« Die beiden gingen durch das Gartentor und den Weg hinab. Es war ein wunderschöner Morgen. Alles strahlte, vom Regen frisch gewaschen. Der Himmel war von einem so klaren Blau, als hätte ihn ebenfalls jemand gefegt. Das Meer lag ruhig da. 24
Eine Möwenschar flatterte vom Wassersaum hoch, als Georg und Tim zum Sand heruntergerannt kamen. »Hm«, meinte Georg und sah sich genau um. »Es sind keine Spuren zu sehen. Der Regen muss alle Fußabdrücke weggespült haben. Schade. Ich wäre den Fußspuren gerne gefolgt.« Spuren zu verfolgen und etwas zu erforschen gehörten zu ihren liebsten Beschäftigungen. Doch so sehr sie auch suchten, sie konnten keine Spuren von der fremden Person finden, die sie im Sturm gesehen hatten. »Pech gehabt, Tim«, meinte Georg schließlich und ließ sich mit einem Seufzer auf einem Felsbrocken nieder. »Ich dachte, wir würden vielleicht ein weiteres Abenteuer erleben, aber es sieht nicht danach aus.« »Wuff«, kläffte Tim traurig. Ihm hätte es auch gefallen, gemeinsam mit seiner Besitzerin ein Abenteuer zu bestehen. »Es wäre ja wieder einmal an der Zeit«, setzte Georg hinzu und knuddelte ihn. »Wuff«, stimmte Tim ihr erneut zu. Georg stand auf, schlenderte dahin und dorthin und hob immer wieder ein Stück Treibholz auf, das die stürmische See ans Ufer gespült hatte. Dabei entdeckte sie auch anderes Strandgut. »Guck mal, hier ist ein alter Schuh, Tim«, staunte 25
sie und hob einen kleinen Turnschuh auf. »Was wohl mit dem anderen geschehen ist?« Sie warf ihn für Tim, der sofort aufgeregt bellend hinterherjagte. Mit alten Schuhen ließ sich wunderbar spielen. Er fing ihn, als er auf dem Sand aufschlug, und rannte damit im Maul zu Georg zurück. »Braver Hund«, kicherte sie, als er ihn vor ihren Füßen fallen ließ, sich dann hinsetzte und mit heraushängender rosa Zunge daraufwartete, dass sie den Schuh erneut warf. Ein Abenteuer war es nicht gerade, aber zusammen am Strand zu spielen machte schließlich auch großen Spaß! Plötzlich spitzte Tim die Ohren und knurrte leise. Sein Nackenfell sträubte sich. Zwei Gestalten stiegen die Böschung zur Sandbucht herab und ihr Anblick gefiel ihm ganz und gar nicht. Georg hatte sie ebenfalls entdeckt. »Mist«, flüsterte sie und ihr Gesicht verdüsterte sich. Sie hasste es, unbekannten Leuten zu begegnen. »Damit wäre wohl Schluss mit unserem Spiel. Komm, wir verstecken uns hinter dem Nadelfelsen. Ich habe keine Lust, mich heute mit jemandem unterhalten zu müssen.« Sie duckten sich hinter einen hohen, spitzen Felsblock und Georg hielt Tim am Halsband fest, damit er nicht plötzlich hervorschießen konnte. Ein Mann und eine Frau kamen in Sicht. Der 26
Mann war klein und ziemlich dick, die Frau groß und sehr dünn. Ein äußerst merkwürdig aussehendes Paar. Sie benahmen sich auch ziemlich seltsam, gingen mal in diese und dann in jene Richtung und betrachteten die Klippen so eingehend, als würden sie jemanden suchen. Schließlich hielten sie inne und sprachen miteinander. Die Frau deutete auf den Klippenkamm und der Mann nickte. Dann wandten sie sich um, eilten den Klippenweg hoch und verschwanden. »Gott sei Dank, sie sind weg«, rief Georg und verließ ihr Versteck. »Sie schienen etwas zu suchen. Ich wüsste zu gerne was.« Tim schickte sich an, den Spuren der Leute nachzuschnuppern. Dabei entdeckte er den alten Schuh wieder und rannte mit ihm im Maul zu Georg zurück. »Also gut«, lachte seine Besitzerin und warf den Schuh von neuem. Dabei vergaß sie den Mann und die Frau völlig. Während Tim den Schuh apportierte, ging sie über den Sandstrand zur Böschung. »Komm, lass uns ins Moor hochgehen, ja?« Tim schoss voraus, den Schuh fest im Maul. Ein Moorspaziergang, das würde eine spannende Sache werden, vor allem wenn sie dort oben mit seinem neuesten Spielzeug herumtollen konnten. 27
Von dem Paar von eben war keine Spur zu sehen, als Georg und Tim den Hügel hochstiegen und auf den steinigen Pfad kamen, der durch das Moor führte. Während sie zusammen auf dem schmalen Pfad zwischen Farnkraut und Erikasträuchern weitertrotteten, stoben immer wieder Kaninchen auseinander. Bald hatten sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht. »Schau, Tim«, rief Georg und zeigte auf ein recht eigenartig aussehendes Gebäude in der Ferne. »Das ist die alte Windmühle. Ich bin ewig nicht mehr dort gewesen. Sollen wir sie zusammen auskundschaften?« »Wuff«, antwortete Tim und starrte das Gebäude an. Es sah anders aus als alle Häuser, die er bisher gesehen hatte. »Also, dann lass uns gehen«, rief Georg und marschierte ungeduldig los. Sie schob die Hände in die Hosentaschen und pfiff ein fröhliches Lied. Es war ein wunderbarer Tag und sie befanden sich auf einem schönen Spaziergang in der Sonne. Was hatten sie doch für ein Glück! Tim sauste voraus. Er entdeckte eine Igelfährte und ließ den Schuh fallen, damit er seine Nase in die Erikasträucher stecken und der Spur folgen konnte. 28
Bald war Georg ihm weit voraus. Tim vergaß Fährte und Schuh und rannte ihr nach. Zwischendurch hielt er kurz an und trank etwas Wasser aus einem Bach, dann beeilte er sich, sie wieder einzuholen. Die alte Mühle lag auf einem Hügel, über den immer ein Wind ging. Man hatte dort das Korn gemahlen, das auf dem Felsenhof angebaut wurde. Doch das war sehr lange her. Damals hatte Georgs Urgroßvater noch gelebt. Die einsame alte Mühle war seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Georg stand davor und stützte die Hände in die Hüften. Sie blickte am alten Holzturm hoch und auf die Stelle, wo sich früher vier große, weiße Segel stolz und kraftvoll im Wind gedreht hatten. »Ich wette, das sah toll aus, wenn sie sich drehte, glaubst du nicht auch, Tim?«, sagte sie und seufzte. »Das hätte ich zu gern gesehen.« Doch Tim gab keine Antwort. Er rannte schnüffelnd umher, die Nase am Boden. Er liebte alte Gebäude. Da gab es immer die tollsten Gerüche zu entdecken. »Außer mir kommt nie jemand hierher, musst du wissen, Tim«, bemerkte Georg und spähte vom Eingang aus ins Innere. »Das Ganze ist total zerfallen.« Ihre Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel und bald konnte sie mottenzerfressene alte Säcke 29
und kaputte Maschinenteile ausmachen. Tim hatte seine Erkundungstour draußen beendet und stand nun neben Georg im Eingang. Er spitzte die Ohren und sein Schwanz ragte fragend in die Höhe. Er witterte einen Geruch, dem er schon einmal begegnet war. Und er hörte Geräusche, aufregende Geräusche. Aus den dunkeln Ecken ertönte ein Schniefen und Schnüffeln und Rascheln. »Riechst du Ratten?«, wollte Georg wissen, als sie sah, dass Tim vor Erregung bebte. »Ich wette, die gibt es haufenweise da drin.« »Wuff«, antwortete Tim und wedelte mit dem Schwanz, wie immer wenn er Georgs Stimme hörte. Er stieß einen weiteren Kläffer aus und rannte hinein. Drinnen eilte er mit der Nase am Boden von einer Seite zur andern. Es gab hier Unmengen von verschiedenen Gerüchen. Es roch nach alten Getreidesäcken, Spinnen, Ratten und Mäusen. Ein wahres Hundeparadies! Und dann entdeckte er noch einen Geruch, den eines Menschen! Er bellte aufgeregt. Dabei hatte seine Besitzerin gesagt, es komme nie jemand hierher. Wer konnte das wohl sein?
30
3 Philipp
»Was hast du entdeckt, Tim?«, rief Georg und folgte ihrem Hund in die Mühle. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sie konnte ein großes Loch in der Decke erkennen. Hier waren einst die Metallachsen durchgelaufen. Sie hatten die Kraft der Windräder auf die großen Mühlsteine übertragen, die das Korn zu Mehl mahlten. Eine ziemlich wackelige Leiter führte auf den Dachboden. Tim stand davor und bellte wie wild. »Was ist dort oben?«, fragte Georg und blickte 32
hoch. »Wuff«, antwortete Tim aufgeregt. Er stellte die Pfoten auf die unterste Sprosse und bellte erneut. »Ich gehe hoch und sehe nach, ja?«, sagte Georg und begann hochzusteigen. Mutig kletterte sie die wackelige Leiter bis oben hin, fest entschlossen herauszufinden, was ihren Hund so aufregte. Sie erreichte die Luke und steckte den Kopf hindurch. Dann zog sie sich nach oben und sah sich um. Hier oben war es heller. Auf der einen Seite befand sich ein großes Fenster mit zerschlagener Scheibe, durch das die Sonne hereinschien. Alles war sehr staubig und schmutzig und der Boden mit Überresten von Vogelnestern, Blättern und Müll übersät. »Ich kann keine Ratten entdecken«, rief sie Tim zu. »Ich habe keine Ahnung, weshalb du einen solchen Aufruhr veranstaltest.« Da raschelte es hinter einem Stoß alter, streng riechender Säcke. Georg drehte sich um. Sie war auf der Hut. Vielleicht gab es hier ja doch Ratten. Und was für welche, dem Geräusch nach zu urteilen! Zu ihrer Verblüffung stammte das Geräusch aber nicht von Ratten, sondern von einer kleinen Gestalt, die sich duckte und unsichtbar zu machen versuchte. Eine Gestalt, die sie sofort wieder erkannte. Es war der Junge, den sie vor dem Gartentor des Felsenhauses gesehen hatte! Der, dessen Anblick 33
ihr und Tim nicht gefallen hatte. »Was sagt man dazu!«, rief sie verblüfft. »Was hast denn du hier zu suchen? Du kommst besser gleich hervor!« Der Junge rührte sich nicht. Er sah sogar noch schmutziger und schmieriger aus als das letzte Mal, da sie ihn gesehen hatte. Seine Kleider waren mit Dreck verschmiert und staubig und in seinem Haar hingen Spinnweben. Erdrückte sich an die Wand und starrte Georg mit runden, vor Angst geweiteten Augen an. Unten tobte Tim noch immer. Er hatte schon zweimal versucht, die Leiter hochzuklettern, war aber gleich wieder auf dem Boden gelandet. Er war außer sich. Er hielt es einfach nicht aus, wenn seine Besitzerin nicht bei ihm war. »Kommt dein Hund auch nach oben? Er klingt furchtbar böse«, flüsterte der Junge mit etwas zittriger Stimme. »Dumme Frage«, erwiderte Georg. »Hunde können keine Leitern hochklettern, nicht einmal Tim, obwohl er der geschickteste Hund der Welt ist.« »Bist du sicher?«, fragte der Junge und fuhr sich mit einer schmutzigen Hand über das Gesicht. »Natürlich bin ich sicher«, erwiderte Georg. »Ich erzähl doch keine Lügen. Er ist mein Hund und ich weiß alles über ihn.« »Gut«, meinte der Junge und klang dabei etwas 34
weniger ängstlich. »Überhaupt, was tust du hier?«, fragte Georg nun und trat neugierig näher. Sie konnte sehen, dass der Junge unter all dem Schmutz dünn und blass aussah. Zu wem gehörte er und weshalb versteckte er sich in der alten Mühle?
35
»Nichts«, erwiderte der Junge hastig und wich zurück. »Ich tue nichts.« »Du kommst besser hervor, damit ich dich genauer betrachten kann«, befahl Georg ziemlich herrisch. »Keine Bange«, beschwichtigte sie der Junge und sah wieder sehr ängstlich aus. »Also«, fuhr Georg fort, als er schwieg. »Was tust du hier? Irgendwas bestimmt, sonst wärst du nicht hier.« »Ich sagte es doch schon«, beharrte der Junge. »Nichts, ich tue gar nichts.« Er stand auf und tat einen Schritt auf sie zu. »Hast du vielleicht was zu essen dabei? Ich komme um vor Hunger.« »Nein, natürlich nicht«, fuhr ihn Georg an. Sie war wütend, weil der Junge ihr nicht verriet, weshalb er hier war. »Und selbst wenn ich etwas dabei hätte, weiß ich nicht, ob ich es dir geben würde.« Plötzlich verzog der Junge das Gesicht und begann zu weinen. Und obwohl Georg es nicht mochte, wenn jemand weinte, und es kindisch fand, begann er ihr ziemlich Leid zu tun. Unten rief Tim winselnd nach seiner Besitzerin. Sie war schon viel zu lange dort oben verschwunden. »Ist ja gut, Tim, ich komme. Komm schon, Mensch!«, sagte sie zu dem Jungen und drehte sich um, um die Leiter hinabzuklettern. »Lass uns raus 36
an die frische Luft gehen. Tim wird dir nichts tun, Ehrenwort.« »Nein«, beharrte der Junge. »Ich bleibe hier.« »Wie du willst«, erwiderte Georg hochmütig und kletterte hinunter. Tim war so froh, sie wieder zu sehen, dass er immer wieder an ihr hochsprang. Er hatte gehört, wie seine Besitzerin auf dem Dachboden mit jemandem gesprochen hatte, und konnte es nicht erwarten zu sehen, wer das war. »Es ist ein dummer Junge, der nicht herunterkommen möchte«, erklärte sie Tim und umarmte ihn. »Deshalb lassen wir ihn in aller Ruhe dort oben verhungern.« Sie blickte hoch. Der Junge steckte den Kopf durch die Luke. »Du könntest mir nicht vielleicht etwas zu essen besorgen?« fragte er schüchtern und schniefend, während er sich die Tränen von der Nase wischte. »Vielleicht schon«, erwiderte Georg grob. »Aber nur wenn du herunterkommst.« »Also gut«, willigte er widerstrebend ein. Er drehte sich um und kam rückwärts die Leiter herunter. An dem einen Fuß trug er einen schäbigen Turnschuh. Der andere Fuß war nackt. Georg musterte ihn, während Tim wedelnd an ihm hochsprang. Er konnte sich daran erinnern, dass er den Jungen vor dem Gartentor gesehen und ihn mit wildem Gebell verjagt hatte. Doch jetzt sah 37
er überhaupt nicht bedrohlich aus. Er wirkte bloß ziemlich verloren und verängstigt und Tim wollte Freundschaft mit ihm schließen. Ängstlich schreckte der Junge vor dem kleinen struppigen Hund zurück. »Streichle ihn einfach«, befahl Georg. »Er wird dir nichts tun, ehrlich.« Vorsichtig tätschelte der Junge Tims Kopf und lächelte gezwungen, als der Hund ihm die Hand leckte. Tim ließ sich wieder auf alle Viere nieder und schnüffelte am Schuh des Jungen. Er kannte diesen Geruch. Der Schuh roch wie der Turnschuh, mit dem er am Strand gespielt hatte. »Tim, sag schön Hallo«, wies Georg ihn an! Tim setzte sich vor dem Jungen hin und hob hechelnd eine Vorderpfote.
38
»Schüttle sie«, befahl das Mädchen. »Dann weiß er, dass du ein Freund bist.« Feierlich schüttelten der Junge und Tim einander Hand und Pfote. »Ich habe meinen Schuh im Sand verloren«, erklärte der Junge, als Tim seinen nackten Fuß beschnupperte. Jetzt wurde auch Georg klar, dass das der Schuh sein musste, den Tim gefunden hatte. »Warst du das etwa, draußen im Gewitter?«, fragte sie, weil sie sich plötzlich an die Gestalt am Strand erinnerte. Der Junge nickte. Wieder stiegen ihm Tränen in die Augen. »Ich hatte solche Angst«, schniefte er und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Pah«, prahlte Georg verächtlich. »Stürme sind was Tolles.«. »Nicht, wenn du mittendrin steckst«, erwiderte er und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Was hattest du da überhaupt zu suchen?«, fragte Georg neugierig, während sie nach draußen gingen. Inzwischen tat ihr der arme Junge echt Leid. Im Sonnenlicht sah er noch viel schäbiger aus. Der Junge zuckte die Schultern, ohne ihre Frage zu beantworten. »Dann«, fügte sie ungeduldig hinzu, »sag mir wenigstens, wie du heißt. Das ist doch nicht zu viel 39
verlangt, oder?« »Ich heiße Philipp«, antwortete der Junge. »Und du?« »Georg«, gab diese zurück. »Also, was hast du hier zu suchen, Philipp?« »Ich sagte doch, nichts«, erwiderte Philipp störrisch. »Hör also endlich auf zu fragen.«
40
4 Rätsel über Rätsel
»Wo wohnst du?«, forschte Georg nach einer kleinen Pause trotzdem weiter. Sie wollte unbedingt mehr über diesen seltsamen Jungen erfahren. »Nirgends«, entgegnete Philipp und schob schmollend die Unterlippe vor. Er schien entschlossen, ihr überhaupt nichts zu verraten. »Erzähl keinen Quatsch«, erwiderte Georg. »Irgendwo musst du ja wohl wohnen.« »In London«, verriet Philipp endlich. »In London«, rief sie. »Aber das ist ewig weit weg. Wie bist du hierher gekommen?« 41
»Kümmere dich um deinen eigenen Kram«, fuhr Philipp sie grob an. »Von mir aus«, gab Georg achselzuckend zurück. Sie war sehr ungehalten. »Dann erzählst du es uns eben nicht. Du wirst schon sehen, wie egal uns das ist.« Philipp antwortete nicht. Er stand einfach nur da und sah furchtbar unglücklich aus. Trotz allem tat er Georg immer noch Leid. »Wenn du mit zu mir nach Hause kommst«, sagte sie, »gibt Johanna dir vielleicht etwas zu essen.« »Wer ist Johanna?«, fragte Philipp. »Deine Mutter?« »Ach wo«, lachte Georg. »Sie ist unsere Haushälterin. Sie ist sehr nett. Ich bin sicher, sie hat nichts dagegen, wenn du bei uns mit isst.« »Ich kann nicht.« Philipp schüttelte den Kopf. »Es könnte mich jemand sehen.« »Und wenn schon«, meinte Georg. »Das ist doch egal, oder?« Philipp zuckte erneut die Achseln und schwieg. Jetzt war Georg aber echt sauer. Dieser Junge war nicht nur seltsam und verschlossen, er war zudem auch dumm. Alle, die auf eine von Johannas köstlichen Mahlzeiten verzichteten, waren schlichtweg dumm. »Dann sieht es fast so aus, als müsstest du verhun42
gern«, bemerkte sie unfreundlich. »Komm Tim, lass uns gehen!« Doch merkwürdigerweise war Tim nirgends zu sehen. Georg rief und rief nach ihm. Dann sah sie ihn mit einem Mal auf dem Weg auf sich zurennen. Er rannte so schnell, dass er Staub- und Kieswolken aufwirbelte, und trug etwas zwischen den Zähnen. »Tim!«, rief Georg. »Was hast du da?« Voller Entsetzen lief sie ihm entgegen. Wenn er ein Babykaninchen gefangen hatte, würde sie sehr böse mit ihm sein. Doch als Tim näher kam, erkannte sie, dass er kein Babykaninchen zwischen den Zähnen hielt, sondern Philipps anderen Turnschuh. Der kluge Hund hatte sich daran erinnert, wo er ihn fallen ge-
43
lassen hatte, und war zurückgerannt, um ihn zu holen. »Guter Hund!«, rief Philipp, als Tim ihm den Schuh vor die Füße legte. Er schlüpfte hinein, dann knuddelte er Tim ganz fest. »Er ist tatsächlich der intelligenteste Hund der Welt«, meinte er bewundernd und sah Georg mit glänzenden Augen an. »Du hast großes Glück, einen Freund wie ihn zu haben.« »Das weiß ich«, antwortete Georg ziemlich schnippisch. Sie mochte es nicht besonders, wenn Tim anderen außer ihr eine Freude machte. »Komm Tim, wir gehen nach Hause.« Als Georg aufbrach, hatte sie ein schlechtes Gewissen. So wütend und eingeschnappt sie war, wusste sie doch, dass sie den kleinen Jungen nicht einfach sich selbst überlassen sollte. Als sie mit Tim davonmarschierte, sah ihnen Philipp vom Mühleneingang aus nach. Er hatte große Angst, war sehr hungrig und wünschte sich, er hätte mit diesem Jungen und dessen Hund zum Felsenhaus gehen können. Aber es wäre zu riskant gewesen. Wenn man herausfand, wo er sich aufhielt, dann war er geliefert. Im Felsenhaus musste Georg beim Mittagessen die ganze Zeit an Philipp denken. Es war ein so wun44
derschöner Tag, dass Johanna für sie einen kleinen Tisch unter den Apfelbäumen gedeckt hatte. Auf Georgs Teller lagen leckere, mit Eiern, reifen Tomaten und knackigen, leicht bitteren Radieschen belegte Majobrote. Als Nachspeise gab es Wackelpudding mit Erdbeergeschmack und für Tim einen kleinen Teller mit seinen Lieblingskeksen. »Vielen, vielen Dank Johanna«, rief Georg, nachdem sie zu Ende gegessen hatten und sie die schmutzigen Teller in der Küche spülte. »Gern geschehen«, erwiderte Johanna, die geschäftig herumhantierte. »Habt ihr heute Morgen einen schönen Spaziergang gemacht?« »O ja«, erzählte Georg, »wir waren in der alten Mühle.« »In der alten Mühle!«, staunte Johanna. »Ich hätte nicht gedacht, dass noch irgendjemand dorthin geht. Sie fällt doch fast auseinander, oder nicht?« »Sie ist ziemlich baufällig«, bestätigte Georg. »Aber wir gehen eben gern auf Entdeckungstour, stimmt’s Tim?« »Wuff«, meinte Tim. »Aber bitte mit Vorsicht, junge Dame«, warnte Johanna sie. »Du könntest dich in diesem baufälligen Ding verletzen. Die Mühle liegt weit abseits und niemand würde es merken, wenn du irgendwo hinunterfällst und dir wehtust.« »Tim würde nach Hause rennen und es dir sa45
gen«, wandte Georg ein und schmollte, weil Johanna sie junge Dame genannt hatte. Sie hasste das fast ebenso sehr, wie wenn man sie Georgina nannte. »Er ist mutig und klug.« »Hm«, brummte Johanna zweifelnd. »Seid trotzdem auf jeden Fall vorsichtig, ja?« »Das werden wir«, antwortete Georg. »Nicht wahr, Tim?« »Wuff«, bestätigte Tim, der unter dem Küchentisch lag und seinen letzten Keks verdrückte. Nachdem sie gespült hatte, ging Georg mit Tim in den Garten. Es war viel zu schön, um drin zu bleiben. Sie beschloss, ihr Baumhaus aufzuräumen und es sich dann mit Tim darin gemütlich zu machen. Zuerst legte sie dem kleinen Hund seine Aufzugsschlinge um, dann kletterte sie selbst die Leiter hoch und zog ihn nach oben. Drinnen verstaute sie ihre Schreib- und Buntstifte und zog den kleinen Teppich zurecht. Ihre Mutter hatte ihr ein großes Sitzkissen genäht, das sie nun ausklopfte. Dann setzte sie sich mit Tim hin und genoss die Aussicht. »Ist es nicht wunderbar«, strahlte Georg und ließ den Blick über das blaue Meer und den Streifen goldenen Sandstrand schweifen. »Wuff«, pflichtete Tim ihr bei und schmiegte sich 46
an sie. Er kuschelte sich liebend gern an seine Besitzerin. »Wir haben Sicht auf die Insel und die Burg«, erklärte ihm Georg. »Und sieh dir nur all die Möwen an.« »Wuff«, erwiderte Tim erneut und wünschte sich, er könnte ihnen hinterherjagen. Georg umarmte Tim. Es war schön und hell und warm in ihrem Baumhaus und da musste sie plötzlich an den armen Philipp denken, der einsam in der feuchten alten Mühle saß. Sie wünschte, er hätte ihr verraten, weshalb er sich dort versteckte. Plötzlich wehten Stimmen vom Gartenweg zu ihnen herauf. Tim knurrte. Er stellte Schwanz und Ohren kerzengerade. Georg spähte über die Brüstung und sah zwei Leute auf das Haus zukommen. »Psst«, zischte sie und legte die Hand sanft über Tims Schnauze. Sie hatte die beiden sofort erkannt. Es waren der Mann und die Frau, die sie am Strand unten gesehen hatten. Was um alles in der Welt hatten sie hier zu suchen? »Psst«, zischte sie noch einmal. »Sie sollen nicht wissen, dass wir hier sind.« Es war ungemein spaßig, Leute vom Baumhaus aus zu beobachten, besonders wenn sie nicht wussten, dass sie da oben saß. Der Mann und die Frau sahen seltsam und etwas unpassend aus. Die Frau trug einen langen grauen Rock und Stiefel, obwohl es Sommer und warm 47
war. Entschlossen schritt sie auf die Hintertür zu. Der Mann versuchte, mit ihr Schritt zu halten, und war von der Anstrengung ganz rot im Gesicht. Georg hörte, wie die Frau energisch an die Hintertür klopfte. Es hörte sich ungehalten und wütend an. Georg runzelte die Stirn. Was konnte das seltsame Paar bloß im Felsenhaus zu suchen haben? Tim versuchte noch immer zu knurren. Am liebsten hätte er gebellt. Was fiel den Fremden ein, einfach so auf dem Gartenweg daherzukommen und an die Tür zu hämmern? Was glaubten die, wer sie waren? Die Hintertür öffnete sich und Johanna stand da und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Ja?«, fragte sie und sah die zwei Fremden, die vor ihr standen, erstaunt an. Das Felsenhaus lag ziemlich abseits und es kam selten vor, dass jemand an die Tür kam. »Mein Name ist Bohne«, sagte die Frau und musterte Johanna über ihre lange, dünne Nase hinweg. »Frieda Bohne, und das ist mein Mann.« »Ja?«, wiederholte Johanna und sah immer noch verblüfft aus. »Was kann ich für Sie tun?« »Wir suchen einen Jungen«, erklärte Frieda Bohne. »Er ist alleine losgezogen und wir machen uns ziemlich Sorgen.« »Ziemlich Sorgen«, wiederholte Herr Bohne. 48
»Haben Sie ihn zufällig gesehen?«, fragte Frau Bohne Johanna und bedachte ihren Mann mit einem finsteren Blick. »Er ist klein, hat blonde Haare und blaue Augen.« »Blaue Augen«, wiederholte Herr Bohne. Im Baumhaus oben schnappte Georg nach Luft. Die Bohnes suchten bestimmt nach Philipp. Das war aber sehr seltsam. Wenn Philipp einfach losgezogen wäre und sich dabei verirrt hätte, wäre er bestimmt überglücklich gewesen, mit ihr nach Hause zu kommen, oder etwa nicht? Johanna schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Jungen gesehen«, sagte sie. »Seit wann wird er denn vermisst?« »Seit gestern«, erwiderte Frau Bohne. »Ja«, bestätigte Herr Bohne, »seit gestern.« »Seit gestern!«, rief Johanna. »Du liebe Zeit! Haben sie im Ort herumgefragt?« »Noch nicht«, bemerkte Frau Bohne. »Aber das wir werden gleich tun. Wir dachten, wir suchen zuerst hier in der Gegend.« »Und Sie sollten es Wachtmeister Mond auf der Polizeiwache melden«, fügte Johanna hinzu. »Kleine Jungs sollten nicht alleine losziehen.« »Ja … , also dann …«, warf Frau Bohne schnell ein, nahm Herrn Bohne beim Arm und zog ihn von der Tür weg. »Vielen Dank auch.« Sie wandten sich um und eilten auf dem Gartenweg davon. 49
»Wo kann ich Sie denn erreichen, falls ich ihn sehe?«, rief Johanna ihnen nach. Aber die beiden gaben keine Antwort, sondern beeilten sich wegzukommen.
50
Georg hörte, wie die Tür sich schloss, und sah, wie die zwei Fremden unter dem Baumhaus innehielten. Sie sprachen erregt miteinander. »Die Leute werden Verdacht schöpfen, wenn wir es nicht der Polizei melden«, sagte Herr Bohne zu seiner Frau. »Aber wir können ihn nicht als vermisst melden«, erwiderte Frau Bohne gereizt. »Wir müssen eben vorsichtig sein und uns möglichst unauffällig verhalten.« »Ja«, stimmte ihr Mann zu. »Dieser verflixte Bengel!«, wetterte Frau Bohne wütend. »Wenn ich den zu fassen kriege.« »Wie es aussieht, können wir das Geld vergessen«, bemerkte Herr Bohne. »Daran bist du Schuld«, gab Frau Bohne wütend zurück und blickte ihn finster an. »Du hättest eben dafür sorgen müssen, dass er nicht aus dem Fenster entwischen kann, bevor du ihn im Zimmer eingesperrt hast.« »Woher hätte ich denn wissen sollen, dass er wie ein Affe klettern kann?«, protestierte Herr Bohne. »Und überhaupt, es war deine Idee, ihn einzusperren.« »Meine Idee«, zischte Frau Bohne. Sie verpasste Herrn Bohne eine Ohrfeige und eilte in Richtung Gartentor. Protestierend und seine Backe reibend, stürzte Herr Bohne hinter ihr her. Georg sah, wie 51
die zwei durch das Gartentor gingen. Dabei stritten sie weiter und schrien aufeinander ein. Schließlich verschwanden sie auf dem Weg, der nach Felsenburg führte. Georg nahm die Hand von Tims Schnauze und er begann sofort zu bellen und umherzutoben. Eiligst ließ sie ihn in den Garten hinunter. Er rannte zum Tor und bellte aufgebracht. Was war er wütend, dass das Paar weg war, bevor er ein Hosenbein oder sonst was zu fassen bekommen und in Stücke hatte reißen können. Schnell kletterte Georg die Leiter hinunter. Ihre Gedanken überstürzten sich. Wer waren die Bohnes? Wohl kaum Philipps Eltern. Sie waren viel zu abscheulich, um Eltern von irgendwem zu sein. Und warum hatten sie den armen Philipp eingesperrt? Was konnte ein Junge verbrochen haben, um eine solche Strafe zu verdienen? »Kein Wunder, dass Philipp abgehauen ist«, sagte sie zu Tim, der mit der Nase am Boden den Gartenweg auf und ab hetzte. »Ich wäre an seiner Stelle auch abgehauen.« Abgehauen! Mit einem Mal war Georg klar, dass Philipp genau das getan hatte. Die Bohnes hatten gelogen, als sie behaupteten, er habe sich verirrt. Er war abgehauen und versteckte sich in der alten Mühle, einsam und voller Furcht, dass die Bohnes sein Versteck finden könnten. 52
»Wir müssen zur Mühle zurück«, erklärte sie Tim. Sie öffnete das Gartentor und sie machten sich hastig auf den Weg. »Eins ist sicher: Wenn es ihnen gelingt Philipp zu finden, dann steckt er wirklich in der Patsche!«
53
5 Ein Plan
Georg war ziemlich außer Atem, nachdem sie und Tim den ganzen Weg zur Mühle zurückgerannt waren. »Philipp, wo bist du?«, rief sie, kaum hatte sie den Eingang erreicht. »Wir müssen dir etwas erzählen.« »Wuff, wuff«, bellte Tim und stürzte hinein. Doch kaum war er drin, musste er erstaunt feststellen, dass ihm der Weg versperrt war. Der Boden war mit Holzbrettern übersät. »Wuff«, bellte Tim nochmals und eilte zu seiner Besitzerin, um es ihr zu erzählen. Er sprang um sie herum und bellte 54
und bellte. »Was ist denn los, Tim?«, wollte Georg wissen. »Kannst du ihn nicht finden?« Begleitet von Tim, der immer noch wie ein Zirkuspferd um sie herumtänzelte, ging sie hinein. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, was Tim so aufgeregt hatte. »Nein!«, japste sie entsetzt, als sie sah, was geschehen war. Beim Blick nach oben hatte man jetzt freie Sicht auf den engen Dachstuhl der alten Mühle. Der Dachboden war eingebrochen. »Philipp!«, schrie Georg vor Sorge so laut sie nur konnte. »Philipp! Wo bist du? Ist alles in Ordnung?« Als sie verstummte, war ein Flügelflattern zu hören. Ein paar Tauben verließen die Dachbalken und flogen hinaus. Von Philipp keine Spur. Georg betrachtete die morschen Bretter, die in einem Haufen auf dem Boden gelandet waren. Wenn Philipp da oben gewesen war, als der Boden durchbrach, war er vielleicht ebenfalls heruntergefallen. Vielleicht lag er ja verletzt unter den zertrümmerten Brettern. »Tim!«, befahl Georg eindringlich und deutete auf den Bretterhaufen. »Such! Such Philipp!« Tim kletterte über die Bretter und suchte schnüffelnd nach einer Fährte. Mit hoch erhobenem Schwanz eilte er von hier nach da. Es roch nach et55
was. Aber es roch nach Ratten, Mäusen und Vögeln, nach feuchten, alten Kornsäcken, nicht nach Mensch. »Such, Tim!«, drängte Georg. »Such, so gut du kannst.« »Was sucht er denn?«, fragte da plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Tim brach die Suche ab und sprang freudig wedelnd zum Eingang. Georg wirbelte herum und sah Philipp dort stehen, schmutziger denn je. Sein Haar war völlig zerzaust und er hatte violette Flecken um den Mund. »Gott sei Dank!«, rief sie und seufzte erleichtert. »Wir hatten furchtbare Angst, du könntest unter dem Haufen da begraben sein.« »Ich doch nicht«, sagte der Junge und tätschelte Tim, der an ihm hochsprang und sein Gesicht abzulecken versuchte. Dabei wedelte er so heftig mit dem Schwanz, dass er aussah wie ein wirbelnder Mob. »Der Boden ist eingebrochen, als ich auf der anderen Seite der Wiese nach Brombeeren suchte. Es gab einen unglaublich lauten Knall. Du hast nicht zufällig etwas zu essen mitgebracht?« »Nein, tut mir Leid«, erwiderte Georg und biss sich auf die Lippen. Sie hatte es so eilig gehabt, Philipp von den Bohnes zu erzählen, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, ihm etwas mitzubringen. »Ich komme immer noch fast um vor Hunger«, stöhnte Philipp. Er sank auf eine Grasbank nieder 56
und sah äußerst elend aus. »Ich habe bloß ein paar Beeren gegessen.« »Es tut mir echt Leid«, wiederholte Georg und setzte sich neben ihn. »Wir sind hergekommen, um 57
dir zu sagen, dass die Bohnes bei uns zu Hause waren und nach dir gefragt haben.« »Nein!«, rief Philipp entsetzt und sah aus, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen. »Sie kommen doch nicht etwa hierher?« Georg sah, dass er so blass war wie noch nie und sich offensichtlich sehr fürchtete. »Nein, nein«, versicherte sie schnell. »Aber sie fragen überall nach dir. Vielleicht hat dich jemand anders gesehen und ihnen vorgeschlagen, hier nachzusehen.« »Du hast ihnen also nicht verraten, dass du mich gesehen hast?«, fragte Philipp. »Natürlich nicht!«, antwortete Georg beleidigt. »Ich verrate nie jemanden.« »Gott sei Dank!«, rief Philipp und sah sehr erleichtert aus. »Hör mal«, meinte Georg. »Du erzählst mir jetzt besser, was los ist. Diese Bohnes sehen ja ziemlich schrecklich aus. Das sind doch wohl nicht deine Eltern?« »Nicht die Spur«, antwortete Philipp. »Mutter und Vater sind gar nicht hier. Sie sind auf Geschäftsreise.« »Und warum bist du nicht mitgefahren?«, wollte Georg wissen. »Ich durfte nicht«, gab Philipp zur Antwort. »Sie haben die Bohnes eingestellt, um auf mich aufzu58
passen.« »Warum bist du denn davongelaufen?«, fragte Georg neugierig. »Und warum haben sie so schreckliche Leute ausgewählt, die auf dich aufpassen sollen?« »Sie wussten doch nicht, dass die Bohnes so schrecklich sind, Blödmann«, sagte Philipp. »In den Empfehlungsschreiben, die sie mitbrachten, stand, sie seien gut im Umgang mit Kindern. Aber die müssen gefälscht gewesen sein.« »Ich habe gehört, wie sie sich unterhielten«, erzählte Georg. »Sie sagten, sie hätten dich in dein Zimmer gesperrt. Warum haben sie das getan? Warst du ungezogen?« »Das haben sie behauptet«, erwiderte Philipp. »Aber ich habe gar nichts getan. Sie ließen mich nicht draußen spielen und auch sonst durfte ich nichts. Mutter und Vater sagten mir, sie würden bei uns zu Hause auf mich aufpassen. Doch kaum waren sie abgereist, haben die Bohnes mich nach Felsenburg gebracht. Sie behaupteten, wir würden Urlaub am Meer machen.« »Sie sagten etwas von Geld, das sie bekommen«, bemerkte Georg, der Philipp immer mehr Leid tat. »Ich nehme an, meine Eltern bezahlen sie dafür, dass sie auf mich aufpassen«, erwiderte Philipp. »Und sie haben Angst, dass sie nichts bekommen, weil ich ihnen davongelaufen bin.« 59
»Warum hast du sie denn nicht angerufen und ihnen erzählt, wie gemein die Bohnes zu dir sind?« »In dem Haus gab es kein Telefon«, erklärte Philipp. »Und überhaupt, ich hab dir doch gesagt, dass sie verreist sind. Ich wüsste nicht, wie ich sie erreichen könnte.« »Nun, hier kannst du auf jeden Fall nicht mehr bleiben«, seufzte Georg. »Also kommst du besser zu mir nach Hause.« »Deine Eltern werden es den Bohnes erzählen«, meinte der Junge und sah ziemlich niedergeschlagen aus. »Nein, das werden sie nicht«, erwiderte Georg und schüttelte den Kopf. »Sie sind im Urlaub, sie werden es also gar nicht erfahren.« »Wer passt denn auf dich auf?«, fragte Philipp und sah sie erstaunt an. »Johanna.« »Ach ja«, meinte Philipp. »Eure Haushälterin. Aber sie wird es den Bohnes erzählen, da bin ich mir ganz sicher. Die Erwachsenen halten immer zusammen.« Georg sah nachdenklich aus. Johanna war der freundlichste Mensch auf der Welt, aber wahrscheinlich wäre sie wirklich der Meinung, sie müsse den Hohnes sagen, dass Philipp sich im Felsenhaus aufhielt. »Ich weiß was«, meinte sie endlich, denn plötzlich hatte sie eine tolle Idee. »Du kannst 60
in meinem Baumhaus wohnen, bis deine Eltern zurück sind.« »In deinem Baumhaus«, rief der Junge. »Das wäre die Rettung. Und wo ist das?« »Auf einem Baum natürlich«, sagte Georg. »Auf einem Apfelbaum in unserem Garten. Johanna wird nie herausfinden, dass du dort bist.« »Echt?«, fragte Philipp, der seinen Ohren nicht traute. »Darf ich echt?« »Natürlich darfst du«, bekräftigte Georg mit einem Grinsen und ihre blauen Augen leuchteten. »Das wird ein toller Spaß. Ich werde dir zu essen bringen und wir können so tun, als wärst du ein Kriegsgefangener, der entwischt ist und sich bei mir vor dem Feind versteckt.« »Wunderbar, danke«, sagte Philipp, den vor allem der Gedanke an das Essen reizte. »Können wir jetzt gleich gehen?« »Ja«, antwortete Georg und stand auf. »Komm Tim, siehst du, jetzt erleben wir doch noch ein Abenteuer!« Da Philipp vor lauter Hunger so schwach war, dass er nur langsam gehen konnte, schlenderten die drei gemütlich durch das Moor nach Hause. Dabei erzählte Georg Philipp alles über ihren Vater und ihre Mutter und das Felsenhaus. »Wo wir wohnen, gibt es nichts als Häuser und Verkehr«, meinte Philipp. »Allerdings haben wir 61
einen Park, in dem ich manchmal spiele.« »Ich kann immer und überall spielen«, prahlte Georg. »Und ich habe eine Insel.« »Ist es die, die man von der alten Mühle aus sehen kann?«, fragte Philipp, der bemüht war, mit Georg Schritt zu halten, und etwas keuchte. »Ja, genau die. Im Moment gehört sie meiner Mutter. Aber eines Tages wird sie sie mir schenken. Dann gehört sie mir ganz alleine.« »Darfst du hinausfahren?«, wollte der Junge wissen. »Aber sicher, wann immer ich Lust dazu habe. Tim und ich besitzen ein Boot.« »Wahnsinn«, sagte Philipp. »Du hast vielleicht ein Glück, Mann.« »Ja«, grinste Georg, die merkte, dass Philipp sie für einen Jungen hielt. »Das habe ich.« Als sie das Gartentor erreichten, hängte Johanna gerade die Wäsche auf. »Sie darf mich nicht sehen!«, flüsterte Philipp und duckte sich hinter die Hecke. »Wir verstecken uns mit dir, bis sie fertig ist«, sagte Georg. Doch es war bereits zu spät. Tim war durch das Gartentor geschlüpft und eilte den Weg entlang. Er war ganz aufgeregt darüber, dass er einen neuen Freund hatte, mit dem er spielen konnte. Er rannte bellend zu Johanna. 62
»Hallo Tim«, rief Johanna. »Wo kommst du denn her?« Sie beugte sich zu ihm hinab und tätschelte ihn.
Dann entdeckte sie Georg, die zögernd an der Gartenpforte stand. »Ah, da bist du ja, Georg. Lauf schnell hinein. Deine Mutter wollte dich um vier Uhr von Paris aus anrufen und nun ist es fast vier.« »Bleib hier!«, flüsterte das Mädchen Philipp zu. »Ich komme wieder, sobald die Luft rein ist.« Sie sah nachdenklich aus, als sie dem Haus zulief. Philipps Anwesenheit geheim zu halten würde schwieriger werden, als sie es sich vorgestellt hatte!
63
6 Würste in der Hosentasche
»Ja Mutter, mir geht es prima«, beeilte sich Georg zu versichern, als ihre Mutter sie anrief. »Wir waren in der alten Mühle.« »Ist das nicht etwas gefährlich?«, fragte die Mutter und klang besorgt. »Ja«, bestätigte Georg. »Der Dachboden ist eingebrochen und im Dachstuhl nisten Vögel.« »Sei vorsichtig, Liebes«, bat die Mutter. »Vater und ich sind in ein, zwei Tagen wieder zurück. Er macht sich schon wieder Gedanken über seine Arbeit, wie immer.« »Und du, genießt du es in Paris?«, fragte Georg, die mit einem Mal merkte, dass sie sich noch gar nicht erkundigt hatte, wie es ihnen ging. Sie war in 64
Gedanken so mit Philipp und seinem Versteck im Baumhaus beschäftigt gewesen, dass sie es ganz vergessen hatte. »Ja, sehr, danke«, antwortete die Mutter. »Vater hat sich mit einem befreundeten Wissenschaftler getroffen und so hatte ich wunderbar Zeit, mir die Museen anzusehen und einzukaufen.« »Einzukaufen!« Angewidert rümpfte Georg die Nase. »So etwas von öde!« »Das ist überhaupt nicht öde«, lachte ihre Mutter am anderen Ende der Leitung. »Ich habe mir ein wunderschönes neues Kleid gekauft.« »Ein neues Kleid!«, rief Georg. »Na ja, warum nicht, wenn man Kleider mag. Solange du bloß keins für mich kaufst!« Ihre Mutter musste noch mehr über ihre wilde Tochter lachen. »Auf Wiedersehen, Liebes«, meinte sie dann. »Und bitte vergiss nicht, Johanna zu helfen, versprochen?« »Natürlich, Mutter«, antwortete Georg. »Auf Wiedersehen, bis bald«, fügte sie noch hinzu und legte auf. Sie war ziemlich erleichtert, dass ihre Eltern nicht da waren. Sonst wäre es noch viel schwieriger gewesen, Philipp zu verstecken. »Dein Abendbrot ist gleich soweit«, rief Johanna aus der Küche. »Wasch dir die Hände. Ich nehme an, sie sind wie immer schmutzig.« »Ich muss nur noch kurz raus«, erwiderte Georg 65
und eilte durch die Küche. »Ich bin gleich zurück.« Mit Tim im Schlepptau rannte sie durch den Garten. Philipp kauerte noch immer hinter der Hecke. »Komm«, drängte sie. »Schnell, bevor Johanna kommt, um nachzusehen, wo ich bleibe.« Sie hetzte Philipp durch das Gartentor und den Weg entlang zum Apfelbaum. »Hier rauf«, befahl sie und schob ihn die Leiter hoch. Im Nu war Philipp oben und blickte auf Georg und Tim herab. »Wuff, wuff«, kläffte Tim, der neben seiner Aufzugsschlinge stand. »Wuff, wuff.« »Jetzt nicht, Tim«, sagte Georg. »Wir kommen später wieder her.« »Wuff«, rief der kleine Hund enttäuscht. Er hätte zu gerne mit dem neuen Freund im Baumhaus gespielt. »Sobald ich kann, bringe ich dir etwas zu essen«, rief Georg und winkte, als sie auf das Haus zuging. »Mach es dir gemütlich.« »Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Johanna neugierig, als Georg und Tim hereinkamen. Zum Glück klingelte genau in dem Augenblick das Telefon und so brauchte sie Johannas Frage nicht zu beantworten. Da Georg nie log, hatte sie sich schon hastig den Kopf zerbrochen und eine Antwort darauf überlegt. »Iß du ruhig«, meinte Johanna. »Ich gehe ran.« 66
Johanna hatte Georg ihr Lieblingsgericht gekocht: Würste mit Kartoffelbrei und Bohnen. Georg rückte ihren Stuhl an den Tisch und betrachtete den Teller mit dem dampfenden Essen. Sie wusste nicht genau, wie sie Philipp etwas davon bringen sollte. Aber der Junge war am Verhungern und musste einfach etwas essen.
Als Johanna wieder in die Küche kam, war Georgs Teller leer. Sie hatte eine Wurst, die Bohnen und die Hälfte des Kartoffelbreis aufgegessen und den Rest vorsichtig in ihr Taschentuch gepackt und in die Hosentasche geschoben. Tim schnüffelte gerade sehr interessiert an ihrer Hosentasche herum, als Johanna eintrat. Seine Be67
sitzerin verhielt sich heute wirklich merkwürdig. Warum überließ sie den Rest nicht einfach ihm, wenn sie nicht alles aufessen wollte? Würste hatte er fast ebenso gern wie Knochen. »Das war diese Frau Bohne«, erzählte Johanna und stellte Georgs Teller weg. »Sie war heute hier. Du meine Güte Georg, du musst aber hungrig gewesen sein, dass du so schnell gegessen hast.« »Ja, das war ich echt«, stöhnte Georg. »Wir sind heute kilometerweit gelaufen.« Ihre Gedanken wirbelten. Warum hatte Frau Bohne im Felsenhaus angerufen? Und woher kannte sie die Nummer? »Was wollte diese Frau Bohne?«, fragte Georg und versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen. Sie wollte auch nicht verraten, dass sie das Gespräch zwischen Johanna und den Bohnes am Nachmittag belauscht hatte. »Sie wollte wissen, ob wir einen Jungen gesehen haben, der sich scheinbar verirrt hat«, gab Johanna zur Antwort. »Ich habe ihr gesagt, sie soll die Polizei anrufen. Es wäre ja möglich, dass dem armen Kind etwas zugestoßen ist.« »Ja«, sagte Georg und dachte, dass dem armen Philipp bereits etwas Furchtbares zugestoßen war. Er war gezwungen worden, mit den Bohnes zu leben, und sie hatten ihn eingesperrt. Was konnte es Schlimmeres geben? »Woher hatte sie unsere Tele68
fonnummer?«, fragte sie neugierig. »Sie hat sich im Dorf danach erkundigt«, erklärte Johanna. »Sie und Herr Bohne werden morgen früh noch einmal herkommen, weil jemand ihnen erzählt hat, sie hätten in dieser Gegend einen Jungen gesehen, und diesem Hinweis wollen sie nachgehen.« »Ein Junge, hier?«, rief Georg und schob sich seitwärts aus dem Stuhl. Zu ihrem Entsetzen bemerkte sie, dass sich das Wurstfett als großer Fleck auf ihren kurzen Hosen bemerkbar machte. Sie brachte den Vorrat in ihrer Tasche besser so schnell wie möglich zu Philipp. Dann konnte sie ihm auch gleich die schlechte Nachricht mitteilen, dass die Bohnes morgen wieder kommen würden. »Äh … also, ich helfe dir gleich mit dem Abwasch«, stotterte sie deshalb hastig. »Ich muss nur mal kurz raus.« »Aber Georg, du hast doch eben erst gegessen! Warte doch ein paar Minuten, bevor du wieder herumtobst«, protestierte Johanna. Aber Georg war bereits zur Küchentür hinausgeschlüpft. Sie schloss sie schnell hinter sich und rannte durch den Garten. Tim folgte ihr und dem Duft der Würste, der von seiner Besitzerin ausging. »Wuff!« Er stieß einen kleinen aufgeregten Kläffer aus. Vielleicht würden sie heute noch einmal picknicken. 69
Als Georg eilig die Leiter zum Baumhaus hochkletterte und ihn unten ließ, war der kleine Hund schrecklich enttäuscht. »Wuff«, bellte er aufgebracht vom Fuß des Baumes. »Wuff! Wuff!« »Ich komme gleich, Tim«, rief Georg. Er legte sich hin und bettete die Nase zwischen die Pfoten. Das war ja nicht gerade ein spannendes Abenteuer, wenn seine Besitzerin ihm mit einer Tasche voller Würste davonstob! »Oh, vielen Dank Georg!«, rief Philipp, als Georg ihm das ziemlich durch weichte Taschentuchbündel überreichte. Er verschlang den Inhalt wie der Blitz, dann fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. »Jetzt fühle ich mich schon viel besser.« »Gut«, meinte Georg und fügte dann hinzu: »Hör zu, du bist in großer Gefahr! Jemand hat den Bohnes erzählt, sie hätten hier in der Nähe einen Jungen gesehen.« »Nein!«, rief Philip und sah ganz entsetzt aus. »Wer denn?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Georg. »Abgesehen davon kann es sein, dass sie mich gesehen haben und nicht dich. Egal, auf jeden Fall ist es sehr gefährlich für dich, wenn du hier bleibst.« »Aber wo kann ich denn sonst hin?«, fragte Philipp und sah so ängstlich aus wie nie zuvor.
70
Georg runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen. Wo um alles in der Welt konnte Philipp sich verstecken, bis sie seine Eltern verständigen konnten?
71
7 Das Nachtlager
Nach einigem Nachdenken hatte Georg eine ausgezeichnete Idee. »Ich hab’s!«, rief sie aufgeregt. »Wir bringen dich auf die Felseninsel. Du kannst dich in der Burg verstecken.« »Die Insel!«, rief Philipp und seine Augen strahlten. »Das ist eine tolle Idee, Georg. Dort finden die Bohnes mich nie.« Dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder. »Aber wie finden wir heraus, ob Vater und Mutter von ihrer Geschäftsreise zurück sind? Sie sterben vor Schreck, wenn niemand zu Hause 72
ist.« »Du musst mir eure Telefonnummer geben. Ich versuche einfach immer wieder, deine Eltern zu erreichen«, meinte Georg. »Früher oder später werde ich sie bestimmt erwischen.« »Ja, das ist eine gute Idee«, willigte Philipp ein. »Du bist echt klug, Georg.« »Ich weiß«, antwortete Georg, die bereits einen weiteren guten Einfall hatte. »Nachdem wir dich auf die Insel gebracht haben, fahre ich zurück und hole im Dorfladen Proviant für dich.« »Super«, meinte Philipp erfreut. Er war immer noch hungrig. »Und während ich in Felsenburg bin, werde ich auch gleich ein Auge auf das Haus der Bohnes werfen. Das wird ein Spaß, zuzusehen, wie sie sich ärgern, weil sie dich nirgends finden konnten.« »Ja«, bestätigte Philipp, der ebenfalls grinste. »Allerdings ist es nicht wirklich ihr Haus. Sie haben es bloß für den Sommer gemietet. Es heißt Schmugglerkate.« »Schmugglerkate! Was für ein passender Name. Wo ist denn das Haus?« »Das weiß ich nicht.« Philipp schüttelte den Kopf. »Es war dunkel, als wir ankamen, und sie haben mich nie irgendwohin mitgenommen. Bevor sie mich einsperrten, durfte ich nur in den Garten und der ist von einer hohen Mauer umgeben. Aber 73
ich konnte von meinem Zimmer aus einen Kirchturm sehen und als ich weglief, rannte ich ewig lange über einen steinigen Weg und landete am Hafen, aber es war sehr dunkel.« »Oh«, entfuhr es Georg, die Mitleid mit Philipp hatte. In der Dunkelheit zu entwischen war ja ganz schön spannend, aber nur in den Garten zu dürfen und dann eingesperrt zu werden, das war echt furchtbar. Wie böse und gemein die Bohnes doch zu dem armen Philipp gewesen waren. »Ich bin sicher, dass ich das Haus rasch finde«, sagte sie. »Tim und ich sind gut im Ortefinden.« »Tatsächlich?«, fragte Philipp bewundernd. »Ja«, bestätigte Georg und grinste. Ihre lebhaften blauen Augen glitzerten vor Aufregung und ihr Herz pochte heftig. »Und wenn Tim und ich es finden, können wir deinen Eltern auch sagen, wo die Bohnes dich eingesperrt haben.« »Ja«, stimmte Philipp zu. »Dann können sie ihnen kräftig die Meinung sagen.« »Als Spione zu arbeiten wird wahnsinnig spannend. Das können wir ebenfalls echt gut.« »Wirklich?«, staunte Philipp mit vor lauter Bewunderung runden Augen. »Wenn ich erst mal so groß bin wie du, werde ich ebenfalls Spion.« »Das kannst du«, erwiderte Georg und grinste noch breiter. »Jeder kann Spion werden, man muss 74
es nur wollen. Tim und ich erleben viele Abenteuer, musst du wissen. Wir haben uns schon fast daran gewöhnt.« »Wuff«, bellte Tim von unten, diesmal ganz besonders laut. Er befürchtete allmählich, seine Besitzerin habe ihn völlig vergessen. »Ich komme«, rief Georg. »Also Philipp, ich gehe jetzt wohl besser, bevor Johanna Tim hört und nachsieht, was mit ihm ist. Sobald es dunkel ist, bringe ich dir eine Decke und noch mehr zu essen.« »In Ordnung«, antwortete Philipp kleinlaut. Er freute sich nicht gerade auf eine Nacht allein im Baumhaus. Es würde ziemlich unheimlich sein hier oben, mit dem Wind, der die Äste knacken ließ, und den schreienden Eulen. »Du brauchst dich nicht zu fürchten«, beruhigte ihn Georg, als sie sein Gesicht sah. »Hier ist es viel weniger unheimlich als in der alten Mühle.« »Ja«, gab Philipp zu. »Wahrscheinlich hast du Recht.« »Und Tim und ich sind in der Nähe«, fügte sie hinzu. »Hier im Felsenhaus gibt es nichts Schreckliches. Hier ist es einfach nur schön. Sei also kein Baby, ja?« »In Ordnung«, antwortete Philipp mit bebender Unterlippe. Er dachte an sein gemütliches Schlafzimmer daheim in London und an seine Eltern, die meist unten im Wohnzimmer saßen, wenn er im 75
Bett lag. Dort fühlte er sich wirklich sicher. Georg kletterte wieder nach unten. Tim sprang wie ein Jojo an ihr hoch und wedelte wild mit dem Schwanz. Er war überglücklich, sie zu sehen, auch wenn sie kaum zehn Minuten im Baumhaus gewesen war. »Ich habe dir sehr viel zu erzählen, Tim«, flüsterte ihm Georg beim Hineingehen zu. »Also, mein Plan sieht folgendermaßen aus …« Als Johanna die Hausarbeit erledigt hatte und sich nach dem Abendessen ausruhte, schlich Georg mit Tim nach oben. Sie ging zum Wandschrank im Flur und nahm eine Decke heraus. Dann schlüpfte sie ins Gästezimmer und holte ein Kopfkissen. Philipp würde es kuschelig weich und warm haben im
76
Baumhaus. Mit dem Bündel schlich sie wieder nach unten. Tim folgte ihr auf dem Fuß. Georg legte Decke und Kissen auf den Küchentisch und ging in die Vorratskammer. Dort stopfte sie sich Kekse, Früchte, Nüsse, Chips und schließlich noch eine kleine Flasche Limonade in die Hosentaschen, was diese höchst verdächtig ausbeulte. »Komm Tim«, flüsterte sie. »Wir bringen alles Philipp, bevor Johanna kommt und uns erwischt.« Sie eilten durch den Garten zum Baumhaus, wo Philipp schon auf sie wartete. »Hier«, wisperte Georg. »Komm runter und hol dir das.« Philipp kletterte die Leiter hinab und schleppte Decke und Kopfkissen nach oben. Georg legte Tim die Aufzugsschlinge um. »Zieh am Seil und hiev ihn nach oben«, rief sie und Philipp zog und zog, bis der kleine Hund sicher im Baumhaus oben angekommen war. »Du kennst den Plan«, flüsterte Georg, die gleichzeitig mit Tim im Baumhaus eintraf. »Zuerst bringe ich dich morgen früh auf die Insel, dann gehe ich nach Felsenburg und kaufe Proviant für dich ein.« »Ich habe doch gar kein Geld«, mummelte Philipp, den Mund voller Kekse, die er gierig verschlang. 77
»Mach dir darüber keine Sorgen«, erwiderte Georg großzügig. »Meine Mutter hat mir etwas Taschengeld dagelassen. Und da ich mir praktisch nie etwas kaufe, ist mein Sparschwein voll und dieses Geld können wir ebenfalls ausgeben.« »In Ordnung«, stimmte Philipp zu. Er mampfte inzwischen einen rosigen Apfel. »Meine Eltern werden dir alles zurückzahlen, wenn sie nach Hause kommen.« »Vergiss es«, sagte Georg. Sie mochte ja wild und hitzig sein, aber sie war auch sehr großzügig. »Und sobald Tim und ich aus Felsenburg zurück sind«, fuhr sie fort, »rudern wir zur Insel hinaus und richten dir in der Burg ein sicheres Lager ein.« »Prima«, strahlte Philipp. »Ich wollte schon immer mal in einer Burg leben. Du nicht auch, Tim?« »Wuff«, kläffte Tim und starrte dabei hoffnungsvoll auf den letzten Keks. Er wusste, dass ihr neuer Freund sehr hungrig gewesen war. Aber ein winziges Stück Keks würde er doch wohl entbehren können? Philipp sah, wie der kleine Hund seinen Keks anstarrte und brach ihn entzwei, um ihm die Hälfte zu geben. Dankbar schlang Tim sie herunter, um gleich darauf auch auf die andere zu hoffen. »Sei nicht so gierig!«, rügte Georg ihn sanft. »Der ist schwer in Ordnung«, sagte Philipp und umarmte ihn. »Darf er heute Nacht bei mir blei78
ben?« »Tut mir Leid.« Georg schüttelte den Kopf. »Tim schläft immer bei mir auf dem Bett.« »Schade«, meinte Philipp und klang ziemlich enttäuscht. Georg half ihm, aus ihrem Sitzkissen, der Decke und dem Kissen ein Bett zu machen. Dann wartete sie, bis er es sich bequem gemacht hatte. Philipp kuschelte sich in seine Decke. Eigentlich war es richtig schön, in einem Baumhaus zu schlafen. Jetzt da er in Sicherheit war und es warm und gemütlich hatte, würde ihm bestimmt weder das Schreien der Eulen noch das Rauschen des Meeres etwas ausmachen. »Gute Nacht, schlaf gut«, flüsterte Georg, während sie Tim in der Schlinge hinunterließ. Dann kletterte sie die Leiter hinab. »Ich komme morgen früh mit dem Frühstück«, rief sie noch halblaut zu Philipp hoch. »Danke«, erwiderte der Junge gähnend. Er hatte einen unglaublich aufregenden Tag hinter sich und war sehr, sehr müde! Georg wirbelten die Gedanken so heftig durch den Kopf, dass sie nur mit Mühe ruhig im Bett liegen bleiben konnte. Als Johanna schlief, huschte sie in die Küche hinunter, um wie gewöhnlich Tim zu holen. Er erwartete sie sehnsüchtig bei der Tür. 79
»Wir haben morgen sehr viel zu erledigen«, flüsterte sie ihm zu, als sie die Treppe hochschlichen. »Wir müssen einkaufen gehen, ein Lager einrichten und Leute ausspionieren. Was für ein Abenteuer!«
80
8 Flucht auf die Felseninsel
Tags darauf standen Georg und Tim mit den Vögeln auf. Johanna schlief noch, als Georg in die Küche hinabschlich. Schnell bestrich sie ein paar Brote mit Butter und klebrigem goldenem Honig, von dem ein Großteil an der Seite herablief und auf die Anrichte kleckerte. Dann holte sie eine Flasche Limonade aus der Vorratskammer und ging nach draußen. Der frische, leicht dunstige Morgen kündigte einen neuen sonnigen Tag an. Georg konnte das Meer riechen und hören, wie die Wellen sanft über 81
den Sandstrand strichen. Es würde wunderbar und ruhig sein, ideal, um zur Felseninsel hinauszurudern. Tim rannte in den Garten und umkreiste schnuppernd die Blumenbeete für den Fall, dass in der Nacht irgendwelche Tiere eingedrungen waren. Er witterte, dass ein Igel und ein paar Mäuse da gewesen waren, sowie dass eine Elster, wohl in der Dämmerung, durch den Garten gestakst war. »Bist du wach, Philipp?«, rief Georg vom Fuß der Leiter, die zum Baumhaus führte. »Ich habe dir etwas zum Frühstück mitgebracht.« Philipps zersauster Kopf tauchte im Eingang auf. »Hier bin ich«, flüsterte er. Georg legte Tim die Aufzugsschlinge um und Philipp zog ihn hoch. »Hallo Tim«, begrüßte ihn Philipp, hocherfreut, dass der kleine Hund ihm über das Gesicht leckte und mit dem Schwanz wedelte. Georg kletterte hoch und reichte Philipp sein Frühstück. »Mmh, Honigbrote, die mag ich am liebsten«, stellte der Junge fest und biss herzhaft hinein. »Danke Georg.« Tim saß ihm zu Füßen und hoffte, dass etwas Honig von den Broten tropfte und irgendwo in der Nähe seiner Schnauze landete. »Hast du gut geschlafen?«, wollte Georg wissen 82
und leckte sich die Finger an den Stellen, die von den Broten klebrig waren. »Mmh«, brummte Philipp wohlig, den Mund noch immer voller Honigbrot. »Ich war furchtbar müde und habe überhaupt nichts gehört.« »Das ist gut«, meinte Georg. »Beeil dich mit den Broten! Wir müssen sobald wie möglich zur Insel hinausfahren.« »Stimmt«, antwortete Philipp. Er stopfte das letzte Stück Honigbrot in sich hinein und fuhr sich über die Lippen. »Ich bin soweit«, fügte er hinzu und nahm einen Schluck Limonade. »Lass uns gehen.« Georg ließ Tim hinunter und folgte Philipp dann mit der Decke und dem Kissen. »Hier lang«, wies sie ihn an. »Und keinen Mucks. Johanna wird bald aufstehen und sie darf auf keinen Fall Verdacht schöpfen.« »Wird sie sich nicht fragen, wo du bist?«, wollte Philipp neugierig wissen, als sie durch das Tor und über den Klippenweg eilten, der zur Bucht hinabführte. »Ich bin oft frühmorgens mit Tim unterwegs«, erwiderte Georg und schüttelte den Kopf. »Manchmal gehen wir zum Frühstück picknicken.« »Toll«, sagte Philipp neidisch. Er dachte, wie wunderbar es wäre, so nahe am Meer zu leben, und was für ein Glückspilz dieser Georg doch war. 83
Tim rannte voraus und suchte mit hoch erhobenem Schwanz nach Kaninchen. Georgs kleines Boot lag in sicherem Abstand zur Brandung auf dem trockenen Sand. »Leg die Sachen hinein«, wies sie Philip an. »Und hilf mir dann, das Boot ins Meer zu schieben.« Philipp warf Decke und Kissen hinein und half Georg mit dem Ruderboot. Tim sprang gleich hinein. Er stellte sich in den Bug und bellte die Wellen an, für den Fall, dass es eine wagen sollte, ins Boot zu schwappen. Sobald das kleine Boot schwamm, sprangen Georg und Philipp ebenfalls hinein. »Setz dich nach vorne zu Tim«, bat Georg Philipp. Sie griff nach den Rudern und begann mit kräftigen Stößen Richtung Insel zu rudern. »Das macht Spaß!«, jubelte Philipp, der auf der kleinen Sitzbank kniete, damit er sehen konnte, wo sie hinfuhren. »Boote sind etwas Wunderbares.« »Finde ich auch«, antwortete Georg und zog die Ruder durch. Sie war sehr stark für ihr Alter und das Boot glitt schnell durch das Wasser. »Ich liebe alles, was mit dem Meer zu tun hat.« Über ihren Köpfen kreischte eine Schar Möwen, während Georg sorgfältig zwischen den gefährlichen Felsen rund um die Insel hindurchmanövrierte. Sie hatte diese Strecke schon so oft zurückgelegt, dass sie den sichersten Weg genau kannte. Es war 84
ein gutes Zeichen, wenn sie die Wellen beim Rudern gegen den Bug schwappen hörte. Das bedeutete, dass sie in sicheren Tiefen zwischen den zerklüfteten Felsen dahinglitten. Bald hatten sie die Felseninsel erreicht. Georg steuerte zwischen zwei hohen Felsen auf eine kleine Sandbucht zu, die versteckt auf der Ostseite der Insel lag. Als das Boot auf den Sand auflief, ertönte ein sanftes Knirschen. Tim sprang hinaus und jagte, so schnell er konnte, den Strand hoch zur grasbewachsenen Böschung. Eine Horde Kaninchen stob Schutz suchend auseinander. »Tim!«, rief Georg streng. »Wage es nicht, meine Kaninchen zu jagen.« Sie sprang ebenfalls hinaus und zog das Boot aus dem Wasser. »Deine Kaninchen?«, fragte Philipp verwundert. Auch er war auf den Sand gesprungen und half ihr dabei. »Ja«, keuchte Georg. »Alle Tiere hier gehören mir.« Tim machte mit eingezogenem Schwanz kehrt. Er wusste nur zu genau, dass er die Kaninchen nicht jagen durfte, doch hin und wieder konnte er der Versuchung einfach nicht widerstehen. »Ich will mich umsehen, ich will mich umsehen!« drängte Philipp und hüpfte aufgeregt auf und ab. »Das ist eine wunderbare kleine Insel.« »Zuerst gehen wir zur Burg«, entschied Georg 85
und nahm Decke und Kissen. »Dann zeige ich dir den Rest.« Philipp hielt die Felseninsel für den aufregendsten Ort, den er je gesehen hatte. Er rannte mit Tim voraus, hüpfte über Felsbrocken und Grasbüschel und kletterte die kleine Anhöhe zur Burg hoch. Kaninchen und Seevögel stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander. Georg hatte ihn bald eingeholt. »Hier befand sich früher der Eingang«, erzählte sie ihm. Philipp betrachtete die Überreste des steinernen Torbogens, hinter dem zerfallene Treppenstufen in den Burghof hineinführten. »Früher gab es hier dicke Mauern und zwei hohe Türme«, erklärte Georg, während sie mit Philipp den grasbewachsenen Burghof betrat. »Der eine ist fast ganz zerfallen und im anderen wohnen unzählige Dohlen. Ich bin auf den Vorsprung da oben geklettert, um mir ihre Nester anzusehen.« »Auf den dort?«, fragte Philipp und blinzelte zu dem breiten Sims hoch. »Du hast vielleicht Mut.« »Ja«, erwiderte Georg. »Ziemlich hoch, nicht?« »Allerdings«, bestätigte Philipp. »Ziemlich sehr hoch.« Georg zog ihn in den steinernen Rittersaal und zeigte ihm die alte Feuerstelle. Philipp blickte sich schaudernd um. »Hier ist es so dunkel und feucht wie in der alten Mühle«, sagte er. 86
»Ich weiß«, meinte Georg und ließ die Decke und das Kissen zu Boden fallen. »Aber hier bist du in Sicherheit und es ist ja auch nicht für lange. Ich bin sicher, dass deine Eltern bald zurück sind.« 87
»Also gut«, willigte Philipp schließlich ein und klang dabei ziemlich ängstlich. »Wenn Tim bei mir wäre, hätte ich ganz bestimmt keine Angst.« »Nun«, meinte Georg und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich werde es mir überlegen.« Sie zeigte Philipp noch den Rest der Insel. »Siehst du«, bemerkte sie, als sie wieder zum Burgeingang zurückkehrten. »Hier bist du so sicher wie nirgends auf der Welt.« Dann warf sie einen Blick auf die Sonne, die schon ziemlich hoch stand. Georgs Magen knurrte entsprechend. Schließlich war sie vor dem Frühstück aufgebrochen und inzwischen zu Recht sehr hungrig. »Es ist höchste Zeit, dass wir gehen«, meinte sie. »Komm Tim.« »Ich … ich weiß nicht, ob ich allein hier bleiben kann«, flehte Philipp mit bebenden Lippen, als er Georg und Tim zur Bucht folgte. Ihm stand jeder einzelne Augenblick vor Augen, den er einsam in der alten Mühle zugebracht hatte. Der kleine Junge sah so verloren aus, dass Georg nachgab. »Also gut, Tim darf für einige Zeit hier bei dir bleiben«, willigte sie mit einiger Überwindung ein. »Aber es ist sinnlos, ein Abenteuer erleben zu wollen, wenn du dich wie ein Baby benimmst.« »Das werde ich nicht, ehrlich«, versprach Phi88
lipp. »Ich muss mich hier bloß erst eingewöhnen.« »Dann gewöhn dich besser ein, bis ich mit deinem Proviant zurück bin«, erwiderte Georg. »Denn dann nehme ich Tim wieder mit.« »Das werde ich, keine Bange«, beteuerte Philipp eilig. »Gut«, brummte Georg stirnrunzelnd, die Hände in die Hüften gestützt. »Ich besorge jetzt im Dorfladen die Sachen und komme sobald wie möglich zurück.«
»In Ordnung«, sagte Philipp und half ihr, das Boot ins Wasser zu schieben. »Während ich weg bin, kannst du trockenes Gras sammeln, um dir daraus eine Matratze zu machen«, wies Georg ihn noch an, während sie ins 89
Boot sprang. Sie war Expertin im Kampieren. »In Ordnung«, wiederholte Philipp. »Tim wird mir dabei helfen.« »Pfh«, schmollte Georg. Es passte ihr ganz und gar nicht in den Kram, ihren Hund zurückzulassen. Tim war sofort ins Boot gesprungen und bellte schon die Wellen an. »Du musst wieder aussteigen, Tim«, sagte Georg. »Du bleibst hier bei Philipp. Sei ein braver Hund und steig aus.« Tim starrte seine Besitzerin entgeistert an. Sie würde doch nicht ohne ihn losrudern? »Mach schon, Tim«, wiederholte sie. »Steig aus und bleib bei Philipp.« Tim sprang auf den Sand zurück. Georg beugte sich über den Bootsrand und knuddelte ihn kräftig. »Sei ein braver Hund und bleib schön hier«, flüsterte sie und schluckte hörbar. »Ich verspreche dir, ich bleibe nicht lange weg.« »Wuff?«, fragte Tim und hielt den Kopf schief. Er sah immer noch ganz verwirrt aus. »Wuff, wuff?« »Tut mir Leid, mein Kleiner«, tröstete ihn Georg traurig. »Du musst eine Zeit lang auf Philipp aufpassen. Er ist kleiner als ich und nicht halb so mutig.« »Wuff«, erwiderte Tim und leckte Georg über das Gesicht. Er wusste, dass er gehorchen musste, auch wenn es ihm noch so schwer fiel, dass seine 90
Besitzerin ohne ihn loszog. Falls ihr nun etwas Schreckliches widerfuhr und er nicht da war, um sie zu beschützen! Der Gedanke machte ihn sehr unglücklich.
91
9 Die Schmugglerkate
Als Georg zurückschaute, stand der kleine Hund traurig am Strand und sah zu, wie sie wegruderte. »Ich bin bald zurück, Tim, mein Schatz«, rief sie ihm zu und ruderte entschlossen zwischen den Felsen hindurch. »Mach dir keine Sorgen.« Philipp hob Tim hoch und schwenkte einen seiner Vorderpfoten, sodass es aussah, als würde er winken. Georg sah nicht mehr hin, sondern schluckte leer und ruderte energisch auf die Küste zu. Je schneller sie in Felsenburg war, desto schneller war sie wieder 92
mit ihrem liebsten Freund vereint. Zum Glück war Johanna oben und putzte die Schlafzimmer, als Georg nach Hause kam. Sie hätte es mit Sicherheit äußerst merkwürdig gefunden, dass Georg ohne Tim im Schlepptau auftauchte. Johanna hatte in der Küche ein leckeres Frühstück bereitgestellt. Hastig verschlang Georg ihr Müsli mit Früchten und stürzte ein großes Glas sahnige Milch herunter. »Wir gehen ins Dorf«, rief sie nach oben. »Und dann auf die Insel. Wir wollen dort kampieren.« »Ist gut«, antwortete Johanna vom Treppenabsatz. »Viel Spaß.« »Danke«, erwiderte Georg. »Bis später.« Flink nahm sie ihr Sparschwein vom Kaminsims in der Küche und schüttelte das ganze Geld heraus. Klirrend und klimpernd fielen die Münzen auf die Arbeitsfläche. Hastig stopfte Georg sie in ihre Hosentaschen und stellte das Sparschwein zurück. Sie hoffte, ihre Mutter würde nicht merken, dass ihr ganzes Geld weg war. Sie hatte zwar nichts dagegen, dass Georg ihr Geld ausgab, bloß nicht alles auf einen Schlag! Georg lief zur Hintertür hinaus in den Garten und nahm hinter dem Tor den Weg, der über den Klippenkamm ins Dorf hinabführte. Es dauerte nicht lange, dann kamen die weißen 93
Fischerhäuschen in Sicht, die die Hafenstraße säumten. »Morgen Georg«, ertönte eine Stimme, als sie vom Weg auf den Strand hinuntersprang und über die Kiesel rannte. »Hallo Alf«, rief sie, als sie ihren Freund neben der Sally Ann sitzen und die Fischernetze seines Vaters flicken sah. Alf war der Sohn eines der Fischer von Felsenburg und Georgs Freund, seit sie denken konnte. Er war älter als sie. Sein Gesicht war braun gebrannt und auf seinem zersausten, braunen Haar saß eine alte Wollmütze. »Wo ist Tim?«, rief der Junge und sah ihr verblüfft entgegen. Es war sehr ungewohnt, Georg ohne ihren Hund zu sehen. »Er ist bei einem Freund von mir geblieben«, er-
94
widerte Georg. »Bei jemandem, den er beschützen muss.« »Ach so, verstehe«, meinte Alf und grinste über das ganze Gesicht. Er mochte Tim ganz besonders gerne und hatte immer einen kleinen Leckerbissen für ihn in der Hosentasche. »Ach ja, Alf?«, setzte Georg an, der plötzlich einfiel, dass sie herausfinden wollte, wo das Haus der Bohnes stand. »Hast du eine Ahnung, wo sich die Schmugglerkate befindet?« »Die Schmugglerkate?« Alf rümpfte nachdenklich die Nase. »Ich glaube, das ist das kleine Haus in der Seitenstraße hinter der alten Schmiede. Warum fragst du?« »Ach, ein Freund von mir hat eine Zeit lang dort gewohnt.« Zu gerne hätte sie Alf alles von Philipp erzählt, aber sie hielt es für besser, wenn wirklich niemand wusste, wo der Junge sich versteckte. »Soviel ich weiß, wird es gewöhnlich an Urlauber vermietet«, erklärte Alf. »Ja, das muss es sein«, bestätigte Georg. »Vielen Dank. Ich muss jetzt gehen.« »Vergiss nicht, mich bald mit Tim zu besuchen«, rief Alf ihr nach, als sie davoneilte. »In Ordnung«, rief Georg zurück und winkte, während sie den Strand hochrannte und auf die Hafenmauer sprang. Sie überquerte die Straße und 95
lief die Hauptstraße Richtung Schmiede hoch. Neben der Schmiede ging ein schmaler steiniger Weg ab, den Georg noch nie zuvor bemerkt hatte. »Hier muss es sein«, sagte sie zu sich und bog in den Weg ein. Auf beiden Seiten wuchsen hohe, mit Dornengestrüpp überwucherte Hecken, die ihr beim Vorbeigehen die Beine zerkratzten. Der Weg kam ihr unendlich lang vor. Gerade als Georg glaubte, nie an ein Ziel zu kommen, kam ein ungepflegtes Häuschen in Sicht. »Huch«, rief sie unwillkürlich. »Soviel ist sicher, das ist ein idealer Ort, um Schmugglerbeute zu verstecken. Hier würde wohl kaum jemand danach suchen.« Ein schmiedeeisernes Tor führte in den von einer Steinmauer umgebenen verwilderten Garten. Georg öffnete es und trat vorsichtig ein. Beim Anblick der mit Unkraut überwucherten Blumenbeete und der ungepflegten Hecke schauderte sie kurz. Sie wünschte sich sehnlichst, Tim wäre bei ihr. Er wäre vorausgerannt und hätte eine mögliche Gefahr schon längst gewittert. Wachsam schlich sie auf Zehenspitzen zur Haustür. Es schien niemand da zu sein und das Haus wirkte leer und verlassen. Es war ein sehr unfreundlicher Ort, um den Sommer zu verbringen. »Philipps Eltern werden wütend sein, wenn sie dieses furchtbare Haus sehen«, sagte sie leise zu 96
sich, um sich Mut zu machen. Mit dem überwucherten Garten und den zugezogenen Vorhängen sah die Schmugglerkate mehr nach Gefängnis als nach Ferienhaus aus. Sie wollte sich gerade umdrehen und gehen, da hörte sie zu ihrem Entsetzen Stimmen, die sie sofort wieder erkannte. Herr und Frau Bohne kamen des Wegs und stritten sich dabei wie immer. Georg gelang es gerade noch, um die Ecke hinter das Haus zu huschen, als sie in Sicht kamen. Sie kroch unter ein Gebüsch und duckte sich. Ihr Herz trommelte laut. »Tja, weit kann er nicht sein«, schimpfte Frau Bohne, während sie mit ihrem Mann durch den Garten stapfte und dabei ungeduldig herabhängende Äste von Sträuchern und Gebüschen beiseite schob. »Inzwischen muss er vor Hunger bald umkommen. Es wird nicht mehr lange dauern und er kommt auf allen Vieren angekrochen, mach dir da mal keine Sorgen.« »Und ob ich mir Sorgen mache!«, knurrte Herr Bohne. »Die Lösegeldforderung liegt bereit, muss nur noch eingeworfen werden und jetzt fehlt uns die Geisel! Wenn wir den Jungen nicht finden, müssen wir verschwinden und können den ganzen Plan vergessen. Dann haben wir hier reine Zeitverschwendung betrieben!« »Tja, das ist allein deine Schuld, mein Lieber«, 97
bemerkte Frau Bohne spitz. »Das hast du dir selbst zuzuschreiben.« »Schuld!«, wütete Herr Bohne. »Wenn es nach dir geht, ist immer alles meine Schuld. Dieser gan-
98
ze Plan war von Anfang an eine einzige Katastrophe.« Im Gebüsch spitzte Georg die Ohren. Geisel! Lösegeldforderung! Plötzlich verstand sie. Die Bohnes hatten ihre Empfehlungsschreiben gefälscht, um an Philipp heranzukommen und ihn zu entführen! Doch er war entwischt und hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Bohnes waren Entführer! Georgs Herz pochte so heftig, dass es wehtat. Dieses Abenteuer wurde von Minute zu Minute spannender! Sie hörte, wie sich ein Schlüssel drehte und die Haustür mit einem Quietschen in den rostigen Angeln aufging. Dann schlug sie krachend hinter Herrn und Frau Bohne zu. Sie waren drin. Georg konnte sie noch immer streiten hören. Als sie sicher war, dass die Luft rein war, floh Georg auf dem Gartenweg zum Tor hinaus. Sie rannte den ganzen Weg bis zur alten Schmiede zurück. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie musste im Dorf laden einkaufen gehen und dann sofort zur Insel zurückrudern und Philipp erzählen, was sie gehört hatte!
99
10 Noch einmal auf die Felseninsel
Georg raste die Hauptstraße entlang bis zum Dorfladen. Die Türglocke klingelte, als sie eintrat. Der Laden war zugleich das Postamt von Felsenburg und bot von der Konservendose bis zum Nagel alles an. »Guten Morgen«, krächzte eine Stimme über ihr. Es war Polly, der Papagei. Er gehörte der Postmeisterin Frau Holze. »Hallo Polly«, grinste Georg. Sie und der Papagei waren alte Freunde. »Also«, sagte sie zu sich. »Was 100
brauche ich alles?« Sie ging von Regal zu Regal und trug das Gewünschte zusammen: Kekse und Chips, Kakao, Milch, Zucker, Brot, Schinken, Batterien für die Taschenlampe, Kerzen und Streichhölzer. Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Philipps Feldlager würde eingerichtet sein wie kein anderes auf der ganzen Welt. Und es war zugleich der sicherste Ort, an dem er sich verborgen halten konnte, bis seine Eltern nach Hause kamen und sie Kontakt mit ihnen aufnehmen konnte. Wie entsetzt würden sie sein, wenn sie erfuhren, was die Bohnes geplant hatten. Gott sei Dank war Philipp entwischt! Bald hatte Georg einen ganzen Berg Dinge auf dem Ladentisch aufgetürmt. Die Türglocke klingelte und ein weiterer Kunde betrat den Laden. »Na«, meinte Frau Holze, als sie die Beträge zusammenzählte. »Richtest du dir ein Lager ein, Georg?«. »Das ist nicht für mich«, erwiderte Georg in gedämpftem, geheimnisvollem Ton. Sie sprach wie ein Spion, der nicht will, dass jemand mithört. »Es ist für einen Freund.« »Aha, ich verstehe«, nickte Frau Holze. »Und du hilfst ihm.« »Ja, zusammen mit Tim«. »Wo ist denn dein süßer kleiner Hund?«, wollte Frau Holze wissen, als ihr mit einem Mal klar wur101
de, dass Georg allein gekommen war. »Er passt auf meinen Freund auf«, erklärte Georg. »Wir erleben gerade ein Abenteuer.« »Aha, ich verstehe«, wiederholte Frau Holze mit freundlichem Lächeln, während sie die vielen Dinge in Tüten packte. »Na, dann wünsche ich dir noch viel Vergnügen dabei.« »Danke, es wird bestimmt spannend«, erwiderte Georg, gab ihr das Geld und nahm die Tüten. Sie war ziemlich beladen und hatte Mühe, die Tür zu öffnen. Ein Mann, der eben eintrat, half ihr und hielt sie ihr auf. »Vielen Dank«, sagte sie höflich. Der Mann tippte sich an die Mütze und hielt die Tür dann gleich noch für eine weitere Person auf, die hinter Georg auf die Straße trat. Inzwischen eilte das Mädchen bereits Richtung Felsenhaus. Außer Atem kam Georg zu Hause an. Einen Teil der Einkäufe verstaute sie in zwei Rucksäcken, die sie im Schuppen fand. Dann kletterte sie flink in ihr Baumhaus und holte ihren Blechkrug und zwei zerbeulte Blechtassen. Zu guter Letzt ging sie in die Küche und nahm ihre Taschenlampe an sich. »Ich habe für dich einen Picknickkorb gepackt«, sagte Johanna. Sie war gerade mit einem Backblech voller Kekse beschäftigt. »Du wirst bestimmt irgendwann hungrig, wenn du den ganzen Tag auf der Insel verbringst.« 102
»Vielen, vielen Dank«, rief Georg erfreut und studierte den Picknickkorb. Sie entdeckte Schinkenbrote, Chips, eine Tüte mit Obst, Kekse, Bonbons und eine ganze Flasche von Johannas selbst gemachter Ingwerlimonade. Johanna war die beste Picknickausrüsterin der Welt. »Ich habe auch eine Tüte Kekse für Tim mit eingepackt«, sagte Johanna. »Er wartet wohl schon auf dich?« »Ja«, antwortete Georg schnell und griff nach Taschenlampe und Korb. »Vielen, vielen Dank.« »Seid aber zurück, bevor es dunkel wird«, rief Johanna, als sie bemerkte, dass Georg die Taschenlampe mitnahm. »Bestimmt«, versprach Georg und eilte davon, bevor Johanna weitere Fragen stellen konnte. Draußen stellte sie den Picknickkorb neben ihre Einkäufe und betrachtete das Ganze nachdenklich. Wie um alles in der Welt sollte sie all das zum Boot hinunterbringen? Schließlich hatte sie eine ausgezeichnete Idee. Sie rannte in den Schuppen und holte die Schubkarre, legte alles hinein und machte sich dann eilig auf dem Gartenweg davon. Wenn bloß Johanna nicht ausgerechnet jetzt herauskam und sie sah! Sie würde sich gewiss fragen, warum Georg eine ganze Schubkarrenladung mit auf die Insel nahm! Es war sehr anstrengend, die Schubkarre über 103
den weichen Sand zu schieben und die vielen Dinge im Boot unterzubringen. Doch bald hatte Georg alles verstaut. Sie brachte die Schubkarre weit oben am Strand vor der Flut in Sicherheit. Dann ging sie zum Boot zurück. Keuchend und ächzend schob sie es ins Wasser. Als sie hineinsprang und die Ruder ergriff, hüpfte es wie ein Korken auf den Wellen auf und ab. Bald darauf ruderte sie einmal mehr zur Felseninsel hinaus. »Bald … bin ich da«, murmelte sie im Rhythmus der Ruderschläge. »Bald … bin ich da.« Sie atmete tief durch und ruderte so rasch wie möglich. Sie konnte es kaum erwarten, wieder mit Tim zusammenzusein. Obwohl der Himmel noch wunderbar blau war, blies ein kräftiger Wind über das Meer. Die Wellen gingen ziemlich hoch und es fiel Georg schwer, das kleine Boot auf Kurs zu halten. Als sie einmal kurz den Blick hob, glaubte sie, auf dem Klippenkamm zwei sich entfernende Gestalten zu sehen. Sie hoffte, dass es nicht die Bohnes waren und dass sie nicht gesehen hatten, wie sie ihr Boot beladen hatte. Vielleicht suchten sie dort oben nach Philipp. Schließlich hatten sie für heute ja ihren Besuch im Felsenhaus angekündigt. Gut möglich, dass sie erst noch das Moor abgesucht hatten. Doch dann vergaß Georg die beiden völlig, denn eine große Welle schwappte beinahe ins Boot. Als 104
sie um die Insel fuhr, um die sichere Bucht zu erreichen, zerrte das aufgewühlte Wasser an den Rudern und riss sie ihr fast aus den Händen. Georg kämpfte mit aller Kraft und ihrem ganzen Willen, um sie festzuhalten. Schnell ruderte sie zwischen den schützenden Felsen in die kleine Bucht. Das Boot lief knirschend auf dem Sand auf. »Gott sei Dank!«, rief sie, sprang heraus und zog das Boot an Land. Von Philipp und Tim war nichts zu sehen. »Ich bin wieder da«, rief sie, so laut sie konnte. »Ich habe alles dabei und muss euch etwas Aufregendes erzählen. Kommt und helft mir beim Ausladen!« Sie begann die Sachen aus dem Boot zu heben. Über ihr kreisten die Möwen und schossen hin 105
und wieder ins Wasser hinab. Eine Schar Dohlen flog in krächzendem Chor vom Turm hoch. Georg drehte sich um und runzelte die Stirn. Wo waren bloß Philipp und Tim? Die Insel war klein, weit konnten sie also nicht sein. Sie mussten doch gehört haben, wie sie rief. Warum kamen sie denn nicht und halfen ihr? Da ertönte ein aufgeregtes Gebell und Tim tollte von der grasbewachsenen Anhöhe, auf der die Burg stand, auf Georg zu. Er sprang an ihr hoch und warf sie beinahe um. »Ach Tim, mein Schatz, ich habe dich ja so vermisst«, rief Georg und erdrückte ihn fast, so fest umarmte sie ihn. »Wuff«, antwortete Tim mit erstickter Stimme. »Wuff, wuff.« Ich habe dich auch vermisst. »Und ich habe etwas unglaublich Spannendes erlebt«, fügte sie hinzu. »Wo ist Philipp? Ich muss ihm schleunigst etwas erzählen!« »Hier bin ich«, rief Philipp und tauchte mit einem Arm voll trockenem Gras und Farnkraut auf. »Wir waren sehr fleißig, während du weg warst, und haben den ganzen Haufen hier für meine Matratze gesammelt.« »Gut gemacht!«, lobte ihn Georg. Philipp lief davon, um das Gras in den Rittersaal zu tragen. Dann kam er zurück und half Georg. Beim Ausladen erzählte sie ihm von dem Gespräch, 106
das sie belauscht hatte. »Lösegeld!«, rief Philipp außer sich, als sie den Brief mit der Forderung erwähnte. »Darauf hatten es die abscheulichen Bohnes also abgesehen. Kein Wunder, haben sie mich eingesperrt.« Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. »Was werden Mutter und Vater wohl dazu sagen?« »Sie werden schrecklich wütend sein und gleich zur Polizei gehen, nehme ich an«, gab Georg zur Antwort. »Aber mach dir keine Sorgen, Philipp. Hier bist du sicher. Und da wir jetzt wissen, wo sie wohnen, wird man sie auch verhaften und dafür bestrafen können.« »Das geschieht ihnen aber recht«, stieß Philipp hervor und lächelte unter Tränen. Gemeinsam schleppten die beiden Kinder und Tim die ganzen Sachen die zerfallenen Steintreppen hinunter und über den Hof in den Saal. »Das Bett sieht ja wunderbar bequem aus«, meinte Georg bewundernd, als sie den duftenden Haufen trockenes Gras sah, den Philipp und Tim gesammelt hatten. »Das, wird ein ganz tolles Lager hier.« »Hoffentlich«, erwiderte Philipp, sah aber nicht besonders überzeugt aus. Ihm war angst und bange geworden, als er vom Vorhaben der Bohnes erfah107
ren hatte. Georg hoffte, er würde sich nicht zu sehr fürchten, um allein auf der Insel zu bleiben. Sie konnte Tim unmöglich noch einmal zurücklassen. »Aber sicher«, versuchte sie den Jungen aufzumuntern, während sie die Kerzen und Streichhölzer auspackte. »Schau, du wirst genügend Licht und zu essen haben und ein schönes, bequemes Bett. Mehr brauchst du gar nicht.« »Nein«, stimmte Philipp weinerlich zu. »Und Johanna hat mir ein Picknick eingepackt, das locker für uns drei reicht«, fügte Georg hinzu. »Du wirst sehen, es geht dir gleich besser, sobald du etwas gegessen hast.« Georg hatte Recht. Philipp ging es tatsächlich viel besser, nachdem er ein paar von Johannas köstlichen Schinkenbroten verdrückt und mit Ingwerlimonade hinuntergespült hatte. »Was unternehmen wir jetzt?«, fragte er und lehnte sich mit einem wohligen Seufzer zurück. »Wir sammeln trockenes Reisig für ein Feuer«, erwiderte Georg. »Und dann richten wir dein Bett her.« Die beiden waren den ganzen Nachmittag mit dem Einrichten des Lagers beschäftigt. Georg zeigte Philipp, wie man im alten Kamin Feuer entfachte. Sie nahm ein großes Büschel trockenes Gras und Reisig und bald knisterte es wunderbar. 108
»Du musst aber sehr vorsichtig vorgehen«, ermahnte sie ihn. »Wenn es gleichmäßig brennt, kannst du dir darauf einen Kakao mit Wasser aus dem Bach kochen. Das habe ich schon oft getan.«
109
»Tatsächlich?«, fragte Philipp mit leuchtenden Augen. »Können wir jetzt gleich welchen machen?« »Wenn du möchtest«, grinste Georg. Philipp holte am Bach Wasser und bald sprudelte es im kleinen Blechkrug munter vor sich hin. »Zu Hause darf ich so etwas nie. Mutter und Vater erlauben es nicht«, bemerkte Philipp und schlürfte den köstlichen heißen Kakao, in den er drei Löffel Zucker gerührt hatte. »Meine Eltern schon«, erwiderte Georg. »Mein Vater vergräbt sich sowieso immer in seinem Arbeitszimmer und meiner Mutter ist es ziemlich egal, was ich tue, solange ich jeden Tag pünktlich und gesund nach Hause komme.« »Du hast ein Wahnsinnsglück. Ich wünschte, ich hätte einen Bruder wie dich«, seufzte er neidisch und sah dabei so verloren aus, dass Georg ihn kurz an sich drückte und Tim ihm das Knie leckte, um ihn aufzumuntern. Als die Sonne langsam unterging, wusste Georg, dass sie Philipp allein lassen und zurückrudern musste. Bevor sie aufbrach, notierte sie sich seine Telefonnummer, damit sie von zu Hause aus anrufen und herausfinden konnte, ob seine Eltern von ihrer Geschäftsreise zurück waren. »Ich werde gleich heute Abend anrufen«, versprach sie. »Und wenn niemand antwortet, werde 110
ich es immer wieder versuchen, so lange, bis ich jemanden erreiche.« »Vielen Dank«, sagte Philipp. »Also, hab keine Angst«, ermunterte sie ihn, als sie ihr Boot ins Wasser schob. »Mach es dir gemütlich. Hier kann dir echt nichts passieren, ich schwör’s.« »Ich werd’s versuchen«, erwiderte Philipp kleinlaut. »Das schaffst du schon«, rief Georg und Tim sprang ins Boot, froh, diesmal mit seiner Besitzerin fahren zu dürfen. »Ich komme morgen in aller Frühe wieder.« »Ist gut«, antwortete Philipp und biss sich auf die Lippen. Klein und erbarmungswürdig stand er da und sah zu, wie Georg und Tim zwischen den Felsen hindurch davonruderten und um die Ecke verschwanden. »Wir werden mit den Vögeln aufstehen«, erklärte Georg Tim, als sie in der Felsenbucht einliefen und sie die Schubkarre holte. »Morgen wartet wieder ein abenteuerlicher Tag auf uns.« »Wuff«, bellte Tim. Noch einer. Er konnte es kaum erwarten!
111
11 Diebe im Morgengrauen
Zu Hause wählte Georg die Telefonnummer, die Philipp ihr gegeben hatte. Sie ließ es unzählige Male klingeln, aber in Philipps Elternhaus ging niemand ran. »Wir werden es morgen noch einmal versuchen, Tim«, sagte Georg. Am nächsten Morgen war Tim als Erster wach. Georg hatte wie ein Murmeltier geschlafen, müde von dem ganzen Hin und Her des vorangegangenen Tages. Der kleine Hund wusste, dass ihn etwas geweckt hatte, aber er war sich nicht sicher, was. Aufmerk112
sam setzte er sich auf. Die Ohren gespitzt, legte er den zottigen Kopf schief. Draußen sang eine Amsel in einem Apfelbaum ein wunderbares Sonnenaufgangslied und er konnte auch hören, wie die Wellen über den Sand strichen. Doch dann erhaschten seine scharfen Ohren noch ein anderes Geräusch. Holz knirschte über den Sand und Wellen schwappten gegen eine Bootswand. Der kleine Hund bebte vor Entrüstung. Da stahl jemand Georgs Boot! Er musste sie sofort wecken! Das Erste, was Georg mitbekam, war Tims kalte Nase in ihrem Gesicht. »Wuff«, bellte er ihr eindringlich ins Ohr. »Wuff, wuff!« Sie wachte sofort auf. »Was ist denn los, Tim?«, fragte sie verschlafen, setzte sich auf und rieb sich die Augen. »Sei still, Johanna wird dich hören!« Doch Tim war nicht zu beruhigen. Er sprang vom Bett, rannte zur Tür und verlangte kratzend, hinausgelassen zu werden. Dann rannte er so lange hin und her, bis Georg aus dem Bett kletterte und rasch in ihre kurzen Hosen und ihr T-Shirt schlüpfte. »Ist ja gut, Tim, ist ja gut«, grummelte sie. »Ich mache, so schnell ich kann.« Sie öffnete ihre Schlafzimmertür und Tim schoss die Treppen hinab. Georg rannte hinterher. 113
Es wurde eben erst hell. Der Himmel glühte rosig am Horizont und die Vögel sangen im Chor. »Wohin?«, fragte Georg, als sie die Tür öffnete. Tim rannte auf dem Gartenweg zum Tor und sprang daran hoch. »Wuff«, bellte er eindringlich. »Wuff, wuff!« »Ist ja gut, ich komme«, rief Georg. Sie zog die Schuhe an und lief ihm hinterher. Kaum hatte sie das Tor geöffnet, schoss Tim blitzschnell hindurch und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen, den Klippenweg hinab. »Warte auf mich«, rief Georg und hetzte hinter ihm her. »Was ist denn los, Tim? Warum hast du es so eilig?« Unten in der Bucht erkannte Georg sofort, warum Tim so außer sich gewesen war. Ihr Boot war weg! Eine Furche im Sand verriet, wo es jemand ins Wasser geschoben hatte. »O Tim!«, schrie Georg, »wer um alles in der Welt hat unser Boot geklaut?« »Wuff!«, rief Tim und rannte aufgeregt bellend am Strand hin und her. »Wuff, wuff!« Da entdeckte Georg zu ihrem Entsetzen ihr Boot draußen auf dem Meer und sah, dass es sich rasch auf die Insel zubewegte. Es saßen zwei Gestalten darin und eine von ihnen ruderte wie wild. »Nein! Halt!«, schrie Georg wütend. »Da stiehlt jemand mein Boot!« Dann erkannte sie mit einem 114
Mal, wer es war. Nicht zu verwechseln: die Bohnes! Die große, dünne Frau Bohne zog die Ruder mit aller Kraft durch. »Zurück!«, schrie Georg und sprang wütend auf und ab. »Kommen Sie zurück!«
115
Aber Frau Bohne nahm keine Notiz von ihr. Energisch ruderte sie gegen die Strömung an und hielt Kurs auf die Felseninsel samt dem gefährlichen Riff, das davor lag. Herr Bohne kauerte sich im Bug zum Schutz gegen die kühle Morgenbrise zusammen. »Sie schaffen es auf keinen Fall durch das Riff«, stöhnte Georg entsetzt. »Sie versenken mein wunderbares Boot!« »Wuff, wuff«, bellte Tim, der andauernd vom Land ins Wasser und wieder an Land rannte. »Wie können sie es wagen!«, rief Georg und stampfte wütend auf. »Und woher wissen sie, wo Philipp sich versteckt?« Sie drehte sich mit entsetzter Miene zu Tim um. »Wenn sie es auf die Insel schaffen, finden sie ihn. Oh Tim, was sollen wir bloß tun?« Tims Schwanz stand senkrecht in die Höhe. Oh, er war zornig! Er verstand zwar nicht, warum die Bohnes das Boot gestohlen hatten, aber er hätte die beiden nur zu gerne zu fassen gekriegt! »Wir müssen auf die Insel und Philipp retten«, rief Georg und zermarterte sich verzweifelt das Hirn nach einer Lösung. »Sie werden ihn zurückbringen und einsperren und dann seinen Eltern diese Lösegeldforderung schicken!« »Wuff«, pflichtete ihr Tim bei, der wieder an Land kam und das Salzwasser aus dem Fell schüt116
telte. »Wuff, wuff.« Der kleine Hund klang sehr aufgebracht. »Jetzt weiß ich, was wir tun«, rief Georg mit einem Mal. Sie hatte eine super Idee. »Wir gehen zu Alf und bitten ihn, uns auf die Insel zu bringen!« So schnell sie konnten, rannten die beiden den Klippenweg zurück und ins Dorf hinunter. Georgs Herz schlug wie eine Trommel. Was, wenn Alf und sein Vater schon zum Fischen hinausgefahren waren? Sie mussten sich beeilen! »Wir sind fast da, Tim«, keuchte Georg, als der Hafen in Sicht kam. Zu ihrer großen Erleichterung lagen die Boote noch im Hafen. »Wenn er nicht da ist, gehen wir zum Haus und wecken ihn auf«, stieß Georg atemlos hervor und kam schlitternd neben der Sally Anne zum Stehen. »Alf«, schrie sie. »Alf, bist du da? Tim und ich brauchen dringend deine Hilfe!« Doch aus dem Bootshäuschen kam keine Antwort. »O Alf«, stöhnte Georg. »Wo bist du?« »Hier«, ertönte eine Stimme hinter ihr. »Was ist denn los, Georg?« »Alf!« Georg seufzte vor Erleichterung tief auf. »Bin ich froh dich zu sehen. Schnell, wir brauchen deine Hilfe!« Ihr Freund hörte bedächtig zu, als Georg ihm vor Aufregung sprudelnd von Philipp und der Entfüh117
rung und den Bohnes erzählte, die sich gerade anschickten, Philipp von seinem Unterschlupf auf der Felseninsel wieder in die Schmugglerkate zu verschleppen. »Dann fahren wir wohl besser gleich auf die Insel«, meinte er am Ende. »Komm, wir leihen uns von meinem Onkel das Segelboot aus. Der Wind kommt von Westen. Wir sind im Nu dort.« Sie rannten zu der Stelle, wo das Segelboot auf dem Trockenen lag, zogen es ins Wasser und sprangen hinein. Georg setzte sich an die Pinne und Alf hisste die Segel. Sie blähten sich im Wind und bald glitt das kleine Boot über das Wasser, als würde es die Oberfläche kaum berühren. »Wuff, wuff«, bellte Tim im Bug. Er stand mit den Vorderpfoten auf der Bank und der Wind zerzauste ihm das Fell. »Wuff, wuff!« Schnell, schnell! »Wartet nur, ihr abscheulichen Bohnes, euch kriegen wir!«, übertönte Georg das Knattern der Segel. »Nur wenn sie mit deinem Boot nicht an den Felsen zerschellt sind«, meinte Alf düster. »Man muss sich genau auskennen, um sicher dazwischen hindurchzufinden.« »Ich weiß«, erwiderte Georg, mit einem Mal ernüchtert. »Ich darf gar nicht daran denken!« Georg empfand eine Mischung aus Enttäuschung 118
und Erleichterung, als sie um die Insel bogen und sie ihr Boot in der Bucht zwischen den Felsen liegen sahen. Am Rumpf prangte eine hässliche Kratzspur, aber sonst war es unversehrt. Von den Bohnes fehlte jede Spur. Alf barg die Segel und band sie fest, während Georg das Boot vorsichtig zwischen den Felsen hindurchsteuerte. Als der Rumpf knirschend am Strand auflief, sprang Alf heraus.
»Zieh es hinter die Felsen dort, außer Sicht«, zischte Alf. »Sie kommen«, flüsterte Georg eindringlich, nachdem das Boot sicher versteckt war. Sie hatte Stimmen gehört. »Rasch, in Deckung!« Sie rannten alle drei über die Felsbrocken weg 119
von der Bucht und duckten sich. Sie schafften es gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Augenblick tauchten die Bohnes auf der grasbewachsenen Anhöhe der Burg auf. Sie stritten wieder einmal und sahen sehr böse aus. »Er ist gar nicht da«, wetterte Herr Bohne. »Der Junge vom Felsenhaus muss das ganze Zeug im Dorfladen aus einem anderen Grund gekauft haben.« »Aber wir haben doch von der Klippe aus gesehen, wie er alles hierherbrachte«, beharrte Frau Bohne nörgelnd. »Warum sollte er das ganze Zeug herbringen, wenn er allein ist?« »Von wem sprechen sie?«, flüsterte Alf. »Von mir«, erwiderte Georg. »Sie glauben, ich sei ein Junge. Sie müssen mich beobachtet haben, als ich dachte, ich beobachte sie!« Da fiel ihr plötzlich ein, dass noch jemand im Laden gewesen war, als sie die Sachen für Philipp gekauft hatte. Als der Mann ihr die Tür aufgehalten hatte, war nach ihr noch jemand anders rausgegangen. Das musste Herr Bohne gewesen sein! Und die beiden Gestalten auf der Klippe, die sie vom Boot aus gesehen hatte, waren wohl tatsächlich die Bohnes gewesen! »Ich glaube trotzdem, das ganze Zeug in der Burg gehört dem Jungen aus Felsenburg«, ereiferte sich Herr Bohne. »Wir haben die ganze Insel abgesucht. Es ist niemand hier. Vielleicht will der Junge 120
für eine Woche hier kampieren oder so.« »Wir müssen uns noch einmal umsehen«, beharrte seine Frau. »Nur um ganz sicher zu gehen.« »Noch einmal?« stöhnte Herr Bohne und blickte zur Burg hoch. »Mir gefällt es hier nicht. Das alte Gemäuer ist unheimlich und gruselig.« »Quatsch«, wies Frau Bohne ihn zurecht. Sie setzte sich auf einen großen Stein, wischte sich das Gesicht ab und blickte zu einer Dohlenschar hoch, die lautstark vom Turm krächzte. »Hier gibt es nichts außer diesen dämlichen Vögeln und ein paar flohverseuchten Kaninchen.« »Flohverseucht?« flüsterte Georg aufgebracht. »So eine Frechheit!« »Psst«, zischte Alf, der fürchtete, die Bohnes könnten das verärgerte Mädchen hören. »Kaninchen und Kreischmöwen«, schimpfte Herr Bohne und ließ sich neben seine Frau fallen. »Was sollen wir also tun, nachdem von diesem verdammten Bengel jede Spur fehlt?« »Philipp versteckt sich«, flüsterte Georg. »Er muss gesehen haben, dass sie kommen. Gut gemacht, Philipp!« »Ja«, wisperte Alf. »Aber wie können wir ihn finden und in Sicherheit bringen, ohne dass sie uns dabei erwischen?« Georg zerbrach sich den Kopf. Es musste einen Weg geben! 121
12 Ausgetrickst!
Georg versuchte noch immer, einen Plan auszuhecken, um auf die andere Seite der Insel zu gehen. »Rasch!«, drängte Georg. »Lass uns nachsehen, ob Philipp in der Burg ist.« »In Ordnung«, erwiderte Alf und sprang auf. »Bleib hinter mir, Tim«, befahl Georg. »Dass du mir ja nicht losrennst und uns verrätst.« »Moment mal.« Alf blieb stehen. »Das ist eine gute Idee.« »Was?«, fragte Georg verblüfft. »Tim loszuschicken«, sagte Alf. »Solange die Bohnes hinter ihm herjagen, können wir Philipp suchen und zum Boot bringen.« »Also …«, zögerte Georg. Wenn die Bohnes Tim nun erwischten? Und ihm vielleicht etwas antaten. »Die erwischen ihn nie«, versicherte ihr Alf. »Er ist viel zu schnell für sie.« »Also gut«, willigte Georg ein. »Lauf Tim! Lauf und führ die abscheulichen Bohnes an der Nase herum, aber komm gleich her, wenn ich dich rufe!« 122
Das ließ sich Tim nicht zweimal sagen. Kaum hatte Georg in die Richtung gezeigt, in die die Bohnes verschwunden waren, rannte er mit freudigem Gebell los. Vielleicht gelang es ihm ja, den grässlichen Mann ins Bein zu beißen. Georg hörte, wie sich Tims Gebell immer weiter entfernte. Ihr Herz zog sich vor Sorge zusammen. Sie würde es nicht ertragen, wenn die Bohnes ihn zu fassen kriegten. Sie musste einfach hoffen, dass er wirklich zu schnell war, um sich erwischen zu lassen. »Rasch jetzt«, meinte Alf. »Lass uns sehen, ob wir Philipp finden. Er kommt bestimmt aus seinem Versteck hervor, wenn er merkt, dass wir hier sind.« Sie hasteten die Treppe in den Burghof hinab. »Philipp!«, rief Georg leise, aber sehr eindringlich. »Ich bin mit meinem Freund Alf hier. Er hilft mir, dich zu retten. Wo bist du?« Sie rannten zum Rittersaal hinüber. Philipps Sachen lagen da, doch er selbst war nirgends zu sehen. »Wo kann er bloß sein?«, fragte Georg stirnrunzelnd. »Ich kenne die Insel wie meine Westentasche. Es gibt kaum einen Ort, wo man sich verstecken kann.« Da knirschte es und vom Dohlenturm rieselten 123
ein paar Steine herab. »Da oben ist etwas«, rief Alf Georg zu. Er rannte zum Turm und blickte hoch. »Ja, Dohlen«, erwiderte Georg, die ihm gefolgt war. »Die sind alle weggeflogen«, meinte Alf, der wegen der Sonne die Augen zukniff, als er nach oben schaute. Mit einem Mal ertönte vom Vorsprung über ihnen ein heiseres Flüstern. »Ich bin’s. Sind sie weg?« »Philipp!« rief Georg entzückt, als sie den kleinen Jungen oben auf dem Sims hocken sah. »Komm herunter, schnell.« »Wo sind die Bohnes?«, fragte er und blickte vorsichtig über den Mauerrand. »Die sind auf der anderen Seite der Insel und wir haben Tim losgeschickt, um sie abzulenken«, rief Alf. »Aber beeil dich, sie können jeden Augenblick hier auftauchen.« »Ich bin zwar irgendwie hier hochgekommen, aber ich weiß nicht, wie ich wieder hinunter soll«, gestand Philipp, der zittrig und ängstlich aussah.
124
»Du musst aber«, beharrte Georg. »Sei kein Baby. Ich habe es schon oft getan und bin sicher, du schaffst das auch.« »Halt dich einfach gut fest und lass dich langsam nach unten gleiten«, riet ihm Alf, der neben ihr
125
stand und immer wieder über die Schulter blickte, falls die Bohnes auftauchten. »Dann lässt du los und wir fangen dich auf. Du brauchst dich nicht zu fürchten«, fügte er hinzu und breitete seine Arme aus. Langsam ließ Philip sich an der Mauer entlang nach unten gleiten. Georg sah, wie er sich mit vor Anstrengung ganz weißen Fingerknöcheln mit aller Kraft festklammerte. Dann ließ er los und fiel das letzte Stück, direkt in Alfs Arme. »Gut gemacht!«, sagte Georg bewundernd. Philipp war wirklich mutig. »Siehst du, das war doch gar nicht so schlimm? Komm, lass uns zum Boot gehen!« Die drei rannten in aller Hast durch den Burghof, die Treppe hoch und den grasbewachsenen Hang zum Strand hinunter. »Steigt schon mal ein«, keuchte Georg, während sie das Boot aus dem Versteck zerrten. »Ich rufe Tim.« Die Jungen sprangen ins Boot und Alf löste die Leinen. »Tim! Hierher!«, rief Georg und stieg auf einen Felsen. Sie pfiff durchdringend. »Tim! Komm her!« Sie lauschte, aber Tim antwortete nicht. »Beeil dich, Tim«, befahl sie und biss sich auf die Lippen. »Mach schon, mach schon!« »Ruf noch einmal«, drängte Alf. »Weit kann er 126
nicht sein.« Georg rief und rief, doch Tim kam nicht. Eine eisige Furcht durchfuhr sie. Was, wenn ihm etwas Schreckliches zugestoßen war? »Fahrt zu, ihr beide«, wandte sie sich an Alf und Philipp. »Ich suche ihn und rudere dann zurück. Ich wollte mein Boot sowieso nicht hier lassen.« »Ich brauche dich aber wegen der Felsen«, wandte Alf eindringlich ein. »Das schaffst du schon«, erwiderte Georg, die noch immer hoffte, dass Tim auftauchte. »Philipp kann sich um die Segel kümmern. Geht jetzt. Ich komme nicht mit ohne Tim!« Also zeigte Alf Philipp in aller Eile, wie man Segel hisst, und bald darauf glitt das kleine Boot langsam zwischen den Felsen hindurch, weg vom Ufer aufs Meer hinaus. »Tim«, rief Georg erneut. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. »Tim! Komm her!« Da, endlich! Sie hörte ein Antwortgebell. »Tim«, schrie sie voller Freude. »Komm her, mein Junge! Schnell!« Tim rannte, so schnell er nur konnte, auf sie zu. »Komm sofort zurück, du dreckiger Köter!«, schrie jemand zornig und ein sehr rotgesichtiger Herr Bohne kam mit einem Stock in der Hand um die Ecke gehastet. »Wie bist du auf die Insel gekommen? Komm sofort wieder her!« 127
»Tim! Beeil dich!«, schrie Georg und schob in aller Eile ihr Boot ins Wasser. »Rasch, spring hinein.« »Du!«, brüllte Herr Bohne, als er Georg entdeckte, die samt dem Boot auf und ab hüpfte. »Wage es nicht …!« Aber er verstummte, als Tim mit einem riesigen Satz vom Ufer aus ins Boot sprang. Um ein Haar wäre er im Wasser gelandet, aber Georg erwischte ihn am Nackenfell und zog ihn ins Boot. »O Tim, mein Schatz!«, rief sie und packte die Ruder. »Was bin ich froh, dich zu sehen!« Inzwischen hatte Frau Bohne ihren Mann eingeholt. Gemeinsam standen sie am Wasser und brüllten und fuchtelten mit den Armen, während Georg schnell davonruderte. Tim stand für ein Mal im Heck, damit er sie so laut und bedrohlich wie mög-
128
lich anbellen konnte. »Hurra«, jubelte Georg und streckte dem wütenden Paar frech die Zunge heraus. »Pech gehabt, ihr Ungeheuer! Jetzt sitzt ihr fest, bis die Polizei euch holt!« »Wuff, wuff«, bellte Tim und beobachtete aufmerksam, wie sich die beiden in der Ferne verloren. Sie hatten ihm mit dem Stock gedroht und das hatte ihm überhaupt nicht gefallen! Ansonsten war es ungemein spaßig gewesen, sie an der Nase herumzuführen und kreuz und quer über die Insel zu hetzen. – »Wir haben es geschafft, Tim! Wir haben es geschafft!«, lachte Georg und ihre blauen Augen glänzten vor Entzücken. »Was für ein Abenteuer!« Alf und Philipp jubelten laut auf, als Georg, die wie wild ruderte, in Sicht kam. Sie hatten bereits angelegt und besorgt auf sie gewartet. Als Georg ankam, watete Alf ins Wasser und half ihr, das Boot an Land zu ziehen. »Mensch, waren die wütend!«, grinste Georg. »Du hättest ihre Gesichter sehen sollen!« »Du bist ein Held«, sagte Philipp zu Tim. Er bückte sich und umarmte den kleinen Hund, der inzwischen ebenfalls an Land gesprungen war. »Er ist der mutigste und beste Hund auf der Welt«, bestätigte Georg, noch immer strahlend. »Kommt mit! Jetzt gehen wir zum Felsenhaus und versuchen, deine Eltern zu erreichen, Philipp. Die 129
werden ganz schön staunen, wenn sie hören, was hier los war, falls sie schon zurück sind.«
130
13 Wieder zu Hause
Zuerst einmal staunte jedoch Johanna, als sie die drei und Tim durch den Garten kommen sah. Alf kannte sie bereits, aber der kleine Junge war ihr fremd. »Das ist Philipp«, stellte Georg ihn vor. »Philipp?«, fragte Johanna erstaunt. »Bist du der kleine Junge, den Herr und Frau Bohne suchen?« »Ja, das ist er«, erwiderte Georg, noch bevor Philipp darauf antworten konnte. »Und er muss dringend das Telefon benützen, um seine Eltern anzurufen.« 131
»Dann mal zu«, ermunterte ihn Johanna und betrachtete ihre aufgeregten Gesichter. »Du hast nicht zufällig wieder einmal ein Abenteuer erlebt?«, fragte sie ahnungsvoll. »Und ob«, erwiderte Georg grinsend. »Aber das erzählen wir dir später.« Philipp ging zum Telefon in der Diele und kam nach längerer Zeit mit freudestrahlendem Gesicht zurück. »Mutter und Vater sind zu Hause. Sie waren sehr besorgt, als sie das Haus leer vorfanden, und wollten gerade die Polizei anrufen. Sie kommen unverzüglich her.« Alf rief seinen Vater an, um ihm mitzuteilen, dass er im Felsenhaus war. Dann setzten sich alle um den Küchentisch und während sie auf Philipps Eltern warteten, berichteten sie Johanna von ihrem Abenteuer. Beim Zuhören bereitete diese für alle heiße Schokolade zu und schnitt einen hausgemachten Ingwerkuchen auf. Tim bekam für seine Tapferkeit einen Riesenknochen, an dem er genüsslich auf dem Küchenteppich herumkaute. »Also Georg, so was«, rief Johanna aus, nachdem sie die ganze Geschichte gehört hatte. »In deinem Baumhaus verstecken, Leute ausspionieren, auf der Insel kampieren … Was fällt dir wohl als Nächstes ein?« »Keine Ahnung«, sagte Georg und grinste er132
neut. »Aber eins ist sicher: Spannender als dieses Abenteuer kann es fast nicht werden.« Am Spätnachmittag tauchten vier Leute im Vorgarten auf. Tim bellte, noch bevor er die Gartentür ins Schloss fallen hörte, und als Georg hinausblickte, um zu sehen, wer da kam, war sie sehr erstaunt, ihre Eltern und zwei Fremde auf dem Gartenweg zu erblicken. »Das sind Mutter und Vater!«, rief Philipp außer sich, kaum hatte auch er sie gesehen. Er riss die Tür auf, rannte ihnen zur Begrüßung entgegen und warf sich einer großen Frau mit blonden Haaren in die Arme. Beim Eintreten begannen alle gleichzeitig zu reden. »Wir haben auf der Heimfahrt im Zug Philipps Eltern kennen gelernt«, erklärte Georgs Mutter schließlich. »Wir waren völlig verblüfft zu hören, dass sie zum Felsenhaus wollten. Was ist mit dieser Entführungsgeschichte? Am besten, ihr erzählt gleich alles von Anfang an.« Alle gingen ins Wohnzimmer und hörten aufmerksam zu, was Georg und Philipp zu berichten hatten. Philipps Eltern waren entsetzt, dass die Bohnes ihren Sohn in der Schmugglerkate eingesperrt hatten. 133
»Sie sagten, wir würden hier Urlaub machen«, erzählte der kleine Junge aufgebracht. »Aber ich durfte überhaupt nichts unternehmen!« »Ich habe diesen Leuten vertraut«, rief seine Mutter fassungslos. »Sie legten uns Empfehlungs-
134
schreiben vor, die sie im Umgang mit Kindern als erfahren auswiesen.« »Die waren offensichtlich gefälscht«, sagte ihr Mann finster und schüttelte den Kopf. »Gott sei Dank haben sie dir nichts angetan, mein Junge«, fügte er hinzu und umarmte ihn fest. »Und Gott sei Dank hat Georg dich in der alten Mühle gefunden, sonst hättest du dich möglicherweise im Moor verirrt und wärst vielleicht nie gefunden worden.« »Ja«, bestätigte Georgs Mutter. »Dort oben kann man sich leicht verirren, wenn vom Meer der Nebel hochsteigt.« Es überlief sie kalt. »Also, ich muss schon sagen«, meinte Georgs Vater seufzend. »Du bringst dich vielleicht in Situationen, wenn wir weg sind, Georgina.« »Georgina!«, rief Philipp und starrte Georg, die einen gewaltigen Flunsch zog, erstaunt an. »Ich dachte, du heißt Georg!« »So heiße ich auch«, zischte Georg und bedachte ihren Vater mit ihrem allerdüstersten Blick. »Auf Georgina höre ich schon gar nicht.« »Aber das ist ein Mädchenname«, rief Philipp mit vor Staunen geweiteten Augen. »Na ja«, meinte Georgs Mutter lächelnd. »Sie ist ja auch ein Mädchen. Nicht wahr, Georg?« »Ja«, murmelte Georg, noch immer beleidigt. Sie klang so beleidigt, dass alle laut lachen mussten, sogar Philipp, der es noch immer kaum glauben 135
konnte. Sein Freund war eine Freundin! Schließlich brach ein solches Gelächter los, dass selbst Georg grinsen musste, besonders, als Tim sich fest an sie drückte und ihr die Hand leckte. Ihm war das ganze Mädchen-Jungen-Getue völlig gleichgültig. Er liebte sie mehr als alles auf der Welt. »Kann ich mal rasch euer Telefon benutzen?«, fragte Philipps Vater, nachdem sich das Gelächter gelegt hatte. »Ich denke, die Polizei sollte über das Paar und ihre üblen Absichten ins Bild gesetzt werden, nicht wahr?« »Natürlich«, antwortete Georgs Vater und stand auf. »Der Wachtmeister hier heißt Mond. Ich suche Ihnen die Nummer heraus. Je schneller das Paar hinter Gitter sitz, desto besser.« Kurze Zeit später kam Philipps Vater ins Wohnzimmer zurück. »Wachtmeister Mond war tatsächlich sehr interessiert an der Geschichte«, erzählte er. »Offenbar haben die beiden bereits einmal einen ähnlichen Versuch unternommen. Sie werden seit geraumer Zeit von der Polizei gesucht. Das habt ihr also ausgezeichnet gemacht, ihr drei!«, fügte er hinzu und lächelte Georg, Tim und Alf an. »Kann gut sein, dass euer schnelles Reagieren einem anderen Jungen oder Mädchen eine Entführung erspart hat.« Vor lauter Verlegenheit über all die Komplimen136
te wurde Alf ganz rot, doch Georg strahlte und Tim stieß ein lautes Wuff aus, als wollte er sich bedanken. Etwa eine Stunde später klopfte es an die Tür und Wachtmeister Mond stand davor. »Wir waren in der Schmugglerkate und haben den Erpresserbrief gefunden«, berichtete er. »Jemand von der Küstenwache bringt zwei meiner Leute zur Felseninsel hinaus, um die Bohnes zu verhaften.« »Sehr gut«, rief Philipp und strahlte Georg an. »Ich würde zu gern ihre Gesichter sehen, wenn die Polizei dort auftaucht.« 137
»Ich auch«, lachte Georg. »Ich möchte dich bitten, mich auf die Wache zu begleiten und deine Aussage zu Protokoll zu geben, junger Mann«, sagte Herr Mond zu Philipp. »Aber gerne«, grinste Philipp. »Dürfen Georg und Tim auch mitkommen?« »Aber gewiss doch«, erwiderte der Polizist, der Georg und Tim sehr gut kannte. »Ihr habt gute Arbeit geleistet, ihr zwei«, sagte er zu Georg und ihrem Freund Alf. »Und Tim«, beharrte Georg. »Er ist der mutigste und klügste Hund auf der ganzen Welt.« »Wuff, wuff«, bestätigte Tim laut und wieder mussten alle lachen. »Er sagt, er weiß, dass er ganz schön klug ist«, strahlte Georg und bückte sich, um ihren kleinen Hund zu umarmen. »Wenn Tim nicht gewesen wäre, hätten wir Philipp vielleicht gar nicht gefunden und das ganze Abenteuer nicht erlebt! Wir lieben Abenteuer, stimmt’s Tim?« »Wuff«, pflichtete ihr Tim erneut bei. Er war mit seiner Besitzerin immer einer Meinung. Wenn man ihn fragte, so gab es nichts Besseres auf der Welt, als mit Georg ein Abenteuer zu erleben!
138