Atlan -Der Held von Arkon Nr. 227
Träume aus fremder
Dimension
Er lebt in einer anderen Dimension doch was er träu...
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Atlan -Der Held von Arkon Nr. 227
Träume aus fremder
Dimension
Er lebt in einer anderen Dimension doch was er träumt, wird Wirklichkeit von H. G. Ewers Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge gangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmu tigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba naschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Va ters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits zweimal erfolg reich zum Einsatz gelangte. Gonozal, der lebende Tote, kommt erneut ins Spiel, als die ISCHTAR, Atlans be stes und modernstes Raumschiff, sich dem Planeten Marlackskor nähert, wo eine er bitterte Raumschlacht zwischen Maahks und Arkoniden im Gang ist. Atlans Eingreifen entscheidet die Schlacht zugunsten der Arkoniden, doch die ISCHTAR mitsamt ihrer Besatzung gerät in akute Gefahr – daran ändern auch nichts die TRÄUME AUS FREMDER DIMENSION …
Träume aus fremder Dimension
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz spürt einem »Träumer« nach.
Fartuloon, Ra und Vorry - Atlans Freunde und Begleiter.
Karmina Arthamin - Eine Kommandantin ändert ihre Meinung.
Merlon Lantcor - Oberbefehlshaber einer Arkon-Flotte.
Braccho - Ein Gvehellier.
1. Als der Rematerialisierungsschmerz sich mit imaginären Krallen in meinen Nacken bohrte, stöhnte ich unterdrückt auf. Dennoch nahm ich ihn gar nicht bewußt wahr. Vor meinem geistigen Auge stand noch immer das Bild der Raumschlacht, wie es sich mir unmittelbar vor der Transition dargeboten hatte. Im Mittelpunkt dieses Bildes war ein großer Walzenraumer gewesen, nach seiner Hyperfunkaktivität das Flaggschiff der maahkschen Raumflotte. Dieses Schiff war es gewesen, das uns den schweren Treffer beigebracht hatte, der großen Schaden in den Maschinenräumen angerichtet hatte. Ich sah in der Erinnerung noch überdeut lich die Abstrahlmündungen jenes Raum schiffs in den offenen Geschützpforten. Sie zeigten genau auf die ISCHTAR. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, denn die Zeit, die wir bis zur Nottransition brauchten, reichte dem Maahk, uns eine ganze Breitsei te zu verpassen, die das Ende der ISCHTAR bedeutet hätte. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen. Dennoch bewies mir der Entzerrungs schmerz der Wiederverstofflichung, daß ich noch lebte und daß auch die ISCHTAR noch existierte. Demnach hatte der Maahk doch nicht ge schossen. Das stellte mich vor ein unlösba res Problem. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Maahk freiwillig darauf verzichtet haben sollte, uns den Rest zu geben. Ich konnte mir aber auch keinen anderen Grund für unsere Weiterexistenz vorstellen. »Ist dir nicht gut, mein Junge?« hörte ich die Stimme Fartuloons neben mir. »So stark
war der Entzerrungsschmerz doch gar nicht.« Ich wandte langsam den Kopf und sah meinen Pflegevater an. »Ich überlegte gerade, warum wir noch leben«, erwiderte ich. »Warum hat der Maahk uns nicht den Fangschuß gegeben?« »Das können wir später überlegen, At lan«, erklärte mein Pflegevater. »Jetzt müs sen wir uns um das Schiff kümmern. Ich fürchte, die Transitionstriebwerke sind end gültig ausgefallen.« Ich nickte und riß mich zusammen. Mein nächster Blick fiel auf Helos Truba to, der die Systeme des Schiffes mit Hilfe der Bordpositronik durchcheckte. Wenig stens schien die Bordpositronik noch ein wandfrei zu arbeiten. Die übrigen Leute der Zentrale-Besatzung waren dabei, unsere Po sition zu ermitteln, nach anderen Raumschif fen Ausschau zu halten und mit den betrof fenen Sektionen zu sprechen, um das. Aus maß der Schäden zu ermitteln. Ein Blick auf die Bildschirme der Panora magalerie verriet mir nichts darüber, wo wir wiederverstofflicht waren. Aber allzu weit konnten wir uns nicht von Marlackskor ent fernt haben; Nottransitionen sind wegen der Gefahr einer Verirrung in unbekanntem Ge biet immer Kurztransitionen. Ich stellte eine Interkomverbindung zum Bordhospital her und ließ mir die Registratur geben. Dort er fuhr ich, daß bei dem schweren Treffer sechs meiner Leute gefallen und achtund zwanzig verwundet worden waren. Ich nahm mir vor, so bald wie möglich persönlich nach den Verwundeten zu sehen. Vorher aber mußte ich mich einem Pro blem widmen, das für uns alle lebenswichtig war. Als ich sah, daß Helos Trubato die Grobdurchcheckung beendet hatte, ging ich
4 zu ihm und erkundigte mich nach dem Zu stand der ISCHTAR. »Wir sind nur noch zu dreißig Prozent manövrierfähig«, antwortete mein Erster Of fizier. »Außerdem sind drei Geschützstände ausgefallen. Das Transitionstriebwerk ist durch Energierückschläge beschädigt. Es hält vielleicht noch eine Kurztransition durch, wenn wir einen Anlauf bis auf minde stens neunzig Prozent der Lichtgeschwindig keit nehmen, aber mehr bestimmt nicht.« »Dann bereiten Sie eine Kurztransition vor, möglichst in ein benachbartes Sonnen system!« befahl ich. Trubato schaute mich verwundert an. »Sollten wir nicht zuerst die gröbsten Schäden an den Impulstriebwerken beheben, Kristallprinz?« fragte er mit leichtem Vor wurf. »In einer normalen Lage wäre das unsere erste Sorge gewesen«, gab ich zurück. »Leider ist unsere Lage alles andere als nor mal. Wir sind nicht nur verloren, wenn die Maahks uns finden. Wir geraten auch in die größten Schwierigkeiten, wenn wir von de nen aufgespürt werden, denen wir vorhin noch geholfen haben, eine vernichtende Nie derlage zu verhindern: den Schiffen der Flotte Lantcors. Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß wir notfalls sehr schnell eine Transition durchführen können.« »Sie werden trotzdem nicht davonkom men, Atlan«, sagte eine weibliche Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Kar mina Arthamin, die Stellvertreterin des arko nidischen Flottenkommandeurs Lantcor, die ich in meine Gewalt gebracht hatte. »Was wollen Sie damit sagen, Sonnenträ gerin?« fragte ich, obwohl ich genau wußte, was sie meinte. Karmina lächelte zuversichtlich. »Die ISCHTAR hat naturgemäß Aufsehen erregt, weil Gonozal VII. aus ihr zu allen Arkonschiffen gesprochen hat, wenn auch indirekt«, erwiderte sie. »Folglich wird Zweisonnenträger Lantcor alles daransetzen, sie aufzuspüren. Es genügt, wenn ein einzi-
H. G. Ewers ges Arkonschiff die Strukturerschütterung angemessen hat, die die ISCHTAR bei der Transition erzeugte. Sobald diese Strukturer schütterung ausgewertet ist, weiß Lantcor, wo die ISCHTAR wiederverstofflichte.« »Deshalb bereiten wir uns auf eine weite re Transition vor«, gab ich zurück. »Die ebenfalls angemessen werden wird«, erklärte Karmina. »Es hat keinen Sinn für Sie, dem Unausweichlichen entgehen zu wollen. Ich schlage vor, Sie ergeben sich mir und treten mir freiwillig das Kommando über Ihr Schiff ab. Möglicherweise würde man Ihnen das als mildernde Umstände aus legen.« Allmählich trieb diese Arkonidin mich zur Weißglut. Ich hatte die arkonidische Flotte vor Marlackskor praktisch gerettet, nachdem sie in eine äußerst schwierige Lage geraten war, weil die Maahks irgendwie von dem bevorstehenden arkonidischen Angriff erfahren und sich vorbereitet hatten. Den noch behandelte Karmina Arthamin mich wie einen Piraten. »Da ich kein Verbrecher bin, will ich kei ne mildernden Umstände!« entgegnete ich scharf. »Im Gegenteil, ich will mein Recht, das Recht nämlich, an der Seite meines Va ters, der von Orbanaschol gewaltsam vom Amt des Imperators entfernt wurde, über das Große Imperium zu regieren. Niemand wird mich daran hindern, auch Sie nicht.« Ich winkte einen jungen Offizier heran. »Führen Sie Sonnenträgerin Arthamin in eine Arrestkabine und sorgen Sie dafür, daß das Schott ständig von einem Doppelposten bewacht wird!« befahl ich. »Sie wollen die Wahrheit nicht hören, wie?« fragte Karmina ironisch. »Nein, ich will mich nur nicht dauernd mit Unsinn von meinen Aufgaben ablenken lassen«, erwiderte ich schroff und wandte mich ab.
* Als die Sonnenträgerin die Kommando zentrale verlassen hatte, begab ich mich zum
Träume aus fremder Dimension Astrogator und fragte, wie weit er mit der Positionsbestimmung sei. »Die wesentlichen Daten liegen vor«, ant wortete er. »Wir sind rund siebenunddreißig Lichtjahre von Marlackskor entfernt. Die nächste Sonne, eine rote Riesensonne ohne Planeten, ist fünfeinhalb Lichtjahre entfernt. In einer Entfernung von rund sieben Licht jahren gibt es eine arkongroße grüne Sonne mit elf Planeten, von denen Nummer zwei den Bedingungen auf den Arkonwelten am nächsten kommt.« »Haben Sie die Koordinatenkarte anferti gen lassen?« erkundigte ich mich. Er lächelte und überreichte mir eine Sym bolfolie aus speziell aufgeladenem Metall plastik, in dem sich elektronisch Daten spei chern ließen. »Es ist alles darauf«, sagte er. »Sie brau chen sie nur der Bordpositronik einzugeben, um die Transitionsdaten zubekommen.« Ich erwiderte sein Lächeln. »Danke!« sagte ich. »Ich freue mich dar über, daß Sie weitergedacht haben.« Mit der Koordinatenkarte begab ich mich zum Ersten Offizier. Helos Trubato hatte in zwischen die funktionsfähigen Triebwerke hochgeschaltet und die ISCHTAR anfahren lassen. Die Geschwindigkeit betrug aller dings erst fünf Prozent LG. »Eine grüne Sonne, rund sieben Lichtjah re von hier«, erklärte ich und gab ihm die Karte. »Der zweite Planet scheint geeignet zu sein, um auf ihm die notwendigen Au ßenreparaturen durchzuführen. Ich möchte, daß Sie sofort auf Kurs gehen und die Tran sition einleiten.« »Nur einleiten, nicht durchführen?« fragte Trubato. »Richtig«, antwortete ich. »Wenn wir die Transition durchführen, wird die Strukturer schütterung garantiert angemessen. Warten wir aber, bis ankommende Raumschiffe in unserer unmittelbaren Nähe die Struktur des Raum-Zeit-Gefüges erschüttern und führen dann unseren Sprung durch, wird durch die Überlappung zwischen Erschütterungsnach hall und frischer Erschütterung eine genaue
5 Anmessung mit Strukturtastern unwahr scheinlich.« »Verstanden, Kristallprinz«, erwiderte Trubato. »Ich werde also bis neunzig Pro zent LG beschleunigen und danach die Nor maltriebwerke abschalten, um Energie zu sparen.« »Gut!« sagte ich. »Und sobald unsere Strukturtaster ansprechen, drücken Sie auf den Schalter, der unsere Transition auslöst.« Als ich mich umwandte, stand Ra hinter mir. Der Barbar vom dritten Planeten einer unbekannten Sonne schien mißgestimmt zu sein. »Was kann ich tun, Atlan?« fragte er. »Ich stehe immer nur herum, anstatt eine Aufgabe zu bekommen.« »Geh in deine Kabine und ruh dich aus, Ra«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich be kommst du bald mehr zu tun, als dir lieb sein dürfte. Unsere Lage ist alles andere als problemlos.« »Warum ruhst du dich nicht ebenfalls aus?« fragte er aggressiv. »Weil ich der Kommandant dieses Schif fes bin«, gab ich zurück. »Na, schön!« meinte Ra. »Aber wenn ich beim nächsten Einsatz nicht eine fest umris sene Aufgabe erhalte, komme ich gar nicht erst mit.« Ich sah ihm nach, wie er davonging, ab sichtlich in provozierend wirkendem Schlen dergang. Wahrscheinlich hätte ich ihm einen Posten auf der ISCHTAR zuteilen sollen, anstatt ihn zu meiner Verfügung freizuhal ten. Ich wandte mich an Fartuloon. »Wo steckt Vorry?« »Er hilft den Leuten, die die Beschuß schäden von innen auszubessern versu chen«, antwortete mein Pflegevater. »Dann hat er wenigstens nicht unter Lan geweile zu leiden«, erwiderte ich. »Kommst du mit ins Bordhospital?« Bevor Fartuloon antworten konnte, spra chen die Strukturtaster an. Der Alarm heulte nur kurz durch die Zentrale, dann gab die Ortungsautomatik die Koordinaten des Ein
6 tauchorts bekannt. »Ich bin noch nicht soweit!« rief Trubato mir zu. »Wir haben erst vierundzwanzig Prozent LG erreicht!« »Weiter beschleunigen«, erwiderte ich. Etwas anderes konnten wir allerdings auch nicht tun. Glücklicherweise erfaßte die Hyperortung nur ein einziges Raumschiff, das in unserer Nähe wiederverstofflicht war. Es handelte sich um ein zweihundert Meter durchmes sendes Kugelraumschiff. »Wenigstens ist es kein Maahk«, meinte Fartuloon dazu. Ich setzte mich in meinen Reservesitz vor dem großen transparenten Kartenschrank in der Mitte der Zentrale, stellte eine Interkom verbindung zur Funkzentrale her und bat darum, eingehende Hyperkomsprüche durchzuschalten. »Bei einem Maahk hätten wir gewußt, woran wir sind«, erwiderte ich. »Hier wissen wir es nicht – noch nicht. Aber ich fürchte, das eine Schiff wird Verstärkung herbeiho len, sobald es uns identifiziert hat.« »Hyperkomspruch für Sie, Kristallprinz!« meldete die Funkzentrale. Ich schaltete mein Gerät ein. Auf dem Bildschirm war ein älterer Arkonide zu se hen. »Schiff LLOTKAM, Kommandant Perka mer!« meldete er sich. »An Schiff ISCHT AR! Im Auftrag von Zweisonnenträger Lantcor ersuche ich Sie, die Maschinen zu stoppen und die Ankunft des Oberbefehlsha bers abzuwarten.« »ISCHTAR an LLOTKAM!« antwortete ich. »Das ist kein Schiff der Imperiumsflotte und deshalb nicht verpflichtet, Weisungen eines Befehlshabers der Imperiumsflotte zu befolgen. Entweder Sie halten sich zurück oder Sie unterstellen sich der Befehlsgewalt von Imperator Gonozal VII. und meiner Be fehlsgewalt.« »Ihr Schiff ist beschädigt«, sagte Perka mer. »Ohne fremde Hilfe können Sie die Schäden kaum beheben. Ich appelliere an Ihre Vernunft und an Ihren Patriotismus,
H. G. Ewers wer immer Sie auch sind.« »LLOTKAM beschleunigt, nimmt Kurs auf uns«, meldete die Ortung. Ich nickte kaum merklich und schaute zu Helos Trubato hinüber. »Vierundsechzig Prozent LG«, flüsterte mein Erster Offizier. Das war noch zu wenig für eine Transiti on mit beschädigtem Aggregat. Also mußte ich den Verfolger noch hinzuhalten versu chen. »Unterlassen Sie Ihre Annäherungsversu che!« sagte ich. »Oder ich muß das Feuer er öffnen lassen. Wir haben unseren Patriotis mus vor Marlackskor wohl hinreichend be wiesen, Kommandant Perkamer.« »Ich ersuche Sie noch einmal, alle Ma schinen zu stoppen«, erklärte Perkamer. »Außerdem verlange ich Sonnenträgerin Ar thamin zu sprechen, die sich an Bord Ihres Schiffes befindet.« »Achtundsiebzig Prozent LG!« flüsterte Trubato. Unsere Geschwindigkeit erhöhte sich in immer kürzeren Zeitabständen. Die LLOT KAM würde uns vor der Transition nicht mehr gefährlich nahe kommen. Aber es war besser, mit der Transition zu warten, bis die Verstärkung auftauchte, die Perkamer – si cher mit Hyperfunk-Richtstrahl – angefor dert hatte. »Sonnenträgerin Arthamin ruht«, erwider te ich. »Sie können mit ihr sprechen, sobald sie wach ist.« »Sie versuchen mich hinzuhalten!« rief Perkamer erregt. »Unsere Instrumente zei gen klar, daß Sie sich auf eine Transition vorbereiten.« »Neunzig Prozent LG!« meldete Trubato. »Abwarten!« entschied ich. »Mit geringen Werten weiter beschleunigen!« Die LLOTKAM holte auf, aber einholen konnte sie uns nicht mehr. Sobald wir un mittelbar an der Schwelle der Lichtge schwindigkeit standen, konnte innerhalb des normalen Raum-Zeit-Kontinuums kein Ob jekt schneller sein als wir. Das bedeutete, daß von diesem Augenblick an die Entfer
Träume aus fremder Dimension nung zwischen der LLOTKAM und uns gleichbleiben würde. Theoretisch konnten wir solange in siche rem Abstand vor der LLOTKAM herfliegen, bis ihre wegen der geringeren Größe gerin geren Treibstoffvorräte aufgebraucht waren und sie zurückfiel. Praktisch war das wegen unserer beschädigten beziehungsweise durch Überbeanspruchung anfällig gewordenen Triebwerke und Maschinenanlagen nicht möglich. Ganz abgesehen vom Dilatations effekt, der uns, flogen wir an der Schwelle zur Lichtgeschwindigkeit, um Jahrhunderte der Jetztzeit berauben würde, was es unmög lich machen würde, Orbanaschol zu stürzen und seine verhängnisvolle Politik zu been den. Plötzlich schlugen Flammen aus den Feldsicherungen unserer Strukturtaster. Die Erschütterung ließ auf die Rematerialisation mehrerer großer Objekte schließen. »Ab!« rief ich Trubato zu. Ich bekam gerade noch mit, daß die Or tung die Ankunft von sechs schweren arko nidischen Kampfschiffen anzeigte, dann ver schwanden das Universum und ich selbst aus meiner Wahrnehmung. Als der Verzerrungsschmerz der Wieder verstofflichung einsetzte, hörte ich das Heu len von Alarmsirenen. »Transitionstriebwerk ausgefallen!« plärr te eine seelenlose Automatenstimme. Ich massierte meinen Nacken mit beiden Händen, dann wischte ich mir die Tränen des Schmerzes aus den Augen und sah mich auf den Panoramabildschirm um. Ich atmete auf. »Wenigstens haben wir unser Zielgebiet erreicht, die grüne Sonne!« sagte ich.
* »Beinahe wären wir mit dem zweiten Pla neten kollidiert«, meldete die Ortung. »Er ist nur eine halbe Lichtsekunde entfernt.« »Setzen Sie zur Landung an!« rief ich meinem Ersten Offizier zu. »Wir müssen so schnell wie möglich ein Versteck für das
7 Schiff finden.« »Aber wir wissen noch nichts über den Planeten«, wandte Fartuloon ein. »Was wir wissen müssen, werden wir beim Landeanflug sehen«, gab ich zurück. »Du rechnest also damit, daß die Verfol ger uns bald finden werden«, meinte mein Pflegevater. »Finden sollen sie uns eben nicht«, ant wortete ich. »Aber sie werden sich denken können, daß wir für unsere Transition ein System mit einem brauchbaren Planeten ausgesucht haben. Da sie außerdem wissen, daß die ISCHTAR schwer beschädigt ist, werden sie uns nicht in großer Entfernung suchen, sondern beim nächsten brauchbaren Planeten.« »Das leuchtet mir ein«, meinte Fartuloon. Er setzte sich neben mich und half mir, die von der Ortungszentrale eingehenden Daten auszuwerten. Bald wußten wir, daß der zweite Planet der namenlosen grünen Sonne etwas kleiner als die Arkonplaneten war, eine Sauerstof fatmosphäre und erträgliche Temperaturen aufwies. Es gab Berge, Ebenen, Flüsse und Meere und eine Vegetation, die sich dem er sten Anschein nach durch krasse Unterschie de auszeichnete. Helos Trubato steuerte die ISCHTAR so, daß das Schiff die Ausläufer der Atmosphä re genau in jenem Winkel traf, der für Lan dungen ohne Triebwerke erforderlich war, damit das Schiff weder zurück in den Raum geschleudert wurde noch durch die Rei bungshitze verglühte. Er rechnete wohl vor sichtshalber damit, daß unsere Triebwerke endgültig ausfielen, zumindest aber, daß wir uns auf die Antigravprojektoren nicht ver lassen konnten. Als wir nach einer halben Umkreisung des Planeten die Nachtseite unter uns liegen sahen, machten wir eine Entdeckung, die uns zutiefst bestürzte. Über einem genau abgegrenzten Gebiet des Planeten wölbte sich ein Energieschirm – und unter dem Energieschirm befand sich eine heiße Hochdruckatmosphäre, die im
8 wesentlichen aus Wasserstoff und Ammoni ak bestand. »Ein Stützpunkt der Maahks, das hat uns noch gefehlt«, kommentierte mein Pflegeva ter und Lehrmeister die Entdeckung. »Mit Arkoniden im Nacken und Maahks vor den Augen können wir nur noch auf die Gunst der alten Götter hoffen.« »Die Götter helfen uns nicht weiter«, er widerte ich grimmig und forderte genauere Daten von der Ortungszentrale an. »Ein von fremdartiger Vegetation über wucherter Walzenraumer und eine Ansamm lung primitiver Bauwerke«, meldete der Or tungsoffizier. »Nur geringe energetische Ak tivität.« »Da stimmt etwas nicht«, gab ich zurück. »Sehen Sie sich den Energieschirm an, der über dem Gebiet liegt. Um ihn zu erhalten, braucht man eine ständige Leistung von drei Gigawatt pro Sekunde. Die entsprechenden Fusionskraftwerke sollten anzumessen sein.« »Sind sie aber nicht«, gab der Offizier zu rück. »Oder unsere Energieortung arbeitet fehlerhaft. Ich kann aber keine Fehlanzeigen entdecken.« »Das ist unmöglich!« schimpfte ich. »Immer langsam!« mahnte Fartuloon. »Nicht aufregen! Etwas stimmt mit den Maahks dort unten nicht, sonst wären wir längst beschossen worden. Vielleicht ist es ein verlassener Stützpunkt oder ein Depot.« »Du weißt, daß die Maahks keine Sauer stoffwelten für ihre Depots benutzen«, erwi derte ich hitzig. »Und einen verlassenen Stützpunkt würden sie nicht mit einer Ener gieglocke schützen. Ich glaube dir aller dings, daß dort unten etwas nicht stimmt.« »Haben Sie neue Befehle, Kristallprinz?« fragte Helos Trubato an. »Nein!« antwortete ich. »Wir können nicht wieder durchstarten, sondern müssen hier landen, ob es nun Maahks dort unten gibt oder nicht. Wo kommen wir ungefähr herunter?« »Wahrscheinlich in einem Gebiet, das auf der entgegengesetzten Planetenseite liegt,
H. G. Ewers relativ zur Maahkzone gesehen«, antwortete mein Erster Offizier. »Gut!« sagte ich. »Dann müssen wir uns wenigstens nicht sofort mit Maahks herum schlagen.« Trubato murmelte etwas, das ich nicht verstand. Er hatte wohl nur zu sich selbst ge sprochen. Allerdings konnte ich mir denken, was ihn beschäftigte. Auch wenn die Maahks uns nicht sofort bedrohten, war es nicht sicher, ob die ISCHTAR in einem Stück herunterkommen würde. Die Schutz schirmprojektoren und Antigravprojektoren waren ausgefallen, die Triebwerke konnten jederzeit ausfallen – und eigentlich mußten wir den alten Göttern Arkons auf Knien dan ken, daß unsere Andruckabsorber bisher noch standgehalten hatten. Es gab einen spürbaren Ruck, als die ISCHTAR in die Atmosphäre eintauchte. Trubato schaltete hastig, denn infolge der unregelmäßig arbeitenden Triebwerke fing das Schiff an zu trudeln. Er brachte es aller dings schnell genug wieder unter Kontrolle. Die wenigen noch intakten Außenmikro phone übermittelten bald darauf das Heulen der dichteren Luftschichten. Die Temperatur der Außenzelle stieg an, hielt sich aber in vertretbaren Grenzen. Dann fielen schlagar tig zwei weitere Triebwerke aus. Das Schiff sackte durch, wurde aufgefangen und setzte seinen Landeanflug fort. »Wenn noch zwei Triebwerke ausfallen, kann ich das Schiff nicht ausreichend ab bremsen«, teilte Trubato uns mit. Ich erwiderte nichts darauf, denn Worte halfen uns auch nicht. Wenn Trubato das Schiff nicht ausreichend abbremsen konnte, bedeutete das, daß wir ziemlich hart auf schlagen würden. Vielleicht so hart, daß die Andruckabsorber die entsprechenden Kräfte nicht kompensieren konnten oder daß die Außenzelle barst und die Innenzelle sich zu sammenknautschte. In beiden Fällen würde die ISCHTAR unser Grab werden. Plötzlich heulten die Alarmsirenen wieder auf. Die Strukturtaster hatten angesprochen. »Sieben Arkonraumer!« meldete die Or
Träume aus fremder Dimension tung. »Wiederverstofflichungssektor zwi schen dem dritten und zweiten Planeten, aber auf der anderen Seite der Sonne.« »Dann können sie uns nicht mehr orten«, sagte Fartuloon. »Wir müssen die ISCHTAR irgendwo verstecken.« Ich blickte auf die Subbeobachtungsschir me und sah, daß wir über ein Felsengebirge mit violetter Vegetation flogen. Kurze Zeit später sichtete ich am Horizont eine gewölb te Fläche, die das Sonnenlicht reflektierte. »Ein Ozean!« rief ich Trubato zu. »Können Sie die ISCHTAR dort auf Grund setzen?« »Keine Schwierigkeit«, gab der Erste Of fizier ironisch zurück. »Sie wird von selbst sinken, wenn ich sie auf dem Wasser aufset ze. Durch das große Leck dringt genug Was ser ein, um das untere Drittel in ein Aquari um zu verwandeln. Ich bin nur nicht sicher, ob wir uns wieder vom Grund lösen können, wenn wir erst einmal unten sind.« »Wir haben keine Wahl«, erwiderte ich. Helos Trubato drosselte die verbliebenen Triebwerke etwas. Das Schiff sank schnel ler. Wir überflogen das Ufer des Ozeans nur noch in dreitausend Metern Höhe. Unter uns sah ich eine außergewöhnlich hohe Bran dung gegen ausgezehrte Felsklippen schla gen. Als ein weiteres Triebwerk ausfiel, mußte Trubato die verbliebenen Aggregate hoch schalten, sonst wären wir abgestürzt. Wir kamen dennoch zu schnell herunter. Die ISCHTAR tauchte bis über den Triebwerks ringwulst ein und erzeugte eine riesige Was serfontäne. Ohne funktionierende Andruck absorber hätten wir den Aufprall nicht über lebt. Der Erste Offizier warf mir einen zwei felnden Blick zu, dann schaltete er die Triebwerke endgültig aus. Das Schiff füllte sich im unteren Drittel mit Wasser, dann bo ten die intakten Druckschotte dem nassen Element Einhalt. Gurgelnd versank die ISCHTAR in den Fluten. »Wassertiefe neunhundert Meter«, melde te die Ortung. »Der Meeresboden unter uns
9 ist stark zerklüftet. Wir werden wahrschein lich in einer Unterwasserschlucht landen.« »Wenn die Schlucht breit genug ist, daß wir nicht anstoßen, ist das nur günstig«, meinte Fartuloon. »Dann können wir nur noch mit scharf gebündelten Hyperimpuls strahlen geortet werden. Und es ist auch für sieben Großkampfschiffe fast zuviel ver langt, jeden Quadratmeter eines Planeten ab zutasten.« »Vielleicht suchen sie gar nicht weiter nach uns, wenn sie entdecken, daß es hier einen maahkschen Stützpunkt gibt«, erwi derte ich. »Sie werden nicht annehmen, daß wir freiwillig auf einem von Maahks besetz ten Planeten landen.« Fartuloon runzelte nachdenklich die Stirn. »Dafür werden sie den maahkschen Stütz punkt angreifen«, sagte er. »Auf jeden Fall wird es zu Komplikationen kommen.«
2. Das Gesicht erschien auf dem Bildschirm meines Interkoms. Der Barbar blinzelte ver schlafen. »Warum weckst du mich, Atlan?« fragte er unwillig. »Ich dachte, ich soll ruhen.« »Du hast tatsächlich geschlafen!« stellte ich überrascht fest, denn unsere Notlandung war mit einer Menge lauter Geräusche ver bunden gewesen, die mich garantiert ge weckt hätten. »Ich habe dich geweckt, weil ich eine Aufgabe für dich habe. Wir sind auf dem Grund eines Meeres gelandet und müs sen vorläufig hier bleiben, da unser Planet Besuch von sieben Arkonraumern erwartet. Ich brauche einen tüchtigen Mann, der mit mir auftaucht und sich an der Oberfläche umsieht.« »Hier ist er!« rief Ra erleichtert. »Ich komme sofort!« Ich kam nicht dazu, weitere Erklärungen abzugeben, da Ra seinen Interkom einfach ausschaltete. Kurz darauf kam er in die Kommandozentrale. »Wir werden die scheren Raumanzüge anlegen«, erklärte ich ihm. »Wegen der Or
10 tungsgefahr können wir keine Schutzschir me aktivieren, und ohne sie wären die leich ten Anzüge dem Wasserdruck nicht gewach sen.« »In Ordnung«, erwiderte Ra und holte sei nen schweren Raumanzug aus dem Bereit schaftsschrank. Ich streifte ebenfalls meinen schweren Raumanzug über, schob je einen Thermo strahler und Schockblaster in die Gürtelhalf ter, versah mich mit Detektoren, Infrarotbril le und allem, was zu einem Einsatz unter schwierigen Bedingungen gehörte. Als wir fertig waren, prüften wir unsere Helmfunk geräte. »Immer nur auf geringste Reichweite schalten!« ermahnte ich den Barbaren, der in technischer Hinsicht inzwischen ebensoviel wußte und konnte wie jeder arkonidischer Raumfahrer. »Folglich müssen wir immer dicht beisammen bleiben. Ich rechne aller dings nicht damit, daß beim Auftauchen akute Ortungsgefahr besteht.« »Warum nicht?« wollte Ra wissen. »Weil es auf diesem Planeten einen Stütz punkt der Maahks gibt«, antwortete ich. »Die Arkonraumer werden sich naturgemäß zuerst darum kümmern. Wahrscheinlich werden sie versuchen, den Stützpunkt zu vernichten.« »Ganz sicher werden sie das versuchen«, warf Fartuloon ein. »Ihr Haß läßt ihnen gar keine andere Wahl. Aber ich bin nicht si cher, ob sie etwas ausrichten.« »Warum nicht?« erkundigte ich mich. Mein Pflegevater lächelte geheimnisvoll. »Weil das kein normaler Stützpunkt ist, mein Sohn. Oder hast du vergessen, daß die ser Stützpunkt von einer Energieglocke ge schützt wird, die ihren hohen Energiebedarf aus unsichtbaren Kraftwerken deckt?« »Das gibt es nicht«, meinte der Barbar. »Vielleicht kommt die Energie aus einem auf die Sonne gerichteten Zapfstrahl.« »Den hätten wir geortet, denn wir sind ge nau über den Stützpunkt geflogen«, erwider te ich. Ra schaute mich betroffen an.
H. G. Ewers »Über den Stützpunkt geflogen?« echote er. »Ohne beschossen zu werden?« »So ist es«, sagte ich. »Uns allen ist das alles rätselhaft. Aber Tatsachen sind Tatsa chen, auch wenn sie uns unwahrscheinlich vorkommen. Gehen wir!« »Seid vorsichtig!« rief Fartuloon uns nach! »Wie immer«, gab ich zurück, obwohl ich wußte, daß diese Antwort meinen Pflegeva ter eher beunruhigen als beruhigen würde. Ra und ich verließen die ISCHTAR durch eine Mannschleuse in der Nähe der oberen Polkuppel. Tief unter uns sahen wir Arbeits roboter und Techniker in schweren Rauman zügen an der Außenhülle herumklettern. Sie sollten versuchen, von außen die schlimm sten Schäden zu beseitigen. Da wir wegen der Ortungsgefahr fast alle Energieerzeuger auf ein Minimum herabgeschaltet oder des aktiviert hatten, würden sie es schwer haben. Draußen schalteten wir die Antigravgeräte unserer Raumanzüge ein, stießen uns von der Außenhülle ab und schwebten langsam aufwärts. Das Wasser war klar, so daß wir in den Lichtkegeln unserer Helmscheinwerfer die ganze bizarre Schönheit der Unterwas serklippen bewundern könnten. Grotesk an mutende Fische schwammen einzeln oder in Schwärmen um die Klippen, weideten Un terwasserpflanzen oder jagten Beutetiere. Diese Welt schien kein eigenes intelligen tes Leben hervorgebracht zu haben. Den noch befand sie sich plötzlich in Gefahr, bei dem Kampf zwischen Arkoniden und Maahks zerstört zu werden. Ich nahm mir vor, das zu verhindern, falls ich dazu in der Lage war. Wenn diese Welt verwüstet wurde, gingen sonst vielleicht die Ansätze zu einer Entwicklung intelligenter Lebewesen verloren, die die galaktischen Zi vilisationen in ferner Zukunft bereichern konnten. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Ras Hand meinen linken Unterarm pack te. »Da … da ist etwas!« hörte ich den Bar baren durch das Helmfunkgerät stammeln.
Träume aus fremder Dimension Er deutete in die Richtung, in die sein Licht kegel zeigte. Der Lichtkegel seines Scheinwerfers be leuchtete nur bunte Klippen und Fische. Aber weiter hinten wurden die Konturen ei nes seltsamen Bauwerks durch zahlreiche helle Lichtkreise aus der Dunkelheit der Tie fe gerissen. »Anhalten!« flüsterte ich. Wir regulierten unsere Antigravaggregate so ein, daß wir auf der Stelle schwebten. »Ein großes Bauwerk«, sagte ich. »Ich be greife nicht, daß unsere Ortung es nicht er faßte, als wir sanken.« »Vielleicht haben die Ortungsgeräte aus gesetzt«, meinte Ra. »Jedenfalls ist es kein Traum, wenn wir beide es sehen können.« »Das ist es sicher nicht«, gab ich zurück. »Wir sehen es uns aus der Nähe an – aber vorsichtig! Die Beleuchtung kann nur be deuten, daß das Bauwerk bewohnt ist, und zwar von intelligenten Lebewesen. Seltsam, daß sie nicht auf die Landung der ISCHTAR reagierten.« Auf ein Zeichen von mir schwammen wir mit kraftvollen Stößen auf das rätselhafte Bauwerk zu …
* Je näher wir kamen, desto deutlicher konnten wir seine Konturen erkennen. Irgendwie kam mir diese Komposition von nach innen geneigten glatten Wänden, zurückweichenden Terrassen und runden Fenstern bekannt vor – und zugleich äußerst fremdartig. Auf der ersten Terrasse über der Basisstufe des Bauwerks sah ich eine trans parente Halbkugel, deren Pol genau in unse re Richtung zeigte. Im Innern der Halbkugel schimmerte blauweißes Licht, das an das Licht der Arkonsonne erinnerte. Noch immer gab es keine Reaktion auf unsere Annäherung. Die Bewohner des Bau werks waren entweder vollkommen sorglos und beobachteten ihre Umgebung nicht, oder sie besaßen eine Mentalität, deren Grundzug Passivität bis zum Extrem war.
11 Das Bauwerk, so erkannte ich nunmehr, ähnelte einem festungsähnlichen Schloß, das ich auf dem Planeten Birridom gesehen hat te. Es war an eine Felsklippe angelehnt und ungefähr hundert Meter hoch, und seine Breite betrug schätzungsweise sechzig Me ter, während ich die Tiefe des Bauwerks auf dreißig Meter schätzte. Aber das Schloß des Großen Kubis auf Birridom war aus großen düsteren Steinqua dern erbaut worden, während das Schloß in der Tiefe aus Stahlplastik zu bestehen schien und frei von Verfärbungen und Algenbe wuchs war. Es sah so neu aus, als wäre es erst an diesem Tage fertiggestellt worden. Ra und ich landeten auf der ersten Terras se, unmittelbar vor der transparenten Halb kugel. »Eine Schleuse!« sagte der Barbar erregt und deutete auf den Pol der Halbkugel. Ich hatte die Fuge des nach außen ge wölbten durchsichtigen Schottes ebenfalls entdeckt. Aus dieser Nähe war außerdem das Innenschott zu erkennen, das in die leicht nach innen geneigte Außenwand der zweiten Stufe des Bauwerks eingelassen war. Ich suchte nach einem Wort, mit dem ich meine Gefühle ausdrücken konnte, die ich beim Gesamtanblick der Halbkugelschleuse empfand – und ich fand es schließlich. Einladend! war die treffende Bezeichnung dafür. Zu offensichtlich einladend! warnte mich der Logiksektor meines Extrahirns. Vor sicht! Das könnte eine Falle sein! »Wir werden das Risiko verringern, in dem ich zuerst allein durch die Schleuse ge he«, sagte ich zu Ra. »Du wartest hier und hältst über Helmfunk Verbindung mit mir. Sollte die Verbindung abbrechen oder ich dich warnen, dann kehrst du zur ISCHTAR zurück und holst Unterstützung!« Ra musterte mich prüfend durch seinen Klarsichthelm, dann erwiderte er: »In Ordnung, Atlan!« Ich nickte ihm zu und schaltete die Lei stung meines Antigravaggregats so weit her
12 unter, daß ich festen Stand hatte und nicht bei jeder Bewegung in die entgegengesetzte Richtung abtrieb. Danach ging ich ganz an den Pol der Halbkugelschleuse heran und legte meine Hand auf eine grünlich schil lernde Fläche neben der Schottfuge. Das Außenschott verschwand, ohne daß ich sehen konnte, wie dieser Vorgang ablief. Es war, als hätte es sich aufgelöst. Dennoch konnte die Erklärung nicht so einfach sein, denn wozu wäre die Fuge notwendig gewe sen, wenn die Materie des Schottes sich auf löste wie manche Wände auf ISCHTARS Varganenschiff? Ich verschob die Lösung dieses Problems auf unbestimmte Zeit. Wenn man einer fremden Technologie gegenübersteht, die noch dazu von einer fremdartigen Mentalität beherrscht wurde, dann mußte man eben mit Überraschungen rechnen. Nicht alles, was für Arkoniden logisch war, mußte für den andersdenkenden Verstand Fremder logisch sein. Ich umfaßte den unteren Rand der Öff nung mit beiden Händen und zog mich mü helos in die halbkugelige Schleusenkammer hinein. Dort schaltete ich mein Antigravag gregat ganz aus, um die Schwerkraft zu prü fen, die hier herrschte. Ich brauchte dazu keinen Detektor, da ich durch meine Erfah rungen mit der Schwerkraft vieler Planeten ein Gefühl dafür entwickelt hatte, um wie viel eine Gravitation von der künstlichen Gravitation an Bord unserer Raumschiffe und damit von der auf den Arkonwelten herrschenden Gravitation abwich. Zu meinem Erstaunen registrierte ich, daß die Schwerkraft in der Schleusenkammer genau der auf der ISCHTAR entsprach, und das, obwohl die Schwerkraft dieses Planeten darunter lag. Eine Konzession an Besucher? Wenn das so war, dann mußten die Be wohner des Unterwasserschlosses empfind liche telemetrische Geräte besitzen, mit de nen sie die Schwerkraft an Bord der ISCHT AR gemessen hatten. Die Sache wurde immer mysteriöser,
H. G. Ewers denn wenn die Bewohner soviel über uns wußten, warum hielten sie sich dann weiter hin im Hintergrund? Ich drehte mich um und nickte Ra beruhi gend zu. Dabei bemerkte ich, daß das trans parente Außenschott sich wieder geschlos sen, beziehungsweise aufgebaut hatte. Aber ich merkte noch etwas anderes: Das in die Schleusenkammer eingedrungene Wasser war verschwunden. Es war tatsäch lich verschwunden und nicht etwa abge pumpt worden, denn das hätte ich bemerken müssen. Die Technologie der Schloßbewohner scheint unserer überlegen zu sein! meldete sich mein Logiksektor. Ich verzog das Gesicht und sagte über Helmfunk: »Laß dich nicht durch Äußerlichkeiten stören, Ra. Ich werde jetzt das Innenschott öffnen.« Der Barbar blickte mich nur an, erwiderte aber nichts. Ich hätte gern gewußt, was in seinem Kopf vorging. Aus Erfahrung wußte ich, daß sein Gehirn ähnlich aufgebaut war wie das Gehirn eines Arkoniden. Aber es ar beitete anders, was wahrscheinlich daran lag, daß er in einer völlig anderen Umwelt aufgewachsen war. Ich wandte mich dem Innenschott zu und entdeckte neben seiner Fuge die gleiche kleine grünlich schillernde Fläche wie neben dem Außenschott. Als ich die Hand auflegte, verschwand das Innenschott ebenfalls. Ich blickte durch die kreisrunde Öffnung in eine kleine Halle, die ebenfalls in blauweißes Licht getaucht war. Die Hallendecke wurde durch eine Säu le gestützt, die den Säulen im Hügel der Weisen, dem Regierungspalast auf Arkon, ähnelte. Desgleichen hatten die muldenför migen Wandnischen mit den Reliefs eine ge wisse Ähnlichkeit mit den Wandnischen der Hallen im Hügel der Weisen. Nur gab es hier keine konkreten Reliefbilder, sondern mehr oder weniger verworrene Symbole. »Es sieht fast so aus, als wäre das Schloß von einem schizophrenen Arkoniden erbaut
Träume aus fremder Dimension worden«, sagte ich ins Helmmikrophon. Es war eine unwillkürliche akustische Reaktion auf den Anblick der Halle, die ich im näch sten Augenblick bereute. Wenn der Schloß herr ein Arkonide war und mithörte, mußte die Bemerkung ihn gegen mich eingenom men haben. »Aber das ist natürlich nur der erste Ein druck, der überhaupt nichts über die tatsäch lichen Verhältnisse aussagt«, versuchte ich meine unbedachte Bemerkung abzumildern. »Ich betrete die Halle und sehe mich um.« »Sieh dich vor, Atlan«, erwiderte Ra. »Von diesem Schloß geht eine unbestimm bare Drohung aus.« Ich tat diese Warnung nicht leichtfertig ab, denn Ra konnte mit seinen Barbarenin stinkten oftmals Gefahren spüren, bevor mein Extrahirn reagierte. »Ich werde aufpassen«, gab ich zurück. Ich betrat die Halle. Hinter mir schloß sich das Innenschott. Damit war meine Sichtverbindung nach draußen abgerissen. Aber die Funkverbindung funktionierte noch einwandfrei, wie eine kurze Probe bewies. Ich sah mich aufmerksam in der Halle um, konnte jedoch nichts Verdächtiges ent decken. Es sei denn, ich wollte die Tatsache, daß die Bewohner sich nicht sehen ließen, als verdächtig bezeichnen. »Sehen wir also weiter!« sagte ich zu mir selbst.
* Die Außendetektoren meines Anzugs zeigten mir, daß in der Halle eine atembare Sauerstoffatmosphäre herrschte. Dennoch ließ ich meinen Druckhelm geschlossen, denn die Anwesenheit gefährlicher Mikro ben oder Giftstoffe konnte ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln weder aus schließen noch erkennen. Als ich den Blick von den Detektoranzei gen hob, stellte ich überrascht fest, daß sich die Reliefbilder der Wandnischen verändert hatten. Sie zeigten nicht mehr verworrene Symbole, sondern konkrete Abbildungen,
13 wie zum Beispiel die von exotischen Pflan zen, Tieren und Intelligenzen. Die Konturen waren jedoch nicht scharf gezeichnet, son dern so verschwommen gehalten, als hätte das, was die Veränderung der Reliefs be wirkt hatte, nur noch undeutliche Erinnerun gen an die abgebildeten Dinge. Ich runzelte die Stirn. War es möglich, daß die Schloßbewohner durch die Veränderungen an den Reliefs ver suchten, eine Kommunikation mit mir auf zubauen oder mir etwas mitzuteilen? Aber warum diese umständliche Art und Weise? Scheuten die Schloßbewohner viel leicht die unmittelbare Gegenüberstellung? Waren sie mißgestaltet oder durch einen Un fall verunstaltet, so daß sie fürchteten, ich würde bei, ihrem Anblick Abscheu empfin den? Ich beschloß, wenigstens den Versuch ei ner akustischen Kommunikation zu unter nehmen. Nachdem ich die Außenlautsprecher mei nes Raumanzugs eingeschaltet hatte, rief ich: »Hier steht Atlan, Kristallprinz des Großen Imperiums! Wenn mich jemand hört und versteht, bitte ich das durch ein Zeichen zu erkennen zu geben! Ich komme als fried licher Besucher und wäre glücklich, hier Gastfreundschaft zu finden.« Ich lauschte. Die empfindlichen Außen mikrophone meines Raumanzugs würden mir die geringste Lautäußerung übermitteln. Aber ich hörte absolut nichts. Die Bewohner des Unterwasserschlosses reagierten nicht. Im nächsten Augenblick nahm ich doch eine Reaktion wahr. In der mir gegenüberliegenden Wand der Halle hatte sich lautlos eine Öffnung gebil det. Wahrscheinlich war das die Art und Weise der Schloßbewohner, sich mir ver ständlich zu machen. Zweifellos handelte es sich um eine Einladung, die Öffnung zu be nutzen. Ich berichtete Ra ganz kurz, was bisher geschehen war und daß ich durch die Öff nung gehen wollte.
14 »Das Schloß ist die Wohnung von Göt tern«, erwiderte der Barbar. »Auch die Göt ter machen sich oft nur durch lautlose Zei chen verständlich.« »Vielleicht«, sagte ich ohne Überzeu gung. Ra war eben noch in der barbarischen Vorstellungswelt seines Volkes befangen, in der es von Göttern und Dämonen wimmelte. Langsam ging ich durch die Öffnung und blieb überrascht stehen. Ich befand mich in einer noch größeren Halle, in deren Hinter grund Bäume wuchsen. Im Vordergrund be fand sich eine Rasenfläche, auf der ein Aki bah weidete, ein Vertreter der Wildform un serer arkonidischen Parkrinder. Ich zog meinen Thermostrahler, denn wil de Akibahs sind oft angriffslustig, vor allem, wenn man sie erschreckt. Aber dieser Aki bah blieb ruhig stehen und sah mich zutrau lich und ein wenig traurig an. Allmählich wurde es mir unheimlich in diesem seltsamen Schloß. Wie kam ein Aki bah auf einen Planeten in einem Raumsek tor, der normalerweise von Arkonschiffen gemieden wurde? Und warum schufen seine Besitzer in ihrem Schloß künstlich eine Ko pie der natürlichen Umwelt des Tieres, an statt es frei auf der Planetenoberfläche her umlaufen zu lassen? Allerdings, so sagte ich mir, hätte ich den Akibah bereits erlegt, wenn ich ihn oben in freier Wildbahn angetroffen hätte, denn die se Tiere lieferten sehr wohlschmeckendes Fleisch, und das hatte ich in letzter Zeit ver mißt. Hier im Schloß durfte ich es natürlich nicht schießen, denn es stand fest, daß es einen Besitzer hatte. Die Frage war nur, wa rum ich ausgerechnet in diesen Raum mit dem Akibah eingeladen worden war. Ich machte einen Schritt vorwärts. Plötzlich warf der Akibah den Kopf in den Nacken, wirbelte herum und ver schwand in wilder Flucht zwischen den Bäu men. Ich verlor allmählich die Geduld. Vor al lem, als ich mich daran erinnerte, daß ich mich nicht unbegrenzte Zeit in diesem
H. G. Ewers Schloß aufhalten durfte. Ich mußte so bald wie möglich mit Ra an die Oberfläche, um Ausschau nach den Schiffen Lantcors zu halten. Deshalb folgte ich dem Tier und ging schneller als vorher. Ich konnte nicht sehen, was hinter den Bäumen lag, denn sie standen zu dicht. Da ich mit einem Überraschungs angriff des Akibahs rechnen mußte, beob achtete ich die Umgebung sehr aufmerksam und hielt die Strahlwaffe schußbereit. Aber der Akibah ließ sich nicht mehr se hen, und plötzlich stand ich vor einer Video wand, die eine Fortsetzung des Waldes vor täuschte. Während ich mich noch fragte, wie der Akibah durch diese Wand gekommen sein sollte, bildete sich vor mir eine Öffnung. Ich faßte das als weitere Einladung auf und ging vorsichtig hindurch. Auf der anderen Seite war keine Halle, sondern ein Zimmer mit quadratischem Grundriß und einem Fußboden aus roten Steinfliesen. Und hier begegnete ich einem weiteren Akibah. Allerdings stand er mir nicht gegenüber wie der erste, sondern stak abgehäutet und ausgeweidet auf einem Bratspieß, der an ei nem Gestell über einem Holzkohlefeuer hing und sich, wie von Geisterhand bewegt, langsam drehte. Ich stieß eine Verwünschung aus. Da mein Helmfunkgerät eingeschaltet war, hör te Ra sie. »Was ist passiert?« fragte er. »Nichts Schlimmes«, antwortete ich. »Nur, daß ich allmählich das Gefühl bekom me, als würde das Schloß von Geistern be wohnt, die meine Gedanken lesen können. Ich bin vorhin einem lebenden Akibah be gegnet und dachte daran, daß ich lange kein Wildbret gegessen hätte. Als ich den näch sten Raum betrat, fand ich einen abgehäute ten und ausgeweideten Akibah, der sich über einem Holzkohlefeuer am Spieß dreht.« Ich hörte ein schmatzendes Geräusch, dann sagte Ra:
Träume aus fremder Dimension »Ein Akibah ist ein eßbares Wildtier, nicht wahr? Wenn du erlaubst, komme ich nach. Ich habe nämlich auch Hunger.« »Ich glaube dir«, erwiderte ich. »Aber wir rühren hier nichts an, bevor die Gastgeber sich gezeigt haben. Ich habe das Gefühl, als ginge es hier nicht mit rechten Dingen zu. Der Bratspieß dreht sich nämlich, ohne daß eine Antriebsvorrichtung zu erkennen wä re.« Ich schaute wieder zu dem Akibah hin und blinzelte verblüfft. Meine Beobach tungsgabe schien gelitten zu haben. Der Bratspieß drehte sich nicht von selbst, son dern wurde von einem kleinen Elektromotor angetrieben. »Ich muß mich berichtigen«, teilte ich Ra mit. »Der Bratspieß wird von einem Motor angetrieben. Ich muß ihn vorhin übersehen haben.« Aber es gibt keine sichtbare Energiequel le, die den Motor in Gang setzt! teilte mir mein Extrahirn mit. Ich sehe eine Parallele zu dem Energieschirm, der seine Energie scheinbar aus dem Nichts bezieht. Ich mußte lächeln, als ich das dünne und kaum sichtbare Kabel entdeckte, das von der Wand zu dem Elektromotor lief. Es gab also doch keine Parallele zu dem Energieschirm über dem Gebiet der Maahks. Das Kabel war eben noch nicht vorhanden! teilte mir mein Extrahirn mit. Ich spürte, wie meine Haltung sich ver steifte. Wenn das Kabel vorhin noch nicht vor handen gewesen war – und in der Beziehung konnte ich auf mein Extrahirn verlassen –, dann gab es jemanden in dem Schloß, der Dinge aus dem Nichts heraus entstehen las sen konnte. Dieser Jemand schien jedoch daran interessiert zu sein, daß sein Besucher nichts von dieser Fähigkeit oder Möglichkeit erkannten. Darum korrigierte er offensichtli che Fehler. Plötzlich verspürte ich den Drang, den oder die Schloßbewohner so schnell wie möglich zu stellen und das Geheimnis des Unterwasserschlosses zu lösen, wie immer
15 es auch aussehen mochte. »So leid es mir tut, aber der Braten ist vorerst tabu für uns«, teilte ich Ra mit. »Ich gehe weiter.«
3. Was mir besonders starkes Kopfzerbre chen bereitete, waren die bereitwillig entste henden Öffnungen zu den Wänden. Da sie sich hinter mir immer wieder schlossen, fragte ich mich, ob sie sich wohl auch so be reitwillig bilden würden, wenn ich das Schloß verlassen wollte. Nachdem ich den Raum mit dem Spieß braten verlassen hatte, machte ich die Probe aufs Exempel. Ich wartete, bis sich die Öff nung hinter mir geschlossen hatte, dann ging ich auf die betreffende Stelle zu. Die Öffnung entstand, als ich noch zwei Schritte davon entfernt war. Erleichtert dar über, ging ich hindurch. Wieder wartete eine Überraschung auf mich. Der Bratspieß mit dem Akibah war ver schwunden, und zwar so spurlos verschwun den, als hätte es keines von beidem gegeben. Die Schloßbewohner konnten also nicht nur Dinge aus dem Nichts entstehen lassen, sie konnten sie auch wieder im Nichts ver schwinden lassen, wenn sie nicht mehr be nötigt wurden. Natürlich war ich weit davon entfernt, an Zauberei zu glauben, wie Ra es vielleicht getan hätte. Ich wußte, daß es keine Zaube rei gab, sondern bestenfalls Erscheinungen, die wie Zauberei wirkten. Da aber jede Er scheinung, wie immer sie auch geartet war, nur im Einklang mit den Naturgesetzen zu stande kommen konnte, war alles Rätselhaf te eben der Ausdruck des Wirkens einer Technologie, die ich nicht durchschaute, weil mir ihre Prinzipien unbekannt waren. Ich beschloß, mich nicht über das Auftau chen und Verschwinden von Dingen aufzu regen, sondern alles nur zu registrieren. Hin ter mir hatte die Öffnung sich mittlerweile wieder geschlossen. Sie bildete sich neu, als
16 ich auf die betreffende Stelle in der Wand zuging. »Gibt es etwas Neues?« fragte Ra an. »Bis jetzt nicht«, antwortete ich. »Hat sich bei dir etwas getan?« »Überhaupt nichts«, sagte der Barbar. »Gut. Ich werde versuchen, meine Schloßbesichtigung so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Wir haben schließ lich noch andere Sachen zu erledigen. Bis gleich.« Ich trat zum zweitenmal durch die Öff nung. Der Raum dahinter hatte keine neue Sensation für mich bereit. Es handelte sich um ein Zimmer, das mit breiten gepolsterten Wandbänken ausgestattet war, die zum Ent spannen einluden. Aber nicht nur aus Zeit mangel widerstand ich der Versuchung, mich auf einer der Wandbänke auszu strecken. Als ich den Raum durchquert hatte, bilde te sich wieder eine Öffnung. Dahinter lag ein breiter Korridor, in dem zwei gegenläu fige Transportbänder liefen. Ich stieg auf das Band, das nach links führte, weil es das nächste war. Das Transportband trug mich eine Strecke – geradeaus, dann bog der Korridor leicht nach rechts ab. Meiner Meinung nach führte er dadurch in den Felsen hinein, an den sich das Schloß anlehnte. Als links und rechts in den, Korridorwän den normale Schotte auftauchten, verließ ich das Band und stellte mich vor eines der Schotte. Diesmal verschwand es nicht, sondern teilte sich in der Mitte. Die beiden Schott hälften versanken in den Seitenwänden, wie es Schotte auf arkonidischen Raumschiffen auch getan hätten. Und wie in einem Raumschiff sah auch die Kabine aus, die ich hinter der Öffnung sah. Das Pneumobett war ein wenig zu breit, der Tisch zu niedrig, die beiden Sessel hat ten keine Beine – ansonsten glich die Aus stattung der einer Mannschaftskabine auf jedem beliebigen Raumschiff der Imperiums flotte.
H. G. Ewers Ich ging gar nicht erst hinein, sondern wandte mich dem nächsten Schott zu. Auch hier der gleiche Öffnungsvorgang, die glei che Einrichtung … Nein, etwas war anders! Hier war das Pneumobett nicht zu breit, der Tisch nicht zu niedrig, und die beiden Sessel hatten Beine wie die Sessel in Mann schaftskabinen auf Imperiumsschiffen. Ich kehrte zum ersten Schott zurück. Als es sich geöffnet hatte, entdeckte ich, daß auch hier die Ausstattung entsprechend mei ner Vorstellung von Imperiumsschiffen kor rigiert worden war. Die Schloßbewohner mußten demnach in der Lage sein, meine Gedanken oder einen Teil meiner Gedanken zu lesen, und sie kor rigierten die von ihnen gemachten Fehler, sobald sie sie als solche erkannten. Das gab mir die Gewißheit, daß es sich nicht um Arkoniden handeln konnte. Arko niden konnten durchaus lernen, mit einer vorgefundenen fremden Technologie zweck entsprechend umzugehen. Aber sie brauch ten keine Details der Inneneinrichtung von Raumschiffen zu lernen, weil sie sie kann ten. Ich blickte noch in weitere drei Kabinen. Sie glichen sich alle wie ein Ei dem anderen. Danach verzichtete ich auf weitere Kabinen inspektionen und stellte mich wieder auf das Transportband. Es brachte mich zu einem Antigravschacht. Vorsichtshalber legte ich die Hand auf den Schalter für die Aktivierung meines An tigravaggregats, als ich mich in den Schacht schwang. Aber er funktionierte tatsächlich wie ein arkonidischer Antigravschacht. Ich stieß mich so ab, daß ich nach oben schwebte. Im nächsten Stockwerk stieg ich wieder aus. Als ich vor mir einen Korridor mit völlig gleichen Schotten sah, kehrte ich in den Schacht zurück. Diesmal schwebte ich bis ganz nach oben, wo der Antigrav schacht endete. Als ich diesmal ausstieg, befand ich mich in einem riesigen Kuppelsaal mit transparen tem Dach und transparenten Wänden. Große
Träume aus fremder Dimension Scheinwerfer strahlten das Wasser an, so daß ich die bunten Klippen und Fisch schwärme deutlich sehen konnte. Der Anblick war hübsch, aber nicht das, was ich suchte. Also kehrte ich in den Schacht zurück stieß mich ab und schwebte bis zu seinem unteren Ende. Doch auch hier wurde ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, technische Anlagen vorzufin den, die wir bei der Instandsetzung unseres Raumschiffs verwenden konnten, so etwas wie Materieprojektoren etwa. Ich war sogar noch immer sicher, daß es so etwas geben müsse, denn irgendwie mußten die scheinbar aus dem Nichts entstehenden Dinge ja er zeugt und an den vorbestimmten Ort proji ziert oder anderweitig befördert werden. Aber nichts dergleichen ließ sich finden. Das Unterwasserschloß bot sich förmlich als bequeme und nützliche Unterkunft für die Besatzung der ISCHTAR an, aber es hatte nichts anzubieten, was uns helfen konnte, diesen Planeten bald wieder zu verlassen. Noch war ich entschlossen, keine Gewalt anzuwenden, um nach den Maschinen zu su chen. Schließlich hatten die Schloßbewoh ner auch gegen mich keine Gewalt angewen det. Sie versuchten auch nicht, mich zurück zuhalten, als ich den Weg zurückging, den ich gekommen war. Allerdings ließen sie sich immer noch nicht sehen. Ra schaute mich erwartungsvoll an, als ich das Schloß durch die halbkugelförmige Schleuse verließ. »Wir haben einen Platz gefunden, an dem wir wohnen können, nichts weiter«, sagte ich. »Aber ich ziehe als Behausung doch die ISCHTAR vor.« »Mir ist das Schloß unheimlich«, meinte der Barbar. »Es strahlt eine Bedrohung aus. Vielleicht ist es von unsichtbaren Dämonen bewohnt.« »Oder von guten Geistern«, erwiderte ich scherzhaft. »Leider können wir nicht warten, bis diese Geister sich zeigen. Wir steigen weiter auf und gehen an Land.«
*
17 Die Lichter des Unterwasserschlosses blieben noch lange sichtbar, während wir aufstiegen. Erst dicht unter der Wasserober fläche entschwanden sie unserer Sicht. Wir tauchten auf und sahen uns um. Von den sieben Schiffen Lantcors war nichts zu sehen. »Ich denke, wir dürfen es wagen, die Rückstoßaggregate einzuschalten«, sagte ich. »Aber wir gehen nicht höher als zehn Meter und fliegen langsam auf den nächsten Küstenstreifen zu. Sobald wir Raumschiffe oder andere Fahrzeuge bemerken, tauchen wir unter beziehungsweise landen wir und schalten unsere Aggregate aus!« »Wahrscheinlich würden wir nichts davon merken, wenn die Schiffe den Maahkstütz punkt angreifen, nicht wahr?« erkundigte sich Ra. »Sicher nicht, da der Stützpunkt auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten ist«, antwortete ich. Wir schalteten die Rückstoßaggregate un serer Aggregattornister ein und stiegen auf zehn Meter Höhe. Das Meer hatte nur gerin gen Wellengang. Im Oberflächenwasser wa ren keine Fischschwärme zu sehen. Von Fischfang konnte hier demnach niemand le ben. Langsam flogen wir in Richtung zur Kü ste, die wir mit der ISCHTAR überflogen hatten. Wir hatten leichten Rückenwind, und über uns wölbte sich ein blauer Himmel mit nur wenigen kleinen Wolken, die für uns seltsam aussahen, da die grüne Sonne sie in schimmernde Smaragde verwandelte. Bald schon mußte ich meine Ansicht über die Unergiebigkeit von Fischerei umstoßen. Unter uns tauchten, in dem klaren Wasser deutlich erkennbar, große Schwärme unter armlanger, silbrig schimmernder Fischleiber auf. Diese Welt schien ein Paradies zu sein, wenn man von dem maahkschen Stützpunkt absah. Vielleicht sind die Fischschwärme auch nur aus dem Nichts geschaffen worden! teil te mein Extrasinn mir mit.
18 Aber warum? dachte ich zurück. Warum sollte jemand daran interessiert sein, meine Vorstellungen von einem Paradies zu reali sieren? Das alles könnten Manöver sein, um euch über die wahre Natur des Planeten hinweg zutäuschen! meinte mein Logiksektor. Je denfalls ist äußerste Wachsamkeit geboten. Ich hatte schon oft erfahren, daß ich gut daran tat, die Warnungen meines Extrahirns zu beachten. In diesem Fall jedoch war eine Ermahnung unnötig. Die Anwesenheit von Maahks und von Schiffen der Imperiums flotte erforderte ohnehin höchste Wachsam keit. Weit vor uns tauchte die Küste auf. Es war eine flache Felsenküste mit vielen Riffs und kleinen, sandbedeckten Buchten. Die Vegetation dahinter erinnerte vage an die Vegetation auf den Arkonplaneten, aber sie wirkte sehr eintönig. Ihr fehlte die Vielfalt der Arten, die auf den Arkonwelten herrsch te. Wir stiegen etwas höher, da die Brandung so wuchtig gegen die Felsenküste donnerte, daß der Gischt bis zu zwanzig Meter hoch spritzte. Noch immer war von den Schiffen Lantcors nichts zu entdecken. Sie mußten tatsächlich in der Nähe des maahkschen Stützpunkts sein. Für einen Augenblick drängte sich mir die Hoffnung auf, sie möchten beim Angriff auf die Maahks abgeschossen worden sein. Ich verwarf diesen unbewußt aufgetauchten Ge danken voller Abscheu. Niemals würde ich arkonidischen Raumfahrern den Tod wün schen, und niemals würde ich Maahks wün schen, arkonidische Raumfahrer zu besie gen, auch wenn diese Raumfahrer uns jag ten, weil ihre Anführer es ihnen so befohlen hatten. Ich streckte den Arm aus und deutete auf einen Hügel, der sich im Hinterland, unge fähr zehn Kilometer von der Küste entfernt, erhob. »Dort landen wir und suchen nach Fun kimpulsen!« sagte ich. Ras Kopf bewegte sich nickend in seinem
H. G. Ewers Klarsichthelm. Wir brauchten unseren Kurs nur geringfügig zu ändern, um den Hügel anzufliegen. Seine Kuppe war fast völlig kahl, bis auf ein paar Grasbüschel, die aus sahen, als hätte jemand sie übriggelassen. In kurzer Zeit waren wir bei dem Hügel und landeten auf der Kuppe. Sofort machten wir uns an die Arbeit. Rein technisch gesehen, konnten wir so wohl mit unseren einfach lichtschnell arbei tenden Helmtelekomen als auch mit den überlichtschnell arbeitenden Minikomen jeden Sender empfangen, der sich auf der Oberfläche dieses Planeten befand. Mit den Minikomen ließ sich sogar jeder Planet die ses Systems erreichen. Die Schwierigkeit bestand darin, daß die Schiffe Lantcors viel leicht mit Richtstrahlen arbeiteten, die eine Abhörung des Funkverkehrs erschwerten oder sogar unmöglich machten. In diesem Falle würden wir nur Erfolg ha ben, wenn einer der Funkrichtstrahlen für ein Schiff bestimmt war, das in gerader Li nie zwischen uns und dem Absender der Funknachricht flog oder stand. Angesichts der bekannten Tatsachen wappneten wir uns mit Geduld – und nach fast einer Stunde des Suchens und Lau schens empfingen wir einen Telekomspruch, der von einem Schiff namens EPITHUR kam und für die GLORMOUN, das Flagg schiff Lantcors, bestimmt war. »Wir haben alles versucht«, berichtete der Kommandant der EPITHUR seinem Flotten befehlshaber. »Aber unsere Energiestrahlen verschwinden genauso wie unsere Raumtor pedos spurlos, bevor sie den Energieschirm über dem Maahkstützpunkt treffen. Die Maahks setzen hier offenbar eine neue Waf fe ein.« »Mir liegen gleichlautende Berichte von den Kommandanten der anderen Schiffe vor«, antwortete Zweisonnenträger Lantcor. »Da es sinnlos ist, unsere Energie nutzlos zu vergeuden, ziehen wir uns zurück und lan den. In einer Beratung werden wir unsere nächsten Maßnahmen gegen den Maahkstützpunkt festlegen. Achtung, flie
Träume aus fremder Dimension gen Sie los!« Die Funksendung brach so plötzlich ab, daß es nur einen Schluß zuließ: Die GLOR MOUN hatte ein Manöver vollführt, das sie aus der gedachten Geraden zwischen dem Absender und uns geführt hatte. Da Fun krichtstrahlen während einer Sendung oder des Empfangs einer Sendung automatisch mitgeführt wurden, lagen wir nicht mehr im Empfangsbereich. Sie selbst hatte offenkun dig keinen Richtstrahl benutzt, um alle Schiffe gleichzeitig zu erreichen. Ich schaute zu Ra und bemerkte, daß er mich unverwandt, anstarrte. Was mochte hinter der Stirn dieses Barbaren vorgehen? Ich selber war verwirrt. Der Bericht der EPITHUR konnte doch nur bedeuten, daß jemand oder etwas die Energiestrahlen und Raumtorpedos, die das Schiff auf den Maahkstützpunkt abgeschos sen hatte, aus dem Verkehr gezogen hatte. Der Vorgang glich zu stark dem Verschwin den von Dingen im Unterwasserschloß, als daß sich die Parallele nicht förmlich aufge drängt hätte. Wenn die Parallele aber stimmte, dann bedeutete das nicht mehr und nicht weniger, als daß die Bewohner des Unterseeschlosses identisch mit den Beherrschern des gesam ten Planeten waren und daß hier nichts ge schah, was sie nicht billigten. Ich schauderte bei dem Gedanken daran, daß wir uns durch eine unbedachte Hand lung die Feindschaft dieser Wesen zuziehen könnten. »Dort ist etwas geschehen, was wir uns noch nicht erklären können«, sagte ich zu Ra, um ihn zu beruhigen. »Doch ganz gleich, wer es auslöste und wie, wir können die Vorgänge zu unserem Vorteil nutzen, wenn wir unsere Karte richtig ausspielen. Lantcor sieht sich mit dem Erbfeind aller Arkoniden konfrontiert. Ich hoffe, er wird seine Abneigung gegen uns solange zurück stellen, bis er weiß, daß er auf diesem Plane ten nichts gegen die Maahks ausrichten kann.« »Willst du ihn anrufen?« fragte Ra ruhig.
19 »Nein, wir werden hier warten und lau schen. Vielleicht fangen wir weitere Funk sprüche auf, die uns etwas über Lantcors weitere Pläne verraten.«
* Leider warteten wir vergeblich auf weite re Funksprüche. Statt dessen kam etwas an deres. Ra, der schärfere Augen als ich besaß, entdeckte die silbrig schimmernden Pünkt chen am Horizont zuerst. Er rief etwas in seiner Muttersprache und deutete mit ausge strecktem Arm in die Richtung. Ich folgte ihm mit den Augen, und nach einer Weile entdeckte ich die silbrig schim mernden Pünktchen ebenfalls. Es waren sie ben, und sie bewegten sich genau in unsere Richtung. »Das ist die GLORMOUN mit ihren Be gleitschiffen«, stellte ich fest. »Wenn sie nicht abdrehen, sondern sich uns weiter nä hern, müssen wir uns in die ISCHTAR zu rückziehen.« Aufmerksam beobachteten wir die Licht punkte, die immer mehr anschwollen. Sie flogen mit Überschallgeschwindigkeit, denn wir hörten das dumpfe grollende Rumoren der Schiffstriebwerke erst, als die Punkte für uns zu handtellergroßen Kugeln geworden waren, die sich uns unaufhaltsam näherten. Wen sie das Meer über dem Landeplatz der ISCHTAR überflogen, mußten ihre Or tungsgeräte das Schiff anmessen. Für diesen Fall wollte ich lieber selbst an Bord sein und nicht irgendwo draußen, wo ich keinen Ein fluß auf den weiteren Verlauf der Ergebnisse nehmen konnte. Ich bedeutete Ra durch Handzeichen, es mir nachzutun, dann schaltete ich mein Flugaggregat ein und hob ab. Die Raum schiffe waren noch zu weit entfernt, um die relativ geringe Energieemission unserer Ag gregate orten zu können. Aber wir mußten uns beeilen, denn die Schiffe flogen erheb lich schneller als wir. Nachdem wir die Brandung überflogen
20 hatten, stießen wir bis dicht über die Was seroberfläche hinab und schalteten unsere Flugaggregate hoch. Diesmal war es kein sanftes Schweben, sondern ein rasender Flug, der uns zu der Stelle zurückbrachte, unter der die ISCHTAR lag. Ich achtete nicht auf die Fischschwärme, die das Ober flächenwasser bevölkerten. Mit Hilfe unserer Flugschreiber hatten wir die Auftauchstelle schnell lokalisiert. Inzwi schen waren die Raumschiffe so nahe, daß wir die Triebwerksringwulste erkannten. Ohne zu zögern, ließen wir uns absinken und schalteten sämtliche Antriebssysteme aus. Dadurch konnte die Schwerkraft des Planeten uns packen und zum Grund des Meeres ziehen. Die Passivortung der ISCHTAR erfaßte uns, als wir die Hälfte der Strecke nach un ten zurückgelegt hatten. Wir merkten es dar an, daß Fartuloon uns über Telekom anrief und sich nach unserem Befinden erkundigte. »Sofortige Funkstille!« erwiderte ich. »Lantcor ist im Anflug!« Mein Pflegevater stellte keine überflüssi gen Fragen, sondern unterbrach den Funk verkehr sofort. Als wir das Schiff erreichten, öffnete sich die Schleuse, durch die wir es verlassen hat ten. Die Kammerbeleuchtung war auf ein Minimum herabgeschraubt, so daß ich mei nen Lehrmeister erst erkannte, als ich auf beiden Füßen landete. Fartuloon wartete, bis das Außenschott sich geschlossen hatte und das Wasser abge pumpt worden war, dann öffnete er seinen Druckhelm. Ra und ich taten es ihm nach. »Seid ihr in Ordnung?« fragte er besorgt. »Wir sind in Ordnung«, antwortete ich. Danach berichtete ich in kurzen Zügen über das Unterwasserschloß, die unheimliche Macht, die dort und über den ganzen Plane ten herrschte und über den fehlgeschlagenen Angriff der Schiffe Lantcors gegen den Maahkstützpunkt. »Diese Macht scheint demnach eine schützende Hand über die Maahks zu hal ten«, meinte Fartuloon. »Hoffentlich wendet
H. G. Ewers sie sich dann nicht gegen uns, die Todfeinde der Maahks.« »Vorerst müssen wir sehen, wie wir Lant cor dazu bringen, uns nicht anzugreifen«, er widerte ich. »Seine Schiffe werden die ISCHTAR orten, wenn sie ihre Flugrichtung beibehalten.« »Gehen wir erst einmal in die Zentrale«, sagte mein Pflegevater. In der Zentrale angekommen, befahl ich einem Offizier, Karmina Arthamin aus ihrer Kabine zu holen. Ich selbst zog meinen Raumanzug aus und holte meinen Vater. Wieder verspürte ich peinigenden seeli schen Schmerz, als ich meinen Vater führen mußte. Bevor ich ihn in die Kommandozen trale führte, wischte ich ihm den Speichel aus den Mundwinkeln. Mein Vater gab eini ge unartikulierte Laute von sich. Karmina Arthamin war bereits da, als wir die Zentrale betraten. Sie blickte erst meinen Vater, dann mich an und sagte: »Wahrscheinlich werden wir wieder für eine Schau gebraucht. Schämen Sie sich ei gentlich nicht, Atlan?« »Doch«, gab ich bedrückt zu und bemerk te die Überraschung in Karminas Augen. »Aber die Interessen des Großen Imperiums stehen über denen von Einzelpersonen. Wenn es um die Existenz meines Volkes geht, müssen private Gefühle zurückstehen.« »Beinahe hätten Sie mich für Sie einge nommen«, erwiderte die Sonnenträgerin. »Aber Ihre Argumente sind zu vordergrün dig, als daß sie mich überzeugen würden. Sie wollen doch nur etwas für sich errei chen.« »Du solltest sie bis zum Kinn in die Erde vergraben lassen, damit die Ameisen ihr ar rogantes Gesicht fressen«, warf Ra ein. »Erde?« fragte ich. »Der Boden«, antwortete Ra. »Alles Le ben kommt aus der Erde, und alles Leben kehrt in die Erde zurück, damit es wiederge boren werde.« »Wer ist dieser schmutzige Barbar?« frag te Karmina, als ob sie es nicht schon längst wüßte.
Träume aus fremder Dimension »Er heißt Ra und ist mein Freund«, erwi derte ich. »Sie haben überhaupt kein Recht, sich über sein barbarisches Ansinnen zu er regen. In Orbanaschols Namen wurden schlimmere Foltern verhängt. Ich denke nur an den Blinden Sofgart und seine Folterwelt. Natürlich werde ich niemals Grausamkeiten dulden und schon gar nicht befehlen.« In diesem Augenblick meldete sich die Ortungszentrale und teilte mit, daß die ISCHTAR von fremden Ortungsimpulsen getroffen wurde. »Das ist der Grund, warum Sie und Gono zal VII. hier sind«, sagte ich zu Karmina Ar thamin. »Und ich will ›für mich‹ erreichen, daß Lantcor mit uns verhandelt, anstatt uns auszulöschen.« Die Sonnenträgerin preßte die Lippen zu sammen und schwieg. Wir aber warteten in beinahe unerträgli cher Spannung darauf, ob die nächsten Mi nuten den Tod bringen würden – oder eine Chance zum Überleben.
4. Soeben war der große Bildschirm des Te lekoms aufgeflammt und hatte uns die Ge stalt Merlon Lantcors gezeigt. Niemand von uns befand sich zu dieser Zeit im Bilderfassungsbereich der Telekom optik. Zwei Offiziere standen neben Karmi na Arthamin, bereit, sie zurückzuhalten, falls sie sich ohne meine Einwilligung in den Bildaufnahmebereich begeben wollte. »Schiff des Großen Imperiums GLOR MOUN!« sagte Lantcor. »Zweifacher Son nenträger Merlon Lantcor spricht. Ich rufe das auf dem Meeresboden liegende Raum schiff und fordere Identifikation!« Natürlich wußte Lantcor, daß es sich bei dem Schiff, das seine Ortung erfaßt hatte, nur um die ISCHTAR handeln konnte. Aber als erfahrener Taktiker wußte er, daß er uns mit seiner Forderung nach Identifikation in die Defensive drängte. Er wußte auch, daß wir als die Unterlegenen keine andere Wahl hatten als darauf einzugehen.
21 Ich trat drei Schritte nach vorn, in den Bilderfassungsbereich hinein. Mein Vater wurde von Fartuloon am Arm festgehalten. Obwohl Lantcor mich auf seinem Tele kombildschirm sah, verzog er keine Miene. Er hütete sich auch, mich anzusprechen, da das seiner Taktik widersprochen hätte. Al lerdings glaubte ich in seinen Augen ein kurzes Aufblitzen zu sehen, wahrscheinlich ein Zeichen von Überraschung, daß ein so junger Mann seinen Anruf beantwortete. »Raumschiff ISCHTAR!« meldete ich. »Flaggschiff von Imperator Gonozal VII. Kristallprinz Atlan, Sohn des Imperators und rechtmäßiger Erbe von Titel und Regent schaft, spricht.« Ich gab meinem Pflegevater ein verstohle nes Zeichen, woraufhin Fartuloon meinen Vater behutsam neben mich dirigierte. »Wenn Sie Augen haben zu sehen, dann sehen Sie, zweifacher Sonnenträger Lant cor!« forderte ich. »Hier neben mir steht Im perator Gonozal VII. der durch sein Eingrei fen die Imperiumsflotte vor Marlackskor vor einer katastrophalen Niederlage rettete. Im perator Gonozal VII. wurde vor nicht langer Zeit von meinen Freunden und mir auf dem Planeten Xoaixo gefunden und aus der Ge fangenschaft Orbanaschols des Verräters be freit. Durch Orbanaschols Schuld ist er psy chisch schwer geschädigt, deshalb spreche ich für ihn und forderte Sie auf, sich mit Ih ren Einheiten unter den Befehl des rechtmä ßigen Imperators Gonozal VII. der durch mich vertreten ist, zu stellen!« Täuschte ich mich oder hatten die Züge Lantcors für einen flüchtigen Augenblick so etwas wie eine schmerzliche Regung ge zeigt? Wenn ja, dann hatte der als beherrscht und hart geltende Befehlshaber sich schnell wieder in der Gewalt gehabt. Jedenfalls ver riet sein Gesicht nichts mehr über seine Ge fühle. »Erwarten Sie nicht, daß ich Sie mit ›Erhabener‹ anrede, Atlan«, sagte Lantcor. »Ich habe meinen Treueid auf Imperator Or banaschol III. geleistet.« »Der Treueid wird nicht nur auf den Im
22 perator geleistet, sondern auch auf das Impe rium«, entgegnete ich scharf. »Außerdem ist der auf Orbanaschol geleistete Treueid un gültig, da er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen wurde. Orbanaschol kam durch Heimtücke und Lüge an die Macht, denn Gonozal VII. lebt, und es muß das Hauptziel jedes aufrichtigen Arkoniden sein, Gonozal VII, zur Wiedereinsetzung in seine Rechte zu verhelfen.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über Lant cors Gesicht. »Sie sind hervorragend in Rhetorik und Dialektik, Atlan«, erwiderte er. »Aber mein Pflichtbewußtsein läßt nicht zu, daß ich mich davon zu Handlungen verleiten lasse. Sie haben die Sonnenträgerin Karmina Ar thamin an Bord. Lassen Sie mich mit ihr sprechen, Atlan.« Ich ließ mir nicht anmerken, daß ich mir bewußt war, meinen psychologischen Schachzug verloren zu haben. Während ich einen Schritt zurücktrat, aber noch im Bil derfassungsbereich blieb, gab ich den beiden Offizieren und der Sonnenträgerin ein Zei chen. Karmina Arthamin trat vor. Sie wirkte un sicher, und ich hegte die verzweifelte Hoff nung, daß sie ihre starre Haltung aufgeben möge und sich auf meine Seite stellte. »Sonnenträgerin Arthamin«, begann Lant cor behutsam, beinahe väterlich-jovial. »Sie kennen die Verhältnisse an Bord der ISCH TAR aus eigener Anschauung und eigenem Erleben, sind also besser informiert als ich. Bitte, sagen Sie mir, welche Meinung Sie sich über Atlan und Gonozal VII. gebildet haben.« Karmina Arthamin zögerte, und wieder ergriff mich Hoffnung. Doch als ihre Gestalt sich straffte und ihre Gesichtszüge sich ver härteten, wußte ich, daß ich die Frau nicht hatte überzeugen können. »Die Besatzung der ISCHTAR besteht aus Piraten, die mich entführt haben«, er klärte die Sonnenträgerin. »Gonozal VII. lebt, aber er ist nicht mehr als eine Mario nette. An seiner Stelle könnte ebensogut ein
H. G. Ewers maskierter Doppelgänger neben mir stehen. Und Atlan ist in meinen Augen ein gefährli cher Rebell, der die Stabilität des Großen Imperiums in seiner kritischsten Zeit gefähr det. Ich denke, daß Orbanaschol III. ihn mit vollem Recht quer durch das Große Imperi um jagen ließ.« Lantcors Brauen zogen sich zusammen. Sein Blick richtete sich auf mich. »Sie haben gehört, was Sonnenträgerin Arthamin aussagte, Atlan«, erklärte er. »Dazu bedarf es keines Kommentars. Ich forderte Sie auf, zusammen mit Ihren Leuten bedingungslos zu kapitulieren. Geht Ihre Kapitulation nicht binnen einer halben Stun de Arkonzeit bei mir ein, lasse ich das Feuer eröffnen.« »Obwohl ich hier bin?« rief Karmina Ar thamin erschrocken. »Wir alle haben unsere Pflicht an der Stelle zu erfüllen, an die wir gestellt wer den«, erwiderte Lantcor ungerührt. »Ich bit te Sie, Sonnenträgerin Arthamin, einzuse hen, daß ich auf Sie keine Rücksicht nehmen kann. Sie haben selbst gesagt, daß Atlan ein gefährlicher Rebell ist, der die Stabilität des Großen Imperiums in seiner kritischsten Zeit gefährdet. Eine solche Gefahr muß ich kom promißlos bekämpfen. Atlan hat die Wahl, im Kampf zu sterben und Sie zu opfern oder rechtzeitig aufzugeben.« Ich trat wieder einen Schritt vor. »Sie sind nicht in der Lage, kompromiß los zu handeln, Zweisonnenträger Lantcor«, sagte ich. »Ich weiß, daß Ihr Angriff gegen den maahkschen Stützpunkt auf diesem Pla neten ein Fehlschlag war – und ich weiß, wer dafür verantwortlich ist. Da die Maahks trotz aller unserer Gegensätze unser gemein samer Feind sind, schlage ich ein Stillhalte abkommen und eine Kooperation zur Be kämpfung des Maahkstützpunkts vor.« Merlon Lantcor dachte nach, dann sagte er: »Sie verstehen es, Ihre Karten auszuspie len, Atlan. Ich bin mit einem zeitlich be grenzten Stillhalteabkommen einverstanden, da wir keinen Maahkstützpunkt auf einer
Träume aus fremder Dimension Sauerstoffwelt dulden können. Aber ich warne Sie! Wenn Sie versuchen sollten, mich hereinzulegen, werden Sie mitsamt Ih rem Schiff vernichtet. Und nun bitte ich um Ihre Vorschläge!«
* Merlon Lantcor hörte sich meine Vor schläge mit unbewegtem Gesicht an. Ich wußte genau, daß ich auf einem schmalen Grat balancierte, denn wenn Lant cor dahinterkam, daß mein angebliches Wis sen über die Macht, die für den fehlgeschla genen Angriff auf den Maahkstützpunkt ver antwortlich war, nur auf Beobachtungen in einem leeren Unterwasserschloß basierte, würde er die Kooperation beenden und zu schlagen. Die schwerbeschädigte ISCHTAR aber war nicht in der Lage, sich gegen einen Angriff von sieben Arkonraumern zu schüt zen. Meine Vorschläge unterstellten die Exi stenz einer verborgenen Riesenpositronik, die von ihrem Versteck aus die Erzeugnisse einer überlegenen Technologie steuerte. Dieses Robotgehirn mußten wir aufspüren und vernichten, wenn wir den Maahks bei kommen wollten. Das Unterwasserschloß bezeichnete ich kühn als Ausläufer dieses Robotgehirns, obwohl ich nicht sicher war, daß es überhaupt ein Robotgehirn gab und daß das Schloß mehr war als eine Unter kunft, die die Unsichtbaren uns angeboten hatten. Wahrscheinlich hatte Lantcor sofort nach meiner Erwähnung des Unterwasserschlos ses einen Erkundungstrupp dorthin in Mar sch gesetzt, denn er zog die Unterredung künstlich in die Länge. Ich verstand seine Vorsicht. An seiner Stelle hätte ich meine Angaben ebenfalls nachprüfen lassen. Endlich brach Lantcor das Gespräch ab. Er schaute zur Seite. Offenbar las er eine Nachricht, die in Schriftzeichen auf einem Bildschirm erschien. Kurz darauf wandte er sich wieder dem Telekom zu. »Meine Leute fanden das Unterwasser
23 schloß größer vor als von Ihnen beschrieben, Atlan«, sagte er. »Viel größer sogar. Wie er klären Sie sich das?« Ich lächelte. »Ganz einfach, Lantcor. Zuerst war nur die Besatzung der ISCHTAR eingeladen, jetzt sind die Besatzungen von weiteren sie ben Raumschiffen dazugekommen. Ich sagte Ihnen ja, daß die fremde Technologie in der Lage ist, Materie an einem bestimmten Ort in beliebiger Existenz- oder Zustandsform erscheinen oder verschwinden zu lassen.« Lantcor kommentierte meine Erklärung nicht. Das war auch nicht erforderlich. »Tauchen Sie mit der ISCHTAR auf!« sagte er. Ich wußte, warum er es plötzlich so eilig hatte. Er fürchtete, wir könnten die Gast freundschaft des Schlosses annehmen und vielleicht von der Riesenpositronik be schützt werden, so daß er machtlos gegen uns war. Aber ich beabsichtigte nicht, meine Leute und mich unter den Schutz des – vermeintli chen oder wirklichen – Robotgehirns zu stel len. Wahrscheinlich wären wir dann wirk lich vor Lantcor sicher gewesen, aber auch für immer zu Gefangenen geworden – oder zu Gästen, die man nicht mehr gehen ließ, was auf das gleiche herauskam. »Wir kommen«, erwiderte ich. Auf einen Wink von mir schaltete Helos Trubato die verbliebenen Impulstriebwerke ein und hoch. Da er gleichzeitig die inzwi schen reparierten Antigravprojektoren akti vierte, brauchten die Triebwerke nur die Masseträgheit des Schiffes zu kompensie ren. Danach genügten kurze Schubimpulse, um es weiter nach oben treiben zu lassen. Als wir die Oberfläche erreichten, sprang die ISCHTAR gleich einem luftgefüllten Ball, der bisher unter Wasser festgehalten und dann losgelassen worden war, mit ei nem Satz nach oben. Trubato schaltete die Triebwerke wieder hoch, und das Schiff stieg schwankend auf tausend Meter Höhe. Ich brauchte die Orterschirme nicht, um die Schiffe Lantcors zu sehen. Die Bild
24 schirme der Panoramagalerie bildeten die sieben riesigen Kugelraumer deutlich genug ab. Lantcor hatte seine Schiffe einen engen Kreis um unsere Aufstiegsstelle bilden las sen: Sieben Kampfschiffe, von denen keines weiter als zehntausend Meter entfernt war. Und die Geschützmündungen der uns zu gewandten Seiten zeigten alle in unsere Richtung. Lantcor ließ uns keine Chance, etwa durchzustarten und zu entkommen. Wir wä ren beim ersten Versuch durch konzentri sches Feuer in einen glühenden Gasball ver wandelt worden. »Ihr Schiff ist böse angeschlagen, Atlan«, sagte Lantcor, der noch immer auf dem Te lekombildschirm zu sehen war. Er stellte es mit offenkundiger Befriedigung fest, denn das nahm ihm die Sorge, daß uns vielleicht doch noch die Flucht gelingen könnte. »Aber es ist noch in der Lage, an der Ope ration gegen die Maahks teilzunehmen«, er widerte ich. »Die NORGALAK übernimmt unter Kommandant Ganklart die Führung des Teilverbands, der gegen den Maahkstütz punkt eingesetzt wird«, erläuterte Lantcor. »Ich bleibe mit drei Schiffen hier und schla ge zum vereinbarten Zeitpunkt gegen den Ausläufer des Robotgehirns los.« »In Ordnung«, sagte ich nur. Meine Hoffnung war, daß das Robotge hirn – falls es so etwas überhaupt gab – sich wirksam gegen Lantcor zur Wehr setzen würde und daß das entstehende Durcheinan der der ISCHTAR die Flucht ermöglichte. Wohin wir flüchten sollten, war eine andere Frage. Da unser Transitionstriebwerk nicht mehr arbeitete, würden wir das System der grünen Sonne nicht verlassen können. Die Verbindung zu Lantcor wurde unter brochen. Dafür erschien auf dem Bildschirm die Gestalt von Kommandant Ganklart. Es handelte sich um einen relativ jungen Mann, dessen Miene den Eifer verriet, mit dem er seinen Auftrag anging. Ich nahm an, daß Lantcor absichtlich einen jungen Arkoniden zum Leiter unseres Verbandes bestimmt hat-
H. G. Ewers te, denn bei alten Raumveteranen bestand immer die Gefahr, daß sie mit Gonozal VII. sympathisierten. Zu stark hatte sich das Bild meines Vaters in die Herzen der Männer ge brannt, die mit ihm zusammen gegen die Maahks gekämpft hatten. »ISCHTAR, folgen Sie mir!« sagte Gan klart. »Sie unterstehen meiner Befehlsge walt.« »Verstanden«, erwiderte ich kühl. Gan klarts Art war nicht dazu angetan, ihn mir sympathisch zu machen. Als die drei Schiffe des Teilverbandes sich in Bewegung setzten, beschleunigte Helos Trubato ebenfalls. Die NORGALAK flog an der Spitze, während die ISCHTAR von den beiden anderen Schiffen flankiert wurde. Nichts versuchte unseren Flug aufzuhal ten. Wir stiegen allmählich auf zehntausend Meter Höhe und konnten nach kurzer Zeit die Energieglocke über dem Horizont auf tauchen sehen. Dort lag die Station der Maahks. Ganklart erteilte über Telekom die Befeh le, die zur Formierung vor dem Angriff nö tig waren. Er wollte, daß wir den Maahkstützpunkt zuerst aus größerer Di stanz mit den Strahlgeschützen beschossen, danach ihn überflogen und mit je fünf mit telschweren Fusionsbomben belegten. So bald die Energieglocke zusammenbrach, sollte zuerst die ISCHTAR landen und Sturmgruppen ausschleusen. Mein Leute hatten die Aufgabe, einen Brückenkopf zu schaffen und zu halten, bis die übrigen Schiffe ebenfalls Truppen ausschleusten. Mir war klar, daß es Ganklarts und damit Lantcors Absicht war, uns ausbluten zu las sen, damit man uns später um so leichter überwältigen konnte. Aber schließlich hatte ich ebenfalls meine geheimen Absichten. Skrupel brauchte ich nicht zu haben, da sich im Unterwasser schloß kein einziges lebendes Wesen auf hielt. Es würde, wenn überhaupt, nur totes Material vernichtet werden. Endlich war der Zeitpunkt des gemeinsa
Träume aus fremder Dimension men Losschlagens der beiden Teilverbände gekommen. »Angriff!« sagte Ganklart.
* Innerhalb der planetarischen Atmosphäre waren die Energiebahnen unserer Strahlge schütze sonnenhell glühende Bündel, die praktisch im Augenblick des Abfeuerns im Zielgebiet einschlugen. Sofort sanken die Blendfilter über die Bildschirme der Panoramagalerie. Ich musterte aufmerksam die Ener gieglocke über dem Stützpunkt der Maahks, konnte aber kein Aufflackern feststellen. Kurz darauf teilte mir die Ortungszentrale mit, was optisch nicht zu erkennen gewesen war: Die Energiestrahlen hörten dicht vor dem Ziel urplötzlich auf zu existieren. Es war, als würden sie von einer anderen Di mension verschluckt. Etwa drei Minuten lang verpufften die Breitseiten der vier Kugelraumer im Nichts, dann meldete sich Ganklart erneut. Das Gesicht des Kommandanten war vor Aufregung gerötet. Ein Lid zuckte in kurzen Intervallen. Der junge Mann war nervös, weil er fürchtete, seinen ersten größeren Auftrag nicht erfüllen zu können. »Weiter voller Salventakt!« schrie er. »Dabei langsam ans Ziel heranrücken, es überfliegen und Bomben abwerfen!« Ich gab keinen Kommentar dazu, obwohl es Leichtsinn war, mit feuernden Strahlge schützen bis auf wenige Kilometer ans Ziel heranzugehen. Wenn wir plötzlich Erfolg hatten und eine starke atomare Explosion auslösten, waren unsere Schiffe ernsthaft ge fährdet. Aber die Energiestrahlen verschwanden noch immer dicht vor der Energieglocke, die dadurch keiner Belastung ausgesetzt wurde. Dadurch gab es keine Entladungen, die die Sicht behindert hätten. Als wir den Stützpunkt überflogen, beob achtete ich ihn durch das Elektronentele skop. Ich sah Maahks zwischen den primiti
25 ven Unterkünften hin und her rennen. Dieses kopflose Verhalten irritierte mich, denn ich kannte die Wasserstoffatmer nur als kühl und logisch handelnde Wesen, denen alle Gefühle, auch das der Furcht, fremd waren. »Bomben auslösen!« befahl Ganklart. Ich drückte selbst die Schalttaste nieder, die den vorprogrammierten Abwurf auslö ste. Auf den Bildschirmen der Subbeobach tung sah ich, wie die ferngesteuerten Rake tenbomben mit ihren Leitwerken auf die Energieglocke zurasten – und verschwan den. Es war ein gespenstisches Schauspiel. Ich gestand mir ein, daß ich Furcht dabei emp fand, Furcht davor, daß das Große Imperium sich eines Tages einem Feind gegenübersah, der die Technologie beherrschte, die uns hier demonstriert wurde. Der Kampf wäre kurz und todbringend für uns gewesen. »NORGALAK an ISCHTAR!« schrie Ganklart unbeherrscht. »Landen Sie und versuchen Sie, den Energieschirm an der Basis zu durchdringen. Wir geben Ihnen Feuerschutz.« Der Befehl war so unsinnig, daß ich ihn nicht hinnehmen konnte. »Wenn der Energieschirm nichts an sich heranläßt, kommen auch keine Fahrzeuge durch«, erwiderte ich. »Der Befehl ist un durchführbar!« »Sie führen ihn entweder aus – oder ich lasse das Feuer auf Sie eröffnen!« erklärte Ganklart. »Zweisonnenträger Lantcor dürfte nicht davon begeistert sein, wenn Sie ihm melden, Sie hätten aus nichtigem Anlaß den Tod von Sonnenträgerin Arthamin verursacht«, ent gegnete ich kalt. Meine Rechnung ging auf. Lantcor hatte Ganklart nicht die Vollmacht erteilt, die ISCHTAR zu vernichten, wenn sie keinen Fluchtversuch unternahm. »Dafür werden Sie büßen, Sie Feigling!« schrie Ganklart. »Ich werde Ihnen beweisen, daß mein Befehl durchführbar ist. Alle Schiffe außer der NORGALAK bleiben in Abwarteposition!«
26 Ich sah, wie die NORGALAK aus dem Teilverband ausscherte, an Höhe verlor und Kurs auf die Energieglocke nahm. »Ganklart!« rief ich. »Lassen Sie sich zur Vernunft raten! Wenn Sie dem Schirm zu nahe kommen, verschwinden Sie genau wie vorher die Energiestrahlen und Bomben.« Aber der Arkonide antwortete nicht. Ich preßte die Lippen zusammen. Wenn Ganklart so wahnsinnig war, in den Tod zu fliegen, war das seine Sache. Wenn er die Besatzung seines Schiffes mitnahm, war es etwas anderes. Aber ich besaß keine Mög lichkeit, ihn an seinem Wahnsinnsunterneh men zu hindern. Glücklicherweise verließ ihn sein Mut, bevor er dem Energieschirm zu nahe kam. Ich sah, wie die NORGALAK rund fünf Ki lometer vor dem Stützpunkt zur Landung ansetzte. Die Landeteller berührten den Bo den. Und im nächsten Augenblick war der Bo den verschwunden – bis auf einen kreisför migen Ausschnitt, der sich bei genauem Hinsehen nicht als Bodenausschnitt ent puppte, sondern als Energieblase, in der die Maahks und ihre Unterkünfte frei schweb ten. Die NORGALAK schwebte ebenfalls über einem Abgrund, der nach Lichtjahren gemessen wurde, denn nicht nur der Boden, der ganze Planet war verschwunden. »Das ist unmöglich!« rief Karmina Artha min entsetzt. »Eine optische Täuschung, ein Unsichtbarkeitsfeld!« »Atlan an Ortung!« sagte ich in den Inter kom. »Was messen Sie dort an, wo eben noch der Planet zu sehen war?« »Keine Masse und kein Schwerefeld«, kam die Antwort nach wenigen Sekunden. »Der Planet ist tatsächlich aus dem RaumZeit-Kontinuum verschwunden.« Ich verlor keine Zeit damit, über den Vor fall zu diskutieren, sondern wandte mich wieder dem Telekom zu. »ISCHTAR an NORGALAK!« rief ich. »Kommandant Ganklart, ich rate zu soforti gem Start. Falls der Planet rematerialisiert
H. G. Ewers und Ihr Schiff inzwischen – relativ zur letz ten Position des Planeten – abgesunken sein sollte, wird die NORGALAK im Gesteins mantel zerquetscht.« »Ich brauche Ihre Ratschläge nicht«, gab Ganklart zurück. Er richtete sich trotzdem danach. Ich sah, wie die Impulstriebwerke der NORGALAK aufleuchteten und wie das Schiff sich unse rer Positionsebene näherte. Im nächsten Augenblick sprach der Hy perkom an. Der Übertragungsschirm in der Kommandozentrale bildete Lantcor ab. »Lantcor an Atlan!« sagte der Zweison nenträger – womit er gleich zwei schwere Formfehler beging. Erstens meldete er sich nicht gemäß dem Reglement der Flotte zu erst mit seinem Schiffsnamen, und zweitens wandte er sich nicht an den von ihm ernann ten Leiter unseres Teilverbandes, sondern an mich, der ich eigentlich Ganklart unterstellt war. Offenbar hatte Lantcor richtig erkannt, daß Ganklart ihm bei der dramatisch zuge spitzten Lage keine große Hilfe sein konnte. »Hier Atlan!« erwiderte ich und gab einen kurzen Überblick über das Geschehen, so wie es sich mir dargeboten hatte. »Auch für uns ist der Planet verschwun den«, meinte Lantcor. »Das widerspricht an scheinend allen Naturgesetzen, aber wir müssen es hinnehmen, weil es eine Tatsache ist. Was schlagen Sie vor, Atlan?« Ich unterdrückte ein Lächeln, denn mit seiner letzten Frage hatte Zweisonnenträger Lantcor mir – wenn auch nur vorübergehend – den Status eines gleichberechtigten Part ners zugestanden. Es dürfte besser sein, nicht auf den alten Positionen zu verharren, sondern sich in ei ne Lichtsekunde Entfernung zurückzuziehen! meldete sich mein Extrahirn. Normalerweise hätte ich auf meine »innere Stimme« gehört. In diesem Fall konnte ich es nicht, denn wenn wir uns zu rückzogen, schrieben wir den Planeten ab. Dann aber würde das Stillhalteabkommen ablaufen.
Träume aus fremder Dimension Doch ganz wollte ich den Rat meines Ex trahirns nicht vernachlässigen. Daher ent schloß ich mich zu einem Kompromiß. »Ich rate dazu, daß wir uns eine Viertel Lichtsekunde zurückziehen und abwarten. Eine derart große Masse, wie der Planet sie darstellt, kann nicht für immer verschwin den. Sie mag vorübergehend aus unserem Raum-Zeit-Kontinuum gefallen sein, aber die wechselseitig wirkenden Beharrungs kräfte werden sie wieder zurückholen. Mög licherweise kommt es beim Wiederauftau chen des Planeten zu Nebeneffekten, die die Schiffe gefährden.« »Akzeptiert«, erwiderte Lantcor nach kur zem Nachdenken. »Wir ziehen uns aber um eine Lichtsekunde zurück. Das dürfte siche rer sein.« Ich zuckte die Schultern. Die Entfernung spielte keine Rolle mehr, weil Lantcor meine Theorie über das Wie derauftauchen des Planeten akzeptiert hatte und sich unserer Stillhalteabkommen da durch verlängerte. Unsere Schiffe nahmen Fahrt auf und ent fernten sich von ihren Positionen nach »draußen«. Doch wir kamen nicht weit. Es gab einen plötzlichen Ruck, den sogar die Andruckabsorber nicht völlig kompen sieren konnten. Die ISCHTAR wurde schwer erschüttert und schnellte förmlich um einige Kilometer zurück. »Triebwerke ausschalten!« rief ich Truba to zu. »Position halten!« »Lantcor an Atlan!« meldete sich der Zweisonnenträger kurz darauf. »Ich nehme an, daß alle Raumschiffe von einer elasti schen Energiewand aufgehalten wurden. Je mand oder etwas hält uns gefangen. Haben Sie einen neuen Vorschlag?« Ich nickte grimmig. »Ja, den habe ich. Es gibt nur eine Möglichkeit für uns, zu entkommen. Wir müssen die Macht, die uns festhält, besie gen, wenn wir nicht für alle Zeiten an diesen Ort verbannt sein wollen.«
5.
27 »Massetaster schlagen aus!« meldete die Ortungszentrale. Ich blickte in die Richtung, in der sich der Planet vor seinem Verschwinden befunden hatte. »Er ist wieder da – wie Pwllheli!« rief Fartuloon, der in die gleiche Richtung ge schaut hatte. Tatsächlich! Dort schwebte er wieder im All und drehte sich anscheinend in die glei che Richtung und mit der gleichen Ge schwindigkeit wie vorher, der Planet, der sich scheinbar in Nichts aufgelöst hatte. »Pwllheli?« fragte Karmina Arthamin. Fartuloon grinste breit. »Pwllheli ist ein Zauberer aus der In thurst-Saga, der nach Belieben verschwin den und auftauchen konnte«, erklärte er. »Dann taufe ich diesen Planeten auf den Namen Pwllheli!« verkündete ich, zum Te lekombildschirm gewandt, auf dem Lantcor immer noch zusehen war. »Wie kaltschnäuzig, bei den Zorngöttern, sind Sie eigentlich, Atlan?« wetterte Lantcor aufgebracht. »Wir stehen vor dem größten Problem unseres Lebens, und Sie vergeuden Ihre Zeit damit, dieser verhexten Welt einen kaum aussprechbaren Namen zu geben. Wie nannten Sie ihn doch gleich?« »Pwllheli«, antwortete ich amüsiert. »Verankere den Namen im Logbuch, Fartu loon.« »Schon geschehen«, erwiderte mein Pfle gevater. Ich wandte mich wieder an den Zweison nenträger und sagte: »Wir fliegen zurück und landen zwischen der Maahkstation und dem Unterwasser schloß, Zweisonnenträger Lantcor! Danach sehen wir weiter!« Lantcor schluckte plötzlich hörbar. »Was fällt Ihnen ein, mir befehlen zu wol len, was ich zu tun habe!« sagte er mit kaum verhohlener Wut. »Ich bin derjenige, der die Befehle erteilt!« Ich erwiderte nichts darauf und zwang ihn damit, etwas zu tun, was einer psychologi schen Kapitulation gleichkam.
28 »Imperiumsschiff GLORMOUN, Zwei sonnenträger Lantcor spricht«, sagte er steif und förmlich. »An alle Schiffe einschließ lich der aufgebrachten ISCHTAR. Wir keh ren um und landen auf Sichtweite auf einem Hochplateau, das sich zwischen der Maahkstation und dem Unterwasserschloß befindet!« Er räusperte sich und fügte hinzu, wahr scheinlich für sein Bordlog: »Dieser Befehl wurde erteilt, weil es uns offenkundig nicht möglich ist, aus der Nähe von Pwllheli zu entkommen. Ein schalenför miges elastisches Energiefeld hindert uns daran.« Beim Landeanflug erkannten wir, daß die maahksche Station genauso aussah wie vor dem Verschwinden des Planeten. Da wir diesmal aus einer anderen Richtung kamen und Pwllheli auf einer anderen Bahn um kreisten als beim erstenmal, entdeckten wir aber noch etwas anderes. Über das dichte Wipfeldach eines Dschungels ragten, kuppel- und pyramiden förmige Bauten. Eine Ortung ergab, daß sie aus Stein errichtet waren. Deshalb waren sie beim erstenmal auch nicht automatisch er faßt worden. Zweisonnenträger Lantcor meldete sich erneut bei mir. Diesmal benutzte er einen Richtstrahl. Wahrscheinlich wollte er nicht, daß die Besatzungen der übrigen Schiffe un ser Gespräch mithörten. »Die Bauwerke könnten Zeugen einer alten Kultur sein, Atlan«, sagte er. »Ich schla ge vor, wie bilden eine gemeinsame Expedi tion, die diese Bauwerke untersucht. Falls Sie teilnehmen wollen, Sie haben freies Ge leit.« Ich schaltete den Telekom ebenfalls auf scharfe Bündelung und richtete den Strahl auf die GLORMOUN. »Ich bin einverstanden, Lantcor, danke«, erwiderte ich. »Außer mir werden drei wei tere Personen an der Expedition teilneh men.« »Nur drei?« fragte der Zweisonnenträger. Ich lächelte.
H. G. Ewers »Diese drei Personen wiegen eine Hun dertschaft Raumsoldaten auf, Lantcor. Wer soll die gemeinsame Expedition leiten?« »Wir beide, wenn Sie einverstanden sind«, antwortete Lantcor. »Gut!« sagte ich. »Sobald wir gelandet sind, kommen wir mit einem Gleiter zur GLORMOUN hinüber.« Ich schaltete den Telekom ab und sagte: »Fartuloon, Ra und Vorry! Wenn ihr wollt, dann kommt mit mir.« »Bist du sicher, daß du Lantcor trauen kannst, Atlan?« fragte Ra besorgt. »Es könn te ein Trick sein, um dich in seine Hand zu bekommen.« »Ich vertraue darauf, daß ein arkonidi scher Flottenbefehlshaber sein Wort hält«, entgegnete ich. »Orbanaschols Gewaltherr schaft kann nicht den alten Ehrenkodex der Raumflotte zerstört haben, denn dann wäre das Rückgrat der Imperiumsflotte zerbro chen.« Ich sah Karmina Arthamins Augen dank bar aufleuchten. Dennoch sagte ich nichts zu ihr. Sie hatte mich schwer enttäuscht und schien noch immer nicht bereit zu sein, ihre negative Einstellung mir gegenüber umfas send zu ändern. Brüsk wandte ich ihr den Rücken zu und stellte mich hinter meinen Ersten Offizier. Die Landung verlief reibungslos, was meine Vermutung, daß es den Herren von Pwllheli darauf ankam, uns auf dem Plane ten festzuhalten – aus welchen Gründen auch immer –, erhärtete. Ich war sicher, daß es eine Kleinigkeit für die Unsichtbaren ge wesen wäre, uns zu vernichten, wenn sie das gewollt hätten. Als die ISCHTAR sicher auf festem Bo den stand, zogen Fartuloon, Ra und ich leichte Kampfanzüge an. Vorry blieb so, wie er war. Sein Panzer hielt sogar dem Beschuß aus einem Handstrahler stand. Anschließend nahmen wir uns einen gepanzerten Flugglei ter und verließen das Schiff. Wir flogen direkt hinüber zur GLOR MOUN und beobachteten, wie auch aus ihr ein schwerer Gleiter ausgeschleust wurde.
Träume aus fremder Dimension Er landete dicht neben dem Flaggschiff. Far tuloon, der die Steuerung übernommen hat te, setzte unseren Gleiter neben dem anderen auf. In dem anderen Fahrzeug befanden sich vier Arkoniden, darunter Zweisonnenträger Lantcor. Alle vier starrten verblüfft, faszi niert und ein wenig erschrocken auf den Ma gnetier. Ein solches Wesen hatten sie be stimmt noch nie gesehen. Ich stellte zuerst Fartuloon, dann Ra vor und sagte zuletzt: »Dieses gepanzerte Lebewesen ist mein Freund Vorry, ein intelligentes, wenn auch seltsames Wesen mit fremdartiger Mentali tät. Wenn Sie vermeiden, Vorry zu kränken, wird er Ihnen nichts tun. Nicht wahr, Vor ry?« »Richtig!« antwortete der Magnetier. »Darf Vorry wenigstens den anderen Gleiter ein wenig aufessen?« »Was?« entfuhr es Lantcor verblüfft. Ich lächelte beruhigend. »Vorry ist ein Magnetier. Er ernährt sich in erster Linie von Eisen oder eisenhaltigen Stoffen, darunter auch Metallplastik. Es würde ihm nichts ausmachen, Ihren Gleiter zu verspeisen. Aber er kann sich natürlich beherrschen, nicht wahr, Vorry?« »Vorry immer guter Beherrscher«, meinte der Magnetier. »Vielleicht finden Eisen in Urwaldstadt.« Zweisonnenträger Lantcor seufzte ver nehmlich, dann sagte er: »Wenn Sie ebenfalls bereit sind, können wir starten, Atlan.« »Starten wir!« erwiderte ich. Unsere Gleiter stiegen mit schwachem Summen auf fünfhundert Meter Höhe und nahmen dann Kurs auf die Stadt im Dschun gel, in der vielleicht das Geheimnis von Pwllheli lauerte …
* Fartuloon und der Pilot des anderen Glei ters kurvten über der Stadt und hielten einen halben Kreis Abstand voneinander.
29 Ich lehnte mich über den Rand des offe nen Fahrzeugs und blickte hinab. Das Wip feldach des Dschungels war zu dicht, als daß ich es mit bloßem Auge hätte durchdringen können. Von den Gebäuden war nur das zu sehen, was darüber hinausragte. »Sehr alt«, teilte ich Lantcor über Bordte lekom mit. »Sehen Sie sich die Steinmauern an: voller Moos und Schlingpflanzen und teilweise von der Witterung angefressen. Wahrscheinlich lebt hier schon lange kein intelligentes Wesen mehr. Ich schlage vor, daß wir landen und die Gebäude zu Fuß durchsuchen.« »Einverstanden!« erwiderte der Zweison nenträger. Ich nahm einen Desintegrator, der zur Bordausrüstung gehörte. Fartuloon sah es und hielt den Gleiter über einer Stelle des Dschungels an, wo keine Bauwerke zu se hen waren. Mit dem Desintegrator war es leicht, eine Lücke in die Vegetation zu schneiden, die groß genug war, um zwei Gleiter nebeneinander landen zu lassen. Wie selbstverständlich schloß Lantcors Gleiter auf und sank neben uns zu Boden. Die gemeinsame Not hatte uns zur Einigkeit gezwungen. Allerdings gab ich mich keinen Illusionen darüber hin, daß Lantcor für im mer darauf verzichten würde, mich zu sei nem Gefangenen zu machen. Unsere Augen gewöhnten sich nur all mählich an das grünliche Dämmerlicht, das auf dem Grund des Dschungels herrschte. Ich sah, daß der Boden bis auf ein paar blei che Farne frei von Vegetation war. Zu mei ner Verwunderung entdeckte ich keine Tie re, nicht einmal Insekten. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Bauwerk zu, neben dem wir gelandet waren. Es handelte sich um eine aus großen Steinblöcken gebaute Pyramide, die sich nach oben zu stufenweise verjüngte. Diese Stufenterrassen waren zu hoch, als daß Ar koniden sie hätten ersteigen können. Dafür gab es in der Mitte der uns zugewandten Seite eine breite geländerlose Treppe, deren Stufen nur knapp fußhoch waren.
30 Früher einmal mußte die Pyramide von ei ner Mauer umgeben gewesen sein. Von die ser waren nur noch Fragmente zu sehen, graue Überreste, die spannhoch aus dem Bo den ragten und verstreute Mauersteine. Und hinter der Pyramide befanden sich die Über reste niedrigerer Bauten, in denen Intelligen zwesen gewohnt haben mochten. »Das sieht fast aus wie eine Baalsburg«, erklärte Lantcor. Ich hatte noch nie von Baalsburgen ge hört, deshalb erkundige ich mich danach. »Die Báalol-Sekte predigte unter Artha min I. eine Pseudoreligion, wurde aber ver boten. Ihre Anhänger wurden verfolgt und psychisch umgeformt. Aber viele BaalAnhänger flohen mit Raumschiffen, um sich eine Welt zu suchen, auf der sie ihre Lehre ungehindert verbreiten konnten. Auf dem Planeten Tagganor, der von arkonidischen Auswanderern kolonisiert worden war, er lebte der Kult eine neue Blüte. Daraufhin schickte Arthamin I. einen Flottenverband aus, der die Baals von Tagganor vertreiben sollte. Als der Verband ankam, war der Pla net von den Maahks verwüstet. Niemand hatte überlebt. Seitdem galt die Báalol-Sekte als erledigt. Anscheinend hatten sich einige Anhänger auf Pwllheli ein neues Domizil geschaffen.« »Aber sie scheinen nicht mehr zu leben«, sagte ich und blickte dabei meinen Pflegeva ter fragend an. Er hatte mir nie etwas von der Baal-Sekte erzählt, obwohl sein Wissen umfassend zu sein schien. Fartuloon erwiderte meinen Blick, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos, und er ver riet nicht, warum er mir diesen Teil der ar konidischen Geschichte verschwiegen hatte. »Vielleicht wurden sie den Herren von Pwllheli lästig – oder die Maahks haben sie ausgerottet«, meinte Lantcor. Fartuloon stieß mit dem Fuß gegen einen Mauerstein. »Das ist unwahrscheinlich. Hier gibt es keine Spuren der Anwendung von Energie waffen. Die Mauern wurden mit primitiven Werkzeugen niedergerissen.«
H. G. Ewers »Ich schlage vor, wir sehen uns die Pyra mide von innen an«, sagte ich. »Sicher hat sie als Tempel gedient.« Über Fartuloons Gesicht huschte ein Schatten des Unmuts. Es sah so aus, als wollte er mich vom Betreten des Tempels zurückhalten. Aber im nächsten Augenblick war sein Gesicht wieder ausdruckslos. Wir gingen um die Pyramide herum und fanden in der nächsten Seite ein großes rechteckiges Portal. Früher war es sicher von der Steinplatte verschlossen worden, die in einer blankpolierten, aus dem Stein ge hauenen Schiene lief. Die Steinplatte lehnte geborsten an der unteren Pyramidenstufe, und die Steinschiene war teilweise zertrüm mert. Wir schalteten unsere Helmlampen ein und traten durch das Portal. Die Lichtkegel huschten über einen Boden, der nur dünn mit Staub bedeckt war und über Wände, an denen große Steinreliefs zu sehen waren. Die Reliefs waren unversehrt und zeigten seltsame und teilweise groteske Tiere, eine geflügelte Sonnenscheibe, Fabelwesen mit Tierleibern und Arkonidenköpfen und vieles andere. Besonders beeindruckte mich eine Bildsäule, die mitten in der Tempelhalle stand. Sie diente nicht als Stütze, denn sie reichte nicht zum Dach hinauf. Ihr Sinn schien die Information zu sein, denn sie zeigte in unterschiedlich breiten Streifen Re liefbilder vom Leben in einer Palastanlage sowie viele seltsame Schriftzeichen. Auch Ra war offenkundig von der Säule fasziniert. Er ging immer wieder langsam um sie herum, musterte die Schriftzeichen und Bilder und murmelte dabei irgend et was. »Das war zweifellos ein Tempel der BaalSekte«, sagte Lantcor. »Aber hier erfahren wir nichts, was für unsere Mission von Be deutung wäre.« »Ich finde das alles sehr interessant«, be merkte Ra. »Würde ich einen Tempel bauen lassen, er müßte so aussehen wie dieser. Ich glaube, daß ich sogar die Hieroglyphen ver stehe.«
Träume aus fremder Dimension »Hieroglyphen?« fragte ich. Ra blickte mich an. »Es ist ein Wort aus der Sprache meines Volkes und bedeutet eigentlich nicht ›Schriftzeichen‹, sondern ›heilige Zeichen‹. Ich habe es nur verwendet, weil das hier ein heiliger Ort ist.« »Es ist kein heiliger Ort, sondern eine ver dammte Kultstätte!« brauste Lantcor auf. »Hier hat das Böse gegen das Gute intri giert.« Ra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das Böse soviel Schönheit schaffen kann«, widersprach er. »Gehen wir!« sagte Lantcor schroff. Wir wandten uns um – und erstarrten an gesichts des seltsamen Lebewesens, das un ter dem offenen Portal stand …
* Lantcor und seine Begleiter griffen zu den Waffen, ließen sie jedoch in den Gürtelhalf tern stecken, als sie sahen, daß das Wesen allein war und keine Anstalten traf, uns an zugreifen. Es stand nur da und musterte uns aus sei nen großen Augen. Da es eine blutrote ge schlossene Kombination trug, war von sei nem Körper nur die arkonidenähnliche Ge stalt zu erkennen. Der Kopf dagegen glich eher dem Kopf einer Flattertierart, die ich einmal auf Solturn kennengelernt hatte. Das Gesicht war lederhäutig, faltig und sehr aus drucksstark, der Mund breit, die Ohren groß und nach oben spitz zulaufend. Die Hände waren fünfgliedrig, der Daumen außerge wöhnlich lang und mit einer Kralle verse hen. Niemand von uns bezweifelte auch nur einen Augenblick lang seine Intelligenz. Daran war nicht nur seine Kleidung schuld, sondern sein ganzes Auftreten, sein Ge sichtsausdruck und vor allem seine klaren Augen. Der Fremde hob langsam beide Hände, drehte die Handflächen nach außen und flü sterte ein Wort in einer unbekannten Spra
31 che. Sowohl Lantcor als auch ich hatten Trans latoren mitgenommen, da wir auf eine Be gegnung mit Fremdintelligenzen hofften. Wir schalteten unsere Geräte zur gleichen Zeit ein und sprachen ein paar bedeutungslo se Sätze, die nur den Sinn hatten, den Frem den zu weiterem Sprechen anzuregen. Der Fremde begriff sofort, worauf es an kam. Er redete und vollführte dabei Handbe wegungen, die so ausgeklügelt waren, daß wir beinahe auf Anhieb verstanden, welche Dinge und Vorgänge er damit darzustellen versuchte. Ich nannte die Dinge und Vorgänge bei ihren arkonidischen Namen und Bezeich nungen. Dadurch erhielten die Positroniken unserer Translatoren die Möglichkeit, Worte der fremden und der arkonidischen Sprache als gleichbedeutend zu erkennen und ent sprechend zu speichern und zu analysieren. In überraschend kurzer Zeit blinkten die Signallampen der Translatoren auf und zeig ten dadurch an, daß der erarbeitete Wort schatz groß genug für eine einfache Kom munikation war. Ich hob die rechte Hand, legte sie auf meine Brust und sagte: »Ich heiße Atlan und bin ein Arkonide.« Danach stellte ich Fartuloon, Ra und Vorry vor. Lantcor verfuhr auf die gleiche Art und Weise. Dann war die Reihe an dem Fremden. »Mein Name ist Brek Ronsilk Arkde Cra Crom Hrs Ofzark«, teilte er uns mit seiner Flüsterstimme mit, die offenbar charakteri stisch für seine Art war. »Das Orulong ge stattet es, den Namen bei profanen Handlun gen auf Braccho zusammenzuziehen.« »Braccho«, sagte ich. »Braccho vom Volk der Gvehellier«, sag te der Fremde. »Ihr seid vom Volk der Ar koniden und wurdet in Xqlltmachs Traum verschlagen.« »In wessen Traum?« fragte Fartuloon. »Xqlltmach ist ein Name aus meiner Sprache«, antwortete Braccho. »Ich habe ihn
32 willkürlich gewählt.« »Dein Volk beherrscht diesen Planeten?« erkundigte sich Lantcor. »Nein«, antwortete Braccho. »Ich bin al lein in Xqlltmachs Traum.« »Was redet er da immer von einem Traum?« warf Ra ein. »Das ergibt doch kei nen Sinn.« Braccho blickte den Barbaren an. »Du bist kein Arkonide, Ra?« »Nein«, sagte Ra einsilbig. Der Gvehellier wandte sich an mich. »In deinen Augen verbindet sich das Feu er der Jugend mit der Klarheit und Weisheit des Alters, Atlan. Deshalb hoffe ich, daß du das, was ich euch sagen werde, in seiner vol len Bedeutung erfassen wirst. Xqlltmach ist meine Bezeichnung für ein Wesen, das ich nicht persönlich kenne, da es in einer anderen Dimension existiert. Es handelt sich um ein Wesen, das so fremdar tig ist, daß ich es mir nicht vorzustellen ver mag. Es befindet sich, wahrscheinlich seit unvorstellbar langer Zeit und vielleicht bis zum Ende allen Seins, in einem Zustand, den wir als Schlaf bezeichnen würden, der aber für dieses Wesen der Normalzustand sein dürfte. Es schläft – und es träumt. Durch zahlreiche Messungen und Analy sen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß sich Xqlltmachs Träume in einem Punkt rea lisieren, der durch eine Dimensionsverwer fung gekennzeichnet ist. Diese Verwerfung ragt in unsere Dimension hinein – bezie hungsweise existiert in unserer Dimension. Dieser Planet und alles, was nicht von au ßerhalb stammt, ist nichts anderes als die Realisierung eines Traumes.« Braccho schwieg, und wir alle brauchten Zeit, um das, was er uns mitgeteilt hatte, geistig zu verarbeiten. Ras Gesicht sah ich an, daß es ihm nicht gelang. Das gleiche galt für die Begleiter Lantcors und auch für Vor ry. Einzig und allein Lantcor, Fartuloon und ich schienen in der Lage zu sein, Bracchos Erklärung in seiner vollen Bedeutung zu be greifen und entsprechende Vorstellungsin-
H. G. Ewers halte zu bilden. »Wir sind also in einen Traum geraten«, sagte Lantcor tonlos. »Das vermag ich mir noch vorzustellen. Was ich nicht fassen kann, ist, daß dieser Träumer uns in seinem Traum gefangenhält. Wie ist so etwas mög lich?« »Alles, was er träumt, realisiert sich in der Dimensionsverwerfung«, sagte ich langsam. »Wahrscheinlich, ja sicher, nimmt der Träu mer uns in seinem Traum wahr, denn wir sind in seinen Traum eingedrungen. Offen bar schätzt er diese Belebung seines Trau mes so sehr, daß er uns mit allen Mitteln festzuhalten versucht und auf unsere Gedan ken reagiert, um uns das Verweilen in sei nem Traum so angenehm wie möglich zu machen. Aus dem gleichen Grund hat er auch die Maahks gegen unsere Angriffe ge schützt und ihnen auf diesem Planeten einen Bezirk geträumt, in dem sie leben können.« »Ja, so ungefähr ist es«, erwiderte Brac cho. »Der Träumer ist für unsere Begriffe unfertig, vielleicht ein Kind, vielleicht ein Wesen im Ruhestadium als Kette einer Me tamorphose, an dessen Ende das fertige We sen stehen wird.« »Eine Metamorphose, die sich über Äo nen erstreckt«, sagte Fartuloon ehrfürchtig. »Was muß das für ein Wesen sein, dessen Puppenstadium Tausende von Jahren oder noch länger dauert!« »Es ist nur eine Annahme«, erwiderte Braccho. »Für eine echte Theorie fehlen die Beweise.« »Und wir alle sind in diesem Traum ge fangen«, sagte Lantcor. »Gibt es keine Mög lichkeit, aus dem Traum auszubrechen?« »Nein«, antwortete Braccho. »Du sagtest, der Traum des Schläfers rea lisiert sich deshalb hier, weil es hier eine Di mensionsverwerfung gibt«, erklärte ich. »Zumindest theoretisch sollte es doch mög lich sein, eine Verwerfung von energeti schen Linien oder Strukturen durch den Auf bau eines entsprechenden Energiefelds zu kompensieren. Damit würde der Traum auf hören, sich zumindest nicht mehr realisie
Träume aus fremder Dimension ren.« »Theoretisch ist es möglich, die Dimensi onsverwerfung zu glätten«, erwiderte Brac cho. »Dazu müßte sie mit fünfdimensionaler Energie übersättigt werden. Mir steht leider nur ein Bruchteil der benötigten Energie zur Verfügung.« »Die Transitionstriebwerke unserer Schif fe!« rief Fartuloon. »Wenn sie alle auf Vol last hochgeschaltet werden und die Energie in Projektoren statt in die Entmaterialisato ren geleitet wird, schaffen wir es vielleicht!« Neue Hoffnung durchpulste mich. Ich blickte den Fremden fragend an. »Ich brauche Daten«, sagte Braccho. Gemeinsam mit Lantcor errechnete ich die Maximalleistung der Transitionstrieb werke unserer acht Raumschiffe, wobei ich voraussetzte, daß es mit Hilfe von Lantcors materiellen Reserven möglich war, das Transitionstriebwerk der ISCHTAR zu repa rieren. Nachdem wir Braccho die Abgabeleistung genannt hatten, stellte er seinerseits Berech nungen an. Wir blickten dabei alle wie ge bannt auf ihn, denn wenn er seine Berech nungen beendet hatte, würde der Urteils spruch über uns fallen, und er würde entwe der Freiheit oder lebenslange Verbannung in einen Traum heißen. Endlich hob Braccho den Kopf und sagte in die Stille hinein: »Es ist möglich, wenn die Transitions triebwerke kurzzeitig um zehn Prozent über lastet werden.«
6. Wir kehrten mit Braccho zu unseren Raumschiffen zurück. Alsbald begann eine fieberhafte Arbeit. Lantcor lieferte aus seinen Schiffen die notwendigen Ersatzteile für das Transitions triebwerk der ISCHTAR. Unsere Techniker stürzten sich mit Feuereifer darauf und ar beiteten hektisch an der Reparatur. Auch an dere Schäden wurden mitbehoben. In den Schiffen Lantcors wurde ebenfalls
33 gearbeitet. Die Transitionstriebwerke wur den teilüberholt, Spulen wurden verstärkt und Feldleiter zu neu installierten Projekto ren gelegt. Auch auf das ISCHTAR wurden Projektoren und Leitungen installiert. Ne benbei ließ ich die Strahlgeschütze überho len. Ich rechnete damit, daß das Ende des Traumes und das Verschwinden von Pwllhe li uns eine winzige Chance geben würde, zu entkommen, unter Umständen kam es zu ei nem Gefecht. Braccho kam, nachdem er die Runde durch alle Schiffe gemacht hatte, auf die ISCHTAR. Sie besaß die leistungsfähigste Bordpositronik der acht Raumschiffe, da wir auf Kraumon einen zusätzlichen Auswer tungssektor installiert hatten. Mit Hilfe die ser Positronik wollten Braccho und ich die Endberechnungen durchführen. Nachdem ich ihm die Zentralebesatzung und ihn meinen Leuten vorgestellt hatte – auch Karmina Arthamin, die sich wieder in der Kommandozentrale aufhalten durfte –, fragte ich ihn nach seinem Raumschiff. »Ich bin nicht mit einem Raumschiff ge kommen, Atlan«, antwortete er. »Sondern mit einem Gerät, das mir die Reise durch so genannte Dimensionstore ermöglicht. Wir von Gvehelli reisen alle auf diese Weise, je denfalls dann, wenn wir unseren Planeten verlassen.« »Ich würde dich gern einmal auf deiner Heimatwelt besuchen«, sagte ich impulsiv, denn der Gvehellier war mir sehr sympa thisch geworden. Bracchos Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. »Das ist aus vielerlei Gründen nicht mög lich, Atlan. Ich möchte die Gründe aller dings nicht nennen.« »Hat es etwas damit zu tun, daß wir Arko niden dir zu kriegerisch sind?« fragte ich, denn ich hatte wohl bemerkt, daß er nach dem Eintreffen an unserem Landeplatz die offenen Geschützluken mißbilligend gemu stert hatte. »Auch damit«, antwortete Braccho offen. »Wir von Gvehelli üben keine Gewalt ge
34 genüber anderen Lebewesen aus. Deshalb müssen wir den zu engen Kontakt mit krie gerischen Völkern meiden. Es wäre nicht gut für unsere geistige Stabilität, wenn wir zur Gewaltanwendung gegenüber anderen Lebewesen gezwungen würden.« Ich nickte. Wahrscheinlich besaßen die Gvehellier durchaus die Mittel, um sich er folgreich gegen Angreifer zu wehren. Da sie das aber in Gewissenskonflikte stürzen wür de, hatten sie sich isoliert. Ich konnte das verstehen, obwohl es nicht in meiner Menta lität lag, mich zu verkriechen, um bewaffne te Auseinandersetzungen zu vermeiden. Karmina Arthamin begriff offenbar auch, daß die Gvehellier nicht wehrlos waren, denn sie sagte: »Ich hoffe, Sie nehmen nicht Partei für Atlan, Braccho.« Der Gvehellier sah die Sonnenträgerin lange an, dann erwiderte er leise: »Ich habe die Spannungen registriert, die zwischen Atlan und der Besatzung dieses Raumschiffs einerseits und Lantcor und den Besatzungen der sieben anderen Schiffe be stehen. Es macht mich krank, daß intelligen te Lebewesen sich gegenseitig bekämpfen wollen, obwohl sie bewiesen haben und noch beweisen, daß sie gut zusammenarbei ten können. Aber wir Gvehellier mischen uns niemals in die Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen anderer Völker.« Karmina Arthamins Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Aber Sie helfen uns allen gegen den Träumer, nicht wahr? Ist es nicht auch eine Art von Gewaltanwendung, seinen Traum zu zerstören?« »Es wäre eine Art von Gewaltanwendung, die einem Gvehellier erlaubt wäre«, antwor tete Braccho. »Aber es ist keine Gewaltan wendung gegen ein Lebewesen, sondern ge gen eine Sache. Wir werden nicht verhin dern, daß der Schläfer weiter träumt. Wir verhindern nur, daß sein Traum sich an die ser Dimensionsverwerfung realisiert. Ob er auf eine andere Dimensionsverwerfung aus weicht, kann ich nicht sagen. Schaden wird
H. G. Ewers ihm unsere Operation sicher nicht, denn ich halte die Realisierung seines Traumes für einen ungewollten Effekt, der nicht zur Ent wicklung dieses Wesens erforderlich ist.« Er schaute mich an. »Können wir anfangen, Atlan?« Ich nickte. Wir begaben uns in den Kom munikationsraum der Bordpositronik und stellten unsere Berechnungen an. Es waren Stunden voll intensiver geistiger Arbeit. Ich war am Ende ziemlich abgespannt, doch Braccho war keine Ermüdung anzumerken. Sein geistiges Potential mußte weit über dem eines Arkoniden liegen. Als wir in die Kommandozentrale zurück kehrten, meldete mir Helos Trubato, daß die technischen Vorbereitungen abgeschlossen seien. Die Projektoren der ISCHTAR, die die Transitionsenergie abstrahlen sollten, waren auf den errechneten Mittelpunkt des Planeten gerichtet. Die fünfdimensionalen Energien würden so fokussiert werden, daß sie erst dort frei werden konnten. Kurz darauf meldete Lantcor über Funk, daß auch seine Schiffe bereit seien. »Denken Sie daran, daß unser Stillhalte abkommen in dem Augenblick abläuft, in dem die Aktion gegen den Traum gelungen ist, Atlan«, sagte er ernst. »Ich verstehe Sie nicht, Lantcor«, erwi derte ich. »Wir haben ausgezeichnet zusam mengearbeitet, sind uns nähergekommen und haben uns gegenseitig achten gelernt. Sie aber möchten dem Verräter Orbanaschol immer noch meinen Kopf bringen.« »Nicht Ihren Kopf, Atlan«, widersprach Lantcor. »Ich werde nicht das Amt des Hen kers ausüben. Meine Pflicht ist es nur, Sie zu verhaften und an den Imperator auszuliefern, dem ich den Treueid geschworen habe.« Ich gab es auf, diesen ebenso ehrenhaften wie starrsinnigen Mann bekehren zu wollen. »Ich werde es Ihnen nicht leichtmachen«, erklärte ich. »Wenn Sie keine anderen Vor schläge haben, dann schlage ich vor, daß wir unsere Schiffe rund um den Planeten vertei len – und zwar dicht an der Energiesperre.« Lantcor lächelte undefinierbar.
Träume aus fremder Dimension »Damit bin ich nicht einverstanden, At lan. Wir fliegen im geschlossenen Verband – mit der ISCHTAR in der Mitte. Ich ver spreche Ihnen aber, daß ich den Angriffsbe fehl nicht eher geben werde, als bis feststeht, daß wir aus dem Traum entlassen sind.« »Natürlich«, gab ich sarkastisch zurück. »Sie würden ja sonst den Erfolg unserer Ak tion in Frage stellen. Wenn ich nun nicht mitspiele, was dann?« »Dann lasse ich Ihr Schiff stürmen«, ant wortete Lantcor. Er hatte recht, denn er besaß die Über macht und hatte damit alle Vorteile auf sei ner Seite. Natürlich konnte ich unser Transi tionstriebwerk unbrauchbar machen lassen. Dann mußten wir alle im Traum bleiben. Zwar würde Orbanaschol mich dann niemals in seine Gewalt bekommen, aber ich konnte meinen Kampf gegen den Diktator auch nicht fortsetzen. Das wiederum lag nicht in meinem Interesse. »Also schön«, erwiderte ich. »Start in ei ner halben Stunde Arkonzeit, ja?« »Einverstanden, Atlan«, sagte Lantcor und unterbrach die Verbindung. Ich verabschiedete mich von Braccho und schaute ihm nach, wie er von der ISCHTAR fortging. In zirka fünfhundert Metern Entfernung blieb er stehen. Sekunden später war neben ihm plötzlich eine etwa vier Meter durch messende strahlende Energieblase. Braccho schwebte darauf zu, verschmolz scheinbar mit ihr und war kurz darauf in ihrem Innern zu sehen. Er wandte sein faltiges Lederhaut gesicht in meine Richtung und winkte. Dann stieg die Energieblase auf. Ich schaute auf meinen Chronographen, dann wandte ich mich an Helos Trubato. »Start!«
* Tief unter uns lag der Planet, den wir Pwllheli getauft hatten. Er sah aus dem Weltraum so real aus, daß ich für einen Au genblick daran zweifelte, daß er nur ge
35 träumt sein sollte. Aber ich vertraute der Intelligenz und Weisheit Bracchos, obwohl dieses seltsame Wesen uns gar keinen Beweis für die Rich tigkeit seiner Theorie geliefert hatte. Den noch wußte ich, er hatte nicht gelogen. »Was wird aus den Maahks im Stütz punkt, wenn der Traum aufhört?« fragte Ra. »Sie sterben, wie sie es verdient haben«, erwiderte Karmina Arthamin voller Haß. Ich runzelte die Stirn. Verdient? Wie konnten wir so vermessen sein zu behaupten, sie hätten den Tod ver dient, nur weil sie Maahks waren? Ich haßte die Maahks auch, aber das waren andere Maahks, die ich haßte, nicht jene in Primiti vität zurückgesunkenen Schiffbrüchigen, die auf Pwllheli ein Asyl gefunden hatten. Doch ich sagte nichts. Ich hätte beim be sten Willen nicht eine ganze Kolonie von Wasserstoffatmern retten können, und wäre ich bei Lantcor wegen Hilfe vorstellig ge worden, ich wäre auf Unverständnis gesto ßen. Die Parole »Tod allen Maahks« war ein furchtbares Schlagwort, aber die Maahks hatten es herausgefordert, weil sie einen Vernichtungskrieg führten. Nur unser Haß gab uns die Kraft, den Kampf durchzuste hen, der uns aufgezwungen worden war. »Fertig?« fragte Lantcor über Telekom. »Alles fertig zum Einsatz«, antwortete ich. »Dann …«, begann der zweifache Sonnen träger und hob den Arm. Mitten in der Bewegung schien er einzu frieren. Dann wandte er den Kopf nach links, als erhielte er von dort eine wichtige Mitteilung. Sein Gesicht wandte sich wieder nach vorn. »Noch warten!« beschied er mir. »Meine Ortung hat eine große Energieblase ent deckt, die sich von Pwllheli löst und sehr schnell aufsteigt. Wahrscheinlich versuchen die Maahks, sich in Sicherheit zu bringen. Wir müssen sie erst vernichten, bevor wir anfangen.« »Nein!« erwiderte ich. »Wahrscheinlich
36 hat Braccho die Kolonie der Maahks vom Planeten gelöst und in Sicherheit gebracht. Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich der Hilfsbereitschaft dieses liebenswürdigen Wesens in den Rücken fiele. Außerdem den ke ich, daß Braccho die Maahks beschützen kann.« Lantcor dachte eine Weile nach, dann meinte er diplomatisch: »Ich nehme an, daß die Maahks so oder so umkommen, so daß sich eine Aktion ge gen sie erübrigt. Achtung, Transitionsener gie auf die Projektoren schalten!« Ich stand selbst vor dem neu installierten Schalter. Mit einem Ruck drückte ich die Schalttaste nieder. Eine Zeitlang geschah nichts. Der Planet Pwllheli schwamm unversehrt im All. Dann liefen die Ereignisse so plötzlich ab, daß wir ihnen mit den Augen kaum zu fol gen vermochten. Die ISCHTAR wurde von einer Stoßwellenfront getroffen und davon gewirbelt. Auf den Bildschirmen schienen die Sterne einen irren Tanz aufzuführen. Ich hielt mich fest und versuchte, mich auf Pwllheli zu konzentrieren. Doch der Pla net war nirgends mehr zu sehen. Ich erspäh te nur eine Ballung von Dunkelheit im Raum, die rasend schnell kontrahierte. »Das Schiff wird zur Dunkelballung hin gezogen!« rief Helos Trubato. »Ich gebe Ge genschub!« Unsere Triebwerke brüllten auf. Die ISCHTAR schüttelte sich, aber sie schoß mit steigender Geschwindigkeit auf die schrumpfende Dunkelballung zu. Ich vermutete; daß es sich dabei um ein Loch in unserer Dimension handelte, das entstanden war, als die Dimensionsverwer fung beseitigt worden war. Wenn die ISCH TAR in das Loch gerissen wurde, würde sie dann in einer anderen Dimension landen? Wir kamen dem unheilvollen Punkt im mer näher. Schon glaubte ich, mich mit ei ner neuen Irrfahrt in fremder Dimension ab finden zu müssen, da verschwand die auf die Ausdehnung eines Balls zusammenge schrumpfte Dunkelheit.
H. G. Ewers Im nächsten Augenblick schien der Raum sich mit Schlieren zu füllen. Die ISCHTAR vollführte einen Satz in die entgegengesetzte Richtung, dann wurde ihr Flug ruhiger. Ich begriff, daß es die auf Gegenschub geschal teten Triebwerke waren, die den Satz verur sacht hatten. Rasch schaltete ich die Transitionsenergie von den Projektoren auf das Transitions triebwerk, hoffend, daß wir einen Notsprung durchführen und uns vor Lantcor in Sicher heit bringen konnten. Aber es gelang nicht. Die Energieerzeu ger, die einige Zeit überlastet worden waren, verzeichneten einen starken Leistungsabfall. Mit der Energie, die sie noch brachten, konnten wir eine Transition nur durchfüh ren, wenn wir zuvor eine Geschwindigkeit von mindestens neunzig Prozent LG erreich ten. Und wir hatten erst fünfzehn Prozent LG …! Auf meinem Telekombildschirm erschien Lantcors Gesicht, während draußen im Raum seine Schiffe den Ring um die ISCH TAR schlossen. Ihre Geschützmündungen waren auf uns gerichtet. »Ergeben Sie sich, Atlan!« forderte der Zweisonnenträger. »Ich denke nicht daran«, erwiderte ich zornig und enttäuscht darüber, daß Lantcor, mit dem es eine wirklich fruchtbringende Zusammenarbeit gegeben hatte, sein Ziel so stur verfolgte. Ich ließ mich in meinem Zorn sogar zu etwas hinreißen, dessen ich mich hinterher schämte. »Karmina Arthamin ist meine Geisel. Ich werde sie töten, wenn Sie mich nicht abziehen lassen, Lantcor.« »Um der Pflicht willen müssen Opfer ge bracht werden«, erwiderte Zweisonnenträger Lantcor mit unbewegtem Gesicht. Er hob die Hand. Aus den Geschützen der Imperiumsflotte brach eine Salve starker Energiestrahlen und legte sich vor die ISCHTAR. Helos Trubato schaltete sofort auf Gegenschub, sonst wä ren wir unweigerlich im Energiefeuer ver gangen.
Träume aus fremder Dimension »Sie schleusen Beiboote mit Enterkom mandos aus«, berichtete Fartuloon. »Wenn Sie mich schon ermorden wollen, dann zögern Sie nicht länger, Atlan!« sagte Karmina Arthamin gefaßt. Ich atmete tief durch, dann erwiderte ich: »Bitte, entschuldigen Sie, daß ich mich im Zorn zu dieser Drohung hinreißen ließ, Son nenträgerin. Selbstverständlich lasse ich nicht zu, daß Ihnen ein Haar gekrümmt wird. Aber die Enterkommandos werden einen heißen Empfang erleben.« »Willst du Arkoniden auf Arkoniden schießen lassen, Junge?« erkundigte sich mein Pflegevater. »In den Beibooten sitzen keine Verbrecher, sondern tapfere arkonidi sche Raumfahrer.« »Wir werden uns wehren«, antwortete ich. »Zuerst nur mit Lähmwaffen. Sollten die Angreifer dennoch mit tödlichen Ener giewaffen auf uns schießen, werden wir ebenfalls Thermostrahler einsetzen. Ich lasse meine Leute nicht abschlachten.« Ich schaltete die Rundrufanlage ein und erteilte die notwendigen Befehle. Wir konn ten uns nicht mit den Bordgeschützen weh ren, weil die Übermacht uns dann zusam mengeschossen hätte. Folglich mußten wir uns auf einen Kampf Mann gegen Mann ein lassen.
* Unser Kampf war von Anfang an aus sichtslos gewesen. Ich hatte das gewußt, und meine Leute hatten es auch gewußt. Prak tisch verteidigten wir nicht uns, sondern un sere Ehre, indem wir uns trotzdem erbittert zur Wehr setzten. Zuerst hatten die Enterkommandos Ther mostrahler benutzt. Dann aber, als sie er kannten, daß wir nur Lähmwaffen gegen sie einsetzten, hatten auch sie ausschließlich Lähmwaffen verwendet. Es war eine Geste der Ritterlichkeit einem Gegner gegenüber gewesen, den man achtet und gegen den man keine persönliche Feindschaft empfin det.
37 Im Ausgang des Kampfes hatte es nichts geändert. Die Angreifer waren in der Über zahl und konnten Ausfälle immer wieder er setzen. Meine Leute wichen nicht zurück. Sie kämpften, bis sie durch Schockwaffen gelähmt wurden. Über die Körper ihrer ge lähmten Kameraden hinweg drangen die Angreifer dann jeweils ein Stück weiter vor. Neun Stunden lang tobte der Kampf, dann hatten Lantcors Leute die Kommandozentra le erreicht. Hier wurden sie von der Zentral ebesatzung unter meiner Führung in Emp fang genommen, alles kampferprobte Offi ziere, die sich im Gefecht auf Instinkt und Intelligenz verließen und nicht so leicht aus zuschalten waren. In den Korridoren rings um die kugelför mige Kommandozentrale häuften sich die geschockten Angreifer zu hohen Wällen. Aber unser Häuflein war inzwischen auf fünf Mann zusammengeschrumpft. Lange würde der Kampf nicht mehr dau ern. Ich schoß auf einen Angreifer, dann wandte ich den Kopf und blickte in die Zen trale zurück. Karmina Arthamin stand da, wie zu Stein erstarrt. Nur ihre Augen verrieten, daß sie lebte. Und sie verrieten einen Sturm von Ge fühlen, den ich ihr nie zugetraut hätte. In stinktiv erfaßte ich, daß die Sonnenträgerin ihre Meinung über mich geändert hatte. Wahrscheinlich, weil ich im Gegensatz zu Lantcor nicht bereit gewesen war, ihr Leben zu opfern. Doch dieser Meinungsumschwung kam zu spät. Jetzt konnte Karmina Arthamin uns nicht mehr helfen, und das war ihr offen sichtlich auch klar. Ich wandte mich wieder dem Kampf ge schehen zu. Dabei bemerkte ich, daß Fartu loon getroffen war. Er lag verkrampft neben mir, und er war außer mir der einzige, der noch aktionsfähig war. Nein, Vorry kämpfte ebenfalls noch. Ich hatte ihm verboten, seine gewaltigen Kör perkräfte einzusetzen. Er hätte damit nicht nur getötet, sondern wäre am Ende selbst ge
38 tötet worden. Statt dessen feuerte er mit ei nem schweren Schockblaster. Ich hatte mich ablenken lassen. Als mein Körper erstarrte, war es zu spät. Die Waffe entfiel meinen kraftlos gewordenen Händen. Meine Bein- und Armmuskeln zogen sich krampfhaft zusammen, dann konnte ich mich nicht mehr bewegen. Nach einer Weile tauchten arkonidische Raumfahrer in meinem Blickfeld auf. Ich konnte alles sehen und hören, was um mich herum vorging. Zwei Männer hoben mich auf und trugen mich in die Kommandozen trale. Dort setzten sie mich in meinen Kon tursessel. Sie sprachen davon, daß Lantcor seinen Besuch auf der ISCHTAR angekün digt hatte. Als dann der zweifache Sonnenträger vor mir auftauchte, war seinem Gesicht weder Triumph noch Freude über den Sieg anzuse hen. »Ich danke Ihnen, daß Sie durch Ihren Be fehl, nur Lähmwaffen einzusetzen, den Tod tapferer Raumfahrer verhindert haben, At lan«, sagte er zu mir. »Sobald Ihre Lähmung abgeklungen ist, werden Sie in Ihrer Kabine arretiert. Ich werde auf kürzestem Wege nach Arkon fliegen und Sie und Ihre Leute dort abliefern. Aber Sie werden gut behan delt, das verspreche ich Ihnen.« Von Ihnen vielleicht, aber nicht von Or banaschol! hätte ich am liebsten erwidert. Leider konnte ich nicht sprechen. Da kam Fürsprache von einer Seite, von der ich sie nicht mehr erwartet hätte. »Ich bezweifle, daß es klug wäre, die Ge fangenen sofort nach Arkon zu bringen, Zweisonnenträger Lantcor«, hörte ich Kar mina Arthamin sagen. »Es wäre zumindest psychologisch eine Gefahr. Das Auftauchen von Gonozal VII. könnte zu Unruhen führen wie auf anderen Planeten. Unruhen auf den Arkonwelten aber können wir uns im jetzi gen Stadium des Methankriegs nicht lei sten.« Lantcors Brauen zogen sich zusammen. Der Widerspruch mußte bei einer so ausge prägten Persönlichkeit wie bei ihm zuerst
H. G. Ewers Zorn auslösen. Aber er beherrschte sich, und nach einer Weile verriet sein Gesicht Nach denklichkeit. »Ihr Argument entbehrt nicht der Logik, Sonnenträgerin Arthamin«, erwiderte er. »Es ist war, daß überall dort, wo Gonozal VII. vorgezeigt wurde, Unruhe ausbrach und sich Arkoniden sogar gegen die Regierung des Großen Imperiums stellten. Aber irgendwann muß ich die Gefangenen abliefern. Vielleicht sollte ich den Imperator in einem Funkspruch fragen, wie ich vorgehen soll.« »Mit Verlaub gesagt, auch das wäre ein unglücklicher Zug, der Ihnen die Mißgunst des Imperators zuziehen könnte«, erklärte Karmina Arthamin. »Ein Funkspruch durch läuft alle möglichen Dienststellen, bevor er dem Imperator vorgelegt wird. Sein Inhalt würde sich als Gerücht über alle Arkonwel ten verbreitet haben, noch ehe Orbanaschol III. ihn kennt. Ich schlage deshalb vor, einen Geheimkurier nach Arkon zu entsenden.« Lantcor kaute auf seiner Unterlippe. Er war in einen Zwiespalt geraten. Einerseits war es seine Pflicht, meinen Vater und mich so schnell wie möglich an Orbanaschol zu übergeben. Andererseits leuchteten ihm die Bedenken Karminas ein, und er war sicher nicht daran interessiert, sich durch eine un überlegte Maßnahme die Mißgunst oder gar den Zorn Orbanaschols zuzuziehen. Der Diktator ging nicht gerade rücksichtsvoll mit Leuten um, die seiner Meinung nach einen Fehler begangen hatten. Endlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben. Er hörte auf, seine Unterlippe mit den Zähnen zu bearbeiten. »Wir fliegen zuerst nach Vayklon!« ent schied er. »Hier könnten jederzeit Schiffe der Maahks auftauchen. Von Vayklon aus werde ich dann einen Kurier nach Arkon schicken.« Ich atmete verstohlen auf und war Karmi na Arthamin dankbar, daß sie uns einen Auf schub verschafft hatte. Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Ich fragte mich, wie es weitergehen sollte. Schließlich konnte Karmina Arthamin ge
Träume aus fremder Dimension genüber Lantcor nicht mit offenen Karten spielen und für unsere Freilassung plädieren. Und wir selbst konnten auch nichts tun.
7. Ich wandte mich um, als der Interkom melder summte und fragte mich, wer mich wohl sprechen wollte. Nachdem meine Lähmung abgeklungen war, hatte Lantcor mich in meine Kabine bringen lassen, aus der vorher alle Ausrü stungsgegenstände, die sich als Waffen be nutzen ließen, entfernt worden waren. Die ISCHTAR hatte ein Krisenkomman do als Notbesatzung bekommen, und die echte Besatzung war sicher ebenfalls in ih ren Quartieren eingesperrt worden. Die mei sten Leute konnten sich wenigstens unter halten, da die Mannschaftskabinen mit bis zu sechs Personen belegt waren. Ich dage gen wurde in Isolation gehalten. Langsam ging ich zum Interkom und schaltete ihn ein. Der Bildschirm wurde hell, zeigte aber nur ein graues Flimmern. Wer immer mit mir sprechen wollte, war nicht daran interessiert, seine Identität zu offenba ren. Bevor ich mich melden konnte, wisperte eine kaum hörbare und offenkundig verstell te Stimme: »Nicht sprechen!« Ich machte das arkonidische Zeichen für Bejahung, in der Hoffnung, daß mein Ge sprächspartner mich auf seinem Interkoman schluß sah. »Wir müssen Zeit gewinnen«, fuhr die Stimme fort. Ich lächelte unwillkürlich, denn die Be merkung hatte mir verraten, daß es nur Kar mina Arthamin sein konnte, die mich ange rufen hatte. »Es wird dafür gesorgt werden, daß die Zeit für Sie arbeitet«, erklärte die Stimme. »Zuerst einige Informationen über Vayklon. Es handelt sich um einen Planeten der gel ben Sonne Xallish, auf dem sich ein Ge heimstützpunkt des Imperiums befindet. Es
39 ist nur ein kleiner Stützpunkt, deshalb wer den die ISCHTAR und die übrigen Schiffe im Raum bleiben müssen. Sie sind zu groß, um eingeschleust zu werden. Würden sie auf Vayklon landen, könnte eine unverhofft auf tauchende Spionsonde oder ein Spähschiff der Maahks sie orten und daraus auf einen Stützpunkt schließen. Das ist der erste Vorteil, der sich viel leicht einmal entscheidend zu Ihren Gunsten auswirken wird. Ein weiterer Vorteil dürfte es sein, daß sich von Lantcors Untergebenen niemand danach drängen wird, als Geheim kurier nach Arkon zu fliegen und Orbana schol gegenüberzutreten. Ein Empfang beim Imperator gleicht oft einem Alptraum. Die kleinste falsche Bemerkung kann verhäng nisvoll sein. Damit ist sichergestellt, daß eine Person, der Sie vertrauen können, den Kurierauftrag zugesprochen erhält. Es wird drei Tage dau ern, bis der Kurier zurückkehrt. So lange müssen Sie durchhalten. Loser Werlkron, der Stützpunktkommandant, ist ein sehr ehr geiziger Mann und ein Psychopath dazu. Er nutzt jede Gelegenheit, sich in den Vorder grund zu spielen. Verhalten Sie sich psycho logisch geschickt, falls Sie ihm vorgestellt werden. Ich muß das Gespräch beenden, da mein Türmelder summt. Alle guten Wünsche für Sie!« Ich neigte den Kopf, dann erlosch der Bildschirm. Nachdem ich das Gerät ausgeschaltet hat te, ließ ich mich in einem Sessel nieder und verarbeitete die Informationen. Daran, daß Karmina Arthamin mich ange rufen hatte, zweifelte ich längst nicht mehr. Sie war die einzige Person in Lantcors Ge folge, die mich gut genug kennengelernt hat te, um sich ein Urteil über mich bilden zu können – und auch die einzige Person, die mir gegenüber mit Schuldgefühlen beladen sein konnte. Ebenfalls sicher war ich, daß die Sonnen trägerin ein gewagtes Spiel zu spielen ge dachte. Das, was sie über den Kurierauftrag
40 gesagt hatte, ließ sich nur so auslegen, daß sie sich freiwillig dazu melden wollte und daß sie keineswegs beabsichtigte, Orbana schol über meine Gefangennahme zu unter richten. Wahrscheinlich wollte sie nach einigen Transitionen mit ihrem Schiff irgendwo im Weltraum die Zeit verstreichen lassen, die sie für den ganzen Weg nach Arkon und für die Audienz bei Orbanaschol benötigt hätte. Wenn sie zurückkehrte, dann bestimmt mit einem fingierten Auftrag des Diktators, mich und meine Leute mit der ISCHTAR heim lich nach Arkon zu bringen. Die Frage war nur, ob Lantcor sich von ihr täuschen lassen würde. Doch selbst dann, wenn ihr das gelang, waren wir noch lange nicht in Sicherheit. Die Entfernung zu Ar kon ließ sich nicht mit einem EinmannRaumschiff überbrücken, auch nicht mit ei nem Beiboot. Folglich mußte Karmina Ar thamin mit einem der Großkampfschiffe, von Lantcors Verband fliegen. Was würde die Besatzung sagen, wenn sie nicht nach Arkon flog, sondern sich irgendwo im Weltraum herumtrieb und dann nach Vayklon zurückkehrte? Fraglich war auch, ob der Imperator sich nicht von sich aus mit Lantcor in Verbin dung setzte. Immerhin war der zweifache Sonnenträger als Oberbefehlshaber einer Großflotte eingesetzt gewesen, die vor Mar lackskor vor den Maahks hatte zurückwei chen müssen. Ein Imperator konnte verlan gen, daß dieser Mann sich schnellstens zum Rapport meldete. Tat er es nicht, wurde er bestimmt ungehalten. Wenn ich mich wenigstens mit Fartuloon hätte besprechen können. Aber Lantcor hielt uns voneinander getrennt. Möglicherweise traute er uns zu, daß wir einen Plan ersan nen, wie wir aus seiner Gewalt fliehen konn ten – und ihn vielleicht sogar in die Tat um setzten. Als mein Kabinenschott aufglitt, erhob ich mich. Ich verbarg meine Überraschung, als Lantcor und Karmina Arthamin gemein sam meine Kabine betraten.
H. G. Ewers Die Sonnenträgerin ließ sich nichts an merken. Sie trug eine unbeteiligte, kühle Miene zur Schau und war klug genug, mir kein verstohlenes Zeichen zu geben. »Was verschafft mir die Ehre so hohen Besuchs?« erkundigte ich mich ironisch. »Ein Höflichkeitsbesuch«, antwortete Zweisonnenträger Lantcor. »Wie geht es Ih nen, Atlan?« »Den Verhältnissen entsprechend befrie digend«, erklärte ich. »Sie werden kaum er wartet haben, daß ich in Begeisterung aus breche. Wenn Sie mir schon keine Gesprä che mit meinen engsten Vertrauten gestat ten, dann erlauben Sie mir wenigstens, mei nen Vater zu besuchen und mich um ihn zu kümmern. Sie werden ja wohl nicht anneh men, daß ich zusammen mit Imperator Go nozal VII. eine Verschwörung aushecke.« Lantcor schaute verlegen zur Seite, faßte sich aber schnell wieder. »Sie dürfen Ihren Vater täglich einmal für eine Stunde besuchen, Atlan«, erwiderte er. »Selbstverständlich unter Bewachung.« Er räusperte sich. »Übrigens, die Mediziner meines Flaggschiffs haben ihn untersucht. Ihr Vater ist seelisch taub und stumm. Wahr scheinlich handelt es sich um eine Folge des Ausfalls wichtiger Synapsen im Gehirn.« »Danke!« sagte ich – und meinte es ehr lich. Ich hielt es plötzlich sogar für möglich, daß Lantcor sich unter meinen Befehl ge stellt hätte, wenn seine Mediziner ihm ge sagt hätten, daß mein Vater heilbar sei. »Bitte!« erwiderte Lantcor und wurde schon wieder verlegen. Er mußte meinen Gedankengang durchschaut haben. Schade, daß ein so intelligenter Mann auf der falschen Seite stand. »Ich habe den Auftrag, als Kurier nach Arkon zu fliegen«, teilte Karmina Arthamin mir mit. »Eigentlich sollte ich es nicht tun, da Sie mich hinterhältig als Geisel genom men hatten. Dennoch frage ich Sie, ob ich Orbanaschol III. eine Botschaft von Ihnen übermitteln darf. Vielleicht etwas, das Ihre Lage verbessert und Ihre Zukunftsaussichten ebenfalls.«
Träume aus fremder Dimension Sie spielte ihr Spiel wirklich raffiniert, mit der echt weiblichen Naturbegabung für solche Sachen. Ich blickte sie verächtlich an. »Wenn ich jemals zu Verräter Orbana schol sprechen sollte, dann mit einem Ther mostrahler!« gab ich zurück. »Richten Sie das dem Abschaum des arkonidischen Vol kes aus, Sonnenträgerin Arthamin!« »Sie vergessen sich!« fuhr Lantcor mich an. »Lassen Sie nur«, meinte Karmina. »Er schadet sich nur selbst damit. Ich denke, wir sollten gehen und den Verräter sich selbst überlassen.« Lantcor zögerte kurz, dann stimmte er zu. Als sie meine Kabine verlassen hatten, lachte ich in mich hinein. Jetzt glaubte ich, daß Karmina Arthamin raffiniert genug war, um selbst den schlauen Zweisonnenträger hereinzulegen.
* Zwei Raumsoldaten holten mich ab, um mich zu meinem Vater zu bringen. Ich registrierte, daß sie versuchten, sich möglichst gleichgültig zu geben, in Wirk lichkeit aber aus glänzenden Augen bewun dernd auf mich blickten, wenn sie glaubten, ich würde nichts merken. Es war klar, daß sie in mir den Mann sa hen, der vor Marlackskor die Imperiumsflot te vor einer Katastrophe und alle beteiligten Arkoniden vor dem Verlust ihrer Ehre geret tet hatte. Natürlich wagten sie dennoch nicht, mich anzusprechen. Die Disziplin auf den Schiffen der Flotte des Großen Imperi ums war sehr streng. Verstöße wurden hart geahndet. Nachdem die Tür zur Kabine meines Va ters sich geöffnet hatte, blieben die Soldaten links und rechts neben ihr stehen. Ich trat ein. Wieder fand ich meinen Vater in einem Sessel sitzend vor. Die beiden Dienstroboter waren noch bei ihm, um ihn zu versorgen und zu betreuen.
41 Ich salutierte vor dem Imperator, dann kniete ich neben meinem Vater nieder, nahm seine Hand und sprach leise und eindringlich auf ihn ein. Wie immer, reagierte er nicht darauf. Seine Augen blickten ins Leere, als wäre er mit der Lösung abstrakter Probleme beschäftigt. Ein Speichelfaden rann aus seinem linken Mundwinkel. Ich tupfte ihn mit einem Tuch ab und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhal ten. Ich bereute, daß ich ihn ins Leben zurück gerufen hatte, denn dieses Leben war ein rein vegetatives wie das einer Pflanze. Und wir hatten nicht viel für das Imperium er reicht. Wenn Karminas Plan fehlschlug, was trotz ihrer Gerissenheit möglich war, dann würde mein Vater zum zweitenmal von Or banaschol ermordet werden. Eine Weile kämpfte ich mit dem Gedan ken, ihm diese schlimmste Schmach zu er sparen und ihn hier und jetzt mit eigenen Händen zu erlösen. Ich verwarf es wieder. Solange noch die geringste Hoffnung bestand, durfte der Sohn das Leben des Vaters nicht auslöschen. Auch wenn es kein wirkliches Leben war. Als die Tür sich öffnete, wußte ich, daß die Besuchszeit um war. Ich erhob mich, warf meinem Vater einen letzten verzweifel ten Blick zu und ging hinaus. In den Augen der Raumsoldaten, die mich zu meiner Kabi ne führten, las ich Mitleid. Vor meiner Kabine salutierten sie. »Danke!« sagte ich leise. Dann kehrte ich in mein Gefängnis zurück. Lange saß ich in meinem Sessel und grü belte. Ich fuhr verwundert auf, als sich plötzlich die Bildwand erhellte, die norma lerweise zur Betrachtung der Umgebung des Schiffes diente. Ich hatte nicht erwartet, als gefangener Staatsfeind in den Genuß dieser Einrichtung zu gelangen. Auf dem Bildschirm wurde eine gelblich strahlende Sonne sichtbar. Dann wechselte die Aufnahme und zeigte den Ball eines Pla neten mit blauen Meeren, braunen Kontinen ten und weißen Wolkenformationen.
42 Das mußte Vayklon sein. Wieder wechselte die Aufnahme und zeigte der Reihe nach sechs Kugelraumer. Sechs, das bedeutete, daß das siebte Schiff des Verbandes bereits aufgebrochen war – mit Karmina Arthamin als Kurier für Arkon. Aus der Rundruf anläge kam Lantcors Stimme. »Zur Information für die, die es nicht wis sen. Wir befinden uns vor dem Planeten Vayklon im System der gelben Sonne Xal lish. Auf Vayklon befindet sich ein kleiner Geheimstützpunkt der Imperiumsflotte. Wir werden in eine weite Umlaufbahn um Vay klon gehen und dort auf die Rückkehr des Kurierschiffs warten, das nach Arkon unter wegs ist, um dem Imperator die Nachricht über die Gefangennahme Atlans zu über bringen. Falls sich Frauen und Männer aus den Mannschaftsgraden der ISCHTAR ver pflichten wollen, auf den Schiffen meines Verbandes Dienst für die in der Schlacht ge fallenen Raumfahrer zu tun, werde ich Ent gegenkommen zeigen. Ich bin sicher, daß der Imperator meinen Entschluß, ahnungslo se Mitläufer Atlans zu verpflichten, billigen wird. Natürlich würde eine Verpflichtung Straffreiheit bewirken, sofern nicht beson ders schwerwiegende Straftaten vorliegen.« Die Lautsprecher der Rundrufanlage ver stummten. Auf der Bildwand war wieder der Planet zu sehen. Ich fand es sehr anständig von Lantcor, daß er meinen Mannschaftsdienstgraden an bot, sie auf seinen Schiffen einzusetzen. Er riskierte dabei einen Verweis des Diktators, denn normalerweise ließ Orbanaschol Ge fangene, die für ihn bedeutungslos waren, Strafeinheiten zuteilen, die an den gefähr lichsten Brennpunkten des Großen Methan kriegs eingesetzt wurden. Praktisch sabotier te Lantcor das mit seinem Angebot an meine Leute. Allerdings wußte ich, daß keiner von mei nen Leuten sich melden würde. Wie schon erwähnt, handelte es sich ausschließlich um ausgesuchte Personen, die der Sache und
H. G. Ewers mir treu ergeben waren. Sie würden sich lie ber in Stücke hauen lassen, als in der Flotte Orbanaschols zu dienen. Ich nahm mir vor, falls Karminas Plan nicht aufging und uns das bittere Ende nicht erspart blieb, Lantcor zu bitten, einen Appell an meine Leute richten zu dürfen. In diesem Appell würde ich ihnen raten, Lantcors An gebot anzunehmen. Meine Aufmerksamkeit wurde kurz dar auf von einem Raumschiff gefesselt, das sich von Vayklon her dem Verband näherte. Es handelte sich um ein kugelförmiges Bei boot von sechzig Metern Durchmesser. Ich nahm an, daß der Kommandant des Geheimstützpunkts auf Vayklon, Loser Werlkron, mit diesem Beiboot kam, um dem Zweisonnenträger einen Besuch abzustatten. Einen ehrgeizigen Psychopathen, der sich immer und überall in den Vordergrund spiel te, so hatte Karmina Arthamin den Stütz punktkommandanten charakterisiert. Ich kannte diesen Typ Arkoniden aus einigen Erfahrungen. Solche Leute konnten besten falls im privaten Kreis Unheil anrichten, es sei denn, sie kamen durch Protektion in ge hobene Positionen. Dann konnten die Folgen verheerend sein. Ich beobachtete das Beiboot weiter. Es kam immer näher, dann schwand es aus dem Bild. Offenbar hatte es die GLORMOUN angesteuert. Ich ging zum Versorgungsautomaten und tastete mir ein kleines Frühstück. Wenn es zu einer Begegnung mit Werlkron kam, wollte ich wenigstens nicht mit leerem Ma gen dastehen.
* Eine halbe Stunde später öffnete sich das Schott meiner Kabine abermals. Ich blieb sitzen, da ich annahm, Werlkron wäre zu meiner Besichtigung erschienen. Doch es war nur ein Offizier in Begleitung dreier Raumsoldaten. Der Offizier salutierte. »Befehl von Zweisonnenträger Lantcor!«
Träume aus fremder Dimension sagte er. »Ich soll Sie mit Ihren Vertrauten zusammenbringen, Herr.« Ich erhob mich. Die Aussicht darauf, Far tuloon und meine anderen Freunde wieder zusehen, gab mir zusätzlichen seelischen Auftrieb. Die Männer eskortierten mich. Der Offi zier schritt zwei Schritte voran und führte uns zu einem kleinen Konferenzraum, vor dessen Schott zwei Arkoniden und zwei Kampfroboter Wache hielten. Als das Schott sich öffnete, blickten mir Fartuloon, Ra und Vorry entgegen. Ich ging hinein. Der Magnetier eilte auf mich zu und woll te mir seine Pranke freundschaftlich auf die Schulter hauen. Ich wich dem Hieb geschickt aus und sag te: »Du vergißt schon wieder, daß ich nur ein zerbrechlicher Arkonide bin, du kleines Scheusal!« »Vorry sehr verfreut!« erwiderte der Ei senfresser. »Viel Hunger gehabt nach Atlan und viel Sehnsucht nach Eisen.« Ich lachte. »Du meinst, du hast viel Hunger nach Ei sen und viel Sehnsucht nach mir gehabt, Vorry. Hat man dich nicht ausreichend ver pflegt?« »Nur einen einzigen kleinen Eisenbarren habe ich bekommen«, klagte Vorry. »Dabei hatten wir soviel mitgenommen.« »Ich werde ein Wort für dich einlegen«, versprach ich. Dann wandte ich mich Fartu loon und Ra zu. »Gibt es etwas Neues?« Fartuloon musterte mich prüfend. »Bei uns nicht, mein Junge. Und wie ist es bei dir? Du wirkst gar nicht bedrückt. Hast du eine gute Nachricht für uns?« Ich sah mich um. Die Wachen waren draußen geblieben, und das Schott hatte sich wieder geschlos sen. Sie konnten also nicht hören, was im Konferenzraum gesprochen wurde. Aber ich war sicher, daß es hier verborgene Abhöran lagen gab. Lantcor würde schlau genug ge wesen sein, sie vor unserer Zusammenkunft
43 installieren zu lassen. Wahrscheinlich hatte er das Treffen nur deshalb inszeniert, um sich über unsere Gedanken und eventuellen Fluchtpläne zu informieren. »Ja«, sagte ich. »Lantcor hat unseren Leu ten angeboten, sie in seine Dienste zu über nehmen. Damit ist mir schon einmal die Sor ge um das Schicksal der rund sechshundert Frauen und Männer der ISCHTAR abge nommen.« Mein Pflegevater blinzelte und nickte nachdenklich. Er hatte verstanden, daß ich mit Abhöranlagen rechnete. Aber er schien nun auch sicher zu sein, daß ich eine positi ve Wandlung der Situation erwartete – und zwar nicht grundlos. »Was wird mit uns auf Arkon geschehen, Atlan?« erkundigte sich Ra. »Ich an deiner Stelle würde mir keine großen Sorgen machen«, antwortete ich. »Orbanaschol hat keinen Grund, dich aus dem Wege zu räumen. Im Gegenteil, er wird dich wahrscheinlich bevorzugt behandeln, weil er von dir Informationen zu erhalten hofft. Er kennt dich ja schon lange, jeden falls dem Namen nach, und hat schon einmal versucht, dich zu sich bringen zu lassen.« Das Gesicht verfinsterte sich. »Der Diktator wird von mir kein Wort er fahren, Atlan. Eher lasse ich mich foltern und töten. Aber was wird aus dir werden?« »Orbanaschol wird mich beseitigen – auf die eine oder andere Weise«, antwortete ich. »Aber noch sind wir nicht auf Arkon. Du darfst niemals den Mut verlieren. Solange man lebt, kann man auch noch hoffen.« Ra betrachtete seine kräftigen Hände, streckte und krümmte die Finger und stieß drohend hervor: »Ich werde den Diktator mit diesen Hän den erwürgen, wenn ich an ihn herankom me!« »Du würdest dadurch mein Volk von ei nem Alptraum erlösen, Ra«, erwiderte ich. »Sprechen wir über etwas anderes«, lenk te Fartuloon ab. »Atlan, hast du gesehen, wohin die Energiesphäre mit Braccho ver schwunden ist, nachdem der geträumte Pla
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net sich aufgelöst hatte?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, sie war mit einemmal weg. Da er mit seinem Gerät nicht auf ›normale‹ Weise durch den Raum reist, sondern sogenannte Dimensionstore benutzt, wird er wahr scheinlich durch ein solches Dimensionstor verschwunden sein. Vielleicht entstand ei nes, als die Dimensionsüberlappung sich glättete.« »Ja, wahrscheinlich«, meinte Fartuloon. »Das war schon ein einzigartiges Abenteuer, das wir mit Pwllheli erlebten. Übrigens ver schwand die Energieblase mit dem Maahkstützpunkt im gleichen Augenblick wie Bracchos Energiesphäre. Ich halte es für möglich, daß er sie mit durch sein Dimensi onstor genommen hat, um sie vor uns zu schützen.« Ich wollte etwas darauf erwidern, als das Schott des Konferenzraums sich öffnete und der Offizier, der mich hierher geführt hatte, eintrat. Wieder salutierte er, dann meldete er mit lauter Stimme: »Achtung! Stützpunktkommandant Werl kron und zweifacher Sonnenträger Lantcor!«
8. Loser Werlkron sah ungefähr so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: kleiner als der durchschnittliche Arkonide, schlaffe, unge sund graue Haut, ausgedehnte Stirnglatze, stechender unsteter Blick und ein arrogantes Lächeln, das seine vielfältigen Komplexe übertünchen sollte. Werlkron musterte uns. Sein Blick ging unkonzentriert hin und her, während Lant cor, der gegen ihn wie ein Halbgott wirkte, uns vorstellte. Immer wieder kehrte Werlkrons Blick zu Vorry zurück. »Was heißt das, er ist ein Magnetier?« fragte er nervös. »Zieht er etwa wie ein Ma gnet Eisen an? Hahaha!« Niemand lachte über den verkrampften Pseudowitz.
Mit unbewegten Gesicht antwortete Lant cor: »Er heißt so, weil er im Innern eines Ma gnetbrüters aus einem Ei schlüpfte. Mehr weiß ich auch nicht. Vielleicht könnte Atlan uns zusätzliche Informationen geben.« Werlkrons Hand stieß mit ausgestrecktem Zeigefinger vor, deutete in meine Richtung. Aber der Mann schaute mich nicht an, son dern an mir vorbei. »Reden Sie!« befahl er. Allein schon der Klang seiner Stimme er zeugte eine starke Antipathie in mir. Ich be mühte mich, sie mir nicht anmerken zu las sen und ebenso unbeteiligt zu wirken wie Zweisonnenträger Lantcor, der, wenn ich ihn richtig einschätzte, Werlkron ebensowe nig leiden konnte wie ich. »Viel mehr ist mir auch nicht bekannt«, erklärte ich. »Nur, daß vor langer Zeit ein varganischer Wissenschaftler ein Ei fand und in einen Magnetbrüter brachte. Wo Vor rys Volk lebt, weiß er natürlich nicht, da er es nie kennenlernte.« »Sehr dürftig«, nörgelte Werlkron. »Na, ja, was kann man von einem ungebildeten Piraten schon verlangen.« »Er hat dich beleidigt, Atlan!« dröhnte Vorrys Stimme laut durch den Konferenz raum. »Soll ich ihn ein bißchen zerquet schen?« Loser Werlkron wich zurück. Seine Stirn bedeckte sich mit Angstschweiß. »Dieses Ungeheuer hat mich bedroht!« kreischte er mit überschnappender Stimme. »Ich verlange, daß es abgetötet wird!« »Mistkerl!« grollte Ra. Werlkron wandte sich an Lantcor. »Wollen Sie diesen Ungeheuern alles durchgehen lassen, Zweisonnenträger Lant cor?« fragte er empört. »Ich verlange, daß Sie sie beide töten lassen!« »Bitte, beruhigen Sie sich«, erwiderte Lantcor mit kalter Höflichkeit. »Ich trage die Verantwortung dafür, daß diese Lebewe sen unversehrt zum Imperator gebracht wer den. Er wird selbst entscheiden, was mit ih nen geschehen soll.«
Träume aus fremder Dimension »Aber sie haben mir gedroht und mich be leidigt!« gab Werlkron schnaufend zurück. »Dafür müssen sie wenigstens streng be straft werden.« Er musterte mich mit flackerndem Blick. »Und dieser … dieser Pirat und Verräter darf nicht länger leben! Was haben Sie un ternommen, damit seine Hinrichtung so bald wie möglich erfolgen kann, Zweisonnenträ ger Lantcor?« »Ich habe einen Kurier nach Arkon ge schickt«, antwortete Lantcor. »Der Impera tor wird selbst entscheiden, was mit Atlan zu geschehen hat. Wir warten hier, bis die Ant wort eingetroffen ist.« »Warum ein Kurier?« fragte Werlkron. »Warum soviel Umstände wegen eines Pira ten? Rufen Sie sofort Arkon an und suchen Sie um eine Genehmigung zur Hinrichtung nach, Zweisonnenträger Lantcor!« Lantcors Gesicht wurde abweisend. »Ich bin weder Richter noch Henker, Kommandant Werlkron«, entgegnete er scharf. »Dieser junge Mann, den Sie als Piraten beschimpfen, hat durch sein Eingreifen immerhin den Untergang meiner Flotte vor Marlackskor verhindert. Während unserer späteren, durch die Umstände zwingend not wendigen Kooperation habe ich ihn als hochintelligenten und ehrenhaften Mann kennen und schätzen gelernt. Das hindert mich selbstverständlich nicht daran, meine Pflicht gegenüber dem Großen Imperium und dem Imperator zu erfüllen, aber ich wer de nicht zulassen, daß er würdelos und ha stig abgeschlachtet wird.« »Sie sympathisieren mit einem Staats feind!« stellte Werlkron verblüfft fest. »Das geht zu weit, Zweisonnenträger Lantcor. Ich verlange, daß Sie in meinem Beisein eine Hyperfunkverbindung nach Arkon herstellen und die Genehmigung zu Atlans Hinrich tung beantragen!« Lantcors Augen blitzten zornig, als er er widerte: »Sie maßen sich etwas an, das Ihnen nicht zusteht, Werlkron. Ich fordere Sie auf, mein Schiff zu verlassen und sich nicht wieder bei
45 mir sehen zu lassen. Ihr Ansinnen ist selbst verständlich abgelehnt.« Werlkron wurde weiß wie ein Laken. Un ter dem Eindruck der stärkeren Persönlich keit des Zweisonnenträgers schmolz sein Selbstbewußtsein dahin. Keines Wortes mehr fähig, wandte er sich mit zitternden Knien ab und verließ den Konferenzraum. Lantcor blickte mich ernst an, dann salu tierte er vor mir, dem Staatsfeind, und folgte Loser Werlkron. »Das war vielleicht ein unerfreulicher Zeitgenosse«, meinte Fartuloon. »Du bist dir klar darüber, daß er noch Ärger machen wird?« Ich nickte. Loser Werlkron war genau der Typ, der auf Widerspruch mit Haß. und Intrigen rea gierte. Ich war mir völlig klar darüber, daß er von seinem Geheimstützpunkt aus auf ei gene Faust handeln, Arkon anfunken und um die Genehmigung zu meiner Hinrichtung bitten würde. Damit war genau das eingetreten, was Karmina Arthamin befürchtet hatte. Ob ich eine Überlebenschance bekam, würde davon abhängen, wer oder was zuerst hier eintraf: die Sonnenträgerin oder die Antwort auf Werlkrons Anfrage …
* Zwei Tage vergingen in quälender Unge wißheit. Ich war wieder von meinen Freun den getrennt worden und lebte ausschließ lich in meiner Kabine. Natürlich durfte Karmina Arthamin nicht zu früh zurückkehren. Arkon war weit, und es dauerte seine Zeit, die Strecke hin und zu rück mit zahlreichen Transitionen und den dazugehörenden Orientierungsmanövern zu bewältigen. Außerdem durften im Arkonsy stem selbst keine Transitionen durchgeführt werden, was bedeutete, daß ein ankommendes Raumschiff von den Grenzen des Sy stems bis zu einer der Arkonwelten viele Stunden im Unterlichtflug zubrachte. Kehrte die Sonnenträgerin früher zurück,
46 als die Berechnungen es zuließen, würde das das Mißtrauen Lantcors erregen. Ich konnte nur auf den Umstand vertrau en, daß Orbanaschol III. nur in den selten sten Fällen direkt über Hyperkom mit sich reden ließ. Es gehörte zu seinen Gewohnhei ten, alle Funknachrichten über einen zeitrau benden Dienstweg laufen zu lassen, bevor sie ihn erreichten, und die Antwort den glei chen Weg zurückzuschicken. Wahrscheinlich lief der Vorgang im Fall von Werlkrons Funkspruch genauso ab, an dernfalls hätte er die Antwort schon erhal ten, und einen Befehl vom Imperator konnte auch Lantcor nicht ignorieren. Als sich das Kabinenschott öffnete, blick te ich auf meinen Armbandchronographen, weil ich glaubte, ich würde zur Besuchszeit bei meinem Vater abgeholt. Doch an der festgelegten Zeit fehlte noch eine reichliche Stunde. Und es fehlten auch noch zwei Stunden an dem frühestmöglichen Termin, den ich mir für Karmina Arthamins Rückkehr aus gerechnet hatte! Bedeutete das, daß Werlkron Antwort auf seinen Funkspruch bekommen hatte und ich zur Hinrichtung abgeholt werden sollte? Ich erhob mich und wartete gefaßt auf das Eintreten des Abholkommandos. Ein Offizier und zwei Raumsoldaten tra ten ein. Der Offizier salutierte und sagte: »Zweisonnenträger Lantcor und Sonnen trägerin Arthamin erwarten Sie in der Kom mandozentrale, Herr!« Ich war so erleichtert, daß ich beinahe lachte. Aber ich beherrschte mich. Niemand sollte merken, daß ich mich darüber freute, von Karmina Arthamin »nach Arkon ge bracht« zu werden. Als ich in die Kommandozentrale geführt wurde, waren Fartuloon, Ra und Vorry ebenfalls da. Aber außer ihnen, Karmina und Lantcor befanden sich rund dreißig schwer bewaffnete Raumsoldaten dort. Sie hatten sich in einem weiten Kreis vor den Schalt pulten postiert. Ich überschaute die Situation auf Anhieb.
H. G. Ewers Die Soldaten trugen sämtlich Ärmelschilder mit dem Schiffsnamen HAGHMOR, und die HAGHMOR war das Schiff, mit dem Kar mina Arthamin angeblich nach Arkon geflo gen war. Die Tatsache, daß sie rund dreißig Männer der HAGHMOR auf die ISCHTAR gebracht hatte, konnte nur bedeuten, daß ihr diese Männer treu ergeben und bereits in ih ren Plan eingeweiht waren. Lantcor wirkte erleichtert. »Ich freue mich, daß Sonnenträgerin Ar thamin so schnell zurückkehren konnte, At lan«, erklärte er. »Sie hat die HAGHMOR in Gewalttransitionen nach Arkon und wieder zurück geführt, weil sie wußte, daß Stütz punktkommandant Werlkron Ärger machen würde.« »Ich habe es nicht wegen Atlan getan, sondern um zu verhindern, daß Sie sich mit Werlkron überwarfen. Ich kenne die ver klemmte Psyche dieses Mannes und weiß, daß er keine Niederlage einstecken kann, sondern versucht, sich durch Intrigen zu rä chen. Leider bin ich zu spät gekommen, um das Zerwürfnis zu verhindern.« »Ich glaube nicht, daß ein Wicht wie Werlkron mir schaden kann«, erwiderte Lantcor. Er wandte sich wieder an mich. »Sonnenträgerin Arthamin erhielt von Orba naschol III. den Befehl, die ISCHTAR per sönlich mit allen Gefangenen nach Arkon zu bringen. Um die Anwesenheit von Gonozal VII. geheimzuhalten, wird die ISCHTAR an den Grenzen des Arkonsystems von einem Kreuzverband empfangen und zu einem streng isolierten kleinen Raumhafen ge bracht. Es tut mir leid, daß ich dadurch der Mög lichkeit beraubt wurde, die Mannschafts dienstgrade der ISCHTAR für den Dienst auf meinen Raumschiffen zu verpflichten. Aber bis jetzt hat sich sowieso niemand ge meldet, und ich nehme an, später hätte es auch niemand getan.« »Das ist wahr«, erklärte ich. »Wann star ten wir?« »Sofort«, antwortete Karmina Arthamin. »Der Imperator hat mir größte Eile befohlen.
Träume aus fremder Dimension Ich nehme an, deshalb, damit Ihr Vater schon in einem Geheimquartier verschwun den ist, bevor die von Marlackskor zurück kehrenden Verbände über seinen dortigen Auftritt berichtet haben.« Ich wandte mich an Lantcor und sagte: »In dem Fall verabschiede ich mich von Ihnen, Zweisonnenträger Lantcor. Ich weiß zwar, daß Sie es eines Tages bereuen wer den, sich auf die falsche Seite gestellt zu ha ben, dennoch möchte ich mich für die wür dige Behandlung bedanken, die Sie meinen Leuten und mir angedeihen ließen.« »Das war selbstverständlich, Atlan«, meinte Lantcor und schluckte etwas. »Sie haben mir und meinen Leuten einen ehrli chen und anständigen Kampf geliefert und durch ihren Befehl, nur Lähmwaffen zu ge brauchen, verhindert, daß Arkoniden Arko niden töteten. Ich meine es ehrlich, wenn ich Ihnen alles Gute wünsche. Die alten Götter Arkons mögen Sie und Ihre Freunde be schützen.« »Doch nicht etwa auch gegen den Willen des Imperators?« erkundigte sich Karmina ironisch. Sie spielte ihre Rolle absolut glaubwürdig. Merlon Lantcors Haltung versteifte sich. »Gegen den Willen der Götter ist auch der Wille eines Imperators nicht mehr als ein Nebelstreif im Orkan, Sonnenträgerin Artha min!« sagte er verweisend. »Wir können zwar dem Imperator gehorchen, aber wenn die Götter es so wollen, ist auch unser Ge horsam nutzlos.« »Ich verstehe«, erwiderte Karmina. »Und ich danke Ihnen, daß Sie mir erlaubt haben, dreißig hochqualifizierte Galaktonauten von der HAGHMOR mit auf die ISCHTAR zu bringen. Ich wäre sonst in der peinlichen La ge gewesen, Atlan zu bitten, mir ein paar seiner Galaktonauten auszuleihen.« Lantcor lächelte säuerlich. »Ich erlaube es Ihnen, obwohl Sie mich bis jetzt noch gar nicht gefragt haben, Son nenträgerin Arthamin. Aber ich sehe ein, daß Sie es nicht riskieren können, sich At lans Raumfahrern anzuvertrauen.«
47 »Oh!« entfuhr es Karmina Arthamin. »Entschuldigen Sie, Zweisonnenträger Lant cor. Ich wollte Sie fragen, muß es aber ir gendwie vergessen haben.« »Entschuldigung angenommen«, erwider te Merlon Lantcor. Ich stöhnte innerlich über die tiefverwur zelten Bräuche der arkonidischen Flotte, die zur Verständigung zwischen hochgestellten Persönlichkeiten eine Menge formelhafter Floskeln notwendig machten. Inzwischen verging wertvolle Zeit – vielleicht genug Zeit, um unseren Plan doch noch scheitern und Werlkron triumphieren zu lassen. »Sonnenträgerin Arthamin!« verkündete Lantcor feierlich. »Ich verabschiede mich und übergebe Ihnen hiermit das Kommando über das Beuteschiff ISCHTAR. Einen si cheren Flug für Sie und alle an Bord. Und passen Sie gut auf die Gefangenen auf.« »Ganz bestimmt«, versprach Karmina Ar thamin. »Danke, Zweisonnenträger Lant cor!« Merlon Lantcor winkte flüchtig, ging zum Panzerschott und blieb dort noch einmal ste hen. Ich glaubte, Sorge in seinen Augen zu entdecken. »Alles Glück des Universums, Atlan!« rief er. Dann ging er endgültig.
* Karmina Arthamin ging zu den Haupt kontrollen und schaltete die Panoramagale rie ein. Schlagartig war die Umgebung der ISCH TAR zu sehen: der Planet Vayklon, die sie ben Arkonraumer und das Beiboot, mit dem Lantcor von seinem Flaggschiff herüberge kommen war. Mit unbewegtem Gesicht wartete die Son nenträgerin, bis sich Lantcors Beiboot von der ISCHTAR gelöst und Kurs auf die GLORMOUN genommen hatte. Dann wandte sie sich um und sagte zu den dreißig Galaktonauten: »An die Plätze, Männer! Funkzentrale
48 ausschalten und interne Störsender aktivie ren!« Sie wandte sich lächelnd an mich. »Ich wäre beinahe zu spät gekommen, nicht wahr, Kristallprinz?« Ich erwiderte das Lächeln. »Wir haben den Wettlauf mit der Zeit noch nicht gewonnen, Sonnenträgerin. Auf jeden Fall danke ich Ihnen für alles, was Sie schon für uns getan haben.« »Ich war dumm, meinen Fehler erst so spät einzusehen«, erwiderte die Sonnenträ gerin. »Erst Lantcors Rücksichtslosigkeit mir gegenüber und Ihr Befehl, keine tödli chen Waffen gegen Arkoniden einzusetzen, öffnete mir die Augen.« Sie musterte ihre Leute. Einige von ihnen saßen vor den Start- und Steuerkontrollen, vier Männer waren zur Funkzentrale aufge brochen und die übrigen hatten sich zu einer Gruppe formiert. Drei Männer traten zu uns und überreich ten Fartuloon, Ra, Vorry und mir Schock waffen. »Es befinden sich nur fünfundvierzig Raumsoldaten an Bord, die ahnungslos sind und Widerstand leisten werden. Ich hoffe, sie können überrascht werden, so daß sie nicht dazu kommen, sich etwa mit tödlichen Waffen zu wehren. Meine Leute werden sich um diese Männer kümmern. Sie, Atlan, können mit Ihren Freunden die Besatzung der ISCHTAR befreien.« »Mit Vergnügen«, erwiderte ich. »Aber ich schlage vor, die Funkzentrale nicht total zu desaktivieren, sondern einen Abhörricht strahl sowohl auf dem Geheimstützpunkt Werlkrons als auch auf die Funkzentrale von Lantcors Flaggschiff zu richten. Dann sind wir über alles informiert und können notfalls schnell genug reagieren.« »Ausgezeichnet!« sagte Karmina Artha min. Sie schaltete ihr Armbandfunkgerät ein, runzelte die Stirn und meinte: »Die internen Störsender arbeiten schon. Malekko, eilen Sie in die Funkzentrale und veranlassen Sie daß Atlans Vorschlag reali-
H. G. Ewers siert wird!« Einer der Galaktonauten hastete hinaus. Karmina Arthamin wandte sich wieder an mich und sagte: »Zuerst gehen meine Leute und ich hin aus. Lassen Sie uns einen kleinen Vor sprung, damit wir Ihnen freie Bahn schaffen können. Ihr Anblick würde Lantcors Leute sofort feindselig reagieren lassen. Meine Männer sind dagegen unverdächtig.« »In Ordnung!« erwiderte ich. Karmina Arthamin stutzte. Sie war die konservative Förmlichkeit des Umgangstons so sehr gewohnt, daß sie sich nur schwer an meine leichtere Art gewöhnen konnte. Aber sie sah wohl ein, daß es in einer Schicksals gemeinschaft nicht so steif zugehen konnte wie in der hierarchisch gestaffelten regulä ren Flotte. Als sie mit dem Rest der Bewaffneten ge gangen war, hieb Fartuloon mir seine Hände auf die Schultern und rief: »Du bist wirklich ein Liebling der alten Götter Arkons, mein Junge, daß du aus einer erbitterten Gegnerin deine Bundesgenossin machen konntest!« Ich lächelte breit und erwiderte: »Wie Lantcor schon sagte: Gegen den Willen der Götter ist auch der Wille eines Imperators nicht mehr als ein Nebelstreif im Orkan!« »Vorry könnte vor Freude ganzes Schiff aufessen«, warf der Magnetier ein. »Orbanaschol sich würde vor Wut in Hinter teil beißen.« Fartuloon wandte sich um und pfiff laut und falsch vor sich hin. Die Galaktonauten beugten sich über ihre Schaltpulte und kon zentrierten sich auf ihre Arbeit. Kurz darauf rollte das dumpfe Donnern der Umformerbänke durch das Schiff. Auf den Bildschirmen der Panoramagalerie war zu sehen, daß die ISCHTAR sich aus dem Verband löste und Fahrt aufnahm. Ich gab meinen Freunden ein Zeichen und sagte: »Gehen wir. Der Vorsprung dürfte groß genug sein. Unsere Leute sollen so schnell
Träume aus fremder Dimension wie möglich erfahren, daß wir in die Freiheit fliegen anstatt zu Kerkern und Todesstät ten.« Wir verließen die Kommandozentrale. Der von Karmina Arthamin geführte Trupp hatte eine unübersehbare Spur hinterlassen. In großen Abständen saßen oder lagen Raumsoldaten Lantcors in den Korridoren. Man hatte ihnen die Waffen gelassen, denn sie konnten sie nicht benutzen. Lange bevor ihre Lähmung abklang, würden sie von mei nen Leuten entwaffnet und in einem leeren Lagerraum untergebracht worden sein. Meine Leute waren in fünf Lagerräume gesperrt worden. Als ich das Schott des er sten Lagerraums öffnete, begriff ich, warum Karmina Arthamin diese Aufgabe nicht ih ren Leuten überlassen hatte, sondern meinen Freunden und mir. Rund fünfzehn meiner Männer flogen uns förmlich entgegen und waren über uns, be vor wir einen Ton herausbrachten. Hätten sie uns nicht im nächsten Augenblick er kannt, wäre es uns wahrscheinlich übel er gangen. Sie hielten selbstgebastelte Hieb und Stichwaffen in den Händen. Und hinter ihnen hielten sich zahlreiche andere im Nah kampf erfahrene Männer bereit, die »Leute Lantcors« zu überwältigen. Äußerst verlegen ließen meine Leute von uns ab – bis auf vier, die von Vorry betäubt worden waren. »Es tut uns leid, wir konnten nicht ahnen …«, stammelte der Anführer, unser Robot techniker. Seine Augen weiteten sich in jä hem Begreifen. »Sie sind frei, Erhabener!« schrie er, dann wandte er sich um und schrie es noch einmal in den Lagerraum hinein. Drinnen hob ein Tumult an. Wir konnten keine vorgezogene Sieges feier gebrauchen, deshalb trat ich zu dem ge öffneten Schott und rief: »Alles herhören! Hier spricht Atlan! Son nenträgerin Arthamin hat sich auf unsere Seite gestellt. In der Kommandozentrale sit zen ihre Leute und werden die ISCHTAR in Sicherheit bringen. Andere Leute von ihr durchstreifen das Schiff und paralysieren die
49 fünfundvierzig Raumsoldaten, die Lantcor als Wachmannschaft zurückgelassen hat. Niemand sucht seinen Platz auf, bevor Sonnenträgerin Arthamin nicht gemeldet hat, daß alle Wachsoldaten ausgeschaltet sind. Die Sonnenträgerin und ihre dreißig Galaktonauten, die auf dem Ärmelschild den Schiffsnamen HAGHMOR tragen, sind mit allem nötigen Respekt zu behandeln. Die ge fangenen Raumsoldaten werden ebenfalls anständig und würdig behandelt. Übergriffe würde ich hart bestrafen lassen. Sie warten hier, während meine Freunde und ich die übrigen Gefangenen befreien. Entweder Sonnenträgerin Arthamin oder ich werden Ihnen weitere Befehle erteilen. Dann aber müssen die Befehle unverzüglich aus geführt werden.« Wir gingen. Hinter uns ertönten Jubelrufe. Doch schnell verwandelte sich der aufge störte Haufen wieder in eine disziplinierte Truppe. Bei den anderen Lagerräumen gingen wir, unserer Erfahrung gemäß, vorsichtiger vor. Auch hier lauerten Stoßtrupps hinter den Schotten, um sofort nach Öffnung vorzupre schen und die Wachen Lantcors im Hand streich zu überwältigen. Ich war stolz auf meine Leute. Nachdem alle Gefangenen befreit waren, kehrte ich mit meinen Freunden in die Kom mandozentrale zurück. Karmina Arthamin war noch nicht da, aber einer ihrer Galaktonauten erwartete uns mit allen Anzeichen hochgradiger Erregung. »Erhabener, Arkon hat an Werlkrons Sta tion das Ankündigungssignal einer Hyper funksendung ausgestrahlt!« meldete er. »Das war knapp«, sagte ich. »Beinahe hätten wir es nicht mehr geschafft.« »Es ist nicht sicher, ob wir es überhaupt schaffen werden«, entgegnete der Mann. »Die Kraftwerke, die die Triebwerke mit Energie versorgen, verzeichnen einen rätsel haften Leistungsabfall. Drei unserer Leute sind in den Maschinenraum gestiegen, um den Fehler zu finden und zu beheben. Solan ge können wir nicht beschleunigen und dem
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nach auch keine Transition durchführen.« »Das kann nur Sabotage sein«, sagte Far tuloon. Ich nickte, dann wandte ich mich an Vor ry und sagte: »Du bist der Flinkste von uns allen, Ei senfresser. Rase zu Cheftechniker Ketman und richte ihm aus, er soll sofort mit einem Trupp Spezialisten in den Maschinenraum gehen und Arthamins Leuten helfen!« »Vorry Tornado!« versicherte der Magne tier. Im nächsten Augenblick war er ver schwunden und durch das Schott gerast. Da sich die Schotthälften nicht schnell genug für ihn geöffnet hatten, besaßen sie nur zwei halbmondförmige Einkerbungen von jeweils einem dreiviertel Meter Höhe. Trotz seiner rasenden Geschwindigkeit mußte es Vorry noch gelungen sein, die abgerissenen Me tallplastikstücke mitzunehmen, denn sie wa ren nirgends zu sehen. »Er ist ein wahrer tamanischer Teufel«, sagte der Galaktonaut respektvoll. Ich nickte. »Gehen wir zur Funkzentrale! Ich möchte Orbanaschols Antwort an Werlkron nicht verpassen.«
* Wir warteten in höchster Anspannung, denn wieder standen wir in einem Wettlauf mit der Zeit. Würde es unseren Technikern gelingen, den Schaden zu finden und zu beheben, be vor Werlkron Orbanaschols Antwort erhielt und an Lantcor weiterleitete? Wir hatten noch keine Meldung von unse ren Technikern erhalten, als der elektroni sche Zeichner die Antwort des Diktators in Schriftzeichen auf einen Bildschirm warf. »Seine Erhabenheit und Unfehlbarkeit, Imperator Orbanaschol III. von Arkon und über das Große Imperium, von den Göttern mit der Errettung der galaktischen Zivilisa tionen betraut, an Loser Werlkron, Seinen pflichtbewußten Diener und Kommandanten
des Stützpunkts Vayklon! Wir bestätigen den Empfang Ihrer Hyper funkbotschaft, in der Sie die Gefangennah me des Piraten und Verräters namens Atlan und eines anderen Arkoniden, der sich Go nozal nennt, meldeten. Es ist Unser unumstößlicher, von den Göttern eingegebener Wille, daß der Pirat und Verräter namens Atlan vom Leben zum Tode gebracht wird. Sie haben Unsere Voll macht, dem zweifachen Sonnenträger Lant cor diesen Unseren Willen zu übermitteln und ihm mitzuteilen, daß er Uns dafür ver antwortlich ist, daß der Pirat und Verräter Atlan unverzüglich exekutiert wird. Sein Leichnam ist so aufzulösen, daß kein Stäub chen von ihm übrig bleibt. Gezeichnet: Seine Erhabenheit und Un fehlbarkeit, Imperator Orbanaschol III.« »Er hat es also doch geschafft!« rief je mand atemlos vom Schott aus. Ich wandte den Kopf und erkannte Karmi na Arthamin. »Noch hat er es nicht geschafft, Lantcor zu überzeugen«, erwiderte ich. »Sein Wort steht gegen das Ihre. Ich zweifle nicht daran, daß Sie ihn bewegen können, an ein hinterli stiges Täuschungsmanöver Werlkrons zu glauben.« Karmina Arthamin seufzte. »Gut!« Sie wandte sich an ihre Leute. »Aktivieren Sie die Funkzentrale, sonst schöpft Lantcor gleich Verdacht, wenn er uns anruft. Und Sie, Atlan, halten sich mit Ihren Freunden aus dem Aufnahmebereich der Optik!« Meine Freunde und ich zogen uns zurück. Karmina Arthamin setzte sich vor den großen Hyperkom. Kurz darauf übermittelte uns der auf die Zentrale von Lantcors Flaggschiff gerichtete Spionstrahl den Anruf Werlkrons und die kurze, aber heftige Unterhaltung zwischen Werlkron und Lantcor. Uns wurde klar, daß Lantcor dem Stützpunktkommandanten miß traute. Aber als pflichtbewußter Mann wür de er Werlkrons Nachricht nicht völlig igno rieren können, sondern ein Bestätigungssi
Träume aus fremder Dimension gnal von Arkon anfordern. Vorher allerdings rief er die ISCHTAR an. Das Blinken des Hyperkomschirms drückte die Dringlichkeit seines Anrufs aus. Karmina Arthamin wartete eine Weile, dann erhob sie sich und schaltete auf Emp fang. »Raumschiff ISCHTAR unter dem Kom mando von …«, wollte sie die vorgeschrie bene Formel aufsagen. Merlon Lantcor unterbrach sie ziemlich brüsk. »Keine Formalitäten!« befahl er. »Mir liegt ein über Hyperfunk ausgestrahlter Be fehl des Imperators vor, Atlan sofort zu exe kutieren. Was haben Sie dazu zu sagen?« Karminas Gesicht zeigte verletzten Stolz, als sie heftig entgegnete: »Das ist unmöglich, Zweisonnenträger Lantcor. Imperator Orbanaschol III. hat mir persönlich befohlen, alle Gefangenen mit der ISCHTAR nach Arkon zu bringen. Er wird seine Autorität sicher nicht in Frage stellen, indem er seine eigenen Befehle wi derruft.« Ich sah, wie Lantcors Gesicht auf dem Bildschirm verriet, daß der Zweisonnenträ ger immer noch geneigt war, Karmina Ar thamin zu vertrauen. »Das klingt logisch«, meinte er zögernd. »Aber Werlkron, der mir die Nachricht übermittelte, behauptete, sie sei vom Impe rator höchstpersönlich. Selbstverständlich wiegt Ihr Wort für mich erheblich schwerer als das Werlkrons. Aber ich kann mir ein fach nicht vorstellen, daß dieser Psychopath den Namen des Imperators mißbraucht und damit nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben aufs Spiel setzt. Lag Orbana schol die Anfrage Werlkrons bereits vor, als Sie bei ihm waren?« »Nein«, antwortete Karmina Arthamin. »Aber vielleicht hat sie den Imperator nie mals erreicht. Vielleicht hat jemand, der um jeden Preis Atlans Tod wollte, eine Antwort fingiert. Jemand, der fürchtete, Orbanaschol und Atlan könnten sich eventuell einigen. In dem Fall wären einige Karrieren beendet ge wesen.«
51 »Das könnte sein«, meinte Lantcor. »Ich werde Werlkrons Nachricht als Fälschung zurückweisen. Dennoch müssen Sie verste hen, daß ich Sie auffordern muß, solange hier zu bleiben, bis meine entsprechende Anfrage an den Imperator beantwortet ist.« »Nein, das verstehe ich nicht!« empörte sich Karmina Arthamin. Vielleicht hätte sie sich mit einer neuen weiblichen List durchgesetzt. Doch ausge rechnet in diesem Augenblick stürmte Vorry in die Funkzentrale und rief, ohne auf den Hyperkombildschirm zu achten: »Der Schaden ist behoben, Leute! Wir können die Triebwerke voll aufdrehen und uns aus dem Staub machen, bevor dieser Mistkerl von einem Stützpunktkommandan ten …« Er unterbrach sich, als Lantcor rief: »Sonnenträgerin Arthamin, Sie sind Ihres Kommandos enthoben! Ich fordere Sie auf, zu stoppen und sich meinen Schiffen zu er geben! Andernfalls …« Seine Stimme ging im Tosen der Umfor mer und Triebwerke unter. Ich sah nur an seinen Lippen, daß er weitersprach. »Ich bitte um Verzeihung, Zweisonnen träger Lantcor«, sagte Karmina, als das To sen etwas leiser wurde. »Aber Sie haben auf mich auch keine Rücksicht genommen. Diesmal nehme ich auf Sie – beziehungs weise auf Ihre Karriere – keine Rücksicht.« Sie schaltete den Hyperkom aus. Wir kehrten in die Kommandozentrale zu rück. Auf den Bildschirmen der Panorama galerie konnten wir sehen, daß die anderen sieben Schiffe Fahrt aufnahmen. Doch es war unwahrscheinlich, daß sie aufholten, be vor wir in Transition gingen. Schneller und schneller wurde unsere herrliche ISCHTAR – und dann löschte der Transitionsschmerz alle anderen Eindrücke aus. ENDE
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