Atlan -Der Held von Arkon Nr. 227
Träume aus fremder Dimension Er lebt in einer anderen Dimension doch was er träumt, ...
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Atlan -Der Held von Arkon Nr. 227
Träume aus fremder Dimension Er lebt in einer anderen Dimension doch was er träumt, wird Wirklichkeit von H. G. Ewers Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Vaters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits zweimal erfolgreich zum Einsatz gelangte. Gonozal, der lebende Tote, kommt erneut ins Spiel, als die ISCHTAR, Atlans bestes und modernstes Raumschiff, sich dem Planeten Marlackskor nähert, wo eine erbitterte Raumschlacht zwischen Maahks und Arkoniden im Gang ist. Atlans Eingreifen entscheidet die Schlacht zugunsten der Arkoniden, doch die ISCHTAR mitsamt ihrer Besatzung gerät in akute Gefahr – daran ändern auch nichts die TRÄUME AUS FREMDER DIMENSION …
Träume aus fremder Dimension
3
Die Hautpersonen des Romans: Atlan - Der Kristallprinz spürt einem »Träumer« nach. Fartuloon, Ra und Vorry - Atlans Freunde und Begleiter. Karmina Arthamin - Eine Kommandantin ändert ihre Meinung. Merlon Lantcor - Oberbefehlshaber einer Arkon-Flotte. Braccho - Ein Gvehellier.
1. Als der Rematerialisierungsschmerz sich mit imaginären Krallen in meinen Nacken bohrte, stöhnte ich unterdrückt auf. Dennoch nahm ich ihn gar nicht bewußt wahr. Vor meinem geistigen Auge stand noch immer das Bild der Raumschlacht, wie es sich mir unmittelbar vor der Transition dargeboten hatte. Im Mittelpunkt dieses Bildes war ein großer Walzenraumer gewesen, nach seiner Hyperfunkaktivität das Flaggschiff der maahkschen Raumflotte. Dieses Schiff war es gewesen, das uns den schweren Treffer beigebracht hatte, der großen Schaden in den Maschinenräumen angerichtet hatte. Ich sah in der Erinnerung noch überdeutlich die Abstrahlmündungen jenes Raumschiffs in den offenen Geschützpforten. Sie zeigten genau auf die ISCHTAR. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, denn die Zeit, die wir bis zur Nottransition brauchten, reichte dem Maahk, uns eine ganze Breitseite zu verpassen, die das Ende der ISCHTAR bedeutet hätte. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen. Dennoch bewies mir der Entzerrungsschmerz der Wiederverstofflichung, daß ich noch lebte und daß auch die ISCHTAR noch existierte. Demnach hatte der Maahk doch nicht geschossen. Das stellte mich vor ein unlösbares Problem. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Maahk freiwillig darauf verzichtet haben sollte, uns den Rest zu geben. Ich konnte mir aber auch keinen anderen Grund für unsere Weiterexistenz vorstellen. »Ist dir nicht gut, mein Junge?« hörte ich die Stimme Fartuloons neben mir. »So stark
war der Entzerrungsschmerz doch gar nicht.« Ich wandte langsam den Kopf und sah meinen Pflegevater an. »Ich überlegte gerade, warum wir noch leben«, erwiderte ich. »Warum hat der Maahk uns nicht den Fangschuß gegeben?« »Das können wir später überlegen, Atlan«, erklärte mein Pflegevater. »Jetzt müssen wir uns um das Schiff kümmern. Ich fürchte, die Transitionstriebwerke sind endgültig ausgefallen.« Ich nickte und riß mich zusammen. Mein nächster Blick fiel auf Helos Trubato, der die Systeme des Schiffes mit Hilfe der Bordpositronik durchcheckte. Wenigstens schien die Bordpositronik noch einwandfrei zu arbeiten. Die übrigen Leute der Zentrale-Besatzung waren dabei, unsere Position zu ermitteln, nach anderen Raumschiffen Ausschau zu halten und mit den betroffenen Sektionen zu sprechen, um das. Ausmaß der Schäden zu ermitteln. Ein Blick auf die Bildschirme der Panoramagalerie verriet mir nichts darüber, wo wir wiederverstofflicht waren. Aber allzu weit konnten wir uns nicht von Marlackskor entfernt haben; Nottransitionen sind wegen der Gefahr einer Verirrung in unbekanntem Gebiet immer Kurztransitionen. Ich stellte eine Interkomverbindung zum Bordhospital her und ließ mir die Registratur geben. Dort erfuhr ich, daß bei dem schweren Treffer sechs meiner Leute gefallen und achtundzwanzig verwundet worden waren. Ich nahm mir vor, so bald wie möglich persönlich nach den Verwundeten zu sehen. Vorher aber mußte ich mich einem Problem widmen, das für uns alle lebenswichtig war. Als ich sah, daß Helos Trubato die Grobdurchcheckung beendet hatte, ging ich
4 zu ihm und erkundigte mich nach dem Zustand der ISCHTAR. »Wir sind nur noch zu dreißig Prozent manövrierfähig«, antwortete mein Erster Offizier. »Außerdem sind drei Geschützstände ausgefallen. Das Transitionstriebwerk ist durch Energierückschläge beschädigt. Es hält vielleicht noch eine Kurztransition durch, wenn wir einen Anlauf bis auf mindestens neunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit nehmen, aber mehr bestimmt nicht.« »Dann bereiten Sie eine Kurztransition vor, möglichst in ein benachbartes Sonnensystem!« befahl ich. Trubato schaute mich verwundert an. »Sollten wir nicht zuerst die gröbsten Schäden an den Impulstriebwerken beheben, Kristallprinz?« fragte er mit leichtem Vorwurf. »In einer normalen Lage wäre das unsere erste Sorge gewesen«, gab ich zurück. »Leider ist unsere Lage alles andere als normal. Wir sind nicht nur verloren, wenn die Maahks uns finden. Wir geraten auch in die größten Schwierigkeiten, wenn wir von denen aufgespürt werden, denen wir vorhin noch geholfen haben, eine vernichtende Niederlage zu verhindern: den Schiffen der Flotte Lantcors. Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß wir notfalls sehr schnell eine Transition durchführen können.« »Sie werden trotzdem nicht davonkommen, Atlan«, sagte eine weibliche Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Karmina Arthamin, die Stellvertreterin des arkonidischen Flottenkommandeurs Lantcor, die ich in meine Gewalt gebracht hatte. »Was wollen Sie damit sagen, Sonnenträgerin?« fragte ich, obwohl ich genau wußte, was sie meinte. Karmina lächelte zuversichtlich. »Die ISCHTAR hat naturgemäß Aufsehen erregt, weil Gonozal VII. aus ihr zu allen Arkonschiffen gesprochen hat, wenn auch indirekt«, erwiderte sie. »Folglich wird Zweisonnenträger Lantcor alles daransetzen, sie aufzuspüren. Es genügt, wenn ein einzi-
H. G. Ewers ges Arkonschiff die Strukturerschütterung angemessen hat, die die ISCHTAR bei der Transition erzeugte. Sobald diese Strukturerschütterung ausgewertet ist, weiß Lantcor, wo die ISCHTAR wiederverstofflichte.« »Deshalb bereiten wir uns auf eine weitere Transition vor«, gab ich zurück. »Die ebenfalls angemessen werden wird«, erklärte Karmina. »Es hat keinen Sinn für Sie, dem Unausweichlichen entgehen zu wollen. Ich schlage vor, Sie ergeben sich mir und treten mir freiwillig das Kommando über Ihr Schiff ab. Möglicherweise würde man Ihnen das als mildernde Umstände auslegen.« Allmählich trieb diese Arkonidin mich zur Weißglut. Ich hatte die arkonidische Flotte vor Marlackskor praktisch gerettet, nachdem sie in eine äußerst schwierige Lage geraten war, weil die Maahks irgendwie von dem bevorstehenden arkonidischen Angriff erfahren und sich vorbereitet hatten. Dennoch behandelte Karmina Arthamin mich wie einen Piraten. »Da ich kein Verbrecher bin, will ich keine mildernden Umstände!« entgegnete ich scharf. »Im Gegenteil, ich will mein Recht, das Recht nämlich, an der Seite meines Vaters, der von Orbanaschol gewaltsam vom Amt des Imperators entfernt wurde, über das Große Imperium zu regieren. Niemand wird mich daran hindern, auch Sie nicht.« Ich winkte einen jungen Offizier heran. »Führen Sie Sonnenträgerin Arthamin in eine Arrestkabine und sorgen Sie dafür, daß das Schott ständig von einem Doppelposten bewacht wird!« befahl ich. »Sie wollen die Wahrheit nicht hören, wie?« fragte Karmina ironisch. »Nein, ich will mich nur nicht dauernd mit Unsinn von meinen Aufgaben ablenken lassen«, erwiderte ich schroff und wandte mich ab.
* Als die Sonnenträgerin die Kommandozentrale verlassen hatte, begab ich mich zum
Träume aus fremder Dimension Astrogator und fragte, wie weit er mit der Positionsbestimmung sei. »Die wesentlichen Daten liegen vor«, antwortete er. »Wir sind rund siebenunddreißig Lichtjahre von Marlackskor entfernt. Die nächste Sonne, eine rote Riesensonne ohne Planeten, ist fünfeinhalb Lichtjahre entfernt. In einer Entfernung von rund sieben Lichtjahren gibt es eine arkongroße grüne Sonne mit elf Planeten, von denen Nummer zwei den Bedingungen auf den Arkonwelten am nächsten kommt.« »Haben Sie die Koordinatenkarte anfertigen lassen?« erkundigte ich mich. Er lächelte und überreichte mir eine Symbolfolie aus speziell aufgeladenem Metallplastik, in dem sich elektronisch Daten speichern ließen. »Es ist alles darauf«, sagte er. »Sie brauchen sie nur der Bordpositronik einzugeben, um die Transitionsdaten zubekommen.« Ich erwiderte sein Lächeln. »Danke!« sagte ich. »Ich freue mich darüber, daß Sie weitergedacht haben.« Mit der Koordinatenkarte begab ich mich zum Ersten Offizier. Helos Trubato hatte inzwischen die funktionsfähigen Triebwerke hochgeschaltet und die ISCHTAR anfahren lassen. Die Geschwindigkeit betrug allerdings erst fünf Prozent LG. »Eine grüne Sonne, rund sieben Lichtjahre von hier«, erklärte ich und gab ihm die Karte. »Der zweite Planet scheint geeignet zu sein, um auf ihm die notwendigen Außenreparaturen durchzuführen. Ich möchte, daß Sie sofort auf Kurs gehen und die Transition einleiten.« »Nur einleiten, nicht durchführen?« fragte Trubato. »Richtig«, antwortete ich. »Wenn wir die Transition durchführen, wird die Strukturerschütterung garantiert angemessen. Warten wir aber, bis ankommende Raumschiffe in unserer unmittelbaren Nähe die Struktur des Raum-Zeit-Gefüges erschüttern und führen dann unseren Sprung durch, wird durch die Überlappung zwischen Erschütterungsnachhall und frischer Erschütterung eine genaue
5 Anmessung mit Strukturtastern unwahrscheinlich.« »Verstanden, Kristallprinz«, erwiderte Trubato. »Ich werde also bis neunzig Prozent LG beschleunigen und danach die Normaltriebwerke abschalten, um Energie zu sparen.« »Gut!« sagte ich. »Und sobald unsere Strukturtaster ansprechen, drücken Sie auf den Schalter, der unsere Transition auslöst.« Als ich mich umwandte, stand Ra hinter mir. Der Barbar vom dritten Planeten einer unbekannten Sonne schien mißgestimmt zu sein. »Was kann ich tun, Atlan?« fragte er. »Ich stehe immer nur herum, anstatt eine Aufgabe zu bekommen.« »Geh in deine Kabine und ruh dich aus, Ra«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich bekommst du bald mehr zu tun, als dir lieb sein dürfte. Unsere Lage ist alles andere als problemlos.« »Warum ruhst du dich nicht ebenfalls aus?« fragte er aggressiv. »Weil ich der Kommandant dieses Schiffes bin«, gab ich zurück. »Na, schön!« meinte Ra. »Aber wenn ich beim nächsten Einsatz nicht eine fest umrissene Aufgabe erhalte, komme ich gar nicht erst mit.« Ich sah ihm nach, wie er davonging, absichtlich in provozierend wirkendem Schlendergang. Wahrscheinlich hätte ich ihm einen Posten auf der ISCHTAR zuteilen sollen, anstatt ihn zu meiner Verfügung freizuhalten. Ich wandte mich an Fartuloon. »Wo steckt Vorry?« »Er hilft den Leuten, die die Beschußschäden von innen auszubessern versuchen«, antwortete mein Pflegevater. »Dann hat er wenigstens nicht unter Langeweile zu leiden«, erwiderte ich. »Kommst du mit ins Bordhospital?« Bevor Fartuloon antworten konnte, sprachen die Strukturtaster an. Der Alarm heulte nur kurz durch die Zentrale, dann gab die Ortungsautomatik die Koordinaten des Ein-
6 tauchorts bekannt. »Ich bin noch nicht soweit!« rief Trubato mir zu. »Wir haben erst vierundzwanzig Prozent LG erreicht!« »Weiter beschleunigen«, erwiderte ich. Etwas anderes konnten wir allerdings auch nicht tun. Glücklicherweise erfaßte die Hyperortung nur ein einziges Raumschiff, das in unserer Nähe wiederverstofflicht war. Es handelte sich um ein zweihundert Meter durchmessendes Kugelraumschiff. »Wenigstens ist es kein Maahk«, meinte Fartuloon dazu. Ich setzte mich in meinen Reservesitz vor dem großen transparenten Kartenschrank in der Mitte der Zentrale, stellte eine Interkomverbindung zur Funkzentrale her und bat darum, eingehende Hyperkomsprüche durchzuschalten. »Bei einem Maahk hätten wir gewußt, woran wir sind«, erwiderte ich. »Hier wissen wir es nicht – noch nicht. Aber ich fürchte, das eine Schiff wird Verstärkung herbeiholen, sobald es uns identifiziert hat.« »Hyperkomspruch für Sie, Kristallprinz!« meldete die Funkzentrale. Ich schaltete mein Gerät ein. Auf dem Bildschirm war ein älterer Arkonide zu sehen. »Schiff LLOTKAM, Kommandant Perkamer!« meldete er sich. »An Schiff ISCHTAR! Im Auftrag von Zweisonnenträger Lantcor ersuche ich Sie, die Maschinen zu stoppen und die Ankunft des Oberbefehlshabers abzuwarten.« »ISCHTAR an LLOTKAM!« antwortete ich. »Das ist kein Schiff der Imperiumsflotte und deshalb nicht verpflichtet, Weisungen eines Befehlshabers der Imperiumsflotte zu befolgen. Entweder Sie halten sich zurück oder Sie unterstellen sich der Befehlsgewalt von Imperator Gonozal VII. und meiner Befehlsgewalt.« »Ihr Schiff ist beschädigt«, sagte Perkamer. »Ohne fremde Hilfe können Sie die Schäden kaum beheben. Ich appelliere an Ihre Vernunft und an Ihren Patriotismus,
H. G. Ewers wer immer Sie auch sind.« »LLOTKAM beschleunigt, nimmt Kurs auf uns«, meldete die Ortung. Ich nickte kaum merklich und schaute zu Helos Trubato hinüber. »Vierundsechzig Prozent LG«, flüsterte mein Erster Offizier. Das war noch zu wenig für eine Transition mit beschädigtem Aggregat. Also mußte ich den Verfolger noch hinzuhalten versuchen. »Unterlassen Sie Ihre Annäherungsversuche!« sagte ich. »Oder ich muß das Feuer eröffnen lassen. Wir haben unseren Patriotismus vor Marlackskor wohl hinreichend bewiesen, Kommandant Perkamer.« »Ich ersuche Sie noch einmal, alle Maschinen zu stoppen«, erklärte Perkamer. »Außerdem verlange ich Sonnenträgerin Arthamin zu sprechen, die sich an Bord Ihres Schiffes befindet.« »Achtundsiebzig Prozent LG!« flüsterte Trubato. Unsere Geschwindigkeit erhöhte sich in immer kürzeren Zeitabständen. Die LLOTKAM würde uns vor der Transition nicht mehr gefährlich nahe kommen. Aber es war besser, mit der Transition zu warten, bis die Verstärkung auftauchte, die Perkamer – sicher mit Hyperfunk-Richtstrahl – angefordert hatte. »Sonnenträgerin Arthamin ruht«, erwiderte ich. »Sie können mit ihr sprechen, sobald sie wach ist.« »Sie versuchen mich hinzuhalten!« rief Perkamer erregt. »Unsere Instrumente zeigen klar, daß Sie sich auf eine Transition vorbereiten.« »Neunzig Prozent LG!« meldete Trubato. »Abwarten!« entschied ich. »Mit geringen Werten weiter beschleunigen!« Die LLOTKAM holte auf, aber einholen konnte sie uns nicht mehr. Sobald wir unmittelbar an der Schwelle der Lichtgeschwindigkeit standen, konnte innerhalb des normalen Raum-Zeit-Kontinuums kein Objekt schneller sein als wir. Das bedeutete, daß von diesem Augenblick an die Entfer-
Träume aus fremder Dimension nung zwischen der LLOTKAM und uns gleichbleiben würde. Theoretisch konnten wir solange in sicherem Abstand vor der LLOTKAM herfliegen, bis ihre wegen der geringeren Größe geringeren Treibstoffvorräte aufgebraucht waren und sie zurückfiel. Praktisch war das wegen unserer beschädigten beziehungsweise durch Überbeanspruchung anfällig gewordenen Triebwerke und Maschinenanlagen nicht möglich. Ganz abgesehen vom Dilatationseffekt, der uns, flogen wir an der Schwelle zur Lichtgeschwindigkeit, um Jahrhunderte der Jetztzeit berauben würde, was es unmöglich machen würde, Orbanaschol zu stürzen und seine verhängnisvolle Politik zu beenden. Plötzlich schlugen Flammen aus den Feldsicherungen unserer Strukturtaster. Die Erschütterung ließ auf die Rematerialisation mehrerer großer Objekte schließen. »Ab!« rief ich Trubato zu. Ich bekam gerade noch mit, daß die Ortung die Ankunft von sechs schweren arkonidischen Kampfschiffen anzeigte, dann verschwanden das Universum und ich selbst aus meiner Wahrnehmung. Als der Verzerrungsschmerz der Wiederverstofflichung einsetzte, hörte ich das Heulen von Alarmsirenen. »Transitionstriebwerk ausgefallen!« plärrte eine seelenlose Automatenstimme. Ich massierte meinen Nacken mit beiden Händen, dann wischte ich mir die Tränen des Schmerzes aus den Augen und sah mich auf den Panoramabildschirm um. Ich atmete auf. »Wenigstens haben wir unser Zielgebiet erreicht, die grüne Sonne!« sagte ich.
* »Beinahe wären wir mit dem zweiten Planeten kollidiert«, meldete die Ortung. »Er ist nur eine halbe Lichtsekunde entfernt.« »Setzen Sie zur Landung an!« rief ich meinem Ersten Offizier zu. »Wir müssen so schnell wie möglich ein Versteck für das
7 Schiff finden.« »Aber wir wissen noch nichts über den Planeten«, wandte Fartuloon ein. »Was wir wissen müssen, werden wir beim Landeanflug sehen«, gab ich zurück. »Du rechnest also damit, daß die Verfolger uns bald finden werden«, meinte mein Pflegevater. »Finden sollen sie uns eben nicht«, antwortete ich. »Aber sie werden sich denken können, daß wir für unsere Transition ein System mit einem brauchbaren Planeten ausgesucht haben. Da sie außerdem wissen, daß die ISCHTAR schwer beschädigt ist, werden sie uns nicht in großer Entfernung suchen, sondern beim nächsten brauchbaren Planeten.« »Das leuchtet mir ein«, meinte Fartuloon. Er setzte sich neben mich und half mir, die von der Ortungszentrale eingehenden Daten auszuwerten. Bald wußten wir, daß der zweite Planet der namenlosen grünen Sonne etwas kleiner als die Arkonplaneten war, eine Sauerstoffatmosphäre und erträgliche Temperaturen aufwies. Es gab Berge, Ebenen, Flüsse und Meere und eine Vegetation, die sich dem ersten Anschein nach durch krasse Unterschiede auszeichnete. Helos Trubato steuerte die ISCHTAR so, daß das Schiff die Ausläufer der Atmosphäre genau in jenem Winkel traf, der für Landungen ohne Triebwerke erforderlich war, damit das Schiff weder zurück in den Raum geschleudert wurde noch durch die Reibungshitze verglühte. Er rechnete wohl vorsichtshalber damit, daß unsere Triebwerke endgültig ausfielen, zumindest aber, daß wir uns auf die Antigravprojektoren nicht verlassen konnten. Als wir nach einer halben Umkreisung des Planeten die Nachtseite unter uns liegen sahen, machten wir eine Entdeckung, die uns zutiefst bestürzte. Über einem genau abgegrenzten Gebiet des Planeten wölbte sich ein Energieschirm – und unter dem Energieschirm befand sich eine heiße Hochdruckatmosphäre, die im
8 wesentlichen aus Wasserstoff und Ammoniak bestand. »Ein Stützpunkt der Maahks, das hat uns noch gefehlt«, kommentierte mein Pflegevater und Lehrmeister die Entdeckung. »Mit Arkoniden im Nacken und Maahks vor den Augen können wir nur noch auf die Gunst der alten Götter hoffen.« »Die Götter helfen uns nicht weiter«, erwiderte ich grimmig und forderte genauere Daten von der Ortungszentrale an. »Ein von fremdartiger Vegetation überwucherter Walzenraumer und eine Ansammlung primitiver Bauwerke«, meldete der Ortungsoffizier. »Nur geringe energetische Aktivität.« »Da stimmt etwas nicht«, gab ich zurück. »Sehen Sie sich den Energieschirm an, der über dem Gebiet liegt. Um ihn zu erhalten, braucht man eine ständige Leistung von drei Gigawatt pro Sekunde. Die entsprechenden Fusionskraftwerke sollten anzumessen sein.« »Sind sie aber nicht«, gab der Offizier zurück. »Oder unsere Energieortung arbeitet fehlerhaft. Ich kann aber keine Fehlanzeigen entdecken.« »Das ist unmöglich!« schimpfte ich. »Immer langsam!« mahnte Fartuloon. »Nicht aufregen! Etwas stimmt mit den Maahks dort unten nicht, sonst wären wir längst beschossen worden. Vielleicht ist es ein verlassener Stützpunkt oder ein Depot.« »Du weißt, daß die Maahks keine Sauerstoffwelten für ihre Depots benutzen«, erwiderte ich hitzig. »Und einen verlassenen Stützpunkt würden sie nicht mit einer Energieglocke schützen. Ich glaube dir allerdings, daß dort unten etwas nicht stimmt.« »Haben Sie neue Befehle, Kristallprinz?« fragte Helos Trubato an. »Nein!« antwortete ich. »Wir können nicht wieder durchstarten, sondern müssen hier landen, ob es nun Maahks dort unten gibt oder nicht. Wo kommen wir ungefähr herunter?« »Wahrscheinlich in einem Gebiet, das auf der entgegengesetzten Planetenseite liegt,
H. G. Ewers relativ zur Maahkzone gesehen«, antwortete mein Erster Offizier. »Gut!« sagte ich. »Dann müssen wir uns wenigstens nicht sofort mit Maahks herumschlagen.« Trubato murmelte etwas, das ich nicht verstand. Er hatte wohl nur zu sich selbst gesprochen. Allerdings konnte ich mir denken, was ihn beschäftigte. Auch wenn die Maahks uns nicht sofort bedrohten, war es nicht sicher, ob die ISCHTAR in einem Stück herunterkommen würde. Die Schutzschirmprojektoren und Antigravprojektoren waren ausgefallen, die Triebwerke konnten jederzeit ausfallen – und eigentlich mußten wir den alten Göttern Arkons auf Knien danken, daß unsere Andruckabsorber bisher noch standgehalten hatten. Es gab einen spürbaren Ruck, als die ISCHTAR in die Atmosphäre eintauchte. Trubato schaltete hastig, denn infolge der unregelmäßig arbeitenden Triebwerke fing das Schiff an zu trudeln. Er brachte es allerdings schnell genug wieder unter Kontrolle. Die wenigen noch intakten Außenmikrophone übermittelten bald darauf das Heulen der dichteren Luftschichten. Die Temperatur der Außenzelle stieg an, hielt sich aber in vertretbaren Grenzen. Dann fielen schlagartig zwei weitere Triebwerke aus. Das Schiff sackte durch, wurde aufgefangen und setzte seinen Landeanflug fort. »Wenn noch zwei Triebwerke ausfallen, kann ich das Schiff nicht ausreichend abbremsen«, teilte Trubato uns mit. Ich erwiderte nichts darauf, denn Worte halfen uns auch nicht. Wenn Trubato das Schiff nicht ausreichend abbremsen konnte, bedeutete das, daß wir ziemlich hart aufschlagen würden. Vielleicht so hart, daß die Andruckabsorber die entsprechenden Kräfte nicht kompensieren konnten oder daß die Außenzelle barst und die Innenzelle sich zusammenknautschte. In beiden Fällen würde die ISCHTAR unser Grab werden. Plötzlich heulten die Alarmsirenen wieder auf. Die Strukturtaster hatten angesprochen. »Sieben Arkonraumer!« meldete die Or-
Träume aus fremder Dimension tung. »Wiederverstofflichungssektor zwischen dem dritten und zweiten Planeten, aber auf der anderen Seite der Sonne.« »Dann können sie uns nicht mehr orten«, sagte Fartuloon. »Wir müssen die ISCHTAR irgendwo verstecken.« Ich blickte auf die Subbeobachtungsschirme und sah, daß wir über ein Felsengebirge mit violetter Vegetation flogen. Kurze Zeit später sichtete ich am Horizont eine gewölbte Fläche, die das Sonnenlicht reflektierte. »Ein Ozean!« rief ich Trubato zu. »Können Sie die ISCHTAR dort auf Grund setzen?« »Keine Schwierigkeit«, gab der Erste Offizier ironisch zurück. »Sie wird von selbst sinken, wenn ich sie auf dem Wasser aufsetze. Durch das große Leck dringt genug Wasser ein, um das untere Drittel in ein Aquarium zu verwandeln. Ich bin nur nicht sicher, ob wir uns wieder vom Grund lösen können, wenn wir erst einmal unten sind.« »Wir haben keine Wahl«, erwiderte ich. Helos Trubato drosselte die verbliebenen Triebwerke etwas. Das Schiff sank schneller. Wir überflogen das Ufer des Ozeans nur noch in dreitausend Metern Höhe. Unter uns sah ich eine außergewöhnlich hohe Brandung gegen ausgezehrte Felsklippen schlagen. Als ein weiteres Triebwerk ausfiel, mußte Trubato die verbliebenen Aggregate hochschalten, sonst wären wir abgestürzt. Wir kamen dennoch zu schnell herunter. Die ISCHTAR tauchte bis über den Triebwerksringwulst ein und erzeugte eine riesige Wasserfontäne. Ohne funktionierende Andruckabsorber hätten wir den Aufprall nicht überlebt. Der Erste Offizier warf mir einen zweifelnden Blick zu, dann schaltete er die Triebwerke endgültig aus. Das Schiff füllte sich im unteren Drittel mit Wasser, dann boten die intakten Druckschotte dem nassen Element Einhalt. Gurgelnd versank die ISCHTAR in den Fluten. »Wassertiefe neunhundert Meter«, meldete die Ortung. »Der Meeresboden unter uns
9 ist stark zerklüftet. Wir werden wahrscheinlich in einer Unterwasserschlucht landen.« »Wenn die Schlucht breit genug ist, daß wir nicht anstoßen, ist das nur günstig«, meinte Fartuloon. »Dann können wir nur noch mit scharf gebündelten Hyperimpulsstrahlen geortet werden. Und es ist auch für sieben Großkampfschiffe fast zuviel verlangt, jeden Quadratmeter eines Planeten abzutasten.« »Vielleicht suchen sie gar nicht weiter nach uns, wenn sie entdecken, daß es hier einen maahkschen Stützpunkt gibt«, erwiderte ich. »Sie werden nicht annehmen, daß wir freiwillig auf einem von Maahks besetzten Planeten landen.« Fartuloon runzelte nachdenklich die Stirn. »Dafür werden sie den maahkschen Stützpunkt angreifen«, sagte er. »Auf jeden Fall wird es zu Komplikationen kommen.«
2. Das Gesicht erschien auf dem Bildschirm meines Interkoms. Der Barbar blinzelte verschlafen. »Warum weckst du mich, Atlan?« fragte er unwillig. »Ich dachte, ich soll ruhen.« »Du hast tatsächlich geschlafen!« stellte ich überrascht fest, denn unsere Notlandung war mit einer Menge lauter Geräusche verbunden gewesen, die mich garantiert geweckt hätten. »Ich habe dich geweckt, weil ich eine Aufgabe für dich habe. Wir sind auf dem Grund eines Meeres gelandet und müssen vorläufig hier bleiben, da unser Planet Besuch von sieben Arkonraumern erwartet. Ich brauche einen tüchtigen Mann, der mit mir auftaucht und sich an der Oberfläche umsieht.« »Hier ist er!« rief Ra erleichtert. »Ich komme sofort!« Ich kam nicht dazu, weitere Erklärungen abzugeben, da Ra seinen Interkom einfach ausschaltete. Kurz darauf kam er in die Kommandozentrale. »Wir werden die scheren Raumanzüge anlegen«, erklärte ich ihm. »Wegen der Or-
10 tungsgefahr können wir keine Schutzschirme aktivieren, und ohne sie wären die leichten Anzüge dem Wasserdruck nicht gewachsen.« »In Ordnung«, erwiderte Ra und holte seinen schweren Raumanzug aus dem Bereitschaftsschrank. Ich streifte ebenfalls meinen schweren Raumanzug über, schob je einen Thermostrahler und Schockblaster in die Gürtelhalfter, versah mich mit Detektoren, Infrarotbrille und allem, was zu einem Einsatz unter schwierigen Bedingungen gehörte. Als wir fertig waren, prüften wir unsere Helmfunkgeräte. »Immer nur auf geringste Reichweite schalten!« ermahnte ich den Barbaren, der in technischer Hinsicht inzwischen ebensoviel wußte und konnte wie jeder arkonidischer Raumfahrer. »Folglich müssen wir immer dicht beisammen bleiben. Ich rechne allerdings nicht damit, daß beim Auftauchen akute Ortungsgefahr besteht.« »Warum nicht?« wollte Ra wissen. »Weil es auf diesem Planeten einen Stützpunkt der Maahks gibt«, antwortete ich. »Die Arkonraumer werden sich naturgemäß zuerst darum kümmern. Wahrscheinlich werden sie versuchen, den Stützpunkt zu vernichten.« »Ganz sicher werden sie das versuchen«, warf Fartuloon ein. »Ihr Haß läßt ihnen gar keine andere Wahl. Aber ich bin nicht sicher, ob sie etwas ausrichten.« »Warum nicht?« erkundigte ich mich. Mein Pflegevater lächelte geheimnisvoll. »Weil das kein normaler Stützpunkt ist, mein Sohn. Oder hast du vergessen, daß dieser Stützpunkt von einer Energieglocke geschützt wird, die ihren hohen Energiebedarf aus unsichtbaren Kraftwerken deckt?« »Das gibt es nicht«, meinte der Barbar. »Vielleicht kommt die Energie aus einem auf die Sonne gerichteten Zapfstrahl.« »Den hätten wir geortet, denn wir sind genau über den Stützpunkt geflogen«, erwiderte ich. Ra schaute mich betroffen an.
H. G. Ewers »Über den Stützpunkt geflogen?« echote er. »Ohne beschossen zu werden?« »So ist es«, sagte ich. »Uns allen ist das alles rätselhaft. Aber Tatsachen sind Tatsachen, auch wenn sie uns unwahrscheinlich vorkommen. Gehen wir!« »Seid vorsichtig!« rief Fartuloon uns nach! »Wie immer«, gab ich zurück, obwohl ich wußte, daß diese Antwort meinen Pflegevater eher beunruhigen als beruhigen würde. Ra und ich verließen die ISCHTAR durch eine Mannschleuse in der Nähe der oberen Polkuppel. Tief unter uns sahen wir Arbeitsroboter und Techniker in schweren Raumanzügen an der Außenhülle herumklettern. Sie sollten versuchen, von außen die schlimmsten Schäden zu beseitigen. Da wir wegen der Ortungsgefahr fast alle Energieerzeuger auf ein Minimum herabgeschaltet oder desaktiviert hatten, würden sie es schwer haben. Draußen schalteten wir die Antigravgeräte unserer Raumanzüge ein, stießen uns von der Außenhülle ab und schwebten langsam aufwärts. Das Wasser war klar, so daß wir in den Lichtkegeln unserer Helmscheinwerfer die ganze bizarre Schönheit der Unterwasserklippen bewundern könnten. Grotesk anmutende Fische schwammen einzeln oder in Schwärmen um die Klippen, weideten Unterwasserpflanzen oder jagten Beutetiere. Diese Welt schien kein eigenes intelligentes Leben hervorgebracht zu haben. Dennoch befand sie sich plötzlich in Gefahr, bei dem Kampf zwischen Arkoniden und Maahks zerstört zu werden. Ich nahm mir vor, das zu verhindern, falls ich dazu in der Lage war. Wenn diese Welt verwüstet wurde, gingen sonst vielleicht die Ansätze zu einer Entwicklung intelligenter Lebewesen verloren, die die galaktischen Zivilisationen in ferner Zukunft bereichern konnten. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Ras Hand meinen linken Unterarm packte. »Da … da ist etwas!« hörte ich den Barbaren durch das Helmfunkgerät stammeln.
Träume aus fremder Dimension Er deutete in die Richtung, in die sein Lichtkegel zeigte. Der Lichtkegel seines Scheinwerfers beleuchtete nur bunte Klippen und Fische. Aber weiter hinten wurden die Konturen eines seltsamen Bauwerks durch zahlreiche helle Lichtkreise aus der Dunkelheit der Tiefe gerissen. »Anhalten!« flüsterte ich. Wir regulierten unsere Antigravaggregate so ein, daß wir auf der Stelle schwebten. »Ein großes Bauwerk«, sagte ich. »Ich begreife nicht, daß unsere Ortung es nicht erfaßte, als wir sanken.« »Vielleicht haben die Ortungsgeräte ausgesetzt«, meinte Ra. »Jedenfalls ist es kein Traum, wenn wir beide es sehen können.« »Das ist es sicher nicht«, gab ich zurück. »Wir sehen es uns aus der Nähe an – aber vorsichtig! Die Beleuchtung kann nur bedeuten, daß das Bauwerk bewohnt ist, und zwar von intelligenten Lebewesen. Seltsam, daß sie nicht auf die Landung der ISCHTAR reagierten.« Auf ein Zeichen von mir schwammen wir mit kraftvollen Stößen auf das rätselhafte Bauwerk zu …
* Je näher wir kamen, desto deutlicher konnten wir seine Konturen erkennen. Irgendwie kam mir diese Komposition von nach innen geneigten glatten Wänden, zurückweichenden Terrassen und runden Fenstern bekannt vor – und zugleich äußerst fremdartig. Auf der ersten Terrasse über der Basisstufe des Bauwerks sah ich eine transparente Halbkugel, deren Pol genau in unsere Richtung zeigte. Im Innern der Halbkugel schimmerte blauweißes Licht, das an das Licht der Arkonsonne erinnerte. Noch immer gab es keine Reaktion auf unsere Annäherung. Die Bewohner des Bauwerks waren entweder vollkommen sorglos und beobachteten ihre Umgebung nicht, oder sie besaßen eine Mentalität, deren Grundzug Passivität bis zum Extrem war.
11 Das Bauwerk, so erkannte ich nunmehr, ähnelte einem festungsähnlichen Schloß, das ich auf dem Planeten Birridom gesehen hatte. Es war an eine Felsklippe angelehnt und ungefähr hundert Meter hoch, und seine Breite betrug schätzungsweise sechzig Meter, während ich die Tiefe des Bauwerks auf dreißig Meter schätzte. Aber das Schloß des Großen Kubis auf Birridom war aus großen düsteren Steinquadern erbaut worden, während das Schloß in der Tiefe aus Stahlplastik zu bestehen schien und frei von Verfärbungen und Algenbewuchs war. Es sah so neu aus, als wäre es erst an diesem Tage fertiggestellt worden. Ra und ich landeten auf der ersten Terrasse, unmittelbar vor der transparenten Halbkugel. »Eine Schleuse!« sagte der Barbar erregt und deutete auf den Pol der Halbkugel. Ich hatte die Fuge des nach außen gewölbten durchsichtigen Schottes ebenfalls entdeckt. Aus dieser Nähe war außerdem das Innenschott zu erkennen, das in die leicht nach innen geneigte Außenwand der zweiten Stufe des Bauwerks eingelassen war. Ich suchte nach einem Wort, mit dem ich meine Gefühle ausdrücken konnte, die ich beim Gesamtanblick der Halbkugelschleuse empfand – und ich fand es schließlich. Einladend! war die treffende Bezeichnung dafür. Zu offensichtlich einladend! warnte mich der Logiksektor meines Extrahirns. Vorsicht! Das könnte eine Falle sein! »Wir werden das Risiko verringern, indem ich zuerst allein durch die Schleuse gehe«, sagte ich zu Ra. »Du wartest hier und hältst über Helmfunk Verbindung mit mir. Sollte die Verbindung abbrechen oder ich dich warnen, dann kehrst du zur ISCHTAR zurück und holst Unterstützung!« Ra musterte mich prüfend durch seinen Klarsichthelm, dann erwiderte er: »In Ordnung, Atlan!« Ich nickte ihm zu und schaltete die Leistung meines Antigravaggregats so weit her-
12 unter, daß ich festen Stand hatte und nicht bei jeder Bewegung in die entgegengesetzte Richtung abtrieb. Danach ging ich ganz an den Pol der Halbkugelschleuse heran und legte meine Hand auf eine grünlich schillernde Fläche neben der Schottfuge. Das Außenschott verschwand, ohne daß ich sehen konnte, wie dieser Vorgang ablief. Es war, als hätte es sich aufgelöst. Dennoch konnte die Erklärung nicht so einfach sein, denn wozu wäre die Fuge notwendig gewesen, wenn die Materie des Schottes sich auflöste wie manche Wände auf ISCHTARS Varganenschiff? Ich verschob die Lösung dieses Problems auf unbestimmte Zeit. Wenn man einer fremden Technologie gegenübersteht, die noch dazu von einer fremdartigen Mentalität beherrscht wurde, dann mußte man eben mit Überraschungen rechnen. Nicht alles, was für Arkoniden logisch war, mußte für den andersdenkenden Verstand Fremder logisch sein. Ich umfaßte den unteren Rand der Öffnung mit beiden Händen und zog mich mühelos in die halbkugelige Schleusenkammer hinein. Dort schaltete ich mein Antigravaggregat ganz aus, um die Schwerkraft zu prüfen, die hier herrschte. Ich brauchte dazu keinen Detektor, da ich durch meine Erfahrungen mit der Schwerkraft vieler Planeten ein Gefühl dafür entwickelt hatte, um wieviel eine Gravitation von der künstlichen Gravitation an Bord unserer Raumschiffe und damit von der auf den Arkonwelten herrschenden Gravitation abwich. Zu meinem Erstaunen registrierte ich, daß die Schwerkraft in der Schleusenkammer genau der auf der ISCHTAR entsprach, und das, obwohl die Schwerkraft dieses Planeten darunter lag. Eine Konzession an Besucher? Wenn das so war, dann mußten die Bewohner des Unterwasserschlosses empfindliche telemetrische Geräte besitzen, mit denen sie die Schwerkraft an Bord der ISCHTAR gemessen hatten. Die Sache wurde immer mysteriöser,
H. G. Ewers denn wenn die Bewohner soviel über uns wußten, warum hielten sie sich dann weiterhin im Hintergrund? Ich drehte mich um und nickte Ra beruhigend zu. Dabei bemerkte ich, daß das transparente Außenschott sich wieder geschlossen, beziehungsweise aufgebaut hatte. Aber ich merkte noch etwas anderes: Das in die Schleusenkammer eingedrungene Wasser war verschwunden. Es war tatsächlich verschwunden und nicht etwa abgepumpt worden, denn das hätte ich bemerken müssen. Die Technologie der Schloßbewohner scheint unserer überlegen zu sein! meldete sich mein Logiksektor. Ich verzog das Gesicht und sagte über Helmfunk: »Laß dich nicht durch Äußerlichkeiten stören, Ra. Ich werde jetzt das Innenschott öffnen.« Der Barbar blickte mich nur an, erwiderte aber nichts. Ich hätte gern gewußt, was in seinem Kopf vorging. Aus Erfahrung wußte ich, daß sein Gehirn ähnlich aufgebaut war wie das Gehirn eines Arkoniden. Aber es arbeitete anders, was wahrscheinlich daran lag, daß er in einer völlig anderen Umwelt aufgewachsen war. Ich wandte mich dem Innenschott zu und entdeckte neben seiner Fuge die gleiche kleine grünlich schillernde Fläche wie neben dem Außenschott. Als ich die Hand auflegte, verschwand das Innenschott ebenfalls. Ich blickte durch die kreisrunde Öffnung in eine kleine Halle, die ebenfalls in blauweißes Licht getaucht war. Die Hallendecke wurde durch eine Säule gestützt, die den Säulen im Hügel der Weisen, dem Regierungspalast auf Arkon, ähnelte. Desgleichen hatten die muldenförmigen Wandnischen mit den Reliefs eine gewisse Ähnlichkeit mit den Wandnischen der Hallen im Hügel der Weisen. Nur gab es hier keine konkreten Reliefbilder, sondern mehr oder weniger verworrene Symbole. »Es sieht fast so aus, als wäre das Schloß von einem schizophrenen Arkoniden erbaut
Träume aus fremder Dimension worden«, sagte ich ins Helmmikrophon. Es war eine unwillkürliche akustische Reaktion auf den Anblick der Halle, die ich im nächsten Augenblick bereute. Wenn der Schloßherr ein Arkonide war und mithörte, mußte die Bemerkung ihn gegen mich eingenommen haben. »Aber das ist natürlich nur der erste Eindruck, der überhaupt nichts über die tatsächlichen Verhältnisse aussagt«, versuchte ich meine unbedachte Bemerkung abzumildern. »Ich betrete die Halle und sehe mich um.« »Sieh dich vor, Atlan«, erwiderte Ra. »Von diesem Schloß geht eine unbestimmbare Drohung aus.« Ich tat diese Warnung nicht leichtfertig ab, denn Ra konnte mit seinen Barbareninstinkten oftmals Gefahren spüren, bevor mein Extrahirn reagierte. »Ich werde aufpassen«, gab ich zurück. Ich betrat die Halle. Hinter mir schloß sich das Innenschott. Damit war meine Sichtverbindung nach draußen abgerissen. Aber die Funkverbindung funktionierte noch einwandfrei, wie eine kurze Probe bewies. Ich sah mich aufmerksam in der Halle um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Es sei denn, ich wollte die Tatsache, daß die Bewohner sich nicht sehen ließen, als verdächtig bezeichnen. »Sehen wir also weiter!« sagte ich zu mir selbst.
* Die Außendetektoren meines Anzugs zeigten mir, daß in der Halle eine atembare Sauerstoffatmosphäre herrschte. Dennoch ließ ich meinen Druckhelm geschlossen, denn die Anwesenheit gefährlicher Mikroben oder Giftstoffe konnte ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln weder ausschließen noch erkennen. Als ich den Blick von den Detektoranzeigen hob, stellte ich überrascht fest, daß sich die Reliefbilder der Wandnischen verändert hatten. Sie zeigten nicht mehr verworrene Symbole, sondern konkrete Abbildungen,
13 wie zum Beispiel die von exotischen Pflanzen, Tieren und Intelligenzen. Die Konturen waren jedoch nicht scharf gezeichnet, sondern so verschwommen gehalten, als hätte das, was die Veränderung der Reliefs bewirkt hatte, nur noch undeutliche Erinnerungen an die abgebildeten Dinge. Ich runzelte die Stirn. War es möglich, daß die Schloßbewohner durch die Veränderungen an den Reliefs versuchten, eine Kommunikation mit mir aufzubauen oder mir etwas mitzuteilen? Aber warum diese umständliche Art und Weise? Scheuten die Schloßbewohner vielleicht die unmittelbare Gegenüberstellung? Waren sie mißgestaltet oder durch einen Unfall verunstaltet, so daß sie fürchteten, ich würde bei, ihrem Anblick Abscheu empfinden? Ich beschloß, wenigstens den Versuch einer akustischen Kommunikation zu unternehmen. Nachdem ich die Außenlautsprecher meines Raumanzugs eingeschaltet hatte, rief ich: »Hier steht Atlan, Kristallprinz des Großen Imperiums! Wenn mich jemand hört und versteht, bitte ich das durch ein Zeichen zu erkennen zu geben! Ich komme als friedlicher Besucher und wäre glücklich, hier Gastfreundschaft zu finden.« Ich lauschte. Die empfindlichen Außenmikrophone meines Raumanzugs würden mir die geringste Lautäußerung übermitteln. Aber ich hörte absolut nichts. Die Bewohner des Unterwasserschlosses reagierten nicht. Im nächsten Augenblick nahm ich doch eine Reaktion wahr. In der mir gegenüberliegenden Wand der Halle hatte sich lautlos eine Öffnung gebildet. Wahrscheinlich war das die Art und Weise der Schloßbewohner, sich mir verständlich zu machen. Zweifellos handelte es sich um eine Einladung, die Öffnung zu benutzen. Ich berichtete Ra ganz kurz, was bisher geschehen war und daß ich durch die Öffnung gehen wollte.
14 »Das Schloß ist die Wohnung von Göttern«, erwiderte der Barbar. »Auch die Götter machen sich oft nur durch lautlose Zeichen verständlich.« »Vielleicht«, sagte ich ohne Überzeugung. Ra war eben noch in der barbarischen Vorstellungswelt seines Volkes befangen, in der es von Göttern und Dämonen wimmelte. Langsam ging ich durch die Öffnung und blieb überrascht stehen. Ich befand mich in einer noch größeren Halle, in deren Hintergrund Bäume wuchsen. Im Vordergrund befand sich eine Rasenfläche, auf der ein Akibah weidete, ein Vertreter der Wildform unserer arkonidischen Parkrinder. Ich zog meinen Thermostrahler, denn wilde Akibahs sind oft angriffslustig, vor allem, wenn man sie erschreckt. Aber dieser Akibah blieb ruhig stehen und sah mich zutraulich und ein wenig traurig an. Allmählich wurde es mir unheimlich in diesem seltsamen Schloß. Wie kam ein Akibah auf einen Planeten in einem Raumsektor, der normalerweise von Arkonschiffen gemieden wurde? Und warum schufen seine Besitzer in ihrem Schloß künstlich eine Kopie der natürlichen Umwelt des Tieres, anstatt es frei auf der Planetenoberfläche herumlaufen zu lassen? Allerdings, so sagte ich mir, hätte ich den Akibah bereits erlegt, wenn ich ihn oben in freier Wildbahn angetroffen hätte, denn diese Tiere lieferten sehr wohlschmeckendes Fleisch, und das hatte ich in letzter Zeit vermißt. Hier im Schloß durfte ich es natürlich nicht schießen, denn es stand fest, daß es einen Besitzer hatte. Die Frage war nur, warum ich ausgerechnet in diesen Raum mit dem Akibah eingeladen worden war. Ich machte einen Schritt vorwärts. Plötzlich warf der Akibah den Kopf in den Nacken, wirbelte herum und verschwand in wilder Flucht zwischen den Bäumen. Ich verlor allmählich die Geduld. Vor allem, als ich mich daran erinnerte, daß ich mich nicht unbegrenzte Zeit in diesem
H. G. Ewers Schloß aufhalten durfte. Ich mußte so bald wie möglich mit Ra an die Oberfläche, um Ausschau nach den Schiffen Lantcors zu halten. Deshalb folgte ich dem Tier und ging schneller als vorher. Ich konnte nicht sehen, was hinter den Bäumen lag, denn sie standen zu dicht. Da ich mit einem Überraschungsangriff des Akibahs rechnen mußte, beobachtete ich die Umgebung sehr aufmerksam und hielt die Strahlwaffe schußbereit. Aber der Akibah ließ sich nicht mehr sehen, und plötzlich stand ich vor einer Videowand, die eine Fortsetzung des Waldes vortäuschte. Während ich mich noch fragte, wie der Akibah durch diese Wand gekommen sein sollte, bildete sich vor mir eine Öffnung. Ich faßte das als weitere Einladung auf und ging vorsichtig hindurch. Auf der anderen Seite war keine Halle, sondern ein Zimmer mit quadratischem Grundriß und einem Fußboden aus roten Steinfliesen. Und hier begegnete ich einem weiteren Akibah. Allerdings stand er mir nicht gegenüber wie der erste, sondern stak abgehäutet und ausgeweidet auf einem Bratspieß, der an einem Gestell über einem Holzkohlefeuer hing und sich, wie von Geisterhand bewegt, langsam drehte. Ich stieß eine Verwünschung aus. Da mein Helmfunkgerät eingeschaltet war, hörte Ra sie. »Was ist passiert?« fragte er. »Nichts Schlimmes«, antwortete ich. »Nur, daß ich allmählich das Gefühl bekomme, als würde das Schloß von Geistern bewohnt, die meine Gedanken lesen können. Ich bin vorhin einem lebenden Akibah begegnet und dachte daran, daß ich lange kein Wildbret gegessen hätte. Als ich den nächsten Raum betrat, fand ich einen abgehäuteten und ausgeweideten Akibah, der sich über einem Holzkohlefeuer am Spieß dreht.« Ich hörte ein schmatzendes Geräusch, dann sagte Ra:
Träume aus fremder Dimension »Ein Akibah ist ein eßbares Wildtier, nicht wahr? Wenn du erlaubst, komme ich nach. Ich habe nämlich auch Hunger.« »Ich glaube dir«, erwiderte ich. »Aber wir rühren hier nichts an, bevor die Gastgeber sich gezeigt haben. Ich habe das Gefühl, als ginge es hier nicht mit rechten Dingen zu. Der Bratspieß dreht sich nämlich, ohne daß eine Antriebsvorrichtung zu erkennen wäre.« Ich schaute wieder zu dem Akibah hin und blinzelte verblüfft. Meine Beobachtungsgabe schien gelitten zu haben. Der Bratspieß drehte sich nicht von selbst, sondern wurde von einem kleinen Elektromotor angetrieben. »Ich muß mich berichtigen«, teilte ich Ra mit. »Der Bratspieß wird von einem Motor angetrieben. Ich muß ihn vorhin übersehen haben.« Aber es gibt keine sichtbare Energiequelle, die den Motor in Gang setzt! teilte mir mein Extrahirn mit. Ich sehe eine Parallele zu dem Energieschirm, der seine Energie scheinbar aus dem Nichts bezieht. Ich mußte lächeln, als ich das dünne und kaum sichtbare Kabel entdeckte, das von der Wand zu dem Elektromotor lief. Es gab also doch keine Parallele zu dem Energieschirm über dem Gebiet der Maahks. Das Kabel war eben noch nicht vorhanden! teilte mir mein Extrahirn mit. Ich spürte, wie meine Haltung sich versteifte. Wenn das Kabel vorhin noch nicht vorhanden gewesen war – und in der Beziehung konnte ich auf mein Extrahirn verlassen –, dann gab es jemanden in dem Schloß, der Dinge aus dem Nichts heraus entstehen lassen konnte. Dieser Jemand schien jedoch daran interessiert zu sein, daß sein Besucher nichts von dieser Fähigkeit oder Möglichkeit erkannten. Darum korrigierte er offensichtliche Fehler. Plötzlich verspürte ich den Drang, den oder die Schloßbewohner so schnell wie möglich zu stellen und das Geheimnis des Unterwasserschlosses zu lösen, wie immer
15 es auch aussehen mochte. »So leid es mir tut, aber der Braten ist vorerst tabu für uns«, teilte ich Ra mit. »Ich gehe weiter.«
3. Was mir besonders starkes Kopfzerbrechen bereitete, waren die bereitwillig entstehenden Öffnungen zu den Wänden. Da sie sich hinter mir immer wieder schlossen, fragte ich mich, ob sie sich wohl auch so bereitwillig bilden würden, wenn ich das Schloß verlassen wollte. Nachdem ich den Raum mit dem Spießbraten verlassen hatte, machte ich die Probe aufs Exempel. Ich wartete, bis sich die Öffnung hinter mir geschlossen hatte, dann ging ich auf die betreffende Stelle zu. Die Öffnung entstand, als ich noch zwei Schritte davon entfernt war. Erleichtert darüber, ging ich hindurch. Wieder wartete eine Überraschung auf mich. Der Bratspieß mit dem Akibah war verschwunden, und zwar so spurlos verschwunden, als hätte es keines von beidem gegeben. Die Schloßbewohner konnten also nicht nur Dinge aus dem Nichts entstehen lassen, sie konnten sie auch wieder im Nichts verschwinden lassen, wenn sie nicht mehr benötigt wurden. Natürlich war ich weit davon entfernt, an Zauberei zu glauben, wie Ra es vielleicht getan hätte. Ich wußte, daß es keine Zauberei gab, sondern bestenfalls Erscheinungen, die wie Zauberei wirkten. Da aber jede Erscheinung, wie immer sie auch geartet war, nur im Einklang mit den Naturgesetzen zustande kommen konnte, war alles Rätselhafte eben der Ausdruck des Wirkens einer Technologie, die ich nicht durchschaute, weil mir ihre Prinzipien unbekannt waren. Ich beschloß, mich nicht über das Auftauchen und Verschwinden von Dingen aufzuregen, sondern alles nur zu registrieren. Hinter mir hatte die Öffnung sich mittlerweile wieder geschlossen. Sie bildete sich neu, als
16 ich auf die betreffende Stelle in der Wand zuging. »Gibt es etwas Neues?« fragte Ra an. »Bis jetzt nicht«, antwortete ich. »Hat sich bei dir etwas getan?« »Überhaupt nichts«, sagte der Barbar. »Gut. Ich werde versuchen, meine Schloßbesichtigung so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Wir haben schließlich noch andere Sachen zu erledigen. Bis gleich.« Ich trat zum zweitenmal durch die Öffnung. Der Raum dahinter hatte keine neue Sensation für mich bereit. Es handelte sich um ein Zimmer, das mit breiten gepolsterten Wandbänken ausgestattet war, die zum Entspannen einluden. Aber nicht nur aus Zeitmangel widerstand ich der Versuchung, mich auf einer der Wandbänke auszustrecken. Als ich den Raum durchquert hatte, bildete sich wieder eine Öffnung. Dahinter lag ein breiter Korridor, in dem zwei gegenläufige Transportbänder liefen. Ich stieg auf das Band, das nach links führte, weil es das nächste war. Das Transportband trug mich eine Strecke – geradeaus, dann bog der Korridor leicht nach rechts ab. Meiner Meinung nach führte er dadurch in den Felsen hinein, an den sich das Schloß anlehnte. Als links und rechts in den, Korridorwänden normale Schotte auftauchten, verließ ich das Band und stellte mich vor eines der Schotte. Diesmal verschwand es nicht, sondern teilte sich in der Mitte. Die beiden Schotthälften versanken in den Seitenwänden, wie es Schotte auf arkonidischen Raumschiffen auch getan hätten. Und wie in einem Raumschiff sah auch die Kabine aus, die ich hinter der Öffnung sah. Das Pneumobett war ein wenig zu breit, der Tisch zu niedrig, die beiden Sessel hatten keine Beine – ansonsten glich die Ausstattung der einer Mannschaftskabine auf jedem beliebigen Raumschiff der Imperiumsflotte.
H. G. Ewers Ich ging gar nicht erst hinein, sondern wandte mich dem nächsten Schott zu. Auch hier der gleiche Öffnungsvorgang, die gleiche Einrichtung … Nein, etwas war anders! Hier war das Pneumobett nicht zu breit, der Tisch nicht zu niedrig, und die beiden Sessel hatten Beine wie die Sessel in Mannschaftskabinen auf Imperiumsschiffen. Ich kehrte zum ersten Schott zurück. Als es sich geöffnet hatte, entdeckte ich, daß auch hier die Ausstattung entsprechend meiner Vorstellung von Imperiumsschiffen korrigiert worden war. Die Schloßbewohner mußten demnach in der Lage sein, meine Gedanken oder einen Teil meiner Gedanken zu lesen, und sie korrigierten die von ihnen gemachten Fehler, sobald sie sie als solche erkannten. Das gab mir die Gewißheit, daß es sich nicht um Arkoniden handeln konnte. Arkoniden konnten durchaus lernen, mit einer vorgefundenen fremden Technologie zweckentsprechend umzugehen. Aber sie brauchten keine Details der Inneneinrichtung von Raumschiffen zu lernen, weil sie sie kannten. Ich blickte noch in weitere drei Kabinen. Sie glichen sich alle wie ein Ei dem anderen. Danach verzichtete ich auf weitere Kabineninspektionen und stellte mich wieder auf das Transportband. Es brachte mich zu einem Antigravschacht. Vorsichtshalber legte ich die Hand auf den Schalter für die Aktivierung meines Antigravaggregats, als ich mich in den Schacht schwang. Aber er funktionierte tatsächlich wie ein arkonidischer Antigravschacht. Ich stieß mich so ab, daß ich nach oben schwebte. Im nächsten Stockwerk stieg ich wieder aus. Als ich vor mir einen Korridor mit völlig gleichen Schotten sah, kehrte ich in den Schacht zurück. Diesmal schwebte ich bis ganz nach oben, wo der Antigravschacht endete. Als ich diesmal ausstieg, befand ich mich in einem riesigen Kuppelsaal mit transparentem Dach und transparenten Wänden. Große
Träume aus fremder Dimension Scheinwerfer strahlten das Wasser an, so daß ich die bunten Klippen und Fischschwärme deutlich sehen konnte. Der Anblick war hübsch, aber nicht das, was ich suchte. Also kehrte ich in den Schacht zurück stieß mich ab und schwebte bis zu seinem unteren Ende. Doch auch hier wurde ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, technische Anlagen vorzufinden, die wir bei der Instandsetzung unseres Raumschiffs verwenden konnten, so etwas wie Materieprojektoren etwa. Ich war sogar noch immer sicher, daß es so etwas geben müsse, denn irgendwie mußten die scheinbar aus dem Nichts entstehenden Dinge ja erzeugt und an den vorbestimmten Ort projiziert oder anderweitig befördert werden. Aber nichts dergleichen ließ sich finden. Das Unterwasserschloß bot sich förmlich als bequeme und nützliche Unterkunft für die Besatzung der ISCHTAR an, aber es hatte nichts anzubieten, was uns helfen konnte, diesen Planeten bald wieder zu verlassen. Noch war ich entschlossen, keine Gewalt anzuwenden, um nach den Maschinen zu suchen. Schließlich hatten die Schloßbewohner auch gegen mich keine Gewalt angewendet. Sie versuchten auch nicht, mich zurückzuhalten, als ich den Weg zurückging, den ich gekommen war. Allerdings ließen sie sich immer noch nicht sehen. Ra schaute mich erwartungsvoll an, als ich das Schloß durch die halbkugelförmige Schleuse verließ. »Wir haben einen Platz gefunden, an dem wir wohnen können, nichts weiter«, sagte ich. »Aber ich ziehe als Behausung doch die ISCHTAR vor.« »Mir ist das Schloß unheimlich«, meinte der Barbar. »Es strahlt eine Bedrohung aus. Vielleicht ist es von unsichtbaren Dämonen bewohnt.« »Oder von guten Geistern«, erwiderte ich scherzhaft. »Leider können wir nicht warten, bis diese Geister sich zeigen. Wir steigen weiter auf und gehen an Land.«
*
17 Die Lichter des Unterwasserschlosses blieben noch lange sichtbar, während wir aufstiegen. Erst dicht unter der Wasseroberfläche entschwanden sie unserer Sicht. Wir tauchten auf und sahen uns um. Von den sieben Schiffen Lantcors war nichts zu sehen. »Ich denke, wir dürfen es wagen, die Rückstoßaggregate einzuschalten«, sagte ich. »Aber wir gehen nicht höher als zehn Meter und fliegen langsam auf den nächsten Küstenstreifen zu. Sobald wir Raumschiffe oder andere Fahrzeuge bemerken, tauchen wir unter beziehungsweise landen wir und schalten unsere Aggregate aus!« »Wahrscheinlich würden wir nichts davon merken, wenn die Schiffe den Maahkstützpunkt angreifen, nicht wahr?« erkundigte sich Ra. »Sicher nicht, da der Stützpunkt auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten ist«, antwortete ich. Wir schalteten die Rückstoßaggregate unserer Aggregattornister ein und stiegen auf zehn Meter Höhe. Das Meer hatte nur geringen Wellengang. Im Oberflächenwasser waren keine Fischschwärme zu sehen. Von Fischfang konnte hier demnach niemand leben. Langsam flogen wir in Richtung zur Küste, die wir mit der ISCHTAR überflogen hatten. Wir hatten leichten Rückenwind, und über uns wölbte sich ein blauer Himmel mit nur wenigen kleinen Wolken, die für uns seltsam aussahen, da die grüne Sonne sie in schimmernde Smaragde verwandelte. Bald schon mußte ich meine Ansicht über die Unergiebigkeit von Fischerei umstoßen. Unter uns tauchten, in dem klaren Wasser deutlich erkennbar, große Schwärme unterarmlanger, silbrig schimmernder Fischleiber auf. Diese Welt schien ein Paradies zu sein, wenn man von dem maahkschen Stützpunkt absah. Vielleicht sind die Fischschwärme auch nur aus dem Nichts geschaffen worden! teilte mein Extrasinn mir mit.
18 Aber warum? dachte ich zurück. Warum sollte jemand daran interessiert sein, meine Vorstellungen von einem Paradies zu realisieren? Das alles könnten Manöver sein, um euch über die wahre Natur des Planeten hinwegzutäuschen! meinte mein Logiksektor. Jedenfalls ist äußerste Wachsamkeit geboten. Ich hatte schon oft erfahren, daß ich gut daran tat, die Warnungen meines Extrahirns zu beachten. In diesem Fall jedoch war eine Ermahnung unnötig. Die Anwesenheit von Maahks und von Schiffen der Imperiumsflotte erforderte ohnehin höchste Wachsamkeit. Weit vor uns tauchte die Küste auf. Es war eine flache Felsenküste mit vielen Riffs und kleinen, sandbedeckten Buchten. Die Vegetation dahinter erinnerte vage an die Vegetation auf den Arkonplaneten, aber sie wirkte sehr eintönig. Ihr fehlte die Vielfalt der Arten, die auf den Arkonwelten herrschte. Wir stiegen etwas höher, da die Brandung so wuchtig gegen die Felsenküste donnerte, daß der Gischt bis zu zwanzig Meter hoch spritzte. Noch immer war von den Schiffen Lantcors nichts zu entdecken. Sie mußten tatsächlich in der Nähe des maahkschen Stützpunkts sein. Für einen Augenblick drängte sich mir die Hoffnung auf, sie möchten beim Angriff auf die Maahks abgeschossen worden sein. Ich verwarf diesen unbewußt aufgetauchten Gedanken voller Abscheu. Niemals würde ich arkonidischen Raumfahrern den Tod wünschen, und niemals würde ich Maahks wünschen, arkonidische Raumfahrer zu besiegen, auch wenn diese Raumfahrer uns jagten, weil ihre Anführer es ihnen so befohlen hatten. Ich streckte den Arm aus und deutete auf einen Hügel, der sich im Hinterland, ungefähr zehn Kilometer von der Küste entfernt, erhob. »Dort landen wir und suchen nach Funkimpulsen!« sagte ich. Ras Kopf bewegte sich nickend in seinem
H. G. Ewers Klarsichthelm. Wir brauchten unseren Kurs nur geringfügig zu ändern, um den Hügel anzufliegen. Seine Kuppe war fast völlig kahl, bis auf ein paar Grasbüschel, die aussahen, als hätte jemand sie übriggelassen. In kurzer Zeit waren wir bei dem Hügel und landeten auf der Kuppe. Sofort machten wir uns an die Arbeit. Rein technisch gesehen, konnten wir sowohl mit unseren einfach lichtschnell arbeitenden Helmtelekomen als auch mit den überlichtschnell arbeitenden Minikomen jeden Sender empfangen, der sich auf der Oberfläche dieses Planeten befand. Mit den Minikomen ließ sich sogar jeder Planet dieses Systems erreichen. Die Schwierigkeit bestand darin, daß die Schiffe Lantcors vielleicht mit Richtstrahlen arbeiteten, die eine Abhörung des Funkverkehrs erschwerten oder sogar unmöglich machten. In diesem Falle würden wir nur Erfolg haben, wenn einer der Funkrichtstrahlen für ein Schiff bestimmt war, das in gerader Linie zwischen uns und dem Absender der Funknachricht flog oder stand. Angesichts der bekannten Tatsachen wappneten wir uns mit Geduld – und nach fast einer Stunde des Suchens und Lauschens empfingen wir einen Telekomspruch, der von einem Schiff namens EPITHUR kam und für die GLORMOUN, das Flaggschiff Lantcors, bestimmt war. »Wir haben alles versucht«, berichtete der Kommandant der EPITHUR seinem Flottenbefehlshaber. »Aber unsere Energiestrahlen verschwinden genauso wie unsere Raumtorpedos spurlos, bevor sie den Energieschirm über dem Maahkstützpunkt treffen. Die Maahks setzen hier offenbar eine neue Waffe ein.« »Mir liegen gleichlautende Berichte von den Kommandanten der anderen Schiffe vor«, antwortete Zweisonnenträger Lantcor. »Da es sinnlos ist, unsere Energie nutzlos zu vergeuden, ziehen wir uns zurück und landen. In einer Beratung werden wir unsere nächsten Maßnahmen gegen den Maahkstützpunkt festlegen. Achtung, flie-
Träume aus fremder Dimension gen Sie los!« Die Funksendung brach so plötzlich ab, daß es nur einen Schluß zuließ: Die GLORMOUN hatte ein Manöver vollführt, das sie aus der gedachten Geraden zwischen dem Absender und uns geführt hatte. Da Funkrichtstrahlen während einer Sendung oder des Empfangs einer Sendung automatisch mitgeführt wurden, lagen wir nicht mehr im Empfangsbereich. Sie selbst hatte offenkundig keinen Richtstrahl benutzt, um alle Schiffe gleichzeitig zu erreichen. Ich schaute zu Ra und bemerkte, daß er mich unverwandt, anstarrte. Was mochte hinter der Stirn dieses Barbaren vorgehen? Ich selber war verwirrt. Der Bericht der EPITHUR konnte doch nur bedeuten, daß jemand oder etwas die Energiestrahlen und Raumtorpedos, die das Schiff auf den Maahkstützpunkt abgeschossen hatte, aus dem Verkehr gezogen hatte. Der Vorgang glich zu stark dem Verschwinden von Dingen im Unterwasserschloß, als daß sich die Parallele nicht förmlich aufgedrängt hätte. Wenn die Parallele aber stimmte, dann bedeutete das nicht mehr und nicht weniger, als daß die Bewohner des Unterseeschlosses identisch mit den Beherrschern des gesamten Planeten waren und daß hier nichts geschah, was sie nicht billigten. Ich schauderte bei dem Gedanken daran, daß wir uns durch eine unbedachte Handlung die Feindschaft dieser Wesen zuziehen könnten. »Dort ist etwas geschehen, was wir uns noch nicht erklären können«, sagte ich zu Ra, um ihn zu beruhigen. »Doch ganz gleich, wer es auslöste und wie, wir können die Vorgänge zu unserem Vorteil nutzen, wenn wir unsere Karte richtig ausspielen. Lantcor sieht sich mit dem Erbfeind aller Arkoniden konfrontiert. Ich hoffe, er wird seine Abneigung gegen uns solange zurückstellen, bis er weiß, daß er auf diesem Planeten nichts gegen die Maahks ausrichten kann.« »Willst du ihn anrufen?« fragte Ra ruhig.
19 »Nein, wir werden hier warten und lauschen. Vielleicht fangen wir weitere Funksprüche auf, die uns etwas über Lantcors weitere Pläne verraten.«
* Leider warteten wir vergeblich auf weitere Funksprüche. Statt dessen kam etwas anderes. Ra, der schärfere Augen als ich besaß, entdeckte die silbrig schimmernden Pünktchen am Horizont zuerst. Er rief etwas in seiner Muttersprache und deutete mit ausgestrecktem Arm in die Richtung. Ich folgte ihm mit den Augen, und nach einer Weile entdeckte ich die silbrig schimmernden Pünktchen ebenfalls. Es waren sieben, und sie bewegten sich genau in unsere Richtung. »Das ist die GLORMOUN mit ihren Begleitschiffen«, stellte ich fest. »Wenn sie nicht abdrehen, sondern sich uns weiter nähern, müssen wir uns in die ISCHTAR zurückziehen.« Aufmerksam beobachteten wir die Lichtpunkte, die immer mehr anschwollen. Sie flogen mit Überschallgeschwindigkeit, denn wir hörten das dumpfe grollende Rumoren der Schiffstriebwerke erst, als die Punkte für uns zu handtellergroßen Kugeln geworden waren, die sich uns unaufhaltsam näherten. Wen sie das Meer über dem Landeplatz der ISCHTAR überflogen, mußten ihre Ortungsgeräte das Schiff anmessen. Für diesen Fall wollte ich lieber selbst an Bord sein und nicht irgendwo draußen, wo ich keinen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Ergebnisse nehmen konnte. Ich bedeutete Ra durch Handzeichen, es mir nachzutun, dann schaltete ich mein Flugaggregat ein und hob ab. Die Raumschiffe waren noch zu weit entfernt, um die relativ geringe Energieemission unserer Aggregate orten zu können. Aber wir mußten uns beeilen, denn die Schiffe flogen erheblich schneller als wir. Nachdem wir die Brandung überflogen
20 hatten, stießen wir bis dicht über die Wasseroberfläche hinab und schalteten unsere Flugaggregate hoch. Diesmal war es kein sanftes Schweben, sondern ein rasender Flug, der uns zu der Stelle zurückbrachte, unter der die ISCHTAR lag. Ich achtete nicht auf die Fischschwärme, die das Oberflächenwasser bevölkerten. Mit Hilfe unserer Flugschreiber hatten wir die Auftauchstelle schnell lokalisiert. Inzwischen waren die Raumschiffe so nahe, daß wir die Triebwerksringwulste erkannten. Ohne zu zögern, ließen wir uns absinken und schalteten sämtliche Antriebssysteme aus. Dadurch konnte die Schwerkraft des Planeten uns packen und zum Grund des Meeres ziehen. Die Passivortung der ISCHTAR erfaßte uns, als wir die Hälfte der Strecke nach unten zurückgelegt hatten. Wir merkten es daran, daß Fartuloon uns über Telekom anrief und sich nach unserem Befinden erkundigte. »Sofortige Funkstille!« erwiderte ich. »Lantcor ist im Anflug!« Mein Pflegevater stellte keine überflüssigen Fragen, sondern unterbrach den Funkverkehr sofort. Als wir das Schiff erreichten, öffnete sich die Schleuse, durch die wir es verlassen hatten. Die Kammerbeleuchtung war auf ein Minimum herabgeschraubt, so daß ich meinen Lehrmeister erst erkannte, als ich auf beiden Füßen landete. Fartuloon wartete, bis das Außenschott sich geschlossen hatte und das Wasser abgepumpt worden war, dann öffnete er seinen Druckhelm. Ra und ich taten es ihm nach. »Seid ihr in Ordnung?« fragte er besorgt. »Wir sind in Ordnung«, antwortete ich. Danach berichtete ich in kurzen Zügen über das Unterwasserschloß, die unheimliche Macht, die dort und über den ganzen Planeten herrschte und über den fehlgeschlagenen Angriff der Schiffe Lantcors gegen den Maahkstützpunkt. »Diese Macht scheint demnach eine schützende Hand über die Maahks zu halten«, meinte Fartuloon. »Hoffentlich wendet
H. G. Ewers sie sich dann nicht gegen uns, die Todfeinde der Maahks.« »Vorerst müssen wir sehen, wie wir Lantcor dazu bringen, uns nicht anzugreifen«, erwiderte ich. »Seine Schiffe werden die ISCHTAR orten, wenn sie ihre Flugrichtung beibehalten.« »Gehen wir erst einmal in die Zentrale«, sagte mein Pflegevater. In der Zentrale angekommen, befahl ich einem Offizier, Karmina Arthamin aus ihrer Kabine zu holen. Ich selbst zog meinen Raumanzug aus und holte meinen Vater. Wieder verspürte ich peinigenden seelischen Schmerz, als ich meinen Vater führen mußte. Bevor ich ihn in die Kommandozentrale führte, wischte ich ihm den Speichel aus den Mundwinkeln. Mein Vater gab einige unartikulierte Laute von sich. Karmina Arthamin war bereits da, als wir die Zentrale betraten. Sie blickte erst meinen Vater, dann mich an und sagte: »Wahrscheinlich werden wir wieder für eine Schau gebraucht. Schämen Sie sich eigentlich nicht, Atlan?« »Doch«, gab ich bedrückt zu und bemerkte die Überraschung in Karminas Augen. »Aber die Interessen des Großen Imperiums stehen über denen von Einzelpersonen. Wenn es um die Existenz meines Volkes geht, müssen private Gefühle zurückstehen.« »Beinahe hätten Sie mich für Sie eingenommen«, erwiderte die Sonnenträgerin. »Aber Ihre Argumente sind zu vordergründig, als daß sie mich überzeugen würden. Sie wollen doch nur etwas für sich erreichen.« »Du solltest sie bis zum Kinn in die Erde vergraben lassen, damit die Ameisen ihr arrogantes Gesicht fressen«, warf Ra ein. »Erde?« fragte ich. »Der Boden«, antwortete Ra. »Alles Leben kommt aus der Erde, und alles Leben kehrt in die Erde zurück, damit es wiedergeboren werde.« »Wer ist dieser schmutzige Barbar?« fragte Karmina, als ob sie es nicht schon längst wüßte.
Träume aus fremder Dimension »Er heißt Ra und ist mein Freund«, erwiderte ich. »Sie haben überhaupt kein Recht, sich über sein barbarisches Ansinnen zu erregen. In Orbanaschols Namen wurden schlimmere Foltern verhängt. Ich denke nur an den Blinden Sofgart und seine Folterwelt. Natürlich werde ich niemals Grausamkeiten dulden und schon gar nicht befehlen.« In diesem Augenblick meldete sich die Ortungszentrale und teilte mit, daß die ISCHTAR von fremden Ortungsimpulsen getroffen wurde. »Das ist der Grund, warum Sie und Gonozal VII. hier sind«, sagte ich zu Karmina Arthamin. »Und ich will ›für mich‹ erreichen, daß Lantcor mit uns verhandelt, anstatt uns auszulöschen.« Die Sonnenträgerin preßte die Lippen zusammen und schwieg. Wir aber warteten in beinahe unerträglicher Spannung darauf, ob die nächsten Minuten den Tod bringen würden – oder eine Chance zum Überleben.
4. Soeben war der große Bildschirm des Telekoms aufgeflammt und hatte uns die Gestalt Merlon Lantcors gezeigt. Niemand von uns befand sich zu dieser Zeit im Bilderfassungsbereich der Telekomoptik. Zwei Offiziere standen neben Karmina Arthamin, bereit, sie zurückzuhalten, falls sie sich ohne meine Einwilligung in den Bildaufnahmebereich begeben wollte. »Schiff des Großen Imperiums GLORMOUN!« sagte Lantcor. »Zweifacher Sonnenträger Merlon Lantcor spricht. Ich rufe das auf dem Meeresboden liegende Raumschiff und fordere Identifikation!« Natürlich wußte Lantcor, daß es sich bei dem Schiff, das seine Ortung erfaßt hatte, nur um die ISCHTAR handeln konnte. Aber als erfahrener Taktiker wußte er, daß er uns mit seiner Forderung nach Identifikation in die Defensive drängte. Er wußte auch, daß wir als die Unterlegenen keine andere Wahl hatten als darauf einzugehen.
21 Ich trat drei Schritte nach vorn, in den Bilderfassungsbereich hinein. Mein Vater wurde von Fartuloon am Arm festgehalten. Obwohl Lantcor mich auf seinem Telekombildschirm sah, verzog er keine Miene. Er hütete sich auch, mich anzusprechen, da das seiner Taktik widersprochen hätte. Allerdings glaubte ich in seinen Augen ein kurzes Aufblitzen zu sehen, wahrscheinlich ein Zeichen von Überraschung, daß ein so junger Mann seinen Anruf beantwortete. »Raumschiff ISCHTAR!« meldete ich. »Flaggschiff von Imperator Gonozal VII. Kristallprinz Atlan, Sohn des Imperators und rechtmäßiger Erbe von Titel und Regentschaft, spricht.« Ich gab meinem Pflegevater ein verstohlenes Zeichen, woraufhin Fartuloon meinen Vater behutsam neben mich dirigierte. »Wenn Sie Augen haben zu sehen, dann sehen Sie, zweifacher Sonnenträger Lantcor!« forderte ich. »Hier neben mir steht Imperator Gonozal VII. der durch sein Eingreifen die Imperiumsflotte vor Marlackskor vor einer katastrophalen Niederlage rettete. Imperator Gonozal VII. wurde vor nicht langer Zeit von meinen Freunden und mir auf dem Planeten Xoaixo gefunden und aus der Gefangenschaft Orbanaschols des Verräters befreit. Durch Orbanaschols Schuld ist er psychisch schwer geschädigt, deshalb spreche ich für ihn und forderte Sie auf, sich mit Ihren Einheiten unter den Befehl des rechtmäßigen Imperators Gonozal VII. der durch mich vertreten ist, zu stellen!« Täuschte ich mich oder hatten die Züge Lantcors für einen flüchtigen Augenblick so etwas wie eine schmerzliche Regung gezeigt? Wenn ja, dann hatte der als beherrscht und hart geltende Befehlshaber sich schnell wieder in der Gewalt gehabt. Jedenfalls verriet sein Gesicht nichts mehr über seine Gefühle. »Erwarten Sie nicht, daß ich Sie mit ›Erhabener‹ anrede, Atlan«, sagte Lantcor. »Ich habe meinen Treueid auf Imperator Orbanaschol III. geleistet.« »Der Treueid wird nicht nur auf den Im-
22 perator geleistet, sondern auch auf das Imperium«, entgegnete ich scharf. »Außerdem ist der auf Orbanaschol geleistete Treueid ungültig, da er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen wurde. Orbanaschol kam durch Heimtücke und Lüge an die Macht, denn Gonozal VII. lebt, und es muß das Hauptziel jedes aufrichtigen Arkoniden sein, Gonozal VII, zur Wiedereinsetzung in seine Rechte zu verhelfen.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über Lantcors Gesicht. »Sie sind hervorragend in Rhetorik und Dialektik, Atlan«, erwiderte er. »Aber mein Pflichtbewußtsein läßt nicht zu, daß ich mich davon zu Handlungen verleiten lasse. Sie haben die Sonnenträgerin Karmina Arthamin an Bord. Lassen Sie mich mit ihr sprechen, Atlan.« Ich ließ mir nicht anmerken, daß ich mir bewußt war, meinen psychologischen Schachzug verloren zu haben. Während ich einen Schritt zurücktrat, aber noch im Bilderfassungsbereich blieb, gab ich den beiden Offizieren und der Sonnenträgerin ein Zeichen. Karmina Arthamin trat vor. Sie wirkte unsicher, und ich hegte die verzweifelte Hoffnung, daß sie ihre starre Haltung aufgeben möge und sich auf meine Seite stellte. »Sonnenträgerin Arthamin«, begann Lantcor behutsam, beinahe väterlich-jovial. »Sie kennen die Verhältnisse an Bord der ISCHTAR aus eigener Anschauung und eigenem Erleben, sind also besser informiert als ich. Bitte, sagen Sie mir, welche Meinung Sie sich über Atlan und Gonozal VII. gebildet haben.« Karmina Arthamin zögerte, und wieder ergriff mich Hoffnung. Doch als ihre Gestalt sich straffte und ihre Gesichtszüge sich verhärteten, wußte ich, daß ich die Frau nicht hatte überzeugen können. »Die Besatzung der ISCHTAR besteht aus Piraten, die mich entführt haben«, erklärte die Sonnenträgerin. »Gonozal VII. lebt, aber er ist nicht mehr als eine Marionette. An seiner Stelle könnte ebensogut ein
H. G. Ewers maskierter Doppelgänger neben mir stehen. Und Atlan ist in meinen Augen ein gefährlicher Rebell, der die Stabilität des Großen Imperiums in seiner kritischsten Zeit gefährdet. Ich denke, daß Orbanaschol III. ihn mit vollem Recht quer durch das Große Imperium jagen ließ.« Lantcors Brauen zogen sich zusammen. Sein Blick richtete sich auf mich. »Sie haben gehört, was Sonnenträgerin Arthamin aussagte, Atlan«, erklärte er. »Dazu bedarf es keines Kommentars. Ich forderte Sie auf, zusammen mit Ihren Leuten bedingungslos zu kapitulieren. Geht Ihre Kapitulation nicht binnen einer halben Stunde Arkonzeit bei mir ein, lasse ich das Feuer eröffnen.« »Obwohl ich hier bin?« rief Karmina Arthamin erschrocken. »Wir alle haben unsere Pflicht an der Stelle zu erfüllen, an die wir gestellt werden«, erwiderte Lantcor ungerührt. »Ich bitte Sie, Sonnenträgerin Arthamin, einzusehen, daß ich auf Sie keine Rücksicht nehmen kann. Sie haben selbst gesagt, daß Atlan ein gefährlicher Rebell ist, der die Stabilität des Großen Imperiums in seiner kritischsten Zeit gefährdet. Eine solche Gefahr muß ich kompromißlos bekämpfen. Atlan hat die Wahl, im Kampf zu sterben und Sie zu opfern oder rechtzeitig aufzugeben.« Ich trat wieder einen Schritt vor. »Sie sind nicht in der Lage, kompromißlos zu handeln, Zweisonnenträger Lantcor«, sagte ich. »Ich weiß, daß Ihr Angriff gegen den maahkschen Stützpunkt auf diesem Planeten ein Fehlschlag war – und ich weiß, wer dafür verantwortlich ist. Da die Maahks trotz aller unserer Gegensätze unser gemeinsamer Feind sind, schlage ich ein Stillhalteabkommen und eine Kooperation zur Bekämpfung des Maahkstützpunkts vor.« Merlon Lantcor dachte nach, dann sagte er: »Sie verstehen es, Ihre Karten auszuspielen, Atlan. Ich bin mit einem zeitlich begrenzten Stillhalteabkommen einverstanden, da wir keinen Maahkstützpunkt auf einer
Träume aus fremder Dimension Sauerstoffwelt dulden können. Aber ich warne Sie! Wenn Sie versuchen sollten, mich hereinzulegen, werden Sie mitsamt Ihrem Schiff vernichtet. Und nun bitte ich um Ihre Vorschläge!«
* Merlon Lantcor hörte sich meine Vorschläge mit unbewegtem Gesicht an. Ich wußte genau, daß ich auf einem schmalen Grat balancierte, denn wenn Lantcor dahinterkam, daß mein angebliches Wissen über die Macht, die für den fehlgeschlagenen Angriff auf den Maahkstützpunkt verantwortlich war, nur auf Beobachtungen in einem leeren Unterwasserschloß basierte, würde er die Kooperation beenden und zuschlagen. Die schwerbeschädigte ISCHTAR aber war nicht in der Lage, sich gegen einen Angriff von sieben Arkonraumern zu schützen. Meine Vorschläge unterstellten die Existenz einer verborgenen Riesenpositronik, die von ihrem Versteck aus die Erzeugnisse einer überlegenen Technologie steuerte. Dieses Robotgehirn mußten wir aufspüren und vernichten, wenn wir den Maahks beikommen wollten. Das Unterwasserschloß bezeichnete ich kühn als Ausläufer dieses Robotgehirns, obwohl ich nicht sicher war, daß es überhaupt ein Robotgehirn gab und daß das Schloß mehr war als eine Unterkunft, die die Unsichtbaren uns angeboten hatten. Wahrscheinlich hatte Lantcor sofort nach meiner Erwähnung des Unterwasserschlosses einen Erkundungstrupp dorthin in Marsch gesetzt, denn er zog die Unterredung künstlich in die Länge. Ich verstand seine Vorsicht. An seiner Stelle hätte ich meine Angaben ebenfalls nachprüfen lassen. Endlich brach Lantcor das Gespräch ab. Er schaute zur Seite. Offenbar las er eine Nachricht, die in Schriftzeichen auf einem Bildschirm erschien. Kurz darauf wandte er sich wieder dem Telekom zu. »Meine Leute fanden das Unterwasser-
23 schloß größer vor als von Ihnen beschrieben, Atlan«, sagte er. »Viel größer sogar. Wie erklären Sie sich das?« Ich lächelte. »Ganz einfach, Lantcor. Zuerst war nur die Besatzung der ISCHTAR eingeladen, jetzt sind die Besatzungen von weiteren sieben Raumschiffen dazugekommen. Ich sagte Ihnen ja, daß die fremde Technologie in der Lage ist, Materie an einem bestimmten Ort in beliebiger Existenz- oder Zustandsform erscheinen oder verschwinden zu lassen.« Lantcor kommentierte meine Erklärung nicht. Das war auch nicht erforderlich. »Tauchen Sie mit der ISCHTAR auf!« sagte er. Ich wußte, warum er es plötzlich so eilig hatte. Er fürchtete, wir könnten die Gastfreundschaft des Schlosses annehmen und vielleicht von der Riesenpositronik beschützt werden, so daß er machtlos gegen uns war. Aber ich beabsichtigte nicht, meine Leute und mich unter den Schutz des – vermeintlichen oder wirklichen – Robotgehirns zu stellen. Wahrscheinlich wären wir dann wirklich vor Lantcor sicher gewesen, aber auch für immer zu Gefangenen geworden – oder zu Gästen, die man nicht mehr gehen ließ, was auf das gleiche herauskam. »Wir kommen«, erwiderte ich. Auf einen Wink von mir schaltete Helos Trubato die verbliebenen Impulstriebwerke ein und hoch. Da er gleichzeitig die inzwischen reparierten Antigravprojektoren aktivierte, brauchten die Triebwerke nur die Masseträgheit des Schiffes zu kompensieren. Danach genügten kurze Schubimpulse, um es weiter nach oben treiben zu lassen. Als wir die Oberfläche erreichten, sprang die ISCHTAR gleich einem luftgefüllten Ball, der bisher unter Wasser festgehalten und dann losgelassen worden war, mit einem Satz nach oben. Trubato schaltete die Triebwerke wieder hoch, und das Schiff stieg schwankend auf tausend Meter Höhe. Ich brauchte die Orterschirme nicht, um die Schiffe Lantcors zu sehen. Die Bild-
24 schirme der Panoramagalerie bildeten die sieben riesigen Kugelraumer deutlich genug ab. Lantcor hatte seine Schiffe einen engen Kreis um unsere Aufstiegsstelle bilden lassen: Sieben Kampfschiffe, von denen keines weiter als zehntausend Meter entfernt war. Und die Geschützmündungen der uns zugewandten Seiten zeigten alle in unsere Richtung. Lantcor ließ uns keine Chance, etwa durchzustarten und zu entkommen. Wir wären beim ersten Versuch durch konzentrisches Feuer in einen glühenden Gasball verwandelt worden. »Ihr Schiff ist böse angeschlagen, Atlan«, sagte Lantcor, der noch immer auf dem Telekombildschirm zu sehen war. Er stellte es mit offenkundiger Befriedigung fest, denn das nahm ihm die Sorge, daß uns vielleicht doch noch die Flucht gelingen könnte. »Aber es ist noch in der Lage, an der Operation gegen die Maahks teilzunehmen«, erwiderte ich. »Die NORGALAK übernimmt unter Kommandant Ganklart die Führung des Teilverbands, der gegen den Maahkstützpunkt eingesetzt wird«, erläuterte Lantcor. »Ich bleibe mit drei Schiffen hier und schlage zum vereinbarten Zeitpunkt gegen den Ausläufer des Robotgehirns los.« »In Ordnung«, sagte ich nur. Meine Hoffnung war, daß das Robotgehirn – falls es so etwas überhaupt gab – sich wirksam gegen Lantcor zur Wehr setzen würde und daß das entstehende Durcheinander der ISCHTAR die Flucht ermöglichte. Wohin wir flüchten sollten, war eine andere Frage. Da unser Transitionstriebwerk nicht mehr arbeitete, würden wir das System der grünen Sonne nicht verlassen können. Die Verbindung zu Lantcor wurde unterbrochen. Dafür erschien auf dem Bildschirm die Gestalt von Kommandant Ganklart. Es handelte sich um einen relativ jungen Mann, dessen Miene den Eifer verriet, mit dem er seinen Auftrag anging. Ich nahm an, daß Lantcor absichtlich einen jungen Arkoniden zum Leiter unseres Verbandes bestimmt hat-
H. G. Ewers te, denn bei alten Raumveteranen bestand immer die Gefahr, daß sie mit Gonozal VII. sympathisierten. Zu stark hatte sich das Bild meines Vaters in die Herzen der Männer gebrannt, die mit ihm zusammen gegen die Maahks gekämpft hatten. »ISCHTAR, folgen Sie mir!« sagte Ganklart. »Sie unterstehen meiner Befehlsgewalt.« »Verstanden«, erwiderte ich kühl. Ganklarts Art war nicht dazu angetan, ihn mir sympathisch zu machen. Als die drei Schiffe des Teilverbandes sich in Bewegung setzten, beschleunigte Helos Trubato ebenfalls. Die NORGALAK flog an der Spitze, während die ISCHTAR von den beiden anderen Schiffen flankiert wurde. Nichts versuchte unseren Flug aufzuhalten. Wir stiegen allmählich auf zehntausend Meter Höhe und konnten nach kurzer Zeit die Energieglocke über dem Horizont auftauchen sehen. Dort lag die Station der Maahks. Ganklart erteilte über Telekom die Befehle, die zur Formierung vor dem Angriff nötig waren. Er wollte, daß wir den Maahkstützpunkt zuerst aus größerer Distanz mit den Strahlgeschützen beschossen, danach ihn überflogen und mit je fünf mittelschweren Fusionsbomben belegten. Sobald die Energieglocke zusammenbrach, sollte zuerst die ISCHTAR landen und Sturmgruppen ausschleusen. Mein Leute hatten die Aufgabe, einen Brückenkopf zu schaffen und zu halten, bis die übrigen Schiffe ebenfalls Truppen ausschleusten. Mir war klar, daß es Ganklarts und damit Lantcors Absicht war, uns ausbluten zu lassen, damit man uns später um so leichter überwältigen konnte. Aber schließlich hatte ich ebenfalls meine geheimen Absichten. Skrupel brauchte ich nicht zu haben, da sich im Unterwasserschloß kein einziges lebendes Wesen aufhielt. Es würde, wenn überhaupt, nur totes Material vernichtet werden. Endlich war der Zeitpunkt des gemeinsa-
Träume aus fremder Dimension men Losschlagens der beiden Teilverbände gekommen. »Angriff!« sagte Ganklart.
* Innerhalb der planetarischen Atmosphäre waren die Energiebahnen unserer Strahlgeschütze sonnenhell glühende Bündel, die praktisch im Augenblick des Abfeuerns im Zielgebiet einschlugen. Sofort sanken die Blendfilter über die Bildschirme der Panoramagalerie. Ich musterte aufmerksam die Energieglocke über dem Stützpunkt der Maahks, konnte aber kein Aufflackern feststellen. Kurz darauf teilte mir die Ortungszentrale mit, was optisch nicht zu erkennen gewesen war: Die Energiestrahlen hörten dicht vor dem Ziel urplötzlich auf zu existieren. Es war, als würden sie von einer anderen Dimension verschluckt. Etwa drei Minuten lang verpufften die Breitseiten der vier Kugelraumer im Nichts, dann meldete sich Ganklart erneut. Das Gesicht des Kommandanten war vor Aufregung gerötet. Ein Lid zuckte in kurzen Intervallen. Der junge Mann war nervös, weil er fürchtete, seinen ersten größeren Auftrag nicht erfüllen zu können. »Weiter voller Salventakt!« schrie er. »Dabei langsam ans Ziel heranrücken, es überfliegen und Bomben abwerfen!« Ich gab keinen Kommentar dazu, obwohl es Leichtsinn war, mit feuernden Strahlgeschützen bis auf wenige Kilometer ans Ziel heranzugehen. Wenn wir plötzlich Erfolg hatten und eine starke atomare Explosion auslösten, waren unsere Schiffe ernsthaft gefährdet. Aber die Energiestrahlen verschwanden noch immer dicht vor der Energieglocke, die dadurch keiner Belastung ausgesetzt wurde. Dadurch gab es keine Entladungen, die die Sicht behindert hätten. Als wir den Stützpunkt überflogen, beobachtete ich ihn durch das Elektronenteleskop. Ich sah Maahks zwischen den primiti-
25 ven Unterkünften hin und her rennen. Dieses kopflose Verhalten irritierte mich, denn ich kannte die Wasserstoffatmer nur als kühl und logisch handelnde Wesen, denen alle Gefühle, auch das der Furcht, fremd waren. »Bomben auslösen!« befahl Ganklart. Ich drückte selbst die Schalttaste nieder, die den vorprogrammierten Abwurf auslöste. Auf den Bildschirmen der Subbeobachtung sah ich, wie die ferngesteuerten Raketenbomben mit ihren Leitwerken auf die Energieglocke zurasten – und verschwanden. Es war ein gespenstisches Schauspiel. Ich gestand mir ein, daß ich Furcht dabei empfand, Furcht davor, daß das Große Imperium sich eines Tages einem Feind gegenübersah, der die Technologie beherrschte, die uns hier demonstriert wurde. Der Kampf wäre kurz und todbringend für uns gewesen. »NORGALAK an ISCHTAR!« schrie Ganklart unbeherrscht. »Landen Sie und versuchen Sie, den Energieschirm an der Basis zu durchdringen. Wir geben Ihnen Feuerschutz.« Der Befehl war so unsinnig, daß ich ihn nicht hinnehmen konnte. »Wenn der Energieschirm nichts an sich heranläßt, kommen auch keine Fahrzeuge durch«, erwiderte ich. »Der Befehl ist undurchführbar!« »Sie führen ihn entweder aus – oder ich lasse das Feuer auf Sie eröffnen!« erklärte Ganklart. »Zweisonnenträger Lantcor dürfte nicht davon begeistert sein, wenn Sie ihm melden, Sie hätten aus nichtigem Anlaß den Tod von Sonnenträgerin Arthamin verursacht«, entgegnete ich kalt. Meine Rechnung ging auf. Lantcor hatte Ganklart nicht die Vollmacht erteilt, die ISCHTAR zu vernichten, wenn sie keinen Fluchtversuch unternahm. »Dafür werden Sie büßen, Sie Feigling!« schrie Ganklart. »Ich werde Ihnen beweisen, daß mein Befehl durchführbar ist. Alle Schiffe außer der NORGALAK bleiben in Abwarteposition!«
26 Ich sah, wie die NORGALAK aus dem Teilverband ausscherte, an Höhe verlor und Kurs auf die Energieglocke nahm. »Ganklart!« rief ich. »Lassen Sie sich zur Vernunft raten! Wenn Sie dem Schirm zu nahe kommen, verschwinden Sie genau wie vorher die Energiestrahlen und Bomben.« Aber der Arkonide antwortete nicht. Ich preßte die Lippen zusammen. Wenn Ganklart so wahnsinnig war, in den Tod zu fliegen, war das seine Sache. Wenn er die Besatzung seines Schiffes mitnahm, war es etwas anderes. Aber ich besaß keine Möglichkeit, ihn an seinem Wahnsinnsunternehmen zu hindern. Glücklicherweise verließ ihn sein Mut, bevor er dem Energieschirm zu nahe kam. Ich sah, wie die NORGALAK rund fünf Kilometer vor dem Stützpunkt zur Landung ansetzte. Die Landeteller berührten den Boden. Und im nächsten Augenblick war der Boden verschwunden – bis auf einen kreisförmigen Ausschnitt, der sich bei genauem Hinsehen nicht als Bodenausschnitt entpuppte, sondern als Energieblase, in der die Maahks und ihre Unterkünfte frei schwebten. Die NORGALAK schwebte ebenfalls über einem Abgrund, der nach Lichtjahren gemessen wurde, denn nicht nur der Boden, der ganze Planet war verschwunden. »Das ist unmöglich!« rief Karmina Arthamin entsetzt. »Eine optische Täuschung, ein Unsichtbarkeitsfeld!« »Atlan an Ortung!« sagte ich in den Interkom. »Was messen Sie dort an, wo eben noch der Planet zu sehen war?« »Keine Masse und kein Schwerefeld«, kam die Antwort nach wenigen Sekunden. »Der Planet ist tatsächlich aus dem RaumZeit-Kontinuum verschwunden.« Ich verlor keine Zeit damit, über den Vorfall zu diskutieren, sondern wandte mich wieder dem Telekom zu. »ISCHTAR an NORGALAK!« rief ich. »Kommandant Ganklart, ich rate zu sofortigem Start. Falls der Planet rematerialisiert
H. G. Ewers und Ihr Schiff inzwischen – relativ zur letzten Position des Planeten – abgesunken sein sollte, wird die NORGALAK im Gesteinsmantel zerquetscht.« »Ich brauche Ihre Ratschläge nicht«, gab Ganklart zurück. Er richtete sich trotzdem danach. Ich sah, wie die Impulstriebwerke der NORGALAK aufleuchteten und wie das Schiff sich unserer Positionsebene näherte. Im nächsten Augenblick sprach der Hyperkom an. Der Übertragungsschirm in der Kommandozentrale bildete Lantcor ab. »Lantcor an Atlan!« sagte der Zweisonnenträger – womit er gleich zwei schwere Formfehler beging. Erstens meldete er sich nicht gemäß dem Reglement der Flotte zuerst mit seinem Schiffsnamen, und zweitens wandte er sich nicht an den von ihm ernannten Leiter unseres Teilverbandes, sondern an mich, der ich eigentlich Ganklart unterstellt war. Offenbar hatte Lantcor richtig erkannt, daß Ganklart ihm bei der dramatisch zugespitzten Lage keine große Hilfe sein konnte. »Hier Atlan!« erwiderte ich und gab einen kurzen Überblick über das Geschehen, so wie es sich mir dargeboten hatte. »Auch für uns ist der Planet verschwunden«, meinte Lantcor. »Das widerspricht anscheinend allen Naturgesetzen, aber wir müssen es hinnehmen, weil es eine Tatsache ist. Was schlagen Sie vor, Atlan?« Ich unterdrückte ein Lächeln, denn mit seiner letzten Frage hatte Zweisonnenträger Lantcor mir – wenn auch nur vorübergehend – den Status eines gleichberechtigten Partners zugestanden. Es dürfte besser sein, nicht auf den alten Positionen zu verharren, sondern sich in eine Lichtsekunde Entfernung zurückzuziehen! meldete sich mein Extrahirn. Normalerweise hätte ich auf meine »innere Stimme« gehört. In diesem Fall konnte ich es nicht, denn wenn wir uns zurückzogen, schrieben wir den Planeten ab. Dann aber würde das Stillhalteabkommen ablaufen.
Träume aus fremder Dimension Doch ganz wollte ich den Rat meines Extrahirns nicht vernachlässigen. Daher entschloß ich mich zu einem Kompromiß. »Ich rate dazu, daß wir uns eine Viertel Lichtsekunde zurückziehen und abwarten. Eine derart große Masse, wie der Planet sie darstellt, kann nicht für immer verschwinden. Sie mag vorübergehend aus unserem Raum-Zeit-Kontinuum gefallen sein, aber die wechselseitig wirkenden Beharrungskräfte werden sie wieder zurückholen. Möglicherweise kommt es beim Wiederauftauchen des Planeten zu Nebeneffekten, die die Schiffe gefährden.« »Akzeptiert«, erwiderte Lantcor nach kurzem Nachdenken. »Wir ziehen uns aber um eine Lichtsekunde zurück. Das dürfte sicherer sein.« Ich zuckte die Schultern. Die Entfernung spielte keine Rolle mehr, weil Lantcor meine Theorie über das Wiederauftauchen des Planeten akzeptiert hatte und sich unserer Stillhalteabkommen dadurch verlängerte. Unsere Schiffe nahmen Fahrt auf und entfernten sich von ihren Positionen nach »draußen«. Doch wir kamen nicht weit. Es gab einen plötzlichen Ruck, den sogar die Andruckabsorber nicht völlig kompensieren konnten. Die ISCHTAR wurde schwer erschüttert und schnellte förmlich um einige Kilometer zurück. »Triebwerke ausschalten!« rief ich Trubato zu. »Position halten!« »Lantcor an Atlan!« meldete sich der Zweisonnenträger kurz darauf. »Ich nehme an, daß alle Raumschiffe von einer elastischen Energiewand aufgehalten wurden. Jemand oder etwas hält uns gefangen. Haben Sie einen neuen Vorschlag?« Ich nickte grimmig. »Ja, den habe ich. Es gibt nur eine Möglichkeit für uns, zu entkommen. Wir müssen die Macht, die uns festhält, besiegen, wenn wir nicht für alle Zeiten an diesen Ort verbannt sein wollen.«
5.
27 »Massetaster schlagen aus!« meldete die Ortungszentrale. Ich blickte in die Richtung, in der sich der Planet vor seinem Verschwinden befunden hatte. »Er ist wieder da – wie Pwllheli!« rief Fartuloon, der in die gleiche Richtung geschaut hatte. Tatsächlich! Dort schwebte er wieder im All und drehte sich anscheinend in die gleiche Richtung und mit der gleichen Geschwindigkeit wie vorher, der Planet, der sich scheinbar in Nichts aufgelöst hatte. »Pwllheli?« fragte Karmina Arthamin. Fartuloon grinste breit. »Pwllheli ist ein Zauberer aus der Inthurst-Saga, der nach Belieben verschwinden und auftauchen konnte«, erklärte er. »Dann taufe ich diesen Planeten auf den Namen Pwllheli!« verkündete ich, zum Telekombildschirm gewandt, auf dem Lantcor immer noch zusehen war. »Wie kaltschnäuzig, bei den Zorngöttern, sind Sie eigentlich, Atlan?« wetterte Lantcor aufgebracht. »Wir stehen vor dem größten Problem unseres Lebens, und Sie vergeuden Ihre Zeit damit, dieser verhexten Welt einen kaum aussprechbaren Namen zu geben. Wie nannten Sie ihn doch gleich?« »Pwllheli«, antwortete ich amüsiert. »Verankere den Namen im Logbuch, Fartuloon.« »Schon geschehen«, erwiderte mein Pflegevater. Ich wandte mich wieder an den Zweisonnenträger und sagte: »Wir fliegen zurück und landen zwischen der Maahkstation und dem Unterwasserschloß, Zweisonnenträger Lantcor! Danach sehen wir weiter!« Lantcor schluckte plötzlich hörbar. »Was fällt Ihnen ein, mir befehlen zu wollen, was ich zu tun habe!« sagte er mit kaum verhohlener Wut. »Ich bin derjenige, der die Befehle erteilt!« Ich erwiderte nichts darauf und zwang ihn damit, etwas zu tun, was einer psychologischen Kapitulation gleichkam.
28 »Imperiumsschiff GLORMOUN, Zweisonnenträger Lantcor spricht«, sagte er steif und förmlich. »An alle Schiffe einschließlich der aufgebrachten ISCHTAR. Wir kehren um und landen auf Sichtweite auf einem Hochplateau, das sich zwischen der Maahkstation und dem Unterwasserschloß befindet!« Er räusperte sich und fügte hinzu, wahrscheinlich für sein Bordlog: »Dieser Befehl wurde erteilt, weil es uns offenkundig nicht möglich ist, aus der Nähe von Pwllheli zu entkommen. Ein schalenförmiges elastisches Energiefeld hindert uns daran.« Beim Landeanflug erkannten wir, daß die maahksche Station genauso aussah wie vor dem Verschwinden des Planeten. Da wir diesmal aus einer anderen Richtung kamen und Pwllheli auf einer anderen Bahn umkreisten als beim erstenmal, entdeckten wir aber noch etwas anderes. Über das dichte Wipfeldach eines Dschungels ragten, kuppel- und pyramidenförmige Bauten. Eine Ortung ergab, daß sie aus Stein errichtet waren. Deshalb waren sie beim erstenmal auch nicht automatisch erfaßt worden. Zweisonnenträger Lantcor meldete sich erneut bei mir. Diesmal benutzte er einen Richtstrahl. Wahrscheinlich wollte er nicht, daß die Besatzungen der übrigen Schiffe unser Gespräch mithörten. »Die Bauwerke könnten Zeugen einer alten Kultur sein, Atlan«, sagte er. »Ich schlage vor, wie bilden eine gemeinsame Expedition, die diese Bauwerke untersucht. Falls Sie teilnehmen wollen, Sie haben freies Geleit.« Ich schaltete den Telekom ebenfalls auf scharfe Bündelung und richtete den Strahl auf die GLORMOUN. »Ich bin einverstanden, Lantcor, danke«, erwiderte ich. »Außer mir werden drei weitere Personen an der Expedition teilnehmen.« »Nur drei?« fragte der Zweisonnenträger. Ich lächelte.
H. G. Ewers »Diese drei Personen wiegen eine Hundertschaft Raumsoldaten auf, Lantcor. Wer soll die gemeinsame Expedition leiten?« »Wir beide, wenn Sie einverstanden sind«, antwortete Lantcor. »Gut!« sagte ich. »Sobald wir gelandet sind, kommen wir mit einem Gleiter zur GLORMOUN hinüber.« Ich schaltete den Telekom ab und sagte: »Fartuloon, Ra und Vorry! Wenn ihr wollt, dann kommt mit mir.« »Bist du sicher, daß du Lantcor trauen kannst, Atlan?« fragte Ra besorgt. »Es könnte ein Trick sein, um dich in seine Hand zu bekommen.« »Ich vertraue darauf, daß ein arkonidischer Flottenbefehlshaber sein Wort hält«, entgegnete ich. »Orbanaschols Gewaltherrschaft kann nicht den alten Ehrenkodex der Raumflotte zerstört haben, denn dann wäre das Rückgrat der Imperiumsflotte zerbrochen.« Ich sah Karmina Arthamins Augen dankbar aufleuchten. Dennoch sagte ich nichts zu ihr. Sie hatte mich schwer enttäuscht und schien noch immer nicht bereit zu sein, ihre negative Einstellung mir gegenüber umfassend zu ändern. Brüsk wandte ich ihr den Rücken zu und stellte mich hinter meinen Ersten Offizier. Die Landung verlief reibungslos, was meine Vermutung, daß es den Herren von Pwllheli darauf ankam, uns auf dem Planeten festzuhalten – aus welchen Gründen auch immer –, erhärtete. Ich war sicher, daß es eine Kleinigkeit für die Unsichtbaren gewesen wäre, uns zu vernichten, wenn sie das gewollt hätten. Als die ISCHTAR sicher auf festem Boden stand, zogen Fartuloon, Ra und ich leichte Kampfanzüge an. Vorry blieb so, wie er war. Sein Panzer hielt sogar dem Beschuß aus einem Handstrahler stand. Anschließend nahmen wir uns einen gepanzerten Fluggleiter und verließen das Schiff. Wir flogen direkt hinüber zur GLORMOUN und beobachteten, wie auch aus ihr ein schwerer Gleiter ausgeschleust wurde.
Träume aus fremder Dimension Er landete dicht neben dem Flaggschiff. Fartuloon, der die Steuerung übernommen hatte, setzte unseren Gleiter neben dem anderen auf. In dem anderen Fahrzeug befanden sich vier Arkoniden, darunter Zweisonnenträger Lantcor. Alle vier starrten verblüfft, fasziniert und ein wenig erschrocken auf den Magnetier. Ein solches Wesen hatten sie bestimmt noch nie gesehen. Ich stellte zuerst Fartuloon, dann Ra vor und sagte zuletzt: »Dieses gepanzerte Lebewesen ist mein Freund Vorry, ein intelligentes, wenn auch seltsames Wesen mit fremdartiger Mentalität. Wenn Sie vermeiden, Vorry zu kränken, wird er Ihnen nichts tun. Nicht wahr, Vorry?« »Richtig!« antwortete der Magnetier. »Darf Vorry wenigstens den anderen Gleiter ein wenig aufessen?« »Was?« entfuhr es Lantcor verblüfft. Ich lächelte beruhigend. »Vorry ist ein Magnetier. Er ernährt sich in erster Linie von Eisen oder eisenhaltigen Stoffen, darunter auch Metallplastik. Es würde ihm nichts ausmachen, Ihren Gleiter zu verspeisen. Aber er kann sich natürlich beherrschen, nicht wahr, Vorry?« »Vorry immer guter Beherrscher«, meinte der Magnetier. »Vielleicht finden Eisen in Urwaldstadt.« Zweisonnenträger Lantcor seufzte vernehmlich, dann sagte er: »Wenn Sie ebenfalls bereit sind, können wir starten, Atlan.« »Starten wir!« erwiderte ich. Unsere Gleiter stiegen mit schwachem Summen auf fünfhundert Meter Höhe und nahmen dann Kurs auf die Stadt im Dschungel, in der vielleicht das Geheimnis von Pwllheli lauerte …
* Fartuloon und der Pilot des anderen Gleiters kurvten über der Stadt und hielten einen halben Kreis Abstand voneinander.
29 Ich lehnte mich über den Rand des offenen Fahrzeugs und blickte hinab. Das Wipfeldach des Dschungels war zu dicht, als daß ich es mit bloßem Auge hätte durchdringen können. Von den Gebäuden war nur das zu sehen, was darüber hinausragte. »Sehr alt«, teilte ich Lantcor über Bordtelekom mit. »Sehen Sie sich die Steinmauern an: voller Moos und Schlingpflanzen und teilweise von der Witterung angefressen. Wahrscheinlich lebt hier schon lange kein intelligentes Wesen mehr. Ich schlage vor, daß wir landen und die Gebäude zu Fuß durchsuchen.« »Einverstanden!« erwiderte der Zweisonnenträger. Ich nahm einen Desintegrator, der zur Bordausrüstung gehörte. Fartuloon sah es und hielt den Gleiter über einer Stelle des Dschungels an, wo keine Bauwerke zu sehen waren. Mit dem Desintegrator war es leicht, eine Lücke in die Vegetation zu schneiden, die groß genug war, um zwei Gleiter nebeneinander landen zu lassen. Wie selbstverständlich schloß Lantcors Gleiter auf und sank neben uns zu Boden. Die gemeinsame Not hatte uns zur Einigkeit gezwungen. Allerdings gab ich mich keinen Illusionen darüber hin, daß Lantcor für immer darauf verzichten würde, mich zu seinem Gefangenen zu machen. Unsere Augen gewöhnten sich nur allmählich an das grünliche Dämmerlicht, das auf dem Grund des Dschungels herrschte. Ich sah, daß der Boden bis auf ein paar bleiche Farne frei von Vegetation war. Zu meiner Verwunderung entdeckte ich keine Tiere, nicht einmal Insekten. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Bauwerk zu, neben dem wir gelandet waren. Es handelte sich um eine aus großen Steinblöcken gebaute Pyramide, die sich nach oben zu stufenweise verjüngte. Diese Stufenterrassen waren zu hoch, als daß Arkoniden sie hätten ersteigen können. Dafür gab es in der Mitte der uns zugewandten Seite eine breite geländerlose Treppe, deren Stufen nur knapp fußhoch waren.
30 Früher einmal mußte die Pyramide von einer Mauer umgeben gewesen sein. Von dieser waren nur noch Fragmente zu sehen, graue Überreste, die spannhoch aus dem Boden ragten und verstreute Mauersteine. Und hinter der Pyramide befanden sich die Überreste niedrigerer Bauten, in denen Intelligenzwesen gewohnt haben mochten. »Das sieht fast aus wie eine Baalsburg«, erklärte Lantcor. Ich hatte noch nie von Baalsburgen gehört, deshalb erkundige ich mich danach. »Die Báalol-Sekte predigte unter Arthamin I. eine Pseudoreligion, wurde aber verboten. Ihre Anhänger wurden verfolgt und psychisch umgeformt. Aber viele BaalAnhänger flohen mit Raumschiffen, um sich eine Welt zu suchen, auf der sie ihre Lehre ungehindert verbreiten konnten. Auf dem Planeten Tagganor, der von arkonidischen Auswanderern kolonisiert worden war, erlebte der Kult eine neue Blüte. Daraufhin schickte Arthamin I. einen Flottenverband aus, der die Baals von Tagganor vertreiben sollte. Als der Verband ankam, war der Planet von den Maahks verwüstet. Niemand hatte überlebt. Seitdem galt die Báalol-Sekte als erledigt. Anscheinend hatten sich einige Anhänger auf Pwllheli ein neues Domizil geschaffen.« »Aber sie scheinen nicht mehr zu leben«, sagte ich und blickte dabei meinen Pflegevater fragend an. Er hatte mir nie etwas von der Baal-Sekte erzählt, obwohl sein Wissen umfassend zu sein schien. Fartuloon erwiderte meinen Blick, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos, und er verriet nicht, warum er mir diesen Teil der arkonidischen Geschichte verschwiegen hatte. »Vielleicht wurden sie den Herren von Pwllheli lästig – oder die Maahks haben sie ausgerottet«, meinte Lantcor. Fartuloon stieß mit dem Fuß gegen einen Mauerstein. »Das ist unwahrscheinlich. Hier gibt es keine Spuren der Anwendung von Energiewaffen. Die Mauern wurden mit primitiven Werkzeugen niedergerissen.«
H. G. Ewers »Ich schlage vor, wir sehen uns die Pyramide von innen an«, sagte ich. »Sicher hat sie als Tempel gedient.« Über Fartuloons Gesicht huschte ein Schatten des Unmuts. Es sah so aus, als wollte er mich vom Betreten des Tempels zurückhalten. Aber im nächsten Augenblick war sein Gesicht wieder ausdruckslos. Wir gingen um die Pyramide herum und fanden in der nächsten Seite ein großes rechteckiges Portal. Früher war es sicher von der Steinplatte verschlossen worden, die in einer blankpolierten, aus dem Stein gehauenen Schiene lief. Die Steinplatte lehnte geborsten an der unteren Pyramidenstufe, und die Steinschiene war teilweise zertrümmert. Wir schalteten unsere Helmlampen ein und traten durch das Portal. Die Lichtkegel huschten über einen Boden, der nur dünn mit Staub bedeckt war und über Wände, an denen große Steinreliefs zu sehen waren. Die Reliefs waren unversehrt und zeigten seltsame und teilweise groteske Tiere, eine geflügelte Sonnenscheibe, Fabelwesen mit Tierleibern und Arkonidenköpfen und vieles andere. Besonders beeindruckte mich eine Bildsäule, die mitten in der Tempelhalle stand. Sie diente nicht als Stütze, denn sie reichte nicht zum Dach hinauf. Ihr Sinn schien die Information zu sein, denn sie zeigte in unterschiedlich breiten Streifen Reliefbilder vom Leben in einer Palastanlage sowie viele seltsame Schriftzeichen. Auch Ra war offenkundig von der Säule fasziniert. Er ging immer wieder langsam um sie herum, musterte die Schriftzeichen und Bilder und murmelte dabei irgend etwas. »Das war zweifellos ein Tempel der BaalSekte«, sagte Lantcor. »Aber hier erfahren wir nichts, was für unsere Mission von Bedeutung wäre.« »Ich finde das alles sehr interessant«, bemerkte Ra. »Würde ich einen Tempel bauen lassen, er müßte so aussehen wie dieser. Ich glaube, daß ich sogar die Hieroglyphen verstehe.«
Träume aus fremder Dimension »Hieroglyphen?« fragte ich. Ra blickte mich an. »Es ist ein Wort aus der Sprache meines Volkes und bedeutet eigentlich nicht ›Schriftzeichen‹, sondern ›heilige Zeichen‹. Ich habe es nur verwendet, weil das hier ein heiliger Ort ist.« »Es ist kein heiliger Ort, sondern eine verdammte Kultstätte!« brauste Lantcor auf. »Hier hat das Böse gegen das Gute intrigiert.« Ra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das Böse soviel Schönheit schaffen kann«, widersprach er. »Gehen wir!« sagte Lantcor schroff. Wir wandten uns um – und erstarrten angesichts des seltsamen Lebewesens, das unter dem offenen Portal stand …
* Lantcor und seine Begleiter griffen zu den Waffen, ließen sie jedoch in den Gürtelhalftern stecken, als sie sahen, daß das Wesen allein war und keine Anstalten traf, uns anzugreifen. Es stand nur da und musterte uns aus seinen großen Augen. Da es eine blutrote geschlossene Kombination trug, war von seinem Körper nur die arkonidenähnliche Gestalt zu erkennen. Der Kopf dagegen glich eher dem Kopf einer Flattertierart, die ich einmal auf Solturn kennengelernt hatte. Das Gesicht war lederhäutig, faltig und sehr ausdrucksstark, der Mund breit, die Ohren groß und nach oben spitz zulaufend. Die Hände waren fünfgliedrig, der Daumen außergewöhnlich lang und mit einer Kralle versehen. Niemand von uns bezweifelte auch nur einen Augenblick lang seine Intelligenz. Daran war nicht nur seine Kleidung schuld, sondern sein ganzes Auftreten, sein Gesichtsausdruck und vor allem seine klaren Augen. Der Fremde hob langsam beide Hände, drehte die Handflächen nach außen und flüsterte ein Wort in einer unbekannten Spra-
31 che. Sowohl Lantcor als auch ich hatten Translatoren mitgenommen, da wir auf eine Begegnung mit Fremdintelligenzen hofften. Wir schalteten unsere Geräte zur gleichen Zeit ein und sprachen ein paar bedeutungslose Sätze, die nur den Sinn hatten, den Fremden zu weiterem Sprechen anzuregen. Der Fremde begriff sofort, worauf es ankam. Er redete und vollführte dabei Handbewegungen, die so ausgeklügelt waren, daß wir beinahe auf Anhieb verstanden, welche Dinge und Vorgänge er damit darzustellen versuchte. Ich nannte die Dinge und Vorgänge bei ihren arkonidischen Namen und Bezeichnungen. Dadurch erhielten die Positroniken unserer Translatoren die Möglichkeit, Worte der fremden und der arkonidischen Sprache als gleichbedeutend zu erkennen und entsprechend zu speichern und zu analysieren. In überraschend kurzer Zeit blinkten die Signallampen der Translatoren auf und zeigten dadurch an, daß der erarbeitete Wortschatz groß genug für eine einfache Kommunikation war. Ich hob die rechte Hand, legte sie auf meine Brust und sagte: »Ich heiße Atlan und bin ein Arkonide.« Danach stellte ich Fartuloon, Ra und Vorry vor. Lantcor verfuhr auf die gleiche Art und Weise. Dann war die Reihe an dem Fremden. »Mein Name ist Brek Ronsilk Arkde Cra Crom Hrs Ofzark«, teilte er uns mit seiner Flüsterstimme mit, die offenbar charakteristisch für seine Art war. »Das Orulong gestattet es, den Namen bei profanen Handlungen auf Braccho zusammenzuziehen.« »Braccho«, sagte ich. »Braccho vom Volk der Gvehellier«, sagte der Fremde. »Ihr seid vom Volk der Arkoniden und wurdet in Xqlltmachs Traum verschlagen.« »In wessen Traum?« fragte Fartuloon. »Xqlltmach ist ein Name aus meiner Sprache«, antwortete Braccho. »Ich habe ihn
32 willkürlich gewählt.« »Dein Volk beherrscht diesen Planeten?« erkundigte sich Lantcor. »Nein«, antwortete Braccho. »Ich bin allein in Xqlltmachs Traum.« »Was redet er da immer von einem Traum?« warf Ra ein. »Das ergibt doch keinen Sinn.« Braccho blickte den Barbaren an. »Du bist kein Arkonide, Ra?« »Nein«, sagte Ra einsilbig. Der Gvehellier wandte sich an mich. »In deinen Augen verbindet sich das Feuer der Jugend mit der Klarheit und Weisheit des Alters, Atlan. Deshalb hoffe ich, daß du das, was ich euch sagen werde, in seiner vollen Bedeutung erfassen wirst. Xqlltmach ist meine Bezeichnung für ein Wesen, das ich nicht persönlich kenne, da es in einer anderen Dimension existiert. Es handelt sich um ein Wesen, das so fremdartig ist, daß ich es mir nicht vorzustellen vermag. Es befindet sich, wahrscheinlich seit unvorstellbar langer Zeit und vielleicht bis zum Ende allen Seins, in einem Zustand, den wir als Schlaf bezeichnen würden, der aber für dieses Wesen der Normalzustand sein dürfte. Es schläft – und es träumt. Durch zahlreiche Messungen und Analysen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß sich Xqlltmachs Träume in einem Punkt realisieren, der durch eine Dimensionsverwerfung gekennzeichnet ist. Diese Verwerfung ragt in unsere Dimension hinein – beziehungsweise existiert in unserer Dimension. Dieser Planet und alles, was nicht von außerhalb stammt, ist nichts anderes als die Realisierung eines Traumes.« Braccho schwieg, und wir alle brauchten Zeit, um das, was er uns mitgeteilt hatte, geistig zu verarbeiten. Ras Gesicht sah ich an, daß es ihm nicht gelang. Das gleiche galt für die Begleiter Lantcors und auch für Vorry. Einzig und allein Lantcor, Fartuloon und ich schienen in der Lage zu sein, Bracchos Erklärung in seiner vollen Bedeutung zu begreifen und entsprechende Vorstellungsin-
H. G. Ewers halte zu bilden. »Wir sind also in einen Traum geraten«, sagte Lantcor tonlos. »Das vermag ich mir noch vorzustellen. Was ich nicht fassen kann, ist, daß dieser Träumer uns in seinem Traum gefangenhält. Wie ist so etwas möglich?« »Alles, was er träumt, realisiert sich in der Dimensionsverwerfung«, sagte ich langsam. »Wahrscheinlich, ja sicher, nimmt der Träumer uns in seinem Traum wahr, denn wir sind in seinen Traum eingedrungen. Offenbar schätzt er diese Belebung seines Traumes so sehr, daß er uns mit allen Mitteln festzuhalten versucht und auf unsere Gedanken reagiert, um uns das Verweilen in seinem Traum so angenehm wie möglich zu machen. Aus dem gleichen Grund hat er auch die Maahks gegen unsere Angriffe geschützt und ihnen auf diesem Planeten einen Bezirk geträumt, in dem sie leben können.« »Ja, so ungefähr ist es«, erwiderte Braccho. »Der Träumer ist für unsere Begriffe unfertig, vielleicht ein Kind, vielleicht ein Wesen im Ruhestadium als Kette einer Metamorphose, an dessen Ende das fertige Wesen stehen wird.« »Eine Metamorphose, die sich über Äonen erstreckt«, sagte Fartuloon ehrfürchtig. »Was muß das für ein Wesen sein, dessen Puppenstadium Tausende von Jahren oder noch länger dauert!« »Es ist nur eine Annahme«, erwiderte Braccho. »Für eine echte Theorie fehlen die Beweise.« »Und wir alle sind in diesem Traum gefangen«, sagte Lantcor. »Gibt es keine Möglichkeit, aus dem Traum auszubrechen?« »Nein«, antwortete Braccho. »Du sagtest, der Traum des Schläfers realisiert sich deshalb hier, weil es hier eine Dimensionsverwerfung gibt«, erklärte ich. »Zumindest theoretisch sollte es doch möglich sein, eine Verwerfung von energetischen Linien oder Strukturen durch den Aufbau eines entsprechenden Energiefelds zu kompensieren. Damit würde der Traum aufhören, sich zumindest nicht mehr realisie-
Träume aus fremder Dimension ren.« »Theoretisch ist es möglich, die Dimensionsverwerfung zu glätten«, erwiderte Braccho. »Dazu müßte sie mit fünfdimensionaler Energie übersättigt werden. Mir steht leider nur ein Bruchteil der benötigten Energie zur Verfügung.« »Die Transitionstriebwerke unserer Schiffe!« rief Fartuloon. »Wenn sie alle auf Vollast hochgeschaltet werden und die Energie in Projektoren statt in die Entmaterialisatoren geleitet wird, schaffen wir es vielleicht!« Neue Hoffnung durchpulste mich. Ich blickte den Fremden fragend an. »Ich brauche Daten«, sagte Braccho. Gemeinsam mit Lantcor errechnete ich die Maximalleistung der Transitionstriebwerke unserer acht Raumschiffe, wobei ich voraussetzte, daß es mit Hilfe von Lantcors materiellen Reserven möglich war, das Transitionstriebwerk der ISCHTAR zu reparieren. Nachdem wir Braccho die Abgabeleistung genannt hatten, stellte er seinerseits Berechnungen an. Wir blickten dabei alle wie gebannt auf ihn, denn wenn er seine Berechnungen beendet hatte, würde der Urteilsspruch über uns fallen, und er würde entweder Freiheit oder lebenslange Verbannung in einen Traum heißen. Endlich hob Braccho den Kopf und sagte in die Stille hinein: »Es ist möglich, wenn die Transitionstriebwerke kurzzeitig um zehn Prozent überlastet werden.«
6. Wir kehrten mit Braccho zu unseren Raumschiffen zurück. Alsbald begann eine fieberhafte Arbeit. Lantcor lieferte aus seinen Schiffen die notwendigen Ersatzteile für das Transitionstriebwerk der ISCHTAR. Unsere Techniker stürzten sich mit Feuereifer darauf und arbeiteten hektisch an der Reparatur. Auch andere Schäden wurden mitbehoben. In den Schiffen Lantcors wurde ebenfalls
33 gearbeitet. Die Transitionstriebwerke wurden teilüberholt, Spulen wurden verstärkt und Feldleiter zu neu installierten Projektoren gelegt. Auch auf das ISCHTAR wurden Projektoren und Leitungen installiert. Nebenbei ließ ich die Strahlgeschütze überholen. Ich rechnete damit, daß das Ende des Traumes und das Verschwinden von Pwllheli uns eine winzige Chance geben würde, zu entkommen, unter Umständen kam es zu einem Gefecht. Braccho kam, nachdem er die Runde durch alle Schiffe gemacht hatte, auf die ISCHTAR. Sie besaß die leistungsfähigste Bordpositronik der acht Raumschiffe, da wir auf Kraumon einen zusätzlichen Auswertungssektor installiert hatten. Mit Hilfe dieser Positronik wollten Braccho und ich die Endberechnungen durchführen. Nachdem ich ihm die Zentralebesatzung und ihn meinen Leuten vorgestellt hatte – auch Karmina Arthamin, die sich wieder in der Kommandozentrale aufhalten durfte –, fragte ich ihn nach seinem Raumschiff. »Ich bin nicht mit einem Raumschiff gekommen, Atlan«, antwortete er. »Sondern mit einem Gerät, das mir die Reise durch sogenannte Dimensionstore ermöglicht. Wir von Gvehelli reisen alle auf diese Weise, jedenfalls dann, wenn wir unseren Planeten verlassen.« »Ich würde dich gern einmal auf deiner Heimatwelt besuchen«, sagte ich impulsiv, denn der Gvehellier war mir sehr sympathisch geworden. Bracchos Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. »Das ist aus vielerlei Gründen nicht möglich, Atlan. Ich möchte die Gründe allerdings nicht nennen.« »Hat es etwas damit zu tun, daß wir Arkoniden dir zu kriegerisch sind?« fragte ich, denn ich hatte wohl bemerkt, daß er nach dem Eintreffen an unserem Landeplatz die offenen Geschützluken mißbilligend gemustert hatte. »Auch damit«, antwortete Braccho offen. »Wir von Gvehelli üben keine Gewalt ge-
34 genüber anderen Lebewesen aus. Deshalb müssen wir den zu engen Kontakt mit kriegerischen Völkern meiden. Es wäre nicht gut für unsere geistige Stabilität, wenn wir zur Gewaltanwendung gegenüber anderen Lebewesen gezwungen würden.« Ich nickte. Wahrscheinlich besaßen die Gvehellier durchaus die Mittel, um sich erfolgreich gegen Angreifer zu wehren. Da sie das aber in Gewissenskonflikte stürzen würde, hatten sie sich isoliert. Ich konnte das verstehen, obwohl es nicht in meiner Mentalität lag, mich zu verkriechen, um bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden. Karmina Arthamin begriff offenbar auch, daß die Gvehellier nicht wehrlos waren, denn sie sagte: »Ich hoffe, Sie nehmen nicht Partei für Atlan, Braccho.« Der Gvehellier sah die Sonnenträgerin lange an, dann erwiderte er leise: »Ich habe die Spannungen registriert, die zwischen Atlan und der Besatzung dieses Raumschiffs einerseits und Lantcor und den Besatzungen der sieben anderen Schiffe bestehen. Es macht mich krank, daß intelligente Lebewesen sich gegenseitig bekämpfen wollen, obwohl sie bewiesen haben und noch beweisen, daß sie gut zusammenarbeiten können. Aber wir Gvehellier mischen uns niemals in die Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen anderer Völker.« Karmina Arthamins Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Aber Sie helfen uns allen gegen den Träumer, nicht wahr? Ist es nicht auch eine Art von Gewaltanwendung, seinen Traum zu zerstören?« »Es wäre eine Art von Gewaltanwendung, die einem Gvehellier erlaubt wäre«, antwortete Braccho. »Aber es ist keine Gewaltanwendung gegen ein Lebewesen, sondern gegen eine Sache. Wir werden nicht verhindern, daß der Schläfer weiter träumt. Wir verhindern nur, daß sein Traum sich an dieser Dimensionsverwerfung realisiert. Ob er auf eine andere Dimensionsverwerfung ausweicht, kann ich nicht sagen. Schaden wird
H. G. Ewers ihm unsere Operation sicher nicht, denn ich halte die Realisierung seines Traumes für einen ungewollten Effekt, der nicht zur Entwicklung dieses Wesens erforderlich ist.« Er schaute mich an. »Können wir anfangen, Atlan?« Ich nickte. Wir begaben uns in den Kommunikationsraum der Bordpositronik und stellten unsere Berechnungen an. Es waren Stunden voll intensiver geistiger Arbeit. Ich war am Ende ziemlich abgespannt, doch Braccho war keine Ermüdung anzumerken. Sein geistiges Potential mußte weit über dem eines Arkoniden liegen. Als wir in die Kommandozentrale zurückkehrten, meldete mir Helos Trubato, daß die technischen Vorbereitungen abgeschlossen seien. Die Projektoren der ISCHTAR, die die Transitionsenergie abstrahlen sollten, waren auf den errechneten Mittelpunkt des Planeten gerichtet. Die fünfdimensionalen Energien würden so fokussiert werden, daß sie erst dort frei werden konnten. Kurz darauf meldete Lantcor über Funk, daß auch seine Schiffe bereit seien. »Denken Sie daran, daß unser Stillhalteabkommen in dem Augenblick abläuft, in dem die Aktion gegen den Traum gelungen ist, Atlan«, sagte er ernst. »Ich verstehe Sie nicht, Lantcor«, erwiderte ich. »Wir haben ausgezeichnet zusammengearbeitet, sind uns nähergekommen und haben uns gegenseitig achten gelernt. Sie aber möchten dem Verräter Orbanaschol immer noch meinen Kopf bringen.« »Nicht Ihren Kopf, Atlan«, widersprach Lantcor. »Ich werde nicht das Amt des Henkers ausüben. Meine Pflicht ist es nur, Sie zu verhaften und an den Imperator auszuliefern, dem ich den Treueid geschworen habe.« Ich gab es auf, diesen ebenso ehrenhaften wie starrsinnigen Mann bekehren zu wollen. »Ich werde es Ihnen nicht leichtmachen«, erklärte ich. »Wenn Sie keine anderen Vorschläge haben, dann schlage ich vor, daß wir unsere Schiffe rund um den Planeten verteilen – und zwar dicht an der Energiesperre.« Lantcor lächelte undefinierbar.
Träume aus fremder Dimension »Damit bin ich nicht einverstanden, Atlan. Wir fliegen im geschlossenen Verband – mit der ISCHTAR in der Mitte. Ich verspreche Ihnen aber, daß ich den Angriffsbefehl nicht eher geben werde, als bis feststeht, daß wir aus dem Traum entlassen sind.« »Natürlich«, gab ich sarkastisch zurück. »Sie würden ja sonst den Erfolg unserer Aktion in Frage stellen. Wenn ich nun nicht mitspiele, was dann?« »Dann lasse ich Ihr Schiff stürmen«, antwortete Lantcor. Er hatte recht, denn er besaß die Übermacht und hatte damit alle Vorteile auf seiner Seite. Natürlich konnte ich unser Transitionstriebwerk unbrauchbar machen lassen. Dann mußten wir alle im Traum bleiben. Zwar würde Orbanaschol mich dann niemals in seine Gewalt bekommen, aber ich konnte meinen Kampf gegen den Diktator auch nicht fortsetzen. Das wiederum lag nicht in meinem Interesse. »Also schön«, erwiderte ich. »Start in einer halben Stunde Arkonzeit, ja?« »Einverstanden, Atlan«, sagte Lantcor und unterbrach die Verbindung. Ich verabschiedete mich von Braccho und schaute ihm nach, wie er von der ISCHTAR fortging. In zirka fünfhundert Metern Entfernung blieb er stehen. Sekunden später war neben ihm plötzlich eine etwa vier Meter durchmessende strahlende Energieblase. Braccho schwebte darauf zu, verschmolz scheinbar mit ihr und war kurz darauf in ihrem Innern zu sehen. Er wandte sein faltiges Lederhautgesicht in meine Richtung und winkte. Dann stieg die Energieblase auf. Ich schaute auf meinen Chronographen, dann wandte ich mich an Helos Trubato. »Start!«
* Tief unter uns lag der Planet, den wir Pwllheli getauft hatten. Er sah aus dem Weltraum so real aus, daß ich für einen Augenblick daran zweifelte, daß er nur ge-
35 träumt sein sollte. Aber ich vertraute der Intelligenz und Weisheit Bracchos, obwohl dieses seltsame Wesen uns gar keinen Beweis für die Richtigkeit seiner Theorie geliefert hatte. Dennoch wußte ich, er hatte nicht gelogen. »Was wird aus den Maahks im Stützpunkt, wenn der Traum aufhört?« fragte Ra. »Sie sterben, wie sie es verdient haben«, erwiderte Karmina Arthamin voller Haß. Ich runzelte die Stirn. Verdient? Wie konnten wir so vermessen sein zu behaupten, sie hätten den Tod verdient, nur weil sie Maahks waren? Ich haßte die Maahks auch, aber das waren andere Maahks, die ich haßte, nicht jene in Primitivität zurückgesunkenen Schiffbrüchigen, die auf Pwllheli ein Asyl gefunden hatten. Doch ich sagte nichts. Ich hätte beim besten Willen nicht eine ganze Kolonie von Wasserstoffatmern retten können, und wäre ich bei Lantcor wegen Hilfe vorstellig geworden, ich wäre auf Unverständnis gestoßen. Die Parole »Tod allen Maahks« war ein furchtbares Schlagwort, aber die Maahks hatten es herausgefordert, weil sie einen Vernichtungskrieg führten. Nur unser Haß gab uns die Kraft, den Kampf durchzustehen, der uns aufgezwungen worden war. »Fertig?« fragte Lantcor über Telekom. »Alles fertig zum Einsatz«, antwortete ich. »Dann …«, begann der zweifache Sonnen träger und hob den Arm. Mitten in der Bewegung schien er einzufrieren. Dann wandte er den Kopf nach links, als erhielte er von dort eine wichtige Mitteilung. Sein Gesicht wandte sich wieder nach vorn. »Noch warten!« beschied er mir. »Meine Ortung hat eine große Energieblase entdeckt, die sich von Pwllheli löst und sehr schnell aufsteigt. Wahrscheinlich versuchen die Maahks, sich in Sicherheit zu bringen. Wir müssen sie erst vernichten, bevor wir anfangen.« »Nein!« erwiderte ich. »Wahrscheinlich
36 hat Braccho die Kolonie der Maahks vom Planeten gelöst und in Sicherheit gebracht. Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich der Hilfsbereitschaft dieses liebenswürdigen Wesens in den Rücken fiele. Außerdem denke ich, daß Braccho die Maahks beschützen kann.« Lantcor dachte eine Weile nach, dann meinte er diplomatisch: »Ich nehme an, daß die Maahks so oder so umkommen, so daß sich eine Aktion gegen sie erübrigt. Achtung, Transitionsenergie auf die Projektoren schalten!« Ich stand selbst vor dem neu installierten Schalter. Mit einem Ruck drückte ich die Schalttaste nieder. Eine Zeitlang geschah nichts. Der Planet Pwllheli schwamm unversehrt im All. Dann liefen die Ereignisse so plötzlich ab, daß wir ihnen mit den Augen kaum zu folgen vermochten. Die ISCHTAR wurde von einer Stoßwellenfront getroffen und davongewirbelt. Auf den Bildschirmen schienen die Sterne einen irren Tanz aufzuführen. Ich hielt mich fest und versuchte, mich auf Pwllheli zu konzentrieren. Doch der Planet war nirgends mehr zu sehen. Ich erspähte nur eine Ballung von Dunkelheit im Raum, die rasend schnell kontrahierte. »Das Schiff wird zur Dunkelballung hingezogen!« rief Helos Trubato. »Ich gebe Gegenschub!« Unsere Triebwerke brüllten auf. Die ISCHTAR schüttelte sich, aber sie schoß mit steigender Geschwindigkeit auf die schrumpfende Dunkelballung zu. Ich vermutete; daß es sich dabei um ein Loch in unserer Dimension handelte, das entstanden war, als die Dimensionsverwerfung beseitigt worden war. Wenn die ISCHTAR in das Loch gerissen wurde, würde sie dann in einer anderen Dimension landen? Wir kamen dem unheilvollen Punkt immer näher. Schon glaubte ich, mich mit einer neuen Irrfahrt in fremder Dimension abfinden zu müssen, da verschwand die auf die Ausdehnung eines Balls zusammengeschrumpfte Dunkelheit.
H. G. Ewers Im nächsten Augenblick schien der Raum sich mit Schlieren zu füllen. Die ISCHTAR vollführte einen Satz in die entgegengesetzte Richtung, dann wurde ihr Flug ruhiger. Ich begriff, daß es die auf Gegenschub geschalteten Triebwerke waren, die den Satz verursacht hatten. Rasch schaltete ich die Transitionsenergie von den Projektoren auf das Transitionstriebwerk, hoffend, daß wir einen Notsprung durchführen und uns vor Lantcor in Sicherheit bringen konnten. Aber es gelang nicht. Die Energieerzeuger, die einige Zeit überlastet worden waren, verzeichneten einen starken Leistungsabfall. Mit der Energie, die sie noch brachten, konnten wir eine Transition nur durchführen, wenn wir zuvor eine Geschwindigkeit von mindestens neunzig Prozent LG erreichten. Und wir hatten erst fünfzehn Prozent LG …! Auf meinem Telekombildschirm erschien Lantcors Gesicht, während draußen im Raum seine Schiffe den Ring um die ISCHTAR schlossen. Ihre Geschützmündungen waren auf uns gerichtet. »Ergeben Sie sich, Atlan!« forderte der Zweisonnenträger. »Ich denke nicht daran«, erwiderte ich zornig und enttäuscht darüber, daß Lantcor, mit dem es eine wirklich fruchtbringende Zusammenarbeit gegeben hatte, sein Ziel so stur verfolgte. Ich ließ mich in meinem Zorn sogar zu etwas hinreißen, dessen ich mich hinterher schämte. »Karmina Arthamin ist meine Geisel. Ich werde sie töten, wenn Sie mich nicht abziehen lassen, Lantcor.« »Um der Pflicht willen müssen Opfer gebracht werden«, erwiderte Zweisonnenträger Lantcor mit unbewegtem Gesicht. Er hob die Hand. Aus den Geschützen der Imperiumsflotte brach eine Salve starker Energiestrahlen und legte sich vor die ISCHTAR. Helos Trubato schaltete sofort auf Gegenschub, sonst wären wir unweigerlich im Energiefeuer vergangen.
Träume aus fremder Dimension »Sie schleusen Beiboote mit Enterkommandos aus«, berichtete Fartuloon. »Wenn Sie mich schon ermorden wollen, dann zögern Sie nicht länger, Atlan!« sagte Karmina Arthamin gefaßt. Ich atmete tief durch, dann erwiderte ich: »Bitte, entschuldigen Sie, daß ich mich im Zorn zu dieser Drohung hinreißen ließ, Sonnenträgerin. Selbstverständlich lasse ich nicht zu, daß Ihnen ein Haar gekrümmt wird. Aber die Enterkommandos werden einen heißen Empfang erleben.« »Willst du Arkoniden auf Arkoniden schießen lassen, Junge?« erkundigte sich mein Pflegevater. »In den Beibooten sitzen keine Verbrecher, sondern tapfere arkonidische Raumfahrer.« »Wir werden uns wehren«, antwortete ich. »Zuerst nur mit Lähmwaffen. Sollten die Angreifer dennoch mit tödlichen Energiewaffen auf uns schießen, werden wir ebenfalls Thermostrahler einsetzen. Ich lasse meine Leute nicht abschlachten.« Ich schaltete die Rundrufanlage ein und erteilte die notwendigen Befehle. Wir konnten uns nicht mit den Bordgeschützen wehren, weil die Übermacht uns dann zusammengeschossen hätte. Folglich mußten wir uns auf einen Kampf Mann gegen Mann einlassen.
* Unser Kampf war von Anfang an aussichtslos gewesen. Ich hatte das gewußt, und meine Leute hatten es auch gewußt. Praktisch verteidigten wir nicht uns, sondern unsere Ehre, indem wir uns trotzdem erbittert zur Wehr setzten. Zuerst hatten die Enterkommandos Thermostrahler benutzt. Dann aber, als sie erkannten, daß wir nur Lähmwaffen gegen sie einsetzten, hatten auch sie ausschließlich Lähmwaffen verwendet. Es war eine Geste der Ritterlichkeit einem Gegner gegenüber gewesen, den man achtet und gegen den man keine persönliche Feindschaft empfindet.
37 Im Ausgang des Kampfes hatte es nichts geändert. Die Angreifer waren in der Überzahl und konnten Ausfälle immer wieder ersetzen. Meine Leute wichen nicht zurück. Sie kämpften, bis sie durch Schockwaffen gelähmt wurden. Über die Körper ihrer gelähmten Kameraden hinweg drangen die Angreifer dann jeweils ein Stück weiter vor. Neun Stunden lang tobte der Kampf, dann hatten Lantcors Leute die Kommandozentrale erreicht. Hier wurden sie von der Zentralebesatzung unter meiner Führung in Empfang genommen, alles kampferprobte Offiziere, die sich im Gefecht auf Instinkt und Intelligenz verließen und nicht so leicht auszuschalten waren. In den Korridoren rings um die kugelförmige Kommandozentrale häuften sich die geschockten Angreifer zu hohen Wällen. Aber unser Häuflein war inzwischen auf fünf Mann zusammengeschrumpft. Lange würde der Kampf nicht mehr dauern. Ich schoß auf einen Angreifer, dann wandte ich den Kopf und blickte in die Zentrale zurück. Karmina Arthamin stand da, wie zu Stein erstarrt. Nur ihre Augen verrieten, daß sie lebte. Und sie verrieten einen Sturm von Gefühlen, den ich ihr nie zugetraut hätte. Instinktiv erfaßte ich, daß die Sonnenträgerin ihre Meinung über mich geändert hatte. Wahrscheinlich, weil ich im Gegensatz zu Lantcor nicht bereit gewesen war, ihr Leben zu opfern. Doch dieser Meinungsumschwung kam zu spät. Jetzt konnte Karmina Arthamin uns nicht mehr helfen, und das war ihr offensichtlich auch klar. Ich wandte mich wieder dem Kampf geschehen zu. Dabei bemerkte ich, daß Fartuloon getroffen war. Er lag verkrampft neben mir, und er war außer mir der einzige, der noch aktionsfähig war. Nein, Vorry kämpfte ebenfalls noch. Ich hatte ihm verboten, seine gewaltigen Körperkräfte einzusetzen. Er hätte damit nicht nur getötet, sondern wäre am Ende selbst ge-
38 tötet worden. Statt dessen feuerte er mit einem schweren Schockblaster. Ich hatte mich ablenken lassen. Als mein Körper erstarrte, war es zu spät. Die Waffe entfiel meinen kraftlos gewordenen Händen. Meine Bein- und Armmuskeln zogen sich krampfhaft zusammen, dann konnte ich mich nicht mehr bewegen. Nach einer Weile tauchten arkonidische Raumfahrer in meinem Blickfeld auf. Ich konnte alles sehen und hören, was um mich herum vorging. Zwei Männer hoben mich auf und trugen mich in die Kommandozentrale. Dort setzten sie mich in meinen Kontursessel. Sie sprachen davon, daß Lantcor seinen Besuch auf der ISCHTAR angekündigt hatte. Als dann der zweifache Sonnenträger vor mir auftauchte, war seinem Gesicht weder Triumph noch Freude über den Sieg anzusehen. »Ich danke Ihnen, daß Sie durch Ihren Befehl, nur Lähmwaffen einzusetzen, den Tod tapferer Raumfahrer verhindert haben, Atlan«, sagte er zu mir. »Sobald Ihre Lähmung abgeklungen ist, werden Sie in Ihrer Kabine arretiert. Ich werde auf kürzestem Wege nach Arkon fliegen und Sie und Ihre Leute dort abliefern. Aber Sie werden gut behandelt, das verspreche ich Ihnen.« Von Ihnen vielleicht, aber nicht von Orbanaschol! hätte ich am liebsten erwidert. Leider konnte ich nicht sprechen. Da kam Fürsprache von einer Seite, von der ich sie nicht mehr erwartet hätte. »Ich bezweifle, daß es klug wäre, die Gefangenen sofort nach Arkon zu bringen, Zweisonnenträger Lantcor«, hörte ich Karmina Arthamin sagen. »Es wäre zumindest psychologisch eine Gefahr. Das Auftauchen von Gonozal VII. könnte zu Unruhen führen wie auf anderen Planeten. Unruhen auf den Arkonwelten aber können wir uns im jetzigen Stadium des Methankriegs nicht leisten.« Lantcors Brauen zogen sich zusammen. Der Widerspruch mußte bei einer so ausgeprägten Persönlichkeit wie bei ihm zuerst
H. G. Ewers Zorn auslösen. Aber er beherrschte sich, und nach einer Weile verriet sein Gesicht Nachdenklichkeit. »Ihr Argument entbehrt nicht der Logik, Sonnenträgerin Arthamin«, erwiderte er. »Es ist war, daß überall dort, wo Gonozal VII. vorgezeigt wurde, Unruhe ausbrach und sich Arkoniden sogar gegen die Regierung des Großen Imperiums stellten. Aber irgendwann muß ich die Gefangenen abliefern. Vielleicht sollte ich den Imperator in einem Funkspruch fragen, wie ich vorgehen soll.« »Mit Verlaub gesagt, auch das wäre ein unglücklicher Zug, der Ihnen die Mißgunst des Imperators zuziehen könnte«, erklärte Karmina Arthamin. »Ein Funkspruch durchläuft alle möglichen Dienststellen, bevor er dem Imperator vorgelegt wird. Sein Inhalt würde sich als Gerücht über alle Arkonwelten verbreitet haben, noch ehe Orbanaschol III. ihn kennt. Ich schlage deshalb vor, einen Geheimkurier nach Arkon zu entsenden.« Lantcor kaute auf seiner Unterlippe. Er war in einen Zwiespalt geraten. Einerseits war es seine Pflicht, meinen Vater und mich so schnell wie möglich an Orbanaschol zu übergeben. Andererseits leuchteten ihm die Bedenken Karminas ein, und er war sicher nicht daran interessiert, sich durch eine unüberlegte Maßnahme die Mißgunst oder gar den Zorn Orbanaschols zuzuziehen. Der Diktator ging nicht gerade rücksichtsvoll mit Leuten um, die seiner Meinung nach einen Fehler begangen hatten. Endlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben. Er hörte auf, seine Unterlippe mit den Zähnen zu bearbeiten. »Wir fliegen zuerst nach Vayklon!« entschied er. »Hier könnten jederzeit Schiffe der Maahks auftauchen. Von Vayklon aus werde ich dann einen Kurier nach Arkon schicken.« Ich atmete verstohlen auf und war Karmina Arthamin dankbar, daß sie uns einen Aufschub verschafft hatte. Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Ich fragte mich, wie es weitergehen sollte. Schließlich konnte Karmina Arthamin ge-
Träume aus fremder Dimension genüber Lantcor nicht mit offenen Karten spielen und für unsere Freilassung plädieren. Und wir selbst konnten auch nichts tun.
7. Ich wandte mich um, als der Interkommelder summte und fragte mich, wer mich wohl sprechen wollte. Nachdem meine Lähmung abgeklungen war, hatte Lantcor mich in meine Kabine bringen lassen, aus der vorher alle Ausrüstungsgegenstände, die sich als Waffen benutzen ließen, entfernt worden waren. Die ISCHTAR hatte ein Krisenkommando als Notbesatzung bekommen, und die echte Besatzung war sicher ebenfalls in ihren Quartieren eingesperrt worden. Die meisten Leute konnten sich wenigstens unterhalten, da die Mannschaftskabinen mit bis zu sechs Personen belegt waren. Ich dagegen wurde in Isolation gehalten. Langsam ging ich zum Interkom und schaltete ihn ein. Der Bildschirm wurde hell, zeigte aber nur ein graues Flimmern. Wer immer mit mir sprechen wollte, war nicht daran interessiert, seine Identität zu offenbaren. Bevor ich mich melden konnte, wisperte eine kaum hörbare und offenkundig verstellte Stimme: »Nicht sprechen!« Ich machte das arkonidische Zeichen für Bejahung, in der Hoffnung, daß mein Gesprächspartner mich auf seinem Interkomanschluß sah. »Wir müssen Zeit gewinnen«, fuhr die Stimme fort. Ich lächelte unwillkürlich, denn die Bemerkung hatte mir verraten, daß es nur Karmina Arthamin sein konnte, die mich angerufen hatte. »Es wird dafür gesorgt werden, daß die Zeit für Sie arbeitet«, erklärte die Stimme. »Zuerst einige Informationen über Vayklon. Es handelt sich um einen Planeten der gelben Sonne Xallish, auf dem sich ein Geheimstützpunkt des Imperiums befindet. Es
39 ist nur ein kleiner Stützpunkt, deshalb werden die ISCHTAR und die übrigen Schiffe im Raum bleiben müssen. Sie sind zu groß, um eingeschleust zu werden. Würden sie auf Vayklon landen, könnte eine unverhofft auftauchende Spionsonde oder ein Spähschiff der Maahks sie orten und daraus auf einen Stützpunkt schließen. Das ist der erste Vorteil, der sich vielleicht einmal entscheidend zu Ihren Gunsten auswirken wird. Ein weiterer Vorteil dürfte es sein, daß sich von Lantcors Untergebenen niemand danach drängen wird, als Geheimkurier nach Arkon zu fliegen und Orbanaschol gegenüberzutreten. Ein Empfang beim Imperator gleicht oft einem Alptraum. Die kleinste falsche Bemerkung kann verhängnisvoll sein. Damit ist sichergestellt, daß eine Person, der Sie vertrauen können, den Kurierauftrag zugesprochen erhält. Es wird drei Tage dauern, bis der Kurier zurückkehrt. So lange müssen Sie durchhalten. Loser Werlkron, der Stützpunktkommandant, ist ein sehr ehrgeiziger Mann und ein Psychopath dazu. Er nutzt jede Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen. Verhalten Sie sich psychologisch geschickt, falls Sie ihm vorgestellt werden. Ich muß das Gespräch beenden, da mein Türmelder summt. Alle guten Wünsche für Sie!« Ich neigte den Kopf, dann erlosch der Bildschirm. Nachdem ich das Gerät ausgeschaltet hatte, ließ ich mich in einem Sessel nieder und verarbeitete die Informationen. Daran, daß Karmina Arthamin mich angerufen hatte, zweifelte ich längst nicht mehr. Sie war die einzige Person in Lantcors Gefolge, die mich gut genug kennengelernt hatte, um sich ein Urteil über mich bilden zu können – und auch die einzige Person, die mir gegenüber mit Schuldgefühlen beladen sein konnte. Ebenfalls sicher war ich, daß die Sonnenträgerin ein gewagtes Spiel zu spielen gedachte. Das, was sie über den Kurierauftrag
40 gesagt hatte, ließ sich nur so auslegen, daß sie sich freiwillig dazu melden wollte und daß sie keineswegs beabsichtigte, Orbanaschol über meine Gefangennahme zu unterrichten. Wahrscheinlich wollte sie nach einigen Transitionen mit ihrem Schiff irgendwo im Weltraum die Zeit verstreichen lassen, die sie für den ganzen Weg nach Arkon und für die Audienz bei Orbanaschol benötigt hätte. Wenn sie zurückkehrte, dann bestimmt mit einem fingierten Auftrag des Diktators, mich und meine Leute mit der ISCHTAR heimlich nach Arkon zu bringen. Die Frage war nur, ob Lantcor sich von ihr täuschen lassen würde. Doch selbst dann, wenn ihr das gelang, waren wir noch lange nicht in Sicherheit. Die Entfernung zu Arkon ließ sich nicht mit einem EinmannRaumschiff überbrücken, auch nicht mit einem Beiboot. Folglich mußte Karmina Arthamin mit einem der Großkampfschiffe, von Lantcors Verband fliegen. Was würde die Besatzung sagen, wenn sie nicht nach Arkon flog, sondern sich irgendwo im Weltraum herumtrieb und dann nach Vayklon zurückkehrte? Fraglich war auch, ob der Imperator sich nicht von sich aus mit Lantcor in Verbindung setzte. Immerhin war der zweifache Sonnenträger als Oberbefehlshaber einer Großflotte eingesetzt gewesen, die vor Marlackskor vor den Maahks hatte zurückweichen müssen. Ein Imperator konnte verlangen, daß dieser Mann sich schnellstens zum Rapport meldete. Tat er es nicht, wurde er bestimmt ungehalten. Wenn ich mich wenigstens mit Fartuloon hätte besprechen können. Aber Lantcor hielt uns voneinander getrennt. Möglicherweise traute er uns zu, daß wir einen Plan ersannen, wie wir aus seiner Gewalt fliehen konnten – und ihn vielleicht sogar in die Tat umsetzten. Als mein Kabinenschott aufglitt, erhob ich mich. Ich verbarg meine Überraschung, als Lantcor und Karmina Arthamin gemeinsam meine Kabine betraten.
H. G. Ewers Die Sonnenträgerin ließ sich nichts anmerken. Sie trug eine unbeteiligte, kühle Miene zur Schau und war klug genug, mir kein verstohlenes Zeichen zu geben. »Was verschafft mir die Ehre so hohen Besuchs?« erkundigte ich mich ironisch. »Ein Höflichkeitsbesuch«, antwortete Zweisonnenträger Lantcor. »Wie geht es Ihnen, Atlan?« »Den Verhältnissen entsprechend befriedigend«, erklärte ich. »Sie werden kaum erwartet haben, daß ich in Begeisterung ausbreche. Wenn Sie mir schon keine Gespräche mit meinen engsten Vertrauten gestatten, dann erlauben Sie mir wenigstens, meinen Vater zu besuchen und mich um ihn zu kümmern. Sie werden ja wohl nicht annehmen, daß ich zusammen mit Imperator Gonozal VII. eine Verschwörung aushecke.« Lantcor schaute verlegen zur Seite, faßte sich aber schnell wieder. »Sie dürfen Ihren Vater täglich einmal für eine Stunde besuchen, Atlan«, erwiderte er. »Selbstverständlich unter Bewachung.« Er räusperte sich. »Übrigens, die Mediziner meines Flaggschiffs haben ihn untersucht. Ihr Vater ist seelisch taub und stumm. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Folge des Ausfalls wichtiger Synapsen im Gehirn.« »Danke!« sagte ich – und meinte es ehrlich. Ich hielt es plötzlich sogar für möglich, daß Lantcor sich unter meinen Befehl gestellt hätte, wenn seine Mediziner ihm gesagt hätten, daß mein Vater heilbar sei. »Bitte!« erwiderte Lantcor und wurde schon wieder verlegen. Er mußte meinen Gedankengang durchschaut haben. Schade, daß ein so intelligenter Mann auf der falschen Seite stand. »Ich habe den Auftrag, als Kurier nach Arkon zu fliegen«, teilte Karmina Arthamin mir mit. »Eigentlich sollte ich es nicht tun, da Sie mich hinterhältig als Geisel genommen hatten. Dennoch frage ich Sie, ob ich Orbanaschol III. eine Botschaft von Ihnen übermitteln darf. Vielleicht etwas, das Ihre Lage verbessert und Ihre Zukunftsaussichten ebenfalls.«
Träume aus fremder Dimension Sie spielte ihr Spiel wirklich raffiniert, mit der echt weiblichen Naturbegabung für solche Sachen. Ich blickte sie verächtlich an. »Wenn ich jemals zu Verräter Orbanaschol sprechen sollte, dann mit einem Thermostrahler!« gab ich zurück. »Richten Sie das dem Abschaum des arkonidischen Volkes aus, Sonnenträgerin Arthamin!« »Sie vergessen sich!« fuhr Lantcor mich an. »Lassen Sie nur«, meinte Karmina. »Er schadet sich nur selbst damit. Ich denke, wir sollten gehen und den Verräter sich selbst überlassen.« Lantcor zögerte kurz, dann stimmte er zu. Als sie meine Kabine verlassen hatten, lachte ich in mich hinein. Jetzt glaubte ich, daß Karmina Arthamin raffiniert genug war, um selbst den schlauen Zweisonnenträger hereinzulegen.
* Zwei Raumsoldaten holten mich ab, um mich zu meinem Vater zu bringen. Ich registrierte, daß sie versuchten, sich möglichst gleichgültig zu geben, in Wirklichkeit aber aus glänzenden Augen bewundernd auf mich blickten, wenn sie glaubten, ich würde nichts merken. Es war klar, daß sie in mir den Mann sahen, der vor Marlackskor die Imperiumsflotte vor einer Katastrophe und alle beteiligten Arkoniden vor dem Verlust ihrer Ehre gerettet hatte. Natürlich wagten sie dennoch nicht, mich anzusprechen. Die Disziplin auf den Schiffen der Flotte des Großen Imperiums war sehr streng. Verstöße wurden hart geahndet. Nachdem die Tür zur Kabine meines Vaters sich geöffnet hatte, blieben die Soldaten links und rechts neben ihr stehen. Ich trat ein. Wieder fand ich meinen Vater in einem Sessel sitzend vor. Die beiden Dienstroboter waren noch bei ihm, um ihn zu versorgen und zu betreuen.
41 Ich salutierte vor dem Imperator, dann kniete ich neben meinem Vater nieder, nahm seine Hand und sprach leise und eindringlich auf ihn ein. Wie immer, reagierte er nicht darauf. Seine Augen blickten ins Leere, als wäre er mit der Lösung abstrakter Probleme beschäftigt. Ein Speichelfaden rann aus seinem linken Mundwinkel. Ich tupfte ihn mit einem Tuch ab und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Ich bereute, daß ich ihn ins Leben zurückgerufen hatte, denn dieses Leben war ein rein vegetatives wie das einer Pflanze. Und wir hatten nicht viel für das Imperium erreicht. Wenn Karminas Plan fehlschlug, was trotz ihrer Gerissenheit möglich war, dann würde mein Vater zum zweitenmal von Orbanaschol ermordet werden. Eine Weile kämpfte ich mit dem Gedanken, ihm diese schlimmste Schmach zu ersparen und ihn hier und jetzt mit eigenen Händen zu erlösen. Ich verwarf es wieder. Solange noch die geringste Hoffnung bestand, durfte der Sohn das Leben des Vaters nicht auslöschen. Auch wenn es kein wirkliches Leben war. Als die Tür sich öffnete, wußte ich, daß die Besuchszeit um war. Ich erhob mich, warf meinem Vater einen letzten verzweifelten Blick zu und ging hinaus. In den Augen der Raumsoldaten, die mich zu meiner Kabine führten, las ich Mitleid. Vor meiner Kabine salutierten sie. »Danke!« sagte ich leise. Dann kehrte ich in mein Gefängnis zurück. Lange saß ich in meinem Sessel und grübelte. Ich fuhr verwundert auf, als sich plötzlich die Bildwand erhellte, die normalerweise zur Betrachtung der Umgebung des Schiffes diente. Ich hatte nicht erwartet, als gefangener Staatsfeind in den Genuß dieser Einrichtung zu gelangen. Auf dem Bildschirm wurde eine gelblich strahlende Sonne sichtbar. Dann wechselte die Aufnahme und zeigte den Ball eines Planeten mit blauen Meeren, braunen Kontinenten und weißen Wolkenformationen.
42 Das mußte Vayklon sein. Wieder wechselte die Aufnahme und zeigte der Reihe nach sechs Kugelraumer. Sechs, das bedeutete, daß das siebte Schiff des Verbandes bereits aufgebrochen war – mit Karmina Arthamin als Kurier für Arkon. Aus der Rundruf anläge kam Lantcors Stimme. »Zur Information für die, die es nicht wissen. Wir befinden uns vor dem Planeten Vayklon im System der gelben Sonne Xallish. Auf Vayklon befindet sich ein kleiner Geheimstützpunkt der Imperiumsflotte. Wir werden in eine weite Umlaufbahn um Vayklon gehen und dort auf die Rückkehr des Kurierschiffs warten, das nach Arkon unterwegs ist, um dem Imperator die Nachricht über die Gefangennahme Atlans zu überbringen. Falls sich Frauen und Männer aus den Mannschaftsgraden der ISCHTAR verpflichten wollen, auf den Schiffen meines Verbandes Dienst für die in der Schlacht gefallenen Raumfahrer zu tun, werde ich Entgegenkommen zeigen. Ich bin sicher, daß der Imperator meinen Entschluß, ahnungslose Mitläufer Atlans zu verpflichten, billigen wird. Natürlich würde eine Verpflichtung Straffreiheit bewirken, sofern nicht besonders schwerwiegende Straftaten vorliegen.« Die Lautsprecher der Rundrufanlage verstummten. Auf der Bildwand war wieder der Planet zu sehen. Ich fand es sehr anständig von Lantcor, daß er meinen Mannschaftsdienstgraden anbot, sie auf seinen Schiffen einzusetzen. Er riskierte dabei einen Verweis des Diktators, denn normalerweise ließ Orbanaschol Gefangene, die für ihn bedeutungslos waren, Strafeinheiten zuteilen, die an den gefährlichsten Brennpunkten des Großen Methankriegs eingesetzt wurden. Praktisch sabotierte Lantcor das mit seinem Angebot an meine Leute. Allerdings wußte ich, daß keiner von meinen Leuten sich melden würde. Wie schon erwähnt, handelte es sich ausschließlich um ausgesuchte Personen, die der Sache und
H. G. Ewers mir treu ergeben waren. Sie würden sich lieber in Stücke hauen lassen, als in der Flotte Orbanaschols zu dienen. Ich nahm mir vor, falls Karminas Plan nicht aufging und uns das bittere Ende nicht erspart blieb, Lantcor zu bitten, einen Appell an meine Leute richten zu dürfen. In diesem Appell würde ich ihnen raten, Lantcors Angebot anzunehmen. Meine Aufmerksamkeit wurde kurz darauf von einem Raumschiff gefesselt, das sich von Vayklon her dem Verband näherte. Es handelte sich um ein kugelförmiges Beiboot von sechzig Metern Durchmesser. Ich nahm an, daß der Kommandant des Geheimstützpunkts auf Vayklon, Loser Werlkron, mit diesem Beiboot kam, um dem Zweisonnenträger einen Besuch abzustatten. Einen ehrgeizigen Psychopathen, der sich immer und überall in den Vordergrund spielte, so hatte Karmina Arthamin den Stützpunktkommandanten charakterisiert. Ich kannte diesen Typ Arkoniden aus einigen Erfahrungen. Solche Leute konnten bestenfalls im privaten Kreis Unheil anrichten, es sei denn, sie kamen durch Protektion in gehobene Positionen. Dann konnten die Folgen verheerend sein. Ich beobachtete das Beiboot weiter. Es kam immer näher, dann schwand es aus dem Bild. Offenbar hatte es die GLORMOUN angesteuert. Ich ging zum Versorgungsautomaten und tastete mir ein kleines Frühstück. Wenn es zu einer Begegnung mit Werlkron kam, wollte ich wenigstens nicht mit leerem Magen dastehen.
* Eine halbe Stunde später öffnete sich das Schott meiner Kabine abermals. Ich blieb sitzen, da ich annahm, Werlkron wäre zu meiner Besichtigung erschienen. Doch es war nur ein Offizier in Begleitung dreier Raumsoldaten. Der Offizier salutierte. »Befehl von Zweisonnenträger Lantcor!«
Träume aus fremder Dimension sagte er. »Ich soll Sie mit Ihren Vertrauten zusammenbringen, Herr.« Ich erhob mich. Die Aussicht darauf, Fartuloon und meine anderen Freunde wiederzusehen, gab mir zusätzlichen seelischen Auftrieb. Die Männer eskortierten mich. Der Offizier schritt zwei Schritte voran und führte uns zu einem kleinen Konferenzraum, vor dessen Schott zwei Arkoniden und zwei Kampfroboter Wache hielten. Als das Schott sich öffnete, blickten mir Fartuloon, Ra und Vorry entgegen. Ich ging hinein. Der Magnetier eilte auf mich zu und wollte mir seine Pranke freundschaftlich auf die Schulter hauen. Ich wich dem Hieb geschickt aus und sagte: »Du vergißt schon wieder, daß ich nur ein zerbrechlicher Arkonide bin, du kleines Scheusal!« »Vorry sehr verfreut!« erwiderte der Eisenfresser. »Viel Hunger gehabt nach Atlan und viel Sehnsucht nach Eisen.« Ich lachte. »Du meinst, du hast viel Hunger nach Eisen und viel Sehnsucht nach mir gehabt, Vorry. Hat man dich nicht ausreichend verpflegt?« »Nur einen einzigen kleinen Eisenbarren habe ich bekommen«, klagte Vorry. »Dabei hatten wir soviel mitgenommen.« »Ich werde ein Wort für dich einlegen«, versprach ich. Dann wandte ich mich Fartuloon und Ra zu. »Gibt es etwas Neues?« Fartuloon musterte mich prüfend. »Bei uns nicht, mein Junge. Und wie ist es bei dir? Du wirkst gar nicht bedrückt. Hast du eine gute Nachricht für uns?« Ich sah mich um. Die Wachen waren draußen geblieben, und das Schott hatte sich wieder geschlossen. Sie konnten also nicht hören, was im Konferenzraum gesprochen wurde. Aber ich war sicher, daß es hier verborgene Abhöranlagen gab. Lantcor würde schlau genug gewesen sein, sie vor unserer Zusammenkunft
43 installieren zu lassen. Wahrscheinlich hatte er das Treffen nur deshalb inszeniert, um sich über unsere Gedanken und eventuellen Fluchtpläne zu informieren. »Ja«, sagte ich. »Lantcor hat unseren Leuten angeboten, sie in seine Dienste zu übernehmen. Damit ist mir schon einmal die Sorge um das Schicksal der rund sechshundert Frauen und Männer der ISCHTAR abgenommen.« Mein Pflegevater blinzelte und nickte nachdenklich. Er hatte verstanden, daß ich mit Abhöranlagen rechnete. Aber er schien nun auch sicher zu sein, daß ich eine positive Wandlung der Situation erwartete – und zwar nicht grundlos. »Was wird mit uns auf Arkon geschehen, Atlan?« erkundigte sich Ra. »Ich an deiner Stelle würde mir keine großen Sorgen machen«, antwortete ich. »Orbanaschol hat keinen Grund, dich aus dem Wege zu räumen. Im Gegenteil, er wird dich wahrscheinlich bevorzugt behandeln, weil er von dir Informationen zu erhalten hofft. Er kennt dich ja schon lange, jedenfalls dem Namen nach, und hat schon einmal versucht, dich zu sich bringen zu lassen.« Das Gesicht verfinsterte sich. »Der Diktator wird von mir kein Wort erfahren, Atlan. Eher lasse ich mich foltern und töten. Aber was wird aus dir werden?« »Orbanaschol wird mich beseitigen – auf die eine oder andere Weise«, antwortete ich. »Aber noch sind wir nicht auf Arkon. Du darfst niemals den Mut verlieren. Solange man lebt, kann man auch noch hoffen.« Ra betrachtete seine kräftigen Hände, streckte und krümmte die Finger und stieß drohend hervor: »Ich werde den Diktator mit diesen Händen erwürgen, wenn ich an ihn herankomme!« »Du würdest dadurch mein Volk von einem Alptraum erlösen, Ra«, erwiderte ich. »Sprechen wir über etwas anderes«, lenkte Fartuloon ab. »Atlan, hast du gesehen, wohin die Energiesphäre mit Braccho verschwunden ist, nachdem der geträumte Pla-
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H. G. Ewers
net sich aufgelöst hatte?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, sie war mit einemmal weg. Da er mit seinem Gerät nicht auf ›normale‹ Weise durch den Raum reist, sondern sogenannte Dimensionstore benutzt, wird er wahrscheinlich durch ein solches Dimensionstor verschwunden sein. Vielleicht entstand eines, als die Dimensionsüberlappung sich glättete.« »Ja, wahrscheinlich«, meinte Fartuloon. »Das war schon ein einzigartiges Abenteuer, das wir mit Pwllheli erlebten. Übrigens verschwand die Energieblase mit dem Maahkstützpunkt im gleichen Augenblick wie Bracchos Energiesphäre. Ich halte es für möglich, daß er sie mit durch sein Dimensionstor genommen hat, um sie vor uns zu schützen.« Ich wollte etwas darauf erwidern, als das Schott des Konferenzraums sich öffnete und der Offizier, der mich hierher geführt hatte, eintrat. Wieder salutierte er, dann meldete er mit lauter Stimme: »Achtung! Stützpunktkommandant Werlkron und zweifacher Sonnenträger Lantcor!«
8. Loser Werlkron sah ungefähr so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: kleiner als der durchschnittliche Arkonide, schlaffe, ungesund graue Haut, ausgedehnte Stirnglatze, stechender unsteter Blick und ein arrogantes Lächeln, das seine vielfältigen Komplexe übertünchen sollte. Werlkron musterte uns. Sein Blick ging unkonzentriert hin und her, während Lantcor, der gegen ihn wie ein Halbgott wirkte, uns vorstellte. Immer wieder kehrte Werlkrons Blick zu Vorry zurück. »Was heißt das, er ist ein Magnetier?« fragte er nervös. »Zieht er etwa wie ein Magnet Eisen an? Hahaha!« Niemand lachte über den verkrampften Pseudowitz.
Mit unbewegten Gesicht antwortete Lantcor: »Er heißt so, weil er im Innern eines Magnetbrüters aus einem Ei schlüpfte. Mehr weiß ich auch nicht. Vielleicht könnte Atlan uns zusätzliche Informationen geben.« Werlkrons Hand stieß mit ausgestrecktem Zeigefinger vor, deutete in meine Richtung. Aber der Mann schaute mich nicht an, sondern an mir vorbei. »Reden Sie!« befahl er. Allein schon der Klang seiner Stimme erzeugte eine starke Antipathie in mir. Ich bemühte mich, sie mir nicht anmerken zu lassen und ebenso unbeteiligt zu wirken wie Zweisonnenträger Lantcor, der, wenn ich ihn richtig einschätzte, Werlkron ebensowenig leiden konnte wie ich. »Viel mehr ist mir auch nicht bekannt«, erklärte ich. »Nur, daß vor langer Zeit ein varganischer Wissenschaftler ein Ei fand und in einen Magnetbrüter brachte. Wo Vorrys Volk lebt, weiß er natürlich nicht, da er es nie kennenlernte.« »Sehr dürftig«, nörgelte Werlkron. »Na, ja, was kann man von einem ungebildeten Piraten schon verlangen.« »Er hat dich beleidigt, Atlan!« dröhnte Vorrys Stimme laut durch den Konferenzraum. »Soll ich ihn ein bißchen zerquetschen?« Loser Werlkron wich zurück. Seine Stirn bedeckte sich mit Angstschweiß. »Dieses Ungeheuer hat mich bedroht!« kreischte er mit überschnappender Stimme. »Ich verlange, daß es abgetötet wird!« »Mistkerl!« grollte Ra. Werlkron wandte sich an Lantcor. »Wollen Sie diesen Ungeheuern alles durchgehen lassen, Zweisonnenträger Lantcor?« fragte er empört. »Ich verlange, daß Sie sie beide töten lassen!« »Bitte, beruhigen Sie sich«, erwiderte Lantcor mit kalter Höflichkeit. »Ich trage die Verantwortung dafür, daß diese Lebewesen unversehrt zum Imperator gebracht werden. Er wird selbst entscheiden, was mit ihnen geschehen soll.«
Träume aus fremder Dimension »Aber sie haben mir gedroht und mich beleidigt!« gab Werlkron schnaufend zurück. »Dafür müssen sie wenigstens streng bestraft werden.« Er musterte mich mit flackerndem Blick. »Und dieser … dieser Pirat und Verräter darf nicht länger leben! Was haben Sie unternommen, damit seine Hinrichtung so bald wie möglich erfolgen kann, Zweisonnenträger Lantcor?« »Ich habe einen Kurier nach Arkon geschickt«, antwortete Lantcor. »Der Imperator wird selbst entscheiden, was mit Atlan zu geschehen hat. Wir warten hier, bis die Antwort eingetroffen ist.« »Warum ein Kurier?« fragte Werlkron. »Warum soviel Umstände wegen eines Piraten? Rufen Sie sofort Arkon an und suchen Sie um eine Genehmigung zur Hinrichtung nach, Zweisonnenträger Lantcor!« Lantcors Gesicht wurde abweisend. »Ich bin weder Richter noch Henker, Kommandant Werlkron«, entgegnete er scharf. »Dieser junge Mann, den Sie als Piraten beschimpfen, hat durch sein Eingreifen immerhin den Untergang meiner Flotte vor Marlackskor verhindert. Während unserer späteren, durch die Umstände zwingend notwendigen Kooperation habe ich ihn als hochintelligenten und ehrenhaften Mann kennen und schätzen gelernt. Das hindert mich selbstverständlich nicht daran, meine Pflicht gegenüber dem Großen Imperium und dem Imperator zu erfüllen, aber ich werde nicht zulassen, daß er würdelos und hastig abgeschlachtet wird.« »Sie sympathisieren mit einem Staatsfeind!« stellte Werlkron verblüfft fest. »Das geht zu weit, Zweisonnenträger Lantcor. Ich verlange, daß Sie in meinem Beisein eine Hyperfunkverbindung nach Arkon herstellen und die Genehmigung zu Atlans Hinrichtung beantragen!« Lantcors Augen blitzten zornig, als er erwiderte: »Sie maßen sich etwas an, das Ihnen nicht zusteht, Werlkron. Ich fordere Sie auf, mein Schiff zu verlassen und sich nicht wieder bei
45 mir sehen zu lassen. Ihr Ansinnen ist selbstverständlich abgelehnt.« Werlkron wurde weiß wie ein Laken. Unter dem Eindruck der stärkeren Persönlichkeit des Zweisonnenträgers schmolz sein Selbstbewußtsein dahin. Keines Wortes mehr fähig, wandte er sich mit zitternden Knien ab und verließ den Konferenzraum. Lantcor blickte mich ernst an, dann salutierte er vor mir, dem Staatsfeind, und folgte Loser Werlkron. »Das war vielleicht ein unerfreulicher Zeitgenosse«, meinte Fartuloon. »Du bist dir klar darüber, daß er noch Ärger machen wird?« Ich nickte. Loser Werlkron war genau der Typ, der auf Widerspruch mit Haß. und Intrigen reagierte. Ich war mir völlig klar darüber, daß er von seinem Geheimstützpunkt aus auf eigene Faust handeln, Arkon anfunken und um die Genehmigung zu meiner Hinrichtung bitten würde. Damit war genau das eingetreten, was Karmina Arthamin befürchtet hatte. Ob ich eine Überlebenschance bekam, würde davon abhängen, wer oder was zuerst hier eintraf: die Sonnenträgerin oder die Antwort auf Werlkrons Anfrage …
* Zwei Tage vergingen in quälender Ungewißheit. Ich war wieder von meinen Freunden getrennt worden und lebte ausschließlich in meiner Kabine. Natürlich durfte Karmina Arthamin nicht zu früh zurückkehren. Arkon war weit, und es dauerte seine Zeit, die Strecke hin und zurück mit zahlreichen Transitionen und den dazugehörenden Orientierungsmanövern zu bewältigen. Außerdem durften im Arkonsystem selbst keine Transitionen durchgeführt werden, was bedeutete, daß ein ankommendes Raumschiff von den Grenzen des Systems bis zu einer der Arkonwelten viele Stunden im Unterlichtflug zubrachte. Kehrte die Sonnenträgerin früher zurück,
46 als die Berechnungen es zuließen, würde das das Mißtrauen Lantcors erregen. Ich konnte nur auf den Umstand vertrauen, daß Orbanaschol III. nur in den seltensten Fällen direkt über Hyperkom mit sich reden ließ. Es gehörte zu seinen Gewohnheiten, alle Funknachrichten über einen zeitraubenden Dienstweg laufen zu lassen, bevor sie ihn erreichten, und die Antwort den gleichen Weg zurückzuschicken. Wahrscheinlich lief der Vorgang im Fall von Werlkrons Funkspruch genauso ab, andernfalls hätte er die Antwort schon erhalten, und einen Befehl vom Imperator konnte auch Lantcor nicht ignorieren. Als sich das Kabinenschott öffnete, blickte ich auf meinen Armbandchronographen, weil ich glaubte, ich würde zur Besuchszeit bei meinem Vater abgeholt. Doch an der festgelegten Zeit fehlte noch eine reichliche Stunde. Und es fehlten auch noch zwei Stunden an dem frühestmöglichen Termin, den ich mir für Karmina Arthamins Rückkehr ausgerechnet hatte! Bedeutete das, daß Werlkron Antwort auf seinen Funkspruch bekommen hatte und ich zur Hinrichtung abgeholt werden sollte? Ich erhob mich und wartete gefaßt auf das Eintreten des Abholkommandos. Ein Offizier und zwei Raumsoldaten traten ein. Der Offizier salutierte und sagte: »Zweisonnenträger Lantcor und Sonnenträgerin Arthamin erwarten Sie in der Kommandozentrale, Herr!« Ich war so erleichtert, daß ich beinahe lachte. Aber ich beherrschte mich. Niemand sollte merken, daß ich mich darüber freute, von Karmina Arthamin »nach Arkon gebracht« zu werden. Als ich in die Kommandozentrale geführt wurde, waren Fartuloon, Ra und Vorry ebenfalls da. Aber außer ihnen, Karmina und Lantcor befanden sich rund dreißig schwerbewaffnete Raumsoldaten dort. Sie hatten sich in einem weiten Kreis vor den Schaltpulten postiert. Ich überschaute die Situation auf Anhieb.
H. G. Ewers Die Soldaten trugen sämtlich Ärmelschilder mit dem Schiffsnamen HAGHMOR, und die HAGHMOR war das Schiff, mit dem Karmina Arthamin angeblich nach Arkon geflogen war. Die Tatsache, daß sie rund dreißig Männer der HAGHMOR auf die ISCHTAR gebracht hatte, konnte nur bedeuten, daß ihr diese Männer treu ergeben und bereits in ihren Plan eingeweiht waren. Lantcor wirkte erleichtert. »Ich freue mich, daß Sonnenträgerin Arthamin so schnell zurückkehren konnte, Atlan«, erklärte er. »Sie hat die HAGHMOR in Gewalttransitionen nach Arkon und wieder zurück geführt, weil sie wußte, daß Stützpunktkommandant Werlkron Ärger machen würde.« »Ich habe es nicht wegen Atlan getan, sondern um zu verhindern, daß Sie sich mit Werlkron überwarfen. Ich kenne die verklemmte Psyche dieses Mannes und weiß, daß er keine Niederlage einstecken kann, sondern versucht, sich durch Intrigen zu rächen. Leider bin ich zu spät gekommen, um das Zerwürfnis zu verhindern.« »Ich glaube nicht, daß ein Wicht wie Werlkron mir schaden kann«, erwiderte Lantcor. Er wandte sich wieder an mich. »Sonnenträgerin Arthamin erhielt von Orbanaschol III. den Befehl, die ISCHTAR persönlich mit allen Gefangenen nach Arkon zu bringen. Um die Anwesenheit von Gonozal VII. geheimzuhalten, wird die ISCHTAR an den Grenzen des Arkonsystems von einem Kreuzverband empfangen und zu einem streng isolierten kleinen Raumhafen gebracht. Es tut mir leid, daß ich dadurch der Möglichkeit beraubt wurde, die Mannschaftsdienstgrade der ISCHTAR für den Dienst auf meinen Raumschiffen zu verpflichten. Aber bis jetzt hat sich sowieso niemand gemeldet, und ich nehme an, später hätte es auch niemand getan.« »Das ist wahr«, erklärte ich. »Wann starten wir?« »Sofort«, antwortete Karmina Arthamin. »Der Imperator hat mir größte Eile befohlen.
Träume aus fremder Dimension Ich nehme an, deshalb, damit Ihr Vater schon in einem Geheimquartier verschwunden ist, bevor die von Marlackskor zurückkehrenden Verbände über seinen dortigen Auftritt berichtet haben.« Ich wandte mich an Lantcor und sagte: »In dem Fall verabschiede ich mich von Ihnen, Zweisonnenträger Lantcor. Ich weiß zwar, daß Sie es eines Tages bereuen werden, sich auf die falsche Seite gestellt zu haben, dennoch möchte ich mich für die würdige Behandlung bedanken, die Sie meinen Leuten und mir angedeihen ließen.« »Das war selbstverständlich, Atlan«, meinte Lantcor und schluckte etwas. »Sie haben mir und meinen Leuten einen ehrlichen und anständigen Kampf geliefert und durch ihren Befehl, nur Lähmwaffen zu gebrauchen, verhindert, daß Arkoniden Arkoniden töteten. Ich meine es ehrlich, wenn ich Ihnen alles Gute wünsche. Die alten Götter Arkons mögen Sie und Ihre Freunde beschützen.« »Doch nicht etwa auch gegen den Willen des Imperators?« erkundigte sich Karmina ironisch. Sie spielte ihre Rolle absolut glaubwürdig. Merlon Lantcors Haltung versteifte sich. »Gegen den Willen der Götter ist auch der Wille eines Imperators nicht mehr als ein Nebelstreif im Orkan, Sonnenträgerin Arthamin!« sagte er verweisend. »Wir können zwar dem Imperator gehorchen, aber wenn die Götter es so wollen, ist auch unser Gehorsam nutzlos.« »Ich verstehe«, erwiderte Karmina. »Und ich danke Ihnen, daß Sie mir erlaubt haben, dreißig hochqualifizierte Galaktonauten von der HAGHMOR mit auf die ISCHTAR zu bringen. Ich wäre sonst in der peinlichen Lage gewesen, Atlan zu bitten, mir ein paar seiner Galaktonauten auszuleihen.« Lantcor lächelte säuerlich. »Ich erlaube es Ihnen, obwohl Sie mich bis jetzt noch gar nicht gefragt haben, Sonnenträgerin Arthamin. Aber ich sehe ein, daß Sie es nicht riskieren können, sich Atlans Raumfahrern anzuvertrauen.«
47 »Oh!« entfuhr es Karmina Arthamin. »Entschuldigen Sie, Zweisonnenträger Lantcor. Ich wollte Sie fragen, muß es aber irgendwie vergessen haben.« »Entschuldigung angenommen«, erwiderte Merlon Lantcor. Ich stöhnte innerlich über die tiefverwurzelten Bräuche der arkonidischen Flotte, die zur Verständigung zwischen hochgestellten Persönlichkeiten eine Menge formelhafter Floskeln notwendig machten. Inzwischen verging wertvolle Zeit – vielleicht genug Zeit, um unseren Plan doch noch scheitern und Werlkron triumphieren zu lassen. »Sonnenträgerin Arthamin!« verkündete Lantcor feierlich. »Ich verabschiede mich und übergebe Ihnen hiermit das Kommando über das Beuteschiff ISCHTAR. Einen sicheren Flug für Sie und alle an Bord. Und passen Sie gut auf die Gefangenen auf.« »Ganz bestimmt«, versprach Karmina Arthamin. »Danke, Zweisonnenträger Lantcor!« Merlon Lantcor winkte flüchtig, ging zum Panzerschott und blieb dort noch einmal stehen. Ich glaubte, Sorge in seinen Augen zu entdecken. »Alles Glück des Universums, Atlan!« rief er. Dann ging er endgültig.
* Karmina Arthamin ging zu den Hauptkontrollen und schaltete die Panoramagalerie ein. Schlagartig war die Umgebung der ISCHTAR zu sehen: der Planet Vayklon, die sieben Arkonraumer und das Beiboot, mit dem Lantcor von seinem Flaggschiff herübergekommen war. Mit unbewegtem Gesicht wartete die Sonnenträgerin, bis sich Lantcors Beiboot von der ISCHTAR gelöst und Kurs auf die GLORMOUN genommen hatte. Dann wandte sie sich um und sagte zu den dreißig Galaktonauten: »An die Plätze, Männer! Funkzentrale
48 ausschalten und interne Störsender aktivieren!« Sie wandte sich lächelnd an mich. »Ich wäre beinahe zu spät gekommen, nicht wahr, Kristallprinz?« Ich erwiderte das Lächeln. »Wir haben den Wettlauf mit der Zeit noch nicht gewonnen, Sonnenträgerin. Auf jeden Fall danke ich Ihnen für alles, was Sie schon für uns getan haben.« »Ich war dumm, meinen Fehler erst so spät einzusehen«, erwiderte die Sonnenträgerin. »Erst Lantcors Rücksichtslosigkeit mir gegenüber und Ihr Befehl, keine tödlichen Waffen gegen Arkoniden einzusetzen, öffnete mir die Augen.« Sie musterte ihre Leute. Einige von ihnen saßen vor den Start- und Steuerkontrollen, vier Männer waren zur Funkzentrale aufgebrochen und die übrigen hatten sich zu einer Gruppe formiert. Drei Männer traten zu uns und überreichten Fartuloon, Ra, Vorry und mir Schockwaffen. »Es befinden sich nur fünfundvierzig Raumsoldaten an Bord, die ahnungslos sind und Widerstand leisten werden. Ich hoffe, sie können überrascht werden, so daß sie nicht dazu kommen, sich etwa mit tödlichen Waffen zu wehren. Meine Leute werden sich um diese Männer kümmern. Sie, Atlan, können mit Ihren Freunden die Besatzung der ISCHTAR befreien.« »Mit Vergnügen«, erwiderte ich. »Aber ich schlage vor, die Funkzentrale nicht total zu desaktivieren, sondern einen Abhörrichtstrahl sowohl auf dem Geheimstützpunkt Werlkrons als auch auf die Funkzentrale von Lantcors Flaggschiff zu richten. Dann sind wir über alles informiert und können notfalls schnell genug reagieren.« »Ausgezeichnet!« sagte Karmina Arthamin. Sie schaltete ihr Armbandfunkgerät ein, runzelte die Stirn und meinte: »Die internen Störsender arbeiten schon. Malekko, eilen Sie in die Funkzentrale und veranlassen Sie daß Atlans Vorschlag reali-
H. G. Ewers siert wird!« Einer der Galaktonauten hastete hinaus. Karmina Arthamin wandte sich wieder an mich und sagte: »Zuerst gehen meine Leute und ich hinaus. Lassen Sie uns einen kleinen Vorsprung, damit wir Ihnen freie Bahn schaffen können. Ihr Anblick würde Lantcors Leute sofort feindselig reagieren lassen. Meine Männer sind dagegen unverdächtig.« »In Ordnung!« erwiderte ich. Karmina Arthamin stutzte. Sie war die konservative Förmlichkeit des Umgangstons so sehr gewohnt, daß sie sich nur schwer an meine leichtere Art gewöhnen konnte. Aber sie sah wohl ein, daß es in einer Schicksalsgemeinschaft nicht so steif zugehen konnte wie in der hierarchisch gestaffelten regulären Flotte. Als sie mit dem Rest der Bewaffneten gegangen war, hieb Fartuloon mir seine Hände auf die Schultern und rief: »Du bist wirklich ein Liebling der alten Götter Arkons, mein Junge, daß du aus einer erbitterten Gegnerin deine Bundesgenossin machen konntest!« Ich lächelte breit und erwiderte: »Wie Lantcor schon sagte: Gegen den Willen der Götter ist auch der Wille eines Imperators nicht mehr als ein Nebelstreif im Orkan!« »Vorry könnte vor Freude ganzes Schiff aufessen«, warf der Magnetier ein. »Orbanaschol sich würde vor Wut in Hinterteil beißen.« Fartuloon wandte sich um und pfiff laut und falsch vor sich hin. Die Galaktonauten beugten sich über ihre Schaltpulte und konzentrierten sich auf ihre Arbeit. Kurz darauf rollte das dumpfe Donnern der Umformerbänke durch das Schiff. Auf den Bildschirmen der Panoramagalerie war zu sehen, daß die ISCHTAR sich aus dem Verband löste und Fahrt aufnahm. Ich gab meinen Freunden ein Zeichen und sagte: »Gehen wir. Der Vorsprung dürfte groß genug sein. Unsere Leute sollen so schnell
Träume aus fremder Dimension wie möglich erfahren, daß wir in die Freiheit fliegen anstatt zu Kerkern und Todesstätten.« Wir verließen die Kommandozentrale. Der von Karmina Arthamin geführte Trupp hatte eine unübersehbare Spur hinterlassen. In großen Abständen saßen oder lagen Raumsoldaten Lantcors in den Korridoren. Man hatte ihnen die Waffen gelassen, denn sie konnten sie nicht benutzen. Lange bevor ihre Lähmung abklang, würden sie von meinen Leuten entwaffnet und in einem leeren Lagerraum untergebracht worden sein. Meine Leute waren in fünf Lagerräume gesperrt worden. Als ich das Schott des ersten Lagerraums öffnete, begriff ich, warum Karmina Arthamin diese Aufgabe nicht ihren Leuten überlassen hatte, sondern meinen Freunden und mir. Rund fünfzehn meiner Männer flogen uns förmlich entgegen und waren über uns, bevor wir einen Ton herausbrachten. Hätten sie uns nicht im nächsten Augenblick erkannt, wäre es uns wahrscheinlich übel ergangen. Sie hielten selbstgebastelte Hiebund Stichwaffen in den Händen. Und hinter ihnen hielten sich zahlreiche andere im Nahkampf erfahrene Männer bereit, die »Leute Lantcors« zu überwältigen. Äußerst verlegen ließen meine Leute von uns ab – bis auf vier, die von Vorry betäubt worden waren. »Es tut uns leid, wir konnten nicht ahnen …«, stammelte der Anführer, unser Robottechniker. Seine Augen weiteten sich in jähem Begreifen. »Sie sind frei, Erhabener!« schrie er, dann wandte er sich um und schrie es noch einmal in den Lagerraum hinein. Drinnen hob ein Tumult an. Wir konnten keine vorgezogene Siegesfeier gebrauchen, deshalb trat ich zu dem geöffneten Schott und rief: »Alles herhören! Hier spricht Atlan! Sonnenträgerin Arthamin hat sich auf unsere Seite gestellt. In der Kommandozentrale sitzen ihre Leute und werden die ISCHTAR in Sicherheit bringen. Andere Leute von ihr durchstreifen das Schiff und paralysieren die
49 fünfundvierzig Raumsoldaten, die Lantcor als Wachmannschaft zurückgelassen hat. Niemand sucht seinen Platz auf, bevor Sonnenträgerin Arthamin nicht gemeldet hat, daß alle Wachsoldaten ausgeschaltet sind. Die Sonnenträgerin und ihre dreißig Galaktonauten, die auf dem Ärmelschild den Schiffsnamen HAGHMOR tragen, sind mit allem nötigen Respekt zu behandeln. Die gefangenen Raumsoldaten werden ebenfalls anständig und würdig behandelt. Übergriffe würde ich hart bestrafen lassen. Sie warten hier, während meine Freunde und ich die übrigen Gefangenen befreien. Entweder Sonnenträgerin Arthamin oder ich werden Ihnen weitere Befehle erteilen. Dann aber müssen die Befehle unverzüglich ausgeführt werden.« Wir gingen. Hinter uns ertönten Jubelrufe. Doch schnell verwandelte sich der aufgestörte Haufen wieder in eine disziplinierte Truppe. Bei den anderen Lagerräumen gingen wir, unserer Erfahrung gemäß, vorsichtiger vor. Auch hier lauerten Stoßtrupps hinter den Schotten, um sofort nach Öffnung vorzupreschen und die Wachen Lantcors im Handstreich zu überwältigen. Ich war stolz auf meine Leute. Nachdem alle Gefangenen befreit waren, kehrte ich mit meinen Freunden in die Kommandozentrale zurück. Karmina Arthamin war noch nicht da, aber einer ihrer Galaktonauten erwartete uns mit allen Anzeichen hochgradiger Erregung. »Erhabener, Arkon hat an Werlkrons Station das Ankündigungssignal einer Hyperfunksendung ausgestrahlt!« meldete er. »Das war knapp«, sagte ich. »Beinahe hätten wir es nicht mehr geschafft.« »Es ist nicht sicher, ob wir es überhaupt schaffen werden«, entgegnete der Mann. »Die Kraftwerke, die die Triebwerke mit Energie versorgen, verzeichnen einen rätselhaften Leistungsabfall. Drei unserer Leute sind in den Maschinenraum gestiegen, um den Fehler zu finden und zu beheben. Solange können wir nicht beschleunigen und dem-
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nach auch keine Transition durchführen.« »Das kann nur Sabotage sein«, sagte Fartuloon. Ich nickte, dann wandte ich mich an Vorry und sagte: »Du bist der Flinkste von uns allen, Eisenfresser. Rase zu Cheftechniker Ketman und richte ihm aus, er soll sofort mit einem Trupp Spezialisten in den Maschinenraum gehen und Arthamins Leuten helfen!« »Vorry Tornado!« versicherte der Magnetier. Im nächsten Augenblick war er verschwunden und durch das Schott gerast. Da sich die Schotthälften nicht schnell genug für ihn geöffnet hatten, besaßen sie nur zwei halbmondförmige Einkerbungen von jeweils einem dreiviertel Meter Höhe. Trotz seiner rasenden Geschwindigkeit mußte es Vorry noch gelungen sein, die abgerissenen Metallplastikstücke mitzunehmen, denn sie waren nirgends zu sehen. »Er ist ein wahrer tamanischer Teufel«, sagte der Galaktonaut respektvoll. Ich nickte. »Gehen wir zur Funkzentrale! Ich möchte Orbanaschols Antwort an Werlkron nicht verpassen.«
* Wir warteten in höchster Anspannung, denn wieder standen wir in einem Wettlauf mit der Zeit. Würde es unseren Technikern gelingen, den Schaden zu finden und zu beheben, bevor Werlkron Orbanaschols Antwort erhielt und an Lantcor weiterleitete? Wir hatten noch keine Meldung von unseren Technikern erhalten, als der elektronische Zeichner die Antwort des Diktators in Schriftzeichen auf einen Bildschirm warf. »Seine Erhabenheit und Unfehlbarkeit, Imperator Orbanaschol III. von Arkon und über das Große Imperium, von den Göttern mit der Errettung der galaktischen Zivilisationen betraut, an Loser Werlkron, Seinen pflichtbewußten Diener und Kommandanten
des Stützpunkts Vayklon! Wir bestätigen den Empfang Ihrer Hyperfunkbotschaft, in der Sie die Gefangennahme des Piraten und Verräters namens Atlan und eines anderen Arkoniden, der sich Gonozal nennt, meldeten. Es ist Unser unumstößlicher, von den Göttern eingegebener Wille, daß der Pirat und Verräter namens Atlan vom Leben zum Tode gebracht wird. Sie haben Unsere Vollmacht, dem zweifachen Sonnenträger Lantcor diesen Unseren Willen zu übermitteln und ihm mitzuteilen, daß er Uns dafür verantwortlich ist, daß der Pirat und Verräter Atlan unverzüglich exekutiert wird. Sein Leichnam ist so aufzulösen, daß kein Stäubchen von ihm übrig bleibt. Gezeichnet: Seine Erhabenheit und Unfehlbarkeit, Imperator Orbanaschol III.« »Er hat es also doch geschafft!« rief jemand atemlos vom Schott aus. Ich wandte den Kopf und erkannte Karmina Arthamin. »Noch hat er es nicht geschafft, Lantcor zu überzeugen«, erwiderte ich. »Sein Wort steht gegen das Ihre. Ich zweifle nicht daran, daß Sie ihn bewegen können, an ein hinterlistiges Täuschungsmanöver Werlkrons zu glauben.« Karmina Arthamin seufzte. »Gut!« Sie wandte sich an ihre Leute. »Aktivieren Sie die Funkzentrale, sonst schöpft Lantcor gleich Verdacht, wenn er uns anruft. Und Sie, Atlan, halten sich mit Ihren Freunden aus dem Aufnahmebereich der Optik!« Meine Freunde und ich zogen uns zurück. Karmina Arthamin setzte sich vor den großen Hyperkom. Kurz darauf übermittelte uns der auf die Zentrale von Lantcors Flaggschiff gerichtete Spionstrahl den Anruf Werlkrons und die kurze, aber heftige Unterhaltung zwischen Werlkron und Lantcor. Uns wurde klar, daß Lantcor dem Stützpunktkommandanten mißtraute. Aber als pflichtbewußter Mann würde er Werlkrons Nachricht nicht völlig ignorieren können, sondern ein Bestätigungssi-
Träume aus fremder Dimension gnal von Arkon anfordern. Vorher allerdings rief er die ISCHTAR an. Das Blinken des Hyperkomschirms drückte die Dringlichkeit seines Anrufs aus. Karmina Arthamin wartete eine Weile, dann erhob sie sich und schaltete auf Empfang. »Raumschiff ISCHTAR unter dem Kommando von …«, wollte sie die vorgeschriebene Formel aufsagen. Merlon Lantcor unterbrach sie ziemlich brüsk. »Keine Formalitäten!« befahl er. »Mir liegt ein über Hyperfunk ausgestrahlter Befehl des Imperators vor, Atlan sofort zu exekutieren. Was haben Sie dazu zu sagen?« Karminas Gesicht zeigte verletzten Stolz, als sie heftig entgegnete: »Das ist unmöglich, Zweisonnenträger Lantcor. Imperator Orbanaschol III. hat mir persönlich befohlen, alle Gefangenen mit der ISCHTAR nach Arkon zu bringen. Er wird seine Autorität sicher nicht in Frage stellen, indem er seine eigenen Befehle widerruft.« Ich sah, wie Lantcors Gesicht auf dem Bildschirm verriet, daß der Zweisonnenträger immer noch geneigt war, Karmina Arthamin zu vertrauen. »Das klingt logisch«, meinte er zögernd. »Aber Werlkron, der mir die Nachricht übermittelte, behauptete, sie sei vom Imperator höchstpersönlich. Selbstverständlich wiegt Ihr Wort für mich erheblich schwerer als das Werlkrons. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß dieser Psychopath den Namen des Imperators mißbraucht und damit nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben aufs Spiel setzt. Lag Orbanaschol die Anfrage Werlkrons bereits vor, als Sie bei ihm waren?« »Nein«, antwortete Karmina Arthamin. »Aber vielleicht hat sie den Imperator niemals erreicht. Vielleicht hat jemand, der um jeden Preis Atlans Tod wollte, eine Antwort fingiert. Jemand, der fürchtete, Orbanaschol und Atlan könnten sich eventuell einigen. In dem Fall wären einige Karrieren beendet gewesen.«
51 »Das könnte sein«, meinte Lantcor. »Ich werde Werlkrons Nachricht als Fälschung zurückweisen. Dennoch müssen Sie verstehen, daß ich Sie auffordern muß, solange hier zu bleiben, bis meine entsprechende Anfrage an den Imperator beantwortet ist.« »Nein, das verstehe ich nicht!« empörte sich Karmina Arthamin. Vielleicht hätte sie sich mit einer neuen weiblichen List durchgesetzt. Doch ausgerechnet in diesem Augenblick stürmte Vorry in die Funkzentrale und rief, ohne auf den Hyperkombildschirm zu achten: »Der Schaden ist behoben, Leute! Wir können die Triebwerke voll aufdrehen und uns aus dem Staub machen, bevor dieser Mistkerl von einem Stützpunktkommandanten …« Er unterbrach sich, als Lantcor rief: »Sonnenträgerin Arthamin, Sie sind Ihres Kommandos enthoben! Ich fordere Sie auf, zu stoppen und sich meinen Schiffen zu ergeben! Andernfalls …« Seine Stimme ging im Tosen der Umformer und Triebwerke unter. Ich sah nur an seinen Lippen, daß er weitersprach. »Ich bitte um Verzeihung, Zweisonnenträger Lantcor«, sagte Karmina, als das Tosen etwas leiser wurde. »Aber Sie haben auf mich auch keine Rücksicht genommen. Diesmal nehme ich auf Sie – beziehungsweise auf Ihre Karriere – keine Rücksicht.« Sie schaltete den Hyperkom aus. Wir kehrten in die Kommandozentrale zurück. Auf den Bildschirmen der Panoramagalerie konnten wir sehen, daß die anderen sieben Schiffe Fahrt aufnahmen. Doch es war unwahrscheinlich, daß sie aufholten, bevor wir in Transition gingen. Schneller und schneller wurde unsere herrliche ISCHTAR – und dann löschte der Transitionsschmerz alle anderen Eindrücke aus. ENDE
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