ALFRED HELLER
Terra, Feind des Friedens Ein Planet rebelliert
Daß die Dichter vergangener Jahrzehnte ihre Zukunftswün...
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ALFRED HELLER
Terra, Feind des Friedens Ein Planet rebelliert
Daß die Dichter vergangener Jahrzehnte ihre Zukunftswünsche oft den Personen ihrer Werke in den Mund legten, wissen wir alle. Seit es SF-Literatur gibt, ist es möglich, solche Wunschträume von den Menschen zukünftiger Epochen realisieren zu lassen. Und am Ende einer solchen „Utopie“ steht dann immer die Mahnung, die Warnung an die Bevölkerung Terras, die leider heute ungehört verhallt: WERFT EURE WAFFEN FORT! Auch in Arles, wie überall im gesegneten Midi, dem milden und reichen Süden Frankreichs, gehört der Aperitif zu den geheiligten Einrichtungen des Lebens. Heute schreibt man den 23. April, und es geht gegen sechs Uhr nachmittags. Das diffuse Licht, durch die transparenten, weißen Wolken sickernd, kündigt an, daß der Wind bald ausgetobt hat, der tagsüber die hohen Pappeln der Landstraßen und die verkrüppelten, silbergrauen Ölbäume zu Boden duckte. 3
Im Bistro der Mme. Armand – sie sitzt hoheitsvoll am Büfett hinter der mächtigen Batterie vielfarbiger Likörflaschen – haben sich die üblichen Stammgäste eingebunden. „Was sagen Sie zu dem Artikel in der ‚Voix Arlesienne’?“ fragt M. Barreau, Sekretär der Mairie, den Sparkassenbuchhalter Lestout. „Ach, Sie wissen doch, Barreau. Ich halte überhaupt gar nichts von unserer Politik gegenüber den Deutschen. Man wird ja sehen, wohin das führt. Ich traue denen nicht!“ „Sie mögen recht haben, vielleicht auch nicht, aber ich meinte die Sache mit den sogenannten ‚Fliegenden Untertassen’. Man hat doch vorgestern auch hier wieder einmal welche gesehen, gegen elf Uhr nachts.“ „Ja, ich habe davon gehört, auch den Artikel gelesen. – Alles Halluzinationen, bloße Einbildungen, Hirngespinste, sonst gar nichts. Das sage ich darüber.“ Carasse protestiert. „Sagen Sie das nicht! Ich selbst habe die Dinger deutlich gesehen, drei Stück; und hätte ich einen geeigneten Fotoapparat zur Hand gehabt, ich hätte sie aufnehmen können. Sie zogen in richtiger Keilformation über den Himmel, mit großer Schnelligkeit. Sie kamen aus der Richtung Nimes und flogen gegen Südosten.“ „Genauso steht es auch in der Zeitung“, bestätigt Herr Barreau. „Die Redaktion hat zahllose Anrufe und Zuschriften erhalten.“ „Ein typischer Fall von Massenpsychose“, erklärt Lestout. „Massenpsychose? Wieso. All diese Beobachtungen erfolgten völlig unabhängig voneinander, und die Leute, die Mitteilungen darüber gaben, haben sich vorher nicht verständigt. Übrigens – wissen Sie noch, daß in letzter Zeit an vielen Orten Frankreichs ähnliche Beobachtungen gemacht wurden und daß auch die großen Blätter darüber ausführlich berichteten.“ 4
„Was in der ‚Voix Arlesienne’ über diese Dinger geschrieben wurde, stimmt“, erklärt Dr. Deloux. „Auch mein Schwager und ich selbst haben sie deutlich gesehen. Es waren fünf oder sechs Stück, und sie sahen aus wie orangerote Scheiben.“ „Fünf oder sechs? Und eben waren es noch drei. Und orangerot? Da sehen Sie, meine Herren, was davon zu halten ist. Ich habe den Artikel auch gelesen. Die einen sagen ‚orangerot’, andere schwören auf weißglühend und wieder andere auf dunkel purpurrot; sogar bläulich weiß wird angegeben. Was ist also richtig? Das sind doch keine exakten und glaubhaften Angaben!“ „Doch, die Beobachtungen können durchaus zutreffen“, erklärt Herr Florae. „Die scheinbaren Widersprüche lassen sich leicht erklären. Diese unbekannten Flugkörper dürften ja aus irgendeinem Metall bestehen; zumindest kann man das als wahrscheinlich annehmen. Und glühende Metalle ändern mit der Temperatur auch ihre Farbe.“ Herr Florae ist Lehrer für Physik am Lycee Municipal, und man muß daher seinen Äußerungen Glauben schenken. Herr Lestout gibt sich jedoch nicht so schnell geschlagen. „Ich weiß – das ist auch mir bekannt und wird nicht bestritten. Dann müßten aber diese fliegenden Metallkörper ihre Temperaturen sehr schnell ändern, denn ich habe sowohl im Gaulois als auch im Figaro eingehende Darstellungen gelesen, die von angeblich einwandfreien Beobachtern stammen und in denen behauptet wird, daß diese Farbenwechsel innerhalb kürzester Zeit, sagen wir binnen weniger Sekunden, erfolgten. Und das erscheint mir physikalisch fast ausgeschlossen. Oder etwa nicht? Ich halte es daher für besser, gar nichts zu glauben.“ „Soweit es sich um Dinge handelt, die Sie im ‚Gaulois’ oder ‚Figaro’ lesen, tun Sie sicherlich recht dar…“, meint Herr Liron sarkastisch. Er steht nämlich ganz links und verachtet diese reaktionäre Presse, die das Volk nur vernebelt. 5
„Aber Sie können das gleiche in Ihrer ‚Humanité’ lesen und auch im ‚Ami du peuple’“, schlägt der pensionierte Bahnhofsvorstand Lepasse zurück. „Ich für meine Person bin davon überzeugt, daß diese Beobachtungen keineswegs Halluzinationen und dergleichen sind. Ich halte sie für reale und ernst zu nehmende Erscheinungen. Darüber sind ja schon unzählige Kommentare, ja sogar Bücher und auch Fotos und Filme veröffentlicht worden. Und deshalb erhebt sich die äußerst wichtige und interessante Frage: Woher kommen diese Dinger, und was wollen sie hier?“ „Spionage! Das ist doch ganz klar“, meint Barreau. „Diese roten Scheiben vorgestern sind genau in der Richtung auf Marseille und Toulon abgeflogen. Da weiß man schon, was sie wollen!“ „Aber glühende Metallkörper können doch keine Beobachter befördern“, wendet der Skeptiker Lestout ein. „Aber selbstregistrierende Instrumente“, sagt Herr Florae, der Physiker. „Außerdem könnten diese Flugkörper doch aus verschiedenen Teilen bestehen, von denen nur einer glüht – oder zu glühen scheint. Vielleicht handelt es sich nur um Auspuffgase.“ „Oder auch nur um Luftspiegelungen, Registrierballone oder dergleichen.“ „Für einen Teil der Erscheinungen akzeptiere ich diese Erklärung, aber keineswegs für die Mehrzahl.“ „Und woher kommen diese unbekannten fliegenden Körper?“ fragt Herr Barreau. „Die? – Selbstverständlich von den Deutschen“, meint Herr Carasse. Die immer lebhafter werdende Diskussion zeigt, daß diese Hypothese von den meisten Teilnehmern als unwahrscheinlich abgelehnt wird, obwohl man sonst diesen Burschen da drüben alles zutraut. 6
„Ich glaube, es sind Amerikaner“, erklärt schließlich Herr Merrier. „Amerikaner?“ Herr Liron findet diese Ansicht lächerlich. „Wenn es sich wirklich um eine amerikanische Sache handelte, dann hätten sie drüben schon ein solches Gegacker erhoben, daß man sich überall auf der Erde die Ohren hätte zuhalten müssen. Nein, ich will Ihnen etwas sagen, meine Herren: Diese Dinger kommen aus dem Osten und sind russisch!“ An dieser Behauptung entzündet sich die Debatte aufs neue. „Was das Gegacker betrifft, in dieser Hinsicht – in dieser einzigen! – sind die Russen wohl konkurrenzlos. Ich wundere mich, nicht bereits gelesen zu haben, daß diese fliegenden Teller oder Untertassen bereits 1723 von dem Mechaniker Wladimir Iwanowitsch aus Saratow erfunden worden seien“, lacht der ehemalige Bahnhofsvorstand Lepasse, und die meisten lachen mit. „Und Sie, Herr Florae? Was sagen. Sie dazu?“ wendet man sich schließlich an den Physikprofessor. „Sind es Amerikaner oder Russen?“ „Ich weiß es nicht. Aber es ist noch eine andere Möglichkeit denkbar.“ „Eine andere? Ah, Sie meinen den Mars?“ „Es könnte tatsächlich ein anderer Planet sein.“ Barreau wirft in komischer Verzweiflung beide Arme hoch. „Du liebe Zeit, Herr Florae, Sie als real denkender Mensch sollten so etwas nicht sagen. Bleiben wir doch auf unserer Erde!“ * Essenpause der dritten Schicht in der Großkantine des Flugzeugwerkes ‚Slawjansk III’. Es hat Kasdragrütze gegeben und dann Fischpirogen mit Salat und roten Rüben. Das Essen ist nicht schlecht und auch reichlich. Da gibt es nichts zu meckern. 7
Die Oberlichter des Raumes stehen offen, um den Dunst entweichen zu lassen, und man hört das unablässige, leise Dröhnen der Maschinen. Gegen Süden zu, wo die Hochöfen und Walzwerke des Kombinates „Komsomol“ liegen, flackert ab und zu heller Schein über den Nachthimmel. Der Partieführer Piotr Alexandrowitsch Ryklow tritt, sich die Zähne stochernd, an eines der Fenster und geht dann wieder zum Tisch zurück. „Du hast wohl nachgeschaut, ob sie heute wieder kommen, die großen gelben Knöpfe, was?“ fragt ihn Sergei Fedorowitsch Bobriuk. Die andern vier oder fünf, die noch am Tisch sitzen, lachen. „Einen blauen Teufel habe ich nach denen geschaut“, knurrt Ryklow. „Ich habe nur nach dem Wetter gesehen. Es regnet.“ „Ende April muß es ja regnen“, meint Sarupin. „Da brauchst du gar nicht hinsehen. Ich möchte wetten, daß du doch nach den gelben Knöpfen gesehen hast. Komische Dinger! In der letzten Woche sind sie fast jede Nacht hier gewesen.“ „Als ob ihr nicht nach ihnen sehen würdet!“ Wieder lachen sie alle. Natürlich blicken sie hinauf, wenn die seltsamen glühenden Scheiben oben zu sehen sind. Manchmal stehen sie ganz still wie kleine Monde, und ein andermal wieder fegen sie über den Himmel wie ein Keil Wildgänse, nur viel, viel schneller; und manchmal sieht man nur eine einzige, und dann wieder gleich ein halbes Dutzend oder auch mehr auf einmal. Ein komische Sache! „Sind das nun eigentlich Flugzeuge? Oder was sonst?“ fragt Tschirigew. „Selbstverständlich eine Art Flugzeuge. Nur haben sie eine andere Form und können zehnmal schneller fliegen“, erklärt Ryklow. „Und hundertmal weiter.“ Alle sehen nun nach den Fenstern. Es ist ganz still. Man hört 8
nur das leise Stampfen des Werkes und das sanfte Geräusch des rieselnden Regens draußen. „Die Amerikanski nennen sie ‚Fliegende Untertassen“, äußert sich dann Sarupin. „Glaubst du, daß die Dinger aus Amerika kommen?“ „Was weiß ich! – Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, sie gehören uns“, erklärt Ryklow schließlich, da niemand etwas sagt. „Aber wenn sie von uns sind, warum kommen sie dann so oft und fliegen immer über unserem Werk und dem Komsomolkombinat, he? Da haben sie doch nichts verloren.“ „Zur Übung – nehme ich an“, meint Ryklow, aber er grinst dabei. „Aha, zur Übung! Fragt sich nur, wer hier übt und was geübt wird. Und weshalb schicken wir dann die Düsenjäger hinauf, wenn es sich nur um unsere eigenen Dinger handelt? Vorgestern ist eine MIG abgestürzt, zwischen Sluwjansk und Priwolnje.“ „Ja, das habe ich auch gehört.’ Der Pilot ist dabei umgekommen.“ „Was hat es für einen Zweck, Jäger hinaufzuschicken, wenn diese Dinger zehnmal schneller sind, das möchte ich wissen!“ „Zehnmal? – Die sind hundertmal schneller, wenn sie wollen, sage ich dir, und sie …“ In diesem Augenblick tritt Wassili Kusjew ein. Er ist Vertrauensmann der Betriebsgruppe, und daher verstummt das Gespräch sofort. Kusjew blickt von einem zum andern, dann verzieht sich sein Mund. „Ach tut doch nicht so! Ich weiß genau, wovon ihr gesprochen habt. Von den gelben und roten Scheiben da oben. Oder vielleicht nicht?“ Niemand sagt etwas, weder ja noch nein oder sonst ein Wort. 9
Die noch etwas auf dem Teller haben, essen mit Inbrunst. – Wenn niemand antwortet, das auch eine Antwort. „Also das mit diesen flachen, runden Dingern da oben – morgen ist eine Gesamtbetriebsversammlung, und da werdet ihr alles genau hören. Aber ich kann euch jetzt schon sagen: Es sind ganz neuartige Maschinen von uns, die mit ungeheurer Schnelligkeit fliegen können. Deshalb glühen sie auch. Sie stellen eine vernichtende Waffe gegen die monopolkapitalistischen Imperialisten des Westens dar. Das werdet ihr alles morgen ganz ausführlich und genau hören. Jedenfalls braucht ihr euch darüber keine Gedanken machen.“ Sarupin hüstelt; vielleicht ist ihm eine kleine Gräte von den Fischpirogen in den Hals gekommen. „Da war es also doch sehr gut, daß sie die MIGs hinaufgeschickt haben“, meint er. „Die sind wohl dahinter gekommen, daß diese gelben und roten Himmelsknöpfe von uns selbst sind.“ Und dabei schneidet er ein so unbeschreiblich dummes Gesicht, daß sogar Kusjew lachen muß, obwohl er genau weiß, daß hier weit und breit kein Grund für irgendein Gelächter besteht, im Gegenteil! Und daß dieser gerissene Sarupin frech genug ist, sich über ihn und die ganze Angelegenheit lustig zu machen, merkt er auch. Alle lachen – selbstverständlich nur über Sarupins dummes Gesicht! … * Das von Phil Andrew gemietete Haus steht in einer stillen Villenstraße von Nakano, einer westlichen Vorstadt von Tokio, und ist nach dem großen Erdbeben und Brand von 1923 im europäischen Stil gebaut worden; nur der kleine Ziergarten dahinter, den man von der gedeckten Veranda aus sieht und betreten kann, ist in der traditionellen altjapanischen Manier mit kleinen 10
Wegen, Zwergbäumchen, geschwungenen Brücken und Tempelchen angelegt. Es stellt gewissermaßen den Abendkimono eines Mannes dar, der tagsüber europäische Kleidung trägt. Phil Andrew hat heute Gäste. Seinen Freund und Kollegen Murphy und zwei Japaner, nämlich Professor Okita von der Technischen Hochschule und den ehemaligen General Takahashi, der jetzt nach seiner Rehabilitierung im Innenministerium tätig ist. Die kleine Gesellschaft sitzt nach dem Abendessen in der Veranda. Man hat schon einige Gesprächsthemen hinter sich gebracht und ist nun bei jenem angelangt, das in dieser Zeit unvermeidlich ist. Phil Andrew meint: „Man spricht und schreibt jetzt wieder einmal außerordentlich viel über diese sogenannten ‚flying saucers’ und alles, was damit zusammenhängt.“ „Richtig“, hakt Professor Okita ein, „können Sie mir sagen, Mr. Andrew, ob man sich in den USA über diese Erscheinungen bereits eine Meinung gebildet hat? Oder vielleicht sollte man besser fragen, ob eine offizielle Meinung bereits veröffentlicht wurde.“ „Darüber ist mir nichts bekannt, aber das schließt selbstverständlich nicht aus, daß es solche einheitliche offizielle Meinung gibt. Ich halte es sogar für sehr wahrscheinlich, daß jetzt innerhalb der ATIC, des Air Technical Intelligence Center, wie auch bei allen übrigen offiziellen Stellen, die sich mit diesen Dingen befassen, eine völlig einheitliche Auffassung besteht.“ „Das heißt also, daß man diese Auffassung der Öffentlichkeit nicht bekanntgeben will? Und dafür lassen sich selbstverständlich sehr viele triftige Gründe denken.“ „Zweifellos“, bestätigt Phil Andrew. „Sie sprachen von ‚allen übrigen offiziellen Stellen, die sich mit diesen Dingen befassen’. Ich glaube, Sie gehören keiner solchen offiziellen Stelle an, 11
aber zweifellos wissen Sie über diese Dinge viel, viel mehr als General Takahashi und ich. Empfinden Sie es als ungehörig oder taktlos, wenn wir Sie bitten, uns kurz zu sagen, wie Sie über ‚diese Dinge’ denken?“ Phil Andrew lacht. „Ich möchte das lieber Ihnen überlassen, Murphy, denn Sie haben ja bisher mit den ‚saucers’ und dem ganzen übrigen Kram darüber dienstlich noch nie etwas zu tun gehabt. Sie können daher ohne jede Hemmung als Kommentator auftreten. Bei mir ist es, wie Sie wissen, nicht ganz so.“ „Schön“, sagt Murphy. „Sie werden von mir nicht verlangen, daß ich die ganze Schiffsladung von Beobachtungen und Berichten, Theorien und Tatsachen, Meinungen und Phantasien, Wahrheit und Schwindel vor Ihnen ausbreite, die sich im Laufe der letzten Jahre angesammelt haben. Das wäre schon zeitlich nicht möglich, denn wir würden vor morgen abend nicht damit fertig. Sicherlich haben Sie auch selbst schon viel von diesem Wust gehört. Ich möchte mich daher auf ein ganz kurzes Resumée beschränken, wie ich selbst diese ganze Sache sehe und beurteile. Wie mir scheint, wurden bisher bei diesen unbekannten Flugkörpern im allgemeinen folgende Typen festgestellt: Erstens mächtig große Dinger, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den alten Zeppelin-Luftschiffen aufweisen und daher wie riesige Zigarren aussehen. Man kann sie wohl als Raumschiffe für den interplanetarischen Verkehr ansprechen. Sie wurden schon einige Male gleichzeitig optisch und durch Radar festgestellt. Anscheinend sind sie aus irgendeinem hell glänzenden Metall hergestellt. Näheres darüber scheint nicht bekannt zu sein. Die Messungen ihrer maximalen Geschwindigkeiten liegen zwischen 15 000 und 60 000 Stundenkilometern, doch sind sie auch imstande, unbeweglich im Raum zu schweben. Ob sie als ‚Mutterschiffe’ für die ‚Fliegenden Untertassen’ dienen, diese also in den Bereich der Erde befördern, bevor sie losgelassen 12
werden, scheint nicht festzustehen. Es wurde ebenso leidenschaftlich behauptet wie bestritten. Wenn es zutrifft, dann bringen diese Raumschiffe die Fliegenden Untertassen natürlich auch wieder zum Heimatplaneten zurück. Jedenfalls tragen diese Raumschiffe Besatzungen irgendwelcher – sehr intelligenter – Wesen, von denen sie gesteuert werden. Was nun die ‚Fliegenden Untertassen’ anlangt, über die weitaus die zahlreichsten Beobachtungen, Messungen und auch Foto- und Filmaufnahmen vorliegen, so sind die Angaben sehr voneinander abweichend. Wahrscheinlich gibt es auch verschiedene Typen, von denen die größten einen Durchmesser von zehn Metern haben dürften. Vielleicht wäre es zutreffender, von ‚Fliegenden Kasserollen’ zu sprechen, denn diese Flugkörper sind keineswegs ganz flach, sondern einige Meter dick. Ob sie aus mehreren ring- oder scheibenförmigen Teilen bestehen, von denen einer rotiert, während die andern feststehen, sind, ist gleichfalls fraglich. Dagegen steht einwandfrei fest, daß sie unbeweglich über irgendeinem Punkte schweben können und im Fluge Geschwindigkeiten von 20 000 Stundenkilometern erreichen. Charakteristisch für sie ist ihre außerordentliche Beweglichkeit in jeder Richtung, auch vertikal nach oben und unten, und ihre geradezu phantastische Fähigkeit zu plötzlichem Richtungs- und Geschwindigkeitswechsel. Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich, daß sie keine eigenen Besatzungen tragen, sondern ferngesteuert werden, vermutlich von den bereits erwähnten Mutterschiffen aus, und lediglich verschiedene Fernregistrierapparaturen enthalten. Jedenfalls könnten Lebewesen unserer Art derartige rasende Geschwindigkeiten und Richtungsänderungen nicht ertragen. Aber es ist genausogut denkbar, daß Lebewesen von solcher Intelligenz auch in der Lage sind, sich innerhalb solcher Flugkörper ohne jeden Schaden aufzuhalten, indem sie dort einfach den Zustand eines schwerelosen Raumes herbeiführen. 13
Ferner scheint es auch noch ganz kleine Scheiben zu geben, die wohl nur ferngesteuerte Beobachtungsgeräte mit eigener Antriebskraft darstellen, sowie zigarrenförmige Flugobjekte, die jedoch wesentlich kleiner sind als die ‚Mutterschiffe’ und über die wir fast überhaupt nichts wissen. Ich glaube, das wäre in komprimierter Form das Wesentlichste.“ „Und von woher kommen diese geheimnisvollen Wesen mit ihren Maschinen?“ „Weiß ich nicht. Ich glaube sogar, daß kein Mensch es weiß. Sie müssen die Beantwortung dieser Frage Ihrer eigenen Überlegung und – Phantasie überlassen.“ „Und warum kommen sie zur Erde? Was ist der Zweck dieser Besuche?“ „Auch diese Frage kann ich leider nicht beantworten.“ Die beiden Japaner verbeugen sich lächelnd. „Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen!“ Und Professor Okita fügt noch hinzu: „Nach Ihrer persönlichen Meinung darüber zu fragen, wäre zu unbescheiden?“ „Durchaus nicht! Warum denn? Aber sie ist bestimmt nicht um einen Cent mehr wert als die Ihre. Sie sind Wissenschaftler, Physiker – ich bin lediglich Verwaltungsbeamter. Wenn Sie jedoch durchaus wissen wollen, was ich darüber denke: Ich bin der Auffassung, daß diese Gäste aus dem Weltall einen ganz bestimmten Plan verfolgen.“ „Ich teile diese Auffassung“, sagt General Takahashi und verbeugt sich abermals. * Innsbruck, Speisesaal des „Tiroler Adler“, 28. April. Mittagsstunde. Ein Paar betritt den Raum und hält nach einem freien Tisch Ausschau. Eben als sie Platz nehmen wollen, werden sie 14
angerufen. „Hallo, Willfert! – Hier also sieht man sich wieder!“ Ein Gast hat sich erhoben und kommt auf die beiden zu. Herzliche Begrüßung, Händeschütteln, kurzes, hastiges Hinund Herfragen. Willfert stellt den Bekannten seiner Begleiterin vor. „Das ist Dr. Lorentz, mein alter Freund und Kommilitone, noch aus meinen Heidelberger und Frankfurter Zeiten. Ich habe dir ja schon viel über ihn erzählt. – Und hier meine Frau Merta. Ich glaube, die kennst sie noch nicht, denn als wir vor einem halben. Jahr heirateten, warst du schon nicht mehr in Frankfurt. Was machst du hier in Innsbruck?“ „Nur Mittagspause. Wir sind auf der Durchfahrt nach Rom, zum Kongreß der Strahlungsphysiker. Ich nehme übrigens an, du wandelst auf den gleichen Pfaden.“ „Nein, uns geht es noch viel besser. Meine Frau und ich machen Urlaub, volle drei Wochen. Wir haben uns beide ein bißchen überarbeitet. Merta ist nämlich als fremdsprachige Korrespondentin bei den Höchster Farbwerken beschäftigt und seit anderthalb Jahren nicht mehr auf Urlaub gewesen; und ich habe endlich meine Habilitierungsarbeit über ‚Kosmische Physik’ unter Dach gebracht. – Wollen wir uns nicht hier zusammensetzen?“ „Komm doch lieber an unseren Tisch hinüber. Ich bin mit Professor Fabian zusammen. Er fährt auch nach Rom. Du mußt ihn doch noch von deiner Heidelberger Zeit her kennen, Willfert. Er war damals Assistent bei Rhombach und später Honorardozent. Dann war er drüben in den Vereinigten Staaten, hat an der Columbia- und Harvard-Universität gearbeitet, später dann auch an einer ganz großen wissenschaftlichen Privatstiftung. Jetzt hat er einen Ruf nach München angenommen. Aber das weißt du ja sicher schon. – Sie werden sich bestimmt nicht 15
langweilen, gnädige Frau, denn Fabian ist ein außerordentlich interessanter Mensch. Kommen Sie!“ Man geht also zu dem Tisch hinüber. Neue Begrüßung und Vorstellung. Das Gespräch bewegt sich eine Zeitlang um persönliche Dinge, und Professor Fabian muß über seine Eindrücke, Erlebnisse und Arbeiten drüben berichten. Er ist erst seit drei Tagen wieder in Europa. Neben ihm liegt eine amerikanische Zeitung. Die fette Schlagzeile fängt Frau Willferts Blick. Sie lautet übersetzt: Wer sind die Besucher aus dem Weltall, und was wollen sie von uns? „Das ist wohl jetzt drüben das Thema Nummer eins?“ fragt sie, auf das Blatt deutend. Fabian bestätigt es und fügt hinzu: „Und nicht bloß in den USA, wie ich glaube. Es dürfte sich um eine Art Weltpsychose handeln.“ Im Nu entwickelt sich ein lebhaftes Gespräch darüber. Frau Merta meint, der Ausdruck „Psychose“ erscheine ihr etwas zu weitgehend. Oder ob Professor Fabian anderer Ansicht sei? Es komme hier nicht auf Ansichten an, am wenigsten auf seine eigenen, meint der Professor, sondern nur auf Tatsachen. Und die seien solcher Art, daß eine allgemeine und tiefgehende Beunruhigung der Menschheit, zumindest der sogenannten zivilisierten, vollauf begreiflich sei. Die Frage „Wer sind die Besucher aus dem Weltall?“ erscheine ihm durchaus berechtigt, nicht minder jene: „Was wollen sie von ums?“. Denn daß diese unbekannten Flugkörper nicht aus dem Bereich der Erde stammten, stehe fest, und daher können es sich tatsächlich nur um „Besucher aus dem Weltall“ handeln, obwohl man bisher noch keinen einzigen dieser Besucher gesehen habe. Die wenigen sogenannten „Augenzeugenberichte“, die im Laufe der letzten Jahre, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, über Begegnungen mit Mars- oder Weltraummenschen in der Presse 16
aufgetaucht seien, ob es sich nun um die vielgenannten „kleinen Männer“ oder im Gegensatz zu ihnen – um menschenähnliche Ungeheuer handle, hätten sich durchweg als Ausgeburten von Hysterie oder journalistischer Sensationsgier unseriöser Reporter erwiesen. „Aber Sie glauben dennoch, daß diese Flugkörper von Besuchern aus dem Weltraum gelenkt werden?“ „Das kann wohl kaum bezweifelt werden.“ „Sind Sie der Auffassung, daß es sich dabei um menschenähnliche Wesen handelt?“ „Diese Frage, gnädige Frau, sollte wohl in erster Linie am einen Biologen gerichtet werden. Aber ich fürchte, auch die größte Kanone auf diesem Gebiet könnte sie zur Zeit noch nicht authentisch beantworten. Vielleicht kann uns die Kosmische Physik aushelfen, und diese junge Wissenschaft ist ja glücklicherweise hier in der Person Ihres Mannes vertreten. Was sagen Sie, Willfert?“ „Da die Stoffe des Weltalls, soweit sein Bereich spektralanalytisch für uns erreichbar ist, überall die gleichen sind, ist wohl die Vermutung zulässig, daß auch die Entwicklungsgesetze für Lebewesen, soweit solche auf anderen Planeten überhaupt sich bilden können, überall ungefähr die gleichen sind wie auf unserer Erde. Es steht daher meiner Meinung nach auch nichts der Annahme entgegen, daß die Besucher oder Beobachter aus dem Weltraum uns physiologisch ähnlich sind, obwohl sich selbstverständlich in Einzelheiten recht beträchtliche Unterschiede ergeben können, die durch Größe, Alter, Klima und andere Umstände des betreffenden Planeten bedingt werden. Natürlich handelt es sich hier nur um eine Hypothese, nicht um eine wissenschaftlich begründete oder begründbare Tatsache. Eines allerdings ist wohl sicher – und darin liegt ein gewisser Trost für uns: Wenn unsere Erde tatsächlich das Ziel solcher Besucher 17
aus dem Weltraum ist, dann muß es sich um Wesen handeln, die uns an Intelligenz weit überlegen sind und hoffentlich auch in ihren ethischen Qualitäten!“ Professor Fabian lächelt. „Sie meinen also, daß diese Kinder eines fremden Planeten schon längst darüber hinaus sind, eine andere Meinung für ein Verbrechen zu halten und sich gegenseitig umzubringen, und daß sie auch dem uns noch mit sieben Siegeln verschlossenen Geheimnis auf die Spur gekommen sind, wie man es anstellt, nebeneinander und miteinander glücklich zu leben? Hoffentlich ist das kein Trugschluß! Jedenfalls erhebt sich damit wieder einmal die schon so oft gestellte Frage: Was wollen diese Weltraummenschen, die uns wahrscheinlich um ein paar tausend Jahre technischer Entwicklung – und hoffentlich auch in jeder anderen Beziehung – voraus sind, was wollen sie hier auf unserer Erde? Warum beobachten sie uns seit Jahren so genau und hartnäckig, denn die ersten verläßlichen Berichte darüber gehen bis in die Zeit des zweiten Weltkrieges zurück. Warum ist noch kein einziger Fall authentisch bekannt geworden, daß sie eine Landung versucht hätten? Ist es nur Neugier, die sie so schon so viele Jahre hindurch zur Erde bringt, die sie so oft über Atomwerken, Flugplätzen, Raketenstationen, Großstädten und Häfen, Industrie- und Verkehrsanlagen, Uranbergwerken und so weiter gesehen werden und sich augenscheinlich auch für alle Kriege, die seither geführt wurden, brennend interessierten? Oder haben diese Bewohner eines anderen Planeten unsere Wasserstoffbombenexplosionen beobachtet, so wie wir im Jahre 1949 einen ähnlichen Vorgang auf dem Mars gesehen zu haben glauben? Und sind sie nun von Besorgnis erfüllt, wir könnten sie eines Tages mit unserer herrlichen und aggressiven Wissenschaft bedrohen? Wollen sie sich schlagartig in den Besitz unserer Erde setzen, so wie wir vor nicht langer Zeit unsere Kolonien eroberten? Oder sind sie etwa 18
von einer Art Missionsdrang erfüllt, wie es ja auch auf unserer Erde schon der Fall war, und wollen uns mit ihrer höheren Zivilisation beglücken? Ich bin überzeugt, daß sie über uns tausendmal mehr wissen als wir über sie. – Oder denken sie vielleicht sogar an eine Art Übersiedlung, weil ihr eigener Planet, der ja wahrscheinlich beträchtlich älter und daher vermutlich abgestorbener und unwirtlicher ist als die Erde, ihnen keine erträglichen Lebensbedingungen mehr bietet? Alles das ist denkbar und möglich – und noch einiges andere mehr.“ „Vielleicht haben sie Schwierigkeiten mit unserer Atmosphäre?“ meint Lorentz. „Es ist längst erwiesen, daß organisches Leben, sogar hochqualifiziertes, unter anderen atmosphärischen Bedingungen möglich ist, als sie das Sauerstoff- und Stickstoffgemisch unserer Erde bietet, so daß sie hier nicht existieren könnten.“ „Wenn diese Wesen so intelligent und technisch fortgeschritten sind, daß sie uns mit ihren Raumschiffen, fliegenden Untertassen und so weiter über astronomische Entfernungen hinweg besuchen können, dann dürften sie wohl auch in der Lage sein, das Problem der Atemluft zu lösen, wenn sie auf ihrem Planeten an eine andere gewöhnt sind“, sagt Willfert. „Sicherlich! Ich glaube beinahe, ein schwierigeres Problem, als sich an unsere Luft zu gewöhnen, dürfte für sie darin bestehen, sich mit uns Menschen abzufinden“, erklärt Professor Fabian. Dann wendet sich das Gespräch der Physiker der Frage zu, mittels welcher Kräfte diese unbekannten Flugkörper bewegt würden. Es besteht Einigkeit darüber, daß verschiedene Energiequellen denkbar sind, sowohl für die Raum- oder Mutterschiffe, die mit unfaßlichen Geschwindigkeiten die ungeheuere Entfernung zwischen ihrem Ursprungsplaneten und der Erde zu überwinden haben, als auch für die nur im Erdbereich fliegenden Objekte. Man könne eine Verwandlung annehmen, aber 19
ebensogut, vielleicht sogar mit viel höherer Wahrscheinlichkeit, die Auswertung kosmischer Strahlungen; insbesondere Lorentz vertritt letztere Hypothese mit großer Wärme. Dann kämen auch noch, sowohl im weiteren als auch näheren Bereich der Erde, elektromagnetische Kraftfelder in Betracht. Professor Fabian ist der Auffassung, daß diese Kraftquelle vermutlich bei jenen unbekannten Flugkörpern verwendet werde, die sich im stratosphärischen und atmosphärischen Bereich der Erde bewegten. Für seine Theorie spricht, daß die elektrischen und magnetischen Instrumente von Flugzeugen, die in die Nähe von „Fliegenden Untertassen“ kamen, außerordentlich starke Ablenkungen und abnormales Verhalten zeigten. Er beruft sich dabei auch auf einige Autoritäten auf diesem Gebiet und zitiert Einsteins Allgemeine Feldtheorie. „Gewiß, alles das ist möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich. Von der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit bis zum exakten Wissen ist jedoch noch ein weiter Weg“, seufzt Willfert. Und seine junge Frau fügt hinzu: „Dann besteht wohl auch wenig Hoffnung, daß die gelehrten Herren mir eine andere, noch dazu spezifisch weibliche Frage werden beantworten können.“ „Und wie lautet diese Frage?“ will Professor Fabian wissen. „Wie sehen diese geheimnisvollen Wesen aus dem Weltraum aus, die uns seit Jahren besuchen, aber noch von keinem Menschen gesehen wurden. Denn alles, was darüber geschrieben und gedruckt wurde, ist doch nur Phantasie.“ „Nein, diese Frage kann ich nicht exakt beantworten. Vielleicht Sie, Lorentz? Oder Sie, Willfert?“ „Ich glaube, man kommt wohl der Wahrheit am nächsten“, meint Willfert, „wenn man sich diese Geschöpfe so vorstellt, wie unsere Nachfahren voraussichtlich in fünf- oder auch zehntausend Jahren aussehen werden.“ 20
„Und wie werden Sie aussehen?“ fragt Frau Merta. „Die Menschen werden infolge ihrer fortgeschrittenen biologischen, medizinischen und hygienischen Erkenntnisse wahrscheinlich größer und gesünder sein als wir und daher wohl auch länger leben. Sie werden entwickeltere Gehirne und daher auch größere Köpfe haben als wir, ihre Beine werden verkümmert sein, da sie wohl weniger Gelegenheit haben, sich ihrer zu bedienen. Bei den Händen dürfte das nicht der Fall sein. Aber das sind natürlich alles reine Hypothesen. Es kann auch ganz anders kommen, wenn die Lebensbedingungen sich erheblich verschlechtern sollten, und das gilt auch für unsere unbekannten Besucher aus dem Weltraum, auf deren Planeten ja ganz andere Verhältnisse – Atmosphäre, Klima, Schwerkraft und so weiter – herrschen dürften als bei uns, wenn auch die Grundstoffe und die Grundgesetze der Entwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit die gleichen sind wie hier.“ „In einem amerikanischen Magazin las ich einmal eine Abhandlung, in der diese Mars- oder Weltraummenschen als eine Art scheußlicher Überinsekten dargestellt wurden. Was ist davon zu halten?“ „Möglich ist alles. Aber ich glaube das nicht“, sagt Professor Fabian. „Und warum nicht?“ „Weil ich daran glaube, daß die schaffende, gestaltende und erhaltende Kraft – wie immer wir sie auch nennen mögen – in diesem ganzen Weltall überall die gleiche ist. Aber damit kommen wir von der Physik zur Philosophie und nähern uns sogar dem unendlichen Bereich der Religion …“ *
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Der kleine Sportwagen, den Willfert steuert, nimmt mit emsiger Beharrlichkeit die engen Kehren der schmalen, steilen Bergstraße, die aus dem Grödnertal auf das weithin gewellte Almenplateau der Seiseralpe hinaufführt. Rechts voraus zackt sich die charakteristische Linie des Schlern in die strahlende Helligkeit des späten Nachmittagshimmels, während sich links die doppelte Felsenburg des Langkofels und Plattkofels, alle Bänder und Schrofen noch dick mit Schnee verbrämt, über die bereits zum größten Teil schneefreien Almböden emporreckt. Zweimal verfahren sie sich in dem unübersichtlichen Gebiet mit seinen vielen Wegen, Hügeln und Mulden, bis sie endlich glücklich das kleine Berghotel am Grünser Bühel finden, das ihr Ziel für die nächsten Wochen bildet. Das Hotel ist bereits völlig leer, denn mit dem Schnee sind auch die letzten unentwegten Skifanatiker verschwunden. Man wird also göttliche Ruhe genießen können, denn die Sommersaison beginnt nicht vor Ende Juni. Frau Troyer, die Besitzerin, haust jetzt ganz allein mit einem Mädchen und einem fast taubstummen alten Knecht hier oben. Nichts wird also den Frieden, der über diese Zauberwelt gebreitet ist, stören. Denn es ist wirklich zauberhaft schön in diesem abgelegenen Winkel der Dolomiten, auf den die noch schneebedeckten Berge herabblicken, während sich auf den südseitigen Hängen in der schon prallen Sonne die großen Sterne der weißen und gelben Alpenanemonen, vielfarbige Krokusse und die tiefdunkelblauen Kelche des stengellosen Enzians Kopf an Kopf zu Millionen drängen. Ja, es ist zauberhaft hier, zwischen Winter und Frühling, Schnee und Blüten. Gegen Abend sind sie noch bis zum Goldknopf gestiegen, haben von dort dem Verglühen der roten Wände der Rosengartengruppe im Süden zugesehen und sind dann Hand in Hand wie junge Verliebte über die blumenbesäten Matten und einige Schneezungen zum Hotel hinabgestiegen. Und nun, nach dem 23
Essen, sitzen sie, in Mäntel und Decken gewickelt, auf dem Balkon ihres Zimmers, denn die Luft ist kühl und klar. Unter ihnen, in der Weite der Almflächen ringsum, rumoren die Schmelzwasser und drängen in springenden Rinnsalen und Bächen zu Tal. „Gefällt es dir hier, Merta?“ „Ja, Lieber. Es ist herrlich!“ „Und wir haben drei Wochen, volle einundzwanzig Tage solcher Ruhe vor uns. Kannst du dir das überhaupt vorstellen?“ „Eigentlich nicht.“ Sie verstummt. „Woran denkst du, Merta?“ „Mir geht das Gespräch nicht aus dem Kopf, das wir heute mittag mit Professor Fabian und Dr. Lorentz führten. Wenn es tatsächlich stimmt, daß …“ Sie unterbricht sich mit einem unwillkürlichen leisen Schrei und deutet über die Brüstung des Balkons. „Dort!“ Über der unbestimmten Silhouette des Langkofels sind zwei hellrote Scheiben aufgetaucht, die sich langsam gegen Westen bewegen, fast in der Richtung auf das Hotel zu. „Dort!“ wiederholt sie aufgeregt. „Das sind doch fliegende Untertassen!“ Ja, darüber kann kein Zweifel bestehen. – Sie ziehen jetzt langsamer heran, und ihre Farbe wird dunkler. Nun Schemen sie unbeweglich in der Luft zu hängen; wie kleine Monde von etwas elliptischer Form sehen sie aus. Aber jetzt setzen sie sich plötzlich wieder in Fahrt, holen zu einem weiten Kreisbogen gegen Süden aus, kommen wieder näher, halten unbeweglich in der Luft. Und plötzlich rasen sie mit unglaublicher Schnelligkeit in nördlicher Richtung davon, werden immer kleiner – verschwinden im Nordwesten über dem Gezacke der Geislerspitzen. „Du hast vorhin einen Satz mit ‚Wenn es tatsächlich stimmt, daß’ begonnen“, sagt Willfert. „Ich weiß nicht, was du sagen wolltest, aber wir können jetzt wohl annehmen, daß es stimmt!“ 24
* Admiral Rinald, Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff der drei Wehrmachtsteile der USA, leitet die Konferenz, an der außer den maßgeblichen Mitgliedern der ATIC, des National Security Council (NSC), den drei Stabschefs und deren engsten Mitarbeitern, den leitenden Offizieren des Pentagons und den Vertretern des State Departments auch die führenden Mitglieder der zuständigen Ausschüsse des Repräsentantenhauses und Senates teilnehmen. Der Sprecher des ATIC hat seinen Bericht über die letzte außerordentliche Zunahme glaubhafter Beobachtungen von unbekannten Flugobjekten unbestimmter Art und Herkunft innerhalb der letzten drei Monate beendet. Es ist eine recht ansehnliche Liste, und es gibt in ihr eine ganze Reihe von Fällen, wo die zur Verfolgung und Beobachtung dieser unbekannten Flugobjekte aufgestiegenen Düsenjäger, aber auch Verkehrsmaschinen und andere Flugzeuge von diesen geheimnisvollen fliegenden Objekten längere Zeit hindurch begleitet oder umkreist worden sind. Vorgänge, die auch von der Erde aus optisch und mittels Radar gleichzeitig und übereinstimmend festgestellt werden konnten, so daß jede Täuschung ausgeschlossen ist. Ganz abgesehen davon, daß auch zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen darüber vorliegen, die allerdings keinerlei Einzelheiten erkennen lassen. Zweifellos handelt es sich um die stärkste Anhäufung solcher Beobachtungen, seitdem der Center besteht. Senator O’Harey will wissen, ob die Luftwaffe oder der Chef der vereinigten Generalstäbe aus dieser Steigerung den Schluß ziehe, daß mit bevorstehenden Angriffshandlungen der unbekannten Beobachter zu rechnen sei, die ja nach allem, was man schon darüber gehört habe, von einem anderen Planeten 25
stammen müßten, und welche Abwehrmaßnahmen dagegen geplant würden. Er sei keineswegs der Auffassung, daß solche Angriffe unmittelbar bevorstünden, erklärt Admiral Rinald, und auch General Hasy, der Stabschef der Luftwaffe, vertritt die gleiche Meinung. Solche „Besuchswellen“ seien bekanntlich innerhalb der letzten Jahre schon wiederholt festgestellt worden, so insbesondere in den Jahren 1952 und 1954, ohne daß irgendwelche Angriffsbandlungen gefolgt oder auch nur erkennbar gewesen seien. Man könne es vielmehr als auffallend, ja geradezu typisch bezeichnen, daß noch kein einziger Fall bekannt geworden sei, in dem eines dieser mysteriösen Flugobjekte – gleichgültig, ob es sich um Raumschiffe, raketenartige Objekte oder die sogenannten „Fliegenden Untertassen“ gehandelt habe – eines der Düsenflugzeuge angegriffen habe, die mit dem Auftrag hinaufgeschickt worden seien, das betreffende unbekannte Flugobjekt abzufangen und zur Landung zu zwingen. „Hatten unsere Maschinen in solchen Fällen den Auftrag, gegen diese fremden Flugobjekte von ihren Waffen Gebrauch zu machen?“ „Im Gegenteil. Waffengebrauch war ausnahmslos nur zur Selbstverteidigung und im Falle äußerster Gefahr gestattet, und es ist sicher, daß unsere Flugzeugbesatzungen sich an diesen Befehl immer streng gehalten haben. Vielleicht mit einer einzigen Ausnahme.“ Ob das so zu verstehen sei, daß sich die Besatzungen amerikanischer Düsenmaschinen jenen Eindringlingen gegenüber unterlegen fühlten? „So ist es“, erklärt der General lakonisch. Und was es mit jenem Düsenflugzeug auf sich habe, das sich – vielleicht oder vermutlich – nicht an das Waffengebrauchsverbot gehalten habe, will Rinald wissen. 26
„Es ist nur in kleinen Bruchstücken zur Erde zurückgekommen.“ Für ein paar Augenblicke liegt es wie ein grauer Schleier über der Versammlung. „Und wenn diese Burschen, die vom Mars oder sonst irgendwoher kommen, nun doch einmal landen oder angreifen sollten, wie steht es dann mit unserer Abwehr?“ fragt Senator Vaugh vom Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. „Es gibt gegenüber Maschinen, die unseren besten Düsenjägern an Geschwindigkeit, Manövrier- und Steigfähigkeit zwanzig- oder auch fünfzigfach überlegen sind, keine Abwehr. Auch nicht mit Raketen oder Konstruktionen anderer Art.“ „Und auf der Erde, im Landkampf?“ General Moans, der Generalstabschef des Heeres, erklärt sich außerstande, darüber eine Erklärung abzugeben, da es sich um einen Gegner handle, von dem man nicht einmal ahnen könne, über welche Waffen er verfüge, welche Art der Kriegführung er anwenden würde und welche Absichten er überhaupt hege. Jedenfalls müsse man damit rechnen, daß diese Lebewesen weit wirksamere Waffen besäßen, als die irdischen Einheiten. „Und unsere neuen ferngesteuerten Raketenbomber mit ihrer fünfzehnfachen Schallgeschwindigkeit? Unsere kommenden Super-Düsenjäger vom Typ 106?“ Die Fachleute der Luftwaffe zucken die Schultern. Gegen diese fremden Flugkörper seien sie machtlos. Schon deshalb, weil die Annäherung derselben so rasend schnell erfolge, daß jedes Warnsystem versagen müsse. „Und unsere Küstenwarnlinien im Osten und Westen? Unsere McGill-Linie Alaska – Kanada – Labrador?“ „Nicht ausreichend. Wir müßten praktisch eine riesige Warnhaube über unserem ganzen Kontinent und den angrenzenden Meeren errichten und die Ozeane einbeziehen, und zwar 27
in einer Höhe von mindestens zehntausend Kilometern. Das ist aber technisch und auch finanziell unmöglich.“ „Und unsere Wasserstoffbomben?“ fragt ein Konferenzmitglied. „Auch mit denen können wir einen eventuellen Angriff aus dem Weltraum nicht abwehren; sie würden nur uns selbst vernichten.“ Als die Teilnehmer der Besprechung das Pentagon endlich verlassen, haben sie zwar sehr viel gehört, wissen aber wenig. Und sie alle haben sich zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet. Daher ergibt auch die anschließende große Pressekonferenz wenig. Enttäuscht flattern die Journalisten auseinander. Und wo Tatsachen fehlen, gedeihen Gerüchte. Anhaltspunkte gibt es wahrlich genug dafür! * Um den berühmten ovalen Tisch in Samarows Konferenzraum sind die Spitzen der UdSSR – die maßgebenden Mitglieder des Ministerialrates und des Politbüros, sowie die höchsten Sowjetmarschälle – versammelt. Drei Stunden schon dauert die Beratung, und ihr Thema ist das gleiche wie im Pentagon zu Washington. Auch der Inhalt der Gespräche, die vorgebrachten Gesichtspunkte, der Ablauf der Diskussionen und die Beschlüsse sind nahezu identisch mit jenen, die in Washington gefaßt worden sind. „Und wie werden wir uns benehmen“, fragt Poczynski schließlich, „wenn diese Bewohner eines anderen, fortgeschritteneren Planeten eines Tages auf unserem Rußland landen?“ Über das glatte, runde Gesicht Samarows gleitet ein leichtes Lächeln. „Wir werden uns genauso verhalten, wie Towarisch Poczynski selbst es denkt.“ 28
„Und wie denke ich darüber?“ fragt er zurück. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sind diese Besucher oder Eroberer selbst Kommunisten, was wahrscheinlich ist, da sie zweifellos eine höhere Intelligenz und ältere Zivilisation haben als wir. In diesem Falle haben wir von ihnen nichts zu fürchten und wahrscheinlich auch nichts oder nur sehr wenig zu lernen, außer in technischer Hinsicht. Und wir werden gelehrige Schüler sein! – Oder sie sind keine Kommunisten. Dann werden wir sie dazu machen. Die Linie ist also klar“, sagt Samarow. Und daher ist die Konferenz auch beendet. Der Presse und sonstigen Öffentlichkeit wird selbstverständlich nichts mitgeteilt. * Die strahlende Frühlingssonne der beiden ersten Urlaubstage des Ehepaares Willfert ist durch einen großen Wettersturz abgelöst worden, der das ganze Gebiet der Seiser Alpe bis tief in die Täler hinab wieder in Schnee gehüllt hat. Er ist allerdings binnen vierundzwanzig Stunden wieder zum größten Teil verschwunden, aber noch immer ist es windig und sehr kühl, und auf den schattseitigen Hängen liegt der weiche Neuschnee noch knietief. Dennoch beschließen die beiden, als es vormittags aufzuklaren beginnt, ihr kleines Hotel am Grünser Bühel zu verlassen und einen größeren Spaziergang über den Goldknopf in der Richtung auf die Roßzähne im Süden zu unternehmen. Wenn es wirklich klar werden sollte, hat man von dort den nördlichen Teil der Rosengartengruppe, von der man nur mehr durch das tief eingeschnittene Tierser Alpenjoch getrennt ist, zum Greifen nahe. So wandern sie über die weiten, langsam ansteigenden Almböden, zwischen Latschenfeldern und einzelnen, windzerfetzten 29
Lärchen. Als sie die Goldknopfhöhe erreichen, fällt wieder Nebel ein. „Sollen wir umkehren?“ fragt Willfert. Nein, Frau Merta will weitergehen. Nun wird der Wind stärker, reißt plötzlich ein großes Loch in die wogende Nebelmasse. Und da ist mit einem Male auch die Sonne. Die Tropfen an den langen Nadeln der Latschenzweige glänzen wie Silber. „Prachtvoll!“ sagt Merta und bleibt stehen. Und dann streckt sie den Arm aus und deutet nach links hinüber. „Da!“ sagt sie nur. Sie bringt dieses „Da!“ kaum aus der Kehle, so heiser ist sie vor Erregung. Und nun sieht auch Willfert das seltsame, etwa dreißig bis vierzig Meter lange Etwas, das wie eine riesige, silbergraue Zigarre aussieht und dort oben, kaum hundert Schritte entfernt, mitten in einem Latschenfeld liegt. Was ist das? – Plötzlich taucht vor ihnen eine Gestalt aus dem dünnen Nebel auf. Sie trägt eine Art Taucheranzug aus einem metallischen Stoff und auf dem Kopf ein helmartiges Gebilde, das vorne durch eine gewölbte Scheibe aus glasähnlichem Material mit dem Taucheranzug verbunden ist, so daß der Mann – oder wer immer es auch sein mag – nach allen Seiten hin freien Ausblick hat. Merta drückt den Arm ihres Mannes. „Da!“ sagt sie noch einmal. „Da sind sie!“ Sie braucht nicht näher zu erklären, wen sie meint, denn Willfert denkt das gleiche wie sie. Und nun kommt das Seltsamste. Sowohl er wie sie fühlen plötzlich, daß sie sich nicht mehr bewegen können. Eine unbekannte Kraft hindert sie daran, ihre Sehnen und Muskeln zu gebrauchen. Es ist kein Krampf, und sie fühlen auch keinen Schmerz, aber sie können nicht mehr gehen. Auch das Sprechen bereitet Schwierigkeiten. Nur atmen können sie ungehindert. 30
Angst? Nein, sie empfinden beide keine Angst. Aber sie sind von dem überwältigenden Bewußtsein durchdrungen, das alles andere ausschaltet. Alle Gedanken und Empfindungen – von dem Bewußtsein, daß sie eben etwas Ungeheures erleben, vielleicht als die ersten Menschen dieser Erde. Die Gestalt im Taucheranzug kommt mit kleinen, trippelnden Schritten etwas näher, bleibt etwa zwei Meter vor Willfert und seiner Frau stehen. Man kann nun durch die glasartige Scheibe das Gesicht erkennen. Es ist dem eines Menschen ähnlich, nur ist die untere Partie mit dem Kinn schmäler, die Stirne dagegen breiter, höher und gewölbter. Nase und Mund sind schmal und klein; die Augen, ausdrucksvoll und groß, liegen ziemlich tief unter auffallend starken, dunklen Brauen. Es ist nichts in diesem Gesicht, was abstoßend, erschreckend oder auch nur befremdend wirken könnte. Und plötzlich – Frau Merta würde zusammenschrecken, wenn sie sich bewegen könnte – ertönt wie von einem verborgenen Tonband oder einer Schallplatte eine menschenähnliche Stimme: „Sie – sol-len – war-ten“, sagt diese Stimme, und es ist deutsch, das mit einem eigenartigen Akzent ausgesprochen wird. Sie warten also. Was könnten sie sonst tun? Ihre Gedanken jagen fieberhaft. Sie sprechen auch miteinander, leise und mühsam. „Was ist das? – Worauf sollen wir warten? – Was wollen sie von uns? – Was werden sie mit uns tun? – Glaubst du, daß sie böse Absichten hegen?“ Es sind Fragen, auf die es vorläufig keine Antwort gibt. Und dann – es mögen vielleicht drei oder vier Minuten vergangen sein, jede einzelne eine Ewigkeit – tauchen noch ein paar ähnliche Gestalten auf. Sie tragen die gleichen Anzüge und Helme. Sie sind alle kaum mittelgroß; nur eine von ihnen ist noch etwas kleiner und ziemlich schmächtig. 31
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Diese Wahrnehmung löst Mertas innere Beklemmung. „In einem Punkt hast du dich schon geirrt“, sagt sie. „Du meintest doch, sie mußten größer sein als wir armseligen Erdenwürmer.“ „Ja, das hielt ich für wahrscheinlich, aber anscheinend sind sie ungünstigen Lebensbedingungen unterworfen. – Ich denke, wir werden bald mehr wissen.“ Der eine der Neuankömmlinge ist näher herangetreten. Er scheint hier wohl der Anführer zu sein. „Was – wol-len – Sie – hier?“ fragt er jetzt, jede Silbe deutlich betonend. Und dann kommt die gleiche Frage noch in italienischer Sprache. „Wir wollen nichts von Ihnen. Wir machen einen Spaziergang“, sagt Willfert, gleichfalls sehr langsam und deutlich. „Wer – sind – Sie?“ kommt die nächste Frage. Willfert antwortet langsam und sehr deutlich. „Woher sind Sie? Was haben Sie für einen Beruf?“ Willfert gibt auch darüber ausführlich Auskunft. Es ist nicht zu erkennen, ob die Antworten den Fremden befriedigt haben, aber bevor er eine weitere Frage stellt, sagt Willfert: „Wir wurden hier in einen Zustand versetzt, der einer Lähmung ähnlich ist, wahrscheinlich, um uns zu hindern weiterzugehen oder eine feindselige Handlung zu versuchen. Wir haben weder die eine noch die andere Absicht. Wir sind auch bereit, meine Frau und ich, alle Ihre Fragen so gut wir können und wahrheitsgemäß zu beantworten. Bitte lösen Sie jedoch diesen Lähmungszustand – wenn es Ihnen möglich ist.“ Der fremde Sprecher gibt dem Posten, denn um einen solchen handelt es sich augenscheinlich, einen Wink, worauf dieser einen Taster an seinem Taucheranzug drückt. Im gleichen Augenblick löst sich bei Willfert und seiner Frau die Starre. „Ich bin überzeugt, er braucht nur einen anderen Knopf an 33
seiner Jacke zu drücken“, sagt Merta leise und mit etwas krampfigem Galgenhumor, „und wir fallen beide tot um. Vielleicht wäre es das beste!“ „Kommen Sie mit uns“, sagt der Sprecher und geht, mit den gleichen trippelnden Schritten, auf das langgestreckte metallische Ungetüm zu. Neben ihm sind seltsame Geräte aufgebaut, die mit ihren Scheiben und Drähten wie eine Kreuzung von Antennen und Ölfreiluftschaltern aussehen. Sie sind wohl, wie Willfert vermutet, für die Sendung und den Empfang drahtloser Nachrichten bestimmt. Er folgt mit Merta dem Sprecher, die andern Helmleute beschließen den Zug. Über eine kleine, bewegliche Metalltreppe erreicht man eine in die Seitenwand der Riesenzigarre geschnittene Öffnung, deren Tür sich lautlos öffnet und hinter der Gruppe wieder schließt. Man befindet sich in einem kleinen, durch eine Art Deckenbeleuchtung erhellten Raum, aus dem eine zweite Tür ins Innere führt. Auch diese öffnet sich und gibt den Zutritt in einen größeren Raum frei, der angenehm durchwärmt ist und von diffusem Licht beleuchtet wird. „Achten Sie bei Ihren Bewegungen darauf, daß hier andere Schwerebedingungen herrschen als auf Ihrer Erde. Sie entsprechen ungefähr jenen unseres Planeten, der kleiner ist als Terra. Auch die Atemluft ist der Atmosphäre unseres Sternes angeglichen, die viel dünner ist als die der Erde. Der Luftdruck hier entspricht etwa jenem, der auf einem Erdgebirge in 5000 Meter Höhe angetroffen wird.“ Zugleich nimmt der Sprecher seinen Helm ab, und die andern folgen seinem Beispiel. „Nehmen Sie bitte Platz!“ Er deutet auf Sitzgelegenheiten, die einen mit Apparaten und Hebeln bedeckten Tisch umstehen. Auch an den Wänden überall sind ähnliche Hebel zu sehen, so daß sie wie große Schalttafeln aussehen. Alles ist seltsam und interessant, aber trotzdem werfen die beiden Gäste kaum 34
einen Blick auf ihre Umgebung. Sie starren vielmehr unentwegt in die Gesichter dieser fremdartigen Wesen, deren Heimat irgendwo im Weltall liegt, vielleicht in astronomischer Entfernung, aber jedenfalls viele, viele Millionen Kilometer entfernt. Nochmals fordert der Sprecher der Fremden das Ehepaar auf, Platz zu nehmen. Willfert tritt auf den nächsten Sessel zu, aber der Schritt wird zu einem Sprung. Er hat nicht mit der verminderten Schwerkraft gerechnet. Es kostet die beiden einige Mühe, ihre Plätze einzunehmen. Mühe auch deshalb, weil die dünne Luft Atemnot verursacht und die Ohren sausen läßt. Die schmächtige Gestalt mit dem feinen Gesicht lächelt ein wenig. „Uns geht es umgekehrt. Für uns ist Ihre Atmosphäre zu dick und die Schwerkraft zu stark. Aber wir hoffen, wir können uns etwa in der Mitte treffen. Auch wollen wir uns akklimatisieren. Sollte es hier für Sie unerträglich sein, so können wir sogleich die normalen Erdbedingungen wieder herstellen. Nur müssen wir dann unsere Helme aufsetzen.“ „Es geht schon“, sagt Frau Merta schnell. „Sie haben sich vorhin vorgestellt“, meint jetzt der Führer der Gruppe. „Aber ich glaube, Sie könnten unsere Namen nicht behalten. Nennen Sie mich daher Alpha und meine Helferin Beta.“ Willfert verbeugt sich, und Merta neigt den Kopf. „Darf auch ich einige Fragen stellen?“ sagt Willfert. „Fragen Sie!“ nickt Alpha. „Sie sprechen einwandfrei deutsch; auch Ihre Helferin und Ihr Gefährte, der uns anhielt. Sie sprachen auch italienisch. Wie ist das möglich? Wo haben Sie diese Sprachen gelernt?“ „Aus den Funksendungen Ihrer verschiedenen Erdstationen. Es ist nicht schwer, allmählich die Elemente und Gesetze einer Sprache zu verstehen, wenn man den Sinn der Sendung erkennt. Wenn ich nicht irre, haben Ihre Gelehrten auf ähnliche Weise längst vergangene Sprachen rekonstruiert. Und schließlich lernt 35
jedes Kind, auch bei uns, auf ähnliche Weise sprechen. Viel weniger wissen wir darüber, wie Sie diese Sprachen niederlegen, also in Schrift und Druck verbreiten.“ „Wo haben Sie unsere Funksendungen aufgenommen?“ „In unseren Maschinen, bei den Erkundungsflügen zu diesem Planeten, den Sie Ihre ‚Erde’ nennen.“ „Woher kommen Sie?“ „Von Ihrem Mond. Unsere Absprungbasen liegen auf jener Seite, die der Erde ständig abgewendet ist.“ „Das können doch nur Zwischenstationen sein. Von wo kommen Sie wirklich? Wo leben Sie?“ „Diese Frage darf ich nicht beantworten!“ „Sie sprachen vorhin von Erkundungsflügen zu unserer Erde. Welchem Zwecke dienen diese Beobachtungen?“ „Ich glaube, das werden Sie bald erfahren.“ „Hegen Sie feindliche Absichten gegen uns?“ „Wir wissen, daß Sie eine bewundernswerte Kultur geschaffen haben, in mancher Hinsicht wenigstens, und auf eine überreiche Geschichte zurückblicken. Unsere jedoch ist älter. Wir haben die Begriffe ‚Feind’ und ‚feindlich’ aus unserem Denken und Handeln entfernt und daher auch diese Worte aus unserer Sprache. Wir kommen als Freunde.“ „Sie kommen also! Ich nehme an, Sie meinen damit nicht nur sich selbst und Ihre Gruppe.“ „Sie können das annehmen.“ „Gibt es auf Ihrem Planeten auch verschiedene Völker, Staaten, Kulturen, Religionen und gesellschaftliche Systeme?“ „Wir hatten verschiedene Nationen, Rassen und Staaten, aber das alles änderte sich im Laufe der letzten Jahrtausende, und wir haben jetzt nur mehr eine einzige Sprache und Kultur innerhalb eines einzigen Staates, in dem jeder einzelne über volle Freiheit der Lebensgestaltung verfügt. Auch in der Religion hat 36
jeder Bürger unseres Planeten völlige Freiheit. Es gibt also ebenso viele Religionen bei uns, als es Bewohner gibt.“ „Ich glaube Ihnen. Aber für einen Menschen dieser Erde ist es schwer, sich einen solchen Zustand vorzustellen und ihn für möglich zu halten.“ „Für uns wiederum ist es schwierig, einen anderen Zustand für erträglich zu halten.“ „Glauben Sie an Gott?“ „Wenn uns schon das lebendige Leben diesen Begriff nicht aufzwänge, so die Erkenntnisse der Physik, ja selbst die dürre Mathematik. Wissen Sie, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, daß irgendeine Dichtung durch das rein zufällige Zusammenwerfen von Buchstaben und Worten entstehen kann? Sie ist so klein, daß sie mathematisch nicht mehr ausdrückbar ist. Und da soll dieser ungeheuere Kosmos, von dem einzelnen Proton jedes Atoms bis zu den Milchstraßenwelten der Unendlichkeit durch ‚Zufall’ entstanden sein? Glauben Sie das? Ich nicht, und niemand von uns. Ja, wir glauben an Gott.“ Frau Merta greift nach dem Arm ihres Mannes und drückt ihn. Irgend etwas überwältigt sie. Willfert räuspert sich, bevor er wieder spricht. „Wissen Sie. auf welchem Punkt unserer Erde Sie gelandet sind?“ „Wir wissen es.“ „Sind Sie hier freiwillig gelandet, oder wurden Sie dazu durch eine Störung, einen Defekt Ihrer Maschine gezwungen?“ „Unsere Maschine ist intakt. Wir haben diesen Punkt mit Überlegung gewählt – so wie viele andere Maschinen an anderen Punkten der Erde.“ „Ich hoffe nicht, daß Sie auf diese Weise die Erde in Besitz nehmen wollen – auch wenn Sie als Freunde kommen. Sie können ja nicht voraussehen, wie die Menschen sich gegenüber einer solchen Absicht verhalten würden.“ 37
„Wir wollen zunächst persönliche Verbindung mit einzelnen von ihnen aufnehmen. Man hat bei Ihnen den Ausdruck ‚inkognito’; wir sind vorläufig inkognito hier. Wir wollen uns Kenntnisse über viele Dinge verschaffen, die wir gar nicht oder nur unvollkommen wissen. Fragen über das Leben, die Verhältnisse, Eigentümlichkeiten und auch die Geschichte dieses Planeten und seiner Bewohner interessieren uns. Wir wollen auch unsere Sprachkenntnisse verbessern und lernen, wie Ihre Sprachen dem Auge und der späteren Zeit sichtbar gemacht werden.“ „Ich glaube, Sie werden keine Schwierigkeiten haben. Umgekehrt wäre es ganz anders, vermute ich!“ „Sie sind sehr bescheiden, Herr Willfert. Das gilt auch bei uns als eine Tugend. – Wollen Sie und Ihre Frau die Lehrer unserer Gruppe werden? Sie würden zwölf Schüler haben, und es stünde Ihnen eine Zeit von etwa drei Wochen zur Verfügung.“ „Und was wird nach diesen drei Wochen sein?“ „Leider kann ich auch diese Frage nicht beantworten. Aber ich kann Ihnen versichern, daß wir alles aufbieten würden, Ihnen die Arbeit möglichst angenehm zu gestalten, und daß wir Ihnen dafür sehr dankbar wären. Wollen Sie?“ Willfert wechselt mit seiner Frau einen Blick. Mertas Augen glänzen. Die übermächtige Lockung des unerhörten Abenteuers hat sie überwältigt. „Ja!“ sagt sie laut. Der fremde Sprecher, der Alpha genannt sein will, lächelt. „Ce que veut la femme veut Dieu“, sagt er. „Die Franzosen haben sehr kluge Sprichwörter. – Welche Sprachen spricht Ihre Frau?“ „Ich spreche außer meiner Muttersprache noch Englisch, Französisch, Italienisch und die skandinavischen Idome.“ „Dann hat Sie wohl der Große Geist zu uns geschickt“, sagt Alpha. Er lächelt dabei ein wenig. 38
„Manitu!“ meint Willfert und lächelt gleichfalls. „Was ist Manitu?“ fragt Alpha. „Manitu nannten die Indianer ihren Gott, und das heißt so viel wie Großer Geist. Die Indianer bewohnten Nordamerika, bevor es von der weißen Rasse entdeckt und besiedelt wurde. Das ist über 450 Jahre her. Die Indianer wurden dabei zivilisiert – das heißt, sie wurden so ziemlich ausgerottet.“ „Wir wissen einiges davon. Es ist keine rühmliche Geschichte. Und ich glaube, daß sich auch heute noch auf Ihrem Erdplaneten ähnliche Dinge abspielen.“ „Leider ist es so. Ich vermute jedoch, daran wird sich bald vieles ändern.“ „Sie können es vermuten, Herr Willfert. – Sie wollen also mit Ihrer Frau unsere Unterrichtung übernehmen? Das ist sehr erfreulich. Allerdings müßten Sie während dieser Zeit hier bei uns bleiben: ich deutete es schon an. – Ist das möglich?“ „Wir haben unser Gepäck und unseren Kraftwagen in einem kleinen Hotel, das etwa zwei Gehstunden von hier entfernt ist.“ „Kraftwagen hatten wir auch einmal, vor langer Zeit. – Bitte, bringen Sie aus Ihrem Gepäck, was Sie benötigen, hierher. Wir werden Ihnen dabei helfen. Im übrigen sind wir mit allem gut ausgerüstet. Wir werden Ihnen neben unserer Maschine eine Unterkunft errichten, damit Sie unter den gewohnten Bedingungen leben. – Den Wagen lassen Sie stehen. Sie werden keinen Schaden erleiden.“ „Daran denke ich gar nicht, aber wenn wir fortgehen und nicht zurückkehren, wird man glauben, es sei uns etwas zugestoßen, und uns suchen. Sie wünschen doch nicht, daß Lärm geschlagen wird.“ „Das wird in nächster Zeit an vielen Stellen der Erde geschehen und ist unvermeidlich. Man wird wohl auch nach Ihnen suchen, aber man wird Sie nicht finden, denn wir legen einen 39
unsichtbaren Sperrzaun um diesen Punkt, den Menschen weder überschreiten noch überfliegen können. Und das wird überall geschehen, wo unsere Maschinen gelandet sind. – Wann können wir Sie erwarten.“ „Wir kommen noch heute nachmittag, gegen 18 Uhr.“ * Es ist der 14. Mai, 22.08 Uhr britischer Zeit. Der große Stratosphärenkreuzer DD-4 der „British Intercontinental Airways“ – kurz B.I.A. – ist auf dem Wege von England nach Singapore und Australien. Die Route führt von Croydon über Rom, Bagdad und Bombay. Die Maschine fliegt bereits in 5000 Metern Höhe, etwa über Hellingly, Sussex, Kurs SSO, steigt noch weiter, um auf normale Reisehöhe zu kommen, und hat eine Geschwindigkeit von 600 Stundenkilometern erreicht. Sie hat zwölf Besatzungsmitglieder, einschließlich eines Stewards und zweier Stewardessen, und 49 Passagiere an Bord. Das Steuer führt in diesem Augenblick Captain John Merrik, ein alter, erfahrener Veteran der RAF aus zwei Weltkriegen, der schon einige hundert Passagierflüge der B.I.A. ohne jeden Unfall durchgeführt hat. Der 1. Offizier, George Lanning, gleichfalls ein erprobter Flugzeugführer mit jahrzehntelanger Praxis in Krieg und Frieden, sitzt am zweiten Führersitz. Die vielen winzigen, verstreuten Lichter in der Landschaft tief unten sind aus dieser Höhe kaum zu erkennen. Die Anhäufung vieler solcher Lichtpünktchen voraus ist Eastburne, und der lange helle Streifen die Küstenlinie. Man sieht auch auf eine breite Wolkenbank hinab, die über dem Kanal liegt. Merrik bemerkt, wie aus dieser Wolkenbank plötzlich ein helles Licht auftaucht, das unglaublich schnell höhersteigt und 40
sich dann der DD-4 nähert. Eine andere Maschine? Vielleicht ein eigener Düsenjäger auf einem Übungsflug? – Nein, das ist ausgeschlossen. Es gibt keine Maschine, weder in England noch irgendwo anders in der Welt, die ein so starkes Positionslicht führt, und auch keine, die so schnell zu steigen und zu fliegen vermag. Denn schon ist aus dem roten Licht eine glühende Scheibe geworden, die mit rasender Schnelligkeit über den Himmel fegt. – Nun, es gibt solche Dinger. Merrik hat darüber nicht nur schon viel gehört und gelesen, sondern er hat schon zweimal persönliche Begegnungen mit ihnen gehabt. „George, siehst du das rote Ding da vor uns?“ wendet er sich an den 1. Offizier. „Klar sehe ich es“, meint Lanning. „Bin ja nicht blind. Was hältst du davon?“ „Genau das, was du davon hältst. – Teufel, wie der Bursche jetzt zulegt!“ Die glühende Scheibe – sie ist jetzt von einem hellen Goldgelb – rast mit unfaßlicher Geschwindigkeit über die DD-4 hinweg. Auch das übrige Bodenpersonal und die Passagiere haben die Erscheinung bemerkt. Alles drängt sich an den Kabinenfenstern. Aufgeregte Stimmen. „Was ist das? … Ein Meteor? … Ein Meteor steigt und kurvt doch nicht! … Das ist eine regelrechte ‚Fliegende Untertasse’! … Ob sie wieder zurückkommt?“ Merrik gibt durch die Bordsprechanlage dem Funker Auftrag, Croydon anzurufen. Sie müssen dort doch das Ding auf ihrem Radarschirm haben! Croydon meldet sich nicht. Auch Tunbridge, Crawley, Hastings und die Plätze der RAF geben keine Antwort. Sonderbar! Man könnte fast glauben … aber man tut besser, es nicht zu glauben! Da ist die Erscheinung wieder. Das fliegende Objekt muß 41
mit unglaublicher Schnelligkeit gewendet haben und auf Gegenkurs gegangen sein. Es fliegt jetzt steuerbord parallel zur DD-4, fast in gleicher Höhe, eher sogar etwas tiefer. Die Farbe ist nun dunkelrot, aber man sieht auch ein intensives bläulich weißes Licht, das von der Oberfläche des runden Körpers ausstrahlt, und rotierende Lichter in verschiedenen Farben an seiner Außenhülle. Das seltsame Ding kommt immer näher, aber man kann dennoch keine Einzelheiten ausmachen, da das neonartige Licht die Augen blendet. „Ich bin neugierig, wie die Vorstellung weitergeht“, sagt Merrik ruhig, fast zu ruhig, und fliegt unbewegt seinen Kurs. Im Bordfunk beginnt es zu knattern und zu fauchen. Dann gibt es Geräusche, die sich beinahe so anhören, als versuche jemand, die DD-4 von außen anzurufen. – Von außen? – Kommt der Anruf vielleicht von dem Kunstflieger da drüben, der etwa einen Kilometer entfernt auf gleichem Kurs hält, das bläulich-weiße Licht ausstrahlt und sich so benimmt wie ein illuminierter, flacher Kreisel? Wieder knarrt und faucht es im Funkgerät. Und dann – dann ist plötzlich tatsächlich etwas zu hören, das wie eine menschliche Stimme klingt, wenn auch sehr undeutlich. „Kehren Sie um. Landen Sie in Croydon“, sagt diese eigenartige Stimme. „Kehren Sie um, landen Sie in Croydon.“ Und sie wiederholt die beiden Sätze noch ein dutzendmal. Die beiden Piloten sehen einander an. Merrik zuckt die breiten Schultern. „Ich fliege weiter“, sagt er dann. Die DD-4 fliegt also unbeirrt weiter ihren Kurs. Das seltsame Ding mit den kreisenden Lichtem und dem bläulichen, blendenden Schein, das nun auf Steuerbord in einer Entfernung von etwa 800 oder 1000 Yards auf Parallelkurs fliegt, glüht plötzlich auf und beginnt rasch zu steigen; jetzt schießt es mit phantastischer Geschwindigkeit vorwärts. Schon 42
ist es nur mehr ein großer glühender Punkt am Horizont. Aber es muß gewendet haben, mitten im vollen Tempo, denn schon kommt es wieder heran. Den beiden Offizieren bleibt der Atem weg. Sie können es einfach nicht glauben, obwohl es sich doch vor ihren Augen abspielt. Binnen weniger Sekunden wird das fliegende Ding wieder groß, und diesmal kommt es so nahe, daß man sogar seine Form und. Einzelheiten sehen kann. Es ist gar keine Scheibe, keine „Fliegende Untertasse“ – es ist eher eine sehr flachgedrückte Kugel, die an ihrem größten Umfang von einer Art Ring umgeben ist. Das blendende, bläuliche Licht ist diesmal nicht zu sehen. „Man könnte beinahe sagen, das Ding sieht aus wie ein Miniatursaturn“, meint Lanning. Und jetzt – die ringumgürtete, flache Kugel ist kaum mehr als 300 Yards entfernt – jetzt schießt sie wieder etwas voraus, und dann sprüht eine rote Feuergarbe wie der Wasserstrahl einer ungeheuer starken Turbopumpe quer vor die Kanzel des Stratosphärenkreuzers, setzt wieder aus, worauf noch ein zweiter und dritter Feuerstrahl den Kurs der DD-4 kreuzt. „Eine sehr interessante Vorstellung“, meint Merrik. „Aber es ist zu deutlich, als daß wir weiterfliegen könnten. Geh nach hinten, George, und mach den Leuten begreiflich, daß wir zurück müssen. In Croydon werden wir dann wohl mehr erfahren.“ * Nicht nur in Croydon, sondern auch auf den unzähligen anderen Flugplätzen der ganzen Weilt, landen in dieser Nacht und im Laufe des nächsten Tages Maschinen aller Art, und alle sind sie auf ähnliche Weise von jenen unbekannten Flugkörpern zur Umkehr und Landung gezwungen worden. Nach den überein43
stimmenden Beschreibungen der Piloten, Besatzungen und Passagiere handelt es sich um zwei Typen unbekannter Flugkörper. Um flachgedrückte Kugeln mit rotierenden Ringen oder riesigen Scheiben mit elliptischem Querschnitt, die gleichfalls mit rotierenden Ringen versehen sind. Einige Maschinen werden auch vermißt, und man ist allgemein der Überzeugung, daß sie von jenen unbekannten Flugkörpern zum Absturz gebracht worden seien. Diese Annahme wird sehr bald durch die Überlebenden zweier abgestürzter Verkehrsmaschinen und eines Langstreckenbombers bestätigt. Die Erregung über diese unerhörten Vorfälle ist auf der ganzen Welt ungeheuer. Sie steigert sich zu einer Lawine, als im Laufe des folgenden Tages von allen Seiten Meldungen über Funksprüche unbekannter Herkunft in vielen Sprachen einlaufen, die ein klares und glattes Verbot jeder weiteren Flugtätigkeit darstellen, – übrigens eine fast völlig überflüssige Maßnahme, da bereits alle Fluggesellschaften der Welt sofort nach Bekanntwerden dieser Ereignisse ihren Flugdienst bis auf weiteres eingestellt und alle noch in der Luft befindlichen Maschinen zur Landung auf den nächst erreichbaren Plätzen angewiesen haben. Ähnliche Anordnungen haben auch die militärischen Dienststellen der meisten Staaten erlassen, doch werden sie streng geheim gehalten und gegenüber der Öffentlichkeit abgeleugnet. Diese Öffentlichkeit wird nämlich in der ganzen zivilisierten Welt von einem Fieber der Erregung geschüttelt, das von Stunde zu Stunde steigt und schlimmer ist als vor dem Ausbruch eines Weltkrieges. Begonnen hat diese verhängnisvolle Entwicklung damit, daß an verschiedenen Stellen der Welt Zonen entdeckt werden, die durch starke Strahlungs- oder Energiewände wie durch unsichtbare Mauern abgeschirmt waren. Alle Versuche, diese „Ge44
heimzonen“ zu überfliegen, um sie aus der Luft auszunehmen, seien gescheitert und hätten in einigen Fällen sogar zum Absturz der eingesetzten Maschinen geführt, wurde berichtet. Dazu kommt, daß man allen Grund zur Annahme hat, einzelne Menschen, die seither vermißt werden, seien in der Gewalt jener Wesen, die diese Sperrzonen geschaffen haben. Selbstverständlich gibt es jetzt nur noch eine internationale Meinung über all diese Ereignisse: Es handelt sich um die „Marsmenschen“, die eben im Begriffe sind, die Eroberung der Erde vorzubereiten; deshalb die Stillegung der Luftfahrt, deshalb die Errichtung jener Sperrzonen. * Nahezu drei Wochen sind seit jenem Tag vergangen, an dem Dr. Otto Willfert und seine Frau Merta auf einem Spaziergang zu den „Roßzähnen“ am Südrand der Seiser Alpe auf ein gelandetes Raumschiff kleineren Ausmaßes stießen und dann jene bedeutsame Unterredung mit dem Führer der Besatzung dieser aus dem Weltraum gekommenen Maschine hatten, der sich Alpha nennen läßt. Als sie am Abend jenes Tages, nur mit dem nötigsten Gepäck versehen, wieder bei der silbergrauen Riesenzigarre ankamen, hatte man neben dieser bereits ein kleines Häuschen errichtet, dessen zusammensetzbare Bauelemente aus irgendeinem Kunststoff bestanden, und das innen eine zwar etwas fremdartige, aber komfortable Einrichtung enthielt. Hier wohnen sie nun seither. Für ihre Verpflegung wird reichlich gesorgt. Was sie zu essen erhalten, ist zwar unbestimmbar, aber die Gerichte schmecken nicht übel, und zweifellos sind sie sehr bekömmlich und nahrhaft. Jeden Vormittag und Nachmittag verbringen sie einige Stun45
den in jenem Raum des Flugkörpers, in dem ihre erste Besprechung mit „Alpha“ und „Beta“ stattgefunden hat. Es sind keine regelrechten Unterrichtsstunden, sondern ein zwangloses Plaudern, ein lebhafter und anregender Austausch von Kenntnissen. Nur bei Frau Mertas Sprachunterricht – Deutsch, Englisch, und Französisch – sind stets alle Mitglieder der Besatzung, darunter auch zwei Frauen, anwesend. Bei anderen Themen, insbesondere kultureller Art, die vornehmlich von Willfert behandelt werden, sind weniger Teilnehmer anwesend, manchmal nur „Alpha“, der Chef der Besatzung, und seine Gehilfin „Beta“. Gleiches gilt für die abendlichen Gespräche, die sich bald zwischen diesen beiden und den Willferts angebahnt haben. In der ersten Zeit hat allen Teilnehmern die geänderte gewohnte Schwerkraft und Luftdichte – man hat in dem benützten Raum mittlere Werte eingestellt, die für beide Teile erträglich sind, ohne daß man zu Druckhelmen und Raumanzügen greifen muß – gewisse Schwierigkeiten bereitet, und ab und zu haben die Fremden auch wieder zu ihren Helmen gegriffen und für ihre Gäste „erdenmäßige“ Verhältnisse in der großen Kabine des Raumschiffes geschaffen. Aber allmählich hat man sich beiderseits den geänderten Verhältnissen immer besser angepaßt und ohne Schwierigkeit die gleiche Luft geatmet. Auch die geistige Atmosphäre dieser vielen Gespräche ist immer besser geworden. Man hat sich gegenseitig näher kennengelernt und darüber gefreut, daß das Trennende und Verschiedene zwischen diesen Kindern zweier Welten nicht ins Gewicht fällt. Und immer wieder staunen Willfert und seine Frau über die außerordentliche Intelligenz der Fremden aus dem Weltraum und über die Leichtigkeit, mit der sie alles aufnehmen, obwohl vieles ihnen doch völlig fremd ist. Heute greift Willfert auf ein Gespräch zurück, das gestern 46
unterbrochen wurde, weil „Alpha“ Nachrichten in Empfang nehmen mußte. „Sie hatten die Absicht, uns über die gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse auf Ihrem Planeten zu erzählen“, erinnert man ihn. Alpha ist gern dazu bereit. Die Gesellschaft auf ihrem Planeten sei klassen- und ständelos, erklärt er, obwohl es erhebliche Unterschiede, sowohl in bildungsmäßiger als auch wirtschaftlicher Hinsicht gebe. Was das allgemeine wirtschaftliche Leben betreffe, so gebe es gewisse Einrichtungen, die grundsätzlich staatlicher Art seien, vor allem alle Institutionen und Unternehmungen, die ganz oder vorwiegend für die Allgemeinheit bestimmt seien, während die übrige Wirtschaft zum Teil gemischtwirtschaftlicher oder rein privater Natur sei. Für alle öffentlichen und auch privaten Einrichtungen sei es charakteristisch, daß ihnen jeder diktatorische Zug, jeder Hang zur Majorisierung und zum Zwang völlig fehle, wie sie hier auf der Erde in den so verschiedenen Formen des politischen und öffentlichen Lebens so häufig festzustellen seien, ob es sich nun um Demokratie westlicher oder östlicher Prägung, staatlichen oder privaten Kapitalismus handle. „Aber es muß doch auch bei Ihnen regiert und geführt, befohlen und gehorcht werden“, meint Willfert. „So ungeheure Leistungen und Fortschritte, wie sie auf Ihrem Planeten erzielt werden, können doch in einem paradiesischen Gesellschaftszustand nicht gedeihen, in dem jeder tut oder läßt, was er will. Wer regiert und befiehlt also bei Ihnen?“ „In allen Bereichen gilt bei uns ein strenges System der Auslese und auch der Verantwortung. Wer der Beste für eine Tätigkeit ist, wird dafür bestimmt, übt sie aus und ist dafür verantwortlich.“ Er spricht noch längere Zeit und beantwortet die übrigen Fragen, bis er wieder abberufen wird, um Nachrichten zu empfangen. Das kommt in letzter Zeit immer häufiger vor. 47
Als er nach einiger Zeit zurückkommt, findet er nur Frau Merta im Raume vor. Sie blättert in einem großen Band, der naturgetreue Aufnahmen enthält – Landschaftsbilder und auch solche von städteähnlichen Anlagen und gewaltigen Industrieund Kraftwerken – Aufnahmen, die nach einem ihr völlig fremden Verfahren hergestellt worden sind und aus einer völlig fremden Welt stammen. Sie will ihm entgegengehen, ist aber nicht der verminderten Schwerkraft in diesem Raum eingedenk und springt ihm förmlich an die Brust. Alpha fängt sie auf, um sie vor einem Sturz zu bewahren, hält sie jedoch fester und länger in seinen Armen, als es nötig wäre. Verwirrt löst sie sich endlich von ihm. „Haben Sie neue Nachrichten?“ fragt sie, um die beklemmende Situation zu lösen. „Ja. – Es ist wahrscheinlich, daß wir in zwei Tagen fort müssen.“ „Fort? – Verlassen Sie die Erde wieder?“ „Nein. In den nächsten Stunden werden hier auf Ihrer Erde große Entscheidungen fallen. Und dann wird vermutlich eine Sitzung Ihrer Weltorganisation UN einberufen werden, an der auch jene Nationen, die ihr noch nicht angehören, und auch wir selbst teilnehmen. An dieser Sitzung, die vermutlich in Lake Succes stattfinden wird, soll auch ich als Delegierter teilnehmen. Näheres darüber werde ich Ihnen noch mitteilen. – Wollen Sie mit mir kommen, als meine Helferin? Ich wäre Ihnen dafür überaus dankbar. Ich wüßte keine bessere Kraft.“ „Ich weiß nicht, wie mein Mann darüber denkt. Warum wollen Sie nicht ihn für diese Aufgabe heranziehen?“ „Er verfügt nicht über die großen Sprachkenntnisse wie Sie. Er wird andere Aufgaben erhalten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich noch heute mit ihm über meinen Antrag … das 48
heißt, ich wollte selbstverständlich ‚Vorschlag’ sagen, besprechen wollten. Es ist dringend.“ „In Ordnung. Geht denn Ihre Gehilfin nicht mit nach Lake Succes?“ „Nein. Aus den gleichen Gründen. Sie kennt Ihre Sprachen noch viel zu wenig, und daher wird sie auf einem anderen Sektor beschäftigt.“ – Zur gleichen Zeit gehen Willfert und „Beta“ auf dem grünen, von zahlreichen Blumen durch wirkten Rasen vor der silbergrauen Riesenzigarre auf und ab. „Ihre Erde ist sehr schön – unvergleichlich schöner als unser Stern“, sagt „Beta“. „Ich freue mich, daß ich sie sehen durfte.“ Dabei glänzen ihre Augen ausschließlich Willfert an. „Auch ich bin froh darüber, als einer der ersten Erdenmenschen den Besuchern aus einer anderen Welt begegnet zu sein. Es ist ein unerhörtes Erlebnis.“ Und dann sucht Willfert nach einem anderen Thema. „Ich möchte noch sehr gern viel mehr über Sie wissen. – Wie sind Ihre Familienverhältnisse?“ Er meint diese Frage selbstverständlich ganz allgemein, in Bezug auf die Bewohner des fremden Planeten überhaupt, aber seine Begleiterin bezieht sie auf sich selbst. „Ich bin völlig ungebunden“, sagt sie leise, und die plötzliche Röte auf ihrem Antlitz kommt nicht bloß von der starken, ungewohnten Luft, die sie hier im Freien atmet. * Am Abend, in ihrem Wohnhäuschen, sprechen die Eheleute über den heutigen Tag. „Ich glaube, es wird jetzt bald zum Klappen kommen“, sagt Willfert. „Beta hat mir verraten, daß die große Landeaktion in nächster Zeit beginnt. Wahrscheinlich kommt es dann zu einer 49
Weltkonferenz, bei der unsere ‚Besucher’ ihre Karten auf den Tisch legen werden.“ „Auch ‚Alpha’ hat mir ähnliches gesagt. Er schlug mir vor, daß ich mit ihm nach Lake Succes gehe, wo diese Konferenz im Rahmen den UNO stattfinden dürfte. Ich sagte ihm, er möge lieber dich mitnehmen, aber er lehnte das ab und erklärte, für dich – übrigens auch für ‚Beta’ – seien andere Aufgaben vorgesehen.“ „Und warum sollst du mit ihm nach Lake Succes?“ „Wegen der Sprachen, also als Dolmetscherin!“ „Aha! Interessant! – Allerdings dürften für diese Auswahl wohl auch noch andere, weniger sachliche Gründe bestehen. Ich müßte ja blind und taub sein, um nicht schon längst bemerkt zu haben, daß er in dich verliebt ist.“ Merta fährt auf. „Was redest du da?“ „Nur die Wahrheit – das weißt du selbst am besten. Und ich finde es auch durchaus begreiflich, daß er an dir mehr Gefallen findet als an seiner flachen Gehilfin.“ „Was soll das heißen? ‚Beta’ ist gar nicht flach, sondern sogar sehr gescheit und geistreich.“ „Ich meinte ‚flach’ ganz wörtlich, nicht im übertragenen Sinne. Ich dachte ungefähr an ein Brett. An das kann er bei dir wohl nicht denken!“ „Pfui!“ Frau Merta ist außer sich. Und sie macht aus ihrer Empörung kein Hehl, obwohl Otto mit seinen Bemerkungen, insbesondere mit der letzten, voll im Recht ist, so taktlos sie auch sein mögen. Sie sprudelt ihren Zorn ungezügelt heraus, und sie kann bei solchen Anlässen hemmungslos sein. „Übrigens“, damit schließt sie, „macht diese ‚Beta’ dir auch schon längst verliebte Kuhaugen. Das kannst du wohl kaum bestreiten.“ Was zwar auch richtig, aber nicht weniger taktlos ist. „Ich bestreite es keineswegs“, erklärt Willfert kühl. „Und 50
wenn es dir Spaß macht, als unentbehrliche Sekretärin eines Chefdelegierten der künftigen Herren unserer armseligen Erde nach Lake Succes zu gehen – wobei du, so wie weiland Elsa von Brabant deinen modernen Überlohengrin nicht einmal fragen darfst, woher er kommt – wenn dir das Spaß macht: Ich habe nichts dagegen. Du kannst selbstverständlich tun und lassen, was du willst. Aber es dürfte nicht ganz ohne rechtliche Folgen bleiben.“ Das ist der Bruch, ein jäher, nicht wiedergutzumachender Bruch. Den Rest der Nacht verbringt Willfert, in seine Decke gerollt, vor der Hütte, deren Kunststoffplatten aus einer anderen Welt herübergekommen sind. * In der Nacht vom 19. zum 20. Mai arbeitet das Atomwerk Hanford normal. Man hat zwar im Hinblick auf die Ereignisse der letzten Tage besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen – aber jedermann weiß, daß sie nur eine Geste bedeuten. Gegen wen soll man sich sichern? Gegen was? Und auf welche Weise? Gegen 21.40 Uhr laufen in der Zentrale fast gleichzeitig Meldungen der vier Luftkontrollstationen ein: ein halbes Dutzend unbekannter Flugobjekte nähert sich überaus schnell von Norden her in großer Höhe dem Werke. Wenige Minuten später sind sie bereits da und kreisen über den Anlagen, wobei sie immer tiefer gehen. Schließlich schweben sie in einer Höhe von etwa 4300 Metern über dem Werk. Die dunkelglühenden Körper sind deutlich auszumachen. Die zum Schutz eingesetzte schwere Flak könnte sie erreichen, aber sie hat strengen Befehl, nicht zu schießen, so auch die Sabre-Jäger des nahen Flugplatzes Startverbot erhalten haben. Kurz darauf gibt Torwache 1 bekannt, daß sich ein unbe51
kanntes Flugobjekt südlich des Werkes in niedriger Höhe befinde. „Es scheint farbige Signale zu geben und strahlt bläulichweißes Licht aus … es geht jetzt sehr langsam, fast vertikal, zu Boden, anscheinend will es landen … es sieht aus wie eine sehr flachgedrückte Kugel … jetzt hat es aufgesetzt … die Lichterscheinung ist unverändert zu sehen.“ „Schicken Sie ein paar Leute der Wache in einem Wagen hin“, sagt Boswell, der Werksleiter. „Aber es darf unter keinen Umständen Gewalt angewendet werden – auf gar keinen Fail, verstanden? Sie sollen dann sofort berichten.“ Drei Minuten später meldet Torwache 1, daß der Wagen abgefahren sei. – Handelt es sich nun wirklich um die „Besucher aus dem Weltall“? Sind sie jetzt da? Halb und halb hat man sie seit Tagen erwartet. Die Fernsprechzentrale gibt durch, daß alle Fernleitungen gestört seien. Auch die Funkverbindungen mit der Außenwelt funktionieren nicht mehr. Die Spannung in der Werkszentrale wächst. Immer wieder die Meldungen der vier Luftkontrollstationen über die unbeweglich über dem Werk schwebenden rotglühenden Körper. „Da – endlich wieder Torwache 1!“ „Der Wagen ist zurück. Er hat zwei Leute von der gelandeten Maschine mitgebracht. Sie waren bereits auf dem Wege zum Werk, in einem kleinen, komischen Vehikel. Sie selbst sehen nicht minder komisch aus. Sie tragen eine Art Taucheranzüge aus irgendeinem Metall und große Helme mit Glasfenstern, aber sie verstehen und sprechen englisch. Sie wollen den verantwortlichen Leiter des Werkes sprechen. – Was soll geschehen?“ „Ich bin in fünf Minuten dort“, sagt Boswell. „Sie sind mir dafür verantwortlich, daß den Leuten nichts geschieht.“ Die beiden fremden Ankömmlinge mit den Helmen sitzen 52
auf den besten Stühlen im Zimmer des Kommandanten der Torwache, als Boswell mit seinen beiden Begleitern – seinem Stellvertreter, Chefingenieur Mathiew und Professor Conny, dem wissenschaftlichen Leiter des Werkes – eintritt. „Ich bin für dieses Werk verantwortlich“, sagt Boswell. „Man sagte mir, Sie verstünden und sprächen englisch. Wer sind Sie? Was wünschen Sie?“ Die beiden Fremden erheben sich etwas schwerfällig. „Wir sind Beauftragte“, sagt einer der beiden. Er spricht sehr langsam, aber die Stimme ist durch die glasähnliche Scheibe seines Helms ganz gut zu hören. „Wir haben Sie verstanden. Wir teilen Ihnen mit, daß dieses Werk unverzüglich von allen Leuten geräumt werden muß. Es darf niemand zurückbleiben. Sie haben dazu so viel Zeit zur Verfügung, wie man hier zwei Stunden nennt. Sie können das Werk innerhalb dieser Zeit auch zerstören, wenn Sie das wollen. Wir haben kein Interesse daran, daß es erhalten bleibt. – Haben Sie verstanden?“ „Ich habe verstanden. – Was geschieht, wenn ich mich weigere, daß Werk räumen zu lassen?“ „Wieviele Leute sind in diesem Werk?“ „Das ist geheim. – Ungefähr viertausend.“ „Dann werden ungefähr viertausend Menschen nach der genannten Frist nicht mehr leben. Auch das Werk wird nicht mehr existieren.“ „Ich kann Ihre Drohung nicht ernst nehmen. Wer sollte das Werk und meine Leute vernichten?“ „Unsere Maschinen, die über dem Werk sind. Wurden sie noch nicht gesehen?“ „Wir haben sie gesehen. – Ich habe keine Verbindung mit meinen vorgesetzten Stellen. Ich nehme an, daß Sie alle Verbindungsmöglichkeiten unterbrochen haben. Ich kann diese Entscheidung nicht allein treffen.“ 53
„Sie können sich nicht entscheiden, wenn es sich um das Leben Ihrer Untergebenen handelt, für die Sie die Verantwortung tragen?“ „Ich bin auch für dieses Werk verantwortlich!“ „Was ist dieser Betrieb gegen das Leben von viertausend Menschen?“ Ein paar Herzschläge lang bleibt es still. Dann wendet sich Boswell ab und tritt mit seinen Begleitern zur Seite. Sein Gesicht ist jetzt grau und faltig, als wäre er in diesen wenigen Minuten um viele Jahre älter geworden. „Was sollen wir tun?“ murmelt er. „Räumen!“ sagt Professor Conny kurz. Und Chefingenieur Mathiew nickt: „Man kann nichts anderes tun.“ „Können wir die beschickten Atommeiler innerhalb dieser Zeit ausschalten?“ „Wir können es.“ „Conny, Sie müssen mir helfen, das Geheimmaterial zu bergen. Was wir nicht mitnehmen können, muß vernichtet werden. Mobilisieren Sie den ganzen wissenschaftlichen Stab dazu. Und Sie, Mathiew, lassen Alarm geben und veranlassen alles für die Räumung des Werkes. Die Anlagen selbst dürfen nicht angetastet werden. Klar?“ Er wendet sich wieder den beiden Fremden zu. „Es ist jetzt 22.36 Uhr. Das Werk wird geräumt. Es wird nicht zerstört. Ich selbst werde mit meinen engeren Mitarbeitern das Werk knapp vor Ablauf der beiden Stunden, die Sie als Frist gestellt haben, verlassen. Sie haben mich verstanden?“ „Wir haben verstanden“, sagt der Sprecher, und die beiden Fremden wenden sich zum Gehen. *
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Das Werk „Gogol“ für ferngesteuerte Raketenwaffen – es ist zugleich ein Hauptstützpunkt für Düsenjäger neuester Konstruktion – liegt 500 Kilometer nordwestlich von Swerdlowsk, jenseits des Urals. Hier werden die IBM, die neuen russischen Raketen, erzeugt, die einen Aktionsradius von über 6000 Kilometern haben. Man kann mit ihnen jeden Punkt Europas und des Vorderen Orients bequem erreichen, ohne die Abschußpunkte näher an die Küsten oder Grenzen heranschieben zu müssen. Werksanlagen, Hallen und Rollbahnen des Flugplatzes sind wie bei einem Konzentrationslager durch mehrere Reihen von Stacheldrahtzäunen mit Wachtürmen gesichert. General Sokentschiew führt den Befehl über den ganzen Komplex. Auch hier besteht seit Tagen erhöhte Bereitschaft, und ein Dutzend MIG 16 steht Tag und Nacht startbereit auf den Rollbahnen. Der Ablauf der Ereignisse ist hier ein ganz anderer als im Atomwerk Hanford, obwohl sich alles zur selben Zeit abspielt und in gleicher Art eingeleitet wird. Als nämlich die Radarschirme die Annäherung von sechs unbekannten Flugobjekten Anzeigen, die mit ungeheurer Geschwindigkeit herankommen, wird sofort die startbereite Staffel der MIG 16 hochgeschickt, während zwei andere alarmiert werden. Die gestartete Staffel ist noch nicht auf voller Höhe, als die sechs glühenden Körper in einer Höhe von 6000 Metern über dem Fluggelände und den Werken kreisen. „Sie sind noch etwa tausend Meter über uns“, gibt der Staffelführer durch Funk nach unten. „Wir werden sie abfangen.“ Die Beobachter unten sehen mit freiem Auge, wie rasend schnell die Düsenjäger weitersteigen. Aber die glühenden Scheiben oder flachen Kugeln sind noch schneller. Wie von einer unsichtbaren Riesenfaust emporgeworfen schnellen sie in die Höhe. Die Instrumente der beiden Stationen messen rasch hintereinander 8000 – 10 000 – 12 000 Meter Höhe. 55
Die MIG – auch die beiden anderen Staffeln sind bereits in der Luft – machen sichtlich alle Anstrengungen, die fremden Flugkörper einzuholen und über sie hinaus zu gelangen. Zwei Maschinen gleiten bei dem Versuch, noch schärfer nach oben zu ziehen, ab, werden jedoch von ihren Piloten wieder abgefangen und in Steiglage gebracht. Die fremden Flugobjekte kreuzen jetzt in einer Höhe von nahezu 14 000 Metern. Sie sind selbst mit bewaffneten Augen kaum mehr auszumachen, aber dann geben sie auf. Zusammen mit den beiden andern Staffeln kreisen sie in etwa 8000 Metern Höhe über dem Werksgelände und dem Flugplatz. Plötzlich schießt eine der glühenden Scheiben oder Kugeln mitten unter die MIG, nicht anders wie ein Habicht auf eine Kette Hühner stößt, und bleibt neben einem der Düsenjäger. Sofort schließen die anderen MIG links und rechts auf. Es sieht so aus, als hätten sie die Scheibe eingekreist. Und im nächsten Augenblick geschieht es: Die führende MIG eröffnet das Feuer auf das fremde Objekt, und gleich darauf bellen und rattern auch schon die Bordkanonen der andern Maschinen. Das Folgende spielt sich binnen weniger Sekunden ab. Die Scheibe erhebt sich mit einer fast ruckartigen Bewegung und speit dann mehrere Strahlen von Feuer oder glühenden Gasen von sich, bestreicht damit die schießenden MIG, indem sie selbst mit ungeheuerer Geschwindigkeit einen Kreis beschreibt. Schon brennt die erste MIG. Sie stürzt wie ein Stein, mit einem Feuerschweif gleich einem Meteor; und da kommen auch schon die zweite und dritte herab. Die übrigen – man kann es wegen der großen Höhe und der schnell anwachsenden Entfernungen nur durch das Glas verfolgen – gehen auf Gegenkurs und versuchen aus dem Bereich des unheilspeienden Ungeheu56
ers zu entkommen. Einige von ihnen stürzen noch brennend ab, die beiden letzten machen – weit draußen irgendwo in der Steppe – Bruchlandungen. Die beiden andern Staffeln stieben davon, augenscheinlich wollen sie landen. Aber nun haben sich auch die andern fünf glühenden Ungeheuer in Bewegung gesetzt, und sie sind schneller. Die MIG fliegen wie Spreu auseinander. Und nun stehen die unheilbringenden Flugkörper über dem Flugplatz und den Betriebsanlagen, den Hallen und Rollbahnen. Ungeheuere Detonationen erschüttern weithin die Luft, Rauch- und Feuerpilze steigen kilometerhoch. Auch das Raketenwerk versinkt in der allgemeinen Zerstörung, vernichtet gewissermaßen sich selbst, denn nach den ersten Detonationen explodieren die Vorräte an Sprengstoffen und fertigen Raketen, verwandeln alles in ein feurig tosendes Inferno. Von den Menschen, die sich in den Werksanlagen befinden, kommen die meisten um. Auch die beiden „Helmleute“, die sich – so wie in Hanford als Unterhändler eingefunden haben, bevor noch das Unheil losgebrochen ist, jedoch von General Sokentschiew nicht empfangen, sondern festgenommen worden sind, befinden sich unter den Opfern der allgemeinen Vernichtung. Man hat später nichts mehr von ihnen gefunden. Nur ihre „Untertasse“, deren Metall die Explosionen überstand, zeugte davon, daß sie ihr Leben geopfert hatten, um die Werksangehörigen zu retten. Wie man nachträglich feststellte, war die Untertasse in einem Gebiet außerhalb der Stacheldrahtzone gelandet, das den Werksangehörigen als Vergnügungszentrum gedient hatte. Die Nachricht von dem Untergang des Werkes „Gogol“ gelangt erst viele Stunden später nach Moskau, zu einem Zeitpunkt, in dem man dort bereits in großen Zügen über den Um57
fang der ungeheueren Katastrophe orientiert ist, die das gesamte Rüstungspotential Rußlands, wenn auch unblutig und ohne Menschenverluste, in allen seinen Teilen ausgeschaltet hat – und nicht nur jenes von Rußland allein, sondern allem Anschein nach auf der ganzen Erde. Es sind sehr schwere Stunden, die hinter den Herren des Kreml liegen. Sie haben die Zentrale, in der alle Fäden zusammenlaufen, alle Meldungen eintreffen, seit rund achtundvierzig Stunden nicht verlassen. Samarow selbst, Tornowitsch und Kaganow, Poczynski und Gremlin, die führenden Militärs, an ihrer Spitze Kriegsminister Bulgasza und Marschall Szirman, mit ihren wichtigsten Mitarbeitern. Was geschehen ist, weiß man nun wohl so ziemlich, und das Bild wird sich im Laufe der nächsten Stunden vervollständigen; aber was sein wird – das weiß niemand. Die einzige Gewißheit ist, daß es den andern auch nicht besser gegangen ist. Und das ist sehr viel wert. Vielleicht ist es sogar alles! – Im ‚Weißen Haus’ zu Washington ist die Lage ganz ähnlich Seit zwei Tagen haben der Präsident und seine Mitarbeiter ihre Arbeitszimmer nicht mehr verlassen. Im State Department und im Pentagon sieht es genauso aus. Gleiches gilt für die übrigen Hauptstädte der Welt, für London und Montreal, für Paris und Bonn, für Neu Delhi und Peking – und für alle, alle andern. Seit zwei Tagen herrscht fast überall auf der ganzen Welt der Ausnahmezustand. Versammlungen und Demonstrationen sind verboten, Schulen, Theater, Kinos und Vergnügungslokale sind geschlossen. Vielfach ist es zu schweren Zusammenstößen mit der bewaffneten Exekutive gekommen, bevor die Massen aus ihrem Taumel erwacht und sodann in apathische Resignation versunken sind. Viele Industrien arbeiten nur noch halb oder haben ihre Tore geschlossen. Der Verkehr ist vielfach zum Erliegen gekommen. 58
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Seit zwei Tagen laufen ununterbrochen die Hiobsbotschaften ein. Man weiß jetzt in Washington, daß Oak Ridge, Paducah, Hanford. Los Alamos, Blak River, Charey Creek und alle übrigen Atomanlagen ausgeschaltet und von kleinen Detachements der „Fremden“ besetzt sind, ebenso wie alle Stützpunkte und Rüstungswerke des Heeres, der Luftwaffe und Marine, alle wichtigen Schlüsselindustrien und Verkehrsanlagen. Auf allen Kontinenten sind Hunderte und aber Hunderte jener seltsamen flachen Kugeln und fliegenden Kasserollen, aber auch viele größere und kleinere Raumschiffe gelandet, und ihre Besatzungen haben alle diese Anlagen unter Kontrolle genommen und stillgelegt. Jedes Kind kennt nun schon die Bilder von den unbekannten Besuchern mit ihren Taucheranzügen und großen Helmen. Nur woher sie gekommen sind und was sie hier auf der Erde wollen, weiß niemand. Und über den Großstädten und Ölfeldern, den großen Industriezentren Amerikas und Rußlands fliegen patrouillierende „Untertassen“ – noch immer hat man keinen besseren als diesen albernen und unzutreffenden Ausdruck gefunden –, und ganz oben, in ungeheuren Höhen, tauchen manchmal – kaum erahnbar – die länglichen Schatten der riesigen Weltraumschiffe auf. Die Welt ist aus den Fugen. Wie kann sie wieder in Ordnung kommen? Was für eine Ordnung wird es sein? Was werden die nächsten Tage und Wochen bringen? – Niemand weiß es. Man sitzt Tag und Nacht vor den Rundfunkgeräten und Fernsehapparaten und wartet … wartet … wartet. Worauf wartet man? Auf das Ende? Und dann, endlich – es wirkt auf die ganze Welt wie eine Erlösung – weicht der drückende Bann, schwindet die unerträglich gewordene Spannung. Fast gleichzeitig erhalten am 23. Mai alle Regierungen und das Generalsekretariat der UN eine Note mit dem Ersuchen, sie binnen vier Tagen zu beantworten, 60
zu welchem Zweck sich die Überbringer nach dieser Zeit an gleicher Stelle wieder einfinden würden. Der Wortlaut wird über sämtliche Sender verlesen. „An alle Völker und Staaten dieser Erde, ihre Regierungen und die Organisation der Vereinten Nationen. Wir sind mit vielen Raumfahrtmaschinen auf der Erde gelandet, und eine noch viel größere Anzahl steht für weitere Landungen bereit. Wir haben alle Atomwerke, kriegswichtigen Anlagen, insbesondere die der Massenvernichtung dienenden, und alle Stützpunkte militärischer Art besetzt und ausgeschaltet. Wir sind glücklich, bei diesem Unternehmen keinen wesentlichen Widerstand gefunden zu haben, so daß – einen einzigen sehr bedauerlichen Fall ausgenommen – keine größeren Verluste zu beklagen sind. Alles das geschah nicht aus Feindschaft gegen die Bewohner und Völker dieser Erde, im Gegenteil: Wir sind als Freunde gekommen und wollen Freunde bleiben. Denn wir hegen den Wunsch, diese eure schöne Erde künftig mit euch zusammen zu bewohnen. Sie bietet Platz und Lebensmöglichkeit genug für euch und uns. Wir sind nicht so zahlreich wie ihr und wir wollen diese Übersiedlung nur nach und nach innerhalb eines größeren Zeitraumes durchführen. Wir glauben auch, daß wir euch in vieler Hinsicht nützlich sein können. Und wir betrachten uns als Kinder des gleichen Geistes und der gleichen Kraft. Über diese Dinge wollen wir mit euch verhandeln und einen Vertrag schließen. Wir ersuchen zu diesem Zwecke, eine Vollversammlung der Vereinten Nationen nach Lake Succes einzuberufen und dazu auch alle in der UNO noch nicht vertretenen Nationen und Regierungen einzuladen. Wir werden kommen!“ „Wir!“ Immer „wir“! – Wer sind diese „wir“? – Nun, man wird es sehr bald wissen. 61
* „Alpha“ empfängt Dr. Willfert in jenem durch eine Schleuse zugänglichen Raum, in dem im Laufe der vergangenen drei Wochen alle Besprechungen stattgefunden haben, da hier die Schwerkraft und Luftdruckverhältnisse auf einen Mittelwert der auf den beiden Planeten herrschenden eingestellt sind. „Womit kann ich Ihnen dienen?“ fragt er. „Damit, daß Sie mir keine Schwierigkeiten in den Weg legen, Ihren Stützpunkt noch heute zu verlassen.“ „Warum wollen Sie das? Darf ich noch einmal auf meinen Vorschlag zurückkommen, daß Sie als Mitarbeiter unseres technischen Verbindungsstabes für Europa in die Schweiz gehen? Der Standort der Arbeitsgruppe wird, wie ich Ihnen nun schon sagen kann, ein Hotel auf der Wengern-Alpe oder am Kleinen Scheidegg an der Jungfraubahn sein. Es sollen ausnehmend schöne Punkte Ihrer schönen Erde sein, die auch für Sie erträgliche Lebensbedingungen und alle Annehmlichkeiten bieten. Und die Arbeit dürfte für Sie besonders interessant sein. Sie wird, wie ich Ihnen schon andeutete, darin bestehen, den Bewohnern der Erde innerhalb kurzer Zeit möglichst viel von unseren physikalisch-chemischen Erkenntnissen zugänglich zu machen und umgekehrt – von Ihnen solche Dinge zu lernen, die uns noch unbekannt sind.“ Alpha begeht den Fehler, bei den letzten Worten etwas zu lächeln, fast unmerklich, aber Willfert ist es nicht entgangen. „Können Sie mich nicht lieber in den Verbindungsstab für Asien in den Karakorum oder nach Lhasa schicken?“ „Soweit wir die Menschen zu kennen glauben, dürften für den Asienstab Europäer nicht in Betracht kommen. Warum wollen Sie nach Tibet?“ 62
„Weil es noch weiter von Lake Succes entfernt ist.“ Willferts Ironie ist deutlich wie ein Trompetensignal. „Sagen Sie das deshalb, weil Ihre Frau sich nun endgültig entschlossen hat, mit mir dorthin zu gehen?“ „Ich lege meiner Frau nichts in den Weg. Sie kann mit Ihnen nach Lake Succes gehen, oder wohin sie sonst will. Sie ist in ihren Entschlüssen ganz frei und kann tun und lassen, was sie will.“ „Aber Sie denken doch daran!“ „Gewiß denke ich daran. Aber ich wünsche mit Ihnen über dieses Thema nicht zu sprechen.“ „Warum wollen Sie das nicht? Bei uns …“ „Bei uns“, unterbricht Willfert ihn scharf, „ist das eben anders. Unsere ganze Einstellung zu diesen Dingen – Frau, Ehe, Liebe – ist eine völlig andere. Und für mich ist meine Frau immer noch meine Frau.“ „Sie haben keinerlei Veranlassung, etwas anderes anzunehmen.“ „Natürlich nicht! Desto mehr Veranlassung besteht für mich zu tiefgefühlter Dankbarkeit für alles das, was ich hier sehen, lernen und erleben durfte. Und mit diesem Gefühl werde ich auch von hier scheiden – vorausgesetzt, daß Sie es gestatten.“ „Sie sind sehr bitter. Und ohne Grund.“ „Darüber hin ich anderer Auffassung. – Kann ich also gehen, oder nicht?“ „Sie sind völlig frei im Ihren Entschlüssen. Ich kann es allerdings nicht recht verstehen, daß Sie Ihren Mitmenschen und Ihrem Lande einen Dienst verweigern, nur weil Sie auf mich böse sind. Und das bedaure ich.“ „Ich will von Ihnen und den Ihren nichts nehmen, weder für mich, noch für mein Land oder sonst irgendeinen Menschen.“ „Schade! Auch meine Mitarbeiterin wird es bedauern, daß 63
Sie nicht in die Schweiz mitkommen. Sie hatte sicher damit gerechnet.“ „Das tut mir leid“, sagt Willfert und lächelt das gleiche, fast unmerkliche Lächeln, das er vorhin bei Alpha gesehen hat. „Wollen Sie mich ihr empfehlen?“ „Das wird geschehen. Und ich danke Ihnen nochmals sehr für Ihre …“ „Nicht nötig! Ich denke, wir sind quitt!“ unterbricht Willfert den Satz und geht. * „Leb wohl, Otto! Auf Wiedersehen!“ „Leb wohl, Merta!“ „Vom Wiedersehen sprichst du nicht?“ „Was hat es für einen Sinn, wenn du von etwas sprichst, woran du nicht denkst.“ „Du bist sehr liebenswürdig. Dein Benehmen in dieser ganzen Sache ist mir völlig unbegreiflich.“ „Darüber haben wir uns schon genug ausgesprochen. Meiner Ansicht nach ist es viel unbegreiflicher, daß du dich von diesem Besatzungshelden einfangen ließest und mit ihm nach Lake Succes gehst, obwohl er mich sorgfältig von dort fernhält. Bist du wirklich so naiv zu glauben, daß er dich für seine Arbeit dort braucht? Oder gibst du nur vor, daran zu glauben, weil sich das besser macht?“ Frau Merta stampft auf und wird blaß vor Zorn. „Es hat keinen Sinn, weiter über diese Sache zu sprechen, wenn du mich nur beleidigen willst. Machen wir es kurz. Wohin gehst du? Nach Frankfurt?“ „Ja. Wohin sonst? Dort habe ich doch meine Wohnung – entschuldige: vorläufig ist es ja noch unsere Wohnung, Was 64
brauchst du in Lake Succes? Schreib mir auf, was ich dir schicken soll. Und notiere dir die Adresse unserer Wohnung – ich meine für den Fall, daß du sie aus dem Gedächtnis verlieren solltest.“ „Wenn man dich so hört – man könnte glauben, du seiest närrisch geworden!“ „So, könnte man? Dann werde ich mich ja gut in meine Zeit und Umgebung einfügen.“ „Wenn ich etwas aus der Wohnung brauchen sollte, werde ich schreiben. – Also nochmals: Leb wohl und auf Wiedersehen!“ Er nimmt ihre Hand, blickt sie lange prüfend an. „Wer kann das wissen?“ sagt er dann und geht. * Am 2. Juni ist es endlich soweit. Schon am Abend zuvor haben sich Tausende in den Zufahrtsstraßen zum Völkerbundpalast beiderseits des Pont du Mont Blanc günstige Plätze gesichert und dort mit Decken und Polstern die Nacht verbracht. Seit den frühen Morgenstunden hat eine wahre Völkerwanderung eingesetzt, denn zu den fünfzigtausend Genfern, die sich dieses einmalige Ereignis nicht entgehen lassen wollen, kommen noch mindestens ebensoviele Fremde, die im Laufe der letzten Tage und Stunden, von der gleichen Absicht getrieben, hier eingetroffen sind. Die drei mobilgemachten Schweizer Jägerbataillone, die zusammen mit den Polizeikräften den Absperrungs- und Sicherheitsdienst zu versehen haben, können nur mit äußerster Mühe dem Druck der aufgestauten Menschenmassen standhalten. Am ärgsten ist es beim Völkerbundpalais selbst, wo außer doppelten Absperrungsketten auch leichte Panzer eingesetzt sind, um den Platz unter allen Umständen freizuhalten. 65
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Und dann kommen sie angefahren, Wagen auf Wagen, eine Delegation nach der anderen. Man ruft sich die Namen der Staaten zu – man kann sie an den kleinen Standern erkennen, die von den Wagen geführt werden –, und wenn auch viele darunter sind, die man nicht kennt, so ist es belanglos; denn ob es nun eben Griechen sind oder Mexikaner, die vorbeifahren, Norweger oder die Vertreter Pakistans oder Chiles, ob gelbe, braune oder schwarze Exoten – das macht nichts aus. Man wartet ja auf die andern, auf die Fremden, auf die Gäste aus dem Weltall, die von einem anderen Planeten zur Erde gekommen sind – man weiß nicht einmal, von welchem! –, man wartet auf die geheimnisumwitterten Geschöpfe in ihren seltsamen Metallanzügen und noch seltsameren Helmen. Und jetzt – die Bewegung pflanzt sich wie eine Welle durch die gestaute Menge fort – da sind sie endlich! Voraus fahren zwei Polizeiautos, denen vier große, offene Tourenwagen folgen. In jedem sitzen neben ihren Begleitern zwei dieser „Weltraummenschen“. Man kann die viel beschriebenen und erörterten Helme mit den gewölbten, glasartigen Visieren und auch die eigenartigen metallischen Anzüge ganz deutlich wahrnehmen, denn die kleine Kolonne fährt nicht übermäßig schnell. Sie wird von Polizisten auf Krafträdern flankiert und von einem mit Sicherheitsbeamten besetzten Auto beschlossen. Die Menge verhält sich ruhig. Es gibt weder Äußerungen des Beifalls noch der Ablehnung. Es ist vielmehr so, als starre alles fasziniert auf die glänzenden, großen Helme. Langsam fahren die Wagen beim Völkerbundpalast vor. Sobald einer hält, springt der Beamte neben dem Fahrer heraus und ist mit den beiden Begleitern den Fremden beim Aufsteigen behilflich. Die Bildberichter und Filmleute beiderseits des Einganges kurbeln wie toll. 67
Nun steigen die acht Helmleute mit ihren Begleitpersonen – eine von ihnen ist eine Frau – langsam die Treppe hinauf. Die Fremden bewegen sich zwar etwas schwerfällig und sehr vorsichtig, aber sie bedürfen keiner Hilfe, sie gehen allein. Die Einrichtung des Großen Sitzungssaales ist innerhalb der letzten Tage und Nächte in fieberhafter Arbeit umgestaltet worden, denn man mußte die Zahl der Sitze verdoppeln und alle dafür nötigen Einrichtungen und Installationen schaffen. Es gibt nun vier konzentrisch angeordnete, lange Tischreihen in der Form flacher Bogen, die amphitheatralisch ansteigen. Hinter jeder Tischreihe stehen 60 Fauteuils für die Delegierten. Alles trägt deutlich den Stempel der Improvisation; nicht einmal die Sitze sind einheitlich. In der Mitte der vier konzentrischen Halbellipsen steht der Tisch für die Fremden und ihre Begleiter, so daß sich die Vertreter der beiden Welten hier von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen werden. Dahinter der Aufbau für den Präsidenten der Versammlung, seine Hilfsorgane, die Dolmetscher und Schriftführer, während Tribünen für die Vertreter der Presse und die wenigen prominenten Glücklichen, die Eintrittskarten erhielten, zu beiden Seiten der Präsidentenestrade emporstreben. Als die acht Vertreter des fremden Planeten mit ihren acht Begleitern den Saal betreten, tritt tiefe Stille ein. Man hört nur das Klappen der Kameras und das Surren der Filmapparate. Blitzlichter flammen auf, verlöschen. Die Fremden gehen, vom Zeremonienmeister des Hauses geführt, mit kleinen Schritten an ihren Tisch und nehmen dort Platz. Neben jedem von ihnen sitzt ein Begleiter. Und dann geschieht etwas Unerwartetes: Die acht Fremden nehmen ihre Helme ab und legen sie vor sich auf den Tisch. Ein kaum unterdrücktes Rauschen geht durch die illustre Versammlung. Alle Augen sind auf die Gäste aus einer fernen, fremden 68
Welt gerichtet, die man nun zum erstenmal von Angesicht zu Angesicht sieht. Wieder flammen die Blitzlichter, arbeiten die Filmapparate. Die ganze Versammlung erhebt sich spontan. Auch die Fremden folgen dem Beispiel. Nun beginnt Briler, der Generalsekretär der UNO, von seinem Platze hoch oben zu sprechen. „Das ist ein großer Augenblick“, sagt Briler. „Zum erstenmal in der Geschichte dieser Erde, haben wir Gelegenheit, die Besucher einer fremden, uns noch völlig unbekannten Welt zu sehen und zu begrüßen. Der Gruß unserer Versammlung gilt auch der Bevölkerung jenes Planeten, den sie repräsentieren, und er gilt gleicherweise den Völkern dieser Erde – ohne jede Ausnahme. Wir hoffen von ganzem Herzen, daß die Besprechungen, die auf Wunsch unserer Gäste erfolgen werden, zu einem für sie und uns segensreichen Ergebnis führen und daß sie ein neues, besseres und glücklicheres Zeitalter für alle Bewohner dieser Erde, die neuen und die alten, einleiten mögen.“ In einer Rede skizziert er, nachdem alle ihre Plätze wieder eingenommen haben, kurz die Verhandlungen und Beschlüsse, die der Einberufung dieser Weltkonferenz vorausgegangen sind, und ersucht dann den Chefschriftführer, den Wortlaut der Protokolle über die vereinbarte Geschäftsordnung und die Prozedur dieser Konferenz zu verlesen. Jeder Satz – der Chefschriftführer bedient sich wie Briler der englischen Sprache – wird sofort von zwei Dutzend Dolmetschern in die wichtigsten Sprachen übertragen und in die Mikrophone gesprochen, so daß die meisten Delegierten ihren Kopfhörern das Gesprochene entweder in ihrer eigenen oder einer ihnen verständlichen Sprache verfolgen können. Als die Verlesung beendet ist, fragt Briler, ob die Vertreter des anderen Planeten mit dieser Regelung einverstanden seien, die selbstverständlich nur als vorläufig gelten solle, um einen 69
geordneten Beginn der Verhandlungen zu ermöglichen, und später dann durch eine endgültige Geschäftsordnung ersetzt werden könnte. Einer der Begleiter der Fremden, die inzwischen längst ihre Helme aufgesetzt haben, erhebt sich und sagt in englischer Sprache: „Die Delegierten sind mit dieser provisorischen Regelung einverstanden.“ Gleich darauf erheben sich nacheinander die anderen sieben Begleiter und geben in französischer, deutscher, russischer, spanischer, chinesischer und japanischer Sprache die gleiche Erklärung ab. In deutscher Sprache ist sie durch eine Frau abgegeben worden, die sie auch italienisch wiederholt hat. Der nahezu sakral anmutende Vorgang, der allerdings hart an der Grenze einer leisen Komik liegt und zweifellos eine sehr gut gemeinte Geste darstellt, löst jedoch sofort einen Proteststurm aus. Etwa ein Dutzend Vertreter verschiedener Nationen verlangen, daß diese Erklärung auch in ihrer Sprache abgegeben und protokolliert werde. Die heftige und langwierige Geschäftsordnungsdebatte, die sich daraus entwickelt, wird schließlich nach vielem Hin und Her durch Generalsekretär Briler mit dem Hinweis beendet, daß die Delegierten aller Nationen selbstverständlich berechtigt seien, in ihrer Sprache zu sprechen, daß sie aber selbst dafür verantwortlich seien und sorgen müßten, daß ihre Erklärungen von allen Teilnehmern der Konferenz verstanden würden, da angesichts der mehr als hundert Idome, die hier vertreten seien, sonst eine Verständigung und auch die Führung eines Protokolls unmöglich sei. Es handle sich hier nicht um eine Frage des Prestiges, sondern der Zweckmäßigkeit und Vernunft. Wie bereits festgelegt und beschlossen worden sei, werde das Protokoll der Konferenz nur in jenen Sprachen geführt, die von den Begleitern der Gäste beherrscht und gesprochen würden. 70
Eine Entscheidung, die zwar selbstverständlich ist, aber dennoch eine Reihe mündlicher und schriftlicher Proteste und Vorbehalte zur Folge hat. Die Fremden haben die ganze Prozedur in steinerner Ruhe und schweigend über sich ergehen lassen. Nun übergibt Briler den Vorsitz an den Außenminister von Ecuador, Señor Emarra, das älteste Mitglied der Versammlung – von den Gästen abgesehen, deren Alter man ja nicht kennt, und die auch nicht in der Lage wären, diese Funktion auszuüben. Señor Emarra ersucht den Führer der Delegation des fremden Planeten, – leider könne er infolge der bisher so streng eingehaltenen Anonymität weder diesen noch jenen namentlich apostrophieren – der Versammlung die angekündigten Vorschläge zur Kenntnis zu bringen, damit darüber die Verhandlungen eröffnet werden könnten. Der in der Mitte der Reihe sitzende Fremde nimmt seinen Helm ab und erhebt sich. Sein Englisch ist von ungewöhnlicher Färbung, und er spricht leise, aber der vor ihm stehende Verstärker sorgt dafür, daß seine Ausführungen von allen Teilnehmern der atemlos lauschenden Versammlung gehört werden. „Im Namen der Bevölkerung unseres Planeten und seiner Delegierten danke ich dem Herrn Generalsekretär der UNO für die freundliche Begrüßung und für seine Bemühungen. Ich danke ebenso dem Volke und der Regierung der Schweizer Eidgenossenschaft und der Französischen Republik für ihre Gastfreundschaft und die Anstrengungen, unseren Aufenthalt angenehm zu gestalten. Der Herr Präsident dieser Versammlung erwähnte die Anonymität unserer Herkunft, unserer Namen. Was erstere betrifft, so sind wir vorläufig noch zur Geheimhaltung verpflichtet; da aber jedes Ding seinen Namen haben soll, schlage ich vor, daß Sie 71
unseren Heimatplaneten vorläufig mit dem Namen ‚Helios’ bezeichnen. Für mich selbst bitte ich den griechischen Buchstaben ‚Alpha’ zu verwenden. Meine Mitarbeiter werden Ihnen ähnliche Vorschläge unterbreiten. Wir haben bereits in unserer Botschaft vom 21. Mai, in der wir die Einberufung dieser Konferenz vorschlugen, das Ziel dargelegt: Wir wollen uns mit euch in Frieden und Freundschaft darüber verständigen, wie die Bewohner des ‚Helios’ auf dieser, eurer Erde neuen Lebensraum finden können.“ Eine halbe Stunde später kommen die Gäste aus dem Weltraum nicht mehr zu Wort. Eine Diskussion über technische Fragen ist in vollstem Gange. – Die Helios-Männer staunen. * „Ich fürchte, das wird eine lange Verhandlung werden“, sagt „Alpha“ auf der Rückfahrt nach Chamonix zu seiner Begleiterin. „Sie kennen Ihre Mitmenschen, aber für uns ist soviel Spitzfindigkeit unverständlich. Mein Optimismus hat heute einen erheblichen Stoß erlitten. – Haben Sie Briler unseren Entwurf für den ‚Interplanetarischen Vertrag’ übergeben?“ „Ja. Drei Exemplare des englischen Textes.“ „Sagte er etwas dazu?“ „Er las den Entwurf zweimal aufmerksam durch und meinte dann: ‚Ich könnte das sowohl für mein Land als auch für meine eigene Person Wort für Wort unterschreiben. Aber ich fürchte, im Hauptausschuß werden wir damit einige Schwierigkeiten haben, wie immer er auch zusammengesetzt sein wird’. Sie sehen also, er hat Bedenken.“ „Wie lange wird es wohl dauern, bis Briler diesen Ausschuß zustandebringt? Was glauben Sie?“ „Ich weiß es nicht. Einige Tage, vielleicht auch länger. Aber 72
er wird damit bestimmt zurandekommen. Schließlich muß sich die Vernunft doch durchsetzen.“ „Glauben Sie?“ Alpha bewegt zweifelnd den Kopf. Beiderseits der Straße dehnen sich blühende Narzissenwiesen. Die schäumende Arve ist weiß wie Milch. „Ihre Erde ist wirklich herrlich“, sagt Alpha und drückt Frau Mertas Hand. Und plötzlich stößt er den Arm vor und deutet auf den riesigen Eisdom des Mont Blanc, der vor ihnen aufsteigt und im rötlichen Abendlicht zu erglühen beginnt … * Merta Willfert hat recht behalten mit ihrer Vermutung. Der Hauptausschuß für die Verhandlungen zum Abschluß eines Interplanetarischen Vertrages kommt doch noch zustande, wenn es auch eine Woche gedauert hat, bis nach tage- und nächtelangen schweren Verhandlungen, erbitterten Kämpfen um jedes einzelne Mandat und jeden Satz der Geschäftsordnung, und nach vielen Kompromissen endlich eine Vereinbarung erzielt werden konnte. Nun jedoch, da man sich endlich der Abfassung des Vertrages selbst zuwenden kann, gehen die Auseinandersetzungen in noch schärferer Art weiter. Selbstverständlich gibt es keinen Staat, keine Regierung auf dieser Erde – darin sind die 33 Delegierten eines Sinnes –, die etwa die Grundsätze und wesentlichen Punkte des von der „Helios“-Delegation vorgelegten Entwurfes abzulehnen sich unterfangen würden. Das Prinzip des Vertrages ist großartig, ist unanfechtbar und wird auch nicht angefochten. Aber es bestehen, von zahlreichen Einzelheiten ganz abgesehen, sehr verschiedene Meinungen darüber, wie seine Durchführung gesichert werden könnte – ja, es gibt viele Stimmen, die dem Zweifel Ausdruck geben, daß dieser oder ein ähnlicher Vertrag überhaupt durchführbar sei. 73
„Ewiger Friede und unverletzliche Einigkeit zwischen allen Völkern und Staaten der Erde“ – sehr schön! Herrlich! – Aber was geschieht, wenn man sich in treuer Befolgung der Vertragsbestimmungen aller Waffen und Verteidigungsmöglichkeiten begibt und dann der böse Nachbar zu seinen sorgsam und heimlich zurückgehaltenen Waffen greift, um seine Interessen und Ideologien gewaltsam durchzusetzen? Was dann? Denn die Interessen und Ideologien auf dieser Erde sind nun einmal sehr verschieden, stehen gegeneinander, und daran wird auch dieser Vertrag nichts ändern! – Sanktionen für den Fall eines solchen Vertragsbruches? Erstens kommen Sanktionen bekanntlich immer viel zu spät, wenn sie überhaupt mehr sind als eine bloße Geste. Und zweitens könnten wirksame Sanktionen doch nur durch die vernichtende Kraft der „Helios“-Macht erfolgen, was so viel bedeuten würde, daß der eine Vertragsteil, nämlich die Erde, sich dem Urteilsspruch und der Macht des anderen Partners bedingungslos unterwerfen, ihn also zugleich als Richter und Exekutor anerkennen müßte. Das ist aber kein Freundschaftsvertrag mehr, sondern etwas ganz anderes! Ja, wenn die Struktur der Erdbevölkerung eine ähnliche wäre wie jene der Helios-Menschen, ja dann wäre alles ganz einfach. Doch das ist sie eben nicht, ganz und gar nicht, vielmehr ein ungeheueres, verwirrendes Durcheinander von Gegensätzlichkeiten aller Art, und daher kann und darf man sich nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß ein solcher „Interplanetarischer Vertrag“ volle Unterwerfung bedeuten würde. Man versucht es also, wie meist in solchen Fällen – man hat ja Übung darin! – mit Klauseln und Vorbehalten. Man stellt Forderungen, von denen man selbst weiß, daß sie unerfüllbar sind, und dabei ist die Uneinigkeit zwischen den einzelnen Erddelegierten noch größer als der Widerstand, den sie als Gesamtheit den Vertretern des anderen Planeten entgegenstellen. 74
Auch in den kleinen Ausschüssen kommt man nicht besser vorwärts. „Es ist nötig, daß Sie einfach einen Tag völlig ausspannen“, sagt Alpha zu Frau Merta. „Sie sehen sehr müde aus, und das ist auch begreiflich. Der Wagen steht morgen zu Ihrer Verfügung. Fahren Sie privat nach Genf, oder wohin Sie wollen.“ Protest ist zwecklos. Gut, sie wird also morgen „privat“ nach Genf fahren. Aber dazu braucht sie keinen Wagen; das wäre reine Hochstapelei. Sie will lieber die Bahn benutzen. Und dabei bleibt es auch. Von der Gare des Eaux vives schlendert sie bis zum Grand Quai und wandert dann quer durch die engen Straßen der Innenstadt, besichtigt einige Sehenswürdigkeiten und mustert die Läden der Rue de Conféderation, der Corraterie und betritt dann ein kleines Restaurant in einem abgelegenen Winkel der Altstadt, in dem sogar noch zwei Tischchen frei sind. Ein Fremder – hat sie ihn nicht heute vormittag schon einoder zweimal gesehen? – tritt an den Tisch. „Gestatten Sie, daß ich hier Platz nehme, Madame?“ fragt er in gutem Deutsch. Er sieht nicht gepflegt aus, fast ein wenig abgerissen. Sie nickt. Was will der Mensch? … Aber da spricht er schon weiter: „Sie denken natürlich: Dort drüben ist ja noch ein Tisch frei. Stimmt. Sie halten mich für zudringlich. Das stimmt nicht.“ „Was wollen Sie von mir?“ fragt Frau Merta ziemlich scharf. „Von Ihnen? Gar nichts. Ich habe Sie zufällig auf der Straße gesehen und erkannt, denn ich habe Sie schon zweimal beobachtet, wie Sie mit einem dieser Helios-Leute im Wagen zum Völkerbundpalais fuhren; und da ich Zeitungen lese, weiß ich auch, wer Sie sind und wie Sie heißen, Frau Merta Willfert.“ „Und wer sind Sie?“ 75
„Nennen Sie mich Frank Jasper. Aber wenn Ihnen dieser Name nicht gefällt, können Sie mich auch anders nennen. Das spielt keine Rolle.“ „Sie sind Journalist?“ „War ich mal. Darf nun ich eine Frage stellen?“ „Bitte!“ „Was halten Sie eigentlich von diesen Helios-Menschen? Sie müssen sie doch ein wenig kennen. Sind sie Ihnen sympathisch?“ „Unbedingt, obwohl sie ganz anders sind als wir.“ „Wenn sie uns wirklich so viel voraus haben, dürften Sie eigentlich nicht ‚obwohl’ sagen. Denn im allgemeinen sind Menschen nicht gerade besonders sympathisch und erfreulich.“ „Sie scheinen große Vorliebe für paradoxe Aussprüche zu haben, Herr Jasper.“ „Gar nicht so paradox wie Sie glauben. – Also Sie haben nichts gegen unsere Helios-Freunde? Sind sie nicht ein bißchen zu amerikanisch?“ „Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen.“ „Ich meine damit die übermäßige Vorliebe für die Technik und die damit korrespondierende Oberflächlichkeit in allen Belangen der Kultur. Schließlich ist der Jazz das einzige, was wir den Amis auf diesem Sektor verdanken.“ Merta zog es vor, diese dumme Behauptung unbeantwortet zu lassen. „Wissen Sie, wenn man so wie ich zehn Jahre drüben in den Staaten gelebt hat, dann wird man entweder zu einem begeisterten Amerikaner – oder zum Gegenteil. Für mich gilt das letztere.“ „Welchen Job hatten Sie drüben?“ „Eine ganze Menge; zuweilen zwei oder drei gleichzeitig, und manchmal auch keinen.“ „Und was ist Ihr eigentlicher Beruf?“ 76
„Ich weiß nicht, ob es Thomton Wilder war, der einmal behauptete, im Leben komme es – wie beim Seiltanzen – darauf an, immer das Gleichgewicht zu bewahren. Ich glaube, ich bin bei dieser Gelegenheit einmal ins Netz gefallen. Und darin liege ich seither noch immer.“ „Was sind Sie für ein Landsmann?“ „Wenn ich bis zu meinen Urgroßeltern zurückgehe, können sich mindestens fünf europäische Nationen der Ehre rühmen, an meiner Blutmischung beteiligt zu sein, aber ich glaube, es begann schon in den Türkenkriegen. Geboren bin ich in Pilsen, als es noch österreichisch war.“ „Sie haben mir noch immer nicht gesagt, was Sie eigentlich von mir wollen.“ „Ich möchte von Ihnen hören, ob Sie der Meinung sind, daß man mit diesen Helios-Leuten ein anständiges, glattes und vernünftiges Geschäft machen kann.“ „Das dürfte davon abhängen, was Sie unter einem solchen Geschäft verstehen.“ „In diesem Falle bestünde es darin, daß ich den HeliosHerrschaften eine Mitteilung zukommen lassen kann, die für sie zweifellos von außerordentlicher Wichtigkeit, ja von entscheidender Bedeutung wäre. Dafür verlange ich selbstverständlich eine bescheidene Honorierung.“ „Ich fürchte, diese Auskunft ist zu allgemein. Können Sie mir nicht mehr sagen?“ „Aber gerne! Sie machen auf mich einen ungewöhnlich vertrauenswürdigen Eindruck, und ein bißchen Menschenkenntnis hat man sich doch – wenn schon sonst nichts – erworben! Also die Sache ist einfach die, daß die Amerikaner drüben in einem ihrer Pazifikstaaten ein Atomwerk haben, von dem unsere hochgeschätzten Gäste aus dem Weltraum noch nichts wissen, und das sie deshalb auch noch nicht außer Betrieb gesetzt haben. 77
Das Werk ist sehr geschickt getarnt und zum größten Teil unterirdisch angelegt. Es ist nach verläßlichen Informationen noch immer in vollem Betrieb. Da, wie Sie ja wissen, die HeliosLeute alle übrigen Betriebe ähnlicher Art auf der ganzen Erde ausgeschaltet haben, ist die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten noch über einen unangetasteten und arbeitenden Betrieb dieser Art verfügen, von höchster Bedeutung. Denn man kann ja schließlich nicht wissen, wie die Dinge sich weiterentwickeln.“ „Ist Ihnen die genaue Lage dieses Werkes bekannt?“ „Jawohl. Habe in der Nähe ein Jahr hindurch gearbeitet. Sie haben dort zwar keine Arbeitslager und ähnliche liebliche Einrichtungen, aber man kommt ebenso schwer weg!“ „Wenn ich Sie recht verstanden habe, wollen Sie also diese Kenntnis zu Geld machen?“ Herr Frank Jasper lächelt fröhlich. „Genauso ist es.“ „Welchen Betrag stellen Sie sich vor?“ „Ich schätze, daß die Errichtung dieses Atomwerkes mit allem Drum und Dran mindestens zweihundert Millionen Dollar gekostet hat, aber selbstverständlich ist diese Sache jetzt aus naheliegenden Gründen noch viel, viel wertvoller, wenn sie sich überhaupt in Dollars ausdrücken läßt. Sie wären daher sicherlich bereit, mir einen recht beträchtlichen Betrag zu bewilligen, wenn ich schweige; aber da Sie mir, wie ich bereits erwähnte, nicht sonderlich sympathisch sind, zöge ich es vor, das Geschäft mit den Herren vom Helios zu machen. Es ist mir auch, aufrichtig gesagt, sympathischer, wenn ich weiß, daß alle Teufelswerke dieser Art auf unserer alten Erde außer Betrieb sind. Meine Ansprüche sind daher sehr bescheiden. Ich wäre mit einer Million zufrieden.“ „Schweizer Franken?“ „Nein, nein – Dollar!“ „Das ist enorm!“ 78
„Die Sache, um die es geht, ist viel, viel enormer, gnädige Frau!“ „Und welche Gewähr können Sie dafür bieten, daß die Sache sich tatsächlich so verhält? Sie können sich doch auch irren!“ „Ich bin damit einverstanden, daß mir das Geld erst dann ausbezahlt wird, wenn sich die Richtigkeit meiner Angaben herausgestellt hat.“ „Ich werde die Sache weitergeben“, sagt Frau Merta. „Können Sie übermorgen zur gleichen Zeit wieder hier sein?“ „Morgen wäre mir lieber. Aber wenn Ungeduld schon im kleinen Leben eine Untugend ist – bei großen Geschäften ist sie ein gefährliches Laster. Ich hoffe, Sie also übermorgen um 12.35 Uhr wieder hier zu treffen. Wenn nicht, so nehme ich an, daß mein Vorschlag für Ihre Brötchengeber uninteressant ist. Allerdings wäre ich dann zu meinem aufrichtigen Bedauern gezwungen, doch die andere Alternative zu wählen, das heißt, mit der anderen Partei ins Geschäft zu kommen.“ * Drei Stunden schon dauert das Gespräch – „Verhör“ wäre ein weit zutreffenderer Ausdruck –, das die beiden dunkel blickenden, breitschulterigen Herren in Gegenwart eines dritten, der sich nur ab und zu etwas notiert, mit Dr. Otto Willfert führen. Willfert läßt noch einmal die Geschichte der letzten Tage an sich vorüberziehen. Seine Dienstreise nach Westberlin, die Einladung einiger Freunde aus der Studienzeit, bis hierhin ist alles klar. Und dann lernte er jene Dame kennen – wie hieß sie noch? Isa, richtig, an ihren Familiennamen kann er sich nicht erinnern. Eine ausgelassene Person. Man tanzte, trank. Und dann lud sie ihn zu einem Kaffee ein. Heiter und beschwingt von dem vielen 79
Sekt, sagte Dr. Otto Willfert zu. Eine nette Wohnung, ein guter Kaffee, dann überfiel ihn eine plötzliche Übelkeit. Wie lange er geschlafen hat, weiß er nicht mehr. Jedenfalls ist er in einer Zelle aufgewacht, mit bohrenden Kopfschmerzen. Und jetzt sitzt er diesen eigenartigen Männern gegenüber. Wo dieses Gespräch stattfindet, weiß er trotz wiederholter Fragen noch immer nicht. Darüber werde man später sprechen, sagt man ihm, aber er ist sich auch ohne jede Mitteilung darüber klar, daß man ihn in die russische Zone gebracht hat. Wie er hierher gekommen ist, weiß er nicht. Aber das ist ja auch völlig belanglos. Jedenfalls ist er mit bemerkenswerter Ahnungslosigkeit und Ungeschicklichkeit in eine Falle hineingetappt; und wenn er an die offenen Arme der schöne Isa denkt, steigt ihm die Zornröte ins Gesicht. Kein Zweifel besteht darüber, was die Leute von ihm hier wollen: Sie wollen so viel wie möglich über die Raummaschinen erfahren, mit denen die Helios-Menschen zur Erde gekommen sind. Auch über ihre sonstigen Machtmittel, ihre Waffen und ihr Nachrichtenwesen – über alles das. Und sie wollen ihm nicht glauben, daß er darüber nichts weiß. „Schadde!“ sagt der eine der beiden verhörenden Herren in seinem harten, typisch slawischen Deutsch. „Wenn Sia würrden saggen, was wir Sie fraggen, alles viel schneller und einfacher. Für Sie und uns. Abber wir habben Zeit. Wir werden wiedder fraggen, morgen, übbermorgen – jedden Tag. Und Sie werden einmal antworten, ganz freiwillig. Abber wenn dann noch immer nicht, dann werden Sie sprechen nicht ganz freiwillig.“ Der andere der beiden dunklen Herren mit den breiten Schultern hebt die Hand. Der Sprecher verstummt augenblicklich. „Vorläufig rechnen wir, daß Sie die Sinnlosigkeit Ihrer bisherigen Taktik einsehen werden.“ Sein Deutsch ist einwandfrei und flüssig. „Sie werden uns freiwillig alles sagen, was wir wis80
sen wollen – wissen müssen. Es ist bedauerlich und unbegreiflich, daß ein Mann Ihrer Intelligenz und von Ihren wissenschaftlichen Qualitäten nicht versteht – oder nicht verstehen will –, warum wir diese Dinge wissen müssen. Ich will es Ihnen noch einmal wiederholen. Unsere Idee ist die des Friedens. Darüber ist wohl kein Wort mehr zu verlieren.“ „Es wäre auch verloren!“ murmelt Willfert. „Sagten Sie etwas? – Wir sind gegen jede Aggression; übrigens ein Ausdruck, der bemerkenswerter Weise westlicher Herkunft ist. Die Landung der sogenannten Helios-Menschen ist ein Akt ausgesprochener Aggression, und zwar der schwersten, die unsere Erde je gesehen hat. Die Invasion der Helios-Menschen bedeutet, daß unsere Entwicklung für Jahrhunderte, vielleicht für Jahrtausende zurückgeworfen wird. Das aber wollen wir nicht, das lassen wir nicht zu. Denn wir sind der Überzeugung, daß wir diese verderbliche Invasion erfolgreich bekämpfen können. Nicht heute, nicht morgen, aber in einigen Jahren, wenn wir ihr mit den gleichen Mitteln und Waffen entgegentreten werden. Denn dann haben wir alle Vorteile auf unserer Seite: Wir haben es mit einem Gegner zu tun, der durch die ihm fremden Lebensbedingungen behindert ist und der auch zahlenmäßig nur eine Minderheit darstellt. Deshalb müssen wir alles zusammentragen, was wir über die Technik der Helios-Maschinen erfahren können. Und deshalb müssen Sie sprechen. Bisher waren wir der Meinung, Sie seien freiwillig und zu diesem Zwecke zu uns gekommen. Wenn Sie sich jedoch weiterhin weigern zu sprechen, wäre das ein Beweis dafür, daß Sie ein Saboteur und Spion sind. Wir pflegen solche Subjekte nicht allzu rücksichtsvoll zu behandeln, und wir würden Sie bestrafen müssen. Es ist daher wirklich besser. Sie sprechen gleich. – Wollen Sie?“ „Nein“, sagt Willfert. „Ich wüßte nicht, was ich Ihnen erzählen könnte. Ich müßte es frei erfinden.“ 81
„Wie Sie wollen. Ich habe Sie gewarnt. Sie werden sehen, daß wir die stärkeren Nerven haben. – Auf Wiedersehen!“ Ein Tasterdruck ruft zwei Uniformierte herein. Willfert geht ohne Gruß aus dem Zimmer. Die Polizisten bringen ihn durch einen langen, hallenden Korridor, dann über eine Stiege. In einem unfreundlichen Hof zwischen hohen Backsteinmauern mit vergitterten Fenstern steht eine dunkelblaue Limousine mit schon etwas defekter Lackierung und zerbeulten Kotflügeln. Einer der beiden Polizisten nimmt neben ihm Platz, der andere setzt sich neben den Fahrer. Der Wagen rollt durch die Toreinfahrt, passiert ein Sperrgitter mit zwei Posten und biegt dann in eine Chaussee ein. Die beiden begleitenden Polizisten zeigen finstere Gesichter. Spionen lächelt man nicht zu! Und selbstverständlich handelt es sich hier wieder um einen Schnüffler. Man kennt das! Der Wagen fährt jetzt sehr schnell, denn die Chaussee ist breit und völlig leer. Dann biegt er mit großem Schwung in eine Seitenstraße ein. Zäune, vereinzelte Häuser, und dann ein betäubender Krach, Splittern – der Wagen stürzt um. Als Willfert wieder zu sich kommt, liegt er neben der zertrümmerten Limousine. Der Polizist, der neben ihm gesessen hat, liegt bewußtlos im Wagen; Blut rieselt ihm über Gesicht und Schulter. Sein Kamerad und der Fahrer stecken irgendwo in dem zusammengeschobenen und verbogenen Wrack. Und dort, schräg gegenüber, quer über die Straße, mit der eingedrückten Schnauze in einem halb geknickten Alleebaum, steht der Lastkraftwagen, mit dem sie zusammengestoßen sind. Noch ist kein Mensch da, aber man hört Rufe und das Getrappel laufender Füße. Rechts, gleich neben dem schmalen Graben, läuft eine lange Planke, in der ab und zu ein paar Bretter fehlen. Willfert bewegt die Glieder – nichts ist gebrochen. Soll er 82
hier bleiben, sich um Hilfe bemühen? Was kann er helfen? Und plötzlich durchzuckt ihn die Erkenntnis der Lage, ein Entschluß. Mit zwei Sätzen ist er bei dem Bretterzaun und preßt sich durch die nächste Lücke. Er steht auf einem Holzlagerplatz. Vielleicht gehört er zu einem Bauhof. Es gibt hier Stapel von Gerüst- und Kanthölzern, von Brettern und Bohlen. Jetzt hört er Leute näher kommen. Wahrscheinlich wollen sie zur Unfallstelle. Er verbirgt sich hinter einem Holzstoß. Die Leute laufen an ihm vorbei und drücken sich durch die Öffnung hinaus, die ihn eine Minute zuvor hereingelassen hat. Er läuft um. ein paar Bauholzstapel herum. Soll er sich hier verstecken? Nein, besser hinaus, ins Freie. Da ist der Seitenzaun des Grundstücks. Auch er weist Lücken auf. Willfert zwängt sich durch. Freies Gelände. Nur rasch weiter! Einen von Hecken eingesäumten Weg entlang, ein paarmal rechts oder links um die Ecke. Dort drüben liegen Schrebergärten, ziemlich verwildert. Es beginnt bereits stark zu dämmern. Am Rand des Gartengebietes steht eine Hütte. Die Tür hängt nur in einer Angel und läßt sich leicht öffnen. Einige Gartenwerkzeuge, Blumentöpfe, alte Kisten und Papiersäcke – alles verstaubt und sichtlich schon längere Zeit hindurch nicht benutzt. – Ob er hier rasten soll, bis es völlig dunkel geworden ist? Jetzt erst fühlt er den Schock, die Schwäche in den zitternden Knien. Auch das Brennen an der linken Hand spürt er erst jetzt, sieht die blutende Rißwunde. Er zieht die Tür zu, so gut es gehen mag, setzt sich auf eine der Kisten. Wenn es dunkel geworden ist, will er weiter. – Weiter? – Wohin? – Wo ist er denn überhaupt? Wie kommt er von hier in den Westsektor? – Und dann überwältigt ihn die Müdigkeit … er schläft ein. Durch ein Geräusch wacht er auf. Der dünne Lichtkegel ei83
ner fast ausgebrannten Taschenlampe blendet ihn, läßt ihn auffahren. „Wat denn? Schon eener da in det Kaff? Warum hängste denn keen Schild ’raus: Hotel wejen Übafüllung jeschlossen? Du hast woll mit eener Katze, mit eener zwobeenigen, Meinungsvaschiedenheiten jehabt, weilste so anjekratzt bist, wa?“ „Nein, das war ein Unfall, mit einem Auto.“ „Ick höre imma Auto.“ „Ja, eins von der Polizei. Sie wollten mich als angeblichen Spion irgendwohin bringen!“ „Klingt nich übel, wenn et nich jelogen is. Ick denke, hier is ooch noch Platz für mich, wat meenste?“ „Selbstverständlich. Ich muß sowieso weiter, bevor sie mich erwischen.“ „So, mußte? Balinia biste keener. Aus dem joldenen Westen, wa?“ „Ja.“ „Und dorthin willste ooch. Stimmt doch?“ Willfert antwortet nicht. „Na. vor mir brauchste keene Bange nich haben. Ick vazünde dir nich. Ick will nämlich ooch hinüba – vastehste?“ „Wirklich? Sie wollen ’rüber?“ „Wat heeßt hier ‚wirklich’? Wenn ick et sare, denn is et so. Für wat hältste mir denn? – Warum willst denn du hinüba? Biste een Spion?“ „Keine Spur! Sie wollen unbedingt etwas von mir wissen, was ich gar nicht weiß.“ Der andere stößt einen leichten Pfiff aus. „Aha, bin im Bilde. Det kommt in diesem paradiesischen Jelände öftas vor. Bei mich liecht der Fall jerade umjekehrt: Ich jehe hinüba, weil ick eene bestimmte Sache weeß, die andere nich wissen wollen. Kennste dir hier aus?“ 84
„Keine Ahnung. Ich nehme am, wir sind hier irgendwo im Norden von Berlin, im Ostsektor – oder nahe daran.“ „Jroßartich! Der jeborene Jeneralstäbler! Dir könntse hier nich for fuffzich Fennje vakoofen. – Na, wennste mit mir ’rübajehn willst, nehm ick dir mit. Außa diu willst hier erst de Miete abwohnen.“ „Selbstverständlich gehe ich gern mit Ihnen hinüber, wenn ich Ihnen keine Ungelegenheiten bereite.“ „Unjelejenheiten! – Wennste nich schlapp machst, komm’ wa schon jlatt hinüba. Mit de U-Bahn könn’ wa allerdings nich fahrn, obwohl det am einfachsten wäre, aber ick jloobe, meine Visage würde dort uffallen.“ Er leuchtet sich selber ins Gesicht, das eine breite rote Brandnarbe quer über der Stirn aufweist. „Erinnerung an die jroße Kegelpartie bei Minsk mit dem Iwan, anno 1944. – Dir dürften sie übrijens ooch schon an die Überjangsstellen durchjejeben haben. Daher bessa hintenrum. Hintenrum is hier imma bessa, vastehste? – Wat biste denn eijentlich?“ „Physiker.“ „Davon kann ich ma keen Bejriff machen.“ „Ich bin Dozent für kosmische Physik an einer westdeutschen Universität.“ „Aha – nu vasteh ick!“ Und plötzlich wechselt er von dem „Du“ ins „Sie“ hinüber. „Haben Se Jeld bei Ihnen, Herr Dokta?“ „Etwa zweihundert Mark – Westmark. Drüben in Westberlin könnte ich mir unschwer noch ein paar Hundert verschaffen.“ „Fabelhaft, wie det klingt. Jraf Koks könnte det nicht schöna saren. Hamm Se och eene Uhr, die Sie nich jebrauchen?“ „Nein, aber es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen drüben eine zu besorgen.“ 85
„Wat die Leute nich alles Vajnüjen nennen! Aba ick sare nischt dajejen. Eigentlich wollte ick aba wissen, wie spät et is.“ „Es ist 22.18 Uhr.“ „Bessa, wir warten hier noch ne halbe Stunde in unserem Appartemang. Wolln Se wat essen, Herr Doktor?“ Die Frage löst bei Willfert sofort ein heftiges Hungergefühl aus. Er bekommt eine Stulle mit Wurst. Beide kauen, nebeneinander auf der Kiste sitzend. „Was ist das für eine bestimmte Sache, die Sie wissen und andere nicht wissen dürfen?“ fragt Willfert. „Sare ick nich. Wenn Se jeschruappt werden, quetschen die Ihnen doch alles ’raus. Die vastehn sich druff, die Brüda! Ick rede erst, wenn wa drüben sind. Übrijens: mein Name is Karl Klemm.“ Er lüftet einen imaginären Hut. „Otto Willfert“, sagt der andere. – Eine halbe Stunde später brechen sie auf. Karl Klemm geht voraus. Wie ein anschleichender Fuchs, unhörbar, witternd, vorgebeugt, schiebt er sich über die Wege der Schrebergartensiedlung. Nun kommen sie auf eine Straße mit Neubauten. Zuerst stehen die Häuser nur einzeln, dann immer dichter. Wenn jemand entgegenkommt, schlüpfen sie hinter den Schutt einer Bombenruine – es gibt hier sehr viele –, oder hinter einen Zaun, einen Block aufgeschichteter Ziegel. Allmählich wird die Gegend belebter. Hier fällt man nicht mehr auf, wenn man um diese Zeit auf der Straße ist. Karl Klemm hat die Hände in die Hosentaschen gesteckt und pfeift unentwegt die neuesten Schlager, die er kennt, aber sie sind alle sehr alt. Neben ihm stapft Willfert. Nun sind sie schon über eine Stunde auf dem Wege. Kein Mensch kümmert sich um sie. Auch die paar Polizisten, denen sie begegnen, achten nicht auf sie. Jetzt biegt Klemm in eine stille Nebenstraße ab dann noch einmal – ein drittesmal. Nun geht er wieder spähend und sehr 86
vorsichtig, schiebt sich von Deckung zu Deckung vorwärts. Willfert hält sich dicht hinter ihm. Bei einer Bombenlücke, die durch Stacheldraht abgeriegelt ist, bleibt Klemm stehen, äugt nach beiden Seiten, horcht … Alles ruhig. Schon hat er zwei lose Drähte auseinandergeschoben und ist durchgeschlüpft. Willfert folgt ihm auf dem gleichen Wege. Der Raum zwischen den beiden Feuermauern rechts und links, den sie jetzt vorsichtig überschreiten, ist mit Schutt und Gerümpel bedeckt, auf dem hohes Unkraut wuchert. Da ist wieder ein Stacheldrahtzaun, dichter und stärker als der andere, der das Grundstück gegen die Parallelstraße abschließt. Vor ihnen liegt eine etwa dreißig Schritte breite Fläche, drüben stehen Häuser und Schuppen. „In der Straßenmitte verläuft die Sektorengrenze“, flüstert Klemm. „Und da müssen wa rüba. Dort links an die Ecke steht ’n Posten; mit schußfertije Maschinpistolen, vastehn Se? Die passen hier bannig uff, denn hier is een sehr beliebta Wechsel hinüber. Ick war schon jestern und vorjestern da, aber et klappte nich. Vielleicht jeht’s heute. Hauptsache: so schnell wie möjlich hinübajehuscht, wir beede gleichzeitig, kapiert? Den letzten beißen de Hunde. Wenn Sie soweit fertich sind, denn flüstern Se mir zu. Ick nehme dieset Loch und Sie det andere daneben. Klar?“ So stehen sie ein paar Minuten nebeneinander, lautlos, und bemühen sich, denn erregten Rhythmus ihrer Herzen zu dämpfen. Noch spürt Willfert das Klopfen in der Kehle, aber plötzlich ist es weg. Er ist bereit. „Fertig!“ sagt er leise. „Los!“ gibt Karl Klemm zurück, und im nächsten Augenblick schieben sich beide durch die Lücken im Verhau, springen in weiten Sätzen über die offene Fläche. Schon sind sie beinahe drüben, als Klemm über einen Stein stolpert. Er schlägt hin. Im gleichen Moment prasselt von links die Maschinenpistolengarbe los. 87
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Willfert hat die deckende Hausmauer schon erreicht, aber er kehrt sofort um, springt zu Klemm und zerrt ihn mit sich. Eine Geschoßgarbe pfeift an ihnen vorbei. Jetzt sind sie im Schutz der Mauer. Klemm stützt sich schwer auf Willfert. „Sind Sie verwundet?“ „Ja … mir hamm’s erwischt … aber wir müssen weita … die kommen uns nach, det macht denen nischt aus … hier rechts ’rum … und dann noch mal rechts.“ Willfert fühlt, daß Klemm alle Kräfte zusammennimmt, aber er wird immer schwerer. Mühsam schleppen sie sich weiter. Aus einem offenen Erdgeschoßfenster beugt sich eine Frau heraus. „Haben sie auf euch geschossen? Mensch, dir haben sie ja getroffen! Kommt ’rein, ich mache euch auf.“ „Wo sind Sie verwundet?“ fragt Willfert, aber die Frage ist überflüssig. Unter der linken Schulter quillt das Blut hervor. Da ist die Frau. Zusammen zerren sie Klemm ins Haus. Anscheinend war es früher ein Magazin oder Wirtschaftsgebäude, das später zu einer Kleinwohnung umgebaut worden ist. „Mein Mann ist im Dienst. Wir sind auch Flüchtlinge. Liebe Zeit, wie der arme Kerl blutet!“ Sie holt schnell ein paar alte Säcke unter einem Schrank hervor und breitet Zeitungspapier darüber. „Kommen Sie! Helfen Sie!“ Gemeinsam betten sie den Verwundeten, der leise röchelt, auf das Sofa. „Ich bin hier fremd“, sagt Willfert. „Wissen Sie, wo man in der Nähe einen Arzt auftreiben kann?“ „Ich laufe gleich zu Richerts Wirtschaft hinüber und telefoniere um einen Krankenwagen“, sagt die Frau. Sie wirft ein Tuch um die Schultern, und schon ist sie fort. Jetzt ist Willfert mit Klemm allein in dem kleinen Zimmer. Der Verwundete öffnet die Augen. „Krankenwagen? … Nich 89
mehr nötich“, sagt er. Man spürt, daß ihm jedes Wort Mühe bereitet. „Kommen Sie näher, Doktor. Ick muß Ihnen noch schnell wat saren, solange die Puste noch langt … Noch näher, sonst vastehn Se mir nich mehr! … Ich war seit 1944 in einem Zwangsarbeitslager in Sibirien … Schweigelager, wissen Se: ick hatte eben am Arm die Blutgruppe … Zwohundert Kilometer südlich Oirot-Tvira … Det is schon weit im Jebirje drinn, am Ob … Dort in der Nähe haben se ein Atomwerk … alles janz versenkt, im Berje drinn, vastehn Se? … Janz jeheime Sache, aba ick weeß et doch! … Vor zwee Wochen bin ick von dort abjehauen … Immer unter die Achse von Trans-SibirienExpreß …, ick wundere mir, daß ick et ausjehalten habe … Aba det Wichtigste is: Die arbeiten noch in det Werk … Diese Marsbewohna, oder wat se sind, hatten et nich ’rausgekriegt … bis heute nich … Und det is schlimm … det eenzije Atomwerk uff de Welt, vastehn Se? … Ick habe det von einem Deutschen, der dort im Atomwerk von Djelina – det is der Name – beschäftigt war. Er haute mit mir zusammen ab … Aber vor Moskau ham se ihn erwischt. Seither suchen se mir. Vier Tage bin ick hier in Balin … Habe niemand mehr jefunden, alles entweder tot oder ’rüber in den Westen … Jetzt wissen Se die Sache … und machen Se det Richtije draus …“ Er schließt die Augen. Anscheinend hat er das Bewußtsein verloren. Willfert bemüht sich, mit einem Streifen, den er von seinem Hemd abgerissen hat, und einem reinen Taschentuch einen Verband anzulegen, aber es ist nur der Ausdruck guten Willens. Die Zeit rinnt – so wie das Blut. Eine Viertelstunde? Eine halbe? Da ist die Frau wieder. „Sie kommen gleich“, sagt sie und betrachtet den Bewußtlosen. „Lieber Himmel!“ seufzt sie. „Wenn sie nur schon da wären!“ 90
Da fährt der Wagen endlich vor. Die Frau läuft zur Haustür und öffnet. Der Arzt komm herein; hinter ihm stehen zwei Männer mit einer Tragbahre. Der Arzt beugt sich über den Verwundeten, sucht seinen Puls, öffnet die Augenlider. Dann richtet er sich wieder auf. „Da kommen wir leider zu spät“, sagt er. „Innere Verblutung. – Wie ist das geschehen? Sind Sie ein Verwandter?“ Die Frage gilt Willfert. Er verneint, erklärt mit ein paar Sätzen den Hergang, nennt schließlich seinen Namen. Der Arzt horcht auf. „Dr. Willfert? Ihr Name stand doch heute in allein Zeitungen. Wurden Sie nicht gestern irgendwie hinübergelockt? – Stimmt das?“ „Allerdings. Aber es gelang mir durch Zufall freizukommen. Der Kraftwagen, in dem ich nach dem ersten Verhör abtransportiert wurde – ich habe keine Ahnung, wohin er mich bringen sollte –, verunglückte nämlich. Dann traf ich in einer Gartenhütte mit diesem armen Teufel zusammen, der nach Westberlin hinüber wollte. Er bot an, mich zu führen. Beim Überschreiten der Sektorengrenze wurden wir beschossen. Er war zehn Jahre in einem Schweigelager in Sibirien.“ „Er ist nicht der erste und wird nicht der letzte sein. Leider. Ich werde den Toten abholen lassen. – Und Sie? Was wollen Sie jetzt tun? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ „Ich muß so schnell wie möglich nach Genf.“ „Nach Genf? Sie haben doch nichts mit dem dortigen Affentheater zu tun? Nun, das ist Ihre Sache. Jedenfalls müssen Sie zunächst mit mir zur Klinik. Sie scheinen nämlich auch etwas abbekommen zu haben. … Nein, ich meine nicht die Rißquetschwunde an Ihrer Hand. Die werden wir reinigen und dann verpflastern. Aber ziehen Sie doch mal Ihren Rock aus! … Tut ein wenig weh, was? – Da haben wir ja die Sache! Bewe91
gen Sie bitte den Arm! … Scheint nur ein glatter Durchschuß zu sein. Im ersten Weltkrieg nannte man so etwas einen ‚Tausend-Gulden-Schuß’. Aber er muß jedenfalls behandelt werden. Ein bißchen Ruhe dürften Sie auch nötig haben, sonst klappen Sie mir hier noch zusammen!“ * Frank Jasper geht am Eingang der kleinen Brasserie auf und ab, in der er vor zwei Tagen mit Frau Merta Willfert zusammengetroffen ist. Wenn sie innerhalb der nächsten zehn Minuten nicht kommt, kann er wohl endgültig einen Strich durch diese Sache machen, denn sie sollte schon längst hier sein. Aber da sieht er sie auch schon um die Ecke biegen, eilt ihr entgegen. „Ich hatte beinahe schon die Hoffnung aufgegeben, Sie noch zu treffen“, meint er und sucht verstohlen in ihrem Gesicht abzulesen, welche Antwort sie bringt. „Das Lokal ist heute so voll, daß wir keinen richtigen Platz fänden. Deshalb wartete ich hier draußen auf Sie. Wir versuchen es besser anderswo, vielleicht bei Dürr oder im ‚Kiosk des Bastions’. Ist Ihnen das recht?“ „Ich glaube, es ist gar nicht nötig. Was ich Ihnen mitzuteilen habe, ist sehr schnell gesagt, und ich habe auch nur wenig Zeit.“ „Schade! – Also? Was bringen Sie?“ „Ich habe die Angelegenheit unserem Chef vorgetragen. Um es gleich, vorwegzunehmen: Er lehnte Ihren Vorschlag ab, und zwar sowohl aus grundsätzlichen Erwägungen …“ „Was Sie sagen! Grundsätze haben diese Burschen auch? Und welche ‚Grundsätze’ wurden hier angeführt?“ unterbricht Jasper. Es klingt heiser und gereizt. 92
„Wünschen Sie darüber wirklich eine nähere Erklärung, Herr Jasper?“ „Nein, danke. Bemühen Sie sich nicht. Ich weiß schon: Die Herren von Helios möchten sich vermutlich nicht mit derlei schmutzigen Dingen abgeben. – Und die anderen Gründe?“ „Man weiß in Chamonix bereits, daß es im südöstlichen Oregon ein großes Atomwerk gibt, das auf der offiziellen Liste fehlt und daher noch nicht zerstört wurde. Es bedürfe, so sagte man mir, keines großen Aufwandes und nur kurzer Zeit, den genauen Standort dieses Werkes zu ermitteln, auch wenn es, wie anzunehmen ist, unterirdisch angelegt sein sollte. Aber die ganze Sache sei zur Zeit nicht aktuell.“ „Nicht aktuell? Das verstehe ich nicht.“ „Darüber kann ich Ihnen keinen Aufschluß geben. Vielleicht hat man kein Interesse mehr daran, diesen Dingen auf den Grund zu gehen.“ „Kein Interesse mehr? – Das ist doch lächerlich! Kein Interesse mehr! Das hat man Ihnen gesagt? Mir kann man es nicht aufbinden. Die hohen Herrschaften wollen den Preis drücken, das ist alles. Aber da kommen sie bei mir an den Unrechten. Gut, ich nehme zur Kenntnis, daß die Söhne des Helios auf meine Informationen nicht reflektieren. Ich werde daher, meiner patriotischen Pflicht als guter Erdenbürger folgend, mich nunmehr an die Amerikaner wenden, die sicherlich daran interessiert sind, daß ihr Oregonwerk nicht an die große Glocke gehängt wird; denn daß die Helios-Leute davon schon Wind bekommen haben – vorausgesetzt, daß dies keine Flunkerei ist –, dürfte man ja drüben kaum wissen. Daß Sie schweigen werden, darf ich wohl als sicher annehmen, denn es wäre sehr ungesund für Sie, darüber zu sprechen. Klar? – Es tut mir leid, daß Sie sich umsonst bemüht haben. Als Revanche ein kleiner Hinweis. Lesen Sie die heutigen Morgenblätter. Sie werden in 93
einem oder dem anderen eine Notiz finden, die Sie persönlich angeht.“ „Was für eine Notiz?“ „Das soll doch eine Überraschung sein!“ grinst Frank Jasper, und sämtliche Sommersprossen grinsen mit. Dann zieht er den Hut und geht. Frau Merta Willfert ist entschlossen, dieses Gerede nicht ernst zu nehmen und sich nicht darüber zu ärgern. Sie will schnell zum nächsten Taxistandplatz an der Place de la Fusterie, denn um 13 Uhr soll sie im Völkerbundpalais sein. Eine Notiz, die Sie persönlich angeht persönlich – was soll das heißen? Was kann er damit gemeint haben? – Wahrscheinlich gar nichts. Der Mann hat sich einfach über die Ablehnung seines Angebotes geärgert und seiner Enttäuschung auf diese Weise Luft gemacht. Ja, so ist es wohl! – Sicherlich ist es so. Aber der Gedanke, es könnte doch auch anders sein, sitzt wie ein Pfeil mit Widerhaken in ihr, läßt sich nicht abschütteln, nicht herausreißen. Sie geht eilig weiter. Da ist endlich der Platz. Auch einige Taxis stehen noch da. Sie nimmt im vordersten Platz und nennt das Fahrtziel. Der Wagen setzt sich in Bewegung. Doch gleich darauf läßt sie halten, denn am der Ecke ist ein Zeitungsstand. Sie springt hinaus und kauft ein halbes Dutzend Blätter, schweizerische, französische und deutsche. Dann steigt sie wieder ein. Während der Weiterfahrt blättert sie hastig die Zeitungen durch, überfliegt die Schlagzeilen und Überschriften. Sie beziehen sich überall auf das gleiche: Die Konferenz kommt nicht von der Stelle – endlose Sitzungen des Hauptausschusses und der einzelnen Länderausschüsse – private, streng geheime Verhandlungen der Delegierten. Und wo ist jene Notiz, von der Jasper gesprochen hat? Doch – endlich! – hier liest sie: 94
Vermutliche Entführung eines westdeutschen Wissenschaftlers in die Sowjetzone Der Dozent für kosmische Physik an der Universität Frankfurt/M, Dr. Otto Willfert, wird seit drei Tagen vermißt. Er flog, wie festgestellt wurde, am 26. Juni nach Westberlin und ist seither spurlos verschwunden. Der Fall erregt besonderes Aufsehen, weil Dr. Willfert drei Wochen hindurch bei einer in den Dolomiten gelandeten Helios-Gruppe tätig war. Eine Ostberliner Agentur gab gestern die kurze Notiz heraus, daß Dr. Willfert freiwillig nach Ostberlin gekommen sei und in Pankow sensationelle Mitteilungen über technische Einzelheiten der Helios-Raummaschinen sowie deren Bewaffnung gegeben habe. Weitere Informationen über die Angelegenheit waren bisher von keiner Seite zu erlangen. Sie liest die Notiz zweimal, dreimal. Das ist doch unmöglich! – Sie weiß doch selbst am besten, daß er über Bewaffnung der Helios-Schiffe gar nichts sagen konnte, weil er nichts weiß! Wenn er aber tatsächlich derlei Dinge erzählt haben sollte – auf welche Weise hat man sie aus ihm herausgepreßt? Die Taxe hält. Sie muß aussteigen, zahlt, zeigt ihren Ausweis und betritt das Gebäude. All das geschieht rein mechanisch. Sie muß immerzu denken: Was ist an dieser Sache wahr? Warum ist Otto überhaupt nach Berlin geflogen? Ist er wirklich freiwillig hinübergegangen? Und wenn nicht, wie hat man ihn zu diesen „sensationellen Mitteilungen“ gebracht? * „Die Ausschußsitzung wurde abgesagt, doch findet dann eine interne Besprechung unserer Delegation statt“, teilt Alpha ihr mit. „Konnten Sie mit Herrn Jasper sprechen?“ 95
Merta berichtet den Verlauf der Begegnung mit ihm. „Er wird nun wohl an die Amerikaner herantreten“, schließt sie ihren Bericht. „Das bleibt ihm unbenommen“, lächelt Alpha. „Vielleicht kommt er auch dort zu spät. Es tut mir jetzt leid, daß ich Sie bat, mit dem Mann noch einmal zusammenzukommen und ihm unseren ablehnenden Bescheid mitzuteilen. Es war überflüssig. Und außerdem fürchte ich, daß das Gespräch Sie stark angegriffen hat. Man sieht es Ihnen an! – Aber die Sache ist keinen Gedanken mehr wert!“ „Ich denke gar nicht mehr daran“, sagt Frau Merta. Und nach einigem Zögern fügt sie noch hinzu: „Es ist etwas ganz anderes.“ „Wollen Sie es mir sagen? Kann ich Ihnen helfen?“
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Die Zeitungen, in denen sie die Notiz über das Verschwinden ihres Mannes gelesen, liegen vor ihr auf dem Tisch. Soll sie darüber sprechen? Vielleicht könnte der mächtige Führer der Helios-Delegation etwas für sie in dieser Sache tun, wenigstens Klarheit über Ottos Schicksal schlaffen. Vielleicht müßte sie sogar darüber sprechen, damit nicht später, wenn die Nachricht auch hierher gelangt ist, sich ein Verdacht gegen ihn richtet. Aber etwas verschließt ihr den Mund. Sie will darüber nicht mit Alpha reden, will seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen. „Nein, danke! Lassen wir es!“ sagt sie bloß. „Wie Sie wollen. Aber Sie müssen mir gestatten, Frau Merta, daß ich noch eine Frage an Sie richte. Die Dinge hier haben eine Entwicklung genommen, die wir nicht erwarteten. Diese Konferenz verläuft ganz anders, als wir erhofften.
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Woran es liegt, wissen Sie. Wir rechnen kaum mehr mit einem günstigen Ergebnis. Darüber herrscht in unserer Delegation fast einmütige Übereinstimmung. Wir haben leider auch sonst sehr schlechte Nachrichten. Die Unruhen in Indochina und auf Java, in Kenia, Südafrika und auch in Südamerika nehmen immer mehr überhand. Im westlichen Tibet, bei Gartok, wurden zwei unserer Leute hinterrücks erschossen, und bei Corocoro in Bolivien wurde eine ganze Verbindungsgruppe überfallen und niedergemacht. Die Absage der heutigen Hauptausschußsitzung hängt damit zusammen. Auch das, was ich Ihnen noch sagen will; aber ich bitte Sie, darüber mit niemandem zu sprechen. Ich weiß, daß ich mich auf Sie in jeder Situation verlassen kann. Es besteht noch völlige Ungewißheit darüber, welche Beschlüsse im Falle eines endgültigen Scheiterns dieser Genfer Konferenz von uns gefaßt werden. Es handelt sich dabei um weittragende und schwere Entschlüsse, die nur auf unserem Heimatplaneten gefaßt werden können. Dabei sind verschiedene Maßnahmen und Entwicklungen denkbar, auch die, daß wir unseren Übersiedlungsplan für längere Zeit aufgeben und uns wieder auf unseren alten Planeten zurückziehen. Könnten Sie es über sich bringen, in diesem Falle die Erde zu verlassen und mich zum Helios zu begleiten? In welcher Eigenschaft, das steht bei Ihnen, aber zumindest als mein bester Kamerad.“ „Zum … zum Helios?“ wiederholt Merba entgeistert. Die Frage hat sie derart überrascht, ist so plötzlich gekommen, ist so unwahrscheinlich, daß sie nicht sicher ist, richtig gehört zu haben. „Ja, zum Helios“, bekräftigt Alpha, und seine Augen hüllen sie in einen samtweichen, sanft glänzenden Mantel von Wärme und Zuneigung ein. Nein, kein Mantel ist es, eher ein nächtliches Firmament, in dem es wetterleuchtet. „Sie würden dort allerdings manches vermissen, was Sie hier auf Ihrer Erde ha98
ben, aber auch sehr viel Neues finden, das Ersatz dafür böte, denn unser Leben dort ist sehr vielfältig, und ich würde alles aufbieten, um es Ihnen so leicht und schön zu gestalten, wie es nur möglich ist. Das müssen Sie mir glauben! Ich will auch nicht, daß Sie sich sofort entscheiden. Aber Sie sollen sich mit diesem Gedanken vertraut machen, alles überlegen und abwägen, und sich durch kein Vorurteil beeinflussen lassen. Nur darum bitte ich Sie vorläufig.“ Merta schüttelt den Kopf. Und sie denkt dabei nicht bloß an die Luft dieser Erde, die sie zu atmen gewohnt ist, an ihren blauen, grauen oder von heranstürmenden Gewitterwolken erfüllten Himmel, am Sonne, Regen, Schnee und Sturm, an ihre Blumen, Bäume, Wiesen und Wälder, an Vogelstimmen, Gärten und Großstadtstraßen – sie denkt vor allem an ihren Mann. Aber bevor sie noch nein sagen, ihm erklären kann, daß sie unmöglich mitkommen kann, spricht er weiter: „Bitte, geben Sie mir jetzt keine Antwort! Überlegen Sie, warten Sie noch! Diesen Wunsch können Sie mir wenigstens erfüllen. – Und nun muß ich hinüber zu unserer Besprechung. Vor drei Uhr dürfte sie kaum zu Ende sein. Setzen Sie sich bis dahin im Park in die Sonne! Sie sehen wirklich sehr abgespannt und ermüdet aus. Sie bereiten mir Sorge!“ Er zieht ein geheftetes Bündel von Blättern aus der Tasche. „Da haben Sie die letzten Meldungen unserer Nachrichtenstelle. Sie enthalten nichts Erfreuliches. Wie schön ist eure Erde, und wie viele Höllen gibt es auf ihr. Besser, Sie lesen das Zeug gar nicht!“ Seine schmalen, feingliedrigen Finger liegen für ein paar Sekunden kühl in ihrer warmen Hand. Dann verläßt er das Zimmer. Merta Willfert geht langsam durch die prangenden Quaianlagen. Auf einer der letzten Bänke nimmt sie Platz. Hier ist es ganz still; nicht einmal Kinder gibt es hier. Die Sonne tut wohl. 99
Auch die Einsamkeit. Aber man darf nicht denken! Draußen auf dem See stehen drei weiße Segel. Das große Motorboot nach Bellevue und Coppet rattert vorbei. – Nein, sie will nicht denken! Unwillkürlich zieht sie die Nachrichtenblätter aus der Tasche, die Alpha ihr gegeben hat, beginnt darin zu blättern. Hinter ihren sachlichen, nüchternen Sätzen birgt sich Entsetzliches: Haß und Mordgier, Fanatismus und Grausamkeit. Kein Zweifel – sie hat es ja schön in den heutigen Zeitungen gelesen: An vielen Stellen der Erde ist die lange schwelende Glut zu hellen Flammen aufgelodert, tobt zügellos der Widerstandskampf. Hier aber scheint friedlich die Sonne, ist wie ausgegossener Honig. Der See ist nur Glanz und blausilbernes Geglitzer, irgendwo in der Nähe duften Rosen schwer und süß. Sie schließt die Augen. – Schläft sie? – Träumt sie? * „Himmel noch mal!“ flucht Sergeant Lewis, nimmt den Helm ab, spuckt und hustet, wischt sich den Schweiß vom Gesicht. Er ist schmutzig, dieser Schweiß, denn die ganze Luft ist voll Rauch. In dicken Schwaden trägt ihn der Ostwind, der in heftigen Stößen von den Drachenbergen herüberfaucht, immer wieder heran. Denn überall in der ganzen langen Städtekette am Witwaterrand, die er durchfegt, überall brennt es. Von Springs im Osten angefangen über Brakpan, Boksburg und Germiston bis nach Johannesburg hinein, in dessen menschenleeren Straßenschluchten vor den öffentlichen Gebäuden, Banken und an allen wichtigen Punkten Panzer und Lastkraftwagen mit schwerbewaffneter Minenpolizei, Militär und Miliz aufgefahren sind. Die Gesichter der Männer unter den Helmen sind sehr ernst. Das ist der Tag, dem der weiße Mann in Südafrika seit vielen 100
Jahren heimlich entgegengebangt hat: dem Aufstand der Schwarzen. Die Propaganda der letzten Wochen aus dem Osten hat ihre Wirkung getan. In der Nacht von vorgestern auf gestern ist es endlich zur Explosion gekommen. In allen Minen des Witwaterrands haben die Farbigen wie auf ein geheimes Signal, auf einen Tastendruck hin die Arbeit niedergelegt, ihre weißen Vorarbeiter, Aufseher, die Ingenieure und Beamten der Gruben erschlagen, die technischen Einrichtungen und Förderanlagen zerstört, alles Brennbare einschließlich ihrer eigenen Wohnlager angezündet, und haben sich dann am Morgen wie eine Sturmflut in die Städte ergossen, Tod und Vernichtung auf ihren Wegen hinter sich lassend. Wohl sind viele der Aufständischen durch die Maschinengewehrgarben der gegen sie aufgebotenen Truppen, der Miliz und Polizeikräfte getötet worden, aber an vielen Stellen ist es den Massen doch gelungen, in die Straßen der Städte einzudringen. Springs ist völlig abgeschnitten. Ein zweimaliger Versuch, mit leichten Panzern und Infanterie zum verbarrikadierten Zentrum der Stadt vorzustoßen, um die zehntausend Weißen zu befreien, die sich dort verzweifelt gegen die unaufhörlich anstürmenden Schwarzen zur Wehr setzen, ist mißlungen. Jetzt soll von Johannesburg aus ein dritter Versuch mit einigen schweren Panzern unter Umgehung des brennenden und völlig zerstörten Brakpan unternommen werden. Aber auch hier in Johannesburg selbst ist man eingeschlossen. Kein Wasser, kein Gas, kein Telefon, kein elektrischer Strom. Seit sechsunddreißig Stunden müssen an den Rändern der inneren Stadt, die hundertfünfzigtausend Flüchtlinge aufgenommen hat, wilde Angriffe abgeschlagen werden. Hilfe von draußen? – In Kimberley, wo sich die farbigen Ar101
beiter der Diamantgruben erhoben haben, soll es verzweifelt schlimm stehen. Und niemand kann wissen, ob das Militär und die aufgebotenen Milizen aus Kapstadt, Durban und Pretoria noch rechtzeitig eintreffen werden … Befehl an die vor dem Stadthaus von Johannesburg wartende Gruppe des Captain Hoock: Drei leichte Panzer, vier Lastkraftwagen mit Miliz und zwei leere große Fahrzeuge haben sofort in das Villenviertel Bromley im Süden der Stadt vorzustoßen. Ein weißer Angestellter, der sich von dort ins Stadtzentrum durchschlagen konnte, hat berichtet, daß sich in der Schule von Bromley etwa zwei Dutzend Weiße mit vielen Frauen und Kindern mühsam verteidigen. Die Leute springen auf die Fahrzeuge. Die Gruppe rasselt los, passiert die Sperre. Ein paarmal müssen die Panzer mit ihrem Geschützfeuer den Widerstand brechen, bevor man – nicht ohne Verluste – weiter kann. Von wo die Schwarzen nur die vielen Gewehre erhalten haben? Aber die Frage wird nie gestellt, da jeder die Antwort weiß! – In Bromley sieht es entsetzlich aus. Die sonst so sauberen Villenstraßen des gepflegten Vorortes bieten ein Bild der Verwüstung. Verkohlte oder noch rauchende Trümmer, wo vorher schmucke Häuser standen. Aber irgendwo in einer der noch glosenden Ruinen hockt eine Basutofrau mit einem weißen Säugling an der Brust. Auch das kommt vor! Und da ist der kleine Square, an dem die Schule liegt. Steht sie noch? – Ja, sie steht. – Sind noch Lebende innerhalb ihrer weißen Mauern? – Ja, aus einem der Fenster wird mit einem Tuch gewinkt. Ringsum knattert Gewehrfeuer. Die Panzer fahren auf die Mauern und Häuserreste zu, aus denen geschossen wird, feuern aus nächster Entfernung aus allen Rohren. Die Milizleute springen über die gepanzerten oder mit Sandsäcken geschützten Bordwände ihrer Fahrzeuge und gehen 102
zum Angriff vor. Einige von ihnen fallen. Auch Sergeant Lewis hat es nicht mehr nötig, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen: Ein Geschoß hat ihn getroffen. „Alles, was im Hause noch lebt, sofort auf die beiden leeren Wagen. Gepäck darf nicht mitgenommen werden. Feuerschutz durch die Panzer und alle Maschinengewehre!“ befiehlt Captain Hoock. „Und dann sofort zurück!“ * Labat-Deng und Peih-Thu sind zwei große Dörfer mitten im besten Reisgebiet, etwa hundertfünfzig Kilometer nordwestlich Saigon. Labat-Denig ist zu 70 v. H. katholisch, hat eine hübsche Kirche und eine neue, ganz moderne Missionsschule. Peih-Thu hingegen, nur zwei Wegstunden entfernt, wird fast ausschließlich von Mitgliedern der strengen Hon-Sekte bewohnt, die den Kommunisten feindlich gesinnt ist. In Labat-Deng hat man im Hinblick auf die bedenkliche Verschärfung der Lage eine Halbkompanie Fremdenlegionäre unter Kommando des Leutnants Marces Dupont stationiert und an die verläßlichen Einwohner Gewehre verteilt. Eine ziemlich sinnlose Maßnahme, da diese Leute im Ernstfälle weder schießen können noch wollen. In Peih-Thu hat man von einer Verteilung von Waffen Abstand genommen, denn es ist selbst in Saigon bekannt, daß die Hon-Leute reichlich versehen und auch gewillt sind, sich gegen jeden zu wenden, der sie angreifen sollte – auch gegen die Vietminh. In der Nacht zum 5. Juni erfolgt dieser Angriff, zur gleichen Minute auf beide Dörfer, ohne jedes warnende Vorzeichen, ohne jede Vorbereitung. Da wie dort sind die schwachen Stacheldrahtzäune, mit denen man die Orte umgeben hat, im Nu von ein paar Dutzend Stoß103
trupps durchbrochen, die Posten an den Barrikaden der Straßeneingänge überwältigt und niedergemacht. Schon lodern überall die ersten Getümmel. In Peih-Thu kämpfen Fanatiker gegen Fanatiker mit äußerster Erbitterung um jedes Haus, bis es in Flammen aufgeht. In Labat-Deng ist es hauptsächlich die massiv gebaute Missionsschule, in der viele Frauen mit ihren Kindern Schutz gesucht haben und die von der Halbkompanie des 3. Regimentes der Fremdenlegion zu einer kleinen Festung ausgebaut worden ist, um die stundenlang gerungen wird, während die übrige Bevölkerung sich durch wilde Flucht in die umliegenden Reisfelder und das Uferdschungel eines nahen Mekongarmes in Sicherheit zu bringen trachtet, sofern sie nicht mit den Angreifern gemeinsame Sache macht. Erst gegen Morgen, als ein paar leichte Panzerwagen, durch Funk herbeigerufen, am Ortsausgang auftauchen, verschwinden die Partisanen, und es tritt Kampfstille ein. Mehr als die Hälfte der Fremdenlegionäre ist tot oder verwundet. Auch der strafversetzte Leutnant Dupont. Das Dorf besteht nur mehr aus schwelenden Ruinen. Die restliche Bevölkerung ist verschwunden. Auch Peih-Thu existiert nicht mehr. Aber hier liegen die meisten der früheren Bewohner neben ihren Angreifern unter den verkohlten Resten der Häuser und Hütten. Oberst de Bruyere in Saigon knallt den Hörer auf die Gabel. „Jetzt geht’s wieder los!“ sagt er zu seinem Adjutanten. „Und letzten Endes verdanken wir das alles diesen Figuren von einem fremden Planeten, von dem wir bisher nicht einmal den richtigen Namen wissen. Was haben diese Kerle hier zu suchen? Anscheinend sind sie sehr daran interessiert, bei uns alles in ein Chaos zu verwandeln. Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als alle Kräfte in den engsten Verteidigungsring um Saigon zurückzunehmen.“ 104
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Die Hochfläche der nordchilenischen Provinz Tarapaca am Fuße der über 6000 Meter hohen Küstenkordillere gehört zu jenen verfluchten Gegenden der Welt, die nur ein zorniger Gott geschaffen haben kann, aber sie enthält die reichsten Salpetervorkommen der Erde, und daher werden hier Millionen verdient. Die kleinen Beckenlandschaften dieses vegetationslosen Gebietes, in dem fast nie ein Regentropfen fällt, sind von einer trostlosen Öde und Starrheit, die selbst jene der Danakildepression am Roten Meer übertrifft, aber sie enthält in mächtigen Lagern das kostbare Salz, dessen die Welt für Frieden und Krieg so dringend bedarf. Dort wo die starken Greifschaufeln der Bagger es der trockenen, zerwühlten Erde entreißen, scheint die Luft weithin vom mikroskopisch feinen Staub des scharfen Minerals erfüllt zu sein. Auch die braunen, tief gerunzelten Gesichter der Indios, die hier ausschließlich arbeiten – andere Menschen ertragen diese Arbeit nicht – zeigen die fressende Wirkung des giftigen Staubes. Auch die verwitterten Bretter ihrer armseligen Baracken, ja selbst die eisernen Träger, die Seile und Körbe der Förderbahnen, die den Salpeter hinab zu den Bahnstationen bringen, die Schienen und Kippwagen der Industriegleise, die brüchigen, schadhaften Betondecken der Straßen scheinen von dieser zersetzenden Pest angegriffen zu sein. Und nun hat sie auch die Seelen der Indios, dieser ärmsten aller armen Teufel der Welt, ergriffen. Viel Propaganda war dazu gar nicht nötig. Vor drei Tagen hat es begonnen, keineswegs organisiert, nicht schlagartig wie anderswo. Challacollo heißt das kleine Nest, in dessen nahe gelegenen Salpeterwerken die ersten Indios ihre Werkzeuge wegwarfen, die Maschinen und Förderanlagen demolierten, ihre Aufseher und Beamten verjagten oder er106
schlugen, wenn sie so unvernünftig waren, sich der Bewegung mit Gewalt entgegenzustemmen. Dann strömten sie in hellen Haufen in die kleine Stadt. Ihr Beispiel wurde von den Arbeitern der Gruben von Tana, Zapigia, Catalina, Tarapaca und Mache befolgt, denn die Bewegung pflanzte sich binnen vierundzwanzig Stunden über dreihundert Kilometer fort, als wäre sie von geheimnisvollen Bazillen hervorgerufen, die der Wind über die ganze Pampas de Tamarugo verbreitet hatte, und sie war ebensowenig aufzuhalten wie dieser. Überall strömten die Indios der Salpeterwerke in die kleinen Grubenstädte, denn dort gibt es herrliche Dinge in Hülle und Fülle, die der ausgemergelte, arme Hund von einem Indio sonst nie zu sehen bekommt, geschweige denn sich kaufen kann, auch wenn er sich, nicht anders als sein Vater, Großvater und Urgroßvater, in der Salpetergrube zu Tode rackert. Es gibt schöne Läden mit prunkenden Schaufenstern, die mit Köstlichkeiten aller Art locken, es gibt Bars und Cafés mit Musikmaschinen, bis zum Dach gefüllte Magazine mit Lebensmitteln, Konserven, Kleidern, Decken – und es gibt Schnaps. Schnaps, so viel man will, und noch viel mehr! … Alles wird ausgeräumt. Das gibt einigen Schaden, aber es bringt auch den Gewinn von zwei kostbaren Tagen, bevor sich die Massen wieder in Bewegung setzen können, um in die Hafenstadt Iquique hinabzufluten, wo alles das noch hundertmal reicher und schöner sein soll, denn dort in Iquique wohnen die reichen Herren in ihren weißen Villen, die Grubenherren, die Bankleute und Reeder; so versichern wenigstens Leute, die es wissen müssen, da sie weder arme Indios noch Salpeterarbeiter sind. Aber auch oben in Bolivien, in den Zinngruben von Potosi, Huanchaca, Perlancago, im Bleidistrikt von Cochabamba und in den Silberwerken von Orura, wo die Luft zwar besser aber noch 107
viel dünner und die Indios noch ärmer sind, haben sich die Dinge in ähnlicher Weise entwickelt. Ja selbst über Peru und Ecuador, über Kolumbien und Venezuela im Norden, über viele Teile Brasiliens und Argentiniens im Osten und Süden des Kontinents ist die gleiche Bewegung wie ein unsichtbarer Orkan hinweggebraust und hat die Massen in den Straßen der Großstädte, in La Paz, Quito, Bogota und Caracas, in Rio, Sao Paolo und Buenos Aires in Bewegung gesetzt. Stellenweise ist es zu schweren Zusammenstößen gekommen, und fast alle Staaten Südamerikas haben den Belagerungszustand erklärt und ihre sämtlichen militärischen Machtmittel aufgeboten, um den Unruhen ein Ende zu machen. Am besten steht es noch in Chile, wo in der Salpeterregion die gefüllten Läden der kleinen Grubenstädte eine Verzögerung des Vormarsches auf Iquique verursacht haben, und das ist von unschätzbarem Wert, denn von Santiago und Valparaiso sind es bis dorthin in der Luftlinie immerhin über eintausendfünfhundert Kilometer. Auf diese Weise sind die drei Zerstörer und die beiden Truppentransporter noch rechtzeitig in Iquique eingetroffen, um das drohende Unheil von der Stadt abzuwenden. Es hat auch keiner großen Mühe und Gewaltanwendung bedurft, um die Massen wieder zur Umkehr zu bewegen. Salpeter-Indios sind es seit jeher gewöhnt, sich der Macht und dem Schicksal zu fügen. „Dio gracias!“ meint Señor Manuel Lopez, der Präfekt von Iquique, zum Befehlshaber der eingetroffenen Truppen, General Miguel Almeira. „Sie sind eben noch zur rechten Zeit gekommen, Herr General. Wenn die braunen Burschen vor Ihnen hier erschienen wären, dann wäre nicht viel übrig geblieben, weder von der Stadt, noch von uns! Sagen Sie, Herr General: Helios – das ist doch der altgriechische Licht- und Sonnengott, nicht wahr? Der müßte ja eigentlich Glück und Segen bringen. 108
Aber ich habe eher den Eindruck, daß unsere Gäste aus dem Weltraum keinen guten Riecher hatten, als sie diesen Decknamen wählten. Bisher haben sie der Erde nur Unglück gebracht. Meinen Sie nicht auch?“ „Ich meine, diese verdammten Helios-Burschen und auch die Russen sind an dieser ganzen Schweinerei viel weniger schuld als wir selbst. Wenn unsere Indios nur ein Zehntel des Stundenlohnes erhielten, den die Yankees ihren Arbeitern bezahlen, gäbe es zwischen dem Panamakanal und Kap Horn keine Revolutionen mehr.“ Der Präfekt lächelt. „Gewiß, Sie haben selbstverständlich recht, Herr General, aber es handelt sich hier nicht bloß um unsere Salpeter- und Zinnkönige. Man muß dabei wohl auch erwähnen, daß die Yankees ihren Leuten nur deshalb so hohe Löhne bezahlen können, weil unsere Indios sozusagen umsonst arbeiten.“ * Merta schreckt auf. Hat sie geschlafen, geträumt? Das Nachrichtenblatt ist von ihrem Schoß geglitten, liegt vor ihr auf dem Kies. Wie mag es Otto gehen? Ob man ihn wirklich entführt hat? Es ist kaum glaublich, aber die Zeitungsnotizen sind so bestimmt gehalten, daß sie nicht aus der Luft gegriffen sein können. Und warum in aller Welt ist er nach Berlin? Es ist doch undenkbar, in jeder Hinsicht, daß er tatsächlich die Absicht gehabt haben könnte, dem Osten Informationen zu liefern! Niemand weiß das besser als Merta. Aber dennoch kommt sie mit ihren Gedanken nicht davon los. *
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Der Rückflug von Berlin nach Frankfurt und die anschließende Fahrt nach Genf bedeuten nichts gegen die Prozeduren, denen sich Otto Willfert nunmehr unterwerfen muß, bis er endlich das Völkerbundpalais betreten darf und schließlich in jenen Raum Einlaß findet, in dem der Sekretär der Helios-Delegation residiert. Der Herr Sekretär oder Bürovorstand – ein sehr gewandter Herr – bedauert nach langem Hin und Her schließlich außerordentlich, daß es ihm leider unmöglich sei, heute noch die von dem Besucher gewünschte Begegnung mit dem Chefdelegierten herbeizuführen, da dieser sich in einer ungemein wichtigen Sitzung befinde und sich jede Störung ausdrücklich verbeten habe. Willfert gibt jedoch keineswegs auf. Er müsse unbedingt so bald wie möglich mit dem Leiter der Delegation sprechen. „Sagen Sie Herrn Alpha, daß ich eigens deshalb von Berlin hierhergekommen bin, daß ich seine kostbare Zeit nur wenige Minuten in Anspruch nehmen werde und daß es sich um eine für die Helios-Interessen überaus wichtige Mitteilung handle, die keinen Aufschub duldet. Und nennen Sie ihm, bitte, auch meinen Namen: Dr. Otto Willfert.“ Der Sekretär verliert sofort seine höfliche Zurückhaltung und zeigt Interesse. „Willfert? Sind Sie jener Dr. Otto Willfert, der in Berlin …“ „Der bin ich.“ „Sind Sie mit unserer Frau Merta Willfert verwandt?“ „Sie ist meine Frau.“ Worauf sich der Herr sofort entschließt, in das Sitzungszimmer einzudringen, um dem Vorsitzenden diese Mitteilung zu überbringen. Zwei Minuten später betritt Alpha den Warteraum. „Oh – Sie sind es also wirklich?“ sagt er und streckt dem Besucher die Hand entgegen. „Wie geht es Ihnen. Haben Sie Ihre 110
Frau schon gesehen? … Nun, sie dürfte bald kommen. Ich hatte ihr nahegelegt, etwas an die Luft zu gehen. Sie ist ein wenig überarbeitet, wie wir alle, aber es geht ihr sonst sehr gut. Nehmen Sie doch bitte Platz! – Sie wollten mir eine Mitteilung zukommen lassen?“ „Ja. Haben Sie schon von dem Atomwerk Djelina gehört?“ „Djelina? Wo ist das?“ „Es liegt in Sibirien, in den nordwestlichen Ausläufern des Großen Altai Gebirges, am obersten Ob, etwa 200 Kilometer südlich von Oirot-Tura am gleichen Strom. Das Werk ist völlig unterirdisch angelegt und läuft nach wie vor auf vollen Touren.“ „Wirklich? – Darf ich fragen, von wem diese Informationen stammen?“ „Von einem gewissen Karl Klemm, einem meiner Landsleute. Er mußte einige Jahre in einem Arbeitslager in der Nähe des Werkes verbringen, einem sogenannten Schweigelager – ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, was hinter diesem Wort steckt – und er überlebte nicht nur diese Zeit, sondern konnte dann auch flüchten.“ „Können Sie mir Näheres darüber mit teilen?“ „Dazu bin ich ja gekommen“, sagt Willfert abermals. Und dann erzählt er die ganze Geschichte, mit allen Einzelheiten und Begleitumständen, so wie er sie selbst erlebt und von Klemm gehört hat. Alpha sieht ihn unverwandt an, unterbricht mit keinem einzigen Wort, keiner Frage. „Und Sie sind überzeugt, daß es wahr ist?“ fragt er schließlich. „Ich bin davon überzeugt. Menschen, die den Tod unmittelbar vor sich haben, lügen nicht. ‚Jetzt wissen Sie die Sache – und machen Sie das Richtige daraus!’ – Ich sagte Ihnen bereits, daß dies Klemms letzte Worte waren. Ich betrachte sie als eine Art Verpflichtung und als ein Vermächtnis an mich, das ich zu 111
erfüllen habe, denn der Mann hat mir das Leben gerettet und sich dafür opfern müssen. Ich sagte Ihnen alles, was ich darüber weiß. Das Weitere ist Ihre Sache.“ „Ich danke Ihnen, Herr Willfert“, sagt Alpha. „Sie haben uns damit einen großen Dienst erwiesen, eben zur rechten Zeit, und …“ „Es war keineswegs meine Absicht, Ihnen und den Ihren einen Dienst zu erweisen“, unterbricht Willfert, beinahe schroff. „Ich habe nur einen Auftrag erfüllt. Guten Tag.“ „Aber Sie wollen doch nicht gehen, ohne Ihre Frau gesehen zu haben? Sie muß jeden Augenblick kommen.“ Es ist wie ein Stichwort, denn eben tritt sie ein. Als Merta ihren Mann erblickt, bleibt sie wie angewurzelt stehen. Ihr blasses Gesicht rötet sich. „Du?“ sagt sie bloß. „Ja. Ich bin kein Phantom. Ich höre, daß es dir gut geht. Das freut mich. Ich hatte deinem Chef eine wichtige Nachricht zu überbringen. Und nun will ich nicht weiter stören.“ Willfert weiß, daß es nicht sehr gut klingt, daß diese ganze Sache mit Merta, in die er sich verrannt hat, überhaupt ganz unsinnig und falsch ist. Und eigentlich wollte er ja auch etwas anderes sagen. Alpha hat sich langsam erhoben. Ohne Helm ist jede Bewegung mühsam und anstrengend für ihn. „Darf ich einen Vorschlag machen?“ fragt er. Und ohne eine Antwort abzuwarten, setzt er fort: „Ich brauche Sie heute nicht mehr, Frau Willfert. Die Sitzung dürfte noch ziemlich lange dauern. Es genügt, wenn Sie morgen früh, gegen zehn Uhr, herkommen. Bis dahin können Sie über Ihre Zeit völlig frei verfügen. Sie wissen, daß im Hotel Beau Rivage ständig einige Zimmer für uns zur Verfügung stehen. Machen Sie bitte davon Gebrauch. Es dürfte sonst in Genf und Umgebung schwer eine Unterkunft zu finden sein.“ Und da Willfert anscheinend etwas 112
erwidern will, schneidet er die Entgegnung ab: „Sie werden doch nicht sofort zurückfahren wollen, Herr Willfert! Ich danke Ihnen nochmals sehr für Ihre interessante Mitteilung. Nun müssen Sie mich aber entschuldigen.“ Mit seinen trippelnden kleinen Schritten verläßt er das Zimmer, so schnell es ihm möglich ist. Willfert sieht seine Frau an, wirft einen schnellen, schrägen Blick auf den Sekretär, der sich hinter seinem Schreibtisch so verhält, als wäre er nicht vorhanden, und wendet sich dann wieder Merta zu. Wie so oft, weiß er jetzt nicht, wie er sich nun benehmen soll. „Es gibt, denke ich, einiges zu erzählen“, durchbricht Merta die zwar dünne aber spürbare Eisrinde. „Wir könnten über den Quai du Mont Blanc gehen oder uns ins Café du lac setzen.“ Es ist zweifellos das Beste und Vernünftigste, was sie sagen kann. Das findet auch Willfert. Wenig später sitzen sie nebeneinander auf einer entlegenen Bank. Man ist hier ungestörter als im Café. Bisher ist noch nicht viel zwischen ihnen gesprochen worden. „Du siehst gar nicht gut aus“, meint sie jetzt und schaut ihn prüfend an. „Das gilt auch für dich“, gibt er mit einem schwachen Lächeln zurück, das eigentlich nur ein kläglicher Versuch ist. Sie deutet auf seinen Arm. „Und was ist das hier? Trägst du unter dem Ärmel einen Verband?“ „Ja, aber es ist nicht der Rede wert. Ein glatter Durchschuß der Oberarmmuskulatur. Ich hatte auch nur schwaches Fieber. Man entließ mich schon am zweiten Tag aus der Klinik.“ „Hast du noch Schmerzen? Besteht wirklich keine Infektionsgefahr?“ „Nein, gar nichts. Alles in Ordnung.“ „Und wie …“ 113
„Eine Erinnerung an Berlin.“ „Dann ist es also wahr, was die Zeitungen über deine Entführung in den Ostsektor schrieben?“ „Du hast es schon gelesen? Ich weiß nicht, was sie darüber geschrieben haben. Tatsächlich war die Sache so, daß ich in den Ostsektor gebracht wurde.“ Und dann erzählt Willfert ausführlich den weiteren Verlauf des Abenteuers. Merta nimmt seine Hand. „Was du alles mitgemacht hast! Es ist gar nicht auszudenken, was dir hätte geschehen können, wenn dieser Autounfall sich nicht ereignet hätte. Vielleicht hätte ich dich nie mehr gesehen. Und wenn du Klemm nicht gefunden hättest? Sein Schicksal geht mir sehr nahe. Ich glaube, ihm verdanken wir dein Leben.“ Verdanken wir, hat sie gesagt, nicht, verdankst du dein Leben! Noch immer hält sie seine Hand. Das leise Streicheln ihrer Finger tut ihm wohl. „Und du?“ fragt er endlich. „Wie ist es dir ergangen?“ „Ach – das ist nicht der Rede wert. Gefehlt hat es mir an nichts. Nur du fehltest. Dafür gab es reichlich Arbeit, zum Glück. Aber damit wird es wohl nun bald zu Ende sein.“ „Zu Ende? Warum?“ „Ich glaube, die Konferenz liegt in den letzten Zügen.“ „Und was haben die Helios-Leute vor, wenn die Konferenz tatsächlich abgebrochen wird? Werden sie dann trotzdem bleiben? Werden, sie zuschlagen? Die Macht dazu haben sie ja.“ „Ich glaube eher, daß sie sich von der Erde zurückziehen.“ „Zurückziehen? Hast du dafür irgendwelche Anhaltspunkte?“ „Alpha machte mir eine Andeutung und er fragte mich auch, ob ich in diesem Falle mit ihm gehen würde.“ „Ah! – Und du, was hast diu geantwortet?“ „Fragst du im Ernst? Ich lehnte es selbstverständlich mit aller Entschiedenheit ab.“ 114
„Wirklich?“ Der Druck seiner Hand ist so stark, daß sie unwillkürlich einen kleinen Schrei ausstößt „Und weshalb lehntest du ab?“ „Anscheinend hast du ganz vergessen, daß wir verheiratet sind und bis vor wenigen Wochen noch sehr glücklich zusammenlebten.“ „Ich habe es nicht vergessen, Merta.“ * Die Bewohner der Erde handeln gewiß nicht vernünftig und auch nicht in ihrem eigenen Interesse, wenn sie unsere gut gemeinten Vorschläge zurückweisen. Aber wir haben nicht das Recht, Verträge mit Gewalt zu erzwingen. Wir sind auch nicht berechtigt, Teile der Erde gegen den Willen ihrer angestammten Bewohner und rechtmäßigen Eigentümer unter Ausnützung unserer überlegenen Machtmittel in Anspruch zu nehmen, denn wir sind weder Erzieher, Vorgesetzte oder Richter der Menschen, noch Räuber, Eroberer oder Kolonisatoren. Und Gewalt erzeugt immer nur Gewalt. Die Anwendung von Gewalt würde unvermeidlich zu schweren Verlusten der Erdbevölkerung führen, wenn sie zur Verteidigung die Waffen gegen uns erhebt. Und diese Verluste beträfen gerade die fortgeschrittensten Teile der Bevölkerung dieses Planeten. Ein solcher Kampf widerspricht unseren ethischen Grundsätzen und unseren Gesetzen. Wir dürfen nicht in eine Barbarei zurückfallen, die wir seit über tausend Jahren überwunden haben. Wir dürfen uns auch nicht auf eine unabweisliche Notwendigkeit, auf das Recht der eigenen Selbsterhaltung berufen, denn wir wissen, daß wir noch viele Jahrhunderte Zeit haben, 115
wenn das Leben auf unserem alten Planeten auch immer schwerer und härter wird, und wir wissen auch, daß die Gesetze der Entwicklung mit Sicherheit erwarten lassen, daß die Menschheit der Erde innerhalb dieser Frist einen Zustand erreichen wird, der es ermöglicht, zusammen. mit ihr auf diesem jungen und schönen Planeten in Frieden und Freundschaft zu leben. Leider ist es noch nicht soweit. Bedenken Sie nur, auf welch tiefer Kulturstufe viele Völker der Erde heute noch leben, welch ungeheure Unterschiede zwischen den Rassen bestehen. Wir können das Rad der Zeit und der Entwicklung nicht willkürlich um viele hundert Jahre vorwärtsdrehen. So ähnlich lauten die Überlegungen Alphas, die er in der entscheidenden Sitzung äußert. Es sind die Ansichten der maßgebenden Stellen des Heimatplaneten. Die Entscheidung fällt daher auch in diesem Sinne. * Die Besprechung ist beendet. Alpha verläßt das Beratungszimmer und durchschreitet kurz darauf in Begleitung des Delegationssekretärs die große Vorhalle, in der viele Journalisten und Bildberichterstatter warten. Er trägt seinen Druckanzug und den Helm. An der Art, wie er geht, kann man erkennen, daß er müde ist. Kein Wunder, der Tag ist anstrengend gewesen. Aus der Zahl der Wartenden löst sich ein Unbekannter und tritt ihm entgegen. „Da Sie meine Informationen über das Atomwerk in Oregon nicht haben wollen, nehmen Sie das“, sagt er und zieht eine Pistole. „Hoffentlich geht ihr alle zum Teufel!“ Gleich darauf knallen rasch hintereinander drei Schüsse. Lautlos bricht Alpha zusammen. Der Helm fällt zu Boden. 116
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Der Delegationssekretär ist für einige Augenblicke wie gelähmt. Dann will er sich auf den Attentäter stürzen. Aber der hat inzwischen die Mündung der Waffe an die eigene Stirn gesetzt und abgedrückt. Neben seinem Opfer sackt er zusammen. Im Nu ist die ganze große Halle ein aufgescheuchtes Chaos. Von allen Seiten eilen Journalisten, Angestellte, Diener und Polizeibeamte herbei. Ein Arzt bemüht sich um Alpha, kann aber nur noch feststellen, daß der Tod bereits eingetreten ist. – Auch der andere, der Mörder, lebt nicht mehr. Alphas Körper wird in den Räumen der Helios-Delegation auf eine Couch gebettet. Dann treten die übrigen Mitglieder der Delegation zu einer Geheimbesprechung zusammen. Unterdessen klingeln die Fernsprecher, klappern die Fernschreiber, ticken die Telegraphen, verbreiten die Ätherwellen die Nachricht; über die ganze Erde. Die Polizei stellt fest, daß es sich bei dem Mörder um einen gewissen Frank Jasper unbestimmter Staatszugehörigkeit und ebenso unbestimmten Berufes handelt, der, wie aus den Mitteilungen des Helios-Sekretariates hervorgeht, dieser Delegation vor kurzem gegen eine hohe Summe Informationen über ein unzerstörtes Atomwerk angeboten hat, jedoch abgewiesen worden war. Wo sich dieses Atomwerk befinde? Der Sekretär zuckt die Achseln. „Ich nehme an, Sie werden das sehr bald hören, meine Herren. … Nein, ich bedaure: Die Besprechung darf auf keinen Fall gestört werden. Jeder Versuch würde als neuerliche Gewaltanwendung angesehen und beantwortet werden. Wir stehen mit Chamonix in drahtloser Verbindung. Sie müssen warten.“ – Man wartet also. Die ganze Welt wartet. Inzwischen überflutet die Panik die Erde wie eine unsichtbare, ungeheuere Sturmflut. – Was wird nun geschehen? Bedeutet das das Ende der großen Interplanetarischen Konferenz? Oder wird man doch 118
noch weiterverhandeln? Wie werden die Helios-Leute auf diese Tat reagieren? Werden sie Sühneforderungen stellen? Werden sie Vergeltungsmaßnahmen durchführen? Überall treten die Kabinette, die Regierungen zu Sonderberatungen zusammen, und kurz darauf beginnt auch schon der Strom der Kundgebungen des Beileides und der Entrüstung über die sinnlose Tat, häufen sich die Fernschreiben und Noten auf den Tischen des Sekretariats. In allen Wellenbereichen, auf allen Wellenlängen fluten Nachrichten, Kommentare, Vermutungen durch den Äther, die sich alle mit diesem Ereignis und seinem noch unabsehbaren Folgen befassen. Ihr Ton ist sehr pessimistisch. Um zwei Uhr nachts ist die Geheimsitzung der HeliosDelegation beendet. Unter stärkstem Polizei- und Militärschutz fahren die Gäste nach Chamonix und verschwinden in ihrem Hotel, das inzwischen noch sorgfältiger abgeriegelt worden ist, als es bisher der Fall war. Das Sekretariat gibt jedoch noch im Laufe der Nacht bekannt, daß die Helios-Delegation eine Vollsitzung der Interplanetarischen Konferenz für übermorgen, 11 Uhr vormittags, vorgeschlagen habe, und daß diese Vollsitzung vom Präsidenten der Konferenz bereits einberufen worden sei. Was wird sie bringen? Wie eine dunkle Wolke liegen Ungewißheit, Besorgnis und Erwartung über dem mit Spannung geladenen, überfüllten Saal, als Präsident Embarra zwei Tage später diese Sitzung eröffnet. In seiner Ansprache gibt er zunächst der namenlosen Erschütterung Ausdruck, von der die ganze Erde bei der Nachricht über die „entsetzliche, unbegreifliche und sinnlose Tat eines Narren“ erfaßt worden sei, einer Tat, der das kostbare Leben des verdienten und allgemein verehrten Führers der Helios-Delegation zum Opfer gefallen sei und die von der gesamten Menschheit auf das tiefste bedauert und einmütig schärfstens verurteilt werde. 119
Sodann fordert er die Hohe Versammlung auf, sich zum Zeichen ihrer Trauer zu erheben und das Andenken des großen Toten durch eine Schweigeminute zu ehren. Auch die Delegierten des Helios – sie bilden heute mehr denn je den Mittelpunkt, da noch niemand weiß, was nun geschahen wird – sind der Aufforderung gefolgt. Nachdem das Scharren und Rauschen der Zeremonie verklungen ist, bittet Señor Embarra den neuen Leiter der Helios-Delegation, das Wort zu der angekündigten Erklärung zu ergreifen.
Der Delegierte Mitra, in der Mitte der Reihe sitzend, nimmt seinen Helm ab und erhebt sich. Wiederum flammen die Blitzlichter, tönt das leise Schnarren unzähliger Apparate. Die vor120
zügliche Lautsprecheranlage sorgt dafür, daß die leise Stimme des Sprechers überall verstanden wird. Und was sagt er? „Als Leiter unserer Abordnung bin ich beauftragt, vor dieser Hohen Versammlung im Namen der obersten und verantwortlichen Führung unseres Planeten folgende Erklärung abzugeben: Als wir uns im Frühling dieses Erdenjahres trotz schwerwiegender Bedenken und in Kenntnis vieler und verschiedenartiger widriger Umstände entschlossen, persönlichen Kontakt mit den Erdbewohnern aufzunehmen und anschließend die Einberufung dieser Interplanetarischen Konferenz anregten, geschah es in der Hoffnung auf eine Verständigung mit der Erdbevölkerung. Wir mußten leider erkennen, daß es uns nicht gelang, das Vertrauen der Erdbewohner zu erwecken. Die Kluft zwischen den beiden großen ideologischen Systemen der Erde vertiefte sich unseretwegen noch mehr, und in vielen Staaten der Erde kam es zu schweren, blutigen Unruhen, veranlaßt durch die Verbreitung falscher Nachrichten über unsere Ziele. Es hätte heute für uns keinen Sinn mehr, auf nähere Einzelheiten und auf die Frage nach den Verantwortlichen für diese höchst bedauerlichen Vorgänge einzugehen. Wir überlassen das Ihnen. Wir mußten ferner feststellen, daß die Versicherungen zweier mächtiger Staaten, alle Atomwerke und Atomwaffen unserer Kontrolle unterstellt zu haben – bekanntlich eine Vorbedingung für unsere Vorschläge über den Abschluß eines Interplanetarischen Vertrages – der Wahrheit nicht entsprechen. Sowohl in den USA wie auch in der UdSSR wurden geheime Anlagen aufgefunden, die heute noch voll in Betrieb stehen. Mit solchen Partnern schließt man nicht gern Verträge ab, die Jahrhunderte und Jahrtausende überdauern sollen. Daß, nicht ohne Zusammenhang mit diesen Tatsachen, der Leiter unserer Delegation ermordet wurde, ist für uns ein weiterer Grund, diese Konferenz zu verlassen. 121
Wir werden die Erde innerhalb kurzer Zeit verlassen. Aber wir werden alles, was auf ihr geschieht, sehr genau im Auge behalten und zu diesem Zwecke auf ihr einige Kontrollpunkte behalten – ob Sie nun damit einverstanden sind oder nicht. Und wir werden auch mit unseren Raummaschinen die weitere Entwicklung der Menschen überwachen. Wir hoffen, daß diese Entwicklung positiv sein wird, damit die Völker der Erde endlich den ethischen und moralischen Anschluß an jene hohe und bewundernswerte Kultur herstellen, die wir hier an vielen Stellen und in vielfacher Hinsicht vorgefunden haben. Beenden Sie die blutigen Bürgerkriege, die ideologischen und sozialen Auseinandersetzungen durch gerechten Ausgleich, respektieren Sie die Grundsätze der Persönlichkeit und Toleranz! Es hätte keinen Sinn, Euch die Vernichtung Euerer Waffen aufzuerlegen, denn Ihr würdet neue, andere erfinden. Aber hört in dieser Stunde unsere ernste Mahnung und Warnung: Es darf keinen neuen großen Krieg auf dieser Erde mehr geben. Solltet Ihr dieses Verbot nicht befolgen, so werden wir die Schuldigen mit allen uns zu Gebote stehenden Machtmitteln vernichten. Es ist nicht unsere Schuld, daß wir uns gezwungen sehen, mit einer solchen Drohung zu scheiden. Hoffentlich müssen wir sie nie verwirklichen! Genaue schriftliche Mitteilungen über die Räumung und über die Kontrollpunkte, die wir beibehalten, wurden dem Generalsekretariat der Konferenz übergeben. Wir danken allen, die bemüht waren, unsere Bestrebungen zu unterstützen und unseren Aufenthalt hier angenehm zu gestalten. Die hierdurch entstandenen Aufwendungen ersetzen wir. Sonst habe ich meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen.“ Der Sprecher setzt den Helm wieder auf. Alle Mitglieder der Delegation und deren Begleiter erheben sich, verlassen den Saal. 122
Von der Zuschauergalerie her durchgellt die helle, sich überschlagende Stimmer einer Frau die lähmende Stille: „Werft die Waffen fort!“ * Sie wurden nicht weggeworfen. Und vielleicht hätte man doch wieder zu ihnen gegriffen, wenn nicht Tag für Tag, Nacht für Nacht die „Fliegenden Untertassen“ und Raumschiffe von den Helios-Stützpunkten auf der Erde und dem Monde aufgestiegen und über die Länder und Städte der Kontinente ihre Bahnen gezogen hätten. Man verstand diese Mahnung, folgte ihr und begann wieder einmal mit Abrüstungsverhandlungen. Man erzielte auch gewisse kleine Fortschritte – aber dann ging man wieder auseinander. Und nach einiger Frist trat man wieder einmal zusammen, verhandelte abermals, vertagte, setzte wieder fort und kam um ein gutes Stück vorwärts. Und schließlich einigte man sich auf das allgemeine Verbot aller Massenvernichtungswaffen, ihre Zerstörung und die gegenseitige Kontrolle dieser Vereinbarungen. War die Menschheit nun wirklich auf dem Wege, die größte und unwahrscheinlichste Utopie ihrer langen Geschichte zu verwirklichen, den ewigen Frieden? – Willfert und seine Frau stehen nebeneinander an dem Schiebefenster ihrer Wohnung und blicken in den winterlichen Garten hinaus, dessen kahles Gezweig sich gegen den unruhig zuckenden, hellen Großstadthimmel abhebt. „Den ewigen Frieden?“ wiederholt er ihre Frage. „Wir werden ihn nicht erleben, vielleicht unsere Enkel oder deren Kinder – wenn uns die dort helfen.“ Und er deutet auf die Keilkette heller Scheiben, die hoch oben vorbeizieht.
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Nächste Woche lesen Sie von J. E. Wells den Utopia-Zukunftsroman 171
Der denkende Planet Stan-a, der denkende Planet, dessen Ruhm bis in die ferne Galaxis gedrungen ist, scheint am Unglück der Karand-Menschen zu tragen. Steen Ryhne, Führer und Meister der Terra-Nachkommen, die in der Galaxis leben, rüstet eine Expedition aus. Das Abwandern der Gefühlsmenschen in unbekannte Zonen des Weltalls hat die Menschheit der Milchstraße gleichgültig gemacht, kaum noch unterscheiden sie sich von den seelenlosen Robotern. Nur die Frauen wurden bisher von dieser gräßlichsten aller Krankheiten verschont. Sie versprechen, Steen Ryhne, der sich dank seiner telepathischen Kräfte noch in der Gewalt hat, zu helfen. Die abenteuerliche Fahrt führt die Expedition zum Lande Kirh und endlich zum Planeten Stan-a, dem Beherrscher von 700 Planeten. Wie Stan-a entscheidet, das lesen Sie nächste Woche in UTOPIA-Zukunftsroman Nr. 174. Von J. E. Wells erschien zuletzt als Band Nr. 165 „Kampf mit der Urwelt“
UTOPIA-Zukunftsroman erscheint wöchentlich im Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden), Pabel-Haus. Mitglied des Remagener Kreises e. V. Einzelpreis 0,60 DM. Anzeigenpreis laut Preisliste Nr. 7. Gesamtherstellung und Auslieferung: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden). Alleinauslieferung für Österreich: Verbik & Pabel KG., Salzburg, Gaswerkgasse 7. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlegers gestattet. Gewerbsmäßiger Umtausch, Verleih oder Handel unter Ladenpreis vom Verleger untersagt. Zuwiderhandlungen verpflichten zu Schadenersatz. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. Scan by Brrazo 12/2011 L: Ge/B: Ge.
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