Anja Klein Schriftauslegung im Ezechielbuch
Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgeg...
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Anja Klein Schriftauslegung im Ezechielbuch
Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von John Barton · Reinhard G. Kratz Choon-Leong Seow · Markus Witte
Band 391
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
Anja Klein
Schriftauslegung im Ezechielbuch Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Ez 34-39
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-020858-0 ISSN 0934-2575 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2008 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Meinen Eltern
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 unter dem Titel „Schriftauslegung im Ezechielbuch. Ein Beitrag zur Redaktion der Heilsprophetien Ez 34‐39 im Kontext des Buches“ von der Theologi‐ schen Fakultät der Georg‐August‐Universität zu Göttingen als Disser‐ tation angenommen. Termin des Rigorosums war der 11. Juni. Für den Druck wurde die Arbeit nur geringfügig überarbeitet. Viele haben Anteil daran, dass meine Dissertation nun vorliegt. An erster Stelle sei Herr Prof. Dr. Reinhard G. Kratz genannt, der die Studie angeregt und mit hilfreicher Kritik begleitet hat. Für seine nie nachlassende Geduld mit meinen Fragen, die mitreißende Begeisterung für die alttestamentlichen Texte und sein Vertrauen darauf, dass die Schriftauslegung im Ezechielbuch zu einem Ziel kommen würde, sei ihm herzlich gedankt. Darüber hinaus hat er mir als seiner Mitarbei‐ terin ab April 2008 ein Höchstmaß an Freiraum und Unterstützung gewährt, so dass Rigorosum und Drucklegung zügig abgeschlossen werden konnten. Mein Dank gilt des Weiteren Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Spieckermann und Frau Prof. Dr. Karin Schöpflin für die Übernahme des Zweit‐ bzw. Drittreferats. Beide haben die Arbeit von Anfang an begleitet und mein Vorankommen durch hilfreiche Hinweise unter‐ stützt. Wertvolle Denkanstöße verdanke ich ebenso den Teilnehmern des Göttinger Doktorandenkolloquiums und des nordisch‐deutschen Netzwerkes OTSEM, in deren Kreise ich Teile der Arbeit vorstellen und diskutieren konnte. Ich möchte ferner Herrn Prof. Dr. Christoph Levin erwähnen, dem ich für sein engagiertes Interesse an meiner Unter‐ suchung und seine weiterführenden Anmerkungen danke. Auf seine Einladung geht auch eine spannende Diskussion über meine Thesen im Münchener Doktorandenkolloquium zurück, von der ich sehr profitiert habe. Dem Ev. Studienwerk e. V. Villigst gebührt Dank für die Unter‐ stützung meines Projektes durch ein Promotionsstipendium und die langjährige Förderung und Forderung, die ich schon während meiner Studienzeit erfahren durfte. Schließlich danke ich den deutschsprachigen Herausgebern der Reihe BZAW, Herrn Prof. Dr. Reinhard G. Kratz und Herrn Prof. Dr. Markus Witte, für die Aufnahme meiner Arbeit sowie dem Verlag
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Vorwort
Walter de Gruyter, hier besonders Herrn Dr. Albrecht Döhnert, Frau Dr. Sabine Krämer und Frau Sabina Dabrowski, für die freundliche und engagierte Zusammenarbeit. Die tatkräftige Hilfe von Freunden und Kollegen hat vieles erleich‐ tert. Herr PD Dr. Ingo Kottsieper und Herr PD Dr. Thilo Rudnig haben mich beim Umgang mit sprachlichen Eigenheiten des Ezechielbuches unterstützt; mit Herrn Detlef Fraenkel konnte ich die Besonderheiten von Pap. 967 erörtern. Dazu kommen die Korrekturlesenden, die sich unermüdlich mit verschiedenen Wachstumsstufen von Vorträgen so‐ wie der Promotions‐ und der Druckfassung auseinander gesetzt haben. Hier danke ich vor allem Birke Siggelkow‐Berner und Dr. Christoph Berner sowie Dr. Hannes Bezzel, Mirjam Bokhorst, Merlind Börner, Franziska Ede, René Enzenauer, Tanja Pilger, Dr. Peter Porzig, PD Dr. Annette Steudel, Sabine Weingärtner und Dr. Alexa Wilke. Der erfolgreiche Abschluss dieser Arbeit verdankt sich nicht zuletzt dem Rückhalt und der Unterstützung durch meine Familie. Göttingen, im Oktober 2008 Anja Klein
INHALTSVERZEICHNIS Kapitel I: THEMA UND FRAGESTELLUNG 1. Das Problem ........................................................................................... 1 2. Stand der Forschung und methodische Grundlegung ..................... 3 2.1. Das Phänomen der Schriftauslegung ......................................... 3 2.2. Das Ezechielbuch in der kritischen Forschung ......................... 6 2.3. Berührungen mit anderen Büchern .......................................... 17 3. Zur Anlage der Arbeit ........................................................................ 23
Kapitel II: AUFTAKT ZUR HEILSVERKÜNDIGUNG: EZ 34 1. Problemanzeige ................................................................................... 24 2. Das Hirtenkapitel Ez 34 ...................................................................... 25 2.1. Übersetzung ................................................................................. 25 2.2. Textanalyse .................................................................................. 32 3. Innerbiblische Auslegung in Ez 34 .................................................... 42 3.1. Das Wort gegen die Könige Jer 23,1‐8 ...................................... 42 3.1.1. Übersetzung ....................................................................... 42 3.1.2. Textanalyse ......................................................................... 44 3.2. Vergleichende Analyse ............................................................... 46 3.3. Rekonstruktion des Auslegungsvorganges ............................. 49 3.4. Das literarische Wachstum des Hirtenkapitels ....................... 55 4. Die Heilsprophetien in Ez 34‐39 ........................................................ 59 4.1. Zum methodischen Vorgehen ................................................... 59 4.2. Pap. 967 und der textgeschichtliche Befund ............................ 60 4.3. Redaktionsgeschichtliche Beobachtungen zu Ez 34‐39 .......... 66 4.4. Die Bedeutung von Ez 34 für die Heilsprophetien ................. 77 5. Zwischenergebnis und Konsequenzen für das weitere Vorgehen ............................................................................................... 78
Kapitel III: SCHRIFTAUSLEGUNG IN EZ 34-39 1. Der neue Bund: Ez 36,23bb‐38 ............................................................ 81 1.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise ............................ 81 1.2. Textanalyse .................................................................................. 81 1.3. Der literarische Kontext ............................................................. 85 1.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 36,23bb‐38 ............................. 89 1.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen .................. 89
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Inhaltsverzeichnis
1.4.2. Das eine Herz und der neue Geist in Ez 11,14‐21 ........ 90 1.4.3. Das neue Herz und der neue Geist in Ez 18,31 ............ 97 1.4.4. Herz und Bund im Jeremiabuch .................................... 99 1.4.5. Das reine Herz und der erneuerte Geist in Ps 51 ...... 106 1.5. Der neue Bund im Ezechielbuch ............................................. 110 2. Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f. ....................................................... 111 2.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 111 2.2. Textanalyse ................................................................................ 112 2.2.1. Abgrenzung .................................................................... 112 2.2.2. Aufbau und Grundwort ................................................ 114 2.2.3. Textwachstum ................................................................ 122 2.3. Der redaktionelle Horizont ...................................................... 125 2.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 38,1‐39,22 ............................ 127 2.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen ................ 127 2.4.2. Die Beziehungen zu den anderen Fremdvölkersprüchen im Buch ................................... 128 2.4.3. Der Feind aus dem Norden im Jeremiabuch ............. 132 2.5. Die Niederlage des letzten Feindes im Ezechielbuch .......... 139 3. Der heilige Name Jhwhs: Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29 .................. 140 3.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 140 3.2. Textanalyse ................................................................................ 141 3.3. Beobachtungen zum redaktionellen Horizont ...................... 148 3.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 ........... 151 3.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen ................ 151 3.4.2. Das Handeln Jhwhs um seines Namens willen in Ez 20 ................................................................................. 154 3.4.3. Die Heilsbegründung im Deuterojesajabuch ............. 161 3.5. Die Heiligkeit von Jhwhs Namen im Ezechielbuch ............. 168 4. Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 ............................... 169 4.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 169 4.2. Textanalysen .............................................................................. 170 4.2.1. Der Heilsbund mit der Herde Jhwhs: Ez 34,25‐30 ..... 170 4.2.2. Der ewige Heilsbund: Ez 37,25‐28 ............................... 172 4.3. Das literarische Verhältnis ....................................................... 175 4.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 ........ 179 4.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen ................ 179 4.4.2. Der ewige Bund in Ez 16,59‐63 und Jer 32,37‐41 ....... 180 4.4.3. Die Segensworte in Lev 26,3‐13 ................................... 184 4.4.4. Das Wohnen Jhwhs inmitten seines Volkes ............... 190 4.4.4.1. Der traditionsgeschichtliche Hintergrund ... 190 4.4.4.2. Das ewige Wohnen Jhwhs in Ez 43,1‐9 ......... 192
Inhaltsverzeichnis
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4.4.4.3. Die Wohnungsaussagen der Priestergrundschrift ......................................... 194 4.4.4.4. Das Wohnen Jhwhs in 1 Kön 6,11‐13 ............ 203 4.4.5. Zur Nachgeschichte: Ez 34,25LXX; Jes 54,9f. und Hos 2,20 ........................................................................... 204 4.5. Jhwhs Wohnungsnahme und der Heilsbund ........................ 208 5. Das geeinte Volk, der eine König und David: Ez 37,15‐24 ........... 211 5.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 211 5.2. Textanalyse ................................................................................ 212 5.3. Das literarische Verhältnis zu Ez 34 ....................................... 219 5.4. Die Zeichenhandlung von der Wiedervereinigung ............. 224 5.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen ................ 224 5.4.2. Zeichenhandlungen im Ezechielbuch ......................... 225 5.4.3. Das Motiv der Wiedervereinigung .............................. 228 5.5. Die Verheißung des davidischen Herrschers ........................ 232 5.5.1. Königserwartung und Messias .................................... 232 5.5.2. Die Herrschererwartungen im Ezechielbuch ............. 234 5.5.3. Die Erneuerung des Königtums in den anderen Prophetenbüchern ......................................................... 245 5.5.3.1. Weissagungen im Ersten Jesajabuch ............. 245 5.5.3.2. Neuanfang in Bethlehem: Mi 5,1‐5 ................ 252 5.5.3.3. Restauration des Königtums im Jeremiabuch ...................................................... 255 5.5.3.4. Die Hütte Davids: Am 9,11f. .......................... 259 5.5.3.5. Hoffnung auf Serubbabel im Haggai‐ und Sacharjabuch ..................................................... 260 5.5.4. Synthese und Zusammenfassung ................................ 265 5.6. David und die Wiedervereinigung ......................................... 268 6. Die Wiederbelebung der trockenen Knochen: Ez 37,1‐14 ............ 270 6.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 270 6.2. Textanalyse ................................................................................ 270 6.2.1. Aufbau und Grundschicht ............................................ 270 6.2.2. Literarische Nacharbeit ................................................. 276 6.2.3. Textwachstum ................................................................ 283 6.3. Beobachtungen zum redaktionellen Ort ................................ 285 6.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 37,1‐14 ................................. 289 6.4.1. Zur Bildersprache .......................................................... 289 6.4.2. Die Todesmotivik ........................................................... 290 6.4.3. Die Verleihung des Lebensgeistes ............................... 296 6.5. Das neue Schöpfungshandeln Jhwhs ..................................... 299 7. Heilsworte für die Berge Israels: Ez 35,1‐36,15 .............................. 300 7.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise .......................... 300
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Inhaltsverzeichnis
7.2. Textanalyse ................................................................................ 301 7.2.1. Aufbau und Gliederung ................................................ 301 7.2.2. Grundschicht und ursprünglicher Textanschluss ..... 309 7.2.3. Das weitere Textwachstum .......................................... 314 7.3. Das Verhältnis zu den Grundworten in Ez 34 und 37 ......... 317 7.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 35,1‐36,15 ............................ 320 7.4.1. Zur Frage nach den Vorlagen ...................................... 320 7.4.2. Das Gebirge Seir und Edom ......................................... 321 7.4.3. Das Gericht über die Berge Israels: Ez 6 ..................... 324 7.4.4. Die Berge Israels im Ezechielbuch ............................... 329 7.4.5. Das Land als Menschenfresserin in Num 13f. ............ 336 7.5. Exkurs: Zur Rolle von Lev 26 .................................................. 337 7.6. Die Heilswende für das Land und seine Bewohner ............. 348
Kapitel IV: REDAKTION ALS REZEPTION 1. Rückblick und weiteres Vorgehen .................................................. 349 2. Das literarische Wachstum der Heilsprophetien im Ezechielbuch ....................................................................................... 350 2.1. Zur Entstehung von Ez 34‐39 .................................................. 350 2.1.1. Die Grundschicht ........................................................... 350 2.1.2. Die ersten Erweiterungen der Grundschicht ............. 352 2.1.2.1. Textbestand ....................................................... 352 2.1.2.2. Der erste Fortschreibungsschub .................... 353 2.1.2.3. Der zweite Fortschreibungsschub ................. 356 2.1.2.4. Redaktionsgeschichtliche Auswertung ........ 358 2.1.3. Die weiteren Fortschreibungen .................................... 358 2.1.3.1. Textbestand ....................................................... 358 2.1.3.2. Fortschreibungen in Ez 34 und 37 ................. 359 2.1.3.3. Die Heiligungskapitel Ez 36,16‐39,29 ............ 368 2.1.3.4. Redaktionsgeschichtliche Auswertung ........ 373 2.1.4. Die Umstellung zur masoretischen Textfolge ............ 374 2.2. Synthese und Zusammenfassung ........................................... 378 2.3. Ausblick auf die Heilsworte in Ez 1‐33 .................................. 380 2.4. Heilsverheißung als Schriftauslegung ................................... 384 3. Zur Frage einer ursprünglichen Buchgestalt ................................. 388 3.1. Die Fragestellung ...................................................................... 388 3.2. Erwägungen zum Textbestand ............................................... 389 3.3. Die erste Gola im Ezechielbuch ............................................... 399 3.4. Zur literarhistorischen Einordnung ........................................ 403 4. Schriftgelehrte Prophetie im Ezechielbuch .................................... 406
SCHICHTENTABELLE ............................................................................. 409
Inhaltsverzeichnis
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LITERATURVERZEICHNIS 1. 2. 3. 4.
Quellen und Textausgaben .............................................................. 411 Hilfsmittel ........................................................................................... 413 Kommentare ....................................................................................... 413 Sekundärliteratur ............................................................................... 416
STELLENREGISTER ................................................................................ 433
Kapitel I THEMA UND FRAGESTELLUNG 1. Das Problem Das Phänomen der Schriftauslegung hat in der jüngeren alttestament‐ lichen Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Auslegung der Schrift schon in der Schrift selbst beginnt und literarische Fortschreibungsprozesse im Alten Testa‐ ment als Vorgänge von innerbiblischer Rezeption und Auslegung beschrieben werden können. Die folgende Arbeit befasst sich mit der Schriftauslegung im Ezechielbuch und untersucht dabei die Frage, in‐ wieweit innerbiblische Auslegungsvorgänge zum literarischen Wachs‐ tum des Buches beigetragen haben. Das Ezechielbuch fällt durch eine weitreichende Kenntnis der alt‐ testamentlichen Überlieferung auf, die dem mit dem Buch verbunde‐ nen Propheten schon früh den Ruf des Epigonentums eingetragen hat.1 In der Tat greift das Buch in auffälliger Weise auf Motive und Inhalte anderer Bücher zurück, die zitiert und variiert werden und ihrerseits Auslegungsprozesse anstoßen. So erweist sich die Berufungsvision, in der Ezechiel den Auftrag bekommt, eine Buchrolle zu essen (Ez 2,9‐ 3,3), als eine konkrete Ausgestaltung des Bildwortes in Jer 15,16: „Fanden sich Worte von Dir, so habe ich sie gegessen, und dein Wort wurde mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens.“ Überhaupt scheint das Jeremiabuch eine besondere Rolle zu spielen, da nicht nur die Komposition des Ezechielbuches als Prophetenbiographie an das Jeremiabuch erinnert, sondern auch Motive wie der gute Hirte in Ez 34 (vgl. Jer 23) oder der neue Bund in Ez 36 (vgl. Jer 31) Parallelen im Jeremiabuch haben. Andere Topoi wie das kommende Ende in Ez 7 oder die Bildreden über die untreue Frau Jerusalem in Ez 16 und 23 legen dagegen Verbindungen zum Amos‐ und zum Hoseabuch nahe. Diese vielfältigen Parallelen sind bisher zumeist unter der Prämisse untersucht worden, ob der historische Prophet Ezechiel oder seine Schule Kenntnis der Botschaft der anderen Propheten gehabt haben konnten. Dagegen wird in dieser Studie das vorliegende Propheten‐ 1
Vgl. WELLHAUSEN, Prolegomena, 403.
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Thema und Fragestellung
buch als Ausgangspunkt gewählt und die Frage gestellt, ob sich die zahlreichen Berührungen durch literarische Auslegungsvorgänge er‐ klären lassen. Die Untersuchung bleibt aber nicht beim Aufweis inter‐ textueller Verbindungen stehen, sondern es wird vielmehr gefragt, welche Bedeutung der Verarbeitung und Interpretation literarischer Vorbilder für die Genese des Ezechielbuches zukommt. So verbindet sich die Analyse der redaktionsgeschichtlichen Auslegungsvorgänge im Wachstum des Buches mit der Frage nach der Auslegung außerhalb des Buches vorgegebener Texte im Zuge der Buchgenese. Als Untersuchungsgegenstand bietet sich dabei aus mehreren Gründen die Redaktion der Heilsprophetien Ez 34‐39 an. Zum einen stellen diese Heilsworte im dritten Buchteil einen gut abgegrenzten Textbereich dar, dessen literarisches Wachstum bisher noch nicht Ge‐ genstand einer eigenen Untersuchung gewesen ist. Zum anderen bil‐ den die Heilsprophetien durch die Bezüge zu den anderen Buchteilen ein „Buch im Buch“, so dass entscheidende Fragestellungen für die Ezechielexegese an Ez 34‐39 in nuce behandelt werden können. Die Studie erlaubt auf diese Weise nicht nur neue Einblicke in das Phänomen innerbiblischer Schriftauslegung und das theologische Ver‐ ständnis des Prophetenwortes, das hinter diesen Rezeptionsvorgängen steht, sondern sie leistet zugleich auch einen Beitrag zur Erforschung der Buchgenese im Ezechielbuch, bei der nach wie vor Fragen offen sind. Es steht zu vermuten, dass es sich bei der Schriftgelehrsamkeit des Buches nicht um ein willkürliches Gestaltungsmittel handelt, son‐ dern dass diese eigentümliche Prägung auch Rückschlüsse auf den historischen und literarischen Ort des Ezechielbuches in der Prophe‐ tenbuchreihe zulässt. Der folgende Forschungsüberblick gliedert sich in drei Teile: Zuerst soll mit dem Phänomen der Schriftauslegung eine kurze Einführung in das Thema und die Fragestellung gegeben werden, die im Zentrum dieser Arbeit stehen (Kap. I. 2.1). Daran schließt sich eine Darstellung der kritischen Forschung am Ezechielbuch an (Kap. I. 2.2.), worauf eine Durchsicht der vorliegenden Arbeiten zu Berührungen des Buches mit anderen Schriften folgt (Kap. I. 2.3.). Auf diese Weise können die bishe‐ rigen Ansätze und Ergebnisse beschrieben und die grundsätzlichen Probleme aufgezeigt werden, um vor diesem Hintergrund das metho‐ dische Vorgehen der Studie zu begründen. Ein Überblick über die An‐ lage der Arbeit schließt den einführenden Hauptteil ab (Kap. I. 3.).
Stand der Forschung und methodische Grundlegung
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2. Stand der Forschung und methodische Grundlegung 2.1. Das Phänomen der Schriftauslegung Der Begriff der innerbiblischen Exegese bzw. der innerbiblischen Schriftauslegung bezeichnet „das Gesamtphänomen der Fortschrei‐ bungstätigkeit, bei der vorgegebene biblische Texte – aus dem näheren oder weiteren Kontext – ausgelegt und aktualisiert werden.“2 Diese De‐ finition von U. BECKER (2005) steht am Ende eines längeren forschungs‐ geschichtlichen Prozesses, in dem zunehmend erkannt worden ist, dass die Schriften des Alten Testaments das Ergebnis literarischer Wachs‐ tumsprozesse sind, in denen die Schrift sich selbst auslegt. Voraus‐ setzung dafür, dass die Schriftauslegung überhaupt in den Blickpunkt der Forschung rückte, war eine entscheidende Wende in der Einord‐ nung und Bewertung der biblischen Bücher.3 Schon die kritische For‐ schung des 19. Jh.s. stellte fest, dass es eine Nachgeschichte der Texte innerhalb des Alten Testaments gibt. Allerdings wurden die ergänzen‐ den Fortführungen als das Werk von Epigonen theologisch abqualifi‐ ziert, während das Interesse allein dem „Ursprünglichen“ galt, wie der literarischen Quelle im Pentateuch oder den ipsissima verba der Pro‐ pheten.4 Die kritische Exegese sah ihre Aufgabe oft mit dem Erweis der Sekundarität getan, ohne jedoch das ergänzte Material auf seinen theo‐ logischen Gehalt und seinen literarischen Zusammenhang mit dem Grundbestand hin zu befragen. Mitte des 20. Jh.s. fand dann ein Umbruch statt, durch den die sekundären Stücke in ihrer Funktion als literarische Nachinterpretation in den Blick rückten. Von großer Bedeutung für die deutschsprachige Wissenschaft war der Aufsatz von I.L. SEELIGMANN über die „Voraus‐ setzungen der Midraschexegese“ (1953), in dem dieser bereits inner‐ halb des Alten Testaments mit den Midraschim vergleichbare Interpre‐ 2
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BECKER, Exegese, 88. Zur Definition von innerbiblischer Exegese vgl. auch KRATZ, Exegese, 126‐128. Nach wie vor fehlt ein aktueller Lexikonartikel zum Phänomen der Schriftauslegung im Alten Testament. So setzt der entsprechende TRE‐Artikel mit der Schriftauslegung im Judentum ein und es wird nur im ersten Absatz darauf hin‐ gewiesen, dass die Schriftauslegung bereits ein wichtiger Faktor in der Entstehung der Bibel selbst ist (vgl. STEMBERGER, Art. Schriftauslegung, 442). Die RGG enthält dagegen in der dritten Auflage einen kurzen Artikel zur Schriftauslegung, der in einem Unterabschnitt auf das Alte Testament eingeht. In der vierten Auflage sucht man allerdings vergebens, da ein entsprechender Artikel fehlt und unter dem Stich‐ wort „Schriftauslegung“ lediglich auf die Einträge „Bibelwissenschaft“, „Exegese“ und „Hermeneutik“ verwiesen wird. Zur Forschungsgeschichte vgl. SCHMID, Schriftauslegung, 1‐22. Vgl. dazu die programmatische Darstellung bei HERTZBERG, Nachgeschichte, insbes. 110‐112.120f.
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Thema und Fragestellung
tationsvorgänge nachwies. Er stellte deshalb die These auf, dass sich die Anfänge der jüdischen Exegese organisch aus der Eigenart der biblischen Literatur entwickelt hätten.5 Damit wurde das ergänzte Ma‐ terial erstmals explizit als interpretierende Zusätze charakterisiert, die einen produktiven Faktor in der literarischen Formierung des Alten Testaments darstellen. In der Folgezeit rückten die sekundären Nach‐ interpretationen immer mehr in das Interesse der Forschung. So prägte W. ZIMMERLI in seinen Arbeiten zum Ezechielbuch (1969ff.) den Begriff der „Fortschreibung“ für literarische Erweiterungen, die den Aussage‐ gehalt des vorgegebenen Grundwortes neu entfalten wollen, so dass es zu einer sukzessiven Anreicherung eines literarischen Kernelementes kommt.6 Neben die Erkenntnis, dass die Sekundarität vieler Stücke über das Modell der Auslegung zu erklären ist, trat auch die Einsicht, dass sich das Phänomen nicht nur auf einzelne Glossen und Einzeltextfort‐ schreibungen beschränkt. Vielmehr zeigte es sich, dass das sekundäre Material einen erheblichen Anteil der alttestamentlichen Schriften aus‐ macht, und dem Phänomen der Schriftauslegung von daher auch Bedeutung für text‐ und sogar buchübergreifende Zusammenhänge zukommt. So beschrieb M. HENGEL (1994) die Zeit des Zweiten Tem‐ pels als eine Epoche der „Schriftwerdung“ und „Schriftauslegung“ und betonte dabei, dass die Entstehung des Kanons als das Produkt eines vielfältigen Auslegungsprozesses zu verstehen sei.7 Die innerbiblische Schriftauslegung gewann aber vor allem darin ihre Bedeutung für die alttestamentliche Wissenschaft, dass Redak‐ tionsvorgänge im Wachstum der einzelnen Bücher als Rezeptions‐ geschichte verstanden wurden.8 In besonderem Maße betrifft das die Prophetenbücher, aus deren Erforschung die leitenden Impulse für das Verständnis des Phänomens gewonnen wurden. Die Sonderstellung der Prophetenbücher erklärt sich aus dem speziellen Zeitbezug des prophetischen Wortes,9 das schon im Werden der alttestamentlichen 5 6
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Vgl. SEELIGMANN, Voraussetzungen, 151. Vgl. ZIMMERLI, BK, 106*. Zu einer programmatischen Auswahl von Beispielen vgl. DERS., Phänomen, 176‐190, sowie insgesamt ZIMMERLIS zweibändigen Kommentar (1969) zum Ezechielbuch. Vgl. HENGEL, Schriftauslegung, 8. Vgl. dazu STECK, Überlieferung, 95, und KRATZ, Art. Redaktionsgeschichte, 370. Zur Verbindung von innerbiblischer Exegese und Redaktionsgeschichte vgl. insgesamt KRATZ, Exegese, 150‐156, sowie zu Rezeptionsforschung und alttestamentlicher Exe‐ gese DOHMEN, Rezeptionsforschung, insbes. 129‐134. Vgl. dazu ZIMMERLI, Prophetenwort, 481‐496; VON RAD, Theologie II, 51f.; HERMIS‐ SON, Zeitbezug, 96‐110; STECK, Prophetenauslegung, 149‐156, und KRATZ, Redaktion, 22f.
Stand der Forschung und methodische Grundlegung
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Schriften als Gotteswort für diese und alle künftigen Zeiten verstanden wurde (vgl. Jes 8,16‐18 und 30,8). So zeigt die Fortschreibung vorlie‐ gender Texte durch sekundäre Ausdeutungen, dass sich die Verfasser dieser Zusätze der historischen Bedingtheit des vorgegebenen Prophe‐ tenwortes durchaus bewusst waren. Zugleich aber müssen sie mit einer absoluten Gültigkeit des Wortes gerechnet haben, da sie keinen neuen Text verfasst haben, sondern den alten unter dem Eindruck einer ver‐ änderten geschichtlichen Erfahrung neu interpretiert haben.10 Nicht das ältere, vorhergehende Prophetenwort erweist sich als erklärungsbe‐ dürftig, sondern das in ihm enthaltene Sinnpotential muss für die aktu‐ elle historische Situation entfaltet werden. Prophetie in diesem Sinne ist Geschichtsdeutung: In der interpretierenden Fortschreibung älterer Prophetenworte in demselben Buch oder über Buchgrenzen hinweg wird die Zeiterfahrung in ein übergreifendes Geschichtsbild einer gott‐ gewirkten Geschichte eingeordnet. Die Deutungskategorien für diese gesamte Geschichte sind im prophetischen Wort bereits offenbart, das in seiner schriftlichen Gestalt aber immer wieder neu ausgelegt werden muss und dabei literarisch produktiv wird.11 Eine umfassende typologisierende Behandlung des von ihm als „innerbiblical exegesis“12 bezeichneten Phänomens hat M. FISHBANE in seiner Studie „Biblical Interpretation in Ancient Israel“ (1985) unter‐ nommen. Seine Einteilung der verschiedenen Ausprägungen differen‐ ziert zwischen Auslegungsvorgängen im Bereich der Textüberlieferung (Scribal Comments and Corrections), der Gesetzesliteratur (Legal Exegesis), der erzählenden (Aggadic Exegesis) und der prophetischen Literatur (Mantological Exegesis). Jüngst hat R.G. KRATZ (2004) vorgeschlagen, das unterschiedliche Material nach äußeren Kriterien zu ordnen und unter‐ scheidet zwischen Kommentar, Zitat und Nachschrift, Textüberliefe‐ rung und Übersetzung sowie dem Phänomen der Redaktion.13 Trotz der vielen weiterführenden Arbeiten, die in den letzten Jahren entstanden sind,14 bleibt die Erhellung der innerbiblischen Re‐ zeptionsvorgänge die Aufgabe, die der gegenwärtigen Propheten‐ forschung aufgegeben ist, und an deren Anfang sie sich noch befindet. Mit der Frage nach der Schriftauslegung im Ezechielbuch wird die ak‐ tuelle Forschungsdiskussion in der vorliegenden Studie aufgenommen. 10 Vgl. dazu STECK, Prophetenauslegung, 151 u.ö., der von einer „Metahistorie“ in den überlieferten Prophetenworten spricht. 11 Vgl. dazu auch das Verständnis des Prophetenwortes im Habakukpescher 1QpHab II,9f.: „Worte seiner Knechte, der Propheten, durch die Gott alles verkündet hat, was über sein Volk und sein Land kommen wird.“ 12 FISHBANE, Interpretation, 10‐13 u.ö. 13 Vgl. KRATZ, Exegese, 128. 14 Siehe dazu den Forschungsüberblick bei SCHMID, Schriftauslegung, 14‐18.
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Thema und Fragestellung
Die Schriftauslegung kommt dabei unter einem doppelten Aspekt in den Blick, der durch den spezifischen Verweischarakter der Texte im Ezechielbuch vorgegeben ist: So sind die Einzeltexte zuerst als Fort‐ schreibung des näheren literarischen Kontextes literarkritisch und redaktionsgeschichtlich zu analysieren, ehe in einem zweiten Schritt zu untersuchen ist, inwieweit im jeweiligen Einzelfall literarische Vorla‐ gen aus anderen Buchteilen bzw. anderen Büchern15 zitiert und verar‐ beitet werden. Es bietet sich deshalb an, im Folgenden zwischen den literarischen Referenzbereichen zu unterscheiden, auf die die Auslegungsvorgänge bezogen sind. Da sich die Arbeit auf die Heilsprophetien in Ez 34‐39 konzentrieren wird, sind die Anspielungen und Nachinterpretationen innerhalb dieses Buchabschnittes in der literarkritischen Analyse bzw. im Rahmen der redaktionsgeschichtlichen Einordnung des jeweiligen Einzeltextes zu behandeln. Von diesen „selbstreferentiellen“ Ausdeu‐ tungen sind Auslegungsvorgänge zu unterscheiden, die sich auf Texte und Motive außerhalb dieses Textbereiches beziehen und ein „Fremd‐ zitat“ darstellen. Auch wenn es sich dabei in beiden Fällen um Spielar‐ ten innerbiblischer Exegese handelt, soll der Begriff der innerbiblischen Auslegung im Folgenden nur mit Blick auf literarische Vorlagen außer‐ halb von Ez 34‐39 verwendet werden, da dies zur klareren Abgrenzung der unterschiedlichen Referenzbereiche beiträgt. 2.2. Das Ezechielbuch in der kritischen Forschung In seiner überlieferten Gestalt will das Ezechielbuch der durchgehende Selbstbericht des Propheten Ezechiel, Sohn des Busi (Ez 1,3), sein, der in der Zeit der ersten Deportation von 597 v. Chr. unter den Exulanten 15 Wenn im Folgenden nicht nur für die literarische Endgestalt der alttestamentlichen Schriften, sondern auch für bestimmte Abschnitte oder einzelne literarische Vor‐ stufen der Buchbegriff verwendet wird, versteht sich von selbst, dass hier nicht die moderne Definition des Buches als geschlossenes Autorenwerk vorausgesetzt wird. So ist zuerst zu berücksichtigen, dass es sich bei der literarischen Produktion in alt‐ testamentlicher Zeit um Schriftrollen gehandelt hat, deren spezifische Eigenschaften das Phänomen der Fortschreibung begünstigt haben (zu den materialen und litera‐ tursoziologischen Bedingungen vgl. SCHMID, Buchgestalten, 35‐43). Die alttestament‐ lichen Autoren werden zudem eine andere Auffassung dessen gehabt haben, was ein literarisches Werk ausmacht, so dass mit BARTON allererst zu fragen ist: „What is a Book?“ (vgl. BARTON, Book, 1). Mit diesen Einschränkungen gibt es aber nicht nur im Fall des Ezechielbuches, sondern auch generell Hinweise darauf, dass die alttesta‐ mentlichen Schriften keine Ansammlungen disparaten Textmaterials sind, sondern schon in ihrer Entstehungszeit als gegliederte (Sinn‐)Einheiten wahrgenommen wur‐ den; dies rechtfertigt m. E. die Verwendung des Buchbegriffes (vgl. dazu auch die methodischen Impulse von STECK, Überlieferung, insbes. 93ff.).
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in Babylon wirkt. Trotz seiner Situierung im Exil richten sich mehrere Reden des Propheten an Israel im Land, so dass ein doppelter Adres‐ satenkreis entsteht. Das Buch fällt vor allem durch seinen einheitlichen Stil und die planvolle Gestaltung auf. Es ist bis auf die beiden Ausnah‐ men in Ez 1,3 und 24,24 durchgehend als Selbstbericht in Ich‐Form geschrieben, der durch das durchlaufende Datierungssystem (Ez 1,1f.; [3,16];16 8,1; 20,1; 24,1; 26,1; 29,1.17; 30,20; 31,1; 32,1.17; 33,21; 40,1) den Charakter einer Biographie erhält. Der geschlossene Aufbau des Be‐ richtes wird durch die Typisierung der Sprache unterstrichen, die zu einer epischen Breite der mit einer Vielzahl von Formeln gegliederten Redepassagen neigt. Drei große Visionsblöcke (Ez 1‐3; 8‐11; 40‐48), eine weitere Vision in Ez 37,1‐14, sowie mehrere Zeichenhandlungen (vgl. z. B. Ez 4,1‐5,4; 37,15‐19), Bildreden (Ez 15; 17; 19; 34 u.ö.) und Ge‐ schichtsrückblicke (Ez 16; 20; 23) strukturieren das Buch. Durch diese kompositionelle Gestaltung ergibt sich ein Aufbau nach dem sogenannten dreigliedrigen eschatologischen Schema, das sich auch in anderen Prophetenbüchern findet:17 Der erste Teil (Kap 1‐ 24) umfasst Gerichtsprophetie, in der Ezechiel die Zerstörung Jerusa‐ lems von 587 v. Chr. voraussagt, und deren Erfüllung durch den Be‐ richt über den Anmarsch des Königs von Babel in 24,1f. besiegelt wird. Der Mittelteil (Kap. 25‐32) besteht aus Fremdvölkerorakeln, die die Ein‐ nahme der Stadt zeitlich und örtlich überbrücken, während der dritte Teil mit dem Eintreffen der Nachricht vom Fall Jerusalems (Ez 33,21) einsetzt und Heilsprophetie für Volk, Stadt und Land enthält. Inner‐ halb dieses Abschnittes stellt der sogenannte „Verfassungsentwurf“18 in Ez 40‐48 eine eigenständige Größe dar, während Kap. 33 eine Reihe von Texten enthält, die zu den eigentlichen Heilsworten in Ez 34‐39 überleiten. Ein System von internen Vernetzungen und expliziten Rückbezügen durchzieht das gesamte Buch, so dass die Heilsprophe‐ tien auf die vorhergehenden Unheilsansagen bezogen sind. Der eingangs beschriebene Forschungsumbruch,19 durch den die literarische Nachinterpretation in den Blick rückte, führte in der Pro‐ phetenforschung zu einer Verlagerung des Fokus weg von der Frage nach dem historischen Propheten hin zum schriftlich vorliegenden Prophetenbuch. Es ist inzwischen weitgehend Konsens der Forschung, 16 Ez 3,16 weicht darin von den übrigen Datierungen ab, dass die Angabe keine voll‐ ständige Datumsangabe, sondern nur eine einfache Tagesangabe enthält. 17 Vgl. das Protojesaja‐, das LXX‐Jeremia‐ und das Zephanjabuch. 18 Der Begriff „Verfassungsentwurf“ hat sich in der Forschung als Bezeichnung für die Kapitel 40‐48 etabliert. Er geht zurück auf den Habilitationsvortrag von A. BERTHO‐ LET (1896); vgl. BERTHOLET, Verfassungsentwurf, IIIf.3 u.ö. 19 Vgl. dazu o. Kap. I. 2.1.
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dass die Worte in den prophetischen Büchern nur zu einem geringen Teil auf einen historischen Propheten zurückzuführen sind.20 Vielmehr müssen die Bücher als das Produkt eines langen und vielschichtigen Wachstumsprozesses gelten. Im Falle des Ezechielbuches setzte die historisch‐kritische Forschung allerdings erst relativ spät ein und bis heute ist dieser Zugang nicht unumstritten.21 Dies ist in erster Linie durch die planvolle Gestaltung des Buches zu erklären, die ein einheit‐ liches, biographisches Verständnis nahe legt. So urteilt schon C.H. COR‐ NILL in seiner Einleitung in das Alte Testament (1892): „Wenn irgend ein Buch des AT den Stempel der A u t h e n t i e an der Stirne trägt und uns noch in der Gestalt vorliegt, in welcher es aus der Hand seines Ver‐ fassers hervorgieng, so ist es das Buch Ez. Kein anderes ist eine so grossartig angelegte und so klar durchgeführte planvolle Einheit, kein anderes zeigt so vom ersten bis zum letzten Buchstaben dieselbe Hand, denselben Geist, dieselbe scharf ausgeprägte Individualität ...“.22 So steht man vor der paradoxen Situation, dass das Ezechielbuch zwar das Buch ist, an dem ZIMMERLI mit der Fortschreibung ein grundlegen‐ des Phänomen der literarischen Nachinterpretation entdeckte, es aber im Gegensatz zu den anderen großen Prophetenbüchern aufgrund der scheinbaren Geschlossenheit immer wieder Spekulationen über seine literarische Einheitlichkeit hervorgerufen hat. Das exegetische Hauptproblem des Buches stellt daher die Ein‐ ordnung seiner planvollen Kompositionsgestalt dar. Dabei stehen sich in der Forschungsgeschichte im Wesentlichen zwei methodische Zu‐ gänge zum Buch gegenüber, die auch die gegenwärtige Exegese be‐ stimmen. Die Vertreter der ersten Position wählen einen „synchronen“ Zugang zum Buch und führen es als literarische Einheit in toto auf 20 Vgl. STECK, Prophetenauslegung, 138‐145, und KRATZ, Redaktion, 9‐27. 21 Zur Forschungsgeschichte allgemein vgl. ZIMMERLI, BK, 4*‐12*; LANG, Ezechiel, 1‐17; SIMIAN, Nachgeschichte, 18‐58, und POHLMANN, ATD, 23‐27; mit Blick auf Ez 25‐32 FECHTER, Bewältigung, 3‐16.16‐19; zu Person und Wirken Ezechiels FEIST, Ezechiel, passim; unter besonderer Berücksichtigung von Ez 40‐48 RUDNIG, Heilig, 5‐28; im Hinblick auf die Textgeschichte SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 1‐38. Die aktuellste und umfassendste Darstellung liegt mit dem dreiteiligen Forschungsbericht von POHLMANN vor; vgl. POHLMANN, Forschung, 60‐90.164‐191.265‐309; POHLMANN hat 2008 auch einen ausführlichen Forschungsbericht mit dem Titel „Ezechiel: Der Stand der theologischen Diskussion“ (Darmstadt 2008) vorgelegt, der für die Drucklegung dieser Arbeit aber nicht mehr berücksichtigt werden konnte; vgl. den entsprechen‐ den Nachtrag im Literaturverzeichnis. 22 CORNILL, Einleitung2, 170. Allerdings hat CORNILL seine Einschätzung in den späte‐ ren Auflagen seiner Einleitung modifiziert; vgl. CORNILL, Einleitung7 (1913), 184: „Nur müssen wir uns seine Entstehung anders denken, als bisher geschah. Es ist nicht ein in Einem großen Zug ausgeführter architektonischer Aufbau, sondern eine Sammlung von kleinen und kleinsten Einheiten, die Ez selbst in langandauernder unablässiger Arbeit vielfach nach religiös‐praktischen Gesichtspunkten herstellte.“
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einen Verfasser zurück. Diese Einheitshypothese dominierte die For‐ schung bis zum Ende des 19. Jh.s. und hat ihren herausragenden Vertreter in R. SMEND sen., der das Ezechielbuch in seinem Kommentar von 1880 (KEH) dem Propheten Ezechiel zuschreibt. Das Buch sei „ein in sich geschlossenes Ganzes, eine schriftstellerische Einheit, in der Ez. am Abend seines Lebens seine Gesammtauffassung der damaligen La‐ ge Israels wie seiner Vergangenheit und Zukunft niedergelegt hat.“23 Gegenwärtig wird diese Position von M. GREENBERG vertreten, der in seinem auf drei Bände angelegten Kommentar (AncB 1983/1987) einen holistischen Zugang („holistic interpretation“24) wählt und den histori‐ schen Propheten als Autor und Editor seines eigenen Werkes versteht. Dabei argumentiert er ähnlich wie SMEND mit der durchdachten Komposition des Buches: „Since the art and design of the oracles in the Book of Ezekiel show a characteristic configuration of features ..., it does not seem naive or implausible to suggest that an individual authorial mind and hand are responsible for them.”25 Beeinflusst durch GREENBERG verfolgt auch D.I. BLOCK in seinem zweibändigen Kom‐ mentar (NICOT 1997/98) einen holistischen Ansatz.26 Die sprachliche und kompositionelle Einheitlichkeit des Buches ist nicht nur als Argument für die Verfasserschaft des Propheten heran‐ gezogen worden, sondern sie hat auch immer wieder Vermutungen hervorgerufen, hier könne es sich um Pseudepigraphie handeln. Neben den Arbeiten von L. ZUNZ (1873)27 und C.C. TORREY (1930)28 ist hier vor allem J. BECKER (1982) zu nennen, der das Buch als pseudepigraphische Schrift eines späten Schriftgelehrten aus dem 5. Jh. betrachtet. Es han‐ dele sich um ein „Prophetenbuch aus der Retorte, das von vornherein und ausschließlich den Exilspropheten Ezechiel zeichnen will.“29 23 SMEND, KEH, XVI. 24 GREENBERG, AncB, 18; zu GREENBERGS grundsätzlichen Bedenken gegenüber der literar‐ und redaktionskritischen Methode siehe auch DERS., Criteria, 130‐135. 25 GREENBERG, AncB, 396. 26 Vgl. BLOCK, NICOT I, 24 Anm. 33: „I follow Greenbergʹs more holistic approach.” 27 ZUNZ, Bibelkritisches, 241, kommt zu dem Urteil: „Der Name Ezechiel ist erdichtet; den Verfasser dieses Prophetenbuches kennen wir nicht“ und datiert das Werk dieses unbekannten Verfassers in die Zeit zwischen 440‐400 v. Chr. (vgl. ZUNZ, a.a.O., 241f.). 28 Nach TORREY ist das Ezechielbuch auf einen Jerusalemer Propheten priesterlichen Ranges zurückzuführen, der das Buch um 230 v. Chr. verfasst hat, wobei es der Fik‐ tion nach als Prophetie von 663 v. Chr. verstanden werden sollte (vgl. TORREY, Pseu‐ do‐Ezekiel, 71ff.98f.112f.). 29 BECKER, Erwägungen, 138; die Position liegt derzeit nur in Form einer kurzen Ab‐ handlung vor. Vgl. ebenso U. FEIST (1995), der in einer Durchsicht der Forschungsge‐ schichte zu dem Ergebnis kommt, dass das Buch „als ein bewußt stilisiertes und eben fingiertes ‘Prophetenbuch’“ eines späteren Verfassers „ein Übergangsstadium
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BECKER begründet seine Position wie auch die Vertreter, die das Buch in Gänze auf den Propheten zurückführen, mit der sprachlichen und kompositionellen Einheitlichkeit des Buches, das deshalb entweder vom Propheten selbst stammen müsse oder ein Pseudepigraphon sei; da aber unbestreitbar einiges nicht vom historischen Ezechiel verfasst sein könne, sei mit einer am Schreibtisch entstandenen „Propheten‐ interpretation“ zu rechnen.30 Diesen einheitlich orientierten Ansätzen steht eine Forschungsrich‐ tung gegenüber, die mit einem literarischen Wachstum des Buches rechnet und die kompositionelle Gesamtanlage auf einen oder mehrere Redaktionsvorgänge zurückführt. Dabei differieren die verschiedenen Modelle vor allem darin, dass der Anteil der Redaktion gegenüber dem Anteil des historischen Propheten unterschiedlich bestimmt wird. Der Beginn der kritischen Forschung am Ezechielbuch ist mit dem Namen von J. HERRMANN verbunden, der 1908 in seinen „Ezechielstudien“ die These aufstellt, dass das Buch kein zusammenhängendes literarisches Erzeugnis sei, „sondern eine Sammlung von kleineren, selbständigen Abschnitten, genau wie Jes und Jer“.31 Der Prophet Ezechiel selbst gilt ihm als Sammler und Hauptredaktor des Buches, allerdings will er auch weitere Redaktionen und die Existenz weniger nichtezechieli‐ scher Stücke nicht ausschließen.32 In der Nachfolge HERRMANNS ent‐ standen mehrere Arbeiten, die den überwiegenden Anteil des Buches auf den Propheten zurückführen und mit redaktioneller Nacharbeit teils noch durch den Propheten selbst, teils durch Spätere rechnen. An dieser Stelle sind die Kommentare von G. FOHRER (HAT 1955), W. EICHRODT (ATD 1959/1969) sowie B. LANGS Studie „Kein Aufstand in Jerusalem“ (1981) zu erwähnen. Als epochemachend für diesen An‐ satz erwies sich aber der zweibändige Kommentar von W. ZIMMERLI (BK 1969), der den redaktionellen Anteil des Buches vor allem einem Lehrhaus‐Betrieb zuschreibt und die Schule Ezechiels für die heute vorliegende Gestalt des Ezechielbuches verantwortlich macht.33 Aller‐ dings stellt er auch fest, dass die Grenzen zwischen Einzeltextfort‐ schreibung und Gesamtredaktion fließend sind: „Zunächst fehlt es
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zu eigentlicher apk Literatur“ darstelle (FEIST, Ezechiel, 223). In jüngerer Zeit hat K. SCHÖPFLIN in ihrer 2002 erschienenen Habilitationsschrift „Theologie als Biogra‐ phie im Ezechielbuch“ die Frage der Pseudepigraphie neu aufgegriffen. Sie weist den literarischen Charakter des Buches als autobiographische Fiktion nach (vgl. SCHÖPFLIN, Theologie, 345), wobei sie allerdings mit einem literarischen Wachstum des Buches rechnet; vgl. zu ihrer Studie auch u. Kap. I. 2.3. Vgl. BECKER, Erwägungen, 139. HERRMANN, Ezechielstudien, 4. Vgl. HERRMANN, Ezechielstudien, 4‐8.61‐63. Vgl. ZIMMERLI, BK, 109*.
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nicht an einigen, wenn auch spärlichen Wahrnehmungen, die deutlich machen, daß der Prozess der G e s a m t r e d a k t i o n nicht säuberlich von dem Vorgang der ‘Fortschreibung’ und der Nachinterpretation der ein‐ zelnen Redeeinheiten getrennt werden kann.“34 Im Gegensatz zu diesen eher konservativ orientierten Zugängen zum Buch gibt es eine Anzahl von Arbeiten, die redaktionsgeschicht‐ lich angelegt sind und eine ipsissima vox des Propheten nur noch an wenigen Stellen zu erkennen glauben. Hier ist an erster Stelle der Ent‐ wurf von G. HÖLSCHER „Hesekiel – Der Dichter und das Buch“ aus dem Jahr 1924 zu nennen. HÖLSCHER kritisiert, dass HERRMANN auf halbem Wege stehen geblieben sei, indem er dem Propheten selbst den hauptsächlichen Anteil an der vorliegenden Komposition zugeschrie‐ ben habe.35 Nach HÖLSCHER ist der Prophet im Wesentlichen Dichter, dessen Gedichte und Visionen nur den Kern des Buches bildeten, wäh‐ rend die prosaischen Stücke des Buches sowie seine erstmalige Zusam‐ menstellung das Werk eines jüngeren Redaktors seien.36 Ebenso rech‐ net V. HERNTRICH in seiner Studie „Ezechielprobleme“ (1932) mit einer erheblichen redaktionellen Nacharbeit, durch die er auch das Problem der doppelten Adressatenschaft erklären will. Danach sei der histo‐ rische Prophet Ezechiel im Jerusalem der letzten Jahre vor der Zerstö‐ rung von 587 v. Chr. aufgetreten. Ein im Exil wirkender Redaktor, dessen Ziel es unter anderem gewesen sei, „der Golah Jojachins die geistige Führung des exilischen Israels zu sichern“,37 habe seine Pro‐ phetie in ein babylonisches Gewand gebracht und so die exilische Situ‐ ierung geschaffen.38 Die Frage der Lokalisierung des Propheten be‐ schäftigt die Forschung bis heute und mehrere Exegeten gehen im Gefolge von HERNTRICH von einer zeitweisen Wirksamkeit Ezechiels in Jerusalem aus.39 Während HÖLSCHER und HERNTRICH noch mit einem größeren Be‐ stand an Worten des historischen Propheten im Buch rechnen, tritt die ipsissima vox in den jüngeren redaktionsgeschichtlichen Entwürfen fast ganz hinter die Redaktion zurück. So reduziert J. GARSCHA in seiner Untersuchung von Ez 1‐39 („Studien zum Ezechielbuch“ 1974) den An‐ 34 35 36 37 38 39
ZIMMERLI, BK, 109f.* Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 3. Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 5f. HERNTRICH, Ezechielprobleme, 128. Vgl. HERNTRICH, Ezechielprobleme, 124‐130. So z. B. BERTHOLET, HAT, XIV: „Demgegenüber ist im vorliegenden Kommentar der Versuch gemacht, seine Verkündigung aus der A n n a h m e e i n e s d o p p e l t e n , t e i l s j e r u s a l e m i s c h e n , t e i l s e x i l i s c h e n , W i r k u n g s f e l d e s H e s ʹ heraus zu verstehen.“ Vgl. zu diesem Problem auch die Überblicke bei FOHRER, Hauptpro‐ bleme, 8‐23, und LANG, Ezechiel, 8‐12.
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teil des historischen Propheten auf etwa 12 Verse in Ez 17,1‐10* und 23,1‐25*.40 Diese Texte seien zusammen mit anderen vorliegenden Überlieferungen in Kap. 19*; 23*; 24* und 31* die Basis für ein Prophe‐ tenbuch, das um 500 v. Chr. von einem unbekannten Autor zusam‐ mengestellt worden sei.41 In der Folgezeit habe dieses Buch mehrere Überarbeitungen erfahren, wobei GARSCHA eine „deuteroezechieli‐ sche“ Redaktion identifiziert, die zwischen 400 und 350 v. Chr. die An‐ sprüche der Gola in das Buch eingetragen habe.42 T. KRÜGER geht in seiner Monographie „Geschichtskonzepte im Ezechielbuch“ (1989) auch der bei GARSCHA erneut thematisierten Frage der Golaorientie‐ rung nach. Ausgehend von seiner Analyse der Geschichtsentwürfe im Ezechielbuch (Ez 5,5‐17; 16,1‐43 und 23,1‐10; 20) entwickelt er ein ei‐ genes Entstehungsmodell für das Buch. Danach lägen die Worte des im babylonischen Exil befindlichen Propheten zuerst in älteren Sammlun‐ gen vor, die in ihrer Perspektive auf ganz Jerusalem/Israel gerichtet seien.43 Dieses vorliegende Material sei dann nach dem Wirken des Propheten durch eine die Gola favorisierende Redaktion in einem „älteren Ezechielbuch“ verarbeitet worden, das im Grundbestand von Ez 1‐24/33‐37 enthalten sei.44 Gegenwärtig existiert mit dem Kommentar von K.‐F. POHLMANN nur ein einziges für das gesamte Buch ausgearbeitetes redaktionsge‐ schichtliches Modell (ATD 1996/2001); die Kommentierung der Kap. 40‐48 hat dabei T.A. RUDNIG45 übernommen. POHLMANN greift in den Fragen der Golaorientierung und der ältesten Texte auf Impulse seiner Vorgänger zurück, orientiert sein Entstehungsmodell aber auch an dem theologiegeschichtlichen Befund im Jeremiabuch.46 Grundlage seines Modells ist eine ältere Klagensammlung mit Bildworten zum Untergang des judäischen Königtums in der Abfolge Ez 19*; 31* und 15*.47 Die Interpretation dieser Klagen als proleptisch habe noch in exilischer Zeit zur Entstehung eines Prophetenbuches geführt, das sich 40 Vgl. GARSCHA, Studien, 44.63.286‐288. 41 Vgl. GARSCHA, Studien, 284‐286.288‐294. 42 Zu GARSCHAS Entstehungsmodell insgesamt vgl. GARSCHA, Studien, 283‐315; zu der von ihm angenommenen deuteroezechielischen Schicht vgl. GARSCHA, a.a.O., 122‐ 131.294‐303. 43 Vgl. dazu KRÜGER, Geschichtskonzepte, 394‐464, und zusammenfassend KRÜGER, a.a.O., 464‐471. 44 Zu diesem älteren Ezechielbuch vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 306‐394. 45 RUDNIG hat in Anknüpfung an das von POHLMANN entwickelte Entstehungsmodell auch eine eigene Untersuchung von Ez 40‐48 im Kontext des Buches vorgelegt („Hei‐ lig und Profan“ 2000). 46 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 4. 47 Vgl. POHLMANN, ATD, 36‐39.292‐297.
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an Israel im Land richte.48 Dieses ältere Prophetenbuch sei zunächst durch eine die Gola Jojachins favorisierende Redaktion (ausgehendes 5. Jh. v. Chr.) und danach durch mehrere diasporaorientierte Redaktionen (4. Jh. v. Chr.) bearbeitet worden.49 Im Hinblick auf die Analyse der Heilsprophetien in Ez 34‐39 sind des Weiteren die beiden Monographien von F.‐L. HOSSFELD (1977) und S. OHNESORGE (1991) zu nennen, die zwar keinen Gesamtentwurf zum Ezechielbuch vorlegen, aber mehrere Einzeltextanalysen zu Heilswor‐ ten des Buches vornehmen. HOSSFELD untersucht paradigmatisch „acht in sich abgerundete Makrotexte“50 in Ez 17,11‐24; 22,1‐16; 28,1‐10; 30,1‐ 19; 34,1‐21; 36,16‐38; 37,1‐14 und 38,1‐39,29, um ausgehend von den Resultaten der Einzeltextanalysen die Hypothese eines mehrstufigen Redaktionsprozesses für das Buch zu entwickeln. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass in allen Fällen ein literarischer Kern auf den histo‐ rischen Propheten zurückzuführen sei, der mehrere Fortschreibungen erfahren habe. Diese redaktionelle Nacharbeit systematisiert HOSSFELD in Form von sechs teilweise durchlaufenden Bearbeitungsschichten, die durch unterschiedliche theologische Einflussbereiche gekennzeichnet sind.51 Dagegen orientiert OHNESORGE seine Textauswahl an der Frage, in welchen Texten „Jahwe als derjenige geschildert“ wird, „der an Is‐ rael bzw. den Israeliten gestaltend tätig wird“,52 und legt seiner Unter‐ suchung deshalb die folgenden fünf Texte zugrunde: Ez 11,14‐21; 20,1‐ 44; 36,16‐38; 37,1‐14 und 37,15‐28. Obwohl er ähnlich wie HOSSFELD zu dem Ergebnis kommt, dass jeweils ein Grundwort des Propheten durch nachfolgende Überarbeitungen literarisch erweitert wurde, bleibt er kritisch gegenüber der Annahme von durchlaufenden Bearbei‐ tungsschichten und ordnet die unterschiedlichen Nachinterpretationen deshalb vorwiegend nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten.53 Von Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist schließlich auch die bisher unveröffentlichte Dissertation von P. SCHWAGMEIER 48 49 50 51
Vgl. POHLMANN, ATD, 33‐36. Zu POHLMANNS Entwurf vgl. zusammenfassend POHLMANN, ATD, 22‐39. HOSSFELD, Untersuchungen, 56. Vgl. dazu HOSSFELD, Untersuchungen, 510‐529; siehe auch DERS., Ezechiel, 273. Wäh‐ rend die erste und zweite Schicht noch stark der ezechielischen Vorlage verhaftet seien, sei die dritte Bearbeitung thematisch durch die Heilsbotschaft vom neuen Exodus gekennzeichnet. Die vierte Schicht zeichne sich dagegen durch ihre Bezie‐ hungen zur deuteronomistischen Literatur aus, während die fünfte Verbindungen zur Priestergrundschrift und zum Heiligkeitsgesetz aufweise. Die sechste Bearbei‐ tung zeige Berührungen mit Deuterojesaja und den Psalmen sowie mit nachdeutero‐ nomistischen Partien des Jeremiabuches. 52 OHNESORGE, Jahwe, 1. 53 Vgl. dazu OHNESORGE, Jahwe, 423‐434.
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(2004). Diese grundlegende Studie zur Textgeschichte des Ezechielbu‐ ches beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen der griechischen Überlieferung und dem masoretischen Text, wobei insbesondere der griechische Papyrus 967 im Vordergrund steht.54 Dieser Textzeuge weist eine vom masoretischen Text abweichende Kapitelfolge im Be‐ reich von Ez 36‐39 auf, in der nach SCHWAGMEIER eine gegenüber dem masoretischen Text ältere Form des Buches bewahrt worden ist.55 Die Durchsicht grundlegender Positionen der Forschungsgeschich‐ te hat die Problemkonstellationen deutlich gemacht, denen sich eine literarhistorische Arbeit zum Ezechielbuch zu stellen hat. So ist die Hauptfrage die nach der Beziehung zwischen den Einzeltexten und dem kompositionellen Rahmen.56 Aus der Einheitlichkeit des Buches ist nicht zwangsläufig zu folgern, dass der Entwurf auf nur einen Ver‐ fasser zurückzuführen ist. Vielmehr kann die planvolle Komposition auch das Werk einer oder mehrerer Überarbeitungsschübe sein, deren Interesse gerade darauf zielt, eine sprachlich und kompositionell ein‐ heitliche Struktur zu schaffen. Eine gewisse Skepsis gegenüber den unterschiedlichen Ausprägungen der holistischen oder pseudepigra‐ phischen Hypothese ist schon aus dem Grund geboten, dass die Ein‐ heitlichkeit des Buches hier nicht das Ergebnis der Analyse, sondern bereits ihre Voraussetzung ist.57 Vertreter dieser Positionen übersehen des Weiteren, dass es sich im Ezechielbuch nur um eine scheinbare Einheitlichkeit handelt, da mit den literarischen Problemen des Buches wie Dubletten, Häufungen von Redeformeln oder dem Wechsel von Poesie und Prosa durchaus Indi‐ zien für ein literarisches Wachstum vorliegen. Darüber hinaus weist der Text des Ezechielbuches zahlreiche textkritische Probleme auf; von besonderer Bedeutung für die hier vorgelegte Fragestellung ist dabei das Zeugnis des griechischen Papyrus 967 mit seiner vom masoreti‐ schen Text abweichenden Kapitelfolge. Unabhängig davon, wie diese Differenz auszuwerten ist, stellt doch der textgeschichtliche Befund an sich bereits eine gewichtige Anfrage an die Hypothese dar, das Ezechi‐ elbuch habe von Anfang an als einheitliche Komposition vorgelegen. Er deutet vielmehr auf „wesentlich kompliziertere und länger wäh‐ rende Überlieferungs‐ und Buchgestaltungsprozesse“58 hin. Schließlich legt auch die doppelte Adressatenschaft des Propheten in der vorlie‐ 54 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 42f. 55 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 313‐317. Die These ist davor schon von LUST, Ezekiel, 517‐533, vertreten worden; vgl. dazu u. Kap. II. 4.2. 56 Vgl. POHLMANN, ATD, 26. 57 Vgl. auch die Kritik von RUDNIG, Heilig, 28. 58 POHLMANN, Forschung, 308.
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genden Buchgestalt die Vermutung nahe, dass hier redaktionelle Über‐ arbeitungen stattgefunden haben, in denen die Botschaft des Pro‐ phetenbuches auf verschiedene Adressatengruppen hin aktualisiert worden ist. In diesem Zusammenhang wird insbesondere danach zu fragen sein, welche Bedeutung der Favorisierung der ersten Gola in der Genese des Ezechielbuches zukommt. Ferner kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Pro‐ phet, wenn schon nicht Autor des gesamten Buches, so doch wenigs‐ tens Verfasser des jeweiligen literarischen Grundbestandes in den untersuchten Texten ist.59 Diese Annahme suggeriert bereits ein Vorverständnis dessen, was Prophetie ist und wie ein echtes Prophe‐ tenwort auszusehen hat, und stellt eine unzulässige methodische Eng‐ führung dar. Vielmehr ist als einzig sicherer Ausgangspunkt die über‐ lieferte Buchgestalt zu wählen, die der historischen Quellenlage entspricht. Es ist deshalb eine „Literarkritik eigener Art“60 gefragt, die vom gegebenen Buchganzen aus nach möglichen älteren Überliefe‐ rungsstufen zurückfragt, ohne von vornherein die Einheitlichkeit des Buches oder die Verfasserschaft des Propheten vorauszusetzen. Grundlage der Exegese können dementsprechend nicht die Einzeltexte sein, in denen die ipsissima vox des Propheten gesucht wird, sondern das Buch als schriftliche Überlieferung. An dieser Stelle hat auch der „synchrone“ Zugang zum Buch seine Berechtigung, da jegliche literar‐ und redaktionskritische Analyse auf den Beobachtungen zum Buch‐ ganzen aufbauen muss. Die Exegese darf aber nicht bei der Endgestalt des Buches stehen bleiben, da dies eine Verkürzung der literarischen und theologischen Tiefendimension der Texte bedeutet. Vielmehr müssen sie in ihrer Kohärenz und Inkohärenz wahrgenommen werden und die Auffälligkeiten gegebenenfalls durch literarisches Wachstum erklärt werden. Erst wenn die ältesten Texte des Buches und ihr historischer Ort bestimmt worden sind, kann danach gefragt werden, ob in ihnen die Worte eines historischen Propheten überliefert sind. Letztendlich muss sich die These eines mehrstufigen Entstehungs‐ modells des Buches daran bewähren, ob methodisch Einzeltexte und übergreifende Textzusammenhänge nachzuweisen sind, die verschie‐ denen Entstehungsphasen zugeordnet werden können. Die Klärung 59 An dieser Stelle müssen sich insbesondere jene Entstehungsmodelle Anfragen gefal‐ len lassen, die von vornherein mit einem substantiellen Anteil an authentischen Prophetenworten rechnen und jeden Text auf diesen Grundbestand hin befragen (vgl. neben den älteren, am Propheten orientierten Entstehungsmodellen jüngst auch HOSSFELD und OHNESORGE). 60 STECK, Überlieferung, 81; vgl. auch seine methodologischen Grundimpulse zur Exe‐ gese in den Prophetenbüchern in: STECK, a.a.O., 3‐124. Siehe dazu ferner KRATZ, Redaktion, 11‐13.
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dieser Frage setzt den sorgfältigen Einsatz der historisch‐kritischen Untersuchungsmethoden voraus. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die klassische Literarkritik im Ezechielbuch an ihre Grenzen stößt. Auch wenn viele Redepassagen den Eindruck erwecken, dass sie nicht in einem Zuge entstanden sind, so fehlen doch vielfach noch die Krite‐ rien, um die unterschiedlichen Fortschreibungsschübe in ein Verhältnis zueinander zu setzen.61 Dies sollte jedoch nicht zu einer Absage an die literar‐ und redaktionskritische Methode führen,62 sondern die einzel‐ nen exegetischen Befunde müssen angesichts der planvollen Gestal‐ tung im Ezechielbuch anders gewichtet werden. So kommt der Ten‐ denzkritik eine größere Bedeutung zu, da es in vielen Fällen eine an‐ dere inhaltlich‐theologische Ausrichtung ist, die die Sekundarität eines Textabschnittes anzeigen kann. Die entscheidende Frage ist, ob sich der Themenwechsel im Text sinnvoll durch die Aussageabsicht eines ein‐ zigen Autors erklären lässt oder ob er auf eine veränderte geschicht‐ liche Erfahrung hindeutet, die Anlass für eine sekundäre Nachinter‐ pretation geworden ist. Ebenso ist auch die Formkritik von entscheidender Bedeutung, da gerade die extensive Verwendung von Redeeröffnungs‐ und Beschluss‐ formeln Anzeichen für redaktionelle Nacharbeit sein kann. Mehrere Exegeten haben bereits darauf hingewiesen, dass das Formelgut im Ezechielbuch nicht nur gliedernde Funktion hat, sondern in vielen Fällen dazu dient, sekundäre Ergänzungen an den vorliegenden Text anzuschließen.63 In jedem Fall bedürfen die einzelnen Entscheidungen der Überprüfung durch das gesamte Instrumentarium der text‐, literar‐, form‐ und redaktionskritischen Exegese. Im Idealfall setzen die vorangehenden methodischen Forderungen eine Analyse des gesamten Buches voraus, die aber in dieser Studie nicht durchgeführt werden kann. Es liegt deshalb nahe, die Frage nach innerbiblischer Auslegung auf einen Buchabschnitt zu konzentrieren, wobei sich aus mehreren Gründen die Heilsprophetien in Ez 34‐39 anbieten. So hat zuerst der Forschungsüberblick gezeigt, dass diese Texte als Ganzes bisher noch nicht der Gegenstand einer eigenen Untersuchung gewesen sind; allein die Einzeltextanalysen von HOSS‐ FELD und OHNESORGE bieten in einigen Fällen Anknüpfungspunkte für 61 Vgl. zu dieser Problemanzeige KRATZ, Propheten, 83. 62 Vgl. dazu LANG, Aufstand, 127, der sich in einer Absage an die Modelle von GAR‐ SCHA und ZIMMERLI für einen Rückbezug auf das Entstehungsmodell von FOHRER ausspricht: „So deutet alles darauf hin, daß die literarkritische Arbeit am Ezechiel‐ buch längst noch keine endgültigen Ergebnisse aufzuweisen hat und daß Fohrers Modell nicht einfach überholt ist.“ 63 Vgl. dazu GARSCHA, Studien, 311‐315; HOSSFELD, Untersuchungen, 10‐58, und SCHÖPFLIN, Theologie, 56‐126.
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die Fragestellung. Darüber hinaus bilden die sechs Kapitel einen gut abgegrenzten Abschnitt innerhalb des Ezechielbuches, so dass die methodologischen Prämissen im Folgenden auf diesen Buchbereich angewendet werden können. So kann der Ausgangspunkt der Analy‐ sen nur eine Relieflesung dieses gesamten Textbereiches sein, von der aus nach älteren Wachstumsstufen zurückgefragt wird. Dabei wird in Anknüpfung an die Forschungsdiskussion auch das textgeschichtliche Verhältnis zwischen dem masoretischen Text und dem griechischen Textzeugen Pap. 967 zu klären sein, dessen abweichende Kapitelfolge eine gewichtige Infragestellung für die „sichere“ Ausgangsposition des masoretischen Textes darstellt.64 Erst in einer Gesamtsichtung der sekundären Stücke in Ez 34‐39 wird die Frage zu beantworten sein, ob sich das Wachstum der Heils‐ prophetien im Buch eher über ein am Einzeltext orientiertes Fortschrei‐ bungsmodell (vgl. z. B. ZIMMERLI; OHNESORGE) oder ein (buch‐)redak‐ tionelles Modell (vgl. z. B. GARSCHA; HOSSFELD; POHLMANN) erklären lässt. Die Frage wird sich daran entscheiden, ob die sekundären Stücke in Kap. 34‐39 im Sinne einer auf größere Zusammenhänge gerichteten Redaktion systematisiert werden können oder ob es sich um Fortschrei‐ bungen handelt, die in einer thematischen Weiterführung nur den engeren literarischen Kontext im Blick haben. 2.3. Berührungen mit anderen Büchern In der Geschichte der Ezechielforschung ist bereits mehrfach auf die literarischen Verbindungen bzw. thematischen Nähen hingewiesen worden, die das Ezechielbuch zu anderen alttestamentlichen Schriften aufweist.65 Im Zentrum steht dabei zumeist das Verhältnis zu dem Jeremiabuch, der Priesterschrift und dem Heiligkeitsgesetz. Allerdings ist nach wie vor nicht nur die Auswahl des Bezugmaterials, sondern auch die Deutung der Berührungen zwischen dem Ezechielbuch und anderen Büchern umstritten.66 Bezeichnend für die ältere Forschung ist der Versuch, das Verhältnis zwischen den Texten durch ein einfaches Abhängigkeitsverhältnis zu erklären, wobei die entscheidende Frage ist, welchem der Bücher oder der mit dem Buch verbundenen Per‐ sönlichkeit die Priorität zugesprochen wird. So geht R. SMEND sen. davon aus, dass der historische Prophet Ezechiel durch die „Lecture 64 Vgl. dazu u. Kap. II. 4.2. 65 Siehe dazu FOHRER, Hauptprobleme, 135‐164, und ZIMMERLI, BK, 62*‐79*. Für die Forschung seit 1969 vgl. auch POHLMANN, Forschung, 270‐271. 66 Vgl. dazu nur die unterschiedliche Zusammenstellung des Materials bei SMEND, KEH, XXIV‐XXVIII; FOHRER, Hauptprobleme, 135‐164, und ZIMMERLI, BK, 62*‐79*.
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Thema und Fragestellung
der älteren prophetischen Schriften, namentlich des Amos, Hosea, Jesa‐ ja, Zephanja, vor Allem aber des Jeremia beeinflusst“ sei.67 In Bezug auf das Heiligkeitsgesetz und den Priesterkodex kommt er dagegen zu dem Urteil, dass diese jünger als Ezechiel und zum Teil von diesem her zu verstehen seien.68 Im Folgenden ist nun ein kurzer Überblick über die Arbeiten zu geben, die die Beziehungen zwischen dem Ezechiel‐ buch und anderen Schriften des Alten Testaments behandeln. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den neueren Studien, die sich in der Hauptsache mit dieser Fragestellung beschäftigen und an deren Ergeb‐ nisse die vorliegende Arbeit anknüpfen kann. Von besonderem Interesse ist von jeher die Untersuchung der offenkundigen Bezugnahmen des Ezechielbuches auf das Jeremiabuch gewesen.69 In der älteren Forschung hat die These, dass Ezechiel von seinem Vorgänger sachlich oder sprachlich abhängig sei, weiten An‐ klang gefunden.70 Allerdings ist auch versucht worden, die Parallelen und thematischen Verbindungen zwischen den Büchern auf das ge‐ meinsame zeit‐ und theologiegeschichtliche Umfeld der beiden Pro‐ pheten zurückzuführen.71 G. FOHRER (1952), J.W. MILLER (1955) und W. ZIMMERLI (1969) haben diese Ansätze miteinander kombiniert und gehen davon aus, dass zwischen den einzelnen Verbindungen zu diffe‐ renzieren sei, die sich teils als literarische oder traditionsgeschichtliche Abhängigkeit, teils aber auch durch dasselbe zeitgeschichtliche Umfeld erklären ließen.72 Dagegen will S. HERRMANN in seiner Arbeit über „Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament“ (1965) die Bezie‐ hungen zwischen den beiden Propheten durch eine vergleichbare dtr. 67 68 69 70
SMEND, KEH, XXIV. Vgl. SMEND, KEH, XXVII.314. Vgl. dazu insgesamt den Forschungsbericht bei VIEWEGER, Beziehungen, 4‐15. Bei den Vertretern einer literarischen Abhängigkeit ist COOKE, ICC, xxxi, zu nennen: „One point remains to be noticed: the connexion between Ezekiel and the book of Jeremiah. It is evident that Ezekiel has borrowed from his predecessor many turns of language as well as figures.” Vgl. auch HAAG, Untersuchung, 141: „Daß in literari‐ scher Hinsicht Ez den Einfluß Jrʹs verrät, haben wir gesehen.“ Zur These der münd‐ lichen Abhängigkeit siehe ROBINSON, Prophecy, 151, und DERS., Roll, 218. 71 An dieser Stelle ist z. B. VON ORELLI, KK, 7 zu nennen: „Doch ist nicht mit S m e n d (S. XXIV f.) von ‘Entlehnungen’ aus Jeremia zu sprechen, die sich in großer Zahl bei Ez. fänden, sondern die mannigfachen Berührungen ... erklären sich leicht daraus, daß die beiden Propheten geistesverwandte Zeitgenossen sind, welche über diesel‐ ben Gegenstände zu sprechen haben.“ In ähnlicher Weise kommt auch HERNTRICH, Ezechielprobleme, 130, in Bezug auf die festgestellten Berührungen zu dem Ergeb‐ nis: „Beide Propheten stehen demselben jerusalemer Volk gegenüber, sie reden aus derselben inneren und äußeren Not heraus, sie nehmen zu denselben Äußerungen des Volkes individuell verschieden Stellung.“ 72 Vgl. dazu FOHRER, Hauptprobleme, 138f.; MILLER, Verhältnis, 116‐119, und ZIMMER‐ LI, BK, 69f.*
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Überarbeitung erklären.73 Die Verbindungen seien auf das Prosamate‐ rial in Jeremia zu beschränken, welches auf eine dtr. Schule zurück‐ gehe, die ihren Einfluss auch auf die Endredaktion des Ezechielbuches ausgeübt habe.74 Da sich die vorliegende Arbeit auf die Heilsworte in Ez 34‐39 konzentriert, wird ferner die Monographie von C. LEVIN über „Die Verheißung des neuen Bundes“ (1985) zu berücksichtigen sein. Im Rahmen seiner Untersuchung der Bundestheologie im Alten Testament behandelt er die Texte in Ez 11,14‐21; 36,16‐28; 37,20‐28 und 34,25‐31, in denen er literar‐ und theologiegeschichtlich die „Nachgeschichte“ der jeremianischen Bundesverheißung sieht.75 Ausführlich hat D. VIEWEGER in seiner Studie „Die literarischen Beziehungen zwischen den Büchern Jeremia und Ezechiel“ (1989) die Frage nach den Verbindungen zwischen den beiden Propheten‐ schriften neu aufgenommen. Seine Arbeit setzt es sich zum Ziel, zu erkunden, „welche Bilder, Wendungen, Gedanken oder Themen des Jeremiabuches in der Schrift Ezechiels Aufnahme gefunden haben, in welcher Form dies geschah und wo die Ursachen für eine solche lite‐ rarische Anknüpfung zu finden sind.“76 Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Großteil der Berührungen durch die Rezeption jeremianischer Überlieferung erkläre, die nicht nur auf die Tätigkeit des Propheten Ezechiel, sondern auch auf dessen Schülerkreis zurück‐ zuführen sei. Dabei werde nicht nur „echt jeremianisches“ Gut aufge‐ nommen, sondern auch Material aus dem Schülerkreis Jeremias.77 Zwei Anfragen sind m. E. an VIEWEGERS Vorgehen zu stellen: Zum einen legt er keine methodische Reflexion über den von ihm verwendeten Rezep‐ tionsbegriff zugrunde, so dass unklar bleibt, nach welchen Kriterien er die für die Untersuchung relevanten Texte auswählt und woran sich die Frage einer literarischen Verbindung entscheidet. Zum anderen müssen seine Ergebnisse vor dem Hintergrund der neueren Forschung im Jeremia‐ und im Ezechielbuch neu bewertet werden, da von einem 73 Vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 285. 74 Vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 285.289f. R. LIWAK (1976) hat die These einer dtr. Überarbeitung des Ezechielbuches weiterverfolgt, vgl. LIWAK, Probleme, 2f. In seiner Untersuchung kommt er zu dem Urteil, dass mit einem dtr. überarbeiteten Ezechielbuch zu rechnen sei, dessen Berührungen speziell mit dem Jeremiabuch sich durch die Affinität der Verfasserkreise erklären ließen (vgl. LIWAK, a.a.O., 37.205‐ 219). 75 Vgl. dazu LEVIN, Verheißung, 205‐222. Auch W. THIEL (1977) hat sich bereits mit den Berührungen in der Bundestheologie zwischen dem Jeremia‐ und dem Ezechielbuch beschäftigt, wobei er aber keine direkte Verbindung erkennt, sondern annimmt, dass die Bundestheologie in beiden Büchern durch die dtr. Nacharbeit eingetragen wor‐ den sei (vgl. THIEL, Rede, 26f.). 76 VIEWEGER, Beziehungen, 1f. 77 Vgl. VIEWEGER, Beziehungen, 166‐170.
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längeren literarischen Wachstum der Bücher auszugehen ist, das nicht allein mit der These eines Schülerkreises erklärt werden kann. In Bezug auf das Jeremiabuch ist schließlich noch die Studie von K. SCHÖPFLIN („Theologie als Biographie im Ezechielbuch“ 2002) zu erwähnen, die sich mit der literarischen Komposition des Ezechielbu‐ ches als Prophetenbiographie beschäftigt. In ihrer Analyse der biogra‐ phischen Texte im Bereich von Ez 1‐33 kommt sie zu dem Schluss, dass neben dem Deuteronomistischen Geschichtswerk und dem Deuterono‐ mium vor allem das Jeremiabuch vorausgesetzt sei. Dieses „fungiert auch als Vorbild der (auto)biographischen Anlage, da das Jeremiabuch die Lebensgeschichte seines Titelhelden in einer Mischung aus Selbst‐ und Fremdbericht präsentiert und speziell in den Fremdberichten mit der Schilderung der historischen Ereignisse der Zeit um 587/6 verbin‐ det.“78 Im Blick auf das Deuterojesajabuch hat D. BALTZER in seiner Disser‐ tation „Ezechiel und Deuterojesaja“ (1969) die Berührungen in der Heilserwartung der beiden Propheten untersucht. Die thematischen Nähen in der Verkündigung Ezechiels und Deuterojesajas seien dabei primär auf die ihnen gemeinsame Situation als Exilsprophet zurück‐ zuführen.79 Allerdings will er eine mögliche Beeinflussung Deutero‐ jesajas durch Ezechiel nicht grundsätzlich ausschließen.80 Die Ergebnis‐ se BALTZERS sind vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Texte im Ezechielbuch vermutlich erst in nachexilischer Zeit entstanden ist, neu zu überdenken. In gleicher Weise muss auch für Jes 40‐55 damit ge‐ rechnet werden, dass es sich hier um ein über einen längeren Zeitraum gewachsenes Buch handelt.81 Für die Bereiche der priesterlichen und deuteronomistischen Lite‐ ratur fragt R.L. KOHN in ihrer Studie „A New Heart and a New Soul“ (2002) nach dem Vorhandensein priesterlicher und deuteronomisti‐ scher Termini und Konzepte im Ezechielbuch. Auf der Basis der Unter‐ suchung von mehreren Formulierungen und Vorstellungen, die Eze‐ chiel mit der Priesterschrift bzw. der deuteronomistischen Literatur teilt, kommt sie zu dem Ergebnis, dass der historische Prophet beide Textkorpora bereits voraussetze und sich auf sie beziehe.82 Als Exils‐ prophet habe er vor der Notwendigkeit gestanden, von einem Gott zu sprechen, der sein Volk scheinbar verlassen habe, so dass Ezechiel zur Interpretation von Israels Vergangenheit auf die vorliegenden schrift‐ 78 79 80 81 82
SCHÖPFLIN, Theologie, 352. Vgl. BALTZER, Ezechiel, 178‐183. Vgl. BALTZER, Ezechiel, 179. Siehe dazu z. B. den Forschungsüberblick bei VAN OORSCHOT, Babel, 1‐22. Vgl. KOHN, Heart, 84f.94f.104.
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lichen Quellen zurückgegriffen habe.83 Die Ergebnisse von KOHN ver‐ dienen Beachtung, da sie das literarische Argument in den Vorder‐ grund rückt und eine detaillierte Zusammenstellung inhaltlicher und sprachlicher Parallelen vorlegt. Allerdings bleiben auch hier kritische Anfragen an das Vorgehen zu stellen: Neben der keineswegs unum‐ strittenen Voraussetzung, dass es sich bei Priesterschrift und deutero‐ nomistischer Literatur im Wesentlichen um Texte handele, die exilisch bereits vorliegen, setzt KOHN auch für das Ezechielbuch unhinterfragt die exilische Abfassung durch den historischen Propheten voraus.84 Darüber hinaus vernachlässigt auch sie den Aspekt der Auslegung, indem sie nicht ausführlicher danach fragt, mit welcher Intention die Texte im Einzelfall im Ezechielbuch aufgenommen werden. Der kurze Überblick über die Forschung zeigt, dass die Frage nach Berührungen des Ezechielbuches mit anderen alttestamentlichen Bü‐ chern vor allem von zwei methodischen Grundentscheidungen be‐ stimmt wird: dem vorausgesetzten Entstehungsmodell des Buches und den Kriterien für die Auswertung der vorliegenden Berührungen. Mit wenigen Ausnahmen (vgl. z. B. LEVIN und SCHÖPFLIN) gehen die bis‐ herigen Studien von einem prophetenorientierten Ansatz aus, der die Entstehung des Buches hauptsächlich auf den historischen Propheten und evtl. noch seinen Schülerkreis zurückführt. Dies hat zur Folge, dass die in Frage kommenden Texte vor allem dahingehend beurteilt werden, ob Ezechiel bzw. seine Schule jeweils Zugang zu den Worten der anderen biblischen Autoren gehabt haben können. Auf diese Weise sind die Ergebnisse durch ein Vorverständnis der jeweiligen Prophe‐ tenbiographie beeinflusst, und der textliche Befund wird zum Teil mit Rekurs auf den vorliterarischen Überlieferungsraum erklärt. Die These des vergleichbaren zeit‐ und theologiegeschichtlichen Umfeldes verla‐ gert die Gründe für die Berührungen schließlich komplett in den nicht‐ literarischen Rückraum der Texte. Nach den hier vorgelegten methodischen Erwägungen zur Entste‐ hung des Ezechielbuches entspricht dies aber nicht der tatsächlichen Quellenlage, sondern die Texte begegnen als Bestandteil schriftlicher Überlieferungskomplexe. Es ist deshalb ein literarischer und buch‐ orientierter Ansatz zu wählen, so dass die Berührungen des Ezechiel‐ buches mit anderen Büchern als literarisches Phänomen in den Blick zu nehmen sind. In diesem Zusammenhang muss auch mit der Möglich‐ keit eines längeren literarischen Wachstums sowohl des Ezechielbu‐ ches als auch der anderen Schriften des Alten Testaments gerechnet werden. Unter diesen Voraussetzungen kann nicht von vornherein auf‐ 83 Vgl. KOHN, Heart, 106f. 84 Vgl. KOHN, Heart, 1.
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Thema und Fragestellung
grund des Entstehungsmodells über die literarische Priorität geurteilt werden, sondern es ist jeweils im Einzelfall über das textliche Verhält‐ nis zu entscheiden. Wenn versucht wird, die Verbindungen mit anderen Büchern über das Modell der Schriftauslegung zu erklären, so steht die Analyse vor dem grundlegenden Problem, wie ein rezipierender Text und seine Vorlage überhaupt als solche zu erkennen sind und ihr Verhältnis zu‐ einander bestimmt werden kann. Die Feststellung einer literarischen Abhängigkeit, die mit sprachlichen und inhaltlichen Verbindungen begründet wird (vgl. KOHN), kann dabei nur der erste Schritt sein. Die eigentlich spannende Frage ist aber die, welchem der beiden Texte die Priorität zukommt, und mit welchem spezifischen Interesse er im jüngeren Text ausgelegt wird. Aus diesem Grund muss der sprachliche und inhaltliche Vergleich mit einem Kriterium ergänzt werden, das die Unterscheidung zwischen Vorlage und Auslegung ermöglicht. Das methodische Instrumentarium zur Unterscheidung zwischen älteren und jüngeren Texten im näheren oder weiteren Kontext inner‐ halb eines biblischen Buches ist die Literar‐ und Redaktionskritik. Die Unterscheidung erweist sich aber als ungleich schwieriger, wenn die beiden Texte entweder in verschiedenen Buchteilen oder über Buch‐ grenzen hinweg aufeinander Bezug nehmen. Für diesen Fall hat M. FISHBANE in seiner grundlegende Studie zur innerbiblischen Schrift‐ auslegung (1985) zwei Kriterien entwickelt. Dabei greift er auf die aus der Traditionsgeschichte stammende Unterscheidung von Überliefe‐ rungsgut (traditum) und dem Vorgang der Überlieferung (traditio) zurück, die er auf die literarische Vorlage und ihre sekundäre Nachin‐ terpretation überträgt.85 Ein Auslegungsverhältnis („innerbiblical exe‐ gesis“) ist nach FISHBANE da wahrscheinlich, wo erstens „multiple and sustained lexical linkages between two texts can be recognized“ und zweitens „the second text (the putative traditio) uses a segment of the first (the putative traditum) in a lexically reorganized and topically re‐ thematized way.”86 FISHBANES Kriterien werden im Folgenden neben dem Instrumen‐ tarium der historisch‐kritischen Exegese in den relevanten Analysen 85 Vgl. FISHBANE, Interpretation, 10‐13. 86 FISHBANE, Interpretation, 285. Gegen diese Definition grenzt sich FISHBANES Schüler B. SOMMER (1998) ab. Er verwendet „exegesis“ im engeren Sinn nur für die Fälle, wo ein Text den Sinn eines vorliegenden Textes zu erklären sucht (vgl. SOMMER, Pro‐ phet, 23). Für alle anderen Fälle entwickelt er die Kategorien „influence“, „echo“ und „allusion“ (vgl. SOMMER, a.a.O., 22‐31). Diese Kategorisierung ist für die hier ver‐ folgte Fragestellung ungeeignet, da sie zu einer Überschematisierung führen kann und außerdem übersehen wird, dass jede Bezugnahme auf eine literarische Vorlage ein Vorverständnis des Textes und damit eine Auslegungsintention voraussetzt.
Zur Anlage der Arbeit
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zugrunde gelegt und kritisch auf ihre Anwendbarkeit hin geprüft. Ihr Vorzug liegt darin, dass sie die sprachliche und inhaltliche Abhän‐ gigkeit mit der Frage verbinden, in welchem Text die strukturelle und thematische Ausformung durch ein auf den anderen Text gerichtetes Auslegungsinteresse erklärt werden kann. Damit wird ein wesentlicher Zug innerbiblischer Exegese aufgezeigt: Im Selbstverständnis der Texte sagt Auslegung etwas Neues an, aber sie tut dies in der Sprache und Vorstellung des Alten, das das Neue bereits in sich trägt.
3. Zur Anlage der Arbeit Der folgende Hauptteil der Studie gliedert sich in drei Abschnitte. Am Anfang steht eine exemplarische Analyse des Hirtenkapitels Ez 34 und seiner Position innerhalb der Heilsprophetien im dritten Buchteil (Kap. II). Da Ez 34 einer der Texte ist, die deutliche Bezüge zu einer Vorlage aufweisen, kann anhand dieses klaren Beispiels das methodische Vor‐ gehen exemplifiziert werden. Darüber hinaus liegt mit dem Kapitel auch das erste der Heilsworte in Ez 34‐39 vor, so dass mit seiner Unter‐ suchung ein Ausgangspunkt für die Sichtung des gesamten Buchab‐ schnittes gegeben ist, die am Ende dieses Teils (Kap. II. 4.) steht. Aus‐ gehend von den Ergebnissen dieses ersten Überblicks folgen im zwei‐ ten Hauptteil die textlichen Analysen der weiteren Heilsworte, die jeweils auf ihren literarischen Ort im Ezechielbuch und ihre möglichen literarischen Vorlagen hin befragt werden (Kap. III). Im folgenden Kap. IV wird zusammenfassend das literarische Wachstum in Kap. 34‐39 dargestellt. Hierbei wird auch zu überlegen sein, welches Verhältnis zwischen den anfänglichen Heilsverheißungen und der ursprünglichen Buchgestalt bestehen, und welche Aussagen sich über diese treffen lassen. Ein Resümee zur Bedeutung der Schriftauslegung in der Entste‐ hungsgeschichte des Ezechielbuches (Kap. IV. 4.) beschließt die Arbeit.
Kapitel II AUFTAKT ZUR HEILSVERKÜNDIGUNG: EZ 34 1. Problemanzeige Das sogenannte „Hirtenkapitel“ Ez 34 eröffnet als erstes Heilswort den dritten Teil des Ezechielbuches, der vorwiegend Heilsprophetie für Volk, Stadt und Land enthält. Im Bild des Hirten und seiner Herde wird dem Volk Sammlung und Rückführung und dem Land Restitu‐ tion verheißen. Allerdings ist Ez 34 kein reines Heilswort: Der Heils‐ prophetie für Volk und Land steht eine Gerichtsansage an die Führer Israels gegenüber, die als schlechte Hirten für die Zerstreuung des Volkes verantwortlich gemacht werden. In der Forschungsgeschichte ist bereits früh erkannt worden, dass Ez 34 mit der Hirtenmotivik ein Wort aus dem Jeremiabuch interpre‐ tiert. So urteilt schon SMEND sen. aufgrund der offenkundigen Nähen zwischen den beiden Texten über Ez 34: „Das Stück ist eine Nachbil‐ dung von Jer. 23,1‐8.“1 Exegeten wie MILLER, ZIMMERLI oder jüngst ALLEN haben ebenso auf die Verbindungen zwischen dem Hirten‐ kapitel und dem Wort gegen die Könige Jer 23,1‐8 hingewiesen.2 Aller‐ dings ist bisher kaum der Versuch unternommen worden, nach dem genauen literarischen Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Texten zu fragen und den Auslegungsvorgang nachzuzeichnen. Dazu ist die Analyse oft von vornherein auf den Bereich der Texte begrenzt worden, in dem die ipsissima verba der Propheten vermutet werden.3 Die Unzulässigkeit des Echtheitskriteriums für die hier vorgelegte Fragestellung bedarf keiner weiteren Erläuterung. Vor allem schließt eine methodische Beschränkung auf die jeweilige Grundschicht die 1 2 3
SMEND, KEH, 272. Vgl. dazu MILLER, Verhältnis, 106; ZIMMERLI, BK, 835, und ALLEN, WBC 29, 161. Vgl. z. B. MILLER, Verhältnis, 106 Anm. 2: „Wie man dazu die Verbindung zwischen der messianischen Verheissung in Hes. 34 : 23 ( עבדי דויד... )והקמותי und in Jer. 23 : 5 ()והקמתי לדוד ansehen will, hängt z.T. von einer Betrachtung der Echtheit Jer. 23 : 5 ab.“ Vgl. außerdem VIEWEGER, Beziehungen, 102, der die Analyse im Jeremiabuch von Anfang an auf Jer 23,1‐4 beschränkt, da er nur diese Verse auf den Propheten bzw. seine Schülerschaft zurückführt.
Das Hirtenkapitel Ez 34
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Möglichkeit aus, dass auch auf späteren literarischen Wachstumsstufen Rezeptionsvorgänge stattgefunden haben. Dies verkennt aber gerade den produktiven Charakter innerbiblischer Auslegungsprozesse. Im Folgenden wird deshalb zuerst eine Textanalyse sowohl von Ez 34 als auch von Jer 23,1‐8 unternommen, um das jeweilige literarische Wachstum der Texte zu untersuchen. Erst auf dem Hintergrund dieser Ergebnisse soll in einer vergleichenden Analyse das literarische Ausle‐ gungsverhältnis der beiden Texte in den Blick kommen. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, auf welchen diachronen Ebenen Verbindun‐ gen zwischen den beiden Texten nachzuweisen sind und mit welcher Intention hier jeweils auf die Aussagen des anderen Textes zurückge‐ griffen wird. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob noch andere Texte des Alten Testaments zur Entstehung des Hirtenka‐ pitels beigetragen haben. In einem dritten Schritt wird die Perspektive auf die gesamten Heilsworte in Ez 34‐39 ausgeweitet, um zu unter‐ suchen, in welchem redaktionellen Horizont sich die Auslegungsvor‐ gänge in Ez 34 vollzogen haben. An dieser Stelle soll in einer ersten redaktionsgeschichtlichen Untersuchung die literarische Zuordnung der Heilsworte in den Blick kommen, um die nachfolgenden Einzel‐ exegesen im dritten Hauptteil der Arbeit vorzubereiten.
2. Das Hirtenkapitel Ez 34 2.1. Übersetzung 1 Und es erging das Wort Jhwhs an mich folgendermaßen: 2 Menschensohn, prophezeie wider die Hirten Israels: Prophezeie, und du sollst zu ihnen, den Hirten, sagen: So spricht der Herr4 Jhwh: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden.5 Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? אדני fehlt in LXX*; vgl. auch V 8.10.11.15.17.20.30.31. Hierbei handelt es sich um ein grundsätzliches textkritisches Problem, da die Doppelbezeichnung Gottes als אדני יהוה im Ezechielbuch in der LXX meistens nur mit einfachem ku,rioj wiedergegeben wird. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass אדני יהוה in der Botenspruchformel und der Gottesspruchformel ursprünglich ist, „nämlich um damit zum Ausdruck zu bringen, daß YHWH als der Herr gesprochen hat, man sich diesem seinem Wort folglich unbedingt zu beugen hat.“ (SCHÖPFLIN, Theologie, 95). In ähnlicher Weise vertreten auch ZIMMERLI, BK, 1258; WILLMES, Hirtenallegorie, 44, und ALLEN, WBC 29, 3.156, die Ursprünglichkeit der Doppelbezeichnung. Zu weiterer Literatur be‐ treffs dieses Problems vgl. ZIMMERLI, BK, 1250‐1258.1265 (Exkurs 1), und SCHÖPFLIN, Theologie, 94f. Die MT‐Lesung היו רעים אותםist durch Peschitta, Vulgata und Targum gut bezeugt, so dass eine Erwägung der von LXX gebotenen Lesart mh. bo,skousin poime,nej e`autou,j
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Auftakt zur Heilsverkündigung: Ez 34
3 Die Milch6 verzehrt ihr und mit der Wolle kleidet ihr euch. Das Gemästete schlachtet ihr – die Herde7 weidet ihr nicht. 4 Die Schwachen8 habt ihr nicht gestärkt und das Kranke habt ihr nicht geheilt und das Verletzte habt ihr nicht verbunden und das Versprengte habt ihr nicht zurückgebracht und das Umherirrende habt ihr nicht gesucht. Aber mit Stärke9 habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.10 5 Und sie11 zerstreuten sich, weil es keinen Hirten gab. Und sie wur‐ den allen wilden Tieren des Feldes zum Fraß. Und sie zerstreuten sich,12 nicht geboten ist. Diese Variante mit Fragesatz kann als Angleichung an die folgende Frage erklärt werden. Zum Ausdruck des Reflexivs durch Verb und suffigiertes ֵאת vgl. GesK §135k. Anders dagegen GREENBERG, der die Aktion der Hirten nicht reflexiv versteht, sondern das Pronomen auf die Herde bezieht: „who have been tending them“ (GREENBERG, AncB, 693.695). Im Blick auf den folgenden Satz ist das eine eher problematische Übersetzung. 6 Vokalisation ֶה ָח ָלב („die Milch“) mit LXX (to. ga,la) und Vulgata (lac). MT liest ַה ֵח ֶלב „das Fett“; diese Lesart wird auch von der Peschitta bezeugt. Die Vokalisierung nach LXX u.a. scheint durch den Kontext geboten, da der Fleischverzehr im dritten Vor‐ wurf aufgenommen ist, und erst dort die Schlachtung der Tiere erwähnt wird (so mit SMEND, KEH, 273; ZIMMERLI, BK, 827; BLOCK, NICOT II, 278 Anm. 30; WILLMES, Hirtenallegorie, 44, und POHLMANN, ATD, 459). 7 Wenige hebräische Handschriften, LXX, Peschitta und Vulgata ergänzen die Kopula ()ו vor הצאן. Diese Variante ist als nachträgliche Glättung zu beurteilen; vgl. auch ZIMMERLI, BK, 827: „Der harte Stil des M ist nicht zu ändern“. 8 LXX, Theodotion, Peschitta und Vulgata lesen den Singular, der aber als Anglei‐ chung an die folgenden Singulare zu erklären ist. MT ist als lectio difficilior beizu‐ behalten. 9 Anstelle des MT וּ ְב ָחזְ ָקה bietet LXX wohl aus וּ ַב ֲחזָ ָקה übersetztes kai. to. ivscuro.n. Diese Variante ist aber als Angleichung an den vorhergehenden V 4a sowie an V 16 zu erklären. So gegen ZIMMERLI, BK, 827, der die Lesart als Folge der Dittographie im Schlussteil des Verses erklärt; die Lesart des MT gilt WILLMES, Hirtenallegorie, 46, und BLOCK, NICOT II, 278 Anm. 36, als ursprünglich. 10 LXX* lässt אתם ו aus und übersetzt V 4b mit kai. to. ivscuro.n kateirga,sasqe mo,cqw| („das Starke habt ihr niedergetreten mit Gewalt“). ZIMMERLI, BK, 827, beurteilt das feh‐ lende אתם als verschriebene Dittographie nach רדיתם, das auch dadurch auffalle, dass der Kontext eine feminine Form erfordere. Da nach GesK §135o aber auch eine mas‐ kuline Form möglich ist, ist MT als lectio difficilior beizubehalten (so mit WILLMES, Hirtenallegorie, 46). 11 Das in MT implizierte Subjekt צאני wird in LXX (ta. pro,bata, mou) sowie in Peschitta und Vulgata ergänzt. Gegen ZIMMERLI, BK, 828, und WILLMES, Hirtenallegorie, 46, ist diese Ergänzung des Subjekts weder ursprünglich noch sinnvoll, sondern stellt gegenüber MT die lectio facilior dar. Da noch zu zeigen sein wird, dass mit V 3f. ein Einschub vorliegt (vgl. dazu u. Kap. II. 2.2.), könnte das Subjekt in LXX, Peschitta und Vulgata nachgetragen worden sein, um den Bezug auf die Herde in V 2 deutlich zu machen. 12 ותפוצינה am Ende des Verses ist redundant. Es fehlt in der Peschitta, während die LXX das Verb mit צאני aus V 6a verbindet und dort keine Entsprechung für das Verb ישׁגו hat. Da es gute Gründe gibt, die Ursprünglichkeit von ישׁגו zu bezweifeln (vgl. Anm.
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6 meine Schafe (irren umher).13 Auf allen Bergen und auf jedem hohen Hügel und über das ganze Land hin sind meine Schafe zer‐ streut worden. Und es gibt keinen, der fragt, und keinen, der sucht. 7 Darum, ihr Hirten, hört das Wort Jhwhs: 8 So wahr ich lebe, Spruch des Herrn Jhwh, fürwahr, weil meine Herde zur Beute wurde und meine Schafe zum Fraß wurden allen wilden Tieren des Feldes, weil kein Hirte da war und die Hirten14 nach meiner Herde nicht fragten, sondern die Hirten sich selbst weideten, aber meine Herde nicht weideten, 9 darum, ihr Hirten, hört das Wort Jhwhs: 10 So spricht der Herr Jhwh: Siehe, ich komme über15 die Hirten und ich fordere meine Herde aus ihrer Hand und ich mache, dass sie aufhören, meine Herde16 zu weiden, und die Hirten werden nicht mehr sich selbst weiden. Und ich werde meine Herde ihrem Ra‐ chen entreißen, so dass sie ihnen nicht (mehr) zum Fraß werden. 11 Fürwahr, so spricht der Herr Jhwh: Siehe, ich selbst, ich frage nach meinen Schafen und ich nehme mich ihrer an. 13), ist mit BHS; FOHRER, HAT, 191, und ZIMMERLI, BK, 828, der Lesart der LXX zu folgen und ein Zusammenhang von ותפוצינה (V 5) mit צאני (V 6) anzunehmen (LXX: kai. diespa,rh mou ta. pro,bata). ZIMMERLI, BK, 828, zieht allerdings im Anschluss an HERR‐ MANN, KAT, 219, auch in Erwägung, dass es sich bei ותפוצינה צאני insgesamt um eine Stichwortglosse am Rand gehandelt haben könnte, die an der falschen Stelle in den Text geraten sei. Für die Textaussage ist dieser kurze Satz sicherlich nicht zwingend erforderlich. Das Verb ישׁגו ist in mehrerer Hinsicht problematisch: Es fehlt in der LXX (vgl. vor‐ herige Anmerkung), der unverbundene Einsatz mit der PK‐Konjugation fällt aus der Situationsbeschreibung heraus, die maskuline Form steht in Spannung zu den femininen Verben im Kontext und darüber hinaus wird שׁגה sonst nur für das menschliche Verhalten gebraucht. Hier ist es sowohl als Fortbewegungsverb im Sinne des „Umhertaumelns“ (vgl. Jes 28,7) als auch als Affektverb im Sinne von „ab‐ irren, sich vergehen“ (Prov 19,27; Ps 119,21.118) belegt (vgl. SEIDL, Art. ָשׁגָה/ ָשׁגַג, 1059f.). Es erscheint deshalb wahrscheinlich, dass es sich bei ישׁגו um eine nachträg‐ liche Einfügung handelt, in der das Bild der umherirrenden Schafe auf die Situation der Menschen ausgelegt wird, die sich unter den falschen Hirten im moralischen Sin‐ ne „verirrt“ haben (so gegen WILLMES, Hirtenallegorie, 47, und BLOCK, NICOT II, 278f. Anm. 41, die die Ursprünglichkeit von ישׁגו vertreten). So mit LXX (oi` poime,nej), Peschitta und einigen Targum‐Ausgaben. MT bietet die suffigierte Form רעי („meine Hirten“), die aber im Kontext des Scheltwortes über die Hirten Israels nicht sinnvoll ist, da das Possessivpronomen für die Herde Jhwhs reserviert ist. So ist der Vorschlag von ALLEN, WBC 29, 157, überzeugend, dass MT aus einer abkürzenden Glosse ʹרעי (= )רעים oder ʹי ʹרע (=)רעי ישׂראל hervorgegangen ist. אל für ;על vgl. auch V 13.14. Beide Präpositionen werden im Ezechielbuch ohne er‐ kennbare Unterscheidung verwendet (vgl. ZIMMERLI, BK, 6, zu Ez 1,17). Mit ZIMMERLI, BK, 828, und WILLMES, Hirtenallegorie, 48, kann vermutet werden, dass das von LXX und Peschitta bezeugte Suffix an צאן im MT vor dem folgenden ו durch Haplographie ausgefallen ist.
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12 Wie ein Hirte sich seiner Herde annimmt am Tage, da er inmitten seiner zerstreuten Schafe ist,17 so will ich mich meiner Schafe an‐ nehmen, und ich will sie erretten aus allen den Orten, wohin sie zerstreut worden sind am Tage der Wolken und der Dunkelheit. 13 Und ich führe sie aus den Völkern heraus und ich sammele sie aus den Ländern. Und ich bringe sie in ihr Land und ich weide sie auf den Bergen Israels, in den Tälern und an allen Wohnsitzen des Lan‐ des. 14 Ich werde sie auf guter Weide weiden, und auf dem hohen Berg Israels18 wird ihr Weideplatz sein. Dort werden sie sich lagern auf guter Weide, und fette Weide weiden sie ab auf den Bergen Israels. 15 Ich selbst weide meine Herde und ich selbst lasse sie lagern, Spruch des Herrn Jhwh. 16 Das Umherirrende suche ich und das Versprengte bringe ich zu‐ rück und das Verletzte verbinde ich und das Kranke stärke ich. Aber das Fette19 und das Starke rotte ich aus.20 Ich will es21 weiden in Gerechtigkeit. 17 Die textliche Situation in V 12a ist schwierig. Die Peschitta streicht den letzten Teil des betreffenden Halbverses und liest nur „am Tag des Sturmes“ ()ביום דזיקא, wäh‐ rend die LXX das Suffix bei היותו streicht, den Tag mit den Angaben aus V 12bb näher bestimmt als o[tan h=| gno,foj kai. nefe,lh und statt נִ ְפ ָרשׁוֹת (von פרשׁ „trennen, abson‐ dern“) die Punktation נִ ְפ ָרשׂוֹת (von פרשׂ „sich zerstreuen“) voraussetzt. BHS; BHK und ZIMMERLI, BK, 829, schlagen wie LXX die Streichung des Suffixes und die Ersetzung des Verbs vor, wobei ZIMMERLI aber der Lesart der Peschitta folgt und den Rest des Halbverses als Glosse ansieht. WILLMES, Hirtenallegorie, 49f., streicht mit LXX das Suffix, folgt dann aber einem Vorschlag von EHRLICH, nach dem נפרשׁותSchafe bezeichne, die von wilden Tieren verwundet wurden (vgl. EHRLICH, Randglossen V, 127). Einzig die Ableitung des Verbs von der Wurzel פרשׂ erscheint sinnvoll, da der Vergleichspunkt zwischen V 12a und V 12b eindeutig auf das Einsammeln der verloren gegangenen Schafe zielt. Ansonsten ist MT als lectio difficilior beizubehalten. 18 Anstelle des Plurals ובהרי מרום־ישׂראל in MT bezeugen zwei hebräische Handschriften sowie LXX und Targum den Singular. Während der Plural als Angleichung an den Kontext (V 13.14b) zu erklären ist, stellt der Singular eindeutig die lectio difficilior dar und kann deshalb als ursprünglich gelten (so auch mit RUDNIG, Heilig, 61; dagegen bevorzugen ZIMMERLI, BK, 829; WILLMES, Hirtenallegorie, 51, und BLOCK, NICOT II, 287, die Lesart des MT). 19 MT ואת־השׁמנה hat in LXX, Codex Wirceburgensis und den Sangallensia‐Fragmenten keine Entsprechung und wird u.a. von FOHRER, HAT, 193, und ZIMMERLI, BK, 830, gestrichen. Der Verdacht liegt aber nahe, dass LXX den Text von V 16 dem vorher‐ gehenden V 4 angeglichen hat, so dass an MT festzuhalten ist. 20 Statt MT אשׁמיד (שׁמד „ausrotten“) lesen zwei hebräische Handschriften אשׁמיר (שׁמר „hüten, bewachen“). Diese Variante wird auch von LXX (fula,xw), Peschitta und Vul‐ gata (custodiam) unterstützt. In einer hebräischen Handschrift fehlt das Verb völlig. MT setzt damit eine negative Wertung der Fetten und Starken voraus, die auch die aramäische Textüberlieferung durch die Auslegung auf die „Sünder“ und „Schuld‐ beladenen“ unterstützt. Die Lesung von LXX u.a. erklärt sich leicht durch die An‐ gleichung des Verses an V 4, in dem LXX die Starken als das Opfer der bösen Hirten
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17 Und ihr, meine Herde, so spricht der Herr Jhwh: Siehe, ich richte zwischen Schaf und Schaf, den Widdern und den Böcken. 18 Ist es euch zu wenig? Die gute Weide weidet ihr ab und den Rest eurer Weide zertretet ihr mit euren Füßen. Klares Wasser trinkt ihr und das übrig gebliebene trübt ihr mit euren Füßen. 19 Und meine Schafe sollen das, was eure Füße niedergetreten haben, abweiden und trinken, was eure Füße getrübt haben? 20 Darum, so spricht der Herr Jhwh zu ihnen: Siehe, ich selbst, ich werde richten zwischen fettem Schaf22 und magerem Schaf, 21 weil ihr mit Seite und Schulter wegdrängt und mit euren Hörnern alles Schwache wegstoßt, bis ihr sie nach draußen zerstreut habt. 22 Und ich helfe meiner Herde, damit sie nicht mehr zur Beute wird. Und ich richte zwischen Schaf und Schaf. 23 Und ich werde einen einzigen23 Hirten über sie24 bestellen, und er wird sie weiden, meinen Knecht David; (er wird sie weiden,)25 und er wird ihnen zum Hirten. darstellt, so dass sie in V 16 konsequenterweise der guten Hirtenschaft Jhwhs anver‐ traut werden müssen. MT stellt den schwierigeren Text dar und sämtliche Abwei‐ chungen sind als Versuch zu erklären, durch eine Lesung von ד als ר die anscheinend als anstößig empfundene Gotteshandlung des „Ausrottens“ abzumildern (so auch WILLMES, Hirtenallegorie, 52). Anstelle des fem. sg. Suffixes des MT bieten LXX, Peschitta und Vulgata ein Suffix fem. pl. und ergänzen die Kopula. Es besteht aber keine Notwendigkeit, den MT zu ändern, da die Singular‐Form die Singulare aus V 16a fortsetzt (so mit ZIMMERLI, BK, 830). Für MT ִב ְריָה („Speise“, vgl. 2 Sam 13,5.7.10†) bezeugen einige Handschriften ְב ִריאָה oder ְב ִריָּה (von ברא II „wohlgenährt/fett“); LXX liest ivscurou/. Zur Erklärung der Punktation siehe BAUER/LEANDER, Grammatik, §74hʹ, denen zufolge die Lesart des MT entweder als Verschreibung aus ְב ִריאָהzu deuten ist oder als Fehlvokalisation von ְב ִריָּה (so auch ZIMMERLI, BK, 830; BLOCK, NICOT II, 288 Anm. 92, und WILLMES, Hirtenallegorie, 53). Für MT ֶא ָחד bieten Alexandrinus und Pap. 967 e[teron, was auf ein אָ ֵחר der Vorlage führen könnte (vgl. ebenso Codex Wirceburgensis und die arabische Übersetzung), während Vaticanus und Sinaiticus e[na lesen und damit die Lesart des MT stützen. Die Variante von Alexandrinus und Pap. 967 könnte als Verlesung von ֶא ָחד in אָ ֵחר erklärt werden (so ZIMMERLI, BK, 831; WILLMES, Hirtenallegorie, 54, und BLOCK, NICOT II, 294 Anm. 114); es kann aber ebenso eine bewusste Abänderung vorliegen, da auf der Ebene des Endtextes der „andere“ Hirte David als Gegenstück zum Hirten Jhwh in den V 11‐16 gedeutet werden kann (so auch ALLEN, WBC 29, 158, und COOKE, ICC, 381: „an attempt at reconciliation with v.15“). In jedem Fall ist MT als ursprüngliche Lesart anzusehen. MT עליהם fehlt in den Geniza‐Fragmenten; eine Handschrift von Kennicott, Peschitta und Vulgata bezeugen das feminine Suffix עליהן. Da der Suffixgebrauch im gesamten V 23 inkonsistent ist, ist MT textkritisch als lectio difficilior vorzuziehen; vgl. auch die entsprechenden Varianten in V 23ba (siehe aber Anm. 25) und V 23bb. Der Vers 23ba fehlt in LXX* und Codex Wirceburgensis. Inhaltlich wiederholt der Vers den Schluss von V 23aa, wobei allerdings das feminine Suffix ()ורעה אתהן durch ein maskulines Suffix ()ירעה אתם ersetzt wird, so dass hier ein Zusatz zu vermuten ist, der
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24 Und ich, Jhwh, werde ihnen zum Gott, und mein Knecht David26 wird Fürst sein in ihrer Mitte. Ich, Jhwh, habe geredet.27 25 Und ich schließe einen Bund des Heils mit ihnen28 und ich schaffe das böse Getier von der Erde weg. Und sie werden in der Wüste (in Sicherheit)29 wohnen und schlafen in den Wäldern. 26 Und ich mache sie und die Umgebung meines Hügels zu einem Segen30 und ich lasse Regen herabfließen zu seiner Zeit, segens‐ reiche Regengüsse werden es sein.
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die Weideaussage bezogen auf eine maskuline Bezugsgruppe im Text nachträgt (so auch ZIMMERLI, BK, 831; zur textkritischen Bewertung vgl. auch COOKE, ICC, 382, und ALLEN, WBC 29, 158). Vgl. dazu auch die Analyse u. Kap. II. 2.2. LXX* lässt עבדי aus und bietet nur kai. Dauid. ZIMMERLI, BK, 831, und WILLMES, Hir‐ tenallegorie, 54, erklären MT als nachträgliche Angleichung an V 23, aber m. E. ist für diese Entscheidung der textkritische Befund nicht ausreichend. Die Gottesspruchformel fehlt in der Peschitta. Das kann als Angleichung an den Kontext erklärt werden, da die Gottesrede in V 25 fortgesetzt wird. LXX mit Pap. 967 und entsprechend Codex Wirceburgensis bieten tw/| Dauid anstelle von להם und machen so David zum Bundespartner. Es kann sich hierbei nicht um einen Überlieferungsfehler handeln, sondern nur um eine bewusste Abänderung, die aber in beiden Strängen der Textüberlieferung denkbar ist: Entweder ist die masoretische Variante Angleichung an den Bundesschluss in Ez 37,26, der sowohl im MT als auch in der LXX „mit ihnen“ (להם/auvtoi/j) geschlossen wird, oder die Variante der griechi‐ schen Bezeugung (mit Codex Wirceburgensis) ist als Angleichung an V 24 erklärbar. Da die Fortführung in V 25 mit 3. Pers. pl. und die Pluralangabe des Bundespartners in V 30 eher dafür sprechen, dass der davidische Bundesschluss sekundär nachge‐ tragen worden ist, wird der masoretische Text beibehalten. Vgl. dazu auch u. Kap. III. 4.2.1. und III. 4.4.5. Das in MT bezeugt לבטח fehlt in der Überlieferung der LXX*. Durch diese adverbiale Bestimmung wirkt die zweite Hälfte des Verses überfüllt. Da לבטח als Leitwort in V 25‐30 dient, könnte es als Glosse in V 25b nachgetragen sein (so gegen ZIMMERLI, BK, 831; ALLEN, WBC 29, 158, und BLOCK, NICOT II, 294 Anm. 121). V 26a ist problematisch, wie auch der Überlieferungsbefund zeigt: Die LXX bezeugt weder die Kopula vor סביבות (so mit Vulgata, Peschitta und Targum) noch ברכה (mit Codex Wirceburgensis). Dieser äußere Befund spricht gewichtig gegen die Ursprüng‐ lichkeit der Kopula. Das in LXX fehlende ברכה könnte durch aberratio oculi von V 26a ans Ende von V 26b MT geraten sein (vgl. RUDNIG, Heilig, 61 mit Anm. 48; so gegen LEVIN, Verheißung, 220, der an der Kopula und ברכה als ursprünglicher Lesart fest‐ hält). Es ist deshalb zu überlegen, ob der Vers nicht mit RUDNIG, a.a.O., 61, wie folgt wiederzugeben ist: „Und ich werde sie [...] rings um meinen Hügel setzen [...]“. Die weiteren inhaltlichen Bedenken, die gegen den Vers vorgebracht werden, sind nicht überzeugend. So verweist ZIMMERLI auf die „ungewöhnliche Bezeichnung des Tem‐ pelberges ... als “גבעתי und vermutet auch auf Grund der „Gedankenfolge im Über‐ gang von 25 zu 26b“ eine „tiefer greifende Verderbnis“ des Textes (ZIMMERLI, BK, 831). Seine im Anschluss an BERTHOLET vorgenommene Konjektur ונתתי את הרביבים בעתם „und ich gebe Regengüsse zu ihrer Zeit“ (BERTHOLET, HAT, 120; vgl. ZIMMERLI, BK, 831; vgl. auch BHS; EICHRODT, ATD, 330, und ALLEN, WBC 29, 158) ist wegen der massiven Eingriffe in den Konsonantenbestand des MT wenig plausibel. Auch die inhaltlichen Gründe rechtfertigen diese Intervention nicht: Zwar ist die Erwäh‐ nung von גבעהim Kontext auffällig, aber als Bezeichnung für den Tempelberg ist das
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27 Und der Baum des Feldes gibt seine Frucht und das Land gibt sei‐ nen Ertrag; und sie sind auf ihrem Land in Sicherheit. Und sie wer‐ den erkennen, dass ich Jhwh bin, wenn ich die Stangen ihres Jochs zerbreche und sie aus der Hand derer rette, die sie knechten. 28 Und sie werden den Völkern nicht mehr zur Beute, und die wilden Tiere des Landes fressen sie nicht. Und sie wohnen in Sicherheit, und es wird keinen geben, der sie erschreckt. 29 Und ich errichte ihnen eine Pflanzung des Heils,31 und sie werden nicht mehr durch Hunger im Land weggerafft, und das Schmähen der Völker werden sie nicht mehr ertragen. 30 Und sie werden erkennen, dass ich, Jhwh, ihr Gott (mit ihnen)32 bin, und dass sie mein Volk sind, das Haus Israel, Spruch des Herrn Jhwh. 31 Und ihr,33 meine Herde, die Herde meiner Weide (von Menschen)34 seid ihr, und35 ich bin euer Gott,36 Spruch des Herrn Jhwh. Wort in Jes 10,32 und 31,4 belegt und begegnet als Begriff für die Hügel im Land auch im literarischen Kontext in Ez 34,6 und 36,6. So mit der Textvariante der LXX (futo.n eivrh,nhj), Codex Wirceburgensis (plantam pacis) und Peschitta, die auf ein ursprüngliches מטע שׁלם schließen lassen (zur Bevorzugung dieser Lesart vgl. auch ZIMMERLI, BK, 832; WILLMES, Hirtenallegorie, 56; ALLEN, WBC 29, 158, und BLOCK, NICOT II, 295 Anm. 128). Diese Lesart passt inhaltlich zur Verheißung der ברית שׁלום in 34,25, während der masoretische Text an dieser Stelle ()מטע לשׁם durch Metathesis erklärt werden kann (vgl. auch die Variante der Vulgata, die germen nominatum bietet). Der Targum liest נצבא לקיימא („Pflanze des Bundes“) und verstärkt damit noch den Bundesbezug. אתם fehlt in wenigen hebräischen Handschriften, LXX*, Codex Wirceburgensis und Peschitta und ist für den Kontext der Bundesformel ungewöhnlich. Hier ist deshalb mit ZIMMERLI, BK, 832.846, ein Zusatz zu vermuten, der den Zuwendungscharakter der Bundesformel näher entfalten will (vgl. auch FOHRER, HAT, 195; anders BLOCK, NICOT II, 295 mit Anm. 130). Die Anrede אתן fehlt in LXX*, Codex Wirceburgensis und der koptischen Übersetzung; zwei hebräische Handschriften bezeugen die maskuline Form. Der Genuswechsel kann als Angleichung an den Kontext in V 24ff. erklärt werden, in denen durchge‐ hend eine maskuline Bezugsgruppe im Blick ist. Gegen ZIMMERLI, BK, 846, ist der Befund nicht gewichtig genug, um eine Streichung der Anrede zu rechtfertigen. אדם ist in LXX* und Codex Wirceburgensis nicht bezeugt. Das Wort erregt den Ver‐ dacht nachträglich eingefügt zu sein, um das Bild der Herde ausdrücklich auf die Menschen zu beziehen. Die Eintragung von אדם in den hebräischen Text könnte dann im Zusammenhang mit der späten Fortschreibung Ez 36,37f. stehen (so ALLEN, WBC 29, 158; vgl. auch ZIMMERLI, BK, 832), mit der die Heilsprophetien in Ez 34‐39 insge‐ samt eine Systematisierung erfahren; vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.4. Mit LXX, Peschitta und Vulgata wird die Kopula ergänzt. Einige hebräische Handschriften, LXX, Peschitta und Vulgata schicken den Gottes‐ namen ()יהוה voraus. Dies kann als nachträgliche Angleichung an den ezechielischen Sprachgebrauch gewertet werden, da die Doppelbezeichnung im Ezechielbuch häu‐ figer auftritt. In der Bundesformel ist der Gottesname dagegen unüblich, so dass mit ZIMMERLI, BK, 832, am MT festzuhalten ist.
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2.2. Textanalyse Das Hirtenkapitel Ez 34 ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich klar von seinem literarischen Kontext abgegrenzt. So kündigt die Worter‐ eignisformel in Ez 34,1 einen Neuanfang an;37 das Ende dieses so eröff‐ neten Textstückes wird durch eine weitere Wortereignisformel in Ez 35,1 markiert. Während das vorherige Kapitel Ez 33 nach der Nachricht von der Einnahme Jerusalems in 33,21f. Worte gegen die Restbewoh‐ nerschaft Judas (Ez 33,23‐29) sowie Reflexionen über das Prophetenamt (Ez 33,30‐33) enthält, folgt in Ez 35,1‐36,15 eine Gerichtsansage gegen das Gebirge Seir und ein Heilswort für die Berge Israels. Obwohl Ez 34 den Eindruck einer planvoll gestalteten literarischen Einheit erweckt, gibt es einige Hinweise darauf, dass mit einem sukzes‐ siven literarischen Wachstum zu rechnen ist. Dafür spricht zuerst der variierende Einsatz der Bildmotive: Das dominierende Motiv des Kapi‐ tels ist das Bild der Herde. Aber während es in den V 1‐10 dazu dient, die Pflichtvergessenheit der schlechten Hirten anzuprangern, wird es in den V 17‐22 zur Gerichtsankündigung verwendet, die an einen Teil der Herde gerichtet ist. Weiterhin ist zu fragen, ob das Bild nicht etwas überstrapaziert wird, da sowohl Jhwh als auch David als Hirte gezeich‐ net werden, der die Herde von den schlechten Hirten übernimmt.38 Vor allem sind es aber die zahlreichen Redeeröffnungs‐ und Beschlussfor‐ meln, die darauf hinweisen, dass die einheitliche Gestaltung des Kapi‐ tels auf redaktionelle Bearbeitungen zurückgeht. Im Folgenden soll deshalb unter Berücksichtigung formkritischer Gesichtspunkte die Struktur des Kapitels analysiert werden, um zugleich Indizien zu sam‐ meln, die auf ein literarisches Wachstum hindeuten.39 37 Zur Funktion der Wortereignisformel als Anfangssyntagma vgl. HOSSFELD, Untersu‐ chungen, 27, sowie SCHÖPFLIN, Theologie, 57‐68. 38 Dies wird u.a. von HÖLSCHER, Hesekiel, 171; BERTHOLET, HAT, 121; LEVIN, Verhei‐ ßung, 218, und POHLMANN, ATD, 464, als Argument für eine literarkritische Zäsur zwischen den beiden Abschnitten V 11‐16 und V 23f. angeführt. Demgegenüber sehen KRÜGER, Geschichtskonzepte, 455, und SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 275, eine chronologische und sachliche Unterscheidung zwischen dem Handeln Jhwhs und der Hirtentätigkeit Davids, die keinen Anlass zu literarkritischen Operationen biete. 39 Unter den literar‐ und redaktionskritisch arbeitenden Exegeten herrscht Einigkeit da‐ rüber, dass Ez 34 literarisch mehrschichtig ist. Die genaue Abgrenzung der Grund‐ schicht hat dagegen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen geführt: HÖLSCHER, Hesekiel, 170, sieht die Grundschicht in V 1‐15, die er seinem Redaktor zuweist. FOHRER, HAT, 190, geht dagegen von zwei vereinigten Worten in V 1‐16.17‐31 aus, die einen Nachtrag in V 23f. erfahren haben. ZIMMERLI, BK, 832‐834.847, sieht die Grundlage des Kapitels in zwei auf den Propheten zurückgehenden Einheiten V 1‐15 und 17‐22, die von diesem durch V 23f. und wahrscheinlich auch V 16 ergänzt worden seien; auf den Schülerkreis führt er V 25‐30.31 zurück. In ähnlicher Weise
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Mit der Wortereignisformel in V 1 wird eine prophetisch über‐ mittelte Jhwh‐Rede eingeleitet, die mit einem Weheruf über die Hirten Israels einsetzt. Diesen wird vorgeworfen, sich selbst anstelle der Herde zu weiden (V 2) und ihren Pflichten gegenüber der Herde nicht nachgekommen zu sein (V 3f.). Als Folge dieses Fehlverhaltens haben sich die Schafe über das ganze Land hin (על כל־פני הארץ, V 6) zerstreut (פוץ, V 5.6) und sind den wilden Tieren zum Fraß geworden. Dieser Weheruf gegen die Hirten Israels verlangt in der Fortsetzung nach einer Drohrede, die in V 7 mit der Partikel לכן einzusetzen scheint. Allerdings folgt auf die Eröffnung eine erneute Anklagerede, in der die Anschuldigungen aus den vorangehenden V 2‐6 aufgenommen wer‐ den. Erst in den V 9f. schließt sich die erwartete Drohrede an, die for‐ mal durch ein zweites לכן in V 9 und die Botenformel in V 10 eingeleitet ist. Diese Doppelung der V 7f. und V 9f. deutet bereits auf eine sekun‐ däre Einfügung von V 7f. hin.40 Die Verse versprechen nicht nur in ihrer Einleitung eine Drohrede, ohne dieser Ankündigung nachzukom‐ men, sondern sie geben sich auch durch Anleihen an den Kontext als sekundäre Einschreibung zu erkennen. So nehmen sie einerseits mit der Wendung לכן רעים שׁמעו in V 7 die Einleitung der Drohrede V 9 vor‐ weg, andererseits rekurrieren sie inhaltlich auf die Anklagen aus den V 2‐6. Die ursprüngliche Fortsetzung des Weherufes in V 1‐6 ist damit in V 9f. zu suchen, in denen Jhwh ankündigt, dass er seine Herde aus der Hand der Hirten fordern und ihrer Zuständigkeit für die Schafe ein Ende machen wird. Allerdings gibt es auch innerhalb des Weherufes V 1‐6 Anzeichen für literarische Nacharbeit. So fällt zuerst auf, dass die Vergehen der Hirten in V 2‐4 zwischen Pflichtvergessenheit und Eigen‐ nutz variieren: Während sie in V 2 der Vernachlässigung ihrer Weide‐ pflicht gegenüber der Herde beschuldigt werden, wird ihnen in V 3f. geht auch ALLEN, WBC 29, 158‐161, von zwei Orakeln in V 1‐16*.17‐22 aus, die durch die drei Fortschreibungen V 23f.25‐30.31 erweitert worden seien. GARSCHA, Studien, 200‐206, schreibt seinen Grundtext 34,1‐3.9‐15.25‐30 der deuteroezechielischen Bear‐ beitung zu, während HOSSFELD, Untersuchungen, 230ff.284‐286, die Grundschicht auf ein Gerichtswort des Propheten in 34,1f.9*f. begrenzt, das einen sechsstufigen Fortschreibungsprozess erfahren habe. LEVIN, Verheißung, 219, findet das Grundge‐ rüst in 34,1‐6*.9‐10.13*.23‐24 und streicht den göttlichen Hirten literarisch zugunsten der Ursprünglichkeit des Hirten David. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 449‐458, sieht Ez 34,1‐24 als einheitliche „differenzierende Prophezeiung“ (vgl. dazu WILLMES, Hirtenallegorie, 234ff.), die durch V 25‐30 ergänzt worden sei. Anders POHLMANN, ATD, 463f., der die Grundschicht in den Abschnitten V 1‐10 und V 11‐16 findet, wobei er aber auch die ursprüngliche Zugehörigkeit der V 25‐30 nicht ausschließen will. BERTHOLET, HAT, 118f., und WILLMES, Hirtenallegorie, 212‐225, unternehmen schließlich beide eine Quellenscheidung im Bereich der V 1‐16 und vermuten jeweils in einem der so eruierten Texte die Grundlage des Kapitels. 40 Zum Nachtragscharakter der V 7f. vgl. ZIMMERLI, BK, 212; HOSSFELD, Untersuchun‐ gen, 232f.237f., und ALLEN, WBC 29, 159.
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die Bereicherung an den Tieren vorgeworfen, ohne dass sie ihren Für‐ sorgepflichten nachgekommen wären. Der Eindruck eines literarischen Bruches zwischen V 2 und V 3f. wird auch durch den Adressaten‐ wechsel von 3. Pers. pl. in V 1f. zu 2. Pers. pl. in V 3f. bestätigt, so dass in V 3f. ein Zusatz zu vermuten ist.41 V 11 markiert einen Einschnitt durch den erneuten Gebrauch der Botenformel, die durch das einleitende כי an den vorangehenden Rede‐ teil rückgebunden ist. Darüber hinaus lehnt sich der Vers auch durch die Wiederholung der Kombination von einer Botenformel mit dem Präsentativ הנני, dem Verb דרשׁ und dem Objekt את־צאני an den vorher‐ gehenden V 10 an. Der so eröffnete Redegang wird in V 15 durch eine Gottesspruchformel abgeschlossen und stellt formal eine Heilsankün‐ digung dar: Jhwh sagt an, dass er sich selbst seiner Herde annehmen (V 11) und die in die Länder zerstreuten Schafe sammeln und heim‐ führen wird (V 12f.), um sie auf den Bergen Israels (הרי ישׂראל, V 13.14) zu weiden. Auch in diesem Abschnitt gibt es Anzeichen für literarische Nacharbeit. So fällt zuerst V 12 durch den Verweis auf den Tag Jhwhs als „Tag der Wolken und der Dunkelheit“ (vgl. Ez 30,3) aus seinem Kontext heraus und wiederholt außerdem das Rettungsmotiv aus V 10 (נצל hif.). Schließlich hebt sich der Vers auch sprachlich durch die Durchbrechung der Reihung von AK consecutivum‐Formen in V 10f.13 ab, so dass hier ein sekundärer Eintrag vermutet werden kann, der das Motiv des Tages Jhwhs in den Text einschreibt. 42 In V 13f. ist dagegen die Häufung von Weide‐ und Gebirgsterminologie auffällig.43 Insbe‐ sondere die Lokalisierung der Weide בהר מרום־ישׂראל44 in V 14a steht in Konkurrenz zu V 13b.14b, wo der Weideplatz der Schafe jeweils als הרי ישׂראל bezeichnet wird. Da die Berge Israels ansonsten in Kap. 34 nur im 41 Im Allgemeinen wird der Anredewechsel von V 2 zu V 3 als literarisches Stilmittel gewertet (vgl. z. B. ALLEN, WBC 29, 161; BLOCK, NICOT II, 283), das keinen Anlass zu literarkritischen Operationen biete; vgl. aber HOSSFELD, Untersuchungen, 236f. 259‐261, der zwei Fortschreibungen in V 3 und V 4‐6 unterscheidet. GARSCHA, Stu‐ dien, 201f., nimmt dagegen einen Nachtrag in V 4‐8 an. Evtl. ist auch innerhalb des Zusatzes V 3f. noch weiter literarkritisch zu differenzie‐ ren. Dafür könnte die unterschiedliche Natur der Vorwürfe in V 3 (Bereicherung) und V 4 (Vernachlässigung der Fürsorge) sowie der Wechsel von der Präformativ‐ konjugation in V 3 zur Afformativkonjugation in V 4 hindeuten; vgl. dazu auch die weitere Analyse in Kap. II. 3.4. 42 Vgl. auch LEVIN, Verheißung, 219 Anm. 84, der V 11.12b (mit Nachtrag in V 12a) als Ergänzung zu V 10 einordnet. 43 In der Sekundärliteratur herrscht Uneinigkeit hinsichtlich der Beurteilung der V 13f. HOSSFELD, Untersuchungen, 242.264f., scheidet V 14b als auffüllende Glosse aus, während LEVIN, Verheißung, 219 Anm. 84, sowohl in V 13bb als auch in V 14 spätere Zusätze sieht. RUDNIG, Heilig, 61 mit Anm. 45, vermutet einen Nachtrag in V 14a und erwägt eine ursprüngliche Fortsetzung von V 13 in V 14b. 44 Zur Bevorzugung der singularischen Lesart vgl. o. Anm. 18.
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Plural auftreten, ist zu erwägen, ob es sich in V 14a um einen Nachtrag handelt, der die Vorstellung des Gottesberges einträgt.45 V 14b fällt dagegen in zweifacher Hinsicht auf: Zum einen hebt er sich durch die femininen Verbformen von seinem Kontext ab, in welchem צאן („Herde“) durchgängig maskulin gebraucht ist, zum anderen fällt die chiastische Vorwegnahme von V 15 in V 14b auf: In V 15 werden Jhwh in umgekehrter Reihenfolge die Tätigkeiten zugeschrieben, die in V 14 von den Schafen ausgeführt werden. Dies könnte dafür sprechen, auch V 14b auf redaktionelle Nacharbeit zurückzuführen. Das Verständnis des Leitwortes צאן im Sinne eines maskulinen Kollektivs unterscheidet den Grundtext in V 11‐15* nicht nur von dem zu vermutenden Nach‐ trag in V 14b, sondern es setzt den Redegang auch vom vorherigen Abschnitt 34,1f.5f.9f. ab, in dem צאן feminin gebraucht wird (V 5.6.10).46 Dies wird noch zu berücksichtigen sein. Obwohl V 15 mit der Gottesspruchformel abschließenden Charak‐ ter hat, wird die Jhwh‐Rede in V 16 fortgesetzt, der vor allem durch seine wortwörtlichen Bezüge zu V 4 auffällt.47 Darüber hinaus wird durch die adverbiale Bestimmung des göttlichen Weidens במשׁפט das Thema des folgenden Abschnittes vorweggenommen. Trotz dieser Querverbindungen zum Kontext steht der Vers „eigenartig im Nie‐ mandsland“,48 da er formal durch die vorausgehende Gottesspruch‐ formel in V 15 und die nachfolgende Botenformel in V 17 isoliert ist. In der Sekundärliteratur wird er deshalb oft als Überleitung oder als (redaktioneller) Gelenkvers beurteilt, der 34,1‐15 mit 34,17ff. verbin‐ det.49 Auf der Ebene des Endtextes ist die Gelenkfunktion des Verses nicht zu bestreiten, es wird aber zu fragen sein, ob er auch ursprüng‐ lich mit dieser Intention verfasst worden ist. 45 So auch RUDNIG, Heilig, 61. Vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.4. 46 Die wechselnden Formen in V 4 stehen innerhalb eines sekundären Einschubes, vgl. die vorhergehende Textanalyse. Das Verbum ישׁגו in V 6a ist dagegen bereits im text‐ kritischen Untersuchungsschritt als Nachtrag eingeordnet worden (vgl. Anm. 13), während mit נפצו in V 6b eine communis‐Form vorliegt. 47 את־האבדת אבקשׁ, V 16; vgl. ואת־האבדת לא בקשׁתם, V 4; ואת־הנדחת אשׁיב, V 16; vgl. ואת־הנדחת לא השׁבתם, V 4; ולנשׁברת אחבשׁ, V 16; vgl. ולנשׁברת לא חבשׁתם, V 4, und ואת־החולה אחזק, V 16; vgl. ואת־החולה לא־רפאתם, V 4. 48 ZIMMERLI, BK, 833. 49 Die überleitende Funktion von V 16 ist schon von HÖLSCHER, Hesekiel, 170, erkannt worden. Auch nach ZIMMERLI, BK, 833, erfüllt der Vers „die Aufgabe eines Binde‐ gliedes“, das V 17ff. mit V 1‐15 verbinde. Vgl. ferner GARSCHA, Studien, 201, und HOSSFELD, Untersuchungen, 244.282.285, die V 16 beide als redaktionellen Zusatz beurteilen, der die vorhergehenden Verse mit dem folgenden Abschnitt verbinden soll. Dagegen sieht LEVIN, Verheißung, 219 Anm. 84, in V 15f. eine ergänzende Ein‐ heit zu seiner Grundschicht in V 1‐6*.9‐10.13*.23‐24.
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Die folgende kleine Einheit umfasst die V 17‐22. In V 17 wird die Zäsur nicht nur durch die bereits erwähnte Botenformel, sondern auch durch die erneute Anrede markiert, die diesmal an die Schafe als Adressaten gerichtet ist. Zwar bleibt der Abschnitt mit dem Bild der Schafherde in der Motivik der vorangehenden Redeeinheiten, aber mit der Ankündigung des Gerichts unter den Schafen wird ein neues Thema eingeführt: Anstelle des Fehlverhaltens der Hirten steht nun mit dem Umgang der Schafe untereinander ein anderes Missverhältnis im Zentrum. Angeklagt werden die Schafe, die für die anderen die Nah‐ rungsgrundlage zerstören (V 18) und die Schwächeren aus der Herde verdrängen, so dass diese zerstreut werden (פוץ hif., V 21). Dement‐ sprechend wird die Heilsankündigung an die gesamte Herde durch eine ethische Differenzierung innerhalb der Herde abgelöst, in der Jhwh seine Schafe (צאני, V 19.22) vor dem Fehlverhalten der anderen Schafe retten wird (ישׁע hif., V 22). Dieses veränderte Heilsverständnis, nach dem die wahre Gottesherde erst durch eine Scheidung unter den Schafen konstituiert wird, spricht dafür, in V 17‐22 eine Fortschreibung des vorherigen Abschnittes zu sehen.50 Ohne Zäsur schließt sich in V 23 die Verheißung des einen (אחד, V 23) davidischen Hirten an, dessen Einsetzung mit der halben Bun‐ desformel in V 24a bestätigt wird. Eine Wortbekräftigungsformel in V 24b schließt die Einheit ab. Im Gegensatz zu den vorhergehenden V 17‐22 ist in V 23f. nicht mehr von einer Differenzierung des Heils die Rede, sondern es wird erneut das heilvolle Geschick der Gesamtherde thematisiert. Auch wenn eine formale Zäsur fehlt, so sprechen doch die inhaltlichen Gründe dafür, V 23f. vorerst nicht auf einer literarischen Ebene mit V 17‐22 einzuordnen. Es erscheint aber auch unwahrschein‐ lich, dass die Bestellung des Hirten David gleichursprünglich mit den Abschnitten ist, in denen Jhwh die Fürsorge für die Herde übernimmt (V 1‐10*; V 11‐15*), so dass mit V 23f. eine eigenständige literarische Schicht vorliegt.51 In diesen Versen zeigt schon der textkritische Be‐ fund, dass sie das Objekt weiterer redaktioneller Nacharbeit geworden sind. So ist auf jeden Fall der Nachsatz הוא ירעה אתם in V 23ba als Nach‐ 50 So mit HÖLSCHER, Hesekiel, 170f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 233.244‐253.282f. (für 34,17‐24 insgesamt); LEVIN, Verheißung, 219 Anm. 84, und SCHWAGMEIER, Unter‐ suchungen, 274 Anm. 980. Anders ZIMMERLI, BK, 833f., und KRÜGER, Geschichts‐ konzepte, 452. 51 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 370. Zu einer literarkritischen Trennung der beiden Hirten siehe HÖLSCHER, Hesekiel, 171; BERTHOLET, HAT, 121; LEVIN, Verheißung, 218, und POHLMANN, ATD, 464, während KRÜGER, Geschichtskonzepte, 455, und SCHWAG‐ MEIER, Untersuchungen, 275, die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der beiden Gestalten vertreten.
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trag einzuordnen.52 Er stellt eine Doppelung zu der Weideaussage in V 23aa dar und ist darüber hinaus auch in der LXX* nicht bezeugt.53 Der Teilvers V 24ab ist dagegen auffällig, da er den engen Zusammen‐ hang zwischen V 23bb und V 24aa stört, indem er gegenüber V 24aa das zweite Glied in der Nachahmung der Bundesformel einnimmt und so in Konkurrenz zu V 23bb tritt. Hier dürfte deshalb ein späterer Zu‐ satz vorliegen, durch den David nachträglich der Titel נשׂיא zugewach‐ sen ist.54 Trotz des Abschlusses durch die Wortbekräftigungsformel in V 24 setzen die V 25‐30 unvermittelt mit der Verheißung des Heilsbundes und der Beschreibung der künftigen heilvollen Situation im Land ein. Damit ist bereits formal ein Hinweis auf sekundäre Fortschreibung ge‐ geben, da die Wortbekräftigungsformel die sicherste Schlussformel im Ezechielbuch ist.55 Weiterhin wird die Hirtenmotivik fast vollständig aufgegeben, auch wenn die angeschlagenen Themen wie Sicherheit und Fruchtbarkeit im Land sowie Schutz vor den wilden Tieren nahe beim Bild der Herde bleiben. Der Abschnitt V 25‐30 kann deshalb als eine weitere Fortschreibung angesehen werden, die mit einer Gottes‐ spruchformel in V 30 abgeschlossen wird. Auffällig ist die Doppelung der Erkenntnisformeln in V 27.30; in V 30 wird die Erkenntnisaussage zusätzlich mit einer erneuten Bundesformel gekoppelt. Da die Erkennt‐ nisformel sowohl am Ende wie auch in der Mitte eines Redeabschnittes stehen kann, wird im Folgenden noch zu untersuchen sein, inwieweit diese Formeln als Hinweis auf literarische Nacharbeit in 34,25‐30 ge‐ wertet werden können.56 V 31 lenkt nach dem Abschluss durch die Gottesspruchformel in V 30 mit einer Wiederholung der Bundesformel im Bild der Herde zu den V 1‐24 zurück. Mit einer erneuten Gottesspruchformel gibt sich der 52 So mit ZIMMERLI, BK, 831; HOSSFELD, Untersuchungen, 248, und OHNESORGE, Jahwe, 371. Anders LEVIN, Verheißung, 219f. Anm. 86, der die Ursprünglichkeit von V 23ba vertritt. 53 Vgl. zum textkritischen Befund o. Anm. 25. 54 So mit LEVIN, Verheißung, 219f. Anm. 86. Die literarkritische Ausscheidung beider Davidaussagen in der Hirtenverheißung 34,23f., wie sie von HOSSFELD und OHNE‐ SORGE vorgenommen wird, ist dagegen nicht überzeugend. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass die Apposition in V 23ab nicht direkt hinter dem Bezugsobjekt רעה אחד stehe, sondern durch einen Verbalsatz von diesem getrennt werde (vgl. HOSS‐ FELD, Untersuchungen, 248‐252, und im Anschluss an diesen OHNESORGE, Jahwe, 371; siehe ferner GROSS, Hoffnung, 113f.). Die Satzstellung erklärt sich aber durch den Zitatcharakter von V 23aa, der auf Jer 23,4 rekurriert; vgl. dazu u. Kap. II. 3.3. 55 Vgl. dazu HOSSFELD, Untersuchungen, 46‐53, sowie SCHÖPFLIN, Theologie, 105‐107. 56 So nimmt LEVIN, Verheißung, 220, in V 27abb und V 28 zwei sekundäre Ergänzun‐ gen an; vgl. ebenso FUHS, NEB, 195. Zur ausführlichen Analyse von Ez 34,25‐30 vgl. u. Kap. III. 4.2.1.
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Vers als redaktioneller Nachtrag zu erkennen, dessen Funktion darin besteht, V 25‐30 in das Kapitel zu integrieren und eine kompositorische Einheit herzustellen. Die Ergebnisse der ersten Analyse können damit wie folgt zusam‐ mengefasst werden: Das Kapitel besteht aus den fünf kleinen Einheiten in V 1‐10*.11‐15*.17‐22.23f.* und V 25‐30. Weiterhin sind die V 3f.; V 7f.; V 12; V 14a.b; V 16 und V 31 als redaktionelle Nachträge identifiziert worden. Da der dritte (V 17‐22), vierte (V 23f.*) und fünfte (V 25‐30) Redegang als Fortschreibungen anzusehen sind, kann die Grund‐ schicht des Kapitels nur in den übrigen Teilen V 1‐10*.11‐15* zu finden sein. Die erste Jhwh‐Rede in V 1‐10* ist dabei konstitutiv für das Ganze. Nicht nur liegt allein hier ein sinnvoller Anfang für den Text vor, son‐ dern in diesen Versen wird auch das Hirtenmotiv eingeführt, das im Rest des Kapitels vorausgesetzt ist. Es bleibt die Frage, ob der Grundbestand des Kapitels in V 1f.5f.9f. (V 1‐10*) eine für sich abgeschlossene, sinnvolle Texteinheit darstellt, oder ob auch der folgende Abschnitt in V 11‐15* noch zum Ausgangs‐ text zu ziehen ist. Zwar scheint die Sammlungsverheißung in V 11‐15* auf die Situation der Zerstreuung zu antworten, aber die literarische Zäsur in V 11 sowie der Genuswechsel im Suffixgebrauch bei צאן spre‐ chen dagegen, hier die ursprüngliche Fortsetzung der Grundschicht zu sehen. Auch wenn צאן als Metapher für das Volk ein Kollektivbegriff ist, für den beide Genera belegt sind, 57 so ist doch kaum vorstellbar, dass ein und derselbe Autor in der Mitte seines Textes das Genus des Leitwortes wechselt. Es liegt näher, den Wechsel in Kap. 34 mit einem redaktionellen Übergang zu erklären, durch den das Bild der Herde auf das Volk durchsichtig gemacht wird.58 Darüber hinaus sind Zweifel daran angebracht, ob die Sammlungs‐ verheißung in V 11‐15* wirklich auf dieselbe Situation bezogen ist wie die Zerstreuung der Schafe in V 1f.5f. Die Rückführungsansage in V 13 sieht eindeutig die Sammlung der weltweiten Diaspora vor, wie an der Verwendung der für den „neuen Exodus“ typischen Begriffe wie יצא 57 Nach JOÜON/MURAOKA, Grammar, §134d, wird צאן normalerweise feminin ge‐ braucht, kann aber gelegentlich auch maskulin verstanden werden. 58 So auch HOSSFELD, Untersuchungen, 242, der aufgrund des Suffixgebrauches V 11‐15 von seiner Grundschicht in V 1f.9f. abtrennt, und auch V 14b mit seinen femininen Formen als Zusatz innerhalb von V 11‐15 bestimmt. WILLMES, Hirtenallegorie, 213, nimmt die Beobachtungen hinsichtlich des Genusgebrauches dagegen zum Anlass, zwei Texte zu rekonstruieren, in denen צאן einmal maskulin und einmal feminin aufgefasst wird. Es ist allerdings fraglich, ob der Genuswechsel das alleinige Krite‐ rium der literarkritischen Analyse sein sollte; vgl. dazu auch die Kritik an WILLMESʹ Vorgehen bei KRÜGER, Geschichtskonzepte, 450f.
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hif., קבץ מן הארצות und בוא hif. gezeigt werden kann.59 In 34,6 ist dagegen davon die Rede, dass die Schafe „auf allen Bergen ()בכל־ההרים, auf jedem hohen Hügel ()על כל־גבעה רמה und über das ganze Land hin (על “)כל־פני הארץ zerstreut sind. Die Formulierung הארץ steht im Ezechiel‐ buch in der überwiegenden Mehrzahl der Belege für das Land Israel, während sie nur an wenigen Stellen die Erde insgesamt bezeichnet.60 Die Lemmata הר und גבעה finden sich darüber hinaus in Ez 6,3.13; 36,4.6 in der Beschreibung des Landes Israel, so dass zu überlegen ist, ob die Zerstreuung in 34,6 für eine Situation der Orientierungslosigkeit steht, die zwar auf das Exil übertragen werden kann, in erster Linie aber die Lage im Land selbst beschreibt (vgl. 1 Kön 22,17).61 Die Beobachtungen sprechen dafür, in V 11‐15* eine erste Fortschreibung der Grundschicht zu sehen, in der die Blickrichtung von der Absetzung der schlechten Hirten zur Heimführung der weltweiten Diaspora verschoben wird. Wird nach dem redaktionellen und historischen Ort des Grund‐ wortes in 34,1‐10* gefragt, so ist zuerst zu überlegen, wer die schlech‐ ten Hirten sind, denen Jhwhs Gericht gilt. Die nähere Bestimmung als Hirten „Israels“ zeigt zuerst an, dass ihnen eine besondere Aufgabe am Gottesvolk obliegt, wobei die mit ישׂראל gebildete constructus‐Verbin‐ dung auch ein sprachliches Spezifikum des Buches darstellt.62 Näheren Aufschluss gibt die Metapher des Hirten und seiner Herde, die in der Königsideologie des Alten Orients ein gebräuchliches Bild für den Herrscher ist, der als Hirte über sein Volk wacht.63 So kann der Hirten‐ titel zur Bezeichnung des Königs werden, aber auch als Titulatur für andere Führer des Volkes gebraucht werden, die vom göttlichen Hirten 59 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 263.309‐314; zu einem Überblick über die Samm‐ lungsaussagen in den heilsprophetischen Texten des Ezechielbuches vgl. u. Kap. III. 3.3. 60 Zu הארץ als Bezeichnung für Israel vgl. Ez 6,14; 7,2.7.23.27; 8,12.17; 9,9; 11,15; 12,6.12.19.20; 14,15.16.17.19; 15,8; 17,5.13; 22,29.30; 23,48; 33,24.25.26.28.29; 34,13. 25.27.28(?).29; 35,14; 36,18.34.35; 38,9.16; 39,12.13.14.15.16; 45,1.4.8.16.22; 46,3.9; 47,13,14,15; 47,21; 48,12.29. Als Terminus für die ganze Erde findet sich הארץ in Ez 28,18; 29,6; 31,12; 34,28(?); 38,12. 61 Vgl. auch ZIMMERLI, BK, 838, der von einer „Doppelsinnigkeit des ‘Zerstreutwer‐ dens’“ spricht, das sowohl auf den Horizont des Landes Kanaan wie auch auf die Exilswirklichkeit verweise. 62 Im Ezechielbuch tritt ישׂראל in einer Reihe von constructus‐Verbindungen auf, die im Alten Testament sonst nicht belegt sind. Vgl. dazu insgesamt ZIMMERLI, Israel, 75‐90, nach dem hier eine Ausrichtung der Verkündigung auf die „Gesamtgrösse Israel“ vorliegt (DERS., a.a.O., 80). 63 Vgl. dazu WALLIS, Art. ָר ָעה, 570‐572; SEUX, Épithètes, 244‐250.441‐446; KEEL, Welt, 208f.; WILLMES, Hirtenallegorie, 425‐436, und HUNZIKER‐RODEWALD, Hirt, 16‐38. Siehe ferner J. SEIBERT, Hirt – Herde – König. Zur Herausbildung des Königtums in Mesopotamien, Berlin 1969, und D. MÜLLER, Der gute Hirte. Ein Beitrag zur Ge‐ schichte ägyptischer Bildrede, ZÄS 86, 1961, 126‐144.
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mit dem Weiden der Herde beauftragt werden.64 In dieser Form lässt sich die Verwendung der Hirtenmetapher auch für das Alte Testament belegen.65 Allerdings ist es gerade in Bezug auf Ez 34 schwer zu ent‐ scheiden, welche Herrschaftsgruppe im Bild der schlechten Hirten angeklagt wird. Die weithin übliche Deutung, nach der der Weheruf in Ez 34 gegen die Könige Judas bzw. ein vorexilisches Führungskolle‐ gium gerichtet sei,66 die mit ihrem Fehlverhalten das Exil verschuldet hätten, bringt einige Schwierigkeiten mit sich. Der historischen Fiktion des Buches nach ist das Hirtenkapitel zeitlich nach dem Fall der Stadt Jerusalem anzusetzen, so dass eine Situation nach der Katastrophe von 587 v. Chr. im Blick ist.67 Es kann auch kein Rückblick vorliegen, da sich die schlechten Hirten mit dem Nicht‐Weiden der Herde eines gegenwärtigen Vergehens schuldig machen; sie könnten ja, wenn sie nur wollten. Hinter den Hirten Israels ist deshalb eine Gruppe von Führungsinstanzen in nachstaatlicher Zeit zu vermuten, die für den desolaten Zustand des Volkes im Land („Zerstreuung“) verantwortlich sind. Dies passt auch mit der zuvor gemachten Beobachtung zusam‐ men, dass die Zerstreuung der Schafe in 34,6 die Situation im Land beschreiben könnte, die erst in 34,11‐15* eine nachträgliche Auslegung auf die weltweite Diaspora erfahren hat. Diese Führungsinstanzen müssen aber nicht unbedingt im Bereich der Restbevölkerung im Land gesehen werden,68 wie sich das von Jes 56,10‐12 her nahe legen würde, sondern es ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es sich hierbei um Fremdherren wie Könige, Satrapen, Provinzstatthalter u.ä. handeln könnte. Seit dem Ende des 64 Vgl. z. B. die Selbstvorstellung Hammurapis als von den Göttern bestellter Hirte: „Ich Hammurapi, der von Enlil berufene Hirte ...“ (Prolog des Hammurapi‐Codex, vgl. BORGER, Codex, 40). 65 Vgl. dazu HAMP, Hirtenmotiv, 7‐20; SCHOTTROFF, Psalm 23, 86‐92; WILLMES, Hirten‐ allegorie, 277‐350, und HUNZIKER‐RODEWALD, Hirt, 43‐72. 66 An die Könige Judas denken SMEND, KEH, 273; HÖLSCHER, Hesekiel, 169; ALLEN, WBC 29, 161; BLOCK, NICOT II, 282, und GREENBERG, AncB, 694f., während EICH‐ RODT, ATD, 327, den Bezug auf vorexilische „führende Kreise in Juda“ sieht; vgl. auch FOHRER, HAT, 192: „die regierenden Schichten Judas in der Gegenwart Ezʹs, einschließlich Zedekias“. ZIMMERLI, BK, 834.836, und HOSSFELD, Untersuchungen, 254, sprechen allgemein von der politischen Führerschaft, ohne eine zeitliche Einord‐ nung vorzunehmen. 67 Vgl. Ez 33,21f. Selbst wenn Ez 34 diesen Text noch nicht voraussetzen sollte, wird der Fall der Stadt in den Fremdvölkerworten bereits als geschehen dargestellt, da die umliegenden Nachbarn Israels mit Spott auf das Ereignis reagieren (vgl. Ez 25,1‐ 26,6). 68 So POHLMANN, ATD, 464, der in den Hirten Israels Führer im Bereich der Restbevöl‐ kerung nach den Ereignissen um 587 v. Chr. sieht. Da er von einer Grundschicht im Bereich von V 1‐16 ausgeht, muss er die Vorwürfe an die Hirten so weit fassen, dass diese das Volk letztendlich in die Diaspora treiben (vgl. POHLMANN, a.a.O., 465).
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Exils stand Juda sowohl in der persischen als auch in der hellenisti‐ schen Epoche unter andauernder Fremdherrschaft, gegen die ebenso in Sach 10,3 und 11,4 mit dem Bild der Hirten polemisiert wird. Insbeson‐ dere ein Indiz könnte für diese Deutung sprechen: In V 10 droht Jhwh den Hirten als Strafe für die unterlassene Hirtenschaft an, dass er seine Herde ihrem Rachen ()מפיהם entreißen wird (נצל hif.), so dass sie ihnen nicht mehr zum Fraß ()לאכלה werden wird. נצל hif. wird an einigen Stellen im Alten Testament für die Befreiung aus der Hand von (Fremdvölker)‐Feinden gebraucht.69 Das Verb אכל kann dagegen für das feindliche Verhalten der Völker gebraucht werden, die Israel bzw. sein Land fressen.70 Hier ist insbesondere Jer 50,17 zu nennen, wo Israel mit einem versprengten Schaf verglichen wird, das zuerst vom König von Assur gefressen wird ()אכל, ehe Nebukadnezar ihm die Knochen abnagt. Schließlich wird auch im unmittelbaren literarischen Kontext in Ez 35,12 in identischer Formulierung von Seir/Edom gesagt, dass es sich die Berge Israels zum Fraß ()לאכלה genommen habe.71 Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, das Bild in Ez 34,10 als Metapher für die Befreiung des Volkes aus der Fremdherrschaft zu deuten, vor allem da den Hirten auch keine Bestrafung angesagt wird, sondern sie allein die Zuständigkeit über das Volk verlieren. Zwar wird die Frage nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten sein, aber für die weitere Analyse wird hier vorgeschlagen, hinter den Hirten in Ez 34 Fremdvölkerherr‐ scher oder vielleicht auch von ihnen ermächtigte Israeliten zu sehen. Dann bleibt allerdings noch zu überlegen, wer die „Tiere des Fel‐ des“ sind, denen die Schafe in Ez 34,8 in ähnlicher Weise wie den schlechten Hirten zum Fraß ()לאכלה werden. Zwei Möglichkeiten sind denkbar: Die parallele Stellung dieses Schicksals zu dem Verhängnis der Schafe, „zum Raub“ (לבז, 34,8) zu werden, könnte zuerst für eine rein metaphorische Deutung sprechen, bei der das Zugrundegehen des Volkes in unterschiedlichen Bildern geschildert wird. Ebenso ist aber denkbar, dass es sich auch bei den „Tieren des Feldes“ um verschie‐ dene fremde Völker handelt, die die Nachlässigkeit der schlechten Hirten ausnutzen, um Territorium und Bevölkerung Israels zu dezi‐ mieren. 69 Vgl. von Feinden allgemein Ri 8,34; 1 Sam 12,10f.; 2 Kön 17,39; Ps 31,16; von den Ägyptern Ex 3,8; Ri 6,9; von den Philistern 1 Sam 7,3; aus der Hand Babels Jer 42,11; siehe dazu insgesamt HOSSFELD/KALTHOFF, Art. נצל, 572‐577. Im Ezechielbuch findet sich נצל hif. mit dem Volk als Objekt auch in 13,21.23, wo Jhwh ansagt, dass er sein Volk vor den schlechten Prophetinnen retten wird; evtl. ist diese Rettungsaussage in 34,10 aufgenommen worden; vgl. dazu u. Kap. IV. 2.3. 70 Vgl. dazu Jes 1,7; Jer 8,16; 10,25; 50,7; 51,34; Ps 79,7. 71 Zum literarischen Verhältnis von Ez 35,1‐15* und 34,1‐10* vgl. u. Kap. III. 7.3. und IV. 2.1.3.2.
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Die Analyse ist damit zu dem Ergebnis gekommen, dass die Grundlage des Textwachstums im Hirtenkapitel mit dem Bildwort in V 1f.5f.9f. (34,1‐10*) vorliegt, in dem Jhwh den Fremdvölkerhirten das Gericht ansagt und verkündet, dass er sein Volk ihrer Herrschaft im Land entreißen wird. Dieses Bild ist allerdings auch auf die Lage der Diaspora übertragbar, in der sich das Volk generell unter der Fremd‐ herrschaft befindet. Konsequenterweise wird das Eintreten Jhwhs für sein Volk in V 11.13.15 (34,11‐15*) deshalb sekundär auf die Heimfüh‐ rung der Diaspora ausgelegt, die er aus der Zerstreuung in den Län‐ dern retten wird. Weitere Fortschreibungen liegen mit der Verheißung des davidischen Hirten (V 23f.*), des Heilsbundes (V 25‐30) und der Ankündigung des Gerichtes unter den Schafen (V 17‐22) vor. Da ins‐ besondere das Grundwort des Hirtenkapitels und seine ersten Fort‐ schreibungen literarische Berührungen mit Jer 23,1‐8 aufweisen, ist zuerst die vergleichende Analyse mit dem Jeremiatext anzuschließen, ehe das weitere literarische Wachstum in Ez 34 in den Blick genommen wird. Auf diese Weise können nicht nur zusätzliche Informationen zum historischen Ort und der Aussageintention von Ez 34 gewonnen werden, sondern es kann auch aufgezeigt werden, in welcher Form innerbiblische Auslegungsvorgänge das literarische Wachstum des Kapitels beeinflusst haben.
3. Innerbiblische Auslegung in Ez 34 3.1. Das Wort gegen die Könige Jer 23,1‐8 3.1.1. Übersetzung 1 Wehe den Hirten, die die Schafe meiner72 Weide zugrunde richten und zerstreuen, Spruch Jhwhs.73 2 Darum, so spricht Jhwh, der Gott Israels, über die Hirten, die mein Volk weiden:74 Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie vertrieben. 72 Vaticanus und Sinaiticus (vgl. auch Codex Wirceburgensis) bieten anstelle des Suffixes 1. Pers. sg. den Genitiv des Personalpronomens 3. Pers. pl. (th/j nomh/j auvtw/n) und be‐ ziehen מערית auf die Hirten. Die Variante des MT ist lectio difficilior, während die Textvarianten der LXX als Versuch erklärt werden können, den Text zu verein‐ fachen. Dies geschieht evtl. in Angleichung an Jer 10,21 und 25,36, wo מרעית jeweils mit Bezug auf die Hirten gebraucht wird; das Lemma ist überhaupt nur an diesen drei Stellen im Jeremiabuch belegt. LUNDBOM, AncB, 167, und DRINKARD, WBC, 324, ziehen die MT‐Lesart vor, während RUDOLPH, HAT, 124; MCKANE, ICC, 554, und HUNZIKER‐RODEWALD, Hirt, 73f., den LXX‐Text übernehmen. 73 LXX* lässt die Spruchformel am Ende des Verses aus, vgl. auch V 2. Dies ist als Glättung zu erklären.
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Und ihr habt nicht nach ihnen gesehen. Siehe, ich werde an euch die Bosheit eurer Taten heimsuchen, Spruch Jhwhs. Und ich selbst sammele den Überrest meiner Herde aus allen Län‐ dern, wohin ich sie vertrieben habe. Und ich werde sie zurückbrin‐ gen zu ihrem Weideplatz, und sie werden fruchtbar sein und sich vermehren. Und ich werde Hirten bestellen über sie und die werden sie wei‐ den. Und sie werden sich nicht mehr fürchten und nicht mehr erschrecken und nicht mehr vermisst werden,75 Spruch Jhwhs. Siehe, Tage kommen, Spruch Jhwhs, da werde ich dem David einen rechtmäßigen76 Spross erstehen lassen. Und er wird als König herr‐ schen und einsichtig handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land. In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel77 in Sicher‐ heit wohnen. Und dies ist sein Name, mit dem man ihn rufen wird:78 Jhwh, unsere Gerechtigkeit.79 Deshalb siehe, Tage kommen, Spruch Jhwhs, da sagen sie nicht mehr: So wahr Jhwh lebt, der die Israeliten aus Ägypten herauf‐ geführt hat,
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74 LXX bietet evpi. tou.j poimai,nontaj to.n lao,n mou und lässt wohl in Folge von Haplogra‐ phie das erste הרעים aus. 75 ולא יפקדו fehlt in LXX*; Vulgata übersetzt sinngemäß et nullus quaeretur ex numero. Das Vorkommen des Leitwortes פקד kann hier aber als strukturelle Parallele zu פקד in V 2a.b gesehen werden, so dass am MT festzuhalten ist. 76 Sowohl Peschitta als auch Targum gehen von einer nominalen Lesung ֶצ ֶדק anstelle des Adjektivs ַצ ִדּיק aus. Dahinter kann der nachträgliche Einfluss durch das ֶצ ַמח ְצ ָד ָקה der Parallele Jer 33,15f. vermutet werden. Zur Übersetzung von צדיק im Sinne von „rechtmäßig“ vgl. HALAT, 940. Zur Diskussion vgl. u. Kap. III. 5.5.3.3. 77 Der Codex Sinaiticus bietet für וישׁראל die Variante kai. Ierousalhm. Diese Lesart ist wie schon die Variante in V 5 (vgl. Anm. 76) mit einer Beeinflussung durch die Parallele in Jer 33,15f. zu erklären, wo Juda und Jerusalem nebeneinander gestellt werden. 78 Anstelle von יִ ְק ְראוֹ bieten wenige Ausgaben die Verbform 3. Pers. pl. יִ ְק ְראוּ. Targum, Vulgata und die Versio Arabica lesen 3. Pers. pl. mit Suffix 3. Pers. mask. sg. Nach GesK §60c, ist die ungewöhnliche MT‐Form als forma mixta zu erklären, die als lectio difficilior beizubehalten ist (so mit MCKANE, ICC, 563). Die Varianten verdeutlichen den Kollektivbezug, der im MT in Form der unpersönlichen 3. Pers. sg. angelegt ist. 79 LXX übersetzt den Namen als Iwsedek; Symmachus hat dikai,wson h`ma/j; vgl. auch Targum und Vulgata (iustus noster). 80 V 7f. sind in der LXX am Ende des Kapitels nach 23,40 eingeordnet. In textkritischer Sicht spricht einiges dafür, dass die LXX die ursprüngliche Stellung der Verse 7f. bewahrt hat. Denn die fehlerhafte Zuordnung von evn toi/j profh,taij (לנבאים, MT V 9) zu V 6 in LXX (vgl. ZIEGLER, LXX Jeremias, 263) ist nur so zu erklären, dass der Übersetzer eine hebräische Vorlage hatte, in der V 9 direkt auf V 6 folgte, und V 7f. noch nicht an dieser Stelle eingefügt waren (so auch MCKANE, ICC, 566). Vgl. dazu die redaktionsgeschichtliche Diskussion in Kap. II. 3.1.2.
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8 sondern: So wahr Jhwh lebt, der die Nachkommenschaft des Hau‐ ses Israels heraufgeführt und zurückgebracht hat81 aus dem Land des Nordens und aus all den Ländern, wohin ich sie vertrieben hatte.82 Und sie sollen auf ihrem Land wohnen. 3.1.2. Textanalyse Jer 23,1‐8 steht am Ende der Sammlung von Worten gegen die Könige Judas in Jer 21,11‐23,8.83 Es wird im Allgemeinen angenommen, dass der Text aus den drei kleinen Einheiten V 1‐4.5f.7f. zusammengesetzt ist. Uneinigkeit herrscht dagegen in den Fragen, ob auch die V 1‐4 bereits das Produkt eines mehrstufigen Wachstums sind84 und inwie‐ weit die Verse auf den historischen Propheten Jeremia zurückgeführt werden können.85 Ausgangspunkt des literarischen Textwachstums ist unbestreitbar der Weheruf gegen die schlechten Hirten in Jer 23,1, der auf die Klage Jer 10,21 zurückgeht,86 und mit einer Gottesspruchformel abgeschlos‐ sen wird. Aufgrund des Neueinsatzes durch לכן und die Botenformel ist in V 2 eine erste Fortschreibung zu sehen, die den Vorwurf ergänzt, dass die Hirten nicht nach der Herde gesehen haben, und ihnen die Heimsuchung durch Jhwh androht. Abgesehen von der kurzen Notiz in Jer 22,22 ist in den Worten gegen die Könige Judas ansonsten nicht von den Hirten die Rede. Wie aber die vorangehende Analyse im Hir‐ tenkapitel Ez 34 gezeigt hat, ist die Verwendung des Hirtentitels für den König und andere Führungspersönlichkeiten im Alten Orient wie auch im Alten Testament belegt. Aus der Kontextstellung von Jer 23,1f. am Ende der Worte gegen die Könige Judas kann deshalb geschlossen werden, dass sich die Gerichtsworte auf eben diese Könige (und evtl. weitere Führer des Volkes) beziehen. Sie sind an ihrem göttlichen 81 LXX* lässt wohl durch Haplographie העלה ואשׁר aus (so mit LUNDBOM, AncB, 177). 82 LXX bietet eine Verbform 3. Pers. sg () ִה ִדּי ָחם anstelle der 1. Pers. sg. im MT () ִה ַד ְח ִתים. Die Variante kann als Angleichung an den Schwursatz in der ersten Vershälfte erklärt werden, während der MT die lectio difficilior bietet. Evtl. liegt auch Einfluss der Parallele in Jer 16,15 vor, auf den auch die Ersetzung der Wohnungsaussage in V 8b durch kai. avpekate,sthsen auvtou.j zurückgeführt werden kann. 83 Zu dieser Abgrenzung vgl. HERMISSON, „Königsspruch“‐Sammlung, 296‐299. 84 So z. B. LEVIN, Verheißung, 188‐190, der einen vierstufigen Fortschreibungsprozess des Weherufes Jer 23,1 annimmt; vgl. auch MCKANE, ICC, 555‐559. Dagegen argu‐ mentieren THIEL, Redaktion I, 246‐248, und HUNZIKER‐RODEWALD, Hirt, 74‐78, zu‐ gunsten der Einheitlichkeit der V 1‐4. 85 So nimmt LUNDBOM, AncB, 164ff., die Verfasserschaft des Propheten für alle Orakel in Jer 23,1‐8 an. Vgl. auch RUDOLPH, HAT, 125, der V1f.4‐6 auf den Propheten zu‐ rückführt. 86 So mit THIEL, Redaktion I, 247, und LEVIN, Verheißung, 188.
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Auftrag, das Volk zu weiden, gescheitert und werden der Zerstreuung und der Vernachlässigung der Herde beschuldigt.87 Das erweiterte Grundwort in Jer 23,1.2 hat damit eindeutig die politischen Verhält‐ nisse im vorexilischen Juda vor Augen, die schließlich zum Exil geführt haben.88 An dieses Gerichtswort in Jer 23,1.2 haben sich die drei heilspro‐ phetischen Fortschreibungen in V 3f.; V 5f. und V 7f. angeschlossen. Die V 3f. greifen erneut das Thema der zerstreuten Herde auf, aller‐ dings sind hier nicht die Hirten die Verantwortlichen, sondern Jhwh selbst hat nach V 3 die Schafe vertrieben. Er kündigt ihre Sammlung an und will Hirten über sie bestellen (קום hif.), die die Herde weiden sollen. In diesen Versen wird das Bild der zerstreuten Herde auf die Zerstreuung der Diaspora durch Jhwh übertragen ()קבץ מכל הארצות, wobei aber die Frage offen bleibt, ob sie nur die babylonische Gola oder schon eine weltweite Diaspora im Blick haben.89 Eine erneute Gottesspruchformel schließt die so erweiterte Einheit V 1‐4 ab. Die folgenden V 5f. geben sich dadurch als Fortschreibung zu er‐ kennen, dass die Verheißung des davidischen Sprosses durch die parallele Konstruktion mit קום hif. auf die Bestellung neuer Hirten in V 3f. bezogen ist. Durch diese Wiederaufnahme tritt der Spross an die Stelle der Hirtengruppe, so dass V 3f. in V 5f. eine Auslegung erfah‐ ren.90 Als das letzte Glied der Fortschreibungskette können die V 7f. angesehen werden, in denen die Sammlungsverheißung der Diaspora als Überbietung des Exodus nachgetragen wird. Sie zeigen bereits durch die Wiederaufnahme der Einleitungsformel aus V 5 הנה ימים באים נאם־יהוה (vgl. V 7) und das rückbezügliche לכן, dass sie nicht auf dersel‐ ben literarischen Ebene einzuordnen sind wie die vorausgehenden V 5f. Vor allem aber geben sie sich dadurch als jüngster Nachtrag der Perikope zu erkennen, dass sie in der LXX am Ende von Kap. 23 einge‐ ordnet sind, wo nach dem textkritischen Urteil ihre ursprüngliche Position ist.91 Darüber hinaus findet die Textdifferenz zwischen MT 87 So u.a. mit ZIMMERLI, BK, 835; LUNDBOM, AncB, 167; MCKANE, ICC, 555. 88 Vgl. LEVIN, Verheißung, 188, und SCHMID, Buchgestalten, 273f. Letzterer führt aller‐ dings nur Jer 23,1 an, während er in 23,3f. die Situation des Exils vorausgesetzt sieht; 23,2 bleibt dabei unerwähnt. 89 Für die babylonische Gola spricht sich SCHMID, Buchgestalten, 273f., aus, während LEVIN, Verheißung, 188, dafür votiert, dass die Sammlung in V 3f. auf die „Diaspora ‘aus allen Ländern’“ bezogen ist. 90 Nach SCHMID, Buchgestalten, 273, Anm. 342f., handelt es sich bei Jer 23,5f. um eine „Verdeutlichung“, die dem Missverständnis wehren wolle, „23,4 könnte auch frem‐ de Herrscher meinen“. Da der eine Davidide in V 5 aber an die Stellen der Hirten‐ gruppe (pl.!) tritt, liegt m. E. nicht nur eine Verdeutlichung vor, sondern eine von V 3f. divergierende Herrscherkonzeption. 91 Vgl. dazu o. Anm. 80.
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und LXX auch eine redaktionsgeschichtliche Erklärung. So hat SCHMID darauf hingewiesen, dass die Verse an ihrem ursprünglichen Ort am Ende des Kapitels die golaorientierte Passage Jer 24,1‐10 korrigieren sollen. Erst im Zuge einer Überarbeitung nach Gabelung der Textüber‐ lieferung sei die Diasporaverheißung mit der Restauration der Davids‐ dynastie verbunden und die Verse 7f. an ihren jetzigen Ort hinter 23,5f. gestellt worden.92 Auffällig ist weiterhin, dass auch in Jer 23,1‐8 einige Unsicherheiten bezüglich des Genusgebrauches von צאן zu notieren sind: Während in V 2.3a eine männliche Bezugsgruppe im Blick ist, deuten die Suffixe in V 3b auf ein weibliches Verständnis von צאן hin. Wenn man V 3b nicht als nachträgliche Einfügung ausscheiden will, wofür außer des Suffix‐ wechsels wenig spricht, bleibt nur die Erklärung, dass auch an dieser Stelle das Bild der Herde auf das Volk durchsichtig gemacht wird.93 Die Ergebnisse der Textanalyse können damit wie folgt zusammen‐ gefasst werden: Nucleus des literarischen Textwachstums in Jer 23,1‐8 ist das Wehewort gegen die Hirten Israels in V 1, das zuerst in V 2 eine gerichtsprophetische Fortschreibung erfahren hat. An dieses so zusam‐ mengesetzte Gerichtswort haben sich dann drei heilsprophetische Fort‐ schreibungen in den V 3f.; V 5f. und 7f. angeschlossen. Im Zuge des Textwachstums zeigt sich eine theologiegeschichtliche Abfolge von Schuldreflexion (V 2), Diasporaorientierung (V 3f.), politischen Restau‐ rationserwartungen (V 5f.) bis hin zur Kombination von Davidrestau‐ ration und Heimkehr der Diaspora (V 5‐8). Das Gottesverhältnis wird in V 7f. neu in der Sammlung der Diaspora begründet, die als Über‐ bietung des Exodus dargestellt wird. 3.2. Vergleichende Analyse Bei einem Vergleich der beiden Texte fallen sofort die zahlreichen Stichwortverbindungen zwischen Jer 23,1‐8 und Ez 34 ins Auge. Auf‐ fällig ist zuerst der parallele einleitende Weheruf הוי רעים in Jer 23,1 bzw. הוי רעי־ישׂראל in Ez 34,2. Die Näherbestimmung der Hirten in Ez 34,2 als Hirten „Israels“ erklärt sich dabei mit dem spezifischen Sprach‐ 92 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 271.323‐327. Dagegen sieht LEVIN, Verheißung, 189, die ursprüngliche Position der Verse 7f. in der MT‐Textüberlieferung bewahrt. Die Text‐ differenz erklärt er dadurch, dass die Verse in der LXX sekundär an den Schluss des Kapitels gesetzt wurden, um ihm einen „heilvollen Abschluß“ zu geben (LEVIN, a.a.O., 189). 93 So auch DUHM, KHC, 181: „In v. 3a das männliche, in v. 3b weibliche Suffixe, welch letztere sich auf die Schafe beziehen werden; ...“. Vgl. dazu auch MCKANE, ICC, 556, und LEVIN, Verheißung, 188.
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gebrauch des Buches.94 In beiden Texten findet sich des Weiteren der Vorwurf, dass die Hirten für die Zerstreuung der Herde verantwortlich seien (Jer 23,1f. פוץ hif.; Ez 34,6 פוץ ni.95). Auch die Gerichtsankündi‐ gung „über die Hirten“ (על־הרעים, Jer 23,2; vgl. אל־הרעים, Ez 34,10)96 ist in beiden Texten in gleicher Weise mit der Konjunktion לכן und der Boten‐ formel eingeleitet. Schließlich deutet auch die parallele Verheißung, die zerstreute Herde aus den Ländern zu sammeln, auf eine Verbindung zwischen den Texten hin: In Jer 23,3 ist diese Verheißung mit קבץ pi., dem Objekt את־שׁארית צאני und der Ortsangabe מכל הארצות gebildet. Ez 34,13 weicht geringfügig davon ab, indem die genauere Bestimmung כל ausgelassen ist und das Objekt der Sammlung durch das Suffix 3. Pers. mask. pl. vertreten wird. Außerdem steht vor der Sammlungsansage in paralleler Konstruktion die Verheißung, die Herde aus den Völkern hinauszuführen (מן־העמים והוצאתים, Ez 34,13). Die beiden Texte berühren sich weiterhin darin, dass jeweils die Rückführung der Herde auf ihre Weide (נוה, Jer 23,3; Ez 34,14a.14b) vorgesehen ist, die im Hirtenkapitel allerdings sowohl literarisch als auch redaktionell sekundär gegenüber der Rückführung auf die Berge Israels (34,13) ist. Das Lemma נוה ist über Ez 34,14 hinaus nur noch in Ez 25,5 im Ezechielbuch belegt, wo es aber nicht für das Land Israel verwendet wird, während es an mehre‐ ren Stellen im Jeremiabuch vorkommt (vgl. Jer 9,9; 23,10; 25,30; 31,23; 33,12; 49,19.20; 50,7.19.44.45). Darüber hinaus findet sich sowohl im Jeremiatext als auch in der Ezechielperikope die mit קום על hif. gebildete Bestellung eines bzw. mehrerer Hirten über die Herde. Dabei konkurrieren in Jer 23 zwei Aussagen miteinander: Während in Jer 23,3f. mehrere Hirten angekün‐ digt werden, die die Schafe weiden sollen, wird auf der späteren litera‐ rischen Ebene V 5f. ein rechtmäßiger Spross aus Davids Geschlecht verheißen, ohne dass weiter auf die Hirtenmetapher Bezug genommen wird. Ez 34,23f. „überrascht demgegenüber durch die Ankündigung, daß David selber der kommende gute Hirte sein werde.“ 97 Auf den ersten Blick scheint Ez 34,23f. damit eine Kombination der beiden jere‐ mianischen Wachstumsstufen zu bieten, da die Hirtenverheißung von Jer 23,4 mit der Davidverheißung von Jer 23,5 verbunden ist. Jedoch wird kein rechtmäßiger Davidspross ()צמח צדיק erwartet, der als König herrscht, sondern im Ezechielbuch ist von David als „Fürst“ ()נשׂיא und „Knecht“ ()עבד die Rede. Darüber hinaus fehlt in Ez 34 jegliche Kon‐ 94 Vgl. dazu o. Kap. II. 2.2. 95 פוץ hif. findet sich ferner in Ez 34,21, wo es allerdings für die Zerstreuung der schwa‐ chen Schafe durch die starken Tiere gebraucht wird. 96 Zur Vertauschung von אל und על im Ezechielbuch vgl. o. Anm. 15. 97 ZIMMERLI, BK, 842.
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kretion der Art und Weise, wie David seine Hirtenschaft ausüben soll, während in Jer 23,5 die Herrschertätigkeit des rechtmäßigen Sprosses durch die Trias מלך, שׂכל hif. und עשׂה משׁפט וצדקה näher bestimmt wird. Das Attribut במשׁפט kennzeichnet allerdings in Ez 34,16 die Hirtentätig‐ keit Jhwhs. Die folgenden Stichwortverbindungen sind weitere Indizien dafür, dass mit einer Abhängigkeit zwischen Jer 23,1‐8 und Ez 34 gerechnet werden kann: So enthalten beide Texte die Zusage des sicheren Woh‐ nens ()לבטח im Land: In Jer 23,6 ist diese Verheißung Folge der Herr‐ schaft des Davidsprosses; in Ez 34,25‐30 taucht die Formulierung als Leitwort auf, um das Bild vom heilvollen Leben im Land auszumalen. Hingegen ist sie dort wie sonst auch im Ezechielbuch mit ישׁב konstru‐ iert (vgl. Ez 28,26bis; 38,8.11; 39,6.26) und nicht mit jeremianischem שׁכן. Schließlich scheint eine besondere Verbindung zwischen Jer 23,1f. und Ez 34,4.16 zu bestehen, wie die parallele Verwendung der Verben אבד und נדח (in verschiedenen Stämmen) belegt. Der deutlichste Hinweis besteht aber in der seltenen Verbindung צאן מרעיתי in Jer 23,1 und Ez 34,31, die überhaupt nur an diesen beiden Stellen im Alten Testament belegt ist. Der Befund der vergleichenden Analyse zeigt damit eindeutig, dass von einer literarischen Abhängigkeit zwischen Ez 34 und Jer 23,1‐8 ausgegangen werden kann. Dafür sprechen zuerst die Stichwortverbin‐ dungen, die nicht nur zahlreich vorhanden sind, sondern in vielen Fällen Schlüsselwörter der beiden Perikopen betreffen, die ansonsten in den beiden Büchern selten oder gar nicht belegt sind. Darüber hinaus ist auch die inhaltliche und strukturelle Nähe zwischen den beiden Texten nicht zu übersehen. Ist demnach mit einem Abhängigkeits‐ verhältnis zu rechnen, so liegt zumindest auf der Ebene der jeweiligen Grundschichten in Jer 23 das traditum für Ez 34 vor. 98 Dies zeigt sich 98 So mit der überwiegenden Mehrheit der Ausleger. Zumeist wird die Abhängigkeit des Grundwortes im Hirtenkapitels auf Jer 23,1f. beschränkt (vgl. HÖLSCHER, Hese‐ kiel, 169; MILLER, Verhältnis, 106; ZIMMERLI, BK, 835.841, und ALLEN, WBC 29, 161). GARSCHA, Studien, 201f.206, sieht eine literarische Abhängigkeit dagegen nur in Ez 34,4‐8.16.31, wobei seine vergleichende Analyse erheblich von den hier vorgelegten Ergebnissen abweicht. Er folgert daraus, dass das bei ihm von Jer 23 unabhängige Grundwort Ez 34,1‐3.9‐15.25‐30 erst in der Fortschreibung durch V 4‐8.16.31 an Jer 23,1‐4 angeglichen worden sei (vgl. GARSCHA, a.a.O., 201f.206). Nach LEVIN, Verhei‐ ßung, 219, bildet Jer 23,1‐8 insgesamt die literarische Vorlage von Ez 34. Sein metho‐ disches Vorgehen erscheint allerdings dadurch problematisch, dass er die Grund‐ schicht von Ez 34 mit Hilfe von Jer 23,1‐8 rekonstruiert, wodurch die Abhängigkeit nicht Ergebnis, sondern Voraussetzung der Analyse ist. Keine Stellungnahme zu den Nähen zwischen Jer 23 und Ez 34 enthält die Darstellung von POHLMANN, ATD, 459‐ 470, während KRÜGER, Geschichtskonzepte, 453f., lediglich auf die Parallele von Ez 34,23f. in Jer 23,4a verweist, ohne dies aber hinsichtlich eines möglichen literarischen Verhältnisses auszuwerten. HOSSFELD, Untersuchungen, 256f., sieht zwar die Nähe
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vor allem an der Verwendung der Hirtenmetapher. Jer 23 verrät in der Verwendung des Bildes ein eindeutiges Interesse an den Vergehen der judäischen Könige und ihrer Bestrafung (Jer 23,1f.), das auf den Kon‐ text der jeremianischen Worte gegen die Könige verweist. Darüber hinaus kann der Text auf Jer 10,21 zurückgreifen, wo die Hirtenmeta‐ pher bereits für die Könige Judas verwendet wird. Im Ezechielbuch ist die Bestrafung der Hirten dagegen den Heilsverheißungen an die Her‐ de untergeordnet und das Bild des Hirten wird nur noch einmal in Ez 37,24 verwendet, wobei es aber nahe liegt, zumindest den dortigen Gebrauch des Hirtentitels durch Einfluss von Ez 34 zu erklären.99 Mit‐ hin liegt die Vermutung nahe, dass das Wehewort gegen die Hirten seinen ursprünglichen Ort im Jeremiabuch hat und von dort über Jer 23,1‐8* in das Ezechielbuch getragen worden ist.100 Wenngleich die generelle Richtung der Abhängigkeit von Jer 23,1‐8 zu Ez 34 zu laufen scheint, kann jedoch die Möglichkeit einer gegen‐ seitigen Auslegung in einer späteren Phase des Textwachstums nicht ausgeschlossen werden. Deswegen soll im Folgenden versucht werden, den literarischen Auslegungsprozess zu rekonstruieren. Zu fragen ist hier nach Integration und Neuverständnis des literarisch Vorgege‐ benen sowie nach Absicht und Veranlassung der Rezeption. Im Rah‐ men dieser Fragestellung muss auch die Möglichkeit in Betracht gezo‐ gen werden, dass neben Jer 23 noch andere literarische Vorlagen zur Entstehung von Ez 34 beigetragen haben. 3.3. Rekonstruktion des Auslegungsvorganges Obwohl beinahe jede literarische Ebene von Ez 34 Stichwortverbin‐ dungen zu Jer 23 enthält, treten sie gehäuft in der Grundschicht und den beiden Fortschreibungen in Ez 34,11‐15* und 34,23f.* auf, während Ez 34,17‐22 und 34,25‐30 kaum noch Bezüge zu Jer 23 aufweisen. Um‐ gekehrt beschränken sich die Querverbindungen auf den Textbestand von Jer 23,1‐6, wobei insbesondere die Differenzen in der Verheißung des davidischen Herrschers noch weiterer Überlegungen bedürfen. Die zur Verwendung des Hirtenbildes im Jeremiabuch, warnt aber vor „einer zu simplen Konstruktion von direkten Abhängigkeitsverhältnissen“ und kommt zu dem Schluss, dass Ezechiel eigenständig formuliert habe; vgl. auch GROSS, Hoffnung, 112‐ 114, der davon ausgeht, dass Ez 34,1‐24 und Jer 23,1‐6 unabhängig voneinander ent‐ standen seien. 99 Vgl. dazu u. Kap. III. 5.3. 100 Vgl. auch GREENBERG, AncB, 709: „Jeremiah appears to have innovated the theme of the delinquent shepherds, announced in a nutshell in [Jer] 2,8: ‘the shepherds rebelled against me.’”
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Tatsache, dass keine inhaltliche oder terminologische Nähe zu Jer 23,7f. besteht, erklärt sich am einfachsten daraus, dass die Verse erst zu einem relativ späten Zeitpunkt an Jer 23,1‐6 angefügt worden sind.101 Zum Zeitpunkt des Auslegungsprozesses haben sie entweder noch ganz gefehlt oder standen noch an ihrer ursprünglichen Position am Ende des Kapitels. Der Verfasser des Grundwortes in Ez 34 hat sich eng an Inhalt und Struktur von Jer 23,1f. orientiert. Nach dem von ihm gestalteten Neu‐ einsatz durch die Wortereignisformel in Ez 34,1 folgen in 34,2 der Weheruf und in 34,5f. die Aussagen über die Zerstreuung der Schafe (vgl. Jer 23,1), während die Drohrede in 34,9f. eine Aufnahme von Jer 23,2 darstellt. Bei einem Vergleich von traditum und traditio fallen zu‐ erst kleinere Abweichungen ins Auge. So erscheinen die Vorwürfe an die Hirten in der ezechielischen Version weniger schwerwiegend: Während diese in Jer 23,2 der aktiven Zerstreuung (פוץ hif.) angeklagt werden, besteht ihr Vergehen in Ez 34,2 darin, „sich selbst zu weiden“ ()היו רעים אותם. Die Frage, was genau sich hinter diesem Vorwurf ver‐ birgt, ist schwer zu beantworten, da der reflexive Gebrauch von רעה im Alten Testament nur in diesem Vers belegt ist. Die parallele Konstruk‐ tion von V 2b, in dem das „sich selbst Weiden“ dem Weiden der Herde gegenüber gestellt wird, spricht aber für eine Deutung, nach der die Hirten mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt sind und deshalb die Herde vernachlässigen. In Folge dieser Pflichtvergessenheit zer‐ streuen sich die Schafe (פוץ ni.) über das ganze Land hin, ohne dass sich jemand ihrer annimmt. Die Schuld der Hirten besteht damit nicht in erster Linie in der aktiven Vertreibung der Schafe, sondern vor allem in der unterlassenen Führung und Sammlung der Herde. Die Frage, ob dem Autor der Grundschicht von Ez 34 die erste heilsprophetische Fortschreibung in Jer 23,3f. noch nicht vorlag, oder ob er diese absichtlich ignoriert hat, ist kaum zu entscheiden. Festzu‐ halten bleibt aber, dass er mit Jer 23,1f. auf einen Text zurückgreift, der die vorexilischen Verhältnisse in Juda thematisiert, und diesen zur Be‐ schreibung der exilisch‐nachexilischen Situation im Land verwendet. An die Stelle der Könige Judas vor der Katastrophe treten in Ez 34 die fremden Herrscher nach der Katastrophe, die in ähnlicher Weise wie 101 Vgl. dazu o. Kap. II. 3.1.2. Die einzige mögliche Verbindung zwischen Ez 34 und der Fortschreibung Jer 23,7f. ist die Zusammenstellung der Wurzel בוא hif. mit אדמתם (Ez 34,13; vgl. Jer 23,8). Diese Parallele ist aber nicht im Hinblick auf einen Auslegungs‐ vorgang auszuwerten. Zum einen steht das Verb in Jer 23,8 nicht unmittelbar vor אדמתם, und zum anderen ist die Wendung gerade in den heilsprophetischen Texten des Ezechielbuches zu gut belegt, als dass sie als eindeutiges Indiz für eine litera‐ rische Abhängigkeit gewertet werden könnte (vgl. Ez 20,42; 37,12; mit Suffix vgl. Ez 36,24; 37,21).
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die schlechten Hirten in Jer 23 ihre Aufgaben gegenüber dem Volk ver‐ nachlässigt haben. Sollte Jer 23,3f. in Ez 34,1‐10* bereits vorausgesetzt sein, so ist die Übernahme der Herde durch Jhwh auch als Abgrenzung gegenüber der Verheißung in Jer 23,3f. zu verstehen, nach der neue (menschliche) Hirten für das Volk eingesetzt werden. Dieser Aspekt bleibt aber auch für die nächste Wachstumsstufe im Hirtenkapitel zu berücksichtigen, auf der das literarische Verhältnis zwischen Jer 23,3f. und Ez 34,11‐15* zu untersuchen ist. In diesem Fall erscheint es sehr viel schwieriger, die Frage einer möglichen Abhängigkeit zu entscheiden, da mit קבץ מן הארצות (Jer 23,3; vgl. Ez 34,13) nur eine einzige Stichwortverbindung zwischen den Fortschreibungen in ihrem ursprünglichen Textbestand vorliegt.102 Die Erwähnung von נוה in Ez 34,14a.14b (vgl. Jer 23,3) ist dagegen auf jeweils sekundäre Nacharbeit innerhalb der Erweiterung 34,11‐15* zu‐ rückzuführen. Auch wenn die wenigen Belege von נוה im Ezechielbuch (Ez 25,5; 34,14bis) dafür sprechen, hier eine Anspielung auf Jer 23,3 zu sehen, ist damit noch kein Urteil über die grundsätzliche Beziehung der Texte getroffen. In einem inhaltlichen Vergleich der Sammlungs‐ aussagen liegt in Ez 34,13 mit der dreistufigen Verheißung von Hinaus‐ führung (יצא hif.), Sammlung (קבץ pi.) und Rückführung (בוא hif.) ein Überschuss gegenüber Jer 23,3 vor, das nur eine zweistufige Ankündi‐ gung mit den Elementen Sammlung (קבץ pi.) und Rückführung (שׁוב hif.) enthält. Dieses inhaltliche Plus in Ez 34,13 spricht dafür, Jer 23,3 als dem kürzeren Text die literarische Priorität einzuräumen. Des Weiteren unterscheiden sich die beiden Texte in der Frage, wer die Herde von den schlechten Hirten übernehmen wird. In Jer 23,4 bestellt Jhwh neue menschliche Hirten, während in Ez 34,11‐15* Jhwh selbst an die Stelle der Hirten Israels tritt. Zwar wird dieser in Ez 34,11‐ 15* nicht explizit mit dem Hirtentitel versehen, aber es wird mehrfach das Verb רעה für das göttliche Handeln gebraucht (vgl. 34,13.15 sowie 34,14a), und der Nachtrag in V 12 vergleicht Jhwh explizit mit einem Hirten, der sich seiner Schafe annimmt. Obwohl eine letztgültige Sicherheit in der Frage nicht zu erreichen sein wird, spricht m. E. vor allem die parallele Position der beiden Stücke im Anschluss an zwei literarisch voneinander abhängige Texte dafür, auch im Fall von Jer 23,3f. und Ez 34,11‐15* ein Abhängigkeitsverhältnis anzunehmen. An‐ dernfalls müsste postuliert werden, dass die beiden Autoren die Sammlungsverheißung unabhängig voneinander an die Hirtenworte 102 קבץ pi. in Verbindung mit מן הארצות ist noch an mehreren Stellen im Ezechielbuch be‐ legt (vgl. Ez 20,34.41; 36,24; 39,27), die aber mit einiger Sicherheit Ez 34,13 bereits voraussetzen, so dass hier literarisch der älteste Beleg der Sammlungsverheißung vorliegt; vgl. dazu u. Kap. III. 3.3.
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angeschrieben hätten, ohne von der entsprechenden Textentwicklung im anderen Buch Kenntnis gehabt zu haben.103 Die detailliertere Sammlungsaussage im Hirtenkapitel ist dabei als Auslegung der jeremianischen Vorlage zu verstehen, wobei die wich‐ tigste Neuinterpretation darin besteht, dass der Verfasser von Ez 34,11‐ 15* die Rettung und weitere Sorge für das Volk ganz in die Hand Jhwhs legt. An die Stelle einer neuen menschlichen Führungsgruppe, wie sie Jer 23,3f. nach Heimführung der Diaspora vorsieht, setzt er im Hirtenkapitel die Verheißung der Königsherrschaft Jhwhs. Schließlich deutet die nachträgliche Eintragung von נוה in Ez 34,14a und 34,14b auf zwei Ergänzer hin, die die Verbindungen zwischen den beiden Texten weiter verstärken wollen. Ihnen geht es darum, die Weide, auf die Jhwh seine Herde nach Jer 23,3 bringen wird, mit dem Gottesberg (34,14a) bzw. den Bergen Israels (34,14b) zu identifizieren und die Gül‐ tigkeit der Sammlungsverheißung aus Jer 23,3 zu betonen. Damit ist als nächstes die auffällige Doppelung der Davidver‐ heißung in Jer 23,5f. und Ez 34,23f.* zu berücksichtigen. Die einzige lexikalische Verbindung zwischen den beiden Texten besteht in der parallelen Nennung des Davidnamens (Jer 23,5; vgl. Ez 34,23f.), aber Ez 34,23f.* berührt sich darüber hinaus in der Formulierung והקמתי עליהם רעה אחד ורעה אתהן mit der Bestellung der neuen Hirten in Jer 23,4 (והקמתי עליהם )רעים ורעום. Inhaltlich liegen mit Jer 23,5f. und Ez 34,23f.* völlig ver‐ schiedene Konzepte der Herrscherverheißung vor: In Jer 23,5f. wird ein Spross aus Davids Geschlecht erwartet, auf dessen gerechte Herr‐ schaftsausübung besonderer Wert gelegt wird. Die Bezeichnung des Sprosses als „rechtmäßig“ deutet auf eine gewisse Kontinuität der davidischen Herrscherlinie hin, wohingegen in Ez 34,23f.* von David selbst die Rede ist, dessen Einsetzung mit der Bundeszusage verknüpft wird. Die Abfolge von Ez 34,23bb und 34,24aa legt dabei ein Verständ‐ nis nahe, wonach David in das Bundesverhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk mit hineingenommen wird.104 Seine Herrschaft wird da‐ raus legitimiert, dass er als Hirte über das Gottessvolk gesetzt ist. Trotz dieser inhaltlichen Differenzen sprechen die Stichwortver‐ bindungen auf Seiten von Ez 34,23f.* dafür, dass diese Nachinter‐ pretation die heilsprophetische Fortschreibung von Jer 23,1f. in V 3f. bereits voraussetzt.105 Damit bleiben aber noch zwei Möglichkeiten, die 103 So ALLEN, WBC 29, 161, der die Abhängigkeit der beiden Texte auf Jer 23,1f. be‐ schränkt und in Bezug auf weitere Parallelen von „independent developments of basic material in the two complex texts“ spricht. 104 Vgl. dazu auch u. Kap. III. 5.5.4. 105 Auch wenn des Öfteren auf die Nähe zwischen den Verheißungen Jer 23,5f. und Ez 34,23f. hingewiesen wird (vgl. ZIMMERLI, BK, 841; BLOCK, NICOT II, 297 Anm. 140),
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Doppelung der Davidpassagen in den beiden Texten zu erklären. Zu‐ erst ist denkbar, dass die Davidverheißung ihren ursprünglichen Ort in Ez 34,23f.* hat und sich mit der Verwendung von קום hif. als eine er‐ neute Auslegung der Hirteneinsetzung in Jer 23,3f. zu erkennen gibt. Diese Heilsansage könnte schließlich auf die Textentwicklung in Jer 23 zurückgewirkt haben und dort die Fortschreibung des Textes um die Ankündigung des davidischen Sprosses in V 5f. veranlasst haben. Alternativ ist es möglich, dass der Davidverheißung in Jer 23,5f. der Vorzug zu geben ist, die daraufhin das Textwachstum im Hirtenkapitel beeinflusst hat. Unter dieser Prämisse ist die Ankündigung des davi‐ dischen Hirten in Ez 34,23f.* als Rezeption der beiden literarischen Wachstumsstufen in Jer 23,3f. und Jer 23,5f. zu erklären, in denen die neuen menschlichen Hirten und der Davidspross unverbunden neben‐ einander stehen. Den Ausschlag für Jer 23,5f. als den literarisch vorgängigen Text gibt m. E. die Beobachtung, dass sich die Verheißung des davidischen Hirten in Ez 34,23f.* aus der Rezeption der beiden Fortschreibungs‐ stufen in Jer 23,3f.5f. erklären lässt, während umgekehrt offen bliebe, warum Jer 23,5f. als Auslegung von Ez 34,23f.(*) auf die Verwendung des Hirtenbildes verzichten sollte. Ebenso müsste eine Erklärung dafür gefunden werden, warum Jer 23,5f. nicht auf den Bundesschluss Bezug nimmt, der die Verheißung in Ez 34,23f.* inhaltlich bestimmt, während die fehlende Gerechtigkeitsterminologie in Ez 34,23f.* darin eine Erklä‐ rung findet, dass im Hirtenkapitel allein der göttliche Hirte für die gerechte Herrschaftsausübung zuständig ist (vgl. Ez 34,16). Ez 34,23f.* kann damit als Versuch gedeutet werden, die Ankündigungen der neu‐ en Hirten und des davidischen Sprosses aus Jer 23 zu systematisieren: Die Identifikation der neuen heilszeitlichen Hirten mit dem einen davi‐ dischen Spross, die dort nur indirekt durch die Position von Jer 23,5f. als Fortschreibung hinter Jer 23,3f. vorgenommen wird, erfährt in Ez 34,23f.* eine explizite Auslegung in der Verheißung des einen Hirten David. Dessen ungeachtet kann weder im Fall von Ez 34,23f.* noch im Fall von Jer 23,5f. ein Einfluss weiterer Texte bzw. Herrschaftsvorstellungen an dieser Stelle ausgeschlossen werden, der die unterschiedlichen in‐ wird nur selten ein mögliches Abhängigkeitsverhältnis diskutiert. GROSS, Hoffnung, 113f., hält es für unwahrscheinlich, dass die Texte in Abhängigkeit voneinander for‐ muliert worden sind (vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 372f. Anm. 161), während LEVIN, Verheißung, 219, und FUHS, NEB, 194, eine Abhängigkeit in Ez 34,23f. von Jer 23,5f. vertreten. Bei LEVIN ist allerdings die These vorausgesetzt, dass Jer 23,1‐8 als Ganzes die literarische Vorlage von Ez 34 darstelle (vgl. dazu Anm. 98), während GROSS der These von HOSSFELD folgt, der zufolge die Daviderwartung in Ez 34,23f. sekundär innerhalb der Herrscherverheißung nachgetragen worden sei; vgl. dazu Anm. 54.
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haltlichen Füllungen der Verheißungen erklären könnte. Im Fall des Ezechielbuches wird vor allem noch die Verbindung zu Ez 37,24 zu bedenken sein, eine Verheißung, in der in ähnlicher Weise der Knecht David als Hirte tituliert wird. Darüber hinaus sind aber auch Texte wie Hos 3,5 und Jer 30,9 zu beachten, die ebenfalls die Doppelaussage über Jhwh als Gott und David als König enthalten.106 Weiterhin ist nach den kleineren Stichwortverbindungen zwischen Jer 23,1‐6 und Ez 34 zu fragen. Im Fall von Ez 34,25‐30 und Jer 23,1‐6 gibt es mit לבטח (Ez 34,25.27.28; vgl. Jer 23,6) nur eine einzige Parallele, bei der aber fraglich ist, ob hier eine bewusste Anspielung auf Jer 23,6 vorliegt. Zuerst zeigt ein Blick in die Konkordanz, dass das Motiv des sicheren Wohnens einen geläufigen Terminus der Heilsverheißung darstellt, der als geprägte Wendung einen Zustand beschreibt, in dem die äußeren Umstände geordnet und friedlich sind.107 Darüber hinaus weist Ez 34,25‐30 in sprachlicher und inhaltlicher Sicht eine erstaun‐ liche Nähe zu der Segensreihe in Lev 26 auf, in der ebenfalls die Vor‐ stellung des sicheren Wohnens auftaucht.108 Es liegt deshalb näher, die Vorlage für לבטח in Ez 34,25‐30 in Lev 26 zu suchen, wobei das genaue literarische Verhältnis der beiden Texte zueinander noch näher zu untersuchen sein wird.109 Die Verwendung der Verben אבד und נדח in den kleineren Fortschreibungen des Hirtenkapitels (Ez 34,4.16) kann dagegen als deutliche Anspielung auf Jer 23,1f. verstanden werden: Die Bezüge signalisieren, dass die Hirten Israels sich in gleicher Weise der schlechten Behandlung der Schafe schuldig gemacht haben, während Jhwh so nicht nur zum positiven Gegenbild der Hirten aus Ez 34,1‐6* wird, sondern zugleich auch den (vorexilischen) Hirten aus Jer 23,1f. gegenübergestellt wird. In ähnlicher Weise verweist der redaktionelle Vers Ez 34,31 mit צאן מרעיתי auf die Herde zurück, die bereits in Jer 23,1 im Blick ist, und macht deutlich, dass es sich an beiden Stellen um das‐ selbe Volk handelt. Die vorangehenden Beobachtungen haben gezeigt, dass Jer 23 als literarische Vorlage für das Hirtenkapitel Ez 34 gedient hat, wobei aber die Abhängigkeit auf Jer 23,1‐6 einzuschränken ist. Abgesehen von kleineren Anspielungen in Ez 34,4.16.31 hat sich der Auslegungsvor‐ 106 Auf diese Parallelen verweisen auch ZIMMERLI, BK, 843, und KRÜGER, Geschichts‐ konzepte, 454. Zu einer Einordnung von Ez 34,23f. in den Kontext der Davidver‐ heißungen im Alten Testament vgl. u. Kap. III. 5.5.4. 107 Vgl. GERSTENBERGER, Art. בטח, 303. 108 Auf die zahlreichen Nähen zwischen Lev 26 und Ez 34,25‐30 ist mehrfach hingewie‐ sen worden; vgl. z. B. ELLIGER, HAT, 366; ZIMMERLI, BK, 844; HOSSFELD, Untersu‐ chungen, 273‐276; ALLEN, WBC 29, 163, und insbesondere die Synopse bei BALTZER, Ezechiel, 156‐160. 109 Vgl. dazu u. Kap. III. 4.4.3.
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gang in drei Stufen vollzogen, in denen die einzelnen Abschnitte aus Jer 23,1f.3f. und 23,5f. im Hirtenkapitel aufgenommen worden sind und dort eine breite Ausgestaltung erfahren haben. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass mit weiteren literarischen Vorlagen für das Kapitel zu rechnen ist. So kommt als traditum für Ez 34,25‐30 insbesondere Lev 26 in Frage, und auch die Davidverheißung in Ez 34,23f. wird noch auf eventuelle Parallelen außerhalb von Jer 23,5f. hin zu befragen sein.110 Es soll nun im Folgenden das literarische Wachstum des Hirtenkapitels von der Grundschicht bis zu der jüngsten Erweiterung nachgezeichnet werden, um auf diese Weise die Bedeutung der Vorlage Jer 23 für die Textentwicklung aufzuzeigen. 3.4. Das literarische Wachstum des Hirtenkapitels Das Grundwort des Hirtenkapitels findet sich in Ez 34,1‐10* (V 1f.5f. 9f.). Der Verfasser dieser Jhwh‐Rede benutzt das Wort gegen die Köni‐ ge Judas in Jer 23,1f., um nach dieser Vorlage ein bildhaftes Heilswort an das Volk zu verfassen, das diesem die Befreiung aus der Fremdherr‐ schaft im Land verheißt. Im Gegensatz zum Autor von Jer 23,1f. ist er weniger an einem Schuldaufweis der Hirten interessiert, sondern es geht ihm um die Absetzung der Fremdvölkerhirten durch Jhwh, der an ihre Stelle tritt und damit die Heilswende einleitet. Eine historische Einordnung dieser Verheißung ist schwierig, da das ehemalige judäi‐ sche Staatsgebiet in der persischen und hellenistischen Zeit durch‐ gängig unter Fremdherrschaft stand. Die Frage wird deshalb erst nach einer Analyse der gesamten Texte im Bereich von Ez 34‐39 zu entschei‐ den sein.111 In der ersten Fortschreibung des Grundwortes durch Ez 34,11‐15* setzt sich die Intention fort, die Bedeutung Jhwhs für das Heil hervor‐ zuheben. Die Frage, ob auch Ez 34,11‐15* auf die Vorlage in Jer 23 rekurriert, konnte zwar nicht mit der gleichen Sicherheit wie für die Grundschicht entschieden werden, ein Auslegungsverhältnis zu Jer 23,3f. ist aber wahrscheinlich. Ähnlich wie in der Vorlage wird die Situ‐ ation der Zerstreuung in Ez 34,11‐15* sekundär als Bild für die Dias‐ pora verwendet, die von Jhwh als dem guten Hirten aus allen Ländern gesammelt und in das Land zurückgeführt wird. Die Absetzung der fremden Herrscher als Beginn der Heilswende (34,1‐10*) hat sich für den Autor von 34,11‐15* anscheinend als nicht ausreichend erwiesen, sondern an ihrer Stelle muss Jhwh seine Königsherrschaft im Land 110 Vgl. dazu insgesamt Kap. III. 4 und III. 5. 111 Vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.2.3.
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errichten, um das Heil dauerhaft zu sichern. Das Interesse an der Dias‐ pora deutet auf einen theologiegeschichtlichen Ort in der „Diasporaori‐ entierung“ des Ezechielbuches hin und legt damit eine Abfassungszeit im 5. oder 4. Jh. v. Chr. nahe.112 Allerdings ist bisher weder abschlie‐ ßend geklärt, ob eine durchgehende diasporaorientierte Redaktion für das Buch angenommen werden kann, noch ist auszuschließen, dass die bleibende Diasporaproblematik auch in jüngeren Texten des Buches eine Rolle spielt. Auf den folgenden literarischen Ebenen ist das so erweiterte Grundwort durch die kleineren Zusätze in V 3f., V 7f., V 12, V 14a, V 14b und V 16 ergänzt worden. Diese Erweiterungen stammen sicher nicht von derselben Hand, es ist aber schwierig, Aussagen über ihre relative chronologische Abfolge und ihr Verhältnis zu den weiteren drei großen Fortschreibungen in V 17‐22; V 23f.* und V 25‐30 zu tref‐ fen. Die V 3f. haben eindeutig die Funktion, die Vergehen der Hirten näher zu konkretisieren, so dass sie auch als Auslegung des „sich selbst Weidens“ aus V 2 verstanden werden können. Dieses wird hier nicht nur als Pflichtvergessenheit, sondern zuerst als Ausbeutung der ihnen anvertrauten Schafe (V 3) und schließlich auch als unterlassene Hilfe‐ leistung gegenüber den bedürftigen Herdenmitgliedern interpretiert (V 4). Diese beiden unterschiedlichen Gesichtspunkte könnten auf eine literarische Mehrschichtigkeit des Zusatzes V 3f. hindeuten, sie ist aber nicht notwendig vorauszusetzen. Allerdings ist im Rahmen dieser Untersuchung schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass V 16 eng mit V 4 verbunden ist und beide Aussagen terminologische Bezüge zu Jer 23,1f. aufweisen. Da die zwei Verse im Hirtenkapitel Jhwh in positiver Wendung Verhaltensweisen zuschreiben, deren Vernachlässi‐ gung die Hirten Israels angeklagt werden, liegt die Vermutung nahe, dass die V 4.16 derselben Hand zuzuschreiben sind, die den Kontrast zwischen den schlechten Hirten und dem göttlichen Hirten weiter ver‐ schärfen will. Die Funktion von V 16 als verbindendes Element zu V 17‐22 ist deshalb eher als sekundär zugewachsene Aufgabe anzu‐ sehen. Die redaktionelle Einfügung der V 7f. bringt kaum etwas Neues, sondern wiederholt Aussagen der vorherigen V 2 und V 5f. Die Bedeu‐ tung des Abschnitts kann damit am ehesten als redundantes Element 112 So nimmt POHLMANN, ATD, 34, eine diasporaorientierte Redaktion des Ezechiel‐ buches an, die er in das 4. Jh. v. Chr. datiert. In ähnlicher Weise haben KRATZ, Kyros, 206‐216, und SCHMID, Buchgestalten, 269‐277.343f., für das Deuterojesaja‐ und das Jeremiabuch Indizien für eine diasporaorientierte Redaktion herausgearbeitet, die sie allerdings zeitlich abweichend von POHLMANN im 5. Jh. v. Chr. ansetzen. Vgl. zum Jeremiabuch bereits die Überlegungen von LEVIN, Verheißung, 167‐169.
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benannt werden, das vor der folgenden Gerichtsankündigung noch einmal die Anklagepunkte wiederholt.113 Die Ergänzung in V 12 trägt dagegen das Motiv des „Tages Jhwhs“ in das Kapitel ein, indem betont wird, dass die Versprengung der Schafe an einem „Tag der Wolken und der Dunkelheit“ stattfindet. Auf diese Weise wird impliziert, dass die Zerstreuung der Schafe nicht nur auf die Vernachlässigung durch die Hirten zurückzuführen ist, sondern auch Teil des göttlichen Ge‐ richtes ist (vgl. Jer 23,3). Die beiden Nachträge in V 14a und V 14b ver‐ danken sich dagegen unterschiedlichen Versuchen, die gute Weide (יהיה נוהם ... במרעה־טוב, V 14a; בנוה טוב, V 14b) der Schafe zu lokalisieren. Während der Autor von V 14a davon spricht, dass der gute Weideplatz der Schafe auf dem Gottesberg liegt, betont V 14b in Übereinstimmung mit der Ortsangabe in V 13, dass die gute Weide der Schafe auf den Bergen Israels zu finden ist, so dass hier eine nachträgliche Korrektur von V 14a vermutet werden kann. Während die relative Chronologie der kleinen Einfügungen schwer zu bestimmen ist, gibt es einige Hinweise, die auf das sachliche und zeitliche Verhältnis der übrigen drei großen Fortschreibungen in V 17‐ 22; V 23f.* und V 25‐30 schließen lassen. So setzt der Redegang in V 25‐ 30 die Einsetzung des davidischen Hirten in V 23f.* bereits voraus, da in ihm die Bundesverheißung aus diesen Versen aufgenommen und als Zusage des Heilsbundes ()ברית שׁלום interpretiert wird. Rein formal spricht auch die abschließende Gottesspruchformel in V 24b dafür, dass die Weiterführung der Jhwh‐Rede in 34,25‐30 eine sekundäre Fortschreibung darstellt. Dagegen könnte sie der Ergänzung durch V 17‐22 literarisch vorausgehen: Während V 25‐30 und V 23f.* darin übereinstimmen, dass sie bedingungsloses Heil für die gesamte Herde in Aussicht stellen, wird in V 17‐22 die Heilszugehörigkeit vom Ver‐ halten der einzelnen Schafe abhängig gemacht. 114 Damit kann in 34,23f.* die zweite größere Fortschreibung des Hir‐ tenkapitels gesehen werden, mit der wahrscheinlich in einer Ausle‐ gung von Jer 23,3f.5f. die Einsetzung des davidischen Hirten in das Kapitel eingetragen wird. Der Text reflektiert auf diese Weise eine andere Konzeption der Heilszeit, insofern nicht Jhwh, sondern der 113 Vgl. ALLEN, WBC 29, 159. HOSSFELDS Erklärung, dass mit dem Einschub V 7f. die Balance der Komposition intendiert sei, überzeugt dagegen nicht (vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 281). 114 Vgl. dazu die theologiegeschichtliche Abfolge der Heilsaussagen in den Propheten‐ büchern, wie sie von STECK und SCHMID beschrieben wird. Diese gehen davon aus, dass die auf das Gottesvolk im Ganzen gerichtete Heilsperspektive nachträglich an einigen Stellen eine Konditionalisierung erfahren habe (vgl. STECK/SCHMID, Heilser‐ wartungen, insbes. 31f.).
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Knecht David der eine Hirte für das Volk sein wird.115 Die „Einzigkeit“ ()אחד des neuen Hirten erklärt sich aus der Abgrenzung gegenüber der Vorlage in Jer 23,3f.5f., in der mehrere Hirten eingesetzt werden, deren Verhältnis gegenüber dem davidischen Spross nicht explizit ausgeführt wird.116 Darüber hinaus wird mit der Bundesformel in Ez 34,23 auch ein neues Gottesverhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk begründet, in das der davidische Hirte mit einbezogen wird. Darin liegt ein ent‐ scheidender Unterschied zur weiteren – literarisch unabhängigen – Entwicklung der Vorlage im Jeremiabuch. Denn während in Jer 23,7f. die Sammlung und Heimführung der Diaspora das grundlegende Ereignis ist, an dem sich Jhwhs Gottsein für Israel erweist, wird das Gottesverhältnis im Ezechielbuch durch den Bundesbegriff beschrie‐ ben.117 Die nächste Fortschreibung in 34,25‐30 knüpft an diese Bundes‐ verheißung an und stellt ausführlich die segensreichen Auswirkungen des Heilsbundes für Land und Volk dar. Mit 34,17‐22 liegt schließlich die letzte größere Erweiterung des Hirtenkapitels vor. Die Verse werden nach V 16 eingefügt, da in 34,1‐ 16 bereits von der Herrschaft Jhwhs die Rede ist, die in V 17‐22 durch den neuen Aspekt des Richteramts ergänzt wird. Darüber hinaus bietet V 16 mit der adverbialen Bestimmung der göttlichen Tätigkeit durch במשׁפט den idealen Anknüpfungspunkt, der vielleicht sogar Anlass für die Fortschreibung gewesen ist. Die Ausführungen über das Gericht zwischen den Schafen konditionieren im Nachhinein die zunächst bedingungslose Heilsverheißung des Kapitels, da nicht mehr allein die Zugehörigkeit zur Herde bzw. zum Volk für das Heil qualifiziert, son‐ dern Jhwh über den Einzelnen richten wird. Hinter dieser Fortschrei‐ bung können Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen im Land vermutet werden, die um die Frage kreisen, wer zum Volk Jhwhs dazu gehört. Zuletzt fügt eine späte Hand den redaktionellen V 31 an, um das Hirtenkapitel als Ganzes literarisch abzurunden. Der Vers integriert V 25‐30 und greift erneut die Metapher des Hirten und seiner Herde auf. Dabei verweist der seltene Ausdruck צאן מרעיתי nicht nur auf die Herde in Ez 34 zurück, sondern er verrät auch, dass der Redaktor sich der literarischen Wurzeln des Hirtenkapitels bewusst ist: Er betont ein 115 Vgl. RUDNIG, Heilig, 61. 116 Vgl. aber SCHMID, Buchgestalten, 273 Anm. 342f., der in der Fortschreibung von Jer 23,3f. durch V 5f. von einer „Verdeutlichung“ spricht (siehe o. Anm. 90). Mit אחד in Ez 34,23 liegt des Weiteren ein Bezug auf die entsprechende Heilsverheißung in Ez 37 vor; vgl. dazu u. Kap. III. 5.3. 117 Dazu beobachtet LEVIN, Verheißung, 245f., dass die Bundesformel im Ezechielbuch mit der Ausnahme von Ez 37,23 regelmäßig als Klimax diene und die Verheißung stets auf den Bund Jhwhs mit Israel gerichtet sei.
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letztes Mal ausdrücklich, dass die Heilsprophetie von Ez 34 der Herde Jhwhs gilt, die bereits Jer 23,1 im Blick hat. Die Rezeption von Jer 23 in Ez 34 dient dabei nicht nur der Kontinuität und Versicherung der jere‐ mianischen Heilsverkündigung, sondern die verschiedenen Autoren im Hirtenkapitel setzen je eigene Akzente. Es wird vor allem deutlich, dass die Beständigkeit des Heils weder durch eine Austauschung der Hirten noch durch einen davidischen Spross gesichert wird. Vielmehr liegt sie allein in Jhwhs Zuständigkeit, der sich selbst an die Stelle der fremden Herrscher setzt und das Verhältnis zu seinem Volk mit dem Bund auf eine neue Grundlage stellt.
4. Die Heilsprophetien in Ez 34‐39 4.1. Zum methodischen Vorgehen Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, dass die Grundschicht des Hirtenkapitels auf die literarische Vorlage in Jer 23,1f.(3f.) zurück‐ geführt werden kann, die neben anderen Stücken entscheidend zum Textwachstum in Ez 34 beigetragen hat. Offen geblieben sind dabei aber bisher die Fragen, wodurch der erste Autor des Grundwortes überhaupt veranlasst wurde, auf eine literarische Vorlage zurückzu‐ greifen, und welche Funktion das Hirtenkapitel in der Komposition der Heilsprophetien in Ez 34‐39 erfüllt. Um diese Fragen zu beantworten, soll im Folgenden in einer Analyse der gegebenen Buchgestalt eine erste Sichtung der heilsprophetischen Aussagen im dritten Buchteil unternommen werden. Die genaue Analyse wird sich dabei auf die Heilsworte in den Kapiteln 34‐39 beschränken. Zwar hat RUDNIG jüngst nachgewiesen, dass zwischen Ez 1‐39 und dem Verfassungsentwurf Ez 40‐48 zahlreiche terminologische, stilistische und inhaltliche Korres‐ pondenzen existieren,118 doch auch wenn es sich bei Kap. 40‐48 um eine thematische Fortsetzung der Heilsworte in Ez 34‐39 handelt, so liegt mit 40,1 der Beginn eines neuen Buchteils vor. Der Verfassungsentwurf ist durch seine Einleitung in 40,1ff. klar vom vorhergehenden Kontext abgegrenzt und als eigenständige vierte Vision des Ezechielbuches ge‐ staltet. Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, im weiteren Ver‐ lauf der Arbeit zwar die thematischen und strukturellen Verbindungen von Ez 40‐48 zur Heilsprophetie in Ez 34‐39 zu berücksichtigen, auf eine vollständige Analyse der Tempelvision aber zu verzichten. 118 Vgl. RUDNIG, Heilig, 52‐64. Zu den Bezügen im Einzelnen vgl. RUDNIG, a.a.O., 63f.
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Gewichtige Anfragen ergeben sich bei der Analyse von Ez 34‐39 durch das Zeugnis des griechischen Papyrus 967 (Pap. 967), der nicht nur eine Auslassung in Ez 36,23bb‐38 aufweist, sondern vor allem auch eine vom masoretischen Text abweichende Kapitelfolge in Ez 36‐39 bezeugt. Diese differierende Kapitelanordnung und das Verhältnis von Pap. 967 zu der masoretischen Textbezeugung sind damit von erheb‐ licher Bedeutung für die redaktionsgeschichtliche Untersuchung der Heilsworte in Ez 34‐39. Für das weitere Vorgehen bedeutet dies, dass zuerst der textliche Befund zu klären ist, ehe eine Analyse der betref‐ fenden Texte unternommen werden kann. 4.2. Pap. 967 und der textgeschichtliche Befund Pap. 967 ist ein Hauptzeuge des vorhexaplarischen LXX‐Textes, der aus der zweiten Hälfte des 2. oder der ersten Hälfte des 3. Jh.s. stammt und mit kleineren Lücken den Text von Ez 11,25‐48,35 bezeugt.119 Dem Text des Buches Ezechiel folgen im Codex noch die Bücher Daniel, Susanna, Bel et Draco und Esther. Da das Ezechielbuch in den Textfunden vom Toten Meer nur äußerst fragmentarisch vertreten ist,120 kommt Pap. 967 nicht nur Bedeutung als ältester griechischer Handschrift zu, sondern er kann in diesem Umfang auch als ältester Textzeuge des Buches über‐ haupt gelten.121 Der Papyrus zeigt die beiden bereits erwähnten Auffälligkeiten: Erstens lässt er die längere Passage Ez 36,23ba6‐38 aus (im Folgenden 36,23bbff.),122 und zweitens bezeugt er eine andere Kapitelanordnung im Bereich von Ez 36‐39. Auf die Heilsworte in Kap. 36 folgen die Kap. 119 Vgl. dazu den Überblick bei ZIMMERLI, BK, 117*f.; JAHN, Text, 9‐13, und RAHLFS, Ver‐ zeichnis, 98‐103.182f.228.249.334f. Die einzelnen Blätter des Papyrus verteilen sich auf: Dublin, vorher London (Chester Beatty‐Papyri; ediert in: KENYON, Chester Beatty Biblical Papyri, 1‐16), Princeton (John H. Scheide‐Sammlung; vgl. zur Edition JOHNSON/GEHMAN/KASE, John H. Scheide Biblical Papyri, 141‐181), Köln (Edition in: JAHN, Text, 19‐124) sowie Madrid und Montserrat bzw. Barcelona (zur Edition vgl. FERNÁNDEZ‐GALIANO, paginas, 7‐76). 120 Zu den Bibelhandschriften vom Toten Meer, die als Abschriften des später kanoni‐ schen Ezechiel einzuordnen sind (1Q9; 3Q1; 4Q73‐75; 11Q4 und MasEzek) vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 50‐66.101‐106. Zur generellen Bedeutung des Eze‐ chielbuches in Qumran vgl. BROOKE, Ezekiel, 317‐331.336f., und SCHWAGMEIER, a.a.O., 50‐106. 121 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 181. Zur textgeschichtlichen Bedeutung von Pap. 967 für das Ezechielbuch siehe schon GEHMAN, Relations, 281‐287, und ZIEGLER, Bedeutung, 76‐94. 122 Die Gottesspruchformel in V 23ba6‐8 fehlt nicht nur in Pap. 967, sondern auch sonst in der griechischen Überlieferung, so dass für die dem Papyrus eigentümliche Auslas‐ sung im Folgenden die Bezeichnung 36,23bbff. gewählt wird.
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38 und 39 mit der Gog‐Perikope, während die Vision von den trocke‐ nen Knochen 37,1‐14 mit den anschließenden Heilsworten in 37,15‐28 zwischen Kap. 39 und 40 eingeordnet ist. Die textgeschichtliche Bedeu‐ tung dieses Befundes wird noch dadurch erhöht, dass der von Pap. 967 unabhängige altlateinische Textzeuge Codex Wirceburgensis (5. Jh. n. Chr.)123 sowohl in der abweichenden Kapitelanordnung als auch in der Auslassung von Ez 36,23bbff. mit Pap. 967 übereinstimmt.124 Lange wurden die besagten Auffälligkeiten in der Ezechielexegese entweder ignoriert oder als ein Problem der LXX‐Textgeschichte angesehen, so dass die grundsätzliche Priorität des masoretischen Textes vertreten wurde.125 Unter dieser Prämisse können die Abweichungen in der Textbezeu‐ gung aber nur unbefriedigend erklärt werden.126 So ist zuerst versucht worden, die Auslassung von 36,23bbff. als Ausfall durch homoioteleuton in 36,23 und 36,38 zu erklären.127 Dagegen spricht nicht nur die Länge der Auslassung,128 sondern auch die Tatsache, dass 36,23 und 36,38 nur geringen Anhalt für eine aberratio oculi bieten: Zwar enthalten beide Verse in der zweiten Hälfte eine Erkenntnisformel, aber diese unter‐ scheidet sich in V 23 nicht nur durch das Subjekt ta. e;qnh ()הגוים von V 38, sondern V 23b enthält im Gegensatz zu V 38b noch weitere Ele‐ mente. Außerdem müsste bei einer Auslassung durch eine aberratio oculi der Text nach 36,23ba mit 37,1 fortgesetzt werden und nicht mit 38,1, wie es aber in Pap. 967 der Fall ist. SPOTTORNO hat deshalb die These aufgestellt, dass die beiden Auffälligkeiten durch das Zusam‐ 123 Die Unabhängigkeit des Codex Wirceburgensis zeigt sich daran, dass dieser Pap. 967 in etlichen der kleineren Auslassungen nicht folgt. 124 Den Nachweis der Übereinstimmungen zwischen Codex Wirceburgensis und Pap. 967 in den genannten Besonderheiten hat BOGAERT, Témoignage, 387‐392, erbracht. 125 So erwähnen weder SIMIAN, Nachgeschichte, 88‐103, noch HOSSFELD, Untersuchun‐ gen, 287‐340, in ihren Analysen von Ez 36,16‐38 die durch das Zeugnis von Pap. 967 gegebene Problematik. Dagegen urteilt ZIMMERLI, BK, 873: „Das mögliche Fehlen des Passus in LXX 967 und der besondere Charakter der Übersetzung desselben würde dann ein Problem der Geschichte nur von LXX, nicht von MT darstellen.“ In ähn‐ licher Weise kommt auch LEVIN, Verheißung, 211 Anm. 51, zu dem Schluss: „Zwar dürfte Papyrus 967 hier den Urtext der Septuaginta vertreten. Im Verhältnis zum hebräischen Text ist die Lücke aber sicher sekundär.“ Vgl. auch die Argumentation bei GREENBERG, AncB, 738‐740, zugunsten der Priorität des masoretischen Textes. 126 Vgl. dazu auch die Zusammenstellung und Diskussion der folgenden Positionen bei SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 183‐186. 127 Vgl. FILSON, Omission, 31f., und im Anschluss an diesen FOHRER, HAT, 203, sowie LANG, Ezechiel, 31. 128 Zwar zeigt Pap. 967 auch sonst etliche möglicherweise auf homoioteleuta beruhende Auslassungen, aber diese enthalten im Durchschnitt ca. 20 Buchstaben und maximal 266 Buchstaben, während es sich bei 36,23bbff. um insgesamt 1451 Buchstaben han‐ delt.
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mentreffen eines Blattverlustes mit einer versehentlichen Blattver‐ tauschung in der Vorlage von Pap. 967 zu erklären seien.129 Bei diesem Versuch muss man allerdings nicht nur mit gleich zwei Versehen in der Textüberlieferung rechnen, sondern auch noch mit der dritten Hypothese, dass sowohl der fehlende Abschnitt von Kap. 36 als auch die folgenden Kapitel jeweils auf genau ein Blatt gepasst hätten. Und hierbei wäre noch nicht das Zeugnis des Codex Wirceburgensis mit in die Überlegungen einbezogen. Einen anderen Ansatz wählt GARSCHA, der die abweichende Kapi‐ telfolge in Pap. 967 als „dogmatische Korrektur“ erklären will: „Der Ansturm der Völker (38,1‐39,29) muß erst erfolgt sein, ehe die Heilszeit beginnen kann.“130 Auch wenn diese Beobachtung sicher nicht unzu‐ treffend ist, bleibt GARSCHAS Lösung, die er allerdings auch nur im Rahmen zweier Fußnoten darstellt, eine Erklärung für die Auslassung in Ez 36 schuldig. Aus dieser kurzen Übersicht wird deutlich, dass die Schwäche der bisher unternommenen Lösungsvorschläge gerade in ihrer Konzen‐ tration auf nur eine Auffälligkeit des Pap. 967 liegt. Denn um beide Phänomene sowie die parallele altlateinische Bezeugung erklären zu können, müssen sie mit einer zweiten bzw. dritten These kombiniert werden. Es legt sich deshalb nahe, nach einer zusammenhängenden Erklärung für abweichende Textfolge und Auslassung zu suchen.131 Unter dieser Voraussetzung hat LUST die These aufgestellt, dass Pap. 967 eine hebräische Vorlage bezeuge, die gegenüber dem masoreti‐ schen Text ursprünglicher sei.132 Ausgehend von einer stilistisch‐termi‐ nologischen Untersuchung des hebräischen und griechischen Textes in 36,23bb‐38, die die Sonderstellung des Stückes zeigt,133 macht er plau‐ sibel, dass der Abschnitt sowohl in der ersten Fassung des griechischen Textes wie auch in dessen hebräischer Vorlage gefehlt habe. Hier liege vielmehr eine späte redaktionelle Bildung vor, die Formulierungen aus anderen Stellen des Ezechiel‐ und des Jeremiabuches aufnehme und somit den „Charakter einer Anthologie“134 habe. Das Problem der un‐ terschiedlichen Kapitelanordnung kann er dann dadurch lösen, dass er 129 Vgl. SPOTTORNO, Omisión, 95‐97, und im Anschluss an diese ALLEN, WBC 29, 177, und OHNESORGE, Jahwe, 203‐207. 130 GARSCHA, Studien, 122 Anm. 349; vgl. auch GARSCHA, a.a.O., 293f. Anm. 823. 131 So mit LUST, Ezekiel, 518.533, und SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 186. 132 Vgl. dazu und zum Folgenden LUST, Ezekiel, 517‐533. 133 Vgl. LUST, Ezekiel, 521‐525. Bereits THACKERAY ist aufgrund einer stilistischen Unter‐ suchung von Ez 36,24‐38 zu der Überzeugung gekommen, dass der Übersetzer der LXX hier ein älteres Stück eingearbeitet habe (vgl. THACKERAY, Septuagint, 124‐129). Siehe dazu auch ZIMMERLI, BK, 873. 134 LUST, Ezekiel, 522: „character of an anthology“.
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die Funktion von Ez 36,23bb‐38 als die eines Verbindungsstückes be‐ stimmt, das die Umstellung von Ez 37 von seinem ursprünglichen Ort zwischen Kap. 39 und 40 vor Kap. 38 ermöglichen soll. Diese Kapitel‐ umstellung sei vermutlich auf eine pharisäische Bearbeitung in christ‐ licher Zeit zurückzuführen, durch die die Position der Pharisäer in theologischen Auseinandersetzungen mit den Christen gefestigt wer‐ den sollte.135 Die These von LUST zur Priorität der von Pap 967 bezeugen Buch‐ version hat in den Untersuchungen von SCHWAGMEIER eine aus‐ führliche Bestätigung gefunden.136 Sie ist der einzig überzeugende Erklärungsvorschlag für die Auffälligkeiten in Pap. 967, da sie die Aus‐ lassung von 36,23bbff. in einen kausalen Zusammenhang mit der vom masoretischen Text abweichenden Kapitelfolge bringt. Dazu kommt die sprachliche Sonderstellung des Stückes, die auf diese Weise eine einleuchtende Begründung findet. Die verbindende Funktion zeigt sich insbesondere an zwei Beobachtungen: So nimmt 36,27 mit der Formu‐ lierung „und meinen Geist gebe ich in euer Inneres“ ()ואת־רוחי אתן בקרבכם in einem Satz das Thema der in Ez 37,1‐14 folgenden Vision von der Belebung der trockenen Knochen vorweg (vgl. ונתתי רוחי בכם, 37,14). Mit dem vorhergehenden Abschnitt ist Ez 36,23bbff. dagegen durch die inclusio „nicht um euretwillen“ ()לא למענכם in 36,22 und 36,32 verbun‐ den. Auch wenn LUST in der Frage der Priorität von Pap. 967 zu folgen ist, muss seine zeitliche Ansetzung aufgrund der Textfunde vom Toten Meer ausgeschlossen werden. Denn die Handschrift des Buches Eze‐ chiel, die in Masada gefunden wurde (MasEzek), bezeugt materialiter für die zweite Hälfte des 1. Jh.s v. Chr. eine Ausgabe des Buches mit der Kapitelfolge 36‐37‐38‐39 und dem „Verbindungsstück“ 36,23bb‐ 38.137 Auf der Suche nach einer neuen zeitlichen Einordnung der Über‐ arbeitung hat das 1. Jh. v. Chr. deshalb als terminus ad quem zu gelten. Der terminus a quo hängt dagegen von der Datierung der vorausgehen‐ den redaktionsgeschichtlichen Vorgänge im Buch ab.138 Neben der zeitlichen Ansetzung ist die These von LUST aber auch in ihrer Grundaussage kritisiert worden. So hat OHNESORGE eingewen‐ det, dass Ez 36,23bb‐38 literarisch nicht einheitlich sei, was gegen die 135 Vgl. LUST, Ezekiel, 532. 136 Vgl. insbesondere SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 180‐186.313‐317. 137 Vgl. die Edition von TALMON in: TALMON, Masada VI, 59‐75; zur Datierung vgl. TALMON, a.a.O., 60. 138 Vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.4. Vgl. auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 356‐358, der ebenfalls auf die Textfunde von Masada hinweist und zu dem Ergebnis kommt, dass die Umarbeitung zur masoretischen Textfolge in das 3. oder 2. Jh. v. Chr. zu datieren sei (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 364).
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von LUST angenommene Funktionsbestimmung spreche.139 Es ist aller‐ dings fraglich, ob die Einheitlichkeit tatsächlich Kriterium für die Gül‐ tigkeit der These sein kann. Vielmehr ist entscheidend, dass die redak‐ tionelle Verbindungsfunktion bereits für den Grundbestand von Ez 36,23bbff. nachweisbar ist, falls sich erweisen sollte, dass das Stück literarisch mehrschichtig ist.140 Dann spräche nichts dagegen, dass der Grundbestand weitere Fortschreibungen erfahren hat. Mit der späten Einfügung von Ez 36,23bbff., nachdem sich die Textüberlieferung in die durch Pap. 967 bezeugte Tradition und die protomasoretische Buch‐ fassung gegabelt hat, liegt ein Fall vor, bei dem die Vorgänge literari‐ scher Fortschreibung in die Phase der Textüberlieferung hineinreichen. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern es zeigt sich zunehmend, dass in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten mehrere Textfassungen nebeneinander existierten und gerade die Abweichun‐ gen zwischen diesen verschiedenen Fassungen Beleg dafür sind, dass man sich hier noch in einem Stadium des produktiven Textwachstums befindet.141 Eine mehrstufige literarische Nacharbeit gerade an Gelenk‐ stücken mit buchredaktioneller Bedeutung wie Ez 36,23bbff. kann des‐ halb nicht überraschen. Als zweiter Kritikpunkt ist der Hinweis von BLOCK zu nennen, dass Ez 36,16‐23ba ohne die Fortsetzung in 36,23bbff. fragmentarisch blei‐ be.142 Die Fortsetzungsbedürftigkeit von 36,16‐23ba ist nicht von der Hand zu weisen: In diesem Text kündigt Jhwh an, dass er die Ehre seines heiligen Namens unter den Völkern wiederherstellen will, so dass man eine Erfüllung dieser Ankündigung erwartet. Fraglich ist allerdings, ob gerade 36,23bbff. der ideale Kandidat für eine Fortset‐ zung ist, denn ab V 24 folgt ein mehrstufiges Restitutionsprogramm, in dem das Handeln Jhwhs zugunsten seines Namens keine Rolle mehr spielt. Aus der Fortsetzungsbedürftigkeit von 36,16‐23ba ist deshalb nicht notwendigerweise abzuleiten, dass die ursprüngliche Fortfüh‐ rung in 36,23bbff. vorliegen muss, sondern es ist vielmehr zu fragen, ob auf einer früheren literarischen Wachstumsstufe ein anderes Textstück als ursprüngliche Fortsetzung in Frage kommt. Die erste Wahl dafür 139 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 205f. Ebenso will ALLEN, WBC 29, 177f., in Abgrenzung von LUST in 36,23bbff. ein überarbeitetes Redaktionsstück sehen, das aus Ezechiels Schule stamme. Dagegen verteidigt SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 324‐328, erneut die Einheitlichkeit von Ez 36,23bb‐38. 140 Vgl. dazu den hier erbrachten Nachweis u. Kap. III. 1.2. 141 Vgl. dazu grundsätzlich STIPP, Textkritik, 143‐159; ULRICH, Process, 51‐78, und KRATZ, Exegese, 144‐150. 142 Vgl. BLOCK, NICOT II, 341. BLOCK greift dabei die Argumentation von ZIMMERLI, BK, 873, auf, der sich mit diesem Argument für einen ursprünglichen Textzusam‐ menhang in 36,16‐32 ausgesprochen hat.
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wären die Gog‐Kapitel Ez 38f., die in Pap. 967 direkt auf 36,16‐23ba folgen, wobei aber noch zu prüfen sein wird, inwieweit es sich hier um einen ursprünglichen Textzusammenhang handeln kann.143 Die kritische Durchsicht der Positionen zum textgeschichtlichen Befund zeigt damit, dass der griechische Pap. 967 mit großer Wahr‐ scheinlichkeit eine ältere Ausgabe des Ezechielbuches repräsentiert, der gegenüber der masoretische Text eine jüngere Buchrezension darstellt.144 Diese ältere Buchfassung ist dabei nur indirekt in der hebräischen Vorlage des griechischen Papyrus greifbar und muss im Vergleich von MT und Pap. 967 erschlossen werden.145 Bei dem im Papyrus nicht enthaltenen Abschnitt Ez 36,23bb‐38 handelt es sich um ein spätes Verbindungsstück, das die Kapitelumstellung von der Ab‐ folge in Pap. 967 zur Struktur des masoretischen Textes leistet, und damit zu den jüngsten Texten des Buches gehört. Dieses Ergebnis hat erhebliche Konsequenzen für die Analyse der Heilsworte, da die redaktionsgeschichtliche Untersuchung für sämt‐ liche Wachstumsstufen, die der protomasoretischen Buchfassung lite‐ rarisch vorausgehen, die Textfolge von Pap. 967 zugrunde legen muss. Auch wenn in jüngster Zeit zunehmend die Bedeutung des Papyrus für die Ezechielexegese erkannt worden ist, wobei insbesondere die Arbeiten von POHLMANN und SCHWAGMEIER zu nennen sind,146 steht nach wie vor eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung für Ez 34‐39 aus, die die einzelnen Textanschlüsse untersucht und die literarischen Schichten neu in den Blick nimmt. Im folgenden Überblick über die Heilsverheißungen von Ez 34‐39 soll deshalb gezeigt werden, wie das Zeugnis des Pap. 967 für die redaktionsgeschichtliche Analyse frucht‐ bar gemacht werden kann.
143 Vgl. dazu u. Kap. II. 4.3. 144 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 317. 145 Vgl. dazu auch die Erwägungen zur hebräischen Vorlage der Seputaginta von AEJMELAEUS, Vorlage, 58‐71.87‐89. 146 POHLMANN, ATD, 524f., legt in seinem Kommentar die Textfolge von Pap. 967 zu‐ grunde, wobei er aber die redaktionsgeschichtlichen Konsequenzen für den Bereich der Heilsprophetie in Ez 34‐39 im Gesamtentwurf des Kommentars nicht ausführlich darstellen kann. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 239‐317, konzentriert sich auf eine Gegenüberstellung der beiden durch MT und Pap. 967 repräsentierten Buchge‐ stalten. Seine grundlegenden Ergebnisse sind in Bezug auf die weiteren literarischen Vorstufen des Buches noch weiter auszuwerten. Weiterhin haben auch RUDNIG, Heilig, 54, und PETRY, Entgrenzung, 259‐262, in ihren Arbeiten das Zeugnis von Pap. 967 berücksichtigt.
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4.3. Redaktionsgeschichtliche Beobachtungen zu Ez 34‐39 Die folgende Relieflesung der Heilsworte in Ez 34‐39 stellt eine erste Sichtung und Sortierung der im dritten Teil dieser Studie (Kap. III.) zu behandelnden Texte und Textabschnitte dar, wobei zugleich Indizien für eine literar‐ und redaktionskritische Analyse gesammelt werden sollen. Es wird deshalb darum gehen, die Gliederungselemente in den betreffenden Kapiteln bezüglich der Textabgrenzungen auszuwerten und inhaltliche oder terminologische Querverbindungen zwischen den Texten zu notieren. Diese Frage ist im Hinblick auf die Problemstellung der Arbeit auch auf mögliche Entsprechungen der ezechielischen Heilsprophetien zu den Unheilsansagen im ersten Buchteil sowie Be‐ rührungen mit anderen alttestamentlichen Büchern auszuweiten. Das Ziel des nachfolgenden Überblicks ist deshalb ein zweifaches: Zuerst soll eine vergleichende Betrachtung der einzelnen Texte in Ez 34‐39 eine vorläufige redaktionsgeschichtliche Einordnung der Stücke erlau‐ ben, auf der die folgenden Einzeltextanalysen aufbauen können. Dane‐ ben geben die aufgezeigten Verbindungen von Ez 34‐39 zu anderen Teilen des Ezechielbuches bzw. zu anderen Schriften des Alten Testa‐ ments einen ersten Hinweis darauf, welche Texte für die Analyse der innerbiblischen Auslegung zu berücksichtigen sein werden. Heilsworte finden sich im Buchablauf schon im ersten und zweiten Teil des Ezechielbuches; hier sind die kurzen heilsprophetischen An‐ hänge in Ez 11,17‐20; 13,21.23; 16,53‐63; 17,22‐24; 18,31; 20,39‐44; 21,32b und 28,25f. zu nennen. Ihren eigentlichen Ort hat die Heilsprophetie aber im dritten Teil des Buches in Kap. 34‐39. Voraussetzung für das Einsetzen der Heilsworte ist der Fall Jerusalems, der in Ez 24,1f. mit dem Belagerungsbeginn der Stadt durch den König von Babel bereits besiegelt ist. Eine genaue Beschreibung der Einnahme Jerusalems fehlt zwar, diese wird aber in den Fremdvölkersprüchen Ez 25‐32 als bereits geschehen vorausgesetzt, da die Zerstörung Jerusalems (25,3; 26,2), die Verwüstung des Landes (25,3) sowie das Schicksal des Volkes (25,3.15) als Grund für das Frohlocken der Nachbarvölker genannt werden. Mit dem Eintreffen des Entkommenen in Ez 33,21, das auf den 5.10. des zwölften Jahres „unserer Wegführung“ ()לגלותנו datiert ist, 147 erreicht die Nachricht vom Fall der Stadt auch den Propheten, woraufhin sein Mund wieder geöffnet wird (33,22). 147 Nach den Berechnungen von KUTSCH, Daten, 44f., entspricht dies dem 19. Januar 586. KUTSCH setzt dabei voraus, dass die erste Einnahme der Stadt mit Hilfe der babylonischen Chronik Wiseman auf den 2. Adar des 7. Regierungsjahres von Nebu‐ kadnezar, d. h. den 16. März 597, zu fixieren ist (vgl. KUTSCH, a.a.O., 12f.70f.).
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Die Öffnung von Ezechiels Mund ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Beginn der Heilsprophetie, sondern in Ez 33,23‐29 folgt zuerst ein Wort gegen die Restbewohner Judas, die das Land für sich in An‐ spruch nehmen (לנו נתנה הארץ למורשׁה, 33,24). In paralleler Formulierung, nur ergänzt durch ein Demonstrativpronomen, haben in Ez 11,15 die in der Stadt Verbliebenen gegenüber den Exulanten ihren Anspruch auf das Land geltend gemacht. Neben diesem Rückverweis auf Ez 11 ent‐ hält der Abschnitt auch eine Reihe von sprachlichen Verweisen auf die kommenden Texte: So weist Jhwh den Anspruch der Restbevölkerung u.a. mit der Begründung zurück, dass sie Blut vergießen (שׁפך דם, 33,25; vgl. 36,18) und die Frau des Nächsten unrein machen (טמא pi., 33,26; vgl. 36,17f.). Deshalb kündigt er an, dass alle, die in den Trümmer‐ stätten (חרבה, 33,24.27; vgl. 35,4; 36,4.8.10.12.33) leben, den wilden Tie‐ ren zum Fraß werden sollen (חיה mit אכל, 33,27; vgl. 34,5.8.28; 39,4; ferner 35,10 von den Bergen Seirs und 34,10 von den Hirten Israels). Von den Bergen Israels (הרי ישׂראל, 33,28; vgl. 34,13.14; 36,1.4.8; 37,22; 38,8; 39,2.4.17) wird dagegen gesagt, dass sie wüst daliegen werden, so dass niemand darüber hinwandert (עבר Pt., 33,28; vgl. 35,7; 36,34; 39,11bis.14bis.15). Dieser „Kompendiumscharakter“ des Textes kann vorsichtig als Indiz dafür gewertet werden, dass 33,23‐29 einen Groß‐ teil der folgenden Texte bereits voraussetzt. Im Hintergrund der Passa‐ ge sind Auseinandersetzungen um den Landbesitz zwischen der im Land verbliebenen und der aus Exil bzw. Diaspora heimkehrenden Bevölkerung zu vermuten, wie sie ähnlich auch in Ez 11,14ff. diskutiert werden. Nach einem weiteren Wort über die Zuverlässigkeit des Propheten‐ wortes in Ez 33,30‐33 folgt eingeleitet mit der Wortereignisformel in 34,1 das Hirtenkapitel als erste Heilsverheißung des dritten Buchteils. In fünf größeren Phasen des literarischen Wachstums wird hier der Beginn des Heils für das Volk thematisiert. 148 Auf der Ebene der Grundschicht 34,1‐10* setzt das Heil mit der Absetzung der Fremdvöl‐ kerhirten im Land ein, deren Stelle von Jhwh selbst eingenommen wird. Die Fortschreibung in 34,11‐15* baut die Vorstellung von Jhwh als dem göttlichen Hirten weiter aus, überträgt die Situation der Zer‐ streuung aber nun auf die Diaspora, die durch Jhwh auf die Berge Israels heimgeführt wird. An dieses erweiterte Grundwort haben sich in 34,23f.* und 34,25‐30 Reflektionen über die politische Verfassung im Land und das Gottesverhältnis angeschlossen, die Voraussetzungen für die Beständigkeit des Heils bedenken. Schließlich wird mit dem Scheidungsgericht über die Schafe in 34,17‐22 die Gültigkeit der folgen‐ 148 Vgl. dazu o. Kap. II. 2.2. und II. 3.4.
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den Heilsworte auf die Schafe eingegrenzt, die nach dem Gericht die wahre Herde Jhwhs bilden. Wie bereits gezeigt, ist das Hirtenkapitel klar von seinem Kontext abgegrenzt, obgleich es auch durch Stichwort‐ aufnahmen mit diesem verzahnt ist: So verweist der Ausdruck „zum Fraß allen Tieren des Feldes werden“ (34,8) auf 33,27 zurück; zugleich liegt aber ein Vorverweis auf das Zitat des Gebirges Seir in 35,12 vor, das meint, die Berge Israels seien ihm zum Fraß gegeben. Ebenso liegt mit den הרי ישׂראל in 34,13.14 als das Ziel von Jhwhs Rückführungshan‐ deln einerseits ein Rückverweis auf 33,28 vor, während die Nennung der Berge andererseits das Thema der folgenden Abschnitte Kap. 35 und 36,1‐15 vorwegnimmt, in denen diese eine wichtige Rolle spielen. Diese beiden Textstücke sind durch die Wortereignisformel in 35,1 formal einem einzigen Wortereignis zugeordnet. Ez 35 enthält Unheils‐ ansagen für das Gebirge Seir (V 2.3.7) bzw. Edom (V 15) mit den variierenden Begründungen, dass es Blutschuld auf sich geladen habe (V 6), Besitzansprüche an Israels Land angemeldet (V 10) und Schmä‐ hungen über die Berge Israels ausgesprochen habe (V 12). In Ez 36,1‐15 werden dem Propheten dagegen Heilsworte an die personifizierten Berge Israels aufgetragen (V 1.4.8). Die ausdrückliche Adressierung der Verheißungen an die הרי ישׂראל erinnert an Ez 6, wo den Bergen Israels das Gericht angesagt wird, so dass 36,1‐15 als Aufhebung der dortigen Unheilsansagen erscheint. Vor allem aber sind Ez 35 und 36,1‐15 durch eine Vielzahl von Querverbindungen aufeinander bezogen: In beiden Fällen werden die prophetischen Worte an die personifizierten Berge gerichtet, so dass das Geschick der Berge Seirs gleichsam als die dunkle Folie erscheint, vor der die Heilsaussagen an die Berge Israels ent‐ wickelt werden: 149 Der ewigen ()עולם Verwüstung des Berglandes von Seir steht dabei die endgültige ()לא עוד Aufhebung der Schmach und der unheilvollen Zustände auf den Bergen Israels gegenüber (35,9 // 36,12.14.15; vgl. auch 34,28f.). Der Neubesiedelung der הרי ישׂראל und der Vermehrung der Bevölkerung ()אדם auf ihnen korrespondiert dage‐ gen die Verwüstung auf dem Gebirge Seir und die Ausrottung der Bevölkerung (36,10‐12 // 35,7f.15). Und was Seir beansprucht hat, näm‐ lich das Land zu besitzen (ירשׁ, 35,10), das wird nun Israel zugespro‐ chen (ירשׁ, 36,12). Neben den Korrespondenzen gibt es aber auch Differenzen zwi‐ schen den beiden Texten: So fällt in 36,1‐15 auf, dass es „der Feind“ (36,2) bzw. „der Rest der Nationen“ (36,3.4.5) ist, der jeweils angeklagt wird, sich das Land zum Besitz genommen zu haben; indes wird Edom nur in V 5 im Anschluss an die restlichen Nationen genannt, wo die 149 Zur sachlichen Entsprechung von Ez 35 und Ez 36,1‐15 vgl. auch ZIMMERLI, BK, 857; GREENBERG, AncB, 723f., und SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 276f.
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Nennung eher nachklappenden Charakter hat, während das Gebirge Seir als Widersacher in 36,1‐15 überhaupt keine Erwähnung findet. Die Gegenüberstellung des Gebirges Seir mit den Bergen Israels lässt sich somit nur aus dem Buchablauf ersehen, in dem Ez 36,1‐15 von Kap. 35 herkommend gelesen werden soll. Es wird im Laufe der weiteren Ana‐ lyse genauer danach zu fragen sein, ob Ez 35 und 36,1‐15 von Anfang an aufeinander bezogen waren oder ob die Korrespondenzen das Ergebnis einer nachträglichen Angleichung sind.150 Dabei sind auch die Bezüge zu Kap. 6 mit in die Überlegungen einzubeziehen.151 Über die Korrespondenzen innerhalb des Textblockes Ez 35,1‐36,15 hinaus sind noch einige Verbindungen zu den anderen Texten der Heilsprophetien zu notieren. In den Kapiteln wird mit dem „Schmähen der Völker“ (כלמת גוים, 36,6; vgl. 36,15), das die Berge ertragen mussten, ein Bogen zurück zu 34,29 geschlagen, wo den Bewohnern ebenso zugesichert wird, dass sie das Schmähen der Völker nicht mehr ertra‐ gen müssen. Das Leitwort „Mensch“ ()אדם, das die Passage 36,10‐14 kennzeichnet, in der Jhwh die Wiederbesiedelung der Berge verheißt, erinnert dagegen an 34,31, wo die Herde Gottes nachträglich als Men‐ schenherde ()מרעיתי אדם bestimmt wird.152 In gleicher Weise kündigt Jhwh in 36,37 an, dass er die Israeliten zahlreich an Menschen machen wird wie eine Herde ()כצאן אדם. Schließlich nimmt Ez 35,10 mit der Rede von den zwei Völkern und den zwei Ländern das Thema der Heilsworte in Ez 37,15ff. vorweg und problematisiert damit eine Situa‐ tion im Land, die ansonsten in den Kapiteln keine Rolle spielt. Viel‐ mehr zeichnen sich die Stücke in 35,1‐36,15 durch die metaphorisch‐ personifizierende Redeweise von den Bergen aus, die über diese Texte hinaus nur noch in Ez 6 begegnet. Die Vermutung liegt nahe, dass hinter den Bergen Israels das Land steht, das im Bild der Berge Em‐ pfänger von Gerichts‐ und Heilsansagen wird. Dieser besondere Sprachgebrauch findet sich im Alten Testament nur im Ezechielbuch, so dass noch zu überlegen sein wird, woher dieses Bild kommt und worin seine besondere Funktion für das Buch liegt.153 Es ist nun die Frage, ob die Grundschicht von Ez 34 die Kapitel 35,1‐36,15 in einer frühen Wachstumsstufe bereits voraussetzt oder ob ein umgekehrtes Verhältnis anzunehmen ist. Zwar thematisieren beide Textstücke die Situation im Land, aber während in Ez 34,1‐10* die Befreiung des Volkes von Fremdherrschaft im Vordergrund steht, ist in Ez 35,1‐36,15 die Restitution des Landes das zentrale Anliegen. Die 150 151 152 153
Vgl. dazu u. Kap. III. 7.2. Vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.3. Zur Sekundarität von אדם in 34,31 vgl. o. Anm. 34. Vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.4.
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Lage der Bevölkerung kommt dabei nur in zweiter Linie in den Blick, indem den Bergen die Vermehrung der Bevölkerung „auf euch“ (עליכם, 36,11) angesagt wird. Dies könnte dafür sprechen, dass zumindest die Grundschicht in Ez 35,1‐36,15 dem Ausgangstext im Hirtenkapitel vorausgeht, der nach der erfolgten Restitution des Landes die Lage des Volkes in den Blick nimmt. Im Buchablauf folgt auf die Heilsworte an die Berge Israels in 36,16 eine erneute Wortereignisformel, die formal den gesamten Komplex Ez 36,16‐37,14 umspannt. Die textgeschichtliche Analyse hat allerdings gezeigt, dass die Kapitelabfolge von 36 und 37 das Ergebnis einer nachträglichen Umstellung ist.154 Da im Zuge dieser Umstellung auch 36,23bb‐38 als redaktionelles Verbindungsstück in das Buch gekommen ist, ist der nächste Textabschnitt in der Abgrenzung 36,16‐23ba in den Blick zu nehmen. In diesem Stück steht wie auch im Hirtenkapitel das unter die Völker zerstreute Israel im Vordergrund. Aber anders als in Kap. 34 ist durch die Zerstreuung Israels nicht das Wohlergehen der Herde bedroht, sondern die Heiligkeit des Namens Jhwhs. Als Grund für die Zerstreuung wird in 36,17‐19 angegeben, dass die Israeliten das Land durch „ihren Wandel und ihre Taten“ ()בדרכם ובעלילותם verun‐ reinigt haben (טמא pi.), so dass Jhwh seinen Grimm über sie ausgegos‐ sen (ואשׁפך חמתי, 36,18) und sie unter die Völker versprengt hat. Aber gerade diese Situation der Zerstreuung hat nach 36,22 die Entweihung des heiligen Namens zur Folge, so dass Jhwh gezwungen ist, um seines Namens willen einzugreifen. Im Vergleich mit dem vorangehenden Text in 36,1‐15 fällt auf, dass 36,16‐23ba in die Zeit vor die derzeitige desolate Lage des Landes zurückblickt und die Gründe dafür erörtert, warum die Bevölkerung unter die Völker zerstreut worden ist. Dies lässt darauf schließen, dass Ez 36,1‐15 als dem als ergänzungs‐ bzw. interpretationsbedürftig empfundenen Text die literarische Priorität gegenüber 36,16‐23ba einzuräumen ist.155 Der Abschnitt Ez 36,16‐23ba zeigt einige Verbindungen zu voran‐ gehenden Texten im Buch: Die in 36,18 genannte Verunreinigung durch Blutvergießen verweist zurück auf Kap. 22, in dem die Vergehen der Stadt Jerusalem und ihrer Bewohner mehrfach als Blutvergießen beschrieben werden (vgl. 22,3.4.6.9.12.27). Entsprechend sagt Jhwh in 22,22 an, dass er seinen Grimm über die Israeliten ausgegossen habe (שׁפכתי חמתי, vgl. 36,18). Daneben bestehen aber auch enge Verbindun‐ gen zu Ez 20. Der in diesem Kapitel enthaltene Geschichtsrückblick hat in V 39‐44 einen heilsprophetischen Ausblick auf die Zukunft, in dem Jhwh ähnlich wie in 36,16‐23ba ankündigt, dass er an den Israeliten um 154 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.2. 155 Vgl. POHLMANN, ATD, 474.
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seines Namens willen handeln wird (למען שׁמי, 20,44; vgl. לשׁם־קדשׁי, 36,22) und nicht entsprechend ihren Wegen und Taten (... לא כדרכיכם וכעלילותיכם, 20,44; vgl. dagegen 36,18). Allerdings ist zu fragen, ob in Ez 20 nicht insgesamt ein anderes geschichtstheologisches Konzept vor‐ liegt, da dort das Gericht an den Israeliten zusammen mit ihrer Zer‐ streuung unter die Völker Bestandteil von Jhwhs Ordnungsplan ist, der von Anfang an dem Ansehen seines Namens in den Augen der Völker Rechnung trägt.156 Die Berührungen des Geschichtsrückblickes in Ez 20 mit der Heilsprophetie im dritten Buchteil werden deshalb noch weiter zu untersuchen sein.157 Schließlich wird auch in der Tempelvision im Zusammenhang der Rückkehr Jhwhs in Ez 43,7b‐9 das Problem des heiligen Namens wieder aufgegriffen. Außerdem gibt es über das Eze‐ chielbuch hinausgehend einige Texte im Deuterojesajabuch, in denen in ähnlicher Weise die Sorge um Jhwhs Namen als Begründungsmotiv für das göttliche Heilshandeln genannt wird. Schon ZIMMERLI hat auf die „auffallend enge sachliche Parallele in Jes 43,22‐28“158 hingewiesen, neben der auch Jes 48,1‐11 und Jes 52,4‐6 zu nennen sind, in denen ebenso das Problem thematisiert wird, wie die Souveränität von Jhwhs Namen gewährleistet werden kann.159 Im Rahmen der textgeschichtlichen Analyse ist bereits aufgefallen, dass Ez 36,16‐23ba im Buchkontext fortsetzungsbedürftig bleibt, da die sekundäre Weiterführung in 36,23bb‐38 das Problem des heiligen Na‐ mens nicht weiter verfolgt. Es gibt im dritten Buchteil aber zwei wei‐ tere Textstücke, die sich mit Jhwhs heiligem Namen beschäftigen. Das erste ist die Gog‐Perikope in 38,1‐39,22,160 in der Jhwh seinen Namen heiligt, indem er Gog und sein Völkerheer auf den Bergen Israels schlägt (39,4.7). Dabei scheint sich hinter dem Feind Gog eine Anspie‐ lung auf den jeremianischen „Feind aus dem Norden“ (vgl. Jer 4‐6*) zu verbergen. Da in Pap. 967 Ez 38f. direkt auf 36,16‐23ba folgen, läge es nahe, hier einen ursprünglichen Textzusammenhang zu vermuten.161 Allerdings ist anzufragen, ob nicht auch mit der Gog‐Perikope bereits eine Fortschreibung von 36,16‐23ba vorliegt. Denn die Art und Ausfüh‐ rung der Heiligung in Ez 38,1‐39,22, die Zerschlagung Gogs, stellt 156 Vgl. POHLMANN, ATD, 486. Zu den Verbindungen vgl. auch KRÜGER, Geschichts‐ konzepte, 441f. 157 Vgl. dazu u. Kap. III. 3.4.2. 158 ZIMMERLI, BK, 876. 159 Vgl. dazu KRATZ, Propheten, 85, der in Ez 36,22‐23 ein Zitat von Jes 52,5f. sieht. 160 Die genaue Abgrenzung der Gog‐Perikope nach hinten ist umstritten; zu der hier vertretenen Einteilung vgl. die Analyse in Kap. III. 2.2.1. 161 So weist auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 185, darauf hin, dass Ez 36,16‐23ba nicht fragmentarisch bleibt, wenn man die Fortsetzung in Ez 38f. sieht. Allerdings trifft er keine Aussage über die mögliche Ursprünglichkeit dieses Textanschlusses.
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sachlich keine passende Lösung für das Problem in 36,16‐23ba dar. Dieses besteht eben nicht in einer Feindbedrohung Israels von außen, sondern in der Zerstreuung Israels unter die Völker, die aber in der Gog‐Perikope so gut wie keine Rolle spielt.162 Es ist deshalb zu ver‐ muten, dass die gesamten Gog‐Kapitel einen gegenüber 36,16‐23ba sekundären Textkomplex darstellen. Der zweite Text, der sich ebenfalls mit Jhwhs heiligem Namen be‐ schäftigt, ist Ez 39,23‐29, der in der Textanordnung von Pap. 967 nach Abtragung der Gog‐Perikope 38,1‐39,22 direkt auf 36,16‐23ba folgt. Üblicherweise wird in diesem Text in verschiedenen Abgrenzungen der Epilog der Gog‐Kapitel gefunden, aber in seinem Anliegen zeigt er vielmehr inhaltliche und terminologische Berührungen mit 36,16‐23ba: So geht es in beiden Fällen nicht nur um den heiligen Namen Jhwhs (36,20.21.22; vgl. 39,25), sondern während das Ansehen des Namens in 36,16‐23ba durch die Diasporasituation Israels gefährdet ist, wird in 39,23‐29 gerade die Sammlung der Diaspora als das Handeln Jhwhs zugunsten seines heiligen Namens verstanden. Des Weiteren bildet in der griechischsprachigen Überlieferung die Selbstbezeichnung Jhwhs als desjenigen, der seinen Zorn auf das Haus Israel ausgegossen hat (ouevxe,cea to.n qumo,n mou, 39,29), eine deutliche Korrespondenz zu 36,18 ()ואשׁפך חמתי. Der masoretische Text spricht dagegen von der Ausgie‐ ßung des Geistes (אשׁר שׁפכתי את־רוחי, 39,29), mit der ein Rückbezug auf die Geistbegabung in der Vision 37,1‐14 gegeben ist.163 Insgesamt legen die aufgezeigten Entsprechungen die Vermutung nahe, dass in 39,23‐ 29 die vermisste Fortsetzung von 36,16‐23ba vorliegt. Allerdings fällt auf, dass in 36,23ba und 39,23 zwei auf die Völker bezogene Erkennt‐ nisformeln aneinander stoßen; eine Dublette, die man in einer durchge‐ henden Textschicht nicht erwarten würde. Im Rahmen der Einzeltext‐ analyse wird noch zu zeigen sein, dass es sich bei 36,23aba um eine Einzelversfortschreibung handelt, die erst zu einem Zeitpunkt des Textwachstums an 36,16‐22 angefügt wurde, als der Text bereits durch einen Grundbestand der Gog‐Perikope von 39,23‐29 getrennt wurde.164 Für die weitere Analyse ist deshalb davon auszugehen, dass die beiden Texte über den heiligen Namen Jhwhs in der Abgrenzung 36,16‐22; 39,23‐29 sekundär durch die Einfügung der Gog‐Perikope in 38,1‐39,22 getrennt worden sind. Diese Kapitel bieten eine Alternativ‐ 162 Vgl. lediglich die Verse 38,8.12.14, nach denen das gesammelte Volk bereits wieder in sein Land zurückgekehrt ist. 163 Es spricht einiges dafür, der Lesart der griechischsprachigen Überlieferung den Vor‐ zug gegenüber der masoretischen Textvariante zu geben; zur ausführlichen textkriti‐ schen und redaktionsgeschichtlichen Diskussion vgl. u. Kap. III. 3.2. 164 Zum ausführlichen Nachweis dieser These vgl. u. Kap. III. 3.2.
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lösung für die Heiligung von Jhwhs Namen, dessen Souveränität Jhwh in der Zerschlagung Gogs erweist.165 Die Fortschreibung von 36,16‐ 23ba durch 36,23bb‐38 wäre dann sozusagen die „dritte Variante“, die allerdings Jhwhs Sorge um den heiligen Namen nicht weiter thema‐ tisiert, sondern ein mehrstufiges Restitutionsprogramm für das Haus Israel entfaltet. Neben der Funktion als Verbindungsstück fallen vor allem die Beziehungen zum literarischen Kontext, insbesondere zu den beiden Bundesschlusstexten in 34,25‐30 und 37,20‐28, auf. Die innere Erneuerung der Israeliten durch die Gabe des neuen Herzens und des neuen Geistes in 36,26f. legt im Fall von 36,23bb‐38 die Frage nahe, inwieweit hier Verbindungen zur Verheißung des neuen Bundes im Jeremiabuch bestehen.166 Auf das redaktionelle Gelenkstück in 36,23bb‐38 folgt auf der Ebene der masoretisch bezeugten Buchgestalt Kap. 37, das im griechischen Papyrus direkt hinter 39,23‐29 steht. Das Kapitel zerfällt thematisch und formal in zwei Hälften. Den ersten Abschnitt bildet in Ez 37,1‐14 die dritte Vision des Propheten, in der er auf der Ebene die Wiederbele‐ bung der Knochen durch den Geist (רוח, V 5.6.8.9.10.14) schaut. Dem eigentlichen Visionsinhalt in V 1‐10 ist in V 11‐14 ein Disputationswort angefügt, in dem das Haus Israel seine Todesverfallenheit beklagt (V 11), woraufhin Jhwh dem Volk die Öffnung der Gräber ankündigt (V 12.13). Das Bild der geöffneten Gräber, wie es im Disputationswort gezeichnet wird, steht dabei unverkennbar in Spannung zu dem Bild der auf der Ebene zerstreuten Knochen im Visionsbericht.167 Die Ver‐ mutung liegt deshalb nahe, dass innerhalb der Perikope 37,1‐14 mit literarischem Wachstum zu rechnen ist. Gerade im Vergleich mit dem vorherigen Textstück ist auffällig, dass 37,1‐14 kaum mit dem näheren Kontext in Ez 34‐39 verzahnt ist. Abgesehen von den zwei Schaltstellen 39,29 MT und 36,26f., in denen über das Leitwort רוח auf zwei verschie‐ denen literarischen Wachstumsstufen die Verbindung zu Kap. 37 her‐ gestellt ist, wird in dem Stück mit „Gebein“ (עצם, V 1.3.4.5.7.11), „Grab“ (קבר, V 12.13) und dem Verbum חיה (V 3.5.6.9.10.14) ein eigenes Voka‐ bular verwendet. Trotz der wenigen Bezüge zum Kontext der Heilsworte gibt es Hinweise darauf, dass die Vision in Ez 37 eine wichtige buchstruktu‐ 165 So in der Sache auch POHLMANN, ATD, 516f., der allerdings in Kap. 38f. die Textab‐ grenzungen 38,1‐39,24 und 39,25‐29 zugrunde legt. 166 Vgl. dazu u. Kap. III. 1.4.4. 167 So mit POHLMANN, ATD, 493. ZIMMERLI, BK, 888, sieht V 1‐10 und V 11‐14 dagegen im Verhältnis von Bild und Deutung zueinander stehen; daher dürfe die Spannung zwischen Totengebeinen und Gräbern nicht zur „Zerreißung der beiden Teile“ ver‐ leiten. Zur literarkritischen Diskussion vgl. u. Kap. III. 6.2.1.
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rierende Funktion hat, da inhaltliche und terminologische Querverbin‐ dungen zu anderen Buchteilen vorliegen. So ist 37,1‐14 als Visions‐ bericht zuerst formal mit den anderen drei großen Visionen des Buches verbunden. Die Vision vom Auszug der Herrlichkeit Jhwhs aus dem Tempel (Ez 8‐11) und die Vision vom Wiedereinzug in Jerusalem (Ez 40‐48) bilden das Gerüst der Komposition, das mit der Berufung des Propheten durch die Herrlichkeit Jhwhs am Fluss Kebar (Ez 1‐3) kom‐ plementiert wird. Dabei wirkt die kurze Vision in Ez 37,1‐14 gegenüber den anderen Visionen im Buch aber etwas verloren, und ihre Funktion für das Buchganze ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich.168 Weiterhin schlägt die Vision über das Leitwort עצם auch einen Bogen zu zwei weiteren Texten im ersten Teil des Buches: In Kapitel 6, der Gerichts‐ rede über die Berge Israels, verkündet Jhwh, dass er die Gebeine der Israeliten rings um ihre Altäre streuen wird (vgl. 6,5). In Ez 24,1‐14, dem Bildwort über das Fleisch im Topf, stehen die Knochen in ähnli‐ cher Weise für das, was von der Bevölkerung des zerstörten Jerusalem nach dem Gericht übrig geblieben ist (24,4.5.10). Somit zeichnet sich eine zweite rote Linie innerhalb der Buchkomposition ab: Die Gebeine tauchen sowohl im ersten Gerichtswort Ez 6 als auch im letzten Ge‐ richtswort Ez 24 auf, zu denen Ez 37,1‐14 ein (ursprüngliches?) heil‐ volles Gegenstück bildet. Neben dem Motiv der Knochen wird auch die Geistbegabung noch daraufhin zu untersuchen sein, auf welchen traditionsgeschichtlichen Hintergrund bzw. auf welche literarischen Vorlagen sie zurückgeführt werden kann.169 Aufgrund der wenigen Verbindungen zum Kontext in Ez 34‐39 ist es schwierig, ein erstes Urteil über die Position von 37,1‐14 im literari‐ schen Wachstum des dritten Buchteils zu fällen. Die Vision gehört auf jeden Fall nicht zu den jüngsten Fortschreibungen, da die Querverbin‐ dungen zeigen, dass sie von 36,23bb‐38 und 39,23‐29 bereits vorausge‐ setzt wird. Von besonderem Interesse für die redaktionsgeschichtliche Analyse wird das Verhältnis der beiden Grundworte in Ez 34,1‐10* und Ez 37,1‐14 sein.170 Die beiden Texte stehen in einer gewissen Konkur‐ renz zueinander, da sie in verschiedenen Bildern von der Restitution des Hauses Israel sprechen und damit eine jeweils andere Antwort auf die Frage geben, wie die Berge Israels in 36,1‐15 eine Vermehrung der Menschen erfahren werden. Eine genauere Klärung der relativen litera‐ rischen Abfolge von 34,1‐10* und 37,1‐14 wird noch zu leisten sein; da die Stücke aber thematisch miteinander konkurrieren, kann zumindest 168 Vgl. dazu die Überlegungen zur Funktion der Vision in Kap. VI. 3.2. 169 Vgl. dazu u. Kap. III. 6.4. 170 Vgl. dazu u. Kap. III. 6.3. und III. 7.3.
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als gesichert gelten, dass sie verschiedenen literarischen Wachstums‐ stufen angehören. Auf die Vision in Ez 37,1‐14 folgt im zweiten Teil des Kapitels in 37,15‐19 eine Zeichenhandlung, in der der Prophet die Einheit der beiden Israel‐Teilgrößen Juda und Joseph symbolisieren soll. Die Ein‐ leitung durch die Wortereignisformel in 37,15 zeigt bereits, dass die Zeichenhandlung nicht auf derselben literarischen Ebene liegt wie das vorhergehende Textstück 37,1‐14. Da es in 37,1‐14 um die Restitution des ganzen Hauses Israel (;כל־בית ישׂראל 37,11) geht, wäre zu überlegen, ob 37,15‐19 dieses Thema nachträglich bildlich ausgestaltet und damit gegenüber 37,1‐14 sekundär ist. An die Zeichenhandlung Ez 37,15‐19 haben sich in 37,20‐28 weitere Heilsworte angelagert, die durch das rückbezügliche עץ in V 20 (vgl. V 16.17.19) als Fortschreibung(en) zu erkennen sind. Auch inhaltlich beziehen sich zumindest die Verse 20‐24 auf die vorangehende Zei‐ chenhandlung zurück, da in ihnen parallel zu der angestrebten Einheit (אחד, 37,16.17.19) von Juda und Joseph die Sammlung und Rückfüh‐ rung zu einem Volk (גוי אחד, 37,22) unter einem König (מלך אחד, 37,22) verheißen wird. Dieser König wird in V 24 mit dem Knecht David identifiziert, der als einziger Hirte ()רועה אחד über die Israeliten herr‐ schen soll. In der Titulatur Davids als Hirte klingt die Davidver‐ heißung des Hirtenkapitels an (vgl. 34,23f.), wobei aber auch eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Herrschererwartungen nicht von vornherein auszuschließen ist. In 37,25 folgt eine erneute David‐ verheißung, die aber aufgrund der divergierenden Herrscherkon‐ zeption von 37,24 zu trennen ist: In V 24 fungiert David als König und Hirte, in V 25 wird er jedoch als נשׂיא bezeichnet. 171 Es fällt weiterhin auf, dass das mit V 25 eröffnete Heilswort in 37,25‐28 sich inhaltlich nicht mehr auf die Zeichenhandlung zurückbezieht, sondern mit den Verheißungen von Davidherrschaft, Landbesitz und ewigem Heils‐ bund (ברית שׁלום ברית עולם, 37,26) eine Art Kompendium der Heils‐ zukunft im Land bietet. Mithin kann in 37,25‐28 mit einer weiteren Fortschreibung der in 37,15‐24 vorangehenden Heilsworte gerechnet werden.172 171 Vgl. RUDNIG, Heilig, 66. Die griechischsprachige Bezeugung nimmt dagegen einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Titulaturen vor und bezeichnet David sowohl in 37,24 als auch in 37,25 als a;rcwn. Zur Priorität des masoretischen Textes und der Interpretationsabsicht, die hinter der Textabänderung auf Seiten der griechi‐ schen Überlieferung steht, vgl. u. Kap. III. 4.2.2. Anm. 232, sowie u. Kap. III. 5.2. 172 Anders RUDNIG, Heilig, 66, der zu dem Schluss kommt, dass 37,25‐28 die ursprüng‐ liche Fortsetzung von 37,1‐14 darstelle; zur Diskussion dieser These vgl. u. Kap. III. 4.2.2., insbes. Anm. 234.
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Die Rede vom Heilsbund und das ewige Wohnen im Land verwei‐ sen dabei zurück auf Ez 34,25‐30, ein Text, in dem in ähnlicher Weise die heilvolle Zukunft im Land beschrieben wird. Darüber hinaus kom‐ men wie für dieses Stück auch in Ez 37,25‐28 die Segensverheißungen von Lev 26 als Vorlage in Frage, da die Zusage Jhwhs, unter den Isra‐ eliten zu wohnen, hier eine beinahe wörtliche Entsprechung hat (Ez 37,26; vgl. Lev 26,11). Als Erfüllung dieser Ankündigung erscheint auf der Ebene des Endtextes die Rückkehr der Herrlichkeit Jhwhs in den Tempel in Ez 43,1‐9, wobei insbesondere auf die Unverbrüchlichkeits‐ aussagen in beiden Verheißungen hinzuweisen ist (לעולם, 37,25.26.28; vgl. 43,7.9). Nach dem Zeugnis von Pap. 967 stand 37,25‐28 einmal un‐ mittelbar vor der Tempelvision in Ez 40‐48, so dass zu überlegen ist, ob der Text auf einer bestimmten literarischen Ebene des Buches als Ein‐ leitung zum Verfassungsentwurf eingeschrieben worden ist. Die redaktionsgeschichtlichen Beobachtungen können damit wie folgt zusammengefasst werden: Für 36,23bb‐38 konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass es sich hier um den jüngstem Text innerhalb von Ez 34‐39 handelt, der als redaktionelles Verbindungsstück die Umstel‐ lung der Kapitel zur Abfolge der masoretischen Textgestalt ermöglicht. Auch mit der Gog‐Perikope 38,1‐39,22 liegt eine späte Einfügung vor, die im Anschluss an 36,16‐22(23aba) eine alternative Antwort darauf gibt, wie die Heiligkeit von Jhwhs Namen unter den Völkern wieder‐ hergestellt werden kann. Die Gog‐Kapitel zertrennen dabei einen vorausgehenden Textzusammenhang von 36,16‐22 mit 39,23‐29, in dem zum ersten Mal die Heiligkeit von Jhwhs Namen zur Begründung des göttlichen Heilshandelns herangezogen wird. Schließlich liegen mit 34,25‐30 und 37,25‐28 zwei Texte vor, in denen in identischer Formulie‐ rung vom Schluss eines Heilsbundes gesprochen wird, und die beide Nähen zum Segensformular von Lev 26 aufweisen. Auch auf der litera‐ rischen Ebene der Heilsworte in 37,15‐24 zeigt Kap. 37 Berührungen mit dem Hirtenkapitel 34, das ebenfalls von der Rückführung der Dias‐ pora (34,11‐15*) und der Verheißung des davidischen Hirten spricht (34,23f.*). Aber auch hier bedarf das genaue literarische Verhältnis wei‐ terer Untersuchungen.173 Zuletzt verbleiben die drei großen Texte in Ez 34,1‐10*; 37,1‐14 und 35,1‐36,15. Eine erste vorsichtige Einordnung hat wahrscheinlich ge‐ macht, dass die Grundschicht in 34,1‐10* den Ausgangstext von 35,1‐ 36,15 bereits voraussetzt und nicht auf eine literarische Ebene mit dem konkurrierenden Stück in 37,1‐14 gehört. Damit ist nur noch über das Verhältnis zwischen 35,1‐36,15 und 37,1‐14 zu urteilen. Hier liegt zu‐ 173 Vgl. dazu u. Kap. III. 5.3.
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erst die Vermutung nahe, dass 37,1‐14 mit der Restitution des Volkes ein Folgeproblem gegenüber der Restitution des Landes in 35,1‐36,15 thematisiert und damit literarisch sekundär ist. Ebenso ist aber auch denkbar, dass 37,1‐14 ursprünglich mit den Heilsworten in 35,1‐36,15 zusammengehört und deren Inhalt beglaubigt, indem Jhwhs Heils‐ wirken als in Gang gesetzt beschrieben wird. Weniger wahrscheinlich ist auf dem jetzigen Stand der Untersuchung die Variante, dass es sich bei 37,1‐14 gegenüber 35,1‐36,15 um den literarisch vorgängigen Text handelt; die Wiederbelebung des Volkes ist am ehesten als ursprüng‐ liche oder als redaktionelle Antwort auf die Mehrungsverheißung an die Berge zu verstehen. Allerdings muss die endgültige Klärung dieser Frage den Einzeltextanalysen vorbehalten bleiben. 4.4. Die Bedeutung von Ez 34 für die Heilsprophetien Beim Durchgang durch die Heilstexte in Ez 34‐39 hat sich gezeigt, dass dem Hirtenkapitel eine wichtige Funktion für den dritten Buchteil zukommt. Im Rahmen der Gesamtkomposition stellt es eine Art Ouver‐ türe dar, in der die verschiedenen Topoi der Heilsprophetie eingeführt werden, die in den folgenden Texten eine Rolle spielen. So hat die Restitution des Volkes im Grundwort 34,1‐10* eine inhaltliche Parallele in 37,1‐14 und vielleicht auch in 37,15‐19, während die Verheißung des neuen Exodus an die Diaspora ein weiteres Mal in 37,20‐24 begegnet. 36,16‐23ba und 39,23‐29 scheinen dagegen auf diese Sammlungsver‐ heißungen bereits Bezug zu nehmen, indem sie mit den Überlegungen zu Jhwhs heiligem Namen nach dem Begründungsmotiv für die Heim‐ führung der Diaspora fragen. Die Ankündigung des davidischen Hirten in Ez 34,23f.* hat dagegen eine Parallele in 37,24, wo die David‐ herrschaft allerdings im Rahmen ausführlicherer Überlegungen zur politischen Lage im Land thematisiert wird (vgl. 37,15‐19.20‐24). Des Weiteren berühren sich 34,25‐30 und 37,25‐28 in der Verheißung des Heilsbundes und seiner segensreichen Auswirkungen auf Volk und Land, so dass einzig die jüngste Fortschreibung in 34,17‐22 keine Ver‐ bindungen zu den anderen Heilsworten in Ez 35‐39 aufweist. Die vorangegangenen Beobachtungen erlauben einige Mutmaßun‐ gen über die Entstehung von Ez 34. Wenn angenommen werden kann, dass der Ausgangstext des Hirtenkapitels in Ez 34,1‐10* den Grund‐ bestand von 35,1‐36,15 bereits voraussetzt, dann könnte die bildhafte Rede von den Bergen Israels Anlass für die Auslegung von Jer 23,1f.(3f.) gegeben haben. Die Motivik legt es nahe, vom Volk auf den Bergen im Bild der Schafherde zu sprechen, und da die Vorstellung der zerstreuten Herde zur Beschreibung der desolaten Situation des Volkes
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im Land bereits in Jer 23,1f. begegnet, ist sie in Ez 34 erneut aufgenom‐ men worden. Darüber hinaus ist zu überlegen, ob Ez 34,1‐10* bereits auf die in 35,1‐36,15 angelegte Fremdvölkerproblematik reagiert: Wie das Heil für das Land mit dem Gericht über das Gebirge Seir beginnt, so setzt das Heil für das Volk mit der Absetzung der Fremdvölker‐ hirten ein. Über die expositorische Funktion hinaus liegt im gesamten Hirten‐ kapitel ein Scharnierstück vor, in dem die Bedingungen für den Über‐ gang zum Heil immer wieder neu durchdacht werden. Während in der Grundschicht die Befreiung von der Fremdherrschaft den Umschwung zum Heil markiert, rechnet die erste Fortschreibung in 34,11‐15* damit, dass erst die gesamte Diaspora heimgeführt werden muss, ehe das Heil beginnt. Die letzte Fortschreibung in 34,17‐22 konditionalisiert schließ‐ lich nachträglich die gesamten Heilsaussagen in Ez 34‐39, da sie nur noch einem bestimmten Teil des Volkes gelten, der sich durch das moralisch‐ethisch richtige Verhalten qualifiziert hat. Eventuell sind hier auch noch Ez 33,23‐29 und Ez 35,1‐15 mit in die Überlegungen ein‐ zubeziehen, die einem bestimmten Bevölkerungsanteil bzw. einem exemplarischen Fremdvolk das Gericht ansagen, so dass in Ez 33‐35 insgesamt mit einem Gelenkstück des Buches zu rechnen wäre.
5. Zwischenergebnis und Konsequenzen für das weitere Vorgehen Die Untersuchung des Hirtenkapitels und seines Kontextes im dritten Teil des Ezechielbuches lässt bereits erahnen, dass innerbiblische Aus‐ legungsvorgänge einen entscheidenden Faktor im literarischen Wachs‐ tum der ezechielischen Heilsprophetien darstellen. Allerdings sind hier unterschiedliche literarische Referenzbereiche zu unterscheiden. So haben zuerst die zahlreichen Bezüge innerhalb der Heilsworte in Ez 34‐ 39 gezeigt, dass Fortschreibungsprozesse im Ezechielbuch in hohem Maße als Reaktion auf den vorliegenden Textbestand zu verstehen sind. Darüber hinaus bestehen neben den selbstreferentiellen Auf‐ nahmen aber auch Verbindungen zu Texten der übrigen Buchteile und Berührungen mit anderen Schriften des Alten Testaments. Die nach‐ folgende Untersuchung der Schriftauslegung im Ezechielbuch wird deshalb nicht nur die literarischen Verbindungen innerhalb von Ez 34‐ 39 und zwischen den verschiedenen Buchabschnitten zu berücksich‐ tigen haben, sondern es sind auch Texte außerhalb des Buches mit einzubeziehen.
Zwischenergebnis und Konsequenzen für das weitere Vorgehen
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Für diese Fragestellung bietet sich im Folgenden ein grundsätzlich dreischrittiges Vorgehen an: Am Anfang steht jeweils die Einzeltext‐ analyse, an die sich eine Untersuchung des redaktionellen Horizontes in Ez 34‐39 anschließt. Hier sind die Verbindungen des jeweiligen Stückes zum literarischen Kontext daraufhin auszuwerten, welchen Textbestand es voraussetzt und mit welchen Texten es eine vergleich‐ bare theologische Aussageabsicht teilt. Im dritten Schritt schließt sich die Analyse der innerbiblischen Auslegung an, in der die Frage nach möglichen literarischen oder auch traditionsgeschichtlichen Vorlagen zu stellen ist, die außerhalb des Textbereiches Ez 34‐39 liegen. Entspre‐ chend den vorausgegangenen methodischen Erwägungen wird der Be‐ griff der innerbiblischen Auslegung in den Einzeltextanalysen den Aus‐ legungsvorgängen vorbehalten bleiben, deren Referenzbereich über den Buchabschnitt Kap. 34‐39 hinausgeht.174 Die redaktionsgeschichtlichen Beobachtungen zu Ez 34‐39 haben bereits in einigen Fällen Hinweise zur literarischen Einordnung er‐ bracht. Insgesamt müssen die gemachten Beobachtungen aber noch genauer textkritisch, literarkritisch und redaktionsgeschichtlich über‐ prüft werden, um weitere Aufschlüsse über die relative Schichtenab‐ folge in Ez 34‐39 zu gewinnen. Im weiteren Vorgehen soll dabei das Subtraktionsprinzip Anwendung finden, indem von der Ebene des masoretisch bezeugten Buchganzen aus die einzelnen diachronen Ebe‐ nen nacheinander analytisch abgetragen werden, wobei die letzte vor‐ masoretische Wachstumsstufe im Zeugnis des Pap. 967 materialiter greifbar ist. Allerdings gilt dies im Grundsatz nur für die Textfolge des Papyrus, die für sämtliche vorausgehende literarischen Ebenen zu‐ grunde zu legen ist, während dessen Lesungen im Einzelnen auf die Priorität gegenüber dem masoretischen Text hin zu prüfen sein wer‐ den.175 In den Fällen, in denen die redaktionsgeschichtliche Zuordnung noch unklar ist, werden thematisch ähnliche Texte im Zusammenhang behandelt, da so am ehesten die relative Abfolge geklärt werden kann. Eine weitere Richtschnur ist mit der relativen Chronologie der Schich‐ ten im Hirtenkapitel Ez 34 gegeben, zu denen die anderen Texte im Bereich von Ez 35‐39 in Beziehung gesetzt werden können. Als Einzi‐ ges der Stücke aus dem Hirtenkapitel wird die Verheißung des Heils‐ bundes in 34,25‐30 noch einmal gesondert zu untersuchen sein, weil sie aufgrund der fehlenden Herdenmetaphorik bisher nur kurz gestreift worden ist. Für die Einzeltextuntersuchungen legt sich somit die nachstehende Reihenfolge nahe: Am Anfang steht die Analyse von 36,23bb‐38, das 174 Vgl. dazu o. Kap. I. 2.1. 175 Vgl. dazu die methodischen Einschränkungen o. Kap. II. 4.2.
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Auftakt zur Heilsverkündigung: Ez 34
nach den Ergebnissen der textgeschichtlichen Untersuchung das jüngs‐ te Textstück im Bereich von Ez 34‐39 repräsentiert (Kap. III. 1.). Daran schließt sich die Analyse der Gog‐Perikope 38f. an (Kap. III. 2.), auf die die Untersuchung der literarisch vorausgehenden Textschicht 36,16‐ 23ba; 39,23‐29 folgt (Kap. III. 3.).176 Als nächstes ist das Kapitel 37 von der mutmaßlich jüngsten Wachstumsstufe aus abzutragen, so dass zuerst die Verheißung des Heilsbundes in 37,25‐28 im Verbund mit 34,25‐30 zu behandeln ist (Kap. III. 4.). Daran schließen sich die Aus‐ führungen über das geeinte Volk und den einen Herrscher in 37,15‐24 an (Kap. III. 5.), ehe zuletzt die Vision von den trockenen Knochen in 37,1‐14 in den Blick kommt (Kap. III. 6.). Damit bleiben nur noch die Heilsansagen an die Berge Israels in 35,1‐36,15 (Kap. III. 7.), mit deren Grundbestand die Untersuchung die mutmaßlich ältesten Heilsworte im Bereich von Ez 34‐39 erreicht hat.
176 Da erst im Laufe der jeweiligen Einzeltextanalysen der genaue Nachweis erbracht wird, dass die Gog‐Perikope 38,1‐39,22 umfasst, bzw. dass in 36,23aba ein späterer Einschub vorliegt, gehen die Analysen von der jeweils weiteren Textabgrenzung aus.
Kapitel III SCHRIFTAUSLEGUNG IN EZ 34‐39 1. Der neue Bund: Ez 36,23bb‐38 1.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Die textgeschichtliche Untersuchung hat ergeben, dass das Textstück Ez 36,23bb‐38 zu den jüngsten Texten des Ezechielbuches gehört und im Bereich von Ez 34‐39 die letzte größere Fortschreibung darstellt.1 Die Besonderheit dieser Perikope liegt aber nicht nur in ihrer bereits erwähnten Funktion als redaktionelles Verbindungsstück, sondern mit der Ankündigung eines neuen Herzens und eines neuen Geistes für das Haus Israel enthält sie Verheißungen, die zu den zentralen Heils‐ aussagen des Buches gehören. Im Folgenden soll in drei Schritten ge‐ zeigt werden, dass im Hintergrund der Aussagen über das neue Herz und den neuen Geist Reflexionen über einen neuen Bund stehen, wie sie auch in anderen Texten des Ezechiel‐ und des Jeremiabuches zu finden sind. Grundlage der Ausführungen ist in einem ersten Schritt eine Text‐ analyse von Ez 36,23bb‐38, die in einem zweiten Abschnitt durch eine Untersuchung des literarischen Kontextes ergänzt wird. Daran an‐ schließend ist im dritten Teil nach den inner‐ und außerbuchlichen Vorlagen für die Aussagen vom neuen Herz und neuen Geist zu fragen, um schließlich zusammenfassend darzustellen, durch welche Auslegungsprozesse der neue Bund seinen Weg in das Ezechielbuch gefunden hat. 1.2. Textanalyse Mit Ez 36,23bb‐38 liegt zwar eine späte Einschreibung an dieser Stelle im Buch vor, aus der kontextuellen Position kann aber geschlossen werden, dass der Text als Fortführung des vorhergehenden Abschnit‐
1
Vgl. dazu o. Kap. II. 4.2.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
tes Ez 36,16‐23ba verstanden werden will.2 In diesem durch die Wort‐ ereignisformel in 36,16 eröffneten Abschnitt steht das aufgrund seiner bösen Taten unter die Völker zerstreute Israel im Vordergrund, das die Heiligkeit von Jhwhs Namen unter den Völkern bedroht. In 36,22 liegt mit der durch die Partikel לכן eingeleiteten Aufforderung an den Pro‐ pheten, zum Haus Israel zu reden, eine Zäsur vor. Die entsprechende Botschaft wird mit einer Botenformel eingeleitet und enthält die Aussa‐ ge, dass Jhwh „nicht um euretwillen“ ()לא למענכם handeln wird, sondern um seines Namens willen. Dementsprechend kündigt Jhwh in 36,23aba die Heiligung seines Namens an, damit die Völker zur Erkenntnis ge‐ langen. Nach dem textgeschichtlichen Befund liegt mit dieser Erkennt‐ nisformel in V 23ba ein erster Schlusspunkt des Abschnittes 36,16ff. vor. Dafür spricht auch die Anknüpfung an die Erkenntnisaussage durch einen mit der Präposition ְבּ angeschlossenen Infinitiv in 36,23bb, die auf eine nachträgliche Texterweiterung hindeutet.3 Diese literari‐ sche Zäsur wird noch durch die Ergänzung der Erkenntnisformel mit einer nachfolgenden Gottesspruchformel in V 23ba verstärkt. Indes ist diese Gottesspruchformel gerade in Pap. 967, wie auch sonst in der LXX, nicht bezeugt.4 Dieses textkritische Problem ist ent‐ weder über eine Hinzufügung auf Seiten des masoretischen Textes oder einer Auslassung in der griechischen Überlieferung zu lösen. Wird mit dem masoretischen Text die Ursprünglichkeit der Gottes‐ spruchformel angenommen, so kann das Fehlen der Formel in der LXX als nachträgliche Glättung erklärt werden. Diese Lösung hat den Vor‐ teil, dass der literarische Einschnitt in V 23ba durch die Kombination von Erkenntnisformel und Gottesspruchformel zusätzlich an Plausibi‐ lität gewinnt.5 Andererseits hat der redaktionsgeschichtliche Überblick plausibel gemacht, dass auf einer vorhergehenden literarischen Ebene ein literarischer Zusammenhang von 36,16‐22(23aba) mit 39,23‐29 und sekundär mit 38,1‐39,22 zu vermuten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, 2
3 4 5
Zum grundsätzlichen Verhältnis von Redigierendem zu Redigiertem siehe STECK, Exegese, 78‐80. Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine Textanalyse, in der eine Grundschicht im Bereich von Ez 36,16‐38 rekonstruiert wird, die vom materi‐ alen Befund her ein sekundär hergestellter Textzusammenhang ist; vgl. z. B. die Textanalysen von SIMIAN, Nachgeschichte, 88‐103; LEVIN, Verheißung, 209‐214, und OHNESORGE, Jahwe, 207‐262, die jeweils eine Grundschicht im Bereich von 36,16‐38 annehmen. Vgl. dazu auch die entsprechende Kritik bei SCHWAGMEIER, Untersu‐ chungen, 325f. Vgl. POHLMANN, ATD, 487. Die Gottesspruchformel gehört zu den hexaplarisch asterisierten Stellen, vgl. ZIEGLER, LXX Ezechiel, 264f. So vertreten von HOSSFELD, Untersuchungen, 288f., der gerade die Kombination der Erkenntnisformel mit der Gottesspruchformel in V 23ba als Indiz für einen literari‐ schen Einschnitt wertet.
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dass es sich gerade bei V 23aba um eine sekundäre Ergänzung inner‐ halb dieser Textschicht handelt, die wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Entwicklung der Gog‐Kapitel steht.6 Auf dieser Ebene des Text‐ wachstums wäre eine Gottesspruchformel eher störend, da sie den inhaltlichen und positionellen Bezug von 38,1‐39,22 auf 36,16‐23ba unterbräche. Dies spricht deshalb für die zweite Lösung, nach der die Gottesspruchformel in V 23ba nachträglich als gliederndes Element in den masoretischen Text eingefügt worden ist.7 Vermutlich im Zuge der Einschreibung von 36,23bb‐38 in den vorgegebenen Textzusammen‐ hang kommt ihr die Funktion eines Scharniers zu, indem sie die vor‐ hergehende Gottesrede 36,16‐23ba abschließt und einen Anknüpfungs‐ punkt für die Fortschreibung 36,23bbff. bietet.8 Die folgenden Beobachtungen können die These weiter untermau‐ ern, dass innerhalb von V 23 mit einem literarischen Bruch zu rechnen ist: Zwar nimmt der Infinitiv in V 23bb mit קדשׁ das Hauptverb von V 23a auf und stellt so einen inhaltlichen Zusammenhang her, aber an‐ ders als in V 23a steht das Verbum in V 23bb nicht im picel, sondern im nifcal. Dementsprechend kündigt Jhwh in V 23a die Heiligung seines Namens unter den Völkern an, während er in V 23bb seine Heiligung an Israel vor den Völkern verheißt. Besieht man sich aber die Fortset‐ zung, so bleibt es bei einem „leeren Versprechen“, da die durch den erweiterten Infinitiv eingeleitete Jhwh‐Rede nicht mehr auf diese An‐ kündigung Bezug nimmt. Stattdessen folgt in 36,24ff. ein mehrstufiges Restitutionsprogramm für das Haus Israel, in dem die Völkerperspek‐ tive fast vollständig ausgeblendet wird. Das Ergebnis der textgeschicht‐ lichen Analyse, nach der in 36,23bb‐38 mit einem jüngeren Nachtrag zu rechnen ist, hat damit auch eine literarkritische Bestätigung erfahren. Ein Durchgang durch diesen Nachtrag zeigt, dass er von relativer Geschlossenheit ist. Formal eröffnet der Infinitiv in V 23bb eine an‐ knüpfende Jhwh‐Rede, die sich der Restitution Israels zuwendet. Erster Schritt dieses Restitutionsprogramms ist in V 24 die Ankündigung von Sammlung und Rückführung ins Land, auf die in V 25 die kultische Reinigung im Land folgt. Jhwh kündigt an, Wasser über die Israeliten zu sprengen und sie von ihren „Mistdingern“ rein zu machen. Dieser äußeren Reinigung wird in V 26a die innere Erneuerung durch die 6 7 8
Zur Sekundarität von V 23aba vgl. u. Kap. III. 3.2. Anders OHNESORGE, Jahwe, 211f. mit Anm. 41, der mit einer späteren Auslassung der Formel in der griechischen Überlieferung rechnet. SCHÖPFLIN, Theologie, 101‐105, hat jüngst erneut darauf hingewiesen, dass sich die Funktion der Gottesspruchformel nicht in ihrer Stellung als Schlussformel erschöpft, sondern dass sie auch in Kontextposition auftritt. Vgl. zur generellen Verwendung der Gottesspruchformel im Ezechielbuch auch HOSSFELD, Untersuchungen, 37‐40.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Gabe des neuen Herzens ()לב חדשׁ und des neuen Geistes ()רוח חדשׁה zur Seite gestellt. V 26b und V 27 führen dabei jeweils einen Aspekt von V 26a näher aus: Während in V 26b die Ersetzung des steinernen Her‐ zens in Form einer Transplantation9 dargestellt wird, in der das stei‐ nerne Herz durch ein fleischernes Herz ersetzt wird, spezifiziert V 27 die Geistgabe näher als die Gabe des Geistes Jhwhs ()רוחי. Durch diese anthropologische Instandsetzung sorgt Jhwh dafür, dass die Israeliten seinen Gesetzen gemäß leben werden (V 27). V 28 schließt die innere Erneuerung mit der Gabe des Landes und der Bundesformel ab, so dass hier eine erste Zäsur gegeben ist. V 29a nimmt zum zweiten Mal das Thema der Unreinheit auf, während V 29b im Verbund mit V 30 zu dem Topos „Fruchtbarkeit im Land“ überleitet. V 31 kehrt anschließend in einem Rückgriff auf 36,17 zu den bösen Taten der Israeliten zurück und schildert die künftige Einsicht im Blick auf den vorherigen Wandel. In V 32a kündigt Jhwh erneut an, dass er nicht um der Israeliten willen ()לא למענכם handeln wird und wiederholt damit die Aussage von 36,22. Dementsprechend ergeht an die Israeliten in V 32b die Mahnung, sich ihrer Wege zu schä‐ men. Nach dieser Aufforderung wird in 36,33 mit der Botenformel eine neue Jhwh‐Rede eröffnet, die den Wiederaufbau der Trümmerstätten im Land und die Restitution des Landes verheißt. Die Anspielung auf den Garten Eden in V 35 (;כגן־עדן vgl. Gen 2,15; 3,23f. und Jes 51,3) zeigt, dass mit der inneren Erneuerung des Menschen auch eine Erneuerung des Landes verbunden ist. Die kurze Rede wird in V 36 mit einer auf die Völker zielenden Erkenntnisformel und einer erweiterten Wort‐ bekräftigungsformel abgeschlossen. Der folgende Abschnitt 36,37f. respektiert diese gewichtige Schlussformel, indem er mit einer weiteren Botenformel in V 37 neu einsetzt. In den Versen wird als weiterer Schritt des Restitutionsprogramms die Vermehrung der Bevölkerung thematisiert. Die Textanalyse hat damit gezeigt, dass sich die Jhwh‐Rede Ez 36,23bb‐38 in drei kleine Einheiten in den V 23bb‐32.33‐36 und 37f. untergliedern lässt. Die zweite und dritte kleine Einheit können als re‐ daktionelle Nachträge eingeordnet werden, die das Restitutionspro‐ gramm um die Aspekte „Aufbau der Städte und des Landes“ sowie „Vermehrung der Bevölkerung“ ergänzen. 10 Für eine sekundäre Ab‐ 9
Vgl. KRÜGER, Herz, 82, der in Bezug auf Ez 36,26 von einer „Transplantations“‐Per‐ spektive spricht. 10 Die Sekundarität der Abschnitte 36,33‐36.37f. wird allgemein anerkannt; vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 872f.; SIMIAN, Nachgeschichte, 102f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 289f.300‐303.326‐328.339f.; LEVIN, Verheißung, 210; ALLEN, WBC 29, 176‐178, und
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fassung der Abschnitte spricht nicht nur die sorgfältige Aus‐ und Einleitung durch Formelgut, sondern vor allem die inclusio von V 32 zu V 22. Die Wiederaufnahme des לא למענכם signalisiert, dass in V 32 ein Text endet, der einen Bogen zu dem vorgegebenen Abschnitt 36,16‐ 23ba schlagen will. Damit ist zugleich ein Argument für die literarische Einheitlichkeit der verbleibenden V 23bb‐32 gegeben. In stilistischer Hinsicht bildet einzig die Bundesformel in V 28 eine gewisse Zäsur, da in den folgenden V 29f. mit der Fruchtbarkeit des Landes ein neues Thema angeschlagen wird.11 Allerdings liegt hier kein literarischer Bruch vor, sondern die Perspektive wechselt mit V 29 von den Voraus‐ setzungen zu den heilvollen Auswirkungen des Bundesschlusses. Ge‐ nau wie die anderen Themenwechsel innerhalb des Abschnittes sollte auch dieser nicht literarkritisch ausgewertet werden, da sich die ver‐ schiedenen Motive durch den Kompendiumscharakter des Textes er‐ klären lassen. Für Ez 36,23bb‐38 ergibt sich somit ein dreistufiger literarischer Wachstumsprozess, der aber nach den in der textgeschichtlichen Ana‐ lyse unternommenen Überlegungen nicht gegen die These spricht, dass es sich hier um einen späten redaktionellen Nachtrag in der hebräi‐ schen Textüberlieferung handelt.12 Vielmehr zeigt sich, dass die we‐ sentliche verknüpfende und kompilierende Funktion bereits durch das erste Fortschreibungsstück 36,23bb‐32 geleistet wird, während die zwei folgenden Nachträge lediglich ergänzenden Charakter haben. Die nachstehende Untersuchung konzentriert sich deshalb auf Ez 36,23bb‐ 32 und soll durch einen Blick auf die Bezüge des Textstückes zu seinem literarischen Kontext den Kompendiumscharakters aufzeigen. 1.3. Der literarische Kontext Die zahlreichen kontextuellen Bezüge von Ez 36,23bb‐32 konzentrieren sich vor allem auf die beiden Bundesschlusstexte in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 sowie auf ihren Kontext.13 37,20ff. scheint dabei der Haupt‐ OHNESORGE, Jahwe, 218f.245‐259. Dagegen vertritt SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 185.325‐328, auch aufgrund des materialen Befundes die literarische Einheitlichkeit von 36,23bb‐38. 11 Dies nimmt LEVIN, Verheißung, 210, als Anlass, in V 29‐32 einen jüngeren Nachtrag seiner bis V 28 reichenden Grundschicht anzunehmen. SIMIAN, Nachgeschichte, 93f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 337‐339, und OHNESORGE, Jahwe, 217f., identifizieren aufgrund des thematischen Wechsels in V 28 die V 29f. als Einschub in die jeweils vorgängige literarische Schicht. 12 Vgl. dazu die methodischen Überlegungen in Kap. II. 4.2. 13 LUST, Ezekiel, 525‐528, sieht zwar den Kompendiumscharakter des Abschnittes, stellt die verschiedenen Bezüge in das Buch aber ohne weitere qualitative Wertung neben‐
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
bezugstext zu sein. Dies beginnt schon bei der dreigliedrigen Formulie‐ rung des „neuen Exodus“ in 36,24, die nicht nur auf 34,13 zurück‐ verweist, sondern eine identische Parallele in 37,21 hat. Nur in diesen beiden Versen wird für den neuen Exodus die Verbtrias mit לקח für „herausnehmen“ gebildet, das sich von der Zeichenhandlung 37,15ff. (לקח, V 16bis.19) her nahe legt. Auch die kultische Reinigung in 36,25 bezieht sich mit dem parallelen גלולים („Mistdinger“) als Bezeichnung für die Götzen auf 37,23a zurück.14 Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass es in 36,25 Jhwh ist, der die Israeliten von ihren Göt‐ zen rein machen wird, während in 37,23a von den Israeliten selbst erwartet wird, dass sie sich nicht mehr mit diesen verunreinigen. Die innere Restitution durch das neue Herz und den neuen Geist sowie die Ersetzung des steinernen Herzens durch das fleischerne Herz sind dagegen ohne Parallele im literarischen Horizont. Erst die Näher‐ bestimmung des Geistes als Geist Jhwhs verweist auf die Vision von der Wiederbelebung der trockenen Knochen in 37,1‐14. In der Gabe des neuen Geistes (36,26), der zugleich Jhwhs Geist ist (36,27), wird die Verheißung von 37,14 vorweggenommen: „Ich gebe meinen Geist in euch, so dass ihr lebt.“15 Die Querverbindung zeigt sich vor allem da‐ ran, dass an beiden Stellen eine Form von נתן verwendet wird (36,26f.; vgl. 37,14). Auch der Gesetzesgehorsam, der als Konsequenz der in‐ neren Erneuerung dargestellt wird, hat eine Parallele im Kontext: So erscheint das gesetzesgemäße Handeln des Volkes in 37,24 als Auswir‐ kung des Bundesverhältnisses in 37,23. Auch hier fällt wieder der qualitative Unterschied auf, dass die Gesetzesmäßigkeit in 37,24 konse‐ quentes Handeln des Volkes ist ()ועשׂו אותם, während in 36,27 betont wird, dass Jhwh den Gesetzesgehorsam der Israeliten bewirkt ()ועשׂיתי. Die Bundesformel in 36,28 kann sicherlich als Bezug auf die umliegen‐ den Bundesformeln in 34,24.30 bzw. 37,23.27 gedeutet werden, sie fällt aber insbesondere durch die Verwendung des betonten Personalprono‐ mens אנכי auf. Hier hat anscheinend das Jeremiabuch mit den identisch formulierten Bundesformeln Jer 11,4; 24,7 und 30,22 Pate gestanden.16
einander. LEVIN, Verheißung, 214‐216, nimmt dagegen eine umgekehrte Abhängig‐ keit in 37,20‐28 von 36,16‐28* an. 14 גלול ist neben 36,25 und 37,23 in Ez 34‐39 nur noch in 36,18 belegt; vgl. dazu auch u. Kap. IV. 2.1.3.3. 15 So auch LUST, Ezekiel, 526, und PFEIFFER, Herz, 304. 16 Wie in der Parallele Jer 11,4 sowie in Ez 37,25 wird der Bund in Ez 36,28 mit der Lan‐ deszusage verbunden; allerdings ist in Ez 36 aus der bedingten Landeszusage eine bedingungslose geworden ist, da durch Jhwhs Heilshandeln ein erneuter Abfall gänzlich ausgeschlossen ist (vgl. dazu LEVIN, Verheißung, 213f.).
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Die erneute Erwähnung von Unreinheit in Ez 36,29 verdankt sich mit dem Verbum ישׁע hif. in Verbindung mit einer Bildung von טמא17 erneut dem Bezug auf 37,23, ist aber zugleich Rückverweis auf 34,22, da das Verb nur an diesen drei Stellen im Ezechielbuch belegt ist. Auf diese Weise wird das umfassende Heilshandeln Jhwhs für sein Volk in Erinnerung gerufen, wie es in den vorliegenden Texten beschrieben ist. Zugleich dient das Verweisgeflecht aber auch dazu, in 36,29f. die heil‐ vollen Auswirkungen des Bundes auf das Land anzuschließen, wie sie auch in 34,25‐30 beschrieben werden. Dies kann durch die Stichwort‐ verbindungen „Frucht des Baumes“ ()פרי העץ und „Feld“ ()השׂדה erhärtet werden.18 Die Ermahnung sich der früheren Taten zu schämen (36,31), ist nicht nur Rückgriff auf 36,17, sondern vor allem Verweis auf das Ende des großen Geschichtsrückblickes in Ez 20,43.19 Anscheinend will der Autor von 36,23bbff. in seinem Nachtrag auch die Voraussetzungen für die Einsicht geschaffen sehen, die nach dem Geschichtsrückblick Ez 20 die Reaktion des Volkes auf das göttliche Heilshandeln sein soll. Da die Bezüge der beiden Nachträge in 36,33‐36.37f. für die Frage nach dem neuen Bund nicht von großer Relevanz sind, sollen sie hier nur kurz Erwähnung finden. Die Texte verdanken sich vor allem einer Auslegung der kleinen Restitutionsprogrammatik in Ez 36,9‐11, wo der bzw. die Verfasser Aussagen über die Bearbeitung des Landes ( עבדni., 36,9; vgl. 36,34), die Wiederbewohnung der Trümmerstätten (ונשׁבו הערים והחרבות, 36,10; vgl. ישׁבו ... והערים החרבות, 36,35) und die Vermehrung der Bevölkerung (רבה אדם, 36,10.11; vgl. 36,37) vorgegeben fanden.20 Der Vergleich der vermehrten Bevölkerung mit einer Herde ()כצאן in Ez 36,37.38 verweist dagegen zurück auf die Metaphorik des Hirtenkapi‐ tels Ez 34. Durch diesen Rückbezug wird angedeutet, dass die Anfül‐ lung der Städte durch die Menschen geschehen soll, die der Hirte Jhwh in Ez 34 zurückführt. Zugleich aber kann durch die Position vor Ez 37 auch die Wiederbelebung der trockenen Knochen als Bereitstellung der Bevölkerung interpretiert werden, die in 36,37f. ankündigt wird. Diese Beobachtung bestätigt den zuvor geäußerten Verdacht, dass Ez 34 und Ez 37 in einem konkurrierenden Verhältnis zueinander stehen. Schließ‐ 17 In 36,29 steht טמאה, in 37,23 dagegen טמא hif. 18 פרי ist in Ez 34‐39 überhaupt nur in 36,8; 34,27 und 36,30 belegt; in Verbindung mit שׂדה findet es sich in 34,27 und 36,30. 19 36,31 stellt eine fast wortwörtliche Zitation von 20,43 dar, vgl. 36,31: וזכרתם את־דרכיכם הרעים ומעלליכם אשׁר לא־טובים ונקטתם בפניכם על עונתיכם ועל תועבותיכם mit 20,43: וזכרתם־שׁם את־דרכיכם ואת כל־עלילותיכם אשׁר נטמאתם בם ונקטתם בפניכם בכל־רעותיכם אשׁר עשׂיתם. 20 SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 327, weist ebenfalls auf die epexegetischen Verbin‐ dungen zwischen 36,23bb‐38 und 36,8‐10 hin, kommt aber aufgrund einer abwei‐ chenden Stichwortanalyse zu anderen Textabgrenzungen als die hier vorgelegte Analyse.
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lich speisen sich die beiden Ergänzungen in 36,33‐36.37f. auch aus Anklängen an das Jeremia‐ und das Deuterojesajabuch.21 Die Ergebnisse der vorhergehenden Analyse können damit wie folgt zusammengefasst werden: Die Stellung als Verbindungselement und der Kompendiumscharakter konnten sowohl für Ez 36,23bb‐32 als auch für die zwei Nachträge in 36,33‐36.37f. nachgewiesen werden. Speziell im Fall von 36,23bb‐32 erschöpft sich die Funktion des Textes aber nicht in den oben genannten Bestimmungen, sondern die viel‐ fachen Bezüge auf die im Kontext vorgegebenen Bundestexte in 34,25‐ 30 und 37,25‐28 zeigen, dass der Autor Voraussetzungen und Konse‐ quenzen dieser Bundesschlüsse darstellen will. Die „Leerstelle“ des Textes, nämlich die fehlende ‐בריתTerminologie, ist deshalb am ein‐ fachsten dadurch zu erklären, dass die beiden anderen Bundesschlüsse im Buchkontext bereits vorliegen.22 Beide Bundesverheißungen spre‐ chen mit dem „Heilsbund“ (ברית שׁלום, 34,25; 37,26) bzw. dem „ewigen Bund“ (ברית עולם, 37,26) ein Gottesverhältnis an, das ein dauerhaft gülti‐ ges sein soll. Hinter der Entstehung von Ez 36,23bbff. können deshalb Reflexio‐ nen darüber vermutet werden, wie diese Dauerhaftigkeit des Bundes gewährleistet werden kann. Eine auf vergangene Schuld gerichtete kultische Reinigung, wie sie Ez 37,23 vorsieht, hat sich anscheinend als nicht ausreichend erwiesen. Die Antwort, die der Verfasser gibt, zieht deshalb die naheliegende Konsequenz aus der bisherigen Geschichte Jhwhs mit seinem Volk: Die Dauerhaftigkeit des Bundesverhältnisses kann nur von Jhwh selbst gestiftet werden, der so zum Alleingaranten des Heils wird. Indem er die Israeliten mit dem neuen Herz und dem neuen Geist ausstattet, schafft er die nötigen Voraussetzungen zur Erfüllung der Bundespflicht, so dass für die Zukunft ein erneuter Ab‐ fall unmöglich gemacht wird. Die wesentliche Erneuerung durch Herz und Geist bildet deshalb auch das novum des Programms von Ez 36,23bb‐32 im literarischen Kontext. Allerdings haben die Aussagen zwei enge Parallelen im vorderen Buchteil in Ez 11,14‐21 und Ez 18,31. Deshalb soll im Nachstehenden die Perspektive ausgeweitet werden, 21 Neben der bereits erwähnten Anspielung auf den Garten Eden in Ez 36,35 (vgl. Jes 51,3) gibt es thematische Berührungen in der Frage nach dem Wiederaufbau des Zer‐ störten (vgl. Jes 44,26.28; 49,17; 54,11f.) und nach der Wiederbevölkerung der Stadt (vgl. Jes 54,1‐3). Die Pflanzmetaphorik in Ez 36,36 ist dagegen ein typischer Topos des Jeremiabuches (vgl. Jer 1,10; 24,6; 42,10; 45,4 u.ö.) und findet sich nur an dieser Stelle im Ezechielbuch. Zum Motiv des Bauens und Pflanzens im Jeremiabuch vgl. LEVIN, Verheißung, 143‐146, sowie R. BACH, Bauen und Pflanzen, in: RENDTORFF, R. und K. KOCH, Studien zur Theologie der alttestamentlichen Überlieferung, Neuen‐ kirchen‐Vluyn 1961, 7‐32. 22 So mit SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 324.
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um zuerst Ez 11 und Ez 18 zu berücksichtigen, ehe auch außerhalb des Ezechielbuches nach möglichen Vorlagen für die Rede von neuem Herz und neuem Geist gefragt werden kann. 1.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 36,23bb‐38 1.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen Wie der Vergleich mit dem literarischen Kontext gezeigt hat, liegt das proprium der Fortschreibung 36,23bb‐32 in der Reflexion darüber, wie der Mensch innerlich verfasst sein muss, damit die dauerhafte Gültig‐ keit des Bundesschlusses gewährleistet ist. Die anthropologischen Zentralbegriffe sind dabei לב und רוח. Die Rede vom לב bezeichnet im Alten Testament nicht nur das Herz als physiologisches Organ des Körpers, sondern לב steht vor allem für das Zentrum der menschlichen Person, das ihre Gefühle und Handlungen von innen heraus steuert und bestimmt. Es ist von daher auch der Ort der Vernunft und zum Vernehmen des Wortes Gottes berufen.23 Die רוח steht dagegen für die dem Menschen von Gott zukommende Lebenskraft und kann so auch eine Reihe von menschlichen Gemütsverfassungen bezeichnen.24 Im Ezechielbuch wird von Anfang an mit einer Veränderungs‐ bedürftigkeit des Herzens gerechnet, das in Ez 2,4 und 3,7 als hart ()חזקי־לב bzw. verstockt ()קשׁי־לב beschrieben wird. Mit diesem Motiv des harten Herzens wird die Unfähigkeit der Israeliten ausgesagt, sich für Gottes Wort zu öffnen; ihre Mitte ist für jegliche Einsicht verschlossen. Neben Ez 36,26f. thematisieren noch zwei andere Texte die defizitäre Verfassung des Herzens im Verbund mit einer Aussage über den Geist. So hat die Entrückungsvision in Ez 11,14‐21 einen heilsprophetischen Anhang erhalten, in dem der Diaspora ein einziges Herz und ein neuer Geist verheißen werden. Daneben ist noch der ebenfalls heilsprophe‐ tische Nachtrag in Ez 18,31 zu nennen. Im Anschluss an die ethischen Reflexionen über die Schuldhaftung und die Möglichkeit der Umkehr ergeht dort die Aufforderung an die Israeliten, sich ein neues Herz und einen neuen Geist zu schaffen. Über das Ezechielbuch hinausgehend gibt es im Alten Testament eine Vielzahl von Texten, die die anthropologische Verfasstheit des Menschen als Voraussetzung für das Gottesverhältnis bedenken wie 23 Vgl. WOLFF, Anthropologie, 90. Zum Ganzen siehe auch WOLFF, a.a.O., 69‐95; KAI‐ SER, Gott II, 297‐301, sowie STOLZ, Art. ֵלב, 861‐867, und FABRY, Art. ֵלב, 420‐447. 24 Vgl. dazu WOLFF, Anthropologie, 57‐67; KAISER, Gott II, 294‐297, sowie die entspre‐ chenden Artikel von ALBERTZ/WESTERMANN, Art. רוּ ַח, 726‐753, und TENGSTRÖM, Art. רוח, 385‐418.
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z. B. Lev 26,41; Dtn 30,6 oder Jer 4,4.25 Diese Stücke bilden zusammen den traditionsgeschichtlichen Hintergrund für die Frage nach dem neuen Bund in Ez 36,23bbff. Die folgende Analyse wird sich aber neben den Parallelen im ersten Buchteil auf eine Gruppe von Texten im Jere‐ miabuch konzentrieren, die aufgrund ihrer sprachlichen und thema‐ tischen Nähen als literarische Vorlagen in Frage kommen. Es handelt sich dabei um Jer 24,6f.; 31,31‐34 und 32,37‐41, in denen in ähnlicher Weise wie in den Texten des Ezechielbuches das Problem des unzu‐ reichenden Herzens durch einen Eingriff Gottes behoben wird. Schließ‐ lich wird noch Ps 51 mit in die Überlegungen einzubeziehen sein, in dem sich der Beter ein reines Herz und einen erneuerten Geist erbittet. Auch wenn hinter dieser Bitte auf den ersten Blick eine andere Vorstel‐ lung steht als hinter Ez 36,23bbff., so sind die Stichwortverbindungen des Psalms zu den Passagen des Ezechielbuches doch so zahlreich, dass ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. 1.4.2. Das eine Herz und der neue Geist in Ez 11,14‐21 Die Aussagen über das eine Herz und den neuen Geist in Ez 11,14‐21 stehen in einem Text, der schon früh als redaktioneller Zusatz zur Ent‐ rückungsvision verdächtigt worden ist. So urteilt bereits BERTHOLET, dass „dieses Stück mit seiner Glücksverheißung völlig aus dem Rah‐ men seiner Umgebung herausfällt“.26 Allerdings handelt es sich bei Ez 11,14‐21 nicht um ein beliebig in die Vision eingebautes Versatzstück, sondern der Text hat die Klage des Propheten in Ez 11,13 zur Voraus‐ setzung, wo Ezechiel darüber wehklagt, dass Jhwh mit dem Überrest Israels ein Ende machen will. Aufgrund seiner Folgeposition erscheint 11,14‐21 als Antwort auf diese Frage. In formaler Hinsicht ist der Ab‐ schnitt allerdings klar von seinem Kontext abgegrenzt, so dass er im Folgenden als literarisch eigenständiger Text behandelt werden kann. Nach vorne signalisiert die Wortereignisformel in 11,14 einen Neuein‐ satz, während das Stück nach hinten in 11,22‐25 durch den Auszug der Herrlichkeit Jhwhs und die Rückführung des Propheten nach Babylon begrenzt ist. Formal liegt in Ez 11,14‐21 ein Disputationswort vor, da Jhwh dem Propheten in V 15 die negative Bewertung der Gola durch die Jerusale‐ mer mitteilt, die den Exulanten aufgrund ihrer in der Exilssituation begründeten Ferne von Jhwh das Anrecht auf das Land absprechen. Diese abschätzige Beurteilung wird in der Folge in zwei Redeaufträgen 25 Zu den entsprechenden Texten im Pentateuch vgl. KRÜGER, Herz, 65‐81. 26 BERTHOLET, HAT, 40.
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an den Propheten in V 16.17 korrigiert, an die sich in V 19f. Heilsver‐ heißungen an die Diaspora angeschlossen haben. Den Angehörigen der Diaspora wird die Gabe eines einzigen Herzens (לב אחד, V 19) und eines neuen Geistes (רוח חדשׁה, V 19) angekündigt, die als Voraussetzung für den Bundesgehorsam dargestellt werden; vgl. die Bundesformel in V 20. Die beiden Verse V 18 und V 21 thematisieren mit der Problema‐ tik des Götzenkultes ein anderes Thema. Auch wenn die jüngere Ezechielforschung sich darin einig ist, dass dieser Abschnitt literarisch nicht einheitlich ist, sind Art und Ausmaß der Ergänzungen umstritten.27 Entscheidend für die weitere Analyse ist die Frage, ob die Aussagen über die innere Erneuerung auf die Ebene der ursprünglichen Textfassung von 11,14‐21 gehören28 oder ob sie ein späterer Nachtrag sind.29 Das eigentliche Problem, das in dem Disputa‐ tionswort verhandelt wird, ist die Frage des rechtmäßigen Landbesit‐ zes, das spätestens mit der Bestätigung des Anspruches der Exulanten in V 17 eine befriedigende Lösung erhält. Allerdings ist die Zugehörig‐ keit gerade von V 17 zur Grundschicht der Perikope fraglich, da der Vers sich nicht nur durch den Adressatenwechsel zur 2. Pers. pl. von seinem Kontext abhebt, sondern auch in einem Konkurrenzverhältnis zu dem vorhergehenden V 16 zu stehen scheint.30 Die zwei Verse fallen nicht nur durch die parallele Einleitung mit Redebefehl und Boten‐ formel auf, sondern sie bieten inhaltlich beide eine Korrektur des Zitats in V 15, so dass zu fragen ist, welche Version die ursprünglichere ist. V 17 bestätigt den Landanspruch der Exulanten in einer Formulierung des neuen Exodus, während V 16 die Annahme widerlegt, dass die Ferne in der Gola mit einer Gottesferne einhergehe. V 16 hat damit ein‐ deutig den Kontext im Blick, der vom Auszug der Herrlichkeit in Rich‐ 27 Mit einigen Abweichungen vertreten ZIMMERLI, BK, 247‐251; LEVIN, Verheißung, 206f., und OHNESORGE, Jahwe, 6‐48, ein mehrschichtiges Wachstum von 11,14‐21. Auch POHLMANN, ATD, 127.165‐169, nimmt an, dass eine golaorientierte Fassung in 11,14‐21* mehrfach überarbeitet worden sei, verzichtet aber auf die genaue Abgren‐ zung der einzelnen Stadien. Dagegen gehen die älteren Kommentatoren zumeist von literarischer Einheitlichkeit aus; vgl. HERRMANN, KAT, 57f.73f.; BERTHOLET, HAT, 40f., und COOKE, ICC, 124‐126. In der jüngeren Forschung wird diese These auch wieder von GREENBERG, AncB, 189‐191, vertreten. Weiterhin sind an dieser Stelle LIWAK, Probleme, 110‐113, und im Anschluss an diesen KRÜGER, Geschichtskon‐ zepte, 318‐323, zu nennen, die beide von einer einheitlichen Komposition in Ez 11,14‐ 20 ausgehen und lediglich V 21 als Nachtrag ausscheiden. 28 Die Zugehörigkeit von V 19f. zur ursprünglichen Textfassung von 11,14‐21 vertreten ZIMMERLI, BK, 251, und LEVIN, Verheißung, 206f. 29 Eine sekundäre Einschreibung der V 19f. in die Grundschicht von 11,14‐21 nehmen EICHRODT, ATD, 50 Anm. 2; OHNESORGE, Jahwe, 11, und LANG, Ezechiel, 25, an. 30 So mit LEVIN, Verheißung, 206, und OHNESORGE, Jahwe, 7. Anders HOSSFELD, Eze‐ chiel, 280, der im Übergang von V 16 zu V 17 einen „situationsbedingten Richtungs‐ wechsel“ sieht.
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tung Osten, also in Richtung der Gola, berichtet. Da der Vers außerdem durch das Stichwort רחק an V 15 anschließt und ebenso in der Anre‐ deform 3. Pers. pl. mit diesem übereinstimmt, ist ihm m. E. gegenüber V 17 der Vorzug zu geben.31 Da die Jerusalemer den Exulanten das Land gerade mit der Begründung absprechen, dass sie fern von Jhwh seien, ist mit der Bestätigung der Gottesnähe auch die Bekräftigung des Landanspruches verbunden. V 17 ist dann als späterer Nachtrag einzu‐ ordnen, der die Sammlung der Diaspora ergänzt und das Anrecht auf das Land noch einmal wiederholt. Weiterhin können V 18 und V 21 als Zusätze bestimmt werden, die die Götzenthematik nachtragen.32 Es spricht einiges dagegen, dass das so abgegrenzte Disputationswort in Ez 11,14‐16 eine ursprüngliche Fortsetzung in V 19f. gehabt hat. Zuerst geht die Frage der inneren Beschaffenheit des Volkes eindeutig über das in 11,14‐16 verhandelte Problem hinaus, und zweitens spricht auch der Umschwung vom Rückblick in V 16 zu einer auf die Zukunft gerichteten Verheißung da‐ für, dass die V 19f. erst sekundär an die Grundschicht angewachsen sind.33 Dabei setzen sie mit großer Wahrscheinlichkeit bereits deren Er‐ weiterung durch V 17 voraus, da die Gabe des einen Herzens und des neuen Geistes erst nach der erfolgten Rückkehr des Volkes ins Land Sinn macht.34 Schließlich sind noch zwei textkritische Probleme in V 19 zu erör‐ tern, die auch für die Textanalyse von Bedeutung sind. In V 19aa wird das Herz bei den maßgeblichen Textzeugen verschieden näher be‐ 31 Vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 7‐9. Dagegen entscheidet sich LEVIN, Verheißung, 206, für einen ursprünglichen Textzusammenhang von V 15 mit V 17 und scheidet V 16 als Nachtrag aus. Er argumentiert dabei damit, dass die parallele Redeeinleitung von V 16.17 nur mit V 16 als sekundärem Vorspann zu V 17, nicht aber mit einem Nach‐ trag von V 17 zu V 16 zu erklären sei; den Anredewechsel führt er dagegen auf die Anlehnung an die Vorlage in Jer 32,37‐39 zurück (vgl. LEVIN, a.a.O., 206). Abgesehen davon, dass es nicht unproblematisch erscheint, die Grundschicht in Ez 11,14‐21 mit Hilfe der literarischen Vorlage zu rekonstruieren, ist m. E. der Anredewechsel das gewichtigere literarkritische Problem als die parallele Redeeinleitung, die gerade als Wiederaufnahme von V 16 einen sinnvollen Anschluss für einen späteren Nachtrag darstellt. 32 So mit ZIMMERLI, BK, 251; LEVIN, Verheißung, 206f., und OHNESORGE, Jahwe, 9.12f. Da V 18 und V 21 inhaltliche Divergenzen haben (V 18 berichtet von der Reinigung des Landes von seinen Scheusalen, שׁקוציה, während der nachstehende V 21 mit der Möglichkeit eines Abfalls des Volkes zu ihren Scheusalen, שׁקוצהם, rechnet), gehören sie zwei verschiedenen literarischen Schichten an. 33 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 11. 34 Vgl. auch LEVIN, Verheißung, 209, der darauf hingewiesen hat, dass im Wortlaut der Gehorsamszusage in Ez 11,20 Rückbezüge auf die Bundesschlussszene in Dtn 26,16‐ 19 vorliegen, mit denen der heilsgeschichtliche Zusammenhang von Bundesschluss und Landzusage auf die Landnahme der Diaspora übertragen wird (vgl. dazu eben‐ so PETRY, Entgrenzung, 247‐249).
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stimmt. Der MT liest ֵלב ֶא ָחד, während die LXX kardi,an e`te,ran bietet und dabei auf ein zugrunde liegendes אָ ֵחרschließen lässt. So wird denn in der Sekundärliteratur für den MT mehrheitlich eine Verlesung von ר in ד angenommen, da das „andere“ Herz besser mit dem in V 19b geschil‐ derten Vorgehen in Einklang zu bringen ist.35 Denn in V 19b kündigt Jhwh an, dass er das steinerne Herz entfernen und durch ein fleischer‐ nes und damit anderes Herz ersetzen wird. Schon daran zeigt sich aber, dass die LXX‐Variante eine (intentionale) Glättung des Textes darstellt und damit lectio facilior ist. Peschitta und Targum bezeugen schließlich zusammen mit einigen hebräischen Handschriften לב חדשׁ, was aber als Angleichung an Ez 18,31 und 36,26 zu erklären ist.36 Der MT ist damit als lectio difficilior beizubehalten. Das zweite Problem liegt in V 19ab vor, in dem abweichend von der sonst im Text vorherrschenden Anredeform an קרבdas Personalsuffix der 2. Pers. pl. benutzt wird. Weiterhin fällt der Versteil dadurch auf, dass die Aussage von der Gabe der רוח חדשׁה nicht nur ohne Bezug im Kontext ist, sondern auch den engen Zusammenhang zwischen 11,19aa und 11,19b stört.37 Das Problem des abweichenden Personalsuffixes sollte deshalb nicht textkritisch gelöst werden, indem man z. B. der von der LXX bezeugten Lesart den Vorzug gibt, die auf ein Suffix 3. Pers. pl. schließen lässt.38 Vielmehr bietet sich eine literarkritische Erklärung an, nach der bei der Geistgabe in V 19ab mit einem Nachtrag innerhalb der Perikope zu rechnen ist.39 Die Varianten in der Textüberlieferung sind dann als Versuch zu bewerten, die aus der nachträglichen Einfü‐ gung entstandenen Spannungen innerhalb des Verses zu glätten. In Ez 11,14‐21 kann somit eine Grundschicht in den V 14‐16 ange‐ nommen werden, in deren Hintergrund Auseinandersetzungen über das Anrecht auf das Land zwischen der im Land verbliebenen und der aus Exil bzw. Diaspora heimkehrenden Bevölkerung zu vermuten sind.40 Über die Gründe, warum das Disputationswort an dieser Stelle 35 So z. B. OHNESORGE, Jahwe, 9f.; KAISER, Gott III, 33; ALLEN, WBC 29, 118.129, und POHLMANN, ATD, 127. Anders dagegen LEVIN, Verheißung, 209, und BLOCK, NICOT I, 342 mit Anm. 10. 36 ZIMMERLI, BK, 201, erwägt, die Variante des MT über Verstümmelung eines ur‐ sprünglichen חדשׁ zu חד zu erklären, aus dem dann אחד entstanden sein könnte. Das scheint aber doch eine eher umständliche Annahme zu sein (vgl. dazu auch die Kritik bei LIWAK, Probleme, 130). 37 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 11. 38 Vgl. BHS; ZIMMERLI, BK, 201, und POHLMANN, ATD, 127. 39 Einen Nachtrag vermuten ebenso OHNESORGE, Jahwe, 11; LEVIN, Verheißung, 207, und ALLEN, WBC 29, 129. ZIMMERLI, BK, 190.201, wählt dagegen die textkritische Lösung und nimmt ursprüngliches בקרבם an. 40 In dieser Abgrenzung der Grundschicht mit OHNESORGE, Jahwe, 4‐21, der den Grundbestand allerdings auf den Propheten Ezechiel zurückführt. Es ist nicht aus‐
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eingestellt worden ist, können nur Vermutungen angestellt werden, da dazu die Textschichtung des literarischen Horizontes bzw. der gesam‐ ten Entrückungsvision mit in die Überlegungen einbezogen werden müsste. In jedem Fall wird durch die Position des Textes das in der Vision angekündigte Totalgericht über die Jerusalemer dahingehend korrigiert, dass mit der Gola/Diaspora ein legitimer Rest vorhanden ist, von dem die Restitution Israels ausgehen kann. Darüber hinaus erhält der folgende Auszug Jhwhs aus der Stadt eine vorgeschaltete Deutung, da durch die Bewegung der Herrlichkeit nach Osten die vermeintliche Gottesferne der Exulanten aufgehoben wird. Die sekundäre Einfügung der V 19f. in die Grundschicht verdankt sich anscheinend Überlegungen darüber, wie die Restitution Israels gewährleistet werden kann. Um in der Zukunft ähnliche wie in der Vision geschilderte Gräueltaten zu verhindern, gibt Jhwh den Israeliten ein „einziges Herz“ in ihr Inneres. Es liegt nahe, hinter dem einzigen Herzen eine kollektive Bestimmtheit zu vermuten, nach der die ein‐ zelnen Herzen in der Gemeinschaft übereinstimmen.41 Die nähere Aus‐ führung des Handelns Jhwhs in V 19b, nach der er das steinerne Herz durch ein fleischernes ersetzt, zeigt aber, dass das einzige Herz im Sinne eines „anderen“ Herzens zu verstehen ist. Das steinerne Herz ist per se ein totes Herz (vgl. 1 Sam 25,37), das unempfänglich ist für das Wort Gottes. Erst eine Austauschung durch ein fleischernes und damit aufnahmefähiges Herz macht es möglich, dass die Israeliten den Geset‐ zen Jhwhs gegenüber gehorsam sind. Anscheinend hat der Autor von Ez 11,19f. bei dem Gegensatz von steinernem und fleischernem Herzen die innerbuchlichen Bezüge zu Ez 2,4 und 3,7 vor Augen, wo von ei‐ nem verhärteten Herz der Israeliten die Rede ist.42 Darauf könnte auch die Verwendung des bestimmten Artikels an לב האבן hindeuten. Nur durch die in 11,19f. beschriebene Gabe des einen als des anderen Her‐ zens kann wieder ein aufnahmefähiges Willenszentrum geschaffen werden, das wie in Ez 36,26f. Vorbedingung nicht nur für den Geset‐ zesgehorsam, sondern auch für das neue Bundesverhältnis ist. Die vergleichende Analyse von Ez 11,14‐21 und 36,23bb‐32 zeigt, dass es weitere Nähen zwischen den beiden Texten gibt. Ihnen ist ge‐ zuschließen, dass die ursprüngliche Textfassung noch kleinere Nachträge enthält, die aber für die weitere Analyse ohne Bedeutung sind (vgl. dazu die Beobachtungen von OHNESORGE, a.a.O., 6f.). 41 Vgl. KRÜGER, Herz, 82. 42 Vgl. zu der Ersetzung des steinernen durch das fleischerne Herz auch EICHRODT, ATD, 349: „Die Beziehung der Neuschaffung auf die eigentliche Zentralsünde Israels, seine Unempfindlichkeit, in der es sich allen göttlichen Liebeserweisen und Mahnungen völlig verschloß und zum Haus der Widerspenstigkeit wurde, ist mit Händen zu greifen.“
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meinsam, dass sie eine Veränderung des Herzens Israels für die Zeit nach der Heimkehr der Diaspora erwarten, die Voraussetzung für das durch die Bundesformel bestimmte Gottesverhältnis ist (11,20; vgl. 36,28). Trotz dieser inhaltlichen Gemeinsamkeiten hat die Analyse von 36,23bb‐32 aber erbracht, dass sich der Text in seinen konkreten Formu‐ lierungen von seinem literarischen Kontext speist und darin nicht von Ez 11,14ff. abhängig ist. Eine Ausnahme bilden aber die Aussagen über das Herz und den Geist in Ez 36,26‐28, die im literarischen Kontext ohne Parallele sind, dafür aber so zahlreiche sprachliche und thema‐ tische Verbindungen zu Ez 11,19f. aufweisen, dass sie nur durch die Annahme einer literarischen Abhängigkeit zu erklären sind. So stellen die zwei Texte die Verheißung von Herz und Geist nebeneinander, auf die jeweils eine Bundesformel folgt. In beiden Fällen ist dabei eine Einseitigkeit impliziert, da allein Jhwh durch die innere Erneuerung des Bundespartners die Voraussetzungen für die Dauerhaftigkeit des Bundes schafft. Aber während die Verheißung des Geistes mit רוח חדשׁה in 11,19ab und 36,26ab identisch formuliert ist, gibt es Abweichungen hinsichtlich der Näherbestimmung des Herzens: In 11,19aa wird ein לב אחד in Aussicht gestellt, während 36,26aa in paralleler Formulierung zur Geistgabe von einem לב חדשׁ spricht. Der Rest der Verse berichtet jeweils in identischer Formulierung davon, dass Jhwh den Geist in ihr Inneres ()בקרבכם geben wird, das steinerne Herz ()לב האבן aus ihrem Fleisch ()מבשׂרם entfernen (סור hif.) und durch ein fleischernes Herz (לב )בשׂר ersetzen wird. Während aber in 11,20 die Ersetzung des Herzens und die Gabe des neuen Geistes direkt zur Folge haben, dass die Isra‐ eliten den Gesetzen Jhwhs gegenüber gehorsam sind ()למען, ist es in 36,27 Jhwh selbst, der bewirkt ()ועשׂיתי, dass die Israeliten sich gesetzes‐ gemäß verhalten. Hier scheint sich also eine pessimistischere Sicht der Dinge auszudrücken, da die Alleinwirksamkeit Jhwhs zum Heil gegen‐ über Ez 11,19f. stärker betont wird. Wird eine literarische Abhängigkeit zwischen Ez 11,19f. und 36,26‐ 28 angenommen, so ist danach zu fragen, welcher der beiden Abschnit‐ te der ursprünglichere ist. Der materiale Befund liefert darüber keinen Aufschluss, da der Text des Pap. 967 erst ab Ez 11,25 überliefert ist, so dass allein der inhaltliche Vergleich den Ausschlag geben kann. Zwei Gründe sprechen dafür, in Ez 11,19f. die literarische Vorlage für 36,26‐ 28 zu sehen. 43 Zuerst sind die Aussagen über Herz und Geist in 36,26 43 So auch SIMIAN, Nachgeschichte, 349; HOSSFELD, Untersuchungen, 296‐298.317‐ 319.336, und OHNESORGE, Jahwe, 233. LEVIN, Verheißung, 212f., stimmt zwar in der Richtung der Abhängigkeit mit diesen überein, kommt aber zu dem Ergebnis, dass 36,16‐28* insgesamt eine Neufassung von 11,14‐21* sei, was nach den hier vorge‐ legten Analysen eher unwahrscheinlich ist. Eine umgekehrte Richtung der Abhän‐
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anders als in 11,19 auf eine Hand zurückzuführen und stimmen auch in ihrer Charakterisierung als „neu“ überein. Dies legt den Schluss nahe, dass 36,26 als der spannungsfreiere und stärker systematisierte Text auch der redigierende Text ist. Umgekehrt fällt es schwer, eine Erklärung dafür zu finden, warum der Autor von 11,19f.* zwar die Aussagen über das Herz aus 36,26 rezipiert, aber erst eine zweite Hand die Geistgabe nachgetragen haben sollte. Vielmehr erscheint es ein‐ leuchtend, dass sich in Bezug auf die Geistgabe die Richtung der Ab‐ hängigkeit umgekehrt hat und der neue Geist in 11,19ab eine sekun‐ däre Angleichung an 36,26 darstellt.44 Denn anders als in 11,19 passt der neue Geist in 36,26 zum neuen Herz und ist durch V 27a in den Kontext eingebunden, wo die Geistgabe ihren ursprünglichen Ort in der Vision Ez 37,1‐14 hat. Zweitens kann die stärkere Betonung der Alleinwirksamkeit Jhwhs zum Heil in 36,26‐28 als Korrektur der Sicht von 11,19f.* verstanden werden, so dass auch das Gottesbild in den Texten dafür spricht, in 11,19f.* das 36,26 literarisch vorausgehende Stück zu sehen. Der Auslegungsprozess kann damit wie folgt rekonstruiert werden: Der Verfasser von Ez 36,23bb‐32 hat auf den älteren Text Ez 11,14‐16.17 zurückgegriffen, der ihm in einer bereits um V 19aa.b.20 ergänzten Fassung vorlag. Sein Interesse an diesem Text kann damit begründet werden, dass er ebenso wie der Autor von 11,19f.* an der Frage interes‐ siert war, wie ein Bund mit dem heimgekehrten Israel von dauerhafter Gültigkeit sein kann. In beinahe wortwörtlicher Zitation übernimmt der Verfasser deshalb die Aussagen über die Transplantation des Her‐ zens aus 11,19f.*, wobei er aber an die Stelle des einen Herzens die Verheißung eines neuen Herzens und eines neuen Geistes setzt. Die Andersartigkeit des Herzens, die in Ez 11 nur anklingt, wird in Ez 36 durch das neue Herz und den neuen Geist so ausgelegt, dass eine völlige Erneuerung des menschlichen Willenszentrums in den Blick kommt. Im Motiv der Neuheit und der Geistgabe in das Innere besteht deshalb der entscheidende Überschuss von 36,26f. im Vergleich mit 11,19f.*. Dies scheint auch ein späterer Redaktor so empfunden zu haben, der die Querverbindungen zwischen den beiden Texten zum Anlass genommen hat, den neuen Geist in 11,19ab nachzutragen.
gigkeit nehmen dagegen EICHRODT, ATD, 50; LANG, Ezechiel, 25; FUHS, NEB, 204, und BEHRENS, Visionsschilderungen, 246‐248, an. 44 So mit LEVIN, Verheißung, 207.211, und OHNESORGE, Jahwe, 47f.
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1.4.3. Das neue Herz und der neue Geist in Ez 18,31 Die vorangehende Analyse hat gezeigt, dass die entscheidende Neu‐ interpretation der Vorlage Ez 11,19f.* in 36,26f. in der Ersetzung des לב אחד durch den לב חדשׁ und der Erweiterung der Prophezeiung um die Gabe der רוח חדשׁה besteht. Diese Kombination von neuem Herz und neuem Geist weist einige Berührungen mit Ez 18,31 auf, wo die Israe‐ liten dazu aufgefordert werden, sich ein neues Herz ()לב חדשׁ und einen neuen Geist ()רוח חדשׁה zu schaffen. Der Aufruf steht am Ende des Kapitels Ez 18, das Reflexionen über die Schuldhaftung und die Mög‐ lichkeit zur Umkehr enthält. Auch wenn immer wieder zugunsten der literarischen Einheitlichkeit des Kapitels argumentiert wird, zeigen die Aussageverschiebungen und die formale Gestaltung, dass sich mehrere anknüpfende Abhandlungen an ein ursprüngliches Disputationswort in Ez 18,1‐4* angeschlossen haben.45 Während das Grundwort die Idee der Kollektivschuld mit dem einfachen Hinweis auf die individuelle Verantwortung abweist, wird das Problem des übergreifenden Schuld‐ zusammenhangs in den Fortschreibungen in kasuistischer Form aus‐ geweitet und am Beispiel von Gerechtem und Gottlosem umfassend diskutiert. 18,31 findet sich dabei am Ende des Abschnittes 18,21‐32, in dem die Möglichkeiten bedacht werden, dass ein Gerechter doch noch fallen kann bzw. einem Ungerechten die Umkehr möglich wird. Durch das ganze Kapitel zieht sich das Motiv, dass jeder um seiner Schuld willen sterben soll, derjenige aber leben wird, der gerecht ist, bzw. der den Weg der Umkehr wählt (vgl. z. B. 18,4.9.13.17f.21‐32). Die Übereinstimmungen zwischen Ez 18,31 und 36,26 zeigen ein‐ deutig, dass hier mit einem literarischen Abhängigkeitsverhältnis zu rechnen ist. Die Formulierung לב חדשׁ ist überhaupt nur an diesen bei‐ den Stellen für das gesamte Alte Testament belegt, zudem wird sie an beiden Stellen mit רוח חדשׁה kombiniert. Anders als in 36,26 sind das neue Herz und der neue Geist in 18,31 aber nicht Inhalt einer göttlichen Verheißung (;ונתתי לכם 36,26a), sondern das Volk selbst soll die innere Erneuerung an sich vornehmen (;ועשׂו לכם 18,31a). Diese Differenz zeigt, dass die beiden Aussagen literarisch nicht auf einer Ebene liegen können, da sich in ihnen eine unterschiedliche Sicht der Fähigkeiten Israels spiegelt, das menschliche Willenszentrum neu zu gestalten. 46 Wie auch im Verhältnis von 11,19f.* zu 36,26f. sollte der im Bezug auf die menschlichen Möglichkeiten „optimistischeren“ Sicht von 18,31 die 45 Vgl. dazu POHLMANN, ATD, 260f. Dagegen vertreten ZIMMERLI, BK, 396, und neuer‐ dings auch ALLEN, WBC 28, 268, sowie BLOCK, NICOT I, 554f., die literarische Ein‐ heitlichkeit des Kapitels. 46 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 234.
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literarische Priorität vor der Verheißung in 36,26 gegeben werden, die mit der Betonung der göttlichen Alleinwirksamkeit eine Korrektur von 18,31 darstellt.47 Diese relative Chronologie wird weiterhin durch das textgeschichtliche Zeugnis von Pap. 967 bestätigt, in dem 18,31 bereits enthalten ist, so dass es dem Autor von 36,26 bereits vorgelegen hat. Dieser setzt das neue Herz und den neuen Geist aus 18,31 in seiner Auslegung von 11,19f.* an die Stelle des „einen“ Herzens, behält aber aus 11,19a die Bestimmung als göttliche Gabe bei. Trotz dieser wörtlichen Zitation stehen hinter Ez 18,31 und 36,26 inhaltlich völlig unterschiedliche Vorstellungen. Während in 36,23bb‐32 das heimkehrende Volk Jhwhs im Vordergrund steht, wird in Kap. 18 der Einzelne in den Blick genommen. Dementsprechend geht es in 36,26 um die innere Bestimmtheit des Volkes als Voraussetzung für ei‐ nen dauerhaften Bundesschluss, während 18,31 das geforderte ethische Verhalten des Individuums in seinem Verhältnis zu Gott in den Blick nimmt. Aus diesem Grund fehlt in 18,31 und seinem literarischen Kon‐ text die Bundesterminologie ebenso, wie der Text auch keine weiteren Stichwortverbindungen mehr zu 36,23bb‐32 aufweist. Wenn Ez 36,26 damit zur literarischen Nachgeschichte der Aus‐ sagen über das neue Herz und den neuen Geist in Ez 18,31 gehört, so bleibt die Frage, ob es sich in 18,31 um Eigenformulierungen des Ver‐ fassers handelt oder ob sie auf einen anderen literarischen oder tradi‐ tionsgeschichtlichen Hintergrund zurückgehen. Innerhalb des engeren Kontextes von Kap. 18 handelt es sich um hapax legomena, die sich auch nicht durch vorgängige Aussagen erklären lassen. Im weiteren Hori‐ zont des ersten Buchteiles handeln zwar einige Stellen über das menschliche Herz, 48 von denen aber nur wenige eine über das Stich‐ wort לב hinausgehende Verbindung aufweisen. So findet sich innerhalb eines heilsprophetischen Anhangs an die Worte gegen die falschen Propheten und Prophetinnen in Kap. 13 in 13,22 der Vorwurf, dass sie das Herz des Gerechten verzagt machen. Die Stelle berührt sich mit 18,31 darin, dass in diesem Anhang in gleicher Weise der Gerechte dem Gottlosen gegenübergestellt wird und es um die Erhaltung des Lebens geht. Schon die isolierte Position des Einwurfes spricht aber eher dafür, dass in 13,22 die Argumentation von 18,21‐32 bereits vo‐ rausgesetzt ist. Außerdem wäre damit noch nicht das Motiv der Neu‐ heit erklärt. So bleibt nur noch die Frage nach dem Verhältnis von 18,31 47 Vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 234. Dagegen sieht LEVIN, Verheißung, 211, die Paral‐ lele 18,31 aus 36,26 entnommen. 48 Vgl. Ez 2,4; 3,7.10; 6,9; 11,19‐21; 13,2.17.22; 14,3‐5.7; 20,16; 21,12.20; 22,14. חדשׁ ist im Ezechielbuch neben 18,31 nur noch in 11,19ab und 36,26 belegt, von denen aber zumindest 36,26 zur literarischen Nachgeschichte von 18,31 gehört.
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zu der Auslegungskette in Ez 2,4 – 3,7 – 11,19f.*. Zwar gibt es keine weiteren Stichwortverbindungen zwischen diesen Stellen, aber sie be‐ rühren sich in der inhaltlichen Gegenüberstellung von Leben und Tod.49 Das steinerne Herz in 11,19f.* steht für das tote Herz, das den Menschen uneinsichtig und handlungsunfähig macht, während das fleischerne Herz als das lebendige zur Einsicht und zum willigen Gehorsam befähigt. Der Autor von 18,31 könnte deshalb unter dem Eindruck von Ez 11,19f.* zu dem Schluss gekommen sein, dass die Um‐ kehr zum Leben notwendigerweise auch die Schaffung eines neuen Herzens und eines neuen Geistes voraussetzt. Des Weiteren ist es möglich, dass eine Parallele aus dem Jeremia‐ buch in der Entstehung von 18,31 eine Rolle gespielt hat. Denn das Sprichwort über die sauren Trauben in Ez 18,2, das die Grundlage der folgenden Argumentationen bildet, hat eine wortwörtliche Parallele in Jer 31,29 (vgl. Dtn 24,16). Dort geht das Wort unmittelbar der Verhei‐ ßung des neuen Bundes in Jer 31,31‐34 voraus. Die parallele Abfolge der Topoi „saure Trauben“ und „neuer Bund“ im Jeremia‐ und im Ezechielbuch ist zumindest auffällig. Es wäre deshalb vorstellbar, dass ein späterer Autor durch die doppelte Abhandlung des Sprichwortes dazu angeregt wurde, auch das Motiv der Neuheit in Ez 18 nachzu‐ tragen (vgl. 18,31). Ez 18,31 hat sich damit als weitere literarische Vorlage für die Aus‐ sagen von Herz und Geist in 36,26f. erwiesen. Vor allem aufgrund seiner Kürze und der besonderen inhaltlichen Prägung fällt es aber schwer, eine Aussage über den Hintergrund des Stückes zu treffen. Es erscheint zumindest wahrscheinlich, dass es Ez 11,19f.* bereits voraus‐ setzt und evtl. auch schon die Verheißung des neuen Bundes in Jer 31,31‐34 kennt. Da dieser Text auch für die weitere Analyse von Ez 36,23bb‐32 von einiger Bedeutung ist, sollen im Folgenden die Paral‐ lelen im Jeremiabuch mit in die Untersuchung einbezogen werden. 1.4.4. Herz und Bund im Jeremiabuch Im Jeremiabuch gibt es mit Jer 24,6f.; 31,31‐34 und 32,37‐41 drei Texte, in denen die Verfasstheit des menschlichen Herzens in ihrer Bedeutung für das Gottesverhältnis thematisiert wird. Alle drei stehen unbestreit‐ bar an Schaltstellen des Buches und enthalten zentrale Texte der jere‐ mianischen Heilsverkündigung. Aber da die jüngste Forschung in Be‐ zug auf die Frage, wie das Buch entstanden ist, und auf welche Kreise die Entstehung zurückgeführt werden kann, weit von einer communis 49 Vgl. dazu auch WOLFF, Anthropologie, 89.
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opinio entfernt ist,50 werden sich die nachstehenden Analysen auf vor‐ sichtige textliche Beobachtungen beschränken. Der erste Text im Buchablauf, der eine Veränderung des Herzens ins Auge fasst, ist Jer 24,6f., genauer V 6‐7a. Diese Verse geben sich durch die anknüpfende Wiederholung an V 5 und die sachliche Span‐ nung zu V 7b als Zusatz innerhalb der Feigenkorbvision Jer 24 zu erkennen.51 Die ursprüngliche Vision spricht in V 5 lediglich davon, dass Jhwh die Gola „zum Guten“ ()לטובה ansehen wird. Die Ergänzung in V 6‐7a konkretisiert in der Aufnahme von לטובה dieses Handeln dahingehend, dass Jhwh ihnen ein Herz geben wird, damit sie ihn erkennen (ונתתי להם לב לדעת אתי כי אני יהוה, V 7aa). Diese Gotteserkenntnis ist Voraussetzung für den Bund, der in V 7ab mit der Bundesformel folgt. Das zweite Stück ist die viel besprochene Perikope über den neuen Bund in Jer 31,31‐34.52 Unabhängig von der Frage, ob hier deutero‐ nomistische, nach‐deuteronomistische oder anti‐deuteronomistische Verfasser zu Worte kommen, gilt der Text nach wie vor in seinem wesentlichen Bestand als literarisch einheitlich.53 Er gehört mit großer Sicherheit zusammen mit Jer 30,1‐3 und 31,27‐30 zu einer mehrstufigen Prosaschicht, die sekundär das Trostbüchlein in Jer 31f. rahmt. Inner‐ halb dieses Rahmens sagt 31,31‐34 als letzten Schritt eines Restitu‐ tionsprogramms die Neukonstituierung Israels durch den neuen Bund (ברית חדשׁה, V 31) an. Dieser neue Bund wird von dem Bund bei der Herausführung aus Ägypten abgesetzt, den die Väter gebrochen haben 50 Vgl. dazu SCHMID, Buchgestalten, 23‐35, und den Forschungsbericht von S. HERR‐ MANN, Jeremia. Der Prophet und das Buch, EdF 271, Darmstadt 1990, sowie die gängigen Einleitungen. 51 So mit LEVIN, Verheißung, 200f., und SCHMID, Buchgestalten, 260. 52 In Bezug auf Jer 31,31‐34 hat sich in der jüngsten Forschung eine „erhöhte neue Un‐ übersichtlichkeit“ (GROSS, Zukunft, 138) eingestellt. War lange Zeit die auf Analysen von HERRMANN, Heilserwartungen, 179‐185, und THIEL, Redaktion II, 20‐28, basie‐ rende These konsensfähig, dass 31,31‐34 zusammen mit 30,1‐3 und 31,27‐30 zur pro‐ saischen deuteronomistischen Redaktion des Buches gehört, so ist dies neuerdings wiederholt in Frage gestellt worden. SCHMID, Buchgestalten, 302‐304.348.372f., lehnt die These einer deuteronomistischen Redaktion ab und datiert 31,31‐34 als „anti‐ deuteronom(ist)isch“ in die ausgehende Perserzeit; vgl. dazu auch GROSS, Bund, 262f., der ebenfalls den dtr. Charakter von 31,31‐34 bestreitet, und das Stück für „nachdtr“ und „nachexilisch“ erklärt. Im englischsprachigen Raum dominiert dage‐ gen die Zuschreibung der Verheißung des neuen Bundes an den Propheten (vgl. z. B. HOLLADAY, Hermeneia II, 197, und LUNDBOM, AncB, 465.471). 53 Anders LEVIN, Verheißung, 30, der innerhalb von Jer 31,27‐34 mit einem vierstufigen Wachstum rechnet. Er geht von einer „Gattung der prophetischen Heilsankündigung“ (LEVIN, a.a.O., 28) in 31,31a.34aba1 aus, die nachträglich um die Verheißungen von neuem Bund in V 31b‐32.33b.34ba2bg sowie von der ins Herz geschriebenen Tora V 33a erweitert worden sei. Zur Kritik vgl. SCHMID, Buchgestalten, 69f.
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(V 32). Er ist durch zweierlei charakterisiert: Zum einen wird Jhwh seine Tora in das Innere der Israeliten ()בקרבם geben und auf ihr Herz schreiben (V 33), was zu einer allgemeinen Gotteserkenntnis im Volk führt (V 34aba).54 Zum anderen aber ist konstitutiv, dass Jhwh ihre Schulden vergeben und ihrer Sünden nicht mehr gedenken wird (V 34bb). Der dritte Text ist schließlich Jer 32,37‐41, der zu den Texten im Buch gehört, die von der Sammlung der Diaspora reden. Das Stück verheißt in diesem Zusammenhang den Schluss eines dauerhaften Bundes, einer ברית עולם (V 40). Voraussetzung für diesen ewigen Bund55 ist in V 39 die Gabe eines einzigen Herzens ()לב אחד und eines einzigen Weges ()דרך אחד.56 Das Schneiden des Bundes ist darüber hinaus damit verbunden, dass Jhwh den Israeliten Gottesfurcht in ihre Herzen geben wird, damit sie nicht von ihm abweichen (סור kal, V 40). Bevor nach den Querverbindungen zum Ezechielbuch gefragt wird, sind die drei Texte aus dem Jeremiabuch in ein relatives Verhält‐ nis zueinander zu setzen. Was die Verfasstheit des menschlichen Her‐ zens angeht, ist eine Weiterentwicklung von Jer 32,37‐41 hin zu Jer 31,31‐34 zu beobachten: Während in 32,40 die Gottesfurcht in das Herz gelegt wird, ist es in 31,33 die Tora, die in das Innere gegeben bzw. auf das Herz geschrieben wird. Beide Texte sehen damit einen Eingriff in das Herz vor, aber während in Jer 32,40 mit der Gottesfurcht die Vor‐ aussetzung für den Gehorsam eingesenkt wird, wird in Jer 31,33 in Form der Tora der Gotteswille selbst inkorporiert. In 31,33 liegt damit im Vergleich zu 32,40 ein steigerndes Moment, da das Willenszentrum des Menschen nicht nur auf Gott hin ausgerichtet wird, sondern gleich‐ sam mit dem Gotteswillen verschmilzt. Darüber hinaus zielt die Gabe des einen Herzens und des einen Weges in 32,39 eher auf die Einigkeit 54 Gleichwohl die Einschreibung der Tora auf das Herz einen Bezug zu Jer 17,1 nahe legt, wo davon die Rede ist, dass die Sünde Judas in die Tafel ihres Herzens einge‐ schrieben ist (vgl. z. B. PFEIFFER, Herz, 302), hat BEZZEL, Konfessionen, 82f., den Nachweis geführt, dass Jer 17,1‐4 als Reaktion auf Jer 31,33 zu verstehen ist und darüber hinaus vielleicht sogar schon Ez 11,19 und 36,26 voraussetzt. 55 Dem ewigen Bund geht in Jer 32,38 bereits eine Bundesformel voraus, so dass die Verheißung des einen Herzens auch als Bundesgabe verstanden werden kann. Der entscheidende Bundesschluss folgt mit dem ewigen Bund aber erst in 32,40, so dass die Gabe des לב אחד zumindest als Voraussetzung für die dauerhafte Gültigkeit zu sehen ist. Zu den Verbindungen zwischen Jer 32,37‐41 und der Verheißung der ברית עולם in Ez 37,26 vgl. u. Kap. III. 4.4.2. 56 Ähnlich wie in Ez 11,19 bezeugt die LXX auch in Jer 32,39 anstelle von לב אחד kardi,an e`te,ran neben o`do.n e`te,ran und verweist damit auf ein zugrunde liegendes אָ ֵחר. Hier ist allerdings mit SCHMID, Buchgestalten, 82f. Anm. 143, auf Seiten der LXX eine Inter‐ pretation nach Jer 31,33 und Ez 36,26 anzunehmen. Die Ursprünglichkeit des MT wird ebenso von LEVIN, Verheißung, 203, und OHNESORGE, Jahwe, 10, vertreten.
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innerhalb eines Kollektivs, während 31,31‐34 das Motiv des Herzens individualisiert. Insgesamt spricht das dafür, 31,31‐34 als vorgeschal‐ tete Präzisierung von 32,37‐41 zu verstehen, während umgekehrt keine Intention für die nachträgliche Einschreibung von 32,37‐41 hinter 31,31‐ 34 zu erkennen ist.57 Jer 24,6‐7a scheint dagegen die Abfolge von neu‐ em und ewigem Bund bereits vorauszusetzen, da in diesen Versen die Gabe des Herzens aus 32,39 mit der Gotteserkenntnis aus 31,34 verbun‐ den ist.58 Zwar fehlt die Bundesterminologie in diesem Abschnitt, aber die Aussage, dass Jhwh sein Auge auf sie zum Guten (לטובה, 24,6) richten wird, kann als Vorverweis auf Jer 32,40.41 verstanden werden, wo das Heilshandeln Jhwhs unter den Begriff des „Gutes tun“ (יטב hif.) gefasst wird. Die Beobachtungen im Jeremiabuch können damit wie folgt zusam‐ mengefasst werden: Alle drei Texte behandeln die notwendige Verän‐ derung des menschlichen Herzens als Voraussetzung für den Bund. Als ältester Beleg kann Jer 32,37‐41 angenommen werden, in dem die Gabe des einzigen Herzens und die eingesenkte Gottesfurcht Vorbe‐ dingung für den ewigen Bund ist. Jer 31,31‐34 präzisiert nachträglich die Bedingungen für den ewigen Bund, der ein Bund von neuer Quali‐ tät sein muss, wenn er Bestand haben soll. Aus der Gottesfurcht wird dabei in einer inhaltlichen Weiterführung in 31,33 die Tora, die Jhwh selbst auf das Herz schreiben wird und die zur Gotteserkenntnis führt. Jer 24,6‐7a bereitet schließlich in einer späteren Vorschaltung im Buch‐ ablauf die Kombination von ewigem und neuem Bund vor und fügt diese in die Feigenkorbvision Jer 24 ein. Die Berührungen zwischen den drei Texten des Jeremiabuches und den behandelten Stücken im Ezechielbuch haben von jeher Beachtung gefunden. 59 Neben dem vergleichbaren Interesse an der Beschaffenheit des menschlichen Herzens (und Geistes) als Voraussetzung für den Bund, das nur in Ez 18,31 nicht nachweisbar ist, sind es vor allem die zahlreichen Stichwortverbindungen, die auf eine Beziehung zwischen den Texten hindeuten. So ist es insbesondere das Lemma „neu“ ()חדשׁ in Verbindung mit einer Aussage über das Herz bzw. den Geist, das in 57 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 103, und KRÜGER, Herz, 82f. Dagegen rechnet LEVIN, Verheißung, 202‐205, den „Bund mit der ökumenischen Judenheit“ in 32,36‐41* zur Nachgeschichte seiner literarkritisch reduzierten Bundesverheißung von Jer 31,31‐ 32.33b‐34 (vgl. dazu o. Anm. 53). 58 Vgl. zu dieser Abfolge SCHMID, Buchgestalten, 261; KRÜGER, Herz, 84. Anders LEVIN, Verheißung, 200.202, wonach Jer 24,6‐7a zwar Jer 31,31‐24* voraussetze, aber litera‐ rische Priorität gegenüber Jer 32,36‐41 habe. 59 Siehe schon COOKE, ICC, 391, zu Ez 36,26: „Ezekielʹs conception corresponds to Jeremiahʹs new covenant, in which Jahvehʹs law is bestowed inwardly, and written on the heart“.
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dieser Kombination im gesamten Alten Testament überhaupt nur in Jer 31,31‐34; Ez 11,19f.; Ez 18,31 und Ez 36,26f. belegt ist. Die Bestimmung der Verheißung als Gabe Jhwhs ()]ו[נתתי findet sich in Jer 24,7; Jer 31,33; Jer 32,39; Ez 11,19 und Ez 36,26. Des Weiteren ist auf die Querverbin‐ dungen mittels der Gabe ins Innere (קרב mit Präposition ) ְבּ in Jer 31,33; Ez 11,19; Ez 36,26 und dem ähnlichen Gebrauch des Verbes סורin Jer 32,40 (kal) und Ez 11,19; 36,26 (hif.) zu verweisen. Die zahlreichen und bedeutsamen Stichwortverbindungen im Verbund mit den inhaltlichen Nähen lassen nur den Schluss zu, dass ein literarisches Abhängigkeits‐ verhältnis zwischen den Texten aus dem Jeremia‐ und dem Ezechiel‐ buch existiert.60 Bei dem Versuch, das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis der Texte zu klären, empfiehlt es sich, mit der vergleichenden Analyse bei Ez 11,19f.* zu beginnen, da dieser Text Ausgangspunkt für die Ausle‐ gungsgeschichte im Ezechielbuch ist. Im genaueren Vergleich mit den Jeremiatexten fällt sofort die enge Verwandtschaft mit Jer 32,37‐41 auf. So reden nur diese beiden Texte von der Gabe des einzigen Herzens (לב ;)אחד vgl. Jer 32,39 und Ez 11,19. Der Autor im Ezechielbuch ergänzt diese Gabe zwar noch um die Ersetzung des steinernen Herzens durch das fleischerne Herz, aber es ist sicher kein Zufall, dass er für den Vorgang des Entfernens das Verb סור verwendet, das auch für Jer 32,40 belegt ist. Desgleichen scheint die Formulierung der Bundesformel in Ez 11,20 aus Jer 32,38 übernommen zu sein. Es spricht deshalb einiges dafür, in Jer 32,37‐41 die Vorlage für die spätere Fortschreibung von Ez 11,14‐16.17 durch V 19f.* zu sehen.61 Der Ausleger in Ez 11,19f.* zeigt 60 In der Sekundärliteratur wird die Analyse der Abhängigkeit zumeist auf Jer 31,31‐34 und Ez 36,26f. (11,19f.) beschränkt, wobei fast durchgängig die Abhängigkeit des Ezechieltextes von Jeremia vertreten wird (vgl. z. B. MILLER, Verhältnis, 98f.; ZIMMERLI, BK, 879f.; VIEWEGER, Beziehungen, 92‐94; BLOCK, NICOT II, 356, und SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 318‐321). LEVIN geht ebenfalls, wenn auch mit Differenzierungen innerhalb von Jer 31,31‐34, davon aus, dass die Jeremiatexte älter sind und spricht sich in seiner breit angelegten Studie über die Verheißung des neuen Bundes für eine relative Abfolge Jer 31,31‐34* – Jer 24,6‐7a – Jer 32,36‐41* – Ez 11,14‐21* – Ez 36,16‐28* – Ez 18,31 – Jer 31,33a aus (vgl. LEVIN, Verheißung, 197‐ 214.257‐264). SCHMID, Buchgestalten, 82‐85.260f., erwägt dagegen eine umgekehrte Verhältnisbestimmung von Jer 31 und Ez 36 und kommt so zu der entstehungs‐ geschichtlichen Abfolge Jer 32,39 – Ez 11,19 – Ez 36,26f. – Jer 31,33 – Jer 24,6‐7a. HOSSFELD, Untersuchungen, 318, spricht nur von einer „gewissen Verwandtschaft“ in Bezug auf Jer 31,31‐34 und Ez 36,26f. Vgl. auch KRÜGER, Geschichtskonzepte, 447f., der in ähnlicher Weise annimmt, dass Jer 31,31ff. und Ez 36,16ff. je auf ihre Weise Erwartungen der Exilszeit aufnehmen und verarbeiten. 61 LEVIN, Verheißung, 205f., versucht den Nachweis, dass Ez 11,14‐21* insgesamt auf die Vorlage in Jer 32,37‐41 zurückzuführen sei, was aber nach der hier vorgelegten Textanalyse von Ez 11,14ff. eher unwahrscheinlich ist. LEVIN argumentiert dabei vor allem mit dem Kontext, da in beiden Texten die Verheißung auf die Klage des Pro‐ pheten antwortet (Jer 32,17; vgl. Ez 11,13) und jeweils das Thema Landerwerb und
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dabei eine außergewöhnliche Treue gegenüber seiner Vorlage. So über‐ nimmt er unverändert die Aussage über das לב אחד, obwohl die Eigen‐ formulierung in Ez 11,19b zeigt, dass es ihm eigentlich um ein anderes Herz geht, das „fleischern“ und damit Jhwhs Willen gegenüber auf‐ nahmefähig ist.62 Die eingesenkte Gottesfurcht, die in Jer 32,39.40 sozu‐ sagen als Zwischenschritt zum Gehorsam benötigt wird, ist in Ez 11,19f.* überflüssig, da mit der Erneuerung des Herzens durch Jhwh der Gehorsam sicher gestellt ist. Es ist darum um so auffälliger, dass sich keine Bezüge zwischen Ez 11,19f.* und der Verheißung des neuen Bundes in Jer 31,31‐34 aufzeigen lassen, die der inhaltlichen Konzep‐ tion von Ez 11,19f.* in diesem Punkt näher steht. Dies kann vorsichtig so gedeutet werden, dass Jer 31,31‐34 dem Autor von Ez 11,19f.* noch nicht vorgelegen hat.63 Anders sieht die Sache dagegen mit dem Verhältnis von Jer 31,31‐ 34 und Ez 36,26f. aus. Allein schon das doppelte Vorkommen von לב in Kombination mit dem Motiv der Neuheit spricht für eine literarische Verbindung. Darüber hinaus handeln auch beide Texte von einer Ein‐ senkung in das Innere (בקרבם, Jer 31,33; בקרבכם, Ez 36,26f.); allerdings mit dem Unterschied, dass in Jer 31,33 die Tora in das Innere gelegt bzw. auf das Herz geschrieben wird, in Ez 36,26f. dagegen der Geist Jhwhs. In beiden Abschnitten ist überdies die Reflexion über die ver‐ gangene Schuld konstitutiv für den Neuanfang. Doch während der Neuanfang in Jer 31,34 die Vergebung der Schuld und ein Nicht‐Mehr‐ Gedenken der Sünden beinhaltet, ist in Ez 36,25 die kultische Reini‐ gung Voraussetzung. Die Unterschiede zwischen den Texten lassen sich am einfachsten durch die Annahme erklären, dass Ez 36,26f. eine Weiterführung und Korrektur der jeremianischen Gedanken darstellt. 64 Löserecht (גאלה, Jer 32,7.8; vgl. Ez 11,15) eine Rolle spielt. Allerdings bleibt anzufra‐ gen, ob die Bezüge aus dem weiteren Kontext von Jer 32 wirklich die Annahme einer Abhängigkeit rechtfertigen, vor allem, da die Klage des Propheten in Ez 11,13 wei‐ tere wörtliche Parallelen in Ez 4,14; 9,8 und 21,5 hat, und das Stichwort גאלה sich auch aus dem übergeordneten Thema „Landbesitz“ ableiten lässt (vgl. ZIMMERLI, BK, 248). 62 LEVIN gebührt das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, dass an dieser Stelle ein Beispiel früher Ketib/Qere‐Exegese vorliegt (vgl. LEVIN, Verheißung, 209). Die Septu‐ aginta habe das Qere dann in den Text übernommen (vgl. ebd.). 63 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 83. 64 So auch VON RAD, Theologie II, 245; GROSS, Mensch, 102f., und SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 320. Dagegen zieht SCHMID, Buchgestalten, 83, in Erwägung, dass Jer 31,31‐34 im Sinne einer „antischwärmerischen Reaktion“ auf Ez 36,27 zu ver‐ stehen sei: „Wer die Tora im Herzen hat, benötigt nicht den Geist Jhwhs, dessen Gesetze zu erfüllen.“ An dieser These erscheint zuerst problematisch, dass sie nicht erklären kann, welchen Hintergrund Ez 36,26f. mit der Betonung von קרב, חדשׁ und לב vor Augen hat (vgl. dazu auch die Kritik bei SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 319f.). Weiterhin bedürfte dann einer Erklärung, warum bei einer „antischwärmerischen“
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Der Autor ist anscheinend der Meinung gewesen, dass nicht nur eine neue Verwendung des Herzens wie in Jer 31,31‐34 erforderlich ist, son‐ dern dass dessen umfassende Erneuerung verheißen werden muss.65 Gegenüber dem jeremianischen Konzept kann deshalb hinter Ez 36,26f. der Gedanke einer „völligen Ersetzung des Personzentrums“66 gesehen werden. Die Schuldvergebung aus Jer 31,34 ist damit überflüssig, da die Israeliten aufgrund ihres neuen Herzens selbst zur Einsicht kom‐ men (vgl. Ez 36,31). An ihre Stelle tritt in 36,25 die kultische Reinigung, die auf ein priesterliches Verständnis der Schuld hindeutet. Allerdings muss an dieser Stelle noch Ez 18,31 berücksichtigt wer‐ den. Nach den bisherigen Ergebnissen geht Ez 18,31 Ez 36,26f. voraus, da die Kombination von neuem Herz und neuem Geist in 36,26 eine Aufnahme aus 18,31ab darstellt. Wenn damit das Motiv der Neuheit bereits innerbuchlich vorgegeben ist, so liegt die Frage auf der Hand, ob die Entstehung von Ez 36,26 auch ohne Jer 31,31‐34 denkbar wäre. Allerdings findet sich erst in dem Jeremiastück die entscheidende in‐ haltliche Kombination der Neuheit mit dem Bund, auf die hin das gesamte Textstück in Ez 36,23bb‐32 ausgerichtet ist. Aus diesem Grund erscheint es unwahrscheinlich, dass Ez 36,26f. ohne direkten Bezug auf Jer 31,31‐34 formuliert worden ist. Auch die Idee der Gabe in das Inne‐ re ()בקרבם, mit der Ez 36,26 über die zweite innerbuchliche Vorlage in Ez 11,19f.* hinausgeht, kann nur durch die Parallele in der Vorlage Jer 31,33 erklärt werden. Die größte Wahrscheinlichkeit hat deshalb die These, dass der Autor von Ez 36,23bb‐32 in seinen Formulierungen sowohl auf Jer 31,31‐34 als auch auf Ez 18,31 rekurriert hat. In Jer 31,31‐ 34 fand er die Konzeption des neuen Bundes vorgegeben, während er aus Ez 18,31 die Verbindung von neuem Herz und neuem Geist zitiert, die er als Versatzstück in seiner Auslegung von Ez 11,19f.* verwendet. Dies erklärt auch, warum er den Geist erst in 36,27 als „Geist Jhwhs“ näher bestimmt: Während in Ez 36,26 die Aussagen aus Ez 11,19* und 18,31 miteinander kombiniert werden, enthält Ez 36,27 die Deutung, durch die der neue Geist mit dem Geist Jhwhs aus Ez 37,1‐14 identi‐ fiziert wird. Vor dem Hintergrund dieser relativen Chronologie ist es weiterhin wahrscheinlich, dass auch Ez 18,31 die Verheißung des neuen Bundes in Jer 31,31‐34 bereits voraussetzt. Eine Verhältnisbestimmung zu den Korrektur von Ez 36,27 neben der Geistgabe auch die Gabe des neuen Herzens nicht rezipiert worden ist, das doch gut zum neuen Bund passen würde. 65 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 320. 66 Vgl. KRÜGER, Herz, 82. Entsprechend hat KRÜGER ebd. für die ezechielische Kon‐ zeption den Begriff der „Transplantationsperspektive“ im Gegenüber zur „Implan‐ tationsperspektive“ im Jeremiabuch geprägt.
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anderen Texten des Jeremiabuches fällt aber ähnlich wie bei den Texten aus dem Ezechielbuch nicht nur wegen der Kürze von Ez 18,31 schwer, sondern auch dadurch, dass aufgrund der abweichenden inhaltlichen Konzeption keine weiteren Querverbindungen mehr bestehen. Es bleibt schließlich die Frage nach der Einordnung von Jer 24,6‐7a. Zwar zeigt der Text eine thematische Nähe zu Ez 11,14ff., aber auf‐ grund der fehlenden Stichwortverbindungen und der bisher angenom‐ menen Entstehungsfolge kann ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Tex‐ ten im Ezechielbuch ausgeschlossen werden. 1.4.5. Das reine Herz und der erneuerte Geist in Ps 51 Als letzter Text ist schließlich noch Psalm 51 mit in die Überlegungen einzubeziehen, der schon früh durch seine sprachlichen und inhalt‐ lichen Verbindungen zum Ezechielbuch aufgefallen ist. So äußert be‐ reits DUHM im Hinblick auf Ps 51,12f. die Vermutung, die Verse seien „deutliche Anspielung auf Hes 11,19 oder 36,26.“67 Ps 51 steht am Beginn der zweiten Gruppe von Davidpsalmen in Ps 51‐72. Diese herausgehobene Stellung lässt vermuten, dass er als redak‐ tioneller Psalm entweder für genau diese Position verfasst worden ist, oder dass er zumindest sekundär als programmatische Eröffnung des zweiten Davidpsalters dort eingestellt worden ist.68 Die einleitenden V 1f. zeigen auf jeden Fall, dass der Psalm mit seiner Verortung in der Vita Davids bereits einen kompositorisch gestalteten Gesamtpsalter vor Augen hat. Ohne Berücksichtigung der einleitenden Verse kann der Psalm in zwei Teile in V 3‐11 und V 12‐19 gegliedert werden, die je‐ weils durch Stichwortverbindungen aufeinander bezogen sind,69 wäh‐ rend der Nachtragscharakter von V 21f. weitgehend anerkannt ist.70 Nach einem ausführlichen Bekenntnis der Sünden und der Bitte um Reinigung im ersten Teil erbittet sich der Beter in V 12 ein reines Herz ()לב טהור und die Erneuerung ( חדשׁpi.) eines „festen Geistes“ ()רוח נכון in seinem Inneren ()בקרבי. Das Motiv des Geistes wird in den folgenden Versen noch weiter variiert: So soll Gott in V 13b den Geist seiner Hei‐ ligkeit ()רוח קדשׁך nicht von dem Sprecher nehmen, während in V 14b von einem „willigen Geist“ ()רוח נדיבה die Rede ist, mit dem Gott den Beter stützen möge. Aus Dankbarkeit für seine Errettung bietet der 67 DUHM, KHC, 146. Vgl. auch GUNKEL, HK, 224. 68 Die erste Möglichkeit wird von PFEIFFER, Herz, 296, vertreten, während ZENGER, HThK.AT, 56, sich für eine redaktionelle Umstellung des Psalmes durch die Redak‐ toren des Davidpsalters Ps 51‐72 ausspricht. 69 Vgl. PFEIFFER, Herz, 293f., und ZENGER, HThK.AT, 46‐48. Dagegen schlägt HAAG, Psalm, 172‐175, eine dreistrophige Gliederung des Psalms in V 3‐6.9‐13.15‐19* vor. 70 Vgl. HAAG, Psalm, 171; TATE, WBC, 9.12.29, und ZENGER, HThK.AT, 48.
Der neue Bund: Ez 36,23bb‐38
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Beter das Opfer seiner Lippen an, da Jhwh kein Gefallen an kultischen Opfern habe (V 16‐18).71 Vielmehr wird das gottgefällige Opfer als eine innere Verfasstheit beschrieben, die durch einen gebrochenen Geist (רוח )נשׁברה und ein gebrochenes und zerschlagenes Herz ()לב־נשׁבר ונדכה ge‐ kennzeichnet ist (V 19). Der genaue Vorstellungsgehalt der Aussagen über das Herz und den Geist ist nur schwer zu ergründen. Hinter der Bitte um ein reines Herz in V 12 könnte sich sowohl das Konzept des anderen oder neuen Herzens aus dem Ezechielbuch verbergen als auch die Reinigung des vorhandenen Herzens. In Bezug auf den Geist ist dagegen zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen in Ps 51 zu differenzieren. Im Fall des „festen Geistes“ scheint der Sprecher einen neuen (חדשׁ pi., V 12) Geist zu erbitten, während der „Geist der Heiligkeit“ den heiligen Geist Jhwhs meint, dessen Gabe an den Beter bereits erfolgt ist. Auch die נדיבה רוח könnte als der leitende Geist von Jhwh verstanden werden (vgl. Ps 143,10), 72 aber da נדב terminus technicus für die freiwillige Opfer‐ gabe ist73 und im Kontext von der Selbstdarbringung des Beters die Rede ist (Ps 51,16‐19), ist der Ausdruck רוח נדיבה besser als Aussage über die innere Verfasstheit des Menschen zu verstehen. Der „willige Geist“ kennzeichnet die Jhwh‐gefällige Geisteshaltung des Menschen, der sich selbst als Opfer Gott hingibt. Die Beschreibung des zerbroche‐ nen Geistes bzw. des zerbrochenen und geschlagenen Herzens in Ps 51,19 kann sich deshalb nur auf den an Herz und Geist erneuerten Menschen beziehen.74 Die inhaltliche Konzeption von Ps 51 steht damit in einer gewissen Nähe zu den besprochenen Texten aus dem Ezechielbuch, da eine Er‐ neuerung des menschlichen Willenszentrums und der Lebenskraft in‐ tendiert ist, die nur durch einen Eingriff Gottes vorgenommen werden kann. Diese inhaltliche Übereinstimmung sowie die zahlreichen Stich‐ wortverbindungen zeigen, dass mit einer literarischen Verbindung zwischen Ps 51 und den Stücken aus dem Ezechielbuch gerechnet werden kann.75 Indes ist die genaue Verhältnisbestimmung der Texte 71 Zu den Diskussionen, inwieweit hier eine Abschaffung des Opferkultes im Blick ist, vgl. den Überblick bei TATE, WBC, 27‐29. 72 Vgl. TATE, WBC, 25. Dasselbe Verständnis zeigt die Übersetzung der LXX, die für רוח נדיבה in Ps 51,14 pneu,mati h`gemonikw/| bietet. 73 Vgl. ZENGER, HThK.AT, 53. Zum semantischen Verständnis von נדב im Sinne einer freiwilligen Opfergabe vgl. CONRAD, Art. נדב, 239‐241. 74 Vgl. auch ZENGER, HThK.AT, 55. 75 So mit GUNKEL, Psalmen, 224; LEVIN, Verheißung, 211; PFEIFFER, Herz, 303‐306, die auf Seiten des Ezechielbuches aber nur Ez 11,19 und 36,26 berücksichtigen. OHNE‐ SORGE, Jahwe, 33.236, spricht sich indes gegen eine direkte Verbindung zwischen Ps 51 und Ez 11,19 sowie 36,26 aus. HAAG, Psalm, passim, vertritt die These, dass der
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schwierig. In der Parallelisierung von לב und רוח in Kombination mit der Wurzel חדשׁ und der Ortsangabe בקרב steht Ps 51 insbesondere Ez 36,26 nahe. Diese Kombination von Motiven findet sich bei den bisher behandelten Texten sonst nur noch in Ez 11,19f., der aber nicht für eine literarische Beziehung zu Ps 51 in Frage kommt, da die Querver‐ bindungen allesamt auf einer nachträglichen Angleichung von 11,19f.* an 36,26 beruhen. Mit Ez 36,23bb‐32 berührt sich Ps 51 weiterhin in der Vorstellung, dass der inneren Erneuerung eine kultische Reinigung vorausgehen muss (טהר Ps 51,4.9; vgl. Ez 36,25). Allerdings mit dem Unterschied, dass es in dem Psalm anders als in Ez 36,26f. nicht um die Gewährleistung des Bundes mit dem Volk geht, sondern um das indi‐ viduelle Gottesverhältnis. Entsprechend zielt die innere Erneuerung weniger auf die Zukunft als vielmehr auf die Reinigung von vergange‐ nen Sünden. In der Konzentration auf den Einzelnen zeigt sich dage‐ gen eine gewisse inhaltliche Parallele zu Ez 18,31, mit dem der Psalm auch den weisheitlichen Hintergrund teilt.76 Indessen weicht die inhalt‐ liche Konzeption von Ps 51 doch in einem entscheidenden Punkt von Ez 18,31 ab: Nicht den Israeliten wird zugetraut, das Neuerungshan‐ deln zu leisten, sondern Ps 51,12 sieht ein schöpfungsmäßiges Handeln Gottes am Menschen vor ()ברא־לי. Ein literarisches Abhängigkeitsver‐ hältnis zwischen Ps 51 und Ez 18,31 erscheint aus diesem Grund eher unwahrscheinlich. Es bleiben damit zwei Möglichkeiten: Entweder ist in Ps 51 eine weitere literarische Vorlage für Ez 36,26f. zu sehen oder der Psalm ba‐ siert auf einer Auslegung des ezechielischen Textes. M. E. erklären sich die Abweichungen zwischen den beiden Texten am einfachsten durch die These, dass in Ps 51 eine Aktualisierung und Weiterentwicklung der ezechielischen Verheißung vorliegt: Was in Ez 36,26f. dem Volk verheißen worden ist, erfleht der Beter des Psalms nun für sich.77 Das steigernde Moment gegenüber Ez 36,26f. zeigt sich vor allem im Ge‐ gesamte Psalm traditionsgeschichtlich u.a. auf dem Restitutionsprogramm gründe, das die Schule Ezechiels in 36,16‐32 entworfen habe. 76 Vgl. PFEIFFER, Herz, 306f. 77 So auch ZENGER, HThK.AT, 52f.; GROSS, Mensch, 107, und HAAG, Psalm, 186‐188. Damit ergeben sich aber nicht unwesentliche Konsequenzen für die historische Ein‐ ordnung des Psalms: Wenn er nach der hier vorgelegten Analyse die späte re‐ daktionelle Fortschreibung Ez 36,23bb‐32 bereits voraussetzt, dann muss für den Psalm eine Abfassungszeit im 3. oder sogar 2. Jh. v. Chr. angenommen werden (vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.4.). Im Allgemeinen wird der Psalm jedoch in das 5. Jh. v. Chr. datiert, vgl. z. B. ZENGER, HThK.AT, 30, wobei allerdings in den meisten Fällen nicht die Abhängigkeit von Ez 36,26f. bestritten wird, sondern für dieses Stück eine wesentlich frühere Datierung angenommen wird (vgl. exemplarisch ZENGER, a.a.O., 52f., der für Ez 36,24‐28 von einer exilischen oder frühnachexilischen Abfassung aus‐ geht).
Der neue Bund: Ez 36,23bb‐38
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brauch von ברא für das Handeln Gottes anstelle von נתן. Das Verb ברא ist im Alten Testament nur Gott als Träger des Tuns zugeeignet und findet sich vor allem in der Priesterschrift und im Zweiten Jesaja, wo von der anfänglichen Schöpfung und der Erneuerung der Schöpfung die Rede ist.78 Die vollständige und wesentliche Erneuerung des Men‐ schen in Ez 36,26f. wird in Ps 51,12 durch die Verwendung von ברא als erneute Schöpfertat Jhwhs rezipiert. Damit wird auch ein weiteres Mal auf die Alleinwirksamkeit Gottes zum Heil verwiesen, da die innere Neuausstattung des Menschen allein durch seine schöpferische Tat möglich ist.79 Die Interpretation als Schöpfertat legt sich für den Autor von Ps 51 vielleicht auch von der Position seines traditum unmittelbar vor der Vision von der Wiederbelebung der trockenen Knochen ()עצמות in Ez 37,1‐14 her nahe. Darauf könnte die Verwendung von עצם in Ps 51,10 deuten, wo davon die Rede ist, dass die von Jhwh zerschlagenen Gebeine ()עצמות דכית wieder frohlocken sollen. Zwar ist עצם für den Psal‐ ter mit 13 Belegen kein unüblicher Terminus, aber die Position von Ps 51,10 vor der Auslegung von Ez 36,26f. in Ps 51,12‐14 macht es doch wahrscheinlich, dass in diesem Vers eine Anspielung auf Ez 37,11‐14 vorliegt.80 Es ist schließlich zu überlegen, ob sich die Vorstellung des willigen Geistes in Ps 51,14 einer Auslegung der Geistgabe aus Ez 36,27 ver‐ dankt. Während in Ps 51,14 der erbetene willige Geist die Ausrichtung des menschlichen Willens auf Jhwh beschreibt, ist die Gabe von Jhwhs Geist in Ez 36,27 Voraussetzung für den Gesetzesgehorsam des Men‐ schen. Mithin ist es in beiden Texten die Verfasstheit des menschlichen Geistes, die über das Gottesverhältnis des Menschen entscheidet, auch wenn in Ps 51 die Spiritualisierung des Opfers im Vordergrund steht, während Ez 36,27 auf die Bundespflicht zielt. Auf jeden Fall zeigt bereits die vierfache Nennung von רוח, dass der Geist in Ps 51 eine gegenüber dem Herz bedeutendere Stellung einnimmt. Damit zeichnet sich von Jer 32,37‐41 über Ez 11,19f.* – Jer 31,31‐34 – Ez 18,31 – (Jer 78 Vgl. dazu insgesamt A. ANGERSTORFER, Der Schöpfergott des Alten Testaments. Herkunft und Bedeutung des hebräischen Terminus ברא „schaffen“, Regensburger Studien zur Theologie, Frankfurt a. M. 1979. Zur Verwendung des Begriffs in Ps 51 vgl. auch GROSS, Eigenart, 253f. 79 Vgl. GROSS, Mensch, 106f.; HAAG, Psalm, 186f., und ZENGER, HThK.AT, 53. 80 Vgl. ZENGER, HThK.AT, 52, sowie PFEIFFER, Herz, 305. Es gibt einige Hinweise da‐ rauf, dass der Psalm noch weitere prophetische Stücke voraussetzt, vgl. z. B. die Re‐ de von Gottes heiligem Geist, der nur noch in Jes 63,10.11 belegt ist. Des Weiteren können auch die Bitten um Sündenvergebung (vgl. Jes 43,25; 44,22; Jer 31,31‐34), die Erschaffung von Neuem (vgl. Jes 42,5‐9; 43,19 und 48,1‐11) und die Einsicht des Beters (vgl. Ez 36,31) auf vorgegebene Stücke zurückgehen, auch wenn hier nicht in jedem Fall eine literarische Abhängigkeit vorliegen muss.
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24,6‐7a)81 – Ez 36,23bb‐32 – Ez 11,19ab bis zu Ps 51 ein Interpretations‐ vorgang ab, in dem die Verfasstheit des Geistes zunehmend an Bedeu‐ tung gewinnt. Ist es in den Texten des Jeremiabuches ebenso wie in der ursprünglichen Fassung von Ez 11,19f.* anfangs nur die Beschaffenheit des Herzens, die thematisiert wird, tritt in Ez 36,26f. und sekundär in Ez 11,19f. (V 19ab) der neue Geist neben das neue Herz, bis in Ps 51 die Geisteshaltung über das Gottesverhältnis entscheidet.82 Zwar wird der Bund in Ps 51 nicht näher thematisiert, aber vor dem literarischen Hin‐ tergrund steht außer Frage, dass die Bitten um das reine Herz und den erneuerten Geist auf die Individualisierung der Verheißung des neuen Bundes zurückzuführen sind: „Mit diesen Bitten bittet der Beter letzt‐ lich um die Gnade des Neuen Bundes.“83 1.5. Der neue Bund im Ezechielbuch Die Frage nach dem neuen Bund im Ezechielbuch hat damit eindeutig eine positive Antwort gefunden. Der späte Nachtrag in Ez 36,23bb‐32 formuliert Voraussetzungen für einen dauerhaften Bundesschluss, wie er im literarischen Kontext vorgegeben ist. Da der Autor dabei auf Jer 31,31‐34 als Vorlage zurückgreift, schwebt ihm zweifelsfrei nicht nur ein dauerhafter, sondern der dauerhafte als der neue Bund vor. Wird danach gefragt, wie der neue Bund den Weg ins Ezechielbuch gefunden hat, so muss allerdings mit Ez 11,19f.* begonnen werden, wo sich der neue Bund gleichsam durch ein Hintertürchen in das Buch schleicht. Dort erörtert der Autor von Ez 11,19f.* als Erster in einer 81 In Bezug auf Jer 24,6‐7a kann nur als gesichert gelten, dass dieser der jüngste der drei Jeremiatexte ist. Da kein Abhängigkeitsverhältnis zu den Stücken aus dem Eze‐ chielbuch festgestellt wurde, muss seine relative Einordnung unsicher bleiben. 82 Dieser Auslegungsvorgang findet in der Gemeinderegel von Qumran (1QS) eine Fortsetzung, wo die Beschaffenheit der רוח über die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entscheidet (vgl. 1QS II,14.20; V,21.24; VI,17; VII,18.23; IX,14.15.18). Darüber hinaus finden sich zahlreiche lexikalische und inhaltliche Anspielungen auf Ps 51. So ist zu überlegen, ob in der Selbstbezeichnung der Gemeindemitglieder als derjenigen, die sich als willig erweisen (המתנדבים, vgl. V,1.6.8.10.21.22; המתנדב, VI,13; הנדבים, I,7.11) ein Bezug auf die רוח נדיבה in Ps 51,14 vorliegt. Für diese Überlegung spricht auch, dass im Kontext der zwei Passagen, die das Selbstverständnis der Gemeinde als freiwil‐ liges Opfer beschreiben (VIII,4‐10; IX,4‐6), der im Alten Testament und in Qumran äußerst selten belegte Terminus רוח נשברה (VIII,3; vgl. XI,1) verwendet wird; vgl. Ps 51,19. Schließlich sieht die Zwei‐Geister‐Lehre in 1QS ähnlich wie Ps 51 eine neue Schöpfung (עשות חדשה, IV,25) vor, die eine innere Reinigung und Restitution der Geis‐ tesverfassung (טהר/ )רוחdurch den Geist der Heiligkeit (ברוח קודש, IV,21) beinhaltet. 83 ZENGER, HThK.AT, 53. Vgl. auch GROSS, Eigenart, 254: „Das, was die beiden Prophe‐ ten [Jeremia und Ezechiel] als einziges Heilmittel in der derzeitigen, der Sünde verhafteten Situation des Menschen erkennen und für die Heilszukunft verheißen, eben darum bittet der Psalmist.“
Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f.
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Auslegung von Jer 32,37‐41 eine Veränderung des Herzens als Voraus‐ setzung für einen Bund mit der Diaspora. In einem nächsten Schritt lässt sich ein späterer Verfasser in Ez 18,31 zu der Aussage vom neuen Herz und neuen Geist inspirieren, die vermutlich sowohl Ez 11,19f.* als auch Jer 31,31‐34 voraussetzt. In seiner Rezeption von Jer 31 greift der Autor von Ez 36,23bb‐32 auf diese innerbuchlichen Vorlagen zurück und zitiert sowohl Ez 11,19f.* als auch Ez 18,31. Dabei interpretiert er allerdings die Gabe des neuen Geistes als die Gabe von Jhwhs Geist, wie sie ihm in Ez 37,1‐14 vorgegeben ist. Das Verständnis des neuen Bundes in Ez 36,23bb‐32 ist radikaler und umfassender gedacht als in Jer 31,31‐34, denn anders als im Jeremiabuch wird nicht nur der Bund erneuert, sondern Jhwh schließt seinen Bund mit einem neuen Men‐ schen. Sein Heilshandeln zielt auf eine Neuschöpfung der mensch‐ lichen Natur, so dass ein Zurückfallen in die alten Wege und Taten qua natura nicht mehr möglich ist. In Ps 51 wird die Vorstellung der Neu‐ schöpfung schließlich auf die Spitze getrieben, indem die innere Erneu‐ erung explizit als Schöpfungsakt Gottes erbeten wird. Allerdings liegt der Fokus hier auf dem Individuum, das Gottes schöpferisches und er‐ neuerndes Handeln an sich erbittet. Ez 36,23bb‐32 kann somit als theologischer Kulminationspunkt in einer Reihe von Texten bezeichnet werden, in denen in zunehmendem Maße ein Eingriff Gottes in das menschliche Willenszentrum erwartet wird, um die Unverbrüchlichkeit des Bundes mit seinem Volk zu ge‐ währleisten. Es bleibt zu fragen, ob diese Aussagen in Verbindung mit der Umstellung der Kapitel zur Struktur des masoretischen Textes viel‐ leicht schon im Blick auf das sich formierende corpus propheticum entstanden sind. Auch wenn eine genaue Klärung erst in der syntheti‐ schen Analyse erfolgen kann, bleibt festzuhalten, dass die Verheißung von neuem Herz und neuem Geist nicht ohne den Bezug auf das Jere‐ miabuch zu denken ist.
2. Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f. 2.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Die Gog‐Perikope in Ez 38f. berichtet in einer Fülle von Einzelmotiven von dem Einfall feindlicher Mächte aus dem Norden unter Führung von Gog und deren endgültiger Niederlage auf den Bergen Israels. Die Position der Kapitel innerhalb der Heilsprophetie des dritten Buchteils ist dabei in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. So fällt zuerst auf, dass die Perikope durch ihre Stellung von den anderen Fremdvölkersprüchen
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im zweiten Buchteil Kap. 25‐32 isoliert ist. Schon von daher liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier nicht nur um ein sozusagen „verirr‐ tes“ Fremdvölkerwort handelt, sondern dass die Perikope von beson‐ derer Bedeutung für die Heilsprophetie des Buches ist. Darüber hinaus stehen die Gog‐Kapitel nach der ersten Analyse auch in dem Verdacht, einen ursprünglichen Textzusammenhang in Ez 36,16‐22(23aba) und 39,23‐29 zu zertrennen,84 wobei aber insbesondere die genaue Abgren‐ zung nach hinten noch weiterer Untersuchung bedarf. Es wird deshalb im Folgenden in drei Schritten zu analysieren sein, welche Funktion die Gog‐Perikope im dritten Teil des Buches ein‐ nimmt und warum sie genau an dieser Stelle eingeschrieben worden ist. Zuerst wird es in der Textanalyse darum gehen, die Perikope von ihrem literarischen Kontext abzugrenzen und den Ursprungstext zu eruieren. Anschließend soll in einer Untersuchung des redaktionellen Horizontes geklärt werden, mit welcher Intention das Grundwort an diesem Ort im Buch eingefügt worden ist. Als erhellend für diesen Problemkomplex kann sich die Frage erweisen, inwieweit die Gog‐ Perikope auf Vorlagen im Buch oder außerhalb des Buches zurück‐ geführt werden kann. Deshalb folgt in einem dritten Abschnitt der Vergleich mit nahestehenden Texten des Buches sowie die Analyse möglicher Vorlagen im Jeremiabuch, um abschließend die Gog‐Peri‐ kope in die Heilsprophetie des Ezechielbuches einzuordnen. 2.2. Textanalyse 2.2.1. Abgrenzung Wird nach der genauen Abgrenzung des Gog‐Komplexes gefragt, so muss die Untersuchung nach dem Zeugnis des Pap. 967 von einer literarischen Ebene ausgehen, auf der die Kapitel Ez 38f. zwischen Ez 36,16‐23ba und Ez 37 eingeordnet sind. Von dem vorangehenden Stück in 36,16‐23ba, welches das Ansehen von Jhwhs heiligem Namen durch die Zerstreuung Israels unter die Völker bedroht sieht, ist die Gog‐Peri‐ kope durch die Wortereignisformel in 38,1 klar abgegrenzt. Die genaue Abgrenzung nach hinten stellt die Analyse dagegen vor einige Schwie‐ rigkeiten. Zwar ist auf jeden Fall mit der Visionseinleitung in 37,1 eine Zäsur gegeben, aber auch bei den vorhergehenden Abschnitten ist die ursprüngliche Zugehörigkeit zum Gog‐Komplex fraglich. Das letzte Stück, das eindeutig zur Gog‐Thematik zu ziehen ist, ist 39,17‐20. Diese 84 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3. Bei Ez 36,23aba handelt es sich um eine nachträgliche Ein‐ zelversfortschreibung, die erst eingefügt worden ist, als 36,16‐22 und 39,23‐39 bereits durch die Gog‐Perikope voneinander getrennt wurden (vgl. dazu u. Kap. III. 3.2.).
Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f.
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Verse nehmen eine Ankündigung aus 39,4 auf, nach der Gog mit sei‐ nem Heer den wilden Tieren zum Fraß werden wird, und machen sie zum Thema eines eigenen Abschnittes.85 Die genaue Zuordnung der folgenden Verse 39,21‐29 ist dagegen von jeher unter den Exegeten dis‐ kutiert worden.86 Das gesamte Stück gliedert sich in drei Redegänge in V 21f., V 23f. und V 25‐29, von denen die beiden letzten durch die korrespondie‐ rende Wendung ואסתר פני (V 23.24) bzw. ולא־אסתר עוד פני (V 29) verbun‐ den sind. Zumindest in Bezug auf 39,25‐29 ist klar erkennbar, dass der Text in Spannung und Widerspruch zum Inhalt der eigentlichen Gog‐ Perikope steht: So kündigt Jhwh in diesen Versen die Schicksalswende Israels an und verheißt Sammlung und Rückführung des zerstreuten Volkes (V 27). Diese Ereignisse werden aber in der Gog‐Perikope fast durchgängig als bereits geschehen vorausgesetzt (vgl. 38,8.12.14). Des Weiteren scheint das Stück völlig in Unkenntnis über das Anliegen der vorherigen Texte zu sein: Anders als in 38,1‐39,20 geht es nicht um eine Feindbedrohung Israels, sondern die Heilswende Israels soll das Got‐ tesverhältnis restituieren und der Wiederherstellung von Jhwhs heili‐ gem Namen unter den Völkern dienen. In diesen Aussagen zeigt sich zwar eine gewisse Nähe zum Anliegen der Gog‐Perikope, die ebenfalls ein Interesse an der Völkererkenntnis (vgl. 38,16.23; 39,7) und der Of‐ fenbarung von Jhwhs heiligem Namen (39,7) hat. Aber während dort die Völker angesichts der Zerschlagung Gogs und seines Heeres zur Erkenntnis kommen, wird diese in 39,25‐29 durch Jhwhs Rückführung seines Volkes bewirkt. Diese Beobachtungen sprechen eindeutig dafür, dass 39,25‐29 nicht der eigentlichen Gog‐Thematik zuzuordnen ist und bestätigen somit die Annahme, dass es sich hier um das Gegenstück zu 36,16‐22(23aba) handelt, das mit diesem vor Einfügung der Gog‐Peri‐ kope einen Textzusammenhang gebildet hat. 85 Anders dagegen HÖLSCHER, Hesekiel, 186f., der den ursprünglichen Schluss der Gog‐Weissagung bereits in 39,16 sieht und das Opfermahl der Tiere in 39,17‐20 nicht mehr auf Gog, sondern allgemein auf die Fürsten der Erde bezieht. Gegen diese The‐ se sprechen aber die Stichwortverbindungen, durch die der Bezug von 39,17‐20 auf 39,4 und damit auf Gog evident wird (על הרי ישׂראל, V 4; vgl. V 17; צפור כל כנף וחית השׂדה, V 4; vgl. לצפור כל כנף ולכל חית השׂדה, V 17). 86 Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei BLOCK, Gog I, 258‐261. BLOCK ist in der jüngeren Forschung der Einzige, der die Zugehörigkeit von 39,21‐29 zur eigentlichen Gog‐Perikope vertritt (vgl. BLOCK, a.a.O., 257‐270, sowie DERS., NICOT II, 479f.). Die weiteren Vorschläge sehen in dem Stück zumeist eine redaktionelle Abrundung entweder der Gog‐Perikope oder der vorgängigen Heilsprophetie, wobei aber die genaue Abgrenzung variiert; vgl. ZIMMERLI, BK, 968 (zu 39,23‐29); GARSCHA, Stu‐ dien, 123 Anm. 353 (zu 39,21‐29); HOSSFELD, Untersuchungen, 492 (zu 39,23‐29), und im Anschluss an diesen ALLEN, WBC 29, 204. POHLMANN, ATD, 514‐518, bestimmt 39,25‐29 dagegen als ein der Gog‐Perikope vorgängiges Stück.
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Als nächstes kommt der Redegang 39,23f. als mögliches Ende der Gog‐Perikope in Betracht. In diesen beiden Versen kündigt Jhwh an, dass die Völker im Rückblick erkennen werden, dass das Haus Israel wegen seiner Vergehen in die Zerstreuung geführt worden ist. Inhalt‐ lich passt diese Aussage sehr viel besser zu dem nachfolgenden Stück in 39,25‐29, das ebenfalls die Völkererkenntnis mit der Diaspora‐ situation Israels verbindet, als zu der Gog‐Perikope. Da auch schon aufgezeigt worden ist, dass V 23f. und V 25‐29 durch die Korrespon‐ denz von ואסתר פני in V 23f. zu ולא אסתר עוד פני in V 29 zusammenge‐ halten werden, liegt es nahe, V 23f. noch zu dem folgenden Stück in 39,25‐29 zu ziehen.87 Damit bleibt nur noch die Zugehörigkeit von 39,21f. zu klären. V 21 enthält die für Ez 38f. zugegebenermaßen singuläre Ankündigung, dass Jhwh seine Herrlichkeit (;כבודי vgl. im Kontext des dritten Buch‐ teiles nur noch Ez 43,2‐5) unter die Völker geben wird, die sein Gericht sehen werden. Daraufhin wird auch das Haus Israel für alle Zeiten zur Gotteserkenntnis kommen (V 22). Diese beiden Verse sind schwerlich ohne Einbeziehung der Gog‐Thematik verständlich. Auch wenn sich das erwähnte Gericht als das Gericht über Israel deuten ließe, so liegt es doch näher, dahinter die Vernichtung Gogs und seiner Völkerschar durch Jhwh zu sehen. Desgleichen verweist das rückbezügliche מן־היום (V 22b) auf eben dieses Geschehen, auf das die gesamte Gog‐Perikope hindurch immer wieder mit zeitlichen Angaben Bezug genommen wird (vgl. 38,10.14.18; 39,8.11.13). Da 39,22 mit der „Huldformel“, die das Gottesverhältnis zum Erkenntnisgegenstand Israels macht, auch eine passende Schlussformulierung aufweisen kann, spricht alles da‐ für, dass hier der eigentliche Abschluss der Gog‐Perikope vorliegt. Die Kapitel sind damit in der folgenden Textanalyse in der Abgrenzung 38,1‐39,22 (38f.*) zu behandeln. 2.2.2. Aufbau und Grundwort Die Untersuchung der Gog‐Perikope ist von jeher durch die Doppe‐ lung in Kap. 38 und 39 bestimmt worden, die beide ein Wort gegen den Fürsten Gog enthalten.88 Will man darin nicht ein besonderes Stilmittel der Darstellung sehen, mit dessen Hilfe das Geschehen von verschie‐ denen Seiten beleuchtet wird,89 dann liegt hier bereits ein Indiz dafür 87 Anders POHLMANN, ATD, 516f., der in V 21‐23(24) den Abschluss der Gog‐Perikope sieht. 88 Zur Forschungsgeschichte vgl. LUTZ, Jahwe, 63‐65; OTZEN, Art. גּוֹג, 958‐965, und LANG, Ezechiel, 110‐112. 89 So z. B. COOKE, ICC, 408; BLOCK, NICOT II, 425.
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vor, dass Ez 38f. keine einheitlich konzipierte Textabfolge darstellt. Auf einen literarischen Fortschreibungsprozess deuten auch die Häufung des Formelgutes sowie mehrere Anredewechsel und inhaltliche Ver‐ schiebungen hin.90 Diese These ist in der folgenden Textanalyse durch weitere Beobachtungen zu erhärten. Dabei steht insbesondere die Frage im Vordergrund, ob die Doppelung des Wortes gegen Gog mit der Annahme eines strophischen Grundwortes erklärt werden kann oder ob sie auf die nachträgliche Fortschreibung eines Kernelementes zu‐ rückgeht.91 Aufgrund der isolierten Stellung des Stückes wird schließ‐ lich auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen sein, dass sich das literarische Wachstum des Stückes außerhalb des Buches abgespielt hat, und der gesamte Gog‐Komplex erst in seiner jetzt vorliegenden Form in das Buch eingearbeitet worden ist.92 Ein Überblick über Ez 38,1‐39,22 zeigt, dass eine Grundschicht des Textes nicht ohne zumindest eines der beiden ursprünglichen Worte gegen Gog in Kap. 38 und 39 rekonstruiert werden kann. Das erste Kapitel in Ez 38 lässt sich mit Hilfe des Formelgutes in vier Redegänge gliedern. Die erste Rede in 38,1‐9 setzt mit der Wortereignisformel in V 1 ein und ist nach hinten durch den Neueinsatz in V 10 begrenzt. In diesen Versen wird der Prophet in 38,2 aufgefordert, sein Angesicht gegen Gog, den Fürsten von Meschech und Tubal, zu richten und gegen ihn zu prophezeien. Es ist bisher nicht gelungen, eine befriedi‐ gende historische Identifikation für die Gestalt „Gog“ vorzunehmen.93 90 In der jüngeren von einem diachronen Ansatz ausgehenden Forschung ist beinahe unbestritten, dass die Gog‐Perikope in ihrer vorliegenden Form das Ergebnis eines komplizierten literarischen Wachstumsprozesses ist; vgl. dazu den Überblick bei ALLEN, WBC 29, 202‐204, und BLOCK, NICOT II, 426‐430. Die literarische Einheit‐ lichkeit wurde vor allem in der älteren Forschung vertreten; vgl. z. B. HÖLSCHER, He‐ sekiel, 177f. (für 38,1‐39,16), und COOKE, ICC, 407f.422 (für 38,1‐39,20). Neuerdings behandeln auch BLOCK, NICOT II, 426f., und PREMSTALLER, Fremdvölkersprüche, 8.222‐249, in ihren holistisch ausgerichteten Analysen Kap. 38f. als einheitlich. 91 ZIMMERLI, BK, 937f., legt ein strophisches Grundwort in 38,1‐9*; 39,1‐5.17‐20 zugrun‐ de; ihm folgt GARSCHA, Studien, 231‐239. In ähnlicher Weise spricht POHLMANN, ATD, 511, davon, dass für den Ursprungstext lediglich 38,1‐9; 39,1‐5.7 und eventuell 39,17‐20 in Frage kämen. LUTZ, Jahwe, 65, greift zwar ZIMMERLIS Vorschlag auf, spricht dem Grundbestand aber 38,1‐9 ab, das „sekundäre Nachbildung zu 39,1‐5“ sei, und reduziert das Grundwort damit auf zwei Strophen in 39,1‐5.17‐20. HOSS‐ FELD, Untersuchungen, 402ff.498‐501, geht wie LUTZ davon aus, dass die Doppelung der Gog‐Worte das Ergebnis literarischer Fortschreibung ist, findet die Grundschicht der Perikope aber in 38,1‐3a; 39,1b‐5. 92 So FUHS, NEB, 214. Dieser vertritt die These, dass mit der ehemals selbständigen Gog‐Perikope ein früher apokalyptischer Versuch vorliegt, der durch die redaktio‐ nelle Einbindung in das Buch zu einem Geschehensvorgang „herabgeschraubt“ werde, der auf der Linie der Völkersprüche liege (vgl. FUHS, a.a.O., 224). 93 Zu den zahlreichen Deutungsversuchen vgl. FOHRER, HAT, 212‐216; ZIMMERLI, BK, 938‐942.947f.; LANG, Ezechiel, 110f., und neuerdings BLOCK, NICOT II, 432‐436.
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Aus den Angaben des Textes wird nur ersichtlich, dass er der Anführer einer Völkerschar ist und Meschech und Tubal (vgl. Ez 32,26) seinen eigentlichen Herrschaftsbereich bilden. Das Problem seiner histori‐ schen Identifikation wird deshalb im Folgenden zugunsten der Frage nach seiner Funktion innerhalb der Perikope zurückgestellt. Die in V 3 durch die Botenformel eingeleitete Jhwh‐Rede richtet sich in durchgehender Anrede an diesen geheimnisvollen Gog, den Jhwh mitsamt seinem ganzen Aufgebot gegen die Berge Israels führen will (V 8). Die Auseinandersetzung zwischen Jhwh und Gog wird da‐ bei durch die Herausforderungsformel הנני אל in V 3 als eine Art Zwei‐ kampf geschildert,94 in dem die Vorteile allerdings klar verteilt sind: Jhwh beherrscht die Szene und steuert Gogs Handeln nach Belieben. In 38,10‐16 folgt im zweiten Redegang eine anknüpfende Jhwh‐ Rede, die in V 10 durch eine erneute Botenformel und die rückver‐ weisende Zeitangabe ביום ההוא angeschlossen ist. Diese Rede wird in V 14 durch einen mit der Partikel לכן eingeleiteten Redeauftrag mit Botenformel untergliedert, der die beiden Teile in ein kausales Verhält‐ nis zueinander setzt. Das erste Stück in V 10‐13 beschreibt in fort‐ führender Anrede an Gog dessen Motive für den Zug gegen Israel. Gog wird darin in V 12 in den Mund gelegt, dass er gegen das restituierte Volk ziehen wolle, um Beute zu erbeuten ()לשׁלל שׁלל und Plündergut zu plündern ()ולבז בז. Anders als in 38,1‐9 erscheint hier nicht primär Jhwh als die treibende Kraft, sondern Gog zieht aus eigenem Entschluss gegen das Land, um seine Beutegier zu befriedigen. Die V 14‐16a beste‐ hen dagegen aus einer einzigen rhetorischen Frage, die inhaltlich nichts Neues bringt, sondern durch Wiederaufnahmen aus V 8f. gekennzeich‐ net ist. Erst V 16b enthält die eigentliche Zielaussage des Abschnittes: Jhwh wird Gog über sein Land kommen lassen, damit die Völker ihn erkennen und er sich an diesem vor ihren Augen als heilig erweisen kann. Der Anschluss dieses zweiten Redeganges durch eine weitere Botenformel in V 10 und die Wiederaufnahmen in V 14‐16a deuten darauf hin, dass es sich bei diesem Abschnitt um eine sekundäre Fort‐ schreibung handelt. In ihr wird das Vorhergehende dahingehend er‐ gänzt, dass eine subjektive Motivation für den Zug Gogs gegen Israel und mit der Völkererkenntnis das eigentliche Ziel von Jhwhs Handeln nachgetragen wird. Nach der erweiterten Erkenntnisformel, mit der der zweite Rede‐ gang in 38,16b schließt, folgt in 38,17, eingeleitet durch eine Boten‐ formel, eine erneute Anrede Gogs. Er wird von Jhwh als der angespro‐ chen, der durch „meine Knechte, die Propheten Israels“ ()עבדי נביאי ישׂראל 94 Vgl. dazu HOSSFELD, Untersuchungen, 435f. Zu einer umfassenderen Untersuchung dieser Formel siehe HUMBERT, Herausforderungsformel, 101‐108.
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in früheren Tagen ()בימים קדמונים angekündigt worden ist. Mit dieser Einordnung Gogs in die prophetische Tradition liegt eine Kommentie‐ rung des vorherigen Geschehens vor, die deutlich über den Horizont der Gog‐Perikope hinausgeht, so dass hier ein weiterer Nachtrag zu vermuten ist. In der Wendung „meine Knechte, die Propheten“ klingt spät‐dtr. Sprachgebrauch an.95 Dieser Nachtrag umfasst nur V 17, da in V 18 mit der zeitlichen Anknüpfung ביום ההוא ביום בוא גוג und der unter‐ streichenden Gottesspruchformel ein so gewichtiger Einschnitt gege‐ ben ist, dass hier der Beginn eines neuen Redegangs vorliegen muss. Die so eröffnete Einheit umfasst die Verse 38,18‐23 und wird in V 23 durch eine weitere auf die Völker gerichtete Erkenntnisformel abge‐ schlossen. Von den vorherigen Stücken grenzt sich der Text vor allem dadurch ab, dass Gog nicht mehr direkt angesprochen ist, sondern über ihn und sein Geschick in der dritten Person gehandelt wird. Die Auseinandersetzung zwischen Jhwh und Gog bleibt dabei nicht mehr im Bild des Zweikampfes, sondern ist als Gerichtsverfahren (שׁפט ni., V 22) geschildert. Erst in diesem letzten Redegang von Kap. 38 wird explizit angekündigt, dass Gog eine Niederlage im Land Israel erleiden wird. Die Darstellung des Gerichts über ihn bekommt dabei aber kos‐ misch‐universalistische Züge und geht so über die Bestrafung einer einzelnen Feindmacht weit hinaus. Das zweite Wort gegen Gog in Kap. 39 hat einen komplexeren Auf‐ bau als Kap. 38 und bereitet bei der Gliederung in Redegänge einige Schwierigkeiten. Der erste Redegang setzt in 39,1a mit einer doppelten Anrede, Redebefehl und Botenformel ein. Wie in 38,1‐9 wird mit der anschließenden Herausforderungsformel in 39,1b ein Wort gegen Gog, den Hauptfürsten von Meschech und Tubal, eröffnet, den Jhwh aus dem „äußersten Norden“ (מירכתי צפון, V 2) auf die Berge Israel führen will. Aber im Gegensatz zu der parallelen Schilderung in 38,1‐9 wird in 39,4f. auch die Niederlage des Feindes beschrieben: Gog wird auf den Bergen Israels fallen und den wilden Tieren zum Fraß gegeben werden. Die Wortbekräftigungsformel in V 5b hat dabei deutlichen Abschluss‐ charakter, der noch durch eine nachstehende Gottesspruchformel ver‐ stärkt wird, so dass hier das Ende des ersten Redeganges zu vermuten ist. 96 Die folgenden Verse sind damit auf jeden Fall sekundär gegenüber 39,1‐5, wobei ihre genaue Einordnung aber schwierig erscheint. 39,6 führt trotz der Zäsur in V 5 die Jhwh‐Rede fort, allerdings wechselt 95 Vgl. WESTERMANN, Art. ֶע ֶבד, 193. 96 So mit ZIMMERLI, BK, 936; HOSSFELD, Untersuchungen, 408. Dagegen zieht POHL‐ MANN, ATD, 511, noch V 7 zum Ursprungstext in 39,1‐5, ohne dabei auf die durch die Wortbekräftigungsformel gegebene Zäsur einzugehen.
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hier die Rederichtung, da die Anrede an Gog aufgegeben ist, um ergän‐ zend festzustellen, dass Jhwh auch das Heimatland von Gog vernich‐ ten wird. Eine Erkenntnisformel, die auf die „Bewohner der Inseln“ gerichtet ist, schließt den Vers ab. Der folgende V 7 hat keine eigene Einleitung, schlägt aber mit der Offenbarung von Jhwhs heiligem Namen ein neues Thema an, das zwar bereits in 36,16‐23ba eine Rolle spielt, in der Gog‐Perikope aber bisher noch nicht behandelt worden ist. Die Offenbarung von Jhwhs heiligem Namen ist dabei auf die Völ‐ ker gerichtet, wie die Erkenntnisformel in V 7b zeigt. Der folgende V 8 hat eindeutig abschließenden Charakter, da er mit einer unterstrei‐ chenden Gottesspruchformel festhält, dass Jhwh das Eintreffen seiner Ankündigungen garantiert.97 Der Abschluss in V 8b דברתי היום אשׁר הוא kann dabei als inclusio zu der Wortbekräftigungsformel in V 5 interpre‐ tiert werden; er verweist aber in der Endgestalt der Gog‐Perikope auch zurück auf den Vers Ez 38,17, der in ähnlicher Weise das Eintreffen früherer Weissagungen zum Thema hat. Wird 39,8 als Abschluss der vorhergehenden Textfolge 39,1‐5.6f. bestimmt, so muss der folgende Abschnitt V 9f. einer anderen literari‐ schen Schicht angehören. Inhaltlich geht es um das Problem, wie die Bewohner Israels mit den Waffen und der Ausrüstung des gefallenen Feindes verfahren sollen. Der Abschnitt zeigt einige Berührungen zu 38,12f., da der Gegner in V 10 als „Räuber“ ()שׁללים und „Plünderer“ ()בזזים bezeichnet wird. In 39,11 beginnt mit dem Rückverweis והיה ביום ההוא ein neues Stück, das ähnlich wie 39,9f. ein Folgeproblem behandelt; diesmal allerdings die Frage, wie das Haus Israel mit den Überresten der toten Feinde verfahren soll, die das Land verunreinigen. Dieses Problem zieht sich durch die gesamten Perikope V 11‐16, die aber in V 13b durch eine Gottesspruchformel in zwei Unterabschnitte gegliedert wird. Während in V 11‐13 grundlegend das Begräbnis der Feinde zur Reinigung des Landes thematisiert wird, handeln V 14‐16 über die praktische Umset‐ zung des Unternehmens. Es ist daher schwierig zu entscheiden, ob die Gottesspruchformel in V 13 eine literarkritisch auswertbare Zäsur bildet oder ob sie lediglich gliederndes Stilmittel ist. Auf jeden Fall eröffnet 39,17 mit Anrede, Botenformel und Redeauf‐ trag einen neuen Redegang, der in V 20 durch eine Gottesspruchformel beschlossen wird. Wie bereits besprochen, greift der Abschnitt auf die vorausgehende Ankündigung von Gogs Ende in 39,4 zurück. Aus der einfachen Beseitigung der Feindüberreste durch die Tiere wird dabei in 97 HOSSFELD, Untersuchungen, 423f., notiert zwar den Abschlusscharakter von 39,8, zieht dann aber doch die Möglichkeit vor, in V 8 die Einleitung des Abschnittes 39,8‐ 10 zu sehen.
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V 17‐20 ein großes Opfermahl ()זבח, das Jhwh für die Tiere bereitet. Die Verse stehen inhaltlich unverkennbar in Widerspruch zu der vorher‐ gehenden Einheit, da nach der in V 11‐16 vorgesehenen Beseitigung der Leichen nichts mehr für die Tiere übrig bliebe. 39,17‐20 ist damit einer anderen literarischen Ebene zuzuordnen als 39,11‐16. Ebenso wenig sind die Verse aber, wie oft vermutet wird, als ursprüngliche Fortsetzung der Grundschicht in Kap. 39 anzusehen.98 Die inhaltliche Verschiebung zu 39,4 zeigt, dass es sich bei diesem Abschnitt vielmehr um einen späteren Nachtrag handelt, der die Beseitigung von Gogs Überresten durch wilde Tiere zum Motiv des Opfermahles ausbaut. Damit bleibt nur noch das kurze Stück 39,21f. Wie die Unter‐ suchung der Abgrenzung gezeigt hat, liegt mit diesen Versen der Ab‐ schluss der eigentlichen Gog‐Perikope vor. V 21 betont noch einmal die Bedeutung, die Jhwhs Gericht an Gog für die Völker hat, während V 22 den Blick auf Israel lenkt, das durch das Geschehen ebenfalls zur Gotteserkenntnis kommt. Die Zusage von Jhwhs Gottsein für das Haus Israel schließt den gesamten Komplex ab. Die Ergebnisse der Textanalyse können damit wie folgt zusam‐ mengefasst werden: Die beiden Worte gegen Gog in Kap. 38f. gliedern sich in mehrere Redegänge, von denen aber nur die beiden Kernele‐ mente in Ez 38,1‐9 und 39,1‐5 für das Grundwort in Frage kommen. Die anderen Redegänge haben sich gegenüber diesen als sekundär er‐ wiesen und sind jeweils von einem der beiden Texte abhängig. Es ist nun nach dem genauen Verhältnis von 38,1‐9 und 39,1‐5 zueinander zu fragen. Für die Annahme eines strophischen Grundwortes könnten die vielfachen Übereinstimmungen zwischen den Stücken sprechen:99 In beiden Texten wird der Prophet, angesprochen als בן אדם, mit einem Wort gegen Gog, Hauptfürst von Meschech und Tubal, beauftragt (38,2; 39,1). Auch der eigentliche Gegenstand des Redeauftrages wird parallel mit der Herausforderungsformel הנני אל, gefolgt von der Anre‐ de Gogs als Fürst von Meschech und Tubal und folgendem ושׁובבתיך, eingeführt (38,3f.; vgl. 39,1f.).100 Schließlich berühren sich die beiden 98 Vgl. ZIMMERLI, BK, 936f.; GARSCHA, Studien, 236f., und LUTZ, Jahwe, 65. Dagegen rücken HÖLSCHER, Hesekiel, 186f., und HOSSFELD, Untersuchungen, 425, das Stück 39,17‐20 von der Grundschicht in Kap. 39 ab. 99 Vgl. dazu ZIMMERLI, BK, 938, der auf die „stilisierte Gleichartigkeit“ von 38,1‐9 und 39,1‐5 verweist, mit der sie einsetzen. Siehe auch die Gegenüberstellung von 38,1‐4aa und 39,1‐2aa bei BLOCK, NICOT II, 424f. 100 An dieser Stelle ist allerdings zu beachten, dass die ältere griechischsprachige Über‐ lieferung anstelle von 38,4aba1.2 nur einfaches kai. suna,xw se liest. Dies wird gewöhn‐ lich textkritisch dahingehend interpretiert, dass LXX* V 4a nicht bezeuge (vgl. z. B. BHS; POHLMANN, ATD, 505, und PREMSTALLER, Fremdvölkersprüche, 222). Aller‐ dings fällt auf, dass in der Parallelstelle 39,2 hebräisches ושׁובבתיך (vgl. 38,4aa1) mit suna,xw übersetzt wird, so dass mit ZIMMERLI in Bezug auf die LXX*‐Variante in 38,4
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Texte auch in der Ortsangabe „äußerster Norden“ (ירכתי צפון, 38,6;101 vgl. מירכתי צפון, 39,2), wobei dieser Begriff in 38,6 aber Synonym für die zu Gog gehörenden Scharen des Hauses Torgama ist, während er in 39,2 die Richtung angibt, aus der die Feindmacht Gog gegen Israel heraufzieht. Es wäre verlockend, in הרי ישׂראל (38,8; vgl. 39,2.4) eine wei‐ tere Verbindung zwischen den beiden Stücken zu sehen. Indes muss auffallen, dass die Angabe in 38,8 nicht nur in einem stilistisch etwas überfrachteten Vers steht, sondern dass der Versteil 38,8abg על הרי ישׂראל אשׁר־היו לחרבה תמיד auch den Zusammenhang zwischen den femininen, auf ארץ bezogenen Partizipien (V 8aa) und dem Pronomen היא (V 8ba) zertrennt. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass es sich bei V 8abg um eine Glosse handelt, durch die nachträglich eine Aussage über die Berge Israels ergänzt wird.102 Trotz dieser zahlreichen Verbindungen gibt es aber auch entschei‐ dende Divergenzen zwischen den beiden Texten. So enthält Ez 38,1‐9 zahlreiche Überschüsse, die die militärische Ausstattung Gogs (V 4), die ihn begleitenden Völker (V 5f.) und die Begleitumstände seines Zuges gegen Israel (V 9) näher beschreiben. Dagegen informiert allein Ez 39,1‐5 darüber, dass und wie sich die Niederlage Gogs gegen Jhwh gestalten wird. 38,1‐9 lässt zwar implizit vermuten, dass der Feldzug Gogs kein gutes Ende nehmen wird, aber über den eigentlichen Aus‐ gang und die genaueren Umstände informiert explizit erst der späte Nachtrag in 38,18‐23. Diese Ergänzung hat allerdings nur noch wenig mit der konkret in 38,1‐9 geschilderten Situation gemein. Entscheidend ist schließlich auch die unterschiedliche Perspektive auf Israel: In 38,1‐9 zieht Gog gegen das Israel, dessen Wiederherstellung als Volk und Land in den umliegenden Heilsankündigungen in Aussicht gestellt wird (V 8).103 39,1‐5 spricht dagegen lediglich von den „Bergen Israels“, in Erwägung gezogen werden sollte, „ob nicht LXX auch in 38,4 ושׁובבתיך vor Augen gehabt habe“ (ZIMMERLI, BK, 925). Der Überschuss des MT hat eine Parallele im Wort gegen den Pharao Ez 29,4, so dass hier vielleicht eine nachträgliche Anglei‐ chung des Gog‐Wortes an dieses Fremdvölkerwort zu sehen ist, die erst spät Ein‐ gang mehr in die griechische Überlieferung gefunden hat. 101 Die LXX liest an dieser Stelle avpV evsca,tou borra/ („aus dem äußersten Norden“), aller‐ dings ist dies als Angleichung an 39,1‐5 zu erklären, so dass die masoretische Lesart beizubehalten ist (so mit ZIMMERLI, BK, 926, und PREMSTALLER, Fremdvölkersprü‐ che, 222; anders BERTHOLET, HAT, 130, und FOHRER, HAT, 213, die ein מירכתי des MT postulieren). 102 Ähnlich auch HOSSFELD, Untersuchungen, 412. 103 Vgl. dazu die Anklänge insbesondere von 38,8 an die Heilsverheißungen des Kon‐ textes: Das Schwert als Instrument von Jhwhs zurückliegendem Gericht (vgl. 35,5; 39,23); die Sammlung ()קבץ bzw. Heraufführung (יצא hif. bzw. hof.) des Volkes aus den Nationen (vgl. 34,13; 37,21), das Wohnen in Sicherheit (;לבטח vgl. 28,26; 34,25.27.28; 39,26), die Wiederbewohnung des verwüsteten Landes (vgl. 36,8.10f.) und mit dem Nachtrag 38,8abg der Verweis auf die Zeit, als die Berge zur Trümmer‐
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auf die Jhwh Gog bringen wird. Die Bewohner dieser Berge sind in die‐ sem Abschnitt noch nicht im Blick, sondern sie treten erst in den Nach‐ trägen 39,9f.11‐16 auf.104 In dieser Sicht Israels könnte 39,1‐5 in die Nähe von Ez 36,1‐15 gerückt werden, das in ähnlicher Weise mit der Restitution der Berge Israels beschäftigt ist, während ihre Wieder‐ besiedelung durch das heimkehrende Volk Israel noch aussteht. Damit wäre für 39,1‐5 anders als in der restlichen Gog‐Perikope eine Veror‐ tung kurz vor der noch ausstehenden Heilswende Israels in Erwägung zu ziehen. Dazu passt auch die Beobachtung, dass 39,1‐5 anders als alle anderen Redegänge in 38,1‐39,22 keine zeitliche Datierung enthält, die das Geschehen als „Nächstes“ oder „Nachnächstes“ bestimmt. Diese zeitliche Verortung wird erst durch die Nachträge in Ez 39,8.11.13 bzw. die Vorschaltungen in 38,8.10.14.16.18.19 hergestellt. Die aufgezeigten Divergenzen zwischen 38,1‐9 und 39,1‐5 erschei‐ nen zu gewichtig, als dass hier ein zweistrophisch gestaltetes Grund‐ wort vermutet werden kann. Vor allem in Bezug auf den Inhalt setzen die beiden Texte unterschiedliche Schwerpunkte: Während in 39,1‐5 die Zerschlagung Gogs durch Jhwh im Vordergrund steht, geht es in 38,1‐9 um die Bedrohung des heimgekehrten Israel durch Gog und seine Heerscharen. Ist einer der beiden Texte damit als sekundäre „Nachahmung“105 einzuordnen, so kann dies nur auf 38,1‐9 zutreffen. Das Stück bildet im Vergleich mit 39,1‐5 die redundantere und detail‐ reichere Fassung, während 39,1‐5 die logischere und kürzere Abfolge der Ereignisse bietet. Darüber hinaus wird 38,1‐9 ohne 39,1‐5 auch gar nicht verständlich, da nur hier der genaue Ausgang von Gogs Feldzug und sein Ende auf den Bergen Israels beschrieben wird. Schließlich weist 39,5 mit der Wortbekräftigungsformel auch die stärkste Schluss‐ formulierung innerhalb von 38f. auf, was dafür spricht, dass hier das ursprüngliche Ende des Grundwortes vorliegt. Indes wäre an dieser Stelle sogleich einzuwenden, dass die ideale Einleitung mit der Worter‐ eignisformel gerade nicht in 39,1, sondern in 38,1 vorliegt.106 Dies ist stätte wurden (;חרבה vgl. 36,4.10). Auch wenn in diesem synchronen Überblick teil‐ weise Stellen aufgeführt sein mögen, die bei Abfassung von 38,8 noch nicht im Buch vorlagen, so wird bei der Fülle der Belege doch deutlich, dass 38,8 bewusst auf die umliegenden Heilsankündigungen Bezug nehmen will. 104 In ähnlicher Weise beobachtet LUTZ, Jahwe, 77, dass „die ursprünglichen Stücke 39,1‐5.17‐20 ausschließlich von der Vernichtung Gogs“ sprechen, „ohne daß von ei‐ nem Auftrag an Israel die Rede wäre.“ Dagegen sieht er in 38,1‐9 „eine antiisraeli‐ tische Zuspitzung, die dem Grundbestand der Perikope fremd war.“ (ebd.). 105 LUTZ, Jahwe, 76. 106 HOSSFELD, Untersuchungen, 431f.433‐444.462‐467, rekonstruiert ein Grundwort, das 38,1‐3a und 39,1b‐5 umfasst, und erhält so einen Text, der sowohl Einleitungs‐ als auch Schlussformel aufweist. Dies ist zweifellos eine elegante Lösung, allerdings können die beigebrachten Argumente nicht in allen Punkten überzeugen. So ist m. E.
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allerdings kein zwingendes Argument gegen die Annahme, dass das Grundwort der Gog‐Perikope in 39,1‐5 zu finden ist. Denn der Ge‐ brauch der Wortereignisformel setzt voraus, dass es sich bei dem so Eingeleiteten um einen neuen, selbständigen Abschnitt handelt,107 wie er mit der Endfassung von Ez 38f. auch zweifelsfrei vorliegt. Es muss aber die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass der ursprüng‐ liche Grundtext gar keinen neuen Abschnitt innerhalb der Heilspro‐ phetie bildete, sondern dass er als Weiterführung oder Korrektur eines bereits vorliegenden Textzusammenhanges verstanden werden sollte. In diesem Fall bedurfte das postulierte Grundwort in 39,1‐5 nicht not‐ wendig einer eigenen Eröffnungsformel, sondern diese wurde erst auf einer späteren literarischen Ebene in 38,1 erforderlich, als das Grund‐ wort bereits zu einem Gog‐Komplex angewachsen war, der als eigen‐ ständiger Abschnitt im Buch wahrgenommen wurde. 2.2.3. Textwachstum Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass sich an die Grundschicht in Ez 39,1‐5 mehrere sekundäre Nachträge angeschlossen haben, deren relative Chronologie schwer zu bestimmen ist. Da eine vollständige Analyse der Gog‐Perikope im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten ist, soll im Folgenden nur eine kurze skizzenhafte Zuordnung der einzel‐ nen Ergänzungen versucht werden. Als erste Fortschreibung kommen Ez 38,1‐9*,108 39,17‐20 und viel‐ leicht noch 39,6f. in Betracht, da alle anderen Stücke bereits die Heim‐ kehr Israels und damit die Erweiterung des Grundwortes um 38,1‐9* voraussetzen. Von diesen dreien ist 38,1‐9* der naheliegendste Kandi‐ dat, da der Text sich in Struktur und Inhalt an das Grundwort anlehnt, aber noch keine Kenntnis der anderen Stücke zeigt.109 Es kann auch fraglich, ob die Einleitung in 39,1a schon aus dem Grund von V 1b‐5 abzutrennen ist, dass sie Gog nur mit Eigennamen anredet und damit in Spannung zu der Heraus‐ forderungsformel steht, die Eigennamen und Titel benutzt (vgl. HOSSFELD, a.a.O., 420). Des Weiteren hat HOSSFELD keine literarkritischen Argumente für die Abtren‐ nung von 38,1‐3a von den folgenden V 3b‐9 und begründet die Zusammenge‐ hörigkeit des Stückes mit 39,1b‐5 vor allem über einen formkritischen Vergleich mit anderen Fremdvölkersprüchen des Buches (vgl. HOSSFELD, a.a.O., 467). Dieser Ver‐ gleich allein kann die von ihm unternommene literarkritische Operation aber nicht rechtfertigen (vgl. dazu auch die Kritik bei ALLEN, WBC 29, 203f.). 107 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 27; SCHÖPFLIN, Theologie, 62. 108 In dieser Analyse ist nur 38,8abg als spätere Einschreibung identifiziert worden; zu weiterer Nacharbeit innerhalb des Abschnittes vgl. ZIMMERLI, BK, 924‐927, und HOSSFELD, Untersuchungen, 409‐414. 109 Der Zusatz ארץ המגוג ist mit ZIMMERLI, BK, 924f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 410, und ALLEN, WBC 29, 199, als Glosse zu streichen, die von 39,6 her späteren Eingang in das erste Gog‐Wort gefunden hat.
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angenommen werden, dass das Grundwort die nachahmende Erwei‐ terung auf der ersten Stufe des Wachstums erfahren hat, ehe es durch weitere Fortschreibungen aktualisiert und kommentiert wird. So bringt 39,6f. mit der Völkererkenntnis ein neues Element ein, während 39,17‐ 20 thematisch bereits ein Stück weit von der Gog‐Perspektive abge‐ rückt ist, da als Bestandteil des Opfers nicht ausdrücklich Gog und sei‐ ne Völkerscharen genannt werden, sondern dieses aus Überresten von „Helden“ ()גבורים und „Fürsten der Erde“ ()נשׂיאי הארץ bereitet ist (V 18). Der Text gehört damit wahrscheinlich zu den jüngeren Zusätzen im Kapitel. Mit der Vorschaltung von Ez 38,1‐9* wird die Auseinandersetzung zwischen Gog und Jhwh zu einer Bedrohung Israels durch die Feind‐ macht Gog ausgebaut. Zugleich werden die Ereignisse durch die zeit‐ liche Verortung in 38,8 in die Zukunft verlegt. Das so erweiterte Grundwort 38,1‐9*; 39,1‐5 schildert in logischer Abfolge die Bedrohung Israels durch Gog und dessen Ende auf den Bergen Israels. Mit der Wortereignisformel in 38,1 wird das Stück als eigenständiges Worter‐ eignis von seinem vorhergehenden Kontext abgegrenzt, während nach hinten weiterhin die Wortbekräftigungsformel in 39,5 als Schlusssignal fungiert. Als nächstes ist das erweiterte Gog‐Wort durch die Fortschreibung Ez 38,10‐16 aufgesprengt und evtl. gleichzeitig auch durch Ez 39,6f. fortgeschrieben worden. Beide Texte stehen darin in einer gewissen Nähe zueinander, dass sie höhepunktartig auf die Völkererkenntnis zulaufen, wobei sie allerdings jeweils anders akzentuieren. Obwohl in 38,10‐16 zuerst eine subjektive Begründung für den Zug Gogs gegen Israel ergänzt wird, betont V 16 abschließend, dass in Wirklichkeit Jhwh das Handeln Gogs steuert: Jhwh lässt Gog gegen sein Volk kom‐ men, damit die Völker ihn erkennen, wenn er sich an Gog als heilig erweist. In 39,6f. ist der Erkenntnisgegenstand dagegen genauer als der heilige Name Jhwhs bestimmt, den Jhwh in seinem Volk kundtun wird, damit die Völker ihn erkennen. Die Fortschreibung 38,10‐16 konnte nur zwischen 38,1‐9* und 39,1‐5 eingestellt werden, da der in‐ nere Monolog Gogs nur vor der Schilderung seiner Niederlage sinnvoll ist. Auf diese Weise wird das erweiterte Gog‐Wort zweigeteilt und der Weg für eine getrennte Fortschreibung der beiden Gog‐Worte in Kap. 38 und 39 geebnet. Das weitere Textwachstum scheint in einer gewissen Parallelität erfolgt zu sein. So folgen in Ez 38,17 und 39,8 zwei Nachträge, in denen die Ereignisse um Gog jeweils als Erfüllung vorhergehender Prophetie gedeutet werden. Während 38,17 Gog konkret als den identifiziert, von dem „meine Knechte, die Propheten Israels“ prophezeit haben und
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damit auf einen deuteronomistischen Hintergrund verweist, bleibt 39,8 allgemeiner. Dort wird lediglich festgestellt, dass der Tag eingetreten ist, von dem Jhwh geredet hat. Auch wenn sich damit ein ähnliches thematisches Interesse in den beiden Ergänzungen zeigt, so spricht doch die unterschiedliche Form des Rückbezuges dagegen, hier diesel‐ be Hand zu vermuten. Auf einer späteren literarischen Ebene wird Ez 38,1‐9.10‐16.17 durch 38,18‐23 fortgeschrieben, wo erneut die Völkererkenntnis eine Rolle spielt (V 23). Jhwhs Handeln in Bezug auf die Völker geht aber in diesem Stück weit über die Zerschlagung Gogs hinaus und nimmt die Züge eines universalen, apokalyptischen Gerichts über die Welt an.110 In dieser späten Fortschreibung steht der umfassende Machterweis Jhwhs gegenüber den Völkern im Vordergrund, nicht mehr die Bedro‐ hung Israels durch eine Feindmacht. In Kap. 39 ist schließlich noch das gegenseitige Verhältnis der Er‐ gänzungen in 39,9f.; 39,11‐16; 39,17‐20 und 39,21f. offen geblieben. Es ist bereits festgestellt worden, dass V 11‐16 und V 17‐20 nicht auf derselben literarischen Ebene eingeordnet werden können, da sie un‐ terschiedliche Antworten darauf geben, was mit den Überresten der Feinde passieren soll. Da V 17‐20 auf V 4 Bezug nehmen, ist es am wahrscheinlichsten, hier die ursprüngliche Fortsetzung von 39,1‐5.6f.8 zu sehen. Die Verse 11‐16 konnten dann nur noch vor V 17‐20 einge‐ setzt werden, da der Nachtrag nur so sinnvoll über die Beseitigung der Leichen berichten konnte. Umgekehrt erscheint es wenig realistisch, dass der Autor von V 17‐20 seine Rezeption von 39,4 an V 11‐16 ange‐ fügt haben sollte, da dann von vornherein eine sinnlose Szenenabfolge entstanden wäre.111 Hinter der Einschreibung von V 11‐16 kann ein priesterliches Interesse an der Reinigung des Landes vermutet werden, das den Text in eine gewisse Nähe zu der Vision in Ez 37,1‐14 rückt, da in beiden Texten das Vorhandensein menschlicher Überreste auf dem Land problematisiert wird.112 Die Stellung von 39,9f. ist schwer zu bestimmen. Mit der Besei‐ tigung der Ausrüstung des Feindes wird wie auch in 39,11‐16 ein Fol‐ geproblem behandelt, das aus der Zerschlagung der Feindesmacht auf den Bergen Israels erwächst. Damit könnte der Text sowohl nachträg‐ lich vor V 11‐16 eingestellt worden sein, als auch dieser Ergänzung schon vorausgehen. Auf jeden Fall scheint der Abschnitt mit der Cha‐ 110 Vgl. FUHS, NEB, 219: „Die Häufung der Vernichtungsbilder sind (sic!) Kennzeichen apokalyptischer Sprache.“ 111 Vgl. auch POHLMANN, ATD, 523. 112 Zum Verhältnis von Ez 39,11‐16 und 37,1‐14 vgl. u. Kap. III. 6.3.
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rakterisierung der Feinde als Räuber und Plünderer bereits die Fort‐ schreibung in 38,10‐16 vorauszusetzen. Schließlich ist noch nach der Einordnung von 39,21f. zu fragen. Die Analyse der Abgrenzung hat bereits gezeigt, dass in diesen zwei Ver‐ sen eine Vielzahl von Rückbezügen auf die Gog‐Perikope vorliegt, so dass hier von einem Epilog gesprochen werden kann. Neben den Rück‐ verweisen scheint der Abschnitt aber auch Beziehungen zum folgen‐ den Kontext zu haben. So sind die auf Israel bezogenen Erkenntnis‐ formeln in V 22 und V 28 bis auf die zusätzliche Nennung des Subjekts בית ישׂראל in V 22 identisch formuliert. In seiner jetzigen Position hat 39,21f. damit nicht nur Abschlussfunktion für die Gog‐Perikope, son‐ dern das Stück erscheint auch als Scharnier zwischen diesem Text‐ komplex und dem folgenden Abschnitt 39,23‐29. Die genauen Verbin‐ dungen zwischen der Gog‐Perikope und ihrem literarischen Horizont werden in der folgenden Untersuchung des redaktionellen Horizontes genauer zu analysieren sein. 2.3. Der redaktionelle Horizont Die erste redaktionsgeschichtliche Einordnung konnte wahrscheinlich machen, dass Ez 36,16‐22(23aba) und 39,23‐29 eine zusammengehörige Textfolge bilden, in der die Heiligung von Jhwhs Namen thematisiert wird. 113 So hat denn auch die Analyse der Abgrenzung des Gog‐Kom‐ plexes ergeben, dass der Text 39,23‐29 keine ursprüngliche Verbindung mit diesem aufweist, während die Berührungen mit 36,16‐22 offenkun‐ dig sind. Ist damit die Zusammengehörigkeit von 36,16‐22 und 39,23‐ 29 nicht in Frage zu stellen, so muss das Grundwort der Gog‐Perikope in diesen vorliegenden Textzusammenhang eingeschrieben worden sein.114 Die Alternative, dass 39,23‐29 als spätere Fortschreibung von 36,16‐22(23aba) nicht hinter diesen Text eingestellt, sondern an die bereits eingefügte Gog‐Perikope angeschlossen worden sein sollte, er‐ scheint nicht sinnvoll, da gerade auf diese Weise die Zusammenschau der beiden Stücke erschwert wäre. Unter der Prämisse, dass Fortschrei‐ 113 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3. Zur genaueren Untersuchung des literarischen Verhältnisses von Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29 vgl. auch u. Kap. III. 3.2. Dort findet sich auch der Nachweis, dass es sich bei 36,23aba um einen Einzelversnachtrag handelt, der erst eingefügt worden ist, als 36,16‐22 und 39,23‐29 bereits durch die Gog‐Perikope voneinander getrennt wurden. 114 Ähnlich bereits HERRMANN, KAT, 251, der aufgrund der Berührungen von 39,25‐29 zur Heilsprophetie in Kap 34‐37 zu der Vermutung kommt, „d a ß s i e [V 25‐29] d i e bis Kap. 37 reichende Sammlung schon abschlossen, als die Gog‐ k a p i t e l n o c h n i c h t v o r h a n d e n w a r e n . “
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bungen im Alten Testament eben nicht den Charakter des Zufälligen haben, muss deshalb gefragt werden, warum Ez 39,1‐5 gerade an die‐ sen kontextuellen Ort zwischen 36,16‐22 und 39,23‐29 eingefügt wor‐ den ist. Wenn zutrifft, dass das Grundwort der Gog‐Kapitel ähnlich wie Ez 36,1‐15 mit Ereignissen auf den Bergen Israels vor der Heim‐ kehr des Volkes beschäftigt ist, musste es auf jeden Fall vor dem Be‐ richt über die Schicksalswende Israels in 39,23‐29 eingefügt werden. Allerdings hätte sich in diesem Fall doch eher eine Einschreibung di‐ rekt hinter 36,1‐15 angeboten. Die Positionierung innerhalb des bereits vorliegenden Textzusammenhanges 36,16‐22; 39,23‐29 lässt deshalb nur den Schluss zu, dass durch 39,1‐5 eine Neuinterpretation des Nah‐ kontextes intendiert ist. Anscheinend soll die Ankündigung, dass Jhwh um seines Namens willen handeln wird (36,22), direkt auf die Zer‐ schlagung Gogs in 39,1‐5 bezogen werden. Das Grundwort löst damit die in 39,23‐29 gegebene Antwort ab und fügt eine zweite Version der Ereignisse an, durch die Jhwh seine Souveränität gegenüber den Völ‐ kern erweisen wird: Eben nicht durch Sammlung und Rückführung des Gottesvolkes, sondern zunächst durch die Zerschlagung Gogs auf den Bergen Israels. Der Abschluss der Einschreibung durch die Wort‐ bekräftigungsformel in 39,5 stellt eine deutliche Abgrenzung gegen‐ über der ursprünglichen Fortsetzung in 39,23‐29 dar. Mit diesem Nach‐ weis, dass Ez 39,1‐5 für seinen jetzigen Ort in der Heilsprophetie des Buches geschrieben worden ist, kann auch die These ausgeschlossen werden, dass die gesamte Perikope 38f.* erst nachträglich in das Buch eingefügt worden ist. 115 Das literarische Wachstum des Grundwortes zu einem umfassen‐ den Gog‐Komplex hat weitere interpretierende Fortschreibungen nötig gemacht, die den Zusammenhang mit dem Kontext in Ez 34‐39 im Blick haben. So scheint die Erweiterung zu einem zweiteiligen Grund‐ wort in Ez 38,1‐9*; 39,1‐5 und die Gestaltung als eigenständiges Wort‐ ereignis die Interpretation des Stückes durch den Nahkontext er‐ schwert zu haben. Aus diesem Grund nimmt ein späterer Autor in Ez 39,6f. die Deutung explizit in die Gog‐Perikope mit hinein und führt aus, dass die Zerschlagung Gogs der Völkererkenntnis und der Heili‐ gung von Jhwhs Namen dient (vgl. auf späteren literarischen Ebenen auch 38,16.23). Auf diese Weise hat sich die Gog‐Perikope von ihrem unmittelbaren Kontext gelöst und konnte zu einem eigenständigen Komplex anwachsen, dessen Anliegen weit über die ursprüngliche Ab‐ sicht des Grundwortes hinaus ausgeweitet worden ist. Allerdings gibt es auf den verschiedenen literarischen Ebenen mehrere Anzeichen 115 So gegen FUHS, NEB, 214.
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dafür, dass ein Ausgleich mit den umliegenden Texten vorgenommen wird. So schreibt der Verfasser von 39,6f. zwar die Interpretation von Gogs Niederlage in das nun eigenständige Wortereignis ein, aber die Erwähnung des heiligen Namens Jhwhs in V 6 schlägt eine Brücke zum literarischen Kontext. Insbesondere der Epilog in 39,21f. ist als redak‐ tionelles Klammerstück verfasst, das von der Gog‐Perikope zu 39,23‐29 überleiten soll. So bereitet die in 39,22 auf Israel bezogene Erkennt‐ nisaussage die Aussage über die Völkererkenntnis in 39,23 vor und verweist zugleich auf die parallele Erkenntnisformel in 39,28. 2.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 38,1‐39,22 2.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen Obwohl die Analyse des redaktionellen Horizontes die Frage klären konnte, mit welcher Intention das Grundwort des Gog‐Komplexes an seinen ursprünglichen Ort im Buch eingeschrieben worden ist, bleibt das Bild des auf den Bergen fallenden Feindes aus dem Norden doch rätselhaft. Die Kapitel sollen deshalb im Folgenden auf ihre literari‐ schen und traditionsgeschichtlichen Vorlagen hin befragt werden, um zu klären, welche Vorstellungen in diesem Motiv aufgenommen sind. Dabei werden zwei literarische Referenzbereiche zu berücksichtigen sein. Der erste Komplex sind die üblicherweise als Fremdvölkersprüche bezeichneten Texte des zweiten Buchteils Ez 25‐32.116 Trotz der Position von Ez 38f.* innerhalb der Heilsprophetien in Kap. 34‐39 wird die Gog‐ Perikope traditionell zu diesen Fremdvölkerworten des Buches gerech‐ net.117 Eine Untersuchung der Berührungen zwischen Ez 38,1‐39,22 und Kap. 25‐32 kann deshalb die Frage klären, ob die Einordnung als Fremdvölkerspruch seine Berechtigung hat, und zugleich den Blick für Unterschiede schärfen, die erklären können, warum Ez 38f.* eben nicht 116 Es ist nach wie vor umstritten, inwieweit im Alten Testament überhaupt mit einer Gattung „Fremdvölkerwort/‐spruch“ zu rechnen ist (vgl. zu dieser Problematik den Forschungsüberblick bei FECHTER, Bewältigung, 3‐19). Wenn der Begriff im Folgen‐ den für einen Text gebraucht wird, hat er deshalb keine formkritische Konnotation, sondern steht für die gebräuchliche Bezeichnung der Worte in Ez 25‐32. Seine Ver‐ wendung erscheint dadurch gerechtfertigt, dass hier Texte zusammengestellt sind, die in ähnlicher Form das Geschick nicht‐israelitischer Völker thematisieren (vgl. auch die Definition bei FECHTER, a.a.O., 2f.). 117 Vgl. jüngst PREMSTALLER, Fremdvölkersprüche, 222‐249, und FECHTER, Bewältigung, 1. Letzterer rechnet die Kapitel zwar zu den Fremdvölkerworten im Buch, berück‐ sichtigt sie aber nicht in seiner ausführlichen Analyse ausgewählter Worte (vgl. FECHTER, a.a.O., 24f.). Dies allein verweist schon auf die besondere Stellung von Ez 38f.* innerhalb der Fremdvölkersprüche.
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im zweiten Buchteil zu stehen gekommen ist. Im Unterschied zu den anderen Sprüchen, die an historisch belegte Fremdvölker gerichtet sind, bereitet insbesondere die Identifikation des Feindes in der Gog‐ Perikope Probleme. Allerdings ist schon lange gesehen worden, dass die Feindmotivik in Ez 38f.* in einigen Punkten Berührungen mit der Beschreibung des „Feindes aus dem Norden“ im Jeremiabuch aufweist. In einem zweiten Schritt ist deshalb danach zu fragen, inwieweit sich die Gog‐Gestalt einer Rezeption der entsprechenden Texte aus dem Jeremiabuch verdankt. Vereinzelt werden dabei auch Texte aus ande‐ ren Schriften des Alten Testaments zu berücksichtigen sein. 2.4.2. Die Beziehungen zu den anderen Fremdvölkersprüchen im Buch Die Einordnung von Ez 38f.* als Fremdvölkerwort hat gute Gründe für sich. So macht bereits auf der Ebene des Grundwortes die Anrede an Gog, Hauptfürst von Meschech und Tubal (39,1; vgl. 32,26) deutlich, dass es hier um ein Wort gegen ein nicht‐israelitisches „Fremdvolk“ geht. Auch von seiner Struktur her zeigt 39,1‐5 einige Berührungen mit dem Aufbau anderer Fremdvölkersprüche: So wird der Prophet mit dem Imperativ von נבא ni. (vgl. Ez 25,2; 28,21; 29,2; 30,2) und der Her‐ ausforderungsformel הנני אל (vgl. Ez 29,10 und 30,22; vgl. הנני על, Ez 26,3; 28,22 und 29,3.8) aufgefordert, Gog ein Gerichtswort Jhwhs auszurich‐ ten. Auch inhaltlich existieren einige Verbindungen, insbesondere zu dem ersten Ägyptenorakel in Ez 29,1‐6. Ebenso wie dem Pharao wird Gog angekündigt, dass er auf das freie Feld fallen soll (על־פני השׂדה תפול, 29,5; vgl. 39,5). Diese Wortverbindung kommt nur an diesen beiden Stellen vor, so dass mit Sicherheit eine Verbindung zwischen den Tex‐ ten existiert. 118 Des Weiteren könnte auch in der Drohung, dass Jhwh Gog die Pfeile aus seiner rechten Hand fallen lassen wird (נפל hif., 39,3) eine Aufnahme der Worte gegen den Pharao vorliegen. Denn das Verb נפל hif. ist in der Bedeutung „aus der Hand schlagen“ nur noch in Ez 30,22 im Buch belegt, wo dem Pharao angesagt wird, dass Jhwh ihm das Schwert aus der Hand fallen lassen wird. Ebenso teilt er nach 29,5 (vgl. 32,4‐6) das Schicksal Gogs, dass er wie dieser den Vögeln und Tie‐ ren zur Sättigung gegeben wird (נתן לאכלה, 29,5; vgl. 39,4). Dabei weicht aber in 29,5 die genaue Aufzählung der Tiere ()לחית הארץ ולעוף השׁמים leicht von der inhaltlichen Parallele in 39,4 ab ()צפור כל־כנף וחית השׂדה. 118 Vgl. im Alten Testament nur noch Jer 9,21, ein Text, in dem Jhwh verkünden lässt, dass die Leichen der Menschen wie Dünger auf die Fläche des Feldes fallen werden ()ונפלה נבלת האדם כדמן על־פני השׂדה.
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Auch wenn die Struktur und die inhaltliche Ausrichtung des Grundwortes Ez 39,1‐5 die Einordnung als Fremdvölkerwort rechtferti‐ gen, so fallen doch erhebliche Unterschiede zu den Sprüchen in Ez 25‐ 32 auf. Zuerst gibt es nicht einen einzigen historisch identifizierbaren Adressaten, gegen den sich das Wort richtet. Zwar wird Gog in 39,2 als Hauptfürst von Meschech und Tubal bezeichnet, das in 27,13 als Han‐ delspartner von Tyrus erscheint und in 32,26 als untergegangenes Reich unter anderen genannt wird, aber bereits in 39,4 wird das Heer auf viele Völker ausgeweitet, die mit Gog gegen Israel ziehen. Hinzu kommt die Auffälligkeit, dass Gog mit Zügen beschrieben wird, die in anderen Worten den Pharao von Ägypten kennzeichnen. Der entschei‐ dende Unterschied ist aber die Tatsache, dass sich das Schicksal Gogs im Herzen Israels, auf den הרי ישׂראל (39,2.4), vollstrecken wird, wäh‐ rend die Ankündigungen in Ez 25‐32 den Gegnern jeweils ein Ende in ihrem eigenen Land bzw. ohne genaue Verortung ansagen. Die Berge Israels finden im gesamten zweiten Buchteil Ez 25‐32 nicht einmal Erwähnung. Das Schicksal Gogs scheint damit enger mit dem Geschick Israels verbunden zu sein, als dies in den anderen Fremdvölkerworten der Fall ist.119 Auch in den Fortschreibungen des Grundwortes setzt sich die Ten‐ denz fort, einerseits Züge anderer Fremdvölkerworte aufzunehmen, während andererseits deutlich Bezug auf die umliegende Heilspro‐ phetie genommen wird. In 38,1‐9* wird mit der Einleitung in V 2 בן־אדם והנבא עליו ... שׂים פניך אל eine andere für Fremdvölkersprüche charakte‐ ristische Einleitung (vgl. 25,2; 28,21; 29,2; 35,2) gewählt.120 Des Weiteren wird die detaillierte Beschreibung von Gogs Heer und Ausrüstung in 38,4 durch Stichwortverbindungen parallel zu der Darstellung der Assyrer und Babylonier im Buch gestaltet. So treten diese stets mit Pferden ()סוסים und Reitern ()פרשׁים auf; vgl. die Darstellung der Assyrer in 23,6.12 und der Babylonier in 23,23; 26,7.10.121 Auch die speziellen Waffen צנה (38,4; 39,9; vgl. 23,24; 26,8) und מגן (38,4f.; 39,9; vgl. 23,24 und 27,10) finden sich im gesamten Buch nur in Beschreibungen der Ausrüstung von Assyrern und Babyloniern. Die Charakterisierung der Feinde als „prächtig gekleidet“ (;לבשׁי מכלול 38,4; vgl. 23,12) schlägt ei‐ 119 Vgl. auch Ez 35,1‐15, das neben Ez 38f.* das einzige Fremdvölkerwort außerhalb von Ez 25‐32 ist. Auch hier zeigt sich durch die parallele Gestaltung zu 36,1‐15 eine unmittelbare Verbindung mit dem Schicksal Israels; vgl. dazu u. Kap. III. 7.2. 120 Allerdings findet sich diese Einleitung auch an anderen Stellen im Buch, an denen Ezechiel zur Weissagung aufgefordert wird; vgl. Ez 6,2; 13,17; 21,2; 21,7 und 35,2 (mit )על. 121 In Kombination sind סוסund פרשׁ nur an den genannten Stellen im Buch belegt, so dass sie mit Sicherheit als Attribute für die beiden Feindmächte Assur und Babylon gelten können.
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nen weiteren Bogen zur Schilderung der Assyrer. Schließlich ist auch die Bezeichnung der Feindesmacht als „großes Heer“ (קהל רב, 38,4; vgl. קהל, 38,7 und קהל גדול, 38,13) nur noch in 17,17 für den Pharao von Ägypten und in 26,7 für Babel gebraucht (vgl. einfaches קהל noch in 27,27.34 für Tyrus, in 32,22.23 für Assur und in 23,24 für die Feinde generell). Ein späterer Ergänzer hat die Charakterisierung Gogs mit Zügen des Pharaos noch durch ein Zitat aus dem ersten Ägyptenwort verstärkt, nach dem Jhwh Spitzhaken in die Kinnladen des Pharao geben wird (ונתתי חחים בלחייך, 29,4 [Qere]; vgl. 38,4). Auf den ersten Blick erscheinen die Stichwortverbindungen nicht erstaunlich, da bei der Beschreibung von Heer und Ausrüstung generell ein bestimmtes und begrenztes Vokabular zu erwarten ist. Allerdings spricht gerade die Häufung der Stichwortverbindungen in 38,4f. dafür, dass hier bewusst auf vorgegebene Feindesdarstellungen zurückgegriffen wird, um Gog auf diese Weise Züge verschiedenster Gegner zu verleihen.122 Auch in den weiteren Fortschreibungen finden sich Nähen zu den Fremdvölkersprüchen in Ez 25‐32. So dienen in Ez 38,10‐16 und 39,9f. von בזז und שלל abgeleitete Formen (vgl. 38,12f.; 39,10) als Leitwörter. Sie kommen in dieser Zusammenstellung überhaupt nur in den Gog‐ Kapiteln sowie im zweiten Ägyptenwort in 29,17‐21 vor. Dort kündigt Jhwh in 29,19 an, dass Nebukadnezar, der König von Babel, über das Land Ägypten kommen und Beute erbeuten ()ושלל שללה und Plünder‐ gut plündern ()ובזז בזה wird. Die Verbindung zu Nebukadnezar wird noch dadurch verstärkt, dass in 26,7 das Kommen des Königs von Babel aus dem Norden ()מצפון angesagt wird.123 In Ez 39,11‐16 fällt dagegen die Häufung von Wortbildungen mit der Wurzel קבר („Grab/begraben“) auf (39,11.12.13.14.15bis). Neben 39,11‐16 ist die Wurzel im Buch nur noch in zwei anderen Perikopen belegt. Die erste davon ist Ez 37,11‐14, wo Jhwh ansagt, die Gräber des Hauses Israel zu öffnen und die Israeliten aus ihren Gräbern herauf‐ kommen zu lassen. Diese Verheißung bildet zweifellos ein heilvolles Gegenbild zum Ende der Feindmächte in 39,11‐16,124 wobei aber noch zu klären sein wird, welches Bild das ursprünglichere ist. Der andere Text ist das letzte Ägyptenwort in Ez 32,17‐32, wo von den Gräbern der 122 Es kann nicht in allen Punkten nachgeprüft werden, ob die fraglichen Texte bei Ab‐ fassung der Gog‐Perikope bereits im Buch standen. Allerdings spricht die Häufung von Querbeziehungen zu verschiedenen Texten in 38,1‐9* dafür, dass diese Verse mit Bezug auf andere Stücke verfasst worden sind. 123 Vgl. auch Ez 23,24, wo nach der griechischsprachigen Bezeugung das Kommen der Babylonier und anderer Völker aus dem Norden angesagt wird. Allerdings ist hier zu vermuten, dass die Variante der LXX eine Angleichung des verdorbenen MT‐ Textes an 26,7 darstellt (so auch ZIMMERLI, BK, 533). 124 Vgl. PREMSTALLER, Fremdvölkersprüche, 244; vgl. dazu auch u. Kap. III. 6.3.
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bereits in der Unterwelt versammelten Fremdvölker die Rede ist, zu denen auch Ägypten hinabgestürzt werden soll (V 18).125 Als zweites Leitwort wird in 32,17‐32 המון gebraucht („Prunk/Gepränge“; V 16.18. 20.24.25.26.31.32),126 durch das der selbstherrliche Anspruch der Fremdvölker ihrem schmählichen Ende in der Unterwelt gegenüber‐ gestellt wird. Es wird kaum Zufall sein, dass dasselbe Wort als inclusio das Stück 39,11‐16 rahmt (V 11bis.15.16). Durch diese spezifischen Ver‐ weise wird in der Schilderung von Gogs Ende zugleich auch an das Schicksal der anderen Fremdvölker in der Unterwelt erinnert, so dass Gogs Zerschlagung nachdrücklich unterstreicht, dass Jhwh seine Macht gegenüber jedem Feind erweisen wird. Im Unterschied zu Ez 32,17‐32 hat Israel wiederum Anteil an dem Niederfall der Feindmacht, indem die Bewohner für das ordnungsgemäße Begräbnis von Gogs Ge‐ pränge Sorge tragen. Auf den ersten Blick besteht damit kein Zweifel, dass mit dem Gog‐ Komplex ein literarisch gewachsenes Fremdvölkerwort vorliegt. Aller‐ dings wird gerade im Vergleich mit den anderen Fremdvölkersprü‐ chen seine außergewöhnliche Stellung deutlich. Die vielfachen Referen‐ zen zeigen, dass Gog mit Zügen gezeichnet wird, die vor allem in Ez 25‐32, aber auch in der Bildrede Ez 23 zur Beschreibung der Assyrer, Babylonier und Ägypter verwendet werden. Insbesondere werden ihm Charakteristika Nebukadnezars und des Pharaos zugeschrieben. Die Bezüge häufen sich dabei in der Fortschreibung 38,1‐9, so dass vermu‐ tet werden kann, dass diese Ergänzung unter anderem die Anglei‐ chung Gogs an die vorhergehenden Feindbilder intendiert. Die Feind‐ macht Gog mit den ihn begleitenden Völkern erscheint damit als eine Personifikation aller Feinde, die Israel im Buch Ezechiel gegenüber‐ stehen, wobei allerdings die Herleitung des Namens Gog ungeklärt bleiben muss. Jedoch liegt die Annahme nahe, dass gerade keine his‐ torische Figur im Blick ist, sondern dass es sich bei „Gog“ um eine literarische Kunstgestalt handelt, die im Rahmen der Heilsgeschichte als der letzte Feind im Buch besiegt wird. Die Mutmaßung, dass die Gestalt Gogs nicht für ein historisches Fremdvolk steht, sondern eine Art Idealfeind repräsentiert, zeigt be‐ reits, dass die Gog‐Perikope kein Fremdvölkerwort im Sinne der in Ez 25‐32 gesammelten Sprüche ist. Grundsätzlich unterscheidet sie sich von diesen dadurch, dass das Drohwort gegen die Feindmacht auf den 125 NOBILE, Beziehung, 256, kommt aufgrund der Beziehungen zwischen Ez 32,17‐32 und Ez 38‐39 sogar zu der These, dass sie derselben literarischen Hand zuzuschrei‐ ben seien. 126 Das Wort begegnet insgesamt 16‐mal in den Worten gegen den Pharao und gegen Ägypten; vgl. Ez 29,19; 30,4.10.15; 31,2.18; 32,12bis.16.18.20.24.25.26.31.32.
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Bergen Israels und damit im Land selbst vollstreckt wird. In den Fort‐ schreibungen wird dann auch das heimgekehrte Israel mit in das Ge‐ schehen einbezogen, so dass die Gog‐Kapitel sehr viel mehr in die Aus‐ sagen des Buches eingebettet sind, als dies in Ez 25‐32 der Fall ist. Im Folgenden sind nun die außerbuchlichen Parallelen in den Blick zu nehmen, um genauer klären zu können, welche weiteren Motive auf die Darstellung Gogs in diesem besonderen Fremdvölkerwort Einfluss genommen haben. 2.4.3. Der Feind aus dem Norden im Jeremiabuch Die einzige Information, die zur Identifikation Gogs im Grundwort der Perikope gegeben wird, ist die Angabe, dass Jhwh ihn aus dem äußersten Norden (מירכתי צפון, 39,2) herbeiführen wird. Diese Angabe erinnert an eine Reihe von Texten des Jeremiabuches, in denen von einer Feindmacht aus dem Norden die Rede ist, die über Israel kom‐ men wird. Die Stücke vom Feind aus dem Norden in Jer 4‐6* gehören zu den ältesten Texten des Jeremiabuches, die aus Sammlungen von Unheils‐ ankündigungen und Klagen bestehen und den Untergang Jerusalems sowie das Geschick der Tochter Zion thematisieren.127 Die einzelnen Texte der Sammlungen heben sich dadurch hervor, dass sie nicht als Gotteswort formuliert sind und keine Reflexion über die mögliche Schuld Israels enthalten. In die Nähe dieser frühen Klagen und Unter‐ gangsankündigungen gehören konzeptionell auch einige Fremdvölker‐ sprüche in Jer 46‐49*, die ebenfalls vom kommenden Gericht durch den „Feind aus dem Norden“ über andere Völker sprechen, ohne diese mit einer Anklage oder Begründung zu versehen.128 Erst auf späteren Stufen des Buchwachstums setzt eine Nachinterpretation ein, die in Anklagen und Unheilsbegründungen die Verantwortung Israels the‐ matisiert und den Untergang theologisch als Gericht Jhwhs über Zion/ Jerusalem deutet.129 Die Anklagen auf dieser Ebene sind zumeist in der Anrede an eine 2. Pers. fem. sg. gehalten und richten sich an die per‐ sonifizierte Frau Jerusalem, der der Abfall von Jhwh in Form des Ehe‐ bruches vorgeworfen wird. 127 Zur Textabgrenzung vgl. LEVIN, Verheißung, 153f. Anm. 22, und POHLMANN, Ferne, 129‐132. 128 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 334. 129 LEVIN, POHLMANN und BIDDLE gebührt das Verdienst, in ihren Arbeiten auf diese Differenz zwischen den ältesten Texten und der Theologisierung und Begründung dieser Stücke in der literarischen Nachinterpretation aufmerksam gemacht zu haben; vgl. LEVIN, Verheißung, 153‐156.194; POHLMANN, Ferne, 113‐213; BIDDLE, Redaction History, 72‐76.206‐213, sowie den Überblick bei SCHMID, Buchgestalten, 330‐340.
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In dieser Personifikation zeigt sich bereits, dass die Klagen über den Feind aus dem Norden und ihre theologischen Ausdeutungen einen bestimmten traditionsgeschichtlichen Hintergrund vor Augen haben. So hat SCHMID aufgezeigt, dass sie als dezidierte Gegenposition zur klassischen Zionstheologie zu verstehen sind, wie sie z. B. in Ps 46; 48 und 76 zum Ausdruck kommt.130 Nach dieser Vorstellung gründet das Schutzvermögen und die Wehrhaftigkeit Jerusalems auf der Prä‐ senz Jhwhs auf dem Zion. In den Klagen über den Feind aus dem Norden kommt aber gerade die Erfahrung zum Ausdruck, dass Stadt und Land keineswegs durch die Präsenz Jhwhs geschützt sind, son‐ dern die Tochter Zion dem anstürmenden Feind schutzlos ausgeliefert ist. Im Zuge der theologischen Nachinterpretation wird die Ausgelie‐ fertheit dahingehend gedeutet, dass Jhwh selbst der als Ehebrecherin vorgestellten Größe Zion‐Jerusalem seine Schutzmacht entzogen hat. Aus der Klage der Tochter Zion über den anrückenden Feind aus dem Norden wird in dieser Nachinterpretation die Anklage der Frau Jerusa‐ lem, die von Jhwh in seinem Strafgericht dem Feind preisgegeben wird. Ein Vergleich von Ez 38,1‐39,22 mit den entsprechenden Texten aus dem Jeremiabuch zeigt, dass in beiden Büchern die Vorstellung eines Feindes aus dem Norden ()צפון anzutreffen ist. Im Ezechielbuch wird צפון in dieser Bedeutung überhaupt nur im Rahmen der Gog‐Perikope verwendet (vgl. Ez 38,6.15; 39,2), während das Motiv im Jeremiabuch in Jer 1,13.14.15; 4,6; 6,1.22; 10,22; 13,20 und 25,9 zu finden ist. Ferner ist der Feind aus dem Norden auch in Jer 46,6.10.20.24; 47,2; 50,3.9.41; 51,48 belegt, wo der Widersacher allerdings nicht eine Bedrohung für Israel darstellt, sondern sich gegen andere Völker richtet. Da das Motiv nur in der Gog‐Perikope und den entsprechenden Texten des Jeremia‐ buches Verwendung findet, kann mit großer Sicherheit eine Verbin‐ dung zwischen den beiden großen Prophetenbüchern vermutet wer‐ den. Die Belege im Jeremiabuch sind allerdings über das ganze Buch verteilt, so dass danach zu fragen bleibt, ob es sich bei der Verbindung um eine traditionsgeschichtliche oder eine literarische Abhängigkeit handelt. 131 Zur Beantwortung dieser Frage sind im Folgenden die Stich‐ 130 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 332‐338, sowie auch STECK, Zion, 130‐132. Zu einer um‐ fassenden Studie zur Gestalt der Tochter Zion vgl. WISCHNOWSKY, Tochter, 1‐274. 131 Ein eindeutig literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Texten des Jere‐ miabuches und der Gog‐Perikope nehmen HÖLSCHER, Hesekiel, 180.183; ZIMMERLI, BK, 938f., sowie VIEWEGER, Beziehungen, 46‐50, an. SMEND, KEH, 300f.; BERTHOLET, HAT, 133f.; FOHRER, HAT, 214; LUTZ, Jahwe, 69f.125‐130; ALLEN, WBC 29, 204, und POHLMANN, ATD, 512, verweisen ebenfalls auf die Verbindungen zwischen den Tex‐ ten, ohne dass aber die Art und Weise der Abhängigkeit ersichtlich wird. Allein BLOCK, NICOT II, 440f., spricht sich dezidiert gegen eine Verbindung aus.
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wortverbindungen genauer in den Blick zu nehmen, wobei zwischen dem Grundwort im Gog‐Komplex und seinen Fortschreibungen zu unterscheiden ist. Das Grundwort in 39,1‐5 zeigt eine auffallende Nähe zu Jer 6,22f.132 Während dort in 6,22 angekündigt wird, dass ein Volk aus dem Land des Norden ()מארץ צפון kommt ()בוא, ein Volk, das sich aufmacht (עור ni.) vom äußersten Ende der Erde ()מירכתי־ארץ, soll Gog in Ez 39,2 aus dem äußersten Norden ()מירכתי צפון heraufgeführt (עלה hif.) und auf die Berge gebracht werden (בוא hif.). Die Formulierungen in Ez 39,2 bieten damit eine Art Kompilation der Angaben aus Jer 6,22, und da ירכה außer an den genannten Stellen nur noch vereinzelt in den beiden Büchern ver‐ wendet wird,133 kann hier ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis an‐ genommen werden. Diese Annahme bestätigt sich auch darin, dass die Ausrüstung Gogs mit dem Bogen (קשת, Ez 39,3; vgl. 39,9) der Angabe in Jer 6,23 folgt, nach der der Feind aus dem Norden mit dem Bogen bewaffnet ist. Jer 6,22f. gehört zu den ältesten Unheilsansagen des Jeremiabuches, die noch keine theologische Reflexionsebene aufweisen. Demgegenüber ist das Grundwort in Ez 39,1‐5 eindeutig als begrün‐ detes Gotteswort gestaltet und weist eine theologische Dimension auf. Wenn das im Jeremiabuch gewonnene Kriterium Anwendung findet, wonach die reflektierende Gottesrede ein jüngeres Stadium repräsen‐ tiert als die einfache Klage, so muss in Jer 6,22f. das traditum vorliegen, das in Ez 39,1‐5 als traditio aufgenommen worden ist. Über die jeremianische Vorlage hinaus ist in Erwägung zu ziehen, ob das Grundwort mit der Ankündigung der Vernichtung des Feindes auf den Bergen Israels in Ez 39,4 nicht auch ein Motiv aus dem Jesaja‐ buch aufnimmt. 134 Dort sagt Jhwh Assur in Jes 14,25 die Vernichtung auf „meinen Bergen“ ()על־הרי an, was an die Zerschlagung Gogs auf den Bergen Israels erinnert. Die Bezeichnung als Berge Jhwhs in Jes 14,25 leitet sich vom Wohnen Jhwhs auf dem Zion ab,135 so dass hier ebenso wie in den jeremianischen Klagen über den Feind aus dem Nor‐ den ein zionstheologischer Hintergrund vorliegt. Da aber abgesehen von הרי keine weiteren Stichwortverbindungen mehr vorliegen, ist die Frage der genauen Abhängigkeit schwer zu beantworten. Mit Sicher‐ 132 Jer 6,22f. hat eine Parallelstelle in Jer 50,41f., die aber von Jer 6,22f. abhängig ist (vgl. SCHMID, Buchgestalten, 117f.338). Der Text wird deshalb in der vergleichenden Analyse nicht berücksichtigt. 133 ירכה findet sich im Jeremiabuch ferner in Jer 25,32; 31,8 und 50,41; vgl. im Ezechiel‐ buch noch Ez 32,23. Die Formulierung )מ(ירכתי צפון (Ez 38,6; 39,2) hat außerdem eine wörtliche Parallele in Ps 48,3, wo sie für die Lokalisation des Gottesberges Zion steht; vgl. dazu KÖRTING, Zion, 169f. 134 So schon ZIMMERLI, BK, 939f; vgl. auch ALLEN, WBC 29, 210. 135 Vgl. ZIMMERLI, BK, 939.
Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f.
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heit hat die Vorstellung, dass Gott den Feind im Land selbst besiegen wird, Eingang in das Grundwort der Gog‐Perikope gefunden, und auch wenn es wahrscheinlich ist, dass Jes 14,25 literarisch im Hinter‐ grund steht, ist ebenso der Rekurs auf ein traditionsgeschichtliches Motiv zu erwägen.136 Die Verbindungen zu dem „Feind aus dem Norden“‐Zyklus im Jeremiabuch setzen sich auch bei der Erweiterung des Grundwortes durch Ez 38,1‐9 fort. So findet sich in 38,6 ebenso wie im Grundwort die Angabe ירכתי צפון als Abstraktum zur Identifikation des Feindes aus dem „äußersten Norden“. Des Weiteren gibt es auch Parallelen in der Beschreibung der Feindesmacht, da die Völkerscharen Gogs ebenso wie der jeremianische Feind mit Pferden beritten sind (סוס, Ez 38,4; vgl. Jer 6,23; 8,6.16). In Ez 38,9 wird ihr Auftauchen schließlich mit dem Heraufziehen eines Unwetters ()עלה כשׁאה bzw. dem Kommen einer Wolke ()בוא כענן verglichen. Dies erinnert an die Klage in Jer 4,13, wo von der Feindmacht ausgesagt wird, dass sie wie Wolken heraufzieht ()כעננים עלה. Eventuell ist der Vergleich mit einem Unwetter im Ezechiel‐ buch auch durch Einfluss von Jes 10,3 zu erklären; einem Text, der sich mit dem Gog‐Wort darin berührt, dass er ebenso eine Heimsuchung von weither erwartet, deren Kommen mit einem Sturm ()שׁואה ver‐ glichen wird.137 Die Fortschreibung Ez 38,10‐16 fällt indes dadurch auf, dass Gogs Gedanken wie ein Zitat der Ankündigung von Nebukadnezars Zug gegen Hazor in Jer 49,30‐32 erscheint. In beiden Texten wird von dem Gegner ausgesagt, dass er einen Plan fasst (חשׁב מחשׁבה, Ez 38,10; vgl. Jer 49,30) und hinaufziehen wird (עלה kal, Ez 38,11; vgl. Jer 49,31) gegen die, die in Sicherheit (לבטח, Ez 38,11; vgl. Jer 49,31) und ohne Riegel und Tore (ובריח ודלתים אין להם, Ez 38,11; vgl. לא־דלתים ולא־בריח, Jer 49,31) woh‐ nen. Die Stücke berühren sich auch darin, dass beiden Widersachern Beutegier und Plünderungslust nachgesagt wird (שׁלל שׁלל, בזז בז, Ez 38,12; vgl. Jer 49,32). Zwar lassen sich einige dieser Stichwortverbin‐ dungen auch durch innerbuchliche Aufnahmen erklären, aber die pa‐ rallele Gestaltung der beiden Texte spricht dafür, dass auch an dieser Stelle ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis vorliegt. Innerhalb des Abschnittes 38,14‐16, der sich durch eine Reihe von Wiederaufnahmen aus Ez 38,1‐9 auszeichnet, wird das Kommen Gogs 136 Allerdings ist noch die späte Fortschreibung in Ez 38,18‐23 zu berücksichtigen, in der mit der Drohung, dass Jhwh das Schwert auf allen seinen Bergen (לכל־הרי, 38,21) gegen Gog bringen wird, eine direkte Anspielung auf Jes 14,25 vorliegen könnte. 137 שׁואה/שׁאה ist außer in Jes 10,3 bzw. Ez 38,9 für die beiden Prophetenbücher nur noch einmal in Jes 47,11 belegt, wo Babel ein Unheil angekündigt wird, das wie ein Sturm ()שׁואה kommen soll. Auf die Nähe zwischen Jes 10,3 und Ez 38,9 verweisen ebenfalls LUTZ, Jahwe, 128, und ZIMMERLI, BK, 951.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
erneut mit dem Heraufziehen einer Wolke (עלה כענן, V 16) verglichen. Außerdem wird ein weiteres Mal durch sein Kommen aus dem Norden (עלה מירכתי צפון, V 15) und seine Ausstattung mit Pferden (סוסים, V 15) die Verbindung zu 38,1‐9 und darüber hinaus zu den jeremianischen „Feind aus dem Norden“‐Texten verdeutlicht. Es ist schließlich auch zu überlegen, ob hinter der textkritisch problematischen Stelle ֵת ָדע (ידע kal) in 38,14 nicht ֵתעֹר (עור ni.) zu vermuten ist, wie dies auch die grie‐ chischsprachige Überlieferung mit evgerqh,sh| nahe legt.138 In diesem Fall wäre in 38,14 auch das Verbum עור ni. aus Jer 6,22 aufgenommen, wo‐ durch die Verbindung zwischen den Texten weiter ausgebaut wäre.139 Die Zerstörung der Waffen durch die Bevölkerung in Ez 39,9f. hat zwar keine Parallele in den ältesten Texten des Jeremiabuches, aber das Motiv begegnet in den beiden Zionspsalmen Ps 46,10 und Ps 76,4. Die Texte berühren sich darin, dass sowohl in Ps 46,10 als auch in Ez 39,9f. eine Beseitigung der Waffen mit Hilfe von Feuer vorgesehen ist;140 außerdem stimmen mit Bogen (קשׁת, Ez 39,9; vgl. Ps 46,10; 76,4) und Schild (מגן, Ez 39,9; vgl. Ps 76,4) einige der genannten Waffengattungen überein. Allerdings wird gerade für den Vorgang der Zerstörung ein unterschiedliches Vokabular gebraucht (בער/נשׂק/בער אשׁ, Ez 39,9; שׁבר/שׂרף באשׁ, Ps 46,10; שׁבר, Ps 76,4), und während in Ez 39,9f. die Zerstörung der Waffen von der Bevölkerung der Städte vorgenommen wird, ist es in Ps 46 und Ps 76 Jhwh selbst, der die Waffen der Feinde beseitigt. Aufgrund der eher spärlichen Stichwortverbindungen ist eine litera‐ rische Verbindung zwischen den Texten nicht wahrscheinlich. Es ist allerdings möglich, dass mit der Beseitigung der Waffen bewusst ein älteres Bild aufgenommen wird, das mit dem Motivkomplex „Vernich‐ tung des Gottesfeindes“ verbunden ist.141 Schließlich ist noch die Fortschreibung in Ez 39,17‐20 in den Blick zu nehmen. Die Textanalyse hat bereits gezeigt, dass es sich hier um eine Ausgestaltung von Ez 39,4 handelt. Aber anders als in der inner‐ textlichen Vorlage bekommt die Beseitigung der feindlichen Überreste durch die wilden Tiere in 39,17‐20 durch die Bezeichnung als Schlacht‐ 138 So vertreten von HÖLSCHER, Hesekiel, 182; FOHRER, HAT, 215; ZIMMERLI, BK, 927, und FUHS, NEB, 217. Dagegen geben BLOCK, NICOT II, 499 Anm. 125, und PREM‐ STALLER, Fremdvölkersprüche, 224, dem masoretischen Text den Vorzug, dessen Lesart auch durch Peschitta, Vulgata und Targum bezeugt wird. 139 Zu עור ni. im Jeremiabuch vgl. noch die Parallele zu Jer 6,22 in 50,41, sowie in 25,32: „Ein gewaltiger Sturm ()סער גדול macht sich auf (עור ni.) vom äußersten Ende der Erde ()מירכתי־ארץ.“ 140 Vgl. auch Jes 9,4, wo die Vernichtung der Ausrüstung des Feindes durch Feuer ()אשׁ thematisiert wird. Allerdings geht es hier nur um die Bekleidung, namentlich „Stiefel“ ()סאון und „Mantel“ ()שׂמלה. 141 Vgl. ZIMMERLI, BK, 963, und ALLEN, WBC 29, 207.
Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f.
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opfer (זבח, V 17bis.19) einen neuen, sakralen Bedeutungsinhalt. Mit die‐ ser Konzeption steht Ez 39,17‐20 in einer gewissen Nähe zu dem Vers Jer 46,10, wo die Vernichtung Ägyptens durch Jhwh ebenfalls als זבח bezeichnet wird.142 Die beiden Texte berühren sich weiterhin darin, dass der Vorgang selbst als „Fressen“ ()אכל bezeichnet wird und das Blut ()דם der Feinde Bestandteil des Opfermahles ist. Allerdings unterscheiden sich die Stücke deutlich in der dargestell‐ ten Form des Opfermahles: Während das Schlachtopfer in Ez 39,17‐20 auf den Bergen Israels bereitet wird und die wilden Tiere den gefalle‐ nen Feind beseitigen, steht in Jer 46,10 die Vernichtung der Ägypter im Land des Nordens im Vordergrund. „Fressen“ wird dort das Schwert, ohne dass von einer Beteiligung der Tiere die Rede ist. Indes ist zu berücksichtigen, dass Jer 46,10 zu den Fremdvölkerworten im Jeremia‐ buch gehört, die in einer konzeptionellen Nähe zu Jer 4‐6* stehen.143 Da ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Grundwort Ez 39,1‐5 und Jer 4‐6* nachgewiesen werden konnte, liegt die Vermutung nahe, dass der spätere Verfasser von Ez 39,17‐20 um die Verwandt‐ schaft der Texte im Jeremiabuch wusste und auf Jer 46,10 als weitere literarische Vorlage zurückgriff. Diese These gewinnt zusätzlich an Überzeugungskraft, wenn berücksichtigt wird, dass es in Jer 46,10 um die Zerschlagung des ägyptischen Heeres geht. Da Gog in den Fort‐ schreibungen des Grundwortes mit Zügen des ägyptischen Pharaos ge‐ zeichnet worden ist, erscheint es wahrscheinlich, dass auch in 39,17‐20 ein für die Ägypter gebrauchtes Gerichtsbild auf ihn übertragen wird. Die vergleichende Analyse hat damit gezeigt, dass ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Gog‐Perikope und dem jeremi‐ anischen „Feind aus dem Norden“‐Zyklus in Jer 4‐6* vorliegt. Es ist nun im Folgenden danach zu fragen, mit welcher Intention die ver‐ schiedenen Verfasser der Gog‐Perikope jeweils auf die jeremianischen Vorlagen zurückgegriffen haben. Bereits auf der literarischen Ebene des Grundwortes bekommt Gog Züge des Feindes aus dem Norden, so dass er als der mächtige Feind erscheint, der im Jeremiabuch die Toch‐ ter Zion bedroht. Allerdings stellt Gog in der ezechielischen Auslegung keine wirkliche Bedrohung mehr dar, sondern seine Niederlage, die von Anfang an fest steht, dient allein dem Machterweis Jhwhs. Dabei fließt mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die aus dem Jesajabuch entlehnte Prophezeiung, dass der Feind auf den Bergen Jhwhs schei‐ tern wird (Jes 14,25), mit in den Auslegungsvorgang ein. Der Verfasser 142 Das Motiv des Schlachtopfers für das Gericht über den Feind findet sich noch in Zeph. 1,7f. (vgl. auch Jes 34,1‐8); allerdings fehlen hier über זבח hinausgehende Stich‐ wortverbindungen. 143 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 334.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
des Grundwortes in Ez 39,1‐5 bezieht die jesajanische Drohung auf den Feind aus dem Norden und kommt so zu der Ankündigung, dass Gog aus dem Norden auf den Bergen Israels fallen wird. In der Erweiterung des Grundwortes in Ez 38,1‐9* und den nachfol‐ genden Fortschreibungen in Ez 38,10‐16 und 39,9f.17‐20 wird Gog mit weiteren Zügen des Nordfeindes ausgestattet, wobei auch auf Vorla‐ gen aus den jeremianischen Fremdvölkersprüchen in Jer 46,10 und 49,30‐32 zurückgegriffen wird. In diesem fortlaufenden Auslegungs‐ prozess erscheint der Zug Gogs immer mehr als die Einlösung der An‐ kündigung des Feindes aus dem Norden, wie sie in den ältesten Texten des Jeremiabuches vorliegt. Von besonderer Bedeutung erscheint vor diesem Hintergrund die deutende Fortschreibung in Ez 38,17, die Gogs Kommen als das Eintreffen früherer Prophezeiungen deutet: „Du bist der, von dem ich in vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels.“144 Anders als in der vergleichbaren Stelle in 39,8, in der lediglich darauf verwiesen wird, dass Jhwh von diesem Tag geredet hat ()הוא היום אשׁר דברתי, kommt 38,17 mit dem Ver‐ weis auf „meine Knechte, die Propheten“ einer expliziten Zitation sehr nahe. Hier scheint sich bereits ein Schriftverständnis abzuzeichnen, nach dem die Schrift als eigene Größe mit Autorität verstanden wird, die zitiert und kommentiert werden kann. Aufgrund der vorhergehen‐ den Bezüge auf das Jeremiabuch ist Ez 38,17 nicht als allgemeiner Verweis zu verstehen, sondern es liegt ein spezifischer Hinweis auf die Verkündigung des Jeremiabuches vor, die in der Gog‐Perikope eine Auslegung erfährt. Der Verfasser will das Kommen Gogs explizit als Aktualisierung der Ankündigung des Feindes aus dem Norden ver‐ stehen und gibt so eine (Lese‐)Anweisung zur Interpretation des Vor‐ herigen.145 144 Die obige Übersetzung folgt der nicht‐hebräischen Textüberlieferung. Der MT bietet in 38,17 durch einleitendes האתה eine rhetorische Frage. Da allerdings das he inter‐ rogativum in LXX, Peschitta und Vulgata nicht bezeugt wird und die Lesart des MT durch Dittographie mit dem vorausgehenden יהוה erklärt werden kann, wird hier den Textbezeugungen der Versionen der Vorzug gegeben (so mit ZIMMERLI, BK, 92, und FUHS, NEB, 218). Dagegen behalten BLOCK, NICOT II, 452 Anm. 132, und PREM‐ STALLER, Fremdvölkersprüche, 225, die Lesart des MT bei. 145 So mit HÖLSCHER, Hesekiel, 182f.; FISHBANE, Interpretation, 477, und ZIMMERLI, BK, 943f. Dagegen spricht sich BLOCK entschieden gegen ein derartiges Verständnis von Ez 38,17 aus (vgl. BLOCK, NICOT II, 453‐456, und ausführlicher DERS., Gog II, 154‐ 172). Er legt in 38,17 die Lesart des MT zugrunde und geht davon aus, dass diese Frage mit einem entschiedenen Nein von Gogs Seite beantwortet werden müsse (vgl. BLOCK, Gog II, 170f.). Insbesondere die Divergenzen in der Zeichnung des Feindes aus dem Norden im Vergleich mit dem Auftreten Gogs sprächen nach BLOCK dafür, dass 38,17 gerade einer fälschlichen Aneignung älterer Prophezeiungen entgegen‐ wirken wolle: „Gog is in fact not the ‘foe from the north’ of whom Jeremiah spoke.“
Die Zerschlagung Gogs: Ez 38f.
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Bei einer Übersicht über die Vorlagen fällt auf, dass in der Gog‐ Perikope hauptsächlich auf Texte zurückgegriffen wird, die einen zionstheologischen Hintergrund haben. Für die Sammlung von Klagen und Unheilsansagen im Jeremiabuch hat sich gezeigt, dass in ihnen die Abwesenheit von Jhwhs Schutzmacht auf dem Zion zum Ausdruck kommt. In den interpretierenden Fortschreibungen wird das Anrücken des Feindes dagegen zum Gericht über die Frau Jerusalem, der Jhwh selbst seine Schutzmacht entzogen hat. Gegenüber dieser Interpreta‐ tionslinie wählt die Auslegung im Ezechielbuch einen deutlich anderen Weg. Auch hier kommt es zu einer Instrumentalisierung des Feindes, den Jhwh gegen Israel aufziehen lässt, aber nur mit dem Ziel, ihn auf den Bergen Israels vernichtend zu schlagen. Die Souveränität Jhwhs und seine Schutzmacht, deren Fehlen in der Textsammlung Jer 4‐6* durch das Anrücken des Nordfeindes zutage tritt, findet in der Gog‐ Perikope eine nachdrückliche Bestätigung durch die völlige Zerschla‐ gung des Gegners. Daran wird bereits deutlich, dass zwar zionstheolo‐ gische Motive in den Gog‐Komplex eingeflossen sind, dass aber eine gänzlich andere Gottes‐ und Landkonzeption im Hintergrund steht: Jhwhs Souveränität hat sich vom Zion gelöst und erweist sich auf den Bergen Israels, die anstelle des Gottesberges zum Ziel des Feindes aus dem Norden geworden sind. 146 2.5. Die Niederlage des letzten Feindes im Ezechielbuch Die Geschichte der Gog‐Perikope im Ezechielbuch könnte damit kaum spannender sein. Sie beginnt mit einem relativ schmalen Grundwort in Ez 39,1‐5, das bewusst in einen vorliegenden Textzusammenhang 36,16‐22; 39,23‐29 eingeschrieben wird, um die Heiligung von Jhwhs Namen mit der Zerschlagung eines Feindes auf den Bergen Israels zu verknüpfen. Zwar muss es weiter rätselhaft bleiben, warum der Feind den Namen „Gog“ erhalten hat, es konnte aber eindeutig nachge‐ wiesen werden, dass sich in dieser Gestalt Züge der Fremdvölker im Ezechielbuch und des Feindes aus dem Norden im Jeremiabuch ver‐ mischen. Die Figur „Gog“ wird so zu einer literarischen Kunstgestalt, die als Feind katexochen gezeichnet ist. Während die Bezüge auf die Vorlagen im Grundwort noch relativ spärlich gehalten sind, machen (BLOCK, Gog II, 171). Damit verkennt er m. E. den rezeptiven Charakter der Schrift‐ auslegung, die gerade durch eine Neuinterpretation des traditum gekennzeichnet ist. 146 Auf den zionstheologischen Hintergrund der Gog‐Perikope weist insbesondere ALLEN, WBC 29, 207.210, hin. Auch er kommt zu dem Schluss: „ ... the ‘mountains of Israel’ have been substituted for Zion as the target of invasion“ (ALLEN, a.a.O., 210). Vgl. dazu auch ZIMMERLI, BK, 939f., und u. Kap. III. 7.4.4.
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die zahlreichen Verweise in den weiteren Fortschreibungen die Bezie‐ hungen evident. Dabei scheint insbesondere mit der Erweiterung des Grundwortes um 38,1‐9* eine Klarstellung der Verhältnisse beabsich‐ tigt zu sein, da sich hier die Querverbindungen zu den ezechielischen Fremdvölkersprüchen und den Texten aus dem Jeremiabuch häufen. Zugleich beginnt mit dieser Erweiterung die Geschichte der Gog‐ Perikope als eigenständiges Wortereignis innerhalb der Heilsprophetie des Ezechielbuches, in der die Zerschlagung des Feindes immer umfas‐ sendere Züge annimmt. Gog und seinem Völkerheer wachsen in die‐ sem Auslegungsprozess mehr und mehr Charakteristika von Israels Feinden zu, so dass ihre Zerschlagung im Buchkontext zum endgül‐ tigen Sieg über den Völkerfeind schlechthin wird. Wie die Heilspro‐ phetie im Ezechielbuch als Aufhebung der Unheilsansagen im ersten Buchteil erscheint, so besiegelt die Gog‐Perikope Jhwhs endgültigen Sieg über die Fremdvölker, wie er im zweiten Buchteil schon angelegt ist. Die Niederlage Gogs wird damit zu einem wichtigen Stadium der Heilswende Israels und unterscheidet sich in dieser Funktion auch von den anderen Fremdvölkersprüchen in Ez 25‐32. Allerdings verweist die Zeichnung Gogs auch über das Ezechielbuch hinaus. Da sein Zug ge‐ gen Israel als die Erfüllung der Ankündigung des jeremianischen Fein‐ des aus dem Norden dargestellt wird, erleidet eben dieser Feind im Ezechielbuch als dem letzten großen Prophetenbuch seine endgültige Niederlage. 147 Gog wird so nicht nur zum letzten Feind im Buch selbst, sondern auch in buchübergreifender Perspektive erweist sich der Sieg Jhwhs über diesen Feind als die endgültige Demonstration seiner Sou‐ veränität. So ist HÖLSCHERS Beurteilung der Perikope letztlich nichts hinzuzufügen: „Der literarische Charakter der Weissagung ist m. E. mit Händen zu greifen.“148
3. Der heilige Name Jhwhs: Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29 3.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Im Bereich der Heilsprophetie von Ez 34‐39 gibt es mit Ez 36,16‐23ba und Ez 39,23‐29 zwei Texte, die das Handeln Jhwhs um seines heiligen Namens willen vor dem Hintergrund der Diasporaproblematik thema‐ tisieren. Beide Perikopen sind in den bisherigen Kapiteln mehrfach in 147 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 331, der ebenfalls auf die Bedeutung der Gog‐ Perikope im Rahmen des sich formierenden Prophetenkanons hinweist. Siehe dazu auch u. Kap. IV. 2.1.3.3. 148 HÖLSCHER, Hesekiel, 188.
Der heilige Name Jhwhs: Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29
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den Blick gekommen. Im Laufe der Untersuchungen hat sich dabei die Hypothese bestätigt, dass es inhaltliche und stilistische Verbindungen zwischen den zwei Texten gibt und diese auf der literarischen Ebene vor Einfügung der Gog‐Perikope Ez 38,1‐39,22 einen Textzusammen‐ hang gebildet haben.149 In der folgenden Analyse ist nun in einem ersten Schritt danach zu fragen, ob es sich hierbei um einen ursprünglichen Textzusammenhang handelt oder ob dieser sekundär durch die Fortschreibung von Ez 36,16‐23ba durch 39,23‐29 hergestellt worden ist. An dieser Stelle wird auch die bereits mehrfach geäußerte Vermutung zu überprüfen sein, dass vor der Einfügung der Gog‐Perikope mit einem Textanschluss von 39,23 an 36,22 zu rechnen ist.150 Daran anschließend sollen in einem zweiten Schritt Beobachtungen zur Bestimmung des redaktionellen Horizontes gesammelt werden, wobei insbesondere der Bezug auf die anderen Sammlungsverheißungen der Diaspora und das literarische Verhältnis mit der Gog‐Perikope in Ez 38,1‐39,22 im Vordergrund ste‐ hen. Schließlich ist im letzten Teil die Frage zu stellen, inwieweit die Idee von Jhwhs Handeln um seines heiligen Namens willen in Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29 auf eine literarische oder traditionsgeschicht‐ liche Vorlage zurückgeführt werden kann. Hierbei kommen neben der thematischen Parallele in Ez 20 vor allem eine Reihe von Texten im Deuterojesajabuch in den Blick, in denen die Instanz von Jhwhs Namen in ähnlicher Weise als Begründungsmotiv für sein Heilshandeln ge‐ braucht wird. 3.2. Textanalyse Die Analyse der beiden Stücke Ez 36,16‐23ba und Ez 39,23‐29 ist in der bisherigen Forschung vor allem dadurch bestimmt worden, dass nicht mit einer literarischen Zusammengehörigkeit der zwei Texte gerechnet worden ist. In Bezug auf 36,16‐23ba wird zumeist eine Grundschicht im Bereich von 36,16‐38 rekonstruiert,151 während 39,23‐29 in verschie‐ densten Abgrenzungen als Epilog der Gog‐Perikope 38f. eingeordnet 149 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3.; Kap. III. 2.2.1. und III. 2.3. 150 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3.; Kap. III. 1.2. und III. 2.3. 151 So rechnen ZIMMERLI, BK, 872‐874; GARSCHA, Studien, 216f., und SIMIAN, Nachge‐ schichte, 88‐103, mit einer Grundschicht in 36,16‐32*. LEVIN, Verheißung, 209‐214, rekonstruiert eine Grundschicht in 36,16‐28*, während OHNESORGE, Jahwe, 203‐220, einen Grundbestand in 36,16‐24* annimmt. HOSSFELD, Untersuchungen, 287‐290, kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die Grundschicht nur in dem Bereich 36,17‐ 21* zu finden sei.
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wird.152 Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Zeugnis von Pap. 967 in früheren Studien noch nicht berücksichtigt werden konnte oder seine Bedeutung gerade für die Analyse von Ez 36‐39 in späteren Arbeiten nicht erkannt worden ist.153 Vom handschriftlichen Befund her erweist es sich insbesondere im Fall von 36,16ff. als problematisch, wenn eine Grundschicht postuliert wird, die teils im Bereich von 36,16‐ 23ba liegt, teils aber in den Bereich von 36,23bb‐38 hineinragt, das zum Abfassungszeitpunkt von 36,16‐23ba noch gar nicht im Buch gestanden haben kann. Die folgende Untersuchung wird deshalb zeigen, dass sich durch die Behandlung von 36,16‐23ba; 39,23‐29 als Textzusammenhang nicht nur neue Erkenntnisse über die Hintergründe für die Konzipie‐ rung der Texte gewinnen lassen, sondern auch ihre Bedeutung für das Wachstum der Heilsprophetie in Ez 34‐39 neu zu bewerten ist. Wie bereits gezeigt werden konnte, ist der erste Abschnitt der Text‐ folge in Ez 36,16‐23ba von seinem vorhergehenden Kontext formal und inhaltlich gut abgegrenzt.154 So wird der Neueinsatz insbesondere mit der Wortereignisformel in 36,16 signalisiert, aber darüber hinaus fällt auch der Wechsel in der Erzählperspektive auf, da in 36,16ff. nicht mehr das Geschick der Berge Israels im Vordergrund steht (vgl. 36,1‐ 15), sondern das Haus Israel in das Zentrum des Interesses rückt (36,17.21.22). In dieser Rede teilt Jhwh dem Propheten in einem Rück‐ blick mit, warum das Haus Israel unter die Völker zerstreut wurde und aus welchen Gründen diese Zerstreuungssituation eine faktische Be‐ drohung für seinen Namen darstellt. Ursache der Exilierung ist der Tatbestand, dass Israel, als es noch in seinem Land wohnte, das Land durch seinen Weg und seine Taten ()בדרכם ובעלילותם verunreinigte (טמא pi., 36,17). Als Reaktion auf diese Verfehlungen seines Volkes hat Jhwh seinen Grimm über die Israeliten ausgegossen (ואשׁפך חמתי, 36,18) und sie unter die Nationen zerstreut (פוץ hif., 36,19). Aber gerade durch die‐ se Situation in der Diaspora hat Israel den Namen Jhwhs entweiht (חלל pi.), da die Völker von ihnen sagen: „Das Volk Jhwhs sind diese und aus seinem heiligen Land haben sie hinausziehen müssen“ (36,20). Dementsprechend wird Jhwh zu einer erneuten Reaktion gezwun‐ gen und kündigt dem Haus Israel in 36,22, eingeleitet durch die Parti‐ kel לכן, eine Redeaufforderung an den Propheten und eine Botenformel, 152 Die Forschungslage zu Ez 39,23‐29 ist bereits im vorhergehenden Abschnitt dieser Studie diskutiert worden. Vgl. dazu und zu der hier vorgelegten Abgrenzung des Textabschnittes o. Kap. III. 2.2.1. 153 Als einzige Ausnahme ist hier auf die Analyse von POHLMANN hinzuweisen, der mit Verweis auf Pap. 967 die These aufgestellt hat, dass die beiden Texte in der Abgren‐ zung 36,16‐23ba; 39,25‐29 einen ursprünglichen Textzusammenhang gebildet haben (vgl. POHLMANN, ATD, 517f.524f.). Zu Pap. 967 vgl. o. Kap. II. 4.2. 154 Vgl. dazu o. Kap. III. 1.2.
Der heilige Name Jhwhs: Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29
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an, dass er nicht um ihretwillen ()לא למענכם, sondern um seines heiligen Namens willen ()לשׁם קדשׁי handeln wird. In 36,23aba wiederholt Jhwh seine Intention zu handeln mit den Worten, dass er seinen großen Na‐ men ()את־שׁמי הגדול heiligen wird, damit die Nationen ihn erkennen. Dieser Vers fällt nicht nur aufgrund seiner Redundanz aus dem Rah‐ men, sondern auch die Bestimmung von Jhwhs Namen als „groß“ hebt ihn vom sonstigen Sprachgebrauch im literarischen Kontext ab (vgl. שׁם ;קדשׁי 36,20.21.22; 39,25). Damit bestätigt sich die Vermutung, dass in 36,23aba mit einem nachträglichen Zusatz zu rechnen ist,155 der wahr‐ scheinlich die Integration der Gog‐Perikope in den literarischen Kon‐ text zum Ziel hat; dies wird im Fortgang der Textanalyse noch genauer zu prüfen sein. Die zweite Hälfte der Textfolge in 39,23‐29 beginnt mit der Ankün‐ digung, dass die Nationen in der Zerstreuung Israels unter die Völker das Gericht Jhwhs erkennen werden. Dieses Gericht, das der Schuld und dem treulosen Handeln ()מעל Israels angemessen ist, wird in 39,24 prägnant in der Wendung מהם ואסתר פני zusammengefasst. In 39,25 liegt ein weiterer kleiner Einschnitt vor: Eingeleitet mit der Partikel לכן, einer erneuten Botenformel und der Zeitbestimmung עתה kündigt Jhwh an, das Geschick Jakobs zu wenden (אשׁיב שׁבות [Qere]) und für seinen heili‐ gen Namen zu eifern (קנא pi); eine Vorstellung, die „mit seiner Unnah‐ barkeit, Hoheit und Heiligkeit korrespondiert“.156 Zu erwarten wäre jetzt eine Angabe darüber, wie genau Jhwhs Eingreifen zugunsten seines heiligen Namens aussieht, aber stattdessen überspringt 39,26 diese Handlung und redet von der Situation Israels, nachdem es in sein Land zurückgekehrt ist. Dort soll das Volk seine Schmach tragen (ונשׂו )את־כלמתם157 und seine Untreue ()ואת־כל־מעלם, mit der die Israeliten treu‐ los an Gott gehandelt haben. Erst im nachstehenden Vers folgt in Form des Partizips בשׁובבי die Ankündigung Jhwhs, Israel aus den Völkern zurückzubringen, so dass er sich vor den Nationen als heilig erweisen (קדשׁ ni., 39,27) und Israel ihn erkennen wird (39,28). Es ist deshalb zu überlegen, ob in 39,26 eine spätere Ergänzung vorliegt, die die Einsicht Israels nach der Rückkehr ins Land einträgt. Für eine sekundäre Einfügung spricht auch die Wiederaufnahme des 155 Zur Sekundarität von Ez 36,23aba vgl. LEVIN, Verheißung, 211, und OHNESORGE, Jahwe, 212f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 288f., sieht in V 22‐23ba insgesamt einen Nachtrag zu seinem Grundwort in 36,17‐21*. 156 SAUER, Art. ִקנְאָה, 649. 157 Mehrere Exegeten ändern den Text an dieser Stelle in ונשׁו „sie sollen vergessen (“)נשׁה, da hier eine Heilsaussage erwartet wird (vgl. BHS; BERTHOLET, HAT, 134f.; FOHRER, HAT, 218; LUST, Text, 53, und FUHS, NEB, 223). Dafür gibt es nicht nur keinen Anhalt in den Versionen, sondern der MT bietet darüber hinaus die lectio difficilior und ist deshalb beizubehalten (so auch ZIMMERLI, BK, 932).
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Verbs מעל aus 39,23 in 39,26a und die Anbindung an den partizipialen Beginn von 39,27 über das Partizip בשׁבתם in 39,26b. Wenn also in 39,26 mit einem Nachtrag zu rechnen ist, könnte das Partizip בשׁובבי ur‐ sprünglich an 39,25 angeschlossen haben und so die Art und Weise explizieren, wie Jhwh für seinen Namen eifern will: „Und ich eifere für meinen heiligen Namen, indem ich sie aus den Völkern zurückbringe ()בשׁובבי ...“ (39,25b.27aa). Den Abschluss des gesamten Textstückes bil‐ det in 39,29 die Ankündigung, dass Jhwh sein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen wird ()ולא־אסתר עוד פני מהם, wenn er seinen Geist über das Haus Israel ausgegossen hat ()אשׁר שׁפכתי את־רוחי. An dieser Stelle ist allerdings ein textkritisches Problem zu disku‐ tieren, da die griechischsprachige Überlieferung in 39,29 für רוחי die Übersetzung to.n qumo,n mou bietet. רוח kann für eine Reihe von Gemüts‐ verfassungen mithin auch des Zornes stehen, so dass eine enge Verbin‐ dung zwischen den beiden Begriffen besteht. Dies zeigen auch Belege wie Jes 59,19; Sach 6,8; Hi 15,13 und Prov 18,15; 29,11, wo רוח durch qumo,j wiedergegeben wird. 158 In Bezug auf Ez 39,29 ist deshalb zu klä‐ ren, ob eine vom masoretischen Text abweichende Vorlage anzuneh‐ men ist, die ein Wort für „Zorn“ geboten hat, oder ob eine besondere Interpretation auf Seiten der griechischen Überlieferung vorliegt (רוח im Sinne von qumo,j). Im Horizont des Einzeltextes ist die Frage kaum zu entscheiden, da beide Möglichkeiten sinnvoll erscheinen: Während die Ausgießung des Zornes das endgültige Ende des Gerichtes signali‐ siert, verweist die Ausgießung des Geistes auf die zukünftige heilvolle Wende im Geschick Israels. In dieser Frage kann sich erneut das Zeugnis des Pap. 967 als Schlüssel erweisen. Nach den bisherigen redaktionsgeschichtlichen Überlegungen ist für Ez 39,23‐29 eine Position direkt vor der Vision Ez 37,1‐14 anzunehmen. An diesem literarischen Ort erscheint die Text‐ variante des masoretischen Textes „verfrüht“, da 39,23‐29 weder redak‐ tionell noch kontextuell eine Handlung vorausgeht, auf die sich die perfektisch formulierte Aussage über die Geistausgießung beziehen könnte. Darüber hinaus erscheint es unwahrscheinlich, dass der Über‐ setzer von Pap. 967 ursprüngliches רוח mit qumo,j wiedergegeben hätte, wo er doch im Anschluss daran in 37,1‐14 רוח konsequent als pneu/ma übersetzt. 159 Wird hingegen ein ursprüngliches Wort für „Zorn“ (חמה/ )זעם in 39,29 angenommen, so könnte die Abänderung zu רוח im MT 158 Vgl. TENGSTRÖM, Art. רוּ ַח, 397.411, und zu den Belegen im Einzelnen HATCH/RED‐ PATH, Concordance, 660‐662. Für die Ezechiel‐LXX gibt es aber mit Ausnahme der in Frage stehenden Stelle 39,29 keinen weiteren Beleg für die Übersetzung von רוח mit qumo,j. 159 Vgl. LUST, Text, 52.
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gerade mit der Umstellung zur masoretischen Kapitelabfolge erklärt werden. Denn in Folge dieser Umstrukturierung verliert die Perikope einerseits den kontextuellen Bezug auf 37,1‐14 und rückt andererseits in die Endposition der Heilsworte von Ez 34‐39. Die Textabänderung in רוח trägt diesen Konsequenzen Rechnung, indem mit der Geistausgie‐ ßung auf die vorausgehende Belebung der Knochen zurückverwiesen und des Weiteren ein heilvoller Abschluss am Ende des Buchteiles her‐ gestellt wird. Im Folgenden ist deshalb davon auszugehen, dass die ur‐ sprüngliche hebräische Textfassung ein Wort für „Zorn“ enthalten hat, das in der griechischsprachigen Überlieferung bewahrt worden ist.160 In dieser Buchgestalt schlägt die Ausgießung des Zornes in 39,29 einen Bogen zurück zu 36,18, so dass das Gerichtshandeln Jhwhs als inclusio die Textfolge 36,16‐22(23aba); 39,23‐29* rahmt. Der Durchgang durch die Texte hat gezeigt, dass die Zusammen‐ gehörigkeit der beiden Stücke kaum in Frage zu stellen ist. Jhwhs heiliger Name spielt in beiden Texten eine wichtige Rolle (36,20.21.22; vgl. 39,25), und im Bereich von Ez 34‐39 wird das Thema mit Ausnah‐ me von 39,7 nur in diesen beiden Abschnitten aufgenommen.161 Auch wenn die inhaltliche Bezogenheit damit nicht in Frage zu stellen ist, bleibt noch zu klären, ob es sich hierbei um einen ursprünglichen Text‐ zusammenhang handelt. Für die Annahme einer durchgehenden Grundschicht sprechen vor allem tendenzkritische Erwägungen. Die Texteinheit 36,16‐22 ist in sich nicht abgeschlossen, sondern die Ankündigung, dass Jhwh für seinen heiligen Namen eintreten wird, erweist das Stück als fortsetzungs‐ bedürftig. Das Problem, das ungelöst bleibt, ist die Situation der Dias‐ pora, durch die das Volk passiv den Namen Jhwhs entweiht. In den Augen der Völker besteht in der Trennung Israels von seinem Land Anlass zum Spott über den anscheinend ohnmächtigen Gott, so dass Jhwhs heiliger Name profaniert wird. Dies setzt auch voraus, dass den Völkern die vergangene Geschichte Israels nicht als „Schuldgeschichte“ verständlich ist,162 so dass sie in der Zerstreuung nicht die göttliche 160 So mit LUST, Text, 53, der allerdings davon ausgeht, dass die Abänderung der hebrä‐ ischen Vorlage bereits vor Umstellung der Kapitel zur MT‐Struktur erfolgt sei. Zu einem synchronen Vergleich der Ablauflesung in MT und Pap. 967, die die hier vorgetragene Interpretation der Textvarianten stützt, vgl. SCHWAGMEIER, Untersu‐ chungen, 286.293‐295. Dagegen sieht ALLEN, WBC 29, 202, in der Lesung der LXX „an exegetical interpretation“ und verweist dabei auf Ez 36,18 und 39,23f. In gleicher Weise sieht BLOCK, NICOT II, 478f. Anm. 89, in der Variante der LXX eine Harmoni‐ sierung mit der bei Ezechiel üblichen Wendung שׁפך חמה. 161 Ez 39,7 setzt die Textfolge 36,16‐22(23aba); 39,23‐29 aber bereits voraus; vgl. dazu o. Kap. III. 2.2.3. Außerhalb von Ez 34‐39 wird das Thema nur noch in Ez 20 und 43,7b‐ 9 verhandelt. 162 Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 254.
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Strafmaßnahme erkennen. Die Ankündigung in 36,22 erfordert deshalb zwingend eine Reaktion Jhwhs, durch die einerseits die Zerstreuung Israels aufgehoben und andererseits die Einsicht der Völker herbei‐ geführt wird. Sowohl der Erkenntnisgewinn der Völker (vgl. 39,23) als auch die erforderliche Sammlungsverheißung (vgl. 39,27) finden sich aber erst in Ez 39,23‐29*, so dass hier die ursprüngliche Fortsetzung vorliegen muss.163 Der in diesem Fall für die Grundschicht zu postulie‐ rende Textanschluss von 36,22 zu 39,23 fällt zwar durch einen Wechsel in der Anrede Israels von der 2. Pers. pl. zur 3. Pers. pl. auf, aber dieser ist durch einen Perspektivwechsel zu erklären: Während in 36,22 die Einsicht Israels im Vordergrund steht, rücken mit 39,23 die Völker und ihre Sicht auf Israel in das Zentrum. Nach den bisherigen Überlegungen ist damit von einer Grund‐ schicht in Ez 36,16‐22; 39,23‐29* auszugehen, die sich in drei Teile glie‐ dern lässt: Nach der Wortereignisformel in 36,16 folgt in den Versen 36,17‐21* eine Rede Jhwhs an den Propheten, in der er diesem in einem Rückblick auseinander setzt, wie es zur Profanierung seines heiligen Namens unter den Völkern kommen konnte. Anschließend folgt in 36,22; 39,23f. ein weiterer Redegang, der aber diesmal an das Haus Israel gerichtet ist, und in dem Jhwh seine Motivation zum Handeln und sein Ziel benennt. Der abschließende dritte Abschnitt der Gottes‐ rede in 39,25‐29* schildert schließlich, wie Jhwh zugunsten seines heili‐ gen Namens handeln wird. Als nachträgliche Ergänzungen konnten bereits die Einzelverse 36,23aba und 39,26 identifiziert werden, aber darüber hinaus sind noch ein paar andere Teilverse zusatzverdächtig, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. So fällt zuerst der Vergleich von Israels unreinem Wandel mit der weiblichen Monatsregel in 36,17b auf. 164 Der invertierte Verbalsatz un‐ terbricht nicht nur die Narrativkette, mit der die Handlung in V 17a.18 geschildert wird, sondern der Vergleich fällt auch dadurch aus seinem 163 Auf die Fortsetzungsbedürftigkeit von 36,16‐23ba in Bezug auf die Ausführung von Jhwhs Eintreten für seinen heiligen Namen ist bereits mehrfach verwiesen worden (vgl. schon ZIMMERLI, BK, 873, sowie BLOCK, NICOT II, 341). So ziehen die meisten Exegeten, die eine Grundschicht im Bereich von 36,16‐38* rekonstruieren, die Samm‐ lungsaussage 36,24 zu ihrer Grundschicht, denn die „spottende Feststellung der Völ‐ ker von 20 wird durch diese Rückführung zunichte gemacht.“ (ZIMMERLI, BK, 878; vgl. auch GARSCHA, Studien, 216f.; SIMIAN, Nachgeschichte, 91; LEVIN, Verheißung, 213, und OHNESORGE, Jahwe, 215). Lediglich HOSSFELD, Untersuchungen, 287‐290. 335‐338, ordnet V 24 einer Ergänzung seiner Grundschicht in 36,16‐22 zu, so dass sein Ausgangstext keine Sammlungsansage enthält. Zur „Fortsetzungsbedürftigkeit“ von 36,16‐23ba vgl. auch o. Kap. II. 4.2. 164 FOHRER, HAT, 203: „erläuternde Gl. [= Glosse]“. Auf den Ergänzungscharakter von V 17b verweisen auch LEVIN, Verheißung, 210; OHNESORGE, Jahwe, 208, und FUHS, NEB, 203.
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Kontext heraus, dass mit דרכם ein neues Subjekt eingeführt wird. Wei‐ terhin wird von den meisten Exegeten 36,18abb (36,18*) als Nachtrag eingeordnet, der mit Verweis auf das Blutvergießen und die Verunrei‐ nigung durch die „Mistdinger“ ()גלולים eine gegenüber V 17 sekundäre Begründung für Jhwhs Gericht anführt.165 Der sekundäre Charakter zeigt sich nicht nur an der Wiederaufnahme der Wurzel שׁפך aus V 18aa in V 18ab, sondern auch daran, dass die entsprechenden Versteile in der LXX* fehlen. Der Nachtrag dient ebenso wie die Glosse in 36,17b der näheren Beschreibung der kultischen Vergehen Israels und ver‐ wendet dabei Begriffe, die auch in anderen Texten des Ezechielbuches den negativen Wandel Israels illustrieren.166 Schließlich ist zu über‐ legen, ob weiterhin in 36,21 eine spätere Ergänzung vorliegt, da der Rückblick auf Jhwhs Mitleid für seinen heiligen Namen ein retardie‐ rendes Moment im Handlungsablauf darstellt. Auf einen späteren Zu‐ satz deutet in diesem Fall auch die Wiederaufnahme der Ortsangabe אשׁר־באו שׁם aus V 20aa in V 21bb ()אשׁר־באו שׁמה hin.167 Innerhalb von 39,23‐29 bleibt nur noch V 28agb zu berücksichtigen. Hier stellt sich ein in erster Linie textkritisches Problem, da der Versteil in der LXX* nicht überliefert ist. Darüber hinaus fällt die Sammlungs‐ aussage V 28ag MT durch ein eher unübliches Vokabular auf. So wird nicht das sonst gebräuchliche קבץ pi. verwendet,168 sondern כנס pi., des‐ sen Auftreten in biblischen Büchern ein verlässlicher Indikator für eine späte Abfassung ist.169 Aus der Verwendung von כנס in Verbindung mit der Nicht‐Bezeugung des Versteiles V 28agb in der LXX* kann deshalb geschlossen werden, dass dieser zu den jüngsten Textanteilen des Bu‐ ches gehört und erst nach Abtrennung der griechischen Textüberliefe‐ rung eingefügt wurde.170 Weiterhin sprechen inhaltliche Gesichtspunk‐ te für einen theologiegeschichtlich späten Abfassungszeitpunkt, da im Hintergrund der Verheißung, keinen in der Diaspora zurückzulassen, 165 Vgl. FOHRER, HAT, 203; EICHRODT, ATD, 343; ZIMMERLI, BK, 870.875; SIMIAN, Nach‐ geschichte, 88; HOSSFELD, Untersuchungen, 290f., und LEVIN, Verheißung, 210. 166 Zum Vorwurf des Blutvergießens ()שׁפך דם vgl. Ez 22,3.4.6.9.12.27; 33,25. Die Verun‐ reinigung ()טמא mit den גלולים findet sich in Ez 20,7.18.31; 22,3.4; 23,7.30; 37,23, wo sie allerdings jeweils nicht auf die Verunreinigung des Landes, sondern auf die Selbst‐ verunreinigung des Volkes bzw. Ohola und Oholiba bezogen ist; vgl. zu den גלולים auch u. Kap. IV. 2.1.3.3. 167 Einen Nachtrag in V 21 nehmen LEVIN, Verheißung, 211, und im Anschluss an die‐ sen FUHS, NEB, 203f., an. Anders dagegen ausdrücklich OHNESORGE, Jahwe, 210f. 168 Vgl. Ez 11,17; 20.34.41; 28,25; 34,13; 36,24; 37,21; (38,8 קבץ pu.); 39,27. 169 Vgl. HURVITZ, Study, 124. 170 So mit LUST, Text, 50f. Zu weiteren Differenzen zwischen griechischer und hebräi‐ scher Überlieferung in Ez 39,28 und dem literarischen Kontext, die für die hier vor‐ gestellte Analyse nicht von Bedeutung sind, vgl. LUST, a.a.O., 48‐54.
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Diskussionen darüber zu vermuten sind, ob alle aus der weltweiten Diaspora zurückkehren können bzw. wollen. Für die Grundschicht ergibt sich damit die nachstehende Abgren‐ zung: 36,16.17a.18aa.20.22; 39,23‐25.27.28aab.29 (im Folgenden 36,16‐22; 39,23‐29*). Sie ist in 36,17b; 36,18abb; 36,21; 39,26 und 39,28agb durch Zusätze erweitert worden, die primär auf die Aussagen des Grundwor‐ tes bezogen sind und diese näher ausführen. In Bezug auf den Nach‐ trag 36,23aba ist dagegen vermutet worden, dass seine Einschreibung mit dem Textwachstum im Bereich von Ez 38,1‐39,22 zusammenhängt. Dies bestätigt sich daran, dass durch diese Einzelversfortschreibung eine Dublette in der Textfolge entsteht, da in 36,23aba und 39,23 zwei auf die Völker gerichtete Erkenntnisformeln aneinander stoßen. Die Einschreibung von 36,23aba macht deshalb nur zu einem Zeitpunkt Sinn, als die beiden Teile der Grundschicht in 36,16‐22 und 39,23‐29 be‐ reits durch einen Grundbestand der Gog‐Kapitel voneinander getrennt wurden. Entweder handelt es sich um ein redaktionelles Scharnier, mit dessen Hilfe das ursprüngliche Gog‐Wort 39,1‐5* in den vorliegenden Textzusammenhang „eingepasst“ wird oder es liegt eine späte Bearbei‐ tung vor, durch die Ez 38f. eine Leseperspektive vorangestellt wird. Da die Rede vom großen Namen Jhwhs (36,23aba) ohne Pendant im ge‐ samten Textbereich 36,16‐39,29 ist, spricht dies eher für die Annahme einer sekundären „externen“ Deutung. Wird nach dem proprium des Grundwortes Ez 36,16‐22; 39,23‐29* gefragt, so ist dies darin zu sehen, dass die Zerstreuung Israels unter die Völker nicht primär heilsgeschichtlich als Strafmaßnahme für die Vergehen der Israeliten thematisiert wird, sondern in ihren negativen Auswirkungen für das Ansehen von Jhwhs heiligem Namen. 171 Dabei ist es nicht der Wandel des Volkes in der Diaspora, der den göttlichen Namen profaniert, sondern seine faktische Existenz in der Zerstreuung unter die Völker gibt den Gott Israels dem Ohnmachtsverdacht preis, so dass er zum Handeln „um meines heiligen Namens willen“ (לשׁם )קדשׁי gezwungen ist. 3.3. Beobachtungen zum redaktionellen Horizont Es ist nun danach zu fragen, inwieweit sich an dieser Stelle Aussagen über den redaktionellen Ort des Grundwortes im dritten Teil des Ezechielbuches treffen lassen. Der Text zeigt zuerst eine Prägung durch priesterliche Denkkategorien: Die früheren Vergehen Israels und die Profanierung von Jhwhs heiligem Namen werden als Verunreinigung 171 Vgl. BETTENZOLI, Geist, 193.
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(טמא pi., 36,17; טמאה, 39,24) und Entweihung (חלל pi., 36,20.21.22.23)172 beschrieben, denen Jhwh seine Ankündigung entgegensetzt, sich als heilig zu erweisen (קדשׁ ni., 39,27). Neben Ez 36,16‐22; 39,23‐29* spielt der heilige Name Jhwhs im dritten Buchteil noch in Ez 39,7 und 43,7b‐9 eine Rolle. In 39,7 liegt bereits eine Rezeption von 36,16‐22(23aba); 39,23‐29 vor, in der das Handeln Jhwhs für seinen heiligen Namen se‐ kundär auf die Zerschlagung Gogs ausgelegt wird. Dagegen wird der heilige Name Jhwhs in 43,7b‐9 nicht als Begründungsmotiv verwendet, sondern diese nachträgliche Überarbeitung stellt die Wohnungszusage Jhwhs in 43,7a sekundär unter die Bedingung, dass das Haus Israel Jhwhs heiligen Namen nicht mehr verunreinigen soll (טמא pi.).173 Mit RUDNIG ist im Hintergrund von V 7b‐9* das dtn.‐dtr. Theologumenon von dem am Kultort wohnenden Namen Jhwhs zu vermuten, so dass hier ein von dem Kontext in 43,1‐7a* zu trennender Vorstellungszu‐ sammenhang auftritt, in dem die direkte kultische Gegenwart Jhwhs im Heiligtum vermieden wird.174 Die Vorstellung vom Handeln Jhwhs um seines heiligen Namens willen hat damit in 36,16‐22; 39,23‐29* ihr erstes Auftreten innerhalb der Heilsprophetie von Ez 34‐39. In der Analyse hat sich der Text als theologische Reflexion erwiesen, die mit der Diasporaproblematik ver‐ traut ist und sie in ihren Auswirkungen auf die Heiligkeit von Jhwhs Namen hin bedenkt. Da es also weniger um die Ankündigung des Heils als vielmehr um seine Begründung geht, kann geschlossen wer‐ den, dass die Perikope im redaktionellen Horizont eine oder mehrere Sammlungsansagen voraussetzt, die in 36,16‐22; 39,23‐29* eine theolo‐ gische Interpretation erfahren. Dafür kommen mit Ez 34,13 und Ez 37,21 zwei Heilsankündigungen des Kontextes in Ez 34‐39 als mögliche Bezugstexte in Frage.175 Allerdings unterscheiden sich die beiden Ver‐ heißungen in terminologischer Hinsicht deutlich von der Sammlungs‐ 172 Die Entweihung von Jhwhs Namen begegnet als geprägte Wendung im Alten Testa‐ ment, die neben dem Ezechielbuch vor allem im Heiligkeitsgesetz belegt ist. Dort findet sie sich in der Begründung konkreter Vorschriften (Lev 18,21; 19,12; 21,6), als das allgemeine Ziel der Vorschriften (Lev 22,2.32) und in der Begründung eines Straftatbestandes (Lev 20,3); vgl. dazu SIMIAN, Nachgeschichte, 165, und MAASS, Art. חלל, 571‐574. 173 Zum Nachtragscharakter der Verse vgl. ausführlich RUDNIG, Heilig, 82‐96.201‐204; siehe ferner VOGT, Untersuchungen, 150f.; FUHS, NEB, 41f., und TUELL, Law, 38‐42. Dagegen rechnen FOHRER, HAT, 241f.; ZIMMERLI, BK, 1074, und EICHRODT, ATD, 391‐393, die Verse zum Grundbestand. Vgl. auch die Analyse u. Kap. III. 4.4.4.2. 174 Vgl. RUDNIG, Heilig, 85. 175 Die weiteren Sammlungsaussagen in Ez 36,24 und 38,8 gehören dagegen zu Text‐ stücken, die 36,16‐22; 39,23‐29* bereits voraussetzen; vgl. o. Kap. III. 1.3. und III. 2.3. Zu einer Zusammenschau der Sammlungs‐ und Rückführungsverheißungen in Ez 34‐39 vgl. u. Kap. III. 5.3.
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ansage in 39,27: Während die Ankündigung von Sammlung und Heim‐ führung in 34,13 und 37,21 mit der Verbtrias יצא hif. (34,13) bzw. לקח (37,21) sowie קבץ pi. und בוא hif. gebildet wird, wird in 39,27 für die dreistufige Verheißung שׁוב pil., קבץ pi. und קדשׁ ni. verwendet. Der Gebrauch von קדשׁ in der dritten Position erklärt sich dadurch, dass der Fokus in 39,27 nicht auf der Rückführung als solcher liegt, sondern auf den Auswirkungen, die diese für das Ansehen Jhwhs in der Völkerwelt hat. Schwieriger ist die Erklärung für die Verwendung von שׁוב pil. Das Verb ist in der Bedeutung „zurückbringen“ überhaupt nur in Jes 49,5; Jer 50,19 und Ps 60,3 belegt.176 Insbesondere zu Jes 49,5 besteht eine weitere Verbindung mit der Nennung von „Jakob“ zur Bezeichnung des Volkes Israel, die im Ezechielbuch außer in 39,25 nur noch in der Perikope über den ewigen Heilsbund in 37,25 belegt ist.177 Die dreiglie‐ drige Verheißung in 39,27 kann damit als Fortführung der Sammlungs‐ verheißungen in 34,13 und 37,21 verstanden werden, in der Sammlung und Rückführung Israels in ihren Auswirkungen auf das Ansehen Jhwhs reflektiert werden. Es fällt weiterhin auf, dass 36,16‐22; 39,23‐29* durch eine besondere Sicht auf die Völker geprägt ist. Anders als im ersten Buchteil agieren die Völker nicht als von Israels Schuld betroffene bzw. daran beteiligte oder als Jhwhs Gericht vollstreckende Instanzen, sondern sie nehmen mit ihrer Deutung entscheidenden Einfluss auf die Geschichte Isra‐ els.178 Es ist nicht nur ihr Spott, der Jhwh dazu bringt, der Zerstreuung seines Volkes ein Ende zu setzen, sondern die Völker sollen Einsicht in Gottes Heilsplan mit Israel bekommen und darin Gotteserkenntnis erhalten (vgl. 39,23 sowie den Nachtrag in 36,23aba). Diese Linie der Völkererkenntnis wird in der Gog‐Perikope 38,1‐39,22 weitergeführt, in der mehrfach die Betonung darauf liegt, dass Jhwhs Handeln auf die Erkenntnis der Völker gerichtet ist (vgl. 38,16.23; 39,6.7). Das Motiv der Völkererkenntnis findet sich im Bereich von Ez 34‐39 ferner in der späten redaktionellen Fortschreibung 36,36 und in dem Heilsbundtext 37,28; darüber hinaus ist es auch in den Fremdvölkersprüchen belegt.179 Dazu passt die Beobachtung, dass auch Jhwhs Ankündigung, sich bzw. seinen Namen durch sein Handeln an Israel zu heiligen (קדשׁ ni., Ez 20,41; 28,25; 36,23; 38,16; 39,27; קדשׁ pi. Ez 20,12; 36,23aba; 37,28), auf die bereits erwähnten Texte des Buches beschränkt ist. Die Völker wer‐ 176 Vgl. im Kontext noch Ez 38,4 und 39,2, dort aber in der Bedeutung „herumlenken“. 177 In Ez 37,25 erklärt sich die Bezeichnung durch die gesamtisraelitische Perspektive, vgl. dazu u. Kap. III. 5.4.3. Zu „Jakob“ vgl. weiterhin Ez 20,5 und 28,25. 178 Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 255. 179 Zu den Belegen in den Fremdvölkerworten vgl. Ez 25,5.7.11; 25,14; 25,17; 26,6; 28,22. 23.(24); 29,6.9; 30,8.19.25.26; 32,15.
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den folglich in einer Reihe von jüngeren Heilstexten zu dem Forum, vor dem Jhwh seine Heiligkeit an Israel erweist. Zwar haben sie selbst keinen Anteil am Heil, bekommen aber Einsicht in das göttliche Han‐ deln, dessen Bedeutung durch die „Öffentlichkeit“ des Völkerforums eine weitere Steigerung erfährt. Die Beobachtungen zum redaktionellen Horizont haben damit ge‐ zeigt, dass Ez 36,16‐22; 39,23‐29* nicht zu den ältesten Stücken im Bereich von Ez 34‐39 gehören kann. Vielmehr setzt der Textzusammen‐ hang bereits das Thema der Sammlung und Heimführung voraus, das in seinen Auswirkungen auf die Heiligkeit von Jhwhs Namen disku‐ tiert wird. Seinerseits erfährt 36,16‐22; 39,23‐29* im Nahkontext nur in der Gog‐Perikope eine Rezeption, die in das vorliegende Textstück hineingeschrieben wird und zu einem eigenständigen Wortereignis an‐ wächst. Die Zerschlagung Gogs erscheint zuerst durch die Kontextpo‐ sition, aber dann auch explizit (vgl. 39,7) als Handeln Jhwhs zugunsten seines heiligen Namens und rückt an die Stelle, die im ursprünglichen Grundwort die Sammlung des Volkes einnimmt.180 Auf diese Weise entsteht in 36,16‐39,29 sukzessive ein relativ abgeschlossener Block innerhalb von Ez 34‐39, der durch eine eigene Auslegungsgeschichte anwächst und durch die vormals zusammengehörigen Stücke in 36,16‐ 22(23aba) und 39,23‐29 gerahmt wird. Der einzige Text, der im Nah‐ kontext Verbindungen zu diesen Kapiteln aufweist, ist Ez 37,25‐28, der neben der Bezeichnung Israels als „Jakob“ auch durch das Motiv der Völkererkenntnis mit 36,16‐39,29 verbunden ist. 3.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 3.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen Das bestimmende Motiv in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29181 ist das Eingreifen Jhwhs um seines heiligen Namens willen, in dem sich die dtn.‐dtr. Na‐ menstheologie182 und die priesterliche Vorstellung von der Heiligkeit Jhwhs zu einem Begründungsmotiv für das göttliche Handeln verbin‐ den. Mit der dtn.‐dtr. Namenstheologie wird im Bereich der dtn.‐dtr. Literatur ein theologisches Konzept bezeichnet, nach dem der Name Jhwhs als Vertretung des im Himmel anwesenden Gottes im Tempel 180 Vgl. dazu o. Kap. III. 2.3. 181 Im Folgenden steht nur dann 36,16‐22; 39,23‐29*, wenn die Angabe sich zweifelsfrei auf die Grundschicht des Textes bezieht. 182 Vgl. VEIJOLA, Klagegebet, 301: „Die starke Hervorhebung des Namens Jahwes als Motiv seines Handelns in den exilischen Schriften ist kaum unabhängig von der dtn Namenstheologie entstanden ...“.
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gegenwärtig ist.183 Theologiegeschichtlich kann hinter dieser Vorstel‐ lung der Versuch vermutet werden, die lokale Präsenz Jhwhs nach der Zerstörung des Tempels auf eine neue Grundlage zu stellen und neu zu definieren. Der Name Jhwhs als „Ausstrahlung seiner Person“184 ermöglicht einerseits die andauernde Gegenwart Gottes auf Erden, während andererseits die Souveränität seiner Person durch die Ab‐ straktion gewahrt bleibt. In gleicher Weise kann der heilige Name Jhwhs durch die Situation des Volkes in der Diaspora zwar entweiht werden, aber die Person Jhwhs bleibt davon unberührt, wie er mit dem machtvollen Eingreifen zugunsten seines Namens unter Beweis stellt. Mit dem Adjektiv „heilig“ ist dem Namen Jhwhs in dieser Funk‐ tion auch das Gottesattribut der „Heiligkeit“ zugewachsen, wie es sich vor allem in priesterschriftlichen Texten findet. Die Heiligkeit Jhwhs gehört zu den grundsätzlichen Aussagen über Gott im Alten Testament und begründet den qualitativen Abstand zwischen ihm und seinen Ge‐ schöpfen.185 So wird die Heiligkeit durch Reinheit und Absonderung bewahrt, während sie durch Entweihung ()חלל und Verunreinigung ()טמא bedroht ist. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine abso‐ lute Eigenschaftsaussage, sondern da Jhwh der „Heilige Israels“ ist, erweist sich seine Heiligkeit vor allem in Relation zu seinem Eigen‐ tumsvolk Israel.186 Daraus folgt zuerst, dass eine Jhwh entsprechende Heiligkeit auch von Israel gefordert wird, die sowohl die kultisch‐rituelle Heiligkeits‐ forderung wie auch das Gebot sittlicher Vollkommenheit einschließt (vgl. Lev 19,1). Das Heiligkeitsgesetz in Lev 17‐26 enthält dement‐ sprechend ein umfassendes Konzept einer Ethik der Heiligkeit, in der Jhwhs heiliger Name zur fundamentalen Begründung der Heiligkeits‐ forderung wird (Lev 20,3; 22,2.32). Darüber hinaus steht durch die Bin‐ dung von Jhwh an sein Volk mit dem Geschick Israels zugleich auch das Ansehen und die Herrlichkeit von Jhwhs Namen mit auf dem Spiel. Eine mögliche Fehlbeurteilung von Israels Situation durch die 183 Vgl. dazu GRETHER, Name, 31‐35; VAN DER WOUDE, Art. ֵשׁם, 953‐955; METTINGER, Dethronement, 38‐79.116‐134; KELLER, Untersuchungen, 130‐152.153‐170.207, und KAISER, Gott II, 198‐203. 184 KAISER, Gott II, 201. Zur Diskussion, inwieweit der Name Jhwhs als „Hypostase“ bezeichnet werden kann, vgl. KAISER, a.a.O., 201, der sich gegen ein hypostasiertes Verständnis ausspricht. Anders dagegen KELLER, Untersuchungen, 139‐141. 185 Vgl. dazu insgesamt MÜLLER, Art. קדשׁ, 589‐609; KORNFELD/RINGGREN, Art. קדשׁ, 1179‐ 1204, und KAISER, Gott II, 104‐27. 186 Siehe Hos 11,9 und zu der Rede vom „Heiligen Israels“ die zahlreichen Belege im Jesajabuch (Jes 1,4; 5,19.24; 10,20; 12,6; 17,7; 29,19; [29,23]; 30,11.12.15; 31,1; 37,23; 41,14.16.20; 43,3.14; 45,11; 47,4; 48,17; 49,7; 54,5; 55,5; 60,9.14). Vgl. zum Jesajabuch auch KRATZ, Israel, 85‐90.
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Völker, die zu einer Profanierung seines Namens führt, kann ihn des‐ halb zum Einschreiten bewegen (vgl. z. B. Ps 79,9f.; 115,1f.).187 Diese Vorstellung, dass Jhwh etwas „um seines Namens willen“ tut, wird im Allgemeinen durch eine Form von למען mit angeschlossenem, suffi‐ giertem שׁם bzw. durch die elliptische Wendung למעני ausgedrückt.188 Neben der Verwendung als Begründungsmotiv kann der Name Jhwhs auch zu einer Anrufungsinstanz werden, durch die Jhwh „um seines Namens willen“ zum Einschreiten zugunsten seines Volkes bewegt werden soll. In dieser Prägung ist die Formel am häufigsten in der Volksklage oder in der individuellen Klage belegt (vgl. למען שׁמך, Jer 14,7.21; Ps 25,11; 31,4; 109,21; 143,11; למענך, Dan 9,19). Weiterhin begeg‐ net die Wendung als Vertrauensmotiv (למענ שׁמו, Ps 23,3), als Selbst‐ aussage Jhwhs (vgl. למעני, 2 Kön 19,34; 20,6; Jes 37,35) und im Rückblick auf Jhwhs Geschichtshandeln (vgl. למען שׁמו, Ps 106,8). Auf den „großen Namen“ bezogen findet sich das Motiv schließlich noch in den dtr. Stücken Jos 7,9 ()לשׁמך הגדול und mit leicht abweichender Terminologie in 1 Sam 12,22 ()בעבור שׁמו הגדול.189 Der traditionsgeschichtliche Hintergrund für die Verwendung des Motivs in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 ist damit klar umrissen. Für die Frage nach möglichen literarischen Vorlagen sind nun im Folgenden die Texte zu untersuchen, in denen die Vorstellung in ähnlicher Weise zur Begründung von Jhwhs Handeln an Israel verwendet wird. Zuerst begegnet die Formel למען שׁמי im großen Geschichtsrückblick Ez 20, wo mehrfach davon die Rede ist, dass Jhwh mit Rücksicht auf seinen Namen von einem bestimmten Gerichtshandeln absieht (vgl. Ez 20,9. 14.22). In diesem Kapitel ist das Handeln „um meines Namens willen“ auch das leitende Prinzip für den heilvollen Neuanfang (vgl. Ez 20,44). Wird die Perspektive auf das gesamte Alte Testament ausgeweitet, so tritt insbesondere das Deuterojesajabuch in den Blick, in dem es mit Jes 43,22‐28 (למעני, 43,25) und Jes 48,1‐11 (למען שׁמי, 48,9; למעני למעני, 48,11) zwei Perikopen gibt, in denen ebenfalls der göttliche Name als Motiv für Jhwhs Heilshandeln zugunsten Israels thematisiert wird. An dieser Stelle ist auch das Stück Jes 52,4‐6 mit in die Überlegungen einzu‐ beziehen, das zwar nicht die Wendung למען enthält, aber eine große thematische Nähe zu den Texten des Ezechielbuches aufweist. 187 Vgl. in der Sache auch Texte wie Ex 32,12‐14; Nu 14,13; Dtn 9,26‐29; Dtn 32,27; Jos 7,8‐10, in denen Jhwh vorgehalten wird, dass eine endgültige Vernichtung Israels in den Augen der Völker als Ohnmacht oder Unfähigkeit missverstanden werden könnte. 188 Vgl. dazu BRONGERS, Partikel, 92‐96; HERMISSON, BK, 242f.; SIMIAN, Nachgeschichte, 342, und VAN DER WOUDE, Art. שׁם, 958‐960, der hier von einer „nach‐dtn. Wendung“ spricht (VAN DER WOUDE, a.a.O., 958). Vgl. insgesamt GRETHER, Name, insbes. 52‐58. 189 Vgl. hier noch Ez 36,23aba ()וקדשׁתי את־שׁמי הגדול.
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3.4.2. Das Handeln Jhwhs um seines Namens willen in Ez 20 Der Geschichtsrückblick in Ez 20 zeichnet sich durch einen klaren Auf‐ bau aus: Die V 5‐29 enthalten einen dreiteiligen Geschichtsabriss, der von einer versuchten Prophetenbefragung Jhwhs durch die Ältesten Israels in den V 1‐4.30f. gerahmt wird. Auf diese inclusio folgt in V 32‐ 38 die Ankündigung eines Scheidungsgerichts Jhwhs über das Volk, während sich in V 39‐44 ein heilsprophetischer Ausblick anschließt.190 Eine vollständige literarkritische Untersuchung von Ez 20 kann im Fol‐ genden nicht gegeben werden, so dass sich die Analyse auf die Punkte beschränken wird, die für den Untersuchungsgegenstand relevant sind. Da das Handeln Jhwhs um seines Namens willen in Ez 20 sowohl im ersten als auch im dritten Teil des Kapitels eine wichtige Rolle spielt, ist insbesondere nach dem redaktionellen Verhältnis dieser bei‐ den Abschnitte zu fragen. Das erste Stück in Ez 20,5‐29 weist in drei Phasen der Geschichte Israels mit seinem Gott die umfassende Verschuldung Israels nach. Die Vätergeneration in Ägypten (V 5‐10), die Vätergeneration in der Wüste (V 11‐17) und die Söhnegeneration in der Wüste (V 18‐24) repräsentie‐ ren drei geschichtliche Abschnitte mit einer wiederkehrenden Ereignis‐ folge: Obwohl Jhwh heilvoll an seinem Volk handelt, verhält Israel sich widerspenstig gegenüber seinem Gott (מרה, V 8.13.21). Deshalb gedenkt Jhwh, seinen Grimm über es auszugießen (שׁפך חמה, V 8.13.21), handelt dann aber gnädig um seines Namens willen (עשׂה למען שׁמי, V 9.14.22), damit dieser nicht entweiht würde (חלל ni., V 9.14.22). Dieses Handeln besteht in allen drei Fällen darin, dass Jhwh das Volk mit Rücksicht auf seinen Namen verschont und lediglich zu einer abgemilderten Straf‐ maßnahme greift. So wird die Vätergeneration von Ägypten aus nicht in das Land, sondern in die Wüste geführt (V 10), und obwohl sie sich auch dort widerspenstig verhalten, werden sie von Jhwh nicht vernich‐ tet, sondern verbleiben zur Strafe in der Wüste (V 17). Die Söhnege‐ 190 Aufgrund dieses klaren Aufbaus ist, von einzelnen sekundären Zusätzen abgesehen, immer wieder die literarische Einheitlichkeit von Ez 20 vertreten worden; vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 101; COOKE, ICC, 213; EICHRODT, ATD, 169‐186; GARSCHA, Stu‐ dien, 114‐121; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 207‐214; GREENBERG, AncB, 376‐388, und POLA, Priesterschrift, 155f. Die Vertreter eines literarkritischen Wachstums sprechen sich in unterschiedlichen Abgrenzungen gegen eine ursprüngliche Zusam‐ mengehörigkeit des Geschichtsrückblickes mit der Heilsverheißung aus (vgl. HERR‐ MANN, Heilserwartungen, 264f.; FOHRER, HAT, 71; ZIMMERLI, BK, 437f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 332‐334, und SEDLMAIER, Studien, 121). LIWAK, Probleme, 146‐149 (und im Anschluss an diesen LANG, Ezechiel, 27), rekonstruiert dagegen eine Grundschicht in V 1‐26.30f.39‐44, die die Heilsprophetie mit einschließt, während OHNESORGE, Jahwe, 78‐105, nur die V 1*.2.3*.5a*.7‐9a zum Grundwort zählt und eine umfangreiche mehrstufige Bearbeitung dieses Ausgangstextes annimmt.
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neration verwirkt in gleicher Weise wie ihre Väter den Eintritt in das Land und wird stattdessen unter die Völker versprengt und in die Län‐ der zerstreut (V 23). Am Ende des dreistufigen Geschichtsrückblickes können die kleinen Einheiten V 25f. und V 27‐29 als Nachträge aus‐ geschieden werden.191 Während hinter V 25f. ein von V 5‐24* zu diffe‐ renzierendes Schuldverständnis steht, da Jhwh selbst Anlass zu den Vergehen der Israeliten gegeben hat, wird in V 27‐29 der Kult auf den Höhen im Land verurteilt, obwohl sich das Volk nach V 23 noch in der weltweiten Zerstreuung befindet. Der heilsprophetische Ausblick in Ez 20,39‐44 ist durch die betonte Anrede ואתם בית ישׂראל in V 39 von dem vorherigen Kontext abgegrenzt und als Neueinsatz gekennzeichnet. Jhwh kündigt in diesem Abschnitt an, dass das Haus Israel seinen heiligen Namen ()שׁם קדשׁי nicht mehr mit Gaben und Götzen entweihen wird (חלל pi., V 39). Vielmehr soll es seinem Gott auf seinem heiligen Berg, dem hohen Berg Israels (בהר־קדשׁי בהר מרום ישׂראל, V 40) 192 mit dem rechtmäßigen Kult dienen. Nach dieser Ankündigung folgt in V 41f. die Verheißung von Sammlung und Rück‐ führung, durch die sich Jhwh vor den Augen der Völker als heilig erweisen will (קדשׁ ni., V 41). Abschließend betonen V 43f. die Einsicht des Volkes und dessen Erkenntnis, dass Jhwh um seines Namens willen (למען שׁמי, V 44) an ihnen handelt und nicht entsprechend ihren bösen Wegen und ihren verderbenbringenden Taten (לא כדרכיכם הרעים וכעלילותיכם הנשׁחתות, V 44). Allerdings gibt es auch innerhalb von V 39‐44 Anzeichen für literarische Nacharbeit. Der neue Kult auf dem hohen Berg Israels in V 40 setzt den neuen Exodus bereits voraus, der in V 41f. deshalb post festum kommt und darüber hinaus als Ziel der Rückfüh‐ rung nicht den Berg, sondern das Land angibt. Stilistisch fallen V 41f. außerdem durch die Wiederaufnahme von V 40ba in V 41aa1‐4 und die Doppelung der Erkenntnisformel auf (V 42, vgl. V 44). Da V 43 mit dem rückbezüglichen שׁם gut an V 39f. angeschlossen werden kann, sprechen diese Indizien dafür, in V 41f. eine nachträgliche Erweiterung
191 Zur Sekundarität von V 25f. vgl. OHNESORGE, Jahwe, 84.175‐182. Der Nachtrags‐ charakter von V 27‐29 wird auch von HÖLSCHER, Hesekiel, 109f. Anm. 1; COOKE, ICC, 219; ZIMMERLI, BK, 438.452, und LIWAK, Probleme, 149, vertreten. Des Weiteren rechnen einige Exegeten die Aussagen über den Sabbat nicht zum ursprünglichen Kernbestand von V 5‐24, vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 110 Anm. 1; EICHRODT, ATD, 170f., und ausführlich VEIJOLA, Propheten, 258‐264. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Nachträge innerhalb des Geschichtsrückblick vorliegen, so dass die Textangabe Ez 20,5‐24* im Folgenden asterisiert verwendet wird. 192 הר מרום ישׂראל ist einzig noch in Ez 17,23; 34,14 im Buch belegt; vgl. zu den Bergen im Ezechielbuch u. Kap. III. 7.4.4.
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des Abschnittes zu sehen, mit der die Heilsverheißung durch die An‐ kündigung von Sammlung und Rückführung ergänzt wird.193 Wird nach dem redaktionellen Verhältnis von Ez 20,5‐24* und 20,39‐44* gefragt, so spricht wenig für eine ursprüngliche Zusammen‐ gehörigkeit der beiden Abschnitte. Der erste Teil gehört eindeutig zum Grundwort in Ez 20, das sich wahrscheinlich sogar in der durch V 1‐4 und V 30f. gerahmten Fassung von V 5‐24* erschöpft (Ez 20*).194 Die V 39‐44* nehmen weder inhaltlich Bezug auf den Schuldaufweis V 5‐ 24*, noch setzen sie die Rahmensituation des ersten Teils voraus. Über‐ dies erscheint es unwahrscheinlich, dass das Grundwort von Ez 20 im Kontext der Unheilsansagen in den nachstehenden Kapiteln Ez 21f. von Anfang an Heilsprophetie enthalten haben sollte, da dies den Gerichts‐ ansagen der Kapitelfolge die Schärfe nähme.195 Vielmehr deutet die ausdrückliche Adressatennennung in V 39 nicht nur auf einen glie‐ dernden, sondern auf einen redaktionellen Einschnitt hin. Die Aus‐ sagen über den Jhwh‐gefälligen Kult auf dem hohen Berg scheinen dabei als Gegenbild zu der Höhenkultpraxis in V 27‐29 konzipiert zu sein, die ihrerseits einen Nachtrag zu V 5‐24* darstellen. Im Folgenden ist deshalb davon auszugehen, dass V 39‐44* einen nachträglichen heilsprophetischen Anhang in Ez 20 darstellen, der bereits die Ergän‐ zung des Grundwortes um V 27‐29 voraussetzt und auf diese Verse reagiert. Die redaktionsgeschichtliche Einordnung der Fortschreibung in V 25f. kann an dieser Stelle offen gelassen werden, da der Text für die weitere Analyse nicht von Bedeutung ist. Das verbindende Element zwischen dem Geschichtsrückblick in Ez 20,5‐24* und der Heilsverheißung in Ez 20,39‐44* ist die Rede vom (heiligen) Namen Jhwhs, die allerdings in beiden Teilen unterschied‐ lich verwendet wird. Im ersten Teil wird durch den Verweis auf Jhwhs Namen ()למען שׁמי der Beweggrund für die göttliche Verschonung des Volkes angegeben. Die eigentlich dem Wandel des Volkes angemes‐ sene Strafmaßnahme, nämlich seine Vernichtung durch den Gottes‐ zorn, brächte eine Entweihung des Namens mit sich, da die Bindung an das Gottesvolk und damit dessen Existenz für die Souveränität Jhwhs konstitutiv ist. Die Entweihung des Namens bleibt hier also eine potentielle Konsequenz, die Jhwh vermeidet, indem er von einem Vernichtungsgericht absieht. Die Zerstreuung des Volkes in die Dias‐ 193 So mit HOSSFELD, Untersuchungen, 333‐335, und OHNESORGE, Jahwe, 101‐103. 194 So auch HERRMANN, Heilserwartungen, 264f., und ZIMMERLI, BK, 438.452. 195 Vgl. auch POHLMANN, ATD, 302, der vermutet, dass „Ez 20 wegen seiner umfassen‐ deren Darlegungen zum Thema ‘Zorn Jahwes’ nachträglich vor Ez 21/22 unterge‐ bracht wurde und auf diese Weise die nun folgenden Ausführungen der in Ez 20 vorgelegten Systematik untergeordnet wurden.“
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pora ist dabei nur eine der Maßnahmen, die er als Ersatzhandlungen vornimmt, um die Unversehrtheit seines Namens zu bewahren. Im Unterschied dazu ist im heilsprophetischen Anhang zuerst von einer faktisch stattgefundenen Entweihung des göttlichen heiligen Na‐ mens ()שׁם קדשׁי die Rede, derer sich die Israeliten in der Vergangenheit mit ihren kultischen Freveln schuldig gemacht haben und die für die heilvolle Zukunft ausgeschlossen wird (20,39). Das Attribut קדשׁ erklärt sich eventuell durch die Nähe zum הר קדשׁ, es macht aber auch von daher Sinn, dass der Tatbestand der Entweihung im Gegensatz zum ersten Teil in Form von praktisch‐kultischen Vergehen beschrieben wird. Der Tatbestand der Profanierung vollzieht sich hier nicht in einer Völkerperspektive, in der Jhwhs Souveränität auf dem Spiel steht, sondern allein im Verhältnis von Jhwh zu seinem Volk, das die Heilig‐ keit von Jhwhs Namen durch das richtige kultisch‐ethische Verhalten bewahren kann. Anders sieht das mit 20,44 aus, wo erneut das Hand‐ lungsprinzip aus dem ersten Abschnitt benannt wird: Jhwh handelt nicht, wie es dem Wandel seines Volkes angemessen wäre, sondern allein aus Rücksicht auf seinen Namen. Hier ist das Ansehen des gött‐ lichen Namens nicht direkt mit dem Lebenswandel des Volkes verbun‐ den wie in 20,39, sondern vergleichbar mit dem Geschichtsrückblick wird die Souveränität Jhwhs gerade dadurch gewahrt, dass das gött‐ liche Handeln aus einem Tun‐Ergehen‐Zusammenhang gelöst wird. Der Vers hat damit eindeutig das gesamte Kapitel vor Augen und er‐ füllt die Funktion einer Unterschrift, die die Heilsprophetie von 20,39‐ 44 in den Gesamtzusammenhang einbindet. Der Vergleich von Ez 20 mit Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 zeigt, dass Jhwhs Sorge um seinen (heiligen) Namen in beiden Fällen vor dem Hintergrund einer weltweiten Zerstreuung Israels behandelt wird, so dass man zu Recht davon sprechen kann, dass die Texte eine „Theolo‐ gie der Diaspora“ 196 betreiben. Die inhaltliche Nähe kommt auch in den terminologischen Berührungen zwischen den Stücken zum Ausdruck: In beiden steht die Ausgießung des Gotteszornes als Bild für das Gericht (שׁפך חמה, 36,18; vgl. 20,8.13.21), will Jhwh der Entweihung seines Namens entgegen wirken (חלל, 36,20.21.22.23aba; vgl. 20,9.14.22) und beschließt deshalb zu handeln (עשׂה, 36,22; vgl. 20,9.14.22.44). Darüber hinaus begegnet in 20,41f. wie in 39,27 der Gedanke, dass sich Jhwh durch Sammlung und Rückführung vor den Augen der Völker als heilig erweist (קדשׁ ni.) und schließlich bezeichnet in beiden Texten das Wortpaar „Wege und Taten“ (דרך/עלילות, 36,17.19; vgl. דרכים/עלילות 196 RUDNIG, Heilig, 240. Zu einer Gegenüberstellung der beiden Texte vgl. KRÜGER, Ge‐ schichtskonzepte, 441‐444; RENDTORFF, Ez 20, 260‐265; POHLMANN, Ezechielstudien, 29‐84, und RUDNIG, a.a.O., 240f.
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20,43f.) den Wandel Israels. Trotz der zahlreichen Übereinstimmungen fallen aber auch eine Reihe von Divergenzen ins Auge. Nur in 20,39 wird die Bezeichnung שׁם קדשׁי verwendet, während in 36,16‐23ba; 39,23‐29 durchgängig die feste Wendung לשׁם קדשׁי belegt ist (vgl. 36,22; 39,25). In 20,9.14.22.44 wird שׁם zwar auch mit einer Partikel verbun‐ den, aber dort in der Form למען שׁמי. Weiterhin ist in Ez 20 davon die Rede, dass die Israeliten sich selbst verunreinigen (טמא hitp., 20,7.18), während in 36,17.18 das Land verunreinigt wird (טמא pi.). Schließlich variiert die Terminologie in den Passagen, die von der potentiellen bzw. der tatsächlichen Entweihung von Jhwhs Namen sprechen. Wäh‐ rend in 20,9.14.22 mit חלל ni. formuliert wird, verwenden 20,39 und 36,20.21.22 חלל pi.; in 36,23 steht חלל pu. Mit diesen terminologischen Unterschieden gehen Divergenzen in Konzeption und Aussageintention der beiden Texte einher. Zuerst un‐ terscheiden sich die Stücke in dem Stellenwert, der Jhwhs Namen zukommt. Während in Ez 20,5‐24* Jhwhs Handeln von Anfang an darauf zielt, die Reputation des göttlichen Namens in der Völkerwelt zu wahren, setzt Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 mit der Zustandsbeschreibung ein, dass das Ansehen von Jhwhs Namen unter den Nationen bereits in Frage gestellt ist (36,20). Konsequenterweise zielt Jhwhs Handeln nicht darauf, seine Ehre unter den Völkern zu wahren, sondern darauf, diese erst wieder herzustellen. Die Profanierung, die sich in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 faktisch vollzogen hat, ist in Ez 20,5‐24* erst drohende Mög‐ lichkeit, der Jhwh durch sein Handeln entgegenwirken will. Zwar ist die Sorge Jhwhs um seinen Namen in beiden Fällen das Begründungs‐ motiv für das Handeln an seinem Volk, aber dieses Handeln folgt unterschiedlichen Maßstäben. Während im Geschichtsrückblick Ez 20 der Tun‐Ergehen‐Zusammenhang prinzipiell zugunsten der Wahrung von Jhwhs Souveränität zurückgestellt wird, führt das angemessene Strafhandeln Jhwhs in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 gerade zur Profanierung seines Namens vor den Völkern, so dass er Gnade vor Recht ergehen lässt und die Diaspora heimholt. Obwohl beiden Stücken eine „Theologie der Diaspora“ zugeschrie‐ ben werden kann, variiert doch gerade die Bedeutung, die der Zer‐ streuungssituation beigemessen wird. In Ez 20,5‐24* resultiert die welt‐ weite Diaspora aus Jhwhs Handeln um seines Namens willen, denn gerade weil er bei der Söhnegeneration in der Wüste seinen Grimm zurückhält, werden diese unter die Völker zerstreut (20,22f.). In Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 ist die Diasporasituation dagegen die Folge davon, dass Jhwh seinen Zorn konsequent ausgegossen hat, und erst dieser Zustand veranlasst ihn zum Eingreifen zugunsten seines Namens (36,21). Damit zeichnen sich zwei unterschiedliche Geschichtsentwürfe
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in Ez 20,5‐24* und Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 ab, worauf bereits KRÜGER in seiner Untersuchung der Geschichtskonzepte im Ezechielbuch hin‐ gewiesen hat.197 In 36,16‐23ba; 39,23‐29 herrscht eine „antithetische Be‐ ziehung von Vergangenheit (Gericht) und Zukunft (Restitution)“198 vor. Während das Handeln Jhwhs in der Vergangenheit davon geprägt war, dass er an Israel gemäß seines Wandels gehandelt hat, ist das angekündigte Heilshandeln dadurch gekennzeichnet, dass Jhwh in Souveränität allein um seines Namens willen handeln wird. In Ez 20 dagegen ist die Sorge Jhwhs um seinen Namen eine Konstante, die sowohl sein Gerichtshandeln in der Vergangenheit (V 5‐24*) wie auch sein Heilshandeln in der Zukunft (V 39‐44*) begründet. Der kurze Hinweis auf Jhwhs heiligen Namen in 20,39 fällt aus mehreren Gründen aus dieser Gegenüberstellung hinaus: Zwar liegt mit der Nennung von Jhwhs heiligem Namen eine Verbindung zu 36,16‐23ba; 39,23‐29 vor, aber die Heiligkeit von Jhwhs Namen ist hier direkt mit dem Wandel der Israeliten verbunden und die Völkerpers‐ pektive wird ausgeblendet. Es ist vielmehr an eine Verbindung mit Ez 43,7b‐9 zu denken, wo gleichermaßen der heilige Name Jhwhs und damit seine Gegenwart unter dem Volk durch das kultische Fehlver‐ halten profaniert werden kann. Zusammenfassend rechtfertigen die Ergebnisse der vergleichenden Analyse zumindest in Bezug auf den Geschichtsrückblick in Ez 20* die Annahme eines literarischen Abhängigkeitsverhältnisses mit Ez 36,16‐ 23ba; 39,23‐29. Die wörtlichen und inhaltlichen Verbindungen sind zu zahlreich, als dass es sich hier um einen Zufall oder um eine rein tradi‐ tionsgeschichtliche Abhängigkeit handeln könnte. Auf der anderen Seite aber sprechen die konzeptionellen und terminologischen Diver‐ genzen dagegen, in beiden Texten denselben Autor am Werk zu sehen.199 Vielmehr liegt es nahe, die beiden Stücke in ein Auslegungs‐ verhältnis zueinander zu setzen, wobei das traditum nur in Ez 36,16‐ 23ba; 39,23‐29 vorliegen kann.200 Ez 20* repräsentiert im Vergleich dazu die stärker systematisierte Geschichtskonzeption: Hier wird das Motiv vom Handeln Jhwhs um seines Namens willen konsequent auf die 197 198 199 200
Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 441‐444. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 442. So gegen HOSSFELD, Untersuchungen, 335. Diese Richtung der Abhängigkeit vertreten auch KRÜGER, Geschichtskonzepte, 442, und im Anschluss an diesen POHLMANN, Ezechielstudien, 80. Dagegen plädiert SIMIAN, Nachgeschichte, 353, für die „Priorität von Ez 20 vor Ez 36,16ff.“ GREEN‐ BERG, AncB, 384, und RENDTORFF, Ez 20, 262, betonen in ihren synchronen Ansätzen, dass Ez 36 eine Weiterführung des Motivs von Ez 20 darstellt. Für die literarische Ebene der endgültigen Buchgestalt ist dies sicher eine zutreffende Beschreibung, aber sie ist nicht auf das relative chronologische Verhältnis der Texte übertragbar.
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gesamte Geschichte mit Israel angewendet, während es in 36,16‐23ba; 39,23‐29 gewissermaßen als „Notmaßnahme“ für die aktuelle Situation erscheint, da Jhwhs Handeln in der Vergangenheit seinem Ansehen in der Völkerwelt geschadet hat. Desgleichen zeigt Ez 20* im Vergleich mit 36,16‐23ba; 39,23‐29* ein fortgeschritteneres Stadium der Reflexion über die Stellung Israels in der Diaspora und sein Gottesverhältnis.201 In Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 wird die Diasporasituation als Bedrohung für Jhwhs Gottsein angesehen, dessen Ruf davon abhängt, dass Israel in seinem angestammten Land wohnt. In Ez 20* dagegen erscheint die Zerstreuung als eine Maßnahme im planvollen Geschichtshandeln Gottes, durch die er von Anfang an seine Souveränität vor den Völkern beweist; die Existenz in der Diaspora ist ein Stück Normalität, das sei‐ nen festen Platz in Gottes Heilsplan für Israel hat.202 Dessen ungeachtet zielt aber auch Ez 20 in seiner Endgestalt auf die Heimführung der gesamten Diaspora, wie die Rekonstruktion des Aus‐ legungsvorganges zeigt. Wenn in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 die Vorlage für Ez 20 zu sehen ist, so übernimmt in einem ersten Schritt der für den Geschichtsrückblick in V 5‐24* verantwortliche Autor das Motiv vom Handeln Gottes um seines Namens willen aus 36,16‐23ba; 39,23‐29 und funktioniert es in seinem Aufweis der Verschuldung Israels zur Matrix des göttlichen Handelns um. In dieser Rezeption ist auch der Versuch zu erkennen, die Souveränität Jhwhs und die Heiligkeit seines Namens aus dem Zusammenhang mit dem tatsächlichen (Wohl‐)Verhalten des Volkes zu lösen. Nach 36,16‐23ba; 39,23‐29 hat gerade das gerechte Strafhandeln Jhwhs zu der Profanierung seines Namens geführt, so dass in Ez 20* nicht mehr der Tun‐Ergehen‐Zusammenhang zur Ma‐ xime des göttlichen Verhaltens gemacht wird, sondern die Wahrung der göttlichen Souveränität. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass dem Autor von Ez 20,5‐24* als dem Verfasser des jüngeren Textes die Stücke 36,16‐23ba und 39,23‐29 nicht mehr als durchgehende Textfolge vor‐ gelegen haben.203 So hat auch die vergleichende Analyse gezeigt, dass die gewichtigeren Querverbindungen zwischen 20,5‐24* und 36,16‐ 23ba vorliegen. Es bleibt aber die Möglichkeit, dass der Autor des Geschichtsrückblickes die Zusammengehörigkeit von 36,16‐23ba und 39,23‐29 erkannt hat, und dass seine Auslegung auf beide Texte über Jhwhs heiligen Namen zurückgeht. 201 So mit RUDNIG, Heilig, 241. 202 Vgl. dazu auch die ausführlichen Überlegungen von POHLMANN, Ezechielstudien, 67‐77, der zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich des theologischen Standpunktes von Ez 20 kommt. 203 Diese Einschätzung findet ihre Bestätigung in der redaktionsgeschichtlichen Dar‐ stellung des Wachstums in Ez 34‐39; vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.3.3.
Der heilige Name Jhwhs: Ez 36,16‐23ba und 39,23‐29
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Der spätere Verfasser von Ez 20,39f.43f. greift ein weiteres Mal auf das Motiv des heiligen Namens zurück, benutzt dieses aber nur in dem kurzen Hinweis, dass der heilige Name in der Zukunft nicht mehr durch kultisches Fehlverhalten des Volkes profaniert werden soll. Schließlich ergänzt eine jüngere Hand in Ez 20,41f. die Verheißung des neuen Exodus, die aufgrund der terminologischen Berührungen mit Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 als erneute Aufnahme der dortigen Heilsver‐ heißung eingeordnet werden kann. Ähnlich wie in 39,27 wird sich Jhwh durch die Rückführung der Diaspora vor den Völkern als heilig erweisen (20,41). Auf diese Weise bekommt auch der Geschichtsrück‐ blick in Ez 20 einen heilvollen Abschluss, der die Sammlung der Dias‐ pora zum letztendlichen Ziel von Jhwhs Handeln um seines Namens willen erhebt. 3.4.3. Die Heilsbegründung im Deuterojesajabuch Drei Stücke im Deuterojesajabuch berühren sich darin mit den Texten über den heiligen Namen im Ezechielbuch, dass in ähnlicher Weise auf den Namen Jhwhs oder die Souveränität seiner Person zur Begrün‐ dung des göttlichen Handelns verwiesen wird. Das erste Stück in Jes 43,22‐28 thematisiert die Restitution des Volkes Jakob‐Israel (43,22.28) durch Auslöschung der Verbrechen und Tilgung der Sünden. Dabei betont Jhwh aber in V 25 mit zweimaligem vorangestellten אנכי, dass er allein um seinetwillen ()למעני heilvoll an Jakob‐Israel handeln wird, dem aufgrund seiner Vergehen faktisch jeglicher Anspruch auf das Heil abgesprochen wird (vgl. 43,22‐24). Von kleineren Zufügungen abgesehen kann Jes 43,22‐28 als einheitliches Textstück betrachtet wer‐ den. 204 Der zweite Text in Jes 48,1‐11 enthält eine ausführliche Begründung der Gewissheit des neuen Heils. Nach dem erweiterten Aufmerksam‐ keitsruf an das Haus Jakob‐Israel in 48,1f. folgt in V 3‐8 eine Ankün‐ digung des neuen Heils im Gegensatz zum früheren, das Jakob‐Israel aufgrund seiner Treulosigkeit von Mutterleib an bisher noch nicht mitgeteilt worden ist. Die V 9‐11 enthalten schließlich eine ausführliche Begründung dafür, warum Jhwh das neue Heilshandeln für sein Volk unternimmt, obwohl Israel dieses nicht verdient hat. Allein um seines 204 Die Ankündigung in V 28a, dass Jhwh die Obersten des Heiligtums entweihen wird ()חלל, kann mit ELLIGER, BK, 360.367, und HERMISSON, BK, 243, als Zusatz beurteilt werden. Die LXX überliefert den Halbvers als kai. evmi,anan oi` a;rcontej ta. a[gia, mou, was auf ein zugrundeliegendes ויהללו שׂרים קדשׁי schließen ließe. Da die Variante von kaum einer anderen Version bezeugt ist und der MT die lectio difficilior bietet, wird dem MT der Vorzug zu geben sein (so mit ELLIGER, BK, 362f.; OSWALT, NICOT, 157; BLENKINSOPP, AncB, 229f., gegen BHS).
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Namens willen ()למען שׁמי wird Jhwh seinen Zorn zurückhalten ()ארך אף und Israel nicht ausrotten (כרת hif., V 9). Die Läuterung Israels im Schmelzofen ()כור hat keinen Erfolg erzielt (V 10), so dass Jhwh sich entschließt, um seinetwillen ()למעני למעני einen Neuanfang mit Israel zu unternehmen ()עשׂה, damit sein Name nicht entweiht würde (חלל ni., V 11). Der Text schweigt sich somit über den Gegenstand des neuen Heils aus und stellt stattdessen dessen Gewissheit in den Vordergrund, die allein in der Souveränität Jhwhs und seines Namens begründet ist.205 Auch wenn das Nebeneinander von Weissagung und Strafwort immer wieder Anlass gegeben hat, die literarische Einheitlichkeit des Textes in Frage zu stellen, ist mit KRATZ und HERMISSON einzuwenden, dass die Pointe von Jes 48,1‐11 in der Gewissheit des Heils trotz und gerade in Anbetracht der wesenhaften Sündigkeit Israels liegt.206 Der dritte Text findet sich mit Jes 52,4‐6 unmittelbar vor der Schil‐ derung der Rückkehr Jhwhs nach Jerusalem‐Zion in 52,7‐10. Das Stück stellt eine Fortschreibung der vorausgehenden Textfolge 52,1f.3 dar,207 in der Jhwh sein souveränes Handeln an seinem Volk beschreibt: „Um‐ sonst“ ()חנם, d. h. ohne dass der Feind dafür bezahlt hat, ist das Volk ins Exil verkauft worden, und auch die Exilswende liegt allein in Jhwhs Entschluss (52,3). Jes 52,4‐6 greift dieses Stichwort auf und interpretiert es sekundär dahingehend, dass das Exil sinnlos geblieben ist, da das Volk umsonst (חנם, V 5) hinweggenommen wurde. Die einzige Folge ist, dass die Beherrscher höhnen (הלל po.)208 und Jhwhs Name gelästert wird (נאץ hitpo., V 5), so dass Jhwh ein Einschreiten zugunsten seines Namens ankündigt (V 6). Die Kontextposition vor Jes 52,7‐10 könnte dafür sprechen, dass Jes 52,4‐6 als vorangestellte Begründung der Rückkehr Jhwhs und die damit verbundene Heimkehr aus Exil bzw. Diaspora gelesen werden will. Im Rückblick hat sich das Exil als höchst 205 Siehe dazu HERMISSON, BK, 242: „Dieser Text sagt noch nichts Konkretes über das ‘Neue’, sondern beantwortet nur die Frage, warum Jahwe überhaupt noch einmal einen Neuanfang mit seinem Volk macht. ‘Um meines Namens willen’: Darin und darin allein gründet Israels neue Existenz.“ 206 Vgl. KRATZ, Kyros, 115, und HERMISSON, BK, 210. Dagegen hat DUHM, HK, 360‐364, ein unkritisches Heilswort in V 1*.3.5a.6.7a.8a.11* rekonstruiert, das sekundär mit einer mahnenden Überarbeitung erweitert worden sei; vgl. im Anschluss an diesen ELLIGER, Deuterojesaja, 185‐198, und SCHMITT, Prophetie, 48‐56. 207 Vgl. VAN OORSCHOT, Babel, 134f.; STECK, Tröstung, 90 Anm. 49, und DERS., Beobach‐ tungen, 124. 208 Mit 1QJesa יהוללו gegen MT יהילילו (ילל hif.). Der masoretische Text ergibt an dieser Stelle keinen Sinn, da unklar bleibt, warum die (fremden) Herrscher heulen sollten, so dass die Lesart der Jesajarolle vorzuziehen ist; vgl. WATTS, WBC, 215; anders OSWALT, NICOT, 358. WESTERMANN, ATD, 201, interpretiert den masoretischen Text im Sinne der Variante von 1QJesa: „... so ist wohl gemeint, daß seine Beherrscher sich brüsten oder ähnlich.“
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rufschädigend für den Namen Jhwhs erwiesen,209 und die Rückführung der Diaspora ist die Maßnahme, die Jhwh zur Wiederherstellung seines Rufes in die Wege leiten wird. Wird nach dem Verhältnis der drei Texte zueinander gefragt, bietet es sich an, den Einstieg bei Jes 43,22‐28 zu nehmen. Im Vergleich mit Jes 48,1‐11 geht es hier um die Faktizität der Sündentilgung, ohne dass die Angemessenheit des Heilshandeln hinterfragt wird, so dass Jes 43,22‐28 die literarische Priorität zukommt. 48,1‐11 nimmt dagegen in der Sache die Problemlage aus 43,22‐28 auf und reflektiert über die Gründe, warum dem Volk trotz anhaltender und wesentlicher Versün‐ digung ein Neuanfang zuteil wird.210 Das doppelte למעני in 48,11 kann dabei als expliziter Rückverweis auf das zweifache אנכי in 43,25 ver‐ standen werden, so dass die Vermutung nahe liegt, dass 48,1‐11 von Anfang an als Weiterführung von 43,22‐28 abgefasst worden ist.211 Die Einordnung von Jes 52,4‐6 erweist sich hingegen als schwierig, da ab‐ gesehen von dem Interesse an Jhwhs Namen keine weiteren Verbin‐ dungen zu den anderen Texten vorliegen. Das Stück setzt aber auf jeden Fall Jes 52,1f.3 und auch Jes 52,7‐10212 schon voraus, so dass es nicht zu den ältesten Texten im Buch gehört.213 Der erste Überblick über die drei Texte hat bereits gezeigt, dass eine vergleichende Analyse mit den Stücken aus dem Ezechielbuch durchaus seine Berechtigung hat. Sowohl Jes 43,22‐28 als auch Jes 48,1‐ 11 betonen die Souveränität des göttlichen Heilshandelns (למעני, Jes 43,25; למען שׁמי, Jes 48,9; למעני למעני, Jes 48,11), das nicht vom Wandel des Volkes abhängig ist, während Jes 52,5 die Vorstellung enthält, dass das Ansehen des göttlichen Namens unter den Völkern durch die Dias‐ porasituation Israels beschädigt wird. Indes ist weiter zwischen den einzelnen Texten im Deuterojesajabuch zu differenzieren. 209 Vgl. BLANK, Isaiah, 8: „He [der Autor von Jes 52] hears God admit, so to speak, that the exile is a truly unprofitable, if not, indeed, diasadvantageous business“. 210 So in der Bestimmung des Verhältnisses mit HERMISSON, BK, 243. KRATZ, Kyros, 114‐ 117.206‐216, rechnet Jes 48,1‐11 zu seiner Ebed‐Israel‐Schicht, während Jes 43,22‐28 nach seinen Analysen zu der Grundschicht in Kap. 40‐48* gehört (vgl. KRATZ, a.a.O., 148‐157); er setzt somit implizit dieselbe diachrone Abfolge voraus. Anders VAN OORSCHOT, Babel, 295‐299.300‐306, der die beiden Texte in der Abgrenzung Jes 43,22‐24.26‐28* und 48,1*.2‐8.11 derselben literarischen Schicht (R3) zurechnet. 211 Umgekehrt scheint der Ergänzer in 43,25 (vgl. Anm. 204) die Wurzel חלל im Blick auf 48,11 verwendet zu haben, um die Beziehung zwischen den beiden Stücken hervor‐ zuheben (so auch HERMISSON, BK, 243). 212 Die Rückkehr Jhwhs in Jes 52,7‐10 bildet den Epilog der Grundschicht in Jes 40‐48*; vgl. dazu STECK, Beobachtungen, 81f., und KRATZ, Kyros, 154f. 213 STECK hat die These aufgestellt, dass Jes 52,3.4‐6 bereits die Verbindung zum Ersten Jesaja über Kap. 35 voraussetzt, so dass es einer relativ jungen Schicht im Buch an‐ gehört (vgl. STECK, Heimkehr, 73f.80, und DERS., Beobachtungen, 125).
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Jes 43,22‐28 als das vermutlich älteste Wort der drei Stücke weist die wenigsten lexikalischen und inhaltlichen Verbindungen mit dem Ezechielbuch auf. Zwar wird vergleichbar mit Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 die Souveränität Jhwhs betont, aber mit למעני (Jes 43,25) findet eine For‐ mulierung Verwendung, die in keinem der Ezechieltexte gebraucht wird. Darüber hinaus fehlt auch die Vorstellung, dass das Ansehen von Jhwhs Namen durch die Situation oder das Verhalten Israels beschä‐ digt wird. In Jes 48,1‐11 häufen sich hingegen die inhaltlichen und terminolo‐ gischen Nähen zu den Ezechieltexten, wobei insbesondere Verbindun‐ gen zu Ez 20 bestehen. So wird in diesen beiden Texten die Sorge Jhwhs um seinen Namen, der nicht entweiht werden soll (חלל ni., Jes 48,11; vgl. Ez 20,9.14.22), als das treibende Motiv des göttlichen Han‐ delns (עשׂה, Jes 48,3.11; vgl. Ez 20,9.14.22.44; 36,22) benannt. Die Ver‐ wendung von למען שׁמי (Jes 48,9; vgl. Ez 20,9.14.22.44) zur Formulierung dieses Interesses ist dabei ein wichtiges Indiz für eine literarische Ab‐ hängigkeit, da der Terminus über diese beiden Texte hinaus nur noch in Jes 66,5 belegt ist. 214 Auch inhaltlich berührt sich Jes 48,1‐11 in der Ausprägung des Motivs der Sorge um Jhwhs Namen näher mit Ez 20 als mit Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29. Dort dient die Sammlung der Diaspora der Reputation von Jhwhs heiligem Namen, während sich sowohl in Ez 20 als auch in Jes 48,1‐11 der Gedanke findet, dass die Zurückhaltung des göttlichen Zornes und somit die Verschonung des Volkes dem An‐ sehen des Namens dient. In der Sicht auf das Volk gibt es weitere Berührungen zwischen Jes 48 und Ez 20: In beiden Texten werden die Israeliten als בית יעקב (Ez 20,5; Jes 48,1) bezeichnet; eine Benennung, die sich im Zweiten Jesaja darüber hinaus noch in Jes 46,3 und 58,1 findet, im Ezechielbuch aber nur an dieser einzigen Stelle belegt ist. Zwar wird auch in Ez 39,25 die Bezeichnung יעקב für das Volk gewählt, aber hier könnte ebenso Einfluss von Jes 49,5 vorliegen; ein Text, zu dem weitere Bezüge in 36,16‐22; 39,23‐29* vorliegen. 215 Schließlich setzen sowohl Ez 20 als auch Jes 48,1‐11 eine grundlegende Versündigung Israels voraus, die sich in Ez 20 in der wiederholten Widerspenstigkeit gegenüber Jhwh äußert, indessen Jes 48,1‐11 von einer wesenhaften Sündigkeit des Volkes ausgeht. Trotz dieser Übereinstimmungen fallen aber auch terminologische und inhaltliche Unterschiede auf: So spricht Ez 20 von der Ausgießung ()שׁפך des göttlichen Grimms (חמה, Ez 20,8.13.21), von der Jhwh absehen 214 An dieser Stelle ist davon die Rede, dass eine Gruppe im Volk um des Jhwh‐Namens willen ()למען שׁמי verfolgt wird; der Verweis auf Jhwhs Name dient hier der Begrün‐ dung einer Spaltung im Gottesvolk. 215 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.3.
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wird, während in Jes 48,9 davon die Rede ist, dass Jhwh um seines Namens willen seinen Zorn ()אף zurückhält (ארך hif.). Vor allem aber findet sich die Bedeutung, die in der Argumentation von Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 und Ez 20 den Völkern bei der Entweihung des göttlichen Na‐ mens zukommt, in Jes 48,1‐11 nur andeutungsweise – vor wem Jhwhs Name entweiht wird, ist nicht explizit erwähnt. Dagegen spielt die Völkerperspektive eine wichtige Rolle in Jes 52,4‐6. Die einzige Konsequenz, die das Exil für das Volk gehabt hat, ist die Lästerung von Jhwhs Namen durch das Höhnen der Fremdherr‐ scher. Mit der Fehlbeurteilung des Exils durch die Völker wird hier das gleiche Problem verhandelt wie in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 und durch die redaktionelle Verbindung mit Jes 52,7‐10 ist in gleicher Weise die Rückführung des Volkes als Lösung vorgesehen. Es bleibt aber fest‐ zuhalten, dass das Vokabular von Jes 52,4‐6 erheblich von den ezechie‐ lischen Formulierungen abweicht und sich abgesehen vom Interesse am Namen Jhwhs (שׁמי, Jes 52,5.6) keine terminologischen Querverbin‐ dungen finden.216 Es ist nun danach zu fragen, welche Rückschlüsse aus den Ergeb‐ nissen der vergleichenden Analyse gezogen werden können. In Bezug auf Jes 43,22‐28* gibt es zu wenige Querverbindungen, als dass eine literarische Abhängigkeit postuliert werden könnte. Wiewohl es wahr‐ scheinlich ist, dass der Text eine Rezeption in Jes 48,1‐11 erfahren hat, kann im Hinblick auf die Stücke des Ezechielbuches lediglich davon ausgegangen werden, dass die Texte einen gemeinsamen traditionsge‐ schichtlichen Hintergrund haben.217 Auch im Fall von Jes 48,1‐11 und Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 gibt es kaum Anhaltspunkte für ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis. Bis auf das den Texten gemeinsame Begründungsmotiv (לשׁם קדשׁי, Ez 36,22; למען שׁמי, Jes 48,9) existieren keine weiteren thematischen Verbindungen zwischen den Texten, und auch die „deuterojesajanischen“ Termini יעקב und שׁוב pil. in Ez 39,25.27 verweisen eher auf Jes 49,5 als auf Jes 48,1‐11. Der Unterschied, dass Israel Jhwhs heiligen Namen nach Ez 36,20.21.22.23 faktisch entweiht hat, während die Argumentation in Jes 216 Der Versuch BLANKS, in Jes 52,5 das Motiv der „Entweihung des göttlichen Namens“ nachzuweisen, indem er in Jes 52,5 das zweite נאם יהוה auf ein als Abkürzung miss‐ verstandenes Suffix ‐ני zurückführt und ursprüngliches יחללוני rekonstruiert (vgl. BLANK, Isaiah, 1‐8), kann nicht überzeugen. Über die falsche Auflösung des Suffixes hinaus ist er noch gezwungen, eine Vertauschung von ה und ח anzunehmen. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass ein geläufiges Motiv zwei aufeinanderfolgenden Versehen in der Texttradierung zum Opfer hätte fallen können; das hieße, den Über‐ lieferern jegliche Schriftgelehrsamkeit abzusprechen. 217 Vgl. ZIMMERLI, BK, 876, der in Jes 43,22‐28 eine „auffallend enge sachliche Parallele“ zu Ez 36,16‐38 sieht.
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48,1‐11 darauf zielt, der Entweihung entgegen zu wirken, zeigt auf jeden Fall ein fortgeschritteneres Reflexionsstadium. Will man ein Aus‐ legungsverhältnis zwischen den Texten in Erwägung ziehen, müsste Jes 48,1‐11 deshalb zusammen mit Ez 20 zur Nachgeschichte von Ez 36,16‐22; 39,23‐29* gerechnet werden. Da Jhwhs Namen und das Ein‐ treten für seine Ehre neben Jes 48,11 noch in Jes 42,8f. eine Rolle spie‐ len,218 könnte die Argumentation in Jes 48,1‐11 aber auch durch den Kontext im Buch erklärt werden. Die Frage kann hier keiner abschlie‐ ßenden Klärung zugeführt werden. Anders sieht die Sache mit dem Verhältnis von Jes 48,1‐11 und Ez 20 aus, wo die zahlreichen inhaltlichen und terminologischen Berüh‐ rungen eindeutig auf eine literarische Abhängigkeit hindeuten. Die Erkenntnis, dass eine besondere Verbindung zwischen Ez 20 und Jes 48,1‐11 vorliegt, ist nicht neu und wird im Allgemeinen mit ezechieli‐ schem Einfluss auf Jes 48,1‐11 erklärt.219 Für eine dergestaltige Annah‐ me könnte sprechen, dass nicht nur das Motiv von Jhwhs Sorge um seinen Namen in Jes 48,9.11, sondern auch die „Härte Israels“ in 48,4 (קשׁה, vgl. Ez 2,4; 3,7; מצח, vgl. Ez 3,7) und das Läuterungsgericht im Schmelzofen in 48,10 (כור, vgl. Ez 22,17‐22) eine Parallele im Ezechiel‐ buch haben. Andererseits kann diese These nicht erklären, warum in Ez 20,5 die „deuterojesajanische“ Bezeichnung בית יעקב für das Volk verwendet wird und in Jes 48,1‐11 das ezechielische שׁפך חמה durch ארך אף ersetzt sein sollte, obwohl auch חמה im Zweiten Jesaja belegt ist.220 Deshalb soll im Folgenden versucht werden, in Bezug auf das Motiv von Jhwhs Namen die umgekehrte Richtung der Abhängigkeit plausi‐ bel zu machen. 218 Nach KRATZ, Kyros, 206‐216.217, gehören Jes 42,8 und Jes 48,1‐11 sogar derselben literarischen Schicht an, so dass in Jes 48,1‐11 mit einer Redaktion zu rechnen ist, der grundsätzlich ein Interesse an Jhwhs Namen zugeschrieben werden kann. In Jes 42,9 findet sich darüber hinaus auch die Gegenüberstellung des Früheren und des Neuen, die in Jes 48,1‐11 ebenfalls thematisiert wird, so dass weitere Verbindungen zwischen den beiden Texten bestehen. 219 Eine literarische Abhängigkeit in Jes 48,1‐11 von Ez 20 bzw. Ez 36 vertreten BLENKIN‐ SOPP, AncB, 290, und HERMISSON, BK, 243. Zustimmung hat auch die These von SCHMITT, Prophetie, 48‐56, gefunden, demzufolge das Grundwort in Jes 48,1‐11 durch eine schultheologische Bearbeitungsschicht (48,1*.2.4.5b.7b.8b.9f.11*) erweitert worden sei, die „engere terminologische und vorstellungsmäßige Beziehungen zum Ezechielbuch“ aufweise (Zitat SCHMITT, a.a.O., 54; vgl. im Anschluss an diesen POHL‐ MANN, Ezechielstudien, 74f.). KRÜGER, Geschichtskonzepte, 443f., spricht davon, dass das Motiv des Eintretens Jhwhs für die Ehre seines Namens in der Völkerwelt Ez 36,22 bei Deuterojesaja in Jes 43,22‐28 und 48,11 aufgenommen sei, während KRATZ, Kyros, 115, in einzelnen Versen von Jes 48,1‐11 eine von Ezechiel geprägte Sprachebene sieht. VAN OORSCHOT, Babel, 305 Anm. 69, weist schließlich auf gegen‐ seitige Beeinflussungen von Jes 48,1‐11 und dem Ezechielbuch hin. 220 Vgl. Jes 42,25; 51,13.17.20.22; 59,18.
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Demnach hätten dem Autor von Ez 20* sowohl die Vorlage in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 als auch das auf Jes 43,22‐28* (und Ez 36,16‐22; 39,23‐29*?) zurückgreifende Stück Jes 48,1‐11 vorgelegen, die er in sei‐ nem Text rezipiert. Aus Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 übernimmt er die Vor‐ stellung, dass Jhwhs Name vor den Völkern entweiht wird und macht diese zum Leitmotiv seines Geschichtsrückblickes in Ez 20,5‐24*. Aller‐ dings interpretiert er das vorliegende Motiv in einer Auslegung von Jes 48,1‐11 dahingehend, dass Jhwhs Name nicht durch die Existenz in der Diaspora, sondern durch ein vernichtendes Strafgericht über Israel entweiht würde. Das im Ezechielbuch nicht belegte jesajanische ארך אף (vgl. Jes 48,9) ersetzt er dabei durch die für das Buch geläufige Formu‐ lierung שׁפך חמה, die er auch in seinem Bezugstext in Ez 36,18; (39,29)221 bereits vorliegen hat. Weiterhin übernimmt er aus Jes 48,1 die Volksbe‐ zeichnung בית יעקב und aus Jes 48,9 die geprägte Wendung למען שׁמי, wo‐ durch auch das Fehlen von Jhwhs „heiligem“ Namen in Ez 20,9.14.22 im Vergleich mit Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 eine Erklärung findet. Da auf diese Weise sowohl die Übereinstimmungen wie auch die Divergenzen zwischen den Texten eine befriedigende Lösung finden, ist im Verhält‐ nis der beiden Stücke zumindest in Bezug auf das Motiv von Jhwhs Handeln zugunsten seines Namens umgekehrt mit einem deuteroje‐ sajanischen Einfluss auf Ez 20* zu rechnen. Als Letztes ist noch nach der Einordnung von Jes 52,4‐6 zu fragen. Allein in diesem Text werden im Deuterojesajabuch die Völker in Person der Beherrscher explizit als das Forum benannt, vor dem Jhwhs Ruf zu wahren ist. Darüber hinaus wird die Namenslästerung in Jes 52,4‐6 durch die Einschreibung redaktionell mit der Heimkehr Jhwhs und damit den Exilierten in Jes 52,7‐10 verbunden, so dass zu über‐ legen ist, ob hier nicht der Geburtsort für das Begründungsmotiv vor‐ liegt, das im Ezechielbuch einen so breiten Raum einnimmt. Auch wenn keine eindeutigen sprachlichen Indizien für eine Abhängigkeit vorliegen, erscheint es möglich, dass dem Autor von Ez 36,16‐22; 39,23‐ 29* dieser Text bereits vorlag und er ihn in seiner Argumentation auf die Situation der Diaspora hin ausgelegt hat.222 Dafür spricht ferner, dass Ez 36,16‐22; 39,23‐29* mit der Doppelbezeichnung des Volkes als יעקב/ישׂראל und der Verwendung der Wurzel שׁוב pil. weitere Querver‐ bindungen zum deuterojesajanischen Textbereich aufweist. 221 Im Fall von 39,29 konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass hier ursprünglich vom Ausgießen des Zornes die Rede ist, vgl. o. Kap. III. 3.2.; demnach ist auch hier שׁפך חמה möglich. 222 So auch KRATZ, Propheten, 85: „Die Sammlung Israels aus den Völkern soll, wofür hier [in Ez 36,22‐23] Jes 52,5‐6 zitiert wird, die Heiligkeit des Namens Gottes de‐ monstrieren“.
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3.5. Die Heiligkeit von Jhwhs Namen im Ezechielbuch Ez 36,16‐22; 39,23‐29* steht damit am Anfang einer Reihe von Texten in den Heilsprophetien des Ezechielbuches, in denen die Heiligkeit und Souveränität Jhwhs vor den Völkern immer wieder neu durchdacht wird. Dabei bringt das Stück Jhwhs heiligen Namen als Begründungs‐ motiv mit ins Spiel und verwendet diesen als Interpretationskategorie für die Diasporasituation. Diese stellt faktisch eine Entweihung des göttlichen Namens vor den Völkern dar und erweist sich damit als ein höchst rufschädigendes Unternehmen für Jhwh. Diese negative Bewer‐ tung der Zerstreuungssituation findet sich bereits in Jes 52,4‐6, das mutmaßlich als Vorlage für den Autor von 36,16‐22; 39,23‐29* gedient hat und aus dem er das Motiv übernimmt. Traditionsgeschichtlich steht im Hintergrund der Argumentation die Verbindung der dtn.‐dtr. Namenstheologie mit der priesterlichen Vorstellung von der Heiligkeit des göttlichen Namens. Sowohl die dtn.‐dtr. Namenstheologie wie auch die Vorstellung vom Handeln Jhwhs um seines Namens willen sind dabei gegen einen Ohnmachts‐ verdacht Jhwhs gerichtet. Die dtn.‐dtr. Namenstheologie überwindet diesen Verdacht, indem die Gegenwart Gottes im Tempel dahingehend eingeschränkt wird, dass nur sein Name im Heiligtum anwesend ist, so dass seine Souveränität von der Zerstörung des Heiligtums unange‐ tastet bleibt. In gleicher Weise wird in der „Heiliger‐Namen‐Theologie“ im Ezechielbuch nur der Name Gottes durch die Diasporasituation ent‐ weiht. Jhwh erweist seine unangetastete Souveränität vor den Völkern, insofern er machtvoll zugunsten seines heiligen Namens eintritt. Den Völkern wird dadurch die Einsicht zuteil, dass die Trennung Israels von seinem Land nicht die Ohnmacht Jhwhs demonstriert, sondern dass es allein in seinem Entschluss liegt, diese Situation herbeizuführen oder sie aufzuheben. In Ez 20* hat diese Vorstellung eine Rezeption erfahren, in der das Motiv von Jhwhs Handeln um seines Namens willen zum Handlungs‐ prinzip der gesamten Heilsgeschichte wird. Während die Vorstellung in Ez 36,16‐22; 39,23‐29* quasi aus der Not geboren wird, zu begrün‐ den, warum Jhwh sein Volk unverdientermaßen aus der Diaspora heimführt, zielt das Handeln Jhwhs in Ez 20 von Anfang an auf die Wahrung seines Ansehens in der Völkerwelt. So gefährdet die Diaspo‐ rasituation anders als in der Vorlage 36,16‐23ba; 39,23‐29 nicht den Ruf von Jhwhs Namen, sondern dient gerade dessen Bewahrung. Neben den Ausführungen in Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 greift der Verfasser von Ez 20* aber auch auf die Heilsbegründung in Jes 48,1‐11 zurück, wo das Heil in gleicher Weise allein auf den souveränen Entschluss Jhwhs
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und die Sorge um seinen Namen zurückgeführt wird. Mit diesem Text teilt der Autor weiterhin die Einsicht in die wesenhafte Sündigkeit des Volkes, durch die jeglicher Anspruch auf Heil ausgeschlossen ist. In‐ dem Jhwh sein Handeln von dem Wandel des Volkes unabhängig macht und allein die Sorge um seinen Namen zum Maßstab erhebt, erfährt seine Souveränität eine weitere Steigerung. Die Auslegungsgeschichte von Ez 36,16‐22; 39,23‐29* setzt sich auch im redaktionellen Horizont der Heilsprophetie in Ez 34‐39 fort. Zuerst zertrennt die Einfügung der Gog‐Perikope den ursprünglichen Textzu‐ sammenhang in 36,16‐22; 39,23‐29*. Damit geht zwar der Bezug der Heiligung auf die Sammlung der Diaspora verloren, aber die Ein‐ schreibung baut die Völkerperspektive weiter aus, da das Handeln Jhwhs zugunsten seines Namens sekundär auf die Zerschlagung Gogs auf den Bergen Israels ausgelegt wird. Das weitere literarische Wachs‐ tum der Gog‐Perikope, die in der vorliegenden Buchgestalt fast zwei Kapitel einnimmt, führt dazu, dass Ez 36,16‐22(23aba) und 39,23‐29 im‐ mer weiter voneinander entfernt werden, so dass ihr ursprünglicher Zusammenhang aus dem Blick gerät. Stattdessen werden die beiden Stücke zum Rahmen um Ez 38,1‐39,22 und in Kap. 36‐39 entsteht suk‐ zessive ein Heiligungs‐Cluster, der erst durch die Einfügung von Kap. 37 im Zuge der Kapitelumstellung zur masoretischen Textfolge zerteilt wird.
4. Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 4.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise In den vorangehenden drei Unterkapiteln sind mit Ez 36,23bb‐38; Ez 38,1‐39,22 und Ez 36,16‐23ba; 39,23‐29 die Textstücke behandelt wor‐ den, die miteinander eng durch das Motiv der Heiligung verbunden sind und eine eigene Auslegungsgeschichte in der Redaktion der Heils‐ prophetien haben (vgl. Kap. III. 1.‐3.). Bevor mit Ez 35,1‐36,15 die mut‐ maßlich ältesten Texte innerhalb der Kapitel 36‐39 analysiert werden können, ist zuerst noch Ez 37 in den Blick zu nehmen, damit eine gleichmäßige Abtragung der Textschichten gewährleistet ist. Die Analyse des Kapitels wird mit der Verheißung des Heilsbundes ()ברית שׁלום in Ez 37,25‐28 beginnen, mit der die mutmaßlich jüngste Fortschreibung in Ez 37 vorliegt. 223 Dabei ist aber zu beachten, dass Ez 37,25‐28 eine enge Parallele in Ez 34,25‐30 hat, in der ebenfalls vom 223 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3.
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Bund des Heils die Rede ist. Da 34,25‐30 der einzige Text des Hirten‐ kapitels ist, der bisher noch nicht genauer analysiert worden ist, sollen die thematisch verwandten Stücke im Folgenden zusammen behandelt werden. Die beiden Texte berühren sich nicht nur in ihrer Rede von der ברית שׁלום, sondern sie weisen auch beide eine erstaunliche Nähe zu der Se‐ gensreihe des Heiligkeitsgesetzes in Lev 26,3‐13 auf. Während Ez 34,25‐30 mit diesen Worten vor allem das Interesse an einer heilvollen Ordnung im Land teilt, wird in Ez 37,25‐28 ebenso wie in Lev 26 das kultische Wohnen Jhwhs in der Mitte des Volkes verheißen. Es ist des‐ halb im Folgenden zu untersuchen, inwieweit ein Auslegungsverhält‐ nis zwischen Lev 26,3‐13 und den ezechielischen Texten über den Bund des Heils nachzuweisen ist. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist eine Analyse der beiden Ezechieltexte, an die sich im zweiten Schritt die Frage nach dem ge‐ genseitigen literarischen Verhältnis anschließt. Danach kann im dritten Teil nach den literarischen Vorlagen gefragt werden. Neben der Bezie‐ hung zu Lev 26,3‐13 wird hier auch zu klären sein, welche Bedeutung dem Motiv von Jhwhs Wohnen inmitten seines Volkes für das Konzept des Heilsbundes zukommt. Deshalb wird dieses Kapitel durch einen Überblick über eine Reihe von Texten aus dem Ezechielbuch, der deu‐ teronomistischen Überlieferung und vor allem der Priestergrundschrift abgerundet, die in gleicher Weise von der göttlichen Gegenwart in der Mitte der Israeliten sprechen. Abschließend ist aufzuzeigen, über wel‐ che Texte und durch welche Auslegungsvorgänge die ברית שׁלום ihren Weg in die Heilsverkündigung des Ezechielbuches gefunden hat. 4.2. Textanalysen 4.2.1. Der Heilsbund mit der Herde Jhwhs: Ez 34,25‐30 Der Text über den Bund des Heils in Ez 34,25‐30 steht am Ende des Hirtenkapitels in Ez 34 und stellt auch in redaktioneller Hinsicht eine späte Fortschreibung des Grundwortes dar.224 Von der vorausgehenden Verheißung des davidischen Hirten in Ez 34,23f. ist das Stück zwar durch die Wortbekräftigungsformel in 34,24b klar abgegrenzt, bezieht sich aber in redaktioneller Hinsicht auf diese Verheißung zurück, da das Bundesverhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk aus V 23f. in V 25‐30 vorausgesetzt ist und unter dem Vorzeichen des שׁלום inter‐ pretiert wird. Die abschließende Gottesspruchformel in V 30 trennt das 224 Vgl. dazu und zum Folgenden o. Kap. II. 2.2. und II. 3.4.
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Stück von dem nachfolgenden redaktionellen V 31, der das Hirten‐ kapitel beschließt. Die Ausführungen über den Heilsbund beginnen in Ez 34,25 mit der Ankündigung, dass Jhwh „mit ihnen“ ()להם, d. h. mit den Schafen der Herde, einen Heilsbund schneiden will ()כרת. An dieser Stelle ist ein textkritisches Problem anzusprechen, das von einiger Bedeutung für die weitere Untersuchung ist. Die griechischsprachige Überliefe‐ rung mit Pap. 967 bietet in V 25 tw/| Dauid anstelle von להם und geht damit von David als Bundespartner aus (vgl. auch die entsprechende Variante des Codex Wirceburgensis). Die textkritische Diskussion ist aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sowohl die Fortführung des Verses mit einem Subjekt 3. Pers. pl. ()וישׁבו als auch die Erwähnung des Volkes in der Bundesformel V 30 dafür sprechen, dass der MT die ursprüng‐ liche Variante des Bundesschlusses bewahrt hat.225 Weiterhin wird aus dem vorangehenden Stück 34,23f. deutlich, dass der Bund zwischen Jhwh und dem Volk geschlossen wird, während David lediglich eine Funktion innerhalb dieses Bundesverhältnisses zukommt. Auch dies lässt erwarten, dass die Fortschreibung in 34,25‐30 in ihrer ursprüng‐ lichen Intention eben dieses Bundesverhältnis zwischen Jhwh und Volk weiter thematisieren will. Dagegen stellt die Übertragung des Bundes‐ schlusses auf David eine bewusste Abänderung auf Seiten der Text‐ überlieferung dar, die bereits durch die mit Pap. 967 bezeugte Buchfas‐ sung repräsentiert wird.226 Die Verheißung des Heilsbundes in Ez 34,25‐30 schließt drei gött‐ liche Maßnahmen ein: Zuerst wird Jhwh die Sicherheit im Land wieder herstellen, indem er die wilden Tiere ausrottet, so dass „sie“ sicher in den Wäldern schlafen können (V 25). Die V 26f. beschreiben zweitens, dass er für die Regengüsse zur rechten Zeit Sorge tragen wird, um die Fruchtbarkeit des Landes zu gewährleisten. Am Ende von V 27 steht eine erweiterte Erkenntnisformel, die betont, dass Jhwh sein Volk aus der Knechtschaft befreien wird, und V 28 schließt daran mit der Zusi‐ cherung an, dass sie weder den fremden Völkern noch den wilden Tieren mehr zur Beute werden sollen. Schließlich wird als dritte gött‐ 225 Vgl. dazu o. Kap. II. 2.1. Anm. 28. Zur Bevorzugung der masoretischen Lesart vgl. BERTHOLET, HAT, 120; ZIMMERLI, BK, 831, und BLOCK, NICOT II, 294. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 309, beurteilt dagegen die griechische Lesart „arbeitshypothetisch vorsichtig als lectio difficilior und MT als Angleichung von Kap.34 (sic!) an 37“, ohne allerdings die textinternen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In seiner Gegenüber‐ stellung von MT und Pap. 967 gibt er dem Papyrus die textgeschichtliche Priorität und sieht gerade in der Rolle Davids den „exemplarischen Differenzpunkt“ zwi‐ schen den beiden Überlieferungen (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 297‐312.313‐317). 226 Vgl. dazu u. Kap. III. 4.4.5. und Kap. IV. 2.1.4.
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liche Handlung die Errichtung einer Pflanzung des Heils227 in Aussicht gestellt, die zur Folge hat, dass es keine Hungersnot mehr geben wird und die Schmähungen durch die Völker ein Ende haben werden (V 29). Das gesamte Stück wird in V 30 mit einer Kombination aus einer weite‐ ren Erkenntnisformel, einer Bundesformel und einer Gottesspruchfor‐ mel abgeschlossen. Obwohl das Stück inhaltlich eine starke Geschlossenheit aufweist, wird die literarische Einheitlichkeit durch die doppelte Erkenntnis‐ formel in V 27.30 in Frage gestellt. Zwar kann die Erkenntnisformel auch textgliedernde Funktion haben, es zeichnet sich aber die Tendenz ab, „daß diese Wendung in ihren verschiedenen Varianten den End‐ punkt einer Rede bzw. eines Redeabschnittes bilden soll.“228 Im Fall von Ez 34,25‐30 sprechen indes auch inhaltliche Gründe dafür, die durch die erste Erkenntnisformel eingeleiteten V 27b‐28 als eine spätere Einfügung zu beurteilen. Die Verse unterbrechen die Aufzählung der göttlichen Maßnahmen und können als Wiederaufnahme des Tier‐ friedens aus V 25 erklärt werden, der sekundär auf die Befreiung vom Joch der Fremdvölker hin ausgelegt wird.229 Wie der Überblick gezeigt hat, erschließt sich die Aussageintention von Ez 34,25‐30 erst im Kontext des gesamten Hirtenkapitels. Die Fortschreibung zielt eindeutig darauf, das vorangehende Bundesver‐ hältnis aus 34,23f. zwischen Gott und dem Volk unter das Vorzeichen des שׁלום zu stellen und die heilvollen Auswirkungen des Bundes auf den gesamten Lebensbereich des Volkes darzustellen. Auch wenn die Herdenmetaphorik formal aufgegeben ist, zeigen Wendungen wie „wohnen in der Wüste“ und „schlafen in den Wäldern“ (V 25), dass die Verheißung des Heilsbundes der Herde gilt, deren Wohlergehen der vorliegende Textbestand in Ez 34 im Blick hat. 4.2.2. Der ewige Heilsbund: Ez 37,25‐28 Ebenso wie Ez 34,25‐30 am Ende des Hirtenkapitels die segensreichen Auswirkungen des Heilsbundes beschreibt, so steht auch der zweite Text über die ברית שׁלום in Ez 37,25‐28 am Schluss des Kapitels. Das 227 So mit der Textvariante der alten Übersetzungen; vgl. dazu die textkritische Diskus‐ sion der Stelle in Kap. II. 2.1. Anm. 31. 228 SCHÖPFLIN, Theologie, 110; vgl. ebenso HOSSFELD, Untersuchungen, 40‐45. 229 Siehe auch POHLMANN, ATD, 468, der V 27b‐28 als zusatzverdächtig beurteilt. Des Weiteren unterscheiden LEVIN, Verheißung, 220f., und FUHS, NEB, 195, zwei Ergän‐ zungen in V 27abb und V 28. LEVIN, a.a.O., 220, beurteilt außerdem noch V 26bb als den „Inbegriff einer Glosse“. Anders schreibt HOSSFELD, Untersuchungen, 254, den Erkenntnisformeln lediglich „ornamentale“ Funktion zu und betrachtet die Fort‐ schreibung V 25‐30 insgesamt als literarisch einheitlich.
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Stück schließt die auf die Vision Ez 37,1‐14 folgenden Heilsworte in 37,15ff. mit der Verheißung des ewigen Heilsbundes ab, der auf die Zusage von Jhwhs Wohnen inmitten seines Volkes zuläuft (37,26.28). Wird nach der Einordnung von Ez 37,25‐28 in das Gesamtkapitel gefragt, so spricht einiges dafür, in diesem Text die letzte Fortschrei‐ bung in diesem Bereich zu sehen, die die vorliegende Bundesformel in 37,23 aufgreift und in Form des ewigen Heilsbundes interpretiert.230 Das Grundwort des Kapitels stellt nach den bisherigen Überlegungen die Vision von den trockenen Knochen in 37,1‐14 mit der einleitenden Wortereignisformel in 37,1 dar,231 an die sich in 37,15‐19 die Zeichen‐ handlung von den zwei Hölzern angeschlossen hat. Die folgenden Heilsworte in 37,20‐24 geben durch Stichwortverbindungen zu erken‐ nen, dass sie von der Symbolhandlung abhängig sind und ihrerseits Fortschreibungen derselben darstellen (עץ, 37,20; vgl. 37,16.17.19; אחד, 37,22.24; vgl. 37,19). Dagegen enthält 37,25‐28 keine Rückbezüge mehr auf die Zeichenhandlung und auch die von V 24 divergierende Herr‐ scherkonzeption (נשׂיא, 37,25 gegenüber מלך in 37,24)232 zeigt, dass V 25‐ 28 nicht auf dieselbe literarische Ebene wie die vorausgehenden V 20‐ 24 gehören.233 Schließlich werden die V 25‐28 durch das Leitwort לעולם, „für ewig“, zusammengehalten, das in den vier Versen dreimal ver‐ wendet wird (V 25.26.28; vgl. noch עולם, V 25.26), während es in den übrigen Texten des Kapitels nicht ein einziges Mal belegt ist. In 37,25‐ 28 ist deshalb mit einer vom vorherigen Kontext abzugrenzenden Ein‐ heit zu rechnen, die allerdings durch den unvermittelten Einsatz mit 230 Ebenso ZIMMERLI, BK, 907f.913‐915; GARSCHA, Studien, 223‐229; FUHS, NEB, 211‐214; LEVIN, Verheißung, 214‐218 (für 37,26f.*); OHNESORGE, Jahwe, 339‐418; KRÜGER, Ge‐ schichtskonzepte, 438f., und POLA, Priesterschrift, 198f. Anders dagegen RUDNIG, Heilig, 65‐68, der in 37,25‐28 die ursprüngliche Fortsetzung von 37,1‐14 sieht (vgl. dazu Anm. 234). 231 Zum ausführlichen Nachweis der These vgl. u. Kap. III. 6.3. 232 In der LXX (mit Pap. 967) wird David sowohl in 37,24 (MT: )מלך wie auch in 37,25 (MT: )נשׂיא als a;rcwn tituliert, so dass in der griechischen Textbezeugung kein Unter‐ schied zwischen den Herrschererwartungen in 37,24 und 37,25 vorliegt. Die Variante der LXX ist gegenüber der masoretischen Davidverheißung lectio facilior. Sie kann als Versuch beurteilt werden, die literarkritisch zu erklärende Akzentverschiebung von 37,24 zu 37,25 auszugleichen (vgl. auch 37,22, wo LXX anstelle des מלך אחד a;rcwn ei-j bietet) und mit der Verheißung in 34,24 zu harmonisieren (MT: נשׂיא/LXX: a;rcwn); vgl. dazu die Analyse von Ez 37,15‐24 u. Kap. III. 5.2. Zur Priorität der masoretischen Textbezeugung siehe auch ZIMMERLI, BK, 905f., sowie BLOCK, NICOT II, 406f.413f. 233 Bei dieser Abgrenzung ist allerdings die genaue Zuordnung von V 24b schwierig, der theoretisch auch zum folgenden Abschnitt V 25‐28 gehören könnte (so ZIMMERLI, BK, 907; vgl. weiterhin OHNESORGE, Jahwe, 347, und POLA, Priesterschrift, 197); zu den Gründen, warum hier die literarische Einheitlichkeit von V 24 vertreten wird, vgl. die Analyse u. in Kap. III. 5.2. Wie dort zu zeigen sein wird, handelt es sich bei V 24 insgesamt um einen Einzelversnachtrag, der bereits die gesamte mehrschichtige Textfolge 37,15‐19.20‐23* voraussetzt.
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der Verbform וישׁבו ein bereits eingeführtes Subjekt 3. Pers. pl. voraus‐ setzt. Da die Gottesrede in 37,1‐11 an den Propheten ergeht, in 37,12‐14 aber direkt an Israel gerichtet ist, kommt als Subjekt für 37,25‐28 nur das Gottesvolk aus 37,20‐24 in Frage, von dem dort in 3. Pers. pl. die Rede ist.234 Konsequenterweise kann in 37,25‐28 nur die jüngste Fort‐ schreibung des Kapitels vorliegen, die in V 28 mit einer erweiterten Erkenntnisformel abgeschlossen wird. Von seinem nachfolgenden Kon‐ text, der nach dem Zeugnis von Pap. 967 in dem Beginn der Tempelvi‐ sion 40‐48 besteht, ist der Text durch die Visionseinleitung in 40,1 klar abgegrenzt. In der protomasoretischen Buchfassung markiert dagegen die Wortereignisformel der Gog‐Perikope in 38,1 einen Neueinsatz. Auch wenn die literarische Integrität von 37,25‐28 grundsätzlich kaum in Frage gestellt werden kann, lassen sich innerhalb des Ab‐ schnittes verschiedene Nachträge abheben. So ist mit dem Zeugnis der LXX* nicht nur der Hinweis auf die späteren Generationen in V 25ba zu streichen, sondern auch die Verheißung der Vermehrung in V 26ba. Über den textkritischen Befund hinaus können diese Entscheidungen auch literarkritisch gerechtfertigt werden: Der Verweis auf Kinder und Kindeskinder in V 25ba stellt eine nachträgliche Ausweitung von V 25a dar, in der die andauernde Gültigkeit der Landverheißung betont wer‐ den soll.235 Die Vermehrung des Volkes in V 26ba kann dagegen als spätere Glosse eingeordnet werden, die durch Wiederaufnahme des folgenden ונתתי aus V 26bb eingefügt worden ist.236 Schließlich gibt sich auch der Verweis auf die Väter in V 25ab durch den Suffixwechsel und die parallele Gestaltung zu V 25aa als späterer Nachtrag zu erken‐ nen.237 Der verbleibende Text in Ez 37,25aa.bb.26a.bb.27f. (37,25‐28*) bildet eine sorgfältig durchkomponierte literarische Einheit, die in V 25 mit der Verheißung eröffnet wird, dass die Israeliten in ihrem Land leben werden, das Jhwh seinem Knecht ()עבד Jakob gegeben hat.238 Die Bestä‐ 234 So gegen die These von RUDNIG, Heilig, 65‐68, wonach 37,25‐28 die ursprüngliche Fortsetzung der golaorientiert überarbeiteten Vision 37,1‐14* darstellt; ihm folgt PETRY, Entgrenzung, 271. Zwar sieht auch RUDNIG das Problem des Personenwech‐ sels, aber seine Versuche, diese Differenz mit einer Angleichung von 37,25‐28 an die nachträglich eingeschobenen V 20‐24 oder mit einem bewussten Perspektivwechsel zu erklären (vgl. RUDNIG, a.a.O., 66f.) sind m. E. nicht überzeugend. In literarkri‐ tischer Hinsicht ist der Anredewechsel zu gewichtig, als dass ein ursprünglicher Textzusammenhang von 37,1‐14* mit 37,25‐28 postuliert werden könnte. 235 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 347.401, und RUDNIG, Heilig, 68. 236 So auch FOHRER, HAT, 211; EICHRODT, ATD, 358; LEVIN, Verheißung, 217; OHNE‐ SORGE, Jahwe, 348f., und RUDNIG, Heilig, 69. 237 Vgl. RUDNIG, Heilig, 68. 238 Die auffällige Erzväterthematik (der Knecht Jakob; vgl. auch den Verweis auf die Väter im Nachtrag V 25ab) erklärt sich daher, dass 37,25‐28 eine Fortschreibung der
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tigung der Landverheißung wird durch die Ankündigung ergänzt, dass David für alle Zeit ()לעולם Fürst ()נשׂיא über das Volk sein wird.239 In V 26 verheißt Jhwh, dass er einen Heilsbund ()ברית שׁלום mit ihnen schneiden wird ()כרת, der im Folgenden näher als Bund von dauer‐ hafter Gültigkeit ()ברית עולם bestimmt wird. Die Bundesverheißung konkretisiert sich in der Zusage, dass Jhwh sein Heiligtum ()מקדשׁי auf ewig ()לעולם in die Mitte seines Volkes geben wird. Diese Ankündigung der kultischen Gegenwart Gottes wird im folgenden V 27 wiederholt, wobei diesmal aber die Bezeichnung משׁכן, „Wohnung“, an die Stelle von מקדשׁ tritt.240 Eine Bundesformel besiegelt die göttliche Zusage in V 27, während sich in V 28 noch eine auf die Völker gerichtete Erkennt‐ nisformel anschließt. Die Völker werden Jhwh erkennen, der Israel hei‐ ligt, indem sein Heiligtum ()מקדשׁי für ewig ()לעולם in der Mitte seines Volkes sein wird (V 28). Ez 37,25‐28* ist damit klar durch die Vorstellung der Unverbrüch‐ lichkeit des Heils geprägt, wie die Verwendung des Leitwortes לעולם in V 25.26.28 zeigt: „Es geht um die Zusage der unverbrüchlichen Dauer des von Gott Verheißenen.“241 Die ברית שׁלום wird so als ewiger Bund beschrieben, der die Gültigkeit der Landzusage und den ewigen Be‐ stand der davidischen Herrschaft mit einschließt und zuletzt in der Zusage der göttlichen Präsenz in der Mitte des Volkes konkret Gestalt annimmt. 4.3. Das literarische Verhältnis Wie die Einzeltextanalysen gezeigt haben, liegt es nahe, eine literari‐ sche Verbindung zwischen Ez 34,25‐30 und Ez 37,25‐28 anzunehmen, da beide Texte eine Verheißung der ברית שׁלום enthalten. Über diese zwei Stücke hinaus ist der Terminus nur noch in Jes 54,10 und Num 25,12 im Alten Testament belegt, wo er aber jeweils in einem anderen Zeichenhandlung über die Wiedervereinigung in 37,15‐19 darstellt und im Rekurs auf die Erzväter eine gesamtisraelitische Perspektive einnimmt; vgl. dazu u. Kap. III. 5.4.3. 239 Mehrfach wird die gesamte Davidverheißung in V 25bb als Nachtrag angesehen; vgl. VEIJOLA, Verheißung, 165 Anm. 3; LEVIN, Verheißung, 214, und OWCZAREK, Vorstel‐ lung, 128‐131. Für diese Annahme gibt es m. E. kein überzeugendes literarkritisches Argument. 240 Der Wechsel der Bezeichnung für die göttliche Wohnung rechtfertigt allein noch nicht die literarkritische Ausscheidung von V 27aa (so gegen OHNESORGE, Jahwe, 350, und RUDNIG, Heilig, 69). 241 ZIMMERLI, BK, 913. Einzig bei der Landverheißung fehlt die Aussage über die ewige Gültigkeit in Form des Adverbs לעולם, dessen Fehlen aber augenscheinlich durch den Nachtrag in V 25ba korrigiert werden soll (vgl. RUDNIG, Heilig, 68).
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Kontext verwendet wird.242 Es ist nicht nur die spärliche Bezeugung des Begriffs, die auf eine enge Beziehung zwischen den beiden Texten des Ezechielbuches hindeutet, sondern auch der identische Wortge‐ brauch, da der Bundesschluss in den zwei Stücken mit der identischen Formulierung וכרתי להם ברית שׁלום (34,25; 37,26) angekündigt wird. Weiterhin ist die Bundeszusage in beiden Fällen redaktionell an ei‐ ne vorausgehende Davidverheißung angeschlossen (34,23f., vgl. 37,24), wobei es allerdings einen entscheidenden Unterschied gibt: Während David in 34,23f.* als Knecht ()עבד und Hirte ()רעה bezeichnet wird und ihm sekundär noch die Bezeichnung als Fürst (נשׂיא, 34,24ab) zugewach‐ sen ist, spricht die Verheißung in 37,24 zwar auch vom Knecht und Hirten David, dieser soll aber als König ()מלך über das Volk herrschen. Die Ankündigung des davidischen Herrschers wird in 37,25 innerhalb der Perikope über den Heilsbund wiederholt, diesmal allerdings unter Verwendung der auch im Hirtenkapitel gebrauchten Titulatur נשׂיא. Da es im gesamten Ezechielbuch nur in diesen zwei Kapiteln eine explizite Davidverheißung gibt, an die sich in beiden Fällen die Zusage des Heilsbundes angeschlossen hat, kann dies kaum Zufall sein, sondern spricht für eine innere Nähe des (ewigen) Heilsbundes zur Davider‐ wartung. Als Schlüssel für diesen Zusammenhang kann sich ein näherer Blick auf Wesen und Bedeutung der Attribute שׁלום und עולם erweisen. שׁלום ist ein „zutiefst positiver Begriff, der mit den Vorstellun‐ gen von Unversehrtheit, Ganzheit, Heilsein von Welt und Mensch zu tun hat“,243 und dessen Durchsetzung in der altorientalischen Königs‐ ideologie oft mit der Königsherrschaft verbunden wird.244 Diese Kon‐ zeption hat ihre Spuren auch im Alten Testament hinterlassen; vgl. z. B. Texte wie 1 Kön 5,4f; Jes 9,1‐6; Mi 5,1‐5 und Ps 72. In gleicher Weise hat die Vorstellung von der „Ewigkeit“ des Königtums ihren ursprüng‐ lichen Ort in der Königsideologie245 und ist von der deuteronomisti‐ schen Überlieferung auf David und seine Dynastie übertragen worden; vgl. z. B. den Davidbund von 2 Sam 23,5.246 Damit werden sowohl in Ez 242 In Jes 54,10 gilt die Zusage der שׁלומי ברית der Frau Zion gleichsam als Kompensation des vorausgehenden Gotteszornes, vgl. dazu u. Kap. III. 4.4.5. In Num 25,12 wird Pinehas die בריתי שׁלום als Vergütung für sein verdienstvolles Handeln zugesprochen. Allerdings liegt hier nach GesK §128d; §131r Anm. 4, keine status constructus‐Verbin‐ dung wie in den anderen Belegen vor, und auch inhaltlich handelt es sich nicht um ein Bundesverhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk, sondern um eine persönliche Zusage an Pinehas. Aus diesen Gründen kann Num 25,12 in der folgenden Analyse unberücksichtigt bleiben. 243 STENDEBACH, Art. ָשׁלוֹם, 19. 244 Vgl. dazu SCHMID, šalôm, 30‐36, sowie STENDEBACH, Art. ָשׁלוֹם, 19‐25. 245 Vgl. PREUSS, Art. עוֹ ָלם, 1150f. 246 Vgl. VEIJOLA, Dynastie, passim, insbes. 68‐79.127ff.
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34,25‐30* als auch in Ez 37,25‐28* im Anschluss an die Davidverhei‐ ßungen Attribute auf das Bundesverhältnis zwischen Jhwh und dem Volk übertragen, die mit der Königsherrschaft verbunden sind. Indes bleibt festzuhalten, dass die Bundesverheißung in Ez 34,25‐30* erst sekundär an die Davidweissagung angefügt worden ist, während die beiden Verheißungen in Ez 37,25‐28* von Anfang an auch in einer Text‐ einheit zusammengeschlossen sind. Die beiden Verheißungen in Ez 34 und 37 differieren aber vor allem in der unterschiedlichen Füllung der Bundesschlüsse. Während die ברית שׁלום in Ez 34,25‐30* einen Zustand umfassenden Heils für Volk und Land zur Folge hat, zeigt in Ez 37,25‐28* schon die Näherbestimmung des Heilsbundes als ברית עולם an, dass der Fokus hier auf der Betonung der unverbrüchlichen Dauer liegt. Trotz der festgestellten Differenzen rechtfertigen insbesondere die terminologischen Querverbindungen und die jeweilige Nähe zu den beiden einzigen Davidverheißungen des Buches die Annahme einer literarischen Abhängigkeit. Es stellt sich die Frage der chronologischen Reihenfolge, die vom äußeren Befund her nicht entschieden werden kann, da es sich bei beiden Stücken jeweils um eine späte Fortschrei‐ bung im Kapitel handelt. Der innere Befund spricht jedoch eindeutig dafür, in Ez 34,25‐30* das traditum für Ez 37,25‐28* zu sehen. 247 Zuerst liegt in 34,25‐30* der einfachere Text vor, dem gegenüber 37,25‐28* die detailliertere und tiefer gehende Reflexion über die ברית שׁלום bietet. Dazu ist der Autor von 34,25‐30* allein an der Beschreibung des Heils‐ bundes und seiner segensreichen Auswirkungen interessiert, während der Verfasser von 37,25‐28* zwar den Terminus ברית שׁלום verwendet, diesen aber vor allem als Bund von ewigem Bestand beschreibt. Da die segensreichen Auswirkungen in Form von Fruchtbarkeit und Frieden in Ez 37,25‐28* gar nicht mehr thematisiert werden, liegt es nahe, die kurze Erwähnung des Heilsbundes in 37,26 als Verweis auf etwas bereits Vorausgesetztes, d. h. auf die Vorlage in Ez 34,25 zu verstehen. Schließlich spricht auch die Einbindung der Davidverheißung für diese Richtung der literarischen Abhängigkeit. Denn die ursprüngliche Kom‐ bination von Daviderwartung und Heilsbund in 37,25‐28* deutet darauf hin, dass dem Autor des Textes die redaktionelle Zusammen‐ stellung der beiden Ankündigungen im Hirtenkapitel (34,23f.*25‐30*) bereits vorgelegen hat. 247 So auch HERRMANN, Heilserwartungen, 274, und OHNESORGE, Jahwe, 389. Dagegen vertritt LEVIN, Verheißung, 218‐222, die umgekehrte Richtung der Abhängigkeit, während THIEL, Rede, 21, Ez 34,25‐30 und Ez 37,24b‐28 „denselben Händen“ zu‐ schreibt.
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Der Auslegungsvorgang kann damit wie folgt beschrieben werden: Der Verfasser von Ez 34,25‐30* ist der erste, der im Ezechielbuch von der ברית שׁלום spricht und mit diesem Konzept sekundär das in 34,23f.* vorgegebene Bundesverhältnis zwischen Gott und Volk interpretiert. Der spätere Autor von Ez 37,25‐28* greift den Begriff der ברית שׁלום aus 34,25 auf und baut darauf seine Ausführungen über die ברית עולם auf. Dabei geht es ihm in erster Linie um den Nachweis, dass die ברית עולם aus 37,25‐28* mit der ברית שׁלום aus 34,25 identisch ist, wie auch aus der redundanten Formulierung וכרתי להם ברית שׁלום ברית עולם יהיה אותם in 37,26a deutlich wird. Der Autor zitiert hier wortwörtlich den Bundes‐ schluss aus 34,25aa ()וכרתי להם ברית שׁלום in seinem Text und fügt daran die eigene Deutung ()ברית עולם יהיה אותם an. Diese versatzartige Ausle‐ gungstechnik, die auch schon für die Rezeption der Bundestexte in Ez 11,19f. und Ez 36,23bb‐32 nachgewiesen werden konnte,248 deutet da‐ rauf hin, dass die Vorlage zu einem gewissen Grad als „feststehender“ Text verstanden wird, an den die eigene Interpretation nur angeschrie‐ ben werden kann. Da der Leser Ez 37,25‐28* von Ez 34,25‐30 her kommend lesen soll, sind die segensreichen Auswirkungen der ברית שׁלום in 37,26 bereits durch den Bezug auf die Vorlage in 34,25‐30 impliziert, so dass sich die Beschreibung in 37,25‐28* auf die Unverbrüchlichkeit des kommenden Heils konzentrieren kann. Bei dieser Darstellung sind vor allem zwei Aspekte bedeutsam: Zuerst wiederholt der Verfasser von Ez 37,25‐28* die ihm bereits in seinem Kapitel vorliegende Davidverheißung (37,24) und verwendet dabei die Titulatur נשׂיא, die sich sekundär auch in 34,24ab findet. Anscheinend will er den vorliegenden Text in 37,24 dahingehend korrigieren, dass die Herrschererwartung nicht auf einen davidischen König gerichtet ist, sondern auf den davidischen Fürsten, von dem auch das Hirtenkapitel spricht.249 Ein absolutes novum gegen‐ über der Vorlage stellt in 37,25‐28* dagegen Jhwhs Gegenwartsver‐ sprechen dar, das Höhe‐ und Schlusspunkt der Bundesverheißung bil‐ det (vgl. 37,26.28).250 Zwar setzt bereits das Bild des göttlichen Hirten in Ez 34 die göttliche Präsenz inmitten des Volkes voraus (vgl. בתוך־צאנו, 34,12), aber die Verheißung von Jhwhs Wohnen inmitten seines Volkes 248 Vgl. dazu o. Kap. III. 1.4. 249 Zum literarischen Verhältnis der Davidaussagen in Ez 34 und Ez 37 vgl. u. Kap. III. 5.3. 250 So auch RUDNIG, Heilig, 71: „Der Schlußakzent von Ez 37,25ff* liegt eindeutig auf Jahwes Gegenwartsversprechen (V.26b*.28b). Bund (V.26a.27*) und Jahweerkenntnis der Völker (V.28a) fungieren sozusagen als Rahmendaten: die Erfüllung der Verhei‐ ßungen ist sowohl Inhalt des Bundes als auch Grund der Jahweerkenntnis der Völ‐ ker.“
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hat eine andere (kultische) Qualität, so dass zu bezweifeln ist, ob sie inhaltlich aus der Metaphorik des Hirtenkapitels abgeleitet werden kann.251 4.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 4.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen Im Folgenden ist zu untersuchen, durch welche literarischen oder theologiegeschichtlichen Prozesse sich die bundestheologische Inter‐ pretation der göttlichen Gegenwart unter dem Vorzeichen der ברית שׁלום erklären lässt. Die Analyse möglicher Vorlagen für die Ezechieltexte wird dabei von vier Fragestellungen bestimmt. Zuerst ist zu überprüfen, ob die Interpretation des Heilsbundes als ewiger Bund in Ez 37,25‐28252 allein durch die Übertragung von tradi‐ tionell mit der Davidherrschaft verbundenen Attributen zu erklären ist oder ob sie auf die literarische Rezeption einer Vorlage zurückzu‐ führen ist. Die Ankündigung der ברית עולם hat anders als die ברית שׁלום eine breite Bezeugung im Alten Testament, wobei zwei Texte von be‐ sonderem Interesse für die Analyse des ewigen Bundes in Ez 37,25‐28 sind. So ist zuerst die einzige innerbuchliche Parallele in Ez 16,59‐63 auf mögliche Berührungen hin zu überprüfen, bevor auch Jer 32,37‐41 mit einzubeziehen ist, das von allen prophetischen Verheißungsworten über den ewigen Bund die größten terminologischen Übereinstimmun‐ gen zeigt. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, inwieweit es sich bei der Konzeption der ברית שׁלום in terminologischer und inhaltlicher Sicht um eine Eigenschöpfung des Verfassers von Ez 34,25‐30* handelt. Aus dem altorientalischen Umfeld ist das Motiv einer Übereinkunft zwi‐ schen den Göttern bekannt, die in unterschiedlichsten Ausprägungen sowohl die Verschonung der Menschheit als auch die Herbeiführung eines kosmischen Friedenszustandes beinhaltet. 253 Aber selbst wenn sich hier inhaltlich vergleichbare Einzelzüge aufzeigen lassen, so findet sich doch kein Äquivalent zur alttestamentlichen Terminologie der ברית 251 Die durch אתם erweiterte Erkenntnisformel in Ez 34,30 könnte darauf hindeuten, dass die Verheißung von Jhwhs Wohnen unter den Israeliten in Ez 37,25‐28 bereits vorausgesetzt ist, aber nach dem textkritischen Urteil ist diese Erweiterung sekundär (vgl. Kap. II. 2.1. Anm. 32), so dass es sich hier wahrscheinlich um eine nachträgliche Anspielung an 37,25‐28 handelt. 252 Ein Stern (*) wird im Folgenden nur da gesetzt, wo die Textabgrenzung explizit auf die Grundschicht bezogen ist. 253 Vgl. dazu BATTO, Covenant, 187‐201. Zu einer umfassenden Untersuchung der Frie‐ densvorstellung im Alten Orient und im Alten Testament vgl. SCHMID, šalôm, 13‐90.
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שׁלום,254 so dass die Formulierung und das damit verbundene Konzept nicht einfach aus dem religionsgeschichtlichen Vergleich abzuleiten sind. Vielmehr ist danach zu fragen, ob die ברית שׁלום auf einen literari‐ schen Hintergrund zurückgeführt werden kann. Ein passender Kandi‐ dat für diese Frage ist die Segensreihe des Heiligkeitsgesetzes in Lev 26,3‐13, die nicht nur vielfältige Nähen zu Ez 34,25‐30 aufweist, son‐ dern vor allem dadurch bedeutsam erscheint, dass die Einzelverhei‐ ßung von שׁלום unter die Zusage des Bundes gestellt wird. Mit Ez 37,25‐28 berührt sich Lev 26,3‐13 dagegen in der Verheißung der göttlichen Gegenwart, so dass von hier aus die Bedeutung des Wohnungsmotivs für die שׁלום ברית untersucht werden kann. Der Ver‐ gleich mit der Segensreihe führt dabei aufgrund der aufzuzeigenden Berührungen fast zwangsläufig zur Priestergrundschrift, in der Jhwhs Wohnen unter den Israeliten in einer Reihe von Texten begegnet. Mit der Berücksichtigung von Ez 43,1‐9 und 1 Kön 6,11‐13 werden alle weiteren Texte im Alten Testament behandelt, in denen Gottes Gegen‐ wart unter den Israeliten eine Rolle spielt. Schließlich ist die Ankündigung der ברית שׁלום nicht ohne Nachge‐ schichte geblieben. Dazu gehört zuerst die nachträgliche Textänderung in Ez 34,25LXX, die David zum Bundespartner macht, aber auch im Fall der singulären Erwähnung des Heilsbundes in Jes 54,10 und dem Tier‐ bund in Hos 2,20 wird zu zeigen sein, dass sie Berührungen mit den Texten aus dem Ezechielbuch aufweisen und zur literarischen Nach‐ geschichte der Bundesverheißungen gehören. 4.4.2. Der ewige Bund in Ez 16,59‐63 und Jer 32,37‐41 Die Verheißung der ברית עולם findet sich in vier Themenkreisen der alttestamentlichen Literatur:255 Bereits Erwähnung gefunden hat zuerst die Verheißung der ewigen Dynastie an David in 2 Sam 23,5 (vgl. Jes 55,3), die als ברית עולם bezeichnet wird. Am häufigsten ist der ewige Bund zweitens in der Priesterschrift belegt, wo ברית עולם sowohl für den Noachbund (Gen 9,16)256 als auch für den Abrahambund (Gen 17,7.13.19; vgl. 1 Chr 16,17 und Ps 105,10) verwendet wird. Genau wie der Regenbogen beim Noachbund und die Beschneidung beim Abra‐ 254 Zu diesem Ergebnis kommt auch BATTO, Covenant, 187 Anm. 1. Er sieht allerdings eine große traditionsgeschichtliche Nähe zwischen den Verheißungen, die von einer ברית שׁלום sprechen (Jes 54,10; Ez 34,25; 37,26) und den altorientalischen Texten und geht davon aus, dass der Heilsbund als prophetische Bezeichnung für ein älteres bib‐ lisches und altorientalisches Motiv zu gelten habe (vgl. BATTO, a.a.O., 187.211). 255 Zu dieser Einteilung vgl. SCHMID, Buchgestalten, 101f. 256 Vgl. weiterhin Gen 9,12, wo Gott einen Bund auf ewige Generationen ()לדרת עולם hin stiftet.
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hambund als Zeichen des Bundesschlusses gelten, so wird in Ex 31,12‐ 17 der Sabbat als ewiges Zeichen zwischen Jhwh und seinem Volk eingesetzt und erhält die Bezeichnung ברית עולם (Ex 31,16). Drittens können auch rituelle Opferbestimmungen als ברית עולם bezeichnet wer‐ den; vgl. Lev 24,8 und Num 18,19. Von besonderem Interesse für die hier vorgelegte Fragestellung erweist sich aber viertens die Ankündi‐ gung des ewigen Bundes in den Heilsverheißungen der Propheten‐ bücher, die über Ez 37,26 hinaus noch in Jes 61,8; Jer 32,40; 50,5 und Ez 16,60 begegnet. Von diesen sind nun aus oben genannten Gründen Ez 16,60 und Jer 32,40 näher in den Blick zu nehmen. Die Verheißung des ewigen Bundes in Ez 16,60 steht innerhalb eines heilsprophetischen Anhangs der Bildrede von der untreuen Frau Jerusalem in Ez 16,59‐63, der die jüngste Fortschreibung des Kapitels darstellt.257 Das Stück kann in zwei Teile gegliedert werden: Im ersten Abschnitt V 59‐61 sagt Jhwh Jerusalem zu, dass er des Bundes geden‐ ken wird, den er mit ihr in ihrer Jugend geschlossen hat (vgl. 16,8). Im Gegensatz zur Treulosigkeit der Frau Jerusalem, die den Bund gebro‐ chen hat (פרר hif., V 59), wird Jhwh zu seinem Bund stehen und ihn als einen ewigen Bund (ברית עולם, V 60) wieder aufrichten (קום hif., V 60), so dass sich Jerusalem ihres früheren Wandels schämen wird. Der zweite Teil in V 62f. wiederholt erweiternd die Aussagen über die Bundesver‐ heißung und die nachfolgende Einsicht Jerusalems und verbindet diese mit der Erkenntnisformel.258 In terminologischer Hinsicht zeigt die Bundesverheißung Berüh‐ rungen mit den priesterschriftlichen Bundestexten,259 da die Kombina‐ tion von קום hif. und ברית עולם neben Ez 16,60 nur noch in der priester‐ schriftlichen Erzählung vom Abrahambund in Gen 17,7.19 belegt ist. Allerdings bezeichnet in Ez 16,60 die Präposition ל das Objekt des Bundesschlusses ()לך, während in sämtlichen priesterschriftlichen Bele‐ gen von קום ברית die Präposition אתverwendet wird.260 Auf die priester‐ schriftliche Überlieferung könnte weiterhin die Wendung „des Bundes gedenken“ ()זכר ברית verweisen, die in Gen 9,15f.; Ex 2,24; 6,5 und Lev 26,42bis.45 priesterschriftlich belegt ist. Von besonderer Bedeutung er‐ scheinen hier Lev 26,42.45, da Jhwh vergleichbar mit Ez 16,60 ankün‐ 257 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 97; BERTHOLET, HAT, 57; FOHRER, HAT, 92f.; ZIMMERLI, BK, 369‐371; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 325‐332, und POHLMANN, ATD, 221.235. 258 Der redundante Charakter von V 62f. spricht dafür, hier eine nachträgliche Ergän‐ zung von V 59‐61 zu sehen (vgl. auch LEVIN, Verheißung, 225). 259 Eine Nähe zur Priesterschrift notieren auch EICHRODT, ATD, 132; BALTZER, Anmer‐ kungen, 172, und FUHS, NEB, 10. 260 Gen 6,18; 9,9.11 (9,17 mit ;)בין 17,7.19.21; Ex 6,4; vgl. auch Lev 26,9. Eventuell ist diese Differenz auf Seiten von Ez 16,60 mit Einfluss von Jer 32,40 ()וכרתי להם ברית עולם zu erklären; vgl. dazu im Folgenden.
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digt, dass er zugunsten der gegenwärtigen Generation der Israeliten des Bundes in der Vergangenheit gedenken wird. Der Schluss liegt des‐ halb nahe, dass die Unverbrüchlichkeit der Bundeszusage an Jerusalem in Ez 16,60 durch Rekurs auf die priesterschriftliche Überlieferung aus‐ gesagt wird. In dieser Betonung der Unverbrüchlichkeit steht Ez 16,59‐63 der Bundesverheißung in Ez 37,25‐28 sehr nahe. In beiden Texten handelt es sich um eine reine Heilsgabe Jhwhs, ohne dass von einer Gegen‐ leistung des Bundespartners die Rede ist. Im Gegenteil macht Jhwh in Ez 16 deutlich, dass die Frau Jerusalem den Bund nicht aufgrund ihres vorbildlichen Verhaltens, sondern gerade unverdient erhält. In Ez 37,25‐28 ist der neue Gesetzesgehorsam der Israeliten (vgl. 37,24b) dagegen Auswirkung des vorangehenden Bundesverhältnisses (vgl. 37,23), so dass das Volk die ברית שׁלום zwar nicht unverdient, aber doch als Heilsgabe erhält, da Jhwh selbst den nötigen Gesetzesgehorsam erst bewirkt. Allerdings unterscheiden sich die beiden Texte in der Formu‐ lierung der Bundeszusage: Während in Ez 16,60.62 von der „Aufrich‐ tung“ (קום hif.) des Bundes die Rede ist, wird in Ez 37,26 unter Verwen‐ dung von כרת vom „Schneiden“ des Bundes gesprochen. Weiterhin besteht die Besonderheit der ברית עולםin Ez 16,59‐63 darin, dass sie Bestätigung und Wiederherstellung einer in der Vergan‐ genheit erfolgten Bundeszusage Jhwhs ist, während Ez 37,25‐28 text‐ intern keine Hinweise darauf enthält, dass der ewige Bund die Konti‐ nuität mit einem vorhergehenden Bundesschluss bezeichnet.261 Hier ist allerdings das literarische Verhältnis zwischen den beiden Texten zu berücksichtigen. Da der Begriff ברית עולם nur an diesen beiden Stellen im Buch belegt ist und das Vorkommen des Bundesbegriffes generell auf wenige Texte begrenzt ist,262 kann mit einer literarischen Abhängig‐ keit gerechnet werden. Dabei erweist sich allerdings die Bestimmung der relativen Abfolge als äußerst schwierig, da abgesehen von der identischen Formulierung ברית עולם keine weiteren inhaltlichen oder terminologischen Querverbindungen zwischen den Texten vorliegen. Ein erstes richtungsweisendes Indiz könnte die Verwendung der unter‐ schiedlichen Verben für den Bundesschluss sein. Während der Ge‐ brauch von קום hif. in Ez 16,60 auf den priesterschriftlichen Einfluss zu‐ rückzuführen ist, zeigt sich in der Formulierung כרת ברית in Ez 37,26 der 261 Auf diesen Unterschied in der Bundeskonzeption von Ez 37,25‐28 im Vergleich mit Ez 16,59‐63 verweisen auch EICHRODT, ATD, 131f., und KRÜGER, Geschichtskon‐ zepte, 330f. 262 Neben den besprochenen Stellen in Ez 16,8.59‐63; 34,25 und 37,26 ist ברית im Eze‐ chielbuch nur noch in dem Stück 17,11‐21 sowie in 20,37 und 44,7 belegt. In Ez 30,5 steht ארץ הברית für das Land eines Fremdvolkes.
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Einfluss der Vorlage Ez 34,25. Bei einer angenommenen literarischen Priorität von Ez 16,59‐61 erklärt dies, warum der Verfasser von Ez 37,25‐28* nicht ebenfalls die Formulierung קום verwendet hat. Umge‐ kehrt wäre nur schwer einsehbar, warum der Autor von Ez 16,60 zwar die Formulierung ברית עולם aus Ez 37,26 übernehmen, dabei aber das zugehörige Verb austauschen sollte. Die Terminologie כרת ברית verweist allerdings über Ez 34,25 hinaus auch auf den nicht‐priesterschriftlichen Textbereich, in dem analog zu Ez 34,25 und Ez 37,26 vom „Schneiden“ ()כרת des Bundes die Rede ist (vgl. z. B. Gen 15,18; 21,27; 26,28; 31,44; Ex 34,27; Dtn 5,2). In dem pro‐ phetischen Heilswort Jer 32,37‐41263 wird schließlich in vergleichbarer Formulierung zu den beiden Ezechieltexten der ewige Bund verheißen: וכרתי להם ברית עולם (Jer 32,40; vgl. שׁלום וכרתי להם ברית, Ez 34,25; וכרתי להם ברית שׁלום ברית עולם, Ez 37,26). Die Wendung ברית וכרתי ist über diese drei Stellen hinaus im Alten Testament nur noch in Jer 31,31 sowie in Hos 2,20 belegt, die beide mit den anderen Texten in einem literarischen Verhältnis stehen, so dass auch im Fall von Jer 32,40 und den Verhei‐ ßungen in Ez 34,25 und Ez 37,26 eine literarische Bezugnahme wahr‐ scheinlich ist.264 Darüber hinaus berührt sich Jer 32,37‐41 mit Ez 34,25‐ 30 auch in der Verwendung der Pflanzmetaphorik für das kommende Heil: Während Jer 32,41 davon spricht, dass Jhwh das Volk in das Land pflanzen wird ()נטע, ist in 34,29 von der Pflanzung ()מטע des Heils die Rede, die in Zukunft verhindern wird, dass das Volk durch Hunger umkommt.265 Beide Bundesschlüsse sind somit auf das zukünftige heil‐ volle Ergehen des Volkes im Land gerichtet. Aufgrund der Verbindungen zwischen Ez 34,25‐30 und Jer 32,37‐41 liegt es nahe, die Formulierung des Bundesschlusses in Ez 34,25 auf die Vorlage in Jer 32,40 zurückzuführen. Von hier aus hat die Terminologie וכרתי להם ברית dann Eingang in Ez 37,26 gefunden, dessen Autor die Verheißung noch um die ברית עולם erweitert, die ihm sowohl in Jer 32,40 als auch in Ez 16,60 bereits vorliegt. Selbst wenn sich die exakte Formu‐ lierung der Bundesverheißung in Ez 37,26 einer Rezeption von Jer 263 Zur Analyse von Jer 32,37‐41 vgl. auch o. Kap. III. 1.4.4. 264 LEVIN, Verheißung, 217, nimmt für die fünf Belege eine literaturgeschichtliche Abfol‐ ge Jer 31,31 – Jer 32,40 – Ez 37,26 – Ez 34,25 – Hos 2,20 an. Nach den hier vorgelegten Ergebnissen ist sowohl die Abfolge innerhalb des Jeremiabuches umzudrehen (Jer 32,40 – Jer 31,31; vgl. dazu o. Kap. III. 1.4.4.) als auch die Reihenfolge im Ezechiel‐ buch (Ez 34,25 – Ez 37,26; vgl. dazu o. Kap. III. 4.3.). Zu Hos 2,20, dessen Abhängig‐ keit von Ez 34,25 kaum zu bestreiten ist, vgl. u. Kap. III. 4.4.5. 265 SCHMID hat außerdem den Nachweis geführt, dass im Bundesschluss Jer 32,40 das Volk in die Königspflicht genommen wird (vgl. SCHMID, Buchgestalten, 102), so dass hier wie in den ezechielischen Bundesverheißungen mit der Davidherrschaft verbun‐ dene Attribute auf das Bundesverhältnis mit dem Volk übertragen werden.
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32,40/Ez 34,25 verdankt,266 so ist doch aufgrund der inhaltlichen Kor‐ respondenzen, die das Ezechielbuch strukturell gliedern, zu vermuten, dass die ברית עולם darüber hinaus auf den ewigen Bund in Ez 16,60 ver‐ weisen will. In der auffälligen Formulierung ברית שׁלום ברית עולם werden die beiden Bundesschlüsse aus Ez 16,60 und Ez 34,25 miteinander ver‐ bunden und legen sich wechselseitig aus.267 Anscheinend will der Autor die beiden vorliegenden Selbstverpflichtungen Jhwhs gegenüber dem personifizierten Jerusalem und dem Gottesvolk in seinem Text zusammengeschaut wissen. Die Unverbrüchlichkeit des Heilsbundes verweist in dieser Form nicht nur auf die zukünftige ewige Dauer, sondern in der ברית שׁלום schwingt auch die andauernde Gültigkeit des Bundes mit, den Jhwh nach Ez 16,8 in der Vergangenheit mit der Frau Jerusalem geschlossen hat. In der Verheißung der ברית עולם ברית שׁלום in Ez 27,26 mischen sich damit literarisch und konzeptionell verschiedene Ausprägungen der alttestamentlichen Bundestheologie, die verdichtet und systematisiert werden. 4.4.3. Die Segensworte in Lev 26,3‐13 Die sogenannten „Segensworte“268 des Heiligkeitsgesetzes in Lev 26,3‐ 13 sind Teil des Segen‐ und‐Fluch‐Kapitels Lev 26, das das Korpus des Heiligkeitsgesetzes in Kap. 17‐26 beschließt. Die Verheißungen sind formal als Jhwh‐Rede an das Volk gestaltet. Während in V 3 die folgen‐ den Segensverheißungen unter die Bedingung des Gesetzesgehorsams gestellt werden, zeichnen die V 4‐13 das Bild eines umfassenden Friedenszustandes im Land. Diese Darstellung lässt sich in drei Teile gliedern: Im ersten Abschnitt V 4f. kündigt Jhwh an, dass er die Frucht‐ barkeit des Landes und des Feldes gewährleisten wird, so dass die Isra‐ eliten keinen Hunger mehr leiden werden. Im zweiten Teil V 6‐8 folgt die Gabe der שׁלום für das Land, die sich in diesem Abschnitt vor allem in der Sicherheit vor feindlichen Angriffen manifestiert. Der dritte Teil 266 LEVIN, Verheißung, 217f., erkennt in der Einleitung des Bundesschlusses in Ez 37,26 eine „Variante von Jer 32,40“, in der das Stichwort עולם als Erläuterung ins zweite Glied getreten sei. 267 So auch HERRMANN, Heilserwartungen, 274; THIEL, Rede, 21, und OHNESORGE, Jah‐ we, 389.396. Anders OWCZAREK, Vorstellung, 133, die urteilt: „Alles spricht dafür, Ez 16,59ff. erst nach Ez 37,26‐28* anzusetzen.“ 268 Streng genommen kommt die Wurzel ברך in Lev 26,3‐13 nicht vor; allerdings wird die Bezeichnung als Segensworte durch die formgeschichtliche und inhaltliche Nähe zu dem Segen‐und‐Fluch‐Kapitel Dtn 28 gerechtfertigt, das in ähnlicher Weise und Funktion am Ende des Gesetzeskorpus Dtn 12‐26 steht. Da Dtn 28 im Gegensatz zu Lev 26 kaum inhaltliche oder terminologische Verbindungen zu den Texten des Ezechielbuches aufweist, wird sich die folgende Untersuchung auf Lev 26,3‐13 kon‐ zentrieren.
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in V 9‐13 thematisiert die Beziehung zwischen Jhwh und seinem Volk, die unter das Vorzeichen der Bundesverheißung (קום ברית, V 9) gestellt wird und Gestalt gewinnt in der Ankündigung, dass Jhwh seine Woh‐ nung ()משׁכני in die Mitte des Volkes geben wird (בתוככם, V 11). Die Bundesformel in V 12 und die durch das Exoduscredo erweiterte Selbstvorstellungsformel in V 13 schließen die Segensreihe ab. Es gibt einige Indizien dafür, dass die Verheißungen nachträgliche Ergänzungen erfahren haben. So ist zuerst V 8 als sekundärer Nachtrag auszuscheiden, wie die Wiederaufnahme von רדף aus V 7 am Anfang des Verses zeigt.269 Anscheinend ist mit diesem Vers eine überstei‐ gernde Ausschmückung der Aussage von V 7 intendiert. V 10 gibt sich dagegen schon dadurch als Ergänzung zu erkennen, dass er den Zu‐ sammenhang von V 9 mit V 11 unterbricht und inhaltlich zu der Ver‐ heißung von V 5 zurückkehrt, nach der kein Hunger mehr im Land zu befürchten ist.270 Schließlich können auch die V 11b‐12aa als sekun‐ därer Nachtrag eingeordnet werden, die durch Wiederaufnahme des בתוככם aus V 11a eine Aufnahme aus der Fluchreihe (V 11b) sowie eine Anspielung auf 2 Sam 7,7 (V 12aa) in den Text einfügen.271 Auf die zahlreichen Berührungen zwischen der Segensreihe von Lev 26,3‐13 und den Verheißungen des Heilsbundes im Hirtenkapitel Ez 34,25‐30 ist schon mehrfach hingewiesen worden.272 Die Texte be‐ rühren sich in ihrem weitaus größten Bestand, wobei die Art der Ver‐ bindungen aber variiert. So hat die Ankündigung aus Lev 26,6, die wil‐ den Tiere aus dem Land wegzuschaffen ()והשׁבתי חיה רעה מן־הארץ eine wortwörtliche Entsprechung in Ez 34,25, während die Zusage, dass 269 So auch ELLIGER, HAT, 365, und LEVIN, Verheißung, 223. 270 Vgl. ELLIGER, HAT, 365: „10 sprengt inhaltlich den Zusammenhang. Die Rückkehr zum Thema von 5b fällt auf“. Den Nachtragscharakter von V 10 sehen ferner BALT‐ ZER, Ezechiel, 157, und LEVIN, Verheißung, 223. 271 Vgl. LEVIN, Verheißung, 223. Die These von LOHFINK, Abänderung, 159‐165, V 9.11‐ 12* insgesamt stellten einen Einschub in die Segensreihe von Lev 26,3‐13 dar, ist we‐ nig überzeugend, da er, von der metrischen Besonderheit der Verse abgesehen, kaum literarkritische Argumente dafür anführen kann. Vielmehr stützt er seine Posi‐ tion auf ELLIGERS These, der Kern von Lev 26 sei ein Stück aus der Liturgie des Herbstfestes, sowie auf die Beobachtungen, dass diese Verse anders als der Rest des Textes „nur ganz schwache Bezüge zu Ezechiel“ hätten und eine besondere Nähe zu Zentraltexten von PG aufwiesen (vgl. LOHFINK, a.a.O., 158). Die erste Beobachtung trifft nach der hier vorgelegten vergleichenden Analyse nicht zu. Die zweite sollte indes nicht literarkritisch ausgewertet werden, sondern es ist zu fragen, welche Kon‐ sequenzen sich für das Verhältnis von Lev 26 zur Priestergrundschrift ziehen lassen, wenn V 9.11f.* zur Grundschicht von Lev 26 gehören (siehe dazu ansatzweise u. Kap. III. 4.4.4.3.). Zur Bedeutung von Lev 26 für das Ezechielbuch vgl. u. Kap. III. 7.5. 272 Vgl. ELLIGER, HAT, 366; ZIMMERLI, BK, 844; HOSSFELD, Untersuchungen, 273‐276; ALLEN, WBC 29, 196; BLOCK, NICOT II, 303f., und insbesondere die Synopse bei BALTZER, Ezechiel, 156‐160, in der er auch Ez 37,25‐28 mit berücksichtigt.
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keiner sie aufstören wird (מחריד )ואין, sekundär in Ez 34,28 begegnet. Andere Querverbindungen weisen dagegen geringfügige Abweichun‐ gen in der Wortanordnung oder der Formulierung auf, wofür die pa‐ rallelen Verheißungen von Regen zu seiner Zeit (ונתתי גשׁמיכם בעתם, Lev 26,4 // והורדתי הגשׁם בעתו, Ez 34,26), von der Fruchtbarkeit des Landes (ונתנה הארץ יבולה, Lev 26,4 // והארץ תתן יבולה, Ez 34,27) und von der Frucht‐ barkeit der Bäume (ועץ השׂדה יתן פריו, Lev 26,4 // ונתן עץ השׂדה את־פריו, Ez 34,27) angeführt werden können. Weiterhin fällt die parallele Selbstbe‐ zeichnung von Jhwh als desjenigen, der die Stangen ihres Jochs zer‐ bricht, auf (ואשׁבר מטת עלכם, Lev 26,13 // בשׁברי את־מטות עלם, Ez 34,27), da die Formulierung nur in diesen beiden Versen im Alten Testament be‐ legt ist. Auch wenn es sich dabei in Ez 34,27 um eine sekundäre Ergän‐ zung handelt, so ist die spärliche Bezeugung doch ein gewichtiges Indiz für eine literarische Verbindung zwischen den Texten. Beide Stücke enthalten darüber hinaus die Zusicherung, dass der Hunger zukünftig keine Rolle mehr im Land spielen wird, wobei diese Verheißung aber inhaltlich und terminologisch unterschiedlich gefüllt wird (vgl. Lev 26,5 und Ez 34,29). Schließlich spielt die Ankündigung des sicheren Wohnens, die in Lev 26,5 ()ישׁב לבטח begegnet, in Ez 34,25‐ 30 den Part eines Leitmotivs (vgl. Ez 34,25.27.28). Die bedeutsamste Parallele findet sich aber im gemeinsamen Interesse an der Zuordnung von שׁלום und ברית. Während die ברית in Lev 26,9 die Verheißung des שׁלום und der anderen Segenszusagen abschließend sichert, steht in Ez 34,25 (vgl. Ez 37,26) die Zusage der ברית שׁלום über den gesamten Heils‐ zusagen. Im Begriff der ברית שׁלום sind Bund und Heil eng aufeinander bezogen, so dass „der Bund ein Verhältnis des ָשׁלוֹם inauguriert.“ 273 Die Verbindungen zwischen Lev 26,3‐13 und Ez 37,25‐28 sind zwar nicht ganz so vielfältig, dafür aber um so gewichtiger. So hat die Ver‐ heißung aus Lev 26,11, dass Jhwh seine Wohnung in die Mitte des Volkes geben wird ()ונתתי משׁכני בתוככם eine genaue Entsprechung in Ez 37,26, wobei allerdings die Bezeichnung מקדשׁ, „Heiligtum“, anstelle von משׁכן verwendet wird ()ונתתי את־מקדשׁי בתוכם. Der Ausdruck משׁכן für die göttliche Wohnstatt begegnet indes in der Wiederholung der Woh‐ nungszusage in Ez 37,27, wo die Verheißung mit dem Verb היה kons‐ truiert ist. Am Schluss des Textes findet sich mit Ez 37,28 in der Erwei‐ terung der Erkenntnisformel die dritte Wohnungsverheißung ()מקדשׁי, die mit בתוכם ebenfalls eine Verbindung zu Lev 26,11 aufweist. Schließ‐ lich enthalten beide Stücke auch die Ankündigung, dass Jhwh das Volk zahlreich machen wird (רבה hif., Lev 26,9; vgl. Ez 37,26), wobei in Ez 37,26 aber eine sekundäre Ergänzung des Grundtextes vorliegt. 273 VON RAD, Art ָשׁלוֹם, 401. Vgl. auch BALTZER, Ezechiel, 161.
Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28
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Die ältere Forschung hat versucht, die Berührungen zwischen der Segensreihe des Heiligkeitsgesetzes und dem Ezechielbuch durch indi‐ rekte Abhängigkeit zu erklären. So führte ELLIGER Lev 26,3‐13 und Ez 34,25‐31 auf eine gemeinsame Quelle, nämlich ein „Stück aus der Agende des Herbstfestes“274 zurück. Dagegen sind zuerst methodische Einwände zu erheben, da mit der Herbstfestagende eine Gattung pos‐ tuliert wird, für deren Existenz bzw. deren Sitz im Leben es keinerlei Anhalt in den Texten gibt. Vor allem aber spricht die Befundlage in den Texten selbst weniger für eine indirekte Abhängigkeit in Form einer gemeinsamen Quelle oder Gattung, als vielmehr für ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis. Hier ist vor allem auf die zahlreichen termi‐ nologischen Stichwortverbindungen hinzuweisen, die ein enges litera‐ risches Verhältnis zwischen Lev 26,3‐13 und Ez 34,25‐30 wahrschein‐ lich machen. Selbst Dtn 28, das in formal gleicher Weise wie Lev 26 als Segen‐und‐Fluch‐Kapitel das dtn. Gesetzeskorpus in Dtn 12‐26 be‐ schließt, weist weniger lexikalische Berührungen mit Lev 26,3‐13 auf als Ez 34,25‐30. Darüber hinaus deutet auch die erstaunlich parallele Anordnung der Motive im Ezechielbuch auf ein literarisches Verhältnis hin. Diese ist so zu beschreiben, dass die Verse in Lev 26,3‐6 Berührun‐ gen mit Ez 34,25‐30 aufweisen, während Lev 26,9‐13 Entsprechungen in Ez 37,25‐28 hat. Mithin wird die Struktur der Texte nur dann „deckungsgleich“, wenn die verbundenen Ezechieltexte den Segens‐ verheißungen des Heiligkeitsgesetzes gegenüber gestellt werden. Dies lässt nur den Schluss zu, dass entweder Lev 26,3‐13 oder Ez 34,25‐30 im Verbund mit Ez 37,25‐28 als literarisches traditum verwendet wor‐ den ist.275 Es wird nun zu klären zu sein, welcher Seite die literarische Priori‐ tät zukommt. Der ausschlaggebende Punkt ist m. E. die unterschied‐ liche Bundesaussage in den drei Texten. In Lev 26 ist die Zusage des שׁלום vom Bundesschluss getrennt (vgl. Lev 26,6.9) und stellt nur eine 274 ELLIGER, HAT, 366; vgl. im Anschluss an diesen ZIMMERLI, BK, 78*.844. Auch KILIAN, Untersuchung, 159‐163, und diesem folgend WILLMES, Hirtenallegorie, 356f., führen die Gemeinsamkeiten zwischen Ez 34,25‐30 und Lev 26,4‐13 auf eine gemeinsame Quelle zurück. Zur generellen Untersuchung des Verhältnisses von Heiligkeitsgesetz und Ezechielbuch vgl. FOHRER, Hauptprobleme, 148‐154; ZIMMERLI, a.a.O., 70*‐79*, und LIWAK, Probleme, 7‐23. 275 Die These einer literarischen Abhängigkeit zwischen Lev 26 und Ez 34,25‐30 (teil‐ weise unter Berücksichtigung von Ez 37,25‐28) wird auch mehrheitlich in der ge‐ genwärtigen Forschung vertreten, wobei allerdings Uneinigkeit in der Frage der literarischen Priorität herrscht. Während sich LEVIN, Verheißung, 222‐230, und GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 348‐354, für eine chronologische Abfolge Lev 26 – Ez aussprechen, vertreten BALTZER, Ezechiel, 158f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 273‐ 276; ALLEN, WBC 29, 163; BLOCK, NICOT II, 303f., und GREENBERG, AncB, 707, die Abhängigkeit der ezechielischen Texte von Lev 26.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Segensverheißung unter mehreren dar, während שׁלום in Ez 34 und Ez 37 das bestimmende Vorzeichen ist, unter das sich die gesamten Heils‐ zusagen subsumieren lassen. Dies zeigt sich auch an der sprachlichen Verbindung in der Bezeichnung ברית שׁלום (Ez 34,25; vgl. 37,26). Die Vermutung, dass sich ein späterer Autor durch die Segensreihe in Lev 26 zur kreativen Formulierung der ברית שׁלום inspirieren ließ, hat mehr Wahrscheinlichkeit für sich als die Annahme, dass der Heilsbund aus Ez 34 und Ez 37 in Lev 26 in zwei einzelne Heilsgaben aufgespalten wurde.276 Ein weiteres Indiz für die Priorität der Segensworte des Hei‐ ligkeitsgesetzes gegenüber den Ezechieltexten könnte die Verwendung von משׁכן für die göttliche Wohnung sein. Die übliche Bezeichnung für das Heiligtum im Ezechielbuch ist der Terminus מקדשׁ, während der Ausdruck משׁכן einzig in Ez 37,27 belegt ist.277 Diese singuläre Verwen‐ dung macht allerdings Sinn, wenn sie als Anspielung auf die Vorlage in Lev 26 interpretiert wird.278 Im Folgenden ist deshalb davon auszu‐ gehen, dass Lev 26,3‐13 das literarische traditum ist, auf das sowohl der Autor von Ez 34,25‐30* als auch der spätere Verfasser von Ez 37,25‐28* bei der Komposition ihrer Texte zurückgegriffen haben. Nach der hier vorgeschlagenen relativen Abfolge können folgende Aussagen über den Auslegungsvorgang getroffen werden: Grundlage der Rede vom Bund des Heils sind die Segensworte aus Lev 26,3‐13, in denen unter Vorbedingung des Gesetzesgehorsams unter anderem der Zustand von שׁלום verheißen und durch die Bundeszusage besiegelt wird. Diese Worte haben zuerst in der Fortschreibung des Hirtenka‐ pitels in Ez 34,25‐30* eine Auslegung erfahren, in der der Autor die Gültigkeit der Segensverheißungen aus Lev 26 für das Volk im Bild der Schafherde aktualisiert. Bei der Beschreibung der heilvollen Auswir‐ kungen orientiert er sich eng an den Bildern, die in Lev 26 gebraucht werden, arrangiert sie in seiner Auslegung aber in neuer Weise. Die ge‐ wichtigste Neuinterpretation besteht darin, dass er die in Lev 26,3‐13 als Einzelverheißungen vorliegenden Zusagen von שׁלום und ברית ver‐ bindet und seine gesamten Ausführungen unter das Stichwort der ברית 276 LEVIN, Verheißung, 225, sieht die Bundesverheißung in Lev 26,9 nicht aus den bei‐ den Vorlagen Ez 34,25 oder 37,26 entlehnt, sondern führt sie auf Ez 16,62 zurück. Er lässt aber offen, aus welchen Gründen der Autor bei der Formulierung des Bundes‐ schlusses auf eine dritte Vorlage neben Ez 34 und 37 zurückgegriffen haben sollte. GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 350, notiert zwar, dass die Rede vom Friedensbund Ez 34,25 in Lev 26,9 „aufgesprengt“ wird, gibt aber keine Erklärung für diesen ex‐ egetischen Vorgang. 277 Darüber hinaus findet sich משׁכן nur noch in Ez 25,4, wo der Plural משׁכניהם in profaner Verwendung die Wohnungen der „Söhne des Ostens“ bezeichnet. 278 Vgl. auch LEVIN, Verheißung, 217, der משׁכן in Ez 37,27 als nachträgliche „Parallelan‐ gleichung aus Lev 26,11“ beurteilt, während er grundsätzlich die Priorität von Ez 37,26f.* gegenüber Lev 26,3‐13 annimmt (vgl. dazu LEVIN, a.a.O., 222‐228).
Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28
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שׁלום stellt. Die Vorstellung des Heilsbundes klingt in Lev 26 durch die inhaltliche Bezogenheit von ברית und שׁלום zwar bereits an, wird aber noch nicht explizit formuliert. Allerdings verwendet der Autor von Ez 34,25‐30* in der Formulierung des Bundesschlusses nicht das Voka‐ bular aus Lev 26,9 ()קום ברית, sondern spricht, wahrscheinlich in einer Anspielung auf Jer 32,40, vom „Schneiden“ ()כרת des Heilsbundes.279 Die Aufnahme und Neuverwendung der Motive aus Lev 26,3‐13 in Ez 34,25‐30* ist schwer zu beschreiben. Vermutlich hat sich der Autor von Ez 34 von zwei Überlegungen leiten lassen: Zuerst konzentriert er sich in seinen Ausführungen auf die Aspekte von Frieden und Sicher‐ heit, die er als Folge des Heilsbundes darstellt und die von einiger Be‐ deutung für das künftige Leben im Land sind. Darüber hinaus scheint er sich an dem im Hirtenkapitel dominierenden Bild der Herde zu orientieren, was einige der Abweichungen und Auslassungen erklären könnte.280 So steht am Anfang seiner Darlegungen über den Heilsbund in Ez 34,25 überschriftartig die aus Lev 26,6 entlehnte Zusage, dass Jhwh die wilden Tiere ausrotten wird, so dass „sie“ sicher in Wald und Wüste wohnen und schlafen können. Daran schließen sich in Ez 34,26f. die Verheißungen der Fruchtbarkeit aus Lev 26,4 an, die nicht un‐ wesentlich für das Ergehen einer Schafherde sind, während in Ez 34,29 mit dem Ende des Hungers und der Schmähungen durch die Völker das äußere und innere Wohlergehen gesichert wird. Der Überschuss gegenüber der Vorlage besteht in Ez 34,25‐30* vor allem in der ab‐ schließenden Erkenntnisformel in 34,30, die signifikant für die Theolo‐ gie des Ezechielbuches ist.281 Im Blick auf Lev 26,3‐13 fällt dagegen auf, dass die Verheißung der göttlichen Gegenwart in der Mitte des Volkes keine Aufnahme in Ez 34,25‐30* gefunden hat. Da es in der Textanalyse keine Indizien dafür gegeben hat, dass es sich hierbei um eine nach‐ trägliche Ergänzung in Lev 26 handelt, ist dies nur mit einer bewussten Auslassung zu erklären. Es liegt nahe, die Nichtverwendung so zu erklären, dass die Verheißung der göttlichen Wohnung im Kontext des Hirtenkapitels für den Buchablauf „zu früh“ gekommen wäre; darüber hinaus impliziert bereits das Bild des göttlichen Hirten die Anwesen‐ heit Jhwhs inmitten seines Volkes (vgl. auch Ez 34,12). Um so bedeutsamer ist die Tatsache, dass die Verheißung vom Wohnen Jhwhs aus Lev 26,11 im zweiten ezechielischen Wort über den 279 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.2. 280 Vgl. dazu auch HOSSFELD, Untersuchungen, 273‐276. Sein abschließendes Urteil über den Autor von Ez 34,25‐30, er habe „Lev 26,4‐13 nach eigenen Plänen regelrecht ‘ausgeschlachtet’“ (HOSSFELD, a.a.O., 276), ist zwar nicht gerade freundlich, in der Sache aber durchaus zutreffend. 281 Vgl. dazu insgesamt ZIMMERLI, Erkenntnis, 5‐16.64‐75.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Heilsbund eine Aufnahme erfahren hat. Der Verfasser von Ez 37,25‐28* ist sich des Auslegungsverhältnisses zwischen Ez 34,25‐30* und Lev 26,3‐13 anscheinend bewusst und greift in seiner Auslegung des Heils‐ bundes in Ez 34,25‐30 ein zweites Mal auf die Segensworte des Heilig‐ keitsgesetzes zurück. Anders als Ez 34,25‐30* zeigt Ez 37,25‐28* eine sehr viel größere Unabhängigkeit gegenüber der Vorlage und nimmt nur die Verheißung aus Lev 26,11 auf, nach der Jhwh seine Wohnung ()משׁכני in ihre Mitte setzen wird. In seiner Auslegung ersetzt der Ver‐ fasser den Terminus משׁכן in Ez 37,26 durch das im Ezechielbuch üb‐ liche מקדשׁ (vgl. auch Ez 37,28), wobei er aber im folgenden Vers Ez 37,27 in einer Anspielung auf Lev 26,11 die Verheißung mit der Be‐ zeichnung משׁכן wiederholt. Anders als dies in Ez 34,25‐30* der Fall gewesen wäre, erfüllt die Aufnahme der Wohnungsverheißung aus Lev 26,11 in Ez 37,25‐28* eine wichtige buchstrukturierende Funktion: Die Perikope hat nach dem Zeugnis von Pap. 967 ihren literarischen Ort unmittelbar vor der Schlussvision Ez 40‐48 und nimmt mit der Prä‐ senz von Jhwhs Heiligtum ein zentrales Thema des Verfassungsent‐ wurfes vorweg. Ez 37,25‐28* bildet auf diese Weise ein Gelenkstück im dritten Buchteil, das die Heilsprophetie von Ez 34ff. abschließt und gleichzeitig zur Tempelvision überleitet. Das Motiv der ברית שׁלום im Ezechielbuch ist mehr als die zufällige Kombination zweier Begriffe. Wie aus der vorangehenden Darstellung ersichtlich wird, handelt es sich um eine planvolle Interpretation der Segensbestimmungen aus Lev 26,3‐13 die in zwei aufeinander bezoge‐ nen Texten im Ezechielbuch ihre besondere Gestalt gewinnt. Von daher kann bei der ברית שׁלום durchaus von einer geprägten Wendung gespro‐ chen werden.282 Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die Vorstellung des Heilsbundes im Verlauf des Auslegungsprozesses mit einem wichtigen Motiv verbunden worden ist: dem Wohnen Jhwhs in der Mitte seines Volkes. Dieses Motiv soll im Folgenden genauer untersucht werden, um darzustellen, welche Bedeutung es für die ezechielische Konzep‐ tion des Heilsbundes hat. 4.4.4. Das Wohnen Jhwhs inmitten seines Volkes 4.4.4.1. Der traditionsgeschichtliche Hintergrund Die Vorstellung vom „Wohnen Jhwhs inmitten der Israeliten“, die sprachlich durch die Kombination von שׁכן mit folgendem בתוך und בני 282 So gegen STENDEBACH, Art. ָשׁלוֹם, 36, der aufgrund der wenigen Belege zu der These kommt, dass „es keine fest geprägte Verbindung von berît und šālôm gibt“ (vgl. auch SCHMID, šalôm, 76 Anm. 2).
Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28
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ישׂראל/Suffix umschrieben wird, hat ihre traditionsgeschichtlichen Wurzeln in der (vorexilischen) Zionstheologie. Ein zentrales Theologu‐ menon dieser Theologie ist die persönliche Gegenwart Gottes im Heiligtum, die mit Elementen der Wohn‐ und Thronvorstellung ver‐ bunden wird.283 Der Zion als Gottesberg wird hierbei zum Ort der Ver‐ mittlung von himmlischer und irdischer Sphäre und verklammert die Vorstellung, Jhwh throne im Himmel, mit seiner Präsenz im Tempel auf dem Zion. Mit der Einnahme Jerusalems und der Zerstörung des Heiligtums 587 v. Chr. geriet die Zionstheologie in eine Krise, da der Anspruch falsifiziert wurde, die Gottesgegenwart auf dem Zion garan‐ tiere die Sicherheit von Stadt und Volk. Darüber hinaus fehlte mit dem Verlust des Tempels die Vermittlungsinstanz zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen. Konsequenterweise musste diese Krise in exilisch‐nachexilischer Zeit dazu führen, dass die Vorstellungen von Jhwhs Gegenwart auf dem Zion und im Heiligtum einigen Modifikati‐ onen unterzogen wurden.284 Die Formel von Jhwhs Wohnen „inmitten der Israeliten“ scheint dabei für eine Konzeption zu stehen, in der die lokale Bindung Jhwhs und die damit verbundenen Heilszusagen zu‐ mindest teilweise auf das Verhältnis zum Gottesvolk übertragen wur‐ den.285 Im Folgenden wird noch zu untersuchen sein, inwieweit die Bindung der göttlichen Gegenwart an das Volk mit der lokalen Gegen‐ wart Jhwhs auf dem Zion bzw. im Tempel zusammen gedacht werden kann. Neben den schon besprochenen Belegen in Lev 26 und Ez 37 findet sich die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs in der Mitte des Gottesvolkes noch in Ez 43,1‐9 sowie in 1 Kön 6,11‐13, Ex 25,8f. und Ex 29,43‐46. Im Kontext der Priesterschrift sind weiterhin die beiden Notizen Ex 24,16 und Ex 40,35 mit in die Überlegungen einzubeziehen, da an diesen 283 Die verschiedenen Vorstellungen, die sich mit dem Zion verbunden haben, werden in der Forschung unter Begriffen wie „Jerusalemer Kulttradition“, „Tempeltheolo‐ gie“ oder „Zionstheologie/‐tradition“ verhandelt. Zu den unterschiedlichen Ausprä‐ gungen vgl. SCHMID, Jahwe, 168‐197; METZGER, Wohnstatt, 139‐158; STECK, Friedens‐ vorstellungen, 13‐51; JANOWSKI, Keruben, 231‐264; PREUSS, Theologie I, 286‐289; DERS., Theologie II, 41‐55; KRATZ, Reste, 53‐62, und RUDNIG, Jahwe, 267‐273. Eine ausführliche Untersuchung der Formel vom Wohnen Jhwhs in der Mitte des Volkes findet sich bei JANOWSKI, Mitte, 165‐193; vgl. aber zur Kritik an seiner These RUDNIG, Jahwe, 278. 284 Zu den verschiedenen Versuchen, Jhwhs Wohnen auf dem Zion neu zu fassen, vgl. RUDNIG, Jahwe, 274‐283. 285 Vgl. auch JANOWSKI, Mitte, 190, der urteilt: „Seit der Exilszeit kommt es somit ver‐ stärkt zu einer Übertragung des in vorexilischer Zeit dem Gottesberg Zion und sei‐ nem Tempel zugesagten Heils auf das Volk Israel; anders ausgedrückt: Die Schekina‐ Theologie erhält jetzt eine nationale, auf die Restitution Israels als Gottesvolk bezo‐ gene, geradezu ekklesiologische Komponente.“
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Stellen ebenfalls das Verbum שׁכן mit einer Erscheinungsform Jhwhs als Subjekt (כבוד יהוה, Ex 24,16/ענן, Ex 40,35) verwendet wird.286 4.4.4.2. Das ewige Wohnen Jhwhs in Ez 43,1‐9 Der prophetische Bericht über die Rückkehr Jhwhs in das Heiligtum in Ez 43,1‐9 bildet den Abschluss der eigentlichen Tempelvision in 40,1‐ 43,12 und stellt einen vorläufigen Höhepunkt innerhalb der Kap. 40‐48 dar.287 Der Text berichtet davon, wie der Prophet die Rückkehr des כבוד יהוה schaut (V 1‐5), der das Tempelhaus erfüllt (מלא, V 5), bevor Jhwh aus dem Inneren des Hauses zu Ezechiel spricht (V 6‐9). Diese Gottes‐ rede enthält in V 6‐7a zuerst eine unbedingte Präsenzzusage, in der Jhwh zusichert, dass er an der Stätte seines Thrones ()את־מקום כסאי und seiner Fußsohlen ()ואת־מקום כפות רגלי auf ewig inmitten der Israeliten wohnen wird (אשׁכן־שׁם בתוך בני־ישׂראל לעולם, V 7a). Diese Zusage wird in V 7b‐9 anschließend unter die Bedingung gestellt, dass das Haus Israel den heiligen Namen Jhwhs ()שׁם קדשׁי nicht mehr verunreinigen soll. Die formale Wiederaufnahme der Gegenwartszusage aus 43,7a in 43,9b, der terminologische Wechsel von den „Israeliten“ (43,7a) zum „Haus Israel“ (43,7b) und die Vorstellung von Jhwhs heiligem Namen zeigen, dass es sich hier um eine sekundäre Fortschreibung handelt, die in die Nähe der dtn.‐dtr. Namenstheologie zu rücken ist.288 In dieser Nachin‐ terpretation wird die unbedingte kultische Gegenwart aus V 7a dahin‐ gehend korrigiert, dass nur Jhwhs heiliger Name im Tempel anwesend ist, während die Wohnungszusage sekundär unter die Bedingung des rechten kultischen Verhaltens gestellt wird.289 Innerhalb des verblei‐ benden Textbestandes 43,1‐7a* ist mit weiterem literarischen Wachs‐ tum zu rechnen, wobei insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Bericht über die Rückkehr der Herrlichkeit (43,1‐5) und der gött‐ lichen Präsenzzusage (43,6‐7a) noch weiter zu untersuchen sein wird.290 Im Vergleich mit Ez 37,25‐28* fällt die ursprüngliche Version der Wohnungszusage in Ez 43,6‐7a vor allem dadurch auf, dass die Bin‐ dung der göttlichen Gegenwart an das Volk mit der Zusage der Prä‐ senz an einem bestimmten Ort verbunden ist. Die Begriffe שׁכן, מקום כסי und מקום כפות רגלי in der Lokalisierung der göttlichen Präsenz weisen 286 Die Zusammengehörigkeit der priesterschriftlichen Belegstellen zeigt sich auch da‐ ran, dass das Verbum שׁכן im Exodusbuch überhaupt nur in diesen vier Texten ver‐ wendet wird, wobei jedes Mal Jhwh bzw. eine seiner Erscheinungsformen (כבוד יהוה/ )ענן Subjekt ist. 287 Zur Analyse vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 1070‐1088; RUDNIG, Heilig, 82‐96.201‐204. 288 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.3. 289 Vgl. RUDNIG, Heilig, 85. 290 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.2.
Der Bund des Heils: Ez 34,25‐30 und 37,25‐28
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dabei auf den Einfluss der vorexilischen Thronvorstellung zurück.291 In dieser Ortsbindung liegt zugleich auch der entscheidende Überschuss gegenüber der Verheißung in 37,25‐28*: Während die Aussage, dass Jhwhs Wohnen sich inmitten der Israeliten realisieren wird (בתוכם, 37,26.28; vgl. בתוך בני־ישׂראל, 43,7a bzw. בתוכם, 43,9b), in beiden Texten enthalten ist, weiß allein Ez 43,7a von einer lokalen Selbstbestimmung Jhwhs. Weiterhin unterscheiden sich die Texte auch in der Formulie‐ rung der Wohnungszusage: In Ez 37,25‐28* wird nominal von der Gabe von Jhwhs Heiligtum (מקדשׁי, 37,26.28) bzw. seiner Wohnung (משׁכני, 37,27) gesprochen, während die Zusage in 43,7a mit dem Verbum שׁכן konstruiert ist (vgl. ebenso 43,9b). Die Texte berühren sich allerdings eng in der Betonung der Unverbrüchlichkeit der göttlichen Zuwen‐ dung, die sich in dem Adverbial לעולם ausdrückt (Ez 37,25.26.28; vgl. 43,7a und 43,9b). Der Begriff לעולם findet sich außer in Ez 37,25‐28* und 43,6‐7a.(7b‐9) nur noch im Fremdvölkerwort gegen Tyrus, dem in Ez 26,21 ewiges Verloren‐Sein angesagt wird. Insbesondere diese terminologische Querverbindung und das ver‐ gleichbare Interesse an der Gegenwart Jhwhs legen den Schluss nahe, dass Ez 37,25‐28* und Ez 43,6‐7a literarisch aufeinander bezogen sind. Dabei kann die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass sie auf den‐ selben Autor zurückgehen, da hinter 43,6‐7a mit der zusätzlichen Bin‐ dung Jhwhs an den Zion ein anderes Wohnungskonzept steht als hinter den Aussagen von 37,25‐28*.292 Kommt einem der Texte die literarische Priorität zu, so ist sowohl denkbar, dass 37,25‐28* nachträg‐ lich als Ankündigung des Geschehens vor 43,6‐7a eingestellt worden ist, als auch dass 43,6‐7a sekundär die Einlösung der Wohnungs‐ verheißung aus 37,25‐28* berichten soll. Allerdings erweckt die Einbet‐ tung der Gegenwartszusage in Ez 37,25‐28* in eine umfassende Ansage des unverbrüchlichen Heils den Eindruck, eine gegenüber 43,6‐7a sekundäre Nachinterpretation zu sein.293 Für diese Richtung der Ab‐ hängigkeit spricht auch der „Kompendiumscharakter“ der Verheißung 37,25‐28*, die neben 43,6‐7a(7b‐9?) noch andere Texte des Verfassungs‐ entwurfes im Blick zu haben scheint.294 291 Vgl. RUDNIG, Heilig, 39. Siehe auch KÖRTING, Zion, 222: „Die Königsherrschaft Gottes ist mit der Vorstellung verbunden, daß der Berg Thron oder gar Fußschemel Gottes ist (vgl. u. a. Ps 99).“ 292 Vgl. aber RUDNIG, Heilig, 373, der sowohl Ez 37,25‐28* als auch 43,6a.7a seiner gola‐ orientierten Redaktion zuweist. Selbst wenn mit verschiedenen Händen innerhalb einer Redaktion gerechnet wird, sind die unterschiedlichen Akzentsetzungen in beiden Texten m. E. zu groß, als dass sie auf dieselbe redaktionelle Bearbeitung des Buches zurückgeführt werden können. 293 So auch OWCZAREK, Vorstellung, 135. Anders RUDNIG, Heilig, 373; vgl. Anm. 292. 294 Vgl. dazu RUDNIG, Heilig, 62f.65‐71.345f.; siehe auch u. Kap. IV. 2.1.3.2.
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4.4.4.3. Die Wohnungsaussagen der Priestergrundschrift Werden die vier relevanten Texte der Priesterschrift in Ex 24,16; 25,8f.; 29,43‐46 und 40,35 in den Blick genommen, so fällt zuerst auf, dass die Wohnungsaussagen an für die Komposition entscheidenden Punkten über die gesamte Stiftshüttenperikope verteilt sind. Weiterhin gehören sie mit Ausnahme von Ex 40,35, dessen Einordnung noch zu diskutie‐ ren sein wird, alle der ursprünglichen Priesterschrift PG an.295 Dies ist bereits ein Hinweis darauf, dass die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs eine besondere Bedeutung für die Aussageabsicht und die Konzeption der Priestergrundschrift hat. Für die folgende Untersuchung der Woh‐ nungstexte ist es deshalb notwendig, von der ursprünglichen Priester‐ schrift in der Sinaiperikope auszugehen und die Texte vor diesem Hintergrund zu analysieren. Die erste Notiz in Ex 24,16 ist Teil der Theophanieerzählung in Ex 24,15b‐18a, die nach dem einleitenden Itinerar in Ex 19,1 die priester‐ grundschriftliche Sinaiperikope eröffnet. In Ex 24,16 wird davon be‐ richtet, wie der כבוד יהוה sich auf dem Sinai niederlässt ()שׁכן und die Wolke ()ענן den Berg bedeckt (כסה pi.). Die Schilderung der Theophanie weist über sich hinaus, da der Ruf Jhwhs nach Mose (Ex 24,16) eine Jhwh‐Offenbarung erwarten lässt. An Ex 24,15b‐18a schließt sich des‐ halb in der Grundschrift eine zweiteilige Jhwh‐Rede in Ex 25,1‐9; 29,43‐ 46 an, deren Teile durch den Auftragsbericht Ex 25,10‐29,42 unter‐ brochen werden.296 In beiden Redeabschnitten spielt die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs eine wichtige Rolle. Im ersten Teil der Jhwh‐Offenbarung Ex 25,1‐9 können V 1.2aa.8f. für die Priestergrundschrift reklamiert werden.297 In dieser ursprüng‐ lichen Textfassung teilt Jhwh Mose mit, dass die Israeliten ihm ein Hei‐ ligtum (מקדשׁ, V 8) bzw. eine Wohnung (משׁכן, V 9) errichten sollen, damit er in ihrer Mitte wohnen kann (ושׁכנתי בתוכם, V 8). Mit der gleichen 295 Als das „anerkannte Minimum“ der Priestergrundschrift im Bereich der Sinaiperi‐ kope können Ex 19,1; 24,15b‐18*; 25,1.8f.; 29,45f.; 40,16f.33f.* gelten, die das Rahmen‐ gerüst der Handlung bilden. POLA, Priesterschrift, 342 Anm. 144, beschränkt sich in seiner Abgrenzung von PG mit kleineren Abweichungen auf diesen Minimalbestand, aber auch in umfangreicheren Bestimmungen der ursprünglichen Priesterschrift sind diese relevanten Texte jeweils enthalten (vgl. z. B. die Entwürfe von WEIMAR, Struk‐ tur, 85; OTTO, Forschungen, 25f. [mit Ende von PG in 29,46]; OWCZAREK, Vorstellung, 319; KRATZ, Komposition, 105.328 Anm. 30, und FREVEL, Blick, 145). 296 Es ist fraglich, ob bzw. welche Teile des Auftragsberichts zur Grundschicht gezählt werden können. Zur Diskussion vgl. FRITZ, Tempel, 112‐157; WEIMAR, Sinai, 340‐358. 297 Für die V 3‐7 hat POLA überzeugend nachgewiesen, dass die Details der Verse be‐ reits den gesamten Auftragsbericht Ex 25‐29.30f. voraussetzen, der aber seinerseits in großen Teilen sekundär ist (vgl. POLA, Priesterschrift, 259f.). Dementsprechend ist in V 2abb auch der Hinweis auf die Hebopferthematik zu streichen (so mit FREVEL, Blick, 183). Zur Abgrenzung vgl. übereinstimmend auch WEIMAR, Sinai, 341.
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Wurzel שׁכן, die zuvor das Sich‐Niederlassen der Herrlichkeit auf dem Berg bezeichnet, wird hier die Zielaussage der Offenbarung formuliert. Der zweite Abschnitt der Jhwh‐Rede Ex 29,43‐46 enthält zuerst in V 43 die Aussage, dass Jhwh sich „dorthin“ ()שׁמה, d. h. in die Wohnung,298 bestimmen (יעד ni.)299 und sie durch seinen כבוד heiligen wird (קדשׁ ni.). In V 44*300 wird die Heiligung des Zelts der Begegnung ()אהל מועד ergänzt, während V 45 die erneute Verheißung enthält, dass Jhwh in‐ mitten der Israeliten wohnen wird ()ושׁכנתי בתוך בני ישׂראל. Diese Selbst‐ bindung Jhwhs an das Volk wird in V 45b.46 durch eine Reihung von Bundesformel und Erkenntnisformel besiegelt. Die Bundesformel ent‐ hält dabei nur die auf das Gottsein für Israel bezogene Hälfte, während die Erkenntnisformel durch eine Selbstvorstellungsformel erweitert ist, in der die Wohnungsnahme Jhwhs als das Ziel der Hinausführung aus Ägypten benannt wird. Auch Ex 29,43‐46* verlangt eindeutig nach einer Fortsetzung in der Priestergrundschrift, da die Ankündigung Jhwhs, in der Mitte seines Volkes wohnen zu wollen, durch nichts als Hoffnung gekennzeichnet ist, sondern auf eine Verwirklichung auf der Textebene drängt.301 Daneben ist die Zusammengehörigkeit von Auf‐ trag und Ausführung charakteristisch für die Konzeption der ur‐ sprünglichen Priesterschrift,302 so dass auch aus diesem Grund mit einer Angabe über die Vollendung der Arbeit am Heiligtum zu rech‐ nen ist. Der Bericht über den Abschluss des Bauberichtes, in dem sich auch die letzte Aussage über das Wohnen Jhwhs findet, steht in Ex 40,33b‐ 38. Ex 40,33b ist mit der kurzen Notiz über die Vollendung (כלה pi.) des Werkes ()מלאכה durch Mose wegen seines Rückbezuges auf die Voll‐ 298 Das שׁמה in Ex 29,43 könnte als Bezug auf משׁכן in Ex 26,30 interpretiert werden, das für den vorderen Anschluss der Perikope in PG in Frage kommt (vgl. auch FREVEL, Blick, 103). Hierbei wird vorausgesetzt, dass ein Grundbestand des Auftragsberichts zur Grundschicht gehört. 299 Die Übersetzung folgt STRUPPE, Herrlichkeit, 32; vgl. dazu STRUPPE, a.a.O., 42‐45. 300 Es ist fraglich, ob der gesamte Vers Ex 29,44 zur ursprünglichen Priesterschrift gehört. Bei der Reihung von Altar, Aaron und Söhne sowie Priesterdienst in V 44abb sind bereits die Teile des Auftragsberichts vorausgesetzt, die die Einrichtung des Kultbetriebes zum Ziel haben. Mit FREVEL, Blick, 103f., ist vielmehr zu überlegen, ob V 44abb insgesamt als Nachtrag auszuscheiden ist. Gegen POLA, Priesterschrift, 233‐ 237, gibt es aber keinerlei Gründe, den Abschnitt auf V 45f. zu begrenzen (vgl. dazu die Kritik bei FREVEL, Blick, 96‐104). 301 So gegen OTTO, Forschungen, 25f., der in Ex 29,46 das Ende von PG sieht. Die Errich‐ tung des Heiligtums ist in seinem Entwurf entbehrlich, da er die Aussageabsicht von PG in einer „Legitimation der Aufgabe der aaronidischen Priester in einer an den Sinai zurückprojizierten Heiligtumsätiologie“ sieht (OTTO, a.a.O, 27). Zur ausführ‐ lichen Kritik seines Entwurfes vgl. FREVEL, Blick, 112‐148. 302 Vgl. exemplarisch ELLIGER, Sinn, 130.
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endung der Schöpfung in Gen 2,2a eindeutig zu PG zu zählen.303 Damit ist zwar das Werk vollendet, aber das leere Heiligtum verlangt deutlich noch nach der Einlösung der Wohnungszusage aus Ex 29,43‐46*.304 Erst in Ex 40,34, wo die Wolke das Zelt der Begegnung bedeckt (כסה pi.) und der כבוד die Wohnung ()משׁכן erfüllt ()מלא, kommt die Zusage Jhwhs an ihr Ziel. Im Grunde muss dem nichts mehr hinzugefügt werden, so dass mit Ex 40,34 ein sinnvolles Ende der priestergrundschriftlichen Sinaiperikope vorliegt. Diese Hypothese findet eine literarkritische Bestätigung in Ex 40,35‐38. Ex 40,35 ist ein Vers, der sich durch die Wiederaufnahme der Aussagen aus Ex 40,34 über Wolke und כבוד eindeutig als sekundäre Ergänzung zu erkennen gibt.305 Auch wenn die Aussage über die Wol‐ ke leicht variiert wird (שׁכן, Ex 40,35; vgl. כסה pi., Ex 40,34), so ist doch deutlich, dass die Anwesenheit der Wolke auf bzw. der Herrlichkeit Jhwhs im Heiligtum aus 40,34 in 40,35 sekundär wieder aufgenommen werden, um eine Begründung dafür anzuschließen, warum Mose das Heiligtum nicht betreten kann. Genau diese Situation wird in Lev 1,1ff. vorausgesetzt, wo Mose von Jhwh aus dem Zelt heraus angeredet wird und die Offenbarung der Gesetze empfängt. Ex 40,35 kann deshalb als redaktionelles Scharnier eingeordnet werden, das die Gesetzgebung in Lev 1,1ff. mit dem Bau des Heiligtums verbindet.306 Schließlich bleibt noch die Frage der Einordnung von Ex 40,36‐38. Die Aussagen über die Wanderungspraxis der Israeliten, die von der Stellung der Wolke be‐ einflusst wird, kommen vor dem eigentlichen Bericht über den Auf‐ bruch vom Sinai in Num 10,11ff. zu früh und haben überdies eine Pa‐ rallele in Num 9,15ff. Dies spricht dafür, dass in Ex 40,36‐38 ebenfalls ein redaktionelles Gelenkstück vorliegt, das in diesem Fall die Funk‐ tion hat, die Stiftshüttenperikope mit dem Aufbruch vom Sinai und der Wüstenwanderung in Num 1ff. bzw. Num 10,11ff. zu verknüpfen.307 Der vorausgehende Überblick hat gezeigt, dass die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs und ihre Heilsbedeutung für das Gottesvolk leit‐ motivartig die priestergrundschriftliche Sinaiperikope durchzieht. Ex 25,1.2aa.8f. kann dabei als Exposition bezeichnet werden, in der Jhwh zuerst seinen Willen bekundet, unter den Israeliten zu wohnen. Der 303 מלאכה in Verbindung mit כלה pi. ist nur an diesen beiden Stellen (Gen 2,2a und Ex 40,33b) für die Priesterschrift belegt. 304 So gegen POLA, Priesterschrift, 297, nach dem die ursprüngliche Priesterschrift in Ex 40,33 mit einem leeren Heiligtum ihr Ende hat. Zur Kritik an seinem Entwurf vgl. ausführlich FREVEL, Blick, 89‐145. 305 Anders OWCZAREK, Vorstellung, 247f., und FREVEL, Blick, 93‐96.183‐185, die V 35 zur Grundschicht rechnen. 306 Vgl. KRATZ, Komposition, 106f. 307 Vgl. KRATZ, Komposition, 106f.
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eigentliche „Programmtext“ der Perikope ist aber Ex 29,43‐46*, der die göttliche Wohnungsnahme als Selbstbestimmung Jhwhs zugunsten Israels beschreibt. Das Heil für das Volk liegt nicht im göttlichen Woh‐ nen als solchem, sondern das Aussagegefälle des Textes läuft auf die Zusage von Jhwhs Gottsein für Israel zu, die „die eigentliche Sinn‐ spitze“308 des Abschnittes bildet. Ex 24,16 und Ex 40,34 legen sich schließlich als Rahmen um die Sinaiperikope und stehen sprachlich und inhaltlich in einem Korrelationsverhältnis: Während in Ex 24,16 die Wolke den Berg bedeckt (כסה pi.) und der כבוד יהוה auf dem Berg Wohnung nimmt ()שׁכן, bedeckt (כסה pi.) die Wolke in Ex 40,34 das Zelt, während der כבוד יהוה die Wohnung ()משׁכן erfüllt ()מלא. Auf diese Weise ist die lokale Wohnungsnahme der Herrlichkeit Jhwhs auf dem Sinai Vorschein der kultischen Präsenz im Heiligtum, das so zum „Sinai auf der Wanderung“309 wird. Zu beachten bleibt dabei, dass zwar Jhwhs Gegenwart im Heiligtum das Ziel der Stiftshüttenperikope ist, aber durch nichts angezeigt wird, dass er seine Präsenz an einen festen Ort bindet. Gerade die Transportabilität des Heiligtums ermöglicht eine göttliche Präsenz Jhwhs, wo immer sich sein Volk befindet. Die Beobachtungen zum Wohnungsmotiv gewinnen zusätzlich an Bedeutung, wenn in Ex 40,34 nicht nur das Ende der PG‐Sinaiperikope gesehen wird, sondern mit diesem Vers auch das Ende der Priester‐ grundschrift vorliegt.310 Für diese These spricht zuerst, dass sich die Anbindung des Gesetzes und der Wüstenwanderung durch das redaktionelle Gelenkstück Ex 40,35.36‐38 als sekundär erwiesen haben. Darüber hinaus findet sich weder im Bereich von Leviticus noch in Numeri ein möglicher Abschlusstext. Damit bliebe nur noch die Notiz über den Tod des Mose in Dtn 34, der sich aber ohne Aufbruch vom Sinai und ohne Wüstenwanderung nicht nur „im Niemandsland“ wiederfindet, sondern auch literarisch und kompositorisch keine priesterschriftliche Prägung erkennen lässt.311 Wenn auch Dtn 34 als Kandidat für ein mögliches Ende der Priestergrundschrift ausscheidet, ist man an das Ende der Sinaiperikope in Ex 40,34 gewiesen.312 Die 308 WEIMAR, Untersuchung, 135. 309 GÖRG, Zelt, 74. 310 Vgl. KRATZ, Komposition, 113.328 Anm. 30. Ansonsten liegt ein ausgearbeiteter Vor‐ schlag für ein Ende von PG im Bereich der Sinaiperikope nur von POLA vor, der das Ende allerdings bereits in Ex 40,33 sieht (vgl. POLA, Priesterschrift, 213ff.291‐298). Zur Diskussion um das Ende der Priestergrundschrift siehe ausführlich FREVEL, Blick (vgl. Anm. 312). 311 Den Nachweis hat PERLITT, Priesterschrift, 133‐141, geführt. Vgl. auch DOHMEN/ OEMING, Kanon, 54‐68. 312 Anders FREVEL, BLICK, 342, der in einer ausführlichen Sichtung der Forschungs‐ geschichte zu dem Ergebnis kommt, dass „es derzeit keine sinnvolle und haltbare
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Einwohnung Gottes im Heiligtum, mit der sich die Offenbarung Jhwhs als der Gott Israels „in ihrer Mitte“ vollzieht, wäre auf diese Weise Zielpunkt und theologische Mitte nicht nur des Sinaigeschehens, son‐ dern der gesamten ursprünglichen Priesterschrift.313 Vergleicht man die Wohnungstexte der Priestergrundschrift mit den Ezechieltexten, so steht außer Frage, dass sie denselben traditions‐ geschichtlichen Hintergrund haben. In der folgenden vergleichenden Analyse wird darüber hinausgehend zu fragen sein, ob auch ein litera‐ risches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Texten nachgewiesen werden kann. Bei dieser Frage ist auch die Segensreihe Lev 26,3‐13 mit in die Überlegung einzubeziehen, die einerseits als traditum für Ez 37,25‐28* identifiziert werden konnte, die aber andererseits als Ab‐ schluss des Heiligkeitsgesetzes Lev 17‐26 auch Verbindungen zur Priesterschrift aufweist. Unter dem Vorbehalt, dass jegliche Aussagen über literarische Abhängigkeiten bei der großen Anzahl von Texten in höchstem Maße hypothetisch bleiben müssen, und gerade das grund‐ sätzliche Verhältnis von Priestergrundschrift, Heiligkeitsgesetz und Ezechielbuch einer umfassenderen Untersuchung vorbehalten bleiben muss, können die folgenden Beobachtungen doch einen Beitrag zur Diskussion leisten. Zuerst fällt auf, dass zwar alle Texte eine Form von שׁכן mit Jhwh als Subjekt und der Angabe בתוך gefolgt von בני ישׂראל/Suffix verwenden, im Gebrauch des Motivs aber Formulierungsunterschiede auftreten. So sprechen Lev 26,3‐13 und Ez 37,25‐28 in nominaler Terminologie da‐ von, dass Jhwh seine Wohnstatt (משׁכני, Lev 26,11; vgl. מקדשׁי in Ez 37,26.28 bzw. משׁכני in Ez 37,27) in die Mitte der Israeliten geben wird ()נתן. Dagegen wird in den priestergrundschriftlichen Texten eine Ver‐ Alternative zu Dtn 34 als Schluß einer Priestergrundschrift gibt.“ Er führt insbeson‐ dere an, dass ein Schluss von PG am Sinai mit zu großen Zugeständnissen bezüglich der Landverheißung erkauft werde, da diese am Sinai keine Erfüllung erfahre (vgl. FREVEL, a.a.O., 185f.). Allerdings ist er seinerseits angesichts der Textgestalt von Dtn 34 zu der Hypothese gezwungen, dass Bestandteile einer priesterschriftlichen Ver‐ sion über den Tod des Mose in der jetzigen literarischen Gestalt von Dtn 34 auf‐ gegangen seien (vgl. FREVEL, a.a.O., 233). Und ob der „Blick auf das Land“ in Dtn 34 als (partielle) Realisierung der Landverheißung gelten kann (vgl. FREVEL, a.a.O., 349‐ 371, insbes. 369), sei hier zumindest angezweifelt. 313 Eine Untersuchung der Priestergrundschrift unter der Voraussetzung, dass sie mit der Einwohnung Jhwhs in Ex 40,34 an ihr Ende und Ziel kommt, steht zurzeit noch aus, ist aber zweifellos ein Desiderat der Forschung. Allerdings ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Stiftshüttenperikope eine inclusio zum priester‐ schriftlichen Schöpfungsbericht darstellt, vgl. z. B. BUBER/ROSENZWEIG, Schrift, 40ff., JANOWSKI, Sühne, 309‐312; ZENGER, Bogen, 170‐175, und WEIMAR, Sinai, 358ff. Da die Abgrenzung des priestergrundschriftlichen Materials aber gerade im Bereich der Sinaiperikope nach wie vor umstritten ist, variieren die Studien in der Wertung des Befunds teils erheblich.
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balform von שׁכן gebraucht (Ex 25,8; 29,45.46), um das göttliche Wohnen inmitten des Volkes zu bezeichnen. Darin berühren sich die Belege in PG allerdings mit Ez 43,7a(9b), wo anders als in Ez 37,26 nicht das Nomen, sondern das Verbum der Wurzel שׁכן benutzt wird. Unter‐ schiede finden sich weiterhin im Charakter der Heilszusage. Für die priesterschriftlichen Texte konnte bereits gezeigt werden, dass ihre Be‐ sonderheit in der freien Selbstbestimmung Jhwhs zugunsten Israels liegt. In gleicher Weise enthalten auch die Texte aus dem Ezechielbuch mit Ausnahme von Ez 43,7b‐9 eine unbedingte Heilsverheißung, wäh‐ rend in Lev 26,3‐13 die Zusage der göttlichen Präsenz der Bedingung des Gesetzesgehorsams unterliegt, die überschriftartig über der Se‐ gensreihe steht (Lev 26,3). Ungeachtet des divergierenden Charakters der Heilsworte weisen die Wohnungszusagen in Ex 29,43‐46* und Lev 26,11‐13* dieselbe strukturelle Anordnung auf. In beiden Fällen wird die Verheißung von Jhwhs göttlicher Präsenz von einer Bundesformel gefolgt, an die sich eine erweiterte Selbstvorstellungsformel anschließt (vgl. Ex 29,45f. und Lev 26,11‐13*). Die Erweiterung verweist dabei jeweils in paralleler Formulierung auf das Exodushandeln, indes mit dem Unterschied, dass das Exodusgeschehen in Lev 26,13 als Befreiung aus der Knecht‐ schaft bestimmt wird, während in Ex 29,46 die Wohnungsnahme Jhwhs Ziel der Herausführung aus Ägypten ist. Darüber hinaus enthält Ex 29 gegenüber Lev 26 darin einen auffälligen Überschuss, dass die Selbst‐ vorstellung Jhwhs als Gegenstand der Erkenntnisformel erscheint. Diese formale Anordnung verweist wiederum auf Ez 37,25‐28*, wo in ähnlicher Weise die Verheißung der göttlichen Gegenwart mit der Bun‐ desformel und einer erweiterten Erkenntnisformel verbunden ist.314 Die beiden Texte berühren sich ferner darin, dass die Wohnungsnahme Jhwhs das Geschehen ist, an dem die Israeliten (Ex 29,46) bzw. die Völker (Ez 37,28) zur Erkenntnis gelangen sollen. In der Bezeichnung des göttlichen Handelns als „Heiligung“ (קדשׁ ni., Ex 29,43; vgl. קדשׁ pi., Ez 37,28) gibt es eine weitere Querverbindung zwischen den Stücken. Es ist nun die Frage, wie sich diese Beobachtungen im Hinblick auf das literarische Verhältnis der Texte zueinander bewerten lassen. Zu‐ erst hat sich auch unter Einbeziehung einer umfassenderen Textbasis die These einer literarischen Abhängigkeit zwischen Lev 26,3‐13 und Ez 37,25‐28* bestätigt. Diese beiden Texte heben sich nicht nur durch ihre parallele Formulierung der Wohnungsaussage von den anderen Texten ab, sondern sie verbinden darüber hinaus die göttliche Präsenz mit dem Begriff der ברית. Die kultische Konkretisierung des Bundes‐ 314 Vgl. auch RUDNIG, Heilig, 67, der von einer „Strukturparallele“ im Hinblick auf Ex 29,45f. und Ez 37,25‐28* spricht.
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verhältnisses in der göttlichen Gegenwart, die in Lev 26,3‐13 bereits impliziert ist, gewinnt ihre Gestalt in der ezechielischen Prägung der ברית שׁלום (Ez 34,25; 37,26). In diesem Zusammenhang ist allerdings auch die Bundestheologie in der Priestergrundschrift zu berücksich‐ tigen. PG vermeidet, wahrscheinlich in Absetzung von der nicht‐pries‐ terschriftlichen Erzählung, den ‐בריתBegriff in der Sinaiperikope. An die Stelle des Sinai/Horeb‐Bundes treten in der Priestergrundschrift die beiden ausdrücklich als ברית bezeichneten Bundesschlüsse mit Noach und der Menschheit (Gen 9,1‐17) bzw. mit Abraham und Israel (Gen 17).315 Allerdings ist das priesterschriftliche Geschehen am Sinai nicht ohne bundestheologischen Bezug. Denn während Gegenstand der noa‐ chitischen Bundesverheißung die Zusage ist, dass keine Sintflut mehr über die Erde kommen wird, ist der Abrahambund inhaltlich durch die Zusage eines exklusiven Gottesverhältnisses bestimmt: „Und ich werde meinen Bund aufrichten ... zu einem ewigen Bund ()לברית עולם, um dir Gott zu sein und deinen Nachkommen nach dir.“ (Gen 17,7; vgl. auch Ex 6,7). Diese Verheißung findet in der Einwohnung des Heiligtums am Sinai ihre Erfüllung, so dass für die Priesterschrift ein Bundesver‐ ständnis vorausgesetzt werden kann, das sich im kultischen Wohnen Jhwhs inmitten der Israeliten realisiert.316 Die Ankündigungen in Lev 26 und Ez 37 können damit als Verheißung des Geschehens verstanden werden, das in der Priestergrundschrift berichtet wird. Durch den kon‐ zeptionellen Bezug auf den ewigen Bund in Gen 17 kommt der gött‐ lichen Präsenz in der Priesterschrift darüber hinaus in gleicher Weise Unverbrüchlichkeit zu, wie sie auch in Ez 37,26 in der ברית עולם ver‐ heißen ist. Nach den vorangegangenen Überlegungen schließt sich konse‐ quenterweise die Frage an, in welchem literarischen Verhältnis Lev 26,3‐13 und Ez 37,25‐28 zu den Texten der Priestergrundschrift stehen. Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass Lev 26,3‐13 315 WELLHAUSEN zählt mit Schöpfungsbund, Noachbund, Abrahambund und Sinaibund vier Bünde in der Priesterschrift, die er deshalb als „‘Vierbundesbuch’ (quatuor)“ bezeichnet (WELLHAUSEN, Composition, 1; vgl. auch DERS., Prolegomena, 336‐340); vgl. auch LEVIN, Verheißung, 231, der von vier Bundesverheißungen spricht, wobei er aber anstelle des Schöpfungsbundes Ex 6 zu den vier Bundestexten zählt. Es ist allerdings zu beachten, dass Ex 6 und Ex 29 als Bestätigung und Erfüllung dem Abrahambund in Gen 17 zuzurechnen sind, so dass die Priestergrundschrift durch zwei große Bundesverheißungen mit der Menschheit (Noachbund, Gen 9) und Israel (Abrahambund, Gen 17) gegliedert wird (vgl. STECK, Aufbauprobleme, 305‐308; KRATZ, Komposition, 230‐233.248.328). Dagegen hat WEIMAR, Struktur, 85.115.156ff., eine Zweiteilung der Priesterschrift in Ur‐ und Vätergeschichte einerseits, Exodus‐ geschichte andererseits vorgeschlagen (Gen 1,1‐Ex 1,7/Ex 1,13ff.), von der auch FRE‐ VEL, Blick, 197f., nicht vorschnell Abschied nehmen will. 316 Vgl. auch OWCZAREK, Vorstellung, 234‐239.
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nicht nur in der Wohnungsverheißung Querverbindungen mit PG auf‐ weist, sondern dass der Text im Bereich der Verse 26,9‐13 eine Reihe von weiteren Übereinstimmungen mit den Bundestexten der Priester‐ schrift enthält.317 Neben den bereits aufgezeigten Parallelen zwischen Ex 29,43‐46 und Lev 26,3‐13 berührt sich Lev 26,9 mit den PG‐Texten auch in der priesterschriftlich bevorzugten Formulierung vom „Auf‐ richten“ des Bundes ()קום ברית318 sowie in der Verheißung, das Volk fruchtbar zu machen und es zu mehren (פרה hif.; רבה hif.).319 Die Viel‐ zahl der Stichwortverbindungen, die gehäuft in Lev 26,9‐13 auftreten und eine Reihe von priesterschriftlichen Zentralbegriffen betreffen, lässt auch im Fall von Lev 26 und PG auf eine Abhängigkeit schlie‐ ßen.320 Hier sind nun zwei Möglichkeiten denkbar: Entweder bündelt Lev 26,9‐13* mit einer bestimmten Absicht zentrale Topoi der Priesterschrift oder große Teile der Priestergrundschrift sind auf das Stück aus dem Heiligkeitsgesetz zurückzuführen. Ausschlaggebend ist m. E. die Beob‐ achtung, dass es sich bei sämtlichen Querverbindungen zwischen den Texten um Begriffe handelt, die im Heiligkeitsgesetz allein in Lev 26,9‐ 13* belegt sind, während sie in der Priesterschrift konzeptionell einge‐ bunden und über den gesamten Textbereich verstreut sind.321 So sind die Lemmata שׁכן, ברית, רבה und פרה im gesamten Heiligkeitsgesetz mit der Ausnahme von Lev 26 nicht ein einziges Mal belegt, und auch das Motiv von Jhwhs Gegenwart in der Mitte seines Volkes findet sich nur in Lev 26,11. Da in Lev 26,9‐13* damit auf engstem Raum geballt zen‐ trale Topoi aus PG begegnen, liegt es nahe, den Abschnitt als Reaktion auf die Priesterschrift zu verstehen.322 Die Annahme des umgekehrten Abhängigkeitsverhältnisses ist nach den hier vorgelegten Ergebnissen schon dadurch unwahrscheinlich, weil offen bliebe, auf welchen litera‐ rischen Hintergrund die singulären Verheißungen in Lev 26,9‐13* zu‐ 317 Vgl. ELLIGER, HAT, 366; LOHFINK, Abänderung, 159‐163; die Zusammenstellung bei LEVIN, Verheißung, 229, sowie GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 348‐374.377. 318 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.2., insbes. Anm. 260. 319 Vgl. die zahlreichen P‐Belege von פרה (kal/hif.) in Kombination mit רבה (kal/hif.) in Gen 1,22.28; 8,17; 9,1.7; 17,20; (28,3); 35,11; 47,27; (48,4); (Ex 1,7); denen nur vier Belege im restlichen Alten Testament gegenüber stehen (Lev 26,9; Jer 3,16; 23,3; Ez 36,11). 320 Ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen PG und Lev 26,9‐13* vertreten LOHFINK, Abänderung, 163; CHOLEWIŃSKI, Heiligkeitsgesetz, 121‐123, LEVIN, Verhei‐ ßung, 228; und GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 354. 321 Vgl. auch GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 354. 322 So in der Bestimmung der Abhängigkeit mit LOHFINK, Abänderung, 164, und im An‐ schluss daran CHOLEWIŃSKI, Heiligkeitsgesetz, 121‐123. Dagegen hat nach LEVIN, Verheißung, 228, Lev 26,3‐13* das Muster für die Bundesverheißungen der Priester‐ schrift abgegeben.
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rückzuführen wären. Die Rezeption der priestergrundschriftlichen Wohnungszusage in Lev 26 kann somit als Korrektur der unbedingten Verheißung der Gottesgegenwart von Ex 29 interpretiert werden.323 Anscheinend ist in Lev 26 ein Autor am Werk, dem es nicht nur um den Abschluss des Heiligkeitsgesetzes geht, sondern der bereits den Zusammenhang von Heiligkeitsgesetz mit PG berücksichtigt und die priesterschriftliche Theologie sozusagen im Nachwort unter die Bedin‐ gung des Gesetzesgehorsam stellt. Wie ist aber unter dieser Prämisse das literarische Verhältnis zwi‐ schen den Wohnungsaussagen der ursprünglichen Priesterschrift und den Texten aus dem Ezechielbuch zu beurteilen? Wenn der Autor von Ez 37,25‐28* auf Lev 26,3‐13* als traditum zurückgreift, müssen ihm auch die Wohnungstexte der Priestergrundschrift bereits vorgelegen haben. Für eine direkte literarische Abhängigkeit gibt es aber mit Aus‐ nahme des strukturell vergleichbaren Aufbaus von Ex 29,45f. und Ez 37,25‐28* wenig sichere Anhaltspunkte. Mit der Verheißung des Heilig‐ tums als Verwirklichung des Bundesverhältnisses setzt Ez 37,25‐28* zwar mit großer Wahrscheinlichkeit die Bundestheologie der Priester‐ grundschrift voraus, literarisch steht es aber den Verheißungen des Heiligkeitsgesetzes näher als den Texten von PG.324 Die Sache stellt sich als noch komplizierter dar, wenn auch noch Ez 43,1‐9 mit in die Überlegungen einbezogen wird. In Bezug auf Lev 26,3‐13 gibt es in diesem Fall keine Hinweise auf eine Abhängigkeit, dagegen legt die vergleichbare Formulierung der Wohnungsaussagen eine Beziehung zwischen Ez 43,6‐7a und den Wohnungstexten von PG sehr nahe, wobei dem sachlichen Überschuss in Ez 43,6‐7a eine ent‐ scheidende Rolle zukommt. Die Verheißung zeichnet sich dadurch aus, dass Jhwh sich nicht nur an das Gottesvolk bindet, sondern zusätzlich an „die Stätte meines Thrones und die Stätte meiner Fußsohlen“ (Ez 43,7a). An die Stelle der Transportabilität der Stiftshütte als wandern‐ der Sinai tritt im Ezechielbuch die lokale Bindung Gottes an das Heilig‐ tum auf dem Zion, die die Zusage des exklusiven Gottesverhältnisses ergänzt. Dies könnte dafür sprechen, dass Ez 43,6‐7a einen jüngeren theologiegeschichtlichen Standort verrät, an dem zwar die priester‐ grundschriftliche Lösung des Kultes von Jerusalem vorausgesetzt ist, 323 So mit LOHFINK, Abänderung, 165‐168, der allerdings davon ausgeht, dass es sich bei V 9.11‐12 um einen von der Priesterschrift abhängigen Einschub in den Segen des Heiligkeitsgesetzes handelt. 324 OWCZAREK, Vorstellung, 131‐138, kommt zu dem Schluss, dass eine literarische Abhängigkeit zwischen Ez 37,26‐28 und dem priesterschriftlichen Heiligkeitsentwurf vorliegt, berücksichtigt Lev 26 in ihrer Analyse aber nur am Rande (vgl. OWCZAREK, a.a.O., 135). POLA, Priesterschrift, 277f., geht dagegen davon aus, dass PG die (retro‐ jizierte) Erfüllung der Verheißungen aus Ez 37,26‐28 berichtet.
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zugleich aber wieder an die vorexilische Tempeltheologie angeknüpft wird.325 Schließlich bleibt noch die parallel konstruierte Notiz über die Erfüllung des Heiligtums durch den כבוד (מלא, Ex 40,34; vgl. Ez 43,5) zu berücksichtigen. Eine vergleichbare Notiz findet sich nur noch im Be‐ richt über den Bau des Tempels in 1 Kön 8,10f. bzw. 2 Chr 5,13f. mit 7,1f., so dass auch hier mit einer literarischen Abhängigkeit zu rechnen ist. Nähere Aussagen über dieses Verhältnis können aber erst getroffen werden, wenn der literarische Ort und die Funktion von Ez 43,1‐5* im Wachstum des Ezechielbuches bestimmt worden sind, so dass die Beantwortung dieser Frage dem Schlusskapitel vorbehalten bleiben muss.326 Ausgangspunkt der Analyse des Wohnungsmotivs war die Frage, inwieweit die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs in der Mitte der Isra‐ eliten von Bedeutung für das Konzept des Heilsbundes ist. Dabei hat insbesondere die Rezeption von PG über Lev 26,3‐13* und Ez 37,25‐28* eine Auslegungsbewegung erkennen lassen, in der das Wohnen Jhwhs zunehmend unter das Vorzeichen der ברית שׁלום gestellt worden ist. Die bundestheologische Deutung des Wohnens, die in der Priestergrund‐ schrift bereits angelegt ist, wird in Lev 26,3‐13* mit dem ‐שׁלוםBegriff verbunden und bekommt ihre spezifische Ausprägung im ezechie‐ lischen Konzept des Heilsbundes. 4.4.4.4. Das Wohnen Jhwhs in 1 Kön 6,11‐13 Der letzte Wohnungstext 1 Kön 6,11‐13 stellt nach einhelliger Meinung einen späten, dtr. Einschub in den (vor‐)dtn. Tempelbaubericht 1 Kön 6* dar.327 In diesem Nachtrag richtet sich Jhwh an den König Salomo und sagt ihm zu, die an David ergangenen Verheißungen unter der Be‐ dingung auf ihn zu übertragen, dass Salomo die Gesetze einhält (V 12). Als Inhalt dieser Verheißungen erscheint in V 13 die Zusage Jhwhs,
325 Anders OWCZAREK, Vorstellung, 211f., die in Ez 43,7 den ältesten Beleg für die Woh‐ nungsformel sieht und eine Beeinflussung der priesterschriftlichen Heiligtums‐ konzeption durch die ezechielische Verkündigung annimmt. Vgl. auch POLA, Pries‐ terschrift, 275‐281, insbes. 281. 326 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.2. und IV. 3.4. 327 Vgl. VEIJOLA, Verheißung, 149f.155; WÜRTHWEIN, ATD, 65, und RUDNIG, Jahwe, 279 mit Anm. 48. Während VEIJOLA, a.a.O.,149f.155, die Verse auf den Redaktor DtrN zu‐ rückführt, schreibt WÜRTHWEIN, a.a.O.,65, DtrN nur V 11f. zu und sieht in V 13 einen spät‐dtr. Nachtrag. Die Tatsache, dass die V 11‐14* insgesamt in LXX* fehlen, könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass es sich hierbei um einen literarisch späten Zusatz handelt.
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unter den Israeliten zu wohnen ()ושׁכנתי בתוך בני ישׂראל und sie nicht zu verlassen.328 In der Formulierung der Wohnungsintention weist 1 Kön 6,11‐13 eine wortwörtliche Parallele zu Ex 29,45f. auf; von der Argumenta‐ tionsstruktur her berührt sich der Text aber vor allem mit Ez 43,7b‐9, da die Gegenwart Jhwhs in beiden Texten an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass Ez 43,7b‐9 das Wohnen Jhwhs für die Zukunft vom kultisch‐ethischen Verhalten des Volkes abhängig macht, während 1 Kön 6,11‐13 die Bedingung zeitlich auf den Bau des salomonischen Tempels zurückver‐ legt und den König in die Verantwortung nimmt. In der Perspektive von 1 Kön 6,11‐13 besteht keine Notwendigkeit, einen Ohnmachtsver‐ dacht Jhwhs nach 587 v. Chr. zu entkräften, da dieser gar nicht erst aufkommen konnte. Vielmehr steht die lokale Gegenwart Jhwhs im Tempel von Baubeginn an unter der Einschränkung des königlichen Gesetzesgehorsams, so dass die Zerstörung des Heiligtums aus der Sicht des spät‐dtr. Autors als die logische Konsequenz des königlichen Fehlverhaltens erscheinen muss. Mit dieser Sicht auf die Katastrophe ist 1 Kön 6,11‐13 der Text, in dem die Krise der Zionstheologie in Bezug auf die göttliche Gegenwart am weitesten reflektiert worden ist. Da weiterhin die spät‐dtr. Datie‐ rung allgemein anerkannt ist, liegt hier mit einiger Wahrscheinlichkeit der jüngste Text über das Wohnen Jhwhs in der Mitte seines Volkes vor. Auch wenn dem Verfasser die anderen Wohnungstexte aufgrund dieser Einordnung theoretisch schon vorgelegen haben könnten, ist es angesichts des kurzen Abschnittes kaum möglich zu entscheiden, ob er mit einer bestimmten Auslegungsintention geschrieben worden ist. Es ist zumindest in Betracht zu ziehen, dass 1 Kön 6,11‐13 sich sachlich direkt auf die ezechielischen Wohnungsbedingungen in 43,7b‐9 be‐ zieht, die zeitlich im Bau des Ersten Tempels verankert werden. Auf diese Weise unterliegt die Zusage der göttliche Präsenz inmitten des Volkes von Anfang an bestimmten Einschränkungen. 4.4.5. Zur Nachgeschichte: Ez 34,25LXX; Jes 54,9f. und Hos 2,20 Auch wenn das Konzept der ברית שׁלום in dieser Form nur in Ez 34,25 und Ez 37,26 belegt ist, so gibt es doch eine Reihe von Texten, die in die Nähe dieser Vorstellung gehören oder in denen der Heilsbund eine 328 Es lässt sich diskutieren, ob V 13 mit dem Wechsel von Salomo zu den Israeliten einen Nachtrag im Nachtrag darstellt (so WÜRTHWEIN, ATD, 65); die Frage kann hier aber offen bleiben. Egal ob die Verbindung von V 11f. mit V 13 ursprünglich oder redaktionell ist, steht die Wohnungszusage Jhwhs in V 13 von Anfang an unter der Bedingung des (königlichen) Gesetzesgehorsams.
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Nachgeschichte erfahren hat. Dazu gehört zuerst die griechischspra‐ chige Überlieferung von Ez 34,25, die den Text dahingehend abändert, dass David anstelle des Volkes zum Bundespartner wird.329 Hinter die‐ ser Abänderung des Textes stehen wahrscheinlich Bestrebungen, die Rolle Davids in Ez 34 weiter aufzuwerten und den Heilsbund als Davidbund zu konkretisieren. Dies führt allerdings dazu, dass in der griechischsprachigen Überlieferung die Bundespartner in Ez 34 und 37 abweichend vom masoretischen Text nicht identisch sind, sondern der Heilsbund einmal mit David (34,25) und einmal mit dem Volk (37,26) geschlossen wird.330 Eine andere Ausprägung erhält die Rede vom Heilsbund in den Heilsverheißungen des Deuterojesajabuches, wo Jhwh der Frau Zion in Jes 54,9f. die Unverbrüchlichkeit seiner ברית שׁלומי zusagt. Bei diesen Versen handelt es sich um eine nachträgliche Ergänzung des Heils‐ wortes in Jes 54,1‐8*, in dem Frau Zion zur Freude aufgerufen wird, da Jhwh sie wieder in den Ehestand erheben wird und ihr reichen Kinder‐ segen ankündigt.331 Dabei liegt die Betonung darauf, dass Zions Zu‐ stand der Verlassenheit nur kurz währte, während Jhwh sich ihrer nun mit ewiger Gnade (בחסד עולם, V 8) erbarmen wird. Der Nachtrag in Jes 54,9f. bietet eine Auslegung der ewigen Gnade, indem die Unverbrüch‐ lichkeit des Heils durch einen Vergleich mit dem Noachbund bekräftigt wird: Genau wie Jhwh sich im Noachbund verpflichtet hat, die Erde nicht mehr zu überfluten (V 9), so verpflichtet er sich gegenüber Zion, dass die Heilswende unumkehrbar ist und sein Heilsbund nicht wan‐ ken wird (V 10).332 Der literarische Horizont gibt einige Hinweise darauf, was sich hinter der Zusage des Heilsbundes in Jes 54,10 verbirgt. Der Bundes‐ begriff ist im Deuterojesajabuch neben 54,10 nur noch in 55,3 belegt, wo Jhwh ankündigt, dass er einen ewigen Bund ()ברית עולם mit dem Volk schließen wird, dem dadurch wie David die unverbrüchlichen Gnaden‐ gaben ()חסדי דוד הנאמנים zuteil werden. שׁלום als Bezeichnung des kom‐ menden Heils findet sich dagegen schon auf der literarischen Ebene der Grundschicht in Jes 52,7, wo es als Folge der Rückkehr Jhwhs nach Jerusalem‐Zion verheißen wird (vgl. weiterhin Jes 53,5; 54,13; 55,12). Dieser kurze Überblick zeigt bereits, dass die den חסד עולם auslegende 329 Zur Priorität des MT vgl. o. Kap. II. 2.1. Anm. 28 und Kap. III. 4.2.1. 330 Vgl. dazu auch u. Kap. IV. 2.1.4. 331 Zum Ergänzungscharakter der V 9f. vgl. BEUKEN, Isaiah LIV, 51‐54; STECK, Anlage, 92; DERS., Beobachtungen, 105f.; WISCHNOWSKY, Tochter, 206, und erwägungsweise VAN OORSCHOT, Babel, 265 Anm. 129. 332 In Jes 54,10 liegen terminologische und inhaltliche Anklänge an den Zionspsalm 46 vor; vgl. dazu BALTZER, Ezechiel, 173f.
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ברית שלומי in Jes 54,10 nicht von der ברית עולם in Jes 55,3 getrennt werden kann.333 Während dort die Heilsgaben von David auf das Volk über‐ tragen werden, ergeht die Zusage des dauerhaften Heils in Jes 54,10 an das personifizierte Jerusalem, dem bereits in Jes 52,7, ermöglicht durch die Heimkehr Jhwhs, שׁלום verheißen worden ist. Die personifizierte Frau Zion als Bundespartnerin dient dabei als Mittlerfigur, durch die sowohl die Stadt als auch das Volk am Heil partizipieren.334 Trotz dieser klaren Bezüge ist es aber fraglich, ob der innerbuchliche Hori‐ zont ausreicht, um das Auftreten der ברית שׁלומי in Jes 54,10 zu erklä‐ ren.335 Über die eindeutigen Anspielungen auf den priesterschriftlichen Noachbund hinaus (Jes 54,9) verweist die Beschreibung des unver‐ brüchlichen (עולם, Jes 54,8) Charakter des Heils mit Hilfe des ‐שׁלום Begriffes und der Bundesvorstellung (ברית שׁלומי, Jes 54,10) auch auf den Heilsbund in Ez 37,25‐28.336 Genau wie dort werden mit der David‐ herrschaft verbundene Verheißungen (Jes 55,3) auf das Volk übertra‐ gen und unter die ברית שׁלום gestellt. Das spricht dafür, in Jes 54,10 nicht nur einen Bezug auf Jes 55,3 zu vermuten, sondern auch eine Anspie‐ lung auf den ezechielischen Heilsbund, wobei sich die suffigierte Form ברית שׁלוםי durch das nebenstehende חסדי erklären lässt.337 Dieser litera‐ rische Hinweis auf die Heilsverheißung des Ezechielbuches trägt zu‐ sätzlich zur Bestärkung der Heilsgewissheit bei: Die Wiederaufnahme Zions hat nicht nur die gleiche Unverbrüchlichkeit wie der Noach‐ bund, sondern Jhwhs Gegenwartszusage ist ebenso von Dauer wie es in Ez 37,26 bereits verheißen ist. Schließlich ist als Letztes noch Hos 2,20 in den Blick zu nehmen. Dieser Vers steht innerhalb des heilsprophetischen Abschnittes in Hos 2,16‐25, in dem Jhwh der Frau Jerusalem einen Neuanfang in der Wüste verheißt. Zu diesem Neuanfang gehört in Hos 2,20 der Bundes‐ schluss mit den Tieren, der die Entfernung von Kriegsgeräten aus dem Land sowie das sichere Bleiben mit einschließt. Die isolierte Stellung des Verses deutet darauf hin, dass hier ein Einzelverszusatz vorliegt.338 333 Vgl. STECK, Beobachtungen, 106, und inhaltlich auch BALTZER, Ezechiel, 175. 334 Zur Personifikation Zion‐Jerusalems im Alten Testament vgl. u. Kap. III. 7.4.4. und die dort angegebene Literatur. 335 So mit STECK, Beobachtungen, 106; vgl. auch ebd. zu einer ausführlichen literari‐ schen Einordnung des Verses. 336 Auf die Berührungen zwischen Jes 54,10 und Ez 37,25‐28 haben bereits ZIMMERLI, BK, 918, und BALTZER, Ezechiel, 160‐162.174f., hingewiesen. Zu weiteren Verbindun‐ gen zwischen Jes 54,2‐3.9‐10 und dem Ezechielbuch vgl. STECK, Beobachtungen, 106. 337 So gegen STENDEBACH, Art. ָשׁלוֹם, 33, der die constructus‐Verbindung als „Zusage meines Heils“ wiedergeben und den Beleg in die Nähe von Num 25,12 rücken will. 338 So mit WOLFF, BK XIV/1, 57f.; JEREMIAS, ATD, 48f., und LEVIN, Verheißung, 242.
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Zwar ist er durch die Zeitangabe ביום ההוא (Hos 2,20a; vgl. 2,18.23) mit dem literarischen Kontext verbunden, grenzt sich aber durch den Be‐ zug auf ein Subjekt 3. Pers. pl. von diesem ab. Dort ist in Hos 2,16f.19 von Frau Jerusalem in 3. Pers. sg die Rede, während sie in Hos 2,18.21f. in 2. Pers. sg. direkt angesprochen wird. Ein Vergleich mit dem Bundesschluss in Ez 34,25 zeigt die Nähe zwischen den beiden Texten: Wie in Ez 34,25 wird auch der Bundes‐ schluss in Hos 2,20 mit der Formulierung וכרתי להם ברית zugesagt, ohne dass allerdings klar wird, wer mit dem להם gemeint ist. Da allerdings am Ende des Verses vom sicheren Liegen ()שׁכב לבטח im Land die Rede ist, das mit großer Sicherheit auf die Israeliten bezogen ist, können die‐ se auch als Bezug für das להם angenommen werden. Aus dem folgen‐ den, durch ִעם angeschlossenen Objekt wird aber deutlich, dass das להם dahingehend zu deuten ist, dass der Bund zu Gunsten der Israeliten geschlossen wird, während der eigentliche Bundespartner die Tiere sind. 339 Diese Konstruktion ist nur so zu erklären, dass es sich bei der einleitenden Bundesschlussformulierung um ein direktes Zitat aus Ez 34,25 handelt, das in Hos 2,20 auf einen Bund mit den Tieren hin aus‐ gelegt wird. Während im Ezechielbuch auf den Bundesschluss die Zusage folgt, die wilden Tiere ()חיה־רעה von der Erde ()מן־הארץ auszurot‐ ten, sind sie in Hos 2,20 in das Heil mit einbezogen.340 Auch hier zeigt sich priesterschriftlicher Einfluss, da der Bund über die Tiere des Fel‐ des ()חית השׂדה hinaus auch auf Vögel ()עוף השׁמים und Kriechtiere (רמשׂ )האדמה ausgedehnt wird und damit „auf sämtliche Gattungen der frei‐ lebenden Landtiere nach dem Schöpfungsbericht und der Fluter‐ zählung der Priesterschrift“.341 Von der Erde ()מן־הארץ entfernt werden in Hos 2,20 dagegen die Kriegsgeräte, so dass die ezechielische Zusage der Sicherheit vor feindlichen Angriffen zur Idee des Völkerfriedens erweitert wird. Schließlich findet auch das sichere Verbleiben im Land eine Aufnahme, allerdings in der Konstruktion mit dem Verb שׁכב,342 während der Ezechieltext mit ישׁב formuliert (vgl. Ez 34,25.28). Hos 2,20 hat seinen Ort damit fraglos in der literarischen Nach‐ geschichte der ezechielischen Texte über den Heilsbund. Der Autor re‐ zipiert insbesondere Ez 34,25‐30 und entwirft auf dieser Grundlage das Bild eines vollkommenen Friedens mit den Tieren und den Völkern. Während im traditum vor allem die Sicherheit der Israeliten vor der Be‐ 339 In dieser Deutung mit JEREMIAS, ATD, 49f. 340 Vgl. LEVIN, Verheißung, 244f. 341 LEVIN, Verheißung, 244. Vgl. die Belege für חיה, עןף und רמשׂ in den Tierreihen in Gen 1,21.28; (6,20); 7,14.21; 8,17.19; 9,2 sowie in Lev 11,46 und Ez 38,20. 342 שׁכב in Verbindung mit לבטח findet sich neben Hos 2,20 nur noch in Hi 11,18 und Ps 4,9.
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drohung durch Tiere und Fremdvölker im Vordergrund steht, werden diese in der traditio mit in das Heil einbezogen, das auf diese Weise kosmische Ausmaße gewinnt. 4.5. Jhwhs Wohnungsnahme und der Heilsbund Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Verheißung des Heilsbundes im Ezechielbuch eine wichtige Rolle spielt. Im ersten Teil des Buches gipfelt die Gerichtsankündigung in Ez 7,25 in der Drohung, dass die Ausschau nach שׁלום vergeblich sein wird: „ובקשׁו שׁלום “ואין. Auch die falschen Propheten wird man daran erkennen, dass sie שׁלום verkündigen, obwohl keiner da ist (vgl. Ez 13,10.16). Aber diese brüsken Zurückweisungen sind nicht das letzte Wort im Buch, sondern die entsprechenden Heilsworte antworten darauf mit der Verheißung der ברית שׁלום in Ez 34,25‐30 und Ez 37,25‐28. Nicht nur der komplizierte Auslegungsprozess, der zur Entstehung des Heilsbundes geführt hat, sondern auch seine Rezeptionsgeschichte zeigen, dass er als geprägter Begriff zu verstehen ist, mit dem das Ezechielbuch die Verheißung der segensreichen Zukunftsordnung überschreibt. Ein Vorbote des Heilsbundes findet sich bereits in der Segensreihe des Heiligkeitsgesetzes Lev 26,3‐13, wo die Verheißung von שׁלום und die Gabe des Heiligtums in die Mitte der Israeliten abschließend durch den Bundesschluss besiegelt wird. Auf diesen Text greift der Autor von Ez 34,25‐30* zurück, der das Bild der heilvollen und segensreichen Zu‐ kunft in den Farben von Lev 26,3‐13 malt und unter den Oberbegriff der שׁלום ברית stellt, die Jhwh mit seiner Herde schließen wird. Dabei zeigt sich bereits eine gewisse Nähe zur Daviderwartung, da die Aus‐ führungen über den Heilsbund als Fortschreibung an die Verheißung des davidischen Hirten in Ez 34,23f.* angefügt werden. Der dort zwi‐ schen Jhwh und dem Volk geschlossene Bund, in den auch der davidi‐ sche Hirte mit einbezogen wird, erfährt in Ez 34,25‐30* eine Interpre‐ tation als segensreicher Heilsbund. Wahrscheinlich hat dies den Autor von Ez 37,25‐28* dazu veranlasst, die vorliegende Davidverheißung in Ez 37,24 ebenfalls um die Zusage des Heilsbundes zu ergänzen. Allerdings ist Ez 37,25‐28* alles andere als eine Kopie der Heilsver‐ heißungen aus Ez 34,25‐30*, sondern das Stück stellt eine Art Kulmina‐ tionspunkt im dritten Buchteil dar. Der Verfasser greift nicht nur auf den Begriff der ברית שׁלום aus Ez 34,25‐30* zurück, sondern er bezieht auch die Vorstellung der ברית עולם in seine Verheißung mit ein, die an dieser Stelle auf die Bundesschlüsse in Ez 16,60 und Jer 32,40 verweist. Durch diese Kombination legen sich die verschiedenen Bundes‐ verheißungen wechselseitig aus, so dass die Unverbrüchlichkeit des
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kommenden Heils betont wird. לעולם wird dabei zum bestimmenden Leitwort der Verheißungen in Ez 37,25‐28*, die inhaltlich durch die Gültigkeit der Landgabe, der ewigen Davidherrschaft und der Zusage der kultischen Gegenwart Jhwhs in der Mitte seines Volkes gefüllt wer‐ den. Die Verheißung des göttlichen Heiligtums, auf die der Text in Ez 37,25‐28* zuläuft, verdankt sich erneut dem Rückgriff auf Lev 26,3‐13. Dies zeigt, dass der Autor von Ez 37,25‐28* sehr genau um das Ausle‐ gungsverhältnis zwischen Ez 34 und Lev 26 wusste, und seinerseits die Vorlage seiner Vorlage benutzt, um die Vorstellung vom Wohnen Jhwhs in den Text einzutragen. Die Besonderheit seiner Rezeption liegt dabei in der bundestheologischen Deutung der göttlichen Gegenwart, mit der der ewige Heilsbund Jhwhs „inmitten seines Volkes erfahrbare Wirklichkeit wird.“343 Es bleibt die Frage, warum gerade Lev 26 eine so herausgehobene Rolle für die Heilsprophetie des Ezechielbuches spielt. Wahrscheinlich boten sich die Bilder von Fruchtbarkeit und שׁלום im Land für den Autor von Ez 34,25‐30* als passende Vorlage an, um die Zukunft des Volkes im Land zu beschreiben. Es ist aber auch zu ver‐ muten, dass Lev 26 zur Abfassungszeit der Heilsbundtexte eine hervor‐ gehobene Stellung inne hatte, eventuell als Abschlusstext des noch nicht um Lev 27 ergänzten Heiligkeitsgesetzes, vielleicht aber auch schon als Ende der mit dem Heiligkeitsgesetz verbundenen Priester‐ schrift.344 Das Motiv vom Wohnen Jhwhs ist nicht auf Lev 26 und Ez 37 be‐ schränkt, sondern hat seine breiteste Bezeugung in der Priestergrund‐ schrift, die auf die Einwohnung des Heiligtums am Sinai hinausläuft. In dieser Wohnungsnahme Jhwhs erfüllt sich die im Abrahambund gegebene Zusage eines exklusiven Gottesverhältnisses für Israel. Für die Segensreihe des Heiligkeitsgesetzes Lev 26,3‐13 konnte ein Abhän‐ gigkeitsverhältnis mit den Wohnungsaussagen der PG nachgewiesen werden. Diese sind in Lev 26 in der Verheißung des göttlichen Heilig‐ tums aufgenommen, mit der abschließenden Bundeszusage verknüpft und unter die Vorbedingung des Gesetzesgehorsams gestellt worden. Allerdings erfährt die Korrekturabsicht von Lev 26 in der erneuten Re‐ zeption in Ez 37,25‐28* ihrerseits eine Abwandlung. Zwar wird die bundestheologische Auslegungslinie weitergeführt, indem das Woh‐ nen Jhwhs den Heilsbund nun inhaltlich bestimmt, aber in Bezug auf den Charakter der Heilszusage entschränkt der Verfasser den gesetz‐ lichen Vorbehalt und macht die göttliche Präsenz zur reinen Heilsgabe. In dieser bundestheologischen Verbindung vom Wohnen Jhwhs als 343 LEVIN, Verheißung, 233. 344 Zur Bedeutung von Lev 26 für das Ezechielbuch vgl. auch den Exkurs u. Kap. III. 7.4.
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Voraussetzung für den Zustand von שׁלום im Land kann die besondere Interpretationsleistung des Verfassers von Ez 37,25‐28* gesehen wer‐ den. An dieser Stelle ist noch ein Seitenweg der Auslegung zu beachten, der über die Wohnungsaussagen von Ez 43,1‐9 führt. Auf der Buch‐ ebene stellen sich die Verheißungen der ewigen göttlichen Gegenwart in 43,6‐7a(7b‐9) als Erfüllung der Wohnungsverheißung in Ez 37,25‐28 dar. Die Analyse hat aber gezeigt, dass in 37,25‐28* im Vergleich mit 43,6‐7a eine bundestheologische Nachinterpretation vorliegt, die direkt vor die Tempelvision eingeschrieben worden ist. Ez 43,1‐9 weist auch keine Berührungen mit der Segensreihe Lev 26,3‐13 auf, von der Ez 37,25‐28* literarisch abhängig ist; dafür gibt es aber sichere Hinweise darauf, dass der Text sprachliche und konzeptionelle Verbindungen zur Priestergrundschrift hat. Neben der identisch formulierten Woh‐ nungsaussage (Ez 43,7b.9b // Ex 25,8; 29,45.46) ist hier auch auf die pa‐ rallele Notiz über die Erfüllung des Heiligtums hinzuweisen (Ez 43,5 // Ex 40,34). Aber im Gegensatz zur priesterschriftlichen Vorstellung verkündet Jhwh in Ez 43,7a nicht nur seine Intention, inmitten der Isra‐ eliten wohnen zu wollen, sondern er bindet seine kultische Gegenwart für die Zukunft auch wieder an den Zion. Dies erinnert an die Heim‐ kehr Jhwhs im Deuterojesajabuch, die die Rückkehr nach Zion‐Jerusa‐ lem zum Ziel hat (Jes 52,7‐10). Diese Bezüge auf Priestergrundschrift und Deuterojesajabuch werden noch im Hinblick auf die literarhisto‐ rische Einordnung des Ezechielbuches zu berücksichtigen sein. 345 Es bleibt noch die Nachgeschichte des Heilsbundes zu rekapitulie‐ ren. Sowohl für Hos 2,20 als auch für Jes 54,9f. konnte nachgewiesen werden, dass die Texte die ezechielische Heilsprophetie aufnehmen und ihrerseits auslegen. Die breiteste Rezeption hat die ברית שׁלום aller‐ dings im Ezechielbuch selbst gefunden. Hier ist nicht nur die nachträg‐ liche Umwandlung des Heilsbundes zu einem Davidbund in der grie‐ chischsprachigen Überlieferung von Ez 34,25 zu nennen, sondern vor allem die Verheißung des neuen Bundes in Ez 36,23bb‐32.346 In diesem Stück schlägt sich die Erkenntnis nieder, dass die Konzeption des Heilsbundes als reine Heilsgabe nicht ausreichend ist, um die Unver‐ brüchlichkeit der ברית שׁלום zu gewährleisten. Wenn diese wirklich von Dauer sein soll, muss der Heilsbund mit einem an Herz und Geist er‐ neuerten Menschen geschlossen werden, so dass sich die Rezeption der ברית שׁלום in der Interpretation als neuer Bund vollendet.
345 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.4. 346 Vgl. dazu o. Kap. III. 1.2. und III. 1.3.
Das geeinte Volk, der eine König und David: Ez 37,15‐24
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5. Das geeinte Volk, der eine König und David: Ez 37,15‐24 5.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Nachdem die vorausgehende Analyse die Vermutung bestätigt hat, dass mit Ez 37,25‐28 die jüngste Fortschreibung in Kap. 37 vorliegt (vgl. Kap. III. 4.), ist nun mit Ez 37,15‐24 die literarisch vorgängige Schicht in den Blick zu nehmen. Es handelt sich hier um einen Textkomplex, in dem ausgehend von einer Zeichenhandlung des Propheten Aussagen über die Einheit des Volkes im Land unter einem einzigen Herrscher gemacht werden. In der folgenden Textanalyse wird insbesondere die Frage zu beantworten sein, ob es sich hier um ein einheitliches Stück handelt oder ob eine literarisch mehrschichtige Textfolge vorliegt, in der das Motiv der Einheit in einer Reihe von Fortschreibungsschüben variiert wird. Eine zweite Fragerichtung wird durch die Ergebnisse der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Ez 37,25‐28 vorgegeben, in der gezeigt werden konnte, dass die Verheißung des Heilsbundes in Ez 37,25‐28 eine Rezeption von Ez 34,25‐30 darstellt. Da auch die Ankün‐ digungen in Ez 37,15‐24 eine Reihe von Berührungen mit dem Hirten‐ kapitel aufweisen, wird in der Untersuchung des redaktionellen Hori‐ zontes das literarische Verhältnis zu den Heilsworten von Kap. 34 im Vordergrund stehen. Unter dem thematischen Vorzeichen der Einheit werden in Ez 37,15‐24 vor allem zwei Heilserwartungen verhandelt: die Wiederver‐ einigung von Nord‐ und Südreich und die Erwartung des (davidi‐ schen) Herrschers, die eine Parallele in Ez 34,23f. hat. Während die Vereinigung der beiden Israel‐Teilgrößen in der sonstigen propheti‐ schen Heilsverkündigung nur am Rande eine Rolle spielt, gehört die Herrschererwartung zu den bestimmenden Heilsverheißungen in den Prophetenbüchern. Dies erschwert, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, in beiden Fällen die Frage nach möglichen literarischen Vor‐ lagen. Im Fall der Wiedervereinigungshoffnung sind die wenigen Texte im Alten Testament zu untersuchen, die in gleicher Weise eine gemeinsame Zukunft von Nord‐ und Südreich voraussetzen. Dabei ist insbesondere auch zu erörtern, warum dieser Topos der Heilsverkün‐ digung im Ezechielbuch in die Form einer Zeichenhandlung gefasst wird. Bei der Verheißung des davidischen Herrschers wird dagegen zu prüfen sein, inwieweit sich die Herrschererwartung im Ezechielbuch von den entsprechenden Restaurationshoffnungen in den anderen Pro‐ phetenbüchern unterscheidet und welche literar‐ oder traditionsge‐ schichtlichen Verbindungen zu diesen bestehen.
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5.2. Textanalyse Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass der literarische und thematische Kern des Textblockes Ez 37,15‐24 in der Zeichenhandlung des Propheten in 37,15‐19 vorliegt, da die folgenden Verse thematisch und literarisch auf diese Symbolhandlung bezogen sind.347 Das Text‐ stück wird in 37,15 durch die Wortereignisformel von der vorange‐ henden Vision in 37,1‐14 abgegrenzt, während die nachfolgende Ver‐ heißung des Heilsbundes in V 25‐28 eine Fortschreibung darstellt, die inhaltlich keine Anklänge mehr an die eigentliche Zeichenhandlung aufweist.348 Es ist nun im Folgenden zu überprüfen, inwieweit auch im Bereich von 37,15‐24 mit weiteren Ergänzungen zu rechnen ist. Der Text gliedert sich mit der eigentlichen Zeichenhandlung in V 15‐19 und den daran anschließenden Heilsworten in V 20‐24 in zwei Abschnitte, die durch die Wortereignisformel in V 15 einem einzigen Wortereignis zugeordnet werden. Die Beauftragung zur Zeichenhand‐ lung wird nach der Wortereignisformel mit der Anrede des Propheten durch ואתה und dem Menschensohntitel eröffnet (V 16). Jhwh fordert den Propheten zu der symbolischen Handlung auf, zwei Hölzer zu nehmen ()קח־לך, sie mit den Namen „Juda“ ()ליהודה und „Joseph“ ()ליוסף349 zu beschriften (V 16) und sie zu einem Holz ()לעץ אחד zusam‐ menzufügen ( קרבpi., V 17). Die beiden Aufschriften auf den Hölzern sind jeweils durch eine nachfolgende Angabe erweitert, die den Bezug auf das Gesamtvolk Israel herstellt (ולבני ישׂראל חבריו/)וכל־בת ישׂראל, und die Bezeichnung „Joseph“ soll darüber hinaus durch die Zufügung „Holz Ephraims“ ()עץ אפרים ergänzt werden. Der sekundäre Charakter des עץ אפרים in V 16b, das keine Entsprechung in der ersten Vershälfte 347 Mit einer Grundschicht in V 15‐19*, die durch eine oder mehrere Fortschreibungen in V 20‐28 ergänzt worden ist, rechnen ZIMMERLI, BK, 906f.; LEVIN, Verheißung, 214; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 438f.; OHNESORGE, Jahwe, 339‐351; POLA, Priester‐ schrift, 196f., und POHLMANN, ATD, 500f. Eine umfangreichere Grundschicht im Bereich von V 15‐22* nehmen HÖLSCHER, Hesekiel, 176f.; FOHRER, HAT, 210f.; GARSCHA, Studien, 224f., und ALLEN, WBC 29, 192, an, wobei Letzterer noch den Einschluss von V 23‐24a für denkbar hält (vgl. ebd.). Die literarische Einheitlichkeit von 37,15‐28 vertreten dagegen EICHRODT, ATD, 358‐361; BLOCK, NICOT II, 393f., und GREENBERG, AncB, 752‐760. BERTHOLET, HAT, 128f., führt den gesamten Text 37,15‐28 mit Ausnahme einer Glosse in V 19f. auf den Propheten zurück, wobei er aber einschränkt, dass die Zuschreibung von V 23‐28 an Hesekiel „Zweifeln unter‐ worfen“ sei (BERTHOLET, a.a.O., 129). 348 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.2.2. 349 Es ist umstritten, ob es sich bei dem ל in ליהודה und ליוסף um ein lamed inscriptionis handelt (vgl. GesK §119u) oder ob es zueignende Funktion hat, vgl. ZIMMERLI, BK, 904.910. Da es am wahrscheinlichsten ist, dass die Hölzer als Symbol für das auf sie Geschriebene dienen, wird hier die erste Alternative vertreten (so mit BERTHOLET, HAT, 128; FOHRER, HAT, 209; OHNESORGE, Jahwe, 340; FUHS, NEB, 21).
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hat, ist weitgehend anerkannt.350 Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch die auf Israel bezogenen Attribute nachträgliche Erweiterungen der ursprünglichen Aufschriften darstellen.351 Die Namen „Juda“ und „Joseph“ sind als Platzhalter für die zwei Israel‐Teilgrößen völlig aus‐ reichend, so dass die jeweiligen Israel‐Angaben als verdeutlichende sekundäre Ergänzungen eingestuft werden können. Für den beabsichtigten Fall, dass das Volk den Propheten nach dem Sinn seiner Handlung fragen wird, gibt Jhwh Ezechiel klare Instruk‐ tionen (V 18). Eingeleitet durch die imperativische Aufforderung דבר, einer Botenformel und dem Präsentativ הנה אני trägt er ihm in V 19 die deutende Jhwh‐Botschaft auf, die der Prophet ausrichten soll: Jhwh verkündet, dass er das Holz Joseph nehmen ()לקח und auf das Holz Juda legen wird,352 so dass sie eins in seiner Hand werden. Dem einfa‐ chen עץ יהודה in V 19b steht dabei in V 19a עץ יוסף entgegen, das ähnlich wie in V 16 durch zwei auf Ephraim bzw. das Volk Israel bezogene Angaben näher bestimmt wird ()אשׁר ביד־אפרים ושׁבטי ישׂראל חברו. Da diese Erweiterungen keine Entsprechungen in der zweiten Vershälfte haben, ist hier ähnlich wie in V 16 von nachträglichen Ergänzungen auszuge‐ hen.353 Das Ziel der göttlichen Handlung entspricht der Zeichen‐ handlung des Propheten: Wie dieser vereinigt auch Jhwh die beiden Hölzer in seiner Hand (והיו אחד בידי, V 19bb; vgl. והיו לאחדים בידך, V 17b).354 ZIMMERLI hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, dass die Deutung der Symbolhandlung weniger Interpretation der an sich eindeutigen 350 Vgl. BHS; BERTHOLET, HAT, 128; FOHRER, HAT, 209; ZIMMERLI, BK, 904; OHNESORGE, Jahwe, 341; ALLEN, WBC 29, 190, und BLOCK, NICOT II, 396 mit Anm. 14. 351 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 341. So auch HÖLSCHER, Hesekiel, 176; BERTHOLET, HAT, 128; COOKE, ICC, 400f. Mit der ursprünglichen Zugehörigkeit der Angaben rechnen dagegen FOHRER, HAT, 209, und ALLEN, WBC 29, 190. 352 Anscheinend haben verschiedene Auffassungen darüber, bei welcher Israel‐Teil‐ größe der Einigungsvorgang ansetzt, zu einer Störung des MT in V 19 geführt. So konkurriert im vorliegenden Text der Akkusativ אותם, der eine Hinzufügung von Joseph zu Juda impliziert, mit der Angabe את עץ־יהודה, nach der das Holz Juda auf das Holz Joseph gelegt wird. Da das pluralische Suffix an אותם bereits die Deutung auf die Stämme Israels vor Augen hat, liegt hier eine sekundäre Glosse vor (vgl. zur Diskussion ZIMMERLI, BK, 905, und OHNESORGE, Jahwe, 342f.). 353 Zur Sekundarität von ביד־אפרים אשׁר vgl. ZIMMERLI, BK, 90, und erwägungsweise BERTHOLET, HAT, 128. Den Nachtragscharakter sämtlicher Attribute vertreten HÖL‐ SCHER, Hesekiel, 176; COOKE, ICC, 401, und OHNESORGE, Jahwe, 341. EICHRODT, ATD, 358, postuliert die Ursprünglichkeit der zum עץ יוסף gehörenden Erweiterun‐ gen in V 19a (ohne ביד אפרים )אשׁר und folgert daraus für V 16, dass nur die Ergänzung der Aufschrift „Juda“ in V 16a sowie der Ephraimbezug in V 16b als sekundär anzu‐ sehen seien. Dabei übersieht er aber den parallelen Aufbau der jeweiligen Halbverse sowohl in V 16 als auch in V 19, der gegen diese Lösung spricht. 354 Der Unterschied zwischen Plural ()אחדים und Singular ()אחד erklärt sich dadurch, dass die Handlung des Propheten nur unvollkommen das göttliche Vereinigungshandeln abbilden kann, dem allein die vollendete Zusammenfügung vorbehalten bleibt.
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Handlung als vielmehr Betonung der göttlichen Wirksamkeit ist: „Ganz entschieden wird dagegen von Jahwe selber die Verheißung ausgesprochen, daß er persönlich das Getrennte in seiner Hand wieder zur Einheit zusammenfassen werde.“355 Der zweite Abschnitt des Textstückes in Ez 37,20‐24 beginnt in V 20 mit einem Rekurs auf die Hölzer in der Hand des Propheten, der an die Szenerie der vorhergehenden Zeichenhandlung anknüpft. Auf diesen Rückverweis folgt in V 21‐24 eine zweite Deutung der Symbolhand‐ lung, die durch einen mit V 19 identischen Redeauftrag an den Prophe‐ ten eingeleitet wird (]ו[דבר אלהם כה־אמר אדני יהוה הנה אני לקח, V 19.21). Die Doppelung der Redeeinleitungen in V 19 und V 21 legt den Verdacht nahe, dass nur einer der beiden Redegänge zur Grundschicht zu ziehen ist. Da die Deutung in V 19 im Bild der Zeichenhandlung bleibt, wäh‐ rend V 21‐24 inhaltlich von dieser abstrahieren, ist V 19 eindeutig der Vorzug zu geben.356 In V 21 liegt demgegenüber der Beginn einer se‐ kundären Deutung vor, die durch die Wiederaufnahme in V 20 an den Grundbestand angebunden ist, so dass dem Gliederungseinschnitt in V 20 auch ein redaktioneller Einschnitt entspricht. In der Nachinterpretation wird das „Nehmen“ der Hölzer (לקח, vgl. V 16.19) in V 21 auf das „Herausnehmen“ ()לקח der Israeliten zwischen den Völkern übertragen, aus denen Jhwh sie sammeln und in ihr Land bringen wird. An diese Rückführungsverheißung schließt sich in V 22 die Ankündigung an, dass Jhwh die Israeliten in ihrem Land, auf den Bergen Israels, zu einem Volk (לגוי אחד, vgl. לעץ אחד V 17.19) machen wird (עשׂה, vgl. V 19). Hierbei fällt die doppelte Zielbestimmung בארץ ישׂראל בהרי auf. Die allgemeinere Angabe בארץ verdient auf jeden Fall den Vorzug vor der konkreten Lokalisation בהרי ישׂראל, aber da auch die einfache Ortsangabe den parallelen Aufbau von V 22a und V 22b aus dem Gleichgewicht bringt, ist zu erwägen, ob hier nicht insgesamt eine nachträgliche Ergänzung vorliegt.357 Die Einheit des Volkes wird durch einen König garantiert ()מלך אחד,358 unter dessen Regentschaft die Isra‐ 355 ZIMMERLI, BK, 912. 356 So mit OHNESORGE, Jahwe, 339; vgl. weiterhin ZIMMERLI, BK, 907.912; LEVIN, Verhei‐ ßung, 214. Weniger überzeugend ist m. E. der Versuch von BERTHOLET, HAT, 128; FOHRER, HAT, 211, und FUHS, NEB, 211, die die Doppelung der Einleitung in V 19.21 mit einer Glosse in V 19f.* erklären wollen. Gegen eine postulierte Fortführung der Grundschicht durch V 22 spricht vor allem, dass die Jhwh‐Rede damit unvermittelt von der Bildebene auf die Sachebene überginge (vgl. POHLMANN, ATD, 501 Anm. 6). 357 Vgl. ZIMMERLI, BK, 905, und OHNESORGE, Jahwe, 344. 358 Die LXX bezeugt sowohl in V 22 wie auch in V 24 a;rcwn, was auf ein נשׂיא in der Vor‐ lage hindeuten könnte. Allerdings hat ZIMMERLI, BK, 905, in V 22 zu Recht auf die deutliche Korrespondenz mit dem folgenden ממלכות hingewiesen, das auch von LXX bezeugt wird (basilei,aj) und für ursprüngliches מלך spricht. Da die LXX‐Variante darüber hinaus als Angleichung an Ez 34,24 und 37,25 erklärt werden kann, wo
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eliten sich nicht mehr ()לא עוד in zwei Völker bzw. zwei Königreiche teilen werden. Anders als in der ersten Deutung (V 19) steht in V 20‐22 nicht mehr die Vereinigung zweier Israel‐Teilgrößen im Vordergrund, sondern die „Bewahrung des neu gesammelten Volkes vor einer neuen Spaltung.“359 Der eine König ist zugleich Garant wie auch Symbol der neu hergestellten Einheit. Damit bleibt in Ez 37,15‐24 nur noch die literarische Zugehörigkeit von V 23 und V 24 zu bedenken, die beide den Eindruck von Einzel‐ versnachträgen erwecken. Für eine literarische Zäsur nach V 22 spricht zuerst die Tatsache, dass mit der Einheit des Volkes in V 22 das Ende der Korrespondenzen zur Zeichenhandlung des Propheten erreicht ist. Darüber hinaus weist der nachfolgende V 23 weder sprachliche noch inhaltliche Verbindungen zu V 15‐19 auf, sondern mit der kultischen Reinheit Israels tritt ein neues Thema in den Blick. Die Israeliten sollen sich nicht mehr ()לא עוד mit ihren „Mistdingern“ ( )בגלוליהםverunreini‐ gen (טמא hitp.),360 und Jhwh wird sie retten (ישׁע hif.) und von ihren kul‐ tischen Vergehen reinigen. Die inhaltliche Eigenständigkeit bestätigt die Vermutung, dass mit V 23 eine Ergänzung vorliegt, wobei aber zu überlegen ist, ob die am Ende stehende Bundesformel den ursprüng‐ lichen Abschluss von V 20‐23* gebildet haben könnte.361 Die Restitution des Gottesverhältnis vollendet auf diese Weise die Zusammenführung der Israeliten unter einem König. Die dazwischen stehenden Aussagen über die kultische Reinheit in V 23abab* (37,23*) stellen auf jeden Fall einen späteren Nachtrag dar, der über die Wiederaufnahme der for‐ malen Struktur von V 22b (לא עוד mit Israel als Subjekt) im parallel konstruierten V 23a angebunden wird.362 Im Fall von V 24 sprechen ebenfalls mehrere Gründe dafür, diesen Vers von der sekundären Deutung in V 20‐23* abzuheben. Zuerst ist 359 360
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David ebenfalls als a;rcwn bezeichnet wird, ist der Lesart des MT der Vorzug zu ge‐ ben. Vgl. dazu auch die weitere Textanalyse. ZIMMERLI, BK, 913. Bei dem erweiternden ובשׁקוציהם ובכל פשׁעיהם, das in LXX* nicht bezeugt wird, handelt es sich um eine nachträgliche Glosse, die die kultischen Vergehen der Israeliten wei‐ ter ausmalt; dafür spricht auch der überfüllte Charakter des Verses im MT (vgl. FOHRER, HAT, 211; ZIMMERLI, BK, 905, und PETRY, Entgrenzung, 267; anders LEVIN, Verheißung, 215 Anm. 67). Dies erwägen POHLMANN, ATD, 503, und PETRY, Entgrenzung, 268 (vgl. aber Anm. 362). Die literarische Einheitlichkeit der Aussagen über die kultische Reinheit in V 23* ist umstritten. Vgl. dazu OHNESORGE, Jahwe, 346, der einen ursprünglichen Textzusam‐ menhang in V 20‐22.23a.bb* zugrunde legt und nur die Aussagen mit Jahwe als Subjekt abhebt. PETRY, Entgrenzung, 268, sieht dagegen in V 23a den Einschub und in V 23b (evtl. nur die den Vers abschließende Bundesformel) den ursprünglichen Anschluss an V 22.
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mit der Bundesformel in V 23 ein gewisser Abschluss der vorausge‐ henden Fortschreibung erreicht, so dass V 24 kaum auf dieselbe litera‐ rische Ebene gehört.363 Aber auch aus inhaltlichen Gründen kann er nicht die ursprüngliche Fortsetzung von V 20‐23* bilden, da der im Text bisher nicht näher bestimmte König in V 24a auf einmal mit dem Knecht David identifiziert und in einer Aufnahme der Formulierung von V 22ab ()ומלך אחד יהיה לכלם als der eine Hirte für das Volk (ורועה אחד )יהיה לכלם bezeichnet wird. V 24a stellt damit eine präzisierende Auf‐ nahme von V 20‐23* dar, die auf einer späteren literarischen Ebene in den Text eingefügt worden ist.364 V 24b scheint dagegen mit der zukünftigen Erfüllung der Rechte und Satzungen Jhwhs auf das Bun‐ desverhältnis in V 23bb*g bezogen zu sein, als deren Auswirkung das Halten der göttlichen Gebote dargestellt wird (vgl. dazu Ez 11,19f.; Dtn 26,16‐19 oder Jer 31,31‐34). V 24 kann damit insgesamt als Einzelvers‐ nachtrag betrachtet werden, der eine Ausdeutung der literarisch vor‐ ausgehenden Einheit in V 20‐23* in Bezug auf die äußere (V 24a) sowie die innere Verfasstheit (V 24b) des Volkes enthält. Eine weitere Auftei‐ lung der beiden Vershälften auf zwei verschiedene redaktionelle Hän‐ de liegt sicher im Bereich des Möglichen, ist aber vom Text nicht zwingend gefordert.365 Ausgeschlossen werden kann jedoch die These, dass in V 24b der Beginn der folgenden Einheit V 25‐28 vorliegt.366 Dagegen spricht zuerst der invertierte Einsatz von V 24b mit ובמשׁפטי, aber auch die inhaltliche Bezogenheit des Gesetzesgehorsams auf die Bundesformel in V 23. Als literarischer Neueinsatz bietet sich vielmehr der Vers 37,25* an, der mit der ewigen ()לעולם Davidherrschaft das Leit‐ motiv des folgenden Stückes einführt. Die Ergebnisse der literarkritischen Analyse können damit wie folgt zusammengefasst werden: Die Grundschicht der Textfolge in Ez 37,15‐24(28) bildet die Zeichenhandlung des Propheten in 37,15‐19*, die die Vereinigung der zwei Israel‐Teilgrößen „Juda“ und „Joseph“ durch Jhwh symbolisieren soll. Auch wenn das Interesse des Grundwortes an 363 So mit OHNESORGE, Jahwe, 345; anders LEVIN, Verheißung, 216 Anm. 73, der sich dabei durch die von ihm angenommene Abhängigkeit des Textes von 36,24‐28 leiten lässt, und POHLMANN, ATD, 501, der von der kleinen Einheit V 23f. ausgeht. 364 Auch die literarische Einheitlichkeit von 37,24a wird diskutiert. Vgl. z. B. HOSSFELD, Untersuchungen, 248‐252, und im Anschluss an diesen OHNESORGE, Jahwe, 373, die in 37,24aa einen Ergänzer am Werk sehen, der den verheißenen Herrscher auf David hin konkretisiert. M. E. ist eine weitere literarkritische Differenzierung innerhalb von V 24a nicht zwingend erforderlich; vielmehr scheint gerade in der Davidverheißung der entscheidende Überschuss vorzuliegen, der den Fortschreibungsschub ausgelöst haben könnte. 365 Vgl. z. B. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 439, der zwei eigenständige Fortschreibun‐ gen in V 24a und V 24b unterscheidet. 366 So gegen ZIMMERLI, BK, 907; OHNESORGE, Jahwe, 347, und POLA, Priesterschrift, 197.
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der „Wiedervereinigung von Norden und Süden“367 unverkennbar ist, wird noch zu klären sein, ob hier die vorexilisch‐exilische Trennung der beiden politischen Einheiten Nord‐ und Südreich problematisiert wird368 oder ob „Juda“ und „Joseph“ als Chiffren zu interpretieren sind, unter denen die nachexilische Teilung in die persischen Provin‐ zen Jehud und Samaria verhandelt wird. In einer ersten Fortschreibung V 20‐23* wird die ursprüngliche Zeichenhandlung durch eine zweite Deutung ergänzt, die das vereinigende Handeln Jhwhs sekundär auf den neuen Exodus und die Zusammenführung der Israeliten in einem Königreich unter einem König auslegt. Das Grundproblem stellt hier nicht mehr die Spaltung des Volkes dar, sondern vielmehr die Zer‐ streuungssituation Israels, die der Trennung der beiden Hölzer korres‐ pondiert. Die weitere Nachinterpretation des Stückes vollzieht sich durch zwei Einzelversfortschreibungen in V 24 und V 23*. Da V 24 thematisch an V 20‐23* orientiert ist und den König aus V 22 mit dem Knecht und Hirten David identifiziert, ist ihm die Priorität vor V 23* einzuräumen. Diese letzte Einschreibung trägt die (vergangenen) kulti‐ schen Vergehen des Volkes und seine Reinigung durch Jhwh nach, die dadurch zur Voraussetzung des Bundesverhältnisses in V 23bb*g wird. Bei den bisherigen Ausführungen ist die Frage nach der Identität des geheimnisvollen Königs in V 20‐23* offen geblieben, da sie text‐ intern nicht enthüllt wird. Im Bild der Zeichenhandlung liegt es zwar nahe, dass nur ein „David“ als Herrscher des geeinten Israels in Frage kommt, aber ebenso ist auch Jhwh selbst ein möglicher Kandidat, da er die neue Einheit durch Sammlung und Rückführung erst herstellt und ihr Bestehen garantiert.369 Die nachträgliche Identifikation des Königs mit David durch die Fortschreibung in 37,24 könnte sowohl eine Verdeutlichung der impliziten Aussage, genauso gut aber auch eine nachträgliche Korrektur des Vorherigen darstellen. Die griechische Textüberlieferung löst die Frage dadurch, dass sie den zukünftigen Herrscher sowohl in 37,22 als auch in 37,24 als a;rcwn bezeichnet (vgl. ebenso 37,25), was auf ein zugrundeliegendes נשׂיא führt und eine Iden‐ tität des Herrschers in sämtlichen Verheißungen von Kap. 37 impli‐ 367 WESTERMANN, Heilsworte, 134. 368 Vgl. exemplarisch ZIMMERLI, BK, 908, und OHNESORGE, Jahwe, 351f.354, die die Zei‐ chenhandlung auf den historischen Propheten zurückführen. 369 Die Deutung auf David stellt die mehrheitlich in der Forschung vertretene Lösung dar; vgl. die gängigen Kommentare und exemplarisch POHLMANN, ATD, 503 Anm. 20: „Als Repräsentant des geeinten Israel bietet sich im Rückblick auf den Begründer des geeinten Königreiches verständlicherweise nur ein ‘David’ an.“ Soweit hier gesehen wird, zieht allein JOYCE, King, 328.335, eine Identifikation mit Jhwh in Erwä‐ gung, entscheidet sich aber letztendlich dafür, dass die Deutung auf einen mensch‐ lichen Herrscher „the most natural reading of 37.22“ ist (vgl. JOYCE, a.a.O., 335).
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ziert. Die Textvarianten sind allerdings als Angleichungen zu erklären, die nicht nur innerhalb von Kap. 37 die Erwartungen systematisieren, sondern den Zukunftsherrscher auch mit dem davidischen Fürsten aus Ez 34,24 identifizieren. Dem masoretischen Text ist deshalb die Priori‐ tät zu geben, so dass die unterschiedlichen Herrschererwartungen in Ez 37,20‐23*.24.25ff. literarkritisch auszuwerten sind und einer redak‐ tionsgeschichtlichen Erklärung bedürfen.370 Eine Übersicht über den Gebrauch des ‐מלךTitels im Ezechielbuch kann zur ersten Erhellung des Problems beitragen, wer mit dem König in 37,22 gemeint ist. Die Titulatur wird in Ez 1,2 und 17,12.16 mit Be‐ zug auf Jojachin an nur zwei Stellen im Buch für einen konkreten judäischen König verwendet, während dieser sonst als נשׂיא bezeichnet ist.371 Daneben ist מלך durchgehend der Titel für den babylonischen König (vgl. 17,12.16; 19,9; 21,24.26; 24,2; 26,7; 29,18.19; 30,10.24f.) und den Pharao von Ägypten (vgl. 29,2f.; 30,21f.; 31,2; 32,2.11). Nicht näher bestimmte Herrscher von Fremdvölkern werden in 27,33.35; 28,17 und 32,10 ebenso als מלך benannt, während in 28,12 mit dem König von Tyros und in 32,29 den Königen von Edom Herrscher kleinerer Staaten den Titel führen. Schließlich steht er in 43,7b.9 rückblickend für die vorexilischen Könige Israels, indes die Bezeichnung des judäischen Königs als מלך in 7,27 eine relativ späte Ergänzung darstellt, die neben die ursprüngliche Titulatur נשׂיא tritt.372 Des Weiteren wird in 20,33 noch von Jhwh ausgesagt, dass er als König über das Volk herrschen wird (מלך kal). David als der zukünftige Herrscher trägt dagegen mit Ausnahme von 37,24 den Titel נשׂיא (vgl. 34,24; 37,25). Der Überblick zeigt, dass im Ezechielbuch abgesehen von 37,22.24 generell der ‐נשׂיאTitel für den judäischen König und den zukünftigen Herrscher bevorzugt wird, während die Titulatur מלך den Fremdvöl‐ kerherrschern, insbesondere dem König von Babylon und dem Pharao von Ägypten, vorbehalten bleibt. Dieser Befund spricht eher gegen die These, dass der מלך in 37,22 auf David zu beziehen ist, so dass nur noch zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder ist – wie schon in Erwägung gezogen – der zukünftige Herrscher mit dem göttlichen König Jhwh zu identifizieren oder es ist analog mit der überwiegenden Verwendung von מלך im Buch mit einem Fremdherrscher zu rechnen. Da Jhwh auch 370 Zur textkritische Diskussion der Stellen vgl. o. Kap. III. 4.2.2. Anm. 232 und o. Anm. 358. 371 Vgl. dazu auch u. Kap. III. 5.5.2. 372 Der Versteil über den מלך ist in LXX* und einigen anderen Übersetzungen nicht be‐ zeugt und auch inhaltlich spricht das Nebeneinander von מלך und נשׂיא, das nur an dieser Stelle belegt ist, für eine nachträgliche Ergänzung (vgl. BHS; ZIMMERLI, BK, 165; anders ALLEN, WBC 28, 103, und BLOCK, NICOT I, 268 Anm. 141, die die Erwäh‐ nung des Königs für ursprünglich halten).
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im Hirtenkapitel Ez 34 königliche Züge erhält, soll die endgültige Klä‐ rung dieser Frage für die vergleichende Analyse von Ez 34 und 37 zurückgestellt werden. 5.3. Das literarische Verhältnis zu Ez 34 Schon HERRMANN hat die „formale Ähnlichkeit“ zwischen Kap. 37 und Kap. 34 erkannt,373 und im Fall von Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 konnte nachgewiesen werden, dass ein literarisches Auslegungsverhältnis vor‐ liegt. Aber auch die an die Zeichenhandlung angefügten Heilsworte in 37,20‐24 zeigen eine weit über formale Ähnlichkeit hinausgehende Nä‐ he zu Stücken des Hirtenkapitels, wie im Folgenden darzustellen ist. So fällt zuerst auf, dass die Ankündigung von Sammlung und Rückführung in 37,20‐23* ihre nächste Parallele in der Verheißung des göttlichen Hirten 34,11‐15* hat. In beiden Fällen wird der neue Exodus in einer dreigliedrigen Aussagefolge angekündigt, die die Schritte „Herausnehmen/‐führen“ (לקח, 37,21/יצא hif., 34,13), „Sammeln“ (קבץ, 34,13; 37,21) und „Hineinbringen“ (בוא hif., 34,13; 37,21) umfasst. Mit kleineren Abweichungen findet sich diese Verheißung an insgesamt sechs Stellen im Ezechielbuch (Ez 11,17; 20,34f.; 20,41f.; 34,13; 36,24 und 37,21),374 so dass mit LUST auch von einer geprägten Wendung gespro‐ chen werden kann, für die er den Begriff „‘Gathering and Return’ formula“ einführt.375 Charakteristisch für diese Formel ist nicht nur der dreistufige Aufbau, sondern auch die Verwendung einer Verbtrias, deren zweites und drittes Glied fast durchgängig mit einer Form von קבץ pi. und בוא hif. gebildet wird. Von den fünf Belegen weicht Ez 11,17 sprachlich am weitesten von den anderen Stellen ab, da für die Verbtrias קבץ pi., אסף und נתן ver‐ wendet wird. Der Gebrauch von נתן erklärt sich durch den Kontext, in dem es um die Gültigkeit der Landgabe geht (נתן, 11,15), aber auch im zweiten Glied tritt ein anderes Verb auf. Für die Sammlungs‐ und Rückführungsverheißung in 36,24 konnte dagegen eine literarische Ab‐ 373 Vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 274; er bezieht bei dieser Aussage auch noch Kap. 36 in die „formale Ähnlichkeit“ mit ein. 374 Zu weiteren Sammlungs‐ und Rückführungsverheißungen, die aber eine abweichen‐ de Terminologie aufweisen, vgl. Ez 28,25; 38,8; 39,27. In Ez 37,12 findet sich weiter‐ hin eine an die Öffnung der Gräber angeschlossene Verheißung der Heimführung, die mit בוא hif. konstruiert ist; vgl. dazu u. Kap. III. 6.3. 375 LUST, Gathering, 139. LUST beschränkt das Vorkommen dieser Formel nicht auf das Ezechielbuch, sondern weist sie auch im Jeremiabuch nach, wo die Belege aber sprachlich stärker von der Verwendung im Ezechielbuch abweichen; vgl. dazu LUST, a.a.O., 127‐136.
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hängigkeit von Ez 34,13 und vor allem von 37,21 aufgezeigt werden.376 Die Beeinflussung durch Ez 37,21 zeigt sich insbesondere an der Ver‐ wendung von לקח in der ersten Position der Verbtrias, das von der Zeichenhandlung in 37,15‐19 her Eingang in die Sammlungsverhei‐ ßung 37,21 und von da in die Nachinterpretation 36,24 gefunden hat. Die beiden Belege in Ez 20,34f. und 20,41f. stimmen zwar im Verbge‐ brauch mit 34,13 überein (יצא hif., קבץ pi., בוא hif.), weisen aber gegen‐ über diesem Text jeweils entscheidende Divergenzen auf, die für eine spätere Abfassung sprechen. So unterscheidet sich 20,34f. darin von 34,13, dass im dritten Schritt nicht die Rückführung in das Land Israel vorgesehen ist, sondern das Volk in die Wüste der Völker (אל־מדבר העמים, 20,35) gebracht wird. Hier liegt eindeutig eine Anspielung auf die als bekannt vorausgesetzte Wendung vor, da die negative Konnota‐ tion des Zieles nur vor dem Hintergrund des „Normalgebrauches“ der Formel verständlich wird. In Ez 20,41f. hat der dreigliedrige Aufbau dagegen eine Erweiterung erfahren, da zwischen Sammlung und Rück‐ führung die Verheißung eingeschoben worden ist, dass Jhwh sich an Israel vor den Völkern ()לעיני הגוים als heilig erweisen wird (קדשׁ ni.).377 Damit bleiben als literarisch älteste Belege nur noch Ez 34,13 und 37,21 übrig, die sich vor allem darin unterscheiden, dass das Volk aus unterschiedlichen Orten herausgeführt wird: Während 34,13 die Sammlung aus den Völkern ()מן־העמים und aus den Ländern ()מן־הארצות vorsieht, ist in 37,21 davon die Rede, dass das Volk zwischen den Völkern heraus ()מבין הגוים und von ringsumher ()מסביב gesammelt wer‐ den muss. Die Divergenzen deuten darauf hin, dass 37,21 eine Zer‐ streuungssituation voraussetzt, in der sich die Diaspora bereits mit den Völkern ihrer Exilsländer vermischt hat.378 Dies könnte dafür sprechen, dass mit 37,21 eine Abwandlung der Sammlungsaussage in 34,13 vor‐ liegt, die ihrerseits den ezechielischen Prototyp der „Gathering and Return“‐Formel repräsentiert.379 376 Vgl. dazu o. Kap. III. 1.3. 377 Hier liegt wahrscheinlich eine Anspielung auf Ez 39,27 vor, ein Text, in dem die Sammlung Israels (קבץ pi.) ebenfalls das Ziel hat, dass Jhwh sich vor den Augen der Völker an Israel als heilig erweist; vgl. die parallele Formulierung קדשׁ ni. gefolgt von לעיני הגוים. Siehe dazu insgesamt o. Kap. III. 3.4.2. 378 Vgl. auch POHLMANN, ATD, 503, der über 37,21 urteilt: „Die Formulierung ‘zwischen den Völkern heraus, wohin sie gegangen sind’ dürfte signalisieren, daß jetzt auch diejenigen einbezogen sind, die ‘freiwillig’ die Diasporaexistenz gewählt haben.“ 379 Allerdings liegt in Ez 34,13 nicht der literarische Ursprungsort für die Sammlungs‐ verheißung vor, sondern die vergleichende Analyse mit Jer 23,1‐8 hat es wahr‐ scheinlich gemacht, dass die Verheißung im Ezechielbuch auf Jer 23,3 zurückgeht, wo Jhwh seiner Herde Sammlung (קבץ pi.) und Rückführung (שׁוב hif.) ansagt; vgl. dazu o. Kap. II. 3.3.
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Wenn damit wahrscheinlich gemacht werden kann, dass die Ver‐ heißung von Rückführung und Sammlung in Ez 37,21 bereits 34,13 voraussetzt, ist nun nach dem generellen Verhältnis der beiden Stücke in Ez 34,11‐15* und 37,20‐23* zu fragen. Die zwei Texte berühren sich nicht nur darin, dass der neue Exodus ein zentrales Theologumenon darstellt, sondern beide reden auch von einem Hirten bzw. einem König, der eine wichtige Funktion am Volk wahrnimmt. Es stellt sich die Frage, ob in dieser inhaltlichen Nähe zwischen 34,11‐15* und 37,20‐ 23* nicht der Schlüssel für das bisher ungeklärte Problem liegt, wer der geheimnisvolle König in 37,22 ist. Da Jhwh in Ez 34 als der göttliche Hirte königliche Züge erhält und der literarisch jüngere Text in 37,20‐ 23* von einem König spricht, der die Einheit des Volkes wahren wird, liegt es nahe, hier eine direkte Bezugnahme zu vermuten. Ez 37,20‐23* kann dann als Auslegung von 34,11‐15* verstanden werden, in der das Bild des Hirten aufgelöst wird, um Jhwh als König Israels zu prokla‐ mieren. Die traditio hat ein theokratisches Ideal vor Augen, in dem Gott nicht nur die zukünftige Einheit des Volkes herbeiführt, sondern als König auch die Dauerhaftigkeit dieses Zustandes garantiert.380 Wird der eine König in 37,20‐23* mit Jhwh identifiziert, ist dies ein weiteres Argument für die These, dass mit der Bundesformel in V 23bb*g der ursprüngliche Abschluss der Einheit vorliegt. Das Bundesverhältnis zwischen Gott und seinem Volk ist Bestätigung der theokratisch‐politi‐ schen Herrschaft, die er über Israel ausüben wird. Die sekundäre Nacharbeit in 37,22, durch die die Ortsangabe בהרי ישׂראל in 37,20‐23* nachgetragen wird, verstärkt die Verbindungen zwi‐ schen den Stücken. Denn in 34,11‐15* sind die הרי ישׂראל das Ziel der Rückführung (34,13.14b), das auf diese Weise auch im auslegenden Text ergänzt wird, wo die Berge Israels ansonsten keine Rolle spie‐ len.381 Darüber hinaus scheint die Einfügung der Berge Israels in 37,22 aber auch das Gerichtswort gegen das Gebirge Seir Ez 35,1‐15 im Blick zu haben. Wie noch zu zeigen sein wird, ist dort sekundär in einer Anspielung auf die Thematik in 37,20‐23* die Formulierung את־שׁני הגוים ואת־שׁתי הארצות eingefügt worden (35,10), so dass die Ergänzung der Ber‐ ge Israels in 37,22 mit diesem Nachtrag zusammenhängen könnte.382 380 Vgl. konzeptionell und terminologisch die Heilsverheißung im Deuterojesajabuch, wo Jhwh sich als „euer König“ (מלככם, Jes 43,15) bzw. als „König Israels“ (מלך־ישׂראל, Jes 44,6) bezeichnet. 381 Den Bezug des Nachtrages בהרי ישׂראל in 37,22 auf 34,13 sieht auch LEVIN, Verhei‐ ßung, 214. 382 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.2.1. und III. 7.2.3. Auf diese Weise entsteht ein gegenseitiges Verweisgeflecht, das die Identität der Berge Israels als Heimatland der beiden Völker hervorhebt.
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Sowohl in Ez 34 als auch in Ez 37 ist die Sammlungs‐ und Rückfüh‐ rungsverheißung durch ein Davidwort fortgeschrieben worden, das aber in beiden Fällen literarisch mehrschichtig ist. In Ez 34,23f.* wird dem göttlichen Hirten zunächst der Knecht David ()עבד דוד als der eine Hirte ()רעה אחד zur Seite gestellt, dem in der späteren Ergänzung V 24ab noch der Titel נשׂיא zuwächst. In der entsprechenden Fortschreibung in Kap. 37 wird David in 37,24 zwar auch als Knecht ()עבד דוד und einziger Hirte ()רועה אחד bezeichnet, aber anders als im Hirtenkapitel bekommt er den Königstitel ()מלך verliehen. Erst im redaktionell nachfolgenden V 25 erhält David entsprechend dem Befund in Ez 34 zusätzlich die Titulatur נשׂיא. Nicht nur die Vielzahl von Stichwortverbindungen, son‐ dern auch die Tatsache, dass nur an diesen beiden Stellen im Ezechiel‐ buch überhaupt von David die Rede ist, lassen den Schluss auf ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zu. Da der Titel אחד ר)ו(עה, der in beiden Davidverheißungen zur Grundschicht gehört, zweifellos seinen ursprünglichen Ort im Hirtenkapitel hat, kann Ez 34,23f.* (34,23a.bb. 24aa.b) als Vorlage von Ez 37,24 gelten.383 Ez 34,23f.* ist damit der ältes‐ te Beleg für die Davidverheißung im Ezechielbuch, der sich allerdings seinerseits mit dem betonten אחד bereits einer Anspielung auf die Heils‐ worte in Ez 37,15‐19.20‐23* zu verdanken scheint. In einem Versuch, die gegenseitige literarische Beeinflussung von Ez 34 und 37,15ff. nachzuzeichnen, ist mit der Verheißung des gött‐ lichen Hirten in 34,11‐15* zu beginnen, die als relativ ältester Text den Ausgangspunkt der gegenseitigen Fortschreibungen bildet. Die sekun‐ däre Deutung der Zeichenhandlung in 37,20‐23* nimmt den Text auf und legt ihn mit der Ankündigung des einen Königs theokratisch aus. Als nächstes wächst das Hirtenkapitel um die Davidverheißung in 34,23f.* an, die deutliche Rückbezüge auf die Verheißungen in 37,15‐ 19.20‐23* enthält. So kann zuerst die Verbindung der halben Bundes‐ formel mit der Davidverheißung als Rezeption des Bundesverhält‐ nisses in 37,23bb*g verstanden werden, in das nun auch der zukünftige Heilsherrscher mit einbezogen wird. Das betonte אחד stellt dagegen einen Bezug auf das Motiv der Einheit in 37,15‐19.20‐23* her und könn‐ te darauf hindeuten, dass der Autor von 34,23f.* in 37,20‐23* bereits einen davidischen König vor Augen hat, wenn er vom רעה אחד spricht. Seine Nachinterpretation, in der er dem göttlichen Hirten von 34,11‐15* 383 In dieser Bestimmung des grundlegenden Abhängigkeitsverhältnisses mit ZIMMERLI, BK, 917; VEIJOLA, Verheißung, 165 Anm. 3. Vgl. weiterhin HOSSFELD, Untersuchun‐ gen, 248‐252, und im Anschluss an diesen OHNESORGE, Jahwe, 371‐374; GROSS, Hoffnung, 113f., die zwar eine grundsätzliche Abhängigkeit in 37,24* von 34,23f.* annehmen ()רועה אחד, aber davon ausgehen, dass die namentliche Erwähnung Davids erst nachträglich von der sekundären Ergänzung 37,24aa her in 34,23ab eingetragen worden ist.
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den Hirten David zur Seite stellt, impliziert auf jeden Fall eine nicht unerhebliche Einschränkung der Alleinzuständigkeit Jhwhs für das Heil. Diese Tendenz zur Aufwertung Davids setzt sich in der ent‐ sprechenden Fortschreibung in 37,24 fort, wo der König Jhwh in einer Aufnahme der Davidverheißung aus 34,23f.* durch die Ernennung Davids zum מלך verdrängt wird. Dies findet allerdings eine Korrektur in der nachfolgenden Fortschreibung Ez 37,25‐28*, in der David mit der Titulatur נשׂיא wieder an den ihm zukommenden Platz verwiesen wird (V 25). Auf dieselbe Hand kann schließlich auch die Ergänzung in 34,24ab zurückgeführt werden, in der David in gleicher Weise sekun‐ där als נשׂיא bezeichnet wird.384 Damit ist nur noch offen, welche Funktion die ursprüngliche Zei‐ chenhandlung Ez 37,15‐19* im Rahmen dieses gegenseitigen Ausle‐ gungsvorganges wahrnimmt und wie der Einzelversnachtrag Ez 37,23* redaktionell einzuordnen ist. 37,15‐19* weist mit Ausnahme von אחד, das wahrscheinlich über die Fortschreibung in 37,20‐23* in 34,23f.* auf‐ genommen worden ist, keine literarischen Verbindungen mit den Tex‐ ten in Ez 34,11ff. auf. In Bezug auf 34,11‐15* deutet die Tatsache, dass die Nachinterpretation der Symbolhandlung in 37,20‐23* diesen Text bereits voraussetzt, darauf hin, dass 37,15‐19* dem Stück 34,11‐15* ent‐ weder vorausgeht oder auf derselben literarischen Ebene einzuordnen ist. Allerdings zeigt 37,15‐19* kein Interesse an der Situation der Diaspora, sondern mit der Spaltung in Nord‐ und Südreich wird ein Problem im Land thematisiert. Diese Perspektive auf die Situation im Land bringt den Text eher in die Nähe des Grundwortes im Hirten‐ kapitel 34,1‐10*, das sich ebenfalls mit der Lage des Volkes im Land beschäftigt. Diese literarische Einschachtelung macht am ehesten eine redaktionelle Position von 37,15‐19* zwischen der Abfassung von 34,1‐ 10* und 34,11‐15* wahrscheinlich; die Frage wird aber nicht letztgültig zu entscheiden sein, da die Stücke nicht zu erkennen geben, inwieweit sie aufeinander bezogen sind. Auch der Einzelversnachtrag in Ez 37,23* zeigt mit dem Thema der kultischen Reinheit keine Berührungen mit dem Hirtenkapitel. Die ver‐ wendete Terminologie deutet insgesamt auf eine relativ späte Abfas‐ sung hin. So ist die Rettungsaussage mit ישׁע hif. im gesamten Buch außer in 37,23 nur noch in 34,22 und 36,29 belegt, zwei Texten, die zu den spätesten Fortschreibungen im Bereich von Ez 34‐39 gehören.385 Die Verunreinigung (טמא hitp.) mit den Mistdingern ()גלולים verweist 384 So vermutungsweise auch HOSSFELD, Untersuchungen, 283, und mit größerer Sicher‐ heit OHNESORGE, Jahwe, 373, und GROSS, Hoffnung, 113f. Für diese These könnte ebenso die parallele Verwendung von בתוכם in 34,24ab und 37,26 sprechen. 385 Vgl. dazu o. Kap. II. 3.4. und Kap. III. 1.2.
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dagegen auf den Nachtrag Ez 36,18abb (36,18*), in dem das Exil mit der Verunreinigung (טמא pi.) des Landes durch die Mistdinger der Israeli‐ ten begründet wird.386 Die Kombination von גלול mit dem Verb טמא ist überhaupt nur im Ezechielbuch belegt387 und findet sich im Kontext der Heilsworte einzig in 36,18* und 37,23*. In 37,23* ist deshalb dasselbe redaktionelle Interesse wie in 36,18* zu vermuten, so dass mit der erweiterten Restaurationsverheißung 37,20‐23 auch ein Rückfall in die Verhaltensweisen ausgeschlossen werden soll, die zur Diasporasitu‐ ation bzw. zur Trennung des Volkes geführt haben. 5.4. Die Zeichenhandlung von der Wiedervereinigung 5.4.1. Zur Frage nach den literarischen Vorlagen Die Zeichenhandlung von der Wiedervereinigung in Ez 37,15‐19388 wirft sowohl in formaler wie auch in inhaltlicher Sicht Fragen nach ihrem Hintergrund auf. So ist bereits ihre Sonderstellung als einzige „heilsprophetische“ Symbolhandlung im Buch angesprochen worden, die einen Vergleich mit den gerichtsprophetischen Zeichenhandlungen im ersten Buchteil nahe legt. Das Ezechielbuch enthält in Kap. 1‐24 eine Reihe von Texten, die sich unter dem Gattungsbegriff „Prophetische Zeichenhandlung“ subsumieren lassen. Nach der formgeschichtlichen Definition von FOHRER enthalten diese Texte „Verkündigung durch die Tat“389 und sind durch die regelmäßig wiederkehrenden Merkmale „Befehl zur Ausführung der symbolischen Handlung“, „Bericht über die Ausführung“ und „Deutung“ charakterisiert.390 Allerdings muss FOHRER selbst feststellen, dass diese drei Merkmale nicht immer alle vertreten sind und sich überhaupt nur in sieben der von ihm angeführ‐ ten 32 Zeichenhandlungen im Alten Testament finden.391 Es erscheint deshalb angebrachter, in einer weiteren Definition da von einer Sym‐ bolhandlung zu sprechen, wo eine Aktion des Propheten als von Jhwh veranlasst dargestellt wird, so dass die Handlung aus dieser Indienst‐ 386 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.2. 387 Vgl. Ez 18,6.15; 20,7.18.31; 22,3.4 (mit Jerusalem als Subjekt); 23,7 (von Ohola als dem personifizierten Samaria); 23,30 (von Oholiba, dem personifizierten Jerusalem); 36,18; 37,23. Allerdings wird טמא an diesen Stellen in unterschiedlichen Stämmen ver‐ wendet. 388 Im Folgenden steht nur dann ein Stern (*), wenn die Textabgrenzung explizit auf die Grundschicht bezogen ist. 389 FOHRER, HAT, 28. Vgl. weiterhin die Darstellung bei SCHÖPFLIN, Theologie, 216‐224, und die dort angegebene Literatur. 390 Vgl. FOHRER, Handlungen, 17f. 391 Vgl. FOHRER, Handlungen, 18.
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nahme des Propheten ihre theologische Legitimität und ihren Sinn‐ gehalt erhält. Im Fall des Ezechielbuches spricht die mehrfache Ver‐ wendung dieser Form dafür, dass bereits eine literarische Konvention über die Schilderung derartiger Handlungen besteht,392 die im Buch zur bildhaften Darstellung der Verkündigung genutzt wird. Für die vergleichende Analyse bietet sich insbesondere der einleitende Zei‐ chenhandlungszyklus in Ez 4,1‐5,4 an, zu dem Ez 37,15‐19 eine Reihe von sprachlichen Querverbindungen aufweist. Nach dem formgeschichtlichen Teil ist in einem zweiten Abschnitt der Inhalt der Symbolhandlung in den Blick zu nehmen. Das Motiv der Wiedervereinigung von Nord‐ und Südreich stellt nicht nur im Buch selbst eine singuläre Verheißung dar, sondern wird auch im gesamten Alten Testament nur in wenigen Texten im Rahmen der Heilszukunft thematisiert; vgl. Hos 2,2; Jer 3,18 (23,6; 30,3); Sach 10,6; Jes 11,11‐16; Ob 16‐21 und die Israelperspektive in Jer 30f.*. Bei der vergleichenden Analyse wird deshalb danach zu fragen sein, inwieweit im Ezechiel‐ buch ein neuer Gedanke vorliegt und welche Bedeutung die Verhei‐ ßung für die Heilskomposition des Buches hat. 5.4.2. Zeichenhandlungen im Ezechielbuch Nach der Darstellung des Buches beginnt die Verkündigung des Pro‐ pheten in Ez 4,1‐5,4 mit einer Reihe von Zeichenhandlungen, die das Gericht über Jerusalem symbolhaft vorwegnehmen und darin exposi‐ torische Funktion für den ersten Buchteil haben: „Die sich vollziehende Katastrophe wird programmatisch an den Anfang gerückt und erhält damit besonderes Gewicht.“393 Mit der Mehrheit der Exegeten kann vermutet werden, dass die Grundschicht des Zyklus eine Reihung von drei Zeichenhandlungen umfasst, in denen die Belagerung der Stadt, die Not der Bewohner während der Belagerung und das Geschick der Bevölkerung nach der Einnahme abgebildet werden (Ez 4,1f.9‐11*; 5,1f.*).394 Für die These spricht auch, dass mit dieser Abgrenzung ein dreistrophiges Grundwort vorliegt, in dem die einzelnen Texteinheiten jeweils mit der Aufforderung קח־לך (4,1.9; 5,1) an den Propheten er‐ öffnet werden. Die im weiteren Verlauf des Buches folgenden Zeichen‐ 392 Vgl. SCHÖPFLIN, Theologie, 220. 393 SCHÖPFLIN, Theologie, 233. Zur programmatischen Funktion von Ez 4,1‐5,4 vgl. insgesamt SCHÖPFLIN, a.a.O., 199‐233. 394 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 61‐63; ZIMMERLI, BK, 100‐103; FUHS, NEB, 32; POHLMANN, ATD, 82. Die Dreizahl der Handlungen ist aber nicht unumstritten, vgl. exempla‐ risch FOHRER, HAT, 28, der vier Berichte über symbolische Handlungen in Kap. 3,16‐ 5,17 unterscheidet; zu weiteren Vorschlägen siehe die Übersicht bei SCHÖPFLIN, Theologie, 214 Anm. 457.
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handlungen in Ez 12,1‐20; 21,11f.17f.24‐27 und 24,15‐24395 konkretisie‐ ren die Botschaft der ersten Symbolhandlungen in 4,1‐5,4 und stellen weitere Aspekte der Belagerung und der Einnahme Jerusalems dar. Von dieser Reihe gerichtsprophetischer Zeichenhandlungen unter‐ scheidet sich Ez 37,15‐19 zuerst durch die Position im dritten Buchteil; es ist die einzige Zeichenhandlung des Buches, die in der Handlung des Propheten heilsprophetische Verkündigung abbildet. Allerdings weist der Text einige Berührungen mit dem programmatischen Zyklus in Ez 4,1‐5,2* auf. Er scheint den Zeichenhandlungen aus Kap. 4,1‐5,2* formal nachgebaut zu sein, indem der Prophet ebenfalls mit dem Impe‐ rativ קח־לך zur Handlung aufgefordert wird (37,16; vgl. noch den impe‐ rativischen Beginn עשׂה לך in 12,3).396 Mit Ez 4,1 und 5,1 ist das Stück auch durch die erweiterte Einleitung ואתה בן־אדם קח־לך (37,16) verbun‐ den. Es ist weiterhin auffällig, dass sowohl die Zeichenhandlungsreihe in Kap. 4f. als auch 37,15‐19 jeweils im Anschluss an eine Vision posi‐ tioniert sind (Ez 1‐3; 37,1‐14).397 Allerdings fällt es schwer, in dieser Korrespondenz ein System zu erkennen: Die „Dreizeichenkomposi‐ tion“398 in 4,1‐5,4 folgt direkt auf die Berufungsvision des Propheten in Ez 1‐3 und stellt programmatisch den Inhalt seiner Verkündigung dar. Formal finden die drei Symbolhandlungen noch im visuellen Kontext der Eingangsvision statt, da in 4,1ff. eine ausdrückliche Ein‐ oder Über‐ leitung fehlt.399 37,15‐19 ist dagegen durch die Wortereignisformel in V 15 von der vorhergehenden Vision getrennt und inhaltlich nur lose mit dieser verbunden. Die Texte berühren sich lediglich in der gemein‐ samen Verwendung des Verbums קרב, die vielleicht so zu deuten ist, dass die Wiederherstellung der Einheit Israels (קרב pi., 37,17) der Wie‐ 395 In dieser Abgrenzung mit SCHÖPFLIN, Theologie, 224 (vgl. auch DIES., Ezechiel, 26 Anm. 16). FOHRER, Handlungen, 18 (vgl. die Einzelanalysen FOHRER, a.a.O., 47‐69), ordnet neben den vier Berichten in Kap. 4f. im Ezechielbuch die folgenden Texte als Zeichenhandlungen ein: Ez 12,1‐11.17‐20; 21,11f.23‐29; 24,1‐14; 24,15‐24; die Reihe 3,22‐27; 24,25‐27; 33,21f. sowie 37,15‐28. 396 So auch ZIMMERLI, BK, 907. 397 SCHÖPFLIN, Theologie, 224 mit Anm. 503, weist darauf hin, dass sich insgesamt drei‐ mal im Ezechielbuch die Abfolge Vision (Kap. 1‐3; 8‐11; 37,1‐14) – Handlung (Kap. 4f.; 12,1‐20; 37,15‐28) – Wortverkündigung (Kap. 6f.; 12,21ff.; 38f.) finde. In Bezug auf Kap. 37 ist diese These aber dahingehend zu modifizieren, dass nach dem Zeugnis von Pap. 967 Ez 37 in der Entstehungsgeschichte des Buches lange Zeit vor Kap. 40 eingestellt war, und sich die Wortverkündigung vielmehr schon in der sekundären Deutung 37,20‐22 und den folgenden Fortschreibungen findet. 398 ZIMMERLI, BK, 111 u. ö. 399 Vgl. COOKE, ICC, 57: „all is taking place in vision“; ferner POHLMANN, ATD, 81, und SCHÖPFLIN, Theologie, 215. SCHÖPFLIN kommt ebd. zu dem Schluss, dass durch die Situation im Kontext der Vision die Legitimation der Botschaft Ezechiels noch gestei‐ gert werde, da „der Angeredete immer noch diesen ausgezeichneten Ausnahme‐ zustand besonderer Gottesgegenwart erfährt“.
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derbelebung des Hauses Israels im Zusammenrücken der Knochen (קרב kal, 37,7) entspricht.400 Inhaltlich gibt es dagegen wenig Übereinstimmungen von Ez 37,15‐ 19 mit den ursprünglichen Zeichenhandlungen in Ez 4,1‐5,2*, da diese auf das Gericht über Jerusalem bezogen sind, während 37,15‐19 die heilvolle Zukunft des Gottesvolkes im Blick hat. Allerdings ist hier die nachträgliche Erweiterung der Komposition durch die Zeichenhand‐ lung in Ez 4,4‐8401 zu berücksichtigen, die sich darin mit 37,15‐19 berührt, dass das Schicksal von Nord‐ und Südreich im Verhältnis zueinander thematisiert wird.402 In dieser Zeichenhandlung soll der Prophet durch die Gebundenheit des eigenen Körpers die Dauer der Strafzeit für das Haus Israel (4,4f.) wie für das Haus Juda (4,6) vorab‐ bilden.403 In diesem Zusammenhang wird aber V 6 generell als nach‐ trägliche Interpretation bewertet, die das „Haus Israel“ ()בית־ישׂראל in 4,4f. als Bezeichnung für das Nordreich verstehen will und entspre‐ chend das Haus Juda ()בית־יהודה in 4,6 nachträgt.404 Auch wenn die Perspektive auf Nord‐ und Südreich erst sekundär hergestellt worden ist, bildet sie doch auf der Ebene der vorliegenden Buchgestalt eine inhaltliche Korrespondenz zu 37,15‐19. Auf diese Weise wird dem ge‐ trennten Gericht über die zwei Teilstaaten in der Zeichenhandlung Ez 4,4‐8 symbolisch die Wiedervereinigung der beiden Teilgrößen in der Zukunft gegenübergestellt. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Tex‐ te mit Bezug aufeinander verfasst worden sind, auch wenn die Frage der literarischen Priorität hier offen bleiben muss. Außerhalb des Ezechielbuches hat Ez 37,15‐19 noch eine enge Parallele in der Symbolhandlung Jes 8,1, in der der Prophet Jesaja den Namen seines zukünftigen Sohnes als „Schnell‐Raub Eile‐Beute“ auf eine Tafel schreiben soll ()כתב. Die Stücke berühren sich in der Auffor‐ 400 Vgl. dazu u. Kap. III. 6.3. 401 Zur Sekundarität von Ez 4,4‐8 innerhalb des Zeichenhandlungszyklus vgl. HÖL‐ SCHER, Hesekiel, 62; EICHRODT, ATD, 30; ZIMMERLI, BK, 114f.; POHLMANN, ATD, 89, und SCHÖPFLIN, Theologie, 204. 402 Vgl. darüber hinaus nur noch Ez 23, wo im Bild der zwei Schwestern Ohola und Oholiba das Geschick der beiden Schwestergrößen Samaria und Jerusalem verhan‐ delt wird. 403 Zur Zahlensymbolik in 4,4‐8 und den damit verbundenen Interpretationsproblemen vgl. POHLMANN, ATD, 90‐92; SCHÖPFLIN, Theologie, 205f., und die dort angegebene Literatur. 404 Vgl. SCHÖPFLIN, Theologie, 206. POHLMANN, ATD, 89, beurteilt Ez 4,5f. insgesamt als „nachtragsverdächtig“; vgl. auch ZIMMERLI, BK, 122, der innerhalb von Ez 4,4‐8 mit einer „Mehrzahl von Interpretationsphasen“ rechnet. Selbst Exegeten wie KRÜGER, Geschichtskonzepte, 121; ALLEN, WBC 28, 68, und GREENBERG, AncB, 118, die die Zeichenhandlung in 4,4‐8 zur Grundschicht der Zeichenhandlungskomposition in 4,1‐5,4 ziehen, scheiden 4,6 als sekundären Nachtrag aus.
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derung קח־לך mit folgendem Imperativ וכתב. Da die ezechielische Sym‐ bolhandlung der längere und detailreichere Text ist, liegt die Vermu‐ tung nahe, dass die Formulierung in Ez 37,16 literarisch von Jes 8,1 inspiriert worden ist.405 Der Symbolgehalt der Aufschrift, die in Jes 8,1 auf das kommende Unheil vorausweist, ist in Ez 37,16 übernommen und heilsprophetisch gewendet worden. Allerdings transportiert in Ez 37,15‐19 nicht die Aufschrift an sich den Gehalt der Handlung, sondern die Aufschrift dient dem Verständnis der Aktion. Ez 37,15‐19 weist damit einige Bezüge zu Texten innerhalb und außerhalb des Buches auf. Während es in seinem formalen Aufbau die einleitende Komposition der drei Zeichenhandlungen in Ez 4,1‐5,2* kopiert, scheint sich die konkrete Handlung des Aufschreibens einer Anspielung auf Jes 8,1 zu verdanken. Wie der Verfasser von Ez 4,1‐5,2* greift der Autor von Ez 37,15‐19* wahrscheinlich bewusst auf die Form der Symbolhandlung zurück, um seiner Botschaft eine besondere theo‐ logische Legitimität zu verleihen. Der entscheidende Unterschied zu den Parallelen im Jesaja‐ und im Ezechielbuch besteht darin, dass die Symbolhandlung einen heilsprophetischen Inhalt hat, so dass hier eine beabsichtigte Aufnahme und Ablösung der vorangehenden gerichts‐ prophetischen Zeichenhandlungen zu vermuten ist. Dabei ist es mög‐ lich, dass Ez 37,15‐19* inhaltlich direkt auf die sekundäre Symbolhand‐ lung von der Gerichtsstrafe der getrennten Häuser Juda und Israel in Ez 4,4‐8 reagiert. Mit dem Ende der Strafe geht auch die Wieder‐ vereinigung der beiden Israel‐Teilgrößen einher, so dass alle folgenden Heilsworte nun dem einen Israel gelten. 5.4.3. Das Motiv der Wiedervereinigung Der Zusammenschluss von Nord‐ und Südreich zum Gesamtvolk Israel spielt in nur wenigen Texten des Alten Testaments eine Rolle. Wird danach gefragt, ob der Autor von Ez 37,15‐19* mit diesem Motiv auf ein vorgegebenes Heilswort zurückgreift, kommen mit Hos 2,2; Jer 3,18 (23,6; 30,3); Sach 10,6; Jes 11,11‐16 und Ob 16‐21 die Texte in Frage, in denen explizit zwei Teilgrößen Israels erwähnt werden.406 Darüber hinaus ist auch die Grundkomposition von Jer 30f.* mit in die Über‐ legungen einzubeziehen, da hier in gleicher Weise eine gesamtisraeli‐ 405 Vgl. BECKER, Jesaja, 98. Er zieht auch in Erwägung, dass die Verkoppelung von Beru‐ fungsvision und Zeichenhandlungen in Ez 1‐3*; 4,1‐5,2* in Jes 6,1‐8*; 8,1‐4* ihr Vor‐ bild habe (vgl. ebd.). 406 Weiterhin wird auch in der Chronik die Frage eines geeinten Israels ausführlich thematisiert. Zur folgenden Untersuchung der Vorstellung eines geeinten Israels vor dem Hintergrund von Ez 37,15‐19 vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 354‐361.
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tische Perspektive von Bedeutung für die Konzeption der Heilsver‐ heißung ist. In Hos 2,2 ist davon die Rede, dass sich die Söhne Judas mit den Söhnen Israels versammeln werden (קבץ ni.), um ein gemeinsames Oberhaupt ()ראשׁ אחד zu wählen und aus dem Land heraufzuziehen ()עלה. Die Wendung עלה מן־הארץ kann auf die Rückkehr aus dem Exil gedeutet werden,407 wobei allerdings der singuläre Gebrauch von ארץ für den Exilsort auffällig ist. Hier liegt damit die Vorstellung zugrunde, dass sich Juda und Israel gemeinsam im Exil befunden haben, aus dem sie deshalb auch zusammen zurückkehren werden. In gleicher Weise drückt Jer 3,18 die Hoffnung aus, dass das Haus Juda mit dem Haus Israel zusammengehen und sie gemeinsam ()יחדו aus dem Land des Nordens in das Land zurückkehren werden ()בוא. Das Motiv, dass die Exilierten aus dem Land des Nordens zurückkommen werden, findet sich an mehreren Stellen im Jeremiabuch (vgl. Jer 16,15; 23,8; 31,8); dahinter kann literarisch die Aufhebung der vorhergehenden Unheils‐ prophetie vermutet werden. Das Volk wird von dort zurückkehren, von wo aus der Feind aus dem Norden gegen die Tochter Zion gezo‐ gen ist (בוא, vgl. Jer 6,22). Vielleicht steht dahinter aber auch die simple Tatsache, dass die Exulanten aufgrund geographischer und infrastruk‐ tureller Gegebenheiten von Norden her in das Land Israel zurück‐ gekehrt sind. Jer 30,3 spricht ebenfalls von der Rückführung Israels und Judas durch Jhwh, wobei es sich allerdings um eine einfache Nebeneinander‐ stellung der beiden Israelgrößen handelt, ohne dass der Aspekt der Gemeinsamkeit besonders hervorgehoben wird. Die Reihung von Isra‐ el und Juda in Jer 23,6 findet sich dagegen nicht im Rahmen einer Rückführungsverheißung, sondern im Anschluss an die Ankündigung des Davidsprosses, dessen Regentschaft sich heilvoll für Juda und Israel auswirken wird. In gleicher Weise verkündet Jhwh in Sach 10,6, dass er das Haus Israel und das Haus Joseph wieder in ihrem Land wohnen lassen wird, ohne dass die Art der Wohngemeinschaft nähere Erläuterung findet. In Jes 11,11‐16 wird die Wiedervereinigung von Nord‐ und Süd‐ reich dagegen in indirekten Formulierungen ausgesagt. So ist in Jes 11,11‐16 im Anschluss an die Weissagung des zukünftigen Herrschers 11,1‐5(10) davon die Rede, dass Jhwh sowohl die Vertriebenen Israels zusammenbringen als auch die Verstreuten Judas sammeln wird (Jes 11,12). Nach der Rückführung wird es kein Konkurrenzverhältnis mehr zwischen den beiden Israelgrößen Juda und Ephraim geben, 407 So mit JEREMIAS, ATD, 35; OHNESORGE, Jahwe, 355. Anders WOLFF, BK XIV/1, 32, der die Wendung im Sinne von „s i c h d e s L a n d e s b e m ä c h t i g e n “ wiedergibt.
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sondern diese werden eine „Aktionsgemeinschaft gegen die Völker der Umwelt“408 bilden (Jes 11,13f.). So spricht auch Ob 16‐18 davon, dass das Haus Jakob und das Haus Joseph sich gegen das Haus Esau wenden werden, um es zu verzehren (אכל, V 18). Das Gebirge Esaus ()את־הר עשׂו soll gerichtet werden und die Königsherrschaft ()מלוכה wird Jhwh gehören (V 21). In Jer 30f.* findet sich schließlich eine Textschicht, für die SCHMID vorgeschlagen hat, dass sie zu den ältesten Heilsprophetien nach 587 v. Chr. gehört.409 In dieser Schicht artikulieren sich Restaurationshoff‐ nungen aus der Sicht der im Lande verbliebenen Bevölkerung, die besonders durch die Anrede des Volkes mit der Bezeichnung „Jakob“ auffallen (vgl. Jer 30,7.18; 31,11).410 Durch diesen Rekurs auf die Stäm‐ megemeinschaft in den zwölf Jakobssöhnen wird eine gesamtisra‐ elitische Identität geschaffen, die auf den Erzvätererzählungen grün‐ det.411 In einem Vergleich dieser Texte mit Ez 37,15‐19 muss zuerst auf‐ fallen, dass in keinem der Stücke die Wiedervereinigung per se zum Thema wird. So handelt es sich bei Jer 3,18 und Hos 2,2 in erster Linie um Rückführungsverheißungen, die darin übereinstimmen, dass sie vom Zusammenschluss Judas und Israels noch außerhalb des Landes sprechen und die gemeinsame Rückkehr aus dem Exil vorsehen. In gleicher Weise ist in Jer 23,6; Jer 30,3 und Sach 10,6 die heilvolle Zu‐ kunft der beiden Israel‐Teilgrößen angekündigt, ohne dass aber der Gedanke der Vereinigung besonders betont wird. Eine zweite Gruppe bilden Jes 11,11‐16 und Ob 16‐21, in denen der Zusammenschluss von Nord‐ und Südreich vor allem Voraussetzung für das gemeinsame Vorgehen gegen die Feinde ist. Dagegen steht in Ez 37,15‐19 einzig die Vereinigung von Joseph und Juda im Vordergrund, die erst sekundär in V 20‐23* auf die Rückkehr aus dem Exil bzw. der Diaspora gedeutet wird. In gleicher Weise wird der Zusammenschluss der zwei Israel‐ Teilgrößen erst redaktionell mit der Erwartung eines zukünftigen Herr‐ schers verbunden (vgl. Ez 37,20‐23*.24.25ff.), während diese in Jes 11,11‐16 vorausgeht und in Jer 23,5f. und Hos 2,2 direkt mit dem Motiv der Wiedervereinigung verbunden wird. Der Ezechieltext ist schließ‐ lich auch das einzige Stück, in dem die prophetische Zeichenhandlung 408 WOLFF, BK XIV/3, 45f. 409 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 110‐154.212‐214. 410 Bei der Übertragung der Jakobsbezeichnung auf das exilierte Volk in Jer 30,10f.; 31,7‐ 9 handelt es sich nach SCHMID um sekundäre Texte, vgl. SCHMID, Buchgestalten, 164‐ 174. 411 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 115f.
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als Form der Verkündigung gewählt wird, während es sich bei den anderen Texten durchgehend um Jhwh‐Worte handelt. Neben diesen inhaltlichen und formalen Differenzen fällt auf, dass nur sehr wenige Stichwortverbindungen zwischen Ez 37,15‐19 und den Vergleichstexten existieren. In der Bezeichnung von Nord‐ und Süd‐ reich als „Joseph“ und „Juda“ liegt eine Parallele zu Sach 10,6 vor, aber vor allem ist die Nähe zwischen der Fortschreibung Ez 37,20‐23* und Hos 2,2 zu notieren. Hos 2,2 hat darin einen entscheidenden Über‐ schuss gegenüber den anderen Vergleichstexten, dass vor der gemein‐ samen Rückkehr die Wahl eines kollektiven Oberhauptes erwartet wird. Die Formulierung ראשׁ אחד berührt sich dabei eng mit der Verhei‐ ßung des מלך אחד aus Ez 37,22, wobei die Wahl von ראשׁ allerdings weniger an einen politisch‐staatlichen Zusammenschluss als an eine soziale Stammesgemeinschaft denken lässt.412 Trotz dieser Divergenz könnte die beiden Texten gemeinsame Besiegelung der Einheit durch ein einziges Oberhaupt für ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen Hos 2,2 und Ez 37,20‐23* sprechen.413 Da die Charakterisie‐ rung als אחד ihren ursprünglichen Ort in der Zeichenhandlung Ez 37,15‐19* hat und von dort sekundär auf die Verheißung des מלך über‐ tragen worden ist, ist eher anzunehmen, dass Hos 2,2 das Motiv aus Ez 37,20‐23* übernommen hat; angesichts der singulären Querverbindung muss diese Entscheidung über die literarische Abhängigkeit aber in höchstem Maße spekulativ bleiben.414 Über Ez 37,20‐23* hinaus kann die vergleichende Analyse auch Licht auf die spätere Fortschreibung 37,25‐28* werfen, in der das neue Wohnen Israels im Land durch einen Rekurs auf die Landgabe an den Knecht Jakob begründet wird (vgl. noch Ez 20,5; 28,25; 39,25). Der Be‐ zug auf den Stammvater Israels im Kontext der Zeichenhandlung über die Wiedervereinigung scheint hier wie auch in Jer 30f.* das Ziel zu haben, eine gesamtisraelitische Perspektive in den Text einzutragen. Die vergleichende Analyse hat damit gezeigt, dass keiner der untersuchten Texte als literarische Vorlage für Ez 37,15‐19* in Frage 412 ראשׁ steht überwiegend für den Anführer einer sozialen Gruppe wie den Stammes‐ führer (z. B. Num 30,2; Ri 11,8), das Familienoberhaupt (Ex 6,14; Num 1,4), aber auch für den König Israels in der Vorstellung, dass er die Stammesführung fortsetzt (vgl. 1 Sam 15,17). Vgl. zur Anwendung auf Personen insgesamt BEUKEN, Art. ראשׁ, 277‐279. 413 In dieser Erwägung gegen OHNESORGE, Jahwe, 355f., der eine Abhängigkeit von Hos 2,2; Jer 3,18 und Ez 37,15‐19 für unwahrscheinlich hält. 414 An dieser Stelle wäre noch die thematische Parallele in Ez 37,20‐23* und Ob 21 zu be‐ rücksichtigen. In beiden Texten folgt die Königsherrschaft Jhwhs auf einen Text, der von der Wiedervereinigung zweier Israelgrößen spricht oder diese voraussetzt; die unterschiedliche Terminologie (מלך, ממלכה, Ez 37,22; vgl. מלוכה, Ob 21) macht ein lite‐ rarisches Abhängigkeitsverhältnis aber eher unwahrscheinlich.
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kommt. Es bleibt aber festzuhalten, dass sich in exilisch‐nachexilischer Zeit mit den Restaurationserwartungen im Land auch die Hoffnung auf die Wiederherstellung einer politisch‐staatlichen Einheit von Nord‐ und Südreich verbunden hat (vgl. Jer 30f.*). Allerdings steht der Zu‐ sammenschluss der beiden Israel‐Teilgrößen in keinem dieser Texte im Zentrum, sondern das Motiv ist der Verheißung der Rückführung, des zukünftigen Herrschers oder der Unheilsansage gegen Fremdvölker untergeordnet. Auch wenn keine direkten literarischen Berührungen mit Ez 37,15‐19* aufgezeigt werden konnten, so ist doch zu vermuten, dass seinem Autor die Mehrzahl der Texte schon bekannt gewesen ist. Anders als in diesen erscheint die Wiedervereinigung in Ez 37,15‐19* nicht als implizite (Mit‐)Verheißung, sondern sie wird explizit zum Thema eines eigenen Abschnittes gemacht. Hier ist als historischer Ort deshalb auch nicht mehr die exilische oder frühnachexilische Zeit an‐ zunehmen, sondern der Text scheint auf die anhaltende Trennung des Volkes in Form der beiden persischen Provinzen Juda und Samaria anzuspielen. Erst in der sekundären Auslegung 37,20‐23* verbindet sich das Motiv wie in den traditionsgeschichtlichen Parallelen mit der Rückführung des Volkes und der Idee eines zukünftigen göttlichen bzw. davidischen Herrschers. 5.5. Die Verheißung des davidischen Herrschers 5.5.1. Königserwartung und Messias Die Erwartung eines zukünftigen Herrschers gehört im Alten Testa‐ ment zu den am breitesten bezeugten Topoi der Heilsverheißung und findet sich in fast allen Büchern des corpus propheticum. Eine besondere Ausprägung gewinnt die Herrschererwartung dabei in den Texten, in denen sich wie in Ez 34,23f. und 37,24.25ff. Restaurationshoffnungen ausdrücken, die mit dem davidischen Königtum verbunden sind. Im Folgenden ist deshalb in zwei Schritten danach zu fragen, welche Rolle die Ankündigung Davids in den Heilsworten des Ezechielbuches spielt und inwieweit sie literarische oder traditionsgeschichtliche Berührun‐ gen mit den davidischen Erwartungen der anderen Prophetenbücher aufweist. Zu diesem Zweck sind zuerst die verschiedenen Vorstellun‐ gen der Herrschererwartung im Ezechielbuch und deren gegenseitiges Verhältnis zu untersuchen. Dabei wird neben den Verheißungen in Ez 34,23f. und 37,20‐23*.24.25ff. auch der heilsprophetische Anhang in Ez 17,22‐24, die Ankündigung des Kommenden in Ez 21,30‐32 sowie die Gestalt des נשׂיא in Ez 40‐48 zu berücksichtigen sein.
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Ausgehend von diesem Befund können dann in einem zweiten Schritt die Verheißungstexte der Prophetenbücher in den Blick genom‐ men werden, die in irgendeiner Form von der Erneuerung des (davi‐ dischen) Königtums sprechen. Hier ist zu überlegen, ob eine konzeptio‐ nelle oder literaturgeschichtliche Systematisierung möglich erscheint, die aufzeigt, in welcher Weise die Person Davids konstitutiv für die Erwartungen ist, und welche literarische Funktion den Verheißungen in den jeweiligen Büchern zukommt. Vor diesem Hintergrund können dann auch die davidischen Herrschererwartungen im Ezechielbuch be‐ urteilt werden. Bei den relevanten Texten handelt es sich um die drei sogenannten „messianischen“ Weissagungen aus dem Ersten Jesaja‐ buch in Jes 7,14‐16; 9,1‐6, und Jes 11,1‐5, die um die Verheißung des ge‐ rechten Herrschers auf dem Thron in Jes 16,4b‐5 und die des gerechten Königs in Jes 32,1‐5 zu ergänzen sind. Als „messianisch“ wird oft auch die Ankündigung eines neuen Herrschers aus Bethlehem in Mi 5,1‐5 beurteilt, während in den relevanten Texte des Jeremiabuches (Jer 23,5f.; 30,21; 33,14‐26) eher eine restaurative Erwartung zu sehen ist, die sich auf die Erneuerung des davidischen Königtums richtet. In Be‐ zug auf Jer 23,5f. konnte in der einleitenden Untersuchung des Hirten‐ kapitels bereits gezeigt werden, dass die Verheißung des gerechten Sprosses die Vorlage für das Davidwort in Ez 34,23f.* bildet. 415 An die‐ ser Stelle werden auch die kurze Notiz in Jer 30,8f. und die parallele Formulierung in Hos 3,5 mit in die Überlegungen einzubeziehen sein, in denen in gleicher Weise wie im Ezechielbuch David und Jhwh ne‐ beneinandergestellt werden. In den kleineren Prophetenbüchern sind schließlich noch das auf die „Hütte Davids“ bezogene Heilswort in Am 9,11f. sowie die auf Serubbabel bezogenen Texte im Haggai‐ und Sacharjabuch (Hag 2,20‐23; Sach 3,8; 4,6‐10; 6,9‐15 und 9,9f.) zu berück‐ sichtigen. In dieser Auswahl finden sich eine Reihe von Texten, die üblicher‐ weise als messianische Weissagungen verstanden werden. Nach wie vor sind Vorstellung und Begrifflichkeit des „Messias“ als eines end‐ zeitlichen Heilsherrschers in der alttestamentlichen Forschung stark umstritten,416 und diese Frage wird auch im Folgenden nicht geklärt werden können. Als Konsens kann aber gelten, dass für Titel und In‐ 415 Vgl. dazu o. Kap. II. 3.3. 416 Vgl. dazu insgesamt G. FOHRER, Messiasfrage und Bibelverständnis, SGV 213/214, Tübingen 1957, zur Problemanzeige siehe weiterhin STRAUSS, Messias, 9‐16; WASCH‐ KE, Wurzeln, 4‐9, und DERS., Frage, 157‐169. Einen Einblick in die verschiedenen Positionen zur alttestamentlichen Messiasvorstellung vermitteln die folgenden Sam‐ melbände: U. STRUPPE (Hg.), Studien zum Messiasbild im Alten Testament, SBAB 6, Stuttgart 1989, sowie I. BALDERMANN u.a. (Hg.), Der Messias, JBTh 8, Neukirchen‐ Vluyn 1993.
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halt der Messiaserwartung die alttestamentliche Königssalbung und die Verheißung einer ewigen (davidischen) Dynastie maßgebend ge‐ worden sind.417 So wird zwar in den entsprechenden Aussagen des corpus propheticum der Titel משׁיח nicht genannt,418 es lässt sich aber zeigen, dass in einigen der auf das davidische Königtum bezogenen Verheißungen eine messianische Deutung angelegt ist. Wenn damit im Folgenden untersucht wird, inwieweit die Davidworte des Ezechiel‐ buches mit anderen auf die davidische Dynastie bezogenen Verheißun‐ gen verwandt sind, so kann zumindest in dieser Hinsicht ein Beitrag zu der Frage nach den Wurzeln der Messiasvorstellung im Alten Testa‐ ment geleistet werden. Eine Einschränkung muss hinsichtlich der theokratischen Strömun‐ gen im Ezechielbuch getroffen werden. Wie die vorangehende Textana‐ lyse gezeigt hat, ist in Ez 34 und 37 die Vorstellung vom Königtum Jhwhs von einiger Bedeutung, die sich über das Ezechielbuch hinaus v. a. in den Psalmen, aber auch im Deuterojesajabuch findet. Allerdings gibt es hier keine Hinweise auf eine literarische Abhängigkeit, und da es sich auch inhaltlich um getrennte Vorstellungskomplexe handelt, wird im Folgenden auf eine Gegenüberstellung der Texte verzichtet. 5.5.2. Die Herrschererwartungen im Ezechielbuch Die erste Sondierung hat ergeben, dass für eine Untersuchung der Herrschererwartung im Ezechielbuch neben den bereits behandelten Texten Ez 34,23f. und 37,20ff. vor allem drei Texte im ersten Buchteil sowie die Gestalt des נשׂיא in Ez 40‐48 zu berücksichtigen sind. Bei Ez 17,22‐24 handelt es sich um einen nachträglichen heilspro‐ phetischen Anhang, in dem die Einpflanzung eines Zederntriebes auf dem hohen Berg Israels verheißen wird.419 Mit diesem Wort liegt die jüngste Fortschreibung der Allegorie in Ez 17,1‐10 vor, in der im Bild von Adler, Zeder und Weinstock das Geschick der letzten beiden Könige Israels thematisiert wird. Im Bild des großen Adlers, der zum Libanon kommt und den Wipfel der Zeder ()את־צמרת הארז nimmt ()לקח, um ihn ins Krämerland zu bringen (17,3f.), wird die Exilierung Joja‐ 417 Vgl. WASCHKE, Art. Messias/Messianismus, 1144, und DERS., Wurzeln, 10f. 418 Siehe aber Jes 45,1, wo der Perserkönig Kyros als משׁיח bezeichnet wird und als von Gott berufener Heilsbringer für Israel und die Völker erscheint. Allerdings geht die explizite Nennung des Kyros und damit seine Titulatur als משׁיח auf einen sekun‐ dären Bearbeiter zurück (vgl. dazu KRATZ, Kyros, 19‐33). 419 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 102; BERTHOLET, HAT, 63; COOKE, ICC, 190f.; FOHRER, HAT, 97; ZIMMERLI, BK, 377; ALLEN, WBC 28, 255; POHLMANN, ATD, 254‐256. An‐ ders LANG, Aufstand, 65, der hier einen echten Ezechieltext sieht, und BLOCK, NICOT I, 549f., dem zufolge 17,22‐24 zum Grundbestand des Kapitels gehört.
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chins durch Nebukadnezar nach Babel illustriert. Die in V 5‐10 an‐ schließende Rede vom Weinstock, der aufgrund eigener Vergehen verdorren muss, stellt dagegen Zedekia und sein Geschick dar, das in den nachfolgenden V 11‐18.19‐21 eine theologische Deutung erfährt. Im Anschluss an diese Ausführungen kehrt der Nachtrag in 17,22‐24 wieder zur Bildhälfte zurück und rekurriert auf die Motivik von 17,3f. Ebenso wie der Adler einen Zederntrieb genommen hat, kündigt nun Jhwh in 17,22 an, dass er einen Trieb vom hohen Wipfel der Zeder ()מצמרת הארז הרמה nehmen wird ()לקח, um ihn auf einem hohen und auf‐ ragenden Berg ()על הר־גבה ותלול einzupflanzen. In V 23 wird dieser Berg näher als der hohe Berg Israels ()בהר מרום ישׂראל bestimmt und der Erfolg der Einpflanzung beschrieben: Der Trieb wird Zweige treiben und zu einer majestätischen Zeder ()לארז אדיר heranwachsen. Anhand dieses Wachstums werden die anderen Bäume des Feldes das Herrschafts‐ prinzip Jhwhs erkennen, der den hohen Baum erniedrigt und den nie‐ drigen Baum erhöht (V 24). Die vorhergehende Allegorie, als deren Fortsetzung Ez 17,22‐24 zu verstehen ist, gibt die Deutungsrichtung für die Bildsymbolik des Heilswortes vor. Ebenso wie im Grundwort ist das Motiv der Libanon‐ zeder ()ארז als Anspielung auf das Königtum zu verstehen (vgl. Jer 22,6f.; 22,20‐23),420 nur dass Ez 17,22‐24 einen späteren, vermutlich nachbabylonischen Standort einnimmt. Die Wiederaufnahme von מצרת הארז in 17,22 (vgl. 17,3) zeigt an, dass Jhwh für den Neuanfang auf die nach Babylon versetzte Linie der davidischen Dynastie zurückgreifen wird. Wie von Nebukadnezar, so wird nun von Jhwh ausgesagt, dass er einen neuen Anfang macht, indem er an die babylonische Linie an‐ knüpft und ihr in Jerusalem erneut zu Größe verhilft. Das Heilshan‐ deln Jhwhs erscheint so als Überbietung und Vollendung des Handelns des babylonischen Königs und strahlt auch in die Völkerwelt aus, insofern die Völker im Bild der anderen Bäume des Feldes zur Jhwh‐ Erkenntnis gelangen werden (17,24). Mit der Übertragung der Motivik auf die Sachhälfte ist aber die entscheidende Frage danach, in welcher Art sich die Anknüpfung an die babylonische Linie vollziehen wird, noch nicht gelöst. Vielmehr gilt: „Der kleine Text 17,22‐24 zeichnet sich durch eine fast unbegrenzte Interpretierbarkeit aus, so offen und wenig festgelegt ist er.“421 Beson‐ ders die ältere Forschung tendierte dazu, in dem aus Babylon nach Jerusalem versetzten Trieb einen messianischen König zu sehen, wäh‐ rend der Text in den jüngeren Beiträgen mehrheitlich als konkrete 420 Vgl. GREENBERG, AncB, 310, und POHLMANN, ATD, 240; zur Baumsymbolik in Ez 17 siehe insgesamt LANG, Aufstand, 38‐46. 421 LANG, Aufstand, 65.
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Erwartung eines neuen davidischen Herrschers verstanden wird.422 Die Trennung zwischen diesen Alternativen ist fließend, es kann aber auf jeden Fall festgehalten werden, dass die Geschichte der davidischen Dynastie für den Autor von Ez 17,22‐24 mit Jojachin nicht an ein Ende gekommen ist. Vielmehr hat das davidische Herrschertum eine Zu‐ kunft in Jerusalem, die allerdings allein vom Handeln Jhwhs abhängig ist und deren genaue Einzelheiten im Dunkel bleiben.423 Diese Zukunft ist dabei eng mit dem Zion verknüpft, dem „hohen Berg Israels“, auf dem Jhwh den Zederntrieb einpflanzen will. Dieses geschieht nicht in einer binnenisraelitischen Perspektive, sondern das Handeln Jhwhs vollzieht sich vor der Völkerwelt, die dadurch Jhwh‐Erkenntnis er‐ langt.424 Der zweite Text in Ez 21,30‐32 steht innerhalb eines Kapitels, das in einer Folge von Texteinheiten in V 1‐5.6‐10.11f.13‐22.23‐32.33‐37 die ge‐ gen Jerusalem in Gang gesetzten Unheilsmächte ankündigt.425 In V 23‐ 32 erhält der Prophet die Anweisung zu einer Zeichenhandlung, die das Vorrücken Nebukadnezars gegen Jerusalem symbolisiert, an die sich zwei Gerichtsworte anschließen. Das zweite Gerichtswort in V 30‐ 32 ist an den Fürsten in Jerusalem gerichtet, für den der Tag der Strafe gekommen ist (V 30). Dabei kann es sich nur um Zedekia handeln, dem Jhwh im Bild des Verlusts der königlichen Insignien Kopfbund ()מצנפת und Krone ()עטרה die Amtsenthebung ansagt (V 31a).426 Begründet wird 422 Zur Deutung auf einen messianischen Zukunftsherrscher vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 102; GRESSMANN, Messias, 255; BERTHOLET, HAT, 63; FOHRER, HAT, 97; ZIMMERLI, BK, 389; EICHRODT, ATD, 142, und LEVENSON, Theology, 79. Eine Auslegung auf einen neuen (politischen) Herrscher vertreten dagegen BALTZER, Ezechiel, 137; SEYBOLD, Königtum, 142‐145; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 334; und POHLMANN, ATD, 256, nach dem hier an die „Restitution des davidischen Königtums“ zu denken ist. Die Versuche, 17,22‐24 als Begründung von Jhwhs eigenem Herrschertum (vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 277; BECKER, Messiaserwartung, 57) oder als Über‐ tragung der Königsherrschaft auf das Volk (vgl. VEIJOLA, Verheißung, 166 Anm. 7) zu interpretieren, müssen an der textlichen Bezogenheit von 17,22‐24 auf 17,3f. schei‐ tern. 423 So kann mit RUDNIG, Heilig, 160, davon gesprochen werden, dass sich Jhwh „für die von Jojachin ausgehende davidische Linie noch eine Option für die Zukunft offen hält.“ 424 Dies erinnert an die Völkerperspektive in Ez 38,1‐39,22 und 36,16‐23ba; 39,23‐29; vgl. dazu o. Kap. III. 2.3. und III. 3.3. 425 Vgl. dazu ZIMMERLI, BK, 460‐501; POHLMANN, ATD, 313‐326, sowie ausführlich SCHÖPFLIN, Theologie, 21‐55. 426 מצנפת findet sich außer in Ez 21,31 nur noch in priesterschriftlichen Passagen in Ex 28,4.37bis.39; 29,6; 39,28.31 und Lev 8,9bis; 16,4, wo es für die Kopfbedeckung des Priesters steht, während עטרה sowohl die königliche Krone als auch in übertragener Bedeutung ein auszeichnendes Attribut bezeichnen kann (vgl. dazu SCHÖPFLIN, Theologie, 45f.). Ähnlich wie in Ez 21,31 symbolisiert auch in Jer 13,18 der Verlust der Krone ()עטרה den Verlust der Herrschaft.
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dieses Gericht mit der Umkehrung der gegenwärtigen Verhältnisse, durch die Jhwh das Niedrige erhöhen und das Hohe erniedrigen wird (V 31b).427 V 32a fasst Jhwhs Gericht über Jerusalem in das dreifache עוה („Trümmer“), während V 32b die Begrenzung eines nicht näher be‐ stimmten Zustandes ankündigt ()זאת לא חיה, bis einer kommt, dem Jhwh das Recht/den Rechtsentscheid gibt ()אשׁר־לו המשׁפט ונתתיו. Es fällt auf, dass sich das feminine Suffix der Verbform אשׂימנה in V 32a auf Jerusalem zurückbezieht, dessen Geschick zuletzt in V 23‐28 thematisiert worden ist. Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass in V 30f. mit dem Gerichtswort über den Fürsten Israels ein nachträglicher Ein‐ schub vorliegt, so dass mit einem ursprünglichen Anschluss von V 32 an V 23‐28(29) gerechnet werden kann.428 Eventuell ist V 32 auch in sich noch literarisch mehrschichtig, aber diese Frage ist textintern kaum zu entscheiden, sondern hängt an der Deutung der kommenden Herr‐ schergestalt in V 32b. Entscheidend für die Beantwortung ist die Situ‐ ation, auf die sich das זות bezieht und von der gesagt wird, dass sie nicht von Dauer ist. Liegt mit זאת ein Bezug auf die Zeit der Trümmer vor, die durch den einen beendet wird, dann handelt es sich um ein Heilswort, das von einem zukünftigen Herrscher spricht. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass V 32b gegenüber V 32a sekundär ist und erst nach der Einschreibung von V 30f. angefügt worden ist, um den kommenden Herrscher als das Gegenbild zu Zedekia zu zeich‐ nen.429 Weist זאת aber über V 32 hinaus auf den Zustand der (noch) herr‐ schenden Ordnung, der durch die bevorstehende Einnahme der Stadt beendet wird, dann ist die Ankündigung des Kommenden als Anspie‐ lung auf Nebukadnezar zu interpretieren, der als Vollstrecker des göttlichen Gerichtes die Ordnung zerstören wird. Für letztere Deutung könnte der Gebrauch der Wendung נתן משׁפט in Ez 23,24 sprechen, wo die Formulierung die Bedeutung „das Gericht an jemanden überge‐ ben“ hat und auf Babel und die Fremdvölker als Gerichtswerkzeuge Jhwhs bezogen ist. Eine literarkritische Differenzierung innerhalb von 427 In der Formulierung dieses göttlichen Herrschaftsprinzips mit שׁפל und גבה hat Ez 21,31 eine Parallele in 17,24. Die Verse haben auch inhaltliche Berührungen, da die‐ ses Prinzip in beiden Fällen mit dem göttlichen Strafhandeln an Zedekia in Verbin‐ dung gebracht wird. 428 So auch Schöpflin, Theologie, 47f. (vgl. dazu auch Anm. 429), während ansonsten in der Sekundärliteratur fast ausnahmslos die literarische Einheitlichkeit von V 30‐32 vertreten wird. 429 Siehe dazu SCHÖPFLIN, Theologie, 47f., die V 32a zur ursprünglichen Textfolge rech‐ net und in V 32b einen weiteren Nachtrag sieht, der „von einem (endzeitlichen?) von Gott besonders ermächtigten Herrscher“ spreche und sich „in die Reihe der sogen. ‘messianischen’ Texte“ einreihe.
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V 32 ist in diesem Fall nicht zwingend erforderlich. M. E. spricht die sprachliche Parallele in Ez 23,24 dafür, den kommenden Herrscher in V 32b mit dem König von Babel zu identifizieren, der von Jhwh mit dem Gerichtsbescheid ()משׁפט über die Stadt ausgestattet worden ist,430 so dass ursprünglich keine Herrschererwartung vorliegt. Sekundär könnte allerdings durch die Vorschaltung des Gerichtswortes gegen Zedekia in V 30f. eine Neulesung des nachfolgenden V 32 intendiert sein. Die Ankündigung des Kommenden wird auf diese Weise mehr‐ deutig und kann vor der dunklen Folie des Frevelfürsten auch als Hoffnung auf einen „rechtmäßig“ von Gott ermächtigten Herrscher verstanden werden. Damit bleiben nur noch die ‐נשׂיאTexte in der Vision des neuen Tempels Ez 40‐48. In diesen Texten ist von der Gestalt eines נשׂיא („Fürst“) die Rede, der bestimmte Aufgaben im Kult zu erfüllen hat und dabei gewissen Vorrechten und Einschränkungen unterliegt. Es erweist sich jedoch als äußerst schwierig, grundsätzliche Aussagen über den נשׂיאzu treffen, da er in Ez 44,3 das erste Mal unvermittelt auftritt und weder seine Identität noch seine Funktion im Folgenden grundlegend erklärt werden. Bei einem Durchgang durch die relevanten Texte fällt zuerst auf, dass es Widersprüche zwischen den Prärogativen des Fürsten auf der einen Seite und deren Einschränkungen auf der anderen Seite gibt.431 So umfassen seine Vorrechte einen exklusiven Zugang zum Tempel (44,3) und einen besonderen Anteil am Land (45,7.8a; 48,21f.). Ihm ge‐ bührt außerdem das Recht auf Abgaben des Volkes (45,16) und er erscheint als der einzige Kultakteur, der die verschiedenen Opfer voll‐ zieht (45,17, vgl. 45,21‐25; 46,4‐7.12). Demgegenüber erfährt die freie Verfügungsgewalt des Fürsten über seinen Landanteil in 46,16‐18 eine nachträgliche Einschränkung, während sein exklusiver Zugang zum Tempel in 46,1‐3.8‐10 durch ein System von Gang‐ und Torordnungen zugunsten der Priesterschaft eingeschränkt wird. In gleicher Weise scheint in einigen Texten der kultische Vorrang des Fürsten auf den Priester übergegangen zu sein (45,18‐20); so ist in 46,2 sogar davon die Rede, dass allein die Priester die Opfer vollziehen, während der Fürst an den Pfosten der Tore stehen bleiben muss. Schließlich wird in 45,8b.9 die Gruppe (pl.!) der Fürsten (נְ ִשׂיאַי/)נְ ִשׂי ֵאי angeredet, die von 430 Siehe dazu ausführlich ZIMMERLI, BK, 494f.; vgl. weiterhin LANG, Ezechiel, 119; LEVENSON, Theology, 76, und POHLMANN, ATD, 321f. Eine heilsprophetische Deu‐ tung vertreten u.a. HÖLSCHER, Hesekiel, 115; BERTHOLET, HAT, 79, und FOHRER, HAT, 125f. LAATO, Josiah, 176, lässt die Entscheidung offen. 431 Vgl. zum Folgenden die ausführliche Darstellung bei RUDNIG, Heilig, 137‐141. Zum נשׂיא in Ez 40‐48 insgesamt vgl. RUDNIG, a.a.O., 137‐164, und ZIMMERLI, BK, 1227‐ 1229.
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Jhwh ermahnt werden, das Volk nicht mehr zu unterdrücken und des‐ sen Grundbesitz zu respektieren. Es steht außer Frage, dass der Wechsel zwischen Vorrechten und Einschränkungen des Fürsten nicht auf eine einzige Hand zurück‐ geführt werden kann,432 sondern die Widersprüche einer literarkriti‐ schen Lösung bedürfen. So hat bereits GESE die Vorrangstellung des נשׂיא zu einem literarkritischen Kriterium innerhalb des Verfassungsent‐ wurfes gemacht433 und RUDNIG führt diese These konsequent weiter, indem er zu dem Urteil kommt: „Bevor eine Option eingeschränkt wer‐ den kann, muß sie erst einmal behauptet werden; daher rangieren grundsätzlich die Texte, die die Rolle des Fürsten positiv zeichnen, chronologisch wie ideell vor den Texten, die seine Kompetenzen ein‐ schränken.“434 Für die weitere Untersuchung kann deshalb davon aus‐ gegangen werden, dass der נשׂיא in Ez 40‐48 literarisch ursprünglich als positiv besetztes Oberhaupt eingeführt wird, dem wichtige kultische Pflichten obliegen. Eventuell kann die an den Fürsten vorgebrachte Sozialkritik, die u.a. ermahnt werden, das Volk nicht mehr zu unter‐ drücken und Recht und Gerechtigkeit (ומשׁפט וצדקה, 45,9) zu üben, da‐ hingehend gedeutet werden, dass die Aufgaben des Fürsten auch politische Pflichten umfassten.435 Allerdings gehören diese Stücke mit großer Wahrscheinlichkeit zu der literarischen Überarbeitung der ‐נשׂיא Texte, in der die Rechte und Pflichten des Fürsten eine nachträgliche Einschränkung zugunsten der Priesterschaft erfahren haben.436 Die Hauptaufgabe der ursprünglichen ‐נשׂיאGestalt liegt damit allein im kultischen Bereich. Die Frage, ob sich mit dieser Figur die Hoffnung auf einen zukünftigen (messianischen) Herrscher verbindet oder ob hier ein Bezug auf eine reale Person der exilisch‐nachexilischen Ge‐ schichte vorliegt,437 kann erst nach einem Überblick über die sonstige 432 So gegen EBACH, Kritik, 194‐206, der die These eines planvollen Ineinanders von Vorrechten und Einschränkungen vertritt. 433 Vgl. GESE, Verfassungsentwurf, 85‐87.110f., der von einer „nasi‐Schicht“ im Verfas‐ sungsentwurf ausgeht, die die folgenden Texte umfasst habe: Ez 44,1‐3; 45,21a.22ff.; 46,10‐12. Im Anschluss an diesen und mit kleineren Modifikationen vgl. ZIMMERLI, BK, 1244‐1249. 434 RUDNIG, Heilig, 138. Als ursprüngliche ‐נשׂיאTexte bestimmt er Ez 45,17a.21a.22‐25; 46,6‐7. Gegen GESE, Verfassungsentwurf, 110, sieht er in diesen Texten allerdings keine eigene Textschicht innerhalb von Ez 40‐48, sondern er rechnet sie seiner gola‐ orientierten Redaktionsschicht im Ezechielbuch zu (vgl. RUDNIG, a.a.O., 151). 435 So RUDNIG, Heilig, 161; vgl. auch SEYBOLD, Königtum, 149. 436 Vgl. LAATO, Josiah, 194‐196; RUDNIG, Heilig, 163f.356‐361. 437 Die These einer Herrschererwartung vertreten ZIMMERLI, BK, 1228f.; BALTZER, Eze‐ chiel, 141; LAATO, Josiah, 193; POMYKALA, Dynasty, 31, und RUDNIG, Heilig, 161. LEVENSON, Theology, 57ff.75, fasst die Erwartung prägnant in dem Begriff „a‐politi‐ cal messias“ zusammen. Eine Deutung auf eine reale Gestalt vertreten dagegen
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Verwendung des Titels im Alten Testament und im Ezechielbuch ge‐ klärt werden. Im Alten Testament ist נשׂיא in der Grundbedeutung „Fürst, Erhabe‐ ner“438 vor allem in priesterschriftlichen Texten belegt, in denen der Begriff die Stammesführer oder Vorsteher einer Sippe bezeichnet, die allerdings jeweils der Autorität von Mose und Aaron unterstellt sind (vgl. Ex 16,22; 34,31; Num 1,16). Dies spricht dafür, dass das Amt des Fürsten in erster Linie ein politisches Amt ist, das auch militärische (vgl. Num 10,4) und richterliche Pflichten (vgl. Jos 22,14.30.32) umfasst. Von einer kultischen Aufgabe der Fürsten ist dagegen an nur zwei Stellen im Alten Testament die Rede, an denen die Fürsten die Steine für das Ephod bereitstellen (Ex 35,27) und ihre Opfergaben zum Altar des Sinaiheiligtums bringen (Num 7). An wenigen Stellen im Alten Testament bezeichnet נשׂיא das politische Oberhaupt eines Fremdvolkes (Gen 34,2; Jos 13,21) und nur an einer Stelle außerhalb des Ezechiel‐ buches wird der Begriff in 1 Kön 11,34 für den israelitischen König verwendet. Dies geschieht allerdings innerhalb eines späten Nachtra‐ ges, der wahrscheinlich die Verheißungen des davidischen Fürsten in Ez 34 und 37 bereits voraussetzt.439 Das Ezechielbuch ist nach der priesterschriftlichen Literatur der Textkomplex mit den häufigsten Belegen von נשׂיא. Dem Fürsten des Verfassungsentwurfes stehen in Ez 1‐39 achtzehn Belege gegenüber, die sich auf den jüdäischen König (7,27; 12,10.12; 19,1; 21,17.30; 22,6.25440), das Oberhaupt eines Fremdvolkes (26,16; 27,21; 30,13; 32,29; 38,2.3; 39,1.18) und den davidischen Zukunftsherrscher (34,24; 37,25) verteilen. Aus dem Überblick wird bereits deutlich, dass der Gebrauch von נשׂיא für den König eine gewisse Nähe zur priesterschriftlichen Konzeption aufweist, da hier das Oberhaupt einer politischen Einheit HÖLSCHER, Hesekiel, 212 („das weltliche Oberhaupt der jerusalemischen Judenschaft neben dem Hohenpriester“); HERNTRICH, Ezechielprobleme, 162 („weltliches Ober‐ haupt neben dem Geistlichen“); GESE, Verfassungsentwurf, 116f., und TUELL, Law, 115 („the governor of Persian‐period Yehud“). PROKSCH unterscheidet zwischen dem Idealbild des Fürsten, das er dem Propheten zuschreibt (vgl. PROKSCH, Fürst, 119) und der konkreten geschichtlichen Gestalt („Haupt eines Fürstengeschlechts“) in späteren Nachträgen des Verfassungsentwurfes (PROKSCH, a.a.O., 120.). Zur Diskus‐ sion um die Anspielung auf eine konkrete Gestalt vgl. RUDNIG, Heilig, 161f. 438 STOLZ, Art. נשׂא, 115. Vgl. auch NIEHR, Art. נָ ִשׂיא, 648, der allerdings nur die Grund‐ bedeutung „Erhabener“ anführt. LANG, Aufstand, 179, nimmt außerhalb des Ezechi‐ elbuches die Bedeutung „der Notable“ an. Zu Etymologie und Gebrauch von נשׂיא vgl. insgesamt SPEISER, Background, 111‐117. 439 Vgl. NOTH, BK, 261, und im Anschluss an diesen WÜRTHWEIN, ATD, 140 Anm. 4. Zur Intention überlegt NOTH, a.a.O.: „Ein Späterer hätte mit dieser Randbemerkung das nicht völlige Beseitigen (daher die Einfügung des כל־ in 34a) des davidischen König‐ tums begründen wollen mit einem Hinweis auf einen künftigen davidischen נשׂיא.“ 440 In Ez 22,25 ist der MT nach LXX in אשׁר נשׂיאיה zu korrigieren; vgl. ZIMMERLI, BK, 521.
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mit dem Titel bezeichnet wird. Die Verwendung von נשׂיא im Gegensatz zu מלך deutet dabei auf die Intention hin, die politische Dimension des Amtes von vornherein einzuschränken; es handelt sich bei dem נשׂיא um einen „Herrscher niederen Ranges“.441 Demgegenüber ist die Kon‐ zeption des נשׂיא in Ez 40‐48 ohne Parallele im Alten Testament. Zwar kennen Ex 35,27 und Num 7 eine kultische Funktion der Fürsten, aber es handelt sich dabei um eine rein „zutragende“ Tätigkeit, die in keinster Weise mit den kultischen Aufgaben des einen Fürsten in der Vision des neuen Tempels vergleichbar ist. Die Frage, ob die priester‐ schriftliche Vorstellung und die ezechielische Konzeption voneinander abhängen, ist schwer zu entscheiden.442 Es erscheint zumindest wahr‐ scheinlich, dass sie mit der Bezeichnung נשׂיא für eine Führergestalt auf eine Tradition zurückgreifen, die sie jeweils in ihrem Sinne konzep‐ tionell ausformen. Innerhalb des Ezechielbuches ist dagegen zwingend mit einer lite‐ rarischen Abhängigkeit der unterschiedlichen ‐נשׂיאKonzeptionen in Kap. 1‐39 und 40‐48 zu rechnen. Dafür spricht nicht nur die Verwen‐ dung derselben Amtsbezeichnung, sondern auch die inhaltliche Bezo‐ genheit: Der kultische Fürst in Ez 40‐48 tritt in der Heilszeit als po‐ sitives Gegenbild an die Stelle des judäischen Königs, allerdings mit dem Unterschied, dass er einzig als kultisches Oberhaupt auftritt und so gut wie keine politische Funktion am Volk ausübt.443 Eine politische Dimension bekommt das Amt des נשׂיא in Ez 40‐48 einzig durch die Verwendung des Titels, der im ersten Buchteil für den judäischen König gebraucht ist. Erst in den Überarbeitungen der ursprünglichen ‐נשׂיאKonzeption lässt die Kritik am Fürsten auch textintern die im Alten Testament üblichen Königsaufgaben durchscheinen. Während die Bezeichnung des judäischen Königs in Ez 1‐39 auch ohne den ur‐ sprünglichen נשׂיא in Ez 40‐48 denkbar ist, basiert diese Konzeption auf dem Gebrauch des Titels im ersten Buchteil, so dass beide Vorstel‐ lungen entweder auf eine Hand zurückzuführen sind oder dem judäi‐ schen König als נשׂיא die literarische Priorität einzuräumen ist. Der נשׂיא 441 EBACH, Utopie, 48. 442 Vgl. zur Diskussion NIEHR, Art. נָ ִשׂיא, 651. Während NOTH, System, 156f., unter An‐ nahme, der Fürst sei Sprecher des amphiktyonischen Heiligtum gewesen, von der Priorität der priesterschriftlichen Konzeption ausgeht (vgl. ebenso PROKSCH, Fürst, 116), sieht ROST, Vorstufen, 74f., die Priorität im Ezechielbuch. 443 In der Betonung der kultischen Funktion des ursprünglichen נשׂיא vgl. PROKSCH, Fürst, 116f.; GESE, Verfassungsentwurf, 85. RUDNIG, Heilig, 161, erklärt diese Zurück‐ haltung in der Beschreibung politischer Funktionen zu Recht mit einem historischen Ort, an dem der politische status quo Judas noch unklar sei. Die kultischen Aussagen seien unverfänglich und betonten klar die Führungsstellung des נשׂיא (vgl. RUDNIG, a.a.O., 161).
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
in Ez 40‐48 erweist sich damit in erster Linie als eine literarische Ge‐ stalt, die die Unheilsansagen an den judäischen König (vgl. z. B. Ez 7,27; 12.10.12; 19,1 u.ö.) in die Zukunft projiziert und heilvoll auf die Fi‐ gur eines kultischen Oberhauptes wendet. An die Stelle des Versagens der vorexilischen Könige in politischer Hinsicht tritt im Verfassungs‐ entwurf eine Konzentration des Amtes auf die kultische Führung des Volkes. Ein Bezug auf eine konkrete historische Figur scheint damit eher unwahrscheinlich, auch wenn sich hinter der Figur des נשׂיא durch‐ aus realistische Hoffnungen verbergen könnten, die sich mit einer Füh‐ rungsperson der nachexilischen Zeit verbunden haben. Es ist nun nach dem literarischen Verhältnis der Texte über den davidischen נשׂיא in Ez 34,24 und 37,25 mit den Stücken über den נשׂיא in Ez 40‐48 zu fragen. Zwar artikuliert sich in beiden Fällen die Hoffnung auf einen zukünftigen Herrscher, aber darüber hinaus gibt es kaum Berührungen zwischen den Konzeptionen.444 So hat die kultische Funk‐ tion des נשׂיא im Verfassungsentwurf keine Entsprechung in den Verheißungen Ez 34,23f. und Ez 37,24.25ff., während umgekehrt die Erwartungen des neuen David, der das Volk weiden und über es herrschen wird, keine expliziten Korrespondenzen in der „Amtsbe‐ schreibung“ des Fürsten in Ez 40‐48 haben. Weiterhin gibt es keine Indizien dafür, dass es sich in der Tempelvision um einen davidischen Herrscher handelt, sondern dies wäre nur aus der literarischen Bezo‐ genheit des Fürsten in Ez 40‐48 auf den judäischen König in Ez 1‐39 zu schließen.445 In dieser Hinsicht ist aber auch denkbar, dass die ur‐ sprüngliche Konzeption des נשׂיא in Ez 40‐48 den Gegensatz zu Ez 1‐39 so weit führt, dass die davidische Abkommenschaft des zukünftigen Herrschers nicht mehr intendiert ist. Anders sähe die Sache dagegen aus, wenn die ‐נשׂיאErwartung in Ez 40‐48 bereits die Verheißungen des zukünftigen davidischen נשׂיא in Ez 444 In der griechischsprachigen Textbezeugung wird der Unterschied zwischen dem davidischen נשׂיא in Ez 34 und 37 sowie dem נשׂיא in Ez 40‐48 auch dadurch betont, dass in Ez 40‐48 die Übersetzung (avf)hgou,menoj und nicht a;rcwn verwendet wird. Unabhängig davon, ob hier mit mehreren Übersetzern oder nachträglichen Über‐ arbeitungen gerechnet wird, zeigt die unterschiedliche Terminologie an, dass die Herrscherkonzeption in Ez 40‐48 inhaltlich als eine andere als in Ez 34 und 37 begriffen worden ist (vgl. dazu SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 307f.). 445 Vgl. POMYKALA, Dynasty, 31, der betont, dass nur die Verbindung mit den David‐ verheißungen in Ez 34,23f. und 37,24‐25 eine davidische Abstammung des נשׂיא in Ez 40‐48 nahe legt. Anders GESE, Verfassungsentwurf, 118, der darauf hinweist, dass das Amt erblich sei und daraus folgert: „An welches andere Geschlecht aber kann man dabei denken als an das davidische?“ Die Identifikation des נשׂיא in Ez 40‐48 mit einem Davididen vertreten weiterhin PROKSCH, Fürst, 116, und RUDNIG, Heilig, 157: „Der נשׂיא ist von Hause aus der judäische König, wie die Durchsicht des Titelge‐ brauchs im Ezechielbuch gezeigt hat, d.h. er ist Davidide!“
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34,24 und 37,25ff. voraussetzt, die damit eine Deutungsperspektive für den Verfassungsentwurf vorgeben. Zuerst kann ausgeschlossen wer‐ den, dass die Texte auf eine Hand bzw. dieselbe Redaktion zurück‐ gehen. Zwar zeigt die den Texten gemeinsame Titulatur an, dass die Personen und ihre Aufgaben aufeinander bezogen sind, aber die Amts‐ funktionen des נשׂיא in Ez 34 und 37 weichen grundlegend von den Bestimmungen über den נשׂיא in Ez 40‐48 ab, so dass hier mit einer sekundären Nachinterpretation der einen Herrschererwartung durch die andere zu rechnen ist.446 In der Frage der literarischen Priorität spricht zuerst der äußere Befund dafür, dass dem נשׂיא in Ez 40‐48 der Vorrang zu geben ist, da die Davidverheißungen in Ez 34,23f. und 37,24.25ff. relativ junge Fort‐ schreibungen in den beiden Kapiteln darstellen. Darüber hinaus ver‐ dankt sich die konkrete Titulatur Davids als נשׂיא in beiden Fällen einer nachträglichen Erweiterung der ursprünglichen Davidverheißungen (vgl. Ez 34,24ab; 37,25),447 so dass für diese ein noch späterer Abfas‐ sungszeitpunkt anzunehmen ist. In Bezug auf die ältesten Stücke über den נשׂיא in Ez 40‐48 existiert dagegen der Konsens, dass diese Texte unter der Prämisse eines literarischen Wachstums in Ez 40‐48 zu den älteren Passagen der Tempelvision gehören. Die Vermutung, dass die Herrschererwartung in Ez 40‐48* literarisch vorgängig gegenüber den Davidverheißungen in Ez 34 und 37 ist, lässt sich auch durch den inneren Befund weiter erhärten: Ez 37,25‐28 enthält mit dem Rekurs auf das Heiligtum und auf das Land eine Reihe von Vorverweisen auf Texte des Verfassungsentwurfes, so dass es wahrscheinlich erscheint, dass sich der Text auch mit der Nennung des נשׂיא literarisch auf Ez 40‐ 48 zurückbezieht. Von daher hat die Titulatur נשׂיא dann sekundär auch Eingang in die Davidverheißung im Hirtenkapitel gefunden (Ez 34,24ab). Umgekehrt wäre kaum erklärbar, warum die Stücke des Ver‐ 446 Die grundsätzliche Verschiedenheit der Konzeptionen heben auch ZIMMERLI, BK, 1227f., und TUELL, Law, 108, hervor. Soweit hier gesehen wird, überwiegt in der exegetischen Forschung aber die Betonung der Gemeinsamkeiten zwischen der davidischen Gestalt in Ez 34 und 37 und dem נשׂיא in Ez 40‐48; vgl. BALTZER, Ezechiel, 141; LEVENSON, Theology, 75; LAATO, Star, 172 (siehe auch DERS., Josiah, 193), und BECKER, Messiaserwartung, 58. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass keiner der genannten Exegeten eine redaktionsgeschichtliche Zuordnung der verschiede‐ nen Herrschererwartungen unternimmt, so dass der נשׂיא in Ez 40‐48 im Lichte der Daviderwartung von Ez 34,23f. und Ez 37,24.25ff. gelesen wird. Die einzige Ausnah‐ me stellt RUDNIG, Heilig, 160‐162, dar, der allerdings redaktionskritisch von der Prä‐ misse ausgeht, dass die „golaorientierte“ Davidverheißung in Ez 37,25‐28 als Fort‐ setzung von Ez 37,1‐14 eine notwendige Fortführung in den ‐נשׂיאTexten von Ez 40‐48 haben müsse (vgl. RUDNIG, a.a.O., 65‐71.136). Diese Voraussetzung einer durchge‐ henden golaorientierten Redaktionsschicht wird hier nicht geteilt. 447 Vgl. die jeweiligen Textanalysen sowie zum intertextuellen Verhältnis o. Kap. III. 5.3.
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fassungsentwurfes zwar den ‐נשׂיאTitel aus Ez 37 aufnehmen sollten, nicht aber den Davidbezug.448 Dazu machte die völlige Zurückhaltung in der Beschreibung der politischen Dimension des ‐נשׂיאAmtes in Ez 40‐48* nach einer literarischen Vorgängigkeit der Verheißung des davi‐ dischen Fürsten in Ez 34 und 37 nur wenig Sinn. Damit ist noch nach der Einordnung von Ez 17,22‐24 im Vergleich mit den ‐נשׂיאTexten zu fragen. Der Text hat weniger eine zukünftige Herrschergestalt als die Kontinuität des davidischen Königtums im Blick. Diese Kontinuität wird über die babylonische Seitenlinie der Dynastie ausgesagt, wobei der Text aber insgesamt unspezifisch bleibt, so dass die literarische und historische Einordnung erschwert wird. Durch die bildhafte Einbeziehung des davidischen Königtums zeigt das Stück eine gewisse Nähe zu den Davidtexten in Ez 34 und 37, wäh‐ rend die Situierung der neuen Zukunft auf dem hohen und aufra‐ genden Berg (הר־גבה ותלול, 17,22) bzw. dem hohen Berg Israels (בהר מרום ישׂראל, 17,23) an die Lage des neuen Heiligtums erinnert, das Ezechiel auf einem sehr hohen Berg (הר גבה מאד, 40,2)449 schaut. Es ist deshalb zu erwägen, ob die Verbindung der davidischen Abstammung mit der Lokalisation der Heilszeit auf dem Gottesberg in Ez 17,22‐24 als späte Fortschreibung im Buch angesehen werden kann, die im Bildmaterial von Kap. 17 einen Ausgleich der Herrschererwartungen im Buch vor‐ nimmt. Über die Herrschererwartung im Ezechielbuch können damit die folgenden Aussagen getroffen werden. Auf der einen Seite stehen eine Reihe von Texten, die vom Königtum Jhwhs sprechen. Zu diesen ge‐ hören die Verheißung des göttlichen Hirten in Ez 34,11‐15*, die Ankün‐ digung des einen Königs in Ez 37,20‐23* und die kurze Notiz über die Königsherrschaft Jhwhs in Ez 20,33. Neben dieser theokratischen Strö‐ mung finden sich im Buch aber auch unterschiedliche Ausprägungen der Hoffnung auf einen neuen (menschlichen) Herrscher. Die älteste Konzeption liegt in den positiven Textstücken über den נשׂיא in Ez 40‐48 vor, in denen für die Zeit der Wiedererrichtung des Heiligtums ein 448 So gegen RUDNIG, Heilig, 160‐162.347, der argumentiert, dass die ‐נשׂיאTexte in der Grundschicht von Ez 40‐48 als „Konkretisierungen“ der Verheißungen in Ez 17 und 37 zu verstehen seien. Vgl. in dieser Verhältnisbestimmung der Texte ebenso LEVEN‐ SON, Theology, 75; JOYCE, King, 332. BALTZER, Ezechiel, 141, geht davon aus, dass die messianischen Weissagungen aus Ez 34 und 37 in den jüngeren literarischen ‐נשׂיא Texten aus Ez 40‐48 inhaltlich gefüllt werden, während SEYBOLD, Königtum, 146, die literarische Priorität des נשׂיא in der Tempelvision vertritt, der in den späteren Stücken Ez 34 und 37 mit dem neuen David identifiziert werde. 449 Vgl. sonst nur noch die Lokalisation des Jhwh‐gefälligen Gottesdienstes in Ez 20,40 auf dem hohen Berg Israels (;)בהר מרום ישׂראל siehe zu den Bergen im Ezechielbuch auch u. Kap. III. 7.4.4.
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Oberhaupt erwartet wird, dessen Amtsfunktionen sich in erster Linie auf Ausrichtung und Vollzug des Kultes beschränken. Diese Herr‐ schererwartung stellt ein literarisches Gegenbild zu dem als נשׂיא be‐ zeichneten judäischen König in Ez 1‐39 dar, dessen frevlerischem und politisch törichtem Verhalten die positiv besetzte Funktion des Kult‐ fürsten entgegen gesetzt wird. Auf einer späteren Wachstumsstufe wird die Daviderwartung in Ez 34,23f.* in das Buch aufgenommen, die sich von der Verheißung des davidischen Sprosses in Jer 23,5f. her speist, und in Ez 37,24 rezipiert wird. Auf dieser literarischen Ebene ist noch kein Bezug zu der Herr‐ scherkonzeption des Verfassungsentwurfes festzustellen, sondern un‐ abhängig davon wird in Ez 34,23f.* und 37,24 ein davidischer Regent verheißen, der innerhalb des Bundesverhältnisses eine herrschende Funktion am Volk ausübt. Erst die nachträgliche Einfügung der ‐נשׂיא Titulatur in Ez 34,24ab und 37,25 stellt die Identifikation des davidi‐ schen Zukunftsherrschers mit dem kultischen Oberhaupt des Verfas‐ sungsentwurfes her. Durch diese redaktionelle Nachinterpretation er‐ fährt die ‐נשׂיאGestalt aus Ez 40‐48 eine davidische Überhöhung und stellt im Buchablauf eine Konkretisierung der beiden vorausgehenden davidischen Herrschaftsverheißungen dar. In ähnlicher Weise könnte Ez 17,22‐24 als nachträgliche Systematisierung der vorliegenden Herr‐ schererwartungen in Ez 34 und 37 mit 40‐48 verstanden werden. In diesem Text verbindet sich die Kontinuität des davidischen Herrscher‐ tums mit dem Kult auf dem hohen Gottesberg. 5.5.3. Die Erneuerung des Königtums in den anderen Prophetenbüchern 5.5.3.1. Weissagungen im Ersten Jesajabuch Im Buchablauf des Protojesajabuches findet sich die erste „messiani‐ sche“ Weissagung in Jes 7,14‐16; da diese aber enge Verbindungen mit der Verheißung eines zukünftigen Herrschers in Jes 9,1‐6450 aufweist, bietet es sich an, den Einstieg bei Jes 9,1‐6 zu wählen. Der Text steht am Ende der Jesaja‐Denkschrift in Jes 6‐8* und verkündet im ersten Teil V 1‐4 dem im Dunkel lebenden Volk ein großes Licht (V 1), dessen Kommen das Ende von Krieg und Unterdrückung mit sich bringt (V 4). Durch das einleitende כי am Beginn des zweiten Teils V 5f. wird das Licht mit der Geburt eines Kindes ()ילד ילד gleichgesetzt, das einer 450 BARTH, Jesaja‐Worte, 142f., geht von der Abgrenzung 8,23b‐9,6 aus (vgl. schon ALT, Jesaja, 29ff.). Zu den wichtigsten Argumenten gegen diese Abgrenzung vgl. WERNER, Texte, 21f., und KAISER, ATD 17, 197f.
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Gruppe 1. Pers. pl. ()לנו geboren bzw. gegeben worden ist (נתן ni., V 5). Dem Kind wird eine große Herrschaft auf dem Davidthron ()על־כסא דוד und ewige Regentschaft über dessen Königreich vorausgesagt (V 6).451 Trotz der Position am Ende der Denkschrift knüpft Jes 9,1‐6 nur lose an die dort verhandelten Themen an, so dass eine redaktionsge‐ schichtliche Einordnung schwer fällt.452 Die relative literarische Eigen‐ ständigkeit des Stückes und seine Stellung sprechen aber dafür, diesen Text einer Redaktion zuzuschreiben, die ihn bewusst für den Abschluss der Denkschrift verfasst hat. Der redaktionelle Charakter von Jes 9,1‐6 zeigt sich auch an den zahlreichen Querverbindungen zu anderen Texten im näheren und weiteren Umfeld, durch die er sich im Rahmen von Jes 6‐8* „als ein spätes schriftgelehrtes Produkt“453 erweist. Wird die These vorausgesetzt, dass die Jesaja‐Denkschrift spätes‐ tens mit der Einschaltung von Jes 7* die Gründe für den Thronverlust der Davididen thematisiert und das Kapitel damit frühestens exilisch zu datieren ist,454 kann die redaktionelle Anfügung von Jes 9,1‐6 aus der Intention erklärt werden, mit der Ankündigung eines zukünftigen Regenten einen heilsprophetischen Kontrapunkt zu setzen.455 Die dem Kind verliehenen Thronnamen (פלא יועץ, אל גבור, אביעד, שׂר־שׁלום, V 5) und die mit seiner ewigen Regentschaft verbundenen Attribute שׁלום, משׁפט und צדקה zeigen, dass es sich um ein königliches Kind handelt. Dieses wird seine Königsherrschaft in geradezu idealtypischer Weise errich‐ 451 Aufgrund der Gliederung in zwei Teile hat BECKER, Messias, 245f., vorgeschlagen, einen Grundbestand in V 1‐3(4) anzunehmen, der sekundär durch V 5f. ergänzt wor‐ den sei. Für die Frage nach der Herrschererwartung in Jes 9,1‐6 ist es nicht entschei‐ dend, ob V 5f. ursprünglich oder sekundär mit V 1‐4 zusammen gehören, so dass hier auf eine Diskussion von BECKERS These verzichtet werden kann. 452 Zustimmung hat die These von BARTH, Jesaja‐Worte, 41‐176.250‐260, gefunden, wo‐ nach Jes 8,23b‐9,6 ein Textprodukt der Assur‐Redaktion sei, die Heilsperspektiven aus der Jesaja‐Überlieferung in der Josiazeit als erfüllt ansehe (vgl. auch STRAUSS, Messias, 33‐39; SCHMID, Herrschererwartungen, 67). Gegen diese Einordnung hat WERNER, Texte, 45f., Einspruch erhoben und geht von einer nachexilischen Datie‐ rung aus; vgl. zur nachexilischen Datierung ebenso BECKER, Jesaja, 216f., und DERS., Messias, 242f. 453 BECKER, Jesaja, 216f. Zu den Bezügen vgl. WERNER, Texte, 20‐46, der die These ver‐ tritt, dass es sich „bei Jes 9,1‐6 um eine neuinterpretierende Übernahme der deutero‐ nomistisch gestalteten Natansweissagung“ 2 Sam 7,8‐17 handele (WERNER, a.a.O., 42). WASCHKE, Stellung, 144‐147.155, weist dagegen auf die Berührungen mit Ps 2 hin. 454 Vgl. dazu BECKER, Jesaja, 59f. Ebenso kommt WERLITZ, Immanuel, 257, zu dem Ur‐ teil, dass Jes 7,1‐17* als „paradigmatische Erklärung für den Thronverlust der Davi‐ diden zu lesen“ sei. 455 Einer historischen Deutung der Weissagung widerrät schon die hier vorgenommene redaktionsgeschichtliche Einordnung; vgl. auch BECKER, Jesaja, 217. Dagegen vertritt BARTH, Jesaja‐Worte, 176f., die These, Jes 8,23b‐9,6 beziehe sich auf Geburt und In‐ thronisation Josias.
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ten, so dass das Friedensreich von unverbrüchlicher Dauer sein wird (עד־עולם, V 6). Obwohl gerade die Verheißung des ewigen Königtums im Alten Testament zum Inhalt des klassischen Davidbundes gewor‐ den ist, ist fraglich, inwieweit Jes 9,1‐6 tatsächlich mit dem Fortbestand der davidischen Dynastie rechnet. Die Aussage, dass der erwartete König auf Davids Thron und über dessen Königreich herrschen wird, benutzt zwar das Bild Davids, zielt aber mehr auf die Wiederher‐ stellung der davidischen Herrschaft als auf die Wiederkunft eines Davididen.456 Auch wenn die Erneuerung des Königreiches den Text inhaltlich bestimmt, liegt hier eine geradezu utopische Herrschafts‐ konzeption vor, in der der zukünftige König als Idealgestalt gezeichnet wird. Es ist nun kurz auf die Immanuelweissagung in Jes 7,14‐16 einzu‐ gehen, die verheißt, dass eine junge Frau schwanger werden und ein Kind gebären wird ()וילדת בן, das den Namen Immanuel ()עמנו אל erhal‐ ten soll (7,14). Seit dem Beitrag von KAISER ist umstritten, ob es sich hierbei um einen heilsprophetischen Einschub in die Erzählung Jes 7,10‐17 handelt oder ob die Ankündigung des Immanuel zum ur‐ sprünglichen Textbestand gehört.457 An dieser Einordnung entscheidet sich m. E. die Frage nach dem literarischen Verhältnis von Jes 7,14‐16 zu Jes 9,1‐6. Dass mit einer Abhängigkeit zwischen den beiden Stücken zu rechnen ist, zeigen die sprachlichen Bezüge: In Jes 9,5 ist davon die Rede, dass der „Wir“‐Gruppe das Kind gegeben ist (נתן ni.), während in Jes 7,14 Jhwh das Zeichen gibt (נתן kal), das in der Geburt des Imma‐ nuel besteht. Auch wenn bei der Verwendung des Geburtsmotivs in 7,14 ein Einfluss der Geburtsnotiz des Jesajasohnes in Jes 8,3f. wahr‐ scheinlich ist,458 so liegt doch in der parallelen Verwendung von ילד (7,14; vgl. 9,5) eine weitere Verbindung vor. Schließlich berühren sich die Texte auch im Bezug des künftigen Herrschers auf die Wir‐Gruppe, denn wie das Kind in Jes 9,5 לנו geboren ist, so drückt sich im Namen des Immanuel das Gottsein „für uns“ ()עמנו aus. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Verhältnis zwischen Jes 7,14‐16 und Jes 9,1‐6 zu beschreiben: Wenn 7,14‐16 als sekundäre Einschrei‐ bung in Kap. 7 zu beurteilen ist, dann stellt das Stück einen nachträg‐ 456 Vgl. auch WERNER, Texte, 39, der mit Verweis auf Jer 22,30 darauf hinweist, dass auch die Vorstellung existiert, der Thron Davids könnte verlassen sein: „Das Schick‐ sal des Thrones scheint abgekoppelt von dem des Inhabers und somit der Dynastie.“ 457 Traditionell und mehrheitlich wird die Zugehörigkeit von Jes 7,14‐16* zur Grund‐ schicht angenommen; vgl. die gängigen Kommentare zur Stelle. Dagegen hat KAISER, ATD 17, 158‐163, jüngst die These vertreten, dass Jes 7,14b‐16ba nachträglich in Jes 7,10‐17 integriert wurde (vgl. auch WASCHKE, Wurzeln, 81‐84). 458 Vgl. LEVIN, Verheißung, 236; siehe auch LESCOW, Geburtsmotiv, 177f., der in Jes 8,3 dieselbe Redewendung sieht, die auch in 7,14 vorliege.
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lichen Vorverweis auf den Heilskönig in Jes 9,1‐6 dar, der auf diese Weise „historisiert“ wird. Gehört 7,14‐16 dagegen zur Grundschicht in Jes 7,10‐17, dann ist die Ankündigung des Immanuel wohl ursprüng‐ lich auf den König Hiskia zu beziehen, und erst die nachträgliche relecture in Jes 9,1‐6 weitet die konkrete Geburtsankündigung auf die Ansage eines zukünftigen Heilskönigs aus.459 Auch wenn die Frage nach der ursprünglichen Identität des Immanuel nicht endgültig zu klären sein wird, so ist doch deutlich, dass von dem Augenblick an, in dem sowohl Jes 7,14‐16 als auch Jes 9,1‐6 in einer Buchfassung des Ersten Jesaja enthalten sind, der Immanuel aus Jes 7,14‐16 mit dem königlichen Kind aus Jes 9,1‐6 identifiziert wird: Die Geburt des Kindes in Jes 9,1‐6 kann im Buchablauf nur als Einlösung der Immanuelweis‐ sagung aus Jes 7,14‐16 gelesen werden. Der dritte Text des Jesajabuches in Jes 11,1‐5 kündigt ein Reis ()חטר an, das aus dem Stumpf Isais ()מגזע ישׂי hervorgehen ()יצא und Frucht bringen wird (פרה, V 1). Dieser Abkömmling wird in V 2 als der voll‐ endete Geistträger Jhwhs vorgestellt, der mit Weisheit und Einsicht, Rat und Stärke sowie Erkenntnis und Gottesfurcht die sechs funda‐ mentalen Herrschertugenden besitzt.460 Die V 3‐5 konzentrieren sich dagegen auf die Beschreibung seiner Regentschaft, die durch Gerech‐ tigkeit (צדק, V 4.5) und Zuverlässigkeit (אמונה, V 5) gekennzeichnet ist. Auf einen späteren Ergänzer geht die Ansage eines umfassenden Friedensreiches in Jes 11,6‐9 zurück, das die gesamte kreatürliche Welt mit einschließt und als Illustration der zukünftigen Herrschaft zu ver‐ stehen ist.461 Vergleichbar mit der Position von Jes 9,1‐6 am Ende der Jesaja‐ Denkschrift findet sich auch Jes 11,1‐5 am Ende einer jesajanischen Sammlung, die wahrscheinlich die Kap. 2‐10* umfasst hat. Der Text hat einen protojesajanischen Horizont im Blick462 und ähnlich wie in Jes 459 Vgl. dazu BECKER, Messias, 247, der in der entstehungsgeschichtlichen Abfolge von Jes 7,14 und Jes 9,5f. „eine Deutung auf den noch nicht bzw. gerade geborenen Königssohn Hiskija“ sieht. Ebenso beurteilt VERMEYLEN, prophète, 233f., Jes 9,1‐6 als Reinterpretation von Jes 7,10‐17, während SCHMID, Herrschererwartungen, 69f., davon ausgeht, dass Jes 7,14‐16 nachträglich als Deutung vor Jes 8,23‐9,6 eingestellt worden ist. 460 Vgl. KAISER, Gott III, 192. 461 So mit BARTH, Jesaja‐Worte, 61; KAISER, ATD 17, 240; SCHMIDT, Ohnmacht, 74. An‐ ders WERNER, Texte, 49, und BECKER, Messias, 249‐251, die mit der literarischen Ein‐ heitlichkeit von Jes 11,1‐9 rechnen. 462 STECK, Heimkehr, 62‐64, hat überzeugend nachgewiesen, dass es sich bei der späte‐ ren Fortschreibung in Jes 11,11‐16 um eine Einschreibung seiner Heimkehrredaktion handelt, die die Verbindung des Ersten und Zweiten Jesaja vor Augen hat. Dement‐ sprechend ist in Bezug auf Jes 11,1‐5 ein älterer literarischer und historischer Ort zu vermuten.
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9,1‐6 findet sich eine schriftgelehrte Prägung, die insbesondere durch eine Verbindung von weisheitlichen mit prophetischen Elementen auf‐ fällt.463 Im näheren literarischen Kontext kann Jes 11,1‐5 als Fortschrei‐ bung von Jes 10,33f. verstanden werden, ein Text, in dem Jhwh ansagt, dass die Hochgewachsenen gefällt werden und die Emporragenden ()הגבהים niedersinken werden (שׁפל, V 33). So wird auch der Libanon durch einen Mächtigen ()באדיר fallen (V 34). Dieser Gerichtsdrohung setzt die Verheißung in Jes 11,1‐5 den Neuanfang mit dem kleinen Reis entgegen, das Jhwh hervorgehen lassen wird. Allerdings sagt auch Jes 11 keine Kontinuität der davidischen Dynastie aus: Mit der Rückfüh‐ rung des zukünftigen Heilskönigs auf den Davidvater Isai wird zwar auf die Ursprünge zurückgegriffen, aber das Bild des Stumpfes lässt darauf schließen, dass die zu David führende Linie „abgehauen“ ist.464 Der Verweis auf Isai ist nicht als Indiz für eine Restitution der davidi‐ schen Linie zu interpretieren, sondern vielmehr kann mit WERNER ein Entsprechungsmotiv vermutet werden. Wie Jhwh David als den kleinsten und unbedeutendsten der Isai‐Söhne erwählt hat (vgl. 1 Sam 16,1‐13), so stellt das Hervorgehen‐Lassen des kleinen Reises den Neu‐ anfang der Heilszukunft dar.465 Dieser Neuanfang wird zwar unter dem Rückgriff auf Bekanntes ausgesagt, aber die erwartete Heilsherr‐ schaft transzendiert jegliche (politischen) Erwartungen, die sich mit der Erneuerung des davidischen Königtums verbunden haben könnten.466 Im Vergleich mit Jes 9,1‐6 ist diesem gegenüber Jes 11,1‐5 die litera‐ rische Priorität zu geben. Denn während es in 9,1‐6 um die Wieder‐ herstellung des davidischen Großreiches und die Befreiung des Volkes von Fremdherrschaft geht, hat die weisheitliche Regentschaft in 11,1‐5 eine universale Perspektive. Die in Jes 9,1‐6 noch mit der davidischen Herrschaft verbundenen Erwartungen sind darüber hinaus in Jes 11,1‐5 ganz hinter die utopische Zeichnung der neuen Herrschaft zurück‐ getreten, so dass auch diese Beobachtung für eine entstehungsge‐ schichtliche Abfolge Jes 9,1‐6 – Jes 11,1‐5 spricht.467 463 Vgl. WASCHKE, Stellung, 148. Eine Auflistung der Bezüge findet sich bei WERNER, Texte, 49‐70; siehe auch SCHMIDT, Ohnmacht, 72‐74. 464 So mit SCHMID, Herrschererwartungen, 65. Den Aspekt der Diskontinuität betont auch SCHMIDT, Ohnmacht, 72. 465 Vgl. WERNER, Texte, 51. Die exzeptionelle Geistbegabung des zukünftigen Königs ist damit vielleicht auch als Entsprechung und Überbietung der Geistbegabung Davids in 1 Sam 16,13 zu verstehen. 466 BECKER geht so weit zu urteilen: „Die Hoffnung auf eine bloße Erneuerung oder Wiederherstellung der Davidsdynastie (so noch Jes 9,1‐6) wird endgültig aufgegeben.“ (BECKER, Messias, 250). 467 So in der Bestimmung des literarischen Verhältnisses mit WASCHKE, Stellung, 150; BECKER, Messiaserwartung, 236 und passim. Prägnant kommt IRSIGLER, Beobachtun‐
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In diesem Zusammenhang ist kurz auf das Verhältnis von Jes 11,1‐ 5 zu Ez 17,22‐24 einzugehen, das eine Reihe von Querverbindungen zu der jesajanischen Weissagung aufweist. In Ez 17,22‐24 wird ebenso wie in Jes 11,1‐5 die Baummetaphorik zur Beschreibung der zukünftigen Herrschaft benutzt und wie in Jes 11,1‐5 gründet die Zukunft auf einer Seitenlinie, da das vorexilische Königtum nicht mehr besteht. Erstaun‐ lich sind aber vor allem die sprachlichen Querverbindungen nicht nur zu Jes 11,1‐5, sondern vor allem zu dessen Kontext. So ist sowohl in Jes 11,1 als auch in Ez 17,24 davon die Rede, dass das Reis bzw. der Baum Frucht tragen werden (פרה, Jes 11,1; vgl. עשׂה פרי, Ez 17,23). Weiterhin benennt Ez 17,24 mit dem Erniedrigen (שׁפל hif.) des hohen Baumes (עץ )גבה dasselbe Herrschaftsprinzip wie Jes 10,33 (שׁפל kal), 468 und wie in Jes 10,34 der Fall des Libanon durch einen Mächtigen ()באדיר angekün‐ digt wird, verheißt Ez 17,22‐24 das Neuwachstum der (Libanon‐)Zeder zu einem mächtigen Baum (לארז אדיר, 17,23). Es erscheint damit zumin‐ dest möglich, dass Ez 17,22‐24 bereits die redaktionell zusammen‐ gestellte Textfolge Jes 10,33f.; 11,1‐5 voraussetzt und das Motiv der Sei‐ tenlinie von dort übernimmt. Dies wäre ein weiteres Argument dafür, dass mit Ez 17,22‐24 eine relative späte Herrschaftserwartung vorliegt, die keine konkrete Hoffnung mehr transportiert, sondern sich auf eine nicht näher spezifizierte Herrschaft des Heilskönigs richtet. Neben den drei „messianischen“ Weissagungen im Jesajabuch lie‐ gen in Jes 16,4b‐5* und Jes 32,1‐5 zwei weitere Verheißungen eines künftigen Herrschers vor. Als Zusatz zu dem Moabwort Jes 16,1‐4a findet sich in Jes 16,4b‐5* die Verheißung, dass ein Thron ()כסא aufge‐ richtet werden wird, auf dem einer sitzt, der nach Recht ()משפט und Gerechtigkeit ()צדק richten und herrschen wird. Aufgrund der Stich‐ wortverbindungen zu Jes 9,1‐6, insbesondere des Thronmotivs, das nur an diesen beiden Stellen im Jesajabuch auf einen zukünftigen Herr‐ scher bezogen wird, ist Jes 16,4b‐5* als Anspielung auf die dortige Weissagung zu verstehen. Ein späterer Ergänzer hat die Davidtypo‐ logie noch expliziert, indem er den Thron in V 5ab mit dem Zelt Davids ()אהל דוד identifiziert hat.469 In Jes 32,1‐5 wird schließlich recht undramatisch ein König ()מלך angekündigt, der in Gerechtigkeit ()לצדק regieren wird, und dem zur Seite eine Gruppe von Oberen ()שׂרים dem Recht gemäß herrschen werden (V 1). Die V 2‐5 illustrieren die positiven Auswirkungen dieses gen, 21, zu dem Schluss: „Die Geburt von 7,14 und 9,5 wird in 11,1 in die Metapher vom frischen Trieb aus dem Wurzelstock gekleidet.“ 468 Vgl. in der Kombination von שׁפל und גבה nur noch Ps 138,6; Jes 5,15 und Ez 21,31. 469 Vgl. WILDBERGER, BK, 593, und KAISER, ATD 17, 50. Die constructus‐Verbindung אהל דוד ist nur an dieser Stelle im Alten Testament belegt.
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Regiments, durch das das Sozialwesen von allen Übeln befreit wird und die Verstockung des Volkes ein Ende haben wird (vgl. Jes 32,3 mit 6,9f.). Im Vergleich mit den anderen Texten in Jes 1‐39 fehlt die David‐ typologie zur Beschreibung des Herrschers, dafür trägt dieser aber als Einziger die Titulatur מלך. Die Hoffnung auf seine gerechte Herrschaft wird dem negativen Bild der Oberschicht entgegengesetzt, wie es in Kap. 28‐31 entfaltet wird.470 Es ist vorsichtig zu überlegen, ob dem Text in der Buchkomposition eine Gelenkfunktion zukommt, da er mit dem Titel מלך einerseits auf die Aussagen über das Königtum Jhwhs in Jes 40‐55 verweist, durch seine Position am Ende der Protojesajanischen Sammlung Jes 2‐32* aber auch die vorhergehenden Herrscherverhei‐ ßungen aufnimmt.471 Mit Jes 32,1‐5 läge damit die jüngste Weissagung eines zukünftigen Oberhauptes in Jes 1‐39 vor. Der Befund im Ersten Jesajabuch kann damit wie folgt zusammen‐ gefasst werden: Die drei Weissagungen in Jes 7,14‐16; 9,1‐6 und 11,1‐5 berühren sich darin, dass die Person des zukünftigen Herrschers nicht näher bestimmt wird, sondern ein doppeltes Identifikationspotential aufweist. Innerhalb des Buchablaufes legt sich eine historische Deu‐ tung auf einen König Israels nahe,472 aber die Offenheit der Darstellung weist über diese Identifikation hinaus auf einen zukünftigen (eschato‐ logischen) Heilskönig. Dieser wird zwar mit Rückgriff auf Davidtypo‐ logien als ein Herrscher nach der Art Davids beschrieben, aber er ist nicht explizit als Davidide gekennzeichnet. Während die Verheißung in Jes 9,1‐6 noch durch die Hoffnung auf die Wiederherstellung der davidischen Herrschaft in Israel bestimmt wird, scheint Jes 11,1‐5 eine neue Art des Königtums zu erwarten, die alle an David geknüpften Erwartungen übersteigen wird. Damit bleiben noch die beiden kleinen Weissagungen übrig, von denen Jes 16,4b‐5* als Aufnahme von Jes 9,1‐ 6 eingeordnet werden kann. Dahingegen fällt Jes 32,1‐5 mit der kon‐ kreten Verheißung einer dem Recht gemäßen Regierung unter einem מלך etwas aus der Reihe der übrigen Herrschaftsverheißungen heraus und ist vermutlich als redaktionelles Gelenkstück im (Groß‐)Jesajabuch zu beurteilen. 470 Vgl. WASCHKE, Stellung, 151. 471 Vgl. schon STECK, Beobachtungen, 106 Anm. 14, der auf die Entsprechungen des ersten und zweiten Teils des Protojesajabuches (1‐11*; 13‐34*) hinsichtlich der Herr‐ schaftsverheißungen (11,1ff.; 32,1ff.) hinweist. WASCHKE, Stellung, 141‐155, hat jüngst die These aufgestellt, dass die Weissagungen Jes 9,5f.; 11,1ff.; 32,1ff. und 55,3ff. im Jesajabuch jeweils „den Abschluß von Sammlungen markieren, die in etwa auch den Entwicklungsprozeß dieses Buches widerspiegeln (*6,1‐9,6; *2‐11; *2‐32; *40,1‐55,5).“ (WASCHKE, a.a.O., 154). 472 Vgl. dazu insbesondere SCHMID, Herrschererwartungen, 55‐59.
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5.5.3.2. Neuanfang in Bethlehem: Mi 5,1‐5 Im Michabuch findet sich einzig in Mi 5,1‐5 die Erwartung eines zu‐ künftigen Herrschers. Der Text steht im Anschluss an eine redaktio‐ nelle Sammlung Mi 4,9‐14,473 in der der Tochter Zion in einer Reihe von jeweils durch )ו(עתה eröffneten Sprüchen (4,9.11.14) Heil und Unheil an‐ gesagt wird. Mi 5,1‐5 wird in V 1 mit der Anrede Bethlehem Efratas eröffnet, dem, obwohl es klein ()צעיר ist, verheißen wird, dass der Herrscher ()מושׁל über Israel aus ihm hervorgehen wird (יצא mit )מן. V 2 spricht da‐ gegen davon, dass jemand eine Gruppe 3. Pers. pl. hingeben wird ()נתן, bis eine Gebärende geboren hat ( )יולדה ילדהund der Rest der Brüder zu den Israeliten zurückkehrt; das Subjekt dieses Verses kann nur mit Jhwh identifiziert werden. Dagegen kehrt V 3 zur Beschreibung des zukünftigen Herrschers zurück und illustriert sein Auftreten mit dem Bild des „Weidens“ ()רעה, wobei aber hervorgehoben wird, dass er sein Amt in enger Bindung an Jhwh ausübt. Seine Regentschaft „in der Kraft Jhwhs, in der Hoheit des Namens seines Gottes“ (V 3) wird dem Volk sicheres Wohnen und שׁלום bringen (V 4a). In V 4b‐5a liegt eine sekundäre Ergänzung vor, die eine Mehrzahl von Herrschern im Blick hat, während V 5b wieder zu der einen Herrscherfigur aus V 1‐4a zu‐ rückkehrt und mit der Verheißung, dass er Rettung vor Assur bringen wird, den Abschluss des ursprünglichen Heilswortes gebildet haben könnte. 474 Damit bleibt nur noch über die literarische Zugehörigkeit von V 2 zu entscheiden, der den Zusammenhang von V 1 mit V 3 unterbricht und auch durch den Subjektwechsel als späterer Einschub verdächtig ist. Darüber hinaus kommt die Terminierung des Heilsan‐ bruches auf die Zeit des Gebärens nach V 1 verspätet, da in diesem bereits das Hervorgehen des מושׁל angekündigt worden ist. Es ist des‐ halb vorerst mit einem Einschub in V 2 zu rechnen,475 während das Grundwort auf die V 1.3.4a.5b (5,1‐5*) zu beschränken ist. 473 Es ist umstritten, ob Mi 4,14 den Abschluss der Spruchsammlung bildet oder ob mit diesem Vers der Beginn der Weissagung Mi 5,1‐5 vorliegt. Der Neueinsatz mit ואתה in Mi 5,1 und der Anredewechsel von Jerusalem in 4,14 hin zu Bethlehem Efrata in 5,1 spricht für die Abgrenzung 5,1‐5 (so mit WERNER, Texte, 52f.; anders neuerdings KESSLER, HThK.AT, 218). Zur Analyse der Reihe vgl. WILLI‐PLEIN, Vorformen, 86‐88. 474 So auch WERNER, Texte, 53. Anders SEEBASS, Herrscherverheißungen, 42f., der V 4b‐5 insgesamt als Nachtrag beurteilt, während WOLFF, BK XIV/4, 107, mit einem ur‐ sprünglichen Textbestand in V 1.3a rechnet, der durch Nachträge in V 2, V 3b und V 4b‐5a erweitert worden sei. KESSLER, HThK.AT, 219.231f., sieht den ursprüng‐ lichen Abschluss dagegen mit Mi 5,3 gegeben. Zu einer Übersicht über die For‐ schungspositionen vgl. KESSLER, a.a.O., 231ff. 475 Vgl. schon WELLHAUSEN, Propheten, 145f., und in seiner Nachfolge HERRMANN, Heilserwartungen, 146; LESCOW, Geburtsmotiv, 192f.; STRAUSS, Messias, 57, und
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Für die Frage nach der Identifikation des מושׁל ist zunächst der lite‐ rarische Kontext zu beachten. In Mi 4,8 geht der Spruchreihe Mi 4,9‐5,5 die Verheißung voraus, dass die frühere Herrschaft ()הממשׁלה הראשׁנה des Königtums zur Tochter Zion zurückkehren werde. In der jetzigen Posi‐ tion am Ende der Sammlung liegt es nahe, in 5,1‐5* eine Anspielung auf das Heilswort 4,8 zu sehen, wobei die Gestalt des zukünftigen מושׁל aber über die restaurative Hoffnung auf Erneuerung des Königtums hinausgeht. So wird zunächst keine davidische Abkunft des Herrschers ausgesagt, sondern seine Herkunft wird lokal als Hervorgehen aus Bethlehem und zeitlich als eine bis in die Urzeiten hinabreichende be‐ stimmt (V 1). Die räumliche Abkunft aus Bethlehem teilt er mit David, von dessen Vater Isai in 1 Sam 16,1 gesagt wird, dass er aus Bethlehem stammt. Obwohl die Regentschaft des מושׁל damit als Neuanfang ge‐ kennzeichnet ist, deutet die Lokalisierung ein Entsprechungshandeln Jhwhs an: Wie er David aus Bethlehem erwählt hat, so wird er auch den מושׁל aus Bethlehem hervorgehen lassen.476 Ein Entsprechungsmotiv liegt ebenso mit der Charakterisierung Bethlehems als „klein“ ()צעיר vor: Genau wie Jhwh sich den Herrscher der Heilszeit aus dem unbedeutenden Bethlehem kommen lassen wird, so wurde David als der Jüngste (הקטן, 1 Sam 16,11) unter den Brüdern erwählt.477 „Mi 5,1 überträgt diesen Zug am Erwählungshandeln Jahwes (vgl. 1 Sam 16,7) auf den Herkunftsort.“478 Mithin sieht Mi 5,1‐5* keine geradlinige Fort‐ setzung des davidischen Königtums vor, sondern der Neuanfang hat seinen Ursprung allein in Jhwhs Erwählungshandeln. Zeitlich wird die Herkunft des מושׁל als von den Ursprüngen, den Tagen der Ewigkeit her, beschrieben (מקדם מימי עולם, V 1). Sowohl für קדם als auch für ימי עולם lässt sich ein Bedeutungsspektrum aufzeigen, das eine bestimmte (ideale) Epoche der Vergangenheit bezeichnet.479 Da die beiden Zeitbe‐ stimmungen nur in Neh 12,46 auf die Regentschaft Davids bezogen werden, ist zu überlegen, ob in dieser Vorherbestimmung des מושׁל in der Vorzeit nicht auch ein Überbietungsmotiv gegenüber der davidi‐ schen Herrschaft angelegt ist. Wird der Blick ausgeweitet, so fallen die Parallelen zwischen Mi 5,1‐5* und den Weissagungen im Ersten Jesajabuch auf. Wie in Jes 11,1 wird das Kommen des Herrschers als „Hervorgehen“ ()יצא beschrieben, 476 477 478 479
WOLFF, BK XIV/4, 106. Für die Zugehörigkeit von V 2 zur Grundschicht plädieren dagegen WERNER, Texte, 53; KESSLER, HThK.AT, 220f., und WERLITZ, Immanuel, 256. Zum Entsprechungshandeln Jhwhs siehe auch LESCOW, Geburtsmotiv, 197. Zum Motiv, dass Jhwh eine unbedeutende Rettergestalt erwählt vgl. ferner die Gideon‐ (Ri 6,15) und die Saulüberlieferung (1 Sam 9,21). WERNER, Texte, 56. Vgl. dazu den Nachweis bei WERNER, Texte, 54f.
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und auch die heilschaffende Auswirkung seiner Herrschaft ()שׁלום hat eine Parallele in Jes 9,5 (vgl. Jes 11,6‐9). In diesem Zusammenhang ist aber vor allem der Nachtrag in Mi 5,2 mit in die Frage einzubeziehen, der eine auffallende Nähe zu der Immanuelweissagung in Jes 7,14 zeigt. Die Stücke berühren sich formal in der Einleitung durch die Konjunktion לכן, in der Ansage, dass eine Frau gebären wird (וילדת, Jes 7,14; vgl. ילדה, Mi 5,2), und in der parallelen Verwendung von נתן mit Jhwh als Subjekt. Während es in Jes 7,14 aber die Geburt als Zeichen ist, die Jhwh gibt, so ist Mi 5,2 dahingehend zu deuten, dass Jhwh die Israeliten dem Unheil hingeben wird, bis das Heil mit der Geburt an‐ bricht. Im unmittelbaren Kontext von Mi 5,1‐5* wird in Mi 4,9f. ebenso von einer Gebärenden gesprochen, aber hier ist das Geburtsmotiv eindeutig als Metapher für die Notzeit zu interpretieren, während Jes 7,14 und Mi 5,2 eine tatsächliche Geburt vor Augen haben. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in Mi 5,2 eine Anspielung auf den im Kontext vorliegenden Text Mi 4,9f. vorliegt; die engeren Bezie‐ hungen bestehen aber zwischen Jes 7,14 und Mi 5,2, das die Kenntnis der jesajanischen Weissagung verrät. 480 Anscheinend interpretiert der Autor von Mi 5,2 die Immanuelweissagung bereits als Verheißung eines zukünftigen Herrschers, mit dessen Geburt die Heilszeit anbricht, und identifiziert ihn redaktionell mit dem מושׁל des Grundwortes in Mi 5,1‐5*.481 Weiterhin erinnert die Tätigkeitsbeschreibung des „Weidens“ ()רעה in Mi 5,3 an die Hirtentitulatur in Ez 34,23 und 37,24. Zwar wird der Titel häufig auf die Könige oder andere Führungsinstanzen in ihrer Aufgabe als Hirten für das Volk angewendet,482 aber von einem zu‐ künftigen Herrscher wird nur in Mi 5,3 sowie in Ez 34,23 und 37,24 das Weiden des Volkes ausgesagt. Da die Weissagung in Mi 5,1‐5* einen gewissen Kompendiumscharakter aufweist und die Hirtentitulatur für den Zukunftsherrscher in Ez 34 konzeptionell eingebunden ist, könnte in Mi 5,3 eine Anspielung auf die ezechielischen Daviderwartungen vorliegen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sowohl das Grundwort in Mi 5,1‐5* wie auch der Nachtrag in Mi 5,2 eine große Nähe zu den 480 So in der Bestimmung des literarischen Verhältnisses auch WERNER, Texte, 58f.; vgl. weiterhin STRAUSS, Messias, 56; WERLITZ, Immanuel, 256, und WASCHKE, Wurzeln, 81. Anders SEEBASS, Herrscherverheißungen, 51, der keine Verbindung zwischen den Texten sieht; vgl. auch KESSLER, HThK.AT, 225f., dem zufolge die Gebärende in Mi 5,2 allein auf Mi 4,9f. Bezug nimmt und dieses Bild weiter ausführt. 481 Die These einer literarischen Abhängigkeit in Mi 5,2 von Jes 7,14 bleibt auch in Gel‐ tung, wenn V 2 zur Grundschicht in Mi 5,1‐5 gezählt wird (vgl. z. B. WERNER, Texte, 53.56‐59). Mi 5,2 nehme den inzwischen zum messianischen locus classicus gewor‐ denen Text Jes 7,14 „in geheimnisvollem Orakelstil“ auf (WERNER, a.a.O., 59). 482 Vgl. dazu o. Kap. II. 2.2.
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Herrscherweissagungen im Jesajabuch aufzeigt und zumindest im Be‐ zug auf Jes 7,14 und Mi 5,2 eine Abhängigkeit wahrscheinlich ist. Aller‐ dings richtet sich die Hoffnung im Grundwort Mi 5,1‐5* nicht auf eine irgendwie geartete Kontinuität der davidischen Herrschaft oder des davidischen Reiches, sondern vielmehr wird die Regentschaft des neuen Herrschers als völliger Neuanfang beschrieben, der allein in der Souveränität Jhwhs begründet ist. 5.5.3.3. Restauration des Königtums im Jeremiabuch Im Jeremiabuch gibt es mit Jer 23,5f.; 33,14‐26; 30,8f. und 30,21 vier Texte, die die Frage eines zukünftigen Herrschers behandeln. Im Ab‐ lauf des Buches begegnet das erste Stück am Ende der Königsspruch‐ sammlung Jer 21,11‐23,8 mit der Verheißung in Jer 23,5f., dass Jhwh dem David ()לדוד einen rechtmäßigen Spross (צדק )צמח erstehen lassen wird (קום hif.).483 Die Interpretation von צמח צדיק im Sinne eines „recht‐ mäßigen“ Sprosses ist nicht unumstritten, wird aber durch einige phönizische Inschriften gestützt, in denen der Begriff als geprägte Wendung für den legitimen Sohn bzw. Erben verwendet wird.484 Evtl. ist die Formulierung aber auch bewusst auf die Doppeldeutigkeit von „rechtmäßig“ und „gerecht“ hin angelegt, da das Regiment des Spros‐ ses durch Weisheit sowie Recht und Gerechtigkeit (משׁפט וצדקה, V 5) ge‐ kennzeichnet ist. Programmatisch wird dem Heilskönig in V 6 auch der Thronname יהוה צדקינו („Jhwh, unsere Gerechtigkeit“) verliehen. Anders als bei den Weissagungen in Jesaja‐ und Michabuch zeigt die Erwartung des צמח an, dass hier eine gewisse Kontinuität der davi‐ dischen Dynastie vorausgesetzt wird, deren Legitimität zudem noch unantastbar ist. Auch wenn die Verwendung des Begriffes צמח so ge‐ deutet werden kann, dass die Dynastie selbst nicht mehr besteht,485 so läuft doch die Heilserwartung nicht über eine Seitenlinie, sondern Jhwh wird David selbst einen Spross erwecken. In Jer 23,5f. liegt somit eine restaurative Königserwartung vor, die einen zukünftigen Davidi‐ den im Blick hat, in dieser Konkretisierung der Hoffnung aber nicht das auf einen Heilskönig hin offene Potential der Weissagungen im Jesajabuch besitzt. Von diesen berührt sich Jer 23,5f. nur mit Jes 11,1‐5 483 Zur ausführlichen Analyse und Einordnung vgl. o. Kap. II. 3.1.2. 484 Vgl. FISHBANE, Interpretation, 472 Anm. 36, mit Verweis auf KAI 43.10f.; siehe auch die ausführliche Diskussion des Befundes bei LUNDBOM, AncB, 172f. Die Deutung auf einen rechtmäßigen Spross wird bei HOLLADAY, Hermeneia I, 618, und SCHMID, Buchgestalten, 62, vertreten, während WEISER, ATD, 198 mit Anm. 1, und LUNDBOM, a.a.O., 172f., sowohl die Interpretation als „gerechter“ wie auch als „rechtmäßiger“ Spross für möglich halten. 485 Vgl. LEVIN, Verheißung, 189.
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in der Verwendung der Pflanzmetaphorik, aber aufgrund der unter‐ schiedlichen Terminologie und der divergierenden Herrschererwar‐ tung lässt sich keine Aussage über ein mögliches Abhängigkeits‐ verhältnis treffen.486 Allerdings erinnert die Namensnennung „Jhwh, unsere Gerechtigkeit“ an Jes 9,1‐6, wo die Verheißungen ebenfalls aus der Sicht einer Gruppe 1. Pers. pl. formuliert sind.487 In Bezug auf das Ezechielbuch konnte bereits gezeigt werden, dass die Verheißung des davidischen Sprosses in der Verheißung des davidischen Hirten Ez 34,23f.* ausgelegt wird.488 Aber auch innerhalb des Jeremiabuches ist Jer 23,5f. nicht ohne Wirkung geblieben und hat in Jer 33,14‐26 eine mehrstufige aktualisie‐ rende Aufnahme erfahren.489 Von den drei aufeinander folgenden Königsworten in V 14‐18.19‐22 und 23‐26 erweist sich das erste Wort in 33,14‐18 als Rezeption, in der aus dem צמח צדק ein צמח צדקה (33,15) geworden ist, so dass die Legitimität des Sprosses auf seine gerechte Herrschaftsausübung hin ausgelegt worden ist. Darüber hinaus wird der Thronname „Jhwh, unsere Gerechtigkeit“ in 33,16 auf die Stadt Jerusalem übertragen, der auf diese Weise die Königswürde zugespro‐ chen wird. Der entscheidende Überschuss gegenüber Jer 23,5f. findet sich aber in der Zusage, nach der es David nie an einem Mann fehlen soll, der auf dem Thron des Hauses Israel (על־כסא בית־ישׂראל, 33,17) sitzen wird. Im Gegensatz zur Vorlage steht in Jer 33,14‐17(18)490 nicht so sehr die Erwartung des Heilskönigs im Vordergrund, sondern die Bestän‐ digkeit der davidischen Herrschaft. Das zweite Wort in Jer 33,19‐22 verbindet die Unverbrüchlichkeitsaussage für die davidische Herr‐ schaft mit der Zusicherung, dass auch die Nachkommen des Knechtes David zahlreich sein werden (V 22). So wird die Dynastieverheißung in den Dienst der Bestandszusage für das Volk gestellt; sie wird „instru‐ mentalisiert, um die Beständigkeit Israels und Judas zu garantieren.“491 Das letzte Stück der Fortschreibungskette in 33,23‐26 schließt die Ver‐ 486 Treffend urteilt STRAUSS, Messias, 66, über Jer 23,5f. im Vergleich mit den Jesaja‐ texten: „Dieser Spruch bzw. Überlieferungskomplex kommt vielmehr im atl. Kanon jedenfalls noch von woanders her und geht woanders hin.“ 487 So auch LEVIN, Verheißung, 189f.: „Der Thronname erinnert weitläufig an die David‐ verheißung Jes 9,5‐6.“ 488 Vgl. dazu o. Kap. II. 3.3. 489 Vgl. RUDOLPH, HAT, 185; FISHBANE, Interpretation, 471f.; VEIJOLA, Verheißung, 162f.; STRAUSS, Messias, 64; KAISER, Gott III, 199; MCKANE, ICC, 861, und SCHMID, Buch‐ gestalten, 61. Zu einer ausführlichen literarischen Analyse von Jer 33,14‐26 vgl. SCHMID, a.a.O., 56‐66.323‐327. 490 Bei Jer 33,18 handelt es sich vermutlich um einen Zusatz, der nachträglich die Levi‐ ten in die Dynastiezusage mit einbezieht; vgl. SCHMID, Buchgestalten, 59. 491 SCHMID, Buchgestalten, 58f. Auf den Zusammenhang von Ewigkeit der Dynastie und ewiger Dauer des Volkes hat bereits RUDOLPH, HAT, 187, hingewiesen.
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heißungen mit der Zusicherung Jhwhs ab, dass er an seinem Bund mit der Davidsdynastie festhalten wird und der Bestand Israels gesichert ist. Die Stellung von Jer 33,14‐26 am Ende der Sammlung Jer 30‐33 und die Tatsache, dass der gesamte Abschnitt in der LXX* nicht enthalten ist, sprechen dafür, dass es sich hierbei mit einiger Wahrscheinlichkeit um den jüngsten Text innerhalb von Jer 30‐33 handelt, der erst nach Trennung der textgeschichtlichen Überlieferungsstränge eingefügt worden ist.492 Das dritte Herrscherwort in Jer 30,21 spricht als Abschluss der Heilszusagen an „Jakob“‐Israel in Jer 30,18‐21 von einem nicht näher identifizierten Oberhaupt, das als „sein Mächtiger“ ()אדירו und „sein Herrschender“ ()ומשׁלו aus ihm hervorgehen ()יצא מן wird. Dieser Herr‐ schergestalt gewährt Jhwh das Herantreten (קרב hif.) und ihm kommt das Privileg zu, sich Gott zu nähern (נגשׁ ni.). Mit קרב hif. liegt ein terminus technicus der kultischen Sprache vor,493 und auch die Verwen‐ dung von נגשׁ ni. verweist auf den priesterlich‐kultischen Bereich, da es das Vorrecht der Priester ist, sich Jhwh zu nähern. „[Jer] 30,21 hat also eine eher priesterlich‐kultisch als königlich‐politisch gezeichnete Ge‐ stalt vor Augen.“494 Oft wird auf die sprachlichen Querverbindungen zwischen Jer 30,18‐21 und Mi 5,1‐5* hingewiesen, die in der Regel zugunsten der literarischen Priorität von Mi 5,1‐5* ausgewertet werden.495 Die beiden Texte berühren sich in der Verwendung einer Form von משׁל (משׁל ֵ , Jer 30,21; vgl. משׁל Pt. kal, Mi 5,1) und dem Verbum יצא in Kombination mit der Präposition מן (Jer 30,21; vgl. Mi 5,1). Da bereits vermutet worden ist, dass sich der Gebrauch von יצא in Mi 5,1 dem Bezug auf Jes 11,1 verdanken könnte,496 während es im Jeremiabuch mit Ausnahme von Jer 30,21 keine weitere Herrschererwartung gibt, die diese sprachliche Kombination verwendet, wird hier der communis opinio in der Bestim‐ mung des Abhängigkeitsverhältnisse gefolgt. Anscheinend nimmt der Verfasser von Jer 30,18‐21 die Verheißung aus dem Michabuch auf und interpretiert sie hinsichtlich des besonderen Verhältnisses zwischen Jhwh und dem kommenden Herrscher. Als Letztes ist auf die Herrscherverheißung in Jer 30,8f. einzuge‐ hen, die sich ebenfalls an Jakob‐Israel richtet (vgl. Jer 30,7). Für die 492 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 61, der den Text auf den Übergang vom persischen zum hellenistischen Zeitalter datiert (vgl. SCHMID, a.a.O., 326). 493 Vgl. KÜHLEWEIN, Art. קרב, 679. 494 SCHMID, Buchgestalten, 124. 495 Vgl. z. B. HERRMANN, Heilserwartungen, 221 Anm. 22; SEEBASS, Herrscherverhei‐ ßungen, 48, und WOLFF, BK XIV/4, 107ff. 496 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.5.3.2.
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kommende Heilszeit wird diesem angekündigt, dass Jhwh sein Joch zerbrechen wird (V 8). Anstelle eines Fremdherrschers soll das Volk Jhwh, ihrem Gott ()יהוה אלהיהם, dienen und ihrem König David (דוד )מלכם, den Jhwh ihnen erwecken wird (קום hif., V 9). Bei dem in Prosa geschriebenen Text handelt es sich um einen nachträglichen Einschub innerhalb der poetisch gestalteten Stücke des Kontextes.497 Die Ver‐ heißung ist von den anderen David‐Passagen im Jeremiabuch dadurch abzugrenzen, dass nicht ein Abkömmling Davids angekündigt wird (vgl. Jer 23,5; 33,15), sondern ähnlich wie im Ezechielbuch David selbst. An die Stelle des Fremdherrschers, der im Kontext von Jer 30,8f. mit Nebukadnezar zu identifizieren ist,498 tritt in der Heilszeit die Hinwen‐ dung zum David redivivus, der neben dem eigentlichen Herrscher Jhwh seinen Platz findet. Die Aussage, dass Jhwh den neuen David „er‐ wecken“ wird (קום hif.) weist auf eine Berührung mit der David‐ verheißung Jer 23,5f. hin. Da der Gebrauch von קום hif. in Jer 23,5 mit Bezug auf die Formulierung der Verheißung neuer Hirten in Jer 23,3 zu erklären ist, kann vermutet werden, dass Jer 30,8f. die Ankündigung des Sprosses in Jer 23,5f. bereits voraussetzt und auf die Verheißung Davids hin auslegt. In Bezug auf Jer 30,21 fällt es dagegen schwer, eine Aussage über das literarische Verhältnis zu treffen, da keine Stichwort‐ verbindungen zwischen den Texten bestehen und der Herrschergestalt eine jeweils unterschiedliche Funktion zukommt. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass die unbestimmte Herrschererwartung Jer 30,21 in Jer 30,8f. nachträglich „davidisiert“ und das besondere Gottesver‐ hältnis in die Formel „Jhwh ihr Gott und David ihr König“ gefasst wird,499 als mit dem umgekehrten Prozess zu rechnen, in dem die Davidverheißung Jer 30,8f. nachträglich auf einen unbestimmten Herr‐ scher hin gedeutet würde. Die kurze Formel in Jer 30,9 „Jhwh ihr Gott und David ihr König“ ist nicht ohne Parallele im Alten Testament. Zuerst ist kurz auf Hos 3,5 einzugehen, wo in identischer Formulierung die Hinwendung der Isra‐ eliten zu „Jhwh, ihrem Gott“ ()יהוה אלהיהם und „David, ihrem König“ ( )דוד מלכםausgesagt wird. Da sich diese sprachliche Verbindung nur in Jer 30,9 und Hos 3,5 findet, ist ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich. Allerdings wird die Nennung Davids in Hos 3,5 mehr‐ 497 Vgl. RUDOLPH, HAT, 161; HOLLADAY, Hermeneia II, 150; LUNDBOM, AncB, 387; SCHMID, Buchgestalten, 161f. 498 Vgl. dazu SCHMID, Buchgestalten, 162f. Die Titulatur Nebukadnezars mit עבד, die das besondere Gottesverhältnis anzeigt, findet sich in Jer 25,9; 27,6 und 43,10. 499 Zu dieser Bestimmung des literarischen Verhältnisses vgl. SCHMID, Buchgestalten, 125.163.
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heitlich als späterer Nachtrag bewertet,500 so dass dies für die Priorität von Jer 30,8f. spricht, an das Hos 3,5 sekundär angeglichen worden ist. Von größerem Interesse für die in dieser Studie verfolgte Fragestellung sind die Parallelen von Jer 30,8f. im Ezechielbuch. Dort findet sich innerhalb der Davidverheißung Ez 34,23f.* in V 23bb.24aa eine Nach‐ ahmung der zweigliedrigen Bundesformel, in der der Hirte für das Volk Jhwh als dem Gott des Volkes nebengeordnet wird. Auch wenn von Ez 34,23ab her klar ist, dass es sich bei dem Hirten um David handelt, kommt es erst durch die sekundäre Einschreibung von V 24ab zu einer expliziten Aneinanderreihung von Jhwh und dem Fürsten David. Das spricht dafür, dass David und Jhwh zuerst im Ezechielbuch in einer Nachahmung der Bundesformel nebeneinander gestellt wur‐ den und diese Reihung in Form einer geprägten Wendung in Jer 30,8f. Aufnahme gefunden hat.501 Für das Jeremiabuch ist damit festzuhalten, dass hier anders als im Ersten Jesajabuch oder im Michabuch eine nachdrückliche Hoffnung auf die Wiedererrichtung des davidischen Königtums vertreten wird. Einzig in Jer 30,21 wird der zukünftige Herrscher weder als Davidide noch als König bezeichnet, während die relativ älteste Verheißung in Jer 23,5f. die Erwartung auf einen rechtmäßigen Spross aus der davi‐ dischen Dynastie richtet. Diese Linie wird in Jer 30,8f. aufgenommen, in der David selbst in Form des David redivivus erwartet wird. Schließ‐ lich zeigt die jüngste Textfolge in Jer 33,14‐26, dass die Option auf eine Restauration des Königtums sich im Jeremiabuch bis in die Spätzeit der prophetischen Überlieferung hinein durchgehalten hat. 5.5.3.4. Die Hütte Davids: Am 9,11f. Am Ende des Amosbuches steht in Am 9,11f. die Verheißung, dass Jhwh die verfallene Hütte Davids ()את־סכת דוד wieder aufrichten und wie in der Vorzeit ()כימי עולם erbauen wird (V 11), so dass die Israeliten Edom und die Nationen in Besitz nehmen können (V 12). Das nach‐ folgende Jhwh‐Wort in V 13‐15 beschreibt die zukünftige Heilszeit in Bildern von der Fruchtbarkeit des Landes und dem Wohlergehen des Volkes. 500 Vgl. JEREMIAS, ATD, 57; WOLFF, BK XIV/1, 71; DEISSLER, NEB, 22. Der Nachtrags‐ charakter kann damit begründet werden, dass der Halbvers mit der Nennung Davids überfüllt wirkt und dem doppelten Objekt Jhwh/David in der ersten Vers‐ hälfte allein Jhwh als Objekt in der zweiten Vershälfte gegenübersteht. 501 So auch RUDOLPH, HAT, 161, und SCHMID, Buchgestalten, 162, der allerdings dane‐ ben noch Hos 3,5 als Bezugstext für Jer 30,8f. veranschlagt. Anders OHNESORGE, Jahwe, 375, der in Jer 30,8f. sowie Ez 37,23f.; 34,23f. lediglich dasselbe Interesse an einer bestimmten Zukunft Israels sieht.
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Traditionell ist in diesem Wort eine restaurative Heilshoffnung gesehen worden, die sich auf die Wiedererrichtung des Hauses David bezieht.502 Dabei wird die Rede vom „Haus“ aber bewusst vermieden und durch den Begriff der „Hütte“ ersetzt, der anzeigt, dass es sich hier nur um eine Wiederherstellung im bescheidenen Rahmen handeln kann.503 Das Bild ist doppeldeutig, da es sowohl auf die davidische Dy‐ nastie wie auch auf das davidische Großreich bezogen sein kann, aber auf jeden Fall weist die Inbesitznahme der anderen Nationen in Am 9,12 darauf hin, dass die notwendige Voraussetzung dieses Geschehens nur in der Wiedererrichtung einer politisch‐staatlichen davidischen Größe bestehen kann. Zwar zeigt das Heilswort „kein sonderliches Interesse an der Beschreibung eines möglichen zukünftigen Herr‐ schers“,504 aber neben der Nennung des Davidnamens scheint das Stück auch durch den Rückbezug auf die idealen „Tage der Vorzeit“ auf die Anfänge Jhwhs mit der davidischen Dynastie zu rekurrieren (vgl. 2 Sam 7). Über die Stichwortbeziehung כימי עולם berührt sich Am 9,11 direkt mit Mi 5,1 ()מימי עולם,505 aber die Heilskonzeptionen unter‐ scheiden sich in der Bedeutung, die der mythischen Vorzeit zugewie‐ sen wird. Während in Mi 5,1 eine Kontinuität vorliegt, da das Hervor‐ gehen des מושׁל in der Urzeit angelegt ist, kann in Am 9,11 von einer Korrespondenz gesprochen werden, da das Heil entsprechend der Vor‐ zeit erwartet wird. Ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis ist daher unwahrscheinlich, da auch inhaltlich keine weiteren Berührungspunk‐ te vorliegen. 5.5.3.5. Hoffnung auf Serubbabel im Haggai‐ und Sacharjabuch Sowohl das Haggai‐ als auch das Protosacharjabuch thematisieren in ihrer literarischen Endgestalt die Bedeutung des neuen Tempels und werden durch ihre jeweilige Datierung auf die persische Zeit paralleli‐ siert. So finden sich in beiden Büchern Texte, die in unterschiedlicher Form Hoffnung in die Figur des Davididen Serubbabel setzen, den En‐ kel des letzten judäischen Königs Jojachin, der neben dem Hohepriester 502 Vgl. z. B. WOLFF, BK XIV/2, 406f.; SEYBOLD, Königtum, 61; BECKER, Messiaserwar‐ tung, 58, und JEREMIAS, ATD, 134. Dagegen hat VEIJOLA, Verheißung, 167‐169, darauf hingewiesen, dass sich das verwendete Bildmaterial im Alten Testament durchweg nicht auf die Wiedererrichtung eines Hauses, sondern auf den Wiederaufbau eines verwüsteten Landes bezieht, so dass die Hütte Davids als Synonym für Israel/Juda zu interpretieren sei. 503 Vgl. WOLFF, BK XIV/2, 407 („Doch sah unser nachexilischer Theologe das Zentrum des Heils vielleicht kleinräumiger.“) und JEREMIAS, ATD, 134. 504 WASCHKE, Wurzeln, 80. 505 Die constructus‐Verbindung von יום und עולם findet sich außer an den beiden Stellen nur noch in Dtn 32,7; Jes 63,9.11; Mi 7,14, und Mal 3,4.
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Joschua im Alten Testament als Hauptakteur beim Tempelbau auftritt. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, die relevanten Texte in Hag 2,20‐23; Sach 3,8; 4,6‐10; 6,9‐15 und 9,9f. im Folgenden gemeinsam zu behan‐ deln. Am Schluss des Haggaibuches findet sich in Hag 2,20‐22.23 ein re‐ daktionell zusammengestelltes Verheißungswort,506 das an Serubbabel, den Statthalter von Juda ()פחת־יהודה, gerichtet ist (V 20f.), und in seiner Grundform den endzeitlichen Umsturz des Kosmos und die Unterwer‐ fung der anderen Völker ankündigt (V 22). Der Zusatz in V 23 richtet sich erneut an Serubbabel, der nun nicht mit seiner Amtsbezeichnung, sondern mit seiner Abstammung als „Sohn des Schealtiel“ ()בן־שׁאלתיאל und als „Knecht“ ()עבד angeredet wird, und dem Jhwh verheißt, dass er ihn einem Siegelring ()חותם gleichmachen und ihn erwählen wird ()בחר. Die Verwendung von Motiven aus der königlichen Typologie wie der Tempelbau, das Erwählungsmotiv, der ‐עבדTitel und das Bild des Sie‐ gelrings, mit dem eine Anspielung auf Jer 22,24‐27 vorliegt,507 sprechen dafür, dass hier königliche Erwartungen in die Person Serubbabels ge‐ setzt werden. Während dessen Großvater Jojachin die Königswürde durch Verwerfung und Exilierung verloren hat (vgl. Jer 22,24‐27), wagt Jhwh in Serubbabel einen Neuanfang mit der davidischen Dynastie.508 Im Protosacharjabuch ist als erster Text Sach 3,8 in den Blick zu nehmen, in dem das Kommen eines anonymen Sprosses ()צמח angesagt wird, der zusätzlich den Knechtstitel trägt. Bei diesem Heilswort han‐ delt es sich um einen Einschub in den Kommentar der Joschua‐Vision in Sach 3,8‐10, durch den die Steinverleihung an Joschua sekundär auf den Spross gedeutet wird.509 Der Knechtstitel, der in Hag 2,23 für Serubbabel verwendet wird, legt für den unbekannten Spross in Sach 3,8 eine Identifikation mit Serubbabel nahe. Außerhalb des Haggai‐ und Sacharjabuches findet sich der ‐עבדTitel nur noch in den Davidpas‐ 506 Vgl. DEISSLER, NEB, 264; KRATZ, Serubbabel, 88. Dagegen vermutet REVENTLOW, ATD, 29, einen einheitlichen Zusammenhang in Hag 2,20‐23, während WÖHRLE, Sammlungen, 311, die These vertritt, dass 2,23 ursprünglich an die Grundschicht in 2,15‐19* angeschlossen hat und nachträglich durch die Einschreibung von V 20f. von dieser getrennt worden sei. Anders spricht sich MARTIN HALLASCHKA in seiner bisher noch nicht abgeschlossenen Arbeit für die literarische Einheitlichkeit des Stückes Hag 2,20‐23 aus, in dem er einen relativ jungen Text des Buches sieht. 507 So mit SEYBOLD, Königtum, 245; REVENTLOW, ATD, 30f.; POLA, Priestertum, 161, und WÖHRLE, Sammlungen, 311. Anders WOLFF, BK XIV/6, 84, nach dem die Rede vom Siegelring so zu deuten ist, dass Serubbabel das Rechtsgeschäft des Tempelbaus be‐ kräftigt werde. 508 In dieser Deutung mit RUDNIG, Heilig, 158; KESSLER, Book, 237f., und KRATZ, Serub‐ babel, 88. 509 Mit einem Einschub in V 8f.*, der den anonymen Spross einschreibt, rechnen SCHÖTTLER, Gott, 376ff., und KRATZ, Serubbabel, 81.
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sagen des Ezechielbuches (vgl. Ez 34,23f.; 37,24.25) für eine zukünftige Herrschergestalt. In der älteren Forschung ist die Identifikation des צמח mit Serubbabel oft auch durch eine Ableitung seines Namens als „Spross Babels“ begründet worden;510 gegen diese etymologische Her‐ leitung haben sich aber jüngst Einwände erhoben.511 Obwohl letztlich nicht auszuschließen ist, dass mit צמח eine Anspielung auf den Namen Serubbabels vorliegt, muss doch die Frage gestellt werden, ob das Wort in Sach 3,8 nicht zusätzlich auf einen anderen Hintergrund verweist. צמח wird in Sach 3,8 absolut, gleichsam als Titel, verwendet und scheint sich damit auf eine bereits bekannte Größe zurückzubeziehen. Als Be‐ zugstext kommt von den Herrscherverheißungen der anderen Prophe‐ tenbücher nur die Verheißung des rechtmäßigen Davidsprosses in Jer 23,5f. in Frage, wo צמח ebenfalls für einen zukünftigen Herrscher ver‐ wendet wird.512 Sach 3,8 verbindet auf diese Weise vorgegebene Herr‐ schertitel wie עבד und צמח, um die Vorrangstellung eines unbekannten (davidischen) Herrschers gegenüber Joschua in Sach 3 einzutragen. Der Bezug auf Hag 2,20‐23 legt zwar eine Deutung auf Serubbabel nahe, der צמח wird aber nicht explizit mit diesem identifiziert. Die nächste, diesmal unmissverständliche Erwähnung Serubbabels findet sich in Sach 4,6‐10, das anerkanntermaßen als Einschub zu beur‐ teilen ist, der den Zusammenhang von Leuchtervision und Deutung in Sach 4 unterbricht.513 Dieser seinerseits mehrschichtige Einschub ent‐ hält ausdrücklich an Serubbabel gerichtete Gottesworte zur Vollen‐ dung des Tempelbaus, der sich nicht aus menschlicher Kraft vollziehen wird, sondern durch den Gottesgeist (ברוחי, V 6). Auf diese Weise wird Serubbabel den Schlussstein hervorbringen (יצא hif., V 7) und das Werk vollenden (V 8f.). Mit der Beauftragung zum Tempelbau wird Serub‐ babel auch in Sach 4,6‐10 erneut eine königliche Option entgegen ge‐ bracht (vgl. 2 Sam 7,13; 1 Kön 6), wobei aber ausdrücklich betont wird, dass ihm dies nur in der Bindung an Jhwh und dessen Geist gelingen wird.514 Ein weiteres Mal spielt der צמח im Abschluss des Visionszyklus in Sach 6,9‐15 eine Rolle. In diesem Jhwh‐Wort wird zuerst der Prophet beauftragt, eine Sammlung durchzuführen, um eine oder mehrere Kro‐ 510 511 512 513 514
Vgl. exemplarisch SELLIN, KAT, 470f., und STAMM, Namengebung, 269f. Vgl. POLA, Priestertum, 129.206. So auch SEYBOLD, Königtum, 209, und POLA, Priestertum, 206f. Vgl. schon WELLHAUSEN, Propheten, 182f. Die Wirkung des Geistes und das „Hervorgehen“ des Schlusssteines (יצא hif.) erin‐ nern entfernt an die Weissagung in Jes 11,1‐5, wobei aber in Sach 4 der Schlussstein an die Stelle des zukünftigen Königs getreten ist. Ein literarisches Verhältnis zwi‐ schen den Texten erscheint daher eher unwahrscheinlich.
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nen herzustellen,515 und den Hohepriester Joschua zu krönen (V 11). Auf diese Krönungsaussage folgt in V 12 in einem Wort an Joschua die Ankündigung eines als צמח bezeichneten Mannes, unter dem es spros‐ sen wird ()צמח, und der den Tempel Jhwhs bauen wird. V 13a wieder‐ holt die Ansage des Tempelbaus und fügt erweiternd hinzu, dass „er“ Hoheit ()הוד tragen und auf seinem Thron ()על־כסאו herrschen werde. In einer gewissen Konkurrenz zu dieser Thronaussage wird in V 13b die Ansage über die Herrschaft auf dem Thron wiederholt, nur dass sie diesmal eindeutig auf einen Priester bezogen ist. Aus diesen Doppelun‐ gen wird bereits ersichtlich, dass das Wort ursprünglich nur an einen der beiden, Joschua oder den Spross, gerichtet war und sekundär auf die Zweiheit ausgeweitet worden ist.516 Da einzig vom Hohepriester die Krönung berichtet wird (V 11b), spricht dies dafür, dass seiner Herrschaft die Priorität zukommt. Hier wird deshalb im Anschluss an SCHÖTTLER die These vertreten, dass Krone, Thron und (königliche) Herrschaft ursprünglich dem Hohepriester zugedacht waren (V 11b. 13a) und erst sekundär auch dem Spross zugeschrieben worden sind (V 12.13b).517 Mithin wird ähnlich wie in Sach 3,8 die Vorrangstellung des Hohepriesters Joschua durch eine als צמח beschriebene Gestalt nachträglich eingeschränkt. Auch hier legen die dem Spross entgegen‐ gebrachten Aufgaben wie Tempelbau und Herrschertum sowie die Anspielung an den Namen eine Identifikation mit Serubbabel nahe, die aber erneut nicht ausdrücklich expliziert wird. Damit bleibt nur noch das Textstück Sach 9,9f., in dem der Tochter Zion‐Jerusalem der Einzug eines unbekannten Königs ()מלך angekün‐ digt wird (V 9), der ein universales Friedensreich errichten soll (V 10). Diese Herrscherverheißung unterscheidet sich grundlegend von der sonstigen Herrschererwartung im Protosacharjabuch. So ist sie zuerst weder explizit noch implizit mit der Person Serubbabels verbunden, aber auch die Zeichnung des Königs als Gerechter ()צדיק und seine Ver‐ kündigung von Frieden ()שׁלום wurzeln zwar in der konventionellen 515 Zur textkritischen Diskussion vgl. ausführlich POLA, Priestertum, 224f. Die Krönung nur einer Person, die in V 11b vorgesehen ist, sowie die singularische Verbform in V 14 sprechen dafür, dass der Plural sekundär ist und ursprünglich nur von einer Krone die Rede war (vgl. KRATZ, Serubbabel, 82). 516 Mehrheitlich wird die literarische Ursprünglichkeit des צמח vertreten; vgl. z. B. WELLHAUSEN, Propheten, 185; ELLIGER, ATD, 128‐131; WERNER, Texte, 84; KAISER, Gott III, 185. Anders SCHÖTTLER, Gott, 154‐160, und im Anschluss an diesen KRATZ, Serubbabel, 82, die davon ausgehen, dass die Krönung ursprünglich dem könig‐ lichen Hohepriester galt und sekundär auch dem צמח Serubbabel zugedacht wurde. 517 Vgl. SCHÖTTLER, Gott, 154‐160.380ff.; siehe auch KRATZ, Serubbabel, 82. Ebenso geht MARTIN HALLASCHKA (vgl. Anm. 506) davon aus, dass Sach 6,9‐15 ursprünglich königliche Würde und Funktionen (;עטרות Tempelbau; )הוד für das zadokidische Priestertum reklamieren will.
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Königstypologie, berühren sich aber in keinem Punkt mit den Herr‐ schererwartungen in den übrigen Buchtexten. Vielmehr scheint sich hier die Beschreibung eines zukünftigen Heilskönigs zu finden, wie er auch in anderen Texten der Prophetenbücher angekündigt wird (vgl. Jes 9,1‐6; 11,1‐5; Mi 5,1‐5*).518 Zusammenfassend lassen sich zwei Textgruppen im Haggai‐ und Sacharjabuch unterscheiden. Die erste Gruppe umfasst Hag 2,20‐23 und Sach 4,6‐10, in denen explizit der Davidide Serubbabel als Hoff‐ nungsträger benannt wird. Auch wenn seine davidische Abkunft und damit die Kontinuität der davidischen Dynastie nicht ausdrücklich erwähnt ist, so wird er doch in Anlehnung an das Bild des davidischen Königs im Alten Testament gezeichnet, indem ihm königliche Optio‐ nen entgegengebracht werden.519 In der zweiten Gruppe von Texten, die Sach 3,8 und Sach 6,9‐15 umfassen, ist dagegen ein anonymer צמח an die Stelle Serubbabels getreten, von dem nun königliche Herrschaft und Tempelbau ausgesagt werden. Die beiden Texte berühren sich auch darin, dass durch die Einschreibung des Sprosses jeweils eine ursprüngliche Vorrangstellung des Hohepriesters Joschua korrigiert wird. Aufgrund des literarischen Kontextes und der Querverbindun‐ gen innerhalb des Buches konnte gezeigt werden, dass der צמח mit Se‐ rubbabel identifziert werden kann. Allerdings besitzt der Titel gerade in seiner Anonymität ein Identifikationspotential, das über die Person Serubbabels hinausgeht. Im Hintergrund der Gestalt steht die Verhei‐ ßung des davidischen Sprosses aus Jer 23,5f., die im Sacharjabuch auf‐ genommen wird und hier zum Titel für den zukünftigen Heilskönig avanciert. Im Haggai‐ und Sacharjabuch zeichnet sich damit eine Überliefe‐ rungsbewegung ab, in der der Statthalter Serubbabel,520 mit dessen historischer Person sich vermutlich konkrete Restaurationserwartun‐ gen verbunden haben, zu einer Chiffre für den zukünftigen davidi‐ schen König geworden ist. Die Loslösung von seiner Person ist schließ‐ lich im literarisch mutmaßlich jüngsten Text Sach 9,9f. vollzogen, der im Buchablauf rezeptionell zwar auf Serubbabel hin gelesen werden soll, die Verheißungen aber gewissermaßen entschränkt und auf den Heilskönig der Zukunft ausweitet. 518 Es ist aber auch mit BECKER, Messias, 252, in Erwägung zu ziehen, „dass in Sach 9,9 ursprünglich gar nicht an den Messias‐König, sondern an den König Jahwe gedacht war, dessen Ankunft am Zion sehnlichst erwartet wird (vgl. Jes 40,1‐11; 52,7‐10).“ 519 Vgl. RUDNIG, Heilig, 159, der allerdings keine inhaltliche Differenzierung der Serub‐ babel‐Texte im Haggai‐ und Sacharjabuch vornimmt. 520 Zur historischen Bezeugung vgl. insgesamt R. G. KRATZ, Statthalter, Hohepriester und Schreiber im perserzeitlichen Juda, in: DERS., Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels, FAT 42, Tübingen 2004, 93‐119.
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5.5.4. Synthese und Zusammenfassung Die vorangehende Übersicht zeigt, dass sich kein einheitliches Bild für die Erwartung einer Erneuerung des davidischen Königtums in den Prophetenbüchern zeichnen lässt. Die einzelnen Texte zeigen eine Fülle von unterschiedlichen Herrschererwartungen, die in irgendeiner Form explizit mit David bzw. dem davidischen Königtum verbunden sind. Auffällig ist, dass die Verheißungen mit Ausnahme der Serubbabel‐ texte im Haggai‐ und Sacharjabuch allesamt am Schluss kleinerer oder größerer Textsammlungen stehen521 und jeweils als redaktionelle Ein‐ schreibungen verfasst worden sind. Dies zeigt zuerst, dass die Restitu‐ tion des Königtums in den Prophetenbüchern nicht zu den Topoi der Heilsverkündigung gehört, die die Überlieferungsbildung angestoßen haben. Vielmehr erweist sich die Thematik als heilsprophetische Reak‐ tion auf vorausgehende Königskritik (vgl. Jes 9,1‐6; 11,1‐5; 32,1‐5; Jer 23,5f.) oder als Konkretisierung bzw. Korrektur einer bestimmten vor‐ gegebenen Heilsperspektive (vgl. Mi 5,1‐5*; Am 9,11f.; Hag 2,20‐23; Sach 4,6‐10; 6,9‐15 und 9,9f.). Die Texte sind darüber hinaus auch durch große literarische Unabhängigkeit voneinander gekennzeichnet, da es nur wenige Verbindungen gibt, die über den Kontext des jeweiligen Buches hinausweisen. Allerdings konnte für Mi 5,1‐5* wahrscheinlich gemacht werden, dass es die Weissagungen im Ersten Jesajabuch und vermutlich Ez 34,23f. voraussetzt und die dortigen Aussagen zu einem Kompendium über den zukünftigen Heilskönig verbindet. Die Erwar‐ tung des kommenden Herrschers aus Mi 5,1‐5* ist dann ihrerseits in Jer 30,21 aufgenommen worden. Eine erstaunliche Rezeption hat schließ‐ lich auch die kurze Verheißung des davidischen Sprosses in Jer 23,5f. erfahren, die in gleich drei Textbereichen rezipiert worden ist. Zuerst ist das Heilswort in Jer 33,14‐26 in mehreren Fortschreibungsschüben aktualisiert worden, während zweitens durch seine Auslegung in Ez 34,23f.* die Davidthematik in das Ezechielbuch eingetragen worden ist. Schließlich wird der Titel צמח in den Herrscherverheißungen des Sa‐ charjabuches aufgenommen. Die relative Unabhängigkeit der verschiedenen Vorstellungen ist auch daraus zu ersehen, dass sich zwar innerhalb der einzelnen Bücher konzeptionelle Linien nachweisen lassen, systematisierende Aussagen für die fraglichen Texte im corpus propheticum aber schwer fallen.522 Im 521 Vgl. WASCHKE, Wurzeln, 89. 522 So muss der Versuch von SCHMIDT, Ohnmacht, 18‐34, motivgeschichtlich eine zuneh‐ mende „Passivität“ der „Messias“‐Gestalt in der üblichen Reihe von messianischen Texten nachzuweisen, daran scheitern, dass er eine bestimmte diachrone Abfolge der Texte voraussetzt und sie von vornherein in der Perspektive auf Christus hin liest.
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Hinblick auf die Gestalt des erwarteten Herrschers lassen sich aber drei verschiedene Vorstellungen unterscheiden:523 Zuerst ist die Erwartung eines Herrschers zu nennen, der in Kontinuität zur davidischen Dynas‐ tie steht und durch diese Abstammung als idealer König qualifiziert wird. Diese Konzeption findet sich vor allem im Jeremiabuch, wo in Jer 23,5f. (33,14‐26) ein rechtmäßiger Spross Davids erwartet wird und wahrscheinlich auch in Am 9,11f., wenn die כסת דוד hier auf die davi‐ dische Dynastie zu deuten ist. Die zweite Gruppe von Texten rechnet dagegen mit einem Herrscher nach dem Vorbild Davids, dem zwar die vom Königtum Davids her bekannten Herrscherattribute zukommen, der aber nicht als Abkömmling dieser Dynastie beschrieben wird. Die davidische Typologie hat hier die Funktion eines Entsprechungsmo‐ tivs, wobei insbesondere das vergleichbare Heilshandeln Jhwhs betont wird, der wie in der vorexilischen Zeit David, so in der Heilszeit einen neuen Herrscher erstehen lassen wird.524 Dieses Konzept findet sich vor allem in den Weissagungen des Ersten Jesajabuches und in der Ver‐ heißung Mi 5,1‐5*, in der der neue Herrscher mit David nur noch durch denselben Herkunftsort verbunden ist. In einer traditionsgeschicht‐ lichen Nähe zu dieser zweiten Konzeption stehen auch die Ankündi‐ gungen eines nicht näher bestimmten Königs in Jes 32,1‐5; Jer 30,21 und Sach 9,9f., in denen sich die Beschreibung des erwarteten Herr‐ schers ganz vom Bild Davids gelöst hat. Die übrigen Herrscherverheißungen im Haggai‐ und Sacharjabuch sperren sich dagegen gegen eine eindeutige Zuordnung. Auf der einen Seite impliziert der Bezug auf den Davididen Serubbabel in Hag 2,20‐ 23 und Sach 4,6‐10 ebenso eine Kontinuität der davidischen Dynastie wie auch die Titulatur als „Spross“ in Sach 3,8 und Sach 6,9‐15. Auf der anderen Seite aber finden sich keine Hinweise darauf, dass eine Fort‐ setzung von Davids Herrschaft erwartet wird; vielmehr spricht Sach 6,13a davon, dass der צמח auf „seinem“ Thron herrschen wird und nicht auf dem Thron Davids. Es kann vermutet werden, dass hinter der Bewegung von Serubbabel hin zu der Verheißung des צמח auch eine gewandelte Herrschererwartung steht, die sich zunehmend von der Idee einer Kontinuität der davidischen Dynastie gelöst hat. Als dritte Gruppe sind schließlich die Stücke in den Blick zu nehmen, die konkret von David selbst als dem zukünftigen Herrscher 523 Die Kategorien folgen der von SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 298, vorgenomme‐ nen Unterscheidung zwischen „der Erwartung eines primär dynastisch qualifizierten Davididen und der eines Herrschers wie David.“ Diesen beiden Konzeptionen stellt er als drittes Modell die von David absolut sprechenden Texte in Ez 34,23f.; 37,24f.; Hos 3,5 sowie Jer 30,9 gegenüber (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 299). 524 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 298: „Dieser Herrscher ... steht nicht in der Fol‐ ge Davids, sondern am gleichen Ort wie jener“.
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sprechen. Hier sind die Davidverheißungen des Ezechielbuches und die dadurch beeinflussten Stellen Jer 30,8f. und Hos 3,5 zu nennen. In diesen Texten wird דוד absolut gebraucht und ist als Chiffre für den zukünftigen Herrscher zu verstehen, der im Sinne eines David redivivus mit dem Idealbild Davids identifiziert wird.525 Da in Ez 34,23f.* eine literarische Abhängigkeit von der Verheißung des davidischen Spros‐ ses in Jer 23,5f. vorliegt, kann die Erwartung Davids im Ezechielbuch somit auch als Fortführung und Korrektur der Herrschererwartung im Jeremiabuch verstanden werden. Die dort ausgesagte Kontinuität der davidischen Dynastie wird in Ez 34,23f.* durch die Hoffnung auf den einen David ersetzt und zugleich theologisch transzendiert: Die neue Hoffnungsgestalt ist die alte und doch ist ihre Herrschaft von anderer Qualität und von ewiger Dauer. Darüber hinaus unterscheidet sich die spezifische Ausprägung der Daviderwartung im Ezechielbuch auch darin von den übrigen Prophe‐ tenbüchern, dass die Herrscherverheißung mit der Bundesvorstellung verbunden wird. David und Jhwh werden zuerst in Ez 34,23f.* in einer Nachahmung der Bundesformel nebeneinander gestellt, aber auch die redaktionelle Kombination von Bundesformel und Davidverheißung in Ez 37,20‐23*.24.25ff. zeigt die innere Bezogenheit von Daviderwartung und Bundesverhältnis. Indem David in das Bundesverhältnis zwischen Gott und seinem Volk mit hineingenommen wird, erhält seine Herr‐ schaft von daher ihre Legitimität: Wie Jhwh ihnen zum Gott wird (להם לאלהים, 34,24aa), so wird David ihnen zum Hirten (להן לרעה, 34,23bb) und sekundär zum Fürst in ihrer Mitte (34,24ab).526 Damit ist seine Regent‐ schaft aber auch der Herrschaft Jhwhs untergeordnet, der David er‐ weckt und ihn zum Hirten über sein Volk bestellt (34,23). Die Vorrang‐ stellung Jhwhs, die sich auch in den theokratisch geprägten Stücken 525 Mit der Interpretation als „Chiffre“ erübrigt sich eine Diskussion darüber, inwieweit in diesen Texten die Wiederkehr des (historischen) David oder ein neuer David(ide) erwartet wird (vgl. zur Diskussion SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 297). Während für das Ezechielbuch im Allgemeinen die zweite Position vertreten wird (vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 842; RUDNIG, Heilig, 61), hat SCHWAGMEIER, a.a.O., 297‐304, jüngst nachzuweisen versucht, dass die masoretische Buchgestalt des Ezechielbuches im Rahmen der Wiederbelebung Israels die Rückkehr des David erwartet (vgl. schon HITZIG, KEH, 265). Selbst wenn diese Interpretation für die masoretische Buchfas‐ sung Gültigkeit haben sollte, muss doch von einem anderen Verständnis für die ursprünglichen Daviderwartungen ausgegangen werden, für die sich m. E. die obige Deutung nahe legt. 526 Vgl. auch SEYBOLD, Königtum, 151: „Auch Ezechiel versteht das davidische König‐ tum von der Konzeption der Bundesrelation her. Der Herrscher ist für ihn Repräsen‐ tant des Jahwevolkes.“ Siehe weiterhin GOSSE, Alliance, 419‐428, der den Nachweis geführt hat, dass die Davidverheißungen im Ezechielbuch mit dem Thema des neu‐ en Bundes verknüpft worden sind.
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des Ezechielbuches und der Konzeption des נשׂיא gezeigt hat, erklärt zudem, warum der ברית שׁלום in Ez 34,25 und Ez 37,25 mit dem Volk als Bundespartner geschlossen wird und gerade nicht mit dem Knecht David. Der Zustand von שׁלום im Land ist eine Auswirkung des Bun‐ desverhältnisses, das Jhwh gewährt, nicht aber eine Auswirkung der Regentschaft des Heilskönigs; vgl. dagegen Jes 9,5; 11,6‐9; Mi 5,4a; Sach 9,10. Es bleibt zu fragen, wie diese Beobachtungen in Bezug auf die Frage nach den Wurzeln der Messiaserwartung im Alten Testament auszuwerten sind. Der Überblick über die mit David verbundenen Ver‐ heißungen in den Prophetenbüchern hat gezeigt, dass sie in erster Linie als Hoffnungen auf die Wiedereinsetzung eines Königs bzw. des Kö‐ nigtums zu verstehen sind. Die Übergänge von der irdisch‐politischen zur idealisierend‐utopischen Erwartung sind dabei aber fließend; dies zeigen Texte wie Jes 9,1‐6 und seine Rezeption in Jes 11,1‐5 ebenso wie die Entwicklung im Haggai‐ und Sacharjabuch. Ein Text wie Jer 33,14‐ 26 beweist, dass sich die Hoffnung auf die Erneuerung des davidischen Königtums bis in die spätpersische Zeit hinein gehalten hat. Von einem Messias im Sinne eines „eschatologischen“ Heilsmittlers kann dagegen erst dann gesprochen werden, wenn klar ist, dass mit einer Wiederein‐ setzung des Königs nicht mehr zu rechnen ist. Hier wäre an den Über‐ gang von der persischen zur hellenistischen Zeit zu denken. In einer rückwärtigen Perspektive ist dann verständlich, dass sämtliche Texte über die Restauration des davidischen Königtums im corpus propheti‐ cum eine messianische Rezeption erfahren haben. Insbesondere die Verheißungen Jes 7,14; 9,1‐6; 11,1‐5; Mi 5,1‐5* und Sach 9,9f., in denen keine Kontinuität der davidischen Dynastie erwartet wird, sondern ein Herrscher nach Art Davids, konnten auf diese Weise zu den messia‐ nischen Weissagungen par excellence erhoben werden. 5.6. David und die Wiedervereinigung Die vorangehenden Analysen haben gezeigt, dass in Ez 37,15‐24 eine literarisch mehrschichtige Textfolge vorliegt, die sich als Epexegese über das Motiv der Einheit lesen lässt. Grundlage der Fortschreibungs‐ kette ist die Zeichenhandlung von der Wiedervereinigung in 37,15‐19*, an die sich in 37,20‐23*.24 Ausführungen über die Einheit des Volkes unter einem König und dem einen Hirten David angelagert haben. Die Symbolhandlung in Ez 37,15‐19* schlägt einen Bogen zum ein‐ leitenden Zeichenhandlungszyklus in Ez 4,1‐5,2* und kann damit als Aufhebung der dortigen Gerichtsansage verstanden werden. Inhaltlich geht sie allerdings neue Wege, da die Vereinigung des Volkes zum
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alleinigen Verkündigungsinhalt gemacht wird, während diese ansons‐ ten im Alten Testament Begleit‐ und Folgeerscheinung der Rückfüh‐ rung des Volkes bzw. des Vorgehens gegen Fremdvölker ist. Mit der Wiedervereinigung zu einem Volk stellt sich auch die Frage nach der politischen Verfassung, die in 37,20‐23*.24 recht unterschiedlich beant‐ wortet wird. So wird die Herrschaft in 37,20‐23* zuerst vom König Jhwh selbst ausgeübt, der aber im Folgenden Konkurrenz erhält, da in 37,24 David als König Israels proklamiert wird. Die thematische Ab‐ folge vom Königtum Jhwhs und der davidischen Herrschaft ist dabei nicht ohne Parallele in Ez 34‐39. Vielmehr konnte aufgezeigt werden, dass die Fortschreibungen in 37,20ff. parallel zum Wachstum in Ez 34,11ff. erfolgen, und es dabei zu einer wechselseitigen Auslegung der beiden Kapitel kommt. Im Folgenden wird insbesondere noch das Ver‐ hältnis der jeweiligen „Sockeltexte“ in den beiden Kapitel zu analysie‐ ren sein, um nähere Aufschlüsse über Ausgangspunkt und Anstoß des reziproken Auslegungsvorganges zu erhalten.527 Die wechselnden Vorstellungen über den zukünftigen Herrscher in Ez 34,23f.*(24ab) und 37,20‐23*.24.25ff. haben schließlich den Anlass ge‐ boten, nach der spezifischen Ausprägung der Herrschererwartung im Ezechielbuch zu fragen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Davidver‐ heißung eine relativ junge Heilsthematik im Ezechielbuch ist, der auf den älteren literarischen Ebenen des Buches eine theokratische Konzep‐ tion vorausgeht. Dem göttlichen Herrscher Jhwh wird als kultisches Oberhaupt der נשׂיא im Verfassungsentwurf zur Seite gestellt, der buch‐ konzeptionell das Gegenbild zu den vorexilischen Königen von Juda bildet und dessen Herrschaft sich gerade darin auf den kultischen Be‐ reich beschränkt. Zuerst unabhängig von diesen Herrschererwartungen tritt in Ez 34,23f.* und 37,24 die Daviderwartung auf, die sich einer Rezeption der Restaurationshoffnung im Jeremiabuch verdankt und diese auf einen David redivivus hin auslegt. Darin unterscheidet sich die Daviderwar‐ tung im Ezechielbuch grundlegend von den vergleichbaren Texten im corpus propheticum, die entweder einen Herrscher aus dem davidischen Geschlecht oder einen Herrscher nach dem Bilde Davids erwarten. In der ezechielischen Konzeption verbindet sich die Kontinuität des Ge‐ schlechts mit der Vorbildfunktion, so dass David zur Chiffre für den idealen Herrscher wird. Darüber hinaus bekommt er eine Funktion innerhalb des Bundesverhältnisses zugewiesen und wird in den Bund zwischen Jhwh und seinem Volk mit eingeschlossen. In einem letzten 527 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.3. zum Verhältnis von 34,1‐10* und 37,1‐6* und weiterhin Kap. IV. 2.1.3.2. zur Bedeutung von 34,11‐15* und 37,15‐19* für den Beginn der wechselseitigen Auslegung in Ez 34 und 37.
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Schritt findet ein Ausgleich mit der ‐נשׂיאErwartung in Ez 40‐48 statt, indem David in Ez 37,25 und 34,24ab in den Fürstenstand erhoben und auf diese Weise mit dem Fürsten des Verfassungsentwurfes identifi‐ ziert wird.
6. Die Wiederbelebung der trockenen Knochen: Ez 37,1‐14 6.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Für die Analyse von Ez 37 verbleibt nach den voranstehenden Einzel‐ textanalysen in Kap. III. 4. und III. 5. nur noch die erste Kapitelhälfte in Ez 37,1‐14, die von der Vision über die Wiederbelebung der zerstreuten Knochen und dem inhaltlich anschließenden Disputationswort einge‐ nommen wird. Wie die erste Sichtung schon gezeigt hat, stellt sowohl die literarische Analyse als auch die redaktionsgeschichtliche Einord‐ nung des Textes vor einige Probleme.528 So wird die Textanalyse vor allem die Frage zu klären haben, in welchem literarischen Verhältnis Vision und Disputationswort zueinander stehen. Die Untersuchung des redaktionellen Ortes wird dagegen dadurch erschwert, dass das Stück nur wenige Querverbindungen zu den umliegenden Heilsworten und zu der zweiten Kapitelhälfte in Ez 37,15‐28 aufweist. Schließlich gehört Ez 37,1‐14 zu den Texten des Buches, die sich durch eine ausgeprägte Bildhaftigkeit auszeichnen, in der hier der Ge‐ gensatz von Tod und Leben verhandelt wird. Es liegt deshalb nahe, die verwendeten Bilder in einem dritten Schritt auf ihre literarischen oder motivgeschichtlichen Vorlagen im Alten Testament hin zu untersu‐ chen. Während für die Untersuchung der Todesmotivik vor allem das Bild der zerstreuten Knochen zu berücksichtigen sein wird, ist das be‐ stimmende Bild der Lebenszusage die Geistverleihung, die der Todes‐ verfallenheit entgegengesetzt wird. 6.2. Textanalyse 6.2.1. Aufbau und Grundschicht Das grundlegende literarische Problem in Ez 37,1‐14 ist die Zwei‐ teilung des Textes in die Vision in V 1‐10 und das Disputationswort in V 11‐14, wobei insbesondere die Frage zu stellen ist, wie das im Dispu‐ 528 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3.
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tationswort verwendete Bild von der Öffnung der Gräber mit dem Bild der auf der Ebene zerstreuten Knochen zusammen passt. In der For‐ schung ist von jeher umstritten, ob hier mit einer ursprünglichen Zusammengehörigkeit zu rechnen ist oder ob das Verhältnis zwischen den beiden Textteilen redaktionsgeschichtlich bestimmt werden muss.529 In der folgenden Textanalyse sollen deshalb zuerst Aufbau und Struktur untersucht werden, ehe nach der literarischen Beziehung zwischen Vision und Disputationswort gefragt werden kann. Die in Form eines Ich‐Berichtes gestaltete Vision des Propheten in 37,1‐10 gliedert sich in zwei Abschnitte V 1‐6 und V 7‐10. Der erste Teil 37,1‐6 wird in V 1 mit der Formel eröffnet, dass die Hand Jhwhs über den Propheten gekommen ist ()היתה עלי יד־יהוה,530 und ist damit klar als Neueinsatz gegenüber den vorausgehenden Heilsworten gekennzeich‐ net.531 Bei dieser Einleitung handelt es sich um eine Wendung, die an mehreren Stellen im Buch eine Visionsbeschreibung eröffnet (vgl. 1,3b; 8,1 [;]ותפל 37,1 und 40,1).532 Nachdem Jhwh auf diese Weise Besitz von dem Propheten ergriffen hat, wird Ezechiel im Geist Jhwhs ()ברוח יהוה533 529 Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der V 1‐10 und V 11‐14 nehmen ZIMMERLI, BK, 888; GARSCHA, Studien, 221f.; BARTELMUS, Verbform, 384; KRÜGER, Geschichts‐ konzepte, 426f.; ALLEN, WBC 29, 183f.; FUHS, NEB, 207, und BEHRENS, Visionsschil‐ derungen, 253‐269, an; vgl. ebenso GREENBERG, AncB, 747‐749, und BLOCK, NICOT II, 372. Die Vertreter einer redaktionsgeschichtlichen Lösung vermuten die Grund‐ schicht des Textes zumeist in der Vision V 1‐10*(11a) (vgl. BALTZER, Ezechiel, 114f.; HOSSFELD, Untersuchungen, 369; HÖFFKEN, Beobachtungen, 310‐312; OHNESORGE, Jahwe, 298, und WAHL, Tod, 231f.); als einzige Ausnahme ist POHLMANN, Ezechiel‐ studien, 115‐119 (vgl. auch DERS., ATD, 495), zu nennen, der V 11‐14* als literarisch vorgängig gegenüber V 1‐10* beurteilt. Schließlich versuchen FOHRER, HAT, 210; BERTHOLET, HAT, 126, und LANG, Street Theater, 312, die Unstimmigkeiten zwischen den Bildern dadurch zu lösen, dass sie V 12f.* als Nachtrag ausscheiden. 530 Die mit einfacher Afformativkonjugation formulierte Angabe in 37,1 hat schon im‐ mer Vermutungen darüber ausgelöst, ob an dieser Stelle eine ursprüngliche Da‐ tumsangabe ausgefallen ist, die den auffälligen Tempusgebrauch erklären könnte; vgl. ZIMMERLI, BK, 886.891; EICHRODT, ATD, 354; HOSSFELD, Untersuchungen, 344f., und BLOCK, NICOT II, 373. Die Textvariante der LXX, die kai. evge,neto bietet, ist als Versuch zu werten, die auffällige AK‐Form im MT mit einer dem gewöhnlichen Er‐ zähleinsatz ותהי entsprechenden Formulierung zu glätten. Vgl. dazu auch u. Kap. IV. 3.2. 531 In der durch Pap. 967 bezeugten Textfolge gehen der Vision zuerst die Heilsworte an die Berge Israels in 36,1‐11* voraus, die auf späteren Wachstumsstufen des Buches durch 36,16‐22(23aba); 39,23‐29 und 38,1‐39,22 ergänzt werden. In der masoretischen Buchfassung steht die Vision 37,1‐14 im Anschluss an die späte redaktionelle Ein‐ schreibung in 36,23bb‐38. 532 Die Wendung begegnet allerdings auch außerhalb eines visionären Kontextes; vgl. dazu Ez 3,14.22 und 33,22, wo jeweils ein besonderes Moment der Einwirkung Gottes auf den Propheten beschrieben wird. 533 Es fällt auf, dass Jhwh als wahrscheinliches Subjekt des ersten Narrativsatzes in Spannung zu Jhwh als nomen rectum der Genitivverbindung ברוח יהוה steht; es ist
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hinausgeführt und auf die Talebene versetzt, die mit Gebeinen ()עצמות angefüllt ist (V 1). Dort wird er zwischen den vielen vertrockneten Gebeinen im Kreis herumgeführt (V 2), bevor Jhwh das Wort an ihn richtet (V 3). Eingeleitet durch ויאמר אלי stellt Jhwh dem als Menschensohn ange‐ redeten Propheten die entscheidende Frage, ob diese Gebeine wieder lebendig werden können ()חיה. Ezechiel antwortet daraufhin: „Herr Jhwh, du weißt es.“ Dieser Rückpass der Frage an Jhwh stellt weniger die Ohnmacht des Propheten dar, als vielmehr sein Vertrauen auf die Wirkmächtigkeit Gottes. So zeigt auch die Fortführung, dass es sich hier um eine rein rhetorische Frage handelt, denn in V 4 erhält der Pro‐ phet den Auftrag, den in der Ebene zerstreuten Gebeinen das Wort Jhwhs auszurichten. Der eigentliche Inhalt des Gotteswortes folgt in V 5 mit der durch die Botenformel eingeleiteten Verheißung, dass Jhwh Geist ()רוח in die Gebeine kommen lassen wird (בוא hif.), so dass sie leben werden ()חיה. Im folgenden V 6 wird der Vorgang der Wiederbe‐ lebung konkretisiert, indem detailliert beschrieben ist, dass Jhwh Seh‐ nen ()גדים über die Knochen geben wird ()נתן, Fleisch ()בשׂר an ihnen aufsteigen lässt (עלה hif.) und sie mit Haut ()עור überzieht ()קרם. Eine erneute Zusage der Geistverleihung, die mit נתן formuliert ist, sowie eine Erkenntnisformel schließen den Vers ab und zeigen eine erste Zä‐ sur an. Der zweite Visionsteil in 37,7‐10 beginnt mit einer Ausführungs‐ notiz in V 7a und schildert, wie sich die Wiederbelebung der Knochen vollzieht. Unter Rauschen und Beben rücken die Gebeine aneinander (קרב, V 7b) und Ezechiel schaut, wie sie entsprechend der Verheißung aus V 6 mit Sehnen, Fleisch und Haut ausgestattet werden (V 8a). Allerdings ist nach V 8b noch kein Geist in ihnen, so dass in V 9a mit Anrede und Botenformel der Auftrag an den Propheten ergeht, dem Geist ()הרוח zu prophezeien. Dieser soll von den vier Winden kommen und die Erschlagenen ()הרוגים anhauchen, damit sie wieder lebendig werden (V 9b). Eine erneute Ausführungsformel in V 10a leitet den Be‐ richt über das Kommen des Geistes und die Wiederbelebung ein, deren Erfolg eine abschließende Notiz beschreibt, nach der die Gebeine als ein sehr mächtiges Heer auf ihren Füßen stehen (V 10b). Mit dem Ein‐ setzen von Rauschen und Beben in V 7 und dem betonten וראיתי in V 8a scheint nach der literarischen Zäsur in V 6 nicht nur ein zweiter Visionsteil, sondern insgesamt der Beginn eines neuen visionären Er‐ deshalb zu überlegen, ob es sich bei der Näherbestimmung durch יהוה um eine nach‐ trägliche Einfügung handelt (vgl. dazu HOSSFELD, Untersuchungen, 345‐347; OHNE‐ SORGE, Jahwe, 284).
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lebnisses vorzuliegen,534 so dass zu überlegen ist, ob V 7‐10 eine sekun‐ däre Fortschreibung des ursprünglichen Visionsberichtes in V 1‐6 dar‐ stellen. Das Disputationswort 37,11‐14 setzt in V 11 mit einer weiteren An‐ rede des Propheten ein und enthält in der ersten Vershälfte eine Deutung der Totenfeldvision, in der die Gebeine ausdrücklich mit dem ganzen Haus Israel ()כל־בית ישׂראל identifiziert werden. Die Einleitung mit ויאמר אלי, der Anrede des Propheten als בן־אדם und dem Rückver‐ weis העצמות האלה stellt formal eine Parallele zu der Redeeinleitung in V 3 dar, auf die aber in der zweiten Vershälfte eine dreiteilige Klage eines Subjekts 3. Pers. pl. folgt. Diese Gruppe beklagt, dass ihre Gebei‐ ne vertrocknet sind ()יבשׁ, ihre Hoffnung verloren ist ()אבד und sie abgeschnitten sind (גזר ni.). Hier liegt eine Sammlung von Klagen vor, die die Gottesferne und Todesverfallenheit des Menschen beschreiben. Der Prophet bekommt deshalb (לכן, V 12a) die Aufforderung, der Grup‐ pe die Heilszusagen Jhwhs auszurichten. Dieser kündigt an, dass er ihre Gräber öffnen ()פתח, sie aus den Gräbern heraufführen (עלה hif.) und sie in das Land Israel bringen wird (בוא hif., V 12). 535 In V 13 folgt zuerst eine Erkenntnisformel, die durch zwei partizipiale Aussagen erweitert ist, die die ersten beiden Verheißungen aus V 12 wieder auf‐ nehmen (בפתחי/)ובהעלותי. Abschließend sagt Jhwh in V 14aa an, dass er seinen Geist in sie geben wird, damit sie leben. Mit der Formulierung ונתתי רוחי בכם וחייתם stellt V 14aa eine wörtliche Aufnahme von V 6ab dar, nur dass der Geist in V 14aa explizit mit dem Geist Jhwhs identifiziert wird. In V 14ab folgt eine Aussage über Israels Aufenthalt (נוח hif.) im Land, bevor ein Ensemble von erneuter Erkenntnisformel, erweiterter Wortbekräftigungsformel und Gottesspruchformel das Disputations‐ wort abschließt. Die Analyse des Aufbaus in Ez 37,1‐14 hat gezeigt, dass der Text in eine zweiteilige Vision in V 1‐6.7‐10 und das Disputationswort in V 11‐ 14 zu gliedern ist, wobei mit dem zweiten Visionsabschnitt eine sekun‐ däre Fortschreibung vorliegen könnte. Die Frage der Beziehung von V 1‐6(10) zu V 11‐14 entscheidet sich daran, ob eine überzeugende Be‐ gründung für den Wechsel in der Bildebene gefunden werden kann. 534 Vgl. zu dieser Beobachtung auch POHLMANN, Ezechielstudien, 102, und WAHL, Tod, 224. 535 Sowohl in V 12a als auch in V 13b ist die Heraufführung aus den Gräbern durch die Bestimmung עמי erweitert, die allerdings textkritisch nicht gesichert ist. Die Peschitta bezeugt den Begriff in beiden Versen nicht, während LXX* ihn nur in V 13b bietet. Mit ZIMMERLI, BK, 887f., wäre schwer zu erklären, warum das theologisch zentrale עמי in LXX* und Peschitta gestrichen sein sollte, so dass hier mit einer nachträglichen Ergänzung im MT zu rechnen ist, die zuerst in V 13b und schließlich auch in V 12a eingetragen wurde (vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 296 Anm. 53).
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Für eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit könnte zuerst die Tat‐ sache sprechen, dass die zwei Stücke formgeschichtlich im Verhältnis von Bild und Deutung zueinander stehen.536 Es wäre dann denkbar, dass es sich bei den Gebeinen in der Vision um Knochen handelt, die aus den Gräbern an die Oberfläche gelangt sind. In diesem Fall ist aber nur schwer zu erklären, warum die Vision als Begründung und Aus‐ führung des Disputationswortes vor V 11‐14 steht und nicht im An‐ schluss daran.537 Die inhaltliche Spannung zwischen den beiden Teilen ist deshalb angemessener als Indiz für einen Fortschreibungsprozess zu bewerten, so dass nach einer redaktionsgeschichtlichen Erklärung zu suchen ist. Die Frage der literarischen Priorität entscheidet sich an V 11, der eine Gelenkfunktion für die Textkomposition einnimmt, indem er Vision und Disputationswort miteinander verbindet: Während V 11a mit der Deutung der Totenfeldvision nach vorne hin orientiert ist, bildet das Zitat in V 11b den Anlass für die folgenden Heilsverhei‐ ßungen.538 Zuerst gibt es in textkritischer bzw. struktureller Hinsicht keinen Grund, an der literarischen Integrität von V 11 zu zweifeln, so dass allein inhaltliche Gesichtspunkte über die Zuordnung des Verses entscheiden können.539 Die kurze Deutung der Vision in V 11a ist litera‐ risch nicht eigenständig, sondern verweist mit der zu V 3 parallelen Redeeinleitung und dem exponierten העצמות האלה auf V 1‐6 zurück. Das bedeutet, dass der Vers entweder als ursprüngliche Inklusion zu V 3 das Ende der Totenfeldvision darstellt oder als redaktionelles Scharnier für den Anschluss des Disputationswortes geschrieben worden ist. In beiden Fällen liegt mit V 11a nicht der Beginn eines eigenständigen Redeganges vor, sondern der Vers ist Bestandteil der Grundvision oder setzt diese bereits voraus. Indes ist auch fraglich, ob mit der zweiten Vershälfte in V 11b der Beginn einer unabhängigen Texteinheit vor‐ liegt. So wäre der unvermittelte Beginn mit הנה und Partizip ohne Par‐ allele im Buch und es stellt sich vor allem die Frage, wer das Subjekt 536 Zu dieser klassischen formgeschichtlichen Einordnung vgl. ZIMMERLI, BK, 888. 537 Auch ZIMMERLI bietet dafür letztlich keine Erklärung, sondern begnügt sich mit der Aussage: „Daß in der Verkündigung an das Volk das Bild der Totengebeine durch dasjenige von den Gräbern verdrängt wird, darf auf keinen Fall zur Zerreißung der beiden Teile verleiten“ (ZIMMERLI, BK, 888). 538 Zur Schlüsselstellung von V 11 und der Diskussion um die Zuordnung der beiden Vershälften vgl. BARTELMUS, Textkritik, 55‐64. 539 So gegen BALTZER, Ezechiel, 101f., und HOSSFELD, Untersuchungen, 360‐363, die bei‐ de syntaktische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Nominalsätze in V 11 konstatieren und daraus folgern, dass V 11 keine literarische Einheit bilde. Die ins‐ besondere von BALTZER, a.a.O., 102, als „holprig“ empfundene Reihung von המה הנה erklärt sich aus der parallelen Struktur von V 11aa und V 11ab.
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des Satzes ist.540 Zwar kann das Partizip אמרים für eine unpersönliche Konstruktion „man sagt“ stehen,541 aber die Heilsverheißung in 37,12‐ 14 ist durch אליהם (V 12a) ausdrücklich an die Sprecher des Zitats von V 11b gerichtet und fordert ein persönliches Subjekt. Aus den ge‐ nannten Gründen erscheint die Annahme unumgänglich, dass sich das Partizip in V 11b auf כל־בית ישׂראל bzw. המה in V 11a zurückbezieht. Wenn V 11b damit literarisch auf V 11a bezogen ist, der seinerseits von V 1‐6(10) abhängig ist, muss das gesamte Disputationswort die Vision bereits voraussetzen.542 An dieser Stelle ist allerdings noch eine andere Möglichkeit zu dis‐ kutieren. POHLMANN hat den Nachweis versucht, dass es sich bei V 11‐ 14* um ein selbständiges Disputationswort handelt, das erst nachträg‐ lich durch die interpretierende Vision in V 1‐10 erweitert worden sei.543 Dieses Disputationswort habe in einem ursprünglichen literarischen Zusammenhang mit Heilsworten in Ez 36,1‐15* gestanden, in denen sich Hoffnungen der im Lande verbliebenen Bevölkerung artikulier‐ ten.544 POHLMANN rechnet dabei mit einem Textanschluss von 36,11 zu 37,11b,545 so dass die Volksklage in 37,11b als Klage des Volkes im Land zu verstehen sei. Allerdings ist zu fragen, ob in diesem Fall nicht die in der Totenfeldvision 37,1‐6(10) beschriebene Wiederbelebung die bessere Fortführung der Heilsworte in 36,1‐15* bildet. Zuerst sind die Verheißungen im Grundbestand von 36,1‐15* an die Berge Israels gerichtet, so dass bei einem postulierten Textanschluss von 36,11 an 540 BALTZER, Ezechiel, 101f., und HOSSFELD, Untersuchungen, 360‐363, entscheiden sich aufgrund der von ihnen festgestellten syntaktischen Unregelmäßigkeiten beide gegen die Versaufteilung der Masoreten und versetzen den Atnah von המה zu ישׂראל, um so ein Subjekt für den zweiten Nominalsatz zu gewinnen. Dagegen ist aber ein‐ zuwenden, dass die Abfolge המה הנה אמרים kaum eine syntaktische Verbesserung zu nennen ist und darüber hinaus keine Parallele im Alten Testament hat (vgl. BARTEL‐ MUS, Textkritik, 61f.). 541 Vgl. GesK §116t. Diese Konstruktion findet sich im Ezechielbuch weiterhin in Ez 21,5 und 36,13. Allerdings unterscheiden sich die Belege dadurch von Ez 37,11b, dass jeweils eine formale Einleitung für das Zitat gegeben ist und das Subjekt des Aus‐ spruches im folgenden Text keine Rolle mehr spielt, so dass wirklich ein unpersön‐ liches „man“ vorliegt. 542 Das Problem des Subjektbezuges in V 11a könnte auch dadurch gelöst werden, dass das Grundwort in V 11‐14* ursprünglich an eine kurze Visionseinleitung in V 1.2bb angeschlossen haben könnte. Auch hier besteht aber die Konstellation, dass die Knochen nach V 1 bereits auf der Ebene liegen, bevor in V 12 ihre Herausholung aus den Gräbern angesagt wird, was m. E. gegen diese Lösung spricht. 543 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 115, und DERS., ATD, 495. 544 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 118, und DERS., ATD, 495‐497. 545 So zu ersehen aus dem Textabdruck bei POHLMANN, ATD, 472.492. Zur Untersu‐ chung von Ez 36,1‐15 vgl. u. Kap. III. 7.2.; in Übereinstimmung mit POHLMANN kommt die Analyse zu dem Ergebnis, dass das ursprüngliche Ende des Grundwortes in 36,11 vorliegt.
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37,11b der Anredewechsel von 2. Pers. mask. pl. zu 3. Pers. mask. pl. zumindest auffällig bleibt und das Problem des Subjektbezuges in V 11b nicht ganz gelöst wird. Dagegen liegt mit dem Visionseinsatz in 37,1 der problemlosere Anschluss an die Erkenntnisformel in 36,11 vor. Weiterhin bietet das Bild der auf der Ebene zerstreuten Knochen in 37,1‐6(10) einen mindestens ebenso guten Anknüpfungspunkt für die den Bergen in Aussicht gestellte Restitution der Bevölkerung wie das Disputationswort in 37,11‐14*. Der Versuch, ein der Vision vorgängiges Disputationswort zu postulieren, wird damit nicht nur durch die text‐ liche Bezogenheit der beiden Vershälften in V 11 erschwert, sondern auch der Anschluss an den literarischen Kontext spricht für die Priori‐ tät der Totenfeldvision. Es bleibt nun noch zu entscheiden, ob der Halbvers 37,11a den Schluss der Totenfeldvision darstellt oder ob er das Disputationswort eröffnet. Als ursprünglicher Anschluss von V 11a kämen V 5, V 6 oder V 10 in Frage, von denen aber ein Anschluss an V 10 keinen Sinn ergibt, da die Knochen hier bereits wieder zu Menschen belebt sind, so dass der Rekurs auf die Gebeine in V 11a als Deutung sachlich und literarisch zu spät käme. Der zweite Teil der Vision in V 7‐10 steht darüber hinaus im Verdacht, eine sekundäre Ergänzung zu sein, so dass nur noch V 5 und V 6 übrig bleiben, die aber mit der Inklusion der Lebensverheißung (V 5) bzw. der Erkenntnisformel (V 6) beide eine mögliche Schlussformulierung aufweisen. Dies spricht dafür, dass in V 11a nicht der Abschluss der Vision vorliegt, sondern der Beginn des Disputationswortes, das nach dem Prinzip der Wiederaufnahme an die Totenfeldvision angeschlossen worden ist.546 Für die Zuordnung von Vision und Disputationswort ergibt sich damit das folgende Bild: Die Grundschicht in Ez 37,1‐14 bildet die Vision des Totenfeldes in V 1‐6(7‐ 10), die sekundär durch das Disputationswort in den V 11‐14 fortge‐ schrieben worden ist. 6.2.2. Literarische Nacharbeit Auch wenn die literarische Grundfrage damit beantwortet ist, so gibt es in den beiden Teilen doch weitere Anzeichen für redaktionelle 546 Anders HOSSFELD, Untersuchungen, 360‐363.369, der eine literarische Nahtstelle in V 11 annimmt, in der der Abschluss der Vision (V 11a ohne )המה mit der Einleitung zum folgenden Abschnitt (V 11b mit )המה „verschweißt“ worden sei; zur Annahme einer Nahtstelle in V 11a/11b vgl. ebenso HÖFFKEN, Beobachtungen, 310f.; GRAFFY, Prophet, 83, und OHNESORGE, Jahwe, 294f. Dagegen rechnen BALTZER, Ezechiel, 103. 108, und WAHL, Tod, 228, mit einem Abschluss der Vision in V 10, wobei BALTZER in V 11ab ein redaktionelles Gelenkstück sieht, mit deren Hilfe das ursprünglich selb‐ ständige Wort V 11aa.b.12f. an die Vision angeschlossen worden sei.
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Nacharbeit. In der Vision des Totenfeldes ist zuerst der zweite Visions‐ abschnitt in V 7‐10 auf seine Zugehörigkeit zu V 1‐6 hin zu unter‐ suchen. Neben dem bereits notierten formalen Neueinsatz fällt auf, dass רוח in diesem Stück mit Ausnahme von V 8a durchgehend deter‐ miniert als הרוח verwendet wird (vgl. 9a.9b.10b), was auf ein hypo‐ stasiertes Verständnis der רוח als personale Größe hindeutet. Darüber hinaus wird der Geist nicht wie in V 1‐6 als von Jhwh ausgehend beschrieben, sondern der Prophet ruft ihn von den vier Winden (מארבע רוחות, V 9b)547 herbei, so dass in V 7‐10 ein von V 1‐6 zu unterschei‐ dendes Geistverständnis vorliegt.548 Weiterhin zeichnet sich in diesen Versen auch eine divergierende Auffassung des Prophetenamtes ab: In der Beschreibung der Wiederbelebung wird Ezechiel zum aktiven Mittler zwischen Jhwh und der Hypostase des Geistes, während er in den anderen Visionsschilderungen des Buches eine passive Stellung einnimmt.549 Schließlich werden die Gebeine aus V 1‐6 in V 9 auf ein‐ mal als Erschlagene, הרוגים, bezeichnet, die zu einem großen Heer wiederbelebt werden. Die bildhafte Wiederbelebung der Knochen erhält auf diese Weise ein konkretisierendes Element, das die Knochen als Überreste von Menschen identifiziert, die gewaltsam zu Tode ge‐ kommen sind. Es kann deshalb vermutet werden, dass es in V 7‐10 anders als in V 1‐6 nicht mehr um eine symbolische Wiederbelebung geht, sondern dass an die leibliche Auferstehung der Gefallenen aus der Geschichte Israels gedacht ist.550 Über die genannten Beobachtungen hinaus beweist auch eine sprachliche Besonderheit die Sonderstellung der V 7‐10 in der Toten‐ feldvision. Zu Beginn der V 7.8.10 (ונביתי/וראיתי/)והנבאתי wie auch am An‐ fang von V 2 ()והעבירני fällt jeweils die Verwendung einer AK consecu‐ tivum‐Form (weqatal) an Stellen auf, wo eindeutig ein Progress in der Erzählung vorliegt.551 Im Allgemeinen wird das Vorkommen von weqatal an Stellen, an denen eigentlich der Narrativ zu erwarten wäre, mit einer Beeinflussung durch das Aramäische erklärt, die auf eine 547 Das Motiv von den vier Windrichtungen findet sich neben Ez 37,9 nur noch in Ez 42,20; Sach 2,10; 6,5; 1 Chr 9,24; Dan 8,8; 11,4 und 4 Esr 13,5. Es begegnet damit überwiegend in jüngeren Büchern des Alten Testaments. 548 Vgl. HÖFFKEN, 307; WAHL, Tod, 225f. Auch BARTELMUS, Verbform, 384, und OHNE‐ SORGE, Jahwe, 291, verwenden das personifizierte Verständnis des Geistes als literar‐ kritisches Kriterium; allerdings streichen sie die Determination von רוח in V 10b als spätere Überarbeitung, da sie den Halbvers ihrer jeweiligen Grundschicht zuordnen. 549 Vgl. OHNESORGE, Jahwe, 292, und BARTELMUS, Verbform, 381. 550 Vgl. auch WAHL, Tod, 225: „Nun geht es nicht mehr um die Wiederbelebung der Gebeine, sondern um die Wiederbelebung der Ermordeten.“ 551 Zu dieser Problemanzeige vgl. ausführlich BARTELMUS, Verbform, 368‐375; siehe ferner ZIMMERLI, BK, 886, und HOSSFELD, Untersuchungen, 347‐349.
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jüngere Sprachstufe hindeutet.552 Gegen diese These hat ZIMMERLI ver‐ sucht, den weqatal‐Formen in Ez 37 hypotaktische Funktion zuzuwei‐ sen: Eine die Vorbedingung beschreibende Aussage im Perfekt mit ו führe vorbereitend zu der eigentlichen Hauptaussage hin, die jeweils durch הנה oder das erzählende imperfect consecutivum eingeleitet sei.553 Allerdings ist gegen ZIMMERLI einzuwenden, dass er seine Erklärung durch Parallelstellen im Buch belegen will, die bei näherem Hinsehen entweder abweichend konstruiert sind oder gerade Beispiele dafür bie‐ ten, dass die AK consecutivum an dieser Stelle eigentlich einen Narrativ erwarten ließe.554 Die plausibelste Erklärung für die auffälligen Verb‐ formen bleibt damit die These, dass es sich bei den Versen um eine jüngere Textstufe innerhalb der Vision handelt.555 In Bezug auf V 2 ist allerdings auch mehrfach versucht worden, die weqatal‐Form auf einen Schreiberfehler zurückzuführen,556 oder sie vom klassischen Tempusgebrauch des Biblischen Hebräisch her mit einer iterativen Funktion zu erklären.557 Während der Rekurs auf ein Ver‐ sehen in der Textüberlieferung ohne Anhalt in den Versionen speku‐ lativ bleiben muss, gibt es keinen textinternen Hinweis darauf, dass die Handlung in V 2a als wiederholter Vorgang aufzufassen ist. Das von den Vertretern dieser These angeführte סביב סביב („ringsherum“)558 kann m. E. nicht die Last des Nachweises tragen, da es in V 2 die örtliche Bewegung angibt und keine iterative Funktion hat. Denkbar ist allerdings, das weqatal am Beginn von V 2 als Fortführung des Narra‐ tivs ויניחני in V 1a zu verstehen, wobei allerdings der Nominalsatz in 552 Vgl. z. B. GESK §112pp mit explizitem Verweis auf Ez 37,2.7.10; JOÜON/MURAOKA, Grammar, §119z, mit Verweis auf Ez 37,7.10, und BARTELMUS, Verbform, 375. Zur Diskussion um „Aramaismen“ im Biblischen Hebräisch vgl. insgesamt WAGNER, Aramaismen, 1ff., und den Exkurs „Der Gebrauch des perfectum copulativum im biblischen Hebräisch“ von SPIECKERMANN in: DERS., Juda, 120‐130. Zum neuesten Stand der Forschung siehe HURVITZ, Hebrew, 24‐37. 553 Vgl. ZIMMERLI, BK, 886. 554 Vgl. dazu HOSSFELD, Untersuchungen, 348f., der in einer Untersuchung der von ZIMMERLI angeführten Belegstellen den Nachweis geführt hat, dass diese nicht zur Begründung herangezogen werden können; zur Kritik vgl. weiterhin BARTELMUS, Verbform, 369‐371. 555 Nach SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 358, ist das letzte Drittel des 4. Jh.s. v. Chr. (frühestens 332) terminus a quo für das Auftreten dieses Sprachgebrauches im Eze‐ chielbuch; vgl. dazu auch u. Kap. IV. 2.1.4. 556 Mit dieser eleganten Lösung behelfen sich JOÜON/MURAOKA, Grammar, §119z, die והעבירני in V 2 mit einer Verschreibung von jod zu he erklären wollen, so dass ur‐ sprüngliches ויעבירני zu lesen sei. 557 Vgl. BARTELMUS, Verbform, 370, und OHNESORGE, Jahwe, 284f. Wie aber BARTELMUS, a.a.O., 370, selbst feststellen muss, wird Ez 37,2 von keiner gängigen Grammatik als Beleg für die iterative Funktion des AK consecutivum aufgeführt. 558 Vgl. BARTELMUS, Verbform, 370, und OHNESORGE, Jahwe, 285.
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V 1b den Zusammenhang unterbricht, so dass auch hier eine Abwei‐ chung vom üblichen Sprachgebrauch zu konstatieren wäre. Da es außerdem problematisch erscheint, dieselbe sprachliche Besonderheit innerhalb eines Textstückes auf unterschiedliche Weise auszuwerten,559 liegt es nahe, in V 2 ebenfalls einen vom aramäischen Sprachgebrauch beeinflussten Zusatz zu sehen, der vielleicht zusammen mit V 7‐10 in den Text gekommen ist. Für diese Überlegung spricht weiter, dass V 2 inhaltlich gut zu V 7‐10 passt, denn das Umherführen des Propheten und die Betonung der großen Anzahl der Knochen auf der Ebene (;מאד vgl. doppeltes מאד in V 10) ruft in V 2 wie in V 7‐10 die Assoziation eines Schlachtfeldes hervor. Dabei ist aber noch fraglich, ob V 2 in sich literarisch einheitlich ist. In V 2ba und V 2bb stehen zwei durch והנה eingeleitete Nominalsätze nebeneinander, die die große Anzahl der Knochen bzw. ihren vertrockneten Zustand hervorheben. Diese paral‐ lele Konstruktion der Vershälften könnte darauf hindeuten, dass sie nicht auf dieselbe literarische Ebene gehören. Während V 2ba mit der Betonung der Menge an die Beschreibung in V 1 anknüpft, nach der die Ebene mit Knochen angefüllt ist, bringt V 2bb mit der Vertrocknung der Knochen einen neuen Aspekt ein. Es ist deshalb zu überlegen, ob der spätere Nachtrag in V 2a mit Hilfe der Wiederaufnahme in V 2ba in den Text eingefügt worden ist. Der zweite Nominalsatz in V 2bb könnte dieser Einschreibung entweder vorausgehen oder seinerseits eine noch spätere Eintragung darstellen.560 Aufgrund der sprachlichen und litera‐ rischen Auffälligkeiten ist deshalb im Anschluss an die Arbeiten von BARTELMUS und WAHL mit einer nachträglichen Bearbeitung in V 7‐10 zu rechnen,561 zu der hier auch V 2aba gerechnet wird. 559 So gegen OHNESORGE, Jahwe, 285, und BARTELMUS, Verbform, 370, die zwar die Sekundarität von V 7‐10* mit Verweis auf die AK consecutivum‐Formen begründen, dieselbe Auffälligkeit in V 2 aber mit iterativer Funktion erklären wollen. 560 HOSSFELD, Untersuchungen, 349f., scheidet V 2bb als späteren Nachtrag in V 2 aus und begründet dies mit dem Fehlen eines zweiten הנה in Vergleichstexten des Bu‐ ches. Dagegen spricht sich OHNESORGE, Jahwe, 285, gegen die Ausscheidung von V 2bb aus, da der Vers „eine für die weiteren Aussagen der Vision kaum entbehr‐ liche Feststellung“ bringe. Es ist aber noch zu erweisen, ob das Attribut der Vertrock‐ nung von Anfang an auch für die zerstreuten Knochen auf der Talebene auszusagen ist. LXX und Peschitta bieten das zweite והנה nicht, was aber mit ZIMMERLI, BK, 887, und HOSSFELD, a.a.O., 350, als Textglättung zu beurteilen ist. 561 Als Erster hat HÖFFKEN die grundsätzliche literarische Einheitlichkeit von 37,1‐10 in Frage gestellt und kommt zu dem Ergebnis, dass eine dem Grundauftrag in V 5f. entsprechende Ausführung „in v. 7a, 8 (ohne die letzten drei Worte) und 10 (ohne die ersten drei Worte)“ zu finden sei (vgl. HÖFFKEN, Beobachtungen, 308). BARTEL‐ MUS, Verbform, 385‐358, unternimmt eine Überprüfung und Weiterführung von HÖFFKENS Beobachtungen, wobei er insbesondere das Auftreten der AK consecutivum mit in seine Überlegungen einbezieht und die These vertritt, dass das ursprüngliche Heilswort in V 1‐6.7b.8a (ohne )וראיתי um den Einschub V 7a.8b‐10 erweitert worden
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Es gibt aber noch weitere Hinweise auf literarische Nacharbeit in der ursprünglichen Totenfeldvision in V 1‐6. So wird der Prophet in V 4 aufgefordert, über die Gebeine ()על־העצמות zu weissagen, und ihnen ()אליהם, die erneut als העצמות היבשׁות angeredet werden, das Wort Jhwhs auszurichten. Mit dieser dreifachen Adressatennennung wirkt der Vers überfüllt und insbesondere die Nebeneinanderstellung von Adressat im Redeauftrag und unmittelbar daran anschließendem Vokativ deutet darauf hin, dass der Vokativ zur nachträglichen Explikation von אליהם eingefügt worden ist.562 Damit ist allerdings noch einmal auf V 2bb zu‐ rückzukommen, dessen Einordnung bisher offen geblieben ist. Wenn die Charakterisierung der Knochen als „vertrocknet“ in V 4 erst nach‐ träglich erfolgt ist, könnte auch V 2bb zu dieser Überarbeitung gehören, da nur noch an dieser Stelle in der Totenfeldvision von der Vertrock‐ nung der Knochen die Rede ist. Das Bild der trockenen Knochen hat damit seinen ursprünglichen Ort im Disputationswort und ist von dort erst im Zuge der Überarbeitung durch V 2bb und den Vokativ in V 4bb in die Vision eingefügt worden. In gleicher Weise wie in V 4 scheint auch in V 5 die erneute Adressatennennung לעצמות האלה redundant, so dass hier mit einer weiteren Glosse zu rechnen ist.563 Des Weiteren gibt es mehrere Gründe, die an der literarischen Ur‐ sprünglichkeit von V 6 zweifeln lassen. Zuerst bildet die abschließende Geistgabe in V 5 mit dem Ziel der Wiederbelebung ()וחייתם eine inclusio zu der rhetorischen Frage in V 3 ()התחיינה, so dass die Grundproble‐ matik des Textes bereits in V 5 einer Lösung zugeführt worden ist. V 6 geht über diese Frage hinaus und führt eine Differenzierung des menschlichen Körpers ein,564 die durch die Wiederaufnahme der Geist‐ begabung an V 5 angeschlossen ist. Dies spricht dafür, in V 6 eine erste Fortschreibung der ursprünglichen Vision in V 1‐5* zu sehen, in der das Bild der Knochen zu einer ausführlichen Darstellung der mensch‐ sei (vgl. im Anschluss an diesen auch POHLMANN, Ezechielstudien, 114, und erwä‐ gungsweise FUHS, NEB, 210). OHNESORGE, Jahwe, 287‐293, geht dagegen nur im Fall von V 8b‐10a von einem späteren Nachtrag aus, wobei er aber gezwungen ist, die AK consecutivum‐Form וראיתי in V 8a und die Determination von רוח in V 10b aus seiner Grundschicht zu streichen. Schließlich hat WAHL, Tod, 223‐228, V 7b‐10 insgesamt als einen auf V 1‐7a hin verfassten Einschub identifiziert. 562 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 352, der den Nachweis führt, dass an keiner ver‐ gleichbaren Stelle im Ezechielbuch die letzte Erwähnung des Adressaten im Rede‐ auftrag mit dem Vokativ des Aufmerksamkeitsrufes zusammentrifft. 563 So mit FOHRER, HAT, 207; EICHRODT, ATD, 353; HOSSFELD, Untersuchungen, 352‐ 354; FUHS, NEB, 207, und OHNESORGE, Jahwe, 286. 564 Eine vergleichbare Darstellung der Anatomie durch die Reihung von עצם, גדים, בשׂר und עור findet sich ansonsten nur noch in Hi 10,11, wo sie ebenfalls im Kontext einer Schöpfungsaussage zu finden ist: „Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten.“
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lichen Anatomie erweitert wird. Da sich der Gehalt der Nachinterpre‐ tation in V 6aa findet, der durch den Rekurs auf die Geistgabe in V 6ab angeschlossen wird, ist durchaus zu erwägen, dass die Erkenntnisfor‐ mel in V 6b den ursprünglichen Schluss der Totenfeldvision in 37,1‐6* gebildet hat. Schließlich fällt auf, dass der Begriff „Gebeine“, עצמות, in der ge‐ samten Totenfeldvision in seinem Genusgebrauch wechselt.565 Aber anders als im Hirtenkapitel Ez 34, in dem die Schwankungen im Ge‐ nusgebrauch als literarkritisches Kriterium ausgewertet werden konn‐ ten,566 lässt sich der Wechsel außer im Fall von V 4ba.bb nicht mit literarischen Brüchen in Übereinstimmung bringen. Es ist deshalb zu überlegen, ob ein literarisches Stilmittel vorliegt, durch das der Bezug von Symbol und Symbolisiertem, d. h. Knochen und Volk, dargestellt wird. Wenn auf der Bildebene von den konkreten Knochen die Rede ist, wird עצמות als femininer Plural (vgl. V 2b.3a.4bb) aufgefasst, wäh‐ rend ansonsten die Verwendung als maskuliner Plural vorherrschend ist (vgl. V 2a.4ba.5f.).567 Im Disputationswort V 11‐14 stellt das entscheidende literarische Problem die Doppelung von Jhwhs Heilshandeln in V 12ab und V 13b dar, wo in fast identischer Formulierung davon die Rede ist, dass Jhwh ihre Gräber öffnen (אני פתח את־קברותיכם, V 12ab; vgl. בפתחי את־קברותיכם, V 13b) und sie aus diesen heraufführen wird (והעליתי אתכם מקברותיכם, V 12ab; vgl. ובהעלותי אתכם מקברותיכם, V 13b). Diese Doppelung wird kaum auf einen Autor zurückzuführen sein, so dass auch hier mit redaktio‐ neller Nacharbeit zu rechnen ist. Da die Botenformel in V 12aa eine Weiterführung durch den Beginn einer Gottesrede erfordert, muss die Heilsankündigung in V 12ab notwendigerweise zum Grundbestand des Disputationswortes gehören, während die parallel formulierte Er‐ weiterung der Erkenntnisformel in V 13b eine Wiederaufnahme von V 12ab darstellt. Es bleiben zwei Möglichkeiten, die Funktion dieser Wiederaufnahme in V 13b zu bestimmen: Zuerst ist es denkbar, dass V 13b einen sekundären Einschub in V 12b‐13 abschließt, durch den als drittes Glied der Heilsankündigung die Rückkehr (בוא hif.) in das Land Israel ()אל־אדמת ישׂראל in den Text eingetragen wird.568 Alternativ ist denkbar, dass V 13b einen Nachtrag in V 13b‐14 anbindet, in dem die 565 Vgl. die Auflistung bei ZIMMERLI, BK, 886. 566 Siehe dazu o. Kap. II. 2.2. 567 Vgl. dazu ZIMMERLI, BK, 886; HOSSFELD, Untersuchungen, 349, und OHNESORGE, Jahwe, 285. 568 So POHLMANN, ATD, 495. V 12f.* ist auch mehrfach als Nachtrag eingestuft worden, um auf diese Weise das Bild vom Öffnen der Gräber von der Totenfeldvision zu trennen; vgl. FOHRER, HAT, 210; BERTHOLET, HAT, 126; LANG, Street Theater, 312.
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Geistverleihung und das Bleiben (נוח hif.) im Land ()על־אדמתכם thema‐ tisiert werden.569 M. E. spricht die unterschiedliche Rede vom Land dafür, V 12b‐13a die literarische Priorität vor V 13b‐14 zu geben, da hier in Form einer Einführung explizit vom Land Israel (אל־אדמת ישׂראל, V 12b) die Rede ist, während V 14 sich mit על־אדמתכם auf diese Angabe zurückzubeziehen scheint. Damit ist allerdings noch einmal genau zu überlegen, mit welcher Intention die Heilsankündigungen in V 13b‐14 an den Text angefügt sein könnten. Zuerst wird die Geistgabe aus der Totenfeldvision in V 14a explizit als Verleihung des Jhwh‐Geistes ()רוחי bestimmt, die darüber hinaus durch die Verheißung erweitert ist, dass das Volk im Land verbleiben wird (נוח hif.). Die Bedeutung von נוח hif. ist allerdings nicht ganz eindeutig und in der Aussage von V 14ab (והנחתי אתכם )על־אדמתכם ist oft eine Parallele zur Rückkehrverheißung in V 12b (והבאתי )אתכם אל־אדמת ישׂראל gesehen worden.570 In ihrer Grundbedeutung deckt die Wurzel נוח einen semantischen Bereich ab, der das Ruhen als Heils‐ gut im Gegensatz sowohl zu einer Bewegung als auch zu einem Zu‐ stand der Unruhe bezeichnet.571 Abgeleitet von dieser Grundbedeutung ist im hifcil‐Stamm mit zwei unterschiedlichen Formen zu rechnen: Während hif. A ( ) ֵהנִי ַחals „ruhen lassen, zur Ruhe bringen“ zu überset‐ zen ist, bezeichnet hif. B () ִהנִּי ַח ein „hinlegen, belassen, hinsetzen“. In Verbindung mit dem Land ()אדמה findet sich נוח hif. überhaupt nur in Jes 14,1; Jer 27,11 und Ez 37,14, die von den Masoreten alle als Formen des hif. B vokalisiert sind.572 In Jes 14,1 scheint vom Kontext her das „Ins‐Land‐Setzen“ gefordert zu sein,573 allerdings spielt auch der Ge‐ danke der Feindesruhe im Land mit hinein, wie aus Jes 14,3 (נוח hif.) zu ersehen ist. Jer 27,11 ist dagegen eindeutig so zu verstehen, dass das Volk auf seiner אדמה belassen und nicht exiliert wird, wenn es sich Jhwhs Willen gegenüber gehorsam verhält. Diese Parallelstellen zei‐ gen, dass נוח hif. keine typische Formulierung einer Rückführungsaus‐ sage darstellt, sondern ein zukünftiges Zur‐Ruhe‐Kommen im Land bezeichnet, das auch im Fall von Ez 37,14 zugrunde gelegt werden 569 Einen Nachtrag in V 13b‐14 vermuten GARSCHA, Studien, 222; HOSSFELD, Unter‐ suchungen, 367f.; OHNESORGE, Jahwe, 295f., und FUHS, NEB, 207.210. BALTZER, Ezechiel, 107f., und ALLEN, WBC 29, 184, beschränken den Nachtrag allein auf V 14. 570 Vgl. z. B. BERTHOLET, HAT, 126; FOHRER, HAT, 209; EICHRODT, ATD, 354, und ZIM‐ MERLI, BK, 886. 571 Vgl. PREUSS, Art. נוּ ַח, 298, und STOLZ, Art. נוח, 44. 572 Allerdings überlegt WILDBERGER, BK, 526, ob וְ ִהנִּי ָחם in Jes 14,1 nicht mit Verweis auf Dtn 3,20 als hif. A וָ ֲהנִי ָחם zu vokalisieren ist, womit die Vorstellung von der מנוחה im Land aufgegriffen wäre; aufgrund der Parallelen in Jer 27,11 und Ez 37,14 verfolgt er diese Überlegung aber letztlich nicht weiter. 573 Vgl. DUHM, HK, 116; WILDBERGER, BK, 501; KAISER, ATD 18, 22.23.
Die Wiederbelebung der trockenen Knochen: Ez 37,1‐14
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kann.574 Gerade mit der literarisch vorausgehenden Rückkehrverhei‐ ßung in V 12b erklärt sich die Intention von V 14 daraus, dem Volk im Sinne von Jer 27,11 ein Bleiben im Land zu verkünden, mit dem eine zukünftige Exilierung ausgeschlossen wird. In V 11‐14 ist damit ein zweistufiger Entstehungsprozess anzunehmen: Das ursprüngliche Dis‐ putationswort umfasst V 11‐13a*, die nachträglich durch V 13b‐14* erweitert worden sind. 6.2.3. Textwachstum Ausgangspunkt des literarischen Wachstums in Ez 37,1‐14 ist die ur‐ sprüngliche Vision des Totenfeldes in 37,1‐6*, in der Israel im Bild der zerstreuten Knochen die Wiederbelebung verheißen wird. An dieser Stelle bleibt noch zu klären, an welche Größe Israels die Restitutions‐ verheißung gerichtet ist und welche historische Situation vorausgesetzt wird.575 Der symbolische Tod des Gottesvolkes macht auf jeden Fall einen nachexilischen Standpunkt wahrscheinlich, wobei zur genaueren Identifikation der Adressaten die textinterne Lokalisation der Vision auf der Talebene (הבקעה, V 1) herangezogen werden kann. Diese deter‐ minierte Ortsangabe ist über 37,1 hinaus nur noch an zwei weiteren Stellen im Buch belegt: In Ez 3,22f. bezeichnet הבקעה den Ort im Exil, an dem Jhwh in der Erscheinungsform seiner כבוד mit dem Propheten redet,576 während der Beginn der Tempelvision in Ez 8,4 auf eben die‐ ses Ereignis auf der Talebene zurückverweist. Dies legt den Schluss nahe, dass die Ebene in 37,1, auf der der Prophet die zerstreuten Kno‐ chen liegen sieht, mit der Ebene identisch ist, auf der er die Herrlichkeit 574 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 116, und DERS., ATD, 495. Dagegen geht OHNE‐ SORGE, Jahwe, 316f., von einem „(Zurück‐)Versetzen Israels ins Land“ aus, wobei er aber nicht ausschließen will, dass auch der Gedanke des Bleibens im Land mit hereinspielt. Er argumentiert dabei insbesondere über die Zusammengehörigkeit von 37,14 mit 37,13b, in dem er die Verheißung des neuen Exodus liest (vgl. OHNE‐ SORGE, a.a.O., 313.316). Auch HALAT, 642, schlägt für Ez 37,14 die Bedeutung „set‐ zen, stellen, legen“ vor. 575 Die Interpretation der Vision hängt in diesem Punkt von der literarischen Abgren‐ zung ab: Exegeten, die die textinterne Deutung in V 11a zur Grundschicht der Totenfeldvision zählen, sehen in der Vision die Neuerschaffung Gesamtisraels sym‐ bolisiert (vgl. z. B. HOSSFELD, Untersuchungen, 398, und OHNESORGE, Jahwe, 328f.), während bei einer Abgrenzung im Bereich von V 1‐10* Adressaten wie die erste Gola (so POHLMANN, ATD, 498) oder die Weggeführten nach dem zweiten Exil (vgl. WAHL, Tod, 233) vermutet werden. 576 Die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Ez 3,22‐24a(27) ist umstritten. Sowohl POHLMANN, ATD, 76f. (für 3,22‐27 insgesamt), als auch SCHÖPFLIN, Theologie, 131f. (für 3,22‐24a), sind der Meinung, dass der Text bereits große Teile der vorherge‐ henden Eingangsvision voraussetzt und damit zu den jüngeren Stücken des Buches gehört. In der vorliegenden Arbeit wird aber die These vertreten, dass 3,22‐24* zu den Texten der ursprünglichen Buchkomposition gehört; vgl. dazu u. Kap. IV. 3.2.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Jhwhs schaut. Die Knochen symbolisieren damit die Situation der ersten Gola, der in der ursprünglichen Totenfeldvision in 37,1‐6* Wie‐ derbelebung und Restitution verheißen wird. Es wird im Folgenden noch genauer danach zu fragen sein, wie die Verheißung der Gola‐ Belebung zeit‐ und theologiegeschichtlich eingeordnet werden kann.577 Als erste Fortschreibung der Grundschicht 37,1‐6* kommen die Ein‐ schreibung in 37,6a oder das ursprüngliche Disputationswort in 37,11‐ 13a* in Frage. Die gegenseitige Zuordnung kann hier offen bleiben; evtl. könnte der Gebrauch von עלה hif. in V 12a darauf hindeuten, dass V 6a bereits vorausgesetzt ist, aber auch das umgekehrte Verhältnis ist denkbar. Während die Fortschreibung in V 6a noch stark an der ur‐ sprünglichen Vision orientiert ist, findet mit der Anfügung des Dispu‐ tationswortes in seinem Grundbestand V 11‐13a* eine umfassende Aktualisierung des Visionsinhaltes statt. Durch die explizite Deutung in V 11a wird die erste Gola als „ganz Israel“ ()כל־בית ישׂראל bezeichnet und damit als das wahre Israel verstanden. Zugleich wechselt das Mo‐ tiv auf der Bildhälfte von den zerstreuten Knochen zu den Gräbern, aus denen Jhwh das Volk herausholen muss, um es in das Land Israel zurückzuführen. Hinter dem Bild der Gräber kann eine äußerst negati‐ ve Bewertung der Existenz außerhalb des Landes vermutet werden, die sich auch in der dreiteiligen Volksklage 37,11a artikuliert. Das entschei‐ dende Heilsereignis, durch das die „Wiederbelebung“ des Volkes sich vollziehen wird, ist deshalb nach 37,11‐13a* der neue Exodus, der an die Stelle der Geistbegabung aus der Totenfeldvision getreten ist. Der Wechsel vom Bild der Knochen zum Bild der Gräber wird in der Volksklage 37,11b durch die Aussage über die trockenen Knochen vorbereitet, mit der die subjektive Lagebeschreibung des Volkes an die Situation in 37,1‐6* anknüpft. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass der Autor des ursprünglichen Disputationswortes in 37,11‐13a* auch für die Überarbeitung der Totenfeldvision in V 2bb und V 4bb* verant‐ wortlich ist, durch die die Vertrocknung der Knochen sekundär in 37,1‐ 6 eingetragen wird. Diese nachträglich eingefügten Vorabhinweise ver‐ stärken die Verbindungen zwischen der Vorlage in 37,1‐6* und ihrer Nachinterpretation in 37,11‐13a* und verdeutlichen, dass es sich in bei‐ den Texten um ein und dieselben Knochen handelt. Auf der dritten Wachstumsstufe wird das Disputationswort um 37,13b‐14* erweitert. Die Aufnahme der Geistbegabung aus 37,1‐6* und die sprachlichen Rückbezüge auf 37,11‐13a* zeigen, dass dem Nachtrag eine Abschlussfunktion für die gesamte Textfolge zukommt. Dies unterstreicht die gewichtige Schlussformulierung mit der durch ועשׂיתי 577 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.3.
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erweiterten Wortbekräftigungsformel in 37,14b. Durch diese Fort‐ schreibung wird eine Neulesung von 37,1‐14 insgesamt intendiert: Der Autor ist offenbar der Überzeugung, dass das entscheidende Heilser‐ eignis der Geistverleihung nicht außerhalb des Landes vollzogen wird (37,1‐6*) oder mit der Rückführung gleichgesetzt werden kann (37,11‐ 13a*), sondern sich erst nach der Rückkehr des Volkes im Land selbst ereignen wird (37,14). Zugleich macht er deutlich, dass eine erneute Exilierung des Volkes ausgeschlossen ist, so dass der Wiederbelebung Unverbrüchlichkeit zukommt. Auf der vierten und letzten Stufe des Textwachstums wird die Visi‐ on in 37,2aba.7‐10 (37,2.7‐10*) durch eine Bearbeitungsschicht ergänzt, die die symbolische Restitution Israels im Sinne einer Wiederbelebung der Toten interpretiert. Diese Auslegung verdankt sich vermutlich dem Bild der Heraufführung aus den Gräbern im literarisch vorausgehen‐ den Disputationswort, das hier eine konkrete Interpretation im Sinne einer leiblichen Auferstehung erfährt. Die Exegeten, die eine spätere Überarbeitung in 37,7‐10 annehmen, rechnen übereinstimmend mit einer Abfassung in der Makkabäerzeit, da sie hinter der Einschreibung die Sorge um die Zukunft der gewaltsam zu Tode gekommenen Israe‐ liten vermuten.578 In textgeschichtlicher Hinsicht ist diese Datierung aber nicht ohne Probleme, da der Text in Pap. 967 bereits enthalten ist, so dass eine höhere zeitliche Ansetzung zu erwägen ist.579 6.3. Beobachtungen zum redaktionellen Ort Für die redaktionelle Einordnung von Ez 37,1‐14* konnte voranstehend gezeigt werden, dass die Verheißung der Wiederbelebung in der ur‐ sprünglichen Totenfeldvision 37,1‐6* sachlich an den Heilsankündi‐ gungen für die Berge Israels in Ez 36,1‐15* orientiert ist, so dass es diese entweder voraussetzt oder die ursprüngliche literarische Fort‐ setzung der dortigen Heilsverheißung bildet.580 Im Folgenden wird danach zu fragen sein, welche weiteren Verbindungen zum literari‐ schen Kontext in Ez 34‐39 bestehen, wobei insbesondere die Beziehung von 37,1‐14 zu den Heilsworten in der zweiten Kapitelhälfte 37,15‐28 578 Vgl. BARTELMUS, Verbform, 387, der insbesondere auf die Rede von den הרוגים hin‐ weist: „Wer anders als die Märtyrer der Makkabäerzeit könnte damit gemeint sein?“ (vgl. im Anschluss an diesen auch POHLMANN, ATD, 497, sowie ähnlich OHNESORGE, Jahwe, 323.). 579 Vgl. zu Pap. 967 o. Kap. II. 4.2.; zur hier erwogenen Datierung von 37,2.7‐10* siehe u. Kap. IV. 2.1.3.2. und IV. 2.1.4. 580 Über die genaue Art des Verhältnisses kann erst nach einer Analyse von Ez 35,1‐ 36,15 entschieden werden; vgl. dazu u. Kap. III. 7.3.
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und das literarische Verhältnis der beiden Grundschichten in 34,1‐10* und 37,1‐6* zu klären ist. In einem Überblick über die Querverbindungen zwischen 37,1‐14 und dem übrigen Textbestand in Ez 34‐39 bestätigt sich der erste Ein‐ druck, dass sowohl die Vision als auch das Disputationswort nur durch wenig Stichwortverbindungen mit dem Kontext verknüpft sind. Einzig in Ez 39,29 MT und 36,26f. wird über das Leitwort רוח die Ver‐ bindung zu 37,1‐14 hergestellt. Im Fall von 39,29 ist aber zu berücksich‐ tigen, dass hier ursprünglich von der Ausgießung des Zornes (חמה/)זעם die Rede gewesen ist, die sekundär zur Ausgießung der רוח hin abgeän‐ dert wurde.581 Die Geistgabe in 36,26f. (נתן, vgl. 37,6.14) setzt dagegen aufgrund des handschriftlichen Befundes die mehrfach erweiterte To‐ tenfeldvision in 37,1‐14 bereits voraus.582 Dabei liegt insbesondere mit der Verheißung in 36,27, dass Jhwh seinen Geist ()רוחי in das Innere der Israeliten geben wird, eine Aufnahme von 37,14 vor. Anscheinend wird die Gabe der רוח Jhwhs, die in 37,1‐14 als Lebenskraft wirksam ist, in 36,27 im Sinne einer Erneuerung des inneren Menschen interpretiert, die den Menschen dazu befähigt, seiner Bundespflicht nachzukommen. Weiterhin wird im Rahmen der Zeichenhandlung 37,15‐19 für das Zu‐ sammenfügen der Hölzer in der Hand des Propheten das Verbum קרב pi. verwendet (37,17), das in 37,7 (קרב kal) das Zusammenrücken der Gebeine bezeichnet. Da die Textanalyse allerdings ergeben hat, dass es sich bei 37,7‐10 insgesamt um einen späten Einschub innerhalb der Totenfeldvision handelt, ist hier eher davon auszugehen, dass die Zei‐ chenhandlung auf die sekundäre Visionsschilderung eingewirkt hat. Schließlich enthalten sowohl 37,12 als auch 37,21 das Motiv der Rück‐ führung (בוא hif.) in das Land, wobei für 37,21 aber eine Abhängigkeit von der Vorlage in 34,13 aufgezeigt werden konnte.583 Die wenigen Stichwortverbindungen zum literarischen Kontext er‐ klären sich vor allem dadurch, dass 37,1‐14 durch ein eigenes Voka‐ bular geprägt ist, das Vision und Disputationswort thematisch von ihrem literarischen Kontext abhebt und die redaktionelle Einordnung erschwert. Als Leitwort der Vision kann עצם („Gebein“, vgl. 37,1.3.4.5.7 sowie 37,11) gelten, das im Disputationswort durch קבר („Grab“, vgl. V 12.13) ergänzt wird. Verbunden sind die einzelnen Texteinheiten vor allem durch das Interesse am Geist (רוח, 37,1.5.6.8.9.10.14) und seiner 581 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.2. 582 Vgl. dazu o. Kap. III. 1.3. Das spricht gegen die Versuche, die Aussage von der Geist‐ verleihung in 37,14 von 36,26f. herzuleiten; vgl. dazu EICHRODT, ATD, 354; GAR‐ SCHA, Studien, 222; HOSSFELD, Untersuchungen, 386f.; GRAFFY, Prophet, 84; ALLEN, WBC 29, 184, und BLOCK, NICOT II, 382. 583 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.3.
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lebensschaffenden Wirkung (חיה, 37,3.5.6.9.10.14),584 wobei V 14 im Dis‐ putationswort deutlich als Inklusion gestaltet ist und die thematische und sprachliche Verbindung zur Vision herstellt. Im Horizont der eze‐ chielischen Heilsworte spielt קבר lediglich in einem Abschnitt der Gog‐ Perikope eine Rolle, in der in Ez 39,11‐16 das Problem verhandelt wird, wie mit den herumliegenden Überresten der Feinde verfahren werden soll, die das Land Israel verunreinigen.585 Die Lösung dieses Problems ist das Begraben (קבר, vgl. 39,11.12.13.14.15) der feindlichen Überreste. In diesem Zusammenhang findet sich in 39,15 auch der einzige weitere Beleg für עצם innerhalb der übrigen Heilsprophetie: Wenn jemand noch Totengebein ()עצם des Feindes herumliegen sieht, so soll er ein Steinmal daneben errichten, damit die Überreste begraben werden können. Da mit 39,11‐16 ein relativ junges Stück innerhalb der Gog‐Kapitel vor‐ liegt,586 das darüber hinaus Stichwortverbindungen sowohl zur Toten‐ feldvision als auch zum Disputationswort aufweist, kann vermutet werden, dass 37,1‐6.11‐14 in 39,11‐16 bereits vorausgesetzt ist. In diesem Zusammenhang fällt ferner auf, dass in Ez 39,11‐16 mit dem Problem der Verunreinigung des Landes durch die herumliegen‐ den Knochen argumentiert wird, das in 37,1‐6* keine Erwähnung findet. ZIMMERLIS Erklärung, dass der Zusammenhang in 37,1‐14 ganz auf den Gedanken „Tod‐Leben“ ausgerichtet sei und durch keine Ne‐ benerwägungen über „Rein‐Unrein“ davon abgelenkt werden wolle,587 kann nur bedingt befriedigen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Element der Unreinheit in der Totenfeldvision bewusst eingesetzt wird, um das Gerichtsbild zu verstärken; eine explizite Thematisierung ist nicht nötig, da die Implikation jedem Leser klar gewesen sein soll‐ te.588 Es liegt deshalb nahe, in 39,11‐16 eine bewusste Anspielung auf die Totenfeldvision in 37,1‐14 zu sehen: Während das Haus Israel im Bild der Knochen wiederbelebt und aus den Gräbern herausgeführt wird, ist die Vernichtung des Feindes unumkehrbar und seine Gebeine werden beerdigt, damit sie das Land nicht mehr verunreinigen. Auch wenn sich explizite Aufnahmen von Ez 37,1‐14 nur in jünge‐ ren Texten der Heilsprophetie finden, kann damit noch kein Urteil über 584 Das Verbum חיה ist im weiteren Kontext nur noch für die lebendig machende Wir‐ kung des Tempelstroms in Ez 47,9 belegt. Auch dort geht die lebensschaffende Kraft von Jhwh aus, denn erst nachdem sein כבוד wieder in das Gotteshaus eingezogen ist, fließt das Wasser aus dem Heiligtum hervor. 585 קבר ist darüber hinaus mehrfach in dem Text Ez 32,17‐32 belegt (vgl. 32,22.23.25.26), wo die Gräber der Fremdvölker in der Unterwelt beschrieben werden. 586 Vgl. dazu o. Kap. III. 2.2.3. 587 Vgl. ZIMMERLI, BK, 893. 588 Zur Unreinheit menschlicher Überreste vgl. Lev 5,2; 11,24; 21,1; 22,4; Num 6,6‐9; 19,11.14‐16; Dtn 21,22f.; Hag 2,13.
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den redaktionellen Ort gefällt werden. Die Frage muss deshalb durch einen Vergleich mit der zweiten Kapitelhälfte in 37,15‐28 geklärt werden. Die beiden Aussageeinheiten sind klar voneinander abge‐ grenzt. Während 37,1‐14 durch die Visionseinleitung in 37,1 und die gewichtige Abschlussformulierung in 37,14 als eigenständige Textfolge gekennzeichnet ist, signalisiert in 37,15 die Wortereignisformel den Beginn eines neuen Abschnittes. In beiden Fällen ist der nucleus des Textwachstums eine Grundschicht (37,1‐6* bzw. 37,15‐19*), die durch mehrere darauf Bezug nehmende Forschreibungen und Einschübe erweitert worden ist. Wird deshalb nach dem Verhältnis der beiden Grundschichten zueinander gefragt,589 so berühren sie sich zuerst darin, dass es in beiden Stücken um die Restitution Israels geht. Aber während in 37,1‐6* das Volk als Größe erst wieder ins Leben gerufen werden muss, thematisiert 37,15‐19* die Wiedervereinigung von Juda und Joseph und damit die Restitution Israels als politische Einheit. Aufgrund dieser sachlichen Orientierung von 37,15‐19* an 37,1‐6* kann vermutet werden, dass die Zeichenhandlung die ursprüngliche Toten‐ feldvision bereits voraussetzt. Da 37,11‐13a(14) thematisch enger mit 37,1‐6* verbunden ist als 37,15‐19*, ist es weiterhin wahrscheinlich, dass der Zeichenhandlung auch die Fortschreibung der Totenfeld‐ vision durch das Disputationswort in V 11‐13a(14) vorangeht, so dass die Wiedervereinigung Israels sich einer Anspielung und Auslegung der Vorstellung vom „ganzen Haus Israel“ (כל־בית ישׂראל, 37,11a) ver‐ danken könnte.590 Aber während in 37,11 nur das außerhalb des Landes befindliche Israel als das wahre Israel bezeichnet wird, richtet sich die herzustellende Einheit in 37,15‐19* auf die im Land befindliche Be‐ völkerung. Wenn sich Ez 37,1‐6* damit als literarischer Kern des gesamten Kapitels Ez 37 erwiesen hat, bleibt nun noch das Verhältnis zu Ez 34,1‐ 589 Die Frage nach dem relativen chronologischen Verhältnis der beiden Kapitelhälften ist so bisher noch nicht gestellt worden. In der älteren Forschung überwiegt die Mei‐ nung, beide Hälften ließen sich (in ihrem Grundbestand) auf den Propheten zurück‐ führen (vgl. z. B. BERTHOLET, HAT, 127‐129; FOHRER, HAT, 206.210f.; ZIMMERLI, BK, 891.908). Auch OHNESORGE, Jahwe, 419f., kommt neuerdings in seiner literarkriti‐ schen Analyse zwar zu dem Ergebnis, dass mit zwei Ausgangstexten in 37,1‐11a* und 37,15‐19* zu rechnen sei, führt diese aber ebenso wie das s. E. jüngere Stück 37,11b‐14* auf den Propheten selbst zurück. RUDNIG, Heilig, 65‐71, und im Anschluss an diesen POHLMANN, ATD, 492‐499, rekonstruieren dagegen einen durchgehenden golaorientierten Textbestand in 37,1‐14.25‐28*; zur Kritik vgl. o. Kap. III. 4.2.2. 590 Vgl. zu dieser Vermutung der Sache nach HERRMANN, Heilserwartungen, 273: „In‐ dem v. 11 sagt, daß das ganze Haus Israel gemeint sei, nimmt die dort beginnende Deutung der Gebein‐Vision schon den Scopus der Symbolhandlung mit den beiden Stäben vorweg, die die Vereinigung der beiden Teilreiche Israel und Juda darstellen soll.“
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10* zu untersuchen, das entsprechend Ez 37,1‐6* den Sockel des Text‐ wachstums im Hirtenkapitel darstellt. Auch wenn die beiden Texte formal verschiedenen Gattungen zuzuordnen sind (Visionsbericht in 37,1‐6*; Wortereignis in 34,1‐10*), berühren sie sich doch in ihrer ausge‐ prägten Bildhaftigkeit, mit der sie die verheerende Lage des Volkes darstellen. Im Hirtenkapitel steht die Zerstreuung und das Ausgelie‐ fertsein der Schafe für die Lage Israels unter der Fremdherrschaft, während in Kap. 37 die in der Ebene zerstreuten Gebeine den Tod des Gottesvolkes symbolisieren. In beiden Fällen erfolgt die Konstitution des Volkes erst durch das Heilshandeln Jhwhs, der seine Herde den schlechten Hirten entreißt und die Gebeine wieder lebendig macht. Allerdings sind auch die Unterschiede zwischen den Texten nicht zu übersehen, die vor allem eine unterschiedliche Situation des Volkes voraussetzen. Während die Verheißung der Wiederbelebung in 37,1‐6* durch die Lokalisation des Propheten auf der Talebene an die Gola außerhalb des Landes gerichtet ist, steht in 34,1‐10* die Lage des Volkes im Land im Vordergrund. Diese Divergenz spricht dafür, die Texte verschiedenen literarischen Schichten zuzuweisen. Die Frage der litera‐ rischen Priorität wird allerdings erst nach der Analyse von Ez 35,1‐ 36,15 endgültig zu beantworten sein, da zu vermuten steht, dass die beiden Grundworte in Ez 34 und Ez 37 in einem engen literarischen Zusammenhang mit diesen Kapiteln stehen.591 6.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 37,1‐14 6.4.1. Zur Bildersprache Die Textanalyse hat gezeigt, dass die Bildhaftigkeit das charakteristi‐ sche Gestaltungsmittel der Heilsworte in Ez 37,1‐14 ist. Da das verwen‐ dete Bildmaterial nicht auf die Verheißungen in 37,1‐14 beschränkt ist, sondern auch in anderen Texten des Alten Testaments begegnet, ist die Motivik im Folgenden auf ihre literarischen und traditionsgeschicht‐ lichen Wurzeln hin zu befragen. Auf diese Weise kann nicht nur ge‐ zeigt werden, mit welcher konkreten Gestaltungsabsicht die Bilder in Ez 37,1‐14 gebraucht werden, sondern die motivgeschichtliche Unter‐ suchung trägt auch zur Beantwortung einiger bislang offen gebliebener Fragen bei. So ist in der Analyse der Todesmotivik zuerst die Herkunft des Bildes der zerstreuten Knochen zu untersuchen, die Hinweise zur theologie‐ und literaturgeschichtlichen Einordnung der Grundschicht 591 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.3.
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in Ez 37 geben kann. Sämtliche bisherigen Versuche, das Bild in der Vision vom Disputationswort her zu erklären,592 müssen an den text‐ lichen Gegebenheiten scheitern, da nach der hier vorgelegten Analyse die Vision in 37,1‐6* literarisch vorgängig gegenüber dem Wort in 37,11‐13a* ist, und das Attribut der Vertrocknung somit erst sekundär von V 11‐13a* in die Totenfeldvision eingetragen worden ist. In diesem Zusammenhang wird ebenso zu fragen sein, warum das Bild von den auf der Ebene zerstreuten Knochen zum Bild der Gräber wechselt. Da die Verheißung, das Volk aus den Gräbern heraufzuführen, auf die Volksklage in 37,11b antwortet, werden an dieser Stelle auch die ein‐ zelnen Klagetopoi in V 11b mit in die Fragestellung einbezogen. In einem zweiten Schritt ist mit der Verleihung der lebensschaffen‐ den רוח das dominierende Bild für das Leben in Ez 37,1‐14 in den Blick zu nehmen. Die Belebung des Menschen durch die רוח findet sich in mehreren Texten, die von der anfänglichen oder der erhaltenden Schöpfung des Menschen sprechen, so dass hier vor allem zu unter‐ suchen ist, inwieweit das Bild in 37,1‐14 eine besondere Ausgestaltung erfährt. 6.4.2. Die Todesmotivik Das bestimmende Bild der Totenfeldvision Ez 37,1‐6(10) sind die auf der Ebene zerstreuten Knochen. Das hebräische Wort עצם ist an sich kein Wort der Unheilsansage, sondern bezeichnet zuerst im anatomi‐ schen Sinne einzelne Knochen wie auch das ganze Skelett.593 Als der dauerhafteste Bestandteil des Körpers kann עצם für den „Kern des Menschen“594 stehen und wird in der weisheitlichen Literatur meta‐ phorisch zum Synonym für den ganzen Menschen. So impliziert das Zerfallen der Gebeine einen Krankheitszustand von Physis und Psyche zugleich und findet sich als Motiv der Klage und des Gebets (vgl. Ps. 22,15f.; 31,11; 32,3; 102,4). Im Ezechielbuch gibt es mit der Unheilsansage an die Berge Israels in Ez 6 und dem Bildwort über den Topf in Ez 24,1‐14 zwei Texte, in
592 So schon ZIMMERLI, BK, 890: „Der eigentliche Entstehungsort des ganzen Bildes, das der Prophet schaut, liegt ganz offensichtlich in dem Wort, das der Prophet nach 11 aus dem Munde des Volkes zitiert.“ Vgl. auch POHLMANN, ATD, 499: „Dabei diente das Zitat in V. 11b, das hier ‘uneigentlich verstandene Bildwort’ von den vertrock‐ neten Gebeinen als Ausgangspunkt für die Konzipierung eines Visionsberichts (Ez 37,1‐10*).“ 593 Vgl. dazu und zum Folgenden BEYSE, Art. ֶע ֶצם, 328‐332. 594 KEEL, Welt, 57.
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denen עצם im Gerichtskontext verwendet wird.595 Das Grundwort in Kap. 6 stellt in 6,1‐3.7 (6,1‐7*) eine Gerichtsansage an die Berge Israels dar, denen das Schwertgericht und der Fall der Erschlagenen in ihrer Mitte angesagt wird.596 Der zur Fortschreibung in 6,4.5b gehörige Halb‐ vers 6,5b kündigt den Israeliten in einer Abwandlung des Erschla‐ gungs‐Motivs an, dass ihre Gebeine ()עצמותיכם rings um ihre Altäre ge‐ streut werden sollen. Obwohl kleinere Abweichungen vorliegen, da die Gebeine das eine Mal auf der Talebene verteilt sind (37,1‐6), während sie das andere Mal um die Altäre gestreut werden (6,5b), berühren sich die Texte doch darin, dass sie das gleiche Bild verwenden. Darüber hinaus folgt die Aussage über die Gebeine in beiden Fällen auf ein lite‐ rarisch vorgängiges Wort an die Berge Israels (Ez 6,1‐7*; vgl. Ez 36,1‐ 15*). Dies deutet darauf hin, dass hier eine bewusst angelegte Ent‐ sprechung von Ez 37,1‐6* mit Ez 6,4.5b vorliegt, wobei aber die Frage der literarischen Priorität schwer zu entscheiden ist.597 Vielleicht liegt der Bezug von 37,1‐6* gar nicht primär in der Aussage über die Ge‐ beine in 6,5b, sondern in der Drohung, dass Erschlagene in die Mitte der Berge fallen sollen (6,7). An dieses Bild könnte 37,1‐6* mit der Res‐ titution der ersten Gola anknüpfen, wenn die Vision als Einlösung der in 36,1‐15* verheißenen Wiederbesiedelung der Berge verstanden wird. Allerdings werden eben nicht die im Land Erschlagenen wiederbelebt, sondern das Potential für die Wiederbesiedelung der Berge bildet allein die erste Gola. Die Aussage über die Gebeine in 6,5b ist dann als nach‐ trägliche Angleichung der Gerichtsansage in Ez 6 an die Totenfeld‐ vision in 37,1‐6* zu beurteilen. Der zweite mögliche Bezugstext im Buch liegt mit Ez 24,1‐14 vor. Hier findet sich עצם im Rahmen einer Zusammenstellung zweier auf die Stadt Jerusalem bezogener Bildworte, in denen die Stadt mit einem Topf verglichen wird. Im ersten Bildwort wird der Topf mit Fleisch‐ stücken und Knochen (עצמים, 24,4) angefüllt, die im Topf ausgekocht werden sollen, so dass die Knochen (העצמות, 24,10) verbrennen. 598 Hin‐ ter diesem Wort scheint sich eine Unheilsweissagung an die Jerusale‐ mer zu verbergen, die ihre Position in der Stadt in trügerischer Weise 595 Vgl. als weiteren Beleg noch Ez 32,27, wonach die Helden der Vorzeit mit den Schil‐ den auf ihren Gebeinen ()על־עצמותם begraben sind. 596 Zur Analyse von Ez 6 vgl. u. Kap. III. 7.4.3. 597 HOSSFELD, Untersuchungen, 396, schlägt die Priorität von Ez 6 vor: „Bei der Schilde‐ rung der Totengebeine, die auf der Ebene liegen, könnte der Autor an die Strafan‐ sage von [Ez] 6,4b.5b gedacht haben.“ 598 Aufgrund des von Ez 24,5 abweichenden Genus von עצם in 24,10 ist zu überlegen, ob es sich bei V 10 bzw. dem in LXX* fehlenden Teilvers 10bb um eine sekundäre Deu‐ tung handelt (so ZIMMERLI, BK, 558, und POHLMANN, ATD, 350.356 mit Anm. 42). Dagegen geht FUHS, Ez 24, 272, von einem literarischen Kunstgriff aus.
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als unverwundbar eingeschätzt haben.599 Gegenüber dieser Fehlein‐ schätzung macht Ez 24,10 deutlich, dass im Gottesgericht nicht einmal mehr die Knochen der Bewohner übrig bleiben werden. Allerdings weist das Gerichtsbild des Topfes über die parallele Metaphorik hinaus keine weiteren Berührungen mit der Totenfeldvision auf. Die Knochen sind nicht das Ergebnis des erfolgten Gerichtes, an das die Heilsverhei‐ ßung anknüpfen kann (vgl. Ez 37,1‐6*), sondern auch noch die Kno‐ chen werden im Gericht zerstört werden. Die erneute Nennung von עצם am Ende der Gerichtsansagen in Ez 1‐24 ist aber sicher kein Zufall, so dass zu überlegen ist, ob mit 24,10 eine Verschärfung des Gerichts‐ bildes aus Ez 6,5 vorliegt, die zugleich die Stadtbewohner von den Heilsverheißungen in 37,1‐6*(14) ausnehmen will.600 Da auch ihre Kno‐ chen noch vernichtet werden, ist ausgeschlossen, dass sie zu denen gehören, denen in 37,1‐6*(14) die Wiederbelebung verheißen wird. Traditionsgeschichtlich ist das Bild der auf der Ebene zerstreuten Knochen in Ez 37 mit einigen altorientalischen Texten in Beziehung gesetzt worden, die verschiedentlich unter dem Begriff der „Bundes‐ flüche“ subsumiert worden sind.601 In diesen Texten ist das Vorgehen belegt, die Körper derjenigen, die Verträge gebrochen haben, auf das freie Feld zu werfen und den wilden Tieren zum Fraß zu überlassen.602 Auch im Alten Testament findet sich an mehreren Stellen die Gerichts‐ ankündigung, die Körper unbestattet herumliegen zu lassen, so dass sie den wilden Tieren und den Vögeln des Himmels zum Fraß ()לאכלה werden; vgl. Dtn 28,26; Jer 7,33; 16,4.6; 19,7; 34,17‐20; Ps 79,2f. Die Dro‐ hung, nicht bestattet zu werden, ist darüber hinaus in Jes 14,19f.; 34,3; Jer 9,21; 14,16 und 36,30 belegt. Allerdings ist in keinem dieser Texte von den Knochen die Rede, sondern es geht um die Leichen, die un‐ bestattet herumliegen werden. Trotz der fehlenden Stichwortverbin‐ dungen ist zu erwägen, ob diese Gerichtsansagen den traditionsge‐ schichtlichen Hintergrund der Totenfeldvision in Ez 37 bilden, da die Gebeine das sind, was nach einiger Zeit von den unbestatteten Leichen übrig bleibt. 599 600 601 602
Vgl. das Selbstzitat in Ez 11,3: „Sie [= die Stadt] ist der Topf, wir sind das Fleisch.“ Vgl. POHLMANN, ATD, 356. So FENSHAM, Curse, 59f., und BLOCK, NICOT II, 377f. Vgl. in assyrischen Rechtsurkunden die Drohung: „... seinen unbestatteten Leichnam mögen die Hunde zerfleischen“ (KOEHLER/UNGNAD, Rechtsurkunden, 16.19). Eine entsprechende Ankündigung ist in den Vasallenverträgen Asarhaddons mit me‐ dischen Fürsten belegt: „So möge Ninurta, der Erste unter den Göttern, mit seinem zornigen Pfeil euch niederstrecken, mit eurem Blut die Steppe füllen, Adler und Geier euer Fleisch fressen lassen“ (425‐427; BORGER, Vasallenverträge, 170). Vgl. weiterhin: „So möge Palil/Igischtu, der erste Herr, Adler und Geier euer Fleisch [fressen lassen]“ (519‐520; BORGER, a.a.O., 172).
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Mit Jer 8,1‐3 gibt es allerdings einen Text im Alten Testament, der die Drohung der nicht ordnungsgemäßen Bestattung mit dem Bild der Knochen verbindet. Der Text steht im Anschluss an Jer 7,32‐34, wo davon die Rede ist, dass im Gericht kein Platz zum Begraben mehr da sein wird, so dass das Volk den Tieren unbestattet zum Fraß werden wird. Daran schließt sich in Jer 8,1‐3 die Ankündigung an, dass man die Gebeine ()עצמות sämtlicher Stände des Volkes aus ihren Gräbern ()מקבריהם herausholen wird (יצא hif.), um sie den Himmelskörpern preiszugeben, die sie zuvor angebetet haben.603 Das Gerichtsbild aus Jer 7,32‐34 erfährt auf diese Weise eine Weiterführung und Steigerung in Jer 8,1‐3, indem dem Volk nicht nur zukünftig die Verwehrung der Bestattung angedroht wird, sondern auch den bereits gestorbenen Isra‐ eliten die Aufhebung der Totenruhe angekündigt wird. Jer 8,1‐3 weist damit sowohl Verbindungen zu der Totenfeldvision in Ez 37,1‐6 als auch zu dem Disputationswort in Ez 37,11‐14 auf.604 So findet sich allein hier noch im Alten Testament die Vorstellung der unter freiem Himmel ausgebreiteten Gebeine (vgl. Ez 37,1‐6), die darü‐ ber hinaus als solche bezeichnet werden, die zuvor aus den Gräbern (מקבריהם, Jer 8,1; vgl. מקברותיכם, Ez 37,12.13) herausgeholt worden sind. Der Bildwechsel von den Knochen zu den Gräbern in Ez 37,1‐14 könnte sich deshalb dadurch erklären, dass der Autor von Ez 37,11‐13a* die vorliegende Totenfeldvision unter Aufnahme von Jer 8,1‐3 gedeutet hat. Auf diese Weise konnte er die verstreuten Knochen als aus den Gräbern hervorgeholte Gebeine interpretieren, wobei er aber das Ge‐ richtsmotiv in eine Heilsankündigung wendet: Das Herausholen aus den Gräbern geschieht in Ez 37 nicht im Zuge eines göttlichen Gerichts‐ handeln, sondern stellt den Beginn des neuen Heilshandeln dar.605 Allerdings liegt in 37,11‐13a* keine konkrete Ankündigung vor, son‐ dern das Bild der Gräber steht bildlich‐metaphorisch für die Situation der Gola, die aus dem Grab des Exils ins Leben im Land geführt wer‐ 603 Zur Analyse von Jer 8,1‐3 vgl. z. B. WEISER, ATD, 69, und MCKANE, ICC, 181‐182. Mehrere Exegeten erwägen auch, ob Jer 8,1‐3 im Hintergrund der Gerichtsandro‐ hungen in Ez 6,1‐7 steht; vgl. dazu COOKE, ICC, 69; ZIMMERLI, BK, 149; GREENBERG, AncB, 140, und BLOCK, NICOT I, 228. 604 Eine Verbindung von Jer 8,1‐3 zu Ez 37,1‐14 ziehen MILLER, Beziehungen, 92; FUHS, NEB, 207, und SCHÖPFLIN, Ezechiel, 25, in Betracht. Dagegen spricht sich VIEWEGER, Beziehungen, 152, gegen eine Ableitung des Bildes in Ez 37,1‐14 von Jer 8,1‐3 aus, da die Ableitung des Sprichwortes von Jeremias Gerichtsankündigung „völlig unbewie‐ sen“ bleibe. 605 Die Aussage, dass Knochen aus den Gräbern herausgeholt werden, findet sich über Jer 8,1‐3 und Ez 37,11‐13a* hinaus nur noch in 2 Kön 23,16, wo Joschija die Knochen aus den Gräbern herausholen lässt, um sie auf dem Altar zu verbrennen und ihn so unrein zu machen. Diese spärliche Beleglage könnte ein weiteres Argument dafür sein, dass sich der Autor von Ez 37,11‐13a* bewusst auf Jer 8,1‐3 bezieht.
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den soll. Allerdings fällt auf, dass in Ez 37,12.13 anstelle von יצא hif. (vgl. Jer 8,1) עלה hif. gebraucht wird. Da beide Verben in der Formulie‐ rung des Exoduscredos belegt sind,606 kann die Abänderung in Ez 37,11‐13a* nicht dadurch erklärt werden, dass hier die Heraufholung aus den Gräbern auf die Heimführung aus dem Exil übertragen wird. Allerdings könnte sich der Begriff textintern auf Ez 37,6 zurückbe‐ ziehen, wo עלה hif. für das Aufsteigen der Sehnen an den Knochen ver‐ wendet wird. Es ist ferner ist in Betracht zu ziehen, dass die Formulierung durch die Elemente der Volksklage in V 11b beeinflusst ist, die den Auslöser für die Heilsankündigungen in 37,11‐13a* darstellen. Dieses Klagewort vereint drei Einzelmotive: Das Volk betrauert, dass ihre Gebeine ver‐ trocknet sind ()יבשׁו עצמותינו, ihre Hoffnung verloren ist ()אבדה תקותנו und sie abgeschnitten sind ()נגזרנו לנו. Die Wurzel יבשׁ, die für den Zustand des Trockenseins oder den Vorgang des Verdorrens steht, bezeichnet überwiegend einen zu überwindenden Negativzustand, der ein gängi‐ ges Klagemotiv darstellt (vgl. z. B. Ps 90,6; 102,5.12; Thr 4,8).607 Nach Jes 40,7 ist das gesamte Volk wie verdorrtes Gras ()יבשׁ חציר, das durch den Hauch von Jhwhs רוח vertrocknet worden ist. Im Ezechielbuch findet sich der Terminus vor allem in den Gerichtsandrohungen der Bildreden in Ez 17 und 19. Jhwh wird den ungehorsamen Weinstock und seine Früchte verdorren lassen (יבשׁ, Ez 17,9f.; 19,12) und diese Strafankündigung wird in Ez 17,24 (vgl. Ez 21,31) zum Grundprinzip seines Handelns erhoben. Auch das Klagewort vom Zugrundegehen der Hoffnung hat eine Parallele in den Bildreden des ersten Buchteiles. In der Totenklage ()קינה Ez 19,1‐9 ist davon die Rede, dass die Hoffnung der Löwin verloren ist (אבדה תקותה, V 5), weil ihr Junges in der Grube (שׁחת, V 4) gefangen und nach Ägypten weggeführt wird. Die Löwin steht hier als Bild für Jerusalem bzw. das Jerusalemer Königtum, das den Verlust des Königs zu beklagen hat.608 Der weitere Gebrauch von אבד תקוה über das Ezechielbuch hinaus zeigt, dass es sich um eine feste Wendung handelt, die noch in Ps 9,19; Hi 8,13; 14,19; Prov 10,28 und 11,7 belegt ist und die Situation des Gott fernen und dem Tode ver‐ fallenen Menschen bezeichnet. Schließlich steht auch das Verbum גזר für die Todesgewissheit des Menschen, der sich vom Land der Leben‐ den abgeschnitten sieht (vgl. Jes 53,8; Ps 88,6; Thr 3,54). Die Untersuchung der Einzelmotive der Klage in Ez 37,11b zeigt, dass das Klagewort vor allem durch weisheitlichen Einfluss geprägt ist, wie die Nähe zu der Psalmenliteratur und anderen Büchern der Ketu‐ 606 Vgl. GROSS, Herausführungsformel, 428; FUHS, Art. ָע ָלה, 93f. 607 Vgl. dazu PREUSS, Art. יָ ֵבשׁ, 402f. 608 Zu dieser Deutung vgl. ZIMMERLI, BK, 424; POHLMANN, ATD, 284.
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bim beweist. Vor diesem traditionsgeschichtlichen Hintergrund findet auch die von Jer 8,1‐3 abweichende Verheißung vom Heraufführen (עלה hif., Ez 37,12.13) aus den Gräbern eine Erklärung. Der Ort des Todes ist der Bereich der Tiefe, in den der Mensch herabsteigen muss (ירד, vgl. z. B. Ps 22,30; 88,5; Hi 7,9).609 Die Gegenbewegung zum Hinabsteigen ist durchgehend durch עלה ausgedrückt (vgl. z. B. Ps 30,4; 40,3; Hi 7,9), so dass die Wahl der Formulierung in Ez 37,12.13 nicht überraschen kann. Als zweiter Referenzbereich für Ez 37,11 zeichnen sich aber auch die ezechielischen Bildreden in Ez 17 und 19 ab, wo im Bild der Löwin bzw. des Weinstockes das Unheilsgeschick Jerusalems und des vorexi‐ lischen Königtums dargestellt wird. Die Heilsverheißung in 37,11‐13a* ist auf diese Weise bewusst als Aufhebung der Gerichtsverkündigung im ersten Buchteil angelegt. Die Ergebnisse können damit wie folgt zusammengefasst werden: Die Untersuchung der Todesmotivik in Ez 37,1‐14 hat gezeigt, dass das Bildmaterial zwar nicht auf eine einzelne literarische Vorlage zurück‐ geht, dass hier aber eine Fülle von geprägten Wendungen und Einzel‐ motiven gebraucht wird, welche die Gottesferne und Todesverfallen‐ heit des Menschen beschreiben. 610 In der literarischen Genese von Ez 37,1‐14 spiegelt sich dabei eine mehrfache Absage an vorangehende oder implizite Gerichtsprophetie wider, der die Lebenszusage entge‐ gengesetzt wird. So kann im Hintergrund der Totenfeldvision in 37,1‐ 6* das Gerichtsmotiv der nicht ordnungsgemäßen Bestattung vermutet werden; im Rahmen des Ezechielbuches selbst ist darüber hinaus eine Verbindung zu Ez 6,1‐7* zu erwägen, wo den Bergen Israels angesagt wird, dass Erschlagene in ihre Mitte fallen werden (6,7). In einem zweiten Stadium findet eine Neuinterpretation statt, in der die zerstreuten Knochen wahrscheinlich unter Bezug auf Jer 8,1‐3 als menschliche Gebeine verstanden werden, die aus den Gräbern her‐ vorgeholt worden sind. Die Gräber werden in Ez 37,11‐13a* metapho‐ risch als Bild für das Exil verwendet, in dem sich das Volk im Bereich des Todes wähnt. Dementsprechend beginnt das Disputationswort in 37,11 mit einer Volksklage, in der die Exilierten mit bekannten Bildern und geprägten Wendungen ihre Todesverfallenheit beschreiben. Die entsprechende Verheißung wendet das im Jeremiabuch gebrauchte Gerichtsmotiv der Hervorholung aus den Gräbern in eine Heilsankün‐ 609 Vgl. KEEL, Welt, 55, und die weiteren dort angeführten Belege aus den Psalmen. Im Ezechielbuch findet sich in Ez 32,17‐32 die Beschreibung des Sturzes Ägyptens in die Unterwelt (ירד, Ez 32,18.19.21.24.25.27.29.30). 610 So auch SCHÖPFLIN, Ezechiel, 25f.: „Der von Gott ferne Mensch fühlt und begreift sich als tot; dies Bild greift Ez 37 als Ausgangspunkt auf, um dann die Neubelebung in zwei Schritten anschaulich darzustellen.“
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digung und macht die „Heraufführung“ aus dem Exil zu einem we‐ sentlichen Schritt des göttlichen Wiederbelebungshandelns. 6.4.3. Die Verleihung des Lebensgeistes Das Heilshandeln Jhwhs an seinem Volk konzentriert sich in Ez 37,1‐14 auf die Verleihung der רוח. Allerdings wird der Begriff auf den ver‐ schiedenen literarischen Wachstumsstufen in 37,1‐14 jeweils unter‐ schiedlich verwendet.611 In der ursprünglichen Totenfeldvision in 37,1‐ 6* erscheint die רוח in 37,1 zuerst als das Instrumentarium, mit deren Hilfe der Prophet entrückt wird. Dieses Verständnis findet sich an mehreren Stellen im Buch, wo davon die Rede ist, dass der Prophet vom Geist ergriffen wird oder durch diesen eine Ortsveränderung er‐ fährt; vgl. Ez 2,2; 3,12.14.24; 8,3; 11,1.5.24; 43,5. Von diesem Gebrauch ist die Verwendung in der Verheißung 37,5 zu unterscheiden, in der Jhwh ankündigt, dass er רוח in die trockenen Knochen bringen wird (בוא hif.). Durch den Nachsatz וחייתם ist רוח hier eindeutig als lebens‐ schaffendes Prinzip zu verstehen. Die kurze Fortschreibung in Ez 37,6 greift dieses Verständnis auf, wobei aber an die Stelle des Hereinbrin‐ gens (בוא hif.) die Geistgabe ()נתן getreten ist. 612 Mit derselben Formulie‐ rung wird auch im Disputationswort in 37,14 von der Gabe der רוח gesprochen, die hier explizit als Jhwhs eigener Geist ()רוחי bezeichnet wird. Schließlich steht in dem sekundären Einschub 37,2.7‐10* erneut die lebensschaffende Wirkung des Geistes im Vordergrund, der in einer Anspielung auf die Terminologie von 37,5 in die Erschlagenen „kommt“ (בוא kal., 37,10), wobei die רוח aber in größerer Unabhängig‐ keit von Jhwh als hypostasierte Größe erscheint. Der kurze Überblick hat gezeigt, dass im gesamten Textstück 37,1‐ 14 auf den verschiedenen literarischen Wachstumsstufen mit den Be‐ deutungsinhalten von רוח gespielt wird. Dabei steht aber der Geist als das lebensschaffende Prinzip im Vordergrund. Es ist deshalb im Fol‐ genden nach Berührungen mit anderen Texten zu fragen, in denen רוח im Kontext einer Schöpfungsaussage bzw. als heilszeitliche Geistverlei‐ hung gebraucht wird. Mehrfach ist in der „zweistufigen“ Beschreibung der Wiederbelebung in Ez 37,7‐10 eine Parallele zum Schöpfungs‐ 611 Vgl. dazu auch ZIMMERLI, BK, 1262f., und WAGNER, Geist, 53‐62. 612 HOSSFELD, Untersuchungen, 377, will den terminologischen Wechsel durch einen Be‐ deutungswechsel von einer mehr dynamischen hin zu einer dauerhaften Verleihung des Geistes erklären. Anders HÖFFKEN, Beobachtungen, 307 Anm. 9, der keinen Unterschied zwischen dem „Bringen“ und dem „Geben“ des Geistes machen will. Vom „Kommen“ (בוא kal.) des Geistes ist weiterhin in Ez 2,2 und 3,24 die Rede, wo das Kommen des Geistes in den Propheten geschildert wird, während die Gabe ()נתן des Geistes noch in Ez 11,19 und 36,26f. verheißen wird.
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bericht Gen 2,4b‐7 gesehen worden, in dem Jhwh zuerst den Leib des Menschen bildet und ihm anschließend den Lebensatem ()נשׁמת חיים einhaucht (נפח, Gen 2,7; vgl. Ez 37,9).613 Zwar wird das belebende Prin‐ zip mit נשׁמה in Gen 2,7 gegenüber רוח in Ez 37,9 unterschiedlich benannt, aber eine Reihe von Texten zeigt, dass die beiden Begriffe synonym verwendet werden können (vgl. Jes 42,5; Sach 12,1; Hi 32,8; 33,4; 34,14). Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die Beschreibung der Wiederbelebung in der späteren literarischen Überarbeitung Ez 37,2.7‐10* an den vorpriesterschriftlichen Schöpfungsbericht angelehnt worden ist. Darüber hinaus weist gerade dieses Stück mit der dem prophetischen Wort zugeschriebenen Wirksamkeit auch einen Bezug auf die priesterschriftliche Schöpfungserzählung Gen 1,1‐2,4a auf. Denn während Ezechiel weissagt, rücken die Gebeine zusammen (vgl. 37,7) und der Geist kommt in sie (vgl. 37,10), so dass „die diesem Prophetenwort zugesprochene Mächtigkeit der des Schöpferwortes Jahwes in Gen 1 durchaus vergleichbar“614 ist. Da Ez 37,1‐14 auf seiner letzten literarischen Wachstumsstufe Verbindungen zu beiden Schöp‐ fungsberichten in Gen 1,1‐2,4a und 2,4b‐7 aufweist, setzt der Text die Verbindung der priesterschriftlichen mit der nicht‐priesterschriftlichen Erzählung bereits voraus. Damit ist aber noch nicht die Frage nach dem Hintergrund der Geistverleihung in der ursprünglichen Totenfeldvision geklärt. Wäh‐ rend in der nichtpriesterschriftlichen Schöpfungserzählung das Le‐ bensprinzip als נשׁמה bezeichnet wird, findet sich in den priesterschrift‐ lichen Belegen Gen 6,17 und 7,15 die Vorstellung, dass jedes lebende Wesen mit einer רוח als Lebenskraft ausgestattet ist (כל־בשׂר אשׁר־בו רוח חיים, Gen 6,17; מכל־הבשׂר אשׁר־בו רוח חיים, Gen 7,15). So ist Gott als Schöpfer dadurch qualifiziert, dass er der „Gott des Lebensodems“ in allem Fleisch ist (אלוהי הרוחת, Num 16,22; 27,16; vgl. auch Hi 12,10).615 Das menschliche und jedes Leben beruht auf der Teilhabe an der göttlichen רוח, und die Aussendung des Lebensatems wie auch sein Entzug liegen allein in Gottes Ermessen (vgl. Ps 104,29f.; Hi 34,14f.).616 So kann der Beter in den Psalmen mehrfach die Ermattung seines Geistes beklagen 613 Vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 895; BALTZER, Ezechiel, 110; TENGSTRÖM, Art. רוּ ַח, 410, und FUHS, NEB, 208. 614 BALTZER, Ezechiel, 112f. (das Zitat ist im Original kursiv gedruckt). Darüber hinaus weist der Nachtrag Ez 37,2.7‐10* eine Reihe von Bezügen zu Texten auf, in denen von einer Wiederbelebung von Toten die Rede ist; vgl. dazu die bei OHNESORGE, Jahwe, 306‐308, aufgeführten Belege. 615 Vgl. ferner Jes 42,5, wo Jhwh von sich sagt, dass er dem Volk auf der Erde Atem ()נשׁמה gab ()נתן und Lebenshauch ()ורוח denen, die auf ihr wandeln. 616 Vgl. KAISER, Gott II, 286. Zur Bedeutung von רוח im Sinne von Lebensgeist vgl. wei‐ terhin TENGSTRÖM, Art. רוּ ַח, 407‐411.
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(vgl. z. B. Ps 34,19; 142,4; 143,7) und Gott um die Restitution bitten (Ps 51,12‐14). Von der Geistausgießung als zukünftigem Heilsereignis ist neben dem Ezechielbuch noch in drei weiteren Prophetenbüchern die Rede. So findet sich im Deuterojesajabuch in Jes 44,3f. in einem Wort an den Knecht Jakob‐Israel die Verheißung, dass Jhwh seinen Geist ()רוחי auf den Knecht und seine Nachkommen ausgießen wird (יצק, 44,3b), so dass sie wie Schilf am Wasser aufsprossen werden (44,4). Diese Ankün‐ digung ist mit der vorangehenden Verheißung parallelisiert, dass das trockene Land ()יבשׁה wiederbewässert werden soll (44,3a). Die Geist‐ verleihung an das Volk dient damit ähnlich wie im Ezechielbuch der als Wiederbelebung dargestellten Restitution des Volkes, die Voraus‐ setzung für die Rückführung der Gola ist.617 Im ersten Gottesknechts‐ lied Jes 42,1 sowie in Jes 59,21618 steht dagegen die Gabe des propheti‐ schen Geistes im Vordergrund. Von Jhwhs (heiligem) Geist in der Mitte des Volkes ist schließlich noch in Jes 63,10f. (;רוח קדשׁו vgl. auch רוח קדשׁך, Ps 51,13) und Hag 2,5 die Rede ()רוחי, während Jo 3,1f. von einer Heils‐ zukunft spricht, in der Jhwh den Gottesgeist auf alle ausgießen wird ()אשׁפוך את־רוחי. Auch wenn die Geistbegabung in Ez 37,1‐14 keine direkten Berüh‐ rungen mit den einzelnen Belegen aufweist, so kann doch von einer konzeptionellen Nähe gesprochen werden. Anscheinend verbindet der Autor der ursprünglichen Totenfeldvision die priesterschriftliche Vor‐ stellung von einem Lebensgeist des Menschen mit der im Deutero‐ jesajabuch vorgesehenen Wiederbelebung durch den Geist in der Heils‐ zeit, die das Leben des Menschen nach dem vollzogenen Gericht wieder befördert. Die Metapher der Geistbegabung erfährt in Ez 37,1‐ 6* eine bildhafte Ausgestaltung und wird durch das Bild der Knochen, die sich jenseits aller Lebensmöglichkeiten befinden, im Sinne einer Neuschöpfung interpretiert.619 Die Schöpfungsbezüge werden in den Fortschreibungen weiter verstärkt, indem in 37,6 zuerst eine Differen‐ zierung der menschlichen Anatomie angelegt wird, ehe die Überarbei‐ tung durch 37,2.7‐10* die Wiederbelebung der Knochen in einer An‐ spielung auf die beiden Schöpfungsberichte als leibliche Auferstehung 617 Zu Jes 44,1ff. vgl. KRATZ, Kyros, 149‐152.161‐163. 618 Jes 59,21 richtet sich an das Volk und den Propheten des Buches; vgl. dazu KRATZ, Kyros, 147. 619 Vgl. BALTZER, Ezechiel, 110‐112.115‐118; HOSSFELD, Untersuchungen, 398; KRÜGER, Geschichtskonzepte, 426; OHNESORGE, Jahwe, 331, und FUHS, NEB, 210. So auch ZIMMERLI, BK, 900: „Nur durch eine neue Aussendung des Lebenshauches, also ein Geschehen, das ganz vorne da anknüpft, wo nach Gn 2,7 die Erschaffung des ersten Menschen geschah, kann neues Leben entstehen.“
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der Toten interpretiert. Die רוח stellt dabei ein absolutes Prinzip dar, das die Lebenskraft in den Menschen bringt.620 6.5. Das neue Schöpfungshandeln Jhwhs Die vorangehende Analyse hat gezeigt, dass mit der ursprünglichen Totenfeldvision in 37,1‐6* der literarische Kern des gesamten Kapitels Ez 37 vorliegt. In diesem nucleus finden sich Überlegungen darüber, wie die erste Gola im Exil wieder zum Leben erweckt werden kann. Auch die folgenden Reflexionen zur Restitution Israels, die zu den Fortschreibungen in 37,11‐13a* und 37,13b‐14* geführt haben, richten sich auf das ganze Israel außerhalb des Landes bzw. die zurückgekehr‐ te Gola. Erst in der Zeichenhandlung 37,15‐19*, mit der die Fortschrei‐ bung in der zweiten Kapitelhälfte beginnt, wird die Frage, welche Größe „ganz Israel“ bildet, auf die politische Trennung des Volkes im Land bezogen. Schließlich überführt ein später Redaktor die bildliche Wiederbelebung des Volkes durch die Einschreibung von 37,2.7‐10* in die konkrete Verheißung der Auferstehung von den Toten. Die Vision in Ez 37,1‐14 unterscheidet sich in einigen Punkten von den bereits untersuchten Texten. Zuerst fällt die exponierte Stellung des Propheten auf, der nicht nur als Empfänger des göttlichen Wortes in Anspruch genommen wird, sondern im Kontext der Vision gleich‐ sam in das Bild gesetzt wird. Der spätere Nachtrag in 37,2.7‐10* baut die Rolle des Propheten weiter aus, indem es nun das prophetische Wort selbst ist, das das Heilsgeschehen in Gang setzt. Der Text zeichnet sich des Weiteren dadurch aus, dass Motive und Metaphern aus dem gesamten Alten Testament aufgenommen werden und in 37,1‐14 in konkrete Bildhaftigkeit umgesetzt werden. 621 Dabei hat sich kein ein‐ deutiges Bild in der Frage nach möglichen literarischen Vorlagen ergeben, sondern Ez 37,1‐14 scheint auf den verschiedenen Wachs‐ tumsstufen eine Vielzahl von mit Tod und Leben verbundenen Vor‐ stellungen vorauszusetzen, die aufgegriffen und verarbeitet werden. So rekurriert der Autor von Ez 37,1‐6* auf das Motiv des Lebensgeistes und verbindet dieses mit der Vorstellung einer erneuten Geistbega‐ bung in der Heilszeit, um die symbolische Wiederbelebung des Volkes darzustellen. Einzig für das ursprüngliche Disputationswort in Ez 37,11‐13a* liegt vermutlich in Jer 8,1‐3 ein literarischer Bezugstext vor, 620 In ähnlicher Weise werden die zwei Geister in der Zwei‐Geister‐Lehre der Ge‐ meinschaftsordnung von Qumran (1QS III,13‐IV,26) als zwei absolute Prinzipien verstanden, die Gott dem Menschen bei der Schöpfung verleiht (III,18) und deren Zusammensetzung sein Leben und seinen Wandel bestimmen. 621 Vgl. SCHÖPFLIN, Ezechiel, 25f.
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mit dessen Hilfe das Bild der Knochen in 37,11‐13a* durch das Gräber‐ motiv interpretiert wird. Auf der jüngsten Wachstumsstufe mischen sich in der Einschreibung von Ez 37,2.7‐10* Bezüge auf die beiden Schöpfungsberichte der Genesis, so dass die Wiederbelebung des Vol‐ kes als neues Schöpfungshandeln Jhwhs erscheint. In den Heilsprophetien des Ezechielbuches erfährt die Verleihung der רוח in Ez 37,1‐14 schließlich eine letzte Auslegung in Ez 36,23bb‐32, wo die Gabe des Geistes eine sittlich‐moralische Qualität erhält; der Geist Jhwhs ist das Prinzip, das den Menschen erst dazu befähigt, ein Leben gemäß der göttlichen Ordnungen zu führen.
7. Heilsworte für die Berge Israels: Ez 35,1‐36,15 7.1. Standortbestimmung und Vorgehensweise Nachdem mit den beiden Säulen der Komposition in Kap. 34 und 37 sowie den Heiligungskapiteln in Ez 36,16‐39,29 ein Großteil der Texte in Ez 34‐39 abgetragen worden ist, steht nun als Letztes Ez 35,1‐36,15 im Mittelpunkt der Analyse. Dieser Textblock setzt sich aus zwei etwa gleich großen Hälften zusammen: Einem Gerichtswort über das Gebir‐ ge Seir in 35,1‐15 und einem Heilswort an die Berge Israels in 36,1‐15, die auf der Ebene des Endtextes durch das Schema „Gericht für das Gebirge Seir – Heil für die Berge Israels“ miteinander verbunden sind. Wenn die beiden Texthälften ursprünglich zusammengehören, so muss dieses Prinzip bereits für das Grundwort vorausgesetzt werden. Er‐ weist sich allerdings, dass eines der beiden Stücke erst nachträglich eingeschrieben worden ist, so ist nach Anbindung und Aussageabsicht des literarisch vorhergehenden Textes zu fragen. Für diese Fragestel‐ lung wird insbesondere der Komplex der Fremdvölkerworte in Ez 25‐ 32 zu berücksichtigen sein, der nicht nur zahlreiche sprachliche und thematische Verbindungen mit Ez 35,1‐36,15 aufweist, sondern auch den engeren vorhergehenden Kontext bildet. Da sich gezeigt hat, dass die jeweiligen Grundworte in Ez 34 und 37 sachlich am Inhalt der Bergkapitel orientiert sind, steht in der redak‐ tionsgeschichtlichen Einordnung die Beziehung von 34,1‐10* und 37,1‐ 6* mit der Grundschicht in 35,1‐36,15 bzw. ihren Fortschreibungen im Vordergrund. Diese Verhältnisbestimmung ist von besonderem In‐ teresse, da die erste Sichtung der Texte in Ez 34‐39 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Grundschicht der Bergkapitel zu den vermutlich
Heilsworte für die Berge Israels: Ez 35,1‐36,15
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ältesten Texten in diesem Buchabschnitt gehört.622 Das bedeutet, dass sich die Studie mit der vergleichenden Analyse von Ez 34,1‐10*; 35,1‐ 36,15* und 37,1‐6* auf der Ebene der anfänglichen Heilsverheißung im Ezechielbuch bewegt. Die Untersuchung möglicher Vorlagen wird im dritten Teil von den in Ez 35,1‐36,15 verwendeten Bildern bestimmt. So ist insbesonde‐ re zu untersuchen, welche literarischen oder traditionsgeschichtlichen Wurzeln die Rede von den Bergen Israels bzw. des Gebirges Seir hat. Daran schließt sich im vierten Teil ein Exkurs zum Segen‐und‐Fluch‐ Kapitel Lev 26 an, für das bereits Verbindungen zu den Heilsbund‐ texten in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 nachgewiesen werden konnten. Da auch die Bergkapitel einige Bezüge zu diesem vorletzten Kapitel des Heiligkeitsgesetzes aufweisen, scheint es an der Zeit, nach der grund‐ sätzlichen Bedeutung von Lev 26 für das Ezechielbuch zu fragen. 7.2. Textanalyse 7.2.1. Aufbau und Gliederung Das Gerichtswort an das Gebirge Seir in Ez 35,1‐15 und das Heilswort an die Berge Israels in Ez 36,1‐15 sind durch die Wortereignisformel in 35,1 einem einzigen Wortereignis zugeordnet. Es ist allerdings fraglich, ob auch in textgenetischer Hinsicht mit einer ursprünglichen Zusam‐ mengehörigkeit der beiden Stücke gerechnet werden kann.623 Formal gliedert die doppelte Prophezeiungsaufforderung an den Propheten in 35,2 und 36,1 den Textblock in zwei Hälften, deren literarisches Ver‐ hältnis zueinander Hauptgegenstand der Untersuchung ist. Neben die‐ ser Frage steht aber auch die literarische Einheitlichkeit der beiden Einzelteile auf dem Prüfstand, da sie durch eine Fülle von Redefor‐ meln, unterschiedlichen Begründungselementen und Doppelaussagen gekennzeichnet sind, die auf ein sukzessives literarisches Wachstum hindeuten. Der folgende Überblick konzentriert sich deshalb auf Auf‐ bau und Gliederung von 35,1‐36,15, ehe anschließend die Frage nach der Grundschicht gestellt wird. 622 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3. 623 Unter den Exegeten, die literarkritische Scheidungen innerhalb von Ez 35,1‐36,15 vornehmen, rechnen ZIMMERLI, BK, 859; GARSCHA, Studien, 214, und POHLMANN, ATD, 477, mit einer ursprünglichen Zusammengehörigkeit der jeweiligen Grund‐ worte in 35* und 36,1‐15*. Dagegen sprechen sich HERRMANN, Ezechielstudien, 36; HÖLSCHER, Hesekiel, 172, und SIMIAN, Nachgeschichte, 351f., für eine nachträgliche Abfassung des Ausgangstextes in Ez 35* gegenüber dem Grundwort in Ez 36,1‐15* aus.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
Das Wort gegen das Gebirge Seir in Ez 35,1‐15 wird durch die Wortereignisformel V 1 von dem vorhergehenden Hirtenkapitel abge‐ grenzt. Es gliedert sich in mehrere kleinere Redegänge, die durch die Einleitung in V 2 als Gerichtsworte gegen das Gebirge Seir (הר שׂעיר, V 2.3) gekennzeichnet sind. In diesem Vers wird der als Menschensohn angeredete Prophet aufgefordert, sein Gesicht gegen Seir zu richten und gegen es zu prophezeien. In V 3aa setzt sich die Anrede des Pro‐ pheten mit einer Redeaufforderung und der Botenformel fort, ehe in V 3abb eingeleitet durch die auf das Gebirge Seir bezogene Heraus‐ forderungsformel הנני אליך der eigentliche Inhalt der Gerichtsrede folgt: Jhwh wird seine Hand ausstrecken und das Gebirge zur Wüstung ()שׁממה und zum Entsetzen ()משׁמה machen. Im Zuge dieses Gerichtes wird im folgenden V 4 auch den Städten die Verwüstung ()חרבה ange‐ sagt und die Drohung an Seir wiederholt ()שׁממה, ehe die Erkenntnis‐ formel am Ende des Verses eine erste Zäsur anzeigt. In V 5‐9 folgt zuerst eine durch יען eingeleitete Begründung für das Gericht: Seir hat sich der ewigen Feindschaft ()איבת עולם an den Israe‐ liten schuldig gemacht und diese dem Schwert preis gegeben (V 5). Deshalb ()לכן wird Jhwh ein Blutgericht an ihm vollstrecken (V 6). Mit V 7 geht die Anrede von 2. Pers. mask. sg. zu 3. Pers. mask. sg. über: Jhwh redet nun über das Gebirge Seir und bekräftigt seine Absicht, es zur Wüstung und zum Entsetzen ()לשׁממה ושׁממה zu machen, und jeden auszurotten, der darin umhergeht (עבר, V 7). Die Rede über das Gebir‐ ge setzt sich in V 8a fort, wo Jhwh die Ausrottung der Bevölkerung in dem Bild umschreibt, dass er die Berge mit den Erschlagenen füllen wird. V 8b kehrt wieder zur Anredesituation der V 1‐6 zurück (2. Pers. mask. sg.), bleibt aber inhaltlich bei den Erschlagenen, deren Tod nun explizit auf das Schwert zurück geführt wird ()חללי־חרב, und die auf Hügel, Täler und Bachrinnen des Gebirges fallen sollen. Die Begrün‐ dung des Gerichtswortes wird in V 9 durch die vierte Androhung der Verwüstung abgeschlossen; diese wird in einer Verstärkung der bis‐ herigen Aussagen als „ewige Wüstungen“ ()שׁממות עולם beschrieben und geht mit der Verlassenheit der Städte einher. Ziel des Gerichtes ist erneut die Jhwh‐Erkenntnis, wobei allerdings offen bleibt, ob die in 2. Pers. mask. pl. formulierte Erkenntnisformel in V 9b an die Bewohner Seirs oder an die Israeliten gerichtet ist. 624 Aufgrund der wechselnden 624 LXX und Peschitta lesen den Singular, was dafür spricht, dass die Versionen nach‐ träglich an den Kontext angeglichen haben (so mit ZIMMERLI, BK, 853). Dies zeigt sich auch daran, dass die LXX im Bereich von Ez 35,1‐15 die Erkenntnisformeln durchgängig mit 2. Pers. mask. sg. wiedergibt, während das Subjekt im MT wechselt, der in dieser Hinsicht die lectio difficilior bietet.
Heilsworte für die Berge Israels: Ez 35,1‐36,15
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Anrede kann innerhalb von V 5‐9 mit einem späteren Nachtrag in V 7‐ 8a gerechnet werden, der die vorliegende Gerichtsansage verstärkt. In V 10‐13 schließt sich eine weitere begründete Gerichtsansage an. Als Anlass ()יען für Jhwhs Gerichtshandeln wird diesmal in V 10a die Prahlerei und das Besitzstreben Seirs genannt. Dieses habe sich damit gebrüstet, die zwei Nationen ()את־שׁני הגוים und die zwei Länder (ואת־שׁתי )הארצותin Besitz genommen zu haben (לי תהיינה/)וירשׁנוה. Die nachgescho‐ bene Erklärung in V 10b „obwohl doch Jhwh dort war“ ist als Zusatz verdächtig, da hier innerhalb einer Jhwh‐Rede von Jhwh in 3. Person gesprochen wird. Hier kann ein Ergänzer am Werk gesehen werden, der eine theologische Kommentierung von Seirs Fehlverhalten in den Text einträgt.625 Darüber hinaus fallen aber auch innerhalb des für die Grundschicht verbleibenden Verses Inkonsistenzen auf. Während mit den zwei Nationen und den zwei Ländern ein pluralisches Objekt für Seirs Besitzstreben angegeben wird ()לי תהיינה, weist וירשׁנוה nicht nur ein Suffix 3. Pers. fem. sg. auf, sondern es setzt auch ein Subjekt 1. Pers. pl. voraus.626 Das pluralische Subjekt ist als Zitat der Bewohner des Gebir‐ ge Seirs verständlich (vgl. auch 35,12), während das feminine Suffix da‐ rauf hindeutet, dass hier das Land als Ganzes im Blick ist. Auch wenn die inhaltliche Aussage damit ohne Probleme verständlich ist, bleibt die Inkongruenz zwischen Objekt und Suffix bestehen, die m. E. am Besten literarkritisch aufzulösen ist. Dabei bleiben zwei Möglichkeiten: Zuerst ist denkbar, dass das Land ursprünglich Objekt des gesamten Zitates war, das evtl. durch Beeinflussung von Ez 37,15‐19.20‐23* se‐ kundär durch die Formulierung את־שׁני הגוים ואת־שׁתי הארצות ersetzt wor‐ den ist (vgl. לשׁני גוים, 37,22), wobei die Angleichung des zweiten Verbs vergessen wurde.627 Alternativ ist denkbar, dass es sich bei וירשׁנוה um einen späteren Zusatz handelt, der das Besitzstreben Seirs verdeutli‐ chen soll; in diesem Fall müsste aber damit gerechnet werden, dass das Suffix in den falschen Numerus gesetzt worden ist. Da ein Versehen wahrscheinlicher erscheint als ein Grammatikfehler, ist im Folgenden davon auszugehen, dass das Land in V 10 durch eine Überarbeitung in seiner Gespaltenheit in Nord‐ und Südreich dargestellt werden soll. 625 Vgl. auch ZIMMERLI, BK, 853; SIMIAN, Nachgeschichte, 107, und POHLMANN, ATD, 476 Anm. 20. 626 Die Varianten der älteren Versionen, die auf ein zugrunde liegendes וירשׁתין führen könnten (vgl. z. B. LXX: kai. klhronomh,sw auvta,j), sind lectio facilior und damit als nach‐ trägliche Textglättung zu beurteilen (so in der Bevorzugung des masoretischen Textes mit ALLEN, WBC 29, 168, und BLOCK, NICOT II, 312f. Anm. 21, während ZIM‐ MERLI, BK, 852, mit Verweis auf die LXX eine Vorlage וירשׁתין annimmt). 627 Vgl. POHLMANN, ATD, 479, der die Formulierung ebenfalls „als eine nachträgliche Abstimmung des Edom‐Zitats auf die spätere Einschaltung von 37,15‐24 und die dortige Rede von den ‘zwei Völkern und zwei Königreichen’“ erklärt.
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Schriftauslegung in Ez 34‐39
V 11 schließt durch die begründende Partikel לכן eng an den vor‐ hergehenden V 10a an und schildert die Folgen für Seirs Verhalten: Eingeleitet mit der Schwurformel kündigt Jhwh an, dass er an Seir han‐ deln wird entsprechend dem Zorn ()כאפך und der Eifersucht ()וכקנאתך, mit der Seir gegen die Israeliten vorgegangen ist. Eine Erkenntnisfor‐ mel, die mit ידע ni. konstruiert ist, bildet einen ersten Einschnitt. In V 12 wird die Erkenntnisformel wieder aufgenommen und ist durch eine zitathafte Begründung für das Gericht über Seir erweitert: Jhwh hat Seirs Lästerungen über die Berge Israels ()על־הרי ישׂראל gehört ()שׁמעתי, dessen Bewohner fälschlicherweise annahmen, die Berge seien ihnen zum Fraß ()לאכלה gegeben. Der folgende V 13 knüpft an die Aussage von V 12 an, wie auch das abschließende אני שׁמעתי zeigt. Der Spott über die Berge Israels wird nun als Gotteslästerung interpretiert, da die Schmähungen Seirs eine direkte Selbstüberhebung gegenüber Jhwh darstellen. Auch wenn sich der Anredewechsel von 2. Pers. sg. in V 12 zu 2. Pers. pl. in V 13 durch Bezug auf die Bewohner Seirs erklären ließe, spricht er zusammen mit der weiterführenden theologischen Deutung dafür, in V 13 eine gegenüber V 10a.11f. sekundäre Nach‐ interpretation zu sehen.628 In V 14 liegt mit der Botenformel ein Neueinsatz vor, durch den ein weiteres Jhwh‐Wort eingeleitet wird, das V 14f. umfasst: Jhwh betont erneut, dass das Gericht an Seir der Schadenfreude entsprechen wird ()כשׂמח, mit der es die Verwüstung des ganzen Landes ()כל־הארץ kom‐ mentiert hat. Das Motiv der Schadenfreude ()כשׂמחתך begegnet ferner am Beginn von V 15, nur dass der Spott Seirs diesmal dem verwüsteten Erbteil ()נחלה des Hauses Israel gilt. Ein letztes Mal betont Jhwh, dass er nach dem Talionsprinzip handeln und das Gebirge Seir und ganz Edom insgesamt ()וכל־אדום כלה als Strafe für ihre Lästerungen zur Wüs‐ tung ()שׁממה machen wird.629 Die Angabe וכל־אדום כלה wirkt nach der vorherigen Nennung des Gebirges Seir nachgetragen, so dass zu über‐ legen ist, ob hier eine sekundäre Glosse vorliegt, durch die das Gebirge 628 So auch POHLMANN, ATD, 476, der die Sekundarität des Verses allerdings allein mit dem Anredewechsel von V 12 zu V 13 begründet. 629 Der MT in V 14 macht einen verdorbenen Eindruck, so dass eine textliche Rekons‐ truktion zu erwägen ist, die auch die auffälligen inhaltlichen Doppelungen in V 14f. erklären kann. Zwei Erklärungen sind denkbar: Entweder enthält V 14* den ur‐ sprünglichen Text, während V 15a, der in der LXX* fehlt, als Randglosse eine theolo‐ gische Nachinterpretation enthält, die später in den Text selbst geraten ist (so BHS; FOHRER, HAT, 199; POHLMANN, ATD, 471f. Anm. 6). Oder aber der ursprüngliche Text ist in V 15a enthalten, während ein Grundbestand von V 14 als Glosse zu V 12 gedacht war und irrtümlich als Alternative zu V 15a in den Text genommen wurde (vgl. ALLEN, WBC 29, 168). Das Fehlen von V 15a in der LXX* wäre in beiden Fällen als aberratio oculi aufgrund eines homoioteleuton von V 14 Ende zu V 15a Ende ()אעשׂה־לך zu erklären.
Heilsworte für die Berge Israels: Ez 35,1‐36,15
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Seir mit Edom gleichgesetzt wird.630 Eine Erkenntnisformel am Ende von V 15 schließt die Seir‐Hälfte der Bergkapitel in 35,1‐15 ab. Das Heilswort an die Berge Israels in Ez 36,1‐15 beginnt in V 1 mit der betonten Anrede ()ואתה des als בן־אדם angesprochenen Propheten, der von Jhwh beauftragt wird, über die Berge Israels ()אל־הרי ישׂראל zu prophezeien. Ein Höraufruf an die Berge und eine Botenformel in V 2 leiten die eigentliche Weissagung ein, die mit einer Begründung ein‐ setzt: Weil ()יען der Feind über die Berge Israels „Ha“ ()האח gesprochen hat und meinte, die ewigen Höhen ()ובמות עולם631 seien ihm zum Besitz gegeben ()למורשׁה היתה לנו, wird Jhwh handeln. In literarkritischer Hin‐ sicht fällt die Inkongruenz zwischen dem pluralischen Objekt במות und der singularischen Verbform היתה auf, die nur schwer zu erklären ist. Es ist vorgeschlagen worden, die Form durch Angleichung an das dane‐ benstehende למורשׁה zu erklären, die Bezogenheit auf das nicht genann‐ te ארץ vorauszusetzen, oder sie mit dem Kollektivcharakter von במות zu begründen.632 Zwar kann keine dieser Lösungen wirklich befriedigen, aber die Auffälligkeit ist noch am ehesten dadurch zu erklären, dass במות als Kollektivbegriff für das Land steht, so dass keine Textverbes‐ serung vorgenommen werden muss. Dieser solcherart mit der Partikel יען eingeleitete Vorsatz über das Verhalten des Feindes lässt eine durch לכן eingeführte Folgeaussage erwarten. Tatsächlich finden sich im wei‐ teren Textablauf sechs mit לכן und Botenformel eingeleitete Sätze (V 3.4.5.6.7.14), die als mögliche Fortführung in Frage kommen. Von diesen sechs ‐יעןAussagen scheiden die ersten vier in V 3‐6 als ursprüngliche Fortsetzung von V 1f. aus. V 3 enthält keine an V 2 an‐ knüpfende Folge, sondern nach einem erneuten Prophezeiungs‐ und Redeauftrag wird durch Botenformel und doppeltes יען eine weitere Begründung eingeführt. Ausführlicher als in V 2 wird darauf verwie‐ sen, dass die Berge Israels verwüstet wurden und sie dem Rest der Nationen ()שׁארית הגוים zum Besitz und generell zum Objekt des Spottes geworden sind. Auch der folgende V 4 kommt nicht als Anschluss in Frage, da die Partikel לכן eine erneute vokativische Anrede der Berge 630 So auch SIMIAN, Nachgeschichte, 115: „erklärende Glosse“. 631 Die Lesung ובמות ist textkritisch nicht unumstritten. Die LXX bietet e;rhma (vgl. Pap. 967 evrhmi,a) aivw,nia, was mit Verweis auf Ez 35,9 (MT: שׁממות עולם/LXX: evrhmi,an aivw,nion) von einigen als Verschreibung aus שׁממות interpretiert wird (vgl. ZIMMERLI, BK, 854; POHLMANN, ATD, 472). Es liegt m. E. aber näher, die Variante der LXX als Anglei‐ chung an 35,9 und damit als Textglättung zu beurteilen, so dass dem MT als der lectio difficilior der Vorzug zu geben ist (so mit HAAG, Untersuchung, 19f.; ALLEN, WBC 29, 168; GREENBERG, AncB, 717, und BLOCK, NICOT II, 324). 632 Alle drei Alternativen zieht BLOCK, NICOT II, 324, in Erwägung, während ZIMMERLI, BK, 854, die ersten beiden Erklärungen für denkbar hält. SIMIAN, Nachgeschichte, 130, und im Anschluss an diesen ALLEN, WBC 29, 168, setzen dagegen ein kollektives Verständnis voraus; vgl. dazu auch GesK §145h.
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Israels eröffnet, die nach dem Aufmerksamkeitsruf und der Boten‐ formel durch die zusätzlichen Adressaten Hügel, Bachrinnen, Täler, Trümmerstätten und verwüstete Städte erweitert wird. In V 5 leitet das Ensemble von ‐לכןPartikel und Botenformel dagegen einen Schwursatz Jhwhs ein, der bekräftigt, dass er im Feuer seines Eifers ()באשׁ קנאתי gegen den Rest der Nationen und gegen Edom insgesamt ()ועל־אדום כלא geredet habe, die sich sein Land zum Besitz genommen haben. Ver‐ gleichbar mit dem Befund in 35,15 fällt der nachklappende Charakter der Edomnennung auf, die nach dem „Rest der Nationen“ zu spät kommt, so dass mit einer späteren Kommentierung zu rechnen ist, die Edom namentlich in den Text einträgt. Des Weiteren kommt auch die ‐יעןAussage in V 6 aus mehreren Gründen nicht als Weiterführung des Grundwortes in Frage. Zuerst richtet sich das Jhwh‐Wort in diesem Vers nicht an die Berge Israels, sondern an das Land Israel (על־אדמת )ישׂראל, auch wenn die Adressaten ähnlich wie in V 4 nachfolgend als Berge, Hügel, Bachrinnen und Täler präzisiert werden. Weiterhin ent‐ hält der Vers keine Folgeaussage, sondern einen Rückblick, in dem Jhwh in einer Parallele zur Aussage von V 5 betont, dass er in seinem Eifer ()בקנאתי und in seinem Grimm ()ובחמתי geredet habe, da die Isra‐ eliten die Schmach der Nationen ()כלמת גוים getragen haben ()נשׂא. In V 7 findet sich schließlich eine ‐לכןAussage, die als Fortführung von V 1f. in Frage kommt: 633 Jhwh schwört mit erhobener Hand, dass die Nationen ihre Schmach selbst tragen werden und wendet sich dann den Bergen Israels zu. Mit betonter Anrede (הרי ישׂראל )ואתם werden die‐ se in V 8a erneut angesprochen und ihnen wird verkündet, dass sie für Jhwhs Volk ihre Zweige treiben ()ענפכם תתנו und ihre Frucht tragen wer‐ den ()ופריכם תשׂאו. In V 8b und V 9 finden sich zwei unterschiedliche Be‐ gründungen für diese Heilswende, die jeweils durch die Partikel כי eingeleitet sind. So ist nach V 8b die Restitution der Berge notwendig, da die Rückkehr des Volkes unmittelbar bevorsteht, während in V 9 die Heilswende ganz auf Jhwhs souveränen Entschluss zurückgeführt wird. Eingeleitet durch die positiv gebrauchte Herausforderungsformel הנני אליכם634 sagt Jhwh den Bergen in einer an Lev 26,9 erinnernden For‐ mulierung zu, dass er sich ihnen zuwenden wird ()ופניתי אליכם und dass 633 Die Mehrzahl der Exegeten ist sich darin einig, dass in V 7 die sachliche Fortführung der ‐יעןAussage von V 2 vorliegt (vgl. GARSCHA, Studien, 218; ALLEN, WBC 29, 170; POHLMANN, ATD, 477), allerdings wird teilweise auch V 6 noch zur Grundschicht gerechnet (so HÖLSCHER, Hesekiel, 173; ZIMMERLI, BK, 865), während FUHS, NEB, 201, den Ausgangstext erst mit V 8 wieder einsetzen lässt. 634 Es gibt keinen Grund, die Herausforderungsformel in V 9 aus dem Text zu streichen, nur weil sie hier in heilvollem Kontext gebraucht wird (so mit ZIMMERLI, BK, 866, gegen HUMBERT, Herausforderungsformel, 104). Vielmehr betont gerade die Um‐ funktionierung der üblichen Gerichtsformel die Heilswende für die Berge Israels.
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sie bebaut und besät werden sollen (V 9). Die Doppelung der beiden ‐כי Sätze in V8b.9 deutet darauf hin, dass eine der beiden Aussagen nach‐ getragen ist, wobei der Verdacht zuerst auf V 8b fällt.635 Während das Eingreifen Jhwhs zugunsten der Berge Israels die erwartete Reaktion auf das Verhalten des Feindes ist (vgl. 36,2), kommt die Rückkehr des Volkes im Text überraschend, da die Exilierung bisher noch nicht the‐ matisiert worden ist. Daraus kann gefolgert werden, dass V 8b nach‐ träglich mit der Intention eingeschrieben worden ist, den Beginn des Heils mit der Rückführung des Volkes anbrechen zu lassen.636 Im ur‐ sprünglichen Textbestand liegt die Heilswende dagegen allein in der erneuten Zuwendung Jhwhs begründet (V 9). Die folgenden V 10 und V 11 kündigen am jeweiligen Versanfang mit denselben Worten eine Vermehrung der Menschen auf den Bergen an ()והרביתי עליכם אדם, die aber eine je unterschiedliche Fortführung er‐ hält. Während in V 10 die Vermehrung der Menschen637 als Vorausset‐ zung für die Wiederbesiedelung der Städte und den Wiederaufbau der Trümmerstätten erscheint, zielt die Vermehrung von Mensch und Tier in V 11 auf die Wiederherstellung des früheren Zustandes, der durch Jhwhs Heilshandeln noch übertroffen werden soll. Die Verbindung von Vermehrung und Fruchtbarkeit durch den Doppelausdruck ורבו ופרו in V 11 ist in der LXX* nicht bezeugt und fällt auch durch 3. Pers. pl. aus dem Anredestil des Kontextes heraus, so dass hier mit einem Nachtrag zu rechnen ist.638 Dieser trägt die priesterschriftlich geprägte Doppel‐ verheißung (vgl. Gen 1,22.28; 8,17; 9,1 u. ö.) in den Text ein, um auf diese Weise die Mehrung auch für die zukünftigen Generationen sicher zu stellen. Im Vergleich der beiden Mehrungsverheißungen in V 10 und 11* ist V 11*, der allein vom Heil für die Berge Israels spricht, der Vorzug vor V 10 zu geben, der auch die Restitution der Städte und 635 So auch FOHRER, HAT, 201 („erläuternde Gl. [= Glosse]“) und erwägungsweise SIMIAN, Nachgeschichte, 75. Daneben diskutiert nur noch GARSCHA, Studien, 213f. Anm. 630, die Frage, ob V 8b ursprünglich zum Text gehört habe oder sekundär eingeschoben sei: „Es fällt jedenfalls auf, dass V8b vom Volk redet, während V8a und V9 die Berge ansprechen“. Zwar kommt er ebd. zu dem Ergebnis, dass die Ent‐ scheidung unsicher bleiben muss, aber in seiner Übersicht über die Grundschicht von Kap. 36 fehlt V 8b (vgl. GARSCHA, a.a.O., 218). 636 So gegen POHLMANN, ATD, 472.480, der V 8b zur Grundschicht rechnet. Allerdings äußert er sich nicht weiter zur Bedeutung des Halbverses in der Grundschicht. Für die von ihm angenommene golaorientierte Überarbeitung des Textes gilt aber: „Und dieses Heil bricht an mit der Rückführung der Exilierten (36,8b)“ (DERS., Ezechielstu‐ dien, 110). 637 Bei dem Verweis auf „das ganze Haus Israel insgesamt“ (כל־בית ישׂראל כלה, V 10ab) ist mit einem Nachtrag zu rechnen (vgl. POHLMANN, ATD, 480f.), der evtl. durch die Thematik in Ez 37,11.15ff. beeinflusst ist. 638 So mit EICHRODT, ATD, 341; ZIMMERLI, BK, 856; ALLEN, WBC 29, 169; POHLMANN, ATD, 472 Anm. 12; anders BLOCK, NICOT II, 332 Anm. 44.
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Trümmerstätten berücksichtigt.639 Die an die Berge Israels gerichtete Erkenntnisformel in V 11* bildet einen ersten literarischen Abschluss der Grundschicht innerhalb von 36,1‐11. In den Versen 36,12‐15 folgen weitere an die Berge und das Land gerichtete Heilszusagen. V 12 setzt die den Bewohnern geltenden Resti‐ tutionsverheißungen fort und wiederholt in anderen Worten die Wie‐ derbesiedelung der Berge aus V 10.11. Die Anrede wechselt dabei in‐ nerhalb des Verses von 2. Pers. mask. pl. zu 2. Pers. mask. sg., wobei der Bezug dieser 2. Pers. mask. sg. vor Probleme stellt. Wahrscheinlich ist bereits das Land im Blick, das auch in den folgenden V 13ab‐15 Adressat der Rede ist, aber damit ist noch nicht das maskuline Genus erklärt; eventuell ist hier mit weiterer literarischer Nacharbeit oder Textverderbnis zu rechnen.640 Diesem Adressaten 2. mask. sg. wird an‐ gesagt, dass das Volk Israel ihn in Besitz nehmen wird ()וירשׁוך, er ihnen zum Erbteil ()לנחלה werde, und er die Israeliten nicht mehr kinderlos machen soll (שׁכל pi.). Das Stichwort שׁכל nimmt bereits das Thema der folgenden Redeeinheit V 13‐15 vorweg. Diese mit einer Botenformel eingeleiteten Verse enthalten ein kurzes, begründetes Heilswort, das in 2. Pers. fem. sg. an das Land gerichtet ist.641 Weil ()יען man über das Land sagt, es sei eine Menschenfresserin ()אכלת אדם und habe sein Volk kinderlos gemacht (שׁכל pi., V 13), darum ()לכן wird es seine Bewohner in Zukunft nicht mehr gefährden (V 14). Nach der abschließenden Got‐ tesspruchformel in V 14b greift V 15 mit der Schmähung der Nationen ()כלמת הגוים, dem Höhnen der Völker ()חרפת הגוים und dem Kinderlos‐ Machen (שׁכל pi.)642 Stichworte aus den vorausgehenden Redegängen 639 Der Nachtragscharakter von V 10 ist weitgehend anerkannt; vgl. HÖLSCHER, Hese‐ kiel, 173 Anm. 1; FOHRER, HAT, 201; EICHRODT, ATD, 341 Anm. 1; ZIMMERLI, BK, 859.866; GARSCHA, Studien, 214 Anm. 631, und POHLMANN, ATD, 477. SIMIAN, Nach‐ geschichte, 76f., rechnet dagegen mit einem Nachtrag in V 10abb.11a. 640 So nimmt ZIMMERLI, BK, 856, einen Zusatz in der zweiten Vershälfte an. LXX und Peschitta gleichen die Formen 2. Pers. mask. sg. an die 2. Pers. mask. pl. an, die so‐ wohl am Anfang von V 12 als auch im folgenden V 13a belegt ist. 641 Das Heilswort wird allerdings in V 13aa in Form eines Disputationswortes durch eine an לכם gerichtete Schmähung der Widersacher eröffnet. Die Varianten von LXX, Peschitta (Polyglotte von Walton) und Targum, die alle den Singular lesen, sind als Angleichung lectio facilior gegenüber dem MT. Es ist deshalb zu vermuten, dass לכם noch an die vorangehende Anrede der Berge Israels anknüpft (so mit ZIMMERLI, BK, 856), während das Bild mit V 13bb (evtl. aufgrund der zitathaften Anspielung auf Num 13,32; vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.5.) auf das Land umbricht. 642 Sowohl in V 14 als auch in V 15 findet sich תכשׁלי לא („du wirst nicht stolpern lassen“), wo eigentlich תשׁכלי לא („du wirst nicht kinderlos machen“) zu erwarten ist; vgl. das Qere. Wie der textkritische Befund zeigt, ist an beiden Stellen von einer Verschrei‐ bung auszugehen: Im Fall von V 14 bezeugen die Versionen und viele hebräische Handschriften die Lesart des Qere תשׁכלי, während V 15 das Ketib irrtümlich über‐ nommen zu haben scheint; vgl. auch ZIMMERLI, BK, 856, und ALLEN, WBC 29, 169.
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auf, wobei V 15b eine wortwörtliche Wiederholung von V 14abb dar‐ stellt. Die Textbeobachtungen in V 12‐15 lassen sich damit wie folgt auswerten: V 12 scheint als redaktionelle Überleitung zur Redeeinheit V 13f. abgefasst zu sein,643 die Befürchtungen gegenüber einem als feindlich empfundenen Land entgegen wirken will. Die Gottesspruch‐ formel in V 14 und der Kompilationscharakter von V 15 sprechen dafür, in V 15 einen neuerlichen Einzelversnachtrag zu sehen, der das Heilswort an die Berge Israels als Gesamtkomposition abschließt. 7.2.2. Grundschicht und ursprünglicher Textanschluss Die Ergebnisse der Untersuchung von Aufbau und Gliederung in Ez 35,1‐36,15 können damit wie folgt zusammengefasst werden: Im Fall der Israel‐Hälfte 36,1‐15 umfasst der Ausgangstext nach der hier vorge‐ legten Analyse die V 1f.7‐8a.9.11* (36,1‐11*)644 und enthält mehrere an die Berge gerichtete Restaurationszusagen. Die textlichen Verhältnisse im Seir‐Teil Ez 35,1‐15 stellen dagegen vor einige Probleme: Der Text umfasst nach der formalen Einleitung in V 1‐3aa vier Redeeinheiten in V 3ab‐4.5‐9.10‐13.14f.*, innerhalb derer sich bereits V 7‐8a, V 10b und V 13 als sekundär erwiesen haben. Während das Gerichtswort in V 3ab‐ 4 unbegründet ist, nennen die übrigen Einheiten ein je anderes Motiv für Jhwhs Handeln: Die ewige Feindschaft Seirs gegenüber den Israeli‐ ten (V 5‐9*), der Besitzanspruch auf das Land (V 10a.11f.) und die Schadenfreude über die Verwüstung des Landes (V 14f.*). Wenn man nicht davon ausgehen will, dass ein Verfasser hier mehrere Sprüche „aus verschiedener Zeit mit unterschiedlicher Akzentuierung zu einer Sequenz zusammengestellt“645 hat, so sprechen gerade die unterschied‐ lichen Begründungen dafür, die Redeeinheiten verschiedenen literari‐ schen Schichten zuzuordnen.646 Zuerst ist zu vermuten, dass die Schadenfreude Seirs in V 14f.* als Weiterführung der Spottaussagen in V 10a.11f.(13) zu interpretieren ist, so dass V 14f.* den Redegang V 10a.11f.(13) bereits voraussetzt. Es ist allerdings schwierig, ein Kriterium zu finden, mit dessen Hilfe die 643 So mit ZIMMERLI, BK, 866; GARSCHA, Studien, 211; FUHS, NEB, 199; ALLEN, WBC 29, 174, und POHLMANN, ATD, 481. 644 Zu diesem Ergebnis vgl. bereits HÖLSCHER, Hesekiel, 173 mit Anm. 1, der V 1‐2.4aba. 6bb.7‐9.11*ff. für ursprünglich hält. Mit kleineren Abweichungen folgen ihm ZIM‐ MERLI, BK, 858f. (V 1f.4aba(?).6b‐9.11); GARSCHA, Studien, 218 (V 1(a?).2.7aa.8a.9.11); SIMIAN, Nachgeschichte, 83.86 (V 1.2.4aba.6bbg.7a.bb.8a.9bb.10aa.11b); FUHS, NEB, 200 (V 1‐2.4a.8‐9.11), und POHLMANN, ATD, 477 (V 1.2.4aba.7‐9.11). BERTHOLET, HAT, 122‐125, verteilt den Textbestand von 36,1‐15 auf zwei Fassungen und sepa‐ riert V 1aba.3aba.4b.5abb.6aba.9.10.12.13f. von V 1bb.2.3bb.4a.5aa.6bb.7.8.11.15. 645 FUHS, NEB, 196. Vgl. auch BLOCK, NICOT II, 314. 646 So auch POHLMANN, ATD, 475.
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verbleibenden drei Gerichtsansagen in ein literarisches Verhältnis zu‐ einander gesetzt werden können. Als erhellend erweist sich der Ver‐ gleich mit den literarischen Schichten in Ez 36,1‐15. So zeigt die unbe‐ gründete Gerichtsansage in 35,3ab‐4 eine auffallende Übereinstimmung mit dem als sekundär eingeordneten Vers 36,10, da in beiden Einheiten von den Städten (עריך, 35,4; הערים, 36,10) und den Trümmerstätten (חרבה, 35,4; החרבות, 36,10) die Rede ist. Während den Bergen Israels der Wie‐ deraufbau der Städte und Trümmerstätten verheißen ist, wird dem Gebirge Seir angesagt, dass seine Städte zur Trümmerstätte werden sollen. Es ist deshalb zu überlegen, ob die ausführlichere Gerichtsan‐ sage in 35,3ab‐4 den sekundären Vers in 36,10 bereits voraussetzt und das dort den Bergen Israels angekündigte Heil in eine Gerichtsansage an das Gebirge Seir wendet. Im Fall von 35,5‐9* fällt dagegen auf, dass der Tatbestand der Blutschuld und der Erzfeindschaft im Grundwort 36,1‐11* keine Rolle spielt, während 35,10a.11f. mit dem Besitzanspruch Seirs und dem Spott über das Land eine Entsprechung im Vorwurf an den Feind in 36,2 hat. Es kann deshalb vorsichtig vermutet werden, dass die Redeeinheit in Ez 35, die inhaltlich die größte Nähe zur Grundschicht in 36,1‐15 zeigt, auch das literarisch vorgängige Wort ist. Der Ausgangstext in Ez 35,1‐15 ist demnach in V 1‐3aa.10a.11f. (35,1‐ 12*) zu suchen,647 das allerdings noch nicht von den „beiden Nationen“ und den „beiden Ländern“ redet, sondern den Besitzanspruch Seirs auf das Land zum Thema macht. Als nächstes ist zu klären, ob von einem ursprünglichen Zusam‐ menhang der Grundworte in Ez 35,1‐12*; 36,1‐11* auszugehen ist oder ob sie verschiedenen literarischen Schichten zuzuordnen sind. M. E. gibt es mehrere Gründe, die gegen eine durchgehende Grundschicht sprechen: Zuerst ist der Ausgangstext in 36,1‐11* nicht auf den Gegen‐ satz mit dem Gebirge Seir hin ausgelegt, sondern als Widersacher ist „der Feind“ (האויב, 36,2) genannt. Dieser allgemeine Gegenpart wird in 36,7 ursprünglich mit den Völkern ringsumher und in den sekundären Versen 36,3.4.5 mit dem „Rest der Nationen“ identifiziert. Erst die 647 POHLMANN, ATD, 475f., versucht, Steigerungen bzw. Verstärkungen im Vergleich der Einheiten als Kriterium zur Bestimmung des diachronen Verhältnisses heranzu‐ ziehen und kommt zu dem vergleichbaren Ergebnis, dass eine Grundschicht in 35,1‐ 3aa.10‐12.14 zuerst um den Vorwurf der Blutschuld in V 5‐9* und dann sukzessive um die Drohungen in V 7; V 3ab‐4 und V 9 ergänzt worden ist. SIMIAN, Nachge‐ schichte, 351f., geht dagegen davon aus, dass ein Grundwort in 35,1‐4 nachfolgend um V 5f. und V 10f. erweitert wurde. Ansonsten gibt es nur wenige Versuche, die textlichen Verhältnisse in Ez 35 zu ordnen. HÖLSCHER, Hesekiel, 172 Anm. 2, kapi‐ tuliert mit der Bemerkung: „Eine befriedigende Analyse gelingt mir auch nicht“, während GARSCHA, Studien, 218, ein nicht mehr rekonstruierbares Wort gegen das Gebirge Seir postuliert, von dem nur noch die Anrede in 35,3 und das Zitat in 35,10a erhalten geblieben seien.
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nachträglichen Glossierungen mit Edom in 36,5 und 35,15 sorgen auf einer späten literarischen Ebene für ein übereinstimmendes Feindbild, wobei aber die Gleichsetzung von Seir und Edom noch genauerer Un‐ tersuchungen bedarf.648 Von diesen Beobachtungen her erscheint es ausgeschlossen, eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit der beiden Hälften im Textblock Ez 35,1‐36,15 anzunehmen.649 In der Frage der literarischen Priorität ist der allgemeinen Feindbedrohung der Berge Israels in 36,1‐11* der Vorzug vor der exemplarischen Gegnerschaft des Gebirges Seir in 35,1‐ 12* zu geben. Es kann deshalb ein einziges Grundwort in 36,1‐11* zu‐ grunde gelegt werden, das den Bergen Israels Wiederbesiedelung und Restitution durch Jhwhs heilvolle Zuwendung ansagt.650 Begründet wird dieses Heil durch das anmaßende Verhalten des Feindes, der über die Berge spottet und meint, sie in Besitz nehmen zu können, was letztlich eine Verletzung von Jhwhs Souveränität darstellt. Mit der Entscheidung gegen eine durchgehende Grundschicht in Ez 35,1‐36,15 ergibt sich allerdings ein literarisches Folgeproblem: Wenn der Ausgangstext in Ez 35,1‐3aa.10a.11f. erst sekundär vor das Grundwort in 36,1f.7‐8a.9.11* eingeschrieben worden ist, fällt die ein‐ leitende Wortereignisformel für die Grundschicht aus und 36,1 setzt unvermittelt mit der Beauftragung des Propheten ein. Die mit voran‐ gestelltem ואתה betonte Anrede als Menschensohn stellt aber keine eigenständige Einleitung dar, sondern sie „markiert einen Neuansatz innerhalb einer bereits begonnenen Rede an Ezechiel“.651 Es ist deshalb zu fragen, an welchen voranstehenden Text 36,1 ursprünglich oder se‐ kundär angeschlossen hat. In einem rückwärtigen Durchgang durch die Texte kommt zuerst das Hirtenkapitel Ez 34 in Frage, dessen Grundschicht allerdings mit der Zerstreuung des Volkes und der Fremdherrschaft im Land eine Situation thematisiert, die gegenüber der Restitution des Landes selbst sekundär zu sein scheint.652 Zwar könnte die Rettung des Volkes in 34,1‐10* als erste Maßnahme für die den Bergen angekündigte Vermeh‐ rung der Bevölkerung interpretiert werden, aber dann bleibt auffällig, dass dieses Heilshandeln Jhwhs literarisch vor der eigentlichen Verhei‐ 648 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.2. 649 So gegen ZIMMERLI, BK, 859, der zwar dieselben Textbeobachtungen macht, dann aber aufgrund des „Sammlungscharakters“ des Buches zu dem Schluss kommt: „Da‐ gegen ist nicht anzunehmen, daß im Gesamtbuch Ez 36,1‐15 jemals ohne 35 das Gegenbild zu 6 gebildet habe.“ 650 Zur Priorität von Ez 36,1‐15* vor Ez 35* vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 172; HERRMANN, Ezechielstudien, 172, und ausführlich SIMIAN, Nachgeschichte, insbes. 351f. 651 SCHÖPFLIN, Theologie, 73. Vgl. ebenso HOSSFELD, Untersuchungen, 36. 652 Vgl. dazu auch u. Kap. III. 7.3.
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ßung in 36,1‐11* steht und nicht danach. Diese Gründe sprechen dafür, dass 34,1‐10* nicht den vorausgehenden Textanschluss für 36,1 gebildet hat, sondern auf eine spätere literarische Schicht gehört. Damit kommen als Nächstes die verschiedenen Texte in Kap. 33 in den Blick. Das Wort über die Zuverlässigkeit des Prophetenwortes in Ez 33,30‐33 deutet auf eine Selbstverständigung über die Zuverläs‐ sigkeit der prophetischen Rede hin, die sicherlich nicht zu den ältesten Stücken des Buches gezählt werden kann. Das Wort gegen die Rest‐ bewohner Judas in Ez 33,23‐29 behandelt dagegen das Ergehen der übrig gebliebenen Bevölkerung in den Trümmerstätten, denen das Ge‐ richt und die endgültige Verwüstung der Berge Israels angesagt wird. Da der Text ein bereits ergangenes Gericht über das Land voraussetzt und ein zweites ankündigt, das den in den Bergkapiteln beschriebenen Zustand herbeiführen soll, ist hier ebenso ein gegenüber 36,1‐11* se‐ kundärer Redegang zu vermuten, in dem Konflikte innerhalb der Be‐ völkerung thematisiert werden.653 Auch die Nachricht über den Fall der Stadt in Ez 33,21f. fällt als Textanschluss für 36,1‐11* aus, da es sich um einen Ich‐Bericht des Propheten handelt, an den die Anrede von 36,1 nicht anknüpfen kann. Schließlich sind die verschiedenen Ausfüh‐ rungen über die Beauftragung des Propheten zum Wächter in Ez 33,1‐ 20 zwar formal als Jhwh‐Rede gestaltet, aber in diesen Stücken liegt eine Innendiskussion über das Prophetenamt vor, die als Reflexion über den Buchinhalt bereits eine umfassende Buchgestalt vorausset‐ zen.654 Damit kommt als möglicher Textanschluss für 36,1 am ehesten ein Grundbestand der Fremdvölkerworte in Kap. 25‐32 in Frage. Der Komplex der Fremdvölkersprüche gliedert sich in drei Ab‐ schnitte: die fünf Kurzworte gegen unmittelbare Nachbarvölker in Ez 25,1‐26,6, eine Sammlung von Worten gegen Tyrus in Ez 26,7‐28,19655 und die Worte gegen Ägypten in Kap. 29‐32. Obwohl eine ausführliche redaktionsgeschichtliche Untersuchung des Fremdvölkerkomplexes im Ezechielbuch noch aussteht, ist bereits mehrfach vermutet worden, dass der Kern der Sammlung in den Kurzworten gegen die Nachbar‐ völker zu suchen ist.656 Diese Kurzworte setzen den Fall Jerusalems als 653 Vgl. zu Ez 33,23‐29 auch u. Kap. IV. 2.1.2.2. 654 Vgl. auch POHLMANN, ATD, 74f., der wahrscheinlich machen kann, dass die Grund‐ schicht in Ez 33,1‐20* als Brückentext komponiert ist, der im Anschluss an Jhwhs Gerichtswirken in der Völkerwelt sekundär die generelle Frage stellt, wie sicher zu stellen ist, dass das Gericht nur die trifft, die nicht zur Umkehr bereit sind. 655 Die Worte gegen Tyrus sind in 28,20‐24 noch um ein Wort gegen Sidon ergänzt und haben einen an Israel gerichteten heilsprophetischen Anhang in 28,25f.; zu diesem vgl. u. Kap. IV. 2.3. 656 Vgl. GARSCHA, Studien, 165, der die älteste Schicht in den Worten gegen Ammon (25,3b‐5a), gegen Moab (25,8‐10) und gegen Tyrus (26,2‐5a) findet. FECHTER, Bewälti‐
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bereits geschehen voraus, da die Einnahme und Zerstörung Jerusalems (25,3; 26,2), die Verwüstung des Landes (25,3) sowie das Schicksal des Volkes (25,3.15) als Grund für das Frohlocken der Nachbarvölker ge‐ nannt werden. Darüber hinaus wird den Völkern auch eine Mitschuld an der Katastrophe zugeschrieben, da sie mit Rachsucht am Haus Juda gehandelt haben (25,12.15). Über diese inhaltlichen Gemeinsamkeiten hinaus fällt auch eine strukturelle Ähnlichkeit der Kurzworte auf:657 Auf die einleitende Botenformel (25,3.6.8.12.15), die nur im Tyruswort in 26,3 nachgestellt ist, folgt jeweils ein durch die Partikel יען eingeleite‐ ter Begründungssatz, der den jeweiligen Tatbestand enthält, der den Völkern zur Last gelegt wird (25,3.6.8.12.15; 26,2). Als Konsequenz daraus wird ihnen in einer durch לכן eingeleiteten Aussage das Gericht angesagt (25,4.7.9.13.16; 26,3), die in 25,4.9.16 und 26,3 noch durch den Präsentativ mit Suffix der 1. Pers. sg. verstärkt ist.658 Eine Erkenntnis‐ formel, die mit Ausnahme des Ammonwortes jeweils in 3. Pers. pl. for‐ muliert ist, schließt die einzelnen Kurzworte ab. Gerade diese Erkennt‐ nisformel zeigt, dass das Gericht an den umliegenden Völkern nicht primär als indirekte Heilsverheißung für Israel gedacht ist, sondern dem Macht‐ und Souveränitätserweis Jhwhs dient. Mit dem Spott über das Geschick des Landes und des Hauses Israels haben die Nachbar‐ völker die Stellung Jhwhs als allmächtiger Weltenherrscher in Frage gestellt, so dass er gegen sie einschreitet, um seine Souveränität zu er‐ weisen. An diesem Gericht kommen die Völker notwendig zur Gottes‐ erkenntnis, auch wenn sie davon nicht mehr profitieren können.659 Da sowohl inhaltliche als auch formale Berührungen zwischen Ez 36,1‐11* und 25,1‐26,6* bestehen, ist es gut vorstellbar, dass die Heils‐ worte für die Berge Israels ursprünglich an diese Sammlung von Kurz‐ gung, 286f., vermutet die ältesten Texte der Fremdvölkersprüche dagegen in 25,1‐5; 26,1b‐5a; 27*; 28,11‐19* und 29,1‐5*; während POHLMANN, ATD, 367.526, die ältesten Texte in Ez 25*/26* findet (vgl. aber das Druckbild seines Kommentars S. 376f.381‐ 384.402‐405.420.422, wonach auch Teile von Ez 27*; 28*; 29* und 31* zu den Texten seines älteren Prophetenbuches gehören). Jüngst hat auch SCHÖPFLIN, Tyrosworte, 203, in ihrer Untersuchung der Tyrusworte innerhalb der Fremdvölkersprüche ver‐ mutet, dass der Kern von Ez 25,1‐26,6* den möglichen Grundstock des Zyklus bildet. 657 Vgl. dazu auch ALLEN, WBC 29, 66. Seiner These, dass diese strukturelle Ähnlichkeit die Existenz einer Gattung des Völkerspruches („oracles against foreign countries“, ebd.) beweise, ist allerdings nicht zwingend zu folgen; vielmehr scheint der parallele Aufbau in Ez 25,1‐26,6 als literarisches Stilmittel verwendet zu sein. 658 Einzig im Edom‐Kurzwort 25,12‐14 fehlt der Präsentativ (vgl. aber 35,3); außerdem ist es mit einer Gottesspruchformel abgeschlossen und der Erkenntnisinhalt besteht in Jhwhs Rache. Da das Stück überdies eine große inhaltliche Nähe zum Wort gegen Tyrus in 26,1‐6 zeigt, ist zu überlegen, ob das Edomwort sekundär in die Kurzworte eingefügt worden ist (so auch POHLMANN, ATD, 368). 659 Zu dieser theologischen Funktionsbestimmung der Fremdvölkerworte in Ez 25‐26* vgl. SCHÖPFLIN, Tyrosworte, 195.
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worten angeschlossen haben.660 So bündelt das Zitat der Feinde in 36,2 die Anschuldigungen, die in 25,1‐26,6* gegen die Feinde Israels vorge‐ bracht werden. Der Feind hat „“האה über die Berge Israels gesagt (zu האה vgl. 25,3 von Ammon; 26,2, von Tyrus) und meinte, die Höhen seien ihm zum Besitz gegeben (vgl. 26,2 Tyrus). Mit diesem frevelhaf‐ ten Verhalten rechnet Jhwh in 36,7 kurzerhand durch die Ansage ab, dass die Nationen „rings um euch her“ ihre Schande selbst tragen sol‐ len, was als Anspielung auf die Kurzworte gegen die unmittelbaren Nachbarn in 25,1‐26,6* verstanden werden kann. Damit ist das Gericht über die Völker abgeschlossen und die Heilsprophetie für Israel setzt in 36,8 mit den Restaurationszusagen ein. Auch wenn sich in der Zu‐ sammenstellung von Ez 25,1‐26,6* mit Ez 36,1‐11* noch kein kausales Verhältnis zwischen den Gerichtsworten über die Völker und dem Ein‐ setzen des Heils an Israel findet, so suggeriert doch die formale und die darin intendierte zeitliche Abfolge, dass der Souveränitätserweis Jhwhs gegenüber den Völkern dem Heil Israels vorausgeht. Als ein einziges Wortereignis stellt der Komplex 25,1‐26,6*; 36,1‐11* ein Gelenkstück im Buch dar, an dem sich der Übergang zur Heilsprophetie vollzieht. Die Fremdvölkersprüche überbrücken einerseits die Zeit vom Untergang Jerusalems bis zum Einsetzen der Heilsprophetie, andererseits be‐ kommt das Geschehen eine universale Perspektive, insofern Jhwh seine Macht auch gegenüber der Völkerwelt erweist. 661 Die literarische Nacharbeit in Ez 35,1‐36,15 zeigt weitere Berührun‐ gen mit den Fremdvölkersprüchen, wobei auch die inhaltliche Zuord‐ nung von „Gericht über die Fremdvölker – Heil für Israel“ eine Neu‐ interpretation erfährt. Dies wird im Folgenden aufzuzeigen sein. 7.2.3. Das weitere Textwachstum Als erste Fortschreibung der Grundschicht in Ez 36,1‐11* kommen ent‐ weder die unterschiedlichen Begründungen in Ez 36,3‐6 oder der Aus‐ gangstext in der Seir‐Hälfte Ez 35,1‐12* in Frage. Beide Texte zeigen eine große Nähe zu den Kurzworten der Fremdvölkersprüche und in beiden findet sich die personifizierend‐metaphorische Anrede der Ber‐ ge Israels bzw. des Gebirges Seir. Das Grundwort in 35,1‐12* knüpft zuerst strukturell in der Abfolge von Begründung (יען, 35,10) und Fol‐ geaussage (לכן, 35,11) an die Kurzworte an. Aber auch inhaltlich ent‐ sprechen die Vorwürfe an Seir, das Land Israel in Besitz nehmen zu 660 So auch POHLMANN, ATD, 367, der allerdings von einer durchgehenden Grund‐ schicht in Ez 35,1‐36,15 ausgeht und deshalb eine ursprüngliche Textfolge Ez 25*; 26*; 35*; 36* annimmt; vgl. zu seiner Position aber auch Anm. 656. 661 Vgl. SCHÖPFLIN, Tyrosworte, 209.
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wollen (vgl. לי in 35,10 mit אלי, 26,2) und über dessen Verwüstung zu spotten (35,10a.11f.; vgl. 25,3.6.8; 26,2), den in Ez 25,1‐26,6* aufgezähl‐ ten Tatbeständen. Die einzelnen Aussagen in 36,3‐5 reden dagegen von dem „Rest der Nationen“, die israelitisches Gebiet annektiert und scha‐ denfroh über das Land gespottet haben. Die Formulierung „Rest der Nationen“ (שׁארית הגוים, 36,3.4.5), die im gesamten Alten Testament nur in diesem Abschnitt belegt ist,662 hat Anlass zu vielfältigen Spekulatio‐ nen geboten. Vom literarischen Zusammenhang mit dem Komplex der Fremdvölkersprüche her liegt es nahe, die Formulierung dahingehend zu deuten, dass bereits ein erstes Gericht über die (umliegenden) Völ‐ ker ergangen ist, und Jhwh nun auch die übrig gebliebenen Nationen nicht verschonen wird.663 36,3‐5 könnte damit in direktem Bezug auf die Kurzworte über die Nachbarvölker in 25,1‐26,6* verfasst worden sein. Sekundär wird schließlich auch Edom durch die Glosse in 36,5 zu dem Rest der Nationen gezählt. Im Vergleich mit dem Ausgangstext in Ez 35,1‐12* spricht das Feindbild in 36,3‐5 dafür, dass diesem Text die literarische Priorität zu‐ kommt, da die Rede vom Rest der Nationen als Ausweitung des Feind‐ bildes in 36,1‐11* zu verstehen ist. Die Stilisierung des Gebirges Seir als Widersacher der Berge Israels stellt dagegen eine Korrektur dar, indem der Gegner auf eine (exemplarische) Größe festgelegt wird. So ist auch die nachträgliche Einfügung von Edom in 36,5 dadurch zu erklären, dass der erweiterte Textbestand in 36,1‐11* nach der Voranstellung von 35,1‐12* bzw. dessen Fortschreibungen an diese angeglichen worden ist. Allerdings kann innerhalb von 36,3‐5 insgesamt noch mit einem mehrstufigen literarischen Wachstum gerechnet werden, worauf insbe‐ sondere der dreifache Einsatz mit der Partikel לכן hindeutet.664 Für das weitere Vorgehen ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Rede vom „Rest der Nationen“ in 36,3‐5* die erste Fortschreibung des Grundwor‐ tes in 36,1‐11* darstellt. In dieser Einfügung wächst der vorher nicht identifizierte Gegner durch die Ausweitung auf den Rest der Nationen zu einer umfassenden Größe an und die Vorwürfe gegenüber den fremden Völker werden noch einmal gebündelt, wodurch sich aller‐ 662 Vgl. noch Am 9,12, wo die Israeliten den Überrest Edoms und all die Nationen ()את־שׁארית אדום וכל־הגוים in Besitz nehmen sollen. 663 Vgl. ZIMMERLI, BK, 864. EICHRODT, ATD, 342, identifiziert den Rest der Völker als „die nach der großen Kriegsverwüstung Palästinas und Syriens übriggebliebenen Staaten“, während BLOCK, NICOT II, 329, sie mit denen gleichsetzt „that survive after the Babylonian campaigns in the Levant.“ 664 Vgl. auch das Urteil von ALLEN, WBC 29, 171: „There seems to be no compelling reason for denying Ezekielʹs voice and hand in most of this material, although the complexity of 36:1‐7 does raise questions of redaction that have not yet been re‐ solved.”
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dings auch die Heilswende für die Berge Israels literarisch noch einmal verzögert.665 Eventuell ist auch 36,6 noch vor der Einschreibung von 35,1‐12* in das erweiterte Grundwort von 36,1‐11* eingefügt worden, da der Einzelvers sachlich die Aussage von V 7 vorbereitet und das Land Israel als neuen Adressaten einführt. Mit der Fortschreibung des erweiterten Grundwortes in Ez 36,1‐11* um das Gerichtswort gegen das Gebirge Seir in Ez 35,1‐12* wird die formale Zusammenstellung von Ez 25,1‐26,6*; 36,1‐11* aufgelöst, und ein eigenständiges Wortereignis in 35,1‐36,11* entsteht. Dabei findet eine zweifache Verschiebung der Aussageintention statt: Zuerst wird der bisher nicht näher identifizierte Feind aus 36,2 mit dem Gebirge Seir identifiziert, das sich das Land der Berge Israels angeeignet hat. Darüber hinaus entsteht durch die Vorschaltung des Seir‐Wortes vor die Heilsansage an Israel ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Teilen, so dass das Gericht an Seir zur Kehrseite des Heils an Israel wird. In den weiteren Fortschreibungen im Bereich von 35,1‐15 wird dieser Gegensatz systematisch ausgebaut, indem das Gericht über Seir immer mehr zur dunklen Folie wird, von der sich die Restaura‐ tionszusagen an Israel um so heller abheben.666 Wahrscheinlich wird die Gerichtsansage in 35,1‐12* zuerst um den Einschub in 35,5‐9* erweitert, der Seir in einer Verstärkung der Aus‐ sage zum Erzfeind macht (איבת עולם, 35,5; vgl. 25,15 auf die Philister bezogen), der eine Blutschuld gegenüber Israel trägt. Der Nachtrag in V 14f.* erweitert den Straftatbestand gegen Seir mit dem Vorwurf der Schadenfreude, während V 10b und V 13 die Deutung in den Text ein‐ tragen, dass sich Seir mit der Annexion des israelitischen Landes und dem Spott über die Verwüstung letztlich der Verletzung von Jhwhs Besitzansprüchen und damit der Gotteslästerung schuldig gemacht hat. Damit wird die bereits in der Grundsammlung der Fremdvölker‐ worte angelegte Deutung in den Text eingetragen, nach der das Gericht über die Völker als Souveränitätserweis Jhwhs zu verstehen ist. Schließlich fasst das unbegründete Gerichtswort in 35,3ab‐4 das Gericht über Seir in der Androhung zusammen, das Gebirge zur Wüstung ()שׁממה und zur Einöde ()משׁמה zu machen. Im Verlauf des literarischen Wachstums der Heilsprophetien im dritten Buchteil ist zu einem spä‐ teren Zeitpunkt auch die ursprünglich in 35,10a zu rekonstruierende Aussage über die Inbesitznahme des Landes mit den Aussagen über 665 So gegen SIMIAN, Nachgeschichte, 352, der die Funktion der Zusätze in V 3.4.5 darin sieht, dass das Grundwort in 36,1‐15* „teilweise zum Gerichtswort gegen die um‐ liegenden Völker umgestaltet“ wird. Ein Gerichtswort gegen die Fremdvölker, das diesen Konsequenzen androht, findet sich aber erst im Ausgangstext von 35,1‐12*. 666 Vgl. SCHÖPFLIN, Tyrosworte, 205.
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die zwei Nationen in Ez 37,15‐19.20‐23* abgestimmt worden, so dass der Besitzanspruch Seirs sich jetzt gleichermaßen auf beide Teilgrößen Israels erstreckt.667 Im Bereich der Israelhälfte ist weiterhin der Einzelversnachtrag in 36,10 zu berücksichtigen, der den Wiederaufbau der Städte und Trüm‐ merstätten in den Text einträgt und damit von der Personifikation der Berge hin zu den für die Bewohner wichtigen Zentren des Alltagsleben lenkt. Schließlich wird der mehrschichtige Nachtrag in 36,12‐15 ange‐ fügt, in dem Vorwürfe gegenüber dem Land entkräftet werden, es sei eine „Menschenfresserin“ ()אכלת אדם, die ihre Bevölkerung kinderlos mache (שׁכל pi.). Neben dem Bezug auf das Gerichtswort an das Gebir‐ ge Seir, das sich damit gebrüstet hat, dass ihm die Berge Israels zum Fraß (לאכלה, 35,12) gegeben seien, zeigt der Vorwurf auch eine auf‐ fällige Nähe zur Kundschaftergeschichte in Num 13f.668 Anscheinend sollen hier Ängste und Befürchtungen zerstreut werden, die die außer‐ halb des Landes befindlichen Adressaten von der Rückkehr in das Land abhalten könnten. Die Verzahnung zwischen den beiden Hälften im Textblock Ez 35,1‐36,15 wird in der Folge noch durch die nachträgliche Einschrei‐ bung des Edomnamens in beiden Teilen verstärkt (vgl. Ez 35,15; 36,5). Es ist nicht genau festzustellen, wann die Identifikation des Gebirges Seir mit Edom in Ez 35,1‐36,15 literarisch vollzogen worden ist. Zumin‐ dest für die Einschreibung von 35,1‐12* und die ersten Fortschrei‐ bungen in der Seir‐Hälfte gilt, dass allein das Gebirge Seir als topogra‐ phischer Gegenpart den Bergen Israels gegenübergestellt wird, ehe dieses auf einer relativ jungen literarischen Ebene mit dem Fremdvolk Edom identifiziert wird. Dem Gebirge Seir bzw. Edom kommt damit eine herausragende Stellung im dritten Buchteil zu, während die ande‐ ren Fremdvölker ihr Schicksal im Kontext der Fremdvölkersprüche Kap. 25‐32 erleiden müssen. 7.3. Das Verhältnis zu den Grundworten in Ez 34 und 37 Die vorangehende Analyse ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Grundwort der Bergkapitel mit dem Heilswort an die Berge Israels in Ez 36,1‐11* vorliegt, das ursprünglich auf eine Sammlung von Kurz‐ worten gegen die Fremdvölker in Ez 25,1‐26,6* gefolgt ist. Wird danach 667 Vermutlich ist im Zuge dieser Änderung auch die Ortsangabe בהרי ישׂראל in 37,22 nachgetragen worden, um die Verbindung zwischen Ez 35,1‐15 und 37,15‐24 hervor‐ zuheben; vgl. dazu o. Kap. III. 5.2. 668 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.4.5.
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gefragt, ob weitere Texte im Bereich von Ez 34‐39 zu diesem Textzu‐ sammenhang gehören können, so kommt nur noch die ursprüngliche Totenfeldvision in Ez 37,1‐6* in Frage, die sachlich an den Heilsworten in 36,1‐15 orientiert ist. Des Weiteren wird aber auch das Ausgangs‐ wort des Hirtenkapitel in Ez 34,1‐10* mit zu berücksichtigen sein. Das Stück weist ebenfalls Verbindungen zu den Bergkapiteln auf und steht darüber hinaus in einer gewissen inhaltlichen und literarischen Kon‐ kurrenz zu 37,1‐6*, da beide Texte im näheren Kontext von 36,1‐11* die Restitution des Volkes thematisieren.669 Da aber in der vorangehenden Textanalyse gezeigt werden konnte, dass 34,1‐10* gegenüber 36,1‐11* literarisch sekundär ist, ist mit dem Verhältnis zwischen 36,1‐11* und 37,1‐6* einzusetzen. Diese Verhältnisbestimmung erweist sich als äußerst schwierig, da es kaum interne Indizien gibt, die hinsichtlich der relativen Abfolge ausgewertet werden können. Mit Ez 36,1‐11* liegt eine Heilszusage an die Berge Israels vor, denen Fruchtbarkeit und Wiederbesiedelung ver‐ heißen wird, so dass hier die Situation im Land im Blick ist.670 Die Vision in Ez 37,1‐6* richtet sich dagegen an die erste Gola im Exil, der die Wiederbelebung durch den Jhwh‐Geist zugesagt wird. Dies zeigt bereits, dass zwei sehr unterschiedliche Texte vorliegen, die darüber hi‐ naus auch durch die Wortereignisformel in 37,1 voneinander getrennt werden. Der formale Neueinsatz könnte zuerst dafür sprechen, dass es sich bei 37,1‐6* vergleichbar mit 34,1‐10* um eine sekundäre Weiterfüh‐ rung der Restitutionszusagen an die Berge Israels handelt. Hier wäre dann davon auszugehen, dass ein die Verhältnisse im Land thematisie‐ render Text sekundär durch eine an die Gola gerichtete Verheißung fortgeschrieben wird.671 M. E. ist bei dieser Option aber fraglich, ob mit 36,8‐11* eine tatsächliche Zielaussage für die ursprünglichen Heilsver‐ heißungen des Buches vorliegt. Selbst wenn sich erweisen sollte, dass 36,1‐11* eine ursprüngliche Fortsetzung im Grundbestand des Verfas‐ sungsentwurfes Ez 40‐48 hat,672 so blieben doch die an die Berge Israels 669 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3. und Kap. III. 6.3. 670 Zur Frage nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Personifikation der Berge Israels vgl. u. Kap. III. 7.4.4. 671 Zu dieser Verhältnisbestimmung von Land und (erster) Gola vgl. POHLMANN, Eze‐ chielstudien, 108‐119, und DERS., ATD, 479‐482.494‐497.497‐499, der allerdings im Fall von Ez 37,1‐14* eine abweichende Rekonstruktion des Textwachstums zugrunde legt (vgl. dazu o. Kap. III. 6.2.1.). Nach POHLMANN bilden Ez 36,1‐11* und die ur‐ sprüngliche Fortführung in 37,11‐14* den Abschluss seines älteren Prophetenbuches mit der Verheißung, dass der Geist Jhwhs Leben im Land schaffen wird (vgl. POHL‐ MANN, ATD, 494). Erst durch die Einfügung der golaorientierten Vision in 37,1‐10* werde die Geistverleihung sekundär als Heilswort an die Exilierten (um‐)interpre‐ tiert (vgl. POHLMANN, ATD, 29f.498). 672 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.2.
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gerichteten Restitutionsverheißungen ohne nähere Ausführungen da‐ rüber, wie sich die Heilswende vollziehen wird. Damit ist als nächstes das umgekehrte literarische Verhältnis in Betracht zu ziehen. Bei dieser Variante bildet Ez 37,1‐6* den literarisch vorgängigen Text, der sekundär durch die Voranstellung von 36,1‐11* ergänzt worden ist.673 Es müsste dann angenommen werden, dass ein späterer Autor die Lebensverheißung an die Gola sekundär mit der Restitutionszusage an das Land ergänzt hat. Dagegen spricht nach wie vor das anfänglich schon angeführte Argument, dass die Wiederbe‐ lebung der Gola wie eine Antwort auf die Mehrungsverheißung an die Berge Israels erscheint.674 Des Weiteren stellt sich noch die Frage, an welchen Text 37,1‐6* ursprünglich angeschlossen haben sollte; da für 36,1‐11* bereits wahrscheinlich gemacht werden konnte, dass das Stück eine durchgehende Textschicht mit der anfänglichen Sammlung der Fremdvölkerworte bildet,675 käme nur die ursprüngliche Gerichtspro‐ phetie in Ez 1‐24 in Frage. Die Suche nach einem sinnvollen Textan‐ schluss erweist sich hier aber als schwierig, so dass diese Option vor‐ erst zurückzustellen ist. Versuchsweise soll noch die dritte Variante durchgespielt werden, nämlich eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Ez 36,1‐11* und 37,1‐6*. Das gewichtigste Argument gegen diese Lösung ist die formale und inhaltliche (relative) Eigenständigkeit der Stücke. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass auch für die Anfangsgestalt des Buches in Kap. 1‐24 eine Zusammenstellung verschiedener Gattungen postuliert werden kann, so dass das Nebeneinander von Heilswort und Vision nicht per se ein Argument gegen einen ursprünglichen Zusammenhang der Texte darstellt.676 Zugunsten dieser Variante ist vor allem anzufüh‐ ren, dass die Totenfeldvision in 37,1‐6* eine sinnvolle Zielaussage für die Heilsverheißungen in 36,8‐11* bietet. Die schöpfungstheologisch konnotierte Wiederbelebung der ersten Gola kann als Antwort auf die Vermehrungsverheißung in 36,11 verstanden werden. Sie ist damit An‐ geld des künftigen Heils, durch das gewährleistet wird, dass Jhwhs Heilswirken unumkehrbar in Gang gesetzt ist.677 Der Überblick zeigt, dass keiner dieser drei Vorschläge in allen Punkten überzeugen kann. Entscheidend ist m. E. aber die Frage nach 673 Soweit hier gesehen wird, gibt es keinen Exegeten, der diese Verhältnisbestimmung in Betracht zieht. 674 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3. 675 Vgl. dazu o. Kap. III. 7.2.2. 676 Siehe dazu u. Kap. IV. 3.2. und exemplarisch die Ausführungen bei POHLMANN, ATD, 33‐39.526. 677 Vgl. auch POHLMANN, ATD, 29f.; seine Ausführungen zielen aber auf die golaorien‐ tierte Überarbeitung seiner Textfolge 36,1‐11*; 37,11‐14* durch 37,1‐10*.
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einer Zielaussage für die anfängliche Heilsverheißung, die allein mit der dritten Variante gegeben ist. Unter dem Vorbehalt, dass keine letzt‐ gültige Sicherheit zu erreichen ist, wird deshalb für die weitere Ana‐ lyse ein ursprünglicher literarischer Zusammenhang von 36,1‐11* und 37,1‐6* zugrunde gelegt.678 Dabei bleibt aber noch das Verhältnis von Land und Gola in dieser Textschicht näher zu bestimmen. Anscheinend sind Restitution des Landes und Wiederbelebung der Gola zwei Seiten ein und derselben Medaille: Was den Bergen Israels in 36,1‐11* verhei‐ ßen wird, ist die Bereitung des Landes für die Gola, aus der allein nach 37,1‐6* das Potential für ihre Wiederbesiedelung zu erwarten ist. Als Letztes ist noch die Frage nach dem Verhältnis von Ez 34,1‐10* zur Textfolge in Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* zu bedenken. Die Annahme, dass 34,1‐10* gegenüber diesen Stücken literarisch sekundär ist, bestätigt sich zuerst daran, dass der Text keine auf die Restitution des Landes oder der Gola gerichtete Orientierung zeigt, sondern mit der Situation des Volkes unter der Fremdherrschaft ein neues Thema einführt. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dieser Gegenstand der Reaktion auf das exemplarische Gericht über Seir/Edom verdankt, das im Hirtenka‐ pitel auf die Lage im Land übertragen wird. Darauf deutet insbeson‐ dere die parallele Verwendung von לאכלה hin („zum Fraß werden“, 35,12; vgl. 34,10). Wie das Gebirge Seir meint, die Berge Israels seien ihm zum Fraß gegeben, so fressen auch die Fremdvölkerhirten die ihnen anvertrauten Schafe. Nachdem deshalb exemplarisch das Gericht über das Fremdland Seir/Edom ergangen ist, wird nun auch den frem‐ den Herrschern im eigenen Land das Gericht angesagt. Für das Grund‐ wort des Hirtenkapitels 34,1‐10* gilt deshalb, dass es die gesamte Text‐ folge in 35,1‐12*; 36,1‐11* und 37,1‐6* bereits voraussetzt. 7.4. Innerbiblische Auslegung in Ez 35,1‐36,15 7.4.1. Zur Frage nach den Vorlagen Die Frage nach innerbiblischer Auslegung in Ez 35,1‐36,15 wird vor allem durch die Analyse der Bergmotivik bestimmt. So ist zuerst da‐ nach zu fragen, welche historische oder literarische Konstellation das Gebirge Seir bzw. Edom als Gegenpart der Berge Israels prädestiniert. Für die Beantwortung dieser Frage wird zu klären sein, in welchem 678 Ein weiteres Argument zugunsten dieser Lösung ist die Beobachtung, dass sowohl das Heilswort in Ez 36,1‐11* als auch die Vision in 37,1‐6* Berührungen mit der Ge‐ richtsansage an die Berge Israels in Ez 6,1‐7* aufweisen, so dass die beiden Texte zu‐ sammen ein Gegenstück im dritten Buchteil bilden. Zum Nachweis dieser These vgl. o. Kap. III. 6.4.2. (zu 37,1‐6*) und u. Kap. III. 7.4.3. (zu 36,1‐11*).
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Verhältnis die beiden Bezeichnungen zueinander stehen, ehe die litera‐ rischen und traditionsgeschichtlichen Hintergründe des Antagonismus untersucht werden können. Der Gegensatz zwischen Seir/Edom und den Bergen Israels in 35,1‐36,15 wird noch dadurch verkompliziert, dass mit der Gerichtsansage an die Berge Israels in Ez 6 ein Text im Buch vorliegt, der das Gegenstück zu den Bergkapiteln bildet und eine Reihe von Berührungen mit diesen aufweist. Es wird deshalb danach zu fragen sein, ob bzw. in welcher Form Ez 6 eine Bedeutung für das Textwachstum in den Bergkapiteln zukommt. Erst nachdem dieses literarische Dreiecksverhältnis geklärt ist, kann im dritten Abschnitt untersucht werden, welche Rolle die Berge Israels im Buch und seiner Entstehung spielen, und auf welche literari‐ schen oder traditionsgeschichtlichen Wurzeln dieses Bild zurückgeht. Schließlich ist noch kurz auf die Fortschreibung in Ez 36,13f. einzuge‐ hen, die mit dem Vorwurf, das Land sei eine „Menschenfresserin“, an die Kundschaftergeschichte in Num 13f. erinnert. Hier wird zu fragen sein, inwieweit es sich um eine bewusste Anspielung handelt und wel‐ che Funktion dieser Anschuldigung im Rahmen der Heilsverheißung von Ez 36,1‐15 zukommt. 7.4.2. Das Gebirge Seir und Edom Über den Vers Ez 35,15 hinaus, in dem Edom und Seir miteinander identifiziert werden, zeichnet sich an mehreren Stellen im Alten Testa‐ ment die Tendenz ab, die beiden Bezeichnungen synonym zu verwen‐ den. 679 Von den beiden Namen ist Seir ()שׂעיר der ältere,680 der in der Mehrzahl der Belege als geographischer Begriff die bergige Region im Süden des Toten Meeres bezeichnet.681 Nach Gen 14,6 und Gen 36,20. 21.30 ist Seir von den Horitern bewohnt, aber nach Dtn 2,5 hat Jhwh das Gebirge Seir Esau/Edom zum Besitz gegeben (vgl. auch Dtn 2,4.8. 12.22.29 und Jos 24,4). Schließlich scheinen Ri 5,4 und Dtn 33,2 eine Tradition zu bezeugen, nach der Jhwh selbst aus Seir kommt. Insge‐ samt lassen diese Belege keine grundsätzlich negative Haltung Seirs gegen Israel erkennen. Erst in der Chronik gibt es mit 2 Chr 20 und 2 Chr 25,11‐14 zwei Texte, die vergleichbar mit Ez 35 die Feindschaft Seirs gegenüber Israel hervorheben. Der erste Text erzählt vom Bünd‐ nis Moabs, Ammons und der Bewohner des Gebirges Seir (2 Chr 679 Zu den beiden Begriffen siehe WEIPPERT, Edom, 388‐394, sowie DERS., Art. Edom, 291‐293. 680 Vgl. WEIPPERT, Edom, 388f. 681 Vgl. dazu auch die Übersicht über die Seir‐Texte bei SIMIAN, Nachgeschichte, 277‐ 290.
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20,10.22) gegen Juda unter Joschafat, das mit einer Niederlage der drei‐ fachen Fremdvölkerkoalition endet. An diesem Text ist besonders auffällig, dass im Vergleich mit der Vorlage in 2 Kön 3,4‐27 die Bünd‐ nispartner ausgetauscht werden: Während sich Edom dort mit Juda und Israel verbündet (2 Kön 3,9), gehören die Söhne Seirs in 2 Chr 20 zur gegnerischen Koalition. Dies deutet darauf hin, dass die Vorlage in der Chronik eine bewusst Seir‐feindliche Überarbeitung erfahren hat. 2 Chr 25,11‐14 spricht dagegen vom Sieg Amasjas über die Söhne Seirs im Salztal. Der kurze Überblick zeigt, dass durch die Zuordnung des Gebirges Seir zum Jakob‐Bruder Esau zwar eine gewisse Rivalität zu Jakob‐Israel angelegt ist, dass aber erst die literarisch jungen Texte in 2 Chr 20 und 2 Chr 25 von einer offenen Feindschaft zwischen den Be‐ wohnern Seirs und Israels sprechen. Ebenso wie Seir ist Edom ursprünglich eine Landschaftsbezeich‐ nung für einen Teilbereich des Berglandes Seir, die aber in der Folge zum Volksnamen des dort ansässigen Volkes bzw. des Staatswesens wurde, so dass die Bezeichnungen austauschbar wurden. 682 In den Esau‐Jakob‐Erzählungen der Genesis wird Esau als Stammvater der auf dem Gebirge Seir wohnenden Edomiter (Gen 32,4; 36,8.9) darge‐ stellt. Neben dieser Edom‐freundlichen Tradition des Brudervolkes fin‐ den sich im Alten Testament auch eine Reihe von prophetischen Tex‐ ten, die eine ausdrückliche Gerichtsdrohung gegen Edom enthalten; vgl. Jes 11,11‐16; 34; 63,1‐6; Jer 25,15‐38; 49,7‐22; Jo 4,18‐21; Am 1,11f.; 9,11f.; Ob 1‐21; Mal 1,2‐5.683 Die besondere Feindlichkeit gegenüber Edom, die diesem eine herausragende Stellung unter den Fremdvöl‐ kern verschafft, wird im Allgemeinen mit jahrhundertelangen Ausein‐ andersetzungen zwischen Edom und Juda um das südliche Gebiet Judas begründet.684 Edom habe sich außerdem aktiv am Untergang Jerusalems beteiligt und das Machtvakuum in exilischer und nach‐ exilischer Zeit dazu genutzt, Besitzansprüche auf das judäische Land anzumelden.685 Diese Interpretation erweist sich allerdings darin als problematisch, dass es neben den biblischen Schriften nur begrenzt außerbiblisches Quellenmaterial zur geschichtlichen Rolle Edoms in dieser Zeit gibt.686 Zwar liegen archäologische und inschriftliche Zeug‐ nisse vor, die auf Gebietsüberschreitungen der Edomiter gegen Ende 682 Vgl. WEIPPERT, Edom, 390.422. 683 Vgl. SIMIAN, Nachgeschichte, 290‐324. Zur Beurteilung Edoms im Alten Testament vgl. ferner HALLER, Edom, 109‐117; HARTBERGER, An den Wassern, 140‐204, und MATHEWS, Zion, 69‐119. 684 Vgl. exemplarisch BARTLETT, Brotherhood, 15.17. 685 Vgl. MYERS, Edom, 379.387; CRESSON, Condemnation, 143; DONNER, Geschichte II, 421, und KNAUF, Umwelt, 144f. 686 Siehe dazu HARTBERGER, An den Wassern, 134‐139.
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des 7. Jh.s v. Chr. hindeuten,687 aber es erscheint fraglich, ob das empi‐ rische Material allein ausreicht, um die Sonderstellung Edoms in den prophetischen Fremdvölkerworten zu erklären. Vielmehr ist das Phänomen auch als literarisches Deutungsmuster zu verstehen, durch das Edom in der Literaturgeschichte des Alten Testamentes zu einer theologischen Chiffre wurde, die sowohl für das Brudervolk wie auch für den Erzfeind stehen kann.688 Wahrscheinlich haben verschiedene Faktoren zu dieser Entwicklung beigetragen: Zu‐ erst kann historisch mit Gebietsstreitigkeiten zwischen Edom und Juda gerechnet werden, die in der geographisch angrenzenden Lage der beiden Gebiete begründet sind. Darüber hinaus zeigt die Esau/Jakob‐ Überlieferung in den Vätergeschichten aber auch, dass das Verhältnis der beiden Nachbarvölker als ein Konkurrenzverhältnis verstanden wurde. Dementsprechend wundert es nicht, dass dem Kontrahenten Edom eine Beteiligung am Untergang Jerusalems zugeschrieben wur‐ de, während in ähnlicher Weise das neue Heil für Israel um so ein‐ drücklicher geschildert werden konnte, wenn es mit dem Niedergang des Nachbarvolkes einher ging. Eventuell erklärt die Stilisierung Edoms als Erzfeind auch, warum Edom in 2 Chr 20 gegenüber der Vor‐ lage in 2 Kön 3,9 die Seiten wechseln muss und zur Gegnerschaft Isra‐ els gezählt wird. Die gleichsam codehafte Verwendung des Namens setzt sich anscheinend bis in die hellenistisch‐römische Zeit fort, in der „Esau“ zur Chiffre für das römische Weltreich wird.689 Auf diesem Hintergrund ist schließlich auch das Wort gegen das Gebirge Seir in Ez 35,1‐15 zu beurteilen. Unter der Voraussetzung, dass Seir und Edom synonym verwendet werden konnten, erklärt sich die Wahl der Benennung הר שׂעיר anstelle von „Edom“ zuerst als Entspre‐ chung zum literarisch vorgegebenen Heilswort an die Berge Israels in 36,1‐11*.690 Dem theologischen Begriff „Berge Israels“ für die Größe Israel entspricht das „Gebirge Seir“, das das Siedlungsgebiet des Kon‐ trahenten Edom umschreibt. Wahrscheinlich legt sich die Gegenüber‐ stellung auch durch die geographischen Gegebenheiten nahe, da das 687 Vgl. MYERS, Edom, 387‐392; HARTBERGER, An den Wassern, 136f., und WEIPPERT, Art. Edom, 295f. 688 Vgl. dazu auch SIMIAN, Nachgeschichte, 323, der zu dem Urteil kommt: „Edom müßte also in der prophetischen Literatur vor allem als ein theologischer Begriff be‐ trachtet werden.“ In ähnlicher Weise spricht CRESSON, Condemnation, 147f., davon, dass Edom zuerst als Begriff für die Nachbarvölker Judas gebraucht wurde, ehe es „a symbol for ‘the enemy’“ wurde. Vgl. zu Ez 35 auch SCHÖPFLIN, Tyrosworte, 209: „Edom bekommt damit etwas Chiffrenhaftes.“ 689 Vgl. HALLER, Edom, 117, sowie CRESSON, Condemnation, 148, und MAIER, Zwischen den Testamenten, 117.186.289. 690 Vgl. auch SIMIAN, Nachgeschichte, 328.
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judäische Bergland dem Bergland Seir gegenüber liegt; im Vorder‐ grund steht aber der theologische Gegensatz. Durch die Voranstellung von Ez 35,1‐12* wird der nicht näher bestimmte Feind aus 36,2 mit Seir(Edom) identifiziert und zugleich das Prinzip „Gericht für die Fremdvölker – Heil für Israel“ exemplarisch am Textblock Ez 35,1‐ 36,15* durchgeführt. Für die Rolle des Feindes katexochen konnte es dabei keine andere Idealbesetzung geben als den Erzfeind Edom im Bild des Gebirges Seir. 7.4.3. Das Gericht über die Berge Israels: Ez 6 Neben den Bergkapiteln gibt es mit Ez 6 einen weiteren Text im Buch, in dem die Berge Israels eine Rolle spielen, und der darüber hinaus eine Reihe von Verbindungen zu dem Textblock Ez 35,1‐36,15 auf‐ weist.691 Das Kap. 6 ist durch die Wortereignisformeln in 6,1 und 7,1 klar von seinem literarischen Kontext abgegrenzt und kann mit Hilfe des Formelguts in drei Redegänge in V 1‐7; 8‐10 und 11‐14 gegliedert werden. Während V 1‐7 ein Gerichtswort gegen die Berge Israels ent‐ halten, das in V 7b durch eine Erkenntnisformel abgeschlossen wird, wendet sich der Redegang in V 8‐10 an das Israel in der Zerstreuung. Das mit einer Botenformel eingeleitete Wort in V 11‐14 enthält dagegen Reflexionen über die kultischen und ethischen Vergehen des Hauses Israel. Nicht nur die Verwendung des Formelgutes, sondern auch die thematischen Verschiebungen deuten darauf hin, dass das Kapitel keine literarische Einheit, sondern in seiner Endgestalt das Produkt sukzessiven Wachstums ist. Da der Ausgangstext des Kapitels unzwei‐ felhaft in der Gerichtsansage an die Berge Israels vorliegt, die allein für die hier vorgelegte Fragestellung von Interesse ist, wird sich die folgen‐ de Analyse auf Ez 6,1‐7 beschränken. Nach der eröffnenden Wortereignisformel in V 1 folgt in V 2 die Aufforderung an den Propheten, sein Gesicht gegen die Berge Israels ()אל־הרי ישׂראל zu wenden und gegen sie zu prophezeien. In V 3 schließt sich eine Redeaufforderung mit einem erneut an die Berge Israels gerichteten Höraufruf an, ehe die eigentliche Gerichtsansage mit einer erweiterten Botenformel einsetzt. In der Botenformel werden die Adressaten nun genauer als Berge, Hügel, Bachrinnen und Täler ange‐ sprochen, denen Jhwh ansagt, dass er das Schwert über sie bringen und ihre Höhen ()במותיכם zugrunde richten wird. In den folgenden Versen wird das Gericht zuerst auf die Kultgegenstände wie „eure Altäre“ 691 Vgl. schon HÖLSCHER, Hesekiel, 173: „Die Weissagung an die Berge Israels, bezw. an die Berge und Hügel, Rinnsale und Täler 36,1‐2.4aba6bb7ff. ist als Gegenstück zu Kap. 6 geschrieben“.
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()מזבחותיכם und „eure Räucheraltäre“ ()חמניכם ausgeweitet (V 4a), ehe in V 6 neben der Zerstörung der Kultgegenstände auch die Verwüstung der Städte an den Wohnsitzen angesagt wird. Darüber hinaus findet sich in vier verschiedenen Variationen die Drohung, dass die Toten zu Boden fallen werden (V 4b.5a.5b.7a).692 Die Erkenntnisformel in V 7b schließt den ersten Redegang ab. Neben den inhaltlichen Redundanzen fällt auch ein Wechsel in der Anrede auf: Während die V 1‐3 in 2. Pers. mask. pl. eindeutig an die Berge gerichtet sind (הרי ישׂראל שׁמעו, V 3), verweisen die durch Suffixe der 2. Pers. mask. pl. näher bestimmten Kultgegenstände (V 4.6ab.b), Erschlagenen (חלליכם, V 4b) bzw. Gebeine (עצמותיכם, V 5b) sowie Wohn‐ sitze (מושׁבותיכם, V 6aa) eher auf das auf den Bergen wohnende Volk.693 Dieser Bezug liegt eindeutig auch in V 5a vor, wo in 3. Pers. mask. pl. von den Leichen der Israeliten ()פגרי בני ישׂראל gesprochen wird, wäh‐ rend das Suffix an בתוך in V 7a ()בתוככם sowohl auf die Mitte des Volkes wie auch auf die Mitte der Berge bezogen sein könnte. Die inhaltlichen Wiederholungen und die wechselnde Anredesitua‐ tion zeigen, dass Ez 6,1‐7 literarisch nicht einheitlich ist, auch wenn Art und Umfang der Zusätze umstritten sind.694 V 5a ist aufgrund des Per‐ sonenwechsels weitgehend als Zusatz anerkannt.695 Da er Berührungen mit Lev 26,30 aufweist, wird der Halbvers auch oft als von dort her beeinflusste Glosse beurteilt; diese These wird im Folgenden noch zu prüfen sein.696 Auch im Fall von V 6 sprechen die inhaltlichen Anknüp‐ fungen und der eindeutige Bezug auf die Israeliten („eure Wohnsitze“) dafür, hier einen sekundären Nachtrag zu sehen, der die Gerichtsan‐ sage aus V 1‐5* aufnimmt und mit Erwähnung der Städte ausdrücklich 692 Zu den verschiedenen Aussagen über die Toten vgl. auch o. Kap. III. 6.4.2. 693 In V 4 könnte auch an die Altäre und Räucheraltäre auf den Bergen Israels gedacht sein, aber die inhaltlichen Parallelen in V 6 sprechen dafür, dass hier die Kultgegen‐ stände der Bewohner im Blick sind (vgl. auch PETRY, Entgrenzung, 294). 694 HÖLSCHER, Hesekiel, 66, geht von einem Grundbestand in Ez 6,1‐4.5b aus, an den V 9f. anzuschließen seien. COOKE, ICC, 68, und FOHRER, HAT, 37, beschränken das Grundwort auf V 1‐4, während EICHRODT, ATD, 34f., zu V 1‐4 noch V 7b zieht. ZIMMERLI, BK, 144, scheidet V 5a und V 6‐7a als Nachtrag aus; vgl. ebenso SIMIAN, Nachgeschichte, 125, und SCHÖPFLIN, Theologie, 235f. GARSCHA, Studien, 94f., geht dagegen von einem ursprünglichen Textzusammenhang in 5,16‐17; 6,4‐7 aus, der sekundär durch die Einfügung von 6,1‐3 zertrennt worden sei. POHLMANN, ATD, 104, beschränkt den Ausgangstext auf 6,1‐3.6ab.7; vgl. auch PETRY, Entgrenzung, 300, der allerdings die Zugehörigkeit von V 6ab und V 7a offen lässt. 695 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 66; FOHRER, HAT, 32; ZIMMERLI, BK, 139f.; SCHÖPFLIN, Theologie, 235 Anm. 559, und PETRY, Entgrenzung, 295f. Neben dem Adressaten‐ wechsel ist die Nicht‐Bezeugung des Halbverses in der LXX* ein weiteres Argument für die Sekundarität von V 5a. 696 Vgl. dazu u. Kap. III. 7.5.
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auf Stadt und Land ausweitet.697 Damit verbleiben für die Grund‐ schicht nur noch V 1‐4.5b.7, wobei aber der Wechsel von der personifi‐ zierend‐metaphorischen Adressierung der Berge in V 1‐3 hin zu der Anrede der Israeliten in V 4.5b eher auf einen redaktionellen Übergang hindeutet.698 Es fällt weiterhin auf, dass die Höhen in V 3 ohne Wertung hinsichtlich ihrer Legitimität als Kultstätte genannt werden,699 während die Kultgegenstände in V 4.5a insbesondere durch Nennung der „Mistdinger“ (גלוליכם, V 4; vgl. auch V 5b.6) als Jhwh‐widrig und illegitim abqualifiziert werden.700 Aus diesen Gründen liegt es nahe, das Grundwort auf den Textbe‐ stand in Ez 6,1‐3 zu beschränken, der dem Land im Bild der Berge Israels das Schwertgericht und die Zerstörung der Höhen ansagt. Zu diesem Grundbestand kann auch noch V 7 gerechnet werden, da ers‐ tens keine Intention erkennbar ist, weshalb die einfache Aussage über die Erschlagenen nachgetragen sein sollte, und zweitens die Rede von den Erschlagenen in „eurer“ Mitte ()בתוככם gut zu dem den Bergen an‐ gekündigten Schwertgericht (V 3) passt. In der ersten Fortschreibung V 4.5b wird eine kultische Anklage der Israeliten in den Text eingetra‐ gen, während V 5a von den Toten der Israeliten in 3. Pers. pl. spricht und vermutlich mit der Absicht in den Text eingeschrieben wurde, die um die Altäre gestreuten Gebeine in V 5b ausdrücklich mit den Lei‐ chen der Israeliten zu identifizieren. 701 Damit ist nun nach dem literarischen Dreiecksverhältnis zwischen Ez 6,1‐7; Ez 35,1‐15 und Ez 36,1‐15 zu fragen. Die Berührungen zwi‐ schen diesen Texten sind in der Sekundärliteratur schon mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen,702 aber da ein jeweils unter‐ 697 Vgl. auch ZIMMERLI, BK, 144; SCHÖPFLIN, Theologie, 236. 698 ZIMMERLI, BK, 144, und SCHÖPFLIN, Theologie, 237, plädieren für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von V 1‐5a, während POHLMANN, ATD, 105, mit redaktio‐ neller Nacharbeit rechnet und V 4.5b von seinem Grundwort in V 1‐3 abhebt. 699 So weist POHLMANN, ATD, 104 Anm. 392, mit Verweis auf 2 Sam 1,19.25 darauf hin, dass die במות nicht zwangsläufig als Kultstätten verstanden werden müssen. 700 Vgl. PETRY, Entgrenzung, 296f. Dieser hat auch eine ausführliche Untersuchung zu der in Ez 6 genannten Kritik am Höhen‐ und Götzenkult vorgelegt, vgl. PETRY, a.a.O., 293‐301. 701 Vgl. POHLMANN, ATD, 104, der darin eine explizite Abgrenzung gegenüber Ez 37,1ff. sieht. Zu den Berührungen von Ez 6,1‐7 mit Ez 37,1‐14 siehe o. Kap. III. 6.4.2. 702 Vgl. SIMIAN, Nachgeschichte, passim; insbes. 351‐358; GOSSE, Ézéchiel, 511‐517, und POHLMANN, ATD, 104f. Während SIMIAN, a.a.O., 351‐358, die einzelnen literarischen Wachstumsstufen in ein Verhältnis zueinander setzt, beschränkt sich GOSSE, a.a.O., 511‐517, auf einen synchronen Vergleich der Texte; siehe dazu auch die tabellarische Gegenüberstellung von Ez 6; 35 und 36,1‐15 bei GREENBERG, AncB, 723. Pro‐ blematisch erscheint das methodische Vorgehen von POHLMANN, a.a.O., 104f., der die Grundschicht in Ez 6,1‐7 mit Hilfe der Strukturparallele in Ez 35,1‐4(5‐9) be‐ stimmt.
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schiedliches Wachstum der Texte zugrunde gelegt wird, differieren die Ergebnisse zum Teil erheblich. Der folgende Vergleich wird von den eruierten Grundschichten in Ez 6,1‐3.7; 35,1‐3aa.10a.11f. und 36,1f.7‐ 8a.9.11* sowie den entsprechenden Fortschreibungen ausgehen, um auf den jeweiligen literarischen Schichten nach einem möglichen Abhän‐ gigkeitsverhältnis zu fragen. Da der Ausgangstext in Ez 35,1‐12* das Grundwort in Ez 36,1‐11* bereits voraussetzt, ist der Einstieg bei dem literarischen Verhältnis von Ez 6,1‐7* und 36,1‐11* zu wählen, die eine Reihe von Entsprechun‐ gen aufweisen. Zuerst sind es die einzigen Texte des Buches, in denen die personifizierten Berge Israels angeredet und in nahezu identischer Formulierung zum Hören des Gotteswortes aufgefordert werden (הרי ישׂראל שׁמעו דבר־אדני יהוה, 6,3; 36,1703). Weiterhin spielen in beiden Texten die Höhen (במותיכם, 6,3; במות 36,2) eine besondere Rolle, denen in 6,3 das Gottesgericht angesagt wird, während in 36,2 der Feind meint, diese in Besitz nehmen zu können. Auch inhaltlich stehen die beiden Stücke in dem Entsprechungsverhältnis „Gericht für die Berge Israels – Heil für die Berge Israels“, so dass zu überlegen ist, ob sie von vornherein auf dieses Korrelationsverhältnis hin angelegt sind.704 Unter dieser Voraus‐ setzung gewinnt der Vorwurf an den Feind in 36,2 zusätzlich an Bri‐ sanz: Obwohl es Jhwh ist, der nach 6,1‐7* gegen die Höhen der Berge Israels vorgegangen ist, meint der Feind, diese nach dem Gottesgericht in Besitz nehmen zu können (36,2). Auch die Fortschreibungen in Ez 36,3‐6 weisen eine Verbindung zur Grundschicht in Ez 6,1‐7* auf, da die vierfache Adressatennennung von Bergen, Hügeln, Bachrinnen und Tälern (להרים ולגבעות לאפיקים ולגאיות, 36,6) auf die wörtliche Parallele in 6,3 zurückgeführt werden kann. Die sprachliche Kombination dieser vier Ortsbezeichnungen begegnet außer an den genannten drei Stellen nur noch in abgewandelter Form in 35,8, wo aber die Reihung aufge‐ brochen ist. Es ist schließlich zu überlegen, ob die Einschreibung in Ez 36,10 über die Städte ()הערים und die Trümmerstätten ()החרבות eine An‐ spielung auf den Nachtrag in 6,6 darstellt, in dem den Städten ()הערים angekündigt wird, dass sie in Trümmern liegen werden ()תחרבנה. 703 Die Erweiterung אדני fehlt in 36,1. 704 Vgl. auch SIMIAN, Nachgeschichte, 355, der davon ausgeht, dass Ez 36 und Ez 6 „der‐ selben theologischen Bearbeitung des Buches Ez entstammen“, es allerdings keines‐ falls für wahrscheinlich hält, „daß Ez 36 ein Gegenstück zu Ez 6 bilden wollte.“ (vgl. SIMIAN, a.a.O., 354). Die Bewertung seiner Einschränkung fällt schwer, da er keine genauen Abgrenzungen nennt, so dass unklar ist, von welchen literarischen Wachs‐ tumsstufen hier die Rede ist. Siehe ferner POHLMANN, ATD, 104f.477., der jeweils den literarischen Kern in 6,1‐7*; 35,1‐15* und 36,1‐15* zu seinem älteren Propheten‐ buch rechnet.
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Im Bereich von 35,1‐12* fällt zuerst die formal ähnliche Gestaltung der Einleitungen auf. Mit Ausnahme der jeweiligen Adressatenangabe (הר שׂעיר, 35,2; vgl. הרי ישׂראל, 6,2.3) und der Ersetzung der zweiten Adressatennennung durch die pronominale Angabe לו in 35,3aa ent‐ spricht 35,1‐3aa mit der Abfolge von Wortereignisformel, Menschen‐ sohnanrede, Aufforderung, sich gegen den Adressaten zu wenden, Prophezeiungsaufforderung, Redeaufforderung und Botenformel genau der Einleitung in 6,1‐3. Über das identische Formelgut hinaus finden sich allerdings keine weiteren sprachlichen oder inhaltlichen Querverbindungen zwischen den beiden Grundtexten. Dieser Befund ändert sich auf der Ebene der zwei Fortschreibungen in Ez 35,5‐9* und 35,3ab‐4, die vermehrt Bezüge zu Ez 6 aufweisen. Die ältere Fortschreibung in 35,5‐9* berührt sich mit 6,1‐7 in der Drohung, dass vom Schwert Erschlagene (חללי־חרב, 35,8b; vgl. חרב, 6,3, mit חלל, 6,7; חלליכם, 6,4) fallen werden (נפל kal, 35,8b; 6,7; vgl. נפל hif. 6,4). Da die Erschlagenen bereits im Grundwort von Kap. 6 eine wichtige Rolle spielen, während sie in Kap. 35,1‐15 erst in der Fortschreibung V 5‐9* auftreten, scheint hier eine Beeinflussung von 35,1‐15 durch 6,1‐7 vorzuliegen. Auf der Ebene der literarisch nachfolgenden Ergänzung in 35,3ab‐4 häufen sich dann die Verbindungen mit 6,1‐7. So steht in 35,3ab der einleitende Präsentativ der 1. Person, der sich auch in 6,3 findet, wobei dies in 35,3ab allerdings auch auf Beeinflussung durch die formale Struktur der Fremdvölkerworte erklärt werden kann. Von größerer Bedeutung erscheint die parallele Ankündigung Jhwhs, dass er das Gebirge Seir/die Berge Israels zur Wüstung ()שׁממה und zur Ein‐ öde ()משׁמה machen wird (;)נתן vgl. 35,3b und 6,14. Die Formulierung ist außer an diesen beiden Stellen nur noch in 33,28.29 im Buch belegt, so dass es sich kaum um einen Zufall handeln kann. Schließlich berühren sich die Texte auch in der Rede von der Verwüstung der Städte (עריך, 35,4; הערים, 6,6), wobei aber ähnlich dem Befund in 36,10 in 35,4 das Nomen vorliegt ()חרבה, während in 6,6 das Verbum חרב benutzt wird. Die aufgezeigten Querverbindungen zeigen, dass die gegenseitigen Bezugnahmen zwischen Ez 6,1‐7; 36,1‐15 und 35,1‐15 das literarische Wachstum der Texte auf fast allen Ebenen beeinflusst haben. Der literarische Kern des Auslegungsprozesses findet sich in der Korrela‐ tion von 6,1‐3.7 und 36,1f.7‐8a.9.11*, in der Gericht und Heil für die personifizierten Berge Israels gegenüber gestellt werden. Dem Gottes‐ gericht über die Berge entspricht die erneute Zuwendung Jhwhs, wäh‐ rend die Notwendigkeit der Wiederbesiedelung sich dadurch erklärt, dass das Schwertgericht nach 6,1‐7* über die Bevölkerung ergangen ist. In den Fortschreibungen des Grundwortes 36,1‐11* liegen weitere Stichwortverbindungen zu 6,1‐7* vor, die die Beziehungen zwischen
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den beiden Kapiteln verstärken. Der Ausgangstext in Ez 35,1‐12* zeigt dagegen zuerst nur eine formale Übereinstimmung mit Kap. 6, die viel‐ leicht so zu deuten ist, dass den Bergen Seir in entsprechender Weise wie den Bergen Israels das Gericht angesagt wird. Auf dieser literari‐ schen Ebene sind die Entsprechungen zu den Grundworten der Fremd‐ völkersprüche von größerer Bedeutung als die Bezüge zu Ez 6. Dies ändert sich allerdings mit den Fortschreibungen in 35,5‐9* und 35,3ab‐ 4, die mehrere Querverbindungen zu 6,1‐7 enthalten. Zwar kann die Richtung der Abhängigkeit nur im Fall der Erschlagenen eindeutig als Auslegung von Ez 6 in Ez 35 bestimmt werden, aber dies könnte dafür sprechen, dass es sich auch bei den anderen Stichwortverbindungen in 35,5‐9*.3ab‐4 um Anspielungen an 6,1‐7 handelt. Auf diese Weise wird das Unheil, das in Kap. 6 den Bergen Israels geweissagt worden ist, nach und nach auf das Gebirge Seir übertragen.705 Diese Transforma‐ tion bildet mithin den Abschluss des Deutungsvorganges, in dem das Gericht über die Völker sukzessive zum Heilswort für Israel interpre‐ tiert wird. Das Gericht über den Erzfeind Edom ist nicht mehr nur Vor‐ spiel zum Heil für Israel, sondern das den Bergen Israels angekündigte Gericht wird sich am Gebirge Seir vollziehen. 7.4.4. Die Berge Israels im Ezechielbuch Die dezidierte Rede von den Bergen Israels und insbesondere der personifizierte Gebrauch sind eine Besonderheit des Ezechielbuches, deren Hintergrund bisher noch wenig Beachtung gefunden hat. Zu‐ meist wird auf die Topographie Israels als Gebirgslandschaft verwie‐ sen, so dass die Berge als Stellvertreter des ganzen Landes und seiner Bewohner zu verstehen seien.706 In den seltensten Fällen aber wird die personifizierend‐metaphorische Redeweise von der topographisch‐ bildlichen unterschieden und danach gefragt, worin die besondere Leistung dieser Metaphorik für das Buch liegt.707 Im Folgenden soll deshalb ein kurzer Überblick über das Auftreten der (personifizierten) Berge Israels im Ezechielbuch gegeben werden, ehe nach den tradi‐ 705 Vgl. auch GOSSE, Ézechiel, 513: „Nous avons, au chapitre 35, un transfert de condam‐ nation du pays dʹIsraël sur celui dʹÉdom.“ 706 Vgl. FOHRER, HAT, 37; ZIMMERLI, BK, 147; FUHS, NEB, 39; ALLEN, WBC 28, 86; GREENBERG, AncB, 130, und POHLMANN, ATD, 103f. Mehrfach wird auch vermutet, dass das Bild durch das Heimweh der Exulanten zu erklären sei, die sich in den Ebenen Babylons nach den Bergen Israels gesehnt hätten (vgl. ALLEN, WBC 28, 86; BLOCK, NICOT I, 221, und GREENBERG, AncB, 130). 707 Vgl. aber SCHÖPFLIN, Theologie, 234, die über den personifizierenden Gebrauch in Ez 6,1‐3 urteilt: „Die Berge sind durch die Anrede personifiziert und repräsentieren die Menschen, die sie zu kultischen Zwecken aufsuchen und nutzen.“
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tionsgeschichtlichen oder literarischen Hintergründen dieser Vorstel‐ lung gefragt werden kann. Im Anschluss daran wird auch zu überle‐ gen sein, welche anderen Bergkonzeptionen im Buch vorkommen und in welchem Verhältnis sie zu der Rede von den Bergen Israels stehen. Für הר/הרים gibt es 47 Belege im Ezechielbuch, von denen 16 genau‐ er von den „Bergen Israels“ (הרי ישׂראל, 6,2.3; 19,9; 33,28; 34,13.14b; 35,12; 36,1bis.4.8; 37,22; 38,8; 39,2.4.17) sprechen. In Kap. 6 findet sich die be‐ reits besprochene Gerichtsandrohung an die personifizierten Berge Israels (6,2.3), während הרי ישׂראל in 19,9 eindeutig als Bild für das Land gebraucht wird: Die Stimme des jungen Löwen, d. h. des königlichen Nachkommens,708 wird auf den Bergen Israels nicht mehr gehört wer‐ den. Am Beginn des dritten Buchteils wird den Bergen Israels in 33,28 parallel zum Gericht am Land die Verwüstung angesagt, während sie im Hirtenkapitel 34 das Ziel der Heimführung der Diaspora durch den Hirten Jhwh bezeichnen (34,13.14b): Die הרי ישׂראל stehen den Völkern und Ländern entgegen, in die die Herde Jhwhs zerstreut worden ist. Innerhalb des darauf folgenden Textblockes 35,1‐36,15 liegen fünf Bele‐ ge für die Berge Israels vor, die allesamt die Vorstellung der Berge als Gestalt bezeugen (35,12; 36,1bis.4.8). Vom Land redet dagegen wieder der Nachtrag innerhalb von 37,22, durch den dieses sekundär mit den Bergen Israels identifiziert wird.709 Die bildlich‐topographische Be‐ zeichnung des Landes steht schließlich auch bei den letzten vier Bele‐ gen im Buch im Vordergrund, die sich in der Gog‐Perikope finden. Die Berge Israels sind der Schauplatz, an dem mit Gog der letzte Feind fallen wird (39,2.4), und wo Jhwh mit den Überresten des Feindes ein Schlachtopfer für alles Getier anrichten wird (39,17). Darüber hinaus werden die Berge Israels ausdrücklich als restituierte Heimstätte des zurückgekehrten Volkes beschrieben (38,8). Der kurze Überblick zeigt zweierlei: Zuerst scheinen die Berge Isra‐ els primär ein Topos der Heilsprophetie zu sein, da den 13 Belegen in Ez 34‐39 nur drei Stellen in den ersten beiden Buchteilen gegenüber stehen. Als zutreffend hat sich darüber hinaus der allgemeine Konsens erwiesen, nach dem die הרי ישׂראל das Land repräsentieren, wie sich auch an der umfassenden Beschreibung der Berge als Hügel, Bachrin‐ nen und Täler zeigt (vgl. 6,3), die in 36,6 schließlich explizit als Be‐ schreibung des Landes Israel verstanden wird. Es steht zu vermuten, 708 Die Deutung des Löwenjungen als Bild für einen judäischen König ist unter den Ex‐ egeten unumstritten (vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 422; POHLMANN, ATD, 283), auch wenn die Meinungen darüber auseinander gehen, mit welchem historischen König der junge Löwe in 19,9 zu identifizieren sei. Vgl. POHLMANN, ATD, 284: „So kommen theoretisch drei Könige in Betracht: Joahas, Jojachin und Zedekia.“ 709 Vgl. dazu auch o. Kap. III. 5.2.
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dass sich in dieser Bezeichnung grundsätzlich eine besondere theologi‐ sche Wertschätzung des Landes ausdrückt, das in Relation zu Jhwh und dem Gottesvolk benannt wird. Weiterer Berücksichtigung bedarf aber noch die personifizierend‐metaphorische Rede von den Bergen Israels.710 Diese Vorstellung findet sich mit Ez 6,1‐7* und 36,1‐15* nur in den älteren Texten des Buches sowie ihren Fortschreibungen; vgl. dazu auch die personifizierende Redeweise vom Gebirge Seir in Ez 35,1‐12*. Diese Texte zeichnen sich dadurch aus, dass die Berge Israels hier nicht nur das Terrain sind, auf dem sich Jhwhs Gerichts‐ und Heilshandeln vollzieht, sondern als Größe eigener Art auch Empfänger theologischer Aussagen. So werden die Berge durchgängig in 2. Pers. pl. angeredet, das Gericht Jhwhs richtet sich gegen sie und ihre Höhen (6,3), während sie die Heilswende als erneute Zuwendung Jhwhs erfahren (36,9). Die Berge haben dabei eine besondere Beziehung zu den Men‐ schen, die auf ihnen wohnen. So werden die Erschlagenen im Schwert‐ gericht in „eure Mitte“ fallen (בתוככם, 6,7; vgl. 35,8), während die Resti‐ tution in der Zusage an die Berge besteht, dass Jhwh die Menschen „auf euch“ (עליכם, 36,11) vermehren wird. In diese Redeweise fügt sich auch der mehrschichtige Nachtrag in Ez 36,12‐15, in dem Jhwh dem Land Bevölkerungsnachwuchs ansagt und ihm verheißt, dass es seine Bewohner nicht mehr kinderlos machen wird. Indes ist ein Unterschied zwischen Ez 6 und Ez 36 zu notieren: In Ez 6 hält sich zwar formal die Anrede an die Berge Israels durch (2. Pers. mask. pl. in 6,1‐10), sie wird aber im Laufe des literarischen Wachstums mehr und mehr zugunsten der Israeliten aufgelöst (6,4.5b.6.8‐10), bis schließlich von diesen in der 3. Person die Rede ist (vgl. 6,5a.11‐14). Dagegen tritt in Kap. 36 nach und nach das Land in den Vordergrund, das aber vergleichbar mit den personifizierten Bergen Israels als Gestalt angesprochen wird (36,6. 12‐15). Die personifizierend‐metaphorische Rede von den Bergen Israels zeichnet sich damit durch die Vermittlerposition aus, die den Bergen zukommt. Diese stehen in Relation sowohl zu Jhwh, von dem sie Ge‐ richt und Heil erfahren, als auch in Relation zu den Israeliten, die als ihre Bewohner direkt an den Auswirkungen von Gericht und Heil par‐ tizipieren.711 Die besondere Leistung dieser Redeweise von den Bergen als Gestalt liegt damit gerade in der schillernden Funktion zwischen 710 Personifikation wird im Folgenden als literarisches Stilmittel verstanden: „A figure of speech in which human characteristics are attributed to an abstract quality, animal or inanimate object“ (New Encyclopedia Britannica 9, Chicago u.a. 151989, 213). Diese Definition legen auch WISCHNOWSKY, Tochter, 2 Anm. 2, und KÖRTING, Zion, 8f. Anm. 28, in ihren Arbeiten zur Tochter Zion bzw. zu Zion in den Psalmen zugrunde. 711 Diese zwei Relationen hat STECK, Zion, 133‐135.145, in ausgeprägterer Form für die Rede von Zion als Gestalt im Alten Testament nachgewiesen.
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Landschaftsbezeichnung und Repräsentant der zu ihnen gehörenden Bevölkerung. Die Berge Israels können sowohl für das Land als auch für die Israeliten stehen, ohne dass sie aber mit einer der beiden Grö‐ ßen identisch sind. Auf diese Weise wird deutlich, dass das Schicksal der Bewohner nicht von dem des Landes getrennt werden kann. Die Restitution des Landes ist Voraussetzung für die Vermehrung und das Wohlergehen des Volkes, während die Situation der Berge ohne die auf ihnen wohnende Bevölkerung defizitär bleibt. Wird nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund dieses Sprachgebrauches gefragt, so ist die Personifikation der Berge Israels ein singuläres Motiv im Alten Testament, dem höchstens der Aufruf zum Jubel an die Berge in Jes 49,13 vergleichbar ist. Allerdings erinnert sie an die metaphorisch‐personifizierende Redeweise von Zion als Ge‐ stalt, die sich in mehreren Prophetenbüchern findet. Dort wird Zion positiv als Königin (Jes 49,22f.; 52,1f.; 60), Braut Jhwhs (Jes 50,1; 54,4‐8; Jer 2,2) und kinderreiche Mutter (Jes 49,18‐21; 54,1‐3; 66,10‐14) darge‐ stellt; negativ dagegen als Ehebrecherin (Jer 2,20‐25; 3,1‐5; Ez 16; 23; Hos 2,4‐17), Verlassene (Jes 54,1‐8) und kinderlose Frau (Jes 49,20f.; 54,1; Thr 1,1‐6).712 Die detaillierten Anklagereden an die untreue Frau Jerusalem in Ez 16 und 23 zeigen, dass diese Vorstellung auch Eingang in das Ezechielbuch gefunden hat. Im Vergleich mit der Personifikation der Berge Israels liegt zwar in Bezug auf Zion die ausgeprägtere Konzeption vor, aber Zion und die Berge Israels weisen als Gestalt(en) dieselben Relationen zu Jhwh und dem Volk auf. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass die Kon‐ zeption der Frau Zion stadtorientiert gedacht ist, während die Berge Israels die Perspektive auf das Land richten. Aufgrund des gemein‐ samen Sprachgebrauchs ist aber zu erwägen, ob die Personifikation der Berge Israels eine Weiterführung der Rede von Zion als Gestalt dar‐ stellt. Dass mit einer Ausstrahlung des Gottesberges auf das umlie‐ gende Land gerechnet werden kann, zeigt Ps 133,3, in dem von den Bergen Zions ()הררי ציון gesprochen wird. In Jhwhs Gerichtsdrohung Jes 14,25 drückt sich in ähnlicher Weise die Überzeugung aus, dass das ganze Land von der Gegenwart Jhwhs auf dem Zion her bestimmt wird: „Damit ich Assur in meinem Land zerschmettere, und auf mei‐ nen Bergen ()על־הרי will ich es zertreten.“ 713 Das in diesen Texten ange‐ legte Verständnis vom Land als Dependance des Gottesberges wird im 712 Vgl. STECK, Zion, 134f.; in diesem programmatischen Aufsatz beschäftigt sich STECK umfassend mit der personifizierend‐metaphorischen Redeweise von Zion als Gestalt. Vgl. dazu weiterhin WISCHNOWSKY, Tochter. 713 Vgl. ZIMMERLI, BK, 939. Vgl. dazu auch den späten Beleg in Ez 38,21: „Und ich rufe auf allen meinen Bergen ()לכל־הרי das Schwert über ihn herbei ...“.
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Ezechielbuch aufgenommen und die mit dem Zion verbundenen Heils‐ vorstellungen auf das Land in Form der „Berge Israels“ übertragen. Im Bild der personifizierten Berge kann dann das Schicksal des Landes und seiner Bewohner verhandelt werden, wie dies auch in der Vor‐ stellung der Frau Zion vorgegeben ist. Es ist nun danach zu fragen, in welcher Weise an den anderen Stel‐ len im Buch von den Bergen geredet wird, und in welchem Verhältnis sie zu den Bergen Israels stehen. Über die 16 Stellen hinaus, in denen explizit von den Bergen Israels die Rede ist, begegnen die Berge ohne den konkreten Bezug auf Israel mehrmals als Landschaftsbezeichnung zur Benennung des Ortes, an dem sich das Gotteshandeln vollzieht. So wird Bestürzung und nicht Jauchzen auf den Bergen sein (7,7), die Zeder als Bild für den Pharao wird auf die Berge hingeworfen werden (31,12) und die Schafe sind auf allen Bergen zerstreut (34,6).714 Die ein‐ fache Bezeichnung der Berge ist damit mit der topographischen Ver‐ wendung der Berge Israels vergleichbar und könnte diese implizit voraussetzen. Daneben findet sich im Buch mit der Vorstellung des einen Gottes‐ berges aber noch eine weitere Konzeption, die das Bergmotiv variiert. Der erste Beleg liegt im heilsprophetischen Nachtrag Ez 17,22‐24 vor, in dem Jhwh ankündigt, dass der Neuanfang sich auf dem hohen und aufragenden Berg (על הר־גבה ותלול, 17,22) bzw. auf dem hohen Berg Israels (בהר מרום ישׂראל, 17,23) vollziehen wird. Ebenso findet der Jhwh‐ gefällige Kult des Volkes, von dem am Ende des Geschichtsrückblickes Ez 20,39‐44 die Rede ist, auf Jhwhs heiligem Berg (בהר־קדשׁי, 20,40) bzw. dem hohen Berg Israels (בהר מרום ישׂראל, 20,40) statt. Gottes heiliger Berg (בהר קדשׁ אלהים, 28,14) ist daneben auch der Ort, an dem der Sturz des Fürsten von Tyrus seinen Anfang nimmt. Als schimmernder Cherub hatte er seinen Platz auf dem Gottesberg, doch aufgrund seines sündi‐ gen Wandels wird er vom Berg Gottes (מהר אלהים, 28,16) verstoßen und ins Verderben getrieben. Innerhalb der Heilsworte Ez 34‐39 gibt es nur einen einzigen Beleg für diese Vorstellung in dem kurzen Nachtrag Ez 34,14a, der die Weide für die Herde Jhwhs auf dem hohen Berg Israels ()בהר מרום־ישׂראל loka‐ lisiert. 715 Es folgen aber noch zwei Belege in der Schlussvision des Bu‐ ches, wo Ezechiel zuerst auf dem hohen Berg niedergesetzt wird (אל־הר גבה, 40,2), um den neuen Tempel und den Wiedereinzug der Herrlich‐ keit Jhwhs zu schauen. Für das Heiligtum gibt Jhwh zweitens die Wei‐ sung aus, dass sein Gebiet auf der Kuppe des Berges (על־ראשׁ ההר, 43,12) 714 Vgl. weiterhin Ez 6,13; 7,16; 18,6.11.15; 22,9; 32,5.6; 34,6; 35,8; 38,20. 715 Zu der hier vertretenen singularischen Lesung und der literarkritischen Bewertung von 34,14a vgl. o. Kap. II. 2.1. Anm. 18 und Kap. II. 2.2.
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hochheilig sein soll. Schließlich findet sich in 11,23 noch die Angabe, dass sich die Herrlichkeit Jhwhs auf den Berg stellt, der im Osten der Stadt ist ()ההר אשׁר מקדם לעיר, nachdem sie aus der Stadt ausgezogen ist. Die literarische und theologische Relevanz dieser Ortsangabe ist bisher noch nicht befriedigend erklärt worden, es handelt sich aber eindeutig um einen Berg, der nicht mit dem einen Gottesberg identisch ist, so dass 11,23 im Folgenden unberücksichtigt bleiben kann. Das Ezechielbuch kennt damit einen Berg, der explizit als zu Jhwh gehörig beschrieben wird (20,40; 28,16) und dem die Attribute von Höhe (17,22.23; 20,40; 40,2) und Heiligkeit (20,40; 28,14; 43,12) zukom‐ men. Wird nach der redaktionellen Einordnung der verschiedenen Belege gefragt, so hat sich im Fall von Ez 17,22‐24 und 20,39‐44 bereits gezeigt, dass es sich um relativ junge heilsprophetische Nachträge in‐ nerhalb der Kapitel handelt. 716 Ebenso stellt 34,14a einen sekundären Einschub innerhalb von Ez 34 dar.717 Auch das Wort gegen den König von Tyrus gehört nach den hier angestellten Überlegungen nicht zur Grundsammlung der Fremdvölkerworte in Kap. 25‐32.718 Mithin blei‐ ben nur noch die beiden Belege in der Tempelvision: Während die Bestimmungen über den neuen Tempel in Ez 43,10‐12 mit ihrer auf Überbietung angelegten Aussage der „Hochheiligkeit“ auf eine spätere Überarbeitung der Tempelvision hindeuten,719 wird auch für die Orts‐ angabe in 40,2 noch zu zeigen sein, dass sie nicht zum Grundbestand in Ez 40‐48 gehört.720 Die Vorstellung des hohen und heiligen Gottes‐ berges tritt damit nur auf den jüngeren literarischen Wachstumsstufen des Buches auf. Auch wenn der Zionsname selbst nicht genannt wird, hat die Vor‐ stellung eindeutig zionstheologische Wurzeln.721 Insbesondere in den Psalmen ist die Rede vom הר קדשׁ belegt (Ps 2,6; 3,5; 15,1; 43,3; 48,2; 87,1; 99,9; vgl. auch Jes 11,9; 56,7; 57,13; 65,11.25; 66,20; Jer 27,13; 31,23), der
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Vgl. zu Ez 17,22‐24 o. Kap. III. 5.5.2. und zu Ez 20,39‐44 o. Kap. III. 3.4.2. Vgl. dazu o. Kap. III. 2.2.2. und III. 2.2.3. Vgl. dazu o. Kap. III. 7.2.2. Vgl. RUDNIG, ATD, 578, sowie RUDNIG, Heilig, 332‐334, der in 43,10‐12* ein spätes redaktionelles Gelenkstück sieht. 720 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.2. 721 Vgl. EICHRODT, ATD, 381f.; POLA, Priesterschrift, 192‐198, und RUDNIG, Heilig, 40f. Dagegen ist ZIMMERLI aufgrund der Tatsache, dass der Zionsname im Ezechielbuch nicht vorkommt, zu dem Urteil gelangt, dass Ezechiel kein Zionstheologe gewesen sei: „ Der Name ‘Zion’ ist aber bei Ezechiel anders als bei dem die Verkündigung des ‘neuen Exodus’ aktualisierenden Deuterojesaja nie gebraucht. Ezechiel ist kein ‘Zionstheologe’. Die Rede vom ‘hohen Berg Israels’ (1723 2040) ist von einer anders formulierenden ‘Theologie’ her gebildet.“ (ZIMMERLI, Phänomen, 186 Anm. 27).
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in Ps 2,6 explizit mit dem Zion identifiziert wird ()ציון הר־קדשׁי.722 Nach Jes 2,2 und Ps 48,3 überragt der Zion an Höhe alle anderen Berge und nimmt damit mythische Dimensionen an, so dass mit dem hohen Berg im Ezechielbuch nur der Zion gemeint sein kann. Eine zions‐ bzw. tempeltheologische Prägung im Ezechielbuch verrät ferner die Veror‐ tung des neuen Heiligtums auf dem Gottesberg und die spezifische Formulierung der Wohnungsaussage in Ez 43,7a.723 Schließlich gehört auch das Motiv des Tempelstroms, der nach Ez 47,1‐12 aus dem Heilig‐ tum hervortritt und das Land fruchtbar macht, zu den mit der Tempel‐ theologie verbundenen Topoi (vgl. Ps 46,5; Jo 4,18; Sach 14,8).724 Im Ezechielbuch sind somit zwei mit הר/הרים verbundene Konzep‐ tionen zu differenzieren, die in unterschiedlicher Weise Verbindungen zur Zionstheologie aufweisen. Zuerst ist die Vorstellung von den Ber‐ gen Israels zu nennen, die in den älteren Buchtexten als Repräsentanten von Volk und Land erscheinen, während sie auf späteren literarischen Ebenen zu einer rein topographischen Bezeichnung für das Land wer‐ den. Wenn zutreffend ist, dass die personifzierend‐metaphorische Redeweise ihre Wurzeln in der Vorstellung von Zion als Gestalt hat, ist die gesamte Landkonzeption im Ezechielbuch als eine Übertragung der mit dem Gottesberg verbundenen Attribute auf das Land zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist ferner die Gog‐Perikope zu berücksich‐ tigen, in der das Land anstelle der Tochter Zion zum Ziel des Völker‐ feindes wird, so dass es auch hier an die Stelle des Zion tritt.725 Neben dieser Übertragung begegnet in einer Reihe von jüngeren Texten im Buch die Rede vom heiligen und hohen Gottesberg, die mit der Berg‐ Zion‐Theologie in den Psalmen in Verbindung zu bringen ist. Der Gottesberg wird hier zum Ort des Neuanfangs nach dem Verlust des Königtums (17,22‐24), zum Ort des Jhwh‐gefälligen Gottesdienstes nach Heimkehr der Diaspora (20,40; vgl. 34,14a) und zum Ort des neu‐ en Heiligtums (40,2; 43,12). Im Ezechielbuch kann damit eine theologiegeschichtliche Entwick‐ lung beobachtet werden, in der die mit dem Zion verbundenen Attri‐ bute auf den älteren literarischen Wachstumsstufen auf das Land über‐ tragen werden, ehe auf den jüngeren Stufen der Gottesberg und die 722 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 186‐196, und KÖRTING, Zion, insbes. 169f. Sie‐ he auch KÖRTING insgesamt zu einer umfassenden Untersuchung der Zionstexte in den Psalmen. 723 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.4.2. 724 Vgl. KÖRTING, Zion, 183. Anders dagegen ZWICKEL, Tempelquelle, 148‐154, der die üblichen traditionsgeschichtlichen Deutungen ablehnt und in dem Tempelstrom in Ez 47 eine Umdeutung des „Ehernen Meeres“ sehen will, das sich vor dem Salomo‐ nischen Tempel befunden haben soll. 725 Vgl. dazu o. Kap. III. 2.4.3.
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Gottesstadt in den Vordergrund rücken. Von besonderem Interesse sind dabei die Belege in Ez 17,22f. und 20,40, wo der Gottesberg jeweils nachstehend als „hoher Berg Israels“ ()הר מרום ישׂראל bestimmt wird. Während der Bezug auf Israel in diesen Texten direkt mit der Vorstel‐ lung des Gottesberges verschmolzen ist, findet sich in 34,13f. eine redaktionelle Verbindung, da die Weide der Gottesherde auf den Ber‐ gen Israels (34,13) durch den Nachtrag in 34,14a sekundär mit dem „hohen Berg Israels“ identifiziert wird. Damit zeichnet sich an allen drei Stellen eine gewisse Tendenz ab, die beiden Berg‐Konzeptionen miteinander zu verbinden, so dass hier der Übergang von der Land‐ zur Stadtorientierung zu beobachten ist. Vermutlich hängt diese Ent‐ wicklung literarisch mit der Ausgestaltung der Tempelvision in Ez 40‐ 48 zusammen, durch die Stadt und Tempel zunehmend an Bedeutung für die Gesamtanlage des Buches gewinnen. 7.4.5. Das Land als Menschenfresserin in Num 13f. Die Kundschaftergeschichte in Num 13f. berichtet davon, wie Mose auf Geheiß Jhwhs hin Fürsten aus allen Stämmen Israels in das Land Kanaan aussendet. Er gibt ihnen den Auftrag, zu sehen, wie das Land beschaffen ist, „ob es gut ist, oder schlecht“ (הטובה הוא אם־רעה, Num 13,19). Die Kundschafter kehren allerdings zurück und verbreiten das Gerücht (דבה, Num 13,32; vgl. 14,36f.), das gelobte Land sei ein Land, das seine Bewohner fresse (ארץ אכלת יושׁביה הוא, Num 13,32). Auf diese Weise wollen sie den Einzug des Volkes in das Land verhindern. Das weitere Schicksal der Kundschafter, die bis auf die unschuldigen Josua und Kaleb den Tod finden, zeigt, dass die Kundschaftergeschichte als Paradigma für das Verhalten Israels an der Schwelle des Landes zu verstehen ist. 726 Die Heilsworte an die Berge Israels in Ez 36,1‐15 weisen einige auf‐ fällige Berührungen mit der Kundschaftergeschichte auf. Nach Ez 36,3 sind die Berge Israels ins Gerede ()דבה gekommen, allerdings nicht durch das eigene Volk, sondern durch den Rest der Völker. Im späte‐ ren mehrschichtigen Nachtrag Ez 36,12‐15 wird in 36,13f. der konkrete Vorwurf zitiert, das Land sei eine Menschenfresserin (אכלת אדם, 36,13) und mache seine Nation kinderlos. Auch diese Anschuldigung wird nicht vom eigenen Volk ausgesprochen, sondern es sind die fremden Völker, die angesichts des desolaten Zustandes des Landes zu diesem Urteil kommen (vgl. 36,3.15). Das Jhwh‐Wort in 36,14 nimmt das Land gegen die Anfeindungen in Schutz und stellt für die Heilszukunft 726 Vgl. FREVEL, Blick, 367.
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sicher, dass dieser Zustand ein Ende haben und das Land für seine Bewohner sorgen wird. Die Stichwortverbindungen zeigen, dass mit einem Abhängigkeits‐ verhältnis zwischen den Texten gerechnet werden kann, wobei Ez 36,12‐15 als Anspielung auf die Kundschaftergeschichte zu beurteilen ist, da der Text erst vor diesem Hintergrund verständlich wird.727 Die Verleumdung des Landes als Menschenfresserin ()אכלת אדם728 ist nur dann sinnvoll, wenn sie als (fälschliches) Gerücht aus Num 13,32 wie‐ dererkannt wird, mit dem Israel in der Vorzeit vom Einzug in das Land abgehalten werden sollte. Dieses Gerücht wird nun den Fremdvölkern in den Mund gelegt, so dass hier Ängste und Befürchtungen der unter den Völkern lebenden Diaspora zu vermuten sind, die diese vor einer Rückkehr in das Land zögern lassen. Durch die Anspielung auf Num 13,32 wird verdeutlicht, dass die Diaspora der Zusicherung Jhwhs vertrauen kann und wie Josua und Kaleb zu dem Urteil kommen soll: „Das Land ist sehr, sehr gut“ (טובה הארץ מאד מאד, Num 14,7). Wahr‐ scheinlich ist der Auslegungsvorgang durch דבה in Ez 36,3 ausgelöst worden, das an nur neun Stellen im Alten Testament belegt ist.729 Der spätere Autor von Ez 36,13f. könnte durch דבה in Ez 36,3 die in der Kundschaftergeschichte Num 13,32 verbreitete Verleumdung ()דבה as‐ soziiert haben, gegen die er seine positive Zeichnung von der Heils‐ zukunft im Land setzt. Genau wie das Volk vor dem Einzug in das Land in Num 13f. befindet sich die in Ez 36,12‐15 adressierte Diaspora in einer Schwellensituation, in der von ihr die Entscheidung für das Land verlangt wird. 7.5. Exkurs: Zur Rolle von Lev 26 „So bietet allein schon der Vergleich von Lv 26, dem in vielen Elemen‐ ten mit Ez besonders verwandten Schlußkapitel von H, mit Ez ein ver‐ wirrend vielgestaltiges Bild, das auf jeden Fall jede pauschale Formel für die gegenseitige Beziehung von H und Ez verbietet. Man wird differenzieren müssen.“730 Treffender als in diesem Zitat von ZIMMERLI lässt sich die Problemlage in Bezug auf Lev 26 kaum zusammenfassen. 727 So in der Bestimmung der Abhängigkeit mit SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 347. Anders LOHFINK, Ursünden, 185; SCHMIDT, Studien, 110, und FREVEL, Blick, 370 Anm. 30. 728 Auf das Land bezogen findet sich das Pt. fem. sg. von אכל nur an den beiden Stellen Num 13,32 und Ez 36,13. 729 Davon finden sich drei Belege in der Kundschaftererzählung Num 13f.; vgl. Num 13,32; 14,36.37 sowie Gen 37,2; Jer 20,10; Ez 36,3; Ps 31,14; Koh 10,18; 25,10. 730 ZIMMERLI, BK, 78*.
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In den bisherigen Analysen hat sich gezeigt, dass nicht nur die Heils‐ worte in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 Berührungen mit dem vorletzten Kapitel des Heiligkeitsgesetzes aufweisen, sondern dass auch Verbin‐ dungen zu Ez 6,1‐7 und 36,1‐15 bestehen. Auch wenn bisher noch nicht alle Parallelen behandelt worden sind, deutet dies bereits darauf hin, dass Lev 26 von besonderer Bedeutung für das Ezechielbuch ist und die Verhältnisbestimmung der zwei Größen zur literatur‐ und theolo‐ giegeschichtlichen Einordnung des Ezechielbuches beitragen kann. Ausgehend von einer kurzen Darstellung der Forschungsgeschichte soll deshalb im Folgenden ein Gesamtüberblick über die Berührungen zwischen Lev 26 und dem Ezechielbuch gegeben werden, um auf die‐ ser Basis ein erstes vorsichtiges Urteil fällen zu können. Auf die offenkundige Verwandtschaft zwischen Ezechielbuch und Heiligkeitsgesetz Lev 17‐26 ist schon des Öfteren hingewiesen worden, wobei insbesondere das Kapitel Lev 26 aufgrund seiner zahlreichen Berührungen mit dem Ezechielbuch im Zentrum gestanden hat.731 Zumeist sind die Verbindungen durch ein einfaches Abhängigkeits‐ verhältnis erklärt worden, das davon bestimmt war, welchem der bei‐ den Korpora altersmäßig die Priorität zugestanden wurde.732 In Bezug auf das Segen‐und‐Fluch‐Kapitel Lev 26 reichen die Ansichten von einer Verfasserschaft Ezechiels an dem Kapitel bis hin zu der These, dass Lev 26 eine „Composition aus ezechielischen Redensarten“ dar‐ stelle.733 Zunehmend hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass auf beiden Seiten mit einem sukzessiven literarischen Wachstum zu rechnen ist und Entscheidungen nur jeweils nach einer sorgfältigen Einzeltextanalyse getroffen werden können.734 Eine umfassende literar‐ 731 Zur Forschungsgeschichte insgesamt vgl. ZIMMERLI, BK, 70*‐79*; LIWAK, Probleme, 7‐23, und GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 5‐22. Eine Zusammenstellung der Paralle‐ len und Querverbindungen zwischen Lev 26 und dem Ezechielbuch findet sich bei SMEND, KEH, XXVIf.; BAENTSCH, Heiligkeits‐Gesetz, 120‐128; ZIMMERLI, BK, 77*, und MILGROM, Leviticus 26, 57‐62. 732 Zur Priorität Ezechiels vgl. z. B. BAENTSCH, Heiligkeits‐Gesetz, 125; WELLHAUSEN, Prolegomena, 378, und HERRMANN, KAT, XIX, während die Priorität des Heiligkeits‐ gesetzes u. a. von KLOSTERMANN, Pentateuch, 379.416f., und KOHN, Heart, 84f., ver‐ treten wird. FOHRER, Hauptprobleme, 147, hat sich dagegen dafür ausgesprochen, dass die Ähnlichkeiten sich a) aus einer gemeinsamen Vorlage und b) aus der Ab‐ stammung Ezechiels aus Priesterkreisen erklären. 733 Zur ersten These vgl. HERRMANN, KAT, XIX, während die letztere Ansicht von SMEND, KEH, XXVI, vertreten wird (Zitat ebd.). 734 Vgl. BAENTSCH, Heiligkeits‐Gesetz, 121, und das oben zitierte Urteil von ZIMMERLI, BK, 78*. Jüngst ist GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 348‐374.376f., in seiner redaktions‐ und traditionsgeschichtlichen Analyse des Heiligkeitsgesetzes zu dem Ergebnis ge‐ kommen, dass sämtliche Berührungen zwischen Lev 26 und dem Ezechielbuch auf Übernahme des ezechielischen Materials durch den Verfasser des Heiligkeitsge‐ setzes zurückzuführen sind.
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kritische Analyse von Lev 26, die für ein solches Vorgehen erforderlich wäre, kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht geleistet werden, so dass die folgenden Beobachtungen notwendig mit Unsicherheiten be‐ haftet bleiben.735 Im Vergleich der Segensreihe in Lev 26 mit den Heilsverheißungen im Ezechielbuch konnte bereits wahrscheinlich gemacht werden, dass die Heilsworte in Ez 34,25‐30 und 37,25‐28 von Lev 26,3‐13 abhängig sind.736 Es bleibt zu fragen, inwieweit das auch auf die Restitutionsver‐ heißungen an die Berge Israels in Ez 36,1‐11* zutrifft. Diese Heilsworte berühren sich mit Lev 26 darin, dass eine erneute Zuwendung Gottes verheißen wird (ופניתי אליכם, Ez 36,9; Lev 26,9), die die Mehrung des Volkes (רבה hif., Ez 36,11; Lev 26,9) und die Fruchtbarkeit des Landes (Ez 36,8f.; vgl. Lev 26,10) nach sich ziehen wird. Die parallele Verhei‐ ßung der Fruchtbarkeit des Volkes (פרה, Ez 36,11 // פרה hif. Lev 26,9) ist in Ez 36,11 allerdings erst sekundär nachgetragen worden.737 Die Stich‐ wortverbindungen beschränken sich damit auf die Ankündigung von Zuwendung und Mehrung, während die Fruchtbarkeit des Landes in unterschiedlichen Formulierungen angesagt wird. Zwar ist die AK con‐ secutivum‐Form der 1. Pers. sg. von פנה in Verbindung mit אל nur in Lev 26,9 und Ez 36,11 belegt, was eine literarische Verbindung zwischen den beiden Texten wahrscheinlich machen könnte,738 aber das Motiv der Zuwendung Jhwhs ()פנה ist im Alten Testament breit bezeugt,739 so dass auch eine zufällige Parallele vorliegen kann. Außerdem fällt auf, 735 Es gibt auf jeden Fall Hinweise darauf, dass in Lev 26 ein literarischer Wachstums‐ prozess anzunehmen ist. So haben die Segensbestimmungen in V 3‐13 so gut wie keine Verbindungen zu den Fluchreihen in V 4‐46, und auch der mehrfache Einsatz mit ואם in V 14.15.21.23.27 könnte ein Indiz für die Mehrschichtigkeit sein (vgl. zum Text insgesamt GERSTENBERGER, ATD, 365‐398, und zur Analyse von Lev 26,3‐13 o. Kap. III. 4.4.3.). Dagegen vertritt GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 121, die literarische Einheitlichkeit von Lev 26. 736 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.3. 737 Ebenso stellt auch der spätere mehrschichtige Nachtrag in Ez 36,12‐15 über das Land, das seine Bewohner frisst (אכלת אדם, 36,13; vgl. ואכלה אתכם ארץ איביכם, Lev 26,38) und sie kinderlos macht (שׁכל pi., 36,12.13.14; vgl. Lev 26,22) eine spätere Fortschrei‐ bung dar. Die Ergänzung in Ez 36,13f. steht allerdings Num 13,32 inhaltlich näher als der Parallele in Lev 26, wo die Tiere des Feldes die Israeliten kinderlos machen werden, während das Land des Feindes sie fressen wird; vgl. dazu o. Kap. III. 7.4.5. 738 Die Berührungen von Lev 26,9 und Ez 36,9 sind unbestritten (vgl. SMEND, KEH, 281; ZIMMERLI, BK, 866; GREENBERG, AncB, 720), aber nur wenige Exegeten nehmen eine literarische Verhältnisbestimmung vor, vgl. ALLEN, WBC 29, 173: „The blessings for the land in Lev 26, already appropriated in chap. 34, are now claimed afresh (vv9‐11; cf. Lev 26:9a)“; MILGROM, Leviticus 26, 59: „Ezekiel 36:9‐11 is an expansion and re‐ working of Lev 26:9“, und LEVIN, Verheißung, 225: „Die Verheißung der Zuwen‐ dung Jahwes ופניתי אליכם ([Lev 26] V. 9) ist wörtlich aus Ez 36,9 übernommen.“ 739 Es handelt sich dabei insbesondere um einen Topos der Psalmensprache; vgl. 1 Kön 8,28; Ps 25,16; 69,17; 86,16; 102,18; 119,132.
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dass die Zuwendung Jhwhs sich in Lev 26,9 in der Bundeszusage kon‐ kretisiert, die keine Entsprechung in Ez 36,9 hat. Die Frage des genauen Verhältnisses zwischen Lev 26,9 und Ez 36,9 muss deshalb vorerst offen gelassen werden. Auch die Fluchbestimmungen in Lev 26,14‐39 weisen eine Vielzahl von Berührungen mit dem Ezechielbuch auf, die sich insbesondere in den Unheilsansagen der Kapitel Ez 4‐6 finden.740 Hier ist zuerst der Zyklus der prophetischen Symbolhandlungen in Ez 4f. zu berücksichti‐ gen, in dem die zweite und dritte Zeichenhandlung Querverbindungen zu Lev 26 haben. So soll der Prophet die Nahrungsknappheit in der belagerten Stadt abbilden, indem er seine Nahrung nach abgemesse‐ nem Gewicht zu sich nimmt (במשׁקול, Ez 4,10; vgl. במשׁקל Lev 26,26ab). In Lev 26,26 geht dieser Fluchbestimmung in V 26aa die begründende Ansage voraus, dass Jhwh den Stab des Brotes zerbrechen wird (בשׁברי ;)לכם מטה־לחם diese Drohung begegnet mehrfach in Ez 4f. (vgl. Ez 4,16: בירושׁלם ואכלו־לחם במשׁקל ;שׁבר מטה־לחם Ez 5,16: ושׁברתי לכם מטה־לחם, und ferner Ez 14,13: )ושׁברתי לה מטה־לחם. Über den Beleg in Lev 26 und die drei Stellen im Ezechielbuch hinaus ist die Formulierung vom Zerbre‐ chen des Brotstabes nur noch in Ps 105,16 belegt. Die Folge dieser Ge‐ richtshandlung ist das Dahinschwinden der Israeliten in ihrer Schuld (ונמקו בעונם, Ez 4,17; vgl. 24,23); eine Wendung, die nur noch eine Paral‐ lele in Lev 26,39 hat ()ימקו בעונם, dort allerdings bezogen auf die Sünden der Väter, die mit der Diaspora im Exil vergehen werden. Die dritte Zeichenhandlung über die Drittelung des prophetischen Kopf‐ und Barthaares durch das Schwert in Ez 5,1‐4 zeigt dagegen Berührungen mit Lev 26,33a. Genau wie Jhwh den Israeliten dort zu‐ sagt, dass er sie unter die Völker zerstreuen (זרה pi., Lev 26,33aa) und das Schwert hinter ihnen herziehen wird (והריקתי אחריכם חרב, Lev 26,33ab), so soll Ezechiel ein Drittel der Haare in den Wind streuen (זרה kal, Ez 5,2ba), und Jhwh wird das Schwert hinter ihnen herziehen (וחרב אריק אחריהם, Ez 5,2bb). Allerdings ist das Schwertmotiv in diesem Vers erst sekundär mit der Zerstreuung der Haare in den Wind verbunden worden. 741 Das Ziehen (ריק hif.) des Schwertes ist ein Gerichtsmotiv, das sich an fünf Stellen im Ezechielbuch findet (vgl. Ez 5,2.12; 12,14; 28,7; 30,11)742 und darüber hinaus nur noch in Lev 26,33 und Ex 15,19 740 Zu Ez 4‐6 und den Berührungen der Kapitel mit Lev 26 vgl. auch den Exkurs bei ALLEN, WBC 28, 92‐96. 741 Zur Sekundarität von Ez 5,2bb vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 61 Anm. 3; FOHRER, HAT, 33; ZIMMERLI, BK, 97 und POHLMANN, ATD, 82. 742 Bei den ersten drei Belegen richtet sich die Gerichtsansage gegen Israel oder eine Israel‐Teilgröße, während die Drohungen in 28,7 (Tyrus) und 30,11 (Ägypten) je‐ weils gegen ein Fremdvolk gerichtet sind.
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im Alten Testament belegt ist. Außer in Ez 5,2 ist das Bild in Ez 5,12; 12,14 noch an zwei weiteren Stellen mit der Zerstreuung (זרה pi.) in den Wind verbunden, die beide als Auslegung von Ez 5,2 gelten können, da sie die in 5,2 sekundäre Verbindung von Schwert und Zerstreuung bereits voraussetzen.743 Dabei greift Ez 5,12 das Motiv der Drittelung aus der Zeichenhandlung auf, das nun direkt auf die Bevölkerung Jeru‐ salems bezogen ist, während die Gerichtsansage in Ez 12,14 gegen die Scharen des Fürsten gerichtet ist. Diese wird Jhwh in alle Winde zer‐ streuen und das Schwert hinter ihnen herziehen. In einer Variation des Schwertmotivs kennen sowohl das Buch Leviticus (Lev 26,25aa) als auch das Ezechielbuch (Ez 5,17; 6,3; 11,8; 14,17; 29,8; 33,2)744 noch die Unheilsansage vom Bringen (בוא hif.) des Schwertes, deren Vorkom‐ men auf diese beiden Korpora beschränkt ist. Im Anschluss an die Komposition der Zeichenhandlungen in Ez 4,1‐5,4 liegt in Ez 5,5‐17 eine Jhwh‐Rede vor, die Erläuterungen und Be‐ gründungen zu den abgebildeten Unheilsansagen enthält.745 Innerhalb dieses Redeganges kehren mehrere aus den vorausgehenden Zeichen‐ handlungen bereits bekannte Motive aus Lev 26 wieder, wie das Zer‐ brechen des Brotstabes (Ez 5,16), die Zerstreuung (זרה pi., Ez 5,10.12) eines Bevölkerungsanteils in den Wind und das Zücken (ריק hif., Ez 5,12) des Schwertes. Darüber hinaus sind aber auch weitere Berührun‐ gen mit Lev 26 zu notieren: Jhwh begründet sein Gericht in Ez 5,6 mit dem Tatbestand, dass die Israeliten seine Rechtsbestimmungen ver‐ worfen haben (מאסו )כי במשׁפטי und in seinen Ordnungen nicht wandel‐ ten ()וחקותי לא־הלכו. Dieser Vorwurf kehrt in abgewandelter Form in Ez 5,7 wieder ()בחקותי לא הלכתם ואת־משׁפטי לא עשׂיתם. In Lev 26 steht die Bedin‐ gung des Gesetzesgehorsams dagegen überschriftartig über den Se‐ genszusagen (אם־בחקתי תלכו ואת־מצותי תשׁמרו ועשׂיתם אתם, Lev 26,3) und findet sich in ähnlicher Weise auch vor den Fluchbestimmungen in Lev 26,14f. (ואם־לא תשׁמעו לי ולא תעשׂו את כל־המצות האלה ואם־בחקתי תמאסו ואם )את־משׁפטי תגעל נפשׁכם sowie in 26,43 ()במשׁפטי מאסו ואת־חקתי געלה נפשׁם. Die‐ sen Bestimmungen zufolge ist das Wandeln ()הלך in den göttlichen Ordnungen (חקתי, Lev 26,3.15.43) und das Halten ()שׁמר bzw. Tun ()עשׂה der Gesetze (מצותי, Lev 26,3; כל־המצות האלה, Lev 26,14; משׁפטי, Lev 26,15.43) Bedingung für das Heil, während ihre Verwerfung ()מאס und Verab‐ scheuung ()געל das Gericht zur Folge haben. Zweifellos sind diese Formulierungen auf dtr. Formel‐ und Gedankengut zurückzuführen, 743 Zum Schwertmotiv im Ezechielbuch vgl. zusammenfassend auch SCHÖPFLIN, Theo‐ logie, 51‐53. 744 In Ez 29,8 richtet sich die Unheilsansage an Ägypten, in den anderen Belegen ist Israel oder eine Teilgröße des Volkes das Ziel. 745 Vgl. POHLMANN, ATD, 82.
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wofür bereits THIEL den Nachweis geführt hat,746 aber es ist zumindest bemerkenswert, dass sich die terminologische Kombination von מאס, חקה und משׁפט nur in Lev 26,15.43 sowie im Ezechielbuch findet. Neben Ez 5,6f. ist hier noch die leitmotivartige Verwendung der drei Lemmata in Ez 20,13.16.24 zu nennen.747 Eine der Auswirkungen, die als Konsequenz aus Israels Fehlver‐ halten in Ez 5,10 geschildert wird, ist Kannibalismus unter der Bevöl‐ kerung: Väter werden ihre Söhne essen und Söhne ihre Väter (אבות יאכלו )בנים בתוכך ובנים יאכלו אבותם. Dieses Motiv hat eine Parallele in Lev 26,29, nach der die Israeliten das Fleisch ihrer Söhne und Töchter essen wer‐ den ()ואכלתם בשׂר בניכם ובשׂר בנתיכם תאכלו.748 Im Vergleich erscheint die Drohung in Ez 5,10 zugespitzter, da nicht nur die Generation der Kin‐ der ausgelöscht wird, sondern Väter‐ und Söhnegeneration gleicher‐ maßen dem Kannibalismus zum Opfer fallen. Über das Volk hinaus richtet sich der göttliche Zorn in Ez 5,14 auch gegen das Land, das Jhwh zur Trümmerstätte machen will ()ואתנך לחרבה. In einer vergleich‐ baren Formulierung sagt Jhwh den Städten in Lev 26,31 die Verwüs‐ tung an (;ונתתי את־עריכם חרבה vgl. Lev 26,33: ;)ועריכם יהיו חרבה über diese zwei Stellen hinaus ist die Wendung נתן חרבה nur noch in Jer 25,18; Ez 25,13 und 29,10 belegt.749 Schließlich endet die Unheilsbegründung in Ez 5,17 mit einer Auf‐ zählung der Gerichtsinstrumente Hunger ()רעב, böse Tiere ()חיה רעה, Pest ()דבר, Blut ()דם sowie dem Schwert ()חרב. Hier findet sich mithin eine Variation der sogenannten Plagentrias Schwert – Hunger – Pest,750 die durch das Blut und die Sendung der wilden Tiere erweitert ist, die das Land bzw. die Stadt kinderlos machen sollen (וחיה רעה ושׁכלך, 5,17; vgl. auch Ez 14,15: ושׁכלתה... )חיה רעה. Mit Ausnahme des Blutes haben die anderen vier Elemente aus Ez 5,17 Entsprechungen in den Fluchrei‐ hen von Lev 26, wobei insbesondere Lev 26,25f. die komplette Plagen‐ trias aufweist. Neben dem bereits behandelten Schwertmotiv findet sich die Sendung der Pest in Lev 26,25ba (ושׁלחתי דבר, vgl. Ez 5,17;751 14,19), während der Hunger in Lev 26 mit dem Bild des zerbrochenen 746 Vgl. THIEL, Erwägungen, 64.68. 747 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.4.2. Die Kombination von חקה und משפט ist darüber hinaus noch in Ez 11,20; 18.9.17.19.21; 20,11.19; 37,24 und 44,24 belegt. 748 Vgl. weiterhin Dtn 28,53‐57; 2 Kön 6,29; Jer 19,9; Klgl 2,20; 4,10. 749 In anderen sprachlichen Verbindungen findet sich das Motiv, die Städte ()עיר zur Trümmerstätte ( )חרבהzu machen, darüber hinaus noch in Lev 26,31.33; Jer 27,17 (als Frage); 44,2.6; 49; 13; Ez 35,4 sowie in Ez 6,6 mit חרב als Verbalform. 750 Vgl. dazu WEIPPERT, Prosareden, 149‐180.180‐191; VIEWEGER, Beziehungen, 40‐46, sowie GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 358‐359. 751 In Ez 5,17 steht דבר allerdings nicht mit שׁלך, sondern Jhwh sagt dem Land an, dass die Pest zusammen mit Blut ()דם durch es hindurchziehen soll ()יעבר־בך.
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Brotstabes umschrieben wird (Lev 26,26; vgl. Ez 4,16; 5,16). Die ezechi‐ elische Ankündigung der wilden Tiere berührt sich dagegen mit dem Vers Lev 26,22a, in dem Jhwh ankündigt, dass er die Tiere des Feldes über die Israeliten kommen lassen wird, die sie kinderlos machen wer‐ den ()והשׁלחתי בכם את־חית השׂדה ושׁכלה. An dieser Stelle liegt mit großer Sicherheit eine literarische Abhängigkeit vor, da die Kombination der Lemmata שׁלך, חיה und שׁכל pi. nur in Lev 26,22 und Ez 5,17 belegt ist. Auch wenn grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Plagentrias im Ezechielbuch aus dem Jeremiabuch übernommen ist,752 so weisen doch die Variationen der Plagenmotive auf eine engere Be‐ ziehung zwischen Lev 26 und dem Ezechielbuch hin. Hier ist sowohl das Bild des Brotstabes zur Umschreibung des Hungers wie auch das Motiv der wilden Tiere zu nennen, die aufgrund der terminologischen Verbindungen ein literarisches Verhältnis der Texte wahrscheinlich machen. Im Zusammenhang des Plagenmotivs ist außerdem die auf das Land gerichtete Jhwh‐Rede Ez 14,12‐20 zu berücksichtigen, aus der bereits mehrfach Einzelverse als Belege angeführt wurden. Diese Jhwh‐ Rede liest sich wie eine Abhandlung über die Frage, ob man den Ge‐ richtsinstrumenten Hunger (ושׁברתי לה מטה־לחם, Ez 14,13; רעב, 14,13.21), böse Tiere (חיה רעה, Ez 14,15.21), Schwert (חרב, Ez 14,17.21) und Pest (דבר, Ez 14,19.21) entkommen kann. Bei den hier vorliegenden Querver‐ bindungen zu Lev 26 kann es sich auch um innerbuchliche Rekurse auf Ez 4f. handeln, allerdings gibt es zwei signifikante Formulierungen, die eindeutig auf Lev 26 verweisen. So ist zuerst leitmotivartig vom „Aus‐ rotten von Mensch und Vieh“ die Rede (ממנה אדם ובהמה להכרית/והכרתי, Ez 14,13.17.19.21), eine Formulierung, die nicht in Ez 4f. belegt ist, sich aber, allein auf das Vieh bezogen, in Lev 26,22 findet (והכריתה )את־בהמתכם. Weiterhin fällt auf, dass das Selbstzitat Jhwhs, mit dem er in Ez 14,17 das Schwert über das Land aussendet, eine verneinte Parallele in Lev 26,6 hat (ואמרתי חרב תעבר בארץ, Ez 14,17 // וחרב לא־תעבר בארצכם, Lev 26,6). Die Kombination von חרב, עבר und ארץ findet sich nur an diesen beiden Stellen, so dass mit MILGROM die Vermutung nahe liegt, dass das Zitat in Ez 14,17 eine bewusste Anspielung an die Aussage in Lev 26,6 darstellt.753 Als Letztes sind nun die Beziehungen zwischen Lev 26 und der Gerichtsansage an die Berge Israels in Ez 6 mit einzubeziehen. So ist in beiden Texten das Motiv des Schwertes belegt, das Jhwh über die Berge (Ez 6,3) bzw. über das Volk (Lev 26,25) kommen lassen wird (בוא hif.). 752 Vgl. WEIPPERT, Prosareden, 177f.; VIEWEGER, Beziehungen, 45f.; SCHÖPFLIN, Theo‐ logie, 243. 753 Vgl. MILGROM, Leviticus 26, 59.
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Neben diese Drohung wird in Ez 6,3 die Zerstörung (אבד pi.) der Höhen ()במות gestellt, die auch in Lev 26,30 belegt ist, wo allerdings in einer schärferen Formulierung von der Austilgung (שׁמד hif.) der Höhen ge‐ sprochen wird. Diese Austilgung ist ferner mit der Ankündigung ver‐ bunden, dass die Räucheraltäre ()חמן ausgerottet werden sollen (כרת hif.) und die Leichen der Israeliten ()פגריכם vor die „Leichen eurer Mist‐ dinger“ (גלוליכם )על־פגרי geworfen werden. Diese Ausführungen haben mehrere Querverbindungen zu Ez 6,4f., wo sich entsprechende Aussa‐ gen über das Zerbrechen ()שׁבר der Räucheraltäre (חמן, 6,4) und über den Umgang mit den Erschlagenen (חלליכם, 6,4) bzw. den Leichen der Israeliten (בני ישׂראל פגרי, 6,5a) finden, die vor die „Mistdinger“ (גלוליכם 6,4; 6,6; vgl. גלוליהם, 6,5a) gestreut werden sollen. ZIMMERLI hat vermutet, dass es sich bei Ez 6,5a um eine von Lev 26,30 her beeinflusste Glosse handelt;754 dagegen hat PETRY jüngst wahrscheinlich gemacht, dass Lev 26,30 insgesamt als von Ez 6,4f. beeinflusst zu betrachten ist.755 Dafür spreche insbesondere die Beleg‐ lage von גלולים, dessen singulären Vorkommen im Buch Leviticus 24 Belege im Ezechielbuch gegenüberstehen, so dass der Terminus in Lev 26,30 durch ezechielischen Einfluss zu erklären sei.756 Lev 26,30 ist darüber hinaus der einzige Vers in den Fluchreihen des Kapitels, der explizit kultische Vergehen der Israeliten erwähnt, während ansonsten nur allgemein die Ungehorsamkeit gegenüber Jhwh und seinen gött‐ lichen Geboten im Blick ist (vgl. Lev 26,3.14f.18.21.23.27.43). Eventuell kann die Aufnahme von Ez 6,4f. in Lev 26,30 im Zusammenhang mit der Voranstellung des Bilderverbotes in Lev 26,1 gesehen werden, das mit einiger Wahrscheinlichkeit als sekundär zu beurteilen ist.757 Eine weitere Verbindung zwischen den Texten findet sich schließlich in der zweiten Hälfte von Ez 6, wo Jhwh bekräftigt, dass die Erschlagenen auch an dem Ort zu finden sein werden, wo die Israeliten ihren wohl‐ gefälligen Rauch (ריח ניחח, 6,13; vgl. Ez 16,19; 20,28.41) aufsteigen ließen. Vom wohlgefälligen Rauch ist auch in Lev 26,31 die Rede; hier allerdings in Form der Drohung, dass Jhwh die Annahme der Opfer verweigern wird ()ולא אריח בריח ניחחכם. 754 Vgl. ZIMMERLI, BK, 139f.; siehe auch ALLEN, WBC 28, 82. 755 Vgl. PETRY, Entgrenzung, 295; so auch schon POHLMANN, ATD, 104 Anm. 393, und GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 360. 756 Vgl. PETRY, Entgrenzung, 295. Vgl. auch PETRY, a.a.O., 329‐342, zu den גלולים im Eze‐ chielbuch. 757 Vgl. dazu auch PETRY, Entgrenzung, 342: „Leser des Pentateuch, die auch das Eze‐ chielbuch kannten, assoziierten bei der Lektüre von Lev 26 die auf die Fluchansagen dieses Kapitels zurückgreifenden Unheilsansagen aus Ez 4‐7, insbesondere Ez 6 und trugen die Bilderthematik mit dem Begriff גִּלּוּ ִלים in Lev 26,30 ein.“
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Die vorangehende Darstellung zeigt, dass das eingangs zitierte Ur‐ teil von ZIMMERLI mehr als zutreffend ist. Doch trotz des verwirrend vielgestaltigen Bildes gibt es in Bezug auf das gegenseitige Verhältnis der Texte in einigen Punkten größere Sicherheit als in anderen. So ist zuerst festzuhalten, dass die vielfältigen lexikalischen und inhaltlichen Querverbindungen eindeutig auf eine gegenseitige Kenntnis der bei‐ den Textstücke hindeuten, die aber je unterschiedlich zu fassen ist. Im Fall der Grundschicht in Ez 36,1‐15* ist die Frage der Beziehung kaum zu entscheiden; allerdings fällt unter Einbeziehung von Ez 34,25‐30 und Ez 37,25‐28 auf, dass die Hinwendung Jhwhs zu den Israeliten aus Lev 26,9 keine Aufnahme in den dortigen Heilsverheißungen gefunden hat. Sollte Ez 36,9 eine bewusste Aufnahme von Lev 26,9 darstellen, so wäre das eine mögliche Erklärung dafür, dass keine Entsprechung von Lev 26,9 in Ez 34,25‐30 und Ez 37,25‐28 vorliegt. Ebenso ist aber auch denkbar, dass es sich bei den Berührungen zwischen Ez 36,9 und Lev 26,9 um eine rein zufällige Parallele handelt und die Texte unabhängig voneinander entstanden sind. Erst der spätere Autor von Ez 34,25‐30*, der die Restitution des Landes im Anschluss an Ez 36,1‐15 beschreiben wollte, könnte die Nähe zu Lev 26,9 erkannt haben und hat seine Aus‐ sagen über den Heilsbund daraufhin in Anlehnung an die dortigen Segensaussagen gestaltet. 758 Die vielfachen Verbindungen zwischen Lev 26 und Ez 4‐6 sind ebenfalls schwer zu beurteilen.759 Wird im Bereich von Ez 4f. das litera‐ rische Minimum für einen Grundzyklus dreier Symbolhandlungen in Ez 4,1f.9‐11*; 5,1f.760 zugrunde gelegt, gibt es mit במשׁקול in Ez 4,10 und der Zerstreuung ()זרה in den Wind Ez 5,2 zwei mögliche Berührungen auf der Ebene der literarischen Grundschicht, während alle anderen Querverbindungen in den entsprechenden Fortschreibungen vorliegen. Dort finden sie sich allerdings so weit gestreut und so zahlreich, dass auf allen Ebenen des Textwachstums mit einer literarischen Verbin‐ dung zu Lev 26 gerechnet werden kann. In zwei Fällen konnte hier ein‐ deutig gezeigt werden, dass die Richtung der Auslegung von Lev 26 zum Ezechielbuch verläuft. So kennt Ez 4f. ein Ensemble von göttlichen 758 Anders spricht LEVIN, Verheißung, 224, davon, dass die Einzelheiten des Segens in Lev 26,3‐13 „aus verschiedenen Heilsworten des Ezechielbuches zusammengesucht“ (Ez 34,25‐30*; 36,9; 37,26‐27*) seien. Zu dem Verhältnis der Heilsverheißungen in Ez 34 und 37 zu Lev 26 vgl. ausführlich o. Kap. III. 4.4.3. 759 GREENBERG, AncB, 127, betrachtet Ez 5,5‐17 als abhängig von Lev 26, während ALLEN, WBC 28, 92‐96, in Bezug auf Ez 4‐6 zwar ELLIGERS Annahme einer gemein‐ samen Quelle zugrunde legt, dann aber zu dem Schluss kommt, dass Ezechiel und seine Schule auch auf Lev 26 in Form der schon erweiterten Agenda zurückgegriffen hätten (vgl. ALLEN, a.a.O., 96). 760 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.4.2.
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Unheilsansagen, das die aus dem Jeremiabuch entlehnte Plagentrias mit dem in Lev 26 vorkommenden Bild vom Zerbrechen des Brotstabes verbindet. Unter der Voraussetzung eines umgekehrten Abhängig‐ keitsverhältnisses wäre nur schwer zu erklären, warum in Lev 26 der Hunger (רעב, Ez 5,12 u. ö.) nur in der bildlichen Umschreibung aufge‐ nommen wäre, ohne dass das Stichwort רעב fiele. Das Motiv der Zer‐ streuung erfährt hingegen eine Verstärkung im Ezechielbuch: Während nach Lev 26,33 eine Zerstreuung unter die Völker vorgesehen ist, spre‐ chen Ez 5,2.10.12 und 12,14 von der Zerstreuung in den Wind. Dieses Gerichtsbild, das in Ez 5,2.12 noch mit dem Schwertmotiv verbunden wird, suggeriert mehr noch als die Zerstreuung unter die Völker die Hoffnungslosigkeit der aus ihrem Land Vertriebenen, die gleichsam „vom Winde verweht“ werden. Lev 26,33 als der traditionskonfor‐ meren und milderen Gerichtsdrohung ist deshalb der Vorzug vor den Belegen im Ezechielbuch zu geben. Auch wenn in Einzelfällen eine umgekehrte Beeinflussung vorliegen kann, wie das für die Götzen‐ polemik in Ez 6,4f./Lev 26,30 der Fall ist, spricht die weite Streuung der Belege in Ez 4‐6 dafür, dass die Unheilsansagen zu einem großen Teil aus Lev 26 entlehnt worden sind. Im Fall des Redegangs Ez 14,12‐20 ist zuerst zu berücksichtigen, dass der Text auf der Ebene der vorliegenden Buchgestalt eine Aus‐ weitung der in Ez 5,5‐17 eingeführten Gerichtsinstrumente auf das Land darstellt. Das legt die Vermutung nahe, dass der Text entweder derselben literarischen Schicht angehört wie Ez 5,5‐17761 oder, was m. E. wahrscheinlicher ist, als sekundäre Reflexion über die in Ez 4‐6 eingeführten Gerichtsansagen gestaltet ist. Auch wenn einige Querver‐ bindungen zum Heiligkeitsgesetz in Ez 14,12‐20 durch Rezeptionen von Ez 4‐6 erklärt werden können, hat sich zumindest für Ez 14,17 gezeigt, dass hier eine eindeutige literarische Anspielung auf Lev 26,6 vorliegt. Für den Geschichtsrückblick in Ez 20 ist dagegen in Betracht zu ziehen, ob sich das wiederkehrende Motiv von Israels Ungehorsam gegenüber Jhwh einer Aufnahme der Bedingungen über den Gesetzes‐ gehorsam in Lev 26 verdankt. Wird noch die Auslegung von Lev 26,3‐13 in Ez 34,25‐30* und Ez 37,25‐28* mit in die Überlegungen einbezogen, so finden sich in meh‐ reren Texten und auf verschiedenen Stadien des Buchwachstums ein‐ deutige Auslegungen der einzelnen Segens‐ und Fluchbestimmungen des Heiligkeitsgesetzes. Dies spricht für eine grundsätzliche Priorität 761 Vgl. z. B. POHLMANN, ATD, 195f., nach dessen Druckbild im Kommentar Ez 14,7‐20 ebenso wie der Grundbestand in Ez 4‐6* zu den Texten seines älteren Propheten‐ buches zu zählen ist.
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von Lev 26,762 das auf mehreren unterschiedlichen Wachstumsstufen des Ezechielbuches rezipiert worden ist. Auch wenn damit nicht aus‐ zuschließen ist, dass einzelne Bezüge zwischen den Texten entweder durch Auslegungsprozesse innerhalb des Ezechielbuches zu erklären sind oder Parallelangleichungen in Lev 26 an das Ezechielbuch darstel‐ len, so ergibt sich doch in Grundzügen das folgende Bild: Die ur‐ sprünglichen Symbolhandlungen in Ez 4,1‐5,2* zeigen einige wenige Nähen zu Lev 26, die entweder zufällig sind oder bereits Anspielungen auf die dortigen Fluchbestimmungen darstellen. Ausgehend von die‐ sen Parallelen sind die Zeichenhandlungen mit Unheilsweissagungen und Gerichtsbegründungen fortgeschrieben worden, die das Unheil über Land und Stadt in den Farben des in Lev 26,14‐39 angedrohten Gottesgerichtes malen. Im Rahmen dieses Auslegungsvorganges ist wahrscheinlich auch Ez 14,12‐20 entstanden, das einerseits Reflexionen über die Unheilsansagen in Ez 4‐6 enthält, andererseits aber auch neue Anleihen an Lev 26 macht. In gleicher Weise wie das Unheil wird auch das Heil in Ez 34,25‐30* und Ez 37,25‐28* als die Realisierung der Segensverheißungen aus Lev 26,3‐13 beschrieben. Schließlich fasst der geschichtliche Rückblick in Ez 20* das wiederkehrende Jhwh‐widrige Verhalten des Volkes in eine Terminologie, die in großer Nähe zu den Verhaltensvorschriften in Lev 26 steht. Der in Lev 26 beschriebene (po‐ tentielle) Fall des Ungehorsams wird in Ez 20 zum wiederkehrenden Verhalten des Volkes in der Geschichte mit seinem Gott. Lev 26 kommt damit eine zentrale Bedeutung für das Ezechielbuch zu, da das Kapitel gleichsam den Orgelpunkt bildet, der Gerichts‐ und Heilsansagen des Buches durchzieht und die Segens‐ und Fluchreihen des Heiligkeitsgesetzes zum Maßstab des göttlichen Handelns macht. In umgekehrter Perspektive lassen die Auslegungsvorgänge ein Ver‐ ständnis von Lev 26 erkennen, das dem Text prophetischen Charakter und Status zuweist. Die vom Gesetzesgehorsam abhängigen Bestim‐ mungen werden im Ezechielbuch Inhalt der prophetischen Gerichts‐ und Heilsverkündigung. Diese Ergebnisse des vorliegenden Exkurses sind nicht ohne Konsequenzen für die Entstehungshypothese des Bu‐ ches. Aufgrund der aufgezeigten Bezüge zu Lev 26 muss bereits für die Grundschicht mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass sie das um Lev 26 ergänzte Heiligkeitsgesetz bereits voraussetzt oder zumindest in unmittelbarer Nähe dazu zu datieren ist. 763 762 So auch HAAG, Untersuchung, 136f., und MILGROM, Leviticus 26, 61f., während GRÜNWALDT, Heiligkeitsgesetz, 348‐365, insbes. 364, mit einer durchgehenden Prio‐ rität der Ezechieltexte gegenüber Lev 26 rechnet. 763 Vgl. dazu u. Kap. IV. 3.3. Ähnlich urteilt auch PETRY, Entgrenzung, 382, aufgrund der Beziehungen von Ez 4‐7 zu den Fluchbestimmungen in Lev 26 über das Ezechiel‐
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7.6. Die Heilswende für das Land und seine Bewohner Mit dem Gerichtswort über das Gebirge Seir und dem Heilswort an die Berge Israels liegt in Ez 35,1‐36,15 sowohl in literarischer als auch in theologischer Hinsicht der Kern der Heilsprophetien in Ez 34‐39 vor. So hat sich zuerst gezeigt, dass mit einer Grundschicht im Bereich von 36,1‐11* zu rechnen ist, die in Verbindung mit der Verheißung an die Gola in Ez 37,1‐6* die anfängliche Heilsverheißung des Ezechielbuches bildet und die weiteren Fortschreibungen angestoßen hat. Der nucleus der Bergkapitel in Ez 36,1‐11* nimmt dabei in zwei‐ facher Hinsicht eine wichtige Stellung innerhalb der Buchkomposition ein: Zuerst bildet das Heilswort für die Berge Israels das Gegenstück zur Unheilsansage in Ez 6,1‐7*, so dass durch diese Querverbindung ein Bogen zur Gerichtsprophetie des ersten Buchteils geschlagen wird. Ez 36,1‐11* und 6,1‐7* zeichnen sich ferner dadurch aus, dass in ihnen die personifizierend‐metaphorische Redeweise von den Bergen Israels begegnet, in der das Schicksal des Landes und seiner Bewohner ver‐ handelt wird. Diese Rede besitzt zionstheologische Wurzeln, wobei die Attribute des Gottesberges auf den älteren Schichten des Ezechiel‐ buches auf das Land übertragen werden. Erst in relativ jungen Texten des Buches tritt der hohe und heilige Gottesberg neben die Berge Israels, so dass hier eine zunehmende Orientierung auf Zion‐Jerusalem hin erkennbar wird. Zweitens nimmt Ez 36,1‐11* aber auch eine redaktionelle Scharnier‐ funktion ein, da sich mit der Heilsansage an die Berge Israels der Übergang von dem Gericht über die Fremdvölker in Ez 25,1‐26,6* hin zur Heilswende Israels vollzieht. Diese Scharnierposition hat dazu geführt, dass das Grundwort eine Vielzahl von Überarbeitungen erfah‐ ren hat, in denen der Umschwung zum Heil immer wieder neu durch‐ dacht wird. Die wichtigste Überarbeitung besteht dabei in der Voran‐ stellung des Ausgangstextes in Ez 35,1‐12*, durch die das Gericht über das Gebirge Seir zur Voraussetzung der Heilswende für die Berge Israels wird. Die weiteren Fortschreibungen im Bereich des Textblockes 35,1‐36,15 bauen diesen Gegensatz immer weiter aus, bis das Gebirge Seir als Chiffre für den Erzfeind Israels das Gericht erfährt, das in Ez 6,1‐7* ursprünglich den Bergen Israels zugedacht war. Auf diese Weise beginnt in 35,1‐36,15 ein Auslegungsvorgang, der schließlich dazu führt, dass der gesamte Zusammenhang der Fremdvölkerworte Kap. 25‐32 zur Kehrseite der Heilsverheißungen an Israel wird. buch: „Je nach Datierung des Heiligkeitsgesetzes können die exilische Ansetzung oder auch die Existenz eines ‘älteren Prophetenbuches’ deshalb durchaus bezweifelt werden.“
Kapitel IV REDAKTION ALS REZEPTION 1. Rückblick und weiteres Vorgehen Am Anfang dieser Arbeit stand mit dem Hirtenkapitel eine exempla‐ rische Untersuchung des ersten Heilswortes im Bereich von Ez 34‐39 (Kap. II. 1.‐3.), von der ausgehend eine erste Sichtung der Prophetien in diesem Buchteil unternommen werden konnte (Kap. II. 4.). Dabei hat die textgeschichtliche Untersuchung ergeben, dass der griechische Papyrus 967 in seiner Kapitelfolge eine gegenüber dem masoretischen Text ursprünglichere Buchfassung bewahrt hat (Kap. II. 4.2.), so dass die Textanordnung des Pap. 967 dieser und allen folgenden Analysen zugrunde gelegt worden ist. Auf der Grundlage der ersten redaktions‐ geschichtlichen Einordnung wurden anschließend in einem rückwärti‐ gen Gang durch die Texte die einzelnen literarischen Schichten im Bereich von Ez 34‐39 abgehoben, um von der gegebenen Buchgestalt bis zu den ältesten Texten zurückzufragen (Kap. III). Die Aufgabe des abschließenden vierten Kapitels ist es, die bisheri‐ gen Ergebnisse in einer synthetisch‐redaktionsgeschichtlichen Gegen‐ probe auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen, die Konsequenzen für die Gesamtanlage des Buches zu bedenken und den Ertrag für die Fragestellung festzuhalten. Entsprechend dieser Aufgabenstellung glie‐ dert sich die folgende Darstellung in zwei Abschnitte: Zuerst ist in umgekehrter Richtung das literarische Wachstum in Ez 34‐39 von den Anfängen der Heilsverheißung bis zur Schlussgestalt des Buchab‐ schnittes zu skizzieren (Kap. IV. 2.). Dabei sind die literarischen Diffe‐ renzierungen redaktionell einzuordnen und soweit möglich theologie‐ und zeitgeschichtlich zu verorten. Unter dem Gesichtspunkt der Re‐ zeption wird insbesondere zu fragen sein, wie sich das Aussageprofil der Buchgestalt auf den einzelnen literarischen Wachstumsstufen durch die neu hergestellte Einheit von Text und Auslegung verändert. Auf diese Weise kann die Redaktionsgeschichte der Kap. 34‐39 als Rezeptionsgeschichte verständlich gemacht werden.1 Die Darstellung beschränkt sich allerdings auf die gegenseitige Zuordnung der in den 1
Zum Verhältnis von Redaktion und Rezeption vgl. die methodische Grundlegung o. Kap. I. 2.1.
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Redaktion als Rezeption
Einzeltextanalysen eruierten Grundschichten und ihrer signifikanten Fortschreibungen, ohne dass sämtliche Wachstumsstufen berücksich‐ tigt werden.2 Ausgehend von den Ergebnissen in Ez 34‐39 kann im zweiten Hauptteil der Versuch gewagt werden, die Ergebnisse auf das gesamte Buch zu übertragen (Kap. IV. 3.). Hier wird insbesondere zu prüfen sein, in welchem Verhältnis die Grundschicht der Heilsprophetien zur ursprünglichen Buchgestalt steht und welche Aussagen sich über diese treffen lassen. Da sich gezeigt hat, dass die ältesten Texte in Ez 34‐39 in der Fiktion des Buches eine Golaorientierung aufweisen, ist auch zu untersuchen, welche Funktion das Bild der Gola im Ezechielbuch hat und welche zeit‐ und theologiegeschichtliche Situation es voraussetzt. Schließlich ist in einem kurzen Resümee (Kap. IV. 4.) auf die Aus‐ gangsfrage dieser Untersuchung zurückzukommen und zusammen‐ fassend darzustellen, inwieweit die Prophetie im Ezechielbuch unter dem Vorzeichen der Schriftgelehrsamkeit betrachtet werden kann.
2. Das literarische Wachstum der Heilsprophetien im Ezechielbuch 2.1. Zur Entstehung von Ez 34‐39 2.1.1. Die Grundschicht Die literarkritische Analyse ist zu dem Ergebnis gekommen, dass mit Ez 36,1‐11*3 und Ez 37,1‐6* die ältesten Texte im Bereich von Ez 34‐39 vorliegen. Obwohl es sich mit den Restaurationszusagen an die Berge Israels und der ursprünglichen Totenfeldvision um zwei relativ eigen‐ ständige Texte unterschiedlicher Gattung handelt, haben die tendenz‐ kritischen Gesichtspunkte den Ausschlag dafür gegeben, einen durch‐ gehenden Textzusammenhang anzunehmen.4 Für diese These spricht vor allem, dass mit Ez 36,11 keine Zielaussage für die Heilsverheißun‐ gen an die Berge Israels vorliegt, da offen bleibt, wann und wie sich die Heilswende vollziehen wird. Genau darauf antwortet aber die Wieder‐ 2
3
4
In der folgenden Darstellung wird nur dann mit Fußnoten auf die Ergebnisse der Einzeltextanalysen in Kap. III. verwiesen, wenn sich aus dem Text nicht klar ergibt, auf welche Analyse die Ausführungen bezogen sind. Die asterisierten Angaben bezeichnen im Folgenden die jeweilige Grundschicht. Zur genauen Abgrenzung der einzelnen Texte vgl. die jeweiligen Einzeltextanalysen in Kap. III. Vgl. dazu o. Kap. III. 7.3.
Das literarische Wachstum der Heilsprophetien im Ezechielbuch
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belebung der ersten Gola, die Ezechiel in der Vision 37,1‐6* schaut und mit der das Heilswirken Jhwhs als in Gang gesetzt dargestellt wird.5 Dabei korrespondiert der in 36,11 verheißenen Vermehrung (רבה hif.) der Bevölkerung die in Motiven der Schöpfungstheologie beschriebene Wiederbelebung der Gola in der Vision. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass beide Texte Verbindungen zu Ez 6,1‐7* aufweisen, ein Text, in dem der Prophet den Bergen Israels die Verwüstung und die Vernichtung der Bevölkerung im Land ansagt, so dass die Textfolge Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* insgesamt als Gegenstück zur Gerichtsansage in 6,1‐7* verstanden werden kann. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen für das Aussageprofil der ursprünglichen Heilsverheißungen: Diese sind zuerst „golaorientiert“6 in dem Sinne, dass das Potential für die Wiederbesiedelung allein von der ersten Gola zu erwarten ist, die an die Stelle der in Ez 6,7 vom Schwert erschlagenen Bevölkerung tritt. Damit sind auch die Restitu‐ tionszusagen an die Berge Israels in 36,1‐11* unter dem Vorzeichen der Gola zu interpretieren: Was den Bergen hier verheißen wird, ist die Bereitung des Landes für die Gola, aus deren Perspektive außerhalb des Landes die Verheißung ergeht. Zweitens ist die Grundschicht in Ez 34‐39 eindeutig landorientiert, wie die Rede von den Bergen Israels zeigt. Wenn die Überlegungen zutreffend sind, dass sich die personifi‐ zierend‐metaphorische Rede von den Bergen einer Übertragung der mit dem Zion verbundenen Attribute auf das Land verdankt,7 so rich‐ tet sich die Hoffnung für die Zukunft auf das Heilsland und gerade nicht auf die Stadt oder den Gottesberg. Diese These steht allerdings unter der Prämisse, dass die Grundschicht in Ez 34‐39 keine umfang‐ reiche Fortsetzung mehr im Verfassungsentwurf Ez 40‐48 findet.8 An dieser Stelle ist nun zu fragen, ob es sich bei den Grundworten im Bereich von Ez 34‐39 um verschriftete Prophetenworte handelt oder ob man es hier von Anfang an mit einem literarisch konzipierten Text zu tun hat, der sich der Gattung der Prophetenbiographie bedient. 5
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Vgl. POHLMANN, ATD, 29f., der mit diesem Argument im ersten Teil seines Kom‐ mentares noch vermutet, mit 37,1‐14 liege das Ende seines golaorientiert überarbei‐ teten Ezechielbuches vor. Dagegen vertritt er mit Verweis auf die Untersuchungen von RUDNIG im zweiten Band die Meinung, dass die Heilszusagen an die Gola durch weitere Verheißungen in 37,25‐28* und durch Teile des Verfassungsentwurfes kom‐ plettiert wurden (vgl. POHLMANN, a.a.O., 499; siehe dazu auch RUDNIG, ATD, 529‐ 533, und DERS., Heilig, 67‐71.190‐200). Beide setzen allerdings voraus, dass der gola‐ orientierten Fassung des Ezechielbuches ein älteres Prophetenbuch vorausgeht, das aus der Sicht des Landes konzipiert ist und mit 35,1‐12*; 36,1‐11*; 37,11‐14* endet. Zum Stichwort der Golaorientierung und dem theologiegeschichtlichen Konzept, das sich damit verbindet, vgl. u. Kap. IV. 3.3. Vgl. dazu o. Kap. III. 7.4.4. Zu diesem Nachweis vgl. u. Kap. IV. 3.2.
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Redaktion als Rezeption
Endgültig wird die Frage nicht zu entscheiden sein, weil die Kriterien fehlen, um ein authentisches von einem „falschen“ Prophetenwort zu unterscheiden. Allerdings zeigt bereits der ursprüngliche Textzusam‐ menhang von Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* mit der vorausgehenden Sammlung der Fremdvölkerworte in Ez 25,1‐26,6* die für das Buch charakteris‐ tische einheitliche Gestaltung mit Formelgut. Darüber hinaus sind die Stücke bewusst als literarisches Gegenstück zu den Unheilsansagen in Ez 6,1‐7* gestaltet und setzen eine Reihe von Texten aus anderen Pro‐ phetenbüchern voraus. Insgesamt legt dies die Vermutung nahe, dass es sich bei den ursprünglichen Heilsverheißungen um bewusst als Teile eines Prophetenbuches gestaltete Texte handelt. Dieses ist im Sin‐ ne einer pseudepigraphischen Komposition zu verstehen, da die Texte zwar die Autorität des Propheten Ezechiel für sich in Anspruch neh‐ men, aber nicht auf eine historische Figur zurückgeführt werden kön‐ nen.9 Für die weitere theologie‐ und zeitgeschichtliche Einordnung der Heilsverheißungen im Ezechielbuch ist damit Folgendes festzuhalten: Die anfänglichen Heilsworte in Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* (I)10 richten sich entsprechend der historischen Fiktion des Buches an die erste babylo‐ nische Gola, aus deren Perspektive die Heilsdefizienz des Landes wahrgenommen wird. Unter der Voraussetzung, dass die spezifische Redeweise von den Bergen Israels auf die Rede von Zion als Gestalt bezogen ist, die erst in einem gewissen zeitlichen Abstand zum Ende des Exils ausgebildet vorliegt,11 ist hier von einer Abfassung in der frü‐ hen bis mittleren Perserzeit auszugehen. Für diese Einordnung spricht auch die Restitutionsbedürftigkeit des Landes, bei der ähnlich wie im Deuterojesajabuch die desolate Lage im Juda der nachexilischen Zeit vor Augen stehen könnte, die bis weit in die persische Zeit hinein an‐ dauerte. Diese absolute Datierung wird weiter zu überprüfen sein, wenn genauere Aussagen über die Buchgestalt getroffen werden kön‐ nen, zu der die Grundschicht der Heilsverheißungen in Ez 34‐39 ge‐ hört. 2.1.2. Die ersten Erweiterungen der Grundschicht 2.1.2.1. Textbestand Zu den ersten Erweiterungen der Grundschicht in Ez 34‐39 gehören nach den bisherigen Ergebnissen vier Texte, die sich an beiden Seiten 9 Vgl. dazu auch schon SCHÖPFLIN, Theologie, 345. 10 Die römischen Ziffern hier und im Folgenden beziehen sich auf die Schichtentabelle auf S. 409. 11 Vgl. dazu STECK, Zion, 144.
Das literarische Wachstum der Heilsprophetien im Ezechielbuch
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der Textfolge Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* angelagert haben und deren Aussage‐ absicht fortführen. Es handelt sich dabei um Ez 34,1‐10*; 35,1‐12*; 37,11‐13a* und 37,13b‐14*. Diese Texte können in zwei Gruppen auf‐ geteilt werden: Für die erste Stufe der Nachinterpretation kommen nur das Gerichtswort über das Gebirge Seir in 35,1‐12* und das Disputa‐ tionswort in 37,11‐13a* in Frage, da der sachliche und literarische Zu‐ sammenhang dieser Texte mit 36,1‐11* bzw. 37,1‐6* in den anderen zwei Stücken bereits vorausgesetzt wird. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang auch die kurze Einschreibung in Ez 36,8b und das außerhalb von Kap. 34‐39 liegende Textstück Ez 33,23‐29 zu be‐ rücksichtigen sein, die in ihrer Aussageabsicht eine große Nähe zu 37,11‐13a* aufweisen. Der zweite Fortschreibungsschub umfasst dagegen Ez 34,1‐10* und Ez 37,13b‐14*, die sich an Anfang und Ende der um 35,1‐12* und 37,11‐ 13a* erweiterten Grundschicht anlagern und darin übereinstimmen, dass sie die Situation des Volkes im Land thematisieren. Es wird im Folgenden noch genauer zu untersuchen sein, inwieweit sich die unter‐ schiedlichen Fortschreibungsschübe in Form einer redaktionellen Bear‐ beitung systematisieren lassen und ob weiter zwischen den einzelnen Nachinterpretationen differenziert werden kann. 2.1.2.2. Der erste Fortschreibungsschub Auf der ersten Stufe der Nacharbeit wird die Grundschicht in Ez 34‐39* mit Ez 35,1‐12* und Ez 37,11‐13a* erweitert. Die beiden Texte erweisen sich als Fortschreibungen, die auf einen je unterschiedlichen litera‐ rischen Referenzrahmen bezogen sind. Das Gerichtswort über Seir in Ez 35,1‐12* bezieht sich auf das Korrelationsverhältnis zwischen Ez 6,1‐ 7* und Ez 36,1‐11*, in dem die Heilswende für die Berge Israels als Aufhebung des in 6,1‐7* angekündigten Gottesgericht über die Berge dargestellt wird. Der Feind spielt in diesem Geschehen nur insoweit eine Rolle, als er fälschlicherweise angenommen hat, vom Gottesgericht profitieren zu können, und das Land für sich in Anspruch nehmen wollte (36,2). Durch die vorangehenden Fremdvölkerworte in Ez 25,1‐ 26,6* ist bereits klar gestellt, dass die umliegenden Nachbarvölker das ihnen zukommende Gericht erleiden und für das Geschick Israels in Zukunft nicht mehr von Bedeutung sein werden (vgl. auch 36,7). Auf dieser Ebene der Buchgestalt erfüllt die Sammlung der Fremdvölker‐ worte die Funktion, die Zerstörung Jerusalems zeitlich und örtlich zu überbrücken, bevor mit 36,1 die Heilsverheißung an Israel einsetzt. Dies ändert sich mit der Einschreibung von Ez 35,1‐12* vor 36,1‐ 11*. Da das Gericht über das Gebirge Seir in 35,1‐12* in formaler Anleh‐ nung an die Unheilsansage in Ez 6,1‐7* ergeht, wird zuerst verdeut‐
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licht, dass die Strafzeit Israels zu Ende ist und das Gericht auf Seir übergehen wird. Zugleich enthält 35,1‐12* eine Vielzahl von literari‐ schen Verbindungen zu den Kurzworten in 25,1‐26,6*, durch die das Gebirge Seir Züge des exemplarischen Fremdvolkes erhält. Der para‐ digmatische Charakter wird noch dadurch verstärkt, dass sich die Wahl von Seir zwar auch durch die geographischen Gegebenheiten erklärt, vor allem aber die literarische Tradition von Seir/Edom als Chiffre für den Erzfeind Israels voraussetzt. Der Antagonismus wird in diesem Text exemplarisch durchgeführt und hat sich dadurch seiner‐ seits als traditionsbildend erwiesen. Indem in den Bergkapiteln 35*/36* das Gericht am Erzfeind als Voraussetzung für die Heilswende Israels dargestellt wird, erhält die gesamte Abfolge der Fremdvölkerworte in 25,1‐26,6* mit 35,1‐12*; 36,1‐11* eine kausale Interpretation, durch die das Gericht über die umliegenden Nachbarvölker zur Kehrseite des Heils für Israel wird. Die Einschreibung von Ez 35,1‐12* zwischen die Sammlung der Fremdvölkerworte in Ez 25,1‐26,6* und das Heilswort an die Berge Israels in Ez 36,1‐11* hat damit auch buchredaktionellen Charakter, insofern eine Neulesung der vorliegenden Kompositionsgestalt inten‐ diert ist. Dies zeigt sich formal an der Wortereignisformel in 35,1, die das gesamte Textstück in 35,1‐12*; 36,1‐11* zu einem eigenständigen Wortereignis zusammenfasst und von der Sammlung in 25,1‐26,6* ab‐ trennt. Auf diese Weise entsteht in 35,1 ein Bucheinschnitt, mittels dessen die Gliederung des Buches in das dreiteilige eschatologische Schema „Gericht über Israel – Gericht über die Fremdvölker – Heil für Israel“ angelegt wird. Im Gegensatz dazu ist die Fortschreibung der Totenfeldvision durch das Disputationswort in Ez 37,11‐13a* nur auf den engeren Kon‐ text in Ez 36,1‐11* und 37,1‐6* bezogen. Mit dem Disputationswort wechselt das Bild von den zerstreuten Knochen zu den Gräbern, aus denen Jhwh das Volk herausholen muss, um es in sein Land zu führen. Hinter diesem Wechsel auf der Bildebene steht vermutlich eine An‐ spielung auf Jer 8,1‐3, wo die Heraufholung der Gebeine aus den Gräbern ein Gerichtsbild darstellt. Dieses Motiv wird in Ez 37,11‐13a* in eine Heilsankündigung gewendet, indem Jhwh dem Volk die Öff‐ nung der Gräber als Voraussetzung für die Rückführung in das Land ansagt. Erst durch diesen neuen Exodus vollzieht sich die Wiederbele‐ bung des Volkes, das nun auch explizit als das ganze Haus Israel be‐ zeichnet wird (כל־בית ישׂראל, 37,11). Aufgrund des redaktionellen Bezugs auf die vorhergehende Totenfeldvision in 37,1‐6* richtet sich 37,11‐13a* aber allein an die erste Gola, die das wahre Israel repräsentiert.
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Aus dieser Perspektive ist auf der vorliegenden literarischen Wachstumsstufe auch die Restitutionszusage an die Berge in Ez 36,1‐ 11* zu interpretieren: Wenn die Wiederbelebung des Volkes sich erst durch den neuen Exodus vollziehen wird, bedeutet dies, dass auch die Heilswende für das Land erst mit der Rückkehr der Bevölkerung ein‐ setzen kann. Es ist deshalb zu vermuten, dass dem Verfasser von 37,11‐ 13a* auch der Einzelverszusatz in Ez 36,8b zuzuschreiben ist, durch den die Heimkehr der Gola in das Heilswort an die Berge eingetragen wird. In diesem Zusammenhang ist weiterhin das Stück Ez 33,23‐29 zu bedenken, in dem der Prophet nach dem Eintreffen der Nachricht über den Fall der Stadt in Ez 33,21f. ein Wort gegen die im Land verbliebene Bevölkerung ausrichtet. Die Bewohner der Trümmerstätten reklamie‐ ren das Land mit Verweis auf Abraham für sich (33,24), woraufhin Jhwh ihnen aufgrund der verübten Gräuel das Gericht ansagt, das auch zur Verödung der Berge Israels beitragen wird (33,27‐29).12 Neben der kurzen Begründung mit den Gräueln in V 29bb, die eigentlich aus‐ reichend wäre, enthalten V 25f. einen ausführlichen Verweis auf die kultischen Vergehen der Landesbewohner. Da V 25 aber nicht nur durch den Anredewechsel zu 2. Pers. pl. auffällt, sondern nach der Bo‐ tenformel in V 25 bis einschließlich V 27init in der Septuaginta nicht bezeugt ist, kann im Anschluss an PETRY mit einem sekundären Zusatz in V 25abb‐27init (im Folgenden 33,25‐27*) gerechnet werden, durch den der Ausgangstext in 33,23‐25aa.27‐29* (33,23‐29*) erweitert worden ist.13 Der ursprüngliche Textbestand in Ez 33,23‐29* leistet zweierlei: Zuerst wird im Anschluss an den Bericht über die Einnahme der Stadt klar gestellt, dass das Gottesgericht auch das Land und seine Bewohner nicht verschonen wird. In 33,23‐29* wird damit die Situation begrün‐ det, die in 35,1‐12*; 36,1‐11*; 37,1‐6*.11‐13a* im Land vorausgesetzt ist; dies erklärt auch die vielfachen Stichwortbezüge, die der Text zu dieser Textfolge aufweist.14 Darüber hinaus tritt das Stück implizit für die Vorrangstellung des Israels außerhalb des Landes gegenüber den Be‐ sitzansprüchen der Restbevölkerung ein. Es kann deshalb vermutet werden, dass 33,23‐29* redaktionsgeschichtlich in die Nähe von 37,11‐ 12 Das Gerichtswort enthält mit der Androhung von Schwert, wilden Tieren und Pest eine Ankündigung der Plagentrias, wie sie sich auch in den Erweiterungen der Grundschicht im ersten Teil des Buches findet; vgl. dazu o. Kap. III. 7.5. 13 Vgl. PETRY, Entgrenzung, 331f., und erwägungsweise schon POHLMANN, ATD, 455 Anm. 36. Ansonsten wird mehrheitlich die literarische Einheitlichkeit von 33,23‐29 vertreten; vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 815; ALLEN, WBC 29, 150. 14 Vgl. dazu o. Kap. II. 4.3.
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13a* und 36,8b gehört, wo das wahre Israel explizit mit der außerhalb des Landes befindlichen Volksgröße identifiziert wird. Damit hat sich gezeigt, dass neben Ez 37,11‐13a* auch in der kurzen Einschreibung 36,8b und in dem außerhalb der Heilsprophetien Kap. 34‐39 liegenden Stück 33,23‐29* die Golaorientierung der Grundschicht fortgeführt wird. Zu diesem Fortschreibungsschub gehört vermutlich ebenso das Gerichtswort gegen Seir in 35,1‐12*, in dem aber nicht die Gola‐, sondern die Landorientierung der ursprünglichen Heilsverhei‐ ßung eine thematische Fortsetzung findet. Im direkten Vergleich der beiden größeren Fortschreibungen in 35,1‐12* und 37,11‐13a* fällt es deshalb schwer, eine Entscheidung über das gegenseitige literarische Verhältnis zu treffen, da die beiden Texte völlig unterschiedliche Inte‐ ressen verfolgen. So muss es bei der Aussage bleiben, dass sie in un‐ mittelbarer literarischer und zeitlicher Nähe zueinander abgefasst sind und beide eine inhaltliche Weiterführung der Aussageabsicht der Grundschicht darstellen. 2.1.2.3. Der zweite Fortschreibungsschub Auf den folgenden literarischen Wachstumsstufen wird die Nachinter‐ pretation am Anfang und am Ende der erweiterten Grundschicht fortgesetzt. Wenn die kleineren Fortschreibungen innerhalb der Berg‐ kapitel vernachlässigt werden, kommen für die nachfolgende Wachs‐ tumsstufe nur das Grundwort des Hirtenkapitels in Ez 34,1‐10* oder die Erweiterung des Disputationswortes in Ez 37,13b‐14* in Frage, da alle anderen Texte im Bereich von Ez 34‐39 Kap. 34 und 37 in dieser literarischen Gestalt bereits voraussetzen. Im Grundwort des Hirtenkapitel Ez 34,1‐10* sagt Jhwh den Fremd‐ völkerhirten Israels im Land das Gericht an und verheißt dem orientie‐ rungslosen Volk, dass er selbst sich seiner annehmen wird. Wie gezeigt werden konnte, basiert das gesamte Hirtenkapitel auf einer Auslegung des Wortes gegen die Könige Judas in Jer 23,1‐6. Auf der Ebene der Grundschicht liegt dem Autor von Ez 34,1‐10* das Gerichtswort in Jer 23,1f.(3f.)15 vor, in dem die Könige im Bild der Hirten für die Zerstreu‐ ung der Herde verantwortlich gemacht werden. Dieses Bild für die Situation im vorexilischen Juda wird in Ez 34,1‐10* aufgenommen und auf die nachexilischen Verhältnisse im Land übertragen. Die Hinter‐ gründe für die Rezeption von Jer 23,1f. in Ez 34,1‐10* sind in den Berg‐ kapiteln zu vermuten, deren Heilskonzeption sich für den Autor von 15 Es ist möglich, dass in der Auslegung von Jer 23,1f. in Ez 34,1‐10* auch die Fort‐ schreibung Jer 23,3f. bereits vorausgesetzt ist; dies konnte aber nicht endgültig ge‐ klärt werden; vgl. dazu o. Kap. II. 3.3.
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34,1‐10* anscheinend als nicht ausreichend erwiesen hat. Hinter seiner Fortschreibung steht die Erkenntnis, dass es mit der Restitution von Land und Bevölkerung nicht getan ist, sondern dass die Lebensfähig‐ keit des Volkes durch die anhaltende Fremdherrschaft in persischer Zeit beeinträchtigt wird. Die Bedrohung durch die Fremdvölker ist eben nicht abgewendet worden, sondern setzt sich unter veränderten Vorzeichen in der Fremdherrschaft im eigenen Land fort. Dort ist die Verhöhnung des Gebirges Seir, sich die Berge Israels zum Fraß nehmen zu wollen, für das Volk zur Realität geworden (34,8.10; vgl. 35,12). Das Bild der Berge hat dabei wahrscheinlich die Assoziation mit den Hirten hervorgerufen, die den Verfasser auf die Idee brachte, das Gerichts‐ wort in Jer 23,1f. als Vorlage für seinen Text zu verwenden. Durch die Einschreibung von Ez 34,1‐10* zwischen Ez 33,23‐29* und Ez 35,1‐12*; 36,1‐11* entsteht in Kap. 33‐35* ein Scharnierstück, in dem die Bedingungen des Heils unter verschiedenen Blickwinkeln re‐ flektiert werden: Während nach 33,23‐29* die Restbevölkerung im Land das Gericht erleiden muss, ehe das Heil eintritt, verbindet 34,1‐ 10* den Heilsbeginn mit der Absetzung der fremden Hirten im Land. Nach 35,1‐12* muss dagegen erst das exemplarische Gericht über die Fremdvölker ergehen, ehe mit 36,1‐11* die Heilsverheißungen an die Berge Israels einsetzen können. Die gewichtigste Neuinterpretation durch 34,1‐10* besteht aber darin, dass die Situation des Volkes im Land thematisiert wird, während auf den vorhergehenden Wachstums‐ stufen das Volk in Form der ersten Gola als außerhalb des Landes ge‐ dacht worden ist. Auch am anderen Ende der erweiterten Grundschicht lagert sich mit Ez 37,13b‐14* ein Stück an, das die Anwesenheit des Volkes im Land voraussetzt. In dieser letzten Fortschreibung des Disputations‐ wortes werden die vorausgehenden Verheißungen dahingehend korri‐ giert, dass die heilsentscheidende Geistverleihung nicht außerhalb des Landes stattfinden wird, sondern sich erst im Land vollzieht. Aus diesem soll das Volk in Zukunft nicht mehr exiliert werden. Mit dem Text ist buchfiktional eine 34,1‐10* vergleichbare Situation erreicht, da in beiden Texten die Erhaltung des Gottesvolkes durch Jhwhs Heils‐ handeln im Land thematisiert wird. Allerdings erweist sich die redak‐ tionsgeschichtliche Differenzierung der Stücke als schwierig. Aufgrund der vergleichbaren Aussageabsicht könnten sie durchaus einer gemein‐ samen Redaktion zugeordnet werden, allerdings muss das noch nicht bedeuten, dass sie auch auf dieselbe Hand zurückgehen. Der unter‐ schiedliche Charakter der beiden Texte spricht eher dafür, dass der Einzeltextfortschreibung in 37,13b‐14* die literarische Priorität zu ge‐ ben ist, da die dort vorausgesetzte Situation auf der Ebene des Buches
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als konsequente Weiterführung der an die Gola gerichteten Rückkehr‐ verheißung 37,11‐13a* verstanden werden kann. Der Ausgangstext im Hirtenkapitel 34,1‐10* knüpft an dieser Lagebeschreibung an und ver‐ wendet sie, um ein neues Thema einzuführen. 2.1.2.4. Redaktionsgeschichtliche Auswertung Die Ergebnisse der vorangehenden Überlegungen haben gezeigt, dass die ursprüngliche Heilsprophetie im Bereich von Ez 34‐39 zwei thema‐ tisch orientierte Fortschreibungsketten angestoßen hat, die sich an beiden Seiten der Grundschicht angelagert haben. Dabei entsteht durch die sukzessive Einschreibung von 35,1‐12*; 33,23‐29* und 34,1‐10* im vorderen Bereich ein Scharnierstück, in dem die Heilsbedingungen immer wieder neu durchdacht werden. Dies erklärt sich dadurch, dass mit der Voranstellung von 35,1‐12* vor 36,1‐11* ein Bucheinschnitt ge‐ schaffen worden ist, so dass die Nacharbeit in diesem Bereich den übergreifenden Kontext vor Augen hat. Durch die Fortschreibungen im hinteren Bereich in 37,11‐13a* (mit 36,8b) und 37,13b‐14* bildet sich dagegen eine Textabfolge, in der die Frage bedacht wird, wer das wahre Gottesvolk ist und unter welchen Voraussetzungen sich die Wiederbelebung dieser Größe vollziehen wird. Auch wenn es schwierig erscheint, diese thematischen Nachinter‐ pretationen im Sinne buchübergreifender Bearbeitungen zu systemati‐ sieren, lassen sich doch zwei Fortschreibungsschübe mit unterschied‐ lichen redaktionellen Interessen unterscheiden: 33,23‐29*; 37,11‐13a* und die Einschreibung von 36,8b berühren sich darin, dass in ihnen die Golaorientierung der Grundschicht weitergeführt wird und die Rück‐ kehr in das Land als der eigentliche Beginn des Heils dargestellt wird. Wie die literarische Differenzierung gezeigt hat, gehört auch die Fort‐ schreibung 35,1‐12* zu dieser Bearbeitungsstufe (II), in der aber nicht die Gola‐, sondern die Landorientierung der Grundschicht eine inhalt‐ liche Weiterführung findet. Den zweiten Fortschreibungsschub bilden dagegen die Nachinterpretationen 37,13b‐14* und 34,1‐10*, in denen der Blick nun auf das Volk (die heimgekehrte Gola) im Land gerichtet wird (III). 2.1.3. Die weiteren Fortschreibungen 2.1.3.1. Textbestand Mit der zweiten Überarbeitung der Grundschicht, in deren Verlauf der vorliegende Textbestand Ez 35,1‐12*; 36,1‐11*; 37,1‐6* um 34,1‐10* und 37,13b‐14* erweitert worden ist, sind mit Ausnahme der Gog‐Perikope
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in Ez 38f. alle Kapitel in ihrem Grundbestand angelegt. Auf den nach‐ folgenden literarischen Wachstumsstufen wird die Redaktion der Heilsprophetien vor allem durch zwei Entwicklungen bestimmt: Zuerst entsteht in Ez 34 und 37 ein gegenseitiger literarischer Auslegungs‐ prozess, in dem die beiden Kapitel sukzessive zu den Säulen der heils‐ prophetischen Komposition anwachsen. Durch diese Nachinterpreta‐ tion in Kap. 34 und 37 wird darüber hinaus im Bereich von Ez 36,16‐ 39,29 eine Fortschreibungstätigkeit ausgelöst, die sich mit Überlegun‐ gen zu der Frage beschäftigt, wie Jhwh sich vor den Völkern als heilig erweisen kann. Obwohl die Bearbeitungen in Ez 34 und 37 zum Teil parallel zur Entstehung der Heiligungskapitel in Ez 36,16‐39,29 ver‐ laufen, wird sich die folgende Darstellung in Kap. 2.1.3.2. zuerst auf Ez 34 und 37 konzentrieren, bevor im nachfolgenden Unterkapitel 2.1.3.3. die Textentwicklung in Ez 36,16‐39,29 zu skizzieren ist. 2.1.3.2. Fortschreibungen in Ez 34 und 37 Grundlage für die weitere literarische Entwicklung in Kap. 37 ist die Zeichenhandlung mit den zwei Hölzern in Ez 37,15‐19*, in der der Prophet symbolhaft die Wiedervereinigung von Nord‐ und Südreich vollzieht. Durch die Wortereignisformel in 37,15 ist das Textstück als eigenständige Aussageeinheit gekennzeichnet, bezieht sich aber sach‐ lich auf die vorangehende Diskussion über das wahre Israel in 37,11‐ 13a*.13b‐14* zurück. Anknüpfend an die Wiederbelebung des ganzen Hauses Israel (37,11) wird in 37,15‐19* die Einheit Israels als die Auf‐ hebung der Reichstrennung von Nord‐ und Südreich verheißen. Die (vorexilische) Reichstrennung erweist sich hier als Chiffre, unter der die anhaltende Aufteilung des Landes in die persischen Provinzen Ju‐ da und Samaria verhandelt wird. Hinter 37,15‐19* ist deshalb ein Autor zu vermuten, der die politische Spaltung des Volkes als Heilshindernis ansieht, das durch das Handeln Jhwhs überwunden werden muss. Da sich 37,15‐19* damit ebenso wie das literarisch vorhergehende Stück 34,1‐10* mit der politischen Situation im Land beschäftigt, ist es in zeit‐ und theologiegeschichtlicher Hinsicht in die Nähe von 34,1‐10* einzu‐ ordnen. 16 Neben den Bezugnahmen auf den engeren literarischen Kontext zeigt Ez 37,15‐19* auch eine Reihe von Verbindungen zum ersten Buch‐ teil. So ist die Symbolhandlung formal dem Zeichenhandlungszyklus 16 Die Frage des gegenseitigen Verhältnisses von 34,1‐10* und 37,15‐19* konnte nicht endgültig geklärt werden, auch wenn am ehesten ein redaktionsgeschichtlicher Ort von 37,15‐19* zwischen der Abfassung von 34,1‐10* und der Abfassung von 34,11‐15* anzunehmen ist; vgl. dazu o. Kap. III. 5.3.
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in Ez 4,1‐5,2* nachempfunden, wobei allerdings der Befehl an den Pro‐ pheten, auf die Hölzer zu schreiben, eine Anspielung auf Jes 8,1 dar‐ stellt. Die Frage, ob Ez 37,15‐19* bereits die Erweiterung der ursprüng‐ lichen Zeichenhandlungen in Ez 4,4‐8 voraussetzt, wo der Prophet für Nord‐ und Südreich getrennt die Strafdauer vorabbildet, musste offen gelassen werden. Auf der Ebene der vorliegenden Buchgestalt bilden die beiden Texte eine inclusio, durch die dem getrennten Gericht über die Teilreiche die Wiedervereinigung in der Heilszukunft gegenüber gestellt wird. Die sprachlichen Verbindungen zu Ez 4,1‐5,2* und Jes 8,1 reichen aber aus, um zu zeigen, dass sich der Autor von Ez 37,15‐19* bewusst der im Ezechiel‐ und im Jeremiabuch vorliegenden literari‐ schen Gattung der Zeichenhandlung bedient, um seiner Verkündigung eine besondere theologische Legitimität zu geben. Die vermutlich nachfolgende Fortschreibung im Hirtenkapitel in Ez 34,11‐15*17 setzt implizit ebenfalls eine Spaltungssituation voraus, bei der das Volk aber getrennt ist in Diaspora und die im Land befindliche Bevölkerung. In dieser Auslegung des Grundwortes überträgt der Au‐ tor die Zerstreuung des Volkes unter der Fremdherrschaft im Land (34,1‐10*) auf die Zerstreuung der weltweiten Diaspora. Jhwh wird dementsprechend als der gute Hirte dargestellt, der seine Schafe aus den Ländern sammeln wird, um im Land seine Königsherrschaft unter ihnen zu errichten. Dieses Auslegungsinteresse verdankt sich im Hir‐ tenkapitel einem erneuten Rückgriff auf die erweiterte Vorlage in Jer 23,1f.3f., die im Anschluss an das Gerichtswort über die Könige Judas (Jer 23,1f.) in 23,3f. ebenfalls eine Sammlungsverheißung für die Dias‐ pora enthält. Ez 34,11‐15* unterscheidet sich von der Vorlage im Jere‐ miabuch vor allem in der Frage, wer die Herde nach der Absetzung der schlechten Hirten übernehmen soll: An die Stelle der neuen mensch‐ lichen Hirten in Jer 23,3f. setzt der Verfasser im Ezechielbuch die Ver‐ heißung von Jhwhs Königtum, die damit als implizite Absage an die Herrscherverheißung in Jer 23,3f. zu interpretieren ist. Mit Ez 34,11‐15* beginnt die Phase der „Diasporaorientierung“ im Ezechielbuch, in der die Sammlung und Heimholung des zerstreuten Israels aus den Völkern zum herrschenden Interesse dieser und der nachfolgenden literarischen Wachstumsstufen wird. Eine vergleichbare Heilsperspektive, die auf das Israel in der Diaspora gerichtet ist, findet sich in allen drei großen Prophetenbüchern18 und wird im Allgemeinen 17 Vgl. dazu o. Anm. 16 und o. Kap. III. 5.3. 18 Für das Deuterojesajabuch hat KRATZ, Kyros, 206‐216, mit der Ebed‐Israel‐Schicht für das 5. Jh. v. Chr. eine diasporaorientierte Redaktionsschicht nachgewiesen, wäh‐ rend im Jeremiabuch zuerst LEVIN, Verheißung, 168f., und im Anschluss an diesen SCHMID, Buchgestalten, 269‐277.343f., eine diasporaorientierte Redaktion nachgewie‐
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mit der Konsolidierung der Lebensbedingungen im Land erklärt, durch die sich der Blick auf die noch nicht zurückgekehrten Teile des Gottesvolkes richtet. Diese Berührungen führen ebenso wie die theo‐ kratische Heilserwartung, die auch im Chronistischen Geschichtswerk und im Danielbuch belegt ist,19 auf eine Datierung in der mittleren oder späten Perserzeit. Die sowohl in Ez 34,11‐15* als auch in Ez 37,15‐19* dargestellte Spaltung des Gottesvolkes ist als Auslöser dafür zu sehen, dass es auf den folgenden literarischen Wachstumsstufen zu einer gegenseitigen Auslegung der beiden Kapitel kommt. Offenbar geht es den fortschrei‐ benden Autoren um den Nachweis, dass hier in beiden Fällen die Einheit desselben Volkes auf dem Spiel steht, was sie durch unter‐ schiedliche Bezugnahmen verdeutlichen. Dies zeigt sich in besonderem Maße an der ersten Fortschreibung der Zeichenhandlung in Ez 37,20‐ 23*. In dieser Nachinterpretation wird die Wiedervereinigung der bei‐ den Israel‐Teilgrößen durch Jhwh sekundär auf die Sammlung und Heimführung der Diaspora in das Land übertragen, wo nach der Rück‐ kehr ein einziger König über sie herrschen wird. Die zukünftige Einheit des Volkes wird durch die Bundesformel in 37,23bb*g besiegelt, so dass die Heilszukunft im Land auch durch die Erneuerung des Gottesver‐ hältnisses bestimmt wird. Die Formulierung der Sammlungsaussage in 37,20‐23* geschieht in einem Rückgriff auf die Verheißung des Neuen Exodus in 34,11‐15*, so dass auf dieser literarischen Wachstumsstufe 34,11‐15* und 37,15‐19* als die Darstellung ein und desselben Heilser‐ eignisses gelesen werden sollen. Unter dieser Voraussetzung legt es sich nahe, in dem einzigen König, der nach 37,20‐23* die Einheit des Volkes garantieren soll, eine Referenz auf den Hirten Jhwh in 34,11‐15* zu sehen. Die Königsherrschaft Jhwhs, die dort im Bild des Hirten ver‐ heißen wird, findet in 37,20‐23* eine sachliche Ausformulierung, wobei allerdings die Identität des einen Königs aus 37,22 mit dem göttlichen Hirten in Ez 34 nur offensichtlich ist, wenn das in der Auslegung ver‐ wendete traditum mit einbezogen wird. Auf dieser Fortschreibungsstufe wird vermutlich auch Ez 35,10 überarbeitet, ein Vers, in dem bisher nur vom Land die Rede ist, das Seir in Besitz nehmen will. In der Nachinterpretation wird die ur‐ sprüngliche, einfache Nennung des Landes durch die Formulierung von den zwei Völkern und zwei Ländern ersetzt, die eine Verbindung zwischen den Landkonzeptionen in Ez 35,1‐12* und 37,15‐19* herstellt. Der vermeintliche Besitzanspruch Seirs auf „die beiden Völker und die sen hat. SCHMID, a.a.O., 343, datiert diese vergleichbar mit der zeitlichen Ansetzung von KRATZ in das ausgehende 5. Jh. v. Chr. 19 Vgl. dazu KRATZ, Translatio, 260‐279.281‐286.
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beiden Länder“ ist als Anspielung auf die Trennung Israels zu inter‐ pretieren, die mit dem Beginn der Heilszeit für die Zukunft abgewen‐ det ist (vgl. 37,22). In diesem Zusammenhang ist weiterhin der (mehrschichtige) Nach‐ trag in Ez 36,12.13f.15 (36,12‐15) zu berücksichtigen, der in gleicher Weise wie die Bearbeitung in 35,10* durch die Fortschreibungen in Kap. 34 und 37 angestoßen worden ist. Das Textstück enthält mehrere Redegänge, in denen Ängste und Befürchtungen der Juden in der Dias‐ pora aufgegriffen werden, die sie von der Rückkehr in das Land abhal‐ ten. Dabei wird in einer Anspielung auf die Kundschaftergeschichte Num 13f. auch der Vorwurf gegenüber dem Land entkräftet, es könne seine Bewohner nicht ernähren und fresse sie auf (Ez 36,13f.; vgl. Num 13,32). Mit diesem Rekurs auf die Kundschaftergeschichte wird die Diaspora daran erinnert, dass das Land gut ist und dass eine Entschei‐ dung zugunsten des Landes von ihr gefordert wird. 36,12‐15 gehört damit insgesamt in die Phase der Diasporaorientierung des Buches und kann als Reaktion auf die Sammlungsverheißungen in Ez 34,11‐15* und 37,20‐23* verstanden werden. Das Textstück wird allerdings am Ende der Bergkapitel eingeschrieben, da in ihm die positive Darstellung des Landes aus der Grundschicht eine Weiterführung findet. In Kap. 34 und 37 entwickelt sich nach der Fortschreibung in 37,20‐ 23* auf den literarisch nachfolgenden Ebenen eine Diskussion darüber, wer über das vereinte Gottesvolk herrschen soll. Nachdem in 37,20‐23* das Königtum Jhwhs verkündet worden ist, wird im Hirtenkapitel in Ez 34,23f.* der eine Hirte David verheißen. Dieses relativ kurze Stück bildet geradezu einen Kulminationspunkt der Schriftauslegung in Ez 34‐39, da drei verschiedene Texte zu berücksichtigen sind, die in 34,23f.* rezipiert werden und das Verständnis steuern. Zuerst stellt die Verheißung im literarischen Nahkontext eine gewisse Einschränkung der Herrscherkonzeption in 34,11‐15* dar, da dem göttlichen Hirten Jhwh der menschliche Hirte David zur Seite gestellt wird. Allerdings zeigt sich in der Gestaltung von 34,23f.* auch eine gewisse Unter‐ ordnung des davidischen Herrschers, da er in das Bundesverhältnis zwischen Jhwh und dem Gottesvolk hineingenommen und seine Herr‐ schaft von daher legitimiert wird. Die Formulierung und Konzeption des Stückes verdankt sich zweitens einer erneuten Rezeption des Hir‐ tenwortes in Jer 23,1‐6: Die dort auf verschiedenen literarischen Wachs‐ tumsstufen vorliegenden Verheißungen einer Gruppe neuer Hirten (Jer 23,3f.) sowie des davidischen Sprosses (Jer 23,5f.) werden in Ez 34,23f.* zur Ankündigung des Hirten David verbunden. Im Gegensatz zur Vorlage im Jeremiabuch richtet sich die Hoffnung in Ez 34,23f.* aber nicht auf die Restauration der Davidsdynastie in Form eines rechtmä‐
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ßigen davidischen Sprosses, sondern David selbst wird im Sinne des David redivivus erwartet. Schließlich ist Ez 34,23f.* auch auf die Nach‐ interpretation in Ez 37,20‐23* bezogen. So kann zuerst die Verbindung der halben Bundesformel mit der Davidverheißung als Rezeption des Bundesverhältnisses in 37,23bb*g verstanden werden, in das nun auch der zukünftige Heilsherrscher mit einbezogen wird. Auf die Fortschrei‐ bungskette in Ez 37,15‐19.20‐23* verweist ferner das Stichwort „einzig“ (אחד, 34,23), durch das der eine Hirte David, der das Volk weidet, mit dem einen König identifiziert wird, der nach 37,20‐23* die Einheit des Volkes garantiert. Diese implizite Gleichsetzung bekommt auf der folgenden Fort‐ schreibungsstufe eine explizite Ausformulierung, indem der Autor des Einzelversnachtrages Ez 37,24 den Knecht David als König und Hirte des Volkes bezeichnet. Der Einzelverszusatz steuert in einer rückwärti‐ gen Perspektive das Verständnis von 37,20‐23*, das auf dieser literari‐ schen Ebene nur als Vorankündigung des davidischen Königs in 37,24 gelesen werden kann. Außerdem wird mit Hilfe der Hirtentitulatur die personale Einheit des Königs David in 37,24 mit dem davidischen Hirten in 34,23f.* ausgesagt. Diese Leseperspektive wird allerdings mit der nächsten produk‐ tiven Erweiterung in Kap. 37 sofort wieder korrigiert, da der Verfasser von Ez 37,25‐28* David in 37,25 ausdrücklich als Fürsten benennt, so dass ihm eine gegenüber Jhwh eingeschränkte Funktion zugeschrieben wird. Auf dieselbe Hand ist auch der Nachtrag in Ez 34,24ab zurück‐ zuführen, mit dem David im Hirtenkapitel ebenfalls als Fürst bezeich‐ net wird. Die Wahl des Fürstentitels zeigt zuerst das Bestreben, dem davidischen Herrscher der Heilszeit in den Kap. 34 und 37 eine gegen‐ über Jhwh untergeordnete Stellung zuzuweisen. Im Kontext des ge‐ samten dritten Buchteils verrät die Titulatur aber auch die Intention, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Herrschererwartun‐ gen in Ez 34‐39 und Ez 40‐48 vorzunehmen. Denn durch die Bezeich‐ nung als Fürst wird der davidische Herrscher in Ez 34 und 37 mit dem kultischen Oberhaupt des Verfassungsentwurfes identifiziert, so dass 34,23f. und 37,25 im Buchablauf als Vorverweis auf Person und Amt des נשׂיא in Ez 40‐48 zu lesen sind. Die Systematisierung der Herrschererwartung ist aber nur eine Funktion von Ez 37,25‐28* im Buch. Der Text erscheint vor allem als eine Art Kompendium der Heilsverheißung in Ez 34‐39, in dem die Be‐ tonung auf der Unverbrüchlichkeit des kommenden Heils liegt. Um die über Ez 34,23f.* und 37,20‐23*.24 hinausgehenden Spendertexte darzu‐ stellen, auf die sich die Heilsverheißung in 37,25‐28* bezieht, muss zuerst ein Schritt in der Redaktionsgeschichte von Ez 34‐39 zurückge‐
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gangen werden. Im Hirtenkapitel war die Darstellung des literarischen Wachstums auf der Ebene von Ez 34,23f.* stehen geblieben, auf der das Kapitel um die Verheißung des Hirten David ergänzt worden ist, der nachträglich noch als Fürst bezeichnet wird (34,24ab). Mit der Verhei‐ ßung des Bundesverhältnisses zwischen Jhwh und seinem Volk setzt in 34,23f.* eine neue Phase der Buchwerdung ein, in der nun Überlegun‐ gen darüber im Mittelpunkt stehen, wie das Gottesverhältnis beschaf‐ fen sein muss, wenn es die dauerhafte Zuwendung Jhwhs zu seinem Volk garantieren soll. Diese Zuwendung konkretisiert sich mit der Fortschreibung Ez 34,25‐30* in der Verheißung des Heilsbundes (ברית שׁלום, 34,25), durch den das in 34,23f.* vorliegende Bundesverhältnis in seinen heilvollen Auswirkungen auf Volk und Land beschrieben wird. Die Ankündi‐ gung, dass das Volk die Schmähungen der Völker ()כלמת הגוים nicht mehr ertragen soll (נשׂה, 34,29) verweist zurück auf die Restitutions‐ zusagen an die Berge Israels (כלמה, 36.6.7.15), so dass 34,25‐30* als Aus‐ führung der dortigen Heilszusagen erscheint. Die einzelnen Inhalte und Formulierungen in 34,25‐30 stellen dabei aber eine thematische Nachschrift der Segensaussagen in Lev 26,3‐13 dar, durch die die Se‐ gensverheißungen des Heiligkeitsgesetzes zum Gegenstand der pro‐ phetischen Heilszukunft werden. Eventuell hat der Autor von Ez 34,25‐ 30* die Nähe zwischen der verheißenen Zuwendung Jhwhs in Ez 36,9 und Lev 26,9 ()ופניתי אליכם erkannt und ist dadurch auf die Idee gekom‐ men, die Restitution des Landes in den Bildern von Lev 26,3‐13 zu beschreiben. Die in Ez 34,25‐30* entwickelte Konzeption des Heilsbundes bildet eine weitere literarische Vorlage für den Text Ez 37,25‐28*, in dem der Heilsbund im Sinne eines unverbrüchlichen Gottesverhältnisses ausge‐ legt wird (ברית שׁלום ברית עולם, 37,26). Dabei verbindet 37,25‐28* die Ver‐ heißung der ברית שׁלום aus Ez 34,25‐30* mit der Verheißung der ברית עולם aus Ez 16,60 (vgl. auch Jer 32,40) und stellt auf diese Weise eine Syste‐ matisierung der vorliegenden Bundestexte im Ezechielbuch dar. Das novum gegenüber diesen Bundesverheißungen liegt in 37,25‐28* in der Aussage, dass Jhwh sein Heiligtum in die Mitte des Volkes geben wird (37,26.28), so dass der ewige Heilsbund in der kultischen Gegenwart Jhwhs Gestalt gewinnt. Diese Verheißung der göttlichen Präsenz hat wiederum eine enge Parallele in der Segensreihe in Lev 26,11, die in der Auslegung dieses Textes in Ez 34,25‐30* unberücksichtigt geblieben ist. Daran zeigt sich, dass der Autor von Ez 37,25‐28* das Auslegungs‐ verhältnis zwischen Lev 26,3‐13 und Ez 34,25‐30* kennt und bewusst den dadurch hergestellten Textzusammenhang als traditum verwendet. Ihm geht es insbesondere um den Nachweis, dass die segensreichen
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Auswirkungen des Heilsbundes durch die kultische Präsenz Jhwhs verbürgt werden. Eine bundestheologische Deutung des Wohnens Jhwhs liegt bereits in der Konzeption der Priestergrundschrift vor, aus der das Motiv über die Rezeption der zentralen PG‐Texte in Lev 26,3‐13 schließlich auch in das Ezechielbuch gelangt. Im Bereich von Ez 34‐39 kann weiterhin vermutet werden, dass Ez 37,25‐28* mit der Bekräftigung der Landesverheißung eine Anspielung auf die erweiterten Restitutionszusagen an die Berge Israels in Ez 36,1‐ 11.12‐15 darstellt. Die Gültigkeit der dortigen Prophezeiung, dass das Volk Jhwhs die Berge in Besitz nehmen wird (36,12), erhält durch die ewige Landesverheißung in 37,25 eine unverbrüchliche Besiegelung. In gleicher Weise stellt sich die Zusage der göttlichen Präsenz in der Mitte des Volkes als die Einlösung der erneuten Zuwendung Jhwhs dar, die den Bergen Israels in 36,9 angesagt wird. Wie vorangehend bereits er‐ wähnt wurde, berührt sich Ez 36,9 in dieser Zusage eng mit Lev 26,9, auch wenn sich die Frage der literarischen Abhängigkeit nicht letzt‐ gültig klären lässt.20 Sobald aber im Verlauf der Buchgenese die Ver‐ heißung der göttlichen Gegenwart in Lev 26,11 eine Auslegung in Ez 37,26 erfährt, kann die vielleicht zufällige Parallele in Ez 36,9 und Lev 26,9 nur so gedeutet werden, dass die Zuwendungsverheißung an die Berges Israels auf Jhwhs kultische Präsenz inmitten seines Volkes zielt. Schließlich enthält 37,25‐28* auch Verbindungen zu den Heiligungs‐ kapiteln 36,16‐39,22, da das Heilshandeln Jhwhs an Israel nach 37,28 die Erkenntnis der Völker zum Ziel hat, die ein wiederkehrendes Motiv in diesen Texten ist.21 Die vielfachen thematischen und inhaltlichen Verbindungen zeigen an, dass Ez 37,25‐28* als Abschlusstext der Heilsverheißungen in Ez 34‐ 39 verfasst worden ist, indem die Themen dieser Prophetien gebündelt und unter das Vorzeichen der ewigen Dauer gestellt werden. Zugleich aber weist der Text durch das Themenensemble von „Fürst“, „Land“ und „Heiligtum“ auch auf den anschließenden Verfassungsentwurf in Ez 40‐48 voraus.22 In der vorliegenden Arbeit konnten die Beziehungen von 37,25‐28* zum Verfassungsentwurf nur teilweise berücksichtigt werden. Neben dem Bezug auf den נשׂיא in Ez 40‐48 ist exemplarisch nachgewiesen worden, dass 37,25‐28* eine sekundäre Auslegung der Wohnungszusage in Ez 43,6‐7a ist. Durch die Voranstellung von 37,25‐ 28* erscheint die Wohnungsnahme Jhwhs in 43,6‐7a als Erfüllung der Verheißungen aus 37,26.28, in der zugleich auch die Zusage von Ez 20 Vgl. dazu o. Kap. III. 7.6. 21 Vgl. dazu u. Kap. IV. 2.1.3.3. 22 Den ausführlichen Nachweis für diese These hat RUDNIG, Heilig, 62f.65‐71.78ff.137ff. 165ff.345f., geführt.
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36,9 mitzudenken ist. Insgesamt erweist sich Ez 37,25‐28* damit als ein redaktionelles Scharnierstück, das die Heilsprophetien von Ez 34‐39 abschließt und zugleich zu der Tempelvision in Ez 40‐48 überleitet. Der Verfassungsentwurf erscheint auf diese Weise als Fortführung der Heilsworte in Ez 34‐39. Schließlich sind noch zwei späte Nachinterpretationen in Ez 34 und 37 zu berücksichtigen, die aber ohne literarische Wirkung im jeweils anderen Kapitel geblieben sind. In Form der letzten umfangreicheren Fortschreibung im Hirtenkapitel wird in Ez 34,17‐22 mit den Auseinan‐ dersetzungen zwischen den Schafen eine neue Spaltungssituation des Gottesvolkes thematisiert. Diese wird diesmal nicht durch die politi‐ schen Verhältnisse hervorgerufen, sondern lässt auf Auseinander‐ setzungen im Volk schließen. Während auf den vorausgehenden litera‐ rischen Wachstumsstufen die Zugehörigkeit zur Herde automatisch für das Heil qualifiziert, rechnet 34,17‐22 mit einer Differenzierung inner‐ halb der Herde. In einem Gottesgericht wird Jhwh zwischen den schlechten und den guten Schafen unterscheiden, von denen allein die Letzteren die wahre Gottesherde bilden. Mit dieser Einschreibung ändert sich die gesamte Leseperspektive für die nachfolgenden Verhei‐ ßungen in Ez 35‐39, die jetzt nur noch den guten Schafen gelten. Hinter der Abfassung von Ez 34,17‐22 dürfte deshalb eine andauernde Situa‐ tion der Heilsverzögerung in der spätpersischen oder sogar schon hel‐ lenistischen Zeit stehen, als zwar eine gewisse Konsolidierung der Lebensbedingungen erfolgt ist, die endgültige Heilswende aber noch als ausstehend betrachtet wird. An die Stelle einer universalen Heils‐ perspektive tritt nun die individuelle Realisation der Heilsgegenwart, die vom Verhalten des Einzelnen abhängig ist. In die unmittelbare zeit‐ und theologiegeschichtliche Nähe von Ez 34,17‐22 gehören Texte wie Jes 56,1‐8 oder Jes 65f., die in gleicher Weise mit einer innerisraeliti‐ schen Scheidung rechnen.23 In Kap. 37 wird auf der letzten Fortschreibungsstufe die Totenfeld‐ vision durch die Einschreibung von Ez 37,2.7‐10* überarbeitet, in der die bildliche Wiederbelebung des Hauses Israel als eine leibliche Auf‐ erstehung des ganzen Volkes gedeutet wird: Vor Beginn der Heilszeit müssen die Toten des ganzen Hauses Israel wieder zum Leben erweckt werden. Vergleichbar mit der letzten Erweiterung im Hirtenkapitel liegt hier ein Text vor, der die vorliegende Heilsprophetie für das Haus Israel mit einer individualisierenden Heilsperspektive überarbeitet. Dabei deutet sich eine Denkbewegung an, in der mit einer Verwirk‐ lichung des Heils über das Ende der tatsächlichen Lebenszeit des Men‐ 23 Zu diesen Texten und weiteren Beispielen vgl. STECK/SCHMID, Heilserwartungen, 34f.
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schen hinaus gerechnet wird. Die Heilszeit bekommt eine „eschato‐ logische“ Dimension, da sich die Hoffnung auf die Restitution der einzelnen Menschen auf die Zeit jenseits ihres irdischen Lebens richtet und damit über die Heilsdimension in 34,17‐22 hinausgeht. Die Einschreibung von Ez 37,2.7‐10* wird im Allgemeinen als „Ein‐ schub aus der Makkabäerzeit“24 verstanden, in dem das Schicksal der in den Makkabäerkämpfen Gefallenen bedacht werde. Für eine relativ späte Abfassung der Verse sprechen auch die aufgezeigten sprach‐ lichen Auffälligkeiten im Gebrauch der AK consecutivum, mit denen nach SCHWAGMEIER im Ezechielbuch ab dem letzten Drittel des 4. Jh.s. (frühestens 332) gerechnet werden kann.25 Ein terminus ad quem für die Einschreibung von 37,2.7‐10* in das Buch ist dadurch gegeben, dass das Stück in Pap. 967 bereits enthalten ist und damit vor der Umstel‐ lung zur masoretischen Textstruktur abgefasst sein muss, die im 1. Jh. v. Chr. durch MasEzek materialiter belegt ist. Datierte man 37,2.7‐10* in die Makkabäerzeit, hätte das zur Konsequenz, dass mit der Umstel‐ lung zur masoretischen Textstruktur frühestens gegen Ende des 2. Jh.s. v. Chr. zu rechnen wäre. Damit ergibt sich allerdings das Problem, dass in keinem anderen Prophetenbuch für die Zeit der Makkabäer noch umfassende buchredaktionelle Eingriffe nachzuweisen sind.26 Wenn die Datierung von Ez 37,2.7‐10* mit Hilfe von zeitgeschicht‐ lichen Kriterien Probleme mit sich bringt, ist zu überlegen, ob der Text stattdessen unter Bezug auf theologiegeschichtliche Entwicklungen zu datieren ist. Da aufgezeigt werden konnte, dass die Individualisierung der Heilsperspektive in 37,2.7‐10* gegenüber Ez 34,17‐22 noch weiter ausgeführt ist, könnte sich der Text einer innerbiblischen Diskussion darüber verdanken, wie die Heilsgerechtigkeit des Einzelnen gewähr‐ leistet werden kann, wobei mit den הרוגים (37,9) insbesondere das Schicksal der Toten aus Israels Geschichte im Vordergrund steht. Mög‐ lich erschiene dann eine Datierung im 3. Jh. v. Chr. oder auch erst zu Beginn des 2. Jh.s. v. Chr. Ez 37,2.7‐10* wäre dann einer der frühesten Texte des Alten Testaments, in dem die Auferstehung der Toten thema‐ tisiert wird; vielleicht ist der Gedanke sogar – angeregt durch das Bild der Totenfeldvision – zuerst hier entwickelt worden und hat danach in Texten wie Dan 12 eine inhaltliche Weiterführung gefunden. 24 BARTELMUS, Verbform, 389, und im Anschluss an diesen POHLMANN, ATD, 497; vgl. auch OHNESORGE, Jahwe, 323, der insbesondere auf den apokalyptischen Hinter‐ grund des Textes verweist. 25 Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 358, mit Verweis auf die weqatal‐Einschübe in Ez 28,14.16, die die Eroberung von Tyrus durch Alexander bereits voraussetzen. 26 Vgl. STECK, Abschluß, 119‐120, und DERS./SCHMID, Heilserwartungen, 36.
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2.1.3.3. Die Heiligungskapitel Ez 36,16‐39,29 Parallel zu den konkurrierenden Fortschreibungen in Kap. 34 und 37 setzt ab einem bestimmten Stadium der Buchwerdung im Bereich von Ez 36,16‐39,29 ein Auslegungsprozess ein, durch den der Textbestand der erweiterten Grundschicht in Ez 34‐37* getrennt wird. Der litera‐ rische Kern dieses Wachstums ist die Textfolge Ez 36,16‐22; 39,23‐29*, in der die Gründe für die Zerstreuung Israels unter die Völker und für seine Heimführung durch Jhwh erörtert werden. Das Volk ist aufgrund seiner kultischen Vergehen aus seinem Land entfernt worden, aber die umliegenden Völker haben diesen kausalen Zusammenhang nicht ver‐ standen und sehen in der Trennung Israels von seinem Land einen Hinweis auf die Ohnmacht Jhwhs. Da Jhwhs heiliger Name durch die faktische Anwesenheit Israels in der Diaspora entweiht wird, sieht er sich zum Handeln gezwungen, und er wird das Volk um seines heili‐ gen Namens willen aus der Diaspora heimführen, damit die Völker ihn erkennen. Wahrscheinlich ist 36,16‐22; 39,23‐29* an dieser Stelle eingeschrie‐ ben worden, um im Anschluss an die Restitutionszusagen von Ez 36,1‐ 15 eine Begründung für die Verlassenheit der Berge zu geben. Darüber hinaus wird aber auf diese Weise die Totenfeldvision in Ez 37,1‐14 im Geschehensablauf dieser Buchgestalt in die Zeit nach der Rückkehr in das Land verlagert. Denn durch die Voranstellung von 36,16‐22; 39,23‐ 29* kann sich die Wiederbelebung, die der Prophet in der Totenfeld‐ vision schaut, nur im Land selbst ereignen. Die Aussageabsicht des Textes richtet sich aber vor allem auf die vorliegenden Sammlungsver‐ heißungen der Diaspora in Ez 34,11‐15* und 37,20‐23*, die nachträglich eine theologische Deutung erhalten. Es hat sich als wahrscheinlich erwiesen, dass der Autor von Ez 36,16‐22; 39,23‐29* in seiner Nach‐ interpretation mit Jes 52,4‐6 einen Text aus dem Deuterojesajabuch ver‐ arbeitet, in dem ihm bereits der Gedanke vorliegt, dass das Exil sich rufschädigend für Jhwhs Namen ausgewirkt hat. Traditionsgeschicht‐ lich steht im Hintergrund des Motivs, dass Jhwh um seines Namens willen eingreifen wird, außerdem die dtn.‐dtr. Namenstheologie, die mit der priesterlichen Vorstellung von der göttlichen Heiligkeit zu ei‐ nem Beweggrund für Jhwhs Heilshandeln verbunden worden ist. Mit der Fortschreibung der vorliegenden Verheißungen um Ez 36,16‐22; 39,23‐29* wechselt der Auslegungsprozess im Buch von den konkreten Bedürfnissen des Volkes im Land hin zu einem rein theolo‐ gischen Interesse an der Begründung des Heils. In zeit‐ und theologie‐ geschichtlicher Hinsicht ist hinter diesem Wechsel die Erfahrung zu vermuten, dass sich Israel in der Perserzeit immer mehr als eine Größe unter den Völkerschaften des persischen Weltreiches versteht. Diese
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Situation führt zu Überlegungen darüber, welche Auswirkungen die anhaltende Zerstreuung des Volkes für die Identität des Gesamtvolkes und die Souveränität Jhwhs in den Augen der anderen Völker hat. Im Geschichtsrückblick von Ez 20,5‐24* (Ez 20*) haben die Aus‐ führungen von 36,16‐22; 39,23‐29* eine breite Ausgestaltung erfahren. Der Verfasser dieses Textes verwendet die Vorstellung von Jhwhs Ein‐ greifen um seines Namens willen als Leitmotiv seiner Geschichtsdar‐ stellung, in der das göttliche Handeln von Anfang an darauf zielt, es gar nicht erst zu einer Entweihung des heiligen Namens kommen zu lassen. Gegenüber der Vorlage in 36,16‐22; 39,23‐29* liegt in Ez 20* eine pessimistischere Sicht auf das Volk vor, das aufgrund seines wieder‐ kehrenden Abfalls von Gott eigentlich durch dessen Strafgericht hätte vernichtet werden sollen. Da aber gerade die Auslöschung des Gottes‐ volkes das Ansehen des göttlichen Namens bedroht hätte, greift Jhwh in der Geschichte zu verschiedenen abgeschwächten Strafmaßnahmen, zu der auch die Zerstreuung des Volkes unter die Nationen gehört. Die Verschärfung der Aussage gegenüber Ez 36,16‐22; 39,23‐29* ist auf die Rezeption von Jes 48,1‐11 in Ez 20* zurückzuführen; ein Text, der dem Autor als zweites traditum gedient hat. Aus diesem Gotteswort über‐ nimmt er die Überzeugung von der wesenhaften Sündigkeit des Vol‐ kes, die eigentlich die Ausrottung des Volkes nach sich ziehen müsste, auf die Jhwh um seines Namens willen aber verzichtet. Mit dem breit ausgestalteten Geschichtsrückblick gehört Ez 20* auf ein relativ junges Stadium der Buchgenese. 27 Einen Hinweis auf die Einordnung des Kapitels im Verhältnis zu den Wachstumsschichten in Ez 34‐39 bietet der wiederholte Vorwurf, das Volk habe sich durch den Umgang mit den „Mistdingern“ ()גלולים verunreinigt (vgl. Ez 20,7.8.16. 18.24.31.39). Die גלולים sind in zwei Einzelversnachträgen auch in den Heilsprophetien belegt: Während die Verunreinigung durch die Mist‐ dinger in Ez 36,18abb (36,18*) als Grund der Exilierung genannt wird, soll dieses Fehlverhalten nach Ez 37,23abab* (37,23*)28 für die Heilszu‐ kunft ausgeschlossen sein. Die Einträge können deshalb einer späten redaktionellen Bearbeitung des Buches zugeschrieben werden, nach der sich Israel insbesondere des Verstoßes gegen das Erste Gebot schul‐ 27 Vgl. dazu auch KRÜGER, Geschichtskonzepte, 274, der auf „eine Reihe von Anklän‐ gen an Formulierungen und konzeptionelle Elemente aus der ‘dtn./dtr.’ wie auch aus der ‘priesterlichen’ Traditionsströmung“ hinweist. In gleicher Weise hat KOHN, Heart, 98‐104, den Nachweis geführt, dass in Ez 20 eine Verschmelzung dtr. Sprache und Konzepte mit priesterlicher Terminologie und Inhalte vorliegt. Siehe exempla‐ risch o. Kap. III. 7.5. zu den Verbindungen zwischen Ez 20 und Lev 26. 28 Die Bundesformel in 37,23bb*g bildet den Abschluss der vorangehenden Einheit 37,20‐23*; vgl. dazu o. Kap. III. 5.2. Dies erklärt auch die scheinbar doppelte Verwen‐ dung von 37,23* in der Schichtentabelle auf S. 409.
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dig gemacht hat. In gleicher Weise beschreibt der nachträgliche Ein‐ schub in Ez 33,25‐27* die kultischen Vergehen der Restbevölkerung im Land mit der Verehrung der גלולים, so dass auch dieser Text der Über‐ arbeitung zugeordnet werden kann. Im Anschluss an PETRY, der eine ausführliche Untersuchung über die Götzenpolemik im Ezechielbuch vorgelegt hat, ist eine Datierung im 3. Jh. v. Chr. in Erwägung zu zie‐ hen.29 Da der Geschichtsentwurf in Kap. 20* eine systematisierte Aus‐ gestaltung der Götzen‐Anklage beinhaltet, gehört er gegenüber 36,18*; 37,23* und 33,25‐27* auf eine jüngere literarische Wachstumsstufe. Neben der Rezeption in Ez 20* hat Ez 36,16‐22; 39,23‐29* auch eine Auslegungsgeschichte innerhalb von Ez 34‐39. Diese beginnt mit der Einfügung des Grundwortes der Gog‐Perikope in Ez 39,1‐5, die den vorgefundenen Textzusammenhang zertrennt und die Heiligung von Jhwhs Namen sekundär auf die Zerschlagung Gogs bezieht. Diese geheimnisvolle Gestalt wird von Jhwh aus dem Norden heraufgeführt und erleidet auf den Bergen Israels eine vernichtende Niederlage im Zweikampf mit Jhwh. Auf dieser Ebene der Buchgenese stellt der Sieg über Gog einen notwendigen Machterweis Jhwhs dar, der sich vor der Rückkehr des Volkes in das Land vollziehen wird. Aber schon auf der nächsten Stufe des literarischen Wachstums entsteht durch die Voran‐ stellung von Ez 38,1‐9* vor 39,1‐5 ein eigenständiges Wortereignis, in dem die Bedrohung Israels durch die Feindmacht Gog zum Thema wird. Mit den folgenden Fortschreibungen wächst das erweiterte Gog‐ Wort in 38,1‐9*; 39,1‐5 zu einer umfassenden Darstellung der Nieder‐ lage Gogs an, an deren Ende eine zwei Kapitel umfassende Gog‐ Perikope in 38,1‐29,22 steht, die die ursprüngliche Aussageeinheit über den heiligen Namen in zwei Hälften trennt. Der hintere Teil in 39,23‐29 wird dabei zum Epilog der Gog‐Perikope. Während die Deutung der Ereignisse in 38,1‐39,22 auf den ersten literarischen Wachstumsstufen durch den Nahkontext geleistet wird, wird die Deutung auf der Ebene der späteren Fortschreibungen in den Text selbst hineingeschrieben, wobei die Heiligung des Namens (39,7) gegenüber der Jhwh‐Erkenntnis der Völker (38,16.23; vgl. 36,23aba) auf den jüngeren literarischen Ebenen zunehmend in den Hintergrund tritt. In der letzten Fortschreibung nimmt das Gericht über Gog die Züge eines universellen, apokalyptischen Gerichts über die Völker an, das kosmische Auswirkungen hat, und in dem sich Jhwh vor den Völ‐ kern als souveräner Weltenherrscher erweist (vgl. 38,18‐23). 29 Vgl. dazu PETRY, Entgrenzung, 374f., der die ‐גלוליםBelege im Ezechielbuch einer Dis‐ kussion zuweist, die auf Auseinandersetzungen um die auf Götzenpolemik zuge‐ spitzte Orthopraxie zurückgehe und auf die ptolemäische Zeit hindeute; vgl. dazu insgesamt PETRY, a.a.O., 329‐342.372‐377.
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Bereits auf der Ebene des ursprünglichen Gog‐Wortes ist Gog eine literarische Kunstfigur, in der sich Züge der Fremdvölker im Ezechiel‐ buch mit der Beschreibung des Feindes aus dem Norden im Jeremia‐ buch mischen. Diese Verbindungen werden auf den folgenden literari‐ schen Wachstumsstufen weiter ausgestaltet und verstärkt. Die Gog‐ Thematik kann damit in zweifacher Hinsicht als Auslegungsliteratur verstanden werden: Zuerst bildet die Gestalt Gogs gewissermaßen ein Kompendium der Fremdvölker im Buch, so dass er als der historische Feind katexochen erscheint. Der Unterscheid zu den Sammlungen der Fremdvölkerworte liegt aber vor allem darin, dass sich seine Nieder‐ lage auf den Bergen Israels vollziehen wird und nicht in einem fernen Land, so dass sein Fall eng mit dem Heilsgeschehen im Land verbun‐ den ist. In Bezug auf das Jeremiabuch ist der Zug Gogs dagegen als die Einlösung der Ankündigung des Feindes aus dem Norden zu verste‐ hen, der gegen die Tochter Zion heraufzieht. Dieses Verständnis wird neben den literarischen Referenzen auch durch die explizite Lesean‐ weisung in Ez 38,17 gestützt, in der das Kommen Gogs als Erfüllung der prophetischen Weissagungen dargestellt wird (vgl. auch Ez 39,8). Die Auslegung in Ez 38f.* wendet die vorliegende Ankündigung des Feindes aus dem Norden in einen umfassenden Machterweis Jhwhs, in dem der Gegner von Anfang an chancenlos ist. Es hat sich des Weiteren gezeigt, dass die Bezugstexte allesamt eine zionstheo‐ logische Prägung aufweisen, sei es die Bedrohung der Tochter Zion durch den Feind aus dem Norden oder der Völkersturm gegen den Gottesberg. In den Gog‐Kapiteln ist deshalb wie in der Grundschicht in Ez 34‐39 mit einem Verständnis zu rechnen, nach dem die Attribute des Gottesberges auf das Land übertragen werden. Gog muss auf den Bergen Israels zwangsläufig ebenso eine Niederlage erleiden, wie Jhwh den Ansturm der Völker auf den Zion zurückschlagen wird. Die Abfas‐ sung der Gog‐Perikope vollzieht sich damit dezidiert im Blick auf das sich formierende corpus propheticum. 30 Mit der Niederlage Gogs im Land wird der prophetisch geweissagte Feind aus dem Jeremiabuch besiegt, so dass das Ezechielbuch gegenüber dem (vorangehenden) Jeremiabuch eine Ziel‐ und Überbietungsfunktion erhält.31 30 Zur Diskussion um die Formierung des corpus propheticum vgl. STECK, Abschluß, 112‐ 126.145‐156, sowie BOSSHARD‐NEPUSTIL, Rezeptionen, 450‐464. 31 Siehe auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 322. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Jeremiabuch zu dem Zeitpunkt, als das Ezechielbuch in das corpus propheti‐ cum eingefügt worden ist, noch nicht direkt vor dem Ezechielbuch gestanden hat; vgl. dazu die Überlegungen von BOSSHARD‐NEPUSTIL, Rezeptionen, 450‐464; KRATZ, Anfang, 243‐261, und SCHMID, Buchgestalten, 315‐319, die über längere Zeit der Ent‐ stehung mit einer Buchabfolge Erster Jesaja – Jeremia – Threni – Zweiter Jesaja rechnen, die durch das Ezechielbuch erweitert worden ist. Daran anschließend hat
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Die vorangehende Darstellung hat gezeigt, dass in Ez 36,16‐39,29 sukzessive ein Heiligungs‐Cluster anwächst, in dem die Frage, wie Jhwh sich vor den Völkern als heilig erweisen wird, eine immer neue Auslegung erfährt. Mit diesen Texten hält zugleich eine besondere Sicht auf die Völker Einzug in das Buch: Während sie auf den voraus‐ gehenden Wachstumsstufen des Buches vor allem als vom Gericht Betroffene oder als das Gottesgericht vollstreckende Instanzen erschei‐ nen, nehmen sie in den Heiligungskapiteln aktiv Einfluss auf das Heilsgeschehen. Es ist ihre Sicht auf die Ereignisse, die Jhwh zum Han‐ deln zwingt. Zwar erhalten sie selbst keinen Anteil am Heil, aber sie sollen Einsicht in den Heilsplan Gottes mit Israel bekommen und auf diese Weise zu Jhwh‐Erkenntnis gelangen. Dies stellt eine Aussagever‐ schiebung gegenüber den Fremdvölkerworten dar, in denen die Völker zwar zur Erkenntnis Jhwhs gelangen, dies aber nur aufgrund des Gottesgerichtes an ihnen selbst, so dass sie wenig Nutzen aus dieser Erkenntnis ziehen können.32 Diese besondere Sichtweise auf die Völker findet sich im Bereich von Ez 34‐39 ansonsten nur noch in dem Text Ez 37,25‐28*, der als redaktioneller Abschluss der Heilsprophetien einen Bogen zu den Heiligungskapiteln schlägt.33 Über das Ezechielbuch hinaus erinnert die Völkerperspektive in den Heiligungskapiteln an den Völkerzug zum Zion in Jes 60‐62, wo die Völker zwar nach Jeru‐ salem pilgern, aber nur, um das Licht Zions zu erblicken, Schätze zu bringen und das Land für das Gottesvolk herzurichten. Von einem ei‐ genen Heilsanteil, der über die Ausstrahlung der Herrlichkeit Zions hinausgeht, ist hier gleichermaßen nicht die Rede. Insgesamt ist für die Formierung der Heiligungskapitel im Eze‐ chielbuch von einem Zeitraum auszugehen, der von der Perserzeit bis in das 3. oder 2. Jh. v. Chr. hinunterreicht. Der terminus ad quem ergibt sich durch die deutlichen buchübergreifenden Bezüge, die auf späte formative Prozesse im corpus propheticum hindeuten.34 Außerdem wei‐ sen die letzten Fortschreibungen in den Gog‐Kapiteln eine apokalyp‐ tische Prägung auf, so dass zumindest für diese Texte eine Datierung in die hellenistische Zeit sehr wahrscheinlich ist. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 362, die These aufgestellt, dass gerade die Umstel‐ lung von Deuterojesaja hinter Protojesaja und die Verbindung beider Größen zum Großjesajabuch zur Einreihung des älteren Ezechielbuches geführt haben könnte. 32 Vgl. die priesterschriftlichen Belege in Ex 7,5; 14,4.18, nach denen der Pharao und die Ägypter im Gericht Jhwhs Gotteserkenntnis erlangen sollen. 33 Vgl. dazu o. Kap. IV. 2.1.3.2. 34 Vgl. dazu auch u. Kap. IV. 2.1.4.
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2.1.3.4. Redaktionsgeschichtliche Auswertung Die weiteren Fortschreibungen im Bereich von Ez 34‐39 können auf insgesamt fünf Stufen des Buchwachstums aufgeteilt werden. Der relativ älteste Text ist die Zeichenhandlung in Ez 37,15‐19*, mit der die Fortschreibungskette im zweiten Teil des Kapitels 37 angelegt wird. Das Textstück nimmt eine Zwischenstellung in der Buchgenese ein. Zuerst drückt sich hier vergleichbar mit Ez 37,13b‐14* und 34,1‐10* ein Interesse an der Situation des Volkes im Land aus, so dass der Text als literarisch jüngstes Stück noch zum zweiten Fortschreibungsschub (III) zu rechnen sein wird. Zugleich aber beginnt durch die Zusammen‐ schau von 37,15‐19* mit dem literarisch nachfolgenden Text Ez 34,11‐ 15* ein Fortschreibungsprozess, in dem es zu einer wechselseitigen Auslegung von Kap. 34 und 37 kommt. Als erstes wird dabei die Spal‐ tung des Volkes in Diaspora und im Land befindliche Bevölkerung thematisiert. Zu dieser Stufe des Buchwachstums können Ez 34,11‐15*; 37,20‐23* und 36,12‐15 gezählt werden, die aber jeweils auf einen ande‐ ren Autor zurückzuführen sind (IV). Diese diasporaorientierten Fortschreibungen haben wiederum zwei unterschiedliche Auslegungsprozesse im Nahkontext angestoßen (V1+2).35 Zuerst setzt sich in Kap. 34 und 37 die gegenseitige Auslegung durch konkurrierende Erweiterungen in 34,23f.*; 37,24; 34,25‐30* und 37,25‐28* (mit 34,24ab) fort (V1). In diesen Texten artikulieren sich un‐ terschiedliche Erwartungen bezüglich des zukünftigen Herrschers und des Gottesverhältnisses. Formal zeichnen sich die Auslegungsvorgänge in Kap. 34 und 37 dadurch aus, dass Motive und Metaphern wie das Hirtenbild oder die Vorstellung der Einheit aufgegriffen werden und sich daran orientierte Fortschreibungen an die Kerntexte der Kapitel anlagern. Auf diese Weise wachsen Ez 34 und 37 sukzessive zu den Säulen der heilsprophetischen Komposition an. Während Kap. 34 in ex‐ positorischer Funktion den Beginn der Heilsworte markiert, beschließt Kap. 37 die Prophetien, wobei insbesondere 37,25‐28* als redaktionelles Gelenkstück zum Verfassungsentwurf in Ez 40‐48 überleitet. Der zweite Auslegungsprozess setzt dagegen in der Mitte der Komposition an, wo zeitgleich zu den konkurrierenden Fortschreibun‐ gen in Ez 34 und 37 die Heiligungskapitel in Ez 36,16‐39,29 entstehen (V2). Literarischer nucleus dieser Kapitel ist das Textstück 36,16‐22; 39,23‐29*, in dem als Reaktion auf die diasporaorientierten Texte in 35 Da die konkurrierenden Fortschreibungen in Ez 34 und 37 parallel zu der Fortschrei‐ bung in den Heiligungskapiteln ablaufen, wird zwar für beide Auslegungsvorgänge in der Schichtentabelle dieselbe römische Ziffer verwendet (V), die unterschiedlichen Rezeptionsvorgänge werden aber im Folgenden durch die hochgestellten arabischen Zahlen differenziert (V1/V2).
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34,11‐15* und 37,20‐23* die Gründe für die Heimführung der Diaspora erörtert werden. Durch die sukzessive Einfügung der Gog‐Kapitel wächst der Heiligungs‐Cluster zu einem massiven Textblock innerhalb der Heilsprophetien an, der von den ehemals zusammengehörigen Stücken 36,16‐22(23aba) und 39,23‐29 gerahmt wird. Sowohl in den Heiligungskapiteln als auch in Ez 34 und 37 finden sich mit Ez 36,18* und 37,23* kurze götzenpolemische Einschreibun‐ gen, die zusammen mit Ez 33,25‐27* zu einer Stufe des Buchwachstums gehören, in der die Verunreinigung mit den גלולים als Verstoß gegen das Erste Gebot in das Buch eingetragen wird (VI). Die vorletzte Wachstumsstufe in Kap. 34‐39 umfasst schließlich die voneinander unabhängigen Fortschreibungen in 34,17‐22 und 37,2.7‐10* sowie die letzten Fortschreibungen in der Gog‐Perikope Ez 38f. (VII). Mit dieser Stufe des literarischen Wachstums liegt im Wesentlichen der Textbe‐ stand der Buchfassung vor, die auch Pap. 967 bezeugt. Allerdings kommt es nach Abspaltung der durch Pap. 967 bezeugten Texttradition zu einer weiteren redaktionellen Bearbeitung dieser Buchfassung, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. 2.1.4. Die Umstellung zur masoretischen Textfolge Auf der letzten maßgeblichen Stufe des Buchwachstums in Ez 34‐39 wird die Position der Kapitel 38f. und 37 vertauscht, so dass die Kapitel von dieser literarischen Ebene an in der Reihenfolge des masoretischen Textes vorliegen (VIII). Durch diesen Positionswechsel rückt die Toten‐ feldvision Ez 37,1‐14 in Folgeposition zu Kap. 36, während das Gericht über Gog das neue Ende der Heilsprophetien in Kap. 34‐39 bildet. Ez 39,23‐29, das einmal ursprünglich an 36,16‐22 angeschlossen hat und nun den Epilog der Gog‐Perikope bildet, bekommt durch die Kapitel‐ umstellung Abschlussfunktion für den gesamten Textbereich Ez 34‐39. Am Ende der Heilsprophetien steht nun die Zusage, dass Jhwh das Volk in sein Land zurückbringen wird, wodurch er die Heiligkeit sei‐ nes Namens vor der Völkerwelt demonstriert (39,23‐29). Da gezeigt werden konnte, dass die Totenfeldvision auf der letzten literarischen Ebene vor Umstellung der Kapitel eine Deutung als Auf‐ erstehungshoffnung erfährt, während das Gericht über Gog zu einem umfassenden kosmischen Völkergericht ausgestaltet wird, sind hinter der Neuanordnung der Textbereiche Überlegungen zur Abfolge der heilszeitlichen bzw. endzeitlichen Ereignisse zu vermuten: Auf der Ebene des protomasoretischen Textes geht die Auferstehung des Vol‐ kes dem Gericht über den letzten Feind voraus, ehe die Rückkehr Jhwhs in den Tempel und die Ordnung von Stadt und Land einsetzen kann (Ez 40‐48).
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Für das Aussageprofil dieser Buchgestalt ist aber weiterhin die zugleich mit der Umstellung erfolgte Einschreibung des Gelenkstückes Ez 36,23bb‐32 zu berücksichtigen, das gegenüber der in Pap. 967 reprä‐ sentierten Buchgestalt den literarischen und sachlichen Überschuss bildet. Die Verse enthalten in ihrem Grundbestand ein umfassendes Restitutionsprogramm für das Haus Israel, das Sammlung und Heim‐ führung der Diaspora, die kultische Reinigung im Land, die innere Erneuerung durch das neue Herz und den neuen Geist sowie das auskömmliche Leben im Land vorsieht. Der Text ermöglicht als redak‐ tionelles Verbindungsstück nicht nur die Neuanordnung der Texte, sondern er gibt auch eine Leseperspektive für die gesamten Heilspro‐ phetien des Buches vor. Durch die Einschreibung von Ez 36,23bb‐32 zwischen 36,16‐23ba und 37,1‐14 entsteht zuerst ein Scharnier, das den Anschluss zwischen diesen beiden Abschnitten quasi überbrückt. So wird 36,23bb‐32 durch die Kontextposition nach 36,16‐23ba zur dritten Variante des Motivs, dass Jhwh zugunsten seines heiligen Namens eingreifen wird. Diese Nachinterpretation wird notwendig, da die Gog‐Kapitel, die auf den vorausgehenden literarischen Ebene den Anschluss bilden, im Buchab‐ lauf nach hinten gewandert sind und die Totenfeldvision in 37,1‐14 sachlich keine Lösung für das Problem in 36,16‐23ba bietet. An die Stel‐ le der Zerschlagung Gogs tritt das umfassende Heilshandeln Jhwhs an seinem Volk, durch das er die Heiligkeit seines Namens demonstriert. Da dieses Handeln mit der Sammlung der Diaspora einsetzt, wird in 36,23bb‐32 vergleichbar mit der Ebene des ursprünglichen Textzusam‐ menhangs in 36,16‐22; 39,23‐29* die Rückführung Israels als (eine) Handlung verstanden, durch die Jhwh sein Ansehen unter den Völkern wahren kann. In Bezug auf den nachfolgenden Kontext in 37,1‐14 zeigt sich die Scharnierfunktion dagegen an der parallelen Formulierung der Geistbegabung in 36,27 und 37,14, durch die die Geistverleihung in 37,1‐14 zur bildlichen Ausgestaltung der Verheißungen in 36,26f. wird. Die Geistgabe in 37,1‐14 bekommt mithin auch eine sittlich‐moralische Qualität, da der Geist Jhwhs nach 36,27 das Prinzip ist, das die Israeli‐ ten zur Führung eines Lebens in den Ordnungen Jhwhs befähigt. Über die Bezüge zum unmittelbaren Kontext hinaus enthält Ez 36,23bb‐32 eine Reihe von weiteren Verbindungen zu den Heilsworten in Ez 34‐39, wobei insbesondere die Berührungen mit den beiden Bun‐ destexten in 34,23f.25‐30 und 37,20‐23.24.25‐28 auffallen. Diese Verbin‐ dungen zeigen, dass sich 36,23bb‐32 Reflexionen darüber verdankt, wie die Unverbrüchlichkeit und Dauerhaftigkeit der Bundesschlüsse und damit der Bundesverheißung im Buch insgesamt gewährleistet werden kann. Die Nachinterpretation kommt dabei zu dem Schluss, dass der
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Bund mit einem an Herz und Geist erneuerten Menschen geschlossen werden muss, wenn er von Dauer sein soll. Im Hintergrund dieser Erkenntnis stehen eine Reihe von Texten aus dem Jeremiabuch und dem ersten Teil des Ezechielbuches, die in Ez 36,23bb‐32 eine Ausle‐ gung finden. Aus Ez 11,19f.* übernimmt der Verfasser die Vorstellung, dass die Ersetzung des Herzens Voraussetzung für den Bund mit der Diaspora ist. Zugleich verbindet er diese Transplantationsperspektive mit der Aufforderung in Ez 18,31, nach der sich die Israeliten ein neues Herz und einen neuen Geist schaffen sollen, zur Verheißung von neu‐ em Herz und neuem Geist (36,26f.). Bereits Ez 11,19f.* und Ez 18,31 sind vor dem Hintergrund der jeremianischen Bundesverheißung in Jer 32,37‐41 zu interpretieren, aber vor allem hat die Verheißung des neu‐ en Bundes in Jer 31,31‐34 direkt Einfluss auf Ez 36,23bb‐32 genommen. An die Stelle der neuen Verwendung des Herzens, wie sie in Jer 31,33 vorgesehen ist, tritt im Ezechielbuch die völlige Neuschöpfung des Menschen, so dass mit Ez 36,23bb‐32 eine Aktualisierung und Überbie‐ tung der Bundesverheißung aus dem Jeremiabuch vorliegt. Die Perspektive der Neuschöpfung hat Auswirkungen auf das Ver‐ ständnis der gesamten Heilsworte in Ez 34‐39. Zuerst kann die Wieder‐ belebung des ganzen Hauses Israels in der Totenfeldvision 37,1‐14 als symbolische Darstellung der inneren Neuschöpfung der heimgekehr‐ ten Diaspora durch den Geist Jhwhs verstanden werden.36 Sämtliche nachfolgenden Heilsverheißungen in Ez 37‐39 gelten nun dem restitu‐ ierten und wiederbelebten Volk, über das Jhwh seinen Geist ausgegos‐ sen hat (שׁפכתי את־רוחי, 39,29).37 Die beiden sekundären Nachträge in Ez 36,33‐36.37f. verstärken diese Leseperspektive des Grundbestandes in 36,23bb‐32. Die erste Fortschreibung in 36,33‐36 weist Verbindungen zu den Restaurationszusagen an die Berge Israels in 36,9‐11 auf und ent‐ hält die Verheißung, dass das verwüstete Land zum „Garten Eden“ werden soll. Diese Anspielung auf die Schöpfungsgeschichte (vgl. Gen 2,15; 3,23f. sowie Jes 51,3) weitet die Neuschöpfung des Menschen auf das Land aus, das ebenfalls eine „Wiederbelebung“ erfahren soll. Die 36 Vgl. dazu auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 279‐282, insbes. 281, der die Neu‐ schöpfung Israels als das bestimmende Thema in 36,23bb‐38 wie auch in der Umstel‐ lung der Kapitelfolge ansieht (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 315). Abweichend von den hier vorgelegten Ergebnissen (vgl. o. Kap. III. 1.2.) geht er aber von der literarischen Einheitlichkeit in 36,23bb‐38 aus (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 324‐328), und macht in der Auswertung der Bezüge des Stückes zum literarischen Kontext keinen redak‐ tionsgeschichtlichen Unterschied zwischen 36,23bb‐32 und 36,33‐38. 37 Die Aussage in Ez 39,29 wird im Zuge der Kapitelumstellung sekundär zu einer Geistverleihung umgearbeitet, um einen heilvollen Abschluss der Heilsprophetien herzustellen. Auf den vorangehenden literarischen Wachstumsstufen liegt mit der Ausgießung des Gotteszornes (חמה/)זעם eine inclusio zu 36,18 vor; vgl. dazu o. Kap. III. 3.2.
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zweite Fortschreibung in 36,37f., in der die Vermehrung der Menschen wie eine Herde (כצאן, 36,37.38) angekündigt wird, hat dagegen einen doppelten Horizont: Zuerst liegt ein Rückbezug auf das Hirtenkapitel 34 vor, so dass die Identität des Gottesvolkes in Kap. 34 und 36 betont wird. Die Verbindung wird noch durch die Einfügung des Begriffes אדם in 34,31 verstärkt,38 der die Identität von Gottesherde und Volk auch im Hirtenkapitel selbst einträgt. Darüber hinaus kann auf dieser letzten Wachstumsstufe in Ez 34‐39 die Wiederbelebung in 37,1‐14 als Er‐ füllung der literarisch vorausgehenden Mehrungsverheißung in 36,37f. gelesen werden (vgl. auch 36,10f.).39 Wie schon für die Abfassung der Gog‐Perikope, so konnte auch für Ez 36,23bb‐32 ein auf das Jeremiabuch gerichtetes Auslegungsinteresse aufgezeigt werden, das insbesondere auf eine Erfüllung und Über‐ bietung der dortigen Verheißungen hin angelegt ist. Dieser Intention dient auch die Kapitelumstellung, durch die Ez 38f. in die Endposition der Heilsprophetien einrückt und damit nicht nur innerhalb von Ez 34‐ 39, sondern ebenso im Blick auf das Jeremiabuch eine Zielfunktion bekommt. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass durch die in Masada gefundene Handschrift des Buches Ezechiel (MasEzek) mit dem 1. Jh. v. Chr. ein terminus ad quem für die Umstellung zur protoma‐ soretischen Buchgestalt gegeben ist.40 Unter Berücksichtigung der in‐ haltlichen und strukturellen Bezüge zum Jeremiabuch ist im Anschluss an SCHWAGMEIER zu überlegen, ob die Umarbeitung des Ezechielbu‐ ches zur protomasoretischen Fassung zu den letzten buchformativen Vorgängen im corpus propheticum gehört und im Laufe des 3. oder eher des 2. Jh.s v. Chr. anzusetzen ist.41 Allerdings ist die protomasoretische Buchfassung nicht die einzig gültige Version des Ezechielbuches geworden, sondern die Handschrift des Pap. 967 aus dem 2. oder 3. Jh. nach Christus beweist, dass ver‐ schiedene Buchgestalten nebeneinander existiert haben und parallel tradiert worden sind. Sowohl für Pap. 967 als auch für den von den späteren griechischen Versionen bezeugten Strang der Textüberliefe‐ rung konnten dabei einige Eingriffe in den Text nachgewiesen werden, bei denen Person und Funktion Davids im Vordergrund stehen. So wird David in Ez 34,25 anders als in der protomasoretischen Buchfas‐ sung zum Bundespartner im Heilsbund mit Jhwh,42 während die Herr‐ 38 39 40 41
Vgl. dazu o. Kap. II. 2.1. Anm. 34. Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 280; siehe ähnlich schon HITZIG, KEH, 281. Vgl. dazu o. Kap. IV. 2.1.3.2. Vgl. SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 329‐331.359‐365; zur Datierung vgl. SCHWAG‐ MEIER, a.a.O., 364. 42 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.2.1. und III. 4.4.5.
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scherverheißungen in Ez 37,22.24.25 dadurch systematisiert werden, dass durchgehend die Titulatur a;rcwn verwendet wird.43 Die Herr‐ schererwartung in Ez 34‐39 richtet sich in dieser Form durchgehend auf den David redivivus, mit dem Jhwh den Heilsbund schließt, der als Fürst die Einheit des Volkes garantiert, und der über es herrschen wird.44 Diese prodavidischen Umarbeitungen beweisen, dass sich die Hoffnung auf einen davidischen Herrscher bis in die hellenistische Zeit hinein durchgehalten hat und auch in dieser Fassung des Ezechiel‐ buches ihren Niederschlag gefunden hat.45 2.2. Synthese und Zusammenfassung Die vorangehende Darstellung der Buchwerdung in Ez 34‐39 hat ge‐ zeigt, dass das literarische Wachstum vor allem durch thematisch orientierte Anlagerungen und Auslegungen bestimmt wird, durch die das Buch sukzessive anwächst. Diese Entstehung vollzieht sich aber nicht gänzlich ungeordnet in Form von unabhängigen Fortschreibun‐ gen, die jeweils nur auf den vorliegenden Einzeltext bezogen sind. Insbesondere für die ersten und für die letzten literarischen Ebenen konnten Überarbeitungen nachgewiesen werden, die Komposition und Anordnung des gesamten Buchabschnittes bzw. die Buchgestalt im Ganzen im Blick haben. Aber auch auf den dazwischen liegenden lite‐ rarischen Ebenen lassen sich einige übergreifende redaktionelle Inte‐ ressen für die einzelnen Fortschreibungen aufzeigen, wie die folgende Zusammenfassung noch einmal deutlich machen soll. Die Grundkomposition im Bereich von Ez 34‐39 liegt mit dem Text‐ zusammenhang von 36,1‐11* und 37,1‐6* vor (I), der in der historischen Fiktion des Buches Heilsverheißungen für die erste Gola enthält. Von einem Standpunkt außerhalb des Landes aus wird die Restitution des Landes für die Exilierten vorgesehen. Die Grundschicht verbindet damit eine Favorisierung der ersten Gola mit einer dezidierten Orien‐ tierung auf das Land hin, die soweit geht, dass die mit dem Zion ver‐ bundenen Heilsattribute auf das Land übertragen werden. Die ersten Erweiterungen der Grundkomposition in 35,1‐12*; 36,8b und 37,11‐13a* 43 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.2. 44 Vgl. auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 297‐317, der in der Rolle Davids den exemplarischen Differenzpunkt zwischen griechischer und (proto)masoretischer Buchfassung sieht. Allerdings scheint er die Abänderungen zumindest teilweise auf Seiten der protomasoretischen Buchgestalt zu sehen; vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 309. 45 Vgl. dazu ebenso Jer 33,14‐26, ein Text, in dem mehrere prodavidische Optionen durchgespielt werden, und der aufgrund seines Fehlens in der LXX* ebenfalls in die hellenistische Zeit datiert werden kann; vgl. dazu o. Kap. III. 5.5.3.3.
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(II) führen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung die Aussagein‐ tention der ursprünglichen Heilsverheißung fort. Mit der Voranstel‐ lung von 35,1‐12* findet eine Aktualisierung der Heilsbedingungen für das Land statt, durch die auch die Sammlung der Fremdvölkerworte in 25,1‐26,6* in ein kausales Verhältnis zu den an die Berge Israels gerich‐ teten Restitutionsverheißungen 36,1‐11* gesetzt wird: Das Gericht über die Völker, wie es in 35,1‐12* exemplarisch am Erzfeind Seir durchge‐ führt wird, ist die Voraussetzung für das Einsetzen der Heilsverhei‐ ßung an Israel. Am anderen Ende der Grundschicht in 37,11‐13a* wird dagegen die Rückkehr des ganzen Volkes Israel (37,11) in die Kompo‐ sition eingetragen, das auf dieser Stufe der Fortschreibung allein durch die erste Gola repräsentiert wird. Dasselbe redaktionelle Interesse zeigt die Bearbeitung von 36,1‐11* durch die Einschreibung in 36,8b sowie die Einfügung von 33,23‐29*, die deshalb ebenso zu dieser Fortschrei‐ bungsstufe zu rechnen sind. An diesen vorliegenden Textbestand haben sich mit 37,13b‐14*; 34,1‐10* und 37,15‐19* sukzessive drei Texte angelagert, in denen die konkrete Situation des Volkes im Land thema‐ tisiert wird (III). Insbesondere durch 37,13b‐14*, das im Anschluss an die Rückkehrverheißung für die Gola in 37,11‐13a* steht, kann das Volk im Land als die zurückgekehrte Gola verstanden werden. Nach dieser zweistufigen thematischen Erweiterung der Grund‐ schicht beginnt mit den Nachinterpretationen in 34,11‐15* und 37,20‐ 23* die Phase der Diasporaorientierung des Buches (IV), in der die Heilsverheißung auf das unter die Völker zerstreute Israel ausgeweitet wird. Die Fortschreibungen auf den folgenden literarischen Ebenen verteilen sich im Wesentlichen auf zwei unterschiedliche Auslegungs‐ vorgänge, die durch die Diasporaverheißungen in 34,11‐15* und 37,20‐ 23* angestoßen werden. Zuerst entsteht aus der Rezeption von 34,11‐ 15* in 37,20‐23* ein wechselseitiger Auslegungsprozess in Ez 34 und 37, durch den die beiden Kapitel um eine Reihe konkurrierender Fort‐ schreibungen anwachsen (V 1). Auf diese Stufe des Buchwachstums ge‐ hören die Nachinterpretationen in Ez 34,23f.*; 37,24; 34,25‐30* und 37,25‐28* (mit 34,24ab). In diesen wechselseitigen Auslegungen wird die bildliche Verheißung des Hirtenkapitels in Kap. 37 aufgelöst und in konkrete Heilsworte überführt, die sich mit den Bedürfnissen der heimgekehrten Diaspora im Land beschäftigen. Ez 34 und 37 wachsen dabei zu den Eckpfeilern der Komposition in Ez 34‐39 an und markie‐ ren den jeweiligen Übergang zur Heilsprophetie (Kap. 34) bzw. zur Tempelvision (Kap. 37). Daneben entsteht in den Kapiteln 36,16‐39,29 sukzessive eine theologische Diskussion über den heiligen Namen Jhwhs und die Frage, wie er seine Souveränität vor den Völkern erwei‐ sen kann (V2). Ausgangspunkt des Textwachstums ist hier die Textfol‐
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ge 36,16‐22; 39,23‐29*, die sekundär durch die Einfügung der Gog‐ Perikope Kap. 38f. zerteilt wird. In einem späten Stadium der Buch‐ genese wird in diesen beiden Komplexen in 36,18* und 37,23* sowie auch in 33,25‐27* die Polemik gegen die Götzen eingetragen (VI), deren Verehrung auch in anderen Texten des Buches als Ursache für das Exil benannt wird. Die Fortschreibungen in den Kapiteln 34 und 37 und in den Heiligungskapiteln setzen sich bis in die jüngsten Stadien des Buchwachstums fort. Die vermutlich spätesten Eintragungen in 34,17‐ 22 und 37,2.7‐10* sowie in der Gog‐Perikope (VII) gehören im Ezechiel‐ buch selbst, aber auch im Blick auf die Prophetenbuchreihe in die Spät‐ phase der prophetischen Überlieferung. Im Vordergrund steht dabei in Kap. 34 und 37 die Individualisierung der Heilsperspektive und in Ez 38f. der Beginn der apokalyptischen Literatur. Den letzten buchformativen Eingriff in die Heilsprophetien stellt die Neuanordnung der Kapitel im Zusammenhang mit der Einschrei‐ bung von 36,23bb‐32(38) dar (VIII). Diese Überarbeitung zielt nicht nur auf eine relecture der vorliegenden Verheißungen in der Perspektive der Neuschöpfung, sondern sie positioniert das Ezechielbuch auch innerhalb der Prophetenbuchreihe, wobei dieses vor allem als Erfül‐ lung und Überbietung der Prophetie im Jeremiabuch verstanden wer‐ den soll. 2.3. Ausblick auf die Heilsworte in Ez 1‐33 Neben den Heilsprophetien im dritten Buchteil gibt es auch in den ersten beiden Buchteilen vereinzelte Verheißungen, die sich in Ez 11,17‐20; 13,21.23; 16,53‐63; 17,22‐24; 18,31; 20,39‐44; 21,32b und 28,25f. finden. Es stellt sich deshalb die Frage, in welchem redaktionellen Ver‐ hältnis diese verstreuten Heilsworte zu der systematisierten Durch‐ führung der Heilsverheißung in Ez 34‐39 stehen und welche Funktion ihnen in der Buchgenese zukommt. Mit Ausnahme von Ez 13,21.23 und 28,25f. sind alle diese Texte mehr oder weniger ausführlich in den bisherigen Untersuchungen schon berührt worden, so dass auf den dortigen Ergebnissen aufgebaut werden kann. Der erste heilsprophetische Text begegnet im Buchablauf in Ez 11,17‐20, wo ein die Gola favorisierendes Disputationswort in 11,14‐16 zuerst um die Sammlung der Diaspora (11,17) und in einer weiteren Nachinterpretation um die Verleihung eines anderen Herzens (11,19f.*) ergänzt wird. Während die an das Israel in der Diaspora gerichtete Verheißung in die Nähe der Sammlungsverheißungen Ez 34,11‐15* und 37,20‐23* zu rücken ist, konnte für die Gabe des anderen Herzens wahrscheinlich gemacht werden, dass sie vor der Einschreibung von
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Ez 36,23bb‐32 verfasst worden ist, da sie dort bereits rezipiert wird.46 Redaktionsgeschichtlich zwischen diesen Texten ist die kurze, paräne‐ tische Heilsnotiz in Ez 18,31 einzuordnen, die eine individualisierende Auslegung der Verheißung von 11,19f.* darstellt.47 Aufgrund der weis‐ heitlich‐individualisierenden Perspektive ist zu erwägen, ob 18,31 theo‐ logiegeschichtlich in die Nähe von 34,17‐22 gehört. Die Gerichtsworte über die falschen Propheten in Kap. 13 enthalten zweimal die identisch formulierte Aussage, dass Jhwh sein Volk aus der Hand der Falschprophetinnen erretten wird (והצלתי את־עמי מידכן, 13,21.23). Ez 13,23 kann dabei als Wiederaufnahme von 13,21 bestimmt werden, mit deren Hilfe die dazwischen stehende Aussage über das Geschick des Gerechten bzw. des Gottlosen in 13,22 angebunden wer‐ den soll.48 Wird nach dem Verhältnis von 13,21 zu den Heilsprophetien in Kap. 34‐39 gefragt, so fällt eine große Nähe zu dem Ausgangstext im Hirtenkapitel 34,1‐10* auf: Beide Texte enthalten ein Gerichtswort über eine Gruppierung, die das Volk Jhwhs schlecht behandelt, und in bei‐ den Fällen sagt Jhwh an, dass er sein Volk aus der Hand (13,21) bzw. aus dem Rachen (34,10) dieser Gruppe erretten wird ()והצלתי מן, damit keine negative Folge für das Volk eintritt (ולא־יהיו, 13,21; vgl. ולא־תהיין, 34,10). Die Verbalform 1. Pers. sg. AK consecutivum hif. von der Wurzel נצל ist dabei nur in 13,21.23 und 34,10.12.27 im Buch belegt, so dass eine literarische Abhängigkeit überaus plausibel erscheint. Die Entschei‐ dung über die Richtung der Abhängigkeit setzt allerdings eine literar‐ kritische Analyse von Kap. 13 voraus, die hier nicht möglich ist. Es kann vermutet werden, dass die kürzere Heilsansage für das Volk in 13,21 in 34,10 ausgestaltet worden ist und auf den weiteren Fortschrei‐ bungsstufen als „Rettungsmotiv“ (vgl. 34,12.27) rezipiert wird. Am Ende der Bildrede über die untreue Frau Jerusalem in Kap. 16 finden sich zwei heilsprophetische Anhänge in Ez 16,53‐58 und 16,59‐ 63. Während Jerusalem in 16,53‐58 die Wendung des Geschicks zusam‐ men mit ihren Schwestern Samaria und Sodom angesagt wird, ver‐ sichert Jhwh ihr in 16,59‐63, dass er des ewigen Bundes gedenken wird, den er mit ihr geschlossen hat. Die Thematisierung des Geschicks von Jerusalem im Verbund mit den beiden Nachbarprovinzen erinnert zuerst an 37,15‐19*, wo mit Nord‐ und Südreich ebenfalls zwei Israel‐ Teilgrößen im Mittelpunkt stehen. Allerdings ist die explizite Hinwen‐ dung zu Jerusalem im Kontext des Buches auffällig, dessen Haltung zur Stadt in den älteren Texten mit SCHWAGMEIER zutreffend als „stadt‐ 46 Vgl. dazu die Textanalyse o. Kap. III. 1.4.2. 47 Vgl. dazu die Textanalyse o. Kap. III. 1.4.3. 48 Die Aussage in Ez 13,22 setzt 18,31 wahrscheinlich bereits voraus; vgl. dazu o. Kap. III. 1.4.3.
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feindlich“49 beschrieben werden kann. Die Stadt spielt in den Heilsver‐ heißungen von Ez 34‐39 keine Rolle und erscheint auch im Verfas‐ sungsentwurf seltsam distanziert vom Tempelbezirk, was sich schon daran zeigt, dass sie nicht zum heiligen Gebiet gehört (vgl. 48,15). Dies spricht dafür, dass in 16,53‐58 eine relativ späte Heilsperspektive vorliegt, in der auch Jerusalem Anteil am Heil bekommt. Im Fall von 16,59‐63 konnte dagegen bereits der Nachweis geführt werden, dass Ez 37,25‐28* den ewigen Bund aus 16,60 aufnimmt und ihn unter Bezug auf Ez 34,25‐30* als Heilsbund interpretiert.50 Die Fortschreibung ist damit in unmittelbarer Nähe zum Bundestext in 34,25‐30* bzw. litera‐ risch vor 37,25‐28* einzuordnen. Für Ez 17,22‐24 hat sich in gleicher Weise gezeigt, dass hier mit einem relativ jungen heilsprophetischen Anhang zu rechnen ist, in dem mit dem Neuanfang auf dem hohen Berg Israels ein Ausgleich zwi‐ schen den Herrschererwartungen in Ez 34 und 37 sowie dem Verfas‐ sungsentwurf vorgenommen wird.51 Eine ebenfalls späte und relativ offene Herrscherverheißung liegt mit Ez 21,32b vor, einem Text, der ursprünglich auf das Kommen von Nebukadnezar als Gerichtsinstru‐ ment bezogen ist und erst sekundär als Verheißung eines kommenden Herrschers gelesen werden soll.52 Im Geschichtsrückblick Ez 20 ist die ihrerseits mehrschichtige Fort‐ schreibung in Ez 20,39‐44 zu berücksichtigen, in der die heilszeitliche Zukunft im Land dargestellt wird.53 In dieser wird das Volk den heili‐ gen Namen Jhwhs nicht mehr durch Götzen verunreinigen, sondern den Jhwh‐gefälligen Kult auf dem hohen Gottesberg vollziehen. Jhwh wird sich seinerseits darin als heilig erweisen, dass er das Volk in das Land zurückbringt, das er seinen Vätern gegeben hat. Diese Nachinter‐ pretation erweist sich schon dadurch als relativ junge Heilsprophetie, dass ein relativ später Abfassungszeitpunkt für den Geschichtsrück‐ blick in Ez 20,5‐24* erwogen worden ist, der auf jeden Fall Ez 36,16‐22; 39,23‐29* voraussetzt.54 Darüber hinaus zeigen die vielfachen themati‐ 49 SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 332. Seine Gleichsetzung Jerusalems mit Zion (Stadt/Jerusalem/Zion), auf das sich gleichermaßen die Stadtfeindlichkeit im Buch beziehe (vgl. dazu SCHWAGMEIER, a.a.O., 332‐335), kann hier aber nicht uneinge‐ schränkt geteilt werden, da sowohl für die Grundschicht wie auch für späte Fort‐ schreibungen eine „Zionsorientierung“ der Texte nachgewiesen worden ist; vgl. dazu o. Kap. III. 7.4.3. SCHWAGMEIERS These ist deshalb genauer im Hinblick auf die unterschiedliche Sicht von Stadt, Land und Zion zu differenzieren. 50 Vgl. dazu die Analyse o. Kap. III. 4.4.2. sowie o. Kap. IV. 2.1.3.2. 51 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.5.2. 52 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.5.2. 53 Vgl. dazu die Analyse o. Kap. III. 3.4.2. 54 Vgl. dazu o. Kap. III. 3.4.2. und o. Kap. IV. 2.1.3.3.
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schen Bezüge zu Ez 34‐39, dass dem Stück in diesem Bereich die Heils‐ thematik der Wachstumsschichen IV‐VI auf jeden Fall bekannt ist, so dass hier einer der jüngsten Heilstexte im Buch vorliegt. Schließlich ist noch die an Israel gerichtete Heilsverheißung in dem Text Ez 28,25f. zu behandeln, der einen thematischen Einschub inner‐ halb der Fremdvölkerworte in Kap. 25‐32 darstellt. Dieses Stück zeich‐ net sich ähnlich wie 20,39‐44 durch eine Vielzahl von Bezügen auf die Heilsworte in Ez 34‐39 aus, die es als eine Art Kompendium erscheinen lassen. So ist die Grundlage für das kommende Heil die Rückführung Israels aus den Völkern in das Land, das Jhwh seinem Knecht Jakob gegeben hat, wodurch er sich vor den Völkern als heilig erweisen wird (28,25). Im Land werden die Israeliten dann in Sicherheit wohnen, Häuser bauen und Weinberge pflanzen (28,26). Hinter dem letzten Vers steht zweifelsohne eine Dtn 20,5f. vergleichbare Absage an künf‐ tige kriegerische Aktivitäten, aber ebenso deutlich sind die Bezüge des ganzen Textes zur Theologie von Jhwhs heiligem Namen und zum späten Heilskompendium in Ez 37,25‐28. Nur in Ez 28,25 und in 37,25 wird die Wiederbesiedelung im Land mit der Landgabe an den Erz‐ vater Jakob begründet (vgl. noch Ez 20,41 die Landgabe an „eure Väter“), so dass zu erwägen ist, ob in 28,25f. ähnlich wie in 37,25‐28 ein redaktionelles Scharnierstück vorliegt. In dieser Funktion schließt der Text die Gerichtsworte gegen die Fremdvölker vor den Gerichtsworten gegen Ägypten in Kap. 29‐32 ab und schreibt zugleich die Interpreta‐ tionskategorie „Gericht über die Völker – Heil für Israel“ in die Fremd‐ völkerworte selbst ein. Die Ergebnisse des Ausblicks auf die Heilsworte in Ez 1‐33 können damit wie folgt zusammengefasst werden: Mit der einzigen Ausnahme von 13,21 handelt es sich durchweg um späte Einschreibungen, die vor allem in Form von heilsprophetischen Anhängen den Gerichtsankündi‐ gungen des Buches eine Heilsperspektive geben. Dabei gehören die Texte (bis auf 13,21) redaktionsgeschichtlich frühestens auf die Ebene der beginnenden Diasporaorientierung in Ez 34‐39 (IV), so dass für ein längeres Stadium der Buchwerdung von einer klaren Trennung des Buches in einen gerichtsprophetischen und einen heilsprophetischen Teil ausgegangen werden kann. In ihrer Funktion für das Buch stellen diese Texte aber mehr dar als nur Anleihen an die bereits existierenden Heilsworte in Ez 34‐39. Viel‐ mehr führen einige der Stücke heilsprophetische Topoi in das Buch ein, die im dritten Buchteil wieder aufgegriffen werden, während andere Texteinheiten redaktionelle Gelenkstücke darstellen, die an bestimmten Stellen gezielt einen Ausblick auf die Heilsverheißungen geben und die Gesamtanlage des Buches strukturieren. So musste zwar die endgültige
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Einordnung von Ez 13,21 offen gelassen werden, es ist aber zumindest wahrscheinlich, dass der Autor von Ez 34,1‐10* die Rettungsaussage in 13,21 als Vorlage für seinen Text verwendet hat. Die Rettung des Vol‐ kes vor einer schlechten Führerschaft ist damit schon im ersten Buchteil angelegt. In Bezug auf Ez 11,19f.* und 18,31 gilt des Weiteren, dass in diesen Texten die ersten Reflexionen über ein neues Bundesverhältnis vorliegen, die ihre konzeptionelle und inhaltliche Ausformung in 36,23bb‐32 finden. Die kompendiumartige Überarbeitung des Ge‐ schichtsrückblickes in 20,39‐44 und der Fremdvölkersprüche in 28,25f. sprechen dagegen für buchformative Vorgänge, in denen eine Lese‐ perspektive für das gesamte Buch an entsprechenden Scharnierstellen eingetragen wird. 2.4. Heilsverheißung als Schriftauslegung Im Überblick über die Entstehung von Ez 34‐39 hat sich die Redak‐ tionsgeschichte der Heilsprophetien in besonderer Weise als Rezep‐ tionsgeschichte dargestellt, da das gesamte literarische Wachstum von den ursprünglichen Verheißungen bis hin zu den letzten Überarbeitun‐ gen als Vorgang innerbiblischer Schriftauslegung55 beschrieben werden kann. Eine Besonderheit der Heilsprophetien im Ezechielbuch liegt darin, dass sich keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass Heils‐ worte des historischen Propheten verschriftet worden sind, um als traditum literarisch produktiv zu werden. Vielmehr handelt es sich bei der Grundschicht in Ez 34‐39 von Anfang an um traditio. Die ursprüng‐ liche Heilskomposition ist als literarische Auslegung der vorliegenden schriftprophetischen Überlieferung angelegt und dieses Interesse konn‐ te auch für die folgenden literarischen Ebenen nachgewiesen werden. Dabei sind einige Unterschiede hinsichtlich des jeweiligen literarischen Referenzrahmens der Rezeptionsvorgänge sowie hinsichtlich der Art und Weise aufzuzeigen, wie sich innerbiblische Auslegung auf den verschiedenen Wachstumsstufen des Buches vollzieht. Die anfängliche Heilskomposition in Ez 36,1‐11* und 37,1‐6* weist vor allem Bezüge zur Gerichtsprophetie im ersten Buchteil auf. Außer‐ halb des Buches scheinen die Texte zwar keine direkten literarischen Vorlagen zu haben, aber sie greifen Metaphern und Motive aus ande‐ ren Prophetenbüchern auf, die in den ursprünglichen Heilsverhei‐ ßungen verarbeitet werden. Dabei hat der Verfasser von Ez 34‐39* an‐ 55 Der Begriff wird hier wieder im weiteren Sinne für sämtliche Auslegungsvorgänge innerhalb und außerhalb des Buches verwendet; vgl. dazu die methodische Ein‐ schränkung o. Kap. I. 2.1.
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scheinend eine klare Vorstellung davon, wie ein Prophetenbuch auszu‐ sehen hat und gestaltet seine Texte in Anlehnung an die vorliegende prophetische Überlieferung als Wort‐ und Visionsverkündigung. Eine besondere Bedeutung kommt dem Jeremiabuch als Vorbild der biogra‐ phischen Anlage zu.56 Inhaltlich und formal sind die ursprünglichen Heilstexte durch eine besondere Bildhaftigkeit geprägt, die die Bot‐ schaft des Buches einerseits anschaulich macht, den Leser andererseits aber zu einer Transferleistung herausfordert, da er den theologischen Gehalt der Bilder für sich erst entschlüsseln muss. Auf den nächsten literarischen Ebenen setzt sich die Bildhaftigkeit des Buches fort: So bauen Ez 35,1‐12* und 37,11‐13a* die vorhandene Motivik der Berge bzw. des Todes weiter aus und aktualisieren die Bilder für ihre jeweilige Aussageabsicht. Mit 37,11‐13a* beginnt aller‐ dings zugleich ein neues Stadium der Auslegungsgeschichte im Buch, da Jer 8,1‐3 als literarischer Bezugstext für das Bild der Gräber in Ez 37,11‐13a* wahrscheinlich gemacht werden konnte. In gleicher Weise geht das Bild der schlechten Hirten in Ez 34,1‐10* auf Jer 23,1f.(3f.) zurück und die Zeichenhandlung Ez 37,15‐19* hat eine Parallele in der Symbolhandlung Jes 8,1, wobei hier ebenso die Bezüge zu dem Zei‐ chenhandlungszyklus in Ez 4f. zu berücksichtigen sind. Diesen Stücken ist gemeinsam, dass sie zur Ausdeutung der vorliegenden literarischen Überlieferung auf ein traditum aus den anderen Buchteilen bzw. aus anderen Prophetenbüchern zurückgreifen, das zum Verständnis der neuen Einheit von Redigiertem und Redigierendem beiträgt. Zugleich erfährt die Vorlage selbst eine Rezeption, da ihre Verarbeitung im Ezechielbuch auch ein Auslegungsinteresse gegenüber dem Spender‐ text verfolgt. So wird das Wort gegen die Könige Judas in Jer 23,1f. im Hirtenkapitel verwendet, um das Gericht gegen den Erzfeind Seir auf das Gericht über die Fremdvölker im eigenen Land zu übertragen. Dies geschieht im aus Jer 23 entlehnten Bild der Hirten, das aber in Ez 34 nicht mehr für die Könige Judas, sondern für die Fremdherrscher im Land gebraucht wird. Auf den folgenden literarischen Wachstums‐ stufen im Hirtenkapitel wird die Rezeption von Jer 23,1f. weiterge‐ führt, indem nun auch die Fortschreibungen in Jer 23,3f.5f. in Ez 34,11‐ 15*.23f.* aufgenommen werden. Der Ankündigung neuer Hirten bzw. des rechtmäßigen davidischen Sprosses (Jer 23,3f.5f.) setzt die Verhei‐ ßung im Ezechielbuch Jhwhs Königsherrschaft (Ez 34,11‐15*) bzw. die Erwartung des David redivivus (Ez 34,23f.*) entgegen. Mit dem Beginn der Diasporaorientierung wird zwar die „Schrift‐ gelehrsamkeit“ des Buches fortgeführt, aber die Bildhaftigkeit in den 56 Vgl. dazu insgesamt die Studie von SCHÖPFLIN (siehe auch o. Kap. I. 2.3.) und insbes. SCHÖPFLIN, Theologie, 352.
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Ausführungen weicht zunehmend der Gottesrede. Für diese gilt in gleicher Weise, dass sich die Aussageabsicht dem Leser oft nur er‐ schließt, wenn er die Bezugstexte der Redeeinheiten kennt. So gewinnt z. B. die Gog‐Perikope erst dann eine theologische Tiefendimension, wenn dem Leser bewusst ist, dass es sich hier um den im Jeremiabuch geweissagten Feind handelt, der im Ezechielbuch sein Ende finden wird. In gleicher Weise ist die Aussage über das Land als Menschen‐ fresserin in Ez 36,13f. nur vor dem Hintergrund der Kundschafterge‐ schichte in Num 13f. verständlich. Auf den jüngsten literarischen Ebenen verdichten sich die text‐ lichen Bezüge innerhalb und außerhalb des Buches, wobei es zur Ver‐ schmelzung unterschiedlicher theologischer Traditionen im Ezechiel‐ buch kommt. An dieser Stelle sind vor allem die drei Bundestexte in Ez 34,25‐30*; 37,25‐28* und 36,23bb‐32 zu nennen. Mit der Konzeption des Heilsbundes hält die priesterliche Bundestheologie Einzug in das Buch, die sich im neuen Bund mit Elementen der dtr. Bundestheologie ver‐ bindet. In den drei Texten fällt des Weiteren eine gewandelte ex‐ egetische Technik im Umgang mit den literarischen Vorlagen auf. Während auf den vorangehenden literarischen Stufen Anspielungen und implizite Zitate die Auslegungsvorgänge bestimmen und das lite‐ rarische traditum oft nur anhand weniger Stichwortverbindungen zu erkennen ist, treten die verarbeiteten Vorlagen in diesen drei Texten offensichtlich zutage: So bietet 34,25‐30* geradezu eine Nachschrift der Segensverheißungen in Lev 26,3‐13, während in 37,25‐28* und 36,23bb‐ 32 die Verbindungen versatzstückartig angeordnet sind und teilweise ganze Sätze wortwörtlich zitiert werden. Besonders deutlich wird diese exegetische Technik in der Rezep‐ tion der Aussagen über das neue Herz und den neuen Geist. Bereits der Autor von Ez 11,19f.* zeigt eine außergewöhnliche Treue gegen‐ über seiner Vorlage in Jer 32,37‐41, aus der er die Verheißung des לב אחד („ein Herz“, Jer 32,39; vgl. Ez 11,19aa) zitiert. Die nachfolgende Aus‐ sage über die Ersetzung des steinernen durch das fleischerne Herz zeigt, dass er eigentlich ein „anderes Herz“ meint, dies aber nur in einer Art Pescher‐Hermeneutik ausdrückt, indem er dem Zitat aus Jer 32,39 seine eigene Kommentierung anfügt. In ähnlicher Weise zitiert der Autor von Ez 36,23bb‐32 die Aussage über das steinerne Herz aus Ez 11,19f.* (vgl. 36,26b) und setzt davor die in eine Verheißung gewen‐ dete Aussage über das neue Herz und den neuen Geist aus Ez 18,31 (vgl. 36,26a). Das abgewandelte Zitat aus Ez 18,31 wird so zur Deutung des nachfolgenden Zitats aus Ez 11,19f.*, das jetzt als Verheißung für ein „neues Herz“ zu verstehen ist. Weitere Bausteine wie die Gabe des Jhwh‐Geistes aus Ez 37,14 (vgl. 36,27a) und die Gabe in das Innere
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(בקרבכם, 36,26a.27a) mit dem Bundesbezug aus dem Jeremiabuch ver‐ vollständigen das Zitatkonglomerat in Ez 36,26f. In diesem Zusammenhang ist ebenso die relativ späte Einzelfort‐ schreibung der Gog‐Kapitel durch Ez 38,17 zu berücksichtigen, in der das Kommen Gogs explizit als die Erfüllung der Ankündigung im Jeremiabuch gedeutet wird: „Du bist der, von dem ich in vergangenen Tagen geredet habe durch meine Knechte, die Propheten Israels.“57 Diese Auslegung stellt praktisch einen Kommentar zu den entspre‐ chenden Stellen im Jeremiabuch dar, wobei nur noch die genaue An‐ gabe der kommentierten Texte fehlt.58 In vergleichbarer Weise wird in der Interpretation in Ez 39,8 der Sieg über Gog als das Ereignis be‐ zeichnet, von dem Jhwh geredet hat ()הוא היום אשׁר דברתי. Die etwas andere exegetische Technik in den Nachinterpretationen in Ez 34,25‐30*; 37,25‐28* und 36,23bb‐32 wie auch die explizite Nen‐ nung der „Propheten Israels“ in 38,17 (vgl. 39,8) deutet darauf hin, dass hinter diesen Texten ein sich verfestigendes Schriftverständnis steht, dem zufolge die Schrift als Größe mit eigener Autorität verstan‐ den wird. Anleihen und Anspielungen an andere Texte werden des‐ halb nicht mehr einfach den neuen Bedürfnissen angepasst, sondern die Bezugstexte werden teilweise wörtlich zitiert und mit einer eigenen Auslegung ergänzt. In den Gog‐Kapiteln wird schließlich ausdrücklich auf die Vorlage verwiesen, durch die die eigene Rezeption zusätzlich an Bedeutung gewinnt. In diesen späten Texten des Ezechielbuches deutet sich der Übergang von der inner‐ zur außerbiblischen Exegese an, in der die Nachschrift literarisch und hermeneutisch neben ihre Vorlage tritt und von dieser getrennt wird.59 Für die Schriftauslegung im Ezechielbuch ergibt sich damit das folgende Bild: Die Heilsprophetien in Ez 34‐39 erweisen sich in hohem Maße als eine Auslegung der vorliegenden prophetischen Überliefe‐ rung, bei der auch Texte wie Lev 26 eine Rolle spielen, die durch die Rezeption im Buch prophetisch gedeutet werden. Das literarische Wachstum in Ez 34‐39 spiegelt dabei zugleich eine Veränderung des Auslegungsverständnisses im Buch wider. Die Aufnahme von vorlie‐ genden Motiven und Inhalten wandelt sich im Laufe der Fortschrei‐ bung zu eindeutigen Rückbezügen auf einzelne Stücke, ehe auf den jüngsten Wachstumsstufen eine Verschmelzung und Systematisierung 57 Übersetzung nach LXX, Peschitta und Vulgata; vgl. dazu o. Kap. III. 2.4.3. Anm. 144. 58 Vgl. auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 322. 59 Ein Beispiel für die außerbiblische Exegese sind die Pescharim in Qumran, in denen ausgewählte Zitate aus einzelnen Prophetenbüchern jeweils mit einer durch פשרו („seine Deutung“) o. ä. eingeleiteten Auslegung kommentiert werden (vgl. z. B. den Pescher Habkuk 1OpHab II,5.12; III,4; IV,1.5.10.14 u. ö.).
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unterschiedlichster Texte stattfindet, die aber deutlicher als auf den vorhergehenden literarischen Ebenen als Vorlagen wahrgenommen werden. Am Ende dieser Entwicklung steht die Einreihung des Ezechi‐ elbuches in das corpus propheticum und das allmähliche Erlöschen der prophetischen Überlieferung. Die innerbiblische Schriftauslegung setzt sich jetzt unter anderen Vorzeichen als außerbiblische Exegese fort
3. Zur Frage einer ursprünglichen Buchgestalt 3.1. Die Fragestellung Nachdem vorangehend das literarische Wachstum der Heilsprophetien im Ezechielbuch beschrieben worden ist, stellt sich nun die Frage, welche Stellung Komposition und Redaktion der Heilsprophetien in der Entstehung des Buches einnehmen. Die bisherigen Analysen haben ergeben, dass die ursprünglichen Verheißungen in Ez 34‐39 das Wort an die Berge Israels in Ez 36,1‐11* und die Totenfeldvision in Ez 37,1‐6* umfassen. Für diese heilsprophetische Grundschicht gilt des Weiteren, dass sie ursprünglich an einen Grundbestand der Fremdvölkerworte in Ez 25,1‐26,6* angeschlossen hat und das literarische Gegenstück zum Gerichtswort über die Berge Israels in Ez 6,1‐7* bildet.60 Aufgrund der hohen literarischen Geschlossenheit und der die einzelnen Texte über‐ greifenden Gestaltungsabsicht ist die These aufgestellt worden, dass es sich bei diesen Texten nicht um eine Sammlung verschrifteter Prophe‐ tenlogien handelt, sondern dass sie von Anfang an für ein Propheten‐ buch verfasst worden sind. Im Folgenden wird deshalb zu klären sein, ob man sich mit diesem Prophetenbuch auf der Ebene der ursprünglichen Buchgestalt des Eze‐ chielbuches bewegt oder ob die Heilsprophetien erst nachträglich in eine schon bestehende Buchfassung eingeschrieben worden sind. Die Beantwortung dieser Frage setzt Überlegungen darüber voraus, welche Aussagen sich über die ursprüngliche Gestalt des Ezechielbuches treffen lassen können. Für das Gesamtbuch gelten m. E. dieselben Prä‐ missen wie für die anfängliche Heilsverheißung: Die literarische Ge‐ schlossenheit und die kompositorische Gestaltung sprechen dafür, dass es sich hier von Anfang an um eine Buchkomposition handelt und nicht um eine Sammlung von einzelnen Prophetenworten.61 Unter 60 Vgl. dazu o. Kap. III. 7.2.2. und III. 7.4.3. 61 Vgl. dazu zusammenfassend SCHÖPFLIN, Theologie, 343‐358, die den Nachweis ge‐ führt hat, dass das Ezechielbuch von Anfang an als Buchkomposition vorliegt, in der die theologische Reflexion in Form der prophetischen Biographie gefasst ist. Sie
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dieser Voraussetzung müssen sich allerdings eine Einleitung und eine Zielaussage dieser ursprünglichen Buchgestalt im Textbestand des Eze‐ chielbuches nachweisen lassen.62 Im Folgenden soll deshalb versucht werden, den möglichen Textbestand des ursprünglichen Ezechielbu‐ ches zu skizzieren, wobei Anfang und Schluss dieser Fassung beson‐ dere Berücksichtigung finden. 3.2. Erwägungen zum Textbestand Da das Ezechielbuch durchgehend als Prophetenbiographie in Form eines Ich‐Berichtes angelegt ist, kann der Anfangstext der ursprüng‐ lichen Buchkomposition nur in den Kapiteln 1‐3 gefunden werden, die auch in der vorliegenden masoretischen Fassung die Einleitung des Bu‐ ches bilden. An diese Einleitung schließt sich in Kap. 4f. der Zeichen‐ handlungszyklus an, mit dem die Verkündigung des Propheten eröff‐ net wird. Es hat sich gezeigt, dass hier mit einer ursprünglichen Zu‐ sammenstellung von drei Symbolhandlungen in 4,1‐5,2* gerechnet werden kann, in denen Ezechiel programmatisch das Gottesgericht über die Stadt vorabbildet.63 Da diesem Zyklus expositorische Funktion für die folgenden Gerichtsankündigungen zukommt und er aus diesem Grund auch von anderen Exegeten für die älteste Buchfassung des Ezechielbuches reklamiert wird,64 kann arbeitshypothetisch davon aus‐ gegangen werden, dass er zur Grundschicht des Buches gehört. Damit ist allerdings bereits eine entscheidende Weiche gestellt, da Ez 4,1 keine Einleitungsformulierung enthält, sondern das Stück durch die ausdrückliche Anrede des Propheten mit dem Menschensohntitel (ואתה בן־אדם, 4,1) als Fortsetzung einer Gottesrede gekennzeichnet ist. Wenn der Zeichenhandlungszyklus also Teil der anfänglichen Buchgestalt ist, muss ein ursprünglicher Textanschluss für 4,1 in den vorangehenden Kapiteln gefunden werden. Die textliche Situation in Kap. 1‐3 stellt sich wie folgt dar: Mit Ez 1,1‐3 liegt die Einleitung des Prophetenbuches vor. In V 1 wird im Ich‐ Bericht der Beginn von Ezechiels Wirken auf das „dreißigste Jahr“ rechnet allerdings im Vergleich mit den hier durchgeführten Analysen mit einer sehr viel umfangreicheren ursprünglichen Buchgestalt, vgl. SCHÖPFLIN, a.a.O., 346‐350. 62 Die These, dass diese signifikanten Bausteine der Komposition sich nicht mehr auf‐ finden ließen oder weggebrochen seien, kann hier nur ultima ratio sein, falls sich keine andere Lösung plausibilisieren lässt. So gegen POHLMANN, ATD, 81, der über die Einleitung seines älteren Prophetenbuches urteilt: „Die Frage, ob und welch eine Ein‐ bzw. Überleitung ursprünglich vorgegeben war, ist schwierig zu beantworten.“ 63 Vgl. dazu o. Kap. III. 5.4.2. 64 Vgl. GARSCHA, Studien, 289f.; POHLMANN, ATD, 34.81‐84, und SCHÖPFLIN, Theolo‐ gie, 199‐216.
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datiert, in dem ihm unter den Weggeführten ()בתוך־הגלה eine visionäre Schau zuteil wird. V 2f. setzen dagegen im Er‐Bericht mit der Datie‐ rung auf das fünfte Jahr unter Jojachin ein (V 2) und nennen ausdrück‐ lich den Priester Ezechiel, Sohn des Busi, im Land der Chaldäer als Empfänger des göttlichen Wortes (V 3a). V 3b liefert die Information nach, dass über diesen die Hand Jhwhs kommt. Die unterschiedlichen Datierungen in V 1 und V 2 sowie der Wechsel zwischen Ich‐ und Er‐ Bericht deuten bereits darauf hin, dass die Einleitung nicht von einer Hand ist. Da nur V 2 eine namentliche Einführung des Propheten ent‐ hält, auf die der Leser sonst bis Ez 24,24 warten müsste, ist ihm gegen‐ über V 1 die Priorität einzuräumen. Dafür spricht auch, dass die Frage nach dem Bezug des Datums in V 1 bis heute nicht befriedigend gelöst worden ist, 65 während die Datierung in V 2 auf eine Zeit zwischen der ersten Exilierung 597 v. Chr. und der endgültigen Einnahme Jerusa‐ lems 587 v. Chr. führt, die zu den übrigen Situationsangaben im Buch passt. An V 2 hängt indes die Wortereignisformel in V 3a, die durch den Einsatz mit der einfachen AK‐Form היה literarisch auf V 2 zurück‐ bezogen ist.66 Dagegen liegt mit V 3b ein unabhängiger Einsatz vor, der ein visionäres Erlebnis des Propheten eröffnet.67 Auch wenn denkbar ist, dass dieser Halbvers die ursprüngliche Fortsetzung der überschrift‐ artigen Wortereignisformel in V 3a bietet,68 ist es doch wahrschein‐ licher, dass V 3b erst sekundär den Einschub einer Vision in der Buch‐ einleitung verankern soll.69 Der Grundbestand der Buchüberschrift Ez 1,1‐3 liegt damit in den V 2‐3a vor. Der Überblick über die folgenden Textabschnitte zeigt, dass diese entweder die Wortereignisformel in Ez 1,3a oder die Visionseinleitung in 1,3b zwingend voraussetzen. An der Wortereignisformel hängen die Beauftragung Ezechiels für das widerspenstige Haus Israel in Ez 2,3‐7 sowie die Sendung zum verstockten Haus Israel in Ez 3,4‐9, die in Ez 3,10‐15 in eine Sendung zu den Weggeführten (אל־הגולה, 3,11) übergeht. Diese Texte sind durch einleitendes ויאמר אלי (2,3; 3,4.10) jeweils als Ein‐ 65 Zu den verschiedenen Vorschlägen vgl. ZIMMERLI, BK, 42f.; KUTSCH, Daten, 46‐51. 66 Das zweite היה am Anfang von Ez 1,3a ist als Dittographie zu streichen; so mit BHS und ZIMMERLI, BK, 4. Anders ALLEN, WBC 28, 4, und BLOCK, NICOT I, 80 mit Anm. 13, die hier einen verstärkenden infinitivus absolutus lesen. 67 In Ez 1,3b bieten einige hebräische Handschriften, LXX und Peschitta die Variante עלי anstelle der masoretischen Lesart עליו. Anscheinend wird der Halbvers von diesen Textzeugen als Einleitung der anschließenden Thronwagenschau (Ich‐Bericht) ver‐ standen, während die masoretische Lesart V 3b als Abschluss der als Er‐Bericht gehaltenen Vorstellung des Propheten in V 2‐3a versteht. 68 So POHLMANN, ATD, 55. 69 Vgl. dazu auch KUTSCH, Daten, 52f., der damit rechnet, dass in Ez 1,1‐3 zwei Über‐ schriften (1,2‐3a und 1,1.3b) miteinander verflochten sind, die auf die Thronwagenvi‐ sion in Ez 1,4‐28a bzw. den eigentlichen Berufungsbericht in 1,28b‐3,11 hinführen.
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satz einer Gottesrede gekennzeichnet und erfordern damit eine Rede‐ einleitung wie die Wortereignisformel in 1,3a. Die visionäre Schau der Herrlichkeit Jhwhs in Ez 1,4‐28 und die Buchrollenvision in Ez 2,9‐3,3,70 die eine Sendung an das Haus Israel enthält, sind dagegen literarisch auf die Visionseinleitung in 1,3b angewiesen (vgl. וארא והנה, 1,4; 2,9). Mithin bleibt nur noch Ez 2,1f. zu bedenken, das aber eindeutig als redaktionelles Scharnierstück verfasst worden ist, das von der Thron‐ wagenvision in 1,4‐28 zur Gottesrede in 2,3‐7 überleiten soll. Wird nach der ursprünglichen Fortführung der Wortereignisformel in Ez 1,3a gefragt, so kommen deshalb schon aus formalen Gründen nur die drei Variationen der Berufung Ezechiels in Ez 2,3‐7; 3,4‐9 und 3,10‐15 in Frage. Von diesen drei Texten entspricht allein die Sendung Ezechiels zu den Weggeführten in 3,10‐15 der einleitenden Situations‐ beschreibung in 1,2‐3a, so dass dieser Version der Vorzug zu geben ist. Innerhalb von 3,10‐15 ist allerdings noch weiter zwischen der einfachen Sendung zu der ersten Gola in 3,10f.15 (3,10‐15*) und der Notiz über das Ende der Vision in 3,12‐14 zu differenzieren. Da 3,12‐14 bereits einen visionären Kontext voraussetzt, der nach den bisherigen Überle‐ gungen sekundär gegenüber der einfachen Beauftragung des Prophe‐ ten ist, kann hier eine nachträgliche Überarbeitung vermutet werden. Gegenüber der (ursprünglichen) Sendung zu der Gola in 3,10‐15* wer‐ den die Adressaten in 2,3‐7 und 3,4‐9 von vornherein als hörunwillig gekennzeichnet, was auf eine Einschränkung der Prophetentätigkeit hindeutet, die nicht zur Grundschicht in Kap. 1‐3* gehört. Vielmehr handelt es sich um nachträgliche Anfüllungen, die zuerst die Identifi‐ kation der ersten Gola mit dem ganzen Haus Israel voraussetzen und des Weiteren das Verstockungsmotiv in die Berufung eintragen. 71 Die Ergebnisse können damit wie folgt zusammengefasst werden: Im Bereich von Ez 1,1‐3,15 bilden Ez 1,2‐3a; 3,10f.15 das literarische Fachwerk der Berufungskapitel, auf das man nicht verzichten kann, und das die Sendung des Priester‐Propheten Ezechiel an die Gola schil‐ dert. Es wäre möglich, zu diesem Grundgerüst noch einen visionären Grundbestand wie z. B. eine kurze, um die Thronwagenvision redu‐ zierte Gottesschau in Ez 1,4.2872 oder die Buchrollenvision in 2,9‐3,3 70 Die Redeeinleitung in Ez 2,8 nimmt den Essbefehl aus 3,1 vorweg und scheint als re‐ daktionelle Überleitung von 2,3‐7 zu 2,9‐3,3 abgefasst worden zu sein. 71 Zur Sekundarität der Texte vgl. auch POHLMANN, ATD, 52f. Das Verstockungsmotiv erinnert an den jesajanischen Verstockungsgedanken oder das deuteronomistische Motiv, dass die Propheten zu einem Volk gesandt sind, das nicht hören will. 72 Auf diese „Radikallösung“ führt die Analyse von HÖLSCHER, Hesekiel, 48, der zu‐ sätzlich noch V 28ab ausscheidet. Aber auch andere Exegeten betrachten zumindest die Beschreibung der Räder in V 15‐21 und kleinere andere Zusätze als sekundär; vgl. z. B. ZIMMERLI, BK, 28; FUHS, NEB, 22, oder SCHÖPFLIN, Theologie, 139‐141.
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hinzuzunehmen,73 dies setzt jedoch den Einschluss der visionären Ein‐ leitung in 1,3b voraus, die oben als mutmaßlich sekundär beurteilt wurde. Damit bleibt noch nach der Zugehörigkeit der folgenden Stücke in Ez 3,16‐21 und Ez 3,22‐27 zu fragen. 3,16‐21 handelt von der Bestellung des Propheten zum Wächter, der den Gerechten und den Gottlosen warnt und zur Umkehr aufruft. Für diesen Text, der im Zusammen‐ hang mit den anderen Wächterpassagen des Buches zu sehen ist, hat SCHÖPFLIN jüngst vorgeschlagen, eine Überarbeitung im Sinne des dtr. Prophetenbildes anzunehmen, durch die Ezechiel zum Umkehrpre‐ diger wird.74 Neben der Umkehrthematik spricht auch die weisheitlich geprägte Differenzierung von Gottlosem und Gerechtem dafür, hier einen späteren Text im Buch zu sehen, der das individuelle Geschick des Menschen in den Blick nimmt (vgl. ebenso Ez 13,22; 18; 34,17‐22 und 37,2.7‐10*). Mithin ist nur noch die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Ez 3,22‐27 zu prüfen. In dieser kurzen Vision kommt die Hand Jhwhs über Ezechiel, der auf die Talebene (הבקעה, 3,22.23) hinausgehen soll und dort die Herrlichkeit Jhwhs ()כבוד־יהוה erblickt. Jhwh redet zu ihm und fordert ihn auf, sich in seinem Haus einzuschließen (3,24). Einge‐ leitet durch die erneute Anrede ואתה בן־אדם folgt in V 25‐27 ein zweiter Redeabschnitt, der Reflexionen über das Verhältnis des Propheten zum widerspenstigen Haus Israel enthält. Dieser Rückbezug auf die sekun‐ dären Stücke über das hörunwillige Haus Israel in Ez 2,3‐7 und 3,4‐9 könnte auf den ersten Blick für die Sekundarität des gesamten Stückes sprechen, aber es ist auch zu erwägen, ob dies nur für den zweiten Re‐ deabschnitt V 25‐27 gilt. Unter dieser Voraussetzung könnte die Vision der Herrlichkeit in 3,22‐24 die ursprüngliche Überleitung von der Beru‐ fung des Propheten zum Zyklus der Zeichenhandlungen in Ez 4,1‐5,2* gebildet haben. Zwar führt diese Einordnung zu der verwunderlichen Situation, dass Ezechiel die Zeichenhandlungen in Kap. 4f.* für sich in seinem Haus vollzieht, aber ansonsten kommt kein anderer Text im Bereich von Ez 1‐3 als Gottesrede in Frage, an die die Redeeinleitung der Zeichenhandlungskomposition in 4,1 ursprünglich angeschlossen haben könnte. Der sekundäre Einsatz mit ואתה בן־אדם in 3,25 ist damit ei‐ 73 Vgl. dazu HÖLSCHER, Hesekiel, 45.48.54, dessen Sondierungen auf einen literarischen Kern in Ez 1,3b?.4.28*; 2,1a.8b‐10; 3,10‐15* führen. Ähnlich auch POHLMANN, ATD, 48f.54, der den ursprünglichen Kern der Berufungskapitel in 1,2f.; 2,9‐3,3*; 3,10f.14f.* findet, der seiner Meinung nach aber einen in buchkonzeptioneller Absicht abge‐ fassten Visionsbericht darstellt, dem bereits ein älteres Prophetenbuch ohne Text‐ anteil in Kap. 1‐3 vorausgehe. 74 Vgl. SCHÖPFLIN, Theologie, 196‐198. Dagegen hat POHLMANN, ATD, 74f., versucht, in den Wächterpassagen eine golaorientierte Konzeption zu erkennen.
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ne Wiederaufnahme der gleichlautenden Einleitung in 4,1 ()ואתה בן־אדם, durch die der sekundäre Einschub von 3,25‐27 in den ursprünglichen Textzusammenhang von 3,22‐24; 4,1‐5,2* geleistet wird. Üblicherweise wird die Vision in Ez 3,22‐24(27) als nachträglich gegenüber der Eingangsvision der Herrlichkeit in Ez 1,4‐28* und an‐ derer Teile der Berufungskapitel beurteilt,75 aber der Versuch erscheint lohnend, dieses Verhältnis umzukehren. Da nach der hier vorgeschla‐ genen literarkritischen Sichtung sämtliche Visionsteile in Ez 1,1‐3,15 nachträgliche Auffüllungen darstellen, könnte in 3,22‐24* der ur‐ sprüngliche Bericht über die Gottesschau des Propheten vorgelegen haben, die von hier aus sekundär in Kap. 1‐3 hinein gewirkt hat.76 Die Vision von Gottes Herrlichkeit in 3,22‐24* stellt klar, dass Jhwh von Beginn an unter den Exilierten weilt, deren Status dadurch eine theolo‐ gische Legitimation erhält. Auf die Einleitung in Ez 1‐3 folgen auf der Ebene der vorliegenden Buchgestalt die Gerichtsprophetien über Stadt und Land in Kap. 4‐24. Es konnte bereits wahrscheinlich gemacht werden, dass der ursprüng‐ liche Zeichenhandlungszyklus in 4,1‐5,2* in diesem Bereich zur Grund‐ schicht gehört, es wird aber noch mit weiteren Texten zu rechnen sein. So kann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Analyse von Ez 34‐ 39 vermutet werden, dass auch in diesem Buchabschnitt die bildlichen Stücke zu den relativ ältesten Texten gehören, die in der Folge des Buchwachstums durch längere Redepassagen abgelöst werden. Hier wäre zum Beispiel an einen Grundbestand der Bildreden in Ez 15*; 17*; 19*; 21* und eventuell auch Ez 16* und 23* zu denken. 77 Auf jeden Fall ist aber noch die Notiz über das Vorrücken des Königs von Babel in Ez 24,1f. zur ursprünglichen Buchkomposition zu zählen, da die gesamte Unheilsprophetie auf den Fall Jerusalems zuläuft, dessen Eintreffen mit dem Anmarsch Nebukadnezars besiegelt wird. Es ist nun danach zu fragen, ob die in dieser Studie eruierte heils‐ prophetische Grundschicht in Ez 36,1‐11*; 37,1‐6* zusammen mit der vorausgehenden Sammlung von Fremdvölkerworten in Ez 25,1‐26,6* die ursprüngliche Fortsetzung dieser Buchfassung bilden könnte. Für 75 Vgl. POHLMANN, ATD, 76f., und SCHÖPFLIN, Theologie, 131f. 76 Unter dieser Prämisse müsste noch der Rückverweis auf die Vision der Herrlichkeit am Fluss Kebar in 3,23 als nachträgliche Überarbeitung aus dem Text ausgeschieden werden, so dass die Textabgrenzung 3,22‐24* zugrunde zu legen ist. 77 Dazu passt die des Öfteren vertretene These, dass eine Sammlung von Bildreden die Grundlage des ursprünglichen Ezechielbuches gebildet habe. So geht GARSCHA, Stu‐ dien, 284‐286.288‐294, davon aus, die Basis für das Prophetenbuch habe Ez 17,1‐10* und 23,1‐25* zusammen mit älteren Überlieferungen in Kap. 19*; 23*; 24* und 31* umfasst, während POHLMANN, Ezechielstudien, 180‐195.217‐219 (vgl. DERS. ATD, 36‐ 39.292‐297), die ältesten Texte in einer Sammlung von Kap. 19*; 31* und 15* findet.
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diese These spricht zuerst, dass mit Ez 24,1f. kein befriedigender Ab‐ schluss für die anfängliche Buchkomposition erreicht wird. Die Beauf‐ tragung des Propheten für die Gola in 3,10f.15 lässt erwarten, dass dem Gericht über Stadt und Land auch eine heilvolle Botschaft für die Gola entspricht, die der Prophet auszurichten hat. Aus diesem Grund schei‐ det auch das Ende der Fremdvölkerworte in 26,6 als mögliche Ziel‐ aussage aus, da das Ende Jerusalems mit diesen Sprüchen nur zeitlich und örtlich überbrückt wird, ohne dass ein heilvoller Ausblick gegeben wird. Dieser liegt erst mit der anfänglichen Heilsverheißung in Ez 34‐ 39* vor. Diese Heilsworte sind in hohem Maße auf die fiktionale Situa‐ tion des Propheten bezogen und stimmen in der Golaorientierung mit dem ursprünglichen Textbestand überein. Bisher hat HERRMANN als Einziger die ursprüngliche Zugehörigkeit der Heilsverheißungen zu der ersten Buchfassung bestritten. Er spricht dem (historischen) Pro‐ pheten Ezechiel die Heilserwartungen komplett ab, da er in diesen im Land zu verortende Hoffnungen sieht, die nicht mit dem Wirkungsort des Propheten im Exil vereinbar seien.78 Selbst wenn man den (histori‐ schen) Propheten Ezechiel durch die anfängliche Buchkomposition ersetzt, kommt HERRMANNS These keine uneingeschränkte Gültigkeit zu. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die eigentümliche Perspektive sich gerade dadurch erklärt, dass die Heilsverheißungen aus der Sicht der Gola auf das Land gerichtet sind. Aus diesen Gründen wird im Folgenden die These vertreten, dass Ez 36,1‐11* und 37,1‐6* zur ursprünglichen Buchgestalt gehören und die den Gerichtsansagen korrespondierenden Heilsverheißungen ent‐ halten. Damit ist auch über die Zugehörigkeit des Gerichtswortes über die Berge Israel in Ez 6,1‐7* entschieden, für das ein ursprünglicher Zu‐ sammenhang mit 36,1‐11* nachgewiesen werden konnte.79 Dieser Text stellt das Gegenstück der Heilsverheißungen im ersten Buchabschnitt dar und kündigt im Anschluss an die Symbolhandlungen in Ez 4,1‐5,2* die Ausweitung des Gerichts von der Stadt auf das Land an. Mit der ursprünglichen Sammlung der Fremdvölkerworte in Ez 25,1‐26,6* liegt dagegen ein Scharnier vor, das auf der Ebene der Grundschicht den Übergang von der Gerichts‐ zur Heilsprophetie markiert. Damit bleibt die Frage nach dem Schlusstext der anfänglichen Buchkomposition. Da die ursprüngliche Totenfeldvision in 37,1‐6* eine Zielaussage enthält, in der Jhwhs Heilswirken als im Gang befindlich dargestellt wird, könnte hier der Schluss des ursprünglichen Ezechiel‐ buches vorliegen. Im Gegenüber zum Anfangsstück des Buches bleibt die Heilsperspektive für die Gola allerdings vage, da die angestrebte 78 Vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 286‐291. 79 Vgl. dazu o. Kap. III. 7.4.3.
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Rückkehr in das Land nur durch den Nahkontext impliziert wird. Ver‐ suchsweise soll der Blick deshalb auf den Verfassungsentwurf gerichtet werden, um zu fragen, ob hier ein Grundbestand als Weiterführung der ursprünglichen Buchgestalt in Ez 34‐39* in Frage kommt. Im Be‐ reich von Ez 40‐48 gibt es vier mögliche Abschlusstexte: Die Neubenen‐ nung der Stadt in 48,35, das Stück über die Tempelquelle in 47,1‐12, die Rückkehr Jhwhs in den Tempel in 43,1‐9* und die Führung des Pro‐ pheten in das Allerheiligste in 41,4. Für das weitere Vorgehen erscheint es sachgerecht, die in Frage kommenden Texte von hinten nach vorne durchzugehen. Der neue Name der Stadt, die nun ganz durch die Gegenwart Gottes bestimmt wird (יהוה שׁמה, Ez 48,35), setzt eine Aussage über die göttliche Präsenz in der Stadt und damit 43,1‐9* bereits voraus. Des Weiteren ist ähnlich wie in Ez 16,53‐63 die heilvolle Perspektive auf die Stadt auffällig, die nicht mit der Landorientierung der Grundschicht in Ez 34‐39* und großen Teilen des Verfassungsentwurfes (vgl. 48,15) übereinstimmt.80 In 48,35 ist deshalb mit einem „späten, ‘orthodoxen’ Nachtrag“81 zu rechnen, der zwar die jetzt vorliegende Buchgestalt ab‐ schließt, nicht aber die ursprüngliche Fassung. Vergleichbar mit 48,35 ist auch das Hervortreten des Wassers aus dem Tempel in Ez 47,1‐12 von der Gegenwart Jhwhs im Heiligtum abhängig. Es handelt sich dabei um eine tempeltheologische Vorstellung (vgl. Ps 46,5; siehe fer‐ ner Jo 4,18; Sach 14,8), nach der sich die lebensschaffende Wirkung des Wassers der Anwesenheit Jhwhs auf dem Zion verdankt.82 Ez 47,1‐12 stellt damit entweder die ursprüngliche Fortsetzung von 43,1‐9* dar oder der Text ist eine sekundäre Nachinterpretation, in der die wieder‐ hergestellte Präsenz Jhwhs im Tempel in ihren Konsequenzen für das Land bedacht wird. Die Frage nach dem Grundbestand des Verfassungsentwurfes ent‐ scheidet sich deshalb an der Einordnung von Ez 43,1‐9*. Im Rahmen der bisherigen Untersuchungen konnte bereits der Nachweis geführt werden, dass mit 43,7b‐9 eine nachträgliche Fortschreibung vorliegt, die die dtn.‐dtr. Namenstheologie in den Text einträgt.83 Der verblei‐ bende Textbestand in 43,1‐7a ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass mit der Schilderung der Rückkehr der Herrlichkeit (43,2‐5) und 80 Vgl. dazu o. Kap. IV. 2.3. 81 SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 333. Er weist insbesondere darauf hin, dass dieser Name sich nicht mit der Angabe in 48,15 verträgt, nach der die Stadt auf profanem Gebiet liegt (vgl. SCHWAGMEIER, a.a.O., 333f.). 82 Vgl. dazu RUDNIG, Heilig, 93f. Siehe auch RUDNIG, a.a.O., 167‐175, zu einer aus‐ führlichen Analyse von 47,1‐12. Zur tempeltheologischen Prägung von 47,1‐12* vgl. o. Kap. III. 7.4.4. 83 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.4.2.
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der persönlichen Wohnungsnahme Jhwhs (43,6‐7a) zwei Textversionen literarisch miteinander verschränkt sind.84 Dabei ergibt sich des Weite‐ ren das Problem, dass in allen Teilen des Verfassungsentwurfes die Fiktion vorausgesetzt ist, dass der Prophet von Jhwh durch das Heilig‐ tum geführt wird.85 Diese Führungsrolle Jhwhs ist bereits in der Vi‐ sionseinleitung 40,1 mit der Verbringung des Propheten in die Stadt angelegt und zieht sich durch den gesamten Verfassungsentwurf. Mit‐ hin gelingt es nicht, einen literarischen Grundbestand in Ez 40‐48* zu rekonstruieren, in dem die prophetische Schau der Rückkehr der Herr‐ lichkeit nicht damit in Konflikt gerät, dass eine Erscheinungsform Jhwhs bereits im Tempel anwesend ist und Ezechiel dort herumführt. Daraus ergibt sich, dass die Frage nach der ältesten Fassung von Ez 40‐48 etwas anders gestellt werden muss, da im Hinblick auf die Füh‐ rungsvision nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder besteht der Grundbestand des Verfassungsentwurfes in einer Führungsvision des Propheten durch Jhwh, so dass das Buch auf die Beschreibung des neuen Heiligtums hin angelegt ist.86 Dann wäre die Wohnungsaussage in Ez 43,6‐7a der wahrscheinlichste Kandidat für das Ende; es kämen aber auch der Tempelstrom in Ez 47,1‐12 oder das Erreichen des Aller‐ heiligsten in Ez 41,4 als Zielaussage in Frage. Die Schilderung über die Rückkehr der Herrlichkeit in den Tempel in Ez 43,2‐5 kann unter dieser Prämisse nur sekundäre Überarbeitung der Führungsvision sein.87 Alternativ sei aber die Möglichkeit zur Diskussion gestellt, dass die gesamte Führung durch den Tempel mit der Beschreibung des Gottes‐ hauses eine nachträgliche Anreicherung darstellt. Grundbestand der Tempelvision könnte dann eine einfache Vision sein, in der Ezechiel 84 Vgl. zu dieser Problemanzeige auch RUDNIG, Heilig, 89. Die von ihm im Anschluss an LORETZ, Thron, 263, postulierte Lösung, dass der ‐כבודEinzug gegenüber der „schlichten Jahwe‐Präsenz‐Vorstellung“ eine spätere theologische Reflexion dar‐ stelle, wird hier nicht geteilt. Wenn das Ezechielbuch in unmittelbarer Nähe zur Priestergrundschicht entstanden sein sollte, was nach den hier vorgelegten Thesen nicht unwahrscheinlich ist (vgl. dazu u. Kap. IV. 3.4.), dann liegt bereits dort eine ausgearbeitete Konzeption vor, die von einer Wohnungsnahme des כבוד יהוה spricht; vgl. dazu auch o. Kap. III. 4.4.4.3. 85 Zu der hier vorausgesetzten These, dass die Führungsvision im Verfassungsentwurf ursprünglich nur von einer Führung des Propheten durch Jhwh berichtet, die se‐ kundär zu einer „Mann‐Führungs‐ und Meßvision“ umgearbeitet worden ist, vgl. RUDNIG, Heilig, 98‐110. 86 Diese Lösung entspricht dem allgemeinen Konsens. Vgl. z. B. SMEND, Entstehung, 166, der von einem Grundbestand in 40,1‐37.47‐49; 41,1‐4 ausgeht, oder RUDNIG, Heilig, 133‐136, der die ursprüngliche Fassung der Tempelvision in einer (golaorien‐ tierten) Führungsvision Ezechiels sieht, in der allerdings mit der Tempelbeschrei‐ bung älteres Material verarbeitet sei; vgl. zum Textbestand RUDNIG, a.a.O., 133‐ 136.369‐374. 87 So RUDNIG, Heilig, 88‐90.
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die Rückkehr der כבוד in das Haus schaut (43,2‐5*),88 und am Ende stünde ähnlich wie in der Priestergrundschrift die Aussage, dass die Herrlichkeit Jhwhs das Haus erfüllt (מלא, Ez 43,5; vgl. Ex 40,34). Folgende Überlegungen können zugunsten dieser letztgenannten These ins Feld geführt werden: Zuerst erscheint es unwahrscheinlich, dass am Ende des Ezechielbuches bereits auf einem frühen Stadium der Buchgenese mit einer umfassenden Tempelbeschreibung zu rech‐ nen ist, die durch nichts im Buch literarisch vorbereitet wird. Eher ist zu erwarten, dass vergleichbar mit der Priestergrundschrift89 die de‐ taillierte Beschreibung des Heiligtums eine nachträgliche Auffüllung des literarischen Grundgerüstes darstellt. Weiterhin entspricht die Schilderung der Rückkehr der Herrlichkeit in Ez 43,2‐5* gerade nicht der sekundären Beschreibung, wie der כבוד יהוה in Ez 11,22‐25 den Tem‐ pel verlässt.90 Dort ist die Vorstellung des beweglichen Thronwagens vorausgesetzt, wie sie sich auch in Ez 1 findet, während die einfache Rückkehrnotiz in 43,2‐5* eher mit der Erscheinung der Herrlichkeit in Ez 3,22‐24* vergleichbar ist, die am Anfang des Buches steht. Die Rück‐ kehr der Herrlichkeit in 43,2‐5* könnte damit bewusst als inclusio zur Anfangsvision in 3,22‐24* gestaltet sein, so dass 43,2‐5* eine Zielfunk‐ tion für das gesamte Buch zukommt. Mit der Rückkehr der Herrlich‐ keit Jhwhs in das Heiligtum ist klar, dass auch die Gola mit ihrem Gott in das Land zurückkehren wird. In gleicher Weise wie das ursprüng‐ liche Ezechielbuch kennt auch das Deuterojesajabuch nur die Vor‐ stellung der Rückkehr Jhwhs nach Jerusalem/Zion (Jes 40,1‐5; 52,7‐10), während ein Auszug nicht berichtet wird. Es bleibt noch die Frage zu klären, an welchen Text die propheti‐ sche Schau von der Rückkehr Jhwhs in Ez 43,2‐5* ursprünglich ange‐ schlossen haben könnte. Mit Ausscheidung der Führungsvision fällt auch die Visionseinleitung in Ez 40,1ff. und mithin die Entrückung des Propheten nach Jerusalem für die ursprüngliche Buchgestalt aus. Da‐ mit kommt als nächstes die Totenfeldvision in Ez 37,1‐6* in den Blick, so dass mit einem textlichen Anschluss von 43,2 an 37,6b zu rechnen 88 Dabei wären allerdings noch einige Zusätze innerhalb von Ez 43,2‐5 auszuscheiden. So stellen auf jeden Fall die Rückbezüge auf die Jerusalem‐Vision (Kap. 8‐11) sowie die Erscheinung am Fluss Kebar (Kap. 1) in 43,3 eine nachträgliche Erweiterung dar, durch die die Visionen des Buches aufeinander abgestimmt werden sollen. Evtl. liegt auch schon mit den Hinweis auf das Rauschen, das den Einzug der Herrlichkeit nach 43,2ba begleitet, eine sekundäre Abstimmung mit der Visionsschilderung in Ez 1,24 vor (so RUDNIG, Heilig, 84). 89 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.4.3. 90 Dagegen urteilt RUDNIG, Heilig, 92, über die Textanteile vom Auszug der Thronherr‐ lichkeit aus dem Tempel und von ihrem Wiedereinzug ins neue Heiligtum: „Sie stellen ein buchübergreifendes Beziehungsgeflecht zwischen erster und zweiter Tempelvision her ...“. Vgl. kurzgefasst ebenso KRATZ, Propheten, 83.
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ist. Auch hier ergibt sich das Problem, dass der Prophet von Jhwh auf der Ebene herumgeführt wird, während dieser anschließend die Rück‐ kehr Jhwhs in „das Haus“ (הבית, 43,5) schaut. Allerdings ist zwischen der prophetischen Schau auf der Ebene (37,1‐6*) und der prophetischen Schau nach Jerusalem (43,2‐5*) zu unterscheiden, so dass das Auftreten der unterschiedlichen Erscheinungsformen Jhwhs zeitlich und örtlich getrennt ist. Gerade der visionäre Kontext in 37,1‐6* spricht für diese These, da das einleitende והנה in 43,2 sachlich und formal gut daran an‐ schließt. Außerdem wird der Inklusionscharakter von 43,2‐5* zu 3,22‐ 24* durch eine Verbindung mit 37,1‐6* verstärkt, da die Totenfeldvision auf der Ebene (הבקעה, 37,1.2) lokalisiert ist, auf der Ezechiel nach 3,22.23 zum ersten Mal die Herrlichkeit Jhwhs erblickt. Weiterhin könnte so auch eine Antwort auf die Frage gegeben wer‐ den, welche Funktion der dritten Vision in der Buchstruktur zukommt. Wenn die vorangehenden Erwägungen zutreffend sind, handelt es sich bei Ez 37,1‐6* um einen Teil der ursprünglichen Schlussvision des Buches, die durch mehrere Umarbeitungen und Fortschreibungen aus dieser Position verdrängt worden ist und in der Endgestalt des Buches gegenüber den breit ausgeführten Visionen in Kap. 1‐3; 8‐11 und 40‐48 etwas verloren wirkt. Schließlich ist von jeher die fehlende Datierung der Visionseinleitung in 37,1 bemerkt worden, ein Vers, der mit einer einfachen AK‐Form einsetzt. 91 Die sprachliche Auffälligkeit könnte sich dadurch erklären, dass der ursprüngliche Visionszusammenhang in Ez 37,1‐6* und 43,2‐5* durch die weiteren Auffüllungen des Grundge‐ rüstes in Kap. 34‐39 und Kap. 40‐48 getrennt worden ist, wodurch die Versetzung des Propheten nach Jerusalem erforderlich wurde. Dies leistet die Visionseinleitung in Ez 40,1, die die Datierung der Vision in 37,1 an sich gezogen haben könnte, so dass dort nur noch die undatier‐ te Visionseinleitung übrig geblieben ist. Mit der Gestaltung als Füh‐ rungsvision in 40,1ff. ist auch eine Überarbeitung der Rückkehrschau in 43,2‐5* nötig geworden, in deren Zuge die einfache Wohnungsaus‐ sage in Ez 43,6‐7a in das Buch eingeschrieben worden ist. Die Überlegungen zum möglichen Textbestand der ursprünglichen Buchkomposition können damit wie folgt zusammengefasst werden: Es hat sich als wahrscheinlich erwiesen, dass man sich mit der land‐ und golaorientierten Grundschicht in Ez 34‐39 zugleich auf der Ebene der anfänglichen Buchkomposition bewegt. In dieser Anfangsgestalt stehen den Heilsworten in Ez 36,1‐11* und 37,1‐6*, die aus der Perspek‐ tive der Gola die Restitution des Landes für die exilierte Bevölkerung erwarten, Unheilsprophetien im ersten Buchteil gegenüber, die das 91
Vgl. dazu o. Kap. III. 6.2. Anm. 530.
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Gottesgericht über Stadt und Land ankündigen. Die Frage nach Anfang und Schluss dieser Buchkomposition hat schließlich zu der Erwägung geführt, dass am Beginn des Prophetenbuches mit einer knappen Sen‐ dung des Propheten zu den Weggeführten in Ez 1,2‐3a; 3,10f.15 zu rechnen ist, an die sich eine kurze Schau der Herrlichkeit Jhwhs in Ez 3,22‐24* angeschlossen hat. Dem entspricht am Ende des Buches eine Vision über die Rückkehr der Herrlichkeit in den Tempel (Ez 43,2‐5*), mit der die Heilswende vergleichbar mit dem Deuterojesajabuch ver‐ bürgt ist und unumkehrbar wird. 3.3. Die erste Gola im Ezechielbuch Die vorausgehenden Erwägungen zum ursprünglichen Textbestand konnten die These plausibel machen, dass das Ezechielbuch bereits in seiner anfänglichen Kompositionsgestalt als golaorientiert zu verstehen ist: Der Prophet wirkt unter den Angehörigen der ersten Gola (Ez 1,2), dort erscheint ihm die Herrlichkeit Jhwhs (Ez 3,22‐24*) und seine gesamte Verkündigung gilt den Exilierten (Ez 3,10‐15*). Nun steht aber seit ACKROYD fest, dass in den alttestamentlichen Texten, die von Exil und Restitution handeln, zwischen historischen Ereignissen und ihrer literarischen Darstellung zu unterscheiden ist.92 Die Fiktion der ur‐ sprünglichen Buchkomposition wird deshalb daraufhin zu befragen sein, welche zeit‐ und theologiegeschichtlichen Erfahrungen sich mit dem Stichwort der „ersten Gola“ im Ezechielbuch verbinden. Der Begriff der Golaorientierung geht auf die Arbeiten von POHL‐ MANN zurück, der im Jeremiabuch eine sogenannte golaorientierte Bearbeitungsschicht nachgewiesen hat, die den Vorrang der unter Joja‐ chin Exilierten gegenüber der Restbevölkerung im Land in das Buch eingetragen hat.93 Auch für das Ezechielbuch ist von verschiedenen Seiten (HERNTRICH; GARSCHA; KRÜGER; POHLMANN) darauf hingewie‐ sen worden, dass einige Texte des Buches gezielt die Gola favorisie‐ ren.94 Die Positionen berühren sich darin, dass die Golaorientierung des Buches nicht für die ursprüngliche Aussageabsicht des Buches in Anspruch genommen, sondern als redaktionelles Interesse auf eine spätere Bearbeitung zurückgeführt wird. Dabei haben allerdings allein 92 Vgl. ACKROYD, Exile, 14. 93 Vgl. dazu POHLMANN, Studien, passim, und insbes. 183‐191. Im Rahmen dieser Stu‐ die verweist er bereits darauf, dass auch im Ezechielbuch der ersten Exilierung eine besondere Stellung zukomme (vgl. POHLMANN, a.a.O., 189 Anm. 16). Vgl. dazu auch SEITZ, Theology, 225‐228.287‐289, und in Aufnahme und Weiterführung von POHL‐ MANNS Thesen LEVIN, Verheißung, 165‐169, und KRATZ, Translatio, 191‐193. 94 Vgl. dazu o. Kap. I. 2.2.
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HERNTRICH und POHLMANN erkannt, dass das redaktionelle Interesse speziell den unter Jojachin Exilierten gilt. So spricht HERNTRICH von einem Redaktor, der die Worte des Jerusalemer Propheten Ezechiel umarbeitet, um der Gola Jojachins die geistige Führung des exilischen Israels zu sichern.95 POHLMANN geht dagegen davon aus, dass ähnlich wie im Jeremiabuch ein an Israel im Land gerichtetes Prophetenbuch durch eine Redaktion überarbeitet worden ist, die die „Sonderstellung der e r s t e n Gola“96 hervorheben will. Obwohl man hinter die Erkennt‐ nis, dass die Gola im Ezechielbuch speziell auf die Gola Jojachins gerichtet ist (vgl. Ez 1,2), nicht mehr zurückgehen kann, ist gerade bei POHLMANN anzufragen, ob er die Erkenntnisse vom Jeremiabuch nicht zu schnell auf das Ezechielbuch übertragen hat. Denn nach den hier vorgelegten Analysen gibt es einige Hinweise darauf, dass der Befund im Ezechielbuch etwas anders auszuwerten ist. Zuerst kann die Existenz eines älteren, in exilischer Zeit konzipier‐ ten Prophetenbuches97 durchaus bezweifelt werden. Gegen die zeit‐ liche Ansetzung spricht vor allem, dass für die ersten Fortschreibungen von Gerichtsansagen, die POHLMANN zu diesem Buch zählt, eine Ab‐ hängigkeit von den Fluchbestimmungen in Lev 26 wahrscheinlich gemacht werden konnte.98 Weiterhin ist nach den hier unternommenen Erwägungen zu einer ursprünglichen Buchgestalt keine der Golaorien‐ tierung vorausgehende Buchfassung nachweisbar. Gerade das Gegen‐ über von auf das Land gerichteten Restitutionszusagen und Heilsver‐ heißung für die Gola ist nicht durch eine redaktionelle Überarbeitung zu erklären, sondern dadurch, dass die Heilsverheißungen aus der Sicht der Gola auf das Land gerichtet sind. Golafavorisierung und Landorientierung sind zwei Seiten derselben Medaille. Anders als im Jeremiabuch liegt im Ezechielbuch keine golaorientierte Redaktion vor, sondern das Buch ist bereits in seiner Anfangsgestalt golaorientiert an‐ gelegt. Dies könnte dafür sprechen, dass es das Jeremiabuch in seiner golafavorisierenden Gestalt bereits voraussetzt und die theologische Interpretationskategorie der Gola weiterführt und ausbaut. Eine kon‐ zeptionelle Nähe besteht darin auch zwischen dem ursprünglichen Ezechielbuch und dem Esrabuch in seiner durch Esr 1‐4 und 6,16‐22* ergänzten Fassung, in dem sekundär den zurückgekehrten Exilierten 95 Vgl. HERNTRICH, Ezechielprobleme, 128. 96 POHLMANN, Ezechielstudien, 43; vgl. insgesamt POHLMANN, a.a.O., 21‐45, und DERS., ATD, 20f.27‐34. Ihm ist RUDNIG, Heilig, 73‐77.190‐200.343‐352, gefolgt, der die Spu‐ ren der golaorientierten Redaktion über POHLMANNS Abgrenzungen hinaus auch im Verfassungsentwurf Ez 40‐48 gefunden hat. 97 Vgl. dazu POHLMANN, ATD, 33. 98 Vgl. dazu o. Kap. III. 7.5.
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der Vorrang vor der im Land befindlichen Bevölkerung gegeben wird. Nach dieser Darstellung repräsentiert wie im Ezechielbuch allein die babylonische Gola das nachexilische Israel (vgl. z. B. Esr 6,21).99 Im Allgemeinen wird vermutet, dass die Bevorzugung der ersten Gola auf Kreise zurückzuführen ist, denen es um die Vorrangstellung der exilierten Judenschaft ging, so dass in diesen Überarbeitungen „die Auseinandersetzung zwischen palästinischem und babylonischem Ju‐ dentum ihren Niederschlag gefunden hat“.100 Nun ist aber festzustel‐ len, dass sich von dieser Auseinandersetzung im Ezechielbuch deutlich weniger eindeutige Spuren finden lassen. Von der Konkurrenz zwi‐ schen der im Land ansässigen Bevölkerung und den Exilierten können lediglich Texte wie Ez 11,14‐16 und 33,23‐29* zeugen. Hier ist aller‐ dings zu bemerken, dass 11,14‐16 bei der Favorisierung der Exilierten äußerst blass bleibt. Lediglich 33,23‐29* stellt vor den Verheißungen in Ez 34‐39 deutlich klar, dass kein Israelpotential mehr im Land zurück bleibt. Bei diesem Text handelt es sich aber bereits um eine sekundäre Einschreibung in die golaorientierte Grundschicht. Insgesamt scheint das Ezechielbuch auch sehr viel weiter als ande‐ re Prophetenbücher von den Ereignissen entfernt zu sein, von denen es berichtet; das zeigt nicht nur die örtliche Distanz durch die Situierung des Propheten in der Gola, sondern auch eine inhaltliche Distanz, wenn es um die Darstellung der eigentlichen Katastrophe geht. Auch wenn die Gerichtsankündigung für Stadt und Land das Buch inhaltlich bestimmt, gibt es keinen einzigen Text, der den Fall der Stadt be‐ schreibt oder Klagen über das Ereignis enthält. Es ist deshalb zu über‐ legen, ob der fiktionalen Distanz im Buch auch eine historische Distanz entspricht. Der Fall der Stadt ist ebenso wie die erste Gola zu einer Chiffre geworden, die als „Idee“ oder sogar „Ideologie“ von Gericht und Exil eine Deutungskategorie für eine gänzlich andere historische Situation vorgibt. 101
99 Vgl. dazu KRATZ, Komposition, 57‐59.63‐65. PAKKALA, Ezra, 263‐265, geht in etwas abweichender Textabgrenzung von einer Bearbeitung des Buches durch eine Gruppe von „Gola Editors“ aus. Vgl. zur Favorisierung der Gola auch das chronistische Ge‐ schichtswerk, nach dessen Darstellung das Land eine menschenleere Wüste war, die erst mit Rückkehr der Exilierten wieder besiedelt wurde. 100 LEVIN, Verheißung, 167. Vgl. ebenso POHLMANN, ATD, 28: „... daß sich hier Kreise der ersten Gola zu Wort melden, aus denen die Gruppe stammt, die unter der Füh‐ rung Serubbabels (vgl. z.B. Esr 2,2; 3,2.8) die Rückkehr wagte und zugleich den reli‐ giösen und politischen Führungsanspruch erhob.“ 101 Vgl. dazu schon die Überlegungen von ACKROYD, Exile, 16.237‐245; dort allerdings bezogen auf das chronistische Geschichtswerk und das Danielbuch.
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So hat der obige Überblick über das literarische Buchwachstum102 bereits wahrscheinlich machen können, dass die Buchfiktion nur vor‐ dergründig die Situation des babylonischen Exils abbildet, während unter diesem Vorzeichen die anhaltenden Probleme der persischen Zeit verhandelt werden. Zwar kann nicht endgültig ausgeschlossen wer‐ den, dass das ursprüngliche Ezechielbuch für den Vorrang der babylo‐ nischen Juden eintritt, die sich durch die Anwesenheit der göttlichen Herrlichkeit im Exil eine theologische Legitimation gegeben haben. Aber bereits auf dem Stadium der anfänglichen Buchgestalt erweist sich die Situation der ersten Gola als durchscheinend für die Lage der Diaspora:103 Das Land liegt auch nach der ersten Rückkehr von Exilier‐ ten weiterhin brach und Israel bleibt gespalten in die im Land befind‐ liche Bevölkerung und Diaspora, sowie in die persischen Provinzen Jehud und Samaria. Vor diesem Hintergrund betont das Ezechielbuch ausdrücklich, dass sich das wahre Israel außerhalb des Landes befin‐ det, von der im Land befindlichen Bevölkerung nichts zu erwarten ist und die Heilsverheißungen allein der Diaspora im Gewand der ersten Gola gelten. So nehmen die ersten Buchgestalten die Restitution des Landes für die „Gola“ in den Blick, während in den ersten Rückkehr‐ verheißungen im Bild der Gola für die Rückkehr der weltweiten Dias‐ pora geworben wird. Auf diese Weise wird die erste Gola immer mehr zur theologischen Chiffre, die die Lage im Land aus der Perspektive der Diaspora beschreibt. Das Exil ist hier nicht nur historisches Ereig‐ nis, sondern jeder Jude, der außerhalb des Landes lebt, befindet sich gleichsam in der babylonischen Gola. Im Ezechielbuch erlangt diese Idee bleibende Relevanz als Deutungs‐ und Interpretationskategorie für das Judentum des Zweiten Tempels. Die „diasporaorientierten“ Fortschreibungen im Ezechielbuch sind daher weniger eine Ablösung oder Bearbeitung der vorhergehenden Heilsperspektive, sondern vielmehr explizieren sie die Aussageabsicht, die im Buch von vornherein angelegt ist. Der Umbruch von der Gola‐ orientierung zur Diasporaorientierung könnte dabei mit dem beschrie‐ benen Wechsel von der bildhaften Gestaltung der Texte zu langen Redepassagen zusammenhängen. An diesem Wandel zeigt sich eine Überführung der bildlichen Aussagen in Sachaussagen, die dazu ge‐ führt haben mag, dass die Chiffre der ersten Gola zugunsten der Dias‐ poraverheißungen aufgegeben worden ist. Mithin bleibt noch danach zu fragen, auf welche zeitliche Anset‐ zung diese theologiegeschichtlichen Überlegungen zur ersten Gola füh‐ ren. Die Verwendung von Exil und Gola als Interpretationskategorien 102 Vgl. dazu o. Kap. IV. 2.1. 103 Siehe dazu auch SCHÖPFLIN, Theologie, 348.
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setzt einerseits eine gewisse Nähe zu den Ereignissen im 6. Jh. v. Chr. voraus, andererseits aber auch einen bestimmten Abstand, so dass die historischen Ereignisse reflektiert und zu einem Deutungsschlüssel werden können. Die erste Einordnung der heilsprophetischen Grund‐ schicht hat eine Datierung in der frühen bzw. mittleren Perserzeit plau‐ sibel erscheinen lassen, die in das 5. oder sogar das 4. Jh. v. Chr. führen könnte.104 Dazu passt auch die These, dass das ursprüngliche Ezechiel‐ buch in die Nähe von Lev 26 zu rücken ist und die golaorientierte Bearbeitung des Jeremiabuches bereits voraussetzt, für die eine Datie‐ rung vom Ende des 5. Jh. v. Chr. an abwärts vorgeschlagen wird.105 Enger als zwischen das ausgehende 5. Jh. und das mittlere 4. Jh. v. Chr. wird man die Grundfassung des Buches wohl nicht eingrenzen kön‐ nen. Dem Urteil von LEVIN, das Ezechielbuch sei das Buch des 4. Jh.s.,106 ist letztlich nichts mehr hinzuzufügen. 3.4. Zur literarhistorischen Einordnung Das Ezechielbuch hat sich somit in besonderem Maße als ein Produkt des Judentums im Zeitalter des Zweiten Tempels dargestellt. Das beweist nicht nur das Bild der ersten Gola, die für das Judentum der Diaspora zur Identifikationsfigur geworden ist, sondern auch die Ab‐ fassungszeit, die auf einen Entstehungszeitraum vom Ende des 5./ Mitte des 4. Jh.s. v. Chr. bis zum Ende der prophetischen Überlieferung Ende des 3./Anfang des 2. Jh.s. v. Chr. führt. Das legt die Frage nahe, welchen Platz die ursprüngliche Buchkomposition nach den bisherigen Ergebnissen in der Literaturgeschichte des Alten Testaments einnimmt. Es hat sich als wahrscheinlich erwiesen, dass die ursprüngliche Buchgestalt das (golaorientierte) Jeremiabuch bereits voraussetzt, das nicht nur Vorbild für die (auto‐)biographische Anlage geworden ist,107 sondern dessen Golaorientierung im Ezechielbuch eine theologische Weiterführung findet.108 Wie in diesem Zusammenhang die pro‐ grammatische Nähe zum (überarbeiteten) Esrabuch zu bewerten ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. Da sich die Stimmen mehren, die 104 Vgl. dazu o. Kap. IV. 2.1.1. 105 Vgl. LEVIN, Verheißung, 168, der das ausgehende 5. Jh. v. Chr. annimmt, während POHLMANN, Studien, 191, „frühestens“ das 4. Jh. v. Chr. veranschlagt. Entgegen der hier vorgenommenen Verhältnisbestimmung datiert POHLMANN seine golaorien‐ tierte Redaktion im Ezechielbuch gegenüber seinem golaorientierten Jeremiabuch zeitlich vorausgehend in das ausgehende 5. Jh. v. Chr. (vgl. POHLMANN, ATD, 34). 106 Vgl. LEVIN, Verheißung, 208. 107 Vgl. SCHÖPFLIN, Theologie, 352. 108 Vgl. dazu o. Kap. IV. 3.3.
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für den Großteil dieses Buches eine Abfassung in der spätpersischen oder sogar hellenistischen Zeit annehmen, ist eine Abhängigkeit eher unwahrscheinlich – zumal auch keine weiteren Berührungen zwischen den Büchern vorliegen.109 Über das Jeremia‐ und das Esrabuch hinaus ist aber vor allem das Verhältnis zum Deuterojesajabuch und zur pries‐ terlichen Literatur zu bedenken, die beide in ihren ursprünglichen Schlusstexten und der Konzentration auf das Land eine konzeptionelle Nähe zu dem ursprünglichen Ezechielbuch aufweisen. Prolog und Epilog der Grundschicht im Deuterojesajabuch (Jes 40,1‐5; 52,7‐10) schildern die Rückkehr Jhwhs nach Zion‐Jerusalem. In der Verlängerung von Jes 48,20f. stellt der Einzug Jhwhs in 52,7‐10 die neuerliche Landnahme der aus dem Exil heimkehrenden Bevölkerung dar,110 mit der die Heilswende unumkehrbar wird. Im Ezechielbuch findet sich an der entsprechenden Stelle die kurze Vision über die Rückkehr der Herrlichkeit Jhwhs in das Heiligtum (Ez 43,2‐5*), die in gleicher Weise die Heimkehr der (ersten) Gola präfiguriert. In beiden Prophetenbüchern ist damit die Vorstellung belegt, dass Jhwh unter den Exilierten weilt und mit Beginn der Heilswende in das Land zu‐ rückkehren wird.111 Während aber Jes 40,1‐5 und 52,7‐10 eine eindeu‐ tige Orientierung auf die Stadt Zion‐Jerusalem aufweisen, tritt im Eze‐ chielbuch das Land an die Stelle des Zions und übernimmt dessen Funktion. Da die Grundschicht des Deuterojesajabuches zeitlich vor dem ursprünglichen Ezechielbuch zu datieren ist,112 könnte dieses die Vorstellung übernommen haben, dass Jhwh aus dem Exil heimkehren wird, und diese Konzeption auf die erste Gola übertragen haben. In der Orientierung auf das Land berührt sich das ursprüngliche Ezechielbuch allerdings mit späteren Bearbeitungen der Grundschicht im Deuterojesajabuch, in denen in gleicher Weise die Heilsdefizienz des Landes konstatiert und dessen Restitution verheißen wird (vgl. Jes 49,7‐13; 49,19, und 60‐62). Es kann deshalb vermutet werden, dass die‐ se Fortschreibungen zeit‐ und theologiegeschichtlich in die Nähe des ursprünglichen Ezechielbuches gehören.113 109 Vgl. dazu insgesamt STEINS, Esra, 275f., und exemplarisch KRATZ, Komposition, 97 (für Esr 1‐6). Anders datiert PAKKALA, Ezra, 265, seine Golaredaktion des Esrabuches (vgl. Anm. 99) in das späte 5. oder das frühe 4. Jh. v. Chr. 110 Vgl. KRATZ, Kyros, 155. 111 Gegenüber der Schilderung der Rückkehr Jhwhs in der Grundschicht des Deuteroje‐ sajabuches und im ursprünglichen Ezechielbuches verdankt sich die Beschreibung des Auszuges Jhwhs in Ez 11,22‐25 einer nachträglichen Bearbeitung und spiegelt eine spätere Vorstellung wider; vgl. dazu o. Kap. IV. 3.2. 112 Die Grundschicht im Deuterojesajabuch kann in das ausgehende 6. Jh. v. Chr. datiert werden; vgl. dazu KRATZ, Kyros, 168‐174. 113 Vgl. dazu schon o. Kap. IV. 2.1.1.
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Mit der Priesterschrift verbindet das Ezechielbuch zuerst die Vor‐ liebe für Formeln und stereotype Formulierungen. Aber auch inhaltlich gibt es Berührungen in der Konzentration auf das Land und in der Rede von der Herrlichkeit Jhwhs. In der ursprünglichen Priesterschrift ist die Zusage des Landes neben der Zusage eines exklusiven Gottes‐ verhältnisses und dem Segen Inhalt des Abrahambundes (vgl. Gen 17,8; 28,4; 35,12). In den späteren Erweiterungen der Grundkomposi‐ tion wird die Erfüllung der Landverheißung immer mehr zum Ziel der Geschichte Gottes mit seinem Volk.114 So erscheint denn auch die Kundschaftergeschichte in Num 13f. als abschreckendes Beispiel dafür, wie Israel sich nicht gegenüber dem Land verhalten soll (vgl. die Rezeption in Ez 36,13f.). Beide Kompositionen nehmen darüber hinaus einen Standpunkt außerhalb des Landes ein, aber während PG mit der Errichtung der transportablen Stiftshütte auf dem Weg ins Land ver‐ bleibt, kehrt Jhwh in Ez 43,2‐5* in das Heiligtum im Land zurück. Die Notiz über die Erfüllung des Heiligtums durch den כבוד יהוה in Ez 43,5 zeigt dabei eine große Nähe zu dem Schlusstext der Priester‐ grundschrift in Ex 40,34, in dem in identischer Formulierung vom Einzug der Herrlichkeit berichtet wird. Aufgrund der übereinstimmen‐ den Terminologie (מלא, Ez 43,5; Ex 40,34) kann von einer literarischen Abhängigkeit ausgegangen werden,115 wobei aber Ex 40,34 aufgrund der zeitgeschichtlichen Einordnung des ursprünglichen Ezechielbuches die literarische Priorität zu geben ist.116 Die Abschlussvision des Eze‐ chielbuches wird damit gleichsam zur Erfüllung der priesterschrift‐ lichen Landesverheißung im corpus propheticum. Eine Anspielung auf die priesterschriftliche Zentralverheißung, dass Jhwh inmitten seines Volkes wohnen wird (vgl. Ex 29,43‐43*), liegt spätestens mit der Nach‐ interpretation Ez 43,6‐7a vor, in der Jhwh seine kultische Gegenwart inmitten der Israeliten auf ewig an den Zion bindet (אשׁכן־שׁם, Ez 43,7a).117 Schließlich zeigt sich die priesterschriftliche Prägung der an‐ fänglichen Buchgestalt auch an der Bedeutung von Lev 26, dessen 114 Vgl. dazu grundlegend ELLIGER, Sinn, 129.134.f.137f., der allerdings von einer in Dtn 34 endenden Priestergrundschrift ausgeht. Zu einer Gegenüberstellung von (maso‐ retischem) Ezechielbuch und Priesterschrift hinsichtlich der beiden gemeinsamen Konzentration auf das Land siehe auch SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 346‐348. 115 Das genaue Verhältnis ist in der bisherigen Untersuchung offen geblieben; vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.4.3. 116 Die selbständige Priester(grund)schicht ist gegen das Ende des 5. Jh.s. v. Chr. zu da‐ tieren; vgl. KRATZ, Komposition, 329: „500 v. Chr. und abwärts“, oder FREVEL, Blick, 4: „Bei der Datierung der Priestergrundschrift lautet die Alternative nicht ‘vorexi‐ lisch oder nicht’, sondern ‘exilisch oder nachexilisch’, genauer ‘spätexilisch (ca. 550‐ 539 v.Chr.) oder frühnachexilisch (ca. 539‐515 v.Chr.)’.“ Siehe zur zeitgeschichtlichen Einordnung der Priesterschrift insgesamt den Überblick bei ZENGER, Werk, 166f. 117 Vgl. dazu o. Kap. III. 4.4.4.3.
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Segens‐ und Fluchbestimmungen zum Inhalt der Gerichts‐ und Heils‐ prophetien im Ezechielbuch werden. Die ursprüngliche Fassung des Ezechielbuches steht auf diese Weise im Schnittpunkt der priesterlichen und der prophetischen Über‐ lieferung, die hier gebündelt und weitergeführt werden. Insbesondere in Bezug auf die Abschlusstexte des Deuterojesajabuches und der ur‐ sprünglichen Priesterschrift legt sich die Annahme nahe, dass die Schlussvision in Ez 43,2‐5* eine Verschmelzung der dortigen Zielaus‐ sagen bildet: Die deuterojesajanische Vorstellung der Rückkehr Jhwhs aus dem Exil nach Zion‐Jerusalem wird unter Rückgriff auf die pries‐ tergrundschriftliche Heiligtumskonzeption dahingehend modifiziert, dass Jhwh in das Heiligtum im Land zurückkehrt. Das Jeremiabuch hat dagegen Pate dafür gestanden, dass die Heilsverheißung allein der ersten Gola gilt, unter der die Herrlichkeit Jhwhs weilt (vgl. dazu auch das Esrabuch). Diese konzeptionellen Bezüge werden auf den folgen‐ den Stufen der Buchgenese durch die literarische Auslegung einzelner Texte aus verschiedenen Überlieferungsbereichen fortgesetzt, so dass das Ezechielbuch zum Kompendium der alttestamentlichen (prophe‐ tischen) Literatur anwächst.
4. Schriftgelehrte Prophetie im Ezechielbuch Im Laufe dieser Studie hat sich am Beispiel der Heilsprophetien in Ez 34‐39 einmal mehr die Bedeutung der innerbiblischen Exegese für die Entstehung des Alten Testaments gezeigt. Schriftauslegung im Eze‐ chielbuch hat dabei einen doppelten Charakter: Zuerst lassen sich die einzelnen Schübe des Buchwachstums als literarische Reaktion auf die vorliegenden Heilsverheißungen erklären. Der bereits bestehende Text‐ zusammenhang wird unter einer veränderten zeitlichen Situation neu gedeutet und das in ihm enthaltene Wort Jhwhs für die neue Heraus‐ forderung aktualisiert. Insoweit deckt sich das Ergebnis mit dem Be‐ fund in den anderen Prophetenbüchern, aber die Auslegungsvorgänge im Ezechielbuch besitzen ein rezeptionelles Plus, indem sie von An‐ fang an durch ein Rezeptionsinteresse gekennzeichnet sind, das über das Buch hinaus auf die priesterliche und schriftprophetische Über‐ lieferung des Alten Testaments gerichtet ist. Das Ezechielbuch zeichnet sich durch ein hohes Maß an Schriftgelehrsamkeit aus, das seine Son‐ derstellung unter den Prophetenbüchern begründen kann. Dieser spezifischen Ausrichtung des Ezechielbuches entspricht eine Buchgenese, die von dem üblicherweise für die Prophetenbücher ange‐ nommenen Entstehungsmodell abweicht. Am Beginn steht nicht eine
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verschriftete Sammlung von Prophetenworten, sondern wie exempla‐ risch für Ez 34‐39 aufgezeigt werden konnte, geht das Buch auf eine anfängliche literarische Komposition zurück, an die sich midrasch‐ artige Fortschreibungen angelagert haben. Diese Nachinterpretationen bedienen sich vorliegender Texte, die aufgenommen, weitergeführt, umgearbeitet und neu interpretiert werden. Diese Art der Ausge‐ staltung deutet darauf hin, dass das Ezechielbuch bewusst als ein Kom‐ pendium der alttestamentlichen Schriftprophetie gestaltet worden ist, wobei aber auch einem Text wie Lev 26 durch die Auslegung im Buch prophetischer Charakter beigemessen wird. Dass dieses Verständnis nicht nur durch die moderne Exegese an das Buch herangetragen wird, sondern auch schon dem Selbstverständnis der damaligen Verfasser entspricht, zeigt die Buchrollenvision in Ez 2,9‐3,3, in der der Prophet auf Anordnung Jhwhs die auf die Rolle geschriebenen Worte verspeist und gleichsam inkorporiert. Zu dem Eindruck, das Ezechielbuch habe Kompendiumscharakter, trägt auch die geradezu topische Entfaltung der Inhalte bei. Allein die Stilisierung des Buches als Prophetenbiographie hat idealtypischen Charakter, aber vor allem finden die hauptsächlichen Inhalte der alt‐ testamentlichen Heilsprophetie Aufnahme im Ezechielbuch, in dem sie ausgelegt und systematisiert werden. In der Grundschicht und ihren ersten Erweiterungen ist das die Restitution des Landes, die Wiederbe‐ lebung und Heimführung der babylonischen Gola sowie die Situation im Land. Auf diesen Wachstumsstufen ist die Bildhaftigkeit das be‐ stimmende Gestaltungsmittel: Berge, Knochen und Schafe sind die handelnden Akteure in diesen Texten; dazu kommt die formale Gestal‐ tung in Form von bildlich‐metaphorischer Rede, Vision und Zeichen‐ handlung. Aufgrund dieser bildlichen Ausarbeitung kommt der Heils‐ prophetie in diesem Stadium der Buchwerdung ein hoher Grad an Verschlüsselung zu. So konnte bereits für die Golaorientierung der ursprünglichen Buchgestalt wahrscheinlich gemacht werden, dass sie eine Interpretationskategorie ist, in der die Favorisierung der ersten babylonischen Gola auf die Situation der Juden in der Diaspora über‐ tragen wird. In gleicher Weise werden Heilsinhalte wie die Aufhebung der Reichstrennung, das Gericht über Seir/Edom oder die schlechten Hirten als Chiffren verwendet, mit denen sich in der Folgezeit unter‐ schiedliche Interpretationen und Hoffnungen verbinden konnten. In den nachfolgenden literarischen Schichten treten nicht‐metapho‐ rische Redepassagen an die Stelle der Bildhaftigkeit. Die Verheißung wendet sich jetzt Themen wie der Sammlung und Heimführung der weltweiten Diaspora, Jhwhs heiligem Namen, der Rolle der Völker, dem Gericht über Gog und dem zukünftigen göttlichen wie davidi‐
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schen Herrscher zu. Diese Passagen sind zunehmend auf eine Syste‐ matisierung der Heilsaussagen im Ezechielbuch wie auch in der Prophetenbuchreihe hin angelegt, was sich insbesondere in den Ver‐ heißungstexten über den Heilsbund und den neuen Bund zeigt. Dabei geht mit dem literarischen Wachstum des Buches eine Ent‐ wicklung in der Technik der Schriftauslegung einher. Während auf der Ebene der Grundschicht und den ersten Fortschreibungen vorgegebene Bilder, Motive und Traditionen verarbeitet werden, nehmen die litera‐ rischen Referenzen auf den nachfolgenden Wachstumsstufen zu, ehe es auf den jüngsten Schichten zu einer Verdichtung der wörtlichen Bezü‐ ge zu Texten innerhalb und außerhalb des Buches kommt. Wird nach der zeit‐ und theologiegeschichtlichen Einordnung des Ezechielbuches gefragt, so deutet alles auf einen relativ späten Stand‐ punkt des Buches innerhalb des Prophetenkanons hin. Die bildliche Gestaltungsweise ist dahingehend zu interpretieren, dass das Prophe‐ tenwort zunehmend als „Geheimnis“ verstanden wird, das in chiffrier‐ ter Form weitergegeben wird und vom Leser eine große Vertrautheit mit dem verwendeten Material voraussetzt. Damit befindet man sich mit dem Ezechielbuch auf dem Weg zum Danielbuch und der jüdi‐ schen Apokalyptik oder zu der Prophetenauslegung in Qumran, wo das rechte Verständnis nur noch durch eine Zusatzoffenbarung geleis‐ tet werden kann. In gleicher Weise verlangen die vielfachen Auslegungsvorgänge in‐ nerhalb des Buches eine hohe Kenntnis des Lesers im Blick auf die verarbeiteten Vorlagen. Gerade die buchübergreifenden Rezeptionen deuten auf eine Überzeugung hin, nach der der Inhalt der Prophetie bereits vollständig offenbart worden ist und nur noch der Aktuali‐ sierung bedarf. In Bezug auf die anderen Prophetenbücher und ins‐ besondere das Jeremiabuch konnte gezeigt werden, dass das Ezechiel‐ buch auf die Überbietung und Erfüllung der vorangehenden prophe‐ tischen Überlieferung hin angelegt ist. In dieser Stellung repräsentiert es das Ideal der Schriftprophetie, mit dem aber zugleich das Erlöschen der prophetischen Überlieferung eingeläutet wird. Im Lichte dieser Entwicklung weist auch die Schriftgelehrsamkeit des Buches über sich hinaus, da in den späten Stadien des Buchwachstums Auslegungs‐ vorgänge begegnen, die bereits eine gewisse Distanz zwischen traditum und traditio erkennen lassen. Insofern ist die Schriftauslegung im Ezechielbuch alttestamentlicher Vorläufer der Auslegungsliteratur in Qumran und der jüdischen Bibelexegese im Midrasch.
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Schichtentabelle I
25,1‐26,6*
33,23‐29*
34,1‐10*
IV
VI
VII
34,24ab
37,15‐19*
37,20‐23*
36,12‐15
34,25‐30*(31)
34,17‐22
Ø 40‐48 Ø
39,1‐5
38,1‐9*
37,24
Ø
37,25‐28*
36,18*
38f.
37,23*
Ø
37,2.7‐10*
33
34
35
36
38+39
37
40‐48
MT*
33
34
35
36
37
38+39
40‐48
36,23bb‐32
36,33‐36(37f.)
VIII
Pap. 967
36,16‐22(23aba); 39,23‐29*
20,39‐44
35,10*
34,23f.*
33,25‐27* 20*
V
37,13b‐14*
37,1‐6* 43,2‐5* 37,11‐13a*
Ø
Ø
34,11‐15*(16)
35,1‐12* 36,8b
II III
36,1‐11*
Die Schichtentabelle beschränkt sich auf die gegenseitige Zuordnung der Grundschichten sowie auf signifikante Einzelfortschreibungen. Die asterisierten Angaben bezeichnen den jeweiligen Ausgangstext der Aussageeinheit, während ein Pfeil anzeigt, dass sich das Anwachsen der Kapitel sukzessive über die folgenden Stadien der Buchgenese vollzogen hat. I
Land‐ und golaorientierte Grundschicht
II
Der erste Fortschreibungsschub
III
Der zweite Fortschreibungsschub
IV
Beginn der Diasporaorientierung
V
Konkurrierende Fortschreibungen in Kap. 34 und 37 (V1) / Entstehung der
VI
‐גלוליםEinschreibungen
Heiligungskapitel (V2) VII
Späte Fortschreibungen in Kap 34 und 37 sowie der Gog‐Perikope
VIII
Umstellung zur masoretischen Textfolge und Einfügung von 36,23bb‐32(38)
LITERATURVERZEICHNIS In das Literaturverzeichnis ist ausschließlich die benutzte und zitierte Literatur aufgenommen. Nicht berücksichtigt sind Beiträge zu angren‐ zenden Gebieten oder einige weiterführende Literaturangaben, die mit vollständiger Angabe an Ort und Stelle zitiert werden. Sämtliche ins Verzeichnis aufgenommene Literatur wird in der Re‐ gel mit Verfassernamen und Kurztitel zitiert, Kommentare mit Verfas‐ sernamen und Kommentarreihe (ggf. mit Bandangabe), Artikel mit dem Zusatz „Art.“. Ausnahmen von dieser Regel werden durch eine in eckige Klammern gesetzte Angabe am Ende des Literatureintrages gekennzeichnet. Mehrere Bände einer Publikation mit durchgehender Seitennummerierung haben ein identisches Titelstichwort. Die Abkürzungen richten sich nach dem Verzeichnis von S.M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992 (IATG2). Abweichend bzw. darüber hinaus finden folgende Abkürzungen Verwendung: AK: FS: GesK: HThK.AT: NICOT: PK: RGG4: WBC:
Afformativkonjugation Festschrift Gesenius/Kautzsch, Hebräische Grammatik (s. u.) Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament The New International Commentary on the Old Testament Präformativkonjugation Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Vierte Auflage World Biblical Commentary
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STELLENREGISTER Das Register enthält eine Auswahl der behandelten Stellen. Um die Übersicht zu wahren, werden Einzelverse nur dann in ihrer Differen‐ zierung in a, aa usw. aufgenommen, wenn es sich um entscheidende (literarkritische) Abgrenzungen handelt. Ansonsten finden sich Vers‐ teile unter dem übergeordneten Einzelverseintrag. Fettgedruckte Sei‐ tenzahlen verweisen auf ein Kapitel, in dem der entsprechende Text ausführlich behandelt wird.
Altes Testament Genesis 1,1‐2,4a 2,2a 2,4b‐7 2,7 2,15 3,23f. 6,17 7,15 9,1‐17 9,15f. 9,16 14,6 15,18 17 17,7 17,8 17,13 17,19 21,27 26,28 28,4 31,44 32,4 34,2 35,12 36,8 36,9 36,20
36,21 36,30
321 321
Exodus 297 196 297 297 84, 376 84, 376 297 297 200 181 180 321 183 200 180f., 200 405 180 180f. 183 183 405 183 322 240 405 322 322 321
2,24 6,5 6,7 7,5 14,4 14,18 15,19 16,22 19,1 24,15b‐18* 24,15b‐18a 24,16 25,1‐9 25,1 25,2aa 25,8f. 25,8 25,9 25,10‐29,42 26,30 29,43‐46(*) 29,43 29,44* 29,45f. 29,45 29,46 31,12‐17 31,16
181 181 200 372 372 372 340 240 194 194 194 191, 194‐203 194 194, 196 194, 196 191, 194‐203 194, 199, 210 194 194 195 191, 194‐203, 405 195, 199 195 194, 199, 202, 204 195, 199, 210 195, 199, 210 181 181
434
Stellenregister
32,12‐14 34,27 34,31 35,27 40,16f. 40,33f.* 40,33b‐38 40,33b 40,34 40,35‐38 40,35 40,36‐38
153 183 240 240f. 194 194 195 195f. 196f., 203, 210, 397, 405 196 191, 194‐203 196f.
Leviticus 1,1ff. 17‐26 18,21 19,1 19,12 20,3 21,6 22,2 22,32 24,8 26
26,1 26,3‐13(*)
26,3‐6 26,3 26,4‐13 26,4f. 26,4 26,5 26,6‐8 26,6 26,7 26,8 26,9‐13(*) 26,9 26,10 26,11‐13* 26,11b‐12aa
196 152, 184, 198, 338 149 152 149 149, 152 149 149, 152 149, 152 181 54, 76, 184f., 187f., 209, 301, 337‐347, 369, 387, 400, 403, 405, 407 344 170, 180, 184‐190, 198‐203, 208f., 339, 346f., 364f., 386 187 184, 199, 341, 344 184 184 186, 189 185f. 184 185, 187, 189, 343 185 185 185, 187, 201 185‐187, 189, 201, 306, 339f., 345, 364f. 185, 339 199 185
26,11 26,12 26,13 26,14‐39 26,14f. 26,14 26,15 26,18 26,21 26,22 26,23 26,25f. 26,25 26,26 26,27 26,29 26,30 26,31 26,33 26,39 26,41 26,42 26,43 26,45 27
76, 185f., 189f., 198, 201, 364f. 185 185f., 199 340, 347 341, 344 341 341f. 344 344 343 344 342 341‐343 340, 343 344 342 325, 344, 346 342, 344 340, 342, 346 340 90 181 341f., 344 181 209
Numeri 1ff. 1,16 7 9,15ff. 10,4 10,11ff. 13f. 13,19 13,32 14,7 14,13 14,36f. 16,22 18,19 25,12 27,16
196 240 240f. 196 240 196 317, 321, 336f., 362, 386, 405 336 336f., 362 337 153 336 297 181 175f. 297
Deuteronomium 2,4 2,5
321 321
435
Stellenregister 2,8 2,12 2,22 2,29 5,2 9,26‐29 12‐26 20,5f. 24,16 26,16‐19 28 28,26 30,6 32,27 33,2 34
321 321 321 321 183 153 184, 187 383 99 92, 216 184, 187 292 90 153 321 197f.
Josua 7,8‐10 7,9 13,21 22,14 22,30 22,32
153 153 240 240 240 240
Richter 5,4
321
1. Samuel 12,22 16,1‐13 16,1 16,7 16,11 24,4 25,37
153 249 253 253 253 321 94
2. Samuel 7 7,7 7,13 13,5 13,7 13,10 23,5
260 185 262 29 29 29 176, 180
1. Könige 5,4f. 6(*) 6,11‐13 6,12 6,13 8,10f. 11,34 22,17
176 203, 262 180, 191, 203f. 203 203 203 240 39
2. Könige 3,4‐27 3,9 19,34 20,6 23,16
322 322f. 153 153 293
Jesaja 1‐39 2‐32* 2‐10* 2,2 6‐8* 6,1‐8* 7* 7,10‐17 7,14‐16 7,14 8,1‐4* 8,1 8,3f. 8,16‐18 9,1‐6 9,1‐4 9,4 9,5f. 9,5 9,6 10,3 10,32 10,33f. 10,33 10,34 11,1‐5 11,1 11,2
251 251 248 335 245f. 228 246f. 247f. 233, 245‐251 247, 254f., 268 228 227f., 360, 385 247 5 176, 233, 245‐251, 256, 264f., 268 245 136 245 246f., 254, 268 246f. 135 31 249f. 249f. 249f. 229, 233, 245‐251, 255, 264f., 268 248, 250, 253, 257 248
436
Stellenregister
11,3‐5 11,4 11,5 11,6‐9 11,9 11,11‐16 11,12 11,13f. 14,1 14,3 14,19f. 14,25 16,1‐4a 16,4b‐5(*) 16,5ab 28‐31 28,7 30,8 31,4 32,1‐5 32,1 32,2‐5 34 34,1‐8 34,3 37,35 40‐55 40,1‐5 40,7 42,1 42,5 42,8f. 43,15 43,22‐28(*) 43,22‐24 43,22 43,25 43,28 44,3f. 44,3 44,4 44,6 45,1 46,3 47,11 48,1‐11 48,1f. 48,1 48,3‐8 48,3
248 248 248 248, 254, 268 334 225, 228‐230, 322 229 230 282 282 292 134f., 137, 332 250 233, 245‐251 250 251 27 5 31 233, 245‐251, 265f. 250 250 322 137 292 153 20, 251 397, 404 294 298 297 166 221 71, 153, 161‐167 161 161 153, 161, 163f. 161 298 298 298 221 234 164 135 71, 153, 161‐167, 168, 369 161 164, 167 161 164
48,4 48,9‐11 48,9 48,10 48,11 48,20f. 49,5 49,7‐13 49,13 49,18‐21 49,19 49,20f. 49,22f. 50,1 51,3 52,1f. 52,3 52,4‐6 52,5 52,6 52,7‐10 52,7 53,3 53,8 54,1‐8* 54,1‐3 54,1 54,4‐8 54,8 54,9f. 54,9 54,10 54,13 55,3 55,12 56,1‐8 56,7 56,10‐12 57,13 58,1 59,19 59,21 60‐62 60 61,8 63,1‐6 63,10f. 63,10 63,11
166 161 153, 162‐167 162, 166 153, 162‐164, 166 404 150, 164f. 404 332 332 404 332 332 332 84, 376 162f., 332 162f. 71, 153, 161‐167, 168, 368 162f., 165 162, 165 162f., 165, 167, 210, 397, 404 205f. 205 294 205, 332 332 332 332 205f. 204‐208, 210 205f. 175f., 180, 205f. 205 180, 205f. 205 366 334 40 334 164 144 298 372, 404 332 181 322 298 109 109
Stellenregister
437
65f. 65,11 65,25 66,5 66,10‐14 66,20
366 334 334 164 332 334
Jeremia 1,13 1,14 1,15 2,2 2,8 2,20‐25 3,1‐5 3,18 4‐6* 4,4 4,6 4,13 6,1 6,22f. 6,22 6,23 7,32‐34 7,33 8,1‐3 8,1 8,6 8,16 9,21 10,21 10,22 11,4 13,18 13,20 14,7 14,16 14,21 15,16 16,4 16,6 16,15 17,1‐4 17,1 19,7 21,11‐23,8 22,6f. 22,20‐23
133 133 133 332 49 332 332 225, 228‐230 71, 132, 137, 139 90 133 135 133 134 133f., 136, 229 134f. 293 292 293, 295, 299, 354, 385 293f. 135 135 292 42, 44, 49 133 86 236 133 153 292 153 1 292 292 44, 229 101 101 292 44, 255 235 235
22,22 22,24‐27 23 23,1‐8(*) 23,1‐6 23,1‐4 23,1f.(3f.) 23,1f. 23,1 23,2 23,3f. 23,3 23,4 23,5‐8 23,5f.
23,5 23,6 23,7f. 23,7 23,8 23,9 25,18 25,36 24 24,1‐10 24,5 24,6f. 24,6‐7a 24,7 24,7b 25,9 25,15‐38 25,32 27,11 27,13 30‐33 30f.* 30,1‐3 30,3 30,7 30,8f.
44 261 1, 45, 57 24f., 42‐46, 46‐55, 220 49f., 54, 356, 362 24, 44f. 59, 77, 356, 385 44, 47‐50, 52, 54‐56, 78, 356f., 360, 385 42, 44‐46, 48, 50, 54, 59 42, 45‐47, 50 45‐47, 50‐53, 55, 57f., 360, 362, 385 43, 45‐47, 51f., 220, 258 37, 43, 47, 51f. 46 44‐47, 52f., 55, 57f., 230, 233, 245, 255‐ 259, 262, 264‐267, 362, 385 24, 43, 45, 47f., 52, 255, 258 43, 48, 54, 225, 228‐ 230, 255 43, 44‐46, 50, 58 43, 45 44, 50, 229 43 342 42 100, 102 46 100 90, 99‐106 100, 102, 106, 109f. 86, 103 100 133 322 136 282f. 334 257 225, 228, 230‐232 100 225, 229f. 230, 257 233, 255‐259, 267
438
Stellenregister
30,8 30,9 30,10f. 30,18‐21 30,18 30,21 30,22 31f. 31 31,7‐9 31,8 31,11 31,23 31,27‐30 31,29 31,31‐34 31,31 31,32 31,33 31,34 32,37‐41
32,38 32,39 32,40 32,41 33,14‐26 33,14‐18 33,15f. 33,15 33,16 33,17 33,19‐22 33,22 33,23‐26 34,17‐20 36,30 46‐49* 46,6 46,10 46,20 46,24 47,2 49,7‐22 49,30‐32 50,3 50,5
258 54, 258 230 257 230 233, 255‐259, 265f. 86 100 1 230 229 230 334 100 99 90, 99‐106, 109‐111, 216, 376 100, 183 101 101‐104, 376 101, 104f. 90, 99‐106, 109, 111, 179, 180‐184, 376, 386 101, 103 101, 103f., 386 101‐104, 181, 183f., 189, 208, 364 102, 183 233, 255‐259, 265f., 268, 378 256 43 256, 258 256 256 256 256 256 292 292 132 133 133, 137f. 133 133 133 322 135, 138 133 181
50,9 50,17 50,19 50,41f. 50,41 51,48
133 41 150 134 133, 136 133
Ezechiel 1‐39 1‐33 1‐24 1‐3(*) 1,1‐3,15 1 1,1‐3 1,1f. 1,1 1,2f. 1,2‐3a 1,2 1,3 1,3a 1,3b 1,4‐28(*) 1,4 1,24 1,28 2,1f. 2,3‐7 2,3 2,4 2,8 2,9‐3,3 2,9 3,1 3,4‐9 3,4 3,7 3,10‐15(*) 3,10f. 3,10 3,11 3,12‐14 3,15 3,16‐21 3,16 3,22‐27 3,22‐24(*) 3,22‐24a
11, 59, 241f., 245 20, 380‐384 7, 12, 224, 292, 319 7, 74, 226, 228, 389, 391‐393, 398 391, 393 397 389 7 389f. 390 390f., 399 218, 390, 399f. 6f. 390f. 271, 390‐392 391, 393 391 397 391 391 390‐392 390 89, 94, 99, 166 391 1, 391, 407 391 391 390f. 390, 392 89, 94, 99, 166 390f., 399 391, 394, 399 390 390 391 391, 394, 399 392 7 283, 392f. 283, 392f., 397‐399 283
Stellenregister
439
3,22f. 3,22 3,23 3,24 3,25‐27 3,25 4‐24 4‐6 4f.(*) 4,1‐5,4 4,1‐5,2* 4,1ff. 4,1f. 4,1 4,4‐8 4,4f. 4,6 4,9‐11* 4,9 4,10 4,16 4,17 5,1‐4 5,1f.* 5,1 5,2 5,6f. 5,6 5,7 5,5‐17 5,10 5,12 5,14 5,16 5,17 6 6,1‐10 6,1‐7(*)
6,1‐4 6,1‐3 6,1 6,2 6,3 6,4f.
283 392, 398 392, 398 392 392f. 392 393 340, 345‐347 340, 343, 345, 385, 389, 392 7, 225f., 341 226‐228, 268, 347, 360, 389, 392f., 394 226 225, 345 225f., 389, 392f. 227f., 360 227 227 225, 345 225 340, 345 340, 343 340 340 225, 345 225f. 340f., 345f. 342 341 341 12, 341, 346 341f., 346 340f., 346 342 340f., 343 341‐343 68f., 74, 290f., 321, 324‐329, 330f., 343f. 331 291, 295, 320, 324‐ 329, 331, 338, 348, 351‐353, 388, 394 326 291, 325‐328 324 324, 328, 330 39, 324‐328, 330f., 341, 343f. 344, 346
6,4 6,5 6,5a 6,5b 6,6 6,7 6,8‐10 6,11‐14 6,13 6,14 7 7,1 7,7 7,25 7,27 8‐11 8,1 8,4 11,8 11,13 11,14‐21/14ff. 11,14‐16 11,14 11,15 11,16 11,17 11,17‐20 11,18 11,19f.(*)
11,19(*) 11,19a 11,19aa 11,19ab 11,19b 11,20 11,21 11,22‐25 11,23 11,25‐48,35 11,25 12,1‐20 12,3 12,10
291, 325f., 328, 331, 344 74, 292 325f., 331, 344 291, 325f., 331 325‐328, 344 291, 295, 324‐328, 331, 351 324, 331 324, 331 39, 344 328 1 324 333 208 218, 240, 242 7, 74, 397f. 7, 271 283 341 90 13, 19, 67, 88f., 90‐ 99, 106 92f., 96, 103, 380, 401 90 67, 90‐92, 219 91f. 91f., 96, 103, 219, 380 66, 380 91f. 91f., 94‐99, 103‐105, 108‐111, 178, 216, 376, 380f., 384, 386 91, 96, 101, 103, 105f. 98 92f., 95f., 386 93, 95f., 110 93f., 96, 104 91, 95f., 103 91f. 90, 397 334 60 95 226 226 240, 242
440
Stellenregister
12,12 12,14 13 13,10 13,16 13,21 13,22 13,23 14,12‐20 14,13 14,15 14,17 14,19 14,21 15(*) 16(*) 16,1‐43 16,8 16,19 16,53‐63 16,53‐58 16,59‐63 16,59‐61 16,59 16,60 16,62f. 16,62 17 17,1‐10(*) 17,3f. 17,3 17,5‐10 17,9f. 17,11‐24 17,11‐18 17,12 17,16 17,17 17,19‐21 17,22‐24
17,22f. 17,22 17,23 17,24 18 18,1‐4* 18,2
240, 242 340f., 346 98, 381 208 208 41, 66, 380f., 383f. 98, 381, 392 41, 66, 380f. 343, 346f. 340, 343 342f. 341, 343, 346 342f. 343 7, 12, 393 1, 7, 332, 381, 393 12 181 344 66, 380, 395 381f. 179, 180‐184, 381f. 181, 183 181 181‐183, 208, 364, 382 181 182 7, 244, 294f., 393 12, 234 234f. 235 235 294 13 235 218 218 130 235 66, 232, 234‐236, 244f., 250, 333‐335, 380, 382 336 235, 244, 333f. 155, 235, 244, 250, 333f. 235, 237, 250, 294 97f., 392 97 99
18,21‐32 18,31
19(*) 19,1‐9 19,1 19,4 19,5 19,9 19,12 20
20,1‐44 20,1‐4 20,1 20,5‐29 20,5‐24*/20* 20,5‐10 20,5 20,7 20,8 20,9 20,10 20,11‐17 20,12 20,13 20,14 20,16 20,17 20,18 20,18‐24 20,21 20,22f. 20,22 20,23 20,24 20,25f. 20,27‐29 20,28 20,30f. 20,31 20,32‐38 20,33 20,34f. 20,35 20,39‐44(*) 20,39f.
97f. 66, 88f., 93, 97‐99, 102f., 105f., 108‐111, 376, 380f., 384, 386 7, 12, 294f., 393 294 240, 242 294 294 218, 330 294 7, 12, 70f., 141, 145, 153, 154‐161, 164‐ 166, 346f., 382 13 154, 156 7 154 155f., 158‐160, 167f., 347, 369f., 382 154 164, 166, 231 158, 369 154, 157, 164, 369 153f., 157f., 164, 167 154 154 150 154, 157, 164, 342 153f., 157f., 164, 167 342, 369 154 158, 369 154 154, 157, 164 158 153f., 157f., 164, 167 155 342, 369 155f. 155f. 344 154, 156 369 154 218, 244 219f. 220 66, 70, 154‐157, 159, 333f., 380, 382‐384 155, 161
Stellenregister
441
20,39 20,40 20,41f. 20,41 20,42 20,43f. 20,43 20,44 21f. 21* 21,11f. 21,17f. 21,17 21,23‐32 21,23‐28 21,24‐27 21,24 21,26 21,30‐32 21,30f. 21,30 21,31 21,32 21,32b 22 22,1‐16 22,6 22,17‐22 22,22 22,25 23(*) 23,1‐25* 23,1‐10 23,6 23,12 23,23 23,24 24* 24,1‐14 24,1f. 24,1 24,2 24,4 24,10 24,15‐24 24,23 24,24
155‐159, 369 155, 333‐336 155, 157, 161, 219f. 150, 155, 161, 344, 383 155 155, 158, 161 87, 155 71, 153, 155, 157f., 164 156 393 226 226 240 236 237 226 218 218 232, 236 237f. 236, 240 236f., 294 237f. 66, 237f., 380, 382 70 13 240 166 70 240 1, 7, 12, 131, 332, 393 12 12 129 129 129 129f., 237f. 12 74, 290f. 66, 393f. 7 218 291 291f. 226 340 7, 390
25‐32
25,1‐26,6(*)
25,2 25,3 25,4 25,5 25,6 25,7 25,8 25,9 25,12 25,13 25,15 25,16 26,1 26,2 26,3 26,6 26,7‐28,19 26,7 26,8 26,10 26,16 27,10 27,13 27,21 27,27 27,33 27,34 27,35 28,1‐10 28,7 28,12 28,14 28,16 28,17 28,20‐24 28,21 28,22 28,25f. 28,25 28,26 29‐32 29,1‐6 29,1 29,2f.
7f., 66, 112, 127, 129‐132, 140, 300, 312, 317, 334, 348, 383 40, 312‐317, 348, 352‐354, 379, 388, 393f. 51, 128 66, 313‐315 188, 313 47 313, 315 313 313, 316 313 313 313, 342 66, 313, 316 313 7 66, 313‐315 128, 313 394 312 129f., 218 129 129 240 129 129 240 130 218 130 218 13 340 218 333f. 333f. 218 312 128 128 66, 312, 380, 383f. 150, 219, 231, 383 383 312, 383 128 7 218
442
Stellenregister
29,2 29,3 29,4 29,5 29,8 29,10 29,17‐21 29,17 29,18 29,19 30,1‐19 30,2 30,3 30,10 30,11 30,13 30,20 30,21f. 30,22 30,24f. 31* 31,1 31,2 31,12 32,1 32,2 32,4‐6 32,10 32,11 32,17‐32 32,17 32,22 32,23 32,26 32,27 32,29 33‐37 33‐35(*) 33 33,1‐20 33,2 33,21f. 33,21 33,22 33,23‐29(*) 33,23‐25aa 33,24 33,25‐27* 33,25f. 33,25
128 128 120, 130 128 128, 341 128, 342 130 7 218 130, 218 13 128 34 218 340 240 7 218 128 218 12 7 218 333 7 218 128 218 218 130f., 287, 295 7 130 130 116, 128f. 291 218, 240 12 78, 357 7, 32, 312 312 341 32, 40, 312, 355 7, 66 66 32, 67, 78, 312, 353, 355‐359, 401 355 67, 355 355, 370, 374, 380 355 355
33,27‐29* 33,27 33,28 33,29 33,30‐33 34ff. 34‐39(*)
34‐37* 34
34,1‐24 34,1‐21 34,1‐16 34,1‐15 34,1‐10(*)
34,1‐6(*) 34,1f. 34,1 34,2‐6 34,2‐4 34,2 34,3 34,3f. 34,4 34,5f. 34,5 34,6 34,6a
355 68, 355 68, 328, 330 328, 355 32, 67, 312 190 2, 7, 13, 16f., 19, 23, 25, 31, 55, 59‐78, 78‐ 80, 81, 126f., 140, 142, 145, 149‐151, 169, 223, 269, 285f., 300, 318, 330, 333, 348f., 350‐378, 378‐ 380, 380‐384, 387f., 393‐395, 398, 401, 406f. 368 1, 7, 23‐25, 25‐42, 46‐49, 49‐55, 55‐59, 70, 76‐78, 87, 170, 205, 211, 219, 221f., 234, 240, 243‐245, 254, 281, 289, 300, 311, 330, 334, 356, 359‐367, 373, 377, 379f., 382, 385 37 13 58 35 32, 36, 38f., 42, 51, 55, 67, 69, 74, 76‐78, 223, 286, 288f., 300f., 311f., 318, 320, 353, 356‐360, 373, 379, 381, 384f. 33, 54 34f., 38, 42, 55 25, 32f., 50, 67 33 33 25, 33f., 46, 50, 56 26, 34, 56 26, 32‐34, 38, 56 26, 28, 34f., 48, 54, 56 35, 38, 42, 50, 55f. 26, 33, 35 27, 31, 33, 35, 39f., 47, 333 26
Stellenregister
443
34,7f. 34,7 34,8 34,9f. 34,9 34,10f. 34,10 34,11ff. 34,11‐16 34,11‐15*
34,11 34,12f. 34,12 34,13f. 34,13
34,14 34,14a 34,14b 34,15 34,16 34,17ff. 34,17‐22
34,17 34,18 34,19 34,20 34,21 34,22 34,23f.(*)
33, 38, 56 27, 33 27, 41, 68, 357 33, 35, 38, 42, 50, 55 27, 33 34 27, 33‐35, 41, 47, 320, 357, 381 223, 269 29, 32 35f., 38‐40, 42, 49, 51f., 55, 67, 76, 219, 221‐223, 244, 359‐ 363, 368, 373f., 379f., 385 27, 34, 38, 42 34 28, 34, 38, 51, 56f., 178, 189, 381 34, 336 28, 34, 38, 42, 47, 50f., 57, 68, 86, 149f., 219‐221, 286, 330, 336 28, 34f., 47, 51, 68, 155 35, 38, 47, 51f., 56f., 333‐336 34f., 38, 47, 51f., 56f., 221, 330 28, 34f., 42, 51 26, 28, 35, 38, 48, 53f., 56, 58 35 32, 36, 38, 42, 49, 56‐58, 67, 77f., 366f., 374, 380f., 392 29, 35f. 29, 36 29, 36 29 29, 36, 47 29, 36, 87, 223 32, 36, 38, 42, 47, 49, 52‐57, 67, 75‐77, 170‐172, 176‐178, 208, 211, 222f., 232‐ 234, 242f., 245, 256, 259, 262, 265, 267, 269, 362‐364, 373, 375, 379, 385
34,23 34,23aa 34,23ab 34,23ba 34,23bb 34,24ff. 34,24
34,24aa 34,24ab
34,25‐31 34,25‐30(*)
34,25
34,26f. 34,26 34,27 34,27b‐28 34,28f. 34,28 34,29 34,30 34,31 35‐39 35,1‐36,15(*)
35,1‐36,11* 35(*) 35,1‐15
35,1‐12*
24, 29f., 36, 58, 254, 267, 363 29, 37 259 29, 36 37, 52, 259, 267 31 30, 36f., 86, 170, 173, 214, 218, 240, 242f. 37, 52, 259, 267 37, 176, 178, 222f., 243, 245, 259, 267, 269f., 363f., 373, 379 19, 187 30, 37f., 42, 48f., 54‐ 58, 67, 73, 76f., 79f., 85, 87f., 169‐210, 211, 219, 301, 338f., 345‐347, 364, 373, 375, 379, 382, 386f. 30f., 54, 88, 171f., 176‐178, 180, 183‐ 186, 188f., 200, 204‐ 208, 210, 268, 364, 377 171, 189 30, 186 31, 37, 54, 171f., 186, 381 172 68 31, 54, 171, 186, 207 31, 69, 172, 183, 186, 189, 364 30f., 37, 86, 170‐172, 179, 189 31, 37f., 48, 54, 58, 69, 171, 377 77, 366 32, 69f., 76‐78, 80, 169, 289, 300‐337, 348 316 68f., 321, 354 78, 129, 221, 300‐ 302, 305, 310, 316f., 323, 326, 328f. 310f., 314‐317, 320, 324, 327f., 331, 348,
444
Stellenregister
35,1‐3aa 35,1 35,2 35,3 35,3aa 35,3ab‐4 35,3abb 35,4 35,5‐9(*) 35,5 35,6 35,7f. 35,7‐8a 35,7 35,8 35,8a 35,8b 35,9 35,10‐13 35,10 35,10a 35,10b 35,11f. 35,11 35,12 35,13 35,14f.(*) 35,14 35,15 36‐39 36(*) 36,1‐15(*)
36,1‐11(*)
36,1f.
353‐358, 361, 378f., 385 309‐311, 327f. 32, 68, 301f., 354 68, 301f., 328 68, 302, 328 302, 328 309f., 316, 328f. 302 302, 310, 328 302f., 309f., 316, 328f. 302, 316 68, 302 68 303, 309 68, 302 302, 327f., 331 302 302, 328 68, 302, 305 303, 309 68f., 221, 303f., 314f., 361 303, 309‐311, 315f., 327 303, 316 309‐311, 315, 327 304, 314 41, 68, 303f., 317, 320, 330, 357 304, 316 304, 309, 316 304 68, 304‐306, 311, 317, 321 14, 60, 142, 169 1, 60, 62f., 70, 331, 354, 374, 377 68‐70, 74, 121, 126, 129, 142, 275, 285, 291, 300f., 305, 309f., 318, 326, 328, 331, 336, 338, 345, 368 271, 308‐312, 314‐ 320, 323, 327f., 339, 348, 350‐355, 357f., 365, 378f., 384, 388, 393f., 398 305f., 309, 311, 327f.
68, 305, 311f., 327, 330 36,2 68, 305, 307, 310, 314, 316, 324, 327, 353 36,3‐6 305, 314, 327 36,3‐5(*) 315 36,3 68, 305, 310, 315, 330, 336f. 36,4 39, 68, 305f., 310, 315, 330 68, 305f., 310f., 315, 36,5 317 36,6 31, 39, 69, 305f., 316, 327, 331, 364 309, 311, 327f. 36,7‐8a 36,7 305f., 310, 314, 316, 353, 364 318f. 36,8‐11* 36,8f. 339 36,8 68, 314, 330 36,8a 306 36,8b 306f., 353, 355f., 358, 378f. 87, 376 36,9‐11 36,9 306f., 309, 311, 327f., 331, 339f., 345, 364f. 69 36,10‐14 36,10‐12 68 36,10f. 377 36,10 307f., 310, 317, 327f. 70, 275f., 307‐309, 36,11(*) 311, 319, 327f., 331, 339, 350f. 308f., 317, 331, 36,12‐15 336f., 362, 365, 373 36,12 68, 308f., 362, 365 36,13‐15 308 36,13f. 309, 321, 336f., 362, 386, 405 308f., 336 36,13 36,14 68, 305, 308f., 336 68f., 308f., 336, 362, 36,15 364 148, 151, 300, 359, 36,16‐39,29 365, 368‐372, 373, 379 36,16‐23ba; 39,23‐29 80, 140‐169, 236 36,16‐22; 39,23‐29(*) 72, 146, 148‐151, 164, 167‐169, 368‐ 36,1
Stellenregister
445
370, 373, 375, 380, 382 70 36,16‐37,14 36,16ff. 82, 142 36,16‐38 13, 141 36,16‐28 19, 82 64f., 70‐73, 77, 82f., 36,16‐23ba 85, 112, 118, 140‐ 169, 169, 375 76, 82, 112f., 125, 36,16‐22(23aba) 145, 149, 151, 169, 271, 374 72, 76, 112, 125f., 36,16‐22 139, 145f., 148, 374 36,16 70, 82, 142, 146, 148 36,17‐21* 146 70 36,17‐19 36,17 84, 87, 142, 147, 149, 157f. 36,17a 146, 148 36,17b 146‐148 70‐72, 86, 142, 145f., 36,18 157f., 167 36,18aa 147f. 36,18abb/18* 147f., 224, 369f., 374, 380 36,19 142, 157 36,20 72, 142f., 145, 147‐ 149, 157f., 165 36,21 72, 143, 145, 147‐ 149, 157f., 165 36,22 63, 70‐72, 82, 84f., 126, 141‐143, 145f., 148f., 157f., 164f. 36,23 61, 83, 149f., 158, 165 72, 80, 82f., 112, 36,23aba 125, 143, 146, 148, 150, 153, 157, 370 36,23ba 60f., 72, 82f. 36,23bb‐38/23bbff. 60‐65, 70f., 73f., 76, 79, 81‐111, 142, 169, 271, 380 84, 88f., 94‐96, 98f., 36,23bb‐32 105, 108‐111, 178, 210, 300, 375‐377, 380f., 384f., 387 36,23bb 82f. 36,24ff. 83 36,24 64, 83, 86, 149, 219f. 83, 86, 104f., 108 36,25
36,26‐28 36,26f.
36,26 36,26a 36,26aa 36,26ab 36,26b 36,27 36,27a 36,28 36,29f. 36,29 36,30 36,31 36,32 36,33‐36 36,33 36,35 36,36 36,37f. 36,37 36,38 37‐39 37
37,1‐14
37,1‐11 37,1‐10 37,1‐6(*)
37,1‐5* 37,1
37,2.7‐10*
95f. 73, 86, 89, 94, 97, 99, 103‐105, 108‐110, 286, 375f., 387 86, 93, 95‐98, 101, 103, 105f., 108 83f., 97, 386f. 95 95 84, 386 63, 84, 86, 95, 105, 109, 286, 375 96, 386f. 84‐86, 95 85, 87 84f., 87, 223 84 84, 87, 105 63, 84f. 84, 87f., 376 84 84 84, 150 31, 84, 87f., 376f. 69, 84, 87, 377 61, 87, 377 376 63, 70, 73, 76, 87, 112, 169, 211, 217‐ 219, 222, 234, 240, 243‐245, 270, 288‐ 290, 299f., 356, 359‐ 367, 373f., 379f., 382 7, 13, 61, 63, 72‐77, 80, 86, 96, 109, 111, 124, 144f., 173, 212, 226, 270‐300, 368, 374‐377, 386 174 73, 270f., 275, 290 271, 273, 275‐277, 280f., 283‐293, 295f., 298‐301, 318‐320, 348, 350‐355, 378, 384, 388, 393f., 397f. 280 61, 112, 173, 271f., 276, 278f., 283, 288, 296, 318, 398 285, 296‐300, 366f., 374, 380, 392
446
Stellenregister
37,2 37,2aba 37,2ba 37,2bb 37,3 37,4 37,4ba 37,4bb(*) 37,5f. 37,5 37,6 37,6a 37,6b 37,7‐10 37,7 37,8 37,9 37,10 37,11‐14(*)
37,11‐13a*
37,11
37,11a 37,11b 37,12‐14 37,12
37,12ab 37,12b‐13a 37,13 37,13b‐14(*) 37,13b 37,14 37,15ff. 37,15‐28 37,15‐24
272, 277‐279, 281, 398 279, 285 279 279f., 284 272‐274, 280f. 272, 280f. 281 280f., 284 281 272, 276, 280, 296 272f., 276, 280f., 294, 296, 298 284 281, 397 271‐273, 276f., 279, 285f., 296 227, 272, 286 272, 277 272, 277, 297, 367 272, 276f., 279, 296f. 73, 130, 270, 273‐ 276, 281, 283, 287f., 293 283f., 288, 290, 293‐ 295, 299f., 353‐356, 358f., 378f., 385 73, 75, 273f., 276, 288, 295, 354, 359, 379 274‐276, 284, 288, 290 274‐276, 284, 294 174, 275 73, 219, 273, 275, 281‐284, 286, 293‐ 295 281 282 73, 273, 293‐295 281‐284, 299, 353, 356‐359, 373, 379 281 63, 86, 273, 282f., 285‐288, 296, 375 69, 86, 173, 222 13, 61, 85, 88, 211, 216, 270, 285, 288 75f., 80, 211‐270, 317
37,15‐19(*)
37,15 37,16 37,17 37,18 37,19 37,20ff. 37,20‐28 37,20‐24 37,20‐23(*)
37,20‐22 37,20 37,21‐24 37,21 37,22
37,23 37,23abab*/23* 37,23a 37,23bb*g 37,24
37,24a 37,24b 37,25ff. 37,25‐28(*)
7, 75, 77, 173, 212, 215f., 220, 222‐224, 224‐232, 268, 286, 288, 303, 317, 359‐ 361, 363, 373, 379, 381, 385 75, 212, 226, 288, 359 212‐214, 226, 228 212f., 226, 286 213 213‐215 85, 234, 269 19, 73, 75 75, 77, 173f., 212, 214, 219 215‐219, 221‐224, 230‐232, 244, 267‐ 269, 303, 317, 361‐ 363, 368f., 373‐375, 379f. 215 75, 173, 214 214 86, 149f., 214, 219‐ 221, 286 75, 173, 214‐218, 221, 231, 303, 317, 330, 361f., 378 58, 86‐88, 173, 182, 215f. 215, 217, 223f., 369f., 374, 380 86 216f., 221f., 361, 363, 369 49, 54, 75, 77, 86, 173, 176, 178, 208, 214‐218, 222f., 230, 232, 242, 245, 254, 262, 267‐269, 363, 373, 375, 378f. 216 182, 216 218, 230, 232, 242f., 267, 269 75‐77, 80, 151, 169‐ 210, 212, 216, 219, 223, 231, 243, 301, 338f., 345‐347, 363‐
Stellenregister
447
37,25(*)
37,25aa 37,25ab 37,25ba 37,25bb 37,26
37,26a 37,26ba 37,26bb 37,27f. 37,27 37,28 38f.
38,1‐39,29 38,1‐39,22/38f.*
38 38,1‐9(*)
38,1 38,2 38,3f. 38,3 38,4f. 38,4 38,5f. 38,6 38,7 38,8f. 38,8 38,9
366, 372f., 375, 379, 382f., 386f. 75, 86, 150, 173‐176, 193, 214, 216‐218, 222, 240, 242f., 245, 262, 268, 270, 363, 365, 378, 383 174 174 174f. 174 30, 75f., 88, 173‐178, 181‐184, 188, 190, 193, 198‐200, 204‐ 206, 223, 364f. 174 174 174 174 86, 175, 188, 190, 193, 198 150, 173‐175, 178, 190, 193, 198f., 364f. 65, 71, 80, 111‐140, 141, 148, 359, 374, 380 13, 62 71f., 76, 80, 82f., 114f., 121, 126, 127‐ 139, 141, 148, 150, 169, 236, 271, 370f., 377 61, 63, 114‐117, 123 115‐117, 119‐124, 126, 129‐131, 135f., 138, 140, 370 61, 112, 115, 121‐ 123, 174 115, 119, 129, 240 119 116, 240 129f. 119f., 129f., 135, 150 120 120, 133, 135 130 116 113, 120f., 123, 149, 219, 330 120, 135
38,10‐16 38,10‐13 38,10 38,12f. 38,12 38,13 38,14‐16 38,14 38,15 38,16 38,17 38,18‐23 38,18 38,19 38,21 38,22 38,23 39 39,1‐5
39,1f. 39,1 39,2 39,3 39,4f. 39,4 39,5 39,6f. 39,6 39,7 39,8 39,9f. 39,9 39,10 39,11‐16 39,11‐13 39,11
116, 123‐125, 130, 135, 138 116 115f. 118, 130 113, 116 130 116, 135 113, 116, 121, 136 133, 136 113, 116, 121, 123, 126, 136, 150, 370 116‐118, 123f., 138, 371, 387 117, 120, 124, 370 117, 121 121 135, 332 117 113, 117, 124, 126, 150, 370 61, 63, 114f., 117, 123f. 117‐124, 126, 128f., 134, 137‐139, 148, 370 119 117, 119, 121, 128, 240 117, 119f., 129, 132‐ 134, 150, 330 128, 134 117 71, 113, 118f., 124, 128f., 134, 136, 330 117, 121, 123, 126, 128 118, 122‐124, 126f. 117, 127, 150 71, 113, 118, 145, 149‐151, 370 118, 121, 123f., 138, 371, 387 118, 121, 124, 130, 136, 138 129, 134, 136 118, 130 118f., 121, 124, 130f., 287 118 118, 121
448
Stellenregister
39,13 39,14‐16 39,15 39,17‐20 39,17 39,18 39,20 39,21‐29 39,21f. 39,21 39,22 39,23‐29(*)
39,23‐25 39,23f. 39,23 39,24 39,25‐29(*) 39,25 39,26 39,27
39,28 39,28aab 39,28agb 39,29 40‐48(*)
40,1‐43,12 40 40,1ff. 40,1 40,2 41,4 43,1‐9(*) 43,1‐7a(*) 43,1‐5(*)
118, 121 118 287 112, 119, 122‐124, 136‐138 118, 330 123, 240 118 113 113f., 119, 124f., 127 114, 119 114, 119, 125, 127 72‐74, 76f., 82, 112, 125‐127, 139, 140‐ 169, 169, 271, 370, 374 148 113f., 146 72, 113, 127, 141, 144, 146, 148, 150 113, 143, 149 113f., 146 72, 143‐145, 150, 158, 164f., 231 143f., 146, 148 113, 143f., 146, 148‐ 150, 157, 161, 165, 219f. 125, 127, 142 148 147f. 72f., 113f., 144f., 148, 167, 286, 376 7f., 12, 59, 74, 76, 174, 190, 192, 232, 234, 238f., 241‐245, 270, 318, 334, 336, 351, 363, 365f., 373f., 395f., 398 192 61, 63 7, 59, 397f. 59, 174, 271, 396, 398 244, 333‐335 395f. 76, 180, 191, 192f., 202, 210, 395 149, 192, 395 192, 203
43,2‐5(*) 43,2 43,3 43,5 43,6‐9 43,6‐7a 43,7a 43,7b‐9
43,7b 43,9 43,9b 43,10‐12 43,12 44,3 45,7 45,8a 45,8b 45,9 45,16 45,17 45,18‐20 45,21‐25 46,1‐3 46,2 46,4‐7 46,8‐10 46,12 46,16‐18 47,1‐12 47,9 48,15 48,21f. 48,35
114, 395‐399, 404‐ 406 397f. 397 192, 203, 210, 397f., 405 192 192f., 202, 210, 365, 396, 398, 405 149, 192f., 199, 202, 210, 335, 405 71, 145, 149, 159, 192f., 199, 204, 210, 395 192, 210, 218 218 192f., 199, 210 334 333‐335 238 238 238 238 238f. 238 238 238 238 238 238 238 238 238 238 335, 395f. 287 382, 395 238 395
Hosea 2,2 2,4‐17 2,16‐25 2,16f. 2,18 2,19 2,20 2,21f.
225, 228‐231 332 206 207 207 207 180, 183, 204‐208, 210 207
449
Stellenregister 2,23 3,5
207 54, 233, 258f., 267
Joel 3,1f. 4,18‐21 4,18
298 322 335, 395
322 233, 259f., 265f., 322 259f. 259f., 315 259
Obadja 1‐21 16‐21 16‐18 18 21
322 225, 228, 230 230 230 230f.
Micha 4,8 4,9‐5,5 4,9‐14 4,9f. 5,1‐5(*) 5,1‐4a 5,1 5,2 5,3 5,4a 5,4b‐5a 5,5b
253 253 252 254 176, 233, 252‐255, 257, 264‐266, 268 252 252f., 257, 260 252, 254f. 252, 254 252, 268 252 252
Zephanja 1,7f.
137
Haggai 2,5 2,20‐23 2,20‐22 2,20f.
261 261
Sacharja
Amos 1,11f. 9,11f. 9,11 9,12 9,13‐15
2,22 2,23
298 233, 260‐264, 265f. 261 261
3 3,8‐10 3,8 4 4,6‐10 4,6 4,7 4,8f. 6,8 6,9‐15 6,11 6,11b 6,12 6,13a 6,13b 6,14 9,9f. 9,9 9,10 10,3 10,6 11,4 12,1 14,8
262 261 233, 260‐264, 265f. 262 233, 260‐264, 266 262 262 262 144 233, 260‐264, 265f. 263 263 263 263, 266 263 263 233, 260‐264, 265f., 268 263 263, 268 41 225, 228‐231 41 297 335, 395
Maleachi 1,2‐5
322
Psalmen 2,6 3,5 9,19 15,1 22,15f. 22,30 23,3 25,11 30,4 31,4 31,11 32,3 34,19 40,3
334f. 334 294 334 290 295 153 153 295 153 290 290 298 295
450
Stellenregister
43,3 46 46,5 46,10 48 48,2 48,3 51‐72 51 51,1f. 51,3‐11 51,4 51,9 51,10 51,12‐19 51,12‐14 51,12f. 51,12 51,13 51,14 51,16‐19 51,16‐18 51,19 51,21f. 60,3 72 76 76,4 79,2f. 79,9f. 87,1 88,5 88,6 90,6 99,9 102,4 102,5 102,12 104,29f. 105,10 105,16 106,8 109,21 115,1f. 119,21 119,118 133,3 142,4 143,7 143,10 143,11
334 133 335, 395 136 133 334 134, 335 106 90, 106‐110, 111f. 106 106 108 108 109 106 109, 298 106 106‐109 106, 298 106, 109 107 107 107, 110 106 150 176 133 136 292 153 334 295 294 294 334 290 294 294 297 180 340 153 153 153 27 27 332 298 298 107 153
Hiob 7,9 8,13 10,11 12,10 14,19 15,13 32,8 33,4 34,14f. 34,14
295 294 280 297 294 144 297 297 297 297
Proverbien 10,28 11,7 18,15 19,27 29,11
294 294 144 27 144
Threni 1,1‐6 3,54 4,8
332 294 294
Daniel 9,19 12
153 367
Esra 1‐4 6,16‐22* 6,21
400 400 401
Nehemia 12,46
253
1. Chronik 16,17
180
2. Chronik 5,13f. 7,1f. 20
203 203 321‐323
451
Stellenregister 20,10 20,22 25,11‐14
321f. 321f. 321f.
Qumran 1QpHab II,9f.
5
1QS I,7 I,11 II,14 II,20 III,13‐IV,26 III,18
110 110 110 110 299 299
IV,21 IV,25 V,1 V,6 V,8 V,10 V,21 V,22 V,24 VI,13 VI,17 VII,18 VII,23 VIII,3 VIII,4‐10 IX,4‐6 IX,14 IX,15 IX,18 XI,1
110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110 110