Antje Steinberg Scheitert die Ernährungskommunikation?
VS RESEARCH
Antje Steinberg
Scheitert die Ernährungskommuni...
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Antje Steinberg Scheitert die Ernährungskommunikation?
VS RESEARCH
Antje Steinberg
Scheitert die Ernährungskommunikation? Qualitative Inhaltsanalyse von Printratgebern Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. habil. Christoph Klotter
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Anita Wilke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17916-2
Geleitwort
Frau F. wird von ihrem Hausarzt darüber aufgeklärt, dass sie Adipositas hat und dass sie abnehmen muss. Zum Abschied drückt er ihr einen Flyer einer Krankenkasse in die Hand, den Frau F. am Abend im Kreis der Familie durchliest. Ab dem nächsten Tag wird fettreduziert gekocht, die Süßigkeiten für die Kinder werden nicht mehr eingekauft und vor dem Fernseher wird nicht mehr genascht. Innerhalb eines viertel Jahres hat Frau F. Normalgewicht. An dieser Geschichte stimmt so gut wie gar nichts. Aber die Gesundheits- und Ernährungsexperten sind implizit davon ausgegangen, dass Ernährungskommunikation so funktioniert: • Aus einer unspezifischen Aufforderung wird Handeln („Sie müssen abnehmen“). Mit Hilfe diverser gesundheitspsychologischer Modelle ist ersichtlich geworden, dass diese Aufforderung nicht funktioniert. Sie ist zu allgemein, nicht alltagsbezogen. Änderungen gehen nur dann, wenn sie konkret sind: Spaghetti Carbonara durch Spaghetti mit Tomatensauce ersetzen. • Der Arzt ist die Autorität, dem der Patient Folge leistet. Das ist ein Mythos, der nicht (mehr) gilt. Die unzähligen verschriebenen und erworbenen Medikamente, die anschließend nicht genommen oder weggeworfen werden, sprechen Bände. • Frau F. ist derselben Meinung wie ihr Arzt, dass ihre Pfunde purzeln müssen. Aber in der Regel ist die Motivation zur Gewichtsabnahme ambivalent: Einiges spricht dafür, vieles aber dagegen. Vielleicht fühlt sich Frau F. kerngesund und denkt nicht daran, abnehmen zu wollen. Vielleicht ist sie dies auch, weil eine Gruppe von Adipösen keine Krankheitsfolgen diesbezüglich kennt. Frau F. ist vielleicht auch deshalb nicht der gleichen Meinung wie ihr Arzt, weil sie ihn wegen ihres Migrationshintergrunds nicht verstehen kann, weil in ihrer Kultur oder sozialen Schicht über Adipositas anders gedacht wird. Da gilt Adipositas als schön. • Kognitionen führen zum Handeln. Spätestens mit Volker Pudel müsste es Allgemeingut geworden sein, dass Essverhalten wenig kognitiv und sehr stark von Emotionen gesteuert wird. Der Flyer als Medium der Kognition wird also in der Regel wenig bewirken. • Die Familie als System ist im Prinzip immer dagegen, wenn ein Mitglied des Systems sich ändern will. Die Familie von Frau K. wird, sollte sie abnehmen wollen, dies häufig nicht oder nur wenig unterstützen. Gesundheits- und Ernährungsexperten lieben Frau F., weil dann ihre Tätigkeit so einfach und effektiv wäre. Es ist schwer, von Frau F. Abschied zu nehmen.
6
Geleitwort
Wer von ihr Abschied nehmen muss, weil Frau F. mit der Realität nichts zu tun hat, dem wird dann möglicherweise auch klar, dass Watzlawick recht hatte: Die Beziehung der beiden, die kommunizieren, determiniert den Inhalt der Kommunikation. Wenn der Hausarzt von Frau F. besserwisserisch und herablassend mit ihr spricht und Adipositas wie so viele hasst, dann ist Frau F. so wütend und gekränkt, dass seine Worte an ihr vorbeirauschen. Sie wird genau das Gegenteil von dem tun, was er ihr aufgetragen hat. Über Jahrzehnte war Frau F. das Kommunikationsmodell der Ernährungswissenschaft und der Oecotrophologie. Erst in den letzten Jahren wurde dieses Modell stärker in Frage gestellt. Es ist ein großes Verdienst von Antje Steinberg, diese Diskussion umfassend und sehr klar zu bündeln. Das, was möglicherweise noch verdienstvoller ist, ist die konkrete Analyse von Ernährungskommunikation. Analyse und Evaluation von Ernährungskommunikation ist bis dato extreme Mangelware. Es werden zwar Millionen von Broschüren und Flyer erstellt, aber wer weiß, wie sie wirken? Antje Steinberg hat auch hier einen wichtigen Schritt gemacht. Zu wünschen ist diesem Buch, dass es von all denjenigen zur Kenntnis genommen und gelesen wird, die Ernährungskommunikation betreiben. Aber auch diejenigen, die Objekte der Ernährungskommunikation sind, also wir alle, können mit Interesse verfolgen, auf was Ernährungskommunikation zielt. Prof. Christoph Klotter
Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. habil. Christoph Klotter von der Hochschule Fulda und Frau Dr. Doris Hayn von der Universität Konstanz für die sehr gute, kompetente und wertschätzende Betreuung. Ich danke auch dem Verband der Oecotrophologen e. V. sowie dem Kuratorium, welches dieser Arbeit den Oecotrophica-Preis 2010 für die beste Diplomarbeit in der Fachrichtung Ernährungsverhaltensforschung verliehen hat. Weiterhin danke ich Frau Ilse Mara Berzins von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen für die gute Zusammenarbeit sowie den Verbraucherzentralen Hamburg und Nordrhein-Westfalen, welche mir freundlicherweise die Genehmigungen zum Abdruck der Abbildungen erteilt haben. Aus tiefstem Herzen danke ich meiner Mutter, die mich in jeder Phase meiner beruflichen Karriere vorbehaltlos unterstützt hat; sowie Gilbert, der nie die Zuversicht verliert. Antje Steinberg
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Von rein naturwissenschaftlicher zu transdisziplinärer Forschung . . . . . 2.2.1 Naturwissenschaftliches Forschungsparadigma der Ernährungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Unzureichende Interdisziplinarität der Ernährungswissenschaft . 2.2.3 Naturwissenschaftlich dominierte Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Abwertung des Alltagswissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Entwicklung neuer Forschungsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Vom Elfenbeinturm der Politik in die Mitte der Gesellschaft . . . . . . . . . 2.3.1 Agrarpolitische Einflüsse auf Ernährungskommunikation . . . . . . 2.3.2 Ernährungskommunikation repolitisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Ernährungskultur: vom Störfaktor zur Ressource . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Ausblendung kultureller Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Ernährungskultur als Ressource begreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Von der Ein- zur Mehrdimensionalität von Ernährung . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Naturwissenschaftlich hergeleitete Ernährungsziele . . . . . . . . . . . 2.5.2 Gesundheit als einziges Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Mittelständische Werte und Normen setzen Maßstäbe . . . . . . . . . 2.5.4 Mehrdimensionalität von Ernährung erforschen . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Experten des Alltags statt belehrungsbedürftiger Laien . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Belehrungsbedürftige Laien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Der rationale und zielgerichtet essende Mensch . . . . . . . . . . . . . .
25 25 26 26 27 28 29 30 32 32 33 34 34 36 37 37 38 39 39 41 42 42
10
Inhaltsverzeichnis
2.6.3 Mündige Verbraucher als gesellschaftliche Idealvorstellung . . . . 2.6.4 Menschen als Experten ihres Alltags anerkennen . . . . . . . . . . . . . 2.7 Alltagsnahe Praxis statt kognitiv orientierter Wissensvermittlung . . . . . 2.7.1 Neue Konzepte in der institutionellen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Vom ,Scheitern‘ zur ,Wende‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Zusammenfassung: Kernaussagen der Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 44 45 46 48 49
3 Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Das Verbraucher-Leitbild der Verbraucherzentrale NRW . . . . . . . . . . . . 3.2 Aufgaben und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Das Ratgeberangebot der Verbraucherzentrale NRW . . . . . . . . . . . . . . .
51 51 51 52
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Grundlagen der qualitativen Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Phasen einer Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Entwicklung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Bestimmung des Textmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Dimensionierung und Kategorienbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Durchführung der Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Bestimmung der Texteinheiten für Auszählungen . . . . . . . . . . . . . 4.3.6 Pretest-Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.7 Durchführung der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.8 Fehlerbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 55 55 58 59 59 60 61 62 74 74 75 75
5 Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Einheitliche Elemente der Ratgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ratgeber zur Kinderernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 „Bärenstarke Kinderkost“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 „Mahlzeit, Kinder! Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Ratgeber zur Kinderernährung im Vergleich: Umsetzung eines Konzepts versus an den Alltag angepasste Empfehlungen . . . . . . . 5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung . . . . . . . . . . . 5.4.1 „Gesunde Ernährung von Anfang an. Stillen, Säuglingsnahrung, Breie und Gläschenkost“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 77 77 78 78 87 96 98 98
Inhaltsverzeichnis
5.5
5.6
5.7 5.8
5.4.2 „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind in Schwangerschaft und Stillzeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 ,Potentielle Gefahr‘ versus ,Wohlbefinden leicht gemacht‘ – Die Ratgeber im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ratgeber zur Gewichtsreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 „Gewicht im Griff. Das Abnehmprogramm zum Wohlfühlen“ . . . 5.5.2 „Wie Ihr Kind abnehmen kann. Eine Unterstützung für Eltern und Kinder“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Unterschiedliche Zielgruppen, ähnliche Ansätze – die Ratgeber im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Berücksichtigung einer gendersensiblen Gestaltung . . . . . . . . . . . 5.6.3 Die Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernähren‘ . . . . . . . . . . 5.6.4 Informationen über Autorinnen und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Ergebnisse mit Zielen der Verbraucherzentrale NRW . . . . Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte . . . 5.8.1 Rekapitulation der Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.2 „Bärenstarke Kinderkost“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.3 „Gesunde Ernährung von Anfang an“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.4 „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.5 „Gewicht im Griff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.6 „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.7 „Mahlzeit, Kinder!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
107 117 120 120 131 147 148 148 151 158 159 159 161 162 163 163 165 166 167 168
6 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Titelseite von „Bärenstarke Kinderkost“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Abbildung 2: Titelseite von „Mahlzeit, Kinder!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
Abbildung 3: Titelseite von „Gesunde Ernährung von Anfang an“ . . . . . . . . . 98 Abbildung 4: Titelseite von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ . . . . . 107 Abbildung 5: Titelseite von „Gewicht im Griff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abbildung 6: Titelseite von „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ . . . . . . . . . . . . . . 131 Abbildung 7: Generationenübergreifendes Kochen in „Vollwertküche“ . . . . . . 152 Abbildung 8: Mutter in „Mahlzeit, Kinder!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Abbildung 9: Illustration aus „Bärenstarke Kinderkost“: Der KIKO-Bär kocht 154
Tabelle 1:
Zuordnung der Kategorien zu den entsprechenden Schlagwörtern
59
Tabelle 2:
Darstellung der Dimensionen mit den entsprechenden Kategorien und Unterkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Tabelle 3:
Ausgewählte Informationen über die analysierten Ratgeber . . . 188
Abkürzungsverzeichnis
AGEV
Arbeitsgemeinschaft Ernährungsverhalten e.V.
BMELV
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
BSE
Bovine Spongiforme Enzephalopathie
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
DGE
Deutsche Gesellschaft für Ernährung
DNB
Deutsche Nationalbibliothek
et al.
et alteri oder et alii, übersetzt „und andere“
etc.
etcetera
EU
Europäische Union
ISOE
Institut für sozial-ökologische Forschung
u. a.
unter anderem
vzbv
Verbraucherzentrale Bundesverband
vz
Verbraucherzentrale
vz NRW
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
WHO
World Health Organisation
z. B.
zum Beispiel
Zusammenfassung
Unter dem Stichwort ‚Scheitern der Ernährungskommunikation‘ findet seit einigen Jahren eine Debatte statt, die die Lücke zwischen dem Wissen über eine gesundheitsförderliche Ernährung und dem alltäglichen Ernährungsverhalten thematisiert. Die Arbeit analysiert etwa die letzten zehn Jahre dieser Debatte im deutschsprachigen Raum. Die Beteiligten setzen sich neben Ernährungswissenschaftlerinnen und Oecotrophologen aus Wissenschaftlern anderer Disziplinen zusammen wie der Soziologie, Germanistik und den Kulturwissenschaften. Dazu werden die Aussagen der Beteiligten systematisiert und zu Kritiklinien verdichtet, die im Folgenden in verkürzter Form wiedergegeben werden sollen. Als eine Ursache des Scheiterns nennen die Beteiligten die Hierarchisierung von naturwissenschaftlichen und technischen gegenüber sozial-, kultur- und geisteswissenschaftlichen Aspekten von Ernährung in Forschung und Lehre. Diese Hierarchisierung machen sie auch für die unzureichende Interdisziplinarität der Ernährungswissenschaft verantwortlich. Die naturwissenschaftliche Ausrichtung von Forschung und Lehre prägt in der Folge auch Inhalte und Stil der Ernährungskommunikation, sie führt bspw. dazu, dass ausschließlich Gesundheitsfragen fokussiert werden und die Umsetzbarkeit im Alltag nicht im Vordergrund steht. Durch die eindimensionale Betrachtung von Ernährung werden zudem kulturelle Aspekte zu wenig beachtet. Die geringe Bewertung individuellen Alltagswissens trägt zu einer defizitären Sichtweise des essenden Menschen bei, der über die ,richtige‘ Gestaltung seiner Ernährung belehrt werden muss. Auch werden Ernährungsinformationen zu häufig in Form von abstrakten Sachinformationen über die kognitive Ebene vermittelt. Nicht zuletzt wird die weitgehend von agrarischer Seite bestimmte Ernährungspolitik kritisiert. Im Folgenden stellt die Arbeit diesen Kritiklinien entsprechende Anforderungen an eine ,neue‘, wirksamere Kommunikation gegenüber, die ebenfalls aus Aussagen der Debatte stammen. Neben der Forderung, eine Ernährungsforschung voranzutreiben, die sozial-, geistes- und kulturwissenschaftliche Disziplinen gleichberechtigt neben naturwissenschaftliche stellt, wird im Zusammenhang damit eine Neubewertung der Ernährungskultur und eine Integration der Alltagsperspektive schon im Forschungsprozess gefordert. Die Betrachtung von Menschen als Experten ihres eigenen Alltags sollte sich auch im Kommunikationsstil niederschlagen; statt abstrakter Sachinformationen sollten künftig die Vermittlung praktischer Kompetenzen und die Befähigung zu selbstständigen Entscheidungen im Vordergrund stehen. An dieser Stelle werden mit „REVIS“ und „Food
18
Zusammenfassung
Literacy“ zwei Forschungsprojekte vorgestellt, die diese Forderungen im Bereich der Ernährungsbildung umsetzen wollen. Nicht zuletzt sollte die Kommunikation über Ernährung künftig mehr als bisher im öffentlichen Raum stattfinden, wobei der Politik eine engagiertere und umfassendere Rolle als bisher zugedacht werden sollte. Abschließend werden die Kernaussagen der dargestellten Kritiklinien und Forderungen der Debatte zusammengefasst dargestellt. In dieser eher abstrakten wissenschaftlichen Debatte über das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘ wird kaum thematisiert, ob und wie sich diese Kritikpunkte in der aktuellen Praxis der Ernährungskommunikation widerspiegeln oder ob bereits Anforderungen umgesetzt wurden. Aus diesem Grund analysiert die Arbeit in einem zweiten Schritt ausgewählte Medien der Ernährungskommunikation auf das Vorhandensein der Kritikpunkte bzw. Forderungen. Dafür wurden sieben Printratgeber aus dem Verlagsangebot der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (im Folgenden NRW) ausgewählt. Die vorliegende Arbeit stellt einen Beitrag zu der gegenwärtig anstehenden konzeptionellen Neuausrichtung der vorliegenden Publikationen dar, zu der auch eine Überprüfung der aktuellen Ernährungstitel auf ihre zeitgemäße Relevanz gehört. Die sieben Ratgeber werden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht, deren theoretische Grundlage die Analyse der Debatte um das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘ bildet. Da Ernährungsratgeber nicht alle in der Debatte formulierten Kritiken und Forderungen aufnehmen oder umsetzen können, werden nur relevante Kernaussagen überprüft, die vereinfacht in Form von Schlagwörtern dargestellt werden (,Naturwissenschaftliches Forschungsparadigma‘, ,Alleinziel Gesundheit‘, ,Ausblendung des Alltags‘, ,Störfaktor Kultur‘, ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ und ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘). Aufbauend auf diesen Schlagwörtern erfolgt die Bildung von 31 Kategorien, mit denen formale Gestaltung und Inhalte der Ratgeber analysiert werden. Im Anschluss erfolgt die Ergebnisdarstellung der Inhaltsanalyse. Dabei werden zunächst die Ergebnisse von sechs Ratgebern vorgestellt und zusätzlich jeweils zwei dieser Ratgeber mit ähnlichen Inhalten einander gegenübergestellt. Der siebte Ratgeber hat seinen Schwerpunkt in der Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten und wird deshalb vorrangig in diesem Bereich mit den anderen sechs Ratgebern verglichen. Weitere Ergebnisse ausgewählter Aspekte wie eine gendersensible Gestaltung werden für alle Ratgeber zusammenfassend präsentiert. Anschließend erfolgt ein Abgleich mit der internen Zielsetzung der Verbraucherzentrale NRW und mit den Kernaussagen der Debatte um das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘. Dabei konnten übergreifend folgende Ergebnisse herausgearbeitet werden: • Die Inhalte der Ratgeber entsprechen überwiegend der Zielsetzung der Verbraucherzentrale. Aufgrund der sehr grundlegenden Zielsetzungen bewegte sich der Vergleich allerdings eher auf einer allgemeinen Ebene.
Zusammenfassung
19
• In den Ratgebern spiegeln sich Kritik und Anforderungen in unterschiedlichem Maß wider mit der Tendenz, dass ältere Ratgeber mehr Kritikpunkte enthalten und in Ratgebern neueren Datums bereits Anforderungen umgesetzt werden. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick, in dem Empfehlungen für die Konzeption künftiger Publikationen der Verbraucherzentrale NRW formuliert werden, unter anderem sollen • die Kluft zwischen Wissen und Handeln aufgegriffen werden, • eine bessere Integration der Alltagsperspektive ermöglicht werden, bspw. mithilfe von Workshops mit der Zielgruppe als Grundlage für die Konzeption neuer Ratgeber, • stärker Entlastungsmöglichkeiten durch das Umfeld thematisiert werden, z. B. im Hinblick auf Convenience-Food oder Außer-Haus-Verpflegung, • Gesundheit nicht in den Vordergrund gerückt werden, sondern als Zusatznutzen eines bspw. alltagsnahen Zieles wie Zeitersparnis präsentiert werden, • Printmedium und Kurs, besonders im Hinblick auf sozial benachteiligte Schichten, verbunden werden. Die Empfehlungen bauen dabei zum Teil auf konzeptionellen Elementen der Ratgeber auf, die in der Debatte als empfehlenswert bewertet werden. Abschließend wird der weitere Forschungsbedarf skizziert: Zusätzlich zu einer transdisziplinären Forschung, die zur Entwicklung innovativer und alltagsadäquater Angebote beitragen könnte, muss mithilfe langfristig angelegter Evaluationsmaßnahmen auch die Wirksamkeit dieser ,neuen‘ Ernährungskommunikation überprüft werden.
1
Einleitung
Die Kluft zwischen dem Wissen darüber, was gesunde Ernährung ausmacht und dem alltäglichen Ernährungshandeln ist in unserem Kulturkreis schon lange bekannt. Bisher konnte sie nicht geschlossen werden, auch wenn bereits seit langem auf unterschiedlichste Art und Weise Ernährungsinformationen kommuniziert werden. So weist der Soziologe Dahrendorf schon 1958 auf die Kluft und den allgemeinen Umgang mit ihr hin: „Gemeinhin sind wir wenig beunruhigt durch die Tatsache, dass der Tisch, der Braten, der Wein des Naturwissenschaftlers sich in paradoxer Weise von dem Tisch, dem Braten und dem Wein unserer alltäglichen Erfahrung unterscheiden. (…) Solange wir das Paradoxon des wissenschaftlichen und des Alltagstisches nicht in philosophischer Absicht anvisieren, lösen wir es auf einfache Weise. Wir handeln so, als seien der Tisch des Naturwissenschaftlers und unser Tisch zwei verschiedene Dinge, die in keiner relevanten Beziehung zueinander stünden.“ (Dahrendorf 1958, zitiert nach Dahrendorf 1974:13)
Obwohl diese Problematik somit schon über einen längeren Zeitraum bekannt ist und immer wieder neue Lösungsansätze erprobt werden, wurden bislang keine nachhaltigen Verbesserungen erzielt (Methfessel 2004:92). Ein Indiz dafür ist, dass die Zahlen übergewichtiger Menschen seit den 1970er Jahren stetig ansteigen, wobei immer wieder vorrangig die Ernährungsweise als Ursache dafür genannt wird (BMELV 2007:6). Seit mindestens zehn Jahren ist jedoch eine Debatte im Gang, deren Beteiligte, die sich aus Angehörigen der Ernährungswissenschaften und fachfremden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensetzen, nicht mehr nur punktuelle Veränderungen fordern: Sie haben sich stattdessen die Analyse des „Scheiterns der Ernährungskommunikation“ (Spiekermann 2005:11) zum Ziel gesetzt. Zusätzlich bildete sich um die Jahrtausendwende herum eine soziologische Ernährungsforschung heraus, die Ernährung als eigenständiges Forschungsgebiet zu etablieren versuchte. So erschienen im Jahr 1999 gleich drei Publikationen, die Ernährung und Essen erstmals umfassend aus der Perspektive von Soziologinnen und Soziologen darstellten: „Soziologie des Essens“ von Eva Barlösius, „Ernährung und Gesellschaft“ von Bayer, Kutsch und Ohly sowie „Soziologie der Ernährung“ von Setzwein und Prahl. Etwa im gleichen Zeitraum begann ein öffentliches Hinterfragen der Ernährungswissenschaft, so fand ebenfalls im Jahr 1999 das 6. Heidelberger Ernährungsforum der Dr. Rainer Wild-Stiftung unter dem Motto „Die Zukunft der Ernährungswissenschaft“ statt. Damals wurden unter anderen „von Laien kaum nachvollziehbare Detailfragen“ (Spiekermann/Schönberger 2000:V) und eine „Aushöhlung“ A. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
22
1 Einleitung
(ebd.) des Konzepts der Interdisziplinarität sowie eine „alltagsferne Sprache“ (ebd.) kritisiert. Wenige Jahre später nutzte Volker Pudel, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) deren 50-jähriges Jubiläum für die Feststellung: „50 Jahre wurde durch Ernährungsaufklärung intensiv versucht, den Verbrauchern zu erklären, wie man sich ausgewogen und vollwertig ernähren kann. (…) Wenngleich niemand feststellen kann, wie sich die Ernährungssituation heute ohne diese Präventionsmaßnahmen darstellen würde, so kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, dass das beabsichtigte Ziel nicht erreicht wurde.“ (Pudel 2003:46)
Er begründet dies mit dem Ansteigen ernährungsabhängiger Krankheiten wie Übergewicht, Altersdiabetes oder Essstörungen. In den folgenden Jahren konzentrierten sich entsprechende Veranstaltungen zunehmend darauf, wie Ernährungsinformationen erfolgreicher kommuniziert werden können. So veranstaltete der aid Infodienst als „Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis“ (aid Infodienst 2009) in den Jahren 2005 bis 2007 jährliche Foren zu Themen der Ernährungskommunikation. Im Jahr 2007 fand eine Tagung der DGE-Sektion Niedersachsen 2007 zum selben Thema statt, weitere DGE-Sektionen debattierten über ähnliche Themen. Zeitgleich wurden in der bundesdeutschen Politik immer neue umfangreiche Maßnahmen initiiert, um den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern, zum Beispiel wurde im Jahr 2008 der Aktionsplan der Bundesregierung „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ (BMELV o. J.:1) initiiert. Er soll im Rahmen eines vielfältigen Maßnahmenbündels durch die Verknüpfung der Elemente Bewegung und Ernährung bei den Menschen in Deutschland den Anstieg des Übergewichts stoppen. Diese Arbeit stellt wesentliche Punkte der Debatte um das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘ dar. In Kapitel 1 wird zunächst der Stand der Forschung in der Debatte über Ernährungskommunikation diskutiert. Dabei wird die geäußerte Kritik systematisiert und zu sieben Kritiklinien verdichtet. Diesen werden die diskutierten Wege zu einer neuen Ernährungskommunikation gegenübergestellt. In Kapitel 2.9 werden Kritik und Forderungen zuerst zu Kernaussagen zusammengefasst. In einem zweiten Schritt wird überprüft, inwieweit die postulierte Kritik mit ihren Verbesserungsvorschlägen in den aktuellen Medien der Ernährungskommunikation wiederzufinden ist. Aus diesem Grund werden sieben Ernährungsratgeber der Verbraucherzentrale NRW auf das Vorhandensein der Kritikpunkte bzw. Forderungen überprüft. Die Überprüfung stellt einen Beitrag zu einer aktuell stattfindenden konzeptionellen Neuausrichtung der Ratgeber dar, zu der auch eine Analyse der aktuellen Ernährungstitel auf ihre zeitgemäße Relevanz gehört. Organisation, Aufbau und Ziele der Verbraucherzentrale NRW werden in Kapitel 3 beschrieben, wobei die Darstellung auf relevante Aspekte und Zielsetzungen fokussiert.
1 Einleitung
23
Die Ratgeber werden im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Die theoretischen Grundlagen sowie das methodische Vorgehen dieser Inhaltsanalyse werden in Kapitel 1 dargestellt. Da nicht erwartet werden kann, dass sich im Medium Ernährungsratgeber alle Kernaussagen der Debatte wieder finden können, wurden lediglich relevant erscheinende Punkte weiter ausgearbeitet und die Ratgeber daraufhin überprüft. Die Ergebnisdarstellung der Inhaltsanalyse erfolgt in Kapitel 5. Zusätzlich werden in den folgenden Kapiteln 5.7 und 5.8 die Ergebnisse zum einen mit der Zielsetzung der Verbraucherzentrale und zum anderen mit den Kernaussagen aus der Debatte um das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘ verglichen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick in Kapitel 6.
Um einen besseren Lesefluss zu ermöglichen, wird zwischen der männlichen und weiblichen Form abgewechselt, sofern nicht beide gleichzeitig verwandt werden.
2
Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
2.1
Einleitung
Im folgenden Kapitel werden die Kritik und die Forderungen innerhalb der Debatte über das Scheitern der Ernährungskommunikation herausgearbeitet, zusammengefasst und in sieben Kritiklinien mit daran anknüpfenden Forderungen dargestellt. Dabei wird etwa der Zeitraum der letzten zehn Jahre berücksichtigt. Definition: Ernährungskommunikation Der Terminus „Ernährungskommunikation“ ist bis dato wenig verbreitet, obwohl Kommunikation über Ernährung in den verschiedensten Medien sowie im Alltag allgegenwärtig ist (Rehaag/Waskow 2005:12).1 Das Forschungsprojekt „Ernährungswende“ bezeichnet öffentliche Ernährungskommunikation als „eine gesellschaftliche Verständigungsleistung“ (Eberle et al. 2005:38) und unterscheidet diese in „Alltags- und Expertenkommunikation“ (ebd.). Während der erste Begriff die Kommunikation der Alltagsakteure untereinander meint, wird mit dem zweiten die „politische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Kommunikation sowie die öffentliche massenmediale Kommunikation als deren gemeinsames Forum“ (Rehaag/Waskow 2005:12) bezeichnet. Nicht unter die Expertenkommunikation fallen Formen der face-to-face-Kommunikation, wie etwa die Ernährungsberatung. In einem im Rahmen des Forschungsvorhabens „Konsumwende“ veröffentlichten Diskussionspapier fassen Wilhelm et al. den Begriff etwas breiter. Sie verstehen unter Ernährungskommunikation „alle Maßnahmen, die (…) Institutionen durchführen, um Informationen, Kompetenzen und positive Einstellungen zum Thema Ernährung an unterschiedliche Zielgruppen zu vermitteln“ (Wilhelm et al 2005:7). Ernährungskommunikation soll einen „Wissenszuwachs, Wandel der Überzeugungen und Einstellungen, Veränderungen des Ernährungshandelns etc.“ bewirken (Barlösius/Schiek 2006:9). Sie wird meistens als ein einseitiges Empfänger-Sender1
Diese Annahme wird durch eine Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek bestätigt: Das Stichwort „Ernährungskommunikation“ ergab sieben Treffer, von denen drei zur Literaturliste der Forschungsarbeit zählen: Der Herausgeberband „Skandal und Kontinuität“ sowie die Bände zum 8. und 9. aid-Forum. Zum Vergleich: Die Suche nach dem Stichwort „Ernährungsberatung“ ergab 283 Treffer, das Stichwort „Ernährungstherapie“ erzielt sogar 560 Treffer (DNB 2009).
A. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
Modell gestaltet, dem ein wechselseitiger Austausch fehlt. Ratgeberformate können als ein Medium von Ernährungskommunikation gelten, da sie immer auch Ernährungsbotschaften enthalten (Rehaag/Waskow 2005:13). Exkurs: Entwicklung der Ernährungswissenschaft aus Sicht der Soziologie Barlösius (1999) geht in ihrem Lehrbuch „Soziologie des Essens“ ausführlich auf die Entwicklung der Ernährungswissenschaft unter soziologischen Gesichtspunkten ein. Sie legt dar, wie sich die Ernährungswissenschaft unter der Einwirkung von gesellschaftlichen Entwicklungen und Problemen im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer stark naturwissenschaftlich orientierten und dominierten Disziplin entwickelt hat. In diesem Zeitraum herrschten gesellschaftliche Bedingungen vor, welche die Bekämpfung der Unterversorgung und die optimale Verteilung der Nahrung unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten zum Hauptanliegen der Ernährungswissenschaft werden ließen (ebd.). Eine Folge war die „Vergesellschaftung“ (Barlösius 1999:59) von Ernährung, bei der deren Bedeutung für physiologische Vorgänge und die Erhaltung der körperlichen Arbeitskraft im Mittelpunkt standen (ebd.). Mitte des 20. Jahrhunderts bildete sich dann die Ernährungswissenschaft als eine eigenständige Disziplin heraus. Die gesellschaftlichen Bedingungen hatten sich in der Zwischenzeit verändert: Mit der Entstehung von Wohlstandsgesellschaften in den industrialisierten Ländern stand nun weniger die bedarfsgerechte Verteilung der Nahrung im Vordergrund, sondern der Umgang mit Ernährungsproblemen, die ihre Ursachen im Nahrungsüberfluss hatten. In der Folge sollten „traditionelle Ernährungsgewohnheiten durch eine physiologisch orientierte ,Ernährungsrationalität‘“ (Barlösius 1999:67) ersetzt werden, was einer Abwertung der Ernährungskultur gleichkam. Obwohl sich in der darauffolgenden Entwicklung eine gewisse Integration verhaltenswissenschaftlicher Inhalte abzeichnete, entwickelte sich bis dato keine eigenständige soziologische Ernährungsforschung.
2.2
Von rein naturwissenschaftlicher zu transdisziplinärer Forschung
2.2.1
Naturwissenschaftliches Forschungsparadigma der Ernährungswissenschaft
Aufgrund bestimmter gesellschaftlicher Bedingungen entwickelte sich die Ernährungswissenschaft zu einer vorrangig naturwissenschaftlichen Disziplin (vgl. Kapitel 2.1: Exkurs über die Entwicklung der Ernährungswissenschaft aus Sicht der Soziologie). Analog zu dieser allgemeinen Höherbewertung von Natur- und Technik- gegenüber Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften unterliegen so auch die
2.2 Von rein naturwissenschaftlicher zu transdisziplinärer Forschung
27
Teildisziplinen der Ernährungswissenschaft einer Hierarchisierung. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen erkennen eine Dominanz bestimmter Grundlagenwissenschaften: Wierlacher, Professor für Interkulturelle Germanistik a.D. spricht von einer „Domäne der Agrar- und Naturwissenschaften“ (1993:1); die Soziologin Barlösius sieht es als „unbestritten“ (1999:19) an, „dass die Natur- und Technikwissenschaften und die Physiologie die Forschung über Nahrung und Ernährung dominieren“ (ebd.). Die Oecotrophologinnen Meier-Ploeger und Methfessel kritisieren ein „naturwissenschaftliches Forschungsparadigma“ (Meier-Ploeger 2004:14) bzw. die Reduktion auf „naturwissenschaftlich-technologische Zusammenhänge“ (Methfessel 2004:94). Für den Historiker Spiekermann gilt in der Ernährungskommunikation „wissenschaftliches – genauer gesagt naturwissenschaftliches Wissen – als alternativlos oder zumindest als Richtung weisend“ (2005:15). Auch wenn sich inzwischen Sozial- und Kulturwissenschaften mit Ernährungsfragen beschäftigen, stellen diese „die naturwissenschaftliche Vorrangstellung“ (Barlösius 1999:49) derzeit nicht in Frage. Dies führt dazu, dass die „Gegenstandsbestimmung einer Soziologie des Essens indirekt von der dominanten naturwissenschaftlichen Betrachtung vorgegeben ist“ (ebd.). Die Diskussionen um eine „angemessene Forschungsperspektive“ (19) der Sozial- und Kulturwissenschaften findet nur fachintern statt, zudem schließen sich „viele sozialwissenschaftliche Thematisierungen von Essen und Trinken (…) dem naturwissenschaftlichen Forschungsinteresse an, eine eindeutige Regelung zu finden“ (Barlösius 1993:87). Dieses naturwissenschaftliche Forschungsparadigma prägt Inhalte und Stil der Ernährungskommunikation, worauf in den folgenden Kapiteln näher eingegangen wird. 2.2.2
Unzureichende Interdisziplinarität der Ernährungswissenschaft
Bedingt durch die naturwissenschaftliche Dominanz der Ernährungswissenschaft gestaltet sich deren interdisziplinäre Ausrichtung unzureichend, was ebenfalls Anlass zur Kritik gibt. In dem 1993 erschienenen Herausgeberband formuliert Herausgeber Alois Wierlacher seine „Begründung einer interdisziplinären Kulturwissenschaft des Essens“ (1). Laut ihm „bewegt sich das wissenschaftliche Nachdenken über Essen in der Bundesrepublik Deutschland weithin im engen Rahmen agrarischer, biochemischer oder ernährungsmedizinischer Fragestellungen“ (5f.), was er mit der Aufzählung diverser dieser Fachrichtungen angehörenden Kommissionen und Einrichtungen begründet. Bis zu diesem Zeitpunkt gebe es keine einzige vergleichbare Einrichtung zur Kulturforschung des Essens. Wierlacher sieht zwar einzelne Ansätze zur Überwindung dieser „einsinnige(n) und einseitige(n) Forschungsperspektiven“ (8), eine „diese Ansätze zusammenführende, gegenwartsorientierte Kulturforschung des Essens“ (9) erkennt er aber nicht. Hier verweist er auf die Forschung im angelsächsi-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
schen Raum und auch in anderen Teilen Westeuropas, die sich bereits seit längerem mit Essen als kulturwissenschaftlichem Thema befasst. Elf Jahre später sieht MeierPloeger (2004) als ausgebildete Oecotrophologin noch immer keine interdisziplinären Tendenzen: Sie spricht von einer „klaren Trennung“ (13) der Teildisziplinen. Hier verweist sie neben Wierlacher auf etliche andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Barlösius, Neumann und Setzwein. Obwohl sich geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Fächer der Ernährung seit einigen Jahren annehmen, sind sie derzeit lediglich Teilgebiete der Kultur- und Sozialwissenschaften. Nur in wenigen Fällen ist der Aufbau eines eigenständigen Forschungsgebietes für das „Kultur- und Sozialthema Essen“ (Meier-Ploeger 2004:13f.) gelungen. Für Spiekermann (2001) steht die „interdisziplinäre Öffnung des Faches erst noch bevor“ (106). Barlösius (2000) betrachtet die interdisziplinäre Ausrichtung der Ernährungswissenschaft differenzierter. So bestünde zwar eine Interdisziplinarität, aber nur bezogen auf verschiedene Disziplinen innerhalb der Naturwissenschaften. Zwar „wurden naturwissenschaftliche Grundlagenfächer wie Chemie, Physik, Biologie aufgenommen; (…) die Sozial- und Geisteswissenschaften blieben jedoch weitgehend außen vor“ (115). Neben der Entwicklung einer „gemeinsamen Forschungsperspektive“ (Barlösius 1999:20) wird auch eine Zusammenführung von Forschungsergebnissen der Teildisziplinen verhindert. Barlösius weist darauf hin, dass sich Forschungsergebnisse unter Umständen auch noch widersprechen (ebd.), was zusätzlich zu einer Verunsicherung der Menschen beiträgt (Barlösius 1993:87). Eine gemeinsame Forschungsperspektive scheint weit entfernt, denn die Autoren erkennen eine Konkurrenz (Spiekermann 2006:41), einen „Konflikt“ (Neumann 1999:5) und sogar einen „nicht endenden Kampf“ (Barlösius 2000:116) zwischen den Teildisziplinen „darüber, welche von ihnen (…) dauerhaft die Vorherrschaft gegenüber den anderen beanspruchen kann“ (Barlösius 2000:116). Spiekermann (2006) führt die Nichtbeachtung von Ernährungskommunikation unter anderem auf dieses „konkurrierende wissenschaftliche Wissen“ (41) zurück und weist darauf hin, dass sich diese Konflikte auf die Kommunikation auswirken. Da Erkenntnisse aus der Ernährungsforschung die inhaltliche Grundlage der Ernährungskommunikation darstellen, kann die Ausrichtung dieser Forschung als relevant für die Ausrichtung der Kommunikation betrachtet werden. 2.2.3
Naturwissenschaftlich dominierte Lehre
Eine Folge des eingangs beschriebenen naturwissenschaftlichen Forschungsparadigmas ist eine einseitig naturwissenschaftlich dominierte Lehre, welche Barlösius (2000) auf den – damit zusammenhängenden – Mangel an ausgebildeten Fachvertretern unter den Professoren zurückführt, welche sich „mit der Ernährungswissen-
2.2 Von rein naturwissenschaftlicher zu transdisziplinärer Forschung
29
schaft als multiperspektivischem Fach identifizieren“ (118) würden. So scheint auch der ernährungswissenschaftliche Fächerkanon naturwissenschaftlich dominiert zu sein: Fächer wie Beratungslehre, Methodik und Didaktik sind in der Regel zwar Gegenstand des Studiums. Dennoch dominieren Fächer aus den Teildisziplinen Chemie, Biologie und Physik den Fächerkanon auf jeden Fall quantitativ, wenn man exemplarisch die Anzahl der Semesterwochenstunden der einzelnen Fächer vergleicht (Universität Hohenheim 2008a, Universität Gießen 2008). Ein Zitat von der Internetseite der Universität Hohenheim verdeutlicht die Vorrangstellung der naturwissenschaftlichen Teildisziplinen und bestätigt so Barlösius’ Aussage: „Ernährungswissenschaft beschäftigt sich mit allen Aspekten der Ernährung auf Grundlage naturwissenschaftlicher und medizinischer Erkenntnisse (…). Dieser vielseitige Studiengang verknüpft modernste Erkenntnisse der Biowissenschaften mit aktuellen medizinischen Fragestellungen“ (Universität Hohenheim 2008b).
Für Methfessel (2004) ist diese Ausrichtung ein Grund dafür, dass „Ernährungswissenschaftlerinnen (…) an naturwissenschaftlichen Erklärungsmustern orientiert“ sind (95). Spiekermann (2006) hebt zusätzlich die „fehlende Vermittlungs- und Handlungskompetenz der Experten“ (40) hervor, was mit der mangelnden Integration sozialwissenschaftlicher Inhalte zusammenhängen könnte. Methfessel (2004) erachtet das Wissen über psychische und soziale Funktionen von Essen als notwendig für eine gelingende Wissensvermittlung und Kommunikation (95), dieses sollte daher (intensiverer) Inhalt der Ausbildung von Ernährungswissenschaftlern bzw. Oecotrophologinnen sein. 2.2.4
Abwertung des Alltagswissens
Ein weiterer Gegenstand der Kritik ist die abwertende Betrachtung von Alltagswissen innerhalb der Ernährungswissenschaft. Diese Abwertung kann auf zwei Entwicklungen zurückgeführt werden: Zum einen wurde die Entwertung des Alltagswissens in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg forciert, um die Auflösung traditioneller und oftmals aus ernährungsphysiologischer Sicht ungünstiger Ernährungsgewohnheiten zugunsten einer rational gesteuerten und damit gesünderen Ernährungsweise zu beschleunigen. So sollten die negativen gesundheitlichen Folgen der Wohlstandsgesellschaft minimiert werden (Barlösius 1999:67). Zum anderen bedingt die Hierarchisierung der Teildisziplinen eine Höherbewertung von wissenschaftlichem gegenüber Alltagswissen: So macht Rützler (2005:72 nach Rehaag/Waskow 2006:39) „die Verwissenschaftlichung der Ernährung“ für die Abwertung des Alltagswissens verantwortlich: Es „entsteht beim Konsumenten der Eindruck, dass es im Gegensatz zur beobachtbaren und erfahrbaren kulturellen Vielfalt des Essens nur eine richtige, den physikalischen Be-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
dürfnissen entsprechende Ernährungsform gibt. Dieser medizinisch-naturwissenschaftliche Anspruch führt zu einer Entwertung des Alltagswissens; wir verlieren die Routine in der Beurteilung dessen, was gut und richtig ist und wie wir etwas zu tun haben. An die Stelle (…) des Alltagswissens tritt daher (…) naturwissenschaftliches Expertenwissen und eine bewusst daran orientierte Ernährung.“ (ebd.)
Ähnlich äußert sich Spiekermann, der naturwissenschaftliches Wissen als „objektiviertes Wissen“ (40) betrachtet, „dessen Propagierung praktisches Wissen, also tendenziell Alltagskenntnisse und -praktiken, tendenziell entwertet“ (2006:40). 2.2.5
Entwicklung neuer Forschungsperspektiven
An die in diesem Kapitel geschilderten Kritikpunkte lassen sich drei Forderungen bezüglich einer Weiterentwicklung von Ernährungswissenschaft und – in der Folge davon – Ernährungskommunikation anschließen: Die Verbindung von naturwissenschaftlicher mit sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung, die Integration der Alltagsperspektive und die verstärkte Evaluation von Ernährungskommunikation. Diese Forderungen werden in den nächsten Abschnitten erläutert. Naturthema „Ernährung“ und Kulturthema „Essen“ verbinden Die erste Forderung ruft nach einer Neubewertung der Funktion von Sozial- und Kulturwissenschaften als integraler Bestandteil der Ernährungswissenschaft. Einzelne Ansätze sind bereits zu erkennen. Hier ist besonders die „Arbeitsgemeinschaft Ernährungsverhalten“2 (AGEV) zu erwähnen, in der sich seit 1977 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Teildisziplinen „interdisziplinär über alle Aspekte des Ernährungsverhaltens austauschen (…) und die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Forschung und Praxis fördern“ (AGEV 2008). Viele Expertinnen und Experten sind sich in der Forderung nach einer Verbindung der Teildisziplinen einig. Als Beispiel ist hier Neumann (1999) zu nennen, welcher die Etablierung einer „interdisziplinär konzipierte(n) Kulturwissenschaft und Kulturthemenforschung (…) gemeinsam mit einer interessierten Naturwissenschaft“ (5) postuliert. Neben einer „Naturwissenschaft der Ernährung“ (2) soll es eine „Kulturwissenschaft des Essens“ geben (ebd.). Wierlacher spricht vom „Naturthema Ernährung“ (Wierlacher 1993:1f.) und „Kulturthema Essen“ (ebd.) und fordert eine „interdisziplinäre Kulturwissenschaft des Essens“ (ebd.). Laut Barlösius (2000) gehört „Ernährung (…) zu jenen Tätigkeiten und Lebensgebieten, bei denen man der Frage nach dem Verhältnis von Natur und Kultur nicht ausweichen kann“ (122). 2
Der Vorstand der AGEV besteht derzeit aus Wissenschaftlern, die sich in der Diskussion über die Ernährungskommunikation engagieren: Eva Barlösius, Margret Büning-Fesel, Angelika Ploeger, Regine Rehaag und Uwe Spiekermann (AGEV 2008).
2.2 Von rein naturwissenschaftlicher zu transdisziplinärer Forschung
31
Alltagsperspektiven integrieren Auch in Veröffentlichungen im Rahmen des Forschungsvorhabens „Ernährungswende“ wird die Notwendigkeit der Verbindung von Teildisziplinen hervorgehoben und für die „Förderung einer interdisziplinären und transdisziplinären Forschung“ (Eberle et al. 2006:8) plädiert, „die insbesondere die unterschiedlichen Dimensionen von Ernährung integrativ wahrnimmt“ (ebd., auch: Hayn/Schultz 2004:54). Die Forderung nach einer transdisziplinären Forschung geht hierbei über die Dimension der Interdisziplinarität hinaus: Sie enthält die weitere Forderung, Alltagsakteure bereits in den Forschungsprozess aktiv einzubinden, bspw. mithilfe von quantitativer und qualitativer Forschung. Als Teilbereich der transdisziplinären Forschung wird besonders die sozial-ökologische Forschung hervorgehoben: „In wissenschaftlicher Hinsicht ist sie darauf gerichtet, die noch immer weitgehend unverbundenen Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen und der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung sowohl problembezogen miteinander zu verknüpfen als auch theoretisch zu integrieren“ (Becker et al. 1999:1).
Eine sozialökologische Ernährungsforschung untersucht ernährungsbedingte Umwelt- und Gesundheitsbelastungen und das alltägliche Ernährungshandeln sowie deren Wechselwirkungen (Eberle et al. 2005). Andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen befürworten ebenfalls den Einbezug der Alltagsakteure, die Forderungen beziehen sich jedoch auf eine Partizipation zu einem späteren Zeitpunkt: So weist Meier-Ploeger (2001) darauf hin, dass in der Ernährungsberatung gemeinsam mit den Beratenden eine Lösung erarbeitet werden muss, die in das von ihnen gewählte Lebenskonzept passt (43). Ernährungskommunikation evaluieren Ein dritter Punkt, der aber in der Debatte weniger stark thematisiert wird, ist die unzureichende Evaluation von Maßnahmen der Ernährungskommunikation. So wird vor allem der Mangel an begleitender und langfristig angelegter Evaluationsmaßnahmen kritisiert (Methfessel 2001:64). Methfessel macht „die Struktur der Finanzierung von Wissenschaft“ (ebd.) dafür verantwortlich, in der z. B. die Vergabe von finanziellen Mitteln an „kurzfristig vorweisbaren (oder vorgegebenen) Erfolg gebunden“ (ebd.) ist. So wird eine unabhängige und langfristige Evaluation verhindert. In Deutschland fand bspw. bisher keine Evaluation von schulischer Ernährungsbildung statt (Methfessel 2006:52). Auch die Aussagekraft von Evaluationsmaßnahmen wird kritisch hinterfragt. Barlösius und Schiek (2006) merken an, dass sich Einstellungsänderungen als Folge von Ernährungskommunikation nur schwer überprüfen lassen, weil dafür ein „unmittelbarer empirischer Zugang“ (10) fehlt. Auch bei Veränderungen im Ernährungshandeln wird der Einfluss von Ernährungskom-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
munikation als schwer nachweisbar bezeichnet (ebd.). Hänsli (2006) weist darauf hin, dass eine „Verhaltensänderung allein aufgrund von rationaler Einsicht und ohne weitere flankierende (…) Strategien (…) nach wie vor eher die Ausnahme“ (76) ist. Sie bezeichnet begleitende Evaluationen als eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von Kommunikationsmaßnahmen (ebd.). Institutionen der Ernährungsaufklärung und -beratung scheinen zudem ihren Kommunikationserfolg oftmals über Verbreitung und Auflagenhöhe der entsprechenden Medien oder über Zugriffszahlen auf ihre Internetseite zu messen (Barlösius/Schiek 2006:14). Auch über die Wirkung von Ernährungsinformationen, die über das Fernsehen vermittelt werden, ist bisher nur wenig bekannt (Rössler 2006: 66). Spiekermann (2006) weist darauf hin, dass es seit den 1920er-Jahren immer wieder Kampagnen für einen höheren Obst- und Gemüseverzehr gegeben hat (42). Er (2001) bemängelt zu Recht, dass diese Wiederkehr von Maßnahmen mit immer gleichem Ziel zu Rückfragen bezüglich ihrer Erfolge hätte führen müssen (107). Eine Internetrecherche bezüglich der Evaluation von Ernährungskommunikation ergab eine Vielzahl von Treffern im Bereich der Evaluation von Ernährungstherapien, also Maßnahmen, die sich speziell mit der Behandlung bestimmter Erkrankungen befassen. Zu vielen aktuellen Maßnahmen in anderen Bereichen (Bildung, Aufklärung, Information), bspw. Forschungsprojekten wie Food Literacy (vgl. Kap. 2.7) sind aktuell keine oder nur wenig aussagekräftige Informationen über geplante oder bereits durchgeführte Evaluationsmaßnahmen erhältlich. Die wissenschaftliche Evaluation der „Kinderleicht-Regionen“ als Modellvorhaben im Rahmen der Kampagne „Besser Essen. Mehr Bewegen“ des BMELV soll unter anderem die Entwicklung von Empfehlungen für die zukünftige Gestaltung von Präventionsprogrammen ermöglichen (BMELV 2007:10). Eine Bewertung der Kampagne „5 am Tag“ – allerdings nicht durch die Organisatoren – war Thema des 11. Heidelberger Ernährungsforums. Hier diskutierten Fachkräfte aus dem Ernährungsbereich „Unstimmigkeiten zwischen Konzept, Kampagne und Realität!“ (Schönberger 2008:2), auch im Hinblick auf kulturelle und genderspezifische Unterschiede in der Bewertung von Obst und Gemüse.
2.3
Vom Elfenbeinturm der Politik in die Mitte der Gesellschaft
2.3.1
Agrarpolitische Einflüsse auf Ernährungskommunikation
Nicht nur innerwissenschaftliche Debatten und Zielsetzungen bestimmen die Ausrichtung der Ernährungsforschung und -kommunikation, auch politische Verhältnisse wirken auf sie ein. So stand die Nahrungsversorgung ab Ende des 19. Jahrhunderts im Zentrum der Agrar- und Ernährungspolitik, woraus sich mit der Zeit eine
2.3 Vom Elfenbeinturm der Politik in die Mitte der Gesellschaft
33
Dominanz der Agrarpolitik entwickelte (Rehaag/Waskow 2006:20). Diese trug in der Konsequenz ebenfalls zu einer naturwissenschaftlich dominierten Ernährungsforschung bei (23). Auch nach Erreichen der Nahrungssicherheit änderte sich die Gewichtung von Agrar- und Ernährungspolitik nicht: Unabhängig von politischen Verhältnissen wurden Ernährungspolitik und Ernährungskommunikation von der Agrarpolitik dominiert. In Agrar- und Ernährungsausschüssen saßen bis in die 1990er Jahre hinein überwiegend landwirtschaftliche Vertreter, die auch die Ernährungsfragen aus ihrer Perspektive beantworteten (ebd.). Das daraus entstandene ,Iron Triangle‘ (auch: ,Eisernes Dreieck‘) versinnbildlichte das „Interessen- und Beziehungsgeflecht aus Bundespolitik, landwirtschaftlichen Behörden und Interessengruppen wie dem Deutschen Bauernverband“ (ebd.), welches „gegen Eingriffe von außen, insbesondere politische Kontrolle, weitgehend immun ist“ (ebd.). Spiekermann (2006) weist darauf hin, dass das „Eiserne Dreieck aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, (…) die Art und Inhalt der Ernährungskommunikation seitdem wesentlich prägt“ (48). Durch die BSE-Krise richtete sich die breite öffentliche Aufmerksamkeit auf das Iron Triangle. Die daraus resultierende Agrarwende, in deren Mittelpunkt die Etablierung des ökologischen Landbaus stand, trug zu einer „Emanzipation der Ernährungspolitik von der Agrarpolitik“ (Rehaag/Waskow 2006:27) bei.3 Politische Verhältnisse beeinflussen in der Folge auch, welche Ernährungslehren als wünschenswert propagiert werden und zu Inhalten von Ernährungskommunikation werden (Barlösius 1999:69). Zudem soll mit der Verbreitung bestimmter Ernährungsempfehlungen nicht allein die Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit sicher gestellt werden; mit ihnen werden auch übergreifende Ziele verfolgt, bspw. die Festigung der sozialen Ordnung, soziale Distinktion oder religiöse Erziehung (Methfessel 2004:93, Barlösius 1999). Spiekermann weist auf die Politisierung von Ernährungskommunikation hin, wonach Wissenschaft immer mehr dazu benutzt wird, um „gesellschaftliche und politische Aushandlungsprozesse hierarchisch zu entscheiden“ (Spiekermann 2006:48). 2.3.2
Ernährungskommunikation repolitisieren
Trotz der Kritik an der Gestaltung von politischer Ernährungskommunikation wird die Repolitisierung von Ernährungskommunikation und insbesondere von Ernährungszielen gefordert. Dahinter steht die Idee, Entscheidungen (wieder) in den poli3
Darüber hinausgehende politische Entwicklungen werden in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt.
34
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
tischen und somit öffentlichen Raum zu verlagern, damit Alltagsakteure die Möglichkeit erhalten, sich an der Aushandlung beteiligen zu können (Spiekermann 2001:107). Allgemein wird die Gestaltung von Ernährungskommunikation als eine „gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe“ (Eberle et al. 2006) verstanden, an der alle beteiligten Akteursgruppen – Alltagsakteure und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – teilhaben müssen (ebd.). Trotzdem werden insbesondere an die politischen Akteure grundlegende Forderungen gestellt. So wird unter anderem eine flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Angeboten gefordert, die den Menschen eine verbesserte Ernährungspraxis (Eberle et al. 2006:133) und ein „nachhaltiges Ernährungshandeln“ (Eberle et al. 2006:162, auch Bruhn 2008:26, Pudel 2007:376) ermöglichen. Teilweise werden sehr konkrete Forderungen formuliert, bspw. für den Erlass gesetzlicher Regelungen wie zum Beispiel das Verbot hochkalorischer Lebensmittel in der Schulverpflegung oder die Einrichtung bewegungsfreundlicher Sozialräume (Pudel 2002:58). Pudel weist darauf hin, dass neben einem intensiven politischen Engagement dazu auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens nötig ist (Pudel 2007:376). Eberle et al. (2006) fordern Verhältnisse, welche die Kompetenzen des Menschen stärken und seine Handlungsspielräume erweitern (162). Die Forderung nach einer Verbesserung der institutionalisierten Ernährungsbildung ist ebenfalls an politische Entscheidungsträger gerichtet. Meist wird ein Ernährungsunterricht mit einem starken Praxisbezug gefordert (Spiekermann 2006). Methfessel (2004) weist darauf hin, dass die schulische Ernährungsbildung auch die „Reflexion des Widerspruchs zwischen schulischem Lernen und Lebenswelt“ (100) enthalten sollte, womit wiederum die stärkere Alltagsadäquanz gefordert wird. Im Zusammenhang mit der Forderung nach Institutionalisierung wird auch die Vernetzung von Ernährungs- und Verbraucherbildung gefordert (Methfessel 2007:382). Nicht zuletzt wird die Politik als Initiator und Leiter für die Entwicklung einer gelingenden Ernährungskommunikation benötigt, deren Aufgabe es ist, die Alltagsakteure für die Teilnahme an diesem Prozess zu gewinnen sowie Austausch und Kontinuität zu gewährleisten (Eberle et al. 2006:169).
2.4
Ernährungskultur: vom Störfaktor zur Ressource
2.4.1
Ausblendung kultureller Faktoren
Als ein grundlegender ,Fehler‘ bei der Gestaltung der Ernährungskommunikation wird die Unterschätzung der Bedeutung von Ernährungskultur bzw. von soziokulturellen Einflüssen für das alltägliche Ernährungshandeln genannt. Dieses Phänomen lässt sich ebenfalls auf die geringe Integration sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektiven in der Ernährungsforschung zurückführen. Statt das Potential dieser
2.4 Ernährungskultur: vom Störfaktor zur Ressource
35
Einflüsse zu erkennen und dieses als Ressource für eine erfolgreiche Ernährungskommunikation zu nutzen, werden sie als Störfaktor oder als Hindernis erlebt (Methfessel 2004:95, Spiekermann 2006:39); zudem werden sie oftmals als Ursache für Ernährungsprobleme interpretiert (Methfessel 2004:97f). Die „kulturelle Dimension des Essens“ (94) wird meist auf „Tischkultur, soziale und ethnische Differenzen“ (ebd.) reduziert. Die Nichtbeachtung der Ernährungskultur in der Ernährungskommunikation kann mit deren Ablehnung und sogar Entwertung gleich gesetzt werden (Barlösius 1999:225). Aus diesem Grund interpretiert Barlösius (ebd.) insbesondere den Widerstand benachteiligter Schichten nicht nur als Protest gegen die verordneten Ernährungsvorschriften, sondern auch als Protest gegen die kulturelle Entwertung der eigenen Normen (ebd.). Wieder wird die einseitig naturwissenschaftliche Perspektive als ein Grund genannt: „Die naturwissenschaftliche Begründung heutiger Ernährungsregeln lässt jene ,objektiv‘ erscheinen und stellt sie über ,kulturell gesetzte‘ Normen“ (Methfessel 2004:94). Methfessel (2004) weist darauf hin, dass es sich bei Essen und Ernährungshandeln immer um einen „kulturellen Akt“ (93) handelt. Sie begründet dies damit, dass Menschen zwar Nahrung zum Überleben brauchen, aber aufgrund des Mangels an entsprechenden Instinkten „kulturelle Muster“ (ebd.) schaffen müssen, um angemessene Nahrung auswählen zu können (auch Barlösius 1999:38). Exkurs: Die Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernährung‘ Naturgemäß werden die Begriffe ,Essen‘ und ,Ernährung‘ in der Ernährungskommunikation häufig verwandt, wobei sie meist synonym verwendet zu werden scheinen (Heindl 2003:29). In der Fachliteratur wird dagegen zunehmend eine Unterscheidung der Begriffe ,ernähren‘ und ,essen‘ getroffen und deren differenzierte Verwendung propagiert, da mit den Begriffen unterschiedliche Inhalte assoziiert werden, und zwar von Alltagsakteuren und Wissenschaftlern gleichermaßen. Pudel (2002) lehnt den Begriff ,Ernährung‘ ab und begründet dies damit, dass dieser eher kognitiv besetzt sei, unter ihm würden zum Beispiel Ernährungsinformationen abgespeichert. Dagegen werden mit dem eher emotional besetzten Begriff ,Essen‘ Gefühle und Einstellungen verbunden. In diesem Zusammenhang kritisiert er ebenfalls die Verwendung des Begriffes „Ernährungsverhalten“: Dieser sei eine „künstliche Wortschöpfung“ (Pudel 2002:56), denn Menschen „ernähren sich nicht, sie essen und trinken“ (ebd.). Ähnlich argumentiert Methfessel: Ernährung werde mit (natur-) wissenschaftlichen Zusammenhängen in Verbindung gebracht, Essen eher mit dem essenden Menschen und damit zusammenhängenden Handlungen. Wierlacher ist im Jahr 1993 der Meinung, dass bis dato keine zureichende wissenschaftliche Abgren-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
zung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernährung‘ vorliegt (3). Barlösius führt Unterschiede in der Konnotation auf kulturelle Einflüsse zurück. Mit dem Begriff „Essstil“ bezeichnet sie die „bewusste Orientierung des Essens entlang kultureller Vorstellungen“ (Barlösius 1999:49), während mit „Ernährungsstil“ Essweisen bezeichnet werden, welche sich vorrangig „entlang körperlicher, gesundheitlicher und natürlicher Dimensionen ausrichten, die mit ,Richtigkeit‘ und nicht mit ,Überlegenheit‘ argumentieren“ (ebd.). Die Alltagsakteure treffen laut Heindl (2003) folgende Unterscheidung: „Essen ist stets sinnlich-emotional besetzt, steht für Freude, Genuss und Lust (…), während Ernährung auf Empfehlungen von Experten bezogen und eher mit Verzicht und Unlust verbunden wird“ (29).
Die Verwendung von ,ernähren‘ legt den Fokus auf die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und das rationale Verhalten von Menschen in Zusammenhang mit Ernährung sowie die Fokussierung auf Gesundheit; Punkte, die im Rahmen der Kritik an Ernährungskommunikation immer wieder auftauchen. Einen Unterschied zwischen ,ernähren‘ und ,essen‘ sieht auch Spiekermann, denn er fordert, Ernährungswissenschaft sollte auch als „Ess-Wissenschaft“ verstanden werden (Spiekermann 2006:49). In der Fachliteratur wurde ,Essen‘ anscheinend über längere Zeit überwiegend in den Begriffen „Essverhalten“ (Heindl 2003:29) und „Essstörung“ eingesetzt. So unterscheidet die Klassifikation der „International Classification of Diseases“ der World Health Organisation (WHO) unterschiedliche Varianten von Essstörungen (Universität Düsseldorf 2009). In dieser Arbeit werden die Begriffe in Anlehnung an die jeweilige Quelle verwandt. So verwendet bspw. Barbara Methfessel in der Regel beide Begriffe parallel (Methfessel 2004:93), andere Autoren wählen einen der beiden.
2.4.2
Ernährungskultur als Ressource begreifen
Eine stärkere Berücksichtigung der Ess- und Ernährungskultur wird an unterschiedlicher Stelle gefordert. Diese kann als eine Konkretisierung der Forderung nach einer Integration sozial- und kulturwissenschaftlicher Aspekte verstanden werden, welche in Kapitel 2.2 erläutert wurde. So sollen kulturelle und soziale Dimensionen des Essens als genauso wichtig wie die körperliche Funktionsfähigkeit betrachtet werden (Spiekermann 2001:107); ebenso soll die Verknüpfung von Kultur und Identität konzeptionell aufgegriffen werden (Methfessel 2004:5). Das Verständnis für soziokulturelle Zusammenhänge relativiert laut Methfessel die individuellen psychischen Bestimmungsgründe für
2.5 Von der Ein- zur Mehrdimensionalität von Ernährung
37
das Ernährungsverhalten und -handeln (Methfessel 2004:99). In der Konsequenz dazu sind auch die Ursachen für ein Fehlverhalten nicht nur in ungesunder Ernährung, sondern auch in den jeweiligen kulturellen Mustern zu suchen (Zwick 2008). Weiterhin soll berücksichtigt werden, welche Normen und Werte die individuelle Esskultur prägen (in Anlehnung an Methfessel 2004:93). Allerdings ist auch die forschende Wissenschaft selbst Teil eines kulturellen Systems und unterliegt den entsprechenden Grenzen und Einflüssen (Methfessel 2004:94). Diese Zusammenhänge sollen ebenfalls bei der Gestaltung zukünftiger Ernährungskommunikation beachtet werden und ebenso bei der Gestaltung der Ausbildung von Fachkräften. Grundsätzlich soll die Bedeutung der Ernährungs- und Esskultur für das Ernährungshandeln auch in der Ausbildung von Fachkräften stärker thematisiert werden (Methfessel 2004:97).
2.5
Von der Ein- zur Mehrdimensionalität von Ernährung
2.5.1
Naturwissenschaftlich hergeleitete Ernährungsziele
Eine allgemeine Charakterisierung von Ernährungszielen geben Gedrich und Karg: Ernährungsziele sollen dazu beitragen, Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zu erhalten, fördern oder wiederherzustellen (Gedrich/Karg 2001:19). Angestrebt werden damit objektiv nicht messbare Zustände, da sie zum großen Teil auf subjektiver Wahrnehmung beruhen und von sehr viel mehr Faktoren beeinflusst werden als der Nährstoffaufnahme. Auf nationaler Ebene werden spezifische Ernährungsziele jedoch vereinfacht vor allem in Form von Nährstoffempfehlungen formuliert und kommuniziert und orientieren sich damit primär an naturwissenschaftlichen Konzepten (Eberle et al. 2005:11). Mit der Sicherstellung der lebensnotwendigen physischen und psychischen Funktionen soll so zum Erhalt der Gesundheit beigetragen werden (Stehle 2001:17). Die empfohlenen Zufuhrmengen werden vom physiologischen Bedarf abgeleitet und beziehen sich, wenn auch für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen modifiziert, stets auf einen Durchschnittsmenschen (Gedrich/Karg 2001). Diese Ernährungsempfehlungen können als Basis der Ernährungskommunikation gewertet werden und stellen darüber hinaus eine wichtige Grundlage der Ernährungspolitik dar (Gassmann 1999). Aktuelle Ernährungsziele sind damit eindimensional physisch und damit wiederum naturwissenschaftlich orientiert. Gesellschaftlich wünschenswerte Ziele wie die Berücksichtigung persönlicher Vorlieben, die Integration von Genuss, Nachhaltigkeit und gerechter Verteilung fehlen dagegen (Barlösius 2001:113). Gerade die unzureichende Integration der Alltagsperspektive trägt dazu bei, dass Ernährungsziele nur mangelhaft im Ernährungsalltag umgesetzt werden können. Dies zeigt sich un-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
ter anderem an der in den Ernährungsberichten dargestellten Ernährungssituation: Die alle vier Jahre von der DGE veröffentlichten Ernährungsberichte stellen die Nährstoffversorgung der Deutschen dar und verdeutlichen in ihren Analysen die Abweichungen der Realität zur Norm: So wurden die Ergebnisse aus dem Jahr 2004 bspw. unter der Überschrift „Zu viel, zu fett, zu träge?“ von der DGE präsentiert (DGE 2009). Obwohl ihm lediglich ,Empfehlungen‘ zugrunde liegen, beurteilt der Ernährungsbericht die Menschen aufgrund ihrer Ernährungsweise als letztlich ,richtig‘ oder ,falsch‘ ernährt (nach Spiekermann 2001). Seit Beginn der Debatte über das Scheitern der Ernährungskommunikation finden sich auch Diskussionen über Ernährungsziele, die mehr als die ernährungsphysiologische Dimension umfassen. Gegenwärtig beschränkt sich die Neugestaltung der Ernährungsziele allerdings auf den Bereich der Diskussion (Eberle et al. 2005). 2.5.2
Gesundheit als einziges Ziel
Die naturwissenschaftlich-physische Ausrichtung der Ernährungsziele bringt es mit sich, dass die Gesundheit „mehrheitlich als primäres, ja als einziges Handlungsziel [von Ernährung] akzeptiert“ (Barlösius/Schiek 2006:11) wird. Dies führt dazu, dass „das tägliche Essen aus sozialen und kulturellen Kontexten“ (Barlösius 1999:224) heraus gelöst wird. Als Beispiel führen Barlösius und Schiek eine Äußerung des aid Informationsdienstes an, welcher sich zum Ziel setzt, durch sachgerechte Informationen den „Verbrauchern die alltägliche Entscheidung über richtiges/gesundes Essen“ (Barlösius/Schiek 2006:11) zu erleichtern. Darin steckt ihrer Meinung nach die Absicht, „die Bevölkerung dazu zu bewegen, ihre Ernährung dem Ziel der gesunden Ernährung zu unterstellen“ (ebd.), was einer Aufgabe der individuellen Essgewohnheiten gleich kommt. Bei der Fokussierung auf Gesundheit wird zudem übersehen, dass diese nur ein Entscheidungskriterium im täglichen Ernährungshandeln ist (Methfessel 2006:55). Zusätzliche Handlungsmotive werden damit ausgeblendet (Barlösius/Schiek 2006:11, auch Methfessel 2004:96, Prahl/Setzwein 1999). Auch andere „Aspekte des Wohlbefindens wie Genuss, Lust und Appetit (bleiben) außen vor“ (Barlösius 1999:49, auch Methfessel 2004:95). Dabei gibt es keine Belege für die These, dass eine gesunde und „,richtige‘“ (Methfessel 2004:98) Ernährung die Lebensqualität steigert. Barlösius weist zudem darauf hin, das sich bei einer bewusst gesundheitsfördernden Gestaltung der Ernährung die Menschen bereits in der „kulturellen Sphäre“ (Barlösius 1999:37) bewegen – also die rein körperliche Betrachtung von Ernährung keinesfalls ausreicht. Weil die ,richtige‘ Ernährung ausschließlich durch naturwissenschaftliche Zusammenhänge begründet wird, werden andere Perspektiven wie der Blick auf die kulturelle Dimension des Essens oder die Anforderungen des
2.5 Von der Ein- zur Mehrdimensionalität von Ernährung
39
Alltags verhindert. Dies vergrößert weiter die Kluft zwischen den „wissenschaftlichen Regeln und den ,essenden‘ Menschen“ (Methfessel 2004:94). 2.5.3
Mittelständische Werte und Normen setzen Maßstäbe
Ernährungskommunikation wird immer auch durch die individuellen Wertvorstellungen der Kommunizierenden geprägt. Wie in Kapitel 2.1 erläutert wurde, handelt es sich bei der gängigen Ernährungskommunikation meistens um ein einseitiges Sender-Empfänger-Modell. Demzufolge beeinflussen vorrangig die Werte der Sender, also der Fachkräfte, die Kommunikation. Die – meist akademisch ausgebildeten – Fachkräfte stammen oft aus den mittleren Schichten und vermitteln somit die dort gültigen Normen und Werte (Spiekermann 2005:13). Auch Methfessel weist darauf hin, dass „die Ausbildung, Tätigkeit und Wirkung von Mittlerkräften auch immer durch Normen geleitet“ (Methfessel 2004:93) wird. Insbesondere die Nichtbeachtung bestehender Unterschiede in den Wertvorstellungen und Normen macht Spiekermann (2005) für das Scheitern der Ernährungskommunikation gerade in sozial schwachen Schichten verantwortlich (13). Auch Barlösius (1999) hält Ernährungskommunikation trotz objektiver naturwissenschaftlicher Grundlagen keineswegs für „sozial neutral“ (224). Durch empirische Untersuchungen konnte belegt werden, „dass Aufklärung, Information und Wissen nur an bestimmte Formen der Lebensführung anschlussfähig sind, und zwar primär an solche, die in mittleren Lagen verbreitet sind“ (ebd.). Dies führt dazu, dass die propagierte Ernährungsweise „auf vielfache Weise dem Essstil (entspricht), der bevorzugt in mittleren sozialen Lagen praktiziert wird“ (Barlösius 1999:224, nach Köhler 1993:88). 2.5.4
Mehrdimensionalität von Ernährung erforschen
Eine Gleichstellung von Natur-, Sozial- und Kulturwissenschaften in der Ernährungswissenschaft und die dadurch geänderte Forschungsperspektive hätten Auswirkungen auf die Erforschung der Dimensionen von Ernährung. So würden psychische und soziale Funktionen von Ernährung und Essen sowie psychosoziale Bedürfnisse stärker berücksichtigt (Methfessel 2004:97, Pudel 2007), es käme zu einer Erforschung individueller Rationalitäten und „historisch geprägter Handlungsroutinen“ sowie ökonomischer Einflüsse (Spiekermann 2006:49). Das Ernährungsverhalten in gesellschaftlichen und strukturellen Zusammenhängen zu betrachten könnte auch zu neuen Ansätzen in der Ursachenforschung für Fehlernährung führen (Zwick 2008). Analog zum Begriffspaar ,Ernährung‘ – ,Essen‘ könnte so neben oder in der Ernährungswissenschaft auch eine „Esswissenschaft“ entstehen (Spiekermann 2006:49). Davon ausgehend wird die Forderung formuliert, dass sich auch Er-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
nährungskommunikation nicht allein auf die Vermittlung naturwissenschaftlicher Grundlagen beschränken darf. So werden unter anderem eine gender- und lebensstilspezifische Differenzierung und die Vermittlung von Ernährungswissen und -kompetenzen in konkreten Handlungszusammenhängen gefordert (Rehaag/Waskow 2006:26). Spiekermann fordert ein pragmatischeres Umgehen mit vermeintlich falscher Ernährung (Spiekermann 2006:48). Im Folgenden werden Aspekte vorgestellt, die bei der Gestaltung künftiger Ernährungsziele bzw. Ernährungskommunikation beachtet werden sollen. Mehrdimensionale Ernährungsziele formulieren Eine mögliche Folge der Reflexion und Neubewertung der unterschiedlichen Dimensionen von Ernährung kann die Formulierung von neuen Ernährungszielen sein. Aus diesem Grund sollten Ziele nicht mehr wie bisher unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten formuliert werden, sondern als politische und gesellschaftliche Aufgabe verstanden werden (Rehaag/Waskow 2006:26). Eine Neuformulierung von Ernährungszielen kann nur unter Einbeziehung aller Beteiligten und der Berücksichtigung gesellschaftlicher Bedingungen gelingen (Meier-Ploeger 2001:39f). Insbesondere in den Publikationen des Forschungsvorhabens Ernährungswende finden sich konkrete Vorgaben für neue Ernährungsziele, welche vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit formuliert wurden (u. a. Rehaag/Waskow 2006:26). So erfordern „alltagsadäquate Ernährungsziele“ (ebd.) „die Verengung auf einen naturwissenschaftlichen Zugang zu durchbrechen; Ernährungsziele nicht alleine Experten zu überlassen, (…) gender- und lebensstilspezifische Differenzierung zu berücksichtigen und Ernährungswissen und -kompetenzen in konkreten Handlungszusammenhängen zu vermitteln“ (ebd.). Alltag als Ausgangspunkt Von unterschiedlicher Seite wird dabei insbesondere die Berücksichtigung der Alltagsperspektive bei der Konzeption künftiger Ernährungsziele gefordert. Die Auslegung der naturwissenschaftlichen Kenntnisse muss mit der Alltagspraxis der Menschen in Einklang gebracht werden (Spiekermann 2006:48). Die Anforderungen an Ziele für eine Ernährungswende lauten folgendermaßen: “Alltagsadäquanz und soziokulturelle Vielfalt müssen als gleichwertige Ziele neben Umweltverträglichkeit und Gesundheitsförderung in Wissenschaft und Praxis anerkannt werden“ (Eberle et al. 2006:7). Ernährungsziele sollten (auch) aus der Perspektive der Alltagsakteure formuliert und deren sich verändernde Lebensweisen und Lebensbedingungen konsequent berücksichtigt werden (135). In diesem Sinne stellt der Alltag sogar den „Ausgangspunkt einer Ernährungswende“ (Hayn 2006:135) dar. Dies kann nur er-
2.6 Experten des Alltags statt belehrungsbedürftiger Laien
41
reicht werden, wenn das Expertenwissen der essenden Menschen gehört und integriert wird (Methfessel 2004:97, auch Spiekermann 2006:49). Methfessel (2005b) weist darauf hin, dass Ernährung immer im Kontext mit Haushalt und Alltag zu betrachten ist: „Ernährungsversorgung und Essen sind Teile das gesamten Haushaltsgeschehens und nur darin zu bewältigen“ (43f.). Weiterführend muss eine gelingende Ernährungskommunikation den Haushalt und seine individuellen Strukturen und deren Einfluss auf das Ernährungshandeln unbedingt berücksichtigen. Wierlacher (1993:3) und Meier-Ploeger (2001:43) weisen darauf hin, dass die Ernährung immer auch Teil eines bestimmten, selbst gewählten Lebensstils darstellt und infolgedessen auch in diesem Kontext und unter dem Aspekt der Selbstbestimmung behandelt werden sollte. Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit Als Folge davon müssen Ernährungsziele auch die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichem Ideal und Alltagsanforderungen integrieren. Die diesbezügliche Aussage Methfessels (2005b) bezieht sich auf die Ernährungsbildung, ihr Inhalt kann allerdings als Grundlage jedweder Ernährungskommunikation gelten: „Ernährungsbildung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen fachlichen Perspektiven und Anforderungen einerseits und den Erfahrungen und Handlungsmustern aus der Lebenswelt der essenden Menschen andererseits“ (43).
Dieses Spannungsfeld zu erkennen und zu berücksichtigen, ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Ernährungskommunikation.
2.6
Experten des Alltags statt belehrungsbedürftiger Laien
In der gegenwärtigen Ernährungskommunikation lassen sich verschiedene Bilder vom essenden Menschen erkennen, der in diesem Zusammenhang meist als Verbraucherin oder Verbraucher bezeichnet wird. Diese Bilder sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den kommunizierenden Gruppen geben Anlass zur Kritik. Die Sichtweisen von Verbrauchern können ebenfalls auf die Höherbewertung naturwissenschaftlichen Expertenwissens und deren Auswirkungen auf Forschung und Lehre zurückgeführt werden. Methfessel (2006) nennt die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse „Kern und Legitimation kultureller Bevormundung“ (55). Laut Barlösius und Schiek (2006) liegt ein wesentlicher Grund für das Scheitern der Ernährungskommunikation im „Verbraucherbild (…), das nicht der Alltagspraxis entspricht“ (12). Es können zwei Sichtweisen von Verbraucherinnen und Verbrauchern unterschieden werden, welche im Folgenden näher vorgestellt werden.
42 2.6.1
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
Belehrungsbedürftige Laien
Vielfach existiert das Menschenbild eines belehrungsbedürftigen Laien, welches die Belehrung durch Ernährungsexperten legitimiert. Dieses wird von verschiedener Seite kritisiert: Methfessel (2004) nennt das Verhältnis von Beratenden und Ratsuchenden einen „Experten-Laien-Dialog“ (100) mit „hierarchischen Kommunikationsstrukturen“ (92). Während sich auf der einen Seite die „richtige“ (ebd.) Wissenschaft positioniere, stünde auf der anderen Seite der „fehlgeleitete Mensch“ (ebd.). Spiekermann (2001) bringt die Kritik auf den Punkt: Er nennt diese Situation eine „dominant auf die hierarchische Belehrung von Laien zielende Expertokratie naturwissenschaftlicher und sozialtechnologischer Herkunft“ (106). Das durch diese Sichtweise entstehende Wissensgefälle ist für ihn ein Ziel dieses Verhältnisses und führt dazu, dass der unwissende Laie in der Ernährungskommunikation sogar eine „besondere pädagogische Ansprache“ (Barlösius/Schiek 2006:12f) benötigt, welche bspw. mittels didaktisch aufbereiteter Materialien geschieht. Laut Barlösius und Schiek wird diese Sichtweise des essenden Menschen insbesondere in der Ernährungsberatung geübt (Barlösius/Schiek 2006:13). In den Rahmenvereinbarungen des Koordinierungskreises Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung (2008), dem unter anderem auch der Verband der Oecotrophologen e.V. (VDOE) angehört, ist dagegen die Rede von einem „partnerschaftlichen Dialog“ (5) zwischen Beratendem und Ratsuchenden. Methfessel (2006) weist allerdings darauf hin, dass die Ratsuchenden sich den Ratgeberinnen oft auch von selbst unterordnen und damit die Entstehung eines hierarchischen Verhältnisses voran treiben (53). Das von Experten „propagierte Ideal des ,gesunden‘ (…) Menschen“ (Spiekermann 2006:40) „reproduziert (allerdings) nur einen begrenzten Teil der Werte unserer Gesellschaft und unseres Lebensstils“ (ebd.). 2.6.2
Der rationale und zielgerichtet essende Mensch
Insbesondere in den Konzepten der Ernährungsaufklärung, -beratung oder -erziehung ist das Bild des „rationalen und wissensgeleiteten Verbrauchers“ (Barlösius/ Schiek 2006:11) weit verbreitet. Es wird davon ausgegangen, dass er reflektiert und zielgerichtet sein Ernährungsverhalten steuert (ebd.). Auch Pudel (2003) spricht anlässlich der 50-Jahr-Feier der DGE von der langjährigen Fehlannahme der Ernährungsaufklärung, dass das Ernährungsverhalten rational gesteuert sei und der sich daraus ergebenden Anwendung des Rationalitätsprinzips, „das davon ausgeht, mit vernünftigen Botschaften bei vernünftigen Menschen eine Wirkung zu erzielen“ (46). Die für dieses Verbraucherbild konzipierten rational geprägten Ernährungsempfehlungen (Barlösius/Schiek 2006:11) verfehlten allerdings das Ziel der Verhal-
2.6 Experten des Alltags statt belehrungsbedürftiger Laien
43
tensänderung (Pudel 2003). Ein Grund dafür ist nach Ansicht von Barlösius, dass diese „Idealvorstellung“ (Barlösius/Schiek 2006:13) von rationalem Entscheiden nicht der Realität entspricht, da neben rationellen Erwägungen etliche andere Handlungsmotive im Alltag wirksam sind (vgl. dazu die Kap. 2.2.4 und 2.4). Zudem seien Essen und Trinken ganz überwiegend emotional gesteuerte Verhaltensweisen (Pudel 2003:47), die nur in geringem Ausmaß bewusst und rational gesteuert werden könnten (Barlösius/Schiek 2006:10) und somit nicht durch kognitive Strategien beeinflussbar seien (Pudel 2003:47). Auf Basis dieser Annahme kann das Scheitern der Ernährungskommunikation als eine logische Folge dieses Menschenbildes betrachtet werden. Auch für Barlösius und Schiek läuft „eine naturwissenschaftlich fundierte Ernährungskommunikation geradezu zwangsläufig in diese Rationalitätsfalle“ (Barlösius/Schiek 2006:14). Allerdings wird nicht weiter darauf eingegangen, inwieweit Menschen sich selbst als rational handelnde Wesen betrachten. Kaufmann (2006) meint dazu: „Das Individuum selbst glaubt als Erstes, dass es normalerweise rational funktioniert“ (31). Spiekermann differenziert ebenfalls hinsichtlich der individuellen Rationalität. Dabei bezieht er sich auf Äußerungen Pudels, nach denen die Ernährungskommunikation scheitere, weil sie auf Rationalität statt Emotionalität setze, also die Verhaltensänderung über die Kognition herbeiführen will (Pudel 2003). Spiekermann (2006:39) dagegen macht (nicht nur) die fehlende Emotionalität der Ratschläge für das Nichtgelingen von Ernährungskommunikation verantwortlich. Er kritisiert vielmehr, dass die individuellen Rationalitäten der Menschen nicht erkannt und berücksichtigt werden. Er vertritt die Ansicht, dass diese sehr wohl ihr Ernährungsverhalten rational steuern, auf der Basis „knapper Ressourcen und Fähigkeiten und jeweils eigenen Vorstellungen vom ,richtigen‘ Essen“ (ebd.). In der Folge davon gesteht er den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Fähigkeit und das Recht zu, auf dem jeweiligen Lebenskontext basierende individuelle Rationalitäten entwickeln zu können. Die Nichtbeachtung von Ernährungskommunikation interpretiert er als „eine ,rationale‘ Folge“ (Spiekermann 2006:41), die er unter anderem auf das „konkurrierende wissenschaftliche Wissen“ (ebd.) der Teildisziplinen zurückführt. 2.6.3
Mündige Verbraucher als gesellschaftliche Idealvorstellung
Barlösius und Schiek (2006) erkennen zusätzlich eine „zivilgesellschaftliche Variante“ (14) des rationalen Verbrauchers, den „mündigen Verbraucher“ (ebd.). Diese Sichtweise wird vor allem „von politisch engagierten AkteurInnen“ (ebd.) vertreten, die von diesem erwarten, dass er „mehr oder weniger auf Augenhöhe mit den anderen Akteuren im Ernährungsbereich kommunizieren kann und vor allem auch soll“ (Barlösius/Schiek 2006:12). Dabei wird, so scheint es, davon ausgegangen, dass Ver-
44
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
braucherinnen und Verbraucher über ausreichend Möglichkeiten zur Mitgestaltung verfügen. Unklar bleibt laut den Autorinnen „in einigen Fällen, ob der ,mündige Verbraucher‘ nur den Einzelnen meint oder auch und vor allem die organisierten VerbraucherInnen – also auch Verbraucherorganisationen“ (ebd.). Obwohl diese Organisationen den mündigen Verbraucher sowohl als Zielgruppe, als auch als Zielvorstellung benennen, fehlen „konkrete Vorstellungen, wie VerbraucherInnen zu gleichberechtigten und gleich starken Teilnehmern werden könnten, weitgehend“ (Barlösius/Schiek 2006:13). Stattdessen werden Vorschläge zur Verringerung der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Herstellern und Verbraucherinnen gemacht (Barlösius/Schiek 2006:14), die bei einer bestehenden Kommunikation auf Augenhöhe gar nicht notwendig wären. Barlösius und Schiek sind der Meinung, dass das Bild des „mündigen Verbrauchers“ (ebd.) „angesichts asymmetrischer Machtverhältnisse zu kurz greift“ (ebd.). Stattdessen sollten eher „Rahmenbedingungen für Wahlfreiheit und Entscheidungskompetenz“ (ebd.) geschaffen werden, damit sich die Verbraucher an der gesellschaftlichen und politischen Verständigung über Ernährung beteiligen können (ebd.). Diese Beteiligung könnte auch „durch eine Befähigung zur Partizipation am Ernährungsdialog gefördert werden“ (ebd.), was „von der klassischen Verbrauchervertretung hingegen nicht thematisiert“ (ebd.) wird. Als möglicher Grund für dieses Tabuisieren wird vermutet, dass eine Verbrauchervertretung, die ihre Kunden und Kundinnen in dieser Richtung berät, eine staatliche Ernährungsberatung obsolet werden ließe (ebd.). 2.6.4
Menschen als Experten ihres Alltags anerkennen
Essende Menschen sollen weder als rational agierende noch als unmündige Ahnungslose betrachtet werden. Stattdessen soll die Integration sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektiven auch zu einem veränderten Menschenbild beitragen. Spiekermann (2001) fordert zusätzlich zum – durch die naturwissenschaftliche Forschung bestens bekannten – „Naturwesen Mensch“ (107) die Wahrnehmung des „Kulturwesens Mensch“ (ebd.). Die höhere Wertschätzung der Ernährungskultur soll eine stärkere Berücksichtigung des Alltagshandelns mit sich bringen und daraus resultierend das Bild von den Verbraucherinnen und Verbrauchern verändern: Menschen sollen als „Experten des Alltags“ (Barlösius/Schiek 2006:19, Büning-Fesel 2007, Methfessel 2005a) betrachtet werden oder wie Heindl (2003) es formuliert: Es „bleibt jeder Mensch sein eigener Ernährungsexperte“ (21). Verbraucherinnen und Verbraucher werden nicht mehr als defizitäre Wesen erlebt; die bisher statischen Pole Laie – Experte lösen sich zugunsten eines Verhältnisses auf, in dem jeder Teilnehmer der Kommunikationssituation Experte auf seinem Gebiet sein kann (Methfessel 2004).
2.7 Alltagsnahe Praxis statt kognitiv orientierter Wissensvermittlung
45
Auch die Auflösung der naturwissenschaftlichen Definitionsmacht kann eine Auflösung des hierarchischen Dialoges begünstigen, weil es dann auf die Frage nach der ,richtigen Ernährung‘ nicht mehr nur eine Antwort geben kann: „Wenn jedoch eine naturwissenschaftliche Norm und das Wissen darüber nicht allein Ernährung bestimmt und bestimmen sollte, dann verbietet sich auch ein (generell) hierarchisches Verhältnis zwischen Mittlerkräften und ihren Klienten“ (Methfessel 2004:99). Für Meier-Ploeger (2001) gibt es keine vorgefertigten Lösungen in Beratungssituationen. Stattdessen muss gemeinsam mit den Beratenden eine individuelle Lösung erarbeitet werden, die in das von ihnen gewählte Lebenskonzept passt (43). Aus der veränderten Wahrnehmung der essenden Menschen als ,Kulturwesen‘ und ,Alltagsexperten‘ ergibt sich auch ein „neues Verständnis der Aufgabe und Rolle der Fachkräfte“ (Methfessel 2004:97). Diese sollten ein „neues Expertentum“ (ebd.) entwickeln und ihre „Aufgabe in der Anleitung zur (Selbst-)Reflexion von Bedürfnissen, Bedarfen und Bedingungen und in der Entwicklung von soziokulturell verträglichen Handlungsoptionen sehen“ (ebd.). Zusätzlich zu dieser geänderten Wahrnehmung von Seiten der Fachkräfte wird eine aktive gemeinschaftliche Verständigung über ein neues Verbraucherbild als notwendig betrachtet (Barlösius/ Schiek 2006:19).
2.7
Alltagsnahe Praxis statt kognitiv orientierter Wissensvermittlung
Gerade das vorherrschende Bild des rationalen und zielgerichteten Verbrauchers führt dazu, dass Ernährungsinformationen vorrangig nach dem Prinzip der kognitiven Wissensvermittlung vermittelt werden. Dies führt nicht zu langfristigen Verhaltensänderungen (Pudel 2003). Um den Erfolg von Ernährungskommunikation zu verbessern, wird stattdessen vermehrt die Vermittlung praktischer Kompetenzen gefordert. Wissensvermittlung soll durch Verhaltenstraining abgelöst werden (Pudel 2007:310 und Pudel 2003). Für ein Verhaltenstraining sprechen sowohl der Mere Exposure Effect (Pudel 2007:310f) als auch die Beobachtung, dass erlernte Aspekte des Ernährungsverhaltens eine größere Beständigkeit besitzen als die biologischen Aspekte (Bodenstedt 1978, zitiert nach Wierlacher 1993:2). Gleichzeitig erfordern die mit dem gesellschaftlichen Wandel einhergehenden Veränderungen auch den Erwerb neuer Kompetenzen (Schlegel-Matthies 2005:51), wobei der Bedarf durch den Rückgang an grundlegenden Ernährungskompetenzen potenziert wird. Hayn et al. (2005) weisen darauf hin, dass zwar kaum empirisches fundiertes Wissen über diesen Rückgang vorliegt, er aber seit längerem als vorhanden angenommen wird. Hayn (2006) macht darauf aufmerksam, dass immer mehr Konsumenten den „Herausforderungen der Alltagsgestaltung“ (136) nicht mehr ge-
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2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
wachsen sind. In diesem Zusammenhang wird die Vermittlung von Lebenskompetenzen nach dem Setting-Ansatz (Eberle et al. 2006) gefordert. Entsprechende Äußerungen enthalten oft die Begriffe „gestalten“ und „Alltag“ (u. a. Büning-Fesel 2007, Barlösius/Schiek 2006, Methfessel 2004). Weiterhin wird eine personalintensivere Gestaltung von Beratungsangeboten gefordert (Spiekermann 2006). Verbraucher und Verbraucherinnen sollen mit Hilfe der Ernährungskommunikation die Fähigkeit erwerben, Ernährungsentscheidungen auf der Basis ihres Lebenskontexts und ihrem Alltag selbstbestimmt zu treffen und nicht mehr versuchen, ihr Leben den Ernährungsempfehlungen anzupassen. Insbesondere in der Entwicklung der Ernährungsbildung zeichnet sich der Fokus auf mehr Selbstbestimmung deutlich ab, wie zwei aktuelle Forschungsprojekte verdeutlichen. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt. 2.7.1
Neue Konzepte in der institutionellen Bildung
Zwei Forschungsprojekte der letzten Jahre können als eine konzeptionelle Weiterentwicklung von Ernährungskommunikation und damit eine (indirekte) Antwort auf die Kritik innerhalb der Debatte gewertet werden. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte liegt beiden Projekten ein ähnlicher Ansatz zugrunde: Essen und Ernährung werden in der institutionellen Bildung im Kontext mit anderen Inhalten thematisiert, was die mehrdimensionale Betrachtung dieser Themen erleichtern könnte. Das Forschungsprojekt REVIS Die nationale „Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allgemein bildenden Schulen“ (REVIS)4 ist in der schulischen Bildung angesiedelt und richtet sich an Kinder und Jugendliche allgemeinbildender Schulen sowie deren Lehrkräfte. Auf der Internetseite des Projektes werden folgende Gründe für dessen Initiierung genannt: Das Projekt entstand aus der Erkenntnis, dass angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung das Vorhandensein von Basiskompetenzen im Bereich Essen und Ernährung sowie Umgang mit Geld und Konsum immer notwendiger wird. Gleichzeitig können jedoch diese Kompetenzen in Familien und Schulen immer weniger und weniger zukunftsgerecht erworben werden (Ernährung und Verbraucherbildung im Internet 2009). 4
REVIS (mit einer Laufzeit von 2003–2005) wurde vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, bis 2005 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft) gefördert (Ernährung und Verbraucherbildung im Internet 2009).
2.7 Alltagsnahe Praxis statt kognitiv orientierter Wissensvermittlung
47
Der REVIS-Ansatz stellt den „essenden und handelnden“ (ebd.) Menschen und mit Erhalt und Entwicklung seiner individuellen und soziokulturellen Ressourcen in den Mittelpunkt. Die essenden Menschen sollen „ihre Konsumentenrolle weitgehend ,eigenverantwortlich‘ und unabhängig ausfüllen können“ (Schlegel-Matthies 2004:8). Die Ernährungs- und Verbraucherbildung wird dabei als Einheit begriffen. Dazu wurde ein schulübergreifender Orientierungsrahmen zur Innovation der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allgemein bildenden Schulen vorgelegt (Heseker at al. 2005:4). In den Schulen soll sowohl fachspezifisch als auch fächerübergreifend gearbeitet werden. In dem jetzigen Fach Hauswirtschaft soll überwiegend der Bezug zur Alltagspraxis hergestellt werden, während andere Fächer das Kulturthema Essen in seinen Dimensionen integrieren können (Ernährung und Verbraucherbildung im Internet 2009 und Methfessel 2005a:35f.). Das Forschungsprojekt Food Literacy „Food Literacy – ein neues horizontales Thema in der Erwachsenenbildung und -beratung“5 – ist ein EU-weites Projekt im Bereich der außerschulischen Bildung. Es wendet sich an die Zielgruppe der Erwachsenen und hier speziell an Angehörige sozial benachteiligter Schichten bzw. die entsprechenden Multiplikatoren (BEST 2009a). Food Literacy stellt kein eigenständiges Angebot der Ernährungsbildung dar, was konzeptionell begründet wird: Gerade die Gruppe der sozial benachteiligten und bildungsfernen Personen wird von klassischen Angeboten der Ernährungskommunikation schlecht erreicht. In Reaktion darauf soll Food Literacy in allgemeine Bildungs- und Beratungsangebote integriert werden (Schnögl et al. 2006:10). Im Projekthandbuch wird ausführlich Kritik an bestehenden Formen der Ernährungskommunikation geübt, welche sich ganz wesentlich mit der dargestellten deckt: Neben der naturwissenschaftlich ausgerichteten und einseitig auf Gesundheit fokussierten Kommunikation werden die mangelnde Erreichbarkeit bildungsferner Schichten und das Experten-Laien-Verhältnis als Gründe für das Scheitern von Ernährungskommunikation genannt. Ebenso werden abnehmende Kompetenzen der Konsumentinnen und Konsumenten erwähnt (Schnögl et al. 2006:12f). Die Entwicklung einer Food Literacy soll dem entgegen wirken. Diese wird als „Fähigkeit, den Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll zu gestalten“ (Schnögl et al. 2006:8) definiert. Das Ziel ist eine Befähigung der Menschen: „Empowerment im Sinne der Förderung von Selbstbestimmung beim Ernäh5
Food Literacy wurde durch das Programm SOCRATES-GRUNDTVIG der Europäischen Kommission gefördert. In diesem EU-weiten Projekt mit einer Laufzeit von Oktober 2004 bis September 2007 arbeiteten zwölf Institutionen aus acht europäischen Ländern zusammen (BEST 2009b).
48
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
rungshandeln“ (Schnögl et al. 2006:10), welche z. B. über eine „Vermittlung von unbedingt erforderlichen Basiskompetenzen, z. B. die Zubereitung von Mahlzeiten“ (ebd.) erreicht werden soll. Die Kursleiterinnen und Kursleiter stammen nicht aus dem Bereich der Ernährungswissenschaft, welches das Experten-Laiengefälle abmildern soll (Schnögl et al. 2006:12). Eine gendersensible Ansprache mit entsprechenden Strategien soll insbesondere den Zugang zu Männern ermöglichen, z. B. über die Thematisierung von körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit durch passendes Essen (Schnögl et al. 2006:21).
2.8
Vom ,Scheitern‘ zur ,Wende‘
Immer wieder wurde in Zusammenhang mit der Nichtwirksamkeit von Ernährungskommunikation verallgemeinernd vom ,Scheitern‘ derselben gesprochen (siehe auch Kapitel 2.1). Auch eine gelingende Ernährungskommunikation wird innerhalb der Debatte durch bestimmte Schlagworte charakterisiert, wobei immer wieder der Ruf nach einer ,Wende‘, einem ,Wechsel‘ laut wird. Neben Leitsätzen wie „Von der Wissensvermittlung zum Kompetenzerwerb“ (Schlegel-Matthies 2005:53) wird ein „Paradigmenwechsel“ (ebd.) gefordert. Auch das Forschungsvorhaben „Ernährungswende“ postuliert schon anhand des gewählten Projektnamens die Forderung eines Richtungswechsels. Spiekermann (2006) spricht von der Notwendigkeit einer „Wissens- und Wissenschaftswende“ (48). Zumindest für den Gesundheitsbegriff hat sich laut Heindl (2005) schon ein Paradigmenwechsel vollzogen: „Das primär biomedizinisch-naturwissenschaftliche und technisch-ökonomische Verständnis von Gesundheit, orientiert an Risikofaktoren bei der Entstehung von Krankheiten, wie vor allem durch das Ess- und Bewegungsverhalten der Menschen, führte zu der neuen Erkenntnis: Gesundheitsverhalten wird beeinflusst von der Lebensweise des Menschen und ist gleichzeitig bildungsabhängig. In der Konsequenz vollzog sich ein Wandel zum Begriffsverständnis der Gesundheit, in dessen Mittelpunkt die Frage steht: Wie entsteht Gesundheit?“ (90).
Das grundlegende Ziel und den Sinn von Ernährungskommunikation zu hinterfragen, ist im Rahmen der Debatte immer wieder Gegenstand von Äußerungen. Im Jahr 1999 veranstaltete die Dr. Rainer Wild-Stiftung das 6. Heidelberger Ernährungsforum mit dem Ziel, die künftige Gestaltung der Ernährungswissenschaft zu planen, wörtlich: „die Zukunft der Ernährungswissenschaft aus dem Fach heraus aktiv anzugehen“ (Spiekermann/Schönberger 2000:V). Die Diskrepanz zwischen Wissen und Verhalten, die unzureichende Übersetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in die Praxis wurden als zwei von mehreren Problemlagen genannt, die die Stiftung zur Veranstaltung des Forums bewog (ebd.). Es wurde insbesondere eine Klärung
2.9 Zusammenfassung: Kernaussagen der Debatte
49
der Forschungsgrundlagen gefordert, nämlich das individuelle Forschungsinteresse der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einerseits sowie die durch gesellschaftliche Entwicklungen vorgegebenen Forschungsinhalte andererseits (ebd.). Schönberger (2000) verweist dabei speziell auf die Konkurrenz durch die Wirtschaft, die „einen Großteil der ernährungswissenschaftlichen Forschung“ (1f.) übernehmen würde. Auch die Frage nach der Verantwortung wird gestellt: „Wer ist für eine gesunde, das Wohlbefinden befördernde, nachhaltige und genussvolle Ernährung verantwortlich?“ (Barlösius 2001:114). Spiekermann fordert, das grundsätzliche Ziel und den Wert von Ernährungskommunikation zu klären und dies besonders aus Sicht der Alltagsakteure zu tun (Spiekermann 2006:49). Erst mit überzeugenden Antworten auf diese Fragen kann es seiner Ansicht nach eine Perspektive für die Neugestaltung von Ernährungskommunikation geben (ebd.). Barlösius und Schiek (2006) stellen genauso die grundsätzliche Frage nach dem ,Wozu‘ an den Anfang einer Neugestaltung. Sie erwarten Ansätze und Antworten „für die Erwünschtheit von Dauerhaftigkeit und Breite sowie Tiefe der Ernährungskommunikation“ (Barlösius/Schiek 2006:19). Meier-Ploeger (2001) weist auf die Relevanz gesellschaftlicher Entwicklungen für die Klärung hin: „Macht es Sinn, Ziele zu definieren, ohne explizit gesellschaftliche Bedingungen einzubeziehen?“ (39). Äußerungen, die eine Klärung der Grundsatzfragen verlangen, finden sich sowohl zu einem frühen Zeitpunkt der Debatte im Jahr 1999, als auch im Rahmen des Forschungsvorhabens Ernährungswende im Jahr 2006. Eine Neubewertung und Neuformulierung wird als eine „gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe“ (Eberle et al.: 2006:22f.) verstanden, als eine Aufgabe aller beteiligten Akteursgruppen – die zivilgesellschaftlichen Akteure und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
2.9
Zusammenfassung: Kernaussagen der Debatte
Die vorangegangenen Kapitel stellten Kritik und Forderungen dar, die Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen in der Debatte über Ernährungskommunikation formuliert haben. Abschließend sollen diese Ausführungen in mehreren Kernaussagen zusammen gefasst werden. 1. Statt einseitig naturwissenschaftlicher Ausrichtung der Ernährungsforschung, Lehre und Ausbildung soll zukünftig die Mehrdimensionalität von Ernährung in den Blick genommen werden. Voraussetzung dafür ist eine gleichwertige Zusammenarbeit von Natur- und Technikdisziplinen und Disziplinen der Sozialund Kulturwissenschaften. Da wissenschaftliche Erkenntnisse die inhaltliche Basis von Ernährungskommunikation darstellen, kann eine Änderung der Forschungsperspektive zu einer veränderten Kommunikation beitragen.
50
2 Wege zu einer wirksamen Ernährungskommunikation
2. Statt der Ausblendung der individuellen Ernährungs- und Esskultur sollte diese Gegenstand von Ernährungsforschung sein, da sie unter anderem Ressourcen für ein empfehlenswertes Ernährungshandeln darstellen kann. 3. Die Abwertung des Alltagswissens und die Nichtbeachtung des Ernährungsalltags blenden wichtige Ansätze und Inhalte von Ernährungskommunikation aus und tragen dazu bei, dass die Informationen nicht in den Alltag integriert werden können. Stattdessen soll die transdisziplinäre Forschung, bei der die Alltagsakteure bereits in den Forschungsprozess eingebunden sind, eine Integration ihrer Sichtweisen, Rationalitäten und Bedürfnisse in künftige Inhalte von Ernährungskommunikation ermöglichen. 4. Anstelle einer Ernährungskommunikation, die einseitig aus agrarpolitischer Sicht gestaltet wird, soll die Formulierung neuer Ernährungsziele als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe verstanden werden, bei der die Politik die Rolle des Initiators und Begleiters übernimmt und unter anderem einen Rahmen schafft, der dem Einzelnen ein adäquates empfehlenswertes Ernährungshandeln erleichtert. 5. Realitätsferne Menschenbilder sind mitverantwortlich für eine Ernährungskommunikation, die an den Bedürfnissen und Lebensstilen der essenden Menschen vorbei geht. Die Sichtweise von Menschen als Experten ihres eigenen Alltags bringt die Aufwertung ihres spezifischen Wissens mit sich, welches die Basis für eine erfolgreiche Ernährungskommunikation darstellen kann. 6. Kognitive Wissensvermittlung zeigt kaum Erfolge in der Ernährungskommunikation, insbesondere bei der Gruppe der sozial Benachteiligten. Es dominiert die Vermittlung von Alltagskompetenzen auf kognitiver Basis, während die Vermittlung von Ernährungskompetenzen und die Befähigung zur selbstbestimmten Gestaltung des Ernährungsalltags vernachlässigt wird.
3
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. stellt einen Zusammenschluss aus neun örtlichen Zusammenschlüssen und 22 Einzelverbänden dar6 (Verbraucherzentrale NRW 2008:48). Der gemeinnützige Verein finanziert sich über öffentliche Mittel aus Kommunen, Land und Bund sowie der Europäischen Kommission; dazu kommen eigene Einnahmen aus unter anderem der Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Mittel eines Sparkassenfonds und Spenden von Privatpersonen und der Wirtschaft. Spenden der Wirtschaft sind an drei Voraussetzungen gebunden: „Bedingungsfreiheit, keine Werbung mit dem Namen der Verbraucherzentrale NRW und Veröffentlichung im Internetauftritt der Verbraucherzentrale NRW“ (Verbraucherzentrale NRW 2008:56).
3.1
Das Verbraucher-Leitbild der Verbraucherzentrale NRW
Im Leitbild der Verbraucherzentrale NRW aus dem Jahr 2007 wird unter anderem die Vision eines Verbrauchers formuliert, der auf „Augenhöhe“ (Verbraucherzentrale NRW 2008) mit den Unternehmen handelt und der „selbstbewusst durch Kauf und Nichtkauf, durch Lob und Kritik seine Stimme“ (ebd.) erhebt. Verbraucherinnen und Verbraucher (übernehmen wie andere Akteure) Verantwortung. „Sie setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft ein, in der die Verbesserung der Lebensqualität im Einklang mit sozialer und Generationen übergreifender Gerechtigkeit und dem Schutz der Umwelt erfolgt“ (ebd.).
Zukunftsorientiert hat die Verbraucherzentrale NRW „schon heute den Verbraucher von morgen im Blick“ (ebd.).
3.2
Aufgaben und Ziele
Im Folgenden werden vorrangig diejenigen Aufgaben und Ziele der Verbraucherzentrale NRW dargestellt, die auf Ratgeber bezogen werden können. Die Verbrau6
Darunter befinden sich Institutionen wie Bezirksverbände der Arbeiterwohlfahrt, Landesverbände des Deutschen Hausfrauenbundes, der Naturschutzbund Nordrhein-Westfalen oder der ver.di-Landesbezirk NRW (Verbraucherzentrale NRW 2008:48).
A. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
52
3 Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
cherzentrale NRW will „Ratsuchende“ (Verbraucherzentrale NRW 2008) informieren und „Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Umsetzung von zukunftsfähigen und verantwortungsvollen Konsum- und Lebensstilen“ (ebd.) unterstützen. Auch die Zielgruppe wird benannt: Die Beratungs- und Informationsangebote werden allen Menschen zugänglich gemacht, wobei sowohl deren finanzielle Möglichkeiten als auch persönliche Einschränkungen berücksichtigt werden. Ebenso engagiert sie sich nach eigener Aussage stark für „Verbraucherinnen und Verbraucher, die wirtschaftlich oder in ihrer Bildung benachteiligt sind“ (ebd.). Bildungsaufgaben werden den Bildungseinrichtungen zugesprochen. Hier sollen Kompetenzen, welche „für die Wahrnehmung der Rolle als Verbraucher“ (Verbraucherzentrale NRW 2008) notwendig sind, vermittelt werden. Dabei wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die Entscheidungs- und Handlungskompetenzen von bildungsbenachteiligten jungen Verbraucherinnen und Verbrauchern verbessert werden sollen (ebd.). Die Verbraucherzentrale NRW verfügt über eine spezielle Gruppe ,Ernährung‘ mit unter anderem folgenden Arbeitsschwerpunkten: Essen und Trinken in der Schule und für Senioren, Nahrungsergänzungsmittel, Marktchecks zur Kennzeichnung von Lebensmitteln. Sie führt Multiplikatorenschulungen und Bildungsangebote für Kindertagesstätten und Schulen durch und betreut die „Gewicht im Griff“-Kurse für übergewichtige Erwachsene (siehe Kapitel 5.5.1). Zusätzlich befasst sie sich mit den Themen Lebensmittelrecht, Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität (Verbraucherzentrale NRW o. J.:3). Sie setzt sich unter anderem folgende Ziele: „Transparenz schaffen in einem unüberschaubaren und von Innovationen geprägten Lebensmittelmarkt (…); Orientierungshilfen geben in diesem unübersichtlichen Markt und damit Verunsicherung abbauen; Informieren und Beraten über gesundheitsfördernde Ernährung und nachhaltig erzeugte Lebensmittel“ (Verbraucherzentrale NRW o. J.:3).
3.3
Das Ratgeberangebot der Verbraucherzentrale NRW
Neben Veranstaltungen für Multiplikatoren, Vorträgen und Beratungen von Endverbraucherinnen und der Konzeption von Ausstellungen und Unterrichtsmaterialien stellt die Publikation von Ratgeberbüchern einen zentralen Bereich der Arbeit der Verbraucherzentrale NRW dar. Als einzige der Verbraucherzentralen verfügt sie über einen eigenen Verlag: „Das Verlagsprogramm der Verbraucherzentrale NRW umfasst etwa 140 Titel. Die Ratgeber werden zum Teil in Kooperation mit der Stiftung Warentest, mit Rundfunkanstalten, Verbänden oder Kammern herausgegeben. Jährlich werden über 300.000 Ratgeber (…) verkauft, im Direktvertrieb an Endkunden, (…) und seit 2004 auch über den Buchhandel (…) [sie] informieren über wichtige
3.3 Das Ratgeberangebot der Verbraucherzentrale NRW
53
Verbraucheranliegen und geben verständlich und kompetent Hilfe zur Selbsthilfe.“ (Verbraucherzentrale NRW 2008). Zum Zeitpunkt der Recherche waren 15 Ratgeber erhältlich, die sich mit Lebensmitteln und Ernährung befassen (Verbraucherzentrale NRW 2008). Die Themen der Ernährungsratgeber ergeben „sich unter anderem aus aktuellen Entwicklungen und immer wiederkehrenden Verbraucherfragen“ (Verbraucherzentrale NRW o. J.:45) und gehören zu den „kontinuierlich gut verkauften Ratgebern“ (ebd.). Sie eignen sich zur „Wissensvertiefung“ (ebd.). Die fachliche Betreuung übernehmen die Mitarbeiterinnen der Gruppe Ernährung (Verbraucherzentrale NRW o. J.:45). Nach eigenen Aussagen werden die Ratgeber vor allem von der „Mittelschicht“ (Berzins 2008a) angenommen. Gegenwärtig ist kein Ratgeber in ausländischer Sprache erhältlich (Verbraucherzentrale NRW 2008). Derzeit befasst sich die Verbraucherzentrale NRW mit einer konzeptionellen Überarbeitung der Ernährungsratgeber, zu der auch eine Überprüfung der aktuellen Ernährungstitel auf ihre zeitgemäße Relevanz gehört (Berzins 2008a).
4
Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
4.1
Einführung
Im Folgenden wird das methodische Vorgehen vorgestellt, mit dessen Hilfe das Vorkommen der in Kapitel 1 dargestellten Kernaussagen der Debatte in speziellen Medien der Ernährungskommunikation überprüft werden soll. Als Untersuchungsinstrument wird die qualitative Inhaltsanalyse gewählt, weil sich dieses Verfahren besonders gut dafür eignet, Textzusammenhänge zu erkennen. Nach einer kurzen Vorstellung allgemeiner Grundlagen der qualitativen Inhaltsanalyse sowie deren Phasen (vgl. Kapitel 4.2) erfolgt ab Kapitel 4.3 die Darstellung der Inhaltsanalyse ausgewählter Ratgeber der Verbraucherzentrale NRW.
4.2
Grundlagen der qualitativen Inhaltsanalyse
4.2.1
Einführung
Die Inhaltsanalyse ist eine vorrangig kommunikationswissenschaftliche Technik. Ihre Entwicklung begann in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts mit der Untersuchung US-amerikanischer Massenmedien (Mayring 2002:114). Mayring definiert Inhaltsanalyse folgendermaßen: „Inhaltsanalyse will (…) fixierte Kommunikation analysieren, dabei (…) regelgeleitet (…) und theoriegeleitet vorgehen, mit dem Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen“ (Mayring 2007:13).
Aus einer anfangs rein quantitativen Untersuchungstechnik entwickelte sich die qualitative Inhaltsanalyse (Ritsert 1972), diese will „Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet“ (Mayring 2002:115). Als Begründer gilt Siegfried Kracauer (ebd. 114). Die Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein von Texten, die unter einer Fragestellung und auf der Basis eines theoretischen Entwurfs inhaltsanalytisch untersucht werden sollen (Ritsert 1972:45, Schnell et al. 2005:407). Mayring unterscheidet verschiedene grundlegende Techniken der qualitativen Inhaltsanalyse: • Einbettung des Materials in den Kommunikationszusammenhang: Der Text wird immer innerhalb seines Kontextes interpretiert, auch das Material wird auf seine Entstehung und Wirkung hin untersucht. A. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
56
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
• Systematisches, regelgeleitetes Vorgehen: Dazu gehört die Orientierung an vorab festgelegten Regeln. Jeder Analyseschritt und jede Entscheidung im Auswertungsprozess muss auf eine begründete und getestete Regel zurückgeführt werden können. • Die Kategorien stehen im Zentrum der Analyse, wobei besonders auf die Kategorienkonstruktion und -begründung geachtet werden soll. Dadurch soll die Analyse für Dritte nachvollziehbar sein. • Gegenstandsbezug statt Technik: Trotz der Regelgeleitetheit steht nicht das Verfahren, sondern das Material im Vordergrund. • Durchführung eines Pretests zur Überprüfung und Verbesserung der spezifischen Instrumente. • Theoriegeleitetheit der Analyse: Der Stand der Forschung zum Gegenstand und vergleichbaren Gegenstandsbereichen wird systematisch bei allen Verfahrensentscheidungen herangezogen. • Beachtung der Gütekriterien Objektivität, Reliabilität, Validität (Mayring 2007:42f.). In der vorliegenden Analyse wurden zwei inhaltsanalytische Grundtechniken verwandt, die im Folgenden kurz charakterisiert werden sollen: In der Frequenzanalyse, auch Häufigkeitsanalyse genannt, wird die Häufigkeit von Textelementen bestimmter Kategorien eines Schemas festgestellt und gegebenenfalls mit der Häufigkeit anderer Elemente verglichen (Ritsert 1972:17, Mayring 2007:13). Die Kontingenzanalyse untersucht „das Auftreten bestimmter sprachlicher Elemente im Zusammenhang mit anderen Begriffen“ (Schnell et al. 2005:408), also ob sie auf irgendeine Art miteinander verbunden sind. Ritsert (1972) weist darauf hin, dass oft der Zusammenhang einzelner Textbestandteile die Richtung des gesamten Textes bestimmt (20). Das allgemeine Vorgehen bei einer Kontingenzanalyse beschreibt Mayring (2007) folgendermaßen: 1. Formulierung der Fragestellung 2. Bestimmung der Materialstichprobe 3. Festlegung und Definition der Textbestandteile, deren Kontingenz untersucht werden sollen 4. Bestimmung der Analyseeinheiten 5. Definition von Kontingenz, d. h. Aufstellen von Regeln dafür, was als Kontingenz gilt 6. Kodierung, d. h. Durcharbeiten des Materials mit Hilfe des Kategoriensystems 7. Untersuchung des gemeinsamen Auftretens der Kategorien, Bestimmung der Kontingenzen 8. Zusammenstellung und Interpretation der Kontingenzen7 (Mayring 2007:15). 7
Anmerkung: Auf die Festlegung von Kontingenzregeln wurde im Rahmen dieser Inhaltsanalyse verzichtet.
4.2 Grundlagen der qualitativen Inhaltsanalyse
57
Mayring unterscheidet neben den unterschiedlichen Verfahren drei Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse: Bei der Zusammenfassung wird das Material so reduziert, dass wesentliche Inhalte erhalten bleiben und sich ein Abbild des Grundmaterials ergibt. Bei der Explikation werden spezielle Textteile durch zusätzliches Material erläutert oder gedeutet (Mayring 2002:115). In der vorliegenden Arbeit wird überwiegend die dritte Grundform eingesetzt: Das Ziel der Strukturierung ist es, eine bestimmte Struktur aus dem Material herausfiltern. Dazu werden alle Textbestandteile, die durch die Kategorien angesprochen werden, systematisch aus dem Material extrahiert. Mayring unterscheidet hier drei Schritte: 1. Definition der Kategorien und der dazugehörigen Textbestandteile 2. Festlegung von Ankerbeispielen, die als Beispiele für die jeweilige Kategorie gewertet werden können 3. Festlegung von Kodierregeln, die eindeutige Zuordnungen ermöglichen (Mayring 2007:82). Zusätzlich können die formale und die inhaltliche Strukturierung unterschieden werden. Das Ziel der formalen Strukturierung ist es, textgliedernde Strukturen zu ermitteln. Dabei werden in der vorliegenden Arbeit drei Kriterien unterschieden: • das syntaktische Kriterium bezieht sich auf Besonderheiten im Satzbau • das thematische Kriterium berücksichtigt die inhaltliche Gliederung und die Abfolge thematischer Blöcke • das semantische Kriterium berücksichtigt die Rekonstruktion der Beziehung einzelner Bedeutungseinheiten (Mayring 2007:85). Die inhaltliche Strukturierung hat zum Ziel, „bestimmte Themen, Inhalte oder Aspekte aus dem Material herauszufiltern und zusammenzufassen“ (Mayring 2007:89). Die Vorgehensweise entspricht der der formalen Strukturierung. Nach der Paraphrasierung wird das Material erst pro Unterkategorie, dann pro Kategorie zusammengefasst (Mayring 2007:89). Statt der Paraphrasierung wurde die Analyse der wörtlichen Zitate vorgezogen, um sprachliche Besonderheiten und Sinnzusammenhänge besser erkennen zu können. Zusätzlich kann die typisierende Strukturierung angewandt werden. Mit Hilfe dieses Verfahrens können Aussagen über ein Material getroffen werden, indem besonders markante Bedeutungsgegenstände beschrieben werden, z. B. die Beschreibung besonders extremer Ausprägungen, Textstellen von besonderem theoretischem Interesse oder besonders häufig im Material vorkommende Elemente. Von diesen werden besonders prägnante Beispiele ausgewählt, die in allen Einzelheiten beschrieben werden (Mayring 2007:90).
58 4.2.2
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
Phasen einer Inhaltsanalyse
Zunächst soll kurz der allgemeine Ablauf bzw. die Phasen einer Inhaltsanalyse nach Schnell et al. (2005) skizziert werden: 1. Festlegung der Art der zu untersuchenden Texte 2. Festlegung der Stichprobe 3. Entwicklung des Dimensionen- und Kategorienschemas Bei den Dimensionen handelt es sich um allgemeine Kategorien, die einzelne und voneinander logisch klar trennbare Aspekte der interpretationsleitenden Theorie kenntlich machen. Damit stellen sie eine erste Möglichkeit kategorialer Zusammenfassungen dar (Ritsert 1972:50). Auf Basis der sehr allgemein gehaltenen Dimensionen erfolgt die Bildung von Kategorien: Diese sollen klar auf die Dimensionen bezogen und trennscharf formuliert sein. Zusätzlich müssen Anhaltspunkte, auch Indikatoren genannt, definiert werden. Diese Indikatoren legen fest, in welche Kategorie ein Textelement fällt. Auch bei den Kategorien muss ein Bezug zur Theoriebildung erkennbar sein. Weiterhin muss geklärt werden, ob die Kategorien trennscharf oder überlappend definiert sind (Ritsert 1972:50, nach: Holsti 1969). Die Kategorien werden dabei durch das Verfahren der deduktiven Kategorienbildung bestimmt, indem sie in einem Operationalisierungsprozess vom theoretischen Vorwissen auf das Material hin entwickelt werden (Mayring 2007:74). Zusätzlich können Unterkategorien festgelegt werden (Ritsert: 1972:51). 4. Durchführung eines Pretests Der Pretest wird durchgeführt, um die Notwendigkeit neuer Dimensionen und Kategorien bzw. deren eindeutigere Abgrenzung zu erkennen (Schnell 2005:411). Der Pretest wird mit einer Teilauswahl des Materials durchgeführt. Ein Pretest kann folgende Auswirkungen haben: Die Neubestimmung des theoretischen Rahmens oder Entwicklung neuer Detailhypothesen oder ähnliches sowie die Erweiterung und Revision des Instrumentariums, insbesondere die Dimensionierung und Kategorisierung (Ritsert 1972). Das Kategoriensystem als wichtigstes Instrument der Analyse entwickelt sich mit der Durchführung des Pretests (Ritsert 1972:60). 5. Feststellung des Kategorienschemas 6. Codierung der Textelemente (Schnell et al. 2005:409f.) Mayring und andere weisen darauf hin, dass das Schema immer auf Grundlage des zu untersuchenden Materials und am genauen Untersuchungsverfahren modifiziert werden muss (Mayring 2007:43). In dem vorliegenden Schema von Schnell fehlt die Eingliederung des theoretischen Vorwissens. Aus diesem Grund wird der Inhaltsanalyse das Schema nach Ritsert (1972) zugrunde gelegt, welches im Folgenden anhand der durchgeführten
59
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
Analyse dargestellt wird. Entsprechend den individuellen Voraussetzungen wurde es entsprechend modifiziert. 4.3
Beschreibung der durchgeführten Analyse
4.3.1
Entwicklung der Fragestellung
Es kann nicht erwartet werden, dass Ernährungsratgeber als Analysematerial alle in der Debatte formulierten Kritiken und Forderungen aufnehmen oder umsetzen können. Sie sind keine Medien, in denen die Forderung nach einer institutionalisierten Ernährungsbildung laut oder die disziplinäre Vielfalt der Ernährungswissenschaften thematisiert wird. Aus diesem Grund werden aufbauend auf den Kernaussagen der Debatte (vgl. Kapitel 2.9) diejenigen Kritikpunkte zusammenfassend dargestellt, die sich in den Ratgebern wiederfinden könnten. Sie werden dafür in Schlagworte übersetzt, welche die Grundlage der Kategorisierung darstellen. Im Folgenden werden in einer Tabelle die Schlagwörter mit den dazugehörigen Kategorien abgebildet, während die Dimensionierung und Kategorisierung ausführlich in Kapitel 4.3.3 dargestellt werden. Tabelle 1: Zuordnung der Kategorien zu den entsprechenden Schlagwörtern Schlagwort
zugehörige Kategorien
Naturwissenschaftliches Forschungsparadigma
Auf welche Quellen oder Institutionen bezieht sich der Ratgeber? Welche Professionen haben an dem Ratgeber mitgewirkt?
Alleinziel Gesundheit
Wie wird Ernährung charakterisiert? Wird von Essen oder Ernährung geschrieben? In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben? In welchem Kontext werden Lebensmittel oder Lebensmittel-Gruppen beschrieben? In welchem Kontext wird der Verarbeitungsgrad beschrieben? In welchem Kontext wird die Zubereitungsart thematisiert? In welchem Kontext werden Informationen über Übergewicht und Adipositas vermittelt? Welche Aspekte werden im Zusammenhang mit Ernährungshandeln im Alltag thematisiert? Welche Aussagen werden zu politischen und institutionellen Rahmenbedingungen getroffen? Wie werden der Markt und das Marktangebot beschrieben? Wie werden Lebenssituationen allgemein beschrieben? Bebilderung (Fortsetzung auf S. 60)
60
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
Tabelle 1: Fortsetzung Schlagwort
zugehörige Kategorien
Ausblendung des Alltags
In welchem Kontext werden Informationen über Übergewicht und Adipositas vermittelt? In welchem Kontext werden Lebensmittel oder Lebensmittel-Gruppen beschrieben? In welchem Kontext wird der Verarbeitungsgrad beschrieben? In welchem Kontext wird die Zubereitungsart thematisiert? Welche Aspekte werden im Zusammenhang mit Ernährungshandeln im Alltag thematisiert? Wie werden der Markt und das Marktangebot beschrieben? Welche Aspekte wurden bei der Auswahl der Rezepte berücksichtigt? Nach welchen Aspekten kann auf sie zugegriffen werden?
Störfaktor Kultur
In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben? In welchem Kontext werden Lebensmittel oder Lebensmittel-Gruppen beschrieben? Wird von Essen oder Ernährung geschrieben? Welche Aussagen werden zu gesellschaftlichen Traditionen und Verhältnissen getroffen? Welche Aussagen werden zu individuellen Gewohnheiten getroffen? Wie wird die Zielgruppe beschrieben? Wie werden Lebenssituationen allgemein beschrieben? Bebilderung
Realitätsfernes Verbraucherbild
Welche Aussagen werden zu individuellen Gewohnheiten getroffen? Welche Aussagen werden zu politischen und institutionellen Rahmenbedingungen getroffen? Wie wird die Zielgruppe beschrieben? Wie werden Lebenssituationen allgemein beschrieben? Welche Informationen werden über sie (Herausgeber und Autorinnen) geliefert? Sprache
WissensÜbergreifend; betrifft alle Kategorien vermittlung statt Handlungsempfehlungen
4.3.2
Bestimmung des Textmaterials
Untersucht werden ausgewählte Ratgeber aus dem Ernährungsbereich der Verbraucherzentrale NRW. Derzeit werden im Themenbereich ,Ernährung‘ 15 Ratgeber angeboten. Daraus wurden diejenigen zur Analyse ausgewählt, die einen gewissen
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
61
Grad an Sachinformationen enthalten und somit einen Informations- und Beratungscharakter aufweisen.8 Sie befassen sich mit Ernährung in bestimmten Lebenssituationen bzw. stellen eine bestimmte Ernährungsweise vor. Untersucht werden die aktuellen Auflagen der Ratgeber der Verbraucherzentrale NRW, die zu Beginn der Analyse im August 2008 bei den Verbraucherzentralen oder im Buchhandel erhältlich waren. Eine Tabelle im Anhang stellt allgemeine Informationen über die ausgewählten Ratgeber dar. 4.3.3
Dimensionierung und Kategorienbildung
Einige grundlegende Bemerkungen beziehen sich allgemein auf die Festlegung der Kategorien und werden deswegen an dieser Stelle erläutert. Bei der Kategorisierung wird nicht zwischen Kritik und Forderungen unterschieden, da diese zwei Seiten einer Medaille entsprechen. Platzierung der Äußerungen In der Interpretation werden Aussagen nicht nur aufgrund der Einteilung in die verschiedenen Kategorien ver- und bewertet, sondern auch in Bezug auf die Platzierung im Ratgeber. Aussagen aus der Einleitung wird so unter Umständen mehr Gewicht zugemessen, da unterstellt wird, dass dem Herausgeber aus bestimmten Gründen wichtig war, dass sie sich an dieser exponierten Stelle befinden. Es geht dabei aber nicht darum, die Intention der Herausgeber oder Verfasserinnen zu ergründen: Vielmehr soll herausgestellt werden, wie es auf die Zielgruppe wirken kann, wenn das erste Kapitel eines Ratgeber mit den Worten „Herzlichen Glückwunsch!“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:10) beginnt oder hauptsächlich von den Gefahren handelt, die Kindern über ihre Ernährung drohen („Gesunde Ernährung von Anfang an“:5). Sonderfall Handlungsempfehlungen Für die Handlungsempfehlungen wurde zunächst eine eigene Kategorie verfasst. Während der Analyse wurde jedoch deutlich, dass der größte Teil der Sachinformationen sofort in Form von Handlungsempfehlungen präsentiert wird. Eine separate Kategorie dafür hätte somit eine unnötige Doppelung mit sich gebracht. Aus diesem Grund wurden Handlungsempfehlungen aller Art mit dem Fortschreiten der Analy8
Die nicht ausgewählten Ratgeber stellen entweder reine Kochbücher dar oder befassen sich nicht übergreifend mit Ernährung, sondern mit einem einzelnen Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmitteln, Zusatzstoffen oder Schlankheitsmitteln.
62
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
se in die Kategorien ihrer Inhalte integriert. Bei der Auswertung soll dann insbesondere darauf geachtet werden, wie sie präsentiert werden: Haben sie eher den Charakter einer Empfehlung, einer Warnung oder eines Verbots? Werden verschiedene Alternativen vorgeschlagen? Überlappung der Kategorien Die Kategorien sind überlappend formuliert, da viele der Aussagen mehreren Kategorien zufallen können. Zudem sind viele Aussagen doppelt einsortiert. Dies ist dann der Fall, wenn Satzteile in unterschiedliche Kategorien fallen, der Satz aber aufgrund des besseren Verständnisses komplett übernommen wurde. Vorstrukturierung Einige der Kategorien sind im Analyseraster weiter untergliedert, so erfolgt zum Beispiel in der Kategorie ,In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben?‘ eine Unterteilung in die Aspekte ,physiologische Funktion/Energiegehalt‘, ,Lebensmittel‘, ,Gerichte oder Mahlzeiten‘ und ,Wohlbefinden allgemein‘. Diese Einteilungen haben nur vorstrukturierenden Charakter. In der Auswertung der Kategorien werden die Aussagen möglicherweise neu und individuell strukturiert. 4.3.4
Durchführung der Kategorisierung
Die Kategorisierung der Aussagen erfolgte in drei Schritten: Zunächst wurden die Aussagen in der Printversion der Ratgeber durch farbige Markierungen vorläufig kategorisiert. In einem zweiten Schritt wurden die farbig markierten Aussagen in ein Analyseraster übertragen. Dabei wurde geprüft, inwieweit die Zuordnungen zutreffen, und gegebenenfalls korrigiert. Weiterhin wurden Aussagen, die bspw. mit der Farbe mittelblau für ,Nährstoffe‘9 gekennzeichnet wurden, in diesem Schritt Unterkategorien zugeordnet, zum Beispiel zu ,physiologischer Funktion/Energiegehalt‘ oder ,Lebensmitteln‘. Für die Interpretation wurden die ausgewählten Aussagen zu besseren Lesbarkeit in ein Word-Dokument kopiert und darin die Zuordnung ein letztes Mal überprüft. Abschließend wurde diese (korrigierte) Version wieder in das Analyseraster kopiert, das als Grundlage für die Interpretation genutzt wurde. Für die Analyse werden auf Basis der Darstellung der Debatte um das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘ (vgl. Kap. 1) Dimensionen und Kategorien festgelegt, die im Folgenden näher erläutert und im Regelfall durch Beispiele verdeutlicht werden. 9
entsprechend der Kategorie ,In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben?‘
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
63
Dimension ,Formale Struktur‘ Innerhalb dieser Dimension werden alle formalen Elemente der Ratgeber untersucht. Es soll ermittelt werden, welche formalen Mittel verwandt werden, um die Zielgruppe zu erreichen. Folgende übergreifende Fragen beeinflussten dabei die Kategorienbildung: Muss der Ratgeber komplett von Anfang bis Ende gelesen werden, oder ist es möglich, gezielt auf bestimmte Inhalte zuzugreifen? Welche unterschiedlichen formalen Mittel werden genutzt, die der Zielgruppe Zugang zu den Inhalten ermöglichen? In der Interpretation soll auf Basis der Kategorien dieser Dimension eine Einschätzung darüber getroffen werden, wie harmonisch das Layout insgesamt wirkt. Die Dimension ,Formale Struktur‘ wird in folgende Kategorien unterteilt: 䊏 Kategorie ,Cover‘
Mit der deskriptiven Kategorie Cover soll ermittelt werden, welche Informationen die Zielgruppe über das Cover erhält. • Unterkategorie: ,Auf was nimmt das Titelbild Bezug?‘ • Beispiel 1: Das Titelbild von „Bärenstarke Kinderkost“ ist durch eine farbige Zeichnung illustriert. Ein Junge, ein Mädchen und der „KIKO-Bär“, das RatgeberMaskottchen, befinden sich in einem Heißluftballon. In Körben fungieren Obst und Gemüse als Gewichte, die Ballonhülle erinnert an eine überdimensionale Paprika. Das Titelbild nimmt damit Bezug zum Titel: Die Themen sind Kinder und Ernährung. Diese Ernährung ermöglicht den Kindern das Fliegen, sie macht sie ,bärenstark‘. • Beispiel 2: Das Titelbild von „Gesunde Ernährung von Anfang an“ zeigt ein Bündel gesäuberter Karotten und hat ebenfalls einen direkten Bezug zum Titel: Es geht um ,gesunde Ernährung‘. • Unterkategorie: ,Auf was nimmt der Titel Bezug?‘ • Beispiel 1: Der Titel „Gesunde Ernährung von Anfang an. Stillen, Säuglingsnahrung, Breie, Gläschenkost“ legt den Schwerpunkt auf die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern. • Beispiel 2: Der Slogan „Gewicht im Griff“ nimmt Bezug auf den Inhalt des Ratgebers: Es geht um den Umgang mit Gewicht. Ziel des Programms scheint es nicht zu sein, gesund zu sein oder schlank zu sein, sondern sich zu wohl zu fühlen. Dies wird im Text mit der Verwendung des Begriffes ,Wohlfühlgewicht‘ bekräftigt. • Unterkategorie: ,Welche Informationen erhalten die Leserinnen und Leser?‘ • Beispiel: Das Cover des Ratgebers „Vollwertküche“ liefert Informationen über Herausgeber, Inhalt und Preis.
64
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
䊏 Kategorie ,Umfang und Aufbau‘
Mit dieser deskriptiven Kategorie soll ermittelt werden, inwieweit der Aufbau zur Struktur und zur Lesbarkeit des Buches beiträgt. • Unterkategorie ,Welchen Umfang hat der Ratgeber?‘ • Der Umfang wird inklusive Anhang und Register, aber abzüglich des Inhaltsverzeichnisses angegeben. • Unterkategorie ,Wie ist der Aufbau des Ratgebers?‘ • Bei dieser Unterkategorie geht es um die grobe Strukturierung des Ratgebers. Interpretationsleitende Fragen sind hierbei: Ist der Ratgeber in Kapitel oder Teile unterteilt? Gibt es besondere Kapitel oder Teile, zum Beispiel ein Rezeptkapitel? Gibt es eine Kapiteleinführung oder eine Übersicht über die Kapitelinhalte? Wie sind die Kapitel erkennbar, gekennzeichnet, voneinander abgetrennt? Wie ist das Textbild: einspaltig, zweispaltig, eingerückt? Großzügig oder eng? • Anmerkung: Diese Unterkategorie wie auch die Kategorie ,Feinstruktur‘ entwickelte sich sehr stark mit der Analyse. Zwar wurden zu Beginn bestimmte Merkmale festgelegt, auf die bei der Analyse geachtet werden sollte, mit jedem Ratgeber wurden allerdings dort vorkommende Merkmale in die Analyse mit aufgenommen. Schon analysierte Ratgeber wurden daraufhin erneut durchgesehen. 䊏 Kategorie ,Feinstruktur‘
Eine kleinteilige Strukturierung ermöglicht es dem Leser, gezielt auf bestimmte Informationen oder Abschnitte zuzugreifen. Er kann sich so individuell Informationen aneignen. Zudem soll ermittelt werden, ob Sachinformationen nur über das Lesen des Fließtextes angeeignet werden können oder auch in Tabellen, Kästen, Graphiken oder ähnlichem aufbereitet sind. Bieten diese Elemente Zusatzinformationen oder stellen sie eine andere Möglichkeit dar, die Inhalte des Buches aufzunehmen? Gibt es ein Glossar oder ein Register? Übergreifende Fragen sind hierbei: • Gibt es weitere Strukturierungen durch Unterkapitel oder Absätze mit oder ohne Zwischenüberschriften? Wie werden Kapitel voneinander abgegrenzt? • Welche Elemente sind in den Text eingefügt: Illustrationen, Schaubilder, Graphiken, Zahlentabellen, Texttabellen, Kästen, Balken, Marginalien? • Wie oft wird der Fließtext unterbrochen? Wirken die Illustrationen strukturierend (zum Beispiel zu Beginn eines Kapitels)? • Wird Farbe als Strukturelement eingesetzt? • Mit welchen formalen Gestaltungsmöglichkeiten werden die Inhalte aufbereitet? Anmerkung: Diese Fragen sind nicht automatisch Bestandteil des Rasters. Die strukturierenden Elemente werden je nach Vorkommen in das Raster eingetragen, zum
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
65
Beispiel „Kapitel haben farbige Marker, wirken strukturierend“ bei „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ oder „110 Kästen im Rezeptteil (fast zu jedem Rezept ein Kasten mit Tipp)“ bei „Vollwertküche“. 䊏 Kategorie ,Bebilderung‘
Mit dieser Kategorie soll ermittelt werden, welche dekorativen Elemente die Ratgeber aufweisen, wobei folgende Aspekte in die Analyse mit einbezogen wurden: Welche Inhalte oder Botschaften transportieren diese Bildelemente? Weiterhin wurde auf Merkmale wie Menge, Farbe, Art, Größe geachtet. Da diese Kategorie auch Informationen zur Berücksichtigung einer gendersensiblen Gestaltung liefert, werden in der Interpretation Erkenntnisse aus der Kategorie ,Illustration und Bebilderung‘ mit denen aus der Dimension ,Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung‘ verknüpft. Anmerkung: Diese Kategorie wurde aufgrund des großen Umfangs der Antworten nach dem Pretest aus dem Analyseraster entfernt. Stattdessen wurde jeder Ratgeber getrennt in einer Word-Tabelle analysiert und abschließend der Vollständigkeit halber in das Analyseraster kopiert. 䊏 Kategorie ,Sprache‘
Mit der Kategorie ,Sprache‘ sollen Informationen über die Alltagsnähe der Informationen gewonnen werden, z. B. ob Sachinformationen in Alltagssprache übersetzt werden oder eine alltagsferne Fachsprache bevorzugt wird. • Unterkategorie ,Wie ist das Sprachniveau?‘ • Wird überwiegend Alltags- oder Fachsprache verwandt? • Beispiel 1: „Das eine ist schon ein großer Schnibbler, während das andere noch hingerissen im Quark herumrührt“ (Alltagssprache in „Mahlzeit, Kinder!“:39). • Beispiel 2: „Kohlenhydrate haben hauptsächlich die Aufgabe, den Körper mit Energie zu versorgen“ (Alltagssprache in „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:35). • Unterkategorie ,Wie werden Fachbegriffe verwendet?‘ • Beispiel 1: „Eiweiß, auch Protein genannt, ist ein wichtiger Baustein aller menschlicher Zellen“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:34). • Hier wird der Fachbegriff im Satz erläutert. • Beispiel 2: „Gestose ist eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung der werdenden Mutter“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:67). • Hier wird der Fachbegriff nicht im Fließtext, sondern in einem separaten Kasten erwähnt und erläutert.
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4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
• Unterkategorie: ,Sprachliche Besonderheiten‘ • Diese Unterkategorie soll Raum bieten für alle sprachlichen Besonderheiten der Ratgeber, zum Beispiel häufige Metaphern, Fragen, Ausrufe oder in irgendeiner Weise bemerkenswerte Formulierungen. • Beispiel 1: „Kinderärzte halten dies für die einzig wirkungsvolle Methode, damit ,kleine Säufer‘ (…) wieder von den Kariesmachern wegkommen“ („Gesunde Ernährung von Anfang an“:31). • Beispiel 2: „Reiner Zucker (…) wird schnell verdaut und gelangt überfallartig ins Blut“ („Bärenstarke Kinderkost“:49). • Unterkategorie ,Welche Personenbezeichnungen werden verwandt?‘ • Diese Unterkategorie wird in der Interpretation der Dimension ,Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung‘ mitberücksichtigt. • Beispiel 1: „Der Chef des Haushaltsgeldes (…) wer bezahlt, darf auch bestimmen“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:91). • Beispiel 2: „Manche Leute kommen auch mit einer Brotbackmaschine gut zurecht“ („Mahlzeit, Kinder“:66). Dimension ,Beschreibung von Ernährung‘ 䊏 Kategorie ,Wie wird Ernährung charakterisiert?‘
Diese Kategorie soll aufzeigen, welche Aspekte von Ernährung thematisiert werden und damit auch, ob Ernährung eher allgemein auf Gesundheit bezogen oder mehrdimensional betrachtet wird. Hierbei werden vor Beginn der Analyse folgende Zusammenhänge angenommen: ,Gesundheit‘, ,Schlankheit/Fitness‘, ,Geschmack‘, ,Wohlbefinden (allgemein)‘, ,Ökologie‘, ,Lebensmittel‘, ,Nährstoffe‘, ,Mahlzeiten‘ und ,weitere‘. Beispiel 1: „Eltern haben es heutzutage schon schwer, ihre Kinder richtig und gut, also gesund und lecker zu ernähren“ („Bärenstarke Kinderkost“:4). Diese Aussage stellt Ernährung im Kontext mit Gesundheit und Geschmack dar. Beispiel 2: „Gesunde Ernährung wird so zum Nebenprodukt gemütlicher Gespräche“ („Mahlzeit, Kinder!“:7). Die Aussage stellt Ernährung im Kontext mit Gesundheit und allgemeinem Wohlbefinden dar und nimmt gleichzeitig eine Gewichtung vor: Die gesunde Ernährung ist nur ein Nebenprodukt, der Fokus wird auf das Unterhalten in angenehmer Atmosphäre gelegt. 䊏 Kategorie ,Wird von Essen oder Ernährung geschrieben?‘
Mit dieser Kategorie soll ermittelt werden, in welchem Verhältnis und in welchem Zusammenhang die beiden Begriffe verwandt werden. Darauf aufbauend kann eine
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
67
Hypothese formuliert werden, ob überwiegend das ,Naturthema Ernährung‘ und damit die ,Vernunftebene‘ oder das ,Kulturthema Essen‘ und somit eher die ,Genussebene‘ angesprochen werden. Beispiel 1: „Es liegt in Ihrer Verantwortung und ihrer Hand, den Geschmack Ihrer Kinder auf eine gesunde und leckere Ernährung zu lenken“ („Bärenstarke Kinderkost“: 4) für die Ansprache der ,Vernunftebene‘. Beispiel 2: „Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers und essen Sie das, worauf Sie Appetit haben“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:31) für die Ansprache der ,Genussebene‘. Dimension ,Beschreibung von Sachinformationen‘ Mit dieser Dimension soll ermittelt werden, welcher wissenschaftlichen Fachrichtung die vermittelten Sachinformationen entstammen, bspw. der Ernährungswissenschaft, Psychologie oder Medizin; in welchem Kontext die jeweiligen Sachinformationen beschrieben werden und wie abstrakt bzw. alltagsnah die vermittelten Sachinformationen sind. 䊏 Kategorie ,In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben?‘
Mit dieser Kategorie soll ermittelt werden, inwieweit Sachinformationen über die Nährstoffebene vermittelt werden und welche Zusammenhänge dabei hergestellt werden. Innerhalb dieser Kategorie werden aus Gründen der Übersichtlichkeit auch Aussagen über Zusatzstoffe oder Schadstoffe erfasst, diese werden aber separat ausgewertet. Dazu werden folgende Unterkategorien gebildet: ,physiologische Funktion/Energiegehalt‘, ,Lebensmittel‘, ,Gerichte/Mahlzeiten‘ und ,Wohlbefinden allgemein‘. Beispiel 1: „(…) erhalten Kinder zu wenig Calcium, das ein wichtiger Baustein für Knochen und Zähne ist und hauptsächlich in Milch und Milchprodukten enthalten ist“ („Bärenstarke Kinderkost“:12). In diesem Zitat wird die physiologische Wirkung von Calcium angesprochen und ein Bezug zu einer bestimmten Lebensmittelgruppe hergestellt. Beispiel 2: „Einfache Kohlehydrate wie Zucker sind leicht verdaulich, gehen schnell ins Blut“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:36). Hier werden Kohlehydrate in Zusammenhang mit ihrer physiologischen Wirkung dargestellt. 䊏 Kategorie ,In welchem Kontext werden Lebensmittel oder Lebensmittel-Gruppen
beschrieben?‘ Sachinformationen über Lebensmittel werden auf folgende Zusammenhänge untersucht: ,Physiologische Funktion/Energie- oder Nährstoffgehalt‘, ,Kocheigenschaf-
68
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
ten‘, ,Gerichte/Mahlzeiten‘, ,Aspekte des Ernährungsalltags‘ und ,Geschmack und Gewohnheiten‘. Beispiel 1: Mit der Aussage „der Champignon kann neben anderen Vitaminen mit dem Vitamin B12 aufwarten“ („Mahlzeit, Kinder!“:51) wird eine Verbindung zum Nährstoffgehalt hergestellt. Beispiel 2: Die Aussage „Brot eignet sich hervorragend zum Einfrieren (…) wenn es direkt nach dem Kauf und in Tiefkühl-Folie in den Tiefkühlschrank kommt, schmeckt es nach dem Auftauen wie frisch vom Bäcker“ („Mahlzeit, Kinder!“:69) setzt Brot in Verbindung mit Vorratshaltung und Zeitersparnis. 䊏 Kategorie ,In welchem Kontext wird der Verarbeitungsgrad beschrieben?‘
Ähnlich der vorangegangenen Kategorien soll diese bei der Klärung helfen, wie umfassend der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln thematisiert wird. Dazu werden zunächst folgende Unterkategorien gebildet: ,Physiologische Funktion/Energie- oder Nährstoffgehalt‘, ,Zeit‘, ,Umwelt‘, ,Gesundheit‘, ,Geld‘ und ,Geschmack‘. Beispiel 1: Die Aussage „das größte Manko ist der enorme Fettgehalt der Gerichte“ („Mahlzeit, Kinder!“:34) stellt den Energiegehalt von Essen von Bringdiensten in den Vordergrund. Beispiel 2: „Einzelne Zutaten als TK oder Konserve zu besorgen (…) oder auch schon mal auf das vorhandene Angebot an Vollwert-Fertiggerichten im Handel zurückzugreifen, hilft, Zeit zu sparen und sich die Arbeit zu erleichtern“ („Bärenstarke Kinderkost“:70). Die Aussage stellt die mögliche Zeitersparnis durch die Verwendung verarbeiteter Produkte in den Vordergrund. 䊏 Kategorie: ,In welchem Kontext wird die Zubereitungsart thematisiert?‘
Für diese Kategorie werden keine Unterkategorien gebildet, da der Pretest ergab, dass die Thematisierung der Zubereitungsart eine untergeordnete Rolle spielt. Beispiel 1: „Beim Garen als Pellkartoffeln bleiben die Inhaltsstoffe weitgehend erhalten“ („Bärenstarke Kinderkost“: 24). Die Zubereitungsart wird hier mit dem Nährstoffgehalt in Verbindung gebracht. Beispiel 2: „Kann man durch Schmoren, Grillen (…) appetitanregende Geruchsund Geschmacksstoffe (…) erzeugen“ („Vollwertküche“:39). Dieses Zitat stellt die Zubereitungsarten im Kontext mit Geschmack dar. Zwischenbemerkung Die ersten fünf Ratgeber konnten erschöpfend mit den genannten Kategorien beschrieben werden. Aufgrund der völlig anders gewichteten Sachinformationen in
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
69
„Wie Ihr Kind abnehmen kann“ wurde mit dessen Analyse die Kategorie ,In welchem Kontext werden Informationen über Übergewicht/Adipositas vermittelt?‘ eingeführt. Die in dieser Dimension formulierten Unterkategorien wurden mit dem Ziel der Vorstrukturierung entwickelt, im Rahmen der Analyse und Interpretation konnte diese vorläufige Einteilung noch verändert und verfeinert werden. 䊏 Kategorie ,In welchem Kontext werden Informationen über Übergewicht und
Adipositas vermittelt?‘ Diese Kategorie wird in folgende Unterkategorien eingeteilt: ,Ernährung‘, ,Lebensmittel/Mahlzeiten‘, ,Bewegung‘, ,Gewohnheiten‘ sowie ,weitere‘. Beispiel 1: „WAS wir und unsere Kinder tatsächlich essen, wird geprägt durch eine Vielzahl von Faktoren. Die kulturelle Herkunft, die familiären und regionalen Traditionen, die Erfahrungen in der Kindheit, (…) der finanzielle Rahmen (…) sind an dieser Prägung beteiligt“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:57) als Beispiel für ,weitere‘. Beispiel 2: „Wer sich mehr bewegt, verbraucht auch mehr Energie (…) dabei ist zu berücksichtigen, dass einmal pro Woche Sport weniger bringt als regelmäßige tägliche Bewegung in Form von Alltags- und Freizeitaktivitäten“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:156) als Beispiel für ,Bewegung‘. 䊏 Kategorie ,Auf welche Quellen und Institutionen bezieht sich der Ratgeber?‘
Mit dieser Kategorie soll ermittelt werden, auf welche Institutionen sich die Verbraucherzentrale beruft und auch, welchen Disziplinen diese Institutionen angehören. Werden nur naturwissenschaftlich geprägte Quellen genutzt? Beispiel 1: „Sowohl die internationale Slow Food-Bewegung als auch die Palette der neuen Genuss-Literatur scheinen diese These zu stützen“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:26). Beispiel 2: „Nach einer Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts steht lediglich für 7 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Platz in einer Krippe zur Verfügung“ („Mahlzeit, Kinder!“ :11). 䊏 Kategorie: ,Welche Aspekte werden im Zusammenhang mit Ernährungshandeln
im Alltag thematisiert?‘ Mit dieser Kategorie soll ermittelt werden, inwieweit der Ernährungsalltag berücksichtigt wird, zum Beispiel welche Aspekte außer Gesundheitsmotiven Ernährungshandeln und Entscheidungen im Alltag beeinflussen. Dabei werden folgende Unterkategorien unterschieden: ,Zeit‘, ,Umwelt‘, ,Geld‘, ,Praktische Fertigkeiten und Kompetenzen allgemein‘.
70
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
Beispiel 1: „Rechtzeitiges Schlafengehen am Abend und pünktliches Aufstehen sind wichtige Voraussetzungen, um in Ruhe frühstücken zu können“ („Bärenstarke Kinderkost“ :37) als Beispiel für ,Zeit‘. Beispiel 2: „Aber wie sollen Kinder jemals lernen, damit umzugehen, wenn sie nicht von kleinauf behutsam angeleitet werden?“ („Mahlzeit, Kinder!“:39) Diese Aussage steht im Zusammenhang mit Kochkompetenzen und wird als Beispiel für die Unterkategorie ,Praktische Fertigkeiten und Kompetenzen allgemein‘ angeführt. Dimension ,Beschreibung von Rahmenbedingungen‘ Mit Hilfe dieser Dimension soll ermittelt werden, ob Ernährung eher als ,Privatsache‘ betrachtet wird oder als Thema, das von vielen äußeren Einflüssen mitbestimmt wird. Wie werden politische und institutionelle Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Verhältnisse und das Marktangebot thematisiert? Welche Möglichkeiten und Probleme von Rahmenbedingungen werden angesprochen? 䊏 Kategorie ,Welche Aussagen werden zu politischen und institutionellen Rahmen-
bedingungen getroffen?‘ Beispiel 1: „Suchen Sie sich auf dem Elternabend, durch einen Aushang oder einen Brief andere Eltern (…) sprechen Sie mit den Lehrkräften, ob Ihr Anliegen auch in anderen Klassen bekannt gemacht werden kann“ („Mahlzeit, Kinder!“: 21). Beispiel 2: „In der Trinkwasserverordnung sind strenge Schadstoff-Grenzwerte für Trinkwasser festgelegt“ („Gesunde Ernährung von Anfang an“ :22). 䊏 Kategorie ,Wie werden der Markt und das Marktangebot beschrieben?‘
Beispiel 1: „Wer per Postkarte sein weiteres Interesse an Gratisproben bekundet, wird von der Industrie bei jedem Entwicklungsschritt des Babys mit Instant-Brei oder Gläserkost versorgt. Damit verfolgen die Hersteller leider nicht die löbliche Absicht, den schmalen Etat junger Familien zu entlasten, sondern sie möchten die Eltern möglichst früh zum Zufüttern bewegen“ („Gesunde Ernährung von Anfang an“:7). Diese Aussage weist auf die ,Gefahren‘ hin, die der Markt für unerfahrene Konsumenten bietet. Beispiel 2: „Die geänderten Ladenöffnungszeiten machen es möglich: Der Großeinkauf am Samstag gehört der Vergangenheit an“ („Mahlzeit, Kinder!“:43). Diese Aussage stellt die Ressourcen, die der Markt im Ernährungsalltag bietet, in den Vordergrund.
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
71
Dimension ,Beschreibung von Gewohnheiten‘ Mit Hilfe dieser Dimension soll die Thematisierung von Konventionen und Gewohnheiten betrachtet werden. Werden sie bei der Vermittlung von Sachinformationen berücksichtigt? Werden sie bewertet? Bei dieser Dimension kann eine Überlappung mit der Dimension ,Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung‘ auftreten. 䊏 Kategorie ,Welche Aussagen werden zu gesellschaftlichen Traditionen und Ver-
hältnissen getroffen?‘ Beispiel 1: „Ausgegeben wird dieses Geld sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen vor allem für Süßigkeiten, Eis und Getränke“ („Bärenstarke Kinderkost“:11). Beispiel 2: „Obwohl 98% aller Mütter voll stillen könnten, wird auch heute noch häufig Flaschennahrung zugefüttert“ („Gesunde Ernährung von Anfang an“:98). 䊏 Kategorie ,Welche Aussagen werden zu individuellen Gewohnheiten getroffen?‘
Beispiel 1: „(…) so haben Sie damit Ihre Stärken entdeckt. Liegen diese besonders beim Einkauf (…) sind hervorragende Ausgangsvoraussetzungen gegeben, die ein Dauerlernen vielleicht in einem schwächeren Bereich erleichtern“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:85). Beispiel 2: „Es gibt sie, die Morgenmuffel, deren Magen noch weiterschläft, wenn sie schon aufgestanden sind (…) Zwang nützt hier wenig“ („Mahlzeit, Kinder!“:60). Dimension ,Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung‘ Neben allgemeinen Informationen wie Alter, Lebensphase, Gesundheitszustand oder Geschlecht, die die Zielgruppe näher beschreiben, soll untersucht werden, inwieweit die Ratgeber gendersensibel gestaltet werden. Dazu gehört neben einer gendersensiblen Gestaltung der Bilder auch eine gendersensible sprachliche Gestaltung von Printmedien: Männer und Frauen und deren Aktivitäten und Leistungen sollen sichtbar gemacht und beide Geschlechter sprachlich gleich gestellt werden (ISOE 2005:7). Möglichkeiten für eine gendersensible sprachliche Gestaltung können sein: Verwendung des Plurals (,alle‘ statt ,jede/r‘), Verwendung neutraler Begriffe (,Lehrkraft‘ statt ,LehrerInnen‘), ,man‘ vermeiden, die unterschiedlichen Interessen von Frauen und Männern zu einem Thema und deren unterschiedliche Lebenssituationen berücksichtigen (ebd. ). Zu einer gendersensibel gestalteten Bilddarstellung gehören die ausgewogene Abbildung von Männern und Frauen sowie die Abbildung unterschiedlicher Akti-
72
4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
vitäten und Leistungen. Die Darstellung von Klischees und Stereotypen sollte vermieden werden (ISOE 2005:14). In der Analyse soll überprüft werden, ob und wie konsequent die Ratgeber gendersensibel gestaltet werden. Leitfragen für die Interpretation sind dabei: • Inwieweit werden soziokulturelle Vielfalt, unterschiedliche Lebensstile oder gesellschaftliche Verhältnisse thematisiert? • (Wie) werden Alltagsprobleme thematisiert? • Werden die Themen explizit angesprochen oder bspw. über eine bestimmte Ansprache, Bilder oder Aussprüche implizit thematisiert? • Sind beide Geschlechter in der jeweiligen männlichen und weiblichen Form explizit und gleichberechtigt genannt oder werden Personenbezeichnungen kreativ verwendet und variiert? • Ist der Ratgeber konsequent sprachlich sensibel gestaltet? • Werden Männer und Frauen auf Bildern gleichberechtigt dargestellt? • Wird auf Bilder, die stereotype Geschlechterrollen und Klischees darstellen, verzichtet? Diese Analysefragen berühren auch die Ergebnisse anderer Kategorien: Informationen über Bildinhalte werden aus der Kategorie ,Bebilderung‘ gewonnen, Aussagen über gesellschaftliche Verhältnisse werden in der Kategorie ,Welche Aussagen werden zu gesellschaftlichen Traditionen und Verhältnissen getroffen?‘ gesammelt. Die Dimension ,Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung‘ wird als übergreifend betrachtet, weswegen Doppelzuordnungen einkalkuliert werden. 䊏 Kategorie ,Wie wird die Zielgruppe angesprochen?‘
Innerhalb dieser deskriptiven Kategorie soll unterschieden werden zwischen • überwiegend direkter Ansprache (,Sie‘), • überwiegend keine direkte Ansprache (,man‘), • überwiegend Benennung von Personen oder Gruppen (,Eltern‘), • Verbindung von Autorinnen/Herausgebern und Zielgruppe (,Wir‘) • keine überwiegende Form der Ansprache. Beispiel 1: „Entweder besorgen Sie sich entsprechende Keimschalen“ („Vollwertküche“:42). Beispiel 2: „Wir alle wünschen uns rundherum gesunde, zufriedene Kinder“ („Gesunde Ernährung von Anfang an“:5).
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
73
䊏 Kategorie: ,Wie wird die Zielgruppe beschrieben?‘
In dieser Kategorie werden alle Aussagen in Verbindung mit der Zielgruppe einsortiert. Beispiel 1: „Wir können uns gut vorstellen (…) dass (…) Sie selbst wissen, was gut und richtig für Ihre Familie ist“ („Bärenstarke Kinderkost“:64). Beispiel 2: „Bei soviel widersprüchlichen Informationen schwanken die Verbraucher oft zwischen fix und fertig“ („Mahlzeit, Kinder!“:110). 䊏 Kategorie: ,Wie werden Lebenssituationen allgemein beschrieben?‘
Innerhalb dieser Kategorie werden Aussagen eingeordnet, die Lebenssituationen und auch gesellschaftliche Verhältnisse beschreiben, die nicht direkt auf die Zielgruppe bezogen sind. Eine Überschneidung kann sich mit den Kategorien ,Welche Aussagen werden zu gesellschaftlichen Konventionen und Verhältnissen getroffen?‘ und ,Welche Aussagen werden zu individuellen Gewohnheiten getroffen?‘ ergeben, Aussagen werden im Zweifelsfall doppelt eingeordnet. Beispiel 1: „Nachbarschaftshilfe (…) eine zeitgemäße Form dieser traditionellen Kontaktpflege sind die Mütterzentren“ („Mahlzeit, Kinder!“:31). Beispiel 2: „In einer Gesellschaft, in der Schönheitsideale sich als Schlankheits- und Jugendwahn präsentieren“ („Wie Ihr Kind abnehmen kann“:15). Dimension: ,Autorinnen und Herausgeber‘ 䊏 Kategorie: ,Welche Informationen werden über sie geliefert?‘ 䊏 Kategorie: ,Welche Professionen haben an dem Ratgeber mitgewirkt?‘
Wenn Autorinnen unterschiedlicher Fachdisziplinen gemeinsam am Ratgeber gearbeitet haben, könnte das zu einer interdisziplinären Betrachtung von Ernährung beitragen. Allerdings kann nicht per se daraus geschlossen werden, dass auch die Sichtweise einseitig naturwissenschaftlich geprägt ist. Mehr noch als andere Kategorien können diese Ergebnisse nur im Kontext mit denen anderer Kategorien interpretiert werden. Dimension ,Rezepte‘ 䊏 Kategorie ,Welche Aspekte werden bei der Auswahl der Rezepte herausgestellt?‘
Hierbei soll untersucht werden, welche Aspekte bei der Auswahl – neben dem Gesundheitsaspekt – berücksichtigt wurden. Die Aussagen werden dabei zunächst nach Gesundheit, Zeit, Geld, Umwelt, Geschmack und Variationsmöglichkeiten eingeteilt. Neben der Berücksichtigung der Mehrdimensionalität soll geprüft werden, inwieweit auf den Ernährungsalltag Bezug genommen wird.
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4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
Beispiel 1: „Auf die Angabe von Zubereitungszeiten haben wir (…) verzichtet. Zum einen ist das individuell sehr unterschiedlich und zum anderen haben wir unsere Rezepte so ausgewählt, dass sie in der Regel alle recht schnell zuzubereiten sind“ („Bärenstarke Kinderkost“ :67). Beispiel 2: „Manche Kinder sind davon jedoch nicht sehr begeistert (…) [vielleicht] lassen sie sich mit einer Mischung aus weißen und dunklen Nudeln locken“ („Mahlzeit, Kinder!“:78). Diese Aussage berücksichtigt individuelle Vorlieben bzw. Abneigungen und bietet eine Alternative an. 䊏 Kategorie ,Nach welchen Aspekten kann auf sie zugegriffen werden?‘
Anhand dieser Kategorie soll untersucht werden, nach welchen Aspekten die Zielgruppe auf die Rezepte zugreifen kann. Welche Motive für die Auswahl werden bei der Suche berücksichtigt? Beispiel 1: „Im Register (…) finden Sie alle Rezepte alphabetisch und nach ihren Hauptbestandteilen sortiert“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:7). Beispiel 2: „Die Rezepte sind weiterhin den Lebensmittel-Gruppen Getreide, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Milch und Milchprodukte, Fisch, Eier zugeordnet. Brotaufstriche (…) Dips und Soßen haben ihren eigenen Raum erhalten“ („Vollwertküche“:68).
4.3.5
Bestimmung der Texteinheiten für Auszählungen
Als kürzeste codierbare Einheit (auch ,recording unit‘ genannt) wird ein Satz bzw. eine Aussage festgelegt. Ausnahmen stellen die für eine Frequenzanalyse benötigten Kategorien dar, bei der die Häufigkeit des Vorkommens ermittelt werden soll. Hier ist die recording unit das entsprechende Wort. Als längste codierbare Einheit (auch: ,context unit‘) wird ein Absatz festgelegt.
4.3.6
Pretest-Durchführung
In der vorliegenden Analyse wird der Pretest mittels eines Test-Retest-Verfahrens durchgeführt. Bei dieser Verlässlichkeitskontrolle wird das gleiche Instrument mehrmals auf das gleiche Material angewandt, um Abweichungen in den Resultaten erkennen zu können (Ritsert 1972:61). Für den Pretest wird der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ ausgewählt, dessen erste Hälfte zweimal codiert wird. Danach werden Kategorien angepasst, indem die Formulierungen geändert bzw. Unterkategorien oder neue Kategorien eingeführt werden.
4.3 Beschreibung der durchgeführten Analyse
4.3.7
75
Durchführung der Analyse
Für die Analyse wird das Verfahren der Applikation und Reapplikation angewandt, nach dem Kategorien im Zuge der Analyse verändert können (Ritsert 1972:74). Im Anschluss werden die Interpretationen der Analysen nach Ratgebern aufgeführt. Kategorien, die nicht in der Interpretation enthalten sind, enthalten entweder zu wenig Aussagen oder die Aussagen sind für die Interpretation nicht von Belang. 4.3.8
Fehlerbetrachtung
Im Folgenden sollen mögliche Fehler sowie Schwierigkeiten in der Auswertung und Analyse dargestellt werden. Änderungen, die während der Kategorisierung erfolgten, werden in Zusammenhang mit der jeweiligen Kategorie dokumentiert. Falsche Zuordnung von Aussagen Da die Kategorien nicht trennscharf formuliert werden konnten und keine Festlegung durch Indikatoren erfolgte, können Aussagen falsch zugeordnet worden sein. Die dreimalige Überprüfung der Zuordnung von Aussagen (vgl. Kap. 4.3.4) sollte diese falsche Zuordnung verhindern. Sonderfall Handlungsempfehlungen Für die Handlungsempfehlungen war zunächst eine eigene Kategorie formuliert worden. Diese wurde aufgelöst, weil in einem Großteil der Ratgeber Sachinformation überwiegend als Handlungsempfehlungen formuliert waren und die Analyse aufgrund einer doppelten Zuordnung sehr viel umfangreicher geworden wäre. Aus diesem Grund wurden Handlungsempfehlungen in die zugehörigen Kategorien der Sachinformationen einsortiert. In der Auswertung wurden dann weniger als geplant auf die Inhalte der Handlungsempfehlungen eingegangen, was ebenfalls auf deren Fülle zurückzuführen ist. In der Folge beschränkte sich die Interpretation darauf, den Charakter der Handlungsempfehlungen heraus zu stellen. Das Schlagwort ,naturwissenschaftliches Forschungsparadigma‘ Das Schlagwort ,naturwissenschaftliches Forschungsparadigma‘ (einseitig naturwissenschaftliche Ausrichtung der Ernährungsforschung, Ausbildung und Kommunikation der Mittlerkräfte) sollte mit Hilfe folgender Dimensionen bzw. Kategorien überprüft werden: • Auf welche Quellen und Institutionen bezieht sich der Ratgeber? • Dimension ,Autorinnen und Herausgeber‘ mit den Kategorien ,Welche Informationen werden über sie geliefert?‘ und ,Welche Professionen haben an dem Ratgeber mitgewirkt?‘
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4 Qualitative Inhaltsanalyse: Methodisches Vorgehen
Während der Interpretation vertiefte sich jedoch eine erste Annahme, dass die Ergebnisse der Kategorien keine Hinweise auf das Vorhandensein eines ,naturwissenschaftlichen Forschungsparadigmas‘ liefern können. Lediglich Tendenzen können aufgezeigt werden, z. B. ob Pädagogen oder Psychologinnen (und damit deren spezifische Ansätze) in den Erstellungsprozess integriert wurden. Diese Auffassung führte dazu, dass Ergebnisse dieser Kategorien lediglich deskriptiv in die Analyse eingingen, wobei nur eine Darstellung der Ergebnisse aus der Dimension ,Autorinnen und Herausgeber‘ erfolgte. Nicht alle Kategorien sind theoriegeleitet: Dies gilt insbesondere für die Dimension der formalen Gestaltung, welche überwiegend deskriptive Kategorien enthält. In der Interpretation soll unter anderem verglichen werden, inwieweit Zusammenhänge zwischen Inhalt und Gestaltung bestehen. Im Anhang stellt eine tabellarische Übersicht überblicksartig die Dimensionen mit ihren Kategorien dar.
5
Ergebnisse der Analyse
5.1
Einleitung
Im Rahmen dieses Kapitels erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse. Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt: Es werden zunächst die Ergebnisse von sechs Ratgebern vorgestellt. Zusätzlich werden jeweils zwei Ratgeber mit ähnlichen Schwerpunkten gegenüber gestellt: Die Ratgeber zur Kinderernährung („Bärenstarke Kinderkost“ und „Mahlzeit, Kinder!“), die Ratgeber zur Säuglings- und Kleinkindernährung („Gesunde Ernährung von Anfang an“ und „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“) sowie die Ratgeber zur Gewichtsreduktion („Wie Ihr Kind abnehmen kann“ und „Gewicht im Griff“). Anschließend werden ausgewählte Aspekte der Ratgeber gesondert gegenübergestellt: Dies gilt für die Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten, die Berücksichtigung einer gendersensiblen Gestaltung und die Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernähren‘. Der siebte analysierte Ratgeber „Vollwertküche“ wird im Gegensatz zu allen anderen analysierten Ratgebern nur im Hinblick auf diese ausgewählten Aspekte thematisiert.
5.2
Einheitliche Elemente der Ratgeber
Seit dem Jahr 2004 (Berzins 2008b) weisen die Publikationen der Verbraucherzentrale NRW ein einheitlich gestaltetes Cover auf. Da alle analysierten Publikationen außer der „Vollwertküche“ (aktuelle Auflage von 2003) über dieses einheitliche Design verfügen, wird der Aufbau an dieser Stelle übergreifend erläutert. Die Titelseite weist jeweils in der rechten unteren Ecke einen farbigen Kasten auf, der etwas mehr als ein Drittel ihrer Fläche einnimmt. Der Kasten selbst enthält folgende Elemente: In der linken oberen Ecke befindet sich das Logo der Verbraucherzentrale, in der Mitte steht in großer Schrift der Titel und eventuelle Untertitel in kleinerem Schriftgrad. Der Kasten wirft einen leichten Schatten nach links. Er überlappt das Titelbild, welches die komplette Seite einnimmt. Mit Ausnahme der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ und „Mahlzeit, Kinder!“ werden immer Farbfotos eingesetzt. Die Rückseite des Covers ist zweigeteilt: Der farbige Kasten der Titelseite zieht sich über den Buchrücken bis die Rückseite und nimmt von dieser in Form eines farbigen Bandes etwas weniger als ein Drittel ein. Das Logo der VerbraucherA. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
78
5 Ergebnisse der Analyse
zentrale befindet sich wiederum in der linken oberen Ecke des Kastens. Weiterhin sind die ISBN-Nummer, der Preis und bei einigen Ratgeber auch ein Barcode abgebildet. Der obere Bereich der Coverrückseite ist immer weiß und enthält eine Inhaltsangabe in schwarzer Schrift. Die Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“, „Gesunde Ernährung von Anfang an“, „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“, „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ und „Gewicht im Griff“ enthalten (im Anhang bzw. am Schluss) eine Liste von Adressen der Verbraucherzentralen der einzelnen Bundesländer und Verweise auf andere Ratgeber der Verbraucherzentrale mit ähnlichem Inhalt.
5.3
Ratgeber zur Kinderernährung
5.3.1
„Bärenstarke Kinderkost“
Formale Gestaltung Der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ hat einen Umfang von 154 Seiten mit einem 66 Seiten starken Rezeptteil. Das Inhaltsverzeichnis führt sowohl Kapitel mit Titel als auch die Unterkapitel sowie Absätze mit Zwischenüberschriften und deren zugehörige Seitenzahlen auf. Auch die Kapitel des Anhanges sind aufgeführt – somit kann auf alle mit Überschriften versehenen Absätze des Ratgebers über das Inhaltsverzeichnis zugegriffen werden. Die im Anhang befindlichen Rezept- und Frageregister stellen eine weitere Möglichkeit dar, schnell auf Inhalte zuzugreifen. Das Cover ist im einheitlichen Design gestaltet (vgl. Kapitel 5.2), der Titel „Bärenstarke Kinderkost“ stellt die Ernährung ins Zentrum. Das Titelbild, eine farbige Zeichnung, zeigt einen Jungen, ein Mädchen und den „KIKOBär“. Sie befinden sich in einem schwebenden Heißluftballon, bei dem Obst und Gemüse Abbildung 1: Titelseite von „Bärenstarke Kinderkost“10 die Gewichte darstellen. Die Ballonhülle er10
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2005): Bärenstarke Kinderkost. 9. Auflage. Spangenberg; Illustration: Karl-Heinz Schrörs
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
79
innert an eine überdimensionale Paprika. Bei dem KIKO-Bär scheint es sich um das Maskottchen des Ratgebers zu handeln; sein Name wird allerdings nicht erklärt, ebenso wie der Begriff „KIKO-Punkte“ (vgl. den Abschnitt über Nährstoffe und Lebensmittel). Vermutlich stellt der Begriff ,KIKO‘ die Abkürzung für ,Kinderkost‘ dar. Neben Vorwort und Anhang und zwei Selbsttests zu Beginn gliedert sich der Ratgeber in sieben Kapitel, wobei das letzte Kapitel fast ausschließlich Rezepte enthält. Dieses Kapitel ist mit 66 Seiten deutlich länger als die anderen Kapitel, die etwa zwischen 7 und 12 Seiten lang sind. Die Kapitel beginnen jeweils auf einer neuen Seite und sind in Unterkapitel und zum Teil auch Absätze gegliedert. Jedes Kapitel ist in 7 bis 11 Unterkapitel unterteilt. Die Kapitelüberschriften sind sowohl im Inhaltsverzeichnis als auch im Textteil durch das Layout klar von anderen Überschriften abgegrenzt: Sie sind fett und größer in schwarz gedruckt. Die Überschriften der Unterkapitel und Absätze sind im Inhaltsverzeichnis schwarz, im Text dagegen grün gedruckt. Im Text sind die Überschriften der Absätze zusätzlich kursiv und eingerückt. Da die Überschriften aber gleich groß sind und die Texte sich in der Länge ähneln, können Unterkapitel und Absätze eher schwer unterschieden werden. Neben der Unterteilung in Kapitel, Unterkapitel und Absätze strukturieren folgende Elemente den Text: Kästen enthalten meist zusätzliche Informationen, Text- und Zahlentabellen enthalten überwiegend Informationen aus dem Nährstoff- und Lebensmittelbereich. Durch den Einsatz verschiedener Farben (Grün- und Grautöne sowie Schwarz) werden zum Beispiel Tabellen strukturiert. Aufzählungszeichen werden sowohl im Fließtext als auch in Texttabellen verwandt. Die Kopfzeile gibt die jeweilige Kapitelüberschrift an. Ein weiteres Strukturelement stellen die 30 „Fragen aus der Beratungspraxis“ dar, welche überwiegend aus der Sicht von Eltern gestellt werden. Ein großes Fragezeichen am Rand macht auf sie aufmerksam. Hier werden Fragen zu den jeweiligen Sachinformationen gestellt oder Handlungsempfehlungen erbeten, bspw. im Kapitel „Essen und Trinken von früh bis spät“ (34): „Mein Kind mag nicht essen. Was kann ich tun?“ (35). Der einspaltige Ratgeber ist sehr kleinteilig strukturiert. So findet sich keine einzige Seite nur mit Fließtext, auf jeder Seite befindet sich mindestens eine, meist aber zwei oder mehr Überschriften. Durch die Verwendung der vorgestellten Strukturelemente wird das Textbild aufgelockert oder strukturiert. Der Ratgeber enthält drei Schaubilder und sechs mal so viele Illustrationen11. Die in Grauschattierungen gedruckten Comics stellen Situationen rund um Essen 11
18 Stück
80
5 Ergebnisse der Analyse
und Versorgung dar. Zu sehen sind meist ein Junge und der KIKO-Bär in verschiedenen Situationen (vgl. Kap. 5.6.2). „Bärenstarke Kinderkost“ ist in Alltagssprache verfasst. Es werden etwa 25 unterschiedliche einfache Fachbegriffe wie „Kohlehydrate“ genannt, die selten erklärt, aber durch Beispiele erläutert werden. Die Überschriften sind knappe und sachlich formulierte Aussagen und geben einen Hinweis auf den Inhalt des Abschnittes: „Wo und wie oft einkaufen“ (66) oder eine damit zusammenhängende Problematik: „Dauerthema Zucker“ (47). Vereinzelt sind sie als Fragen formuliert. Die Ansprache der Zielgruppe variiert: Oftmals erfolgt eine direkte Ansprache über das „Sie“, teilweise wird aber auch die Zielgruppe benannt: „Eltern haben es heutzutage schon schwer“ (4), zum Teil erfolgt gar keine Ansprache: „Am besten ist es, sich am heimischen Erntekalender zu orientieren“ (22). In einigen Fällen wird auch von „unseren Kindern“ (11) geschrieben. Die „Fragen aus der Beratungspraxis“ sind einheitlich in der Ich-Form verfasst. Im Ratgeber fallen immer wieder Begriffe und Formulierungen auf, wie z. B. „Verführung“ (9, 23, 55) bzw. „Verführungsversuche“ (4) sowie „Versuchung“ (9, 10). Die Mengenempfehlungen für Süßigkeiten werden folgendermaßen kommentiert: „Bevor Sie sich jetzt freuen, sollten Sie bedenken, dass Süßes für den Rest des Tages dann passé ist“ (54). In Bezug auf die Beurteilung der Kinderlebensmittel findet sich folgende Äußerung: „Mit unserer Darstellung haben wir Ihnen möglicherweise den Spaß an ,Schönem, Schickem, Reizvollen‘ getrübt; andererseits hört für uns der Spaß dann auf, wenn Sie und Ihre Kinder quasi ,über den Tisch gezogen werden‘. Wenn Sie sich etwas ,vormachen‘ lassen wollen, können wir Sie nicht davon abhalten“ (61). Die Umsetzung einer wissenschaftlich empfehlenswerten Ernährung scheint mit einem Kampf verglichen zu werden, der nur mit geeigneten Methoden gewonnen werden kann: Süßhunger kommt „überfallartig” (49), Gerichte können durch „geschickte Austauschmanöver“ (42) aufgewertet werden, und die Industrie versucht beständig, die Verbraucher „auf den Leim (zu) führen“ (50). Generell werden viele Begriffe in Anführungszeichen gesetzt: „Sonntagsfrühstück“ (37), „Schönheitsdiät“ (17) oder „Mehrarbeit“ (21).12 Im Ratgeber werden keine Verbote ausgesprochen und sogar betont: „Ein grundsätzliches Verbot löst das Problem nicht“ (54), aber es scheint doch eine übergeordnete Instanz zu geben, die beispielsweise über das richtige Gewicht entscheidet: „Wie viel darf mein Kind wiegen?“ (15) oder festlegt, „wie viel Süßes (…) erlaubt“ (54) ist. 12
So auch die folgenden Begriffe: „Vollkörniges“ (21), „aufwerten“ (21), „Verführungen“ (23), „aufgepeppt“ (25), „verderben“ (30), „einverleibt“ (35), „Sonntagsfrühstück“ (37), „Hilfsangebote“ (36).
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
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Inhaltliche Gestaltung Fragen zu gesunder Ernährung beantworten „Bärenstarke Kinderkost“ möchte Antworten auf Elternfragen geben, „ergänzt durch Infos und Tips für Einkauf und Küche“ (Cover). Im Hinblick auf das „unüberschaubare Angebot“ (4) an Lebensmitteln sollen „Unsicherheiten“ (4) abgebaut und Orientierungshilfen gegeben werden. Der Ratgeber möchte durch „Hintergrundinformationen das Grundgerüst für eine gesundheitsorientierte Einstellung zur Kinderernährung“ liefern (5). Die Figur des KIKO-Bär fungiert dabei als eine Art Maskottchen und „begleitet das Wissenswerte“ (Cover). Der Ratgeber richtet sich an Eltern mit Kindern im Alter vom 2. bis zum 14. Lebensjahr (4), welche „ein ureigenes Interesse an deren gesundheitlichem Wohlergehen haben“ (4). Und diese Eltern haben es „schwer, sich und ihre Kinder richtig und gut (…) zu ernähren“ (4). Auch die Hilferufe auf der Rückseite des Covers stellen Ernährung als ein Problem für diese Zielgruppe dar: „Mein Kind mag kein Gemüse! Meins keine Milch! Hilfe – mein Kind ist zu dick, was soll ich tun?“. Ernährung: Hauptsache gesund „Richtig und gut, also gesund und lecker“ (4) soll die Ernährung von Kindern sein. Durch den Ratgeber sollen Eltern davon überzeugt werden, dass „Gesundes schmeckt und bei der Familie ankommt“ (4). „Bärenstarke Kinderkost“ vermittelt die Prinzipien der Vollwert-Ernährung, nach der „ernährungsphysiologisch wertvolle Lebensmittel (…) schmackhaft und abwechslungsreich zubereitet“ werden (21). Mit ihr bleibt man „am sichersten“ (12) „gesund und fit“ (ebd.). Die Beschreibung der Ernährung in „Bärenstarke Kinderkost“ legt den Fokus auf die Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten und die Erhaltung der Gesundheit sowie die Verhinderung von Krankheiten oder Mangelerscheinungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Kinder überwiegend ungünstige Ernährungsgewohnheiten aufweisen (11). Eine gesunde Entwicklung der Kinder ist nur gesichert, wenn Nährstoffe in ausreichender Menge aufgenommen werden (15). Durch die Ernährung sollen Widerstandskräfte gegen Krankheiten (13), die körperliche Entwicklung sowie die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit positiv beeinflusst werden (34). Auch die Mahlzeiten werden unter diesen Gesichtspunkten präsentiert: Das Frühstück lässt Kinder leistungsfähiger sein (37), Zwischenmahlzeiten sollen „Leistungsabfälle“ (34) verringern und das Abendessen sollte aus Gründen der Verdaulichkeit nicht zu spät eingenommen werden (45). Die „ideale“ (37, 40) Mahlzeit wird über deren Zusammenstellung anhand der Lebensmittel-Gruppen definiert. Andere Aspekte von Ernährung werden kaum berücksichtigt. Auf einer Seite wird darauf hingewiesen, dass „Essen und Trinken (…) auch dem seelischen Wohl-
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5 Ergebnisse der Analyse
befinden“ (35) dient, eine nette Dekoration „die Laune aufs Essen“ (35) fördert und während der Mahlzeiten „die Familie zusammenkommt (…) [und] die Gemeinsamkeit und das Essen genießt“ (35). Hier findet allerdings eine klare Gewichtung statt: Diese Aspekte werden als „Nebenwirkung“ (35) bezeichnet, die „für die Entwicklung des Kindes und seine Gesundheit sehr wichtig“ (35) sind. Nährstoffe und Lebensmittel: Mangelernährung oder Überversorgung Bei der Darstellung von Nährstoffen wird der Versorgungszustand von Kindern in den Vordergrund gestellt. In einem Kapitel zu Beginn des Ratgebers werden unter der Fragestellung „Was fehlt Kindern?“ (12) Kohlenhydrate (mit Unterteilung in Stärke und Ballaststoffe), Calcium, Folsäure, Jod und Eisen im Kontext mit physiologischen Auswirkungen und auch Lebensmitteln dargestellt. Mit der Aussage, dass die Gemeinsamkeit der beschriebenen Nährstoffe ist, dass Kinder „häufig zu wenig“ (12) davon erhalten, wird die mangelnde Versorgung in den Vordergrund gestellt, was schon an der Überschrift deutlich wird. Auch bei der weiteren Darstellung von Nährstoffen ist der unzureichende Versorgungszustand Ausgangspunkt der Darstellung: Bei der Vorstellung der Lebensmittelgruppen erfolgt eine Bewertung durch die KIKO-Punkte. Diese zeigen, welche „Nährstoffe (…) wir uns häufig zuviel – Fett, Eiweiß, Zucker – oder aber zu wenig – Stärke, Ballaststoffe, B-Vitamine, Calcium, Eisen, Kalium, Jod – einverleiben“ (20). So erhält die Gruppe „Milch und Milchprodukte“ (25) KIKO-Punkte für Eiweiß, Fett, B-Vitamine und Calcium. Die Gruppe „Fette, Öle, Nüsse“ (28) erhält nur ein F für Fett. Eine eher neutrale Darstellung von Nährstoffen erfolgt in der Aussage, dass bei einer vollwertigen Ernährung „alle Nährstoffe (…) in optimaler Menge mit den Lebensmitteln zugeführt“ (12) werden. Zusätzlich werden in einer Tabelle im Anhang zwölf Nährstoffe nach ihren Aufgaben im Körper, ihrem Versorgungszustand bei Kindern und ihrem Vorkommen in Lebensmitteln vorgestellt (150). Sehr viel ausführlicher werden Lebensmittel in „Bärenstarke Kinderkost“ beschrieben, wobei auch deren Darstellung mit der Beleuchtung der schlechten Versorgung heutiger Kinder beginnt. In dem Kapitel „Was essen Kinder?“ (11) wird deren Fehlernährung erläutert: Sie essen zu wenig „Obst, Gemüse und Milchprodukte (…) am liebsten so oft wie möglich essen sie jedoch Pizza, Eis, Pommes (…) Kinder und Jugendliche essen in der Regel mehr Fleisch als empfohlen und bevorzugen dabei fettreiche Sorten“ (11). Am Ende des Kapitels werden diverse Krankheiten beschrieben, die durch „ungünstige Essgewohnheiten“ (11) gefördert werden. Im weiteren Verlauf des Ratgebers werden Lebensmittel überwiegend im Kontext mit der physiologischen Wirkung dargestellt, meist in Verbindung mit ihrem Energiegehalt oder bestimmten Nährstoffen. Der Energiegehalt von Lebensmitteln wird überwiegend im Kontext der Überversorgung beschrieben. Meist geht es um
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
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den zu hohen Zucker- oder Fettgehalt von Lebensmitteln, vielfach auch Getränken oder Süßigkeiten. Weitere Aussagen beziehen sich auf die Auswirkungen bestimmter Lebensmittel auf den Körper, wobei sich hier die Nennung negativer und positiver Auswirkungen etwa die Waage halten. Die Darstellung von Lebensmitteln im Kontext mit Gerichten oder Mahlzeiten erfolgt weniger häufig, wobei sie entweder als Bestandteile der „idealen“ (37) oder „vollwertigen“ (39) Mahlzeit oder im Kontext von Beispielgerichten für bestimmte Lebensmittel-Gruppen erwähnt werden: „Hülsenfrüchte sind vielseitig verwendbar (…) als Eintopfgerichte, Aufläufe, Salatzutat“ (24) oder „zu den Getreidegerichten gehören Bratlinge, Getreide-Gemüse-Aufläufe oder Eintopfgerichte“ (40). Für die Lebensmittelgruppen Getreide, Fett sowie Gemüse und Obst werden im Kapitel „Praktische Tips für die Küche“ (64f.) Empfehlungen für die nährstoffschonende Aufbewahrung und Zubereitung formuliert. Der Zucker nimmt in „Bärenstarke Kinderkost“ eine Sonderrolle ein, was bei einem Ratgeber zur Kinderernährung durchaus seinen Grund haben kann. Zucker und Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt werden häufig und fast immer in negativen Zusammenhängen dargestellt. Ein komplettes Kapitel widmet sich über acht Seiten dem zu hohen Zuckerkonsum, seinen Folgen und Möglichkeiten zur Verringerung. Auch im anschließenden Kapitel, in dem es um die sogenannten Kinder-Lebensmittel geht, spielt der Zuckergehalt eine große Rolle. Ein Drittel der „Fragen aus der Beratungspraxis“ befasst sich in seinen Antworten mit dem hohen Zuckerkonsum. Auch in den Abschnitten, in denen das erste und zweite Frühstück, das Mittagessen und die Zwischenmahlzeit vorgestellt werden, geht es immer wieder darum: „Ein Frühstück aus Weißbrot (…) enthält durch den hohen Zucker- und Fettgehalt zwar ausreichend Kalorien, bringt aber keine echte Power“ (37). Daneben wird auch thematisiert, wie der Umgang mit Süßigkeiten „offen und partnerschaftlich“ (55) geregelt werden kann. Lebensmittel: Bevorzugt unverarbeitet Der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln spielt in „Bärenstarke Kinderkost“ eine größere Rolle, da die Empfehlungen auf den Richtlinien der Vollwert-Ernährung basieren, nach denen Lebensmittel so unverarbeitet wie möglich verwendet werden sollen. Begründet wird dies damit, dass die „Verarbeitung (…) häufig den Wert der Nährstoffe mindert und den Einsatz von Hilfs- und Zusatzstoffen erzwingt“ (31, 67). Die „Vollwert-Ernährung Orientierungstabelle“ (32f.) teilt Lebensmittel nach dem Verarbeitungsgrad (nicht/gering verarbeitet, mäßig verarbeitet, stark verarbeitet und übertrieben verarbeitet) in sehr, weniger und nicht empfehlenswerte Lebensmittel ein. Neben dieser Tabelle, welche über 120 Produkte bewertet, finden sich auch in der Darstellung einzelner Lebensmittel Bemerkungen über den Verarbeitungsgrad.
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Kinderlebensmittel werden als oftmals stark verarbeitete Produkte deklariert, denen häufig Aroma- oder Farbstoffe zugesetzt werden (57). Ausnahmen werden für Speisesalz – hier wird die jodierte und damit verarbeitete Variante empfohlen – und getrocknete und tiefgefrorene Kräuter als „eine gute Alternative“ (30) im Winter gemacht. Im Kapitel „Praktische Tipps für die Küche“ findet sich die einzige Äußerung, die den Verarbeitungsgrad mit dem Faktor Zeit in Verbindung bringt: „Einzelne Zutaten als Tiefkühlkost oder Konserve zu besorgen (…) oder auch schon mal auf das vorhandene Angebot an Vollwert-Fertiggerichten im Handel zurück zu greifen, hilft, Zeit zu sparen und sich die Arbeit zu erleichtern“ (70).
Zeit sparen durch Übung und Disziplin In der Einleitung des Ratgebers wird die Zeitnot angesprochen, die neben anderen Faktoren „weniger Raum für eigenes Zubereiten und Genießen“ (4) lässt. Die Zeitnot soll vorrangig durch eigene Anstrengungen verringert werden, bspw. durch eine gute Organisation des Haushaltes. Ein Frühstück soll durch „rechtzeitiges Schlafengehen am Abend und pünktliches Aufstehen“ (37) ermöglicht werden. Der höhere Zeitaufwand bei der Zubereitung unverarbeiteter Lebensmittel soll sich mit der Zeit und entsprechender Übung verringern (69). Allerdings dürfen auch in der VollwertErnährung einzelne Zutaten als Konserven und Tiefkühlprodukte verwendet werden, damit Zeit gespart werden kann (70). Ebenso werden zeitsparende Geräte wie Dampfkochtöpfe (68) oder Mikrowellen (41) empfohlen. Im Hinblick auf die Zeitersparnis finden sich nur wenige konkrete Handlungsempfehlungen, welche sich überwiegend auf die Vorratshaltung beziehen: So wird bei sehr vielen Rezepten darauf hingewiesen, dass Reste gut eingefroren werden bzw. größere Mengen auf Vorrat produziert werden können. Ziel: Gesunde Gewohnheiten entwickeln Die Beschreibung gesellschaftlicher Gewohnheiten beschränkt sich auf die Darstellung der ungesunden Ernährungsgewohnheiten der Kinder (11f.), die als veränderungsbedürftig bewertet werden. Stattdessen sollen neue, gesunde Gewohnheiten vermittelt werden, was schon in der Einleitung formuliert wird. Als förderlich werden eine angenehme Atmosphäre und eine kindgerechte, lustige Gestaltung des Essens (35f.) bezeichnet, auch das Mithelfen „fördert zusätzlich Spaß und Freude“ (37). Kleine Tricks sollen dabei helfen, Kindern das Umgewöhnen zu erleichtern: Beliebte Arten oft anzubieten, Gemüse in Gerichten zu ,verstecken‘ oder ansprechend zu dekorieren (23). Dabei können auch Vorlieben genutzt werden: „Bei einer Umstellung beginnt man daher am besten mit Dingen, die die Kinder absehbar lieber mögen, z. B. Vollkorn-Pfannkuchen“ (21).
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
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Markt: Schutz vor Täuschung bieten Die Beschreibung der Marketingstrategien der Lebensmittel-Industrie nehmen im Ratgeber großen Raum ein. Die Eltern werden als damit überfordert beschrieben: Sie müssen sich in dem „unüberschaubaren Angebot“ (4, 9) zurecht finden und haben gegen die „Verführungsversuche“ (ebd.) einen „schweren Stand“ (4). Die Verlockungen der Industrie sind allgegenwärtig: In Form von Werbung beim Fernsehen und Radiohören zu Hause, in Zeitschriften oder metergroß auf Plakatwänden (10). Bemängelt wird unter anderem, dass die angepriesenen Produkte mit positiven Emotionen besetzt werden, um ihre Beliebtheit zu erhöhen (47). Auch die Nähstoffangaben auf der Verpackung bergen die Gefahr der Täuschung: Um einen geringeren Gesamtzuckergehalt vorzutäuschen, werden zum Beispiel unterschiedliche Zuckerarten getrennt aufgeführt (50). Speziell Kinder-Lebensmittel werden genauer unter die Lupe genommen. In einem siebenseitigen Kapitel werden bestimmte Lebensmittelarten wie Kinderschokolade und Frühstückscerealien auf ihre Inhaltsstoffe und die Versprechungen der Werbung überprüft. Zu diesem Thema formuliert die Verbraucherzentrale abschließend eine eigene Position, die zusammengefasst die Kritik an Kinder-Lebensmitteln wieder gibt (63). Vertrauen können die Eltern dagegen den Siegeln und Richtlinien des ökologischen Landbaus. Auf die Frage „Kann ich mich auf die Begriffe ,Bio‘ oder ,Öko‘ bei Lebensmitteln verlassen?“ (23) folgt ein uneingeschränktes „Ja“. Gewarnt wird vor Produkten, die mit anderslautenden, nicht geschützten Begriffen beworben werden. Gesunde Rezepte Das Rezeptkapitel nimmt mengenmäßig einen großen Raum ein. Im einleitenden Kapitel findet sich die Bemerkung, dass auf die Angabe von Zubereitungszeiten „bewusst“ (67) verzichtet wurde, da dies „individuell sehr unterschiedlich“ (67) ist. Außerdem sind die dargestellten Rezepte „in der Regel alle recht schnell zuzubereiten“ (67). Allerdings findet sich zu Beginn des Rezeptteils ein Hinweis auf eine Kennzeichnung „schneller und kinderleichter Rezepte“ (72) mit dem KIKO-Bär, welche eine Zubereitungszeit von 30 bis 45 Minuten haben, wobei Back- und Garzeiten nicht mit eingerechnet sind (etwa ein Drittel der Rezepte ist mit dem KIKOBär gekennzeichnet). Die übrigen Rezepte werden als „aufwändiger“ (72) bezeichnet. Sonstige Aussagen zur Zeitersparnis finden sich direkt bei den Rezepten und bestehen zum ganz großen Teil aus der Empfehlung, größere Mengen des Gerichtes herzustellen und auf Vorrat einzufrieren. Zu vielen Rezepten finden sich Variationsmöglichkeiten. In der Regel wird empfohlen, einzelne Lebensmittel „je nach Jahreszeit“ auszutauschen, zum Teil erfolgt auch keine Begründung. Im Anhang gibt eine Tabelle Auskunft über „Austausch-
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5 Ergebnisse der Analyse
möglichkeiten von Lebensmitteln mit ähnlichem Nährwert/Energiegehalt“ (155). Bemerkungen wie „wer die Sauce sämiger möchte, kann sie mit einem TL Weizenvollkornmehl andicken“ (84) geben Hinweise, wie die Rezepte je nach Geschmack variiert werden können. Die über 100 Rezepte sind alle vegetarisch, da davon ausgegangen wird, dass den Eltern der „Umgang mit Fleischgerichten geläufig ist“ (5). Die Rezepte sind nach Lebensmittel-Gruppen wie „Gemüse- und Getreidegerichte“ (107f) oder Gerichttypen wie „Suppen“ (93) systematisiert. Die Kapitel „Frühstücksvorschläge“ (76) und „Lustiges fürs Kinderfest“ (138) nehmen konkret Bezug auf einen bestimmten Anlass, stellen aber die Ausnahme dar. Im Rezeptregister sind die Gerichte nach den einzelnen Hauptbestandteilen systematisiert. Fazit: Ein Plädoyer für die gesunde Ernährung Der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ liefert seiner Zielsetzung gemäß Informationen zu einer gesunden Kinderernährung nach den Prinzipien der Vollwert-Ernährung. Aufbauend auf der Schilderung ungesunder Ernährungsgewohnheiten heutiger Kinder wird der Nährstoff- und Lebensmittelbedarf beschrieben. Dreißig Fragen, die nach eigenen Angaben Eltern immer wieder stellen, liefern weitergehende Informationen zu Lebensmitteln oder der Mahlzeitengestaltung. „Infos und Tips für Einkauf und Küche“ (Cover) werden im Hinblick auf eine gesundheitsförderliche Gestaltung gegeben. Besonders in Bezug auf Kinder-Lebensmittel bekommt die Leserschaft eine konkrete Einschätzung darüber, wie ein solches Angebot unter gesundheitlichen Aspekten bewertet werden kann. Der Ratgeber wird somit seiner Zielsetzung vollauf gerecht, wobei die gute Strukturierung des Ratgebers (Inhaltsverzeichnis, Markierung der Fragen, Rezept- und Frageregister) den schnellen Zugriff auf Inhalte ermöglicht. Im Zentrum des Ratgebers steht (wie der Titel schon andeutet) die Ernährung; „Bärenstarke Kinderkost“ zeichnet sich durch eine umfassende Information über eine gesunde Ernährung nach den Richtlinien der Vollwert-Ernährung aus. Dabei argumentiert er implizit mit diesen Sachinformationen, wobei die Notwendigkeit einer gesunden Ernährung mit den unzureichenden Ernährungsgewohnheiten heutiger Kinder begründet wird. Im Prinzip versucht er zwei Fragen zu beantworten: Warum soll ich meine Kinder gesund ernähren, und woran muss ich mich dabei halten? Es werden so gut wie alle Bereiche aus dem Blickwinkel des größtmöglichen gesundheitlichen Nutzens beantwortet: Die Auswahl und Menge der Lebensmittel, Einkauf, Zubereitung und die Mahlzeitengestaltung. Zeit und Arbeit können gespart werden, wenn der eigene Haushalt gut und diszipliniert organisiert ist. Zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten oder weitere Einflüsse auf das alltägliche Ernährungshandeln werden kaum thematisiert.
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
5.3.2
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„Mahlzeit, Kinder! Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern“
Formale Gestaltung Der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder! Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern“ hat einen Umfang von 118 Seiten. Das Inhaltsverzeichnis macht durch Farbgebung und Schriftgröße deutlich, dass der Ratgeber neben Vorwort und Rezeptregister aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil enthält Informationen zur Außer-Haus-Betreuung, der zweite „Ernährungsinfos und Rezepte“. Jeder Teil besteht aus zehn Kapiteln, die im Inhaltsverzeichnis aufgeführt sind. Nicht aufgeführt sind die etwa 90 Unterkapitel, welche die 20 Kapitel weiter strukturieren. Das Vorwort gibt einen kurzen Einblick in die Inhalte der zwei Teile, allerdings erst am Ende des über drei Seiten gehenden Texts. Das im üblichen Design gestaltete Cover zeigt als Titelbild eine Zeichnung des Künstlers Wolf Erlbruch. Zu sehen ist ein grinsendes Mädchen, das startklar mit dem Löffel in der Hand vor einer gefüllten Schüssel sitzt. Der Inhalt der Schüssel ist nicht zu erkennen, aber das Mädchen scheint zufrieden damit zu sein. Dieses Titelbild Abbildung 2: Titelseite von 13 steht symbolisch für den Inhalt bzw. das Ziel „Mahlzeit, Kinder!“ dieses Ratgebers, nämlich zufriedene und gut versorgte Kinder. Der Inhalt der Schüssel, also was gegessen wird, steht dagegen weniger im Vordergrund. Der Titel des Ratgebers kann gleichzeitig als Bildtitel gesehen werden und weist ebenfalls auf das Ziel hin. Der Untertitel „Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern“ weist auf die Schwerpunkte des Ratgebers hin. Der zweispaltige Text von „Mahlzeit, Kinder!“ ist in zwei Teile, zwanzig Kapitel und ca. 90 Unterkapitel unterteilt. Die Teile werden durch eine farbige Zeichnung auf einer Doppelseite und fett und groß gedruckten einführenden Worten voneinander abgegrenzt. In den Teilen selbst sind die Überschriften in unterschiedlichen Farben und Schriftgrößen gestaltet und grenzen so die einzelnen Abschnitte voneinander ab. Aufzählungen und viele Kästen in unterschiedlicher Größe und Gestaltung strukturieren den Text weiter, durch die einheitliche Verwendung der rechteckigen 13
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (1998): Mahlzeit, Kinder! Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern. 3. Auflage April 2004. Spangenberg; Illustration: Wolf Erlbruch
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Form gestaltet sich das Gesamtlayout sehr harmonisch. Die Kästen enthalten meist zusätzliche Informationen oder Adressen, die gleich im Anschluss an den entsprechenden Abschnitt im Fließtext stehen. Auf Tabellen wurde komplett verzichtet. Zusätzlich zu den Überschriften, von denen auf jeder Seite mindestens eine, meist aber mehrere vorkommen, wird der Text durch weitere Absätze strukturiert, von denen einzelne fett gedruckt sind. Die Nummerierung der Teile findet sich auf jeder Außenseite als blauer Kasten – dadurch ergeben sich Marker, an denen zwischen den zwei Teilen unterschieden werden kann. Ein weiteres Strukturelement ist die Farbe. Durch die Verwendung von Orange und Blautönen heben sich Überschriften und Kästen vom Fließtext ab. Ebenso werden teilweise farbige Balken für bestimmte Überschriften verwendet. Die Kopfzeile gibt auf der linken Seite den Titel des Teils an, auf der rechten Seite den Titel des Kapitels. Lediglich zwei Schaubilder illustrieren Sachinformationen. Dafür finden sich 26 Illustrationen, in deren Mittelpunkt ganz deutlich Menschen stehen: Erwachsene und Kinder im eigenen Zuhause oder außer Haus in comicartigen Situationen, die eher im übertragenen Sinn etwas mit Ernährung zu tun haben. Lebensmittel tauchen nur vereinzelt und am Rand auf und beschränken sich nicht nur auf Lebensmitteln aus den Bereichen Obst oder Gemüse. Die Illustrationen zu Beginn der beiden Hauptteile sind wie das Bild auf dem Cover bunt gedruckt und gehen über eine Doppelseite, während die Illustrationen im Fließtext unterschiedliche Größen haben. Es wird Alltagssprache verwendet.14 Fachbegriffe kommen nur sehr wenige vor (auf 118 Seiten nur zwölf Stück), welche überwiegend aus dem Bereich der Nährstoffe stammen; sie werden nicht weiter erläutert. Die Überschriften sind kurz und salopp formuliert: „Selbst ist das Kind“ (36) oder weisen Wortspiele auf: „Roh macht froh“ (88) und wecken so die Neugier. Die Zielgruppe wird direkt mit „Sie“ angesprochen oder mit „Eltern“ bezeichnet. Inhaltliche Gestaltung Ziel: Entlastung gestresster Eltern „Mahlzeit, Kinder!“ möchte „Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern“ (Titel) liefern, damit deren Kinder auch bei Zeitnot „gesund, stressfrei, vielseitig und lecker versorgt werden können“ (Coverrückseite). „Lebensmittelauswahl, Einkaufstipps, passende Küchenhelfer, Tricks, einfache Rezepte und Fantasie“ sollen den Alltag zu14
Als Beispiele hierfür werden genannt: „Wenige, aber gesunde Nahrungsmittel reichen für das tägliche Frühstück“, „Was nicht auf dem Tisch steht, muss auch nicht weggeräumt werden.“ (…), „Obst schnibbeln“, „Kantinenessen: Top oder Flop?“, „(…) zerkleinern bis kurz vor der Atomisierung Obst (…) “.
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
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hause erleichtern (ebd.). Im Vorwort distanziert sich der Ratgeber von anderen Exemplaren und kritisiert, dass diese „viel mit Ernährung, aber nur wenig mit Alltag zu tun haben“ (5). Zusätzlich sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie Kinder auch außer Haus optimal versorgt werden und wie diese Beispiele für individuelle Bedürfnisse umgesetzt werden können (7). „Gesunde Ernährung muss nicht umständlich und langwierig sein, sondern ist mit den richtigen Rezepten, ein paar Küchentricks und etwas Hintergrundwissen in kurzer Zeit zu verwirklichen“ (7). Diese Aussage scheint anzudeuten, dass dafür eher Rezepte als Sachinformationen hilfreich sind. Der Ratgeber wurde für Eltern geschrieben, „die wenig Zeit haben, weil sie z. B. berufstätig und alleinerziehend sind“ (5), viele Kinder haben oder besondere Belastungen und mit Arbeitszeiten, Ladenschlüssen und Öffnungszeiten von Kindertagesstätten jonglieren müssen (5). In der Einleitung wird von „ratlosen Eltern“ (5) gesprochen, trotz „Schriften zum Thema gesunde Kinderernährung (…) wie Sand am Meer“ (5). Den Eltern wird zugetraut, mit ihrer Situation umzugehen und sie sogar eigenaktiv mit zu gestalten. Dabei wird deutlich gemacht, dass aktives Handeln und Eigeninitiative gefragt sind: „Allein oder mit anderen können Sie etwas auf die Beine stellen, um Ihre Kinder nicht nur irgendwie unterzubringen, sondern optimal zu versorgen“ (7). Ernährung: Schnell und trotzdem gesund Schon in der Einleitung wird kritisiert, dass Ernährungsratgeber oftmals den Fokus auf Ernährung legen und dabei die Einbeziehung von Alltagsbedingungen vernachlässigen (5). Zugleich wird verdeutlicht, dass im alltäglichen Ernährungshandeln Gesundheit nur ein Ziel von vielen ist, insbesondere, wenn Eltern ihre Kinder nicht zuhause versorgen können: „Bevor sich Eltern (…) den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihre Kinder gesund ernähren, müssen sie oft zunächst einmal (…) eine Lösung finden, um die Kinder überhaupt zu ernähren“ (6). Für „Mahlzeit, Kinder!“ ist Zeitnot als Hinderungsgrund für eine gesunde Ernährung ein Problem vieler Familien. Dabei müssen sich die Anforderungen ,schnell‘ und ,gesund‘ nicht gegenseitig ausschließen: In dieser Hinsicht will der Ratgeber zeigen, „wie Sie gesund und abwechslungsreich kochen können, ohne stundenlang am Herd zu stehen“ (7), und dass „gesunde Ernährung (…) nicht umständlich und langwierig sein“ (7) muss. Nährstoffe und Lebensmittel: So einfach wie möglich, so gut wie nötig Nährstoffe spielen in „Mahlzeit, Kinder!“ eine untergeordnete Rolle. Wenn sie überhaupt erwähnt werden, dann eher allgemein als Gesamtgruppe. Im Hinblick auf die Nährstoffversorgung findet sich diese entlastende Aussage:
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„Es ist kaum möglich, sich Tag für Tag so zu ernähren, dass immer alle Nährstoffe in ausreichender Menge und optimaler Zusammensetzung aufgenommen werden“ (93).
In einigen Zusammenhängen werden auch konkret bestimmte Nährstoffe erwähnt, meist Vitamine. Nährstoffgehalte werden oftmals in Zusammenhang mit bestimmten Zubereitungsarten erwähnt, so wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass bei der Verwendung eines Römertopfes „die Nährstoffe (…) weitgehend erhalten“ (84) bleiben oder dass „beim Aufbewahren und Aufwärmen des Essens (…) Nährstoffe verloren“ (37) gehen. Auch der Zusammenhang von Verarbeitungsgrad und Nährstoffgehalt wird an einigen Stellen thematisiert, zum Beispiel anhand von Tiefkühlprodukten: „Gemüse und Obst werden direkt nach der Ernte eingefroren, so dass wichtige Vitamine weitgehend erhalten bleiben“ (69). Lebensmittel – hauptsächlich aus der Gruppe der Gemüse – sind wesentlich präsenter. Die Beschreibung vieler unterschiedlicher Gemüsearten wie Artischocken, Sauerkraut und Chinakohl verdeutlichen die Vielfalt dieser Lebensmittelgruppe. Auch Lebensmittel anderer Gruppen werden immer wieder erwähnt (meist Brot, Milchprodukte und Obst). Süßigkeiten werden nur in Zusammenhang mit der Nahrungspyramide erwähnt. Dabei wird darauf verwiesen, dass „unter dem Gesichtspunkt der gesunden Ernährung (…) letztere zwar nicht nötig [sind] (…) die Stimmung [aber] durch ein leckeres Dessert oder gelegentlich ein Stück Kuchen enorm“ (57) steigt. Auch in einem Beispiel für eine gelungene Kombination der Nahrungsmittel der Pyramide finden sich Süßigkeiten: „am Nachmittag (…) ein paar Vollkornkekse“. Unter den über 100 Rezepten findet sich aber kein einziges für eine Süßspeise. Der Nährstoff- und Energiegehalt von Lebensmitteln spielt kaum eine Rolle, allerdings werden manche Nährstoffe schlagwortartig verwandt, um speziellen Lebensmitteln – meist Gemüsesorten – ein „Profil“ zu geben: Sauerkraut ist „als Rohkost genossen eine echte Vitaminbombe“ (109); „rundherum gesund sind Zuchtchampignons (…) sie enthalten viel Wasser und wenig Fett, sind also kalorienarm (…) das Beste jedoch: Der Champignon kann neben anderen Vitaminen mit Vitamin B12 aufwarten“ (112). Es werden ganz überwiegend positiv besetzte Nährstoffe wie Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe erwähnt. Lediglich im Zusammenhang mit stark verarbeiteten Fertigprodukten wie Fischstäbchen (69) oder Fertigmüsli (59) werden auch schädliche Nährstoffgehalte thematisiert, dabei wird zum Beispiel auf den „enormen Fettgehalt“ (34) oder „zuviel Zucker“ (59) hingewiesen. Beschreibungen von Lebensmitteln erfolgen so gut wie immer im Kontext mit Gerichten. Darin enthaltene Lebensmittel entsprechen ganz überwiegend den gängigen Ernährungsempfehlungen, was so aber nicht näher thematisiert wird. Vielmehr wird im Hinblick auf den Einkauf, die Vorbereitung oder die Zubereitung immer eine mögliche Zeitersparnis in den Vordergrund gerückt. So wird zum Beispiel die
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Schwierigkeit thematisiert, frischen Fisch zu besorgen: „Hier können TiefkühlProdukte eine Lücke ausfüllen, auch wenn sie geschmacklich etwas verlieren“ (69). Entsprechende Hinweise sind durch einen Bezug zu bestimmten Mahlzeiten oder Lebensmitteln sehr konkret gehalten. So gibt es ein Kapitel über empfehlenswerte Tiefkühl-Lebensmittel, zu denen jeweils mindestens ein schnelles Rezept mitgeliefert wird. Erwähnt werden ganz überwiegend solche Lebensmittel, die sich durch eine kurze Zubereitungszeit auszeichnen. Beschreibungen von Lebensmitteln in Verknüpfung mit der Vorratshaltung beziehen sich überwiegend auf die Einfriertauglichkeit von Gerichten (74). Einzelne Lebensmittel werden in Bezug auf den zeitsparenden Einkauf thematisiert; bspw. wird empfohlen, Brot morgens vorzubestellen (43) oder das Abonnement einer Gemüsekiste zu nutzen (43). Ernährungsempfehlungen sind sehr allgemein formuliert und werden ausschließlich über die Lebensmittelebene vermittelt: „Kinder brauchen täglich viel Vollkorngetreide in Form von Brot, Müsli, Nudeln, Reis“ (54). In den „Ernährungsinfos für Überflieger“ (54) wird knapp auf Basis der Nahrungspyramide der tägliche Bedarf an Lebensmitteln dargestellt, welche zu den Mahlzeiten in Bezug gesetzt werden: „Brot, Getreide, Nudeln, Reis, Kartoffeln. Davon sollte fünfmal täglich gegessen werden, also zu jeder Mahlzeit“ (55). Andere Mengenangaben bleiben ähnlich vage: „Ebenfalls täglich, aber weniger, brauchen sie Milch, Joghurt, Quark und Käse“ (54). Mit der „Schlicht-aber-wirksam-Methode“ (55), der „Kombi-Methode“ (ebd.) und „Neugier-Methode“ (57) werden zudem drei Möglichkeiten vorgestellt, wie die zuvor formulierten Empfehlungen so einfach wie möglich im Alltag umgesetzt werden können. So kann das ganz schematisch gehen: „Vier der fünf Mahlzeiten bleiben immer gleich. Morgens gibt es Müsli mit Milch und Obst, zu ersten Zwischenmahlzeit ein kleines Vollkornbrot und ein Stück rohes Gemüse oder Obst, (…) für die warme Mahlzeit (…) gibt es einen Fundus von sieben Rezepten, die sich jede Woche wiederholen“ (55).
Aber auch Menschen, die weniger gern planen, finden ein Modell „für alle, die experimentierfreudig und flexibel sind. Sie prägen sich nur die zuvor beschriebenen Grundregeln der gesunden Ernährung ein (…) und dann rein in die Vielfalt. Denn wer immer mal Neues ausprobiert (…) kann sicher sein, sich und die Kinder mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen“ (57). So werden die Anforderungen an die Gestaltung einer gesunden Ernährung bewusst niedrig gehalten, die Eltern können entscheiden, welche Methode sie umsetzen wollen. Lebensmittel und Nährstoffe werden überwiegend im zweiten Teil des Ratgebers „Ernährungsinfos und Rezepte“ erwähnt. Aber auch im ersten Teil wird im Zusammenhang mit den Vor- und Nachteilen von Außer-Haus-Verpflegung ab und zu auf den Nährstoffgehalt hingewiesen, der durch unterschiedliche Zubereitungsarten variieren kann: „Es (…) musste entweder über längere Zeit warm gehalten oder noch
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einmal erhitzt werden, zum Nachteil der Nährstoffe“ (17). Anhand von Lebensmitteln kann die Qualität der Verpflegung überprüft werden; beispielsweise hilft die „Kantinen-Checkliste“ (27) dabei heraus zu finden, wie gesund die Mahlzeiten dort sind: „Frische Salate gehören täglich dazu (…) für den ,kleinen Hunger‘ stehen Obst, Salate und Milchprodukte bereit“ (27). Verarbeitete Lebensmittel als potentielle Entlastung „Mahlzeit, Kinder!“ wurde für „eilige Eltern“ (Titel) geschrieben – so wird auch der Verarbeitungsgrad nicht nur unter physiologischen Aspekten bewertet, es werden immer auch mögliche Zeitersparnisse mit berücksichtigt. „Mahlzeit, Kinder!“ bekennt sich zu den Prinzipien der Vollwert-Ernährung, gerade in Bezug auf den Verarbeitungsgrad werden diese aber auch relativiert. So wird darauf hingewiesen, dass Tiefkühlprodukte bei Herstellung und Aufbewahrung viel Energie verbrauchen – aber eben auch, dass sie in der Praxis die Arbeit sehr erleichtern, „wenn man trotz knapper Zeit eine gesunde, warme Mahlzeit auf den Tisch bringen will. Außerdem sind sie für die Vorratshaltung gut geeignet“ (68). In der Folge werden sie differenziert betrachtet: Fertiggerichte werden nicht empfohlen (68), unverarbeitete Obst-, Gemüse- und Fischprodukte schon – letztere vor allem, um die Empfehlung der wöchentlichen Fischportion erfüllen zu können (69). Auch Konserven, die in der Vollwert-Ernährung „einen schlechten Ruf“ (81) haben, werden differenziert betrachtet: Sauer eingelegtes Gemüse, Tomaten, Hülsenfrüchte und Mais „bieten sich bei Zeitnot als Konserve an“ (81). „Mahlzeit, Kinder!“ spricht als einziger Ratgeber den Alltagsstress an, der in vielen Haushalten den Griff zur Fertigpizza forciert. Die Sehnsucht nach Entlastung wird in einem Satz auf den Punkt gebracht: „Was wäre das schön: Nach Hause kommen und erst mal die Füße hochlegen (…) während eine Märchenfee das Essen zubereitet“ (34). Dieses Bedürfnis nach Arbeitserleichterung soll mit einer gesunden Küche in Einklang gebracht werden, wobei die Außer-Haus-Verpflegung als eine Entlastungsmöglichkeit präsentiert wird. In diesem Zusammenhang werden kurz unterschiedliche Verpflegungssysteme von Caterern vorgestellt und Empfehlungen für eine gesunde Auswahl gegeben: „Grundsätzlich sollten immer Anbieter bevorzugt werden, die das Essen tiefgekühlt liefern“ (16). Zeit sparen durch Alltagsorganisation Eine gute Organisation des Alltags kann zeitsparend sein und damit entlastend wirken. Auch hier wird wieder das Bedürfnis nach Entlastung aufgegriffen: „Wochenpläne sind unendlich lästig (…) doch die unangenehme Planung ist in der Folgezeit äußerst hilfreich. Sieben Tage lang muss nicht mehr überlegt werden“ (41). Beim Einkauf kann Zeit gespart werden, indem man sich z. B. mit Freunden abwechselt
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
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(43). Auch bei der Mahlzeitenzubereitung kann Zeit gespart werden, z. B. kann der Frühstückstisch zum großen Teil schon am Abend vorher gedeckt werden (58) oder bestimmte Komponenten wie Salatsoße einmalig für den Wochenvorrat zubereitet werden (49). Rezepte werden so gut wie immer unter dem Gesichtspunkt des Zeitsparens dargestellt. Im Zusammenhang mit der Alltagsorganisation werden immer wieder auch finanzielle Aspekte angesprochen. Dies geschieht insbesondere im Bereich der Küchengeräte (82f.), wobei die Faktoren Zeit- und Geldsparen gegenüber gestellt werden: „Der in der Regel etwas höhere Preis relativiert sich durch eingesparte Zeit und geringeren Aufwand“ (43). Gute Außer-Haus-Verpflegung: Wer suchet, der findet In „Mahlzeit, Kinder!“ wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Kinder Mahlzeiten auch außer Haus einnehmen müssen. Über 30 Seiten hinweg werden im ersten Teil des Ratgebers verschiedene Möglichkeiten der Außer-Haus-Betreuung für Kinder unterschiedlichen Alters präsentiert, wobei auch immer die jeweilige Verpflegungsart genauer betrachtet wird. Das vollwertige Essen von der Tagesmutter (12), eine Kindertagesstätte mit Selbstverpflegung (13), der Hort mit CateringEssen (18) – „Mahlzeit, Kinder!“ zeigt, dass neben der Betreuungsform auch die Verpflegungsart sehr variieren kann. Gleich in der Einleitung wird verdeutlicht, dass die Schwierigkeit aber weniger darin liegt, sich für eine Betreuungsform zu entscheiden als überhaupt eine Betreuung zu finden (6). Neben den institutionellen werden so auch die politischen Rahmenbedingungen kritisiert: Der Mangel an Ganztagsplätzen, flexiblen Öffnungszeiten und generell an familienentlastenden Angeboten und der unflexible Umgang der Kommunen mit Notlagen (6). Positiv werden die Entwicklungen zum Ausbau der Kinderbetreuung auf Landes- und Bundesebene hervorgehoben (7). Der Ratgeber enthält die Botschaft, dass Eltern selbst aktiv werden müssen, um einen guten bzw. überhaupt einen Betreuungsplatz für ihr Kind zu finden und hier auch gestaltend tätig sein können. Besonders deutlich wird dies an der Aussage „dieser Ratgeber [soll] kein Jammer-Leitfaden sein oder sich darin erschöpfen, Mängel aufzulisten. Im Gegenteil: Er will Ihnen als betroffenen Eltern zeigen, wie Sie aus der Not eine Tugend machen“ (7). So werden viele realisierte Beispiele genannt, bei denen Eltern durch ihr Engagement eine Mittagsbetreuung initiiert oder verbessert haben. Tipps und Informationen zu Ansprechpartnern, Broschüren und Adressen ergänzen die vorgestellten Betreuungsmöglichkeiten. Auch das Marktangebot wird eher aus dem Blickwinkel einer potentiellen Entlastung betrachtet: Die (wenigen) Passagen stellen überwiegend Möglichkeiten vor, wie der Einkauf möglichst kurz und stressfrei gestaltet werden kann: Liefermöglichkeiten nutzen, Lebensmittel vorbestellen und die langen Öffnungszeiten
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5 Ergebnisse der Analyse
ausnutzen, um dem Samstagsstress zu entgehen (43). Ebenso wie andere Ratgeber rät „Mahlzeit, Kinder!“ vom Kauf spezieller Kinder-Lebensmittel ab. Statt langer Erklärungen wird die Ablehnung mit einem einfachen „Kinder brauchen nicht“ (55) begründet. Intensiver wird nicht auf sie eingegangen, sie sind einfach „überflüssig“ (44). Einfache und schnelle Rezepte für Kinder „Mahlzeit, Kinder!“ verknüpft auch in Auswahl und Darstellung der Rezepte die Aspekte Zeit und Gesundheit, wobei der Fokus wiederum auf der Zeit(ersparnis) liegt. So basieren die Rezepte zwar auf den Ernährungsempfehlungen, dies wird jedoch bewusst kaum thematisiert: „Wie gesund Rohkost ist, darüber muss hier eigentlich kein Wort mehr verloren werden“ (88). Stattdessen wurden alle Rezepte unter Berücksichtigung des zeitlichen Aspekts ausgewählt und werden auch so präsentiert. Jedes der neun Kapitel, das Rezepte enthält, setzt einen Schwerpunkt auf bestimmte Zubereitungsarten oder Mahlzeiten. Da gibt es das Kapitel „Roh macht froh“, in dem frohlockt wird: „Die Hälfte der täglichen Nahrung sollte nach den Prinzipien der Vollwertküche als ,unerhitzte Frischkost‘ gegessen werden (…) Wie praktisch für alle Eltern, die wenig Zeit haben! Kohlrabi schälen und zerteilen – und schon haben sie wieder ein gutes Gewissen“ (88).
An anderer Stelle heißt es: „Wir haben deshalb (…) Gerichte für Sie zusammengestellt, die sie wirklich in weniger als einer halben Stunde auf den Tisch bringen“ (77). Unter dieser Aussage finden sich dann neben kompletten Rezepten auch bloße Beschreibungen sehr einfacher Gerichte: „Sehr einfach lassen sich Gerichte aus tiefgekühlten Erbsen zubereiten. Sie können zum Beispiel nach Anweisung gegart, leicht gepfeffert und gesalzen, sowie mit einem Teelöffel Butter und gehackter Petersilie verfeinert und auf einem Berg Kartoffelbrei verteilt werden“ (72). Rezepte dieser Art gibt es viele: Überbackener Vollkorntoast (65) oder gehaltvolle Salate wie „Weißkohlsalat mit Rosinen und Nüssen“ (99) werden als schnelle Alternative zu einer warmen Hauptmahlzeit präsentiert. Aussagen wie „Wenn mal wirklich keine Zeit da ist (…) dann geben Sie Ihren Kindern eine oder zwei Scheiben Vollkornbrot mit etwas Butter und ein Stück rohes Gemüse in die Hand. Das ist keine Verlegenheitslösung, sondern eine vollwertige kleine Mahlzeit.“ (81)15
setzen die Anforderungen an die tägliche Küche bewusst herab. 15
Oder auch diese Aussage: „Wenn selbst zum Kochen der Pellkartoffeln die Zeit fehlt, kann man sich auch einmal mit Vollkorncrackern behelfen. Ein Paket davon sollte immer im Vorratsschrank sein.“ (78)
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
95
Bei aller Schnelligkeit werden trotzdem die Essenden nicht aus dem Blick verloren: Es finden sich viele Äußerungen, welche der verwandten Lebensmittel „bei Kindern sehr beliebt“ (79) sind oder zu den „Kinderfavorit(en)“ (102) gehören. Die einzelnen Rezepte enthalten kaum spezielle Variationsmöglichkeiten. Ganz am Ende des Ratgebers wird aber die Improvisationskunst als eine grundlegende Voraussetzung des Zeitsparens präsentiert. So sind die Rezepte als Anregung gedacht, denn „je mehr Sie variieren und experimentieren, desto besser (…) ersetzen Sie einzelne Zutaten (…) durch andere, die Sie grade im Haus haben. Schon bald werden Sie immer sicherer in der Kunst der Improvisation. Und dadurch bekommen Sie auch Ihre Zeit in den Griff“ (117). Neben dem Zugriff über das Rezeptregister, welches die Gerichte neben ihrem Titel auch unter dem Hauptlebensmittel aufführt, werden in zehn Kapiteln Rezepte unter einem bestimmten Aspekt präsentiert. Da gibt es die „Chaosrezepte“ (47) für Tage, an denen das Einkaufen ausgefallen ist, gut vorzubereitende Gerichte in „Vorbereitung ist die halbe Mahlzeit“ (49) oder sehr schnelle Rezepte in „Fast Food für Feinschmecker“ (111). Während sich aus den Titeln der Kapitel allein nicht erschließen lässt, welche Rezeptarten dahinter präsentiert werden, bietet das Rezeptregister die Möglichkeit, direkt nach bestimmten Lebensmitteln oder Gerichten zu suchen. Neben einigen Frühstücksvariationen und Vorschlägen für Brotaufstriche handelt es sich hauptsächlich um einfache Rezepte für Hauptgerichte. Fazit: Entlastung im Alltag durch gesunde Ernährung Die in Cover und Einleitung angekündigten Inhalte (Ernährungstipps und einfache Rezepte, Lebensmittelauswahl, Einkaufstipps, passende Küchenhelfer, Tricks) sowie die Darstellung von Möglichkeiten der Außer-Haus-Verpflegung sind in „Mahlzeit, Kinder!“ sämtlich enthalten. Der Ratgeber stellt klar, dass gesunde Ernährung nicht nur auf eine Art und Weise möglich ist, sondern dass es viele Möglichkeiten gibt, eine gesunde Küche in den eigenen Alltag zu integrieren. In diesem Ratgeber wird die Kluft zwischen dem theoretischen Wissen und der alltäglichen Praxis thematisiert, indem ganz deutlich herausstellt wird, dass Zeitnot und Stress – trotz gutem Willen und wider besseren Wissens – eine gesunde Ernährung verhindern können. Als Antwort darauf setzt der Ratgeber die Anforderungen an die Gestaltung einer gesunden Ernährung bewusst herab (u.a. mit der „Schlicht-aber-wirksamMethode“ und der Anpreisung von Gerichten wie Erbsen mit Kartoffelbrei). Zusätzlich werden die Eltern darauf aufmerksam gemacht, dass sie außerhalb des eigenen Haushalts in vielen Alltagsbereichen Unterstützungsmöglichkeiten finden können. Der Ratgeber thematisiert tatsächlich eher den Ernährungsalltag als Sachinformationen über Ernährung. „Mahlzeit, Kinder!“ versteht es, gesunde Küche nicht unter diesem Schlagwort zu präsentieren, sondern stellt ein Argument in den Vordergrund,
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das vermutlich sehr viel motivierender ist: Er bewirbt gesunde Lebensmittel mit Zeitersparnis und stellt so einen relevanten Zusatznutzen der vorgestellten Ernährung heraus. Gesunde Ernährung muss nicht Stress vergrößernd sein. Empfehlenswerte Ernährungsgewohnheiten können sogar entlastend wirken (man denke an den Kommentar zur Rohkost). Eltern werden in diesem Ratgeber als kompetente und aktive Menschen beschrieben, die die dargestellten Empfehlungen im Hinblick auf die individuelle Alltagstauglichkeit bewerten können. Sie sollen nicht von etwas überzeugt werden, zum Beispiel warum sie Kinderlebensmittel meiden sollen. Wichtiger als Hintergrundwissen scheinen Improvisationskunst, Engagement, Eigeninitiative und Fantasie zu sein. Da die umfangreichen Zwischenüberschriften nicht im Inhaltsverzeichnis enthalten sind und es kein Stichwortregister gibt, können die Sachinformationen überwiegend nur über das Lesen oder Durchblättern erschlossen werden.
5.3.3
Ratgeber zur Kinderernährung im Vergleich: Umsetzung eines Konzepts versus an den Alltag angepasste Empfehlungen
Ernährung zur Gesunderhaltung – Ernährung im Alltag Die beschriebenen Ratgeber befassen sich beide mit familiärer Kinderernährung, setzen jedoch unterschiedliche Akzente. Im Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ wird die bestmögliche Ernährung als eine möglichst genaue Umsetzung der Vollwert-Ernährung beschrieben, mit der ein gesundes Ernährungsverhalten garantiert werden soll. Ziel ist die Umstellung der eigenen Ernährungsgewohnheiten auf die Vollwert-Ernährung, auch wenn dies nicht wörtlich gefordert wird. Auch werden einzelne Umstellungsschwierigkeiten thematisiert und vereinzelt sogar Empfehlungen relativiert (z. B. im Hinblick auf Konserven). Das angestrebte Ziel ist dennoch, die individuellen familiären Ernährungsgewohnheiten so gut wie möglich einem theoretischen Konzept unterzuordnen, um die Gesundheit der Kinder zu erhalten bzw. zu verbessern. „Mahlzeit, Kinder!“ passt dagegen allgemeine Empfehlungen an den stressreichen Alltag heutiger Familien an und fordert die Leserinnen und Leser dazu auf, aus verschiedenen Alternativen die individuell passenden heraus zu suchen. Die Ratschläge liegen ebenfalls den Richtlinien der Vollwert-Ernährung zugrunde, die Notwendigkeit einer gesundheitsfördernden Ernährung wird allerdings kaum thematisiert. Stattdessen geht es vorrangig um diese Ernährung fördernde oder hemmende Bedingungen und die daran orientierte Ausgestaltung der Empfehlungen.
5.3 Ratgeber zur Kinderernährung
97
Fragende Eltern – Handelnde Eltern Die Eltern in „Bärenstarke Kinderkost“ werden als fragende Menschen beschrieben, die Informationen über eine gesunde Ernährung fordern und diese auch benötigen, zumindest im Hinblick auf die ungesunden Ernährungsgewohnheiten ihrer Kinder. Über Täuschungsversuche der Industrie müssen sie aufgeklärt werden, damit sie nicht in deren Fallen tappen. Eltern in „Mahlzeit, Kinder!“ scheinen weniger Informationsbedarf hinsichtlich gesunder Ernährung zu haben16, sie müssen weder überzeugt noch aufgeklärt werden. Stattdessen benötigen sie praktische Empfehlungen, die schon im Vorfeld Bedingungen ihres stressigen Alltags integrieren. Sie werden als aktive Menschen beschrieben, die auch außerhalb des eigenen Haushalts gestaltend tätig sein können, zum Beispiel im Hinblick auf die Verbesserung der Außer-HausBetreuung. Traditionelle Ernährung im eigenen Haushalt – Alltag berufstätiger Eltern „Bärenstarke Kinderkost“ konzentriert sich in seiner Darstellung auf die häusliche Versorgung der Kinder, welche überwiegend aus dem Blickwinkel der größtmöglichen Gesundheitsförderung beschrieben wird. Der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ beleuchtet stärker Lebenssituationen heutiger Familien und stellt es als selbstverständlich heraus, dass Ernährungsverantwortung auch abgegeben werden kann und muss. Der Bereich der Außer-Haus-Betreuung wird als fester Bestandteil in der täglichen Ernährungsversorgung dargestellt und dementsprechend ausführlich thematisiert. Nährstoffgerechte Rezepte – Entlastende Rezepte Die Ratgeber legen auch im Hinblick auf die Rezepte unterschiedliche Schwerpunkte: „Bärenstarke Kinderkost“ gibt für seine Rezepte keine Zubereitungszeit an, dafür aber deren Nährstoffgehalte. Sie werden nach Lebensmittelgruppen systematisiert, vermutlich um den Bezug zu den Ernährungsempfehlungen zu erleichtern. „Mahlzeit, Kinder!“ stellt Rezepte so gut wie immer unter dem Gesichtspunkt des Zeitaufwandes und der potentiellen Entlastung dar und systematisiert sie überwiegend auch nach ihrem Zubereitungsaufwand. Individuelle Zeiten für die Zubereitung einzelner Rezepte werden ebenfalls nicht angegeben, allerdings scheint man sie wenig zeitintensiv zubereiten zu können. 16
„Sie möchten Ihre Kinder gesund ernähren? Sie wissen nur nicht genau, wie das geht? Und Sie haben auch keine Zeit, lange Erklärungen zu studieren?“ (54)
98
5 Ergebnisse der Analyse
5.4
Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
5.4.1
„Gesunde Ernährung von Anfang an. Stillen, Säuglingsnahrung, Breie und Gläschenkost“
Formale Gestaltung Der Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an. Stillen, Säuglingsnahrung, Breie und Gläschenkost“ ist mit 82 Seiten Umfang der dünnste der untersuchten Ratgeber. Der Titel legt den Schwerpunkt auf Ernährung, das Titelbild vertieft diesen Eindruck: Es zeigt ein Bündel sauber geschrubbter Karotten. Das Inhaltsverzeichnis geht über eine Doppelseite und stellt Kapitel und Unterkapitel mit den entsprechenden Nummern, Titeln und Seitenzahlen dar. Es gibt keinen Anhang, im letztem Kapitel finden sich Adressenlisten der Verbraucherzentralen und anderen Beratungsinstitutionen. Danach folgt ein Stichwortverzeichnis, das aber nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführt wird. „Gesunde Ernährung von Anfang an“ ist der einzige der analysierten Ratgeber, bei dem mittels eines Stichwortverzeichnisses auf den Inhalt zugegriffen werden kann. Abbildung 3: Titelseite von Der Ratgeber ist in insgesamt 16 Kapitel „Gesunde Ernährung von Anfang unterteilt, die zwischen einer und 18 Seiten lang an“17 sind. Etwa die Hälfte der Kapitel verfügt über drei bis sieben Unterkapitel, welche durch eine Nummerierung gekennzeichnet sind. Zusätzlich ist der Ratgeber weiter in Absätze mit Zwischenüberschriften gegliedert. Die Zwischenüberschriften heben sich durch ihre farbliche Gestaltung von den Überschriften der Unterkapitel ab und sind nicht nummeriert. Jede Seite wird durch mindestens eine Überschrift strukturiert. Ein weiteres Strukturelement sind Aufzählungen, die oftmals längere Textabschnitte einleiten und einen bis mehrere Sätze lang sein können. Sie werden durch ein farbiges Quadrat markiert und haben zum Teil auch fettgedruckte Überschriften oder Anfangssätze. Zudem strukturieren etwa ein Dutzend Tabellen und einige Kästen und Marginalien den Text weiter. Die Tabellen ergänzen zumeist Sachinformationen aus dem Fließtext durch Zahlen, bspw. 17
entnommen aus: Verbraucherzentrale Hamburg e.V. (2008): Gesunde Ernährung von Anfang an. Stillen, Säuglingsnahrung, Breie und Gläschenkost. Lüneburg; Foto: Giorgio Scarlini
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
99
Grenzwerte von Mineralstoffen in Mineralwasser (27) oder die Nährstoffe von Kuhmilch und Muttermilch im Vergleich (16). Der Text ist einspaltig mit einem breiten Außenrand gedruckt; Illustrationen, Überschriften, Tabellen oder ähnliches sind nach außen gerückt. Durch farbige Balken werden die Überschriften von Kapitel, Unterkapitel und Absätzen unterschieden. Da sich die Überschriften aufgrund der identischen Schriftgröße und orangefarbener Unterstreichungen sehr ähneln, verliert sich dieser Effekt aber wieder. Es gibt weder eine Kopfzeile noch Marker. „Gesunde Ernährung von Anfang an“ enthält fünf Schaubilder und Diagramme und ca. 40 Fotografien mit dekorativem Charakter. Wie das Schriftbild sind die Illustrationen mit Ausnahme des Titelfotos in Blau- und Orangetönen gehalten. Die Fotos sind überwiegend kleinformatig und nehmen das Thema des Titelbilds auf: Lebensmittel wie eine Birne oder ein Brokkoliröschen oder Haushaltsgegenstände wie Schnuller, Gläschen oder Löffel werden abgebildet. Die Illustrationen weisen oftmals einen Bezug zum nebenstehenden Text auf, transportieren aber weder Inhalte noch Stimmungen. Sie wirken buchstäblich ,leer‘: So sind die dargestellten Gläser, Flaschen oder Löffel immer ohne Inhalt, eine Tüte Getreide ist umgekippt, der Inhalt herausgerieselt. Nur ein einziges Foto zeigt ein Baby. Dieser Ratgeber setzt im Vergleich zu den anderen Ratgebern sehr viele Fachbegriffe ein: Mehr als 60 unterschiedliche, mindestens 30 davon stammen aus dem Bereich der Schadstoffe. Zum Teil sind dies vermutlich geläufige Begriffe wie Cadmium oder Formaldehyd, aber auch weniger bekannte wie „Perfluorierte Tenside“, „Nitromoschusverbindungen“ oder „Tributylzinn“ werden verwandt. Ungefähr die Hälfte davon wird kurz erklärt. Insgesamt finden sich auf 82 Seiten über 200 Fachbegriffe. Die Überschriften sind kurz und sachlich formuliert und geben einen Ausblick auf den Inhalt des entsprechenden Abschnitts. Die Zielgruppe wird entweder über eine Benennung indirekt angesprochen: „Wenn ein Baby auf die Welt kommt, haben Eltern viele Fragen“ (4) oder direkt: „Dieser Ratgeber hilft Ihnen“ (4). Handlungsempfehlungen, Überschriften und Sätze, die neue Abschnitte einleiten sind meist als Warnungen formuliert: „Vorsicht bei ,saurem Wasser‘ aus neuen Kupferrohren“ (25). Solche Hinweise auf potentielle Gefahren durch Ernährung finden sich den ganzen Ratgeber hindurch.18 18
Auf der ersten Seite des ersten Kapitels beginnt es mit: „Das vorrangige Interesse der Hersteller ist es nicht, Ihrem Baby einen möglichst gesunden Start ins Leben zu ermöglichen“ (4), weiter geht es auf der nächsten Seite: „Zu frühe Gaben von Fertigmilch (…) erhöhen das Allergierisiko“ (5). Immer wieder finden sich Warnungen: „Gesundheitsschäden durch zu viel Blei“ (24), „Allergien auf dem Vormarsch“ (41) als Kapitelüberschrift, „Salz und Gewürze haben in der Beikost nichts zu suchen“ (51), „Verunreinigungen in Lebensmitteln sorgen zunehmend für Schlagzeilen“ (73).
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5 Ergebnisse der Analyse
Herausgeber ist die Verbraucherzentrale Hamburg, da er aber im Verlagsprogramm der Verbraucherzentrale NRW erscheint, wurde er ebenfalls in die Analyse aufgenommen. Zudem handelt es sich bei der seit 1986 erscheinenden Publikation um einen ,Dauerbrenner‘ in deren Programm. Inhaltliche Gestaltung Ziele und Zielgruppe „Wenn ein Baby auf die Welt kommt, haben Eltern viele Fragen“ (Cover) – und diese Fragen will „Gesunde Ernährung von Anfang an“ beantworten. Einige Fragen sind auf der Coverrückseite abgedruckt: „Stillen ja – aber wie lange? Was tun bei Allergien? Selberkochen oder Fertignahrung – was ist besser?“. Alle haben mit gesundheitlichen Aspekten von Ernährung zu tun. Weiterhin sollen mit dem Ratgeber „Unsicherheiten“ (4) abgebaut werden. Er möchte helfen, „Werbeaussagen kritisch zu beleuchten“ (4) und den „unübersichtlichen Angebotsdschungel durchschaubar zu machen“ (4). Eine Einleitung, in der Inhalt oder Aufbau des Ratgebers erläutert werden, ist nicht vorhanden. Der Ratgeber richtet sich an werdende oder junge Eltern mit „vielen Fragen“ (4). Mit dem unüberschaubaren Marktangebot sind sie überfordert (4, 78), und sie benötigen Hilfe, damit sie „den Angriffen der Werbestrategen nicht hilflos ausgesetzt“ sind (7). Durch diese werden sie so geblendet, „dass viele Eltern gar nicht auf die Idee kommen, das Gemüse oder den Milchbrei für ihr Baby selbst zu kochen“ (6). Ernährung zwischen Gesundheit und Krankheit In „Gesunde Ernährung von Anfang an“ wird Ernährung – wie schon im Titel angedeutet wird – ganz unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit betrachtet. Gleich in der Einleitung wird postuliert: „Wir alle wünschen uns rundherum gesunde, widerstandsfähige und zufriedene Kinder. Durch die richtige Ernährung von Anfang an können Sie dazu beitragen“ (5). Insgesamt finden sich wenig allgemeine Aussagen über Ernährung, fast alle entstammen sie dem ersten Kapitel. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Verhinderung von Krankheiten und potentiellen Gefahren, die Kindern über die Ernährung drohen. Es trägt den Titel „Was ist wirklich gesund?“. Die ersten zwei Absätze befassen sich mit der „kaum überschaubare[n] Produktvielfalt“ (4) und machen deutlich, dass für die Anbieter von Babykost keineswegs die gesunde Entwicklung des Babys im Vordergrund steht, sondern der Profit. Im zweiten Absatz findet sich eine Aussage über die schwerwiegenden Folgen von Ernährungsfehlern, und die zweite Seite steht ganz im Zeichen der krankmachenden Inhaltsstoffe in der Nahrung (5).
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
101
Nachdem zunächst ganz allgemein von „Ernährungsfehlern“ (4) die Rede ist, die die „körperliche und seelische Entwicklung beeinträchtigen und sich auch später noch negativ auf die Gesundheit auswirken“ (4) können; wird dies noch im ersten Kapitel (der Ratgeber hat keine Einleitung) konkretisiert: Nährstoffe wie Zucker und Fett, Schadstoffe wie Schimmelpilze sowie Bakterien werden als Beispiele für krankmachende Wirkungsweisen von Ernährung aufgezählt (5). Nährstoffe als Schadstoffe Nährstoffe werden in „Gesunde Ernährung von Anfang an“ eher wenig thematisiert, es existiert weder ein eigenes Kapitel noch eigene Abschnitte; einzelne Aussagen finden sich über den ganzen Ratgeber verteilt. Sie werden dabei überwiegend im Kontext mit ihrer physiologischen Wirkung beschrieben. Statt erwünschter positiver Auswirkungen werden aber überwiegend die Gefahren, die von Nährstoffen ausgehen können, dargestellt. Schadstoffe dagegen spielen eine wesentlich größere Rolle: Es werden mehr unterschiedliche Schadstoffe als Nährstoffe erwähnt. Allein die Schilderung möglicher Gefährdungen durch Nitrat, Blei und Kupfer im Trinkwasser nimmt über sechs Seiten ein. Risiko Nahrung Lebensmittel werden weitaus häufiger erwähnt und ebenfalls zum großen Teil über ihre physiologische Wirkung beschrieben. Gemäß dem Thema des Ratgebers nehmen Sachinformationen rund ums Stillen großen Raum ein. Hier überwiegen Aussagen über Muttermilch, die als „natürlichste und beste Ernährung für Säuglinge“ (8) definiert wird. Die „Vorteile der Muttermilch“ (8) – ausgewogene Nährstoffverteilung, enthaltene Abwehrstoffe und durch Studien belegte positive Auswirkungen wie ein geringeres Risiko, in späteren Jahren an verschiedenen Krankheiten zu leiden – werden auf nicht ganz einer Seite abgehandelt. Fünf Seiten nimmt dagegen die Erläuterung der von Muttermilch ausgehenden Gefahren in Anspruch. Der Abschnitt über die Schadstoffbelastung wird mit der „guten Nachricht“ (11) begonnen, dass „die Schadstoffgehalte in der Muttermilch (…) in den letzten Jahren gesunken“ (11) sind, was auch näher erläutert wird. Der nächste Absatz „Entwarnung unangebracht“ warnt aber zugleich wieder: „Anlass zur generellen Entwarnung gibt es nicht. Durch die Vielzahl an neuen chemischen Stoffen (…) kann die Muttermilch mit bisher unbekannten Stoffen verunreinigt werden“ (12).
Im Anschluss werden Informationen über die neu auf der „Negativliste“ (12) aufgetauchten Perfluorierten Tenside und die Auswirkungen PCB- und dioxinbelasteter Mütter auf ihre Kinder geliefert.
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5 Ergebnisse der Analyse
Auch der anschließende Abschnitt „Was Sie selbst tun können“ legt trotz seiner positiv formulierten Überschrift den Fokus auf die Schäden, die Kindern über die Aufnahme von „Genussgiften“ (14) und Tabletten zugefügt werden können: Missbildungen durch zu hohen Alkoholkonsum, Lungenentzündung durch das Nikotin aus Zigaretten, Durchfälle aufgrund von Antibiotika oder unruhige Kinder durch das Nikotin (14, 15). Trotzdem wird Muttermilch immer noch als die gesündeste Ernährung für Säuglinge bezeichnet. Neben denen zur Muttermilch finden sich Sachinformationen zu verschiedenen Säuglingsnahrungen. Auch hier wird hauptsächlich erläutert, womit Säuglinge nicht gefüttert werden dürfen: Kuhmilch ist aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht zur Säuglingsernährung geeignet (16), Frischkornmilch „ist ungeeignet, weil Säuglinge noch gar nicht in der Lage sind, die Stärke aus dem Getreide zu verdauen“ (19) und auch „Nährstoffgehalte selbst hergestellter Milch“ (19) sind „niemals so ausgewogen wie die von Fertigmilch“ (19). Ähnlich beurteilt werden auch Sojanahrungen, Folgemilchprodukte sowie Stuten- oder Ziegenmilchprodukte. Einzig die „Halbmilch ist in der Lage, das Kind mit allen Nährstoffen ausgewogen zu versorgen“ (19), aber auch hier müssen die Vitamine A und C zugegeben werden, was wiederum die Gefahr einer allergischen Reaktion vergrößert. Eine neutrale Beschreibung wird für die Säuglingsnahrung „Pre“ geliefert, sie wird als einzige Fertigmilch als empfehlenswert deklariert. Ähnlich gefährlich scheinen Trinkwasser, Tees und Fruchtsäfte zu sein. Unter der Überschrift „Wasser: abgepackt oder aus dem Wasserhahn?“ (22) wird erläutert: „Die Rückstandsbelastung des Trinkwassers ist innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich. Insbesondere in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft wie Weinanbau oder Massentierhaltung finden sich Spuren vieler Agrarchemikalien wie Mineraldünger oder Schädlingsbekämpfungsmittel im Grundwasser sowie in Flüssen und Seen“ (22). Auf den nächsten Seiten wird dann die mögliche Nitrat-, Blei- und Kupferbelastung von Trinkwasser dargestellt. Bis auf den dreimal innerhalb von zwei Seiten vorkommenden Ratschlag, Kindern ein geeignetes Mineralwasser, abgekochtes Leitungswasser oder ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees zu trinken zu geben (29f.), widmet sich das Kapitel „Kaputte Zähne durch Kindertee“ über vier Seiten den Folgen des Genusses sogenannter Kindertees: Durch ihren hohen Zuckergehalt führen sie zu Löchern im Zahnschmelz, die Säure lässt die Zähne braun werden und kann zur Auflösung des Zahnschmelzes führen. Die ausschließliche Gabe kann zudem einen Mangel an lebenswichtigen Vitaminen und Mineralstoffen hervorrufen (28). Neben den Kindertees machen auch „Flüssigkeiten, die keinerlei süße oder saure Stoffe enthalten (…) die Zähne empfindlicher gegenüber Karies“ (29). Schwarzer Tee wird ebenfalls nicht empfohlen, „weil er anregend wirkt und die Gerbsäure aus dem Tee Verbindungen mit Eisen aus der Nahrung eingeht“ (29), Fen-
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
103
cheltee enthält mit Estragol und Methyleugenol „Stoffe, die sich (…) als erbgutverändernd und krebsauslösend erwiesen haben“ (30). Babysäfte, Nektare und Fruchtsaftgetränke sind aufgrund des Zuckergehalts als Durstlöscher „umstritten“ (32), und auch Saftreste aus Obstkonserven werden als Negativbeispiel erwähnt (33). Eine einzelne Handlungsempfehlung findet sich auch: Fruchtsäfte sind frühestens ab dem 5. bzw. ab dem 7. Lebensmonat sinnvoll und können einen Beitrag zur Vitamin C-Versorgung und zur besseren Ausnutzung des Eisens aus pflanzlichen Lebensmitteln leisten (33).19 Und an anderer Stelle: „Wenn verträglich, kann dem Brei zur weiteren Verbesserung der Eisenaufnahme auch noch Vitamin C-reicher Obstsaft zugesetzt werden“ (53). Die Begründung, warum etwas nicht empfehlenswert ist oder welche gesundheitlichen Schäden ausgelöst werden können, nimmt in den meisten Fällen mehr Raum ein als die Erläuterung von positiven gesundheitlichen Auswirkungen anderer Lebensmittel. Differenzierte Betrachtung verarbeiteter Lebensmittel Der Verarbeitungsgrad wird hauptsächlich im Kontext mit der Zusammensetzung und der physiologischen Wirkung von Fertignahrungen thematisiert. Dabei wird zwischen den sogenannten Kinder-Lebensmitteln und anderen Fertignahrungen differenziert. Von speziellen Kinder-Lebensmitteln wie „Kleinkinder-Milch, Märchenteller, Kinder-Fruchtjoghurts“ (71) wird generell abgeraten, wozu ein eigenes Kapitel „Kinder-Lebensmittel: Die neuen Renner der Lebensmittel-Industrie“ (71f.) verfasst wurde. Hier werden die Kritikpunkte dargestellt: Zu hoher Zuckergehalt, zu starke Zerkleinerung der Zutaten, Einheitsgeschmack, hoher Preis und eine „wahllose Anreicherung mit Nährstoffen“ (71f.). Von Brei- und Gläschenkost wird dagegen nicht grundsätzlich abgeraten. So wird an unterschiedlicher Stelle positiv vermerkt, dass Fertigkost streng schadstoffkontrolliert ist (61), ebenso werden Gläschen auf Reisen oder zu Beginn der Breifütterung als praktisch bewertet (61). Die Minuspunkte gleichen denen der KinderLebensmittel: zu viele Zutaten, zu viel Zucker und schlechter Geschmack (62f.). Für diese Fertignahrungen wurde eine Checkliste verfasst, mit der Eltern die Spreu vom Weizen trennen können („Checkliste für Babys Breikost“:64). Industriell hergestellte Säuglingsmilch wird ebenfalls nicht abgelehnt, sie gilt als einzig empfehlenswerte Alternative zur Muttermilch, da sie sich ihr bezüglich der Nährstoffzusam19
Weitere neutrale Sachinformationen finden sich zum Thema Brei, zum Beispiel dem milchfreien Getreidebrei: „Dieser Brei sollte wirklich milchfrei sein, da Milch die Eisenaufnahme (…) verringert (…) Der relativ hohe Eisengehalt des Getreides wird aus einem milchfreien Brei wesentlich besser ausgenutzt“ (48).
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5 Ergebnisse der Analyse
mensetzung mittlerweile sehr stark angenähert hat (16). Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Nährstoffgehalte selbst hergestellter Milch niemals so ausgewogen sein können (18). Hinsichtlich einer empfehlenswerten Ernährung ohne Fertigkost finden sich zwei knappe Empfehlungen: Frische und naturbelassene Lebensmittel aufgrund des hohen Vitamin-, Mineral- und Ballaststoffgehalts zu bevorzugen sowie stark verarbeitete Lebensmittel möglichst selten zu essen, da sie häufig viel Zucker und Fett enthalten (68). Vermeidung gesundheitsschädlicher Gewohnheiten „Gesunde Ernährung von Anfang an“ warnt vor der Einübung schlechter Gewohnheiten, welche eine Gefahr für die Gesundheit darstellen können. Dabei geht es immer wieder um die Gewöhnung an süß schmeckende Lebensmittel und deren Folgen20 und die Abhängigkeit von Flaschentees durch Dauernuckeln (28f.). Die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Kinder im Hinblick auf die Fütterungszeiten wird als gesundheitsförderlich bewertet (17). Zwang und Stress beim Essen können die Entstehung gesundheitsschädlicher Gewohnheiten zur Folge haben (66), aber es heißt auch: „zwingen Sie Ihr Kind nicht zum Essen, wenn es dafür keine schwerwiegenden Gründe gibt“ (66). Auch der Zusammenhang zwischen erwünschten Ernährungsgewohnheiten und der Vorbildfunktion innerhalb der Familie wird erwähnt (74). Gewohnheiten werden insgesamt nur am Rand thematisiert. Das Marktangebot: gefährlicher Dschungel ohne Wegweiser Das Marktangebot wird in „Gesunde Ernährung von Anfang an“ in unterschiedlicher Hinsicht kritisiert. Den „Angebots-Dschungel“ (4) mit dem Überangebot an Baby- und Kleinkindnahrung halten selbst Ärzte und Ernährungswissenschaftler für unüberschaubar (7). Weiterhin werden „die Marketingstrategien der Babykostindustrie“ (6) und deren „Werbeangriffe“ (6) angeprangert. So werden Eltern schon vor der Geburt über Werbung „in Elternzeitschriften, Broschüren über Schwangerschaftsgymnastik (…) oder Geburtsvorbereitung“ (6) manipuliert, ebenso in Krankenhäusern durch Broschüren, Werbebilder oder durch gesponserte Schulungen manipulierte Klinikmitarbeiter. Weitere Angriffe finden über Gratisproben statt, 20
„In den ersten Lebensjahren werden die Geschmacksvorlieben geprägt. Zu viel Zucker (…) kann die Ernährungsgewohnheiten von Anfang an auf ,süß‘ programmieren“ (5); „Dauernuckeln an süßen Getränken führt zu einer frühzeitigen Gewöhnung an den süßen Geschmack“ (28) und „Neugeborene kommen (…) mit einer angeborenen Vorliebe für den süßen Geschmack (…) so führt ein früher Kontakt mit gesüßten Lebensmitteln (…) dazu, dass die Kinder später auch Süßes bevorzugen“ (75).
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
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„die Eltern möglichst früh zum Zufüttern bewegen sollen“ (7), über die allgegenwärtigen Medien und durch Manipulierung mit Werbeslogans wie „das sichere Gefühl, das Richtige zu tun“ (7). Zusätzlich drohen den Kindern konkrete Gefahren über bestimmte Produkte, nämlich Kunststoff-Sauger-Fläschchen und zuckerhaltige Kindertees (28). Auch hier wird wieder die Industrie in die Verantwortung genommen: So wären den Herstellern von Zuckertees „die negativen Auswirkungen dieser Tees längst bekannt“ (29) gewesen, stattdessen „wurden die möglichen Gesundheitsrisiken lange vertuscht“ (29). Die Autorinnen sind der Meinung, dass Eltern mit dem Überangebot – mit dem ja nicht mal Experten zurecht kommen – völlig überfordert sind und den Angriffen der Werbestrategen ohne die Hilfe der Verbraucherzentrale „hilflos ausgeliefert“ (7) wären. Diese Aussage erfolgt ganz zu Beginn des Ratgebers, im letzten Kapitel werden Eltern nochmals als überfordert bezeichnet (78). Zweifelhafte Unterstützung im Krankenhaus An Institutionen werden überwiegend Krankenhäuser im Hinblick auf die Stillförderung betrachtet. Zwar wird die positive Entwicklung der letzten Jahre begrüßt, welche auf die gemeinsame Unterbringung von Müttern und Neugeborenen und die Unterstützung durch Säuglingsschwestern oder Stillgruppen zurückgeführt wird (9). Trotzdem wird die Zufütterungsrate an vielen Kliniken als zu hoch bezeichnet, zu wenig Häuser erhalten das Zertifikat von der WHO und Unicef für ein babyfreundliches Krankenhaus (9). Kritik wird auch an der Präsenz der Babynahrungshersteller geübt, die zwar seit 1994 keine Werbung mehr für Anfangsnahrung in Krankenhäusern machen, aber weiterhin ihre anderen Produkte bewerben dürfen (6). Der Ratgeber bemängelt, dass es dadurch an „kritischer Distanz zur Fertigkost“ (6) fehlt und die „Stillförderung nur halbherzig durchgeführt wird“ (6). Politische Rahmenbedingungen werden an unterschiedlicher Stelle in Bezug auf Grenzwerte oder Anwendungsverbote für Schadstoffe thematisiert, die im Großen und Ganzen positiv bewertet werden (11, 22, 26, 51). Namenlose Experten In „Gesunde Ernährung von Anfang an“ werden den ganzen Ratgeber hindurch Sachinformationen mit der Nennung von Studien, Untersuchungen oder „Experten“ belegt. Konkret werden jeweils mehrmals das Forschungsinstitut für Kinderernährung, die Stiftung Warentest, die WHO sowie die Verbraucherzentralen und das Bundesinstitut für Risikobewertung genannt. Noch öfter werden Quellenangaben allerdings nicht genannt: Da hat „eine neue Untersuchung (…) ergeben, dass (…)“ (8), sind sich „Experten (…) einig darüber, dass“ (11), oder „die ersten Ergebnisse einer groß angelegten internationalen Studie“ (42) haben dieses oder jenes erge-
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ben.21 Es wird der Anschein erweckt, dass die Erwähnung irgendeiner wissenschaftlichen Studie oder eines wissenden Experten ausreicht, um die Richtigkeit der Informationen zu garantieren. Gesunde Rezepte von Anfang an „Gesunde Ernährung von Anfang an“ möchte über „Stillen, Säuglingsnahrung, Breie und Gläschenkost“ (Titel) informieren. Die Rezeptauswahl ist entsprechend klein: Nur fünf Rezepte für Brei (56f.) sind aufgeführt. Für die Zeit danach gibt eine Tabelle Auskunft darüber, welche Lebensmittel in welchen Mengen Ein- bis Dreijährige zu sich nehmen sollten, so werden hier zum Beispiel für die Tagesration Milchprodukte „1 Tasse Milch und 1 kleiner Joghurt“ (67) genannt. Ein zusätzlicher Tagesplan schlägt für jede Mahlzeit vier bis sieben Gerichte vor: „Ungezuckerte Cornflakes mit Milch“ (69) für das erste Frühstück, „Pellkartoffeln mit Blumenkohl und Fisch“ (70) für das Mittagessen oder „Vollkornbrot mit Käse und magerer Wurst“ (70) für das Abendessen. Rezepte gibt es dazu nicht. Die Auswahl der Lebensmittel für Breie und Gerichte und die Anzahl der Mahlzeiten wird mit dem Nährstoffbedarf in der jeweiligen Entwicklungsphase begründet (48, 66, 68), auf Vorlieben wird nicht verwiesen. Sogar Gemüsevariationen in den Breirezepten werden mit gesundheitlichen Aspekten begründet: „Dabei müssen es wirklich nicht nur Karotten sein. Auch andere Gemüse wie Blumenkohl, Erbsen, Fenchel, Brokkoli, Kohlrabi, Kürbis, Pastinaken oder Spinat sind genauso gesund“ (52). Der Zeitaspekt wird nur an einer Stelle berücksichtigt, indem der milchfreie Getreide-Obst-Brei als gut zum Mitnehmen bewertet wird (55). Fazit: Ernährung gefährdet ihre Gesundheit Der Ratgebers zielt laut Titel auf „gesunde Ernährung von Anfang an“: Es geht darum, Kinder vom Tag ihrer Geburt an so mit Nährstoffen zu versorgen, dass sie weder krank werden noch Allergien entstehen. Statt den Fokus auf eine empfehlenswerte und gesundheitsfördernde Nahrung zu setzen, wird allerdings über weite Teile des Ratgebers thematisiert, welche Schäden Eltern ihren Kindern durch die Ernährung zufügen können. Einzelne Zielsetzungen des Ratgebers wie „Angebotsdschungel durchschaubar machen“ oder „Werbeaussagen kritisch beleuchten“ werden damit – teilweise sehr ausführlich – behandelt. Auf diese Inhalte kann durch die vielen Ab21
Auch: „In einer amerikanischen Untersuchung konnte gezeigt werden“ (12), „Psychologen haben herausgefunden.“ (17), „Diese Vermutungen konnten durch wissenschaftliche Untersuchungen.“ (20), „dabei ist bereits seit 1981 erwiesen“ (29), „viele Fachleute äußern sich sehr kritisch zu der neuen Richtlinie“ (33), „Nach einer Neuauswertung der vorliegenden Studien.“ (59) „Mehrere Untersuchungen an Klein- und Kindergartenkindern haben gezeigt“ (78).
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
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sätze mit Zwischenüberschriften, aussagekräftige Überschriften und das Stichwortverzeichnis gut zugegriffen werden. Insgesamt handelt der Ratgeber hauptsächlich davon, was Eltern nicht tun sollen. Die Fokussierung auf mögliche Schäden führt zu einer negativen und möglicherweise angstmachenden Darstellung. Auch werden kaum Alternativen präsentiert, die den Eltern Entscheidungsspielräume eröffnen könnten. Selbst bei älteren Kindern werden offerierte Wahlmöglichkeiten im nächsten Satz wieder relativiert: „Unsere Empfehlungen stellen eine Orientierungshilfe für das erste Lebensjahr dar. Sie können selbstverständlich (…) abgewandelt werden. Trotzdem: Im Ernährungsfahrplan sind die optimalen Mengen zum richtigen Zeitpunkt zusammengestellt“ (46). Es wird der Eindruck erweckt, dass alle Anweisungen genau befolgt werden müssen, wenn man sein Kind nicht gefährden möchte. Konkrete Entscheidungshilfen werden Eltern kaum an die Hand gegeben, nur die Checkliste stellt eine konkrete Anweisung dar, wie das Angebot an Fertignahrung bewertet werden kann. Sie ist eine Empfehlung, mit der Eltern selbst entscheiden und handeln können. Darüber hinaus werden Eltern als überforderte Individuen beschrieben, die den Machenschaften der Babynahrungsindustrie hilflos gegenüber stehen, ja sich der Gefahr nicht einmal bewusst sind. 5.4.2
„Gesunde Ernährung für Mutter und Kind in Schwangerschaft und Stillzeit“ Formale Gestaltung Der Ratgeber „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind in Schwangerschaft und Stillzeit“ hat einen Umfang von 182 Seiten und ist in acht Kapitel plus einen Anhang gegliedert. Das Cover im gängigen Design der Verbraucherzentrale NRW (vgl. Kapitel 5.2) zeigt eine junge schwangere Frau, die mit der rechten Hand eine Schale mit Obst hält und mit der linken eine Gabel in den Mund steckt. Obwohl die Gestalt der
Abbildung 4: Titelseite von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“22 22
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2007): Gesunde Ernährung für Mutter und Kind in Schwangerschaft und Stillzeit. Leck; Foto: Jan Lauer
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werdenden Mutter den größten Raum einnimmt, steht das Obst im Mittelpunkt: Mit den Farben Rot und Grün steht es im Kontrast zur Frau (blond und weiß gekleidet) und dominiert so farblich das Bild. Auch die Handhaltung der Frau trägt zu dieser Zentrierung bei: Der linke Zeigefinger weist indirekt auf das Obst hin. So wird eine Verbindung zwischen der Frau und den Lebensmitteln erreicht. Der Titel: „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind in Schwangerschaft und Stillzeit“ spiegelt sich in diesem Bild wieder. Er enthält die Komponenten ,essender Mensch‘ und ,gesunde Ernährung‘. Die Kapitel sind unterschiedlich aufgebaut und in Unterkapitel und Absätze unterteilt, die alle mit Titel und Seitenangabe über das Inhaltsverzeichnis gefunden werden können. Der Anhang enthält unter anderem ein Verzeichnis der über 80 Rezepte. Im Vorwort wird auf die Zweiteilung in einen Informationsteil (Kapitel 1 bis 7) und einen Rezeptteil (Kapitel 8) hingewiesen. Alle Kapitel werden durch eine Doppelseite mit Foto und einem kurzen einführenden Text eingeleitet. Die Überschriften der acht Kapitel, etwa 40 Unterkapitel und 60 Absätze sind im Inhaltsverzeichnis enthalten und durch Größe und Farbe gut voneinander unterscheidbar. Im Text sind sie einheitlich lilafarben und unterscheiden sich nur durch die Größe. Jede Seite wird durch mindestens eine Überschrift und zusätzlich noch durch andere Strukturelemente unterteilt. Dabei handelt es sich zum ganz großen Teil um Kästen mit Textinhalt, was dem Ratgeber ein sehr harmonisches Layout verleiht. Die Kästen enthalten Zusatzinformationen, Umsetzungstipps oder Fachbegriff-Erläuterungen. In mindestens einer Marginalie pro Seite werden kurze Informationen vermittelt, bspw. „Individuell probieren, was das Baby verträgt“ (88). Der einspaltig gedruckte Text hat einen breiten Außenrand, der auch im Rezeptteil beibehalten wird, dort finden Mengenangaben und Symbole Platz. Die Kopfzeile gibt die Titelüberschrift an. Marker an der Außenseite enthalten Kapitelnummern, so dass eine ungefähre Orientierung möglich ist. Der Text ist insgesamt wenig kleinteilig strukturiert (bspw. wenig Strukturmerkmale wie Aufzählungen). Durch die vielen Absätze und das großzügige Textbild mit dem breiten Rand wirkt dieser Ratgeber jedoch sehr übersichtlich. „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ enthält nur zwei Schaubilder im Vielfarbendruck, die übersichtlich gestaltet sind. Im Bereich der Illustrationen ist eine deutliche Struktur zu erkennen. Die Kapitel werden jeweils durch ein seitengroßes Farbfoto eingeleitet. Es werden immer Menschen dargestellt, in der Hauptsache die (werdende) Mutter. Männer sind auf zwei von neun Fotos abgebildet. Zwei Drittel der Fotos handeln vom Essen und Trinken, im Vordergrund steht aber immer das Zusammensein von Familienmitgliedern: Mann und Frau, Mutter und Baby, Mutter und älteres Kind. Nur im Rezeptkapitel finden sich auch innerhalb des Kapitels Fotos. Auch hier ist wieder eine Struktur feststellbar: Neue Unterkapitel werden
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durch ein halbseitiges Foto eingeleitet und zeigen immer eine Frau, die gutgelaunt etwas isst, trinkt oder zubereitet. Im Rezeptkapitel finden sich dann über 20 kleinformatige Fotos am Seitenrand, auf denen ausnahmslos Lebensmittel im Vordergrund stehen. Wie alle Illustrationen weisen auch diese einen konkreten Bezug zum Inhalt des dazugehörigen Absatzes auf. Die Illustrationen tragen wesentlich zur harmonischen Wirkung und Strukturierung von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ bei. Im Ratgeber finden sich viele Fachbegriffe unterschiedlichen Niveaus (knapp 80 Stück, von „Eiweiß“ bis zu „Kolostrum“). Fast alle werden kurz erläutert oder in Umgangssprache übersetzt, entweder direkt im Text oder in einem nebenstehenden Kasten. Insbesondere für medizinische Fachbegriffe werden umgangs- und fachsprachliche Begriffe verwendet. Bei weniger gebräuchlichen Fachbegriffen, die in späteren Kapiteln wieder erwähnt werden, wird mit einer Seitenangabe auf die Erklärung verwiesen. Fachbegriffe, die als relativ unbekannt gelten können, werden in Zusammenhängen erwähnt, in denen diese Erwähnung sinnvoll erscheint. Es dominiert Alltagssprache. Die Überschriften bestehen nur aus wenigen Schlagwörtern, oftmals sogar nur aus einem Begriff. Sie sind überwiegend sachlich und geben so einen Einblick in den Inhalt des Kapitels. Die Überschriften der Kapitel weichen etwas davon ab: Sie sind eher plakativ und wecken so die Neugier: „Jetzt darf’s ein bisschen mehr sein“ (19). Verbote kommen in „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ nicht vor. An einigen Stellen finden sich Warnungen, meist in Zusammenhang mit schwereren Erkrankungen von Mutter und Kind. Es dominieren neutral formulierte Hinweise, Tipps oder Vorschläge. Die Zielgruppe von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ wird überwiegend direkt angesprochen. Schon das Vorwort beginnt einer direkten Ansprache im ersten Satz: „Sie möchten sich“ (7). Es wird immer wieder auch von „Mutter“ oder „Eltern“ gesprochen, die direkte Ansprache steht jedoch ganz klar im Vordergrund. Inhaltliche Gestaltung Werdende Mütter individuell informieren „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ möchte in erster Linie informieren, und das über „gesunde Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit“ (7). Als Schwerpunkte werden auf dem Cover „Allgemeine Ernährungsregeln und spezieller Bedarf an Nährstoffen, leichte, leckere Rezepte, die der ganzen Familie schmecken und Tipps und Hilfen für die Stillzeit“ benannt. Die Sachinformationen sollen „so einfach wie möglich“ (7) sein, ebenso wie die Sprache und die Rezepte. In der Einleitung werden mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit dem Ratgeber gearbeitet
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werden kann: Der Informationsteil kann „von Anfang bis Ende“ (7), es können aber auch nur bestimmte Kapitel oder Abschnitte gelesen werden. Es kann aber auch nur mit den Rezepten gearbeitet werden, entweder über das Durchblättern oder über die gezielte Suche im Rezeptregister (7). Das Vorwort betont: „Sie benötigen kein Vorwissen, keine umständlichen Nährwert- oder Kalorientabellen, um die Information in Ihren Alltag einzubauen“ (7). „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ wurde für werdende Mütter geschrieben. Der Partner wird in einigen wenigen Fällen erwähnt, da der Ratgeber sich nicht an ihn, sondern an die schwangere Frau wendet. Er beschreibt ausschließlich deren Situation. Die Autorinnen setzen dabei ein grundlegendes Interesse an Ernährung voraus, sowohl für die Zeit der Schwangerschaft und Stillzeit, als auch für die Nahrungsumstellung des Kindes im ersten Lebensjahr (7): Schwangere Frauen werden für „sensibel und besonders aufnahmebereit für Artikel (…) rund um Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen“ (11) gehalten und sind leicht zu verunsichern, zusätzlich können sie Angst vor übermäßiger Gewichtszunahme haben (16, 20). Die Schwangerschaft wird daher als „richtige Gelegenheit“ (16) zur Veränderung von Essgewohnheiten bewertet. „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ geht zusätzlich davon aus, dass die Interessen der Leserschaft unterschiedlich gewichtet sein können: Manche möchten sich umfassend über Ernährung informieren, andere interessieren sich nur für bestimmte Informationen, wieder andere wollen „gleich loslegen“ (7) mit dem Kochen. Der Ratgeber heißt jeden dieser Wege gut, indem in der Einleitung unterschiedliche Wege vorgestellt werden, wie mit dem Ratgeber gearbeitet werden kann. Ernährung zwischen Gesundheit und Wohlbefinden In der Einleitung heißt es: „Ernährung soll in erster Linie Spaß machen, der Gesundheit von Mutter und Kind dienen und praktikabel sein“ (7). Deswegen lautet das Motto des Ratgebers: „So einfach wie möglich“ (7), welches auf die Sachinformationen, die Sprache und die Rezepte bezogen wird. Weitere Aussagen stellen Ernährung zum überwiegenden Teil in Zusammenhang mit Gesundheit und Schlankheit dar. Die richtige Ernährung in der Schwangerschaft wird als gesund (9), ausgewogen (11), frisch und vielseitig (16) und vollwertig (23) beschrieben. So können damit „kleinere Schwangerschaftswehwehchen wirkungsvoll“ (11) bekämpft und auch die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft in einem erträglichen Rahmen gehalten werden (17, 23). Ernährung wird an unterschiedlicher Stelle in Zusammenhang mit Bewegung und Entspannung gesetzt (9, 11, 23). Diese Kombination führt dazu, dass sich Mut-
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ter und Kind „neun Monate lang rundum wohlfühlen“ (9).23 Innerhalb dieser Kombination wird allerdings gewichtet: Die Ernährung wird als Basis betrachtet, denn sie ist „noch wichtiger als Bewegung und Entspannung (…) für das Wohlbefinden von Mutter und Kind“ (16). Zusätzlich zur Erläuterung wissenschaftlicher Empfehlungen wird geraten, das zu essen, worauf man Appetit hat (63). Die Ernährung des Kindes wird im Zusammenhang mit der Allergieprävention thematisiert, wonach eine allergenarme Ernährung ohne viel Abwechslung die beste Prävention im ersten Lebensjahr darstellt (92f., 102f.). Kurzweilige Informationen über Lebensmittel und Nährstoffe Nährstoffe werden hauptsächlich über ihre physiologische Wirkung beschrieben, ausführlich im Kapitel „Qualität statt Quantität“ und hier zunächst im Unterkapitel „Nährstoffkunde – in aller Kürze“. In der Einleitung wird eine Unterscheidung in Makro- und Mikronährstoffe getroffen, wobei hier auf einfache Art und Weise nach dem Bedarf differenziert wird: „Makronährstoffe (…) brauchen Sie in größeren Mengen“ (31), von Mikronährstoffen reichen schon kleine Mengen, „um den Bedarf zu decken“ (31). Anschließend werden in kurzen Abschnitten, die zwischen einem Absatz und zwei Seiten lang sind, die Nährstoffe Wasser, Eiweiß, Fett, Kohlehydrate, Ballaststoffe vorgestellt. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente werden zusammen in einem Absatz erläutert. Kohlehydrate werden in der Erläuterung zusätzlich in einfache und komplexe unterteilt, Ballaststoffe werden in einem separaten Abschnitt erläutert. Fette werden nach gesättigten, ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren unterschieden. Im anschließenden Kapitel werden Vitamin A, Folsäure, Magnesium, Eisen und Jod unter dem Schlagwort „Wichtige Nährstoffe in der Schwangerschaft“ (38) vorgestellt, wobei die Abschnitte in Länge und Inhalt ähnlich denen der Makronährstoffe aufgebaut sind: Immer werden in wenigen Sätzen deren jeweilige Aufgaben im Körper dargestellt, ab und zu werden zusätzlich Symptome von Mangelerscheinungen beschrieben. Für jeden Nährstoff finden sich Lebensmittelbeispiele. Obwohl sich die Inhalte ähneln, wurden durch unterschiedliche Formulierungen und Anordnungen der Inhalte zwei kurzweilige Kapitel verfasst. Verschiedene Kästen liefern Zusatzinformationen: so findet sich eine „kleine Warenkunde“ (35) über Rapsöl oder eine Erläuterung über Omega-3-Fettsäuren (34); in mehreren Kästen werden Nährstoffgehalte ausgewählter Lebensmittel vorgestellt. Bei einigen Mikronährstoffen findet sich eine Einschätzung, inwieweit der Bedarf über Lebensmittel 23
Bewegung und Entspannung werden in den Kapiteln „Schön entspannt“ und „Rundum beweglich“ über fünf Seiten zu Beginn des Ratgebers thematisiert.
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gedeckt werden kann. So lässt sich der Folsäurebedarf „nur schwer“ (39), der von Kalzium dagegen „recht einfach“ (40) decken. Eine abschließende Einschätzung macht klar: „Die meisten Nährstoffe bekommen Sie in ausreichenden Mengen, wenn Sie sich abwechslungsreich ernähren und viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Milch essen und trinken. Knapp werden kann es bei Folsäure, Eisen und evtl. Jod“ (44). Im Anhang sind zusätzlich in einer Tabelle 38 Mikronährstoffe zusammengefasst, hier werden ebenso wie im Fließtext deren Aufgaben im Körper und gute Lebensmittelquellen dargestellt. Außerhalb dieser Kapitel werden Nährstoffe eher selten und dann hauptsächlich allgemein erwähnt, zum Beispiel wird darauf hingewiesen, dass Babys ab dem 5. Lebensmonat „mehr Energie und Nährstoffe“ (96) brauchen, als Muttermilch oder Fertignahrung liefern können. Auch Lebensmittel werden hauptsächlich im Kontext mit dem Körper und einer bedarfsgerechten Ernährung dargestellt. Ihnen wird ebenfalls ein ganzes Kapitel gewidmet, welches einen Leitsatz als Überschrift aufweist: „Frisch, vielfältig, fettarm“ (47). Die einfachen „Spielregeln“ (48) werden mit der Lebensmittel-Pyramide erläutert: „Bis auf wenige Ausnahmen für Schwangere gibt es keine Verbote, sondern nur ein Mehr oder weniger. Je höher die Lebensmittel in der Pyramide angesiedelt sind, desto weniger sollten Sie davon essen“ (48).
Anschließend werden auf zehn Seiten folgende Gruppen vorgestellt: „Getränke“ (50), „Vitamincocktail“ (51), „Müsli, Nudeln und Co.“ (52), „Milch und Milchprodukte“ (54), „Fleisch, Fisch und Co.“ (56), „Fett: Die Menge macht‘s“ (57), „Naschen mit Genuss“ (58) und „Alkohol und Nikotin“ (59). In jeder Gruppe finden sich ein oder zwei Sätze zu den enthaltenen Stoffen und deren Aufgaben im Körper sowie eine Zufuhrempfehlung. Für manche Lebensmittelgruppen wird eine Beschränkung ausgesprochen, wie im Fall von Fleisch. Die Empfehlung für Fleisch, pro Woche „insgesamt nicht mehr als 400 bis 600 g zu sich“ (56) zu nehmen, wird damit begründet, dass Fleisch „Fett, Cholesterin, Purine und Salz“ (56) enthält. Der Abschnitt beginnt zudem mit den Worten: „In der modernen Küche gehören tierische Produkte nicht jeden Tag auf den Teller. Statt Quantität setzen Sie hier lieber auf Qualität“ (56). Im Anschluss wird empfohlen, sich nach der Herkunft des Fleisches zu erkundigen, oder „noch besser: (…) Bioprodukte“ (56) zu verlangen. Für Süßigkeiten finden sich ebenfalls Beschränkungen, die unkonkreter sind und in ihren Angaben variieren: Zunächst sollten sie nur „nicht regelmäßig auf dem Speiseplan stehen“ (59), drei Sätze weiter sollte es nicht mehr als ein „Stückchen Schokolade“ (59) sein, im letzten Satz des Abschnittes wiederum wird empfohlen, statt Sahnetorten Obstkuchen mit Biskuit zu
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wählen. Zu Fetten heißt es „grundsätzlich in der modernen Ernährung: Fett sparen“ (57). Konkrete Verbote werden überhaupt nicht ausgesprochen. Stattdessen „sollten Schwangere mit frischer Milch direkt vom Bauernhof und mit Rohmilchkäse“ (55) „vorsichtig“ (55) sein, auf rohe tierische Lebensmittel sollte „ganz verzichtet werden“ (56). Sogar für Alkohol findet sich der Hinweis, dass es „besser“ (59), wenn während der Schwangerschaft ganz darauf verzichtet wird. Die nebenstehende Marginalie hat allerdings eher den Charakter eines Verbots: Danach sind „Alkohol und Nikotin (…) jetzt tabu“ (59). Für die restlichen Gruppen werden überwiegend Empfehlungen ausgesprochen. Diese beinhalten ebenfalls keine genauen Mengenangaben, so sollen „Milch und Milchprodukte (…) täglich dreimal auf dem Speisetisch stehen“ (56), genau wie Gemüse (51). Nur die Gruppe „Getränke“ (50) hat eine konkrete Mengenangabe von mindestens 1,5 l. Für jede Gruppe sind beispielhaft Lebensmittel aufgeführt, die oftmals auch als Alternativen präsentiert werden: „Sie mögen keine Milch? Wie steht’s mit Kakao, einer Tasse Cappuccino oder Latte Macchiato? (…) Oder wie wär’s mit Käse?“ (54).24 Auch innerhalb anderer Kapitel spielen die Getränke eine große Rolle in diesem Ratgeber: immer wieder werden Mineralwasser, Leitungswasser, ungesüßte Kräuterund Früchtetees und verdünnte Obst- und Gemüsesäfte als „geeignete“ (87, 97) oder „gute Durstlöscher“ (105) angepriesen, und zwar sowohl für Schwangere als auch für Kinder ab der Einführung der Beikost. Im Rezeptteil finden sich dazu sieben Rezepte für Shakes und Bowlen. Verarbeitete Lebensmittel: Es geht auch gesund Verarbeitete Lebensmittel werden nur wenig und überwiegend im Zusammenhang mit ihrer physiologischen Wirkung dargestellt. Sie werden nicht generell ablehnend bewertet, bspw. wird H-Milch empfohlen, da die Nährstoffverluste bei pasteurisierten Produkten gering sind (54). H-Milch und Frischmilch sollen nach Geschmack und Praktikabilität gewählt werden. Auch Fertigprodukte werden nicht generell abgelehnt: So wird zum Beispiel geraten, durch eine Mischung von Haferflocken und Fertigmüsli so dessen Zuckergehalt zu reduzieren (53). Vollkornprodukte werden aufgrund ihres hohen Nährstoffgehaltes empfohlen – es ist aber auch in Ordnung, wenn zwischen Weißmehl- und Vollkornmehlprodukten abgewechselt wird (53). Von Fertigbreien wird aufgrund ihrer vielen unterschiedlichen Zutaten abgeraten – aber auch, weil sie „auf Dauer ganz schön teuer“ (103) sind. Allerdings werden zu 24
Auch: „Müsli gibt einen Powerstart in den Tag. Egal, ob europäisch klassisch als Müsli (…) oder die amerikanische Variante mit Flakes“ (52) und „Selbstverständlich können Sie die Getreideprodukte auch bei den Zwischenmahlzeiten unterbringen“ (53).
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Beginn der Breizeit Gläschen für sinnvoll erachtet, da es sich nicht lohnt, „für zwei Löffel zu kochen“ (103). Beim Fertigbrei als verarbeitetes Lebensmittel werden tatsächlich drei Aspekte thematisiert: Zeit, Geld und Gesundheit. Diese umfassendere Beleuchtung stellt allerdings die Ausnahme dar. Entlastung im Alltag: Gesundes Fast-Food Muttermilch Stillen – „einfacher geht’s kaum“ (73) – wird als eine große Entlastung im Ernährungsalltag dargestellt. Es wird als eine Ernährungsweise präsentiert, die das Kind nicht nur optimal mit allen Nährstoffen versorgt (74), sondern auch den Ernährungsalltag erleichtern kann. Die „optimale Mahlzeit“ (73) ist „immer frisch, immer abrufbereit, immer wohltemperiert“ (73). Muttermilch ist immer dabei (73) und muss nie extra zubereitet werden (74), auch das „aufwendige Reinigen der Sauger“ (74) erübrigt sich. Zudem stellt Muttermilch eine finanzielle Entlastung dar, da die Kosten für die Säuglingsnahrung entfallen (74). Der Hauptnachteil – die Abhängigkeit von Mutter und Baby – kann mit einem fachgerechten Abpumpen abgemildert werden, welches dann allerdings einen größeren Aufwand erfordert (81f.). Zusätzliche Kosten, die bspw. durch das Leihen der Pumpe entstehen, werden nicht thematisiert, es wird aber darauf hingewiesen, dass eine Milchpumpe unter bestimmten Bedingungen verschreibungsfähig ist (81). Kosten und Zeit werden vereinzelt und nur in Bezug auf die Folgenahrung thematisiert. Es wird geraten, zu Beginn der Breizeit Gläschen zu verwenden, da es zu aufwendig ist, die winzigen Portionen zuzubereiten (97). Wenn das Baby mehr isst, können die Breie gut selbst und auf Vorrat zubereitet werden, „das spart Geld und ist mit etwas Übung schnell zu erledigen“ (103). Im Anhang von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ werden im Kapitel „So geht’s leichter“ (170) Tipps zur Ausstattung und Einrichtung einer Küche gegeben. Bei Experten Unterstützung suchen Aussagen über institutionelle Rahmenbedingungen sind überwiegend im Zusammenhang mit Gesundheit und Körper zu finden. Die Ratschläge erstrecken sich dabei von der Absolvierung eines Geburtsvorbereitungskurses (13) über Stillberatung (84) bis hin zu einer Trinkwasseruntersuchung durch das örtliche Wasserwerk. Immer wieder wird darauf hingewiesen, in welchen Situationen ein Arzt oder eine Hebamme zu Rate gezogen werden kann25 oder sollte. Dabei geht es weniger um eine gesunde Ernährung als allgemein um die Gesundheit von Mutter und Kind. 25
„Bei Zweifeln fragen Sie Ihren Gynäkologen oder Ihre Hebamme“ (13); „Und ganz wichtig: Gehen Sie regelmäßig zu den medizinischen Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere“ (9), (Fortsetzung auf S. 115)
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Leichter Zugriff auf unkomplizierte Rezepte Die Rezepte in „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ beruhen auf den dargestellten Ernährungsempfehlungen (112) und werden unter dem Motto „so einfach wie möglich“ (7) präsentiert. Erreicht werden soll dies durch wenige und gängige Zutaten (7), die in „jedem Supermarkt“ (112) erhältlich sind oder zur „Grundausstattung eines Küchenvorrats gehören“ (112). Verschiedene Symbole liefern Informationen zum Umgang mit dem Rezept, wobei fünf der sieben Symbole auch zeitliche Aspekte thematisieren. Das Symbol für „geht schnell und ist einfach“ (123) zeigt sich dabei mit 41 Mal weitaus am häufigsten, 21 Rezepte sind zum Mitnehmen geeignet, ein anderes Symbol markiert Rezepte, bei denen viele Zutaten aus dem Vorrat verwandt werden können. Das Symbol „Muss über Nacht ruhen“ (123) kennzeichnet Rezepte mit besonderem Aufwand, es findet sich insgesamt nur sechs Mal. Zusätzlich findet sich direkt im Rezept unterhalb des Titels ein Hinweis, wenn Kühl-, Quell- oder Marinierzeiten (166, 151, 137) beachtet werden müssen. Zwei weitere Symbole kennzeichnen vegetarische Gerichte oder Speisen für Gäste (123). Einige weitere Tipps in Kästen beziehen sich direkt auf benachbarte Rezepte und enthalten ebenfalls Zeitspartipps, oftmals aber auch ernährungsphysiologische Informationen zu bestimmten Lebensmitteln. Hier wird dann erläutert, dass das Getreide im Müsli „reichlich Ballaststoffe enthält“ (116) oder dass Vollkornreis „die gesunden Inhaltstoffe der Schale“ (126) liefert. Einige der Informationen stellen Wiederholungen aus vorangegangenen Kapiteln dar. Auch für den Umgang mit der Menge – die Rezepte für das Mittagessen sind für vier Personen berechnet – werden Empfehlungen gegeben, die Zeit sparen. Dabei wird Bezug auf die Umbruchsituation im Leben einer Schwangeren genommen: „Wenn Sie vorerst nur für zwei kochen, frieren Sie die Hälfte einfach ein oder essen Sie am nächsten Tag“ (113), „in der ersten Zeit nach der Geburt werden Sie froh sein, wenn Sie die eine oder andere gesunde, sättigende Mahlzeit vorrätig haben“ (123). Der Leserin wird in der Auswahl der Rezepte bewusst völlig freie Hand gelassen. Auf Tages- oder Wochenpläne wurde verzichtet, weil diese aus organisatorischen oder zeitlichen Gründen oftmals nicht umsetzbar seien und weil persönliche Vorlieben zu wenig Berücksichtigung finden könnten (112). Neben dem Rat, die Lebensmittelpyramide als Basis für die Lebensmittelauswahl zu betrachten, wird empfoh25
(Fortsetzung von S. 114) „Oder lassen Sie sich von ihrem Arzt beraten“ (23). „Gehen Sie während der Schwangerschaft auch zweimal zu Ihrem Zahnarzt“ (36); „Veganerinnen sollten sich deshalb ausführlich von Ihrem Arzt, Ihrer Hebamme oder Ihrer Ernährungsberaterin (…) beraten lassen“ (45); „fragen Sie Ihren Arzt nach Salbe oder Zäpfchen“ (66); „müssen Sie sofort Ihren Arzt benachrichtigen“ (67); „Wenn das nicht hilft, lassen Sie sich von Ihrem Arzt beraten“ (68); „Fühlen Sie sich dennoch unsicher, sprechen Sie mit ihm oder Ihrer Hebamme“ (83).
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len, die Rezepte ganz nach Belieben zu verwenden und sie beispielsweise mit vorhandenen Lieblingsspeisen zu kombinieren (112). Zudem „zeigen die Variationen, wie leicht Basisrezepte abgewandelt und verändert werden können“ (112), hier wird meist zum Austausch von ähnlichen Lebensmitteln geraten oder neben der salzigen eine süße Variante vorgestellt. Die Rezepte sind nicht nach saisonalen Kriterien geordnet, in den einleitenden Worten des Rezeptteils wird aber darauf hingewiesen, dass viele Rezepte „Austauschtipps“ (112) enthalten, sodass die Zutaten saisonal variiert werden können (112). Auch wurde darauf geachtet, dass „bei Obst und Gemüse (…) überwiegend heimische Produkte und gängige exotische Früchte verwendet werden“ (112). Mit Gesundheit werden die Breirezepte in Verbindung gebracht, unterschiedliche Bestandteile werden mit der physiologischen Notwendigkeit begründet. Kalorienangaben finden sich nicht, in der Einleitung wird geraten, die fettärmeren Varianten vom Milchprodukten zu wählen, falls man auf sein Gewicht achten möchte (112). Das Rezeptregister listet alle Rezepte „alphabetisch und nach ihren Hauptbestandteilen sortiert“ (7) auf, die einzelnen Kapitel sind nach Mahlzeiten – Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Snacks und Getränke – gegliedert. Eine zusätzliche Systematik stellen die Symbole (s. o.) dar. Fazit: Gesunde Ernährung ganz entspannt „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ vermittelt umfassende Informationen über gesunde Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit. Die Informationen werden verständlich und kurzweilig in Alltagssprache aufbereitet; Fachbegriffe werden gut und kurz erläutert. „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ ermöglicht zwei Zugänge zu den Sachinformationen: einmal über die Nährstoffebene im Kapitel „Qualität statt Quantität“ und im Kapitel „Frisch, vielfältig und fettarm“ über die Lebensmittelebene. Durch die fast identischen Inhalte reicht es, eines der beiden Kapitel zu lesen, die sprachliche Gestaltung und der unterschiedliche Aufbau lassen auch das Lesen beider Kapitel nicht langatmig werden. Auch die weiteren Informationen des Ratgebers können punktuell aufgenommen werden. Dies kann über das Inhaltsverzeichnis geschehen, welches durch die Angabe vieler Kapitelüberschriften einen Einblick in die jeweiligen Inhalte liefert. Eine zweite Möglichkeit ist es, über das Durchblättern Zugang zu Informationen zu erhalten: Der Blick wird dabei auf Überschriften, Marginalien oder Infokästen gelenkt. Ein Schlagwortregister gibt es nicht, welches aufgrund der übersichtlichen Gestaltung auch nicht zwingend notwendig erscheint. Mit Aufforderungen wie „Ansonsten können Sie (…) alles essen, worauf Sie Appetit haben“ (87) wird dem eigenen Körpergefühl eine hohe Bedeutung zugestan-
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den. Dies wird unter anderem daran deutlich, dass die Leserin ihre Lieblingsgerichte beibehalten kann und essen soll, worauf sie Appetit hat. Auffällig sind die vielen kurzen Leitsätze und positiven Formulierungen. Schon auf dem Cover ist die Rede von „schönen und unbeschwerten Monaten“, das erste Kapitel trägt die Überschrift „Herzlichen Glückwunsch!“ (10), an anderer Stelle erscheint der Leitsatz: „Positiv denken!“ (11). Mögliche Gefährdungen werden sachlich thematisiert, indem die Sachlage kurz erläutert und dann eine Handlungsempfehlung dazu gegeben wird. Auch dann werden nur Warnungen ausgesprochen. Über den Tellerrand der gesunden Ernährung wird nur ganz selten hinausgeblickt, das Ernährungshandeln im Alltag wird kaum thematisiert. Dafür bietet der Ratgeber neben dem unterschiedlichem Umgang mit dem Ratgeber den Leserinnen viele Möglichkeiten, gesunde Ernährung so umsetzen, wie es am besten schmeckt und das Wohlbefinden steigert. Über die Ernährung hinaus thematisiert der Ratgeber die Bereiche Bewegung und Entstehung sowie gesundheitliche Still- und Schwangerschaftsprobleme. Ziel ist nicht nur, sich gesund zu ernähren, sondern sich wohl zu fühlen – ein Zustand, der immer wieder auch mit der psychischen Verfassung in Zusammenhang gebracht wird, zum Beispiel in Hinblick auf Entspannung. Den Zielsetzungen, die zu Beginn und auf dem Cover formuliert werden, wird der Ratgeber auf jeden Fall gerecht und geht zum Teil sogar noch darüber hinaus, indem er immer wieder das Wohlbefinden anspricht und Bewegungs-, und Entspannungsthemen sowie körperliche Probleme anspricht. 5.4.3
,Potentielle Gefahr‘ versus ,Wohlbefinden leicht gemacht‘ – Die Ratgeber im Vergleich
Die Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an“ und „Gesunde Ernährung von Mutter und Kind“ haben die gleiche Zielgruppe und sind sich auch hinsichtlich ihres Inhalts sehr ähnlich: Sie richten sich an werdende bzw. junge Eltern und beinhalten Informationen über eine gesunde Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder. Auch wenn sich „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ zudem ausführlich mit der Ernährung der werdenden Mutter befasst, ähneln sich weite Teile der Ratgeber inhaltlich stark. Als unterschiedlich und fast schon gegensätzlich können jedoch die Perspektiven auf Ernährung und Zielgruppe bezeichnet werden. Ernährung: Gefahr versus Nutzen Wie schon im Fazit erläutert wurde, werden Nahrung und Ernährung in „Gesunde Ernährung von Anfang an“ zum großen Teil als potentielle Gefahr für die Kinder dargestellt. Dies wird durch eine Vielzahl von Beispielen illustriert: Lebensmittel als Allergieauslöser, Kariesgefahr durch Tees, Nährstoffunterversorgung; selbst Mutter-
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milch und Trinkwasser können verseucht sein. „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ thematisiert in etwa die gleichen Gefährdungen: Auch hier wird darauf hingewiesen, dass das Trinkwasser belastet sein kann, in welchen Fällen Allergien entstehen können oder warum Alkohol in der Stillzeit schadet. Der Ratgeber tut es jedoch wesentlich neutraler und kürzer. Zur Verdeutlichung werden zwei Passagen zitiert, die beide das Problem des Dauernuckelns aufgreifen. „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ handelt dieses Thema in noch nicht mal einem Absatz ab, der hier komplett wörtlich wiedergegeben wird: „Geben Sie Ihrem Baby aber kein Fläschchen zum Dauernuckeln. Säure und Zucker aus Fruchtsäften und gesüßten Tees können Karies verursachen. Am besten gewöhnen Sie Ihr Baby schon von Anfang an daran, aus Tasse oder Becher (mit Schnabel oder Trinkhilfe) zu trinken“ (97).
In drei kurzen Sätzen erfolgt zunächst der Ratschlag, dann dessen wissenschaftliche Begründung und im Anschluss eine konkrete Handlungsempfehlung. Die Leserschaft erhält so auf sachliche Art und Weise die nötigen Informationen. „Gesunde Ernährung von Anfang an“ breitet dieses Thema in einem eigenen Kapitel über vier Seiten aus und spart nicht mit schon fast grausigen Details: „Kaputte Zähne durch Kindertee (Überschrift) (…) Die Kariesgefahr kommt aus den Kunststoff-Saugerflaschen, die Babys selbst in die Hand nehmen können. (…) Während süßes Tees zu Löchern im Zahnschmelz führen, lässt die Säure aus den Fruchtsäften die Zähne braun werden und löst mit der Zeit den Zahnschmelz auf. Im schlimmsten Fall vereitert der Kieferknochen (…) bei einigen Kindern sind (…) nur noch schwarze Stummel in entzündetem Zahnfleisch übrig“ (28).
In den nächsten Sätzen ist die Rede von komplizierten Operationen und Kieferfehlstellungen als möglichen Spätfolgen (28). Das Kapitel schließt – nach etlichen Hinweisen, welche Getränke aus welchen Gründen schädlich sind und nicht gegeben werden dürfen – mit der Erläuterung der drohenden Abhängigkeit der Kinder durch das stundenlange Nuckeln. Die „kleinen Säufer“ (31) müssen dann einen „harten Entzug“ (31) durchmachen, um wieder davon loszukommen. Die letzten zitierten Begriffe sind im Ratgeber selbst in Anführungszeichen gesetzt; dennoch stellt sich hier die Frage, warum ein solches Vokabular verwandt wird.26 26
Den ganzen Ratgeber über verteilt fallen immer wieder negative Formulierungen und Begriffe ins Auge: Schon im ersten Kapitel ist auf zwei Seiten die Rede von dem kaum überschaubar en Angebot (4), den Unsicherheiten der Eltern (4), dem unübersichtlichen ,Angebotsdschungel‘ (4), „Ernährungsfehlern“ (4), „Übergewicht“ (5), „Nährstoffmangel“ (5), schlechten Zähnen (5), Schadstoffen (5), besonders bedenklichen Bakterien (5), und dem Allergierisiko (5). Auf den nächsten zwei Seiten folgt die Darstellung der „Werbeangriffe“ (6f.). In den nächsten Kapiteln geht es um mangelnde Unterstützung in Sachen Stillen (9), belastete Muttermilch (12f.), die Auswirkungen der Gabe ungeeigneter Milchformen (18f.), um Chemie im Trinkwasser (22f.) und „Kaputte Zähne durch Kindertee“ (28f.).
5.4 Ratgeber zur Schwangerschafts- und Kleinkindernährung
119
Der Vergleich verdeutlicht: „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ präsentiert Informationen so, wie es in der Einleitung angekündigt wird: „Ernährung soll (…) der Gesundheit von Mutter und Kind dienen“ (7). Diese Sichtweise wird durch Illustrationen bestärkt, die überwiegend Menschen in den Mittelpunkt rücken. Damit wird Ernährung aus einem ganz anderen, positiven Blickwinkel betrachtet: Nicht als Kampf gegen eine Vielzahl potentieller Gefahren, sondern als Lebensbereich, der dem Wohlbefinden nützt und mit einfachen Mitteln bewältigt und sogar aktiv gestaltet werden kann. Zielgruppe: Passiv versus aktiv Der Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an“ ist arm an Handlungsalternativen, die zum Teil auch noch indirekt bewertet werden (vgl. hierzu auch das Fazit in Kapitel 5.4.1). Mit unzähligen Erläuterungen, welche Lebensmittel aus welchen Gründen nicht gegeben werden sollen, wird der Eindruck vermittelt, dass die Leserschaft nur mit der detailgetreuen Umsetzung der Empfehlungen – also durch passives Nachmachen – auf der sicheren Seite ist. Ein wirklicher Handlungsspielraum ist somit nicht vorhanden. Dass keine Spielräume für eigene Entscheidungen zugestanden werden sollen, spiegelt sich auch im dem Ratgeber zugrunde liegenden Verbraucher-Bild wieder: Eltern gelten als hilfs- und aufklärungsbedürftig. Im Unterschied dazu scheint der Ratgeber „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ von werdenden Müttern als ,Expertinnen‘ auszugehen: Sie wissen, was ihnen schmeckt und gut tut und können entscheiden, welche Informationen sie brauchen und wie sie diese im Alltag nutzen können. Dafür stellt „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ für alle Bereiche verschiedene Möglichkeiten vor, die Informationen individuell umzusetzen. Dies beginnt schon bei der Leseempfehlung, welche drei unterschiedliche Zugänge zum Ratgeber vorstellt. Die Informationen über Lebensmittel und die Rezepte werden als eine Fülle von Möglichkeiten präsentiert, wie die Empfehlungen unter Berücksichtigung der eigenen Vorlieben umgesetzt werden können. Der Leserschaft wird damit der Eindruck vermittelt, dass sie in der Lage ist, die Empfehlungen durch eigene Entscheidungen zu konkretisieren und an die jeweilige Alltagsgestaltung anzupassen – auch wenn der Ratgeber nur wenige Bereiche des Alltags ausführlicher anspricht. Nur in Fällen, wo dies erforderlich ist, werden eindeutige Empfehlungen gegeben: „Auf keinen Fall dürfen Sie vor dem vierten Lebensmonat eine Folgemilch füttern. Wegen ihres relativ hohen Eiweiß- und Mineralstoffgehalts (…) sollten Folgemilchnahrungen nicht früher als empfohlen gegeben werden“ (90). Sonst wird den Müttern freie Hand gelassen, sie werden sogar explizit zur freien Gestaltung ihrer Ernährung und der ihrer Kinder aufgefordert. Während also der eine Ratgeber von gesunder Ernährung als einfache Aufgabe ausgeht, der die Zielgruppe als Expertinnen ihres Alltags gewachsen ist, wird im anderen
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5 Ergebnisse der Analyse
Ratgeber Ernährung – gerade bei Säuglingen und Kleinkindern – als ein gefährliches Vorhaben beschrieben, bei dem Eltern an die Hand genommen werden müssen. Alter der Publikationen: Oldie und Newcomer Eine Erklärung für diese fast gegensätzlichen Perspektiven kann im Alter der Publikationen gefunden werden: „Gesunde Ernährung von Anfang an“ wurde erstmals 1986 aufgelegt, während „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ in erster Auflage 2007 erschien. Zwischen den beiden Ratgebern liegen also mehr als 20 Jahre, die auch den dargestellten Zeitraum der Debatte um ein Scheitern der Ernährungskommunikation einschließen. Während „Gesunde Ernährung von Anfang an“ als ein Beispiel für die ,gescheiterte Ernährungskommunikation‘ gewertet werden kann, ist in „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ die Integration einiger Anforderungen an eine neue Ernährungskommunikation bereits gelungen.
5.5
Ratgeber zur Gewichtsreduktion
5.5.1
„Gewicht im Griff. Das Abnehmprogramm zum Wohlfühlen“ Formale Gestaltung
Abbildung 5: Titelseite von „Gewicht im Griff“27 27
„Gewicht im Griff. Das Abnehmprogramm zum Wohlfühlen“ hat einen Umfang von 218 Seiten. Das Inhaltsverzeichnis gibt eine Übersicht über Kapitel und Unterkapitel mit Überschriften und Seitenzahl und enthält auch den Anhang mit seinen Unterkapiteln. Vor dem Inhaltsverzeichnis steht das Vorwort, das einen Einblick in die Inhalte des Ratgebers liefert. Das Cover weist das einheitliche Design der Verbraucherzentrale NRW auf (vgl. Kap. 5.2). Auf dem Titelfoto sind verschiedene Obstsorten abgebildet, wobei eine große Erdbeere das Bild dominiert. Das Obst bildet den Hintergrund für eine stilisierte Zeichnung: Einen Frauenkopf und eine Hand, die einen Apfel hält.
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2008): Gewicht im Griff. Das Abnehmprogramm zum Wohlfühlen. 13. Auflage in kompletter Überarbeitung. Bramsche; Foto: PhotoDisc
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
121
Der Titel nimmt Bezug auf den Inhalt des Ratgebers: Es geht um den Umgang mit Gewicht. Ziel des Programms scheint es nicht zu sein, gesund zu sein oder schlank zu sein, sondern sich zu wohl zu fühlen. Dies wird später mit der Verwendung des Begriffes „Wohlfühlgewicht“ bekräftigt. Die vierzehn Kapitel haben einen Umfang zwischen fünf und 13 Seiten und enthalten zwischen drei und acht Unterkapitel. Eine Ausnahme stellt das Rezeptkapitel dar, das knapp 70 Seiten lang ist. Die Kapitel werden durch eine Seite mit einem ca. 9 × 5 cm großen Foto, der Kapitelüberschrift und einem groß und fett gedruckten kurzen Einführungstext eingeleitet. Die Unterkapitel haben keine Nummerierung und sind an der Schriftgröße sowie einem grünen Unterstrich erkennbar. Ab und zu haben zusätzlich auch einzelne Absätze Zwischenüberschriften. Abschnitte mit reinem Fließtext sind entweder maximal eine halbe Seite lang oder werden durch verschiedene Elemente weiter strukturiert: Absätze im Fließtext werden oftmals durch fett gedruckte Wörter eingeleitet, was einen Einblick in den Inhalt des Absatzes ermöglicht. Weiterhin werden unterschiedliche Formen von Kästen eingesetzt. „Check“Kästen sollen zum Nachdenken über das eigene Verhalten anregen (zum Beispiel in Bezug auf das Ernährungs- oder Bewegungsverhalten). In den meisten Fällen können diese Gedanken gleich in die Kästen eingetragen werden. „Info“-Kästen liefern weitergehende Informationen zu Themen des Kapitels. „Übung“-Kästen enthalten Wahrnehmungsübungen zu den Themen Schmecken und Sättigung. Frage-Kästen sind am großen Fragezeichensymbol zu Beginn des Textes erkennbar, sie stellen Fragen zum Thema mit den entsprechenden Antworten dar. Weitere Kästen mit einem Ausrufezeichen geben konkrete Tipps für den Alltag. Text- oder Zahlentabellen liefern meist Informationen zu bestimmten Lebensmitteln. Marginalien liefern kleine Zusammenfassungen oder fungieren als ,Spotlights‘ auf bestimmte Inhalte. Die Kästen und Tabellen im Ratgeber sind verhältnismäßig groß und nehmen öfters eine oder mehrere Seiten ein. Der Fließtext wird infolge dessen weniger unterbrochen als bei den anderen Ratgebern: Es finden sich mehrere Seiten, die nur durch Überschriften strukturiert werden, allerdings besteht keine Seite komplett aus Fließtext. Die Kopfzeile zeigt den Kapiteltitel an. Die Kapitel, in denen die einzelnen Bausteine der Gewichtsreduktion beschrieben werden, werden als zehn „Schritte“ betitelt. So wird die Gewichtsreduktion als ein Prozess dargestellt; ein Weg, der viele Schritte haben kann und muss. Durch die Schritte wird auch die Bedeutung der Eigenaktivität verdeutlicht, da Schritte in der Regel selber gegangen werden müssen. Die Überschriften sind kurz. Etwa ein Dutzend ist als Ausrufe, als Aufforderungen formuliert: „Wie Sie sich ein realistisches Ziel setzen!“ (15), die der „Schritt-Kapitel“ sind als Entschlüsse formuliert: „Ich trinke mehr!“ (30), „Ich bewege mich mehr!“ (40), „Ich halte mein Gewicht!“ (128). Et-
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5 Ergebnisse der Analyse
wa gleich viele Überschriften sind als Fragen formuliert, z. B. „Welche Ernährung ist empfehlenswert?“ (115), „Welcher Sport ist der richtige?“ (47). Alle Überschriften geben einen Hinweis auf den Inhalt des Abschnittes. Die ,Schritt-Kapitel‘ enthalten jeweils eine Leerseite für eine „Zusammenfassung“, die die Leser selbst verfassen und so als Reflexionsmöglichkeit nutzen können. In eine entsprechende Anzahl Leerzeilen können sie eintragen, welche Inhalte ihnen persönlich wichtig sind. „Gewicht im Griff“ verwendet nur sehr wenige Fachbegriffe (ca. 30 Stück), von denen etwa zwei Drittel erläutert oder übersetzt werden. Die wenigen Fachbegriffe, die als weniger geläufig angenommen werden können wie „Glykämischer Index“ oder „Hypothalamus“, werden in Infokästen erwähnt oder erläutert. Es werden so weit wie möglich deutsche Begriffe verwendet, z. B. Eiweiß statt Protein, Fett statt Lipid. Die Zielgruppe wird direkt mit „Sie“ angesprochen und dies auch schon im ersten Satz des Ratgebers: „Geht es Ihnen wie jedem 2. Erwachsenen in Deutschland (…)?“ (3). Die Checks verwenden meistens die Ich-Form28, ebenso sind die einzelnen Kapitel, die sich mit der konkreten Gewichtsabnahme befassen, mit Aussagen wie „Ich trinke mehr!“ (30) betitelt. Auch die Fragen werden zum Teil in der IchForm gestellt. Inhaltliche Gestaltung des Ratgebers Wohlfühlgewicht individuell erreichen Die Zielsetzung von „Gewicht im Griff“ wird in der Einleitung dargestellt. Danach liegt der Fokus auf „praktisch umsetzbaren Möglichkeiten“ (4), dazu gibt es „Hintergrundinformationen, die erläutern, warum ein Tun oder Lassen hilfreich ist“ (4). Anhand von Checks kann die „derzeitige Situation“ (4) oder das Tun vergegenwärtigt werden. Weiterhin soll der Ratgeber „Tabellen zum Fettgehalt, (…) Übungen zum bewussten Umgang mit Essen, viele leckere und einfache Rezepte“ (Cover) liefern. Das Ziel ist ein „Wohlfühlgewicht (…) das (…) zufrieden, gesund und genussvoll macht und hält“ (5). Das Konzept des Ratgebers wird als „alltags- und familientauglich“ (3) bezeichnet, da die Erfahrungen der langjährigen und vielfältigen Praxis der Autorin sowie die Anregungen von Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern einfließen. Der Ratgeber richtet sich an Erwachsene, die mit ihrem Gewicht nicht zufrieden sind und ihr „persönliches Wohlfühlgewicht (…) erreichen und (…) halten wollen“ (Cover). In der Einleitung wird ihre Situation angedeutet: Danach müssen sie sich ständig beherrschen, um den allgegenwärtigen Nahrungsangeboten widerstehen zu können: „Köstlichkeiten begegnen uns auf all unseren Wegen, zu Hause, in der Freizeit, beim Stadtbummel, bei jedem Event“ (3). 28
z. B. „Wie viel ich abnehmen möchte“ (15)
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
123
Genussvolles Essen und Wohlbefinden Den ganzen Ratgeber hindurch wird Essen – in den entsprechenden Zitaten kommt nie der Begriff ,Ernährung‘ vor – mit Genuss und Wohlbefinden in Verbindung gebracht.29 Weitergehend setzt der Ratgeber Essen in Kontext mit dem eigenen Selbstwertgefühl, wobei von einer „Fürsorge für sich selbst“ (117) gesprochen wird. Angestrebt wird eine in sich abwechslungsreiche Ernährung, bei der alle Nährstoffe in ausreichender Menge im richtigen Verhältnis aufgenommen werden (129). Ausgehend von der Tatsache, dass eine fettreiche Ernährung eher zu einem Energieüberschuss führt als kohlehydrat- oder proteinbetonte Ernährung, thematisiert der Ratgeber besonders den Fettgehalt der Ernährung. Dabei differenziert er bewusst zwischen den unterschiedlichen Fettarten und führt den Begriff „fettbewusste Ernährung“ (71) ein, da es nicht um ein generelles Sparen, sondern um „das Bewusstsein für die richtigen Mengen an Fett“ (71) geht. Auf dem Weg zum Wohlfühlgewicht – weil ich es mir wert bin „Gewicht im Griff“ legt den Fokus nicht auf das bestehende Übergewicht und seine möglichen negativen Folgen. Stattdessen wird Gewicht allgemein thematisiert; es geht um ein „neues Gewicht“, eine „Gewichtsabnahme“ (17) bzw. das „Abnehmen“ (52) und um das Ziel „Wohlfühlgewicht“ (18). Damit wird der Blick auf das Ziel und auf den Weg dahin gelenkt, nicht auf den gegenwärtigen (negativen) Zustand. Allgemeine Aussagen, die sich direkt auf Übergewicht beziehen, befassen sich mit der Darlegung unterschiedlicher Entstehungstheorien. Danach entsteht Übergewicht „vor allem in Verbindung mit einem ungünstigen Ess- und Bewegungsverhalten“ (25). Neben Informationen zum Body Mass Index (11f.) und der Vorstellung verschiedener Messmethoden zur Feststellung von Übergewicht (18) wird ein sinnvoller Verlauf der Gewichtsabnahme dargestellt, welcher sich möglichst über einen längeren Zeitraum mit Haltephasen erstrecken soll (19). Eine Gewichtszunahme wird zudem an unterschiedlicher Stelle mit dem Verlust der inneren Signale in Verbindung gebracht: „Zum Abnehmen und Gewicht halten ist es wichtig, auf die inneren Signale zu hören. (…) Doch nur die wenigsten Erwachsenen verfügen über die-
29
Schon die Einleitung verspricht, „dass es möglich ist, Ihren Speiseplan so zu gestalten, dass Sie mit Genuss essen, trotzdem dabei ein paar Kilo abnehmen“ (3). Es geht darum, „das persönliche Wohlfühlgewicht [zu erreichen] (…) bei dem Sie sich wohl und mit ihrem Körper in Einklang fühlen“ (18); „dabei ist Essen in höchstem Maße (…) Fürsorge für sich selbst (…) es gilt herauszufinden, was (…) gleichzeitig gut tut und nachhaltig gut bekömmlich ist“ (117). Der Ratgeber schließt mit den Worten: „Und nicht nur zu guter Letzt: Gehen Sie liebevoll mit sich um und seien Sie sich etwas wert! Legen Sie Wert auf gutes, gesundes und liebevoll zubereitetes Essen“ (157).
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5 Ergebnisse der Analyse
sen natürlichen Regulationsmechanismus“ (103). Die wachsende Bedeutung äußerer Einflüsse mit zunehmenden Alter in Kombination mit deren Überfluss in der heutigen Welt führen dazu, dass die Wahrnehmung innerer Signale immer mehr abnimmt (103). Auch „Diäten, Hungerkuren oder unregelmäßiges und unbewusstes Essen führen dazu, dass die natürliche Regulation von Hunger und Sättigung verloren geht“ (29). Neben einer kurzen Beschreibung der Gefühle Hunger, Heißhunger, Sättigung und Völlegefühl (103) stellt ein separater Kasten intensiver deren physiologische Mechanismen und die Auswirkungen der Nahrungsaufnahme vor (107). Übungen und Checks sollen dazu beitragen, Hunger und Sättigung bewusster zu erleben (105), zusätzlich werden Tipps für das bewusste Gestalten von Mahlzeiten gegeben. Dadurch soll sich die Gefühlswahrnehmung verbessern und zu einer geringeren Nahrungsaufnahme führen (109). Das Abnehmen wird im Kontext mit Bewegung dargestellt. Die Empfehlungen für ein bewegungsfreundliches Verhalten beginnen dabei auf einem äußerst niedrigen Niveau: Danach soll zunächst mit einer Steigerung der Alltagsbewegungen wie Treppen steigen oder zu Fuß zur Arbeit gehen begonnen werden. Tipps wie das Auto etwas weiter weg zu parken und wenigstens ein Stück zu laufen oder eine Station früher die Straßenbahn zu verlassen, sind sehr alltagspraktisch formuliert und lassen die Mitarbeit der Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen anklingen (47f.). Als nächste Stufe wird regelmäßiges Spazieren gehen empfohlen, das langsam zum Walking gesteigert werden kann. Hierzu werden Tipps zur Ausstattung und zur Strecke gegeben, wobei die Anforderungen niedrig gehalten werden: „Außer guten Schuhen wird keine besondere Kleidung benötigt (…) Suchen Sie sich eine Strecke aus, die Ihnen gefällt“ (49). Erst der nächste Abschnitt befasst sich dann mit bewegungsintensivem Sport, wobei auch hier wieder betont wird: „Wichtig ist, dass Sie Sportarten auswählen, die Ihnen Spaß machen (…) wenn Sie sich beim Sport wohlfühlen und danach eine tiefe innere Zufriedenheit verspüren, dann ist es die beste Voraussetzung, dass Sie sich daran gewöhnen“ (51).
Auf den folgenden zehn Seiten wird eine Einschätzung darüber gegeben, welche Sportarten zum Abnehmen geeignet sind und wie sie sich hinsichtlich Kalorienverbrauch, körperlicher Wirkung, Trainingsbedingungen und anderem unterscheiden (50f.). Neben Bewegung werden auch Mahlzeiten häufig im Kontext mit der Gewichtsabnahme thematisiert. Dabei wird besonders betont, wie wichtig regelmäßige Mahlzeiten zur Vorbeugung von Heißhungerattacken sind (104, 110f.) Auch die Bedeutung von regelmäßigem Trinken wird betont, weil es Heißhunger vorbeugt, Hungergefühle dämpft und den Stoffwechsel anregt (35, 115). Ausreichendes Trinken wird als „eine Grundvoraussetzung für alle, die abnehmen wollen“ (35), bezeichnet.
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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In der Analyse haben sich zwei Schwerpunkte im Konzept von „Gewicht im Griff“ heraus kristallisiert, die im Folgenden kurz erläutert werden: Abnehmen als Weg: Die Gewichtsreduktion wird als ein langer Weg mit vielen kleinen Schritten betrachtet. Die Untergliederung des Programms in zehn Schritte unterstreicht den Wegcharakter, auch wird die Leserschaft wörtlich dazu aufgefordert, ihren eigenen Weg zu gehen (23). Ein Bewusstsein für das eigene Wohlbefinden entwickeln: Weniger offensichtlich wird der zweite Hintergrundgedanke präsentiert, der aus mehreren Einzelkomponenten besteht: Das Ziel des Abnehmprogramms ist nicht das Schlanksein, dieses wird eher als ein Mittel zum Zweck verstanden. Das eigentliche Ziel ist das Wohlfühlen. Dabei setzt „das Abnehmprogramm zum Wohlfühlen“ auf bewusste Entscheidungen im Umgang mit sich selbst. Es wird auch nicht von einem Idealgewicht, sondern von einem Wohlfühlgewicht geschrieben, das „sich nicht aus Tabellen ablesen“ (18) lässt. Um dies zu erreichen, liefert der Ratgeber neben den nötigen Sachinformationen viele Ansätze, die dabei helfen sollen, alte Entscheidungsmuster und Gewohnheiten zu erkennen, zu hinterfragen und neue zu bilden. Dies geschieht mit Hilfe der „Checks“, von denen jedes Kapitel mindestens einen enthält. Neben Reflektionen können Ziele formuliert werden; einfache Protokolle helfen bei der Überprüfung alter Ernährungsgewohnheiten. Die Checks sind wie die Leitsätze der Schritte in der Ich-Form geschrieben, wodurch die Notwendigkeit einer individuellen Gestaltung des Weges verdeutlicht wird. Zur Unterstützung erhalten die Leserinnen und Leser mit einer Vielzahl von Umsetzungsvorschlägen die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Auch die Leseempfehlung im Vorwort bietet drei Möglichkeiten zur Arbeit mit dem Ratgeber an (4). Das Kapitel „Unser Abnehmprogramm kompakt“ (128f.) enthält zusätzlich Ernährungspläne als Alternative zu den Schritt-Kapiteln. Weiterhin geht es darum, dass die Menschen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was ihnen gut tut. Es wird empfohlen, „auf sich selbst zu hören“ (18), „herauszufinden, was (…) gleichzeitig gut tut und nachhaltig gut bekömmlich ist, also was auch langfristig keine unerwünschten ,Nebenwirkungen‘ hinterlässt“ (117). Damit wird auch das Selbst-Bewusstsein und ein Selbst-Wertgefühl verknüpft: „Gehen Sie liebevoll mit sich um und seien Sie sich etwas wert! Legen Sie Wert auf gutes, gesundes und liebevoll zubereitetes Essen“ (157). An anderer Stelle heißt es noch deutlicher: „Geben Sie sich nicht mit dem Einfachsten zufrieden. Finden Sie heraus, was Sie wirklich mögen und was Sie spürbar zufriedener macht“ (100). Im Abschnitt „Was für ein Schokoladentyp sind Sie?“ wird dies konkretisiert: Er thematisiert über eine Seite hinweg Verarbeitungs- und Qualitätsunterschiede von Schokolade. Das Ziel: „Finden Sie heraus, welche Schokolade Ihre Bedürfnisse am besten befriedigt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Sie in Zukunft Schokolade intensiver genießen
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5 Ergebnisse der Analyse
können und vermutlich weniger brauchen, um zufrieden zu sein“ (100). Bewusste Entscheidungen führen zu einem bewussten Genießen und damit einer effektiveren Bedürfnisbefriedigung.30 Neue Gewohnheiten entwickeln „Gewicht im Griff“ thematisiert weniger vorhandene Gewohnheiten und Einstellungen und dabei meist änderungsbedürftige: „Wenn ich anfange zu naschen, kann ich nicht aufhören“ (96), „Gemüse schmeckt mir/meiner Familie nicht“ (66), „Wasser (…) was ist, wenn es mir nicht schmeckt?“ (40). Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass „alte und teilweise lieb gewordene Gewohnheiten (…) in Frage gestellt und eventuell aufgegeben werden“ (22) müssen. Ressourcenorientierter werden Vorlieben thematisiert: „Check: Welches Obst und Gemüse mag ich?“ (65). Stattdessen werden viele Empfehlungen gegeben, wie neue und bessere Gewohnheiten leichter etabliert werden können. Dazu gehört auch die Schaffung von Ritualen (39): „Gewöhnen Sie sich an, zu bestimmten Gelegenheiten Obst und Gemüse zu essen, zum Beispiel: Beginnen Sie gleich beim Frühstück (…) Nehmen Sie Rohkost mit für die Pausenverpflegung (…) knabbern Sie Rohkost auf einer längeren Autofahrt“ (64). Gewohnheiten sollen schrittweise geändert werden. Dies wird sehr anschaulich im Kapitel „Ich bewege mich mehr!“ und auch an anderen Beispielen dargestellt: „Der Einstieg wird auch erleichtert, wenn Sie schrittweise vorgehen. Nehmen Sie sich (…) vor, in der nächsten Woche täglich zwei Stücke Obst zu essen. Ein Ziel für die darauffolgende Woche könnte es sein, täglich 1,5 Liter zu trinken“ (146f.)31. Ein weiterer Tipp ist, erwünschte Lebensmittel häufiger auf den Tisch zu bringen, um eine Gewöhnung zu ermöglichen (144). Dabei sollen die Leserinnen und Leser darauf vertrauen, dass sich ihr Geschmack mit der Zeit umgewöhnen wird (147). Neben den Gewohnheiten sollen sich auch Einstellungen verändern: „Ändern Sie Ihre Einstellung! Messen Sie dem Trinken die Bedeutung bei, die es verdient“ (39) oder „Ändern Sie Ihre Einstellung! Machen Sie sich bewusst, wie wichtig Gemüse und Obst für die Gesundheit und das Abnehmen sind“ (63). Dabei wird auch der Zeitfaktor angesprochen: „Für eine dauerhafte Ernährungsumstellung braucht es durchaus ein Jahr oder auch mehr (…) Betrachten Sie die Veränderungen als einen
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Auch an anderer Stelle wird hervorgehoben: „Der Appetit auf Schokolade lässt sich in der Regel nicht durch einen Apfel oder vermeintlich kalorienärmere Süßigkeiten befriedigen“ (104); „Konzentrieren Sie sich auf das für Sie Allerleckerste“ (121). 31 Diese Methode findet sich auch im Abschnitt „Mehr Vollkorn – praktisch umgesetzt“ (87) angewandt: „Fangen sie damit an, neue Brotsorten aus Vollkorn auszuprobieren. Beginnen Sie mit zum Beispiel mit Vollkorntoastbrot (…) Probieren Sie als nächstes Vollkornnudeln und Naturreis“ (87f.).
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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Weg, der Sie schrittweise zum Ziel führt. Wie bei einem Marathon ist es nicht ausschlaggebend, möglichst schnell im Ziel zu landen, sondern dass Sie überhaupt ankommen“ (146). Zwei „Erfolgsprotokolle“ (145) zu neuen Ess und Lebensgewohnheiten (149) sollen Fortschritte in der Entwicklung positiver Gewohnheiten verdeutlichen. Abnehmen durch Essen Lebensmittel werden in „Gewicht im Griff“ überwiegend im Hinblick auf die Gewichtsabnahme und hier im Kontext mit ihrem Kalorien- bzw. Fettgehalt dargestellt. Zwar werden die einzelnen Lebensmittelgruppen auch über ihre individuellen Nährstoffgehalte thematisiert, die Einteilung der Lebensmittel nach ihrem Kaloriengehalt wird aber deutlicher hervorgehoben. Die Darstellung orientiert sich dabei zunächst nicht an der Ernährungspyramide, sondern stellt die unterschiedlichen Lebensmittelgruppen – in diesem Fall Getränke, Obst und Gemüse, Fett, Vollkornprodukte und Süßigkeiten – nach ihrer Relevanz für das Abnehmen dar. Zunächst befasst sich das Kapitel „Schritt 2: Ich trinke mehr!“ (34f.) mit Getränken, wobei diese nach ihrem Kaloriengehalt unterschieden werden. Im Kapitel „Schritt 4: Ich esse mehr Gemüse und Obst!“ (60f.) werden die entsprechenden Gruppen näher beschrieben. Neben deren geringem Kaloriengehalt werden auch ernährungsphysiologisch wertvolle Inhaltsstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe erwähnt, wobei diese Thematisierung insgesamt eher an der Oberfläche bleibt. Nur die sekundären Pflanzenstoffe werden genauer beschrieben und verschiedene Arten beispielhaft vorgestellt. Im Kapitel „Schritt 5: Ich esse weniger Fett!“ (70f.) werden Fette aus dem Blickwinkel einer fettbewussten Ernährung differenziert betrachtet. Neben der Hervorhebung wertvoller Formen (71) werden Fette in „günstige und ungünstige Fette“ (77f.) eingeteilt. In diesem Abschnitt werden gesättigte, einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren hinsichtlich ihrer physiologischen Wirkung voneinander abgegrenzt, dazu werden Lebensmittelbeispiele gegeben. Verbote, etwa für den Verzehr fettreicher Lebensmittel, werden nicht ausgesprochen. Stattdessen erhält die Zielgruppe die Empfehlung, sich die entsprechenden Lebensmittel „einfach bewusster, seltener und in kleineren Mengen“ (73) zu gönnen. Die Verwendung fettärmerer Produkte – unter der Voraussetzung, dass diese genauso gut schmecken – wird als noch besser bezeichnet. Zur besseren Umsetzung enthält der Ratgeber mehrere Tabellen, die Austauschmöglichkeiten aufzeigen, zum Beispiel „Fettreiche und fettarme Brotbeläge“ (75) oder „Fettreiche und fettarme Varianten zum Naschen“ (75). Im Kapitel „Schritt 6: Ich esse öfter Vollkornprodukte!“ (82f.) werden neben dem Ballaststoffgehalt und dem niedrigeren Kaloriengehalt auch die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel thematisiert (84). An dieser Stelle steigt der Ratgeber ausnahmsweise tiefer in die Ernährungsphysiologie ein, eben-
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so wie bei der Erläuterung des Glykämischen Index und der Glykämischen Last, die im Kapitel „Schritt 7: Ich esse weniger Süßes!“ (90f.) erläutert werden – allerdings in einem extra Info-Kasten (93). In diesem Kapitel wird der Zusammenhang von Kohlehydraten, Blutzuckerspiegel, Insulin und Übergewicht wiederholt (91). Zusätzlich werden alle Lebensmittelgruppen bei der Vorstellung der Lebensmittelpyramide kurz dargestellt, hier werden auch Nährstoffe kurz in Hinblick auf ihre physiologische Wirkung thematisiert. Die Information beschränkt sich hierbei auf die Nennung der Nährstoffgruppen Kohlehydrate, Eiweiß, Fett, Vitamine und Mineralstoffe; einige Vitamine und Mineralstoffe werden beispielhaft erwähnt. Für jede Lebensmittelgruppe werden Empfehlungen für die täglichen oder wöchentlichen Verzehrsmengen ausgesprochen. Die Angaben erfolgen dabei so gut wie immer in Gramm oder anderen SI-Einheiten und meistens zusätzlich noch in einer anderen, alltagsnäheren Einheit: Beispielsweise eine ,Handvoll‘ bei Gemüse und Obst, ,Esslöffel‘ bei Getreide, ,Becher‘ bei Joghurt. Abstrakt bleiben die Mengenangaben bei Hülsenfrüchten, Fleisch und Fisch (131f.). Widerständen aus den eigenen Reihen begegnen Alltagseinflüsse auf das Ernährungshandeln werden im Ratgeber im Hinblick auf Widerstände in der Familie bzw. bei sich selbst thematisiert. Im Kasten „Widerstände gegen Obst und Gemüse und wie man sie verwandeln kann“ (66f.) werden z. B. Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit dem Arbeitsaufwand bei der Zubereitung umgegangen werden kann. Dabei sind die Tipps (Zubereitungszeit durch eine Radiosendung oder ein Gespräch verschönern, leicht handhabbare Gemüsesorten oder gute Küchenutensilien verwenden) weniger zeitsparend denn arbeitserleichternd oder – verschönernd. Auch der Widerstand „Ich habe keine Zeit, täglich einzukaufen“ (67) wird eher oberflächlich behandelt: „Mit ein wenig Planung und Übung gelingt es eigentlich immer, Gemüse griffbereit zu haben“ (67). In der Folge werden die Lagerzeiten unterschiedlicher Gemüsearten erwähnt und Tiefkühlgemüse als Alternative empfohlen, „wenn es mal besonders schnell gehen soll“ (67). Ebenfalls im Zusammenhang mit Obst und Gemüse klingen mögliche „Widerstände“ (66) aus der Familie an, die mit einem veränderten Nahrungsangebot einhergehen können. In diesem Kasten werden einige Tipps gegeben, wie die Familie von mehr Obst und Gemüse im Alltag überzeugt werden kann. Finanzielle Aspekte werden in „Gewicht im Griff“ nur ganz am Rande thematisiert: Einmal im Kontext mit Getränken, wobei Trink- und Mineralwasser sowie ungesüßte Kräuter- und Früchtetees als preisgünstig beworben werden (35f.) und einmal im Zusammenhang mit der Nutzung von Angeboten von Sportvereinen, Volkshochschulen oder Familienbildungsstätten, die ebenfalls als preisgünstig bezeichnet werden (58).
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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Hemmende und fördernde Rahmenbedingungen „Gewicht im Griff“ thematisiert wie andere Ratgeber auch das jederzeit verfügbare Überangebot an Lebensmitteln schon im Vorwort (3), auch immer größer werdende Packungen werden angesprochen (114). Dies geschieht auf sachliche Art und Weise: „In der Schnellgastronomie und im Lebensmittelhandel gibt es seit einigen Jahren den Trend, dass die Portionen und Packungen immer größer werden“ (114). Ansonsten wird das Marktangebot kaum dargestellt, nur im Abschnitt „Tipps für Berufstätige: Wie Sie sich auch am Arbeitsplatz oder unterwegs gesund verpflegen können!“ (142) werden Handlungsempfehlungen gegeben, wie gewichtsverträglich in Kantine und Restaurant gegessen werden kann. Auch institutionelle Rahmenbedingungen werden wenig thematisiert. Meist werden Institutionen genannt, die organisierte Bewegungsangebote (49) oder Entspannungsmethoden anbieten (125). In einer Tabelle werden unterschiedliche Anbieter wie Sportvereine, Volkshochschulen oder Fitnessstudios gegeneinander übergestellt (59). Psychotherapiepraxen, Abnehmtrainings und Ernährungsberatungen werden im Zusammenhang mit einer möglichen Bezuschussung durch die Krankenkassen erwähnt (127). Gesunde und leckere Rezepte Im Vordergrund steht der gesundheitliche Aspekt: „Unsere Rezepte sind kalorienarm und enthalten wenige, aber hochwertige Fette“ (159). Der Kalorien- und Fettgehalt ist für jedes Rezept angegeben, worauf im Vorwort (5) und in der Einleitung des Rezeptteils hingewiesen wird (159). Zusätzlich werden sie im Vorwort als „lecker und leicht zuzubereiten“ (5) charakterisiert. Zeitangaben für die einzelnen Rezepte existieren nicht, im Abschnitt „Widerstände gegen Gemüse“ wird nebenbei erwähnt, dass die „leckeren Gemüsepfannen ab Seite 103 (…) innerhalb einer halben Stunde fertig“ (66) sind. Vorgeschlagene Varianten „sorgen für leicht handhabbare und geschmackvolle Abwechslung“ (160), ebenso wird darauf hingewiesen, dass erfahrene Köche und Köchinnen die Rezepte nach eigenen Vorlieben abwandeln können (159). Neben einem Rezeptregister, in dem die Rezepte unter ihrem Titel und auch unter ihrem Hauptlebensmittel aufgeführt sind, kann über eine Titelübersicht auf sie zugegriffen werden. Die Rezepte sind in einzelne Kapitel unterteilt, die nach Lebensmitteln oder Gerichten unterteilt sind. Eine Ausnahme stellt das erste Kapitel dar, das „Frühstücksvariationen – auch für das zweite Frühstück am Arbeitsplatz“ (166) enthält. Entscheiden Sie sich, wofür Sie wollen! „Gewicht im Griff“ zeichnet sich durch eine Fülle von Handlungsempfehlungen aus. In direktem Kontext mit den jeweiligen Sachinformationen findet sich in jedem Ka-
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pitel mindestens ein Abschnitt, in dem separat ganz konkrete Empfehlungen gegeben werden, wie die Informationen in die Praxis umgesetzt werden können. Teilweise geschieht das sogar sehr detailliert: „Beginnen Sie gleich beim Frühstück. Schneiden Sie einen Apfel in Viertel und richten Sie ihn auf einem kleinen Teller an“ (63). Sie nehmen meist einen Bezug zu individuellen Situationen auf: „Fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit (…) wenn der Weg zu lang ist, parken Sie Ihr Auto etwas weiter weg und gehen Sie ein paar Hundert Meter zu Fuß“ (48). Teilweise werden sie wörtlich als Empfehlungen formuliert, oft sind es aber auch eher Anweisungen: „Bedienen Sie sich zuerst reichlich von den Rohkostsalaten (…) nehmen Sie sich mehr Gemüse (…) Trinken Sie Ihr Weinglas nicht leer“ (121), die teilweise mit Ausrufezeichen versehen werden: „Trinken Sie viel Wasser – und wenig Alkohol!“ (151). Durch die Fülle von Anweisungen zu den unterschiedlichen Schritten, die als Alternativen, Möglichkeiten, Varianten und Steigerungsmöglichkeiten präsentiert werden, hat die Leserschaft allerdings immer die Wahl. Sie kann selbst entscheiden, welche Aufforderung sie annimmt, wodurch die Aufforderungen und Anweisungen nicht den Charakter eines Befehls haben. Fazit: Den eigenen Weg zum Wohlbefinden suchen und gehen Wie in der Einleitung angekündigt, liefert „Gewicht im Griff“ sowohl Hintergrundinformationen als auch praktische Umsetzungstipps. Die Inhalte des Ratgebers können entweder Schritt für Schritt gelesen und umgesetzt, die Abfolge der Schritte kann aber auch an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Um die Informationen zu erfassen, ist eine Lektüre des kompletten Kapitels im Prinzip nicht nötig. Dabei helfen aussagekräftige Überschriften und stichpunktartige Zusammenfassungen in Infokästen. Die Integration vorhandener Gewohnheiten in neue Verhaltensmuster oder auch die Identifizierung gewichtsfreundlicher Gewohnheiten kommt dabei etwas zu kurz, dafür erleichtern Checks die Reflektion und Dokumentation neuer Gewohnheiten und damit eigener Fortschritte. Generell bietet der Ratgeber viele Möglichkeiten, aktiv und selektiv mit ihm zu arbeiten. Um die Checks und Reflektionen nutzen zu können, müssen die Leser das Gelesene rekapitulieren sowie eigene Überlegungen schriftlich festhalten. Das Konzept richtet sich an Erwachsene, wird aber auch als familientauglich bezeichnet. Der Fokus im Ratgeber selbst liegt auf dem einzelnen Mensch und dessen individuellen Entscheidungen im Alltag, die Familie wird im Hinblick auf mögliche Widerstände gegen Obst und Gemüse thematisiert. Auch hier geht es eher um die Etablierung neuer Gewohnheiten als um das Beibehalten alter. Weitere Darstellungen von Alltagssituationen, an die das Konzept angepasst werden muss, fehlen überwiegend.
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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Wie im Titel ankündigt, legt „Gewicht im Griff“ den Fokus auf das Wohlfühlen. Er bringt (Über-)gewicht nur wenig mit dem Begriff Gesundheit und kaum mit Krankheit in Verbindung und schürt so auch keine Ängste vor möglichen gesundheitlichen Folgen von Übergewicht. Stattdessen richtet er den Blick auf das Wohlbefinden. Dabei wird eine Distanz zu wissenschaftlichen Bewertungen hergestellt. Es geht (zumindest bei leichterem Übergewicht) nicht darum, irgendwelche Werte auf einer Skala zu erreichen; es wird sogar die Möglichkeit offen gelassen, dass das Gewicht pendelt oder nicht unbedingt dem wissenschaftlich definierten „Normalgewicht“ entspricht. Dafür verwendet „Gewicht im Griff“ den Begriff „Wohlfühlgewicht“. Das Ziel ist nicht, gesund zu sein, sondern ein Bewusstsein für das eigene Wohlbefinden und die dafür nötigen Ressourcen zu entwickeln. 5.5.2
„Wie Ihr Kind abnehmen kann. Eine Unterstützung für Eltern und Kinder“
Formale Gestaltung des Ratgebers Das Cover von „Wie Ihr Kind abnehmen kann. Eine Unterstützung für Eltern und Kinder“ weist das charakteristische Design mit einem hellblauen Kasten auf. Das Titelbild zeigt ein Foto mit einer jungen Frau und einem Jungen; bezugnehmend auf den Titel scheint es sich dabei um Mutter und Sohn zu handeln. Die Mutter ist eher schlank, der Junge scheint übergewichtig zu sein. Die Frau blickt den Jungen lächelnd an und führt ihm den Arm zu seinem Mund. Der Junge blickt die Mutter nicht an. Er hält eine große, leuchtend rote Erdbeere in seiner Hand, die nicht in den weit geöffnetem Mund passt. Vor dem Kind befindet sich ein Berg Erdbeeren. Titel und Titelbild machen deutlich, dass sich der Ratgeber an Eltern mit übergewichtigen Kindern richtet, die nicht unbedingt selbst Gewichtprobleme haben. Durch die Formulierung „eine Unterstützung für Eltern und Kinder“ wird klar, dass beide in den Prozess der Gewichtsabnahme involviert werden. Zudem impliziert der Titel, dass sich Abbildung 6: Titelseite von „Wie Ihr Kind abnehmen kann“32 der Ratgeber auch an Kinder richtet.
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entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2005): Wie Ihr Kind abnehmen kann. Eine Unterstützung für Eltern und Kinder. Würzburg; Foto: Fontshop AG, Berlin
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Der Ratgeber „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ hat einen Umfang von 212 Seiten. Das Inhaltsverzeichnis führt alle zwölf Kapitel auf, jedoch nicht deren Unterteilung in Unterkapitel, die wiederum aus vielen Abschnitten mit Zwischenüberschriften bestehen. Der Anhang enthält Literaturhinweise und Kopiervorlagen. Der Ratgeber enthält weder ein Rezeptregister noch ein Stichwortverzeichnis. Ein schneller Zugriff auf die Inhalte des Buches ist so schwer möglich. Die Überschriften sind ähnlich einem Regenbogen in unterschiedlichen Farbabstufungen gehalten. Die Farben ziehen sich auch durch die einzelnen Kapitel: Einmal als Balken auf jeder Seite, in dem (links) die jeweilige Kapitelüberschrift oder eine andere Überschrift (rechts) steht, zusätzlich noch als Marker mit der Kapitelnummer an der Außenseite, so dass auch über das Durchblättern eine Orientierung möglich ist. Durch die Abstufung der Farbtöne sind diese allerdings leicht zu verwechseln und ermöglichen daher erst eine Orientierung, wenn man weiß, welche Farbe zu welchem Kapitel gehört. Zusätzlich erfolgt eine Strukturierung durch eine Vielzahl von Elementen. Kästen haben unterschiedliche Funktionen: Ein Teil enthält (meist zu Beginn eines Kapitels) Texte oder Sprüche, deren Inhalte oftmals nicht Essen oder Ernährung thematisieren.33 In anderen Kästen finden sich zusätzliche Informationen, Tipps wie „Langsam essen. So geht es“ (125) oder „Checks“ zum Eintragen: „Wer entscheidet bei Ihnen was?“ (30). Vier Kapitel weisen am Schluss einen Kasten mit einer Zusammenfassung auf. Kursive Textabschnitte zeigen die Beispiele aus der Praxis an, in denen Alltagssituationen beschrieben werden; „Übungen“ beinhalten Spielvorschläge oder Wahrnehmungsübungen. Marginalien finden sich fast auf jeder Seite; sie fungieren als Schlagwörter oder liefern Zusatzinformationen. Stempelartige Zeichen mit den Begriffen: „Tipp“, „Merke“, „Achtung!“ befinden sich am äußeren Rand, oft zusätzlich zu den Marginalien. Aufzählungen werden zur Strukturierung des Fließtextes und innerhalb von Kästen oder Tabellen eingesetzt. Farbe wird neben der Kapitelabgrenzung für Marginalien, Kästen, Schaubilder etc. (immer passend zur Kapitelfarbe) und besonders zur Erläuterung der Ebenen der Ernährungspyramide verwendet. Im Ratgeber finden sich verhältnismäßig viele Schaubilder, die überwiegend die „Kinder-Ernährungspyramide“ oder die „Kinder-Handpyramide“ zum Thema haben, anhand der die Portionierung mit der eigenen Hand erklärt wird. Sie sind bunt und kindgerecht gestaltet, im Anhang gibt es dazu Kopiervorlagen. Der Ratgeber verfügt über wenig Illustrationen, welche auf unterschiedliche Weise angefertigt sind. Neben komplett am Computer erstellten Grafiken werden Fotomontagen ein33
Bspw. „Sich selbst zu kennen ist die erste aller Wissenschaften“ (44).
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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gesetzt, andere Fotos wirken wie spontan festgehaltene Situationen und aus diesem Grund sehr natürlich. Durch die unterschiedliche Gestaltung wirken die Illustrationen im Gesamtbild wenig harmonisch. In „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ werden am Umfang gemessen sehr wenig Fachbegriffe genannt. Fachbegriffe wie „Pandemie“ oder „adipös“ werden anschließend direkt im Text in Umgangssprache übersetzt. Kapitelüberschriften sind eher salopp formuliert und wecken die Neugier: „Die goldene Mitte in Schlaraffien finden“ (24), während die Überschriften der einzelnen Absätze in den Kapiteln sachlicher formuliert sind und eher einen Einblick in den Inhalt liefern: „Milch und Milchprodukte“ (65). Im Kapitel „Die Kinderpyramide – vom Modell zur Anwendung“ wird öfters mit Warnungen vor Fehlern beim Interpretieren der Lebensmittelgruppen gearbeitet: Ein Stempel mit dem Ausruf „Achtung!“ warnt bspw. davor, gesüßte Getränke wie Limonaden zu den Getränken zu zählen (63). Verbote kommen nicht vor. Die Zielgruppe wird überwiegend direkt mit „Sie“ angesprochen, einzelne Kapiteltitel und auch die Checks zur Überprüfung hingegen sind in der Ich-Form verfasst: „Hilfe, mein Kind (…)!“ (108) oder „Ich koche gerne und nehme mir dazu genügend Zeit“ (99). Checks und Übungen, die das Familienleben betreffen, enthalten die Wir-Form. Inhaltliche Gestaltung Zielsetzung und Zielgruppe Laut Untertitel möchte der Ratgeber „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ eine „Unterstützung für Eltern und Kinder“ sein, mit dem Ziel einer Gewichtsabnahme der Kinder. „In diesem Buch steht das übergewichtige Kind und sein Erleben im Mittelpunkt. Deshalb werden nicht nur Informationen für ein praktikables Abspecken vermittelt. Geschichten und Erfahrungsberichte zeigen Alternativen und Möglichkeiten und geben Anregungen, Entscheidungen zu treffen, neue Ansätze zu entwickeln und positive Veränderungen zu üben, die das Selbstvertrauen stärken“ (Cover). Dazu wird eine Fülle von Ansätzen und Umsetzungsmöglichkeiten geliefert, wobei es die Aufgabe der Eltern ist, das passende für die Familie heraus zu finden und einzuüben. Der Schwerpunkt soll dabei nicht auf der Vermittlung von Informationen zu den Themen Ernährung oder Übergewicht liegen, sondern auf der Vermittlung gesundheitsbewusster Verhaltensweisen und der Auseinandersetzung mit Essen, Trinken und Leben in der eigenen Familie. Dabei sollen „sämtliche Lebensbereiche“ (7) der Familie betrachtet werden. „Dieses Buch ist für Eltern (…) geschrieben, die mehr Wert auf praktische Umsetzung als auf wissenschaftliche Erklärung legen (…) die ein größeres Interesse daran haben, Lösungen zu finden als nach Ursachen zu graben“ (9). Er richtet sich an Eltern mit übergewichtigen Kindern, die den Willen
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und die Fähigkeit haben, aus der Fülle von Ansätzen die passenden für „ihren eigenen individuellen Lösungsweg zum Ziel“ (7) aussuchen zu können. Die Autorin setzt bei den Eltern eine Bereitschaft voraus, mit dem Kind zusammen das Problem anzugehen, mit ihm ins Gespräch zu kommen und Neues auszuprobieren (7). Daneben klingen in verschiedenen Aussagen die Probleme an, denen diese Familien heutzutage ausgesetzt sein können: Trotz der vielen verfügbaren Informationen und der medialen Präsenz des Themas fühlen sich viele Familien allein gelassen und unverstanden (7). Eine durch Schlankheitswahn und Schönheitsideale geprägte Gesellschaft setzt die Kinder zudem verstärkt Benachteiligungen und Stigmatisierungen aus, und auch Fachleute lassen unter Umständen die nötige Wertschätzung vermissen (15). Die Aussage „So wenig wie es die Pauschalschuldigen für das Übergewicht gibt, so wenig gibt es die Pauschallösungen für das übergewichtige Kind. Jede Familie, jedes betroffene Kind ist einzigartig. Das übergewichtige Kind gibt es nicht, höchstens ein Kind, und das ist das Ihrige“ (8)
betont zum Einen die Notwendigkeit, individuelle Lösungswege zu finden und zum Anderen klingt darin die Verantwortung an, die Eltern in dem Bereich übernehmen müssen: Sie sollen „das Passende für Ihr Kind und sich selbst (…) finden“ (8). Den Eltern wird bewusst gemacht, dass dies langer Weg ist, der für jede Familie anders aussieht und dass daher keine schnellen Lösungen erwartet werden können (175). Im Schlusswort wird dieser Prozess als ein großes Puzzle bezeichnet: „Es entsteht langsam und nie, indem man alle Puzzleteile gleichzeitig in die Hand nimmt, sondern diejenigen zuerst einfügt, die man als passend – im Sinne von sich einfügend und klärend – gefunden hat“ (212). Gesund durch Genuss „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ bringt wenig allgemeine Informationen über Ernährung, was damit zusammen hängen kann, dass in vielen Abschnitten Kinder und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Kapitel, die sich mit Ernährung befassen, thematisieren vorwiegend bestimmte Situationen oder Lebensmittel. Vorhandene Aussagen bringen Ernährung mit Genuss in Verbindung. Genussvolles Essen wird als eine Möglichkeit dargestellt, wie „die beiden Extreme (übertriebene Disziplin und Völlerei)“ (27) vermieden werden und so zu einer gesundheitsfördernden Essweise gefunden werden kann. Auch an anderer Stelle wird als Ziel definiert, „Genuss und Gesundheit unter einen Hut zu bekommen“ (98). „Dem Essen einen eigenen Raum und eine eigene Wertschätzung beizumessen und mit Genuss und dem Gefühl von erfüllter Zeit zu verbinden“ (135) wird als direkte Alternative zu Crashdiäten und Schlankheitspillen präsentiert.
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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In einigen Abschnitten werden Informationen zur Ernährung im Kontext mit dem Körper und seinen Funktionen erläutert. In diesen Fällen wird immer wieder ein bestimmter Vergleich herangezogen: Dabei wird der Körper mit einem Auto verglichen und die Ernährung mit dem Benzin gleichgesetzt: „Essen ist für uns Menschen auch sowas wie Benzin tanken; Benzin für das Wachstum, für Leistungsfähigkeit, fürs Lernen, für Sport und Spiel“ (57)34. Anhand dieses Vergleichs werden bestimmte Vorgänge im Körper erläutert. Sachinformationen zu verschiedensten Bereichen „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ enthält eine Fülle von Sachinformationen – der größte Teil des über 200 Seiten umfassenden Ratgebers vermittelt Informationen aus verschiedenen Bereichen: Nährstoffe und Lebensmittel, Verhalten im Alltag sowie Informationen aus dem Bereich der Pädagogik und Psychologie. In den meisten Fällen werden diese durch Praxisbeispiele erläutert, in denen familiäre (Problem)situationen geschildert werden. Medizinische und ernährungswissenschaftliche Informationen nehmen eher wenig Raum ein – in der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass dies auch nicht Ziel des Ratgebers ist (9). Mit der Vorstellung gängiger Hypothesen zur Entstehung von Übergewicht (17f.) wird gleichzeitig deutlich gemacht, dass niemals nur ein Faktor für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich gemacht werden kann. Der Lebensstil wird als der einzige individuell und aktiv beeinflussbare Faktor bezeichnet, weswegen die Lösungsvorschläge allesamt im Bereich des persönlichen Lebensstils ansetzen (23). Neben der Vorstellung der wissenschaftlichen Definition und der Einteilung des Body Mass Index (11, 41) wird mit dem Hinweis, dass „es (…) keine festlegbaren Grenzwerte für das gesundheitsgefährdende Ausmaß der Körperfettmasse gibt“ (14) und der Aussage, dass auch Experten sich nicht immer einig sind, ob das Übergewicht eines Kindes schon behandlungsbedürftig ist, jedoch eine Distanz zu dieser Einteilung hergestellt. Anschließend werden kurz mögliche Folgen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter skizziert (16). Nährstoffe spielen eine geringe Rolle in „Wie Ihr Kind abnehmen kann“. Theorien, die unterschiedliche Nährstoffe für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich machen, werden eher kritisch betrachtet und nur kurz angerissen (19). 34
Siehe auch die folgenden Zitate: „ist die ,Benzin‘mischung der Gesundheit, dem Gewicht und Wohlfühlen eher förderlich oder hinderlich“ (57); „Fragen wir die Kinder, wie sie denn merken, wann sie ,genug getankt‘ haben (…)“ (118); „Was Ihr Kind allerdings verstehen muss, ist allerdings, dass ein Auto, das nur in der Garage steht, auch kein Benzin braucht“ (170).
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Darüber hinaus werden Nährstoffe nur im Kapitel „Was die Wissenschaft zum Thema übergewichtige Kinder zu sagen hat“ und bei der Vorstellung der Lebensmittelgruppen erwähnt. Die vier „Hilfe, mein Kind (…)!“-Kapitel, die konkrete Hilfsansätze für übergewichtige Kinder darstellen, berücksichtigen Nährstoffe überhaupt nicht. Im Gegenteil: Das Konzept der Nährstoffe wird für eine Lebensmitteleinteilung als ungeeignet, weil zu abstrakt und zu wenig kindgerecht, verworfen: „Niemals (…) würden Kinder nach Nährstoffen sortieren (fettreich, kohlenhydratreich, eiweißhaltig, vitaminreich, reich an gesättigten, ungesättigten, versteckten Fetten, mit hohem glykämischen Index usw.)! (…) Denn sie lassen sich nicht auf Dinge und Einteilungen ein, die sie nicht selbst mit ihren Augen, Ohren, Nasen oder Händen überprüfen können“ (59).
Fett wird als einziger Nährstoff hinsichtlich seiner physiologischen Wirkung und seines Vorkommens in Lebensmitteln näher thematisiert (67). Lebensmittel bewerten und einordnen können Lebensmittel werden wesentlich häufiger und überwiegend im Kapitel „Die Kinderpyramide – vom Modell zur Anwendung“ (56f.) thematisiert. Die Vorstellung des Konzepts der Kinderpyramide mit ihren Lebensmittelgruppen nimmt hier einen großen Raum ein. Zunächst wird die Gruppenbildung begründet, welche nach dem „,Was-ist-miteinander-irgendwie-verwandt-Kriterium‘“ (59) erfolgt. Unter anderem werden folgende Gruppen definiert: „Alles, was wir trinken können und den Durst löscht (…) Alles aus Getreide (also Brot, Reis, Mais und Mehl) und die Kartoffel, weil sie anstatt Reis und Nudeln, aber nicht anstatt Gemüse gegessen wird“ (59). Anders als bei der aktuell gültigen Ernährungspyramide für Erwachsene steht die Getreidegruppe auf der zweiten Ebene. Diese Umstrukturierung wurde aufgrund traditioneller und kindlicher Ernährungsgewohnheiten vorgenommen: „Da Kinder einen höheren Bedarf an energiedichter Nahrung haben, mit größeren Mengen Obst und Gemüse aber nicht gut zurecht kommen und unsere Länder rein traditionell ,Getreide-Länder‘ sind, geht es in dieser Pyramide darum, einen machbaren Kompromiss anzustreben“ (64). Die fehlende Portion Obst oder Gemüse darf auch als Saft genossen werden, um „der 5 am Tag-Kampagne zu entsprechen“ (64), womit ein weiterer Kompromiss zwischen kindlichen Vorlieben und wissenschaftlichen Empfehlungen gefunden wurde. Anschließend wird jede Gruppe auf einer Seite beschrieben, wobei die Lebensmittel hauptsächlich über ihren Fett- oder Zuckergehalt charakterisiert bzw. voneinander abgegrenzt werden. Dabei werden zum Teil ganze Produktgruppen voneinander abgegrenzt: „Fleisch ist tendenziell fettärmer als Wurst“ (66), es werden aber auch gesellschaftliche und individuelle Essgewohnheiten und Portionsgrößen
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berücksichtigt.35 Weitere Lebensmittel werden explizit bestimmten Gruppen zugeordnet, so werden Nüsse und bestimmte Fruchtdesserts aufgrund ihres Energiegehaltes zur Gruppe der „Schlecks (Naschereien im weitesten Sinne)“ (68) gezählt. Bei der Gruppe „Fleisch, Fisch, Wurst, Ei“, „Milch und Milchprodukte“ und den „Schlecks“ wird das Vorkommen versteckter Fette besonders hervorgehoben (65f., 88). Zur Einschätzung des eigenen Lebensmittel-Bedarfs wird ein weiteres Prinzip vorgestellt: Das Ampelprinzip fußt auf der Einteilung der Kinderpyramide und den Regeln von optimiX© („reichlich Getränke und pflanzliche Lebensmittel, mäßig tierische Lebensmittel und sparsam fettreiche Lebensmittel und Süßwaren“:60). Die Ebenen der Pyramide sind in Ampelfarben unterteilt; grün, gelb und rot geben an, von welchen Ebenen der Pyramide reichlich, mäßig oder sparsam Lebensmittel verzehrt werden sollen. Dabei sind die Getränke- sowie die Getreide und die Obst/ Gemüseebene grün hinterlegt, die Ebene der Milchprodukte gelb und die Ebenen der Fette und Öle sowie die Süßigkeiten/Schlecks an der Spitze rot (60). Ein Zusammenhang zwischen Lebensmitteln und Mahlzeiten wird über die Vorstellung der Lebensmittel-Komponenten der „idealen Mahlzeit“ hergestellt. Hin und wieder finden sich auch Vorschläge für eine kindgerechte Gestaltung der Mahlzeiten, welche sich auf deren Benennung und Präsentation beziehen. Lebensmittel werden den ganzen Ratgeber durch überwiegend im Zusammenhang mit Gewohnheiten und Vorlieben thematisiert. Dabei lassen sich mehrere Leitsätze erkennen, welche im folgenden zusammen gefasst werden: 䊏 „Verbote sind verboten“ (58): Wörtlich wird dieses Verbot nur in den Basisemp-
fehlungen für übergewichtige Kinder des Forschungsinstitutes für Kinderernährung36 erwähnt; es zieht sich jedoch als roter Faden durch das Buch. Verbote werden kein einziges Mal formuliert, stattdessen immer werden Alternativen vorgestellt, zwischen denen ausgewählt werden kann. Eng damit zusammen hängt auch der zweite Leitsatz: 䊏 Ausprobieren und flexible, bewusste Entscheidungen treffen: In allen Kapiteln und zu allen Themen werden Alternativen vorgestellt, die nach einer Probephase 35
Siehe auch: „Koch- und Brühwürste (zum Beispiel Leberwurst) (…) sind meist fettärmer als Rohwürste (zum Beispiel Salami) (…), werden i. d. R. aber in größeren Mengen gegessen und liefern daher mehr Fett“ (66); „Achten Sie beim Einkauf auf sehr dünn geschnittene Wurstwaren, denn wer Wurst am Stück kauft, isst häufig größere Mengen davon als bei dünn aufgeschnittener Ware“ (66). 36 „Basisempfehlungen für übergewichtige Kinder (FKE): 1. Reichlich pflanzliche Lebensmittel und Getränke – 2. Mäßiger Konsum von tierischen Lebensmitteln – 3. Sparsamer Umgang mit Koch- und Streichfetten – 4. Geduldet werden in Maßen: Süßigkeiten, fette Snacks und Süßgetränke – 5. Verbote sind verboten“ (58).
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zu bewussten Entscheidungen dafür oder dagegen führen sollen. Beispielsweise sollen nur diejenigen fettarmen Varianten von Milchprodukten verwendet werden, die nach einer Umgewöhnungszeit „auch wirklich schmecken!“ (65), da nur dann diese Lebensmittel auch langfristig bevorzugt werden. Sonst kann auch weiter die fettreichere Variante bevorzugt werden – dann aber in kleineren Portionen (105). Alle diese Entscheidungen sollen bewusst getroffen werden. Dabei werden familiäre Diskussionen über die Zuordnung einzelner Lebensmittel als wichtiger Teil der Auseinandersetzung mit der eigenen Ernährung betrachtet (68) und als Voraussetzung dafür, dass eine „eigene Zuordnungslösung“ (69) gefunden wird. Flexibel meint, dass nicht starr an einem Prinzip festgehalten werden soll, zum Beispiel alle Milchprodukte in der fettarmen Variante zu essen. Stattdessen soll bewusst zwischen unterschiedlichen Varianten gewechselt werden: Den Gouda wählt man als fettarme Variante (weil er auch so schmeckt), den Brie in der Vollfettstufe (aber nur selten), Emmentaler kauft man nur als Scheiben (weil davon weniger zum Belegen verwandt wird). 䊏 Erwünschtes anbieten: Gemäß dem Prinzip „Verbote sind verboten“ sollen Lebensmittel, deren Verzehr reduziert werden soll, nicht weggelassen werden. Stattdessen soll ihr Angebot leicht reduziert werden: „Nichts wegnehmen oder verbieten, sondern Erwünschtes anbieten (…) Wenn Sie weniger davon hinstellen, wo Sie den Konsum einschränken wollen und mehr vom anderen, geht das fast von alleine“ (96). 䊏 Abwechslung im Speiseplan: Bei der abwechslungsreichen Gestaltung geht es weniger darum, den größtmöglichen gesundheitlichen Nutzen zu erreichen. Stattdessen sollen die Vorlieben aller berücksichtigt werden, um so Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zu ermöglichen (95). Ein positiver Nebeneffekt ist, das die Kinder so immer wieder neue Speisen und Lebensmittel vorgesetzt bekommen, was dann aber nicht mit „weil’s gesund ist“ begründet werden muss. So können sich über die Gewöhnung neue Vorlieben entwickeln. 䊏 Zusatznutzen berücksichtigen: Der Ratgeber thematisiert als einziger eine eindimensional auf Gesundheit fokussierte Alltagskommunikation und fordert dazu auf, die offensichtlich erfolgreichen Werbestrategien der Nahrungsmittelindustrie zu nutzen: „Während Werbung stets darauf achtet, einen Zusatznutzen zu verkaufen (…), versprechen wir den Kindern mit den verschmähten Äpfeln, Karotten (…) nur banale Gesundheit. Wo bleiben die Freude, der Spaß, die Action, der Genuss? Machen Sie bei diesem Spiel doch mit! Werden Sie Familien-Werbestratege“ (95).
䊏 Beispielhaft wird dann zur Umbenennung von Gerichten aufgefordert: Die Ge-
müsepfanne wird zum Barbie-Menue oder Rittermahl (95). Auch bei der Mahl-
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zeitengestaltung wird die Bedeutung eines Zusatznutzens hervorgehoben: „Was nicht nett präsentiert wird, verspricht keinen Zusatznutzen in Form von Genuss und Wohlbefinden. Trostlose Tische mit Wurst aus der Verpackung sind megaout. Kinder lieben es bunt, niedlich und ansprechend“ (96). Gesundheitsförderndes Verhalten im Alltag Ein großer Teil des Ratgebers befasst sich mit gesundheitsförderndem Verhalten im Alltag. Die Sachinformationen können dabei vier Alltagsbereichen zugeordnet werden: Einkauf und Vorrat, Kochen, Mahlzeitengestaltung und Bewegung. Alltagsnahe Konzepte sollen dabei helfen, das Verhalten entsprechend zu gestalten und werden sehr ausführlich mittels Fließtext und Graphiken vorgestellt. Der Einkauf wird als eine Schlüsselsituation für ein gesundheitsförderndes Verhalten bewertet: „Schon beim Einkauf entscheiden wir, WAS wir nach Hause tragen und auf Vorrat nehmen. Mit der Planung der Mahlzeiten und deren endgültiger Zusammenstellung legen wir das Angebot fest und verfeinern es letztendlich durch die Zubereitung“ (82). Das Prinzip der „freiwilligen Verknappung“ (83) soll helfen, den Einkauf gewichtsfreundlicher zu gestalten. Es beruht auf der Annahme, dass Menschen wesentlich leichter auf etwas verzichten können, was nicht vorhanden ist (83). Um dieses Konzept in die Tat umzusetzen, kann nach dem „Ampelprinzip“ eingekauft werden: Lebensmittel der grünen Ebene der Kinderpyramide werden mehr bzw. öfter eingekauft als Lebensmittel der gelben oder gar roten Ebene (87). Als weitere Varianten der freiwilligen Verknappung werden dargestellt: Die einmal pro Woche bestückte Süßigkeitenkiste (92), seltener Einkaufen fahren und auch „bewusst einmal etwas ausgehen lassen“ (98). Eine Tabelle mit konkreten Orientierungswerten, welche Mengen an bestimmten Lebensmitteln pro Mahlzeit, Tag und Woche von Kindern und Erwachsenen gegessen werden, soll das Planen erleichtern (86). Am Prinzip der freiwilligen Verknappung werden die Einflussmöglichkeiten und auch die Verantwortung der Eltern in diesem Zusammenhang verdeutlicht, denn sie kaufen in der Regel ein und bezahlen auch. Dafür wird folgende Regelung vorgeschlagen: „Wer bezahlt, darf auch bestimmen“ (91). Das Thema „Kochen“ wird wiederum für die Darstellung kindlicher Bedürfnisse genutzt. Zunächst allgemein formulierte Bedürfnisse wie „Kinder brauchen Herausforderungen“ (190) werden anschließend anhand von Praxisbeispielen verdeutlicht: „Timos Mutter bietet ihm zum Apfelschneiden verschiedene ,Hilfsmittel‘ an. Timo kann auswählen zwischen einem scharfen Messer, einem Sparschäler, einem Kerngehäuseentferner und einem Apfelschäler. Timo entscheidet sich nicht, sondern probiert mit verschiedenen Äpfeln alle Küchengeräte aus und hat selbstständig deren Funktion erlernt“ (190).
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Auch für eine gesundheitsbewusste Zubereitung findet sich ein Konzept: „Eins mit – Rest ohne Fett“ (102f.), welches ausführlich vorgestellt wird. Danach soll die Portion Fett, die gemäß des Prinzips der Tellerebene37 für eine Hauptmahlzeit verwendet werden kann, bewusst für die Zubereitung einer Komponente verwendet werden. Die restlichen Mahlzeitenkomponenten werden dann ohne Fett zubereitet: „Allein durch die Art der Zubereitung lässt sich eine Menge an Fett und Kalorien einsparen. Wer Fett bei der Zubereitung also gezielt einsetzt, kann recht große Mengen einsetzen, ohne auf den Genuss verzichten zu müssen“ (103). Zusätzlich wird ausführlich erklärt, wie welche Fettportionen gewertet und auf der Kinderpyramide abgestrichen werden müssen. Auch dieses Prinzip wird unter dem Aspekt des bewussten Entscheidens zwischen mehreren Alternativen präsentiert. Verbote werden nicht ausgesprochen: „Das Tolle an dieser Taktik ist, dass alles dran kommen und alles sein darf (…) so wie es bei Ihnen Brauch ist, nur nicht eben gleichzeitig, sondern ausgeglichen in Bezug auf das Zubereitungsfett“ (103). Mahlzeitengestaltung wird über 60 Seiten hinweg immer wieder thematisiert. Zwei Modelle sollen dabei helfen, die verzehrten Lebensmittelmengen auf einfache Art und Weise einzuschätzen. Der Leitsatz „Zwei Fäuste bis zum Sattwerden“ (110) stellt die einfache Version dar. Der Fakt, dass der Magen mengenmäßig zwei bis drei Fäuste an Nahrung aufnehmen kann, wird hier als einfache Lösung präsentiert, wie die Menge an Lebensmitteln pro Mahlzeit ungefähr abgeschätzt werden kann (110). Die Anwendung dieses Prinzips wird zum Einstieg als ausreichend bezeichnet (111). Das etwas kompliziertere Handmodell können Eltern und Kinder anwenden, um den Verzehr einzelner Lebensmittelgruppen besser abschätzen zu können. Für jede Lebensmittelgruppe gibt es ein oder mehrere Handmaße, die Tagesrationen orientieren sich an den Einheiten in der Pyramide38: Das Handmodell soll auch Kindern ermöglichen, selbst die Verantwortung für ihre Essensmengen zu übernehmen (73) und wird als alltagstaugliche Alternative zum abstrakten Kalorienzählen präsentiert (72): „Das Handmodell ist klein, handlich und immer parat (…) selbst kleine Kinder können sich (…) ständig kontrollieren“ (111). Das Handmodell kann in Verbindung mit
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Das Prinzip der Tellerebene soll die Aufteilung der einzelnen Portionen der Lebensmittelgruppen auf die Haupt- und Zwischenmahlzeiten erleichtern. Mittels graphischer Darstellungen werden im Ratgeber die einzelnen Portionen – Getreide, Obst usw. – den fünf Tellern zugeordnet. So kann bspw. erkannt werden, ob die fünf Portionen Getreide verzehrt werden und bei welchen Mahlzeiten (74f.). 38 Beispielhaft wird dies am Beispiel der Getreidegruppe verdeutlicht: Pro Tag sollen sechs Portionen Getreide verzehrt werden. Für die unterschiedlichen Arten der Lebensmittel werden individuelle Handmaße angegeben: Eine Scheibe Brot entspricht in der Größe der kompletten Handfläche, Beilagen wie Reis entsprechen einer Faust, eine Getreideportion wie Müsli entspricht der Handinnenfläche (112).
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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der Kinderpyramide verwandt werden, die abgegessenen Mengen werden dann ganz oder halb durchgestrichen. Auch hier können Kinder eigenverantwortlich tätig sein (114). Auch die Frequenz der Mahlzeiten wird thematisiert (121). Neben einigen weiteren Informationen zum Thema werden Alltagssituationen aufgegriffen, bspw. wie damit umgegangen werden soll, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Mahlzeit keinen Hunger hat (122) oder wie mit einer zu hohen Essgeschwindigkeit umgegangen werden kann. Das Thema Tischkultur wird als eine weitere Möglichkeit dargestellt, wie Essgewohnheiten über die Mahlzeiten positiv beeinflusst werden können. Dabei geht es besonders darum, dass über eine angemessene Gestaltung der Mahlzeit ein viel höherer Wert zugemessen wird, der sich auch auf die Lebensqualität auswirkt (128). Im Zusammenhang mit den Mahlzeiten wird außerdem das Verhalten der Eltern in bezug auf die Vorbildfunktion als besonders bedeutsam hervorgehoben. Zusätzlich wird betont, dass es die Aufgabe der Eltern ist, den Kindern die Lebensmittel so anzubieten, dass sie eine Auswahl nach den Grundsätzen der Kinderpyramide treffen können: So reicht es nicht, den Kindern einmal am Tag einen Apfel in die Hand zu drücken. Sie müssen die Möglichkeit haben, auf Obst zugreifen zu können, wenn sie Appetit darauf verspüren und nicht den Apfel essen, weil er angeboten wird (97). Unter der Überschrift „Kinder brauchen gemeinsame Mahlzeiten“ (130) wird – wiederum an Praxisbeispielen – verdeutlicht, welche Bedeutungen Mahlzeiten über die Nahrungsaufnahme hinaus haben können. Sehr viele Vorschläge für gemeinsame ausgehandelte Regeln thematisieren das Verhalten bei Tisch, die Atmosphäre und die Gestaltung von Tisch und Mahlzeit (132), wobei die damit einhergehende Empfindung von Genuss und erfüllter Zeit als sehr wichtig für ein gesundheitsförderliches Verhalten angesehen wird (135). Bewusste Bewegung im Alltag Bewegung als Alltagsverhalten wird ebenfalls eingehend thematisiert. Im Kapitel „Hilfe, mein Kind bewegt sich zuwenig!“ liegt der Fokus auf den Alltags- und Freizeitaktivitäten. Nach einer kurzen Darstellung der bewegungsfeindlichen Lebenswelt heutiger Kinder (155) und der Darstellung des Zusammenhangs von Bewegung und Übergewicht (156) steht wiederum die Verdeutlichung kindlicher Bedürfnisse im Mittelpunkt. Beispielsweise wird die allgemeine Formulierung „Kinder brauchen Freiräume und Selbstbestimmung“ (158) durch ein Praxisbeispiel konkretisiert: „Sabine wird in ihrer Freizeit ständig irgendwohin gebracht. (…) Sämtliche Nachmittage sind organisiert und verplant. Gerne würde sie einfach mal in ihrem Zimmer malen oder am Bach spielen gehen (…) doch entweder hat sie keine Zeit oder man lässt sie nicht“ (158). Wieder wird die Verantwortung der Erwachsenen betont: „die Erwachsenen laden ein, machen schmackhaft, ermutigen, zeigen dem Kind, dass es
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wichtig ist und gebraucht wird“ (165), ebenso deren Vorbildfunktion. Gleichzeitig werden jedoch auch die Grenzen des Engagements hervorgehoben: „Sie können eine aktiv-kreative Alltags- und Freizeitwelt vorleben, doch mehr können Sie nicht“ (170). Sportangebote werden nur als zusätzliche Bewegungsmöglichkeit betrachtet, die ein aktives Alltags- und Freizeitleben lediglich ergänzen können (160). Auch an diesem Beispiel werden wieder grundlegende Bedürfnisse von Kindern thematisiert: „Kinder brauchen andere Kinder (…) Anne ist die Tochter einer Sportlehrerin und des Leiters eines Gesundheitszentrums. Anne ist laut ihren Eltern bewegungsfaul. Obwohl sie alles über (…) die Vorteile von Bewegung wisse, weigere sie sich standhaft, morgens mit dem Vater joggen zu gehen (…) Gefragt, was sie denn lieber täte, als mit den Eltern Sport zu treiben, sagt sie: ,Wenn ich eine Freundin hätte, die gerne Gummitwist spielen würde (…) das würde mir Spaß machen‘“ (169).
Eine ergänzende Tabelle stellt Alltags-, Freizeit- und sportliche Aktivitäten hinsichtlich Grad und Dauer der Intensität sowie dem Nutzen fürs Abnehmen gegenüber (162). Entspannende und kreative Tätigkeiten werden als sinnvoller und notwendiger Gegenpol zu aktiven Tätigkeiten herausgestellt. (161). Auch für diesen Lebensbereich wird ein unterstützendes Konzept vorgestellt: Die Bewegungspyramide, deren Handhabung sich eng an die der Kinderpyramide anlehnt und ebenfalls drei Ebenen mit unterschiedlichen Bewegungsarten unterscheidet (171). Essen und Bedürfnisse Wie schon erläutert, wird im Ratgeber die Berücksichtigung von Bedürfnissen als Voraussetzung für eine Gewichtsabnahme heraus gestellt. Zu Beginn des Ratgebers werden über mehrere Seiten hinweg allgemeine Erziehungsgrundsätze dargestellt, die nur lose mit Ernährung und Essgewohnheiten in Verbindung gebracht werden. Sehr deutlich wird der Leserschaft die Verteilung von Rechten und Pflichten der Kinder und ihren Eltern klargemacht: „Kinder haben das RECHT zu entscheiden, ob und was sie aus einem gemachten Angebot auswählen und essen wollen und wie viel sie davon essen (…) Die PFLICHTEN der Erwachsenen sind es, dafür zu sorgen, dass aus dem Schlaraffenland ein angemessenes und vernünftiges Angebot wird“ (31).
So gut wie alle Sachinformationen werden mit kindlichen Bedürfnissen in Zusammenhang gebracht, deren individuelle Beantwortung als eine grundlegende Voraussetzung für ein gesundheitsförderliches Essverhalten betrachtet wird. Dabei sollen Eltern ihre Kinder bei der Wahrnehmung von Bedürfnissen durch Vorbildverhalten und Hilfestellungen unterstützen. Die Kapitel sechs bis neun und das Kapitel elf behandeln die Gestaltung des Alltags und vermitteln mehrere für die beschriebenen Situationen konzipierte Möglich-
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
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keiten, sich gewichtsfreundlich zu verhalten. Es werden Sachinformationen und Konzepte geliefert, wie diese Situationen – die Mahlzeit, der Alltag, das Kochen sowie Einkauf und Vorrat – gewichtsfreundlich gestaltet werden können. Die Konzepte beziehen sich dabei explizit auf den Umgang mit Essen und das Gewicht, werden jedoch immer im Kontext mit Bedürfnissen von Kindern dargestellt. Relativ allgemein gehaltene Leitsätze, die meist mit den Worten „Kinder brauchen“ beginnen, werden durch Beschreibung konkreter Situationen und Hilfestellungen erläutert, fast immer erleichtern Praxisbeispiele ein Wiederfinden im Alltag. Die Grundsätze wie „Kinder brauchen Herausforderungen“ wiederholen sich dabei teilweise, durch den Kontext mit spezifischen Alltagssituationen sind die Inhalte letztlich unterschiedlich. Auch die Bedeutung von Gewohnheiten bzw. Verhaltensweisen wird erklärt: „Jedes Verhalten, jede Handlung des Menschen ist wohlüberlegt und zweckdienlich“ (52). Und an anderer Stelle: „Das, was gegessen wird, ist für jede/n Einzelne/n also in höchstem Maße sinnvoll (…) auch dann, wenn die Wahl nicht gerade dem entspricht, was für gewöhnlich als gesundheitlich wünschenswert erachtet wird, ist sie für jeden Einzelnen individuell richtig in Bezug auf die eigenen Ziele und Beweggründe“ (57).
Der Ratgeber macht klar, dass die Aufgabe von Gewohnheiten viel schwerer ist als das Erlernen neuer, weswegen der Schwerpunkt darauf gelegt werden soll. Neue Gewohnheiten können dann als alternative Verhaltensweisen das Handlungsspektrum erweitern (51). Ein komplettes Kapitel befasst sich mit zusätzlicher Unterstützung und liefert Informationen zu Medien, Programmen und Beratungsstellen und die erforderlichen Kontaktadressen. Gemäß dem Konzept des Ratgebers wird nicht nur der Ernährungsbereich berücksichtigt, sondern ebenso Hilfsangebote aus dem Bereich der Erziehung und Psychologie vorgestellt (175f). Essfalle Werbung Das Angebot der Nahrungsmittelindustrie wird kaum und überwiegend in negativer Hinsicht thematisiert. Neben Kritik an den übergroßen Einheiten von Verpackungen (20) und Fast Food-Menüs (116) wird an unterschiedlicher Stelle das „aggressive Werben“ (21) der Nahrungsmittelindustrie kritisiert, insbesondere die „unzähligen Aufforderungen zur potenziellen Fehlernährung“ (21), die mittlerweile auch versteckt in beliebten Fernsehserien platziert werden (163). Spots, die Obst und Gemüse oder auch bewegungsfreundliche Spielsachen bewerben, gibt es kaum. Hier wird auf die mögliche Folge aufmerksam gemacht: „Wenn Kinder keinen Ball, keine Inliner (…) im Fernsehen und auch sonst nirgends sehen, dann wünschen sie sich auch keine“ (164).
144
5 Ergebnisse der Analyse
Konzepttaugliche Rezepte Die 22 Rezepte in „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ bauen auf den Konzepten ,Kinderpyramide‘ und ,Handmodell‘ auf, die in vorherigen Kapiteln erläutert wurden. Die Mengenangaben werden zum großen Teil in den unterschiedlichen Maßen des Handmodells angegeben. Neben jedem Rezept zeigt ein kleines Bild der Kinderpyramide, welche Lebensmittelgruppen ausgestrichen werden können. Damit gibt der Ratgeber ganz praktische Handlungsempfehlungen, wie ein theoretisches Konzept in den Alltag übertragen werden kann. Zubereitungszeiten sind nicht aufgeführt, die Zielgruppe erfährt lediglich, dass alle Rezepte „in einem angemessenen Zeitrahmen zuzubereiten sind“ (192). Sie werden als kindertauglich beschrieben: So sollen Kinder ab acht Jahren in der Lage sein, die Gerichte selbstständig zubereiten zu können (192). Da der Ratgeber kein Stichwortverzeichnis enthält und die Rezepte nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführt sind, kann nur über das Durchblättern im Kapitel selbst auf die Rezepte zugegriffen werden. Sie sind nach den Ebenen der Kinderpyramide unterteilt, wobei sich die Rezeptzahl in etwa an den jeweiligen Mengenempfehlungen orientiert: So sind jeweils sechs Rezepte für Getränke und Getreide aufgeführt und vier Rezepte für Obst und Gemüse. Ein weiteres Kapitel enthält fünf Rezepte für „einfache warme Familienmahlzeiten“ (207). Distanz zu wissenschaftlichen Erkenntnissen „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ fällt hinsichtlich seiner Quellen in zwei Punkten auf. Jedes Kapitel wird durch einen kleinen Text eingeleitet, und auch in die Kapitel selbst sind immer wieder Texte, Geschichten oder Sinnsprüche integriert, die einen expliziten oder impliziten Bezug zum Thema aufweisen. Ganz überwiegend sind dies literarische und sehr unterschiedliche Texte: Märchen der Brüder Grimm, Zitate aus dem ,Kleinen Prinz‘ (174) oder ,Alice im Wunderland‘ (37) oder Sprichwörter unterschiedlichster Herkunft, unter anderem von Nietzsche und Platon. Ihre Inhalte sind nicht nur (ernährungs-)wissenschaftlicher Natur, andere Dimensionen von Ernährung und Essen klingen an. Die vielen Praxisbeispiele tragen auf eine ähnliche Art und Weise dazu bei, indem sie einen Alltagsbezug herstellen. Auch die Sachinformationen entstammen nicht komplett ernährungswissenschaftlichen Quellen. Durch die Thematisierung sozialwissenschaftlicher Aspekte von Essen und Ernährung werden auch pädagogische und psychologische Sichtweisen integriert. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ zeichnet sich durch die Nennung seiner Quellen aus. Schon in der Einleitung werden die Institutionen genannt, auf deren Empfehlungen das Buch aufbaut.39 Gleichzeitig vermittelt der Ratgeber deutlich, dass wissen39
Arbeitsgemeinschaft adipöses Kind (AGA), Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE), Konsensusgruppe Adipositasschulung (8).
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
145
schaftliche Erkenntnisse weder allgemeingültig sind noch alles erklären können und „Experten“ (15) nicht unfehlbar sind. Dazu finden sich den ganzen Ratgeber hindurch Bemerkungen. Sehr deutlich wird das an diesem Zitat: „Und wer bestimmt, ob ein Kind einfach nur phasenweise etwas mollig wirkt oder so stark übergewichtig ist, dass etwas dagegen unternommen werden muss? Auch Experten sind sich da nicht immer einig“ (14).40
Ebenso übernimmt „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ bewusst nicht alle derzeit gültigen Empfehlungen komplett (121). Fazit: Alltagstaugliche Konzepte nutzen, kindliche Bedürfnisse beantworten Die in Einleitung und Cover ausführlich beschriebenen Ziele setzt der Ratgeber umfassend und komplett um: Der Fokus liegt auf dem Erleben des übergewichtigen Kindes, es geht eher um die praxisnahe Vermittlung gesundheitsbewusster Verhaltensweisen als um Ursachenforschung, Eltern und Kinder begeben sich gemeinsam auf den Weg. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ ist kein Buch, das in einem Zug durchgelesen und Punkt für Punkt umgesetzt werden kann. Die vielen Konzepte – ,Kinderpyramide‘, ,Ampelprinzip‘, ,Tellerebene‘, das ,Handmodell‘, die ,freiwillige Verknappung‘, ,Eins mit – Rest ohne Fett‘, ,Bewegungspyramide‘ und noch mehr – sind sehr ausführlich mit vielen grafischen Darstellungen beschrieben. Für ein ausreichendes Verständnis müssen die Kapitel aufmerksam und komplett gelesen werden. Ebenso ist auch die Betrachtung der Schaubilder nötig, welche sich wiederum nur in Verbindung mit dem Fließtext erschließen. Durch bloßes Überfliegen der Kapitel kann der komplexe Inhalt nicht erschlossen werden. Zu einigen Kapiteln finden sich zwar Zusammenfassungen, die allerdings eher eine kurze Inhaltsübersicht darstellen. Wie im Ratgeber erläutert wird, müssen die Eltern sich für die Teile des Ratgebers entscheiden, die momentan am passendsten erscheinen. Insofern kann „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ als ein Arbeitsbuch bezeichnet werden.
40
Dies verdeutlichen auch folgende Zitate: „doch kann in Studien nicht eindeutig erklärt werden, warum nicht alle Menschen, die viel Fett essen, dick sind“ (19); auch wird darauf hingewiesen, dass es „keine festlegbaren Grenzwerte für das gesundheitsgefährdende Ausmaß der Körperfettmasse gibt (14); „selbst Fachleute sind häufig nicht frei von Vorurteilen, halten übergewichtige Patienten für durchweg willensschwach und machen aus ihrer Abneigung gegen die überdimensionierte Leibesfülle keinen Hehl“ (15); „Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass übergewichtige Kinder zu viel an Menge und damit auch ein Zuviel an Energie zu sich nehmen. Doch was hier pauschal hingestellt wird, zeigt sich bei näherer Betrachtung nicht für alle betroffenen Kinder“ (109).
146
5 Ergebnisse der Analyse
Sachinformationen beziehen sich weniger auf rein wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern so gut wie immer auf konkrete Alltagssituationen. Auch die vorgestellten Konzepte beziehen sich auf bestimmte Situationen im Umgang mit Lebensmitteln. Essen im Alltag wird in vielen Situationen thematisiert: Einkauf und Kochen in Verantwortung der Eltern und die Mahlzeitengestaltung als familiäre Angelegenheit. Über den Tellerrand hinaus wird Bewegung im Alltag als Teil eines gewichtsfreundlichen Verhaltens präsentiert. Die Praxisbeispiele erhöhen den Alltagsbezug zusätzlich. Andere Bereiche wie die Außer-Haus-Verpflegung werden nicht thematisiert, auch wenn in der Einleitung davon gesprochen wird, dass „sämtliche Lebensbereiche“ (8) der Familie betrachtet werden. Mit den Konzepten bekommt die Zielgruppe konkrete Modelle an die Hand, die sich auf eine einfache Umsetzung im Alltag konzentrieren. Für eine Etablierung dieser Modelle braucht es vermutlich viel Übung und Engagement, die Konzepte selbst sind von ihren Prinzipien her einfach – wenn bei der Lektüre die nötige Sorgfalt aufgebracht wird. Sie sind aus den folgenden Gründen vermutlich unkompliziert umzusetzen: Neben der Tabelle mit den Handmaßen und Kinderpyramiden werden keine Hilfsmittel benötigt, sie können deswegen überall und unauffällig eingesetzt werden. Zudem kommen keine weiteren Kosten dazu, was im Ratgeber selber aber nicht hervorgehoben wird. Positiv hervorzuheben ist, dass die Kinder selbstständig und selbstbestimmt mit den Konzepten arbeiten können und keine Fremdkontrolle erforderlich ist. Wie in der Einleitung angekündigt wurde, betreibt der Ratgeber kaum Ursachenforschung, sondern geht unterschiedliche Problemlagen lösungsorientiert an. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ macht deutlich, dass nicht die Ernährung für das Übergewicht verantwortlich gemacht werden kann. Was und wie die Kinder essen ist abhängig von der prägenden Kultur, der Gestaltung des Familienlebens und ihrer Erziehung. Zu Beginn erfolgt der Hinweis, dass das Essverhalten von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist: der kulturellen Herkunft, den familiären und regionalen Traditionen, den Erfahrungen in der Kindheit und auch dem finanziellen Rahmen und dem Prestige (57). Während kulturelle, traditionelle und auch persönliche Gewohnheiten in den Empfehlungen Berücksichtigung finden, werden finanzielle oder auch zeitliche Aspekte im Zusammenhang mit der Gestaltung des Ernährungsalltags so gut wie gar nicht thematisiert. Der Ratgeber stellt der Zielgruppe diese sehr alltagstauglichen Konzepte zur Verfügung, im zweiten Schwerpunkt des Ratgebers wird dagegen stark die Eigenaktivität der Familie gefordert: Die leicht umsetzbaren und alltagstauglichen Konzepte bekommt die Zielgruppe fast auf dem ,Silbertablett‘ zur Verfügung gestellt. Im Hinblick auf kindliche Bedürfnisse wird dagegen die Notwendigkeit der Eigenaktivität stark hervor gehoben. Hier werden (nur) Impulse gegeben, die Erkennung und Beantwortung von Bedürfnissen muss individuell und intensiv in der Familie geschehen.
5.5 Ratgeber zur Gewichtsreduktion
5.5.3
147
Unterschiedliche Zielgruppen, ähnliche Ansätze – die Ratgeber im Vergleich
„Gewicht im Griff“ und „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ informieren beide über Möglichkeiten zur Gewichtsreduktion. Die Zielgruppen variieren: Einmal wird ein Konzept für Erwachsene vorgestellt und einmal eines für Familien mit übergewichtigen Kindern, wobei sich der Ratgeber ausschließlich an die Eltern richtet. Auch das Alter der Publikationen ist unterschiedlich: „Gewicht im Griff“ erscheint bereits seit 23 Jahren und wurde zuletzt 2008 überarbeitet. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ wurde erstmals 2005 aufgelegt. Dennoch sind die Ansätze ähnlich. Im Folgenden werden Ähnlichkeiten und Unterschiede der Ratgeber aufgezeigt. Gewohnheiten und Bedürfnisse im Alltag Beide Ratgeber legen den Fokus nicht auf das bestehende Übergewicht mit dessen gesundheitlichen Folgen oder bieten striktes Kalorienzählen als Lösung an, vielmehr wird der Blick auf eine gewichtsförderliche Alltagsgestaltung gelenkt. Die individuelle Ernährung wird eher als ein Ziel denn als die Ursache für das Übergewicht gesehen. Im Detail unterscheiden sich die Ansätze: „Gewicht im Griff“ rückt die Entwicklung gewichtsfreundlicher Gewohnheiten in den Mittelpunkt, „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ fordert eher dazu auf, hinter die alten Gewohnheiten zu schauen. Die Eltern sollen erkennen, welche kindlichen Bedürfnisse zur Etablierung bestimmter Verhaltensweisen geführt haben. Indem diese Bedürfnisse bedient werden, sollen sich auch Gewohnheiten zum Besseren ändern bzw. neue Gewohnheiten entstehen. Neben dieser individuellen Ebene werden auch gesellschaftliche Traditionen thematisiert und die Empfehlungen daran orientiert. Der Genuss spielt in beiden Ratgebern eine große Rolle. Ein Bewusstsein für den individuellen Genuss wird als Voraussetzung für eine erfolgreiche Gewichtsabnahme betrachtet. Faustregeln versus Konzepte „Gewicht im Griff“ setzt auf einfache Faustregeln wie „Ich trinke mehr!“ (34). Auch wenn diese teilweise mengenmäßig konkretisiert werden, steht überwiegend das einfache ,Mehr‘ oder ,Weniger‘ im Vordergrund. Als Alternative dazu enthält der Ratgeber Ernährungspläne, die sich an unterschiedlichen Kaloriengehalten orientieren. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ stellt diesen beiden Ansätzen eine Vielzahl von Konzepten gegenüber, mit denen durch die Anwendung einfacher Prinzipien Lebensmittel bewertet und eingeordnet werden können und so die Kalorienaufnahme verringert werden soll. Regelrechte Ernährungspläne gibt es nicht, die Konzepte beziehen sich auf Alltagssituationen wie Einkauf, Zubereitung und das Essen selbst. Diese Unterschiede finden sich auch in den Empfehlungen für den Bewegungsbereich wieder.
148
5 Ergebnisse der Analyse
Punktuelles Informieren versus Erarbeiten von Inhalten Der Umgang mit den Ratgebern gestaltet sich aufgrund des Aufbaus und der unterschiedlichen Lösungsansätze differenziert. Dies beginnt bei der Lesbarkeit: „Gewicht im Griff“ verzeichnet im Inhaltsverzeichnis die Überschriften der Kapitel und der über 60 Unterkapitel, auch die Inhalte des Anhangs sind aufgeführt. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ führt nur die Kapitelüberschriften auf. Für ein Erfassen der Inhalte ist hier zudem ein vollständiges Lesen der Kapitel nötig, während bei „Gewicht im Griff“ ein Lesen der Umsetzungstipps ausreicht, um diese im Alltag anwenden zu können. „Gewicht im Griff“ hat eher den Charakter eines Nachschlagewerks (wozu auch die Rezepte beitragen), während „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ als ein Arbeitsbuch zu sehen ist.
5.6
Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
Im Verlauf der Interpretation wurde deutlich, dass bestimmte analysierte Aspekte besser im direkten Vergleich mit allen Ratgebern beschrieben werden können. Aus diesen Grund werden im Folgenden die Ergebnisse der Analyse ausgewählter Aspekte vorgestellt, die nicht in der Ergebnisdarstellung der einzelnen Ratgeber enthalten sind: die Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten, die Berücksichtigung einer gendersensiblen Gestaltung, die Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernähren‘ sowie Informationen über Autorinnen, Autoren und Herausgeber. In diese Darstellung gehen auch die Ergebnisse der Analyse des Ratgebers „Vollwertküche“ ein.
5.6.1
Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten
„Vollwertküche“: Nachhaltigkeit als zentrales Konzept Der Ratgeber „Vollwertküche“ sticht hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten gegenüber den anderen Ratgebern deutlich hervor. Das vorgestellte Konzept verankert Nachhaltigkeit schon in seiner Definition: „Mit Vollwert-Ernährung sollen hohe Lebensqualität – besonders Gesundheit, Schonung der Umwelt und soziale Gerechtigkeit weltweit gefördert werden“ (8, nach: Leitzmann und Anderen 1999).
Vollwertkost wird als ein Essen und Trinken charakterisiert, „das gut schmeckt, gut tut, sozial- und umweltverträglich ist“ (4). Diese grundlegende Aussage zu Beginn des Ratgebers wird in den weiteren Kapiteln durch eine Verzahnung dieser Gesichtspunkte illustriert, wobei der Fokus auf der Darstellung ökologischer Aspekte liegt.
5.6 Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
149
Die Thematisierung ökologischer Aspekte von Ernährung zieht sich durch den ganzen Ratgeber hindurch und berücksichtigt dabei nicht nur Lebensmittel. Im Kapitel „Was heißt vollwertig feiern?“ (45f.) wird eine umweltverträgliche Gestaltung der Feier samt geliehener Bierbank und Kräutertopf als Dekoration vorgestellt, der Abschnitt „Vollwert-Ernährung in der Praxis“ (37) behandelt unter anderem Aspekte des abfallarmen Einkaufs. Empfehlungen, wie eine vollwertige Ernährung auch außer Haus umgesetzt werden kann, fehlen ebenfalls nicht (59). Soziale Aspekte werden nicht nur im Zusammenhang mit klassischen fair-tradeProdukten aus Entwicklungs- oder Schwellenländern dargestellt (29), auch die Unterstützung regionaler Landwirtschaft und Infrastruktur ist Thema in der „Vollwertküche“: „Neben der reinen Lebensmittelproduktion erfüllt die Landwirtschaft bei uns noch viele andere Funktionen. So prägt sie unser Landschaftsbild, vermittelt Freizeitmöglichkeiten, bietet Arbeitsplätze in der Region“ (28). Zu den Vorteilen regionaler Kost wird auch der kürzere Transportweg gezählt, wodurch deren Qualität und Energiebilanz positiv beeinflusst werden (22). Der Ratgeber reißt zudem finanzielle Aspekte der Vollwert-Ernährung an. Es wird die Position vertreten, dass mit der Praktizierung der Vollwert-Ernährung sogar Geld gespart werden kann, wenn Saisonzeiten ausgenutzt und der Fleischanteil gering gehalten wird (23) – es wird sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass nur noch Bio-Lebensmittel gekauft werden dürfen (54). Auch der Energieverbrauch in der eigenen Küche wird kurz angerissen, damit verbundene mögliche finanzielle Einsparungen werden nicht hervorgehoben (40). Auch Informationen über Lebensmittel beinhalten die Thematisierung von Nachhaltigkeitsaspekten. Zu fast allen vorgestellten Lebensmittel-Gruppen finden sich eine oder mehrere Aussagen, welche die Verzahnung von Umwelt und Ernährung verdeutlichen. Dabei werden unterschiedliche Themen in den Blick genommen: Mit der Erläuterung der Herkunftskennzeichnung von Milchprodukten wird den Leserinnen und Lesern eine konkrete Methode an die Hand gegeben, zumindest bundeslandspezifisch Produkte auswählen zu können (153). Anhand von Eiern werden unterschiedliche Haltungsbedingungen und wieder die Herkunft thematisiert (169). Informationen über Obst und Gemüse verdeutlichen den Zusammenhang zwischen saisonalen Produkten und der Nitratbelastung (111) und thematisieren den ökologischen Landbau (105). Auch für Fleisch findet sich die Empfehlung, regionale Betriebe mit artgerechter Tierhaltung zu bevorzugen (52). Im Kapitel über Fischgerichte ist der nachhaltige Fischfang Thema (161). Während die „Vollwertküche“ neben gesundheitlichen umfassend ökologische und soziale Aspekte von Ernährung thematisiert, ist Nachhaltigkeit in den anderen Ratgebern kaum ein Thema. Sie integrieren lediglich ökologische Aspekte in ihre Darstellung, und dies unterschiedlich ausgeprägt.
150
5 Ergebnisse der Analyse
„Mahlzeit, Kinder!“ und „Bärenstarke Kinderkost“: Ökologie zwischen den Zeilen „Mahlzeit, Kinder!“ thematisiert zumindest implizit ökologische Aspekte von Ernährung. So wird nicht thematisiert, ob und warum Lebensmittel in Bio-Qualität empfehlenswerter sind, es finden sich aber immer wieder Empfehlungen, Bio-Ware zu kaufen: Vollkornbrot bester Qualität wird in der Bio-Bäckerei vermutet (66), Gemüsekisten vom Bio-Bauern erleichtern die Arbeit (43), und als Mittagessen gibt es einen Imbiss im Bio-Laden (66). Die saisonalen Gemüserezepte werden damit beworben, dass so automatisch für „Abwechslung und Vielfalt“ (96) gesorgt wird, zudem schmeckt einheimisches Freilandgemüse besser und enthält mehr Nährstoffe (104f.). Im Zusammenhang mit Tiefkühlkost und Haushaltsgeräten wird der Energieverbrauch thematisiert, ein expliziter Umweltbezug findet sich nicht (71, 68, 82). „Bärenstarke Kinderkost“ thematisiert ähnlich wenig Nachhaltigkeitsaspekte von Ernährung. Der Ratgeber bekennt sich zu den Richtlinien der Vollwert-Ernährung, die „zusätzlich zu den gesundheitlichen Kriterien (…) ökologische und sozialverträgliche Aspekte“ (21) mit einschließen. Außer der Empfehlung, Produkte aus ökologischem Anbau zu bevorzugen, wenn die „ökologische und soziale Ausrichtung der Erzeugung“ (65) miteinbezogen werden soll, werden soziale Aspekte von Ernährung nicht weiter dargestellt. Ökologische Aspekte werden ähnlich oberflächlich, aber häufiger thematisiert: Artgerecht erzeugtes Fleisch wird als „besser“ (29) bezeichnet, Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau schonen die Umwelt (23), der Energieverbrauch von Treibhausgemüse und verarbeiteten Lebensmitteln ist höher (22, 31). Nähere oder nachvollziehbare Begründungen erfolgen nicht. Nachhaltigkeitsaspekte bleiben außen vor Noch weniger Eingang finden Nachhaltigkeitsaspekte in den Ratgebern zur Säuglings- und Kleinkindernährung. „Gesunde Ernährung von Anfang an“ fordert über den Ratgeber verteilt immer wieder dazu auf, Lebensmittel und Produkte aus ökologischem Landbau zu bevorzugen. Begründet wird dies mit deren geringerem Gehalt an Schadstoffen (33, 49). Auch „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ empfiehlt lediglich, Bio-Ware zu bevorzugen (56, 112) und keinen Fisch aus überfischten Beständen zu kaufen (43). Eine Thematisierung weiterer sozialer oder ökonomischer Aspekte von Nachhaltigkeit erfolgt nicht. Die beiden Ratgeber zur Gewichtsreduktion („Gewicht im Griff“ und „Wie Ihr Kind abnehmen kann“) thematisieren weder ökologische Aspekte von Ernährung noch weitere Nachhaltigkeitsaspekte.
5.6 Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
5.6.2
151
Berücksichtigung einer gendersensiblen Gestaltung41
Verwendung von Personenbezeichnungen Vielfältige Sprache Der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ zeichnet sich durch eine vielfältige und gendersensible Verwendung von Personenbezeichnungen aus. Neben der häufigen Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen wie ,Kinder‘, ,Großeltern‘ oder ,Schulleitung‘ werden Begriffspaare wie ,Schüler und Schülerinnen‘ oder ,Chef oder Chefin‘ verwandt. Teilweise werden auch einzelne Begriffe wie ,Erzieherinnen‘, ,Schüler‘ oder Schreibweisen wie ,der eine/die andere‘ gebraucht, was zu einer abwechslungsreichen und doch gendergerechten Sprache führt. Auch der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ verwendet im Großen und Ganzen eine gendersensible Schreibweise von Personenbezeichnungen. Meist werden die neutralen Formen ,Kind‘, ,Kinder‘ und ,Eltern‘ verwandt, häufiger findet sich auch das Paar ,Kinderarzt und Ernährungsberaterin‘, aber in der Regel werden Formen verwandt wie ,Kinderarzt oder Kinderärztin‘. Bevorzugung neutraler und männlicher Formen Neben dem häufigen Gebrauch spezifischer Personenbezeichnungen, bei denen nur die weibliche oder männliche Form möglich ist (,Mutter‘, ,Schwangere‘, ,Vater‘) und einiger neutraler Formulierungen wie ,Großeltern‘ oder ,Geschwister‘ verwendet „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ überwiegend männliche Personenbezeichnungen wie ,Kinderarzt‘, ,Freunde‘ oder ,Arzt‘. Nur die ,Ernährungsberaterin‘ scheint es (wie so oft) nur in weiblicher Form zu geben. Ähnlich sieht es bei „Gesunde Ernährung von Anfang an“ aus: Hier werden hauptsächlich neutrale Personenbezeichnungen aus dem Bereich Familie wie ,Säugling‘ und ,Eltern‘ verwendet. Berufe werden überwiegend in der männlichen Form aufgeführt: ,Frauenarzt‘, ,Ernährungswissenschaftler‘ oder ,Experten‘. Weibliche Formen werden nur bei ,traditionell weiblichen‘ Berufen wie ,Laktationsberaterin‘ und ,Ernährungsberaterin‘ verwandt. „Gewicht im Griff“ setzt häufig die Endungen ,-in‘ bzw. ,/innen‘ ein. Rein weibliche Personenbezeichnungen sind überhaupt nicht vorhanden, ,Mediziner und Ernährungswissenschaftler‘, ,Sportmediziner‘, oder ,Fleischesser‘ scheinen nur in der männlichen Form zu existieren. Empfehlenswerte Schreibweisen wie zum Beispiel ,Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer‘ finden sich in verschwindend geringem Maße. 41
Theoretische Grundlagen werden in Kapitel 4.3.4. erläutert.
152
5 Ergebnisse der Analyse
Auch „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ verwendet überwiegend neutrale Formulierungen und häufiger auch männliche Bezeichnungen, unter anderem in Schlüsselsätzen wie „der Chef des Haushaltsgeldes bestimmt“ (91) oder „Kinder lernen für die Lehrer“ (161). Die „Haushaltsmanagerin“ (128) ist wiederum aber weiblich. Auch das nicht empfehlenswerte ,-in‘ bzw. ,/-innen‘ kommt einige Male vor. In den Texten der „Vollwertküche“ stehen (anders als in der Bebilderung) Ernährung und Lebensmittel im Vordergrund. Dies wird auch daran deutlich, dass insgesamt weniger Personenbezeichnungen als in den anderen Ratgebern vorkommen. Es werden überwiegend das weniger empfehlenswerte ,/innen‘ oder ähnliche Formen wie ,der/dem Nachbarn‘ oder ,jede/r‘ verwandt. Auch rein männliche Personenbezeichnungen wie ,beim Bauern‘ oder ,Fleischliebhaber‘ kommen öfter vor, nur selten finden sich empfehlenswerte Schreibweisen wie ,Diabetiker und Diabetikerinnen‘. Bebilderung „Vollwertküche“: Kochen als generationenübergreifendes Event Auf dem Titelbild der „Vollwertküche“ scheinen die Rollen klar verteilt: Eine junge Frau füttert einen jungen Mann und hält auch noch die Hand unter, damit er sich nicht bekleckert. Im Gegensatz zu diesem ersten Eindruck transportieren die Inhalte der weiteren Illustrationen aber keinerlei traditionelle Rollenvorstellungen. Frauen, Mädchen, Jungen und Männer verschiedener Altersstufen werden beim gemeinsamen Kochen und Essen dargestellt, wobei Frauen und Männer etwa gleich häufig gezeigt werden, Jungen sogar öfter als Mädchen. Die Menschen werden bei der Zubereitung, dem Abschmecken und Verzehren von Gerichten gezeigt. Die Bilder vermitteln den Eindruck von Genuss, Gemeinsamkeit und Fröhlichkeit, was sich auch in der Lebensmittelauswahl widerspiegelt: Mehrmals sind Menschen mit einem Glas Wein zu sehen, auch ein Abbildung 7: Generationenübergreifendes Kochen in „Vollwertküche“42 Geburtstagskuchen wird gezeigt. Fotos, 42
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2000): Vollwertküche. Schmeckt gut, tut gut, schont die Umwelt. 3. Auflage 2003. Bühl; Foto: Sonja Rothweiler
5.6 Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
153
die ausschließlich oder überwiegend Lebensmittel zeigen, sind deutlich in der Minderheit. Essende Menschen im Fokus Die Illustrationen von „Mahlzeit, Kinder!“ stellen sämtlich Menschen in den Mittelpunkt. Erwachsene und Kinder beiderlei Geschlechts und unterschiedlichen Alters werden in verschiedenen Situationen außer Haus und Zuhause dargestellt, die eher das Thema ,Verpflegung‘ als ,Ernährung‘ in den Vordergrund stellen. Auch Kinder werden aktiv – sie backen in der Kita mit dem Zivi, verhandeln mit einem Koch oder tragen im Kapitel „Selbst ist das Kind“ Kochmütze, Löffel und Schneebesen. Männer werden nur im Informationsteil „Wer hilft? – Was nützt?“ abgebildet, dort fungieren sie als Zivi im Kindergarten, Lehrer, Koch, Kellner und Postbote. Frauen stehen dagegen im zweiten Teil im Mittelpunkt, in dem es um die Verpflegung zu Hause geht. Dabei wird anhand der Illustrationen die Abbildung 8: Mutter in 43 Doppelrolle vieler berufstätiger Mütter „Mahlzeit, Kinder!“ deutlich. Die abgebildete Illustration zeigt es: Business-Schuhe an den Füßen, den Kochlöffel in der Hand, wie auf den Startschuss wartend – hier finden sich drei Aspekte der heutigen Lebenswelt vieler Mütter wieder: Berufstätigkeit, die Verantwortung für das Kochen zu Hause und die Zeitnot. Auch im Mittelpunkt der Illustrationen von „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ stehen immer Menschen, in der Hauptsache die werdende Mutter. Auf fast allen Fotos sind auch Essen und Trinken inhaltlich verankert, im Vordergrund steht aber das Zusammensein von Mann und Frau, Mutter und Baby, Mutter und älterem Kind. Männer sind nur auf drei von 13 Fotos abgebildet, wobei sie eher passive Rollen einnehmen: Auf einer zweifach vorhandenen Illustration schält die Frau Obst, während der Mann daneben sitzt und einen Apfel isst. Auch „Gewicht im Griff“ stellt Menschen in den Mittelpunkt.
43
entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (1998): Mahlzeit, Kinder! Ernährungstipps und Rezepte für eilige Eltern. 3. Auflage April 2004. Spangenberg; Illustration: Wolf Erlbruch
154
5 Ergebnisse der Analyse
„Wie Ihr Kind abnehmen kann“ verfügt im Gegensatz zu den anderen Ratgebern über wenig Illustrationen.44 Die Illustrationen zeigen nur einen einzigen Mann als Vater der Kernfamilie am Frühstückstisch. Frauen und Mädchen werden nur wenige Male dargestellt, immer im Zusammenhang mit Essen und Ernährung. Jungen werden wesentlich öfter als Mädchen gezeigt, meist im Zusammenhang mit körperlichen Aktivitäten. „Gesunde Ernährung von Anfang an“: Fokus auf Ernährung Schon das Titelbild macht deutlich, wo der Schwerpunkt von „Gesunde Ernährung von Anfang an“ liegt: Auf gesunder Ernährung, die hier durch ein Bündel sauberer Karotten symbolisiert wird. Die vielen kleinformatigen Fotos im Inneren des Ratgebers nehmen das Thema des Titelbilds auf: Nur eines zeigt überhaupt einen Menschen, ein Baby. Auf allen anderen Fotos sind einzelne Lebensmittel wie eine Birne oder ein Brokkoliröschen oder Haushaltsgegenstände wie Schnuller, leere Gläschen oder Löffel abgebildet. „Bärenstarke Kinderkost“: Der KIKO-Bär als übergeordnete Instanz? Die 16 Zeichnungen von „Bärenstarke Kinderkost“ zeigen überwiegend Jungen und den KIKO-Bär. Dreimal ist eine Frau (eine Mutter?) abgebildet, Männer werden nicht gezeigt. Auf vielen Illustrationen spielt der KIKO-Bär eine Rolle: Er fungiert mehrmals als Koch für die ganze Familie, auf der letzten Seite des Infoteils hält er eine Tafel mit den Forderungen der Verbraucherzentrale hoch und kickt einen Schokoriegel weg. Auf anderen Bildern bewertet er mimisch das Gewicht und die Ernährungsgewohnheiten der Kinder. Der KIKO-Bär – vielleicht als Symbol für die Verbraucherzentrale gedacht – nimmt die Rolle des Vorbilds und Richters Abbildung 9: Illustration aus „Bärenstarke ein. Kinderkost“: Der KIKO-Bär kocht 45 44
Zum Vergleich: Das Verhältnis von Illustration und Seitenzahl beträgt 1 zu 12, während bspw. die „Vollwertküche“ ein Verhältnis von 1 zu 4 hat. 45 entnommen aus: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (2005): Bärenstarke Kinderkost. 9. Auflage. Spangenberg; Illustration: Karl-Heinz Schrörs
5.6 Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
155
Darstellung soziokultureller Vielfalt „Mahlzeit, Kinder!“: Kongruenz in Inhalt, Sprache und Bild „Mahlzeit, Kinder!“ richtet sich speziell an Eltern, die wenig Zeit haben. Berufstätige und/oder alleinerziehende Eltern werden dabei immer wieder explizit erwähnt. In der Folge wird eine Fülle von Möglichkeiten vorgestellt, wie sich Eltern in dieser Beziehung entlasten können. Neben den klassischen Betreuungsangeboten wie Kinderkrippe, Kindergarten oder Hort werden neue Möglichkeiten der Ganztagsbetreuung im schulischen Bereich sowie verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie eine private Betreuung organisiert werden kann. Dabei wird auch den veränderten Lebenssituationen heutiger Familien Rechnung getragen: Da die früher übliche Betreuung durch Großeltern oder benachbarte Familien kaum noch möglich ist, werden Mütterzentren als „zeitgemäße Form dieser traditionellen Kontaktpflege“ (31) präsentiert und generationenübergreifende oder frauenfreundliche Wohnformen vorgestellt (30). Neue Formen gemeinsamer Kinderbetreuung wie das „Care-sharing“ (32), bei der sich Familien mit der Betreuung abwechseln, machen deutlich, dass der Dreigenerationenhaushalt in Familien nicht mehr die Regel ist – aber dass es andere Möglichkeiten gibt, Kinderbetreuung trotzdem organisieren zu können. Neben der Thematisierung gesellschaftlicher Entwicklungen thematisiert „Mahlzeit, Kinder!“ auch die unzureichenden institutionellen Möglichkeiten und das fehlende politische Engagement, gerade Kinder fern vom Kindergartenalter zu betreuen. Der Ratgeber zeigt immer wieder auch, dass unterschiedliche Lebensstile und Gewohnheiten zu unterschiedlichem Umgang mit Ernährung führen können. Das passiert meist nebenbei: „Es gibt sie, die Morgenmuffel, deren Magen noch weiterschläft, auch wenn sie schon aufgestanden sind. Zwang nützt hier wenig“ (60). Zusätzlich werden öfters unterschiedliche Ansätze aufgezeigt: Mit der „Schlicht-aberwirksam-Methode“ (55), der „Kombi-Methode“ (55) und der „Neugier-Methode“ (57) werden drei unterschiedliche Modelle vorgestellt, wie eine gesunde Ernährung nach der Lebensmittelpyramide leicht umgesetzt werden kann. Das geht von der totalen Routine – „vier der fünf Mahlzeiten bleiben immer gleich“ (55) über die Kombination der Lebensmittelgruppen nach Portionen über die völlig freie Variante: „Sie ist ideal für alle, die experimentierfreudig und flexibel sind“ (57). Auch in punkto Frühstück zeigt „Mahlzeit, Kinder!“ Verständnis für unterschiedliche Lebensstile. Die Illustrationen und die Sprache von „Mahlzeit, Kinder!“ unterstützen die ausführliche Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse und soziokultureller Vielfalt.
156
5 Ergebnisse der Analyse
„Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“: Mütter als kompetente Ernährungsverantwortliche „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ liefert eine Fülle unterschiedlicher Ansätze, wie mit dem Ratgeber gearbeitet werden kann. Dies beginnt mit der Leseempfehlung: „Dann hilft Ihnen unser Ratgeber weiter. Egal, was Sie für ein Lesetyp sind. Der Ratgeber ist so angelegt, dass Sie den Informationsteil (…) von Anfang bis Ende durchlesen können. Oder aber Sie informieren sich über spezielle Fragen (…). Sie sind der pragmatische Typ und wollen gleich loslegen? Dann starten Sie am besten mit den Rezepten (…). Sie suchen nur ein paar Anregungen zum Frühstück? Dann lassen Sie sich von unseren Rezeptangeboten inspirieren“ (7). Auch bei den Ernährungsempfehlungen werden immer wieder Alternativen präsentiert: „Sie mögen keine Milch? Wie stehts mit Kakao (…) Oder wie wär’s mit Käse? (…) Mischen Sie selbst – ganz nach Ihrem Geschmack“ (54). Die Ernährungsverantwortung dagegen scheint (nur) der Frau zu obliegen. So wird darauf hingewiesen, dass sich „ganz nebenbei (…) so auch Ihr Partner gesund ernähren (kann), und Sie legen den Grundstein für eine abwechslungsreiche, vitaminhaltige und fettarme Familienernährung“ (16). Auch wird davon ausgegangen, dass die Mutter kocht: „Wenn Sie vorerst nur für zwei kochen“ (113). Immerhin wird auf Seite 81 in Erwägung gezogen, dass auch stillende Mütter schon ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollen. Verschiedene Lebensformen werden angesprochen, wenn es heißt: „Eine Freundin oder Verwandte möchte Sie während der Geburt begleiten? Kein Problem“ (13) oder Netzwerke über die Kernfamilie hinaus gesucht werden sollen (85). Überholte Klischees: „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ Der Ratgeber „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ zeichnet sich durch die Integration vieler Praxisbeispiele von Situationen aus dem Familienalltag aus. Aus diesem Grund wurde zusätzlich deren Personendarstellung analysiert. Die Frauen der Familie, hier Mütter und Großmütter, werden insgesamt etwa doppelt so häufig wie Männer erwähnt; Jungen etwa ein Drittel häufiger als Mädchen. Bei den Konstellationen taucht die Konstellation Tochter und Vater/Großvater weniger als halb so oft auf wie die Konstellation Sohn und Mutter/Großmutter. Die Inhalte scheinen einem Muster zu folgen: Die Mutter hat die Verantwortung für die Ernährung und auch für den Haushalt, sie kocht, putzt und weiß über diesen oder jenen ernährungsphysiologischen Sachverhalt nicht Bescheid. Der Vater/Großvater wird im Zusammenhang mit traditionell männlichen Tätigkeiten wie Sport treiben (169), in der Werkstatt arbeiten oder Auto putzen dargestellt. Mit Ernährung kommt er nur am Esstisch in Kontakt (in vier von insgesamt 15 Praxisbeispielen). Im Kon-
5.6 Ausgewählte Aspekte der analysierten Ratgeber
157
takt mit den Kindern – in dem Fall Jungen – geht es ums Raufen (150) und Klettern (164). Im Gegensatz zum Vater werden weibliche Vorbilder nur dreimal in insgesamt 33 Praxisbeispielen nicht im Kontext von ausgesprochener Haus- oder Erziehungsarbeit dargestellt. Hier führen sie eher passive Tätigkeiten aus: Sie schwimmen, lesen, stricken oder essen jeden Abend Schokolade. Während die Illustrationen kein Muster erkennen lassen, unterstützen die Praxisbeispiele mit ihrer Darstellung traditioneller Lebensformen überholte Rollenmuster: Die Frau als Ernährungsverantwortliche und der Mann, der damit außer dem Verzehr nicht in Berührung kommt. Lediglich einmal werden Informationen aus einer genderspezifischen Sichtweise präsentiert: „Vorrat zu halten ist für viele Frauen wichtig, denn das bedeutet u.a. auch sich um andere zu sorgen, für sie da zu sein, sie ernähren zu können“ (85). Gerade diese Beispiele würden sich hervorragend eignen, um unterschiedliche Lebensformen und deren Verhalten im Ernährungsalltag darzustellen. Beschreibung körperlicher Unterschiede: „Gewicht im Griff “ „Gewicht im Griff“ beschreibt im Bereich der Sachinformationen an einigen Stellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder auch zwischen Alt und Jung, die sich meist auf die körperliche Ebene beziehen: Die Neigung zum Apfel- bzw. Birnentyp (17) oder höhere Gewichtsschwankungen aufgrund des weiblichen Zyklus. Der Energiebedarf wird nach Männern und Frauen bzw. älteren und kleineren Menschen unterschieden (134). „Gesunde Ernährung von Anfang an“: Ausblendung soziokultureller Unterschiede „Gesunde Ernährung von Anfang an“ thematisiert Lebensformen überhaupt nicht. Babys werden hauptsächlich im Hinblick auf ihre Allergiegefährdung unterschieden. Gesellschaftliche Verhältnisse werden nur im Hinblick auf die – meist unzureichende – Gesetzgebung im Hinblick auf Grenzwerte und Schadstoffe thematisiert und im Zusammenhang mit den Machenschaften der Babynahrungsindustrie. Im Prinzip geht es auch hier nur um die (Gefährdung der) Gesundheit. Ausblendung anderer Kulturen Keiner der analysierten Ratgeber verfügt über die Darstellung anderer Kulturen. Weder auf Fotos noch im Text werden Menschen anderer Kulturen dargestellt. Nur im Rezeptteil findet sich das obligatorische „Gyros“ oder die „Spaghetti Bolognese“, was dazu führt, dass die Perspektive auf unterschiedliche Esskulturen auf Gerichte begrenzt wird.
158 5.6.3
5 Ergebnisse der Analyse
Die Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernähren‘
Die Begriffe ,Essen‘ und ,Ernähren‘ können hinsichtlich ihrem quantitativen Vorkommen und dem Kontext unterschieden werden. Die quantitative Verwendung der Begriffe ,Essen‘ und ,Ernährung‘ bzw. ,Ernähren‘ ist in den Ratgebern unterschiedlich ausgeprägt: • In den Ratgebern „Bärenstarke Kinderkost“, „Gesunde Ernährung von Anfang an“ und „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ werden beide Begriffe ungefähr gleich häufig verwandt. • In „Mahlzeit, Kinder!“ werden ebenfalls beide Begriffe etwa gleich häufig eingesetzt. Zusätzlich finden sich viele Tätigkeitsbeschreibungen wie ,versorgen‘, ,verpflegen‘, ,kochen‘ oder Inhalte beziehen sich auf ,Mahlzeiten‘ und ,Gerichte‘. • In den Ratgebern zur Gewichtsreduktion „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ und „Gewicht im Griff“ wird (zum Teil weitaus) häufiger den Begriff ,Essen‘ mit seinen verwandten Formen eingesetzt. Die Kontexte der analysierten Begriffe sind bei allen Ratgebern ähnlich und decken sich mit den Beschreibungen aus dem „Exkurs: Essen und Ernährung“ (vgl. Kapitel 2.1): ,Essen‘ findet sich in allen Aussagen, die Situationen und Tätigkeiten beschreiben wie zum Beispiel „Obwohl Sie mehr essen, werden Sie vermutlich ein halbes Kilogramm pro Monat abnehmen“ („Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“:89) oder im Leitsatz „Ich esse mehr Gemüse und Obst!“ („Gewicht im Griff“:60). Mit ,Ernährung‘ werden so gut wie immer theoretische Entwürfe beschrieben; Vorstellungen, wie etwas zu sein hat: ,gesunde Ernährung‘, ,vollwertige Ernährung‘, ,abwechslungsreiche Ernährung‘. Zusätzlich kommt das Wort häufig als Teil aus der Ernährungswissenschaft stammender Termini vor: ,Ernährungspyramide‘, ,Ernährungswissenschaft‘ oder ,Ernährungsprotokoll‘. Hierbei handelt es sich um Fachbegriffe, die ebenfalls auf definierten wissenschaftlichen Vorstellungen beruhen. ,Ernähren‘ wird also überwiegend auf (Ideal-)gewicht bezogen, während ,Essen‘ immer im Kontext mit konkreten Alltagshandlungen verwandt wird. Teilweise wird diese Trennung sogar in einer Passage vollzogen: „Obwohl unsere Kinder über ein recht gutes Ernährungswissen verfügen, verhalten sie sich nicht danach. So gelten Obst, Gemüse und Milchprodukte als gesund. Gerne und am liebsten so oft wie möglich essen sie jedoch Pizza, Eis, Pommes, Hamburger, Schokolade, Süßigkeiten“ („Bärenstarke Kinderkost“:11).
„Wie Ihr Kind abnehmen kann“ ist der einzige Ratgeber, der den Unterschied in der Konnotation der Begriffe thematisiert: „Beim Wort Ernährung denken viele an fettarm, gesund (…) also an Experten-Empfehlungen, die sagen, was wir essen sollten. Hingegen assoziieren Menschen mit dem Wort Essen
5.7 Vergleich der Ergebnisse mit Zielen der Verbraucherzentrale NRW
159
sinnliche Wahrnehmungen wie schmackhaft, lecker (…) sprich: was wir essen wollen (…) Während der Begriff Ernährung eher für Distanz sorgt, vermittelt der Begriff essen eine wohlige Wärme“ (25).
In diesem Ratgeber wird ,Essen‘ mindestens dreimal so häufig verwandt. Falls die verbreitete Annahme zutrifft, dass mit ,Ernährung‘ eher die rationale Ebene angesprochen wird (und diese in Bezug zu Äußerungen gesetzt wird, welche diese Ansprache für die Nichtbeachtung von Ernährungskommunikation mitverantwortlich machen), dann stellt sich die Frage, ob nicht die Verwendung dieses Wortes zur Kluft zwischen Wissen und Verhalten beiträgt. Es ist zu überlegen, inwieweit die konsequent unterschiedliche Verwendung der Begriffe (,Essen‘ für Alltagshandlungen und ,Ernähren‘ für theoretische Konstrukte) dazu beiträgt, dass Menschen Ernährungsbotschaften nicht mit ihrem Essalltag in Verbindung bringen. 5.6.4
Informationen über Autorinnen und Herausgeber
Der Herausgeber aller Ratgeber ist die Verbraucherzentrale NRW mit einer Ausnahme: Der Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an“ wurde von der Verbraucherzentrale Hamburg herausgegeben. Von den Autorinnen und Autoren erfährt die Leserschaft überwiegend nur den Namen. „Gesunde Ernährung von Anfang an“ nennt zusätzlich deren Berufe oder Positionen; das Cover von „Mahlzeit, Kinder!“ liefert einige wenige Informationen über die Autorin. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ liefert mehr Informationen über die Autorin (Ausbildung, beruflicher Werdegang, Homepage). Die Ratgeber „Vollwertküche“, „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ und „Gesunde Ernährung von Anfang an“ haben keine ,Autorin‘, stattdessen gibt es Angaben zu ,Text‘, ,Fachliche Mitarbeit‘ oder ,Ko-Redaktion‘. Die Leserschaft erfährt wenig über die Menschen, die ihnen die Empfehlungen geben. Im Text selbst wird meist allgemein von der ,Verbraucherzentrale‘ gesprochen, teilweise heißt es auch ,wir meinen (..)‘. Zu bestimmten Aspekten (Kinder-Lebensmittel, Kennzeichnung von Lebensmitteln) werden Positionen der Verbraucherzentrale formuliert.
5.7
Vergleich der Ergebnisse mit Zielen der Verbraucherzentrale NRW
Im Rahmen des folgenden Kapitels soll untersucht werden, inwieweit eine Umsetzung der Ziele der Verbraucherzentrale NRW (vgl. Kapitel 3) in den analysierten Ratgebern erkennbar wird. Dafür werden die Ziele zusammenfassend wiederholt und mit den Analyseergebnissen der Ratgeber verglichen. In den Vergleich finden nur solche Ziele Eingang, die sich auf die Ratgeber beziehen lassen. Da die Verbraucherzentrale zudem nicht explizit den Anspruch for-
160
5 Ergebnisse der Analyse
muliert, dass alle Ratgeber alle Ziele aufgreifen, kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle Ziele umgesetzt wurden. Ziel: Information und Beratung über gesundheitsfördernde Ernährung und nachhaltig erzeugte Lebensmittel Fast alle Ratgeber liefern umfassende Informationen über eine gesundheitsfördernde Ernährung. Einzig der Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an“ legt den Fokus eher auf eine möglicherweise gesundheitsschädliche Ernährung. Nachhaltig erzeugte Lebensmittel werden nur in der „Vollwertküche“ umfassend thematisiert, in anderen Ratgebern klingt das Thema höchstens an. Hierbei ist anzumerken, dass die vz NRW zum Thema ,Nachhaltige Ernährung‘ kürzlich Medien für die schulische Ernährungsbildung konzipiert hat. Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe bieten Die Verbraucherzentrale NRW erläutert nicht näher, wie diese „Hilfe zur Selbsthilfe“ genau aussieht. Es wird davon ausgegangen, dass damit unter anderem die Übersetzung von Sachinformationen in konkrete Handlungsempfehlungen gemeint ist, so dass die Ergebnisse dahingehend überprüft werden sollen. Die Ratgeber legen den Fokus zum großen Teil auf konkrete Empfehlungen für den Alltag und liefern dazu unterschiedlich viele Hintergrundinformationen. Sachinformationen bleiben generell nur selten abstrakt, z. B. werden Ernährungsempfehlungen immer im Kontext mit Lebensmitteln und nicht anhand abstrakter Nährstoffmengen vermittelt. Die überwiegende Zahl der Sachinformationen wird in Handlungsempfehlungen übersetzt. Ziel: Transparenz schaffen und Orientierungshilfen geben in einem unüberschaubaren Lebensmittelmarkt und damit Verunsicherung abbauen Die ,Unüberschaubarkeit‘ des Lebensmittelmarktes wird ausführlich in den Ratgebern „Bärenstarke Kinderkost“ und „Gesunde Ernährung von Anfang an“ thematisiert. Als ,Orientierungshilfen‘ können der Lebensmittelcheck von Babynahrung in „Gesunde Ernährung von Anfang an“ sowie die Darstellung von Kinderlebensmitteln in „Bärenstarke Kinderkost“ gewertet werden, bei der verschiedene Produkte unter anderem auf ihre Werbeversprechen hin untersucht werden. Die Darstellung verschiedener Bio-Siegel als ,Orientierungshilfe‘ findet sich in den Ratgebern „Bärenstarke Kinderkost“, „Vollwertküche“ und „Gesunde Ernährung von Anfang an“. Andere Ratgeber wie „Mahlzeit, Kinder!“ oder (abgeschwächt) „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ und „Gewicht im Griff“ betrachten den Markt aus dem Blickwinkel einer möglichen Unterstützung im Alltag und thematisieren weniger dessen Intransparenz.
5.8 Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
161
Ziel: Unterstützung von Menschen bei der Umsetzung von zukunftsfähigen und verantwortungsvollen Konsum- und Lebensstilen Da der allgemein gehaltene Begriff „zukunftsfähige und verantwortungsvolle Konsum- und Lebensstile“ in der Zielsetzung der Verbraucherzentrale NRW nicht näher erläutert wird, kann dieses Ziel nicht überprüft werden. Spekulationen darüber, wie diese Lebensstile aussehen könnten und ob die Thematik in den Ratgebern aufgegriffen wird, sollen daher an dieser Stelle unterbleiben. Zielgruppe: Alle Menschen, dabei besonders wirtschaftlich oder in ihrer Bildung benachteiligte Menschen Die Zielgruppen der Ratgeber werden über deren Lebensphase (Elternschaft) oder den Gesundheitszustand (eigenes Übergewicht bzw. das der Kinder) definiert, dementsprechend beziehen sich auch die Sachinformationen mehr oder weniger ausschließlich auf diese Bereiche. Es ist nicht erkennbar, in welcher Hinsicht die Ratgeberformate Menschen sozial benachteiligter oder bildungsferner Schichten ansprechen. So werden Kosten von Ernährung fast gar nicht thematisiert, der teilweise hohe Anteil von Sachinformationen erfordert ein gewisses Maß an Leseverständnis. Die Ratgeber sind nur in deutscher Sprache erhältlich und vermitteln mit der Lebensmittelpyramide nach den D-A-CH-Empfehlungen eine Ernährung, die vorwiegend im deutschsprachigen Raum propagiert wird und u.a. auch traditionell begründet ist. Die abgebildeten Menschen haben alle ein westeuropäisches Aussehen und tragen dementsprechende Kleidung, Alltagssituationen von Migrantinnen und Migranten werden nicht explizit thematisiert. Dies könnte eine Fokussierung auf „die“ deutsche Familie andeuten, für die finanzielle Aspekte von Ernährung zudem keine Rolle zu spielen scheint.
5.8
Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
Im Folgenden soll zusammenfassend dargestellt werden, inwieweit sich Kernaussagen aus der in Kapitel 1 dargestellten Debatte in den analysierten Ratgebern wider spiegeln. Dies geschieht auf Basis der Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse, die in Kapitel 5 erläutert wurde. Das Schlagwort ,naturwissenschaftliches Forschungsparadigma‘ wird nicht überprüft, eine Begründung dafür findet sich in Kap. 4.3.8.
162 5.8.1
5 Ergebnisse der Analyse
Rekapitulation der Kernaussagen
Nachfolgend werden die für die Inhaltsanalyse zu Schlagwörtern zusammengefassten Kernaussagen (vgl. Kap. 4.3.1) zu Rekapitulationszwecken in verkürzter Form dargestellt. • Die einseitig naturwissenschaftliche Ausrichtung der Ernährungsforschung beeinflusst die Ausbildung der Mittlerkräfte ebenso wie deren Kommunikationsinhalte und -stil. Diese Kritik wird unter dem Schlagwort ,naturwissenschaftliches Forschungsparadigma‘ zusammengefasst. • Die Fokussierung auf naturwissenschaftliche Inhalte bringt es mit sich, dass Ernährungskommunikation vorrangig mit dem ,Alleinziel Gesundheit‘ betrieben wird. Die mehrdimensionale Betrachtung von Ernährung und den individuellen Zielen des Ernährungshandelns unterbleibt. • Weitere Einflüsse auf das Ernährungshandeln wie Traditionen und Gewohnheiten, finanzielle und institutionelle Rahmenbedingungen oder zeitliche Aspekte werden in der Kommunikation zu wenig berücksichtigt, was zu einer ,Ausblendung des Alltags‘ führt. • Die soziokulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft wird in der Kommunikation zu wenig berücksichtigt, damit verbundene Handlungsressourcen werden nicht erkannt: ,Störfaktor Kultur‘. • Verbraucherinnen und Verbraucher werden entweder als völlig rational handelnd, im Dschungel des Marktangebots unmündig und hilflos agierend oder als belehrungsbedürftige Laien betrachtet, welche die Existenz von ,Experten‘ rechtfertigen. Diese Betrachtungsweisen lassen sich in einem ,realitätsfernen Verbraucherbild‘ zusammenfassen. • Gegenstand von Kritik ist auch der hohe Anteil von Wissensvermittlung auf kognitiver Basis, während die Vermittlung von Ernährungskompetenzen und die Befähigung zur selbstbestimmten Gestaltung des Ernährungsalltags vernachlässigt wird. Da es sich bei dem Analysematerial um Ernährungsratgeber in Printform handelt, wird mit einem gewissen Anteil an theoretischer Wissensvermittlung gerechnet. Untersucht wird aus diesem Grund vorrangig, inwieweit Sachinformationen in Handlungsempfehlungen übersetzt werden: ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘. Im Folgenden werden die einzelnen Ratgeber auf das Vorhandensein der Kernaussagen überprüft, wobei relevante Kernaussagen hierbei als Schlagworte genannt werden.
5.8 Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
5.8.2
163
„Bärenstarke Kinderkost“
,Alleinziel Gesundheit‘ und ,Ausblendung des Alltags‘ Der Ratgeber fokussiert stark darauf, dass das Ziel von Ernährung die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit ist (vgl. das entsprechende Fazit in der Ergebnisdarstellung). Das Konzept der Vollwert-Ernährung wird als Möglichkeit vorgestellt, wie dieses Ziel verwirklicht werden kann, wobei andere Einflüsse auf Gesundheit wie z. B. Bewegung nicht thematisiert werden. Auch Einflüsse auf das alltägliche Ernährungshandeln werden in der Darstellung kaum berücksichtigt. ,Störfaktor Kultur‘ und ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ Der Ratgeber stellt ausführlich und ausschließlich ungesunde Essgewohnheiten heutiger Kinder dar. Darüber hinaus werden Gewohnheiten und deren Bedeutung für das Essverhalten und Ernährungshandeln nur ganz am Rand thematisiert, kulturelle Aspekte von Ernährung werden ähnlich selten berücksichtigt. Eltern werden als interessierte Menschen dargestellt, die allerdings Hilfe bei der Gestaltung der familiären Ernährung und auch im Marktgeschehen benötigen. Das Bild von der Zielgruppe gestaltet sich auch aufgrund der ausführlichen Thematisierung des schlechten Nährstoffstatus ihrer Kinder eher defizitär, wenn auch weniger als in „Gesunde Ernährung von Anfang an“. ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ Der Ratgeber vermittelt viele Sachinformationen, die zum großen Teil auch in Handlungsempfehlungen übersetzt werden. Dabei werden teilweise auch alternative Möglichkeiten vorgestellt, aber insgesamt weniger als in einigen anderen Ratgebern. Dies kann daran liegen, dass kaum vom Konzept der Vollwert-Ernährung abgewichen wird. Der Ratgeber möchte durch die Vermittlung von Wissen die Einstellung der Eltern verändern, was sogar wörtlich im Vorwort erwähnt wird. Fazit: Gesundheit als einziges Ziel Durch die Fokussierung auf gesunde Ernährung, das eher defizitäre Bild der Zielgruppe und die Ausblendung kultureller und individueller Einflüsse weist der Ratgeber einige der kritisierten Punkte auf. 5.8.3
„Gesunde Ernährung von Anfang an“
,Alleinziel Gesundheit‘ In diesem Ratgeber werden Lebensmittel nur unter dem Aspekt der Gesundheit bzw. der Gefährdung derselben präsentiert. Das einzige explizit formulierte Ziel ist die
164
5 Ergebnisse der Analyse
Darstellung einer gesunden Kinderernährung. Auch der „kleine Ausflug in die Ernährungspsychologie“ (74) wird mit dem Ziel unternommen, ein gesundes Ernährungsverhalten zu fördern. Die Entwicklung von Vorlieben, ein Erkennen und Bedienen von Bedürfnissen oder das Erlernen von Kompetenzen kommen nicht vor. ,Ausblendung des Alltags‘ Das Alltagsgeschehen, in das Ernährung eingebettet ist, sowie dessen Rahmenbedingungen werden ausgeblendet. Die Welt außerhalb der eigenen vier Wände wird vor allem im Hinblick auf geldgierige Hersteller von Babynahrung und manipuliertes Krankenhauspersonal thematisiert. Auch die Rezepte werden nur unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit ausgewählt und präsentiert, sie stellen eine sinnvolle Kombination verschiedener Nährstoffe dar. ,Störfaktor Kultur‘ und ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ Individuelle Gewohnheiten werden kaum thematisiert; es erfolgt keine Darstellung von Lebenssituationen, gesellschaftlichen Einflüssen oder ähnlichem. Wenn die Eltern, wie der Ratgeber vermutet, nicht schon vorher Unsicherheiten in Bezug auf die Ernährung ihres Babys verspüren – nach der Lektüre von „Gesunde Ernährung von Anfang an“ tun sie es auf jeden Fall. Der Ratgeber enthält fast ausschließlich Gefahren und Warnungen. Handlungsempfehlungen enthalten kaum Alternativen, der Hinweis auf die Möglichkeit zur Umgestaltung des Ernährungsfahrplanes46 wird mit einem „trotzdem“ und der Betonung der optimalen Zusammenstellung im Prinzip sofort widerrufen (siehe Ergebnisdarstellung). Das Gefühl der Verunsicherung kann durch die Erwähnungen der vielen Studien noch verstärkt werden, welche zur Rechtfertigung der Empfehlungen herangezogen werden. An keiner Stelle werden die Studien oder auch Empfehlungen kritisch hinterfragt, wie das bspw. in „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ erfolgt. Die Zielgruppe wird nicht dazu aufgefordert, sich eine eigene Meinung dazu bilden, stattdessen werden Eltern als defizitäre Wesen dargestellt, die unsicher und überfordert sind und auf Schritt und Tritt Gefahr laufen, übervorteilt zu werden. Vorhandene Kompetenzen werden nicht dargestellt. ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ „Gesunde Ernährung von Anfang an“ formuliert viele Handlungsempfehlungen, diese stellen jedoch eher Nicht-Handlungsempfehlungen in Form von Warnungen dar. Wirkliche Tipps zum Verhalten im Alltag oder gar Alternativen werden kaum formuliert. 46
Schon der Begriff „Fahrplan“ bezeichnet im Grunde eine Vorgabe, an die man sich halten muss – oder man hat das Nachsehen.
5.8 Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
165
Fazit: Herausragendes Negativbeispiel „Gesunde Ernährung von Anfang an“ kann als der Ratgeber betrachtet werden, in dem sich so gut wie alle in der Debatte geäußerten Kritikpunkte wiederfinden: Der defizitäre Verbraucher, die Fokussierung auf Gesundheit, Ausblendung von Alltag, Kultur und Umwelt. Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei diesem Ratgeber um das älteste der analysierten Medien handelt. 5.8.4
„Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“
,Alleinziel Gesundheit‘ Der Ratgeber legt, anders als der Titel andeutet, den Fokus eher auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Neben der Ernährung werden auch Bewegung und Entspannung als Grundvoraussetzungen für ein Wohlfühlen der Mutter und damit auch des Kindes thematisiert. ,Ausblendung des Alltags‘ Der Alltag wird mehr als in „Gesunde Ernährung von Anfang an“, insgesamt aber immer noch wenig berücksichtigt. Finanzielle Einflüsse auf oder umweltbezogene Aspekte von Ernährung werden wenig bis gar nicht thematisiert. Die Rezepte werden in erster Linie unter dem Gesichtspunkt Gesundheit präsentiert, wobei im Hinweis auf die leicht erhältlichen Zutaten eine Alltagsberücksichtigung anklingt. Auch in der Kategorisierung der Rezepte klingt eine Alltagsberücksichtigung an. Institutionelle Rahmenbedingungen werden als Ressource betrachtet, die sich Mütter für eine gesunde Lebensweise zunutze machen können. ,Störfaktor Kultur‘ und ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ Die Lebensbedingungen und Lebensformen heutiger Familien werden kaum thematisiert. Einige Äußerungen spielen aber zumindest darauf an, dass es außer dem Modell ,Mutter zuhause – berufstätiger Vater‘ noch Alternativen gibt. Gewohnheiten werden wenig, aber durchweg positiv thematisiert. Die Ernährungsempfehlungen werden wie ein bunter und gesunder Supermarkt mit einer riesigen Auswahl präsentiert, in dem zwar aus jeder Abteilung eine gewisse Anzahl Lebensmittel ausgesucht werden muss – die genaue Auswahl wird aber bewusst den Leserinnen überlassen. Die unterschiedlichen Leseempfehlungen deuten an, dass die Leserinnen für kompetent genug gehalten werden, die Informationen speziell nach ihren Bedürfnissen auszuwählen. Es wird der Eindruck vermittelt, das eine gesunde Ernährung mit dem Befolgen einfacher Faustregeln ohne Probleme zu verwirklichen ist. Auch die eigenen Vorlieben können damit vereinbart werden.
166
5 Ergebnisse der Analyse
,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ Der Ratgeber trennt kaum zwischen Sachinformationen und Handlungsempfehlungen, meist werden die Informationen gleich als Empfehlungen formuliert. Es überwiegen deutlich Tipps, Ratschläge und Vorschläge; Warnungen oder Verbote kommen so gut wie nicht vor. Die Empfehlungen beziehen sich allerdings zum ganz überwiegenden Teil auf die Lebensmittelauswahl, während Alltagseinflüsse kaum integriert werden. Fazit: Mütter sind Expertinnen für das eigene Wohlbefinden „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ fokussiert noch stark auf eine Ernährung mit Ziel Gesundheit. Durch die Integration der Aspekte Bewegung und Entspannung bildet sich aber ein Konzept heraus, das Ernährung als nur eine Ursache von Gesundheit darstellt. Eine gesunde Ernährung kann zudem mit Hilfe einfacher Faustregeln verwirklicht werden, wobei auch individuelle Vorlieben ihre Berechtigung und ihren Platz haben. Im Ratgeber werden vielfach eigene Bedürfnisse und Gewohnheiten berücksichtigt. Zudem wird die Zielgruppe äußerst positiv beschrieben: Als Expertinnen für das eigene Wohlbefinden, die kompetent ihre Ernährung gestalten können. Dies führt dazu, dass im Ratgeber einige der Anforderungen an eine neue Ernährungskommunikation wieder gefunden werden konnten. 5.8.5
„Gewicht im Griff“
,Alleinziel Gesundheit‘ Der Ratgeber legt den Fokus nicht auf Gesundheit. Diese wird eher als eine Art positive Begleiterscheinung zum wirklichen Ziel verstanden, nämlich die eigene Ernährung selbstbewusst so zu gestalten, dass man sich damit auf Dauer wohl fühlt. Eine Voraussetzung dafür ist, Genuss verspüren zu können, was ebenso als Voraussetzung für ein dauerhaft empfehlenswertes Essverhalten gesehen wird. Gesundheitliche Auswirkungen von Ernährung werden kaum thematisiert. Bestimmte Aspekte wie die Zubereitungsart werden im Kontext mit Gesundheit dargestellt, und auch die Empfehlungen erfolgen auf Basis einer gesunden Ernährung. Diese Zusammenhänge stehen jedoch nicht im Vordergrund. ,Ausblendung des Alltags‘ Alltagsbedingungen werden besonders in den vielen Tipps berücksichtigt, allerdings werden mögliche Umsetzungshindernisse eher wenig thematisiert. Kosten werden im Hinblick auf Sportangebote und Qualität von Schokolade, nicht aber auf die all-
5.8 Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
167
tägliche Ernährung thematisiert. Das Programm selbst ist laut Vorwort nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden. ,Störfaktor Kultur‘ und ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ Der Ratgeber verdeutlicht, wie das Essverhalten von Gewohnheiten als Teil der eigenen Ernährungskultur mitbestimmt wird. Ebenso wird der Aufbau neuer Gewohnheiten (es wird auch von Ritualen gesprochen) als relevanter Faktor für die Entwicklung eines neuen Essverhaltens thematisiert. Unterschiedliche Lebensbedingungen werden kaum berücksichtigt. Die Zielgruppe wird als aktiv und kompetent beschrieben: Es wird ihr zugetraut, die Umsetzung des Konzeptes in ihrem Alltag zu leisten. Die Checks setzen voraus, dass sich die Menschen selbst gut kennen und auf dieser Basis die passenden Handlungsalternativen auswählen können. ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ Sachinformationen und Handlungsempfehlungen erfolgen teils vermischt, teils getrennt – die Leserschaft kann so mitunter sogar entscheiden, ob sie nur die Tipps oder auch Hintergrundinformationen lesen möchte. Die Handlungsempfehlungen beziehen sich auf teilweise sehr konkrete Alltagssituationen und Bereiche, in denen Entscheidungen über das Essen getroffen werden müssen. Fazit: Auf dem Weg zu einer neuen Ernährungskommunikation Dieser Ratgeber setzt folgende in der Debatte formulierten Anforderungen um: Menschen werden als Experten ihres Alltags betrachtet, der Fokus liegt auf Handlungsempfehlungen; und Ernährung wird als ein Teil eines Konzepts betrachtet, dessen Ziel ein besseres Wohlbefinden ist. Konkrete Einflüsse auf das Ernährungshandeln werden weniger thematisiert. 5.8.6
„Wie Ihr Kind abnehmen kann“
,Alleinziel Gesundheit‘ Das Ziel ist auch in diesem Ratgeber eine gesunde Entwicklung der Kinder, bei der Ernährung eine wichtige Rolle zugesprochen wird. „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ macht aber deutlich, dass sich nur durch den Verzehr von mehr Gemüse nichts ändern wird: Nur ein bewusstes Familienleben mit der Gestaltung einer positiven Esskultur und Erkennen und Befriedigung grundlegender Bedürfnisse kann die Basis für ein gesundes Leben darstellen und so auf Dauer auch eine gesunde Ernährung ermöglichen. Die Gewichtsreduktion ist dabei eher eine Folge als ein Ziel.
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5 Ergebnisse der Analyse
,Ausblendung des Alltags‘ Der Alltag wird ausführlich im Hinblick auf die häusliche Ernährung dargestellt, wobei insbesondere Bereiche wie der Einkauf und die Mahlzeitengestaltung thematisiert werden. Auch der Bewegungsbereich wird in dieser Hinsicht umfassend dargestellt. Eine Darstellung von Außer-Haus-Situationen erfolgt nicht – wobei dann der ohnehin sehr umfangreiche Ratgeber noch dicker geworden wäre. Die Darstellung von Einflüssen auf das alltägliche Ernährungshandeln geht, vielleicht aufgrund der intensiven Thematisierung von Bedürfnissen, etwas verloren. ,Störfaktor Kultur‘ und ,Realitätsfernes Verbraucherbild‘ „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ passt als einziger Ratgeber die aktuell gültigen Ernährungsempfehlungen an gesellschaftliche Traditionen und kindliche Gewohnheiten an. Vorhandene Gewohnheiten müssen nicht pauschal aufgegeben werden: Sie sollen auf gesundheitsförderliche Elemente überprüft werden. Auch ,ungesunde‘ Gewohnheiten müssen nicht aufgegeben werden, stattdessen soll die Entwicklung neuer Gewohnheiten automatisch die Handlungsspielräume erweitern. Unterschiedliche Lebensbedingungen werden allerdings kaum thematisiert (vgl. Kapitel 5.6.2), obwohl sich gerade die Praxisbeispiele dafür hervorragend eignen würden. Die Menschen werden positiv und wertschätzend beschrieben: Der Familie wird zugetraut, aus den vorgestellten Konzepten das passende auszuwählen und gegebenenfalls zu modifizieren. Verbote unterbleiben völlig. ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ Der Ratgeber enthält sehr viele Hintergrundinformationen mit vielen, zum Teil komplexen Schaubildern. Handlungsempfehlungen finden sich ebenfalls viele, die jedoch auch oftmals noch von den Lesenden konkretisiert werden müssen, zum Beispiel wenn es um die Aushandlung von Essensregeln geht. Fazit: Zeichen für eine Wende in der Ernährungskommunikation Der Ratgeber greift fast alle Anforderungen an eine neue Ernährungskommunikation, dies allerdings unterschiedlich intensiv, auf. Lediglich Einflüsse auf das Ernährungshandeln und die Thematisierung unterschiedlicher Lebensstile werden zu wenig dargestellt. 5.8.7
„Mahlzeit, Kinder!“
,Alleinziel Gesundheit‘ und ,Ausblendung des Alltags‘ Dass Ernährung gesund sein sollte, wird in „Mahlzeit, Kinder!“ eher vorausgesetzt als offen thematisiert. Die Empfehlungen orientieren sich sämtlich an der Lebens-
5.8 Vergleich der Analyseergebnisse mit den Kernaussagen der Debatte
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mittelpyramide, werden aber nicht damit begründet. Stattdessen wird der zeitliche Aspekt in den Vordergrund gestellt, der stark in Bezug zu den Lebenswelten heutiger Familien gesetzt wird. Die Lebenssituationen heutiger Familien, in denen eine Außer-Haus-Betreuung der Regelfall ist oder tägliches Einkaufen an den Öffnungszeiten scheitern kann, wird bei den Empfehlungen stark berücksichtigt. ,Störfaktor Kultur‘ und ,realitätsfernes Verbraucherbild‘ Der Ratgeber verknüpft Sachinformationen über eine gesunde und schnelle Ernährung mit individuellen Gewohnheiten, z. B. was die Umsetzung der Empfehlungen angeht. Im ersten Teil werden mit der Vorstellung verschiedener Betreuungsformen auch unterschiedliche Lebensformen thematisiert. Die Zielgruppe Eltern wird als kompetent und aktiv handelnd charakterisiert, auch deren Schwierigkeiten im Alltag werden thematisiert: Während „Bärenstarke Kinderkost“ nur die ungesunden Essgewohnheiten der Kinder kritisiert, thematisiert „Mahlzeit, Kinder!“ Alltagsbedingungen, welche eine Entstehung ungesunder Gewohnheiten fördern können. ,Wissensvermittlung statt Handlungsempfehlungen‘ „Mahlzeit, Kinder!“ setzt explizit den Fokus auf Handlungsempfehlungen. Sachinformationen beziehen sich kaum auf theoretische Konzepte und zum überwiegenden Teil auf den konkrete Alltagssituationen. Die Vermittlung wissenschaftlich basierter Informationen (z. B. Ernährungsempfehlungen) werden auf ein Minimum beschränkt. Fazit: Beispiel guter Praxis für alltagstaugliche Ernährung „Mahlzeit, Kinder!“ entspricht zum großen Teil den dargestellten Anforderungen an eine neue Ernährungskommunikation: eine Integration der Alltagsperspektive, Menschen werden als Alltagsexperten betrachtet, Handlungsempfehlungen überwiegen im Gegensatz zu Sachinformationen.
6
Fazit und Ausblick
Die Arbeit analysierte die Aussagen verschiedener Wissenschaftler in der Debatte über das ,Scheitern der Ernährungskommunikation‘, verdichtete sie zu Kritiklinien und fasste sie zu Kernaussagen zusammen. Darauf basierend wurde eine qualitative Inhaltsanalyse von Ratgebern durchgeführt mit dem Ziel, diese Kommunikationsmedien auf das Vorhandensein der Kernaussagen zu überprüfen. Damit sollte ermittelt werden, inwieweit die geäußerte Kritik gerechtfertigt erscheint. Die Ergebnisse dieser Inhaltsanalyse wurden zusammenfassend dargestellt und mit den Kernaussagen abgeglichen. Insgesamt lassen sich keine pauschalen Aussagen über das Vorkommen von in der Debatte formulierten Kritikpunkten und Forderungen treffen. Es kristallisiert sich allerdings die Tendenz heraus, dass Ratgeber älteren Datums mehr Kritikpunkte wider spiegeln als Ratgeber, die erst in jüngerer Zeit erschienen oder überarbeitet worden sind. Hierbei sind besonders die Ratgeber „Gesunde Ernährung von Anfang an“ und „Bärenstarke Kinderkost“ zu nennen, die durch ihre Fokussierung auf Gesundheit und die defizitäre Charakterisierung der Zielgruppe hervorstechen. Bei „Gesunde Ernährung von Anfang an“ handelt es sich um den ältesten Ratgeber ohne komplette Überarbeitung in Inhalt und Stil. Mit dem Erstauflagejahr 1986 stammt er zudem aus einer Zeit vor den Forderungen nach einer Neugestaltung der Kommunikation. Auch für den in diesem Sinne ,alten‘ Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“ aus dem Jahr 1994 sind keine stilistischen oder inhaltlichen Überarbeitungen bekannt. Die später veröffentlichten Ratgeber setzen bereits bestimmte Verbesserungsvorschläge um. Sie zeichnen allesamt ein wesentlich kompetenteres Bild vom essenden Menschen im Sinne eines ,Alltagsexperten‘ und auch die Darstellung der Ernährung ist weniger eindimensional auf Gesundheit fokussiert. Positiv sticht hier der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ heraus: Er liefert schon im Jahr 1998 eine äußerst umfassende Darstellung von alltäglicher Ernährung unter Zeitdruck und charakterisiert Eltern als aktive und entscheidungsfähige Menschen. In diesem Zusammenhang wird nochmals hervor gehoben, dass sein Entstehen auf einen Workshop mit Teilnehmerinnen der Zielgruppe zurückgeht (vgl. Anhang). Die Ratgeber der Verbraucherzentrale NRW, die jüngeren Datums sind, scheinen somit auf dem Weg zu einer (im Sinne der Debatte) ,wirksameren‘ Ernährungskommunikation zu sein. Auf Basis der durch die Analyse gewonnenen Erkenntnisse wird die Hypothese aufgestellt, dass das implizite Ziel einiger Ratgeber immer noch die Aufgabe indiviA. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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6 Fazit und Ausblick
dueller Essgewohnheiten zugunsten der Umsetzung eines theoretischen Konzepts ist (ein Beispiel dafür ist der Ratgeber „Bärenstarke Kinderkost“). Die in der Debatte um das Scheitern der Ernährungskommunikation formulierten Anforderungen laufen dagegen eher auf die zielgruppengerechte Umgestaltung allgemeiner Empfehlungen hinaus, die so auf die individuellen Lebensumstände und Bedürfnisse zugeschnitten sind, dass das eigene Alltagsleben bei der Umsetzung möglichst wenig angepasst werden muss (vgl. dazu auch den folgenden Absatz). „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ liefert dafür einen guten Ansatz. Weitere im Sinne der Debatte empfehlenswerte Ansätze der analysierten Ratgeber können Wegweiser für neuere Publikationen sein und sollen deswegen im Folgenden vorgestellt werden. Thematisierung der Kluft zwischen Theorie und Praxis Die bestehende Kluft zwischen dem Wissen über eine gesunde Ernährung und alltäglichen Ernährungshandeln wird in der analysierten Debatte als wichtiges Indiz für das Scheitern der Ernährungskommunikation gewertet. Die Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ und „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ thematisieren explizit diese Kluft und distanzieren sich in der Folge teilweise von ihrer Ansicht nach zu alltagsfernen Empfehlungen bzw. gestalten sie bewusst einfach und alltagsnah. Dadurch wird der Anschein geweckt, dass das Ziel dieser Ratgeber eben nicht die Etablierung einer bestimmten Ernährungsform ist. Sie versuchen stattdessen, verschiedene Möglichkeiten so zu präsentieren, dass die Leserschaft Aspekte ihres Lebensstils in den Empfehlungen wieder findet. Die bewusste Thematisierung der Kluft zwischen Theorie und Praxis könnte und sollte mit einem Perspektivwechsel bei den Autorinnen einhergehen; die daran anschließende Distanzierung von der einen ,wissenschaftlich korrekten‘ Ernährung könnte zu Empfehlungen führen, die sich an Alltagsbedingungen orientieren – und nicht mehr umgekehrt. Diese Empfehlungen sollten – wie es insbesondere in „Mahlzeit, Kinder!“ und „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ gelingt – so offen gefasst sein, dass diese an den Alltag angepasst werden können. Gesundheit als Zusatznutzen präsentieren Einige der Ratgeber setzen (explizit oder implizit) das Prinzip um, Gesundheit als Zusatznutzen eines attraktiveren Zieles zu präsentieren. Der Ratgeber „Wie Ihr Kind abnehmen kann“ thematisiert offen diese Strategie und fordert die Leserschaft dazu auf, für Kinder attraktive Ziele statt der ,banalen Gesundheit‘ in den Vordergrund zu stellen. Der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ verknüpft das Ziel ,Entlastung durch Zeit sparen‘ mit einer gesunden Ernährung und setzt dieses Prinzip umfassend um. Auch in anderen Ratgebern findet sich dieses Prinzip, wenn auch weniger offensichtlich
6 Fazit und Ausblick
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und ausführlich. Wenn Gesundheit nicht mehr als einziges Ziel von Ernährung verstanden wird, könnten auch andere Ziele in den Vordergrund rücken, die für die jeweilige Zielgruppe besonders attraktiv scheinen. So könnte der Bereich der Zeitersparnis in verschiedene Richtungen erweitert werden, bspw. im Hinblick auf Einkaufsmöglichkeiten (z. B. ,schnelle Supermarktküche‘) oder ConvenienceProdukte (,fittes Fast Food‘). Über das Prinzip des Zusatznutzens könnten auch Nachhaltigkeitsaspekte besser integriert werden, die sonst unter Umständen ebenfalls zu alltagsfern erscheinen. Ein mögliches Konzept würde dann Zeitsparen mit dem Zusatznutzen einer nachhaltigen Ernährung verbinden – Punkte, die sich nicht widersprechen müssen, wie bspw. im Hinblick auf regionale Kost (Gemüse-Abo vom Biobauern) deutlich wird. Denn was die Ratgeber überwiegend vermissen lassen, ist die Thematisierung ökologischer oder gar nachhaltiger Aspekte von Ernährung. Auch Rezepte könnten stärker unter dem Aspekt des Zusatznutzens systematisiert werden, ähnlich wie das „Mahlzeit, Kinder!“ oder auch „Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ umsetzen. Eine Systematisierung nach bspw. saisonaler Verfügbarkeit, wie es schon in vielen Kochbüchern üblich ist, könnte die Umsetzung einer nachhaltig orientierten Ernährung erleichtern. Integration der Alltagsperspektive In den Ratgebern wird die Sichtweise von Menschen als Experten ihres eigenen Alltags zunehmend umgesetzt. Um auch eine bessere Integration der Alltagsperspektive zu gewährleisten, könnten Experten-Workshops die Grundlage für die Konzeption neuer Ratgeber darstellen, wie das bei der Entstehung von „Mahlzeit, Kinder!“ geschehen ist. Die Impulse von Alltagsakteuren bestimmter Zielgruppen, bspw. berufstätige Mütter oder Singles, könnten Einblicke in deren Bedürfnisse und Erwartungen hinsichtlich des Ratgebers liefern. Außerdem bestünde so die Möglichkeit, auch Werthaltungen und kulturelle Aspekte der Zielgruppe zu integrieren. Dies könnte zumindest über die Aufnahme von beliebten und alltagsgerechten Speisen geschehen (vgl. das Konzept Food Literacy, bei dem die Teilnehmenden gemeinsam ein Kochbuch erstellen). Darstellung unterstützender Umfeldfaktoren Eine Thematisierung von Unterstützungsmöglichkeiten im Umfeld findet in den Ratgebern unterschiedlich ausgeprägt statt. Meistens beschränkt sie sich auf die Nennung von beratenden Institutionen. Stattdessen könnten Umfeldfaktoren dargestellt werden, die das konkrete Handeln erleichtern (hier ist wiederum der Ratgeber „Mahlzeit, Kinder!“ zu nennen). So könnte die Nennung von gesundheitlich emp-
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fehlenswerten Convenience-Produkten Orientierung für eine schnelle und trotzdem den Empfehlungen entsprechende Ernährung liefern. Aktuell setzt dies der Ratgeber „Familie in Form“ um, der von der Verbraucherzentrale NRW und der Stiftung Warentest herausgegeben wird (von Cramm 2006). Verbindung von Handeln und Information Die im Fall von „Gewicht im Griff“ praktizierte Verbindung von Printmedium und begleitendem Kurs könnte auch auf andere Ratgeberbereiche ausgedehnt werden. Damit könnten zwei positive Entwicklungen erreicht werden: Zum Einen würde der Fokus so stärker auf dem Handeln liegen, zum Anderen könnten so unter den Kursmitgliedern Netzwerke initiiert werden, die Unterstützung im Alltag bieten können. Unter der Prämisse, dass gerade Menschen bildungsferner und benachteiligter Schichten weniger gut über Printmedien zu erreichen sind, könnte eine Verbindung von Kurs und Ratgeber (unter Berücksichtigung des Setting-Ansatzes) ebenfalls eine gute Alternative sein. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse liefern nicht nur Impulse für die Konzeption von Printratgebern, sondern auch darüber hinaus für andere Maßnahmen einer künftigen Ernährungskommunikation. Da Printratgeber eher von Menschen genutzt werden, die aktiv Informationen nachfragen, sollten in Zukunft verstärkt Massenmedien und hier besonders das Fernsehen genutzt werden. Populäre Sendeformate wie Kochshows stellen hier eine Möglichkeit dar (vgl. auch Spiekermann 2005:54), da hierüber breite Teile der Bevölkerung angesprochen werden und eben auch solche Gruppen, die nicht aktiv Informationen nachfragen. Die Unübersichtlichkeit im Lebensmittelmarkt stellt laut der Verbraucherzentrale NRW einen Hinderungsgrund für bewusste Produktentscheidungen dar. Statt die Alltagsakteure durch ständige Aufklärung für diesen ,Warendschungel‘ fit zu machen, sollte eine bessere Kennzeichnung der Lebensmittel den Einkauf erleichtern. Sie stellt eine wichtige Voraussetzung für bewusste Entscheidungen dar. So könnten Siegel für regionale Herkunft oder Freilandgemüse (vgl. auch „Bärenstarke Kinderkost“) ein nachhaltiges Ernährungshandeln erleichtern (vgl. auch Hayn 2008). Da die Bundesregierung derzeit eher auf freiwillige Aktionen der Unternehmen setzt, sind erste Entwicklungen vermutlich von dieser Seite zu erwarten (BMELV o. J.:3). Künftiger Forschungsbedarf Wie in der Debatte immer wieder gefordert wurde, kann eine neue Ernährungskommunikation nur aufgrund einer veränderten Forschungsperspektive zustande kommen, die Ernährung ganzheitlich und vor allem alltagsnah erforscht. Der geforderte Perspektivwechsel scheint dafür unerlässlich, ebenso wie die grundlegende Klärung
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der Fragen nach dem Ziel und was eine ,wirksamere‘ Ernährungskommunikation überhaupt bewirken soll. Dies gestaltet sich über die Forschung hinaus als eine gesellschaftliche Aufgabe aller Akteursgruppen. In diesem Rahmen kommen der Ernährungsforschung verschiedene Aufgaben zu. Dringender Bedarf besteht hinsichtlich umfassender und langfristiger Evaluationsmaßnahmen. Nicht zuletzt kann nur so geklärt werden, ob die propagierte ,neue‘ Ernährungskommunikation wirksamer sein wird als die zuvor gescheiterte. Hier müssen sicherlich auch in finanzieller Hinsicht Prioritäten gesetzt werden. Aufbauend auf Evaluationsergebnissen können über transdisziplinäre Forschungsvorhaben Maßnahmen entwickelt werden, die die Alltagsperspektive stärker berücksichtigen. Konkrete Forschungsfragen ergeben sich unter anderem aus der unterschiedlichen Konnotation von ,Essen‘ und ,Ernähren‘ und deren konsequent getrennter Verwendung in den vorliegenden Publikationen. So könnte untersucht werden, ob und in welchem Maß die Verwendung dieser Begriffe Auswirkungen auf das Übersetzen von Empfehlungen in das Handeln haben.
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Anhang
Tabelle 2: Darstellung der Dimensionen mit den entsprechenden Kategorien und Unterkategorien Dimension
Kategorie
Unterkategorien
Beschreibung von Ernährung
Wie wird Ernährung charakterisiert?
Gesundheit, Schlankheit/Fitness, Geschmack, Wohlbefinden (allgemein), Ökologie, Lebensmittel, Nährstoffe, Mahlzeiten, weitere
Wird von Essen oder Ernährung geschrieben? Beschreibung von Sachinformationen
In welchem Kontext werden Nährstoffe beschrieben?
physiologische Funktion, Energiegehalt, Lebensmittel, Gerichte oder Mahlzeiten, Wohlbefinden allgemein
In welchem Kontext werden Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen beschrieben?
physiologische Funktion, Energie oder Nährstoffgehalt, Kocheigenschaften, Gerichte/Mahlzeiten, Aspekte des Ernährungsalltags, Geschmack und Gewohnheiten
In welchem Kontext wird der Verarbeitungsgrad beschrieben?
physiologische Funktion, Energie oder Nährstoffgehalt, Zeit, Umwelt, Gesundheit, Geld Geschmack
In welchem Kontext wird die Zubereitungsart thematisiert? In welchem Kontext werden Informationen über Übergewicht/Adipositas vermittelt?
Ernährung, Lebensmittel und Mahlzeiten, Bewegung, weitere
Auf welche Quellen und Institutionen bezieht sich der Ratgeber? Welche Aspekte werden im Zusammenhang mit Ernährungshandeln im Alltag thematisiert?
Zeit, Umwelt, Geld, Praktische Fertigkeiten und Kompetenzen allgemein (Fortsetzung auf S. 186)
A. Steinberg, Scheitert die Ernährungskommunikation?, DOI 10.1007/978-3-531-93179-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
186
Anhang
Tabelle 2: Fortsetzung Dimension
Kategorie
Beschreibung von Rahmenbedingungen
Welche Aussagen werden zu politischen und institutionellen Rahmenbedingungen getroffen?
Unterkategorien
Wie werden der Markt und das Marktangebot beschrieben? Beschreibung von Gewohnheiten
Welche Aussagen werden zu individuellen Gewohnheiten getroffen? Welche Aussagen werden zu gesellschaftlichen Traditionen und Verhältnissen getroffen?
Zielgruppe einschließlich gendersensible Gestaltung
Wie wird die Zielgruppe angesprochen? Wie wird die Zielgruppe beschrieben? Wie werden Lebenssituationen allgemein beschrieben?
Autorinnen und Herausgeber
Welche Informationen werden über sie geliefert? Welche Professionen haben an dem Ratgeber mitgewirkt?
Rezepte
Welche Aspekte wurden bei der Auswahl der Rezepte berücksichtigt?
Zeit, Geld, Umwelt, Geschmack/ Vorlieben, Gesundheit, Variationsmöglichkeiten
Nach welchen Aspekten kann auf sie zugegriffen werden? Formale Struktur
Cover
Auf was nimmt das Titelbild Bezug? Auf was nimmt der Titel Bezug? Welche Informationen erhalten die Leserinnen und Leser? (Fortsetzung auf S. 187)
187
Anhang
Tabelle 2: Fortsetzung Dimension
Kategorie
Unterkategorien
Umfang und Aufbau
Welchen Umfang hat der Ratgeber? Wie ist der Aufbau des Ratgebers?
Feinstruktur Bebilderung Sprache
Wie ist das Sprachniveau? Wie werden Fachbegriffe verwendet? Sprachliche Besonderheiten Welche Personenbezeichnungen werden verwandt?
188
Anhang
Tabelle 3: Ausgewählte Informationen über die analysierten Ratgeber Ratgeber (letzte Auflage)
Herausgeber
Jahr der ersten Auflage/ Auflagen gesamt
Vertrieb
„Gewicht im Griff“ (2008)
vz NRW
1985 13 (2008 komplette Überarbeitung)
vz Buchhandel
„Gesunde Ernährung von Anfang an“ (2008)
vz Hamburg
1986 16
vz
„Bärenstarke Kinderkost“ (2005)
vz NRW
1994 9
vz Buchhandel (geplant)
„Mahlzeit, Kinder!“ (2004)
vz NRW
1998 3
vz Buchhandel
„Vollwertküche“ (2003)
vz NRW
2000 2
vz
„Gesunde Ernährung für Mutter und Kind“ (2007)
vz NRW
2007 1
vz Buchhandel
„Wie Ihr Kind abnehmen kann“ (2005)
vz NRW
2005 1
vz Buchhandel
189
Anhang
Umfang (Seiten)
Zielgruppe
Inhalt und Besonderheiten
256
übergewichtige Erwachsene
Konzept aus zehn Schritten zur Gewichtsreduktion Arbeitsmaterial des gleichnamigen Kurses der vz NRW Teilnehmer-Reflektionen gehen in Neuauflagen mit ein
88
Eltern von Neugeborenen und Säuglingen
Informationen zu gesunder Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern und Allergieprophylaxe
160
Eltern mit Kindern im Alter von 2–14 Jahren
Informationen zu gesunder Kinderernährung mit Fragen aus der Beratungspraxis der vz großer Rezeptteil
128
Eltern mit wenig Zeit
Informationen zu gesunder Kinderernährung unter dem Aspekt Zeitersparnis Außer-Haus-Betreuung großer Rezeptteil Ergebnis eines Eltern-Workshops
240
Erwachsene
Grundsätze der Vollwert-Ernährung mit Schwerpunkt „Vollwertig feiern“ großer Rezeptteil
192
Werdende Mütter
Information über Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und Säuglingsernährung großer Rezeptteil
224
Eltern übergewichtiger Kinder
Konzepte zur Umsetzung einer gewichtsfreundlichen Ernährung Fokus: Gewohnheiten und Bedürfnissen übergewichtiger Kinder