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Mein letzter Fall? Teil 1 von Jason Dark, erschienen am 08.12.1986, Titelbild: Vicente Ballestar Ich blickte auf meine Uhr. Genau eine Minute vor Mitternacht. Sechzig Sekunden bis zur Tageswende. Dann begann die Geisterstunde. Auch Lilian Whyler hatte meinen Blick bemerkt. Wir saßen uns in dem kleinen Wohnraum gegenüber. Auf dem runden Tisch standen gefüllte Weingläser. Ich hatte an meinem Getränk nur genippt. »Noch eine Minute«, hauchte sie. »Ja.« Viel war zwischen uns nicht gesprochen worden. Aber wir spürten die Spannung, die sich ausgebreitet hatte und uns beide bedrückte. Lilian Whyler arbeitete als Verkäuferin in einem Warenhaus. Viel verdiente sie nicht. Es reichte gerade, um die Wohnung bezahlen zu können und um sich und ihren Sohn durchzubringen. Ihr Mann hatte sie vor vier Jahren verlassen. Er war zur See gefahren und einfach nicht zurückgekehrt. Angeblich sollte er in Rio geblieben sein. Die Frau mußte ungefähr so alt sein wie ich. Ihr Gesicht war von scharfen Falten gezeichnet. Auch ihre Hände bewiesen, daß sie hart hatte arbeiten müssen.
Manchmal nahm sie einen Schluck Wein. Auch jetzt wieder. Mit einem Zug leerte sie das Glas. Dann stand sie auf. Mit einer automatischen Bewegung strich sie den geblümten Stoff des Sommerkleides glatt. Es hatte einen viereckigen Ausschnitt. Auf der Haut wuchsen zahlreiche Sommersprossen. Sie waren ebenso fahl wie die einstmals blonden Haare. Noch zwanzig Sekunden! Auch ich erhob mich. Lilian ging vor mir her zur Tür. Dort blieb sie stehen, eine Hand auf die Klinke gelegt. Sie sah mich fragend an, ich aber nickte. »Wir werden es gemeinsam durchstehen.« »Ja, das hoffe ich. Ich habe es immer wieder erlebt. Peter wird auch in dieser Nacht schreien.« Peter war ihr zwölfjähriger Sohn. Seinetwegen war ich eigentlich hier, um ihn drehte sich alles. Seit einigen Tagen schon hatte Lilian Whyler bei uns im Büro angerufen. Glenda Perkins hatte sie stets vertrösten müssen. Nun hatte ich mir endlich die Zeit nehmen können. Der letzte Fall in Deutschland lag hinter mir. Dabei war ich in eine lebensgefährliche Lage geraten, und wäre da nicht ein Mädchen namens Ute Bender gewesen, hätte es mich nicht mehr gegeben.* Es war nicht einfach für mich gewesen, dies zu verkraften. Überhaupt wird es irgendwann zur Qual, wenn man unter Dauerstreß steht und dem Tod so oft ins Auge schauen muß. Ich hatte an meine Vision immer wieder denken müssen, die mich überfiel, als ich auf dem Bett gelegen hatte. Da hatte ich einen Grabstein gesehen, auf dem mein Name stand. Auch jetzt fiel sie mir wieder ein. Lilian Whyler sah mir an, daß etwas nicht stimmte. »Haben Sie was?« »Nein, es ist alles okay. Ich dachte nur gerade über eine bestimmte Sache nach.« »Dann können wir?« »Ja, es wird Zeit.« Sie öffnete die Küchentür, so daß wir hinaus in den kleinen Flur treten konnten. Er war wirklich sehr schmal, man konnte sich kaum drehen. Dafür zweigten zwei Türen zu anderen Räumen ab. Einmal in das winzige Bad. Zum zweiten in den Wohn-/Schlafraum, in dem Peter Whyler lag und noch schlief. Der Linoleumbelag war wellig geworden. Im Flur brannte eine Wandleuchte. Ihr fahles Licht verdeckte gnädig den schlechten Zustand der Wohnung. In dem größeren Zimmer sah es auch nicht anders aus.
* Siehe Sinclair Band 439:»Das Folterbett«
In einem Raum leben, kochen und schlafen ist nicht gerade ein Vergnügen. Fünf Sekunden noch! Lilian Whyler hatte die Tür geöffnet. Auf Zehenspitzen betrat sie das Zimmer. Sie hätte auch normal gehen können, von ihrem Sohn wäre sie kaum gehört worden. Er lag in seinem Bett und schlief. Tagsüber war es eine Couch. Sie wurde am Abend in eine Schlafstätte verwandelt. Lilian Whyler blieb nahe der Tür stehen. Ich wollte nicht und schob mich an ihr vorbei. »Aber erschrecken Sie sich nicht, Mr. Sinclair. Das fängt sehr plötzlich an.« »Danke, ich bin vorbereitet.« Neben dem Bett blieb ich stehen. Es war zu dunkel, um den Jungen erkennen zu können. Ich sah nur seine Umrisse. Er lag nicht unter der Decke, sondern hatte sich auf sie gelegt und ein Bein angezogen. Sein Gesicht malte sich schemenhaft unter den dunklen Haaren ab. Es war Mitternacht, und er schrie nicht! Die Sekunden verrannen. Ich beobachtete einmal das Zifferblatt meiner Uhr, zum anderen den Jungen. Er lag ruhig, und seine Mutter, die ebenfalls bemerkt hatte, daß die Zeit überschritten worden war, trat kopfschüttelnd näher. »Das begreife ich nicht!« hauchte sie. »Er hat doch immer . . .« »Stopp!« flüsterte ich, da ich festgestellt hatte, daß etwas mit dem Jungen geschah. Er atmete heftiger. Schwer holte er Luft, als würde auf seiner Brust der schreckliche Alp sitzen, wie ich ihn bei meinem letzten Fall erlebt hatte. Über seine Lippen strömte ein leises Keuchen. Wenn mich nicht alles täuschte, lag bereits eine Schweißschicht auf seiner Stirn. Der Traum kam . . . Ein Wahrtraum? Ich wußte nur bruchstückhaft Bescheid und hoffte intensiv, in den folgenden Sekunden mehr zu erfahren. Lilian Whyler stand neben mir. Ihre Hand lag auf meiner Schulter, die Finger waren dabei gekrümmt. Irgendwann mußte sie ein paar Tropfen Parfüm auf ihre Haut gegeben haben, denn der Duft wehte in meine Nase. Peters Hände bewegten sich. Er öffnete und schloß sie. Auch sein Kopf blieb nicht ruhig. Ungestüm warf er ihn von einer Seite auf die andere, während sich sein Mund öffnete. »So ist es immer gewesen!« hauchte seine Mutter. »Ja, so hat es stets angefangen.« Ich enthielt mich eines Kommentars, denn ohne Vorwarnung schnellte der Körper des Jungen hoch. Peter stand jedoch nicht aus dem Bett auf, er blieb in seiner sitzenden Haltung, aber mit offenem Mund.
Und er begann zu schreien. Es war furchtbar. Zunächst leise nur, fast wimmernd oder jaulend, dann verstärkt, übergehend in ein Heulen, als hätte ein Wolf Angst, von der Kugel eines Jägers getroffen zu werden. Das waren keine menschlichen Laute mehr! Aus diesem Schrei des Jungen sprach vieles, doch alle Eigenschaften konnte man meiner Ansicht nach mit einem einzigen Begriff umschreiben. Todesangst! Er lebte, er schlief, er träumte, und er mußte, wenn man diesen Schrei korrekt interpretierte, Todesängste ausstehen. Noch immer hielt sich seine Mutter neben mir auf. Ihr Griff an meiner Schulter war schmerzhafter geworden. Die Fingerkuppen gruben sich hart in das Fleisch über dem Knochen und drückten es zusammen. »So war es immer!« rief sie, um das Schreien zu übertönen. »So war es immer. Nächtelang habe ich mir das anhören müssen. Einfach furchtbar.« Ich nickte. Neben mir wendete Lilian ihren Blick ab. Ihre Schultern bebten. Dieses Schreien anzuhören, war schon für mich fürchterlich. Wie schlimm mußte es dann erst für die Frau sein, deren erogener Sohn da Qualen litt. Nach wie vor saß er aufrecht im Bett. In einer steifen Haltung, den Rücken durchgedrückt, die Augen verdreht, den Mund weit geöffnet. Er sah aus wie jemand, der irgendwohin starrte und ein Bild sah, das nur er erkennen konnte. Vielleicht hatte er diesen Alptraum. Möglicherweise sah er schrecklich« Szenen, die sein eigenes Unterbewußtsein hochspülten. Es konnte auch sein, daß er in einer Erinnerung lebte und von irgendeinem Dämon geleitet wurde. Diese Möglichkeit erschien mir wahrscheinlicher. Von seiner Mutter wußte ich, daß sein Schreien erst verstummte, wenn eine Stimme das Wort aufhören gerufen hatte. Wer dieser Mann war, zu dem die dumpfe Stimme gehörte, wußte die Frau nicht. Sie hatte sie nie zuvor gehört, nur dann, als ihr Sohn so laut brüllte. Ich wunderte mich über die Energie, die in dem Jungen steckte. Ein anderer, auch ein Erwachsener, wäre längst zusammengebrochen. Noch immer jagte mir sein Schreien Schauer über den Rücken. Ich wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, doch bei diesem furchtbaren Erlebnis kommt einem jede Sekunde doppelt so lang vor. Lilian Whyler weinte. Sie hielt die gekrümmte Hand vor die Augen gepreßt. Ihr Schluchzen klang trocken. Einige Male mußte sie hart schlucken, dann wiederum schüttelte sie den Kopf, als könnte sie all diesen Schrecken nicht fassen.
Peter schrie in einem fort. Die Tonlage hatte sich verändert. Sie war um eine Oktave nach unten gerutscht, aber die kalte Haut auf meinem Rücken blieb nach wie vor. Nur wenige Menschen konnten so schreien. Und wenn sie es taten, zerplatzten manchmal die Gläser in ihrer unmittelbaren Umgebung. Hier war nichts dergleichen geschehen. Vielleicht hatte die Mutter auch alles Glas aus dem Zimmer entfernt. Allmählich nur klang es ab. Die hohen Töne verschwanden. Peter bewegte sich jetzt. Seine Hände glitten über die Decke. Die Finger hatte er gekrümmt. Ähnlich wie eine Katze mit ihren Krallen, so kratzte er über den Stoff. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er aufhören wollte zu schreien, es aber nicht konnte, weil die für mich unbekannte Kraft stärker war und ihn noch immer antrieb. »Gleich«, sagte Lilian Whyler und faßte noch fester zu. »Gleich ist es soweit.« »Die Stimme?« Sie nickte mit zusammengepreßten Lippen und sah sich danach im Zimmer um, als würde der Rufer dort bereits stehen und nur darauf warten, das eine Wort zu rufen. Lilian Whyler verkrampfte sich. Ihr Gesicht war verzerrt. Sie duckte sich und preßte ihre Bemerkung hervor. »Jetzt!« Und sie hatte recht. Aus dem Zimmer, von der Decke, aus allen Wänden und sogar aus dem Fußboden dröhnte die unheimlich klingende Stimme, die meine Gänsehaut noch verstärkte. »Aufhören!« Es war nicht der Klang der Stimme, die mich so hatte reagieren lassen, sondern das Wissen um den Rufer. Ich kannte ihn, hatte oft genug mit ihm im Kampf gelegen, denn er war mein Todfeind. Asmodis hatte den Befehl gegeben! *** Oder auch der Teufel! Beide waren identisch. Man hätte auch Satan sagen können oder Scheitan. Auch Höllenprinz wäre nicht falsch gewesen, und ich konnte nur nicken, was Lilian Whyler nicht entging. »Kennen Sie die Stimme?« Sie hatte normal gesprochen, aber in der Stille klangen ihre Worte laut. »Ja, ich kenne sie.« »Und wer ist es?«
»Tut mir leid, aber genau kann ich Ihnen das nicht sagen.« Ich hatte bewußt zu dieser Notlüge gegriffen, da ich einen Schock bei ihr vermeiden wollte. Sie fragte auch nicht mehr weiter nach und schaute zu, wie ich an das Bett herantrat. Peter Whyler saß nicht mehr. Er befand sich in Bewegung und glitt sehr steif nach hinten, um eine liegende Position zu erreichen. So wie ich ihn zuerst gesehen hatte, blieb er liegen, auf dem Rücken, den Blick zur Decke gerichtet. Er war jedenfalls wach. Ich setzte mich auf den Rand des Betts und spürte die viel zu weiche Matratze unter mir. »Soll ich das Licht einschalten?« fragte Lilian Whyler. »Nein, lassen Sie mal.« »Aber ich kann , eine kleine Lampe . . .« »Okay.« Ich hörte ihre Schritte, als sie an dem Bett vorbeiging. Wenig später hatte sie eine Wandleuchte eingeschaltet. Sie sah aus wie ein Wasserkran, an dem eine Kugel hing und traurig in die Tiefe starrte. Staubpartikel umtanzten die Kugel. Mrs. Whyler schob sich einen Stuhl zurecht und setzte sich so hin, daß sie mich und ihren Jungen im Auge behalten konnte. Ich kümmerte mich nicht um sie und beobachtete einzig und allein Peter. Sein Gesicht war rundlich. Er trug das Haar modisch kurz und hatte trotzdem keine Koreabürste, wie man die Frisuren früher genannt hatte. Das Gesicht wies Ähnlichkeit mit dem seiner Mutter auf. Als weiße Streifen malten sich die dünnen Träger des Unterhemds auf seiner Schulter ab. An ihm war wirklich nichts Besonderes festzustellen, dennoch mußte in seinem Innern ein Dämon stecken oder eine Hölle toben. Nicht umsonst hatte er auf das Kommando des Teufels gehört. Welches Spiel wurde hier getrieben? War es Asmodis gelungen, sich Zugang zu seiner Seele zu verschaffen? Die Anzeichen deuteten darauf hin. Mich machte dies nervös. Ich konnte es auf keinen Fall vertragen, daß sich Menschen unter der verdammten Knute des Satans befanden. Manche holte er sich wie ein Raubtier seine Beute, andere kamen freiwillig zu ihm. Da Peter Whyler auf den Teufel gehört hatte, mußte er irgendwann auch Kontakt mit ihm gehabt haben. Genau das war der springende Punkt. Ich mußte herausfinden, wo dies geschehen war. Noch ließ ich mein Kreuz stecken. Vielleicht redete er auch, ohne meinen geweihten Talisman zu sehen. Ich faßte ihn an. Er zuckte nicht einmal zusammen. Obwohl er die Augen offen hatte, schien er zu schlafen. »Peter!« sagte ich leise. »Peter, hörst du mich?«
Seine Antwort war ein Brummen. Es klang leicht ungelegen oder wütend. Anscheinend wollte er nicht geweckt werden. »Peter!« Meine Stimme hatte drängender geklungen. Ich konnte ihn einfach nicht schlafen oder träumen lassen. Sein Kontakt mit dem Satan war zu intensiv gewesen. »Ja?« »Kannst du alles verstehen, was ich sage?« »Ich will nicht.« »Doch, Peter, du mußt. Tu uns den Gefallen, werde wach oder reiß dich zusammen. Es ist wichtig.« »Nein . . .« Der Junge wirkte ungemein lethargisch, als stünde er unter Drogen. Seine Mutter stand auf und trat zu uns. »Er will nicht reden, ich kenne das. Oft genug habe ich versucht, mit ihm zu sprechen. Es erging mir wie Ihnen, ich habe es nie geschafft. Er war nach diesem schrecklichen Schreien so erschöpft, völlig down, richtig ausgelaugt.« Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was man dagegen tun kann.« »Und am anderen Morgen?« fragte ich. »Wie war es dann?« »Da reagierte er normal.« »Nicht bedrückt?« Lilian Whyler verzog das Gesicht. »Nun ja, das ist so eine Sache, wissen Sie.« Sie strich das Haar zurück. »Er war immer ein Morgenmuffel, deshalb kann ich das nicht so genau sagen.« »Schon gut.« Der Junge würde auf meine Fragen nicht reagieren, deshalb mußte ich es mit dem Kreuz versuchen, auch wenn diese Art ein gewisses Risiko beinhaltete. »Gehen Sie bitte wieder auf Ihren Platz«, bat ich Lilian Whyler. Sie spürte, daß sich etwas verändert hatte, hob die Arme und preßte die Hände gegen ihr Kinn. »Was haben Sie vor, Mr. Sinclair?« »Ein Experiment.« »Ist es gefährlich?« »Nein, nein.« Sie glaubte mir nicht und ging nur sehr zögernd zu ihrem Sitzplatz, auf dem sie sich niederließ. Ich kümmerte mich um den Jungen. Diesmal intensiver, denn ich holte mein Kreuz hervor. Lilian Whyler mußte mir über die Schulter geschaut haben, denn sie sagte: »Sie haben ja ein Kreuz.« »Sicher.« »Setzen Sie es auch ein? Was wollen Sie damit?« »Bitte, Mrs. Whyler, was auch immer geschieht, halten Sie sich raus! Lassen Sie mich nur machen.«
»Wenn Sie meinen.« Ich schob meine Hand näher an das Gesicht des liegenden Jungen heran. Noch reagierte er nicht, er nahm es einfach nicht wahr oder wollte es nicht wahrnehmen, aber ich berührte mit der oberen Kante seine Wange. Da zuckte er zusammen. So heftig, daß selbst ich erschrak. Der Mund verzerrte sich. Ich brachte ' das Kreuz sofort aus seiner Sichtweite und sah ihm in die Augen. »Hallo, Peter.« Jetzt war er wach. Zwar zeigte er sich noch irritiert, aber er konnte bereits Fragen stellen. »Wer . . . wer sind Sie?« »Ein Freund.« »Nein, ich kenne Sie nicht. Wo ist meine Mutter?« »Ich bin hier, Peter. Ganz in deiner Nähe. Ich achte auf dich. Ich passe schon auf.« »Aber was wollt ihr? Weshalb habt ihr mich geweckt? Ich habe doch geschlafen.« Er wollte sich aufrichten. Meine Hand drückte ihn wieder zurück. »Hast du wirklich geschlafen, Peter?« »Ja, wieso nicht?« »Hast du nicht geträumt?« »Ich?« Ich räusperte mich. »Denk mal nach. Vielleicht fällt dir dein Traum ein.« Der Junge bewegte unruhig die Hände. Hin und wieder zuckte ein Lächeln über sein Gesicht. Es war nicht fröhlich, mehr verlegen, weil er nicht wußte, was er sagen sollte. »Hast du nicht geträumt?« »Vielleicht. . .« »Erinnerst du dich?« »Nein, überhaupt nicht. Ich erinnere mich nicht.« Er sprach hastig und hektisch. < »So war es immer«, meldete sich seine Mutter. »Er hat mir nie etwas berichten können.« Ich strich über meine Stirn. Eigentlich hatte ich das Kreuz nur für den Notfall hervorgeholt. Jetzt aber mußte ich es ihm zeigen! Ich zog es aus der Tasche, brachte meine Hand in die Nähe seines Gesichts, so daß er es einfach sehen mußte. Dabei ließ ich ihn nicht aus den Augen. »Siehst du es?« »Ja!« »Und was spürst du?« Das »Ja« hatte er schon zögernd ausgesprochen. Jetzt allerdings preßte er die Lippen zusammen und schwieg. Er wollte einfach nichts mehr sagen und schüttelte liegend den Kopf.
Ich hielt das Kreuz auch weiterhin so, daß er es ansehen mußte. Als er die Augen schließen wollte, hielt ich mit einer scharfen Aussage dagegen. »Nein, du wirst es dir ansehen!« »Ich will aber nicht!« Er hatte keuchend gesprochen. Auf seiner Stirn bildete sich ein matter Schweißfilm. Das Kreuz in meiner Hand befand sich im Gegenlicht der Lampe, so daß es auch einen Schatten warf, der über das Gesicht des Jungen fiel. Der Teufel oder dessen Machenschaften hatten sich tief in der Psyche des Jungen festgesetzt. Sie brachen während des Schlafs durch. Jetzt hoffte ich, daß der Anblick meines Talismans seine Erinnerung aus den Tiefen hervorlockte. »Du willst es nicht mehr sehen, wie?« »So ist es.« »Gibt es einen Grund für dich, Peter? Jeder normale Mensch kann das Kreuz ansehen. Was hindert dich daran?« Er hob seinen rechten Arm und ließ ihn wieder fallen. »Ich kann es einfach nicht.« »Steckt er in dir?« »Wen . . . wen meinst du?« »Ich spreche vom Teufel«, sagte ich flüsternd und hoffte, daß Lilian Whyler nichts gehört hatte. Sie hatte es aber und fragte: »Was gibt Ihnen das Recht, so mit meinem Sohn zu sprechen? Was reden Sie da vom Teufel?« Kurz drehte ich den Kopf. »Halten Sie den Mund! Das hier ist meine Sache!« Sie wollte protestieren, hatte schon Luft geholt, sah aber meinen Blick und senkte den Kopf. Ich konnte mich wieder dem Jungen zuwenden. Er hatte sich verkrochen, zumindest versuchte er, die Decke so hoch zu ziehen, daß er sie über sein Gesicht streifen konnte. Das ließ ich nicht zu. Mit einer Hand hielt ich ihn fest. »Nein, so geht es nicht. Schau auf das Kreuz.« »Ich hasse es!« Er spie mir die Worte entgegen. Speichel sprühte aus seinem Mund. Er traf meine Wangen, was mich nicht weiter störte. Hart blieb ich am Ball. »Nicht du haßt das Kreuz. Er haßt es. Er, der in dir steckt, ohne daß du es zugeben willst!« »Bitte . . .« »Was ist mit ihm? Was ist mit dem Teufel?« Der Junge starrte mich an. Er blickte dabei über das Kreuz hinweg, um mir überhaupt in die Augen blicken zu können. Und ich bewegte das Kreuz nicht. Auf keinen Fall wollte ich, daß
er mir auswich. Wenn der Teufel sein Unterbewußtsein beeinflußt hatte, holte ich dies hervor, dann mußte er einfach reden. »Ja! Ja!« Fast hätte er die beiden Worte wieder so laut geschrien wie vorhin bei seinem Anfall. »Steckt er in dir, Peter?« »Jaaaa . . .!« Damit war mir schon viel geholfen. Er hatte es zugegeben, und ich würde auch noch mehr aus ihm herausholen. »Wie kam es, daß er mit dir Kontakt aufgenommen hat? Wie war dies möglich?« »Nimm das Kreuz weg!« »Nein, das lasse ich. Erst wenn du geredet hast. Ich will es wissen. Ich will alles wissen, verstehst du?« »Ja, aber . . .« »Kein aber, bitte.« Er quälte sich. Hinter mir hörte ich das laute Atmen seiner Mutter. Auch sie mußte Schlimmes durchmachen, denn die Verwandlung ihres Sohnes hatte ihr bestimmt einen Schock versetzt. »Wo hast du den Teufel getroffen, Junge? Wo hat er dich einfangen können?« »Auf der Straße!« stieß er plötzlich hervor. »Welche Straße?« »Die der Dämonen!« Ich war überrascht. »Was hast du gesagt? Die Straße der Dämonen?« »Ja oder der Teufel!« »Dann hast du sie richtig gesehen? Von Angesicht zu Angesicht?« »Ja . . .« »Und wie bist du dorthin gekommen?« erkundigte ich mich. »Ich kenne den Weg eben!« »Beschreib ihn mir!« »Ich habe ihn vergessen!« »Nein, Peter, ich glaube dir nicht. Du willst mir den Weg nicht erklären. Ist es so?« »Er hat es mir verboten!« »Was wollte er von dir?« »Mir die Hölle zeigen!« »Und du hast sie gesehen?« »Nur die Straße der Teufel, sonst keine. Dort lagen die Toten. Ich habe sie alle gesehen, es war furchtbar, und der Teufel hat gelacht und mir erzählt, daß ich jetzt in seinem Bann stehe. Ja, ich bin sein Kind geworden. Später werde ich einmal sein Diener.« »Wie bist du dorthin gekommen? Wie?« »Ich habe das Haus gesehen. Das alte Gut. Eine Komturei.« »Und wo war das?« »In Belgien. Da habe ich es kennengelernt.«
»Ist es schon lange her?« Die Antwort gab nicht er, sondern seine Mutter. »Nein, vor gut sechs Wochen.« Ich drehte mich um. »Was war da?« , »Die Jungen haben eine Klassenfahrt nach Belgien gemacht und waren dort auf Entdeckungsreise. Als er wieder in London war, kam er mir so verändert vor.« Ich nickte und steckte das Kreuz weg. Sofort entspannte sich der Junge. Seine Gesichtszüge erschlafften. Er stöhnte wohlig auf, und sogar ein Lächeln zuckte über seine Lippen. Im nächsten Moment schlief er ein. Ich stand auf und reckte mich. Vom langen Sitzen war ich steif geworden. Ohne mich um die Frau zu kümmern, verließ ich das Zimmer und ging in die Küche. Dort griff ich nach meinem Glas und trank einen Schluck Rotwein. Auch Lilian Whyler betrat., die Küche. »Haben Sie mal eine Zigarette für mich?« fragte sie. Ich gab ihr eine und zündete mir selbst auch ein Stäbchen an. Lilian Whyler ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zuckten, sie hob die Schultern, und ich wußte, daß sie noch immer nichts begriffen hatte. Aus ihren Worten sprach die Angst, als sie fragte: »Was sollen wir denn jetzt tun?« Ich lächelte knapp. »Sie bestimmt nichts.« »Sind Sie denn schlauer?« »Ja.« »Wieso?« »Ihr Sohn hat nicht nur Kontakt mit dem Teufel gehabt, er steckt sogar in ihm.« Ihr Lachen klang schrill. »Aber das ist doch nicht wahr. Den Teufel gibt es nicht, den kann es einfach nicht geben.« »Leider gibt es ihn, leider.« »Und Sie haben ihn schon gesehen?« fragte Mrs. Whyler erstaunt und ängstlich zugleich. Ich wedelte den Rauch zur Seite und umging eine konkrete Antwort. »Finden Sie sich damit ab, daß er existiert und daß er sich Ihren Sohn als Opfer ausgesucht hat.« In ihren Augen lag ein trauriger Glanz. Gleichzeitig auch Unverständnis. »Weshalb? Warum gerade meinen Sohn? Weshalb nicht irgendeinen anderen? Den Jungen aus der Nachbarschaft?« »Das werde ich noch herausfinden.« »Wie?« »Wo war Ihr Sohn mit der Schulklasse?« »In Belgien.« »In dieser Komturei?«
»Nein, das nicht. Sie haben in einem Landschulheim Ferien gemacht. Die Komturei hat sich wohl in der Nähe befunden. Es soll ein sehr altes Gebäude sein und aus dem Mittelalter stammen, wie mir mein Sohn berichtete.« »Er hat also viel darüber gesprochen?« Sie winkte ab. »Im Prinzip hat er überhaupt nichts gesagt. Er redete viel, aber nichts Konkretes.« »Verstehe. Vielleicht wollte er auch nicht darüber reden, kann ich mir vorstellen.« »Das ist möglich.« »Ich muß natürlich noch einmal darauf zurückkommen. Die Komturei scheint mir sehr wichtig zu sein.« »Das kann ich mir vorstellen. Ich werde mal nachsehen. Es muß noch Unterlagen geben. Peter hat von seiner Klassenfahrt zahlreiche Prospekte mitgebracht.« Bevor sie das Zimmer verließ, hielt ich sie noch auf. »Wo genau waren sie denn da?« »In den Ardennen. Fast an der Grenze zu Luxemburg. Es soll eine sehr schöne Gegend sein, die zum Wandern einlädt.« »Ja, ich hörte davon.« Mrs. Whyler ging. Ich blieb mit meinen Gedanken allein in der Küche zurück. Auf mein Gefühl habe ich mich immer verlassen können. Und diesmal sagte es mir, daß es verdammt schwer werden würde. Hinter den wenigen Worten des Jungen, der vom Teufel beeinflußt worden war, steckte mehr, viel mehr. Auch wunderte ich mich darüber, daß gerade ich zu ihm gerufen worden war. Ich nahm mir vor, seine Mutter einmal genauer darüber zu befragen. Sie kam zurück und hatte nicht nur Prospekte mitgebracht, auch eine neue Flasche Wein. Sie war schon geöffnet. Während sie einschenkte und ich die Prospekte auf dem Tisch ausbreitete, fragte ich wie nebenbei: »Sagen Sie mal, wie sind Sie eigentlich auf mich gekommen? Weshalb haben Sie gerade mich angerufen?' Und dies nicht nur einmal, sondern schon fast verbissen.« Lilian Whyler stellte die Flasche zur Seite. »Das hat man mir so gesagt.« »Wer?« »Ich glaube sogar, jemand von der Polizei.« »Kennen Sie seinen Namen?« »Nein, nicht mehr. Ich rief beim Yard an und erkundigte mich.« »Hat Ihr Sohn etwas davon gewußt?« Sie nahm einen Schluck Wein. »Ja, ich sprach mal mit ihm darüber. Aber mehr allgemein.« »Was heißt das?«
»Nun, ich nannte nicht ihren Namen, Mr. Sinclair.« Sie umklammerte das Glas, als wollte sie den Wein wärmen. »Aber wieso ist das so wichtig für Sie?« »Alles in diesem Fall ist wichtig«, erklärte ich. »Sie sehen das als Fall an?« fragte sie mich mit unsicherer Stimme. »Natürlich.« Lilian Whyler nickte. Ihre Wangen zuckten. Hastig hob sie das Glas und trank. Danach fragte sie. »Was wollen Sie jetzt tun, Mr. Sinclair?« Ich sammelte die Prospekte ein. »Ich werde wahrscheinlich nach Belgien fahren und mir die Straße der Teufel einmal ansehen, auch die Komturei, von der Ihr Sohn sprach.« »Glauben Sie ihm denn?« »Natürlich, Mrs. Whyler. So etwas saugt man sich nicht aus den Fingern. Ich glaube kaum, daß jemand diese Phantasie besitzt. Hinzu kommt noch etwas. Peter hat einen Blick in die Hölle geworfen. Er hat zugegeben, vom Teufel beeinflußt zu sein. Das alles läßt mich zu dem Schluß gelangen, daß Peter nur der Anfang war. Hinter dem Fall steckt mehr, viel mehr, Mrs. Whyler.« »Ich kann es nicht glauben!« hauchte sie. »Nein, ich kann es einfach nicht glauben. Das ist zu unwahrscheinlich. Wie soll man das erklären?« Ich hob die Schultern. »Auch als Polizist ist man nicht allwissend. Aber ich bin sicher, daß ich es noch herausfinden werde. Darauf können Sie sich verlassen.« Als ich aufstand, erhob sie sich ebenfalls. »Ich finde es nicht gut, daß Sie mich allein lassen, Mr. Sinclair. Wissen Sie, daß ich schreckliche Angst habe?« »Das kann ich mir vorstellen.« »Und was tue ich dagegen?« Mein Lächeln fiel karg aus. »Ich kann Ihnen nur den Rat geben, dagegen anzugehen. Außerdem glaube ich nicht, daß Sie persönlich betroffen sind.« »Aber Peter.« Ich nickte. »Das ist in der Tat ein Problem, obwohl ich sicher bin, daß die Schrecken seines Alptraums irgendwann einmal beendet sein werden.« »Das sagen Sie so.« »Nein, spätestens zu dem Zeitpunkt, wenn ich es geschafft habe, den Fall zu lösen.« »Und das trauen Sie sich zu?« »Ja, Mrs. Whyler, es ist mein Job.« Mit diesen Worten verabschiedete ich mich auch gleichzeitig von ihr . . . ***
Ich war nach Hause gefahren und hatte mich nicht sofort hinlegen können. In meinem Kopf ging es rund. Die Gedanken jagten sich, und das hing nicht allein mit dem Jungen und dessen Aussagen zusammen, es war einfach das Gefühl, daß etwas Schreckliches auf mich zukommen würde. Einen konkreten Beweis dafür hatte ich nicht, aber der Druck blieb. Aus dem Kühlschrank holte ich mir eine Flasche Bier. Ich öffnete sie, nahm einen Schluck und wanderte mit der Flasche in der Hand durch die Wohnung. Ich zermarterte mir das Hirn. Man attackierte meine Freunde und mich von allen Seiten. Dem Dämon Magico war es gelungen, die Flammenden Steine fast zu vernichten. Der Eiserne Engel war verschwunden. Er hatte Kara und Myxin schmählich im Stich gelassen. Ich war einmal Hector de Valois, ein großer Templer, gewesen, dann Richard Löwenherz, eine Person von großem historischen Rang. Außerdem hatte ich harte Attacken der Hölle über mich ergehen lassen müssen, da brauchte ich nur an den Hexenkult zu denken und an das Hexentor, das Jane Collins hatte verschlingen sollen. Gab es da einen Zusammenhang? Wieder fiel mir die Vision ein. Ein Grabstein auf einem düsteren Friedhof. Der Stein war mit meinem Namen versehen. Vor Jahren hatte ich schon einmal Visionen gehabt. Ich hatte da eine Mühle gesehen und ein Dämonenauge sowie ein Horror-Taxi. Das alles war eingetroffen. Sollte das mit dem Grabstein sich auch bewahrheiten? Ich trank die Flasche leer. Zu einem Ergebnis war ich nicht gekommen. Aber ich wurde müde. Bevor ich ins Bett ging, duschte ich kürz den kalten Schweiß von meinem Körper. Auf dem Rücken blieb ich liegen. Meine Augen starrten gegen die Decke, die sich von der Dunkelheit des Zimmers als grauer Schatten abhob. Das Kreuz lag auf der nackten Haut. Ohne es eigentlich so recht zu wollen, legte ich meine Hand darauf und spürte sofort die Wärme, die von diesem edlen Metall ausging. Dieser Vorgang glich schon einer leichten Aktivierung. Aber wieso? Wie war es möglich? Ich wollte mich aufrichten, doch die Kraft dazu fehlte mir einfach. Etwas zwang mich nieder, das bleiern in meinem Körper steckte, und ich hörte plötzlich die Stimme in meinem Hirn, die das Kreuz als Verstärker benutzte, um gehört zu werden. »John Sinclair . . .!« Ich lauschte der Stimme nach und wußte im ersten Moment nicht so recht, wer sprach. »John . . .«
Diesmal rief man mich drängender. Und plötzlich wußte ich Bescheid, wer sich bei mir gemeldet hatte. Es war der Seher! Der Geist, der über vielem schwebte, der beobachtete, der Zusammenhänge viel besser erkannte, als ich es je vermocht hätte. Was wollte er von mir? »Du bist es?« Beim Gespräch mit ihm mußte ich meine Fragen gedanklich stellen. Man konnte sich mit ihm nicht unterhalten. »Wer sonst?« »Die Frage ist gut. Was möchtest du von mir?« »Ich will dich warnen.« Bevor ich weiterfragte, lauschte ich noch dem Klang seiner Stimme nach. Sie hatte einen traurigen Unterton gehabt, der mir überhaupt nicht gefiel. »Wovor willst du mich warnen?« »Vor dem Tod. Der Tod ist für die Menschen bestimmt. Auch für dich, John Sinclair.« Mein Herz begann heftig zu schlagen. Ich wagte kaum, die nächste Frage zu stellen. »Soll das etwa heißen, daß ich auf der Liste des Sensenmannes stehe?« »Du hast es etwas leicht ausgedrückt, aber ich kann dir nicht widersprechen!« »Ich werde also sterben?« Mein Gott, wie brannte ich auf diese Antwort und wünschte mir gleichzeitig, daß sie nicht gegeben wurde. Aber der Seher war ehrlich. Das gehörte einfach zu seinen Eigenschaften. »Ich möchte dir die Wahrheit nicht verschweigen, John, auch wenn es dir wehtun wird. Du bist für den Tod vorgesehen. Du hast das Ende deines Wegs erreicht. Man will dich töten.« »Woher weißt du das?« »Es gibt das Buch der grausamen Träume, wo auch dein Schicksal verzeichnet ist. Und ich habe noch nie davon gehört, daß diese Schrift gelogen hat. . .« Dieser letzte Satz hatte mich fertiggemacht. Das Buch der grausamen Träume kannte ich. Es hatte nicht nur unmittelbar mit mir zu tun, obwohl aus den letzten Seiten des Buchs eine Waffe entstanden war, die mir schon sehr oft geholfen hatte. Der silberne Bumerang! So mußte diese Schrift mir gegenüber positiv als auch negativ eingestellt sein. Wie immer ich dies auch interpretierte, eines stand jedenfalls fest. Das Buch der grausamen Träume log nicht! Sein Inhalt entsprach der Wahrheit.
Ich hatte mich für einige Zeit meinen Gedanken hingegeben und war auch vom Seher in Ruhe gelassen worden; Jetzt allerdings meldete er sich wieder. »Du weißt nun Bescheid, John?« »Ja. Aber was kann ich dagegen tun?« »Gibt es überhaupt einen Menschen, der sich gegen sein Schicksal anstemmen kann?« »So viel ich weiß, nein.« »Das wirst auch du nicht schaffen. Du mußt es hinnehmen, John Sinclair. So leid es mir tut.« »Und was kann ich dagegen machen?« »Nichts, gar nichts.« »Soll ich mich hier in meiner Wohnung vergraben und mit niemandem mehr sprechen?« »Das wäre falsch. Man würde dich holen. Wer immer auch dahintersteckt, er hat alles sorgfältig geplant. Er weiß, daß du ihm gefährlich werden kannst. Du hast in der letzten Zeit viel herausgefunden. Du weißt, daß du nicht zum erstenmal auf der Welt bist, und dein Weg hätte dich in die Vergangenheit geführt, wo du die Dinge erfahren hättest, die für die Gegenwart äußerst wichtig sind. Das will man verhindern. Die Hölle will eben triumphieren.« Ich hatte noch zahlreiche Fragen, weil ich davon ausging, daß der Seher mehr über mein Schicksal wußte, aber die Brücke zwischen ihm, dem Kreuz und mir wurde schwächer. »Ich mache also weiter wie bisher und als wäre nichts geschehen?« »Das mußt du, John Sinclair. Gib auf keinen Fall auf, hörst du? Nicht aufgeben. Du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen. Lenke dich ab, das ist am besten . . .« »Und du, Seher? Kannst du nichts für mich tun?« Ich hatte in Gedanken geschrien. »Ich? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Denke immer daran, daß auch meine Macht begrenzt ist, John Sinclair . . .« Was er noch hinzufügte, konnte ich nicht mehr verstehen. Die Worte klangen so, als hätte sie der Wind verschluckt, der aus der Unendlichkeit gekommen war. Aus, vorbei. Ich erwachte wie aus einem tiefen Traum, lag in meinem Bett, war naßgeschwitzt und atmete keuchend. Die letzte Nachricht hatte mich fast umgeworfen. Wie sollte es weitergehen? War es Bluff, was mir der Seher mitgeteilt hatte?
Nein, er bluffte nicht. Er gehörte zu den geheimnisvollsten Gestalten, die durch die Geschichte der Menschheit geisterten und deren Entwicklung beobachteten. Dabei wußte ich nicht einmal genau, wer er eigentlich war. Ich konnte nur Vermutungen anstellen und glaubte inzwischen, daß er sich aus drei Personen zusammensetzte. Aus drei Geistern, die viel wußten und ihr Wissen zu einem vereinigt hatten. Dieser Hinweis war mir schon vor längerer Zeit gegeben worden, als ich zum ersten Mal Lilith, dieser mächtigen Teufelin, begegnet war.* Allmählich wich meine Angst. Es blieb nur dieser Druck zurück, der auf meinem Brustkasten lastete. Vergeblich versuchte ich, an etwas anderes zu denken. Die Sache mit Peter Whyler kam mir plötzlich so weit weg vor. Sie war regelrecht bedeutungslos geworden. Oder gab es möglicherweise einen Zusammenhang? Eine Sache, die von langer Hand vorbereitet worden war? Auch daran mußte ich denken, aber ich durfte mich keinesfalls verrückt machen lassen. Zum Glück spürte ich die Müdigkeit. Und tatsächlich gelang es mir, tief und traumlos zu schlafen. Ein Schlaf, der schon fast einem Abgleiten ins Jenseits glich . . . * Siehe John-Sinclair-Paperback 73500: »HEXENKÜSSE«
*** Der Mann saß am Kopfende des langen Konferenztisches wie ein Denkmal und musterte die vier Männer, die sich in seiner Nähe niedergelassen hatten, aus kalten Augen. An der linken Seite des freundlich eingerichteten Raumes fiel helles Licht durch die Scheibe aus Panzerglas. Um nicht geblendet zu werden, war das Rollo herabgelassen worden, und das Sonnenlicht kroch nur noch in dünnen Streifen durch die Ritzen, wobei es sich auf dem Boden als Muster verteilte. Auch im Gesicht des Mannes rührte sich nichts. Wahrscheinlich hatte man ihm aus diesem Grund den Namen Granitgesicht gegeben, nur hütete man sich in seiner Umgebung, diesen Begriff auszusprechen. Ein jeder kannte die Grausamkeit und Härte des mächtigsten Londoner Mafiabosses, der Logan Cöstello hieß. Er war in der Stadt längst zu einer Institution geworden. Die Männer, die ihn jagten und in all den Jahren noch nicht gefaßt hatten, verglichen ihn mit einem dicken Krebsgeschwür, das sich immer mehr ausbreitete und auch nicht zu stoppen war. Cöstello beherrschte die Londoner Unterwelt, die er zudem mit eiserner Strenge regierte. Was es an organisiertem Verbrechen gab, lag irgendwie in seinen Händen. Ob Rauschgift,
Glücksspiel oder Prostitution, auch reine Wirtschaftsverbrechen bis hin zur Manipulation von Computern, er hatte alles im Griff. Daß dies so blieb, dafür sorgten seine Leute, die, sorgfältig von ihm ausgewählt, ebenfalls mit eiserner Strenge vorgingen und Widerstand sofort im Keim erstickten. Wenn die Leichen aus der Themse gefischt wurden, stand die Polizei machtlos da, ahnte zwar, auf wessen Konto die Verbrechen gingen, aber nie war es gelungen, Logan Cöstello etwas zu beweisen. Der hatte es immer wieder geschafft, sich den Hütern des Gesetzes zu entziehen. Dabei besaß er einen gewaltigen Vorteil! Dieser Vorteil war nur wenigen Eingeweihten bekannt. Von seinen Männern wußte kaum jemand etwas davon, dafür waren seine ärgsten Feinde informiert. Cöstello konnte sich als ein Günstling des Teufels bezeichnen. Früher war er die rechte Hand des Mordliga-Chefs Dr. Tod gewesen. Nach dessen Vernichtung hatte sich Asmodis seiner erinnert, um Cöstello hin und wieder für seine Zwecke einzuspannen. Und der Mafioso fuhr gut dabei. Seit der Satan ihn beschützte, tat ihm niemand etwas. Selbst sein ärgster Widersacher, ein gewisser John Sinclair, war noch nicht so nahe an ihn herangekommen, um ihn hinter Gitter zu bringen. Cöstello ging es also im Prinzip gut, obwohl er an diesem Tage sehr unzufrieden war. Das zeigte auch sein steinerner Gesichtsausdruck, denn er hatte die Unterlippe vorgeschoben, bei ihm ein Zeichen, daß die Gefühle auf Sturm standen. Einige Geschäfte liefen schlechter. Es ärgerte ihn maßlos, denn gerade die Prostitution hatte immer viel eingebracht. Diese Verluste konnten aus dem Rauschgift-Geschäft nicht wieder wettgemacht werden. An diesem Morgen hatte er die Verantwortlichen zusammengezogen und von ihnen Erklärungen erwartet, die ihn nicht zufriedenstellten. »Ihr müßt mehr tun«, sagte er. »Ich kann die riesigen Verluste nicht hinnehmen. Ist das klar, Chimmy?« »Ja, Sir.« Chimmy war der Mann, den es am härtesten getroffen hatte. Der SuperZuhälter hatte längst nicht mehr soviel abkassieren können wie noch vor Jahren. Er verteidigte sich wieder mit einem aus seinem Munde lahm klingenden Spruch. »Die Leute haben eben nicht mehr soviel Geld für Mädchen. Es wird nicht genügend verdient.« Wütend schüttelte Cöstello den Kopf. »Das ist Quatsch. Gebumst wird immer.« »Aber das . . .« »Kein Wort mehr übers Geld, Chimmy.« Der Mafioso knallte seine Faust auf den Tisch. »Das ist zweitrangig. Wenn weniger Geld vorhanden ist,
muß man das Geschäft eben so attraktiv gestalten, daß die Leute auch wieder kommen. Begreifst du das?« »Ja.« »Dann höre ich deine Vorschläge.« Chimmy begann zu schwitzen. Wenn Cöstello so sprach, sah es böse aus. Er kannte Leute, die keine Vorschläge gehabt hatten, sie waren, wie Cöstello zu sagen pflegte, unvorbereitet in die Konferenz gekommen, und so manch einer war nicht mehr gesehen worden. Der Zuhälter, solariumbraun, im weißen Leinenanzug und immer so aussehend wie ein Filmstar auf Urlaub, geriet ins Schwitzen, denn auch er hatte kein Konzept. Als er seine Hände unruhig bewegte, klirrten die Goldkettchen an seinen Gelenken. Da niemand redete, waren es die einzigen Geräusche, und Chimmy merkte sehr schnell, daß er störte. Deshalb hielt er die Hände ruhig. »Nun?« Chimmys Kopf lief rot an. »Ich habe alles versucht. Es sind neue Clubs gegründet worden, aber auch dort läßt das Geschäft nach. Anscheinend können wir den Leuten doch nicht soviel bieten. Und die Clubs haben zudem ihre Preise . . .« »Das ist klar.« »Sollen wir runtergehen?« Cöstello schüttelte den Kopf. »Nein, Chimmy. War das alles, was du mir vorschlagen wolltest?« »Natürlich nicht. Ich werde . . .« »Ach«, unterbrach Cöstello ihn mit sanfter Stimme. »Du willst erst noch. Ich habe erwartet, daß du es schon getan hast.« Der Mafioso nickte. »Wenn das so ist, muß ich umdenken.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ihr anderen könnt gehen. Ich möchte mit Chimmy noch einige Minuten unter vier Augen sprechen.« Das war es, vor dem sich der Zuhälter gefürchtet hatte. Wie eine Statue blieb er hocken. Die anderen erhoben sich. Manch bedauernswerter Blick traf ihn, sie alle wußten irgendwie Bescheid. Wenn Chimmy lebend den Raum verlassen konnte, hatte er großes Glück gehabt. Es wurde kein Wort mehr gewechselt. Die drei Männer zogen sich lautlos zurück. Cöstello und Chimmy blieben allein. Sie schauten sich an. Costellos Blick aus den grauen Augen war an sich nichtssagend. Nur in den Schächten seiner Pupillen glomm ein kaltes Licht. Es war die Flamme der Wut und auch des Hasses. Er fühlte sich von Chimmy verschaukelt. Da er seine Leute sehr hoch bezahlte, verlangte er auch Unmögliches von ihnen. Der Zuhälter rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Dabei rieb er die Hände über den weißen Leinenstoff der Hosenbeine und hinterließ dort feuchte
Flecken. Hin und wieder zuckte ein Augenlid nervös. »Hast du nichts mehr vorzuschlagen?« erkundigte sich Logan Costello. »Eigentlich schon.« »Laß hören.« »Ich denke da an den Heiratsmarkt. Ich bin dabei, dieses Gebiet zu erschließen. Mädchen aus Asien hole ich nach London, wo ich sie dann in die einschlägigen . . .« »Das kostet - oder?« »Sicher.« »Und wann haben sich diese Mädchen amortisiert? In zehn Jahren, vielleicht schon in acht, wenn sie verblüht und fertig sind? Dann haben wir sie nämlich am Hals. Nein, mein Freund, das alles ist mir viel zu risikoreich. Du mußt dir schon etwas Besseres einfallen lassen.« »Ich weiß, aber . . . aber . . .« Er wischte mit einem Tuch über seine Stirn. »Kann ich nachdenken?« »Deine Geschäfte gehen nicht erst seit heute zurück.« »Das stimmt.« »Deshalb hattest du Zeit genug, um nachzudenken. Ich habe nichts dagegen unternommen, als du dreimal im letzten Jahr nach Ibiza gereist bist, angeblich, um dort Nachschub auf zutun.« »Ich habe Mädchen bekommen.« »Wie viele waren es?« »Drei«, gab Chimmy kleinlaut zu. »Mehr nicht?« Die Stimme des Mafioso klirrte vor Kälte. »Drei Mädchen nur von drei kostspieligen Reisen. Dabei hattest du Kontakt zum Orient aufnehmen sollen. Es gibt einige Länder, die wieder scharf auf Europäerinnen sind. Sie müssen jung und blond sein. Das hätte uns Geld gebracht, aber nicht. . .« »Wir haben uns immer noch geeinigt«, rief Chimmy dazwischen. »Aber ich habe mich schon entschlossen«, erklärte Costello. »Ich werde dich töten!« Beiläufig sprach er dieses Todesurteil aus, und Chimmy wußte Bescheid. Seine Schultern begannen wie unter Peitschenhieben zu zucken. Und wie ausgepeitscht fühlte er sich auch nach diesen Vorwürfen. »Du mußt mir eine Chance geben, Boß!« Costello winkte ab. »Die hattest du.« »Noch eine.« Chimmy flehte seinen Boß an. »Bitte, nur noch eine Chance.« Der Mafioso schüttelte den Kopf. Da sprang der Zuhälter hoch. Er schnellte von seinem Platz, stieß noch gegen die Tischkante, und seine Hand raste unter das Jackett, wo er seine Waffe trug.
Er riß sie hervor und richtete die Mündung auf Costello. »Okay, Granitgesicht!« sagte er keuchend. »Du hast es nicht anders gewollt. Bevor ich mich von dir abservieren lasse, fährst du zur Hölle. Ich jage dir das bißchen Gehirn aus deinem Makkaroni-Schädel. Mit vielen hast du es machen können, mit mir nicht. Ich bin den anderen einen Schritt voraus, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.« Costello hob die Schultern. Er setzte sich jetzt bequemer hin. »Weißt du eigentlich, daß du mich nicht töten kannst?« Chimmy lachte rauh. »Bist du kugelfest, du Hund?« »So ähnlich.« Der Zuhälter schleuderte mit der freien Hand seinen Stuhl zurück, auf dem er gesessen hatte. »Das werden wir gleich haben, Costello. Schon in den nächsten beiden Sekunden. Ich bin gespannt. . .« »Sieh dich um!« »Was ist das für ein Trick?« »Es ist keiner!« Da Costello so gelassen blieb, wurde der Zuhälter-Chef unsicher. Aber er drehte sich nicht, sondern wartete noch ab. Etwas strömte in seine Nase. Ein scharfer Geruch, als wäre Schwefel verbrannt worden. Kalt rieselte es seinen Rücken hinab, und er spürte plötzlich, wie sich die Waffe in seiner Hand erwärmte. Von Sekunde zu Sekunde wurden sie heißer, um schließlich zu brennen. Als der Schrei über seine Lippen drang, öffnete er die Faust und ließ die Waffe fallen. Als glühender Klumpen landete sie auf dem Teppich und brannte ein Loch hinein. Chimmy wollte schreien, als er sah, wie plötzlich aus seiner Handfläche kleine Flammen hervorzuckten, sich ausbreiteten und unterhalb des Jackettärmels am Arm hochglitten. »Dreh dich um!« Erst jetzt befolgte er den Befehl. Auf der Stelle schwang er herum. Seine Augen wurden groß, als er die Gestalt sah, die er jetzt direkt anschaute. Sie trug einen dunklen Anzug, sah von der Figur her menschlich aus, aber das Gesicht war eine dreieckige, fellbesetzte Fratze, in der die beiden glühenden Augen wie Kohlestücke leuchteten. Der breite Mund war zu einem Grinsen verzogen, und als die Gestalt den rechten Arm hob, sah Chimmy die Fellklaue. Sie griff gedankenschnell zu. Chimmy kam nicht dazu, sich noch zur Seite zu drehen. Die Klaue war einfach zu schnell für ihn. An der Kehle hatte sie ihn gepackt, drückte ihn nach hinten, so daß er mit dem Rücken zuerst auf den langen Konferenztisch fiel. Als Asmodis seine Klaue vom Hals des Mannes löste, lag ein Toter auf dem Tisch ... ***
Erst jetzt stand Costello auf, nickte dem Teufel zu und sagte knapp: »Ich danke dir. Fast hätte ich schon nicht daran geglaubt.« »Ich war immer in deiner Nähe«, erwiderte der Höllenprinz. »Man sieht mich nur nicht.« »Das ist ja der Vorteil.« »Du sagst es.« Costello schob sich näher, bis er seinen Besucher und auch die Leiche des Zuhälters erreicht hatte. »Die Größe müßte stimmen, meinst du nicht auch?« »Ja.« Das Granitgesicht lächelte. Auch bei diesem Vorgang veränderten sich seine Züge kaum. Er schaute mit hartem Blick auf den Toten. Mitleid empfand, er dabei nicht. Für ihn war Chimmy nur Mittel zum Zweck gewesen. Wahrscheinlich hätte er ihn nicht einmal getötet, aber der Teufel hatte von ihm eine Leiche verlangt, und Costello bemühte sich, den Wünschen des Höllenprinzen nachzukommen. »Wie hast du ihn getötet?« fragte er. »Magie und Kraft.« »Du bist immer noch der Größte?« Die dreieckige Fratze des Teufels bewegte sich nickend. »Nicht nur der Größte, der Allergrößte. Nenne mir einen Menschen, der stärker ist als ich. Nenne mir seinen Namen!« Asmodis wollte es wissen, er wollte eine bestimmte Antwort hören und hatte seine Stimme deshalb bei den letzten Worten gesteigert. »Es gibt keinen!« Asmodis nickte. »Ja, du hast recht. Es gibt keinen Menschen, der stärker ist als ich. Auch Sinclair nicht.« »Wobei wir beim Thema wären!« Asmodis lachte. »Ich spüre deinen Haß, Costello. Diesmal wirst du Glück haben, und du kannst dich freuen, daß es damals einen Dr. Tod gegeben hat.« »Wieso kann ich mich freuen?« »Er unternahm ein gewisses Experiment, das ich jetzt wiederholen werde. Ich habe ein kleines, aber sehr brisantes Andenken von ihm, das ich dir gleich zeigen werde.« Costello war gespannt. Er stand schon seit einigen Wochen in einem direkten Kontakt mit dem Teufel wie lange nicht mehr. Jetzt mußte sich der Erfolg zeigen. Aus einer Tasche holte der Satan ein flaches Kästchen. Es bestand aus schwarz lackiertem Holz. Er stellte das Kästchen auf den Tisch und öffnete behutsam den Deckel. »Sieh es dir an!« Costello trat näher. Innen war der kleine Kasten mit dunklem Samt ausgelegt. Der Inhalt war klein, hatte nicht einmal die Größe eines halben Fingernagels. Aber neben ihm lag ein Gegenstand, den man unschwer als
einen silbernen Nagel erkennen konnte. »Weißt du Bescheid, Costello?« »Nein.« Asmodis lachte so laut, daß Schwefelwolken aus seinem Maul strömten. »Dieser Nagel hat seine Geschichte. Mit ihm wurde Dr. Tod zum ersten Mal getötet. Sinclair hat es getan.« »Das ist mir bekannt.« »Gut. Weißt du dann auch, was dort neben dem Nagel seinen Platz gefunden hat?« »Es sieht aus wie Papier.« »Unsinn, das ist kein Papier. Es ist. . .« Der Satan beugte sich vor und flüsterte die nächsten Worte. Er sagte auch noch mehr. Costello hörte zu. Ein Zuschauer hätte sich gewundert, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich. Die harte Spannung wich und schuf dem Ausdruck von Genugtuung Platz. Und er lachte. Ja, Logan Costello lachte so laut und hart wie selten zuvor in seinem Leben. Für ihn war die Sache klar. Der Geisterjäger John Sinclair hatte keine Chance mehr. Die Falle würde zuschnappen. .. *** Mit Suko hatte ich schon auf dem Weg zum Büro über den Fall gesprochen. Viel hatte auch er mir nicht sagen können, er war aber sehr nachdenklich geworden, als ich von meiner Begegnung mit dem Seher berichtete. »Du gehst nicht davon aus, daß er sich geirrt hat?« »Nein.« »Dann scheint sich dein Leben allmählich dem Ende zu nähern!« Suko sprach den Satz zwar gelassen aus, aber das Zittern in seiner Stimme war nicht zu überhören. »So sieht es aus.« Wir standen schon im Yard Building, als er mir auf die Schulter schlug. »Gegen dein Ende werden wir etwas unternehmen.« »Und was?« »Mal sehen.« Er ging zum Lift und wunderte sich, daß ich stehengeblieben war. »Was hast du, John? Willst du nicht mitkommen?« »Doch, doch, fahr nur schon hoch.« »Meinetwegen, aber . . .« »Ich möchte mich nur ein wenig hier umschauen«, erklärte ich mit belegter Stimme. Suko runzelte die Stirn. »Junge, das hört sich verdammt nach einem Abschied an.« »Möglich. . .« Mein Freund sah für einen Moment so aus, als wollte er mich packen und in den Lift tragen. Dann drehte er sich abrupt um und ging davon.
Ich blieb zurück und schritt nach einer Weile durch die Halle. Auf einer Tafel an der Wand waren die Namen der im Dienst getöteten Kollegen eingraviert worden. Es waren verdammt viele, aber auf der Tafel gab es auch noch genügend Platz für weitere Namen. Ohne es richtig wahrzunehmen, holte ich die Zigaretten hervor und zündete mir ein Stäbchen an. Ich blickte auf die Tafel und sah die einzelnen Buchstaben vor meinen Augen verschwimmen. Möglicherweise lag es am Rauch, vielleicht war es auch Tränenwasser, das in meine Augen stieg. Ich ballte die Hände und spürte den Schweiß auf meinen Handflächen. Das Erlebnis in der letzten Nacht war einfach zu hart und schlimm gewesen. Das hatte Spuren in meiner Seele hinterlassen. Kann man sich als Mensch gegen ein Schicksal anstemmen, das in einem Buch vorgezeichnet ist? Aus welch einem Grunde hätte der Seher sonst das Buch der grausamen Träume erwähnen sollen? Das Festival des Teufels würde beginnen, und ich war derjenige, der mitten hineinspringen mußte. Noch einen letzten Blick warf ich auf die schimmernde Tafel, dann drehte ich mich um und ging mit etwas müden Schritten zum Lift. Die Grüße der Kollegen erwiderte ich ziemlich geistesabwesend und hatte auch keinen Blick für die beiden Mädchen, die mit mir zusammen im Lift standen und nach oben fuhren. Glenda kam an diesem Tag später. Suko hatte die Kaffeemaschine schon angestellt. »Er ist gleich fertig. Vielleicht wird dich das Getränk aufmuntern.« In meinem Büro setzte ich mich hinter den Schreibtisch und sah die Meldungen durch, die in der Nacht hereingekommen waren. Ich las die Notizen, ohne eigentlich zu begreifen, um was es wirklich ging. Daß Suko unser gemeinsames Büro betreten hatte, merkte ich nur am Duft des Kaffees. Er stellte die Tasse vor mich hin. »Hoffentlich schmeckt er dir so gut wie Glendas.« Ich probierte ihn. »Und?« »Man kann ihn trinken.« »Du beleidigst mich.« Ich hob nur die Schultern. Meine Reaktionen brachten Suko auf die Palme. Er sprang hoch. »Verdammt, John, was ist los mit dir? Reiß dich mal zusammen. Wie oft hat man dir schon deinen Tod prophezeit. Denk daran, was du in Deutschland auf diesem verdammten Folterbett mitgemacht hast! Da warst du ja auch sehr nahe an der Grenze zum Jenseits.« »Stimmt.« »Ich kann dir auch zahlreiche Vorfälle aufzählen, wo die Chancen gleich Null waren.« »Das weiß ich auch, Suko. Du würdest nur anders reden, wenn du in der Nacht die Stimme des Sehers gehört hättest.« »Bestimmt würde ich das. Aber kannst du dieser Seite nicht etwas Positives abgewinnen?« »Wie meinst du das?« »Nimm es als Warnung hin. Oder denk an unseren alten Spruch. Eine erkannte Gefahr ist eine
halbe Gefahr.« »So würde ich auch gern denken.« »Und weshalb tust du es nicht?« »Weil ich es einfach nicht kann und weil ich das Gefühl habe, daß dieser Fall der letzte sein könnte.« »Ach.« »Was heißt das?« »Dann willst du dich also nicht hinsetzen und die Hände in den Schoß legen?« »Nein, ich fliege nach Belgien, um dort die Straße der Teufel zu suchen.« Suko lehnte sich zurück. »Meinst du, damit diesen anderen Dingen aus dem Weg gehen zu können?« »Nein, aber ich muß etwas tun. Und ich werde das Gefühl nicht los, daß beides zusammenhängt.« »Mißt du den Phantasien oder Träumen des Jungen einen so großen Wert bei?« fragte Suko. »Ich weiß nicht, ob es nur Träume oder Phantasien sind. Er hat da ziemlich konkret gesprochen. Er war mit seiner Schulklasse in Belgien. Dort hat er auch die Komturei besucht.« »Die Straße der Teufel?« »So ungefähr. Er hat es ziemlich genau beschrieben. Die Gegend muß er einfach gesehen haben.« »Das kann natürlich hinkommen.« Suko dachte laut über das Wort Komturei nach. »Darunter versteht man doch so etwas wie ein Gut - oder?« »Nicht ganz. Eine Niederlassung. Heute würde man vielleicht Filiale sagen.« »Die wer gegründet hat?« »Kreuzritter.« »Templer?« »Das kann es sein.« Plötzlich war ich wieder Feuer und Flamme. Dieses eine Wort hatte meine Depressionen vertrieben. Die Templer waren in den letzten Monaten praktisch das A und O bei unseren Fällen gewesen. Ich hatte mehr über sie erfahren und wußte jetzt auch, wie sehr mein Schicksal mit dem der Templer verbunden war. Jedem kleinsten Hinweis ging ich nach. Eine alte Komturei aus dem Mittelalter deutete möglicherweise auf die _ Templer hin. Zudem hatten sie überall in Europa ihre Spuren hinterlassen. Ob in Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien oder Deutschland. Wer genau hinschaute und forschte, fand sie auch. Suko lachte. »Jetzt habe ich wohl deine schlimme Stimmung endlich vertrieben?« »Es geht.« »Also ran.« Ich winkte ab. »Bist du sauer, wenn ich allein nach Belgien fahre?« »Schon wieder allein?« Suko holte tief Luft. »Ich kann mich daran erinnern, daß du erst in der letzten Woche allein in Germany warst und fast umgekommen wärst.« »Ja, das stimmt. Einigen wir uns auf einen Kompromiß. Wenn ich mich umgesehen habe und feststelle, daß der Fall größere Dimensionen annimmt, rufe ich dich. Dann kommst du nach.« Suko runzelte die Stirn. »Das gefällt mir nicht. Ich habe das Gefühl, daß du mir etwas verschweigst.«
Ich lachte. »Was sollte ich dir ver-. schweigen?« »Es ist nicht der alleinige Grund, weshalb du ohne mich nach Belgien willst.« Er blickte mich ernst an. »Lüg nicht, John, ich kenne dich mittlerweile gut genug.« Ich nickte. »Ja, du hast recht. Es ist nicht der einzige Grund. Sollte sich die Prophezeiung des Sehers erfüllen, möchte ich, daß nicht noch andere ihr Leben verlieren. Einer reicht dann, wie ich meine.« Suko schüttelte den Kopf. »John, du redest Unsinn. Du kannst mich nicht so abschieben.« Ich trank den Rest Kaffee. »Das ist auch kein Abschieben, Suko. Ich muß einfach mal allein sein.« »Weshalb?« »Wenn es mich erwischen sollte, kann mir sowieso niemand helfen. Ich möchte dich nicht in Gefahr bringen.« »Wie lange kennen wir uns?« Suko versuchte es jetzt anders herum. »Das sind mittlerweile einige Jahre.« »Natürlich.« »Wir haben uns immer vertrauen können. Wir retteten uns gegenseitig unzählige Male das Leben. Da ist eine Basis geschaffen worden. Willst du die zerstören?« »Das habe ich nicht vor.« »Dann laß mich mitfahren.« »Nein, Suko, du bleibst. Daß ich allein fahre, kann doch nicht unsere Freundschaft zerstören. Es gibt Situationen, wo der Mensch allein sein muß, und gerade du mit deiner asiatischen Mentalität müßtest dies begreifen.« »Das stimmt natürlich.« »Weshalb stemmst du dich so dagegen?« »Weil ich Angst um dich habe. Du bist, wenn du den neuen Fall angehst, mit deinen Gedanken nicht mehr bei der Sache. Du denkst dann über die Warnung des Sehers nach. Das kann deine Handlungen beeinflussen, glaube es mir.« »Ich muß diesen Weg gehen, Suko!« Mein Freund sah ein, daß er mich nicht umstimmen konnte. Er lehnte sich zurück und breitete die Arme aus. »Dann, John, geh in Gottes Namen. Aber komm mir nur nicht an und beschwere dich.« »Das bestimmt nicht.« »Willst du vorher noch zu Sir James?« »Selbstverständlich«, antwortete ich und dachte dabei über Sukos Stimmungsumschwung nach. So ganz geheuer war er mir nicht. Ich wollte das Thema nicht ausweiten und hielt deshalb den Mund. Dafür griff ich zum Telefon und rief meinen Chef, Superintendent Sir James Powell, an. Der hatte Zeit für mich. Auf dem Gang begegnete ich noch Glenda, die mich anstrahlte und verwundert schaute, als sie meinen relativ knappen Morgengruß hörte. Ich würde es ihr später erklären.
Bei den hohen Temperaturen hatte selbst Sir James den grauen Anzug aus-und einen hellen angezogen. Mißbilligend schaute er auf meine hellweiße Hose, zu der ich ein blaues kurzärmeliges Leinenhemd übergestreift hatte. »Sie sehen aus wie ein Playboy.« »Nein, Sir, wie ein Reisender.« »Sie wollen wieder los?« »So ist es.« »Hat Ihnen der letzte Trip nicht gereicht?« »Das schon, aber diesmal werde ich nach Belgien fahren.« Sir James setzte sich. »Ein sehr schönes Land. Aber Urlaub wollen Sie doch dort nicht machen - oder?« »Auf keinen Fall. Ich habe aber etwas erlebt, das mich stutzig werden ließ.« Ich berichtete Sir James von den Vorgängen der vergangenen Nacht. Daß ich die alte Komturei mit den Templern in Verbindung brachte, fand auch seine Zustimmung. »Dann werde ich die Genehmigung erhalten?« »Natürlich. Fliegen Sie allein?« »Ja.« »Wie schmeckt das Suko?« »Wie eine versalzene Suppe.« »Kann ich mir vorstellen. Okay, besorgen Sie sich Ihr Ticket. Wollen Sie bis Brüssel fliegen?« »Nach Luxemburg. Die Komturei liegt im Süden des Landes und nicht weit von der luxemburgischen Grenze entfernt.« Sir James stand auf und reichte mir die Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns gesund wieder.« Daß bei diesen Worten ein Schauer über meinen Rücken lief, konnte ich -beim besten Willen nicht vermeiden. Auch mein Chef bemerkte es. »Haben Sie etwas, John?« Ich schluckte. »Nein, nein, ist schon gut. An manchen Tagen ist man eben nachdenklicher.« »Ja, das kenne ich. Sie sollten es besonders sein.« Diese Worte sagte er zum Abschied. Fast hastig verließ ich das Büro und blieb im Gang stehen. Mit dem Rücken lehnte ich mich gegen die Wand. Zweifel trieben in mir hoch. Hatte ich richtig gehandelt oder alles falsch gemacht? Sollte ich mich nicht besser in London verkriechen und alles auf mich zukommen lassen? Nein, das konnte ich meinen Freunden nicht antun. Sie würden ihrer normalen Arbeit nachgehen, während ich mit einer Miene herumlief, die großes inneres Leiden ausdrückte. Auf keinen Fall ging so etwas. Sicherlich wußte auch Glenda mittlerweile durch Suko Bescheid. Nicht gerade forsch betrat ich ihr Vorzimmer. Sie war nicht da, kam aber aus meinem Büro, als sie das Öffnen der Tür hörte, blieb stehen und sah mich kopfschüttelnd an.
»Was ist?« fragte ich. »Du machst Sachen, John.« Glenda hatte sich in den letzten warmen Tagen etwas Farbe geholt, doch jetzt war sie bleich. Auch das Lächeln wirkte unecht. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie über den grünen Leinenrock. »Du brauchst nichts zu erklären, Glenda. Was Suko dir immer gesagt haben mag, es stimmt nur die Hälfte von dem. Außerdem habe ich meinen Entschluß gefaßt und mir den Segen des Chefs beholt.« »Ich habe ja nichts . . .« »Aber du wolltest.« »Willst du mir den Mund verbieten?« »Natürlich nicht. Nur möchte ich sehr gern, daß du meine Entscheidung akzeptierst. Ich muß diesen Weg gehen, und zwar allein. Niemand kann seinem Schicksal entrinnen.« »Auch der Seher kann sich irren.« »Klar.« Ich lachte sie an. »Und darauf baue ich gewissermaßen. Zudem kann ich mich wehren, falls du das vergessen haben solltest. So eng kann ein Dämon den Strick gar nicht ziehen, als daß ich mich darin verfangen würde.« »Das hört sich ja sehr optimistisch an.« »War ich nicht immer ein Optimist?« Glenda gab mir keine Antwort. Sie blickte mir nur ins Gesicht. Plötzlich lief sie auf mich zu, warf sich-in meine Arme und flüsterte tränenerstickt: »Ach, John, verdammt, du machst es einem Menschen furchtbar schwer.« Ich konnte nicht sprechen, schaute über ihre Schulter hinweg und sah Suko in der offenen Tür zu unserem Büro stehen. Das Gesicht meines Freundes zeigte einen ernsten Ausdruck, als würde über uns allen bereits der Schatten des Todes liegen . . . *** Luxemburg, das kleine Land in Europas Mitte, empfing mich mit einem strahlend blauen Himmel, herrlichem Sonnenschein und freundlichen Menschen. Die Paßformalitäten waren schnell erledigt, zudem reiste ich im besonderen Auftrag und besaß auch die Erlaubnis, Waffen mitführen zu dürfen. Im Leihwagen, einem Golf, fand ich die obligatorische Karte. Von Luxemburg aus führte eine Schnellstraße direkt nach Arlon, in das südliche Belgien. Es waren ungefähr sechzig Kilometer, die ich zurücklegen mußte. Keine Entfernung also. Vor meinem Abflug hatte ich noch einmal mit Peter Whyler telefoniert und mir einige Auskünfte geben lassen. Der Ort, der der alten Komturei am nächsten lag, hieß Loutrex. Es war ein Dorf, eingebettet in eine liebliche Landschaft mit engen Tälern, durch die sich die Semois schlängelte, ein Nebenfluß der Maas.
Die Ardennen, in denen ich mich bald befinden würde, hatten natürlich ihre Geschichte. Blutige Schlachten der Weltkriege waren hier geführt worden, und zahlreiche Soldatenfriedhöfe und die entsprechenden Denkmäler erinnerten noch an die Zeit. Der Verkehr hielt sich in Grenzen. Gestreikt wurde zum Glück auch nicht, so daß ich ziemlich gut durchkam und die Fahrt auch genießen konnte. Von der Komturei hatte Peter Whyler immer gesprochen, aber nicht mehr von dieser Straße der Dämonen oder Teufel. Für ihn war sie Traum, obwohl er sie erlebt haben mußte. Ich ging davon aus, daß sie für mich kein Traum bleiben würde. Wälder, grün, licht, manchmal auch dicht, begleiteten meinen Weg nach Belgien. An der Grenze brauchte ich nicht anzuhalten. Die Beamten winkten die Wagen durch. Trotz der Wärme roch die Luft würzig. Ich schaute von den Höhen hinein in schmale Täler. Verträumte Dörfer lockerten die Landschaft auf. Malerisch lagen sie unter dem Glanz der Sonne, die auch auf alte Burgen oder Ruinen schien, die es in den Ardennen ebenfalls zur Genüge gab. Arlon war eine etwas größere Stadt, die ich umfahren konnte. An den Neubaugebieten vorbei führte mein Weg tiefer in das Land hinein. Vor mir lagen die Ardennen. Sie schälten sich aus der warmen Luft, die über den Bergen flimmerte. An einem kleinen Lokal stoppte ich, um ein Glas Orangensaft zu trinken. Man hatte draußen Tische aufgebaut. Die Zweige der Ulmen schützten die Gäste vor den heißen Strahlen der Sonne. Zwei Männer, die aussahen wie Truckfahrer, schlürften Kaffee aus schalenähnlichen Gefäßen und betrachteten mich kaum, als ich mich zwei Tische von ihnen entfernt niederließ. Ein junges Mädchen, adrett gekleidet, fragte nach meinen Wünschen. Ich bestellte etwas zu essen. Sie empfahl mir frisches Landbrot, und ich willigte ein. »Und zu trinken auch?« »Oüi, Mademoiselle. Was nehmen Sie denn?« Ihre Augen blitzten. »Ich lasse mich nicht von Ihnen einladen . . .« »Keine Sorge, ich möchte nur, daß Sie mir einige Fragen beantworten.« »Gut.« Ich erhielt noch Orangensaft und frisches Mineralwasser. Beide mixte ich! Als das Mädchen zum zweitenmal kam, brachte sie das Brot mit, dazu Butter und Käse. Sie selbst trank ein Glas Wein. Ich schätzte sie auf zwanzig Jahre. Ihr Haar war glatt und dunkel. Sie hatte es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich stellte mich namentlich vor, als ich mein Brot schmierte.
Ich lobte es gebührend und erkundigte mich nach dem Namen des Mädchens. »Ich heiße Arlette.« »Ein netter Name.« Sie lächelte und hatte dabei Grübchen auf den Wangen. Mir gefiel die Kleine. Sie machte einen so frischen Eindruck und hätte für eine Seifenwerbung Modell stehen können. »Kommen Sie aus London?« fragte sie. »Ja. Woher wissen Sie das?« »Da stammen doch fast alle Engländer her.« »Lassen Sie das nur meine übrigen Landsleute nicht hören. Die werden dann sauer.« Sie beugte sich vor. »Und was hat Sie in diese Einsamkeit getrieben?« »Ich interessiere mich für alte Städte und Bauten, müssen Sie wissen.« »Da sind Sie hier gerade richtig.« Arlette trank einen Schluck Wein, setzte sich bequemer hin und schlug die Beine übereinander. Daß sie dabei einiges von der sonnenbraunen Haut preisgab, störte sie nicht, und mich erst recht nicht. »Aber jetzt ist mir etwas passiert, worüber ich mich fast schäme, mit Ihnen zu sprechen.« »Was denn?« »Ich habe mich verfahren.« Ihr Lachen klang glockenhell. Vielleicht weil sie mein betrübtes Gesicht sah. »Aber das kann doch jedem passieren.« Sie legte ihre Hand auf meinen Arm, so daß ich die Wärme ihrer Haut spürte. »Wo müssen Sie denn hin?« »Nach Loutrex!« Sie zog die Hand wieder zurück. »Da haben Sie ja nur noch sieben Kilometer zu fahren. Diese Straße führt sie hin. Loutrex liegt nicht weit vom Ufer der Semois entfernt. Ein schönes kleines Dorf, das kann ich Ihnen sagen.« »Sie kennen es?« »Ja, ich wohne dort.« »Und hier arbeiten Sie?« »Manchmal. Die Gaststätte hier gehört einem Verwandten.« Sie stand auf, weil die beiden Fahrer gewinkt hatten und zahlen wollten. Ich blieb sitzen und streckte die Beine aus. Man konnte das Leben hier im Schatten der Bäume schon genießen. Leider war ich nicht gekommen, um ein paar Tage zu entspannen. Daß Arlette aus Loutrex stammte, sah ich als einen Glücksfall an. Sie konnte mir sicherlich auch Informationen über die Komturei geben. Noch kassierte sie, beugte sich dabei vor, und der Wind drückte das Kleid gegen ihren Körper, so daß sich ihre schlanke Figur deutlich abzeichnete. Die Bluse bestand aus einem dünnen Stoff. Im Gegenlicht erkannte ich, daß Arlette keinen BH trug. Die beiden Fahrer erhoben sich und verließen den Platz. Ihre Autos standen hinter dem Haus. Das Brummen der Motoren störte die Ruhe. Arlette war ins Haus gegangen. Sie hatte den Tisch abgeräumt. Ich aß noch den Rest des frischen Brots. Es schmeckte einfach besser als das aus dem Supermarkt.
Arlette kam zurück. Sie hatte einen federnden Gang, in ihren Augen blitzte es, und als sie sich niederließ, fuhr sie mit den Fingern durch das Haar. »Das ist ein wunderschöner Tag heute.« Ich nickte. »Viele Gäste haben Sie aber nicht.« »Ein Glück, aber das täuscht auch. Die Leute arbeiten, es wird erst gegen Abend voll. Am Wochenende bekommen Sie hier keinen Tisch mehr. Da fahren dann die Städter aufs Land.« »Ist die Umgebung so interessant?« »Sie hat einen hohen Erholungswert.« Sie sah mich unter hochgezogenen Augenbrauen an. »Das müßten Sie doch wissen, wenn Sie sich mit unserer Umgebung beschäftigen.« »Das weiß ich auch. Davon hat man mir berichtet.« »Wer?« »Der Sohn eines Bekannten war hier. Er war begeistert und berichtete immer wieder von der alten Komturei, die es hier geben soll.« Arlette hob die Schultern. »Ja, ja, die ist vorhanden, das stimmt schon.« »Ist sie wirklich so toll?« Sie legte den Kopf zurück und schaute zum Himmel. »Kann ich nicht sagen, ich interessiere mich nicht dafür. Aber sie hat keinen guten Ruf.« »Weshalb nicht?« »Sie stammt aus dem Mittelalter und der Besitzer soll ein böses Wesen gewesen sein.« »Ein Mensch?« Sie lachte. »Einige haben ihn auch als Teufel bezeichnet, obwohl ich daran nicht glauben kann, aber heute würde ich nicht in die Komturei gehen. Sie ist zwar seit Jahrhunderten verlassen, aber der Geist des Bösen wohnt zwischen den zerfallenen Mauern.« »Das sagen Sie aber sehr überzeugend.« »Ich bin es auch.« »Wie kommt das?« Sie beugte sich vor. Ich sah, daß sie eine Gänsehaut hatte. »Ich weiß auch nicht, weshalb ich gerade Ihnen das erzähle, wo Sie doch völlig fremd sind und dazu noch Ausländer. Seltsam ist es schon. Ich habe manchmal, am Tage und auch in der Nacht, so ein schreckliches Heulen gehört.« »Wer hat denn geheult?« »Ein Tier. Manche sagen, es wären Hyänen gewesen. Und man spricht davon, daß sie früher einmal die Komturei besetzt gehalten hatten. Zuerst habe ich das als Märchen abgetan, doch als ich das Heulen selbst hörte, dachte ich anders darüber.« »Das kann ich mir vorstellen.« »Deshalb würde ich Ihnen raten, einen Bogen um die Komturei zu schlagen. Gehen Sie nicht hin, dort spukt es.« Ich ging auf ihre Warnung nicht weiter ein und wollte wissen, wann sie die Geräusche vernommen hatte. »Am Tag und auch in der Nacht!« »Wirklich am Tag?« »Ja.« »Dann könnte es uns passieren, daß wir auch jetzt das Heulen der Hyänen hören?«
Sie zuckte zurück. »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, John. Ich bin allein hier. Meine Verwandten sind in die Stadt gefahren, um Besorgungen zu machen.« »Jetzt ja nicht mehr.« »Aber Sie werden mich gleich verlassen, um weiterzufahren. Wenn ich allein bin und das Heulen höre, drehe ich noch durch.« Sie schüttelte sich und trank einen Schluck Wein. Eine kleine Pause entstand. Ich kam noch einmal auf das Geräusch zurück und fragte: »Haben Sie denn herausgefunden, wer da so schrecklich geheult hat? War es ein Vogel?« »Man sprach von Hyänen, das sagte ich doch schon.« »Seit wann gibt es hier Hyänen?« »In der Komturei ist alles möglich.« Sie sah mich forschend an. »Wissen Sie nicht, was die Hyäne verdeutlicht, John?« »Sie soll ein Tier des Teufels sein oder?« »Das soll sie nicht nur, das ist sie sogar«, erklärte Arlette. »Deshalb glaube ich fest daran, daß in der alten Komturei der Teufel haust oder zumindest gehaust hat.« »In Gestalt einer Hyäne?« Arlette nickte hastig. »Sagen Sie, haben Sie die Tiere schon mal gesehen?« Sie hob die Schultern. »Ja und nein, John. Richtig gesehen habe ich sie nicht. Höchstens mal einen Schatten, wenn er durch die Büsche strich oder durch den Wald lief.« »Sind schon Menschen angegriffen worden?« »Davon habe ich nichts gehört. Aber es trauen sich nur wenige in die Komturei. Daß dieser Junge dorthin gegangen ist, wundert mich. Man wird ihn doch gewarnt haben.« »Kinder nehmen so etwas nicht ernst.« »Das scheint mir auch so. Ist ihm denn etwas passiert?« Ich konnte Arlette natürlich nicht die gesamte Wahrheit sagen, deshalb hob ich die Schultern. »Er ist jedenfalls heil und gesund nach London zurückgekehrt.« »Dann hat er Glück gehabt.« Arlette stand abrupt auf und begann damit, die Gläser zusammenzustellen. Das Tablett hatte sie in die Nähe deponiert. »Möchten Sie noch etwas trinken?« fragte sie, als sie die Sachen auf das Tablett stellte. »Nein, nicht mehr.« »Gut.« Sie war sehr knapp mit ihren Antworten geworden und ging ins Haus. Ich blickte nachdenklich hinter ihr her. Wenn die Angaben dieses Mädchens stimmten, hatte ich genau die richtige Spur gefunden. Die Komturei schien der Ausgangspunkt einer teuflischen Magie zu sein. Bisher hatte sich Arlette mit ihren Angaben ziemlich allgemein gehalten. Das gefiel mir nicht. Ich wollte zumindest wissen, welche Ritter sich hier
herumgetrieben hatten und von wem die Komturei gegründet worden war, denn ich dachte dabei an die Templer. In meinem Glas schwappte noch ein Rest Orangensaft. Ich kippte ihn weg, stand auf, nahm das Glas und betrat das Gasthaus, in dem es sehr kühl war. Von außen hatte es wie ein Fachwerkhaus ausgesehen, und dieser Eindruck setzte sich auch in seinem Innern fort. Die dicken Wände und die Holzbalken, die Tische, die Stühle, der Boden - alles paßte und harmonierte miteinander. Die Theke war hufeisenförmig angelegt. Hinter ihr stand Arlette und spülte Gläser. Durch die kleinen Fenster sickerte das Licht in Streifen auf den Boden. In den helleren Bahnen tanzten Staubpartikel. Arlette blickte kaum auf, als ich vor ihr stehenblieb und ihr mein Glas rüberschob. »Ich muß noch zahlen.« Sie trocknete ihre Hände ab und nannte den Preis. Ich ließ mir Zeit, als ich das Geld hervorholte. »Jetzt sind Sie irgendwie sauer auf mich, nicht wahr?« »Wieso?« »Das merkt man.« »Sie nehmen das mit den Hyänen nicht ernst, aber das kann man wohl nicht verlangen. Ich hätte es Ihnen nicht erzählen sollen. Vergessen Sie es.« Arlette griff nach dem Geld, ich aber legte meine Hand auf die ihre. »Einen Augenblick noch.« »Was wollen Sie noch?« Sie klang abweisend. »Ich bin froh darüber, daß Sie es mir gesagt haben, auch wenn es nicht so aussieht.« »Dann ist es ja . . .« Das Mädchen sprach nicht mehr weiter, dafür zuckte ihre Hand zurück. Sie riß das Geld noch mit, das an der anderen Seite, der Theke zu Boden klimperte. »Mon Dieu«, hauchte sie, »haben Sie das gehört, John?« »Nein. . .« Ich hatte tatsächlich nichts vernommen. »Warten Sie, das wiederholt sich bestimmt.« Sie setzte sich in Bewegung und schlich hinter der Theke entlang, bis sie ein Fenster erreicht hatte, das gekippt war. Dort baute sie sich schräg auf, um besser lauschen zu können. Arlette drehte sich schon um, als sie wieder zusammenzuckte. Diesmal hörte ich es auch. Es war ein langgezogenes, gefährliches und unheimlich klingendes Heulen ... *** Die Luft zwischen Arlette und mir schien plötzlich von einem eisigen Hauch erfüllt zu sein. Wir standen uns gegenüber, starrten uns an, und keiner sagte etwas. Nur Arlette zog sich vom Fenster zurück. Sie ging dabei sehr langsam, als hätte sie Angst, einen großen Schritt zu machen. »So früh!« flüsterte sie. »So früh habe ich die Viecher noch nie heulen hören.«
»Woran kann es liegen?« »Ich weiß es nicht.« Sie hob die Schultern. »Möglicherweise auch an Ihnen.« »Wieso das?« »Weil Sie gekommen sind, ganz einfach. Das hat die andere Seite bestimmt nicht gewollt. Sie müssen die Hyänen aufgeschreckt haben. Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen.« Arlette schaute mich aus großen, angstvollen Augen an. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, erklang das Heulen abermals. Diesmal jedoch an zwei verschiedenen Stellen gleichzeitig. Nicht nur hinter, auch vor dem Haus. Arlette preßte ihre Hand gegen den Mund. Sie hatte genau bemerkt, worum es ging, und sie sprach die Tatsache auch flüsternd aus. »Wir . . . wir sind eingekreist.« »Das glaube ich auch.« »Und jetzt?« Ich verzog die Lippen, drehte mich um, ging zur Tür und schloß sie. »Wir sollten zunächst einmal die Ruhe bewahren. Außerdem werde ich Sie jetzt nicht allein lassen.« »Glauben Sie denn, daß diese Tiere angreifen?« »Wir müssen es zumindest in Betracht ziehen.« »Das haben sie noch nie getan.« »Kann ich mir denken, aber Sie haben auch niemals zuvor ihr Heulen so früh gehört - oder?« »Nein.« »Dann haben sie etwas vor, und wir sollten nicht die Augen verschließen.« »Mon Dieu, Sie reden, als hätten Sie davor überhaupt keine Angst, John.« »Habe ich auch nicht. Man muß sich gewissen Dingen stellen. Wenn wir jetzt das Haus verlassen und wegrennen, geben wir ihnen nur die Chance, uns zu verfolgen. Es ist besser, wenn wir in der Gaststätte bleiben, wo wir relativ geschützt sind. Steht hier noch irgendwo eine Tür offen?« »Nein, ich glaube nicht.« »Soll ich nachsehen?« »Nicht nötig. Ich habe heute morgen die Hintertür verschlossen. Da kann niemand rein.« »Okay. Wie sieht es mit Waffen aus? Befinden sich welche im Haus?« »Nein.« Ich lächelte. »Dann setzen Sie sich an einen Tisch, Arlette, und warten ab.« »Was wollen Sie denn machen?« Mit der Antwort ließ ich mir Zeit, weil ich abermals das Heulen vernahm. Es waren widerliche, schaurige Laute, die durch das dicke Mauerwerk drangen und eine Gänsehaut erzeugten. Die Geräusche konnten einem Menschen, der schwache Nerven hatte, schon Angst einflößen. Auch ich wurde von ihnen unangenehm berührt. Arlette hatte recht. Hyänen waren Tiere, die man der Hölle zuordnete. Der Teufel bediente sich oft dieser Wesen, und Baphomet, Götze einer furchtbaren Templer-Sekte, wurde oft als Hyäne dargestellt.
Ich ließ meine Waffe noch stecken, weil ich das Mädchen nicht erschrecken wollte. Da die Tiere das Haus eingekreist hatten, spielte es keine Rolle, an welches Fenster ich mich stellte, um die Umgebung zu beobachten. Ich wechselte meinen Standort immer, in dem ich einen Rundgang machte. Hinter der Gaststätte befand sich noch ein kleiner Parkplatz. An seiner Rückseite wuchs ein Buschgürtel, dahinter begann direkt der dichte Mischwald. Dort konnten sie stecken. Die Sonnenstrahlen fielen gegen den Blätterwirrwarr und malten ihn, an. Manchmal wurden sie auch reflektiert, so daß hin und wieder ein Blitzen in der Luft lag. Ich hielt vergeblich nach den Hyänen Ausschau, zuckte nur immer zusammen, wenn ich ihr Heulen hörte. Einer fing an, andere stimmten mit ein. Ich lauschte konzentriert und gelangte zu der Überzeugung, daß es sich um mindestens vier Hyänen handeln mußte. Auf meinem Gesicht lag der kühle Schweiß. Ich bekämpfte die Unruhe in meinem Innern und hörte hinter mir die Stimme des Mädchens. Was Arlette sagte, war nicht zu verstehen. Möglicherweise betete sie auch, daß alles glattgehen möge. Ich aber wartete weiter . . . Hin und wieder bewegten sich die Blätter im Unterholz zwischen den Bäumen. Vielleicht schlich dort eine Hyäne her. Es konnte auch sein, daß es nur der Wind war, der durch den Wald fuhr. »Haben Sie etwas entdeckt?« fragte Arlette. »Nein, keine Hyäne.« »Aber die sind da.« »Sicher.« »Wen oder was wollen die überhaupt?« »Vielleicht uns.« »Da müßten sie einen Grund haben. Ich gab ihnen nie einen.« »Wissen Sie, Arlette«, sagte ich und drehte mich dabei um. »Die Hölle geht oft seltsame Wege.« Ihre Augen wurden groß. »Was soll ich denn davon halten? Wissen Sie mehr darüber?« »Möglicherweise.« Sie schwieg, weil sie nicht wußte, was sie noch sagen sollte, aber sie musterte mich mißtrauisch. Erst nach einiger Zeit hatte sie wieder die passenden Worte gefunden. »Sie sind bestimmt nicht ohne Grund bei mir erschienen. Sollte ich mich denn so in Ihnen getäuscht haben, John Sinclair?« »Das haben Sie sicherlich nicht. Was immer auch geschieht, Arlette, ich stehe auf Ihrer Seite.« »Das beruhigt mich.« Auch in den folgenden zwei Minuten bekam ich keine Hyäne zu Gesicht, so scharf ich auch
nach ihr Ausschau hielt. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt, aber sie würden noch lauern. Diese Tiere besaßen eine große Geduld. Dafür hörten wir Schritte. »O nein, da kommt jemand!« hauchte Arlette. »Sieht so aus.« Sie lief zum Fenster neben der Tür und warf vorsichtig einen Blick hinaus. »Es ist ein Mann. Er hat sich an den Tisch gesetzt, an dem auch Sie gesessen haben.« »Kennen Sie ihn?« »Nein.« »Wie sieht er denn aus?« »Vielleicht so groß wie Sie, aber er ist dunkelhaarig und hat gebräunte Haut. Der könnte ein Urlauber sein. Wie es aussieht, ist er völlig ahnungslos. Himmel, hat der Nerven.« »Lassen wir ihn sitzen«, schlug ich vor. »Wenn er merkt, daß hier nicht bedient wird, verschwindet er von allein.« »Glauben Sie das?« »Nicht so recht.« »Ich auch nicht.« Wir warteten. Aber auch der andere hatte Zeit. Und die Hyänen schienen zu merken, daß sie nicht erwünscht waren. Sie hatten ihr Heulen eingestellt. Draußen sah es wieder völlig normal aus. Ein herrlicher Sommertag, wie man ihn im Monat Mai nicht allzu oft erlebte. Arlette drehte sich um. »Ich kann es nicht mehr aushalten und auch nicht zusehen, wie der Mann da hockt. Ich gehe jetzt raus und sage ihm, daß wir das Gasthaus geschlossen haben.« »Das wird wohl am besten sein.« »Gut, dann gehe ich jetzt. Halten Sie mich unter Beobachtung, bitte.« »Sicher.« Ich lächelte ihr zu. Arlette zitterte, als sie die Tür öffnete und ins Freie trat. Der Mann am Tisch hatte in eine andere Richtung geschaut, drehte sich aber jetzt um, weil er das Geräusch der sich öffnenden Tür vernommen hatte. »Ich dachte schon, es wäre keiner da.« Er sah gut aus in seiner hellen Kleidung und der Sonnenbräunen Haut. Wie ein Urlauber, der die schönen Tage genoß. Arlette hatte die Tür nicht geschlossen, so daß ich den Dialog zwischen den beiden verstehen konnte. »Eigentlich haben wir geschlossen, Monsieur.« »Ich habe kein Schild gesehen.« Arlette gab eine gute Antwort. »Es hat sich in der Gegend herumgesprochen, daß wir an diesem Tag geschlossen haben.« »Da müssen Sie mich entschuldigen. Ich komme nicht von hier. Bin aber sehr durstig. Wenn Sie trotzdem eine . Flasche Bier für mich hätten? Ich zahle sie schon jetzt.« Er legte einen Geldschein auf den Tisch und brachte das Mädchen somit in Zugzwang. Arlette zögerte. »Nehmen Sie ihn schon. Ich bitte Sie.« Sie nickte. »Gut, nur diese eine Ausnahme.«
Der Mann lächelte. »Ich danke Ihnen sehr. Ich habe nämlich großen Durst.« Er lächelte auch noch, als Arlette sich umgedreht hatte und auf die Tür zuging. Fragend betrat sie die Gaststätte, wo ich im toten Winkel hinter der Tür stand. »Sie haben alles mitbekommen?« »Natürlich.« »Habe ich denn richtig gehandelt?« Hinter der Theke bückte sie sich und öffnete eine Kühlfachtür. »Sehr gut«, lobte ich sie.Die Flasche beschlug, als Arlette sie neben einem sauberen Bierglas auf das Tablett setzte. »Wechselgeld will er nicht haben«, flüsterte sie mir noch zu, als sie an mir vorbeiging. »Sei froh, Mädchen.« Sie ging nach draußen. Ich entspannte mich wieder, blieb aber noch hinter der Tür stehen und wollte mich umdrehen, um nach draußen zu schauen, als ich das Klirren hörte und Arlettes hellen Schrei vernahm. Ich riß die Tür auf. Der Mann saß noch immer am Tisch, Nur hielt er jetzt Arlette fest umklammert, und er hatte sich innerhalb einer Sekunde völlig verändert. Nicht ein normaler Mensch starrte mich an, sondern ein alter Bekannter. Der Teufel! Arlette schrie nicht mehr. Der Schock war zu groß gewesen. Sie lehnte schräg an der Gestalt mit der dreieckigen Fratze und den glühenden Augen, wurde von der fellbedeckten Klaue des Satans-umklammert und wirkte wie eine Puppe. »Soll ich sie töten, Geisterjäger?« schrie mir Asmodis entgegen. »Vor deinen Augen zerreißen?« Ich war schon auf dem Sprung gewesen, hielt mich aber jetzt zurück. Tief holte ich Luft. Der Teufel paßte in diese Idylle wie die Katze in den Vogelkäfig. Er genoß es, Menschen in seiner Gewalt zu haben, das sah ich ihm an. Sein Lächeln war falsch, grausam und hinterlistig. Ich hatte das Gefühl, nur gelenkt worden zu sein. Dem Teufel war ich auf den Leim gegangen. »Ja, Sinclair, so ist das. Du bist hier, ich habe sie, was willst du noch machen?« »Ich werde mir das Mädchen holen.« »Wirklich?« »Darauf kannst du Gift nehmen.« Er lachte mich aus, und er lachte noch, als ich ein anderes Geräusch hörte. Es war das schaurige Heulen der Hyänen.
»Hörst du sie?« fragte er. »Meine Freunde sind hier, um mich zu beschützen, Sie spielen mit. Sie haben auf mich gewartet, und sie wissen, daß dein Weg bald zu Ende sein wird. Ich danke dir, daß du gekommen bist, und hätte nicht damit gerechnet, daß es so schnell geschieht.« »Dann wußtest du also, daß ich kommen würde.« »Ja, ich hoffte es.« »Gut.« Ich nickte. »Laß sie los, dann stehen wir uns gegenüber und können es austragen.« »Wir sind nicht im Wilden Westen«, erklärte Asmodis. »Nein, ich bestimme, was getan wird. Und ich nehme sie mit.« »Wohin?« »Wer läßt schon so einen Fang sausen? Sie wird mir dienen. Ich mache sie zu meiner Geliebten. Vielleicht präsentiere ich sie dir kurz vor deinem Tod noch als Hexe . . .« Das war zuviel. Der Teufel kannte genaue Spielregeln, die er auch einhielt. Gegen eine Silberkugel war er gefeit. Sie war für ihn nicht einmal lästig, wenn ich auf ihn feuerte. Aber er haßte das Kreuz! Leider kam ich nicht mehr dazu, es hervorzuholen. Wie viele Fensterscheiben hinter mir zu Bruch gingen, wußte ich nicht. Als ich herumfuhr, sah ich noch die Glassplitter in den Raum fliegen, und mit ihnen zusammen hechteten die vier Hyänen durch die kaputten Scheiben. Asmodis aber lachte donnernd auf und jagte mit seinem Opfer wie ein Komet dem strahlend blauen Sommerhimmel entgegen. Ich konnte für Arlette nichts tun, denn ich mußte mich den vier Hyänen stellen... *** Als Suko das Büro betrat, sah er Glendas Gesicht an, daß etwas nicht stimmte. »Was ist los?« »Du hast Besuch«, antwortete sie spitz. »Ach, und wer ist es?« »Geh mal rein, dann siehst du es.« Suko schüttelte den Kopf. »Meine Güte, welch eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?« »Die Laus heißt Jane Collins, wenn du es genau wissen willst.« »Ach, sie ist der Besuch.« »Richtig.« »Ärgere dich nicht. John ist ja weit weg.«
Glendas Wangen liefen rot an. »Ich ärgere mich doch nicht«, beschwerte sie sich. »Hast du ihr wenigstens einen Kaffee angeboten?« »Sie wollte keinen.« »Das ist Pech.« Suko schlug Glenda auf die Schulter. »Ich werde sehen, was sie will.« »Und laß sie nicht zu lange hier.« Suko war schon an der Tür. »Wieso nicht?« Glenda winkte ab. »Vergiß es, Suko.« Der Inspektor betrat das Büro, das er mit seinem Freund John Sinclair teilte. Jane saß auf dem Platz, der John gehörte. Sie war sommerlich gekleidet. Eines war anders an ihr. Jane Collins hatte sich die Haare abschneiden lassen. »Kurze Haare?« staunte Suko. »Na und?« »Bist du nicht immer so stolz auf deine Pracht gewesen?« fragte der Chinese. »Damals schon.« Jane strich mit zehn Fingern durch die Haare, die jetzt einen Stufenschnitt zeigten und im Nacken etwas länger gehalten waren. An der Stirn bildeten sie einen Fransenpony, dessen Spitzen fast die Augenbrauen streiften. »Ich habe mich nicht nur innerlich geändert, auch äußerlich wollte ich eine andere werden. Es gab Augenblicke, in denen ich im Spiegel vor mir selbst erschrak. Ich wollte nicht mehr die Jane Collins sein, die man von früher her kannte. Ich mußte das einfach machen.« Suko hatte inzwischen am Schreibtisch Platz genommen. »Wenn du das so siehst, hast du recht.« »Sicher.« »Und was führt dich zu mir?« Jane lächelte. »Eigentlich wollte ich euch nur sagen, daß ich eine kleine Wohnung gefunden habe.« »Gratuliere. Auch einen Job? Den hast du doch auch gesucht?« »Da bin ich noch dabei. Vielleicht arbeite ich als Propagandistin in einem Kaufhaus.« »Da stehst du im Blickpunkt der Öffentlichkeit.« »Das weiß ich.« »Und du hast keine Angst, daß dich die Vergangenheit einholen könnte?« Jane hob die Schultern. »Suko, ich kann mich nicht immer verkriechen. Das Hexentor ist glücklicherweise wieder geschlossen. Vielleicht sehen meine ehemaligen Schwestern allmählich ein, daß es doch nicht so einfach ist, mich zu bestrafen.«
Der Chinese nickte. »Da könntest du recht haben. Aber wie steht es mit deinen eigenen Fähigkeiten, die noch latent in dir schlummern? Wolltest du sie nicht aktivieren?« Heftig schüttelte Jane den Kopf. »Nein, nicht mehr. Ich habe mir das gründlich überlegt. Es kann einfach nicht angehen, daß ich mich darauf konzentriere und gleichzeitig versuche, ein neues Leben anzufangen. Mit einer Sache muß ich Schluß machen.« »Ein lobenswerter Vorsatz. Nur läßt er sich wohl schlecht verwirklichen, wie ich meine.« »Wieso?« »Jane, du trägst den Fluch des ehemaligen Hexendaseins als Belastung mit dir herum. Machen wir uns da nichts vor. Ganz kommst du da nicht heraus, das schwöre ich dir.« »Mut machst du mir gerade nicht.« »Entschuldige, aber ich sehe das nun mal so.« »Kann ich verstehen.« Sie lächelte. »Ich bin nur gespannt, wie John darauf reagiert.« »Ach so.« Suko winkte ab. »Das hatte ich vergessen, dir zu sagen. Der ist gar nicht da. Er treibt sich irgendwo in Belgien herum.« Auf Janes Gesicht zeichnete sich Unglauben ab. »Jetzt erzählst du mir das gleiche wie Glenda.« »Da hatte sie recht.« »Nein, unrecht!« »Und wieso?« Jane schlug mit der rechten Faust in ihre falsche Hand. »Weil ich ihn vor einer halben Stunde noch gesund und munter hier in London gesehen habe.« Suko runzelte die Stirn. Er sagte erst mal nichts. Ein anderer hätte vielleicht sofort widersprochen, der Inspektor aber ließ die Worte der ehemaligen Hexe erst einmal wirken. »Du wirst dich getäuscht haben«, sagte er nach einer Weile. »Das habe ich nicht.« Suko lächelte. »Es gibt unzählige blonde Männer hier in London. Nein, Jane, er befindet sich in Belgien.« Sie beugte sich vor und schaute Suko fest in die Augen. »Ich schwöre dir, daß ich ihn gesehen habe. John ist hier in London.« »Okay, okay, und wo hast du ihn entdeckt?« »Auf der Fahrt hierher. Ich saß im Taxi, er ging zu Fuß. Wenn mich nicht alles täuschte, war er auf dem Weg zum Yard. Wenigstens hatte er die Richtung eingeschlagen. Ich bin nicht sofort hergefahren, weil ich zum Nachschneiden beim Friseur war. Aber ich habe John Sinclair gesehen, und da lasse ich mir auch nicht reinreden.« »Dann muß es wohl stimmen.« Suko hatte den Satz in einem solchen Tonfall gesagt, daß Jane sich ärgerte. »Du glaubst mir nicht.« »Es fällt mir zumindest schwer.« »Aber es ist eine Tatsache, Suko. Ich lasse mich davon nicht abbringen. Tut mir leid.«
Allmählich wurde auch Suko unsicher. Jane blieb bei ihrer Behauptung, und er dachte daran, daß John vielleicht doch nicht gefahren war und sie alle nur an der Nase herumgeführt hatte. Das wäre natürlich ein hartes Stück gewesen. »Nun?« »Ich weiß es nicht, Jane. Sollte er sich auf dem Weg zum Yard befunden haben, wird er ja bald hier eintreffen. Oder nicht?« »Ja.« Das Telefon schlug an. Suko hob ab. Glenda meldete eine Frau an, die ihn besuchen wollte. »Wer ist es denn?« »Eine Mrs. Whyler.« Der Inspektor dachte einen Moment nach. »Stimmt, ich erinnere mich. Das muß die Frau gewesen sein, der John einen Besuch abgestattet hat. Schicken Sie Mrs. Whyler her.« '»Okay.« »Es war nicht John«, sagte Suko, der sehr wohl Janes fragenden Blick bemerkt hatte. »Soll ich gehen?« »Nein, du kannst ruhig bleiben.« Glenda Perkins führte die Frau Sekunden später ins Büro. Für Jane hatte sie keinen Blick. Ihre Stimme klang spröde, als sie die Besucherin vorstellte, die hochrot im Gesicht war und auch stark transpirierte. Sie wirkte zudem etwas ungepflegt und sah sich gehetzt im Büro um, als hätte sie vor irgendeinem Killer Angst, der in einer Ecke lauern konnte. Suko stellte Jane und sich namentlich vor, ohne allerdings auf die Funktion der ehemaligen Hexe einzugehen. »Und Ihnen, Mrs. Whyler, lasse ich etwas Kaltes bringen.« »Ja, das wäre gut.« Glenda brachte Mineralwasser. Auch Jane erhielt eine Flasche und ein Glas. »Danke, Glenda.« »Schon gut.« Als Mrs. Whyler einschenkte, war zu sehen, wie sehr ihre Hand dabei zitterte. Suko ließ sie zunächst einmal trinken. Aus ihrer alten Klapphandtasche holte sie ein Taschentuch und rieb sich damit die Stirn ab. »Sie sind informiert darüber, weshalb mich Ihr Kollege damals in der Nacht besucht hat?« Suko nickte. »Das bin ich. Sie körinen also offen mit mir reden.« »Es ... es ging ja um meinen Sohn, der diese Anfälle hatte und immer schrie.« »Ja . . .« »Heute habe ich ihn allein gelassen.« »Tagsüber?« »Natürlich.« Sie schluckte, hob den Kopf und öffnete weit den Mund, um Atem zu holen. »Es ist ja auch nichts Schlimmes. Er wollte in die Schule gehen. Das macht er immer allein. Schließlich ist er groß genug. Ich hatte noch etwas zu besorgen. Mein Dienst beginnt erst am Mittag. Als ich nach Hause kam, dachte ich natürlich, Peter wäre in der Schule. Aber das war er nicht. . .« Sie legte eine Pause ein, wischte sich wieder über die Stirn und begann leise zu weinen. Daß etwas passiert war, wußten Suko und Jane auch so. Sie warfen sich die entsprechenden Blicke zu, gaben der Frau aber die Zeit, sich zu
erholen. Nachdem sie ihre Nase geputzt hatte, war sie wieder in der Lage, einige Sätze zu formulieren, wenn auch stockend. »Ich betrat die Wohnung und spürte, daß etwas nicht stimmte. Das Gefühl hat man ja. Man weiß plötzlich, daß man nicht allein ist - oder?« Suko nickte. »Ja, das kenne ich. Ihr Sohn war bestimmt noch im Haus -oder?« Sie nickte. »Ja, er war im Haus. Er lag quer über dem Bett.« Ihre Stimme wurde tonlos. »Er wird nie mehr in die Schule gehen können, denn jemand hat ihn umgebracht. . .« Jane Collins und Suko saßen auf ihren Stühlen wie die Ölgötzen. Selbst das Atmen vergaßen sie. Zu hart war ihnen der Schock in die Glieder gefahren. Nur Mrs. Whylers Weinen war zu hören. Gab es Schlimmeres, als einer Mutter den Sohn zu nehmen? Wohl kaum. Suko hatte sich als erster gefangen und unterbrach das drückende Schweigen. »Kann ich davon ausgehen, daß Sie sich nicht getäuscht haben, Mrs. Whyler?« »Ja, davon können Sie ausgehen.« Sie starrte gegen das Fenster, ohne es wahrscheinlich zu sehen. »Ich fand noch die Nerven, meinen S,ohn zu untersuchen, nachdem das andere vorbei war.« »Welches andere?« »Der Mörder befand sich noch in der Wohnung. Wahrscheinlich habe ich ' ihn bei der Tat überrascht.« Fast wäre Suko von seinem Stuhl hochgefahren. »Was haben Sie da gesagt, Mrs. Whyler?« »Ich habe mich nicht getäuscht. Dieser verdammte Killer befand sich noch in der Wohnung. Glauben Sie mir. Ich . . . ich habe ihn sogar gehört.« »Auch gesehen?« Sie nickte und hob gleichzeitig die Schultern. »Sie kennen meine Wohnung nicht, Sir. Sie ist sehr klein. Ich muß mit wenig Geld auskommen. Aber sie hat einen dunklen Flur, von dem zwei Türen abzweigen. Im Flur hat sich der Killer aufgehalten, denn als ich neben Peter stand, hörte ich seine Schritte. Sie waren schleichend. Zuerst wollte ich nicht nachsehen, dann lief ich doch hin, riß die Tür auf, schaute in die Diele . . .« »Und da haben Sie ihn gesehen?« »Ja, Sir.« »Wer war es?« Sie hob die Schultern. »Ich konnte ihn nicht genau erkennen, weil er bereits die Flurtür geöffnet hatte und schon halb aus dem Raum war. Aber mir war dieser Mann nicht unbekannt.« »Er hatte also mit Ihnen oder Ihrem Sohn schon einmal zu tun gehabt?« Sie nickte. »Mehr mit meinem Sohn . . .«
Vom Vorzimmer her hörten sie Stimmen, weil im Büro sehr leise gesprochen wurde. Ein Mann war eingetroffen. Er lachte sogar und scherzte mit Glenda. Suko schüttelte den Kopf, während sich Janes Lippen zu einem triumphierenden Lächeln verzogen. Schon stieß der Besucher die Tür auf. Nein, es war kein Besucher, denn dieser Mann gehörte hierher. »John«, ächzte Suko. »Du bist es?« »Ja, wieso?« »Aber ich dachte, du wärst nach Belgien gefahren, um dort dieser einen Sache nachzugehen . . .« Von den Lippen der Besucherin löste sich ein gellender Schrei. Sie sprang hoch, streckte ihren rechten Arm aus und deutete auf den Geisterjäger. »Das!« schrie sie. »Das ist der Mörder meines Sohnes . . .« *** Vier Hyänen und ich! Sie waren verdammt schnell und wendig. Ihre Mäuler hatten sie aufgerissen, ich sah die scharfen Zähne, den grünlichgelben Geifer dazwischen und das harte Leuchten in ihren Augen. Sie wollten mich killen! Ich riß meine Beretta hervor, während ich mich gleichzeitig nach rechts warf, um der ersten Attacke einer Hyäne zu entgehen. Leider rammte ich dabei mit der rechten Hand gegen eine Tischkante. Der scharfe Schmerz stach hoch bis in meinen Ellenbogen, so brachte ich die Waffe nicht schnell genug herum, um sie auch einsetzen zu können. Die Hyäne war heran - und biß zu! Hätte ich nicht im letzten Moment mein Bein hochgerissen, sie hätte mich erwischt. So aber rammte ich ihr meinen Fuß unter die Schnauze. Die scharfen Zähne klackten zusammen, der Kopf flog zur Seite, sie selbst heulte auf, ich aber hatte das Gefühl, gegen Stahl getreten zu haben und nicht gegen einen Tierkörper. Der Gedanke war wie ein Blitzstrahl in meinem Hirn aufgezuckt. Es blieb zudem nicht die Zeit, darüber näher nachzudenken, ich mußte mich um die Bestien kümmern. Wie Schatten rasten sie heran – und vorbei! Auch die erste, die mich attackiert hatte, drehte sich mitten im Sprung, landete dicht vor der offenen Ausgangstür wieder auf dem Boden und war einen Augenblick später mit einem riesigen Satz verschwunden. Selbst mit einem schnellen Schnappschuß hätte ich sie nicht mehr erwischt.
Mit der Schulter rammte ich die Tür weiter auf und lief ins Freie. Wären das zerbrochene Glas und die ausgelaufene Flasche nicht gewesen, hätte die Umgebung eine friedliche Idylle im Sonnenschein sein können. So aber sah die Sache anders aus. Der Teufel persönlich und vier seiner Helfer hatten mich besucht. Zudem war es dem Höllenprinz gelungen, sich ein Opfer zu holen. Eine junge Frau, die wahrscheinlich nur durch Zufall in diesen Fall hineingestolpert war. Ich ging nach draußen. Wind trieb mir den Geruch frischer Blüten entgegen. Ich sah den Fliederbaum nicht, roch nur seinen Duft und mußte ein paarmal hart schlucken. Zudem war ich sauer, weil der Teufel es wieder geschafft hatte, mich reinzulegen. Man konnte auch sagen, daß ich ihm auf den Leim gegangen war. Peter Whyler, sein Schreien, die Spur nach Belgien, das war alles sorgfältig geplant gewesen. Und ich hatte mich wieder einmal über die Sicherheit des Teufels gewundert. Angeberisch und eitel war er immer, auch sicher, wenn man so wollte, aber in diesem Fall hatte er alles übertroffen. Für ihn war ich schon tot. Jedenfalls hatte sich seine Rederei so angehört. Ich schluckte meinen Zorn hinunter, machte kehrt und betrat wieder das Gasthaus. Auf dem Boden lagen die Splitter. Einige Stühle waren umgeworfen worden, zusammen mit zwei Tischen, die zwischen den Stühlen lagen. Ansonsten hatten die zahlreichen Flaschen und Gläser den Angriff gut überstanden. Sollte ich warten, bis Arlettes Verwandte zurückkamen, und sie informieren? Das konnte sehr lange dauern. Soviel Zeit hatte ich nicht. Nein, es war besser, wenn ich ging. Schon allein, um unangenehmen Fragen auszuweichen. Um die Leute aber zu beruhigen, schrieb ich einen Zettel und heftete ihn an die Zapfsäule. Arlette ist nichts passiert. Sie wird zurückkommen. Ich hoffte, daß diese Worte ausreichten, um die Leute zu beruhigen. Dann machte ich wieder kehrt. Kaum hatte ich den Fuß über die Türschwelle nach draußen gesetzt, als ich von dem fürchterlichen Jaulen der Hyänen empfangen wurde. Noch immer waren sie nicht zu sehen. Der Lautstärke nach zu urteilen, mußten sie sich aber in der Nähe aufhalten, wahrscheinlich durch die Büsche geschützt.
Die Sonne schien mir auf den Kopf. Im Nacken hatte sich der Schweiß gesammelt und bildete dort kleine Bäche, die meinen Rücken hinabflössen. Das Heulen widerte mich an. Ich vermeinte auch, einen anderen Tonfall darin zu erkennen. Diesmal klang es zwar ebenso schrecklich, aber gleichzeitig auch sicher und triumphierend. Sie hatten es geschafft. Und sie wollten mich locken. Der Junge hatte von der Komturei gesprochen. Ich glaubte fest daran, daß ihm diese Worte eingeimpft worden waren. Da hatte Asmodis bereits sein Netz gespannt, das bis nach Belgien reichte und hier zugezogen werden sollte. Die alte Komturei war demnach eine Todesfalle für mich. Aber ich wußte jetzt Bescheid und besaß auch Waffen, auf die ich mich verlassen konnte. Die Beretta, den Dolch, den Bumerang - und das Kreuz! Mit diesen magischen Abwehrmitteln hatte ich schon so manche Schlacht geschlagen und auch gewonnen. Allerdings dachte ich auch an die Warnung des Sehers und an seinen Hinweis auf das Buch der grausamen Träume. Diese Tatsache und den Fall hier brachte ich noch nicht in die Reihe. Das Heulen war verklungen. Zuletzt hatte ich es aus einer Richtung gehört. Sie lag rechts von mir. Wahrscheinlich sollte ich mich nach dort wenden. Vielleicht lag da auch die alte Komturei. Ging ich zu Fuß? Nahm ich den Wagen? Da ich nicht wußte, wie lange der Weg werden würde, entschied ich mich für den fahrbaren Untersatz. Zwar hatte der Golf im Schatten der Bäume gestanden, er war trotzdem von innen aufgeheizt. Bevor ich einstieg, warf ich noch einen Blick zum Himmel. Die Bläue war verschwunden. Im Tal der Semois lag bereits eine dicke graue Wand, die sich aus gewaltigen Wolkengebirgen zusammensetzte und in ihrem Innern einen fahlen gelblichen Schimmer angenommen hatte. So sah eine Gewitterwand aus. Das hatte mir noch gefehlt. Aber irgendwie war es auch die richtige Untermalung für einen wie der, der auf mich wartete. Große Sorgen machte ich mir auch um Arlette! Wen der Teufel einmal hatte, ließ er so schnell nicht mehr los. Ich wollte Arlette befreien und hoffte, daß sie noch lebte. Das rechte Seitenfenster behielt ich während der Fahrt offen. Ein Hinweisschild hatte ich nicht gesehen. Ich mußte auf gut Glück losfahren und dabei die Richtung einschlagen, aus der ich das Heulen vernommen hatte. Der Weg führte tiefer in das mir unbekannte Gelände. Er war nicht eben. Ich rollte über Buckel hinweg, schaukelte durch Schlaglöcher und mußte die Kurven sehr eng nehmen. Dabei immer von der Angst begleitet, daß
der schmale Weg in der Dichte eines Waldes versickern würde und ich überhaupt nicht mehr weiterkam. Das geschah zum Glück nicht. Statt dessen schöpfte ich so etwas wie Hoffnung, als der Weg in eine große Lichtung mündete, die mit sehr hohem Gras bewachsen war. Die Halme bewegten sich im leichten Wind. Ich drehte das Lenkrad nach rechts, weil ich eine breite Spur gefunden hatte, durch die ich fahren konnte. Irgendein Trecker oder ein geländegängiges Fahrzeug mußte sie hinterlassen haben, wie an den im Boden tief eingefrästen Rillen deutlich zu erkennen war. Zwar befand sich auch Wald in meiner Nähe, aber so weit weg, daß er mich nicht störte. Hier herrschte dieser hohe Grasteppich vor. Die Hyänen hörte ich nicht. Dafür wirbelten die Reifen dünne Staubwolken auf, die den Golf umtanzten und auch ihren Weg durch das offene Seitenfenster zu mir fanden. Einmal sah ich einen Fuchs. Wieselflink jagte er an meinem Wagen entlang und war verschwunden. Menschen begegneten mir keine. Zwar mußte nicht weit von hier das Landschulheim liegen, aber die Kinder, die sich dort befanden, verzichteten wohl auf einen Spaziergang. Vor mir lag eine leichte Anhöhe. Auch sie war bewachsen, aber nicht mit Bäumen. Das dunkle, das aus dem Grasboden hervorstach, waren alte Mauern. Die Komturei! Ich lenkte den Wagen dorthin, wo das Gras besonders hoch wuchs, fuhr ihn in die grüne Steppe hinein und stieg aus. Das Zirpen zahlreicher Grillen umgab mich. Hinzu kam die schon drückende schwüle Luft, die mir vorkam, als würde ich sie bei jedem Atemzug trinken. Vorboten eines Gewitters! Es gab keine Stelle an meinem Körper, die nicht durchgeschwitzt war. Mit Taschentuch und Handgelenk wischte ich mir einen Teil des Gesichts trocken, bevor ich mich auf den Weg machte und sehr vorsichtig war, denn ich hielt mich immer am Rand und in der unmittelbaren Deckung der hohen Grasmauer. Das* Zirpen der Grillen begleitete mich. Mücken setzten sich auf meine Haut. Ein paarmal schlug ich sie weg, dann ließ ich es bleiben, obwohl ich ein paarmal gestochen wurde. Wenn ich zurückschaute, sah es ziemlich düster aus. Das im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Wand näherte sich schnell. Sie schien auch tiefer gedrückt worden zu sein und sah aus wie ein Moloch, der alles verschlingen wollte.
Den kleinen Hang hatte ich rasch überwunden. Allmählich schälten sich die Überreste der Komturei hervor. Das war schon fast eine kleine Stadt! Von Resten konnte man da nicht sprechen, denn die Mauern waren so gebaut, daß sie die Ränder und Begrenzungen einer Straße bildeten. Die Straße der Teufel! Hatte der Junge nicht davon gesprochen? Natürlich, ich erinnerte mich genau, und jetzt stand ich an dem Ort, der zu meinem Grab werden sollte, wenn es nach dem Teufel ging. Der Startschuß fiel ebenfalls. Ein gewaltiger Donnerschlag krachte hinter mir auf. Der Himmel schien auseinanderfliegen zu wollen, so laut war er, und das Echo rollte über das Land. Ich drehte mich um. Mein Blick fiel direkt in die dunkelgraue Wand aus Wolken und auf das Gesicht, das rötlich hindurchschimmerte. Die Fratze des Teufels! *** Jane Collins saß regungslos auf ihrem Platz, auch Suko rührte sich nicht. Beide schauten auf den Geisterjäger, der in der Tür stand und sich umsah. »Was ist los?« fragte John. »Er ist der Mörder«, wiederholte Mrs. Whyler mit lauter Stimme. »Er ist ein Mörder! Er hat meinen Sohn getötet. Ich habe es gesehen.« John Sinclair schloß die Tür. Er lehnte sich von innen dagegen und hob die Schultern. »Kann mir einer von euch mal erklären, was das zu bedeuten hat?« »Das hörst du doch«, sagte Suko. »Du bist ein Mörder. Du hast Peter Whyler. umgebracht.« Sinclair wandte der Besucherin den Kopf zu. »Und das haben Sie gesehen, Mrs. Whyler?« »Nein!« »Wie kommen Sie dann dazu, mich des Mordes an Ihrem Sohn zu bezichtigen?« »Ich habe nicht gesehen, wie Sie ihn umbrachten, Mr. Sinclair. Aber ich konnte Sie erkennen, als Sie die Wohnung verließen. Sie hielten den Griff der Tür bereits fest. Dann verschwanden Sie im Flur und liefen sehr schnell die Treppe hinab.« Sinclair stand im Raum und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Und du, Suko?« Der Inspektor gab eine ausweichende Antwort. »Ungewöhnlich ist das schon.«
John Sinclair nickte. »Ja, mehr als ungewöhnlich. Ich bezeichne es schon als kriminell.« »Aber ich habe Sie in meiner Wohnung gesehen.« »Richtig, das streite ich auch nicht ab, daß ich in Ihrer Wohnung gewesen bin. Jedoch in der Nacht. Wir haben Ihrem Jungen zugehört, als er seinen Anfall bekam. Das ist es gewesen.« »Und dann sind Sie zurückgekehrt und haben Peter brutal getötet. Ein Polizist als Killer, ein Mensch, dem man vertraut, entpuppt sich plötzlich als Mörder.« Sinclair wurde ärgerlich. Barsch winkte er ab. »Langsam machen Sie sich lächerlich und mich wütend.« Suko erhob sich. Er legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »John, keiner weiß so recht, was los ist. Ich glaube natürlich auch nicht, daß du diesen Jungen getötet hast. . .« »Das will ich dir auch geraten haben.« »Aber ich habe eine Frage an dich. Wolltest du nicht nach Belgien zu dieser Komtureij um dort die Spur aufzunehmen?« »Das hatte ich auch vor.« »Aber?« Sinclair hob die Schultern. »Was soll ich dir da sagen? Ich habe es mir anders überlegt und wollte eigentlich noch den Jungen sprechen. Pardon, Mrs. Whyler, ich wußte ja nicht. . .« Die Frau begann wieder zu weinen. Sie barg ihr Gesicht dabei in den angewinkelten Armen. Sinclairs Auftauchen hatte ihren strapazierten Nerven den Rest gegeben. »Niemand glaubt mir«, schluchzte sie. »Niemand. Aber ihr Polizisten haltet ja zusammen.« Suko hob die Schultern und schaute seinen Freund an. »Was soll man da machen?« »Das kann ich dir auch nicht sagen.« »Ihr Sohn ist tot«, meldete sich Jane. Sinclair drehte sich ihr zu. »Was machst du eigentlich hier? Ist etwas passiert?« »Nein, ich wollte dich nur darüber informieren, daß ich endlich eine Wohnung gefunden habe.« »Ach ja?« Jane nickte. »Sie ist zwar klein und bescheiden, aber . . .« Ihr fiel ein, daß diese Neuigkeiten ja nichts gegen den Schmerz der Frau waren, den sie wegen des Todes ihres Sohnes empfand. »Wo ist denn der Junge umgebracht worden?« fragte der Geisterjäger. »In seinem Bett.« »Und die Mutter hat ihn gefunden?« Suko bestätigte es durch ein Nicken. John schüttelte den Kopf. »Das muß furchtbar gewesen sein. Vielleicht trage ich tatsächlich die Schuld daran. Ich hätte ihn nicht in der Nacht besuchen sollen.«
»Das mußte sein.« »Asmodis schläft nie. Ich fürchte auch, daß in Belgien die Falle bereits auf mich wartet.« »Bist du deshalb nicht gefahren?« »Auch«, gab John zu. »Und ich wollte Sir James bitten, daß du mit mir fliegst.« Der Inspektor verzog den Mund. »Endlich bist du vernünftig geworden, Alter.« »Das sagst du so einfach. Ich frage mich nur, ob wir sofort fliegen oder erst noch zu Mrs. Whyler gehen.« Suko war dafür, sich die Wohnung anzusehen. »Wir müssen auch der Mordkommission Bescheid geben.« Damit zeigte sich Sinclair einverstanden. Suko kümmerte sich um die Frau. Er faßte sie leicht an und zog sie behutsam in die Höhe. »Kommen Sie, Mrs. Whyler, wir warten im Nebenzimmer, bevor wir zu Ihnen fahren.« »Ist dieser Killer auch dabei?« »Ja, Oberinspektor Sinclair wird uns begleiten.« »Ich will ihn aber nicht sehen!« Die Diskussion wurde nicht mehr fortgeführt, denn Suko brachte die Frau zur Tür und damit ins Nebenzimmer. Jane Collins und John Sinclair blieben zurück. »Na?« fragte Jane. »Fällt dir nichts auf an mir?« »Wieso?« »Ich habe die Haare ab.« Sinclair lachte. »Jetzt, wo du mich darauf ansprichst, sehe ich es auch. Aber das ist unwichtig. Mir bereitet diese Frau Kummer.« »Kann ich mir vorstellen. Es ist auch nicht jedermanns Sache, als Mörder eingestuft zu werden.« »Glaubst du ihr denn?« fragte der Geisterjäger überrascht. Jane Collins wich einer direkten Antwort aus. »Ungewöhnlich ist ihr Verhalten schon.« Sinclair schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Mir ist schon viel widerfahren, aber so etwas noch nicht. Daß man mich für einen Mörder hält, ist ungeheuerlich.« »Sie behauptet sogar, dich gesehen zu haben.« John hob einen Zeigefinger. »Moment, sie hat jemand gesehen, der so aussah wie ich. Was glaubst du, liebe Jane, wie viele Personen es gibt, die von hinten so aussehen wie ich. Eine ganze Menge.« »Vielleicht hat der Mörder auch noch deine Kleidung getragen«, sagte Jane. »Hast du die Frau danach gefragt?« »Nein, dazu ist es nicht gekommen.« Suko kehrte in das Büro zurück. Sein Gesicht sah sehr ernst aus, als er seinem Freund zunickte. »Wir können fahren, John.« »Hat sie nichts mehr dagegen, wenn ich sie begleite?« »Doch.«
»Aber?« »Nimm einen anderen Wagen.« »Das darf doch nicht wahr sein«, flüsterte Sinclair. »Verdammt, wie verbohrt seid ihr eigentlich? Glaubt ihr jetzt auch, daß ich der Killer bin?« »Nein, John, auf keinen Fall. Aber ich muß die Frau beruhigen. Das mußt du doch verstehen.« »Klar, verstehe ich das. Nur regt es mich eben auf, daß man mich für einen Mörder hält.« »Kann ich verstehen. Obwohl ich immer noch nicht begreife, was dich abgehalten hat, nach Belgien zu fliegen. Du bist erst Feuer und Flamme gewesen und plötzlich nicht mehr.« »Das ist die Vorsicht.« »Oder Angst.« »Wieso?« »Denk mal daran«, sagte Suko, »was dir der Seher in der vergangenen Nacht mitgeteilt hat. Seine Warnung darfst du nicht so einfach unter den Tisch kehren.« John Sinclair war bleich geworden. »Ja, ja, daran habe ich im Augenblick nicht gedacht.« Suko nickte. »Bringen wir es hinter uns. Es wird auch für Mrs. Whyler besser sein.« Sie verließen das Büro. Mrs. Whyler und Glenda Perkins standen zusammen. Die Frau hielt den Kopf gesenkt. Sie sah Sinclair auch nicht an und wurde von Suko und Jane in die Mitte genommen. Als Sinclair Glenda passierte, fragte sie flüsternd: »Stimmt es, daß man dich des Mordes bezichtigt hat, John?« »Es sieht so aus.« »Das ist doch Unsinn.« Der Geisterjäger streichelte die Wange seiner Sekretärin. »Das, meine Liebe, finde ich auch.« »Kommst du noch zurück?« Sinclair lachte. »Natürlich.« Er griff in die Tasche und holte einen Wagenschlüssel hervor. »Irgendwann bekomme ich wieder einen Bentley. Dann mache ich mit dir die erste Fahrt.« »Ich nehme dich beim Wort, John.« Jane, Mrs. Whyler und Suko waren schon nach unten gegangen und standen auf dem kleinen Innenhof. »Willst du vorfahren, John?« fragte der Chinese, als er seinen Freund sah. »Ja, gern.« Mrs. Whyler bedachte den Geisterjäger mit keinem Blick, als dieser in sein Fahrzeug stieg. »Willst du vorfahren?« fragte Suko. John hatte nichts dagegen einzuwenden. Bevor er einstieg, wurde er von seinem Freund festgehalten. »John, wie kann diese Frau behaupten, daß sie dich gesehen hat?« Sinclair hob die Schultern. Er zog ein verzweifeltes Gesicht. »Ich habe keine Ahnung.«
»Vielleicht ist es bei ihr eine Psychose«, vermutete Suko. »Sie will sich Unbedingt ein Feindbild schaffen, und das hat auch geklappt. So sehe ich es.« »Da kannst du recht haben.« Der Chinese nickte. »Ich bin gespannt, wie sie reagiert, wenn wir die Wohnung betreten. Auf jeden Fall sollten wir die Frau genau im Auge behalten. Sinclair nickte nur, stieg ein und startete den Motor . . . *** Die Straße der Teufel begrüßte mich mit einem schaurigen Gesang. Hohl und unheimlich klang mir das Heulen der Hyänen entgegen und schien hinter mir in die düstere Gewitterwolke einzudringen, um dort zu verhallen. Der eine Donnerschlag hatte sich für mich angehört wie ein Startsignal. Als ich die Wolke abermals anschaute, war das übergroße Gesicht des Teufels verschwunden. Die Wand sah wieder völlig normal aus... Kein einziger Sonnenstrahl stach aus den Wolken gegen das düstere Gemäuer der Komturei. Da standen sich die alten Gebäude und Ställe noch gegenüber, so daß sich zwischen ihnen so etwas wie eine menschenleere Straße befand. Zu einem Gewitter gehört Wind. Auch hier war dies der Fall. Die erste Bö fiel in die enge Straße ein und wirbelte den Staub in die Höhe, der an mir vorbeiflog. Ein trockener Geruch breitete sich aus. So rochen eben alte Mauern und Steine, wie ich sie vor mir hatte. Die ersten Schritte lagen bereits hinter mir. Ich kam mir vor wie ein einsamer Western-Held, als ich am Beginn der Straße stand und in die leere Häuserzeile hineinschaute. Im Western kommt immer der zweite Duellant. Hier ließ sich niemand sehen. Beruhigend für mich war der Druck der Waffen. Wenn ich sie zog, geschah dies innerhalb einer Sekunde. In der Zeitspanne konnte ich auch schießen. Ich drehte mich nach rechts und schritt auf das erste Haus zu. Es war aus mächtigen Klötzen errichtet worden, hatte keine Schießscharten, wie oft üblich gewesen im Mittelalter, sondern viereckige Fensteröffnungen. Es war still geworden. Hoch über mir ballten sich die Wolkenfelder noch stärker zusammen. Dahinter stand irgendwo der Ball einer heißen Sonne, die auch die Schwüle brachte.
Es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Jedes Geräusch hörte sich doppelt so laut an wie normal. Auch das Schleifen meiner Schritte. Der Boden war mit hohem Gras bewachsen. Aber zwischen den einzelnen Abschnitten schimmerten die grauen Platten der Steine durch, mit denen die Straße einmal belegt gewesen war. Scheiben sah ich nicht in den Fensteröffnungen. Wenn ich einen Blick hindurch werfen wollte, mußte ich mich auf die Zehenspitzen stellen, aber ich ging vor bis zu einer Tür. Noch betrat ich das Haus nicht. Irgendwo hatte ich ein Geräusch vernommen. Typische Laute, die entstehen, wenn ein Tier über den Boden huscht. Das Tappen von Pfoten . . . Katzen oder Hunde waren es sicherlich nicht. Ich rechnete mit einer Hyäne. Aber ich sah sie nicht, sosehr ich mich auch anstrengte. Vorsichtig streifte ich die Kette über den Kopf und steckte das Kreuz griffbereit in die Tasche. Wenn die Hyäne kam, würde ich ihr diese »Waffe« * entgegenhalten. Sie hielt sich zurück. Das Tappen der Pfoten verklang zudem, so daß ich das Haus betreten konnte. Die dicken Mauern hatten einen Teil der Wärme abgehalten. Ein kühler Schauer erfaßte mich, als ich innerhalb des Hauses stand und in die Dunkelheit starrte. Nur schwach malten sich die Innenmauern ab, die die einzelnen Räumlichkeiten voneinander trennten. Mit der Taschenlampe leuchtete ich den Boden nach Spuren ab. Die eines Menschen entdeckte ich nicht in der Staubschicht. Dafür sah ich die Abdrücke der Pfoten. Hier waren die Hyänen also auch gewesen . . . Ich schob mich dicht an einer Wand entlang auf eine Treppe zu, über die ich den Lampenschein geistern ließ. Auch die Stufen bestanden aus Steinquadern. Die Treppe sah stabil aus. Ich hatte sie schnell hinter mich gebracht und stand in der ersten Etage, die nur aus einem großen Raum bestand. Staub, Spinnweben, Fensterlöcher, die zur Rückseite hin zeigten. An eines der Fenster trat ich und lehnte mich hinaus. Ich sah die Landschaft, die unter dem fahlen Gewitterlicht lag. In der Ferne zeigte der Himmel einen hellen Streifen. Es kam mir vor, als würde sich dort eine völlig andere Welt befinden. An der Rückseite tat sich ebenfalls nichts. Eine Hyäne ließ sich nicht blicken, ich hörte auch das Jaulen nicht mehr und auch keinen menschlichen Hilfeschrei.
Aber Arlette mußte hier irgendwo stecken. Der Teufel hatte sie nicht umsonst geholt. Nachdem ich den Raum abgeleuchtet und nichts Verdächtiges gefunden hatte, ging ich wieder zurück. Schon die ganze Zeit über hatte ich gespürt, daß die Umgebung magisch aufgeladen war. Mein Kreuz reagierte auf solche Dinge sehr sensibel. An verschiedenen Stellen blitzte es auf, wenn ich es auf dem Handteller liegen ließ. Ich trat wieder in die stickige Schwüle. Wahrscheinlich würde meine Arbeit darauf hinauslaufen, daß ich sämtliche Häuser und Räume durchsuchte, um eine Spur zu finden. Auf der Straße herrschte Ruhe. Ich löste mich von der Hauswand, schritt auf die Straßenmitte zu, wollte auch weitergehen, als ich ein Schaben hörte. Sofort schaltete ich die Lampe ein und ließ den Halogenstrahl über die Straße huschen. Er traf ein Ziel. Vielleicht fünf Schritte vor mir war die Straße aufgerissen worden. Dort hatte sich ein Stein zur Seite geschoben, eine viereckige Öffnung war entstanden, aus der etwas hervorstach. Ein bleich wirkender Frauenarm. Er schien mir zuzuwinken. Augenblicklich wußte ich Bescheid. Arlette! *** Die uns trennende Distanz zu überwinden war kein Problem. Neben der Öffnung blieb ich stehen und schaute in eine Fallgrube hinein, in der Arlette stand. Als ich jedoch nach ihrer Hand greifen wollte, zog sie den Arm blitzschnell zurück, lachte auf und verschwand aus dem Strahl meiner Lampe. Zuletzt hatte ich noch einen Blick auf ihr Gesicht werfen können. Es war verzerrt gewesen, und der Mund hatte offengestanden. Wie ein Schatten war das Mädchen weggetaucht, ohne von mir auch nur berührt werden zu können. Ich leuchtete die Wände des Schachts ab und sah dort eine schmale Öffnung, durch die ein Mensch paßte. Wenn Asmodis hier seine Klauen im Spiel hatte, verstand er es sehr gut, mich zu narren. Und auch eine Gefahr herbeizubeschwören, denn ich hörte wieder das altbekannte öeräusch. Nur fuhr der Stein diesmal in seine alte Lage zurück. Hinter mir grummelte das Gewitter. Es zeigte mir an, daß ich .mich in der normalen und nicht in einer Phantasiewelt befand. Ich beobachtete, wie sich der Stein wieder so hinschob, daß er lückenlos in das Gefüge der Straße paßte. Mir war bewiesen worden, daß es Arlette noch gab und daß sie lebte. Aber der Teufel kontrollierte sie, und das wiederum gefiel mir überhaupt nicht.
Und das Tappen war da. Ich fuhr auf der Stelle herum. Diesmal sah ich die Hyäne. Sie hockte mitten auf der Fahrbahn und starrte mich an. Ihre Augen leuchteten nicht raubtierkalt, sondern in einem blassen Rot, das mich an helle Flammen erinnerte. Ich kam nicht mehr dazu, meine Beretta zu ziehen, denn die Hyäne setzte sich in Bewegung und jagte mit weiten Sprüngen auf das nächststehende Haus zu, in dem sie verschwand. Es war schon ein Nervenkrieg, den Asmodis angezettelt hatte, aber so etwas kannte ich. Das warf mich nicht vom Hocker. Er und ich hatten uns schon öfter bei solchen Gelegenheiten gegenübergestanden. Ich ließ das Haus nicht aus den Augen. Das war gut so, denn die Hyäne erschißn an einem Fenster in der ersten Etage. Dort malte sich ihre Gestalt in dem offenen Viereck ab. Bevor ich auf das Tier anlegen konnte, war es wieder verschwunden. Die Hyänen erschienen hier nicht ohne Grund. Auch der Teufel umgab sich nur selten mit diesen Tieren. Sie deuteten mehr auf einen anderen Gegner hin, der sich in den letzten Monaten immer stärker hervorkristallisiert hatte: Baphomet! Und er war ja von einer gefährlichen Gruppe der Templer verehrt worden. Man hatte sie damals verboten, aber im Untergrund gab es sie noch immer. Auch heute. Und zwar stärker als je zuvor, denn die Templer um Baphomet wollten wieder die Macht besitzen, die sie einmal besessen hatten. Dagegen standen die echten Templer, zu denen ich eigentlich auch gehörte, da ich in einem meiner früheren Leben ein Templer gewesen war. Während meiner Überlegungen hatte ich das Haus, in dem die Hyäne verschwunden war, nicht aus den Augen gelassen. Sie bewegte sich noch in der ersten Etage, aber dort geschah auch etwas anderes, denn sehr deutlich erkannte ich das rote Licht. Mehr ein huschender Schein, der allerdings sehr schnell Gestalt annahm und sich auf eine bestimmte Stelle konzentrierte. Die Gestalt blickte aus dem Fenster nach draußen. Ich konnte sie sehr deutlich sehen. Mit ihren aus dem glatzköpfigen Schädel wachsenden Hörnern sah sie aus wie eine schreckliche Wiedergeburt des TemplerDämons Baphomets . . . *** Es war eine häßliche Gestalt, in die sich die Hyäne verwandelt hatte.
Man konnte sie auch als einen kleinen Teufel bezeichnen. Feuerrot und widerlich, von innen her glühend, dabei kahl und auch völlig nackt, soweit ich das erkennen konnte. Der Kopf war rund, die Ohren übergroß, und die beiden Hörner leuchteten ebenfalls rot. Für mich stand fest, daß diese kleine Gestalt nicht im Haus gelauert hatte. Sie mußte mit der Hyäne identisch sein und sich aus ihr gebildet haben. Ein Gesicht war schlecht zu erkennen. Von einem Mund oder einer Nase wollte ich da nicht sprechen. Wenn beides vorhanden war, dann nur in Andeutungen. Er stand da und schaute auf die Straße, als wäre nichts geschehen. Und er zeigte auch keine Angst, obwohl er wissen mußte, daß ich bewaffnet war. Es waren aber vier Hyänen gewesen. Sie hatten mich im Gasthaus überfallen, deshalb ging ich davon aus, daß ich auch bald vier dieser kleinen Teufel gegenüberstehen würde, falls sich die Hyänen in der Straße überhaupt zeigten. Ich ging mit dem linken Fuß zurück, um einen besseren Stand zu haben. Dann drehte ich mich - und erschrak nicht einmal, als ich sah, daß aus den anderen Fenstern der Häuser ebenfalls diese häßlichen Gestalten schauten. Vier Hyänen - vier Teufel! Beherrschten sie die Komturei? Hatte Baphomet sie vorgeschickt, um das Grauen zu bringen? Möglicherweise konnten sie reden, aber sie sagten nichts. Ihr Schweigen paßte mir nicht. Dieses stumme Beobachten zerrte mittlerweile an meinen Nerven. Dafür meldete sich die Natur. Wieder krachte ein Gewitterschlag so heftig, daß ich zusammenzuckte und unwillkürlich zum düsteren Himmel über mir schaute, dort aber keinen Blitz sah. Dafür zeichnete sich an den Wolkenrändern eine fahlgelbe Farbe ab, die in zackigen Linien verlief. Und ich sah das Gesicht des Teufels! Schwach in den Umrissen, mit einem aufgerissenen Maul, das sich bewegte, je nach dem, ob sich die Wolken zusammenschoben oder auseinander-gerissen wurden. Urplötzlich flammte der Blitz auf. Ein zackiges gelbes Gebilde, das aus den Wolken gegen die Straße jagte, auf der ich stand. Ich brachte mich mit einem Sprung zurück in Sicherheit, doch es war eine Falle gewesen. Der zweite Blitz erwischte mich mitten im Sprung. Die nächste Sekunde erlebte ich wie in der zehnfachen Verlängerung. Ich hatte das Gefühl, als wäre mein Kopf in zwei Hälften geteilt worden, um anschließend nach verschiedenen Seiten wegzufliegen. Gefühle und auch Schmerzen wurden danach völlig ausgeschaltet. Irgend jemand riß mir den Boden unter den Füßen weg. Vergeblich suchte ich nach Halt, merkte aber noch, daß ich mich drehte und auf die Erde fiel.
Rücklings und bewußtlos blieb ich liegen. Meine Feinde hatten gewonnen! *** Als Suko die Wagentür ins Schloß hieb und sich drehte, fiel ihm der hellblaue Mercedes auf, den er einige Straßen zuvor schon im Rückspiegel gesehen hatte. Der Chinese wurde das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden, nur kannte er den Wagen nicht und konnte ihn auch nicht einordnen. Mrs. Whyler hielt sich bei Jane Col-lins auf. Sie wollten schon auf den Gehsteig gehen, um das Haus zu betreten, doch Suko hielt die beiden Frauen zurück. John wartete bereits an der Haustür. Die Frage des Inspektors jedoch galt Jane Collins. »Siehst du den blauen Mercedes?« »Ja. Was ist mit ihm?« »Er scheint uns verfolgt zu haben.« »Ist mir nicht aufgefallen.« »Du kannst aber mit dem Wagen nichts anfangen?« »Nein, ich wüßte niemand, der ein solches Fahrzeug fährt.« »Okay.« »Willst du dir den Fahrer mal ansehen?« Suko winkte ab. »Das kann auch Zufall sein.« Er lächelte. »Du weißt ja, wie das ist. Manchmal sieht man am hellichten Tage Gespenster.« »Dann würde ich trotzdem . . .« »Nein, außerdem wartet John auf uns.« Sinclair war schon ungeduldig geworden. Er stand in der offenen Haustür und winkte ihnen zu. »Kommt endlich!« »Ja, ja.« Suko und Jane nahmen Mrs. Whyler in die Mitte. Sie schaute auf ihre Schuhspitzen, während sie ging, und schüttelte dabei den Kopf. »Ihr Kollege kann sagen und behaupten, was er will. Für mich ist und bleibt er der Mörder meines Sohnes.« Sukos Antwort hatte keine Überzeugungskraft. »Sollten Sie wirklich recht behalten, Mrs. Whyler, werden wir dies auch herausfinden und die Konsequenzen ziehen.« Sie lachte bitter. »Wollen Sie gegen Ihren eigenen Kollegen ermitteln?« »Ja.« »Das kann ich nicht glauben.« Der Inspektor enthielt sich eines weiteren Kommentars, denn sie hatten das Haus inzwischen erreicht. Sinclair wartete schon im Flur. Dort war es kühler als draußen, es roch aber auch muffig. Am Ende des ersten Treppenabsatzes stand eine Frau; die ein Kopftuch um ihre Haare geschlungen hatte. Sie schaute
neugierig nach unten und fragte: »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Mrs. Whyler?« »Schon gut. Die Herren und die Dame sind Bekannte von mir.« Die Mitbewohnerin lachte unecht. »Was Sie nicht sagen.« Sie zog sich nicht in ihre Wohnung zurück, blieb in der offenen Tür stehen und sah der Gruppe nach, als sie die Stufen hochschritt und sie passierte. John Sinclair stand schon an der Wohnungstür. »Haben Sie den Schlüssel greifbar, Mrs. Whyler?« Sie nickte, ohne den Geisterjäger anzusehen. Aus der Handtasche holte sie ihn. Suko durfte öffnen. John machte ihm Platz. »Sie hält mich noch immer für den Killer?« flüsterte er fragend. »Ich konnte sie nicht vom Gegenteil überzeugen.« »Schade.« Suko schloß auf. »Es wird sich alles aufklären.« Er legte seine Hand auf Johns Schulter. »Geh du vor.« Sinclair betrat als erster den kleinen Flur. Die anderen drängten nach. Mrs. Whyler blieb in Janes Nähe. Sie hob einen Arm und deutete auf die Wohnzimmertür. »Dahinter liegt er.« Suko sah seinen Freund an. »Ich gehe als erster, okay?« Sinclair hatte nichts dagegen, blieb hinter dem Inspektor und betrat nach ihm den Raum. Quer über dem Bett lag der tote Junge im Sonnenlicht. Auch Mrs. Whyler war nicht im Flur stehengeblieben. Sie stand hinter der Schwelle, stützte sich an der Wand ab und auch an Jane, denn wiederum traf sie der Schock. Sinclair und Suko näherten sich dem Bett. Sie blieben so nah vor ihm stehen, daß ihre Knie die Kante fast berührten. Eine Wunde sahen sie erst, als Suko den Toten umdrehte. »Da ist nichts mehr zu machen«, erklärte er mit kratziger Stimme. »Was ist deine Meinung, John?« Sinclair nickte. »Nach einem Dämonenmord sieht es mir nicht aus«, erklärte der Chinese, wobei er seinen Freund und Kollegen anschaute. »Was sagst du dazu?« »Finde ich auch.« »Dann kann es doch ein Mensch getan haben. Ein gedungener Killer, was weiß ich?« »Wer könnte Interesse daran haben, einen nicht einmal erwachsenen Menschen zu töten?« »Die Frage ist gut, John.« Jane Collins hatte sich zu den beiden Männern gestellt. »Sogar sehr gut.« »Hatte er Feinde?« Jane hob die Schultern. »So etwas mußt du Mrs. Whyler fragen.«
Die Frau hatte sich in einen Sessel gesetzt und die Hände vor ihre Augen gepreßt. Suko brachte es einfach nicht übers Herz, sich bei ihr zu erkundigen. Er ging zum Fenster und blickte hinaus. Der blaue Mercedes stand noch immer am selben Fleck. Wegen der getönten Scheiben war aus dieser Entfernung nicht zu erkennen, ob sich der Fahrer noch im Wagen aufhielt. Wenn ja, mußte er regungslos hinter dem Lenkrad sitzen. »Was ist deine Meinung?« erkundigte sich Jane bei dem Geisterjäger. Sinclair schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht und habe auch keinen Verdacht, wenn man eine dämonische Aktivität einmal ausschließt. Für mich kommt der Teufel nur in Frage.« »Dem steht Mrs. Whylers Aussage gegenüber. Sie hat einen Menschen aus dem Mordzimmer kommen sehen.« John sah der ehemaligen Hexe ins Gesicht. »Hast du mich jetzt auch noch in Verdacht?« »Das habe ich damit nicht gemeint.« »Es hörte sich aber so an.« »Mag sein, doch ich gehe davon aus, daß der Teufel nicht nur in dieser einen Gestalt zu erscheinen braucht. Du weißt selbst, wie flexibel er ist.« »Das stimmt leider.« Suko kam wieder zurück. »Tun wir unsere Pflicht«, sagte er. »Die Mordkommission muß gerufen werden. Vielleicht werden wir irgend etwas herausfinden.« Niemand widersprach, aber Mrs. Whyler regte sich. Sehr langsam senkte sie ihre Hand. »Der Mordkommission werde ich meine Aussage mitteilen. Ob sie nun Ihren Kollegen belastet oder nicht.« Suko lächelte knapp. »Wir haben nichts dagegen, wenn Sie sagen, was Sie gesehen haben. Es ist sogar Ihre Pflicht, die Kollegen auf diese Art und Weise zu informieren.« Sie nickte. Ihr Blick pendelte sich auf John Sinclair ein, der nicht zur Seite schaute. »Mörder!« sagte sie leise und zischend. Es klang wie eine schreckliche Anklage. »Du verdammter Mörder!« Sie drückte ihre Hände auf die Sessellehnen und stand auf. »Moment, Mrs. Whyler, überlegen Sie sich, was Sie noch alles sagen«, erwiderte der Geisterjäger. »Das weiß ich!« Sinclair schüttelte den Kopf. »Das Gefühl habe ich leider nicht. So leid es mir tut!« »Mörder!« sagte sie in das Schweigen hinein. »Kindermörder. Ja, du bist ein Kindermörder!« Die letzten Worte klangen schrill. Sie hatte mit einer sich fast überschlagenden Stimme gesprochen, und sie schüttelte dabei den Kopf, wobei sie hochrot im Gesicht wurde. »Du verfluchter Kindermörder, du! Ich . . . ich bin . . .«
Die Frau war am Ende ihrer Nervenkraft und drehte durch. Weit geöffnet waren ihre Augen, die Lippen zuckten, auf ihnen stand der Speichel, und sie ging plötzlich vor. Ihr Ziel war John Sinclair. Noch während sie sich auf dem Weg befand, holte sie mit der rechten Hand weit aus und klatschte sie in Sinclairs Gesicht. Der versuchte, durch einen schnellen Schritt zurück auszuweichen, aber er schaffte es nicht mehr ganz. Die Nägel streiften ihn an der Wange und fuhren auch an seinem Hals entlang, wo sie auf der dünnen Haut rote Streifen hinterließen. Damit war es nicht beendet. Wieder holte Mrs. Whyler aus, doch diesmal wehrte sich der Geister Jäger. Seine Faust traf. Es war ein brutaler, ein fast vernichtender Hammerschlag, der Mrs. Whyler in der Körpermitte traf. Sie wurde mitten in der Bewegung gestoppt und knickte ein. Es war ihr nicht mehr möglich, sich auf den Beinen zu halten, und während sie zusammensackte, wich das Blut aus ihrem Gesicht, so daß sie kreidebleich wurde. Der Mund stand offen, sie würgte, und Sinclair hob seinen Arm, um noch einmal zuzuschlagen. Zwei griffen ein. Zunächst Jane Collins, die Mrs. Whyler abstützte, bevor diese zu Boden fallen konnte. Zum anderen sprang Suko in den zweiten Schlag des Geisterjägers hinein, hielt dessen Faust fest und schleuderte Sinclair herum, der sich drehte, gegen die Tür fiel und diese ins Schloß drückte. »Bist du denn verrückt geworden!« fuhr Suko seinen Freund an. »Von allen guten Geistern verlassen? Du kannst die Frau hier nicht vor unseren Augen zusammenschlagen!« Sinclair sagte nichts. Er wischte über seine Stirn, dann hob er die Schultern und nickte gleichzeitig. Jane Collins kümmerte sich um Mrs. Whyler. Sie schleifte die Frau auf die Couch zu und legte sie dort nieder. »Ich hole ein Glas Wasser«, sagte sie und ging auf die Tür zu, wo Sinclair Platz machte und von Jane mit einem kalten Blick bedacht wurde. Mrs. Whyler lag da und stöhnte. Suko aber starrte seinen Freund und Kollegen ungläubig an. »Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben. Verdammt, was ist nur in dich gefahren?« »Sie griff mich an, Suko. Ich mußte mich wehren.« »Klar, aber nicht so. Das hast du nie getan. So kenne ich dich nicht, John. Du hast stets Rücksicht auf andere Menschen genommen. Wäre ich nicht dazwischen gegangen, hätte wer weiß was passieren können.«
Der Geisterjäger senkte den Kopf. »Ich frage mich, wie du reagieren würdest, wenn man dich permanent als Mörder beschimpft.« »Nicht so!« Jane kam zurück. Sie hielt das Glas mit Wasser in der rechten Hand. Mrs. Whyler konnte nicht allein trinken, Jane half ihr dabei und setzte den Rand gegen ihre Lippen. »Schlucken Sie nur, Mrs. Whyler.« Suko ging zum Telefon. Er kam endlich dazu, die Kollegen der Mordkommission anzurufen. Als die seine Stimme hörten, fingen sie an zu stöhnen, versprachen aber, so rasch wie möglich zu erscheinen. Mrs. Whyler lag auf der Couch. Beide Hände hielt sie dort auf den Leib gepreßt, wo sie der Schlag getroffen hatte. Ihr Gesicht war verzerrt, die Augen schwammen in Tränen. Jane strich über ihre Wangen. Sie versuchte auch, die Frau durch Worte zu beruhigen. »Es wird gleich ein Arzt mitkommen, der sich um Sie kümmert.« »Ich . . . ich muß noch meine Aussagen machen!« preßte sie hervor. »Ihr . . . ihr müßt mir glauben. Er war es.« »Natürlich war er es!« sagte Jane. »Wir glauben Ihnen alles, Mrs. Whyler.« Als John Sinclair einen Schritt auf die Couch zuging, hielt Suko ihn zurück. »Laß es bleiben, John. Sie hat es bestimmt nicht ernst gemeint. Jane wollte Mrs. Whyler nur beruhigen.« »Schon gut.« Der Geisterjäger wandte sich ab. Suko schaute auf seinen Rücken. Der Inspektor sah dabei sehr nachdenklich aus, was weder John noch Jane Collins bemerkten. Sinclair zog eine Zigarette hervor und rauchte. Er wirkte nervös, unruhig, blickte ein paarmal auf den Toten und preßte hart die Lippen zusammen. Ansonsten schwiegen sie. Auch Mrs. Whyler war ruhiger geworden. Sie atmete nicht mehr so laut und gepreßt, ihr ging es aber nach wie vor ziemlich schlecht. Suko brannten die Fragen auf der Zunge. Da sein Kollege sie nicht stellte, wandte er sich an die Mutter des Toten. »Hatte Ihr Sohn möglicherweise Feinde?« »Nein!« »Gehörte er einer Clique an oder einer Jugendbande?« Sie verzog gequält die Lippen. »Das weiß ich doch alles nicht. Ich kenne den Mörder. Es war Ihr Kollege. Suchen Sie doch bitte nicht nach Ausreden.« »So können Sie das nicht nennen.. Wir müssen schließlich alles in Betracht ziehen.« »Für mich ist der Fall klar. Ich möchte Sie nur bitten, mich vor diesem Mann zu beschützen.« »Reden Sie doch keinen Unsinn!« meldete sich Sinclair mit harter Stimme.
»John!« Jane sprach den Namen drängend aus. »Reiß dich zusammen. Du siehst doch, in welch einem Zustand sie sich befindet.« Sinclair drückte seine Zigarette aus. »Ja, natürlich.« Er stand auf und trat ans Fenster. »Die Wagen der Mordkommission sind da«, berichtete er. »Dann müßten wir hier Platz schaffen«, sagte Suko. »Kann ich denn liegenbleiben?« »Das glaube ich schon, Mrs. Whyler.« Suko verließ als letzter das Zimmer. John Sinclair hatte bereits die Wohnungstür geöffnet und war in den Flur gegangen. Er konnte Janes Flüstern nicht hören, als sie Suko die Frage ins Ohr wisperte. »Findest du nicht auch, daß sich John ungewöhnlich benimmt?« »Ja.« »Gibt es einen Grund?« »Verdammt, Jane, frag mich etwas Leichteres. Ich habe einfach keine Ahnung. Irgendwas muß in seinem Innern vorgegangen sein, das ich mir nicht erklären kann. Er hat sich tatsächlich verändert.« »Aber ein Mörder?« »Nein, das nicht. John haben die letzten Wochen verdammt zugesetzt. Auch dieser Fall in Germany. Er kam regelrecht bedrückt zurück. Ich habe mich mehr als gewundert.« »Kennst du den Grund?« »Leider nicht.« Im Flur wurden Stimmen und Schritte laut. Sinclair führte die Mitglieder der Truppe in den kleinen Flur. Die Männer kannten sich. Suko gab einige Erklärungen ab. Um die Spezialisten bei ihrer Arbeit nicht zu stören, blieben John, Jane und Suko in der Diele. Der Arzt hatte versprochen, ihnen zu erklären, wie der junge Mann umgebracht worden war. Es ging ihnen dabei auch um die Waffe, die man benutzt hatte. »Vielleicht hat er doch mehr gewußt, was der anderen Seite gefährlich werden konnte«, vermutete Jane. Da wollte niemand widersprechen. Suko fügte hinzu: »Leider macht die Hölle auch vor Kindern oder Halbwüchsigen nicht halt. Und es gibt genügend Menschen, die sich als Mörder vor den Karren des Teufels spannen lassen, wenn sie nur gut genug bezahlt werden. Aber das schafft Asmodis immer.« Chef der Mordkommission war ein Chiefinspektor namens Delmont. Ein altgedienter Hase, der seinen Job inund auswendig kannte. Zusammen mit dem Arzt betrat er die kleine Diele und strich durch sein schütteres, rötliches Haar. »Ein scheußlicher Mord«, sagte er. »Wie alt war der Junge?« »Zwölf«, erwiderte Suko.
»Ich möchte die Bestie fangen, die so etwas getan hat«, erklärte der Chief Inspektor. »Die Mutter des Toten muß einen Schock erlitten haben«, sprach er weiter. »Die Frau hält nämlich Sie für den Mörder, Sinclair.« »Ich weiß«, sagte der Geisterjäger. »Hat sie dafür einen Grund?« »Wissen Sie das nicht?« »Nein.« »Sie kam nach Hause, als die Tat wohl erst Sekunden zurücklag. Da hat sie den Mörder noch entwischen sehen.« Delmont staunte. »Und das sollen Sie gewesen sein, Sinclair?« »So ist es. Daß sie den Mörder sah, glaube ich ihr sogar. Aber sie hat nur auf seinen Rücken geschaut und ihm nicht voll ins Gesicht gesehen. Es war also Unsinn, so zu reagieren. Ich weiß nicht, ob hier Licht gebrannt hat, auch wenn, so ist dieser Flur nicht taghell erleuchtet. Die Meinung der Frau können wir vergessen.« »Sie besteht allerdings darauf.« Sinclair winkte ab. »Den Mörder müssen wir woanders suchen.« Delmont sah die Anwesenden der Reihe nach an. »Wo denn? Kann mir das einer von Ihnen sagen?« »Nein.« Suko hatte für alle geantwortet und erntete auch Zustimmung. Sinclair sagte: »Wahrscheinlich haben hier andere Kräfte die Hände im Spiel und versuchen nun, uns auf eine falsche Spur zu führen.« Delmont zog die Stirn kraus. »Meinen Sie, daß jemand die Frau als Zeugin vorschiebt?« »Das könnte ich mir vorstellen.« »Dann müßte sie auch von der anderen Macht beeinflußt sein«, erklärte Suko und blickte seinen Freund an. »Wir sollten sie auf eine weißmagische Probe stellen.« Der Geisterjäger nickte. »Natürlich, aber etwas später, wenn sie sich beruhigt hat.« Jane Collins wandte sich an den Polizeiarzt. »Wie ist er eigentlich umgebracht worden?« »Mit einem Messer.« »Das läßt nicht gerade auf einen Dämon schließen«, murmelte Suko. »So wie wir es uns gedacht haben.« »Sie kennen sich besser aus«, sagte Delmont. »Wie ist das denn? Gibt es Menschen, die sofort zustimmen, wenn sie für einen Mord angeheuert werden?« »Genug.« »Aber Sie haben die nicht im Computer erfaßt?« John Sinclair schüttelte den Kopf. »Nein, soweit sind wir noch nicht.«
»Wann wollen Sie die Frau sprechen?« erkundigte sich der Chiefinspektor nach einem langen Atemzug. John Sinclair fragte den Doc. »Sie haben Mrs. Whyler untersucht. Wann wäre sie wieder in der Lage, etwas zum Fall zu sagen und nicht zur gefühlsmäßig zu reagieren?« »Das ist schwer zu sagen. Ich müßte sie genauer untersuchen. Jedenfalls steht sie augenblicklich unter einem ungeheuer starken Druck. Ein Nervenstreß, der kaum auszuhalten ist.« »Dann geben wir ihr mindestens einen Tag Zeit.« »Das würde ich auch meinen, Mr. Sinclair. Am besten wäre sie in einem Krankenhaus untergebracht. Wenn Sie nichts dagegen haben, veranlasse ich das.« »Bitte sehr.« »Okay, das wäre dann alles. Einen Bericht schicke ich Ihnen zu.« Nach dem Händeschütteln ließen die drei die Beamten der Mordkommission allein. Auf irgendeine Art und Weise mußte Mrs. Whyler verspürt haben, daß die anderen gingen. Sie hatte sich aufgerafft und zog die Tür zur Diele auf. Suko und Jane befanden sich schon im Hausflur, nur John Sinclair konnte Mrs. Whyler noch sehen. »Mörder!« schrie sie. »Verfluchter Mörder! Läßt man dich jetzt frei? Sieht so die Gerechtigkeit aus?« Der Geisterjäger sagte nichts. Aber ein kaltes, fast grausames Lächeln umspielte seine Lippen. Dann ging auch er. Im Flur holte er die anderen ein. Sie waren auf einem Treppenabsatz stehengeblieben. »Ich hoffe nur«, sagte Suko, »daß bei einer magischen Befragung etwas mehr herauskommt.« »Das meine ich auch«, erklärte Sinclair. »Es ist kein Vergnügen, als Mör" der tituliert zu werden.« Dafür hatten die anderen Verständnis. Vor dem Haus mußten sie sich trennen, weil sie mit verschiedenen Wagen wegfuhren. »Ich bleibe bei Suko«, erklärte Jane. Sinclair zeigte sich einverstanden. Er ging zu seinem Fahrzeug, die anderen zu ihrem. Daß sie dabei beobachtet wurden, nahmen sie nicht wahr. Zwei Männer hockten in dem blauen Mercedes, dessen Beifahrer die Seitenscheibe nach unten fahren ließ. Lautlos setzte sich der Wagen in Bewegung und scherte aus der Parklücke aus, und keiner sah, daß sich etwas Langes, Dunkles aus dem Wagenfenster schob und auf John Sinclair zielte. Es war die Mündung einer Maschinenpistole ... ***
Auf der mit Gras und Unkraut bewachsenen Steinstraße der alten Komturei lag ein Mensch und rührte sich nicht. Er lag dort wie tot, während nach dem Blitz, der ihn niedergeworfen hatte, ein Donnerschlag folgte, der sich anhörte wie ein peitschendes Triumphgrollen des Höllenherrschers. Asmodis hatte seinen Erzfeind niedergerungen. Es sollte Sinclairs letzter Fall gewesen sein... Kein Regen fiel. Nur Wind kam auf, fuhr über die Straße, schaufelte Staub hoch und spielte mit dem Gras. Aus den düsteren Fensterhöhlen der Häuser beobachteten vier teuflische, rote Gestalten den leblos wirkenden Mann mitten auf der Fahrbahn. Sie taten nichts, sie beobachteten nur. Aber der Stein bewegte sich. Aus der Öffnung hatte vor Minuten noch ein bleicher Arm geschaut. Jetzt erschien er ebenfalls wieder, aber ihm folgten ein Kopf und ein Körper. Arlette traf Anstalten, das Versteck zu verlassen. Ihr Haar hatte sich gelöst. Es fiel lang auf die Schultern und bewegte sich ebenso im Wind wie der geschwungene Rock. Mit beiden Händen stützte sich das Mädchen am Rand der Öffnung ab und drückte sich so hoch, daß es aus der Luke klettern konnte. Daneben blieb Arlette stehen. Sie hielt ihr Gesicht gegen den Wind, bevor sie Anstalten traf, sich in Bewegung zu setzen. Ihr Ziel war John Sinclair. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, schwang dabei mit den Hüften, als wollte sie einem nicht sichtbaren Zu-, schauer demonstrieren, welch eine Wirkung sie auf Männer ausübte. Neben Sinclair blieb sie stehen. Sekundenlang schaute sie auf ihn herab. Dabei zuckte es in ihrem Gesicht, und die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Es war kein gutes Lächeln. Böse und gemein wirkte es, ein Zeichen, daß der Teufel dieses Mädchen schon unter Kontrolle hatte. Mit einer gelassenen Bewegung bückte sie sich und tastete die Kleidung des Geister Jägers ab. Zuerst fanden ihre Hände die Beretta. Sie zog die Waffe hervor, drehte sie und richtete die Mündung auf die Stirn des Mannes. Es sah für einen Moment so aus, als wollte sie abdrücken, dann aber steckte sie die Pistole in ihren Gürtel und suchte weiter. Sie fand den Dolch. Ihre Augen leuchteten, als sie ihn hatte und die Klinge mit der flachen Seite gegen die Lippen preßte, als wollte sie die Waffe mit einem Kuß beschwören. Nur zögernd sanken die Arme nach unten.
Dann schleuderte sie die rechte Hand zur Seite und warf den Dolch so weit ins Gras, daß er unter den hohen Halmen nicht mehr zu sehen war. Und auch den Bumerang fand sie. Sie nahm ihn so, daß er auf beiden Handflächen lag, bewegte die Hände, als wollte sie das Gewicht der Waffe prüfen. Aber auch damit konnte sie nichts anfangen. Auf der Straße ließ sie ihn liegen. Sinclair mußte waffenlos sein, das hatte ihr der Teufel genau zu verstehen gegeben. Das Kreuz! Sie zitterte innerlich davor. Man hatte ihr mitgeteilt, daß der Geisterjäger es um seinen Hals hängen hatte, doch als sie über die Brust des Mannes tastete, fand sie es nicht. Arlette wurde nervös. Zudem wußte sie genau, daß man sie beobachtete, denn vier Helfershelfer des Teufels hockten in den Fensteröffnungen und starrten auf die Straße herab. Diese roten, widerlichen Teufel mit ihren Glatzköpfen und den Hörnern würden später angreifen. Das Mädchen wurde nervös. »Ich finde es nicht!« flüsterte Arlette. »Verdammt, wo ist es?« In ihrer ersten Panik schüttelte sie den Geisterjäger durch, der alles mit sich gefallen ließ, da er bewußtlos war. Und sie hörte das Klingeln. Es war mehr ein Geräusch, als stieße Metall gegen Metall, und Arlette hatte es auch sofort lokalisiert. Zielsicher schob sie ihre Hand in die Seitentasche des Jacketts und lachte auf, als sie das Kreuz zwischen ihren Fingern hielt. An der Kette zog sie es hervor. Ihre Augen nahmen einen fremdartigen Glanz an. So schaute kein Mensch, auch dann nicht, wenn er triumphierte. Wieder ein Beweis dafür, unter welch einem Druck sich die junge Belgierin befand. Aber sie hatte das Kreuz! Genau schaute sie es sich an. Es pendelte vor ihrem Gesicht, sie sah auch die Blitze an den Enden und verspürte vor diesem Gegenstand eine instinktive Furcht. Der Schauer auf ihrem Rücken ließ sich nicht mehr unterdrücken. Man hatte ihr den Schwarzen Peter zugeschoben, gern tat sie es nicht, aber sie hängte sich das Kreuz um den Hals, denn sie war keine Dämonin, der das silberne Kruzifix etwas antun konnte. Dann richtete sie sich ebenso langsam wieder auf, ging einige Schritte zurück und winkte. Es war das Zeichen für die vier Teufel!
Sie verschwanden aus den Öffnungen, die wieder im Dunkeln lagen und so wirkten, als hätte es nie jemand gegeben, der in ihnen gestanden hatte. Arlette zog sich weiter zurück. Sie hatte das Kreuz in ihrer Rocktasche verschwinden lassen. Gespannt beobachtete sie das Spiel der düsteren Wolken über dem Land. Kein Blitz spaltete mehr die dunkle Wand. Sie war zu einer unheimlich wirkenden Dichte zusammengewachsen. Auch der Donner hielt sich zurück. Er wurde nur aktiv, wenn der Teufel die Mächte befehligte. Eine beklemmende Stille hatte sich ausgebreitet und hielt die alte Komturei erfaßt. Sie wurde erst von leichten Schritten unterbrochen, als die vier Teufel das Haus verließen. Sie waren nicht so groß wie Menschen, dafür feuerrot, nackt, geschlechtslos und sahen sich so vorsichtig um, als würden in den Ecken und Winkeln Gefahren lauern. Von vier verschiedenen Seiten setzten sie sich in Bewegung und schlichen auf den liegenden Menschen zu. »Ihr könnt ihn nehmen und wegtragen!« rief Arlette über die leere Straße hinweg. Die vier Helfer bückten sich. Sie hatten keine Hände wie normale Menschen, sondern ein Mittelding zwischen Fingern, Klauen und Pfoten, die auch zugreifen konnten. An den Armen und den Beinen wurde John Sinclair gepackt und hoch gehoben. Sein Körper sackte .dabei durch. Daran aber störten sich die Träger nicht. Arlette trat aus dem Schatten hervor. Sie hatte die Anweisung erhalten, die vier zu führen, und so schritt sie vor ihnen her. Vorbei an den meisten alten Fassaden, bis sie den Ort erreichte, der ihr als Ziel angegeben war. Das größte Gebäude innerhalb der Komturei. Fast schon mit einer kleinen Burg zu vergleichen, denn durch ein großes Tor konnte man eintreten. Es war offen. Arlette brauchte nur nach dem Griff zu fassen und die schwere Holztür in Bewegung zu setzen. Muffige Luft wehte ihr entgegen. Umhüllt vom alten Staub der Jahrhunderte. Wer hineinschaute, hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu sehen, in der das Mittelalter noch lebendig war. Hinter der Tür lag ein Rittersaal. Er hatte früher das Herzstück der Komturei gebildet, und daran hatte sich bis heute nichts geändert.
Arlette betrat als erste den Saal. Hinter ihr gingen die Träger mit dem leblos zwischen ihnen hängenden John Sinclair. Erst als sie die Mitte des Saals erreicht hatte, war zu erkennen, daß das Dach fehlte. Der Wind konnte hineinwehen. Er hatte Staub und Blätter in den Saal geschaufelt. Innerhalb der Mauern herrschte eine morbide Atmosphäre vor. Es roch nach Verfall, Tod und Vergänglichkeit. Die Wände waren einmal mit farbenprächtigen Gemälden bedeckt gewesen. Dreck und Staub hatte sich darauf niedergesetzt, eine Schicht gebildet, so daß die Motive nur bei hellem Sonnenlicht zu erkennen waren. Ein Gegenstand aber hatte die Zeiten überdauert. Es war ein sesselartiger Thron in der Mitte des Saals. In seiner Form erinnerte er an den Elektrischen Stuhl, der in den Staaten früher und jetzt auch wieder zur Hinrichtung benutzt wurde. »Setzt ihn dort ab!« befahl Arlette. Sie deutete auf den Thron. Die vier Helfer schleppten den bewußtlosen Geisterjäger zu seinem Sitz. Arlette beobachtete sie dabei und rieb ihre Hände gegeneinander. »Sinclair,« flüsterte sie, »das wird dein Sterbeplatz werden.« Sie hatte Spaß daran, und sie scheuchte die vier Teufel zur Seite, die in den Schatten der Wände verschwanden, wo mit ihnen eine unheimliche Verwandlung vorging. Aus den Teufeln wurden Hyänen. Die Bewegungen wurden von den vier Wesen gleichzeitig durchgeführt. Sie ließen sich auf Hände und Füße nieder, schüttelten sich, als hätte man Wasser über sie gegossen, und gaben die ersten Schreie von sich, als aus den flachen Teufelsgesichtern lange Schnauzen wuchsen. Aus den Händen wurden Pfoten, und als die vier Gestalten die Schatten verließen, waren aus ihnen Hyänen geworden. Das Tappen ihrer Pfoten drang wie eine geheimnisvolle Sprache durch die beklemmende Stille. Arlette aber ging auf den Thron zu. Es gefiel ihr nicht, wie Sinclair dort hockte. Er war nach links gefallen, sie rückte ihn zurecht und drückte ihn mit dem Rücken gegen die hohe Lehne. Als sie sicher war, daß er nicht kippte, trat sie wieder zurück. Mit ihrem Nicken lobte sie sich selbst. Dann wartete sie. Ein normaler Mensch hätte diese finstere Stätte längst verlassen. Nicht so Arlette. Sie wußte genau, was auf den Geister] äger John Sinclair zukommen würde, und freute sich bereits darauf. Noch war er bewußtlos, und sie hatte den Auftrag, so lange zu warten, bis er aus diesem Zustand erwachte. Das geschah bald. Zuerst bewegte John Sinclair den Kopf, dann öffnete er die Augen, und Arlette trat zwei Schritte näher . . .
*** Ich stieg aus dem tiefen Schacht der Bewußtlosigkeit hoch wie ein Ballon, den ein Kind von der Leine gelassen hatte, damit er seinen Weg in die Wolken fand. Aber ich war kein Ballon und blieb deshalb auf dem Boden. Ein besonderer Schlag hatte mich in die Ohnmacht gerissen. So war auch das Erwachen anders als sonst. Wesentlich besser, denn ich spürte keinerlei Schmerzen. Nicht im Kopf und auch nicht im Körper. Eigentlich ging es mir sogar gut, und auch mein Gedankenapparat funktionierte wieder. Ich öffnete die Augen. Zunächst sah ich einmal nichts, weil ich in ein düsteres Zwielicht schaute, das in Bewegung geriet, denn aus diesem ungewöhnlichen Grau schob sich jemand hervor. Ein Mensch . . . Noch erkannte ich ihn nicht. Erst als er dicht vor mir stehenblieb, sah ich die Gestalt. Es war Arlette! Ich hatte den Namen aussprechen wollen, aber meine Kehle war zu. Deshalb starrte ich sie nur an und stellte sehr schnell fest, daß ich ihr nicht mehr zu helfen brauchte. Sie hatte sich bereits entschieden, denn sie stand auf der Seite des Teufels. So wie sie blickte nur jemand, der mit der Hölle paktierte. So kalt und verachtend. »Wieder wach?« fragte sie. »Ja.« »Es hat lange genug gedauert, aber Asmodis versprach mir, daß ich mit dir reden kann.« »Wie schön . . .« »Du bist mir gefolgt. Du wolltest hier den Retter spielen, aber das Leben ist kein Comic, wo der edle Retter zum Schluß erscheint und die Jungfrau befreit. Ich habe mich entschieden und die Seite gewechselt.« »Es war ein Fehler!« flüsterte ich. »Wieso?« Sie schleuderte mit einer schnellen Bewegung ihr Haar zurück. »Ist der Teufel nicht mächtig genug?« »Das schon, aber er hält die Versprechen nie, die er seinen Dienern gegenüber gegeben hat. Das kannst du mir glauben.« »Ich sehe es anders.« »Dann bist du verloren, Arlette.« Sie streckte den Arm aus und deutete mit der Fingerspitze auf mich. »Ich bin nicht verloren, sondern du. Lange genug hat es gedauert, doch aus dieser Falle kommst du nicht heraus. Die Komturei wird zu deinem Grab werden. Ein ehrenvolles Grab, wenn ich mich so umschaue.«
Ich hatte ihre Worte zwar gehört, mich aber auf andere Dinge konzentriert und dabei festgestellt, daß mir meine Waffen fehlten. Jedenfalls spürte ich deren beruhigenden Druck nicht mehr. Arlette hatte ganze Arbeit geleistet. »Wem gehört nun die Komturei?« fragte ich. »Dem Teufel oder Baphomet, dem Templer-Dämon?« »Auf was tippst du?« »Keine Ahnung.« »Beide sind hier zu Hause«, lautete die Antwort. »Der Teufel als auch Baphomet. Eine Brutstätte des Bösen hat dich aufgesaugt, ein Hort finsterster Höllenmagie, der dich nicht mehr loslassen wird.« Ich war anderer Meinung, wollte mich von meinem Sitzplatz wegkatapultieren, aber ich saß fest. Es ging nicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Man hatte mich magisch gebannt, mir zudem die Waffen weggenommen, so daß ich zu einem Spielball der anderen Seite geworden war. Arlette hatte meine Bemühungen beobachtet und lachte mich voller Häme aus. »Nein, du kommst hier nicht weg. Ich habe deine Waffen an mich genommen. Dies ist dein Platz zum Sterben, Sinclair. Hatte Asmodis dir nicht etwas versprochen?« »Ja, das hatte ich!« Wo der Sprecher stand, konnte ich nicht sehen. Seine Stimme aber dröhnte durch den Raum, als wäre sie aus vier Lautsprechern gleichzeitig gekommen. »Ich hatte dir versprochen, Sinclair, daß es dein letzter Fall sein würde. Und dieses Versprechen halte ich. Das schwöre ich im Namen Luzifers…« *** Niemand achtete auf den blauen Mercedes, auch John Sinclair nicht, der in der Tasche nach seinen Schlüsseln suchte. Zudem konnte dieser Wagen so gut wie lautlos fahren, und es war eigentlich nur das Schmatzen der Reifen zu hören, wenn er über den Asphalt rollte. Jane hob die Schultern. Die Geste hatte etwas Resignierendes an sich. Sie wurde auch von Suko registriert. »Was ist denn los?« »Ich weiß nicht so recht, aber ich habe das Gefühl, daß sich John verändert hat.« »Ich ebenfalls.« »Als wäre er nicht mehr der alte.« Suko wiegte den Kopf. »Daran wollen wir nicht denken. Er hat viel hinter sich.« »Vielleicht sollte er mal ausspannen.« »Da sagst du was!«
Auch Suko hatte den Wagenschlüssel hervorgeholt und wollte die Tür aufschließen. Er drehte sich dabei, bückte sich auch, aber er schob den flachen Schlüssel nicht in das Schloß. Er sah den Wagen! Und in seinem Hirn schlug die Alarmglocke an. Der blaue Mercedes war schräg über die Straße gefahren. Dabei war seine Beifahrerseite dem Geisterjäger zugewandt, und auf der Kante der herabgelassenen Scheibe lag der Lauf einer Maschinenpistole. »Johnnnnn!« Ein irrer Schrei fegte über die Straße, aber er kam zu spät. Sein Echo mischte sich in das harte Hämmern der automatischen Waffe, und Suko wurde bleich wie der Tod . . . *** Auch John Sinclair hatte den Ruf vernommen. Er stand noch neben dem Wagen, drehte sich jetzt um und hörte dieses mörderische Geräusch, das auch als Todesmelodie der Mafia in die Geschichte eingegangen war. Die Kugelgarbe jagte auf ihn zu. Er spürte die harten Einschläge an allen Stellen des Körpers, wurde bis gegen die Karosserie zurückgetrieben, breitete die Arme aus, schmetterte sie noch auf das Autodach, aber es war ihm unmöglich, sich auf den Beinen zu halten. Als erste Blutfontänen aus den Wunden quollen, brach John Sinclair zusammen. Er drehte sich noch und fiel dann mit dem Gesicht zuerst auf das Straßenpflaster . . . Das sahen auch Suko, Jane und einige andere Zeugen, die sich zufällig in der Nähe befanden. Der plötzliche Ausbruch einer tödlichen Gewalt schockte sie. Selbst Jane rührte sich nicht. Nur Suko war es gewohnt, innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu treffen und auch zu handeln. Er riß seine Beretta hervor, aber der Fahrer im Mercedes war schlauer. Er beschleunigte. Plötzlich gerieten auch Suko und Jane in Gefahr, als der schwere Killerwagen auf sie zuraste. Der Inspektor verwandelte sich in einen lebenden Torpedo. Er warf sich mit einem gewaltigen Satz zurück und auch noch gegen Jane Collins, so daß sie gemeinsam auf die Kühlerhaube knallten, darüber hinwegrollten, wieder das Hämmern der Maschinenpistole hörten. Sie blieben unverletzt. Als sie aufprallten, hörten sie noch das Jaulen der schweren Reifen, das entstand, als der Mercedes beschleunigt wurde.
Jane blieb liegen, Suko aber schnellte hoch. Ihm war nichts passiert, seine Gedanken drehten sich um John Sinclair, den die Garbe voll erwischt hatte. Er ging zu seinem Freund. Suko hatte die Fahrbahn betreten, wollte rennen, doch er sah, daß dies nicht mehr nötig war. Die Gestalt, die da in ihrem Blut lag, konnte einfach nicht mehr leben. Er bemerkte nicht, daß zahlreiche Wagen schon angehalten hatten, und hörte auch nicht die schrillen Laute der Signalpfeifen der Bobbies. Sein Augenmerk galt einzig und allein John Sinclair. Einem toten John Sinclair. Neben der Leiche blieb Suko stehen. Er fühlte überhaupt nichts mehr. Sein Gesicht war aschgrau, der Blick in die Ferne- gerichtet, wo er wirre Bilder sah, die überhaupt nicht vorhanden waren. Eine Folge des Schocks mußte dies gewesen sein. Dann kniete er sich nieder. Fast fiel er dabei und prallte mit beiden Knien auf. Daß er dabei in eine Blutlache gerutscht war, störte ihn nicht, er faßte John an und drehte ihn herum. Seine Arme zitterten dabei. Dann lag der Geisterjäger auf dem Rücken! Suko starrte in das Gesicht. Verzerrt war es, entstellt und blutbefleckt. Ein furchtbares Antlitz, wie Suko es bei seinem Freund noch nie gesehen hatte. Johns Blick war gebrochen. Vor Suko lag ein Toter! Suko hörte sich pfeifend atmen und vernahm auch einen erstickten Laut neben sich. Jane Collins stand neben ihm, hielt ihre Hände gegen die Lippen gepreßt und starrte aus Augen, die einer Fremden zu gehören schienen, auf die Leiche. Die Mitglieder der Mordkommission verließen das Haus. Sie waren ebenfalls durch die hämmernde Salve alarmiert worden. Suko kam sich vor wie auf einer Insei. Er kniete neben der Leiche und hörte Janes Worte erst, nachdem sie die Frage zum drittenmal gestellt hatte. »Ist er ... ist er .. . wirklich tot?« Suko nickte. Jane ging zurück. Sie bewegte hektisch den Kopf. In ihren Blicken standen Angst und Panik. Die Hände krampfte sie hart zusammen, so daß die Nägel schon in das Fleisch der Ballen stachen. »Tot!« schrie sie plötzlich. »Er ist tot!« Wie eine Betrunkene rannte sie auf die Straßenmitte. »Habt ihr nicht gehört? Er ist tot. Ja!« brüllte sie. »John Sinclair, der Geisterjäger ist tot! Erschossen von widerlichen Killern. Mein Gott!« brüllte sie verzweifelt, fiel auf die Knie und weinte hemmungslos ...
*** Zur selben Minute irgendwo in London. Dort hockte ein Mann in einem bequemen Sessel, neben dem ein Telefon stand. Der Mann wartete auf einen bestimmten Anruf. Und der kam auch. Schon nach dem ersten Klingeln hob er ab. »Ja?« »Die Sache ist erledigt!« »Hat alles geklappt?« »Sicher.« »Super. Ihr bekommt eure Belohnung in wenigen Minuten.« »Danke.« Der Mann grinste nur kalt, griff wieder zum Hörer und rief einen Vertrauten an. »Du kannst jetzt Zunder geben!« »Gut!« Der Zunder bestand aus einer Explosion, die einen blauen Mercedes in Höhe des Hyde Parks während der Fahrt buchstäblich atomisierte und deren Insassen ebenfalls. Der Mann, der den Befehl gegeben hatte, hielt zu dem Zeitpunkt ein Glas mit Champagner in der Hand und prostete seinem Freund, dem Teufel, lächelnd zu ...
ENDE