Daniel Kristen
Kommissar Schlott ist die beste Polizei von der Welt
layout by AnyBody ein Kriminalroman mit tausenden ...
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Daniel Kristen
Kommissar Schlott ist die beste Polizei von der Welt
layout by AnyBody ein Kriminalroman mit tausenden abartiger Szenen und Morde, aber gut.
Für Tanja, ohne die mit Sicherheit nicht einmal das erste Buch fertig geworden wäre. Vielen Dank für die vielen netten Anregungen und Ermunterungen, die mir Mut zur Fortsetzung gemacht haben!
Inhalt Inhalt .....................................................................................3 Kapitel 1 Der Kommissar mag nicht mehr trinken und wird sauer.....................................................................................5 Kapitel 2 Der Kommissar bäckt Kuchen und bohrt sich in seiner Nase.........................................................................15 Kapitel 3 Der Kommissar macht Fortbildung und das Telefon mag nicht stillstehen..............................................26 Kapitel 4 Der Kommissar sagt "hallo" und dann nicht mehr "hallo" ..................................................................................34 Kapitel 5 Der Kommissar erzürnt sich und mag keinen Gips tragen..................................................................................45 Kapitel 6 Der Kommissar ist mal zu Hause und kauft Gemüse ein ........................................................................54 Kapitel 7 Der Kommissar hat neue Hausschuhe und geht ins Präsidium ......................................................................61 Kapitel 8 Der Kommissar entdeckt seine Lieblingsschokolade und grünen Kaugummi.....................76 Kapitel 9 Der Kommissar klebt Briefmarken und raucht seine Pfeife .........................................................................87 Kapitel 10 Der Kommissar geht Pommes holen und schimpft sehr doll................................................................98 Kapitel 11 Der Kommissar feiert sich einen Kater und reihert das Klo voll............................................................108 Kapitel 12 Der Kommissar verliert seine Socken und einen gelben Filzhut ...................................................................122 Kapitel 13 Der Kommissar kauft Video ein und geht Fernsehgucken.................................................................133 Kapitel 14 Der Kommissar macht Kaffeesatz und schaut in einem Laden vorbei ..........................................................142 Kapitel 15 Der Kommissar kocht Spargel und die Putzfrau ist krank ............................................................................151 Kapitel 16 Der Kommissar macht seinen Koffer auf und raucht................................................................................163 Kapitel 17 Der Kommissar hat Tortenprobleme und zeigt uns, wie er Kamasutra kann.............................................173
Kapitel 18 Der Kommissar ißt eine Pizza und zaubert einer Frau lustige Tricks vor ......................................................184 Kapitel 19 Der Kommissar sieht eine Leiche an und badet in Stutenmilch...................................................................198 Kapitel 20 Der Kommissar geht Kleidung kaufen und ist schwer zufriedenzustellen................................................212 Kapitel 21 Der Kommissar hört sein Telefon klingeln und geht dem Fall auf den Grund ...........................................225 Kapitel 22 Der Kommissar muß sich Gedanken machen und das fällt ihm leicht......................................................235 Kapitel 23 Der Kommissar spielt Mikado und kniffelt einen Trick aus ...........................................................................246 Kapitel 24 Der Kommissar macht die Tür auf und schaut sich um .............................................................................258 Kapitel 25 Der Kommissar denkt sehr viel nach und entsaftet aus Versehen den Papst...................................272 Kapitel 26 Der Kommissar sitzt am Frühstückstisch und schlägt sich ein hartes Ei auf ...........................................281 Kapitel 27 Der Kommissar klaut Detlef Sportfuß die Feile und raucht neuen Tabak ..................................................293 Kapitel 28 Der Kommissar bekommt viele Ehren und Milupa Schlott muß abwaschen .......................................301
Kapitel 1 Der Kommissar mag nicht m ehr trinken und wird sauer Es war an einem schönen Sommertag in einer Filiale des Happymarktes, des größten Supermarktes in Bad Salzfischbach. Bad Salzfischbach war eine kleine Stadt in der Nähe von Bad Salzuflen, aber sehr berühmt. Das lag zum einen natürlich an den ganzen Sehenswürdigkeiten, wie dem "Fluoreszierenden Dom", der "Krummen Kirche", die von dem blinden Architekten Pedokles van der Lutsch gebaut worden war, und deren erster Turm den zweiten um über 100 Meter überragt, während der zweite Turm um 90° geneigt und durch einen Fehler in der Statik seltsamerweise bloß zweidimensional ist, und dem Arnold - Siedekleister - Denkmal in der Arnold - Siedekleister - Straße, das ganz aus grünem, durchsichtigem Gummi und 115 Meter hoch ist; bei leichtem Wind wackelt es majestätisch hin und her. Zum anderen war Bad Salzfischbach so berühmt wegen dem Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit K2r der Mordkommission. Er hatte die schwersten Fälle der ganzen Kriminalgeschichte mit links gelöst, war überdies sehr charismatisch und unkonventionell, denn er benutzte fernöstliche Weisheit und Esoterik zum Ermitteln. Schlott wurde dauernd von allen Leuten herumgefeiert, weil er so gut war. Er war per Volksentscheid ins Bad Salzfischbacher Stadtwappen aufgenommen worden, es war im Gespräch, daß er statt Clara Schumann auf den Hundertmarkschein sollte und er war vom Oberbürgermeister zum Schutzheiligen von Bad Salzfischbach ernannt worden. Trotzdem blieb er Mensch und sehr bürgernah. Er verstand sich auch selbst als Bürger, wenn auch als eine Art Überbürger. Außerdem wollte er auch noch auf die Rückseite des Hundertmarkscheins, statt dem dummen Klavier. -5 -
An diesem Tage ging er gerade mit seiner bezaubernden Ehefrau Milupa Schlott einkaufen. "Da Milupa, guck mal, die haben ja eine Cola im Sonderangebot. Das finde ich aber mal fair mir gegenüber. Da kann ich für das gleiche Geld mehr trinken. Gut. wir nehmen zwölf Flaschen. In Zahlen: 12. Man soll ja nicht immer auf jeden Groschen acht geben." Benno Schlott war natürlich auch sehr, sehr reich. Er besaß eine Villa, die so vornehm war, daß die englische Königin schon für eine Hundehütte im Garten dankbar gewesen wäre. Er tat immer bloß so, als würde er jedes Geld zweimal umdrehen, weil er wollte in der Öffentlichkeit nie reich tun; so bescheiden war der Kerl. Das war ihm wohl mal in seine Wiege gelegt worden. An der Kasse war eine große Schlange. Der Kommissar wußte Abhilfe. Er zog seinen Dienstausweis und rief: "Hinlegen, alles runter! Dies ist ein Polizeieinsatz im Dienst. Lassen sie uns durch. Wir wollen diesen Korb mit gefährlicher Hehlerware sicher ins Revier bringen. Die Hehlerware explodiert sonst innerhalb von zehn Sekunden in tausend Teile. In Zahlen: 1000. Wer sich bewegt, in den wird unerbittlich von vorne reingeschossen!" Der Kommissar hatte sich spontan entschlossen, heute gar nicht zu bezahlen. Unbehelligt gingen er und seine Frau an der Kasse vorbei. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, schoß Schlott der Kassiererin mit einem grimmigen Blick im Gesicht in den Arm. Er war kein Mann für halbe Sachen. Zu Hause packte Milupa Schlott aus. Benno Schlott setzte sich auf die große Veranda mit Blick über den englischen Garten, den Orangenhain, die japanischen Zierteiche mit der Jasminlaube und so weiter. Freundlich grüßte er die vorbeiziehenden Flamingos, die hübschen Wildpferde und die Pfauen. Er zündete sich eine Pfeife an. Es war sehr tropisch -6 -
draußen, weil Sommer war. So tropenheiß, daß die warme Pfeife schon wohltuend kühlte. Dicker Rauch quoll heraus und fiel polternd zu Boden. Benno Schlott war kein Mann, den man mit leichtem Tabak abspeisen konnte. Er wollte alles. Nun wollte er eine Cola. Er ging ins Haus, wo die Klimaanlage auf Alarmstufe rot arbeitete, und goß sich eine ein. "Plopp" machte der Deckel, als er abflog. Vor Todesangst ließ der Kommissar sein Glas fallen und pißte sich fast in die Hose. Das Glas zerklirrte und am Boden bildeten sich Scherben. Der Kommissar war nicht die Sorte Mann, die sich nicht von kleinen Sachen erschrecken ließ. Aber er starb dann doch nicht. Er hatte das nur gedacht, im ersten Moment; wegen dem Knall. Heimlich wischte er die Scherben mit einem Lappen weg, unter die Spüle, wo sie keiner sah; Milupa beschwerte sich immer, daß er zuviel Hausarbeit machte. Eigentlich hatte der Kommissar ja Dienst, nur war es leider so, daß es für ihn im Moment nicht das Allergeringste zu tun gab. Schlott gab sich nur mit Mordfällen von galaktischen Ausmaßen ab. Den letzten kleineren, der lange Zeit das gesamte BKA und LKA auf Trab gehalten hatte, hatte er bei einem LKA - Ehrenbesuch in Wiesbaden innerhalb von drei Minuten am Telefon gelöst. Der Greifer litt sehr darunter, daß es nichts zu tun gab, denn der Job war sein Leben. Er war, wo er auch hinkam, ganz Polizist. Die esoterische Spezialeinheit bestand nur aus Schlott und seinem Assistenten Gertrud, einem jungen Spanier, der Opfer eines Witzboldes geworden war. Irgend jemand hatte seinen germanophilen Eltern erzählt, Gertrud sei ein deutscher Jungenname und leider hatten sie ihm das geglaubt. Aber er hatte Glück: in seinem Heimatdorf Villariba fiel es nie auf, daß mit seinem Namen etwas nicht stimmte und in Deutschland traute sich niemand, ihn damit zu ärgern, weil er der Assistent des Herrn Kommissars Schlott war. Zwei Leute waren mehr als genug für die Einheit, Benno Schlott konnte den Job alleine ausfüllen. Gertrud mußte bloß immer Akten holen, -7 -
im Computer blättern und das Aquarium seines Chefs, es enthielt Silberfische, saubermachen. Computer konnte der Kommissar nämlich nicht. Da war er ein echter Depp drin. Heute wollte Schlott noch mal in die Polizeistation, oder besser gesagt, ins Revier, fahren und fragen, ob vielleicht doch ein Fall dort aufgetaucht war. Mit diesem Entschluß im Kopf setzte er ein neues, inzwischen erfolgreich mit Cola gefülltes Glas an den Mund und nahm einen kräftigen Zug. Dann stutzte er, wurde zornesrot, spuckte die Flüssigkeit seinem zufällig vorbeigehenden Hausdiener Balisto v. Unten ins Gesicht und warf das Glas durch das offene Fenster in den Teich mit den japanischen Kugelfischen (der Diener hieß Balisto v. Unten; Schlott spuckte die Cola seinem Hausdiener nicht etwa von unten ins Gesicht). Ein Fisch bekam es auf den Kopf und reagierte überrascht, indem er zerplatzte. Ekelhafte rote Suppe trieb auf der Wasseroberfläche und der Kommissar gebot seinem Diener, sie wegzuwischen. Was war geschehen? Der Kommissar machte Anstalten, es seiner Frau zu sagen. "Milupa! Die Cola schmeckt ja furchtbar! Das ist keine Cola, das ist... das ist... das ist ein Riesenmißstand! Auf jeden Fall war das ein Mordanschlag auf mich, wenn nicht gar etwas anderes! Das Zeug kann man gar nicht trinken. Es schmeckt entsetzlich Bäh, bäh, bäh! Ich werde zum Supermarkt hinfahren und mir das an Ort und Stelle nicht bieten lassen. Sollen die doch mal sehen, daß sie da gleich ihren Dreck haben werden. Ha!" Schlott bestieg seinen grellroten Sportflitzer, den er letzte Woche eigenhändig getunt hatte. Nun besaß er einen Raketenmotor, der ohne Probleme 600 km/h schaffte. Der Motor wurde dabei bis zu 5000° C heiß und der Auspuff spuckte ein krebsgelbes Feuer hinten raus, was Schlott sehr männlich fand, weil es auf krasse Potenz hindeutete. Der Kommissar trat zornig das Gaspedal durch. Der Motor fuhr so schnell, daß Risse in der Realität entstanden. -8 -
Mit einem Krachen brachte Schlott den Wagen schließlich in der Gefriertheke des Happymarktes zum Stehen. Da er gepanzert war, konnte der Wagen mühelos und ohne Kratze zu bekommen durch Sachen durchfahren. Schlott machte sich nie die Mühe, auszuweiche n. Außerdem hätte er dazu auf die Fahrbahn schauen müssen. Meist machte er während der Fahrt die Fußmatten sauber oder kramte Schokoriegel essend im Handschuhfach herum, während das Auto bis in den mehrdimensionalen Raum hineinkarachote. Am Poltern erkannte er dann immer, was er gerade umgefahren hatte, und die Richtung, in die er fuhr, wies dem Kommissar sein sechster Sinn. Ein Wagen der mit über 300 Stundenkilometern oder mehr fuhr, bahnte sich seinen Weg von selbst. Wer da nicht auswich, der war das dann auch selber schuld; wie eben zum Beispiel der Rentner, der den Zebrastreifen nicht rechtzeitig verlassen hatte. Schlott öffnete seine Wagentür und Tüten mit gefrorenen Scampi purzelten ihm in den Fahrerraum hinein entgegen. Scampi schmeckten gut, es waren Vitamine darin enthalten und wertvolle Metallteile zum Essen. Sowas in der Art meinte jedenfalls Schlotts Ernährungsberaterin. Der Kommissar durfte jetzt nur noch Pflanzen und vielleicht ab und zu ein paar Scampi essen, weil er von Fleisch immer so total aggressiv wurde. Es wirkte auch schon prima. Seine Dienstwaffe ziehend brüllte der Greifer ganz entspannt: "Wer hat das gewagt, mir Cola anzudrehen, die total Scheiße schmeckt und keine Cola ist? Ich trinke seit zwanzig Jahren, in Zahlen: 20, Lola - Cola, und ich kann schmecken, was Lola Cola ist, und was nicht. In den Flaschen aus dem Sonderangebot war keine Lola - Cola. Ich möchte, daß mir der Schaden ersetzt wird, und daß der Chef ihres Saftladens sich in den 20 Uhr Nachrichten öffentlich bei mir für diesen gesamten Mißstand entschuldigt!" Zur Demonstration, daß er es ernst meinte, schoß der Kommissar das ganze Spirituosenregal zu Schrott und verletzte -9 -
dabei den Abteilungsleiter schwer, der unglücklicherweise auf der anderen Seite des Regals gerade Flaschen eingeräumt hatte. Das war aber dem Kommissar egal. Er war zornig, und das mußte er irgendwie ausdrücken. Schlott war expressiv veranlagt von seiner Art her. Er wurde gleich darauf sogar noch zorniger, als eine Kassiererin frech wurde und sagte: "Herr Kommissar Schlott, sie haben gar nicht bezahlt, als sie heute einkaufen waren, also ist ihnen kein Schaden entstanden und wir werden nichts ersetzen. Sie aber werden uns die Glastür, den Abteilungsleiter, das Spirituosenregal und die Kühltheke ersetzen, in der sie ihren Wagen geparkt haben. Er verliert übrigens Öl." "Das ist kein Öl, sie Ignorantin, sondern flüssiges Ozon. Das bildet sich immer, wenn der Wagen mehr als 350 fährt und läuft dann am Kühler runter. Nennt sich Thermonuklearreaktion. Das verstehen sie aber nicht, das ist Physik. Das versteht überhaupt gar niemand. Der Punkt, den sie ansprachen, daß ich ihre mistige Kühltheke und den anderen Käse bezahlen soll, nur weil ich ein wenig heftig und emotional gefahren bin und von meinem Beschwerderecht energischer Gebrauch mache, als es ihren PR - Leuten lieb sein kann, das sprengt ja wohl schon den Rahmen, innerhalb dessen man etwas noch nicht als einen Mißstand bezeichnen muß. Ich sage es jetzt frei von der Leber weg: Das ist doch wohl der Riesenmißstand! Und wenn sie meine Forderungen nicht erfüllen, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn sie sich hinterher noch wundern werden. Ich lasse sie alle wegen Betrugs einer wichtigen Amtsperson im Dienst verhaften und einsperren, wenn ich jetzt nicht mein Geld bekomme und den Einkaufschef verhören darf." Angesichts dieser Drohung wollte natürlich niemand mehr "nein" sagen und man drängte dem zornigen Kommissar sogar noch die gesamten Tageseinnahmen und einen großen Freßkorb auf. Die darin enthaltene Salami schlug er aber einer Angestellten aus Zorn auf den Kopf, weil das Haltbarkeitsdatum -1 0 -
schon in vierzehn Tagen ablief. So einen Mist durfte man ihm nicht schenken, da war er gegen. Anschließend ging er in das Büro des Einkaufschefs und fragte ihn: "Herr Einkaufschef, wo haben sie die Lola - Cola aus dem Sonderangebot herbezogen, nicht wahr." Der Mann vom Supermarkt kratzte sich in seinem zwei Meter langen, dreigeteilten, violetten Vollbart, der diesen Sommer ziemlich im Trend lag und sagte: "Das ist eine mysteriöse Sache. Die Cola wird in einem geheimen postlagernden Postfach abgegeben und dann von meinen Angestellten abgeholt. Von wem die Flaschen kommen, das weiß niemand. Jedenfalls ich weiß es nicht." Der Kommissar zog ein burmesisches Schlangenmandala aus der notfallgrünen Kampftasche seiner hautengen Leopardenfell Kombihose, die er selbst geschneidert hatte, weil er ein extremes Modebewußtsein besaß, justierte das Mandala auf die 37 energetischen Kraftpole der dritten Hemisphäre und versenkte sich in die zwölf Spektralscheiben, um zu sehen, ob der Mann ihm die Wahrheit gesagt hatte. Die Erdscheibe deckte sich mit dem Mondfeld, was dafür sprach, daß sein Gegenüber in der Tat nicht log. Schlott steckte das Mandala wieder ein. Diesmal griffbereit in die Innentasche seines aus neongelber Zeltbahn geschneiderten Sommerblazers mit aufgenähten Offiziersschulterstücken und dem an fünfzig verschiedenen Stellen angebrachten Polizeiwappen von Bad Salzfischbach. Es zeigte gekreuztes Eßbesteck und eine grüne Benzinzapfsäule. Auf dem Spruchband darunter stand der Leitspruch der Polizei: "Vor dem Essen Hände waschen." "So, ein geheimes postlagerndes Postfach, nicht wahr. Gehe ich recht, nicht wahr, in der Annahme, daß diese Cola wahrscheinlich nicht aus der Lola - Cola Firma, sondern aus dunklen Kanälen stammt, nicht wahr?" Schlott sagte immer "nicht wahr", wenn er ermittelte, denn er wollte sein wie Stefan Derrick. Derrick war, obwohl der ja gar -1 1 -
nicht mehr ins Fernseh kam, sein großes Vorbild, aber im Gegensatz zu ihm nur Oberinspektor. "Wahrscheinlich ja. Aber sie ist deutlich billiger im Einkauf." "Tut mir leid, ich muß sie jetzt verhaften, wegen Begünstigung von Hehlerei und Inumlaufbringung von miserablen Getränken." Der Kommissar zückte seine kugelsicheren Handschellen von Swatch und legte sie dem Einkaufschef um, dabei machte er einen Gesichtsausdruck, mit dem nicht zu spaßen war. Er hatte eine besondere Art, Leute zu fesseln, nämlich kettete er sie mit der linken Hand an den rechten Fuß. So war ihm bisher noch keiner weggelaufen. Dem Einkaufschef half kein Bitten und kein Jammern, wo Unrecht war, da kannte der Kommissar keine Gnade. Er wollte mit eiserner Faust läutern, denn sein Rechtsempfinden war irre ausgeprägt. Er hatte zu viele Filme über die Spanische Inquisitio n gesehen. Die fand er nämlich toll. Und schon war der Verhaftete auf dem Rücksitz vom Sportwagen vom Kommissar gelandet, zwischen lauter gefrorenen Scampi, und Schlott brauste im Rückwärtsgang aus dem Supermarkt, keine Rücksicht auf einige Obstpaletten ne hmend. Er war nicht die Sorte Mann, der es drauf ankam, daß Obst immer heil blieb. Benno Schlott witterte eine, wenn auch kurzfristige, Beschäftigung in der Sache mit der falschen Cola. In dieser kriminalistischen Sauregurkenzeit konnte auch jemand wie Schlott mal dem Betrugsdezernat zuarbeiten. Er fuhr zum Revier, gab den Verhafteten im Untersuchungsgefängnis ab, parkte seinen Sportwagen in der Feuerwehreinfahrt und ging zum gerichtsmedizinischen Institut, wo sein bester Freund und wertvollster Kollege, Prof. Dr. Edding Prinzenrolle arbeitete. Ein köstlicher Scherzkeks und ein brillanter Mediziner, der eine ähnliche Spürnase hatte, wie Schlott, der immer total easy drauf war und die besten Joints der Welt baute. Der Kommissar gab es -1 2 -
nur ungern zu, aber Edding war eine echte Hilfe, und er hätte ihn gerne als ständiges Mitglied der esoterischen Spezialeinheit gesehen. Obwohl er ihn natürlich nicht unbedingt in der Einheit brauchte. Ihm wollte er eine Flasche der falschen Lola - Cola geben zum Analysieren. Schlott hatte keine Lust dafür, den Idioten von der ktU (das ist die Abkürzung für "kriminaltechnische Untersuchung") so eine Aufgabe zu überlassen, die verbockten noch den einfachsten Fingerabdruckvergleich total. Zuletzt hatte man auf ein Gutachten der ktU hin in ganz Deutschland das Rennpferd Nasenpeter als Bankräuber und ausgekochten Tresorknacker suchen lassen. die Kampagne verschlang Millionen und am Ende konnte das Pferd auch noch ein wasserdichtes Alibi vorweisen (das Alibi hatte drei Jahre Garantie, war wasserdicht bis 50 Meter bei vollem Druckausgleich und erhältlich in fünf modischen Farbvarianten). Schließlich wurde der wahre Täter durch einen Zufall aufgespürt: Es handelte sich um die preisgekrönte Westerwälder Langohr - Mastgans Joghorette. Bei Edding Prinzenrolle war eine Laboranalyse in den richtigen Händen. Der Mann konnte mehr als immer nur gerichtsverwertbare Pathologie machen, der konnte analysieren wie die Pest. Wie Benno Schlott allerdings rechtzeitig feststellte, war Prinzenrolle im Augenblick gar nicht in seinem geschmackvoll eingerichteten Sezierzimmer, sondern in der Prometheus Gallenraucher - Universität, wo er in forensischer Pathologie dozierte. Es war gut, wenn man seine digitale Wünschelrute immer bei sich trug, die solche Dinge einem sensitiven Geist sofort offenbarte. Benno Schlott packte sich wieder in den Wagen ein und fuhr zur Uni. Durch die Fahrt entstand eine hohe Geschwindigkeit und der Wagen erzeugte einen neuen Riß in der Realität, der verursachte, daß jetzt ein Päckchen eingeschweißter Scheuerbürsten auf dem Beifahrersitz erschien. Die Büsten kamen von einem anderen Stern und waren -1 3 -
radioaktiv. "Was soll ich bloß immer mit diesem Müll?" brummte Schlott, machte das Fenster auf und warf die Bürsten raus. Er hatte schon seltsameres erlebt auf dieser bunten, wunderbaren Welt. Er tat einen Schokoriegel in seinen Mund, auf daß er ihm wohlschmecken sollte. Da kam er auch schon an der Universität an. Als Polizist hatte er es immer eilig und deshalb parkte er auf dem Behindertenparkplatz. Der war so schön nahe am Eingang und man mußte keine Treppen steigen. Als er die Universität betrat, war Schlott gut gelaunt, denn er hatte was zu tun. Er pfiff zwei Melodien gleichzeitig vor sich hin. Das klang schrecklich. Aber im Leben kann halt nicht alles immer nur Ästhetik sein.
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Kapitel 2 Der Kommissar bäckt Kuchen und bohrt sich in seiner Nase Es war im Büro des Polizeipräsidenten. Auf dem Tisch lag die Sekretärin und der Polizeipräsident vögelte sie in der Dienstzeit in allerschönster Reiterstellung mittendurch. Von allen Seiten. Klar, die Frau sah supergut aus und war auch erst 22, aber das rechtfertigte so ein Verhalten noch lange nicht. Außerdem hatte der Chefpolizist vergessen, den Vorhang vorzuziehen. Da das Polizeipräsidium wie ein Carré gebaut war, konnten drüben die Leute von der ktU dem Präsidenten direkt beim Geschlechtsverkehr zuspannen, was sie auch taten. Er war gerade bei der oralen Variante angekommen, wobei das mit der Reiterstellung schon schwieriger wurde, was deshalb auch die ktU zu heftigem Applaus veranlaßte, den man drüben auf, unter und neben dem Chefschreibtisch natürlich nicht hören konnte. Videokameras liefen in der ktU auch mit. Es war aber noch schlimmer mit dem Polizeipräsidenten: Er hatte auch vergessen, die Vorzimmertür zuzuschließen. Er war eben nicht mehr der Jüngste und er hatte es schon immer mehr im Schwanz, als im Kopf gehabt, außerdem war er mal wieder sturzbesoffen. Nun ging die Tür auf und der Bundesinnenminister kam herein. Niemand wußte, was der im Revier wollte, aber das war auch egal. Im Augenblick war nur wichtig, daß er jetzt hereinkam und die Sauerei sah. "Na sowas, Herr Polizeipräsident, das geht mir aber nicht! Im ganzen Leben haben sie nicht einen einzigen Fall selbst gelöst, alles den Herrn Kommissar Schlott machen lassen, und dann sauen sie in der Dienstzeit mit ihrer noch halbwegs minderjährigen Sekretärin herum. Ab jetzt werden sie sogar noch viel mehr Zeit zum Herumsauen haben, das verspreche ich ihnen. Sie sind mit sofortiger Wirkung frühpensioniert, sie -1 5 -
Sexualclown! Benno Schlott wird ihr guter Nachfolger. Er bekommt das doppelte von ihrem Gehalt. Natürlich darf er auch weiterhin seine tollen Fälle lösen, so einen Mann darf man nicht bloß hinterm Schreibtisch versenkeln lassen, der kann den verantwortungsvollen Innendienst auch mühelos nebenbei, quasi mit der Handkante, ausführen, weil er ist ein Genie, im Gegensatz zu ihnen. Ich schicke ihm ein Telegramm in sein Büro. Auf Wiedersehen, Herr Pensionär." Da war der ehemalige Polizeipräsident ganz schön gearscht. A propos gearscht: Was er machte, machte er auch zu Ende, das war Angewohnheit bei ihm; bei der Sekretärin war nämlich bisher noch eine Körperöffnung frei geblieben... Liebe Leserin, lieber Leser, ich bitte um eine Entschuldigung für diese absolut sauige, schockierende, frauen- und männerverachtende Szene. Aber irgendwie mußte der Kommissar an diesen Job als Polizeipräsident rankommen und da nach Machiavelli der Zweck die Mittel heiligt, war mir als Autor hierfür kein Mittel schäbig genug. Und außerdem sind wir doch alle auch bloß Männer, wenn wir nicht gerade Frauen sind. Ab jetzt aber wird dieses intelligente Lesevergnügen hier wieder sauber und ganz megasittlich. Versprochen. Benno Schlott betrat den Hörsaal für Rechtsmedizin. Er war angenehm klimatisiert, wie sein Wagen auch (der Hörsaal war natürlich klimatisiert, nicht Benno Schlott). Das tat gut nach der draußenen Sommerhitze. Schlott hatte sich im Auto noch etwas luftiger angezogen, er führte immer ein wenig Kleidung zum Wechseln mit. Nun trug er spitze, metallverstärkte Sandalen, einen himmelblauen Strohhut, der mit Sommerblumen dekoriert war, und einen selbstgeschneiderten, fast durchsichtigen novembergrünen Seidenanzug, durch den man bis auf die Brusthaare des Greifers sehen konnte. An strategischen Punkten waren kleine Glöckchen und Troddeln angebracht. Schlott war die wandelnde Modeästhetik. Unten im arenaförmigen, -1 6 -
ansteigenden Hörsaal stand Edding Prinzenrolle, lässig mit einem Joint im einen und einem Lutscher im anderen Mundwinkel. So war er halt: Immer lockerflockig. Vor ihm lagen die Reste einer verkohlten Leiche. Heute stand Praxis auf dem Lehrplan. Edding Prinzenrolle dozierte: "Sie sehen, diese Leiche ist sehr verkohlt. Es war ein Raucher, der im Bett geraucht hatte. Nun, sie wissen ja sicher aus eigener Erfahrung wie das so ist: Erst rauchte nur die Zigarette, dann fing sein Bett auch an zu rauchen und schließlich rauchte der ganze Mann mit. Rauchen ist zwar gesund, aber man muß damit aufpassen. Das ist jetzt übrig von dem Typ. Natürlich muß man vorsichtig an sowas herangehen, nur der kleinste Windhauch und der Tote fliegt auseinander. Ich rate immer dazu, Brutzelleichen, wie der Fachjargon sagt, zu allererst mit einem Spray zu fixieren, damit die feinen Ascheblättchen, die hier zum Beispiel mal das rechte Bein waren, nicht aufbröseln können. Gute Ergebnisse habe ich da mit einfachem Haarspray erzielt. Hier habe ich eine Flasche voll. Traut sich einer von ihnen, meine Damen, Herren und solche, die es werden wollen, das hier mal eben auszuprobieren? Es ist ein Provitamin - Haarspray, das pflegt und schützt zugleich." Eine Studentin kam die Treppen herab, zog sich gleich aus, weil sie wußte, wie man bei Edding gute Noten bekam, und machte sich obendrein fachkundig an die Arbeit, weshalb Prinzenrolle ihr wohlwollend zunickte und sich ihre Adresse für später aufschrieb. Diese Gelegenheit nutzte Benno Schlott, um herunter zu seinem Freund zu gehen, die Flasche mit der falschen Cola in einer seiner beiden Hände. "Hallo Edding. Na, wie geht's deinen Patienten? Alle zufrieden?" Kräftig, wie es alle kernigen Männer machen, schlug er dem Edding Prinzenrolle auf seinen Rücken drauf. "Jedes Mal bringst du den selben abgedroschenen Witz. Wo du doch sonst immer so toll Witze erzählen kanns t. Aber wie kommt's, daß du zu mir in die Vorlesung kommst? Hast du etwa -1 7 -
einen neuen Fall?" "Nee, besser gesagt, nein; leider nicht. Ich möchte nur, daß du den Inhalt dieser Flasche für mich untersuchst. Mikroskopisch oder so. Mir ist jedes Mittel recht." Der Kommissar gab seinem Freund die Flasche in die Hand. "Lola - Cola. Koffeinhaltige Erfrischungslimonade mit den zwölf belebenden Spurenelementen des nativen Phelandronyls und vier lebenswichtigen ätherischen Ölen. Die kenne ich, das nenne ich echt mal eine gute Cola. Was ist denn daran nicht in Ordnung?" "Oh, es ist keine Lola - Cola drin, sondern etwas ganz widerliches. Hey, die Leiche da sieht interessant aus. Was macht die junge Dame denn... oooh, so ein Mißstand, meine Pfeife..." Benno Schlott glitt seine brennende Pfeife aus dem Mund und geriet mitten in den Strahl, der aus der Haarspraydose kam. Das hoch brennbare Zeug fing sofort Feuer und in einem explosionsartigen Feuerball wurde die Leiche auseinandergerissen und über den ganzen Hörsaal verteilt, daß alle niesen mußten. Eine Sekunde danach hielt alles den Atem an, aber dann gab der Kommissar das erlösende Zeichen: "Gott sei Dank, die Pfeife ist noch heil!" Erleichtert atmeten alle auf. Sie hatten sich echt Sorgen gemacht um dem Benno Schlott sein gutes Stück. Die Studentin war noch so überrascht, daß sie gar nicht merkte, wie der Kommissar seine Pfeife an ihrem Hintern ausklopfte. "Das ist ja noch mal gutgegangen, Ben. Mit der Leiche, da ist das auch kein Problem, wir haben noch zwei davon im Kühlkeller liegen. Ich ruf' dich morgen im Büro an, und sag', dir bescheid was in der Flasche ist." Beide verabschiedeten sich unter gegenseitigem Händeschütteln sehr herzlich und wollten sich am Abend noch zu einer Zechtour treffen, wie sie es oft machten. Da sagte Edding noch: "Ey, hast du schon gehört von den sonderbaren -1 8 -
Vermißtenmeldungen in den letzten drei Wochen? Es sind ungefähr 63 Menschen spurlos verschwunden. Keine Hinweise, nichts. Vielleicht wendet sich ja das Vermißtendezernat an dich, weil man einen neuen Fall vermutet. Ich würde es dir echt wünschen." "Man kann ja mal gucken. Wäre natürlich eine feine Sache. Danke für den Hinweis. Bis heute abend dann. Tschüs, alter Leichenfledderer; ha, ha, ha!" "Ha, ha, ha!" lachte Edding zurück, den man auch für seinen Humor gut kannte. Schlott fuhr nochmal ins Büro. Er wollte die Ablage von seinem polizeilichen Geheimschreibtisch noch kurz desinfizieren und Gertrud bitten, ihm einen Eisschrank ins Büro einzubauen, wegen der kühlen Drinks. Nur so ließ sich die entsetzliche Sommerhitze überhaupt ertragen. Im Büro kam Gertrud schon angerannt mit einem Telegramm, wo draufstand, daß Schlott ab sofort neuer Polizeipräsident war. Schnell machte der Kommissar ein Riesenfest für alle im Revier, was für die Beamten eine große Überraschung darstellte. Alle waren eingeladen, außer der ktU und Justinian Wachsgurke, dem unfähigen Kommissar der normalen Mordkommission. Schlott beorderte per Gedankenkraft einen Partyservice und überzeugte ihn, nachdem er die erlesensten Köstlic hkeiten geliefert hatte auf hypnotischem Wege, daß alles schon bezahlt sei. Es wurde ein tolles Fest, danach ging der Kommissar und neue Polizeipräsident mit Edding in den stadtbekanntesten Kneipen noch ein und aus zum Weiterfeiern und am nächsten Tag wollte er gleich in sein neues, noch größeres und schöneres Büro mit echtem Vorzimmer umziehen. Als Polizeipräsident/Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission (K2r) der Kriminalpolizei Bad Salzfischbach am folgenden Morgen erwachte, beschloß er, seine Frau bei einem handgefertigten -1 9 -
Kuchen mit der Beförderungsnachricht zu überrumpeln. Er ging in die Küche, erarbeitete einen schönen Teig, bohrte sich zwischenzeitlich in seiner Nase, wie es alle Bäcker machten, und tat den fertigen Kuchenteig samt darin enthaltenem Popel in den Ofen. Darin sollte er zu einem Kuchen zurechtgebacken werden. Der Kuchen wurde schön und als Milupa in die Küche kam, da stand er auf dem Tisch und war verführerisch am Duften; nach Zimt und Pfefferminz, denn es war ein Zimt - Pfefferminz - Crèmekuchen. Die Frau des Kommissars schlug sofort die Hand über dem Kopf zusammen und sagte, nein, was das aber ein toller Kuchen sei, und daß er auch verführerisch am Duften sei. Darauf entgegnete Benno Schlott: "Ich liebe leckere Kuchen. Leckere Kuchen sind mein Metier." Und das waren sie auch wirklich, wie Milupas Zunge gleich darauf schmecken mußte. Milupa meinte auch, daß da sogar eine dicke grüne Rosine drin wäre, aber der Schlott schmunzelte nur und verriet seiner Frau nichts über die Sache mit dem Popel. Und wie die Frau den Mann noch so am Loben war über den Kuchen, da grinste der Kommissar mit einem überraschenden Gesicht, denn jetzt war er daran, seine Gattin mal kräftig zu überraschen. Er sagte ihr dann, daß er neuer Polizeipräsident geworden war, aber daß er weiter seine tollen Fälle lösen konnte und nicht bloß Innendienst zu schieben brauchte. Nun rückte Milupa ihrerseits mit einer Überraschung auf den Teppich, die sie schon eingekauft hatte, weil sie seit langem dachte, daß ihr Mann wohl bald befördert werden könnte, so wie der sich immer um Stadt und Land und Weltfrieden verdient machte. In einem großen Paket brachte sie etwas herein, was schon lange ein Herzenswunsch vom Kommissar gewesen war: Eine Plastik aus Plastik, die John F. Kennedy darstellte, mit Stars and Stripes bedruckt und mit batteriebetriebenem, beweglichem rechten Arm, der ein kleines US - Fähnchen -2 0 -
schwenkte. Außerdem waren innen drin Glühbirnen, so daß man den Kennedy auch als Lampe benutzen konnte, wenn es mal zu dunkel war. Das ganze war lebensgroß und hatte über 100.000 Dollar gekostet, weil es war Kunst; und Kunst erkennt mann immer am Preis. Die Skulptur strahlte Geschmack und Kultiviertheit aus, genau die beiden Haupttugenden von Benno Schlott, der zur Feier des Tages seinen mintgrünen Frack, ein gelbes Seidenhemd und eine altroséfarbene Fliege angezogen hatte. Tränen der Rührung entstanden auf den Wangen des Kommissars und er fiel seiner Frau um den Hals, wie es so Sitte ist. Dann sprachen sie miteinander über verschiedene Dinge, ihre gemeinsamen Interessen und den Haushalt, und anschließend fuhr Schlott ins Revier, um umzuziehen und einige Mißstände, die ihm aufgefallen waren, mit der Wurzel in Unmißstände zu verwandeln und sie, wenn das nicht gehen sollte, notfalls auch auszureißen. Der Wagen fuhr jetzt über 500 km/h, das ging, weil so früh am Morgen die Straßen noch leer waren. Die Geschwindigkeit war so enorm, daß die Luft hinter dem Auto Feuer fing und ein metamorphes Energiefeld entstand, das den Schokoriegel, den Schlott gerade aus dem Handschuhfach zog in ein kleines, rotes Plastikufo verwandelte. Der Kommissar biß trotzdem hinein. Als von innen heraus gefestigter Esoteriker ließ er sich von einer veränderten Molekularstruktur noch lange nicht vorschreiben, wo er reinzubeißen hatte und wo nicht. Am Revier standen Polizeiautos in der Feuerwehreinfahrt, Polizeiautos von der normalen Streifenpolizei, Revier 14. Das Polizeirevier von Schlott war eigentlich ja ein Polizeipräsidium, weil ein Polizepräsident darin amtierte. Aber alle Polizisten sagten immer nur "Revier", weil sie kaum Ahnung von Polizeidienst hatten. Der Streifenwagen hieß für sie auch "Revier" und die grüne Uniform, die Pistole, die Mittagspause und die Kollegen ebenfalls. Schlott sagte auch "Revier" zu allem, obwohl er bescheid wußte. So war das halt. -2 1 -
Der ehemalige Polizeipräsident hatte am Frühmorgen des Tages im Zorn den Mitteltrakt des Gebäudes mit einer Biogasbombe auf Methanbasis in die Luft gejagt. Dafür hatte er schon seit vielen Jahren nur noch in Gasflaschen reingepupst. So waren anstelle eines vernünftigen Gebäudes unordentliche Trümmer entstanden, die das ästhetische Empfinden des sensiblen neuen Polizeipräsidenten drastisch störten. "Hallo, Streifenpolizei. Was ist denn das für ein Mißstand? Gestern sah es hier doch noch viel anständiger aus, oder?" fragte er einen Wachtmeister der ein Protokoll aufnahm. Schlott war nicht die Sorte Mann, die man mit unbeantworteten Fragen zufriedenspeisen konnte. "Wer sind sie denn?" fragte der Polizist zurück. "Der neue Polizeipräsidentenkriminalhauptkommissar. Ich bin Benno Schlott. Sie haben sicher schon Fotos von mir in der Zeitung gelesen. Ich bin so berühmt, wie Michael Jackson es gern wäre, habe aber andere sexuelle Interessen und bin viel schöner. Sehen sie doch mal her, was ich für schöne Hände habe. Ich bin auch gut rasiert." "Oh, Herr Kommissar Schlott. Wirklich schöne Hände. Wo haben sie denn den Nagellack gekauft? Und so toll rasiert sind sie an den Bakcen. Aber, äh ja, es ist etwas passiert. Der alte Herr Polizeipräsident hatte einen Zorn bekommen und das Revier mit den Gasen seiner alten Furze komplett hochgejagt. Zum Glück wurde niemand verletzt und niemand ist tot, leider auch keiner von der ktU; wir haben auch bereits unsere Pflicht versehen und den Attentäter gefangen und ins Gefängnis gelegt, meiner Meinung nach ist er eine üble Verbrechernatur mit schlechter Verdauung. Das Gebäude ist aber leider nicht versichert und ich weiß nicht, ob die Versicherung es trotzdem zahlt. Eine dumme Sache. So steht alles im Protokoll." Benno Schlott traf es im ersten Moment so hart, wie wenn man ihm mitgeteilt hätte, daß seine Frau unter einen Zug geraten -2 2 -
wäre. Doch dann erinnerte er sich an seine Fähigkeiten und machte eine große Show, die alle Schaulustigen, die um den Unfallort entstanden waren, schwer neidisch auf seine Astralkraft machte. "Guckt mal her, ich kann Telekinese!" Mit diesen Worten erhob der Kommissar seine Hand, zündete sich damit eine Pfeife an und konzentrierte sich auf eine alte "Bravo Girl", die er aus dem Handschuhfach seines Sportflitzers nahm, in der ein total spannender Artikel über die Brustbehaarung seiner Lieblingsband "Modern Talking" drin war. Schlott hatte auch selbst ein Modern Talking - T - Shirt. Er brauchte für Telekinese keine geballte Konzentration mit zusammengekniffenen Augen und Schweißperlen auf der Stirn; dieser ganze Showquark war sowieso nur Schweinekacke für den alten Fuchs. Echte Telekinese lief eigentlich fast von allein. Langsam erhoben sich die Trümmer des Mitteltraktes und fügten sich Stück für Stück wieder am richtigen Ort zusammen. Der Menschenmasse um den Schauplatz herum wuchsen unterdessen Fotografen, die mit ihren unermüdlichen Objektiven das Geschehen für die Presse einfingen und mittels lichtempfindlicher Substanzen auf Fotofilm sichtbar machten. Nach fünf Minuten war alles vorbei und das Revier sah aus wie früher. Es wurde geklatscht, Blumen wurden dem Kommissar an den Kopf geworfen und Hände kamen, um den esoterischen Greifer herumzutragen und einen Triumphzug zu machen. Dann war da der Bundespräsident, der ihm einen Orden umhing. Wieder bloß das Bundesverdienstkreuz am Bande! Das war schon das dritte in diesem Monat! Schlott würde es zu Hause in die Pappschachtel auf der Gästetoilette, oben auf dem Spülkasten stopfen, wo schon die ganzen anderen Orden drin waren. Erst kurz vor der Mittagspause kam Schlott schließlich dazu, sein neues Büro zu betreten. Gertrud hatte alle Möbel aus dem -2 3 -
alten vor die Tür gestellt und die Möbel des ehemaligen Polizeipräsidenten waren von der Caritas schon am frühen Morgen für ein Altersheim in Meppen im Emsland abgeholt worden. Es waren Arbeitnehmer im Raum, die sich mühten, die blauen Seidentapeten anzubringen, die der Polizeipräsident /Kriminalhauptkommissar sich immer gewünscht hatte. Kleine Überraschung vom Innenminister. Ein großer Freßkorb wurde gerade hereingebracht, er war vom Kroatischen Verteidigungsminister, mit dem der Kommissar oft am Telefon Mühle und Halma spielte. Linda de Mol kam mit einem Kamerateam herein, aber der Kommissar ließ gleich alle wegen Ruhestörung eines Dienstbüros verhaften, denn er wollte jetzt keinen Rummel. Er rief Gertrud an, dem er auftrug, das Büro einzurichten, während er selbst in die Kantine was essen ging. In der Kantine, da war auch Edding Prinzenrolle, der Mann von der Rechtsmedizin. "Hallo Ben." sagte Prinzenrolle. "Hallo Ed." sagte Schlott. "Das trifft sich gut, daß ich dich hier treffe, da muß ich dich nicht anrufen. Ich muß dir was mitteilen. Wegen der Cola. Ich habe sie mal untersucht und dabei ein sensationelles Ergebnis festgestellt." "Ach, in der Tat?" "Ja, Ben. Der Inhalt der Flasche ist keine Cola, sondern Menschensuppe. Es muß da draußen irgend jemanden geben, der Menschen auspreßt und unter Zusatz von Kohlensäure in Flaschen abfüllt. Ich glaube, das ist ein neuer Fall für dich, Ben." "In der Tat. Das ist ein kriminelles Potential, das ich nicht unterschätzen möchte. Es stellt sich nur die Frage, wo dieses dunkle Subjekt seinem verderblichen Werke nachgeht. Glücklicherweise ist die Chance sehr gering, daß es -2 4 -
ausgerechnet in Bad Salzfischbach ist." "Leider nicht, Ben. Ich habe in der Flasche auch ein Teerpartikelchen gefunden, das ich ebenfalls analysiert habe. Dieser Teer kommt in seiner Zusammensetzung auf der ganzen Welt so nur in der Pizzaallee vor und die Pizzaallee ist, wie du sicher weißt, eine Seitenstraße des Goldenen Mittelweges im Bad Salzfischbacher Stadtteil Brodelbauch. Daraus folgt: Die Leiche, von die der Menschensaft gemacht wurde, wurde in der Pizzaallee in Bad Salzfischbach Brodelbauch niedergeschlagen, oder sonstwie beseitigt. Ben, das ist ein Fall für dich. Hier in Bad Salzfischbach geht ein Verrückter um, der Menschen tötet, in Flaschen abfüllt und an Supermärkte verkauft. Vielleicht hängen da auch die vielen Fälle von Vermißten mit zusammen, von denen bisher keiner wieder aufgetaucht ist. Das läßt alles in einem neuen Licht erscheinen." "Ja, Ed, vielleicht. Das werde ich dann sehen. Ich werde in dem Fall mal ermitteln und dem Polizeipräsidenten bescheid... ach nee, das bin ich ja jetzt selber. Dann werde ich eben ermitteln und mir selber bescheid geben, damit ich immer über alles informiert bin. Danke Ed. Du warst eine Hilfe. Ich wußte es immer: Du bist gut." "Nichts zu danken Ben. Übrigens, das Kapitel ist jetzt zu Ende." "Ja, Ed, ich nehme es zur Kenntnis."
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Kapitel 3 Der Kommissar macht Fortbildung und das Telefon mag nicht stillstehen "Hallo, Polizisten." sagte Benno Schlott, als er mit dem Kantinenessen fertig war und zu den eilig versammelten Polizisten sprach, die im Konferenzsaal des Präsidiums standen, saßen oder knieten. Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die ein Interesse an genügend Sitzplätzen verfolgte. Eine Sekretärin verteilte Autogrammkarten und CDs von Benno Schlott an die Leute. Benno Schlott hatte mal mit Edding Prinzenrolle eine Hörspiel-CD von "Hänsel und Gretel" gemacht, das ist ein Märchen der Gebrüder Grimm. "Ich bin der neue Polizeipräsident. Es wird einiges anders in nächster Zeit. Ich habe ein Fünfpunkteprogramm erstellt, mit dem wir aus diesem Revier hier ein wirklich gutes machen werden. Ich verlese nun mein Programm. Jetzt gut zuhören und mitschreiben. Ich kontrolliere das am Ende nach! Punkt römisch a): Die Wände werden in verbraucherfreundlichem rosa gestrichen, was leichte Arbeit begünstigt und poppig - frisch aussieht. Punkt zwei: Es wird ein zweiter Colaautomat auf dem Flur aufgestellt, direkt neben dem ersten, damit zwei Polizisten gleichzeitig Cola kaufen können. Das hat es in der Geschichte unseres Hauses noch nie gegeben. Punkt groß c (C): In jedes Büro kommt ein Foto des neuen Polizeipräsidenten, und der bin ich. Die Fotos können sie im Anschluß an diese Veranstaltung bei mir erwerben. Es ist wichtig für die Identifikation mit dem Arbeitgeber, daß man sich ein Foto von ihm angucken kann. Der nächste Punkt: Das Polizeirevier wird von außen bis zum -2 6 -
dritten Stock hin mercatorgrün und milanotürkis angestrichen und ab dem vierten Stock pasteurviolett mit Metallicbeimischung. Das schafft Vertrauen zur Polizei und jeder wird gerne herkommen. Das nennt sich übrigens Farbpsychologie und ist eine sehr moderne Angelegenheit, von der nur ich richtig was verstehe. Der letzte Punkt, in Zahlen: Punkt Nummer e): In jedem Büro wird eine Grundversorgung mit großflächigen Badetüchern in Europanorm sichergestellt. Empirische Umfragen haben aufgezeigt, daß oft durch Umschütten größere Flüssigkeitsmengen entstehen; seien diese zum Beispiel Kaffee. Oder durch unsachgemäße Dosierung von Körperschweiß bildet sich eine Flüssigkeit am Polizisten, die über das Amtshemd nach außen übertragen wird und beim Polizeikunden einen unschönen Eindruck in Form eines Schweißflecks hinterläßt. Dem sollen die Handtücher entgegenbeugen und das ist gut so. Jetzt muß ich gehen, ein neuer Fall wartet auf mich. Flötenschmalz, Ohrpuffer, sie kommen mit mir ins Büro. Wir haben einen Plan zu besprechen. Allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Hören meiner CD." Remigius Flötenschmalz und Friedmund Ohrpuffer waren die unauffälligsten Beamten der ganzen Kripo. Man konnte sie, auch wenn man von ihnen wußte, nur mit allergrößter Mühe wahrnehmen. Selbst ihre eigenen Ehefrauen übersahen sie zumeist, was beispielsweise beim Geschlechtsverkehr den Orgasmus erheblich verzögern konnte. Natürlich waren sie durch ihre Unauffälligkeit wie prädestiniert für geheime und geheimnisvolle Observationen. Im Büro des Kommissars, wo gerade ein Team von einem Möbelfachgeschäft neue Möbel installierte, und zwar eine topmoderne Computeranlage mit zwölf synchrongeschalteten Rechnern, verschiedene Palmen zur Raumbegrünung und eine Hausbar, setzten sich Flötenschmalz und Ohrpuffer hin. Benno Schlott hatte keine Mühe, sie zu erkennen, dank mentaler Einstellungskraft war er zu allem fähig. -2 7 -
"Flötenschmalz, Ohrpuffer, ich habe einen Spezialauftrag für sie. Sie observieren den Happymarkt und fahren jenen Autos, die Lieferungen holen, hinterher. Man hat mir etwas von einem geheimen postlagernden Postfach erzählt, wo ab und zu Flaschen mit Lola - Cola deponiert werden, in denen aber in Wirklichkeit Menschensuppe ist. Finden sie heraus, wo das Postfach liegt. Danke, sie können gehen." Kaum waren Flötenschmalz und Ohrpuffer weg, da ging das Telefon. "Es klingelt an meinem Telefon. Ich werde abheben." Er hob ab. "Guten Tag, hier spricht der Herr Polizeipräsident und Kriminalhauptkommissar Benno Schlott und der bin ich." "Hallo, hier spricht Herr Amaretto Siedekoffer. Ich habe einen Mord beobachtet." "So, haben sie. Und sie glauben, daß mich das interessiert? Es geschehen so viele Morde in unserer Welt, daß ich mich einfach nicht um jeden kümmern kann. Wenn sie mich mit ihrem Kleinkram weiterhin belästigen, dann nehme ich meine elegante Dienstwaffe und schieße ihnen durch den Hörer ein sportliches Loch ins Gehirn!" "Aber..." sagte die Telefonstimme noch kurz. Aber bei Schlott gab es kein Aber. Er nahm seine Dienstwaffe und schoß durch den Hörer. Das machte jedoch nichts, jedenfalls nicht lange, das Telefon war nämlich ein selbstheilendes Modell aus dem Esoterikshop. "Das verdammte Telefon will einfach nicht stillstehen. Aber diesem Idioten habe ich mal gezeigt, was es heißt, einen Herrn Kommissar Schlott zu belästigen. Irgendwann ist der Tropfen erreicht, der den heißen Stein zum überkochen bringt!" Das Telefon klingelte schon wieder, trotz dem Loch im Hörer. Schlott ging nicht mehr dran, er war es leid wie sonstwas, angerufen zu werden. -2 8 -
Nun wollte Benno Schlott sich die Namen und Anschriften der Vermißten der letzten drei Wochen geben lassen. Er ging dafür ins Vermißtenarchiv, in dem alle Vermißten der Welt seit 1789 aufgeführt waren. "Hallo." sagte er im Vermißtenarchiv. Die Archivar, Herr Joost op der Wäsche, blätterte in seinem Computer und schien Schlott gar nicht wahrzunehmen. Der Kommissar zog seine Pistole und schoß die Deckenlampe kaputt. Erschrocken sah op der Wäsche auf. "Ja, so geht das, wenn man mich nicht bemerkt. Das nächste Mal schieße ich gleich von vorne in sie rein. Jeder soll mich immer sehen. Sonst brauche ich mich ja auch gar nicht schönmachen. Ich möchte die sämtlichen Vermißten an der Zahl haben, die hier in Bad Salzfischbach in den letzten drei Wochen passiert sind. Mit Wohnort, Anschrift und Adresse. Jawohl." Joost op der Wäsche gab etwas in den Computer ein und dann druckte der ihm eine Liste aus. "Hey, warum ist denn jeder Buchstabe in einer anderen Farbe gedruckt? Das sieht ja sehr ungeordnet aus. Ich muß das als Mißstand bemängeln." Der Kommissar übte Kritik an der Art vom Computer, wie der druckte. "Weil, das ist ein Farbdrucker. Der druckt natürlich fa rbig." antwortete Joost op der Wäsche. Benno Schlott leuchtete dieses Argument ein. Er nahm die Liste und ging hinaus. Oben im Büro breitete er sie auf dem Tisch aus. Es war gerade eine Aquarienfirma da, die ein neues Großwandaquarium mit Hammerhaien drin einbaute und einrichtete. Das Aquarium mit den Silberfischen stand jetzt an einer anderen Wand, wo es auch schön wirkte. Der Kommissar hatte sich die Hammerhaie und das Aquarium mit grünen Großpflanzen und einer ganzen Fauna auf Staatskosten aus Panama kommen lassen, weil -2 9 -
Aquarium, das beruhigte immer und Hammerhaie waren ein alter Kindheitstraum des Kommissars gewesen. Bis die Aquarienleute fertig waren, schenkte Schlott sich noch einen Drink auf Staatskosten aus seiner neuen Hausbar ein. Als Polizeipräsident ließ es sich wirklich leben und man durfte alles auf Staatskosten machen. Er zog auch in Erwägung, sich einen Swimmingpool ins Büro einbauen zu lassen; so einen, den man aus dem Boden aufklappen konnte, wie das manchmal in amerikanischen Filmen geschah. Er schwamm gerne, weil er sportlich war. Schon klingelte das Telefon erneut. "Hallo, der Herr Polizeipräsident spricht hier." sprach der Kommissar in den Hörer. "Anastasius Nietenkatze hier. In meiner Wohnung liegen zwölf tote Bodybuilder und ein totes Bikinimodel. Alle leblos und mit koreanischen Springmessern im Bauch. Das ist sehr ungewöhnlich, weil ich war nur fünf Minuten fort um mir ein paar Pommes zu essen." "Interessant, Herr Nietenkatze, sehr interessant. Rühren sie sich jetzt nicht vom Fleck, hier kommt nämlich eine Frage von mir an sie: Lagen die Toten schon vorher in der Wohnung, nicht wahr, oder sind sie erst später dazugekommen?" fragte Schlott, wieder ganz kriminalistisch. "Ja natürlich lagen die schon da, oder glauben sie, fünf Minuten reichen aus, um die alle totzumachen? Können sie sich überhaupt vorstellen, was das für eine Arbeit war?" "Ja, natürlich. Ich kann mir alles vorstellen. Ich bin doch nicht blöd, oder? Ist es dann vielleicht möglich, daß sie die zwölf Bodybuilder und das Bikinimodel selber abgestochen haben?" "Ja logo! Ich bin der Mörder. Sonst würde ich ja gar nicht bei der Mordkommission anrufen, geschweige denn bei der Spezialeinheit. Warum sollten die Leute auch sonst alle ausgerechnet in meiner Wohnung liegen, und tot noch dazu? -3 0 -
Obwohl, bei dem Bikinimodel war es ein Versehen, muß ich ganz ehrlich sagen. Ich hatte sie mit dem einen Bodybuilder verwechselt." "Tja, dann ist das Ganze nicht weiter ungewöhnlich; außerdem habe ich den Mord schon aufgeklärt. Ich werde ihnen einen Streifenwagen vorbeischicken, der sie dann verhaftet. Für alles weitere ist dann Justinian Wachsgurke von der gewöhnlichen Mordkommission zuständig. Wiederhören." "Auf Wiederhören, Herr Kommissar Benno Schlott und vielen Dank für ihre prompte Hilfe." Wie nicht anders zu erwarten, war der Mörder zufrieden mit Benno Schlotts Polizeiarbeit. Es war schon eine Krankheit. Dauernd passierten dem Kommissar Mordfälle, die so einfach waren, daß er sie in einer Minute am Telefon lösen konnte. Und dann mußte er sich für diesen Kinderkram auch noch bejubeln lassen. Die Leute hatten das Aquarium inzwischen fertig eingebaut. Sie hatten gute Arbeit geleistet, fand Schlott und sich ein Trinkgeld verdient. "Sie haben gute Arbeit geleistet. Ich bin ein generöser Mensch. Sie sollen belohnt werden; ich belohne sie mit einem Trinkgeld in Höhe von insgesamt sechsundsiebzig Pfennigen. In Zahlen: 76. Außerdem kann sich einer von ihnen, wenn er will, eine Praline dort aus der chinesischen Porzellanschale nehmen. Aber bloß eine kleine!" Schlott war nicht die Sorte Mann, die nicht weniger Trinkgeld gab, als sie nötig hatte. Außerdem unterstützte er es nicht, daß Leute Geld bekommen sollten, nur um es zu versaufen. Die sollten lieber arbeiten gehen statt dessen! Die Leute zeigten leider wenig Dankbarkeit für des Kommissars gütige Gabe und knallten die Tür in sehr lausiger Weise zu. Nichtmal die ihnen versprochene Praline nahmen sie mit. Der Kommissar schüttelte sich den Kopf vor Entrüstung. -3 1 -
Was war das bloß für ein Proletenvolk gewesen! Dann sah er auf den Schreibtisch. "Oh, es ist Papierkram entstanden. Mal sehen... Die Polizeischule will einen neuen Crashtest - Dummy für simulierte Auffahrunfälle haben. Da werde ich gleich eine Million Stück bewilligen, man soll an der Ausbildung niemals sparen. Ach, die werden sich bestimmt freuen und mir ein Denkmal setzen, oder sogar eine Torte backen." Schlott stempelte es, unterschrieb und schickte das Papier per Rohrpost ab. "Na bitte. Papierkram ist doch voll einfach. Aha, eine Wichtige Meldung betreff 'Verdummung im Dienst'. Das ist ein Mißstand, dem muß man natürlich entgegenwirken. Ist klar. Ich werde Fortbildungskurse organisieren. Jeder Streifenpolizist wird zwanzig Tage im Monat, in Zahlen: 20, auf Fortbildungsseminare gehen und dadurch schlau werden. Die Kripo bleibt wo sie ist, wir sind bisher auch ohne überflüssige Intelligenz ganz gut klargekommen. Ich mache das als allgemeine Dienstanweisung. Formular 319/b; das rote, wenn ich nicht irre, und ich irre mich nie, wie ja wohl bekannt sein dürfte. Ha!" Der Blick des Kommissars ruhte auf dem restlichen Papierkram. "Das sind ja noch mindestens zwei Kilo. In Zahlen: 2. So ein Mißstand aber auch! Ich habe keine Lust mehr, aber ich habe auch eine Lösung." Wie in solchen Fällen immer, machte er sich eine Pfeife an. Dann nahm Schlott einen braunen Umschlag, steckte den Papierkram hinein und schickte ihn an die ktU, versehen mit einer Dienstanweisung (Formular 56-III, das hellgrüne) auf höchster Ebene, daß alles schnell bearbeitet werden mußte. Der alte Polizeipräsident hatte es schließlich genauso gemacht. Der Blick von Benno Schlott wechselte jetzt auf die Vermißtenliste. -3 2 -
"Aha, der erste Fall vor drei Wochen. 21. Juni: Metaxa & Gaston Speisekeks melden ihre Tochter Figura als vermißt. Wohnhaft Milchstraße 40; 42007 Bad Salzfischbach. Die werde ich mir mal vornehmen." Der Kommissar stand auf und öffnete den geweihten Barocksekretär, in dem er sein esoterisches Ausrüstungsgut verwahrte.
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Kapitel 4 Der Kommissar sagt "hallo" und dann nicht mehr "hallo" In einem schwarzen Koffer, wo okkulte Symbole draufstanden, befand sich Benno Schlotts luxuriöse Kristallkugel mit Sprachausgabe. Schlott entnahm sie und stellte sie in ihren Ständer. Er bestand aus von links nach rechts geschürftem Gold; das war das einzige Material, das die Kraftströme divergent umsetzte, statt sie anachron abzuleiten. "Hallo, Kristallkugel. Sage mir, ob Figura Speisekeks eine Vermißte ist, die zu meinem Mordfall zugehört." Die Kristallkugel antwortete mit dunkler, donnernder Stimme, die den ganzen Raum ausfüllte und die Glaswände der Aquarien erbeben ließ: "EPEN WERF, KEIZ UZRIETH BOHRTS!" Die Sprachausgabe war manchmal noch nicht so ganz perfekt, aber in der Kugel erschienen glücklicherweise noch zusätzlich in großen Flammenlettern die Worte "JA, SIE IST". Leider konnte man ein esoterisches Medium nicht nach einem Mörder fragen, sonst zersprang es in 1000 Stücke, in Worten: tausend. Das war gut so, sonst wäre das Buch hier an dieser Stelle schon zu Ende gewesen. Der Polizeipräsident/Kriminalhauptkommissar nahm seinen esoterischen Tatortkoffer, zog sich um und fuhr zur Familie Speisekeks. Er wählte ein marineblaues Lederhemd mit Metallbeschlägen, eine Frotteehose mit großem, rot - weißem Karaokemuster und einen signalgelben Südwester als Kopfbedeckung, wie man ihn auf den Friesischen Inseln gerne bei Sturmflut anzog, um sein Haupthaar vor der Überschwemmung zu schützen. Durch die Gänge des Präsidiums gehend, zündete sich Benno Schlott seine modische Tonpfeife an. Er hatte sie vor über -3 4 -
vierzehn Jahren an Sankt Martin seinem inzwischen erwachsenen Sohn Bello (das hieß übersetzt "der Schöne") aus einem Weckmann geklaut. Draußen auf dem Hof war Lärm, es war wieder einmal Greenpeace, das gegen des Kommissars Pfeiferauchen demonstrierte. Dauernd ging das so, seitdem das meteorologische Institut Benno Schlotts Pfeifenrauch als eine der Hauptursachen für den Treibhauseffekt ausgemacht hatte. Der Tabak, den Schlott rauchte, enthielt pro Gramm über sieben Gramm Teer und vier Gramm Nikotin. Der Greifer öffnete ein Fenster und rief auf die demonstrierende Menge herab: "Ihr solltet arbeiten, nicht hier herumlungern und meine schwere Arbeit noch schwerer machen, ihr nichtsnutzigen asozialen Klammerasseln! Meinen Tabak rauche ich, solange ich will, und mich kann auch niemand daran hindern, irgendwann einmal meine Pfeife als Sondermüll in der Nordsee zu verklappen. Ich bin sehr stur und normalerweise ein engagierter Umweltschützer, der sogar einen Organspendeausweis der Grünen besitzt, da kann ich mir dann auch mal eine Entgleisung leisten, und wo bei mir die Pfeife anfängt, da hört mein Spaß abrupt auf." Eine dreifache Mutter und Transparentträgerin, die eben noch im Chor mit skandiert hatte "Nehmt - dem - Schlott - die - Pfeife - weg, denn - sie - macht - die - Welt - im - Arsch!", rief jetzt durch ein Megaphon: "Denken sie doch mal an die Fische in der Nordsee, die mit ihren Flüssigkeitsdrüsen das ganze Wasser bilden und absondern, von dem wir alle leben, das wir alle trinken. Die gehen doch tot, wenn sie ihre Pfeife da rein versenken." "Ist mir doch pappegal. Ich trinke sowieso nur Lola - Cola. Doofe Fische. Dann gehen die eben tot. Na und? Wenn sie wüßten, was mich ihre blöden Fische mal können, sie immanente Karamellenbaracke!" -3 5 -
Der Kommissar brauchte kein Megaphon, um das zu rufen, ihm seine Stimme war eine der lautesten von der Welt. Aus Protest kotzte er auf die Frau runter, dann nahm er seine Dienstwaffe und feuerte wahllos in die Menge, bis die Demonstration sich von alleine auflöste. Die überlebenden Demonstranten ließ Schlott verhaften und monatelang einkerkern, weil die Demo nicht genehmigt war. Außerdem ließ er ihnen die Bankverbindung sperren. Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die Dinge duldete, die sich an seiner Toleranzgrenze vorbei orientierten. Irgendjemand hatte den Wagen des Kommissars angesprayt. "Ummweldmörder!" stand da drauf. "Ummweldmörder. Das hätten die doch wohl wirklich richtig schreiben können, diese maggelistischen Pisangaten! Wissen nichtmal, daß man "Ummweldt" mit "dt" am Ende schreibt. Und dann sprühen die ihren Eiersalat auf meine neue orthopädische Heckscheibe, die ich gerade erst eingebaut habe, mit meinem neuen Schraubenzieher von Black & Decker. So ein Mißstand! Ich werde die Schrift beseitigen." Im Lotussitz setzte sich der Kommissar vor der orthopädischen Heckscheibe auf den Boden und machte Levitaion. Er schwebte in etwa einem Meter Höhe immer auf und ab vor der Scheibe und sein Körper geriet nach kurzer Zeit in Obertonschwingungen, die der Luft drumherum eine ölige Konsistenz verliehen und sie pralinéblau verfärbten. Schlott medidierte konzentriert über der Schrift und versuchte, sie sich wegzudenken, was keine Schwierigkeit war. Es machte "!ppolP", das ist "Plopp!" rückwärts und die Schrift auf dem Wagen verschwand. Schlott wackelte mit seinem einen Meter langen Schnurrbart mit den herunterhängenden Enden und beendete so die Levitation. Die Familie Speisekeks wohnte in der Milchstraße Nummer 40. Schlott fuhr dahin. Ein Mann mit Latzhose, der seine -3 6 -
Wohngemeinschaft verlassen hatte, um im Bioladen Müsli und Leinsamen zu kaufen, ging fälschlicherweise davon aus, daß der schnelle rote Wagen schon rechtzeitig anhalten würde, nur weil seine Ampel rot zeigte. Als der Mann halb über die Straße war, erkannte er, daß der Sportwagen sich von einem roten Licht noch lange nichts vorschreiben ließ. "Oh nein, das ist bestimmt wieder der Herr Kommissar Benno..." Und das waren auch schon seine letzten Worte, denn sein Mund landete ungefähr zehn Meter entfernt vom restlichen Körper. Zum Glück hatte der Mann immer fest an Reinkarnation geglaubt und wurde deshalb augenblicklich in Nepal als Berglama wiedergeboren, womit er rundum zufrieden war. In der Milchstraße Nummer 40 angekommen, parkte Benno Schlott den Wagen im Hauseingang des vierstöckigen Mietshauses. Er sah es nicht ein, warum er bis dahin zu Fuß gehen sollte. Der Oma, die gerade das Haus verlassen wollte, bedeutete er mit einer beiläufigen Geste, der auch ein Achselzucken folgte, sie solle halt einfach über den Wagen drübersteigen. Rentner mochte Schlott ohnehin nicht, weil er hatte seinen Zivildienst in einem Altenheim in Meppen im Emsland machen müssen. Als Rache für damals hatten die jetzt die alten Büromöbel des ehemaligen Polizeipräsidenten bekommen. Der Kommissar griff mit der rechten Hand aus dem Wagenfenster zum Brett mit den ganzen Türklingeln und läutete bei Speisekeks. Dann stieg er aus und machte das Auto mit dem Schlüssel zu. Durch die Sprechanlage errtönte eine Stimme: "Achtung, Achtung, hier spricht Gaston Speisekeks: Wir erwarten keinen Besuch und wir kaufen nichts. Bitte verschwinden sie." "Mißstand! Diese scheiß Spießer!" Der Kommissar drehte sich um und wollte gehen. Aber halt! So konnte man einen Schlott nicht einfach abspeisen. Der -3 7 -
Kommissar war nicht die Sorte Mann, die nicht alles gab. Die Wohnung hatte einen Balkon. Sie war im ersten Stock gelegen und das war kein Problem mit Levitation zu erreichen. Der Greifer brummte sich schnell in Trance und konzentrierte sich. Nach kurzer Zeit hob er ab und bald war er auf einer Höhe mit der Balkonbrüstung; er mußte nur noch drübersteigen. Er stieg drüber. Die Balkontür war zu, aber Schlott beendete seine Trance, warf ganz unesoterisch mit einem Blumentopf das Wohnzimmerfenster ein und räumte mit einer fadenscheinigen Handbewegung das Fensterbrett von Blumen und Zierrat frei, um anschließend darüber und in die Wohnung hineinzukarbunkeln. "Damit haben sie nicht mit gerechnet, nicht wahr?" Der Kommissar grinste und es war Triumphieren in seiner Miene ablesbar, als er die erschrockenen Gesichter von Gaston und Metaxa Speisekeks wahrnahm, die am Horizont der Wohnzimmertür standen. Er schoß den Fernseher kaputt, daß er implodierte. Sowas schuf Respekt vor seiner Männlichkeit und war psychologisch erklärbar: Jeder Mensch dachte auf diese Weise unbewußt von dem Kommissar, daß er die selbe Wirkung mit seinem rohen Samen erzielen konnte, und das schaffte Ehrfurcht und Ängstlichkeit vor so einem Tier von einem Kerl. "Ich bin Kriminalhauptkommissar und Polizeipräsident Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission der Kripo Bad Salzfischbach (K2r) und nicht die Sorte Mann, die sich schon an der geschlossenen Haustür abwimmeln läßt. Und falls sie denken, ich kann nur mit der Pistole den Fernseher kaputtballern, seien sie gewarnt: Ich bin bereit, die selbe Wirkung mit meinen rohen Samensträngen zu erzielen. Aber nur einmal am Tag, weil ich danach erschöpft bin und müde werde." "Mordkommission?" Frau Speisekeks schlug sich erschreckt die Hände vors Gesicht, als ob das etwas helfen würde. -3 8 -
"Sind sie taub? Habe ich doch eben deutlich gesagt, sie Galluppenschabracke! Sie dürfen mir jetzt erstmal einen leckeren Tee machen. Tee ist gut für Yin und Yang*. Wegen ihnen mußte ich extra Levitation machen, weil sie nicht aufmachen wollten. Das versetzt mich in Wut und ich kann diese Wut selber gut nachvollziehen." (* Für die der chinesischen Zunge nicht mächtige Minderheit meiner Leserschaft: Yin und Yang, so heißen Fix und Foxi in der chinesischen Übersetzung. Allerdings liest in China kein Mensch Fix und Foxi, denn dort gelten Füchse als das Symbol für ein derart schmutziges, auf die menschliche Sexualität anspielendes Wort, daß nicht einmal Beate Uhse es aussprechen könnte ohne dabei rot zu werden.) Schlott wischte sich mit dem Samtvorhang, der vor dem Wohnzimmerfenster hing, Hundekacke vom Schuh, in die er anscheinend vorher reingetreten hatte. Er wollte ja nicht stinken, wenn er umherging und dabei auch mal den Fuß hob. Noch immer unbeweglich von dem ganzen Überraschungseffekt, den der Auftritt des Kommissars erzeugt hatte, stand das Ehepaar Speisekeks in der Wohnzimmertür. Frau Speisekeks fragte schließlich: "Unserer armen Figura wird doch wohl nichts passiert sein, oder?" "Wenn ihrer armen Figura nichts passiert wäre, dann wäre jetzt nicht die Mordkommission hier, und die esoterische Spezialeinheit erst recht noch ganz viel weniger, denn die esoterische Spezialeinheit kümmert sich nur um die allergrausamsten Serienmordverbrechen, wie sie wohl aus Funk und Fernsehen wissen. in "Fahnd ungsakte" z.B. kommt meine Einheit auch öfter vor. Wo bleibt mein Tee? Ich will jetzt meinen Tee für Yin und Yang haben." Frau Speisekeks brach in Tränen aus und ihr Mann tröstete sie mit den Worten "Nimm's nicht so schwer, wir haben ja noch zwei andere Kinder." -3 9 -
"Passen sie auf, daß ihnen keine Tränen ins Teewasser spritzen, ich habe keine Lust, einen Tee zu trinken, der total versalzen ist. Weinen sie woanders hin. Und machen sie mir Grüntee, der ist magenfreundlich. Wenn ich Tee trinke, dann immer Grüntee. Wegen der Spurenelemente. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gesund Spurenelemente sind." Der Kommissar war besorgt. Tee war ein empfindliches Getränk. Frau Speisekeks ging in die Küche und setzte Wasser auf den Herd. "Wo war ihre Tochter zuletzt gewesen, bevor sie von einem Irren niedergeschlagen, entsaftet, in Flaschen abgefüllt als Cola verkauft worden ist, nicht wahr?" Frau Speisekeks schluchzte vor Schreck auf, rotzte in ein Taschentuch und sagte dann eine Weile lang gar nichts. "Hey, hey, nic ht so lange kochen lassen das Teewasser, davon wird das ja ganz fade, nicht wahr? So ein Mißstand, hier in diesem Haushalt!" "Entsaftet von einem Irren? Ogottogott!" wunderte sich Frau Speisekeks, nachdem sie fertig geschluchzt hatte. "Um Gottes Willen, ne hmen sie jetzt wohl endlich das Teewasser vom Herd?! Ich habe den Eindruck, sie weichen meiner Frage aus und wollen bloß Zeit schinden. Ich merke das, ich bin ein alter Hase, dem man nie was vormachen kann. Außerdem haben sie beim Runternehmen gerade ins Teewasser geheult. Seien sie gefälligst etwas achtsamer mit sowas. So und jetzt reißen sie sich zusammen und sagen mir, wo ihre Tochter zuletzt gewesen ist, sonst werden sie sich noch wundern. Ich kann auch anders. Klar?" Schlott war nicht die Sorte Mann, die auf billige Tricks hereinfiel. Bei ihm mußte man schon mit was anderes kommen. Metaxa Speisekeks schluchzte weiter. Ihr Mann antwortete: -4 0 -
"Nachts um ein Uhr hat man unsere Figura das letzte Mal gesehen. Sie war auf dem Rückweg von ihrem Freund, er heißt Liborius Kaffeefahrt. Zuletzt wurde sie an der Bushaltestelle am Letzten Ausweg, Ecke Sackgasse von einem Passanten beim Warten auf den Bus angetroffen." "Besten Dank, Herr Speisekeks. Ja, es hat keinen Sinn, vor Benno Schlott etwas zu verbergen, der kommt nämlich hinter alles dahinter. Ihre Frau hat sich nur verdächtig gemacht. Sie darf in nächster Zeit die Stadt nicht verlassen und muß sich täglich auf dem Revier melden. Bitte geben sie mir eine Tasse, ich trinke jetzt Tee." Benno Schlott bekam eine Kaffeetasse, die er natürlich voller Wut gegen die nächste Wand knallte, wobei es ihm egal war, daß das Ding aus Meißener Porzellan gewesen war, weil nur Barbaren Tee aus einer falschen Tasse tranken. "Ihr Tee schmeckt ja entsetzlich. Pfui Teufel! Ich wollte etwas Magenschonendes und keine Pestbrühe. Außerdem haben sie reingeweint. Ich merke das und gesehen habe ich es auch, was wohl alles beweist. Ich bin nicht die Sorte Mann, die jeden Tee trinkt. Diesen Tee trinke ich nicht, er stellt einen starken Mißstand dar und schmeckt nach alten Schweißfüßen. Sie wollen mich wohl krank machen! Ich gehe jetzt. Auf Wiedersehen." Schlott war sehr sauer auf Leute, die ihre Töchter nachts alleine rumlaufen ließen. Wenn sie dann ermordet wurden, kostete das den Steuerzahler nur Geld. Aber an sowas dachten solche Leute ja gar nicht. Und Tee konnten sie auch keinen. Der alte Fuchs selber zum Beispiel sperrte seine Tochter jeden Abend nach 18 Uhr immer im Keller ein. Aus blanker Sicherheit für ihr Leben. Aber eigentlich hatte Schlott ja gar keine Tochter, bloß einen Sohn, der einem Weihnachtsmann von Jahr zu Jahr ähnlicher sah. Aber den Sohn hätte er auch im Keller eingesperrt, wenn der da nicht inzwischen zu alt für gewesen wäre. Inzwischen hatte der Junge sogar eine eigene Wohnung -4 1 -
und durfte sich jetzt selber jeden Abend freiwillig in den Keller sperren. Der Kommissar fegte mit seinem Wagen über die Straße und zur Gastronomiemaschinenfabrik im Rechten Weg. Von der Brasilianischen Werksleiterin Frau Batida de Coco ließ er sich erklären, womit man Menschen entsaften konnte. "Das ist eine heikle Sache. Menschen haben Knochen die splittern können und das beschädigt natürlich den Dichtungsgummi an der Drucknut, außerdem braucht man einen dreifachen Auslauffilter mit separatem Aggregat, damit das Endprodukt, also der Menschensaft, nicht zu trübe wird. Hierfür kommt obendrein nur ein wirklich großer Entsafter für die kommerzielle Entsaftung in Frage, einer mit Doppelwand Vakuum - Presszylinderdichtungen, wie etwa unser platingalvanisierter 'Esafix 380' aus der neuen Modellreihe, der zusätzlich ohne weitere Mehrkosten einen weitestgehend überkopften Rückfuhrbolzen besitzt, der die Stauchstutzenfunktion auf Wunsch nahezu vollkommen induziert vernabeln kann und so Sperrfluktuationen in der divergenten Kongruenzspule vorbeugend entgegenwirkt. Wahrscheinlich hat ihr Mörder so ein Gerät gekauft und ich kann nur sagen, er hat eine gute Wahl getroffen und wird damit lange seine Freude haben, wenn er es richtig wartet und auch die Unterhalsungs - Zufuhrdüse regelmäßig re - insublimiert." Der Kommissar bedankte sich und ging. Ein Gummihirn wie Justinian Wachsgurke von der normalen Mordkommission hätte sich noch die Liste der Kunden geben lassen, die so eine Maschine gekauft hatten, aber Benno Schlott war ein esoterischer Kommissar und sowas war ihm nun wirklich zu albern. Schlott fuhr zurück in sein Büro und setzte sich auf eine Tatami - Reisstrohmatte, die er aus Japan hatte einfliegen lassen. Dann nahm er eine Messingschale, in die er halluzinogene Meditationskräuter aus den entlegensten Gebirgen hineingab, -4 2 -
die ihm der schwedische König mal aus Peru mitgebracht hatte, und entfachte ein Feuer, so daß die Kräuter verbrannten und Rauch entwickelten. Schlott ließ sich ins meditative Dunkel fallen und bald hörte er nicht einmal mehr das Klopfen, das die Hammerhaie verursachten, die ständig gegen die Scheiben des Aquariums schlugen. Er gab sich der Frage hin, ob der Mörder wohl die Gepflogenheit besaß, so einen Entsafter zu benutzen. Es war alles sehr esoterisch im Raum, und der Kommissar, der nur noch einen gelben Seidenumhang trug und langsam durchsichtig wurde, fing mit einem Stück Kohle plötzlich aus seiner Trance heraus an, etwas auf eine eigens dazu bereitgelegte Marmortafel zu schreiben. eine Zeitlang schrieb er und sackte dann in sich zusammen wie eine Schachtel Mokkassins. Das Klopfen der Hammerhaie weckte ihn nach etwa fünf Minuten. Er hatte auch wieder feste Gestalt angenommen. Er betrachtete die Marmortafel und legte sie auf den Kopierapparat, den er sich von der Dänischen Königin zu seiner Beförderung hatte schenken lassen, und kopierte das Geschriebene einige Male. Er las es für sich vor: "Am Morgen geht der weise Mann durch den taunassen Garten, auf klingenden Pfaden wandelt seine Gestalt. Sein mondgewandter Schritt hallt lange nach durch den nachttrüben Hain." Für Schlott war der Fall klar. Man mußte die Worte nur richtig deuten, dann wußte man, daß es eindeutig so war, daß der Mörder sich eines "Esafix 380" bediente, was, wie Frau de Coco sagte, eine gute Wahl war. Der Kommissar räumte seine esoterischen Sachen wieder weg, tat die Marmortafel in die Indizienschachtel, in die immer alle Beweise von ihm reinkamen und betrachtete dann den Schreibtisch. Jede Woche, wenn die Indizienschachtel voll war, kam sie in den Müllschlucker und eine neue mußte her. "So, so, neuer Papierkram ist angefallen. Ich werde seiner unverzüglich Herr werden." Ganz oben lag eine ziemlich dünne Akte mit einem Zettel -4 3 -
drauf. "Herr Polizeipräsident, das ist die Akte von Dr. Jaroslaw ter Schnake, der vom 13.7. bis zum 15.9. des Jahres 1975 seine Ehefrau mit einem gezielten Messerstich ins Herz umbrachte. Er hat aus dem Gefängnis heraus den Antrag gestellt, ihn für den längsten Mord in der gesamten Weltgeschichte fürs Guinnessbuch der Rekorde vorzuschlagen. Bitte machen sie das." Benno Schlott schüttelte den Kopf. "So ein Müll! Mein Vater sagte immer '95% der Arbeit erledigen sich von selbst.' Wo er Recht hat, hat er Recht." Schlott warf die Akte aus dem geschlossenen Fenster in einen darunterstehenden Müllcontainer, der gerade abgeholt wurde. Das Fenster blieb dabei ganz. Es war hierbei natürlich wieder Esoterik im Spiel. "Mal sehen, was das nächste ist. Oh, die schreiben, ich soll eine Sekretärin bekommen, ab morgen. Das ist mir natürlich sehr recht, die kann dann ab morgen für mich den Papierkram machen. Da ist noch ein Erlaß des Innenministeriums, daß die Streifenpolizisten ab jetzt, um deutlich erkennbar zu sein, gestreifte Uniformen tragen sollen. Sehr sinnvolle Sache vom Herrn Innenminister, der Mann hat meine Unterstützung. Ich werde noch einen Rundbrief abschicken, in dem ich die Kripo zu erhöhter Wachsamkeit aufrufe. Das klingt immer gut und tut keinem weh. Danach beginne ich meinen Feierabend." Der Polizeipräsident tat, wie er sagte. Er verließ anschließend das Büro, das er gewissenhaft durch Schlüsseldrehen abschloß. Dann explodierte etwas und Benno Schlott erwachte wieder im Krankenhaus, umgeben von seiner besorgten Ehefrau.
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Kapitel 5 Der Kommissar erzürnt sich und mag keinen Gips tragen "Sie haben nochmal Glück gehabt, Herr Kommissar Schlott. Wenn sie nicht so robuste Kleidung getragen hätten, dann wäre ihnen noch viel mehr passiert. Dann wäre vielleicht Sense gewesen mit ihnen! Nachher legen wir ihnen einen Gips an. Ihre Hand braucht Ruhe." sagte die Krankenhausschwester, die sich über das Bett vom Kommissar beugte. Wie die meisten Krankenhausschwestern war sie so blaß und pickelig, daß der Kommissar gleich dachte, daß es ihm wirklich verdammt schlecht ginge. "Mir ist ein Haus über dem Kopf zusammengefallen, das meine Kleidung ruiniert hat, ich soll einen Gips bekommen, muß ihnen obendrein ungefiltert ins Gesicht starren und sie reden von Glück! Glück hätte ich gehabt, wenn gar nichts passiert wäre. Oder bei einem Sechser im Lotto. Sowas nenne ich Glück. Statt dessen bin ich erzürnt, weil man sowas mit mir angestellt hat. Ich werde außerdem keinen Gips tragen. Gips ist was für Saftärsche. Wer sich mir mit Gips nähert, den erschieße ich, peng, peng!. Ich darf das, jawohl! Ich bin nämlich die Polizei, ho, ho! Was ist eigentlich genau passiert?" In dem Moment trat der wilde Mob von der Presse die Tür zum Krankenbettzimmer ein und stürmte auf das Lager des Kommissars zu, der sich eine Brandblase an der Hand und einen kräftigen Kratzer im Gesicht geholt hatte und deshalb natürlich Ruhe brauchte und ein Bett mit weißen federnden Laken. Zahllose Freunde und Verwandte kamen mit hereingestürmt und warfen mit Blumensträußen und Traubensaft nach Benno Schlott, weil sie vor lauter Presse nicht bis zu ihm selbst vordringen konnten. -4 5 -
Eines dieser Pressesubjekte hielt dem Polizeipräsidenten ein Mikrophon an den Mund und sprach wie folgt: "Ein Attentäter hat ihr Polizeipräsidium während ihres Dienstschlusses in die Luft gesprengt um etwas zu bezwecken. Finden sie das richtig?" "Ich bin zornig, ich bin sehr zornig und ich muß sagen, daß ich in einer besonderen Situation war. Das Wichtigste ist jetzt aber ersteinmal, und das darf man auch in Anbetracht der Situation nicht ohne Weiteres unter den Tisch fallen lassen, das Wichtigste ist, die Sache öffentlich beim Namen zu nennen und in gebührender Ruhe darüber nachzudenken und alles ernsthaft abzuwägen. Ich sage nur: Differenzierung." Damit war die Presse zufriedengestellt und zog ab. Der Kommissar erfuhr von seinem ihn besuchenden Freund und Gerichtsmediziner Edding Prinzenrolle, daß es einen Anschlag mit Sprenggut auf das Revier gegeben hatte, was völlig kaputtgegangen war. Schlott sprang aus seinem Bett auf und rief: "Das ist Vereitelung! Man will meine Arbeit vereiteln! Der Mörder hat mich aufgespürt und jetzt muß ich verschwinden, denkt er. Das geht mir öfter so; ich werde aber nicht verschwinden, ich werde weitermachen. Während ich hier meine Zeit im Bett verliege, lacht sich die Bestie da draußen noch ein Fäustchen! Wo ist meine Kleidung? Mein schönes Revier braucht mich, ich werde es durch Telekinese wieder aufrichten. Hoffentlich sind die Colaautomaten nicht beschädigt worden, das wäre schlecht für den Fall, wenn man mal eine Cola haben will gegen den Durst." Edding wollte den Kommissar zurückhalten und ihm Bettruhe einreden, aber der Kommissar war die Sorte Mann, die nix kannte, wenn sie ersteinmal loslegte. Alle wußten das, auch Milupa, die noch mit einer Flasche Traubensaft in der Hand neben dem Bett stand. Benno Schlott konnte Traubensaft ebensowenig ausstehen, wie Blumen, aber wenn man im Krankenhaus liegt, spielt das überhaupt keine Rolle; man bekommt grundsätzlich nur Blumen oder Traubensaft oder -4 6 -
beides zusammen, das gehört zum Prinzip. Ist ja klar: Man kann sich schließlich nicht wehren. Als treusorgende Gattin hatte Milupa ihrem Mann einen lindgrünen Hosenanzug mitgebracht, seinen Sommerhut mit den Kirschen und einen dazu passenden goldenen Gürtel mit kleinen Spiegelchen dran, den konnte er dann anziehen. Die große Goldkette mit dem Amethystmedaillon war beim Reviereinsturz unbeschädigt geblieben, so daß der Kommissar sie jetzt auch wieder umhängen konnte. Sie sah sehr schön aus an Benno Schlott und zeigte wieder einmal, wie sehr Schlott mit Ästhetik zugange war. Eine Krankenhausschwester kam vorbei, sah, wie der Greifer erst das Bett und dann das Krankenhaus verließ, seine Frau und Prinzenrolle immer schön dabei, und sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Das war schlecht, denn sie hatte ein Tablett in denselben gehalten. Schlott nahm Edding Prinzenrolles schnellen Wagen. Er hatte eine neue Sportlackierung abbekommen, glitterblau. Einen Atommotor hatte der Wagen auch. Prinzenrolle entfernte den alten Kernbrennstab, warf ihn in den Rinnstein, ersetzte ihn durch einen neuen und schon ging die Post ab. Bald waren Milupa, Edding und der Kommissar vor den Trümmern des Polizeipräsidiums angekommen. "Oh weh, oh weh, mein schönes Revier! Hier habe ich die schönsten Stunden meines Lebens verbracht!" klagte Schlott, wie er das sah. Milupa meinte, das sei alles eine schöne Bescherung. "Du kannst Telekinese. Das ist ein Glück. Bald ist alles wieder beim Alten." So redete Edding zu dem Kommissar. Aus den Trümmern hörte man ein dumpfes Pochen, es waren die Hammerhaie, die ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Hämmern, nachgingen. Es waren robuste Tiere, die man so schnell nicht einfach totbekam. In den Weltmeeren entwickelten -4 7 -
sie sich deshalb langsam aber sicher zu einer echten Plage. Schlott machte Telekinese und das Revier war deswegen schnell wieder heile. Massen stürmten herbei und feierten ihn dafür. Man warf ihm auch schon wieder Blumen an den Kopf und der Bundespräsident war auch schnell herbeigerufen und hängte dem Kommissar einen neuen Orden um. Er zeigte den Kölner Dom, einen lustigen Clown mit einer Tröte und viel Konfetti. Das kam, weil dem Präsidenten die Bundesverdienstkreuze vorübergehend ausgegangen waren. Als Ersatz hatte er einen aus dem Karnevalsclub mitgebracht. Das war zur Abwechs lung wenigstens mal ein anderer Orden, als immer nur das dumme Bundesverdienstkreuz. Das konnte Benno Schlott mittlerweile echt nicht mehr sehen. Mit Orden war der Bundespräsident immer schnell bei der Hand. Klar, die glänzten schön und kosteten nicht die Welt. Alle Kripomänner und -frauen zogen wieder ins Revier ein und sogar die Colaautomaten waren heil geblieben. Schlott steckte sich eine Pfeife an und verabschiedete sich von Edding und Milupa. Er ging ins Büro, um dort mit Gertrud was zu besprechen und seine neue Sekretärin Frau Toyota Ehemann zu empfangen. Sein Telefon stand wieder mal nicht still. Schlott ging gar nicht erst dran. Er konnte sich bessere Sachen vorstellen, wie anderen Leuten ihre Sorgen hören. Er rief, nachdem das Klingeln sich beendet hatte, in der Polizeistelle an, wo man sich als hoher Polizist Beamte bestellen konnte. "Ja, hier ist der Herr Polizeipräsident; ich sage ihnen Guten Tag. Ich möchte, daß alle Streifenpolizisten alle Bad Salzfischbacher Häuser inklusive Keller nach einem neuen 'Esafix 380'-Entsafter durchsuchen. Sofort und unverzüglich." Die Antwort war schlecht: "Fünf Beamte sind krank geschrieben, drei können einen IQ über 130 nachweisen und sind damit von der Teilnahmepflicht entbunden, der ganze Rest -4 8 -
aber befindet sich auf den vom Polizeipräsidenten angeordneten Seminaren gegen Verdummung im Dienst auf Burg Rothenfels in Bergrothenfels bei Rothenfels am Main in Unterfranken und steht die nächsten 20 Tage nicht zur Verfügung. Sie müssen sich leider etwas anderes einfallen lassen." Schlott ärgerte sich und schickte anschließend eine Dienstanweisung ab. Alle im Dienst befindlichen Kripobeamten sollten sich einmal stündlich auf dem Präsidium melden, persönlich und egal, was sie sonst gerade taten. Das sollte eine Transparenz der Polizeiarbeit ermöglichen. Benno Schlott wollte alles perfekt durch organisieren. Er war Polizeipräsident, er wollte Ordnung Schlott war als Typ ein echter Macher. Er rief Gertrud an. "Hallo Gertrud. Die Beamten sind alle auf Burg Rothenfels in Bergrothenfels bei Rothenfels am Main in Unterfranken auf meinen guten Seminaren gegen Verdummung im Dienst. Bald haben wir die intelligenteste Polizei von der Welt. Aber bis dahin müssen wir uns noch ein wenig einschränken. Du kommst bitte sofort hoch in mein Büro und machst das Aquarium mit den Hammerhaien sauber. Und gib den Silberfischen ihr leckeres Pflanzenfutter, das ich selber gerne esse. Damit beschleunigst du meine Ermittlungen erheblich. Danke. Ich bin am Tatort der ersten Leiche und nehme Spuren auf." Schlott sagte das auf Spanisch, weil Gertrud verstand kein Wort Deutsch. Im Rausgehen kam dem Kommissar seine neue Sekretärin entgegen, die Schlott ins Vorzimmer setzte und ihr Papierkram zum einarbeiten gab. Die Frau hatte vielleicht Oberarme! Beinahe wie ein Kerl. Aber egal. Damit konnte sie vielleicht schneller arbeiten wie andere. "Bitte ordnen sie zusätzlich die unverzügliche Gründung eines Gicht- und Pockenkrankenzentrums für Polizisten an. Ich will eine gesunde Polizei haben. Wir bekommen bald die gesündeste -4 9 -
Polizei von der Welt. Im Kopf und gleichenfalles im Körper. Wiedersehen Frau Ehemann. Ach, und besorgen sie mir doch umgehend ein Pizzataxi an den Letzten Ausweg/Ecke Sackgasse, und zwar mit einer großen Speciale. Mit allem. Danke, Frau Ehemann." Der Kommissar tat, als wenn die Sekretärin schon immer da gewesen wäre. Kein Begrüßungsgesülze, keine Sentimentalitäten und vor allem keine Schonfrist. Wichtig war, daß ein Mensch funktionierte, wenn er im Polizeidienst sein wollte. Das war das Credo von dem alten Fuchs. Da hatte niemand was dran zum Rütteln. Schlott rauchte eine weitere Pfeife und ging zu seinem Wagen, der in der Einfahrt parkte. Mit der Dienstwaffe zwang Schlott die Autoschlange, die schon hinter dem Wagen wartete, sich aufzulösen, dann fuhr er raus und mit 400 Sachen zur Bushaltestelle Sackgasse/Ecke Letzter Ausweg. Dort angekommen parkte er, stieg aus und zog mit einer Pinzette die blutigen Stoffetzen aus dem Kühlergrill, die von der bayerischen Trachtenkapelle noch übrig waren. Sie hätte halt nicht auf der Straße blasen sollen, da mußte man doch immer mit Verkehrsrowdies und Autos rechnen. Der Wagen mit der Pizza kam und der Kommissar schlug den Mann mit seiner eigenen Handkante ohnmächtig und nahm seine Brieftasche weg, weil der es gewagt hatte zu bitten, daß Schlott die Pizza auch bezahlte. Es klingelte in der rechten Tasche des Hosenanzugs. Das war Schlotts vergoldetes Handy, daß er oftmals bei sich hatte. "Hallo? Hier ist der Herr Polizeipräsident Benno Schlott." Es war das Vermißtendezernat. "Hallo, Herr Präsident. Hier ist Oberinspektor Gisbert Trommelkorn vom Vermißtendezernat. Ich wollte ihnen nur sagen, daß in den letzten zwei Tagen vierzehn Leute in Bad Salzfischbach vermißt gemeldet worden sind. Ich faxe ihnen die -5 0 -
Namen und Adressen gerade durch ihr Autofax." "Das ist eine schöne Überraschung. Der Fall geht also weiter. Ich beende das Gespräch, die Arbeit drängelt." Der Kommissar beendete das Gespräch und ging zum Wagen. Das eingebaute Faxgerät hatte tatsächlich eine Liste mit Namen und Adressen gefaxt. "Die Zeit eilt. Noch mehr Warten mit dem Fallklären bedeutet noch mehr Leichen, die im Entsafter enden. Ich werde den Fall lösen, ich weiß es in meinem Herzen. Alles wird gut." Schlott ging zur Bushaltestelle, an der Figura Speisekeks zuletzt gesehen worden war. Abgesehen davon, daß er einen Amerikanischen Touristen, der mit dem Bus zum Fluoreszierenden Dom fahren wollte, festnahm, weil er die Polizeiarbeit behindert hatte, indem er nicht vom Sitz aufgestanden war, denn es war eine Haltestelle mit Hinsetzvorrichtungen, war nichts sonderliches zu vermelden. Schlott fuhr in die Kantine zum Essen. Wie er die Treppe hochging, die zur Kantine führte, da kam ihm ein Mann mit einer Aktenmappe entgegen, der einen weinroten Anzug trug und ein Monokel im Auge. Er kam aus Richtung Vermißtendezernat. Alle Menschen kannte der Kommissar, die da immer hingingen, den Mann aber nicht. Schlott wurde stutzig und hielt den Mann auf, indem er ihm ein Bein stellte, daß er die Treppe runterflog und auf der Putzfrau landete, die im Revier den ganzen Tag lang die Treppen und nur die Treppen putzte, weil Treppeputzen am meisten bezahlt wurde. "Hallo, sie!" rief Schlott von oben nach unten zu dem Mann, der sich langsam erholte. "Hallo, Mann! Wer sind sie? Wie heißen sie? Wie ist ihr Name? Geben sie ihre Fingerabdrücke her und weisen sie sich aus. Sie stehen unter Mordverdacht und haben ein Motiv, das sie verheimlichen!" Gemessenen Schrittes kam der Mann wieder die Treppen -5 1 -
hoch und war auf der obersten Stufe angekommen, da rutschte er aus, weil die Putzfrau Schmierseife angewendet hatte, zu deren Entfernung sie aber noch nicht gekommen war. Wieder fiel er die Treppe runter. Die Putzfrau war zu sich gekommen und rollte rechtzeitig beiseite, so daß der unbekannte Mann mit dem Hintern im Putzeimer landete. Der Eimer klemmte fest und der Mann kämpfte sich mit ihm hinten dran die Treppen erneut aufwärts. Der Schrubber der Putzfrau lehnte am Geländer und fiel unbemerkt um. Der Mann stolperte drüber und purzelte abermals hinabwärts. So wäre das sicher noch mindestens einen Monat lang weitergegangen, wenn der Kommissar es nicht beendet hätte: "Das ist mir jetzt zu doof. Ich geh' in die Kantine und frühstücke ein fettes Mittagessen." Schlott ging essen, das war richtig, denn er hatte von der frischen Luft, die draußen herrschte, einen ganz schönen Appetit abbekommen. Wie ein Wolf. Ja, er hatte Appetit wie ein Wolf. Er schnäbelte sich in irrem Tempo den Kantinenfraß rein. Nach dem Essen, das er gemeinsam mit seinem Assistenten Gertrud einnahm, der vom Saubermachen des großen Aquariums her Pause machte und ganz gut nach Fisch stank, ging Benno Schlott noch einmal ins Treppenhaus und nahm sich die Putzfrau mal von allen Seiten vor. Gertrud kam mit, weil er wollte auch mal. Im Revier war er längst als "der Hengst aus Villariba" bekannt. Seit Schlott Einfluß im Polizeipräsidium hatte, war das Durchschnittalter der Putzfrauen auf 22 gesunken. Bei seiner heißen Nummer, die ihm das Blut ins Gesicht und den Schweiß auf die Stirn trieb, hatte der Greifer plötzlich eine neue Idee, die er über Funk seiner Polizeisekretärin Frau Ehemann mitteilte: "Wenn nach mir jemand fragt, dann sagen sie, ich bin bei den Angehörigen des letzten Opfers. Da ist nämlich die Spur noch ganz frisch. Ich brauche sie nur zu verfolgen." -5 2 -
Gertrud funkte er auch an: "Gertrud, wenn du mit dem Aquarium und der Putzfrau fertig bist, dann ruf' doch mal bei dieser Gastronomiegerätefirma an und laß dir sagen, wer in der letzten Zeit alles einen 'Esafix 380'-Entsafter gekauft hat. Ich halte das für eine clevere Idee, weil sie von mir stammt." Benno Schlott funkte gerne; es störte ihn dabei überhaupt nicht, daß sein Assistent neben ihm stand. Jetzt war es Schlott nicht mehr zu primitiv, so zu ermitteln. Darauf, sich die Kundennamen geben zu lassen, da wäre Justinian Wachsgurke von der Mordkommission sowieso nie drauf gekommen.
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Kapitel 6 Der Kommissar ist mal zu Hause und kauft Gemüse ein Der Kommissar schaute auf die Adressenliste und tat das einzig Richtige: Er kniff die Augen zusammen und kombinierte. Das machte er gerne, es gab ihm den Anschein des absoluten Profis, der er ja auch war. "So, so, die Angehörige ist Frau Tesa Eierbecher und wohnt in der Doppekornstraße Nummer acht; in Zahlen: 8. Sehr suspekte Gegend, aber ich bin nicht die Sorte Mann, die sich von so einer Gegend ins Bockshorn jagen läßt, jawohl, diese Sorte ist jemand anders, aber nicht der Kommissar Schlott. Ha!" Die Doppelkornstraße lag in einem der ältesten und verrufensten Stadtviertel von Bad Salzfischbach, wo viel Industrie und sehr schlechte Luft war. Das Zentrum dieses Viertels bildete das große Kurhaus, denn Bad Salzfischbach war ein Luftkurort. Im Stadtteil Biberburg, so hieß er nämlich, gab es die verrufensten Hafenkneipen der ganzen Erde, und das, obwohl weit und breit kein Hafen in der Nähe war. Wie gesagt, eine suspekte Gegend. Über einer dieser Hafenkneipen wohnte Tesa Eierbecher, die ihren Freund und Zuhälter Eduard "Ankertau - Ede" Schlußlicht vermißt gemeldet hatte, der vom allnächtlichen Sumuringen in der Kneipe "Letzte Höhle" nicht wieder nach Hause zurückgekehrt war. "Ankertau - Ede" wurde er genannt, weil er so dünn war wie ein Ankertau, aber Leute mit einer einzigen Hand erdrosseln konnte, wenn auch nicht mit seiner eigenen. So stand das in den personenzugehörigen Polizeiakten zu diesem einschlägig bekannten Mann und Ganoven. Benno Schlott ekelte sich schon beim Treppehochgehen, als er ankam in der Doppelkornstraße Nummer acht. Es stank im -5 4 -
Treppenhaus nach alter Pisse, ausgekotzter Erbsensuppe vom Vorjahr und Leichen, die man unter viel zu wenig Beton notdürftig eingemauert hatte. Das Haus stammte vom Anfang des Jahrhunderts und wies an der bröckelnden Fassade noch die Einschußlöcher von Bomben aus dem letzten Krieg auf. "Wer so wohnt, bei dem, da kann man auch nichts mehr machen." entrüstete sich Schlott, der gerne zu sich selbst sprach. Einen angebissenen Schokoriegel warf er in einen der verbeulten Briefkästen, die den Bewohnern zum alltäglichen Postempfang zur Verfügung standen. Der Kommissar war sicher, daß der Riegel noch das Appetitlichste war, was man in so einem Briefkasten vorfinden konnte. Als der Greifer vorbei war, da schlich sich der Entsaftermörder aus dem Haus. Hier hatte er eines neuen Opfers geharrt voller Blutgier, aber wo jetzt Benno Schlott hier war, da wurde es ihm zu heiß und er verdrückte sich zwei Häuser weiter, wo er sich in einem Briefkasten versteckte und lauerte. Der Kommissar wußte nichts davon, er hatte den Mörder nicht gesehen. Und wenn doch, er hätte ihn nicht als einen Mörder erkannt, denn der Mörder wirkte nicht verdächtig. Er hatte ein Unschuldsgesicht und der Kommissar kannte ihn außerdem persönlich schon von wo anders her und hielt ihn für eine vertrauliche Person, der man sogar die eigene Post geben konnte zum Lesen. Das war bei einem Beruf als Mörder natürlich von großem Vorteil. An keiner der vielen Türen im Haus waren leserliche Klingelschilder angebracht. An jeder mußte der Kommissar einzeln klingeln. Er probierte es versuchsweise an der Ersten. Um den vor ekeligem Schmutz nur so starrenden Klingelknopf nicht bloßen Fingers berühren zu müssen, zog sich Schlott erst einen Gummihandschuh über die Finger und drückte dann mit seiner Nase auf das unratstarrende Klingelinstrument. Es schnarrte im Innenraum der Wohnung asphyktisch und Schritte knarrten auf dem morschen Holz der Tür entgegen. -5 5 -
Schlott rückte seinen roten Sombrero, der für diese Modesaison gut zu tragen war, zurecht. Wenigstens er wollte in diesem weit unten angesiedelten sozialen Umfeld schön daherstrahlen. Die Tür wurde geöffnet und der Kommissar blickte einer jungen Frau Anfang bis Mitte zwanzig in die Augen, die ebenso braun waren wie ihr glänzendes Haar, das sehr gut zum hellen Teint und der zierlichen Figur paßte und das in schlanken Wellen über ihre sanften Schultern fiel. Auch ihre Ohren waren klein und wohlgestaltet und standen nicht ab. Ohren waren dem Kommissar Schlott ein wichtiges Schönheitsideal. Die Frau sah aus wie eine Modekatalogebraut. Beide, der Kommissar und die Frau, blickten sic h nur einen Moment lang an, dann wußte jeder von ihnen für sich im Herzen, daß er mit dem Anderen Geschlechtsverkehr haben wollte. Benno Schlott ging mit ihr in die Wohnung und beide liebten einander drei Stunden lang wie die Mangroven, daß die Matratze kochte bis zum Abwinken. Etwas außer Atem, aber durch wilde Männlichkeit und die sinnliche Erotik, die er erlebt hatte, gestärkt, verließ der Kommissar die Wohnung der geheimnisvollen Schönen und suchte weiter nach Tesa Eierbecher, der ihr Zuhälter wohl im Entsafter abhanden gekommen war. Halt! Der Kommissar hielt inne. Ihm fiel ein, wie er sich eine Menge Arbeit sparen konnte: Er zog aus dem esoterischen Tatortkoffer, den er sogar im ehelichen Gemeinschaftsbett zu Hause immer dabei hatte, eine aus Kupfer geschmiedete Mühle der Erkenntnis. Sehr esoterisch und sehr asiatisch. "Mühle der Erkenntnis, o sage mir, in welcher Wohnung Tesa Eierbecher wohnt." rief Schlott die Mühle an, dabei immer die Kurbel drehend, daß aus der Mühle silberne Funken stoben und eine rückwärtige Klangmelodie ertönte. Die Funken bildeten für den Bruchteil einer Sekunde einen Pfeil, der auf die Wohnung im dritten Stock rechts deutete, -5 6 -
sichtbar nur für jene, die rein in Körper und Geist waren. Schlott war superrein. Er sah den Pfeil und alles war klar für ihn. Die Mühle einpackend, ging er zu der Wohnung und betätigte den Klingelknopf. Von innen öffnete jemand an der Tür herum. Aber da hatte Schlott schon die Initiative ergriffen und warf sich mit ganzem Leib "Horrido!" rufend gegen die halboffene Tür. Sie krachte aus den Angeln und schlug in den Flur. Schlott krachte hinterher, auch er schlug in den Flur. Diesem Manöver noch rechtzeitig ausgewichen stand Frau Eierbecher etwa einen Meter nebendran und schaute. "Was machen sie um Gottes Willen hier?" fragte sie. "Schlott. Kriminalpolizei. Ich möchte einige Fragestellungen an sie richten, mich auf die Vermißtmeldung ihres Freundes und Zuhälters beziehend." "Ja, bitte. Ich will mal gleich mit offenen Karten spielen..." "Dazu sind sie sogar verpflichtet. Was glauben sie, wie schnell ich sie sonst auf Nimmerwiedersehen in irgendeinem Knast verschwinden lasse!" "Ja gut, also, ich bin nicht mehr mit Ankertau - Ede zusammen, er ist ein Schwein. Dauernd muß er Knoblauch essen und danach will er Sex mit mir. Das ist doch echt pervers." Schlott mußte der Frau wirklich Recht geben und unterstrich, daß es Leute gab, die sich einfach nicht benehmen konnten. "Aber," bemerkte er hinzufügend, "dadurch sind sie sehr verdächtig geworden. Ich kann verstehen, daß sie das natürlich als Mißstand erachten, aber das Leben ist nun mal so und ich bin es auch. Sie könnten ihn entsaftet haben und vorher, um den Verdacht von sich abzulenken, zahlreiche andere Personen, die sie weder kannten, noch ihnen etwas bedeuteten, auf die gleiche Weise abgemurkst haben. So würde ich es machen, wenn ich schlau wäre." "Ich bin aber nicht schlau." wandte Tesa Eierbecher ein. -5 7 -
"Dann sind sie auch nicht weiter verdächtig. Gut, daß sie das so ehrlich bekennen." "Dazu bin ich sogar verpflichtet. Was glauben sie, wie schnell sie mich sonst auf Nimmerwiedersehen in irgendeinem Knast verschwinden ließen." Benno Schlott war überrascht. Das hätte direkt ein Satz von ihm sein können. "Sie sind, wenn sie schon nicht schlau sind, zumindest eine Menschenkennerin. Genauso hätte ich es in der Tat gemacht. Ich gehe jetzt. Auf Wiedersehen." Die Frau war vernünftig. Sie gehörte zu den einzigen drei vernünftigen Leuten, die der Kommissar in seinem Leben befragt hatte. Vernunft läuft der menschlichen Natur ansonsten zuwider. So gedachte sich das zumindest der Greifer, weil er es aus seiner langen Arbeit sehr genau wußte. Schlott verließ das Haus und war froh, daß er jetzt Feierabend machen und nach Hause in seine Villa in der Bundesgartenschaustraße fahren konnte. Solche schlechten Wohngegenden drückten dem Kommissar empfindlich auf sein sensibles Verständnis für Ästhetik. Es war sehr ausgeprägt vorhanden. Milupa Schlott war auch zu Hause und sichtlich gut darauf zu sprechen, daß ihr Mann mal pünktlich nach Hause kam. Gemeinsam richteten sie das Abendessen her, seine Frau und ihr Mann. Sie speisten im Wintergarten und sahen den Affen zu, die durch die Baumkronen tollten. Ab und zu stibitzte sich einer von ihnen etwas vom gedünsteten Loup de Mer an Weißwein Kräuterschaum. Das Ehepaar Schlott liebte schlichte Mahlzeiten wie seine Westentasche. Benno Schlott und seine Frau lächelten einander milde zu. Sie mochten Tiere. Auch, wenn sie noch lebendig waren. Nach dem Essen rief kurz Bello, der Sohn der Schlotts an, er wollte mal wieder Geld haben. Der Kommissar faxte ihm schnell hundert Mark rüber. Anschließend mußte Schlott noch -5 8 -
mit dem Dackel Minuto Gassi gehen und etwas Gemüse im benachbarten Krämerladen bei der dicken Marktfrau einkaufen. "Hallo, Frau Unterkiefer." sagte Schlott als er den Krämerladen betrat. "Hallo, Herr Kommissar Schlott." sagte die Krämersfrau. Schlott kaufte eine Blind - Zeitung, weil auf der Titelseite ein Bild von ihm selber stand, und darüber war eine dicke rot unterstrichene Schlagzeile. Da war zu lesen: "Polizeipräsident Schlott jagt irren Mörder und wird ihn bestimmt fangen!" Darunter war weiter zu lesen: "- einem Mordanschlag ist der Kerl nur knapp entgangen!!!-" Dann kaufte Schlott sich das für Essen vorgesehene Gemüse und traf auf dem Heimweg Edding Prinzenrolle, der sein abendliches Jogging absolvierte, um fit zu sein. Er hatte eine Spur für den Kommissar: "Ben, ich habe noch einmal eine Flasche Menschensuppe analysiert, die ich mir im Sonderangebot als Lola - Cola gekauft habe. Dabei habe ich was entdeckt: Es war ein wenig Steckrübensaft darin. Nur drei Parts per Quadrillion. Das ist wenig. Aber ich konnte feststellen, daß er oxidiert war; und zwar so, wie Steckrübensaft oxidiert, wenn man sehr feste draufschlägt. Außerdem war ein wenig Haarfett mit dem Saft eine chemische Verbindung eingegangen. Daraus folgt, daß das Opfer, nach meiner Analyse war es diesmal eine Frau in mittleren Jahren, vor seiner Entsaftung mit einer Steckrübe niedergeschlagen worden ist." "Das ist hochinteressant. Wer könnte ein Interesse daran haben, jemanden mit einer Steckrübe K.O. zu schlagen? Vielleicht ein Landwirt. Ich werde meine Ermittlungen ein wenig konzentrieren." Schlott bedankte sich und lud seinen Freund noch auf ein Bierchen ein. Vorher gab er noch bei seiner Frau das Gemüse ab und einen Kuß für sie. Sie freute sich. Er freute sich, daß sie sich freute. Edding freute sich, daß sich beide zusammen freuten. Es wurde ein glücklicher Abend und zum Schluß schüttelten -5 9 -
Schlott und Prinzenrolle einander gegenseitig ihre Hände, um so tschüs zu sagen..
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Kapitel 7 Der Kommissar hat neue Hausschuhe und geht ins Präsidium Schlott erwachte am nächsten Morgen in seinem Bett. Er erinnerte sich deutlich, daß er genau dorthin am Vorabend gegangen war. Es war gut, wenn man da aufwachte, wo man schlafen gegangen war. Dynamisch fuhr der Polizeipräsident in seine neuen Hausschuhe aus Angorafell mit kleinen Straßsteinen und Pailletten drauf. Er war zufrieden, daß er sie hatte. Hausschuhe waren essentiell fürs Wohlbefinden. Der Kommissar briet in der Küche wehrlose Spiegeleier, mit Speck und Ahornsirup am Spieß, während seine Frau noch schlief. Deftiges Frühstück war des Kommissars Metier; er liebte es. "Hmm, ich liebe deftiges Frühstück. Deftiges Frühstück ist mein Metier." So sagte er zu sich selbst. Außer ihm war die Küche leer. Milupa wurde aber schnell von dem verführerischen Duft, der durch die Räume dampfte, geweckt und schlich die Treppen zu einem herzhaften Frühstück herunter, wie es in der Familie Brauch war. Eigentlich durfte der Kommissar ja wegen seiner aggressiven Probleme kein Fleisch mehr essen, aber er dachte sich, daß man von Speck ja gar nicht aggressiv werden konnte. Der war doch so lecker. Er kostete den guten Speck und kriegte gleich einen irrsinnigen Haß auf seine Ernährungsberaterin. Wie konnte die ihm nur sowas leckeres verbieten! Diese Lamettenschlampe, diese plattköpfige Torfkuh! Vor Zorn prügelte der Kommissar die Einbauschränke kaputt und brüllte wie ein Holzwurm. Seine Frau störte das nicht. Sie kannte ihren Mann schon. Milupa sagte ihm bloß, daß es schön von ihm sei, schon am Morgen so ein Frühstück zu machen. Da wurde er wieder -6 1 -
beherrschlicher und ganz verlegen dazu und er sagte: "Aber das ist doch klar. Ein Frühstück ist eben ein Frühstück." Dann waren sie beide fertig mit Essen und der Benno Schlott fuhr zur Arbeit. Er hatte heute eine sehr leichte und betont weit geschnittene Gazehose in kreolgelb an, dazu ein fliederbeiges Jackett mit Ärmeln, die nach vorne hin weiter wurden. Es sollte sehr heiß draußen werden an dem Tag, deshalb ließ Schlott seine Brust, bis auf eine Kette mit seinem geweihten Silberkreuz frei, daß man die Haare und die braungebrannte Hautfarbe gut einsehen konnte. Alle Leute drehten sich nach ihm um, als er den Weg von der Haustür über die marmorne Freitreppe nahm und zur Garage ging, so modisch war er. Er war die geborene Mode selbst. Der Nachbarin, die über den Zaun sah, schlug ihr Herz für den Kommissar gleich höher. "Tach Frau Biedenkopf!" grölte der höfliche Kommissar der Frau an den Kopf. Schlott stieg in den Wagen und fuhr los. Über 580 Sachen machte der Wagen in dieser angeblichen Tempo 30 - Zone. Obwohl das physikalisch schwer möglich war, machten die Gummireifen Funken auf der Straße. Die Realität zerfiel in drei Hälften: Eine Hälfte links vom Wagen, eine rechts davon und eine im Sportflitzer des Kommissars selbst. Sie verschoben sich gegeneinander, was ein blaues Flackern und das Erscheinen von einem Zentner Kartoffelsuppe unter dem Fahrersitz zur Folge hatte. Der Greifer ging auf 250 km/h runter und die Phänomene dekomprimierten, so war Ruhe im Wagen. Ruhe genug, um zu rauchen, einen Schokoriegel auszupacken und nachzudenken. Schlott hatte sich einen fetten Aufkleber gegen die Windschutzscheibe gepappt: "Rauchen macht schön" stand da drauf. Der alte Fuchs kombinierte sich eins: War es vielleicht möglich, daß wieder ein Ritualmörder am Werk war, wie damals, als der grausige Zigarrenmörder umging? Eher nein, denn es waren nie irgendwelche Ritualzeichen im -6 2 -
Zusammenhang mit den Vermißten aufgetaucht. Natürlich war es sehr erschwerend für die Sachlage, daß es nie Fundorte von Leichen, oder Leichen im eigentlichen Sinne gab. Nur diese Brühe in den Flaschen. Das war ein Mißstand. Ein deutlicher Mißstand! Halt, Brühe...? Benno Schlott fiel etwas ein. Da krachte es und der Wagen kam in der Asservatenkammer des Polizeipräsidiums zum Stehen. Schlott war in Gedanken gewesen und hatte nicht gemerkt, daß er schon längst hätte bremsen müssen, spätestens in dem Moment, wo er den Pförtner überfahren hatte. Zum Glück war der Sportwagen gepanzert und die Lackierung sehr robust. "Wie sieht's denn hier wieder aus! Kümmern sie sich mal, daß die Bescherung in Ordnung kommt. Solche Mißstände dulde ich nicht in meinem Präsidium." Der Kommissar sagte das zu Herrn Kopfgeier, dem Hausmeister. Danach ging er in sein Büro. Im Vorzimmer saß Frau Ehemann und tippte üppige Zeilen aus einem Diktiergerät in einen Computer. Auch die Polizei war modern geworden. Ohne Computer ging hier gar nichts mehr. "Guten Morge n Herr Polizeipräsident. Haben sie schon in die heutige Zeitung gelesen?" fragte sie ihn. Sie hatte einen Unterton, der nichts Gutes Verhieß. "Zeitung? Nein. Mache ich aber sofort. Zeitungslesen informiert. Da sollten sie sich übrigens ein Beispiel dran nehmen, Frau Ehemann. Sonst müssen sie wohl immer dumm bleiben." Im Büro fütterte der Kommissar die Hammerhaie und die Silberfische mit Koteletts und Fruchtgummi, weil die Fische das am liebsten aßen, und hängte seinen orangenen Strohhut an den Haken. Dann sah er in die Zeitung. "Graf Vladimir van der Morchel: 'Ich fange den Mörder mit dem Entsafter!'" stand da ganz groß. Daneben ein Foto von dem -6 3 -
Mann, der gestern dauernd die Treppen runtergefallen war. Es handelte sich um einen Grafen, der von dem unheimlichen Mörder gehört hatte, weil die Presse auch hier nicht dichthalten konnte, und der jetzt beschloß, auf seine eigene Faust hin zu ermitteln, weil er von dem Wahn besessen war, noch genialer als der Kommissar zu sein. Da konnte letzterer nur drüber lächeln; mitleidig. Schlott wußte, daß es mit seiner Intelligenz keiner aufnehmen konnte; beim letzten Test hatte er über 160 IQ - Punkte abbekommen. Für dieses Ergebnis hatte er dem Polizeipsychologen immerhin auch eine schiere Unsumme bezahlt. Er legte die Zeitung beiseite. Darunter lag ein Zettel von Gertrud, der aufgeschrieben hatte, wer einen "Esafix 380" gekauft hatte. Es waren nur vier Adressen, dieser Entsafter war noch nicht lange auf dem Markt. Schlott steckte sie ein. Er wollte da vielleicht später mal anrufen. Im Auto war ihm vorhin eine Idee gekommen: Man fand immer nur die Brühe, die aus den Toten herausgepreßt wurde, aber es mußten doch auch Knochen, Fleischreste und Haut übrig bleiben nach dem Entsaften, so wie sonst Trauben- oder Orangenschalen zurückblieben. Wo tat der Mörder also diese Reste hin? Diese Frage stand groß als Fragezeichen im Raum und wurde immer mächtiger. Der Kommissar setzte sich im Lotossitz auf die Schreibtischplatte und machte eine Levitationsübung, die den Geist auf kosmischer Ebene erweiterte. Über der Tischplatte schwebend sann der Greifer darüber nach, was man am vernünftigsten tun konnte, um Menschenreste loszuwerden. Ja, da kam schon die Lösung wie ein Lichtstrahl in seinen transzendental erweiterten Geist geschossen: Man würde das Fleisch verschweißen, als feines Rindergehacktes deklarieren und konsequenterweise genau wie den Saft an Supermärkte verkaufen. Schlott beendete seine Levitation. Die eben herausgefundene -6 4 -
Möglichkeit war leicht zu überprüfen. Vom Happymarkt wußte er, daß man dort die Cola aus einem geheimen postlagernden Postfach bezog. Aus gleicher Quelle müßte dann ja auch eventuelles Hackfleisch stammen. Der Kommissar nahm sogleich seinen Hut vom Haken und ging in Richtung Asservatenkammer, wo ausnahmsweise sein dynamischer Sportflitzer einen Parkplatz gefunden hatte. Bis dahin war der Weg nicht gerade nahe. Man mußte durch einen langen Tunnel im Keller gehen, der von kaltem Neoprenlicht aus eisigen Röhren ausgeleuchtet wurde, und an dessen Wänden Rohrleitungen verliefen. Am oberen Absatz der Treppe hinunter zum Keller traf Benno Schlott auf Gertrud und beschloß, ihn ausnahmsweise mal mitzunehmen, weil sonst hätte er Angst bekommen allein. Da sagte er ihm aber nix von. Gertrud erinnerte seinen Chef daran, daß Flötenschmalz und Ohrpuffer, die beiden heimlichen Beamten, die Lastwagen auf der Suche nach dem geheimen postlagernden Postfach beschatteten und daß man da die zwei gleich mal nach Neuigkeiten fragen konnte. Schlott war voll des Lobes für seinen Assistenten, denn die heimlichen Beschatter waren so heimlich, daß man sie immer ganz schnell vergaß. Genau das war auch dem Kommissar passiert. Er war manchmal fast menschlich, weil nämlich auch er, das Superhirn, konnte vergessen. Der Keller war immer sehr gruselig. Keiner der Beamten hielt sich hier gerne auf. Das kalte Summen der geheimnisvoll anzusehenden Glühröhren hatte etwas Bedrohliches. Nur der Kommissar hatte nicht viel Angst, eigentlich sogar überhaupt keine, denn er war ja selber bedrohlich und es war seine Art, der Gefahr nur so ins Gesicht zu lachen, daß es eine rechte Wonne war. Angst kannte er auch gar nicht, außer aus Erzählungen seiner Großmutter, die angeblich mal selber welche gehabt hatte. Vorhin hatte er auch nur gedacht, daß er alleine hier unten Angst hätte. Sowas passierte schon mal, wenn man etwas nicht -6 5 -
kannte. Gertrud und er plauderten auf dem Weg die Kellertreppe hinunter noch etwas darüber, woran man einen guten Cappuccino von einem schlechten unterscheiden konnte und vom Stabritus des Nigerianischen Luvumbestammes, aus dem das moderne Eßbesteck entstanden war. Schon waren der Kommissar und sein unermüdlicher Assistent in dem langen Gang im Keller angekommen. Man hätte den Weg zur Asservatenkammer wirklich ein wenig vorteilhafter gestalten können. Mit Blumentöpfen vielleicht und Primeln drin und mit den vom Tierschutzdezernat beschlagnahmten Geweihen an der Wand. Wie sie so gingen, da schlug plötzlich der sechste Sinn des Kommissars Alarm. Er spürte die Anwesenheit eines scharfen, nur aufs Töten ausgerichteten Verstandes nicht weit hinter ihm, wahrscheinlich der eines Profikillers, und die kalte, den Geist Schlotts beinahe ausfüllende Präsenz eines sehr großen Gewehres war auch da. Wenn man damit schoß, würde es im Keller einen Mordsknall geben. "Gertrud, man wird gleich versuchen, mich zu erschießen. Das wird meine teure Kleidung ruinieren." sagte der Kommissar noch zu Gertrud und versuchte voller Hektik, im letzten Augenblick wenigstens sein teures Jackett auszuziehen und zu retten, da ertönte hinter ihm auch schon ein sehr lautes "Dum, dum!" Es war auch noch ein Dum - Dum - Geschoß, mit dem man den Polizeipräsidenten, verdienten Bürger, Schutzheiligen der Stadt und was nicht noch alles, ganz unschön aus dem Verkehr bringen wollte! Daß das so einfach nicht ging, war natürlich nur dem Killer und seinem Auftraggeber nicht klar. Das Dum - Dum - Geschoß prallte durch Schlotts fliederbeiges Jackett, hinterließ dort ein großes Loch, Schmauchspuren und einen Blutfleck der Gruppe AB/negativ (Schlott gab sich natürlich nicht mit einer Allerweltsblutgruppe zufrieden), streifte einige der gut gepflegten Innereien des Greifers und wollte ihn, wie es so seine -6 6 -
Art war, von innen heraus zerfetzen. Nun kam Benno Schlott der glückliche Umstand zugute, daß das Dum - Dum - Geschoß von zu nahe abgefeuert wurde und viel zu schnell flog. Wie es den Kommissar gerade zerreißen wollte, da sauste es auch schon mit Karacho zu seiner Brust wieder heraus, wobei es ein Loch hinterließ, durch das man in den Kommissar hätte reingucken können, wenn man keine Pietät gehabt hätte. Erst danach kam es dazu, zu zerfetzen, nämlich die dem Kommissar gegenüberstehende Wand. Die flog ganz weg. Benno Schlott kippte um und auf dem kalten Betonboden bildete sich eine rasch größer werdende Blutlache. Voller Geistesgegenwart griff Gertrud in die Innentasche von Schlotts Jackett und... nein, er plünderte nicht seine Brieftasche, sondern zog das vergoldete Handy des Greifers heraus, das sich, wie sein Herz, immer am rechten Fleck befand. Die Polizei brauchte er ja nicht mehr zu rufen, deshalb rief er den Notarzt, der auch spontan kam, um zu helfen. Die Zeit, bis der Notarzt kam, nutzte Gertrud, um die Brieftasche seines Dienstherren zu plündern. "Das ist aber ein schöner großer Durchschuß. Wie ich erkennen kann ein Lungenstreifschuß, Herzstreifschuß, Austritt kurz über dem Zwerchfell, nicht ohne Schmauchspuren daran zu hinterlassen. Das wird dauern, bis wir den Herrn Polizeipräsidenten wieder auf die Beine geflickt haben und es wird heikel, heikel, he ikel. Aber er wird's schon schaffen. Bald steht er wieder auf allen Vieren, das verspreche ich. Sonst hätte das Buch auch nicht noch so viele Seiten." diagnostizierte der Notarzt auf dem Weg ins Krankenhaus dem besorgten Edding Prinzenrolle, der nach den Schüssen auch alsbald herbeigeeilt kam. Gertrud war unterdessen losgegangen, von Schlotts Geld aus der Brieftasche Blumen und Traubensaft kaufen, um den Greifer dann im Krankenhaus damit besuchen zu können. Er war halt ein guter Kerl. Der Kommissar aber auc h. -6 7 -
Edding gestikulierte unterdessen im Rettungswagen wie ein Korsettmatrose: "Der arme Herr Kommissar Schlott. Wer macht denn bloß sowas? Er ist immer gut zu allen und garantiert für die innere Sicherheit und den Weltfrieden. Ich sehe aber schon, wie er sich aufregen wird, wenn man ihm sagt, daß sein Jackett ruiniert ist. Mode ist sein größtes Ein und Alles. Ich werde es ihm nicht beibringen, da habe ich Angst vor. Bei Kleidung wird dieser Mann zur Furie. Zur Transfusion hätten sie ihm den rechten Ärmel aber auch wirklich nicht so grob aufreißen müssen, Herr Doktor! Für mich sind sie deshalb eine Schlampe." Als Edding das sagte, da schlug Schlott mit schweren Lidern die Augen auf und flüsterte blutunterlaufen: "Der Mörder hat mein kostbares Jackett ruiniert. Dafür wird er büßen. Der wird schon sehen, was er davon hat. Sie, Herr Doktor werden wegen dem aufgerissenen Ärmel auch noch Probleme mit meiner Modeschutzversicherung bekommen. Da gebe ich ihnen mein Amen drauf!" Ja, der Benno Schlott war halt so wie er war, der konnte nicht anders. Als der Kommissar die Augen das nächste Mal aufschlug, da fand er sich in einem Krankenhauszimmer wieder, bei ihm waren seine Frau Milupa, Edding Prinzenrolle, sein Freund Abraham Mogelpilz von der Spurensicherung, Gertrud und Schlotts Sohn Bello, der extra aus Finsterwalde angereist gekommen war. Die Presse belauerte vor der Tür das Krankenzimmer und viele Freunde warteten auch noch mit Traubensaft und Blumen. "Gertrud, bitte jetzt die Fakten des Attentats herunterbeten, so wie auf der Polizeischule; sonst gibt's kräftig eins auf die Nüsse." sagte der Kommissar schon wieder ganz dienstlich auf Spanisch zu seinem Assistenten. Während der im erzählte, was er gesehen hatte, nämlich gar -6 8 -
nichts, außer wie Benno Schlott umfiel, wollte der Polizeipräsident und Kommissar das aufnotieren. "Schweeester! Wo ist denn hier bloß die Krankenhausschwester in diesem Schlampenladen? Schweeesteeeer! Was ist das nur für ein Mißstand? Da verhungern die Patienten beinahe reihenweise in ihren Betten und die feine Belegschaft ist sich zu faul für, mal vorbeizukümmeln und nach dem Rechten zu sehen!" Die Schwester sollte ihm einen Notizblock geben, aber sie kam draußen nicht durch das Pressegedränge hindurch. Milupa gab ihm dann ein Taschentuch und einen Lippenstift, damit er das so aufschreiben konnte. Das ging zwar voll Scheiße, aber es ging. "Du solltest Traubensaft trinken, Papa, Traubensaft macht gesund und man bekommt eine lila Zunge davon. Von rotem Traubensaft. Der hier ist aber weiß." sagte Bello, der sich auch Sorgen machte. "Traubensaft macht doof, du kleiner Wichser! Das weiß doch wohl jeder! Ich brauche das aber auch gar nicht aufzunotieren, der Gertrud hat sowieso nichts gesehen, diese verkalkte Prollgurke von einem Schwachstromassistenten. Ich möchte jetzt den Doktor sprechen." Schlott war voll aggressiv. Man hatte ihm wohl ein Tablett mit Wurst zu essen gegeben. Der Doktor kämpfte sich auch schon durch die Massen von Journalisten, die mit ihm ins Zimmer hereinstürmten und folgendermaßen angefragt kamen: "Herr Kommissar und Polizeipräsident Benno Schlott, wie lange gedenken sie, hier noch liegenzubleiben?" oder "Ist das da in ihrer Brust ein Loch, durch das man durchgucken kann?" Mit so dummen Fragen kamen die. Und alle wollten Autogramme für ihre Frauen haben, die meisten in das Buch, das der Kommissar mal geschrieben hatte und das um Erzählungen ging, die mit Verbrechen zu tun hatten. Es trug den Namen "Dem Kommissar Schlott sein gutes -6 9 -
Buch". Ein besserer Titel war ihm nicht eingefallen. Schlott blieb hart: "Entweder, ihr bekommt Autogramme, oder ihr fragt mich Sachen. Beides geht nicht, ich bin doch keine Gebetsmühle. Was ist euch lieber?" Natürlich wollten die Journalisten lieber Autogramme haben. Der Greifer unterschrieb überall mit dem Lippenstift seiner Frau und dann war das neugierige Pack verschwunden und Benno Schlott konnte mit dem Chefarzt Herrn Doktor Theophil Chefarzt sprechen. "Herr Doktor Chefarzt, wie lange stehen meine Chancen auf eine vollständige Heilung bei mir?" fragte er. "Oh, das wird noch etwa zwei Monate dauern, bis das alles soweit verheilt ist, daß wir sie entlassen können. Wir müssen an ihnen noch eine cerebroleptische Kardiophylaxe vornehmen und ein vollkommen neues Gastrospekt bekommen sie auch eingesetzt. Das ist langwierig und sehr komplex." antwortete der Arzt, der es immer sagte, wie es war, ohne groß schönzuschminken. "Das ist mir zu lang. Draußen wartet ein Mörder auf seine Verhaftung. Ich muß spätestens heute Abend wieder draußen sein. Ich bin der Jäger, er ist der Gejagte. So ist das im Leben, es gibt Rollen, die jeder hat und da dran kann man nicht dran rütteln. Es ist halt alles Sitte, so wie es ist. An ihrer Stelle würde ich mich mit diesem Gastrokram, oder womit auch immer, mal schön schnell beeilen. Und wenn sie das nicht auf die Reihe kriegen, muß ich halt anfangen, mich selber zu heilen." Doktor Chefarzt guckte, als wie wenn er den Kommissar für bekloppt hielt, was er auch tat, weil doch klar war, daß das niemals im Leben funktionieren konnte, denn den Greifer hatte es doch ziemlich böse erwischt. Operiert hatte man ihn wohl auch und ihm dabei sogar eine künstliche Galle eingepflanzt. Der Herr Schlott merkte natürlich, wie der Arzt ihn am Ansehen und am Fürbekloppthalten war und sagte: "Na, Herr Doktor, sie -7 0 -
werden ja schon sehen, wie ich das einrichte, daß es geht. Wie man immer wieder in Zeitung und Presse nachsehen kann, bin ich nämlich Esoteriker und mit Esoterik und einem durch Meditation gefestigten Willen ist wahnsinnig viel möglich." Der Doktor ließ den Kommissar reden, weil er keinen Streit wollte, aber man merkte ihm an, wie skeptisch er war, er runzelte fragwürdig seine Augen. Wie es so Brauch ist, verließ der Arzt irgendwann das Krankenhauszimmer und Schlott war mit seiner Frau, seinem Sohn und den liebsten Freunden allein. Die wußten natürlich alle, wie das gehen würde, denn mit Meditation hatte der Kommissar schon viele Wunder gewirkt. Er konnte dadurch seinen Bart wachsen lassen, konnte Gras in Kunstrasen verwandeln, volle Gläser in leere und noch viele Sachen mehr. Der Kommissar bat seine Freunde und Verwandten, das Zimmer zu verlassen und ihn meditieren zu lassen. Die gingen auch gleich, weil sie das einsahen. Benno Schlott dimmte zuerst das Tageslicht mit der Kraft seines Geistes. Anschließend meditierte er den ganzen restlichen Tag wie ein Verrückter auf und ab und am Abend geschah dann auch das Wunder: Der Körper vom Kommissar war wieder vollkommen repariert und es blieb nicht mal mehr eine Narbe zurück. Nur um das teure Jackett tat es Benno Schlott noch leid. Das konnte man mit Meditation auch nicht mehr herrichten. Es öffnete sich die Tür und der Doktor und noch andere Krankenhausmenschen kamen zur Abendvisite herein, weil das ihre Arbeit war, für die sie ihr Geld abbekamen. "Naaaa, wie geht's uns denn so, Herr Polizeipräsident Schlott?" fragte der Doktor und lächelte schleimtropfig. Alle wollten sich immer einschleimen bei ihm, weil sie hofften, dann im Halteverbot parken zu dürfen, ohne zahlen zu müssen. Natürlich waren sie bei Schlott an der falschen Adresse mit sowas. -7 1 -
"Wie's ihnen geht, Herr Chefarzt, das weiß ich nicht, mir geht's aber blendend. Ich bin wieder gesund und verlasse das Krankenhaus." "Aber..." wollte der Doktor einwenden, doch da sah er schon, daß beim Kommissar nichtmal mehr die Spur einer Verletzung übrig war und sah ein, daß man als Arzt bei diesem Mann nicht viel verdienen konnte, weil der sich selbst gesund machen konnte. Staunend ließ Doktor Theophil Chefarzt seinen Ex Patienten gehen. Er hatte ihm eigentlich noch ein paar gebrauchte Herzklappen einsetzen wollen, weil man mit sowas heutzutage viel Geld machen konnte, aber Benno Schlott schien nicht die Sorte Mann fürs Krankenhaus zu sein. Der hatte jedoch keine Anziehkleider für seinen Körper und wollte aber schnell weiter ermitteln, ohne darauf zu warten, daß ihm jemand was zum Anziehen schickte. Seine Sonder Extremkampf - Wüstenausbildung kam ihm hier mal wieder zugute. Sein älterer Bruder Gudmund Schlott, der jetzt der oberste Chef vom KGB war (das ist die Abkürzung für "Koblenzer Gemeindeblatt"), hatte ihm auch einige Tricks gezeigt. Auf leisen Tigersohlen streifte Schlott durch die abendlichen Gänge des Krankenhauses. Ein verirrter Besucher kam vorbei, der etwa die Statur des Kommissars hatte, und sich ähnlich modisch anzog. Ihn kleidete ein feuerrotes Jackett mit Plastikbeschichtung wie von einem Regenmantel, eine an beiden Seiten verwegen geschlitzte ferrarigrüne Flanellhose mit Goldstreifen jeweils an der rechten Kante der Bügelfalte eines jeden Hosenbeines, unter dem Jackett ein rosa lackiertes Kettenhemd aus einer leichten Titanlegierung und als Schuhe trug er Stiefel aus gestärkter, mahagonyblauer Schurwolle, grob verwebt mit feinen Buchenholzsohlen. Dieses modische Outfit wurde dem noch Ahnungslosen zum Verhängnis: Benno Schlott baute sich vor ihm auf, machte aber ein Gesicht, als wäre er -7 2 -
nicht da. Der Mann übersah ihn, ging vorbei, und schon hatte der Kommissar ihm ein Bein gestellt und ihn mit einem Handkantenschlag auf die Schulter niedergestreckt. Nun begann der Greifer, dem Ohnmächtigen die Kleidung, natürlich mit seinem Dienstauftrag voll abgedeckt, zu konfiszieren. Er stellte auch ordnungsgemäß einen Schein aus, auf dem stand, daß die ktU alles bezahlen würde. Die ktU - Leute waren dermaßen dumm, daß man denen alles unterschieben konnte was faul war, was Schlott auch immerzu tat. Außerdem arbeiteten sie so langsam, daß man in der ktU noch immer das Jahr 1374 schrieb. Modisch gedreßt ging der Greifer auf die Straße und kombinierte. Vorsichtig sah er sich um, denn es war ja jemand da, der ihm ans Leben wollte. Was der Kommissar nicht wußte war, daß er im Auftrag von Edding Prinzenrolle unauffällig von Elitepolizisten personengeschützt wurde. Unauffällig, weil Prinzenrolle sehr wohl wußte, daß Benno Schlott sonst nie zugestimmt hätte, weil er meinte, immer auf sich selber aufpassen zu können. Geschmeidigen Schrittes ging der Kommissar zur nächsten Telefonzelle, schob die Telefonkarte, die er in der fremden Jackentasche gefunden hatte, in den Schlitz und wählte die Privatnummer seiner Sekretärin Frau Ehemann. Um diese Zeit saß sie meistens immer zu Hause und schaute "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger", diese volksverblödende Quarkserie auf ADTV, dem Kabelsender für die ganze Familie. Sie war richtig verrückt nach solcher Serienscheiße und nahm sie sich nachmittags automatisch mit dem Videogerät auf, um dann nach Feierabend gucken zu können, bis die Holzwürmer in den Dielen kotzten. "Hallo, Frau Ehemann. Ich störe sie in ihrer Privatzeit, aber das macht nichts. Daran müssen sie sich halt gewöhnen, denn als meine Sekretärin, da hat man keine Privatzeit mehr, weil man rund um die Uhr für mich da ist, wenn man nicht gleich achtkantig wieder fliegen will. Bitte fahren sie dringend ins Präsidium und schauen sie auf dem Speisezettel in der Kantine -7 3 -
nach, was es morgen zu essen gibt. Ich möchte da keine unliebsame Überraschung erleben. Wenn sie es wissen, rufen sie meine Frau an und sagen sie es ihr. Die sagt es mir dann morgen weiter. Wenn es Scheiße ist, werde ich den Menuplan über meinen Anwalt anfechten lassen. Danke." Frau Ehemann war böse geworden über diesen Wunsch vom Kommissar, aber der Kommissar war nicht die Sorte Mann, bei der es von Wert war, böse zu werden. Als er mit Entlassung und Beugehaft drohte, da fuhr die Sekretärin dann doch los. Wer wußte auch, was der Kommissar mit diesem Auftrag wirklich bezweckte. Vielleicht etwas ganz Spezielles. Man konnte sowas nie wissen. Wie gesagt. Der Kommissar hatte seinen Sportwagen nicht zur Hand, er hätte dafür ins Revier gemußt, wo der noch in der Asservatenkammer parkte. Er wollte aber keine Zeit verlieren und ermitteln. So schloß er einen gelben Lieferwagen von der Post kurz, in dem lauter Pakete drinstanden und auf ihre Eröffnung lauerten. Benno Schlott lenkte den Wagen mit Telekinese und sein zweites Gesicht half ihm, vor dem inneren Auge zu sehen, wo die Straße lang ging. Er nahm Kurs auf die größte Filiale des "Kauf & Spar" - Marktes in der Knollenblätterpilzstraße. "Kauf & Spar" gehörte zur Happy Holding, einer Dachorganisation, der die meisten Supermärkte gehörten, unter anderem auch der Happymarkt. Der war auch sozusagen das Galeonspferd der Happy - Holding. Während der Kommissar fuhr, machte er die ganzen Postpakete auf. Um eine Kuckucksuhr, 51.000 Mark, ein Viermannzelt, zwölf Miniröcke und eine Karl May - Gesamtausgabe reicher, kam Schlott schließlich vor dem abendlichen und menschenleeren Parkplatz an und parkte den Wagen auf der Gegenfahrbahn von der Straße. Nur Mücken tänzelten um diese Zeit über den vo n der Hitze des Tages noch kochenden Asphalt. Obwohl, so spät war es auch noch nicht. Aber was sollte man noch auf der Straße, wenn die Läden zu waren? -7 4 -
Die Holzsohlen des Kommissars klackten über das warme Pflaster. Von Schlott unbemerkt folgte ihm ein als Strauch verkleideter Elitepolizist und noch einer, der als Litfaßsäule getarnt war. Schlott erbrach... nee, nicht sich, sondern das Eingangsschloß der Glastür zum Supermarkt mit der bloßen stahlharten Hand. Halt, nein, das tat er nicht. Er konnte doch fernöstliche Weisheit. Zufällig waren in der Innentasche des geklauten, äh, konfiszierten Jacketts auch genau vier grüne Yo - Yom Räucherstäbchen, die es normalerweise nur in Bhutan zu kaufen gab und die sehr magisch und heilig waren. Sie wurden aus getrockneter Affenkacke hergestellt. Genau das brauchte der Kommissar. Zwei Räucherstäbchen steckte er sich in die Nase, zwei in die Ohren, zündete alle vier an und ging, die Beschwörungen der heiligen 659 Berggeister murmelnd, durch die Glastür, die von der Kraft seiner Gedanken butterweich geworden war. Der Strauch und die Litfaßsäule, nun von einem dritten, als Büroschrank getarnten Elitemann unterstützt, versuchten hinterherzugehen, prallten aber an dem massiven Panzerglas ab und bekamen einen Brummschädel. So spielt das Leben.
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Kapitel 8 Der Kommissar entdeckt seine Lieblingsschokolade und grünen Kaugummi Es war sehr geheimnisvoll im dunklen Supermarkt. Waren standen bewegungslos in ihren Regalen und kein Neonlicht erhellte das Szenario. Benno Schlott hatte zum Glück eine starke Halogentaschenlampe in der rechten Hosentasche der dienstlich konfiszierten Hose gefunden, so daß er sich Licht machen konnte, wo immer er es haben wollte. Schleichenden Fußes ging er in die Gehacktesabteilung, wo sich abgepacktes Hackfleisch in den Kühltruhen tummelte. Er hatte es sich anders überlegt: Er wollte doch nicht im Happymarkt nachfragen, ob auch Hackfleisch aus dem geheimen postlagernden Postfach kam, nein Schlott wollte gleich handfeste Beweise zum Herzeigen haben. Vorher entdeckte er jedoch in einem Regal an der Kasse seine Lieblingsschokolade und leckeren grünen Kaugummi. Der schmeckte schön frisch. Es gab diverse Sorten Hackfleisch in der Kühltheke und der Kommissar nahm von jeder eine Probe mit. Dann verließ er den Supermarkt wieder auf die gleiche Art, auf die er reingekommen war, mit Yo - Yom - Räucherstäbchen. Glücklicherweise hatten davon noch genau vier Stück obenan auf dem Wühltisch neben der Kasse gelegen. Draußen wunderte er sich, warum er die Litfaßsäule, den Strauch und den Büroschrank vorher gar nicht wahrgenommen hatte, die hier in einer Reihe nebeneinander standen. Aber für Wundern war jetzt keine Zeit, denn der Polizeipräsident/Kriminalhauptkommissar mußte sich beeilen, seiner Spur zu folgen, solange sie noch frisch war. Sofort ging Benno Schlott mit dem beschlagnahmten Postwagen ins gerichtsmedizinische Labor, wo Edding -7 6 -
Prinzenrolle gerade noch eine Leiche erforschte, die beim Sporttauchen im Baggersee von einem Atomsprengzappelrochen getroffen worden war. Der Atomsprengzappelrochen ist das einzige Tier der Erde, das mittels atomarer Energie, die es aus Uransilikaten im Meeresboden schöpft, seine Beute erlegt und radioaktiv verstrahlt. Anderslautenden Theorien zum Trotz ist es in der Tat eine Überpopulation von Atomsprengzappelrochen, die das Mururoa - Atoll und die Marshallinseln radioaktiv verstrahlt haben. In Baggerseen gibt es keine Atomsprengzappelrochen. Der Tote auf Eddings Seziertisch mußte an was anderem gestorben sein, das versucht hatte, einen Atomsprengzappelrochen zu imitieren. Geheimnisvoll in der Tat, aber ein anderer Fall, der uns hier nicht den Schimmer einer Bohne angeht. Bevor er Edding das Fleisch zum analysieren gab, da telefonierte Benno Schlott erstmal noch, denn wie der Zufall so spielte, war in der zweiten Innentasche des Jacketts auch noch ein Handy. Er rief Flötenschmalz und Ohrpuffer an, die ja den Happymarkt beschatten sollten, um etwas über das mysteriöse postlagernde Postfach herauszufinden. Aber es gab keine Spur darüber, wo es lag, weil alle Wege bisher ins Leere wiesen. So gab der Kommissar den unauffälligen Beamten den Auftrag, weiter auf Posten und am Ball zu bleiben. "Seltsam." meinte Schlott zu Prinzenrolle, nachdem sie sich begrüßt hatten und sich der Gerichtsmediziner nicht gewundert hatte, warum sein Freund wieder fit war, weil er wußte, daß mit Esoterik fast alles ging. "Wie kommt es, daß hier in der Pathologie auf einmal ein Strauch wächst, und das zwischen einer Litfaßsäule und einem Büroschrank?" Die geheimen Beschützer des Greifers brachen in Schweiß aus. Daß der Kommissar so clever sein würde, sie schon jetzt, nach wenigen Stunden der Beschattung zu bemerken, damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet. Aber Edding Prinzenrolle entlastete die angespannte Situation: "Äh, och, bloß -7 7 -
so halt." sagte er. Mit dieser Auskunft war Benno Schlott zufrieden. Edding mußte es schließlich wissen. "Also hier, da habe ich lauter Hackfleisch, das zu analysieren es nun gilt. Ich habe die Vermutung, daß sich in mindestens einer Packung Menschenfleisch versteckt hält. Wenn das stimmt, dann wäre das ein erheblicher Schritt in die richtige Richtung." erklärte Schlott seinem Freund. "Ich werde es analysieren. Das kann aber ein paar Tage dauern. Hackfleisch ist ein weites Feld." antwortete Prinzenrolle. Benno Schlott war sehr müde und plötzlich fiel er um und schlief ein. Das kam vom Streß. Niemand konnte dem Kommissar das verübeln. Der Edding Prinzenrolle tat das natürlich auch nicht, denn der Greifer war dauernd Übermenschliches am Leisten. Da wachte Schlott aber schon wieder auf. Er war mit Esoterik in der Lage, auch aus nur wenigen Sekunden Schlaf die volle Erholung von mindestens neun Stunden zu gewinnen. "Ich werde morgen um siebzehn Uhr, in Zahlen: 17, meinen magischen Zirkel zusammenrufen und wir werden ein Salatköpferücken veranstalten und die Welt der Geister um Rat fragen, warum der Mörder seine Opfer zuerst mit einer Steckrübe niederschlägt. Erstmal gehe ich aber in das Bett; auch wenn ich in der Lage bin, aus wenigen Sekunden Schlaf die volle Erholung von neun mindestens Stunden zu ziehen." Prinzenrolle war besorgt um das Gelingen von dem Zirkel. "Um 17 Uhr wirst du wahrscheinlich Pech haben, denn da sendet das Fernsehen täglich auf ADTV diese neue Serie 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger' und alle wollen die sehen. Ich merke das auch in meiner Arbeit. Seit die Serie läuft, liegen die Todeszeiten von Leichen fast immer entweder vor 17 Uhr, oder nach 18.05 Uhr. Kein Mörder will 'Tierarzt Doktor -7 8 -
Sebastian Merthensberger' verpassen. Es würde mich kaum wundern, wenn der Mörder, den du suchst auch so eine Sorte von Täterprofil ist, die auf Serien angewiesen ist." "Könnte man mal versuchen, zu verfolgen. Aus meiner Berufserfahrung weiß ich, daß die meisten Serienmörder psychisch auf Fernsehserien angewiesen sind. Die sind total süchtig danach. Irgendwann überlegen sie sich dann, warum sie nicht auch mal eine Serie machen sollten und dann kommen sie nicht an Filmkameras ran und denken sich, sie müssen dann eben eine Mordserie machen, weil das die einzige Art von Serie ist, für die man keine Kamera braucht. Alles sehr psychologisch. Ich werde morgen auch mal zu unserem Polizeipsychologen Michelangelo Brausepeter gehen und mit dem was wir wissen ein Täterprofil anlegen lassen. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Was die Séance anbelangt, erachte ich das zwar als Mißstand, aber ich werde sie auf vierzehn Uhr vorverlegen; in Zahlen: 14. Im Revier. Das ist sicherlich ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin nicht die Sorte Mann, die sich zeitlich so einfach festlegen läßt. Die Zeit ist ein weites Feld." Der Kommissar war nicht die Sorte Mann, die unflexible Zeitvorstellungen hatte. Er öffnete die Tür und verabschiedete sich von Prinzenrolle. Dabei streifte sein Blick nocheinmal die heimlichen Beschatter und beim Anblick der Litfaßsäule kniffen sich des Kommissars Augen zu Blickwinkeln zusammen, weil er die darauf angebrachte Werbung las. Er las laut: " 'Das neue Petzo Plus wäscht ihre Zähne mit der Kraft der zehn Kräuter und wirkaktiven Frischemolekülen! - Petzo Plus; die Zahnseife, die sich ihre Zähne merken sollten.' Ja, ja, kenn' ich das Zeug. Habe ich mal im Garten ausgestreut. Wirkt ganz prima gegen Blattläuse." Edding war dankbar für den Tip, denn niemand mochte gerne Blattläuse haben. -7 9 -
Benno Schlott ging nach Hause und legte sich zu seiner Ehefrau ins Ehebett, wo er am nächsten Morgen um neun Uhr erwachte, als jemand eine Bombe durchs Fenster warf. Schlaftrunken wankte er zu der Bombe hin, an der eine Uhr befestigt war. Sie war auf 17 Uhr eingestellt. "Ganz schön blöde, eine Zeitbombe durchs Fenster zu werfen. Ich habe bis 17 Uhr Zeit sie zu entschärfen. Aber diese Arbeit werde ich mir sparen." Der Kommissar nahm einen großen, gefütterten Umschlag aus seinem Schreibtisch, steckte die Bombe rein, adressierte sie an eine fiktive Adresse in Polynesien und warf sie ausreichend frankiert in den nächsten Briefkasten. Er wußte genau, wie man Verantwortung abgab. Anschließend machte Schlott sich und seiner Frau Frühstück. Die freute sich natürlich, daß ihr Mann wieder gesund war, weil niemand machte besser Frühstück wie er. Als der Kommissar die Küche betrat, wunderte er sich, warum in einer Ecke ein Strauch, eine Litfaßsäule und ein Aktenschrank standen. Dann grillte er Würstchen am Spieß. Benno Schlott liebte deftiges Frühstück und deftiges Frühstück muß man natürlich am Spieß braten. Das weiß jeder, der mal Pfadfinder war. "Ich liebe deftiges Frühstück." sagte der Greifer. "Deftiges Frühstück ist mein Metier." Seiner Ernährungsberaterin würde er erzählen, es wäre ein Versehen gewesen, daß er wieder Fleisch gegessen hatte. Die Frau nahm nämlich immer Stuhlproben vom Greifer und merkte so genau, was er gegessen hatte Milupa Schlott kam im Morgenrock herein. Sie sah immernoch aus wie 23. Sie benutzte eine Crème, die Edding Prinzenrolle mal in geheimer Mission für NATO - Kampfpiloten entwickelt hatte und die plötzliches Altern der Haut bei Extremflügen unter einem komprimativen Umdrucklevel verhindern sollte. Die Crème war toll und ihr Wirkeffekt klappte -8 0 -
extrem gut. Benno Schlotts Frau sagte, als sie das Frühstück erblickte, daß das ja ein deftiges Frühstück sei. Weiterhin bemerkte sie, daß ihr Mann deftiges Frühstück liebe und daß deftiges Frühstück sein Metier sei. "Ja." sagte Schlott. "Ich liebe deftiges Frühstück. Deftiges Frühstück ist mein Metier." Beide lächelten sich gegenseitig an. Der Greifer benutzte die gleiche Crème wie seine Frau. Viele Leute wunderten sich immer, warum er viel jünger aussah, als sein eigener Sohn. Benno Schlott war stolz darauf. Er war auch stolz darauf, daß er sogar jünger aussah, als seine eigene Mutter und als sein älterer Bruder Gudmund. Gudmund Schlott war der Topmann beim KGB, dem "Koblenzer Gemeindeblatt". Der Kommissar wählte sich nach getanem Frühstück Kleidungsstücke aus. Er nahm einen Anzug aus durchsichtiger Plastikfolie aus dem Schrank, den er selbst geschneidert hatte und zog ihn über. Dann schlug er die Fenster ein, fesselte den Hausdiener, trat ihm in die Nieren- und Eiergegend, zündete sich an seinem Kopf die Pfeife an, zersägte das Ehebett mit der Handkante und verließ wutschnaubend das Haus. Er hätte vielleicht keine Würstchen essen sollen... Der Gedanke an die Arbeit machte ihn dann aber zum Glück schnell wieder ruhig wie ein Lämmchen. Fahrenden Autos gelangte er in sein Präsidium, wo die Sekretärin ihm schon Kaffee gekocht hatte. Milupa hatte wohl den Wagen über Nacht von der Asservatenkammer abgeholt. Mußte ja, sonst hätte er schließlich nicht im Wagen fahren können. "Sehr mysteriös. Ich habe eine Zeitbombe bekommen, die auf siebzehn Uhr, in Zahlen: 17 eingestellt war. Genau dann, wenn 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger' beginnt. Ich glaube das ist eine Spur. Was meinen sie dazu?" -8 1 -
sagte Benno Schlott zu seiner Sekretärin, die ihm schwindelerregenden Kaffee eingoß. " 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger' ist meine Lieblingsserie." antwortete Toyota Ehemann. "Ha! Idee! Gibt es in dieser Serie jemanden, der andere Leute mit einer Steckrübe auf den Kopf schlägt?" fragte der Kommissar mit kombinierend zusammengekniffenen Augen, die jetzt nur noch Sehschlitze waren und fuchtelte so sehr mit seiner Pfeife herum, daß man ganz närrisch davon werden konnte, wenn man ihm dabei bloß zusah. "Was? Nein. Natürlich nicht. So ein Blödsinn. Wie kommen sie dadrauf?" antwortete die Sekretärin überrascht. "Oh, sie sind überrascht. Vielleicht sind ja sie am Ende der Mörder. Ich kann Psychologie. Mir scheint es ganz, als wie wenn ich bei ihnen gerade in ein Wespennest gestochen hätte. Ist es nicht so, nicht wahr?" fragte Schlott scharf und fuchtelte mit der brennenden Tonpfeife erneut, diesmal vor dem Gesicht von Frau Ehemann herum, genau wie mit einer Pistole. Seine Augen kniffen sich noch weiter zusammen, man konnte kaum noch erkennen, daß der Greifer überhaupt mal welche gehabt hatte. "Wie? Was? Nein, ich bin nicht der Mörder, Herr Polizeipräsident Benno Schlott! Ich habe mich nur ein wenig verwundert, weil sie so wenig über die Serie wissen. Alle kennen 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger'." "Ach so. Ich nicht. Habe für sowas keine Zeit zu sehen. Ach ja, noch was: Wieso stehen in meinem Büro auf einmal ein Aktenschrank, ein Strauch und eine Litfaßsäule? Und tun sie nicht so, als hätte ich die da reinbringen lassen." Die geheimen Beschatter gerieten wieder einmal ins Schwitzen unter ihrer perfekten Tarnung. Schlott hatte sie entdeckt, obwohl die "Petzo Plus" - Werbung gegen einen "Olimol tut Ohren wohl" Plakatspruch ausgetauscht worden war. -8 2 -
In diesem Moment ging die Tür auf und ein großer, gelber Briefkasten kam herein und stellte sich wie beiläufig neben die Litfaßsäule. "Frau Ehemann, ich wundere mich. Da ist gerade ein Briefkasten hereingekommen." Die Sekretärin war, wie alle anderen auch, über Prinzenrolles Beschattungsmaßnahme informiert. "Ja, in der Tat. Ich habe es gesehen; ein Briefkasten." sagte sie. "Haben sie Informationen über neue Vermißtenmeldungen?" fragte der Polizeipräsident kommissarsartig. "Stapelweise. Es sind, ich habe es einmal nachgerechnet, insgesamt schon 118 Personen verschwunden. Die ganze Stadt beklagt sich über übelschmeckende Cola und sogar über angeblich verdorbenes Hackfleisch. Sie müssen den Fall schnell lösen." "Ja, muß ich, aber sie haben mir gar nichts vorzuschreiben, Kindchen, denn mir redet niemand in die Suppe rein, zumindest nicht dann, wenn ihm was an seiner Gesundheit liegt." antwortete Schlott. Er fuchtelte mit seiner Dienstwaffe wie mit einer Pfeife vor Toyota Ehemanns Gesicht herum, schickte seine Sekretärin anschließend hinaus und rief seinen magischen Zirkel an. Er bestand neben Schlott noch aus vier anderen Leuten, allesamt esoterische Spitzenkräfte. Sie hießen Frau Sanella Drahtkuchen, Frau Rowenta Biberkurbel, Herr Napoleon Quallenzüchter und Herr Mortimer Schildkrötentöter. Gemeinsam hatten die fünf herausgefunden, daß es viel effektiver war, statt Gläsern Salatköpfe zu rücken, weil diese über um etwa 200% stärkere Kraftadern verfügten als herkömmliche Glaswaren. Außerdem handelte es sich bei Salatköpfen um voll konkave Kraftadern, während die von Gläsern lediglich gespiegelt konvex waren. Natürlich hatten Salatköpfe auch was die Sicherheit anging gewaltige Vorzöge: Wenn ein Salatkopf runterfiel, entstanden -8 3 -
keinerlei Scherben, an denen man sich was abschneiden konnte, wenn man nicht aufpaßte wo man seine Finger hintat. Alle Mitglieder des Zirkels waren bereit, zu kommen und waren um Punkt 14 Uhr vollzählig um den runden Mahagonytisch versammelt, den Bill Clinton dem Kommissar zur Beförderung statt der versprochenen Zigarren geschenkt hatte, weil die brauchte er wohl selber. Benno Schlott hatte einige Fragen an die Geister vorbereitet und Gertrud losgeschickt, damit er einen schönen, frischen Kopfsalat kaufte. Er brachte ein Prachtexemplar, ganz frisch vom Baum gepflückt. Der Kommissar verdunkelte auf Knopfdruck den Raum mit elektrischen Jalousien, die er von den Steuergeldern anderer angeschafft hatte. Die Hammerhaie schlugen mit ihren hammerförmigen Köpfen beunruhigt gegen die Scheibe ihres Aquariums, denn Tiere können Übersinnliches von Sinnlichem auseinanderhalten und haben Schiß davor. Jetzt merkten sie, daß Esoterik in der Luft lag. "Was für einen Geist wollen wir befragen?" fragte Rowenta Biberkurbel. "Den Geist von meinem Urahnen Samuel Jaroslaw Schlott aus dem 15. Jahrhundert. Mit dem bekommen wir garantiert keine Probleme. Es war schon immer so, daß sich die Schlotts gegenseitig geholfen haben." schlug der Greifer vor und alle waren einverstanden. Benno Schlotts Wort war ohnehin Gesetz und niemand konnte es wagen, dagegen die Klappe aufzureißen. Alle konzentrierten sich auf den Salatkopf und nach kurzer Zeit schon begann er zu zittern, ein sicheres Zeichen, daß ein Geist in ihn hineingefahren war. "Oh, ehrwürdiger Urahn Samuel Jaroslaw, bist du das?" Der Salatkopf bewegte sich zu den in Kreisform ausgelegten Buchstabentafeln und formte dabei das folgende Wort: Nein! Es war ein irritiertes Murmeln unter den Mitgliedern des -8 4 -
Zirkels. Es war nicht normal, daß man den falschen Geist erwischte. Schlott fragte: "Wer bist du dann?" Das Glas bewegte sich wieder und die Antwort lautete: Thomas Mann. Ehrfurcht machte sich breit, denn Thomas Mann war ja nicht irgendwer. "Wahnsinn, Thomas Mann!" staunte Napoleon Quallenzüchter. "Das war der beste Torwart, den der HSV je hatte!" Soviel Mangel an Bildung war zuviel für Rowenta Biberkurbel, die sich selbst für sehr belesen hielt. "Torwart! Pah! Das weiß doch wohl jeder, daß Thomas Mann kein Torwart war. Ich habe selbst nie eine Sendung mit ihm verpaßt, als er noch 'Dalli Dalli' moderierte." Benno Schlott war der Einzige in diesem Kreis, der eine echte Bildung besaß. Diese Unkultur ließ ihn vor gerechtem Zorn nur so eruptieren. Er war nicht die Sorte Mann, die schwer aus der Ruhe zu bringen war. Er trat den ganzen Tisch zornigen Fußes aus dem geschlossenen Fens ter, wo er eine steile Bahn nach unten beschrieb und durch das Dach von Mortimer Schildkrötentöters neuem Mercedes knallte, der dann total kaputt war und mitten entzwei gebrochen. "Mit solchen Stümpern und Idioten mache ich keine Séance, euch sollte man ständig nur in die Fresse reinschlagen, vielleicht nützt das ja was! Wenn ihr jetzt nicht gleich verschwindet und im Brockhaus nachlest, daß Thomas Mann der bisher einzige Mann von der Welt war, der fünfmal in einem einzigen Jahr Wimbledon gewonnen hat, dann,... dann,... dann nenne ich das mehr als nur einen Mißstand und ihr sollt sehen, was ihr nachher davon haben werdet, oder auch nicht. Jawohl!" Alle waren nur mäßig schockiert, denn sie kannten den Kommissar schon lange und wußten, daß er gut impulsiv sein -8 5 -
konnte und außerdem waren sie sehr betreten und schämten sich, weil sie selber nicht gewußt hatten, wer Thomas Mann war, obwohl es Bücher gab, wo das drinstand zum Nachlesen. Im Brockhaus nachschlagen war jetzt aber überflüssig geworden, denn wenn Benno Schlott etwas sagte, dann stimmte es immer; weil der Kommissar hatte Hand und Fuß. Der Greifer hatte aber plötzlich angefangen, seinen Ausbruch zu bereuen und machte kurz transzendentale Meditation, um ruhiger zu werden. Währenddessen schlug er Rowenta Biberkurbels Regenschirm kaputt, zertrat die Brille von Sanella Drahtkuchen und schoß das Magazin seiner Dienstwaffe aus dem Fenster leer. Einige ktU - Beamte im Büro gegenüber blieben leblos zurück. Dann war er aber wieder ruhig, bezahlte den von ihm angerichteten Schaden mit heißem Drogengeld aus der Asservatenkammer und versöhnte sich mit allen. Der Salatkopf war hinüber, deshalb mußte die Séance leider abgebrochen werden. Aber alle vier waren wieder gut Freund, machten noch gemeinsam Levitation und flogen zwanzig Minuten lang durch das ganze Revier, alle Beamten, außer die von der ktU freundlich grüßend. Man konnte fast meinen, im Karneval zu sein, bei einer Polonaise. Dann verabschiedeten sie sich wieder und jeder ging seiner Wege.
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Kapitel 9 Der Kommissar klebt Briefmarken und raucht seine Pfeife Als Schlott sich von seinem Zirkel verabschiedet hatte, ging er zur Kantine für um eine Mahlzeit zu essen. Auf dem Flur begegnete ihm der Mann, der besser sein wollte als er und in der Zeitung als Graf Vladimir van der Morchel bezeichnet wurde. Schlott hinderte den Mann am Weitergehen, indem er ihm kurz und elegant aus dem Handgelenk mit seiner Dienstwaffe ins Bein schoß. Dann tat er ihm Handschellen um den einen Arm und das eine Bein und brachte ihn zum Polizeia rzt, der dem Mann die Kugel zog und die Blutung stillte. Ordnung mußte sein. Benno Schlott wollte kein Blut auf seinen teuren Büroteppichen mit Persermustern haben. Anschließend nahm der Kommissar sich diesen Grafen einmal tüchtig vor. Er mochte Konkurrenz nicht. "Sie sind Graf Vladimir van der Morchel, oder?" "Ja, und sie sind eindeutig Benno Schlott. Genauso brutal und affektiv, wie man sie mir beschrieben hat." Das war eine faustdicke Lüge. Der Kommissar war nicht brutal und affektiv. Wenn es etwas bei ihm nicht gab, dann waren das lügende Leute, die dafür keine Reue zeigten. Schlott nahm den Knauf seiner Pistole und schlug dem Mann auf die Füße. Das tat hoffentlich schön weh! Dann brüllte er van der Morchel an wie ein Kaktus: "Ich bin nicht affektiv! Ich bin nicht affektiv! Nein, das bin ich wirklich und eindeutig nicht, sie Pantolettenmisanthrop! Und wenn sie noch einmal sowas behaupten, dann verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen im finstersten und modrigsten Loch, das ich im gesamten Stadtgefängnis für sie auftreiben kann, sie schleimmappiger Naßduscher!" -8 7 -
Der Graf aber war eiskalt wie eine Leiche und ihm schien nicht einmal klar zu sein, daß er Blasphemie beging, indem er den offiziellen Schutzheiligen der Stadt Bad Salzfischbach schmähte und ganz böse anschimpfte. "Sie machen mir keine Angst, Herr Benno Schlott. Weil wir ein freies Land sind, darf ich auch ermitteln, wo und wie ich Lust dafür habe." Eigentlich hätte man den Kommissar gut verstehen können, wenn er Vladimir van der Morchel jetzt mit einem Schlagring so bearbeitet hätte, daß nicht mehr viel von dem Kerl übergeblieben wäre, und wenn er dann seine Reste bei Nacht und Nebel in einem Plastikbeutel in den Wald gekippt hätte. Aber Benno Schlott war ein Mensch voller Überraschungen. Locker lächelnd schloß er die Handschellen los, spielte ein wenig in der Hand mit ihnen und schmunzelte. Seine heiter schmauchende Dienstpfeife kanasterte dabei lässig in den rechten Mundwinkeln. "Ja, das stimmt. Jeder darf bei uns ermitteln. Dem Justinian Wachsgurke ha t ja auch noch niemand sein Handwerk gelegt und auch nicht der ktU. Die Polizei ist heute ein regelrechtes Paradies für Schwachköpfe. Das macht uns im Volke ja auch so beliebt. Sie können gehen. Machen sie weiter, Mann, sie gefallen mir. Bisher hat sich mir noch niemand richtig in den Weg gestellt. Hey, sie sind cool. Yeah!" Der Graf war verblüfft, aber er stand auf und humpelte raus. Er mußte humpeln, wegen der Schußverletzung von eben, die noch nicht völlig verheilt war und die er verdient hatte. "Herr Polizeipräsident Benno Schlott, jetzt gehe ich. Aber wir werden ja am Ende sehen, wer die beste Polizei von der Welt ist." "Ja." sagte Schlott "Das werden wir. Ganz sicher werden wir das." Er grinste sein höflichstes Totenschädelgrinsen, so als wie wenn er noch was vorgehabt hätte. -8 8 -
Benno Schlott ging in die Kantine und bestellte sich etwas zu essen. Dabei erwischte ihn ein Telefonanruf auf seinem Handy. Es war der Innenminister, dem Benno Schlott direkt unterstand und der ja auch seine Beförderung zum Polizeipräsidenten hinbekommen hatte. "Ich grüße sie, allerhöchstverehrtester Herr Polizeipräsident Schlott. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich kurz an ihren Stiefeln lecken dürfte. Seit heute morgen ist Simplicius Grohm, der Chef des Grohm - Konzerns zur internatio nalen Wirtschaftskonferenz, die dieser Tage bei uns stattfindet, in Bad Salzfischbach. Er hat Angst, weil ja hier ein Mörder umgeht, der wohl Leute in einen Entsafter steckt. Liest man ja dauernd in der Zeitung und die Nachrichten sagen das gleiche auch. Vor einer Stunde hat jemand auf offener Straße versucht, ihn mit einer Steckrübe niederzuschlagen und in einen Sack zu stecken. Das paßt wie ein Puzzle in ihr Täterbild. Er möchte nun mit jemandem von der esoterischen Spezialeinheit sprechen. Bitte machen sie das, mein bester Herr Polizeipräsident Benno Schlott. Grohm wohnt im Korkendrücker - Palasthotel in der General - Bergfrühling Straße." Schlott wurde zackig und nahm Haltung an. Er verehrte den Innenminister als Autorität, weil der immer schöne Anzüge anhatte. Deshalb erlaubte er auch tatsächlich, daß der Minister mal kurz seine Stiefel ablecken durfte. "Jawohl, Herr Innenminister, ich schicke ihnen meinen Assistenten, Herrn Kriminalkommissar Gertrud Gomez y Ramiropuertos y Gonzales y Raimondo y Mortadella y Costa y Marquez da Serena und meine Chefsekretärin, Frau Toyota Ehemann vorbei, denn ich bin wie immer unabkömmlich für so Kasperlekram, außerdem habe ich noch nicht fertig gegessen. Allerdings werde ich nur unter der Bedingung wen vorbeischicken, daß Herr Professor Doktor Edding Prinzenrolle, oberster Chef der Gerichtsmedizin, als Ehrenkommissar mit in die esoterische Spezialeinheit aufgenommen wird. Weil wenn -8 9 -
sie das nicht tun, dann werde ich öffentlich herumerzählen, daß das ein Mißstand ist." Der Innenminister gab sein Ehrenwort, weil er vor Schlotts Drohung Angst hatte, und Benno Schlott bat Gertrud und seine Sekretärin, die mit ihm zusammen essen waren, gleich mal vorbeizufahren in diesem Hotel. Während die beiden aufstanden und losfuhren, aß Be nno Schlott noch ihre vollen Teller auf. Der Kommissar selber fuhr anschließend zu Michelangelo Brausepeter, dem Polizeipsychologen, um mit ihm ein Täterprofil herzustellen. Das Präsidium war ein weites Feld. Man konnte zwar alles zu Fuß erreichen, aber der Kommissar wollte nicht. Er fuhr die zwanzig Meter bis zum polizeipsychologischen Institut im Nebengebäude lieber mit dem Wagen. Brausepeter saß in der Krone seiner Zimmerlinde, weil er sich streckenweise für einen Kapuzineraffen hielt, und blätterte gerade in einer Fachzeitschrift mit dem Titel "Die schonende Fachzeitschrift für neurotische Psychologen (wie immer mit 12 zensierten Seiten zum Rausreißen)", als Benno Schlott reinkam. "Ugh, Herr Kriminalhauptkommissar und Polizeipräsident Benno Schlott. Treten sie näher, was verschafft mir die Ehre?" Benno Schlott sog verschwörerisch an seiner Pfeife. "Da kommen wir gleich zu. Ich benutze mal eben kurz ihr Telefonbuch. Morbel...Morch...Morchel, Graf Vladimir van der. Leichtmetallallee, Stadtschloß. Gut." Als Benno Schlott die Adresse gefunden hatte, die er suchte, rief er die Knüppeltruppe der Polizei an, in der die rabiatesten Kriminalbeamten waren; richtige vorbestrafte Härtefälle, für die woanders nur im Knast Platz gewesen wäre. "Hallo Knüppeltruppe, hier spricht ihr Herr Polizeipräsident. Bitte fahren sie in die Leichtmetallallee zum Stadtschloß und verhaften sie einen Grafen Vladimir van der Morchel. Er hat widerrechtlich geparkt, habe ich gehört. Machen sie ruhig -9 0 -
Gebrauch von was sie wollen. Danke." Befriedigt lehnte sich Benno Schlott in den knarrenden, schwarzen Ledersessel zurück, der dem Polizeipsychologen gehörte, weil Psychologen immer knarrende, schwarze Ledersessel haben; solche mit hoher Lehne. "Ja, Herr Brausepeter, was ich will, das ist schnell gesagt. Ich möchte mit ihnen zusammen ein Täterprofil bauen, das mir bei der Suche nach dem Colamörder, wie ihn die Presse inzwischen schon nennt, obwohl er ja eigentlich gar keine Cola ermordet, helfen soll. Der Fall ist nämlich sehr schwer und hinterläßt kaum brauchbare Spuren." Benno Schlott fuchtelte mit einem Streichholz in seiner schicken Tonpfeife herum, weil sie war ausgegangen. Das passierte zwar höchst selten, war aber möglich, weil der schwere russische "Asthmakow" - Tabak hartnäckige, je nach Wetterlage und Hochdrucklänge mitunter schwer brennbare Stoffe enthielt. Michelangelo Brausepeter nickte verständig, kletterte von der Zimmerlinde herunter und fuhr sich mit der Hand durch seine angegraute Hippyfrisur, die ihm seine Frau immer abgewöhnen wollte. Aber ihm selber gefielen lange Haare, ihm war auch nicht bewußt, daß er damit in seinem Alter aussah wie ein Zuhälter. Alle Kapuzineraffen, glaubte er, trugen ihre Haare so. Er hatte wohl noch nie wirkliche Kapuzineraffen gesehen! "Ja, wir können ein Täterprofil erstellen. Ugh. Ich habe da ein Computerprogramm, das hat Super - VGA, einen tollen Sound und eine absolut geniale 3D - Animation. Es ist ein Fantasy Adventure. Mit dem Täterprofil hat es überhaupt nichts zu tun, aber das Spiel macht Spaß, ich spiele es fast immer. Das Profil machen wir mit Stift, Papier und natürlich mit meinem wissenschaftlichen Psycho - Schablonenbaukasten." "Sehr gut, Herr Brausepeter. Wir fangen an." Michelangelo Brausepeter holte mit der einen Hand den Schablonenbaukasten aus einer Schublade, während er mit der -9 1 -
anderen Hand gedankenverloren die Haare des Kommissars nach Läusen absuchte. Zur gleichen Zeit wunderte sich Graf Vladimir van der Morchel gehörig, als eine Elitetruppe von brutalen Polizisten klingelte, über ihn mit Knüppeln herfiel und versuchte, ihn im Wagen mitzunehmen ins Gefängnis, wegen wahrscheinlichen Parkens im Halteverbot. Aus Steuergründen hatte van der Morchel aber gar kein Auto: Er wußte nämlich nicht, wie man es steuerte. Da war der zu doof für. Den Führerschein hatte er nie gerafft. Wie die Polizisten gerade so knüppelten, da kam Raoul, der taubstumme Hausdiener des Grafen an. Er war zwar taubstumm, aber kein Freund von langen Reden. Ohne zu zögern fetzte er mit seiner Handkante durch die Knüppeltruppe, die sowas noch nie erlebt hatte und gleich K.O ging. Raoul konnte eine geheime asiatische Kampftechnik, die er mal in einem Polizeikurs gelernt hatte, den Benno Schlott vor Jahren geleitet hatte, und die eine Handkante in etwa so gefährlich machte, wie ein Maschinengewehr. Damit hatte wieder der Kommissar nicht gerechnet, der sich im Präsidium zufrieden die Hände rieb, weil er dachte, daß der Graf jetzt gerade heftig eins auf den Deckel bekam. Irrtum. Die Welt war gemein und gönnte es einem solchen Starpolizisten nicht, allein zu ermitteln. Aber besser als der Graf war der Kommissar trotzdem schon lange. Das wußte auch Vladimir van der Morchel. Erleichtert dankte der Adelige seinem Diener Raoul in Taubstummensprache für die gute Hilfe und ging ins Haus zurück (eigentlich konnte van der Morchel gar keine Taubstummensprache; er hatte sie nie richtig gelernt. Was er dem Diener gerade mit Zeichen bedeutet hatte, hieß in etwa: "Auf, auf, Matrosen, steckt euren Tee in den Sack!" Aber Raoul wußte, daß es gut ge meint war und sagte deshalb nichts. Er konnte ja auch gar nichts sagen). Im Keller stand eine Dose Ravioli. Die wollte van der Morchel sich zu Feier des Tages von -9 2 -
seiner Köchin machen lassen. Es war so eine Marotte von ihm, daß er Ravioli aus der Dose Hummer und Kaviar bei weitem vorzog. Hummer bekam man ja auch gar nicht in Dosen. Auf der obersten Treppenstufe lag seine kleine Katze Löwen - Hasso und spielte mit einem Wollknäuel. Im Dunkeln nahm der Graf sie nicht wahr, stolperte darüber hinweg und fiel kopfüber die kostbaren Stufen hinunter. Er war sofort tot und blutete deshalb auch kaum auf die Fliesen unten. Gott sei Dank war der kleinen, süßen Katze nichts passiert. Sie war jetzt traurig, daß ihr Herrchen tot war. Obwohl, dem hatte sie diesen blöden Namen "Löwen - Hasso" zu verdanken. Geschah ihm ganz recht, dem alten Arsch! Vor Zorn schnurrend dackelte die Katze davon ins Wohnzimmer und machte sich vor dem Kamin breit, während sie ihren Kauknochen bearbeitete. "Aha, das ist nun also unser Täterprofil, Herr Brausepeter. Ich bin zufrieden, damit läßt es sich arbeiten. Gehen wir zum Abschluß doch noch einmal alles durch. 1.) Der Täter ist ein fanatischer Serienfan, besonders Fernsehserienfan, weil das alle Serienmörder sind. 2.) Der Täter ist kein Ritualmörder, weil es der psychischen Struktur von Ritualmördern widerspricht, Opfer in Colaflaschen abzufüllen. 3.) Der Täter ist mit Sicherheit eine Frau, weil sowohl Frauen, als auch Männer ermordet werden, und nur Frauen in der Lage sind, gleichzeitig einen Frauen- und einen Männerhaß auszubilden, weil sie komplexere Psychen haben wie wir. 4.) Die Täterin versucht, durch die Morde ihre sexuellen Bedürfnisse symbolhaft in die Tat umzusetzen, weil die Colaflaschen Phallussymbole sind und die Menschensuppe wahrscheinlich für Samenflüssigkeit oder etwas anderes steht. 5.) Die Täterin ist unverheiratet, weil sie sonst keine sexuellen Symbolhandlungen zu machen bräuchte und ihr Mann auch -9 3 -
sicher was mitbekäme von den Morden. Herr Michelangelo Brausepeter, vielen Dank für ihre Hilfe. Jetzt muß ich aber unverzüglich wieder zum Ermitteln gehen. Sie haben mir weitergeholfen, nehmen sie als Dank dafür etwas von meinem guten Pfeifentabak, den ich mir selbst per Segelschiff aus Rußland importiere." Der Kommissar griff in seine Tabaksdose, die früher eine verbeulte "Fisherman's Friend" - Dose gewesen war, und legte dem Psychologen einige schwarz glänzende, klebrige Tabaksblätter auf den Schreibtisch, die dort sofort dunkelbraune Teerflecken hinterließen und damit begannen, sich durch die Glasplatte des Tisches zu fressen. "Ugh, vielen Dank, Herr Kommissar Schlott!" rief Brausepeter entzückt und verbeugte sich vor Dankbarkeit mehrmals vor Benno Schlott, so daß seine Hippyhaare durch die Gegend wallten. Dann kletterte er zurück in seine Zimmerlinde. Es geschah nicht oft, daß der Kommissar jemandem was von seinem Tabak abgab, erst recht nicht einem Kapuzineraffen. Zurück in seinem Büro verschickte der Greifer erstmal ein paar Antwortschreiben auf Fanpost, die er täglich bekam. Er warf die Briefe gleich in den Briefkasten, der aus unerfindlichen Gründen nun neben dem Strauch, dem Aktenschrank und der Litfaßsäule stand. Natürlich enthielt auch er einen heimlichen Ermittler. Interessiert betrachtete Schlott eine Weile die Litfaßsäule, auf der farbenfrohe Lettern nun verkündeten: "Liebst Du am liebsten Butter pur, dann kauf ab heute SAHNA nur!" Anschließend gab er dem Strauch etwas Wasser, der sich daraufhin schüttelte und "Brrrr!" sagte. Dann kam ein Anruf von Gertrud, der ja mit der Sekretärin Frau Toyota Ehemann bei Simplicius Grohm im Hotel war. Als die Sekretärin auf dem Klo und Gertrud gerade an der Bude um die Ecke Pommes für alle am Holen war, da war Grohm -9 4 -
unbemerkt verschwunden. Das Einzige, was als Spur zu finden war, war ein Blutfleck auf dem Teppich und ein Stück Rübenschale. Es war alles sehr mysteriös, vor allem die Begleitumstände von dem Verschwinden des Mannes. Benno Schlott packte sich sofort in den schnellen Sportwagen ein, der sein Eigen war. Es war ein richtiger Mißstand! Da passierte sowas wie Mord praktisch unter den Augen der esoterischen Spezialeinheit. Solcherlei war noch nie vorgekommen und, dafür wollte Schlott schon sorgen, sowas würde auch nie wieder vorkommen. Da war auch schon die General - Bergfrühling Straße, in der das Korkendrücker - Palasthotel lag. Der Sportwagen hatte wieder über 400 Stundenkilometer auf dem Tacho und beschleunigte weiter bis auf Überreichweite durch den ultravioletten Raum. Plötzlich entdeckte der Kommissar, daß auf dem Rücksitz, soweit man die schmalen Bänke von dem schnellen Auto als Rücksitze bezeichnen konnte, ein riesiger Bernhardiner saß, der sich eine Banane schälte und aus den Lefzen auf die Lederpolster sabberte, die sehr teuer und modisch waren und für die mehrere Kühe ihr Leben gelassen hatten, denn Leder machte man aus frischen Kühen. Der Kommissar konzentrierte sich darauf, den Wagen zum Stehen zu bekommen, was nicht einfach war bei viel Geschwindigkeit. Die Hauswand eines Einfamilienhauses half dabei weiter. Da war der Hund auf einmal verschwunden. Wahrscheinlich beruhte er wieder nur auf einer unterschiedlichen Luftbrechung, die bei Schnelligkeit von einem Auto entstand. Auch der Sabber auf den Sitzen hatte sich entfernt. Benno Schlott war in der Küche des Hauses zum Stehen gekommen und hatte den Herd noch auf der Motorhaube. Hilfsbereit stieg er aus und nahm ihn runter. Er war bei einer alleinerziehenden Mutter mit alleinerzogener Tochter angekommen. Die Mutter von der Tochter bekam gleich das Glitzern in den Augen, das Frauen immer bekommen, wenn ihr Traummann unverhofft in der Küche erscheint. Und Benno -9 5 -
Schlott war aller Frauen Traummann, er stand deshalb auch oft in der "Brigtitte" drin und mußte Strickpullover präsentieren, die Leserinnen für ihn gekauft hatten. Aber Be nno Schlotts Fall war die Mutter nicht, obwohl sie erotisch wirkte und ihm gefiel. Da schon eher die etwa fünfzehnjährige Tochter. Die sah gut aus. So richtig nach des Kommissars Geschmack und noch so unverbraucht. Aber sie war ohne Schuhe mindestens 1,75 Meter groß und der Kommissar war mehr klein von Wuchs (Was man ihm natürlich nicht sagen durfte, weil sonst flippte er total aus und wurde sehr unangenehm) und außerdem war er ein braver Mann, auch rechtschaffen und sowas, und er wollte keinen Kindersex betreiben, wenn ihm jemand zuguckte, aus eben diesen Gründen. Einen Teller hausgemachtes Abendessen schlug er aber dann doch nicht aus. Sein Lebensmotto war "Essen geht durch den Magen". Anschließend verließ er das Haus und ging zum Korkendrücker - Palasthotel gegenüber, dem letzten Tatort. Der Wagen durfte in der Küche parken, das hatte ihm die alleinerziehende Mutter erlaubt. Benno Schlott konnte es gut mit den Frauen. Der war ein raffinierter Kerl und ein Frauenherzenbrecher und trug gerne Plateausohlen, die ihn größer machten. "Hallo, Herr Portier. Ich will rein." sagte Schlott zu einem Mann in Uniform, der vor dem Eingang stand. "Ich bin Kapitän zur See Adolf von Strössner. Der Portier steht da hinten." Schlott bedankte sich für den Tip und ging zu einem anderen Mann, der fast die gleiche Uniform anhatte, nur daß seine nicht ganz so lächerlich aussah. "Hallo, sie sind der Portier." "Ja." "Was haben sie gesehen?" "Ich? Gar nichts." -9 6 -
"So, so. Gar nichts also. Und was ist das da drüben? Na, was meinen sie?" "Ein Haus, in dessen Küche ein roter Sportwagen parkt. Ein sehr geschmackvoller Wagen übrigens, der auch mir ausgezeichnet gefällt und der sehr gut zu ihren Schuhen paßt." "Ja, sehr richtig; es ist meiner, er steht mir gut. Ich wundere mich, ich wundere mich. Sie scheinen den Wagen zu sehen. War denn das Auto vor fünf Minuten auch schon da, nicht wahr?" Benno Schlott kniff seine Augen derart dienstlich zusammen, daß die Augenbrauen nur so raschelten. "Ja. Das war vor fünf Minuten auch schon da." "Dann haben sie ja doch etwas gesehen. Sie haben gesehen, daß das Auto da schon vor fünf Minuten geparkt hat. Sie haben mich angelogen. Sie haben eine Lüge getan an der besten Polizei von der Welt, an mir. Sie sind hiermit verhaftet wegen Belügung des Benno Schlotts. Ich behalte mir vor, diesen Tatverhalt aufs Protokoll zu schreiben." Schon schlossen sich kugelsichere Handschellen um den Portier. In bewährter Benno Schlott - Manier, linker Arm an rechtes Bein gekettet, wurde der Mann in einen bereitstehenden Streifenwagen gesetzt und schon fuhr dieser los zum Gefängnis, wegen Anberaumung von Untersuchungshaft. Schlott schaute dem Wagen nach. Man konnte von außen sehen, wie der Fahrer drin saß und mit dem Auto fuhr.
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Kapitel 10 Der Kommissar geht Pommes holen und schimpft sehr doll Simplicius Grohm wohnte in einem Hotelzimmer mit der Nummer 552. Das hieß, dort hatte er zumindest gewohnt. Jetzt war er wahrscheinlich schon unterwegs zu irgendeinem Supermarkt. Benno Schlott schüttelte sich bei dem Gedanken, unter Umständen ausgerchnet Simplicius Grohm trinken zu müssen. Er war sehr dick gewesen und sehr häßlich. Der Mord an Grohm fiel aus dem Schema. Deshalb beschloß Schlott, den Mörder vielleicht anhand dieses einen Mordes zu überführen. Alle Opfer hatten bisher zwei Dinge gemeinsam gehabt: Sie waren nicht schwer gewesen; es waren bisher fast ausschließlich Minderjährige, Frauen, unter ihnen viele leichte Mädchen, alte Leute und sehr dünne oder sehr kleine Männer gewesen, die den Weg in die Verkaufsregale des Supermarktes angetreten hatten, und alle Opfer wurden bisher auf offener Straße überfallen. Der Umstand, daß der Mörder eine Frau war, die ihre Opfer, wie Grohm selber gesagt hatte, in einen Sack steckte, ließ für den Polizeipräsidenten, der ein raffinierter Denker war, nur eine Möglichkeit zu, die er, als sie ihm einfiel, laut ausrief: "Die Frau hat Bodybuilding gemacht und ist sehr stark geworden in letzter Zeit. Nur so kann sie Säcke mit schweren Leuten überhaupt wegschaffen!" Mit der Pfeife im Mund, seinem esoterischen Tatortkoffer in der Hand und neuen Ermittlungsideen im Hinterkopf betrat Benno Schlott das Zimmer von Simplicius Grohm, in dem schon Gertrud auf ihn wartete. Zahlreiche Polizisten in Uniform gab es hier auch und sie wirkten sehr beschäftigt, blickten meist nur auf, um dem Kommissar seine modische Kleidung anzusehen, -9 8 -
die ja durchsichtig war und sie schön zu würdigen. Wer als Einzige nicht da war, war Toyota Ehemann, die Sekretärin, die auch hätte da sein sollen. Dafür standen am Fenster, das auf die gegenüberliegende Seite der General - Bergfrühling - Straße hinausmündete, nämlich auf die geschäftige Castor Rippentreter - Allee, eine der zwanzig großen Einkaufsstraßen Bad Salzfischbachs, eine Litfaßsäule, ein Strauch und ein Aktenschrank. Ein großer, gelber Briefkasten stand schüchtern halb hinter der Zimmertür versteckt. "Komisch. Überall, wo ich hinkomme, steht der selbe alte Krempel rum. Daß das niemand wegräumt. Aber die Welt verroht halt immer mehr." wunderte sich Benno Schlott, dessen dicker Rauch aus der Pfeife Gertrud, der Nichtraucher war, gerade das Leben schwer machte. "Ja, das ist seltsam, Herr Kommissar Schlott." sagte Gertrud auf Spanisch. "Wirklich seltsam. Ich habe Hunger. Du sagtest, du warst Pommes holen. Wo ist das Pommesgeschäft?" "Herr Kommissar Schlott, wollen sie nicht zuerst den Tatort besichtigen?" Gertrud war verwundert. "Das würde ich tun, wenn ich kein esoterischer Kommissar wäre. Aber ich habe in meinem Tatortkoffer das Auge Bahamas. Der indische Gott Bahama ist, wie du sicher weißt, der Gott Der - Alles - Sieht. Wenn ich eine Information brauche, dann muß ich nur das Auge Bahamas befragen und es wird mir Auskunft geben. Die Weisheit sei mit dir, Unwissender Wurm. Ach, übrigens, ich möchte dich morgen früh um fünfzehn Uhr, in Zahlen: 15, in meinem Büro sehen und dann unterhalten wir zwei uns mal ausgiebig darüber, wieso die esoterische Spezialeinheit es zuläßt, daß der Colamörder praktisch unter ihren Augen zuschlagen kann. Ich möchte jetzt nur soviel dazu anmerken, daß ich die Geschehnisse für einen radikalen Mißstand halte." -9 9 -
Der Greifer kniff sein Gesicht zusammen, indem er mißbilligend die Augenlider runzelte. Gertrud wurde bleich und produzierte Schweißperlen auf seinem Gesicht, denn er wußte, daß Benno Schlott nicht die Sorte Mann war, die nicht verdammt böse werden konnte. An der Bude, die der alte Fuchs auch ohne Gertruds Wegbeschreibung aufgespürt hatte, aß der Kommissar Pommes. Schon durch die Art, wie er das tat, da konnte man sehen, was für ein Kommissar er war, nämlich kein Kommissar für halbe Sachen. Mit der bloßen Faust zerdrückte er die Pappschale, wo die Pommes drin gewesen waren, und warf sie in den Papierkorb, daß es schepperte. Vorher knallte es noch, denn der Kommissar warf den Knüddel so schnell weg, daß er die Schallmauer durchbrach und die Luft hinter sich zu grauem Asphaltstein werden ließ. Ja, so war Benno Schlott eben. Darin, keine Kompromisse zu machen war er kompromißlos. Er ging zu seinem Wagen, setzte sich hinein und faxte eine Großfahndung nach Toyota Ehemann an alle Polizeidienststellen, denn die war wohl zu feige, für den Mist, den sie angestellt hatte, vor ihm geradezustehen. So ein Mißstand. Ha, die sollte sich noch wundern! "An den Schreibtisch werde ich sie abkommandieren und da kann sie in nächster Zeit Papierkram für mich tippen und Anrufe entgegennehmen. Jawohl! Außerdem ist das ohnehin ihr Job!" Jetzt hatte der Kommissar das Gefühl, vor Wut zum wilden Tiger zu zerplatzen. Er wurde auch schon orange und bekam schwarze Streifen. Seine Autosuggestionsfähigkeit war immens. Er rief ersteinmal die ktU an und schimpfte sie total zur Schnecke. Das tat ihm immer gut. Dann brauchte er Sexualleben. Er ging in die Küche von der Tochter mit der Mutter und dann machte Benno Schlott mit beiden Liebe, nur mit der Tochter nicht. Mittendrin hörte er auf und bekam ein -1 0 0 -
schlechtes Gewissen. Er kniff die Augen zusammen, daß ja niemand ihn erkannte, entschuldigte sich und verschwand. Schließlich hatte er selber eine Familie und einen Anstand obendrein. Beinahe hätte er sich an einer fünfzehnjährigen vergangen die größer war, als er selber. Wie weit war es doch mit ihm schon gekommen? War er denn völlig roh geworden in der Zeit seiner Dienstjahre beim Polizeidienst? Nein, der Benno Schlott doch nicht, das ist klar. Es war nur der Fall, der sehr schwierig war für ihn und bei Sex, das zeigt sich immer wieder in der Wissenschaft, dabei kann man am besten denken. Benno Schlott hatte auch schon eine Idee: Die Mörderin konnte sicherlich Bratwürste nicht leiden. Schließlich war sie Frauenund Männerhasserin und die Bratwurst war ein Phallussymbol wie die Colaflasche auch, vielleicht sogar ein Phallussymbol schlechthin. Jetzt mußte er nur bei den Imbißbuden unauffällige Beschatter postieren, die sich jeden notierten, der keine Bratwurst dort aß. Sogleich telefonierte der Polizeipräsident wieder. "Hallo, Polizeipräsidium. Hier ist Schlott. Ich brauche die heimlichen Beschatter Herr Otto Normalverbraucher, Frau Lepra Katzensack, Herr Hortensius Mundstück und Frau Vileda Wischmop. Sie sollen alle drei Imbißbuden an der Zahl in Bad Salzfischbach beschatten, die es hier gibt. Benno Schlott zu Ende." Doch die Erfahrung, die Benno Schlott machen mußte, war eine bittere. Die Vermittlungszentrale von dem Revier antwortete: "Tut mir leid, Herr Polizeipräsident Benno Schlott. Alle vier stehen zur Zeit nicht zur Verfügung." "So, nicht zur Verfügung. Sagen sie mir, wo sie eingesetzt sind. Dies ist ein dienstbefehl!" "Dienstbefehl wird aber groß geschrieben, Herr Polizeipräsident Benno Schlott." Die Vermittlungszentrale hatte Recht. Benno Schlott wollte -1 0 1 -
auch immer korrekt sein. "Oh ja, stimmt. Also nochmal: Dies ist ein Dienstbefehl!" "Normalverbraucher, Mundstück, Katzensack und Wischmop sind derzeit mit der heimlichen Personenbeschützung des Herrn Polizeipräsidenten beschäftigt, für dessen Leben sich sein Freund Prof. Dr. Edding Prinzenrolle fürchtet." Die Antwort haute den Kommissar um. "Was? Ich werde heimlich personengeschützt? Das hätte ich aber gemerkt! Das hätte ich wirklich gemerkt, verdammt nochmal!" "Oh, nein, die vier sind sehr heimlich und diskret und immer unauffällig verkleidet." "Sie sind nicht gefragt, Vermittlungszentrale! Benno Schlott zu Ende! Auf Wiederhören." Mit Zorn in der Hand schmetterte der Kommissar sein handtragbares Telefongerät zurück in die Innentasche der Kleidung von ihm. Im Umdrehen hätte er fast eine Litfaßsäule umgerannt. "Sowas albernes, eine Litfaßsäule mitten im Blumenbeet eines Vorgartens von einem Einfamilienhaus aufzustellen, direkt neben einem Briefkasten und einem Aktenschrank. Und wozu mitten auf dem Bürgersteig ein Strauch wächst, das muß sich doch der Bürger von Verstand auch mal ernsthaft fragen. Das ist echt eine Wissenschaft mit sieben Siegeln. Mit meinem Freund Edding Prinzenrolle muß ich auch nochmal reden. Läßt der mich ohne großes Nachfragen personenschützen, der kleine Racker. Dafür habe ich keinen Spaß übrig." Aber Benno Schlott hatte, wie er schauenden Blickes anhand seiner digitalen Quarzuhr feststellen konnte, jetzt Feierabend und heute war so ein Tag, an dem der Kommissar wirklich keine Lust hatte, Überstunden zu machen; es war eh nur Scheiße passiert. Na gut, er hatte auch Erkenntnisse gesammelt. Aber -1 0 2 -
eben genug für einen Arbeitstag. Zuhause angekommen, war Milupa Schlott, seine Frau noch nicht da. Ohne sie im Haus zu sein, das passierte dem Greifer nur sehr selten, weil er in der Regel viel längere Zeit beim Arbeiten verbrachte, als er eigentlich mußte, während Milupa sehr gewissenhaft und pünktlich Feierabend machte. Sie hatte Jura studiert und arbeitete nun am Leibgericht in Bad Salzuflen als Gerichtsvollzieherin für Käsetorten und Marmorkuchen. Demnächst sollte sie auch noch den Bereich Hochzeits- und Sahnetorten durch Tätigkeit abdecken. Dafür sollte es auch mehr Geld geben; am Tag, im Monat und im Jahr. Es war eine schöne Karriere, die sie da am machen war. Nun setzte sich der Kommissar in den schwarzledernen und bequemen Fernsehsessel, den ein teurer Innenarchitekt aus vier Kühen als Rohmaterial hatte bauen lassen. "Ja, ja, so ist das mit dem Leder. Zuerst an der Kuh und ehe die Kuh bis drei gezählt hat, überspannt ihre Haut schon eine schmucke Couch und das Ganze nennt sich Leder und wirkt gediegen, wenn man draufsitzt. Ist eigentlich nicht fair der Kuh gegenüber. Ich wette, ihr wird vorher nichts verraten." Wenn er allein war, dann wurde der Kommissar oft und gerne philosophisch. Balisto v. Unten, der Hausdiener des Greifers, brachte ihm einen karibischen Cocktail, um den er gebeten hatte. Benno Schlott trank ihn, weil er Sommerstimmung hatte und es heiß draußen war. Dafür enthielt der Cocktail eine gewisse Menge gefrorenen Wassers. "Hmm, Eis. Das ist lecker, Mann!" Der Kommissar war's zufrieden. Seine Zunge schmeckte die Temperatur heraus und ordnete sie auf der Thermometerskala ein. Sie betrug negativ. Im Fernsehen kam eine Verleihung von Preisen. Es waren viele lustige junge Männer und junge Frauen auf einer Bühne, die auf elektrische Instrumente einhackten, gar -1 0 3 -
nicht fein angezogen waren und irgend etwas Englisches sangen. Benno Schlott mochte so Musik gerne. Das ganze nannte sich "Rockmusik", obwohl die alle Hosen trugen, sogar die Frauen. Dann kamen die nächsten jungen Leute mit elektrischen Instrumenten und die anderen zogen ab, weil alles klatschte und sie ein häßliches goldenes Ding in die Hand bekamen, das sie "Music Award" nannten, was auch immer das heißen mochte. Die nächsten Leute waren sehr jung, es waren Mädchen mit dabei, die trugen so Pullover, aber mit ganz kurzen Armen und auch unten so kurz, daß man die Bauchnabel sehen konnte. Das war wohl wahrscheinlich die Mode der jungen Leute heutzutage. Schlott fand das hatte nicht so viel Ästhetik, weil ein richtiger Pullover mußte bis über den Po gehen und Arme haben, die bis zu den Händen reichten. Die Tochter von seinem Bruder Gudmund, die Benno Schlotts Nichte war, trug auch immer diese kurzen Pullover und dazu so Röcke, die nichtmal bis zu den Knien reichten, und unten an den Füßen aber Schuhe, die wiederum viel zu lang waren und fast bis zu den Knien hoch verliefen. Mit Sohlen, die Elefantenfüße imitieren wollten. Das hatte nicht viel Symmetrie an sich. Dafür war Schlotts Nichte ein nettes Kind und prima erzogen, denn sie hatte den Kommissar einmal richtig unter den Tisch gesoffen. Überdies war sie ausgestattet mit dem IQ einer zurückgebliebenen Walnuß. Sie besaß eben alles, was sie zu einer guten Partie machte. Das Einzige, was Schlott an ihr störte war, daß sie ihn immerzu "Uncle Ben" nannte, statt, wie es sich gehörte "Herr Kommissar". Die Sendung ging noch sehr lange und der Kommissar pennte vor dem Fernseher ein, als gerade der Mann mit der Lederjacke und den langen, ungepflegten Haaren ein englisches Lied sang über die Liebe zu einer Frau, die nichts geworden war. "Ja, Junge, wenn du dein Äußeres nicht am Pflegen bist, dann will dich halt keine haben. Brauchst du dich gar nicht wundern, du Bengel." sagte Schlott noch kurz und entschlummerte. -1 0 4 -
Er wachte in der Nacht um ein Uhr, in Zahlen: 1, auf, davon, daß sich kein Schlüssel im Türschloß umdrehte. Benno Schlott hörte auch Dinge, die keine Geräusche machten. "Wo ist nur meine Frau Milupa Schlott?" fragte er sich. Im Fernsehen zeigten sie gerade einen Mann, der in einer teuren Küche mit brutzelnden Töpfen stand und einem anderen Mann erzählte, wie man daraus ein tolles Essen kochen konnte. Dann holte er eine überdimensionale Pfeffermühle vor und quatschte was über tolle Rieslingweine. "Meine Ehefrau Milupa Schlott soll wiederkommen. Das tut sie sonst doch auch immer, und zwar viel früher. Der wird doch wohl nicht was passiert sein, oder?" Der Kommissar suchte nach eventuell hinterlassenen Spuren im Haus und machte innerlich die Befürchtung, daß seine Ehefrau entführt war, wie schon einmal im letzten Buch. Keine Spur zu finden, nur ein Zettel in der Küche auf dem draufstand "Ben, wir haben kein Puddingpulver mehr!" Das war alles. Benno Schlott schaltete den Fernseher wieder ein, weil wenn die Frau von jemand so berühmtes wie der Kommissar Schlott entführt wurde, dann kam das in die Nachrichten. Aber da kam nichts. Sie sagten etwas von einer Briefbombe, die Punkt 17 Uhr in einem parkenden Luftpostflugzeug hochgegangen war, aber es war leider niemandem was passiert, weil die Crew gerade im Tower saß und "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger" ansah, über Radar. Dann redeten sie auch noch über den Papst, der wieder mal in den Alpen Wasserski fuhr. Der Greifer war erleichtert, denn wenn nichts in den Nachrichten war, dann konnte seine Frau auch nicht entführt sein. Was war sie dann? Benno Schlott rief bei ihrer besten Freundin, Frau Malaria Hirnschlag an. Aber dort war auch niemand daheim. Seltsame Angelegenheit. Wer war denn mitten in der Woche nachts unterwegs? Vielleicht wußte Edding Prinzenrolle ja etwas, als alter Hausfreund der ganzen Familie. Edding ging immer ans Telefon. Auch nachts. Diesmal nicht. In der Gerichtsmedizin -1 0 5 -
war er auch nicht. Da war nur ein Assistent von ihm, Doktor Krankenschein, der aber nichts wußte und meinte, er würde mal Doktor Blutschwamm fragen, der aber nicht da war. Immer nervöser werdend rief der Greifer Abraham Mogelpilz an, den Kommissar von der Spurensicherung, mit dem die Schlotts oft zusammen in Urlaub fuhren. Auch nach dem zwanzigsten Klingeln rührte sich nichts. Wenn Benno Schlott gewußt hätte, was Angst war, dann hätte er sich jetzt vielleicht welche gemacht. Aber sowas kannte der Mann gar nicht. Er rief Conditola v. Bahlsen an, eine weitere Freundin seiner Frau und eine gute Bekannte von ihm selber, die immer zu Geburtstagen und zu Hochzeitstagen ein Gast war bei den Schlotts und bei derselben Polizei wie der Kommissar arbeitete, aber im Verleumdungs- und Beleidigungsdezernat. Doch auch sie war nirgendwo antreffbar unter ihrer Telefonnummer. Halt! Geburtstage, Hochzeitstage... dem Kommissar fiel was ein. Er vergaß nie etwas, weil er hatte ein Gedächtnis wie ein rasiermesserscharfer Luchs. Welcher Tag war bloß heute? Er blickte auf seine digitalgetriebene Armbanduhr mit Quarzanzeige. Es war die Nacht vom 22. auf den 23. Juli. Am 23. Juli... Oh Mann! "Heute nacht ist ja mein 25- jähriges Dienstjubiläum beim Polizeidienst!" Benno Schlott hatte nämlich zur Nachtschicht angefangen. Draußen, durch die vom etwas verfrühten Morgentau nassen Scheiben der Fenster filterte plötzlich blaues Polizeilicht und die Motorengeräusche mehrerer Polizeiwagen waren bis tief ins Haus hinein zu hören. "Eine Überraschungsparty! Das wird eine Überraschungsparty!" Der Greifer freute sich wie ein Kind, denn er liebte Überraschungsparties richtig gern. Schon klingelte die Tür. Laufenden Fußes gelangte der Kommissar zu derselben und öffnete sie. Davor standen Milupa Schlott, Schlotts Sohn Bello, Schlotts älterer Bruder Gudmund mit seiner Tochter Valensina -1 0 6 -
und seiner Lebensgefährtin Vivi Med, Edding Prinzenrolle, Abraham Mogelpilz, Conditola v. Bahlsen, Rexona Bürstenschnitt vom Betrugsdezernat und Detlef Sportfuß von der Fahndung. Auf den zweiten Blick nahm der Greifer auch Flötenschmalz und Ohrpuffer wahr, die unauffällig wie immer im Hintergrund standen und außer vom Kommissar von keinem bemerkt wurden. Was Benno Schlott lediglich sauer machte war, daß sich Gertrud und Toyota Ehemann anscheinend nicht getraut hatten, mitzufeiern, weil der Kommissar böse war mit ihnen. Sie waren nirgends zu sehen und das trotz der Fahndung, die nach der Sekretärin lief. Wofür bezahlte er seine Polizisten bloß?. Aber egal jetzt, jetzt war Feiern an der Tagesordnung. "Eine Überraschungsfeier! Das ist ja eine Überraschung!" Schlott verbarg seine Rührung, indem er wie ein Bescheuerter brüllte, seine Dienstwaffe zog und ein ganzes Magazin in die Luft leerschoß, was einen Weißkopfseeadler, der gerade aus seinem Winterquartier in Afrika zurückgekommen war, das Leben und sein Federkleid kostete. "Aua, mir ist ein Weißkopfseeadler auf den Kopf gefallen!" wunderte sich Conditola v. Bahlsen. Alle lachten total, weil sie hielten das für einen lustigen Scherz. Conditola v. Bahlsen aber freute sich, weil sie den Adler dann ausstopfen und bei sich auf den Kühlschrank stellen konnte. Die hatte eben keinen Geschmack, die Alte.
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Kapitel 11 Der Kommissar feiert sich einen Kater und reihert das Klo voll Mit Autos fuhren alle zum Polizeipräsidium. Nur Flötenschmalz und Ohrpuffer nicht, denn Benno Schlott vergaß seinen Dienst nie. Er war etwas sauer zu ihnen, gab ihnen aber als Trost, weil sie nicht mitmachen konnten bei der Party, eine Tüte mit selbstgebastelten Pfefferminzbonbons aus seinem privaten Genlabor, die sich aus einer Art Ursuppe ganz von selbst geformt hatten und eigentlich ein dreifarbiger Kartoffelbaum hätten werden sollen. Dann mußten die geheimen Beschatter wieder los und die Wagen vom Supermarkt beschatten. Conditola v. Bahlsen hatte ein Dienstjubiläumsgedicht erfunden, das sie vorlas: "Seit 25 Jahren schon, Da bist du schon im Polizeidienst. Das Mörderfangen, ja das ist dein Lohn, Das finden alle Bürger auch. Den Zigarrenmörder brachtest du schon zur Strecke Und den gräßlichen Diskettenschlitzer, ja den auch. Und dich bringt nie jemand um die Ecke, Kein Mörder und auch niemand anders auch. Ja, Benno Schlott, bleib' so, wie du halt nun mal bist, Dann ble ibt die Stadt sicher und das Land. Benno Schlott, du machst gar nie einen Mist, -1 0 8 -
Du hältst nach 25 Jahren noch alle Fäden in deiner Hand." Alle klatschten, weil sie noch nie so ein schönes Gedicht mit so einem scheiß Versmaß gehört hatten, höchstens mal vo m Dichter Helmut Goethe, der ab und zu schon mal ins Revier kam und Gedichte und sowas vorlas zur Erwachsenenbildung. Benno Schlott war sehr gerührt und weinte mehrere Tränen gleichzeitig in das Glas mit seinem modernen, bunten Cocktail, den Wachtmeister Waldmeister in mehreren Regenbogenfarben selbst gemixt hatte, weil er wußte, wie man sowas bewerkstelligte. "Was für eine tolle Show!" So sprach der Kommissar. Seine Nichte Valensina hatte wieder so einen zu kurzen Pulli an und einen kurzen Rock mit langen Schuhen. Auf den Pulli hatte sie wohl schon ordentlich mit ihrem Cocktail drauf geschlabbert. Schlott selber trug einen selbstgenähten Anzug aus gelben Schwammtüchern. Sehr modisch, aber man mußte aufpassen, damit nicht naß zu werden, weil die Dinger total saugten und aufquollen wie die Blöden. Valensina Schlott mochte ihren Onkel. Er hatte ihr einen nagelneuen Sportwagen geschenkt, als sie beim dritten Anlauf endlich ihren Führerschein geschafft hatte. Als man ihn ihr letzte Woche wieder wegen Trunkenheit am Steuer in Folge abnehmen wollte, da verwies sie nur kurz auf ihren Onkel und schon durfte sie den Lappen behalten und bekam zusätzlich noch eine Tafel Schokolade, eine Magnumflasche Champagner und einen Blumenstrauß, weil sie angeblich die Tausendste war, die bei einer Alkoholkontrolle geblitzt worden war und erst gestoppt werden konnte, als sie in den Polizeiwagen hineingefahren war. Valensina Schlott war nicht gerade eine der Hellsten, aber ihr Abi hatte sie geschafft, wenn auch mit Durchschnitt 3,8 und ihr Vater hatte genug Beziehungen, um sie auch noch irgendwie -1 0 9 -
durchs Studium zu bekommen. "Hallo, Uncle Ben. Eine tolle Feier." "Ja, meine Nichte Valensina. Wirklich sehr toll. Ich gratuliere dir." Benno Schlott bestätigte das, was seine Nichte ihm gesagt hatte. Aber warum gratulierte er ihr. Und wozu? Ich glaube, das ist geheim. "Was ist denn das für ein toller Spruch, der da in bunten Buchstaben auf der Girlande steht?" Seine Nichte stellte eine interessierte Frage. "Du meinst '25 Jahre im Polizeidienst sind eine Zeit!'? Das ist das Motto dieser Party. Toll, was? Hat sich das Brain - Team unserer Kripo in wochenlanger Arbeit einfallen lassen. Jaha, seitdem ich Polizeipräsident bin, tut sich hier auch intellektuell was. Das Motto war ein Arbeitsthema auf meinen tollen Seminaren gegen Verdummung im Dienst." Benno Schlott sprach dies zu seiner Nichte, um Antwort zu geben. Heute war es einmal nicht nur er, der die Fragen stellte. Es gab jetzt eine besondere Überraschung. Der Kommissar, der ja so böse auf Gertrud und seine Sekretärin gewesen war, weil die doch nicht da waren, der mußte jetzt einsehen, daß er da eigentlich gar nicht böse sein brauchte, weil die zwei ja in Wirklichkeit doch da waren. Gertrud kam herein mit einer Riesentorte, die er vor sich herschob und Frau Ehemann war als Partygirl darin enthalten. Benno Schlott durfte die ganze Torte allein essen und dazu sangen der Assistent von ihm und die Sekretärin ein Lied, das sie selbst geschrieben hatten: "Benno Schlott, der ist sehr gut, Weil er immer gutes tut. Der Kommissar Schlott hat Löwenmut Und ihm wird auch nicht schlecht von Blut.
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Benno, Benno, Benno Schlott, Bleibt auch nach 25 Jahren flott; Trägt schicke Kleider, schöne Schuh', Benno Schlott, der alte Fuchs. Der Kommissar mag Fälle lösen, Kennt die Guten, und auch die Bösen, Schießt den kaputt, der Scheiße ist, Ja Benno Schlott, der macht keinen Mist Benno, Benno, Benno Schlott, Bleibt auch nach 25 Jahren flott; Trägt schicke Kleider, schöne Schuh', Benno Schlott, der alte Fuchs." Der Benno Schlott, der hat tolles Haar, Mag Mode und auch Serienmorde. Er bleibt bei der Polizei noch viele Jahr' Und bezwingt so die ganze Mörderhorde. Benno, Benno, Benno Schlott, Bleibt auch nach 25 Jahren flott; Trägt schicke Kleider, schöne Schuh', Benno Schlott, der alte Fuchs. Das Lied ging noch über 20 Strophen so weiter und keiner außer Benno Schlott wollte es wirklich hören, weil nur Benno Schlott hatte echte Kultur und wußte, daß das Lied gut war und einen sehr wahren Gehalt an Text besaß. -1 1 1 -
Anschließend beichtete Toyota Ehemann dem Greifer, daß Grohm nur deshalb sterben konnte, weil beide so mit dem ganzen Text und den Vorbereitungen für die Feier beschäftigt waren, daß sie nur teils zum Einsatz fähig waren. Der Polizeipräsident akzeptierte das und verzieh beiden Leuten, weil Grohm ja auf diese Weise für einen höheren und Sinn gestorben war, für den er sich, wenn es nötig gewesen wäre, sicher auch selbst geopfert hätte. Aber sowas würde der Kommissar nie verlangen, zumindest nicht von sich selbst, das wäre ja auch echt ein alberner Hühnerscheiß! Benno Schlott machte mit seiner Nichte ein Wetttrinken. Er fiel immer wieder darauf herein, obwohl er genau wußte, daß Valensinas Leber ungleich besser arbeitete als ihr Gehirn und sie es zur Not sicher auch mit Methylalkohol aufnehmen konnte. Milupa fand es immer eine Blamage, wenn sich ihr gestandener Mann von einer 19-jährigen mit der Intelligenz von Waschpulver unter den Tisch saufen ließ. Gott sei Dank war das Kind nicht einmal helle genug, um einen Geldeinsatz zu fordern. Benno Schlott hielt sich tapfer, aber Valensina war die Bessere und gewann. Der Alkohol zerstörte zahlreiche Gehirnzellen des Kommissars in der Blüte ihres Lebens. Auch bei Valensina machte er sich auf den Weg in Richtung Hirn, mußte aber unverrichteter Dinge wieder abziehen. Das Letze, woran sich Benno Schlott erinnerte war, wie der Bundespräsident ihm seine Autogrammsammlung zeigte. Auf die Originalautogramme von Donald Duck und Simba aus dem "König der Löwen" war der Greifer auch echt neidis ch gewesen, nur bei dem von Boris Jelzin hatte sich der Präsident was aufschwatzen lassen, dachte Schlott; wo doch jedes Kind wußte, daß es Boris Jelzin gar nicht wirklich gab! Irgendwann in den gar nicht mehr so frühen Morgenstunden, kroch der Kommissar auf allen Vieren zur Diensttoilette und reiherte sie voll. Einen schönen Kater hatte er sich gefeiert und, wie er sich schwach zu entsinnen glaubte, am Schluß hatte er -1 1 2 -
sogar noch Justinian Wachsgurke von der normalen Mordkommission, sowie Harald Juhnke, der gerade in der Gegend war, und die gesamte Belegschaft der ktU mit eingeladen zum polizeilichen Mitfeiern auf Befehl. Immerhin hatte er es geschafft, Edding Prinzenrolle das Geheimnis der geheimen Beschatter zu entlocken. Irgendwo hatte er es wohl aufnotie rt. Wo war eigentlich Edding geblieben? Schlott hatte ihn das letzte Mal gesehen, als er gerade versuchte seinem Bruder Gudmund den unanständigsten Fluch der liberianischen M'wogo - N'gomo - Buschmänner in der Originalsprache beizubringen. (Anm. des Autors: Der unanständigste Fluch der Welt wird seit dem 14. Jahrhundert grimmig von den indischen Glockenninjas gehütet; er wurde 50 Jahre zuvor zufällig in einem buddhistischen Mönchskloster entdeckt und gilt allgemein als das bestgehütetste und allerheiligste Geheimnis der Weltgeschichte. Frau Ciba Geigy aus Essen - Rüttenscheid ist auf der Suche nach einem lustigen Namen für ihren kleinen Boxerwelpen vorletzten Monat rein zufällig auf genau die gleiche Buchstabenkombination gekommen. Seitdem ist sie ständig auf der Flucht vor der Sekte der Singenden Assassinen, die den Glockenninjas untersteht, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, was sie den Burschen eigentlich getan hat. Derzeit hat Frau Geigys schwerhörige 83- jährige Nachbarin den Hund in Pflege. Ihr droht bislang noch keine Gefahr, weil sie den Namen des Tieres nie richtig verstanden hat. Sie weiß nur, daß er so ähnlich klingt, wie "Hurk".) Der Kommissar kroch zurück zum Feierraum. Reporter von der Blindzeitung waren eben eingetroffen, weil sie gehört hatten, daß Harald Juhnke auch da war. Milupa Schlott war gerade dabei, ihren gesamten Schmuck beim Poker gegen den Bundespräsidenten zu verlieren, der, dafür war er ja einschlägig bekannt, wie immer mit gezinkten Karten spielte. Erst jetzt entdeckte der Kommissar, daß er ja auch einen Stapel voll Geschenke bekommen hatte: Von Gertrud eine Benzin -1 1 3 -
getriebene Kettensäge, von Edding ein aufblasbares Boot mit aufblasbarem Motor, vom Kroatischen Präsidenten, der irgendwann mit Conditola v. Bahlsen irgendwohin verschwunden war, eine Miniflak, vom Bundespräsidenten eine Alditüte voll Bundesverdienstkreuze, von seiner Frau einen sehr modern wirkenden Anzug aus Autoreifen in dem er bestimmt aussah wie das Michelinmännchen; aber es waren noch viele andere tolle Geschenke da. Tränen der Rührung treckerten dem harten Greifer über die Wangen. Um seine emotionale Erregung zu verbergen, schoß Schlott schnell die Deckenlampen kaputt und brüllte dabei wie ein total wilder Affe. So war er halt: Immer hart und cool wie ein Gletscher im arktischen Winter. Für diese coole Vorstellung steckte der Bundespräsident ihm heimlich ein weiteres Bundesverdienstkreuz zu. Er hatte immer ein paar Tüten voll mit dabei. Allmählich ging die Feier zu Ende und Benno Schlott nach Hause. Die anderen Gäste taten es ihm gleich und bald nachdem man Harald Juhnke auch noch weggetragen hatte, da war dann nur noch das Superchaos übrig, das die Putzfrauen dann wegmachen sollten. Doch Benno Schlott war auch mit der besoffensten Birne von der Welt noch zu wahrhafter Esoterik fähig. "Wenn wir feiern, dann sollen das die Putzfrauen auch!" lallte der Kommissar und konzentrierte sich. Nach nur knapp einer Minute hatte er den ganzen Müll und Dreck weggedacht und nur noch strahlende Sauberkeit blieb übrig. Mit starker Vorstellungskraft konnte man einiges erreichen. Es war ja wohl eine klare Sache, daß Schlott den Rest des Tages voll auspennte, statt Mörder zu jagen. Zu richtigem Polizeidienst war er im Moment auch gar nicht fähig. Klingelnden Weckers erwachte Benno Schlo tt am nächsten Morgen und ging dienstfertig im neuen Anzug aus Autoreifen -1 1 4 -
zum Dienst. Er gefiel ihm gut. Darunter trug er eine Blechkrawatte mit dem eingravierten Familienwappen der Schlotts. Es zeigte einen Hasen, der am Spieß briet, darunter zwei gekreuzte Stücke Tafelkreide und darüber einen alten Filzhut, auf dem ein Päckchen dänische Markenbutter lag. Eine Girlande aus feinen, eingelegten Gürkchen mit Dill umrahmte das Ganze. Der Wappenspruch auf dem heraldischen Transparent darunter lautete "Hier können Sie billig einkaufen". Das Wappen stammte aus dem 13. Jahrhundert und wurde dem Kurfürsten von Baden und Duschen von Urahn Wunibald Schlott in den drei blutigen Wappenkriegen von 1345 abgejagt, die zusammen mehrere Jahrzehnte dauerten und eigenartigerweise nur für Mac Johnson, das greise Pferd des Kurfürsten tödlich endeten. Aber dafür war sein Tod um so grausiger und noch heute spricht niemand aus der einfachen Bevölkerung gerne anders darüber als hinter vorgehaltener Hand. Edding Prinzenrolle hatte dem Kommissar auf einen Zettel geschrieben, als was die heimlichen Beobachter verkleidet waren und der Polizeipräsident las beim Autofahren in dem Zettel: "Als Briefkasten, als Strauch, als Litfaßsäule und als Aktenschrank sind die verkleidet. Da wäre ich nicht drauf gekommen. Da bin ich mir so sicher wie das Amen in der Kirche." Der Kommissar stellte seinen Wagen gedankenlos auf einen Parkplatz, merkte erst später, daß dort schon ein anderes Auto gestanden hatte, und ging, noch immer brummenden Schädels, über die verstreuten Autoteile zum Haupteingang des Präsidiums, das gerade nach seinen eigenen farbpsychologischen Gesichtspunkten umgestaltet wurde. Das mercatorgrün/milanotürkis und das pasteurviolett waren in Ordnung, aber die Anstreicherfirma mußte den Greifer am Telefon falsch verstanden haben, denn statt "Polizeipräsidium Bad Salzfischbach" stand nun in großen neongelben Lettern -1 1 5 -
"Happyfoot - Der Schuhdiscount" über dem Eingang. Egal, das klang auch nicht schlechter als "Polizeipräsidium" fand der Kommissar. Seiner Sekretärin, die schon im Vorzimmer saß und die viele Arbeit machte, die Schlott ihr immer aufgab, ordnete er folgendes an: "Frau Ehemann, lassen sie bitte das Polizeipräsidium im nächsten Telefonbuch unter "Happyfoot Der Schuhdiscount" eintrage n und räumen sie darüber hinaus den Briefkasten, den Strauch, den Aktenschrank und die Litfaßsäule, die dort gerade hinter mir zur Tür hereinkommen auf den Hof, direkt vor die Fenster der ktU, die immer meine Spesenrechnungen zahlen muß. Dies ist ein Polizeilicher Dienstbefehl. Ebene eins." "Oh, Ebene eins. Aber, Herr Polizeipräs..." wollte Frau Toyota Ehemann einwenden, doch Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die weicher war als Granit. "Ja, sogar Ebene römisch eins. Sie wissen, was das bedeutet? Wer einmal den Mund aufmacht, bekommt fünf Jahre Gefängnis, Kerker oder Zuchthaus angeordnet. Und jetzt schaffen sie mir den Plunder auf den Hof!" Stumm gehorchend ließ die Sekretärin mit bleicher Hand den Stift sinken, mit dem sie dem Kommissar gerade seine Lottoscheine ausfüllte, und trug zuerst die Litfaßsäule nach draußen. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Schlott die Muskeln in ihren Armen. "Solche Muskeln. Mann! Das kommt bestimmt davon, daß sie soviel schreiben muß bei mir. Ja, harte Schule zahlt sich eben aus." Aber Benno Schlott war ja bekanntlich ein alter Fuchs. Ein sehr alter Fuchs sogar. Er hatte heimlich eine malaiische Lling' Óo -Meßlatte ausgepackt, ein in höchstem Maße esoterisches Meßgerät, das die bloße Ahnung von Gewicht und Kraftaufwand als morphisches Feld direkt in den Kopf des -1 1 6 -
Benutzers der Latte projiziert. Schlott dachte an seine Sekretärin und konzentrierte sich. Er spürte ein Gewicht von 126 Kilo und einen starken Kraftaufwand, der dem Kommissar Schweißperlen auf die Stirn trieb. Es waren übrigens die selben, die er gestern schon einmal auf der Stirn gehabt hatte. Er notierte es in seine moderne Computeranlage, die aus zwölf synchrongeschalteten Rechnern bestand. Sie hatten eine Profitastatur für Vielschreiber. Mit Griffzonen und über 65 Buchstaben, statt der herkömmlichen 26. Anschließend ging der Fuchs pfeiferauchend auf den Hof, auf dem Toyota Ehemann inzwischen alle heimlichen Beschatter mitsamt ihren Verkleidungen aufgestellt hatte. Er zog aus Zaubersalz einen magischen Kreis um die Personenschützer, brachte verbal zum Ausdruck, daß ihm der Personenschutz nicht paßte und daß er das alleine konnte, nämlich sich schützen, und dann begann er den gefürchteten Gewittertanz von Yüü?iiy. Er sang mystische Textstellen und tanzte mit einem erhobenen Bein immer wieder um den Zauberkreis mit den Polizisten. Dabei winkte er und warf mit furchterregendem Konfetti um sich. Schließlich bannte er die Personenschützer in den Zauberkreis und ging in sein Büro zurück. Kurz darauf entbrannte ein Gewitter innerhalb des Kreises, das die geheimen Beobachter für eine ganze Weile kräftig durchrütteln würde und von dem die Fenster der ktU platzten. Benno Schlott legte sich auf die kostbare Bettcouch, die er von dem Erlös aus der Tombola des letzten Polizeiwohltätigkeitsballs gekauft hatte, den er eigentlich für die S.O.S. - Kinderdörfer hätte spenden sollen. Aber er brauchte eben dringend so eine Bettcouch ins Büro und das mußten dann halt alle einsehen. Sollten die doch einfach nochmal spenden, wenn diese S.O.S - Kinderdörfer tatsächlich so wichtig waren. Es gab ohnehin zu viele Kinder auf der Welt. Nun machte der Polizeipräsident esoterische Schlafmeditation. Er ratzte wie ein Opossum. Drei Stunden lang. -1 1 7 -
Dann wachte er auf, weil er Mittagspause hatte. Der Greifer hatte einen Wahrtraum geträumt. Nach der Mittagspause machte er sich auf den Weg, den er im Traume vor sich gesehen hatte. Mit dem Sportwagen bog er vom Arthur - Bienenkern - Ring ein in die Onkel - Dittmeyer - Straße und hielt dort vor der Nummer 934. Es war ein Hochhaus, das vorne aus Glaswänden war und dahinter Büros hatte und Ähnliches. Mit geradezu esoterischer Sicherheit bestieg Benno Schlott den Fahrstuhl und fuhr nach oben in den dreizehnten Stock. Dort langte er vor einer Bürotür an auf der ein Schild geschrieben war: Weinkellerei Froggelmund Inh. W. Froggelmund. Bitte klopfen Sie an. Schlott klopfte an. Es war schon seltsam, daß sich hier im dreizehnten Stock ausgerechnet eine Weinkellerei befinden sollte. Das roch verdammt nach Brie fkastenfirma. Aber es war genauso, wie es der Kommissar in seinem Wahrtraum erlebt hatte. Auf sein Klopfen öffnete ihm eine junge Dame mit Weintrauben als Ohrgehänge, die, nachdem der Greifer ihr die Pistole an die Schläfe gehalten und sie mit Handschellen an ihren Schreibtischstuhl gefesselt hatte angab, Herrn Kellermeister Weinhardt Froggelmunds Privatsekretärin zu sein. "Dieses Geständnis hätten sie weiß Gott bequemer haben können." sagte Schlott und schoß mit der Dienstwaffe in den Monitor des teuren Computers auf dem Tisch vor der Frau. Er wollte wohl wieder mal Eindruck machen. Er war ein alter Macho. "Haben sie eine Rechtfertigung dafür, warum ihre dubiose Kellerei, die gar nicht in einem Keller liegt, in meinem esoterischen Wahrtraum aufgetaucht ist, und zwar in Zusammenhang mit dem Fall des Colamörders, oder besser -1 1 8 -
gesagt, der Colamörderin? Na?" "Nun, diese Kellerei liegt eigentlich im dreizehnten Stock. Das Hochhaus ist ein Bürohochhaus." sagte die Sekretärin aus. "Aha, da kommen wir der Sache schon näher. Das ist endlich mal eine konkrete Aussage. Ich möchte jetzt mit Herrn Froggelmund persönlich sprechen." Benno Schlott schoß mit seiner handlichen Kalaschnikow Maschinenpistolendienstwaffe Muster in die Wand, um die Frau zu beeindrucken und seine Ze it zu vertreiben. "Herr Froggelmund ist gerade bei einer Weinprobe, aber er wird spätestens in fünf Minuten zurück sein. Sie können solange warten." "Mißstand!" brüllte der Kommissar wie ein Wahnsinniger und Schaum trat ihm auf die Lippen. "Was ich kann, das bestimme ich. Meine Zeit ist kostbar und ich muß gehen. Ich werde Herrn Froggelmund zu gegebener Zeit schon noch aufsuchen. Mit einem Haftbefehl. Darauf können sie Gift wetten!" Der Kommissar drehte sich mit einem Ruck in hoher Stärke um, so daß ihm ein Papier aus der Innentasche seines Autoreifenanzugs rausfiel. "Hoppla. Dies ist ein Papier." stellte er fest. Und weiter: "Ich sehe nach, was draufsteht." Falten durchzogen das Gesicht des Greifers, woran man gut erkennen konnte, daß ihm was auffiel und daß er gleich dienstlich werden würde, so daß er, wie Derrick, immer "nicht wahr" sagte, da wo es gar nicht hinpaßte. "Frau Sekretärin, nicht wahr, ich halte hier in der Hand ein Papier, auf dem das draufsteht, wer die Esafix 380 Entsafter, nicht wahr, gekauft hat und die Weinkellerei Froggelmund steht da, nicht wahr, auch als eine von vier Adressen. Was haben sie dazu zu rechtfertigen?" "Die Weinkellerei Froggelmund bietet ein ganz exquisites -1 1 9 -
Sortiment von Jahrgangsweinen für den Anspruchsvollen Kenner; Weine aus von der Sonne verwöhnten Anbaugebieten." "So, so, nicht wahr? Darf ich das protokollieren?" Der Kommissar war nicht die Sorte Mann, die so leicht etwas unprotokolliert ließ. Die Sekretärin sagte zu und in dem Moment kam Herr Froggelmund schwankend und mit roter Nase zur Tür rein, weil er auf einer Weinprobe war. Er hatte wohl oft probiert zu weinen, es hatte aber nicht geklappt und dann hatte er sich halt besoffen. Unter dem Arm klemmten ihm mehrere Videokassetten. Bestimmt mit Sachen zum weinen drauf. Bevor der Kellermeister etwas machen konnte, da hatte Schlott sich schon in präventiver Notwehr verteidigt und Froggelmund mit der Maschinenpistole lauter Löcher in ihn rein geschossen. Mit telepathischer Energie rief der Kommissar einen Krankenwagen, der sofort kam und in den Froggelmund verfrachtet wurde. Er kam als super gefährlicher vielleicht - Mörder in das Hochsicherheitskrankenhaus vom Gefängnis von der Stadt. Nun mußte der Kommissar nur noch warten, ob neue Morde, bzw. Vermißtenmeldungen hinzukamen. Zur Sicherheit ließ er auch alle verhaften, die in der Weinkellerei Zugang zum Entsafter hatten und das waren alle. Den Entsafter selber schickte er bei der Spurensicherung ein, zu Abraham Mogelpilz, der ein Vertrauensmann war. Unten am Haus war der Wagen, der dem Greifer gehörte. Er war so erstaunlich schnell, daß er sogar, wenn er geparkt war, bei allen Leuten, die in der Nähe vorbeigingen, ein Gefühl von Geschwindigkeit erzeugte. Schlott stieg ein. Wenn man die Tür aufmachte, dann ertönte neuerdings immer Musik von den Wildecker Herzbuben. Das hatte Benno Schlott als Extra für 3400 Mark eingekauft. Zwei Sekunden später saß er schon wieder am Schreibtisch in seinem Büro, denn der Wagen war so schnell wieder am -1 2 0 -
Präsidium gewesen. Ein Nachteil von so schnellem Autofahren war, daß sich Schlott danach immer so fühlte, als wäre er rot lackiert und hätte breite Sportreifen. Auf metaphysische Weise ging er immer eine mentale Verbindung mit dem Auto ein. "Hallo, Herr Polizeipräsident Benno Schlott." sagte Toyota Ehemann, die dem Greifer gerade das Fernsehprogramm für den Feierabend rausschrieb. Schlott wollte immer Krimis im Fernsehen gucken. Er wußte nicht, daß die erfunden waren, sondern dachte, es wäre was wie Telekolleg oder so. An Derrick hatte er schon oft versucht zu schreiben, um ein paar mehr Tips zu bekommen, aber der war wohl immer so beschäftigt und konnte ihm nicht antworten. Schlott beantwortete Fanpost ja auch nie. Schlott grüßte die Sekretärin zurück und sah aus dem Fenster. Er hatte seinen Gewitterzauber wohl was übertrieben: Von den Personenschützern war nur noch ein Rußfleck und geschmolzenes Metall übrig. Er tat das Nächstliegende und schob die ganze Affäre Detective Winston Mc. Fisher vom Sittendezernat von New Scotland Yard in London unter, der gerade ein kriminaltechnisches Praktikum bei der ktU in Bad Salzfischbach absolvierte und der sofort verhaftet wurde. Benno Schlott zeigte sich ernsthaft entrüstet der Presse. Hinterher stellte sich dann zum Glück aber noch heraus, daß die Personenschützer rechtzeitig hatten fliehen können und noch gut am Leben waren mit Brandverletzungen und vielen Prellungen, aber kein Grund, sie vom Dienst krankzuschreiben. Benno Schlott nahm seine Leute halt hart ran.
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Kapitel 12 Der Kommissar verliert seine Socken und einen gelben Filzhut In Kommissar Schlotts Büro kochte der polizeiliche Dienstkaffee erwärmlich in der Maschine, die Pfeife rauchte sich eins und Musik von Schubert kam aus dem CD-Player georgelt. Schubert mochte der Kommissar für sein Leben gern. Es war viel Behaglichkeit, die in diesem Büro zur Zeit vorherrschte und ausgestrahlt wurde. Benno Schlott kratzte sich selbstzufrieden an den Brusthaaren auf seinem rechten Bein und dachte sich, wie er das fein gemacht hatte. Es waren vier Adressen mit Esafix - Kunden auf der Liste gewesen und vielleicht war die erste Adresse schon der Mörder gewesen. Ein Zettel wurde auf den Schreibtisch gefaxt. Edding Prinzenrolle war als pathologischer Ehrenkommissar in die esoterische Spezialeinheit aufgenommen worden. Fein. Alles lief nach Plan. Das Telefon klingelte. "Hallo. Hier spricht das Telefon vom Herrn Polizeipräsident Benno Schlott." Am anderen Ende war eine gutaussehende Frauenstimme, die sich als Ariola Vierkantlöffel vorstellte. Es war die Mutter, in deren Küche der Greifer den Wagen geparkt hatte, als er zu dem Hotel gefahren war. Er erinnerte sich und hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er doch Milupa mit dieser Dame betrogen hatte. Obwohl, was hieß da betrogen: Betrug war, wenn man Falschgeld verkaufte oder so. Dafür gab es ein gutes Dezernat, das so Fälle schön löste. Aber Sex haben mit anderen Frauen, das war Freiheit! Sowas war doch kein Tatbestand! So reimte sich das der Kommissar Schlott zusammen und machte ganz schnell sein schlechtes Gewissen weg. "Ich wollte es zur Aussage machen, daß in das Korkendrücker -1 2 2 -
- Palasthotel niemand reingegangen ist und mit einem Sack ist auch niemand rausgekommen zur fraglichen Tatzeit. Abgesehen von den beiden Polizeileuten von ihnen, die einmal reingegangen sind und einmal raus, beide Male ohne einen Sack mit jemandem drin. Es ist merkwürdig. Ich habe in der Zeitung von den Morden gelesen und wie sie immer von statten gehen und dachte, daß es meine Bürgerpflicht ist, ihnen das zu melden." "Danke, das war sehr umsichtig von ihnen." Der Kommissar bedankte sich. "Dafür, daß sie eine aufmerksame Bürgerin sind, die mir Tips gibt, bekommen sie von der Polizei als Dankeschön für das uns entgegengebrachte Vertrauen einen nagelneuen grün/weißen Küchenmixer mit echten Knethaken." Das war auch eine Idee von Schlott für mehr Bürgernähe. Leute, die brauchbare Aussagen machten, bekamen Werbegeschenke. Alle in grün/weiß und mit der typischen weißen, großdruckbuchstabigen Aufschrift "Polizei". Halt genau wie auch auf den Autos. Schlott verabschiedete sich von der Frau wie alte Freunde und ließ auch noch ein Werbegeschenk für die Tochter mitschicken, die ja auch sehr nett war. Für sie gab es ein grün/weißes T-Shirt mit Polizeiaufschrift und einen grün/weißen Lippenstift, wo wenn man ihn auftrug auf den Lippen der betreffenden Person der weiße Polizeischriftzug zu lesen war. Der Kommissar konnte manchmal auch echt lieb sein oder sogar nett, wie alle alten Füchse, die im Beruf immer rauh tun mußten. Den Polizeilippenstift benutzte er übrigens auch selber, weil er ihn total modern und toll fand. Er schmunzelte gedankenverloren eins vor sich hin und bedauerte, daß er die Frau und die Tochter wohl nicht wiedersah, weil er ein treuer Ehemann für seine Frau Milupa Schlott sein mußte, zu der er das beste Verhältnis unterhielt und -1 2 3 -
auch gerne lieb war. Zum letzten Weihnachten hatte er ihr sogar mal richtige Kaminholzschoner gehäkelt. Benno Schlott hatte auch immer mal zusätzlich zu seinem Sohn eine Tochter haben wollen. Aber er hatte bisher noch keine bekommen. Auch nicht letztes Weihnachten von seiner Frau. Nächstes Jahr würde die bestimmt keine Kaminholzschoner mehr von ihm bekommen! Er trank Kaffee und rauchte gleichzeitig, indem er den Kaffee in die Pfeife schüttete. Wenn der Tabak erstmal am Brennen war, dann konnte auch Wasser ihn nicht mehr richtig löschen. Wie er so gemütlich dasaß und schöne Sachen dachte, da faxte sich ein neuer Zettel auf den Tisch. Schlott las: "In den letzten Tagen vermißt wurden: 1) B. Tropenhelm, Nobelrubelstraße 12; seit zwei Tagen vermißt von H. Tropenhelm und Oma Tropenhelm/ 2.) Z. Kümmelkiefer, Gesellschaftsspielstraße 67; seit einem Tag vermißt von J. Smeer/ 3.) X.Y. Zimmermann, Aktenzeichenallee 9b; seit einer Stunde vermißt..." Schlott überlegte laut: "Was? Seit einer Stunde erst? Mißstand! Dann habe ich ja die falschen festgenommen. Die Bande von der Weinkellerei im 13. Stock sitzt schon seit zweieinhalb Stunden. Es sei denn, dieser X.Y. Zimmermann... wofür steht eigentlich X.Y.? Ah, hier steht's:. Xaver Yurek Zimmermann. Es sei denn, Xaver Yurek Zimmermann ist ein Vermißter, der nicht auf das Konto des Colamörders geht. Aber ich hab's ja schon beinahe geahnt. Der Kellermeister ist ja auch nicht mal eine Frau!" Kurze telefonische Ermittlungen ergaben, daß X.Y. Zimmermann tatsächlich nach bekanntem Schema niedergeschlagen und verschleppt worden sein mußte. Mogelpilz von der Spurensicherung, der kurz darauf anrief, bestätigte das Ganze, indem er sagte, daß in dem verdächtigen Esafix 380, den Schlott in der Weinkellerei festgenommen hatte, nichtmal Traubenreste drin waren, und erst recht nichts von Menschen. Ärgerlich starrte der Kommissar auf die aktuelle -1 2 4 -
Liste der Vermißten, die schon wieder um 28 Personen gewachsen war. Hier war ein immenser Mörder am Werk, ein Mörder mit einem Pensum ohnegleichen. Schlott hatte den Zigarrenmörder schon für einen echten Hammer gehalten. Damals war es die schlimmste Mordserie aller Zeiten gewesen, aber der Colamörder hatte ihn längst überrundet. Alle Verbraucher hörten auf, Cola zu kaufen und in den Supermärkten stapelten sich unverkaufte Colaflaschen. In einigen Supermärkten kamen die Kunden schon gar nicht mehr an die anderen Waren ran, weil alles zugeschüttet war mit Colaflaschen. Das Schlimme dabei war, der Colapreis war auf drei Pfennig pro Flasche gefallen und da gab es natürlich keinen Preisunterschied mehr zwischen der Menschensaftcola aus dem ehemaligen Sonderangebot und der normalen. Alles war gleich billig. Alle, auch Schlott waren total auf Coladosen umgestiegen und das war natürlich obendrein noch eine enorme Umweltbelastung. Es mußte was geschehen, der Greifer brauchte eine Spur. Jetzt kam in den Radionachrichten schon eine Meldung, daß auch kein Hackfleisch mehr gekauft wurde, weil dort das selbe Geschmacksproblem aufgetreten war, und die Leute hatten in der Zeitung gelesen von dem Verdacht vom Kommissar Schlott, der meinte, daß da Menschenreste drin waren. Der Kommissar war total überlastet und tat das einzig Richtige: Er warf die Kaffeetasse, um sich abzureagieren mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum, wobei sie Masseteilchen zu purer Kernreaktionsenergie abstrahlte, die anschließend ihrerseits lautstark durch die Raum - Lichtzeit explodierte. Ein feines Schauspiel und man kann es nur verstehen, wenn man selbst mal dabei war. Aber das war nur Benno Schlott ja auch. Was übrig blieb, war ein schwarzer Fleck auf der Tür in Form einer Kaffeetasse. Danach machte Schlott noch transzendentale Meditation zum Ruhigsein, die ihm immer gut half. Jetzt hatte der alte Fuchs die nötige Denkruhe zurück, um sich -1 2 5 -
zornrot darüber aufregen zu können, daß Edding Prinzenrolle ihm immer noch keine Untersuchungsergebnisse geliefert hatte, ob in einer der Hackfleischproben, die er, als er aus dem Krankenhaus gegangen war, nachts zusammengekla ut hatte, tatsächlich Menschenreste waren. Aber bald regte er sich weniger auf, denn sein sechster Sinn übermittelte dem Kommissar, daß Edding gleich mit den Analyseergebnissen anrufen würde und auch die Ergebnisse übermittelte der sechste Sinn dem schlauen Kommissar. In drei Sekunden würde das Telefon klingeln. Zwei...eins... Auf dem polizeilichen Geheimschreibtisch des Polizeipräsidenten klingelte das Telefon. "Hallo Edding. Es sind Menschenreste in der Packung von der Firma "Hackfleischhof", aber dafür ist der Preis auch zwei Mark niedriger. Das hat deine Analyse ergeben." Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die wenig Sachen im Voraus wußte. "Ja, Ben. Deinem sechsten Sinn kann man nichts vormachen. Genauso ist es." "Ja. So ist es, Ed. Du weißt sicher schon, daß du jetzt offiziell ein Mitglied der esoterischen Spezialeinheit bist." "Ja, Ben. Das weiß ich. Ich freue mich sehr darüber. Schönes Wochenende, Ben." "Schönes Wochenende, Ed. Wiederhören. Danke." Es war komisch, dachte der Kommissar und betrachtete seinen verchromten Garderobenständer, über dem sein gelber Filzhut und seine Socken hingen. Beides hatte er da dran gehängt. Es war wirklich komisch. Der Greifer war sich sicher, daß sein Traum echt ein esoterischer Wahrtraum gewesen war. Warum hätte der ihm dann eine Spur zum falschen Mörder weisen sollen? Schlott kam zu dem Schluß, daß in dem Büro ein Hinweis auf den wirklichen Mörder, bzw. die wirkliche Mörderin im Argen liegen mußte. Da mußte er nochmal hin. -1 2 6 -
Sofort. Eigentlich hatte er ja das "Auge Bahamas", das alle Indizien sah, aber das hatte er dummerweise vergessen mitzunehmen. Er mußte auf jeden Fall verhindern, daß am Ende jemand dort was veränderte, so daß falsche Spuren entstanden. Gerade rechtzeitig hielt der Greifer sich noch zurück, denn er wollte gerade aus dem Fenster steigen, mit ausgebreiteten Condorschwingen zum Bürohaus mit dem Weinkeller fliegen und dabei "Ten Green Bottles" singen. Im letzten Augenblick fiel ihm noch ein, daß er gar keine Condorschwingen besaß und auch den Text von "Ten Green Bottles" nicht konnte. Irgendwas hatte man ihm in den Kaffee getan, etwas das wirkte wie LSD oder vielleicht sogar wie was noch Tödlicheres. Ja, man hatte ihn vergiftet! In den Kaffee hinein hatte man ihm etwas reingegiftet. Jetzt war schnelles Handeln gefragt, damit Benno Schlott nicht noch an seinem Kaffee vergehen sollte. Er mußte sich rasch den Magen auspumpen. Doch womit? Mit der Aquarienpumpe von seinen Hammerhaien? Das wäre wohl gegangen, aber die Pumpe hätte das am Ende nicht überstanden. Und eine neue kaufen wollte Schlott natürlich nicht, denn die andere war auch gerade erst zwei Wochen alt. Da fiel ihm plötzlich ein Geistesblitz in den Kopf. Er nahm seine beiden Socken vom Kleiderständer und aß sie auf. Sie waren so trocken, daß er davon würgen mußte. So sehr, daß er, wie von ihm erwartet, gleich darauf heftig in seinen grünen Filzhut kotzte. Ach nee, der war ja gelb gewesen. Schon war der Magen leer und der Kommissar wieder wohlauf. So leicht war er nun wirklich nicht zu beseitigen. Der Mörder war irgendwo draußen im Präsidium und er hatte Zugang zu seinem Kaffeepulver gehabt. Wahrscheinlich war er immer noch dort und lauerte, ob Schlott denn nun tot war von dem Gebräu, das er gemixt hatte. Der Greifer war deshalb gezwungen, den Inhalt seines Magens, das hieß, nun war es ja der Inhalt seines Hutes, unauffällig wegzuschaffen. Er nahm einen Postkarton, der zufällig in der Ecke stand, verpackte alles darein, klebte schöne Briefmarken -1 2 7 -
drauf und adressierte das Ganze nur so zum Spaß an seine Sekretärin. Komischerweise fand Schlott so eine Schweinerei tatsächlich tierisch lustig. Das hätte hier an dieser Stelle niemand von ihm geglaubt oder vermutet, auch er selber nicht. Aber so war der Polizeipräsident eben: Ein Kerl und richtig kernig. Es war aber auch ein gutes Zeichen, weil daran konnte man sehen, daß Benno Schlott über der Sache mit dem Gift seinen Humor nicht vergessen hatte. Humor war immer mit dabei, beim Kommissar. Wenn nicht alle Leute fröhlich waren in seiner Nähe, dann konnte er vor Wut richtig wild um sich ballern, so daß dabei teilweise auch richtig Menschen starben. Wer dem Kommissar begegnete, der tat gut daran, gute Laune vorzuweisen; und der Greifer kontrollierte die Laune von den Leuten auch nach. So wichtig war ihm eine heitere und bunte Welt. Unten vor Schlotts Fenster hielt gerade zufällig ein Postwagen mit aufgeklapptem Dach. Der Kommissar warf das tolle Kotzepaket so runter, daß es im Wagen auf den anderen Paketen landete. Der Wagen fuhr dann weg. "Ich freue mich über diesen Zufall. Ein Postwagen mit offenem Dach kommt nicht immer so rechtzeitig, wie gerade jetzt." Schlott stellte das fest. Anschließend überlegte der Kommissar, wie das mit dem Gift im Kaffee zustande kam. Zu seinem Kaffeeschrank, der drei schwere Schlösser und ein polizeiliches Siegel besaß, hatten nur er selbst, seine Sekretärin und der Tchibo - Kaffeexperte Zugang, aus Angst, daß jemand das Geheimnis der Spezialmischung stehlen könnte, die der Tchibo - Kaffeexperte in Kooperation mit alten Himalaya - Indios immer individuell für Benno Schlott aus reif gelagerten Hochlandbohnen zusammenstellte. Der alte Fuchs wußte keine Lösung, als er fertig gedacht hatte. Jedenfalls noch nicht. Sollte er etwa den Tchibo - Kaffeexperten verdächtigen? Nein, das war unmöglich. -1 2 8 -
Der war in allen Urwäldern dieser Welt als Ehrenmann bekannt und über jeden Verdacht erhaben. Danach warf der alte Fuchs noch einen Blick auf die gläserne Schlangensäule, ein weiteres esoterisches Instrument, das speziell für den Polizeieinsatz von uralten Meditationsmönchen, die dauernd Tee tranken, gefertigt wurde und das in der einen Ecke des Raumes aufgestellt war. Schlott sah plötzlich eine Information in der Säule aufsteigen: Die Mörderin war nur nach einer einzigen Serie süchtig: nach "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger". "Interessant, interessant." dachte sich der Kommissar. "Sehr interessant." dachte er noch dazu. Nun mußte Schlott aber wirklich in die Weinkellerei, damit niemand die Spuren dort verändern konnte. Den esoterischen Tatortkoffer nahm er mit, aber auch noch einen anderen, orangenen Koffer, wo ein rotes Signaldreieck und schwarze Schrift drauf waren. Man darf als Leser jetzt sehr gespannt sein, was das nun wieder sollte. Benno Schlott würde es schon wissen. "Herr Benno Schlott! Na sowas!" rief Toyota Ehemann anscheinend überrascht, als Schlott das Büro durchs Vorzimmer auf den Flur hinaus verließ. In Zeitlupe drehte sich der Greifer um, die Augen zu stechenden Schlitzen verengt und musterte seine Sekretärin mit einem Blick, der selbst Autoreifen schmelzen lassen konnte. "Jaaaa? Was ist denn?" fragte er. Aber merkwürdig gepreßt, als ob, er sich insgeheim noch mehr dachte, was er aber nicht erzählte. Jedenfalls noch nicht. Toyota Ehemann sagte: "Es ist nichts weiter, nur das ist das erste Mal, daß sie um 15 Uhr schon ihr Büro verlassen mit all ihren Sachen, als ob sie nach Hause gehen wollten. Wo sie sonst immer bis tief in die Nacht arbeiten. Außerdem fehlen ihnen ihre Socken und der grüne Hut." "Ja, das ist richtig, ich arbeite bis in die Nacht, aber mein Hut war gelb gewesen." -1 2 9 -
Schlott sagte das schon wieder ganz normal. Dann kniff er sich die Tonpfeife zwischen die Zähne und zog seine violette Detektivkappe, die er in Reserve für den grünen, äh, den gelben Hut dabei hatte, erst aus der Tasche, dann über den Kopf und schließlich tiefer in die Stirn. Er ging zur Tür hinaus. Im Rausgehen dachte er, daß die Socken und der Hut leider weg waren. Draußen auf dem Hof hatten besorgte Mütter und Umweltschützer wieder eine Demonstration gegen Schlotts Pfeife angezettelt und machten ruhestörenden Lärm mit ihren Transparenten. Aber zum Glück kam der Oberbürgermeister von Bad Salzfischbach, der vom Kommissar maßgeblich unterstützt wurde und ohne ihn ein Nichts gewesen wäre, schon mit zwanzig Leopard - Schützenpanzern um die Ecke gesaust und zerstreute unter Einsatz schwerer Artillerie die siebzehn Demonstranten in alle Himmelsrichtungen. "Gut gemacht, Herr Bürgermeister!" applaudierte Schlott von oben im Revier aus dem Fenster und warf dem Stadtherren ein Autogramm von sich runter, das dieser gierig fingernd aufsammelte und sich vielfach dafür bedankte und verbeugte. Benno Schlott hatte wieder ein neues kleines Extra am Wagen: Auf Knopfdruck ging vorne eine Klappe auf und ein sehr spitzer Rammsporn konnte ausgefahren werden. Das ließ sich nutzen, um Türen aufzubrechen. Auch wenn sie verschlossen waren und sogar, wenn sie sich in einem oberen Stockwerk befanden, denn der Wagen konnte Treppen gehen, weil er hatte auch Geländeraupenreifen. So kam Schlott in das Hochhaus rein und in den dreizehnten Stock. Er hatte keine Lust, bis da zu laufen oder den Fahrstuhl zu besteigen. "Sehr praktisch, mein Rammsporn. Ich bekenne, daß sich jede Mark dafür gelohnt hat." Schlott warf einen angebissenen Schokoriegel aus dem Fenster, mit einer Geste, so wie man sie aus amerikanischen -1 3 0 -
Filmen kennt mit Leuten, die Kaugummis wegwerfen. Er stieg aus und schlug mit einer tarnfarbigen digital - Klappaxt die Tür zur Weinkellerei ein. Er hätte das mit dem Rammsporn machen können, aber eine Axt war noch viel machomäßiger. "Ich blicke mich um." Der Kommissar sah rund durch den Raum. Es fielen ihm auffallend viele Poster an den Wänden auf, die alle einen jungen Mann zeigten, der eine weiße Doktorjacke anhatte mit rotem Kreuz drauf und der sich über Hündchen, Kätzchen, Kinder, Mangroven und andere Haustiere beugte und ihnen die Pfote eingipste. Darunter stand ein Text: "SASCHA HAHN ALS TIERARZT DOKTOR SEBASTIAN MERTHENSBERGER. TÄGL. MO.-FR. 17.00 AUF ADTV. ADTV. FAMILIENFERNSEHEN FÜR DIE GANZE FAMILIE." Viele Fernseher und Videorecorder standen auch in dem Raum und als Benno Schlott einen Schrank aufmachte, da purzelten ihm Videobänder entgegen, auf denen alle bisher gelaufenen Folgen der Tierarztserie aufgezeichnet waren. Benno Schlott fiel es wie Schollen von den Augen: Hier handelte es sich in Wirklichkeit nicht um eine Weinkellerei, sondern um einen getarnten Fanclub von dieser Schwachsinnsserie, die täglich auf ADTV lief, und die anscheinend alle kannten, außer dem Kommissar selbst. Seit der Finanzminister die Fanclubsteuer eingeführt hatte, tarnten sich zahlreiche Fanclubs als gewerbetreibende Betriebe. Die Weinkellerei war nur reine Tarnung, auch den Entsafter hatte man nur angeschafft, um von der Tatsache abzulenken, daß hier steuerpflichtig einer Kultperson gehuldigt wurde. Alles führte zu einem Schluß für den Kommissar: Diese Fernsehserie hing sehr, sehr eng mit der Mordserie zusammen. Hier war auch der Schlüssel dafür zu finden, daß zwar beobachtet wurde, wie Leute niedergeschlagen und in einen Sack gesteckt wurden, aber nie, wie der Sack abtransportiert -1 3 1 -
wurde und wohin. Ja, kein Zweifel, sein esoterischer Wahrtraum war tatsächlich ein solcher gewesen. Man mußte ihn nur zu deuten wissen. Benno Schlott wußte. "Sehr mysteriös alles. Aber sehen Sie im nächsten Kapitel, was gleich darauf geschieht." Benno Schlott sagte das und nahm den gelben Koffer mit den Warnzeichen hervor...
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Kapitel 13 Der Kommissar kauft Video ein und geht Fernsehgucken Der gelbe Koffer enthielt Flüssigsprengs toff, den ein amerikanischer Polizeimann entwickelt hatte, damit man Leute in die Luft sprengen konnte, wenn man ihnen das Zeug in was zu Trinken tat. Auf Parties machte sich Benno Schlott oft ein lustiges Spielchen daraus. Wir wissen ja: Der Greifer stand mit dem Humor auf gutem Fuß. Der Sprengstoff reagierte auf akustische Signale. Wenn die Nationalhymne der USA ertönte, dann zerfielen die Atome der Sprengemulsion zu dispersiven Molekülen von radikaler Anzahl, die sich einer Brückenkette der Sauerstoffhauptreihe anschlossen und diese in wissenschaftlicher Art und Weise schmolzen, was einen Angriff der Bromidnebenreihe auf das innere Atomplasma zur Folge hatte, das abrupt zu einer Kettenreaktion sedimentierte. Benno Schlott wußte nicht sehr viel darüber bescheid und was das alles hieß. Ihm reichte, daß das Zeug "Bumm!" machen konnte. Wie gesagt, wollte er den Tatort gegen fremde Eingriffe von unbefugter Hand sichern. Dafür reichte es in den heutigen Zeiten nicht mehr, ihn bloß zu versiegeln, das hatte die Sache mit dem Kaffeeschrank gezeigt, man mußte Tatorte dafür schon vernichten. Heute kamen die Leute an alles dran. Es gab digitale Schlüssel, die jedes Siegel knackten, manche Leute hatten sich auch eine so glatte Oberfläche antrainiert, daß die unter geschlossenen Türen durchgleiten konnten, und da gab es noch ungezählte andere Möglichkeiten. Schlott kannte sie alle wie seine Westentasche. So war er eben. Er goß den Sprengstoff über die Weinkellerei und ging mit seinem Auto raus. Draußen angekommen pfiff er die -1 3 3 -
Nationalhymne der USA und das Büro flog in seine Bestandteile auseinander. Schlott fuhr nach Hause, denn er hatte Grund dazu. Zuhause schaltete er den Fernseher ein. Es war 16.55. Gleich kam "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger". Er würde die Sendung aufnehmen und einer kriminalistischen Untersuchung unterziehen. Fingerabdrücke, Fußspuren; der ganz Routinequatsch. "Scheiße! Keine Videokassette mehr daheim. Was mache ich denn bloß?" Benno Schlott hatte nichts mehr, um was aufzunehmen und die Kassette mit der großen Lachparade der Volksmusik wollte er auf gar keinen Fall löschen. Glücklicherweise klingelte gerade ein Vertreter an der Tür und verkaufte dem Kommissar zwei Leerkassetten für VHS, die er neben Schuhcreme und Scheuerbürsten zufällig noch ganz unten in seinem Bauchladen hatte. Der Greifer hatte sein Glück immer zur rechten Zeit. Eine feine Sache! Locker schaltete er nun den Recorder ein, und die Sendung, die gerade anfing, wurde aufgezeichnet. Nun klingelte das Telefon. Beruhigt konnte der Kommissar drangehen, die Sendung konnte er auch später noch betrachten. "Hallo, hier spricht die Wohnung von Herrn Benno Schlott." Es war der Innenminister, der sich darüber beschwerte, daß Simplicius Grohm unter den Augen der esoterischen Spezialeinheit ermordet worden war. Das mit dem gesprengten Tatort hatte er auch schon irgendwie spitzgekriegt und es gefiel ihm gar nicht. "Was haben sie zu ihrer Rechtfertigung vorzubringen?" schimpfte der hohe Minister ins Telefon. Schlott antwortete: "Ich bin ein alter Fuchs, der älteste, den man sich vorstellen kann, und immer unkonventionell. Sie -1 3 4 -
halten sich da besser raus, denn von Polizei haben sie keine Ahnung, sie politikverseuchter Pankrealist! Außerdem streiche ich ihnen sonst ihre Wahlkampfunterstützung." Der Innenminister war kleinlaut geworden und schickte zur Beschwichtigung gleich den Bundespräsidenten mit ein paar Bundesverdienstkreuzen beim Kommissar vorbei, der machte die Tür aber gar nicht erst auf. "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger" war zu Ende. Schlott spulte den Videorecorder zurück und sah sich das alles an. Da war die kleine Annika mit ihrem Kätzchen HeMan Johnson, das von einem Autofahrer am Fuß beschädigt worden war. Der Tierarzt sollte die Katze zusammenflicken. Annika hatte ihr Sparschwein dabei, es war rosa und enthielt drei Mark fuffzig, das Taschengeld von Annika aus den letzten sechs Jahren. Sie war wohl arm und ihre Eltern wohnten im Plattenbau, was den Sinn hatte, die Tränendrüse des Zuschauers zu erregen. Benno Schlotts Tränendrüse blieb kalt wie ein Fisch. Niemand wußte, ob er überhaupt eine hatte. Der Tierarzt, der hatte schon die Praxis in einer tollen Villa. Es war sehr lächerlich von Annika zu denken, so ein Arzt wie Sebastian Merthensberger, der sogar im Fernsehen gezeigt wird, gäbe sich mit drei fünfzig zufrieden. Schlott war sauer über die Dummheit dieser Annika und knallte vor Wut einen Pantoffel von sich gegen den Bildschirm. Danach ging es besser, er machte auch transzendentale Meditation, sonst hätte er sich wohl nicht mehr halten können. Merthensberger reparierte aber die Katze dann sogar ganz umsonst, nahm nicht mal das schöne, wenige Geld von der dummen Göre. "Hey, Mann, wenn du so weitermachst, dann ist's bald aus mit der schönen Villa!" rief Schlott und zeigte dem Fernseharzt den Effenberg und noch einen Vogel hinterher. Aber dann kam ihm -1 3 5 -
der Gedanke, daß der Arzt das sicher nur gemacht hatte, weil Filmkameras dabeigewesen waren, zur eigenen Werbereklame. Doch ganz schön clever, dieser Kerl. Schon fünf Minuten rum und noch immer kein Hinweis auf den Mörder, dafür aber Werbeunterbrechung. Der Kommissar hätte sich geärgert, hätte er die Serie nicht gut gefunden. War alles sehr lebensnah gestaltet und sowas. Der Tierarzt hatte sogar, wie alle Tierärzte eben, einen eigenen Hubschrauber, ganz in weiß und vorne mit seinen goldenen Initialen drauf, mit dem er schnell überall hinfliegen konnte, wenn Tiere in Not waren und falsch gegessen hatten. Schlott wollte auch einen Hubschrauber haben. Am Schluß wurde es dramatisch. Die kleine Annika vom Anfang wurde von ihrem bösen Stiefvater immer schwer vermöbelt für Sachen, wo niemand was für konnte. "Ha, die würde ich auch vermöbeln, so wie die sich anzieht. Liegt voll neben dem Trend, die Kleidung von der! Liest die denn gar keine Magazine über neue Sommermode?" Schlott hatte Mitgefühl mit dem Stiefvater. Der trug auch wenigstens eine modische Tätowierung am Arm und trank ständig gutes Bier. Merthensberger konnte das mit dem Prügeln nicht mit ansehen, obwohl er doch Tierarzt war und für Menschen gar nicht zuständig. Eigentlich mußte dem das scheißegal sein. War es aber nicht. Er griff ein und kam mit Arztkittel und Stethoskop in den Plattenbau, um Annika zu retten. Den Hubschrauber hatte er auch gleich dabei. Was für ein Käse. Der Mann sollte sich um Tiere kümmern, statt auf offener Mattscheibe, für jeden sichtbar seine Kompetenzen zu überschreiten. Aber die Serie war spannend. An der Stelle mit Merthensberger im Plattenbau brach die Handlung dann abrupt ab und eine volltönige Stimme kündigte an, daß es am nächsten Tag weiterginge und man sehen könnte, -1 3 6 -
wie Merthensberger die Annika rettet und ob überhaupt. Benno Schlott war süchtig geworden. Er merkte es sofort, als er schon dem nächsten Tag entgegenfieberte. Er war sich sicher, daß Merthensberger da nicht lebend rauskam, auch mit dem Hubschrauber nicht und daß man Annika sowieso abschreiben konnte und ihre doofe Katze schon mal erst recht. Nur wo war der Hinweis auf den Mörder? Hatte es etwas mit dem Doktor zu tun? Oder mit Annika? Vielleicht mit Annikas tablettensüchtiger Mutter, die sich dauernd mit Valium betrank, oder mit dem rosa Sparschwein? Oder mit ihrem sympathischen Vater? Rätsel über Rätsel, die sich nicht lösen wollten. Aber die Serie war gut. Schlott setzte einen Grünfilter vor die Mattscheibe und betrachtete sich alles noch einmal genau von Anfang bis Ende. Wenigstens Annikas Kleid wirkte mit Grünfilter um einiges geschmackvoller. Aber sonst... Nichts verdächtiges war zu sehen. Schlott konnte sich nicht vorstellen, daß die einzige Parallele zu der Serie darin bestand, daß der Mörder selber eine Serie machen wollte, aber keine Kamera bekam und deshalb sich für eine Mordserie entschied. Das war zwar die, sicherlich auch zutreffende, psychologische Standardbegründung, aber wenn es nur das gewesen wäre, dann hätte es jede andere Serie auch getan. Aber was war das Besondere an dieser Serie? Wo zum Teufel war der Schlüssel dafür, wie die Opfer des Colamörders nach dem Niederschlagen abtransportiert wurden? Benno Schlott nahm Fingerabdrücke von der Mattscheibe ab, aber auch sie waren weniger als ein Indiz. Noch einmal sah er sich alles an, diesmal durch einen Gelbfilter. Die Dialoge kannte er schon auswendig, weil er sich als Polizist immer schnell alles merken mußte. Er sprach die ganze Sendung mit: "Ooch, Annika, dein armes Kätzchen hat aber eine sehr wehe aua - aua - Pfote. Wie heißt es denn? Ah, HeMan - Johnson. Ja dann wollen wir deinem HeMan - Johnson mal einen schööönen Verband anlegen, nicht wahr, kleine Annika?" -1 3 7 -
Und so ging das weiter. Auch die Werbeunterbrechung kannte Schlott auswendig: "Ich bin ein Mann, der alles will und der sein Auto liebt und pflegt. Meinem Auto gebe ich nur den besten Kraftstoff. Aber auch bei meinem kleinen Sohn Benjamin mache ich keine Kompromisse. Ich sagte zu meiner Frau 'Frau, wenn unser Auto nicht irgendeinen Kraftstoff bekommt, warum soll unser Kind dann nicht irgendeine Babynahrung bekommen? Gib ihm doch mal MALUMA - Babynahrung, denn die ist am billigsten. Was wir da einsparen, das können wir dann wieder für den Wagen ausgeben.' Ja, MALUMA - Babynahrung. Billig, wirtschaftlich, aber auch nicht viel schlechter als andere Babynahrung. MALUMA. Wenn für das Auto noch was bleiben soll." Die Werbung für die Mighty - Power - Galax Astromannfiguren, dene n man die Arme verbiegen und ausreißen konnte, sprach der Kommissar nicht mit, die war einfach zu bescheuert. Dafür aber die nächste wieder. Aber es half alles nichts, Benno Schlott fand keinen Hinweis, der versteckt war. Dafür beschloß er wenigstens, sich auch einen schicken, weißen Hubschrauber anzuschaffen, einen wie der Doktor ihn fuhr, denn der fehlte dem Greifer noch. Halt! Hubschrauber... "Ja natürlich! Der Mörder verfrachtet seine Opfer in einen Hubschrauber. Deshalb hat man ihn auch nicht mit Grohm im Sack aus dem Hotel kommen sehen. Es muß natürlich ein sehr leiser Hubschrauber sein, den man nicht hört und der tarnfarben gestrichen ist, damit man ihn auch nicht sehen kann. Aber das ist die einzige Lösung. Der Mörder ist eine männerhassende Frau mit starken Armen, einem Serienfimmel, Verwandten auf dem Land und Pilotenschein. Die muß doch zu finden sein!" Schlott sprach laut im Haus, obwohl niemand ihn hören konnte, denn Milupa war für zwei Tage auf einer Tagung in Wuppertal, die Putzfrau war schon weg und der Hausdiener im Sommerurlaub. -1 3 8 -
Er war ganz alleine im Haus, aber er fürchtete sich nicht. Warum auch, denn das war sein Haus und er war Benno Schlott und jeder weiß, daß Benno Schlott der Kommissar ist, der alles weiß und gute Fälle macht. "Ich habe keine Angst, wenn ich alleine bin. Ich bedenke, was passieren kann, nämlich daß jemand mit einem Hubschrauber auf meinem Hausdach landet, durch die Dachluke mit dem kostbaren Jugendstilfenster einsteigt, ohne sich zu scheuen, es zu zerschlagen, und dann versucht, mich zu betäuben und dem gleichen Tod zuzuführen, wie alle anderen Opfer. Dieser Jemand wird der Colamörder sein und das alles wird passieren. Und zwar in... in zehn Minuten. Es steht in meiner Kristallkugel, die auf dem Couchtisch ist." Benno Schlott berichtete das laut, denn er hatte im ganzen Haus Überwachungskameras und Tonbandanlagen zur Sicherheit. Auch auf allen Klos und in der Kloschüssel der Gästetoilette. Sein Kühlschrank war sogar radarkontrolliert. Benno Schlott fürchtete sich zwar nicht vor Einbrechern, er hatte aber trotzdem Angst vor ihnen. Da er einen sechsten Sinn und eine Kristallkugel besaß, wußte Benno Schlott, daß er nur eine Möglichkeit hatte, um zu überleben: Er mußte vorher das Haus verlassen. Seelenruhig ging er nach drauß en, schloß das Türschloß ab, damit niemand rein konnte, und spazierte zu Edding Prinzenrolle, der mit seiner Familie ganz in der Nähe wohnte. Den Dackel Minuto nahm er dabei aus Sicherheitsgründen mit. "Hallo Ben, das ist aber eine Überraschung am Abend!" rief Melitta Prinzenrolle, die eine Frau von Edding aus, als sie dem Kommissar und dem Hund vom Kommissar öffnete. Edding Prinzenrolle hatte noch drei andere Frauen, denn er war Mormone. Kein strenggläubiger allerdings, ihm war nur wichtig, daß er vier Frauen haben konnte. -1 3 9 -
"Hallo Melitta. Ich mußte vorbeikommen, denn gerade jetzt wird jemand zu Hause versuchen, mich zu ermorden und dabei auch das schöne Jugendstilfenster von der Dachluke zerstören." Melitta Prinzenrolle war entsetzt. Sie riß die Augen auf und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen, denn sie war voll hysterisch und veranstaltete schnell solchen Zirkus. Dann stammelte sie: "Mein Gott... Wer... wer macht denn sowas! Nein, ich glaub's einfach nicht! Das schöne, teure Jugendstilfenster!" Edding kam nun auch aus dem mit weißem Marmor ausgekleideten großen Salon, in dem ein behagliches Kaminfeuer prasselte. An den Wänden waren Kühlfächer aus Edelstahl angebracht. Er trug eine Lederschürze und war voll mit Marmorstaub. Daran erkannte Benno Schlott, daß sein Freund wieder seiner großen Leidenschaft frönte, der Bildhauerei. Er begrüßte den Greifer herzlich, bat ihn herein und ehe beide sich's versahen, saßen sie in den ledernen Ohrensesseln am Kamin und tranken jeder einen Rembrand. Rembrand war der edelste und teuerste niederländische Weinbrand. "Das Bild über dem Kamin ist übrigens ein echter Rembrandt, Ben." sagte Prinzenrolle, weil sich die beiden Kriminalisten in ihrer Freizeit dauernd über Kunst und so unterhielten. "Ich weiß, Ed. Meine Mutter hat ihn dir zum sechsten Geburtstag geschenkt. Es ist sogar ein Originalautogramm von Stevie Wonder drauf. Deshalb ist das Bild ja so wertvoll." "Ja, genau. Ich war damals enttäuscht gewesen, weil ich hatte mir eine Wasserpfeife und ein paar Gramm roten Libanesen gewünscht." Nun waren die beiden bei Jugenderinnerungen angelangt. "Willst du mal meine neue Plastik sehen, Ben?" fragte Edding, um wieder zur Kunst zurückzukommen. "Ja gerne. Aber wieso Plastik? Ich dachte immer, du -1 4 0 -
meißeltest in Marmor." Edding Prinzenrolle war überführt. Er mußte dem Kommissar recht geben, denn natürlich war es Marmor. Trotzdem meinte er, es hieße "Plastik", weil das sei so eine Redensart. "Also hier. Das ist es. Es zeigt eine zirrhotische Leber, die ich aus dem Körper des verstorbenen Rotterdamer Kampftrinkers Cees zu Trinken herausseziert habe." Edding Prinzenrolles Werke wären auf dem internationalen Kunstmarkt sicher erfolgreicher gewesen, wenn er nicht ausschließlich Motive seines beruflichen Umfeldes zum Vorbild genommen hätte. In den Kühlfächern an der Wand lagen immer ein paar Leichen, die Prinzenrolle als Modelle benutzte. Er hielt sehr viel von Heimarbeit. Benno Schlott bewunderte das sehr detailgetreue Werk, das vor ihm auf dem Tisch lag ausgiebig und ging nach Hause zurück, weil die Gefahr jetzt vorbei war, wie ihm der sechste Sinn sagte. Zu Hause schlief er sich erstmal aus bis am Morgen der Wecker zum Aufstehen krähte.
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Kapitel 14 Der Kommissar macht Kaffeesatz und schaut in einem Laden vorbei Im Büro des anderen Morgens schien Sonnenlicht zum Fenster herein. Draußen war der Hochsommer in vollem Gange und die Menschen auf den Straßen schwitzten sich nur so über den sengenden Asphalt hinweg. Bei dieser Hitze konnten die Leute schon mal durchknallen und Morde begehen, da konnte man Verständnis für haben, weil die Gehirne kochten. Gertrud, der Assistent von Benno Schlott war in das Büro des Kommissars beordert worden, um ihm Cocktails zu mixen. Der Fall war schwer und Benno Schlott kam nicht richtig voran, was auch an der Hitze lag. Der Fall Simplicius Grohm war noch voller Fragezeichen, auch wenn der Abtransport der Leiche nun geklärt zu sein schien. Warum zum Beispiel war er innerhalb eines Gebäudes niedergeschlagen worden? Warum mußte es ein so schwerer Mann sein, ausgerechnet? Grohm hatte eine Frau als Angehörige. Die bestellte Schlott sich zum Verhör für 12 Uhr. Sie hieß Frosta Grohm und wartete schon im Vorzimmer, obgleich es erst 11.30 Uhr war. Der Kommissar befahl Toyota Ehemann durch die Sprechanlage, Frosta Grohm schon mal hereinzubitten. Sie betrat den Raum von draußen aus durch die geschlossene Tür, die sie dafür aufmachen mußte. "Guten Tag, Frau Frosta Grohm." sagte der Greifer, der gerade einen Bleistift so in der Hand hielt, daß er aussah, als wäre er eine durchgeladene Schrotflinte. Ein Trick, den nur Schlott beherrschte. "Guten Tag, Herr Polizeipräsident. Ich möchte gleich sagen, daß ich gegen sie Klage bei Gericht eingelegt habe, weil ihre Spezialeinheit ihrer Aufpasserpflicht nicht gerecht geworden ist -1 4 2 -
und mein Mann jetzt tot ist deshalb." Leute, die dem Greifer so kamen, konnte er schon mal gar nicht ab. Statt ihm zu danken, daß er dafür sorgte, daß die Welt so schön und bunt war, wie sie nun einmal war, mußten sie wegen irgendwelchen Ausnahmefällen, die vielleicht ein wenig dumm gelaufen waren, gleich einen Riesenaufstand inszenieren. Frosta Grohm konnte eigentlich glücklich sein, weil sie nun in der günstigen Situation als Alleinerbin war. Schlott machte sie darauf aufmerksam. Und auch darauf, daß Frau Grohm gefälligst seine Fragen zu beantworten hatte, statt sich zu beschweren und daß Alleinerbinnen generell schon mal verdächtig waren. "Also, Frau Grohm, was haben sie gestern zu mittag gegessen?" "Ein Diätpulver aus der Tüte, damit ich so schlank werde, wie Volker Kohl, der Hollywoodstar, in dieser Werbung." "Das gleiche Diätpulver, das ihr Mann auch genommen hat?" "Ja." "In welcher Geschmacksrichtung bewegte sich besagtes Pulver?" "Rindfleischgeschmack. Das ist recht lecker. Wird einfach in Milch eingerühr t und getrunken. Sehr angenehm bei dieser Hitze, etwas zu trinken." "Ja, sehr angenehm. Aber sie sollten weniger Fleisch trinken, das macht nur aggressiv. Die Gerichtsmedizin hat in einem Supermarkt verschiedene Flaschen sichergestellt, in denen ihr Mann abgefüllt sein könnte. Ich werde kurz anrufen und fragen, ob man in einer Flasche Rückstände von Diätpulver und Milch gefunden hat. Ansonsten muß ich sie leider bitten, von den Flaschen zu kosten, um ihren Mann zu identifizieren." Benno Schlott griff zum Te lefon und wählte eine Nummer ein. -1 4 3 -
"Hallo, Gerichtsmedizin? Verbinden sie mich bitte mit Herrn Edding Prinzenrolle... Ach so, ist in der Universität. Ja, okay, der Stellvertreter tut es wohl auch. Ja, hallo, Herr Doktor Klärschlamm. Sind in den Colaflaschen, die im Getränkekasten neben dem Seziertisch stehen, Reste von Diätpulver gefunden worden? Die Ergebnisse müßten auf dem Klemmbrett, das neben ihrem forensischen Telefon liegt, stehen. Ja? Sind gefunden worden? Prima. Ja, der Kasten neben dem Seziertisch. Nein, der stammt nicht mehr von meinem Dienstjubiläum. Den haben sie ganz leer getrunken wegen der Hitze? Ihr Pech, das ist nicht mein Problem, Herr Klärschlamm. Aber machen sie sich nichts daraus, die Brühe in den Flaschen ist sehr proteinreich. Ich sage auf Wiederhören." Benno Schlott tat den Telefonhörer aufs Telefon drauf und schüttelte sich den Kopf darüber, wie der dumme Mann die Menschencola getrunken hatte, weil er Durst hatte. Leichen aß man doch auch nicht auf, wenn man durstig war. Aber Doktor Sigbert Klärschlamm war eben kein großes Licht und da konnte das schon passieren. "Ja, Frau Grohm, ihr Mann ist anscheinend wieder aufgetaucht. Ich habe noch ein paar Fragen: Sehen sie in Flaschen und in Brat- und Bockwürsten ein Symbol von Männlichkeit und Sexualität, die sie für verabscheuungswürdig halten?" "Was ist den das für ein Quatsch? Wer erzählt ihnen denn so einen Käse?" "Danke, ich notiere es." Diesen Satz hatte Benno Schlott sich neu angeeignet, weil er gemerkt hatte, daß dann die Leute immer dachten, sie hätten etwas falsches gesagt, weil sie wußten ja nicht, daß der Kommissar so weit vorausdachte, auch Unnötiges und Unverdächtiges zu notieren. "Weiter. Bitte krempeln sie ihre Bluse hoch, ich werde mit einem Maßband ihre Armmuskulatur durchmessen." -1 4 4 -
Frau Grohm half kein Wundern über diese ungewöhnliche Bitte, weil der Kommissar ihr mit Beugehaft drohte, wenn sie nicht tat, was er für ermittlungsnotwendig hielt. "Mißstand! Ihre Armmuskulatur ist unterdurchschnittlich labberig. Ich werde mir auch das notieren. Eine letzte Frage: Wie finden sie die großartige TV-Serie 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger'?" "Total Scheiße. Sehr unglaubwürdig insgesamt." antwortete Frosta Grohm. Der Kommissar notierte es und kündigte an, alles für eine Fall - Stufenauswertung auf tabellarischer Diagrammebene in seine vernetzte Computeranlage einspeisen zu lassen. Dann entließ er die frischgebackene Witwe eines Millionenerbes. Sie kam als Mörderin nicht infrage, es sei denn, sie hatte geblufft bei der Befragung und falsche Antworten gegeben, was man bei den heutigen Leuten als mißtrauischer Supergreifer immer vermuten mußte. Vielleicht hatte sie auch ihre Armmuskulatur gefälscht. Es war immerhin möglich. Das schoß Benno Schlott so durch den Kopf. Schnell rief er die Knüppeltruppe an und befahl, Frosta Grohm am Präsidiumsausgang abzufangen und in Vorsorgehaft zu nehmen. Der Kommissar war deshalb so gut, weil er immer alle möglichen Situationen in Gedanken durchspielte und dann gegen sie vorsorgte. Aber das war natürlich nicht der einzige Grund für die gute Qualität des Kommissars, darüber könnte man bekanntermaßen ganze Bücher schreiben, und es gibt sicher Leute, die das mal tun werden. Der Kommissar hat es verdient. Benno Schlott hatte eine neue, großartige Idee bekommen, er beschloß, in seinem Kaffeesatz nachzuschauen, wer das nächste Opfer sein sollte, dann würde er den Mord verhindern und den Täter schnappen. Leider konnte man nicht immer im Kaffeesatz lesen, wer wann ermordet werden würde, das hätte die Ermittlungen sehr erleichtert. Es ging nur an diesem Tag, weil -1 4 5 -
da weit oben im Himmel eine seltene Sternenkonjunktion stattfand, aber nur zwei Minuten lang am Mittag von 13.3713.39 Uhr. In dieser Zeit konnte man auch zukünftige Morde aus dem Kaffeesatz lesen. Gleich war es soweit. Benno Schlott nahm seinen mit goldenen Sternen auf blauem Grund verzierten Kaffeefilter aus dem esoterischen Tatortkoffer, den Kaffee (Ballmayr, entkoffeiniert), eine geweihte Filtertüte der Wahrheit und den Wasserkessel der Gepriesenen Chinesischen Weltweisheit, den er mit Wasser füllte. Dann wurde Kaffee gekocht, was das Zeug hielt. Der Kaffeesatz wurde beiseite gestellt und Benno Schlott nahm ein paar Plätzchen aus seiner esoterischen Keksdose, süßte sich den Kaffee mit seinem esoterischen Zauberzucker und trank ein paar dampfende Tassen leckeren Kaffees, obwohl der Tag abscheulich heiß war und der Greifer am ganzen Körper ein krebsrotes Gesicht bekam. Die Plätzchen, Bierplätzchen, die seine Frau gemacht hatte, aß er dazu und sie waren lecker. Nun kam aber gleich die Sternenkonjunktion zum Einsatz. Benno Schlott nahm den Filter mit dem Kaffeesatz, sah auf die Uhr und erschrak, weil sie schon 13.40 war. Da half nur noch eins: Der Kommissar würde rückwärts durch die Zeit gehen. Das funktionierte nur, wenn man schneller wurde als das Licht. Das war aber einfach und auch gar nicht schwer: Man stelle sich als Gedankenmodell einen Sprinter vor, der als einziger zum Wettkampf erscheint. Er wird keine Probleme haben, der Schnellste zu sein, weil ja niemand sonst da ist. Benno Schlott mußte also nur das Licht aus dem Raum vertreiben, indem er ihn abdunkelte und schon würde er schneller sein als das Licht, weil das Licht ja gar nicht mehr da war. Der Kommissar verfuhr wie eben beschrieben und rannte dann zehn Runden durch sein Büro. Dann machte er es wieder hell und sah auf die Uhr. Es war genau 13.33 Uhr. Nun nahm er den Kaffeesatz wieder zur Hand und versenkte sich bis 13.37 Uhr daherein. Er sah Meditationsschleier vor -1 4 6 -
seinen Augen. Die Schleier verzogen sich und ganz klar erschienen Gesicht und Name des zukünftigen Opfers im Kaffeesatz: Ausgerechnet Blondine Vierkantlöffel, die Tochter von der Mutter, mit der Benno Schlott mal sexuell geworden war und die er aus Treue zu seiner Frau nicht mehr wiedersehen wollte. Doch diesen Mord mußte der Kommissar auf jeden Fall verhindern, weil er persönlich am Schicksal der Familie Vierkantlöffel teilhatte. Immerhin hatte er sogar seinen Wagen schon in ihrer Küche geparkt und Blondine Vierkantlöffel hatte es schon schwer genug, weil sie einen geschiedenen Vater hatte, der nur immer Motorrad fahren wollte und Maschinenöl für erotisch hielt. Benno Schlott fand Maschinenöl auch erotisch und wäre gerne Motorrad gefahren, er hatte aber keine Zeit dazu. Jedenfalls jetzt gerade nicht. Außerdem war er ja im Büro und im Büro konnte man kein Motorrad fahren, weil das albern war und von drüben die ktU zugucken konnte. Der Mord sollte am nächsten Tag um 18.00 Uhr passieren, im Garten der Familie, wo die Tochter mit vielen Freundinnen und Freunden ihren 15. Geburtstag nachfeierte, den sie acht Monate vorher gehabt hatte. Nach bewährter Manier würde das vor sich gehen: Ein tarnfarbiger Hubschrauber würde lautlos landen, ihm würde die Mörderin mit den trainierten Armen entsteigen, sie würde ihr Opfer mit der Rübe besinnungslos kloppen, es in einen Sack stecken, mit dem Hubschrauber verschwinden und dabei ein Gas verströmen, das macht, daß alle Leute vergessen, daß sie überhaupt einen Hubschrauber gesehen hatten. So ein Gas mußte es geben, hatte der Greifer kombiniert, denn sonst wäre sicher jemandem aufgefallen, daß die Mörderin in einem Hubschrauber davonbrauste. Der Typ des aufmerksamen Bürgers lag ja diesen Sommer wieder im Trend. Schlott konnte so einen Hals bekommen, wenn er daran dachte, daß die Mörderin so einen Zirkus für nötig hielt, um ihren Männer- und Frauenhaß sowie ihren anormalen Serienfimmel auszutoben. Andere Leute gingen wegen sowas -1 4 7 -
zum Psychologen und ließen sich ihr Gehirn reparieren. Solche Mordaktionen kosteten Steuergelder und ein Vermögen obendrein. Aber man konnte nix machen, der Kommissar lebte von solchen Leuten und das gar nicht schlecht, deshalb war er auch nicht böse drum. Schlott fuhr zu dem Haus, informierte Ariola und Blondine Vierkantlöffel über den geplanten Mord, wies sie aber an, sich so zu verhalten, als wie wenn gar nichts wäre. Dann legte er einen Schutzschleier über das Haus, der aus feinem Kupferdraht bestand und Böses abwehrte. Außerdem verfluchte Benno Schlott das gesamte Grundstück derart, daß bis zum nächsten Tag kein Hubschrauber darauf landen konnte. Diese Maßnahmen machten den Personenschutz überflüssig, den ein normaler Kommissar wohl angeordnet hätte. Benno Schlott betrieb noch Sexualität mit Ariola Vierkantlöffel, da es über ihn kam, und er jetzt besonders gut denken mußte. Das konnte er nur mit Sex. Deshalb hatte er diesmal auch kein schlechtes Gewissen um seine Frau. Mit der Tochter machte er auch noch ein paar Liebesspiele, mit denen sie einverstanden war, weil der Kommissar auch noch so irre jung wirkte, aber die waren bloß so mit dem Mund, wegen der Minderjährigkeit von der Tochter der Mutter und weil das ein Buch ist, in dem keine Kinderpornos vorkommen sollen, ausnahmsweise. Im nächsten wieder; versprochen. Nun konnte der Kommissar beruhigt noch andere wichtige Dinge vorbereiten. Er plante nämlich eine Falle für die Mörderin, die garantiert nicht mit einer Sternenkonjunktion rechnete, die es möglich machte, ihre Pläne einzusehen. Von dieser Konjunktion wußten auch nur die allereingeschworensten Esoteriker und das waren neben Benno Schlott nur noch vier Leute auf der ganzen Welt, nämlich Sanella Drahtkuchen, Rowenta Biberkurbel, Napoleon Quallenzüchter und Mortimer Schildkrötentöter; eben der magische Zirkel des Kommissars Schlott. -1 4 8 -
Alles sollte so aussehen, als ginge der Plan der Colamörderin in Erfüllung. Die Party würde da sein, der Hubschrauber würde wieder landen können, Blondine Vierkantlöffel würde da sein und alles wäre vielversprechend. Aber dann würde Benno Schlott aus der großen Papptorte auf dem Rasen herausschnellen und schon würden die Handschellen einschnappen an den Gliedmaßen von der Mörderin. Schlott benachrichtigte zuerst einmal die Presse. Alle Fernsehsender und alle Zeitungen, denn jeder sollte sehen, wie der Kommissar wieder jemanden fängt, den alle Welt hinter Gittern sehen will. Dann ließ Benno Schlott Plakate aushängen, wo angekündigt war, wann, wo und wie der Greifer die Colamörderin stellen würde, damit auch das einfache Volk an diesem historischen Moment teilhaben konnte. Alle wollten das sehen, der Andrang war groß. Der Kommissar ließ das Haus mit Bauzäunen ummauern und stellte Gertrud draußen auf, der von jedem fünf Mark Eintritt kassierte, die in die Kaffeekasse der Polizei kommen würden, damit Benno Schlott sich auch weiterhin den teuren Kaffee leisten konnte, den er sich vom Tchibo - Kaffeexperten, extra auf seinen Hauttyp abgestimmt, zusammenstellen ließ. Nun fuhr Schlott in dem schnellen Wagen, den er sein Eigen nannte, weil er sein Eigen war, zu einem Hubschrauberladen. Hier entdeckte er etwas Interessantes. Er kaufte sich einen Falthubschrauber, der sich aus einem Aktenkoffer mit ein paar Handgriffen ganz von selbst zusammenbaute und der für zwei Insassen gut war. Sehr praktisch bei mobilen Ermittlungen. Wenn man da mal hochfliegen wollte, dann war gleich der Koffer da, den man in einen Hubschrauber verwandelte und danach wieder zurück, daß keiner was merkte. Das Interessante war aber, was der Hubschrauberhändler, ein schicker Mann in einer jungen Lederkluft, dem kniffeligen Kommissar Benno Schlott erzählte: "Und dort ist unser -1 4 9 -
Weinbauernhubschrauber. Unten hat er eine Gasdüse, mit der man über Weinberge fliegen und Antischädlingsgas ausstoßen kann, außerdem ist ein topmoderner 'Esafix 380' - Entsafter an Bord eingebaut, für die Trauben, und der Motor ist sehr leise, weil von normalem Hubschrauberlärm die Weintrauben natürlich zerplatzen. Und er ist himmelblau angestrichen, daß man ihn von unten gar nicht sehen kann. Könnte man ihn nämlich sehen, würden sich die empfindlichen Trauben, hierbei selbstverständlich vor allem die Hochgewächse, erschrecken und ihr Saft würde zu einer Art Glibber, fast so wie Schweinskopfsülze, kondensieren." Benno Schlotts Kombination hatte wieder einmal Recht gehabt. Alles war so, wie er es sich vorgestellt hatte. Nur damit, daß der Entsafter schon ins Flugzeug eingebaut war, hatte er nicht gerechnet. Ganz klar, daß es da nichts half, die Kunden der Entsafterfirma zu kennen; man mußte die Kunden kennen, die solche Weinbauernhubschrauber zu kaufen pflegten. "Ich gebe an sie die polizeiliche Sofortaufforderung, alle Kunden dieses Hubschraubers namentlich bekanntzugeben und zwar mir selbst und unter der Stufe höchster Geheimniseinhaltung. Danke." Der Kommissar bekam die Liste der Damen und Herren Kunden sehr schnell und steckte sie in die modische Tasche seines goldenen Seidenponchos, den er über dem brennesselgrün gefärbten Jutemantel trug, der in dieser Saison einfach ein modisches Muß war. Er wollte sie gar nicht lesen, so Listen ließ er sich nur wegen der Routine geben. Anschließend schritt er gemessenen Schrittes mit dem erworbenen Hubschrauberkoffer aus dem Laden, wobei die naturbelassene Reisstrohhose geheimnisvoll knisterte. Mann, was das für einen Eindruck machte!
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Kapitel 15 Der Kommissar kocht Spargel und die Putzfrau ist krank Benno Schlott sah auf seine Uhr, die früher einmal Reinhold Meßner und Thor Heyerdahl gehört hatte. Es war eine Survivaluhr, wie sie nur geheime Marinesoldaten tragen durften. In Rußland jedenfalls. Und selbst die brauchten noch eine Sondergenehmigung dafür. An der Uhr waren ein Messer, eine Lupe, ein Reizgasfläschchen, eine Laubsäge, ein Zahnstocher, zwanzig Angelhaken, ein Spirituskocher, eine Pinzette, eine Puderdose und noch ein Messer mit Nagelfeile hinten dran. Alles zum Rausklappen. Daß sie digital getrieben wurde und eine Quarzanzeige besaß, wissen wir ja schon. Der Kommissar hatte Feierabend. Es war schon viertel vor fünf. Wieder hatte er Überstunden gemacht im Dienste der Allgemeinheit. Um vier war eigentlich Schluß mit Arbeit. Der Kommissar konnte sich die Überstunden nicht mal vergüten lassen, weil das müßte sein Vorgesetzter machen und der war der Polizeipräsident und der Polizeipräsident war er selber. Wenn er das trotzdem machen würde, dann käme er natürlich wegen dem Geruch der Vetternwirtschaft ins Gerede der Zeitungen, obwohl er gar nicht sein Vetter war. Das wollte er nun auch wieder nicht. Er wollte die Fans, die er hatte, nicht vor seinen Kopf stoßen. Von manchen Stars hörte man immer, daß sie waschkörbeweise Fanpost bekamen, aber Benno Schlott bekam nie Waschkörbe, sondern immer nur Briefe. Die meisten davon enthielten Geldbeträge, andere die Adressen junger Frauen und unanständige Angebote, meist mit beigelegter Unterwäsche untermauert. Die trug der Greifer dann gerne auf. Das Geld nahm er auch gerne an. Wer aber nur so schrieb, wegen der Adressen junger Frauen oder wegen Schweinskram, den er -1 5 1 -
loswerden wollte, der hatte schlechte Karten, weil der Greifer konnte Fanpost nicht ausstehen. Er ließ die Absender alle ausfahnden und verhaften wegen ruhestörender Briefe, damit die Gefängnisse im Lande auch nie leer wurden. Ein Anruf erreichte Benno Schlott in seinem Wagen. Just in dem Moment als er in die Grundschulklasse hineinraste, die gerade den Zebrastreifen blockierte, weil sie über die Straße wollte. Sowas! Die Straße war schließlich für die Autos da! Wer nicht hören wollte, der mußte halt fühlen; in diesem Falle Benno Schlotts Stoßstange, die mit 430 Sachen angeknilcht kam, mit dem ganzen restlichen Auto hinten dran. Der Anruf kam von Edding Prinzenrolle. Er war im Edy Kachelmann - Gedächtnispark. Benno Schlott trat abrupt auf die Bremse, so daß sich der Wagen quer in die stark befahrene Autobahneinfahrt stellte. Der Kommissar wollte in Ruhe telefonieren. Er brauchte bei seinen Geschwindigkeiten sonst nämlich immer höchstens zehn Sekunden, bis er am Ziel war und zehn Sekunden waren zu wenig zum Telefonieren. Schokoriegel konnte man da auch nicht gescheit bei essen, weshalb sie zu Dutzenden angebissen im Wagen umherflatterten. Der Edy - Kachelmann - Gedächtnispark umgab die große Edy - Kachelmann - Gedächtniskirche, in der der einbalsamierte Leichnam von Edy Kachelmann, dem größten Tambourinmusikentertainer aller Zeiten unter einem Rosenbaldachin aufgebahrt lag. Es war genau wie das Lenin Mausoleum, nur, daß mehr Touristen in die Edy - Kachelmann Gedächtniskirche kamen. Kein Wunder, Lenin hatte eben nie in der "Lustigen Edy - Kachelmann - Band" mitgespielt. Edding Prinzenrolle mußte im Park vor der Kirche telefonieren, weil Handies in Kirchen aus religiösen Gründen grundsätzlich nicht funktionieren. Man kann einfach keine brauchbaren Funksignale von dort ablassen, was wohl mit der architektonischen Konzipierung solcher Bauten und dem -1 5 2 -
Weihwasser zusammenhängt. Das ist übrigens auch der Grund, warum man niemals Sendemasten auf Kirchen drauf baut oder Fernsehanstalten in ihnen unterbringt. Prinzenrolle hatte für den Kommissar entsetzliche Neuigkeiten: Ein Verrückter hatte den einbalsamierten Leichnam von Edy Kachelmann gestohlen. Das allein wäre für die esoterische Spezialeinheit schon ein Grund gewesen, einzuschreiten. Doch es waren Indizien gefunden worden, die auf Schreckliches hindeuteten: "...und Ben, das Schlimmste ist: statt Edy Kachelmanns einbalsamierter Leiche liegt nun ein Zentner abgepackten Hackfleisches der Firma 'Hackfleischhof' unter dem Rosenbaldachin und ringsherum stehen 11 Flaschen Lola - Cola. Das ist genau die Menge, die ein normal großer Mensch wie Edy Kachelmann etwa hergeben dürfte, hat das Labor errechnet. Ben, du mußt jetzt sehr tapfer sein: Es sieht alles danach aus, als hätte man unseren Edy Kachelmann, den größten Sohn der Stadt Bad Salzfischbach nach dir selbst, zu Cola und Gehacktem verarbeitet. Das wäre in der Tat entsetzlicher als alle bisher geschehenen Morde zusammen!" Es war wirklich einfach unvorstellbar. Selbst das Wort "Mißstand" konnte die Tragik des Ganzen nur noch ungefähr umschreiben. Der Greifer wurde ganz blaß und zitterte. Er betrieb kurz transzendentale Meditation, um sich wieder zu fassen. Schlott war nicht die Sorte Mann, die keine Pietät kannte, außer im normalen Dienstalltag. Sofort versprach er, zum Tatort zu fahren. Ihm kam eine vage Idee. Er blickte in den Mondstein der Erkenntnis, den er immer in seinem esoterischen Tatortkoffer bei sich trug und seine Idee kristallisierte sich heraus und nahm, leise "Ommmm" brummend vor seinem spirituellen Auge Gestalt an: Der Colamörder, und es gab keinen Zweifel, daß der verrückte Täter der Colamörder war, arbeitete auf einen Höhepunkt hin. Er hatte sich immer gesteigert. Zuerst waren es leichte, kleine Menschen gewesen, dann wurden sie -1 5 3 -
schwerer und größer, wie beispielsweise der dicke Simplicius Grohm, der laut Laborschätzung mindestens zwei Zentner Fleisch und 23 Flaschen Cola abgegeben haben mußte, wieder etwas später dann sollten auch noch Leute sterben, die der Kommissar persönlich kannte und die dadurch mehr wert waren als andere, wie die Tochter seiner Liebesverhältnisfrau Ariola Vierkantlöffel morgen. Und nun hatte der Mörder, bzw. die Mörderin einen neuen Höhepunkt erreicht. Sie hatte ausgerechnet Edy Kachelmann entsaftet! Den Edy Kachelmann! Es war ganz logisch, daß ein weiterer Höhepunkt folgen würde. Es war auch ganz klar, wer das letzte Opfer der Colamörderin sein würde, denn über Edy Kachelmann stand eigentlich, mal abgesehen von Benno Schlott, der ja auch schon dauernd mit Mordanschlägen zu kämpfen hatte, nur noch der Papst. Und der war gerade auf Welttournee und kam in einem knappen Monat ins Bad Salzfischbacher Edy - Kachelmann - Fußballstadion, wo er eine neue Rede von sich zum besten geben wollte. Benno Schlott wollte Gas geben und sofort zur Edy Kachelmann - Gedächtniskirche fahren. Doch was war das? Da hatten sich hinter ihm in der Autobahnauffahrt dutzende von Autos aufgereiht, die blinkten und hupten und alles blockierten, daß niemand zurück konnte. War es ein Komplott gegen den Kommissar? Hatte sich die Mörderin etwas ganz Gemeines ausgedacht? Egal. Mit jedem konnte man das machen, aber nicht mit Benno Schlott! Er stieg aus, in der einen Hand seine Kalaschnikow - Dienstwaffe, in der anderen eine Schaufel, die er aus dem Kofferraum hatte. Gemütlich ging er an allen Autos vorbei und schoß jedem einzeln in die Reifen. Dann nahm er die Schaufel und haute die Karosserien kaputt, bis von den Autos nur noch zu vernachlässigende Reste übrig waren. Über die fuhr er dann drüber mit seinem Flitzer. Was jetzt noch im Weg war, räumte der ausgefahrene Rammsporn beiseite. Ungläubig sahen sich das die Besitzer der ehemaligen Autos an, schüttelten ihre Köpfe und standen am Straßenrand, denn sie waren nicht in den -1 5 4 -
Autos sitzengeblieben, weil sonst wären sie ja mit kaputt gegangen. Ratz - fatz war Schlott an der Kirche. Alle Streifenbeamten, die gerade nicht auf Fortbildungskursen gegen Verdummung im Dienst waren, standen hier und machten verstörte Gesichter. Edy Kachelmann zu entsaften war noch viel schlimmer, als sich beispielsweise Mutter Theresa auf den Kühlergrill zu nageln. Die Spurensicherung war auch da, unter dem Kommando von Benno Schlotts Freund Abraham Mogelpilz. Beide gaben sich nur kurz die Hand. In der Stimmung, irgendwas zu sagen waren sie nicht. Die Gerichtsmedizin war auch da mit ihrem mobilen Laborwagen, weil man heute überall gerüstet sein mußte. Edding trug seinen feschen weißen Kittel und ein Stethoskop um den Hals, nur um dem Klischee eines Mediziners gerecht zu werden. In der Brusttasche klemmten einige Stifte und ein Schild war aufgenäht, das sagte "Prof. Dr. med. E. Prinzenrolle; Arzt". Edding legte sein Klemmbrett aus der Hand, um Schlott per Handschlag zu begrüßen und sog an seinem Joint. Dann klopften sie sich gegenseitig auf die Schulter, um sich zu ermuntern von der Beklemmung, die sie empfanden. Zu allem Überfluß klingelte auch noch Benno Schlotts Handy und seine Frau sagte ihm bescheid, daß die Putzfrau krank geworden war. Das hieß, der Kommissar mußte morgen früh selber staubsaugen. Milupa sagte auch noch, daß jemand kommen würde am nächsten Tag, um das Jugendstilfenster im Dach zu ersetzen, das beim Mordanschlag auf den Greifer ums Leben gekommen war. Jemand mußte dabei sein und dieser Jemand würde sicher nicht Milupa sein. Mißlicherweise hatte der Hausdiener der Schlotts ausgerechnet morgen einen Termin bei der Ganztags - Pediküre und war deshalb unabkömmlich. Benno Schlott mußte, obwohl er doch morgen die Mörderin verhaften wollte, kostbare Zeit für ein schnödes Fenster erübrigen. So ein Mißstand! Es sah alles nach Streß aus. Streß zu Hause, Streß bei der Arbeit und morgen sollte er, wie gesagt, vor öffentlicher -1 5 5 -
Presse auch noch die Mörderin fangen und ein gutes Gesicht ins Fernsehen grinsen. Daß er da bloß nichts falsch machte! "Wie hat man Edy Kachelmann denn abtransportiert und wieder zurückgebracht? Weiß man das? Halt, ich werde mein Pendel befragen." Benno Schlott zog sein Kupferpendel aus dem esoterischen Tatortkoffer. Dabei fiel ihm ein Paar Tanzschuhe mit kleinen Schellen dran entgegen. Der Kommissar machte in seiner Freizeit Trachtentanz und hatte die Schuhe wohl in den fa lschen Koffer getan. In letzter Zeit hatte er viele Koffer dabei. Das Pendel kreiste in vorgegebenen Bahnen, die scharfen Luchsaugen des Greifers hefteten sich immer drauf. "Es ist ein Kirchendach zum Hochklappen in der Kirche. Es funktioniert mit einem Fernbedienungscode. Siebenstellig. 3..1..0..1..0..7..8. Den hat man eingegeben. Dann ist der Hubschrauber reingeflogen und hat sich Kachelmann geschnappt. Das ist leicht gewesen, weil gerade keine Touristensaison ist und da war dann niemand in der Kirche. So hat man ihn weggenommen und wieder zurückgebracht. Der Code ist, damit ihn der Pfarrer nicht vergißt, ins Altardeckchen gestickt." Alle hatten sich um Benno Schlott versammelt, der wie in Trance auf das Pendel gestarrt hatte. Das war was, wovon man noch seinen Enkeln erzählen konnte. Kaum jemand konnte mal das Glück erheischen, dabei zu sein, wenn der Kommissar ein esoterisches Wunder anwendete. Alles, was er aus den Pendelbewegungen erkannt hatte, entsprach nach bisherigem Erkenntnisstand der Wahrheit. Den Code für das Dach aber hatte man bisher noch gar nicht knacken können, weil niemand auf den Trichter mit dem Deckchen gekommen war. Man gab Benno Schlotts Nummer ein und das Dach klappte auf. Alle warfen mit Blumen nach dem Kommissar und applaudierten, als hätte er den Fall schon gelöst. Der Bundespräsident war auch da und schlich sich lautlos von hinten an, um dem Greifer heimlich -1 5 6 -
ein Bundesverdienstkreuz umzuhängen, aber der schlaue Fuchs roch den Braten und streckte den Staatsmann mit seiner Handkante einfach nieder. Er war nicht die Sorte Mann, der man mit Bundesverdienstkreuzen kommen konnte. Der Kommissar wurde fuchsteufelswild darüber. Sahen die denn alle nicht, daß er noch zu soviel mehr imstande war? Trauten sie ihm denn nicht mehr zu, als diese leichte Kindergartenübung, daß sie da so ein Theater drum machten? Benno Schlott ging durch die Reihen und schiß jeden kräftig an, der gejubelt hatte. Das würden die Kerle in Zukunft bleiben lassen! Der dicke Mann in der ersten Reihe, der besonders laut gejubelt hatte und eine Schürze trug, wo "Metzgerei Kantereit" draufstand, bekam von Schlott noch sein falsches Toupet vom Kopf gerissen und in den Boden eingetrampelt. Dann gab der Kommissar ihm zweitausend Mark für ein neues, weil er Achtung vor dem hatte, was sich gehörte und was nicht. Schlott ging in die Kirche und sah sich das Hackfleisch und die Colaflaschen an. "Edy Kachelmann war natürlich mit Formaldehyd einbalsamiert, das lese ich gerade in meinem magischen Sternenglas der Mystischen Abenddämmerung. Und was ist das hier für ein Mißstand! Warum ist niemand auf die Idee gekommen, daß dann der Inhalt der Flaschen, wenn es sich dabei tatsächlich um Edy Kachelmann handeln sollte, brennbar sein müßte? Na? Ich will euch das sagen. Weil diese Polizei, Abraha m Mogelpilz und Edding Prinzenrolle mal ausgenommen, ein Schlampenladen ist! Ich werde persönlich dafür sorgen, daß ihr alle, und ich betone, wirklich alle spätestens morgen früh in Klein Petersbrunn im Allgäu seid zur polizeilichen Nachschulung mit aller Härte und Unterkunft auf dem Bauernhof. Im Schweinestall! Edding und Abraham natürlich ausgenommen. So und nun werde ich mein Feuerzeug an den Inhalt der einen Flasche halten. Formaldehyd brennt doch. Nicht wahr, Edding?" -1 5 7 -
"Ja, aber nur wenn man es anzündet." bestätigte Prinzenrolle einschränkend. "Jawohl, ich werde es anzünden." Gebannten Auges sahen alle auf das Feuerzeug, das mit lodernder Flamme sein Werk verrichtete. Mit einem "Fopp!" entflammte sich der Inhalt am Flaschenaustritt. Alle hielten den Atem an, in einigen Augen glitzerten Tränen. Die letzten Hoffnungen, daß es vielleicht doch nicht Edy Kachelmann war, der da in Flaschen und Päckchen vor ihnen lag, waren dahin. "Das ist wohl der Beweis. Es ist Edy Kachelmann höchstpersönlich. Hat die Spurensicherung schon alles abgesucht?" "Ja." bestätigte Abraham Mogelpilz. Benno Schlott wurde krebsrot und zitterte vor Zorn. Dann schoß er das große schmiedeeiserne Kreuz so von der Decke, daß es sich mit der Spitze nach unten vor dem Schuh von Mogelpilz' Assis tenten Ägidius Folterkerze in den Marmorboden bohrte. "Und warum haben dann Herrn Folterkerzes Leute nicht entdeckt, daß der Mörder einen rosanen Ballettschuh in einer dunklen Ecke hinter dem Edy - Kachelmann - Gedenkaltar verloren hat? Na? Waaarummm??? Ich will euch sagen warum! Weil ihr inkompetent seid! Weil ihr ein ganz großer, mieser, stinkender Haufen Krevettenmatrosen seid, ihr alle! Ihr seid unfähig, durch eure Seele zu sehen, den Raum mit eurer Aura zu erfüllen und abzutasten! Ich habe es gleich beim Reinkommen erfaßt: Hier wird keine gute Energie ausgestrahlt, eure Schwingungen sind total Scheiße! Ganz golden hat sich meine Aura verfärbt! Ich schicke euch alle unverzüglich zu den Kölner Esoteriktagen und da werdet ihr Reiki, Wünschelrutengehen, Pendeln und Pyramidenheilkunde lernen, bis euch der Kram zu den Ohren wieder herauskommt. Zusätzlich zum Allgäu werdet ihr das machen!!!" -1 5 8 -
Der Kommissar hob den Ballettschuh auf und knallte ihn Ägidius Folterkerze so fest vor die Füße, daß er sich neben dem Kreuz in den Boden bohrte. Der Schuh natürlich. Nicht Ägidius Folterkerze. "Da drüben hängt das berühmte Triptychon 'Der heilige Johannes von Bernkastel mit drei Baumnymphen beim Bade'; gemalt vom Englischen Holzschnitzer Albertus Johnson. Ein sehr frühes Aq uarell aus dem 14. Jahrhundert. Es wird sie interessieren, daß auf dem rechten Innenflügel in der Teilszene 'Der heilige Johannes trocknet das Haar einer Baumnymphe mit seinem Odem' eine ganz ähnliche Szene zu sehen ist, wie sie sich hier abgespielt hat. Man sieht im Hintergrund deutlich den frisch verstorbenen Papst Aldi III. auf einem Magnolienbett. Darüber schwebt ein blauer Dämon, der den Papst kidnappen will. Er hält einen Fleischwolf in der Hand, der in der mittelalterlichen Symbolik bedeutet, daß jemand jemand anderen zu Hackfleisch verarbeiten will. Es hätte bloß jemand mal einen Bildband der mittelalterlichen Aquarellmalerei zur Hand nehmen müssen, um diesen Sachverhalt festzustellen. Ich verabschiede mich, auf Wiedersehen." Pikiert standen die Polizisten da und sahen zu, wie Benno Schlott die Tür verließ und mit dem Wagen davonbrauste. Einer faßte sich ein Herz und sah auf dem Triptychon nach. Es stimmte bis ins letzte Detail, was der Kommissar gesagt hatte. Der Atem blieb den Leuten sekundenlang in der Luftröhre stecken vor Ehrfurcht. Benno Schlott kam zu Hause an, wo sonderbarerweise nicht wie sonst das Abendessen auf ihn wartete, das Frau Fliegenfänger, die Köchin sonst bereitete. Er hatte Bock auf Spargel, der sollte angeblich potent machen. Sowas hatte mal in einer wissenschaftlichen Frauenzeitschrift gestanden. Benno Schlott war natürlich schon sehr potent und hatte überhaupt die größte und stärkste Rübe westlich des Äquators zwischen seinen Luxusbeinen, aber noch ein wenig mehr Potenz verschmähte er -1 5 9 -
dennoch nicht, klar. Milupa Schlott saß im großen Salon und war unter der großen Zeder, die im Kübel neben den Fernsehsofas stand, eingenickt. In der Hand hielt sie noch das Buch, das sie zuletzt gelesen hatte: "Bemerkungen zur Postbeförderung im präaugustinischen Rom in der Epoche von 143 - 20 v. Chr." Sie wachte auf und sagte zu ihrem Mann, daß sie ihm einen guten Abend wünsche. Benno Schlott erwiderte den Gruß, küßte seine Frau und aß den Spargel, den er gekocht hatte. Dann machten die beiden Sex unter der Zeder. Das brauchte der Kommissar zum Denken. Ohne Denken ging bei ihm nichts. Um 21 Uhr begann der Trachtentanzkurs, den das Ehepaar Schlott mitmachte, als Hobby zur aktiven Freizeitgestaltung. Sie fuhren mit Milupas Wagen, einem großen mandaringrünen Volvo, weil der Sportwagen des Kommissars schon immer durch die intensive Arbeit des Greifers bei der Dienstausübung seiner Pflicht belastet wurde. Nur den Koffer mit den Tanzsachen holte Schlott in aller Eile noch aus dem Wagen, denn sie waren spät dran und mußten sich in der Trachtentanzschule vorher noch umziehen mit roter Hose, die goldene Glöckchen dran hatte, schwarzer Samtweste mit Silberknöpfen und weißer Puffbrokatbluse mit Glockenarmbändern und Sackärmeln. Milupa mußte statt der Hose einen roten Rock mit Glocken am Saum tragen. Franz - Xaver, der Tanzlehrer war schon am Unterrichten, als die Schlotts kamen. Benno Schlott begrüßte alle die er kannte, denn viele Familienfreunde tanzten mit, und öffnete den Koffer. Es machte "ZAPP!" und mitten auf dem Tanzparkett stand ein startklarer Hubschrauber. Klar, daß die Leute ganz schön stutzig schauten. Der Kommissar hatte in seiner Eile einfach den falschen Koffer erwischt. An diesem Abend machten die Schlotts dann keinen Folkloretanz mehr, sondern nahmen alle aus dem Kurs zu einem Flug über die Stadt mit einem Picknick mit. Wer nicht in die -1 6 0 -
Kabine hineinpaßte, nahm eben auf den Rotorblättern Platz. Es war viel Spaß dabei und alle Leute amüsierten sich miteinander und unterhielten sich über die Dinge, die sie am liebsten taten. Ja, so wohltuend konnte spontane Geselligkeit sein, wenn Benno Schlott sie aus einer Zufallssituation heraus aus dem Hut zauberte. Der Mann, der hatte es echt drauf. Milupa Schlott sagte anschließend zu ihrem Mann, daß er es echt drauf hätte. "Ja, ich habe es wirklich echt drauf." sagte der Kommissar. "Und jetzt sehe ich mir die heutige Videoaufzeichnung von 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger' an. Morgen fange ich dann die Colamörderin. Der Papst braucht sich keine Sorgen mehr zu machen; wenn er in einem Monat ins Edy Kachelmann - Stadion kommt, dann ist die Mordbestie längst hinter ihren wohlverdienten Gittern. Ich wollte den heiligen Vater morgen sowieso mal wieder anrufen, den alten Knaben, und da kann ich ihm das ja gle ich selber sagen. Er hat mir ja auch versprochen, mit mir Fußballbildchen zu tauschen." Benno Schlott durchschritt die Haustür beim Eintritt in die Wohnvilla der Schlotts. Minuto, der Dackel bellte zur Begrüßung sein ewig gleiches "Wau, wau". Was die schreckliche Sache mit Edy Kachelmann betraf, da war Schlott sich sicher, daß der Fremdenverkehrsverein sie gut vertuschen und eine waschecht aussehende Wachsfigur des Tambourinmusikanten unter den Rosenbaldachin legen würde, so daß der Touristenstrom gesichert bliebe. Milupa und ihr Mann, der Kommissar saßen dann noch bei einem Mitternachtsimbiß zusammen und sprachen über Kunst und Literatur und die Arbeit, weil Schlott vergessen hatte, daß er ja noch Video gucken wollte. Milupa Schlott arbeitete, wie bekannt sein dürfte, am Leibgericht in Bad Salzuflen und erzählte darüber. Es war auch ein neues Buch erschienen, das hieß "Magische Gespräche mit Bäumen". Der Kommissar wollte -1 6 1 -
es kaufen und lesen. Das sagte er zu seiner Frau. Dann gingen alle ins Bett und Schlott war aufgeregt, wegen dem Fangen von der Mörderin morgen am Abend.
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Kapitel 16 Der Kommissar macht seinen Koffer auf und raucht Als Benno Schlott am nächsten Morgen aufwachte, da merkte er, daß er schon die brennende Pfeife zwischen den Zähnen hatte, so als wäre er schon als Polizeikommissar im Dienst. Nun, das war er ja eigentlich auch, denn für den Kommissar Schlott gab es kein Dienstende, weil ja immer irgendwo was passieren konnte, und wenn es wichtig war, dann war auch der Kommissar Schlott da und das konnte ja auch mal in der Nacht sein, weil das Verbrechen sich schlichtweg an keine Nachtruhe halten wollte. Erstmal mußte Staub gesaugt werden, weil die Putzfrau krank war, aber nicht alles gleich unter Staub verkommen sollte. Schlott erledigte das noch im Schlafanzug und mit nur einer Hand, was seine umfassenden Talente ein weiteres Mal unter Beweis stellte. Der Greifer zog sich hinterher an, als wäre nichts gewesen und nahm danach seinen Nahrungsbedarf in Form von Frühstück zu sich. Er vergewisserte sich anschließend durch Hineinschauen, daß er wirklich den esoterischen Tatortkoffer und nicht seine Trachtentanzklamotten mit zur Arbeit nahm. Dann zog er seinen fliederfarbenen Kimono über das feuerrote Hemd mit der Krawatte, auf der Flamingos, badende Nixen und venizianische Gondeln abgebildet waren und die sehr geschmackvoll war, bürstete ein Haar von seinem karierten Pluderhosenrock und schon ging es für ihn ab im schnellen Wagen. Im Revier begrüßte er seine Sekretärin, knallte ihr den meterhohen Papierkram der letzten Tage auf den Tisch und machte erstmal Kaffee für sich und die Frau Ehemann, damit sie schneller arbeitete. Er tat ihr obendrein noch ein paar Amphetamine in die Tasse. Dazu las er in seinem Reiseführer "Magisch reisen/Toscana", der sein Lieblingsbuch war, und -1 6 3 -
legte Schuberts Unvollendete auf, die man gut mitsummen konnte, aus bekannten Gründen aber nie bis zum Ende. Das Telefon hatte er so in seine Computeranlage eingespeist, daß es sich mit Hilfe einer Endlosschleife selbst beantwortete. Nichts würde den Greifer dabei stören können, auf 18.00 Uhr zu warten, auf seine große Stunde, wo er zuschlagen würde; höchstens die Tatsache, daß er zwischendurch noch nach Hause mußte, um den Einbau der neuen Fensterscheibe in die Dachluke zu überwachen. Aber im letzten Augenblick fiel ihm dann doch noch ein, daß er ja dafür einen Assistenten besaß. Der Greifer rief Gertrud, der gerade an der verstopften Pumpe des Haifischaquariums arbeitete, zu sich und schickte ihn in die schlott'sche Villa in der Bundesgartenschaustraße. Anschließend rief er noch mal bei Mutter und Tochter Vierkantlöffel an, ob alles in Ordnung und die hohle Papptorte schon präpariert sei. Zur Beruhigung von sich selbst hörte er, daß alles klar ging. Nun schob er "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger" in den Videorecorder, weil er sich die Folge gestern doch nicht mehr angesehen hatte. Er war sauer, weil der Tierarzt die kleine Annika mit dem unmodischen Kleid doch rettete und den Stiefvater vermöbelte, statt umgekehrt. Annika bekam dann auch noch neue Klamotten, so einen kurzen Rock, einen zu kurzen Pullover mit zu kurzen Ärmeln und Schuhe, die oben viel zu lang waren, weil das alles modern war so; der Tierarzt flog mit Annikas tablettensüchtiger Schlampenmutter und seinem weißen Tierarzthubschrauber in eine Kurklinik in den Alpen, wo die Mutter einen Entzug machte und tolle Berghirsche angucken durfte. Der Stiefvater kam ins Gefängnis, trotz seiner schönen Tätowierung, und am Schluß kam sogar Annikas echter Vater wieder, der die letzten Jahre Armenarzt für die Urwaldbevölkerung von Gran Canaria gewesen war, und der nur deshalb nichts von sich hatte hören lassen, weil sein Telefon die Batterien aufgebraucht hatte und es im Urwald keine neuen zu kaufen gab. Alle winkten, waren -1 6 4 -
glücklich und dankten dem Tierarzt, auch wenn der gar nichts dazugetan hatte, daß der echte Vater wieder da war. Schlott war total stinkig. Die Serie war doch Scheiße! Wer sich sowas bloß regelmäßig ansah! Da kam einem ja schon beim Titel das Kotzen! Doch der Kommissar hatte eine Idee bekommen, weil er psychologisch gedacht hatte. Benno Schlott ging zu Edding Prinzenrolles gerichtsmedizinischem Labor. Dort machte Edding gerade mit seinem forensischen Mikroskop Untersuchungen am verstorbenen Körper eines Hochleistungsorganisten, dem eine Überdosis Bach und Händel zum Verhängnis geworden war. "Hallo, Ed." sagte der Kommissar und winkte mit einer betont zwanglosen Geste. Prinzenrolle legte seinen Joint zur Seite und antwortete: "Hallo, Ben." "Ich möchte, daß du eventuell einen wissenschaftlichen Test durchführst. Ich bräuchte dazu mindestens drei Flaschen Cola, die von drei verschiedenen Leichen stammen. Hast du die da?" Edding Prinzenrolle bestätigte und zeigte auf einen Getränkekasten in einer Ecke. "Es gibt, habe ich ma l in 'Bild der Frau' gelesen, einen Test, mit dem man post mortem feststellen kann, ob jemand eine Fistelstimme hatte oder einen Frisurenfimmel, der viel Haarspray verbraucht. Ich habe nämlich eine Idee, die ich aus psychoanalytischer Extremmeditation vor dem Einschlafen bezogen habe: Ich glaube, in Wirklichkeit haßt die Mörderin 'Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger', weil sie von der Serie nicht loskommt. Ihre Morde stehen stellvertretend für den Wunschtraum eines Mordes an der ganzen Fernsehserie. Deshalb schlägt sie die Opfer mit einer Steckrübe nieder, denn das ist ein Gegenstand, der nachweislich noch nie in irgendeiner Folge der Serie vorgekommen ist. Ich dachte zuerst, das wäre nur, weil die Täterin aus einer ländlichen Umgebung stammt, -1 6 5 -
aber das sehe ich jetzt anders, auch wenn die ländliche Umgebung sicherlich dabei mitgespielt hat, daß die Frau sich ausgerechnet eine Steckrübe ausgewählt hat und nicht beispielsweise einen versteinerten Affenarm oder einen erdfernen Planeten, der nachweislich auc h noch nie in einer Folge vorgekommen ist. Außerdem kann man das Wort 'Serienmord' auch als Bezeichnung für den Mord an einer Serie sehen. Alle Leute, die ermordet worden sind und von denen ich weiß, hatten darüber hinaus entweder eine auffallend hohe Stimme gehabt, wie zum Beispiel Simplicius Grohm oder Edy Kachelmann, wir kennen ja alle seine Stimme noch von Hits wie 'Yippie - yeah, ein Bier schmeckt mir nur kalt', oder einen Frisurenfimmel oder beides. Eindeutig hat auch Sascha Hahn in seiner Rolle als Tierarzt eine sehr hohe Stimme und er nimmt überall hin sein Haarspray und einen Spiegel mit, um seine Frisur nach zu korrigieren. Ich weiß auch von dem nächsten Opfer, wie du ja aus den Nachrichten sicher schon gehört hast. Es soll Blondine Vierkantlöffel werden, die brünette Tochter ihrer Mutter. Sie hat einen totalen Fimmel wegen ihrer schönen dunklen Lockenhaare. Was die Benutzung eines Hubschraubers durch die Mörderin anbelangt, habe ich mir übrigens auch eine Vermutung erworben: Den Hubschrauber benutzt die Colamörderin, wenn meine Theorie sich bewahrheitet, nur als Element der Ironie. Es verschafft ihr eine Genugtuung, die Serie ausgerechnet symbolhaft mit einem Gegenstand zu vernichten, der in jeder Folge eine tragende, ja geradezu raumgreifende Rolle einnimmt. Das gibt der abartigen Frau noch den allerletzten Extrakick. Mit den beiden Tests könnte man stichprobenartig überprüfen, ob auch andere Opfer besagte Eigenheiten, also Fistelstimme und Frisurenfimmel hatten. Das allerletzte Opfer der Mörderin soll übrigens meiner Meinung nach der Papst werden, weil sich die Mörderin mit ihren Morden einem Crescendo gleich steigert und außerdem auch der Papst -1 6 6 -
eine Fistelstimme hat, wie ja wohl allgemein bekannt sein dürfte. Es kränkt mich bloß, daß ich vor dem Papst sterben soll, wie man an den Mordanschlägen erkennt, obwohl ich wichtiger bin als er. Der Papst fängt schließlich keine Mörder. Ich habe aber keine Fistelstimme sondern nur einen Fimmel weil ich so wunderschönes Haar habe. Fühl´ doch mal, Edding!" Edding fühlte. "Wenn die Tests positiv wären", setzte Schlott fort, "dann wäre das der erste Hinweis, daß die Mörderin ihre Opfer nicht, wie bisher allgemein vermutet, willkürlich auswählt, sondern eine Methode darin sieht. Na ja, wenn man's genau nimmt sogar eine Doppelmethode, denn sie bringt Personen um, die dem Tierarzt ähnlich sind und steigert sich kontinuierlich bei ihren Mordopfern. Wenn das stimmte, würde es unter anderem auch den ganzen Fall noch brisanter machen, als er ohnehin schon ist. So, jetzt fragst du dich aber sicherlich, warum mein Haar so seidig ist. Ich will's dir verraten, denn du bist mein Freund: Ich benutze seit gestern die neue Buchenlaubspülung von Lindal. Findest du nicht auch , daß es schon wirkt?" Aber Edding Prinzenrolle sah schon in seinem großen "Forensischen Atlas" nach, in dem alle Testmethoden beschrieben waren und hörte nicht hin. "Ben, du hast Recht. Die von dir erwähnten Tests existieren tatsächlich. Es gibt da den 'Scholle - Klopak - Test zur postmortalen Stimmlagenbeurteilung', abgekürzt S.K.T.z.p.S. und das 'Werthers - Echte - Frisurenbild im Ultraschallbereich'. Quasimodo Werthers und Servatius Echte waren übrigens auch einmal Mitarbeiter der Bad Salzfischbacher Gerichtsmedizin. Kein Wunder also, daß wir in der Welt führend sind, wenn´s um das Reingucken in Leichen geht. Bei soviel klugen Köpfen. Wenn du willst, Ben, dann werde ich die Tests für deine Ermittlungsarbeiten als sachdienliche Hilfe durchführen." "Ich weiß noch nicht genau, ob ich das noch will. Wenn alles -1 6 7 -
glatt geht, dann haben wir ja die Mörderin heute um 18.00 Uhr gefaßt. Falls es allerdings schiefgehen sollte, sind diese Tests von essentieller Bedeutung. Sind sie sehr aufwendig?" Benno Schlott war eines der wenigen Male seiner Laufbahn nachdenklich. Hatte er eine Präkognition oder eine Vorahnung? "Immens aufwendig. Das gerichtsmedizinische Institut muß aus Sicherheitsgründen für mindestens zwölf Stunden evakuiert werden und die Testmaterialien zu kaufen wird Milliarden von Mark an Steuergeldern verschlingen, weil es einige der notwendigen Materialien nur auf dem Mond gibt und sie deshalb ausschließlich auf russischen Schwarzmärkten zu Wucherpreisen erhältlich sind." "Ed, ich werde mit meinem magischen Zirkel einen Blick in die Zukunft riskieren, um zu wissen, ob es heute klappt oder nicht. In anderthalb Stunden sage ich dir spätestens bescheid. Aber, Ed: Die Russen waren gar nicht auf dem Mond." Was sollte jetzt nur diese Bemerkung? Wußte Benno Schlott am Ende mehr als er ahnte, oder wollte er bloß weniger sagen, als er zuzugeben bereit war? Der alte Fuchs hinterließ einen nachdenklichen Edding Prinzenrolle. Eiligen Fußes ging der Kommissar zurück in sein Büro und wollte die Mitglieder des Zirkels anrufen. "Herr Polizeipräsident, ein Anruf vom Herrn Innenminister wartet auf Leitung achtzehn." rief Frau Ehemann dem Greifer entgegen. "Mißstand! Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, das wissen sie. Der Innenminister weiß es auch. Ich weiß nicht, warum er dann trotzdem bei mir anruft. Ich habe keine Zeit, dauernd wichtige dienstliche Dinge mit ihm zu besprechen, das muß er lernen zu tolerieren." "Äh, nein, Herr Polizeipräsident Benno Schlott. Es geht glaube ich bloß um ein Plätzchenrezept, das er von ihnen haben möchte, weil doch Weihnachten in kaum sechs Monaten wieder -1 6 8 -
vor der Tür steht und der Herr Innenminister seine Frau Innenminister mit echten Laubsägesternen überraschen will." "Oh, das ist was anderes. Stellen sie durch, Frau Ehemann." Benno Schlott war berühmt dafür, daß er der beste Bäcker aller möglichen Zeiten und Welten war. Besser als Kolumbus, Schopenhauer, und die Beatles zusammen. Laubsägesterne waren sein Spezialgebiet. Das war ein Gebäck, das so hart war, daß man die Sterne aus dem Teig mit einer Laubsäge heraussägen mußte. Der Teig wurde mehrere Tage bei 300° C im Ofen gebrannt, bevor er fertig war. Klar, daß der Innenminister scharf auf das Rezept war, denn es redete die ganze Stadt von Benno Schlotts Gebäck. Tagaus, tagein; es bekam sogar Schlagzeilen in Funk und Fernsehen eingeräumt. Aber Benno Schlott war der gute Polizeikommissar, und deshalb wußte er, daß Geheimrezepte keine Geheimrezepte mehr waren, wenn jeder sie kannte. Und da sogar FBI und CIA (Frankfurter Bäckerinnung und Chemnitzer Initiative für Ausnahmebackwaren) bislang erfolglos hinter dem Rezept für echte Laubsägesterne her waren, sah der Kommissar auch keinen Grund, es ausgerechnet dem Innenminister zu verraten. Der Minister bekam statt dessen ein Rezept für Sauerkrautpastete im Zimtmantel gesagt, die auch sehr gut war und die Schlott le tztens bei Biolek im Fernsehen gekocht hatte. Als die Telefonleitung wieder frei war, da rief der Greifer gleich Rowenta Biberkurbel, Mortimer Schildkrötentöter, Sanella Drahtkuchen und Napoleon Quallenzüchter an, den magischen Zirkel, der immer alles richtig machte und ´ne Menge Tricks kannte. Das Revier wurde gerade renoviert und nach Benno Schlotts Vorstellungen umgestaltet. Die altroséfarbenen Satintapeten an den Wänden machten es schon viel sympathischer und kundenfreundlicher. Benno Schlott selber wollte auch davon profitieren, er hatte sich am Vortag einen esoterischen Séancenraum anbauen lassen, den Gertrud, der fleißige Assistent -1 6 9 -
hoffentlich über Nacht schon eingerichtet hatte. Der einzige Nachteil war, daß das Büro des Kommissars mit Kitsch und Krimskrams schon so voll war, daß die Eingangstür zum Séancenzimmer notgedrungen im großen Wandaquarium mit den Hammerhaien angebracht werden mußte. Aber Benno Schlott konnte bei Bedarf die Wasser teilen, so wie Moses, und dann durchgehen. Die vier Leute vom magischen Zirkel trafen schnell ein und wollten gleich anfangen. Mortimer Schildkrötentöter hatte einen Salatkopf von der Arbeit mitgebracht. Er war Physiotherapeut für Kübel- und Topfpflanzen und hatte von daher viel mit Grünzeug zu tun. Eine Folge davon war, daß er ausschließlich Fleisch, Eier und Milchprodukte zu sich nahm, weil er kein Pflanzenmörder sein wollte. Benno Schlott hatte Glück gehabt: Gertrud hatte den Séancenraum schon vollständig eingerichtet, sogar ausgestopfte Raben mit glühenden Augen waren in genügender Anzahl vorhanden, genauso, wie rückwärts brennende Kerzen. Die Hammerhaie waren etwas nervös, als der Kommissar mit graziösen Bewegungen das Wasser zur Linken und zur Rechten teilte, aber daran würden sich die robusten Tiere sicherlich schnell gewöhnen. Der magische Zirkel versammelte sich um den magischen Tisch, der den gesamten Erdmagnetismus in sich zentrierte und legten die dreifach geheiligten Buchstabentafeln unter Vollziehung des mystischen Rituals von Og'g - Allaam kreisförmig auf dem Tisch aus. Dann einigte man sich darauf, den Geist von Baghwan zu beschwören, weil der über jeden Zweifel erhaben war. Benno Schlott und sein magsicher Zirkel waren auch schon mehrfach barfuß nach Poona gepilgert. Der Salatkopf wurde in der Mitte des Tisches plaziert, der Kommissar und Polizeipräsident machte das mit Telekinese, damit die Show stimmte. Alle fünf faßten sich an den Händen, brummten Obertonmodulationen und wiegten sich dazu in Trance. Der magische Zirkel hatte das Salatköpferücken -1 7 0 -
weiterentwickelt, so daß man den Kopf nicht mehr mit den Händen berühren mußte, sondern dazu jetzt nur noch geistige Energie aufwandte. Dadurch wurde die Herstellung einer Verbindung ins Jenseits einfacher und zuverlässiger und es kostete außerdem eine Tarifeinheit weniger. Schon bald hatte man Kontakt. Hallo. formte der Salatkopf. "Hallo, Baghwan!" riefen alle. Was liegt an? fragte der Geist. "Oh, großer Baghwan, wird unser Bruder, Herr Benno Schlott, nachher die Colamörderin mit seiner unvergleichlichen Taktik fangen können?" fragte Herr Quallenzüchter. Die Zeit dazu ist jetzt noch nicht reif. Euer Bruder, Herr Benno Schlott, wird heute noch nicht den gewünschten Erfolg haben. antwortete Baghwans Geist und der mußte es ja wissen, weil er schon zu Lebzeiten den totalen Durchblick gehabt hatte und toll von freier Liebe erzählen und sich einen schönen Bart wachsen lassen konnte. Mit einem laut vernehmlichen 'Flupp!' verzog sich Baghwan wieder in seine Astralsphäre und hinterließ dabei ein rotes Nebelwölkchen, das nach Rosenduft stank. "So ein Mißstand, daß ich es nicht schaffen werde. Aber ich muß alles so durchziehen, wie geplant, sonst gibt es Widersprüche im Raumzeit - Kontinuum, da der Geist in die Zukunft geblickt hat und gesehen hat, wie ich versuchen werde, die Mörderin zu stellen. Wenn das nun nicht geschieht, verschlingen sich die Zeitknoten bis in den metamorphen Raum, was entweder das Ende der Welt, vollkommen andere Ladenschlußgesetze oder noch unvorstellbarere Dinge nach sich ziehen könnte." Die Anderen mußten dem Kommissar Recht geben und man kam überein, daß er sogar sehr Recht hatte. Dann verabschiedete -1 7 1 -
sich der magische Zirkel, nachdem Benno Schlott noch ein paar Zaubertricks vorgeführt hatte. Er schummelte dabei wie immer, weil er echte Magie verwendete statt Tricks.
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Kapitel 17 Der Kommissar hat Tortenprobleme und zeigt uns, wie er Kamasutra kann Benno Schlott hatte nicht mehr viel Zeit. Er machte den Wagen an der Seite auf und stieg darselbst hinein. Seine Pfeife machte Rauch, wie gewöhnlich und der Kommissar nahm noch einen Schokoriegel aus dem Handschuhfach (es enthielt neben Schokoriegeln einen Reservehut, während die Handschuhe in der Hutablage lagen) und schob ihn mit in die Pfeife. Auch Schokoriegel konnte man rauchen. Jedenfalls, wenn man eine Lunge hatte, wie Benno Schlott. Benno Schlott sagte immer "Meine Lunge, die ist mein Kapital." Na gut, nicht immer sagte er das. In manchen Situationen hätte das zugegebenermaßen recht blöde geklungen; aber der Greifer hatte es schon mal gesagt. Ehrenwort. Mit Gas unter den Reifen düste Benno Schlott zum Haus der Familie Vierkantlöffel. Alles war schon voll mit erwartungsfreudigem Publikum. Unter johlendem Jubel wurde der Kommissar und Polizeipräsident von der Bevölkerung willkommen geheißen, obwohl gar nicht Willkommen hieß, sondern Benno Schlott. Im Haus war neben Ariola Vierkantlöffel auch ihr geschiedener Mann Robinson Vierkantlöffel anwesend, der seiner Exfrau einen Beistand leistete. Heimlich nahm Schlott die Frau beiseite und schob mit ihr eine total scharfe Kamasutra - Nummer. In Levitation. Beim Fliegen war es besonders schön. Der Exmann der Exfrau merkte nichts davon, aber viele Leute sahen durchs Fenster herein und fanden es ganz toll. Die Party von Tochter Blondine war im Garten schon voll im Gange. Der erste Gast hatte schon in den Gartenteich gekotzt, woran man erkennen konnte, daß eine -1 7 3 -
Bombenstimmung herrschte, und ein anderer wichste gerade auf die Gartenzwerge im Nachbargarten. Jungs in diesem Alter wollten halt immer cool sein. Hinter den Sträuchern hatten sich Sicherheitspolizisten postiert, die aber auch schon zuviel gesoffen hatten und deshalb nur noch Scheiße bauen konnten. Egal, der Kommissar war so gut, wie alle anderen Polizisten der Welt gemeinsam nicht waren. In der Mitte des Gartens stand die Papptorte, in die Schlott gleich reinsteigen würde. Sie sah eigentlich nicht besonders echt aus, weil sie aus grauer Pappe war, die jemand, der es nicht konnte, notdürftig mit schwarzem Edding wie eine Torte bemalt hatte. Die Polizei mußte sparen; Anweisung des Polizeipräsidenten. Schwarzer Edding war der einzige Sioux Indianer bei der Deutschen Polizei und nicht verwandt mit Edding Prinzenrolle. Benno Schlott begrüßte noch kurz Blondine Vierkantlöffel, schloß schnell den Reißverschluß seiner Hose und strich Blondine mutmacherisch durch die schönen dunklen Haare. Schlott war väterlich in seiner Art, wie immer. Er war nicht die Sorte Mann, die mütterlich sein wollte. Nur aus Jux schoß er im Vorbeigehen die Gartenlaternen kaputt. Es gab ihm ein Gefühl von Männlichkeit, wenn er schießen durfte. Kletternden Körpers gelangte Schlott ins Innere der Torte und klappte sich den Deckel über den Kopf, so daß er für normale Augen unsichtbar war. Schlott, nicht der Deckel. Er hielt gespannt den Atem an und überblickte die Lage draußen mit dem Periskop, das man glücklicherweise in die Torte eingebaut hatte. Punkt 18 Uhr senkte sich lautlos ein vor dem blauen Himmel nahezu unsichtbarer Hubschrauber auf den Garten nieder und eine maskierte Person, die zur geräuschlosen Fortbewegung rosa Ballettschuhe trug, stieg aus. Über der linken Schulter trug sie einen großen Jutesack und in der rechten Hand eine schwere Steckrübe. Unter dem hautengen schwarzen Trikot, das die Mörderin trug, zeichneten sich immense -1 7 4 -
Armmuskulaturen ab. Zielstrebig ging die unidentifizierte Person auf Blondine Vierkantlöffel zu und holte mit der Rübe aus. Benno Schlott sprang auf und knallte mit dem Kopf gegen den Deckel der Torte. "Miástand!" brüllte der Kommissar, denn der Deckel klemmte. Er versuchte es wieder und wieder, aber keine Chance, die Pappe war unglaublich dick, es war nämlich Elefantenpappe. Was sollte er tun? Er mußte wenigstens das Leben des Mädchens retten. Benno Schlott war innen im Kopf voll edlem Gemüt. Er konzentrierte sich und machte Levitation und Telekinese gleichzeitig, um mit der Torte zusammen ins Fliegen geraten zu können. Es klappte. Allerdings erst, nachdem er seinen Geist zwiegespalten hatte. Mit sehr langsamer Schnelligkeit hob die Torte ab und postierte sich genau zwischen der Mörderin und Blondine Vierkantlöffel. "Zack!" machte die Rübe und sauste im letzten Moment auf die Torte nieder. Der Deckel sprang auf und Schlott heraus. "Halt! Stehenbleiben! Das ist ein Polizeibefehl im Dienst! Ich bin Herr Benno Schlott und ich schieße gleich auf sie drauf!" Da erst merkte Schlott, daß seine Waffe noch in der Torte lag. Er rannte zwar hinter der Mörderin her und rief "Peng, Peng!", aber das war lange nicht so wirkungsvoll, wie eine echte Pistole. Die Colamörderin sprang in den Hubschrauber und brauste lautlos und fast unsichtbar davon, während eine Düse ein Gas verströmte, das die Umstehenden vergessen ließ, daß das Tatwerkzeug ein Hubschrauber war. Nur bei Schlott wirkte es nicht, er hatte einen viel zu festen Geist. Er hatte Glück im Unglück: Zwar hatte er die Mörderin nicht gefaßt, aber weil er das Leben von Blondine Vierkantlöffel gerettet hatte, war seine Popularität auf einer neuen Höchstkurve. Alle redeten vom Herrn Polizeipräsidenten -1 7 5 -
Schlott, dem Helden. Das Fernsehe n schrieb sehr positiv über ihn und die Zeitungen zeigten auch nur gute Sachen. Der Bundespräsident kam in einer schwarzen Karosse angebraust und versuchte, dem Kommissar ein weiteres Bundesverdienstkreuz aufzunötigen. Schlott nahm es erst, als der hohe Staatsmann noch zwei Kilo schwarzwälder Schinken und ein Opern - Wahlabonnement drauflegte. Zudem hatte der Kommissar eine Familie wieder zusammengebracht. Robinson und Ariola Vierkantlöffel waren sich über die Sorge um ihre Tochter wieder näher gekommen und schlossen schon zwei Stunden später, um 20.00 Uhr, ein zweites mal den eiligen Bund der Ehe bei einer wunderschönen Zeremonie im fluoreszierenden Dom, der ganz mit rosa Rosen ausgeschmückt war. Benno Schlott war sowohl Trauzeuge als auch Brautjungfer. Es wurde eine super Feier, die die ganze Nacht dauerte und zu der auch Milupa, Bello, Gudmund und Valensina Schlott kamen. Alle hatten Spaß zusammen. Lustigen Spaß. Der Fluoreszierende Dom war bekanntlich die einzige Kathedrale der Welt, die ganz aus fluoreszierendem Hartplastik gemacht und von Mattel zu Werbezwecken gebaut worden war. Er war auch die einzige Kathedrale überhaupt, die man selbst nachts ohne Blitzlicht fotografieren konnte. Jeder der fünf Türme war 160 Meter hoch. Das Nordportal war mit diversen Heiligenfiguren verziert, das Südportal mit Barbie- und Kenfiguren, das Ostportal zeigte datailliert die neue BarbieCampingausstattung und das Westportal wurde von zwei heraldischen Engeln gehalten und war mit einem Spruchband versehen, auf dem der Bad Salzfischbacher Wappenspruch geschrieben stand. Er lautete: "Wer bremst hat Angst". Am nächsten Morgen mußte der Greifer nicht ins Büro, denn es war Samstag. Aber der Innenminister hatte ihm einen Brief geschickt, daß Benno Schlott einen neuen Inspektor anlernen sollte. Er hieß Pantaleon von der Stange und der Innenminister -1 7 6 -
warnte Schlott vor, daß dieser Mann ganz schrecklich unfähig war und er nur nicht hatte nein dazu sagen können, daß er in die esoterische Spezialeinheit kam, weil es eben ein von der Stange war und die Familie von der Stange eben nicht irgendeine Familie war. Schlott hatte die v. d. Stanges noch nie leiden können. Theokles v. d. Stange, der neue Bundesminister für Modell- und Gartenbau war ein schmieriger Bürokrat im Aktentaschenlook und seine Frau Belmanda hatte früher Robert geheißen und war Schuhverkäufer bei Deichmann gewesen. Und nun kam der Neffe dieser Sippschaft in die Spezialeinheit. Na, der sollte am Montag nur kommen. Wer denkt, daß Benno Schlott ihn wirklich anlernen würde, der kennt den Kommissar zwar schlecht, aber nicht gut genug! Schlott hatte ohnehin schon einen ganzen Haufen Scherereien mit diesem Mordfall. Ganz abschalten von der Arbeit konnte er auch am Wochenende nicht. Er rief bei Remigius Flötenschmalz und Friedmund Ohrpuffer an, die immernoch die Lastwagen des Happymarktes beschatteten, um die Lage des geheimen postlagernden Postfachs herauszufinden. Sie hatten nach wie vor keinen Erfolg dabei gehabt. Benno Schlott beorderte sie zurück ins Präsidium ab Montag. Es hatte keinen Sinn mehr, weiter zu beobachten. Daß der Happymarkt die Flaschen und das Hackfleisch anscheinend bewußt heimlich abholen ließ, deutete darauf hin, daß er um die Machenschaften der Mörderin wußte und mit ihr unter einer Decke steckte. Vielleicht la g die Spur in der Chefetage der "Happy - Holding", einem Dachverband, dem der Happymarkt ebenso gehörte wie die "Kauf und Spar" Kette. Bevor der Kommissar diese Spur verfolgte, wollte er ausgiebig die letzten zwölf Stunden des Simplicius Grohm zurückverfolgen. Er begann damit schon am Sonntag, länger konnte er es ohne Arbeit nicht aushalten. Um zehn Uhr knarrte der Wecker. Schlott schlüpferte unter -1 7 7 -
die Dusche und duschte eine Dreiviertelstunde lang kalt. Vier Grad Celsius. In Zahlen: 4. Um Zeit zu sparen, putzte er sich die Zähne auch unter der Dusche. Er fönte und rasierte sich auch dort, aber selbstverständlich drehte er das Wasser vorher ab. Er war ja nicht so doof, wie Ihr lackaffigen Leser jetzt wieder denkt! Im Radio spielten sie Lieder von Edy Kache lmann: "Der Fischersmann von Bad Gastein" und "Engel haben rote Beine". Es waren Tophits von Edy Kachelmanns letztem Album. Kurz danach war er in seiner Tiefkühltruhe erfroren; der Deckel war ihm auf den Kopf geknallt, als er Fischstäbchen rausholen wollte, sein Lieblingsessen. Benno Schlott bekam eine Träne auf der Wange, als er daran dachte, daß man nun auch noch Eddy Kachelmanns einbalsamierte Leiche entsaftet hatte. Für den heutigen Tag zog der Greifer eine poppig bunte Rüschenbluse an mit verschiedenen Blumen drauf, dazu eine selbstgeschneiderte Breitcordhose in mintbraun, die er mit Draht so verstärkt hatte, daß die Hosenbeine viereckig waren, und eine weiße, leichte Trainingsjacke mit dem Kopf von Boris Becker vorne und hinten drauf. Es war ja Sommer und da durfte auch ein Sommerhut nicht fehlen. Schlott nahm einen hellvioletten Hut mit künstlichen Äpfeln, Kirschen und Gurken drauf. Ein wahrer Polizeihut, ein Hut für echte Helden! Auf Schuhe verzichtete der legère Kommissar beinahe völlig, er zog bloß ein paar aufblasbare Gummisandalen an, die waren so leicht zu tragen und formschön an den Füßen obendrein. In seinem oktogonalen Zauberglas spähte Benno Schlott, was Simplicius Grohm in den letzten zwölf Stunden seines Lebens getan hatte. Dabei stellte sic h zuerst einmal heraus, daß er erst sieben Stunden vor seinem Tod, nämlich um 8.00 Uhr morgens auf dem Bad Salzfischbacher Hauptbahnhof eingetroffen war. Mit dem Intercity "Lustige Musikanten" aus Gladbeck. Benno Schlott fand es lustig, daß Züge zwar Namen hatten, genauso wie Schiffe, aber dennoch nicht untergehen konnten. Ein -1 7 8 -
beruhigendes Gefühl eigentlich. Wäre die Titanic ein Zug gewesen, hätten sich die Passagiere eine Menge Ärger schenken können. Der Kommissar mußte also nur die letzten sieben Stunden zurückverfolgen, in denen das Tatopfer in Bad Salzfischbach verweilte. Nach dem Bahnhof war Grohm im Stadtpark gewesen, dann im Hotel, seinen Zimmerschlüssel abholen, dann in der Pizzabude in der Kühlschrankstraße, anschließend im Zauberladen in der Fußgängerzone, dann in der Sankt Helmut Kirche, dann im Buchladen auf der Sparschweinstraße und zum Schluß wieder, mit einem Umweg über die städtische Fußheilbadeanstalt, im Korkendrücker - Palasthotel. Was er da überall gemacht hatte? Der Kommissar würde es schon noch herausfinden. Er stieg in den Wagen und schaltete ihn ein. Dann gab er Druck auf das Gaspedal und startete gleich im fünften Gang durch. Der Wagen hyperbolierte in einer unendlichen Struktur durch den Raum. Der Kommissar war jetzt noch stolzer, denn er hatte sich in einem Schnickschnackladen ein rotes Blinkteil gekauft, das man vorne in den Kühlergrill einsetzen konnte, so daß der Wagen dann aussah, wie K.I.T.T. von "Knight Rider". Schlott verachtete alle Autofahrer, die das nicht hatten. Bald war der Wagen bis zum Dach mit dem dicken Rauch aus Schlotts Tonpfeife angefüllt. Man konnte nicht mehr in den Wagen hineinsehen und auch nicht mehr aus ihm heraus. Brauchte Schlott auch nicht, er wußte ja, wie Bad Salzfischbach aussah. Es klirrte, als er die Glasfassade des modernen Bahnhofsgebäudes durchbrach. Die englische Reisegruppe bremste den Wagen etwas ab, so daß er nur noch mit halber Wucht durch die Schulklasse glitschte und ohne große Probleme im Colaautomaten zum Stehen kam. Coladosen feierten jetzt reißenden Absatz, denn die Mörderin hatte anscheinend nicht die Technik, Leute auch in Dosen zu verpacken. Wer Dosen -1 7 9 -
trank, konnte sichergehen, echte Cola zu trinken. Glücklich der, der in diesen Zeiten einen Colaautomaten sein eigen nennen konnte, denn der war in kurzer Zeit ein gemachter Mann, bzw. eine gemachte Frau. Nur der Besitzer dieses Automaten hatte Pech, denn der Automat war kaputtgegangen und spuckte dem Kommissar alle Dosen auf die Motorhaube, so daß sie von ihr abprallten und ein lustiges Tänzchen in alle Himmelsrichtungen vollführten. Das ging so lange, bis der Automat auch seine letzte Dose in hohem Bogen aus den tiefen seines Blechkörpers ans Tageslicht katapultiert hatte. Schlott freute sich und verlud alle Dosen, die heil geblieben waren, auf die Rückbank seines stromlinienförmigen und kampferprobten Wunderwagens. Eine Dose nahm er mit zum Austrinken. Dann stellte er vier Warnkegel um das Auto herum, so daß es aussah, als müßte es da stehen, wo es stand. Der Intercity "Lustige Musikanten" mit Simplicius Grohm war auf Gleis acht, in Zahlen: 8, angekommen. Das stand auch auf dem Fahrplan. Um diese Tageszeit fuhr der Intercity immer auf Gleis 8 ein. Hier ging Schlott zuerst hin, den Boden sorgfältig abpendelnd. Auf halbem Wege fand er den Absatz von Grohms rechtem Schuh, der wohl unterwegs abgegangen war. Er erinnerte sich an die Aussage eines Zimmermädchens des Korkendrücker Palasthotels, daß Grohm an seinem rechten Schuh keinen Absatz getragen hatte. Mit seiner Dienstlupe betrachtete ihn der unbestechliche Greifer genauer. Es war ein kleiner Blutfleck an einer Ecke und der Absatz wirkte etwas ausgebeult. So, als hätte jemand damit auf jemand anderen eingeschlagen. Mysteriös. Gleich neben dem Fundort waren die Bahnhofstoiletten. Sie waren seit anderthalb Monaten wegen Renovierung geschlossen, aber weil es aus den alten Rohren immer so stank, hatten sich die Handwerker bisher geweigert, die Räumlichkeiten zu betreten. Das hatte in der Zeitung gestanden von einigen Tagen. Schlott erinnerte sic h daran. Ein kleiner eingetrockneter -1 8 0 -
Blutstropfen war auch auf der Treppe, die zu den Klos hinunterführte. Der sechste Sinn von Benno Schlott witterte ein Geheimnis. Niemand kümmerte sich um den geschmeidig wie ein Panda schleichenden Greifer, alle Leute am Bahnhof hatten ihre eigenen Sachen zu tun, zum Beispiel an der Würstchenbude stehen oder Zeitungen einkaufen und um den Preis feilschen. Auf so einem Bahnhof ging es sowieso zu wie im Bazar. Es gab auch Personen, die exotische Öle, Salben, Wasserpfeifen, Gewürze und Mangroven feilboten. Benno Schlott konnte, ohne dumm gefragt zu werden, in die geschlossenen Toiletten gehen. Das war aber egal, denn wenn jemand mißtrauisch geworden wäre und dumm gefragt hätte, dann hätte der Kommissar einfach geschossen. Es gab zwei Möglichkeiten: Damen oder Herren. Der Kommissar versuchte zuerst die Tür zur Damentoilette zu öffnen, weil er aus unbewußtem Reflex heraus dachte, daß es da vielleicht was zum Gucken gäbe. In seiner Freizeit nämlich war der alte Fuchs ein gerngesehener Spanner. Verschlossen, die Tür. War ja klar. Ein Schuß ins Türschloß und ein kerniger Tritt und schon gab die Tür nach. Leute die sich Mühe mit Dietrichen gaben, waren nach Ansicht des pfeiferauchenden Kommissars bemitleidenswerte Weicheier. Es war dunkel. Staub flirrte in der Luft und machte das Atmen schwer. Irgendwo mußte doch hier ein Lichtschalter sein... Ach da. Zögerlich flammte irgendwo im Raum eine gelblich flackernde Leuchtstoffröhre auf. Das Licht reichte zur Not aus, wenn man keine gehobenen Ansprüche stellte, aber es war gruselig. Jedoch nicht für Benno Schlott. Wir wissen ja, daß er von Angst nichts hielt. Abgerissene Pißbecken lagen auf dem Boden und offene Rohre schauten neugierig aus der Wand. Schlott war neu, daß es auch in Damentoiletten Pißbecken gab, aber andererseits war er auch noch nie in einer gewesen als Gentleman, höchstens mal in den Damenduschen, nach dem schweißtreibenden Training; -1 8 1 -
damals, als er noch Mitglied im Hochleistungs - Skatsportverein war. Er war nämlich doch gar kein Spanner. Das hatte er sich eben bloß so vorgestellt, mit seiner schönen Männerphantasie. Die Spiegel in der Toilette waren auch kaputt, warum das war ein Geheimnis. Aus den Rohren kabauzte ein abscheulicher Kanalisationsgeruch und auch Ratten huschten in einer ekelhaften Anzahl einher. Kabine für Kabine schaute Benno Schlott nach und pendelte sich fast den Arm ab mit seinem Kupfer - Zauberpendel, aber es war nichts zu finden, außer einem veralteten Kackhaufen. Dann ging er nach draußen und in die Herrentoilette. Es war geheimnisvoll, denn die Tür zu diesem Klo hatte schon jemand vor dem geschickten Kommissar aufgebrochen. Innen wieder das selbe Schauspiel: Eine stockfleckige Leuchtstoffröhre, abgerissene Pißbecken, Staub, kaputte Spiegel und ein Bidet. Was das hier sollte, war ein Geheimnis, hinter das der Greifer nicht dahinter kam. Dazu stand ein Geruch im Raum, in dem man nichtmal seine eigene Großmutter hätte allein lassen wollen. "Scheißgeruch hier. So ein Mißstand!" meckerte der Kommissar zu sich selber. Er kramte nach seiner Taschenlampe, die er irgendwo in der Trainingsjacke hatte, um mit ihr in die dunklen Ecken zu leuchten. Da war sie auch schon. Benno Schlott leuchtete in die Klokabinen; er war einfach zu faul, seinen esoterischen Nachtsichtsinn, den er natürlich besaß, zu aktivieren. In den meisten Klos war nur rostige braune Brühe, die aus den alten Rohren stieg, und manchmal auch Rattenkotze. In einer Kabine jedoch entdeckte Benno Schlott etwas Überraschendes: Eine unidentifizierte Männerleiche mit einem Loch im Kopf und getrocknetem Blut drumherum. "Mißstand! Was ist denn das für ein Toter? Ein seltsmes Puzzleteil für meinen Fall. Das paßt mir gar nicht ins Konzept. Na, mal sehen, wie sich das weiterentwickelt." Die Leiche war noch in einigermaßenem Zustand, dafür, daß sie wohl, wenn sie, wie der Kommissar dachte, mit Grohms -1 8 2 -
rechtem Schuh erschlagen worden war, schon fünf Tage tot sein mußte, denn Simplicius Grohm war nach dem gregorianischen Kalender, der nach Benno Schlotts wassergepufferter Kompaßuhr auch in dieser Toilette gültig war, genau fünf Tage zuvor ermordet worden. Der gute Zustand des Toten war wohl damit zu erklären, daß es in den geschlossenen Toiletten arschkalt war. Hier gab es sogar tagsüber noch Nachtfröste. Der Greifer nahm die Leiche über die Schultern, packte sie in den Kofferraum seines Sportwagens und fuhr zur Gerichtsmedizin. Die hatte natürlich auch zu am Sonntag, aber Benno Schlott hatte sich auf seiner Hobelbank einen Nachschlüssel gebaut. Die Leute am Bahnhof hatten sich natürlich ganz schön gewundert, daß da jemand mit einem Toten über der Schulter ganz locker und easy einherging, so als würde er sich gleich noch an der nächsten Bude ein Würstchen kaufen; vielleicht machten sie sich sogar ihre individuellen Gedanken darüber, aber das war dem Benno Schlott scheißegal. Wer dumme Sprüche machte, dem verpaßte er einfach eins mit der Waffe. In der Gerichtsmedizin gab er den Verstorbenen rasch bei Edding Prinzenrolle ab, der dank seiner erst kürzlich festgestellten Persönlichkeitsspaltung gleichzeitig Wochenende haben und Überstunden machen konnte, und machte sich schon wieder auf, um den nächsten Ort, an dem Grohm gewesen war, abzuklappern.
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Kapitel 18 Der Kommissar ißt eine Pizza und zaubert einer Frau lustige Tricks vor Der nächste Ort, zu dem Grohms Spur führte, war der Stadtpark. Offiziell hieß er Schubertpark und war nach dem berühmten Versicherungsvertreter Bert Schu benannt. Treue Leser werden sich erinnern, daß Benno Schlott in seinem Fall mit dem Zigarrenmörder schon mal eine Leiche hier gefunden hatte, die Leiche der Meeresbiologin Chlorella Käsesarg. Daher kannte er den Park noch einigermaßen persönlich. Es wurden oft Leichen im Schubertpark gefunden, er war berüchtigt dafür. Normalerweise ging der fuchsige Greifer nie in Stadtparks, weil er selbst einen viel schöneren und größeren Park um seine gepflegte herum Villa besaß. Aber jetzt mußte er ja, weil es war Dienst. Viele Spurenabdrücke waren im Sandweg zu sehen, die von Grohm waren sicher längst zur Unkenntlichkeit zertrampelt. Auf einer Bank saß ein alter Mann und las Zeitung. "Hallo, sie." machte Benno Schlott, um die Aufmerksamkeit von dem Mann zu sich hin abzulenken. "Ja, was ist los?" fragte der Mann. Dann erkannte er Benno Schlott und kniete nieder, um die Ringe an dem Kommissar zu küssen, die sich um Schlotts wohlförmige Finger schlossen. Wie schon erwähnt, war der Kommissar recht beliebt in seinem Volk. Er ließ den Mann gewähren und legte ihm seine milde Hand auf die Schulter. Dann mußte er dem Mitbürger ein Autogramm auf den Rand der Zeitung geben und noch eins für die Frau des Mannes und noch zwei für seine Enkelkinder. Dann konnte Benno Schlott endlich seine Fragen stellen: "Äh, sagen sie mal, kommen sie jeden Tag hierher zum Zeitunglesen?" "In den Schubertpark? Auf die Bank?" fragte der Mann, um -1 8 4 -
sich zu vergewissern. "Ja." bestätigte Schlott. "Wie ja? Meinen sie jetzt, ob ich jeden Tag in den Schubertpark komme, oder ob ich jeden Tag zu dieser Bank komme?" Dieser Mann war ein dummer Mann. Wahrscheinlich war sein Gehirn schon seit 20 Jahren nur noch graue Grütze. Und sicherlich bestand es aus Zellen. Aber auch zu solchen Idioten mußte man höflich sein; so traurig es auch war: Diese Idioten waren die Fans des Kommissars und diese Idioten kauften auch die Groschenromane, die er manchmal nach Feierabend unter dem Pseudonym "Frau Ingeborg" schrieb. Benno Schlott war auf Idioten angewiesen. Den Bundespräsidenten hielt er auch für einen Idioten. Der konnte nichtmal über den Rand seiner Bundesverdienstkreuze hinausblicken. Aber auf den Bundespräsidenten war er wenigstens nicht angewiesen. Immerhin etwas. "Ob sie jeden Tag zu dieser Bank im Schubertpark kommen, meine ich natürlich, sie Klapppfeife." vergewisserte der Kommissar dem Mann seinen Sachverhalt. Schlott war etwas grimmiger um die Lippen geworden. "Zum Zeitunglesen?" fragte der alte Idiot wieder. "Das ist mir egal zu was, ich will bloß wissen, ob sie jeden Tag hier sind!" "Nein, natürlich nicht. Was sollte denn währenddessen mit meiner Frau werden? Die kann ich doch nicht den ganzen Tag alleine lassen. Sie ist schon alt und blind, Beine hat sie auch keine mehr; und dann liest sie immer diese schrecklichen Schundromane von dieser Frau Ingeborg..." Nun war es dem Kommissar aber zuviel. "Reden sie nicht so über Frau Ingeborg! Ich bin es, der diese -1 8 5 -
Romane schreibt! Ich bin Frau Ingeborg und niemand anders! Jawohl, ich, ich, ich!!!" Wütend stapfte der Greifer davon und packte den Mann zuvor mit schüttelnder Hand am Revers seines Kragens. Jetzt hatte dieser Tattergreis ihn auch noch dazu gebracht, sich als Frau Ingeborg zu outen. Das war dem Kommissar peinlich. Er schoß, um seinem Ärger Luft zu machen, ein paar seltene Singvögel ab und einen Hirsch, der seine Kreise am Himmel zog und betrieb hernach ein wenig transzendentale Meditation. Dann ging es schon wieder besser. Aber reizen sollte ihn jetzt lieber doch niemand mehr so schnell. Der Kommissar war jetzt wie ein Pulverfaß geworden. Mann, war das wieder heiß hier! Der Benno Schlott brauchte eine Abkühlung. Sommer haßte er wie die Pest, denn es war ihm peinlich, Schweißränder unter den Achseln und zwischen den Füßen zu bekommen. Bevor er hier weiter nach Spuren suchte und Personen befragte, kühlte er sich erstmal etwas ab. Umrahmt von einem Blumenrondell stand ein lustig plätschernder Springbrunnen im Park. Hier wollte Benno Schlott ein wenig baden und sich waschen. Am Abend kamen nämlich seine Nachbarn, das Ehepaar Dagobert und Praline Schmierfunzel zu Besuch und Edding Prinzenrolle und Abraham Mogelpilz auch. Ein Abend mit guten Freunden eben, der viel Spaß und muntere Geselligkeit versprach. Schlott wollte nicht ungewaschen dahin kommen. Mit eleganten Bewegungen zog sich der Kommissar aus. Er war so elegant, daß man es für Performancekunst halten konnte. Mit einem lauten "Yippiyeah!" sprang der Greifer in das Wasserbecken und machte dann einen Wassertanz, der indianisch aussehen sollte. Wenn er Spaß kriegte, dann vergaß der alte Fuchs sich selbst. Beinahe war es, als hätte man dem Polizeikommissar ein falsches Gehirn eingepflanzt. Er sah jetzt total peinlich aus: Ein nackter Mann, der bloß einen Sommerhut aufhat, weil er vergessen hat, ihn abzunehmen, tanzt am -1 8 6 -
hellichten Tag in einem Springbrunnen herum und tut so wie ein Indianer, obwohl so niemals ein echter India ner tun täte. Wirklich total peinlich sowas. Nur jemand, der so über jeden Zweifel erhaben ist, wie zum Beispiel Benno Schlott, kann sich das mal leisten. Nach etwa zehn Minuten hatte sich eine Menschenmenge gebildet, die den Kommissar interessiert beobachtete. Es gab keinen, der nicht erkannt hatte, wer da so einen irren Zirkus aufführte, zumal ein Zeitungsverkäufer gerade ein Extrablatt verkaufte, auf dessen Titelseite ein Foto vom Kommissar war. "KOMMISSAR SCHLOTT IST FRAU INGEBORG!" stand da fett zu lesen. Nun sah der Kommissar auf und bemerkte die Leute. Er tat das einzig richtige: Er stieg aus dem Springbrunnen, nahm den Hut ab und ging reihum. Wer nicht mindestens fünf Mark in den Hut tat, bekam einen Tritt in den Bauch, daß er blutigen Darmsalat kotzen mußte. Benno Schlott war eben der älteste Fuchs, den man sich vorstellen konnte. Auch diese scheinbar ausweglos peinliche Situation hatte er nonchalant gemeistert, indem er so tat, als wollte er den Leuten eine Darbietung darbieten. Benno Schlott war eben Benno Schlott und jetzt zusätzlich noch um 859 Mark reicher. Nun mußte er aber weiter nach Spuren suchen, die die Identität des Mörders entlarven konnten, weil sonst könnte man denken, daß der Kommissar trotz seines Fleißes faul war. Er zog sich an. Grohm war im Park gewesen. Das war Tatsache. Der Kommissar und Polizeipräsident mußte nur noch jemanden finden, der ihn dabei beobachtet hatte, was er dort tat. Er fragte einige Leute, die hier einen Sonntagsspaziergang absolvierten, aber niemand war vor fünf Tagen mit Grohm zur gleichen Zeit im Park gewesen. Kurz darauf hellte sich Schlotts Miene etwas auf, denn Edding Prinzenrolle kam im Jogginganzug durch den Park gejoggt. Edding war totaler Sport- und Gesundheitsfanatiker. -1 8 7 -
Das lag sicher daran, daß seine Patienten immer etwas schlaff und ungesund wirkten. "Edding, na sowas, schön dich zu sehen." rief Benno Schlott. Edding stoppte kurz sein Jogging und trat mit den Füßen auf der Stelle herum, um seinen Lauftakt nicht zu verlieren. "Benno, na sowas, schön dic h zu sehen." Beide schüttelten einander eine Weile lang gegenseitig die Hände. Der Kommissar erzählte, daß er einen Toten in die Gerichtsmedizin gebracht hatte, der wahrscheinlich mit Grohms rechtem Schuh erschlagen worden war. Edding war erstaunt und versprach, sich gleich am Montag darum zu kümmern. Er wußte nicht, daß er wegen seiner Persönlichkeitsspaltung schon an der Leiche arbeitete. Der Kommissar wollte seinen Freund auch nicht beunruhigen und sagte deshalb lieber nichts davon. Beide hatten Hunger bekommen; der Greifer und der Medizinmann. Mit seinem Handy bestellte Benno Schlott den Pizzaservice in den Park und bald kauten die zwei Spürnasen an leckeren Pizzas herum und machten Mittagspause, weil man Pizzas ja schlecht im Dienst essen konnte. Einer Frau, die gut aussah und gerade vorbeikam, zauberte der Kommissar ein paar lustige Tricks vor. Er zauberte zum Beispiel die Pizza von Edding weg und ließ sie im Ärmel der Frau wieder erscheinen, daß einige der Sardellen daran hängen blieben. Benno Schlott war Mitglied im magischen Zirkel. Nach dem Essen mußte Edding aber weiterjoggen. Der Kommissar winkte ihm noch mit seinem Taschentuch hinterher und Edding winkte im Laufschritt zurück. Echte Freunde die beiden. Toll, daß es sowas noch gab. Der Park hatte auch einen Wald, den Schubertparkwald, wie er hieß. Hier stöberte sich der Greifer jetzt ein wenig durch, denn er folgte einer esoterischen Intuition, die ihm riet, doch mal im Wald nachzuschauen. Aus seinem Tatortkoffer packte Schlott die digitale Wünschelrute aus. Sie schlug schnell aus -1 8 8 -
und führte den Greifer zu einer Frau in mittleren Jahren, die mit Efeuranken um den dicken Ast einer Buche gewickelt worden war. Offensichtlich war die Dame schon eine Weile lang tot. Unter der Buche lag ein Manschettenknopf. Es war aufgefallen, daß Simplicius Grohm, als er ins Hotel kam, auch nur einen Manschettenknopf trug. Einen aus Gold mit einem großen Smaragd drinnen. Der hier war eindeutig das Gegenstück. Der Kommissar knotete die Frau vom Baum und nahm sie mit zu seinem Wagen. Man hatte ihr ein Messer mit den eingravierten Initialen "S.G." ins Herz gerammt. Geheimnisvoll. Ein bislang vollkommen gesetzestreuer Mann wird am Nachmittag entführt und entsaftet und vorher hat er noch mindestens zwei höchst sonderbare Morde begangen. Das paßte einfach nicht zusammen, da war sich Benno Schlott einig. Wo war der Sinn? Grohm hatte etwa um die Mittagszeit schon einmal Kontakt mit der Colamörderin gehabt. Wenn diese beiden Morde nicht vorher geschehen wären, dann hätte man glauben können, daß die Mörderin Grohm unter Drogen gesetzt hatte, damit er die Morde ausführte. Aber so? Einfach nicht zum Zusammenreimen. Schlott brachte die Leiche in ein Kühlfach der Gerichtsmedizin. Edding hatte anscheinend schon Feierabend gemacht. Vielleic ht hatte sich Schlott auch nur eingebildet, daß Prinzenrolle vorhin in der Gerichtsmedizin gewesen war. Manchmal war der Kommissar mit seinen Gedanken der Zeit voraus. Nachdem Grohm im Park gewesen war, hatte er sich den Zimmerschlüssel seines Hotels abgeholt, um gleich danach zur Pizzabude in der Kühlschrankstraße zu gehen. Auf dem Weg vom Hotel zur Pizzabude, mußte die Mörderin das erste Mal versucht haben, ihn niederzuschlagen und zu entführen. Benno Schlott ging den Weg zu Fuß ab. Zuerst ging er ins Hotel und unterhielt sich mit dem Direktor. "Ja, Herr Polizeipräsident, es war merkwürdig mit diesem -1 8 9 -
Grohm. Ich erinnere mich, daß er erst eine Weile mit Slawomir, unserem Mann am Empfang geredet hatte. Dann war plötzlich Stille. Ich saß im Nebenraum und kont rollierte gerade die Buchführung mit einer Uhrmacherlupe. Wegen dem Kleingedruckten. Grohm klingelte und sagte, daß niemand da wäre im Hotel, um ihm die Schlüssel zu geben. Ich sagte, daß er doch gerade mit Slawomir gesprochen hätte, aber er meinte, es wäre niemand da und er wäre selber Bauchredner. Na ja, dick genug war er ja auch. Slawomir war spurlos verschwunden. Ich gab Herrn Grohm dann die Schlüssel und er hat gleich das Hotel wieder verlassen, weil er eigenhändig eine Pizza essen wollte. Ich habe dann meinen Kopf geschüttelt, als Zeichen, daß ich mich wunderte, weil unser Restaurant, das "Fünf Jahreszeiten" doch überall so berühmt ist für sein Essen und die hübschen Kellnerinnen. Wir bieten sogar eine Pizza "Fünf Jahreszeiten" an." Schlott schickte den Direktor wieder weg und nahm sein Pendel zur Hand. Es schlug, wie er nicht anders erwartet hatte, aus. Im Hoteltresor fand er dann die Leiche des Empfangsmannes Herrn Slawomir Tierhalter. Benno Schlott rief erneut den Hoteldirektor und zeigte ihm die Leiche. "Wer eine Leiche in einem Hoteltresor ablegt, muß ein Interesse haben, daß sie bald gefunden wird, denn ein Hoteltresor wird immer viel benutzt, verwendet und gebraucht. Warum konnte diese Leiche fünf Tage in einem Tresor liegen, der zudem gar nicht mal abgeschlossen war? Da drängt sich mir doch gleich die Anwesenheit einer besonderen Situation auf." Der Direktor erklärte: "Der Tresor wird bei uns nicht mehr benutzt, da alle Angestellten und selbst die Putzfrauen einen Schlüssel dafür besitzen und das unseren Gästen nicht sicher genug erscheint, was natürlich ein Blödsinn ist. Für den Tresor hat sich schon seit über einer Woche niemand mehr interessiert und wir machen uns schon gar nicht mehr die Mühe, ihn abzuschließen. Die Wertsachen unserer Gäste vergraben wir -1 9 0 -
jetzt im Hotelgarten." Schlott brachte auch diesen Toten in die Gerichtsmedizin. Zwischen den Zähnen klemmte ihm eine Visitenkarte von Simplicius Grohm. "Merkwürdig, jetzt sind es schon drei Leichen. Merkwürdig auch, warum Grohm die Spuren bewußt so gelegt hat, daß sie zu ihm führen." brummte Benno Schlott, als er zum Hotel zurückgekehrt war und den Weg zur Pizzabude zu Fuß abging. Der Greifer wunderte sich ein bißchen. Grohm hätte eigentlich nur jemanden ermorden müssen und sich dann bei der Polizei melden, wenn er schon wollte, daß man auf ihn aufmerksam wurde. Andererseits hatte die Polizei auch immer viel anderes zu tun und wahrscheinlich hätte man Grohm gleich wieder weggeschickt, um dann nach ihm fahnden und ihn mit Indizien überführen zu können. So waren Polizeikommissare eben, sie wollten sich ihren Spaß nicht nehmen lassen und steckten voller Sportsgeist. Allesamt waren sie große Kinder. Nur Benno Schlott natürlich nicht, der war ein großer Kommissar. Unterwegs zur Pizzabude gab es keine Anhaltspunkte für irgendwelche Spuren, aber bei der Bude selbst mußte sich der Kommissar zutiefst verwundern: Sie war seit vier Tagen geschlossen. Warum hatte sie dicht gemacht? Benno Schlott war der Mann, der nichts kannte, und er schoß deshalb einfach die Eingangstür zu Bruch. Dann ging er rein, trommelte sich auf den Bauch und schrie "Uaaaahhhh" und sowas, um gleich zu imponieren und Furcht zu stiften, falls wer drinnen war, der ihm ans Leder seiner Kleidung wollte. Es war ein Siegel vom Ordnungsamt an der Tür gewesen. eine rasche Rückfrage per Telefon ergab, daß die Kollegen vom Amt den Laden versiegelt hatten, weil niemand drin zu sehen war, kein Besitzer und nichts, aber alle Pizzas im Ofen zu schwarzer Kohle verkohlt waren. Klar, das war ein offener Mißstand für das Ordnungsamt. Der Besitzer hatte sich bis heute nicht gemeldet. "Ich weiß auch, warum, Freunde." sagte der Greifer in sein -1 9 1 -
tragbares Telefon zum Ordnungsamt. "Ich sehe es in meinem Weisen Eulenglas Der Heiligen Mitternacht. Es hat sich nachtschwarz verfärbt, woran ich erkenne, daß in der Nähe eine Leiche sein muß." Niemand hatte den Überblick darüber, was für esoterische Geräte, die irgendwas anzeigen konnten, noch so in dem Tatortkoffer des Kommissars schlummerten, aber es gab von verschiedenen Seiten her Vermutungen, daß mehr in ihn hinein ging, als sein Rauminhalt eigentlich zulassen durfte. Edding Prinzenrolle vertrat die Theorie, daß sich das Innere des Koffers nach allen Seiten in die vierte und fünfte Dimension ausdehnte. Aber, wie gesagt, es ist nur eine Theorie. Allerdings wunderte sich im Moment sogar Benno Schlott, denn ein Weises Eulenglas Der Heiligen Mitternacht hatte er nie in den Koffer hineingetan, er besaß nichtmal eines. Sehr esoterisch alles. Benno Schlott beendete sein Gespräch mit dem Ordnungsamt und schaute sich um. In der Gefriertruhe im Nebenraum wurde er fündig. Dort lag der zu Stein gefrorene Pizzabäcker Meister Tonio. Seine erkalteten Finger umklammerten ein schwarzes Büchlein mit Ledereinband, auf dem mit goldenen Lettern eingeprägt stand: "Adreßbuch von Simplicius Grohm". Der Kommissar packte den Toten aus der Truhe und schnallte ihn aufs Dach seines Sportflitzers. Er war nämlich so ungünstig gefroren, daß er zuviel Platz einnahm, um in den kleinen Kofferraum des schnellen roten Wagens zu passen, der vor dem Hotel abgestellt war. Einen Beutel Scampi nahm Schlott auch noch mit aus der Tiefkühltruhe, damit sich der Weg auch gelohnt hatte. "Schau mal, Mami, da geht ein Mann mit einem Toten." "Ach mein Kleiner, das ist nur Frau Ingeborg, die Romaneschreiberin. Sie arbeitet in ihrer Freizeit bei der Polizei." So unterhielten sich eine Mutter und ihr kleiner Sohn. Den Kommissar ärgerte es. -1 9 2 -
Seit ihn die Zeitung geoutet hatte, schien sein Image gelitten zu haben. Er schoß der Frau ihren dämlichen Hut vom Kopf und trat ihr mit seinen spitzen Sohlen in den Hintern, daß sie vorneüber in einen dicken Haufen Hundescheiße fiel. Der kleine Junge fand das toll. Anschließend aber war auch er dran: Schlott ging mit brachialem Schritt zu dem Kind, um ihm eine zu scheuern. Mit der Hand, an der er die meisten und dicksten Ringe trug natürlich. Schmerz mußte schließlich auch weh tun, wenn er wahre Schuld sühnen sollte! Der alte Fuchs wollte schon dafür sorgen, daß ihn so schnell keiner mehr öffentlich "Frau Ingeborg" nannte. Wütend fuhr er zur Gerichtsmedizin und knallte die Leiche auf einen Seziertisch. Ein Kühlfach war wohl nicht nötig, denn gefroren war der Mann ja schon. Jetzt hatte Schlott keine Laune mehr zum Weiterarbeiten. Er setzte sic h ans Steuer und brauste über Hauptverkehrskreuzungen, rote Ampeln und überraschte Passanten hinweg in Richtung nach Hause. Dabei knabberte er gefrorene Scampi aus der Tüte. Milupa war böse mit ihrem Mann, weil er am Sonntag gearbeitet hatte. Sie sagte, daß das so nicht weitergehen könne. Schlott war sauer. "Also das ist ja wohl der richtige Mißstand hier! Erst ein anstrengender Arbeitstag und dann, wenn ich nach Hause komme und meine Ruhe und niemanden um mich herum haben möchte, dann hängt auch noch der Haussegen quer und ich muß meine mißlaunige Frau ertragen!" Milupa schlug die Hände über dem Kopf zusammen über die Vergeßlichkeit ihres Mannes, weil er nicht mehr daran gedacht hatte, daß in zwanzig Minuten die Schmierfunzels, Abraham Mogelpilz und Edding Prinzenrolle zu Besuch kamen. Aber Milupa hatte es auch vergessen und es war nur noch Knäckebrot im Haus und rote Bohnen aus der Dose. Sehr Peinlich, sowas. Milupa Schlott fragte Benno Schlott, ihren Ehemann, was -1 9 3 -
man da machen konnte. "Das ist ganz einfach, Ehefrau, wir werden den Gästen Knäckebrot und rote Bohnen vorsetzen und ihnen sagen, daß das eine neue Delikatesse in allen Schickeria - Restaurants ist. Nouvelle Cuisine. Auf deutsch: Noble Küche." Milupa sagte, daß sie es so machen würde und daß ihr Mann faustdick mit allen Wassern gewaschen wäre. "Gut, mach' das so." sagte der Kommissar ung ging unter die Dusche, wo er sich umzog, bevor seine Frau ihm wieder Vorwürfe machen konnte, weil er sonntags arbeitete. Diese Vorwürfe waren ungerecht. Sollte seine Frau doch froh sein! Andere Männer waren sogar sonntags noch zu Hause. Die schauten dann ihrer Frau in die Kochtöpfe, sahen Fußball im Radio und trugen Bierflaschen und verschwitzte Unterhemden mit sich herum, die im ganzen Haus eine üble Note hinterließen. Dann war die Scheidung immer nicht mehr weit. Benno Schlott war nicht so. Er ließ seiner Frau den Freiraum, den er brauchte, um zu ermitteln. Der Dienst, das war sein Leben. Andere Leute vergaßen am Feierabend ihren Beruf und bauten beispielsweise ihre Dienstwaffe als Plastikmodell nach oder schlugen innere Organe, die sie bei ihrer Arbeit in der Gerichtsmedizin gesehen hatten, mit Meißelwerkzeug in Marmor. Benno Schlott war nicht wie diese Menschen. Er konnte nicht von seiner Arbeit abschalten. Er ermittelte auch in der Freizeit weiter. Sogar seine Groschenromane handelten von Lindhild, der Alpenkrankenschwester, die mit der Dienstwaffe ihres Großvaters auf Mörderjagd ging und Verbrecher verfolgte und zusammenballerte. Nur einmal, als er ein Kinderbuch geschrieben hatte, da hatte der Kommissar seine Arbeit vergessen und war ein einziges Mal über seinen eigenen Schatten hinausgewachsen. Das Buch hieß "Hörner - Mike, der Eichhörnchen-Kommissar mit der sehr großen Dienstwaffe" und war Schlotts ganzer Stolz, abgesehen von seinem Sportwagen -1 9 4 -
und seiner großen Dienstwaffe selbstverständlich, die er, weil er um ihre psychologische Bedeutung wußte immer liebevoll "mein schießendes Potenzsymbol" nannte. Der Wagen war auch ein Potenzsymbol. Benno Schlott hatte seinem Auto jetzt sogar einen Namen gegeben. Es hieß "Benno Schlotts Auto". Das stand mit Klebebuchstaben hinten auf den Wagen geklebt. Die Klingel vom Haus ging los und Schmierfunzels kamen herein mit Weinflaschen als Geschenk. Das traf sich gut, auf diese Weise gab es zum Essen sogar noch ein Getränk. Der Kommissar war jetzt fertig umgezogen und machte nur noch schnell den Hosenstall seiner gelben Plüschhose zu, bevor er Frau Praline Schmierfunzel die Hand gab. "Hallo, Frau Schmierfunzel, wie geht's dir?" fragte er, und schon war das Gespräch im Gange. "Gut Herr Kommissar Schlott. Und was machen deine Verbrecher?" "Oh, ich jage jetzt die Colamörderin und leiste beständig gute Arbeit, auf die jeder stolz sein kann." Schlott lächelte gewinnend und gab auch Herrn Schmierfunzel die Hand, nachdem er versucht hatte, seine verdammte Unterhose aus der Popofalte rauszubekommen. Sie klemmte manchmal ziemlich eng. "Hallo, Herr Dagobert Schmierfunzel. Na das nenne ich aber mal zwei Flaschen Wein!" Enthusiastisch bearbeitete Schlott die Hand seines Nachbarn und nahm den Wein mit der anderen Hand entgegen. "Man liest ja wieder viel in der Zeitung über dich in letzter Zeit, Herr Kommissar Schlott. Und was mußte ich hören, du bist Frau Ingeborg?" Leute die den Kommissar kannten, wußten, wann er aufs äußerste zornig wurde. Immer dann, wenn er über dem Boden schwebte und den Klang tibetanischer Tempelglocken -1 9 5 -
nachahmte oder "Ommmmm" brummte, denn dann machte er wieder transzendentale Meditation um sich zu beruhigen. Als Schmierfunzel den Namen Frau Ingeborg aussprach, erhob sich Schlotts Körper und ein vernehmliches, aggressives "Ommmm" ertönte. "Oh, sorry. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Herr Kommissar." sagte Schmierfunzel. Er war ein höflicher Mann. Wäre er das nicht gewesen, wäre er auch gar nicht erst in die erlesene Villa von Herrn und Frau Benno Schlott hineingekommen. Abraham Mogelpilz war der nächste, der kam und er brachte Pralinen mit, so daß auch das Dessert zum Essen gesichert war. Glück mußte man haben. Nun beeinflußte Schlott Edding Prinzenrolle durch katalytische Fernübertragung mental noch dahingehend, daß er Steaks mitbrachte. Prinzenrolle klingelte zehn Minuten später und brachte schon vorpanierte Wiener Schnitzel mit. Irgend etwas hatte anscheinend die esoterische Gedankenübertragung behindert. Aber es war nicht schlecht, sondern auch gut, denn Milupa Schlott konnte vorpanierte Schnitzel braten, wie keine andere. So wurde es ein toller Abend mit Schnitzeln, Knäckebrot, roten Bohnen aus der Dose, Wein und Pralinen. Alle ließen richtig die Sau raus und hatten Spaß wie die Blöden. Am Schluß ging man dann noch mit Fichtennadelmassageöl eingerieben in die gemütliche Familiensauna und schwitzte, bis das eigene Wasser zu den Poren des anderen rauskam, was man mit esoterischer Körperkopplung bewerkstelligen konnte und sehr lustig aussah. Von dem Massageöl bekamen alle wegen der Hitze dicke Pickel. Das machte Spaß, sich die anzugucken! Es war eben ein toller Abend, der voll wunderbarer Abenteuer lag und den man so ohne Zweifel nur bei dem Ehepaar Benno Schlott erleben konnte, weil der Kommissar für Atombombenstimmung sorgte. Was auch wichtig war war, daß keiner mehr den ganzen Abend über Frau Ingeborg erwähnte. -1 9 6 -
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Kapitel 19 Der Kommissar sieht eine Leiche an und badet in Stutenmilch Nach dem gregorianischen Kalender war am nächsten Tag Montag. Benno Schlott wollte modern sein und nahm sein Morgenbad in Stutenmilch; wegen seinem Teint. Milupa war dann später sauer, weil sie meinte, daß das Bad noch Wochen danach nach Joghur t stinken würde. Viel von des Kommissars Kleidung war noch in der Wäsche, weil die Wäschefrau der Schlotts seit einer Woche krank war. Deshalb zog Schlott an diesem Morgen noch einmal seine gelbe Plüschhose an, die er schon am Vortag getragen hatte. Dazu wählte er einen gelben pailettenbesetzten Bauchgürtel aus und ein lilanes Brokatjäckchen, das ihm bis zum Bauchnabel ging. "Es ist mir heute ein Alptraum, ins Revier zu fahren, denn dort wartet mein neuer Inspektor Herr Pantaleon v. d. Stange auf mich. Aber ich bin ein Mann und deshalb macht mir ein Alptraum nicht das Geringste aus, weil ich habe für diesen Mann nur ein Lächeln übrig und das ist noch das Beste, was er von mir erwarten kann, denn ich habe noch ganz andere und gemeine Sachen für ihn übrig auf meiner hohen Kante." Benno Schlott sagte das gar nicht zu seiner Frau, die eben schon zur Tür rausgegangen und auf Arbeit in ihr Gericht gefahren war, sondern zu seinem Spiegelbild. Der Spiegel nahm zwei Wände des Schlafzimmers in Anspruch und war nach innen gebogen, damit der Kommissar immer schlank wirkte. Benno Schlott konnte sich mit ihm noch besser unterhalten, als mit dem Spiegel in seinem Arbeitsbüro. Dann faltete der alte Fuchs sich so, daß er in den Wagen paßte und gab Gas. "Hallo, Herr Polizeipräsident." begrüßte Toyota Ehemann den Kommissar, der in sein Büro ging. -1 9 8 -
"Gibt's Post oder Termine? Vielleicht gar beides?" fragte Schlott, der zu faul war, das mit seinem sechsten Sinn selber herauszufinden. "Um zehn stellt sich ihr neuer Inspektor, Herr Pantaleon v. d. Stange vor; die Atom - Brauerei möchte sie als Werbeträger für Atompils engagieren, ein Vertreter mit Werbevertrag käme um halb zwölf, und sie sollen als Ehrengast den neuen Ententeich in der Kabelstraße einweihen und ihn mit einer Flasche Sekt auf den Namen Benno - Schlott - Ententeich taufen. Das wäre um vierzehn Uhr. Ansonsten jede Menge Fanpost, die aktualisierte Liste aller Vermißtinnen und Vermißten, die sehr wahrscheinlich der Colamörderin zum Opfer gefallen sind, Gertrud hat sie gestern Nacht noch mal überarbeitet für sie, und dann wäre da noch ein Paket aus Bad Alaska bei Heilbronn. Anonym." "Danke, Frau Ehemann, gute Arbeit. Weitermachen. Ich gehe in mein Büro, sie bleiben im Vorzimmer. Wenn das Telefon klingelt, dann gehen sie dran, wenn ich ihnen was diktiere, dann schreiben sie mit und wenn Papierkram kommt, bearbeiten sie ihn. Ansonsten bleibt alles wie gehabt." Schlott war ein strenger Chef, aber dafür auch ein gerechter. "Aber, Herr Polizeipräsident, das ist doch ohnehin schon meine Aufgabe." wandte Toyota Ehemann ein. "Sehr richtig. Da wollte ich sie gerade drauf hinweisen. Ich sehe, wir werden gut miteinander auskommen." Der Kommissar stopfte seine Pfeife neu, steckte sie an und ging genüßlich schmauchend in sein Arbeitszimmer. Da rief ihn seine Sekretärin nocheinmal zurück. "Herr Polizeikommissar Schlott, ehe ich es vergesse: Hatten sie die geheimen Beschatter Otto Normalverbraucher, Lepra Katzensack, Hortensius Mundstück und Vileda Wischmop irgendwann beauftragt, alle Bad Salzfischbacher Imbißbuden zu überwachen?" -1 9 9 -
Benno Schlott hielt auf eine abrupte Art inne in seiner Bewegung, die er gerade erst begonnen hatte. "Holla, das hätte ich jetzt vergessen. Ja, den Auftrag hatte ich ihnen mal spät am Abend per Telefon gegeben, nachdem sie ihre kleine Abreibung mit dem Gewitterritual bekommen hatten. Hat sich da was ergeben?" "Ja, sie haben einen Geheimbericht verfaßt, den sie nur ihnen geben wollen." "Das, liebe Frau Ehemann ist ja wohl selbstverständlich. Sonst wäre es schließlich kein Geheimbericht. Sie als meine Sekretärin wissen ohnehin schon viel zu viel. Bitte ändern sie das in Zukunft." Frau Ehemann versprach es. Auf dem Schreibtisch in Schlotts Büro stand das Paket aus Bad Alaska, einem kleinen Ort in der Nähe von Heilbronn. Seltsam. Schlott hatte sich einmal per Post zehn Wölfe für den präarktischen Teil seines ausgedehnten Gartens kommen lassen. Aber noch mehr Wölfe hatte er nicht bestellt, außerdem kamen die Wölfe damals aus Alaska bei Kanada. Auf dem Lieferschein stand als einzige Angabe "Tolles Geschenk". Benno Schlott packte den Deckel auf und sah rein. 30 gelbe arktische Klapperschlangen mit hochgiftigen Schwanzspitzen krochen heraus. Wer den Schwanz einer arktischen Klapperschlange berührte, starb jämmerlich an irreversiblen Leberlähmungserscheinungen. Der Kommissar reagierte schnell und schoß die Schlangen mit seiner Dienstwaffe zu Brei. Die Überreste griff er mit der Zange auf, die mit bei dem schmiedeeisernen Kaminbesteck dabei war. Schlott hatte jetzt auch einen offenen Kamin im Büro. Wegen der Entspannung, die sich dem Betrachter eines Kaminfeuers darbot. Allerdings wäre es noch entspannender gewesen, hätte der Kommissar den Rauchabzug gleich mit einbauen lassen. Dann tat der kluge Fuchs die Schlangenpampe in die -2 0 0 -
Kaffeemaschine und ließ sie mit heißem Wasser überbrühen. Nur durch heißes Wasser verlor nämlich das Gift seine Wirkung. Der Aufguß duftete leicht nach Lavendel und der Kommissar schlürfte ihn genüßlich mit ein paar Stücken Kandis, denn jetzt war er ganz ungefährlich und so ein Aufguß von arktischen Klapperschlangen galt viel bei Delikatessenkennern und wurde mit Gold und Elfenbeinen aufgewogen. Es war wieder ein Mordanschlag gewesen für den Kommissar. Aber egal, er lebte ja schließlich noch. Für diese Anschläge hatte er nur ein Lächeln übrig, der humorvolle Greifer. Schlott rief bei Edding Prinzenrolle an. "Hallo, Ed. Mir ist was doofes passiert. Ich habe vorgestern vergessen, dir bescheid zu sagen, daß du den Scholle - Klopak Test zur postmortalen Stimmlagenbeurteilung und das Werthers - Echte - Frisurenbild im Ultraschallbereich durchführen mußt. Die Mörderin ist ja nun nicht gefaßt und für den jetzigen Stand der Ermittlungen sind diese Tests essentiell." "Alles klar. Ich werde die notwendigen Materialien besorgen und anschlieüend die Gerichtsmedizin für die nächsten zwölf Stunden evakuieren. In spätestens drei Tagen weißt du dann bescheid was los ist." Schlott dankte durchs Telefon und winkte seinem Freund beim Verabschieden zu. Bisher hatte niemand dem Kommissar gesagt, daß man ihn durchs Telefon gar nicht sehen konnte. Über Arbeit konnte der Greifer wirklich ein Lied singen, aber er tat es nicht, weil ihm seine Arbeit keine Zeit dazu ließ. Jetzt zum Beispiel hämmerten nicht nur die Hammerhaie ans Aquarienglas, sondern auch die vier geheimen Beschatter. Aus Versehen waren sie über das Séancenzimmer ins Büro gekommen. Das Séancenzimmer hatte eine zweite Tür, die zur Teestube des Präsidiums führte. Von da mußten die vier gekommen sein. -2 0 1 -
Jetzt schwammen sie mit den Haien im Aquarium. Schlott war schlau gewesen und hatte in den Séancenraum vor den Eingang zum Aquarium eine zweite Tür aus Gummi als Schleuse einbauen lassen, damit, falls jemand die andere Tür öffnete, ohne vorher die Fluten zu teilen, nicht alles unter Wasser lief. "He Leute, ihr kommt besser da raus, die Haie essen auch große Leute wie euch. Wer so Sachen rumerzählt wie, daß sie keine Menschen essen würden, sondern höchstens Kinder, der weiß nicht, daß das anders ist. Außerdem werdet ihr am Ende noch ganz naß da drinnen und verderbt euch das Leder eurer schönen Schuhe. Ich möchte mal wissen, wo ihr die gekauft habt; die Schuhe sind echt nicht übel." Schlott klopfte an die Scheibe, von außen natürlich, denn er war ja gar nicht mit im Becken. "Ach nee, ble ibt doch besser drinnen, ihr macht mir ja den ganzen Teppich naß. Paßt aber wie gesagt auf die Fische auf. Die hauen euch auf die Köpfe und dann kippt ihr um und dann reißen sie euch erstmal die Arme und die Beine ab, damit ihr nicht mehr fliehen könnt. Na ja, ihr wißt schon. Sind halt Tiere. Wollen eben auch gut leben." Die zweihäusrige Brummelschnecke war übrigens auch ein Tier, das gut leben wollte und außerdem der einzige natürliche Feind der Hammerhaie. Sie hatte zwei große, leuchtend rote Schneckenhäuser und sehr starke Kiefer. Beim Kriechen stieß sie mißmutige Brummellaute aus, war permanent schlecht gelaunt und hatte fürchterlichen Mundgeruch. Wahrscheinlich wären Hammerhaie schon längst ausgestorben, wenn nicht glücklicherweise die zweihäusrige Brummelschnecke ein reines Landtier wäre, so daß es bisher noch nie zu einer Konfrontation beider Spezies gekommen ist. Schlott wackelte lustig mit seinem Schnurrbart und setzte sich an den Schreibtisch, um das Schauspiel im Aquarium besser sehen zu können. Nach einer kurzen Weile tauchte Hortensius -2 0 2 -
Mundstück an der Wasseroberfläche auf. Danach folgten Vileda Wischmop, Otto Normalverbraucher und Lepra Katzensack. alle schnappten nach Luft und polterten die Glaswände des Aquariums runter auf den Büroboden des Kommissars. "He, he, he, he, ich hab' euch ein bißchen verarscht!" schmunzelte Schlott, der Greifer zwinkernden Auges. "Wenn ich ehrlich bin, die fressen doch nur Kinder. Und Fischfutter natürlich. Sogar, wenn es noch in der Dose ist. Aber daß ihr mir den Teppich so einsaut, das kommt kein zweites Mal vor, ja? Die Rechnung von der chemischen Reinigung werdet ihr bezahlen. Also, jetzt habt ihr aber genug Fachsen im Wasser gemacht, laßt mal euren Ermittlungsbericht hören." "Tja," setzte Vileda Wischmop an "wir haben die Würstchenbuden in Bad Salzfischbach beschattet und alle Personen notiert, die daran vorbeigingen und angeekelt wegschauten. Da gab es nur zwei: Den Lebensmittelkontrolleur Dr. Rigoletto Wurstfinger und, halten sie sich fest, ihre Sekretärin Toyota Ehemann!" Dem Kommissar verschlug es das Gesicht. Da hatte er nun nicht dran gedacht. "Also ein Belastungspunkt für meine eigene Chefsekretärin. So ein Mißstand!" "Genau. Allerdings bisher der einzige Punkt, den wir gegen sie auf die Reihe bekommen haben, obwohl wir uns echt Mühe gegeben haben, sie zu belasten." Benno Schlott sah jetzt vieles mit neuen Augen. Es würde erklären, warum der Mörder Zugang zu seinem Polizeikaffee hatte, in dem ja Gift gewesen war. Wir erinnern uns: Der Kommissar hatte sich den Magen entleeren müssen. Außerdem war seine Sekretärin Fan von dieser Tierarztserie und hatte überdurchschnittliche Muskeln bekommen in letzter Zeit. Sollten die am Ende doch nicht von ihrer Tipparbeit kommen? Schlott bedankte sich bei den Beschattern und wies ihnen den -2 0 3 -
Weg nach draußen als galante Geste. Das war alles, was sie von ihm erwarten konnten. Er war nicht die Sorte Mann, die gleich mit Gehaltserhöhungen auftrumpfte. Die Beschatter gingen nach draußen. Edding Prinzenrolle rief an. "Hallo, Ben. Wir haben ein Problem bei der Evakuierung der Gerichtsmedizin. Wir bekommen die Leichen, die du gestern vorbeigebracht hast, nirgendwo anders unter. Können wir die in deinem geräumigen Bürokühlschrank zwischenlagern?" "Bist du von allen guten Sinnen verlassen? Zwischen meine tropischen Getränke? Ich stecke bis zum Kopf in Arbeit und jetzt wollt ihr auch noch tote Personen zwischen jenen Genußmitteln verstauen, die mein Wohlbefinden im Dienst gewährleisten sollen? Na gut, bring' sie vorbei, die Vorstellung hat was." Zwei Minuten später kamen starke Mannen in medizinischen Kitteln ins Büro vorbei und brachten die vier Leichen an, die Schlotts Spürnase aufgestöbert hatte. Es machte ein Geräusch, dann redete die Sprechanlage mit Schlott. Es machte ihn nervös, daß die Frau, die dort aus dem Vorzimmer zu ihm sprach, eventuell die vielgesuchte Colamörderin war, der sogar der Kommissar selbst auf der Spur war. Auch der Tod von Grohm im Beisein der Spezialeinheit würde sich mit Toyota Ehemanns Täterschaft leicht erklären lassen. Die Sekretärin kündigte dem Polizeipräsidenten an, daß Inspektor Pantaleon v. d. Stange zum Dienst erschienen wäre. "Mißstand. Sagen sie ihm, er soll sich um die Einweihung des Ententeiches in der Kabelstraße kümmern. Schon mal hinfahren, Ortsbesichtigung, Spuren sichern und die Veranstalter zur Entstehungsgeschichte des Teiches verhören. Dann soll er eine schöne Ansprache halten in meinem Auftrag und ein Protokoll in dreifacher Ausfertigung erstellen. Alles eine sehr ehrenvolle Aufgabe übrigens." -2 0 4 -
Den dummen Kerl war er vorerst los. "Wenn die Toten alle schon mal hier sind, kann ich mir die eine oder andere von diesen Leichen ja mal genauer ansehen." überlegte Schlott. Die gefrorene Leiche des Pizzamannes erweckte des Kommissars spezielles Interesse. Zwischen den gefrorenen Fingern der Hand klemmte immer noch das Adressbuch von Simplicius Grohm. Der Kommissar mußte erst drei Finger abbrechen, um das Buch aus der gefrorenen Hand herauszubekommen, so fest war es hineingefroren. Die Finger legte er in eine leere Würstchendose und tat sie ins Gefrierfach seines Kühlschrankes. Alles wegen der Ordnung. Der kluge Polizeikommissar sog an seiner Tonpfeife, während er in dem Adressbuch blätterte. "Hmm, mal sehen, was wir da so alles haben. Johann Bernbacher, Ehrenfeldstr. 69 in Bad Salzuflen; und hier... Oh! Toyota Ehemann Mozartkugelstraße 6. Das ist ja ein Knüller des größten Ausmaßes. Es gibt eine Verbindung zu meiner Sekretärin von Grohm aus. Das läßt das Licht der Ermittlungen ganz neu erscheinen." Benno Schlott schrieb diesen Ermittlungspunkt in sein Notizbuch, das ausschließlich für Geheimnotizen gedacht war. Vieles darin war deshalb auch mit unsichtbarer Tinte geschrieben. Er hatte es im Blut: Dieser Fall würde bald gelöst sein. Die Tür klopfte von außen. Es war der Vertreter der Atombrauerei, der mit Benno Schlott einen Werbevertrag machen wollte. Er erklärte, daß es ganz einfach wäre, weil der Kommissar nur in die Kamera sagen sollte "Ho, ho, Atompils ist das Bier, das auch ich abends an meinem Kamin trinke." Aus dem Vertrag wurde dann aber nichts, denn der Kommissar bestand auf einem Teleprompter, weil er sich den Text nicht merken konnte. Sein Kopf war einfach so vollgestopft mit den vielen Kriminalsachen, daß da einfach -2 0 5 -
nichts Anderes mehr hineinpaßte. Der Mann von der Brauerei wollte das aber nicht, weil so ein Teleprompter unnatürlich wirkte. Aber so schnell ließ er nicht locker und wollte dann, daß der Greifer wenigstens sagte "Hmmm, Atompils. Lecker!" Dem Polizeikommissar war auch das zu kompliziert, er konnte ja nichtmal seine eigene Telfonnummer auswendig, wie sollte er dann so einen komplizierten Kram können! Der Greifer hatte genug und er ließ den Vertreter mit Telekinese durchs Fenster wegschweben. "Lästiger Mann." brummte er zu sich selbst. Der Vertreter flog über den ganzen Hof und krachte durch ein Fenster bei der ktU herein, deren Chef Fürchtegott von der Seite er prompt für seine Kampagne engagieren konnte. Er war nach ausgiebigen, stundenlangen Proben in der Lage, die Worte "Atompils gut!" einigermaßen stotterfrei zu artikulieren. Benno Schlott sägte unterdessen mit einer metallenen Kettensäge den gefrorenen Toten auf, um nachzusehen, was in ihm los war. Der Kommissar war natürlich nicht so routiniert, wie sein Freund Edding Prinzenrolle, der den Toten vorher vielleicht zuerst hätte auftauen lassen, aber er war gerissen wie ein Tiger und Gerichtsmedizin hatte er mal im dritten Programm bei Telekolleg gelernt. Man brauchte dazu nur ein gutes Nagelpflegeset und etwas Phantasie. Schlott hatte beides und war damit natürlich Leuten gegenüber im Vorteil, die beides nicht hatten. Von innen gab der Tote nicht viel her. Die Leber war leicht verfettet, der betonartig gefrorene Mageninhalt deutete auf Pizza als letzte Mahlzeit hin und beide Lungenflügel waren unbewegt, was wohl auf Atemstillstand als Todesursache hindeutete. Die Leiche schien überdies stark unterkühlt zu sein. Schlott verfrachtete den Toten wieder in den Kühlschrank. Der rote Sportwagen stand draußen in der Feuerwehreinfahrt -2 0 6 -
wie immer. Er lauerte darauf, von seinem Herrn und Meister wieder richtig gefordert zu werden und scharrte metaphorisch mit den Reifen. Benno Schlott lud seine Dienstwaffe durch, hing sich einen Patronengürtel um und stieg mit knarrenden Latexstiefeln und breiten Beinen die Treppen hinunter. Er ermittelte. Dabei mußte er denken und dafür brauchte er Sex. Die Putzfrau hatte Urlaub, deshalb nahm sich der Kommissar im Vorübergehen eine Bohnermaschine, die Flurheizung und die neue Klofrau vor. In seinem "Mehrpunkteprogramm für besseren Polizeidienst" hatte er angeordnet, daß die Angestellten des Präsidiums, die im Dienstleistungssektor arbeiteten, weiblich und zwischen 20 und 25 Jahre alt sein sollten. Da sieht man es wieder, wie grundverschieden der Kommissar war. Einer Frau wäre so ein alberner Sexistenkram nie eingefallen. Aber egal, es half in der Tat stark, das Klima im Polizeidienst zu verbessern und dafür war es gut, daß Benno Schlott keine Frau war. Nachdem der Kommissar seine Energie zum Nachdenken bezogen hatte, stieg er in den Wagen und holte das letzte aus seinem Raketenmotor heraus. Schlott achtete überhaupt nicht auf die Straße, sondern suchte im Handschuhfach nach einem Schokoriegel mit Keksgeschmack, den er letztes Jahr dort hineingetan hatte. Auf dem Armaturenbrett brieten einige Kartoffelpuffer goldbraun. Schlott erinnerte sich nicht, sie dort hingetan zu haben. Es war wohl wieder einer dieser Nebeneffekte, weil der Wagen dazu neigte, die Raumzeit zu verzerren und Phänomene zu produzieren, wenn er zu schnell fuhr. Man mußte ihn endlich mal nach den 37 Kraftpolen hin durchisolieren. Etliche jahrtausendealte Eichen, die in einer Allee standen, ließen unter dem schnellen Gefährt ihr Leben. Das wollte der Kommissar nicht, er mochte Bäume, weil sie redeten keinen Scheiß, deshalb wich er auf den Radweg aus. Immer wenn er Auto fuhr, ging etwas esoterisches mit ihm vor und er hatte das -2 0 7 -
Gefühl, eins mit dem Motor zu werden. Es war total faszinierend. Wenn Passanten in den Wagen hineinsahen der vorbeifuhr, dann hatten sie den Eindruck, der Kommissar am Steuer besäße 16 Ventile, einen Raketenvergaser, sei metallisch silbern und vielleicht auch etwas ölig um die Kolben herum. Das war natürlich nur eine optische Täuschung, die durch die Geschwindigkeit entstand. Dem mitdenkenden Leser wird natürlich schon klar sein, daß Schlott zum Zauberladen in der Fußgängerzone fuhr, um Grohms Spur weiter zu verfolgen. Der Hinweis "Fußgängerzone" kümmerte ihn nicht. Die meisten Verkehrsschilder kannte er ohnehin nicht oder hielt sie nur für Richtwerte, weil er die Fahrschule immer geschwänzt hatte. Die hatten da ganz andere Vorstellungen von Autofahren gehabt als er. Außerdem waren Fußgänger sowieso bloß arme, verachtenswerte Schweinewürstchen. Der Zauberladen beendete gerade seine Mittagspause. Der Kommissar und Polizeipräsident schlenderte herein. Man kannte ihn hier, denn Schlott zauberte gerne und war ja auch Mitglied im magischen Zirkel. Vom Zauberladen bezog er immer die weißen Kaninchen. Er hatte einen irre hohen Verschleiß an Kaninche n. Es gelang ihm zwar ohne weiteres, die Tiere in weiße Seidentücher zu verwandeln, aber bisher war es ihm noch nie geglückt, auch nur eins der Seidentücher wieder in ein Kaninchen zurück zu verwandeln. "Hallo, Lord Astrozaubermann." begrüßte der Verkäufer den Kommissar, den man hier vornehmlich unter seinem geschickt gewählten Künstlernamen kannte, der Progressivität und Zukunftsorientiertheit in einem ausstrahlte und auch signalisierte, daß Schlott in Verbindung mit höheren Sternen stand. "Ho, ho, hallo, da bin ich wieder!" sagte der Greifer mit Pathos, machte eine magische Geste und zog dem Verkäufer einen Blumenstrauß aus der Nase, den er ihm vorher mit aller -2 0 8 -
Gewalt dort hineigezwängt hatte. Der alte Fuchs wirkte beinahe wie David Copperfield. Er legte Wert auf eine gute Show. Er war nicht die Sorte Mann, die nicht überall im Mittelpunkt stehen mußte. Aber dann wurde er doch schnell dienstlich. "Nun, ich bin heute nicht zum zaubern da, sondern, weil ich ein paar Fragen habe." Er brummte sich in Trance, machte einige haluzinogene Handbewegungen und ließ auf diese Weise vor dem inneren Auge des Zaubersachenverkäufers ein dreidimensionales Bild von Simplicius Grohm entstehen. "Haben sie diesen Mann schon einmal in ihrem Geschäft gesehen, nicht wahr?" "Ja, Lord Astrozaubermann." antwortete der Verkäufer. "Vor sechs Tagen. Das war ganz eigenartig. Er kam herein und hatte einen Photographen mit dabei. Dann nahm er unseren Verkäufer Herrn Weichteil und ließ ihn in einer Zauberkiste verschwinden. Für immer. Der Pho tograph hat alles photographiert und dann als Poster vergrößert und an einer Litfaßsäule aufgehängt. Sehr ungereimt alles. Der arme Herr Weichteil. Er war ein guter Mann, der Blumen aus dem Ärmel ziehen konnte und immer und überall durch sehr gepflegte Tischmanieren auffiel." "Hm, hm." brummte Schlott und notierte es in sein Notizbuch. Es reimte sich mit den anderen Verbrechen zusammen. Immer schien Grohm darauf erpicht gewesen zu sein, daß man sie ihm ohne weiteres zuordnen konnte. Aber warum? Eine Frage, die noch mit Geheimnissen umwinkelt war. "Danke, Herr Verkäufer, sie haben mir weitergeholfen. Zur Belohnung werde ich ihnen einen künstlichen Daumen abkaufen. Könnten sie mir wohl ein paar davon vorführen?" Der Verkäufer verneigte sich vor Schlott, küßte seine Ringe und bezeugte, daß er diese Ehre zu schätzen wisse. Benno Schlott erwies nicht jedem aus seinem Volk diese Gnade. Der -2 0 9 -
Kommissar redete immer von "seinem Volk" obwohl er ja kein richtiger Souverän im eigentlichen Sinne war. Das wußte er natürlich auch, aber er ließ sich nichts anmerken, weil niemand bisher seinen Befehlen widersprochen hatte. Nichtmal, als er nach der letzten Wahl den Landtag auflösen ließ und solange Neuwahlen anordnete, bis seine Lieblingspartei, die "Sozialistische Union biertrinkender Idioten", kurz: SUBI, endlich gewonnen hatte. Der Verkäufer kam mit einer Schachtel künstlicher Daumen an und der Greifer besah sie sich kritisch. "Die sind ja alle so rosafarben. Gibt's da nicht auch welche in türkisblau mit silber Glitter?" Der Verkäufer verneinte die Anfrage und erklärte, daß man dann ja sehen würde, daß der Daumen nicht echt sei. "Papperlapapp!" brummte Schlott "Wie echt ein Daumen wirkt, das kommt allein auf die Suggestionskraft des Magiers an und sie wissen ja sicher aus Funk und Fernsehen, daß ich auch auf diesem Gebiet der beste Meister bin. Ist ja auch nicht anders zu erwarten. Außerdem gibt es ja auch Leute mit Fingerprothesen. Also, besteht die Möglichkeit, einen solchen Daumen sonderanfertigen zu lassen?" "Ja, die besteht. Das würde dann allerdings tausende von Mark verschlingen, weil es viel kostet, in der Daumenfabrik die ganze riesige Daumenmaschine für einen einzigen Daumen anzuwerfen." klärte der Verkäufersmann auf. "Lassen sie es machen, koste es, was es wolle. Ich brauche diesen Daumen. Er ist mein Primärbedürfnis. Türkisblau mit silber Glitter. Ohne ihn kann ich nicht mehr schlafen, klar?" "Klar, Lord Astrozaubermann." "Auf Wiedersehen, ich gehe jetzt. Und nennen sie mich in Zukunft bitte nicht mehr Lord Astrozaubermann, wenn ich im Dienst bin." -2 1 0 -
"Wie sie wünschen, Lord Astrozaubermann."
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Kapitel 20 Der Kommissar geht Kleidung kaufen und ist schwer zufriedenzustellen Benno Schlotts Weg führte ihn zum nächsten Ort, den Simplicius Grohm in den letzten Stunden seines Lebens aufgesucht hatte. Es waren so viele verschiedene Orte gewesen wo Grohm war, daß man als Polizist wie Benno Schlott annehmen mußte, daß der Mörder ihm schon auf der Spur war und Grohm das ganz genau wußte. Vielleicht wollte er mit den Morden die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken, um eingesperrt und in Sicherheit gebracht zu werden. Ein bekanntes Verhaltensmuster von Personen, die verfolgt und bedroht wurden. Simplicius Grohm würde als Fall innerhalb des Falles Colamörderin dadurch in der Tat aus dem Rahmen fallen, da die Opfer, vielleicht abgesehen von einigen Merkmalen, die sie mit Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger gemeinsam hatten, zufällig ausgewählt und nicht über längere Zeit hartnäckig verfolgt wurden. Mit seinem Kaffeesatz würde Schlott diese Frage schon zu klären wissen, aber jetzt mußte er zum nächsten Ortstermin. Es handelte sich um die Sankt - Helmut - Kirche, die sich gegenüber dem Sankt - Helmut - Altenstift und dem dazugehörigen Sankt - Helmut - Altenfriedhof im Sankt Helmuter Kirchweg befand. Der Pfarrer der Kirche hieß, wenn Benno Schlott sich richtig erinnerte, Theo Looge und war der Spezialeinheit kein Unbekannter. Vor etwas über einem Jahr hatte Theo Looge dem berüchtigten Akku - Zahnarzt in seiner Kirche Zuflucht vor der esoterischen Spezialeinheit gewährt. Der Akku - Zahnarzt hatte über 20 Patienten winzige 10.000 Volt - Akkus in Zahnkronen implantiert und per Fernsteuerung eingeschaltet, so daß die Patienten durch Stromstöße reihenweise zu Staub zerfielen. Dann hatte der Zahnarzt sie alle nacheinander beerbt. Theo Looge war freigesprochen worden, -2 1 2 -
weil er als Kirchenmann Narrenfreiheit oder etwas Ähnliches genoß und jeden verstecken konnte, der kirchliche Fürsorge benötigte oder zu dem er gerade Lust hatte. Benno Schlo tt hatte die Kirche damals stürmen und die Sakristei sprengen lassen und anschließend den Pfarrer ein wenig zusammengeschossen, nur so zur Sicherheit. Alles in allem war es ein effektiver und zufriedenstellender Einsatz gewesen, der ohne besondere Zwischenfälle verlief. Es war jedoch möglich, daß Looge das etwas anders sah und dem Kommissar die Angelegenheit bis heute noch ein wenig nachtrug. Schlott ging gleich mit gezogener Dienstwaffe in die Kirche und ließ seine Stiefel knarren, um einzuschüchtern. Der Pfarrer hielt gerade einen Gottesdienst ab und etwa fünfzig Leute befanden sich in der Kirche. Um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, schoß Schlott erstmal die Altarkerze aus. Das verfehlte seine Wirkung nicht. Fünfzig Augenpaare sahen den Kommissar erschrocken an. Der lächelte wie ein Hai und freute sich, daß alle ihn sahen. "Schon das nächste Licht, das ich ausblase, könnte eins Eurer Lebenslichter sein, ihr blamulierten Kasemattenkrebse!" sagte Schlott und lächelte weiter. Er war echt cool; wie im Western, aber schlimmer. Looge hatte Schlott wohl von der Kanzel herunter erkannt und kam nun das Treppchen hinab. "Daß mir keiner von ihnen dumme Sachen macht. Ich bin ein guter Schütze." Der Greifer demonstrierte seine Worte, indem er die Hostie so aus einer herrenlos herumstehenden Monstranz schoß, daß sie in hohem Bogen ins Weihwasserbecken flog. Exakt in der Mitte hatte sie ein kreisrundes Loch in Form eines lustigen Quadrates. Schlott war kein sehr gläubiger Christ, denn der Glaube verging jedem, der so harte Polizeiarbeit machen mußte wie der -2 1 3 -
Kommissar. Er schien die Kirche beinahe mit einer Schießbude zu verwechseln, aber dafür würde er schon seine guten Gründe haben. Vielleicht dachte er tatsächlich, er könnte hier Preise gewinnen. "Kommissar Schlott. Ich dachte, ich wäre sie ein für alle Mal los." sagte Theo Looge, sichtlich zornig. Der Mann hatte einen entsetzlichen Mundgeruch, fast wie eine zweihäusrige Brummelschnecke, und war überhaupt die Sorte von Typ, die der Greifer normalerweise nicht mit der Kne ifzange anschaute. Aber im Dienst war das was anderes. "Ich habe diesmal nur eine Frage. Hat dieser Mann vor sechs Tagen etwas Ungewöhnliches in ihrer Kirche angestellt?" Schlott ließ Grohms Gesicht vor dem inneren Auge des Theologen erscheinen. Looge fiel auf die Füße und küßte dem Kommissar die Knie, weil das seines Erachtens ein Wunder war, was der Greifer gewirkt hatte. Schlott machte eine huldvolle Geste und sagte dann bescheid, daß der Pfarrer wieder aufstehen konnte. Von jetzt an war es klar, daß der alte Fuchs den Theologen eingewickelt hatte. Der hielt den Kommissar jetzt für einen abgesandten des Herrn. War er ja auch: Ein Abgesandter des Herrn Inennminister. "Ja, Meister, dieser Mann war hier. Er hat sich schwer versündigt, indem er vor meinen Augen meine Aufwartefrau Frau Rennschnecke im Taufbecken ertränkt hat. Jetzt stapelt sich bei mir die Wäsche. Sie müßten mal schauen, wie es bei mir aussieht. Schlimmer als bei der ktU! Anschließend hinterließ der Mann das hier." Theo Looge holte aus der Tasche seiner Pfarrersuniform einen Ring, in den der Name "Simplicius Grohm" eingraviert war und gab ihm dem Polizeichefmann. "Aha. Ein Ring. So, so. Sehr spezielle Angelegenheit. Darf ich fragen, warum sie ihrer Aufwartefrau nicht geholfen haben, als sie gesehen haben, wie sie da so durch fremde Hand am -2 1 4 -
ertrinken war, nicht wahr?" Looge machte ein Gesicht und sagte: "Ich war noch etwas sauer auf sie, weil sie hat mir gesagt, daß sie den Orgasmus nur vorgetäuscht hätte und außerdem war sie auch schon mit Essenkochen fertig und es sollte ja nicht alles kalt werden." "Aha. Und was gab es zu essen?" Das war eine professionelle Frage. Klar. Sie war ja auch von Benno Schlott gestellt. "Spargelknollen mit Senf und dazu Olivensalat." "So, so. Ich behalte mir vor, mich jetzt von ihnen zu verabschieden." Lautlos machte der Kommissar eine Drehung um die Achse, die seine Körpermitte in zwei Hälften teilte, und ging durch die Kirchentür hinaus. Schlott überlegte. Was sollte das bloß? Spargelknollen mit Senf und Olivensalat. So ein Gericht gab es doch gar nicht. Das wußte jedes Kind. Warum hatte der Pfarrer ihn angelogen? Vielleicht war es eine Spur; auf jeden Fall aber war es ein Geheimnis... Jetzt mußte Schlott Kleider kaufen gehen. Es war ein innerer Drang in ihm, der ihn dazu verleitete. Mode war unter anderem sehr wichtig für Benno Schlott. Sie war Teil eines Ego, das im Kommissar steckte. Die Modeboutique, in die Schlott ging hieß "Pommesklause". Früher war mal eine Kneipe in dem Haus gewesen und der Name davon war geblieben, weil die Kneipe immer gut besucht war und man deshalb dachte, dieser Name sei eine gute Werbung. Trotz des seltsamen Namens aber handelte es sich dabei um die extravaganteste und teuerste Boutique, die Bad Salzfischbach zu bieten hatte. Schlott war hier schon so sehr Stammkunde, daß er eine eigene Kundenkarte besaß und es eine Verkäuferin gab, die nur angestellt war, um die ausgefallenen Wünsche des Greifers zu erfüllen. -2 1 5 -
"Hallo Herr Polizeipräsident Schlott." sagte die Verkäuferin. "Hallo, Frau Schlott." antwortete der Kommissar. Durch einen seltsamen Zufall hieß auch die Verkäuferin Benno Schlott; und das, obwohl die beiden nicht verwandt waren. Der Kommissar hatte mal mit Frau Schlott über diesen Zufall gesprochen und es kam raus, daß sie mit Vornamen eigentlich Klosetta hatte heißen sollen, der Standesbeamte hatte es aber falsch verstanden und "Benno" als Vornamen eingetragen, weil das ja so ähnlich klang. Und dabei war es dann aus verwaltungstechnischen Gründen geblieben. Während Kommissar Benno Schlotts Familie von Lordinquisitor Phillipe Hernandez Schlott da Costa aus Gummersbach bei Barcelona abstammte, war Frau Benno Schlott eine Nachfahrin des Andernacher Raubritters Ortwin Schlott, der 200 Jahre nach dem Großinquisitor gelebt hatte. "Ich hätte gerne etwas ztum Anziehen gekauft." "Haben sie spezielle Wünsche?" fragte Frau Schlott. "Ja, es soll im Dessin einer historischen Seekarte ähnlich sein und als Material dachte ich an Segeltuch mit einem Innenfutter aus blaugefärbtem Kuhfell. Aber nichts von der Stange." Das sagte der Kommissar als Anspielung auf Pantaleon v. d. Stange, aber die Verkäuferin verstand es wohl nicht. sie wurde ja auch nicht dafür bezahlt, Leute zu verstehen. "Aber selbstverständlich nicht, Herr Polizeipräsident, wir nehmen es natürlich wie immer vom Bügel. Ich hätte hier auch schon etwas sehr Erlesenes, das ihren Vorstellungen genau entspricht. Ein Einzelstück des Pariser Couturiers Claude 5x+12x²-7." Benno Schlott sah sich das Stück an und schien zufrieden: "Von Claude 5x+12x²-7, sagten sie?" "Ja, genau. Man kann es am goldenen Stützband der dazugehörigen Hose ganz deutlich erkennen. Das ist exakt sein -2 1 6 -
Stil." "Ja, 5x+12x²-7 macht sehr viel mit goldenen Stützbändern, aber es wird auch viel von ihm in Billigländern nachgeäfft, wie ich aus meiner Polizeiarbeit erfahren habe." "Der Preis beträgt übrigens 12569 Mark und 50 Euro." "Kein Zweifel, der Preis ist echt. Aber gibt es dazu denn keinen passenden Sonnenhut? Einen vielleicht, der oben kegelförmig zuläuft und eine breite hängende Krempe hat, an der Glasperlen und rote Plastikaffen zur Verzierung angebracht sind und der ebenfalls mit blaugefärbtem Kuhfell gefüttert ist?" fragte Benno Schlott, der wußte, daß ein echtes Ensemble von 5x+12x²-7 nie echt war ohne den passenden Sonnenhut dazu. "Doch, den gibt es, allerdings trägt man in dieser Saison dazu grüne Plastikgürteltiere." "Gut, ich nehme das ganze Ensemble. Rechnen sie es wie üblich über die Kundenkarte ab, Frau Schlott." Benno Schlott ging mit dem neuerworbenen Stück aus dem Laden und fuhr weiter zum Buchladen in der Sparschweinstraße, in dem Grohm auch gewesen war. Es traf sich gut, er war ganz in der Nähe. Aus der Zeitung hatte der Kommissar gelesen, daß der Buchladen vor drei Wochen ausgebrannt war. Ein unbekannter Kunde hatte ein Streichholz unachtsam fallen lassen. Seitdem war er wegen Renovierung geschlossen. Der Greifer wußte, wer der Unbekannte mit dem Streichholz war; das war er selber gewesen, der nie das Rauchen lassen konnte. Allerdings hielt er es nicht für angebracht, das an die große Glocke zu posaunen. Alles sah verriegelt aus an dem Buchladen. Aber nicht mehr lange. Schlott fuhr den Rammsporn seines Wagens mittels Knopfdrucks aus und rammte die Glasscheibe des Schaufensters kaputt. -2 1 7 -
Dann nahm er seinen esoterischen Tatortkoffer heraus und bestieg den Laden. "Hallo. Hier ist die Polizei. Wenn jemand hier sein sollte, möge er sich bitte melden." Man konnte nie wissen. Manche Menschen machten sich einen Spaß davon, in ausgebrannten Buchläden zu lauern und Polizisten umzubringen. Sehr lästig sowas. Der sechste Sinn des Kommissars meldete ihm, daß gleich tatsächlich wieder ein Mordanschlag auf ihn passieren würde. Da kam auch schon ein Postwagen und brachte dem Kommissar eine Postkiste. Wer immer ihm nach dem Leben trachtete, er mußte wissen, wo Schlott sich im Augenblick befand, sonst hätte er ja nicht die Post zur richtigen Stelle schicken können. Was war da bloß drin in der geheimnisvollen Kiste? Schlangen konnten es nicht sein, die hatte der Greifer ja schon mal bekommen. Mit dem sechsten Sinn konnte Schlott nichts erspähen. Geheimnisvoll. Die Kiste mußte mit polarisiertem Doppelblei ausgekleidet sein, das war das einzige Material, das nicht vom sechsten Sinn durchdrungen werden konnte. Die Neugier des Polizeipräsidenten war ohne Beispiel in der Weltgeschichte, bei Attila hatte man sowas nicht gekannt und nicht einmal bei Ramses II., und deshalb konnte er nicht anders als dem Drang nachzugeben und den Karton, der so voller Rätsel, aber auch Lebensbedrohung steckte, zu öffnen. Er klappte den Deckel hoch und tatsächlich, der Karton war mit polarisiertem Doppelblei ausgekleidet. Und darin wanden sich etwa zwei Dutzend hochgiftige Schlangen. Mit Kennerblick erkannte Schlott, daß es sich dabei um Tiere nur einer einzigen Art handelte: Es waren Lange Warteschlangen, die giftigsten Tiere der ganzen Welt, die nur in entlegenen Bergwäldern lebten und so giftig waren daß, wenn sie in den Waldboden bissen, alle Bäume im Umkreis von drei Quadratkilometern sekündlich abstarben. Der Kommissar wurde rot wie eine Feuerqualle und war jetzt stinksauer. So sauer wie ein Opossum. Für wie bescheuert hielt ihn die Mörderin eigentlich? Schon zum -2 1 8 -
zweiten Mal bekam er Schlangen geschickt! Es war ein weiteres Indiz dafür, daß die Mörderin in Schlotts direktem Umfeld zu suchen war, denn wer den Greifer für so beschränkt hielt, zweimal auf den selben Trick reinzufallen, der mußte ihn gut kennen. Aber jetzt war der Karton tatsächlich offen und Benno Schlott dem sicheren Tode geweiht. Halt, nein. Er wäre dem sicheren Tode geweiht gewesen, hätte er sich nicht ausgiebig mit Giftschlangen befaßt. Er wollte nämlich früher mal Schlangenforscher am Südpol werden. Auf diesem Gebiet konnte ihm keiner was vormachen. Die Lange Warteschlange hatte ihn schon deshalb immer am meisten interessiert, weil das signalblaue Muster auf ihrer grell violetten Haut rein zufällig durch eine Laune der Natur genau die Worte "Wechselgeld wird nicht zurückgegeben" ergab; und das in sauberster AntiquaSchrift. Durch sein langjähriges Interesse wußte der Greifer, daß es etwas gab, wovor diese Schlangen panische Angst hatten: Koffer. Wenn Lange Warteschlangen einen Koffer sahen, fielen sie in eine Schreckstarre, die sich erst nach einem Jahr wieder löste. In dieser Zeit konnte man die Schlangen leicht im gut vorgeheizten Backofen bei 220° C, im Umluftherd bei 180° C, trocknen. Anschließend gaben die getrockneten Tiere prima Hockeyschläger ab, die sehr belastbar waren und auch gut für Icehockey. Was für ein Glück, daß Benno Schlott nie etwas ohne seinen esoterischen Tatortkoffer machte, nichtmal baden. Er hob ihn hoch und zeigte ihn den Schlangen, die wie erwartet reagierten und erstarrten. Die erstarrten Schlangen nahm der Kommissar zu einem Bündel zusammen und warf sie in den Kofferraum seines Wagens. Am Abend wollte er sie im Ofen zu Hockeyschlägern trocknen. Da hatte er gleich ein schönes Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn Bello und sparte auf diese Weise viel Geld. "Ho, ho, wer Benno Schlott umbringen will, der muß nicht nur früher aufs tehen, der geht am besten gar nicht erst ins Bett!" -2 1 9 -
Zufrieden zwirbelte der Greifer seinen langen Schnurrbart. Der Buchladen sah wirklich Scheiße aus. Überall lagen verkohlte Bücher und verschmorte Regale herum. Das würde Geld kosten wie Heu, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen. Wie sollte sich hier eine Spur finden lassen, die auf Simplicius Grohm hindeutete? Vielleicht sollte er mal im Keller gucken. Der esoterische sechste Sinn sagte das dem Greifer. Er ging in den Keller. Der war weitgehend vom Feuer verschont geblieben. Hier fanden sich einige Bücherregale, die biologische Fachliteratur enthielten. In der Mitte des Kellergeschosses stand ein Mikrotom zu Ausstellungszwecken, ein Gerät also, mit dem man Objekte ganz dünn hobeln konnte, um sie anschließend ins Mikroskop zu klemmen und zu beobachten. "Oh, das Mikrotom sieht aber sehr benutzt aus. Ich werde es mal analysieren." brummelte der Kommissar. Er nahm seinen esoterischen Tatortkoffer zur Hand und öffnete ihn mit einem Ruck. Es schepperte und Tassen, Teller und Besteck purzelten dem alten Fuchs vor die Füße. "Au verdammt! Jetzt habe ich mal wieder den falschen Koffer erwischt. So ein Mißstand!" fluchte Benno Schlott, der seinen Picknickkoffer mitgenommen hatte. Aus Versehen natürlich. Er hatte in seinem Wagen so viele Koffer, die alle gleich aussahen, da konnte sich auch ein Benno Schlott schon mal vertun, wenn er seinen sechsten Sinn gerade mal abgeschaltet hatte um Strom zu sparen. Aber der Kommissar wäre nicht der Kommissar gewesen, wenn er jetzt zum Wagen gerannt wäre und die Koffer ausgetauscht hätte. Mit einem Geist wie ein Schraubstock konnte man alles in die richtige Form zwingen. War der Kuchenteller noch kein esoterischer Teller der absoluten Untersuchung, dann würde er es gleich werden. Es gehörte nicht viel dazu, man mußte einfach bloß selbst davon überzeugt sein, daß es schon ein solcher Teller war. Der Kommissar griff also den Teller und rieb ihn dreimal mit voller geistiger Konzentration. Unter Vibrieren wurde er langsam durchsichtig -2 2 0 -
und nahm eine Form an, die an eine Lupe erinnerte. Schließlich ließ Schlott den Teller los, der in der Luft stehen blieb und sich langsam um den eigenen Mittelpunkt drehte. Der Greifer berührte ihn mit einer transzendentalen Geste und im Teller war ein Bild zu sehen, das extrem vergrößerte Blutspuren am Mikrotom zeigte. Darunter stand in Flammenlettern: "Menschenblut; Blutgruppe A; Rhesusfaktor positiv; HIV negativ; ca. fünf bis sechs Tage alt; Blutalkohol: 00,00 Promille". Der Kommissar schrieb es in sein Notizbuch und strich mit der Hand noch einmal über den esoterischen Teller der absoluten Untersuchung. Ein weiteres vergrößertes Bild zeigte sich, das ein winziges bräunliches Klümpchen zeigte. Die Flammenlettern sagten dazu aus: "Menschliche Leber; gesund; zu einer männlichen Person mittleren Alters gehörig; Nichtraucher; Nichttrinker". Auch das notierte sich Benno Schlott. Der Teller war nun fertig und sank, nach wie vor langsam rotierend, zu Boden. Dabei trübte er sich wieder und bekam die alte porzellanige Tellerform zurück. Schlott tat ihn wieder in den Picknickkorb rein und zog eine Kaffeetasse heraus, die er an dem Zipfel einer weißen Vließstoffserviette festknotete. Diese Kombination verwendete er als Pendel. Beim Biologiebuchregal schlug das Pendel aus. Schlott nahm ein Buch heraus und sah es sich an. Mit Filzstift hatte jemand vorne drauf geschrieben "Achtung, wenn sie den Bücherverkäufer Domingo Seifenkäse suchen: Ich habe ihn mit dem Mikrotom in atomdünne Scheibelein geschnitten und zwischen die Seiten der Biologiebücher geklemmt. Viel Spaß beim Zusammensuchen der Teile. Har, har, har! Ihr ergebener Diener Simplicius Grohm." Der Greifer schlug ein Buch auf und tatsächlich: wenn man genau hinsah, dann sah man, daß etwas zwischen den Seiten klemmte. Etwas sehr Dünnes. Es waren anscheinend wirklich die auf Atomdicke geschnittenen Überreste des -2 2 1 -
Bücherverkäufers. Grohm hatte Seifenkäse hier wahrscheinlich überrascht, als er nach dem Brand nachschauen wollte, wie hoch der Schaden war. Der Kommissar tat das einzig Richtige: Er beschlagnahmte alle Biologiebücher und schickte sie seinem Assistenten Gertrud, der die Scheiben zwischen den Seiten mit einer Pincette herausmachen und an die Gerichtsmedizin schicken sollte. Edding sollte die Scheiben dann wieder zu einem Toten zusammensetzen. Mehrere Milliarden atomdünner Scheiben zusammenzusetzen war für Edding Prinzenrolle leichteste Routine. Ein reinster Spaziergang Da brauchte der Fuchs gerade mal ein paar Minuten für. Die Bücher schickte Schlott Gertrud mit seinem Hubschrauber aus dem Koffer. Er brachte sie schnell selbst vorbei, damit nichts unterwegs verloren ging. Der Kommissar war eben für alles unentbehrlich. Dann kehrte er zu seinem Sportwagen zurück und landete auf seinem Dach, das man neuerdings mit einem Handgriff in einen Hubschrauberlandeplatz umbauen konnte. Mit einem Handgriff hatte sich der Hubschrauber auch wieder in einen Koffer zurückverwandelt und kauerte nun mit koffergleichem Pokerface vor dem Greifer Benno Schlott. Er war wirklich unschätzbar praktisch. Der Greifer fuhr wieder weiter. Die letzte Station, wo Grohm gewesen war, war die städtische Fußheilbadeanstalt in Drei Käse - Straße nahe dem Schneckenmarktweg. Am Steuer stopfte sich Schlott seine Pfeife neu und knetete ein Duplo unter den Tabak, dazu tat er noch etwas Vitamin C - Pulver rein für seine Gesundheit. Der Polizeipräsident war seit längerem dazu übergegangen, den größten Teil seiner vielen Medikamente zu rauchen. Als echter Gesundheitsapostel mußte man natürlich enorm viel Zeugs schlucken. Biolavit - Kapseln und Lactomalton waren da noch das Mindeste. Schlott haßte es, Tabletten zu essen, aber seine Frau zwang ihn trotzdem dazu. -2 2 2 -
Die war immer so brutal zu ihm. Aber sehr anschmiegsam in ihrer Art und liebenswert von ihrer Gesamthe it her. Außerdem hatte sie tolle Titten. Wie Beton. Das glaubte man echt nur, wenn man mal anfassen durfte. Ein ganzer Kerl, diese Frau. Echt. Der Weg von der Buchhandlung zur Drei - Käse - Straße war einer der kurvenreichsten in der ganzen Stadt. Allerdings nicht für den Kommissar. Wenn die Wände der dazwischenliegenden Häuser nicht zu massiv waren, fuhr er meistens Luftlinie. Hinzu kam, daß es mittlerweile den meisten Hausbesitzern zu blöd geworden war, jedesmal neu zu bauen, wenn der Kommissar mit seinem Raketenauto zu faul war, einen kleinen Bogen ums Gebäude zu machen; deshalb hatten viele Häuser in der Mitte eine breite geteerte Durchfahrt oder waren auf Pfähle gesetzt worden. Man konnte sagen, daß Benno Schlott prägend für das architektonische Stadtbild war. Kaum war der Greifer abgefahren, war er auch schon am Fußheilbad. Es war das modernste und einzige Fußheilbad der Welt. Es war im selben Häuserkomplex untergebracht wie die orthopädische Philharmonie und das homöopathische Stadttheater. Alles war mit viel Glas gemacht, sehr groß und sehr modern, obendrein im niederrheinischen Gutsherrenbaustil frontverklinkert. Ein Einkaufszentrum für neue Schuhe war auch noch dazwischen. Es gab keine Stadt auf unserem Erdball außer Bad Salzfischbach, die so viele öffentliche Einrichtungen, Sehenswürdigkeiten, Baudenkmäler und Museen zu bieten hatte. Es gab mehr öffentliche Gebäude als Wohnhäuser. Allein an Opernhäusern fanden sich zwölf. Deshalb hatte Bad Salzfischbach trotz seiner nur 156.000 Einwohner die flächenmäßige Ausdehnung einer Millionenstadt wie Köln. Eine Wendeltreppe aus rosanem Marmor führte zum Empfang in der ersten Etage. Der Bademeister, ein braungebrannter Mann mit einer knappen schwarzen Badehose fönte sich gerade seine Brusthaare zurecht und wollte sie auftoupieren, als der -2 2 3 -
Kommissar eintraf. "Hallo, was kann ich für sie tun?" fragte er den Kripomann, der gerade inkognito und deshalb nicht als Dienstkommissar zu erkennen war. "Ich möchte ein Fußheilbad nehmen, denn meine Füße sind an einer Erkältung erkrankt." antwortete er. "Einfaches Bad oder mit Zusatzprogramm?" "Mit allem." antwortete der Greifer, der immer alles wollte. "Welches Öl wünschen sie? Wir haben Waldpilzöl, Katzenöl, Lakritzöl, 1000 Kräuter - Öl, Plapperwurzöl und 'Verbotene Orientalische Freuden'." "Äh, ich glaube, ich nehme die Orientalischen Freuden." "Verbotene Orientalische Freuden meinen sie. Es handelt sich dabei um verbotene Freuden." "Oh, fein. Warum verbieten Leute eigentlich orientalische Freuden? Ist doch eigentlich nichts dabei, oder?" verhörte der Kommissar den Bademeister. Wie wir wissen, kennt Benno Schlott kein einfaches Fragen. Jede Frage bezeichnet er als "Verhör", er verhört sogar an Bushaltestellen Leute zur aktuellen Uhrzeit. "Ich weiß es nicht. Vielleicht, damit das Fußöl teurer wird. Wenn sie mir jetzt bitte in die Kabine folgen würden..."
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Kapitel 21 Der Kommissar hört sein Telefon klingeln und geht dem Fall auf den Grund Benno Schlott ging mit dem Bademeister mit zu einer Kabine. Dort sollte sich der Kommissar freimachen, bis auf eine Badehose und dann weiter durchgehen. Dann verschwand der Bademeister wieder. Das war die Gelegenheit. Der Greifer war alleine. Natürlich würde er sich nicht ausziehen, schließlich war er hier nicht im Puff; er würde sich unbemerkt davonmachen und ermitteln, was Grohm hier getrieben hatte. Bestimmt steckte auch jetzt wieder eine Leiche dahinter. Mit seiner nabelfreien Jacke war Schlott schön luftig angezogen, was sein Glück war, denn hier in der Fußheil - Badeanstalt herrschte eine enorme Hitzewelle, die mindestens 30 Grad betrug. Der Greifer öffnete die Tür am anderen Ende der Kabine und lief promt einer Fußpflegemasseuse in die Hände, die schon auf ihn wartete. "Ausziehen, sie müssen sich ausziehen, mein Herr." sagte sie. Der Kommissar wurde gleich wieder stinkig. Diese Frau hatte ihn nichtmal erkannt! Benno Schlott legte immer Wert darauf, erkannt zu werden, auch wenn er inkognito unterwegs war. Außerdem, wer war er denn? Doch sicher niemand, der sich gleich vor jeder Frau auszog. Nein, vor dieser sicher nicht, weil sie gefiel ihm gar nicht mal gut. "Wo sind wir denn hier? Ich kann nur wiederholen, was ich mir eben im Stillen schon gedacht habe: Das ist doch hier kein Puff! Wenn sie eine billige Nummer schieben wollen, dann machen sie das mit einem anderen, aber nicht mit mir, dem Herrn Polizeipräsidenten Benno Schlott! Ich bin doch nicht ihr Lustclown. Punkt." -2 2 5 -
Ratz - fatz hatte Schlott seine zweite Dienstwaffe hervorgeholt, einen Revolver mit Perlmuttgriffen und Kaliber 7/65 und zack! hatte er der Masseuse den Griff der Waffe voll auf den Kopf gedonnert, so daß sie für die nächste halbe Stunde mindestens zu Boden ging. Schädelbruch war außerdem noch mit dabei. Mit seinen Füßen kickte der alte Fuchs die Ohnmächtige beiseite und ging weiter durch. Den Notarzt sollte sich die notgeile Fritte gefälligst selber rufen! Er kam sich mächtig cool vor. Wahrscheinlich, weil er tatsächlich mächtig cool war. Er kam mit seinen Füßen auf eine Art Galerie. Hier wurden aber keine Bilder ausgestellt und auch mit Kafkas Galerie hatte das nichts zu tun, sondern es war ein Rundgang über einem unteren Stockwerk. Unten befand sich ein Fußheilbadebecken, das etwa 25x10 Meter maß und knapp 15 Zentimeter tief war. Man sollte darin ja nicht schwimmen, sondern seine kranken Füße heilen. Auf der Galerie waren überall Türen, hinter denen Fußmassagekabinen waren, jede mit einer Fußheilmasseuse dahinter. Alle Masseusen pflaumten den Kommissar an, weil er Schuhe trug, das war nämlich aus hygienischen Gründen bei nahezu Todesstrafe verboten. Aber rumms! hatten sie schon die Pistole des Greifers auf die Rübe gedonnert bekommen. So viele Schädelbrüche wie heute hatte die Bad Salzfischbacher Ambulanz wahrscheinlich selten gesehen. Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die lange mit sich fackeln ließ. Nach einer Weile, in der er sich umgesehen hatte, war keine Masseuse mehr bei Bewußtsein und den Bademeister hatte er gerade noch rechtzeitig in eine Steckdose greifen lassen, bevor er die Streife holen konnte, weil er dachte, der Kommissar wäre ungesetzlich. Das war natürlich ein irrer Blödsinn und ein Irrtum obendrein, denn der Kommissar war schließlich Polizist und Polizisten waren das Gesetz darselbst. In einer Fußheilkabine war sogar ein Kunde gewesen, der sich die Füße mit "Verbotenen Orientalischen Freuden" bearbeiten -2 2 6 -
ließ. Dem vergingen die Freuden dann aber auch schnell, denn er wurde vom Greifer wegen der Benutzung verbotener orientalischer Freuden vorläufig festgenommen. Ein dummer Mann war das gewesen, denn es gab sicherlich gute Gründe, warum diese orientalischen Freuden verboten waren. Verbote durfte man überhaupt nie übertreten. Das war Gesetz für den Greifer; aber er mußte sich zum Glück nicht daran halten. Der Kommissar packte wieder sein Set zum Kaffeekochen aus, und machte sich einen anständigen Kaffeesatz, um darin ein wenig zu lesen. Aber nicht etwa, was die schwedische Königin unter ihrem Rock trug, oder daß Prince Charles Nasalverkehr bevorzugte, nein, das wußte der schlaue Benno Schlott ja ohnehin schon. Er wollte im Kaffeesatz lesen, was Grohm im Fußheilbad wollte, und ob er bei seinen Morden auch unter Einfluß von "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger" gestanden hatte. Der Kaffee war schnell durch den Filter gelaufen und in die darunter stehende Kaffeekanne. Schwups kam noch ein ordentlicher Schuß Whiskey dazu und Zucker auch noch und alles verschwand im Magen vom Greifer und dann war dann nur noch der Kaffeesatz da, der des Gelesenwerdens harrte. "Na, wollen wir mal sehen, was heute so drinsteht." brummte Benno Schlott zu sich selbst. Er las und erkannte folgendes: Grohm war nur zum Heilen seiner Füße, die vom langen Weg durch die ganze Stadt ziemlich wund geworden waren, in die Fußheilbadeanstalt gekommen. Aber hier hatte ihm die Mörderin schon aufgelauert, sie versteckte sich mit dem Hubschrauber in einer Kabine im Freibadbereich und folgte Grohm dann bis zum Hotel, wo sie ihn dann erledigte und abtransportierte. Es war Freibadkabine 15 gewesen. Mit der Tierarztserie hatten Grohms Morde aber nichts zu tun, denn Grohm hatte Serienquatsch immer gehaßt wie der Teufel. -2 2 7 -
"Ho, ho, da werde ich doch mal nachschauen. Ich bin der Mann, der die guten Augen hat und ich werde eine Spur finden, die mich weiterbringt." Schlott hatte Recht. Wie immer. Er war der Mann mit den guten Augen, das konnte ihm jeder bestätigen, sein Augenarzt, der Optiker und auch die Leute im Krankenhaus, wo der Kommissar immer seine vierteljährliche Frischzellenkur machte. Schlendernd ging er zum Freibadbereich, der sich draußen befand. Unterwegs verschaffte sich dem Kommissar sein Handy akustischen Zugang zum Gehör, indem es klingelte. "Es klingelt. Ich rätsle hin und rätsle her, wer wohl am anderen Ende lauern mag." Der alte Fuchs wußte wie immer genau, was er zu tun hatte. Ohne zu zögern entnahm er das Telefon seiner Tasche und drückte auf den grünen Knopf. "Hallo, hier spricht der Mobilfunk des Polizeipräsidenten. Wer ist da?" Am anderen Ende der Leitung war Gertrud, der dem Kommissar erzählte, daß in einem Buch aus dem Buchladen ein Zettel von Grohm drinsteckte, wo draufstand, warum er seine Mordaktionen gemacht hatte. "Sie kommen am besten selber vorbei und schauen sich alles an, Chef." sagte Gertrud dann noch auf Spanisch dazu. Schlott war alles andere als erbaut. So wichtige Entdeckunge n zu machen stand nur ihm zu, und höchstens noch Edding Prinzenrolle, aber keinem untergebenen Assistenten, der strenggenommen auch nur von der spanischen Polizei ausgeliehen war, wenn auch auf Lebenszeit. "Nein, Gertrud, ich komme nicht vorbei, ich werde das Buch mit Telekinese zu mir fliegen lassen, du weißt ja, daß ich das kann. Ich bin nicht erbaut. Eigentlich hätte das meine Entdeckung sein sollen, ich bin hier der Chef. Aber Schwamm -2 2 8 -
drüber. Wenn du ein 4x4 Meter großes Korallenriff aus Plastik für meine Hammerhaie besorgst und einbaust, dann werde ich die Sache vergessen und dich auch nicht feuern." Gertrud bedankte sich wegen der Gnade seines Vorgesetzten und merkte an, daß seit geraumer Zeit Pantaleon von der Stange darauf wartete, von Schlott eingeführt zu werden in die Geheimnisse des Metiers der Polizisten. "Was, der Armleuchter ist immer noch da? Egal, soll herkommen. Ich werde ihn auch mit Telekinese einfliegen, dann sparen wir das Benzin fürs Auto." der Greifer beendete das Gespräch und konzentrierte sich auf das Buch und seinen neuen, unfähigen Inspektor. Schon von Ferne sah er Buch und Inspektor einschweben. Einen kleinen Spaß gönnte sich der Kommissar. Wir kennen ihn ja und wissen, daß er immer für Fröhlichkeit sorgt, weil er da drin ein Naturtalent ist. Das Buch ließ er punktgenau in seiner rechten Hand landen, aber Pantaleon v. d. Stange plazierte er unter einer kalten Fußheildusche, aus der -20° C kaltes Fußheilwasser strömte. Benno Schlott ließ den Inspektor unter der Dusche, bis er blau anlief und drehte dann das Wasser mit Gedankenkraft wieder zu. "Hallo, Herr v. d. Stange. Na, sie machen mir aber vielleicht Sachen. Sie können sich ja den Tod holen unter so einer kalten Dusche. Außerdem ist die doch nur für die Füße da." So heuchelte der Greifer Besorgnis, aber er grinste dabei und man sah, daß er nicht echt besorgt war, so daß man gleich mitschmunzeln konnte über den netten Scherz. "Bbbbbb." artikulierte der zitternde Inspektor. "Wie bitte? Was sagten sie? Sie müssen schon deutlicher sprechen, wenn sie mit mir reden!" mahnte Schlott. Er machte nicht immer Scherze, weil er wollte nicht, daß alle dachten, sie könnten mit ihm gut Kirschen essen. -2 2 9 -
"Hnngnnn... bbbbbb." Das Gebiß v. d. Stanges war wohl auch etwas aufeinandergefroren. "So geht's nun nicht, sie müssen die dienstliche Höflichkeit schon einhalten, sonst wird's ihnen noch mal gehen wie Herrn Wagenlast, dem Laboranten von der ktU, der nicht vor mir niederknien wollte." drohte der Kommissar mit ernstem Zeigefinger. Die Geschichte mit Herrn Wagenlast war bei der ganzen Polizei bekannt als Beweis dafür, daß es besser war, höflich zu Benno Schlott zu sein. Der ktU - Laborant Crysostomus Wagenlast hatte mal gesagt, daß er nicht vor Benno Schlott niederknien und ihm die Ringe küssen wollte, woraufhin der Kommissar ihn durch seine Gedankenkraft kurzerhand in ein 24 - bändiges Lexikon verwandelte und an den Fußballverein "UKW 103,5" (warum der Verein diesen Namen trug, wußte kein Mensch, aber er hatte Tradition) verschenkte. Nach drei Jahren bemerkte der Libero des Vereins die frühere Identität des Lexikons; er war stutzig geworden, weil sich keiner der 24 Bände öffnen ließ, und bestellte einen Schamanen der afrikanischen Hinky - Hinky - Indianer ins Klubhaus, der mit Hilfe von Rinderblut, Knoblauc h, Zaubersteinen und einer alten Elvisplatte auch tatsächlich die alte Gestalt des Crysostomus Wagenlast wiederherstellen konnte. Mal abgesehen von kleinen Schönheitsfehlern wie der allgemein etwas eckigen Form des ktU - Laboranten und der in goldgeprägten Aufschrift "DER GROSSE BLOCKHAUS" auf seinem Allerwertesten. Tragischerweise hält sich Wagenlast bis heute wegen einer tiefgreifenden Persönlichkeitsspaltung in einer geschlossenen psychiatrischen klinik auf, da er sich für die Bände Mu - Pr und Ps - Ru einer 24-bändigen Enzyklopädie hält. Pantaleon v. d. Stange zitterte weiterhin und versuchte etwas zu sagen: "Hgnnnnnn!!" "So, nun schlägt's aber wirklich Sense!" Der Kommissar drehte die Dusche wieder auf. Das Wasser wurde mit einem -2 3 0 -
einfachen chemischen Trick auch bei -20° C flüssig gehalten: Man mußte nur den Gitterschluß der Moleküle durch kryogenetische Potenzierung eines katalytischen Potentials noch vor der Kristallsedierung verhindern. Das eiskalte Wasser schoß aus der Leitung und Luftfeuchtigkeit kondensierte am Strahl zu Eis, was ein bizarres Bild ergab. Pantaleon v. d. Stanges Leben war natürlich nicht ernsthaft durch Unterkühlung in Gefahr, das wußte der Kommissar, er wollte ja niemandem, und erst recht keinem Menschenleben gefährlich werden. Der gutmütige Mann konnte ja nichtmal eine Fliege krümmen! Irgendwann war die Körpertemperatur des Inspektors natürlich auf einem Niveau angelangt, auf dem Muskelkontraktionen zum sogenannten "Sprungreflex" führten. Als treuer "Reader's Digest" - Leser wußte das der Kommissar selbstverständlich. Aber das ist Medizin; niemand verlangt von Ihnen, werter Leser, daß sie das auch selber verstehen. Bitte lesen Sie einfach weiter. v. d. Stange sprang auf und hüpfte von der Dusche weg, in Richtung der warmen Fußheildusche. Schlott hatte genau das erwartet und tat ihm den Gefallen, sie mit Gedankenkraft aufzudrehen. Nach zehn Minuten war der neue Inspektor wieder ansprechbar, was für Benno Schlott mit "einsatzfähig" gleichzusetzen war. "Hallo, willkommen in der esoterischen Spezialeinheit. Ich bin Polizeipräsident Benno Schlott. Sie fahren sofort los, verkleiden sich als Briefkasten, stellen sich vor das Haus von Toyota Ehemann und fangen jeden Brief ab, den sie einwirft oder der Geldbeträge enthält. Keine Kreditkarten, damit bekomme ich bloß wieder Ärger mit den Bluthunden vom -2 3 1 -
Diebstahl. Verstanden?" "Ja, Boß." antwortete v. d. Stange. "Nennen sie mich nicht noch einmal Boß, sonst haben sie eine Kniescheibe weniger. Klar?" "Klar." "So ist's in Ordnung. Also los, sie haben einen Auftrag. Und spätestens morgen will ich Fakten haben." "Und wenn ich keine Fakten bekommen kann?" "Dann werden sie ab übermorgen wieder Falschparker aufschreiben. Klar?" "Klar." "Gut. Wegtreten." Schlott zündete sich seine Pfeife wieder an, sie war ausgegangen. Dann betrachtete er sie Freiluftfußheilbadekabinen von innen. In der einen fand er Ölflecken und Kufenabdrücke von einem Hubschrauber, in der anderen eine Fußheilbadehose mit den Initialen S.G., was wohl für Simplicius Grohm stand. "Ich komme dem Fall auf die Spur. Ich weiß mit meiner inneren Intuition, daß meine Sekretärin die Mörderin ist. Und in dem Buch, was ich mir mit Telekinese verschafft habe, soll es auch drinstehen. Das allein ist aber kein Beweis. Ich werde meiner Sekretärin eine Falle stellen. Eine Falle, die so raffiniert ist, daß ich selbst nicht dahinterkomme." Das war ein Wort. Aber mehr als nur das: Es war ein Wort von Benno Schlott! "So, nun habe ich genug gesehen von diesem seltsamen Fußheilbad. Ich muß mich ehrlich wundern über die Zustände, die hier herrschen." Schlott verließ die Fußheilbadeanstalt und setzte sich auf den Sitz seines Wagens. Er fuhr ins Büro zurück und las dabei, was Grohm mit Kugelschreiber hinten in das wissenschaftliche Buch -2 3 2 -
"Wenn Schmetterlinge erzählen könnten" hineingeschrieben hatte: "Ich sah mich gezwungen, Morde zu begehen und die Spur auf mich zu lenken, um zu meiner eigenen Sicherheit verhaftet zu werden. Ich war lebensmüde gewesen, weil ich schon alles gesehen hatte. Dachte ich jedenfalls. Ich habe die als Colamörderin bekannte Person, die zu meinem Bekanntenkreis zählt, gebeten, mich umzubringen und sie sagte, das ginge klar, wenn ich ihr Geld gäbe und nach Bad Salzfischbach käme. Ich habe ja gesagt, ihr Geld gegeben und bin nach Bad Salzfischbach gekommen. Hier habe ich gesehen, daß ich doch noch nicht alles gesehen hatte; nämlich ich hatte Bad Salzfischbach noch nicht gesehen. Das gab mir wieder Mut zum leben, aber die Colamörderin war schon hinter mir her, sie wollte das unbedingt zu Ende bringen, wofür sie schon bezahlt worden war, so ist sie nun mal, da gibt's auch nie ein Drüberreden mit ihr. Deshalb habe ich wen umgebracht und die Spur auf mich gelegt. Selbst stellen mochte ich mich nicht, weil die Polizei ist so mißtrauisch, die hätte mir nicht geglaubt und mich freigelassen. Aber nur in einem Knast bin ich sicher. Ich habe viele Leute umgebracht und hoffe, daß man mich schnell verhaften und wegsperren wird. Wenn es nicht klappt, tja dann habe ich Pech gehabt und bin wohl bald in den Regalen des nächsten Supermarktes zu finden. Warum ich das geschrieben habe? Ich habe von dem Bad Salzfischbacher Superkommissar Benno Schlott gehört, wie alle Bürger dieser Erde wahrscheinlich, und dachte, wenn er das findet, dann ist ihm das eine Hilfe. Vor allem, wenn ich sage, daß die Mörderin Toyota Ehemann heißt. Gezeichnet: Simplicius Grohm." Benno Schlott legte das Buch auf den Beifahrersitz, auf dem sich gerade eine leuchtende Riesenspinne um ihre eigene Achse drehte und das Lied vom lustigen Holzfäller sang; eine weitere Illusion, die durch die Extremgeschwindigkeit des Wagens -2 3 3 -
entstanden war. "Recht hat er, dieser Grohm, das Buch ist mir tatsächlich eine große Hilfe. Obwohl: Jemand wie ich braucht keine fremde Hilfe. Ich kann alles allein machen, weil ich bin gut." Das stimmte. Der Kommissar riß die betreffende Seite aus dem Buch knüllte sie zusammen und schob sie in die Pfeife, wo er sie restlos aufrauchte. "Pah, sowas kann man echt in der Pfeife rauchen!" Benno Schlott war der Mann, der ein Einzelkämpfer war. Aber wehe, man nannte ihn so. Er selbst wollte lieber "Herr Kommissar Schlott" genannt werden. Der Wagen hielt vor dem Polizeipräsidium an, weil das in einem Lastwagen untergebrachte mobile Labor der ktU ihn zum Stehen brachte. Das Labor enthielt viele flüssige und brennbare Substanzen, die mit einem lauten Knall explodierten und eine kilometerhohe Stichflamme in die Lüfte warfen. Schlott schaute zu und machte aus seinem Wagen heraus Fotos davon, weil es stark aussah und man gute Fotos für Geld an Presse und Radiosender verkaufen konnte, die sowas immer rumzeigen wollten. Sein Wagen war ja glücklicherweise aus Metall und konnte deshalb auch gar nicht mitbrennen. "Das war fein, ich bin zufrieden." sagte der Fuchs. Er stieg aus und wischte ein Rußteilchen von seiner modischen Kleidung.
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Kapitel 22 Der Kommissar muß sich Gedanken machen und das fällt ihm leicht "Ich muß wissen, was hinter dem geheimen postlagernden Postfach steckt, das im Zusammenhang mit dem Fall immer wieder auftaucht wie Sand am Meer." Der Kommissar sprach energisch zu sich selbst, denn er wollte Klarheit. Er war nicht die Sorte Mann, die etwas vor sich selbst zu verbergen hatte. Im Telefonbuch suchte er die Nummern von allen Postämtern in Bad Salzfischbach und Umgebung heraus. Er rief sie der Reihe nach durch und fragte jedes mal: "Haben sie bei sich geheime postlagernde Postfächer?" Alle gaben ihm die selbe Antwort: "Tut mir leid, das ist geheim. Wenn es nicht geheim wäre, dann wären die geheimen postlagernden Postfächer ja bloß noch postlagernde Postfächer. Das müssen sie schon verstehen." Der Kommissar verstand es natürlich nicht und outete seine wahre Identität: "Ho, ho, ich bin der Polizeipräsident Benno Schlott und gleich wird's ganz übel für sie; nämlich dann, wenn ich anfange, vo r Zorn im Dreieck zu rotieren!" Daraufhin rückten sie dann alle mit der Wahrheit raus. Es gab vier Postämter mit geheimen postlagernden Postfächern: eins in Bad Salzfischbach Stummelarm, eins in Bad Salzfischbach Bierweiler, eins im Vorort Heinzelstein und schließlich noch eins in Vögeln bei Schlawien, einem Nachbarort, der noch zur Bad Salzfischbacher Postverwaltung gehörte. Auf vier Zettel schrieb der Kommissar die Postämter und legte die Zettel kreisförmig auf seinem polizeilichen Geheimschreibtisch mit eingebauter Munddusche aus. Dann nahm er sein vom Papst geweihtes Kupferpendel und ließ es darüber pendeln, um -2 3 5 -
herauszufinden, welches Postamt das Richtige war. Bei einem Zettel schlug das Pendel äußerst heftig aus. "Aha, Postamt 53, Vögeln bei Schlawien. Mal sehen, was die Kollegen vom BKA über dieses Subjekt von einem Postamt wissen." Benno Schlott schrieb sofort einen Brief an das BKA und schickte ihn portosparend mit Überschallgeschwindigkeit ab, allein durch seine Telekinese war das möglich. Das BKA war esoterisch nicht so fit wie Benno Schlott und schickte deshalb die Antwort ganz einfach durch das Faxgerät inklusive einer Rechnung für ein zerbrochenes Fenster, durch das der Brief hereingekracht war. Die leitete Schlott gleich an die ktU weiter zusammen mit einem bösen Brief, wo drinne stand, daß die ktU immer alles kaputt machte und der Kommissar in dieser Angelegenheit nun persönlich sauer wurde. Nun schaute der schlaue Greifer nach, was das BKA zu berichten hatte: "Aha, das Postamt ist einschlägig vo rbestraft, weil dort dunkle Dinge geschehen. Es gibt eine geheime unterirdische Zufahrt, was auch erklärt, warum Flötenschmalz und Ohrpuffer nichts entdeckt haben, als sie die Laster beschatteten. Oh, das ist aber interessant: Das Postamt ist eine Briefkastenfirma der HappyHolding. Oh, der Generaldirektor der Happy-Holding ist Nintendo Ehemann, der eineiige Zwillingsbruder von Toyota Ehemann. Die Fäden laufen zusammen und ergeben ein ganz neues Puzzleteil." Das war richtig. Benno Schlott mußte sich beeilen, wenn er Toyota Ehemann dingfest machen wollte, denn in einer Woche kam der Papst nach Bad Salzfischbach, um das neue Fußballstadion zu segnen. Der Heilige Vater war nämlich ein Fan von UKW 103,5 Bad Salzfischbach und freute sich, daß der Verein seit der letzten Saison in der ersten Liga spielte und auch schon den deutschen UEFA-Cup und Wimbledon gewonnen -2 3 6 -
hatte. UKW 103,5 war natürlich bloß so erfolgreich, weil Benno Schlott das Sponsoring übernommen und gleich 100 Nationalspieler aus Brasilien eingekauft hatte. Er hatte sie billig im Sommerschluáverkauf erstanden. Der Papst sollte ja auch totgemacht werden und das wollte der Greifer nicht, weil das den ganzen guten Bad Salzfischbacher Polizeidienst in einen Verruf bringen konnte, den der gar nicht verdient hatte. Außerdem war Jesus sicher auch dagegen, daß der Papst ermordet wurde und der Kommissar glaubte fest an Jesus und alles was damit zusammenhing, auch daß Jesus noch lebte. Das hatte ihm mal jemand in der Fußgängerzone erzählt. Dieser jemand meinte auch daß er herausgefunden hätte, daß Jesus heute als Versicherungsvertreter in Marktheidenfeld im Spessart ein bescheidenes Leben mit seiner Ehefrau Veronika und seinem Dackel Rüssel-Seppi führte. Der Mann konnte das auch anhand einer Zeitschrift beweisen, die er verteilte. Da stand es nämlich auch nochmal drin. Eigentlich glaubte Schlott an alles, was einigermaßen seriös und glaubwürdig vorgetragen wurde und das, obwohl er nicht einmal religiös war. Er war ein Mann voller Kanten und scheinbarer Widersprüche, die sich in ihm aber nichts desto trotz zu einem Gesamtbild zusammenfügten, das zueinander paßte. Der Benno Schlott wunderte sich auf einmal. Etwas zischte. Was war es bloß? Etwa schon wieder Giftschlangen? Der Kommissar blickte sich in dem schönen Büro, das zu seiner persönlichen Befriedigung diente, um, sah aber nichts. Vielleicht waren es unsichtbare Giftschlangen, die man nicht sehen konnte. Man mußte mit allem rechnen im postmodernen Zeitalter der Industrie. Benno Schlott hatte immer ein Spray in der Tasche, mit dem man Unsichtbares sichtbar machen konnte, es wurde von geheimen Mönchen auf einem fernen und sehr heiligen Berggipfel hergestellt. Das Spray hieß "The King Of Sweat", was auf Tibetanisch -2 3 7 -
sicherlich auch irgendetwas sehr Heiliges bedeutete und konnte wahlweise auch als Fußdeodorant oder zum Abbeizen von Möbeln gebraucht werden. Außerdem würzte es Suppen und entfernte Flecken selbst aus empfindlichsten Stoffen. Alles sprühte der alte Fuchs mit dem Spray ein, aber nichts Unsichtbares wurde sichtbar, sah man einmal von einem zornigen Uhrengnom ab, der in einer bislang unsichtbaren Standuhr wohnte und dort als freischuftender Sekundenzähler arbeitete. Mit einem leisen Geräusch dematerialisierte der Gnom samt seiner Standuhr. "Wenn nicht Schlangen, was dann?" fragte sich Schlott. Auf einmal fühlte er sich so neblig im Kopf, als wie wenn er müde wäre. Er war aber nicht müde, das wußte er sicher. Es mußte sich also um etwas Künstliches handeln, das hier am Kommissar vollstreckt wude. Seine sechs Sinne waren aber zum Glück noch alle wach. Mit einem dieser Sinne merkte der besonders kluge Polizeigreifer, daß das Zischen von unter der Bürotür seines Büros herkam. "Oha." erstaunte sich Benno Schlott, bevor er nachschaute. Unter der Tür klemmte ein Gasschla uch, der seinen Inhalt ins Büro verströmte und Veränderungen in der atmosphärischen Raumluftzusammensetzung bewirkte. Mit seinem chemischen Scharfsinn diagnostizierte Benno Schlott, der immer müder und träger wurde, dessen Geist sich aber nicht unterkriege n ließ, daß es sich bei dem Gas um Osmotisches Druckgas handelte. Ein Gas, das in die Haut eindrang und den osmotischen Druck jeder einzelnen Körperzelle auf bis zu 1000 Kilogramm pro Umdrehung und Minute erhöhen konnte, bis die Zellen in sich selbst instabil wurden und in den x - dimensionalen Raum implodierten, was primär zur Folge hatte, daß die betroffenen Menschen von ihren eigenen Nasenlöchern restlos aufgesaugt wurden. Allein durch Osmose. Ein tolles Naturwunder und ein originelles Schauspiel -2 3 8 -
obendrein; jedenfalls dann, wenn man nicht selbst davon betroffen war. "Boah! Sowas krankes kann sich kein gesunder Mensch ausgedacht haben!" regte sich Schlott auf. Da merkte er aber schon, wie sein Körper langsam begann, in seinen Nasenlöchern zu verschwinden. Was sollte er bloß machen? Vielleicht das einzig Richtige? Ja, das erschien vernünftig. Mit seinem raffinierten Augenmaß erkannte der Kniffelmeister Benno Schlott, daß der Schlauch einen Rundmesser von der Hälfte eines zykloglobischen Kubitus hatte, was auch immer das sein mochte. Hauptsache aber, der Kommissar wußte und erkannte es. Rein zufällig hatte der Duschkopf der im polizeilichen Geheimschreibtisch eingebauten Munddusche exakt den selben Rundmesser. Inzwischen war der Kommissar bis zum Bauchnabel in seinen Nasenlöchern verschwunden. Ihm war klar, daß ihm eine mehrtägige Dehnund Streckkur im stationären Krankenhaussektor bevorstand, gesetzt den Fall, daß er hier wieder lebend rauskam. Mit einem ruckartigen Seitengriff langte der Greifer nach dem Mundduschenduschkopf und praktizierte ihn mit der rohen Gewalt eines Kommissars, der bis zu seinen Genitalien in der eigenen Nase steckt, in den Schlauch, der das giftige Giftgas verströmte. Das Verströmen des Gases beendigte sich schlagartig. Benno Schlott war zu so einer Art Kopffüßler geworden und er sah ziemlich grotesk aus in seiner Gestalt. Selbst die abgebrühtesten Halunken und sogar von Natur aus humorlose Geschöpfe wie Frauen hätten lachen müssen, wenn sie den Kommissar so gesehen hätten. Der, der nic ht lachte war aber der Kommissar selbst. Er hatte zwar Humor bis zum Abwinken, aber nur dann, wenn er andere Leute als ausgerechnet ihn betraf. -2 3 9 -
Kopffüßelnd machte sich Schlott zum Bürofenster auf, das er zu Lüftungszwecken öffnete. Wie wohl schon erwähnt, hatte Benno Schlott eine Konstitution, die nur er hatte. Was anderen Leuten total schadete, rang ihm nicht mal ein müdes Grinsen ab. Klar, man grinste auch nicht über den Schaden anderer. So war es auch mit dem Gas. Was ihn nur bis zu den Genitalien in seiner Nase verschwinden lieá, das reichte schon in tausendfacher Verdünnung aus, um einem Dutzend anderer Menschen ernste Probleme zu bereiten. Unten auf dem Hof des Präsidiums machte die ktU gerade ihren wöchentlichen Hofgang, um frische geistige Energie zu tanken. Natürlich waren bei der ktU Hopfen und Liebesmüh' verloren, aber das wußten die selber ja nicht. Benno Schlott blickte durch das geöffnete Fenster hinaus und sah ebenso erstaunt wie erheitert, wie zwölf Leute bis zu den Schuhen in ihren Nasenlöchern verschwanden. Sicher hätten diese Leute dumme Gesichter gemacht, hätten sie noch welche zum Machen gehabt. Benno Schlott mußte jetzt aber doch lachen. Man lachte zwar nicht über den Schaden anderer Leute, aber wenn es sich um den Schaden der ktU handelte, dann wollte der Kommissar mit seinem Humor nicht hinterm Berge halten. Er war ein gar lustiger Gesell. Man mußte das einfach immerwieder betonen. Seine eigene Situation war aber auch nicht gerade prima. Wie gesagt, bis zu den Genitalien steckte er in seinen Nasenlöchern. Das war für den alten Fuchs in erster Linie deshalb unangenehm, weil er nicht frei durchatmen konnte. Das haßte er wie die Pest. Ein Krankenhausaufenthalt winkte ihm auch und das haßte er noch mehr. Aber was sollte er tun? Da klingelte das Telefon. Benno Schlott, im Moment Kopffüßler, stakste zum Apparat und nahm den Hörer ab. "Hier spricht Benno Schlott. Ich sage ihnen guten Tag." -2 4 0 -
meldete er sich. Edding Prinzenrolle war am Ende des anderen Apparates. "Hallo Ben. Du klingst heute ein wenig verschnupft. Aber ich habe gute Nachrichten für dich. Ich habe schon die Testergebnisse vom Scholle - Klopak - Test und vom Werthers Echte - Frisurenbild. Dank unserer neuen Computer ging es etwas schneller. Du hattest wieder mal Recht: Die Opfer hatten entweder einen Frisurenfimmel, eine Fistelstimme oder beides zusammen. Ich hoffe, das ist dir ein Anhaltspunkt." "Danke, Ed, das hilft mir in der Tat weiter. Ich muß aber auflegen, denn ich habe überhaupt gar keine Zeit." Schlott sagte nichts über die Geschichte mit dem Druckgas, da hätte Edding sich bloß wieder unnötige Sorgen gemacht. Manchmal zickte der ja rum wie eine Frau! In seinem Notizbuch schrieb der Greifer die Testergebnisse auf. So gut es ging setzte er sich in seinen amtlichen Chefsessel, was einige Probleme mit sich brachte, denn dieser Sessel, ein "Skrulleby" aus der "Tövelborg" - Serie von IKEA, war eigentlich für Leute gemacht, deren Beine etwas tiefer begannen. Benno Schlott wollte auch wieder zu diesen Leuten gehören. Dabei konnte ihm neben einem Krankenhaus nur noch Esoterik helfen. Und es gab auch tatsächlich einen esoterischen Weg: Der Kommissar hatte in seinem Büro eine Kupferpyramide stehen, die Astralkraft ganz toll bündeln konnte. Da legte er sich dann auch drunter. Dazu gab er sich selbst Reiki, was das Zeug hielt. Zuerst fing seine Aura an sich zu stabilisieren, dann sein morphisches Feld. Schließlich, nach einer knappen Stunde, paßte sich auch der Körper des Kommissars dem morphischen Feld an und Benno Schlott hatte seine normale Gestalt zurück. Erschöpft, aber wieder vollständig kletterte der Greifer aus der Pyramide hervor, klappte sie zusammen und schob sie hinter die bequeme Bürocouch zurück, wo sie niemandem im Weg war. -2 4 1 -
Anschließend ging er zum polizeilichen Gehimschreibtisch und griff in seine Kräuterschublade. Die enthielt mehrere Fächer, angefüllt mit esoterischen Kräutern und Benno Schlotts Tabak. Wenn der Kommissar aus Versehen mal ins falsche Fach griff, um sich die Pfeife zu stopfen, sah er beim Rauchen oft ziemlich lustige Dinge und bekam das dringende Bedürfnis, mit seinem Regenschirm zum Mond zu fliegen. Nun zog Schlott die Kräuterschublade auf und bemerkte etwas Seltsames: "Wo ist denn nur mein teures Himalaya Willenskraut geblieben? Das habe ich doch erst letztens wieder neu durch den Dalai - Lama importieren lassen, als der zum Kaffee hier war, und noch gar nicht angerührt. Merkwürdig, merkwürdig. Ich will nicht mehr Benno Schlott heißen, wenn hier kein Mißstand im Busche liegt. Na ja, ich werde das irgendwann schon noch klären." Himalaya - Willenskraut war eine sehr esoterische Pflanze, die nur in sonnenfernen Bergregionen wuchs und ausschließlich Mondlicht benötigte, um Photosynthese zu betreiben. Wenn man einer Person Willenskraut in ein Getränk tat, dann konnte man ihr den eigenen Willen aufzwingen und sie sich so gefügig machen wie man Bock hatte. Schlott brauchte das Kraut ab und zu für widerspenstige Zeugen oder wenn er sich eine Frau vornehmen wollte, die eigentlich gar keine Lust hatte. "So, aber nun werde ich erstmal meiner Sekretärin ihre Alibis gründlich überprüfen." Der Kommissar nahm die aktuelle Vermißtenliste zur Hand und las sich die Zeiten durch, wo die Personen zuletzt gesehen worden waren. Merkwürdigerweise wußte er bei vielen Zeiten, daß Toyota Ehemann gerade da im Büro gewesen war, entweder, weil er durch die Sprechanlage mit ihr kommuniziert hatte, oder weil er sie eigenhändig im Vorzimmer gesehen hatte. Ein wasserdichteres Alibi konnte man gar nicht haben. Was war bloß los? Der Kommissar war sich ganz sicher, daß -2 4 2 -
seine Sekretärin die gesuchte Mordsperson war, zumal ihr Zwillingsbruder auch noch der Chef der Happy - Holding war, aber er war sich auch sicher, sie zu vielen Tatzeiten persönlich wahrgenommen zu haben. War Voodoo im Spiel? Es wäre eine Möglichkeit. Benno Schlott wußte selber um das Geheimnis, wie man sich Voodoopuppen als Doppelgänger baute und ihnen dann Leben einhauchte. Es war kinderleicht. Vielleicht hatte seine Sekretärin auch sowas gemacht. Aber nein, das ging nicht, schließlich war das ja Geheimwissen. Da konnte nicht jeder dran. Aber was war es dann? Es war vertrackt. Schlott beschloß, Freunde und Verwandte dazu zu befragen. Aber vorher mußte er die Auslieferung und den Verkauf der falschen Cola und des falschen Hackfleisches stoppen. Diesen Sumpf aus Kriminalität und Verbrechen würde er schon aushebeln. Zuerst ging es zum Büroquartier der Happy - Holding. Das war in einem neoklassizistischen Protzbau in der Nacktschneckenstraße untergebracht. Man sah schon von außen: Hier regierte das Verbrechen. Benno Schlott war kein Freund von langen Worten, das dürfte ja wohl inzwischen bekannt sein. Er zückte seine Dienstwaffe, nahm einige Kletterhaken aus der Tasche und machte einen auf Freeclimber. Als wäre es nix, kletterte er die aalglatte Glasfassade hoch und hackte sich im vierundzwanzigsten Stock, dem Sitz der Chefetage, mit einer Axt durch das verspiegelte Glasfenster. Er schrie dabei "Oooouuuuooooouuuuooo!!!". Zum einen wollte er damit imponieren, zum anderen hatte er sich den Finger an einer Glasscherbe geschnitten und das tat ihm jetzt weh. Eine tippende Sekretärin ließ vor Schreck die Schreibmaschine fallen und ein Bürogehilfe geriet mit dem Arm in den Fotokopierer, wo der Arm zuerst zehnmal kopiert wurde, bevor ihn die Kopiermaschinierie in unbarmherzige Fetzen zerschnitt. Schlott scherte sich nicht darum. Er warf eine Rauchbombe -2 4 3 -
vom Typ "Fichtennadelduft" unter die Leute und ging ins Nachbarbürozimmer, auf dessen Tür eine mit bunten Wasserfarben gemalte Aufschrift "Chef" verhieß. Er zog ein Megaphon aus der Tasche seines gelb-schwarz karierten Wachstuchmantels, klappte es auseinander und sprach in polizeilichem Ton: "Guten Tag. Hier spricht Benno Schlott von der Polizei. Herr Nintendo Ehemann, sie sind verhaftet wegen Betreibens krimineller Machenschaften und Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz und das Deutsche Reinheitsgebot für Fleisch- Wurst- und Miederwaren aus dem Jahre 1514. Jede Widersetztung ist zwecklos, weil ich ihnen gleich Handschellen anlegen und sie abführen werde. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit. Auf Wiedersehen." Der Kommissar schaltete das Megaphon wieder aus und steckte es weg. Dann nahm er Hanschellen aus der Tasche und fesselte Nintendo Ehemann mit dem linken Arm ans rechte Bein. Ein Seil kriegte er auch noch um den Hals gebunden, das wurde später an der hinteren Stoßstange von des Kommissars Sportwagen befestigt. Während Schlott dann Gas gab, durfte der Delinquent hinterherrennen. Das hielt fit und tat den Beinen gut. Aber erstmal ging's wieder raus zu dem Fenster wo Schlott reingekommen war. Wenn möglich, verließ er ein Gebäude immer auf dem selben Weg, über den er hineingelangt war. Darin war er nicht anders als Satan persönlich. Ehemann stellte sich dabei etwas an, vielleicht lag es an seinen Fesseln, und der Kommissar mußte ihn deshalb ohnmächtig schlagen aus Notwehr. Unten angekommen kam der Verhaftete schnell wieder zu Bewußtsein und gestand auch, daß er die Cola aus dem Postamt mit der geheimen Zufahrt bezog und wissentlich in den Geschäften der Happy - Holding zum Verkauf darbot. Schlott fuhr unerbittlich mit dem Beschuldigten in den Knast. Dort fragte er Nintendo Ehemann, der auf einen Hochsicherheits - Verhörstuhl festgeschnallt wurde: "Herr Ehemann, sie haben wissentlich Menschenhack und Menschencola in ihren Shops -2 4 4 -
verhökert. Das ist nicht sehr anständig. Sie müssen bedenken, daß sie so zu einem totalen Preissturz auf dem LolaColaflaschenmarkt geführt haben und die Büchsenindustrie angekurbelt haben, was auch der Umwelt zum Mißstand gereicht, da viel mehr umweltschädigende Aluminiumdosen hergestellt wurden. Ich werde mich dafür einsetzten, daß sie lebenslänglich hinter Gitter wandern und daß der Verkauf von Menschencola und Menschenhack gestoppt wird." "Ho, ho!" sagte Nintendo Ehemann siegessicher. "Mein Anwalt ist Herr Doktor Drehstuhl, der berühmte Starverteidiger. Der wird mich da schon wieder rausboxen und außerdem kann ich rein rechtlich gar kein lebenslänglich bekommen für meine Tat." "Das werden wir dann alles sehen." schmunzelte der Kommissar hintergründig, schlug seinen Mantelkragen hoch und verließ das Gefängnis.
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Kapitel 23 Der Kommissar spielt Mikado und kniffelt einen Trick aus Benno Schlott setzte sich in seinen schnellen roten Wagen, fuhr aber noch nicht los. Er verständigte über Funk das Revier: "Guten Tag, hier spricht der Funk von Benno Schlott. Bitte schickt mal die Knüppeltruppe beim Staranwalt Doktor Thilo Drehstuhl vorbei. Es besteht gröbster Verdacht auf Hinterziehung und grobfahrlässige Verschweigung von Sachverhalten. Die Jungs sollen ihn ruhig hart rannehmen, die ktU trägt die Verantwortung." Benno Schlott rieb sich die Hände und zündete eine neue Pfeife an. Wohlig schmauchend drehte er den Zündschlüssel herum. Der Tabak schmeckte ihm lecker. Wenn die Knüppeltruppe den Anwalt "hart rannahm", dann bedeutete das im Klartext, daß er nicht vor Weihnachten des nächsten Jahres wieder aus dem Krankenhaus zurückkam; wenn überhaupt. Auf dem Weg zurück ins Revier kamen dem Kommissar Richter und Staatsanwalt der dritten Strafkammer entgegen, jener Strafkammer, in die man Nintendo Ehemann eingesperrt hatte. Schnell schob der flinke Greifer beiden je eine Stange Zigaretten und eine selbstgepflückte Salami unter den Talar, mit der Bitte, dem Delinquenten ein feines "Lebenslänglich" zu verpassen. Richter und Staatsanwalt strahlten zufrieden und versprachen es. Zigaretten und gute Fleischsalami bekam man schließlich nicht alle Tage geschenkt. Das alles hatte aber nicht das Geringste mit Korruption zu tun; manchmal mußte die Gerechtigkeit eben auf verschlungenen Pfaden daherkommen, wie Benno Schlott gerne -2 4 6 -
zu sagen pflegte. Wenn alles glatt ging, würde nun in den Geschäften kein falsches Hackfleisch mehr und keine Cola aus Menschensaft verkauft werden. Das war der erste wichtige Schritt. Die ser Schritt würde dann zur Folge haben, daß die Mörderin auf ihren Menschenprodukten sitzen blieb und sie sich in ihrem Kühlschrank und im Keller ansammeln würden, was dann auch ein feines Indiz abgeben würde, wenn man die Wohnung schließlich stürmte, was der Greifer, wie er sich kannte, auch schon bald tun würde. Die Zeit drängte nämlich, denn schon nächste Woche würde der Papst ins Fußballstadion kommen. Jetzt mußte Benno Schlott herausfinden, wie Toyota Ehemann es anstellte, daß sie gleichzeitig im Büro sein konnte, während sie draußen mordend umging und die Welt in Atem hielt. Schizophrenie wäre eine Erklärung gewesen. Oder Seelenwanderung. Na, man würde schon sehen. Der Kommissar fuhr zum Standesamt in der Muttertagstraße und ließ sich alle Eintragungen der Familie Ehemann geben. Dabei machte er eine Entdeckung, die ihn vom Stuhl fetzte: "Wer ist denn Lufthansa Ehemann?" fragte er Frau Dunstfilter, die Standesbeamte. "Das ist allem Anschein nach die eineiige Drillingsschwester von Toyota und Nintendo Ehemann." antwortete die Beamtendame. Das war es also! Es gab noch eine Drillingsschwester in dieser sauberen Familie. Schöne Zustände waren das ja. Als ob eine von der Sorte nicht schon genug wäre! Der Kommissar wurde zornig darauf, daß es sowas überhaupt geben konnte. Man sah es schon wieder kommen: Gleich würde er total explodieren. Und da sprang er auch schon auf, nahm den Stuhl, auf dem er gesessen hatte und haute ihn wie blöde auf die -2 4 7 -
kostbare Computeranlage, die auch prompt entzwei ging. "So ein Mißstand! Wo gibt's das denn? Ich reiße mir den Arsch auf wie ein Idiot, um eine Mörderin zu fangen und dann gibt es gleich zwei davon!" Zorn keimte in des Kommissars Gesicht derart massiv auf, daß sich die Äderchen auf seiner Stirn unter dem Fleischgewebe der menschlichen Überhaut scharf abzeichneten. Groll war in der Stimme zu hören. Schlott war total überreizt und in diesem Zustand reichte es für ihn nicht, bloß eine Computeranlage in Fetzen zu schlagen. Er zerschoß nacheinander die Fensterscheiben, die Aktenschränke, das Telefon und die beiden Arme der standesbeamteten Frau. Danach war wieder Ruhe und es war wieder alles so wie vorher, wenn man einmal von dem blutdurchtränkten Schlachtfeld absah, das den Greifer umgab. Aber das war ihm egal. Da wo Kugellöcher in Möbeln steckten, fühlte der alte Haudegen sich überhaupt erst richtig zu Hause. Das Ehebett bei sich daheim hatte er auch erst mit der Dienstwaffe durchsieben müssen, bevor er darin ruhig und ohne Alpträume schlafen konnte. "Ho, ho, ich werde jetzt Toyota Ehemann und ihre Drillingsschwester festsetzen gehen. Es ist mein Entschluß!" Schlott dampfte mit seinem Wagen davon und zurück ins Revier. Dort brüllte er nach seinem Assistenten Gertrud, der auch schnell vorbeigegangen kam zum Kommissar. Das große Plastikriff, das er besorgen sollte als Wiedergutmachung für den Kommissar, hatte er schon ins Aquarium gesteckt und man sah an ihrem Grinsen, wie sich die Hammerhaie darüber freuten. Gertrud war noch sehr tropfnaß und roch nach Fisch. "Gertrud, du machst mir mal ausfindig, ob die Eltern von Toyota Ehemann noch leben und wenn ja wo. Danach kannst du zur Belohnung die Aquarien saubermachen und im Büro staubwischen. Paß dabei aber aufs Meißener Porzellan auf. Es ist ein Geschenk von Kurt Biedenkopf. Wegtreten." -2 4 8 -
Gertrud trat weg und der Greifer stattete ein weiteres Mal der Gerichtsmedizin einen Besuch ab. "Edding, ich hatte gestern nacht im Traum eine Idee. Wie du sicher weißt, hat jeder Mensch eine Aura, die die Energieströme von Dingen in unmittelbarer Nähe ble ibend verändert. Das ist sowas wie ein Fingerabdruck. Ich habe vor, mit meinem Aurameter eine jener Steckrüben abzutasten, die als Werkzeug zum Zwecke des Niederschlagens von Opfern der Colamörderin verwendet wurden, und dann die Aura der Rübe mit der von meiner Chefsekretärin zu vergleichen. Hast du eine Ahnung, wo ich so eine Tatrübe herbekomme? Bekanntermaßen sind an Tatorten nie Rüben zurückgelassen worden." Edding Prinzenrolle hatte eine Idee: "Ja klar. Wenn deine Sekretärin die Mörderin ist, dann bewahrt sie die Rüben wahrscheinlich bei sich zu Hause auf. Du mußt nur in ihre Wohnung eindringen und so eine Rübe entwenden. Es wäre sicher ein interessantes Indiz, wenn die Aura der Rübe mit der von Toyota Ehemann übereinstimmte." Benno Schlott fand das eine gute Idee von seinem Freund. Gemeinsam spielten die beiden dann in der Mittagspause noch zusammen Mikado mit den Pommes Frites aus der Kantine. Sie hatten höllischen Spaß dabei und Mikado schulte außerdem gut den Intellekt. Als die Pause vorbei war, kniffelte der Kommissar einen Trick aus, wie er in die Wohnung seiner Sekretärin kommen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Er wußte auch schon wie er es machen würde. Mit Sekundenkleister pappte er sich einen langen grauen Vollbart ins Gesicht, zog eine sechseckige, verspiegelte Sonnenbrille auf und setzte sich einen knallgelben Dreispitz auf den Kopf. Dazu zog er einen dunkelblauen Overall an, wie ihn Kfz-Mechaniker tragen. Ja, liebe Leser, Sie haben es sicher erraten: Der Benno Schlott hat sich als Postbote verkleidet. Jedenfalls dachte sich der Kommissar, daß Postboten so aussähen. Er hatte noch nie wirklich einen gesehen, weil die -2 4 9 -
Post immer morgens kam, wenn Schlott schon arbeitete. Tagsüber war es ihm zu gefährlich, zu Toyota Ehemann zu gehen. Im hellen Sommersonnenlicht war es leicht möglich, daß ihn jemand erkannte, und rumms! wäre seine Tarnung aufgeflogen. Deshalb suchte er sich Mitternacht als geeigneten Zeitpunkt aus, um bei seiner Sekretärin zu erscheinen. Den Rest des Diensttages schob der Greifer noch ein wenig Innendienst. "Hallo, ist da die Firma Abflußfrei Rohrdienst? Ich möchte für nächste Woche Tausend Bögen Schreibmaschinenpapier und fünfzig Radiergummis ordern." Um solche und ähnliche Sachen kümmerte Schlott sich. Er sah sich auch noch die aktualisierte Liste mit den Opfern der Colamörderin an und genehmigte sich ein paar tropische Cocktails, die er, wie so vieles, durch seine Pfeife rauchte. Dann setzte er sich noch telefonisch für die Gründung der "Benno Schlott - Akademie für Lohnfortzahlung im Todesfall" ein, eines seiner zahlreichen Projekte, die er in seiner Funktion als Polizeipräsident nebenher als karitativer Schirmherr betrieb. Das Gebäude der Akademie sollte groß und protzig werden und kostete Schlott keinen Pfennig, weil er alle Schecks auf die ktU ausstellen ließ. Als der Dienst rum war, ging der Kommissar nach Hause. Er beschäftigte sich dort mit dem Zurückschneiden der üppig wuchernden Bromelien im Wintergarten und pflückte die schon fast überreifen Kokosnüsse von den Kokossträuchern im subtropischen Teil des parkähnlichen Gartens. Mit seiner Frau dinierte er anschließend in der Jasminlaube und lobte das Gezwitscher der melodischen Vögel, die über den Köpfen des Ehepaars ihre Lieder veranstalteten. Bald war es dann kurz vor Mitternacht. Die Verkleidung hatte der Kommissar schon die ganze Zeit über angehabt, um sich in seine Rolle besser hineinversetzen zu können; weil wir wissen ja: Der Greifer war ein Perfektionist. Mit seinem roten Auto ging er zum Haus von Toyota Ehemann, in der Hand einen gefälschten Brief als Vorwand. Er -2 5 0 -
klingelte an der Tür. Es dauerte eine Weile, dann ertönte von innen eine Stimme: "Ja? Wer ist denn da?" Jetzt wußte Schlott nicht so richtig weiter. Was mochte denn wohl ein echter Postbote so sagen, wenn er sich ankündigte? "Äh... äh, trari, trara, die Post ist da!" "Waaas? Um diese Zeit?" ertönte die Stimme. "Wir kommen jetzt immer nachts, damit wir nicht im Berufsverkehr steckenbleiben." Diese Antwort war clever von Benno Schlott. "So? Was haben sie denn für mich?" "Ein dringendes Einschreiben aus Bad Panama in Oberbayern." Pantoffelschritte schlurften der Tür entgegen und kurze Zeit später schwang die Tür auch schon zur Seite. "Hallo, hier ist die Post. Ich bekomme 73 Mark 50 von ihnen." Benno Schlott wollte nebenbei auch noch etwas Kohle machen. Schließlich tat er hier Überstunden, die ihm kein Mensch bezahlte. "Ich denke, es handelt sich um ein Einschreiben und nicht um eine Nachnahme." wunderte sich Toyota Ehemann oder ihre Zwillingsschwester. So genau konnte man nie wissen. Bestimmt wurde irgendwo gerade wieder gemordet, während die saubere Dame hier in Nachthemd und Pantoffeln einen auf anwesend machte. "Also, erlauben sie mal, mein Nachname geht sie gar nichts an. Jetzt geben sie mir schon das Geld!" Benno Schlott wußte eben nicht viel über Post. Warum auch, das war schließlich nicht seine Welt. "Ich muß sagen, sie kommen mir nicht ganz geheuer vor. Ersteinmal kommen sie nachts, dann behaupten sie, ein Einschreiben zu haben, wollen aber Geld und außerdem sind sie eher wie ein Faschingsclown angezogen als wie ein Postbote." -2 5 1 -
Benno Schlott fühlte sich ein wenig in die Enge getrieben. "Ich bin aber Postbote. Und wenn ich genauer darüber nachdenke, dann ist es wohl doch kein Einschreiben, sondern so ein Dingsbums, na halt was sie gesagt haben. So. Bekomme ich jetzt mein Geld oder was?" "Na gut." Toyota Ehemann bezahlte das Geld und wollte schon den fingierten Brief aus der polizeilichen Hand des verkleideten Kommissars nehmen, da griff der alte Fuchs ein weiteres Mal kilometertief in seine Trickkiste. "Öh, äh, dann wollen wir doch mal schauen, wo wir den Brief am besten hinlegen können." Schlott stieß seine Sekretärin beiseite, stürmte in die Wohnung und fing an, alle Schubladen und Schränke aufzumachen. "Nein, nein, hier geht's nicht, hier geht's nicht!" sagte er immer wieder, wenn er nichts gefunden hatte. Denn das war sein Trick. Der Kommissar wollte nämlich gar nicht den Brief, der sowieso nur alte Hundescheiße von seinem Dackel enthielt, irgendwo ablegen, sondern er wollte nach einer Steckrübe suchen, die schon einmal von der Täterin benutzt worden war. Der kluge Leser hat sich das wahrscheinlich schon gedacht. Allerdings: Der wirklich kluge Leser sollte lieber Dostojewski lesen, als so ein Buch wie das hier. "Hey, hey, was machen sie denn da? Warum geben sie mir den Brief nicht endlich in die Hand?" wunderte sich Toyota Ehemann, die wie ein aufgescheuchtes Huhn hinter dem Kommissar herlief, den sie immernoch für den Postboten hielt. "Weil wegen dem Briefgeheimnis." sagte der Greifer schlicht, der nie um eine Antwort verlegen war. Der Greifer war überhaupt niemals verlegen, das hatte er auch gar nicht nötig. Da zog er auch schon die richtige Schublade auf. Es war die -2 5 2 -
vom Nachtschränkchen im Badezimmer über dem Waschbecken. Hinter der Zahnpastatube und einer Flasche Damen - After Shave lag tatsächlich eine ziemlich wuchtige Steckrübe, deren Schale an einigen Stellen abgeplatzt zu sein schien. Blut war auch dran und Haarfetzen auch. Mit einer schnellen Handbewegung ließ Benno Schlott sie in seinen Overall gleiten. Dann rief er: "Jetzt habe ich einen guten Platz für den Brief gefunden. Prima, prima, prima!" Schnell klemmte er den viel zu dicken Brief in die Schublade, so daß er noch halb rausguckte. Nun trat Schlotts zweiter Plan in Kraft: Er mußte herausfinden, wer Toyota Ehemann war und wer ihre Zwillingsschwester. Wenn seine Vermutung zutraf, dann hatte nur die echte Toyota Ehemann dicke Muskeln bekommen, weil sie die Einzige war, die mordete und Opfer in Säcken herumschleppte. Lufthansa Ehemann fungierte wahrscheinlich nur als Bodydouble und war dazu sicher von ihrer Schwester unter Drogen gesetzt worden. Bestimmt war es auch Toyota Ehemann gewesen, die zu diesem Zweck das HimalayaWillenskraut aus dem polizeiliche n Geheimschreibtisch des Kommissars entwendet hatte. Mit seinem kleinen Psychobaukasten hatte der alte Fuchs außerdem noch ausgepuzzelt, daß es eigentlich unmöglich war, daß Zwillinge von Serienmördern auch Serienmörder wurden, weil Zwillinge waren sich immer so ähnlich, daß sie sich in der Regel schon früh bemühten, ihre Gleichheit durch ungleiche Tätigkeiten zu kompensieren. Die Muskeln der Zwillingsschwester mußten also unecht sein; wahrscheinlich angeklebt mit Styropor. Das war ein beliebtes Mittel, um Muskeln zu imitieren. Toyota Ehemann, oder die, die sich dafür ausgab, war gerade dabei, mit empörtem Gesicht den Briefumschlag aus der Schublade zu ziehen, da stürmte Benno Schlott schon wie ein Berserker auf die Frau zu, riß sie zu Boden und machte ihr den Morgenmantel vom Körper ab. -2 5 3 -
"Sieh' da, sieh' da! Da wollte mir tatsächlich jemand ein faules Ei aufs Kreuz binden. Aber ich bin nicht auf das Ei hereingefallen! Da muß einer schon früh aufstehen, damit das klappt!" Benno Schlott war nicht die Sorte Mann, die sich von anderen ein faules Ei andrehen ließ. Er hatte nämlich Recht gehabt: Die Toyota Ehemann, die man ihm hier als eine solche verkaufen wollte war gar keine, sondern ihre Zwillings- bzw. Drillingsschwester. Die angeblichen Muskeln bestanden nämlich aus Schwimmflügeln und mit Mullbinden an den Armen festgewickelten Äpfeln und Wassermelonen. "Sie, meine werte Dame, sie sind nicht Toyota Ehemann. Aber ich bin Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission der Kriminalpolizei Bad Salzfischbach K2r! Ja, da gucken sie aber aus der Wäsche, nicht wahr?" Benno Schlott ließ seine Maske fallen und nahm Bart und Brille ab. Das mit dem Bart war schwieriger als gedacht, weil der alte Fuchs hatte ja Sekundenkleber verwendet. Sonst hätte der Bart auch verrutschen können. Benno Schlott war eben nicht die Sorte Mann, die auf andere Nummern als auf Nummer sicher ging. "So, ich werde sie jetzt in meinen wasserdichten Taucherhandschellen, die ich mir von Swatch habe machen lassen, ins Präsidium abführen, wo wir zuerst untersuchen werden, ob sie unter Drogen stehen, nicht wahr. Bitte beachten sie auch das schicke Dessin dieser Handschellen." Klack! Klack! schlossen sich die Fesseln um den linken Arm und das rechte Bein von Lufthansa Ehemann. Anschließend landete die Verhaftete auf dem Dach des roten Sportwagens, an dem zur Tarnung noch ein Pappschild mit der Aufschrift "Postauto" befestigt war. Der Kommissar wollte immer alles -2 5 4 -
perfekt machen. Mit Paketschnur wurde die Delinquent in so festgebunden, daß sie wahrscheinlich nicht hinunter fiel, wenn der Wagen fuhr. Benno Schlott setzte sich auf den Fahrerstuhl, legte seine Rallyegurte an und entsicherte das Handschuhfach, aus dem er einen Mars - Riegel nahm. Mars schmeckte dem Kommissar prima. "Mars macht mobil bei Arbeit, Arbeit, Arbeit!" sagte der Kommissar und biß in den Riegel. Er hatte sich den Slogan etwas umgeändert, denn Sport und Spiel waren für ihn auch das selbe wie Arbeit. Der Riegel war lecker. Schlott aß das Plastikpapie r immer mit, dann schmeckte es noch würziger; außerdem gehörte das zum Image echter Männer. Jetzt hatte Benno Schlott sich einen akustischen Starter ins Auto eingebaut, der auf seine Stimme reagierte. "Hier spricht Captain Schlott. Erbitte Starterlaubnis!" Schon heulte der Motor auf. Benno Schlott war genau die Sorte Mann, die sowas cool fand. Mit atemberaubender Geschwindigkeit sauste der Wagen über die Straße und ratzfatz war der Kommissar am Präsidium. In der Feuerwehreinfahrt hielt er den Wagen inne. Der Wagen war echt unglaublich schnell. Selbst wenn er parkte, erzeugte er noch Fahrtwind. Zackig schlug der alte Fuchs die Tür zu. Vorher entfernte er noch einen grünen Bandwurm und eine seltene Bromelienart von der Fußmatte. Wieder zwei Phänomene, die durch die Geschwindigkeit entstanden waren. Die Bromelie steckte sich der Kommissar in die Pfeife und rauchte sie, den Bandwurm wollte er trocknen und später als Paketschnur verwenden. Benno Schlott ließ nichts alt werden, er war sehr praktisch veranlagt in der Handhabung von Dingen. Sein Augenmerk fiel nun auf Toyota Ehemanns Zwillingsschwester, die nach wie vor auf dem Dach festgebunden war und dem Kommissar wurde klar, daß er einen fundamentalen Fehler begangen hatte. Der Wagen war innen natürlich mit Bleifo lie ausgekleidet, damit durch die -2 5 5 -
Fahrtgeschwindigkeit hervorgerufene übernatürliche Phänomene etwas abgeschwächt wurden und nicht den Fahrer des Wagens selbst beeinträchtigen konnten und natürlich auch nicht seine Beifahrer. Oben auf dem Dach war das was Anderes, da konnte alles Mögliche geschehen, was hier wohl auch der Fall war. Es war zwar peinlich, aber Lufthansa Ehemann war völlig zweidimensional geworden! Ganz platt. Noch viel platter als ein Teppich. Sie hatte einfach gar keine Dicke mehr, nur noch Linie und Fläche. Das konnte man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Benno Schlott war es egal. So konnte man sie wenigstens nicht mehr so leicht mit ihrer Drillingsschwester verwechseln und in diesem Zustand stellte sie sicherlich auch keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit dar. Deshalb konnte Schlott von einer weiteren Inhaftierung absehen. Ärgern tat er sich nur über seine teuren Taucher Handschellen von Swatch; die waren nämlich auch zweidimensional geworden. Na ja, das würde der alte Fuchs auch noch überstehen, denn er hatte schon wirklich viel schlimmere Sachen überstanden, zum Beispiel letzte Woche erst im zweiten Programm die Patrick Lindner - Show. Aus der Hutablage des Automobils nahm Benno Schlott einen Briefumschlag, faltete Lufthansa Ehemann zusammen und steckte sie hinein. Den Umschlag steckte er in den Briefschlitz der ktU, ebenso den fingierten Briefumschlag mit der Scheiße von seinem Dackel Minuto. Anschließend ging er ins Revier mit der festen Absicht, Toyota Ehemann eine Falle zu stellen. Für die wurde es ohnehin schon ziemlich eng ohne Abnehmer für ihre Produkte und ohne Bodydouble. "Ich werde meiner Sekretärin eine kernige Falle stellen. Es wird eng für sie. Ich schalge zu. Man kennt mich als den Kommissar, der immer zuschlägt." Der Kommissar ging in sein Büro und schlug die Tür zu. -2 5 6 -
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Kapitel 24 Der Kommissar macht die Tür auf und schaut sich um Als Benno Schlott in seinem Büro war, sah er, daß Gertrud ihm einen Zettel hingelegt hatte, wo die Adresse der Eltern von Toyota Ehemann draufstand. Da wollte er vielleicht auch noch mal vorbeifahren, später. Da fiel dem alten Fuchs plötzlich ein, daß er seine Frau mal anrufen mußte; der Fall nahm ihn so sehr in Anspruch, daß sie sonst gar nichts mehr von ihm hörte. Abends im Bett war er auch eine ziemliche Nullnummer geworden, weil er nämlich meist gar nicht ins Bett kam, sondern über seinen Homecomputer online mit dem Präsidium verbunden blieb und Polizeipräsidentenkleinarbeit verrichtete oder, wie beispielsweise heute, Spezialeinsätze zu machen hatte. Wenn man einen Workoholic sehen wollte, brauchte man sich nur mal den Kommissar anzugucken. "Hallo Milupa, hier spricht Benno Schlott. Wie geht's dir denn so?" Der Greifer hatte gewählt und seine Frau war drangegangen. Milupa Schlott sagte, ihr ginge es gut und sie hätte auch schon geschlafen im Bett und das Klingeln vom Telefon hätte sie dabei geweckt. "Ja, ja, Schlaf. Das ist schon was Feines. Erinnerst du dich noch, wie wir heute Abend in der Jasminlaube gegessen haben? Das war schön. Ich mag sowas, denn ich bin Romantiker. Du weißt das ja." Seine Frau sagte, daß sie es tatsächlich wisse. "Ja, das ist ja schön. Das wollte ich eigentlich nur mal wissen. Wollte bloß mal reinhören, wie's so aussieht." Die Frau Kommissar Schlott fragte den alten Fuchs, ob er denn nicht auch ins Bett wolle, es wäre ja schließlich schon zwei -2 5 8 -
Uhr morgens. "Ich bin jetzt im Präsidium. In meinem Büro. Das kennst du ja. Äh nein, kennst du nicht, du kennst ja nur den Veranstaltungsraum. Von meinem Dienstjubiläum damals vor kurzem. Ich trenne ja mein Privatleben von meinem Dienstleben. Du weißt ja, das ist eine oberste Maxime von mir. Da sieht man auch gleich klarer, wenn man das macht, woll?" Milupa Schlott sagte, daß es schön war, so mit ihrem Mann Benno Schlott daherzuplaudern und daß sie ihn liebe. Benno Schlott liebte seine Frau auch und sagte es ihr zurück. Dann legte er den Hörer auf die Hörerhaltegabel. Mitten in der Nacht war natürlich seine Sekretärin nicht im Büro um zu arbeiten. Der Kommissar war überhaupt der einzige Typ, der hier arbeitete in diesem Saftladen. Das sah er nicht ein. Er hatte wegen der vielen Arbeit auch ganz vergessen, daß er Edding Prinzenrolle eigentlich die Rübe in die Gerichtsmedizin bringen wollte. Jeder konnte mal was vergessen. So war der Kommissar eben. Die Kneipe um die Ecke hatte noch offen, das "Polizeieck". Da ging Benno Schlott rein. Er hätte natürlich auch nach Hause zu seiner Frau gehen können, aber die Kneipe war näher. Hinter dem Tresen saß der Wirt und vor dem Tresen waren die Gäste anwesend. "Guten Tag. Mein Name ist Schlott. Benno Schlott. Hiermit bestelle ich im Namen der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission ein kleines Glas mit Mineralwasser." Mit den Gepflogenheiten in Kneipen kam Schlott nicht so recht klar, obwohl er des öfteren mit Freunden Zechtouren veranstaltete. Der Greifer gehörte aber wohl trotzdem nicht so recht zur Kneipenwelt dazu. Der Wirt knallte ihm ein Bier vor die Nase und meinte: "Ey du Pappnase, bei uns wird Bier getrunken, klar?" -2 5 9 -
Skeptisch beobachtete der Kommissar das Bierglas und fragte scharf: "Was ist das für ein Bier? Das sieht so bräunlich aus." "Das ist Alt." antwortete der Wirt. Spätestens jetzt dürfte klar sein, daß es gleich knallt, und zwar heftig. "So, alt ist das also. Sie geben also unverfroren zu, mir als Helden der Stadt ein altes Bier vorzusetzen und zur Krönung noch, obwohl ich deutlich artikuliert Mineralwasser in einem kleinen Glase bestellt hatte. Sie trinken jetzt entweder das Glas selber auf ihre eigene Rechnung aus, oder die Leute werden in Zukunft vom "Polizeieck" in der Vergangenheitsform sprechen müssen. So ein Mißstand!" Die Augen vom Kommissar hatten sich inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verschlitzert; der geneigte Leser wird rasch erkennen: Es waren Sehschlitze daraus geworden. Die Dienstwaffe hatte Schlott auch schon gezogen und wie so eben mal durch Zufall, schoß er den Zapfhahn kaputt, so daß Bier durch die ganze Kneipe strömte. "Sie haben Bier bestellt und sie trinken das. Bei uns herrschen rauhe Sitten, dafür ist das 'Polizeieck' in der ganzen Stadt verrufen. Sogar die Jungs von der ktU kommen zu uns." Wenn der Kommissar das vorher gewußt hätte, dann hätte er natürlich keinen Fuß über die ungastliche Schwelle gesetzt und erst recht nicht seinen eigenen. Aber er hatte es nicht gewußt. "Ich trinke das Bier nicht. Bald wird man ihren Laden sowieso nur noch als die Kneipe mit den vielen Einschußlöchern kennen! Ihr Laden ist ein einziger nach altem Bier stinkender Mißstand, der meinen guten Geschmack anekelt!" Paff! war das elektronische Dartboard hinüber und nochmal paff! mußten die Flipperautomaten dran glauben. Die Dienstwaffe schoß vor sich hin, was das Zeug hielt. Dann schoß Benno Schlott die Waffe auf alle Flaschen, Gläser und Spiegel, anschließend kamen die Kniescheiben der Gäste dran und zum -2 6 0 -
krönenden Abschluß der Hodensack des Wirts, der sich mit einem matschenden Geräusch für immer verabschiedete. Der Kommissar steigerte sich richtig in einen Schießrausch hinein und schrie bis er heiser war immer Sachen wie "Bang - bang!" oder "Piff - paff!" dabei sprang er wie ein Teufel durch den Laden und zertrampelte Brieftaschen und rausgefallene Gebisse von Gästen unter seinen Polizeistiefeln. Das war auch ein Phänomen: Wenn er schoß, wurde der Kommissar eins mit seiner Dienstwaffe. Das hatte er mal bei seiner letzten Sommerfrische im Zen - Kloster gelernt. Nur deshalb zielte er so gut. Überall in der Luft lag der Geruch von Schießpulver und frischem Blut und der Pulverdampf überdeckte sogar den schwarzen Rauch aus der Pfeife des Greifers. "So, ich glaube, ich gehe doch nach Hause zu meiner Frau. Da ist das Bett wenigstens warm." sagte er noch und verließ ohne sich umzuschauen den Laden, der jetzt nur noch ein einziges Chaos aus Holzsplittern, Blut und Bier war. Das war mal wieder ein Auftritt, wie wir ihn an Benno Schlott so lieben. Feurig, temperamentvoll und den Blick immer stur auf Gemeinnutz und Gerechtigkeit geheftet. Mit der Sportlimousine brauste der Kommissar nach Hause. Dort angekommen frühstückte er erstmal nach Strich und Faden, bevor er ins Bett ging. Zeit war Geld und was er gleich erledigte, mußte er nach dem Aufstehen nicht mehr tun. Milupa Schlott begrüßte ihren Mann, als er ins Bett kam und sagte, da sei er ja doch noch. "Genau, Sweetheart, ich bin da. Yeah!" Mit diesen Worten riß Benno Schlott seiner Frau leidenschaftlich die Bettdecke vom Körper und begann anschließend, ihren prallen Körper stürmisch zu entkleiden. "Du entschuldigst. Meine Schlafanzüge und Decken sind gerade alle in der Wäsche." -2 6 1 -
Ein wenig verlegen war der Greifer schon, als er sich das Nachthemd seiner Frau anzog und sich dann in ihre Decke einwickelte, aber frieren wollte er ja nun auch wieder nicht. Sekündlich entschlummerte er, denn er hatte einen langen Tag hinter sich. Einen Tag voll harter Arbeit. Im Schlaf kotzte er noch auf seine Frau drauf, weil ihm die Anstrengung des Tages Magenbeschwerden machte, aber die merkte das gar nicht, weil sie ja auch schlief. Als das Licht hell wurde draußen, stand der Kommissar wieder auf. Er putzte sich seine Zähne und duschte. Dann zog er sich an. Es war wieder ein extrem heißer Tag, deshalb war Spärlichkeit bei der Kleidung angesagt: Eine rostrote Tennishose, wollene Kniestrümpfe, blaue Gummisandalen, ein olivgrünes Top und ein Filzhut mit Gamsbart. Das sollte für heute mal ausreichen. "Hallo Milupa, ich sage dir guten Morgen." Schlott ging die Treppe runter und begegnete auf halbem Wege seiner Frau, die Kaffeetassen in den zarten Händen trug. Hinten hatte sie etwas Kotze im Haar, was sie aber zum Glück nicht merkte. Milupa sagte ihrem Mann auch einen guten Morgen und fragte ihn, ob er noch einen Kaffee trinken wollte, bevor er ins Büro fuhr. "Sind denn da auch erlesene Hochlandbohnen drin?" fragte der Kommissar nach, der sich schon aus Berufsgründen immer den vollen Überblick verschaffen mußte. Seine Frau bejahte die Frage. "Gut, gut. Dann nehme ich einen Kaffee. Sonst nicht." Während Benno Schlott trank, entfaltete er vor sich die Tageszeitung und sah sich die Bilder darin an. Lesen tat er so früh am Morgen noch nicht. Davon bekam er bloß Kopfschmerzen und heiße Ohren. -2 6 2 -
Es war ein Bild drin, wie der Präsident von Amerika einem in Tücher gekleideten Araber seine Hand gab, dann war auch ein Bild vom Kommissar selber drin, wie jeden Morgen, denn Schlott zahlte dem Zeitungsverlag viel Geld dafür, daß er das Bild in jeder Ausgabe auf der Titelseite brachte. Auf einem anderen Bild war ein Berg wo Schlamm von runterfiel auf ein Dorf und auf noch einem Bild war eine junge Frau drauf, die nichts anhatte. "Sehr interessante Zeitung heute." bewertete der Greifer kritisch und stellte den ausgetrunkenen Kaffee auf dem Kaffeetisch ab. Dann ging er zur Garage, in der sein Sportwagen wohnte. Einen Kuß hielt er vorher auch noch bereit für seine Frau, daß auch alles seine Ordnung hatte. "Milupa, ich verabschiede mich von dir mit einem Kuß. Übrigens, du stinkst nach Kotze." Milupa sagte ihrem Mann bescheid, daß sie den Kuß erwiderte, lachte obendrein über den Scherz mit der Kotze, und dann ging es auch schon ab im roten Auto Richtung Polizei. Auf dem Weg von Schlotts Haus zum Revier hatte der Stadtrat alle Ampeln und Fußgängerüberwege entfernen lassen und eine riesig breite Vorfahrtstraße eingerichtet, um zu vermeiden, daß der Kommissar weiterhin über alle Autos und Fußgänger drüberwegfuhr. Schlott selber fand das langweilig. Er hatte heimlich im Baumarkt eine ganze Menge Ampeln und Zebrastreifen eingekauft und nun über Funk seinen Assistenten angewiesen, den Kram unbemerkt in der Nacht wieder aufzustellen, aber erst, wenn Gertrud das Aquarium fertig saubergemacht hatte. Der Kommissar investierte viel Geld, denn er brauchte unterwegs seinen Fahrspaß einfach. Das mußten auch die Bürger einsehen. Toyota Ehemann saß im Vorzimmer und schaute, als wäre gar nichts los, als der pfeiferauchende Kommissar Schlott zur Tür hereinkam. In ihren Gedanken aber konnte der alte Fuchs lesen, daß es für sie jetzt ziemlich eng wurde, nach all den -2 6 3 -
Maßnahmen, die der Greifer schon ergriffen hatte. "Guten Morgen Frau Toyo ta Ehemann." grüßte Schlott und liftete höflich seinen Hut. "Guten Morgen Herr Präsident." grüßte Toyota Ehemann zurück und sah einen Moment von ihrem Diktiergerät auf, in das sie irgendwas eintippte. "Ein Briefkasten wartet ihn ihrem Büro auf sie. Er beha uptet, Inspektor von der Stange zu sein und geheime Nachrichten für sie zu haben. Sehr dubios, wenn sie mich fragen." "Ich frage sie aber nicht, mein Kindchen." Schlott kniff sich die Pfeife tiefer in den Mundwinkel und ging in sein Büro. "Guten Morgen, Herr von der Stange. Ich höre mit offenen Ohren, was für Neuigkeiten mein Inspektor für mich hat." Benno Schlott setzte sich hinter seinen Schreibtisch und schaltete den Fernseher ein. Jetzt lief "Masters Of The Universe" im Kinderprogramm. Das wollte er auf keinen Fall verpassen. Da waren immer viele interessante Sachen drin und He - Man war ohnehin ein Vorbild vom Kommissar. Der Typ wußte, wo der Hammer hängt! "Sie hatten mir den Auftrag gegeben, mich als Briefkasten verkleidet vor Toyota Ehemanns Haus zu stellen und alle Post abzufangen, die eingeworfen wird." "Das ist richtig. Was haben sie jetzt nun für mich da?" "Ich habe mehrere Briefe von Frau Ehemann. Ich lasse sie sie sehen." "Dankeschön. Das ist für sie." Benno Schlott drückte Inspektor v. d. Stange 10 Pfennig und ein hartgekochtes Ei in die Hand. "Jetzt können sie gehen, Inspektor." "Dankeschön, Herr Präsident." Pantaleon v. d. Stange verließ das Büro des Kommissars. -2 6 4 -
Benno Schlott öffnete den ersten Umschlag, der an die Jonathan - Käsekalk - Stiftung für betriebsorientierte Allgemeinbildung adressiert war. Ein Scheck lag im Umschlag, der der Stiftung 3000 Mark zukommen ließ. Schnell hatte Schlott den Scheck auf seinen Namen umgeschrieben. Der nächste Umschlag ging an Toyota Ehemanns Steuerberater Herrn Brennschere. Frau Ehemann meltete darin einen Großentsafter im mobilen Lufteinsatz zur steuerlichen Absetzbarkeit an. Ein Indiz mehr, das gegen Frau Ehemann sprach und deshalb auch gleich in Schlotts Indizienschachtel kam. Eine Postkarte war auch bei der Post dabei, die Antwort auf ein Preisausschreiben. "PETZO PLUS macht weiß ohne zu bleichen. Jetzt neu mit Essigaroma. Gewinnen sie mit PETZO PLUS eine einmalige Kreuzfahrt durch Österreich und die Schweiz auf der MS Heringsdorf. Sie brauchen nur aufzuschreiben, was PETZO PLUS jetzt für ein neues Aroma hat. Schicken sie dann diese frankierte Karte an PETZO PLUS, Kennwort "Essig" in 45826 Essen." las der Kommissar laut. Toyota Ehemann schien irgendetwas nicht ganz richtig verstanden zu haben, denn das von ihr eingetrgene Lösungswort lautete "Kuschelweich". "Vielleicht gewinne ich ja!" Schlott klebte seine Adresse auf die Karte über die seiner Sekretärin und korrigierte das Lösungswort in "Irisch Moos" um, dann warf er die Karte in die Polizeipost. Für solche Dinge nahm sich Benno Schlott trotz der vielen Arbeit immernoch die nötige Zeit, weil er war Mensch geblieben. Anschließend rief Schlott Edding Prinzenrolle in der Gerichtsmedizin an. Edding bat seinen Freund, doch gleich vorbeizukommen auf eine Tasse Tee und ein Gläschen Kuchen. Eddings vier Frauen backten Kuchen in kleinen feuerfesten -2 6 5 -
Gläsern. Damit erregten sie immer Aufsehen, weil es sah interessant aus und hübsch unnütz war es obendrein. Der Kommissar ging den Weg von seinem Büro zur Gerichtsmedizin, unter seinen Arm hatte er den Schuhkarton geklemmt, wo mit Filzstift dick "Meine schöne Indizienschachtel" draufgeschrieben war. In der Schachtel war nämlich auch die Rübe drin. "Hallo, Ben. Schön, daß du kommst." begrüßte Edding seinen Freund. Prinzenrolle rauchte mal wieder einen Joint. "Hallo Ed. Hier sieht's aber interessant aus. Was hast du denn da auf dem Seziertisch?" "Das ist die Leiche des Försters Johann Baumkern. Die Todesursache ist unklar. Deshalb muß ich ihn sezieren." Benno Schlott war fasziniert. "Es sieht sonderbar aus, aber er ist anscheinend daran gestorben, daß eine Birke durch seinen Körper hindurchgewachsen ist. Ich muß sagen, das ist schon der seltsamste Einzelfall, denn ich hier in den letzten drei Tagen gesehen habe." dozierte Edding und goß Tee aus einer chinesischen Porzellanvase in stilvolle Teeschalen ein. Seine Teekanne war leider gestern kaputtgegangen. "Ich tippe auf Selbstmord." antwortete Schlott, nachdem er einen kurzen Blick auf die Leiche geworfen hatte. "Schon möglich, Be n, schon möglich. Genaueres wird die Obduktion ergeben. Ach ja, hier: Das hat man mir eben für dich reingefaxt. Die aktuelle Vermißtenliste." Der Kommissar nahm die Liste zur Hand und betrachtete sie aufmerksam. "Ja, ja, wie ich es gesagt habe: Es wird eng für unsere Mörderin. Das hier ist der Beweis, daß ich auf dem richtigen Weg bin. Nur zwei neue Vermißte in den letzten zwei Tagen. Das haben wir seit Beginn dieses Falles nicht gehabt." -2 6 6 -
"In den Nachrichten haben sie vorhin auch gesagt, daß die Leute wieder Cola und Hackfleisch kaufen, weil keine Menschencola und kein Menschenhack mehr im Handel sind. Du hast eine wirtschaftliche und ökologische Katastrophe gerade nochmal unterbunden." ergänzte Edding. "Ja, ja. Wen nimmt es Wunder? Ich habe schließlich auch alle Verkaufswege zerstört. Jetzt fehlt nur noch, daß die Mörderin gefaßt wird. Ach ja, hier Ed, ich habe dir die Rübe zur Aurauntersuchung mitgebracht. Ich weiß, es ist nicht deine Aufgabe, aber der ktU möchte ich das nicht überlassen." Edding Prinzenrolle nahm die Rübe zur Hand und Benno Schlott zog sein Aurameter aus der Tasche. "Weißt du Ed, wir müssen bei der Sache zu zweit sein. Ich messe die Aura und du mußt die Rübe berühren, damit die Fluktuationen nicht in die Atmosphäre diffundieren." Edding Prinzenrolle berührte die Rübe und Benno Schlott maß die Aura. "Exakt 177,8. Jetzt müßten wir nur noch Toyota Ehemanns Aura kennen. Wir werden meine Tipse einfach herrufen lassen." "Von mir aus, Ben, aber erstmal sollten wir unseren Tee trinken und den guten Lakritzkuchen essen." Dazu mußte man den Kommissar nicht lange bitten, er war ein großer Tee- und Kuchenfreund. Er war überhaupt Freund von alles wo man essen konnte. Edding legte noch gemütliche Musik von Schubert auf den CD - Player, beide setzten sich auf einen Seziertisch, machten Pause und rezitierten sich gegenseitig ihre Lieblingsgedichte von Gottfried Benn. Anschließend redeten sie aber schon wieder über die Arbeit. "Du Ed, die Sache mit dem Förster interessiert mich. So wie er aussieht, war er ein Schwarzer, oder?" "Nein, das liegt bloß daran, daß er schon zwei Wochen tot ist. Er lag, bzw. stand birkenförmig im Wald und da kommen -2 6 7 -
natürlich schnell die Fliegen an und legen die Eier. Was den Körper so braun macht, sind bloß die Ausscheidungen der Maden. Das ist ganz normal." "So, so. Hat man Anhaltspunkte von Leuten gefunden, die das da mit dem armen Förster gemacht haben könnten?" Schlott zeigte auf den durchwachsenen Leichnam. "Nein, bisher nicht." "Gut, dann sag' den Jungs von der Fahndung bescheid, sie sollen mal in die Waschstraße 19 fahren und die Wohnung im ersten Stock durchsuchen. Speziell den Schrank im Schlafzimmer." "Donnerwetter!" staunte Edding Prinzenrolle. "Woher weißt du das denn?" "Intuition, mein lieber. Alles reine Intuition." Edding war angemessen beeindruckt und ordnete eine sofortige Durchsuchung an. "Lebt in dieser Wohnung denn wirklich der Mörder?" fragte er den Kommissar. "Nein, Blödsinn. Das ist die Wohnung von Kommissar Detlef Sportfuß von der Fahndung. Ich hatte da letztens meinen Regenschirm vergessen. So bekomme ich den vielleicht wieder, ohne selbst vorbeifahren zu müssen. Was den Toten betrifft: Ich sagte doch schon, ich tippe auf Selbstmord. Viele Leute lassen sich von Bäumen durchbohren. Das ist eine alte chinesische Foltermethode. Wenn du wirklich unbedingt einen Mörder suchen willst, solltest du dich an einen Chinesen halten." "Donnerwetter!" staunte Edding Prinzenrolle. Er war angemessen beeindruckt von dem Kommissar seinem Scharfsinn. "So, aber jetzt gehen wir zu Toyo ta Ehemann und messen ihre Aura. Ich bin nämlich zu faul, sie rufen zu lassen." sagte Schlott. Entschlossenen Schrittes gingen die beiden Superspürnasen -2 6 8 -
von der Gerichtsmedizin zum Vorzimmer des Büros vom Benno Schlott. Unterwegs packte Schlott eine raffinierte Verkleidung aus, nämlich verkleidete er sich als Mann vom Gesundheitsamt. Er klebte sich große Plastikohren an und setzte siche eine krumme, grünliche Nase ins Gesicht. Edding Prinzenrolle wurde vom Kommissar mit Lippenstift geschminkt, bekam einen roten Vollbart angeklebt und künstliche gelbe Zähne in den Mund. So sah er perfekt aus wie der Assistent vom Mann vom Gesundheitsamt. So verkleidet gingen die vier Freunde in Benno Schlotts Vorzimmer. Ach nee, es waren ja bloß zwei. "Guten Tag, Frau Ehemann." sagten Schlott und Prinzenrolle mit verstellter Stimme. "Guten Tag. Oh, der Mann vom Gesundheitsamt und sein Assistent." wunderte sich die Sekretärin. "Sie arbeiten tagtäglich am Computer. Da sind sie eine Risikogruppe. Wir machen eine Routineuntersuchung, weil der Computer sendet gefährliche Asbest- und Gammastrahlen aus, die ihren Arbeitsplatz und sie selbst mit etwas Pech total verseuchen können. Sie könnten theoretisch schon Lungenkrebs haben, weil Bürocomputer natürlich besonders viel Asbest abstrahlen." Benno Schlott zog seine Taktik ganz raffiniert auf. "Jaaaa, da hat der Mann vom Gesundheitsamt vollkommen recht. Wir müssen leider eine Messung an ihnen vornehmen, im Interesse der öffentlichen Gesundheit." Edding Prinzenrolle war sehr fuchsig und wußte genau, worauf alles hinauslaufen sollte. Gleich würde Schlott sein Aurameter zücken und so tun, als würde er gefährliche Asbestund Gammastrahlung messen. "Genau, im Interesse der öffentlichen Gesundheit, wie mein Assistent ganz richtig sagt. Asbestlungen sind nämlich verdammt ansteckend." -2 6 9 -
"Verdammt ansteckend, ganz richtig." bestätigte Edding Prinzenrolle. "Oh." sagte Toyota Ehemann. Sie glaubte alles, weil der Mann vom Gesundheitsamt war natürlich sehr vertrauenswürdig und eine angesehene Institution obendrein. Sein Assistent aber auch. Mit cleverem Gesicht zog der Kommissar sein Meßgerät hervor und fing an, wie der Teufel an Toyota Ehemanns Aura herumzumessen. "Oh, oha, wir haben jetzt ein Ergebnis. Jaaaa... sehr interessant. Geheimnisvoll, geheimnisvoll. Schau her, mein Assistent." sagte Benno Schlott, als er auf die Meßskala schaute. "Ja, Mann vom Gesundheitsamt, ich schaue hin. Oh, oho! Ja, das sagt viel aus." Edding war auch lebhaft interessiert. Toyota Ehemanns Gesicht besorgte sich, sie dachte wohl, sie wäre vertrahlt. Deshalb fragte sie: "Darf ich das Ergebnis der Messung erfahren?" "Nein, nein, nein! Zufälligerweise entspricht der Wert auf der Skala genau der Kombination des Panzerschranks der Deutschen Bundesbank und folglich darf die Messung nie in die Öffentlichkeit hineingelangen; zur Sicherheit des allgemeinen Geldgebrauchs. Ein glatter Fall für den Giftschrank. Sorry. So, und wir gehen jetzt. Nicht wahr, mein Assistent?" "Ja, Mann vom Gesundheitsamt." Edding Prinzenrolle und der Kommissar gingen hinaus. Kaum hatten sie die Tür zugeschlagen, da platzte es aus Edding heraus: "Donnerwetter! 177,8! Na, wenn das mal kein Beweis ist." "Genau. Und andere Beweise haben wir auch genug. Spätestens bei einer Wohnungsdurchsuchung wird man auch die Tatwerkzeuge finden und dann ist sie geliefert." Schlott sonnte sich in Wohlgefallen, wie fein er alles wieder zusammengepuzzelt hatte. -2 7 0 -
"Na ja, wenn sie das nicht inzwischen schon weggeschafft hat." Edding dachte kritisch. "Hat sie nicht. Sie wähnt sich in Sicherheit, weil wir immer alles heimlich und getarnt gemacht haben, so daß sie nix merkt. Wir werden alles finden. Aber jetzt werden wir endlich zuschlangen und sie uns schnappen, bevor der Papst in die Stadt kommt." "Und wie, Ben?" "Ed, wir werden ihr eine Falle stellen. Jawohl!"
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Kapitel 25 Der Kommissar denkt sehr viel nach und entsaftet aus Versehen den Papst Benno Schlotts Idee, der Mörderin eine Falle zu stellen, war natürlich über jeden Zweifel erhaben und auch sehr schön. Blieb bloß noch das Problem, was für eine Falle man ihr stellen sollte. Es war schon spät abends im Präsidium und alle Lichter waren schon aus. Die Klofrauen waren weg, die dicke Kantinenkellnerin auch und die Putzfrauen lagen schon längst zu Hause in ihren Hängematten und sahen fern. Im Fernsehen war heute Schlagerabend und es sangen Stars wie Freddy Krueger, Roberto Pabst und Roy Blanco. Das wollten die Putzfrauen nicht verpassen. Die Polizisten auch nicht. Nur das Licht vom Kommissar war noch an, der mußte nämlich heute den tollen Schlagerabend verpassen, weil er immer noch über der Falle brütete. Um ihn herum lagen Notizblöcke und Skizzen in Stapeln. Er hatte keinen großen Peil von der Materie. Die Bürotür hatte er abgeschlossen und versiegelt, weil draußen in den dunklen Fluren der Bundespräsident mit einer Kiste Bundesverdienstkreuzen umging und den Kommissar suchte. Schlott sah unten auf dem Hof die schwarze Limousine des hohen Staatsmannes stehen. Es war ein Cabrio, weil der Bundespräsident gerne sportlich wirken wollte, obwohl er so unmenschlich dick war. Spaß mußte auch mal sein, erst recht beim Kommissar, deshalb machte er die Hose runter, hing seinen Arsch aus dem Fenster und kackte dem Politiker volles Rohr in die teure Nobelkarre. Benno Schlott konnte sich kringelig lache n über solche Sachen. Er war bekannt dafür, daß er seine eigenen Witze immer am besten fand. Waren sie ja auch. Was ihm jetzt bloß noch fehlte, war ein Geistesblitz wegen der Falle. Und bing! da war er auch schon! Wenn Schlott -2 7 2 -
einen Scherz machte, fielen ihm dabei oft gute Sachen ein. Der Kommissar notierte sich den Geistesblitz auf einen Zettel, steckte ihn in die Tasche und fuhr nach Hause, um seine Frau zu sehen. Nein, er fuhr nicht. Er hatte mal wieder Lust, mit seinem Hubschrauber zu fliegen, wozu hatte er ihn denn! Schlott rannte runter zu seinem Wagen, um den Koffer mit dem Falthubschrauber rauszuholen. Vor lauter Flugbegeisterung hatte er den Bundespräsidenten ganz vergessen, der noch immer durchs Revier schlich. Und zack! ehe der alte Fuchs sich's versah, hing er voller Bundesverdienstkreuze und sah geschmückt aus wie ein Christbaum (der Christbaum des Bundespräsidenten sah auch tatsächlich so aus!). Schlott sah nur eine Möglichkeit, um die Kreuze wieder loszuwerden: "Herr Bundespräsident, ich habe ihren Wagen vollgekackt!" sagte er, auch wenn es ihm als Höflichkeitsperson widerstrebte, mit solchen derben Wörtern Umgang zu pflegen. Der hohe Staatsmann strahlte, faselte etwas von mutiger Leistung und schon hatte Benno Schlott noch fünf Verdienstkreuze mehr am Hals hängen. Er hatte zwar schon gehört, daß man für jeden Scheiß Bundesverdienstkreuze bekommen konnte, aber so wörtlich hatte er das auch nicht genommen. Schlott regte sich tierisch auf, stampfte davon und schoß draußen alle Reifen der Präsidentenlimousine kaputt und anschließend den Motor gleich mit, daß der Wagen hochging wie ein Zäpfchen. Endlich war der Kommissar an seinem stolzen Sportflitzer angelangt, der in feuerrotem Lack erstrahlte. Ein prima Wagen war das. Der Koffer mit dem klappbaren Flugapparat war schnell gegriffen und Benno Schlott flog davon. Als Esoteriker fand er es zu dusselig, den Hubschrauber zu entfalten, indem er den Koffer öffnete. Wer Levitation konnte, brauchte das nicht. Er -2 7 3 -
setzte sich auf den geschlossenen Alukoffer und sammelte seine Gedankenkraft. Kurz darauf hob er schon ab. Auf Gegenständen zu fliegen war eine ganz leichte Übung, die viel wenniger Konzentration erforderte, als sich ohne Hilfsmittel in die Lüfte zu erheben. Die meisten Dinge wollten nämlich von sich aus gerne fliegen. Schlott flog über ganz Bad Salzfischbach herum und landete schließlich im englischen Teil des schlott'schen Gartens zwischen grünen Rasenflächen und pittoresk zu Männchen dahergestutzten Heckensegmenten. Schlott begrüßte seine Frau mit einem innigen Handkuß und Arm in Arm gingen dann beide ins Bett. Vorher sprachen sie noch kurz über Kreuzworträtsel. (Anm. des Autors: "Kreuzworträtsel" ist übrigens ein tolles Wort. Solche irren Komposita gibt es nur in der deutschen Sprache. [Siehe auch "Münzfernsprecher" oder "Geldspielautomat"]. Die englische Sprache ist dagegen viel simpler. Worte wie "Cup" oder "London" sind beispielsweise nur aus einem einzigen Wort zusammengesetzt.) Am nächsten Morgen ging Schlott früh ins Büro. Er ließ sich per Telefon einen Metallverarbeitungsexperten (Anm. des Autors: Whow! Noch so ein tolles Kompositum!) kommen und zeigte ihm eine Skizze. "Können sie das hier in den auf diesem Blatt angegebenen Maßen bis morgen mittag fertigstellen?" Der Experte, er hieß übrigens Herr Reifenspur, schaute sich Schlotts Skizze an und kratzte sich nachdenklich am Kopf von Schlotts Assistenten, der daneben stand und das Aquarium ausmistete. "Tja, wenn ich die Nacht durcharbeite, dann müßte das schon klappen, Herr Polizeipräsident. Aber das würde eine ganze Stange extra kosten." Der Kommissar lächelte zufrieden. "Geld spielt für uns von der ktU überhaupt keine Rolle und -2 7 4 -
eine Stange erst recht nicht. So wahr ich Fürchtegott von der Seite heiße." Der Greifer sah den Experten hypnotisch an, so daß der tatsächlich glaubte, er hätte es hier mit Fürchtegott von der Seite, dem Chef der ktU zu tun. Deinhard Reifenspur versprach, sich gleich an die Arbeit zu machen und termingerecht zu liefern. "Aber wehe, wehe, wenn der Mißstand eintritt, daß sie zu spät liefern. Dann landen sie ohne Umschweife im Knast. Ich warne sie ganz heftig." Der Fachmann versprach, ganz sicher alles pünktlich zu machen. Dann ging er zur Tür raus. "Na, das klappt ja wie am Schnürchen. Jetzt werde ich mein Sondereinsatzkommando (Anm. des Autors: Wieder ein krasses Kompositum. Wahnsinn!) zusammenstellen und anschließend nochmal in die Firma fahren, die die Esafix - Entsafter herstellt." Schlott war sehr geschäftig. In einer Rundbriefaktion rief er alle Insassen des Polizeipräsid iums zusammen in den großen Festsaal. Dort hielt er eine Galaansprache: "Guten Tag meine Damen und Herren. Herzlich willkommen in meinem Polizeifestsaal. Mein Name ist Benno Schlott. Ich will bescheid sagen, daß ich eine geheime Sonderkommission gründe und vier Toppolizisten brauche. Bitte füllen sie die grünen Formulare mit den Intelligenztests aus, die am Eingang liegen und schicken sie sie an meinen Assistenten Gertrud, der wird sie dann, wenn er meine Aquarien fertig gereinigt hat, eingehend prüfen und anschließend nach angesehenen und modernen Computerverfahren die geeignetsten Polizisten auswählen. Die Soko ist sehr geheim und auch ihre Mitglieder, außer mir und Edding Prinzenrolle, dürfen nicht wissen, worum es eigentlich geht. Ich nenne die Sonderkommission 'Soko Waldsterben'. Das ist natürlich bloß ein Tarnname, denn mit Waldsterben hat diese Soko nichts zu tun, aber das dürfen sie ja -2 7 5 -
nicht wissen. So, ich gehe jetzt und sie füllen die Zettel aus. Keiner verläßt vorher den Saal, sonst muß ich leider auf sie schießen." In der letzten Reihe saß eine hochschwangere Polizistin, die mitten in den Wehen war. Sie wollte eine Sondergenehmigung vom Kommissar, doch gehen zu dürfen, aber das zeigte nur, daß sie den Greifer nicht richtig kannte. Für Drückeberger hatte der kein bißchen ein Herz! Er schoß ihr in die Kniescheiben, lächelte und antwortete: "Na klar, kein Problem. Jetzt dürfen sie gehen." Das war ein toller Lacherfolg bei den Polizisten, denn sie waren allesamt rauhe Kerle und bloß mit Hauptschulabschluß. Schon wenig später konnte besagte Polizistin im Festsaal einem gesunden Knaben das Leben schenken und das war dem Kommissar zu verdanken. Der Notarzt holte sie erst später ab. Viel zu viele Babies werden heute in sterilen und unmenschlichen Krankenhäusern geboren, so daß sie gleich ihren ersten Schaden im Kopf bekommen. Benno Schlott fand, daß sowas ein Mißstand war. Der Knabe bekam zum Dank für den Kommissar auch den Namen Benno verpaßt. Auch mit Zweitnamen hieß er Benno. Während alle an den Formularen knobelten, ging der Greifer raus und stieg in seinen sportlichen Sportwagen ein. Bei jedem Autofahren mußte für den Kommissar auch Sport dabei sein. Ritter Sport hatte er auch immer im Handschuhfach. Er fuhr über diverse Kreuzungen und zu langsame Fußgänger hinweg zur Entsafterfirma, wo er schon durch seine Sekretärin terminlich angemeldet war. Die Werksleiterin Batida de Coco empfing ihn. "Hallo, Frau de Coco. Herzlich willkommen bei meiner Befragung." "Herzlich willkommen, Herr Präsident." "Frau de Coco, wie funktionieren eigentlich die 'Esafix 380' -2 7 6 -
Entsafter, die in den Hubschraubern eingebaut sind? Ich muß das wissen, denn mein Interesse ist von schwerer Bedeutung für den Fall, nicht wahr." Batida de Coco lotste den Greifer zu einem Hubschrauber mit so einem Entsafter und erklärte: "Wer mit Hubschraubern fliegt, der hat für gewöhnlich andere Dinge zu tun, als extra noch den Entsafter einzuschalten. wir haben deshalb eine Lichtschranke eingebaut. Sobald die Lichtschranke durch zugeführtes Material unterbrochen wird, schaltet sich automatisch der Entsafter ein. Jemand der dazwischen kommt, hat keine Überlebenschance mehr. Da geht dann alles ratzfatz. Das trifft natürlich auch auf Obst und Gemüse zu." Schlott runzelte seine Lippen und zündete sich nachdenk lich den Inhalt einer weiteren Pfeife an. "Aber entspricht das überhaupt den Sicherheitsnormen?" Schlott mußte das fragen, weil er war ja von der Polizei und die war immerhin dafür bekannt, daß sie immerzu doofe Fragen stellte. "Nö. Braucht es auch nicht, denn die Sicherheitsvorschriften gelten nur auf dem festen Erdboden, aber nicht in der Luft. Wäre ja auch komisch. Da oben ist ja nichts." Schlott sah das ein. Er war ein verständiger Mann. Ein weiser Mann. Mit globalem Sachverstand. "Ich möchte mir mal so einen Entsafter aus der Nähe ansehen." verlangte der Greifer. Er war nicht die Sorte Mann, die nicht überall mal hingucken wollte. Frau de Coco führte den Kommissar zu einem Vorführhubschrauber mit Entsafter. "So, Herr Polizeipräsident, hier können sie sich alles mal ansehen. Ich lasse sie in der Zeit alleine, dann sind sie ungestört." Batida de Coco entfernte sich taktvoll, um den Eindruck zu -2 7 7 -
erwecken, nichts zu verheimlichen. Alle Leute versuchten beim Kommissar, diesen Eindruck zu erwecken, aber natürlich vergeblich, jedenfalls dann, wenn sie tatsächlich etwas zu verheimlichen hatten. Schlott marschierte erstmal um den Hubschrauber herum. ein schönes Stück und himmelblau angestrichen. Dann klappte er die Eingangstür herunter und stieg über die Treppe, die auf der Rückseite der Tür befestigt war, hinein in das Pilotenhaus des Fluggerätes. Es war ein kleines Pilotenhaus und der Pilot mußte sich ziemlich knapp zwischen Fahrersessel und Lenkrad einklemmen. Dahinter war aber Raum genug für einen Entsafter und einen zu Demonstrationszwecken aufgestellten Riesenkorb voller Plastiktrauben. Zu seinem Erstaunen erkannte der Kommissar, daß hinter dem Korb auch der Papst höchst persönlich stand. Es war zwar dämmerig im Innern des Flugzeuges, aber den Papst kannte der Kommissar gut und auch die Uniform war eindeutig die des hohen Kirchenmannes. Die zum Segnen erhobene Hand war ebenso ein Markenzeichen. Der Papst mußte dauernd irgend etwas segnen, das war eine richtige Marotte von ihm. Zuerst maß Benno Schlott der überraschenden Anwesenheit des Papstes keine besondere Bedeutung bei und sagte bloß kurz "Hallo Papst!", um nicht unhöflich zu sein, denn den Papst mußte man grüßen, wo immer man ihn auch sah und selbst dann, wenn man ihn gar nicht persönlich kannte; das hatte Schlotts Mutter dem Kommissar beigebracht. "So, so, das ist also der Entsafter. Interessant. Den werde ich mal ausprobieren." Aus dem Korb nahm der Greifer ein paar Plastiktrauben, um sie in den Ansaugstutzen zu stecken. Dabei stieß er aber so unglücklich gegen den Papst, daß dieser kopfüber in den Stutzen fiel und mit einem schmatzenden Geräusch eingesaugt und zu Saft verabeitet wurde, der in einen Container unter dem Auslaufstutzen sprudelte. Erst war Benno Schlott ziemlich peinlich berührt von diesem -2 7 8 -
dummen Unfall, aber dann sah er zum Glück, daß es bloß eine Werbeatrappe des Papstes aus Plastik war, die da im Esafix verschwunden war. Da hatte er ja nochmal Glück gehabt. Und der Papst natürlich auch. In Würfel abgepackt, erschien aus einer Klappe das nicht zu Saft verarbeitete Restplastik. Mit einem Pfiff rief Schlott die Werksleiterin wieder herbei. "Das mit dem Entsafter ist sehr interessant, nicht wahr, aber ich konnte nichts Neues erfahren. Wie erkä"ren sie sich das?" Umständlich kletterte der Kommissar aus dem Hubschrauber hinaus und richtete den Griff seiner Pfeife anklagend auf Batida de Coco. "Ich weiß nicht. Vielleicht gibt es einfach nichts herauszufinden." antwortete die Weksleiterin. "Oh doch, es gibt immer etwas heruszufinden, es sei denn, nicht wahr, jemand vertuscht etwas. Sie werden noch von der Knüppeltruppe hören, gute Frau, denn hier ist Vertuschung im Spiel. Das spüre ich. Ich verabschiede mich für jetzt." Das war natürlich nur ein Spaß von Schlott gewesen, der für seinen Humor bekannt war. Batida de Coco fand es vielleicht nicht so lustig, dafür aber der Kommissar selbst, und das war ja die Hauptsache dabei. Benno Schlott fuhr ins Revier zurück. Dabei machte er einen kleinen Umweg, um an einer Imbißbude Currywurst zu speisen, auf die der Greifer für sein Leben gern Appetit hatte. Leider bekam er den Wagen nicht so rechtzeitig gebremst, daß er vermied, die ganze Bude über den Haufen zu fahren, daß die Pommes nur so umherrspritzten. "Oh, hoppla!" kommentierte der Kommissar seine überschwengliche Fahrt. Er hatte Glück. Um den schwer verletzten Imbißkoch herum lagen noch zwei unversehrte Currywürste, die Schlott -2 7 9 -
einsammelte und im Wagen verzehrte. So hatte er aus einem kleinen Mißstand mal wieder das beste gemacht, denn auf diese Weise mußte er für die Würste nichtmal was bezahlen. Ja, der Kommissar hatte einfach Lebensart. Im Revier angekommen fragte Schlott gleich bei Gertrud nach, was die Auswertung der Fragebögen für die Soko ergeben hatte. "Tja, Herr Präsident, neben Edding Prinzenrolle und ihnen wurden ausgewählt: Ihr esoterischer Tatortkoffer, das Porzellangeschirr aus dem Festsaal und der linke Turnschuh von Kriminalhauptkommissar Detlef Sportfuß von der Fahndung." Gertrud sagte das natürlich auf Spanisch, denn er war bekanntermaßen Spanier, aber wir verzichten hier darauf, dem deutschen Leser die unsynchronisierte Fassung dieser Worte aufzutischen. Schlott schaute verwundert drein. "Das kommt mir ja spanisch vor; haben die denn auch alle an der Auswertung teilgenommen?" "Der Computer behauptet felsenfest, es sei so." "Wenn es der Computer behauptet, dann stimmt es auch. Benachrichtigen sie bitte die ausgewählten Mitglieder der Soko Waldsterben unverzüglich. Wir werden morgen früh alle zusammen zuschlagen und die Colamörderin dingfest machen!"
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Kapitel 26 Der Kommissar sitzt am Frühstückstisch und schlägt sich ein hartes Ei auf Als Benno Schlott am nächsten Morgen beim Frühstück saß und die Bilder in der Zeitung betrachtete, fiel ihm eins auf der ersten Seite auf, wo er und Edding drauf waren, zusammen mit Schlotts esoterischem Tatortkoffer, dem Porzellangeschirr aus dem Polizeifestsaal und dem linken Turnschuh von Detlef Sportfuß von der Fahndung. Daneben stand in dicken Balken geschrieben: "Soko Waldsterben in geheimer Mission unterwegs!" Zufrieden schlug der Kommissar ein hartgekochtes Frühstücksei auf. Weiche Eier waren nichts für ihn, er war schließlich auch hart. Dieses Zeitungsfoto war gut für die Popularität des Greifers. Milupa Schlott fragte Benno Schlott, ob es stimmen würde, daß er die Colamörderin heute fangen wollte. "Ja, Milupa Schlott, das stimmt. Es kann sein, daß ich deshalb etwas später zum Abendessen komme." Milupa wies ihren Mann darauf hin, daß er eigentlich fast nie zum Abendessen kam in der letzten Zeit. "Das weiß ich selbst, geliebtes Weib. Es ist aber so eine Redensart, die man sagt, wenn man sich bei seiner Frau wegen irgendwas herausreden will." Benno Schlott war jetzt fertig mit Frühstücken. Er stand auf, faltete die Zeitung in viele kleine Einzelteile zusammen und ging zu seinem Spiegelbild, um das Aussehen seiner Kleidung ein letztes mal vor Verlassen des Hauses zu prüfen. Er hatte heute zur Feier des Tages eine in Falten geraffte Hose aus goldfarbenem Tüll an, rote Springerstiefel mit hohen Absätzen, ein schwarzes Lederhemd mit Nieten dran und um den Hals das -2 8 1 -
grüne Halsband von Minuto, dem Dackel der Familie. "Wiedersehen, Milupa Schlott." grüßte der Kommissar zum Abschied und winkte mit seiner gestopften Pfeife Rauchzeichen in die Luft, um seiner Frau was Gutes zu tun. Die Rauchzeichen fielen zu Boden und schlugen hart auf den Marmor. Egal. Schlotts Frau konnte sie ja später aufsammeln. Milupa Schlott verabschiedete sich auch und lobte noch das tolle Aussehen ihres Mannes, der sich des besonderen Anlasses zuliebe sogar mal wieder seine Haare mit Wieselfett in Wellen frisiert hatte, so wie früher, bevor er und seine Frau geheiratet hatten. Der Sportwagen fuhr schnell und man konnte nur anhand der Kleiderfetzen und Blutspuren verfolgen, wo er gefahren war. Mit bloßem Auge sah man nichts und auch Radarfallen fotografierten nur ins Leere. So sehr drückte Benno Schlott diesmal auf die Tube. Im Wagen auf dem Beifahrersitz saß ein silberner Kristalldrache und dozierte über die Pflege alter Lederschuhe im Landhausstil. Es war wieder eines dieser Phänomene, die durch die Geschwindigkeit hervorgerufen wurden. Der Drache aß während seines Vortrages Obstkuchen und Sahnetorte in rauhen Mengen, was den Kommissar allerdings erst störte, als der Drache mit lautem Knall zerplatzte. Der Greifer war aber auch schon am Präsidium angekommen und stoppte den Wagen mit dem Bremsfallschirm und doppelter Schubumkehr. Das Phänomen verschwand. "Scheiß Drachenpack!" knurrte der Kommissar, zerrte seinen Tatortkoffer aus dem Fond des Wagens und schlug die Ausstiegsluke zu, wie er neuerdings zur Tür sagte. Schlott spielte nämlich manchmal, daß sein Wagen ein Raumschiff war und er der Captain. Oben vor dem Büro warteten schon Edding Prinzenrolle und Gertrud und auf dem Schreibtisch von Toyota Ehemann hatte Schlotts fleißiger Assistent die übrigen Mitglieder der Soko -2 8 2 -
Waldsterben abgestellt. Gertrud war per Rundbrief im letzten Augenblick auch noch für die Soko nominiert worden, denn Benno Schlott mußte anerkennen, daß er kompetent war und obendrein flink wie ein Lurch. Der Greifer grüßte in die Runde und schloß sein Büro auf. Alle gingen hinein und Gertrud kam hinterher mit dem Porzellangeschirr aus dem Polizeifestsaal und dem linken Turnschuh von Detlef Sportfuß von der Fahndung. Benno Schlott gab eine neue Erkenntnis zum besten. "Liebe Männer, verehrte Freunde, geschätzte Gebrauchsgegenstände. Ich habe eine Erkenntnis gesammelt, die ich der allgemeinen Mitgliederzahl der Soko Waldsterben auf keinen Fall ersparen will: Es geht dabei um Simplicius Grohm. In der Freibadkabine der Fußheilbadeanstalt wurden durch meine Augen Hubschrauberspuren und eine Badehose gefunden, was darauf hindeuten sollte, daß Simplicius Grohm schon in der Badeanstalt niedergeschlagen und verschleppt wurde. Ich habe aber mit Hilfe meiner geheimnisvollen Kristallkugel herausgefunden, daß Simplicius Grohms Badehose noch vollzählig bei seinem Nachlaßverwalter, Herrn Kassenschlager lag, womit geklärt wäre, daß es sich bei der in der Badeanstalt gefundenen Hose um eine Fälschung handelte. Die Hubschrauberspuren muß die Mörderin auch bewußt in der Badeanstalt hinterlassen haben, um uns zu täuschen, denn wie wir wissen, ist Grohm im Hotel niedergeschlagen worden und das fast vor den Augen der esoterischen Spezialeinheit. Folglich ist die gesamte Spur eine Fälschung. Fast wäre ich darauf hereingefallen, denn sie ist raffiniert gemacht, das muß man unserer Mörderin schon lassen. Also, was ich eigentlich damit sagen will ist: Seid auf der Hut und laßt euch nicht in die Pfanne hauen, die Colamörderin arbeitet mit allen Tricks." "Aber nein, Chef." bemerkte Gertrud "Wir hatten doch schon -2 8 3 -
festgestellt, daß Toyota Ehemann Simplicius Grohm lediglich in der Badeanstalt aufgelauert hat, um ihn dann bis zum Hotel zu verfolgen und dort niederzuschlagen. Ich habe mich bei seiner Frau Frosta Grohm mal wegen der Badehose erkundigt und herausgefunden, daß er gleich zwei Badehosen besaß. Man muß das einkalkulieren, denn Grohm war ein sehr reicher Mann." Benno Schlott nickte zufrieden und sagte: "Sehr gut, sehr gut. Wie ich schon sagte: Paßt auf vor Tricks und laßt euch nicht in die Pfanne hauen. Gertrud hat natürlich vollkommen recht mit seinen Ausführungen, die auf spanisch waren und von denen ihr Säcke kein Wort verstanden habt. Ich wollte euch bloß ein letztes mal auf die Probe stellen, um zu sehen, ob ihr die richtigen Männer für meine Soko seid. Ich bin nämlich ein mißtrauischer Fuchs und darum auch der Allerbeste." Anerkennend nickten und brummten die Sokomitglieder wegen der guten Idee, mit der der Greifer auf Nummer sicher gegangen war. Eine Ausnahme bildeten nur Schlotts esoterischer Tatortkoffer, das Porzellangeschirr aus dem Polizeifestsaal, der linke Turnschuh von Detlef Sportfuß und Schlotts Assistent. Gertrud nickte nicht, weil er nur spanisch konnte und kein Wort von dem verstand, was der Kommissar gesagt hatte. Nach diesen fuchsigen Worten sagte der Greifer, daß sich die gesamte Soko um Punkt sechzehn Uhr neunundvierzig mit voller Diskretion am Wagen des Kommissars treffen sollte. Anschließend startete Schlott zur Sicherheit noch einen großangelegten Uhrenvergleich. Es war nicht alles perfekt, aber die Abweichungen befanden sich noch innerhalb des Toleranzbereiches: Edding Prinzenrolles Uhr ging noch nach Winterzeit, bei Gertruds Uhr war gestern der Stundenzeiger abgebrochen, als einer von Schlotts Hammerhaien dagegenprallte, und Schlotts eigene Uhr wurde von seinem hauseigenen Uhrmacher wöchentlich nach der großen Uhr im Washingtoner Capitol gestellt. Die nichtmenschlichen -2 8 4 -
Mitglieder der Soko besaßen zwar, abgesehen vom esoterischen Tatortkoffer, der eine Monduhr enthielt, keine Uhren, aber eine Erkundigung des Kommissars ergab, daß sich über ihre bisherige Pünktlichkeit nichts nachteiliges berichten ließ. Die Mitglieder der Soko wurden dann in Ermange lung einer Bibel auf Schlotts Marmeladenbrötchen vereidigt und anschließend unter der Ausübung sanften Drucks hinauskomplimentiert, weil Benno Schlott hatte etwas furchtbar geheimes geplant, wovon niemand was wissen sollte. Es ging dabei um die geplante Falle, die der Kommissar Toyota Ehemann stellen wollte. Als alle gegangen waren, rief Schlott über Funk den Metallverarbeitungsexperten an. Er sagte ein paar Dinge ins Funkgerät, beendete dann das Gespräch und öffnete das Fenster seines Büros. Unten im Hof stand in einem grünen Overall der Metallfachmann Deinhard Reifenspur und neben ihm stand eine kolossale Käfigfalle, so eine wie für Mäuse, bloß viel größer. Genau, lieber Leser, sie haben es sicher erraten, hierbei handelte es sich um die Falle, die Benno Schlott zusammen mit der Soko Waldsterben der Mörderin stellen wollte. Und zwar wollte er sie ihr vor die Tür stellen und sie sollte dann reinlaufen. Bis dahin sollte die Falle, die vier Meter Lang, zwei Meter breit und zwei Meter hoch war, unbemerkt in Schlotts Büro unterkommen. Mit Telekinese begann der Kommissar jetzt den Drahtkäfig nach oben schweben zu lassen. Die Falle erzitterte kurz, erhob sich dann und nahm langsam aufsteigend Kurs auf Benno Schlotts offenes Bürofenster. Natürlich hatte der Greifer sie zuvor noch mit einem Unsichtbarkeitsbann belegt, damit sie keinem Polizisten auffiel, der zufällig mal aus dem Fenster sah. Langsam glitt die Falle immer höher und zirkelte sich schließlich gekonnt durch das Bürofenster des Benno Schlott. Es war wirklich ein Kunststück, denn das Fenster war nur -2 8 5 -
anderthalb Meter breit, während die Breite der Falle zwei Meter im Durchmesser hatte. Der Kommissar mußte sie querstellen. Dann ging es aber. Auf einem extra zu diesem Zweck abgeräumten Tisch kam die Falle zum Stillstand und senkte sich lautlos darauf herab. Benno Schlott lächelte zufrieden. Bisher verlief sein Plan genau nach Plan. Per Funk schickte er den Metallverarbeitungsexperten weg und machte Mittagspause. Sorgsam schloß er das Büro ab und ging in die Kantine. Seitdem der Kommissar auch Polizeipräsident war, standen auf dem Speiseplan in der Kantine nur noch Sachen, die ihm schmeckten. Heute gab es Pommes mit Rotkohl und Senf. Schlott verdrückte drei Portionen und ließ sich eine weitere einpacken für unterwegs. Hmmm, schmeckte das lecker! Edding Prinzenrolle war im Augenblick damit beschäftigt, Detlef Sportfuß von der Fahndung Kabelfernsehen in seinem Büro zu installieren. Edding konnte das echt gut. Dank seiner Hilfe konnte schon das halbe Revier alle Kabelprogramme schwarz empfangen. Die anderen Gerichtsmediziner hatten auch noch bis mindestens drei Uhr Mittagspause, deshalb war das rechtsmedizinische Institut zur Zeit sich selbst überlassen. Benno Schlott ging in die Gerichtsmedizin. Vor dem Abschluß eines großen Falles verschaffte er sich gerne noch etwas Zerstreuung. Seit seiner Studentenzeit, damals als er mit seinem Freund Nathan Filterkopf dem Gerichtsmediziner Dr. Sebaldus Leichenstarr ein totes Walross in das Fach gelegt hatte, in dem eigentlich ein Opfer des "Todespianisten" Dragoslav Wohlklang liegen sollte, war Benno Schlott nicht mehr ohne Gegenwart eines Gerichtsmediziners in der Pathologie gewesen. Freilich, jetzt wollte Schlott keine toten Walrosse in irgendwelche Kühlfächer schieben, heute wollte er ein Ritual aus dem Totenkult von Lappa - Lomah ausprobieren, von dem er letztens in "Reader's Digest" gelesen hatte. Es war immer gut, -2 8 6 -
so etwas zu können, wenn es klappte; außerdem war es esoterisch, also ein Muß für Benno Schlott. Das Ritual konnte er nur durchführen, wenn Edding nicht in der Gerichtsmedizin war, denn er hätte sicher befürchtet, daß es alles durcheinander und in schreckliche Unordnung bringen würde. Edding Prinzenrolle war ein kotzpingeliger Mann. Aus seinem Ärmel zog der Kommissar eine Knochenflöte und blies ein paar kurze, abstrakte Melodiefäden in die Luft. Dann begann er mit dem geheiligten Shu - Platla - Tanz, einem Tanz der mit ritueller Lederhose durchgeführt wurde und die Toten durch lautes Schenkelklopfen wachrufen sollte. Schon bewegten sich die Kühlfächer, wurden von innen aufgeschoben und die Toten kamen heraus. Benno Schlott nahm wieder die Knochenflöte, er war jetzt Herr über das Reich der Toten. Wieder intonierte er eine Melodie mit abstraktem Verlauf und die Toten faßten ihre Hände gegenseitig an und begannen einen Ringeltanz um den flötenden Benno Schlott herum. Ein Toter packte ein paar Gramm Hasch aus der Tasche seiner nassen Jeans, er war nämlich eine Wasserleiche, und ein anderer Toter steuerte seine Pfeife bei. Während der Greifer immer weiter flötete, nahm er sein atomgetestetes FLAK - Feuerzeug mit eingebautem Funknotruf, ein Feuerzeug wie es sonst nur Armeeoffiziere besitzen, und gab der kiffenden Leiche bereitwillig Feuer. Alle Leichen tanzten lustig Ringeltanz und dabei machte die Pfeife die Runde. Es war eine tolle Stimmung in der Gerichtsmedizin, jedenfalls, wenn man bedachte, daß die Leute, die hier ausgelassen tanzten, allesamt tot waren. Reden oder Zeichensprache machen konnten sie leider nicht, sondern nur Tanzen nach der Musik und ein bißchen rauchen, sonst wäre es eine tolle Sache zum Aufklären von schwierigen Mordfällen gewesen. Egal, so war es wenigstens eine prima Spielerei und man konnte Leute beeindrucken damit. Wichtig war aber, daß die Flöte immer weiter gespielt wurde, sonst fielen die Toten auf -2 8 7 -
der Stelle tot um und man mußte von vorne anfangen um sie nochmal zu erwecken. Schlott, der Herr über die Toten, wollte seine Leichen gerade zurück in ihre Kühlfächer dirigieren, da öffnete sich die Tür und Edding Prinzenrolle kam herein mit seinem Elektrikerkasten, wo verworrene Kabel raushingen. Anscheinend war er schon fertig geworden mit seinem Kabelanschluß. "Ach du liebes Bißchen! Was ist denn hier los?!" rief er und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Dabei vergaß er, den Wekzeugkasten abzulegen, so daß er ihm mit der Ecke voll an den Kopf knallte. Edding fiel sofort in Ohnmacht. Vor Schreck über den sich anbahnenden Umstand, hatte der Kommissar das Flötespielen abrupt vergessen. Die letzte Note verklang ins Nirgendwo und schwupps! fielen die Leichen tot um. "Schöner Mißstand! Wer soll das bloß alles wegmachen? Ich jedenfalls nicht." Bevor Edding aus seiner Ohnmacht erwachte, schob Schlott die Knochenflöte in den Ärmel zurück und schlich sich mit Zehenspitzen aus dem rechtsmedizinischen Institut zurück in die Welt der Lebenden. In seinem Büro machte Schlott noch ein wenig transzendentale Meditation und stellte sich dabei vor er, sei ein aus Räucherstäbchen zusammengesetztes gleichseitiges Dreieck. Eine Vorstellung, die ihn immer entspannte. Er meditierte so konzentriert, daß er ohne es zu merken langsam in Levitation überging und sich von seiner Tatami Reisstrohmatte erhob. Dabei verursachte er aus seinem inneren Selbst heraus Geräusche wie ein indonesischer Tempelgong. Er versank weiter und weiter in sich selbst ohne davon Notiz zu nehmen. Er flog durch die geschlossene Bürotür an seiner erstaunten Sekretärin vorbei, flog durch die Damentoilette des Präsidiums, flog eine Putzfrau an, die er in heiliger Trance -2 8 8 -
flachlegte, ohne es zu merken, und der er dabei, ebenfalls ohne es zu merken, den ekstatischsten Orgasmus ihres Lebens verschaffte, flog weiter zum geschichtlichen Kriminalarchiv und meditierte sich dabei so tief in den Kern der Zen - Philosophie hinein, daß er allmählich bronzefarben wurde und anfing auszusehen wie eine klassische Buddhafigur. Er flog an den Büchern im Archiv vorbei, die dabei zu Sternenstaub zerfielen und schließlich flog er auf den Hof hinaus und auf der anderen Seite hinein ins ktU-Labor für überraschende chemische Experimente. Fürchtegott von der Seite sezierte dort gerade mit fünfzig Mitarbeitern zusammen ein angeblich radioaktives Thunfischbrötchen. Man konnte ja nie wissen, wozu das vielleicht mal gut war. Erstaunt blickten 51 Köpfe auf Benno Benno Schlott, der aber als solcher im Moment unkenntlich war, weil er ja jetzt aussah wie ein Bronzebuddha. Er schwebte durch das geschlossene Fenster hinein und landete auf dem Labortisch. Teile der Luft um ihn herum kristallisierten aus und fielen klirrend zu Boden. Die fixierenden Blicke aus 102 Augen, die jetzt auf den Greifer gerichtet waren, waren nach dem "Hochweisen Handbuch der kosmischen Meditation" (12. vollkommen neu überarbeitete und redigierte Auflage) das einzige Mittel überhaupt, um einen Menschen aus allertiefster buddhistischer Extremlevitationsmeditation wieder aufzuwecken. Es machte kurz Plopp! und Goldstaub sprühte umher. Benno Schlott war nun wieder als solcher zu erkennen und richtete sich, den Blick umherwandern lassend, auf dem Labortisch auf. "Aha, hätt' ich mir ja denken können, wer an dem ganzen Mißstand schuld ist. Natürlich wieder mal die ktU. Wer sonst macht schon so einen Scheiß! Mit mir macht ihr den aber nicht, das sag' ich euch, ihr blamulierten Bockwurstgesichter!" Schlott zog seine Dienstwaffe und zerschoß die gesamte -2 8 9 -
Laboreinrichtung. Dann nahm er seine Fäuste und schlug Fürchtegott v. d. Seite zu Boden. Schnaufend verließ er das Experimentallabor. Er war jetzt wütend wie ein Opossum und schimpfte jede arme Sau, die ihm auf seinem Weg begegnete, gnadenlos zu Boden. Kommissar Schlott wollte zurück in sein Büro, aber da fiel ihm unterwegs ein, daß er sich mit der Soko um sechzehn Uhr neunundvierzig an seinem Sportwagen treffen wollte. Wie spät war es jetzt eigentlich? Schlott schaute seine Uhr an. "Mißstand! Schon so spät?" fluchte er, denn der eingebaute Gong in des Kommissars Armbanduhr begann nun wie bekloppt siebzehn Uhr zu schlagen. Auch wenn die Uhr eigentlich nach dem Washingtoner Capitol ging. Wahrscheinlich war es eine esoterische Uhr. Immerzu "Mißstand! Mißstand!" vor sich hinfluchend, rannte der Greifer zu seinem Wagen und zündete sich unterdessen seine Tonpfeife an. Am Wagen angekommen, war niemand mehr zu sehen. Bloß etwa fünf Meter entfernt stand Detlef Sportfuß von der Fahndung und versuchte, die Profile seiner Reifen abzufeilen, denn er hatte den Ehrgeiz, nirgendwo Reifenspuren zu hinterlassen, die ihn verraten konnten. Das war so eine Macke von ihm. "Hallo Detlef! Hier spricht Benno Schlott." rief der Kommissar dem Fahnder zu. "Hast du vielleicht Edding Prinzenrolle, meinen Assistenten Gertrud, meinen esoterischen Tatortkoffer, das Porzellangeschirr aus dem Festsaal und deinen linken Turnschuh hier in letzter Zeit gesehen?" "Nee, leider nic ht. Aber meinen linken Turnschuh suche ich schon seit einer ganzen Weile. Wenn du ihn finden solltest, sag' mir bitte bescheid." antwortete Detlef Sportfuß von der Fahndung. -2 9 0 -
"Wieso denn das? Ich denke, du bist von der Fahndung. Mit verlorenen Schuhen hat die esoterische Spezialeinheit nichts am Hut. Außerdem ist dein linker Turnschuh jetzt Mitglied der Soko Waldsterben und hat damit mindestens Anspruch darauf, mit Herr Oberinspektor angeredet zu werden." Brummelnd ging Schlott zum Portier des Parkplatzes. Der mußte ja was gesehen haben. Seit Schlott den Portier umgefahren hatte, tat dort ein automatischer Computer seinen Dienst, der alle Fahrzeuge, die hinkamen oder weggingen genau anschaute und sich merkte. Schlott fragte den Computer ab, und dabei kam heraus, daß Prinzenrolle, Gertrud, das Geschirr und der Turnschuh vor einer Viertelstunde abgefahren waren. Natürlich in die falsche Richtung, denn der Kommissar hatte nicht preisgegeben, wohin es überhaupt gehen sollte. "Verdammter Mißstand!" fluchte er. Wenigstens war sein esoterischer Tatortkoffer nicht dabei gewesen. Eigentlich logisch, denn Schlott vertraute ihn nie jemand anders an. Wutstampfend schoß der Greifer sich den Weg in sein Büro frei. Er mußte Dampf ablassen. Sicherlich, er hätte auch wieder die Zeit zurückdrehen können, um pünktlich zu sein, so wie er es schon mal bei der seltenen Sternenkonjunktion gemacht hatte. Aber dazu war er jetzt einfach zu sauer: Er hatte überhaupt keine Böcke mehr dadrauf! Diese Blumenkohlwichser, diese Minutenhirne! Warum mußten die denn auch gleich davonbrausen? Schlott schoß die Tür zu seinem Vorzimmer auf. Toyota Ehemann tippte etwas ab und schaute gar nicht auf, denn sie kannte die Ausbrüche des Polizeipräsidenten. "Nimm das, du blöde Senfgalosche!" schrie der Greifer seine Sekretärin an und klopfte die Pfeife so aus, daß die Asche in die elektrische Schreibmaschine rieselte. Es gab eine Stichflamme, die der Sekretärin alle Haare vom Kopf flämmte. Sonst blieb sie -2 9 1 -
unverletzt. Das war auch beabsichtigt so, denn der Kommissar mußte sie ja noch zünftig verhaften. Und mit einer Halbtoten konnte man nun mal kein cooles Showdown zustandebringen. "Sie machen heute Überstunden bis acht." sagte Benno Schlott zu Toyota Ehemann. Er konnte das bestimmen, er war der Boß. Brutal schlug er die Tür seines Büros hinter sich zu. Dann griff er zum Telefon und rief Pantaleon v. d. Stange an, den er fristlos feuerte. Die Pflaume hatte ihm sowieso nicht viel genützt. Pah, Inspektor! Auf sowas schiß der Kommissar mit dem Arsch! Besser fühlte er sich dadurch aber nicht. Ah! In der Ecke stand wenigstens sein esoterischer Tatortkoffer. Benno Schlott kochte sich vor Wut einen regelrechten Jasmintee, legte zornig Schuberts Unvollendete auf und machte ein wenig transzendentale Meditation, um wieder ruhig und gefaßt zu werden. Ja, das klappte. Jetzt war es besser. Nun konnte er sich aufmachen und die Colamörderin alleine dingfest machen.
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Kapitel 27 Der Kommissar klaut Detlef Sportfuß die Feile und raucht neuen Tabak "Frau Ehemann, ich werde mich den Rest des Tages nicht im Büro befinden, denn ich fange die Colamörderin. Es soll ein spektakuläres Showdown werden. Werbung muß schließlich sein." "Ja, ja, Herr Präsident. Webung muß sein." Benno Schlott verließ mit seinem Tatortkoffer das Büro und meldete sich bei seiner Chefsekretärin ab. Ein Gedicht vor sich hinpfeifend, ging der nun wieder gut gelaunte Kommissar zu seinem roten Sportwagen hin. Detlef Sportfuß saß immernoch vor seinem Wagen, einem gigantischen Dieseltruck von DAF, und feilte an den Reifen herum. Detlef Sportfuß besaß nur einen LKW - Führerschein, deshalb war er dazu gezwungen, so einen großen, umständlichen Wagen zu verwenden. Pfeifend ging Schlott an Sportfuß vorbei und nahm ihm die Feile ab, wobei er seine Hand so schnell vorschnellen ließ, als wäre sie eine giftige Klapperotter. "Genug gefeilt, Det. Du hast für heute Feierabend." Obwohl Detlef Sportfuß ein Saufkumpel des Kommissars war, hatte er diese Gnade nicht erwartet. Er küßte Schlott die Füße, wegen der Dankbarkeit. "Heute nicht nötig, alter Freund, meine Schuhe sind gerade neu lackiert." Nach seiner Meditation war der Kommissar geradezu ekelhaft gut drauf. Es ekelte ihn sogar selber an, jetzt wo er mal so drüber nachdachte. Schlott hatte sich selbst noch nie ekelhaft gefunden. Selbst als er auf Onkel Onkos Bauernhof, wo er damals mit Milupa die Flitterwochen verbracht hatte, in die Jauchegrube gefallen war, hatte er sich nicht ekelhaft gefunden, -2 9 3 -
sondern bloß die Scheiße beneidet, daß sie an so einem tollen Körper kleben durfte. Dann war er in Wut geraten, weil Scheiße so ein Glück gar nicht verdient haben konnte und hatte drei Viertel von Onkel Onkos Viehbestand über den Haufen schießen und den Hof abfackeln müssen, um sich abzureagieren. Daraufhin mußten Milupa und er vorzeitig abreisen und Onkel Onko schien danach noch lange Zeit etwas verstimmt auf den Kommissar zu reagieren. Bauern waren halt ein ganz eigener Menschenschlag. Die sollte man mal verstehen! Jetzt aber fand Schlott sich ekelhaft. Er hatte wohl zu wenig Pause zwischen seiner super - Extremmeditation und der letzten Beruhigungsmeditation gelassen, und das hatte eben Nebenwirkungen. Der Kommissar begann sich darüber aufzuregen, daß er sich ekelhaft fand. Seine gute Laune war nun wie weggeblasen. Er wurde krebsrot und zitterte am ganzen Körper. Er sog so stark an der Pfeife, daß der Rauch darin verdorrte. Dann brüllte er in einer derart lauten Frequenz "Mißstand!!!", daß die Scheieben von Sportfuß' LKW implodierten. Anschließend bekam Sportfuß seine Visage mit Schlotts Faust poliert und dann schlug der Greifer mit der blanken Handkante, die durch Autosuggestion nun hart wie Stahl und scharf wie ein Teppichmesser war, den LKW von Detlef Sportfuß total zu Brei. Durch die schnellen harten Schläge verflüssigte sich der Wagen in der Tat in eine Art breiige Konsistenz und lief nahezu rückstandslos in den nächsten Gulli. Nur eine violette und ölig schillernde Pfütze blieb von dem Riesentruck übrig. Dann sprang der Kommissar auf den Fahrersitz seines Wagens. Durch die geschlossene Tür! Aber das ist für uns ja nichts besonderes mehr, denn wir wissen schließlich inzwischen, daß sowas der allerälteste Alltag ist für den esoterischen Greifer. Nebenbei ließ er noch die Riesenfalle aus seinem Bürofenster und hinter dem Wagen herfliegen, wobei er allerdings vergaß, -2 9 4 -
sie mit einem Unauffälligkeitsschutzschleier zu belegen. Der Effekt war verheerend: Die Autos, die Schlott nicht vor Zorn unter seinen durch die Reibung rotglühenden Vollgummiautoreifen zermalmte, stießen hinter ihm mit anderen Autos zusammen, weil sie nach oben gucken und denken mußten "Hoppla, da oben fliegt ja wohl ein UFO!". Das war dann meist auch so das Letzte was sie dachten. Es gab haufenweise Tote und jede Menge Schwerverletzte, aber niemand sagte was davon in der Zeitung und in den Nachrichten, weil es auf Schlotts Ermittlungsarbeiten zurückzuführen war und die dienten ja dem Allgemeinwohl. Außerdem mußte man den Kommissar ja nicht unnötig in der Öffentlichkeit schlecht machen wegen so Kleinkram. Immerhin wurden die Toten ja alle reinkarniert, wie Schlott in solchen Fällen immer auf Pressekonferenzen betonte. Zum Beweis erzählte er dann immer von seinem Vorleben als spanischer Großinquisitor, so daß alle immer "Ahhh!" oder "Ohhh!" sagten, wegen dem Eindruck, der auf sie dadurch ausgeübt wurde. Vor dem Wohnort Toyota Ehemanns in der Mozartkugelstraße bremste Schlott den Wagen bis zum Stillstand. Jetzt war er auch nicht mehr so sauer, weil er daran dachte, wie Toyota Ehemann bald hinter Gefängniszellengittern zappeln würde. Die hinterherfliegende Falle hatte allerdings durch die schnelle Fahrt noch so einen irren Drive, daß sie mit voller Wucht und Riesenkrach in das Wohnhaus knallte und im ersten Stock bis zur Hälfte ihrer Länge stecken blieb. Eine Frau mit Lockenwicklern beugte sich aus einem noch halbwegs intakt gebliebenen Fenster und meckerte den Kommissar an. Sie wollte sich auch nicht beruhigen, als der Greifer seinen Dienstausweis zückte und ihn der Frau unter die Nase hielt. Deshalb nahm Schlott aus dem Wagen ein Betäubungsgewehr wie man hat, um auf Nashörner zu schießen, daß sie einschlafen, und schoß damit der Frau eine Spritze in den Kopf, von der sie gleich wegknackte. Bei geheimen -2 9 5 -
Einsätzen war das oberste Gebot, kein Aufsehen durch Lärm zu veranstalten. Deshalb konnte eine schreiende Frau ihm nur dann nützen, wenn sie den Mund hielt. Mit Telekinese holte der Kommissar die total verbogene Falle wieder aus dem Wohnhaus raus und bog sie mit durch Konzentration erzeugter Gedankenkraft gerade bis sie wieder im Ursprungszustand erstrahlte. Für den Einsatz hatte sich der Kommissar seine Nahkampf Tropenstiefel angezogen, denn er wollte Schuhwerk, auf das er sich auch in extremen Situationen voll verlassen konnte. Knarrenden Treppenabsatzes stieg der Greifer zu Toyota Ehemann empor und ließ die Riesenfalle nachschweben, bis sie genau vor der Tür der Mörderin stand. Schlott stand einen Treppenabsatz höher und koordinierte das Manöver von da. Wenn man Gedankenkraft hatte, dann brauchte man gar keine Soko Waldsterben nicht. Als Köder ließ der alte Fuchs dann einen gefälschten argentinischen Reisepaß und ein Flugticket nach Buenos Aires durch die Gitterstäbe in die Falle schweben. Dann drückte er mit Telekinese den Klingelknopf der ehemann'schen Wohnung. Händereibend wartete der Kommissar. Aber nanu! Nichts geschah! Nochmals drückte der Kommissar die Klingel, hämmerte dazu mit seinen Fäusten auf die Tür ein und rief: "Aufmachen, im Namen des Gesetzes! Hier spricht die Deutsche Post!" Er hielt das für unverfänglich. Post konnte man immer mal bekommen und da machte man lieber auf als bei der Polizei. Aber auch jetzt öffnete sich nichts. "Was ist das bloß für ein Mißstand! Ich werde mal die Flasche der Hellsicht befragen." Benno Schlott klappte seinen Tatortkoffer auf und klimpernd fiel ihm sein mit Glocken besetzter Trachtentanzanzug -2 9 6 -
entgegen, der mal wieder bloß unordentlich in den Koffer gewürgt worden war. Scheiße, der Greifer hatte seine Koffer verwechselt! Wütend stampfend ging er runter zum Wagen um die Koffer auszutauschen. Wieder vor Toyota Ehemanns Tür angelangt packte Schlott aus dem jetzt korrekt gegriffenen Koffer die Flasche der Hellsicht aus. Er hatte keine Lust, mit Gedankenkraft hinter die Tür zu blicken, seine Gedankenkraft hatte der alte Fuchs heute schon so oft strapaziert, daß er leichte Kopfschmerzen davon bekommen hatte. Kopfschmerzen hatte er auch von dem Fall, der bisher sein längster und auch kompliziertester war, nicht zuletzt, weil es dabei keine konventionellen Leichen und Leichenfundorte gab. Er sehnte sic h nach richtigen Leichen zurück. Das war das Metier, das er kannte; das Metier für das der rasierklingenscharfe Verstand des Greifers ausgebildet war. Deshalb wollte er es echt zu Ende bringen jetzt und Toyota Ehemann verhaften. Dann ein paar Pressekonferenzen, einige Ehrentitel und Ordensverleihungen, die üblichen Kinder mit Blumen und Geldgeschenken, eine Dinnerparty für Freunde und korrupte Politiker bei den Schlotts zu Hause, und dann war die Sache gegessen. Fertig, Klappe zu! Der Kommissar öffnete die Flasche der Hellsicht und ein grünlicher Dampf entwaberte ihr, der alle Wände durchdrang und sie für einige Sekunden für Benno Schlotts Augen durchsichtig machte. Aha! Toyota Ehemann war gar nicht daheim. Alles leer und ausgestorben. Nur der ausgestopfte Wellensittich saß wie immer in seinem Käfig und tat so wie wenn er echt wäre. Schlott verkorkte die Flasche wieder und tat sie in seinen Koffer zurück. Dann schaute er auf die Uhr. Es war siebzehn Uhr neun. Wie dumm vom Kommissar! Er hatte seiner Sekretärin doch noch Strafdienst bis acht aufgedonnert. Scheiße, -2 9 7 -
wo war er bloß mit seinen Gedanken heute? Das kam alles noch von dieser gottverdammten Extremmeditation. Wutbrausend schnaubte der Kommissar zum Revier zurück, hinter sich, wie schon vorhin, die Falle herfiegen lassend. Brummelnd quälte er sich wieder die langen Treppen zu seinem Büro empor. Diesmal hatte er an den Unauffälligkeitsschleier über der Falle gedacht, und so fiel es keinem auf, daß sie dicht hinter dem Greifer die Treppen hochflog. Vor der Vorzimmertür seines Büros verleiserte Schlott seinen Schritt und ließ die Falle wieder lautlos vor die Tür schweben. Diesmal knallte er den Paß und das Ticket ziemlich wutgrimmend selber durch die Gitterstäbe und brüllte dann lustlos und gereizt gleich seinen Tarnsatz "Sofort aufmachen, im Namen des Gesetzes! Hier spricht die Deutsche Post!" Die Tür ging auf, Toyota Ehemann kam raus, sah den Paß und das Ticket. Zack! ließ Schlott von oben die Fallentür runtersausen und Toyota Ehemann war gefangen. Alles ging superschnell, man konnte es kaum mit den Augen wahrnehmen. Jetzt aber war der Kommissar in Kaiserlaune. Wie ein Derwisch tanzte er um die Falle und rief immer wieder "Ha, ha, ha, reingefallen! Reingefallen! Ätsch!" Polizisten eilten herbei und begafften die Falle mit der gefangenen Toyota Ehemann. Dann klatschten sie Beifall und raunten bewundernde Worte. Die Falle wurde weggetragen und die Colamörderin kam erstmal hinter Untersuchungsgitter. Denn vor einer endgültigen lebenslänglichen Einkerkerung mußte erstmal noch ein Tatbestand an ihrer Hand festgestellt werden und zwar mittels Durchsuchung ihrer Wohnung. Das war aber bloß noch eine Routine. Benno Schlott ließ es sich nicht nehmen, die Durchsuchung selbst durchzunehmen, zusammen mit seinem Assistenten Gertrud. Die Aquarien konnten an diesem Tag ausnahmsweise mal ein bißchen warten. Die Soko -2 9 8 -
Waldsterben, die inzwischen zurückgekehrt war, hatte sich bloß ins benachbarte Polizeicafé gesetzt, als Schlott zurt vereinbarten Zeit nicht erschienen war, sich aber dort so in eine Partie Memory vertieft, daß niemand mehr daran dachte, zurück zum Treffpunkt zu gehen und dem emsigen Kommissar eine Nachricht zu hinterlassen, wo die Soko zu finden war. Aber heute nahm der Greifer das ausnahmsweise gar nicht übel, außerdem waren Edding und Gertrud seine besten Leute. Gertrud war noch etwas verstimmt, weil er noch nicht ganz verkraftet hatte, daß der linke Turnschuh von Detlef Sportfuß die Memoriepartie haushoch gewonnen hatte. In der Wohnung von Toyota Ehemann fanden sich dann mehrere Blumenkästen mit Steckrüben, im Kühlschrank und im Keller haufenweise Menschencola und Menschenhack und außerdem der Hubschrauber mit dem Entsafter, der voller Tatspuren war. Das war der Beweis! Später in den Verhören gestand Toyota Ehemann dann, daß sie in der Tat Leute mit Frisurenfimmel oder Fistelstimme umbrachte, als stellvertretenden Mord an der Serie "Tierarzt Doktor Sebastian Merthensberger", von der sie nicht mehr loskam, und daß sie sich tatsächlich steigern und schließlich den Papst auch umbringen wollte, auf dessen Ankunft in Bad Salzfischbach sie sich schon ganz besonders gefreut hatte. Ihr Männerhaß bestätigte sich auch, deshalb die Colaflasche als Potenzsymbol und auch die Rübe, die aber auch eins ihrer Werkzeuge war, weil sie nicht in der Tierarztserie vorkam. Frauen zu hassen gestand Toyota Ehehmann auch, weil Frauen Männer liebten. Das mit dem Hubschrauber war, wie vom Kommissar gedacht, eine Ironie von ihr. Sie fand es cool, die Serie mit einer Gerätschaft zu ermorden, die eine Schlüsselrolle in der Serie darselbst innehatte. Alles war so, wie Schlott und Prinzenrolle es sich ausgedacht hatten und eigentlich ist hier auch schon Schluß mit dem zweiten Benno Schlott - Buch. Aber nur eigentlich, denn lassen Sie, lieber Leser, mich noch kurz -2 9 9 -
erzählen, wie der große Kommissar dann gefeiert wurde. Denn das ist auch nochmal ein Extrakapitel wert.
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Kapitel 28 Der Kommissar bekommt viele Ehren und Milupa Schlott muß abwaschen Jetzt war natürlich Feierstunde angesagt in ganz Bad Salzfischbach. Busse und Straßenbahnen wurden für eine Stunde angehalten, Oberbürgermeister Waldo Katzenkopf trat auf seinen Balkon und verlas eine Erklärung, wo er drin sagte, daß der Südpark von nun an Benno - Schlott - Park heißen sollte, daß der Kommissar ab jetzt das Recht hatte, sich eigene Uniformen zu entwerfen und daß bei hohen Kirchenfesten der Erzbischof fortan persönlich und öffentlich um die Gesundheit des Polizeipräsidenten beten mußte. Von illegalen Parteispenden hatte der Oberbürgermeister dem Kommissar auch Plüschsitze mit Troddeln für seinen Wagen gekauft und dem Greifer zusätzlich noch eine lebenslange Leibrente in Millionenhöhe zugesagt. Der Papst, der an diesem Tag auch nach Bad Salzfischbach einreiste, gratulierte dem Toppolizisten Benno Schlott höchstselbst küßte im Knien seine Ringe und schenkte ihm eine neue Rolex, denn der hohe Kirchenchef hatte gerade gestern eine Kiste voll von Ion Tiriac geschenkt bekommen, und es sollte auch eine Art Belohnung sein, denn der Papst hätte sich nicht gern von der Colamörderin ermorden lassen, obwohl er ja schon so alt war. Das alles war natürlich wieder eine tolle Ehre für den Kommissar, der deshalb selbstverständlich auch zum Oberbürgermeister hochklettern und vom Balkon eine Ansprache machen mußte. "Mein liebes Volk, liebe Landsleute, hallo Frauen, grüß euch, Kinder. Ich bin heute hier zusammengekommen, um danke zu sagen. Danke für die Geschenke und danke dafür, daß ihr so -3 0 1 -
sehr auf meine Person vertraut. Aber bei all den Geschenken habt ihr Blechfressen eins vergessen: Mein Herzenswunsch ist es, auf die Vorder- und Rückseite des Hundertmarkscheins zu kommen, zusammen mit meiner Dienstwaffe. Und ich möchte euch allen von ganzem Herzen anraten: Erfüllt mir diesen Wunsch, sonst könnt ihr mal sehen, wie schnell ich die Hälfte von euch mit Blei vollgepumpt habe, ihr Spagatgurken! Und ich möchte inständig hoffen, daß ihr nicht vorhabt, mir und euch die ganze Feier zu verderben. Vielen Dank." Einige brachen in Tränen der Rührung aus und eine Menge an Frauen fiel in Ohnmacht, bloß von der erotischen Stimme des Kommissars und der Männlichkeit, die er an einem Streifen am Verströmen war. Allein der Bürgermeister hatte einen hochroten Kopf bekommen und schämte sich in einer Ecke, weil die Sache mit dem Hundertmarkschein vergessen hatte. Schnell sprang er nochmal auf den Balkon und stellte alles richtig. Klar, Schlott sollte natürlich auf den Geldschein drauf, seine Dienstwaffe auch, alles kein Problem. Jetzt war wirklich alles prima. Mit der Kraft seiner Gedanken ließ Schlott rote Rosen auf die Leute niedergehen und dann durfte sich jeder berufstätige Bad Salzfischbacher Bürger über 18 ein Margarinebrot mit einer Scheibe Cervelatwurst drauf abholen. Eine kleine Überraschung, die Schlott sich ausgedacht hatte, um zu demonstrieren, daß auch er wußte, was der einfache Bürger sich so erträumte. Zu Hause bei den Schlotts waren Milupa Schlott und der Hausdiener Balisto v. Unten schon ganz doll für den Galaempfang am Vorbereiten. Bennos Bruder Gudmund Schlott vom KGB hatte sich angesagt, ebenso Schlotts Nichte, die gerade ihren dritten Wagen erfolgreich zu Schrott gefahren hatte, und auch die Polizeifreunde Abraham Mogelpilz, Detlef Sportfuß, Conditola v. Bahlsen und wie sie noch alle hießen, würden nicht fehlen. Der Innenminister, der Bundeskanzler, Consul Weyer und eine Menge anderer hochrangiger -3 0 2 -
Prominenter hatte sich ebenso angesagt. Vor der Toreinfahrt der Villa hatte Schlott allerdings vorsichtshalber ein paar Wachmänner postiert, weil sich auch der Bundespräsident mit seine n Bundesverdienstkreuzen wieder angesagt hatte; und tatsächlich schlich er schon Stunden vor Beginn des Empfanges um die Villa der Schlotts, mit einer sehr verdächtigen Plastiktüte vom Pennymarkt in der Hand. Benno Schlott fuhr noch schnell mit seinem Sportwagen zum Flughafen, um seinen Sohn Bello abzuholen, der aus Finsterwalde zu Besuch kam. Mit dem schnittigen Frontspoiler fetzte der Kommissar die Journalisten beiseite, die ihm Mikrophone, Kameras und Fotoapparate entgegenhielten, wegen Interviews. Aber die gab Schlott fast nie. Der Greifer drückte den schwarzen Knopf mit dem die hitzeversiegelten Titaniumscheibenwischer angingen und die Spritzanlage schaltete er auch ein, um die dicken Blutflecken wieder von der Windschutzscheibe zu putzen. Journalsiten waren ein lästiges Pack. Überall hinterließen sie Dreck. Edding saß auf dem Beifahrersitz und aß einen Schokoriegel. Der Kommissar fuhr jetzt nur 300, weil Edding von höheren Geschwindigkeiten schlecht wurde beim Essen. "Bravo, Ben. Den Fall hast du mal wieder prima gelöst." "Ja." antwortete Schlott. Unbemerkt hatte der Greifer den Wagen am Flughafen geparkt. Direkt auf der Rollbahn. Vorne fand man ohnehin nie einen Parkplatz. Eine Weile blieben er und Prinzenrolle noch im Wagen sitzen. Der Kommissar zündete sich eine Pfeife an. "Wirklich klasse, wie du den Fall gelöst hast, Ben." sagte Edding nach einer längeren Pause. "Hmm. Doch." antwortete Schlott. Einige Zeit blickten beide versonnen auf den riesigen Jumbo, -3 0 3 -
der vor dem Kühler stand und wie verrückt hupte. Die laufenden Turbinen schnitten grellende Schneisen in die verträumte Stille. "Oky, Ben. Fand ich toll, daß wir mal drüber gesprochen haben." "Ich aber auch." Beide stiegen aus und schlenderten das Rollfeld runter zur Ankunftshalle. Bello Schlott wartete schon mit zwei Koffern und einer jungen Frau, die sein Vater noch nicht kannte. "Hier spricht Benno Schlott. Ich sage dir guten Tag mein Sohn. Wer ist die Frau?" Bello Schlott begrüßte seinen Vater auch und sagte dann: "Das ist Fewa, meine neue Freundin. Sie ist eine bekannte Aktionskünstlerin. Letztens hat sie den ganzen Aachener Dom mit Bratfett eingeschmiert und im nächsten Jahr will sie das Empire State Building und die Bahamas mit Margarine zuspachteln." Der Kommissar war begeistert und lud Bellos Freundin herzlich ein mitzufeiern auf dem Galaempfang. "Aber iß niemandem was weg, Mädchen, das Buffet ist abgezählt und es kommen auch bedeutende Leute. Ich zum Beispiel." Der Empfang wurde ein voller Erfolg. Schlotts Nichte kotzte gegen Mitternacht in die Himbeerbowle, was aber keiner merkte, Milupa fiel in den Teich mit den Zitterrochen, was auch keiner merkte, und blieb von den Stromschlägen eine Woche lang halbseitig gelähmt und dem Bundespräsidenten nahm Edding seine ganzen Verdienstkreuze ab und warf sie ins Grillfeuer, weshalb alle Steaks an diesem Abend etwas nach billigem Weißblech schmeckten. Der Bundeskanzler hielt vom Balkon herab noch die Neujahrsansprache der letzten beiden Jahre, nur so aus Spaß, weil er gute Laune hatte, und Conditola v. Bahlsen fand im Wohnzimmer noch die Stimmungsplatte mit Heino und den Wildecker Herzbuben, was den Abend dann endgültig rettete. -3 0 4 -
In den frühen Morgenstunden gingen dann diejenigen, die noch gehen konnten, nach Hause, während der Rest irgendwo über die Jasminlaube, den Wintergarten, den japanischen Garten und den Orangenhain verteilt lag und seinen Rausch ausschlief. Benno Schlott selber, der sich mit kosmischer Meditation ausgenüchtert hatte, ging in den Wassergarten und stellte sich einen Gartenstuhl zwischen die Lilien am Wasser. Langsam ging die Sonne auf und die ersten Schmetterlinge zogen von Blüte zu Blüte. Der Kommissar zündete sich eine neue Pfeife an und beobachtete eine Weile die Forellen und Rotfedern, die nach den Mücken der letzten Nacht stiegen, die ihren lebensgefährlichen Tanz über dem Wasserspiegel praktizierten. Was würde wohl der neue Morgen bringen? Benno Schlott sah glücklich und zufrieden in die Zukunft und er wußte: Dies war nicht sein letzter Fall!
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