Atlan - Der Held von Arkon Nr. 226
Gefahr für das das Imperium Raumschlacht vor Marlackskor - ein lebender Toter soll ...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 226
Gefahr für das das Imperium Raumschlacht vor Marlackskor - ein lebender Toter soll die Arkon-Flotte retten von H. G. Ewers Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol, den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Vaters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits zweimal erfolgreich zum Einsatz gelangte. Gonozal, der lebende Tote, kommt erneut ins Spiel, als die ISCHTAR, Atlans bestes und modernstes Raumschiff, sich dem Planeten Marlackskor nähert, wo eine erbitterte Raumschlacht zwischen Maahks und Arkoniden im Gang ist. Atlan greift aktiv in diese Schlacht ein, denn es besteht GEFAHR FÜR DAS IMPERIUM …
Gefahr für das das Imperium
3
Die Hautpersonen des Romans: Atlan - Der Kristallprinz greift entscheidend in eine Raumschlacht ein. Fartuloon - Atlans Lehrmeister und Begleiter. Vorry - Der Magnetier »frißt« sich durch. Helos Trubato - 1. Offizier der ISCHTAR. Merlon Lantcor - Oberkommandierender einer Arkon-Flotte. Karmina Arthamin - Lantcors Stellvertreterin.
1. Ich erwachte von einem Geräusch, das sich wie das Lärmen von tausend Kreissägen anhörte. Da ich bis tief in die Nacht hinein an den Vorbereitungen zu unserem Einsatz auf Marlackskor gearbeitet hatte, war ich noch so benommen, daß ich einige Zeit brauchte, um zu erkennen, woher das Geräusch kam. Als ich es wußte, fuhr ich wie von einem Kirshon gebissen hoch. Fassungslos starrte ich auf das, was einmal die östliche Außenwand meines Quartiers gewesen war. Von der Stahlplastikwand waren nur noch die zerfressenen Ränder übrig, und auch sie schrumpften zwischen den gierig fressenden Kiefern eines schwarzen tonnenförmigen Wesens rasend schnell zusammen. »Vorry!« schrie ich. Das schwarze Wesen ließ von seinem Frühstück ab und fuhr zu mir herum. Zwischen den beiden Knochenplatten des Mundes, die härter als bester Arkonstahl waren, hing noch ein Fetzen Metallplastik. Während ich hinsah, wurde es blitzschnell zerkleinert und verschwand in dem blauschillernden Schlund. Das Wesen klappte den Mund zu, blickte mich aus seinen leuchtenden gelben Augen an und sagte: »Einen schönen guten Morgen, Atlan!« Ich schwang mich aus dem Bett, streifte eine Hose über und erwiderte ungehalten: »Das ist wirklich ein schöner Morgen, du verfressenes Ungeheuer! Was hast du dir dabei gedacht, einfach eine Wand meiner Unterkunft aufzufressen?« Das Wesen antwortete nicht, sondern zog
seinen breiten Schädel ein. Er verschwand in dem schwarzen Tonnenungetüm, das der natürliche Panzer Vorrys war. Ich ging hinüber und klopfte an den Panzer. »Verstecken gilt nicht«, erklärte ich. »Wenn du etwas angestellt hast, mußt du auch dafür geradestehen, Vorry.« Zaghaft streckte Vorry seinen Kopf wieder ins Freie. Sein Anblick faszinierte mich wie eh und je. Vorry war ein Magnetier. Der Name rührte daher, daß er im Innern eines Magnetbrüters aus einem Ei geschlüpft war. Ich hatte bis heute keine Ahnung, wie Vorrys Volk hieß und wo es lebte. Der Magnetier konnte es mir nicht sagen, weil er es selbst nicht wußte. »Bist du sehr böse auf mich?« fragte Vorry. »Ich wollte dich nur wecken. Als mir dann der Duft des beinahe neuen Metallplastiks in die Nase stieg, konnte ich nicht widerstehen. Außerdem hatte ich Hunger.« Ich seufzte. Dem Burschen konnte man einfach nicht böse sein. Er war im Grunde genommen gutmütig, wenn auch seine Körperkraft ungeheuerlich war, jedenfalls im Vergleich zu seiner Größe. Vorry hatte nur zwei Leidenschaften: Er verschlang am liebsten Unmengen von eisenhaltigem Material, und er forderte andere Lebewesen und sogar Roboter gern zum Zweikampf heraus. »Nicht sehr«, antwortete ich, denn ich wollte seiner Freßlust nicht zusätzlichen Auftrieb geben, indem ich verriet, daß ich ihm nicht böse war. »Aber ich bitte dich, künftig nur noch das zu verspeisen, was dir zugeteilt wird.« »Die Rationen sind viel zu klein für mich«, beklagte sich Vorry. »Ich werde dafür sorgen, daß sie verdop-
4 pelt werden«, erklärte ich. »Während ich mich wasche und anziehe, kannst du Fartuloon wecken. Aber bitte nicht auf die gleiche Art und Weise wie mich, sonst nehme ich dich nicht mit nach Marlackskor.« »Ich werde ganz brav sein«, erwiderte Vorry. Er drehte sich um und eilte auf seinen vier kurzen beschuppten Beinen davon. Seine Bewegungen wirkten plump, aber er konnte sich so schnell bewegen wie ein Gleiter, wenn er wollte. Nachdem ich mich gewaschen und mich angekleidet hatte, verließ ich meine Unterkunft. Dank Vorry brauchte ich die Tür nicht zu benutzen. Draußen war wirklich ein wunderschöner Morgen. Eine glasklare Luft lag unter einem hellblauen Himmel. Von den Hängen des Tales, in dem sich Fartuloons Hauptstützpunkt befand, wehte eine leichte Brise herab. Es war ein wunderschönes Tal – hier auf Kraumon. Die Wälder, Seen und Flußläufe ließen es paradiesisch wirken, wenn man sich dabei die siebenundvierzig Gebäude, die Bodenforts und die Raumschiffe fortdachte, die hier standen. Ich stieg in meinen bereitstehenden Gleiter, startete und schwebte hinüber zu dem größten Raumschiff, das auf dem Raumhafen der Stadt Gonozal-Mitte stand. Es war kugelförmig wie alle Arkonidenschiffe, durchmaß am äquatorialen Triebwerksringwulst dreihundert Meter und trug den Namen ISCHTAR. Wir hatten das Schiff erst vor kurzem gekapert, generalüberholt und waffentechnisch auf den neuesten Stand gebracht. Als ich den Namen auf der Außenhülle las, mußte ich wieder an meine Geliebte, die Varganin Ischtar, denken. Sie hatte mich zusammen mit meinem Sohn Chapat verlassen, obwohl ich sie dringend gebeten hatte, bei mir zu bleiben. Die Trennung schmerzte mich noch immer jedesmal, wenn ich an Ischtar dachte. Und ich dachte oft an meine Goldene Göttin. Am Fuß einer der Landestützen der ISCHTAR saß Ra, der Barbar vom dritten Planeten einer gelben Sohne, deren Koordi-
H. G. Ewers naten ich noch immer nicht kannte. Ischtar kannte sie, aber sie hatte sie mir nicht preisgeben wollen. Ra war der lebende Beweis dafür, daß sie dort gewesen war, denn dort hatte sie ihn zu ihrem Geliebten gemacht. Unbekannte Raumfahrer hatten Ra später von seiner Heimatwelt entführt. Ra wischte sich schnell über die Augen, als er mich sah. Offenbar trauerte er ebenfalls Ischtar nach. Aber er hätte sich lieber einen Finger abgebissen, als es mich merken zu lassen. Als ich in seiner Nähe landete, lächelte er, als freute er sich über den herrlichen Tag. »Kommst du mit in die Hauptschaltzentrale, Ra?« erkundigte ich mich. Ra nickte bestätigend, eine Geste, die einige von uns seit langem übernommen hatten, ich eingeschlossen. Ich ging vor ihm her bis zur ausgefahrenen Rampe der Bodenschleuse. Die Schleuse war geöffnet. Es gab auf Kraumon niemanden, der sich unbefugt an etwas zu schaffen gemacht oder gar gestohlen hätte. Die zwölftausend Intelligenzwesen, davon neunzig Prozent Arkoniden, die hier lebten, wenn sie sich nicht gerade in einem Einsatz befanden, waren eine Elitetruppe, die den Schwur »für Atlan und Arkon – auf Leben und Tod!« abgelegt hatte und ihn ernst nahm. Ra und ich stiegen durch die Schleuse und fuhren mit dem zentralen Antigravlift ins Kommandodeck hinauf. Als wir die Zentrale betraten, sah ich, daß die Besatzung bereits vollzählig anwesend war. Die Frauen und Männer überprüften ein letztes Mal alle Systeme des Schiffes. Sie wandten sich bei unserem Eintritt um, nahmen Haltung an und grüßten, indem sie ihre geballten rechten Hände gegen die Brust schlugen. Ich erwiderte den Gruß, dann wandte ich mich dem Ersten Offizier zu, einem Arkoniden namens Helos Trubato. Als Kommandant fungierte ich selber. »Wann können wir starten, Trubato?« »In anderthalb Stunden, Kristallprinz«,
Gefahr für das das Imperium antwortete der Erste Offizier. »Danke! Machen Sie weiter!« befahl ich und setzte mich in meinen Sessel vor den Hauptkontrollen.
* Wenig später traf mein Pflegevater Fartuloon ein. Er trug wie fast immer seinen verbeulten und blank-gewetzten Harnisch und einen Helm. An seinem Waffengurt, der selbstverständlich je einen Thermostrahler und eine Schockwaffe enthielt, hing das Skarg, ein kurzes Breitschwert, dessen Knauf eine seltsame Figur zeigte. Ich war jedesmal fasziniert, wenn ich diese Figur sah. Sie schimmerte silberfarben und schien zu lächeln, als ich sie fixierte. Im nächsten Augenblick verflossen ihre Konturen, wie immer, wenn ich versuchte, sie genauer zu betrachten. Fartuloon schob seinen total verkettet wirkenden untersetzten Körper herein. In Wirklichkeit besaß er kein Gramm überflüssiges Fett. Er verdankte seine Korpulenz antrainierten Muskelpaketen. »Ich grüße dich, Atlan!« rief er mir schon von weitem zu. »Weißt du schon, daß an deiner Unterkunft eine Wand fehlt?« Vorry, der meinem Pflegevater gefolgt war, drückte sich verlegen in einen Winkel der Zentrale. »Sie ist dem Appetit eines Eisenfressers zum Opfer gefallen«, antwortete ich. Fartuloon blickte sich nach Vorry um, entdeckte ihn und grinste, während er sich über den schwarzen gekräuselten Vollbart strich. »Ich muß dir doch mal den Bauch aufschneiden, Vorry«, meinte er. »Weißt du, was ich glaube? Daß ich lauter Eisenspäne darin finden würde.« Er lachte laut. Der Erste Offizier drehte sich nach Fartuloon um und meinte: »Hoffentlich frißt Vorry uns keine Löcher in die ISCHTAR.« »Sie haben doch die angeforderten Eisenbarren an Bord bringen lassen?« fragte ich
5 ihn. »Selbstverständlich, Kristallprinz«, antwortete er. »Einen ganzen Lagerraum voll. Aber bei diesem Vielfraß weiß man ja nie …« »Soll ich ihn erdrücken, Atlan?« fragte Vorry und streckte die kräftigen Arme aus. »Laß das!« wehrte ich seinen unangebrachten Scherz ab, vor allem, weil ich sah, daß Eiskralle ebenfalls die Zentrale betreten hatte. Der Chretkor blieb unmittelbar neben dem Schott stehen, ein von seiner Gestalt her arkonidenähnliches Wesen, aber mit einem völlig transparenten Körper, so daß alle seine Organe deutlich zu sehen waren, soweit der Körper nicht von der Kleidung bedeckt wurde. »Ich sehe, wir sind komplett«, sagte ich. »Trubato, bitte kommen Sie an den Kartentisch – und ihr auch, Fartuloon und Eiskralle!« Wir versammelten uns um den Kartentisch. Vorry näherte sich zaghaft. Aber seine Zaghaftigkeit war nur gespielt. Ich schaltete den Kartentank ein und machte das Zielgebiet durch eine Sonderschaltung erkennbar. »Der maahksche Stützpunkt Marlackskor besteht aus zwei Riesenplaneten, die um eine blaue Riesensonne kreisen«, erklärte ich. »Einer der Planeten, nennen wir ihn Marlackskor I, besitzt einen Mond von einem Drittel der Größe Arkons, der über eine Sauerstoffatmosphäre verfügt. Ich denke allerdings, daß wir diesen Mond – er heißt Rashillkane – bei unserer Operation aus dem Spiel lassen können. Er ist wegen seiner Sauerstoffatmosphäre nicht reizvoll für die Maahks.« »Richtig!« pflichtete Fartuloon mir bei. »Wie wir durch Olfkohr erfahren haben, befinden sich die Stützpunkte der Maahks auf den beiden Riesenplaneten. Morgen soll eine arkonidische Flotte von rund zweitausendachthundert Schiffen die Stützpunkte angreifen und vernichten. Unsere einzige Aufgabe wird es sein, mindestens einen führenden Arkoniden der Flotte aus einem Flagg-
6 schiff zu entführen und auf diese Weise ein Druckmittel gegen Orbanaschol in die Hände zu bekommen.« »So ist es«, bestätigte ich. »Es gibt nur eine einzige Schwierigkeit dabei, und die ist psychologischer Art. Wir müssen die Maahks, die wir aus tiefster Seele hassen, ignorieren, obwohl bei Marlackskor Arkoniden gegen Maahks kämpfen werden und die Maahks folglich auch auf Arkonschiffe schießen. Ich weiß, daß mir das schwerfallen wird, sehr schwer sogar.« »Mir auch, mein Junge«, fiel Fartuloon ein. »Wir werden in einen schweren seelischen Konflikt geraten und immer gegen die Versuchung ankämpfen müssen, auf die Maahks zu feuern. Aber wenn wir unsere Aufgabe erfüllen wollen, müssen wir damit fertig werden. Es steht fest, daß Orbanaschol die Führung dieses Großangriffs nicht Leuten zweiter Wahl übertragen hat, sondern hochstehenden Adligen, die seine Gunst genießen. Die Gelegenheit, einen Günstling des Diktators zu fangen, dürfen wir uns nicht entgehen lassen.« »Ich weiß«, erwiderte ich. »Darüber sind wir uns also klar. Wir werden uns in einen Verband der Flotte einschmuggeln, die Funkgespräche abhören und auf unsere Gelegenheit warten. Eiskralle, du hilfst Morvoner Sprangk, der auf Kraumon zurückbleibt. Ich verlasse mich auf euch. Kümmere dich auch um Corpkor, der ebenfalls zurückbleibt, weil er sich von seinen Verletzungen erholen muß, die er sich in der Eisigen Sphäre zugezogen hat.« »Das geht in Ordnung, Atlan«, versicherte Eiskralle. Er kam mir heute leicht geistesabwesend vor. Wahrscheinlich träumte er, wie so oft, davon, wieder bei seinem Volk zu sein. Ich hatte ihn schon einmal gefragt, ob wir ihn nicht nach Hause bringen sollten. Der Chretkor hatte höflich lächelnd abgewehrt, ohne mir seine Gründe zu nennen. Ich schaltete die Kartentankprojektion ab, nickte meinen Gefährten zu und sagte: »Solange die Überprüfung der Systeme anhält, kümmere ich mich um meinen Va-
H. G. Ewers ter.« »Soll ich mitkommen?« fragte Fartuloon. »Lieber nicht«, antwortete ich. Mein Pflegevater merkte wohl, wie sehr mich der Gedanke an die Hilflosigkeit meines Vaters aufwühlte. Er legte mir die Hand auf den Unterarm und sagte: »Es ist schwer für dich, aber noch schwerer ist es für Arkon, das unter der Diktatur Orbanaschols stöhnt. Wenn dein Vater frei entscheiden könnte, er würde freudig die Rolle übernehmen, die wir ihn spielen lassen.« Ich nickte. »Danke, Fartuloon«, sagte ich.
* Mein Vater blickte nicht auf, als ich den Raum betrat, in dem seine wiederbelebte Hülle wohnte. Der Blick seiner rötlichen Augen war fest auf die gegenüberliegende Videowand gerichtet. Aber ich war sicher, daß er die Raumschlachtszene, die dort spielte, überhaupt nicht wahrnahm. Er wirkte immer noch imponierend, wie er da hochaufgerichtet in dem breiten Sessel saß, mit seinem silberfarbenem schulterlangen Haar und dem schmalen, hochstirnigen und scharf gezeichnetem Gesicht, das den uralten Hochadel verriet. Ich salutierte vorschriftsmäßig und drückte damit meinen Respekt vor dem Imperator aus. »Darf ich nähertreten, Erhabener?« fragte ich, in der schwachen Hoffnung, er möge endlich einmal reagieren. Natürlich reagierte er nicht. Es war, als könnte er mich überhaupt nicht hören. Fartuloon allerdings hatte mir nach vielen Untersuchungen versichert, mein Vater könnte durchaus alles hören, was man ihm sagte. Auch seine Sprechwerkzeuge und das entsprechende Hirnzentrum wären in Ordnung. Aber der Geist, der höher entwickelten Lebewesen erst die ihnen eigene Lebendigkeit einhauchte, fehlte. Ihn hatte das Lebenskügelchen, mit dem ich seinen Körper wieder-
Gefahr für das das Imperium belebt hatte, nicht zurückholen können. Erschüttert trat ich auf meinen Vater zu, nahm ihn am Arm und zog ihn behutsam aus seinem Sessel. Er gehorchte so willig auf den Zug, wie ein normaler Arkonide, der unter Tiefenhypnose stand. Auch als ich ihn mehrmals im Raum umherführte, um ihm wenigstens etwas Bewegung zu verschaffen, wurde er nicht störrisch. Anschließend setzte ich ihn wieder zurück. Danach tastete ich an der Versorgungsautomatik einen Synthobrei, der alle notwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe enthielt, die ein Arkonide braucht. Ich wagte ihm keine feste Nahrung zu geben. Er hätte, falls er nicht richtig kaute, an einem Fleischbrocken ersticken können. Ich mußte mit den Tränen kämpfen, als ich sah, wie maschinenhaft er den Synthobrei aufnahm und hinterschluckte. Mein Haß auf Orbanaschol wuchs ins Uferlose. Was mochte der Mörder nach dem Tod meines Vaters angestellt haben, daß seine Seele sich unwiderruflich verflüchtigt hatte? Ich nahm mir vor, keine Gnade gegenüber dem Diktator walten zu lassen, wenn er mir in die Hände fiel. Falls er nicht im Kampf starb, würde ich dafür sorgen, daß die ganze Härte des Gesetzes ihn traf – und ich würde ihn bestimmt nicht begnadigen, um einen Imperator vor der Hinrichtung zu bewahren. Als die Schüssel geleert war, wusch ich meinem Vater das Gesicht. Sein Mund bewegte sich noch immer wie bei der Nahrungsaufnahme. Ich mußte ihn mehrmals mit sanfter Gewalt zudrücken und zuhalten, bis die entsprechenden Reflexe abgeklungen waren. Anschließend zog ich ihn aus und legte ihn auf sein breites Pneumobett. Dann zog ich die aus lebendem Biostoff bestehende Klimadecke bis unter die Achseln. »Du mußt jetzt schlafen, Vater!« sagte ich und wollte ihm die Lider herabziehen. Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag, als ich sah, daß mein Vater die Augen selbst schloß. Ich hielt den Atem eine
7 Weile an, weil ich es noch gar nicht glauben konnte, daß mein Vater eindeutig auf meine Worte gehört hatte. Es kann auch nur ein Reflex auf die Berührung mit der Klimadecke gewesen sein! gab mir mein Extrahirn zu verstehen. »Aber er hat die Augen selbst geschlossen!« erwiderte ich laut. Er schließt und öffnet sie doch ständig infolge des Lidschlußreflexes! gab mein Extrahirn zurück. Sonst wären seine Augäpfel längst ausgetrocknet. Ich schüttelte den Kopf. Was mein Extrahirn mitgeteilt hatte, klang durchaus logisch. Aber meine Gefühle für meinen Vater lehnten sich dagegen auf, diese Logik zu akzeptieren. Ich rang mit mir, ob ich erneut auf meinen Vater einreden sollte, um auszuprobieren, ob er dann auch reagierte. Aber ich verwarf diesen Gedanken wieder. Ich wollte meinen Vater nicht zum Versuchsobjekt machen. Leise ging ich hinaus …
2. »Der Normalraum ist nur eine Nebenerscheinung des Hyperraums«, hörte ich eine Stimme wie aus weiter Ferne, während ich noch gegen den Entzerrungsschmerz ankämpfte, der die Wiederverstofflichung nach der letzten Transition begleitete. Ich wunderte mich, wie jemand unmittelbar nach der Rematerialisierung so klar und deutlich wissenschaftliche Probleme erörtern konnte. Die Frage löste sich, als ich wieder klar sehen konnte. Wer da gesprochen hatte, war kein Arkonide und auch kein anderes organisches Lebewesen, sondern Baruh, ein von dem Wissenschaftler Marbuk konstruierter und auf Kraumon als Prototyp gebauter Roboter. Baruh war dazu ausersehen und entsprechend programmiert, theoretische Probleme zu lösen, die sich auf der Grenze zwischen exakter Wissenschaft und Philosophie befanden. »Warum sollte der Normalraum nur eine Nebenerscheinung des Hyperraums sein,
8 Baruh?« fragte ich. »Weil die für die Funktion des Universums wirklich wichtigen Vorgänge dem Hyperraum zugeschrieben werden müssen«, antwortete der Roboter. Fartuloon unterbrach die eben erst begonnene Debatte ziemlich unwirsch. »Das Problem mag wichtig sein, aber vordringlich scheint mir die Tatsache zu sein, daß wir soeben vor Marlackskor herausgekommen sind, wo anscheinend eine der heftigsten Schlachten des Methankriegs tobt«, sagte er. Das brachte mich sehr schnell wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Ein Blick auf den Frontbildschirm der Panoramagalerie überzeugte mich davon, daß wir tatsächlich in der Nähe des Zielgebiets waren. Jedenfalls war die blaue Riesensonne schräg voraus nicht zu übersehen. Allerdings wurden die beiden Riesenplaneten noch nicht abgebildet. Sie konnten aus dieser Entfernung von den Außenbordkameras nicht auf genommen werden. Kurz darauf erschienen sie trotzdem auf dem Frontschirm. Es waren Einblendungen, die unsere Bordpositronik aus den Ergebnissen der überlichtschnellen Tasterortung anfertigte. Und nicht nur die beiden Planeten waren zu sehen. Ebenfalls als synthetische Einblendungen zuckten die hellen Entladungen von Energiewaffentreffern und Explosionen über den Schirm. Dem optischen Eindruck nach zu schließen, tobte vor Marlackskor tatsächlich eine gewaltige Raumschlacht. »Da ist etwas schiefgegangen«, bemerkte ich. »Der Schlag gegen Marlackskor sollte ein Überraschungsangriff einer starken Flotte gegen einen zahlenmäßig weit unterlegenen Gegner sein. Hier aber scheinen mindestens ebenso viele Schiffe der Maahks zu kämpfen wie arkonidische Raumschiffe.« »Wahrscheinlich haben die Maahks von dem geplanten Angriff erfahren«, meinte mein Pflegevater düster. »Man ist unvorsichtig gewesen.« Ich wußte, worauf er anspielte. Uns war
H. G. Ewers seit einiger Zeit bekannt, daß die Maahks gefangene Arkoniden psychisch umdrehten und so konditionierten, daß sie gar nicht anders konnten, als danach für die Maahks zu arbeiten. Aber das war auch den Verantwortlichen im Hauptquartier der Imperiumsflotte bekannt, denn einige der unfreiwilligen Spione, die in verschiedenen Einsatzstäben arbeiteten, hatten entlarvt werden können. Unter diesen Umständen hätte ich Vorsichtsmaßnahmen angeordnet, die die absolute Geheimhaltung militärischer Planungen sicherten. Es gab viele Möglichkeiten dazu. Offensichtlich aber hatte Orbanaschol keine entsprechenden klaren Anweisungen gegeben, und wenn keine absolute Klarheit herrschte, mußte die Geheimhaltung noch stärker gefährdet sein als zuvor. »Stümper!« sagte ich impulsiv. »Und deswegen müssen Tausende tapferer Raumsoldaten sterben.« Ich schaltete eine Verbindung zur Bordpositronik durch und forderte eine detaillierte Auswertung der Ortungsergebnisse hinsichtlich der Raumschlacht. Sie kam wenig später. »Den zweitausendachthundert Schiffen der Imperiumsflotte stehen rund dreitausendfünfhundert Walzenschiffe der Maahks gegenüber«, berichtete die Positronik. »Die Maahks müssen genau dort Verteidigungspositionen bezogen haben, wo die Imperiumsflotte nach ihrer Korrekturtransition in den Normalraum zurückkehrte. Dadurch kam die Imperiumsflotte überhaupt nicht an die Doppelwelt heran, sondern wurde weit vor ihr gestoppt. Der Kampfverlauf, wie er sich bisher darbietet, zeigt wechselnde Tendenzen. Die Arkoniden kämpfen mit größerem Elan als die Maahks und versuchen, die Front der Walzenraumer punktuell zu durchstoßen.« »Danke!« sagte ich und unterbrach die Verbindung. Mit leuchtenden Augen blickte ich meinen Pflegevater an. »Das ist der alte Kampfgeist der arkonidi-
Gefahr für das das Imperium schen Flotte!« sagte ich. »Unsere Männer schlagen sich so tapfer wie in alten Zeiten, als das Imperium gegen zahllose Feinde aufgebaut und gefestigt wurde.« »Es sind nicht unsere Raumfahrer und nicht unsere Raumschiffe«, korrigierte Fartuloon mich. »Und sie werden von Mitgliedern der Orbanaschol-Clique geführt.« »Die Hauptlast des Kampfes wird nicht von Orbanaschol-Anhängern, sondern von tapferen arkonidischen Raumfahrern getragen«, widersprach ich. »Kristallprinz!« warf Helos Trubato respektvoll ein. Ich wandte mich nach meinem Ersten Offizier um. »Sprechen Sie!« Trubato wirkte verlegen, dennoch zögerte er keinen Augenblick. »Kristallprinz, die Besatzung der ISCHTAR ersucht mit allem Respekt darum, daß Sie befehlen mögen, die ISCHTAR in den Kampf zu werfen«, sagte er in formellem Ton. Ich preßte die Lippen zusammen. Hätte ich spontan geantwortet, wäre eine Zustimmung dabei herausgekommen. Ich dachte und fühlte genauso, wie die sechshundert Frauen und Männer, die die Besatzung der ISCHTAR bildeten. Aber davon durfte ich mich nicht beeinflussen lassen, was meine Entscheidungen anging. Trubato blickte mich unverwandt an. In seinen Augen glommen Stolz und Tatendurst, Stolz auf die Arkoniden, die dort vor Marlackskor gegen eine Übermacht anrannten und Tatendurst, weil der Anblick der Raumschlacht seinen Kämpferinstinkt geweckt hatte. Du darfst nicht weich werden! meldete sich mein Extrahirn. Ein einzelnes Raumschiff kann die Entscheidung nicht herbeiführen. Das war mir ebenfalls klar. Bei einer Raumschlacht solchen Ausmaßes, wie sie vor Marlackskor tobte, würde ein einzelnes Raumschiff keine Entscheidung erzwingen können.
9 Dennoch mußte ich zuerst meinen ebenfalls geweckten Kämpferinstinkt niederringen, bevor ich antworten konnte. »Ich danke Ihnen und der Besatzung für Ihren Einsatzwillen«, sagte ich. »Auch ich würde nur zu gern aktiv gegen die Maahks vorgehen. Leider läßt unsere Aufgabenstellung das nicht zu. Bitte, teilen Sie das Ihren Leuten mit und sorgen Sie dafür, daß die Funkmeldungen zwischen den Führungsschiffen der Imperiumsflotte abgehört und ausgewertet werden!« Helos Trubato wirkte enttäuscht. »Wie Sie befehlen, Kristallprinz«, erwiderte er korrekt.
* Ich steuerte die ISCHTAR auf einen Kurs, der sie näher an die kämpfenden Parteien heranbrachte. Dabei lauschte ich aufmerksam den laufend eingehenden Ortungsmeldungen. Die arkonidische Flotte hatte sich etwas zurückgezogen, ohne daß die Maahks nachgestoßen waren. Das bewies, welchen Respekt der Mut unserer Leute den Wasserstoffatmern eingeflößt hatte. Aber der Oberbefehlshaber unserer Flotte hatte den Rückzug nicht befohlen, weil er aufgeben wollte. Das wurde mir klar, als die Ortungsmeldungen von einer Umgruppierung sprachen. Kurz darauf versuchte die Imperiumsflotte einen Zangenangriff auf den linken Flügel der Maahks, die mit ihren Schiffen eine abschirmende Halbkugel um Marlackskor gebildet hatten. Es sah nach einem Scheinangriff aus. Das schienen auch die Maahks zu denken, denn sie zogen nicht etwa Kräfte von anderen Stellen der Front ab, sondern verteidigten sich nur mit den im Angriffsgebiet vorhandenen Schiffen. Als ein Stoßkeil aus schwersten Einheiten unserer Flotte das Zentrum der feindlichen Front angriff, erschien das als eine Bestätigung des Schlusses, den die Maahks aus dem ersten Angriff gezogen hatten. Mir war allerdings schon aufgegangen, was hier
10 wirklich gespielt wurde, als ich erfuhr, daß die zweite Angriffsgruppe zahlenmäßig schwächer als die erste war. Die Maahks merkten allerdings noch nichts. Sie zogen blitzschnell Kräfte im Zentrum ihrer Front zusammen. Sofort setzten aus zwei Bereitstellungsräumen Verstärkungen der ersten Angriffsgruppe nach. Unter dem Ansturm einer auf kleinem Raum geballten Übermacht brach die Verteidigung des linken Flügels der Maahks bald zusammen. Einige hundert Walzenraumer trieben ausglühend ab oder explodierten. Aber auch ungefähr achtzig Schiffe der Imperiumsflotte waren zerstört oder schwer beschädigt worden. Rund sechshundert Einheiten der Imperiumsflotte brachen durch und stießen in das System der Stützpunktwelten vor. Ich wartete darauf, daß sie sich in zwei Gruppen teilten, um beide Planeten gleichzeitig anzugreifen. Zu meiner Überraschung blieben sie dicht zusammen – und dann merkte ich, daß ihre Stoßrichtung gar nicht auf einen der beiden Riesenplaneten zielte, sondern auf den Mond Rashillkane, der in großer Entfernung um Marlackskor I kreiste. Die Maahks schien das stärker zu beunruhigen, als wenn unsere Schiffe Kurs auf die beiden Planeten genommen hätten. Sie zogen trotz des weiterhin laufenden Angriffs auf ihren Mittelabschnitt starke Kräfte ab und warfen sie den durchgebrochenen Einheiten entgegen. Unsere Leute taten das einzige, was in dieser Lage zu tun war. Sie ließen sich nicht zum Kampf stellen, obwohl sie heftig beschossen wurden. Statt dessen rasten sie weiter auf Rashillkane zu. Aber der Kommandeur der Maahkflotte wollte anscheinend um jeden Preis verhindern, daß Rashillkane angegriffen wurde. Und wenn ich sage, um jeden Preis, so ist das wörtlich zu verstehen. Er ließ einen ganzen Pulk von Walzenschiffen eine Kurztransition vollführen, deren Rematerialisierungspunkt genau in der arkonidischen Angriffsspitze lag.
H. G. Ewers Bei der hohen Geschwindigkeit, mit der die Arkonschiff e auf Rashillkane zurasten, war an ein Ausweichen nicht zu denken. Die beiden beteiligten Pulks flogen außerdem in so dichter Formation, daß die Kollisionsquote ungefähr bei dreißig Prozent lag. Rein rechnerisch klang das gar nicht einmal so schlecht, denn – wieder rein rechnerisch – dann hätten zwei Drittel unserer Schiffe eine Chance gehabt, durchzukommen. Aber die sekundäre Kollisionsquote lag bereits bei rund fünfzig Prozent, denn die nachfolgenden Kugelraumer rasten in die explodierenden Wracks hinein. Dadurch wurden die Durchstoßlücken fast völlig ausgefüllt, so daß zum Schluß ganze zwei unserer Schiffe durchkamen. Diese zwei Schiffe wurden von den riesigen radförmigen Raumstationen, die zwischen den beiden Riesenplaneten eine Kette bildeten, unter Beschuß genommen. Eines verglühte im Sperrfeuer; das zweite feuerte seine Raumtorpedos in die ungefähre Richtung von Rashillkane ab und vollführte eine Nottransition. Von den Raumtorpedos aber kam keiner durch das Sperrfeuer der Raumstationen. Ich merkte, daß ich transpirierte. Das Geschehen hatte mich stark erregt. Obwohl die Angriffsgruppe ihr eigentliches Ziel nicht erreicht hatte, billigte ich diesen Vorstoß. Er hatte die Front der Maahks so gründlich durcheinandergebracht, daß sie sich nicht mehr schließen ließ. Immer mehr Gruppen entstanden. Der Kampf verzettelte sich, was den Maahks, die vorzugsweise in geschlossenen Formationen kämpften, nicht gut bekam. Sie mußten schwere Schläge hinnehmen, und nur ihre zahlenmäßige Übermacht bewahrte sie davor, daß ihre Verbände aufgerieben wurden. Hinter mir atmete jemand schwer, dann hörte ich die Stimme von Helos Trubato sagen: »Einfach genial, wie Lantcor alle Register zieht!« Ich wandte mich um. »Lantcor?«
Gefahr für das das Imperium Der Erste Offizier wedelte mit ein paar Symbolfolien, die er in der Hand hielt. »Merlon Lantcor, Zweifacher Sonnenträger und Oberbefehlshaber dieser großartigen Flotte, Kristallprinz. Sein Flaggschiff ist die GLORMOUN, die überhöht hinter der kämpfenden Flotte steht. Wir haben das anhand der Funksprüche ermittelt.« »Aha!« erwiderte ich. »Sonnenträger Lanctor leitet die Flotte also von einem kosmischen Feldherrnhügel aus.« Es war nichts Ironisches an meiner Erwiderung. Nicht nur bei der Flotte des Großen Imperiums war es üblich, daß der Oberbefehlshaber sich aus den Kämpfen heraushielt und die Schlacht aus einer Distanz leitete, die ihm einen guten Überblick sicherte. Würde er sich an die Spitze seiner kämpfenden Verbände setzen, würde er nicht nur den notwendigen optisch-ortungstechnischen Überblick verlieren, sondern dem Feind auch noch Gelegenheit geben, durch Abschuß des Kommandoschiffs Verwirrung zu stiften. »An Lantcor kommen wir demnach nicht heran«, sagte ich. »Ein kosmischer Feldherrnhügel ist stets gut abgesichert außerhalb des Kampfgetümmels. Was haben Sie noch ermittelt, Trubato?« »Die Stellvertretende Oberbefehlshaberin ist die einfache Sonnenträgerin Karmina Arthamin«, antwortete Helos Trubato. »Ihr Flaggschiff ist die ZOURMITHON. Es befindet sich zur Zeit ebenfalls beim Feldherrnhügel. Dagegen ist das Flaggschiff RON von Sonnenträger Pilthor Agh' Emthon mit dem größten Pulk der Imperiumsflotte direkt in den Kampf mit einem Pulk von Walzenraumern verwickelt. Emthon ist ebenfalls Stellvertretender Oberbefehlshaber. Er leitet aber nicht nur die Aktionen seines Pulks, sondern kümmert sich auch um angeschossene arkonidische Schiffe, die er entweder zur bereitstehenden Tenderflotte schickt, damit sie notdürftig repariert werden, oder mit einer Notbesatzung zur Deckung seines Flaggschiffs benutzt.« »Mit einer Notbesatzung?« fragte ich.
11 »Wohin kommt dann das Gros der Besatzungen?« »Es wird teilweise von der RON und teilweise von anderen Schiffen aufgenommen«, berichtete Trubato. »Dann ist die RON unser Schiff«, erklärte ich. »Aber mich interessiert noch etwas anderes, nämlich der Grund, warum Lantcor den durchgebrochenen Verband auf Rashillkane ansetzte statt auf die beiden Stützpunktwelten. Wissen Sie etwas darüber?« »Nur, daß diese Aktion korrekt war«, antwortete der Erste Offizier. »Das heißt, die Schiffe des Verbandes hatten den Befehl von Lantcor, Rashillkane anzugreifen. Wir haben auch diesen Funkspruch aufgefangen, Kristallprinz.« »Und ich dachte, es hätte sich um ein Provisorium gehandelt«, erwiderte ich nachdenklich. »Wenn ich darüber nachdenke, kommt mir der Befehl, Rashillkane anzugreifen, sinnlos vor. Die Maahks werden ihre wichtigsten Anlagen bestimmt nicht auf einer winzigen Sauerstoffwelt installieren, wenn sie im gleichen System über zwei Planeten verfügen, die für sie ideale Lebensbedingungen aufweisen. Was meinen Sie dazu, Trubato?« »Ich denke, Sonnenträger Lantcor hat vorausgesehen, daß es der Angriffsgruppe nicht gelingen würde, bis zu den Stützpunktplaneten durchzubrechen«, sagte Trubato. »Deshalb wird er gedacht haben, es sei ohnehin gleich, auf welchen der drei Himmelskörper der Angriffsverband Kurs nimmt.« »Das denke ich aber nicht«, wandte Fartuloon ein, der sich bis dahin schweigend verhalten hatte. »Die Tatsache, daß die Maahks einen ganzen Verband opferten, nur um die Imperiumsschiffe von Rashillkane fernzuhalten, beweist, daß sie dem Mond große Bedeutung zumessen. Daraus wiederum schließe ich, daß auch Lantcor um die große Bedeutung von Rashillkane weiß und die Angriffsspitze absichtlich dorthin geschickt hat.« »Dann gilt das gesamte arkonidische Flottenaufgebot unter Umständen überhaupt
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nicht Marlackskor, sondern Rashillkane«, überlegte ich laut. »Aber was soll sich auf dieser kleinen Sauerstoffwelt schon befinden, das so wichtig wäre, deswegen einen Großangriff zu inszenieren?« »Darüber kann uns vielleicht Pilthor Agh' Emthon Auskunft geben«, meinte mein Pflegevater gelassen. »Also holen wir uns den Mann«, sagte ich. Ich blickte auf den Frontschirm. Wir befanden uns bereits ganz nahe am Kampfgebiet, und ich konnte den größten Pulk arkonidischer Raumschiffe, zu der die RON gehörte, deutlich ausmachen. Er veränderte ständig seine Formation, damit seine Schiffe ihre Breitseiten möglichst wirkungsvoll anbringen konnten. Die Salventakte waren am Aufblitzen der schweren Thermogeschütze und den Einschlägen beim Gegner zu erkennen – und zwar auf beiden Seiten. In diese Hölle mußten wir uns wagen, wenn wir unser Ziel erreichen wollten.
* Ich ließ den Funkverkehr der Imperiumsflotte auf meinen Interkom legen. So erfuhr ich die notwendigen Einzelheiten, um unseren Plan durchführen zu können. Der in großen leuchtenden Schriftzeichen an der Außenhülle stehende Name ISCHTAR war keineswegs verräterisch, wie man zuerst vielleicht annehmen könnte. Da er in den bei der Imperiumsflotte gebräuchlichen Schriftzeichen gehalten war, war er so gut wie jeder andere Schiffsname. Wir hatten auf Kraumon zwei andere Möglichkeiten erörtert, sie aber wieder verworfen. Die erste Möglichkeit wäre gewesen, ganz auf eine Beschriftung zu verzichten. Das hätte jedoch erst recht Argwohn erregt, denn alle arkonidischen Kampfschiffe trugen einen Namen. Die zweite Möglichkeit, den Namen eines anderen Schiffs zu benutzen, das zur Flotte des Imperiums gehörte, hätte sich zwar realisieren lassen, da uns einige Schiffsnamen bekannt waren.
Aber wir wußten nicht, ob eines dieser Schiffe an dem Angriff auf Marlackskor teilnahm. Folglich war auch dieser Weg nicht gangbar, denn wenn sich plötzlich zwei Schiffe begegneten, die mit den gleichen Namen beschriftet waren, mußte das zu Komplikationen führen. Der Name ISCHTAR konnte jedenfalls bei einem Schiff der Imperiumsflotte nicht vorkommen. Da wir sicher sein durften, daß sich beim derzeitigen Kampfgetümmel die einzelnen Verbände vermischt hatten und weiter vermischten, brauchten wir uns nur beispielsweise beim Kommandeur des Verbandes A als Angehörige des Verbandes B auszugeben. Es war nicht anzunehmen, daß der Kommandeur eines Verbandes mehr als einige wenige Namen der Schiffe anderer Verbände wußte. Unsere Erwartungen wurden durch die abgehörten Funksprüche bestätigt. Allein in dem Pulk, der von der RON geführt wurde, manövrierten und kämpften die Schiffe von neun Verbänden. Nach den ersten ungestümen Angriffen wurden die einzelnen Gefechte verhalten geführt. Jede Seite versuchte, die eigenen Verluste möglichst niedrig zu halten, um später so viele gefechtsfähige Schiffe wie möglich in die Entscheidungsschlacht werfen zu können. Fasziniert beobachtete ich die schnellen Manöver der arkonidischen Schiffe. Dort saßen Meister ihres Faches an den Kontrollen. Die Formation des Pulks wechselte alle paar Minuten, während der Pulk als solcher ständig zusammenblieb und wunderbar synchronisierte Ausweich- und Angriffsbewegungen durchführte. Die Bewegungen der maahkschen Walzenraumer wirkten längst nicht so elegant. Daran war auch die Formgebung ihrer Schiffe schuld; sie waren nicht so wendig und beweglich wie kugelförmige Raumschiffe, die nach jeder beliebigen Richtung ausweichen oder vorstoßen konnten, ohne erst ein Wendemanöver zu vollziehen, um die stärksten Triebwerke in entsprechende Position zu bringen. Außerdem lag es in der Mentalität
Gefahr für das das Imperium der Maahks begründet, daß ihre Pulks fast ausschließlich als Ganzheit manövrierten und keine Positionswechsel der einzelnen Schiffe innerhalb des Pulks duldeten. Dadurch mußten die Methans erheblich mehr Treffer hinnehmen als unsere Leute. Aber sie konnten ihre Verluste eher verschmerzen, weil sie unseren Schiffen noch immer zahlenmäßig überlegen waren. Wenn sie einmal, was selten vorkam, in optimale Gefechtsposition kamen, boten ihre exakt ausgerichteten stählernen Walzen mit den im schnellen Salventakt aufblitzenden Kanonen einen imponierenden Anblick. Den Arkonraumern blieb in solchen Fällen nur ein schnelles Ausweichen und eine Formationsumbildung übrig, wenn sie nicht dezimiert werden wollten. Vorsichtig steuerte ich die ISCHTAR in den Pulk der Arkonschiffe hinein, die sich gerade zu einer Traube formiert hatten und – relativ gesehen – über dem Pulk der Maahkraumer hingegen. Dadurch konnten sie ihre Feuerkraft, wenn auch aus unterschiedlichen Entfernungen, maximal entfalten. Die Maahks wichen nach einigen Verlusten zurück und bauten eine Art leicht nach innen gewölbter Wand mit kreisrundem Rand auf. Aus diesem Hohlspiegel schlug unserem Pulk ein mörderisches Feuer entgegen, als er sich zur Verfolgung anschickte. Aufgrund der lockeren Formation fiel bei uns allerdings nur ein Schiff aus. Es trieb manövrierunfähig ab und wurde von zwei anderen Schiffen mittels Traktorstrahlen in die relative Sicherheit der Pulkmitte gebracht, wo auch die RON stand. Die RON war von fünf Wracks umgeben, die sie vor Zufallstreffern der Maahks zusätzlich schützten. Allerdings sah ich auch die Gefahr, die sich durch diesen zusätzlichen Schutz ergeben konnte. Ich hätte es jedenfalls anders gemacht als Sonnenträger Emthon. Die Maahks wagten einen Vorstoß. Wir wichen aus und griffen die Walzenraumer an der linken Flanke an. Meine Besatzung brüllte vor Begeisterung, als ich den Befehl
13 erteilte, das Feuer auf die Maahkraumer zu eröffnen. Es wurde ziemlich turbulent, aber die Befehle von Emthon kamen klar, knapp und präzise, so daß unser Pulk bald wieder eine geordnete Formation einnahm. Emthon mochte ein Günstling Orbanaschols sein, aber er war auch ein Könner in der taktischen Gefechtsführung. Ich schaltete die Rundrufanlage ein und sagte: »Atlan an Besatzung! Die Geschütztürme stellen in Abständen von drei Salventakten in der Reihenfolge ihrer Nummerierung das Feuer ein – ab jetzt!« Helos Trubato warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ich konnte ihn verstehen, aber wir mußten unsere Rolle echt spielen, wenn Emthon darauf hereinfallen sollte. Als die ersten fünf Geschütztürme schwiegen, schaltete ich die Synchronisationsautomatik der Impulstriebwerke ab. Beinahe sofort geriet die ISCHTAR ins Schlingern. Als ich drei Triebwerke ganz abschaltete, taumelte sie gleich einem schwer angeschlagenen Wrack im Pulk herum. Andere Schiffe wichen uns vorsichtshalber in weitem Bogen aus. Sie fürchteten einen Zusammenstoß. Kurz darauf kam das, was ich erhofft hatte. »Flaggschiff RON an getroffenes Schiff!« dröhnte es aus den hochgeschalteten Lautsprechern der Hyperfunkanlage. »Identifizieren Sie sich und geben Sie Schadensübersicht!« Ich schaltete den Hyperkomsender ein und sagte: »Schwerer Kreuzer ISCHTAR, siebzehnter Verband der vierten Sektion der neunundzwanzigsten Flotte des Großen Imperiums, Kommandant Vharsan. Wir haben elf Treffer erhalten. Die Energieversorgung der Geschütze ist zusammengebrochen, und durch Ausfall der Synchronisationsautomatik und dreier Triebwerke ist die Manövrierbarkeit stark beeinträchtigt. Ich bitte um neue Befehle!«
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Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Versuchen Sie, das Flaggschiff zu erreichen, ISCHTAR! Sobald Sie in die Nähe kommen, erhalten Sie einen Leitstrahl und Hilfe durch Traktor-Strahl. Danach bekommen Sie weitere Befehle. Ende!« Ich bestätigte, dann schaltete ich den Hyperkom aus und schaute meinen Pflegevater an. Fartuloon grinste. »Gut gemacht, Junge. Emthon wird Augen machen, wenn er merkt, welches faule Ei er sich in sein Nest geholt hat.«
3. Es war außerordentlich schwierig, die »schwer angeschlagene« ISCHTAR durch den sich ständig umformierenden Pulk zu steuern. Ab und zu verirrte sich ein feindlicher Strahlschuß hinein und traf den energetischen Schutzschirm eines Schiffes. Auch die ISCHTAR erhielt mehrere Treffer. Infolge der großen Entfernung zu den Maahkraumern waren die Strahlbahnen aber schon so weit ausgefächert, daß unser Energieschirm mühelos standhielt. Ich war erleichtert, als ich die Hohlkugel innerhalb der Gesamtformation erreichte, in der die RON sich aufhielt. Wegen der fünf Wracks, die sie deckten, war sie nur hin und wieder teilweise zu sehen. Ich schaltete den Hyperkom wieder ein und sagte: »ISCHTAR an RON! Erbitte dringend Leitstrahl zur vorgesehenen Position!« »RON an ISCHTAR!« kam die Antwort. »Achtung, Leitstrahl kommt. Ihr Schiff ist bis auf die Notbesatzung zu räumen. Ein Beiboot soll an der RON anlegen; die anderen Beiboote sind auf die KALAMIS, DRAGOR und ICHTYEU zu verteilen. Die Besatzungen werden die Ausfälle an Bord dieser Schiffe ersetzen.« Ich bestätigte und meldete das Ankommen des Leitstrahls. Das für die RON bestimmte Beiboot war schon besetzt. In ihm
befanden sich fünfzig im Nahkampf erfahrene Raumfahrer. Sie sollten die Zentralebesatzung der RON überwältigen, von der Zentrale aus die Funkstation und die Geschütztürme durch Zeitschaltungen blockieren und mit Sonnenträger Pilthor Agh' Emthon zur ISCHTAR zurückkehren. Danach wollten wir das nächste Kampfgetümmel ausnutzen, um uns wieder aus dem Pulk zu schleichen. Auf meinen Befehl hin wurde das Beiboot ausgeschleust. Ich dachte natürlich nicht daran, auch die übrigen Beiboote auszuschleusen. Um keinen Verdacht zu erregen, rief ich abermals die RON an und gab bekannt, daß das Ausschleusen der übrigen Beiboote sich verzögerte, da wir erst einen leichten Schaden beheben mußten, der zur Blockierung der betreffenden Schleusen geführt hatte. Aus dem gleichen vorgetäuschten Grund folgte ich dem Leitstrahl auch nur langsam. Für Emthon mußte das verständlich erscheinen, da ich die restlichen Beiboote besser ausstoßen konnte, wenn die ISCHTAR noch nicht ihre Position zwischen den fünf Deckungsschiffen eingenommen hatte. Auf einem der Backbord-Bildschirme verfolgten Fartuloon und ich den Weg unseres Beiboots zur RON. Niemand an Bord von Emthons Flaggschiff schien Verdacht zu schöpfen. Völlig ungehindert flog das Schiff zwischen zwei Deckungsschiffen hindurch und steuerte die RON an. Plötzlich geriet Bewegung in die Einheiten, die zwischen uns und dem Rand des Pulks standen. Sie veränderten abermals ihre Positionen. Doch diesmal war es anders als sonst. Die meisten Schiffe strebten nach den Seiten fort. Kurz darauf entdeckte ich eine keilförmige Formation von maahkschen Walzenraumern, die in unseren Pulk hineinstießen. Ich erkannte, daß die Kommandanten der ausweichenden Schiffe einen schweren taktischen Fehler begangen hatten. Anstatt auszuweichen und den Maahks dadurch die Möglichkeit zu geben, ihre Breitseiten opti-
Gefahr für das das Imperium mal einzusetzen, hätten sie sich massiert der Spitze der Keilformation entgegenstemmen müssen. Emthon erkannte den Fehler seiner Untergebenen im gleichen Augenblick. »Emthon an alle Schiffe!« hörte ich seine Stimme aus dem Hyperkom schallen. »Zusammen- und zurückziehen und Feuer auf die Spitze der feindlichen Angriffsformation konzentrieren. Nicht weichen, wenn entsprechende Positionen bezogen sind!« »Zu spät!« kommentierte Fartuloon. »Jetzt kriegen sie Zunder. Sie müßten viel zu weit ausweichen, um die befohlenen Positionen zu beziehen. Dadurch aber können sie es nicht mehr schaffen.« Die Verteidigung wird zusammenbrechen! warnte der Logiksektor meines Extrahirns. Rufe das Beiboot zurück, sonst wird es ernsthaft gefährdet! Ich schaltete den Hypersender ein, um einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Aber noch zögerte ich, denn ich sah, daß unser Beiboot sich gerade anschickte, an der RON anzulegen. Wenn die Maahks den Pulk auseinandertrieben, würde es auf dem Rückflug stärker gefährdet sein, als wenn die Besatzung sich in das Flaggschiff einschleuste. Sonnenträger Emthor vereitelte meine Hoffnung, die Besatzung des Beibootes könnte sich auf der RON in Sicherheit bringen. Er sah offenkundig die Entwicklung genau voraus. Sein Schiff zog sich plötzlich zurück und überließ das Beiboot und die Deckungsschiffe ihrem Schicksal. Ich verzichtete auf einen Funkspruch. Statt dessen schaltete ich die Triebwerke hoch und steuerte die ISCHTAR auf die Stelle zu, auf der vor wenigen Augenblicken noch die RON gestanden hatte. Aber ich schaffte es nicht mehr. Die Maahks hatten zu zielstrebig angegriffen, und die Kommandanten unseres Pulks hatten einen Fehler begangen. Einen einzigen Fehler nur, aber er genügte, um unserem Pulk eine Niederlage beizubringen. Die wenigen Einheiten, die sich den Maahks noch entgegenstellten, wurden prak-
15 tisch überrannt. Fünf Schiffe explodierten, drei trieben brennend ab. Ich erteilte meiner Mannschaft erneut den Feuerbefehl. Doch auch die ISCHTAR konnte das Blatt nicht mehr wenden. Wir kämpften erbittert – bis wir sahen, daß unser Beiboot explodierte, von mehreren Treffern aus schweren Strahlkanonen erfaßt. Einen Augenblick lang drohte mir der Schmerz um die tapferen Männer, die mit dem Beiboot untergegangen waren, die Fassung zu rauben. Doch dann dachte ich an die Leute, die sich an Bord der ISCHTAR befanden. Wenn ich sie vor dem gleichen Schicksal bewahren wollte, mußte ich mich vom Gegner lösen und fliehen. Das erwies sich als beinahe unmöglich. Drei Walzenraumer scherten aus der Keilformation aus und jagten hinter unserem Schiff her. Die Geschütze der ISCHTAR trafen eines schwer, dann wurde unser Schutzschirm erschüttert. Mir blieb weiter nichts übrig, als auf den Knopf für die Nottransition zu drücken, obwohl wir erst knapp ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit erreicht hatten. Da jede Transition – auch eine Nottransition – in Nullzeit geschieht, blieb mir keine Zeit für Überlegungen hinsichtlich des Rematerialisationspunkts. Aber als ich plötzlich wieder »da« war und das leichte Ziehen im Nacken spürte, wie es für die Wiederverstofflichung nach einem kurzen Raumsprung charakteristisch war, hörte ich die Alarmsirenen heulen und wußte sofort, daß der Fall eingetreten war, der von jedem Schiffskommandanten am meisten gefürchtet wurde, wenn er zu einer Nottransition gezwungen war. Wir waren in gefährlicher Nähe eines Objekts rematerialisiert, dessen Masse groß genug war, um unserem Schiff gefährlich werden zu können. Entweder handelte es sich um ein anderes Raumschiff oder um einen Himmelskörper. Der erste Blick auf die Bildschirme der Panoramagalerie verschaffte mir etwas Er-
16 leichterung. Wenigstens waren wir nicht am Rand einer Sonne herausgekommen, was für die ISCHTAR gleichbedeutend mit dem Ende gewesen wäre. Ich erblickte die rötlich-gelbe Oberfläche eines Planeten, die teilweise von dunklen Staubwolken der Sicht entzogen wurde. Es war ein unfreundlicher Planet mit spärlicher Vegetation und Ringgebirgen, die aus Kraterwällen von Meteoriteneinschlägen hervorgegangen waren. »Wir sind von der Schwerkraft des Planeten erfaßt worden und sinken, Kristallprinz!« rief mir Helos Trubato zu. »Ich empfehle, auf Gegenkurs zu gehen.« Ich ging nicht darauf ein, sondern wandte mich an meinen Pflegevater. »Wenn ich es richtig beurteile, ist das dort Rashillkane, und wir sind in den oberen Ausläufern seiner Atmosphäre wiederverstofflicht worden«, stellte ich fest. »Du beurteilst es richtig«, erwiderte Fartuloon. »Aber ich würde dennoch zuerst den Rat deines Ersten befolgen und danach herumrätseln. Wir haben ohnehin mehr als Glück, daß die Bodenforts uns nicht beschießen.« Ich lächelte. »Sie beschießen uns wahrscheinlich deshalb nicht, weil es sich um robotgesteuerte Bodenforts handelt, die nur auf fremde Schiffe feuern, die sich Rashillkane aus dem Raum nähern«, erklärte ich. »Wir befinden uns in den oberen Ausläufern der Atmosphäre und entsprechen deshalb nicht der Feindbildprogrammierung. Ich denke, daß wir diese Gelegenheit nutzen und landen sollen, um nachzusehen, warum dieser Mond für die Maahks und für die Imperiumsflotte so wichtig ist.« Nur ein Narr begibt sich freiwillig in Gefahr! gab mir mein Extrahirn zu verstehen. Aber diesmal hörte ich nicht auf meine »innere Stimme«, denn Fartuloons breites Lächeln verriet mir, daß mein Pflegevater und Lehrmeister meinen Plan akzeptierte. Und was Fartuloon akzeptabel erschien, mochte gefährlich sein, war aber auch
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* Ich aktivierte die Impulstriebwerke nicht, sondern schaltete nur die Antigravprojektoren behutsam so weit hoch, daß unser Sturz in Richtung Planetenoberfläche in ein sanftes Schweben verwandelt wurde. Noch immer rührte sich dort unten nichts. Meine Annahme, daß es auf Rashillkane nur robotgesteuerte Bodenforts gab, mußte stimmen. Andernfalls wären wir zumindest angefunkt worden. Das einzige, was mich irritierte, war die Tatsache, daß die Programmierung der Bodenforts auch kugelförmige Raumschiffe akzeptierte, obwohl die Maahks keine Kugelraumschiffe besaßen. Doch das irritierte mich nicht so sehr, daß es meinen Drang, hinter das Geheimnis von Rashillkane zu kommen, gebremst hätte. Es mußte ein sehr wichtiges Geheimnis sein, sonst hätte die Imperiumsflotte nicht versucht, den Mond in einem verzweifelten Angriff zu vernichten. Und die Maahks hätten Rashillkane nicht vor der Zerstörung bewahrt, indem sie einige hundert ihrer Kampfschiffe opferten. Dennoch kam mir das alles etwas mysteriös vor. Normalerweise bewahrten die Maahks ihre Geheimnisse auf Welten auf, die ihren Erfordernissen entsprachen. Das aber waren stets Riesenplaneten mit einer Wasserstoff-Ammoniak-Atmosphäre, die hohe Drücke aufwies und heiß genug war, um die besonderen Atmungsvorgänge der Maahks ungehindert ablaufen zu lassen. Hier befanden sich sogar gleich zwei dieser Welten. Dennoch schien das wirkliche Ziel des arkonidischen Großangriffs nicht Marlackskor zu sein, sondern Rashillkane. Fartuloon, Ra und Trubato halfen mir, einen geeigneten Landeplatz für die ISCHTAR zu finden. Wir wählten schließlich eine rund fünftausend Meter tiefe und durchschnittlich sechshundert Meter breite Bodenspalte aus, die von einem Ringgebirge ausging. Dort konnten wir das Schiff so abstel-
Gefahr für das das Imperium len, daß es nur bei direktem Überfliegen durch ein anderes Fahrzeug entdeckt wurde. Als wir in die Bodenspalte eintauchten, entdeckten wir in wenigen Kilometern Entfernung einen Überhang, der die Spalte an seiner Stelle auf nur achtzig Meter verengte. Ich steuerte die ISCHTAR im Horizontalflug unter den Überhang. Zwar mußte ich zu diesem Zweck die Impulstriebwerke einer Seite kurz einschalten, aber die bessere Sichtdeckung, die wir dort erwarten durften, rechtfertigte das geringe Risiko einer Energieortung. Sanft setzten die Landeteller an der ausgewählten Stelle auf. Es war fast völlig dunkel auf dem Grund der Spalte, zumal der Überhang den Himmel bis auf einen winzigen Ausschnitt verdunkelte. Aber die Infrarotoptik lieferte mit Hilfe der Reko-Automatik die gleichen klaren Bilder wie in hellem Sonnenschein. Nachdem ich die Bildschirme auf Subbeobachtung geschaltet hatte, sahen wir uns um. Die Steilwände bestanden aus Schichtgestein, an dem kaum Spuren einer Erosion zu erkennen waren. Nur direkt auf dem Boden verlief eine relativ flache Wasserrinne, die allerdings zur Zeit trocken war. Das erhärtete den Eindruck, den wir bereits aus großer Höhe gewonnen hatten. Rashillkane war eine wasserarme Welt mit Wüstencharakter. Die Atmosphäre war allerdings atembar. Zwar war sie dünner als die der Arkonplaneten. Infolge der geringeren Anziehungskraft konnte Rashillkane naturgemäß keine gleich dichte Atmosphäre an sich binden wie ein um zwei Drittel schwerer Planet. Aber der Sauerstoffanteil war größer als der der Arkonatmosphären, so daß wir uns ohne Raumanzüge oder Verdichtermasken im Freien bewegen konnten. »Wir werden die Oberfläche mit Gleitern erkunden«, sagte ich zu meinen Gefährten. »Beiboote möchte ich nicht benutzen. Sie würden zu sehr auffallen. Ich denke, dreißig Fluggleiter sollten genügen. Was hältst du davon, Fartuloon?«
17 Mein Pflegevater strich sich bedächtig über seine kahle Schädeldecke, dann erwiderte er: »Dreißig Fluggleiter reichen. Wenn jemand etwas entdeckt, sollte er das den anderen nicht über Telekom mitteilen, sondern nur ein vereinbartes Kurzsignal ausstrahlen. Die anderen Gleiter nähern sich dann vorsichtig seiner Position.« Er blinzelte mir verständnisinnig zu. »Da ich annehme, daß du dich nicht davon abhalten lassen wirst, an der Erkundung aktiv teilzunehmen, werde ich dich begleiten, mein Junge.« »Vorry kommt auch mit!« warf der Magnetier ein, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. Ich blickte unseren Eisenfresser skeptisch an. »Bist du sicher, daß du nicht unterwegs unseren Gleiter aufißt?« fragte ich. »Vorry ist ganz sicher«, antwortete der Magnetier. »Er hat vorhin erst zehn Eisenbarren gegessen.« »Von denen jeder fünfundzwanzig Kilogramm wiegt«, warf Helos Trubato streng ein. »Das sind zweihundertfünfzig Kilogramm zusätzliches Gewicht. Dafür könnten Sie eine leichte Strahlkanone mitnehmen. Kristallprinz.« »Ich bin wertvoller als eine Strahlkanone!« begehrte Vorry auf. »Oder bestreitest du das, Helos? Wenn ja, fordere ich dich zum Duell heraus.« »Niemand bestreitet das, Vorry«, sagte ich schnell. »Natürlich bist du wertvoller als eine Strahlkanone. Also einverstanden, wir nehmen dich mit.« Ich schaltete den Interkom ein und erteilte die entsprechenden Befehle. Eine halbe Stunde später schwärmten dreißig Fluggleiter aus, stiegen an den Steilwänden empor und zerstreuten sich oben in verschiedene Richtungen.
* Da Vorry infolge seines Zusatzgewichts
18 die Ladekapazität des Gleiters, den ich steuerte, erheblich belastete, hatte nur noch Fartuloon mitkommen können, während die übrigen Gleiter mit je fünf Personen besetzt waren. Ich hatte für uns die Richtung zu dem Ringgebirge gewählt, von dem unser tiefer Bodenspalt ausging. Von dort aus erhoffte ich einen größeren Überblick. Vorerst hielt ich den Gleiter wenige Meter über dem Boden, und ich hatte den anderen Gleiterpiloten befohlen, es ebenfalls so zu halten. Wenn mehrere Gleiter geortet wurden, dann erst in einer Entfernung vom Landeplatz, die keine Rückschlüsse mehr auf seine Position zuließ. Die Landschaft war öde und wurde grell ausgeleuchtet, denn einmal wurde sie von der blauen Riesensonne angestrahlt und zum zweiten erhielt sie die Rückstrahlung von Marlackskor I. Die wenigen Lebensformen, die sich auf Rashillkane entwickelt hatten, mußten eine dementsprechend hohe Mutationsrate besitzen. Für Arkoniden war das jedenfalls kein Platz, auf dem sie sich längere Zeit ungeschützt aufhalten sollten. Schwere genetische Defekte wären die unvermeidliche Folge gewesen. Ich sah auf dem Boden kleine Inseln einer niedrigen, in allen Farben des Spektrums schillernde Vegetation: knorrige, auf dem Boden liegende Äste, grazil wirkende Zweige, die sich bis zu maximal einem halben Meter in die Höhe reckten, schuppenartige Rinde, kleine, große und mittlere Blätter aus einer lederartigen Substanz. Dazwischen bewegten sich hin und wieder flache Tiere, die wie plattgedrückte Zerrbilder arkonidischer Kleinreptilien aussahen. Es gab sogar Insekten. Die dominierende Art war handspannenlang, hatte eine rötlichgelbe Ober- und eine tiefblaue Unterseite, vier lange häutige Flügel, die im Gegentakt bewegt werden konnten und ein sehr schnelles und wendiges Fliegen ermöglichten. Sie flogen in kleinen Schwärmen, die in reißendem Flug einmal hierhin und einmal dahin rasten. In erster Linie machten sie Jagd auf
H. G. Ewers kleinere Insekten. Aber wir sahen auch, wie sich ein ganzer Schwarm auf ein unterarmlanges Bodentier stürzte. Eine Weile verdeckten die Insekten ihre Beute. Als sie wieder aufflogen, war nur noch ein blankes flaches Knochengerüst zu sehen. Während ich noch hinsah, bewegte sich etwas unmittelbar neben dem Skelett. Ein Lebewesen, das seine Körperfärbung so vollkommen der Umwelt angepaßt hatte und wohl auch blitzschnell verändern konnte, daß es nur durch seine Bewegung und Aktion schemenhaft sichtbar wurde, bemächtigte sich des Knochengerüsts. Innerhalb weniger Sekunden war das Skelett verschwunden, und auch der Knochenfresser wurde wieder absolut unsichtbar. »Faszinant!« sagte Vorry begeistert. »Es heißt faszinierend«, korrigierte ich ihn. »Woher willst du wissen, wie der Knochenfraß sich heißt?« erkundigte sich der Magnetier. Ich mußte unwillkürlich lächeln. Vorry beherrschte das Arkonidisch im Grunde genommen recht gut. Es war eine Art aus Impulsivität geborener Oberflächlichkeit, die ihn manchmal gebrochen sprechen ließ. Manchmal konnte er einen allerdings dadurch zur Verzweiflung treiben. »Du bist doch intelligent, Vorry«, erwiderte ich. »Folglich hast du genau verstanden, was ich gemeint habe. Also sei brav und mach mich nicht nervös.« »Ich bin nicht nervös«, erklärte Vorry. »Auch wenn das dort vorn wie ein Roboter aussieht.« Fartuloon und ich blickten erschrocken nach vorn. Vorry hatte uns für einige Augenblicke abgelenkt und unsere Wachsamkeit eingeschläfert, und nun befürchteten wir eine ungewollte Konfrontation mit einem maahkschen Wachroboter. Aber was dort, rund hundert Meter vor uns, neben der Bodenspalte im Sand lag, war kein maahkscher Wachroboter, sondern zweifellos ein Roboter arkonidischer Bauart. Und außerdem war er außer Betrieb.
Gefahr für das das Imperium Ich steuerte den Gleiter hinüber und setzte ihn neben dem Roboter auf. »Er ist tot, nicht wahr?« fragte Vorry. »So tot, wie ein Roboter sein kann, dessen Energiestation nicht mehr arbeitet«, antwortete ich. »Darf ich ihn verspeisen?« erkundigte sich der Magnetier. »Nein!« sagte ich unwillig. »Du hast ja zehn Eisenbarren auf Vorrat gegessen. Also verschone mich mit derartigen Wünschen.« Ich schwang mich gleichzeitig mit Fartuloon aus dem Gleiter und kauerte mich neben dem Roboter nieder. Es handelte sich um einen Arbeitsroboter, wie er auf den Raumschiffen des Großen Imperiums verwendet wurde. Allerdings gehörte er zu einer ausgelaufenen Serie, soviel wir erkannten. Das konnte bedeuten, daß er sich schon lange auf Rashillkane befand. Als erstes überprüfte ich mit einem Multidetektor die Rückenklappe, hinter der die Energiestation des Roboters lag. Nachdem ich festgestellt hatte, daß keine schädliche Strahlung vorhanden war, öffnete ich die Klappe. »Sein Kernbrennstoff ist verbraucht«, stellte ich fest. »Demnach muß er sehr lange umhergeirrt sein«, meinte Fartuloon. Ich nickte. »Außerdem könnte es bedeuten, daß er ansonsten völlig in Ordnung ist. Wenn wir sein Positronengehirn wiederbeleben, erfahren wir vielleicht ein paar interessante Fakten.« Mein Pflegevater wiegte den Kopf. »Wenn die Positronik schon lange ohne Energie ist, dürfte sie geschädigt sein. Aber wir können es immerhin versuchen.« Da der Roboter zu schwer war, als daß wir ihn hätten tragen können, öffneten wir die kleine Inspektionsklappe, die dicht über dem allseitig beweglichen Hals und der Schädelkapsel lag. Dort befanden sich auch die Anschlüsse für die Energieversorgung des Positronengehirns. Wir brauchten nur die Anschlußelemente der autarken Versor-
19 gung zu entfernen und eine Kabelverbindung mit dem Fusionsgenerator unseres Gleiters herzustellen. Kurz darauf konnten wir den ersten Erfolg verbuchen. Die Augenzellen des Roboters glühten dunkelrot auf. »Kannst du mich verstehen?« fragte ich langsam und deutlich. »Ich verstehe«, antwortete der Roboter schwerfällig. »Wer spricht mit mir?« »Ich bin Atlan, Kristallprinz des Großen Imperiums«, erklärte ich. »Wir befinden uns auf Rashillkane, dem Mond von Marlackskor I. Ich bin auf der Suche nach Informationen, die die Bedeutung dieses Mondes für die beiden Parteien des Großen Methankrieges betreffen. Kannst du mir helfen?« »Hreta Palaskor schickt mich«, antwortete der Roboter. »Ich soll suchen. Entweder nach einem Raumschiff oder nach anderen Arkoniden.« »Wo befindet sich Hreta Palaskor?« fragte ich. »Der Name ist ein arkonidischer. Ist Palaskor hier auf Rashillkane? Und warum schickte er dich fort?« »Gefahr für das Imperium!« sagte der Roboter stockend. »Projekt Tacksmuth bedroht …« »Weiter!« drängte ich. »Projekt Tacksmuth bedroht wen oder was?« »Projekt Tacksmuth bedroht …«, begann der Roboter und stockte abermals. »Seine Speichersektoren sind geschädigt«, sagte Fartuloon. »Ich fürchte, mehr kann er uns nicht mitteilen. Aber Tacksmuth ist eine maahksche Wortbildung und bedeutet soviel wie Planetentöter.« »Projekt Tacksmuth bedroht … Projekt Tacksmuth bedroht …«, wiederholte der Roboter stereotyp. Fartuloon löste die Kabelverbindung, und die Stimme des Roboters verstummte. »Ich weiß nicht, wer Hreta Palaskor ist«, sagte mein Pflegevater ernst. »Aber offenbar befindet er sich auf Rashillkane und hat den Roboter vor langer Zeit losgeschickt, damit er jemanden suchte, den er vor dem Projekt Planetentöter warnen konnte. Ich fürchte, es
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ist dieses Projekt, das Rashillkane seine große Bedeutung verleiht.« Ich richtete mich auf und blickte auf den wieder toten Roboter herab. »Also müssen wir nach Hreta Palaskor suchen – und nach dem Ort, an dem am Projekt Planetentöter gearbeitet wird!« erklärte ich.
4. Da der Roboter uns keinen Hinweis auf den Ort hatte geben können, von dem er ausgeschickt worden war, verzichtete ich darauf, die übrigen Suchtrupps zu benachrichtigen. An ihrem Auftrag änderte sich sowieso nichts. Fartuloon und ich stiegen wieder in den Gleiter und flogen los. Als wir das Ringgebirge erreichten, ließ ich den Gleiter an der Wand des uns zugewandten Kraterwalls aufsteigen. Die Krone lag rund achttausend Meter hoch. Wir mußten die Druckhelme schließen, da die Luft hier oben zu dünn war. Vorry machte das offenbar nichts aus Aber von hier hatten wir einen weiten Rundblick. Während ich langsam über die Wallkrone flog, beobachteten wir die Umgebung. Sie glich im wesentlichen der Landschaft, die wir bereits durchquert hatten. Nur im Norden waren keine Wallgebirge zu sehen. Dort lag eine weite Ebene, an deren Sichthorizont sich gerade ein Sandsturm zusammenbraute. Plötzlich duckten wir uns auf unseren Sitzen. Wenige hundert Meter über uns war ein walzenförmiger Gigant aufgetaucht, ein Raumschiff der Maahks, das mit gedrosselten Impulstriebwerken über das Ringgebirge in Richtung Norden flog. Obwohl die Luft hier so dünn war, erzeugte das dicht über uns dahinfliegende Walzenraumschiff Turbulenzen, die den Gleiter beinahe davonfegten. Ich hatte einige Zeit alle Hände voll zu tun, um das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen. Als die Gefahr vorüber war, atmeten wir auf.
»Ich dachte zuerst, die Maahks hätten uns entdeckt und wollten uns abschießen«, meinte Fartuloon. »Ich auch«, erwiderte ich. »Aber wahrscheinlich haben sie der Planetenoberfläche überhaupt keine Beachtung geschenkt. Wozu auch! Logischerweise erwarten sie ihre Feinde ja aus dem Weltraum und nicht auf dem Mond eines ihrer Stützpunktplaneten.« An dieser Stelle hätte sich der Gedanke aufdrängen können, warum die arkonidische Flotte nicht genau wie die ISCHTAR bis nach Rashillkane vorstieß, nämlich mit einer Transition bis in die oberen Ausläufer der Atmosphäre. Das zu planen war aber unmöglich. Bei Transitionen kam es immer zu Abweichungen, die bei weiten Sprüngen sogar bis zu einigen Lichtjahren betragen konnten. Transitierte arkonidische Raumschiffe wären entweder innerhalb von Rashillkane wiederverstofflicht oder in mehreren Lichtstunden Entfernung. Wir hatten ja auch nicht absichtlich und gezielt den »Punkt« getroffen, sondern durch reinen Zufall. Was die Transition eines Pulks von Maahkraumschiffen vor die arkonidische Durchbruchsspitze betraf, so hatten die Maahks sie nur gewagt, weil sie bereit gewesen waren, ihre Schiffe sowieso zu opfern. Es erübrigte sich also, dieses Thema überhaupt zum Gegenstand einer Diskussion zu machen. Fartuloon und ich verfolgten den Flug des Walzenschiffs. Sein Kurs zielte genau in die Sandmassen, die sich im Norden zusammenbrauten. Es wich nicht aus, sondern schaltete kurz vor der Kollision seinen Schutzschirm ein. Die energetische Blase leuchtete bläulich auf, als sie mit den Sandwolken zusammenstieß. Im nächsten Augenblick war das Walzenschiff schon hindurch. Es hatte innerhalb der Sandwolken einen durchgehenden Trichter hinterlassen, in dem es hell glühte. »Ich frage mich, ob das Schiff auf Rashillkane landen will«, meinte Fartuloon nachdenklich. »Es wäre immerhin möglich«, erwiderte
Gefahr für das das Imperium ich. »Und wenn, dann hätten wir einen Anhaltspunkt. Ich denke, wir sollten, da wir kein besseres Ziel kennen, ebenfalls nach Norden fliegen.« »Einverstanden«, sagte mein Pflegevater mit blitzenden Augen. Ich schaltete wieder. Unser Gleiter verließ das Ringgebirge, sank bis auf hundert Meter Höhe und raste dann mit Maximalgeschwindigkeit nach Norden. Während ich noch überlegte, ob wir es wagen konnten, mit eingeschaltetem Schutzschirm durch den Sandsturm zu stoßen, bildeten sich am Himmel schwere Regenwolken. Die Luft wurde so drückend, daß Fartuloon und ich unter Atembeschwerden litten. Ich ließ das Klarsichtverdeck über die schalenförmige Fahrzeugkonstruktion fahren. Die Klimaanlage schaltete sich automatisch ein. Fartuloon beugte sich vor und musterte die Kontrollanzeigen der Klimaanlage. »Komisch!« sagte er. »Sie hat den Inhalt einer ganzen Sauerstoffflasche eingeblasen. Dennoch haben wir lediglich den normalen Sauerstoffanteil im Gleiter. Das kann doch nur bedeuten …« Er schwieg, aber ich wußte, was er überlegte. Wir schauten beide gleichzeitig auf die Kontrollen des Außendetektors. Dann blickten wir uns an. Wir waren blaß geworden. »Die Außenluft enthält viel weniger Sauerstoffanteile als bei der ersten Messung!« stieß ich hervor. »Das muß der Grund für unsere Atembeschwerden gewesen sein.« »Aber wieso kann sich der Anteil des Sauerstoffs an der Atmosphäre eines Himmelskörpers beinahe schlagartig um fast fünfzehn Prozent verringern?« erwiderte Fartuloon. »Das ist mir ebenfalls schleierhaft«, gab ich zurück. Wir hätten sicher noch länger darüber diskutiert und wären vielleicht der Lösung ein wenig nähergekommen, wenn nicht in diesem Augenblick der Himmel seine Schleusen geöffnet hätte. Der Regen stürzte hernie-
21 der, als hätte hoch über der wüsten Landschaft jemand eine gigantische Schüssel umgekippt, in der sich ein Meer befunden hatte. Unser kleines Fahrzeug wurde von der Wucht der herabstürzenden Wassermassen herabgedrückt und auf dem Boden festgenagelt. Nur der Schutzschirm bewahrte den Gleiter vor Beschädigungen. Bald schwammen wir in einer grell leuchtenden Energieblase, die ihrerseits auf der Oberfläche einer schlammigen Flut trieb, die die Wüste unter sich begraben hatte. Glücklicherweise hielt der Wolkenbruch nicht lange an. Als die Wolken sich abgeregnet hatten, startete ich den Gleiter und brachte ihn auf hundert Meter Höhe. Dort schaltete ich den Schutzschirm aus, und wir blickten über das überflutete Land. Aus der Sand- und Steinwüste war eine riesige Wasserwüste geworden. Vereinzelt trieben tote Tiere und abgerissene Pflanzen auf der Oberfläche. Aber unter den Strahlen der blauen Riesensonne verdunstete das Wasser schnell, soweit es nicht im ausgedörrten Boden versickerte. Dampfschwaden wallten auf. Ich blickte nach Norden. Dort, wo sich vor dem Wolkenbruch der Sandsturm zusammengebraut hatte, war der Himmel leergefegt. »Fliegen wir weiter?« fragte ich meinen Pflegevater. »Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig«, erwiderte Fartuloon. Er war immer noch nachdenklich. Ich beschleunigte wieder und steuerte unseren Gleiter weiter nach Norden. Unter uns verdunstete und versickerte das Wasser, bis nur noch eine ausgedehnte Schlammfläche übrigblieb, aus der hier und da die steifen Körper ertrunkener Tiere und die seltsamen Gebilde von Pflanzen ragten. Offenbar hatte keines der betroffenen Tiere die Überschwemmung überlebt. Ich wunderte mich darüber, denn eigentlich sollte sich die Tierwelt von Rashillkane der Witterung ihrer Welt, zu der nun einmal die unvermittelten Wolkenbrüche gehörten, ange-
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paßt haben. Vielleicht gehören Wolkenbrüche nicht zur normalen Witterung von Rashillkane! übermittelte mir der Logiksektor meines Extrahirns. Bei der herrschenden Trockenheit auf dieser Welt sind solche extremen Regenfälle sogar unwahrscheinlich. Das leuchtete mir zwar ein, doch die Tatsachen sprachen eine andere Sprache. Dennoch ahnte ich, daß hier etwas nicht stimmen konnte – nur was, das ließ sich beim besten Willen nicht sagen.
* Als wir ungefähr fünfzig Kilometer weit nach Norden geflogen waren, blieb das Überschwemmungsgebiet hinter uns. Vor uns lag wieder Wüstenland, auf das anscheinend seit Monaten kein Regentropfen gefallen war. »Es sieht aus, als hätte es nur auf einem breiten Streifen geregnet, der mit unserem Kurs übereinstimmt«, meinte Fartuloon. »Und mit dem Kurs des Maahkschiffs.« »Du denkst an die künstliche Erzeugung von Regen?« fragte ich. »Bei der Trockenheit von Rashillkane könnte ich verstehen, daß man nach Methoden zur Bewässerung sucht. Aber das ist keine Welt für Maahks. Sie könnten hier ohne Schutzanzüge nicht leben und könnten auch Nahrungsmittel, die in einer Sauerstoffatmosphäre wachsen, nicht verzehren. Weshalb also sollten sie das Klima umwandeln wollen?« »Vielleicht wollen sie Rashillkane zu einem Gefangenenplaneten machen, auf dem arkonidische Raumsoldaten selber für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen«, dachte mein Pflegevater laut. »Das könnte man jedenfalls annehmen, wenn man nicht genau wüßte, daß es nicht der maahkschen Mentalität entspricht, viele Gefangene zu machen.« »Es ist alles sehr rätselhaft«, bemerkte ich dazu und deutete auf die Kontrollen des Außendetektors. »Ich sehe eben, daß der Sauerstoffanteil der Atmosphäre sich wieder er-
höht hat.« »Das ist wirklich merkwürdig«, meinte Fartuloon. »Es scheint fast, als hätten die Maahks einen Teil des Luftsauerstoffs zur Wassergewinnung herangezogen.« »Sehr überzeugend«, entgegnete ich ironisch. »Sie machen demnach das Land fruchtbar, indem sie seine Bewohner gleichzeitig an Sauerstoffmangel eingehen lassen.« »Ich weiß, es gibt wesentlich bessere Methoden zur künstlichen Bewässerung einer trockenen Welt«, sagte Fartuloon. »Aber wir können bei unseren Überlegungen nur die Tatsachen berücksichtigen.« Ich klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die Abdeckung des Außendetektors und runzelte die Stirn. »Ein Nebeneffekt scheint zu sein, daß sich Ammoniakgas bildet«, erklärte ich. »Jedenfalls zeigt der Detektor plötzlich eine Beimengung von anderthalb Prozent Ammoniakgas in der Luft an. Wenn sich das steigert, wird es demnächst Ammoniakgeist regnen. Dann möchte ich nicht ungeschützt im Freien stehen.« Fartuloon wollte etwas erwidern, kam jedoch nicht dazu, weil in diesem Moment unser Bordtelekom ansprach. »Das vereinbarte Signal«, sagte ich und riß einen schmalen Plastikstreifen aus dem Dekoder. »Mit dem ID-Signal von Gruppe siebzehn. Sie scheinen etwas Wichtiges entdeckt zu haben.« Fartuloon zog die Karte hervor, die während der Landung automatisch angefertigt war. Wir hatten auf ihr die Suchgebiete der einzelnen Gleiter gekennzeichnet, indem wir, von einem gemeinsamen Scheitelpunkt ausgehend, für jede Mannschaft das Suchgebiet zwischen zwei Schenkeln, die einen Winkel bildeten, abgegrenzt hatten. Schnell war das Suchgebiet der Gruppe siebzehn gefunden. »Es ist die Gruppe, deren Suchbereich den ermittelten Kurs des Maahkraumschiffs an einem bestimmten Punkt kreuzt, wenn das Raumschiff seine Richtung beibehalten
Gefahr für das das Imperium hat«, sagte ich. »Dieser Punkt ist rund hundertachtzig Kilometer von uns entfernt. Wir brauchen nur um knapp zwei Grad nach links abzubiegen, um ihn ebenfalls zu erreichen.« Noch während ich sprach, änderte ich den Kurs unseres Gleiters um den entsprechenden Wert. Danach beschleunigte ich mit Maximalwerten, denn ich war sicher, daß das, was die Gruppe siebzehn gefunden hatte, nicht nur wichtig, sondern auch gefährlich war. Wir mußten dort sein, bevor die fünf Mann des siebzehnten Gleiters etwas riskierten, was sie in Lebensgefahr brachte. Fartuloon strahlte inzwischen das vereinbarte Signal ab, aus dem die Gruppe siebzehn entnehmen konnte, daß ihr Signal gehört worden war. Nach und nach fingen wir auch die Bestätigungssignale der restlichen achtundzwanzig Gruppen auf. Das bedeutete, daß alle Gleiter Kurs auf den Standort der Gruppe siebzehn nahmen. Nach einer Stunde rasender Fahrt tauchte vor uns ein Ringwall auf, dessen Ränder wie glasiert wirkten und das Licht der blauen Sonne und das von Marlackskor I reflektierten. Der Zentralkegel überragte mit einer Gipfelhöhe von elftausend Metern den zirka neuntausend Meter hohen Ringwall. Solche Riesengebirge waren typisch für Welten mit geringer Masse und entsprechend geringer Schwerkraft. Gleiter siebzehn stand in einer Bodenmulde, flankiert von den Gleitern der Gruppen sechzehn und achtzehn, die vor uns angekommen waren. Die Besatzungen machten sich uns durch einen gebündelten Lichtstrahl bemerkbar, der aus einer Plastiklinse in unsere Richtung schoß. Ich landete unseren Gleiter neben den drei anderen Fahrzeugen und schwang mich hinaus. Der Sauerstoffgehalt der Luft war hier wieder normal für die Verhältnisse von Rashillkane, und Ammoniak wurde von unserem Außendetektor nicht ausgewiesen. »Wer führt die Gruppe siebzehn?« fragte ich. Eine schlanke Arkonidin mit langem sil-
23 berfarbenen Haar und mandelförmigen roten Augen trat mir entgegen. »Ghorana Anyazü«, stellte sie sich vor. »Wir strahlten das Signal aus, weil wir ein Walzenschiff beobachteten, das innerhalb des Ringgebirges niederging.« »Das dürfte unser Schiff gewesen sein«, sagte ich zu Fartuloon, der ebenfalls ausgestiegen und neben mich getreten war. Vorry blieb im Gleiter hocken. »Haben Sie sonst noch etwas beobachtet?« erkundigte ich mich. »Sonst nichts«, antwortete Ghorana. Unterdessen hatten sich noch andere Gleiter genähert. Sie waren ebenfalls gelandet. Ich beschloß, etwas zu unternehmen, auch wenn die Gleiter noch fehlten, die in die entgegengesetzte Richtung geflogen waren. »Wahrscheinlich besitzen die Maahks einen Stützpunkt in dem Ringgebirge«, sagte ich. »Ghorana, Sie und Ihre Leute haben die entscheidende Entdeckung gemacht, deshalb will ich Sie mitnehmen. Wir fliegen bis dicht unter den Grat des Ringwalls. Dort steigen wir aus und setzen unseren Weg mit den Fluganzügen fort. Alle anderen Gleiter und ihre Besatzungen bleiben hier.« Ich entdeckte unter den Anwesenden den Arkoniden Khylrun, der früher einen Leichten Kreuzer des Imperiums kommandiert hatte. Der Kreuzer war von den Maahks zusammengeschossen worden, und eines unserer Suchschiffe hatte Khylrun und zwei weitere Besatzungsmitglieder aus dem Wrack geborgen. »Sie übernehmen das Kommando über alle anderen Gruppen, Khylrun!« befahl ich. »Auch über die Gruppen, die noch kommen werden. Tarnen Sie die Fahrzeuge mit Projektionsnetzen und verhalten Sie sich ruhig. Sollten Sie entdeckt werden, müssen Sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuen. Dann darf niemand zur ISCHTAR zurückkehren. Falls ich ein bestimmtes Signal ausstrahle, dessen Modifikation ich Ihnen noch gebe, fliegen Sie mit allen Fahrzeugen zum Schiff zurück und schleusen sich ein. Von diesem Zeitpunkt an warten Sie zehn Stun-
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den. Sind wir bis dahin nicht zurückgekehrt, starten Sie und schlagen sich mit der ISCHTAR nach Kraumon durch.« Ich sah Khylrun an, daß er am liebsten widersprochen hätte. Der erfahrene Kämpfer wußte, wovon ich sprach, auch wenn ich mich nicht konkret ausgedrückt hatte. Er wußte auch, daß ohne mich als künftigem Imperator ein weiterer Kampf gegen Orbanaschol so gut wie sinnlos gewesen wäre. Folglich spielte er mit dem Gedanken, mich zurückzuhalten. Doch er war viel zu diszipliniert, um einen solchen Versuch zu unternehmen. »Ja, Kristallprinz!« antwortete er nur. Ich grüßte ihn stumm, dann schwang ich mich wieder in unseren Gleiter und übernahm die Steuerung. Fartuloon folgte mir. Wenig später rasten unser und Ghoranas Gleiter nebeneinander auf das Ringgebirge zu.
* Je näher wir dem Ringwall kamen, desto deutlicher wurde es, daß die Oberfläche ihre glasartige Beschaffenheit nicht auf natürliche Weise erhalten haben konnte. »Sie ist bearbeitet worden«, meinte Fartuloon. »Vielleicht hat man sie in Eisen verwandelt«, warf Vorry ein. »Ein ganzer Ringwall aus purem Eisen!« »Sei nicht so verfressen!« wies ich ihn zurecht. »Der Wall wird nicht angeknabbert! Verstanden?« »Schon gut!« maulte der Magnetier. »Ich wollte, der Wall wäre aus Kuchen. Dann möchte ich zusehen, wie euch das Wasser im Munde zusammenläuft.« Ich erwiderte nichts darauf, sondern beobachtete die Kontrollen des Außendetektors. Sie zeigten noch keine Veränderung der Atmosphäre an. Aber, was noch wichtiger war, sie zeigte auch keine einfallenden Fremdortungsimpulse an. Wir durften demnach damit rechnen, daß wir bisher von den Maahks nicht entdeckt worden waren.
Als wir den Ringwall erreichten, sahen wir, daß die Oberfläche mit Molekularstrahlen verdichtet und geglättet worden war. Warum, das entzog sich vorläufig noch unserer Kenntnis. Wichtiger war uns, daß sich an der Außenwand offenkundig keine Ortungsstationen befanden. Andernfalls wären wir längst angemessen worden. Wie verabredet, stiegen unsere Gleiter bis dicht unter den Grat des Ringwalls. Dort verankerten wir sie mit einfachen Magnetfeldern auf der molekularverdichteten Oberfläche und stiegen aus. Wir hatten unsere Kampfanzüge verschlossen, denn in fast neuntausend Metern Höhe war die Luft zu dünn zum Atmen, und die Höhenstrahlung war so stark, daß sie die ungeschützte Haut in kurzer Zeit verbrannt hätte. Da ich es für zu gefährlich hielt, die Helmfunkgeräte ohne zwingenden Grund zu benutzen, gab ich meinen Gefährten durch Handzeichen zu verstehen, daß wir zuerst nur bis zum Grat fliegen und von dort aus das Innere des Ringgebirges beobachten wollten. Es war natürlich auch ein Risiko, die Flugaggregate einzuschalten. Ihre Energieemissionen konnten von empfindlichen Ortungsgeräten angemessen werden. Aber es gab einfach keine andere Möglichkeit, auf den Grat zu gelangen. Die Oberfläche des Walles war so glatt, daß die Hände und Füße keinen Halt gefunden hätten. Wir schwebten das kurze Stück hinauf, dann schalteten wir die Flugaggregate ab und legten uns flach auf den gewölbten Grat des Walles. Tief unter uns entdeckten wir das gelandete Walzenschiff der Maahks. Aber daneben stand noch ein anderes Schiff. Es hatte Kugelform und durchmaß schätzungsweise zweihundert Meter – und es trug alle Konstruktionsmerkmale eines arkonidischen Raumschiffs. Fartuloon stieß eine Verwünschung aus. »Mir scheint, als hätten sich arkonidische Verräter mit dem Erzfeind unseres Volkes verbündet«, erklärte er über Helmfunk.
Gefahr für das das Imperium Ich widersprach nicht, obwohl es mir undenkbar erschien, daß Arkoniden mit Maahks gemeinsame Sache machten. Der Augenschein sprach dafür. Das ließ sich nicht wegdiskutieren. »Im unteren Teil des Zentralbergs scheint ein Stützpunkt zu sein«, sagte ich über den auf geringe Reichweite gedrosselten Helmtelekom. »Ich erkenne mehrere große Schotte, Ghorana, lassen Sie zwei Ihrer Leute als Beobachter zurück. Wir anderen fliegen hinunter und versuchen, in den Stützpunkt einzudringen, ohne daß man uns sieht. Vorry, du bleibst ebenfalls zurück!« »Was soll ich hier oben?« empörte sich der Magnetier, der diesmal eine Hermetikfolie mit eingebautem Funkgerät zum Schutz trug. »Vielleicht kannst du uns helfen, wenn wir in Bedrängnis geraten«, erwiderte ich und gab das Zeichen zum Aufbruch. Wir waren fünf Personen, die mit aktivierten Antigravprojektoren langsam an der Innenwandung des Ringwalls nach unten schwebten. Für jemanden, der vom Kraterboden aus heraufblickte, waren wir nicht zu sehen. Wir hoben uns kaum gegen den Hintergrund aus molekularverdichtetem Fels ab. Als wir aufsetzten, gab ich meinen Gefährten ein Zeichen, die Antigravprojektoren auszuschalten. »Wir warten hier, bis es dunkel ist«, sagte ich. »Bei vollem Tageslicht kämen wir nicht ungesehen über den Talboden, und es scheint bald Nacht zu werden.« Tatsächlich stand die blaue Riesensonne schon so tief, daß der Ringwall ihre Strahlen nicht mehr ins Kratertal ließ. Nur Marlackskor I hing noch schräg gegenüber zur Hälfte über dem Wall. Seine Rückstrahlung tauchte das Tal in gleißende Helligkeit. Wir hätten zwar unsere Deflektorgeräte einschalten können, doch sie machten uns nicht gegen Ortungsimpulse unsichtbar. Wenn wir an dem Maahkraumschiff vorbeigingen, würden wir auf jeden Fall geortet werden. Glücklicherweise brauchten wir nicht einmal eine Stunde zu warten, bis es im Krater
25 Nacht wurde. Fartuloon setzte sich an die Spitze unserer kleinen Gruppe, und wir gingen nacheinander hinter ihm her. Drüben beim Walzenschiff flammten einige Lichter auf, aber es waren keine Scheinwerfer, sondern nur kreisrunde Sichtluken. Auch beim Stützpunkt wurde es hell, als wollte man uns den Weg weisen. Wir kamen gut voran, denn auch der Kraterboden war künstlich geglättet. Der Marsch über die gehärtete Fläche hatte allerdings den Nachteil, daß die Füße und Waden schon nach wenigen Kilometern schmerzten. Dennoch marschierten wir nicht geradewegs auf das Walzenschiff zu, sondern schlugen einen Bogen, der uns zusätzliche fünf Kilometer bescherte. Endlich hatten wir eines der großen, beleuchteten Schotte erreicht. Wir blieben in einiger Entfernung stehen, um nicht in den Lichtkreis zu geraten. Dann klappten wir unsere Druckhelme zurück und schalteten die Funkgeräte aus. »Wir können schlecht warten, bis jemand kommt und uns hineinläßt«, meinte Ghorana Anyazil. »Was schlagen Sie vor?« fragte ich, um ihre Findigkeit zu testen. Ghorana lächelte, deutete auf ein Gleiskettenfahrzeug, das in zirka hundert Metern Entfernung stand und meinte: »Sicher besitzt das Fahrzeug einen Impulsgeber, der auf den Öffnungskode des Tores programmiert ist.« »Zu riskant!« gab ich zurück. »Aber die einzige Möglichkeit, in den Stützpunkt zu kommen«, meinte Fartuloon. »Wenn wir nicht unverrichteter Dinge umkehren wollen, müssen wir schon etwas riskieren, Atlan.« Ich wog das Für und Wider ab, obwohl ich bereits wußte, daß wir die einzige Möglichkeit ergreifen mußten. »Einverstanden«, erklärte ich schließlich. »Wir versuchen es.« Wieder hatten wir Glück, denn das Fahrzeug war nicht verschlossen. Da es sich um ein arkonidisches Gleiskettenfahrzeug han-
26 delte, war uns außerdem die Bedienung vertraut. Fartuloon setzte sich hinter die Steuerung, schaltete den Antrieb ein und fuhr auf das Schott zu. Ich blickte Ghorana an, lächelte und deutete auf den Einschaltknopf des Kodeimpulsgebers. Ghorana erwiderte das Lächeln und drückte den Kopf nieder. Langsam glitten die beiden Schotthälften auseinander und gaben den Blick in eine geräumige Schleusenkammer frei. Fartuloon steuerte das Fahrzeug in die Kammer hinein. Hinter uns schloß sich das Außenschott. Wir warteten darauf, daß sich das Innenschott ebenfalls automatisch öffnete. Doch leider warteten wir darauf vergebens. Statt dessen übermittelten uns die Außenmikrophone des Gleiskettenfahrzeugs arkonidische Worte, die eindeutig von einem Translator gebildet wurden. Sie lauteten: »Sie befinden sich in unserer Gewalt, Arkoniden. Wir fordern Sie auf, sich zu ergeben. Sie würden sich dadurch einen Kampf ersparen, der doch nicht von Ihnen gewonnen werden könnte.« Fartuloon und ich schauten uns an. »Da ist wohl nichts zu machen«, sagte mein Pflegevater resignierend. »Wir könnten wenigstens ein paar Maahks mit in den Tod nehmen!« begehrte Ghorana auf. »Mit viel Glück kommen wir wieder in die Freiheit«, entgegnete ich. »Außerdem bin ich viel zu sehr daran interessiert zu erfahren, was auf Rashillkane vorgeht, als daß ich freiwillig in den Tod gehen würde.« Ich schaltete mein Funkgerät ein und strahlte das Kurzsignal ab, das die wartenden Suchgruppen veranlassen würde, sich zur ISCHTAR zurückzuziehen. »Von jetzt an bleiben uns zehn Stunden«, stellte Fartuloon trocken fest. Ich wußte, was er damit ausdrücken wollte. In zehn Stunden würde es uns wahrscheinlich nicht gelingen, aus der Gefangenschaft der Maahks zu fliehen und die ISCH-
H. G. Ewers TAR zu erreichen. »Im Tal steht noch ein Schiff«, erwiderte ich. Aber ich war mir klar darüber, daß ich damit keine reale Möglichkeit andeutete, sondern nur unseren Gefährten Mut zuzusprechen wollte.
5. Wir ließen unsere Waffen in dem Fahrzeug – mit Ausnahme des Skargs, das Fartuloon ganz offen in der an seinem Waffengurt befestigten Scheide ließ. Als wir das Kettenfahrzeug verlassen hatten, öffnete sich das Innenschott. Drei riesige Maahks, in ihre schweren Schutzanzüge gekleidet, betraten die Schleusenkammer, in der die gleiche Sauerstoffatmosphäre herrschte wie außerhalb. Einer der Wasserstoffatmer trug einen Translator, der an sein Helmfunkgerät angeschlossen war. Über dieses Gerät befahl er uns, die Arme zu heben. Anschließend richtete er seinen Thermostrahler auf uns, während seine Begleiter uns nach Waffen durchsuchten. Fartuloons Hoffnung, man würde sein Skarg gerade deshalb übersehen, weil er es nicht versteckt hatte, erfüllte sich nicht. Die Maahks nahmen es ihm kommentarlos ab. Ich sah es den Augen meines Pflegevaters und Lehrmeisters an, daß er sein »Zauberschwert« nicht abschrieb. Diese eigentümliche Waffe hatte ihn bisher durch ungezählte Gefahren begleitet. Er würde sie auch diesmal nicht im Stich lassen. Es sei denn, die Maahks machten kurzen Prozeß und töteten uns, sobald sie uns verhört hatten. Als die Durchsuchung beendet war, führten uns die Maahks aus der Schleusenkammer und brachten uns durch mehrere Korridore in einen Raum, der als Druckkammer gestaltet war, so daß er mit einer Wasserstoff-Methan-Ammoniak-Atmosphäre geflutet werden konnte. Zur Zeit enthielt er allerdings nur eine Sauerstoffatmosphäre. In dem Raum schaltete ein Maahk einen
Gefahr für das das Imperium Telekom ein. Auf dem Bildschirm erschien ein anderer Maahk. Ich nahm an, daß es sich um den Grek-1 des Stützpunkts handelte. »Wer ist der Anführer der Gefangenen?« fragte Grek-1 über einen Translator. Fartuloon gab mir durch eine verstohlene Handbewegung zu verstehen, ich sollte mich zurückhalten. Danach trat er einen Schritt vor. »Das bin ich«, antwortete er. »Mein Name ist Fartuloon.« Sein Plan, mich aus dem Rampenlicht herauszuhalten, ging nicht auf, denn der Grek-1 erwiderte: »Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Fartuloon. In Ihrer Begleitung soll sich ständig ein anderer Arkonide namens Atlan aufhalten, der als Kristallprinz des Großen Imperiums dem derzeitigen Imperator seine Position streitig macht. Ich nehme an, Atlan ist auch diesmal dabei.« »Ich bin Atlan!« erklärte ich. »Ja, so wurden Sie mir beschrieben, Kristallprinz«, sagte Grek-1. »Sie sind ein Gegner Orbanaschols. Wir Maahks sind auch Orbanaschols Gegner. Das ist, so denke ich, eine gemeinsame Basis, auf der wir uns einigen können.« »In unserem Fall zählt meine Feindschaft zu Orbanaschol nicht, Grek-1!« entgegnete ich kalt. »Ihr Volk und mein Volk sind Todfeinde. Nur das ist es, was für mich zählt, und ich stehe ganz auf der Seite meines Volkes.« »Das ist ehrenhaft«, erwiderte der Maahk. »Aber Sie sollten auch daran denken, daß Sie und Ihre Freunde allein nichts gegen die Streitkräfte Orbanaschols ausrichten können. Wenn Sie uns helfen würden, könnten wir Ihnen helfen, Orbanaschols Macht zu brechen.« »Sie vergeuden Ihre Zeit!« erklärte ich. »Niemals würde sich ein Arkonide mit einem Maahk verbünden.« »Du hättest zum Schein darauf eingehen sollen!« raunte Fartuloon mir auf Chyncltschysch zu, einer kaum bekannten Sprache, die auch der beste Translator nicht auf An-
27 hieb analysieren und übersetzen konnte. Er wandte sich wieder dem Telekombildschirm zu. »Mein junger Freund ist etwas ungestüm«, sagte er. »Er begreift noch nicht, daß auch erbitterte Gegner manchmal ein Zweckbündnis eingehen können. Aber im Grunde genommen weiß er, daß das, was Sie gesagt haben, zutrifft.« Ich bemühte mich, den starken Widerwillen, den ich gegenüber den Maahks unverändert empfand, nicht zu zeigen. Mein Pflegevater hatte ja recht. Wenn wir etwas über das Geheimnis von Rashillkane erfahren wollten, mußten wir auf das Angebot der Maahks zum Schein eingehen. Aber ich konnte meinen Haß nicht so gut verdrängen wie Fartuloon. »Das denke ich auch«, meinte Grek-1. »Schließlich ist die Logik auf meiner Seite. Versuchen Sie, Atlan davon zu überzeugen, daß eine zeitweilige Zusammenarbeit in erster Linie ihm hilft. Wir Maahks sind nicht auf seine Hilfe angewiesen. Unsere Macht ist unüberwindlich.« »Niemandes Macht ist unüberwindlich!« entfuhr es mir gegen meinen Willen. »Wirst du wohl endlich damit aufhören!« fuhr Fartuloon mich, diesmal auf Arkonidisch, an. Er wandte sich wieder dem Maahk auf dem Bildschirm zu. »Es ist seine Jugend«, erklärte er. »Aber Atlan kann durchaus logische Argumente einsehen, wenn er seine Impulsivität unterdrückt. Unterbreiten Sie Ihre Vorschläge, Grek-1. Ich werde sie prüfen und mit Atlan darüber sprechen.« »Später«, erwiderte der Maahk. »Zuerst habe ich einige Fragen an Sie. Frage eins: Wie sind Sie nach Rashillkane gekommen?« »Wir versuchten, einen der drei Kommandeure der angreifenden arkonidischen Flotte zu entführen«, antwortete Fartuloon wahrheitsgemäß. »Das schlug fehl, weil das betreffende Flaggschiff vor einem Ihrer Flottenverbände fliehen mußte. Unser Schiff wurde schwer getroffen, konnte aber noch
28 eine Nottransition ausführen. Kurz nach der Wiederverstofflichung brach es auseinander. Wir flohen in einem kleinen Rettungsboot und folgten später dem Walzenschiff, das im Krater steht. Dadurch kamen wir hierher.« Fartuloon hatte Wahrheit und Lüge so geschickt vermischt, daß Aussicht bestand, der Grek-1 würde ihm seine Geschichte abnehmen. Für uns kam es vor allem darauf an, daß die Maahks von der ISCHTAR nichts ahnten, bevor sie im Notstart in den Raum entkommen war. In ihrem Versteck wäre sie einem Angriff manövrierunfähig und damit halb wehrlos ausgeliefert gewesen. »Ihre Angaben werden selbstverständlich später überprüft«, erwiderte Grek-1, wobei er mit »Überprüfung« zweifellos ein Sondenverhör meinte. »Frage zwei: Haben Sie auf Ihrem Weg zum Stützpunkt etwas Besonderes bemerkt?« »Es hat geregnet, und zwar ziemlich heftig für eine trockene Wüstenwelt mit geringer Luftfeuchtigkeit«, antwortete mein Pflegevater. »Der Regen wurde künstlich hervorgerufen«, erklärte der Maahk. »Das haben wir uns gedacht«, meinte Fartuloon mit gut gespielter Arglosigkeit – denn tatsächlich konnten weder er noch ich arglos sein angesichts der zweiten Frage des Maahks. »Was ist Ihnen noch aufgefallen?« bohrte Grek-1 weiter. Fartuloon kratzte sich am Hinterkopf. »Draußen steht ein arkonidisches Raumschiff – und dieser Stützpunkt ist zweifellos für Arkoniden eingerichtet. Ob er auch von Arkoniden eingerichtet wurde, wissen wir natürlich nicht. Aber es ist schon merkwürdig, auf dem Mond einer maahkschen Stützpunktwelt einen für Arkoniden eingerichteten Stützpunkt vorzufinden. Deshalb wollten wir nachsehen, was hier gespielt wird. Leider befanden wir uns nicht im Besitz einer Ausrüstung, die es uns erlaubt hätte, ungesehen zu kommen und wieder zu gehen.« »Niemand wäre ungesehen in den Stützpunkt eingedrungen«, versicherte Grek-1.
H. G. Ewers »Dafür ist er viel zu wichtig für uns. Sie wurden bereits entdeckt, als Sie mit Ihren Fluganzügen im Krater landeten. Grek-19 wird Sie nun in Ihr Quartier bringen. Ich denke, daß Sie Verständnis dafür haben werden, daß wir Sie später einem Sondenverhör unterziehen.« Bevor wir etwas erwidern konnten, unterbrach Grek-1 die Verbindung. Unser Bewacher führten uns aus dem Raum und brachten uns in einen anderen, der sogar mit arkonidischen Möbeln ausgestattet war.
* »Das mit dem Sondenverhör gefällt mir gar nicht«, sagte Ghorana Anyazil, kaum daß unsere Bewacher uns allein gelassen hatten. »Mir auch nicht«, erwiderte ich. Zwei Gründe gab es, die uns ein Verhör mit Psychosonden gefährlich erscheinen ließen. Einmal den, daß dabei immer die Gefahr bestand, irreparable geistige Defekte davonzutragen. Diesen Grund fürchtete ich in unserem Fall allerdings nicht. Wenn Grek-1 mit mir zusammenarbeiten wollte, würde er dafür sorgen, daß die Psychosonden bei uns so sorgfältig dosiert angewendet wurden, daß niemandem etwas geschah. Der zweite Grund war schwerwiegender. Mit Hilfe der Psychosonden mußten die Maahks herausbekommen, daß wir nicht mit einem winzigen Rettungsboot, sondern mit einem dreihundert Meter durchmessenden Raumschiff auf Rashillkane gelandet waren. Von dem Augenblick an würden Schiff und Besatzung aufs äußerste gefährdet sein. »Wir müssen etwas unternehmen, um das Sondenverhör hinauszuzögern«, meinte Fartuloon. »Aber was?« fragte ich. »Du mußt von mir umgestimmt werden und dich entschließen, mit den Maahks am Projekt Tacksmuth zusammenzuarbeiten«, antwortete mein Pflegevater. »Wir wissen doch gar nicht, was das für ein Projekt ist«, erwiderte ich.
Gefahr für das das Imperium Fartuloon lächelte. »Aber das wissen die Maahks nicht. Wenn wir geschickt bluffen, müssen sie annehmen, daß wir das Projekt kennen.« »Diesen Bluff würden die Maahks nach ein paar Fragen durchschaut haben«, warf jemand ein. Ich dachte zuerst, einer der beiden Begleiter Ghoranas hätte gesprochen. Doch dann spürte ich einen Warnimpuls meines Extrahirns und wußte, daß wir nicht mehr allein waren. Ich fuhr herum. Hinter uns hatte sich eine rechteckige Öffnung in der Wand gebildet – und in der Öffnung stand ein Arkonide. Er trug die Kombination eines Wissenschaftlers des Großen Imperiums, war hager und hatte langes weißes Haar und einen weißen Vollbart. Seine Wangen waren eingefallen, und seine rötlichen Augen glänzten fiebrig. »Hreta Palaskor«, stellte der Arkonide sich vor. »Sie haben vom Projekt Tacksmuth gesprochen, scheinen aber außer dem Namen nichts davon zu wissen. Woher kennen Sie den Namen?« »Hreta Palaskor!« wiederholte ich erstaunt und erfreut. »Dann waren Sie es, der einen Roboter ausschickte, um vor dem Projekt Tacksmuth zu warnen.« »Sie haben ihn gefunden?« erkundigte sich der Wissenschaftler und trat näher. »Vorsicht!« sagte Fartuloon. »Wenn die Maahks diesen Raum abhören, dann …« Palaskor lächelte überlegen. »Sie hören ihn ab, aber wir haben die Leitungen nach hier blockiert und den zu den Maahkquartieren führenden Teil an einen Recorder angeschlossen, der ihnen nichtssagende Geräusche und Gespräche überspielt.« »Ausgezeichnet!« lobte ich. »Ja, wir fanden den Roboter. Leider waren seine Speicherzellen so schwer geschädigt, daß er nur noch 'Projekt Tacksmuth bedroht …' sagen konnte. Was wissen Sie über das Projekt, Palaskor?« »Alles«, antwortete der Wissenschaftler.
29 »Aber zuerst möchte ich wissen, wer Sie sind und wie Sie nach Rashillkane kommen. Wir hörten, der Planet sei hermetisch abgeriegelt.« »Eine Nottransition brachte unser Schiff in die äußeren Ausläufer der Atmosphäre«, antwortete Fartuloon. »Ich heiße Fartuloon, die Dame ist Ghorana Anyazil und das hier …«, er deutete auf mich, »… ist Kristallprinz Atlan aus dem Geschlecht derer von Gonozal, der Sohn des von Orbanaschol III. beseitigten Imperators.« Ich beobachtete das Mienenspiel von Palaskor genau und entdeckte zu meiner Freude und Beruhigung, daß die Nennung des Namens Gonozal eine positive Reaktion hervorrief. Der Wissenschaftler blickte mich mit leuchtenden Augen an, dann verneigte er sich tief. »Verfügen Sie über mich und meine Mitarbeiter, Erhabener!« rief er, als er sich wieder aufrichtete. »Das habe ich vor«, sagte ich. »Sagen Sie uns zuerst ganz kurz, was das Projekt Tacksmuth ist!« Hreta Palaskors Miene verdüsterte sich, und seine Stimme wurde brüchig, als er sagte: »Es ist das Projekt meiner tiefsten Erniedrigung, Erhabener. Meine Mitarbeiter und ich forschten auf dem Planeten Zirkamer nach besseren Möglichkeiten, arkongroße, aber für Arkoniden lebensfeindliche Planeten so umzugestalten, daß sie in großem Maßstab besiedelt werden konnten. Als mein Bruder, der Kolonialminister des Imperiums war, Orbanaschol zu stürzen versuchte, was mißlang, fiel ich in Ungnade. Ich ahnte von alledem nichts, bis ein befreundeter Raumschiffskommandant mich außerplanmäßig besuchte und mich warnte. Er sagte, Orbanaschol wollte den Maahks die Koordinanten von Zirkamer zuspielen, damit sie den Planeten verwüsteten und ich dabei umkäme. Ich glaubte es nicht. Mir erschien es undenkbar, daß der Imperator des Großen Im-
30 periums, auch wenn er illegal an die Macht gekommen war, sich der Todfeinde des Großen Imperiums bedienen könnte, um einen vermeintlichen einflußreichen Gegner zu beseitigen. Aber schon am nächsten Tag erschien ein kleiner Flottenverband der Maahks über Zirkamer. Sie setzten ein Einsatzkommando über der Forschungsstation ab, das mich und meine Mitarbeiter gefangennahm. Danach verwüsteten sie den Planeten.« »Das ist ungeheuerlich!« entfuhr es mir. »Orbanaschol arbeitet den Todfeinden unseres Volkes in die Hände! Damit hat er sich eindeutig zum Verräter am Imperium gestempelt.« »Es ist noch viel schlimmer«, erklärte Palaskor. »Durch seinen Verrat gab Orbanaschol den Maahks indirekt die Möglichkeit, mit geringem Aufwand Sauerstoffwelten unbewohnbar für Arkoniden und andere Sauerstoffatmer zu machen. Die Maahks unterzogen uns einem ausgedehnten Sondenverhör und erkannten die Möglichkeiten, die in unserem Wissen und unseren Fähigkeiten lagen. Sie setzten uns unter Drogen und zwangen uns dadurch, in Umkehrung unserer ursprünglichen Forschungsabsichten an einer Methode zu arbeiten, mit der Sauerstoffatmosphären in kürzester Zeit in WasserstoffAmmoniak-Atmosphären umgewandelt werden können.« »Das Projekt Planetentöter!« stieß Fartuloon tonlos hervor. »Ja«, sagte Palaskor. »Und unsere Arbeit steht kurz vor dem Abschluß. Danach werden die Maahks in der Lage sein, robotgesteuerte Kleinraumschiffe in die Atmosphären von Sauerstoffwelten zu schicken und durch einen Strahlenschauer die chemische Zusammensetzung der Luft radikal und schnell zu verändern.« Ich fühlte eisige Kälte durch meinen Körper kriechen. Durch den Verrat Orbanaschols hatten die Maahks eine Waffe in die Hände bekommen, die für Milliarden Arkoniden tödlich sein würde, wenn sie angewendet wurde.
H. G. Ewers Trotz meiner Bestürzung und des Grauens, das mich beschlich, entging mir aber nicht der Widerspruch in Palaskors Bericht. »Eine Frage noch, Palaskor«, sagte ich. »Wenn Sie und Ihre Leute unter Drogeneinfluß stehen, wie kommt es dann, daß Sie einen Roboter ausschicken, um vor dem Projekt zu warnen, und daß Sie uns die Absichten der Maahks verraten haben?« Hreta Palaskor lächelte. »Wir wurden nach und nach immun gegen die Wirkung der Droge, Erhabener. Dennoch arbeiteten wir weiter an dem Projekt, sonst hätten die Maahks gemerkt, daß wir nicht mehr beeinflußt waren. In dem Falle hätten sie bestimmt andere Methoden der Beeinflussung gewählt.« »Das Ergebnis wäre auch nicht schlimmer gewesen als das jetzige«, warf Ghorana Anyazil ein. »O, doch!« entgegnete der Wissenschaftler. »So konnten wir dafür sorgen, daß sich ein entscheidender Fehler in die Berechnungen einschlich. Wenn in drei Stunden der letzte Test stattfindet, werden die Maahks eine böse Überraschung erleben. Wir allerdings auch, denn die Palaskor-Strahlung wird in kurzer Zeit alles Leben auf Rashillkane vernichten. Ich bedaure nur, daß Sie dabei ebenfalls sterben müssen, Erhabener. Leider habe ich keine Möglichkeit, den Test zu verhindern. Die Maahks führen ihn in eigener Regie durch.« »Ich werde freudig sterben, wenn ich weiß, daß dadurch den Maahks eine Niederlage beigebracht wird!« rief Ghorana. »Niemand sollte von Freude reden, wenn er stirbt«, erwiderte Fartuloon ernst. »Es genügt, wenn wir unseren bevorstehenden Tod mit Fassung hinnehmen.« »So ist es«, sagte ich. »Palaskor, ich danke Ihnen im Namen des arkonidischen Volkes. Falls wir trotz allem überleben sollten, werde ich dafür sorgen, daß im Hügel der Weisen auf Arkon eine Ehrentafel mit Ihrem Namen angebracht wird – sobald Orbanaschol erst einmal gestürzt ist.« Palaskor neigte den Kopf.
Gefahr für das das Imperium »Ich muß leider wieder gehen, Erhabener. Es lebe das Große Imperium! Es lebe Imperator Atlan!« Niemand sagte ein Wort, als der Wissenschaftler sich durch die Geheimtür zurückzog.
* »Wir müssen versuchen, die ISCHTAR zu verständigen«, erklärte Fartuloon. »Ihre Bewaffnung dürfte ausreichen, um uns zu befreien.« »Nein!« sagte ich entschieden. »Es ist wichtiger, daß die ISCHTAR entkommt, um der draußen stehenden Imperiumsflotte die Nachricht zu überbringen, daß das Projekt Planetentöter keine Bedrohung für das Imperium mehr darstellt. Wenn sie statt dessen den Stützpunkt angreift, bekommen die Maahks Zeit, Verstärkungen herbeizurufen. Dann würde die ISCHTAR abgeschossen werden und wir würden ebenfalls sterben.« »Ich kann nicht zulassen, daß der rechtmäßige Imperator auf Rashillkane stirbt!« erwiderte Fartuloon heftig. »Du kannst aber auch nichts dagegen tun«, erklärte ich. »Ich bin dir dankbar für deine guten Absichten, aber es wäre sinnlos, über etwas zu streiten, was nicht mehr zu ändern ist. Denken wir lieber darüber nach, wie wir die ISCHTAR benachrichtigen und zum Sofortstart veranlassen können.« »Ich sehe keine Möglichkeit«, meinte Ghorana Anyazil. »Selbst wenn wir aus dem Stützpunkt ausbrechen könnten, würden wir nicht entkommen. In dem großen deckungslosen Tal würden die Maahks uns mühelos abschießen.« »Wir müßten noch einmal Verbindung zu Palaskor aufnehmen«, sagte mein Pflegevater. »Er hatte immerhin schon einmal eine Möglichkeit, eine Nachricht nach draußen zu schicken. Vielleicht kann er uns helfen, die ISCHTAR zu warnen.« Er trat an die Stelle der Wand, an der sich die Geheimtür befand. Die unvermeidlichen
31 Fugen waren haardünn, konnten von einem Arkoniden aber gerade noch gesehen werden. Für das viel gröbere Auflösungsvermögen maahkscher Augen mußten sie unsichtbar bleiben. Fartuloon schlug mit der Faust mehrmals gegen die Geheimtür. Nach dem fünften Mal antwortete ein knirschendes Geräusch. Erleichtert trat mein Pflegevater zurück. Im nächsten Augenblick barst die Geheimtür genau in der Mitte. In der Öffnung erschien ein breiter Schädel mit faustdicken Augenwülsten und kleinen, gelblich leuchtenden Augen. »Vorry!« entfuhr es mir. »Hmpf!« machte Vorry und drückte die Tür mühelos, beinahe spielerisch, nach innen. Sie stürzte auf den Boden. »Gute Tür, aber schlechtes Aroma.« Er kam auf mich zu und wollte mir in seiner kumpelhaften Art die Hand auf die Schulter hauen, was mir bestimmt einen Schlüsselbeinbruch eingebracht hätte. Ich wich rasch aus. »Laß das, Vorry!« sagte ich scharf. »Warum hast du meinen Befehl, auf dem Grat zu warten, mißachtet?« »Warum schimpfst du mit Vorry?« erwiderte der Magnetier gekränkt. »Ich hatte Sehnsucht nach dir. Bitte, schicke mich nicht wieder fort. Außerdem hörte ich dein Signal an Khylrun und wußte dich in Gefahr.« Ich holte tief Luft, dann lachte ich vor Erleichterung. »Nein, ich schicke dich nicht wieder fort«, sagte ich. »Aber du hast dir bestimmt einen Tunnel bis hierher gefressen.« »Vorry hat Tunnel genagt, aber Material nur wenig gefressen«, entgegnete der Magnetier. »Wir werden durch den Tunnel fliehen«, entschied ich. »Halt!« warf Fartuloon ein. »Ohne mein Skarg gehe ich nicht. Außerdem müssen wir, wenn wir fliehen, versuchen, die Wissenschaftler mitzunehmen.« Vorry schaute blinzelnd von einem zum
32 anderen. »Ich verstehe nicht, was gesprochen wird«, meinte er. »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte Palaskor von der Öffnung in der Wand her. »Meine Leute haben einen Tunnel entdeckt, der vor kurzer Zeit noch nicht vorhanden war.« Sein Blick fiel auf den Magnetier. Erschrocken wich er zurück. »Keine Angst, Vorry ist unser Freund«, sagte ich. »Palaskor, wir alle können durch den Tunnel, den Vorry gefressen hat, fliehen. Sagen Sie Ihren Leuten Bescheid, aber schnell!« Hreta Palaskor schaute mich eine Weile traurig an, dann erklärte er: »Wir kommen nicht mit, Erhabener. Die Maahks wollen, daß wir dem letzten Test beiwohnen. Wenn wir verschwinden, schöpfen sie Verdacht und bringen die Forschungsunterlagen in Sicherheit, so daß sie neu durchgerechnet werden können. Wird der Fehler gefunden und eliminiert, bekommen die Maahks doch noch ihre Vernichtungswaffe. Das dürfen wir nicht zulassen. Aber Sie und Ihre Begleiter müssen sofort fliehen, Erhabener. Es sind keine drei Stunden mehr bis zum Ende von Rashillkane.« »Gibt es eine Möglichkeit, unsere Ausrüstung wiederzubeschaffen?« erkundigte sich Fartuloon. »Wenn wir die Fluganzüge haben, können wir unser Schiff schneller erreichen. Außerdem gehe ich nicht ohne mein Schwert.« »Nicht ohne Ihr Schwert!« sagte Palaskor verächtlich. »Das ist kindisch!« »Es handelt sich um ein Schwert ganz besonderer Art«, verteidigte ich meinen Pflegevater. »Es kann unter anderem in energetischen Schutzschirmen Strukturlücken schaffen.« »Das ist etwas anderes«, sagte der Wissenschaftler. »Ich weiß, wo die Maahks Ihre Ausrüstung aufbewahren und kann sie Ihnen beschaffen, da die betreffende Kammer unbewacht ist. Wie Sie wissen, halten die Maahks uns für beeinflußt in ihrem Sinne.«
H. G. Ewers Er wandte sich um und ging. Wir warteten voller Spannung. Die Rettung war so nahe, daß damit auch die Befürchtungen kamen, sie könnte im letzten Moment vereitelt werden. Erst, als nach wenigen Minuten Palaskor mit drei anderen Arkoniden und unserer Ausrüstung zurückkehrte, waren wir sicher, daß wir Rashillkane doch noch lebend verlassen würden. Nachdem wir uns bei den Todgeweihten bedankt hatten, folgten wir dem Magnetier in den Tunnel, den er in beispielloser Arbeit unter dem Kraterboden und unter dem Stützpunkt hindurch angelegt hatte. Vorher zogen wir unsere Schutzanzüge an, und Fartuloon schnallte sich sein Skarg um, wobei er den Knauf zärtlich streichelte. Wir merkten jedoch bald, daß die Zeit sehr knapp werden würde. In dem engen Tunnel konnten wir die Flugaggregate nicht benutzen, und wir Arkoniden kamen viel langsamer voran als Vorry. »Das wird ein Wettlauf gegen den Tod!« kommentierte Fartuloon unsere Lage treffend.
6. Da der Tunnel innerhalb des Ringwalls stark anstieg, kamen wir dort noch langsamer voran. Seit unserer Flucht waren mehr als anderthalb Stunden verstrichen, als wir endlich ins Freie gelangten. Die beiden Raumsoldaten, die wir auf dem Grat zurückgelassen hatten, begrüßten uns erleichtert. Sie hatten schon befürchtet, uns nie wiederzusehen, obwohl sie natürlich von unserer Gefangennahme nichts bemerkt haben konnten. Ich informierte sie kurz über die Lage, dann bestiegen wir unsere beiden Gleiter und traten den Rückflug an. Wir würden, obwohl wir selbstverständlich mit Höchstgeschwindigkeit flogen, fast zwei Stunden bis zum Landeplatz der ISCHTAR brauchen. Dennoch entschloß ich mich dazu, die ISCHTAR erst im letzten Moment anzufun-
Gefahr für das das Imperium ken, damit sie nicht von den Maahks eingepeilt und angegriffen wurde. Die Zeit, die Hreta Palaskor genannt hatte, war noch nicht um, als Fartuloon mir auf die Schulter tippte und nach hinten zeigte. Ich drehte den Kopf. Das Ringgebirge war bereits außer Sicht, aber in der Richtung, in der es liegen mußte, flackerten starke Leuchterscheinungen auf. Wenig später war ein dumpfes Grollen zu hören, das einmal anschwoll und dann wieder leiser wurde. Dann krachten die Entladungen von Strahlschüssen. »Die Maahks haben unsere Flucht bemerkt und wahrscheinlich auch den Fluchttunnel entdeckt«, meinte Fartuloon. »Sie sind mit ihrem Raumschiff gestartet und suchen uns. Zusätzlich belegen sie die Gegend, in der wir uns bei einer Flucht zu Fuß befinden würden, mit dem vernichtenden Feuer ihrer Strahlgeschütze. Ich nehme an, daß sie anschließend den nahen Raum nach unserem Rettungsboot absuchen werden.« »Da können sie lange suchen«, erwiderte ich grimmig. »Es wundert mich, daß sie sich an das Märchen mit dem Rettungsboot klammern.« »Es ist ihr einziger Anhaltspunkt«, gab mein Pflegevater zurück. »Aber sie werden ihre Suche auch auf die weitere Umgebung ausdehnen, sobald sie Verstärkung erhalten haben.« Ich nickte und blickte zu dem anderen Gleiter, der parallel zu uns flog. Ghorana winkte herüber, und ich winkte aufmunternd zurück. Unsere Stimmung war recht gut, denn wir waren der Gefangenschaft der Maahks entkommen und hatten die Hoffnung, Rashillkane lebend verlassen zu können. Plötzlich wurden unsere Gleiter von einem fürchterlichen Überschallknall erschüttert. Als ich nach oben blickte, entdeckte ich ein kleines walzenförmiges Objekt mit kurzen, scharf gepfeilten Tragflächen und einem trichterförmig erweiterten Heck, aus dem grelle blauweiße Glut waberte. Obwohl die Glut meine Augen fast blen-
33 dete, nahm ich die beinahe transparente, nach innen gewölbte Scheibe wahr, die unter dem Rumpf des seltsames Fahrzeugs flimmerte. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Es handelt sich um eine vollenergetische Abstrahlantenne! teilte mir mein Logiksektor mit. Der entscheidende Test des Projekts Planetentöter hat begonnen. Es wird höchste Zeit, daß du die ISCHTAR rufst, damit sie euch entgegenfliegt. Ich erkannte, daß die Warnung meines Extrahirns berechtigt war. Dennoch entschloß ich mich, die ISCHTAR noch nicht zu rufen. Ein Funkspruch auf diese Entfernung mußte von dem in der Luft schwebenden großen Walzenschiff aufgefangen und sofort eingepeilt werden. Dann würde es uns einholen, bevor die ISCHTAR, die ja erst starten mußte, zur Stelle sein konnte. »Weißt du was?« sagte Fartuloon. »Die Sache mit dem künstlichen Regen neulich, die muß mit einem Experiment zusammenhängen, das im Rahmen von Projekt Tacksmuth erfolgte. Wir sollten uns auf einen sehr heftigen Wolkenbruch gefaßt machen.« Wieder blickte ich nach oben. Doch ich konnte keinerlei Wolkenbildung entdecken. Dafür wurde es plötzlich unangenehm heiß, obwohl diese Seite von Rashillkane zur Zeit weder von der blauen Riesensonne noch von Marlackskor I beschienen wurde. Ein heftiger heißer Windstoß fegte über uns hinweg. Ich schloß das Transparentverdeck unseres Gleiters und sah, daß sich auch das Verdeck von Ghoranas Gleiter schloß. Dennoch wurden die Sturmböen uns gefährlich. Sie rüttelten und rissen an den leichten Fahrzeugen, so daß wir auf eine Höhe von fünfhundert Metern steigen mußten, um nicht mit dem Boden zu kollidieren. »Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich nicht verändert«, sagte Fartuloon und deutete auf die Kontrollen des Außendetektors. »Aber irgendeine Veränderung geht vor«, erwiderte ich. »Woher mag diese plötzliche Hitze kommen?«
34 Fartuloon wollte antworten, dann schloß er den Mund wieder und hob lauschend den Kopf. Als ich es ihm nachtat, hörte ich ebenfalls, daß die Korrekturtriebwerke des Gleiters mit voller Kraft arbeiteten. Das konnte nicht allein eine Folge der Sturmböen sein. Ein Blick auf die Systemkontrollen zeigte mir, daß die Hälfte der Korrekturtriebwerke gegen eine ungewöhnlich starke Aufwärtsströmung ankämpfte. »Die heiße Luft kommt von unten«, sagte ich. »Das bedeutet, daß der Boden sich erhitzt hat.« Ich legte den Gleiter schräg, um einen Blick auf die Oberfläche zu erhaschen. Dabei sah ich, daß die kümmerliche Vegetation bereits zu Asche zerfallen war. Glimmende Tierskelette lagen überall verstreut herum. An manchen Stellen glühte der Boden. »Der Planet scheint von innen heraus zu verbrennen«, meinte mein Pflegevater. Dir bleibt nur noch eine kurze Frist! warnte mein Extrahirn erneut. Rashillkane wird schnell untergehen, sonst könnten die Maahks die Forschungsanlagen in Sicherheit bringen. Wenn du nicht sofort die ISCHTAR rufst, wird es zu spät sein. Diesmal hörte ich auf die »Stimme« meines aktivierten Gehirnteils. Ich schaltete den Telekom ein und strahlte das Rufsignal für die ISCHTAR ab. Helos Trubato meldete sich sofort. »Die Suchgruppen sind zurück – bis auf Ihre und die von Ghorana Anyazil«, erklärte er. »Ich habe Startbereitschaft befohlen, weil unsere Meßinstrumente feststellten, daß der Hochdruckkern von Rashillkane in sich zusammenfällt, wahrscheinlich durch einen schlagartigen Zusammenbruch der Elektronen seiner Atome. Diese Welt ist vom Untergang bedroht.« Erst jetzt wurden Fartuloon und mir das wahre Ausmaß der Gefahr klar, in der wir alle schwebten. »Starten Sie sofort!« befahl ich. »Fliegen Sie uns entgegen und schleusen Sie uns ein. Danach beschleunigen Sie mit Maximalwerten, verlassen die Atmosphäre und gehen auf
H. G. Ewers Transitionsbeschleunigung für Notfälle über. Atlan, Ende!« Nachdem Trubato bestätigt hatte, unterbrach ich die Verbindung und informierte Ghorana über Funk. Danach konnten wir nur noch auf die Ankunft der ISCHTAR warten.
* Als die Oberfläche Rashillkanes unter uns barst, zogen Ghorana und ich unsere Gleiter steil auf zweitausend Meter Höhe und schalteten die Schutzschirme ein. Damit gaben wir uns zwar der maahkschen Impulsortung preis, aber ich war sicher, daß die Wasserstoffatmer zur Zeit andere Probleme hatten. Tief unter uns brach die Hölle los. Aus breiten Spalten schossen Glutzungen. Aber sie erreichten uns nicht, und schon bald sanken sie wieder in sich zusammen. Deutlich war zu sehen, wie die Oberfläche sich nach unten beziehungsweise innen stülpte. Ich versuchte mir vorzustellen, wie der Hochdruckkern von Rashillkane sich verdichtete, bis er die Dichte der Materie auf sogenannten Dunkelsternen erhielt. Er mußte dabei auf einen winzigen Bruchteil seiner früheren Ausdehnung geschrumpft sein, hatte aber infolge unveränderter Masse seine alte Anziehungskraft behalten. Die anderen, äußeren Schichten des Mondes, die danach nur noch eine brüchige Kugelschale waren, die einen Hohlraum mit einem winzigen Kern umhüllte, wurde durch die Anziehungskraft dieses Kerns nach innen gezogen. Sie zerbrach dabei, verschob sich ineinander, mußte aber schließlich durch den Hohlraum bis zum Kern stürzen. Wenn sie vom Verdichtungsprozeß erfaßt wird, gibt ihre Materie eine ungeheure Menge Energie frei! teilte mir der Logiksektor meines Extrahirns mit. Mehr als genug Energie, um alle Raumschiffe verdampfen zu lassen, die sich in unmittelbarer Nähe von Rashillkane befinden. Wieder blickte ich nach unten. Ich merkte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat, als
Gefahr für das das Imperium ich sah, daß die Planetenkruste das Aussehen eines fest zusammengepreßten Gummiballs bekommen hatte. Sie wirkt zerknautscht! fuhr es mir durch den Kopf. »Wenn die ISCHTAR nicht gleich auftaucht, sind wir alle verloren«, sagte ich zu Fartuloon. Mein Pflegevater deutete nur mit ausgestrecktem Arm nach vorn, und als ich in die angegebene Richtung schaute, erkannte ich die Riesenkugel der ISCHTAR! Das Schiff näherte sich uns mit furchterregender Geschwindigkeit. Der offene Schleusenhangar dicht unter dem Triebwerksringwulst wirkte dabei wie das weit aufgerissene Maul eines Tiefseefisches, der gerade sein Opfer verschlingen will. Ich schaltete die Bordzu-Bord-Verbindung ein und sagte: »Halten Sie Ihr Fahrzeug genau auf den Schleusenhangar zu, Ghorana!« Anschließend bemühte ich mich, meinen eigenen Ratschlag zu befolgen. Es wäre mir bei der Geschwindigkeit, mit der die ISCHTAR sich uns näherte, wohl nicht gelungen, wenn unser Schiff nicht mit Traktorstrahlen nach unseren Gleitern gegriffen hätte. Es gab einen harten schmerzhaften Ruck, dann wurden wir genau auf das erleuchtete Hangartor zu gerissen. Prallfelder fingen die Gleiter auf. Helos Trubata mußte das wirkliche Ausmaß der Gefahr ebenfalls genau erkannt haben und setzte folgerichtig unsere Gesundheit aufs Spiel, um wenigstens unser Leben zu retten. Der Aufprall mit seinem grauenhaften Andruck raubte mir vorübergehend das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, vernahm ich als erstes das entnervende Winseln von Alarmsirenen. Offenbar gaben alle automatischen Warner Alarm. Demnach mußte das Schiff sich in größter Gefahr befinden. Obwohl ich benommen war und mir sämtliche Knochen weh taten, rappelte ich mich auf und eilte so schnell wie möglich in die Kommandozentrale. Ein Blick auf die Heckbildschirme zeigte mir, daß die ISCHTAR sich mit einem rasch anschwellenden Höl-
35 lenfeuer ein Rennen lieferte, das sie augenscheinlich nicht gewinnen konnte. Von Rashillkane selbst war nichts mehr zu sehen. Der Mond hatte sich in einen blauweißen Glutball verwandelt, der sich mit rasender Geschwindigkeit ausdehnte. Noch gefährlicher als die Glut aber war die von ihr ausgehende harte Strahlung. Da sie sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitete, hatte sie das Schiff längst eingeholt. Zwar hielt der aktivierte Schutzschirm die Strahlung fern, indem er sie reflektierte oder ablenkte, aber dort, wo die Impulstriebwerke wirksam werden mußten, drang er durch die Lücken, die das Triebwerksfeuer immer wieder in den Schirm riß. Dadurch ging das Strahlenbombardement ausgerechnet auf die Deuteriumtanks nieder und wirkte als Katalysator. Wenn das Deuterium der Strahlung noch länger ausgesetzt war, würde es in den Fusionsprozeß eintreten und das Schiff samt Besatzung vernichten. Ich griff nicht in die Führung des Schiffes ein, da ich sah, daß Helos Trubato und seine Leute mit der gewohnten Präzision schalteten. Jede Störung hätte sie nur behindert. Das ständige Heulen des Automatalarms mußte ohnehin an ihren Nerven zerren. Fartuloon tauchte neben mir auf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Wahrscheinlich hatte er wie ich mehrere schmerzhafte Prellungen erlitten. »Das wird schon wieder eine Nottransition, wie?« schrie er mir über den Lärm der Sirenen zu. »Und das alles an einem einzigen Tag.« »Ich hoffe, diesmal hat Trubato dem Automaten schon vorbeugend die Daten einer geplanten Transition eingegeben«, rief ich zurück. Als eine weitere Sirene in das Heulkonzert einfiel, leuchtete über Trubatos Platz das Symbol für Transitionsbereitschaft auf. Mein Erster Offizier preßte seine Handfläche auf die rote Schaltplatte – und im nächsten Augenblick spürte ich den typischen Entzerrungsschmerz im Genick. Die Erkenntnis, daß der Schmerz bewies,
36 daß die Transition geglückt war, half mir über ihn hinweg. Es war still bis auf ein rasch abklingendes Rumoren. Als ich wieder klar sehen konnte, erblickte ich auf den Heckbildschirmen der Panoramagalerie rechts neben der blauen Riesensonne einen grell strahlenden Lichtfleck und in geringer Entfernung davon die von bleichem Flackerlicht übergossene Kugel des Planeten Marlackskor I. Mehrere Lichtpunkte in der Nähe schienen explodierte Maahkraumschiffe oder radförmige Raumstationen zu sein, die es auch dicht bei Marlackskor I gegeben hatte. Dieser Anblick machte es mehr als unwahrscheinlich, daß außer uns jemand von Rashillkane entkommen war. Ich dachte an die arkonidischen Wissenschaftler, die ihren eigenen Tod programmiert hatten, um zu verhindern, daß die Maahks eine Vernichtungswaffe in die Hände bekamen, mit der sie den Methankrieg zu ihren Gunsten hätten entscheiden können. »Wir werden euch nicht vergessen«, versprach ich gedankenversunken. Nach einer angemessenen Frist sagte Fartuloon: »Bitte, vergiß darüber nicht, daß wir uns mitten in einer Raumschlacht befinden und uns eine ganz bestimmte Aufgabe gestellt haben, Atlan.« Ich riß mich von meinen Gedanken los und wandte mich den Orterschirmen zu. Auf den Schirmen wimmelte es von Lichtpunkten, und nur die von der Bordpositronik eingeblendete unterschiedliche Färbung ermöglichte es, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Die Raumschlacht vor Marlackskor tobte mit unverminderter Heftigkeit zwischen isolierten Pulks von Kugelraumern und Maahkschiffen. An manchen Stellen befanden sich die Arkoniden im Angriff, an anderen die Maahks. »Der Feldherrnhügel ist nur mit einem Flaggschiff besetzt«, meldete Helos Trubato. Ich schaute meinem Ersten Offizier ins Gesicht. Es wirkte noch von der vorange-
H. G. Ewers gangenen Anspannung gezeichnet, doch die Augen funkelten schon wieder unternehmungslustig. »Danke, Trubato!« sagte ich. »Ohne Sie und Ihre tüchtigen Leute wären wir jetzt alle tot.« Ich holte tief Luft. »Demnach muß sich ein Flaggschiff als Ersatz an die Front begeben haben. Wahrscheinlich die ZOURMITHON mit Sonnenträgerin Arthamin. Wir werden es suchen und finden, und diesmal muß unser Plan gelingen.« Ich übernahm wieder meinen Platz, und während die Besatzung der Funkzentrale nach Hyperfunksprüchen der ZOURMITHON suchte, um das Flaggschiff der Sonnenträgerin einpeilen zu können, steuerte ich unser Schiff ins Kampfgetümmel hinein.
* Schon nach kurzer Zeit hatten wir die ZOURMITHON gefunden. Sie befand sich an der Spitze eines Pulks, der gerade einen Pulk Maahkraumschiffe angriff und dabei einige Abschüsse erzielte. »Ich frage mich, warum die Flotte des Imperiums sich nicht zurückzieht, nachdem die führenden Leute wissen, daß Rashillkane nicht mehr existiert«, meinte Fartuloon. »Dadurch ist doch der Grund für den Angriff entfallen.« »Man hat sich in den Feind verbissen«, erwiderte ich. »Es ist der Haß, der die Frauen und Männer Arkons den Kampf fortsetzen läßt. Und ich kann es ihnen nachfühlen, denn am liebsten würde ich mich mit der ISCHTAR ebenfalls in den Kampf stürzen.« »Du weißt, daß du dich zurückhalten mußt«, mahnte mein Pflegevater. »Außerdem haben wir auf Rashillkane schon mehr als genug für das Große Imperium riskiert.« »Das ist mir alles klar«, erklärte ich, während ich die ISCHTAR vorsichtig an die beiden ineinander verkeilten feindlichen Pulks heransteuerte. Vorsicht war deshalb geboten, weil der Weltraum in diesem Sektor von treibenden Wrackteilen wimmelte.
Gefahr für das das Imperium Schalteten wir den Schutzschirm ein, um uns gegen die Wrackteile besser zu schützen, wurde die energetische Aureole mit Sicherheit von den Maahks geortet. Ein allein fliegendes feindliches Schiff mußte ihnen als leichte Beute ihrer Strahlkanonen erscheinen. Ein Kampf aber würde uns an der Durchführung unseres Vorhabens hindern. »Karmina Arthamin begeht einen Fehler«, meinte Fartuloon. »Der Stoßkeil ihrer Schiffe hat den Pulk der Maahks zwar aufgespalten, aber sie behält die Formation bei, anstatt den Pulk zu einer Kugel umzubilden. Dadurch können die Maahks Flankenangriffe durchführen.« Ich sah, was mein Pflegevater meinte. Die Maahks reagierten inzwischen auf den Fehler der Sonnenträgerin. Sie formierten sich zu zwei dicht gestaffelten Gruppen, die, pausenlos Breitseiten abfeuernd, langsam gegen die Flanken des arkonidischen Keilverbandes vorrückten. Karmina Arthamin erkannte ihren Fehler ebenfalls. Wir fingen den Funkspruch auf, mit dem sie den Kommandanten ihres Verbandes befahl, ihre Schiffe zu einer Hohlkugel zusammenzuziehen. Aber der Befehl kam zu spät – jedenfalls für die Spitze des Keiles. Die Breitseiten der maahkschen Strahlgeschütze hatten eine Lücke in den Verband geschossen. In diese Lücke stießen die Maahks vor, und obwohl sie dabei fünf Schiffe verloren, gelang es ihnen, die Formationsspitze von der Hauptgruppe abzuschneiden. Acht Schiffe, unter ihnen die ZOURMITHON, hatten den Kontakt zu ihrem Pulk verloren und sahen sich wütenden Angriffen einer zahlenmäßig hohen Übermacht ausgesetzt. Ohne Anschluß an die Hauptgruppe wurden ihre Manövrierkünste zur Farce, und obwohl sie sich standhaft wehrten, fiel eines der Schiffe nach dem anderen aus. Aus den manövrierunfähig geschossenen Kugelraumschiffen lösten sich Beiboote. Sie versuchten zu fliehen, wurden aber von den Maahks gnadenlos abgeschossen. »Da!« rief Fartuloon. »Die ZOURMIT-
37 HON hat drei schwere Treffer einstecken müssen. Sie versucht, sich aus dem Kampfgetümmel zu lösen, hat aber keine Chance mehr.« »ZOURMITHON funkt um Hilfe!« teilte uns die Funkzentrale mit. »Sie kündigt das Ausschleusen ihrer Beiboote an und fordert alle anderen Schiffe auf, die Boote an Bord zu nehmen.« Ich schaltete die Triebwerke der ISCHTAR hoch. »Wir werden der Sonnenträgerin zu Hilfe eilen!« verkündete ich. »Funkzentrale, geben Sie Peilstrahl, damit die Rettungsboote uns schneller finden!« »Aber die Maahks finden uns dann auch schneller«, meinte Fartuloon warnend. Ich preßte die Lippen zusammen, dann schaltete ich die Rundrufanlage ein und sagte: »Atlan an Besatzung. Feuer frei für alle Geschützstände auf Ziele eigener Wahl! Tod den Maahks!« »Tod den Maahks!« schrien die Frauen und Männer der Zentralebesatzung. Ich schaltete den Schutzschirm ein, als ich auf den Orterschirmen sah, daß ein einzelnes Walzenraumschiff Kurs auf die ISCHTAR nahm. Kurz darauf entlud sich die Breitseite der maahkschen Strahlgeschütze in der energetischen Hülle. Sie verpuffte wirkungslos. Der Maahk hatte das Feuer aus zu großer Distanz eröffnet. Meine Raumkanoniere schossen noch nicht, eine Folge ihrer harten Ausbildung, in der ihnen immer wieder eingehämmert worden war, wann sie ihre Waffen wie einsetzen mußten, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Der Maahk schoß eine Serie Raumtorpedos ab. Sie wurden durch Punktfeuer auf halbem Wege zur Explosion gebracht. Dann fuhr dem Walzenraumschiff unsere erste Breitseite entgegen. Sie erzeugte ein lautloses vielfarbiges Energiegewitter im Schutzschirm des Maahks, schlug aber noch nicht durch. Die zweite Breitseite des Maahks ließ un-
38 seren Schutzschirm flackern. Daraufhin griff der Feuerleitoffizier, der sich in der Zentrale befand, ein und schaltete alle Schiffsgeschütze auf einen Punkt des maahkschen Energieschirms. Diesmal wurde der Energieschirm des Walzenraumers aufgerissen. Eine kreisförmige Stelle seiner Außenhülle glühte kirschrot auf. Das Glühen wurde weiß, als der vereinte Energiestrahl auf der Stelle verharrte. Dann brach er durch. Im nächsten Augenblick verwandelte sich das Maahkraumschiff in eine explodierende Bombe. Einige Trümmer streiften unseren Schutzschirm, als ich die ISCHTAR mit voller Fahrt an der Explosionsstelle vorbei steuerte. Unterdessen war die ZOURMITHON zu einem hilflos treibenden Wrack geworden, das von innen heraus glühte. Auf den Orterschirmen konnte ich neun Beiboote sehen, die sich wild kurvend von ihrem Mutterschiff entfernten. Sie bewegten sich in unsere Richtung. Demnach empfingen sie den Peilstrahl. Ich mußte abbremsen, um die ISCHTAR nicht an den Rettungsbooten vorbeischießen zu lassen. In hilflosem Zorn sah ich zu, wie die Maahks ein Beiboot nach dem anderen abschossen. Ich konnte nicht eingreifen, da die Maahkraumschiffe noch zu weit entfernt waren. Plötzlich tauchte ein Walzenraumer hinter uns auf. Aber meine Geschützbedienungen hatten aufgepaßt. Sie schickten ihm eine Salve aus den Strahlgeschützen entgegen und jagten einen Fächer aus Raumtorpedos hinterher. Während der Maahk durch die Entladungen in seinem Schutzschirm geblendet war, konnte er die Raumtorpedos nur verzerrt oder gar nicht orten. Als er sie schließlich bemerkte, war es zu spät für ihn. Er schoß drei Torpedos ab. Die übrigen drei explodierten an seinem Energieschirm und ließen ihn zusammenbrechen, so daß unsere nächste Salve die ungeschützte Außenhülle des Maahks zerfetzte und ihn in ein Wrack verwandelte.
H. G. Ewers Aber vor uns hatten die anderen Walzenraumschiffe acht Beiboote der ZOURMITHON abgeschossen. Das neunte befand sich im unsichtbaren Griff unserer Traktorstrahlen. Mir war es im Augenblick egal, ob sich Karmina Arthamin darin befand. Solange wir die Besatzung des Beiboots nicht in Sicherheit gebracht hatten, bestand sie für uns nur aus Arkoniden in Raumnot, die wir unter Einsatz des eigenen Lebens zu retten hatten. Endlich war das Beiboot eingeschleust. Ich drehte sofort hart nach Backbord ab. Meine Leute verfeuerten sämtliche Raumtorpedos, so daß die Maahks, die zur Verfolgung ansetzten, kurze Zeit damit beschäftigt waren, die gefährlichen Torpedos abzuschießen. Dadurch gelang es mir, die ISCHTAR vom Feind zu lösen und in den freien Raum zwischen den kämpfenden Pulks zu steuern. Erst danach schaltete ich den Bordtelekom auf die Flottenfrequenz des Großen Imperiums, forderte die Identifikation vom Piloten des Beiboots und bat ihn, anschließend in die Kommandozentrale zu kommen. »Hier spricht Sonnenträgerin Arthamin!« schallte es mir zur Antwort aus meinem Telekom entgegen. »Ich werde in Ihre Zentrale kommen und den Befehl über dieses Schiff übernehmen!« Ich schaltete das Gerät ab, wandte mich an Fartuloon und sagte lächelnd: »Laß uns alles zur ›Befehlsübergabe‹ an Sonnenträgerin Arthamin vorbereiten, Dicker. Schließlich wollen wir die Dame nicht enttäuschen.«
7. Ich schaltete die Innenbeobachtung ein. Auf den Monitoren war sowohl das gerettete Beiboot in seinem Hangar zu sehen als auch Karmina Arthamin, die sich an der Spitze einer achtköpfigen Gruppe von Offizieren auf dem Weg zur Kommandozentrale befand. »Falls es Widerstand zu brechen gilt, werden ausschließlich Schockwaffen verwendet!« befahl ich den Offizieren in der Zentrale. »Die Arkoniden, die wir zu Gefange-
Gefahr für das das Imperium nen machen wollen, sind nicht unsere Feinde.« Ich sah, daß Ras rechte Hand nicht auf dem Griffstück seines Schockblasters lag, sondern auf dem seines Thermostrahlers. »Das gilt auch für dich, Ra!« sagte ich scharf. »Wenn du tötest, lasse ich dich als Mörder aburteilen!« Der Barbar verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln, gehorchte aber und nahm die Hand vom Griffstück der tödlichen Waffe. Kurz darauf öffnete sich das schwere Panzerschott der Zentrale. Zuerst schritt Karmina Arthamin herein. Sie war groß und etwas zu hager, um schön zu sein. Ihr Alter mochte siebenundzwanzig Arkonjahre betragen. Die kalt blickenden Augen verrieten die Arroganz uralten arkonidischen Adels und standen in krassem Gegensatz zu den zart wirkenden Zügen ihres schmalen Gesichts. Wir hatten uns alle beim Eintritt der Sonnenträgerin erhoben. Meine Leute nahmen Haltung an, salutierten aber nicht, um ihre Hände in der Nähe ihrer Schockstrahler zu lassen. In der Mitte der Zentrale blieb Karmina Arthamin stehen. Mit hocherhobenem Kopf musterte sie mich, der ich ihr ein Stück entgegengegangen war. Ihre Begleiter blieben zwei Schritte hinter ihr zurück. Ich nahm keine Haltung an, sondern neigte nur andeutungsweise den Kopf und sagte: »Willkommen an Bord der ISCHTAR, Sonnenträgerin Arthamin! Es ist mir eine besondere Ehre, Sie auf meinem Schiff begrüßen zu dürfen.« »Danke!« erwiderte Karmina Arthamin kühl. Über ihrer Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte tiefe Falten. Ihr Blick glitt an mir vorbei und blieb an Vorry haften. »Was ist das für ein Schiff?« fragte sie alarmiert. »Ich sehe keine Rangabzeichen und keine Zugehörigkeitssymbole einer regulären Flotteneinheit. Wer sind Sie, Kommandant?« Ich lächelte. »Mein Kompliment zu Ihrem scharfen
39 Urteilsvermögen, Sonnenträgerin Arthamin«, sagte ich höflich. »Wir gehören tatsächlich nicht zur Flotte des Großen Imperiums, sondern …« Karmina Arthamin ließ mich nicht weiter reden. Impulsiv zog sie ihre Strahlwaffe und schrie: »Verrat! Wehrt euch, Männer!« Ihre Offiziere wollten ebenfalls ziehen, wurden aber von Schockstrahlen getroffen und sanken gelähmt zusammen. Ich trat vor und schlug der Sonnenträgerin die Waffe aus der Hand. Sie polterte auf den Boden, und ich stieß sie mit dem Fuß aus Karminas Reichweite. »Es tut mir leid, Sonnenträgerin Arthamin«, sagte ich. »Das hätte nicht zu sein brauchen. Uns liegt nichts daran, Sie und Ihre Leute zu verletzen oder gar zu töten.« »Schweigen Sie!« herrschte Karmina mich an. »Sie sind ein elender Pirat, der sich nicht scheut, das Durcheinander einer heldenmütig geführten Raumschlacht auszunutzen, um Geiseln in seine Gewalt zu bringen, für die er Lösegeld verlangen kann. Haben Sie überhaupt kein Ehrgefühl, daß Sie unseren tapferen Leuten in den Rücken fallen, anstatt Ihr Leben im Kampf gegen die Maahks einzusetzen?« »Die Restbesatzung des Beiboots ist überwältigt«, teilte mir Helos Trubato nach einem kurzen Interkomgespräch mit. »Es hat keine Verluste gegeben.« »Danke!« erwiderte ich. Dann wandte ich mich wieder der Sonnenträgerin zu. »Sie schätzen uns völlig falsch ein«, erklärte ich. »Wir sind keine Piraten, sondern Frauen und Männer, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Mörder und Diktator Orbanaschol III. zu stürzen und mich, den Kristallprinzen Atlan, zum Imperator des Großen Imperiums zu machen, ein Titel, der mir als dem Sohn von Gonozal VII. zusteht.« Karminas Augen weiteten sich vor Überraschung, doch dann zogen sie sich zu engen Schlitzen zusammen. »Sie also sind Atlan!« sagte sie gedehnt. »Der Rebell, auf dessen Kopf der Imperator
40 eine hohe Belohnung ausgesetzt hat. Ich hatte Sie mir älter vorgestellt.« »Ich bin achtzehn Arkonjahre alt«, erklärte ich. »Und so etwas will als Imperator das Große Imperium regieren!« entfuhr es der Sonnenträgerin. »Ein halbes Kind soll das riesige Sternenreich der Arkoniden verwalten und es gegen die Übermacht der mordgierigen Maahks verteidigen!« »Immerhin hat dieses halbe Kind die dritte Stufe der ARK SUMMIA!« warf Fartuloon mit schneidender Schärfe ein. »Und Atlan dürfte weit mehr Kämpfe hinter sich haben als Sie. Außerdem scheint es Sie nicht zu stören, daß Orbanaschol III. ein Mörder und Diktator ist.« Karmina Arthamin wölbte die Brauen und musterte meinen Pflegevater genau, dann entgegnete sie kühl: »Die Auseinandersetzungen um die Regentschaft über das Große Imperium wurden seit jeher mit allen vorstellbaren Mitteln geführt. Es interessiert mich nicht, wie Orbanaschol III. an die Macht kam. Und daß er diktatorisch regiert, ist eine Folge des Methankriegs, der uns schon viel Blut und Geld gekostet hat. Ein Volk, das um seine Existenz ringt, muß straff geführt werden. Es würde sonst zu langsam auf innere und äußere Bedrohungen reagieren – und das wäre sein Untergang.« Ihr Blick schweifte wieder zu mir herüber. »Was Sie angeht, junger Mann, so bedaure ich es, daß ich nicht in der Lage bin, Orbanaschol III. Ihren Kopf zu bringen. Nicht, um die ausgesetzte Belohnung zu kassieren, sondern um das Große Imperium von einem Unruheherd zu befreien, der angesichts der Bedrohung durch die Maahks gefährlich ist und deshalb ausgetreten werden muß.« Das waren harte Worte. Aber in einem gewissen Ausmaß konnte ich die Sonnenträgerin verstehen. Wahrscheinlich war sie schon seit längerer Zeit zu dem Schluß gekommen, sich jeglicher moralischer Bewertungen zu enthalten, wenn dadurch die Einigkeit der
H. G. Ewers Arkoniden gefährdet werden konnte. »Ich bedaure, daß Sie so starrsinnig sind, Sonnenträgerin Arthamin«, erklärte ich. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie mir Verständnis entgegengebracht hätten. So muß ich Sie leider unter Arrest stellen.« »Was haben Sie mit mir vor?« erkundigte sich Karmina, ohne Furcht zu zeigen. Ich lächelte ironisch und antwortete: »Ich werde mich, wie das beim Kampf um die Regentschaft über das Große Imperium seit jeher üblich war, einiger Tricks und Listen bedienen. Sie sind eine Karte in meinem Spiel. Vorerst bringen wir Sie und Ihre Leute zu einem unserer Stützpunktplaneten.« Ich wandte mich an meinen Ersten Offizier. »Trubato, veranlassen Sie, daß Sonnenträgerin Arthamin in die vorbereitete Offizierskabine gebracht und streng bewacht wird!« Karmina Arthamin lachte verächtlich. »Auch das ist typisch für einen Verräter. Er bringt seine Beute in Sicherheit, anstatt unsere tapferen Raumfahrer gegen die Übermacht der Maahks zu unterstützen.« Ich biß mir auf die Lippen, als ich aus den Mienen einiger meiner Offiziere las, daß sie innerlich mit der letzten Bemerkung der Arkonidin sympathisierten. Sie erwarteten von mir, daß ich, nachdem wir unser Ziel erreicht hatten, die ISCHTAR in die Flotte des Imperiums eingliederte und bis zum Ende der Raumschlacht ausharrte. Dennoch entschloß ich mich dafür, schnellstens nach Kraumon zurückzukehren, obwohl mich plötzlich das schlechte Gewissen plagte. Und in dieser Situation meldete sich die Ortungszentrale und berichtete, daß das Schlachtenglück sich den Maahks zuneigte. Durch ihren beharrlichen Widerstand trotz hoher Verluste und ihre sturen Angriffe und Gegenangriffe hatten die Maahks bereits mehrere arkonische Raumschiffspulks zersprengt. Gegen versprengte einzelne Schiffe konnte sich die zahlenmäßige Überlegenheit der Wasserstoffatmer auswirken. Die Auflö-
Gefahr für das das Imperium sung der Imperiumsflotte war noch nicht geschehen, zeichnete sich aber schon ab.
* Karmina Arthamin war stehengeblieben, um die Durchsage der Ortungszentrale mitzuhören. Die beiden Männer, die sie zu ihrer Kabine bringen sollten, wagten nicht, sie anzutreiben. Als die Durchsage beendet war, maß die Sonnenträgerin mich abfällig von oben bis unten und sagte eisig: »Sie sind nicht nur ein Pirat und Verräter, sondern auch ein Feigling, Atlan! Hier ist eine Arkonflotte vom Untergang bedroht, und Sie ziehen sich zurück, anstatt den Männern zu helfen, über die Sie am liebsten regieren möchten.« Das traf mich hart. Ich fühlte mich nicht als Feigling, aber ich wollte den Vorwurf Karminas auch nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen. »Da draußen stehen rund zweitausendachthundert Arkonraumschiffe gegen rund dreitausendfünfhundert Kampfschiffe der Maahks«, sagte ich, mühsam beherrscht. »Können Sie mir denn sagen, was ich mit meinem Schiff allein tun soll, um die Niederlage von der Imperiumsflotte abzuwenden?« »Zumindest können Sie das tun, was die anderen arkonidischen Schiffskommandanten ebenfalls tun: kämpfen!« erwiderte Karmina Arthamin. »Wahrscheinlich sterben Sie – und ich sterbe mit. Aber das ist mir lieber, als feige zusehen zu müssen, wie eine arkonidische Raumflotte zerschlagen wird.« »Es ist eine Sache, den Tod nicht zu fürchten, und eine andere, sich ihm mutwillig in die Arme zu stürzen, ohne dabei etwas Konkretes zu erreichen«, sagte ich. »Vielleicht können wir doch das Schlimmste verhindern, Atlan«, warf Fartuloon ein. Ich schaute meinen Pflegevater prüfend an. Auch Karmina Arthamin musterte Fartuloon mit jäh erwachtem Interesse.
41 »Wie meinst du das?« fragte ich. Fartuloon lächelte versonnen. »Sehr viele Offiziere an Bord der Imperiumsschiffe dürften ergraute Kämpen sein, die schon zur Regierungszeit deines Vaters gegen die Maahks gekämpft haben«, erklärte er. »Im Unterschied zu Orbanaschol hat Gonozal VII. mit seinem jeweiligen Flaggschiff unsere Flotten oftmals persönlich in die Schlacht geführt. Und diese Gewißheit, daß der Imperator in vorderster Front Schulter an Schulter mit ihnen gegen die Todfeinde Arkons kämpfte, hat unseren Offizieren und Raumsoldaten oft geholfen, dem Tod unerschütterlich ins Auge zu schauen und dadurch so manche Schlacht zu unseren Gunsten zu entscheiden.« Fartuloon legte eine psychologisch geschickte Pause ein und fuhr dann fort: »Wie würden diese alten Kämpen reagieren, wenn sich der totgesagte Gonozal VII. plötzlich an die Spitze ihrer Flotte stellen würde, wenn sie ihn auf den Hyperkombildschirmen ihrer Schiffe sehen könnten?« »Sie reden Unsinn, dicker Mann!« sagte Karmina Arthamin. »Wie kann ein Toter auf den Hyperkombildschirmen der Schiffe auftauchen und die Raumfahrer zum Widerstand aufrufen?« »Mein Vater ist nicht tot«, sagte ich. »Seine Seele ist verloren, aber er lebt.« »Was?« entfuhr es der Sonnenträgerin unbeherrscht. Sie starrte mich aus geweiteten Augen an. »Ihr Vater lebt? Aber ich dachte …« Ich winkte ab. »Jetzt ist keine Zeit, um zu erklären, warum er noch lebt und wie wir ihn gefunden haben, Sonnenträgerin Arthamin.« Ich gab meinem Pflegevater einen Wink, und Fartuloon verließ die Zentrale. »Sie werden meinem Vater gleich gegenüberstehen. Ich fürchte nur, sein Bild auf den Hyperkombildschirmen der Schiffe allein genügt nicht. Man könnte an einen Betrug glauben, an das Abspielen einer alten Bildaufzeichnung. Aber wenn Sie, die stellvertretende Oberbefehlshaberin der Flotte, erklären, daß Gono-
42 zal VII. tatsächlich noch lebt und sich hinter seine Befehle stellen, dann, so denke ich, dürfen wir mit einem durchschlagenden Erfolg rechnen.« Karmina Arthamin wurde blaß. Zum ersten Mal sah ich sie, die bisher immer beherrscht war, nervös. »Ich soll mich hinter Gonozal VII. stellen?« fragte sie. »Aber damit würde ich die Autorität des regierenden Imperators untergraben und die politische Stabilität des Reiches. Wenn zwei Imperatoren auftreten, müssen die Arkoniden sich in zwei feindliche Lager spalten.« »Mein Vater ist nicht in der Lage, das Imperium zu regieren«, erwiderte ich. »Aber er kann die vernichtende Niederlage dieser Arkonflotte vielleicht verhindern. Sie haben verlangt, daß ich auf der Seite des Imperiums kämpfe. Ich bin dazu bereit, mich nach dem Appell meines Vaters an die Spitze der Flotte zu stellen. Aber die Raumfahrer in den anderen Schiffen werden der ISCHTAR nur folgen, wenn sie sich entscheidend von ihren Schiffen unterscheidet. Die Anwesenheit Gonozals VII. wird das bewirken – wenn man daran glaubt. Vermutet man einen Bluff, rennt die ISCHTAR ganz allein gegen die angreifenden Maahks an.« Karmina Arthamin kämpfte noch mit sich selbst, als Fartuloon meinen Vater hereinführte. Auf den ersten Blick war seine Seelenlosigkeit nicht zu erkennen; er wirkte beeindruckend. Die Sonnen trägerin zuckte zusammen. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie mußte meinen Vater erkennen, obwohl sie noch ein Kind gewesen war, als er ermordet wurde. Aber die Familie derer von Arthamin war am Hofe Gonozals VII. ein- und ausgegangen. Einmal hatte sie sogar einen Imperator gestellt, Arthamin I. Karmina mußte meinem Vater früher mehrmals begegnet sein. Es dauerte lange, bis sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte. »Er ist es«, sagte sie leise. Sie blickte mich an. »Atlan, ich bin bereit, für eine be-
H. G. Ewers grenzte Zeit gemeinsame Sache mit Ihnen zu machen. Aber wenn die Schlacht vorbei ist, sind wir wieder Gegner.« »Mehr verlange ich nicht«, erwiderte ich. »Danke!« Mir krampfte sich das Herz zusammen, als ich neben meinem Vater in der Funkzentrale stand. Ich hatte den Hyperfunkspruch an die Schiffe der Imperiumsflotte vorbereitet. Er brauchte nur noch in die Abtastpositronik des großen Hyperkoms gegeben zu werden. Dort würde er abgelesen und in Impulse verwandelt, die als gesprochene Worte aus den Hyperkomempfängern der Schiffe kommen würden. »Fertig, Kristallprinz«, meldete der Funkoffizier. Ich trat von der Seite meines Vaters zurück und damit aus dem Bilderfassungsbereich des Hyperkomsenders. Nur Karmina Arthamin blieb neben meinem Vater stehen. Von ihr würde es abhängen, ob die Raumfahrer an Bord der Arkonschiffe wie erhofft auf die Befehle Gonozals VII. reagierten. Ich war mir klar darüber, daß die Sonnenträgerin unsere guten Absichten mit einem falschen Wort zunichte machen konnte. Doch ich vertraute darauf, daß ihr die Rettung der Flotte wichtiger war als die Aufdeckung eines psychologischen Schachzugs, den man auch als Schwindel bezeichnen konnte. Auf ein Zeichen von mir schob der Funkoffizier die Folie mit dem Text in den Eingabeschlitz der Abtastpositronik. Da unser Empfangsteil ebenfalls eingeschaltet war, hörten wir mit, was die elektronisch erzeugte Stimme sagte. »Arkoniden! Diejenigen unter euch, die schon unter meinem Oberbefehl gekämpft haben, werden wissen, wer zu ihnen spricht. Für die anderen sage ich es. Ich bin Gonozal VII. der einzige rechtmäßige Imperator des Großen Imperiums, und ich bin hier, weil ich es für meine Pflicht halte, meinen tapferen Raumfahrern gegen die Todfeinde unseres Reiches und Volkes beizustehen. Hört mich an, Arkoniden! Ihr habt euch
Gefahr für das das Imperium tapfer geschlagen. Nur durch seine Übermacht konnte der Feind bedrohliche Einbrüche erzielen und einige Pulks zerschlagen. Diese Schlacht ist wahrscheinlich nicht mehr in einen großartigen Sieg Arkons umzuwandeln. Aber ihr könnt verhindern, daß sie in einer verheerenden Niederlage endet, die sich unweigerlich auf die Gesamtkriegslage auswirken würde. Ich will keine großen Worte machen; das würdet ihr zu Recht nicht verstehen. Aber ich weiß genau, was ihr durchgemacht habt und noch durchmacht. Dennoch befehle ich euch, unserem verhaßten Todfeind wenigstens eine moralische Niederlage beizubringen. Beweist den Maahks, daß Arkoniden sich nicht aufgeben, wenn sie einer erdrückenden Übermacht weichen müssen. Laßt den Rückzug nicht in zügellose Flucht ausarten. Kämpft! Schwächt die Angriffe des Gegners ab! Sammelt euch wieder zu Kampfverbänden! Baut Auffangformationen auf! Geht zu Gegenangriffen über, wo das möglich ist! Liefert Rückzugsgefechte, wo sich das nicht vermeiden läßt. Und schaut dem Tod ins Auge, wenn es im Interesse der Gesamtheit notwendig ist! Arkoniden, mein Flaggschiff ist die ISCHTAR! Seht auf die Orterschirme eurer Schiffe. Das Raumschiff, das sich als erstes dem Feind entgegenwirft, wird die ISCHTAR sein. Und nun, zur Ehre und zum Ruhme Arkons, nehmt eure Herzen fest in eure Hände und folgt mir. Tod allen Maahks!« Während die angebliche Ansprache meines Vaters aus dem Empfänger tönte, hatte ich Karminas Gesicht genau beobachtet. Es zeigte anfangs Widerwillen, dann Nachdenklichkeit – und zum Schluß glühte es in beinahe fanatischem Eifer. Kaum war die Ansprache zu Ende, da hob die Sonnenträgerin ihre Hand und rief: »Ich, Sonnenträgerin Karmina Arthamin, bezeuge, daß neben mir in der Funkzentrale der ISCHTAR der ehemalige Imperator Gonozal VII. steht. Gonozal VII. lebt. Ich schließe mich voll und ganz seinen Worten
43 an und fordere alle Raumfahrer unserer Flotte auf, diese Worte als bindenden Befehl zu betrachten. Tod allen Maahks!« Der Funkoffizier nahm einige Schaltungen vor, dann sagte er: »Sie können wieder offen sprechen. Ich habe alles aufgenommen und auf zehnmalige Wiederholung geschaltet.« »Danke, Sonnenträgerin Arthamin!« sagte ich. Karmina Arthamin wandte sich zu mir um. Sie wirkte innerlich aufgewühlt. »Wenn ich nicht wüßte, daß der Text der Ansprache von Ihnen war, Atlan, ich würde glauben, Gonozal VII. hätte selbst gesprochen. Die Worte hatten mich wirklich gepackt. Es ist gefährlich, wenn ein Rebell es versteht, die Emotionen von Arkoniden so aufzuwühlen, daß sie ihm blindlings vertrauen.« »Die verzweifelten Frauen und Männer in den Schiffen brauchten das, um ihren Mut wiederzugewinnen«, erwiderte ich. »Ich hoffe, daß der Appell an ihre Tapferkeit und ihren Patriotismus sie noch einmal zu Leistungen anspornt, die sie vorher nicht für möglich gehalten hätten. Und nun lassen Sie uns zur Kommandozentrale gehen und den Maahks entgegenfliegen. Wenn wir sterben müssen, dann hoffentlich nicht, bevor wir das erreicht haben, was wir wollen.«
8. Mit steinern wirkendem Gesicht hatte Zweisonnenträger Merlon Lantcor, Oberbefehlshaber der bei Marlackskor eingesetzten Imperiumsflotte, die Hyperkomsendung verfolgt. Sein Flaggschiff, die GLORMOUN, befand sich zu dieser Zeit noch auf dem kosmischen Feldherrnhügel und sammelte versprengte Einheiten um sich. Merlon Lantcor hatte jedoch seinem Schiffskommandanten bereits befohlen, sich zusammen mit den aufgelesenen Schiffen abzusetzen, denn ein Verband von hundertachtzig Maahkraum-
44 schiffen war im Anflug auf seine Position geortet worden. Als die Hyperkomsendung nach zehnmaliger Wiederholung beendet wurde, wandte Lantcor sich an die in der Zentrale seines Flaggschiffs versammelten Stabsoffiziere und erklärte: »Sonnenträgerin Arthamin hat sich zu einer unbedachten Handlung hinreißen lassen, als sie den Appell Gonozals unterstützte. Gonozal mag sich wirklich von idealistischen Motiven leiten lassen und glauben, daß sein persönlicher Einsatz der Flotte hilft, aber dem Großen Imperium würde es unmeßbaren Schaden zufügen, wenn die Flotte einem Ex-Imperator folgte.« Er wandte sich an seinen Adjutanten und befahl: »Lassen Sie über Hyperkom meinen Befehl ausstrahlen, alle unsere Einheiten sollen sich am kosmischen Feldherrnhügel sammeln und zu einem neuen Vorstoß formieren, der unter Führung der GLORMOUN stattfinden wird!« Der Adjutant salutierte und wollte in die Funkzentrale eilen. Admiral Kelkcrane hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. »Ich teile Ihre Besorgnis«, wandte Kelkcrane sich an Lantcor. »Aber was wird aus der ISCHTAR, wenn ihr unsere Schiffe nicht folgen?« Lantcors hartes Gesicht blieb unbewegt, als er erwiderte: »Die ISCHTAR wird meine Hyperkombotschaft ebenso empfangen wie alle anderen Schiffe. Da ich der Oberbefehlshaber bin und auch zu bleiben gedenke, muß ihr Kommandant sich ebenfalls zum kosmischen Feldherrnhügel zurückziehen. Widersetzt er sich diesem Befehl, hat er alle daraus entstehenden Konsequenzen selbst zu verantworten.« Er runzelte die Stirn. »Zu welchem Verband gehört die ISCHTAR überhaupt?« Er wandte sich an einen jüngeren Offizier. »Sestquon, stellen Sie das fest! Und nun, Adjutant, werden Sie endlich meinen Befehl befolgen!«
H. G. Ewers Der eingeschüchterte Adjutant lief davon. »Das wird zu einem Befehlswirrwarr führen«, gab Admiral Kelkcrane zu bedenken. »Vielleicht hätten wir angesichts der militärischen Lage alle Vorbehalte über Bord werfen und uns dem Appell Gonozals anschließen sollen.« »Die Flotte kann nur von einem Imperator kommandiert werden«, entgegnete Merlon Lantcor zurechtweisend. »Das ist Orbanaschol III. Ich weiß überhaupt nicht, wie Gonozal VII. hierher kommt. Es hieß vor vielen Jahren, er wäre tot und in der Heldenstätte KARSEHRA beigesetzt worden. Auf jeden Fall ist er nicht mehr Imperator. Folglich dürfen wir von ihm keine Befehle entgegennehmen.« Der junge Offizier kehrte zurück. Er hatte nur die Speicher der Bordpositronik zu befragen gehabt. »Die ISCHTAR ist nicht registriert, Herr!« meldete er dem Zweisonnenträger. Lantcors Stirn umwölkte sich. »Nicht registriert«, wiederholte er nachdenklich. »Das bedeutet, daß sie sich illegal auf die Kampfstätte vor Marlackskor eingeschlichen hat. Vielleicht gehört sie nicht einmal zur Gesamtflotte des Großen Imperiums. Die Sache gefällt mir immer weniger.« »Funkspruch ausgestrahlt!« meldete sein Adjutant, als er zurückkehrte. »Er wird zehnmal wiederholt.« Lantcors Stirn glättete sich wieder. »Das ist gut«, meinte er. »Soll doch Gonozal mit der ISCHTAR allein in den Tod fliegen, wenn er die Stirn besitzt, gegen die Befehle eines Flottenkommandierenden zu verstoßen.« Er winkte einige seiner Offiziere zur Seite, damit er die Orterschirme, die eine vollständige Übersicht über die Geschehnisse im Sektor Marlackskor zeigten, besser sehen konnte. Einer der grünen Lichtpunkte, die die Imperiumsschiffe markierten, war von einem pulsierenden Leuchtkreis umgeben und flog zwischen zwei zersprengten Pulks direkt auf die nachstoßenden Maahks zu.
Gefahr für das das Imperium »Das muß die ISCHTAR sein«, sagte Lantcor. »Mut hat Gonozal, das muß man ihm lassen. Aber es ist der Mut eines Wahnsinnigen.« Plötzlich weiteten sich seine Augen. »Was ist das?« schrie er. »Adjutant, haben Sie meinen Befehl fehlerhaft formuliert, so daß er mißverstanden werden konnte? Die Schiffe der beiden zersprengten Pulks schließen sich der ISCHTAR an, anstatt hierher zu kommen.« »Nein, ich habe Ihren Befehl richtig formuliert!« stammelte der Adjutant. »Die Wiederholung müßte noch laufen. Soll ich sie in die Kommandozentrale überspielen …?« »Ja, sofort!« befahl Lantcor. Wenig später kam der Befehl über die Telekomlautsprecher in die Kommandozentrale. Merlon Lantcor hörte ihn sich an. Seine Augen füllten sich mit wäßrigem Sekret, was bei allen Arkoniden ein Zeichen starker Erregung war. Äußerlich war Lantcor allerdings wieder ruhig, als er sagte: »Der Befehl ist eindeutig und kann nicht mißverstanden werden. Demnach handeln die Kommandanten dieser Schiffe …«, er deutete auf den betreffenden Orterschirm, »… vorsätzlich befehlswidrig. Ich werde sie alle vor ein Kriegsgericht stellen und zum Tode verurteilen lassen. Aber vorher spreche ich mit ihnen.« Er stapfte durch die Kommandozentrale und betrat durch ein Schott die daneben liegende Funkzentrale. Der Erste Funkoffizier räumte auf eine herrische Handbewegung hin seinen Platz vor dem großen Hyperfunkgerät. Merlon Lantcor setzte sich vor das Gerät, schaltete er auf maximale Sendeleistung und sagte: »Zweisonnenträger Lantcor an die Kommandanten der Raumschiffe, die sich an die ISCHTAR gehängt haben! Ich erwarte Ihren sofortigen Rückruf über SynchromatSammelschaltung!« Mit grimmiger Miene blickte er auf das
45 Kontrollpult der Synchromat-Sammelschaltung. Nach und nach leuchteten immer mehr runde Schalttasten in gelbem Licht auf. Elektronische Rasterpunkte formten auf jeder Leuchttaste grünlich flimmernde Schriftzeichen, die Namen der betreffenden Raumschiffe. Da nicht alle Gesprächspartner gleichzeitig reden konnten, gab Lantcor durch einen Fingerdruck auf eine Taste dem Kommandanten des betreffenden Schiffes zu verstehen, daß er an der Reihe war. Alle anderen Kommandanten hörten zwar mit, durften aber erst nach Aufforderung sprechen. Zweisonnenträger Lantcor wählte die Taste mit dem Schiffsnamen VRORSAKOR, weil er mit dem Kommandanten dieses Schiffes entfernt verwandt war. Auf dem Hyperkombildschirm entstand das Abbild des Kommandanten, eines hochgewachsenen hageren Arkoniden mit einem schmalen Gesicht, dessen Glätte verriet, daß er höchstens fünfundzwanzig Arkonjahre alt war. Tatsächlich hatte Rorrak Amjun das Kommando über die VRORSAKOR nur durch Vermittlung Lantcors erhalten. »Kommandant Amjun!« sagte Lantcor drohend. »Haben Sie meinen Befehl nicht erhalten – oder aus welchem Grunde fliegen Sie der ISCHTAR nach, anstatt hierher zu kommen?« Rorrak Amjuns Gesichtsblässe verriet, daß er sich klar darüber war, was er getan hatte. Doch seine Stimme klang fest, als er erwiderte: »Wir haben uns entschlossen, der ISCHTAR zu folgen, weil ein Rückzug auf die Position des Feldherrnhügels nicht durchführbar ist. Der Weg wird von starken maahkschen Verbänden gesperrt. Wir können das Schlimmste nur abwenden, wenn wir hier, wo wir uns befinden, die Initiative wieder an uns reißen.« »Das ist Befehlsverweigerung!« erklärte Lantcor. »Ich gebe Ihnen eine letzte Gelegenheit, Ihren Fehler zu korrigieren. Befolgen Sie unverzüglich meinen Befehl! Andernfalls ist Ihnen der Tod durch ein Exeku-
46 tionskommando sicher.« Als Amjun ihn nur schweigend anstarrte, brüllte er: »Willst du etwa meutern, Junge?« »Nein!« antwortete Amjun verunsichert. »Ich werde Ihren Befehl befolgen, Zweisonnenträger Lantcor.« Merlon Lantcor atmete verstohlen auf. Aber er freute sich zu früh. Plötzlich erscheinen auf dem Hyperkombildschirm zwei ältere Raumfahrer neben Amjun. Sie hielten Schockwaffen in den Händen. Einer von ihnen wandte sich so um, daß Lantcor sein von Falten und Narben entstelltes Gesicht sehen konnte. »Zweisonnenträger Lantcor!« sagte er mit rauher, selbstbewußter Stimme. »Ich bin Wakhran Markanter, Feuerleitoffizier der VRORSAKOR und Teilnehmer an über fünfhundert Raumschlachten, darunter der Raumschlacht im Bekwyn-System, bei dem eine arkonidische Flotte von tausendsechshundert Schiffen unter persönlicher Führung von Imperator Gonozal VII. rund dreitausend schwere Kampfschiffe der Maahks besiegte.« Er holte tief Luft, dann fuhr er mit grimmigem Lächeln fort: »Ich erkenne an, daß Sie unsere Flotte am Anfang der Schlacht gut geführt haben, Zweisonnenträger. Inzwischen aber haben Sie die Übersicht verloren. Wenn wir uns nach Ihrem Befehl richten, geht der größte Teil unserer Flotte zugrunde. Nur wenn wir uns Gonozal VII. anschließen, können wir das Gros unserer Flotte und die Ehre des Großen Imperiums retten. Deshalb stellen wir Kommandant Amjun unter Arrest. Ab sofort habe ich das Kommando über die VRORSAKOR. Nach der Schlacht werde ich mich verantworten, falls ich dann noch lebe. Vorwärts mit Imperator Gonozal für Arkon! Tod allen Maahks!« »Vorwärts mit Imperator Gonozal für Arkon! Tod allen Maahks!« dröhnte es überlaut aus den Lautsprechern des Hyperkoms. Es schien, als hätten alle eingeschalteten
H. G. Ewers Kommandanten in den Ruf eingestimmt. Zweisonnenträger Lantcor war totenbleich geworden. Er suchte vergeblich nach Worten. Schließlich schaltete er den Hyperkom einfach ab und gab damit seine Niederlage zu.
* Da der Appell Gonozals VII. in Klartext gefunkt worden war, hatten die Maahks keine Mühe gehabt, ihn mit Hilfe von Translatoren ins Kraahmak zu übersetzen. Der Grek-1 der maahkschen Marlackskor-Flotte gab ein paar undefinierbare Laute von sich, als er den Text zu lesen bekam. »Es ist das übliche emotionsgeladene Geschwafel, das diese häßlichen Kreaturen immer dann ertönen lassen, wenn sie eine sichere Niederlage vor Augen haben«, erklärte er. »Sie arbeiten damit uns nur in die Hände, denn wenn sich ihre Schiffe stellen, können wir die einzelnen Gruppen einkesseln und völlig aufreiben.« »Wir sollten uns dennoch vorsehen«, meinte Grek-2, sein Stellvertreter. »Gonozal VII. war schon immer ein gefährlicher Gegner. Ich erinnere mich noch deutlich an die Schlacht von Bekwyn, in der ich eine gewaltige Übermacht kommandierte. Dennoch haben die Arkoniden uns damals geschlagen und beinahe vollständig aufgerieben.« »Deshalb wurden Sie auch degradiert, Grek-2«, erwiderte Grek-1. »Sie verstanden es damals nicht, sich taktisch auf die irrationale Wildheit der arkonidischen Angriffe einzustellen. Bei Lebewesen, die sich nicht von der Vernunft und Logik leiten lassen, muß man immer mit Überraschungen rechnen. Ich werde jedenfalls nicht in den gleichen Fehler verfallen wie Sie. Geben Sie an alle unsere Einheiten den Befehl durch, an den eingeleiteten Zangenbewegungen festzuhalten!« Grek-2 erweckte durch seine Haltung den Eindruck, als wollte er widersprechen. Doch dann drehte er sich nur um und ging zur Funkzentrale.
Gefahr für das das Imperium Grek-1 beobachtete auf den Orterschirmen seiner Kommandozentrale, wie ein einzelnes Arkonraumschiff wendete und Kurs auf die Angriffsformationen seiner Flotte nahm. Er schloß daraus, daß es sich um die ISCHTAR handelte, die den verstorben geglaubten Imperator Gonozal VII. an Bord hatte. Kurz überlegte der Maahk, ob er einen Verband damit beauftragen sollte, sich auf das einzelne Schiff zu stürzen und es abzuschießen. Er entschied sich dagegen, weil er annahm, daß die anderen arkonidischen Schiffe sich nach dem Ausfall von Imperator Gonozal wieder zur Flucht wenden würden. Unterdessen wurden mehr und mehr Hyperfunksprüche der Arkoniden aufgefangen. Im Unterschied zu Gonozals Appell waren sie jedoch alle hochwertig kodiert, so daß Grek-1 nichts mit ihnen anfangen konnte. Daraus, daß auch die ISCHTAR ständig funkte, schloß er jedoch, daß sie dabei war, die Bewegungen der arkonidischen Verbände und Einzelschiffe fest unter Kontrolle zu bekommen. Die maahkschen Verbände stießen unterdessen weiter vor. Die Arkoniden reagierten unterschiedlich darauf. Einige ihrer Pulks zogen sich zurück und entgingen dadurch den maahkschen Zangenbewegungen. Andere Verbände stemmten sich in erbitterten Nachhutgefechten den Angreifern entgegen und bremsten deren Tempo ab. Zwar waren die arkonidischen Nachhuten sehr klein. Dafür aber kämpften sie mit Todesverachtung. Sogar ihre manövrierunfähig geschossenen Schiffe wehrten sich, bis der letzte Geschützstand ausgefallen war. Aus brennenden Wracks wurden Raumminen ausgeworfen, die einigen Walzenschiffen zum Verhängnis wurden. Grek-1 schaltete eine Verbindung zur Funkzentrale durch und gab neue Anweisungen. Er ließ einen starken Verband, der den arkonidischen Feldherrnhügel ansteuerte, eine Schwenkung nach Steuerbord vollziehen, um einen arkonidischen Pulk anzugreifen, der sich eben erst gebildet hatte.
47 Ein anderer Verband, der ganz in der Nähe operierte, fragte an, ob er dem ersten zu Hilfe kommen sollte. Grek-1 verneinte und befahl dieser Gruppe, geradeaus weiter vorzustoßen. Als er merkte, daß der erste Verband den arkonidischen Pulk doch nicht zersprengen konnte, ließ er den zweiten Verband umkehren. Diese Maßnahme kam zu spät. Die Arkoniden hatten den ersten Verband fast aufgerieben, als der zweite eintraf – und der zweite Verband schien das gleiche Schicksal zu erleiden. Grek-1 begriff nicht, warum die Arkoniden, die schon geschlagen gewesen waren, ihr Heil nicht in schneller Flucht suchten, sondern abwechselnd angriffen und zurückwichen. Dennoch verlor er seine Überzeugung, daß er die Schlacht bereits gewonnen hatte, nicht. Er versuchte, sich auf die unberechenbare Taktik der Arkoniden einzustellen, zog Kampfgruppen aus vorstoßenden Verbänden, verstärkte andere Gruppen, gab Angriffsbefehle und änderte diese Befehle in Umgehungsanweisungen, die er bald darauf wieder korrigieren mußte. Es dauerte nicht lange, und er hatte die Übersicht verloren. »Wir haben sie und werden sie vernichten«, sagte er zu seinem Stellvertreter. »Sie sind völlig verwirrt, deshalb lassen sich ihre Aktionen zur Zeit schlecht vorausberechnen. Aber es kann nicht lange dauern, bis ihre Verluste so hoch geworden sind, daß sie, gefühlsbetont, wie sie reagieren, vor Furcht gelähmt sein werden.« »Immerhin haben sie Rashillkane vernichtet und damit das Projekt Tacksmuth«, gab Grek-2 zu bedenken. »Diesen Erfolg bezahlen sie mit dem Verlust einer ganzen Flotte«, erwiderte Grek-1. »Es scheint, als wären die Arkoniden doch nicht so sehr verwirrt, wie Sie annehmen, Grek-1«, stellte Grek-2 fest. »Ich erkenne aus den vielfältigen Bewegungen, daß sie das Gros ihrer Flotte weit im hinteren Raum sammeln und daß die harten Gefechte ihrer Nachhuten nur dazu dienen sollen, unsere Front aufzusplittern und unsere Vorstö-
48 ße zu verlangsamen.« »Wie würden denn Sie an meiner Stelle handeln?« erkundigte sich Grek-1. »Ich würde die arkonidischen Nachhuten gar nicht beachten, sondern seitlich an ihnen vorbeistürmen lassen.« »Das dachte ich mir«, meinte Grek-1. »Dadurch haben Sie im Bekwyn-System eine Niederlage einstecken müssen. Es gibt eben einige Dinge, die man nicht erlernen kann, wenn nicht eine entsprechend stark ausgeprägte Anlage vorhanden ist.« »Ich habe im Bekwyn-System genauso reagiert wie Sie heute«, entgegnete Grek-2. »Dann ist eben die Situation heute ganz anders als damals«, erklärte der Oberbefehlshaber. »Jedenfalls werde ich nicht den Fehler begehen, kampffähige arkonidische Verbände im Rücken meiner Flotte zu lassen. Erst wenn sie niedergekämpft sind, können wir zum entscheidenden Sturm ansetzen.« Darauf erwiderte Grek-2 nichts. Mit der stoischen Ruhe des Lebewesens, das sein Denken und Handeln nicht von Gefühlen, sondern von glasklarer Logik leiten läßt, beobachtete Grek-1 die Orterschirme. Überall, wo die Verbände der Walzenraumschiffe ihre Zangenbewegungen abschlossen, kamen sie zu spät. Die arkonidischen Verbände, die eingekesselt werden sollten, zogen sich jedesmal so schnell zurück, daß der Schlag ins Leere ging. Und jedesmal, wenn die betreffenden maahkschen Verbände sich zum Nachstoßen formieren wollten, stellte sich ihnen eine arkonidische Nachhut in den Weg, die bis zur Selbstaufopferung kämpfte. »Jedes Nachhutgefecht kostet uns durchschnittlich fünfzehn Totalausfälle und zweiundzwanzig Teilausfälle«, berichtete Grek-2 nach einigen Berechnungen, die er mit der Bordpositronik angestellt hatte. »Aber das ist noch nicht alles. Wir müssen zusätzlich Einheiten abstellen, die unsere manövrierunfähigen Schiffe bewachen, sonst tauchen plötzlich kleinere arkonidische Schiffe auf, wahrscheinlich Beiboote, die ihnen den Rest
H. G. Ewers geben und dann blitzschnell wieder verschwinden.« »Ich sehe ein, daß der ursprüngliche Schwung unseres Angriffs erlahmt ist«, erwiderte Grek-1. »Außerdem haben die meisten unserer Schiffe während der Nachhutgefechte ihre Raumtorpedos restlos verschossen«, erklärte Grek-2. »Ihre Schutzschirmprojektoren sind durch Überlastungen nur mehr halb soviel wert wie zuvor, und die Besatzungen sind durch die Anspannungen ausgebrannt.« »Das trifft aber sicher auch auf die meisten Arkonraumschiffe zu«, meinte Grek-1. »Dennoch werde ich unsere Vorstöße stoppen lassen. Geben Sie durch, daß die Verbände sich vom Feind lösen und sich neu formieren sollen. Danach werden wir mit geballter Kraft angreifen.« »Unsere Flotte hört auf unser Kommando!« teilte Fartuloon mir triumphierend mit. »Lanctor gibt keine Befehle mehr aus, sondern hält sich zurück und beobachtet nur noch die Schlacht.« Ich nickte. Die letzten Kämpfe hatten an meinen Kräften gezehrt. Ich hatte die Steuerung der ISCHTAR ganz meinem Ersten Offizier überlassen und mich ausschließlich der Lenkung aller Aktionen der arkonidischen Verbände gewidmet. Es war nicht leicht gewesen, die über einen weiten Raumsektor verstreuten Schiffe zu aufeinander abgestimmten Aktionen zu bewegen. Um die dafür notwendige Zeit zu gewinnen, hatte ich Nachhutgefechte befehlen müssen, die vielen tapferen Arkoniden das Leben gekostet hatten. Aber ohne ihren aufopfernden Widerstand wären die Verluste der Arkonflotte ungleich höher gewesen. Endlich trug meine Taktik, die den arkonidischen Raumfahrern gegenüber natürlich als Taktik Gonozals VII. ausgegeben wurde, erste Früchte. Der maahksche Oberbefehlshaber hatte sich darauf einstellen wollen, anstatt zu versuchen, die Initiative zu behalten. Dadurch war ihm die Übersicht über das Geschehen verlorengegangen.
Gefahr für das das Imperium Die in kleine Verbände aufgesplitterte Flotte der Maahks war uns zahlenmäßig immer noch so hoch überlegen, daß wir mit unseren überbeanspruchten Schiffen und den abgekämpften Besatzungen nicht an einen Sieg denken konnten. Aber im Gegensatz zum Gros der Maahks, das ziellos hin und her gehetzt worden war, hatte das Gros meiner Leute in letzter Zeit neue Kräfte sammeln können. Vor allem aber hatte sich neue Zuversicht eingestellt und das Bewußtsein, daß die eigene Führung der des Feindes hoch überlegen war. Als ich mich nach Karmina Arthamin umsah, entdeckte ich in ihren Augen so etwas wie Bewunderung und Anerkennung. »Halten Sie mich immer noch für einen Feigling und Piraten, Sonnenträgerin Arthamin?« fragte ich. »Für einen Feigling – nein, für einen Piraten – ja«, antwortete Karmina Arthamin. »Ich gebe zu, daß durch Ihre Initiative viele der Schiffe und Männer des Imperiums gerettet wurden. Aber was haben Sie nun vor?« »Ich warte, bis der Grek-1 der maahkschen Flotte einsieht, daß er seine Verbände umgruppieren muß, wenn er die Übersicht wiedergewinnen und zum entscheidenden Schlag ausholen will«, antwortete ich. »Dann lasse ich unsere Flotte angreifen.« »Es ist nicht Ihre Flotte, sondern die des Großen Imperiums«, entgegnete die Sonnenträgerin abweisend. »Ich rate von einem Angriff ab, Atlan. Er würde in einer Katastrophe für die Imperiumsflotte enden.« »Im Gegenteil«, erklärte ich zuversichtlich. »Wenn wir jetzt fliehen, während die Maahks sich noch in der Vorwärtsbewegung befinden, stürzen sie uns nach und dezimieren uns. Ziehen die Maahks sich aber zurück, um sich neu formieren zu können, müssen sie ihre Schiffe so drehen, daß ihre Hecktriebwerke auf uns weisen. Bevor sie gewendet haben, werden wir über ihnen sein und sie so durcheinander bringen, daß sie
49 nicht an Verfolgung denken, wenn wir kurz darauf abdrehen und Anlauf für die erste Transition nehmen.« »Die Maahks bremsen bereits ab!« teilte Fartuloon uns mit. »Es ist fast, als hättest du sie in deinem Interesse programmiert, mein Junge.« »Das habe ich auch«, erwiderte ich lächelnd. »Ich habe mich nach dem Gesetz gerichtet, daß jede Aktion eine Reaktion hervorruft und brauchte dann nur noch mit meinen Aktionen die gewünschten Reaktionen bei den Maahks zu provozieren.« »Mit dir als Imperator würden wir den Großen Methankrieg innerhalb einer Generation zu unseren Gunsten entscheiden!« rief mein Pflegevater begeistert. »Ein Pirat kann eine Schlacht gewinnen, niemals aber einen Krieg«, sagte Karmina Arthamin eisig. Ich war enttäuscht. Die Sonnenträgerin hatte mit eigenen Augen gesehen, wie aus der regellosen Flucht ihrer Flotte durch unser Eingreifen planvolle gezielte Aktionen geworden waren. Orbanaschol hatte keinen Anteil daran. Der Diktator saß in seinem Palast und beschäftigte sich mit Intrigen, die so weit gingen, daß er den Maahks Informationen zuspielte, um sich tatsächlicher oder eingebildeter Widersacher zu entledigen. Dennoch hielt Karmina Arthamin ihm die Treue, weil sie glaubte, daß eine andere Handlungsweise die Geschlossenheit des arkonidischen Volkes schwächen würde. Dabei war es doch Orbanaschol, der die Geschlossenheit meines Volkes schwächte, der die Verteidigungskraft unserer Flotten unterminierte und erfolgreiche Kommandeure meuchlings ermorden ließ, weil ihre Popularität ihm gefährlich erschien. »Eines Tages werden Sie einsehen, daß Ihre Denkweise falsch war«, sagte ich. »Hoffentlich nicht zu spät, Sonnenträgerin Arthamin.« Karmina Arthamin warf in einer hochmütigen Gebärde den Kopf zurück, erwiderte aber nichts. Ich bedauerte ihren Starrsinn. Doch lange
50 konnte ich mich damit nicht aufhalten. Die Orterschirme zeigten, daß die Maahks sich überall planmäßig zurückzogen. Einige wenige Walzenschiffe markierten bereits die Auffanglinie, auf der sie anhalten und sich zu einer tief gestaffelten neuen Angriffsfront formieren würden. Eine Zeitlang überlegte ich, ob es nicht klüger wäre, die Gelegenheit zu nutzen und eine schnelle Flucht zu befehlen, um neue Opfer zu vermeiden. Doch ich war sicher, daß die arkonidischen Raumfahrer, die sich so tapfer geschlagen hatten, dafür kein Verständnis aufbringen würden. Sie würden es niemals verstehen, wenn ein Kommandeur die Gelegenheit, dem gnadenlosen Feind weitere hohe Verluste zuzufügen, nutzlos verstreichen lassen würde. Der Kampf gegen die Maahks war ja keine »normale« kriegerische Auseinandersetzung, bei der es um die Kontrolle eines Raumsektors oder um Handelsprivilegien ging, sondern ein Existenzkampf. Viele Aktionen der Maahks hatten gezeigt, daß die Wasserstoffatmer es nicht nur auf einen militärischen Sieg abgesehen hatten, sondern auf die Auslöschung unseres Volkes und anderer Sauerstoffatmer. Folglich mußten wir die Maahks so schlagen, daß sie nie wieder einen Krieg gegen das Imperium anzetteln konnten. Besser war es noch, sie aus unserer Galaxis zu vertreiben. Mein Volk brauchte endlich wieder Sicherheit und Frieden, es mußte seine inneren Verhältnisse ordnen und sich wieder dem Handel mit anderen Völkern und der weiteren Erforschung und Erschließung der Galaxis widmen. Ich fing einen Blick Fartuloons auf und beendete meine Grübeleien. Karmina Arthamin folgte uns, als wir zur Funkzentrale gingen. Sie warf einen nachdenklichen Blick auf Ra, der dort saß. Er hatte den Ersten Funkoffizier abgelöst. Ich nickte dem Barbaren zu und sagte: »Gib den Angriffsbefehl an die Flotte durch, Ra!« Ra nickte ebenfalls, dann schob er die Fo-
H. G. Ewers lie, die ich vorbereitet hatte, in den Eingabeschlitz des Abtastautomaten. Seit Ischtar uns verlassen hatte, brachte er mir keinen Haß mehr entgegen. Der Anlaß dafür war nicht mehr vorhanden. Als der Befehl hinausgegangen war und die Bestätigungszeichen aufgeflammt waren, kehrte ich in die Kommandozentrale zurück. Helos Trubato schaltete bereits die Triebwerke hoch, denn auch diesmal sollte die ISCHTAR an vorderster Front kämpfen. Ich schaute in die Gesichter meiner Zentrale-Besatzung. Sie waren schweißverklebt, von der nervlichen Anspannung der letzten Stunden gezeichnet, aber die eingefallenen und von dunklen Rändern umgebenen Augen verrieten, daß der Kampfeswille ungebrochen war. Als das Schiff Fahrt aufnahm, waren einige harte Rucke zu spüren. Die Andruckabsorber waren bei den letzten Kämpfen so oft überlastet worden, daß sie nicht mehr hundertprozentig synchron mit den Triebwerken liefen. Wenn sie bei einem schnellen Manöver oder bei einem Treffer ganz ausfielen, würden wir alle sterben. Doch der Tod war uns schon so oft nahe gewesen, daß der Gedanke daran mich schon nicht mehr aufregte. Eine Art fatalistische Stimmung hatte von mir Besitz ergriffen. Da sich die ISCHTAR als Führungsschiff nicht zurückhalten durfte, gab es für uns nur eines: keine Furcht zu zeigen und unser Bestes zu geben. Auf den Orterschirmen sah ich, daß sich auch die anderen Schiffe in Bewegung setzten und mit Maximalwerten beschleunigten, um den Feind einzuholen, bevor er wenden konnte. Einige Schiffe fielen zurück. Ihre Triebwerke waren nach den letzten Beanspruchungen dem Vollschub nicht mehr gewachsen. Ich rief Ra über Interkom und befahl ihm, diese Schiffe anzuweisen, umzukehren und in Transition zu gehen. Andernfalls würden sie den Maahks zum Opfer fallen, wenn wir uns endgültig absetzten. Danach richtete ich meine ganze Auf-
Gefahr für das das Imperium merksamkeit nach vorn. Die Maahks wurden durch unseren neuen Angriff völlig überrascht. Alle ihre Schiffe versuchten gleichzeitig zu wenden und abzustoppen. Es kam zu Kollisionen und Explosionen. Und mitten in dieses Durcheinander stießen wir hinein …
* »Sie greifen an!« meldete Grek-2 ohne Gemütsbewegung. »Das ist ausgesprochen dumm von ihnen«, erwiderte Grek-1. »Wenn ich auch zugebe, daß mir ihr Angriff zu diesem Zeitpunkt ungelegen kommt. Übermitteln Sie unseren Schiffen den Befehl, abzustoppen und zu wenden, damit wir aus der Verteidigung gleich zum Angriff übergehen können!« »Sie werden über uns sein, während das Wendemanöver unsere Schiffe relativ hilflos macht«, wandte Grek-2 ein. »Ich rate dazu, die derzeitige Flugrichtung beizubehalten und auf eine Ebene zu steigen, von der aus wir unsere vollen Breitseiten einsetzen können.« »Abgelehnt!« sagte Grek-1. »Wenn Sie meinen Befehl nicht sofort befolgen, lasse ich Sie exekutieren!« Schweigend ging Grek-2 hinaus. Als er zurückkehrte, sagte er: »Ich habe nicht deshalb gehorcht, weil ich mich etwa gefürchtet hätte, Grek-1.« »Ich weiß«, erwiderte der Kommandeur. »Es ist Ihr Pflichtbewußtsein, das Ihnen gebietet, Ihr Leben zu behalten, damit es zum Nutzen unserer Völker eingesetzt werden kann. Und mein Pflichtbewußtsein hat mich bewogen, Ihnen mit Exekution zu drohen. Wir befinden uns in einem Krieg, den wir nur gewinnen können, wenn wir rücksichtslos gegen uns selbst sind.« »Ich werde wohl niemals begreifen, warum die Arkoniden diesen Krieg angezettelt haben«, meinte Grek-2 nachdenklich. »Vielleicht, weil sie uns so sehr hassen, daß
51 sie uns alle töten wollen.« »Es muß an ihrer Emotionsbezogenheit liegen, daß sie unsere Vernichtung wollen«, sagte Grek-1. »Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als alle Arkoniden zu töten und alle anderen Sauerstoffatmer ebenfalls, die ihnen als Hilfstruppen dienen könnten.« Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder ganz den Orterschirmen, auf denen die heranstürmenden arkonidischen Raumschiffe als rotmarkierte Punkte zu sehen waren. »Sie erreichen uns tatsächlich mitten im Wendemanöver«, sagte er. »Aber so schlimm ist das auch wieder nicht. Es wird uns einige Schiffe kosten, dafür aber verkeilen sich die Arkoniden in unseren Verbänden, bis sie feststecken und abgeschossen werden können.« Als ganz in der Nähe ein glühender Gasball anschwoll, blickte Grek-1 auf die Panoramagalerie. Es konnte nur ein eigenes Raumschiff gewesen sein, das dort explodiert war. Im Dunkel des Weltraums blinkten die Breitseiten der arkonidischen Raumschiffe, als wären es harmlose Lichtsignale. Erst beim Auftreffen offenbarten die Energiebündel ihrer Strahlgeschütze ihre mörderische Wirkung. Weitere Walzenschiffe explodierten oder taumelten haltlos durch den Raum. »Wir greifen persönlich ein!« entschied Grek-1, an den Kommandanten seines Flaggschiffs gewandt. Das Walzenschiff setzte sich in Bewegung und feuerte eine Breitseite ab, als ein Arkonraumer in Gefechtsdistanz auftauchte. Das arkonidische Schiff wurde schwer erschüttert. Doch sofort erwiderte es das Feuer. Der Schutzschirm des Maahkraumschiffs flackerte unter der Belastung. Aus einem Schaltpult sprühte ein Funkenregen. Der davor sitzende Maahk kippte leblos um. »Näher heran!« befahl Grek-1. In schneller Folge wurde das Walzenschiff von den eigenen Breitseiten und von den Schirmtreffern des Gegners erschüttert. Dann leuchtete es plötzlich drüben grell auf.
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H. G. Ewers
»Er war ein guter Gegner«, sagte Grek-1. Rings um das maahksche Flaggschiff entbrannten immer mehr Einzelgefechte. Walzenschiffe und Kugelraumer explodierten. Bislang hatten sich nur wenige maahksche Verbände geordnet dem überraschenden Angriff entgegenstemmen können. »Wenn das so weitergeht, kommt unser Gegenangriff nicht in Gang«, meinte Grek2. »Es kann nicht mehr lange so weitergehen«, erwiderte Grek-1. »Wir haben die größeren Reserven. Da, jetzt bricht der Feind seinen Angriff ab und geht auf Gegenkurs. Die allseitige Anordnung seiner Triebwerke wirkt sich wieder einmal zu seinem Vorteil aus. Er braucht seine Schiffe nicht erst zu wenden, um die Flugrichtung zu ändern. Aber wir nehmen die Verfolgung auf. Geben Sie das durch, Grek-2!« Als Grek-2 gegangen war, stieß das maahksche Flaggschiff auf eine arkonidische Nachhut. Es kam zu einem kurzen, aber harten Gefecht, in dem zwölf Walzenraumer verlorengingen und von den fünfzehn Kugelraumschiffen nur sieben davonkamen. In einem der sieben Arkonraumschiffe erkannte Grek-1 das Schiff, das seiner Flotte
am meisten zu schaffen gemacht hatte: die ISCHTAR. Sie hatte einen schweren Treffer erhalten und wäre eine leichte Beute für das maahksche Flaggschiff geworden. Aber Grek-1 befahl, das Feuer einzustellen. Seine vier grünschillernden Augen beobachteten scheinbar unbewegt, wie alle sieben Arkonraumer beschleunigten und in Transition gingen. Aber in seinem Innern stellte der Maahk verwundert eine gefühlsmäßige Regung fest, und er erkannte, daß es dieses Gefühl gewesen war, aus dem heraus den Entschluß getroffen hatte, das Schiff Gonozals VII. zu verschonen. Überall verschwanden jetzt die Arkonraumer im Hyperraum. Die Raumschlacht bei Marlackskor war zu Ende. Doch Grek-1 dachte weiter. Seine Gedanken versuchten, in die Zukunft zu eilen und sich vorzustellen, was das Schicksal für die tapferen Arkoniden der ISCHTAR bereithielt …
ENDE
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