Centauri-Zyklus Nr. 5 von 12
Fragmente r Ewigkeit von Hubert Haensel te der erste turmdicke Thermoßtrahl die Atmosphär...
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Centauri-Zyklus Nr. 5 von 12
Fragmente r Ewigkeit von Hubert Haensel te der erste turmdicke Thermoßtrahl die Atmosphäre aufriss, stockte Hergol Cohrnard der Atem. Der Planet war nur als schmale, fast filigrane Sichel zu erkennen, doch in diesem Moment hielt dort das Grauen Einzug. Mit schreckgeweiteten Augen verfolgte Cohrnard den Angriff. Sich herumwerfen und wegrennen war sein erster Impuls - es hätta ihm nichts gebracht. Entlang dem Schusskanal loderte die Atmosphäre in irrlichtemdqm Feuer. In der Tiefe, in mitten des verwaschenen Lichtermeers der großen Städte, wuchs ein blutroter Glutball auf. Ein zweiter Thermoschuss durchschnitt die Nacht Der Einschlag tag Tausende Kilometer weiter westlich. Gequält sog Hergol Cohrnard den Atem ein, begleitet von einem schmerzvollen Wimmern, das ihn fast noch mehr erschreckte als das Geschehen vor ihm. Des Sterben hatte begonnen; die Angreifer feuerten im Satventakt schwere Breitseiten ab.
A
1.
Ein absolut tödliches Gewitter brach über den Planeten herein. Innerhalb von Augenblicken riss die Nacht auf, und es würde wohl nie wieder Dunkelheit auf dieser Welt geben, Dutzende großer Batimschiffe feuer ten. Jeder Hitzestrahl stanzte einen glutflüssigen See zwischen Berge und Meer. Dazwischen zeichneten sich die Explosionen von Raumtorpedos ab, brodelnde Bauchpilze, während die An greifer in aufgefächerter Formation tie fer sanken. Von den Städten aus muss ten sie wie ein Asteroidenschwarm er scheinen, der einen ausgedehnten Schweif ionisierter Gase hinter sich herzogEndlich starteten auf dem Planeten die ersten Raumschiffe und Abfangjä ger, Hergol Cohrnard sah einen kleinen Kugelraumer gleich nach dem Abhe ben, von Torpedos, Thermoschüssen und Desintegratorsalven getroffen, auf die Piste zurückstürzen. Flackernd bra chen di'e Schutzschirme zusammen, und nur Sekunden später wurde an dieser Stelle eine neue Sonne geboren. Der grelle Glutball, von weiteren Eruptio nen angeheizt, breitete sich gedanken schnell aus. Eine gewaltige Feuerwalze überrollte die Hafengebäude. Nicht überall bot der hohe Lärmschutzwall ausreichend Sicherheit. Die Angreifer aus dem All brachten Tod und Verderben. Zunehmend deutli cher holten die Optiken die Oberfläche des Planeten heran. Cohrnard rang nach Atem, eine unsichtbare Faust schnürte ihm die Kehle zu. Er wünschte, er hätte diese Bilder nicht sehen müssen. Aber er konnte den Blick nicht abwenden. Vergeblich rannten die Jäger gegen die Feuer speienden Kolosse an. Sie hat ten nicht den Hauch einer Chance, bis ihre Piloten sich in Pulks und selbst
mörderischer Absicht in die gegneri schen Schutzschirme stürzten. Hergol Cohrnard biss sich die Unter lippe blutig. Er kroch geradezu in die holografische Wiedergabe herein, als könne er auf diese Weise weitere Details erkennen. Bauch und Feuer breiteten sich wie ein Leichentuch aus. doch un ter den dichter werdendem Wolken zuckten unaufhörlich grelle Blitze. Dort starben Millionen intelligenter Wesen. Sie hatten keine Chance, waren im Schlaf überrascht worden und begriffen vielleicht gar nicht, was mit ahnen ge schah. Hergol Cohrnard verkrampfte sich Atemlos starrte er auf die die eine neue Perspektive In Schutt und Asche liegende Stra ßenzüge. Wo sich bis vor kurzen stolze .Gebäude in den Nachthimmel gereckt hatten, ragten nur noch brennende Fragmente auf. Schutt türmte sich aus den aufgebrochenen Straßen, und aus dem Untergrund quollen Versorgungs leitungen hervor wie das Gedärm aus dem Leib eines geschlachteten Tieres. Glut schwelte überall. Die Sonnenhitze der Thermostrahlen hatte die Trümmer miteinander verbacken, doch unter der Oberfläche brannte es weiten Jäh bra chen Flammensäulen aus der Tiefe em pör, eineExplosion, die im Aufwind Un rat und Trümmer ausspie. Die Optik erfasste zwei Männer in mitten des Chaos und folgte ihnen in gleich bleibendem Abstand. Der eine war von einer großflächigen Brand wunde entstellt, der andere stutzte ihn und zerrte ihn mit sich. Ringsum immer neue Eruptionen und einstürzende Mauern, die das Feuer wieder und wie der anfachten. Der Tod hatte erbarmungslos zuge schlagen. Ebenso gnadenlos fraß sich die Aufnahme an verbrannten, zer schmetterten Körpern fest. Ihr Anblick
ließ Cohmard würgen. Er zitterte, ver krampfte die Arme vor dem Leib, aber er wandte den Blick nicht ab. Er sah die aus großer Höhe abtropfende zähflüs sige Kunststoffmasse, die sich wie ein Wasserfall über ausgeglühte Fahrzeug wracks ergoss, aufschäumte und Feuer fing. Die beiden Männer konnten dem Schwall nicht ausweichen. Cohmard sah sie schreien, sah ihre von Panik ent stellten Gesichter und den verzweifel ten Versuch, dem Verderben zu entflie hen. Der Verwundete brach haltlos zu sammen, als er jäh zur Seite gestoßen wurde, aber auch der andere schaffte es nur noch wenige Schritte weit, bevor die Woge über ihn hinwegschwappte und ihn zur lodernden Fackel werden ließ. Hergol, Cohrnard verkrampfte, sein Magen wurde hart wie Stein. Brennend heiß stieg es in seiner Speiseröhre em pör, dann übergab er sich. Er schaffte es gerade noch, sich vom Holo abzuwen den. So blieben wenigstens die Arbeits station und die Archivspeicher unver
schmutzt. Sein Mageninhalt verspritzte auf dem Boden, und gleich darauf brach es noch einmal aus ihm hervor. Cohrnard wimmerte. So elend wie jetzt hatte er sich noch nie gefühlt. Doch - viele Shahana-Jahre war es her -, als Mirtam, seine Frau, ihn verlassen hatte. Damals hatte er ebenfalls geglaubt, der Himmel stürze über ihm ein. Von einer Tonta zur anderen war er allein gewesen. Zwei Tage später hatte er sich Nam ron gekauft, das Kofentellan-Weibchen. Kofentellans galten als anhäng lich und treu. Er hatte viel Geld be zahlt - zu viel, aber das war ihm damals egal gewesen. Mit einem unwilligen Kopf schütteln wischte er die Erinnerung an Mirtam beiseite. Der üble Geschmack im Mund würgte ihn, doch er kämpfte gegen den neuen Brechreiz an. Das Archiv der Ta maron war für ihn immer ein erhabener Ort gewesen, ein Platz der Stille und des Friedens, beinahe heilig. Irgendetwas lief falsch. Er fühlte sich
Was bisher geschah: Wir schreibet den Februar des Jahres 1225 NGZ. Auf Einladung der Historikerin Li da Zoltral besucht Atlan das auf einer Museumsmsel gelegene Epetran-Archiv, m dem Schatze und geheimes Wissen der Lemurer lagern, der Ersten Menschheit, die schon vor weit u ber fünfzig Jahrtausenden diö Milchstraße besiedelte und von der alle gegenwärtig in der Galaxis existierenden humanoiden Volker abstammen. Als Unbekannte unter den Augen der Besucher einen Krish'un stehlen, einen Umhang lemurischer Tamräte, nimmt Atlan die Ermittlungen auf. Mit dem Schweren Jagdkreuzer TOSOMA stößt er ins Zentrum von Omega Centaurt vor, einem wegen seiner hyperenergetischen Bedingungen bisher unerforschten Kugelsternhaufen. Die TOSOMA wtrd von Walzenraumern der Mograks angegriffen. Atlan flieht mit dem Schiff zur Handelsweft Yarn, wo er Informationen über lemurische Hinterlassenschaften auf dem Planeten Acharr erhält. Doch auf dem Flug zur Ruinenwelt zwingt ein Hypersturm sie zur Landung. Nur mit ^ußerster Muhe kann die Besatzung die geistige Beeinflussung durch ein planetenweites Bewusstsein abstreifen und ihr ursprüngliches Ziel anfliegen: Acharr. Bei Kämpfen in einer Steuerzentrale der Lemurer gegen Naats und Arkontden wird Atlans Verdacht zur Gewissheit: Die Familie da Zoltral zieht im» Hintergrund die Faden. Atlan beschließt, sich in einem der drei Reiche umzusehen, die tn Omega Centaun von LemurerAbkömmlingen gegründet wurden. Die Wahl fällt auf das Tamanium Shahan...
nicht nur ausgebrannt und leer. Dieses Wühlen in seinen Eingeweiden, das seit Tagen stärker werdende Nagen, als würde etwas Unsichtbares ihn von in nen heraus zerfleischen, das konnte nur eine beginnende Depression sein. Her gol Cohrnard ließ sich wimmernd nach vorn sinken, bis die Stirn auf die Ar beitsstation stieß, und vergrub den Kopf zwischen den Armen. Ihm war ohnehin klar, dass der Planet in der holografi schen Wiedergabe dem Untergang ge weiht war; dass es keinen Ort mehr gab, an dem seine Bewohner überleben konnten. Sein Wimmern wurde zum gequälten Schluchzen. Er brauchte Ruhe, um zu vergessen, dass er wieder vom Pech ver folgt wurde. Obwohl er sich, von der Sa che mit Mirtam abgesehen, kaum bekla gen konnte. Fast zwanzig ShahanaJahre hatte er mit der Medikerin ver bracht. Das ist vorbei, dachte er bitter. Ich will nichts mehr davon wissen. Hergol Cohrnard spürte, dass seine Atemzüge gleichmäßiger und tiefer wurden. Er sollte sich besser nicht mit Dingen beschäftigen, die ihn nichts an gingen; so etwas brachte immer nur Är ger. Nahezu mein ganzes Leben liegt noch vor mir. Was sind schon 45 Jahre? Wie alt wurde eigentlich ein Kofentellan-Weibchen? Er stellte fest, dass er keine Ahnung hatte. Der Gedanke an Namron ließ ihn vollends alle selbst quälerischen Zweifel abschütteln. Sie wartete bestimmt schon ungeduldig auf ihn. Hergol Cohrnard stutzte. Eben hatte er Namrons Berührung gespürt, sanft wie immer, wenn sie an seiner Wade entlangstrich. Jetzt erneut ... Es tat gut, 'gebraucht zu werden. Kein Shahano hatte ihm die ses Gefühl je so vermittelt wie ausge rechnet Namron. Vor allem, wenn sie
den rauen Rüssel auf seine Lippen drückte. Hergol Cohmard glaubte nicht, dass die Kleine das^ irgendwo ab geschaut hatte. Wieder die Berührung. Etwas zerrte an seinem Schuh. Mühsam hob Cohr nard den Kopf gerade so weit, dass er nach unten blicken konnte. Da war kein grauer Rüssel, sondern ein schwarzer Tentakel. Zugleich spürte er einen ste chenden Schmerz und trat unwillkür lich zu. Er erkannte einen flexiblen Greifarm. Der Arm gehörte zu einem flachen Rei nigungsrobot, der noch weitere Werk zeuge einsetzte. »Es reicht!«, schimpfte Hergol Cohr nard. Sein neuerlicher Tritt traf auf den Punkt genau. Der zwei Handspannen messende Roboter überschlug sieb. Ein bösartiges Summen erklang, als das Biest sich wieder in die richtige Position manövriert hatte und erneut heran schwebte. »Ich will das nicht!«, sagte Cohrnard »Verschwinde!« Der Erfolg war überwältigend. In nerhalb von Sekunden zog der Reini gungsrobot alle Arme ein und entfernte sich rückwärts. Zumindest hatte Cohr nard diesen Eindruck. Er würde sich nie an Erzeugnisse der Mikrotechnik gewöhnen, denen sich ein Vorne und Hinten nur zuordnen ließ, sobald man sie mit Farbe markierte. Und selbst das hätte ihn immer argwöhnen lassen, die Markierung vielleicht am falschen Ende angebracht zu haben. Er küsste Namron schließlich auch nicht auf den Schwanz. Überrascht stellte er fest, dass der Reinigungsrobot den Boden bereits po liert hatte. Lediglich auf seinen Schu hen klebten noch Spritzer des Mittag essens. Deshalb hatte der Roboter sich so hartnäckig um ihn bemüht. Cohrnard widmete sich wieder dem
Holo. Diese Welt hörte auf zu existieren. Überall Glut und zähflüssige Lava in gewaltigen Schollen. Es gab keine Städte mehr, keine Wälder, Berge oder Seen - nichts überdauerte den Tod im Atombrand. Vielleicht währte es nur noch Stunden, bis eine neue Sonne er strahlte. Schon sprang das Feuer auf die Atmosphäre über; das schaurige Fla ckern erinnerte an Polarlichter. Nur mit dem Unterschied, dass hier die Luft hülle verbrannte. Was in Jahrmillionen entstanden war, wurde innerhalb von Stunden ausgelöscht. Es bleibt ein Stern, dachte Hergol Cohrnard ehrfürchtig, einer von un zähligen Lichtpunkten am Firmament, die das All durchziehen, deren lodern der Schein ineinander übergeht und ein gleißendes Meer bildet, endlos, gren zenlos. Ein Fragment der Ewigkeit.
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Kugelsternhaufen Omega Centauri 26. Februar 1225 NGZ Es wird Zeit, dass etwas geschieht, raunte mein Extrasinn. Den zynischen Klang überhörte ich geflissentlich, und eine Antwort war schon gar nicht erfor derlich. Ich wollte nicht wissen, ob der Logiksektor auf die hinter uns liegen den Kurztransitionen anspielte - ein Standardtag für 33 Hypersprünge und lächerliche 132 Lichtjahre, die wir da bei zurückgelegt hatten -, oder ob er sich mokierte, dass Li und ich beinahe achtzehn Tontas miteinander geschla fen hatten. Ich liebe Versöhnungen, dachte ich amüsiert und riss mich vom Anblick des Sternenmeers in den Holos los. Prompt tastete ich über mein linkes Schlüsselbein. Li da Zoltral ist keine Frau, sondern ein transsylvanischer Blutsauger, be
merkte der Exfarasinn sofort. Sie hätte dich fast gefressen. Kümmere dich um deine Angelegen heiten!, gab ich ebenso lautlos zurück. Vielleicht hatte mein zweites Ich gar nicht so Unrecht. Li hatte sich als die Leidenschaft in Person entpuppt, ein Vulkan an Energie und Hingabe. Du bist ein Greis, der mehr als zwölf tausend Jahre auf dem Buckel hat. Lass die Finger von ihr, Beuteterraner! Dann erlebst du auch keine bösen Überra schungen. Was der Logiksektor »böse« nannte, war für jeden Mann die Erfüllung schlechthin. Ich hatte viele Frauen ge kannt, ob im alten Ägypten oder im Zeltlager Alexanders des Großen, wo Charis es mir angetan hatte, die sich später das Leben nahm. Li übertraf alle. »Nächste Transition in vierzehn Zen titontas!«, meldete January KhemoMassai. »Wir erreichen das Tamanium Shahan.« »Endlich«, raunte eine sanfte Stimme neben mir. Lis Hand glitt über meinen Nacken und wühlte sich ins Haar. »Was meinst du, mein Unsterblicher, wirst du noch in der Zentrale gebraucht?« Das Lachen des Extrasinns war wie ein Hagel scharfer Dolche. Die Geister, die du riefst, wirst du nicht mehr los. Ein sinnendes Lächeln umfloss Lis Lippen. Ich sah, dass sie sich verstohlen über die Augenwinkel wischte. Ihre Au gen tränten bei Erregung. Ruckartig wandte ich mich um. »Ir gendwelche Besonderheiten, Agir-Ibeth NüvÄdar-Nalo Nihttalladah der Drit te?«, wollte ich wissen, Der Hasproner bestand darauf, stets und unter allen Umständen mit vollem Namen ange sprochen zu werden, der für manche ein wahrer Zungenbrecher war. »Chaotische Verhältnisse in. jeder Hinsicht«, antwortete der Leitfer der Abteilung Funk und Ortung. »Wir kön
nen uns glücklich schätzen, wenn wir wieder normalen Weltraum vor dem Metagrev haben.« Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Zeitanzeige. Noch neuneinhalb Zentitontas bis zur Transition. Wieder würde die TOSOMA nur wenige Licht jahre entlang einem der passierbaren Korridore überwinden. Manchmal fiel es mir schwer, die Geduld zu bewahren. Die Fortbewegung in Omega Centau ri ähnelte einer altertümlichen Post kutschfahrt - sie war holprig, unsicher und kostete Zeit. Ja, verdammt, ich bin ungeduldig, be merkte ich, um dem Extrasinn zuvorzu kommen. Das ist wohl mein gutes Recht. Ich vergrub das Gesicht in den Hand flächen und massierte Nasenwurzel und Stirn. Eine seltsame Benommenheit, stieg in mir auf, ein Gefühl, für das ich keine Erklärung fand. Als hätte ich mit Freund Bully eine Nacht lang durchge zecht. Tief atmete ich ein und versuchte mit einem knappen Kopf schütteln, die eigenartige Empfindung zu vertreiben. Aber dadurch wurde sie eher noch schlimmer. Die Zentrale der TOSOMA begann vor meinen Augen zu verschwimmen. Ich hörte Stimmen, verstand jedoch nicht, was-sie sagten. Nur noch kontur los flache Gesichter starrten mich an, während ein ungeheurer Druck meine Schädel'decke zu sprengen drohte. Etwas griff nach meinem Verstand ein unheimlicher Zwang, begleitet von dem Eindruck, zwischen polarisierende Prallfelder geraten zu sein. Ich schaffte es nicht, mich gegen den Einftiiss zu sträuben, vertraute nur auf den Schutz der Mentalstabilisierung. Ich wollte schreien, auf mich auf merksam machen, aber ich konnte es nicht. Kein Laut drang über meine Lip pen. Für einen Augenblick glaubte ich, mich in der Zentrale stehen zu sehen,
aber ich empfand den schlanken und durchtrainierten Körper als fremd. Das war nicht ich, das ... Atlan! Die lautlose Stimme schreckte mich auf. Du bist bereits beeinflusst! Unsinn, Ich fühlte mich zufrieden, taumelte durch die Unendlichkeit, ringsum die unglaubliche Sternem pracht Omega Centauris. Die TOSOMA mit ihrer Crew war fast schon vergessen, während der Zwang stärker wurde. Ver lockend sogar. Hör auf damit, du Narr! Du darfst dich nicht treiben lassen! Da war ein Reflex, ein metallisches Glitzern voraus. Ich stürzte darauf zu. Der Schimmer wurde größer, teilte sich, wuchs in einer Vielzahl von Verästefoin gen und Flanschen. Eine einsame Sta tion im Nichts - bizarr in ihrer Kon struktion, dennoch irgendwie vertraut. Ich tauchte ein zwischen die \ferstne bungen uftd in die Fülle der nüteinander verbundenen Elemente. Das Fremde in mir wurde stärket: Es wird dich töten! Nein, das glaube ich nicht. Et AioJr mich zu sich, es :.. Nur ein* Verrückter bringt sich selbst in Gefahr!, dröhnte meine innere Stimme. Der Weise handelt. »Lass mich in Ruhe!«, wollte ich ru fen. »Ich bin nicht hilflos, ich...« Beinahe hätte es die fremde Macht geschafft, mich in ihren Bann zu ziehen. Von einem Moment zum anderen ver wischten die Vision der unbekannten Raumstation und die Sterne von Omega Centauri. Was blieb, war die holo-optische Wiedergabe auf den Panorama schirmen. Und der Eindruck, von allen in der Zentrale angestarrt zu werden. Keine Ahnung, weshalb Gulokhiz plötzlich in der Zentrale stand. Der Halb-Ekhonide war der stellvertre tende Leiter der Schiffsverteidigung, ein zumeist misslauniger Mann, dem
der buschige Schnauzbart ohnehin ein verkniffenes Aussehen verlieh. Gulokhiz richtete seinen Strahler auf mich. Paralysemodus, registrierte ich. Wie auch immer, ein Akt der Meuterei blieb es dennoch. »Du bist beeinflusst«, sagte er scharf. »Ich würde bedauern, auf dich schießen zu müssen. Also zwing mich nicht dazu.« »Mach keine Dummheiten«, warnte auch Khemo-Massai. Ich lachte. »Ihr seid verrückt. Was glaubt ihr eigentlich?« Zeit gewinnen! Nur ein paar Milli tontas, um diesem verfluchten Spuk ein Ijünde zu bereiten. Schlecht standen meine Chancen nicht; nur Gulokhiz hatte die Waffe gezogen, und bis die an deren reagieren konnten, hatte ich die Situation bestimmt wieder unter Kon trolle. Ich warf mich nach 'vorn und roMte mich über die Schulter ab. Gülokaiz' Paralysatorschuss verfehlte mich. Fast gleichzeitig traf der scharf gebündelte Glutstrahl aus meiner eigenen Waffe den untersetzten Mann in die Brüsk Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens er schien in seinem Gesicht. Er starrte mich an, wollte etwas sagen, aber nicht ein Laut kam über seine Lippen. Der Paralysator polterte zu Boden. Gulo khiz machte einen zaghaften Schritt auf mich zu, dann durchlief ein Zittern sei nen Körper. Er war schon tot, als er in sich zusammensackte. Niemand sagte etwas. Ich richtete die Waffe auf den Kommandanten. »Die Transition abbrechen! Neuer Kurs ...« Begreifst du endlich? Die mentale Stimme des Logiksektors explodierte unter meiner Schadeldecke. Du wirst nicht herausfinden, wer dich beein flusst. • Ich hatte es versucht, war öogar nahe daran gewesen. Nur noch die Koordina
ten fehlten..., aber in dem Moment war der Zwang verflogen. Benommen schüttelte iqh den Kopf. Mein Blick'Streifte die Transitionsan zeige. Nicht eine Zentitonta war ver gajigen. Ich stand immer noch wenige Meter hinter dem Pilotensessel, und meine Waffe steckte gesichert im Hols ter. Fast hätte ich geglaubt, Gulokhiz erschossen zu haben. Ich hatte dem starken äußeren- Einfluss eine ebenso starke Selbsthypnose entgegengesetzt, aber dennoch stand ich mit leeren Hän den da, ohne Hinweis auf die Ursache. »Ich habe dich beobachtet.« Li schaute mich forschend an. »Was war los?« »Jemand oder etwas hat versucht, mich zu übernehmen.« Li nickte zögernd. »Ich habe an mir selbst nichts bemerkt. Wie ist das mit den anderen? January? Zuunarik?« Mit einem Fingerschnippen baute sie ein Mikrafonfeld der Internkommuni kation auf, als der Kommandant und der 2. Pilot verneinten. »Zentrale an alle! Vor wenigen Augenblicken wurde ein mentaler Angriff registriert. Sollte jemand ungewöhnliche Beobachtungen gemacht haben, sofort m der Zentrale melden!« Li reagierte schnell und präzise. Dass sie sich dabei über alle Kompetenzen hinweg&etzte, war den. Umständen zu zuschreiben. • Es gab keine Rückmeldung. Aber das hatte ich nicht anders erwartet. Die At tacke hatte mir gegolten, niemand sonst.. Zufall? Eine gezielte Aktion? Das waren zwei neue Fragen in einem Fragenkatalog, der seit siebzehn Tagen immer länger wurde. An unserem Ziel änderte sich nichts. Ich wartete auf die nächste Transi tion.
2. Mit einer knappen, Geste unterbrach Hergol Cohrnard die Wiedergabe, das Holo fiel in sich zusammen. Danach starrte er zentitontalang ins Leere, war vorübergehend nicht ansprechbar - geis tesabwesend oder verwirrt, behaupte ten böse Zungen, in Meditation versun ken, sagte er selbst dazu. Wenn er medi tierte, vertrieb er das Unglück, das ihn zuweilen mit penetranter Anhänglich keit verfolgte. Seit beinahe drei Shahana-Jahren hatte ihn niemand mehr bei seinen Me ditationen überrascht, feeit dem Zeit punkt, als er die Erfüllung seines Le bens gefunden und die Anstellung als Archivar bei der T&maron erhalte« hatte. Der Archivkomplex der Hohen Tamrätin Nestara Cherhay bestach durch Ruhe und Einsamkeit. In den weitläufigen, an den Palast angeglie derten Räumlichkeiten hatte Cohmard sich in den ersten Wochen oft verirrt, aber längst fand er sich sogar in den ent legensten Winkeln blind zurecht. Das Archiv war so etwas wie ein Pa radies, und das nicht nur, weil in den Räumen unglaublich, viel über die lange und bewegte Geschichte des Shah'taman, des Tamaniums von Shahan, zu sammengetragen worden war. Hier fand sich alles, angefangen von den dicken und schwergewichtigen Folianten der Frühzeit, die zu transportieren ein Mann allein gar nicht in der Lage war (die mit Antigravpads zu versehen Cohrnard jedoch als unverzeihlichen Frevel angesehen hätte), bis hin zu den unscheinbaren Speicherkristallen der Neuzeit, deren Fassungsvermögen gan ze Bibliothekssäle übertraf. Auf einem solchen Kristall, ein trans parentes, nur eineinhalb Zentimeter durchmessendes und lediglich zwei Mil limeter dickes Plättchen, war der Un
tergang des Planeten Tarik gespeichert. Zwischen Daumen und Zeigefinger drehte Hergol Cohrnard die Scheibe. Ohne es bewusst zu wollen, führte er das kristalline Material an die Nase. Es war schlicht steril, unpersönlich und eisig, wohingegen die größeren Datenschei ben der froheren Jahrtausende wenigs tens ein Hauch von Metall und Kunst stoff umgab. Aber vor allem die Folian ten mit den aus der Rinde des MoljaarBaumes geschöpften Blättern und den kunstvoll aus Kernholz geschnitzten Kücken lebten und atmeten den Hauch der Ewigkeit. Staub und Moder ..., nüchtern be trachtet. Aber waren nicht gerade das die Be standteile der Ewigkeit? Nichts anderes währte so lange. Schritte! Hergol Cohrnard erstarrte in der Be wegung. Er lauschte. Nichts ... Viel leicht war er einfach nur überreizt. Kein Wunder, denn wer konnte schon von sich behaupten, vor wenigen Tagen bei nahe ermordet worden zu sein? Die Stichwunde schmerzte bis heute. Vor allem, wenn er sich darauf konzen trierte. Der Stich mit dem Vibratormes ser hatte eine Rippe eingekerbt und ein großes Knochenstück herausgebrochen. Lediglich drei Fingerbreit weiter, und die Klinge hätte das Herz getroffen. Der fehlende Knochensplitter war ihm egal, und die Fleischwunde hatte sich schnell mit dem Heilplasma verbunden und ließ nur noch eine Narbe erkennen. Schlim mer war die seelische Wunde, die Hergol Cohrnard seitdem mit sich herum schleppte: Furcht hieß sie. Wieder dieses Knacken aus dem Ne benraum. Als setze jemand vorsichtig und zögernd einen Fuß vor den anderen. Cohrnards Rechte schloss sich um den winzigen Kristall. Was darauf gespei chert war, hatte mit dem Anschlag zu
tun, und es war bei weitem mehr als nur die Aufzeichnung, die er eben in Aus schnitten gesehen hatte. Mit der Linken griff er nach dem kleinen Nadler im Schulterholster. Die Waffe beulte seinen Umhang kaum aus und blieb neugieri gen Blicken verborgen. Früher hatte er von Waffen nichts wissen wollen, inzwi schen verlieh ihm das kühle Metall ein Gefühl von Sicherheit Nie wieder wollte er in die Situation geraten, einem Gegner hilflos ausgeliefert zu sein, da für war das Leben zu kostbar - und seit beinahe drei Jahren auch wieder le benswert. Die Erlaubnis, eine Waffe zu tragen, konnte er vorweisen. Irgendjemand machte sich nebenan zu schaffen. Die Tamrätin selbst? Nur sie allein besaß ungehinderten Zutritt. Hergol Cohrnard hätte es nie zugege ben, doch tief in ihm nistete die Angst. Weil der Mordversuch an ihm mit den eben gesehenen Filmsequenzen zusam menhing. Seine Hand schloss sich fester um den Nadler. Dann streifte er die Schuhe ab, weil er barfuß kaum ein Geräusch ver ursachen würde, und huschte los. Sein Herz hämmerte bis zum Hals, und falls nebenan wieder ein Rascheln war, wurde es vom Dröhnen des Blutes in den Schläfen übertönt. Die schwere Stahltür war in die Wand zurückgefahren. Andernfalls fühlte Cohrnard sich wie in einem Kä fig eingesperrt. Vom Durchgang aussah er einen Schatten, seltsam verzerrt und unstet. Eigentlich ein Unding in der künstlichen Beleuchtung. Wie ein Flimmern, fand Cohrnard, als würden Luftmoleküle ein wenig Helligkeit ab sorbieren. Da war jemand - und er war bestimmt nicht gekommen, um die Schnitzereien zu bewundern. Einige Säulen zeigten frühe Tamräte, eine einzige sogar das Abbild einer der Schwarzen Bestien, die
selbst in Moljaar-Holz unglaublich be drohlich wirkte. Als wolle sie jeden Mo ment zu tödlichem Leben erwachen. Hergol Cohrnard registrierte, dass seine Gedanken das eigentliche Pro blem mieden. Er zog den Nadler. Die Waffe war das Modernste auf dem Markt, ein kleines Wunderwerk, nicht eben billig, aber... Nicht ablenken lassen!, ermahnte er sich. Konzentriere dich auf das Wesent liche! Der Schatten schien mittlerweile verschwunden zu sein. Vielleicht hatte die betreffende Person den Raum wie der verlassen. Cohrnard schob sich weiter nach vorn, sein Blick huschte über die Regalreihen. Da waren die dicken Folianten, dort die strahlungs sicheren Behälter für Speicherkri stalle. Wenige Meter entfernt die ande ren Datenspeicher. Eines Tages würden alle Systeme vereinheitlicht sein, dann war die Historie lückenlos erfasst und auf engem Raum konzentriert, jeder zeit greifbar... Die gegenüberliegende. Tür war ge schlossen. Fenster gab es keine, und das nötige Licht kam von der Decke. Sprunghaft schnellte Cohrnards Blick zu den Gittern der Klimaanlage empor. Aber sie waren fest verankert. Den Speicherkristall hielt er immer noch fest umkrampft in der Hand, als müsse er ihß mit seinem Leben verteidi»In Ordnung.« Er bemühte sich, sei ner Stimme einen festen Klang zu ge ben". »Ich weiß, dass du hier bist, also Sein Blick pendelte von einer Seite zur anderen. Aber dann, urplötzlich, ge schah alles gleichzeitig und vor allem so schnell, dass er nur noch reflexartig rea gierte. Da war der Schatten wieder. Jäh löste er sich von der Säule der Schwarzen Bes
tie, als entwickle sie ein bislang verbor genes Eigenleben. Diese Bestien hatten das Große Tamanium vor langer Zeit in den Untergang getrieben. Cohrnard verschoss das gesamte Ma gazin. Fünfzig millimeterdünne Hohl nadeln bohrten sich mit bösartigem Knacken in die Statue und die hinter ihr verlaufenden Regalreihen. Sie durch schlugen den Schatten, als sei er Über haupt nicht existent. Hergol Cohrnard kniff die Augen zu sammen. Wie winzige Stacheln steckten die Nadler-Projektile im Holz, Das in ihnen enthaltend Gift, auf Lebewesen lähmend wirkend, schimmerte in winzi gen Tropfen auf dem dunklen Moljaar. Endlich schob der Archivar den Spei cherkristall in eine Tasche seines Um hangs. Da er nicht angegriffen wurde, fiel die Erregung endlich :von ihm ab. Hatte er sich wirklich nur getäuscht? Es war wesentlich später als sonst, wenn er seine Arbeit beendete, und die überreiz ten Sinne konnten ihm durchaus einen Streich gespielt haben. Nur die Projek tile im Holz waren real. Ein ganzes Ma gazin - um den finanziellen Verlust aus zugleichen, würde er tagelang arbeiten müssen. Hergol Cohrnard zog sich - in seinen Arbeitsraum zurück und schloss die Stahltür. Er streifte die Schuhe wieder über, ordnete die wenigen Utensilien auf der Konsole - sie besaßen ihren fes ten Platz, und jede Veränderung würde ihm sofort auffallen - und befahl der Automatik, alle Funktionen nach zehn Minuten zu löschen Zu diesem Zeitpunkt stand er schon draußen vor dem Archiv. Tief sog er die kühle Luft der beginnenden Nacht in seine Lungen. Die letzten schwachen Strahlen der Sonne Shagdul zeichneten noch einen weißgelben Rand auf schwere Wolkenbänke, und Shaga stand nahezu im Zenit. Das silbrig bis
metallisch blau geäderte Antlitz des Mondes schien sich fortwährend zu ver ändern. Doch dieser Eindruck entstand ausschließlich durch atmosphärische Störungen. Das Sternenmeer funkelte. Ange sichts von vier Millionen Sonnen in Shahannanol wurde es auf keiner der ungezählten Welten nachts wirklich dunkel. Cohrnard fragte sich, wie es wohl draußen in der Galaxis aussah. Sich Nächte vorzustellen, in denen die Schwärze alles beherrschte und nur we nige ferne Lichtpunkte am Himmel standen, fiel ihm schwer. Sein Blick suchte Shagrol, die rote Schwestersonne in lediglich zwölf Lichtstunden Entfernung, dann glitt er zurück zum Archiv, der dreistufigen Py ramide am Rand der ausgedehnten. Parkanlagen. Eine Zeit lang wartete Cohrnard auf irgendetwas Unvorher sehbares. Endlich zuckte er mit den Schultern und ging weiter. Er war allein inmitten des weitläufi gen Areals. Oder doch'nicht? Das Ge fühl, beobachtet zu werden, verstärkte sich mit jedem Schritt. Bis er abrupt ste hen blieb. Äste knackten. Ein wuchtiger Leib durchbrach die Phalanx blühender Driomnusch-Büsche und löste mit einer Wolke von Blutenstaub eine wahre Duftorgie aus. Es gab auf Shahana nichts, was ähnlich intensiv roch. Das Sternenücht brach sich auf der Gestalt zwischen den Büschen und ent riss sie vollends der Anonymität. Sie war größer als ein Shahano, mindestens 2,20 Meter, und auch in den Schultern deutlich breiter. Die Arme waren lang, Tentakel geradezu, die erstaunlich ge schickt die Äste zur Seite bogen, und der Schädel wirkte kantig. Anstelle der Augen glomm ein Sensorband in dunk lem Grün. Ein Gärtnerrobot, erkannte Hergol
Cohrnard erleichtert, und eine schwere Last fiel von ihm ab.
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Hindernisse Der Alarm heulte auf, und ich glaubte, einen gellenden Schrei zu hö ren. Gleichzeitig traf mich der Schmerz mit aller Wucht, als jede einzelne Ner venbahn in meinem Körper aufzuglü hen schien. Entlang der Wirbelsäule vereinte sich der Schmerz und ließ sen gende Hitze unter der Schädeldecke ex plodieren. Im Hintergrund meines Denkens re gistrierte ich noch, was geschah. Un heimliche Geräusche durchliefen die TOSOMA. Da war ein von der Außen hülle kommendes Knistern und Kna cken, das alle Isolierungen durchdrang. Schutzschirmbelastung bei 125 Pro zent! Wahrscheinlich schlugen Energien auf die Rumpfstruktur durch. Eine po sitronische Stimme gab Statusmeldun gen. Das Dröhnen in meinen Schläfen übertönte die Daten. Automatische Kurskorrektur einge leitet, behauptete der Extrasinn. Das Schiff beschleunigt, fliegt Ausweichma növer. Nach wie vor der Schmerz im JSfa cken. Ich spürte das Pochen des Zettak tivators, der alle schädigenden Ein flüsse abzuwehren versuchte. Ich konnte schon wieder tiefer einatmen ohne das Gefühl, innerlich zu verbren nen. Vor meinen Augen wogten dennoeh grelle Schleien »January?«, rief ich. »Zuunarik?« Keine Antwort. Die Crew hat es erwischt, war der la pidare Kommentar des Logiksektors. Mit einer eher beiläufigen Bewegung
löste ich die Magnetgurte und stemmte mich aus dem Sessel hoch. Das Gefühl, in einer Zentrifuge herumgeschleudert zu werden, wich schnell, als ich schwan kend auf die Beine kam. Der Kommandant bewegte sich be reits wieder, wenngleich noch sichtlich benommen. Zuunarik, der 2. Pilot, hing in sich zusammengesunken in den Gur ten. Nur wenige Schritte trennten mich von ihm. Ich griff unter sein Kinn und hob den Kopf an. Keine Keaktion. Zuu narik weilte weit weg im Reich der Träume.. Ich hörte die Meldung, dass die TO SOMA die Gefahrenzone tiberwunden hatte. Ein örtlich begrenzter Hyper sturm also. Der Flugverkehr innerhalb des Kugelsternhaufens unterlag extre men Einschränkungen. Modernste ga laktische Technik wie Metagrav-Triebwerke versagten kläglich, einzig die veralteten Transitionstriebwerke spiel ten unter diesen Bedingungen ihre Stärke aus. Keine zwei Zentitontas waren seit der RemateriaUsation der TOSÖMA ver gangen, Medoroboter hatten begonnen, die Zentralebesatzung wieder auf die Beine zu bringen. Zweifellos sah es nir gendwo an Bord anders aus. Lächerliche vier Lichtjahre hatten wir mit dieser Transition überwunden. »Ein Katzensprung«, würden die Terra ner dazu sagen. Ich weiß das, immerhin habe ich länger auf ihrer Welt gelebt als irgendwo sonst im arfconidisehen Impe rium. Für einen Augenblick stieg die Erin nerung an Larsaf III in mir auf, den dritten Planeten einer unbedeutenden kleinen gelben Sonne in einem ebenso unbedeutenden Spiralarm unserer Ga laxis. Jahrtausende hatte ich auf Lar saf III im biologischen Tiefschlaf ver bracht, wiederholt in die Entwicklung der Menschen eingegriffen, aber aus
Furcht vor einem globalen Atomkrieg den ersten Mondflug ebenso verpasst wie das auf dem irdischen Mond notge landete Forschungsschiff von Crest und Thora. Alles das war längst Vergangen heit. Doch mit der Mission der TO SOMA schloss sich offensichtlich eip. Kreis in der Geschichte der humanoiden Milchstraßenvölker. Braangon, in terranischen Sternkata logen Omega Centauri genannt, war der größte und massereichste Kugelstern haufen der Milchstraße. Vier Millionen Sonnenmassen, auf einen Durchmesser von lediglich 178 Lichtjahren kompri miert, ergaben chaotische Verhältnisse. Die galaktische Geschichte mochte ebenso daran schuld sein wie die er schwerte Navigation, dass nie Schiffe der großen Galaktischen Blöcke Expe ditionen unternommen hatten. Was Wunder, dass in Braangon einst vor den Bestien fliehende Lemurer Zu flucht suchten und den Sternhaufen nicht mehr verließen. Ich fragte mich, wie viele Nachkommen der Lemurer vielleicht noch der Meinung waren, die Milchstraße werde von den Bestien be herrscht. Diese Tragik hatte dann sogar schon wieder komische Züge. Ich nenne es Ignoranz, widersprach der Logiksektor. Annähernd viereinhalb Zentitontas vergingen, bis die TOSOMA in jeder Hinsicht wieder einsatzfähig,war. Es gab keinen weiteren Zwischenfall. Wir hatten den Außenbereich des Tamaniums Shahan erreicht. Was wir auf den geläufigen Hyperfunkfrequen zen empfingen, erschöpfte sich in von Störungen überlagerten unverständli chen Fragmenten, aber zusammen mit den Ortungsdaten ergab sich dennoch ein einigermaßen deutliches Bild. Eineinhalb Tontas später gab ich den Befehl, die nächste Transition einzulei ten, Kurs auf Shagdul, die Hauptsonne
im Zentralsystem des Shah'taman. Sprungdistanz abermals vier Licht jahre. Diesmal hielten sich die Begleiter scheinungen der Ent- und Remateriali sation wieder in Grenzen. Von einer leichten Benommenheit und vereinzel ten, unangenehmen Nervenschmerzen abgesehen. Fünf Sonnen standen uns näher als zwei Lichtmonate. Zwischen ihnen strahlten die Überreste eines Gasnebels in unwirklichen Farben, »Wir erhalten sehr viele Missweisun gen«, meldete Agir-Ibeth Nir-AdarNalo Nilmalladah III. »Die Echos könn ten auf größere Massewerte hindeuten. Auf jeden Fall werden Hyperenergien in einem breiten Spektrum wirksam.« »Möglicherweise eine größere Raum station?«, wollte ich wissen. Der Hasproner bedachte mich mit ei nem forschenden Blick. Wie kommst du ausgerechnet darauf?, lautete seine un ausgesprochene Frage. Laut sagte er: »Falls da wirklich ein größeres Objekt ist, hegt es zumindest teilweise unter ei nem Abschirmfeld.« »Dranbleiben!«, bestimmte ich und ignorierte das leise Lachen des Logik sektors. Zweifellos wollte er mir einre den, dass hier nie und nimmer der Aus gangspunkt der mentalen Attacke sein konnte. Nicht so schnell, bestimmt nicht rein zufällig, und überhaupt... Die Ortlingsabteilung hatte hinrei chend damit zu tun, Störungen und Re flexionen auszunltern. Ein intensives Hintergrundrauschen überlagerte alle Daten. Dass wirklich nur die hohe Son nendichte ursächlich sein sollte, wollte ich nicht recht glauben. Dahinter steckte mehr. Ich spüre, dass da mehr sein muss, dachte ich. Aber du hast keine Beweise, antwor tete der Exträsinn.
Vermutungen müssen nicht bewiesen werden. Sie sind ohnehin nur Ausdruck verschiedener Möglichkeiten» die vom Instinkt favorisiert werden. Als Agir-Ibeth den Wunsch äußerte, näher an die Wolkenschleier heranzuge-, hen, wehrte ich ab. Zumindest vorerst wollte ich nicht riskieren, mit der TO SOMA die sichere Flugroute zu verlas sen. Vierzig Zentitontas wareri vergan gen, oTine dass erneut eine mentale At tacke erfolgt wäre. Ich glaubte selbst schon nicht mehr daran, dass uns der Zufall auf eine Spur geführt hatte. Die undefinierbaren Massewerte konnten viele andere Ursachen haben. Im Hauptholo zeichnete sich das Shahan-System ab. Ein extremes Gra vitationsgefüge wurde erkennbar, das die zwei Sonnen des Systems aneinan der kettete, obwohl ihre Entfernung zu einander zwölf Lichtstunden betrug. Das waren rund dreizehn Milliarden Ki lometer. Die Hauptsonne war der weißgelbe F8V-Stern. Sechs Planeten umkreisten ihn; zwischen den beiden inneren Wel ten gab es zudem einen dichten Astero idengürtel. Bei der zweiten Sonne han delte es sich um einen kleinen roten Stern mit fünf Umläufern und einem weiteren Asteroidenring. Die nächste Transition wurde festge legt. Sie würde uns endgültig ins Shahan-System bringen, und zwar in den Bereich der Sonne Shagdul mit ih ren sechs Welten. Die sichere Zone en dete im Bereich von Shagdul IV, den die vorliegenden Informationen als Gasrie sen auswiesen. Mit 95.882 Kilometern Durchmesser kam er dem heimischen Saturn schon recht nahe. Du unterschlägst 24.000 Kilometer, erklang es spöttisch in meinen Gedan ken. Und »heimisch« ...? Du bist und bleibst ein Beuteterraner. Wenn du es nur wolltest, könntest du längst anstelle
von Theta Ariga I, Imperator des Kris tallimperiums sein, Ich wurde einer Antwort enthoben, die mich womöglich in Erklärungsnot gebracht hätte. Der Hasproner wandte sich an mich. »Wir habfcn endlich die ersten Aus wertungen«, begann Agir-Ibeth..»Demnach ist die Massekonzentration inner halb des Nebels deutlich niedriger als angenommen. Was wir zweifelsfrei an messen und hochrechnen können, ist ein permanenter Einbruch fünfdimensio naler Energie.« Der Chef der Ortung legte eine künst liche Pause ein und entblößte seine dunklen Zähne. Die breite Nase mit den vier Öffnungen bebte leicht Scheinbar gedankenverloren zwirbelte er seinen eine Handspanne messenden Kinnbart. »Es wäre interessant, die Hinter gründe zu untersuchen, die das Entste hen einer Energielinse ermöglichten«, fuhr er schließlich fort. »Unter den herr schenden Umständen bekommen wir mit unseren Mitteln keine Details her ein. Ebenso falsch ist es wohl, von Kris tallisationskeimen zu reden...« Ein helles, ziegenhaftes Meckern mischte sich in seine Stimme. Über haupt erinnerte mich der nur 1,34 Meter messende Hasproner mit seinem zotte ligen Äußeren an einen irdischen Faun. Statt der Hörner überzogen allerdings zwei Knochenkämme den ansonsten von schulterlangem Fell bedeckten Schädel. »Fakt ist, dass uns die Energielinsen eine größere Masse vorgaukeln, als tat sächlich vorhanden ist. Ich gebe die po sitronische Analyse auf das Haupt holo.« Was in einer schemenhaften Projek tion sichtbar wurde, hatte in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner »Vision «. Der Eindruck, dass sich inner halb des Gasiiebels eine unregelmäßig
verzweigte technische Station verbarg, ließ sich nicht leugnen. Gerade deshalb hatte ich mit dem Weiterflug der TO SOMA noch gezögert. »Ich nehmte die Brechung der Linse in Zehnerpotenzen zurück«, erklärte AgirIbeth. »Nach allen bisherigen Berech nungen liegt sogar der Vergleich mit ei nem Vituellbildner nahe.« »Mit anderen Worten; Wir haben den ersten natürlichen Virtuellbildner vor uns«, warf Li ein. Der Hasproner nickte. »Du sagst es, Arkonidin.« Das Bild verringerte sich um die erste Zehnerpotenz. Der Schatten wurde op tisch dichter und verlor einige seiner kleineren Auswüchse. Immer noch ließ sich das Aussehen mit einer mehr schichtig aufgebauten Raumstation vergleichen. Die Verzerrung wurde wei ter rückgängig gemacht. Ohne den größten Teil ihrer Ausdehnung wirkte die vermeintliche Station schon gar nicht mehr so imposant. Durch die Rückrechnung wurde die mehrfache Spiegelung einer vergleichsweise klei nen Masse deutlich. »Fragmente eines Kugelraumers«, er kannte ich. »Sieht ganz so aus, als wäre ein Schiff abseits der sicheren Route materialisiert und zerstört worden.« »Oder die Besatzung hat den Gasne bel bewusst angeflogen«, wandte Zuu narik ein. »Wehe dem schlecht ausge rüsteten Raumer, der in diesen Energie wirbel gerät.« Ich blickte zu Li, die sich wortlos an schickte, die Zentrale zu verlassen. Ich sah einen Ausdruck von Traurigkeit in ihrem Gesicht, der so gar nicht zu ihr passte. Sie hatte mir im Epetran-Archiv das Leben gerettet. Mit einer Reaktions schnelligkeit und Effizienz, die niemand einer Historikerin zugetraut hätte. Als kurze Zeit später die Medoroboter in
der Klinik zu Killermaschinen wurden, hatte sie endgültig wie eine ausgebil dete Spezialistin reagiert. Ihre Behaup tung, nicht zu wissen, wo sie ausgebil det worden war, nahm ich ihr bis heute nicht ab. Li schleppte ein Geheimnis mit, sich herum. Aber du tust, als könne sie kein Wäs serchen trüben, beschwerte sich der Ex trasinn. Im Zweifel für die Angeklagte, dachte ich. Liebe macht blind. Das behaupten wenigstens die Terraner. Bei dem Überfall im Epetran-Archiv war ein Krish'un gestohlen worden, der Umhang eines lemurischen Tamrats. Ei gentlich war dieses fünfzig Jahrtau sende alte Kleidungsstück ein halb pflanzliches, halb tierisches Lebewesen, das mit seinem Träger eine Art Sym biose einging und ohne eine solche Ver bindung in Stasis fiel. Die Spur führte in den Kugelsternhaufen Omega Centauri. Und diese Region war heute noch ein weißer Fleck auf den Sternkarten. »... mit 98 Prozent Wahrscheinlich keit ein 230 Meter durchmessender Ku gelraumer«, hörte ich den Hasproner sa gen. »Die verwendeten Materialien sind nicht mit dem Stahl terranischer oder arkonidischer Schiffe identisch. Zudem lassen die Hochrechnungen einen äqua torialen Triebwerksringwulst erken nen. Ich vermute, das Wrack gehört den Shahano.« Ich gab den Befehl zur nächsten Tran sition. »Die Sprungdaten modifizieren; Sprung in exakt fünfzehn Zentitontas, ab jetzt!« Die TOSOMA würde endlich den Randbereich des Shahan-Systems erreichen. Dann verließ ich die Zentrale, Ich weiß nicht, ob ich mir Sorgen um Li machte. Wahrscheinlich nicht. Aber ihr Verhalten irritierte mich. Auf der einen Seite war sie die knallharte Kämpf erin,
zudem intelligent und witzig, auf der anderen hatte sie sich erst vor wenigen Augenblicken wieder als verletzlich er wiesen. Die Vorstellung, dass eine ganze Raumschiffsbesatzung in den sicheren Tod geflogen war, hatte ihr zugesetzt. Ich trat hinaus auf den breiten Hauptkorridor. Dass Li sich in ihre Ka bine zurückgezogen hatte, glaubte ich nicht. Das passte nicht zu ihr. Ich begab mich in den äußeren Ring. Da nach wie vor Alarmzustand herrschte, begegnete mir niemand. Alle Besatzungsmitglieder hatten ihre Pos ten eingenommen. Li stand vor einer der kleinen Mann schleusen. Vorübergehend argwöhnte ich sogar, dass sie das Schiff verlassen wollte. Unverwandt starrte sie auf das Innenschott - oder sogar darüber hin aus. Sie bemerkte mich nicht einmal. »Li...«, sagte ich endlich. »Was ist ge schehen?« Unendlich langsam wandte sie den Kopf. Schmerz und Melancholie stan-r den ihr ins Gesicht geschrieben. Aber das war etwas, mit dem sie selbst fertig werden musste. Sie schwieg. Welt schmerz war wohl die treffende Um schreibung; eine Art Depression, was immer sie ausgelöst haben mochte. Unvermittelt schlang Li die Arme um meinen Hals und legte den Kopf an meine Schulter. Ich spürte ihr Beben und den hastigen, heißen Atem. »Nimm mich in die Arme«, brachte sie stockend hervor. Ich tat es nicht. »Was ist los mit dir?« »Nichts.« »Du lügst!« Ich spürte, dass sie sich verkrampfte. »Da waren wieder diese Bilder«, flüs terte Li. »Wie in der Klinik, nur intensi ver. Ein Schatten ... nein, ein Roboter. Oder auch nicht. Eine unglaublich gra zile Gestalt. Ihre Hände streichen über meinen Körper, und die Berührung lässt
mich erschauern. Ich biri nackt - aber ich weiß nicht, was dieses... dieses We sen von mir will.« Sie stockte, atmete tief em. Erneut durchlief ein Beben ih ren Leib. »Halt mich fest, Atlan!«, verlangte sie. »Und lass mich nie wieder los!« 3.
Ein öffentlicher Gleiter brachte Her gol Cohrnard von der Sammelstelle au ßerhalb desPalasts nach Shahjohl-Dah. Shahjohl war die Hauptstadt auf dem Nordkontinent. Weitgehend von schrof fen Sechstausendern umgeben, die Un wetter fern hielten, zählte die Stadt heute' zwanzig Millionen Einwohner und war die mit Abstand größte Metro pole Shahanas. Achtzig Kilometer westlich des Zen trums lag der Baumhafen. Obwohl des sen hoch aufgeschütteter Sichelwall Lärm von Shahjohl fern halten sollte/ war das Donnern der Impulstriebwerke startender und landender Schiffe nicht zu überhören,, und oft genug strich ein Schwall erhitzter Luft übet die Stadt hinweg. Als Hergol Cohrnard den Gleiter ver ließ, eingekeilt in eine Traube schwit zender Shahano, stiegen vier Schiffe mit dröhnenden Triebwerken in den NachthimmeL Cohrnard argwöhnte ei nen Alarmstart An den Grenzen des Tamaniums hatte es wohl wieder einen Zwischenfall gegeben. Nach wenigen Augenblicken waren die Schiffe nur noch als ferne Glutpunkte zu erkennen, einen Lidschlag später hatte sie das gleißende Sternenmeer verschluckt. Das nachschwingende Dröhnen ver riet Cohrnard, dass Schwere Kreuzer gestartet waren, jeder 230 Meter durch messend und mit einem mächtigen Triebwerksringwulst versehen. Diese
Schiffe galten als kampfstark und wen dig. Eindrucksvolle Schiffe! Früher, als er das Leben noch als Her ausforderung angesehen hatte, war es sein unausgesprochener Traum gewe sen, eines Tages zu den Sternen zu flie gen, die Grenzen Shahannahols hinter sich zu fassen und in den unvorstellba ren Weiten der Galaxis die Vergangen heit zu erforschen. Er wusste nicht, was außerhalb des Kugelstemhaufens vor sich ging, ob die Bestien weite Stemge biete kontrollierten. Aber er hätte es herausgefunden, Wie so oft hatte ihm das Schicksal ei nen Strich durch die Rechnung ge macht. Erst war Claronne geboren wor den, nicht einmal zwei Jahre-später Sel jiam, und Mirtam hatte ihn vor die Wahl gestellt, entweder Familie oder Sterne. »Beides zusammen«, glaubte er selbst heute noch ihre Stimme zu hören, »ist unmöglich.« Er hatte sich für die Fami lie entschieden, entscheiden müssen, und seinen großen Traum zwangsläufig begraben. Heute hatte er keine Familie mehr. Wohin das Schicksal Mirtam verschla gen hatte, wusste ef nicht, er versuchte es auch gar nicht herauszufinden. Mit seinen 45 Shahana-Jahren wollte er nur noch in Ruhe gelassen werden. Die mitt lerweile erwachsenen Töchter hatte er seit langem nicht mehr gesehen» Es ge nügte ihm zu wissen, dass Claronne und Seljiarn keihe materielle Not litten. Al les andere war nicht mehr seine Sache, sie hätten es selbst in der Hand gehabt, Kontakt mit ihm zu halten. Shahjohl-Dah war die Randsiedlung, in der sein kleines Haus stand. Das Ein zige, was ihm von der Vergangenheit ge blieben war. Er hätte es verkaufen kön nen und in den Kernbereich von Shah johl ziehen, näher zum Archiv des Shah'taman, aber er Scheute vor den da mit verbundenen Umständen zurück.
Seine Schritte knirschten auf grobem Kies. Das Parkgelände war ihm auf dem Nachhauseweg stets eine willkommene Abkürzung. Überhaupt war Shahjohl mit den weitläufigen Parks und Waldge bieten eine der schönsten Städte für ihn. Harmonisch passten sich die schlanken Wohntürme und Stufenpyramiden in die Natur ein. Die verwendeten Natur steine aus den nahen Bergen, vor allem die mannsgroßen Blöcke aus verschie denfarbigem Granit, ließen Shahjohl wehrhaft erscheinen. Es roch noch Regen - und den Aus dünstungen der gestarteten Kreuzer. Prüfend sog Hergol Cohrnard die Luft ein. Sie schmeckte nach Ozon und ioni sierten Molekülen. Es wurde windig. Staub und halb ver rottetes Laub wirbelten auf. Die mit Wahnsinnswerten startenden Schiffe hatten die Atmosphäre verdrängt und ein Vakuum hinterlassen, das sich don nernd wieder schloss, Hergol Cohrnard hatte plötzlich genug damit zu tun, seine wehende Kleidung festzuhalten und die Augen vor dem feinen Staub zu schützen. Zwischen den Zähnen knirschte es bereits. Der Speicherkristall steckte lose in einer Außentasche. Erleichtert regis trierte er, dass die Scheibe noch da war, aber im selben Moment entdeckte er die beiden Silhouetten sechzig oder siebzig Schritte hinter sich. Sonst war er um die Zeit allein. Er entsann sich nicht, dass ihm andere Personen aus dem Gleiter gefolgt wären. Sein Pulsschlag raste schon wieder. War der Schatten im Archiv doch keine Einbildung gewesen? Falls jemand im Schutz der Unsiehtbarkeit ... Hergol Cohrnard schritt schneller aus. Fast verdrängte Bilder stiegen in ihm auf. Er sah den Unbekannten blutüber strömt zu Boden sinken und den Mörder mit dem Vibratormesser herumfahren.
Da war erst ein Ausdruck von Erstau nen, gleich darauf blanker Hass, und dann stieß er zu ... Verwirrt registrierte Cohmard, dass der Boden unter seinen Füßen weich ge worden war. Er hatte instinktiv den Weg verlassen und suchte den Schatten eines knorrigen Baumes. Schritte kamen näher. Kein Zweifel, die Schatten versuchten aufzuholen, ehe er die Siedlung erreichte. Die Ge sichter der Männer blieben im Halb dunkel; sie liefen an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Aber gleich darauf stoppten sie. »... er kann sich unmöglich in Luft aufgelöst haben«, zischte eine Stimme. »Aber wo ist er? Hörst du ihn noch?« »Er ist stehen geblieben.« »Unsinn.« »Dann ist er in den Park verschwun den. Den finden wir heute nicht wieder.« »Ich habe dir gesagt, dass es besser wäre, Shahjohl-Dah zu überwachen. Was glaubst du, wie viele Leute so ein graues Rüsselvieh spazieren führen?« Das war es also! Hergol Cohrnard reagierte wie elektrisiert. Der eine konnte durchaus der Kerl mit dem Mes ser sein. Und der andere? Seine Gedan ken überschlugen sich. Hatte da nicht jemand gestanden, in der gaffenden Menge...? »Ich brauche den Kode. Er hat die Fo lie.« Cohrnards Knie wurden weich. An den Baum gelehnt, zwang ersieh, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Keine zehn Meter trennten ihn von den beiden, an dernfalls hätte er ihr scharfes Flüstern nicht verstanden. Sie brauchten nur nä her zu kommen, und diesmal würde Ihm kein Schreien helfen; er spürte schon die Klinge erneut in seine Brust eindringen. Seine Hand umklammerte den Nad ler. Das war das Einzige, was er vorzu weisen hatte. Vielleicht ließen die Män
ner sich täuschen. Sie konnten nicht wissen, dass das Magazin leer war. Sie kamen näher. Höchstens noch fünf Schritte. Cohrnard schloss die Au gen. »Was machen wir?«, hörte er ein Rau nen. »Der ist längst verschwunden«, ant wortete der andere. »Aber morgen krie gen wir ihn und sein Rüsselvieh.« Hergol Cohrnard hielt sich an dem Nadler fest. Er wusste, was die Kerle, von ihm wollten. Irgendwie hatte Namron das Stück Folie erwischt und ihm in die Tasche geschoben - wie so vieles ändere auch, was ihm auf den gemeinsamen Spaziergängen vor den Rüssel kam. Und gerade dieser Fetzen hatte Cohrnard auf den Speicherkristall hingewiesen. Er war da auf eine ganz große Sache gestoßen, die seinem Leben eine Wende geben konnte;. Aber noch hatteer zu we nig in der Hand. Die Männer waren längst verschwun den, als Cohrnard sich endlich aus dem Schutz des Baumes löste. Unbehelligt erreichte er das Ende des Parks.
Hergol Cohrnard war schweißgeba det und konnte sich selbst nicht mehr riecheii, als er endlich sein Haus er reichte. Es schmiegte sich an einen der hohen Wohntürme, die scheinbar wahl los in die Landschaft verstreut aufrag ten, in Wirklichkeit aber einem komple xen Geflecht geomantischer Beziehun gen folgten. Das Haus erinnerte an einen ange schnittenen Kegel, der wie alle anderen individuellen Bauten während des Tags dem Lauf der Sonne folgte. Mit Beginn der Dämmerung war die Außenfront undurchsichtig geworden, nur noch ein zeln^ Segmente gewährten den einseiti gen Durchblick von innen nach außen.
Hergol Cohrnard war später dran als sonst, der Eingangsbereich hatte sich inzwischen bis zum jenseitigen Ufer des Biotops entfernt und konnte erst in knapp einer Stunde wieder auf norma lem • Weg betreten werden. Cohrnard wollte indes nicht so lange warten. Wut bebenden Fingern aktivierte er sein Armband. Rückkoppelung.... Er begann ungeduldig zu werden, er tappte sich dabei, dass er immer wieder suchend um sich schaute. Trotz der an genehmen Temperaturen fröstelte er. Endlich die Bestätigung. Ein Signal für die Kostenabbuchung; kein gesondert aufgebauter Zugang ohne Gebühren. Manchmal verfluchte Hergol Cohrnard die Wirtschaft, die erst mit großartigen Versprechungen lockte und hinterher den Shahano für jede Selbstverständlichkeit plünderte. So fern er überhaupt noch Geld besaß. Für die Arbeit, die er leistete, hätte er ein höheres Einkommen verdient. Irgend wann musste er die Hohe Tamrätin Nestara Cherhay darauf ansprechen» und er war überzeugt davon, dass sie sich seinem berechtigten Anliegen nicht verschließen würde. Bislang hatte sich nur noch keine passende Gelegenheit ergeben. Das Geld, das ihm derzeit übrig blieb, reichte gerade noch für den Luxus einer Haushälterin und Namrons Futter. Oft genug wunderte er sich, was ein nur fünfzig Zentimeter großes, stummelbei niges Monstrum mit kurzem Rüssel und noch kürzerem Schwanz den ganzen Tag über fraß. Ein silbernes Flirren ließ die Anti gravbrücke über das Biotop hinweg er kennen. Das Gefühl, durch die Luft zu schreiten, war häufig unerträglich, heute achtete Hergol Cohrnard nicht darauf. Er wollte endlich die Speicher scheibe weiter überprüfen, selbst wenn
er die ganze Nacht hindurch arbeiten musste. Vielleicht war das der ganz große Wurf in seinem Leben. Er hatte gewusst, dass eines Tages etwas gesche hen würde, was ihn über die Masse hin aushob. Aber noch passten die Teile nicht zusammen. Hergol Cohrnard war begeisterungs fähig und dann auch sehr schnell beses sen von dem, was er tat. Er hatte den Tümpel überquert und verscheuchte alle Überflüssigen Gedanken. Viel zu schnell hastete er auf den Eingang zu. Die Glasfront teilte sich gerade noch rechtzeitig vor ihm. Der weiche Bodenflor schmiegte sich um seine Füße, nahm Schmutz und Mi kroben auf und machte sie unschädlich. Lautes Trompeten hallte durch den Vorraum. Und schon zwängte sich Namron zwischen seine Beine. Um ein Haar hätte Cohrnard das Gleichgewicht verloren, weil er entgegen sonstiger Ge wohnheit nicht stehen blieb. »Hör auf damit!«, herrschte er Nam ron an. »Wir gehen heute nicht spazie ren. Heute nicht und morgen auch nicht« Namron reckte den Rüssel in die Höhe. »Nein!«, schimpfte Cohrnard. »Auch nicht spielen. Ich habe zu tun!« Der nächste Trompetenstoß klang ros tig. Cohrnard achtete kaum noch dar auf. Unwillig schob er Namron, die durchaus nicht verstehen wollte, was heute anders war, mit dem Fuß zur Seite. Er erreichte den Mittelpunkt des Wohnraums. Der illuminierte Wasser fall war ein Zugeständnis an Claronne gewesen, und bis heute hatte er keine Zeit gefunden, ihn wieder abzubauen. Neben dem grässlich plätschernden Becken lag die Liftplatte, gerade groß genug, dass eine Person bequem darauf stehen konnte.
»Jetzt nicht!«, herrschte er das Rüs geworden und schrie die letzten Worte seltier an, das mit nach oben fahren schier hinaus. »Ich will arbeiten und er wollte. Namron musste seine krumme warte, dass mich niemand stört. Nie Nase in alles hineinstecken und be mand! Habe ich mich klar genug ausge schwor damit jedes Mal Ärger herauf. drückt?« Die Plattform stoppte auf Höhe der Das hatte er. Er sah es an der Art, wie Galerie. Tief sog Cohrnard den Duft der seine Haushälterin zurückwich. Ebenso Blütenpflanzen ein, deren Triebe ent an dem unheilvollen Flackern in ihren lang den Leitdrähten üppig wucherten. Augen. Sie starrte ihn an und erwartete Das war seine Erholungslandschaft. eine Entschuldigung. Aber er dachte Mobiliar und Natur verschmolzen mit nicht daran, sich zu entschuldigen. einander, und der Ausblick bis zu den Wortlos wandte er sieh ab und ging in fernen Berggipfeln war berauschend. sein Arbeitszimmer. Die Tür schlug hin »Was ist los mit dir?« ter ihm zu, er betätigte mit der Fern Cohrnard zuckte jäh zusammen. Die steuerung die Verriegelung. Dann Haushälterin stand vor ihm, aber er dämpfte er die Transparenz der Innen hatte sie nicht einmal bemerkt. So et wände auf ein Mittelmaß. Niemand was konnte tödlich sein, falls die beiden konnte ihn mehr sitzen sehen, doch er Fremden... wurde einigermaßen gewahr, was sich »Nichts«, sagte er ausweichend. auf der Wohnebene abspielte. »Das nehme ich dir nicht ab. Du be Unschlüssig justierte er die schwe handelst die Kleine, als hätte sie die Ka- bende Arbeitsplatte aus Naturstein. Aber letztlich stützte er nur die Ellen robin-Krankheit.« Cohrnard schwieg dazu und ging wei bogen auf und vergrub das Gesicht in ter. den Handflächen. So saß er, bis vom Ein »Was ist los mit dir? Hat dich die Ta gang her dumpfe Geräusche durchs niaron endlich rausgeworfen?« Haus hallten. Schneller war er nie aufgesprungen. Nur sie durfte sich diesen Tonfall er ^ lauben. Weil er sich gut mit ihr verstand. Er blickte nach draußen, Aber niemand Andernfalls hätte sie wohl auch nicht war gekommen, um ihn anzugreifen. die schlecht bezahlte Stelle bei ihm an Nur die Haushälterin ging. Sie schaute genommen. Hergol Cohrnard arg nicht einmal zurück. Hergol Cohrnard wöhnte seit geraumer Zeit, dass die hatte das untrügliche Gefühl, dass sie Haushälterin mehr wollte als nur seine ihn für immer verließ. Wohnung in Ordnung halten. Sie wollte »Gut«, murmelte er im Selbstge ihn. Allerdings dachte er nicht daran, spräch. »Ich brauche niemanden. Viel noch einmal etwas mit einer Frau anzu leicht ist es sogar besser so.« fangen. Mit witternden Händen holte er das »Nein«, sagte er betont leise und be zweite Nadlermagazin, das er zusam müht, ruhig zu bleiben. »Die Tamaron men mit der Waffe erworben hatte, aus ist mit meiner Arbeit sehr zufrieden, das einem Schrankfach und setzte es ein. nehme ich zumindest an. Ich habe freie Sprengnadeln mit hoher Brisanz, aus Hand.« reichend., um sogar den Brustpanzer ei »Umso weniger Anlass hast du, Nam nes Roboters zu durchschlagen. Das ron schlecht zu behandeln.« Magazin umfasste zwar nur 25 Ge »Was ich mache und was nicht, geht schosse, aber schon das trug dazu bei, dich nichts an.« Cohrnard war lauter dass er sich wieder sicherer fühlte.
Cohrnard legte die Waffe in Griffnähe vor sich, Anschließend setzte er den Speicher kristall in sein Lesegerät ein. Längst war er sicher, einem riesigen Geheimnis auf der Sporzu sein. Er spürte es, weil er mit Leib und Seele Archäologe war. Und weil es Zeit wurde, dass alle sein Genie erkannten. Er hatte sich zielstrebig an den Platz emporgearbeitet, an dem er am meisten bewegen konnte. Der eine oder andere Neider behauptete, mit der Trennung von Mirtam hätt« sein sozialer Abstieg begonnen, doch er selbst wusste es bes ser, Nicht umsonst hatte er jahrelang stu diert, länger als viele andere. Zuerst hatte er den Abjion, den Meister im Fachgebiet lemurische Sprachen, ab solviert. Beemflusst durch sein Faible für Archäologie. Danach hatte er ein Studium in Geschichte und Politik ab* geschlossen. Ebenfalls mit herausra gendem Ergebnis. Doch als Dozent an verschiedenen Akademien zu arbeiten war eine unterqualifizierte Beschäfti gung gewesen. Die jungen Shahano wa ren eingebildet und dumm, sie wollten nichts lernen, sondern bestenfalls die Zeit totschlagen, und sie hatten ihn schon deshalb nicht anerkannt. Nach wenigen Monaten hatte er an gefangen, das Lehramt zu hassen. Er war ein Mann der Praxis, brauchte Be stätigung, aber keineswegs die tägliche Monotonie gelangweüter Gesichter, de nen bestenfalls ein dummes Grinsen zu entlocken war. Er hatte dann noch Verschiedenes versucht» aber erst die Anstellung als Archivar und Historiker entsprach sei nen Fähigkeiten. Abgesehen vom nied rigen Einkommen, aber das würde sich bald ändern. Bildsequenzen, die er schon kannte, flimmerten über den Schirm. Er ver
fügte nicht über Holoprojektoren wie im Archiv, nur über einen preisgünsti gen 3-D-Sehirm, und irgendwie schien ein Schleier über dem Bild zu liegen. Weiter, Jede Nuance konnte wichtig sein. Cohrnard erkannte nicht, welche Ho heitszeichen die Raumschiffe trugen, die den Planeten vernichteten. Viel leicht waren sie bewusst retuschiert worden. Oder - weitaus erregender Teile des Kristalls waren verschlüsselt. Dann traten solche überlappenden In terferenzen auf, weil einfache Positro niken die feinen Details nicht mehr sau ber trennen konnten. Hergol Cohrnard stoppte die Wieder gabe, um tiefer in die Kristallschichten einzudringen, doch ein dumpfes Poltern schreckte ihn auf. Es wiederholte sich, bis er endlich bemerkte, woher es kam. Irgendetwas schlug von der Wohnraum seite aus gegen die Trennwand. Namron, stellte er fest, als er die Scheibe aufhellte. Das KofentellanWeibchen rieb die Flanke am Glas und ließ Kopf und Rüssel pendeln. Das dumpfe Geräusch entstand, sobald der Schädel gegen die Scheibe stieß. Dass eine nicht zu unterschätzende Kraft in dieser Bewegung steckte, wusste Cohr nard aus eigener Erfahrung. In dem Moment sah ihn Namron. Der Rüssel fuhr in die Höhe, klatschte gegen die Wand und stieß ein erbärmliches Trompeten aus. Das Herz verkrampfte sich Cohrnard fast, und er war nahe daran, die Verrie gelung aufzuheben, doch rechtzeitig be sann er sich. Er würde zu keiner weite ren Recherche mehr Zeit haben, sobald Namron erst sein Arbeitszimmer unsi cher machte. Das Kofentellan-Weibchen wurde läs tig. Auch wenn die Legende berichtete, dass Kof entellans einst auf der Heimat welt aller Lemurer gelebt hatten, bevor
die Bestien die Milchstraße mit ihrem erbarmungslosen Krieg verwüsteten. Jene Tiere, die damals nach Shahana evakuiert worden waren, hatten aus un erfindlichen Gründen im Laufe von Jahrtausenden ihre imposante Größe verloren. Ursprünglich, hieß es, waren sie doppelt mannsgroß gewesen, heute reichten sie einem Shahano gerade noch bis zum Oberschenkel. Hergol Cohrnard riegelte sich erneut optisch ab. Eine Zeit lang polterte Nam ron noch gegen die Wand, bis sie ihre er folglosen Versuche aufgab. Hergol war währenddessen zu keiner Arbeit fähig und starrte nur dumpf brütend auf die Wand. Längst war der Mond Shaga unter den Horizont gesunken, Eine bleierne Müdigkeit hielt den Archivar der Tama ron im Griff. Immer öfter fielen ihm die Augen zu, und schließlich lag er vorn übergesunken mit dem Oberkörper halb auf der Arbeitsplatte, den Kopf auf den Armen, und seine gleichmäßigen Atem züge verrieten, dass er so schnell nicht aufwachen würde.
Schwerer Jagdkreuzer TOS OMA Das Shahan-System Wir waren im Außenbereich des Sys tems materialisiert und flogen mit hal ber Lichtgeschwindigkeit tiefer ein. Auf der Panoramagalerie der optischen Außenbeobachtung und Ortungssimu lation, die den Eindruck erweckte, nur durch ein Fensterband vom freien Welt raum getrennt zu sein, stand Shagdul IV. Gigantische Wolkenwirbel prägten die Oberfläche des Planeten und verliehen ihr ein selten zu sehende» Spiel von Licht und Schatten, eingefroren in der Ewigkeit der Zeit. Nichts schien sich zu bewegen, nicht einmal die beiden gro
ßen Monde, deren Schattenwurf nur auf einzelnen Grenzschichten der Atmo sphäre zu sehen war. Entfernung zur Sonne Shagdul im Mittel 525 Millionen Kilometer, resü mierte ich. Schwerkraft 2,26 Gravos, Atmosphäre mit giftigen Gasen durch setzt. Ein Sonnenumlauf dauert 4882,9 Tage zu jeweils elf terranischen Norm stunden. Insgesamt drei Monde. Achtung, da ist etwas!, meldete der Extrasinn* »Ortung!«, rief Agir-Ibeth gleichzei tig. »Fremdes Raumschiff!" Liegt auf Kollisionskurs!« Ausschnitte der Panoramagalerie veränderten sich. Noch erfasste die Normaloptik nicht mehr als einen win zigen Stern, der sich aus dem Orbit des Riesenplaneten löste, knapp zehn Mil lionen Kilometer von der TOSOMA ent fernt. Die Ortungseinblendungen waren schon weit präziser. Zum Teil veränder ten sich die Messdaten gedanken schnell. Ein Walzenraumer näherte sich. Mit 1400 Metern Länge und 350 Metern Durchmesser hatte er eine beachtliche Größe. »Beschleunigung 1800 Kilometer pro Sekundenquadrat!« Jemand lachte und forderte »AgirIbeth« auf, nicht schamlos zu übertrei ben. In Situationen wie dieser zeigte der Hasproner, dass er auch anders konnte und schon auf seinen ersten kurzen Na mensteü reagierte. Er musste eben nur wollen. »Ich weiß, das ist ein unglaublicher Wert!«, rief der Ortungschef. »Aber 1800'ist korrekt!« Es gibt nicht Diele Raumschiffe, die mit solchen Wahnsinnswerten beschleu nigen, kommentierte mein Logiksektor. Ich nickte bitter. Schon die Maßanga benwaren ein Schlüsselreiz für mein fo
tografisches Gedächtnis. Lange lag es die Optik aufgebessert. Was ich zu sehen zurück, dass Walzenraumer dieser bekam, war einschwarzes Walzenschiff, Größe über Terra erschienen waren. Ich auf dessen Bug und Heckregion ich sah sie wieder vor mir, mit halbkugeli schon gar nicht mehr achtete. Mit Be gem Bug, abgeplatteter Heckregion und ginn der Beschleunigung hatte sich der nachtschwarzer Hülle. Aber das war Raumer in eine abwechselnd blau und nur eine Erinnerung, Wieso sollten sie rot leuchtende Aureole gehüllt. Ein UFO-Mutterschiff! ausgerechnet nach so langer Zeit er- ' Es sieht so aus, als hättest du in ein scheinen, und dann auch noch in Omega Centauri? Wespennest gestochen. Zeit ist relativ und so unbedeutend Schön hast du das formuliert, gab ich wie kaum etwas anderes in diesem Uni in Gedanken zurück. Vor allem richtig versum, behauptete der Extrasinn. altterranisch. »Schiff "ändert Kurs, wird uns in Unzählige Vermutungen schössen 50.000 ... 80.000 Kilometern Abstand mir durch den Sinn. Vor allem fragte passieren. Geschwindigkeit 190.000 Se ich mich, oh ich ungewollt den »Hohen kundenkilometer, da ... das Schiff...« Mächten« des Universums in die Quere Der immer noch winzige Lichtpunkt gekommen war. Aber was sollten Kos in der optischen Vergrößerung ver mokraten mit dem Diebstahl eines Krish'un zu tun haben? Nichts, absolut schwand. »... es ist fort!«, brachte Agir-Ibeth nichts,.gab ich mir selbst die Antwort. ungläubig hervor, und seine Stimme Das war ungefähr so, als würde sich ein klang eine Oktave schriller als sonst. Raumfahrer für die abgebrochene »Eintritt in den Überlichtfiug. Nein, Spitze eines Faustkeils interessieren. keine Transition. Das Schiff ist «infach Ein besserer Vergleich fiel mir nicht in den Hyperraum eingetreten, als hätte ein. es einen Metagrav-Vortex geöffnet.« Weil du irritiert bist. Es gibt also doch Also doch? Im Bereich des Kugel noch Dinge, die einen potenziell un sternhaufens waren nachweislich nur sterblichen Arkoniden aus der Fassung Transitionen möglich. Selbst hochmo bringen. dernde galaktische Raumer, die nicht Ich hätte eine kleine Ewigkeit über über diese Redundanz verfügten, waren Kosmokraten und ihre Helfer reflektie hilflos. Aber wenn Agir-Ibeth behaup ren können. Das begann mit dem ewigen tete, dass das Walzenschiff nicht trän Widerstreit zwischen Kosmokraten und sistiert war, musste das nicht nachge Chaotarchen, wobei der Unterschied prüft werden. Das war dann gleichbe zwischen Gut und Böse längst nicht so deutend mit einer extrem hoch entwi polarisiert zutage trat, wie es den An ckelten Technik, mit der die TOSOMA schein hatte. Aber solche Wertungen nicht mithalten konnte. waren von Menschen gemacht, nicht »Ich will über jede Schiffsbewegung von den auf der Leiter der kosmischen informiert werden«, wandte ich mich an Entwicklung hoch über ihnen stehen den Hasproner. »Gib mir alle ermittel den Wesenheiten. ten Daten auf den Schirm!« Was kümmerte es den Menschen, Vieles wiederholte sich. Nur die End wenn er beim Bau eines neuen Raumha werte der Messreihen waren als Stand fens den Lebensraum von Ameisen zer bild deutlicher als in der Veränderung. störte? Wichtig schienen allein der Fort Der Syntron-Großrechner hatte zudem schritt und der Nutzen daraus zu sein.
Die Ameisen würden deshalb nicht aus sterben, Und was kümmerte es die Kosmokra ten ...? Ich brachte den Gedanken nicht zu Ende, denn er hatte etwas Erschre ckendes und zeigte auf fatale Art unsere Hilflosigkeit. Ein Jahr vor Beginn der Neuen Ga laktischen Zeitrechnung, also 3587 n. Chr., waren die UFOnauten erstmals über der Erde auf getaucht. Aber auch in weit entfernten Bereichen des Univer sums hatten wir sie erlebt, nämlich als Demonteure in den Kosmischen Burgen der Sieben Mächtigen. Walzenraumer wie den eben im Orbit über Shagdul IV beobachteten bezeich neten wir als UFO-Mutterschiff. Die ei gentlichen »UFOs«, nicht mehr als Bei boote, waren hochgewölbte Disken mit unterschiedlichem Durchmesser, die sich ebenfalls durch extreme TriebWerksleistungen auszeichneten. Sie wa ren schnell und wendig, und die äußer lieh sichtbaren Emissionen erschöpften sieh in der abwechselnd blauen und ro ten Aura. »Kleine Humanoide« hatten wir die Beauftragten der Kosmokraten ge nannt, weil sie nur einen Meter groß wa ren. Oh ja, ich sah sie wieder vor mir; al lein schon ihre violette, wie lackiert wirkende Iris hinterließ einen bleiben den Eindruck. In ihrer Bereitung wa ren humanoide Androiden aufgetreten, metallisch und fremd wirkende Männer in blauen Anzügen. Ihre muskulösen Körper und die glatten, leblos wirken den Gesichter hatten sich verblüffend ähnlich gesehen, wie bei Klonen. Ausgerechnet hier und jetzt auf Hei fer der Kosmokraten zu treffen ... Ich konnte mich in hunderterlei Vermutun gen ergehen, ohne der Wahrheit auch nur nahe zu kommen. Aber eine Verfol gung des Walzenraumers wäre allemal von vornherein unsinnig gewesen.
Sei auf der, Hut alter Arkonide, re dete ich mir ein. Etwas anderes bleibt dir nicht übrig. Mir blieb ohnehin nicht die Zeit, in Er innerungen zu schwelgen. Fünf Kugel raumer befanden sich im Anflug. Es wa ren Räumer mit äquatorialem Ring wulst. Vier von ihnen durchmaßen 230 Meter, einer sogar beachtliche 600 Meter. »Die Schifte1 nehmen Abfangposition ein!«, meldete der Hasproner. »Ihre Waffensysteme und Schutzschirme sind aktiviert. Wir müssen mit einem Angriff rechnen.*' »Gibt es wenigstens den Versuch ei nes Funkkontakts?«, wollte ich wissen, »Nein.« 4. Erregte Stimmen ...ein unterdrückter Aufschrei... Hergol Cohmard hielt nur für einen Augenblick inne, Er konnte nichts er kennen* weil ihm das Buschwerk den Blick verwehrte. Aber es ging ihn ja so wieso nichts an> wenn andere sich strit ten. Und was ihn nichts anging, brachte nur Ärger. Ein Schmerzensschrei, gefolgt vom Geräusch eines fallenden Körpers ... Ein grauer Schatten huschte auf die Büsche zu, brach raschelnd durch das Laub. »Namron!«, rief Hergol Cohmard halblaut. »Komm zurück, Namron!« Aber das Kofentellan-Weibehen rea gierte nicht. »He, du Mistvieh «, erklang eine dumpfe Stimme. »Lass das, verdammt!« Namrons schrilles Trompeten brach abrupt ab, wurde zum schmerzvollen Quieken. Was immer geschehen sein mochte, niemand durfte seinem Haus tier wehtun, Ein flüchtiger Blick zeigte Cohmard, dass andere Passanten eben falls aufmerksam geworden waren.
Er lief los, die Arme schützend vors Gesicht gehoben. Kräftige Äste peitsch ten heran. Keine zehn Schritte ... Cohrnard schrie auf. Er versuchte, alles gleichzei tig zu erfassen - und bekam doch: nur Ausschnitte des Ganzen mit, Mosaik stücke, die sich tief in sein Gedächtnis einbrannten. Ein Mann lag verkrümmt im Gras, die Finger ins Erdreich gekrallt, den Kopf in völlig unnatürlicher Haltung abge winkelt. Entsetzt registrierte Cohrnard die größer werdende Blutlache. Jemand hatte dem Mann die Kehle durchge schnitten. Sein Blick glitt weiter. Für die Dauer eines Herzschlags starrte er den Kerl an, der nur drei Meter vor ihm stand. Ihre Blicke fraßen sich ineinander, die Eises kälte in diesen Augen erschreckte Cohr nard. Der Kerl hielt ein Messer in der Rech ten. Er hatte nicht nur den am Boden Liegenden umgebracht, er war im Be griff, auch Namron zu ermorden. Mit der Linken hielt er den Rüssel umklam mert und zerrte das Kofentellan-Weibchen in die Höhe. »Mörder!«, keuchte Cohrnard. »Elen der Verbrecher!« Der andere starrte ihn nur an. Dann schleuderte er Namron zur Seite und warf sich nach vorn. Cohrnard konnte im allerletzten Moment ausweichen. Er kreischte auf, als die Klinge an seinem Gesicht Vorbeizuckte. Schon stach der andere erneut zu. Cohrnards Schrei verstummte. Un gläubig spürte er den Schmerz in seiner linken Brust Sein Herzschlag schien auszusetzen, begann von neuem, stol-perte. Warm und klebrig rann es über seine Haut, und die Hand, instinktiv auf die Wunde gepresst, färbte sich rot. Alles war plötzlich so weit weg, hin ter einer dichten Nebelwand entrückt.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, in der Cohrnard unzählige Tode starb. Während er der Länge nach ins Gras schlug, sah er seinen Mörder fliehen. Al les um ihn her drehte sich, geriet in im mer schnellere Bewegung. War das der Tod? So schnell und über raschend ... Aber er wollte nicht sterben. Ein Meer von Stimmen brandete über ihn hinweg. Viele Shahano kamen bis auf wenige Schritte heran und wichen ebenso schnell wieder zurück. Nur die ses graue, dickhäutige Etwas ver schwand nicht wieder. Namron, erfasste Cohrnards schwin dender Verstand. Ein abgehacktes Hus ten quoll über seine Lippen. Endlich keuchte er: »Namron ... hilf ... mir ...« Er sehloss die Augen. Der Schmerz wurde erträglicher, nur noch sein Puls raste. Er verstand sogar die Rufe nach dem Sicherheitsdienst. Eine Frau beugte sich über ihn. »Bleiben Sie ruhig liegen. Die Mediker sind alarmiert.« »Ich... laufe nicht weg«, raunte Cohr nard, Alle gafften ihn an. Aber das wollte er nicht, er konnte es nicht ertragen, dass ihn jeder so hilflos sah. Namrons Rüssel streifte über sein Ge sicht. Etwas kratzte dabei, und Cohr nard bemerkte, dass das KofentellanWeibchen ein Stück Folie festhielt. Dann glitt Namrons Rüssel in seine Ta sche. Das war zugleich der Augenblick, in dem Hergol Cohrnard endgültig das Bewusstsein verlor, *
Da war eine Gasse, ein Weg zwischen Milliarden Sonnen hindurch ... und am Ende dieses Weges ein verheißungsvol les Funkeln; Feuerräder, die aus dem Nichts heraus entstanden; Galaxien, die langsam auseinander drifteten.
Das war der Anbeginn der Zeit-oder »Auch. Das Kofentellan-Weibchen auch ihr Ende. wird in unserer Spezialabteilung be HergolCohmard fühlte sich unglaub treut. Aber der Sicherheitsdienst hat lich leicht und frei, alle Ängste und Sor wohl einige Fragen.« Er schloss die Augen. Als er sie wieder gen waren von ihm abgefallen. Aber dieser Zustand währte nur kurz; ein öffnete, war der Mediker gegangen, durch Mark und Bein gehendes Krei Cohrnard setzte sich auf, kam, noch ein wenig benommen, wieder auf die Beine sehen schreckte ihn auf. Er fror, hatte Schmerzen und rang und raffte seine Kleidung zusammen, In einer Tasche steckte ein Stück Fo nach Atem. Vor allem verstand er nicht, wo er sich befand, nur dass zwei Männer lie. Cohrnard entsann sich dunkel, des Sicherheitsdienstes versuchten, Namron musste es hineingesteckt ha Namron von ihm wegzuzerren. Das ben. Der Fetzen, So groß wie eine Hand Kofentellan-Weibchen widersetzte sich fläche, war zusammengeknüllt und blu tig. trompetend. »Lasst sie ...«, brachte Cohrnard ton Hergol Cohrnard wollte die Folie schön in den Abfallvemichter werfen, los hervor. »Lasst sie bei mir!« Eine leichte Berührung am Hals, als er sich besann und sie glättete. Die Wohlige Müdigkeit durchflutete ihn. Je eingeprägte Handschrift war keiner der mand hatte ihm ein Beruhigungsmittel geläufigen Dialekte. Auf Anhieb hätte injiziert, und er brachte nur noch ein Cohrnard nicht zu sagen vermocht, wel unartikuliertes Stammeln, hervor, ehern Tamanium er die Sätze zuordnen Gleich darauf verließ er zum zweiten sollte. Seine Augen wurden größer, je langer Mal die Realität. er las. Die Folie in seiner Hand zitterte. Die Sätze endeten mitten im Verlauf, * der andere Teil war offensichtlich abge Er schwebte im Nichts, Zeitlos und rissen worden. Aber schon das Wenige, unfähig, über seinen Zustand nachzu was Cohrnard las, entsetzte ihn. Vor denken. So ähnlich musste eine Kreatur Übergehend spielte er mit dem Gedan empfinden, die sich ihrer eigenen Exis ken, die Notiz den Sicherheitsleuten zu geben, wenn er gleich den Raum verließ. tenz kaum bewusst war. Das Erwachen kam übergangslos. Aber vielleicht war alles, was hier Über ihm sterile Helligkeit und das von stand, nur ein Scherz. Dann würde er Licht umflossene Gesicht eines Medl sich bis auf die Knochen blamieren, Und falls nicht, fehlten ihm die Be kers. Zwei kräftige Hände hinderten ihn daran, sich abrupt aufzurichten. weise. Dabei musste es ausgerechnet »Langsam, Hergol Cohrnard. Der ihm ein Leichtes sein, solche Beweise zu Stich ging nahe am Herzen vorbei und beschaffen. Das Archiv war der richtige hat eine Rippe abgesplittert. Ansonsten Ort dafür. hattest du Glück. Die Wunde wird in Er versuchte, sich zu erinnern, wie er wenigen Tagen restlos verheilt sein.« in ' den Besitz der Folie gelangt war. »Ich ...« Zweifellos hatte der Mann im Park we »Bleib noch eine Weile liegen. Danach gen dieser Folie sterben müssen. Sein kannst du dich anziehen und gehen. Du Mörder hatte sie ihm abgenommen und wirst schon erwartet.« dabei wohl zerrissen. Im ungünstigsten »Namron?« Moment war er, Hergol Cohrnard, auf
getaucht. Oder auch Namron. Jeden Sonnenstrahlen die ohnehin nur unvoll falls hatte Namron das Stück Folie er kommene Nacht. Jeder neue Morgen auf wischt. Nein, intelligent war Namron den Welten Shahannahols war eine deshalb noch nicht. Sie hatte nicht wis Auseinandersetzung naher und weniger sen können, welche Brisanz die wenigen naher Sonnen um die Vorherrschaft am Sätze enthielten. Firmament. Eine Verschwörung!, durchzuckte es Es waren die nahezu horizontal ein den Archivar. Und nicht nur das. Wenn fallenden Strahlen, die Hergol Cohr er den Gedanken weiterspann, sah er nard aus seinen Albträumen auf den Bestand Shahannahols gefährdet. schreckten. »Ihr werdet mich kennen Er strich die Folie glatt, faltete siebe lernen! Ihr alle ... werdet ...« Abrupt dächtig zusammen und ließ sie wieder richtete er sich auf und schien erst da in der Tasche verschwinden. Eine Gele wirklich zu begreifen, wo er sich be genheit wie diese bot das Schicksal kei fand. nem Shahano ein zweites Mal, er hätte »Tarik«, murmelte er. »Die Wahrheit verrückt sein müssen, sie nicht beim sieht man oft sehr spät.« Schöpf zu packen. Sogar seine Wunde Nur eine Millitonta nachdem er die vergaß Hergol Cohrnard. Wenn er es Innenwand transparent werden ließ, richtig anstellte, würde er seinen längst richtete sich Namron auf. Pas Kofentel verdienten Ruf als Genie endlich be lan-Weibchen hatte vor der Trennwand gründen. geschlafen und begann nun erneut, mit Tief atmete er ein, als er sich an Rüssel und Schädel gegen die Scheibe zu schlagen. schickte, den Raum zu verlassen. Nein, dröhnte es unter seiner Schä »Heute nicht.« Cohrnard knirschte deldecke, ich weiß nichts. Ich habe mit den Zähnen. »Es gibt Wichtigeres zu keine Ahnung, wer der Tote ist, und sei tun, verstehst du?« nen Mörder habe ich auch noch nie zu Namron hörte ihn nicht. vor gesehen ... Cohrnard ignorierte seinen Hunger. Nachdem die Haushälterin gegangen * war, hätte er sich selbst das Frühstück richten müssen. Er gestand sich ein, »Nein ...!« Unvermittelt ein Auf dass er keine Ahnung hatte, wo er die schrei, der die nächtliche Stille durch Zutaten suchen sollte, brach. Danach, aufgeregt, eine schwer Von neuem vertiefte er sich in den verständliche Stimme: »Ich „. ich weiß Speicherkristall. Längst hätte er seine nichts!« Ein tiefes Seufzen folgte, Arbeit im Archiv antreten müssen, aber Schließlich nur noch unregelmäßige es war ihm gleich. Da er in seinen Ent Atemzüge. Scheidungen weitgehend frei war, Ein unheimliches Flackern be würde auch niemand nach ihm fragen, Die Sonne kletterte in den Zenit. Je herrschte den Raum - eine Momentauf nahme vom Untergang einer fernen der noch so viel versprechende Versuch, Welt, deren Leben im Atombrand ver das Geheimnis der Kristallscheibe zu ging. Für die Ewigkeit konservierte Bil lüften, blieb im Ansatz stecken. Mit der. Und für alle, die wissen wollten, Ausnahme der Büdsequenzen waren wozu intelligentes Leben fähig war alle Daten auf eine Weise gesichert, die Hergol Rätsel aufgab. Er fand keinen Wieder dieses schwere Seufzen ... Über den Bergen vertrieben die ersten Anhaltspunkt. Vor allem wuchs sein Ar
ger darüber, dass sich solche Dinge sei nem Zugriff entzogen. Was geschehen war, betrachtete er schlicht als persön liche Herabwürdigung, die er nie und nimmer hinnehmen würde. Namron hatte sich getrollt und von der Antigravplatte ins Erdgesehoss tra gen lassen: Cohmard vernahm ein dumpfes Poltern, auf das lautes Trom peten folgte. Was immer Namron an stellte, es interessierte ihn momentan nicht. Es dauerte lange, bis Hergol Cohr nard begriff, dass sich die Daten erstseit wenigen Jahrzehnten auf dem Kristall befanden und von ihren Urhebern ko diert worden waren. Von jemandem au ßerhalb des Shah'taman? Deshalb konnte er die Verschlüsselung nicht lö sen! Die Bildsequenzen gaben vor, fünf hundert Shahana-Jahre -alt zu sein. Cohrnard konnte nicht einmal das wi derlegen. Nur behaupteten die Notizen auf der zerrissenen Folie etwas anderes. Ohne diese Folie hätte der Speicher kristall vermutlich noch jahrzehntelang unbeachtet im Archiv der Tamaron ge legen. Ein Mann hatte der Daten wegen schon sterben müssen. Er selbst wäre fast der zweite Tote gewesen - für Cohr nard gab es deshalb keine Zweifel an Echtheit und Brisanz seines »Fundes«. Eine Welt, die angeblich vor fünfhun dert Shahana-Jahren vernichtet wor den war, und das Bildmaterial doku mentierte dies eindringlich, existierte in. Wahrheit noch. Tarik war niemals ver nichtet worden, sondern hatte sich im Verborgenen weiterentwiekeit. Wenn das stimmte...! Cohrnard fragte sich, wer den Spei cherkristall ins Archiv der Tamaron eingeschleust hatte und warum. Sein Vorgänger? Es hieß, der Mann hätte den, Planeten überraschend und ohne ein
Ziel zu nennen verlassen. Aber viel leicht war er ebenfalls - Hergol Cohr nard fasste sich an die Kehle und schluckte krampfhaft - umgebracht worden? Er zitterte am ganzen Leib und spielte sogar mit dem Gedanken, den Kristall in den Abf allvernichter zu werfen und alles zu vergessen. Aber er wusste schon zu viel, und die Mörder waren ihm auf der Spur. Zum anderen reizte ihn die Wahr heit, das war er sich selbst schuldig. Cohrnard schob den Speicherkristall in seine,Brusttasche und verschloss sie sorgfältig. Sein nächster Griff galt dem Nadler; er überprüfte den Sitz des Ma gazins, überzeugte sich davon, dass die Sicherung nur mithälfe seiner Fingerab drücke zu überwinden war, und steckte die Waffe ins Schulterholster. Dann ver ließ er das Arbeitszimmer, wartete un geduldig darauf, dass die Antigrav platte in die Höhe schwebte, und ließ sich nach unten tragen. Namron war nicht zu sehen. .Dafür zog sich eine Spur der Verwüstung durchs Haus. Entwurzelte Zierpflanzen und zerschlagene Skulpturen zeigten deutlich, dass Namron sich zurückge setzt fühlte. Aus der Küche erklang ein heiseres Trompeten und gleich darauf ein helles Klirren. Wieder war etwas zu Bruch gegangen. Für einen Augenblick war Cohrnard unschlüssig. Doch wenn er jetzt die Kü che betrat, würde er Namrons treuher zigem Blick nicht widerstehen können. Trotz Hunger und Durst verließ er das Haus. Draußen blieb er erst einmal ste hen, atmete tief durch und versuchte, sich über die nächsten Schritte klar zu werden. Hinter ihm polterte etwas Graues gegen die Tür; «r sah es aus den Augenwinkeln, aber er wandte sich nicht um. Die Hände zu Fäusten geballt, die Lippen fest zusammengepresst, ging er davon.
Namron würde sich über kurz oder lang beruhigen, und morgen war dann alles vergessen. *
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Kein freundlicher Empfang 27. Februar 1225 NGZ Die Anspannung in der Zentrale war greifbar geworden. Die fünf Kugelrau mer passten ihren Kurs und die Ge schwindigkeit der TOSQMA an. In einer Distanz Aron nur noch 500.000 Kilome tern flogen sie schräg voraus, als warte ten sie nur auf den richtigen Zeitpunkt, auf Kollisionskurs einzuschwenken. Der vierte Planet des Systems fiel all mählich in die Anonymität zurück, Wir flogen ohne Schutzschirm, ganz im Gegensatz zu den Shahano - natür lich gehörten die Ringwulstraumer zur Heimatflotte -, deren Schiffe in ein ro tes, gestaffeltes Halbraumfeld gehüllt waren. Die Messungen ergaben eine un seren HÜ-Schirmen vergleichbare Ab sorptionsleistung, also kein unüber windbares Hindernis. Wobei ich mich hüten würde, sozusa gen mit der Tür ins Haus zu fallen. In ge wisser Weise hatten wir das mit unse rem Einflug ins System ohnehin jlchon getan. Ich suchte Kontakte und Infor mationen, keine Konfrontation. »Fünf gegen einen«, hörte ich hinter mir jemanden sagen. »Nicht das beste Verhältnis, auch nicht mit Blick auf die Schiffsgröße. Aber wir haben dennoch beste Chancen, als Sieger aus einem Kampf hervorzugehen.« »Cisoph Tonk«, antwortete ich, ohne mich umzuwenden, »ich habe nicht vor, die TOSOMA in die Schlacht zu führen. Entsprechend verhalten wir uns - und das erwarte ich von jedem. Ist das ange kommen?«
»Klar und deutlich«, antwortete der Terraner polynesischer Abstammung. Zwölf Mülitontas inzwischen ... Er fahrungswerte belegten die ersten drei Zentitontas eines Zusammentreffens als die entscheidende Phase; kam in dieser Zeit ein friedlicher Kontakt zustande, war das Schlimmste ausgestanden. »Funkaüsgang zu mir!« Ich aktivierte ein Mikrofonfeld. »Sendung auf allen Frequenzen.1« »Geschaltet«, bestätigte Agir-Ibeth. Sechzehn Mülitontas .„ Die Schinn feldprojektoren waren geflutet und würden die Schutzschirmstaffel in Kürze mit voller Leistung entstehen lassen. Die Scannerdaten zeigten, dass die Gegenseite über Impuls- und Ther mokanonen sowie Desintegratoren und Paralysegeschütze verfügte, alles licht schnelle Waffen, die unserem Syntron ausreichend Reaktionszeit lassen wür den. Lediglich die Gegenpol-Kanonen waren unseren Transformgeschützen vergleichbar, allerdings transportierten sie die Sprengkörper nicht unmittelbar ins Ziel, sondern bauten erst ein Emp fangsfeld auf, in dem dann die Ge schosse bis zu 1000 Gigatonnen Vergleiehs-TNT materialisierten. Auch sie ließen uns also genug Reaktionszeit. Gegenpol-Kanonen als Offensivwaffe hatten schon die Lemurer benutzt. »Hier spricht der arkonidische Kreu zer TOSOMA^ begann ich. »Mein Name ist Atlan da Gonozal. Wir kommen in friedlicher Mission. Ich wiederhole: Wir sind in friedlicher Absicht in das Shahan-System eingeflogen.« Nichts. Keine Antwort. Nicht einmal ein Zeichen, dass der Hyperf unkspruch empfangen worden war. Ich blickte zu Agir-Ibeth hinüber, aber der Hasproner entblößte nur sein kräftiges Gebiss. Zwei Zentitontas ... Das Bremsmanöver war eingeleitet, die TOSOMA drang nur noch mit knapp
45.000 Kilometern in der Sekunde tiefer in das System ein. Es ist sinnlos, wollte mir der Extra sinn einreden, als ich erneut das energe tische Akustikf eld vor meine Lippen di rigierte. Noch haben sie nicht das Feuer eröff net, gab ich in Gedanken zurück. Aber sie werden es tun ... »Hier spricht die TOSOMA«, begann ich noch einmal. »Wir wollen keine Konfrontation...« Ein Aufblitzen, so flüchtig wie ein Gedanke. Die Augen, waren zu träge, um mehr als diese jähe Helligkeitsschwan kung wahrzunehmen. Aber die Or tungsdaten zeigten es deutlich: Ein me terdicker Impulsstrahl hatte die TO SOMA um wenig mehr als vier Kilome ter verfehlt. Angesichts der noch vorhandenen Restgeschwindigkeit eine gute Leistung des gegnerischen Feuer leitoffiziers. Unsere Schirmfeldstaffeln hatten sich ebenso schnell aufgebaut und hät ten die auftreffende Energie mühelos absorbiert. Der Schuss war nur eine Warnung gewesen, weit genug entfernt, um keine Gefahr zu bedeuten, aber zu gleich so nahe, die Entschlossenheit der Verteidiger zu demonstrieren. Zwei Impulssalven folgten. Sie streif ten den Schutzschirm der TOSOMA fast, und nahezu gleichzeitig baute sich, noch weit voraus, das Rematerialisati onsfeld einer Gegenpol-Kanone auf. Der Glutball der Explosion Überschüt tete die Zentrale mit düsterem Leucht ten, als das Schiff, nur noch mit geringer Restfahrt, hindurcnstieß. Augenblicke später hatten wir den re lativen Stillstand erreicht. Und die drei Zentitontas waren um. »Ortungschef?«, wandte ich mich an Agir-Ibeth Nir-Adar-Nalo Nilmalla dah III. Ich hatte mich an seine Marotte gewöhnt und zog es vor, ihn mit seinem
Titel anzureden, um irgendwelche Pro bleme zu vermeiden. Aber manchmal fragte ich mich, ob er sich überhaupt bewusst war, was er allen an Bord zu mutete. »Funkempfang!«, meldete er in dem Moment. »Shahano.« Ich nickte knapp, und den Bruchteil einer Mülitonta danach baute sich vor mir ein Holo auf. Zwei stechende graue Augen taxierten mich, weil mein Abbild gleichzeitig an Bord der Ringwulstrau mer zu sehen war. Die grauen Augen ge hörten zu einem ovalen Gesicht mit markant ausgeprägten, leicht schräg stehenden Wangenknochen. Die Nase, scharfrückig und gebogen, erinnerte an einen Vogelschnabel, der schmallippige Mund wirkte verkniffen. Mir blieb genug Zeit, diese Physio gnomie zu studieren, denn der Mann schwieg beharrlich. Offensichtlich war tete er darauf, von mir eine Erklärung zu hören. Eine steile Falte erschien über seiner Nasenwurzel. Des millimeter kurzen Haarschnitts hätte es gar nicht mehr bedurft, um meinen ersten spon tanen Eindruck zu erhärten. Ich hatte einen Soldaten vor mir, wahrscheinlich ein hoher Rang. Der Mann wirkte verkniffener, je län ger er wartete. Ich legte meine flache Hand an die Brust, eine Geste, die in vielen Epochen Gültigkeit besaß. »Halaton kher lemuu onsa«, sagte ich betont, eine Anrede, die einige Falten mehr auf der Stirn meines Gegenübers erscheinen ließ. Ich hatte die traditionelle lemurische Grußformel benutzt: »Gesegnet sei das Land der Vä ter.« Aus der unwilligen Ablehnung in sei nem Blick war eine gewisse Neugierde geworden, die aber nach wie vor hinter seinem Misstrauen zurückstand. »Ich bin Atlan da Gonozal«, fuhr ich fort. »Die TOSOMA ist ein arkonidi
sches Schiff. Arkon Hegt 3S.859 Licht jahre von Shahan entfernt.« Eine herrische Handbewegung unter brach mich. »Du behauptest also, aus Apsuhol zu kommen?« Apsuhol war ein rein lemurischer Name. Apsu hatten sie Sol genannt, das Müttergestirn der Erde, und Apsu stand gleichbedeutend für der von Anbeginn an da ist. Eine gewisse Inkonsequenz ließ sich dabei nicht leugnen, denn Sol war gewiss nicht die erste Sonne gewe sen, die in<Jer Milchstraße geboren wort den war. Es sei denn, die Bezeichnung bezog sich noch auf etwas anderes- Ajaer dafür hatten wir nie Hinweise erhalten. UndHol stand für Sterneninsel, also für die Galaxis an sich. »Wie groß ist das Sternenreich Ar kon?« Was sollte ich. ihm sagen? Die Wahr heit würde er mir angesichts der Abge schiedenheit in Omega Centauri wohl nicht glauben. »Egal«, fuhr er fort, \ohne mir Gele genheit für eine Antwort zu lassen. »Ich verlange, dass die TOSOMA ihre Schutzschirme abschältet und für eine Inspektion zur Verfügung steht. Dabei wird es keine 'Ausnahme und keine ver* borgenen Räume geben. Ich hoffe, wir verstehen uns richtig.« »Das wäre einfacher» wüsste ich, mit wem ich spreche.« Er starrte mich ungläubig an, »Ge schwaderkommandant Fragma Wur kaff«, rasselte er herunter. »Ich, unter stehe der Tamaron in gerader Linie.« »Meine Antwort lautet dennoch nein, Geschwaderkommandant«, sagte ich. »Ich bin gern bereit, dich zu einem Stützpunkt zu begleiten und dort Rede und Antwort zu stehen. Aber die tech nischen Details meines Schiffes werde ich nicht preisgeben. Das würde nie mand tun.«
»Welches Tamanium von Shahan nahol schickt dich, um das Shah'taman auszuspionieren?« »Ich sagte bereits...« »Ach Was!« Fragma Wurkaff winkte heftig ab. »Dir bleibt nur die Wahl zwi schen der Wahrheit und dem Tod. Ich will die Wahrheit hören und Beweise se hen!« »Beweise ja, aber keine Inspektion meines Schifies«, widersprach ich. »An dererseits empfange ich dich und einige deiner Offiziere sehr gern an Bord. Miss verständnisse lassen sich so schnell aus der Welt schaffen.« »Missverständnisse?«, wiederholte er ungläubig. »Ich gebe dir eine halbe Stunde Zeit, dein Schiff für eine unein geschränkte Inspektion freizugeben. Andernfalls ziehe ich meine eigenen, für dich wenig angenehmen Schlüsse.« Die Übertragung erlosch. Was mich in meiner Ansicht über gewisse Militärs bestärkte. *
Ich wüsste, dass der Geschwader kommandant sich nicht mit einer einfa chen Inspektion zufrieden geben würde. Zweifellos hatte ihn das Aussehen des Schiffes zu seiner Forderung veranlasst. Nicht nur, dass der TOSOMA der Ring wulst fehlte, sondern auch die Aggrega tegräben und die am Schiffsäquator einander gegenüberliegenden Metagrav-Triebwerke mussten sein Interesse geweckt haben. Und falls die Energie ortungen an Bord des Fünferpulks ex akte Daten wiedergaben, hatte Fragma Wurkaff einen Grund mehr, die TO SOMA bis in die letzte Abstellkammer hinein zu untersuchen. »Warum eigentlich...?«, begann Janu ary Khemo-Massai. »Ja?«, schreckte ich aus meinen Über legungen auf.
»Warum lassen wir keine Abordnung an Bord? Die Shahano würden sehr schnell erkennen, dass wir nicht aus dem Kugelsternhaufen stammen.« »Ihr Denken beschränkt sich auf Shahannahol, alles andere interessiert sie vielleicht, stößt sie aber auch sehr schnell ab. Vergiss nicht, dass sie jahr tausendelang keinen Kontakt mit der Milchstraße hatten. Vielleicht besteht in ihren Köpfen immer noch die Asso ziation Milchstraße gleich Bestien.« »Dann hätten wir besser daran getan, uns als Angehörige eines Volkes aus Omega Centauri auszugeben«, wandte Altra Atlan da Orbanaschol ein, mein verehrter Patensohn, der den Zweiten Piloten abgelöst hatte. »Ich glaube nicht«, sagte ich. »Die TOSOMA verrät eine hochstehende Technik und schürt damit Neid und Furcht. Der Geschwaderkommandant sprach nicht umsonst schön von aus spionieren.« »Demnach bleibt uns nur die Wahl zwischen Beelzebub und dem Teufel«, wandte der Kommandant ein. »Was bitte?«, fragte Agir-Ibeth ver wirrt. »Die Wahl zwischen zwei Übeln«, er klärte Altra. »Ohne zu wissen, welches das größere ist.« »Nach Ablauf des Ultimatums wird nichts anders sein«, behauptete AgirIbeth. »Eine halbe Tonta verändert nichts.« »Oh doch«, sagte Khemo-Massai. »Ich denke, dass Atlan die verblei bende Zeit nutzen wird, um einige Kostproben unseres Könnens zu ge ben.« Er wandte sich an mich: »Ist es nicht so?« Ich nickte knapp. »Es ist immer gut, den anderen kennen zu lernen. Unter breiten wir also ein Friedensangebot.« *
Die holografische Wiedergabe des Geschwaderkommandanten starrte mich unverhohlen feindselig an. »Dein Angebot ist inakzeptabel«, sagte er schroff. »Dabei ist mir gleich gültig, was dich zum vermeintlichen Einlenken bewegt. Du wirst weder Shahan noch eine andere Welt unseres Systems anfliegen und dort landen. Erst wenn die Vorbedingungen erfüllt sind: ein Inspektionsteam an Bord deines Schiffes. Dir bleiben noch neunzehn Zeiteinheiten.« Damit -unterbrach Fragma Wurkaff die Verbindung. Neunzehn seiner Zeiteinheiten, das entsprach in der Umrechnung knapp vierzehn Standardzentitontas. Unser Psychospiel hatte begonnen. Natürlich wäre es möglich gewesen, den Sperrriegel der fünf Kugelraumer zu durchbrechen. Aber jede Gewaltan wendung hätte unsere Chancen schrumpfen lassen, dass wir noch von irgendwem Informationen, erhielten. Khemo-Massai grinste mich an und deutete auf die Ortung. In diesem Mo ment »materialisierte« dreieinhalb Mil lionen Kilometer entfernt ein Raum schiff. Die Ortung zeichnete den Kugel räumer mit einigen Unscharfen, aber daran waren schlicht die hyperphysika lischen Besonderheiten des Sternhau fens schuld. Das andere Schiff, das mit Höchst werten verzögerte, glich der TOSOMA wie ein Ei dem anderen. 150 Meter Durchmesser, kein Ringwulst - aller dings auch keine aktivierten Schutz schirme. Das würde dem Geschwaderkom mandant jetzt einiges Kopfzerbrechen bereiten. Fünf gegen zwei, das Verhält nis besserte sich. Und es würde noch ganz anders werden. Zwei weitere Strukturschocks zeig ten die Ankunft der nächsten Schiffe. Die Endpunkte der Transitionen lagen
um einige Millionen Kilometer tiefer im Sonnensystem. »Erhöhter Funkverkehr!«, meldete Agir-Ibeth, »Von den Ortungen ganz zu schweigen; die tasten mit allem, was sie haben.« »Noch zwei?«, fragte Khemo-Massai. Ich zögerte. Der Energieverbrauch der TOSÖMA war rapide angestiegen. Aber Massewerte und energetische Si gnaturen der Schiffe da draußen waren echt. Zumindest für den, der nicht wusste, wonach er zu suchen hatte. »Die größeren«, bestätigte ich. Die TOSOMA und die fünf Schiffe der Shahan-Heimatflotte standen nahezu exakt in der Ekliptik des Systems. Die beiden Kugelraumer, die jetzt aus dem Hyperraum fielen, stürzten mehr als vierzig Millionen Kilometer über der Ekliptik zurück, und sie stießen in einer Zangenbewegung auf uns herab. Fünf hundert Meter durchmaß jeder von ih nen - sie basierten auf der Matrix eines Schlachtkreuzers der Träger-/TenderKlasse. Wurkaffs Geschwader; formierte sich neu. Abfangposition. Außerdem emp fingen wir einen Hyperfunkspruch, in dem er Verstärkung anfprderte. Eine Millitonta danach feuerten seine Schiffe. Unsere Ortungsbilder zeigten in ra scher Abfolge entstehende Empfangs felder der Gegenpol-Kanonen, Die ers ten neuen Sonnen wurden aus dem Nichts heraus geboren, blähten sich auf und fielen langsam wieder in sich zu sammen. Wie eine Kette aus Feuer und Vernichtung lagen sie exakt im Kurs zweier TOSOMA-Ebenbilder, die nach wie vor ohne Schutzschirme flogen. Für die Shahano musste es ein Schock sein, die Unyerwundbarkeit unserer Schiffe zu erkennen- Sie feuerten jetzt im Sal ventakt, hatten den Betrug also noch nicht erkannt.
»Lange halten wir die Virtuellbilder nicht mehr aufrecht«, wandte Cisoph Tonk ein, »Sie verschlingen zu viel Energie.« »Wie lange noch?«, wollte ich wissen. »Maximal zehn Zentitontas.« »Fünf! Danach machen wir dem Spuk ein Ende.« Agir-Ibeth meldete von mehreren Welten schwache Energieechos. »Da he ben etliche Schiffe im Alarmstart ab. Und das alles nur wegen ein paar fal scher Echos. Peinlich für den Geschwa derkommandanten.« »Ich kann mir vorstellen, dass Wur kaff danach noch weniger gut auf uns zu sprechen sein wird als vorher«, be merkte der Kommandant. , »Solche JLektionen sind lehrreich«, sagte ich, »Bisher haben wir noch kei nen Schuss abgegeben, und das wird auch so bleiben.« »Wir empfangen eine Hyperfunk nachricht auf der bisherigen Frequenz«, meldete Agir-Ibeth. »Nur ein Rafferim puls, keine Bildübertragung.« Den Bruchteil einer Millitonta später hallte Fragma Wurkaffs Stimme durch die Zentrale. Seine Erregung war deut lich herauszuhören. »Die gesetzte Frist ist nahezu abge laufen!«, rief er. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Khemo-Massai grinste schräg. »Eins muss man dem Shahano lassen: Er hat Rückgrat und gibt nicht klein bei.« »Dann eben anders«, entschied ich. »Im Übrigen teile ich deine Einschät zung. Wir beschleunigen wieder. Kurs auf Shahan!« Die Verteidiger schienen endlich er kannt zu haben, dass sie nur auf Projek tionen feuerten. Von einzelnen Explo sionen abgesehen, die wohl nur noch den Zweck hatten, Messungen vorzu nehmen, stellten sie ihre Breitseiten ein. »Sieben weitere Raumer im Anflug
identifiziert«, meldete die Ortung. »Sie fliegen mit mehr als'halber Lichtge schwindigkeit.« Bislang reagierte der Geschwader kommandant nicht auf die neue Verän derung. Noch während des Gefechts und bevor die TOSOMA wieder be schleunigte, hatten wir die Antior tungsf eider aktiviert. Lediglich fünf Ki lometer querab begleitete uns ein mit allen Details probiertes Virtuellbüd. »Hingwulstraumer nehmen ebenfalls Fahrt auf. Sie gleichen ihren Kurs an.« Du unterschätzt diesen Wurkaff> mahnte der Extrasinn. Seine Lernfähig keit wird nur noch von seiner Sturheit übertroffen. Der neue Funkkontakt kam wenig später zustande. Der Geschwaderkom mandant blickte mich, aus geröteten Augen an. Mich oder vielmehr den Krish'un, den ich angelegt hatte, um ihm meine Berechtigung zu beweisen. Er kannte den Umhang der Tamräte, das sah ich an seiner Reaktion, aber er ging mit keinem Wort darauf ein. »Du hast deine Entscheidung getröf fen, Atlan da Gonozal«, sägte er. »Mit technischen Spielereien kannst du mich nicht beeindrucken.« »Von meinem Schiff wurde bislang kein einziger Schuss abgegeben«;, wi dersprach ich. »Ich wiederhole, dass wir in friedlicher Mission kommen. Außer dem sollte der Krish'un mich als be fehlsberechtigt ausweisen. Unsere Völ ker sind aus den Lemurern hervorge gangen; ich will keinen Bruderkrieg.» »Demnach stimmst du unserer In spektion nun zu?« »Unter der Voraussetzung...« »Du verkennst immer noch'die Situa tion.« Daä Holo erlosch. »Drei weitere Raumschiffe haben uns fast erreicht!«, meldete der Hasproner. »Zwei davon gehören zum 600-MeterTyp.«
»Nach wie vor kein Feuerbefehl! Ich weiß, was ich erreichen will.« Augenblicke später griff der Ge schwaderkonmmandant wieder an. Themo- und Impulsstrahlen schlugen in den mittlerweile simulierten Schutz schirm der falschen TOSOMA ein. Die Glutbälle heftiger Explosionen säum ten den Kurs des Schiffes. Zugleich wurde es schwerer, das Virtuellbild auf rechtzuerhalten. Nur zwei Zentitontas vergingen, bis Fragma Wurkaff den» Betrug durch schaute und die TOSOMA trotz ihres Ortungsschutsses aufspürte. Von da an war jede weitere Projektion überflüssig. Wir benötigten die Energie ohnehin für unsere eigenen Schirme. Sechzig Prozent Belastung ... acht zig ... fünfundneunzig ... Ich kam nicht umhin, den Geschwaderkommandan ten für die Effizienz zu bewundern, mit derer uns angriff. Seine Baumer feuerten punktgenau, und inmitten der Explosio nen, der blassgrünen Desintegratorsal venf der Impuls- und Thermostrahlen detonierten zudem Raumtorpedos. Viele Hunde sind des Hasen Tod, kommentierte der Logiksektor mit einer alten terranischen Weisheit, als die nächsten Ringwulstraumer in den Or tungen erschienen. Die äußere Schirmfeldstaffel brach zusammen. Ich achtete nicht darauf. Ich wartete auf einen Hyperfunksptuch, der nicht eintreffen wollte. 5.
Hergol Cohrnard nahm an diesem Nachmittag nicht den kürzesten Weg und ließ seine Umgebung nicht aus den Augen, Seine anfängliche Unruhe legte sich, «1s er endlich sicher sein konnte, dass ihm niemand folgte.
Kaum eine Wolke trübte den Himmel, und nur ein leichteb Westwind trug die Gerüche des Raumhafens heran. Umso überraschter war Cohrnard, als ein f er nes Rumoren anschwoll und sich zum dumpfen Gewitter auswuchs. Die Augen zusammengekniffen und mit beiden Händen gegen die Sonne ab geschirmt, entdeckte er endlich den fal lenden »Stern«, der eine länger wer dende Leuchtspur durch die Atmo sphäre zog. Das Raumschiff schien über der Polarregion in die Lufthülle einge drungen zu sein, und das Dröhnet! sei ner Triebwerke war deutlich zu verneh men. Zu laut, entschied Cohrnard. Das war entweder eines der beiden eintausend Meter durchmessenden Schiachtschiffe, über die die Flotte des Shah' taman ver fügte, oder mehrere Kreuzer flogen in enger Formation, Kampfschiffe erschienen nicht oft über dem Raumhafen von Shahjohl, deshalb folgte Cohrnard dem größer werdenden Lichtpunkt mit den Augen, Tatsächlich teilte sich dieser noch vor dem Landeanflug. Fünf oder sechs Raumschiffe waren es - so genau ließ sich das auf die große Entfernung nicht erkennen. Hergol fragte sich, ob die De monstration shahanoischer Militärprä senz mit den vermuteten Agenten von Tarik zusammenhing. Das Tamanium Baylamor verbanden wenige Shahano mit einer konkreten Vorstellung. Und noch weniger wuss ten, wie der Name des benachbarten Tamaniums einst gelautet hatte: Tarik'taman, Reich von Taman. Die Raumschiffe landeten. Knapp fünf Minuten lang waren sie als grelle Lichtpunkte zu sehen gewesen. Noch einmal schaute Cohrnard sich nach allen Seiten um, dann steuerte er auf das nächstgelegene Schweberestau rant zu. Die Lichtkaskaden des Ein
gangsbereichs wirkten dämpfend auf das Nervensystem. Hergol Cohrnard verweilte etwas länger als nötig inmit ten des flirrenden Vorhangs. Der behag liche Eindruck, seine Sorgen wie eine alte, vertrocknete Haut abzustreifen, machte diese Restaurants so erfolg reich. Ausgelöst wurde der Effekt durch eine schwache mentale Beeinflussung. Cohrnard fragte sich, wie eines Tages die Weiterentwicklung aussehen würde. Shahano am Draht, wie Puppen fernge lenkt? Aber das war dann nicht mehr seine Welt - es sein denn, er gehörte zu jenen, die am anderen Ende des Drahtes zogen. Warum eigentlich nicht? Ein Lächeln umfloss seine Mundwinkel. Trotz der vorgerückten Stunde waren nahezu alle Plätze belegt. Hergol Cohr nard fand-noch einen freien Stuhl hoch über der Passage, unter ihm wälzte sich der Mob durch das bunte Angebot der Zerstreuungsmöglichkeiten. Der alte Mann ihm gegenüber nickte knapp und vertiefte sich wieder" in die Nachrichten eines Holowürfels. Cohr nard stand der Sinn wenig nach Unter haltung. Er setzte sich so, dass eine Mauer hinter ihm vor unliebsamen Überraschungen schützte und er kaum gesehen werden konnte, während er selbst nahezu alles im Blick behielt, Den in der Tischplatte eingespiegel ten Menüplan blätterte er gar nicht erst durch, sondern tippte auf zwei Positio nen der Titelseite. Beide Gerichte wur den noch einmal aufgelistet. Gewicht, Wartedauer, Nährstoffgehalt nach Zu bereitung. Keineswegs alle Positionen entsprachen der erforderlichen Tages dosis; Cohmard orderte deshalb eine Beimischung von Vitaminen und Spu renelementen. Als er eher unbewusst unter die Jacke griff und die Finger um den Nadler schloss, hob sein Gegenüber den Kopf.
Cohrnard wich dem fragenden Blick aus. Es mochte Zufall sein, dass er aus gerechnet nach Westen schaute, Rich tung Raumhafen. Der Alte legte die Stirn in Falten. »Du weißt es also schon?« Cohrnard zuckte mit den Schultern. »Das mit den Fremden«, fügte der Mann bedeutungsvoll hinzu, Hergol Cohrnard blickte ihn for schend an. »Ich verstehe nicht. Welche Fremden?« Seine Hand lag schwer auf dem Nadler. »Sie sind erst vor einer Viertelstunde gelandet.« »Du sprichst von den fünf Raum schiffen ..,?« »Sechs. Aber nur fünf davon waren unsere Kreuzer.« Cohrnard wurde abgelenkt, weil ein Roboter das Essen servierte. Hastig trank der Archivar den in einem Röh renglas schwimmenden Fruchtsaft., »Die Kommentare sind spärlich«, schimpfte der Alte. »Obwohl das Ge schehen von eminenter Bedeutung ist.« »Das Schiff stammt aus einem bislang unbekannten Tamanium?«, vermutete Cohrnard mit vollem Mund. Er erwar tete, den Namen Baylamor zu hören. »Offenbar aus einem sehr großen Tamanium.« »Wo in Shahannahol...?« »Apsuhol!«, brachte der Alte gewich tig hervor. »Apsu.,.«, Hergol Cohrnard ver schluckte sich fast,»... hol?« Ihm war die Bedeutung des Begriffs geläufig, aber er fragte sich, ob der Alte ebenfalls Be scheid wusste oder den Namen mir so dahinsagte. Apsuhol war das Große Tamanium der Lemurer, die vom Bestienkrieg ver wüstete Sterneninsel. Falls wirklich ein Raumschiff von dort gekommen war, stellte das jedes andere Ereignis in den Schatten.
»Zeigst du mir die Bilder?«, drängte er. Der Alte griff in den Holowürfel hin ein, und dann konnte auch Cohrnard die Projektion erkennen. Nur den Kom mentar hörte er nicht. Aber das war ihm egal, denn die Aufnahmen sprachen für sich. Das Erste, was Cohrnard sah, waren die Schweren Kreuzer mit den Hoheits zeichen des Shah'tarnan, Sie eskortier ten einen weiteren Kugelraumer. Ihm fiel das Fehlen eines Ringwulstes an dem .fremden Schiff auf. Es ließ sich keinem der bekannten Tamanien zuord nen, sofern es sich nicht um eine ge heime Neuentwicklung handelte. Das Schiff war kleiner als die anderen und durchmaß nach Cohmards Schätzung ungefähr 150 Meter; Dennoch glaubte er zu spüren, dass es vor Kraft strotzte. Der rötlich blaue Rumpf hatte etwas Exotisches, die ausgeprägte Hüllen struktur sprach für eine hoch stehende Werfttechnik, Ohne sichtbare Emissionen schwebte das fremde Schiff zwischen den Schwe ren Kreuzern in die Tiefe. Die Perspektive wechselte. Kameras in Bodenhöhe verfolgten das Landema növer. Erst jetzt registrierte Cohrnard, dass die Kreuzer ihre Waffensysteme aktiviert hatten. Gemeinsam projizier ten sie ein Energiefeld, das den Lande bereich gegen äußere Einflüsse ab schirmte. Hergol Cohrnard glaubte nicht, dasa die Fremden sich davon be eindrucken ließen. Ihr Schiff besaß keine hydraulischen Landebeine. Nur wenige Me1 ter über dem Boden schwebte es auf einer Art energetischem Prallfeld. Cohrnard hatte sein Essen kalt wer den lassen. Während er angespannt dar auf wartete, dass siöh'eine Schleuse öff nete, schlang er alles in sich hinein. Er glaubte nicht, dass mit diesem Schiff Bestien gelandet waren. Bestiennack
fahren, berichtigte er sich in Gedanken. Schließlich waren seit dem Großen Krieg rund 39.500 Shahana-Jahre ver gangen. Trotzdem wäre ein Schiff der Bestien sofort angegriffen worden. Das bedeutete, an Bord befanden sich Le murer - aus der Galaxis. »Wir stehen an der Wende eines neuen Zeitalters«, sagte der Alte. »Wie? Ja, natürlich.« Cohrnard hatte dem Mann gar nicht mehr zugehört. Nach wie vor lag ihm wenig an Konver sation. Vielleicht stimmte sogar, was sein Gegenüber von sich gab - im Guten wie im Schlechten. Cohrnard zahlte mit seinem Finger abdruck, erhob ach und ging. Auf ein mal glaubte er zu wissen, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, Licht in das Dunkel um Tarik zu bringen. *
Niemand war ihm gefolgt, Hergol Cohrnard hatte jedoch den Eindruck, allenthalben eine unterschwellige Ner vosität zu spüren, die mit der Landung des fremden Kugebraumers zusammen hing. Schon das Äußere des Schiffes leistete einer Vielzahl von Spekulatio nen Vorschub. Es gab verschärfte Kontrollen im Be reich des Palasts. Cohmard wurde mehrmals angehalten und musste sich ausweisen. Nur auf seine Waffe achtete niemand. Er sah das als Indiz dafür, dass die Fremden den Shahano ähnelten und die Tamaron weniger ihre technischen Möglichkeiten als eine, unbemerkte In filtration fürchtete. ' Hatte Baylamor die Fittger im Spiel? Waren die angeblichen Lemurer aus Ap suhol nur Mittel zum Zweck für eine Machtergreifung durch das benach barte Tamanium? Cohrnard ahnte, dass er in den nor malen Bereichen des Archivs kaum fün
dig werden konnte. Um an wirklich bri sante Dokumente zu gelangen, musste er in den gesperrten Sicherheitstrakt eindringen. Aber dort hatten Einzelper sonen nicht mehr Zutritt, nur noch Gruppen von mindestens drei Archiva ren. Bis vor wenigen Jahren war das an ders gewesen, aber seit das Fehlen wichtiger Dokumente bemerkt worden war, gab es diese Vorschriften. Dass Hergol Cohrnard nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, be trachtete er jetzt als Bonus, der ihm eine Übertretung erlaubte. Zumal er hoffte, anschließend Beweise vorlegen zu kön nen. Cohrnard, der Held, dem es gelun gen war, das Shah'taman vor dem Zu griff seiner Feinde zu bewahren. Still lä chelte er in sich hinein. Er hatte sein Le ben lang auf eine solche Chance gewartet. Cohrnard fand in seinem Archiv alles so vor, wie er es am vergangenen Abend verlassen hatte. Sogar die abgebroche nen Betäubungsnadeln steckten noch in der Säule. Für jemanden, der nichts da von wusste, waren sie schwer zu entde cken. Er fragte sich, ob der Schatten wirklich da gewesen war, und wenn ja, wonach er gesucht hatte. Eigentlich gab es nur eine plausible Antwort darauf: den Kristallspeicher, den er selbst mit nach Hause genommen hatte. Oder redete er sich das alles nur ein? Eines war Cohrnard erschreckend klar: Falls er wieder zur Waffe griff, würden die Explosivnadeln innerhalb des Archivs schwere Schäden verursa chen. Die Verriegelung des Sicherheits trakts reagierte ausschließlich auf Kodekarten. Er selbst besaß eine. Ent weder musste er zwei weitere Personen einweihen und sich ihrer Neugierde oder ihrem Spott aussetzen, auf jeden Fall aber der Gefahr, den späteren Ruhm mit ihnen teilen zu müssen, oder
er beschaffte sich zwei Karten auf an dere Weise. Meruti Jamahn, der als Archivaufbe reiter in der Hierarchie eine Stufe unter ihm stand, verfügte ebenfalls über: eine Karte. Jamahns Tätigkeit umfasste die Registrierung aktueller Geschehnisse. Früher, überlegte Cohrnard, waren Da ten entweder chronologisch oder nach Sachgebieten archiviert und vieles erst nachträglich integriert worden. Die Quervernetzungen von heute degradier ten den Beruf des Archivars zur Bedeu tungslosigkeit. Eines Tages wurde der Keiz fehlen, der mit der Suche nach wichtigen Daten verbunden war. Meruti Jamahn schaute überrascht auf, als Cohrnard bei ihm erschien. Ihre Kontakte beschränkten sich im Allge meinen nur auf kurzen Datenaustausch, Jamahns fragender Blick war schwer lich zu übersehen. »Mich interessiert das frernde Raum schiff«, begann Cohrnard ohne Um schweife. »Darüber weiß ich bislang sehr we nig«, sagte Jamahn. »Dann sind die Nachrichtensender besser informiert als du.« Cohrnard grinste schräg. »Stammt es wirklich aus der Galaxis?« »Das ist die offizielle Version.« »Und inoffiziell?« »Die Tamaron und ihre engsten Ver trauten beraten derzeit. Mit ist nur be kannt, dass von einem Fremden namens Atlan eine enorme Datenfülle übermit telt wurde.« Natürlich wusste Cohrnard, wo die Kodekarjten während der Anwesenheit des jeweiligen Berechtigten aufbewahrt wurden. Doch er wartete vergeblich darauf, dass Jamahn seinen, Platz oder gar den Raum verließ. »Ist noch etwas?«, fragte der Archiv aufbereiter nach einer Weile. Die Zeit drängte. Cohrnard spürte
eine aggressiver werdende Ungeduld. Er hatte Namron allein zurückgelassen; das Kofentellan-Weibchen war es nicht gewohnt, ohne den täglichen Spazier gang und vor allem ohne Ansprache auszukommen. Die Haushälterin würde eine Zeit ^ang schmollen und erst mor gen oder übermorgen zurückkommen. »Ich brauche deine Kodekarte!«, hörte Cohrnard sich sagen. Jamahn blickte' ihn ungläubig an. »Ausgeschlossen! Die Vorschriften...« »Die Vorschriften kümmern mich ei nen feuchten Dreck«, platzte Cohrnard ärgerlich heraus* »Ich bin da einer Sa che auf der Spur ...«Er biss sich auf die Zunge, weil er beinahe schon zu viel ge sagt hatte. »Lass hören!« Es war verrückt. Cohrnard wusste selbst nicht, weshalb ihm die Sätze überhaupt herausgerutscht waren. Aus gerechnet Jamahn gegenüber, der alles dafür tun würde, einen, besser bezahlten Posten zu bekommen. »Dann sollten wir geineinsam zum Si cherheitsdienst gehen.« Jamahn grinste schräg. »Oder behagt dir das nicht, Her gol? Das hätte ohnehin dein erster Weg sein müssen.« Er wusste nicht, was er tat. Genau diese Erkenntnis durchzuckte Cohr nard, "als seine Hand zur Waffe fuhr. Noch hätte er eine Eskalation vermei den können - aber er wollte es nicht. Zu tief war er schon in seinem Geflecht aus Hoffnung, Neugierde und Furcht gefan gen. »Ein lautes Wort, und du bist tot!« Der andere starrte ihn aus weit auf gerissenen Augen an. Dann erst wurde er bleich. »Steh auf!«, herrschte Cohrnard ihn an. »Beweg dich schon!« »Was hast du vor?« Jamahn versuchte, Zeit zu gewinnen. »Du willst meine Kodekarte? Für den Zugang zum Si
cherheitstrakt.« Zögernd folgte er dem Wink mit der Waffe und schritt quer durch den Raum zu der schmalen Sei tentür hinüber. »Hat das mit den Frem den aus Apsuhol zu tun?« Hergol Cohrnard blieb die Antwort schuldig. Er kannte sie selbst nicht. Die Tür führte in einen kleinen Vor ratsraum, der keinen weiteren Zugang besaß. Wer da drinnen eingesperrt war, konnte sich ohne Hilfe von außen nicht mehr befreien. »Dein Armband!«, forderte Cohr nard. Jaraahn gab ihm das kombinierte Sende- und Empfangsgerät. Augen blicke später schlug die Tür zu; Cohr nard sicherte das Schloss. Jamahn konnte höchstens versuchen, mit Rufen auf sich aufmerksam zu machen, doch zu der Stunde hielt sich niemand mehr in der Nähe auf, der ihn hätte hören können. Die Kodekarte lag nicht an ihrem Platz. Cohrnard begriff, dass er wirklieh verrückt sein musste. Aber er konnte nicht mehr zurück. Es war wie so oft in seinem Leben: Die Situation hatte sich verselbständigt. Er musste sich treiben lassen und darauf vertrauen, dass er das Richtige tat. Er durchwühlte Jamahns halben Arbeitsplatz, bis er endlich die Karte fand. Eine brauchte er noch für den Zugang zum Sicherheitstrakt. *
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Strategischer Erfolg Erneut tobten die Aufrissfronten zum Hyperraum um das Schiff. Die zweite Schutzschirmstaffel geriet nach nicht einmal sechs Zentitontas Dauerfeuer ins Wanken. »Belastungsanzeige übersteigt den kritischen Punkt bei 120 Prozent!«,
meldete Cisoph Tonk, der Polynesier am Waffenpult. Der Geschwaderkommandant schien es sich in. der Tat zur Aufgabe gemacht zu haben, den arkonidisehen Kreuzer aus dem All zu blasen. In den Gesich tern der Zentralecrew stand ein Hauch von Besorgnis. An eine Transition war unter den ge gebenen Umständen nicht zu denken. Und das Feuer zu erwidern - nein, die Shahano waren nicht unsere Gegner. Sie reagierten lediglich übernervös. Dass sie uns für Spione eines benach barten Tamaniums hielten, zeigte auf, wie unsicher die Zeiten selbst in Omega Centauri waren. Zwei Beiboote näherten sich. Sie wa ren diskusförmig, eine Art Space-Jet, jede knapp zwanzig Meter durchmes send. Und sie lagen eindeutig auf Kolli sionskurs. Unser Ausweichmanöver war zu knapp bemessen. Dann - ein gefilterter Lichtblitz. Gleich darauf die zweite Explosion. Vibrationsalarm! Immer noch sah ich den grellen Blitz vor mir, der nur langsam wich. Die Geg ner hatten zwei Beiboote voll Energie gepumpt und in unseren Schutzschirm stürzen lassen. Diese zusätzliche Zer störungskraft hatte ausgereicht, auch die zweite Staffel zusammenbrechen zu lassen. Der Erfolg würde Fragma Wur kaff zweifellos anspornen, dieses Vorge hen zu wiederholen. Gib endlich den Feuerbefehl! Ich schwieg, denn nur ein einziges von uns abgeschossenes Schiff der Shahano machte die Aufnahme von Be ziehungen endgültig unmöglich. Inzwi schen glaubte ich selbst nicht mehr daran, dass sich meine Erwartungen noch erfüllten, »Funkspruch!«, ertönte die me ckernde Stimme des Hasproners.
Also doch! Ich hatte mich nicht ge täuscht. Von Störungen überlagert, stabili sierte sich das holografische Abbild ei ner Frau. Spontan schätzte ich sie auf etwa sechzig Jahre. Sie war schlank und wirkte sportlich trainiert, und noch ehe sie zu sprechen begann, hatte ich schon den Eindruck, einer sehr sachlich den kenden Person gegenüberzustehen. »Du nennst dich Atlan da Gonozal, und du trägst einen Krish'un der Tam räte«, sagte sie mit klarer, energischer Stimme. »Ich bin Tamaron Nestara Cherhay.« Beiläufig registrierte ich, dass die TO SOMA nicht mehr unter gegnerischem Beschuss lag. Demnach hatte die Tamrä tin die Eskalation gestoppt und den Be fehl zum Einstellen des Feuers gegeben. »Was willst du? Vor allem: Ist es wahr, dass dein Schiff aus Apsuhol kommt?« »Es ist wahr. Ich bin hier, weil ich In formationen benötige und einer vagen Spur folge. Aber beides sollten wir nicht über Hyperkom besprechen.« Sie nickte knapp. »Nach wie vor be steht Landeverbot für die TOSOMA. Ich verlange Beweise, die mich Überzeugen. Bist du in der Lage, solche Beweise vor zulegen?« »Natürlich.« »Gut. Ich lasse dir Zeit, alles Material zusammenzustellen und zu übermit teln. Allerdings erwarte ich, dass dein Schiff stoppt und keine weiteren Manö ver unternimmt. Geschwaderkomman dant Wurkaff hat genaue Anweisungen erhalten. Die TOSOMA ist nicht unbe siegbar; gib uns also keinen Grund zum Misstrauen.« »Ich denke, Tamaron, wir werden wns bald in Freundschaft gegenüberstehen.« »Das hängt nicht von den Shahano ab.« Ihr Abbild verblasste.
Trotz Syntronunterstützung benötig ten wir zwanzig Zentitontas» um alle re levanten Daten zusammenzustellen. Jedes Zuviel an Informationen würde die Tamrätin nur verwirren und vor al lem neue Fragen aufwerfen. Anderer seits durfte nichts fehlen, was die galak tische Geschichte in den vergangenen fünfzig Jahrtausenden geprägt hätte. Vor allem musste aus dem Bericht un zweifelhaft hervorgehen, dass die TO SOMA aus der Milchstraße stammte und eine noch unbekannte Macht von Omega Centauri aus ihre Hände nach unserer Heimat ausstreckte. Die Gefahr, die sich abzeichnete, war auch eine Be drohung für das Shah'taman. Ich begann mit dem Überfall auf das Epetran-Archiv und führte Epeträns Datei an. Aus unbekannten Quellen hatte er in Erfahrung gebracht, dass vor Jahrzehntausenden Mitglieder desGro ßen Alten Volkes, wie er sagte, im Ku gelsternhaufen Braangon siedelten. Nicht unerwähnt ließ ich dabei die »be merkenswerte Leuchtfeuerkonstella tion« im Zentrum des Sternhaufens ebenso wie das Pyramidenfünfeck auf dem Randplaneten Shamakh. Über haupt nahmen die Geschehnisse auf Shamakh einen größeren Rahmen ein. Der Übergang zu Informationen über das Große Tamanium der Lerrmrer war hier geradezu prädestiniert. Die Flucht der Lemurer vor den Bestien durch die Sonnentransmitter nach Andromeda, der Rtickfall des Planeten. Erde in die Bedeutungslosigkeit... dann die aus den Resten der versprengten Lemurer hert vorgegangenen Völker, die heute noch Geschichte schrieben: Akonen, Arkoni den, Aras, Springer. Zuletzt die Iterra ner, die ihre Heimat, das alte Lemur, wieder zu einem bedeutenden Sternen reich gemacht hatten. Von den Nachfahren der Bestien-von einst, den heutigen friedliebenden
Halutem, sprach ich lieber nicht. Tiefe Wunden verheilten nur langsam und brachen mitunter sehr schnell wieder auf. Das Ganze durfte nicht den Beige schmack einer Fälschung bekommen. Deshalb ergänzte ich die Informationen um astronomische und astrophysikali sche Nachweise. Auch hier hatten die Shahano keine Möglichkeit, den Wahr heitsgehalt spontan.nachzuprüfen. Ich zielte in erster Linie auf die dem Men schen angeborene Neugierde. Die Tam rätin würde erheblich mehr erfahren wollen, Details von Geschehnissen, die nur am Rande erwähnt wurden. Weiter greifende Kenntnisse aber das Schicksal der Lemurer besaßen vor al lem die Terraner, Nicht zuletzt mehrere Zeitreisemissionen tief in die Vergan genheit hatten dazu beigetragen. Eine knappe Empfangsbestätigung der Tamaron traf ein, verbunden mit dem Versprechen - oder der Androhung? - einer umfassenden Analyse, dann be gann für uns das Warten. Mittlerweile standen vierzehn Raum schiffe der Shahano in Schussweite. Die Energiescans zeigten, dass sie innerhalb weniger Augenblicke mit allen Waffen systemen losschlagen konnten. Im 'Vergleich dazu wirkte die TO SOMA eher wie ein Wrack. Keine akti vierten Schutzschinne, die Waffensys teme nicht versorgt, nicht die Spur von Triebwerksemissionen. Mit einer Rest fahrt von nur noch wenigen hundert Metern in der Sekunde driftete das Schiff zwischen den Umlaufbahnen der Planeten III und IV Shahan entgegen. Nicht einmal unsere Ortungen griffen in dieser Zeit weit in den Raum hinaus. Mit einer schnellen Entscheidung der Tamrätin hatte niemand gerechnet. Da für war das gelieferte Material zu um fangreich. Aber allmählich breitete sich Ungeduld aus.
Sechs Tontas ... Die Piloten wechsel ten erneut. Der Kommandant nahm kurz darauf, nach einer ausgedehnten Ruhepause, seinen Platz wieder ein. Mir machte es wenig aus, auf Schlaf zu ver zichten. Zweimal hatte ich in der Zwi schenzeit in der Zentrale für jeweils eine halbe Tonta die Augen geschlossen, das restliche Schlafbedürfnis kompen sierte der Zellaktivator. Li hatte ihre vorübergehende Nieder geschlagenheit längst überwunden und war wieder die faszinierende Frau, als die ich sie kennen gelernt hatte. Ein Ge heimnis umgab sie, das glaubte ich deutlicher zu spüren als zuvor. Aber vielleicht redete ich mir das auch nur ein. Sie vereinte alles, was ich an einer Frau schätzte: Sie war intelligent und schön, konnte ihre Hände ebenso per fekt als Waffe benutzen wie einen Syn tron, und ihre Sinnlichkeit war for dernd und hingebungsvoll zugleich. Vor allem war sie sich ihres Frauseins be wusst. Vierzehn Tontas vergingen, bis die Tamrätin ihr Schweigen beendete. »Die Beweise sind überzeugend, aber sie werfen zugleich neue Fragen auf. Es ist faszinierend, wie sich das Leben au ßerhalb von Shahannahol weiterent wickelt hat. Geschwaderkommandant Wurkaff wird die TOSOMA nach Shahana eskortieren und nach der Lan dung die Bewachung fortsetzen. Ich er teile hiermit die Landeerlaubnis.« »Und jetzt?«, fragte Khemo-Massai, als die Hyperkomverbindung erlosch. »Ich gehe davon aus, dass die Tama ron eine Abordnung empfangen wird«, sagte ichr Li schürzte die Lippen. »Nestara Cherhay ist noch nicht überzeugt.« »Das ist richtig...« Warum musste ich Narr ausgerechnet jetzt wieder daran denken, dass Li und ausgerechnet mein Patensohn Altra Atlan auf Othmura
miteinander geschlafen hatten? Was Li mit ihm angestellt hatte, stand mir noch deutlich vor Augen. Ein fotografisches Gedächtnis konnte auch ein Fluch sein, Dabei war das alles eigentlich unbedeu tend. Ich war selbst kein unbeschriebe nes Blatt, und Li hatte mir gegenüber nicht die geringste Verpflichtung. Ich schaute Li da Zoltral in die Augen und glaubte ein fernes, geheimnisvolles Funkeln wahrzunehmen. »... aber Nes tara Cherhay hat den Köder ge schluckt«, vollendete ich meinen Satz. »Sie will mehr in Erfahrung bringen.« 6.
Grelles Licht erfüllte den Korridor, Hergol Cohmard fröstelte beim Anblick der Stahlwände und der aus verborge nen Quellen stammenden durchdrin genden Helligkeit. Die Kalte und Un-» Persönlichkeit passten zu den hier auf bewahrten Daten, aber er ^liebte diese Umgebung nicht gerade. Seine Schritte erzeugten kaum ein Echo. 'Cohrnard zögerte vor dem dunklen Flirren der Strahlensperre. Dann drückte er entschlossen die erste seiner Karten in die Lesevertiefung. Die dritte Kodekarte war eine Fäl schung; er konnte nur hoffen, dass sie ihm gelungen war. Es handelte sich Ie7 diglich um eine Passierkalte für den un terirdischen Übergang in den Palastbe reich, die er mithälfe seiner Positranik modifiziert hatte. Außer Meruti Jamahn hatte sich niemand mehr im Archiv auf gehalten. Im Nachhinein dankte Cohrnard sei ner Tochter Claronne für ihren ausge prägten Hang zur Positronik-Manipulation. Bei ihr hatte er sich Tricks abge schaut, die nur wenige hundert Spezia listen beherrschten. Nicht umsonst gehörte Claronne trotz ihres jugendli
chen Alters zu den von Industrie und Verwaltung begehrten Shahano. Für sie hatte sich schon der Traum erfüllt, dem er, Hergol, noch nachjagte. Er zögerte, bevor er die dritte Karte einfügte. Jeden Moment glaubte er, eine zweite Ehergiebarriere aufflammen zu sehen, die ihn zum Gefangenen im Stahlgang machte. Doch nichts ge schah. Natürlich wurden die Namen der Be sucher gespeichert. Aber das interes sierte Cohrnard wenig. Bis der nächste Abgleich erfolgte, hatte er längst nichts mehr zu verlieren. Kurz darauf betrat er das »Allerhei ligste« des Archivs. Es lag subplaneta risch, umgeben von dickem Stahl mit eingelagerten Aerogel-Schichten. Nicht einmal der Absturz eines Kaumschiffs über dem Gebäude hätte den teils ural ten Dokumenten gefährlich werden können. Obwohl er gewusst hatte, was ihn er wartete, geriet Hergol Cohrnard ins Schwitzen. Was hier lagerte und darauf wartete, eines Tages erfasst, bewertet und konserviert zu werden, reichte für etliche Menschenleben. Cohrnard lachte heiser. Er hatte sieh zu viel zugemutet, diese Datenfülle war nicht zu beherrschen. Er hatte eine Nacht und bestenfalls noch einen hal ben Tag, dann würde sein unbefugtes Eindringen auffallen. Warum fing er nicht einfach an? Sein Lachen verstummte. Scheu schritt er an dem eingelagerten Material vorbei. Gut drei Viertel waren chrono logisch noch nicht zugeordnet. Angeb lich lagerten hier im Herzen des Archivs sogar noch Daten aus der Zeit des Gro ßen Kriegs gegen die Bestien, gesehen hatte er selbst bislang kein einziges der artiges Dokument. Wahllos griff er zu, zog einen mittel großen Folianten aus einem Fach. Das
Buch trug keinen Hinweis, wann es ge druckt worden war. Irgendwann in fei>ner Vergangenheit, 25.000 ShahanaJahre oder mehr, schätzte Cöhrnard. Es war ein astrophysikalisches Werk, das sich mit den Besonderheiten in Shahan nahol auseinander setzte. Der zweite Zugriff brachte einen klei nen Holospeicher zum Vorschein. Es war fast ein Wunder, dass der Projektor noch über ausreichend Energie ver fügte. Aus einem bunten Flimmern her aus stabilisierte sich, die halb manns große Wiedergabe einer Frau. Ihr Alter konnte Cöhrnard schwerlich schätzen, auf gewisse Weise wirkte sie zeitlos. Den Hintergrund füllte die Abbildung einer Spiralgalaxis aus, die Cöhrnard auf An hieb größer einschätzte als Apsuhol. Diese Sterneninsel hatte mindestens zwei kleine vorgelagerte Galaxien. Die Frau redete zu ihm, aber er hörte nur ein heiseres Krächzen. Ohnehin fas zinierte ihn ihre Erscheinung mehr als alles andere. Sie war schlank und wirkte hochgewachsen, war vermutlich größer als er selbst. Das tiefschwarze Haar hatte sie glatt zurückgekämmt und im Nacken zu einem breiten Knoten geschlungen. Ihre ausdrucksvollen Au gen und die vollen Lippen schlugen Cöhrnard in ihren Bann. Und nicht we niger ihr locker fallender Umhang, den ein schillerndes, psychedelisches Far benspiel überzog. Unaufhörlich schie nen sich diese Farben zu verändern. Die Wiedergabe endete abrupt Her gol Cöhrnard benötigte einige Augen blicke, um sich wieder bewusst zu wer den, wo er sich befand. Er vergeudete seine Zeit, er musste gezielt nach Spei chern suchen, deren bereits erfolgte Da tierung eine Einschätzung zuließ. Fünf hundert Shahana-Jahre... Er arbeitete wie besessen und wühlte sich in eine Zeit hinein, die aber offen sichtlich keine Antwort auf seine Fra
gen bereithielt. Einige Dokumente be fassten sich mit dem Tarik'taman. Tat rik, das war der zweite von insgesamt neun Planeten einer orangefarbenen Sonne, eine Welt mit nur einem einzigen kleinen Kontinent. Es gab kein origina les Bildmaterial, nur eine Umrisskarte. Er benötigte gut eine Stunde, um das zuordenbare Material von den positro nischen Spülprogrammen nach dem Stichwort Tarik durchsuchen zu lassen. Eigentlich war sehr wenig über das Tarik'taman bekannt Das Jagdfieber, das ihn schon am ver gangenen Tag angetrieben hatte, hielt ihn wieder im Griff. Wie ein unschätz bar wertvolles Kleinod drehte er die kleine Kristallscheibe zwischen den Fingern, bevor er sie ebenfalls unter den Abtaster legte. An der Positronik hatte er Veränderungen vorgenommen, die ei nen Abgleich des Kristalls mit beliebi gen älteren Daten veranlassten. Auf diese Weise konnte er zwar nicht die Ko dierung knacken, aber winzige Verfor mungen im Kristallgitter ließen mögli cherweise eine Übereinstimmung ver wendeter Grundlagen erkennen. Er suchte also schlicht einen gleich alten Speicher, der als Grundlage dienen konnte, die Kodierung wenigstens zu manipulieren. Nichts. Er suchte vergeblich. Wäre die Vernichtung des Planeten Tarik nicht vor fünfhundert Shahana-Jahren erfolgt, hätte Hergol Cöhrnard die an gewendete Verschlüsselung für die da malige Zeit als zu komplex eingestuft. Aber so... Er befand sich auf der rich tigen Spur. Als eine Altersanalyse der Kristallscheibe die vage Rückmeldung erbrachte, dass der Speicher vor 524 Shahana-Jahren produziert worden war, lächelte Cöhrnard zum ersten Mal seit Stunden. Die Täuschung war per fekt. Jeder sollte glauben, dass Tarik nicht mehr existierte. Für diesen weit
zurückliegenden Zeitraum gab es längst keine Augenzeugen mehr. Er befasste sich mit den jüngsten Speichern und arbeitete sich in die Ver gangenheit vor. Das Tamanium Tarik wurde seit ge raumer Zeit nur noch als Baylamor'taman bezeichnet. In den vergan genen 36 Jahren hatte es eine zuneh mend offensive und aggressive Expan sionspolitik betrieben und seine gieri gen Finger auch nach dem Shah'taman ausgestreckt. Zweifellos kam ihm zu gute, dass niemand mit Gefahr von ei nem Reich rechnete, dessen Zentralwelt in einem Feuersturm untergegangen war. Tarik war gar nicht vor 500 ShahanaJahren vernichtet worden. Die Eintra gungen auf der Kristallscheibe waren, mit einer sehr geringen Schwankungs breite, gerade einmal dreißig Jahre alt. Das galt für alle im Kristallgitter veran kerten Informationen. Mitternacht war nicht mehr fern, als Cohrnard endlich einen Hinweis auf die Art der Verschlüsselung fand, Ich schaffe es! Nur dieser Gedanke häm merte noch unter seiner Schädeldecke. Ich brauche nichts als den richtigen Kode. Er konzentrierte sich auf die neueren Verschlüsselungstechniken. Alles, was älter als dreißig Shahana-Jahre war, in teressierte ihn nicht mehr. Obwohl er die gesamte Kapazität der Positronik für die Dekodierung verwendete, benö tigte er immer noch geraume Zeit, um einen einigermaßen brauchbaren Algo rithmus zu entwickeln. Die Hände im Nacken verschränkt, lehnte er sich zurück und verdrehte die Augen. Er hatte es geschafft» Mirtam würde noch bitter bereuen, dass sie ihn verlassen hatte. Aber falls sie zu ihm zu rückkehren wollte ... Nein! Hergol Cohrnard war fest ent
schlössen, seinen Triumph auszukos ten. Sein Puls raste, als er sich auf die Wiedergabe konzentrierte. *
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Festbankett .»Eine Farce«, sagte January KhemoMassai kopfschüttelnd. Sein Blick hatte sich an der Panoramagalerie festgefres sen, die in perfekter Rundumprojektion das Raumhafengelände wie auch den weitgehend umlaufenden, Lärmschutz wall zeigte und darüber noch die höchs ten Gipfel der fernen Bergketten, In geringer Entfernung waren die Wachschiffe des Geschwaderkomman danten gelandet. Auf ihren hydrauli schen Landebeinen stehend, mit dem mächtigen äquatorialen Triebwerks ringwulst, versprühten die Kugelrau mer einen nostalgischen Charme. Nur die eingeblendeten Anzeigen der Ener gieortung passten nicht zu der ver meintlich friedvollen Szenerie. Alle Waffensysteme unserer »neuen Freun de« waren hochgefahren. »Sobald sie zu feuern beginnen, bleibt von dem Raumhafen und der na hen Stadt nichts übrig«, sagte der Kom mandant weiter. »Die Shahano zeigen ihre Muskeln«, antwortete ich. »Sie können uns noch nicht wirklich vertrauen, andererseits wollen sie sich die Chance nicht entge hen lassen, die wir für sie darstellen. Die Tamaron praktiziert eine Gratwande rung, um ihren Interessen gerecht zu werden.« / »Und was nun?«, fragte Li. »Ich warte auf die offizielle Einla dung«, meinte- ich. »Nestara Cherhay lässt nur eine gewisse Schamfrist ver streichen. Sie will nicht mit dem Vor
wurf konfrontiert werden, sich anzubie dern.« Eine Standardstunde später meldete sich eine Ordonnanz. Der Mann über brachte die Aufforderung, dass wir uns im großen Bankettsaal des Palasts von Shahjohl einfinden »durften«. Diese Einladung galt für sechs Personen »un bewaffnet und in wohlwollender Ab sicht«. »Eine Floskel«, bemerkte Li. »Wenn die Tamaron glaubt...« »Wir halten uns daran«, unterbrach ich sie. Li starrte mich an. »Das kann nicht dein Ernst sein!« »Natürlich nicht. Dass du mit deinen Fäusten ebenso gut umzugehen ver stehst wie mit einem Strahler, hast du bewiesen. Deine Ausbildung muss ex trem intensiv gewesen sein. So etwas vergisst man nicht, es sei denn ...« Ihr Blick durchbohrte mich schier. »Es sei denn, was?« »Es sei denn, man will vergessen oder das Gedächtnis wird manipuliert. Bei des setzt missliche Umstände voraus,«. »Ich - weiß - es - nicht!« Jedes Wort schleuderte sie mir entgegen. Ihre Em pörung war echt. »Glaubst du, mir macht es Vergnügen, mit einer Lücke in meiner Vergangenheit herumzulaufen? Ich will wissen, wer ich wirklich bin.« »Li da Zoltral. Historikerin im Bang einer Laktrote.« »Li da Zoltral?«, murmelte sie gedan kenverloren. »Ist das alles, einfach so?« »Mag sein,' dass ich gar nicht mehr will.« Ihr Blick wurde nachdenklich. Du vielleicht nicht, bedeutete er, aber ich ich will endlich alles über mich wissen! Natürlich würde Li mich begleiten. Bei den anderen fiel es mir schon schwe rer, die richtige Wahl zu treffen. Wahr scheinlich brauchten wir keinen Diplo maten, sondern jemanden, der zuzu
packen verstand, sobald es darauf an kam. Das ließ jedenfalls die jüngste Vergangenheit erwarten. Also Zanar gun, Leiter der Abteilung Außenopera tion und Chef der Landungstruppen. An 1,5 Gravos angepasst, eher wortkarg, aber ein hervorragender Einzel- und Nahkämpfer. Zanargun würde, wenn es sein musste, selbst den Teufel aus der Hölle holen. Und das nur für eine Tasse Kaffee, heiß, schwarz und stark, kommentierte der Logiksektor meine Wahl. Er hatte Recht, gab ich schmunzelnd zu. Der gebürtige Luccianer hatte ein zwiespältiges Verhältnis zu Terra und den Terranern, aber Kaffee, das war in seinen Augen etwas, womit die Men schen die Galaxis beglückt hatten. Außerdem entschied ich mich für Akanara,- den ausgestoßenen Yarn. Seine präkognitive Fähigkeit konnte uns von Nutzen sein. Er hatte jahrelang in Slums und aus der Mülltonne gelebt, auf der TOSOMA fühlte er sich trotz der erhaltenen Hypnoschulung verunsi chert und entwurzelt. Aber zu mir hatte er Vertrauen gefasst. Akanara war so dürr, dass ihn der eine oder andere als wandelndes Ge rippe bezeichnete, doch eine passende Abendgarderobe würde sich für ihn schon finden lassen. Den weißen YarnTurban würde er ohnehin nicht abneh men. Natürlich durften wir nicht ohne standesgemäße Leibgarde erscheinen. Ich wählte zwei erfahrene Raumsolda ten aus. Auch sie offiziell imbewaffnet, aber kleinere Überraschungen ließen sich dennoch ganz gut am Körper ver bergen. Die Einkleidung nahm geraume Zeit in Anspruch. Vor allem das Präparieren unserer Ausrüstung. Wir mussten nicht mit einer Leibesvisitation rechnen, aber mit Detektoren und verschiedenen
Scannern. Mehrmals passte etwas nicht, mussten wir neue Abschirmun gen zusammenstellen. Als die Gleiterkolonne erschien, hat ten wir es gerade so geschafft. »Auf in die Höhle des Löwen«, sagte ich. Li schaute mich fragend an. »Eine terranische Redewendung. Was man sich halt so im Laufe der Jahrtau sende aneignet.« Wir verließen das Schiff über eine Schleuse im unteren Polbereich. *
Shahjohl war eine schöne Stadt, kein Moloch aus Glas, Stahl und Beton, der wenig Raum zum Leben ließ, sondern eingebettet in weitläufige Parks und Wasserflächen. Sogar Wälder durchzo gen sie. Teilweise herrschte eine zyklo penhafte Bauweise vor, mit Quadern aus Naturstein. Schlanke Turmbauten und viele Stufenpyramiden prägten das Bild. Sie erinnerten mich weniger an das altägyptische Sakkara, sondern des üppigen Grüns wegen eher an Mittel amerika, Chiche"n Itz& hätte durchaus für manche dieser Bauten Vorbildgewe sen sein können. Der Palast der Tamarpn, den die Ro botgleiter anflogen, war imposant, wenngleich keineswegs mit ähnlichen arkonidischen Anlagen vergleichbar, Nüchtern, zweckdienlich, sehr weitläu fig angelegt, aber eben nur wenig ver spielt und schon gar nicht in dem selbst verliebten Baustil errichtet, der mit sei ner Imposanz alles andere auszustechen versuchte. Ich hatte erwartet, spätestens am Hauptportal von Tamaron Nestara Cherhay empfangen zu werden, -doch nur vier Lakaien warteten auf. uns. Ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass wir für das Shah'taman nicht so
wichtig waren, wie wir es uns erhoff ten. Ich lächelte. Die Tamaron hatte den Eröffnungszug gemacht, nun war die Reihe an uns. Wir würden uns gegensei tig abtasten, keiner würde zu viel über sich und seine Ziele preisgeben, und am Ende blieb die Hoffnung, dass der kom mende Tag bessere Ergebnisse brachte. Ich .wollte mich nicht in dieses Schema zwängen lassen. Zwei Sicherheitszonen entdeckte ich, weil mein Mehrzweckarmband die ein fallenden Impulse registrierte. Dennoch blieb mein Aggregategürtel mit dem Schutzschinnprojektor ebenso wie der nicht einmal eine Handfläche große Strahler unbemerkt. Auch meine Be gleiter passierten die Kontrollen unge hindert. Im Anschluss an eine Säulenhalle öff nete sich der Bankettsaal vor uns. Eine , Gruppe offensichtlich hoher Würden träger hatte-vor uns den Saal betreten. Wir mussten einige Zentitontas warten, bis wir weitergehen konnten. Gemessenen Schrittes k;am Tamrätin Nestara Cherhay auf uns zu. Ihr Blick streifte meine Begleiter und blieb an mir hängen. Mit sichtlichem Interesse ta xierte sie den Krish'un-Umhang, den ich angelegt hatte. »Willkommen auf Shahana. Ich ent schuldige mich für eventuelle Unan nehmlichkeiten auf dem Flug hierher.« »Wir haben den Angriff des Geschwa derkommandanten als willkommenen Test angesehen», antwortete ich. Dalag ein Aufblitzen in ihren Augen, ein gewisses Amüsement. »Ich bezog mich eher auf den Gleiterflug.« »Wir hätten uns einige Erklärungen über Shahjohl gewünscht, Tamaron.« Ich deutete eine Verbeugung an; gerade so weilt, wie man sie auf Arkon Gleich gestellten gewährte. Dann stellte ich Li, Akanara und Zanargun vor; die Namen
unserer Leibgardisten taten nichts zur Sache. Die Tamrätin gab sich äußerlich gelassen, aber sie sog jedes meiner Worte auf. »Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Imbiss zu bereiten. Natürlich nicht aus Anlass eures Besuchs, dafür wäre die Zeit zu kurz gewesen, aber ich freue mich, euch in meiner Nähe zu wissen,« Und zu überwachen!, dachte ich, hü tete mich aber davor, das1 auszuspre chen. Laut sagte ich: »Die Freude ist ganz unsererseits, Tamaron. Wir wissen . den Empfang richtig einzuschätzen.« ' Nestara Gherhay nickte knapp. Sie bedeutete einer Ordonnanz, uns zu un seren Plätzen zu führen. Daraus wurde ein Spießrutenlauf. Alles war so arran giert, dass wir als Letzte eingetroffen waren. Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt, und jeder fixierte uns. Ich schätzte die Zahl der Gäste über schlägig auf einhundert bis einhundert zwanzig, Den Uniformen nach zu schließen, war auch ein« Reihe hoher Militärs des Shah'taman anwesend. Wir hatten unsere Fähigkeiten demonstriert und mit dem Virtuellbildner und dem Qrtungsschutz zweifellos einen blei benden Eindruck hinterlassen. Ich durfte mir also ausrechnen, wo die Un terhaltungen dieses Abends zwangsläu fig enden würden. Die Tafel bog sich unter der Last üp piger Speisen und Getränke. Wenn das ein kiemer Imbiss war, interessierte mich ein richtiges Bankett. Verblümt gab ich das der Tamaron zu verstehen und fragte, ob alles im Tamanium Shahan solchen Gesetzmäßigkeiten un terlag. »Wir sind ein kleines Reich«, bestä tigte sie, »gemessen an der Ausdehnung von Shahannahol, aber wir wissen uns zur Wehr zu setzen. Noch hat uns nie mand wirklich angegriffen.« Die Speisen mundeten exzellent. Vor
allem durften Wir davon ausgehen, dass allesr was die Lemurernaehkömmlinge zu sich nahmen, uns ebenso problemlos zuträglich war. »Noch?«, hakte Li ein. »Heißt das, Shahana hat Feinde?« »In eurem Dossier ist ausführlich die Rede von der Einmischung einer Macht aus Omega Centauri im arkonidischen Imperium«, antwortete die Tamrätin. »Mich interessiert, was außerhalb Shahannahols geschieht. Das ist Neu land für uns, eine neue und verwir rende Weite - das Apsuhol unserer Vor fahren, frei von den mörderischen Bes tien.« »Nicht von allen«, sagte ich. Die Tamaron aß weiter, hielt erst Au genblicke später inne und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Wie soll ich das verstehen?« »Es gibt kriminelle Elemente, die man nicht einem Volk allein zuordnen kann.« Eine Zeit lang unterhielt sich die Ta maron mit den Tischnachbarn an ihrer anderen Seite. Schließlich wandte sie sich wieder uns zu. Akanara hatte nun eine spiralförmige Schale voll kandier tem Gebäck vor sich stehen, und ich fragte mich ernsthaft, ob das alles in seinem ausgemergelten Leib wirklich noch Platz hatte. Die Tamaron entschuldigte sich für iiare kurze Unaufmerksamkeit. »Ich hatte mit dem Admiral der Raumflotte, Gorm Henissen, einige Missverständ nisse auszuräumen. Der Admiral ist an sonsten ein sehr fähiger Mann. Ich werde euch nach dem Essen miteinan der bekannt machen.« Sie schaute mich forschend an. »Mich interessiert die Verteidigungskraft Arkons«, bemerkte sie wie beiläufig. »Will «las Shah'taman Arkon angrei fen? Davon würde ich dringend abraten. Die Militärmacht des Imperiums reicht
aus, Shahannahol in Schutt und Asche zu legen.« »Wir können über gegenseitigen Bei stand reden«, begann die Tamrätin, als nach dem dritten Gang kunstvoll ge drehte Gläser serviert wurden, in deren Verdickungen verschiedenfarbige Flüs sigkeiten brodelten. Das Getränk er wies sich als mild rauchig und ange nehm auf der Zunge. Ich hatte es geahnt. Omega Centauri war kein Paradies und unterschied sich nur in der Dichte der Sternpopulation von der Milchstraße. Auch hier waren Auseinandersetzungen an der Tages ordnung. Nestara Cherhays Bemerkun gen zielten letztlich darauf ab, einen starken Verbündeten zu gewinnen, der ihre Probleme mit einem anderen Reich aus der Welt schaffte. Vielleicht auch mit mehreren. Wenn du einen Gegner nicht besiegen kannst, mache ihn dir zum Freund, raunte der Extrasinn. Was ist daran il legitim? Ich bin hier, um eine Bedrohung von Arkon abzuwenden, aber nicht^ um mich in die Tagespolitik von Omega Centauri einzumischen. Das Essen zog sich hin. Diener eilten mit einer Vielzahl unterschiedlicher Getränke von Tisch zu Tisch und misch ten die exotischsten Flüssigkeiten. Ge leerte Platten wurden in Windeseile ausgetauscht. Nebenher gab es ge pflegte Konversation getreu dem Motto: »Ich will wissen, was du mir ver schweigst, aber ich sage dir nichts.« Akanara, an solche Gegebenheiten nicht gewöhnt, hatte zu spontan zuge schlagen und warf das Handtuch. Vor übergehend fürchtete ich sogar, sein Magen würde die vielen süßen Dinge nicht bei sich behalten. Sein Blick wirkte gequält. Zanargun aß von Anfang an, wie er redete: karg, nur hie und da ein Häpp
chen. Und die Soldaten hielten sich zu rück, wie es von Gardeangehörigen er wartet wurde. Nach einiger Zeit hatte ich die Tama ron endlich so weit, dass sie eine poten zielle ßedrohung einräumte. Sie hatte es nicht direkt sagen wollen, weil sie sich damit in eine neue Abhängigkeit begab. Aber schließlich berichtete sie wenigs tens stichpunktartig von dreister wer denden Übergriffen eines benachbarten Tamaniums, das innerhalb weniger Jahrzehnte einen überraschenden tech nischen Aufschwung erlebt hatte. Vor dreißig Shahana-Jahren war das Tarik'taman in Baylamor umbenannt wor den. Baylamor! Das Wort ließ mich auf horchen. Diesen Namen hatte der schwer verletzte Attentäter auf Arkon ausgestoßen, bevor er in der Klinik ge tötet worden war.Baylamor. Der Extrasinn hatte mich darauf hin gewiesen, dass dieses Wort in siebzehn bekannten Sprachen der Milchstraße unterschiedlichste Bedeutungen hatte. Aber es war auch ein gebräuchlicher ar könidischer Vorname. Und mittlerweile glaubte ich nicht mehr an einen Zufall. Seit den Ereignissen auf der Tabuwelt Acharr, im Epetran*-Berieht Shamakh genannt, wussten wir, dass die Familie da Zoltral in Omega Centauri ihre Fin ger im Spiel hatte. Aber was steckte hinter alledem? Dass der Attentäter von diesem »Tamanium« wusste, bedeutet doch, dass die Spur nach Baylamor führt, stellte der Extrasinn fest. Nichts ande res wollte er'vor seinem Tod zu verste hen geben. Wir waren beim Dessert angelangt, einer regenbogenfarbenen, aus filigra nen Blüten hervorquellenden Masse, die einen extremen Honigduft verbreitete. Diö Tamaron hatte nach der Erwähnung des Namens Baylamor abrupt das
Thema gewechselt, aber gerade hier wollte ich mehr hören. Bevor ich sie wieder darauf ansprechen konnte, trat Akanara mit aller Kraft gegen mein Schienbein. »Atlan«, raunte er, »Admiral Henis sen wird in zwei Zentitontas ermor det!« 7.
Er war dicht dran! Der neue Tag würde ihm den Triumph bringen. Schon jetzt bewiesen die vorliegenden Fakten, dass er den richtigen Biecher gehabt hatte. Die breite Öffentlichkeit im Shah'taman hatte den Namen Tarik so gut wie vergessen. Niemand interes sierte sich für eine im Atombrand unter gegangene Welt. Aber die Dokumente über die Vernichtung des Planeten wa ren gefälscht. Möglicherweise war wirklich eine Welt vernichtet wordeh. Doch die Behauptung, dass Tarik vor rund 500 Shahana-Jahren untergegan gen war, kursierte erst seit rund dreißig Jahren. Eine einzige Erwähnung des Tank'taman hatte Cohrnard noch gefun den: Vor 34 Jahren war ein Frachter vom Flug nach Tarik nie zurückgekehrt. Das war nur eine Bandnptiz, aber sie'stützte seinen Verdacht. Er war einer Geschichtsverf älsehung in großem Maßstab auf die Schliche ge kommen! Zugleich stellten sich viele Fragen, die Hergol Cohrnard nicht beantworten konnte. Wer hatte ein Interesse daran, die Vergangenheit in einem falschen Licht erscheinen zu lassen? Und vor al lem, warum? Welchen Vorteil hatten der oder die Betreffenden davon? Nervös kaute der Archivar auf seiner Unter lippe. Zu viel Müne für einen einzelnen Planeten, fand er.
Aber es gab eine Erklärung. Sie muss te sogar auf der Hand liegen - aller dings nur, falls Tarik nicht mehr so un bedeutend war wie vor Jahrzehnten. Cohrnard arbeitete wie besessen, zit terte vor Aufregung und schob immer wiedet die Hand zwischen Hals und Kragen, um sich mehr Luft zu verschaf fen. Für einen flüchtigen Moment wurde die holografische Wiedergabe des Un tergangs von Tarik verschwommen. Schattenhafte Cebaudeumrisse überla gerten das Bild. Hergol Cohrnard ließ sich die verwendeten Parameter anzei gen. Zwei Wiederholungssequenzen waren notwendig, bis er endlich exakte Werte bekam. Seine Träume zerplatzten wie Seifen blasen. Der Kristallspeicher stammte nicht aus einem anderen Tamanium, sondern war auf Shahana selbst kodiert worden. Die Verschlüsselungstechnik hatte der Geheimdienst des damals am tierenden Tamrats, Harhal Sowen, an gewendet. Der Zusatz bei höchst brisan ten Dokumenten machte den Vorgang noch mysteriöser. Die Doppelprojektion wurde deutli cher, bestes Zeichen dafür, dass die De chiffrierung griff. Die Schwingungen des Kristallgitters überlagerten sich. Jäh stieß der Archivar einen verblüff ten Ausruf aus. Im Anschluss an die Ver niehtungssequenz war ein Geheim dienstbericht gespeichert - und dieser Bericht zeichnete ein gänzlich anderes Bild. So verwirrend und fremd, dass Hergol Cohrnard'die Augen schloss, um sich dem Bann des Fremden erst einmal zu entziehen. Er hatte es geschafft! Er hatte Daten aufgespürt, die seine gewagtesten Ver mutungen bestätigten. Mehr noch, die das Fremde greifbar werden ließen. Aber gerade deshalb blieb unverständ lich, dass Tamrat Harhal Sowen davon
gewusst und nichts unternommen ha ben sollte. Hatte er diese Aufnahmen wirklich gekannt, oder waren sie ihm vom eige nen Geheimdienst vorenthalten wor den? Ein frevlerischer Gedanke. Außerdem glaubte Cohrnard, dass Tamrätin Nestara Cherhay von alledem nichts wusste. Er ließ die Aufzeichnung noch einmal ablaufen und versank schier in der holografischen Wieder gabe. Eine orangefarbene Sonne schälte sich aus dem Sternenmeer von Shahan nahol heraus. Ihre äußeren Planeten glitten vorbei. Dann die Nummer zwei: eine schmale Sichel mit diffus erhellter Nachtseite. Keinl Mond. Wasser be herrschte den Planeten* nur ein einziger Kontinent zeichnete sich ab. Die Umrisse der Landmasse, rund ein Sechstel der Oberfläche, kannte Cohr nard. Sie stimmten mit den alten Karten überein. Kein Zweifel, diese Welt war Tarik, aufgenommen erst vor wenigen Jahrzehnten ... Sekundenlang nur Dunst. Dann der Blick aus wenigen Kilometern Höhe. Rasend schnell ging es weiter abwärts, wechselten die Eindrücke. Eine große Stadt breitete sich aus, durchzogen von weiten Grünflächen. Am Rand des Bil des ein Raumhafen, gewaltig in seinen Ausmaßen, von einem hohen Schutz wall umgeben. Eigenwillige Bauten huschten vorbei; Cohrnard fühlte sich an trichterförmige Fleischpilze erinnert. Die Wiedergabe ließ nur wenig Zeit zur Besinnung, huschte zwischen hohen Bauten hin durch. Da waren Gleiter, dort durchaus humanoid wirkende Roboter, Dazwi schen die Bewohner der Stadt... Endlich endete das rasende Konglo«merat. Hergol Cohrnard vermutete, dass die Aufnahmen von einem der nicht einmal faustgroßen Robotspione
stammten. Um einer Ortung zu entge hen, war der Roboter wie ein Meteorit durch die , Atmosphäre gefallen und hatte den Plug erst knapp über dem Bo den stabilisiert. Der folgende 360-Grad-Schwenk wirkte schon weitaus ruhiger - wenn auch nicht beruhigend. Hoch ragten die Gebäude in den Him mel auf, und viele waren mit ihren Aus maßen schon eine Statit für sich. Sie verbreiterten Sich von der "Basis aus kontinuierlich. Das waren bis zu tau send Meter höhe Triehterbauten. Und wie Fleischpilze von,Insekten wurden diese Bauten von Gleitern und Anti gravplattformen umschwärmt. Geräu mige Einflugschneisen öffneten sich wie düster gähnende Schlünde. Aus der Höhe hatte es sogar ausgese hen, als würden die Bauten in ihrem In nern terrassenförmig abfallen, bewach sen mit üppigem Grün. Offenbar gab es sogar kleine Raumschiffshangars'in den größten Trichter häusern. Der Archivar sah .einen schei benförmigen, runden Flugkörper nä her kommen und mit kurzen Impuls stößen den Kurs korrigieren. Die Scheibe war im Zentrum dicker als im Randbereich. Endlich wurde einer der Bewohner der Stadt in Großaufnahme erfasst. Nur sein Gesicht war zu sehen, ein kantiges, gerötetes, aber menschliches Gesicht. Hergol Cohrnard hatte nie zu vor von einem Volk wie diesem gehört, und es war nicht nur die grobporige, von Falten geprägte Haut, die diesem Mann einen barbarischen Eindruck verlieh. Es war sein üppig wallendes dunkelro tes Haar, das in zwei Strängen seitlich zusammengefasst und zu brustlangen Zöpfen geflochten worden war. Die vor gewölbten Jochbögen wurden von eben falls roten und üppig wuchernden Au genbrauen verdeckt, und von den Wan
genknochen abwärts verschwand das Gesicht unter einem gewaltigen Voll bart. Hergol Cohrnard hätte alles darauf verwettet, dass der Rothaarige nicht aus Shahannahol stammte. »Barbaren«, raunte er im Selbstge spräch. »Sie kommen als Eroberer.« Dann sprang die Wiedergabe um. Cohrnard wusste sofort, dass er jetzt die wirklichen Herren von Tarik sah. Sie schienen Sogar mit den Shahano ver wandt zu sein. Sie waren an die zwei Meter groß und zumeist schlank gewachsen. Ihre Schä delform wirkte leicht länglich., aber wirklich auffällig waren das weiße Haar, das viele schulterlang trugen, und die rote Augenfarbe. Zugleich wurde ihm bewusst, dass diese Fremden» so fern sie ihre Haare färbten und kürzten und die rote Augenfarbe kaschierten, sich .jederzeit unentdeckt auf Shahana bewegen konnten. Vielleicht taten sie das schon seit geraumer Zeit und hatten den Planeten längst infiltriert. Die beiden Verfolger aus dem Park ... Hergol Cohrnard versuchte, sie sich mit weißem Haar und rötlichen Augen vor zustellen. So abwegig erschien ihm der Gedanke nicht einmal. Inzwischen hatte sich der Robotspion aus dem Bereich der Trichterbauten entfernt und näherte sich dem Raumha fen. Nur einmal verharrte das Bild noch am Rand eines ausgedehnten Industrie komplexes. Monströse Lastenplattfor men transportierten teils riesige Aggre gate ab. Cohrnard fehlte das Fachwis sen, um die Verwendung dieser Geräte zu erkennen. Mehrere Energiekuppeln über spannten Teilbereiche des Komplexes, und vor dem größten Gebäude, das al lein eine Ausdehnung von mehreren Quadratkilometern besaß, ragte eine
Skulptur auf. Frei schwebend, eine Art Symbol. Oder doch nur ein Kunstwerk? Drei massive Kugeln bildeten die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks. Keine dieser Kugeln war wirklich rund, vielmehr wiesen sie unterschiedliche Gravuren auf, Erhebungen und Vertie fungen, die Cohrnard an die Landmasse von Planeten erinnerten. Handelte es sich um die Darstellung von drei Wel ten? Dann bedeutete der Kreis, der ebenfalls die Eckpunkte des Dreiecks berührte, so etwas wie eine geometrisch exakte gemeinsame Umlaufbahn? Der Archivar empfand den Gedanken nicht einmal als unsinnig. Immerhin sprachen die Legenden von ähnlichen kosmischen Konstellationen. Das Große Tamanium hatte einst Sonnen aus ihrer angestammten Umlaufbahn herausge rissen .und mit ihnen neue, geometrisch exakte Konstellationen zusammenge stellt. In einem längst wieder verstaub ten Winkel seiner Erinnerung schlum merte der nur in Fragmenten erhaltene Bericht über ein Sonnensechseck im Zentrum von Apsuhol. Hergol Cohrnard hatte nie gewusst, ob er solche Behauptungen wirklich glauben durfte. Angesichts der großen Skulptur neigte er nun dazu, ihnen eine höhere Wahrscheinlichkeit einzuräu men. Auf jeden Fall war es eine fremdar tige, exotische und vor allem hochmo derne Welt, die sich ihm da offenbarte. Tarik blühte im Verborgenen. Doch al les, was im Verborgenen geschah, war mit Misstrauen zu betrachten. Die Sonde hatte den Raumhafen er reicht. Der jenseitige Bereich verlor sich im Dunst des Tages und war nicht ein mal zu erahnen. Aber nicht seine ex treme Ausdehnung, sondern die gelan deten Kugelraumer bescherten dem Ar chivar einen neuerlichen Schweißaus bruch.
Keines der Raumschiffe stand auf hy draulischen Landebeinen, vielmehr schwebten sie in unterschiedlicher Höhe über der Piste. Der äquatoriale Ringwulst mit den Triebwerksöffnun gen fehlte ihnen. Stattdessen zogen sich schwer zu definierende Aggregatebän der um den Rumpf, deren Sinn sich nur dem erschloss, der diese Technik kannte. Wie Schuppen fiel es Hergol Cohrnard von den Augen. Er hatte ein solches Schiff schon gesehen - keinen der auf Tgrik gelandeten Raumer, deren Durch messer wohl nicht unter 300. Metern lag, sondern ein kleineres, vielleicht ein Bei boot. Aber immer noch imposant ge nug ... Hastig hantierte er an seinem Arm band. Vor Aufregung zitternd, brauchte er mehrere Anläufe, um einen der Nach richtenkanäle auf das Hoiodisplay zu legen. Aktuell wurde ein Bericht über Handelsbeziehungen innerhalb des Shah'taman übertragen. Das war nicht gerade das, wonach er suchte. Hergol Cohrnard zwang sich zur Ruhe, justierte den miniaturisierten Empfänger auf den Holoprojektor und gab dem Emp fang von außen Vorrang vor dem Spei* cherkristall. Innerhalb weniger Augenblicke fand er die letzte Infosendung, die zwei Stun den zurücklag. Während er den Spei cherkristall aus dem Positronenfeld entnahm, rief er die Nachrichten ab. Die Infos hatten mit einer Zusam menfassung begonnen. Noch einmal sah er die Raumschiffe aus dem Nachmit>tagshimmel herabsinken, sah den frem den Kugelraumer über dem Landefeld zur Ruhe kommen. Stunden später senkten sich schwere Gleiter wenige hundert Meter vor d«rto fremden Raumschiff zu Boden. Die Ma schinen trugen das Emblem der Tama ron.
Mittlerweile war es Nacht. Eine Schleuse 'im unteren Polbereich des ringwulstlosen Räumers öffnete sich. Nur verschwommen zeichneten sich die Umrisse mehrerer Personen in der hell erleuchteten Schleuse ab. Langsam schwebten sie bis auf die Piste und schritten den Gleitern entgegen. Die Regie zeigte die* Gesichter der Fremden, ließ die Optik besonders lang auf ihrem Anführer verharren. Schnau bend sog Cohrnard die Luft ein. Der Mann war groß und von athleti schem Körperbau. Sein weißblondes Haar fiel glatt bis auf seine Schultern, den roten Augen schien nichts auf dem Landefeld zu entgehen. Hatte Hergol Cohrnard schon auf das Aussehen des Mannes mit einem hefti gen Zittern reagiert, so brachte sein Umhang ihn vollends aus der Fassung. Auch ein solches Kleidungsstück hatte er erst vor kurzem in der Wiedergabe gesehen; die Frau vor dem Abbild der Spiralgalaxis hatte es getragen. Zufall? Hergol Cohrnard glaubte nicht mehr daran. Dreißig Jahre alt wa ren die Aufzeichnungen auf der Kris tallscheibe - was sie zeigten, wurde plötzlich Realität. Vielleicht sogar töd liche Wirklichkeit. Für die Behauptung, Tank sei zer stört worden, gab es nur noch eine ein zige plausible Erklärung: Tarik besaß für das Tamanium Baylamor längst eine derart überragende Bedeutung, dass die dortigen Herrscher den Planeten vor derji Blicken rivalisierender Tamanien verborgen hatten. Was war wirkungsvoller als die Be hauptung, eine Welt sei im Atombrand verglüht? Auf Tarik wurden neue Waffen und besondere Raumschiffe entwickelt und gebaut Vielleicht Schiffe, die mit den Verhältnissen in Shahannahol keine Probleme mehr hatten. Gab es deshalb
nur noch die Aggregatebänder und großflächigen Projektoranlagen im Be reich der Außenhülle? Ein Reporter kommentierte. Er weiß nichts, begriff Hergol Cohrnard er schrocken, er redet von friedlichen Be suchern und wirtschaftlicher Zusam menarbeit, aber er meint Unterdrü ckung und Ausbeutung. Vielleicht war der Sprecher sogar einer von Tarife in entsprechender Maske. Seine Erregung war schuld daran, dass Cohrnard die Unlogik dieser Ge danken nicht mehr erkannte. Im nächsten Moment reagierte er wie elektrisiert. Der Sprecher hatte soeben erklärt, dass die Tamaron den Fremden eine Audienz gewährte! Das war vor wenigen Stunden gewe sen. Da sich Empfänge und Festivitäten stets bis in die frühen Morgenstunden hinzogen, mussten sich alle noch ini Pa last befinden. Hergol Cohrnard begann zu handeln. Zwei Sequenzen von Tarik übertrug er auf seinen Armbandspeicher: jeweils ein Bild der weißhaarigen, rotäugigen Bewohner und des Raumhafens. Über größere Kapazität verfügte sein Arm band nicht Aber die beiden Aufnah men, als Hologramm projiziert, sollten genügen, um die Tamaron zu überzeu gen. Seine Zeit war gekommen. *
Atlan Unerwartete Gäste Unwillkürlich schaute ich zu dem Admiral der Raumfiotte hinüber, der an Nestara Cherhays, anderer Seite saß, nur wenige Schritte von mir entfernt. Na türlich bemerkte er meine abrupte Auf merksamkeit und hob fragend den Blick.
Du Narr, raunte der Extrasinn, Aka nara kann sich täuschen. Das wäre nicht das erste Mai. Er hatte Recht. Der junge Yarn hatte zwar in den Slums überlebt, weil er oft die Geschehnisse cler kommenden Au genblicke vorausgeahnt hatte, doch seine Fähigkeit war keineswegs voll kommen. Weil selbst die nahe Zukunft Variationsmöglichkeiten bereithielt und weil er mitunter in reines Wunsch denken verfiel, was wenig mit Parafa higkeiten zu tun hatte. Achte auf Li! Vorübergehend hatte ich mich ablen ken lassen. Die Warnung meines zwei ten Ich kam fast zu spät. Li da Zoltral hatte eine Millitonta lang wie erstarrt dagesessen, aber nun sprang sie auf, das Gesicht zur Grimasse verzerrt und die Finger gespreizt, als wolle sie jemandem die Augen ausste chen. Während ihr Antigravsessel zu rückfederte, warf sie sich auf die Tam rätin, die von dem Geschehen völlig überrascht wurde. Li hatte sich mehrfach als gefährliche Kämpferin erwiesen. Vor allem war sie ausgebildet, einen Gegner mit bloßen Händen zu töten. Ich handelte rein instinktiv und warf mich ebenfalls nach vorn. Für einen Augenblick herrschte atemlose Stille, dann erklangen Schreie, Lärm brandete auf. Teile der Tischdekoration gingen zu Bruch und wurden umhergeschleudert. Mit der , rechten Schulter prallte ich gegen Li, und wir stürzten gemeinsam zwischen Gläser und Karaffen, Schalen und Es sensreste. Li schrie auf und schlug nach mir; ich riss ihre Arme mit einem Dagorgriff zur Seite, aber schon krachte ihr Schädel gegen meine Schläfe. Li versuchte, sich über mich hinwegzuhebeln, und wir krachten beide auf den Sessel, in dem
die Tamaron eben noch gesessen hatte. Lis Knie traf mich zwischen die Beine, genau da, wo es am schmerzhaftesten war, und wir stürzten ineinander ver kralit zu Boden. Im nächsten Moment wurde sie steif. Ihr Blick ging starr an mir vorbei und verlor sich in endloser Ferne. Nein, sie war nicht tot, hatte nur das Bewusstsein verloren. Ich richtete mich halb auf und suchte nach der Tamaron. Nestara Cherhäy stand jdrei Schritte entfernt und blickte ungläubig auf das Chaos, das sich rings um ihren Platz ausgebreitet hatte. Als sie die Hand hob, verstummte jedes Ge räusch. Die Stille wirkte bedrohlich. Akanara hatte sich also doch ge täuscht. Admiral Henissen saß unbehel ligt auf seinem Platz und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Aber Li ... Sie atmete kaum noch, »Was soll das, Atlan da Gonozal?«» fragte die Tamrätin mit eisiger Stimme. »Deine Begleiterin hat versucht, mich anzugreifen.« »Es tut mir Leid, Tamaron. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist.« Zögernd tastete ich nach Lis Halsschlagader; ich rutschte ein Stück zur Seite und beugte mich über sie - und genau diese Bewe gung rettete mir das Leben. Ein Blitz zuckte über mich hinweg, ein kurzes, grelles Aufleuchten. Der ge bündelte Thermostrahl traf Admiral Henissen in die Brust und tötete ihn auf der Stelle. Seine Begleiterin begann, hysterisch zu schreien. Von da an gab es niemanden mehr, der das Chaos noch hätte verhindern kön nen. Ein hochrangiger Militär, gut dreißig Meter entfernt an der Früchtetheke ste hend, hatte seine Waffe gezogen und den Admiral erschossen. Nicht ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, als er die Waffe erneut auslöste. Gleichzeitig
tauchte ich unter der Tafel hindurch, und während der Thermoschuss kost bare Stoffe und edles Holz in Brand steckte, reagierte die Leibgarde der Tamrätin. Von den Ausgängen her feu erten sie auf den Schützen, der noch in wilden Zickzacksprüngen versuchte, sich in Deckung zu werfen. Er wurde mehrmals getroffen und stürzte mit brennendem Umhang zu Boden. Der letzte Rest von Ordnung löste sich auf. Jeder suchte sein Heil in der Flucht oder warf sich in Deckung, und ein Großteil der Gäste trug wohl auch Waf fen. Ein Desintegratorschuss löste eine Tafel teilweise auf und hinterließ flir renden Staub. Therraostrahlen steckten die Wandverkleidung und schwere Stoffe in Brand, und die Flammen brei teten sich mit explosionsartigem Fau chen aus. Aus bislangunsichtbaren Öff nungen sprühten Chemikalien, die das Feuer eindämmen sollten, zugleich aber die Sicht behinderten. Mit einem Dagorgrifi schickte ich zwei Shahanö zu Boden, die mich mit bloßen Fäusten angegriffen hatten. Dann kniete ich wieder neben Li. Sie war immer noch bewusstlos. Akanara kauerte zwei Schritte ent fernt neben einem umgestürzten Sessel. Er zitterte wie Espenlaub, hatte die Artete verschränkt und den Kopf zwi schenöhnen vergraben. Doch offensichtlich half ihm das we nig. Er weiß, was geschieht, er sieht es!, meldete der Extrasinn. Ich ergriff Akanara am Arm, zwang ihn, mich anzusehen. »Was ist los?«, herrschte ich ihn an, heftiger als beab sichtigt. Akanara war totenbleich. »Sie ... sie kommen aus dem Nichts!«, stammelte er. »Sie holen Li.« Ich achtete nicht mehr auf ihn, weil Teile der Deckenverkleidung ausbra *
chen. Dumpf dröhnend krachten sie auf die Tafel herab, begruben Sessel und zuckende Leiber unter sich und wirbel ten Rauch und Staub auf. Das Atmen wurde zur Qual. Die Schreie nahm ich schon nicht mehr wahr, Ebenso wenig die Schüsse und das Prasseln der Flammen. Die Be leuchtung war weitgehend ausgefallen, der zuckende Widerschein der Flam men und der dichter werdende Qualm machten die Orientierung nicht gerade leichter. Ich versuchte, meine Begleiter zusammenzuhalten, aber Zanargun lieferte sich mit mehreren Shahano eine wüste Prügelei, und einer unserer »Leibgardisten« versuchte soeben, eine Gruppe jüngerer Männer und Frauen zum Ausgang zu führen. Eine Salve aus Thermostrahlen ließ seinen aktivierten Individualschutzschirm hell aufflam men. In dem Moment sah ich sie: Wie aus dem Nichts heraus standen plötzlich zwei kleine Humanoide inmitten der, Rauchschwaden. Ein Shahano, der sich ihnen mit der Waffe in der Hand entge genstellte, brach ohne ersichtlichen Grund zusammen. Ich konnte nicht er kennen, was mit ihm geschehen war. Die beiden gingen, von dem Chaos ringsum unbewegt, auf Li zu. Und auf einmal waren da auch einige der größe ren Humanoiden mit den ausdruckslo sen Gesichtern. Einer von ihnen beugte sich über Li da Zoltral, umfasste sie an den Schultern. »Lasst Li in Ruhe!« Ich warf mich vorwärts, stieß einen der kleinen Huma noiden zur Seite und riss den größeren» metallisch wirkenden mit mir zu Boden. Ein Dagorgriff hätte ihn eigentlich be täuben sollen, aber er wälzte sich herum, als wäre nichts geschehen, und kam schneller wieder auf die Beine als ich. Der andere hatte sich über Li ge
beugt. Unter seinen Händen hob sich ihr Körper langsam vom Boden. Sie wollten Li da Zoltral entführen! Endlich hielt ich meinen kleinen Kom bistrahler in der Hand und aktivierte meinen Schutzschirm. Der erste Schuss traf den metallisch wirkenden Humanoiden mit dem star ren Gesicht. Auch jetzt war keine Re gung zu erkennen. Zentimeter vor ihm floss .die Energie ab, verschwand ein fach, als würde sie von einem Schutz feld absorbiert. Immerhin ließ er von Li ab. Die beiden Kleinen hoben ihre Hände. Unvermittelt traf mich ein hef tiger Schlag; ich wurde herumgewirbelt und stürzte, fing mich ab und kam auf die Knie. Aber ich schoss nicht mehr, denn die Humanoiden waren ver schwunden. Und Li war offensichtlich im Begriff, wieder zu sich selbst zu fin den, jedenfalls kroch sie ein Stück wei ter in die trügerische Deckung der zu sammengebrochenen Tafel, Sie sind so spurlos gegangen, wie sie erschienen sind!, stellte der Extrasinn testsWelches Interesse haben Diener der Kosmokfaten an Li? Vielleicht war alles nur Zufall. Ich dachte an dem Walzenraumer im Orbit des Gasriesen. Aber die Frage, was die Kosmokisaten von den Shahano wollten, war kaum leichter zu beantworten. Weitere Gardisten der Tamaron stürmten in den Bankettsaal. Jeder, der von Anfang an eine Waffe besessen oder inzwischen erbeutet hatte, schoss wild um sich. Mehrere Treffer ließen meinen Schutzschirm aufflammen. Dann entdeckte ich die Tamaron. Deckenfragmente hatten sie getroffen, aber offenbar nicht nennenswert ver letzt. Hastig wühlte sie sich unter den Trümmern hervor, während dicht neben ihr mehrere Thermoschüsse einschlu gen und eine Explosion verursachten.
Nestara Cherhay verschwand inmitten einer wirbelnden, glutenden Staub wolke. Im Nu war ich neben ihr, zerrte sie aus der Glut hervor und versuchte, ihr mit meinem eigenen Individualschirm Schutz zu geben. In dem Moment sah ich einen Shahano mit einer Projektil waffe auf mich zielen ... 8.
Nie hatte Hergol Cohrnard die Räume des Archivs derart unheimlich, ja gera dezu bedrohlich empfunden wie in die ser Nacht. Das Echo seiner eigenen has tigen Schritte verfolgte ihn, als er den Sicherheitstrakt verließ. Seine Gedanken kreisten nur um die Fremden, als er den Antigravlift betrat. War dieser Atlan gekommen, um die Ta maron zu überwältigen? Vielleicht war tete an der Grenze des Shahan-Systems eine Angriffsflotte auf ein Signal, um das Shah'taman im Handstreich zu neh men. Cohrnard tastete nach seiner Waffe. Dass er den Nadler bei sich trug, beru higte ihn ein wenig. Er überlegte nur, wie er der Tamaron gegenübertreten und was er ihr sagen sollte. Die Besu cher durften dabei nicht misstrauisch werden. Erst musste er die Tamrätin überzeugen, aber sie.würde ihn anhö ren, ganz sicher. Die Nacht war windig, und der Wind trug herben Blütenduft mit sich. Ohne sich dessen bewusst zu werden, hatte Cohrnard das Archiv auf dem gewohn ten Weg verlassen und die unterirdische Verbindung zum Palast ignoriert. Es regnete leicht. Jeden Tropfen spülte Cohrnard auf der Haut. Der Himmel weint, weil irgendwo Böses geschieht, nannten die Shahano diese Art von Re gen.
Cohrnard verfiel in einen schnellen Laufschritt. Die Parkanlagen des Pa lasts, so überwältigend sie schon tags über waren, entpuppten sich während der Nacht als atemberaubend illumi nierte Szenerie. Lichtkaskaden stiegen in den Himmel, entrissen hier das bi zarre Geäst von Spirla-Bäumen der Dunkelheit und fluteten dort über Fel der blühender Organzien hinweg, bevor sie sich in einem Katarakt aus Spiegel feldern in einen die Sinne berauschen den Ozean ergossen. Cohrnard hatte keinen Blick für diese Schönheit. Er hastete quer über den Ra sen. Vor ihm wuchs der Palast auf. Die erste Kontrolle. Er reichte dem Roboter seinen Ausweis. »Du kannst passieren, Hergol Cohr nard.« Weiter auf der befestigten Zufahrt. Nur einige Dutzend Schritte entfernt standen die Gleiter der Tamaron. Cohrnard zwang sich dazu, nicht mehr so hektisch auszuschreiten. Vor den Stufen der riesigen Sonnenterrasse wartete der nächste Posten, ein Mann der Sicherheitsgarde. Ein strafender, geringschätziger Blick traf Cohrnard. Erst da wurde ihm bewusst, dass seine Kleidung gewiss nicht dem Abend angepasst war. Der Blick glitt aufreizend langsam abwärts und verharrte schließlich auf seinen! Schuhen. Dreck und abgerisse nes Gras verklebten das schwarze Kunstleder. »Nein!«, wehrte der Gardist schon im Voraus ab. »Was immer du willst, die Antwort lautet nein.« »Die Tamaron befindet sich in Ge fahr!«, stieß der Archivar hervor. »Die Fremden sind nicht das, was sie...« Was sie zu sein vorgeben, hatte er sagen wol len, doch er biss sich auf die Zunge. Egal, was er sagte, der Gardist wurde ihm nicht glauben, seine Haltung
wirkte nicht nur ablehnend, sondern so gar feindselig. Sollte der Mann gar ... Unsinn! Sobald er anfing, überall Agen ten von Baylamor zu sehen, übersehritt er die Grenze zwischen Realität und Wahn. »Ich kann meine Behauptung bewei sen«, sprudelte es aus ihm hervor. Zwei weitere Gardisten waren auf merksam geworden und kamen, langt läufige Strahlenwaffen in der Arm beuge, näher. Cohmard hatte mit Schwierigkeiten nicht gerechnet. Bis zur Tamrätin vorzudringen, noch dazu in äußerst unangemessener Kleidung, erwies sich als so gut wie unmöglich. Die Wachen würden sich hüten, den Empfang zu stören. Cohrnard sah das an ihren verkniffenen Gesichtern. »Verschwinde!« Der Wink mit der Waffe war unmissverständlich. Cohrnard zögerte dennoch, legte sich zurecht, was er sagen sollte ,.. Da begann einer der Gardisten zu brüllen und riss die Waffe hoch, Hergol Cohrnard duckte sich unwillkürlich und zog den Kopf ein, aber die Aufre gung galt nicht ihm. »Im Palast wird ge schossen!«, hörte er, und dann stand er allein vor dem Treppenaufgang. Die Gardisten hetzten auf den Palast zu, als gelte es ihr Leben. Zu spät!, durchfuhr es den Archivar: Ich bin zu spät gekommen. Die fremden von Tarik haben ihr Attentat auf die Ta maron verübt Er wollte fliehen, fort von dem Zu er wartenden Chaos. Aber seine Neugierde siegte. Langsam erst, dann immer schneller stieg er die Treppe hinauf. Das prunkvolle Hauptportal ... Die Gardewachen, die stets hier standen, waren verschwunden. Cohrnard tauchte ein in eine Welt des Prunks. Edle Stoffe an den Wänden, die Decke von Stuck und handgearbeiteten Leuchtern bestimmt, auf dem Boden
Mosaike mit zum Teil holografischer Ausstrahlung. Achtlos stolperte er dar über hinweg, versuchte sich zu orientie ren Und ließ sich letztlich vom aufbran denden Lärm leiten. Der große Bankettsaal öffnete sich vor ihm. Hier herrschte ein unbe schreibliches Chaos. Teile der Tafel wa ren zusammengebrochen, andere von Thermoschüssen in Brand gesteckt wollen und verbreiteten einen fla ckernden Schein. Schwarzer Rauch wogte auf, als wolle er die Szenerie gnä dig verhüllen, Hergol Cohrnard stand wie erstarrt. Irgendwo da drinnen befand sich die Tamrätin, falls sie überhaupt noch am Leben war. Er war zu spät gekommen. Da half nicht einmal, dass er den mör derischen Plan der Fremden durch schaut hatte. Zu spät! Die Geschichte ungezählter Völker wurde von diesem schreckli chen Wort geprägt. Wenn es erst aus gesprochen war, gab es kein Zurück mehr. Zitternd warf sich Hergol Cohrnard herum. Seine Furcht wuchs zur Panik. Was im Palast geschah, würde wie eine alles verschlingende Feuersbrunst über Shahjohl hinwegschwappen, und bald gäbe es im ganzen Shahan-System kei nen sicheren Ort mehr. Hergol Cohrnard floh - vor sich selbst und vor den Frem den. Er kam nicht weit, schaffte es nicht einmal, die Säulenhalle vor dem Saal halb zu durchqueren. Etwas Unheimli ches griff nach ihm. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug es in ihn ein, und Cohrnard hielt so abrupt inne, als sei er gegen eine unsichtbare Wand ge prallt. Er hörte ein Stöhnen, aber er ver stand nicht mehr, dass er selbst diese qualvollen Laute ausstieß. Sein Blick wurde glasig. Nicht einmal für die Dauer eines Atemzugs kämpfte
der Archivar gegen den Zwang an, der seinen Geist versklavte. Als Hergol Cohrnard den Nadler aus dem Schulterholster riss, wusste er schon, nicht mehr, was er tat. Wie eine ferngelenkte Puppe wirkte er, steif und nicht von seinem Ziel abzubringen. Er sah Gardisten am anderen Ende der Halle und jagte ihnen das halbe Maga zin entgegen - sie starben inmitten hef tiger Explosionen, ohne zu begreifen, was geschah. Cohrnard ging weiter, betrat den Saal, ein Chaos aus Rauch und Glut, zu sätzlich angefacht und verwirbelt vom Sog der Klimaanlage. Nicht einen Ge danken verschwendete er daran, was er da tat. Er schaffte es nicht, sich dagegen aufzulehnen. Blind feuerte er. Dann War das Nadlermagazin leer, gerade als er den weißhaarigen Fremden entdeckte. Der Mann, der sich Atlan nannte, zog die Tamaron in den Schutz einer trüge rischen Deckung. Zudem sah es so aus, als wolle er sie mit seinem eigenen Leib beschützen. Er trug einen eigenen schwach leuchtenden Schutzschirm. Noch einmal löste Cohrnard den Nad ler aus. Nichts. Er schleuderte die Waffe zur Seite, beugte sich über, einen toten Admiral der Shahana-Raumflotte und riss dem Toten den Strahler aus der Hand. Er musste den Fremden töten ... Er musste es! Aus den Augenwinkeln heraus be merkte er einen der Begleiter Atlans. Er hatte den nicht besonders großen, mas sig wirkenden Mann schon in den Büd sequenzen vom Raumhafen gesehen. Der Mann richtete einen kleinen Strah ler auf ihn. Cohrnard zögerte den Bruchteil eines Augenblicks zu lange. Ein grünlich flir render Strahl traf seine Brust. Nichts sonst geschah. Cohrnard spürte keine tödliche Hitze, die seine
Haut und das Fleisch verbrannte. La chend wollte er die eigene Waffe herum reißen und den Untersetzten erschie ßen - aber da war keine Waffe mehr. Nicht einmal mehr die Hand war da, mit der er den Strahler gehalten hatte. Auch der Arm bis hinauf zum Schultergelenk war verschwunden. Ungläubig starrte Hergol Cohrnard an sich hinab. Was mache ich hier?, dröhnten seine Gedanken. Wieso bin ich nicht geflohen? Teile seiner Kleidung und das Schulter holster hatten sich aufgelöst, und - der Speicherkristall war fort! Cohrnard rang nach Atem, glaubte, ersticken zu müssen. Die Haut auf sei ner Brust hatte sich ebenso verflüchtigt wie großflächige Bereiche des Muskel gewebes, rechts lagen sogar die Rippen frei wie bei einem Skelett. Ein Desintegrator, erkannte der Ar chivar im Aufwallen neuer Panik. Der Untersetzte hatte mit einem Desinte grator auf ihn geschossen. Also war der Speicherkristall in Atome zerstäubt und mit ihm die unersetzlichen Infor mationen. Übelkeit wogte in ihm auf. Alles um ihn herum begann, sich in einem schnel ler werdenden Reigen zu drehen. Er brach in die Knie, hielt sich noch einen kaum spürbaren Atemzug lang aufrecht und kippte zur Seite. Warm und klebrig quoll es über seine Lippen. Mit dem un trüglichen Instinkt der letzten Sekun den spürte Hergol Cohrnard, dass er starb. Baylamor!, wollte er sagen, wollte vor dem Zugriff von Tarik warnen, aber nur ein gehauchtes »Bay..,« drang noch über seine Lippen. Der Weißhaarige beugte sich über ihn. Cohrnard starrte in dessen rote Au gen und ernannte, dass sie voll Trauer waren. Das waren warme, weichherzige Augen!
»Du weißt mehr«, drängte Atlan. »Wir werden dir helfen...« Cohrnards Lippen bebten. Mühsam sammelte er seine letzte Kraft, Bayla mor, versuchte er noch einmal hervorzu stoßen, aber was er mit erlöschendem Atem hauchte, war der Name des einzi- . gen Wesens, das er auf dieser Welt in sein Herz geschlossen hatte und das ihn nie wieder sehen würde: »Namron...« *
Atlan Das Ende einer Hoffnung Augenblicke lang versuchte ich zu ignorieren, was ringsum geschehen war. Ich achtete nur noch auf den Sterben den. Es hatte ihn schier unmenschliche Anstrengung gekostet, dem Tod noch ei nige Augenblicke abzuringen. Was immer dieser Mann mitteilen will, es muss von enormer Brisanz sein, wisperte mein Logiksektor. Und er ge hört nicht zur hohen Gesellschaft. Ich reagierte nicht darauf. Der Unbe kannte hatte mich erschießen wollen, hatte die Waffe nur auf mich gerichtet, auf niemand sonst* Ganz nahe war ich seinen Lippen ukid hörte seinen letzten Atemzug: »Namron ... Ein Name? Vielleicht. Oder ein Ort, ein Planet, was auch immer. Für mich hatte dieses Wort nicht die geringste Be deutung. Das kann sieh sehr schnell ändern. Du meinst, dieser ... Namron ... konnte ein Kosmokrat sein?, gab ich in Gedanken zurück. Er hat die kleinen Humanoiden ausgesandt? Der Spuk war auf jeden Fall vorbei. Fürs Erste. Ein rascher Rundblick durch Qualm und Flammen zeigte ringsum Shahano, die sich aus ihrer
Deckung erhoben. Fluchend und wü tend die einen, die anderen offensicht lich froh, dass sie überlebt hatten. Die wenigsten schienen erkannt zu haben, was wirklich geschehen war. Einige blickten sich suchend um, die Waffen immer noch im Anschlag. Die Humanoiden mit den ausdrucks losen Gesichtern waren ebenso schnell und spurlos verschwunden, wie sie er schienen waren. Sie handelten im Auf trag eines Kosmokraten, das stand für mich unumstößlich fest. Aber warum...? Kümmere dich um Naheliegendes, Narr!, schimpfte der Extrasinn. Um die Tamrätin zum Beispiel. Mit der Rechten strich ich über die Augen des Toten und drückte seine Li der zu, bevor ich mich wieder aufrich tete. Nestara Cherhay stand keine vier Schritte entfernt. Sie fixierte mich mit einem Blick, als hätte sie mich nie zuvor gesehen. Zorn stand in ihren Augen und ebenso der Schrei nach Vergeltung. »Was hier geschehen ist, Tamaron ...« Mit einer unmissverständlichen Be wegung schnitt sie mir das Wort ab. Im Hintergrund wurden Flüche laut. Jemand versuchte, die Flammen zu lö schen, indem er Kübel mit Eiswasser ausleerte. Aber das war vergebliche Mühe, wie manches andere auch. Immer noch wirkten einige Shahano wie in Trance, bewegten sich wie Marionetten, deren Führungsfäden sich verwirrt hat ten. Jemand schoss auf einen Schatten an der Decke. Ein scharfer Befehl der Tamrätin. Zwei Männer ihrer Leibgarde nahmen dem Schützen die Waffe ab und zerrten ihn nach draußen, weg von den Verletz ten und Toten. Andere folgten ihnen. »Wo bleiben die Mediker? Und das Feuer muss endlich eingedämmt wer dend Nestara Cherhay starrte mich an. Dann erst schien sie den Toten zu erken nen. »Hergol Cohrnard, der Archivar. Er
gehörte nicht zu den Festgästen.« Ein unwilliger Zug erschien um ihre Mund winkel. Sie hatte viele Fragen, aber sie stellte sie nicht. Weil sie wusste, dass die Antworten jetzt und hier nicht erschöp fend sein konnten. Ein Adjutant stürmte in den verwüs teten Saal. Aufgeregt meldete er, dass ganz Shahana von unerklärlichen Amokläufen heimgesucht worden war. Aus immer mehr Städten^ trafen Mel dungen ein; offensichtlich hatte es Hun derte von Toten und noch mehr Verletzte gegeben. »Es tut mir Leid, Tamaron«, begann ich.
Sie trat einen Schritt zurück und hob befehlend den Arm. »Nehmt sie fest!«, befahl sie ihrer Leibgarde. »Alle sechs!« Ich schüttelte den Kopf, als mich die Blicke meiner Begleiter trafen, Viel leicht hätten wir uns der Verhaftung entziehen können, aber damit jede wei tere Chance auf eine Verständigung ver spielt, »Atlan«, sagte die Tamrätin mit schneidender Kälte in der Stimme, »ich klage dich und deine Begleiter des Auf ruhrs an. Ihr seid verantwortlich für den Tod vieler Shahano. Das ist Grund genüg, euch standrechtlich zu erschie ßen ...«
E N D E
Atlan ahnt nicht, dass er um Haaresbreite in den Besitz wertvoller Informatio nen über die Vergangenheit von Qmega Centauri gekommen wäre. Er hat auf Shahana um das Vertragen def Tamrätin geworben, es gewonnen und gleich wieder verloren. Nichts Scheint verhindern zu können, dass sie sich an seinem vermeintlichen Verrat rächt ... ANGRIFF DER BESTIEN Unter diesem Titel schildert Bernd Frenz das weitere Schicksal des Arkoniden. In zwei Wochen überall im ZeitschriftenhandeL
Atlan - erscheint zweiwöchenäich in der Pabel-Moewjg Verleg KG, 73437 Rastalt. Internet: www.vptn-onlme.de. Redaktion: Sabine Krapp, Postfach 2352, 76413 Rastat. TteHllustration: Ertugnal Edime. Druck: Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabef-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 28. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Osterreich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung n Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskript ' Sendungen wird keine Gewahr übernommen. Printed in Germany. März 2003. Internet: http://wvw.Perry-Rhodan.nei und E-Mail: maH9PBity-miodiin.net Einzelhaft-Nachbestellungen richten Sie bitte an: TRANSGALAXIS-Buchveraand, Poettech 1127,61362 Friedrichtdorf/ Taunus. Lieferung erfolgt gegen Vbrauskasse (zuzugl, € 3,- Venundkosten, Ausland € 5,50) oder per Nachnahme (zuzügl. € 5,50 Versandtosten).