Klaus-Dieter Arndt | Holger Brüggemann | Joachim Ihme Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure
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Klaus-Dieter Arndt | Holger Brüggemann | Joachim Ihme Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure
Klaus-Dieter Arndt | Holger Brüggemann | Joachim Ihme
Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure Kompaktwissen für den Bachelor Mit 217 Abbildungen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag |Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Thomas Zipsner | Imke Zander Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Technische Redaktion: Stefan Kreickenbaum, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0930-8
V
Vorwort Noch ein Buch über Festigkeitslehre – so werden viele Leser denken, wenn sie dieses Buch in die Hand nehmen. Warum haben wir dieses Buch geschrieben? Die Festigkeitslehre gehört als Teil der Technischen Mechanik zu den Kernfächern eines Ingenieurstudiums, wird aber bei den Studierenden eher als „Hammer-“, „Hass-“ oder „Loser-Fach“ angesehen. Durch die Einführung der Bachelor-Studiengänge wurde die Anzahl der Präsenzstunden für die Studierenden gekürzt. Dem selbstständigen Erarbeiten von Wissen und Fähigkeiten wurde mehr Raum gegeben. Dies erfordert entsprechend aufbereitete Unterlagen zur Theorie eines Faches und eine ausreichende Menge von Beispielen und Übungsaufgaben. Unser Ziel war es daher, den Stoff einerseits für das Bachelor-Studium auf das Wesentliche zu beschränken, ihn andererseits aber so praxis- und anwendungsnah wie nur möglich aufzubereiten, gerade auch für die zunehmende Zahl der Studierenden in Wirtschaftsingenieur-Studiengängen. Wir haben daher in zahlreichen Beispielen und Aufgaben auch wirtschaftliche Aspekte mit berücksichtigt. Das Buch ist sicher auch für Studierende an Technikerschulen und für Praktiker geeignet. Es entstand aus der Vorlesung „Festigkeitslehre“, die wir seit mehreren Jahren an der OstfaliaHochschule für angewandte Wissenschaften (FH Braunschweig/Wolfenbüttel) halten. Die Unterlagen zu dieser Lehrveranstaltung für den Bachelor-Studiengang Maschinenbau gehen auf ein Skript unseres früheren Kollegen Prof. Dipl.-Ing. Eckard Dollase zurück, das von unserem inzwischen leider verstorbenen Kollegen Prof. Dr.-Ing. Klaus-Dieter Giese erweitert und überarbeitet wurde. Beiden sind wir für die Überlassung ihrer Unterlagen zu großem Dank verpflichtet. Wir danken auch Herrn Dipl.-Ing. Heinrich Turk, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter seit mehreren Jahren die Pflege und Erweiterung der zum Skript gehörenden Aufgabensammlung übernommen hat. Zahlreiche Proben aus der Werkstoffprüfung hat uns Herr Manfred Grochholski zur Verfügung gestellt. Die Studierenden Sebastian Kohls, Torben Lorenz und Sven Pape haben uns bei der Erstellung der Druckvorlage durch die Übernahme von Schreib- und Grafikarbeiten unterstützt – dies und besonders die sorgfältige Erstellung der zahlreichen Formeln im Formeleditor hat uns sehr geholfen. Dank gebührt auch dem Vieweg+Teubner Verlag, insbesondere Herrn Dipl.-Ing. Thomas Zipsner, für die konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit. Unseren Familien danken wir für ihre stete Unterstützung. Sie nahmen es klaglos hin, dass wir während der Erstellung des Manuskriptes oft nicht körperlich, aber auch geistig nicht immer anwesend waren. Für Anregungen aus dem Kreis der Leser zur weiteren Verbesserung dieses Buches sind wir dankbar. Wolfenbüttel, im August 2010
Klaus-Dieter Arndt Holger Brüggemann Joachim Ihme
VI
Inhaltsverzeichnis
Verwendete Bezeichnungen und Abkürzungen .............................................................. VIII 1
Einführung .................................................................................................................. 1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre ............................................................................. 1.2 Belastungen, Beanspruchungen und Beanspruchungsarten ................................. 1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“ ................................................................ 1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm ........................................................................ 1.5 Formänderungsarbeit ........................................................................................... 1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit ................................ 1.7 Zulässige Spannungen ......................................................................................... 1.8 Verständnisfragen zu Kapitel 1 ........................................................................... 1.9 Aufgaben zu Kapitel 1 .........................................................................................
1 1 4 4 7 13 16 21 24 24
2
Einfache Beanspruchungen ....................................................................................... 2.1 Zug- und Druckbeanspruchung ........................................................................... 2.1.1 Grundsätzliches zur Normalspannung ...................................................... 2.1.2 Spannungen durch Eigengewicht ............................................................. 2.1.3 Wärmespannungen ................................................................................... 2.1.4 Flächenpressung ebener und gekrümmter Flächen ................................... 2.1.5 Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern .............................................. 2.2 Biegebeanspruchung ............................................................................................ 2.2.1 Ableitung der Biegegleichung .................................................................. 2.2.2 Flächenmoment 2. Grades ........................................................................ 2.2.3 Flächenmomente einfacher geometrischer Flächen .................................. 2.2.4 Abhängigkeit der Flächenmomente von der Lage des Koordinatensystems (STEINER’scher Satz) ................................................................... 2.2.5 Flächenmomente zusammengesetzter Querschnitte ................................. 2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung ....................................................................... 2.3.1 Schub- und Scherspannung ...................................................................... 2.3.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung .................................... 2.3.3 Allgemeine Beziehungen für die Schubspannungsverteilung .................. 2.3.4 Anwendung auf verschiedene Querschnittsformen .................................. 2.3.5 Schubmittelpunkt ...................................................................................... 2.4 Torsionsbeanspruchung ....................................................................................... 2.4.1 Torsion kreisförmiger Querschnitte .......................................................... 2.4.2 Torsion dünnwandiger Querschnitte ........................................................ 2.4.3 Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte ................................................. 2.5 Knickung ............................................................................................................. 2.5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad ..................................................... 2.5.2 Elastische Knickung nach EULER ............................................................. 2.5.3 Elastisch-plastische Knickung nach TETMAJER ........................................ 2.6 Verständnisfragen zu Kapitel 2 ........................................................................... 2.7 Aufgaben zu Kapitel 2 .........................................................................................
27 27 27 32 33 36 40 47 47 63 64 68 70 79 79 81 82 83 88 89 89 96 98 106 106 110 116 119 120
Inhaltsverzeichnis
VII
3
Zusammengesetzte Beanspruchungen ...................................................................... 3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen .............................................................. 3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen .......................................................... 3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen .................................... 3.4 Vergleichsspannungshypothesen ......................................................................... 3.4.1 Hypothese der größten Normalspannung (NH) ........................................ 3.4.2 Hypothese der größten Schubspannung (SH) .......................................... 3.4.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (GEH) ......................... 3.4.4 Anstrengungsverhältnis ............................................................................ 3.5 Verständnisfragen zu Kapitel 3 ........................................................................... 3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 .........................................................................................
127 128 133 135 146 146 147 148 149 152 152
4
Durchbiegung .............................................................................................................. 4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie ........................................................ 4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung ................................................................ 4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme ....................... 4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4 ........................................................................... 4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 .........................................................................................
155 155 168 175 188 188
5
Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben ....................................................... 5.1 Lösungen zu Kapitel 1 ......................................................................................... 5.1.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 1 ......................................... 5.1.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 1 ....................................................... 5.2 Lösungen zu Kapitel 2 ......................................................................................... 5.2.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 2 ......................................... 5.2.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 2 ....................................................... 5.3 Lösungen zu Kapitel 3 ......................................................................................... 5.3.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 3 ......................................... 5.3.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 3 ....................................................... 5.4 Lösungen zu Kapitel 4 ......................................................................................... 5.4.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 4 ......................................... 5.4.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 4 ....................................................... 5.5 Übungsklausuren .................................................................................................
190 190 190 191 192 192 193 196 196 197 200 200 201 205
Quellen ................................................................................................................................ 216 Weiterführende Literatur ................................................................................................. 217 Sachwortverzeichnis .......................................................................................................... 218
VIII
Verwendete Bezeichnungen und Indizes Verwendete Bezeichnungen A
Fläche, Bruchdehnung, Querschnitt
B
Breite
a, b
Konstanten
a, b, c, h, l, s
Abmessungen
C
Celsius, Drehfederkonstante, Integrationskonstante
D, d
Durchmesser
d
Differenzial
E
Elastizitätsmodul
EI
Biegesteifigkeit
e
Abstand, Exzentrizität, Randfaserabstand
F
Kraft
G
Gestalt, Gleit-/Schubmodul
g
Erdbeschleunigung
GEH
Gestaltänderungsenergiehypothese
H
Höhe, Flächenmoment 1. Grades (statisches Flächenmoment)
I
Flächenmoment 2. Grades (Flächenträgheitsmoment)
i
Trägheitsradius
K
Kelvin
L
Länge
M
Moment, Mittelpunktkoordinaten, Schubmittelpunkt
m
Masse, POISSON’sche Konstante
N
Lastspiele, Newton
NH
Normalspannungshypothese
n
Anzahl, Drehzahl
P
Leistung
p
Flächenpressung
q
Streckenlast
R, r
Radius
R
Zugfestigkeit
Rb
Randbedingung
S
Schwerpunkt, Sicherheitsfaktor, Streckgrenze
Verwendete Bezeichnungen und Indizes s
Abstand, Blechdicke, Wandstärke, Weg
SH
Schubspannungshypothese
T
Temperatur, Torsionsmoment
t
Tonne
Üb
Übergangsbedingung
V
Volumen
v
Geschwindigkeit
W
Arbeit, Formänderungsarbeit, Widerstandsmoment
w
Gleichung der Biegelinie, Koordinate, Durchbiegung, spezifische Formänderungsarbeit
x, y, z
Koordinaten
Korrekturfaktor, Winkel, Längenausdehnungskoeffizient
Winkel
Winkel, Winkeländerung, spezifisches Gewicht
Differenz
Dehnung, Querkürzung
ϑ
Temperatur
Anstrengungsverhältnis, Biegewinkel, Neigung Verdrehwinkel, Winkeländerung
,
Koordinaten, Korrekturfaktor
Schlankheitsgrad
Querkontraktionszahl (POISSON’sche Konstante)
Dichte, Krümmungsradius
Normalspannung, Spannung
Schubspannung, Tangentialspannung
Winkelgeschwindigkeit
Indizes A, B, C, D
Eckpunkte, Schnittbezeichnung
a
Abscheren, Ausschlagspannung, axial
B
Bruch
b
Biegung
bd
Biegedruckspannung
bz
Biegezugspannung
D
Dauer
d
Druck
IX
X
Verwendete Bezeichnungen und Indizes
erf
erforderlich
elast
elastisch
F
Fließen, Formänderung
G
Gewicht
ges
gesamt
Grenz
Grenzspannung
H
Horizontal
h
Hauptachse
i
Index, innere
K
Knickung
l
Lochleibung
m
Mittelspannung, mechanisch, mittlere
max
maximal
mech
mechanisch
min
minimal
N
Normal
n
Nenn, normal
o
Oberspannung
P
Proportionalitätsgrenze
p
polar
plast
plastisch
proj
projiziert
R
Reißlänge
r
radial
res
resultierend
S
Schwerpunkt
s
Schub
Sch
schwellend
T
Traglänge
t
tangential, Torsion, Zeit
tat
tatsächlich
therm
thermisch
u
Umfang, Unterspannung
W
wechselnd
z
Zug
v
Vergleichsspannung
Verwendete Bezeichnungen und Indizes zd
Zugdruck
zul
zulässig
x, y, z
Koordinaten
XI
e eH
obere Streckgrenze
eL
untere Streckgrenze
p0,2 p0,01 m
Indizes von R
1
1 Einführung Die „Festigkeit von Dingen“ ist etwas, was im Alltagsleben häufig Gegenstand der Betrachtung ist. Meist wird umgangssprachlich dabei der Begriff „fest“ verwendet. Beispielsweise fragen Kinder im Winter, ob das Eis „fest genug sei, um es zu betreten“. „Fest“ wird als Beschreibung der Materialeigenschaft des Eises genutzt. Die Materialeigenschaft wird in Verbindung mit einer Belastung gebracht – die Kinder wollen das Eis betreten. Und es geht um einen Schaden, beziehungsweise um die Vermeidung eines Schadens. Die Kinder wollen nicht einbrechen. Auch in technischen Zusammenhängen findet dieser Begriff häufig Verwendung. Beispielsweise kann man Autozeitschriften entnehmen, dass in Kraftfahrzeugen zunehmend hochfeste Stähle eingesetzt werden, um die Fahrzeuge leichter zu gestalten und das Crashverhalten zu verbessern. Wieder geht es um eine Materialeigenschaft, die in Verbindung mit einer Belastung (dem Crashtest) steht. Und wieder soll auch ein Schaden vermieden werden: die Insassen des Fahrzeuges sollen nicht verletzt werden. Beiden Beispielen kann man entnehmen, dass die „Festigkeit“ etwas mit den Eigenschaften eines Materials, mit den Belastungen und mit der Vermeidung von Schäden zu tun haben muss. Wie die Begriffe „fest“ beziehungsweise „Festigkeit“ in der Technik definiert sind und was dabei die Aufgabe der „Festigkeitslehre“ ist, das ist Inhalt des Kapitels 1.
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre Die Festigkeitslehre ist ein Teilgebiet der Technischen Mechanik. Dieses Gebiet kann unterteilt werden in: • Statik • Festigkeitslehre oder Elastostatik und • Kinematik/Kinetik. Die Statik ist die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte an einem starren Körper mit dem Ziel der Ermittlung unbekannter Kräfte, wie Auflager-, Gelenk- und Stabkräfte. Sie dient als Grundlage für die Dimensionierung und Auslegung (Festigkeitsberechnung) technischer Bauteile. In der Festigkeitslehre betrachten wir keine idealen starren Körper, sondern deformierbare oder elastische Körper. Sie stellt den Zusammenhang zwischen den äußeren und inneren Kräften sowie den Verformungen (Bild 1-1) her. Auch die Lösung statisch unbestimmter Systeme setzt voraus, dass die Werkstoffe nicht starr sind. Darüber hinaus sind die Haltbarkeit und die Stabilität technischer Bauteile von großem Interesse. Die Aufgabe der Festigkeitslehre besteht darin, mit den aus der Statik ermittelten Kräften und Momenten Bauteile zu dimensionieren oder Spannungen zu ermitteln und zu überprüfen, ob sie unter den zulässigen Grenzwerten liegen.
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
1 Einführung
Bild 1-1 Wirkung von Kräften auf starre und verformbare Körper
Zu den weiteren Aufgaben der Festigkeitslehre gehören: • Berechnungsverfahren für die Kraftwirkungen im Innern von Körpern und die hervorgerufenen Formänderungen zu entwickeln. • Regeln zur Beurteilung und Vermeidung des Versagens von Bauteilen aufzustellen. Ein Versagen der Bauteile tritt bei einer Überbeanspruchung im Betrieb in folgender Form auf: • • • •
Gewaltbruch (statische Beanspruchung) Dauer(schwing)bruch (dynamische Beanspruchung) unzulässig große Verformung Instabilität (Knicken, Beulen).
Eine entsprechende Vorgehensweise zur Lösung einer sicheren Bauteilauslegung ist Bild 1-2 zu entnehmen. Grundlagen für die Berechnungsverfahren der Festigkeitslehre sind: • die Gesetze und Regeln der Statik sowie • ideal homogene und isotrope Körper. Homogen bedeutet, dass der Werkstoff überall gleichartige Eigenschaften aufweist. Bei isotropen Werkstoffen sind die Eigenschaften richtungsunabhängig. Die realen Werkstoffe der Technik (z. B. Metalle, Kunststoffe, Holz, Keramik, …) hingegen: • sind nur für gleichmäßig feinkörnige Werkstoffe (z. B. Stahl oder Aluminium) annähernd homogen bzw. quasi-isotrop („nahezu isotrop“) • dagegen ist die Belastbarkeit/Beanspruchbarkeit begrenzt, d. h. innere Kraftwirkungen und Verformungen von Bauteilen sind zulässig, sie müssen (aber deutlich) unter bestimmten Grenzwerten bleiben, damit es nicht zum Versagen z. B. Bruch kommt. Eine wesentliche Voraussetzung für eine möglichst wirklichkeitsnahe Festigkeitsberechnung ist die Kenntnis über die verwendeten Werkstoffe! Aus diesem Grunde benötigen wir Kenntnisse der Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung, um eine Beurteilung für die Wahl des einzusetzenden Werkstoffes vornehmen zu können. Die Werkstoffkunde vermittelt Kenntnisse über den Aufbau, die Eigenschaften, die Behandlungsmöglichkeiten und den Einsatz der Werkstoffe. Die Werkstoffprüfung untersucht das Verhalten beanspruchter Werkstoffe, d. h. • den Zusammenhang zwischen Kräften und Verformungen • und den Grenzbeanspruchungen, die zum Versagen führen.
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre
3
Bild 1-2 Nachweis der Festigkeit [9]
Die Festigkeitslehre ist daher eine Verknüpfung von Technischer Mechanik und Werkstoffkunde bzw. -prüfung zur Berechnung der inneren Kraftwirkung (Beanspruchung) und der Verformung von Bauteilen sowie zum Vergleich mit den zulässigen Werten. Die mithilfe der elementaren Festigkeitslehre berechneten Spannungen können aufgrund von Vereinfachungen/Idealisierungen erheblich von den tatsächlichen Spannungen abweichen. Viele Berechnungsverfahren erfassen nur sehr ungenau die tatsächlichen Vorgänge im Werkstoff, die vom jeweiligen Betriebszustand und der Belastungsart abhängig sind. Kenngrößen, als Ergebnis langer Erfahrung (z. B. Vergleichsspannungen), führen daher zu brauchbaren Ergebnissen der Festigkeitslehre. Aus diesem Grund werden zwei Vorgehensweisen betrachtet: • Berechnung der Tragfähigkeit (zulässige Belastung), Abmessungen und Material sind gegeben • Ermittlung der erforderlichen Abmessungen (Dimensionierung), Kräfte und Momente sind gegeben. Das Ziel jeder Berechnung ist, dass mit Sicherheit kein Versagen eintritt.
4
1 Einführung
1.2 Belastungen, Beanspruchungen und Beanspruchungsarten Aus der (äußeren) Belastung, den Kräften und Momenten, der Bauteilgeometrie und der Belastungsintensität im Bauteil kann die jeweilige Beanspruchung ermittelt werden. Abhängig von der Belastungsrichtung und der damit verbundenen Verformung treten fünf Grundbeanspruchungsarten (siehe Bild 1-3) auf: • Zug, Druck und Biegung • Schub/Abscheren und Torsion (Verdrehen). In Bild 1-3 sind typische Beispiele dieser fünf Grundbeanspruchungsarten dargestellt. Platten und Schalen (eben und gekrümmt) hingegen sind komplizierte Bauteile, sie werden hier nicht näher behandelt und gehören darüber hinaus in den Bereich der höheren Festigkeitslehre.
Bild 1-3 Grundbeanspruchungsarten mit typischen Beispielen [9]
1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“ Durch Einwirken von äußeren Kräften verformen sich Bauteile (sichtbar oder zumindest messbar). Das Prinzip der Idealisierung des starren Körpers (Statik) wird, wie bereits in Kapitel 1.1 angesprochen, aufgegeben. Den äußeren Kräften wirken im Werkstoffgefüge innere Kräfte entgegen, es herrscht im Normalfall Gleichgewicht. Damit die inneren Kräfte ermittelt werden können, muss ein „Freischneiden“ des Körpers (Bild 1-4) erfolgen. Das Freischneiden in der Festigkeitslehre erfolgt analog zum „Freimachen“ in der Statik. Nach dem Freischneiden erfolgt die Wiederherstellung des Gleichgewichts dadurch, dass der jeweilige fortgenommene Teil durch eine innere Kraft Fi ersetzt wird, die als Kohäsionskraft die Werkstoffteilchen an dieser Stelle zusammenhält. Durch diese Vorgehensweise stehen die äußeren und inneren Kräfte im Gleichgewicht. Es gilt weiter das Prinzip: Befindet sich das Gesamtbauteil im Gleichgewicht, dann ist auch jeder Teilabschnitt im Gleichgewicht (sta-
1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“
5
tisch). Steigt die äußere Kraft/Belastung, so tritt eine wachsende Widerstandskraft im Bauteil auf. Das Maß für die (innere) Beanspruchung ist eine (mechanische) Spannung. Die Spannung ist (wie Kräfte) nicht direkt sichtbar.
Bild 1-4 Prinzip des Freischneidens
Definition der Spannung: Spannung ist der Quotient aus der Teilschnittkraft Fi und der dazugehörigen Teilschnittfläche A.
σ =
Δ Fi dFi =ˆ Δ Ai dAi
(1.1)
Spannungen sind wie Kräfte gerichtete Größen und somit Vektoren. Spannungen sind im Allgemeinen beliebig im Raum gerichtet (Bild 1-5), daher ist es zweckmäßig den Spannungsvektor in zwei senkrecht zueinander stehende Komponenten zu zerlegen, und zwar normal und tangential zur Schnittfläche. Aus der Komponente normal/senkrecht zur Fläche folgt die Normalspannung σ =
Δ Fin dFin =ˆ dA ΔA
(1.2)
Aus der Komponente tangential zur Fläche folgt die Tangentialspannung τ =
Δ Fit dFit =ˆ dA ΔA
(1.3)
Schnittfläche Fi
Fin
Fit F it
Bild 1-5 Zerlegung der inneren Kraft Fi in Normal- Fin und Tangentialkomponente Fit
6
1 Einführung
Daraus lässt sich folgern: • es treten zwei Spannungstypen auf, diese führen auch zu zwei verschiedenen Verformungs- und Zerstörungswirkungen • die Spannungen sind abhängig von der (gedachten) Schnittfläche. Bei einer konstanten Spannungsverteilung in der Schnittfläche (in jedem Querschnittspunkt wirkt die gleiche Spannung) ergibt sich die Normalspannung σ =
Fn A
Tangentialspannung τ =
mit Fn ⊥ A
Ft mit Ft || A A
(1.4) (1.5)
Die SI-Einheit für die (mechanische) Spannung (DIN 1301) wird in N/m2 oder Pascal1 (Pa) angegeben. Die Einheit Pa ist sehr „unhandlich“, daher wird vorzugsweise in der Technik die Einheit N/mm2 verwandt: 1 N/mm2 =ˆ 106 N/m2 = 1 MPa Die Festigkeit ist die maximale Beanspruchbarkeit eines Werkstoffes, angegeben in Grenzspannungen (N/mm2), u. a. in Abhängigkeit von den Beanspruchungsarten und dem zeitlichen Verlauf der Beanspruchung.
Beispiel 1-1 Wie groß ist die Normal- und Tangentialspannung, wenn F = 10 kN, A = 50 mm2 und = 60° betragen? Lösung: F F ⋅ sin α 10 000 N ⋅ sin 60o N σ= n = = = 173 2 A A 50 mm mm 2
τ=
1
Ft F ⋅ cos α 10 000 N ⋅ cos 60o N = = = 100 A A 50 mm2 mm2
Blaise PASCAL (1623 – 1662), französischer Philosoph und Mathematiker
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
7
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm Wird ein Körper auf • Zug beansprucht, so verlängert er sich • Druck beansprucht, so verkürzt er sich. Bei einer Zugkraft (Bild 1-6) verlängert sich die Ausgangslänge l0 um den Betrag l auf die Länge l, daraus folgt die Dehnung:
ε=
Δl l0
=
l − l0 l0
(1.6)
F F
d0
F unbelasteter Zugstab
belasteter Zugstab
F
freigeschnittener Zugstab
Bild 1-6 Längenänderung eines Stabes im Zugversuch
Das Ergebnis des Zugversuches ist das Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Bild 1-7, 1-8) mit Re = Streckgrenze oder Streckgrenzenfestigkeit in N/mm2 (Punkt P) σP = Proportionalitätsgrenze in N/mm2 und Rm = Zugfestigkeit in N/mm2.
8
1 Einführung
Bild 1-7 Spannungs-Dehnungs-Diagramm für Druck und Zug
In Bild 1-8 ist die Spannung über dem elastischen und plastischen Bereich aufgetragen. Der gestrichelt dargestellte Verlauf stellt die wahre Spannung dar. Sie wird ermittelt aus dem Quotienten der jeweiligen Kraft F zum jeweiligen Querschnitt Atat. Die Spannung wird üblicherweise auf den Ausgangsquerschnitt A bezogen, so dass sich der durchgezogene Verlauf ergibt.
Bild 1-8 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Je nachdem, ob es sich um duktile (verformbare, Bild 1-9, 1-10) oder spröde Werkstoffe (Bild 1-11, 1-12) handelt, gibt es unter schiedliche Verläufe im Spannungs-Dehnungs-Diagramm.
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
9
Bei den duktilen Werkstoffen kann eine ausgeprägte (Bild 1-9 links) oder keine ausgeprägte Streckgrenze (Bild 1-9 rechts) auftreten. Im letzteren Fall wird deshalb die Rp 0,2-Grenze herangezogen, d. h. der Spannungswert, bei dem nach der Entlastung eine Dehnung von 0,2 % verbleibt.
Rm
Rm
Rp 0,2
Bruch ReH
Bruch
ReL Rm = Zugfestigkeit ReH = obere Streckgrenze ReL = untere Streckgrenze
Rp0,2 = Dehngrenze Diagramm ohne ausgeprägte Streckgrenze
Diagramm mit ausgeprägter Streckgrenze
Bild 1-9 Spannungs-Dehnungs-Diagramm duktiler Werkstoffe
Bild 1-10 Prüfkörper duktiler Werkstoffe (Zugversuch)
Typischer Vertreter spröder Werkstoffe ist das Gusseisen (Bild 1-11), hier kommt es nach einem signifikanten Anstieg der Spannung ohne Übergang zum Bruch.
Bild 1-11 Spannungs-Dehnungs-Diagramm spröder Werkstoffe
Bild 1-12 Graugussprüfkörper
10
1 Einführung
Eine Gegenüberstellung der Spannungs-Dehnungs-Diagramme verschiedener Werkstoffe ist Bild 1-13 zu entnehmen.
Bild 1-13 Spannungs-Dehnungs-Diagramm verschiedener Werkstoffe
Dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm ist zu entnehmen, dass die Spannung σ im elastischen Bereich proportional der Dehnung (Bilder 1-7, 1-8, 1-9) ist. Diesen Zusammenhang hat HOOKE2 herausgefunden und man nennt ihn das HOOKE’sche Gesetz:
σ = E ⋅ε = E ⋅
Δl
(1.7)
l0
Der Elastizitätsmodul E in N/mm² ist eine Maßzahl für die Starrheit des Werkstoffs. Elastizitätsmodule ausgewählter Werkstoffgruppen: Stähle und Stahlguss: E = 200000 ... 210000 N/mm2, wir rechnen mit E = 210000 N/mm2 Al und Al-Legierungen: E = 60000 ... 80000 N/mm2 Mg und Mg-Legierungen: E = 40000 ... 45000 N/mm2 Bei Stählen, die keine ausgeprägte Streckgrenze (Bild 1-9 rechts) aufweisen, wird – wie bereits beschrieben – die Spannung herangezogen, bei der eine bleibende Dehnung von 0,2 % (Rp0,2) nach der Entlastung auftritt. Zwischen der Längenänderung und der Kraft besteht folgender Zusammenhang:
σ = E ⋅ε = E ⋅
Δl =
2
Δl l0
und σ =
F Δl F E⋅ = A l0 A
F ⋅ l0 E⋅A
Robert HOOKE (1635 – 1703), englischer Naturforscher
(1.8)
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
11
Tabelle 1-1 enthält Anhaltswerte für Rm, Re bzw. Rp0,2/Rp0,1, E und ρ ausgewählter Werkstoffgruppen, die zur Lösung von Aufgaben herangezogen werden können. Tabelle 1-1: Anhaltswerte ausgewählter Werkstoffgruppen (Re* bzw. Rp 0,2/Rp 0,1) Werkstoff unlegierte Stähle rostfreie Stähle Einsatzstähle Gusseisen GJL Gusseisen GJS Stahlguss Messing Kupfer Aluminiumlegierung Titanlegierung PP PVC GFK CFK Holz Beton Glas
Rm in N/mm²
Re* in N/mm²
E in kN/mm²
in kg/dm³
290 – 830 400 – 1100 500 – 1200 100 – 450 350 – 900 380 – 970 400 220 140 – 540 900 – 1100 30 60 90 750 40 – 240 50 (nur für Druck) 80
185 – 360 210 – 660 310 – 850 100 – 285 250 – 600 200 – 650 200 100 80 – 470 800 – 1000 15 50 -
210 210 210 78 – 143 169 – 176 210 100 120 60 – 80 110 1 3 75 140 10 30 80
7, 85 7,85 8,10 7,10 – 7,30 7,25 7,85 8,50 8,74 2,75 4,43 1,10 1,40 1,45 1,45 0,50 2,38 3,00
Beispiel 1-2 Ein Blechstreifen der Länge l = 100 mm aus Stahl (E = 2,1·105 N/mm2) wird um l = 0,1 mm gestreckt. Wie groß ist die Zugspannung?
Lösung: Mit dem HOOKE’schen Gesetz berechnen wir die Spannung :
σ = E ⋅ε = E ⋅ = 2,1 ⋅ 102
Δl l0 N
mm
2
= 2,1⋅10 5 = 210
N mm
N mm 2
2
⋅
0,1 mm 100 mm
12
1 Einführung
Beispiel 1-3
Der skizzierte Verbundstab ist aus zwei Metalllamellen zusammengelötet und wird um l = 0,5 mm gedehnt.
Zu berechnen sind: a) die auftretenden Spannungen in den einzelnen Lamellen, b) die Gesamtkraft. Geg.: l = 500 mm; A1 = 300 mm2; A2 = 200 mm2; E1 =0,45·105 N/mm2; E2 = 2,1·105 N/mm2
Vor der weiteren Behandlung der vorstehenden Aufgabe werden die Reihen- (seriell) und die Parallelschaltung erläutert. Der Lösungsweg für beide Schaltungsarten wird kurz dargestellt. Anordnung: In Reihe/Seriell
Kraftgleichgewicht: Die Kräfte sind in allen Teilen gleich groß. Vorgehensweise: Die Gesamtlängenänderung teilt sich auf in unterschiedliche Längenänderungen aller elastischen Elemente. Man stellt die Gleichungen für die einzelnen Längenänderungen auf. Die Summe dieser Längenänderungen wird der gesamten Längenänderung gleichgesetzt. Nach Umstellen nach der Kraft kann diese berechnet werden. Anordnung: Parallel
Die Längenänderungen aller elastischen Elemente sind gleich groß. Vorgehensweise: Mit Hilfe der Steifigkeiten der Einzelelemente können die jeweilige Spannung und über die Flächen die Einzelkräfte der Elemente bestimmt werden. Die Gesamtkraft ergibt sich aus der Summe der Einzelkräfte. Lösung: Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Parallelschaltung. Anwendung des HOOKE’schen Gesetzes a) σ = E ⋅ ε = E ⋅
σ1 = E1 ⋅
Δl
σ 2 = E2 ⋅
l
Δl l
Δl l
= 0, 45 ⋅105 = 2,1 ⋅ 105
N 2
⋅
2
⋅
mm N mm
0,5 mm N = 45 500 mm mm 2
0,5 mm N = 210 500 mm mm 2
1.5 Formänderungsarbeit
13
b) Die Gesamtkraft F setzt sich aus den Einzelkräften F1 und F2 zusammen:
F = F1 + F2 = σ1 ⋅ A1 + σ 2 ⋅ A2 = 45
N mm
2
⋅ 300 mm2 + 210
N mm
2
⋅ 200 mm2 = 55 500 N
Eine Verlängerung ist stets mit einer Querkürzung (Bild 1-7) verbunden, d. h. bei einer Querkürzung ist d < d0. Aus der Durchmesseränderung folgt für die Querkürzung:
εq =
Δd d 0 − d = d0 d0
(1.9)
Das Verhältnis Längsdehnung zur Querkürzung wird POISSON’sche3 Konstante m = nannt. Für Metalle im üblichen Beanspruchungsbereich ist m ≈ 3,3. Es wird häufig der Kehrwert von m, die POISSON’sche Querkontraktionszahl μ =
ε geεq
εq 1 = 0,3 = m ε
benutzt. Tabelle 1-2: Querkontraktionszahlen ausgewählter Werkstoffgruppen Werkstoff Beton Stähle und Stahlguss Gusseisen mit Lamellengrafit Al und Al-Legierungen Mg und Mg-Legierungen Kupfer Zink Elastomere
Querkontraktionszahl μ 0 0,30 0,25 ... 0,27 0,33 0,30 0,34 0,29 0,5
1.5 Formänderungsarbeit Im Kapitel 1.4 haben wir die Formänderungen (Dehnung) und q (Querkürzung) betrachtet. Es wird nun untersucht, welche Arbeit für diese Verformung benötigt wird. Die Arbeit ist für eine konstante Kraft wie folgt definiert: Arbeit = Kraft · Weg = W =ˆ F · s. Aus dem Zugversuch ist bekannt, dass die Kraft beim Zugversuch nicht konstant ist. Die allgemeine Definition der Arbeit ist W = ³ F ⋅ ds 3
Siméon-Denis POISSON (1781 – 1840), französischer Mathematiker und Physiker
14
1 Einführung
Bild 1-14 Herleitung der Formänderungsarbeit
³
W = F ⋅ ds Mit F = σ ⋅ A und ε =
Δl l
Δl = l ⋅ ε und ds = l ⋅ d ε
W = ³ σ ⋅ A ⋅ l ⋅ dε = A ⋅ l ⋅ ³ σ ⋅ dε
³
W = V ⋅ σ ⋅ d ε und V = A ⋅ l
Dividieren wir die Formänderungsarbeit W durch das Volumen V, dann erhält man die spezifische oder bezogene Formänderungsarbeit wf. Sie ist die Arbeit, die benötigt wird, um z. B. das Volumen von 1 mm3 zu verformen. Die spezifische Formänderungsarbeit spielt in der Umformtechnik eine maßgebliche Rolle. W = wf = V wf =
³ σ ⋅ dε =
E⋅ ε ⋅ d ε =
1 1 1 ⋅ E ⋅ε 2 = E ⋅ε ⋅ε = σ ⋅ε 2 2 2
W 1 = ⋅σ ⋅ ε V 2
(1.10)
wf = 12 ⋅ Bild 1-15 Spezifische oder bezogene Formänderungsarbeit
1.5 Formänderungsarbeit
15
Die Formänderungsarbeit Wf: E 1 F2 1 1σ2 1 1 1 F2 1 W f = V ⋅ wf = V ⋅ σ ⋅ ε = V ⋅ σ ⋅ ε ⋅ = V ⋅ = V⋅ ⋅ ⋅ = A⋅l ⋅ ⋅ 2 A2 E 2 A2 E E 2 2 2 E
Wf =
1 F2 l ⋅ ⋅ 2 A E
(1.11)
Gemäß Gl. (1.11) wird die Formänderungsarbeit(-energie) umso größer, • • • •
je größer die Belastung ist je größer die Länge ist je kleiner die Querschnittsfläche ist oder je kleiner der E-Modul ist.
Beispiel 1-4
Welche Formänderungsarbeit nimmt ein zylindrischer Zugstab (Durchmesser d = 20 mm; Länge l = 2000 mm) aus Stahl (E = 2,1·105 N/mm2) bei einer Belastung bis zur Elastizitätsgrenze ( E = 200 N/mm2) auf? Lösung: 1 σ2 π π 1 σ2 π 2 σ2 = ⋅d ⋅l ⋅ Mit Wf = V ⋅ wf = V ⋅ ⋅ und V = ⋅ d 2 ⋅ l Wf = ⋅ d 2 ⋅ l ⋅ ⋅ 2 E 4 4 2 E 8 E Stahl : WfSt =
π 8
⋅ 202 mm2 ⋅ 2000 mm ⋅
( 200 N )2 mm2 2,1 ⋅ 105 N mm4
= 59 840 Nmm =ˆ 59,84 Nm
Welchen Wert erreicht die Formänderungsarbeit, wenn als Werkstoff Aluminium ( E = 80 N/mm2; E = 0,7·105 N/mm2) verwendet wird? Wf Al =
π 8
⋅ 202 mm 2 ⋅ 2000 mm ⋅
(80 N )2 mm2 0,7 ⋅ 105 N mm4
= 28 723 Nmm =ˆ 28,723 Nm
16
1 Einführung
Beispiel 1-5
Wie verhält sich die Formänderungsarbeit zwischen einer Schaftschraube und einer Dehnschraube?
Die Formänderungsarbeit ist nach Gl. (1.11): 1 F2 l Wf = ⋅ ⋅ , da A1 > A2, kann die Dehnschraube 2 A E bei gleichem F (Längskraft) mehr Formänderungsarbeit aufnehmen. Der Einsatz von Dehnschrauben erfolgt dort, wo eine dauernde dynamische Belastung vorliegt, z. B. beim Zylinderkopf eines Motors.
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit Die Haltbarkeit eines Bauteils ist vorwiegend abhängig vom zeitlichen Verlauf der Belastung bzw. Beanspruchung sowie von der Betriebsart: Dauer- oder Aussetzbetrieb. Grundsätzlich wird zwischen einer ruhenden und einer schwingenden Belastung unterschieden. Maschinenteile werden überwiegend schwingend belastet.
Bild 1-16 Schwingende Belastung in Form einer Sinus-Funktion
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit
17
Bei schwingender Beanspruchung (Bild 1-16) wird unterschieden zwischen • • • •
Oberspannung σo (bzw. τo), Unterspannung σu (bzw. τu), Mittelspannung σm = (σo + σu)/2 (entsprechend τm) und Spannungsausschlag σa = (σo – σu)/2 (entsprechend τa).
BACH4 unterscheidet drei idealisierte Lastfälle: • Lastfall I: ruhende (statische) Belastung:
Die Spannung (σ oder τ) steigt zügig auf einen bestimmten Wert, dann sind Betrag und Richtung konstant. (z. B. Schraube nach dem Anziehen oder Spannung in einem Bauteil durch Eigengewicht).
σo= σu = σm ; σa= 0 Bild 1-17 Belastungsfall I
• Lastfall II: schwellende Belastung: Die Spannung steigt von Null auf einen Höchstwert und geht dann zurück auf Null. Der Betrag ändert sich ständig, aber nicht das Vorzeichen (z. B. Kranseil, Bremshebel).
σo = σmax = 2· σa σm = σa ; σu = 0
Bild 1-18 Belastungsfall II
4
Julius Carl VON BACH (1847 – 1931), bedeutender deutscher Maschinenbauingenieur. Professor für Maschinenelemente und Festigkeitslehre in Stuttgart
18
1 Einführung • Lastfall III: wechselnde Belastung: Die Spannung schwankt zwischen einem positiven und einem negativen Höchstwert; Betrag und Richtung ändern sich ständig (z. B. Getriebewellen). σo= σmax = σa
σu = -σmax ; σm = 0
Bild 1-19 Belastungsfall III
Die Lastfälle II und III zählen zur dynamischen Belastung. Maßgeblich ist die Dauerfestigkeit σD eines Werkstoffs. Sie ist von der Mittelspannung σm und der Beanspruchungsart (schwellend oder wechselnd) abhängig. Die Dauerfestigkeit σD ist die höchste Spannung, die ein (polierter) Probestab bei dynamischer Beanspruchung gerade noch beliebig lange ohne Bruch bzw. schädigende Verformung erträgt (N > 107 Lastspiele). Das Verhalten der Werkstoffe bei schwingender Belastung wird wie folgt untersucht: Polierte Probestäbe mit 10 mm Durchmesser werden bei konstanter Mittelspannung und entsprechender Schwingungsamplitude belastet. Wählt man die Amplitude groß genug, so kann es bei verhältnismäßig wenigen Lastspielen bereits zum Bruch (Bild 1-20) kommen. Es bietet sich an, die Oberspannung σo über die Anzahl der Lastspiele N in einem Diagramm (WÖHLER5-Diagramm) aufzutragen. Aufgrund der großen Lastspiele ist es zweckmäßig, die Auftragung für N logarithmisch vorzunehmen. Aus dem WÖHLER-Diagramm (Bild 1-20) für Stähle lässt sich Folgendes herleiten (Tabelle 1-3):
5
August WÖHLER ( 1819 – 1914), deutscher Eisenbahningenieur
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit
19
Bild 1-20 WÖHLER-Diagramm Tabelle 1-3: Bezeichnung des Festigkeitsbereiches in Abhängigkeit der Lastspiele Lastspiele N
Bezeichnung
Bemerkung
10 – 102
Bruchfestigkeit
Der Bruch erfolgt bei einer Oberspannung, die der Bruchfestigkeit Rm bei ruhender Beanspruchung entspricht
102 – 103 bzw. 104
Kurzzeitfestigkeit
Die Oberspannung verringert sich und die Proben werden teilweise plastisch verformt
Zeitfestigkeit
weiter abnehmende Oberspannung, die zu verformungsfreien Brüchen führt
Dauerfestigkeit
Oberspannung von Stahl, die nicht zum Bruch führt
bis 106 > 107
Trägt man nun die für einen Werkstoff und eine Beanspruchungsart (Zug, Druck, Biegung oder Torsion), die aus einer Vielzahl von WÖHLER-Diagrammen ermittelten Dauerfestigkeiten in einem Diagramm auf, so erhält man das Dauerfestigkeitsschaubild nach SMITH. Im SMITHDiagramm (Bild 1-21) sind die Grenzspannungen σo, σu über der Mittelspannung σm aufgetragen. Die beiden Kurven für σo und σu geben den Bereich in Abhängigkeit von σm an, indem die wechselnde Beanspruchung schwanken kann, ohne dass eine Zerstörung trotz hoher Lastspiele gerade noch nicht eintreten kann. Die Zugfestigkeit kann jedoch bei zähen Stählen wegen der vorher auftretenden bleibenden Verformung für eine Dimensionierung nicht herangezogen werden. Das Dauerfestigkeitsschaubild dieser zähen Werkstoffe wird daher von der Streckgrenze (oben) und der Stauch-/Quetschgrenze (unten) begrenzt. Werkstoffe, die ein unterschiedliches Verhalten bei Zug- oder Druckbeanspruchung (z. B. Grauguss) aufweisen, ergeben ein unsymmetrisches Dauerfestigkeitsschaubild. Bild 1-22 enthält beispielhaft das Dauerfestigkeitsschaubild eines Vergütungsstahls 41Cr4 für die Beanspruchungsarten Biegung, Torsion, Zug und Druck. Für die Schubspannungen τ erhält man grundsätzlich ein ähnliches Diagramm. Aufgrund der unterschiedlichen Belastungen ergeben sich entsprechende Bezeichnungen, die in Tabelle 1-4 zusammengefasst sind.
20
1 Einführung
Streckgrenze I
o
45 ° u
II
m
u
III
o
I
II Stauchgrenze
wechselnd
schwellend „Druck“
schwellend „Zug“
Bild 1-21 Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith Tabelle 1-4: Bezeichnung der Festigkeit in Abhängigkeit der Belastungsart Zug
Druck
Biegung
Torsion
Bruchfestigkeit bei ruhender Belastung
Zugfestigkeit Rm
Druckfestigkeit
Biegefestigkeit
Torsionsfestigkeit
σdB
σ bB
τtB
Fließgrenze bei ruhender Belastung
Streckgrenze Re/Rp0,2
Stauchgrenze σdF/ d0,01
Biege(fließ)grenze
bF
Dauerschwingfestigkeit
zD
dD
bD
τtD
Schwellfestigkeit
zSch
σdSch
bSch
τtSch
bW
τtW
Wechselfestigkeit
zdW
Torsions(fließ)grenze
τtF
Die Indizes in vorstehender Tabelle sind nach DIN 1304 und 1350 genormt: kleiner Index (Kennzeichnung der Beanspruchungsart):
z =ˆ Zug; d =ˆ Druck; b =ˆ Biegung; t =ˆ Torsion und großer Index (Kennzeichnung des Werkstoffkennwertes): B =ˆ Bruchfestigkeit; F =ˆ Fließgrenze (bzw. Stauch-/Quetschgrenze) {S =ˆ Streckgrenze}; D =ˆ Dauerfestigkeit (Dauerschwingfestigkeit); Sch =ˆ Schwellfestigkeit und W =ˆ Wechselfestigkeit.
1.7 Zulässige Spannungen
21
Bild 1-22 Dauerfestigkeitsschaubild für Zug/Druck, Biegung und Torsion für den Vergütungsstahl 41Cr4
1.7 Zulässige Spannungen In Versuchen wurden Grenzspannungen (σm, σD) ermittelt, die im Betrieb nicht erreicht werden dürfen. Darüber hinaus bestehen Schwierigkeiten bei der Berechnung der auftretenden Spannungen aufgrund folgender Einflüsse: keine homogenen, isotropen Werkstoffe, Oberflächenbeschaffenheit, Einkerbungen usw. Deshalb führt man Sicherheitszahlen ein.
Mindestsicherheit S min =
σ Grenz σ zulässig
(1.12)
Die Grenzspannung ist abhängig von der Versagensmöglichkeit (plastische Verformung, Sprödbruch, Dauerbruch) und dem Lastfall (Tabelle 1-5).
22
1 Einführung
Tabelle 1-5: Mindestsicherheit in Abhängigkeit des Lastfalls Lastfall
I
Werkstoff Zweckmäßige Grenzspannung
II, III für alle Werkstoffe
zäh mit Streckgrenze
spröde ohne Streckgrenze
Streckgrenze Re
Bruchfestigkeit Rm
Dauerfestigkeit
1,5 – 3
2–4
2–4
Sicherheit Smin
σD
Dementsprechend ist die zulässige Spannung
σ zul =
σ Grenz
(1.13)
S min
Zum Beispiel σzul bei dynamischer Beanspruchung:
σD
(1.14)
Sicherheit
S min
Sicherheit
σ zul =
Smin =
Grenz = Re zul
zul
Smin =
Grenz = Rm zul
zul
Bild 1-23 Begriff Sicherheit
Für die Mindestsicherheit Smin (Bild 1-23) wird bei zähen Werkstoffen Re und bei spröden Werkstoffen Rm als Grenzwert genommen. Beispiel 1-6
Wie groß ist die zulässige Spannung für Baustahl S235JR mit Re = 235 N/mm2 und wie groß ist die vorhandene Sicherheit bei einer vorhandene Spannung von σvorh = 139 N/mm2?
1.7 Zulässige Spannungen
23
Lösung: Statische Beanspruchung, Lastfall I; Smin = 1,5 σzul =
Re N 235 N = = 157 2 S min 1,5 mm mm 2
da = σ zul > σ vorh ist die Bemessung ausreichend!
σ Grenz 235 N / mm 2 = 1,69 = σ vorh 139 N / mm 2
S vorh =
Beispiel 1-7
Ein Bergsteiger mit einer Masse m = 80 kg will ein Sicherungsseil kaufen. Zur Wahl kommen Stahl- oder Polyamidseile. Für den Einsatz im Gebirge wird mit einer fünffachen Sicherheit gerechnet. Die Eigenmasse des Seiles kann für die Berechnung der Last vernachlässigt werden. Die Stahlseile bestehen aus sechs gedrehten Litzen mit je 19 Drähten bzw. sechs Litzen mit 36 Drähten und einer Seilfestigkeit von 1770 N/mm2. Bei den Polyamidseilen handelt es sich um geflochtene Seile mit drei Litzen. Die zulässige Last errechnet sich aus der Mindestbruchlast dividiert durch die Sicherheit S = 5. Die Eckdaten sind den Tabellen zu entnehmen. Stahlseil Seildurchmesser
Seilklasse
Mindestbruchlast
mm
zulässige Last
Preis
kN
€/m
kN
4
6 x 19
8,8
1,74
0,90
6
6 x 19
19,5
3,9
1,20
8
6 x 37
33,4
6,7
2,40
10
6 x 37
52
10,4
2,60
Polyamidseil Seildurchmesser
Mindestbruchlast
zulässige Last
Preis
mm
kN
kN
€/m
4
3,1
0,62
0,24
6
9
1,8
0,42
8
12,75
2,55
0,66
10
19,6
3,92
1,13
Lösung: FG = m·g = 80 kg · 9,81 m/s2 = 785 N ≈ 0,8 kN Aufgrund der Gewichtskraft kämen ein Stahlseil mit 4 mm Durchmesser zum Preis von 0,90 €/m oder ein Polyamidseil mit 6 mm Durchmesser zum Preis von 0,42 €/m in Frage. Das Poly-
24
1 Einführung
amidseil hat den Vorteil, dass es leichter, flexibler und kostengünstiger ist. Als Nachteile wären zu nennen: Schlechte Kantenbeständigkeit, UV-strahlungs- und alterungsempfindlich. Der Vorteil des Stahlseiles liegt in der guten Kantenbeständigkeit. Es ist aber steifer, teurer und schwerer.
1.8 Verständnisfragen zu Kapitel 1 1. Wodurch unterscheidet sich die Statik von der Festigkeitslehre? 2. In welcher Form kann das Versagen eines Bauteils auftreten? 3. Welche Grundbeanspruchungsarten kennen Sie? 4. Erklären Sie den Unterschied zwischen dem Freimachen und dem Freischneiden! 5. Wie ist die Spannung definiert? 6. Erklären Sie die Begriffe Normal- und Tangentialspannung und wodurch sie sich unterscheiden. 7. Wie wird die wahre Spannung ermittelt und worin besteht der Unterschied zum allgemeinen Spannungs-Dehnungs-Diagramm? 8. Für welchen Bereich gilt das HOOKE’sche Gesetz und was sagt es aus? 9. Was versteht man unter der POISSON’schen Konstanten und der Querkontraktionszahl? 10. Welche Faktoren haben einen Einfluss auf die Formänderungsarbeit? 11. Wovon hängt die Haltbarkeit eines Bauteils ab? 12. Worin unterscheiden sich die drei Lastfälle nach BACH? 13. Wozu dient das WÖHLER-Diagramm? 14. Wie entsteht ein SMITH-Diagramm und was kann man aus ihm entnehmen? 15. Nennen Sie Gründe zur Einführung der Sicherheit S.
1.9 Aufgaben zu Kapitel 1 Aufgabe 1-1
Der homogene starre Balken vom Gewicht G ist wie skizziert an zwei Stahldrähten der Länge l und der Querschnittsfläche A horizontal aufgehängt. Dann wird die Last F aufgebracht. Um welchen Winkel neigt sich der Balken und um welche Strecken Δl1 und Δl2 werden die Drähte infolge der Last F dabei länger? Welche Spannungen herrschen in den Drähten?
l
= 500 mm; 2
a = 750 mm
A = 0,25 mm ;
E = 2,1·105 N/mm2
G = 50 N;
F = 100 N
1.9 Aufgaben zu Kapitel 1
25
Aufgabe 1-2
Ein Verbundstab aus Stahl und Holz wird mit einer Kraft F = 25 kN wie skizziert beansprucht. (Stahl: ESt = 2,1·105 N/mm2; Holz: EH = 1,5·104 N/mm2) a) Welche Spannungen treten im Stahl und im Holz auf? b) Wie groß ist die Verlängerung?
Aufgabe 1-3
Wie groß ist die von einer Hartgummifeder von 30 mm Höhe und 50 mm Durchmesser aufgenommene Formänderungsarbeit, wenn die Feder mit 1,5 kN belastet wird und der E-Modul 4 kN/mm2 beträgt? Aufgabe 1-4
Welche Formänderungsenergie wird vom linken bzw. rechten Teil des abgesetzten Stahlstabes aufgenommen, wenn der Stab mit F = 12 kN belastet wird?
Aufgabe 1-5
Ein Wasserbehälter ist an vier Bändern aus E295 gemäß Skizze aufgehängt. Der leere Behälter hat eine Masse von mleer = 1500 kg, der gefüllte Behälter mvoll = 4000 kg. Die Querschnittsfläche der Bänder beträgt A = 30 x 3 mm. Der Abstand a der Bänder vom linken und rechten Rand des Behälters beträgt 600 mm. a) Wie groß ist die Spannung in den Bändern bei leerem und vollem Behälter? b) Welche Sicherheiten liegen gegen Versagen bei vollem Behälter vor und sind sie ausreichend?
26
1 Einführung
c) Die Länge der Bänder bei leerem Behälter beträgt l0 = 1400 mm, um welchen Betrag Δl senkt sich der Behälter im gefüllten Zustand?
l0
Gegeben: Re= 295 N/mm2; Rm = 470 N/mm2; E = 2,1·105 N/mm2.
27
2 Einfache Beanspruchungen In Abschnitt 1.2 haben wir fünf Grundbeanspruchungsarten kennengelernt, die nunmehr näher betrachtet werden.
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 2.1.1 Grundsätzliches zur Normalspannung Ein Stab (Bild 2-1) wird in Längsrichtung mit einer zentrischen Kraft belastet:
Bild 2-1 Stab mit konstantem Querschnitt
Bild 2-2 Stab mit veränderlichem Querschnitt
Schneiden wir den Stab in B – B, dann treten senkrecht zur Längsachse Normalspannungen auf. Aus der Gleichgewichtsbedingung am (linken und rechten) Teilstab folgt: Fi – F = 0 Fi = F, mit Fi = innere Kraft (Schnittkraft) und F = äußere Kraft. Ist wie im Bild 2-2 die Querschnittsfläche über der Länge konstant oder nur leicht veränderlich (keine schroffen Übergänge oder Kerben), dann ist auch σ über dem Querschnitt konstant. Daraus folgern wir, dass die Zugspannung in Stäben konstant ist, wenn • sich die Querschnittsfläche A senkrecht zur Stabachse befindet, • die Wirklinie von F auf der Schwerpunktachse (Mittellinie) liegt und • der Querschnitt A konstant ist bzw. sanfte Übergänge hat:
σ (z) =
F = konstant. A
(2.1)
Bei leicht veränderlichem Querschnitt (Bild 2.2):
σ max =
F Amin
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
(2.2)
28
2 Einfache Beanspruchungen
Entsprechendes gilt für die Druckbeanspruchung:
σ (d ) =
F F , bzw. σ = − A A
(2.3)
solange kein seitliches Ausweichen (Knicken) des Stabes auftritt. Das negative Vorzeichen in Gl. (2.3) drückt aus, dass eine Druckspannung vorliegt. Als Festigkeitsbedingung mit der zulässigen Spannung gilt:
σ =
F ≤ σ zul A
(2.4)
Des Weiteren haben wir in Abschnitt 1.1 zwei Vorgehensweisen kennengelernt; es gilt für die Tragfähigkeits-Rechnung: F ≤ Fzul = A·σzul und für die
(2.5)
Bemessungs-Rechnung (Dimensionierung): A ≥ Aerf = F/σzul
(2.6)
Beispiel 2-1 Finn Niklas, 9 Jahre alt, besitzt ein eigenes Fahrzeug: Ein Dreirad mit Tretantrieb, Bild 2-3. Auf dem hinteren Sitz kann er einen Freund mitnehmen und an die Anhängerkupplung hängt er oft seinen Bollerwagen an. Wir wollen hier die Aufgabe der Berechnungsabteilung des Herstellers übernehmen und im Laufe dieses Buches die Festigkeit von Finn Niklas’ Dreirad überprüfen. Der Rahmen des Dreirads besteht aus Vierkantrohr und muss alle im Betrieb auftretenden Kräfte aufnehmen können. Um den Rechenaufwand überschaubar zu halten, schaffen wir uns zunächst ein vereinfachtes Rechenmodell des Dreirads. Das Dreirad besitzt, wie in Bild 2-3 zu erkennen ist, einen T-förmigen Rahmen aus Vierkantrohr, an dem vorne die lenkbare Vorderradgabel gelagert ist.
Bild 2-3 Finn Niklas’ Dreirad
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
29
Die Anhängerkupplung von Finn Niklas’ Dreirad sitzt an der Verlängerung des Längsrohres hinter der Hinterachse, Bild 2-4. Vereinfacht muss dieses kurze Vierkantrohr nur die Zugkraft für die Fortbewegung des Anhängers aufnehmen. Wir nehmen diese Kraft hier mit 200 N an. Das Längsrohr hat die Außenmaße 50 x 20 mm bei 2 mm Wandstärke. Die Querschnittsfläche des Rohres beträgt damit A = 264 mm². Für die Zugspannung in diesem Bauteil erhalten wir dann
σz =
FA 200 N = ≈ 0,8 N / mm² A 264 mm²
Diese Spannung ist sehr gering und damit vernachlässigbar. FA
Bild 2-4 Kraft an der Anhängerkupplung
Bei einer beliebigen Schnittrichtung (Bild 2-5) erfolgt der Schnitt nicht senkrecht zur Stabachse (= Kraftlinie). Der gedachte Schnitt B – B wird so gelegt, dass der Winkel α senkrecht zum Schnitt liegt. Bedingung hierbei ist: Das freigemachte Teilsystem muss sich im Gleichgewicht befinden. Σ Fix = 0 und Σ Fiy = 0
Fi ·
cos
·A
Dies ist nur möglich, wenn im gedachten Schnitt sowohl Normalspannungen σ als auch Tangentialspannungen τ wirksam sind.
Bild 2-5 Schräg geschnittener Stab
30
2 Einfache Beanspruchungen
Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll, ein um den Winkel α gedrehtes Koordinatensystem einzuführen. Aus der Gleichgewichtsbedingung Σ Fiy = 0 F ⋅ cosα - σ ⋅ A = 0 , mit A =
A0 F σ = ⋅ cos 2 α cosα A0
σ = σ 0 ⋅ cos 2α
(2.7)
Der Quotient F/A0 entspricht der Spannung σ0 im Schnitt senkrecht zur Achse. Aus der Gleichgewichtsbedingung Σ Fix = 0 τ ⋅ A − F ⋅ sinα = 0
τ=
F ⋅ sin α ⋅ cos α , mit 2⋅sinα⋅cosα = sin2α A0 1 2
τ = σ 0 ⋅ sin 2α
(2.8)
Mit der Probe für α = 0° wird untersucht, ob die Gln. (2.7) und (2.8) stimmen: cos2α = 1 σ = σ0 sin2α = 0 τ = 0, damit ist der Beweis erbracht worden. Von besonderer Bedeutung ist jedoch der Schnitt unter dem Winkel α = 45°: cos2α = ½ σ45° = ½ σ0 und sin2α = 1
τ 45° =
1 σ 0 = τ max 2
(2.9)
Als Ergebnis kann festgestellt werden: Beim gezogenen (bzw. gedrückten) Stab (Bild 2-5) im Schnitt unter 45° zur Stabachse beträgt die Normalspannung σ0/2 und die maximale Schubspannung τmax = σ0/2. Im Zugversuch einer Rundprobe aus Stahl mit ausgeprägter Streckgrenze tritt eine starke Einschnürung (d. h. Querschnittsminderung) durch Fließen auf. Unter Fließen wird das Abgleiten einzelner Gefügeteile unter 45° zur Achse verstanden. Sie treten aufgrund maximaler Schubspannung auf – bis u. U. ein kritischer Anriss und dann der Restbruch erfolgen. Bild 2-6 zeigt das Abgleiten unter 45° eines im Druckversuch zerstörten Probekörpers aus Aluminium.
Bild 2-6 Zerstörter Aluminium-Prüfkörper (Druckversuch)
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
31
Beispiel 2-2 An einem zylindrischen Versuchskörper mit dem Durchmesser d = 30 mm wird ein Druckversuch gemacht. Bei einer Druckbelastung von F = 378 kN bricht der Probekörper unter 45°. a) Wie groß ist die Druckfestigkeit σ dB des Werkstoffs? b) Wie groß sind die Normal- und Schubspannung in der Bruchebene unmittelbar vor dem Bruch? Lösung: a) σ dB = ˆ σ0 =
378 000 N F F (Schnittfläche ⊥ F ) σ dB = = π 2 π 2 2 A ⋅d ⋅ 30 mm 4 4
= 535
N mm 2
b) 45°-Ebene:
σ 45° =
1 1 1 σ 0 (allgemein : σ = σ 0 ⋅ cos 2 α ; α = 45° → cos α = 2 ; cos 2 α = ) 2 2 2 1 2
τ 45° = σ 0 = σ 45° σ 45° ≈ 268
N mm
2
und τ 45° ≈ 268
N mm 2
32
2 Einfache Beanspruchungen
2.1.2 Spannungen durch Eigengewicht Spannungen durch Eigengewicht treten beim hängenden Stab oder hängenden Seil auf, wobei der Querschnitt A konstant ist. Die Betrachtung muss unter folgenden Gesichtspunkten erfolgen: • die äußere Kraft F ist (sehr) groß im Verhältnis zum Eigengewicht FG des Stabes (Seiles), in diesem Fall ist das Eigengewicht vernachlässigbar, • bei sehr langen frei hängenden Stäben (Seilen) ist das Eigengewicht u. U. allein verantwortlich für das Versagen (ohne äußere Kraft), • mit zunehmender Länge l nimmt das Eigengewicht FG zu, somit auch die Zugspannung an der Einspannstelle, dem gefährdeten Querschnitt B – B.
Bild 2-7 Hängender Stab unter Eigengewicht
Lösung: FG = m ⋅ g =ˆ V ⋅ ρ ⋅ g = A ⋅ l ⋅ ρ ⋅ g = A ⋅l ⋅ γ mit γ = ·g = spezifisches Gewicht und
V = A·l.
Die maximale Zugspannung im Querschnitt B – B ist σ max =
FG = l ⋅ γ ≤ σ zul . A
Für σ max = σ zul wird die Länge l zur
Traglänge lT =
σ zul σ zul = ρ⋅g γ
(2.10)
Setzt man für σ max = R m , so wird daraus die
Reißlänge lR =
Rm R = m ρ⋅g γ
(2.11)
lT und lR sind dabei unabhängig von der Querschnittsform und der -größe. Sie sind nur abhängig vom Festigkeitswert σzul bzw. Rm und vom spezifischen Gewicht des Werkstoffs/ Materials.
Die Reißlänge ist als Zugfestigkeit bezogen auf das spezifische Gewicht definiert und sie wird zur Beschreibung der Belastbarkeit von Leichtbauwerkstoffen benutzt. Die Reißlänge ist auch ein Güte-/Qualitätsmerkmal für Werkstoffe: • • • •
Naturseide: lRmin ≈ 45 km Kohlenstofffasern (C-Fasern): lR ≈ 100 km Kevlar ∼ 200 km Stahl ∼ 5 km
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
33
Beispiel 2-3
Wie groß ist die Reißlänge von Baustahl S235JR? Lösung: Mit Gl. (2.11): lR =
lR =
Rm kg −6 kg N ; S235JR : R m = 360 ; ρ = 7,85 = 7, 85 ⋅ 10 2 3 ρ ⋅g mm3 mm dm 360 N mm 3 s2 1 ⋅ kg m 2
mm 7,85 ⋅ 10
−6
kg ⋅ 9,81 m ⋅1 N s
2
=
360 mm -6
7,85 ⋅ 10 ⋅ 9,81
≈ 4,67 ⋅10 6 mm ≈ 4,67 km
2.1.3 Wärmespannungen Aus der Erfahrung wissen wir, dass Körper sich bei Erwärmung ausdehnen und bei Abkühlung zusammenziehen. Ist ein Körper frei beweglich gelagert, so tritt keine Änderung des Spannungszustandes bei einer Erwärmung oder Abkühlung ein (Bild 2-8). Ausdehnung
Bild 2-8 Frei gelagerter Stab unter Wärmebelastung
Die Längenänderung eines beweglich gelagerten stabförmigen Körpers infolge einer Temperaturänderung ist:
Δl = l0 ⋅ α ⋅ Δϑ mit Δϑ = ϑ1 − ϑ0 in K (Kelvin)
(2.12)
ϑ0 = Temperatur vor der Änderung (Ausgangstemperatur) ϑ1 = Temperatur nach der Änderung (Endtemperatur) l0 = Körper-/Stablänge vor der Temperaturänderung α = Längenausdehnungskoeffizient in K-1 ( α = 1/K) Tabelle 2-1: Längenausdehnungskoeffizienten ausgewählter Werkstoffe
Werkstoff unlegierter Stahl Edelstahl Aluminium Kupfer Messing PP PVC Glas Quarzglas Beton Holz
in 10-6 K-1 12 16 24 17 20 180 70 5 0,5 10 4
34
2 Einfache Beanspruchungen
Die Stablänge nach der Temperaturänderung ergibt sich zu: l1 = l0 + Δl = l0 + l0 ⋅ α ⋅ Δϑ = l0 (1 + α ⋅ Δϑ )
(2.13)
Die Wärmedehnung lässt sich wie folgt ermitteln:
εϑ =
Δl l0
=
l0 ⋅ α ⋅ Δϑ = ε ϑ = α ⋅ Δϑ l0
(2.14)
Die Dehnung wird (bei beidseitiger Einspannung) behindert, es gilt die Bedingung:
ε ges = ε mech + ε therm = ε m + ε ϑ =
σ E
+ α ⋅ Δϑ = 0.
Daraus folgt für die Wärmespannung
σ = −α ⋅ Δϑ ⋅ E
(2.15)
Bei Abkühlung treten Schrumpfspannungen auf: σ = −α ⋅ Δϑ ⋅ E ; wenn Δϑ < 0, dann ist σ > 0 (z. B. bei Brückenlagern). Wärme- und Schrumpfspannungen sind nicht von den Bauteilabmessungen abhängig, sondern von den Werkstoffkennwerten α und E sowie von der Temperaturdifferenz Δϑ . Beispiel 2-4
Die Gleise der Deutschen Bahn sind endlos verschweißt, d. h. es gibt keine Stoßlücken zwischen den Schienenenden. Ein Schienenstrang aus Stahl, endlos verschweißt, wird bei 25 °C spannungsfrei verlegt. Wie groß sind die Wärme- bzw. Schrumpfspannungen im Strang bei den Temperaturen 50 °C und -15 °C? Gesucht: σ 1 bei ϑ1 und σ 2 bei ϑ2 . Lösung: Anwendung der Gl. (2.15) 1 N und E = 2,1 ⋅105 K mm 2
σ = − α ⋅ Δϑ ⋅ E ; αSt = 1, 2 ⋅10−5
ϑ1 = 50o C → Δϑ1 = ϑ1 − ϑ0 ( 50 − 25) C =ˆ + 25 K o
σ1 = − αSt ⋅ Δϑ1 ⋅ E = − 1, 2 ⋅10−5 σ1 = − 63
N mm 2
1 N ⋅ 25 K ⋅ 2,1 ⋅105 K mm 2
( Druckspannung)
ϑ2 = − 15o C → Δϑ2 = ϑ2 − ϑ0 ( − 15 − 25) C =ˆ − 40 K o
σ 2 = − αSt ⋅ Δϑ2 ⋅ E = − 1, 2 ⋅10−5 σ 2 = + 101
N mm2
(Zugspannung)
1 N ⋅ ( − 40 ) K ⋅ 2,1 ⋅105 K mm 2
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
35
Beispiel 2-5
Der skizzierte Körper befindet sich zwischen zwei starren Wänden. Wie groß ist die Spannung in den Querschnitten und welche Kraft F tritt dabei auf?
Δϑ = 60°C α St = 1,2 ⋅10 −5 K -1 E = 2,1 ⋅10 5
N mm 2
Lösung:
Freimachen: FA – FB = 0 → FA = FB
Freischneiden: FA – Fi = 0 → FA = Fi (Fi = innere Kraft)
Lösung:
Δl = α ⋅ Δϑ ⋅ lges ; σ = E ⋅ ε = E ⋅
Δl l
; F =σ ⋅A
Δl1 = Δl1therm − Δl1elast = α1 ⋅ l1 ⋅ Δϑ −
F1 ⋅ l1 E1 ⋅ A1
Δl2 = Δl2therm − Δl2elast = α 2 ⋅ l2 ⋅ Δϑ −
F2 ⋅ l2 E2 ⋅ A2
Es gilt die geometrische Bedingung: Δlges = Δl1 + Δl2 = 0 und F1 = F2 = F § l l2 (α1 ⋅ l1 + α 2 ⋅ l2 ) Δϑ = F ¨¨ 1 + © E1 ⋅ A1 E 2 ⋅ A2
Hier: α 1 = α 2 = α St ; E1 = E 2 = E ; A =
π ⋅d 2 4
· (α ⋅ l + α 2 ⋅ l2 ) Δϑ ¸¸ → F = 1 1 l1 l2 ¹ + E1 ⋅ A1 E2 ⋅ A2
36
2 Einfache Beanspruchungen (l + l ) ⋅ αSt ⋅ Δϑ ⋅ E 220 mm ⋅1,2 ⋅10 -5 ⋅ 60 ⋅ 2,1 ⋅10 5 N = 288281 N = 288,28 kN F= 1 2 = 4 § 120 100 · mm 4 § l1 l2 · 2 ¨ ¸ mm + + ¨ ¸ 𠨩 40 2 80 2 ¸¹ mm 2 𠨩 d12 d 2 2 ¸¹
σ1 =
N 288, 28 kN F = = 229,4 ; π A1 mm 2 ⋅ 402 mm 2 4
σ2 =
F 288, 28 kN N = = 57, 4 A2 π ⋅ 802 mm 2 mm2 4
2.1.4 Flächenpressung ebener und gekrümmter Flächen
_
_
Eine Kraft kann von einem zum anderen Bauteil nur über eine bestimmte Querschnittsfläche übertragen werden (Bild 2-9).
Bild 2-9 Flächenpressung an Bauteilen (a) Lagerung eines Querträgers, (b) Axialführung einer senkrechten Welle; (c) Befestigung einer Maschine (eines Motors oder Getriebes bzw. einer Pumpe) am Fundament
Es sind folgende Fragen zu klären: • Wie groß ist die Belastung an den Auflageflächen? • Welche Belastung ist zulässig, damit keine unerwünschten Verformungen oder ein Bruch auftreten?
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
37
Es wird von der allgemein üblichen Annahme für ebene Berührungsflächen (Bilder 2-9 u. 2-11) ausgegangen, dass eine gleichmäßige Verteilung der Druckkraft auf die Flächen erfolgt. Für die Druckbelastung pro Flächeneinheit gilt: Flächenpressung p =
F mit F ⊥ A A
(2.16)
Die Einheit der Flächenpressung ist gleich der Einheit für die Spannung in N/mm2. Die Flächenpressung p ist aber ein Maß für eine von außen – an der Oberfläche des Bauteils – wirkende Belastung. Greift die Kraft F nicht senkrecht zur Auflage-/Berührungsfläche (Bild 2-10) an, mit der Auflagefläche A = b·l, dann gilt: p=
FH
F
α
F Aproj
Aproj = b ⋅ l '
FN FH
l
α
l ' = l ⋅ cos α
p=
b
p=
l’
Bild 2-10 Flächenpressung an schräger Fläche
F oder b ⋅ l ⋅ cos α
FN F F = = A A ⋅ cos α b ⋅ l ⋅ cos α
(2.17)
mit der Bedingung: Die vorhandene Flächenpressung p muss ≤ der zulässigen Flächenpressung pzul sein.
Tabelle 2-2: Anhaltswerte für die zulässige Flächenpressung pzul ( dF = Quetschgrenze; dB = Druckfestigkeit) Werkstoff
Zulässige Flächenpressung pzul pzul ≈
zähe Werkstoffe pzul ≈ pzul ≈ spröde Werkstoffe pzul ≈
σ dF 1,2
σ dF
Belastung bei ruhender Belastung bei schwellender Belastung
2
σ dB
bei ruhender Belastung
2
σ dB 3
bei schwellender Belastung
Zu beachten ist hierbei, dass der Werkstoff mit der geringeren Festigkeit maßgebend ist. So ist z. B. bei einem Gelenklager aus Grauguss mit einem Bolzen aus Stahl das GraugussLagergehäuse gefährdet, nicht der Stahlbolzen.
38
2 Einfache Beanspruchungen
Pressung bei gekrümmten Flächen Bei Gleitlagerzapfen, Stiften oder Gelenkbolzen ist die Flächenpressung in Umfangsrichtung nicht konstant. Es handelt sich hier um eine komplizierte Verteilung der Pressung (Bild 2-11 rechts), die rechnerisch schwer erfassbar ist. F
p
Bild 2-11 Flächenpressung an ebenen und gekrümmten Flächen
Die maximale Flächenpressung tritt in Richtung der angreifenden Kraft auf. Man geht in diesem Fall wie folgt vor, indem die auf die projizierte Fläche Aproj des Bauteils (Bolzen/Zapfen) bezogene Kraft F (Bild 2-12 b) herangezogen und damit die mittlere Flächenpressung pm oder p berechnet wird:
pm = p =
F F = ≤ pzul Aproj d ⋅ b
(2.18)
Durch entsprechend niedrigere Werte für pzul wird berücksichtigt, dass die örtliche Flächenpressung viel höher ist. p und pzul sind wichtige Größen z. B. bei der Gleitlagerberechnung. Bei Passschrauben, Stiften, Bolzen und Nieten, die durch eine Kraft F beansprucht werden, spricht man vom Lochleibungsdruck oder der Lochleibung pl (Bild 2-13). F
F
b)
pmax
d
a)
b
p
d
Aproj
Bild 2-12 Flächenpressung an gewölbten Berührungsflächen (Gleitlagerzapfen) a) Verteilung der Pressung am Umfang b) auf die Projektionsfläche bezogene mittlere Flächenpressung
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
39 F d ⋅s
Lochleibungsdruck oder Lochleibung pl =
(2.19)
mit d = Bohrungsdurchmesser und s = Blechdicke. pl =
F mit Aproj = d ⋅ l oder d ⋅ s d ⋅l
(2.20)
F
l d s
pl
Bild 2-13 Lochleibungsdruck oder Lochleibung
Die genaue analytische Formel zur Flächenpressung kann mit der HERTZ’ schen1 Theorie ermittelt werden. Beispiel 2-6
Wie groß ist der Lochleibungsdruck bei einer Nietverbindung mit 9 Nieten? F = 40 kN Lösung: Aproj = d ⋅ s = 12 mm ⋅10 mm = 120 mm 2 N 40 000 N F = = 37 2 n ⋅ Aproj 9 ⋅120 mm mm 2
12
pl =
120
15 10
F
1
F
Der Lochleibungsdruck in den Löchern des mittleren Bleches bzw. an den mittleren Abschnitten der Niete ist am höchsten. Gefährdet ist der schwächere Partner der Verbindung: Man muss pl für Niet und Blech prüfen.
Heinrich HERTZ (1857 – 1894), deutscher Physiker
40
2 Einfache Beanspruchungen
2.1.5 Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern Spannungen unter Innen- und Außendruck Es wird von der Annahme ausgegangen, ein Ring bzw. Zylinder/Behälter sei dünnwandig. Die Dicke s ist dann klein gegenüber dem mittleren Radius r. Das bedeutet, ein Ring/Behälter/Zylinder ist dünnwandig, wenn das Verhältnis s/r ≤ 0,1 ist. Wir betrachten einen Zylinder, der unter einem Innendruck p steht und fragen, welche Spannungen auftreten. Dazu wird der Zylinder längs und quer geschnitten und das Kräftegleichgewicht gebildet (Bilder 2-14 und 2-15).
Bild 2-14 Längs (links) und quer (rechts) geschnittener Zylinder unter Innendruck p
F = t·A = t·l·s
p
F
s
l
di
Bild 2-15 Längs geschnittener Zylinder unter Innendruck
Bild 2-16 Axialspannungen
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
41
Aus dem Kräftegleichgewicht ¦ Fz = 0 2 ⋅σ t ⋅ l ⋅ s = p ⋅ d ⋅ l
σt =
p⋅d p⋅r = 2⋅s s
(2.21)
Wie Bild 2-14 (rechts) und Bild 2-16 zu entnehmen ist, sind auch in senkrechten Schnitten zur Achse Spannungen vorhanden. Kräftegleichgewicht:
σa ⋅ A = p ⋅ A = σ a ⋅ d ⋅π ⋅ s = p ⋅
σa =
π ⋅d2
p⋅d p⋅r = 4⋅s 2⋅s
4
(2.22)
Bei Betrachtung der Gln. (2.21) und (2.22) ist erkennbar, dass die Tangentialspannung doppelt so groß ist wie die Axialspannung. Daher platzen Systeme, die unter Innendruck stehen (Behälter, Rohrleitungen, Würstchen), bei Überlastung der Länge nach auf (Bilder 2-17 und 2-18).
Bild 2-17 Längs aufgeplatztes Würstchen2
Bild 2-18 Geborstener Feuerlöscher3
Die Gln. (2.21) und (2.22) werden auch als Kesselformel bezeichnet, man verwendet sie zur Berechnung von Schrumpfspannungen. Bei unter Innendruck stehenden kugelförmigen Behältern ist die Spannung im Blech überall gleich, es gilt Gl. (2.22). Beispiel 2-7
Auf einen Radkörper vom Durchmesser 850 mm soll ein Radreifen von 75 mm Dicke warm aufgezogen werden. Der Radreifen aus Stahl mit E = 2,1·105 N/mm2 wird bei der Fertigung auf 849,2 mm Innendurchmesser ausgedreht. Wie groß ist die Spannung im Radreifen durch das Warmaufziehen und welche Pressung stellt sich ein?
2
Foto: Heinrich Turk
3
Foto: Lutz Barfels
2 Einfache Beanspruchungen 75
42 Annahme:
Ø 850
Die Radscheibe ist starr, d. h. der Durchmesser der Radscheibe bleibt beim Aufziehen des Radreifens unverändert.
Lösung:
σ = E ⋅ε = E ⋅ σ = E⋅
l
; hier : l = π ⋅ d i Δl = π ( d − d i )
π ( d − di ) (d − d i ) Δd = E⋅ = E⋅ di π ⋅ di di
σ = 2,1 ⋅105 ⋅
σ=
Δl
N mm
2
⋅
(850 − 849, 2 ) mm = 849, 2 mm
2,1 ⋅ 105
N 0,8 N ⋅ = 197,8 mm2 849, 2 mm2
pi ⋅ d 2 ⋅ σ ⋅ s 2 ⋅ 197,8 N ⋅ 75 mm N = ≈ 35 pi = d 2⋅s mm 2 mm2 850 mm
Beispiel 2-8
Ein zylindrischer Druckbehälter wird für die Druckluftversorgung eines Betriebes eingesetzt. Die Behälterböden sind kugelförmig ausgeführt. Der Betriebsdruck schwankt zwischen 6 bar und 8 bar. Gegeben: D = 3000 mm; l = 5000 mm; s = s2; E = 2,1·105 N/mm2; zul = 120 N/mm2. Zu ermitteln sind: a) die Wanddicken s und s1 und der Radius r2 bei einer 1,5fachen Sicherheit, b) die Spannungen in den einzelnen Druckbehälterteilen.
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
43
Lösung: Umrechnung: 1 bar = 105 N/m2 = 0,1 N/mm2
σt =
p⋅d p⋅r = ( Zylinder) 2⋅s s
σa1 =
p ⋅ r1 p ⋅ D1 p⋅r = (linker Boden mit r = r1 ) = 4 ⋅ s1 2 ⋅ s1 2 ⋅ s1
σa2 =
p ⋅ r2 p ⋅ D2 p ⋅ r2 = (rechter Boden mit s = s2 ) = 4 ⋅ s2 2⋅s 2 ⋅ s2
a) s ≥
0,8 N ⋅ 1500 mm mm2 p⋅r ⋅ 1,5 = 15 mm ⋅S = σzul mm2 120 N p⋅r 0,8 N ⋅ 1500 mm mm 2 ⋅ 1,5 = 7,5 mm ⋅S = 2 ⋅ σ zul 2 mm 2 120 N
s1 ≥
σ zul ⋅ 2 ⋅ s
r2 ≥
p⋅S
b) σt =
σa =
=
120 N ⋅ 2 ⋅15 mm mm2 mm 2 0,8 N ⋅1,5
= 3000 mm
0,8 N ⋅1500 mm N p⋅r = 80 = s 2 mm 15 mm mm 2
N p ⋅ r 0,8 N ⋅1500 mm = = 40 2 2⋅s mm 2 ⋅15 mm mm 2
σ a1 =
N p⋅r 0,8 N ⋅1500 mm = = 80 2 ⋅ s1 mm 2 2 ⋅ 7,5 mm mm 2
σ a2 =
N p ⋅ r2 0,8 N ⋅ 3000 mm = 80 = 2 2⋅s mm 2 ⋅ 15 mm mm 2
Beispiel 2-9
Ein Gasversorger plant einen Vorratsbehälter für Erdgas, der bei 10 bar Betriebsdruck ein Volumen V = 30 000 m3 aufnehmen kann. Wie hoch sind die Materialkosten bei der Auslegung als Kugelbehälter mit dKugel = 38,55 m oder alternativ als zylindrischer Behälter mit dZyl = 25 m, einer Länge des zylindrischen Teils von l = 44,5 m und halbkugelförmigen Böden?
44
2 Einfache Beanspruchungen
Gegeben: zul = 250 N/mm2; KStahl = 1450 €/t. Lösung: Eine Kugel hat ein Volumen von VKugel =
π ⋅d3 6
=
4 π ⋅ r3 3
und eine Oberfläche AKugel = 4 ⋅ π ⋅ r 2 = π ⋅ d 2
.
Für den zylindrischen Behälter mit halbkugelförmigen Böden gilt: VZyl = π ⋅ r 2 ⋅ l +
4 4 · § π ⋅ r3 = π ⋅ r2 ¨ l + r ¸ 3 3 ¹ ©
AZyl = 2 ⋅ π ⋅ r ⋅ l + 4 ⋅ π ⋅ r 2 = 2 ⋅ π ⋅ r ( l + 2r )
Beim zylindrischen Behälter bestimmt die höhere Spannung in Längsrichtung die Wanddicke nach Gl. (2.21):
σt =
p⋅d p⋅r p⋅r = s= s 2⋅s σ zul
Mit p = 10 bar = 1 N/mm2: serf =
1 N ⋅ 12500 mm ⋅ mm2 mm2 ⋅ 250N
= 50 mm
Für den Kugelbehälter gilt die günstigere Spannung in den Quernähten nach Gl. (2.22):
σa =
p⋅d p⋅r p⋅r s= = 4⋅s 2⋅s 2 ⋅ σ zul
sKugel =
1 N ⋅ 19275 mm mm 2 mm 2 2 ⋅ 250 N
= 38,55 mm
sKugel = 40 mm gewählt
Wir prüfen das Volumen der beiden Behälterformen nach: 4 · 4 § § · VZyl = π ⋅ r 2 ¨ l + r ¸ = π ⋅12,52 m 2 ¨ 44,5 m + ⋅12,5 m ¸ 3 ¹ 3 © © ¹
VZyl ≈ 30 025 m3 VKugel =
4 4 π ⋅ r 3 = π ⋅ 19, 2753 m3 3 3
VKugel ≈ 29 997 m 3
Die Behälter besitzen nahezu das gleiche, geforderte Volumen.
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung
45
Zur Ermittlung der Halbzeugkosten berechnen wir das Volumen der Behälterwände:
(
)
VW,Zyl = AZyl ⋅ s = 2π r ⋅ l + 2r 2 ⋅ s
(
)
= 2π 12,5 m ⋅ 44,5 m + 2 ⋅ 12,52 m 2 ⋅ 0,05 m
VW,Zyl ≈ 272, 93 m3 VW,Kugel = AKugel ⋅ s = π ⋅ d 2 ⋅ s = π ⋅ 38, 552 m 2 ⋅ 0, 04 m VW,Kugel ≈ 186,75 m3
Die Stahlmasse der beiden Behälter ergibt sich mit = 7,85 t/m3 zu: mZyl = 2142,5 t mKugel = 1466 t
Bei den genannten Kosten von KStahl = 1450 €/t betragen die Halbzeugkosten: K Zyl ≈ 3106 625 € K Kugel ≈ 2125 700 €
Selbst wenn man beim Kugelbehälter einen Verschnitt beim Zuschneiden der Mantelbleche von 20 % ansetzt, liegen die Kosten mit K Kugel ≈ 2 550 840 €
noch deutlich unter denen des zylindrischen Behälters.
Spannungen durch Fliehkräfte Rotiert ein Ring oder Zylindersegment, so treten infolge der Fliehkräfte Spannungen auf (Bild 2-19). Technisch ist dies interessant beim Schwungrad eines Verbrennungsmotors oder beim Schwungradspeicher zur Energiespeicherung. Die Zentrifugalkraft oder Radialkraft Fr lässt sich mit Hilfe der Winkelgeschwindigkeit ω ermitteln: 2 Fr = m ⋅ rs ⋅ ω 2 mit rs = Radius des Schwerpunktes eines halben Kreisrings = ⋅ r ;
π
m = ρ ⋅π ⋅ r ⋅ A
Aus der Gleichgewichtsbedingung: ΣFi = 0 2 ⋅ σ ⋅ A = m ⋅ rs ⋅ ω 2 = 2 ⋅ σ ⋅ A = ρ ⋅ π ⋅ r ⋅ A ⋅
σ = ρ ⋅ r 2 ⋅ω 2
2
π
⋅ r ⋅ω2
(2.23)
46
2 Einfache Beanspruchungen
Bild 2-19 Rotierender Ring (links); frei geschnittene Ringhälfte (rechts)
Mit der Umfangsgeschwindigkeit v = r·ω wird aus der vorstehenden Beziehung:
σ = ρ ⋅v2
(2.24)
Rm nicht überschritten SB werden. Setzt man diese Beziehung in Gl. (2.24) ein, so kann die Grenzgeschwindigkeit vGrenz ermittelt werden:
In einem frei rotierenden Ring darf die maximale Spannung σ zul =
v Grenz =
σ zul = ρ
Rm ρ ⋅ SB
(2.25)
und damit die Grenzdrehzahl: v = r·ω = r·2·π·n Rm ρ ⋅ SB v nGrenz = Grenz = 2 ⋅π ⋅ r 2 ⋅π ⋅ r
(2.26)
Für den Fall des Reißens gilt SB = 1, dann wird Gl. (2.26): Rm nR =
ρ
2 ⋅π ⋅ r
(2.27)
2.2 Biegebeanspruchung
47
Beispiel 2-10
Ein dünnwandiger Stahlring mit dem Radius r = 250 mm und einer Zugfestigkeit Rm = 570 N/mm2 rotiert frei. Bei welcher Drehzahl reißt der Ring (ρ = 7,85 kg/dm3)? Lösung: Rm Rm ρ ⋅ SB ρ Zerreißen: SB = 1 → nR = = = 2 ⋅π ⋅ r 2 ⋅π ⋅ r = 171,55 s
−1
570 N dm3 kg m 106 mm 3 103 mm mm 2 7,85 kg s2 N dm 3 m 2 ⋅ π ⋅ 250 mm
=ˆ 10 293 min
−1
2.2 Biegebeanspruchung 2.2.1 Ableitung der Biegegleichung Allgemeines zur Biegung Ein Balken (Bild 2-20) wird auf Biegung beansprucht, wenn Momente um die Balkenachse angreifen.
h
a: unbelasteter Balken b: Zwischen den beiden Lagern tritt reine Biegung auf. Der Balken wird mit zwei gleich großen, entgegengesetzt gerichteten Momenten an den Balkenenden belastet Deformation. c: Die Momente werden durch je ein Kräftepaar der Größe F·a ersetzt. d: Belastung einer Radsatzachse (F =ˆ Lagerbzw. Radaufstandskraft). Zwischen Rad und Lager erfolgt eine Querbeanspruchung durch die Kräfte F. Es handelt sich um eine zusammengesetzte Beanspruchung aus Querkraft und Biegung. Bild 2-20 Biegebeanspruchung
48
2 Einfache Beanspruchungen
z
F
l
Ein Balken auf zwei Stützen wird durch eine mittig angreifende Kraft F belastet (Bild 2-21). x
F/2
F
l/2
F/2
l/2
l/2
l/2 F/2
F/2
F/2
F/2 Mb = F·l/4
Der Balken wird in der Mitte geschnitten und die Last F je zur Hälfte auf die Teilbalken verteilt. Man erhält je ein Kräftepaar der F l Größe ⋅ . 2 2 Aus Gleichgewichtsbedingungen am Teilbalken ergibt sich ein gleich großes, entgegengesetzt gerichtetes Moment: inneres Moment – das Biegemoment Mb.
Bild 2-21 Biegemoment in einem Balken
Beim eingespannten Balken mit Einzellast am Ende (Bild 2-22) treten an der Einspannstelle das Einspannmoment M = Mb = F·l und eine entgegengesetzt gerichtete Kraft F als Reaktionskraft auf.
Bild 2-22 Eingespannter Balken mit Einzellast
Annahmen für die Biegebetrachtung Die weiteren Betrachtungen für die Biegung von Balken/Trägern erfolgen unter folgenden Annahmen: 1. Der Balken ist unbelastet gerade und besitzt einen konstanten Querschnitt A = b·h. 2. Die Querschnittsabmessungen (Breite b und insbesondere Höhe h) sind klein gegenüber der Balkenlänge (h << l). 3. Die äußere Belastung erfolgt in der Symmetrieebene der Querschnitte, d. h. „Gerade Biegung“ (Bild 2-20, 2-23). Eine gerade Biegung liegt vor, wenn die Belastung symmetrisch zur Querschnittsebene erfolgt (Bild 2-23). 4. Es treten nur kleine Deformationen auf; der Angriff der Belastungen erfolgt am unverformten Balken.
2.2 Biegebeanspruchung
49
5. Die Deformation des Balkens wird durch die Biegelinie der Balkenachse beschrieben (elastische Linie). 6. Die Querschnittsebenen sind vor und nach der Deformation eben, d. h. keine Querschnittsverwölbung. 7. Für den Balkenwerkstoff gilt das HOOKE’sche Gesetz; der E-Modul für Zug und Druck ist gleich. 8. Die auftretenden Spannungen liegen unterhalb der Proportionalitätsgrenze. 9. Der untersuchte Querschnitt liegt nicht in der Nähe eines Lastangriffspunktes oder eines Auflagers, damit es zu keiner Spannungskonzentration kommt.
Bild 2-23 Gerade Biegung (Belastung in der Symmetrieebene)
Ermittlung des Biegemomentes Bislang wurde die reine Biegung betrachtet. Nun soll die Biegung, die durch eine Querkraft Fq verursacht wird, untersucht werden. Dazu nehmen wir einen Balken, der auf zwei Stützen gelagert und durch eine außermittig angreifende Kraft belastet ist (Bild 2-24).
Gleichgewicht: Σ Fz = 0 = FA + FB – F Σ MA= 0 = -F·a + FB·l FB = F ⋅
a l
FA = F ⋅
Bild 2-24 Balken mit Einzellast
b l
50
2 Einfache Beanspruchungen
Für die weitere Betrachtung soll folgende Vorzeichendefinition gelten: Die z-Achse in Richtung der Durchbiegung ist positiv. Ein Moment, das auf der positiven Seite der z-Achse eine Zugspannung hervorruft, ist positiv (Bild 2-25).
Bild 2-25 Vorzeichenregel
Zur Berechnung des Biegemomenten- und des Querkraftverlaufs schneiden wir den Balken in der Entfernung x vom Auflager und betrachten die beiden Schnittufer (Bild 2-26) mit den Gleichgewichtsbedingungen für die Momente und Kräfte:
Bild 2-26 Schnittufer des geschnittenen Balkens
Linkes Schnittufer :
Rechtes Schnittufer :
¦ M I = 0 = − FA ⋅ x + M b
¦ M II = 0 = − FB ⋅ x + M b
M b = FA ⋅ x = F
b ⋅x l
¦ FI = 0 = FA − Fq Fq = FA
M b = FB ⋅ x = F
a ⋅x l
¦ FII = 0 = Fq + FB Fq = − FB
2.2 Biegebeanspruchung
51
Stelle des Kraftangriffes von F :
Linkes Schnittufer: x = a
Rechtes Schnittufer: x = b
b M b = F ⋅ ⋅a l
a M b = F ⋅ ⋅b l
Mb = F⋅
a ⋅b l
(2.28)
Der Momenten- und Querkraftverlauf ist Bild 2-27 dargestellt. Mb
Mb = F ⋅
a ⋅b l
Bild 2-27 Momenten- und Querkraftverlauf für den Fall Einzellast F
Der Fall der konstanten Streckenlast q wird in analoger Weise untersucht: Auflagerkräfte: FA =
q ⋅l q ⋅l ; FB = 2 2
Gleichgewicht siehe Bild 2-28: x
¦ M I = 0 = M b − FA ⋅ x + q ⋅ x ⋅ 2 M b = FA ⋅ x − q Mb =
(
x2 2
q l ⋅ x − x2 2
)
52
2 Einfache Beanspruchungen
¦ FI = 0 = − FA + q ⋅ x + Fq Fq = FA − q ⋅ x
Fq =
q (l − 2 x ) 2
Das maximale Biegemoment tritt bei l 2 auf : q § l l2 l· § M b ¨ x = ¸ = M b max = ¨ l ⋅ − 2 ¨© 2 4 2¹ ©
Bild 2-28 Balken mit Streckenlast
· q ⋅l 2 ¸= ¸ 8 ¹
l· l· q§ § Fq ¨ x = ¸ = ¨ l − 2 ¸ = 0 2 2 2 © © ¹ ¹
Der Momenten- und Querkraftverlauf ist Bild 2-29 zu entnehmen. q ⋅l 2 8
Mb
x Fq
FA
l/2
x FB Bild 2-29 Momenten- und Querkraftverlauf für den Fall konstanter Streckenlast q
Für den Fall der Einzellast F und der Streckenlast q gilt: Einzellast F :
Streckenlast q :
b ⋅x⋅F l b Fq = ⋅ F l
Mb =
Mb =
Fq = lim
x →0
(
q l ⋅ x − x2 2 q Fq = (l − 2 x ) 2
)
Mb dM b M b' = die Querkraft Fq ist die Ableitung des Biegemomentes. x dx
2.2 Biegebeanspruchung
53
Allgemeine Lösung für den Biegemomentenverlauf Es fehlt noch der Beweis über die Allgemeingültigkeit der unter Abschnitt „Ermittlung des Biegemomentes“ hergeleiteten mathematischen Beziehungen. Zu diesem Zweck setzen wir eine Streckenlast mit beliebigem Verlauf an. Dazu wird ein Teilelement dx des Trägers (Bild 2-30) betrachtet und es werden die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt.
Bild 2-30 Allgemeine Lösung des Biegemomentenverlaufs
Gleichgewicht am Teilelement:
(
)
¦ M I = 0 = ( M b + dM b ) − M b − Fq + dFq ⋅ dx − q ⋅ dx
dx =0 2
q ( dx )2 = 0 2 Größen mit zwei Differenzialen (hier: dFq·dx und dx·dx = dx2) können vernachlässigt werden. Es wird: dM b − Fq ⋅ dx − dFq ⋅ dx −
dM b − Fq ⋅ dx = 0 Fq =
dM b dx
Durch Umstellen dieser Gleichung nach dMb erhält man Mb durch Integration:
³
M b = Fq ⋅ dx
(
)
¦ Fz = 0 = Fq − q ⋅ dx − Fq + dFq = 0 − q ⋅ dx − dFq = 0 q=−
dFq dx
³
=
d 2Mb
Fq = − q ⋅ dx
dx 2
54
2 Einfache Beanspruchungen
Als Ergebnis kann festgehalten werden: • die Integration der Streckenlastfunktion ergibt den Querkraftverlauf, • die Integration des Querkraftverlaufes ergibt das Biegemoment. Beispiel 2-11
Wir kommen zurück auf Finn Niklas’ Dreirad aus Beispiel 2-1. Bild 2-31 stellt die Seitenansicht von rechts des freigemachten Rahmens von der rechten Seite dar; unten ist der Rahmen ohne Gabel dargestellt, wobei das Versatzmoment Mbv am vorderen Rahmenende eingetragen ist. l2
l1
l3
F z
y
F
x
F
F h
F
M
F F
v
F
b v
v
h
Bild 2-31 Frei gemachter Dreiradrahmen von der Seite
Im Maschinenbau ist es üblich, das Eigengewicht der Bauteile zu vernachlässigen, da die aus Eigengewicht resultierenden Kräfte meist gegenüber den äußeren Kräften gering sind. Mit den aus der Statik bekannten Methoden ermitteln wir nun die Auflagerkräfte, die hier den Radaufstandskräften entsprechen. Wir setzen zunächst im Befestigungspunkt des Sitzes Finn Niklas’ Gewichtskraft mit FF = 550 N an und berechnen die Auflagerkräfte, d. h. hier die Radaufstandskräfte. Fh ist zunächst die Achslast der Hinterachse. ΣFz = 0 = Fh + Fv − FF → Fv = FF − Fh F ⋅l ΣM (V ) = 0 = Fh (l1 + l 2 ) − FF ⋅ l 2 → Fh = F 2 l1 + l 2
2.2 Biegebeanspruchung
55
Mit den Abmessungen des Dreirads l1 = 450 mm, l2 = 1150 mm und l3 = 300 mm erhalten wir für die Hinterachslast Fh = 395,3 N und für die Vorderradlast Fv = 154,7 N. Für die Berechnung der Beanspruchungsgrößen des Rahmens ist es sinnvoll, das vordere Rahmenende ohne die Gabel zu betrachten. Am vorderen Rahmenende wirkt dann die Vorderradlast Fv = 154,7 N und ein Versatzmoment Mbv = Fv⋅l3 = 46 410 Nmm, siehe Bild 2-31 unten. Bild 2-32 zeigt den Querkraft- und den Momentenverlauf über dem Rahmenrohr von der rechten Seite aus gesehen. Für das maximale Biegemoment erhält man Mbmax = Fh⋅l1 = 177885 Nmm. Die größte Querkraft tritt am Sitzbefestigungspunkt mit Fqmax = FF = 550 N auf.
M M
F
b m a x
F h
b v
F
F v
Bild 2-32 Momenten- und Querkraftverlauf über dem Längsrohr des Dreiradrahmens
Als Nächstes betrachten wir jetzt das Dreirad von hinten, um die Radaufstandskräfte an der Hinterachse sowie den Biegemomenten- und den Querkraftverlauf über dem Querrohr des Rahmens zu ermitteln, Bild 2-33. z
x y b /2
F h
b /2
M
F
h l
F
h r
F
b
q
Bild 2-33 Dreiradrahmen von hinten: angreifende Kräfte, Momenten- und Querkraftverlauf
56
2 Einfache Beanspruchungen
Aus Symmetriegründen ist Fhl = Fhr = Fh/2 = 197,7 N. Das größte Biegemoment tritt in Rahmenmitte auf. Mit b/2 = 350 mm ergibt es sich zu Mbmax = 69195 Nmm. Die größte Querkraft an derselben Stelle beträgt Fqmax = Fh = 395,3 N. Mit diesen Belastungen des Dreiradrahmens werden wir nun in den folgenden Kapiteln die Festigkeit und in Kapitel 4 auch die Steifigkeit bzw. die Verformungen des Rahmens ermitteln.
Verteilung der Biegespannungen im Balken Gesucht sind die Kräfte und Momente in den einzelnen Querschnitten eines auf Biegung beanspruchten Balkens und die daraus resultierenden Spannungen, Bild 2-34. Ansatz: Wenn sich der gesamte Balken im Gleichgewicht befindet, dann befinden sich auch seine Teilabschnitte im Gleichgewicht!
Gesucht werden die Kräfte und Momente im Schnitt an der Stelle „a“ im Abstand x vom Lager A. Bedingung für den linken Teilabschnitt: Σ Fiz = 0: Damit Gleichgewicht herrscht, muss eine Kraft vorhanden sein, die der Auflagerkraft FA entgegengerichtet ist; es ist die Querkraft Fq = FA. Fq bewirkt ein Verschieben der einzelnen Querschnitte gegeneinander. Die Querkraft Fq und die Auflagerkraft FA bilden ein Kräftepaar. Aus dem Momentengleichgewicht (ΣMi = 0) folgt die Forderung nach einem gleich großen Biegemoment der Größe Mb = FA· x.
Bild 2-34 Teilbalken, freigemacht
Mb wird durch ein inneres Kräftepaar ersetzt, d. h. Mb = Fi ·e = FA· x. Erkenntnis:
• Infolge des Kräftepaares Fi tritt im oberen Bereich eine Druckkraft (führt zu einer Druckspannung σd) und im unteren Bereich eine Zugkraft auf (ergibt eine Zugspannung σz) (Bild 2-34 unten). •
Wenn l >> h (und „a“ nicht zu nah am Lager), ist der Abstand e viel kleiner als x und damit Fi >> FA = Fq, d. h. die innen wirkende Kraft Fi ist viel größer als die Querkraft und die Biegebeanspruchung ist viel größer als die Schubbeanspruchung.
2.2 Biegebeanspruchung
57
Am rechten Schnittufer wirken die gleiche Querkraft und das gleiche Biegemoment wie am linken Schnittufer nur mit anderem Vorzeichen, es ist die Bedingung „actio = reactio“ erfüllt. Im Fall der reinen Biegung (Bild 2-35) wird der Balken nur durch Momente auf Biegung beansprucht (Fq = 0). In jedem beliebigen Schnitt treten nur zwei gleich große Kräfte auf, die Zug- und Druckbeanspruchung verursachen, und damit positive oder negative Normalspannungen. Von Interesse sind die Größe und die Verteilung dieser Normalspannungen.
Bild 2-35 Reine Biegung des Balkens
Für die weitere Betrachtung gehen wir von folgender Modellvorstellung aus: Der Teilabschnitt des Balkens wird mit einem Raster versehen. Reine Biegung durch angreifende Momente (Bild 2-36):
• Die vorher horizontal liegenden Geraden gehen in flache Kreisbögen über. • Die senkrechten Linien (AE, BD) neigen sich nach oben hin, ohne sich dabei zu verformen: die obere Faser wird verkürzt, die untere Faser verlängert. Die Länge der mittleren Faser (GC = GC) bleibt unverändert; man nennt sie auch neutrale Faser. • Von G = G bzw. C = C nehmen die Verlängerung bzw. Verkürzung bis zum Rand linear zu.
Bild 2-36 Balken mit Raster
58
2 Einfache Beanspruchungen
h
Bei Werkstoffen, die dem HOOKE’schen Gesetz folgen (σ ∼ ε), nimmt die Spannung von der neutraler Faser ausgehend linear nach außen zu, d. h. die maximale Zug- bzw. Druckspannung tritt in der jeweiligen Außenfaser auf.
Bild 2-37 Spannungsverteilung
Gesucht sind bei gegebenem Mb die maximalen Spannungen σz max = ? und σd max = ? Wir betrachten einen Balken mit Rechteckquerschnitt der Höhe h und Breite b. Mit der Annahme, dass Symmetrie herrscht und dass die neutrale Faser durch den Flächenschwerpunkt S geht, gilt: σz max = σd max =ˆ σ max (Bild 2-37). Die Kraft Fi entspricht der resultierenden Kraft der durch die Spannung verursachten Flächenbelastung je Querschnittshälfte. Es gilt: F = σ ⋅ A = ³ σ ⋅ dA = ³ σ ⋅ b ⋅ dh = b
h/2
³
σ ⋅ dh = σ ⋅ b ⋅
0
1 h Fi = σ max ⋅ ⋅ b 2 2
h und somit 2
(2.29)
1 ⋅h 32
h 2
h 2
1 ⋅h 32
Die Lage von Fi (d. h. die Wirklinie) geht durch den Flächenschwerpunkt der dreieckförmigen 1 h Streckenlast im Abstand ⋅ von der Außenfaser (Bilder 2-38 und 2-39). 3 2
Bild 2-38 Spannungsverteilung und innere Kräfte bei Biegung eines Balkens mit rechteckigem Querschnitt
2.2 Biegebeanspruchung
59 Dreiecksfläche:
e 2
h 2
1⋅ h 32
h
Fi = ³ σ ⋅ dA =
2
h
1
³ σ max ⋅ b ⋅ dz = 2 ⋅σ max ⋅ 2 ⋅ b 0
e h 1h h = − = 2 2 32 3
Der Abstand e der beiden inneren Kräfte Fi beträgt: e=h−2
1h 2 = h 32 3
(2.30)
Bild 2-39 Lage der Kraft Fi
Das innere Moment ist mit dem äußeren Moment im Gleichgewicht: M b = M i = Fi ⋅ e =ˆ
h b ⋅ h2 1 2 σ max ⋅ ⋅ b ⋅ h M b = σ max ⋅ 2 2 3 6
(2.31)
Der Term b·h2/6 ist ein Maß für den Widerstand, den ein Balken mit rechteckigem Querschnitt einer Biegebeanspruchung entgegensetzt, man nennt ihn auch das Widerstandsmoment W des Rechteckquerschnittes. Die Einheit des Widerstandsmomentes wird in cm3 angegeben. Das Widerstandsmoment W ist proportional zur Breite b, aber proportional zum Quadrat der Höhe h2 des Querschnitts. Am Beispiel eines Holzbrettes (Bild 2-40) soll der Begriff des Widerstandsmomentes verdeutlicht werden. Liegt das Brett flach auf, dann biegt es sich bei Belastung durch (biegeweich), steht das Brett hochkant, dann tritt keine sichtbare Durchbiegung auf (biegesteif).
b
m
Bild 2-40 Einfluss der Balkenhöhe auf die Steifigkeit eines Balkens
60
2 Einfache Beanspruchungen
Biegespannungsverteilung für beliebige Querschnitte Bei beliebigen Querschnitten wird eine Aufteilung der Querschnittsfläche in schmale Streifen der Größe dA senkrecht zur Belastungsebene vorgenommen (Bild 2-41). Je Streifen wird die innere Teilkraft dFi = ·dA betrachtet. Aus Σ dFi = 0
³ d Fi = ³ σ dA = 0 σ
Da ∼ z ist (Bild 2-41 links), gilt gemäß ähnlicher Dreiecke:
σ = σ max ⋅
z
. Aus ³ σ dA = 0 ³ σ max ⋅
zmax
Da max und zmax konstant sind
σ max zmax
³ zdA = 0
z zmax
σ max
=
z zmax
und somit
dA = 0 .
und damit
³ zdA = 0
(2.32)
³ zdA = 0 bedeutet, dass die Koordinatenachse durch den Flächenschwerpunkt geht. Damit ist der Beweis erbracht, dass die neutrale Faser im Schwerpunkt der Querschnittsfläche liegt. Bezüglich der neutralen Faser gilt: dM y = z ⋅ dFi =ˆ z ⋅ σ ⋅ dA
³
³
M by = dM y = z ⋅ σ ⋅ dA M b =
z2
³ zmax σ max dA z
Belas tungs
ebene
z
y
S Balk e
y nach se
er Fas e l a utr
x
z
zmax
ne
S
S Mby z
y
dFi = ·dA dA
Bild 2-41 Festlegung der Koordinaten im Balkenquerschnitt
2.2 Biegebeanspruchung
61
Der allgemeine Zusammenhang zwischen äußerem Biegemoment Mb und der maximalen Biegespannung lautet:
ª z 2 dA º ³ » M b = σ max « « zmax » ¬ ¼
(2.33)
Der Wert in eckigen Klammern ist das Widerstandsmoment W eines beliebigen Querschnittes bei einer Belastung um die y-Achse (Biegemoment um die y-Achse): Wy =
³z
2
dA
(2.34)
zmax
Bei Belastung um die z-Achse durch ein Moment Mbz: Wz
mit I y =
³y =
³z
2
dA
(2.35)
ymax
2
dA und I z =
³y
2
dA , den Flächenträgheitsmomenten oder (axialen) Flächen-
momenten 2. Grades, ergibt sich:
Wy =
Iy zmax
und Wz =
Iz ymax
(2.36)
mit den Schwerpunktachsen y und z. Der Zusammenhang zwischen den auftretenden Biegemomenten (Mby, Mbz) und den damit verbundenen Spannungen ist Bild 2-42 zu entnehmen.
Bild 2-42 Biegemoment und Spannungsverteilung in Abhängigkeit der Drehachsen der Biegemomente
62
2 Einfache Beanspruchungen
Da eine lineare Spannungsverteilung vorliegt, gilt:
σ = σz =
Mb z Iy
(2.37)
(Geradengleichung mit der maximalen Spannung an der Stelle z = zmax): Mb Mb zmax =ˆ Iy Wy
σ max =
(2.38)
Nachfolgend wird die maximale Spannung in der Außenfaser mit b max bezeichnet (mit b für Biegung) und Index „max“ für die Biegespannung im höchst beanspruchten Querschnitt des Balkens (bei Mbmax). Allgemein lautet die Grundgleichung/Hauptgleichung der Biegung: Mb Wb
σb = mit Wb =
I emax
(2.39)
und Mb: Biegemoment im untersuchten Querschnitt und emax = zmax.
Das (axiale) Flächenmoment 2. Grades kann auch als ein Maß für die Steifigkeit eines Querschnitts gegen Biegung aufgefasst werden. Beispiel 2-12
Ein Doppel-T-Träger aus Stahl, der außen gelagert ist, wird mit einer Masse von 1000 kg mittig belastet. Es kann ein Träger aus S235JR oder ein Träger höherer Festigkeit aus S355JR eingesetzt werden. Welcher Träger ist günstiger, wenn die auftretende Biegespannung die zulässige Spannung nicht überschreiten soll? Gegeben: l = 3m; Smin = 1,5
S235JR: Re = 235 N/mm2
l/2
F
F l/2
S355JR: Re = 355 N/mm2
y
Lösung: Mb =
σ zul =
F l m⋅ g ⋅l 1000 kg ⋅ 9,81m N s2 ⋅ 3m ⋅ = = = 7357 Nm 2 2 4 4 s2 kg m Re M ; Wberf = b S min σ zul
y
2.2 Biegebeanspruchung
63
Nach der Berechnung des erforderlichen Widerstandsmomentes Wberf können die notwendigen Träger aus Tabellen ausgewählt werden (z. B. [10] TB1-11).
Material
Re N/mm2
Smin
S235JR
235
1,5
S355JR
355
1,5
Wberf cm3
I nach DIN 1025
Wy cm3
bezog. Masse kg/m
Kosten €/t
Kosten €
157
46,9
I 120
54,7
11,1
1800
59,94
237
31
I 100
34,2
8,34
1950
48,79
zul N/mm
2
Es zeigt sich, dass der Träger aus S355JR aufgrund seiner höheren Streckgrenze einen kleineren Querschnitt erfordert, der dazu führt, dass er trotz höherer Kosten €/t die günstigere Variante darstellt.
2.2.2 Flächenmoment 2. Grades Aus der Statik sind die Flächenmomente 1. Grades oder statischen Flächenmomente bekannt: Hy =
³ zdA
und H z =
³ ydA .
(2.40)
Für die Koordinaten des Schwerpunktes gilt: yS =
1 1 ydA und zS = ³ zdA ³ A A
(2.41)
y
Bild 2-43 Schwerpunktkoordinaten
Für einfache, aus Teilflächen zusammengesetzte Flächen gilt: yS =
1 Ages
n
¦ ( yi ⋅ Ai )
i =1
und zS =
1 Ages
n
¦ ( zi ⋅ Ai )
i =1
(2.42)
64
2 Einfache Beanspruchungen
Liegt der Schwerpunkt im Koordinatenursprung (yS = zS = 0), dann sind ³ ydA = 0 und
³ zdA = 0.
Somit können je nach Lage des Koordinatensystems bezogen auf den Schwerpunkt die Flächenmomente 1. Grades positiv, negativ oder null sein. Die axialen Flächenmomente 2. Grades (auch Flächenträgheitsmomente genannt) Iy =
³z
2
Iz =
³y
2
dA bezogen auf die y-Achse
(2.43)
dA bezogen auf die z-Achse
(2.44)
sind stets positiv. Ihre Größe hängt von den betrachteten Achsen ab. Eine Integration ist möglich, wenn die Fläche A von einfach erfassbaren mathematischen Funktionen begrenzt ist. Ansonsten erfolgt eine Näherungslösung durch Summation, ausgehend von Flächenstreifen parallel zur betrachteten Achse. Statt der Integration wird eine Summenbildung vorgenommen: Iy =
n
¦ zi2 ⋅ Δ Ai
und I z =
i =1
n
¦ yi2 ⋅ Δ Ai
(2.45)
i =1
2.2.3 Flächenmomente einfacher geometrischer Flächen Am Beispiel des Rechtecks, Dreiecks und des Vollkreises bzw. der Kreisringfläche werden die Flächenmomente 2. Grades hergeleitet. a) Rechteckquerschnitt (Flächenmoment bezogen auf die y-Achse), es gilt Gl. 2.43:
³z
2
dA mit dA = b·dz
h
2
h
2
h
z3 2 I y = ³ z ⋅ b ⋅ dA = b ³ z dz = b 3 h − −h −h 2 2 2
h
dz
Iy =
Iy =
2
2
b ⋅ h3 = Flächenmoment 2. Grades. 12
Für das Widerstandsmoment gilt: Wy =
Iy h
2
=
b ⋅ h2 6
Entsprechend für die z-Achse: Bild 2-44 Rechteckquerschnitt
Iz =
I b2 ⋅ h b3 ⋅ h und Wz = z = b 6 12 2
2.2 Biegebeanspruchung
65
Für die Flächenmomente des Rechteckquerschnitts bezogen auf die Achsen gilt: Iy =
b ⋅ h3 b3 ⋅ h und I z = 12 12
(2.46)
und für die Widerstandsmomente: Wy =
Iy h
=
2
b ⋅ h2 I b2 ⋅ h und Wz = z = b 6 6 2
(2.47)
Das Ergebnis entspricht der Gl. (2.31). b) Dreiecksquerschnitt (Flächenmoment bezogen auf die y-Achse), gemäß Bild 2-41:
dA = y·dz Iy =
³z
2
dA =
³z
2
⋅ y ⋅ dz
Die Breite y des Flächenelementes in Abhängigkeit von z können wir aus der Gleichung der Hypotenuse des Dreiecks im y-z-Koordinatensystem (Geradengleichung) berechnen: z=−
h z· § y + h und y = b ¨ 1 − ¸ h¹ b © h
b ª z3 z4 º z· § I y = b z 2 ¨ 1 − ¸ dz = b « − » h¹ 4h »¼ © ¬« 3 0 0
³
Bild 2-45 Dreiecksquerschnitt
Iy =
b ⋅ h3 12
(2.48)
Zu beachten ist, dass diese Gleichung bezogen auf die Grundseite des Dreiecks (y-Achse) gilt. Dies entspricht dem IAB in Tabelle 2-3, Zeile 1. c) Vollkreis und Kreisringfläche:
Für den Kreis gilt: y2 + z2 = r2. Gemäß Bild 2-46 ist dA = r·dr·d. Für die axialen Flächenmomente gilt allgemein: I y = ³ z 2 dA und I z =
³y
2
dA .
Addieren wir die beiden axialen Flächenmomente Iy und Iz, dann erhält man Iy + Iz =
³ (z
2
)
+ y 2 dA mit y 2 + z 2 = r 2 ³ r 2 dA .
Da Symmetrie vorliegt, ist Iy = Iz = Ia (axiales Flächenmoment) und somit: Iy + Iz = 2· Ia 2 ⋅ I a = ³ r 2 dA =
³³ r
2
⋅ r ⋅ dr ⋅ dϕ ; dA = r ⋅ dr ⋅ dϕ
66
2 Einfache Beanspruchungen rϕ
2 ⋅ Ia =
³³
r 3 ⋅ dr ⋅ dϕ =
00
2 ⋅ Ia =
π 2
1 4 r 4
2π
1 4 2π ⋅ϕ 0
³ dϕ = 4 r 0
r4 Ia = I y = Iz =
π 4
r4
π
r 4 mit Ip = polares Flächen2 moment 2. Grades
2 ⋅ Ia = I p =
r=
d π 4 Ip = d 2 32
I y = Iz =
π 64
d4
(2.49)
Bild 2-46 Kreisfläche
Da alle axialen Flächenmomente gleich groß sind, liegt Symmetrie vor: I y = Iz = Ia I y + Iz = 2 ⋅ Ia =
³ (z
2
)
+ y 2 dA = I p bzw. I a =
1 Ip 2
Das axiale Flächenmoment für den Vollkreis und Kreisring (ohne Herleitung) lautet: Vollkreis: I a = Kreisring: I a =
π 64
d4
(2.50)
(D4 − d 4 )
(2.51)
π 64
Tabelle 2-3: Flächenmomente 2. Grades und Widerstandsmomente geometrischer Flächen Randfaserabstand
1
2
e2
e1
Fläche
2 e1 = h 3 1 e2 = h 3
e=
h 2
Flächenmoment
Widerstandsmoment
=
b ⋅ h3 36
W1 =
I AB =
b ⋅ h3 12
b ⋅ h2 24
W2 =
b ⋅ h2 12
Iy
Iy =
b ⋅ h3 12
Wy =
b ⋅ h2 6
Iz =
h ⋅ b3 12
Wz =
h ⋅ b2 6
2.2 Biegebeanspruchung
67 Randfaserabstand
Fläche
e1 =
3 e2 =
a 2 a
Flächenmoment
4
a 12
Iy = Iz = ID =
2
4
e1 =
H 2
5
e=
d 2
Iy = b
H 3 − h3 12
I y = Iz = Id =
Iy = Iz = D e= 2
6
Widerstandsmoment
π 64
Wy =
a3 6
WD =
a3 2 12
H 3 − h3 6⋅ H
Wy = b
π 64
d4
( D4 − d 4 )
Wy =
π
d 3 = 0,1 ⋅ d 3
32
π D4 − d 4
Wy = Wz =
32
D
D – d = 2·s, d. h. kleine Wandstärke Iy =
π 8
3 Dm ⋅s
Wy =
π
2 Dm ⋅s
4
e1 = r ⋅ e2 e1
= 0, 288 ⋅ d
7
4 r ⋅ 3 π = 0, 212 ⋅ d
e2
e2 =
I y = 0,00686 ⋅ d 4 I AB = I z =
π 128
d
4
Wy =
Iy e1
z S
y
8 z
b B
y
H e= =a 2
Iy = Iz =
π 64
π 64
Wy = B ⋅ H3 H ⋅ B3
π 32
B⋅ H2
≈ 0,1 ⋅ B ⋅ H 2 Wz =
π 32
H ⋅ B2
≈ 0,1 ⋅ H ⋅ B 2
68
2 Einfache Beanspruchungen Randfaserabstand
Fläche
Flächenmoment
Widerstandsmoment
z s
S
H
y
y
H e= 2
9 z
Iy = Iz =
π 32
π 32
s ⋅ H 2 ( 3B + H )
Wy =
s ⋅ B 2 ( 3H + B )
Wz =
π 16
π 16
s ⋅ H ( 3B + H ) s ⋅ B ( 3H + B )
R
e
B
1 R⋅ 3 2 = 0,866 ⋅ R
e=
R
10
Iy =
5⋅ 3 4 ⋅R 16
= 0, 5413 ⋅ R
Wy =
4
5 3 ⋅R 8
R
11
R
z S
y
y
e1 = R
R
Iy =
5⋅ 3 4 ⋅R 16
= 0, 5413 ⋅ R 4
Wy =
5⋅ 3 3 ⋅R 16
= 0, 5413 ⋅ R 3
z a z
C
D e1 =
S
12
y
y e2 =
A
b
z
B
h ( a + 2b ) 3(a + b )
h ( 2a + b ) 3( a + b )
Iy =
h3 § 2ab · ¨a + b + ¸ a +b¹ 36 ©
I AB = I CD =
3
h ( 3a + b ) 12 3
h ( a + 3b ) 12
W1 = W2 =
Iy e1 Iy e2
2.2.4 Abhängigkeit der Flächenmomente von der Lage des Koordinatensystems (STEINER’scher4 Satz) Gegeben sei eine Fläche A mit dem ursprünglichen Koordinatensystem und den Schwerpunktkoordinaten yS und zS. Eingeführt wird ein zweites Koordinatensystem mit den Achsen y und z , die parallel zu y und z liegen. Der Ursprung dieses neuen Koordinatensystems wird in den 4
Jakob STEINER (1796 – 1863), Schweizer Geometer
2.2 Biegebeanspruchung
69
Schwerpunkt S der Fläche A gelegt. Gesucht wird der Zusammenhang zwischen den Flächenmomenten (Bild 2-47) I y , I z sowie Iy und Iz. Ausgehend von den Flächenmomenten I y = ³ z 2 dA und I z =
³y
2
dA sowie den Koordinaten
y = yS + y und z = zS + z , erhalten wir durch Einsetzen: 2
Iy =
³ ( zS + z )
Iz =
³ ( yS + y ) dA =
³
³
dA = zS 2 dA + 2 ⋅ zS zdA +
³
2
³z
³
yS 2 dA + 2 ⋅ yS ydA +
z
z
2
dA und
³y
2
dA .
y
dA A
z
z
ys
S
y
zs
y
0 y Bild 2-47 Zur Herleitung des STEINER’schen Satzes
Wir betrachten die einzelnen Komponenten: •
³ dA = A (gegebene Fläche)
• die Terme ³ z dA und
³ y dA sind Null, da es sich um die statischen Flächenmomente
bezogen auf die Schwerpunktachsen handelt • gemäß Definition sind
³z
2
dA = I y und
³y
2
dA = I z die Flächenmomente 2. Grades
um die Schwerpunktachse. Als Ergebnis kann festgestellt werden: I y = I y + zS2 ⋅ A und I z = I z + yS2 ⋅ A
(2.52)
Die vorstehenden Beziehungen nennt man auch den STEINER’schen Satz: I = IS + s 2 ⋅ A 2
(2.53)
s und A sind stets positiv. Daher ist auch immer I größer als IS. Die Flächenmomente 2. Grades um die Schwerpunktachsen sind somit immer die minimalen Flächenmomente.
70
2 Einfache Beanspruchungen
Grundsätzlich dürfen bei zusammengesetzten Querschnitten nur die Flächenmomente 2. Grades addiert oder subtrahiert werden, nie jedoch die Widerstandsmomente. Widerstandmomente ergeben sich bei zusammengesetzten Querschnitten aus dem GesamtFlächenmoment 2. Grades durch Division durch den größten Randabstand. Beispiel 2-13
Gesucht ist das Flächenmoment 2. Grades I y bezogen auf die Schwerpunktachse des Dreieckquerschnitts. Gegeben: I y =
b ⋅ h3 h b⋅h ; zS = und A = 12 3 2
Lösung: Anwendung des STEINER’schen Satzes: I y = I y + zS2 ⋅ A I y = I y − zS2 ⋅ A 2
Iy =
b ⋅ h3 § h · b ⋅ h b ⋅ h3 b ⋅ h3 b ⋅ h3 mit y als Schwerpunktachse. −¨ ¸ ⋅ = − = 12 2 12 18 36 ©3¹
Eine Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse 1 in Bild 2-48 auf eine zweite Achse, die nicht Schwerpunktachse ist, ist mit dem STEINER’schen Satz direkt nicht möglich, sondern kann nur über die Schwerpunkt-Achse vorgenommen werden:
Bild 2-48 Umrechnung von einer Achse auf eine andere Achse mit Hilfe des STEINER'schen Satzes
2.2.5 Flächenmomente zusammengesetzter Querschnitte Die Querschnittsfläche setzt sich aus mehreren Grundfiguren bzw. Einzelquerschnitten zusammen. In diesen Fällen geht man wie folgt vor: Die einzelnen Flächenmomente werden addiert und zum Gesamtflächenmoment 2. Grades zusammengesetzt. Für alle Flächenmomente gilt die gleiche Bezugsachse.
2.2 Biegebeanspruchung
I y ges =
n
¦ I yi und I z ges =
i =1
71 n
¦ I zi
(2.54)
i =1
Zu beachten ist, dass die einzelnen I yi und I z i auch negativ sein können. Beispiel 2-14
Zu ermitteln sind das Gesamtflächen- und das Widerstandmoment für ein ausgespartes Rechteck (Bild 2-49).
I y1 =
B⋅H3 b ⋅ h3 ; I y2 = 12 12
I y = I yges = I y1 − I y2 B ⋅ H 3 − b ⋅ h3 12 Iy B ⋅ H 3 − b ⋅ h3 = Wy = H 6⋅ H 2 Iy =
Bild 2-49 Ausgesparter Rechteckquerschnitt
Beispiel 2-15
Es werden nun das Flächen- und das Widerstandsmoment des Rahmens aus Vierkantrohr (50 x 20 x 2) von Finn Niklas’ Dreirad berechnet. I y = I außen − I innen =
50
=
B ⋅ H 3 − b ⋅ h3 20 ⋅ 50 3 − 16 ⋅ 46 3 = mm 4 12 12
I y = 78552 mm 4 Iz =
B 3 ⋅ H − b3 ⋅ h 20 3 ⋅ 50 − 16 3 ⋅ 46 = mm 4 12 12
= 17632 mm 4
72
2 Einfache Beanspruchungen
Wy = Wz =
Iy emax Iz emax
=
78552 mm 4 = 3142 mm 3 25 mm
=
17632 mm 4 = 1763 mm 3 10 mm
Gemäß der Definition des Flächenmomentes 2. Grades ist nur der senkrechte Abstand der einzelnen Teilflächen von der Bezugsachse (unabhängig vom Vorzeichen) von Bedeutung, d. h.: • Teilflächen dürfen um die Achse geklappt werden, • Teilflächen dürfen in Achsrichtung verschoben werden. Beim Umklappen und Verschieben von Teilflächen ist die vorgegebene Fläche aus möglichst wenigen Grundfiguren aufzubauen (Bild 2-50).
Bild 2-50 Umgruppieren von Teilflächen bei der Ermittlung von Flächenmomenten 2. Grades
2.2 Biegebeanspruchung
73
Beispiel 2-16
Ein quadratischer Plattenquerschnitt weist zwei Aussparungen auf. Zu bestimmen sind die Flächenmomente bezüglich der Schwerpunktachsen y und z. Radius der Bohrung: r = a / π z
4a
Lösung:
1
3 4a
a
Der Schwerpunkt liegt in der Mitte der Fläche 1, da A2 = A3 ist und die beiden Flächen symmetrisch zur y- bzw. z-Achse liegen.
z3
a y z2
y
a
a
a
2
Fläche 1: A1 = 4a·4a = 16a2 Fläche 2: A2 = a·a = a2 § a ·2 2 Fläche 3: A3 = π ⋅ r 2 = π ⋅ ¨ ¸ =a © π ¹
Schwerpunktsabstand: z2 = z3 = a
a
z
) (
(
I y = I z = I1 − I 2 + z22 ⋅ A2 − I 3 + z32 ⋅ A3
)
b ⋅ h3 a ⋅ a3 a 4 b ⋅ h 3 4a ⋅ ( 4a ) 256 ⋅ a 4 = = = = ; I2 = ; 12 12 12 12 12 12 3
I1 = I3 = Iy =
π ⋅ r4 4
=
π ⋅ a4 4 ⋅π 2
=
a4 4π
256 ⋅ a 4 a 4 a4 − − a2 ⋅ a2 − − a2 ⋅ a2 12 12 4π
1 12 12 1 · 1 · § 256 4 § 231 Iy = a4 ¨ − − − − − ¸=a ¨ ¸ = Iz 12 12 12 4π ¹ 4π ¹ © 12 © 12
Zahlenwert: a = 10 mm I y = 191 704 mm4
74
2 Einfache Beanspruchungen
Beispiel 2-17
Aus einem rechteckigen Baumstamm vom Durchmesser d soll ein Balken mit rechteckigem Querschnitt und maximalen Flächenmoment 2. Grades gesägt werden. Wie groß ist h zu wählen? d 2 = h 2 + b2 h=
Iy =
(
d 2 − b2 = d 2 − b2 3
b⋅h = 12
(
b ⋅ d 2 − b2
I = Maximum
)2 1
)2 3
12 dI =0 db
Anwendung der Produktregel:
( u ⋅ v )′
= u′ ⋅ v + u ⋅ v′
(
u = b ; v = d 2 − b2 u′ = 1 ; v′ =
)2 3
)
(
1 3 2 d − b 2 2 ⋅ ( − 2b ) 2
)
(
)
(
3 1 3 dI = 0 = d 2 − b 2 2 + d 2 − b 2 2 ⋅ ( − 2b ) ⋅ b 2 db
)
(
) (
(
3 1 3 0 = d 2 − b 2 2 + d 2 − b 2 2 ⋅ − 2b 2 2
(
d 2 − b2
)
) 2 = 3b2 (d 2 − b2 ) 2 : (d 2 − b2 ) 2 (d 2 − b2 ) 3
1
1
1 d 2 = 3b2 + b2 = 4b2 b = d 2 h=
d 2 − b2 =
2
§d · d2 − ¨ ¸ = ©2¹
3 2 d 3 d = 4 2
1
= 3b2
2.2 Biegebeanspruchung
75
Beispiel 2-18
Für den dargestellten Biegeträger soll die größte auftretende Spannung ermittelt werden.
Gesucht ist die maximale Spannung. Für die Biegespannung gilt: σ b =
Mb M = b ⋅e Wb Iy
z F
l/2
y
F/2
F/2
Sges
yS
zS2
emax = eu
zS1
l/2
1
S1
S2 2
Das Biegemoment errechnet sich zu: Mb =
F l F ⋅l ⋅ = 2 2 4
Zunächst erfolgt die Berechnung des Flächenmomentes Iy, dazu muss der Schwerpunkt Sges der Gesamtfläche bestimmt werden. Zu diesem Zweck legen wir das Koordinatensystem mit dem Ursprung in den Schwerpunkt S1 der Teilfläche 1 und berechnen die Abstände von den Schwerpunktachsen yi und zi wie folgt: Teilfläche
Ai
zi
zi·Ai
yi
yi·Ai
A1
b·h
0
0
0
0
A2
h·b
–½(h + b)
–½(h + b) h·b
0
0
2·b·h
–
–½(h + b) h·b
–
0
76
2 Einfache Beanspruchungen
Für den Schwerpunkt gilt: zS =
− 1 (h + b) h ⋅ b 1 2 1 = − (h + b) ( zi ⋅ Ai ) = 2 2⋅h⋅b 4 Ages i =1
yS =
1 2 ¦ ( yi ⋅ Ai ) = 0 (da S auf der Symmetrieachse liegt) Ages i =1
¦
Mit dem STEINER’schen Satz ermitteln wir Iy ges: I y ges = I1 + zS21 ⋅ A1 + I 2 + zS2 2 ⋅ A2 zS2 =
1 1 1 ( b + h ) − ( b + h ) = ( b + h ) = zS1 2 4 4 2
I y ges =
b ⋅ h3 h ⋅ b3 ª1 º ª1 º + b ⋅ h « ( b + h )» + + b ⋅ h « ( b + h )» 12 12 ¬4 ¼ ¬4 ¼
I y ges =
b ⋅ h 3 h ⋅ b3 ª1 º + + 2 ⋅ b ⋅ h « ( b + h )» 12 12 4 ¬ ¼
b ⋅ h 3 h ⋅ b3 1 + + ⋅ b ⋅ h b2 + 2bh + h 2 12 12 8
=
1 2bh 3 + 2hb3 + 3b3 h + 6b2 h 2 + 3bh3 24
(
1 5bh 3 + 5hb3 + 6b2 h 2 24
)
)
Mb M = b ⋅e Wb Iy
emax = eu = b + h −
σb =
)
(
I yges =
σb =
2
=
(
2
(
h 1 1 − ( b + h ) = ( 3b + h ) 2 4 4
F ⋅ l ⋅ 24 3
3
2 2
4 5bh + 5hb + 6b h
)
⋅
3 ⋅ F ⋅ l ⋅ ( 3b + h ) 1 ( 3b + h ) = 4 2 5bh 3 + 5hb3 + 6b2 h 2
(
)
Beispiel 2-19
Eine Konsole trägt bei der Last F das Radiallager einer Welle. Für den skizzierten Querschnitt sind zu ermitteln: a) Die maximale senkrechte Lagerlast F so, dass im Querschnitt A – A eine größte Zugspannung von 10 N/mm2 infolge Biegebeanspruchung auftritt.
2.2 Biegebeanspruchung
77
b) Die im Querschnitt A – A auftretende größte Druckspannung.
Wir bestimmen zuerst die Koordinaten des Gesamtschwerpunktes Sges und das Flächenmoment 2. Grades um die y-Achse. Das Ausgangskoordinatensystem legen wir in den Schwerpunkt S2 der Teilfläche 2. yS = 0 Ai mm2
Teilfläche
zi mm
Ai·zi mm3
ziS = zi – zS mm
1
b1·h1
400·24 = 9600
150
1 440 000
61,24
2
b2·h2
24·276 = 6624
0
0
–88,76
b1·h1 + b2·h2
16224
2
¦ ( Ai ⋅ zi )
zS =
i =1
Ages
=
1440 000 mm3 16 224 mm 2
= 88, 76 mm
Mit Hilfe des STEINER’schen Satzes bestimmen wir dann das Gesamtflächenmoment I yges = I y1 + A1 ⋅ z12 + I y2 + A2 ⋅ z22 = I yges =
b1 ⋅ h13 b ⋅ h3 + A1 ⋅ z12 + 2 2 + A2 ⋅ z22 12 12
400 mm ⋅ 243 mm 3 24 mm ⋅ 2763 mm 3 + 9600 mm 2 ⋅ 61, 242 mm 2 + + 12 12 + 6624 mm 2 ⋅ 88,762 mm 2
I yges = 1, 307 ⋅ 108 mm4
78
a)
2 Einfache Beanspruchungen
σ bz =
Mb F ⋅a ⋅e = ⋅ eo Iy Iy
eo = Abstand Gesamtschwerpunkt bis zum oberen Rand: eo = 61,24 mm + 12 mm = 73,24 mm F =
b)
σb ⋅ Iy a ⋅ eo
σ bd =
=
10 N ⋅1,307 ⋅ 108 mm 4 mm 2 250 mm ⋅ 73, 24 mm
= 71381,8 N = 71, 38 kN
Mb ⋅ eu Iy
eu = Abstand Gesamtschwerpunkt bis zum unteren Rand: eu = 138 mm + 88,76 mm = 226,76 mm
σ bd =
Mb F ⋅a 71, 38 kN ⋅ 103 N ⋅ 250 mm ⋅ eu = ⋅ eu = ⋅ 226, 76 mm Iy Iy kN 1, 307 ⋅ 108 mm 4
σ bd = 30,96
N mm 2
≈ 31
N mm 2
Die Spannungsverteilung ist dem folgenden Bild zu entnehmen.
F
eu
eo
bz
bd
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung
79
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung Bisher haben wir nur Normalspannungen betrachtet. Jetzt wenden wir uns den Tangentialspannungen aus Schub- und Scherkräften sowie aus Torsionsmomenten zu.
2.3.1 Schub- und Scherspannung Im Abschnitt 1.3 wurde gezeigt, dass eine Tangentialkraft F eine Tangentialspannung τ hervorruft. In diesem Fall spricht man auch von Schub- oder Scherspannung τ. In Abschnitt 1.4 wurde gezeigt, dass eine Zug- oder Druckkraft auf einen elastischen Körper zu Dehnung (oder Stauchung) ε führt. Entsprechend resultiert aus einer Schub-/Tangentialkraft eine Gleitung (Schiebung) γ, siehe Bild 2-51.
Bild 2-51 Gleitung durch Tangentialkraft
Die Deckfläche des in Bild 2-51 in Seitenansicht dargestellten Körpers verschiebt sich aufgrund der Tangentialkraft F gegenüber der Grundfläche um Δs. An der linken Fläche entsteht so ein Gleitwinkel γ, auch Schubwinkel genannt. Für kleine Winkel γ gilt: tan γ γ = Δs/L
(2.55)
Bei Werkstoffen, die dem HOOKE’schen Gesetz σ ∼ ε folgen (Spannung ist proportional zur Dehnung), gilt auch γ ∼ τ: Der Gleitwinkel ist proportional zur Schubspannung in den Horizontalebenen, siehe Bild 2-51. Der Proportionalitätsfaktor wird Schubmodul G genannt: =G·γ
bzw.
G= τ
γ,
[G] = N/mm²
(2.56)
Aus der Elastizitätstheorie ergibt sich folgende Beziehung zwischen E- und G-Modul (hier ohne Herleitung): G=
m ⋅E 2(m + 1)
(2.57)
Die Größe m ist dabei die POISSON’sche Konstante (siehe auch Abschnitt 1.4) und gibt das Verhältnis von Längs- zu Querdehnung an (m = ε/εq). Für Metalle ist m = 3,3, so dass man nach Gl. (2.57) für den Schubmodul G erhält: G = 0,384 · E
(2.58)
Mit der Schubkraft F = τ · A und der Verschiebung Δs = τ · L/G ergibt sich für die Formänderungsarbeit analog zu Abschnitt 1.5 W=
F ⋅ Δs τ 2 ⋅ V = 2 2⋅G
mit dem Volumen V = A · L.
(2.59)
2 Einfache Beanspruchungen
s
80
Bild 2-52 Scherbeanspruchung
Die Wirkung von Scherkräften auf ein Bauteil ist in Bild 2-52 dargestellt: Zwei gleich große, entgegengesetzt wirkende Kräfte greifen senkrecht zur Bauteilachse an. Sie haben das Bestreben, die beiden Querschnitte des Bauteils gegeneinander zu verschieben, was Schubspannungen in den Querschnitten hervorruft. Aus der Gleichgewichtsbedingung für jeden Bauteilabschnitt lässt sich bei der (vereinfachenden) Annahme einer konstanten Spannungsverteilung die Scherspannung τa (Index a von „Abscheren“) ermitteln:
τa = F/A
(2.60) In Wirklichkeit ergibt sich in den unter Scherkräften stehenden Querschnitten ein komplizierter Spannungszustand, Bild 2-53. Neben den Schubspannungen sind auch Zug-, Druckund Biegespannungen vorhanden. Außerdem ist die Scherspannung über dem Querschnitt nicht konstant (siehe Abschnitt 2.3.3).
Bild 2-53 Verhalten zäher und spröder Werkstoffe beim Abscheren
Anhaltswerte für zulässige Scherspannungen im Maschinenbau können nach folgenden Beziehungen ermittelt werden:
• a zul Re/1,5 bei ruhender Beanspruchung • a zul Re/2,2 bei schwellender Beanspruchung • a zul Re/3 bei wechselnder Beanspruchung mit Re als Streckgrenze (bzw. Rp0,2 als 0,2%-Dehngrenze).
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung
81
2.3.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung Erfährt ein Balken eine Biegebeanspruchung durch eine Querkraft, so treten neben den Biegespannungen auch Schubspannungen im Balken auf. Bild 2-54 zeigt unten einen Teilabschnitt eines frei geschnittenen Balkens, bei dem nur die Schubspannungen eingetragen sind.
τ
τ
Bild 2-54 Durch Querkräfte verursachte Schubspannungen im Biegeträger
Aus diesem Teilabschnitt wird ein weiteres Teilstück mit den Abmessungen Δh, b und Δl herausgeschnitten (siehe Bild 2-54 oben rechts). In diesem Teilabschnitt wirken vertikale Schubspannungen τ und horizontale Schubspannungen τ . Mit der Gleichgewichtsbedingung
¦ Mi =0
τ ⋅ Δl ⋅ b ⋅ Δh − τ ⋅ Δh ⋅ b ⋅ Δl = 0
(2.61)
i
folgt: τ = τ . Das bedeutet, dass zum Gleichgewicht am betrachteten Teilkörper zu jeder Schubspannung in einer Ebene eine gleich große Schubspannung in einer dazu senkrechten Ebene vorhanden sein muss. Beide sind in Richtung Körperkante oder umgekehrt gerichtet, Bild 2-55. Man nennt dies den Satz von den zugeordneten Schubspannungen; d. h. Schubspannungen treten nur paarweise auf. t t
t t
Bild 2-55 Zum Begriff der zugeordneten Schubspannungen
82
2 Einfache Beanspruchungen
2.3.3 Allgemeine Beziehungen für die Schubspannungsverteilung Um in einem Balken unter Biegebelastung die Schubspannungen in Längsrichtung genauer ermitteln zu können, betrachten wir zunächst einen „Balken“ aus lose aufeinander liegenden Brettern, Bild 2-56a. Bei Biegebelastung durch eine a ) Querkraft verschieben sich die einzelnen Bretter F relativ zueinander. Verspannt man die einzelnen Bretterlagen gegeneinander, Bild 2-56b, dann verhindert der Reibschluss zwischen den Brettern die relative Verschiebung; der Bretterstapel wirkt wie ein einziger Balken. Dabei treten in Schnitten paralb ) lel zur Balkenachse Schubspannungen auf (Bild 2F 56c). Bei Holzbalken können diese in Längsrichtung wirkenden Schubspannungen zum Aufspalten des Holzes führen, da es in Faserrichtung eine relativ geringe Schubfestigkeit besitzt. c ) F
t t t
t
Bild 2-56 Schubspannungen in Längsrichtung eines Biegeträgers (nach [1])
z
Bild 2-57 Zur Ableitung der Schubspannungsverteilung im Biegeträger
Als nächstes interessieren die Lage und die Größe der maximalen Schubspannung. Bild 2-57 zeigt einen Balken auf zwei Stützen mit einer Querkraft in Balkenmitte. Zwischen der Angriffsstelle dieser äußeren Kraft und der Auflagerkraft rechts wird ein schmales Stück der Breite Δx aus dem Balken herausgeschnitten. Aufgrund des dreieckförmigen Biegemomentenverlaufs ist das Schnittmoment M1 am linken Rand des Teilstücks nicht gleich dem Schnitt-
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung
83
moment M2 am rechten Rand. An der oberen Scheibe aus diesem Balkenstück treten zum einen die Normalspannungen σ1 und σ2 aus den erwähnten Biegemomenten M1 und M2 und zum anderen die Schubspannung τ an der Unterseite der Scheibe auf. Weil die beiden Normalspannungen nicht gleich sind, ist Gleichgewicht an dieser oberen Scheibe des Teilabschnitts nur möglich, wenn eine Schubspannung angenommen wird:
¦ Fix = 0 σ1 ⋅ ΔA + τ ⋅ Δx ⋅ b − σ 2 ⋅ ΔA = 0 τ= Mit
σ 2 − σ1 Δx ⋅ b
σ1 = τ=
⋅ ΔA
M1 ⋅z I
und σ 2 =
(2.62) M2 ⋅z I
folgt:
M 2 − M1 z ⋅ ΔA ΔM z ⋅ ΔA ⋅ = ⋅ Δx I ⋅b Δx I ⋅ b
(2.63)
Für die Querkraft gilt die Beziehung aus Abschnitt 2.2: Fq =
dM b dx
Die Gl. (2.36) für das statische Flächenmoment H = ³ z·dA kann hier für das Flächenelement ΔA eingesetzt werden als H = z ·ΔA. Damit lässt sich Gl. (2.63) schreiben als allgemeine Beziehung für die Schubspannungsverteilung:
τ ( x, z ) =
Fq ( x) ⋅ H ( z ) I ⋅b
(2.64)
mit der Breite b der Querschnittsfläche an der Stelle x und I, dem Flächenmoment 2. Grades der Querschnittsfläche bezogen auf die Schwerpunktsachse. Ist der Biegemomentverlauf konstant, d. h. M1 = M2, dann ist mit σ1 = σ2 nach Gl. (2.62) die Schubspannung τ = 0, d. h. bei reiner Biegung mit Fq = 0 ist im Balken keine Schubspannung vorhanden.
2.3.4 Anwendung auf verschiedene Querschnittsformen Mit Hilfe von Gl. (2.64) werden jetzt die Schubspannungsverläufe in verschiedenen Querschnitten ermittelt. a) Rechteckquerschnitt (Bild 2-58)
Da sich beim Rechteckquerschnitt die Breite des Flächenelementes mit der Koordinate z nicht verändert, können wir vereinfacht schreiben: H ( z ) = z ·ΔA
z ist die Koordinate des Schwerpunkts der Fläche ΔA: h h −z z+ 2 =z+h z= 2 +z= 2 2 2 4
84
2 Einfache Beanspruchungen
Die Größe des Flächenelementes ΔA ergibt sich zu h 2
ΔA = b ⋅ ( − z ) Damit erhalten wir für das Flächenmoment 1. Grades: z h h b h h b h2 H ( z) = ( + ) ⋅ b ⋅ ( − z) = ⋅ ( + z) ⋅ ( − z) = ⋅ ( − z 2 ) 2 4 2 2 2 2 2 4
(2.65)
h/2
max
A
z
h
z
m
Fq A
b
1,5⋅ Fq A
Bild 2-58 Schubspannungsverteilung im Rechteckquerschnitt
Das Flächenmoment 2. Grades für den Rechteckquerschnitt ist bekannt (Tabelle 2.3): I=
b ⋅ h3 12
(2.66)
Mit der Gleichung (2.64) für die allgemeine Schubspannungsverteilung und mit den Gln. (2.65) und (2.66) erhalten wir schließlich:
τ ( x, z ) =
Fq ⋅ 6 b ⋅ h3
⋅(
h2 − z2) 4
(2.67)
Dies ist die Gleichung einer quadratischen Parabel, d. h. die Schubspannung ist über dem Rechteckquerschnitt parabelförmig verteilt (siehe Bild 2-58 rechts). Für z = 0 ist die Schubspannung maximal: 3 Fq 2 b⋅h
τ max = ⋅
(2.68)
Bei der Querkraftbiegung von Balken bzw. Trägern ist also die Schubspannung in der neutralen Faser am größten, während sie am Rand den Wert null hat (siehe Gl. (2.67) für z = h/2
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung
85
bzw. z = –h/2). Die Biegespannung wird aber am Rand maximal, ist jedoch in der neutralen Faser null. Daher rechnet man üblicherweise vereinfacht mit der mittleren Schubspannung:
τm =
Fq A
=
Fq
(2.69)
b⋅h
und somit
τ max =1,5 ⋅τ m Die maximale Schubspannung ist beim Rechteckquerschnitt anderthalbmal so groß wie die mittlere Schubspannung. Soweit es sich um lange, durch Querkräfte belastete Balken handelt, reicht die Ermittlung der mittleren Schubspannung nach Gl. (2.69) völlig aus. Meist kann man sogar die gegenüber der Biegespannung geringe Schubspannung insgesamt vernachlässigen. Bei kurzen, durch Querkräfte auf Biegung und Schub belasteten Trägern und bei Konsolen muss die Schubspannung genauer ermittelt und mit der Biegespannung als Vergleichsspannung (siehe Kapitel 3) zusammengefasst werden. b) Kreisquerschnitt z b (z)
F q
y z
Die Querkraft Fq und der Radius r des Querschnitts seien gegeben, siehe Bild 2-59. Gesucht sind der Verlauf der Schubspannung τ (z) und die größte Schubspannung τmax.
d z
z gibt die Lage des Schwerpunktes der schraffierten Kreisabschnittsfläche an; b(z) ist deren Breite in Abhängigkeit von z.
z y r
Bild 2-59 Zur Berechnung der Schubspannungsverteilung beim Kreisquerschnitt
Für die Berechnung der Schubspannung brauchen wir wieder das Flächenmoment 1. Grades:
³
H ( z ) = z ⋅ dA
mit dA = 2 ⋅ y ⋅ dz
r
r
z
z
und y = r ² − z ² (siehe Bild 2-59).
H = ³ z ⋅ 2 ⋅ y ⋅ dz = ³ 2 ⋅ z ⋅ (r ² − z ²)1 / 2 ⋅ dz r
2 º ª 2 H = « − (r 2 − z 2 )3 / 2 » = (r 2 − z 2 )3 / 2 3 ¼z 3 ¬ Für die Breite b(z) des Kreisabschnitts in Bild 2-59 ergibt sich: b( z ) = 2 r 2 − z 2
(2.70)
86
2 Einfache Beanspruchungen
Das Flächenmoment 2. Grades eines Kreisquerschnitts haben wir in Abschnitt 2.2.2 berechnet: I=
π 4
r4
Damit kann man nach Gl. (2.64) die Schubspannungsverteilung ermitteln:
τ ( z) =
τ ( z) =
Fq ⋅ H ( z ) I ⋅b 4 ⋅ Fq 3⋅π r 4
2 Fq ⋅ (r 2 − z 2 ) 3 / 2 3 = π 4 r ⋅ 2(r 2 − z 2 )1 / 2 4
(r 2 − z 2 )
(2.71)
Für z = 0 erhalten wir die größte Schubspannung: 4 Fq 3 π r2
τ max = ⋅
(2.72)
Im Vergleich zur mittleren Schubspannung
τm =
Fq A
=
Fq
π r2
(2.73)
gilt für den Balken mit Kreisquerschnitt: 4 3
τ max = τ m
(2.74)
Die größte Schubspannung ist also beim Vollkreisquerschnitt, der im Maschinenbau häufig bei Wellen und Achsen Anwendung findet, ein Drittel größer als die mittlere Schubspannung. Da diese größte Schubspannung wieder in der neutralen Faser auftritt (hier ist die Biegespannung gleich null), reicht meist die Berechnung der mittleren Schubspannung aus. c) Dünnwandiges Kreisrohr
Dünnwandige Kreisrohre werden oft im Fahrzeug- und Maschinenbau als Gelenkwellen zur Gewichtsersparnis verwendet, aber auch in Leichtbaukonstruktionen bei Fachwerken für Hallen. Ohne Herleitung wird hier nur das Ergebnis für die maximale Schubspannung angegeben:
τmax = 2 ·τm
(2.75)
d) Vierkantrohr (aus Finn Niklas’ Dreirad)
Der Verlauf der Schubspannung in einem auf Querkraftbiegung beanspruchten Querschnitt, für den die Funktionen H(z) für das Flächenmoment 1. Grades und b(z) für die Breite unstetige Funktionen sind, kann nur stückweise berechnet werden. Dies wird hier anhand des Vierkantrohres 50 x 20 x 2 (A = 264 mm2) aus dem Längsträger des Dreirads gezeigt. Wir ermitteln den Schubspannungsverlauf des Längsträgers für eine Querkraft Fq = 550 N (entspricht der Gewichtskraft des Fahrers). Das Vierkantrohr besitzt ein Flächenmoment 2. Grades um die y-Achse von Iy = 7,8552 cm4 (siehe Beispiel 2-15). Die Höhe des um die y-Achse symmetrischen Rohres beträgt 2,5 cm. Die
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung
87
Rechnung ist in Tabelle 2-4 schrittweise dargestellt. Wir beginnen am oberen Rand des Vierkantrohres mit Schritt 0 entsprechend Bild 2-60. Wie in Bild 2-60 dargestellt, muss für jede Höhe z (ausgehend von der Biegeachse) die jeweilige Teilfläche ΔA oberhalb z bis zum oberen Profilrand sowie die Breite b ermittelt werden. Die Lage des Schwerpunktes S der Fläche ΔA wird durch die Koordinate z beschrieben. Für die Stelle 1 betrachten wir einmal die Fläche ΔA zusammen mit der Breite b(z) = 2 cm (1a) und zweitens mit der Breite b(z) = 0,4 cm (1b), also direkt unterhalb der Deckfläche des Vierkantrohres. Die Breite b = 0,4 cm ergibt sich hier 0 aus der Summe der Wandstärke links und rechts mit je 0,2 cm. An dieser Stelle erhält man durch y y die Unstetigkeit des Breitenverlaufs auch eine S Unstetigkeit der Schubspannungsfunktion τq(z). D A Die Lage des Schwerpunktes S der Restfläche ΔA 1 z z oberhalb z muss für jede betrachtete Stelle ermittelt werden (siehe Tabelle 2-4).
S
D A 2 z z S
D A
3 z
z S
D A
4 z
Bild 2-60 Ermittlung des Schubspannungsverlaufs am Vierkantrohr
Tabelle 2-4: Berechnung des Schubspannungsverlaufs für das Vierkantrohr Stelle
z
z
ΔA
b
z ⋅ΔA
z ⋅ ΔA Iy ⋅ b
cm
cm
cm²
cm
cm³
cm–2
q = Fq
z ⋅ ΔA Iy ⋅ b
N/cm²
τq N/mm²
0
2,5
–
0
–
0
0
0
0
1a
2,3
2,4000
0,40
2,0
0,960
0,0611
33,60
0,34
1b
2,3
2,4000
0,40
0,4
0,960
0,3055
168,0
1,68
2
2,0
2,3423
0,52
0,4
1,218
0,3876
213,18
2,13
3
1,0
1,9761
0,92
0,4
1,818
0,5786
318,23
3,18
4
0
1,5288
1,32
0,4
2,018
0,6422
353,24
3,53
88
2 Einfache Beanspruchungen
Für die mittlere Schubspannung über dem Vierkantrohr erhält man nach Gl. (2.69):
S c h u b s p a n n u n g s v e r la u f u m 9 0 ° g e k la p p t g e z e ic h n e t
τm =
Fq A
=
550 N 264 mm
2
= 2,08
N mm 2
Das Verhältnis der in Tabelle 2-4 berechneten maximalen Schubspannung und der mittleren Schubspannung beträgt hier:
τ max ≈ 1,7 τm Bild 2-61 Berechnete Schubspannungen
Da die Schubspannungen aber bei langen Biegeträgern wie im vorliegenden Beispiel gegenüber den Biegespannungen gering sind, reicht die Berechnung der mittleren Schubspannung in der Regel aus.
2.3.5 Schubmittelpunkt Bei Profilen mit nur einer Symmetrieachse (z. B. U-Profile) ergibt sich bei Querkraftbelastung eine Verdrehung (Torsion), wenn die Belastungsrichtung senkrecht zur Symmetrieachse liegt. Verhindern lässt sich diese Verdrehung nur, wenn die Querkraft im so genannten Schubmittelpunkt M eingeleitet wird, Bild 2-62. Greift die Querkraft F im Schwerpunkt S des U-Profils an, resultiert aus den Schubspannungen im Querschnitt ein Torsionsmoment T in der Ebene senkrecht zur Balkenachse, das die Verdrehung des Profils hervorruft. Wird die Querkraft mit Hilfe der angeschweißten Winkelkonsole im Schubmittelpunkt M des U-Profils aufgebracht, so ergibt sich ein Torsionsmoment aus der Kraft F multipliziert mit dem Abstand MS , das gleich dem Moment aus den Schubspannungen, aber entgegengesetzt gerichtet ist. F
F
S
F
M T T
S
S T = 0 T
Bild 2-62 Schubspannungsfluss und Schubmittelpunkt
S
2.4 Torsionsbeanspruchung
89
Bei symmetrischen Profilen mit Querkraft im Schwerpunkt, z. B. beim I-Profil in Bild 2-62 rechts, erhält man einen symmetrischen Schubspannungsfluss und damit keine Verdrehung. Der Schubmittelpunkt ist also der Punkt, in dem die Querkraft wirken muss, damit sie zwar eine Verbiegung des Balkens, aber keine Verdrehung verursacht. Der Schubmittelpunkt liegt immer auf einer Symmetrieachse der Querschnittsfläche und seine Lage ist für Standardprofile in den Profiltabellen (z. B. in DIN 1026-1 für U-Profile) angegeben. Die Lage hängt nur von der Querschnittsgeometrie, nicht aber von der Belastung ab.
2.4 Torsionsbeanspruchung In diesem Abschnitt betrachten wir die Drehmomentbelastung von Bauteilen. Der Einfachheit halber beginnen wir mit Bauteilen mit kreisförmigem Querschnitt und Rohrquerschnitt, die im Maschinenbau bei Antriebswellen überwiegend verwendet werden.
2.4.1 Torsion kreisförmiger Querschnitte Ein Kreiszylinder bzw. eine Welle (Bild 2-63a) wird durch ein in einer Ebene senkrecht zur Wellenachse wirkendes Kräftepaar auf Verdrehung (Torsion) beansprucht. Dieses Kräftepaar mit dem Hebelarm a ruft im freigemachten Teilabschnitt der Welle ein Torsionsmoment T = F·a hervor (Bild 2-63b). Aus Deformationsversuchen ist bekannt, dass bei der Verdrehung eines Kreisquerschnittes die Durchmesser erhalten und die Querschnittsflächen eben bleiben. a )
b )
c ) F T a
F a
F F
t
T = F ·a
Bild 2-63 a) Durch Verdrehung beanspruchter Kreiszylinder; b), c) frei geschnittener verdrehter Zylinder
Wie in Bild 2-64 dargestellt, wandern bei Verdrehung des Querschnittes der Punkt B nach B’ und der Punkt C nach C’. Bei Torsion wird demnach der Kreisquerschnitt um seine Mittelachse verdreht. Von der Mittelachse bis zum Rand nimmt die Deformation linear zu. Nach dem HOOKE’schen Gesetz nimmt damit auch die Schubspannung linear zu.
90
2 Einfache Beanspruchungen B
t
B '
C
m a x
t
C ' O O
Bild 2-64 Verformung und Schubspannungsverteilung bei Torsion
Schubspannung Für die Auslegung einer Welle und für den Festigkeitsnachweis ist es wichtig, die maximale Schubspannung τmax bei gegebenem Torsionsmoment berechnen zu können. Dazu betrachten wir Bild 2-65. Im Kreisring gilt: dT = r·dF = r⋅τ⋅ dA. Das Torsionsmoment können wir daraus durch Integration berechnen:
³
T = r ⋅ τ ⋅ dA
(2.76)
d r R r
Für die Spannung τ ergibt sich aufgrund der linearen Spannungsverteilung (siehe Bild 2-64) folgender Zusammenhang mit der Randspannung τmax: r R
τ = τ max t
(2.77)
Bild 2-65 Zur Herleitung der Grundgleichung der Torsion
d A
Zusammengefasst erhält man aus den Gln. (2.76) und (2.77) unter Beachtung der Integrationsgrenzen das bestimmte Integral für das Torsionsmoment T=
τ max R
R
³r
2
⋅ dA
(2.78)
0
Das Integral stellt dabei eine charakteristische Querschnittsgröße bei Torsion dar und wird polares Flächenträgheitsmoment oder polares Flächenmoment 2. Grades genannt: R
I p = ³ r 2 ⋅ dA 0
(2.79)
2.4 Torsionsbeanspruchung
91
Dividiert man das polare Flächenmoment 2. Grades durch den Außenradius, erhält man das Torsionswiderstandsmoment Wt, bei Kreisquerschnitten auch polares Widerstandsmoment Wp genannt: Wt = Wp =
Ip
(2.80)
R
Damit lässt sich für die Grundgleichung der Torsion schreiben:
τt =
T T = mit τ t = τ max als Spannung in der Außenfaser. W t Wp
(2.81)
Für die Torsionsgrundgleichung gelten folgende Voraussetzungen: • Die Deformation ist elastisch, d. h. es gilt das HOOKE’sche Gesetz. • Die Querschnitte bleiben eben; sie verwölben sich nicht. • Der untersuchte Querschnitt liegt nicht in der Nähe der Drehmomenteinleitung bzw. in der Nähe einer Kerbe. • Die Belastung ist statisch; es treten keine Trägheitskräfte auf. • Das unbelastete Bauteil ist spannungsfrei – ansonsten würden sich die Spannungen überlagern. Das polare Flächenmoment 2. Grades kann entsprechend Bild 2-65 für einen Kreisring mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra nach Gl. (2.79) berechnet werden. Für die TeilKreisringfläche nach Bild 2-65 gilt dabei dA = 2π r⋅ dr. ra
ra
³
³
I p = r 2 ⋅ dA = 2π r 3 ⋅ dr → I p = ri
ri
π 2
(ra4 − ri4 )
(2.82)
Mit dem Innendurchmesser di und dem Außendurchmesser da lautet diese Gleichung:
Ip =
π 32
(d a4 − d i4 )
(2.83)
Um das polare Flächenmoment 2. Grades für einen Vollkreisquerschnitt zu ermitteln, setzt man di = 0 und da = d: Ip =
π 32
d4
(2.84)
Für die Torsionswiderstandsmomente (auch „polare Widerstandsmomente“ genannt) erhält man aus den polaren Trägheitsmomenten für den Kreisringquerschnitt
Wp =
π d a4 − d i4 16
⋅
da
=
π D4 − d 4 16
⋅
D
(2.85)
und für den Vollkreisquerschnitt Wp =
π 16
⋅d 3
(2.86)
92
2 Einfache Beanspruchungen
Man erkennt, dass der Kreisringquerschnitt (Rohrquerschnitt) ideal für die Übertragung von Torsionsmomenten geeignet ist, denn der innere Teil des Vollkreisquerschnitts trägt wenig zur Torsionsmomentübertragung bei, aber hat einen Anteil an der Masse. Für Gelenkwellen (Kardanwellen) in Fahrzeugen wie Pkw, Lkw und Schienenfahrzeugen werden deshalb in der Regel Rohrquerschnitte verwendet. Aus Gl. (2.81) mit Gl. (2.86) kann durch Einsetzen von τt zul und Umstellen nach d eine Gleichung zur Vordimensionierung von Vollwellen gewonnen werden: d erf = 3
16 ⋅ T π ⋅τ t zul
(2.87)
Beispiel 2-19
Das Mittelstück einer Gelenkwelle (ohne Gelenke) sei 600 mm lang. Es soll ein Drehmoment T = 1500 Nm übertragen. Die Welle soll probeweise sowohl als Vollwelle als auch als Rohr ausgelegt werden. Als Werkstoff ist S355JR vorgesehen mit einer zulässigen Torsionsspannung von τt zul = 150 N/mm². Die Kosten je kg Stahl S355JR betragen für Rohrhalbzeug 2,30 € und für Rundmaterial 1,70 €. Lösung: Wir dimensionieren die Welle mit Gl. (2.87) vor: d erf =
3
16 ⋅ T
π ⋅τ t zul
=
3
16 ⋅ 1 500 000 Nmm
π ⋅ 150 N/mm2
≈ 37,06 mm
Wir wählen d = 38 mm. Für die Vordimensionierung des Rohres muss man einen Innendurchmesser oder eine Wandstärke vorwählen und dann den Außendurchmesser über Gl. (2.85) bestimmen. Zu beachten ist, dass Rohre nicht in beliebigen Abmessungen geliefert werden (siehe DIN EN 10220). Hier kommt ein Rohr mit da = 48,3 mm und 4 mm Wandstärke infrage. Wir können dann die polaren Widerstandsmomente für das Rohr nach Gl. (2.82) und für die Vollwelle nach Gl. (2.86) berechnen (siehe Tabelle). Die Torsionsspannungen nach Gl. (2.81) sind für beide Ausführungen fast gleich und liegen unter der zulässigen Spannung. Obwohl die Kosten für Rohre je kg höher sind als für Rundmaterial, sind die Halbzeugkosten für die Hohlwelle mit 6,03 € deutlich günstiger als für die Vollwelle mit 9,08 €. Dies liegt an der erheblich geringeren Masse der Hohlwelle bei gleicher Festigkeit. Für Kardanwellen bietet die Hohlwelle außerdem den Vorteil, dass die Gelenke (meist Schmiedestücke) einfach in die Hohlwelle eingeschoben und mit ihr verschweißt oder eingeschrumpft werden können.
Abmessungen
Wp
A
Torsionsspannung τt
Masse
Halbzeugkosten
mm³
mm²
N/mm²
kg
€
Vollquerschnitt
d = 38 mm
10 775
1 134
139
5,34
9,08
Rohr
∅ 48,3 x 4
11 402
557
132
2,62
6,03
2.4 Torsionsbeanspruchung
93
Verdrehwinkel
Bild 2-66 Verformung eines Zylinders unter Torsionsbeanspruchung
Das Torsionsmoment T verdreht entsprechend Bild 2-66 den Endquerschnitt der Welle um den Winkel ϕ. Zwischen den Winkeln ϕ und γ besteht nach Bild 2-66 folgender geometrischer Zusammenhang über den Kreisbogen: s =ϕ ⋅ r = γ ⋅ l γ =
ϕ ⋅r
(2.88)
l
Das HOOKE’sche Gesetz lässt sich für Schiebung schreiben als
τ = G ⋅γ γ =
τ
(2.89)
G
Mit = t = T/Wp ergibt sich für den Winkel γ
γ=
T Wp ⋅ G
(2.90)
Setzt man Gl. (2.88) in (2.90) ein, erhält man schließlich:
ϕ ⋅r l
=
T T ⋅l →ϕ= Wp ⋅ G Wp ⋅ r ⋅ G
(2.91)
Da Wp·r = Ip ist, lässt sich der Verdrehwinkel ϕ (im Bogenmaß) am Endquerschnitt berechnen:
ϕ=
T ⋅l G ⋅ Ip
bzw.
ϕ=
τ ⋅l r ⋅G
(2.92)
Das Produkt G·Ip stellt die Verdreh- bzw. Torsionssteifigkeit einer Welle dar. Der Verdrehwinkel ϕ wächst also mit dem Torsionsmoment T, mit der wirksamen Länge l und dem Kehrwert der Verdrehsteifigkeit. Die Federsteifigkeit bzw. Federrate eines auf Verdrehung beanspruchten Querschnittes, z. B. einer Drehstabfeder, erhält man nach folgender Gleichung: C=
T
ϕ
=
G ⋅ Ip l
;
[C ] =
Nmm rad
(2.93)
94
2 Einfache Beanspruchungen
Beispiel 2-20
Eine Drehfeder besteht aus einem Vollstab (1) und einem Rohr (2), siehe Skizze. Die Verbindung links kann als starr angenommen werden. Der Verdrehwinkel der Gesamtanordnung ist zu berechnen. Gegeben: T = 105 Nmm, G = 81000 N/mm². 3 0 0 2 T
T
Æ 4 0 Æ 5 0
Æ 2 0
1
Lösung: Die Drehwinkel von Vollstab und Rohr addieren sich, da es sich um eine Hintereinanderschaltung von Federn handelt:
ϕ ges = ϕ Voll + ϕ Rohr Damit erhalten wir unter Verwendung der Gl. (2.86):
ϕ ges =
T ⋅ l §¨ 1 1 ⋅ + G ¨© I pVoll I pRohr
I pVoll = I pRohr =
π 32
π 32
⋅d 4 =
(
π 32
· ¸ ¸ ¹
20 4 mm 4 = 15708 mm 4
⋅ d a4 − d i4
)
=
π 32
(504 − 404 ) mm 4 = 362265 mm 4
105 Nmm ⋅ 300 mm § 1 1 · 1 ⋅¨ + ¸ 4 81000 N/mm² 15708 362 265 mm © ¹ = 0,0246 rad ≈ 1, 41°
ϕ ges = ϕ ges
Formänderungsarbeit Wie in Abschnitt 1.5 für Zug/Druck und in Abschnitt 2.3.1 für Schub wird auch für Torsion die Formänderungsarbeit berechnet. Gerade bei Federn spielt die Kenntnis der Formänderungsarbeit eine große Rolle, wenn Federn z. B. als Antriebs- oder Rückholfedern eingesetzt bzw. zur Stoßaufnahme in Puffern oder als elastische Anschläge verwendet werden. W = ³ T ⋅ dϕ
(2.94)
2.4 Torsionsbeanspruchung
95
Das Torsionsmoment T ist eine Funktion des Drehwinkels ϕ. Mit T = C·ϕ , wobei C die Drehfederkonstante ist, lautet das Integral: W = ³ C ·ϕ ⋅ dϕ
(2.95)
Für die Formänderungsarbeit ergibt sich demnach: 1 1 W = ⋅ C ⋅ϕ 2 = ⋅T ⋅ϕ 2 2
(2.96)
Setzt man in Gl. (2.96) die Gln. (2.92) bzw. (2.93) ein, so erhält man für die Formänderungsarbeit drei weitere Beziehungen: W=
G ⋅ Ip 2 Ip ⋅l l ⋅ϕ sowie W = ⋅τ t2 ⋅ T 2 und W = 2⋅l 2⋅G ⋅ Ip 2⋅G ⋅ r2
(2.97)
Die letztgenannte Gleichung für die Formänderungsarbeit bei Torsion soll nun mit den entsprechenden Beziehungen für Zug/Druck und Schub verglichen werden: Zug/Druck: W =
V0 ⋅ σ 2 mit V0 = l ⋅ A 2⋅ E
W=
V ⋅ τ 2 mit V = L ⋅ A 2⋅G
Schub:
Bei beiden Spannungsarten sind die Spannungen gleichmäßig im betrachteten Querschnitt verteilt. Für Torsion sieht die Gleichung ähnlich aus; allerdings steht hier die Größe Ip /r² anstelle der Fläche A bei Zug/Druck und Schub, da bei Torsion die Spannungen linear über dem Querschnitt verteilt sind (siehe Bild 2-64). Beispiel 2-20
Für eine Drehstabfeder mit der federnden Länge l = 500 mm ist der erforderliche Stabdurchmesser derf zu ermitteln für eine Arbeitsaufnahme der Feder von W = 20 Nm bei einem Verdrehwinkel von ϕ = 30°. Wie groß ist hierbei die Torsionsspannung? Gegeben: G = 80000 N/mm² Lösung: Wir verwenden den mittleren Ausdruck der Gl. (2.97) und setzen ein: Ip =
π 32
⋅ d 4 und ϕ = 30° =
π 6
W=
4 G ⋅ π ⋅ d erf π2 ⋅ 64 ⋅ l 36
Umgestellt nach derf und Zahlenwerte eingesetzt, erhält man: 4 d erf =
36 ⋅ 64 ⋅W ⋅ l 3
π ⋅G
=
36 ⋅ 64 ⋅ 20 000 Nmm ⋅ 500 mm
π 3 ⋅ 80 000 N/mm²
d erf = 9, 29 mm
Man wählt nun einen ganzzahligen Wert, z. B. d = 10 mm .
96
2 Einfache Beanspruchungen
Die Torsionsspannung berechnet man nach Gl. (2.78). Mit T = 2·W/ϕ und Wp = (π/16)·d3 ergibt sich für die Torsionsspannung: 2 ⋅W ⋅16
τt =
(π / 6) ⋅ π ⋅ d
3
=
192 ⋅ 20000 Nmm
π ² ⋅103 mm³
τ t = 389,07 N/mm2 ≈ 390 N/mm2 Diese Spannung liegt unterhalb der zulässigen Spannung von t zul 1000 N/mm² (z. B. für Drehstabfedern aus Federstahl 51CrV4).
2.4.2 Torsion dünnwandiger Querschnitte Wir betrachten jetzt einen geschlossenen dünnwandigen Rohrquerschnitt beliebiger Form und nicht konstanter Wandstärke, Bild 2-67. Die Schubspannung ist bei Betrachtung einer bestimmten Stelle am Umfang des Profils (z. B. A – A in Bild 2-67) über der Wandstärke s konstant, ist allerdings unterschiedlich groß an Stellen mit unterschiedlichen Wandstärken. d u
r ·c o s a
.
r
s
t ·s ·d u
a
B .
r ·c o s a A
t A
r
d A
d u
a B
Bild 2-67 Torsion dünnwandiger geschlossener Querschnitte
Man kann sich die Größe der Schubspannungen in der Wand des Querschnitts vorstellen wie die Strömungsgeschwindigkeit einer Flüssigkeit in einem Kanal, der die Form der Wand besitzt: An jeder Stelle strömt pro Zeiteinheit das gleiche Flüssigkeitsvolumen, aber an schmalen Stellen des Kanals ist die Strömungsgeschwindigkeit größer als an breiten Stellen. Dies entspricht dem Kontinuitätsgesetz der Strömungsmechanik. Daher spricht man vom Schubfluss, der an allen Querschnitten der Wand konstant ist: Schubfluss = ·s = 1·s1 = 2·s2 = const Für das in Bild 2-67 hervorgehobene Wandelement mit der Schubspannung , der Wandstärke s und der Länge du erhalten wir eine Teil-Schubkraft dF: dF = τ ⋅ s ⋅ du
2.4 Torsionsbeanspruchung
97
Diese Teil-Schubkraft erzeugt ein Moment dT um einen (beliebigen) Bezugspunkt B: dT = dF ⋅ r ⋅ cos α = τ ⋅ s ⋅ du ⋅ r ⋅ cos α
Das gesamte Schnittmoment T erhält man, wenn man über den gesamten Weg, d. h. über die gesamte Profilmittellinie integriert: T =
v³ τ ⋅ s ⋅ r ⋅ cos α ⋅ du
= (τ ⋅ s ) ⋅ v ³ r ⋅ cos α ⋅ du
Da der Schubfluss ⋅s ja konstant ist, kann er vor das Integral gezogen werden. Das Produkt r ⋅ cos α ⋅ du ist eine Rechteckfläche, wobei die hervorgehobene Dreieckfläche dA = (1 / 2) ⋅ r ⋅ cos α ⋅ du in Bild 2-67 (rechts) gleich der halben Rechteckfläche ist: r ⋅ cos α ⋅ du = 2 ⋅ dA
→
T = 2 ⋅τ ⋅ s ⋅ v ³ dA
Das Integral entspricht dem Summieren aller kleinen Dreiecksflächen mit dem Ergebnis Am, der von der Profilmittellinie eingeschlossenen Fläche. Das gesamte Torsionsmoment errechnet sich daher zu: T = 2 ⋅τ ⋅ s ⋅ Am
(2.98)
Durch Umstellen dieser Gleichung erhält man für die Schubspannung bei einer Wandstärke s die 1. BREDT’sche Formel5:
τ=
T 2 ⋅ Am ⋅ s
(2.99)
Die größte Schubspannung max tritt an der Stelle mit der kleinsten Wandstärke smin auf:
τ max =
T T = ≤τ zul 2 ⋅ Am ⋅ smin Wt
(2.100)
Das Torsionswiderstandsmoment für beliebige dünnwandige geschlossene Querschnitte lässt sich aus dieser Gleichung angeben: Wt = 2 ⋅ Am ⋅ smin
(2.101)
Die 1. BREDT’sche Formel ist allgemeingültig für geschlossene dünnwandige Profile, z. B. für Kreis-, Rechteck-, Dreieck- und Ovalrohre. Außerdem wird sie zum Festigkeitsnachweis geschlossener, auf Torsion beanspruchter Schweißnähte verwendet. Schweißnähte können dabei als dünnwandige Profile angesehen werden.
Beispiel 2-22 Man ermittle das Torsionswiderstandsmoment für die skizzierte kreisringförmige Schweißnaht mit dem Durchmesser der Wurzellinie (= mittlerer Durchmesser entsprechend der Bauteilkontur) d = 50 mm und der Schweißnahtdicke a= 3 mm.
5
Rudolph Bredt (1842 – 1900), deutscher Ingenieur
98
2 Einfache Beanspruchungen W u rz e llin ie = R a n d lin ie d e r m ittle re n F lä c h e
d W u rz e llin ie
a
a
d -a d + a
A m
a = S c h w e iß n a h td ic k e
Lösung: Das Torsionswiderstandsmoment kann einmal entsprechend dem polaren Widerstandsmoment nach Gl. (2.79) ermittelt werden, wenn für den Außendurchmesser d + a und für den Innendurchmesser d – a eingesetzt wird: Wp =
π ( d + a )4 − ( d − a )4 16
⋅
d +a
=
π 534 − 474 16
⋅
53
mm3
Wp = 11154 mm3
Die zweite Möglichkeit ist die Berechnung nach der 1. BREDT’schen Formel Gl. (2.101) mit der Wanddicke s = a. Die mittlere Fläche wird durch die Wurzellinie begrenzt und besitzt den Durchmesser d: Wt = 2 ⋅ Am ⋅ a = 2 ⋅
π 4
d 2 ⋅a = 2⋅
π 4
502 mm 2 ⋅ 3 mm
Wt = 11781 mm3
Hier ergibt sich nach BREDT ein etwas höherer Wert. Die Abweichungen sind umso geringer, je kleiner die Wandstärke s (hier: Schweißnahtdicke a) ist.
2.4.3 Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte Wir betrachten jetzt die Torsion eines Stabes mit Kreisquerschnitt und eines Stabes mit Rechteckquerschnitt, Bild 2-68. Zur Kennzeichnung der Deformationen bei Torsion sind die Außenflächen der Stäbe mit einem quadratischen Raster versehen.
2.4 Torsionsbeanspruchung
99
Bild 2-68 Torsion eines Stabes mit Kreis- bzw. Rechteckquerschnitt
Beim Kreisquerschnitt verformen sich alle Quadrate auf der Mantelfläche gleich; die Stabendflächen bleiben eben. Dagegen werden die Quadrate auf dem Rechteckquerschnitt unterschiedlich deformiert. Die Endflächen des Rechteckstabes bleiben nicht eben; sie wölben sich auf. Die mathematische Behandlung der Torsion für beliebige Querschnitte ist sehr anspruchsvoll, so dass hierfür Versuche von Bedeutung sind. Sehr hilfreich für das allgemeine Verständnis ist das hydrodynamische Gleichnis: Es besteht eine Analogie zwischen den Spannungslinien eines auf Torsion beanspruchten Querschnitts und den Stromlinien einer in einem Behälter rotierenden Flüssigkeit. Die Querschnittsform des tordierten Stabes und die Behälterform sind dabei gleich. Die Strömungsgeschwindigkeiten der Flüssigkeit entsprechen den Spannungen im Querschnitt, siehe Bild 2-69.
S tro m - b z w . S p a n n u n g s lin ie n
T o tw a s s e r (s p a n n u n g s fre i)
Bild 2-69 Hydrodynamisches Gleichnis für die Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte
In den Ecken eines rechteckigen Beckens ist die Strömungsgeschwindigkeit null (Totwasser). Demzufolge hat der rechteckige Querschnitt an diesen Stellen keine Torsionsspannung. Die größte Strömungsgeschwindigkeit herrscht in der Mitte der langen Rechteckseite. Bei Torsion liegt hier die maximale Torsionsspannung tmax vor. Durch die Einführung entsprechender Querschnittsgrößen können die Berechnungsgleichungen für Torsionsstäbe mit beliebigen
100
2 Einfache Beanspruchungen
Querschnittsformen auf eine ähnliche Form gebracht werden wie die Gleichungen für kreiszylindrische Stäbe. Der allgemeine Ansatz für die Zusammenhänge zwischen der Belastung T (Torsionsmoment), dem Stoffwert G (Schubmodul) und der Torsionsspannung t sowie der Deformation ϕ (Verdrehwinkel) lautet dann wie folgt:
τt =
T Wt
und ϕ =
T ⋅l G ⋅ It
(2.102)
Wt ist dabei das Drillwiderstandsmoment und It ist das Drillflächenmoment 2. Grades. Letzteres ist im Allgemeinen nicht gleich dem polaren Flächenmoment 2. Grades Ip. It und Wt werden üblicherweise aus Versuchen oder über mathematische Näherungsverfahren ermittelt. Für einige Querschnittsformen sind diese Größen in Tabelle 2-5 zusammengestellt.
Beispiel 2-23
In welchem Verhältnis stehen die von den beiden skizzierten Kastenträgern aufnehmbaren Torsionsmomente Ta und Tb? Beide Träger haben dieselben Abmessungen; der Träger a) ist geschlossen, Träger b) besitzt einen schmalen Längsschlitz.
3
3
3 3
b )
6 0
1 2 0
1 2 0
a )
L ä n g s s c h litz
1 2 0
1 2 0
Lösung: Für beide Träger gilt dieselbe zulässige Spannung:
τ t zul =
Ta T = b Wta Wtb
→
Ta Wta = Tb Wtb
Für das geschlossene Profil verwenden wir die BREDT’sche Formel Wta = 2 ⋅ Am ⋅ s
und setzen die entsprechenden Größen aus der Skizze in der Einheit cm ein:
2.4 Torsionsbeanspruchung
101
Wta = 2 ⋅ (12 − 0,3)2 ⋅ 0,3 cm3 Wta = 82,1 cm3
Das Drillwiderstandsmoment für den geschlitzten Kastenträger ermitteln wir mit Hilfe der Zeile 9 aus Tabelle 2-5: Wtb =
η 3bmax
⋅ ¦ bi3 ⋅ hi
Der Beiwert η berücksichtigt die Querschnittsform. Wir schätzen hier η ≈ 1. Die Summe wird aus den Produkten Breite hoch drei mal Höhe der einzelnen Profilabschnitte gebildet. Für h setzen wir hier die jeweilige Länge des Abschnitts und für b die Dicke ein, wieder in der Einheit cm. Wtb =
1 ⋅ (3 ⋅ 0.33 ⋅ 12 + 2 ⋅ 0,33 ⋅ 6) cm3 = 1, 44 cm3 3 ⋅ 0,3
Daraus ergibt sich für das Verhältnis der Torsionsmomente: Ta 82,1 = ≈ 57 Tb 1,44
Der geschlossene Kastenträger kann demnach das 57-fache Torsionsmoment des geschlitzten Trägers aufnehmen. Grundsätzlich sind geschlossene Profile wesentlich torsionssteifer als offene.
Beispiel 2-24
Zu ermitteln sind das Verhältnis der axialen und polaren Flächenmomente 2. Grades eines Kreises und eines Quadrates bei gleicher Querschnittsfläche (siehe Skizze)! Beide Flächen sollen gleich groß sein; es gilt also: AKreis = π ⋅ r 2 = AQuadrat = a 2 a = r ⋅ π
r y
y
I y Kreis =
π 64
I y Quadrat = I y Kreis I y Quadrat
≈
d4 =
π 4
r 4 ≈ 0, 79 ⋅ r 4
b ⋅ h3 a4 π2 4 = = r ≈ 0,82 ⋅ r 4 12 12 12 0, 79 ⋅ r 4 0,82 ⋅ r 4
≈ 0,96
a Lösung: Das Drillflächenmoment für ein quadratisches Profil finden wir in Tabelle 2-5, Zeile 4.
102
2 Einfache Beanspruchungen
π
I t Kreis =
32
d 4 = 2 ⋅ I y Kreis ≈ 1,57 ⋅ r 4
I t Quadrat ≈ 0,141 ⋅ a 4 ≈ 0,141 ⋅ π 2 ⋅ r 4 ≈ 1,39 ⋅ r 4 I t Kreis
≈
I t Quadrat
1,57 ⋅ r 4 1,39 ⋅ r 4
≈ 1,13
Während das axiale Flächenmoment der Kreisfläche nur geringfügig kleiner ist als das der Quadratfläche, hat der Kreisquerschnitt ein um 13 % größeres Drillflächenmoment als der Quadratquerschnitt. Für Wellen als weit verbreitetes Maschinenelement im Maschinenbau ist daher der Kreisquerschnitt gut geeignet, weil meistens sowohl Biegemomente als auch Torsionsmomente aufgenommen werden müssen. Beispiel 2-25 (Finn Niklas’ Dreirad)
Die Antriebswelle des Dreirades aus S235 hat einen Durchmesser d = 18 mm. Der Antrieb erfolgt vom Kettenrad auf das linke Hinterrad. Das rechte Hinterrad ist lose auf der Welle befestigt, überträgt daher keine Drehmomente (das Dreirad besitzt kein Differenzialgetriebe). Wie groß ist die Torsionsbeanspruchung der Antriebswelle im normalen Fahrbetrieb und im Extremfall? Die Radlasten Fhl und Fhr betragen je 197,7 N. Abmessungen (siehe Skizze): z N
sL = 650 mm; sZ = 430 mm; a = 150 mm; dZ = 70 mm; D = 300 mm O
a F
s
Die Übersetzung von der Tretkurbel zur Kette beträgt i = 1,6:1 in der für die Übertragung der Fußkraft günstigsten Stellung. a
L
K e tte n ra d
h l
F
h r
Z
z
s
d
T
d
D
T
Der Fahrwiderstand des Dreirades, der als Umfangskraft am linken Hinterrad aufgebracht werden muss, wurde zu Fges = 50 N abgeschätzt.
F
Lösung: F
h l
M
T
b
h r
Im unteren Bildteil sind die Verläufe des Torsionsmomentes sowie des Biegemomentes aus den Radlasten dargestellt. Wir betrachten hier nur das Torsionsmoment. Wir gehen zunächst von normaler Fahrt aus und setzen den Fahrwiderstand als Umfangskraft am linken Hinterrad an. Damit erhält man das Torsionsmoment zu T = Fges⋅D/2 = 7500 Nmm.
2.4 Torsionsbeanspruchung
103
Mit den Gln. (2.81) und (2.86) erhält man für die Torsionsspannung: T
τt =
π 16
d
=
3
7500 Nmm 1145 mm3
≈ 6,6 N/mm 2
Diese Spannung ist sehr klein. Damit auch bei extremer Belastung die Welle nicht versagt, überprüfen wir noch die maximale Torsionsspannung. Sie tritt auf, wenn Finn Niklas mit voller Beinkraft die Tretkurbel belastet und gleichzeitig das linke Hinterrad (Antriebsrad) z. B. durch einen vorgelegten Stein oder durch Anziehen der Handbremse blockiert ist. Die maximale Fußkraft kann man mit der doppelten Gewichtskraft des Fahrers zu etwa FFuß,max = 1100 N abschätzen. Mit der gegebenen Übersetzung beträgt die Umfangskraft am Kettenrad (gleich Zugkraft in der Kette) auf der Hinterachswelle FuZ =
FFuß,max i
=
1100 N ≈ 688 N 1, 6
und damit das maximale Torsionsmoment Tmax = FuZ ⋅ d z 2 ≈ 24080 Nmm
Damit ist die maximal in der Hinterachswelle auftretende Torsionsspannung
τ t max =
24 080 Nmm 1145 mm 3
≈ 21 N/mm 2
Ob diese Spannung vom Bauteil aufgenommen werden kann, können wir erst entscheiden, wenn wir die Vergleichsspannung ermittelt haben (siehe Kapitel 3), die auch die Biegespannungen in der Welle einbezieht.
104
2 Einfache Beanspruchungen
Tabelle 2-5: Widerstands- und Flächenmomente bei Verdrehung beliebiger Querschnitte Wt
π
d
1
16
It
d 3 ≈ 0, 2d 3
π 32
Bemerkungen Größte Spannung am Umfang
d 4 ≈ 0,1d 4
Wt = 2Wb It = Ip
2
d
d i
a
π d a4 − d i4 16
π 32
da
(d
4 a
4
− di
)
Für kleine Wanddicken
s
( Aa + Ai ) smin
2 ( Aa + Ai ) s ⋅ 2 ≈ 4 Am
≈ 2 Am smin
3
Am um
s um
Wie unter 1
Aa = Inhalt der von der äußeren Umrisslinie begrenzten Fläche Ai = Inhalt der von der inneren Umrisslinie begrenzten Fläche Am = Inhalt der von der Mittellinie umgrenzten Fläche
(BREDT’sche Formeln)
um = Länge der Mittellinie (mittlere Umrisslinie)
4
a
0, 208a
3
4
0,141a =
a
5
a>b
b
a b
4
7,11
≤5
0, 208a1,215 ⋅ b1,785
a
a
Siehe Tabellenbücher
Größte Spannungen in den Mitten der Seiten. In den Ecken ist τ = 0.
Größte Spannungen in der Mitte der größten Seiten. In den Ecken ist τ = 0.
2.4 Torsionsbeanspruchung
105
Wt
It
Bemerkungen
Gleichseitiges Dreieck
a3
h
6
20
≈
h3
a4
13
46,19
≈
h4 26
Größte Spannungen in der Mitte der Seiten. In den Ecken ist τ = 0.
a Regelmäßiges Sechseck
1, 511ρ 3
1,847 ρ 4
1, 481ρ 3
1, 726 ρ 4
7
Größte Spannungen in der Mitte der Seiten
2 r Regelmäßiges Achteck
8
Größte Spannungen in der Mitte der Seiten
2 r Dünnwandige Profile
η
h b
1
b h
1
2
¦ bi3hi Größte Spannungen in der Mitte der Längsseiten des Rechteckes mit der größten Dicke bmax
1
b b h
3
W e rte h
2
h
9
η
¦ bi3hi 3bmax
2
h b
3
1 2 3
h
0 ,9 9
1 ,1 2
1 ,1 7
1 ,3 1
1 ,2 9
106
2 Einfache Beanspruchungen
2.5 Knickung Bei schlanken Druckstäben gibt es eine Versagensart bei Druckbelastung, die Knicken genannt wird. Knicken ist kein Festigkeits-, sondern ein Stabilitätsproblem. Damit wollen wir uns in diesem Abschnitt beschäftigen.
2.5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad Zugkräfte haben auf verformte Bauteile eine stabilisierende Wirkung. So wird z. B. der Durchhang eines Seils oder einer Kette durch eine Erhöhung der Zugkraft reduziert. Ein schlanker Stab, der etwas durchgebogen oder gekrümmt ist, wird durch eine Zugkraft gestreckt, durch eine Druckkraft aber stärker gekrümmt. Ein schlanker Stab unter einer Druckkraft neigt zum Knicken oder Ausknicken. Hierbei handelt es sich um eine eindimensionale Instabilität. Dünnwandige Platten oder Schalen neigen unter Druckkräften zum Beulen oder Ausbeulen. Dies nennt man zweidimensionale Instabilität. Es gibt noch weitere Versagensformen von Bauteilen: Bei dünnwandigen, offenen Profilen können unter Druckkraft Drillknicken oder Biegedrillknicken auftreten. Biegebeanspruchte Träger mit schmaler Querschnittsfläche (z. B. ein aufrecht gestelltes Rechteckprofil) können durch Kippen versagen. Wir werden uns hier nur mit dem Knicken als einzige Instabilität beschäftigen. Knicken ist eine mögliche Versagensform druckbelasteter Bauteile. Dazu gehören im Bauwesen z. B. Säulen, Pfeiler und Stützen ebenso wie Masten. Im Maschinenbau sind z. B. Druckstangen, Schraubenspindeln von Pressen sowie Pleuel von Verbrennungsmotoren auf Knicken zu prüfen.
Bild 2-70 Durch Schnee- und Eislast geknickte Strommasten6
6
http://www.wetterzentrale.de/cgi-bin/webbbs/wzarchive2005_4.pl?read=775421; aufgerufen am 25.02.2010; Foto: Klaus Bingel
2.5 Knickung
107
Die in Bild 2-70 gezeigten Strommasten haben versagt, weil innerhalb des (räumlichen) Fachwerks ein auf Druck belasteter Stab geknickt ist und damit weitere Stäbe überlastet wurden. Bei einem auf Druck belasteten schlanken Stab ist es von Interesse, ob eine von außen einwirkende Störung, eine kleine Querauslenkung, zurückgebildet oder verstärkt wird. Letzteres könnte bei einem labilen Gleichgewicht der Fall sein. Für einen idealen Stab mit idealer Belastung wurden die entsprechenden Beziehungen schon vor über 250 Jahren mathematisch hergeleitet. Ideal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Stabachse exakt gerade ist, also keine Vorverformung besteht, und dass die Druckkraft genau im Profilschwerpunkt und in Richtung der Stabachse angreift. Zunächst machen wir einen Gedankenversuch mit einem zwischen zwei Gelenken gelagerten Stab, der durch aufgesetzte Massen belastet wird, Bild 2-71. Untersucht werden soll der Einfluss einer kleinen Außermittigkeit der Belastung durch Vorgabe einer Exzentrizität e0.
m
2m
3m
3 m +?m
e0
e0 +e1
e0 +e2
e0 +e3
Bild 2-71 Entstehung des Knickvorgangs
In Stabmitte bildet sich jeweils eine Auslenkung e aus. Für eine Belastung mit der Masse m beträgt diese e = e0 + e1. Daraus ergibt sich für den Stab ein Biegemoment Mb = FG⋅( e0 + e1) mit FG = m⋅g. Für die Masse 2m stellt sich eine neue Gleichgewichtslage ein bei e = e0 + e2 mit e2 > e1. Bei der Masse 3m erhalten wir eine überproportionale Auslenkung e3 des Stabes aufgrund des Biegemomentes Mb = 3⋅ FG⋅ (e0 + e3). Der Stab kehrt allerdings nach Entlastung (Wegnahme der Masse 3m) in seine Ursprungslage zurück. Oberhalb der Druckkraft 3FG führt eine kleine Zusatzbelastung zu großer Deformation des Stabes und schließlich zu seiner Zerstörung. Die Belastung, die diese Zerstörung – das Knicken des Stabes – auslöst, nennt man Knicklast oder Knickkraft FK. Auch bei verringerter Anfangsexzentrizität e0 (e0 → 0) führt dieselbe Knickkraft FK zur Zerstörung des Stabes, Bild 2-72.
2 Einfache Beanspruchungen
FG
108
Bild 2-72 Knickkraft in Abhängigkeit von der Auslenkung
Wenn wir systematisch die Einflussgrößen unseres Experimentes aus Bild 2-71 untersuchen, erhalten wir folgende Zusammenhänge: Offenbar wird die Kickung eines schlanken Stabes durch das Biegemoment verursacht. Daher ist die Biegesteifigkeit E⋅I des Stabes für sein Knickverhalten wichtig. Je größer die Biegesteifigkeit E⋅I ist, umso größer ist die Knicklast: FK ∼ E⋅Imin. Die Knicklast wird umso kleiner, je länger der Stab ist: FK ∼ 1/lK² mit der Stablänge lK. Zusammengefasst lässt sich schreiben: FK ~
E ⋅ I min
(2.103)
lK 2
Bezieht man diese Knickkraft auf die Querschnittsfläche des Stabes, so erhält man die Knickspannung:
σK =
FK E ⋅ I min ~ A A ⋅ lK 2
(2.104)
Die Knickspannung ist offenbar abhängig von: • dem Elastizitätsmodul E, • dem minimalen Flächenmoment Imin des Stabes, • der Querschnittsfläche A und • dem Quadrat der Stablänge lK².
Mit der Definition des Trägheitsradius i (imin bezeichnet den Trägheitsradius für die Stabachse mit dem minimalen Flächenmoment 2. Grades) imin =
I min A
2 aus imin =
I min A
können wir den Schlankheitsgrad λ eines Knickstabes berechnen:
(2.105)
2.5 Knickung
λ=
109
lK =ˆ imin
lK
(2.106)
I min A
Im Schlankheitsgrad λ sind alle geometrischen Eigenschaften eines Knickstabes enthalten, die sein Knickverhalten bestimmen. Wir erhalten schließlich die Knickspannung als Funktion des Schlankheitsgrades:
σK ~
E ⋅ I min A ⋅ lK2
=
E l K2
2 ⋅ imin =
E
(2.107)
λ2
Die Knickspannung, also die Spannung im Stab, bei der dieser durch Knicken versagen wird, hängt damit offenbar vom Elastizitätsmodul E als Materialkonstante und vom Schlankheitsgrad λ als Beschreibung der geometrischen Eigenschaften ab. In Bild 2-73 sind in Versuchen ermittelte Knickspannungen für Stäbe aus Stahl E335 über dem Schlankheitsgrad λ aufgetragen.
E la s tis c h e K n ic k u n g
E la s tis c h -p la s tis c h e K n ic k u n g
4 0 0 N /m m ²
Q u e ts c h g re n z e
3 0 0 K n ic k s p a n n u n g s
K
P ro p o rtio n a litä ts g re n z e
2 0 0
E 3 3 5 K e in K n ic k n a c h w e is
1 0 0
0 0
2 0
4 0
6 0
1 0 0
8 0
S c h la n k h e its g ra d
1 2 0
1 4 0
l
Bild 2-73 Knickspannungen in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad (Versuchsergebnisse; nach [1])
110
2 Einfache Beanspruchungen
Wenn die Knickspannung unterhalb der Proportionalitätsgrenze σP des Werkstoffs liegt, spricht man von elastischer Knickung. Ist die Knickspannung größer als die Proportionalitätsgrenze, liegt elastisch-plastische Knickung vor. Für Schlankheitsgrade λ < 20, also sehr kurze Stäbe, ist ein Knicknachweis nicht erforderlich. Solche Stäbe müssen nur auf Festigkeit überprüft werden.
2.5.2 Elastische Knickung nach EULER Überlegungen zum Knicken von Druckstäben stellte EULER7 bereits im Jahre 1744 an. Er betrachtete einen ideal elastischen und zentrisch belasteten Stab (e0 = 0), dessen beide Enden in reibungsfreien Gelenken gelagert sind. Der Lastangriffspunkt (in Bild 2-74 oben) ist längs verschieblich in x-Richtung.
F
G e le n k
x
lK
w
Die Ausgangsdeformation w wird durch eine von außen einwirkende Störung hervorgerufen, z. B. durch eine in Bild 2-74 nicht eingezeichnete Querkraft. Solange die Axialkraft F kleiner ist als die Knickkraft FK, geht der Stab in seine gestreckte Ausgangslage zurück, wenn die seitliche Störung wegfällt. Das durch die elastische Verformung entstehende Rückstellmoment im Stab ist also größer als das von außen aufgebrachte Moment F⋅ w. Die Knickkraft FK ist die kleinste Axiallast, bei der sich der aufgebogene Stab im Gleichgewicht befindet. Diese Kraft kann man bestimmen über die Biegelinie. In Kapitel 4 wird dafür eine linearisierte Differenzialgleichung w" = – Mb/E·I hergeleitet. w(x) ist die Durchbiegung des Stabes in Abhängigkeit von der Koordinate x; w´ ist die Tangente an die Biegelinie und w" ist die Krümmung der Biegelinie. Die Krümmung ist proportional zum Biegemoment (w" = – Mb/E·I). Diese Beziehung verwenden wir hier zur Berechnung des Rückstellmomentes: M b = − w′′ ⋅ E ⋅ I
(2.108)
Im Grenzfall liegt ein Gleichgewicht von Rückstellmoment und äußerem Moment vor:
G e le n k
M b = FK ⋅ w = − w′′ ⋅ E ⋅ I w′′ ⋅ E ⋅ I + FK ⋅ w = 0 bzw.
I
A u s w e ic h ric h tu n g
m a x
I
m in
Mit der der Abkürzung k 2 = w′′ + k 2 ⋅ w = 0
Bild 2-74 Knickstab nach EULER 7
Leonhard Euler (1707 – 1783), Schweizer Mathematiker
w′′ +
FK ⋅w = 0 E⋅I
FK erhalten wir: E⋅I
(2.109)
2.5 Knickung
111
Damit haben wir eine lineare homogene Differenzialgleichung 2. Ordnung gefunden. Als Lösungsansatz eignen sich bei Betrachtung von Gl. (2.109) Funktionen, deren zweite Ableitung gleich der negativen Ursprungsfunktion ist, also Sinus- und Cosinus-Funktionen. Als allgemeiner Lösungsansatz kann folgende Funktion verwendet werden: w = A ⋅ sin (k ⋅ x ) + B ⋅ cos(k ⋅ x )
Erste Ableitung nach x: w′ = A ⋅ k ⋅ cos(k ⋅ x) − B ⋅ k ⋅ sin( k ⋅ x) Zweite Ableitung nach x: w′′ = − A ⋅ k 2 ⋅ sin(k ⋅ x) − B ⋅ k 2 ⋅ cos(k ⋅ x) bzw. w′′ + k 2 ⋅ w = 0
w′′ = − k 2 ⋅ w
Damit haben wir unter Beachtung von k =
FK die allgemeine Lösung: E⋅I
· · § FK § FK w = A ⋅ sin ¨ ⋅ x ¸ + B ⋅ cos¨ ⋅ x¸ ¨ E⋅I ¸ ¨ E⋅I ¸ ¹ ¹ © ©
Die Konstanten A und B ermitteln wir aus den Randbedingungen, den Lagerungsbedingungen nach Bild 2-74: Der Stab kann sich im oberen und unteren Lager nicht seitlich verschieben. Demnach gilt: Randbedingung 1 (oberes Lager): w0 = w (x = 0 ) = 0 Randbedingung 2 (unteres Lager): wl = w (x = l K ) = 0 Die Randbedingungen werden nun in die allgemeine Lösung eingesetzt: Randbedingung 1: 0 = A ⋅ 0 + B ⋅ 1 B = 0 · § FK ⋅l ¸ Randbedingung 2: 0 = A ⋅ sin ¨ ¨ E⋅I K¸ ¹ ©
FK ⋅ lK = 0; π ; 2π ; ... E⋅I
Um keine triviale Lösung zu erhalten, muss A ≠ 0 sein. Der erste nicht triviale Eigenwert ist daher FK ⋅ lK = π E⋅I
Aus dieser Gleichung kann jetzt die Knicklast, auch EULER-Last genannt, durch Umstellen berechnet werden: FK = π 2 ⋅
E ⋅ I min l K2
(2.110)
Aus der Knicklast kann man mit der Querschnittsfläche A und dem Schlankheitsgrad λ die EULER’sche Knickspannung ermitteln:
σK =
FK π 2 ⋅ E π 2 ⋅ E ⋅ I = = A λ2 l K2 ⋅ A
(2.111)
112
2 Einfache Beanspruchungen
Wenn diese Spannung im Stab vorliegt, knickt der Stab. Man erkennt, dass die Knickspannung nach Gl. (2.111) von der Festigkeit des Werkstoffs unabhängig ist. Als einziger Werkstoffkennwert taucht in Gl. (2.111) der Elastizitätsmodul E auf. Knicken ist daher kein Festigkeitsproblem, sondern ein Stabilitätsproblem. Ein Stab aus hochfestem Stahl knickt bei der gleichen Last wie ein Stab aus Baustahl, da beide in etwa denselben Elastizitätsmodul besitzen. Wichtig für diese Überlegungen ist, dass das HOOKE’sche Gesetz gilt, d. h. die Knickspannung σK muss unterhalb der Proportionalitätsgrenze σP liegen. Aus σK ≤ σP kann man den minimalen Schlankheitsgrad für die Gültigkeit der elastischen Knickung bestimmen:
λmin = π ⋅
E
(2.112)
σP
Die Proportionalitätsgrenze liegt bei Stählen ungefähr bei 80 % der Streckgrenze, für Baustahl S235 also bei σP 190 N/mm2. Mit E = 2,1⋅105 N/mm2 erhält man
λmin ≈ π ⋅
2,1 ⋅105 ≈ 104 (gültig für S235) 190
Für E335 mit σP 270 N/mm2 und demselben Elastizitätsmodul ergibt sich:
λmin ≈ π ⋅
2,1 ⋅105 ≈ 88 (gültig für E335) 270
8 0 0 N /m m ²
5 0 0 4 0 0 E 3 3 5 T e tm a je r
3 0 0
1 0 0 0
s 0
d z u l
S 2 3 5 fü r S 2 0
K
4 0
S 2 3 5 T e tm a j e r
r a je
2 0 0
= 4
= 8 8
m in
l
tm T e
K n ic k s p a n n u n g s
l
S 2 3 5 Q u e ts c h g re n z e
k
b z w . z u l. D ru c k s p a n n u n g s
6 0 0
0 0 L 2 G J
d z u l
7 0 0
l
m in
= 1 0 4
S ta h l E u le r
G JL 2 0 E u le 0 r
= 8 0
6 0 8 0 S c h la n k h e its g ra d
m in
1 0 0
1 2 0
1 4 0
1 6 0
l
Bild 2-75 Knickspannungen für Gusseisen und Stahl in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad λ (nach [1])
2.5 Knickung
113
In Bild 2-75 ist die Knickspannung σK = f(λ2) über dem Schlankheitsgrad λ aufgetragen. Man erhält rechts von den eben berechneten λmin (λmin 104 für S335 bzw. λmin 88 für E335) eine hyperbelförmigen Verlauf, die so genannte EULER-Hyperbel. Der Verlauf links davon wird im nächsten Abschnitt behandelt. Wir sind bisher von einem beidseitig gelenkig gelagerten Knickstab ausgegangen. Für Druckstäbe mit anderen Randbedingungen der Lagerung erhält man entsprechende Differenzialgleichungen mit anderen Knickkräften. In Bild 2-74 beim beidseitig gelenkig gelagerten Stab entspricht die Länge lK einer Sinus-Halbwelle. Bild 2-76 zeigt die vier Grundfälle der Lagerung von Knickstäben, wobei der bisher behandelte Fall 2 der „Normalfall“ ist mit der Knicklänge gleich der tatsächlichen Stablänge (lK = l). In Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen ergeben sich folgende Knicklängen und Schlankheitsgrade (Bild 2-76): • Fall 1 – der Stab ist an einem Ende fest eingespannt, das andere Ende ist frei: lK = 2· l und λ = 2⋅ l/imin • Fall 2 – der Stab ist beidseitig gelenkig gelagert: lK = l und λ = l/imin (Normalfall) • Fall 3 – der Stab ist einseitig fest eingespannt, die andere Seite ist gelenkig gelagert: lK 0,7⋅ l und λ = (0,7⋅ l)/imin • Fall 4 – der Stab ist einseitig fest eingespannt, am anderen Ende in einer Schiebehülse geführt: lK = 0,5⋅ l und λ = (0,5⋅ l)/imin
F
F F
l
F
1
Bild 2-76 EULER’sche Knickfälle mit Lagerungsbedingungen
2
3 4
114
2 Einfache Beanspruchungen
Mit Einführung der Knicklänge gelten die Knickkraft und die Knickspannung für alle vier Lagerungsfälle gleichermaßen: FK =
π 2 ⋅ E ⋅ I min
σK =
und
l K2
π2 ⋅E
(2.113)
λ2
Beispiel 2-26
Eine Stütze der Länge L0 mit dem Durchmesser d wird wie skizziert aus der spannungsfreien Stellung (Winkel ≠ 0) durch Verschieben des unteren Lagers in eine senkrechte Lage ( = 0) gebracht. Wie groß darf die Länge L0 höchstens sein, damit die Stütze in der senkrechten Stellung nicht ausknickt? Gegeben: d; L = 30 d; E O d
Lösung: L
Die Knickspannung errechnet sich nach Gl. (2.113):
σK = a
π2 ⋅E λ
2
mit dem Schlankheitsgrad λ =
lK . i
Das axiale Flächenmoment 2. Grades und die Querschnittsfläche ergeben sich für einen Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d zu: I=
π 64
d 4 und A =
π 4
d2
Für den Trägheitsradius erhält man: i2 =
π 4 4 I d2 , also i = = = d A 64 π ⋅ d 2 16
I d = A 4
Die Knicklänge ist hier lK = L = 30⋅d (Fall 2 nach Bild 2-76). Damit errechnet sich λ zu:
λ =4⋅
L 30 ⋅ d =4⋅ = 120 , also EULER-Knickung. d d
Die Druckspannung durch die elastische Verkürzung des Stabes von L0 auf L bei der Verschiebung aus der schrägen in die senkrechte Lage kann man nach dem HOOKE’schen Gesetz ermitteln:
σ d =ε ⋅ E =
L0 − L ⋅E L0
Diese Druckspannung muss gleich der Knickspannung (s. o.) sein:
σK =
π 2 ⋅E⋅d2 2
L ⋅ 16
L −L = 0 ⋅E L0
2.5 Knickung
115
Nach Umstellung dieser Gleichung erhält man:
π 2 ⋅d2 L = 1− L0 16 ⋅ L2
L
und schließlich L0 = 1−
2
π ⋅d
30 ⋅ d
=
2
1−
16 ⋅ L2
π 2 ⋅d2 16 ⋅ 900 ⋅ d 2
Daraus ergibt sich die gesuchte Ausgangslänge L0 = 30,02 ⋅ d . Beispiel 2-27
Ein beidseitig gelenkig an die festen Punkte A und B angeschlossener Stab mit Rechteckquerschnitt (Höhe h, Breite b) soll gleichmäßig erwärmt werden, bis ein Ausknicken des Stabes eintritt. Welche Temperaturerhöhung Δϑ ist hierfür erforderlich? Gegeben: l = 6 m l C
h = 300 mm
h
b = 150 mm
S c h n itt C C
A
E = 2,1⋅105 N/mm2
C
B b
= 1,2⋅10-5 K-1
Lösung: Es liegt Knickfall 2 vor mit lK = l = 6 m. Der Stab knickt um die Achse des kleineren axialen Flächenträgheitsmomentes aus, hier also um die senkrechte Achse; das Ausknicken erfolgt also senkrecht zur Zeichenebene – aus der Zeichenebene heraus. Die Knickspannung erhält man aus Gl. (2.113):
σK =
π2 ⋅E λ
2
mit λ =
lK imin
Für den Rechteckquerschnitt gilt für das kleinere axiale Flächenmoment 2. Grades: I min =
h ⋅ b3 12
Die Querschnittsfläche ist A = h ⋅ b. Für den minimalen Trägheitsradius erhält man daher: imin =
h ⋅ b3 b = 12 ⋅ h ⋅ b 2 3
Damit errechnet sich der Schlankheitsgrad zu:
λ =
l ⋅2 3 6 m ⋅2 3 = = 138 b 0,15 m
Es liegt also Euler-Knickung vor. Die Knickspannung ist in diesem Fall gleich der Spannung aus der Wärmedehnung, die durch die festen Auflager ja verhindert wird.
116
2 Einfache Beanspruchungen
σK =
π2 ⋅E λ2
= σ ϑ = α ⋅ Δϑ ⋅ E
Daraus kann man die Temperaturerhöhung durch Umstellen ermitteln: Δϑ =
π2 λ2 ⋅ α
=
π2 138 2 ⋅1,2 ⋅10 −5 K −1
= 43,18 K
Der Stab muss bis zum Ausknicken also um 43,18 K erwärmt werden.
2.5.3 Elastisch-plastische Knickung nach TETMAJER Versagen durch Druckspannungen kann in drei verschiedenen Formen auftreten: Schlanke Stäbe versagen durch Knicken, wobei die Druckspannung kleiner ist als die Proportionalitätsgrenze, also noch im elastischen Bereich. Diesen Fall haben wir im letzten Abschnitt behandelt und als elastisches Knicken bezeichnet. Mittelschlanke Stäbe versagen durch Knicken bei einer Druckspannung oberhalb der Proportionalitätsgrenze, also im inelastischen Bereich. Kurze druckbelastete Stäbe knicken nicht, sondern versagen bei Spannungen oberhalb der Quetschgrenze (Druckfließgrenze) durch Fließen oder sie brechen. Im elastisch-plastischen Bereich, bei Spannungen oberhalb der Proportionalitätsgrenze, kann man keine theoretisch herleitbare mathematische Beziehung zwischen Spannung σ und Verformung ε aufstellen. Daher bleibt nur die Möglichkeit, Versuche zur Ermittlung der Zusammenhänge durchzuführen. TETMAJER8 wählte folgenden Näherungsansatz für die Knickspannung σK im elastisch-plastischen Bereich der Knickung (siehe auch Bild 2-75): Stäbe aus Stahl:
σ K = a − b ⋅ λ (Geradengleichnung)
Stäbe aus Grauguss: σ K = a − b ⋅ λ + c ⋅ λ2 (Parabelgleichung) Aus Messungen werden dann die konstanten Größen a, b und c für den jeweiligen Werkstoff bestimmt. Da die Stabquerschnittswerte A und Imin in diesen Gleichungen nicht enthalten sind, ist die Vordimensionierung eines Knickstabs im elastisch-plastischen Bereich nicht möglich. Es können nur angenommene Querschnitte nachgerechnet werden. Für einige wichtige Werkstoffe des Maschinenbaus gelten für die Knickspannung in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad folgende Formeln: S235:
σ K = (310 − 1,14 ⋅ λ )
E335:
σ K = (335 − 0,62 ⋅ λ )
N mm 2
N mm2
EN-GJL200: σ K = (776 − 12 ⋅ λ + 0,053 ⋅ λ2 )
8
N mm 2
Ludwig von Tetmajer (1850 – 1905), Professor am Polytechnikum Zürich, Gründer der eidgenössischen Materialprüfanstalt
2.5 Knickung
117
Mit Hilfe der Gl. (2.112) hatten wir die Schlankheitsgrade λmin ermittelt, von denen ab die elastische Knickung nach EULER gilt. Wir können jetzt die Schlankheitsgrade berechnen, für die kein Knicken mehr erfolgt, sondern nur noch ein Versagen durch Fließen oder Bruch auftritt. Dazu verwenden wir die Quetschgrenze, z. B. für S235:
σ dF = 235
N mm 2
Mit σ dF = σ K erhalten wir
λmin =
310 − 235 λmin = 65 = λq 1,14
Für das Versagen von Druckstäben aus S235 mit Schlankheitsgraden λ < λq ist daher die Quetschgrenze maßgebend. Zusammengefasst gelten also folgende Werte für die Bemessung von Druckstäben aus S235: • Quetschgrenze σdF für λ = 0 ... λq = 65 • Knickspannung nach TETMAJER für λ = λq ... λmin = 104 • Knickspannung nach EULER für λ ≥ λ min
In Tabelle 2-6 sind die jeweils gültigen Formeln der Knickspannung für weitere Werkstoffe zusammengefasst. Tabelle 2-6: Knickspannungen in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad Werkstoff
Plastische Knickung nach TETMAJER
Gültigkeitsbereich
Gleichung für σK
0 < λ < 65
σ K = 235
65 < λ < 104
σ K = 310 − 1,14 ⋅ λ
E335
0 < λ < 88
σ K = 335 − 0, 62 ⋅ λ
ENGJL200
0 < λ < 80
σ K = 776 − 12 ⋅ λ + 0, 053 ⋅ λ 2
Bauholz
0 < λ < 100
σ K = 29, 3 − 0,194 ⋅ λ
S235
(
Elastische Knickung nach EULER
Gültigkeitsbereich
λ > 104
σK =
σK =
λ > 88
)
λ > 80
σK =
λ > 100
σK =
π 2E λ2 207
( λ /100)2 98, 7
( λ /100)2 9, 9
( λ /100)2
Für den nichtelastischen Bereich findet man in der Literatur außer den Formeln von TETMAJER auch die JOHNSON-Parabel (z. B. [10, S. 263]). Für die technische Berechnung können die zulässige Druckspannung und die zulässige Druckkraft folgendermaßen ermittelt werden:
118
2 Einfache Beanspruchungen
σ d zul =
σK S erf
σ ⋅A FK =ˆ K S erf S erf
Fd zul =
(2.114)
Als erforderliche Sicherheit setzt man Serf 4 … 2 ein mit abnehmendem Schlankheitsgrad. Ein Knicknachweis für einen Druckstab wird wie folgt geführt: • Ermittlung der Profilwerte Imin und A • Berechnung des Trägheitsradius imin nach Gl. (2.105) • Ermittlung der Lagerungsbedingungen und damit der Knicklänge lK nach Bild 2-76 • Berechnung des Schlankheitsgrades nach Gl. (2.106) • Entscheidung, ob elastische oder unelastische Knickung vorliegt; Verwendung der entsprechenden Gleichung zur Bestimmung der Knickspannung σK abhängig vom Werkstoff und vom Schlankheitsgrad nach Tabelle 2-6 • Ermittlung der vorhandenen Druckspannung d vorh im Stab • Berechnung der Sicherheit gegen Knicken: SK = K/ d vorh • Entscheidung, ob Sicherheit ausreichend ist. Wenn die Sicherheit gegen Knicken nicht ausreicht, müssen die Stabparameter geändert werden (Fläche, Flächenmoment 2. Grades, Länge, Lagerungsbedingungen; bei unelastischer Knickung auch Werkstoff) und der Knicknachweis muss erneut durchlaufen werden. Beispiel 2-28
Eine auf Druck belastete Stütze mit der Länge l = 6 m ist an beiden Enden fest eingespannt. Sie muss eine Druckkraft von 300 kN aufnehmen. Es stehen folgende Profile aus S235 zur Verfügung: a) I-Profil DIN 1025-I 300 (“Doppel-T-Profil”) b) IPB-Profil DIN 1025-IPB 140 (“Breitflansch-Doppel-T-Profil”) c) Rohr EN 10220-∅ 177,8 x 8 Lösung: Die benötigten Profilwerte entnehmen wir Tabellenwerken, z. B. [10, TB1-11 und TB 1-13]. Sie sind im Folgenden zusammengestellt. Stäbe knicken um die Achse des kleinsten Flächenmomentes 2. Grades aus, was hier für das I- und das IPB-Profil eine Rolle spielt. Aufgrund der Lagerungsbedingungen liegt Knickfall 4 vor mit lK = 0,5⋅l = 300 cm.
Flächenmoment 2. Grades Imin
4
cm
2
I 300
IPB 140
Rohr ∅ 177,8 x 8
451
550
1541
Querschnittsfläche A
cm
69
43
43
Trägheitsradius imin
cm
2,56
3,58
6,0
Spezifische Masse m’
kg/m
54,2
33,7
33,5
Kosten
€/kg
1,80
1,80
2,20
2.6 Verständnisfragen zu Kapitel 2
119
Wir berechnen nun nach Gl. (2.106) den jeweiligen Schlankheitsgrad und ermitteln damit nach Tabelle 2-6 die gültige Knickspannung. Außerdem bestimmen wir die vorhandene Druckspannung in den Profilen und die Sicherheit gegen Knicken.
Schlankheitsgrad λ Knickspannung σK
2
N/mm
nach Vorhandene Spannung σd
N/mm2
Sicherheit gegen Knicken SK Kosten
€
I 300
IPB 140
Rohr ∅ 177,8 x 8
117
84
50
151
214
253
EULER
TETMAJER
TETMAJER
44
70
70
3,4
3,1
3,6
585,40
364,00
442,20
Nach den vorhandenen Sicherheiten gegen Knicken könnten alle drei Profile für die gegebene Aufgabenstellung eingesetzt werden. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Flächenmomente um die beiden Profilachsen beim I-Profil erhält man hierbei sehr große Abmessungen mit entsprechend hohen Gesamtkosten. IPB-Profil und Rohr unterscheiden sich im Gewicht und in der Sicherheit nur geringfügig; aufgrund der höheren spezifischen Kosten des Rohrs ergibt sich mit dem IPB-Profil die kostengünstigste Lösung.
2.6 Verständnisfragen zu Kapitel 2 1. Warum ist in Stäben die Zugspannung konstant? 2. Welche Bedingungen gelten für die Tragfähigkeits- und Bemessungsrechnung? 3. Wenn ein Stab gezogen oder gedrückt wird, wie groß ist dann die Normal- und die Schubspannung bei einem Winkel unter 45° zur Stabachse? 4. Von welchen Einflussgrößen hängt die Trag- und Reißlänge bei einem Bauteil unter Eigengewicht ab? 5. Wie wirken sich Wärmespannungen in einem Bauteil aus und wovon ist die Spannung abhängig? 6. Welcher Werkstoff ist bei der Ermittlung der Flächenpressung maßgeblich? 7. Warum reißen Behälter, Kessel oder Rohre in erster Linie in Längsrichtung auf? 8. Wovon hängt die Grenzgeschwindigkeit eines frei rotierenden Ringes ab? 9. Ein Balken wird durch eine Querkraft Fq belastet. Welche Auswirkungen ergeben sich für das Balkensystem? 10. Was versteht man unter der neutralen Faser? 11. Wie lautet die Hauptgleichung der Biegung? 12. Wovon hängt das Widerstandsmoment eines rechteckigen Balkens ab? 13. Wie kann das (axiale) Flächenmoment 2. Grades erklärt werden? 14. Wozu dient der STEINER’sche Satz und wie lautet er? 15. Wie muss die Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse auf eine andere Achse erfolgen?
120
2 Einfache Beanspruchungen
16. Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Schubwinkel und Schubspannung. 17. Warum ist es bei (langen) Biegeträgern ausreichend, mit der mittleren Schubspannung statt mit dem echten Schubspannungsverlauf zu rechnen? 18. Welche Bedeutung hat der Schubmittelpunkt bei unsymmetrischen Profilen? 19. Warum ist der Kreisringquerschnitt ideal zur Übertragung von Torsionsmomenten? 20. Eine Torsionsstabfeder mit Vollkreisquerschnitt aus Stahl soll mit niedriger Federsteifigkeit (also hoher Nachgiebigkeit) ausgelegt werden. Wie kann dies erreicht werden? 21. Wozu wird die 1. BREDT’sche Formel verwendet? 22. Ein Lkw-Rahmen soll möglichst torsionsweich ausgelegt werden. Es stehen U-Profile und Rohre zur Verfügung. Welche sind grundsätzlich geeigneter? 23. Warum werden bei druckbelasteten Stäben mit Knickgefahr hohe Sicherheiten verlangt? 24. Was ist zu verändern, wenn sich bei der Dimensionierung eines schlanken Stabs aus Baustahl eine zu geringe Knicksicherheit ergibt? 25. Was kennzeichnet die Knickung nach TETMAJER?
2.7 Aufgaben zu Kapitel 2 Aufgabe 2-1
Ein aus Stahl und Kupfer bestehender Verbundstab (ESt = 2 ·ECu = 210 000 N/mm2) mit den Querschnitten ASt = ACu/2 = 1/3 cm2 und der Länge 3a = 3 m soll in die gezeichnete Aussparung zwischen zwei starre Wände eingesetzt werden (h = 2 mm).
a) Wie groß muss die Presskraft F sein, damit der Einbau gelingt? b) Wie groß sind die Spannungen in den drei Stäben nach dem Einbau? c) Die Geometrie sei unverändert; jedoch soll die Schrumpfung nicht durch Aufbringen einer Kraft, sondern durch Temperaturabsenkung erfolgen! Die Ausdehnungskoeffizienten von Stahl und Kupfer sind gegeben: αSt = 12·10-6 K-1, αCu = 16·10-6 K-1. Berechnen Sie die notwendige Temperaturabsenkung, so dass der Stab gerade in die Aussparung passt.
2.7 Aufgaben zu Kapitel 2
121
Aufgabe 2-2
Ein Standfuß aus GJL 200 steht auf einem Betonfundament und wird statisch mit einer Druckkraft F = 800 kN belastet. a) Wie groß ist der Innendurchmesser di zu wählen, wenn da = 250 mm, d0,1 = 200 N/mm2 und S = 1,5 ist? b) Wie groß ist der Durchmesser D1 des Standfußes zu wählen, wenn für das Fundament eine zulässige Flächenpressung pzul = 7,5 MPa nicht überschritten werden darf? F da
di
D1
Aufgabe 2-3
Das dargestellte Rohr steht unter Innendruck. Es ist am rechten Ende fest mit der Wand verbunden und am linken Ende durch eine Flanschverbindung verschlossen. Gegeben: pi = 18 bar; da = 160 mm, s = 8 mm. a) Welche Kraft wirkt auf den Flansch? b) Wie groß sind die Spannungen im Rohr?
Aufgabe 2-4
Ein dünnwandiger Stahlring mit einem Außendurchmesser d = 1500 mm rotiert frei. Bei welcher Drehzahl beginnt der Ring sich plastisch zu verformen (Re = 235 N/mm2)?
122
2 Einfache Beanspruchungen
Aufgabe 2-5
Für die dargestellten Profile sind die Flächenmomente 2. Grades Iy und Iz bezüglich der Schwerpunktachsen zu berechnen.
Aufgabe 2-6
Ein Gestell hat den skizzierten Querschnitt. Zu berechnen sind: a) die Flächenmomente 2. Grades für die y- und z-Achse b) die Widerstandsmomente für die y- und z-Achse. 600 160
y
z
40
S
y
z
Aufgabe 2-7
Ein Hohlträger liegt gemäß Skizze an beiden Enden frei auf. Bei welcher Länge l geht er aufgrund seines Eigengewichtes zu Bruch? Gegeben: A = 19 600 mm2; q = 1,5 N/mm2; B = 370 N/mm2
2.7 Aufgaben zu Kapitel 2
123
Aufgabe 2-8
Das dargestellte zusammengeschweißte Profil wird durch ein Biegemoment My belastet. Gegeben: My = 0,6 kNm Bestimmen Sie a) das Flächenmoment 2. Grades des zusammengeschweißten Profils, b) die Biegespannungen im Profil, c) den qualitativen Spannungsverlauf, d) die Biegespannung in Höhe der Schweißnaht.
d
Aufgabe 2-9
L
E
Ein Bohrgestänge mit kreisförmigem Querschnitt ist bis zu einer Tiefe LE ins Erdreich vorgedrungen. An der Spitze des Bohrmeißels wirkt das Bohrmoment T. Das Erdreich übt auf das Gestänge einen konstanten Flächendruck p aus. Der Reibbeiwert zwischen Erdreich und Bohrgestänge ist μ. Das Bohrgestänge ist insgesamt bis zur Einleitung des Antriebsmomentes L = 5,5 m lang.
a) Wie groß ist das erforderliche Antriebsmoment? p
b) Wie groß ist die maximale Torsionsspannung? c) Wie groß ist die Verdrehung der Endquerschnitte des Bohrgestänges unter der Annahme eines konstanten Reibmomentes? Gegeben: d = 70 mm; LE = 4 m; μ = 0,3; G = 80000 N/mm2; T = 2 000 Nm; p = 0,5⋅105 N/m2 T
124
2 Einfache Beanspruchungen
Aufgabe 2-10
Eine Hohlwelle hat das Durchmesserverhältnis δ = d/D = 0,8. Sie soll eine Leistung P = 13,1 kW bei einer Drehzahl von n = 250 min-1 übertragen. Dabei soll die zulässige Torsionsspannung von τzul = 60 N/mm2 nicht überschritten werden. Zu bestimmen sind: a) die erforderlichen Durchmesser D und d b) die Spannung am Innendurchmesser (auf der Innenseite der Hohlwelle).
Aufgabe 2-11
Für den skizzierten Drehfederstab ist die Bohrungstiefe a bei gegebenem Durchmesser d so zu bestimmen, dass sich eine Verdrehung zwischen den Querschnitten A und B von ϕ = 10° einstellt. Wie groß ist dabei die maximale Torsionsspannung?
T
D
Gegeben: d = 10 mm; D = 20 mm; l = 350 mm; G = 81000 N/mm2; T = 0,6 kNm
d
a l
A
B
Aufgabe 2-12
S ta h l-H o h lp ro fil
Omnibusse erhalten ein Gerippe aus rechteckigen StahlHohlprofilen. Die Scheiben werden meist eingeklebt. Dazu wird im Fensterobergurt das dargestellte Spezial-Hohlprofil mit einer Wandstärke von s = 4 mm verwendet. Beim Anheben eines Rades (z. B. Parken mit einem Rad auf dem Bürgersteig) wird die Bus-Karosserie auf Torsion beansprucht. Dadurch erfährt auch der Fensterobergurt eine Torsionsbeanspruchung. Das Torsionsmoment wurde zu T = 1,6 kNm berechnet. Wie groß ist die Torsionsspannung im Fensterobergurt?
4 4
8 0
4
4 0 6 0 K le b fu g e S e ite n s c h e ib e
2.7 Aufgaben zu Kapitel 2
125
Aufgabe 2-13
Pkw der Kleinwagen- und unteren Mittelklasse besitzen oft eine nicht angetriebene Hinterachse als so genannte Verbundlenkerachse (siehe Skizze). Die Räder werden über Längslenker (Kasten- bzw. Rohrprofile) geführt. Die Längslenker sind zwischen den Lagerstellen an der Karosserie durch eine Torsionsfeder verbunden, die beim Wanken der Karosserie (Drehbewegung um die Längsachse) den Wankwinkel vermindert, indem sie die Wankfedersteifigkeit erhöht. Sie wirkt also wie ein Stabilisator. Die Torsionsfeder ist z. B. ein mit einem Öffnungswinkel von 70° gekantetes Stahlblech (V-Profil, siehe Skizze). Wie groß ist bei einem Verdrehwinkel von ϕ = 10° die Spannung in dem V-Profil? L a g e ru n g a n K a ro s s e rie
R a d trä g e r (L ä n g s le n k e r) R a d fe d e r
T o rs io n s fe d e r (V -P ro fil)
6 0
t= 3 7 0 ° 6 0
Gegeben: Profillänge l = 1200 mm; Schubmodul G = 81000 N/mm2 Aufgabe 2-14
Ein Kran ist wie in der Skizze mit F = 24 kN belastet. Wie groß muss der Innendurchmesser d der an beiden Enden (in den Punkten A und B) gelenkig gelagerten Stahlrohrstrebe aus S235 sein, wenn bei D = 100 mm Außendurchmesser die Sicherheit gegen Ausknicken SK = 3,5 sein soll?
126
2 Einfache Beanspruchungen
Aufgabe 2-15
In einer Spindelpresse werden Holzplatten furniert. Die Platten werden mittels Spindelkraft gepresst. Dann werden zur Verkürzung der Abbindezeit des Leims die Druckplatten der Presse beheizt. Die Spindel aus E335 erwärmt sich dabei schneller als das Pressengestell aus S235. Die Spindel mit der maximalen freien Länge L ist oben in der Mutter hülsenartig und unten am Pressenteller in einem Kugelgelenk gelagert. Die Verformungen des Pressengestells aufgrund der Spindelkraft können vernachlässigt werden, ebenso der Längenunterschied zwischen Pressengestell und Spindel. M u tte r S p in d e l
P re sse n g e s te ll
L
P re sse n te lle r
F H e iz p la tte n H o lz p la tte
Gegeben: Freie Länge der Spindel: L = 715 mm Kerndurchmesser der Spindel: d = 20 mm Elastizitätsmodul für Stahl: E = 2,1⋅105 N/mm2 Wärmeausdehnungskoeffizient für Stahl: = 1,2⋅10-5 K-1 Spindelkraft (aufgrund Vorspannmoment): F = 15708 N
a) Wie groß ist die Sicherheit gegen Knicken bei unbeheizter Presse? b) Wie hoch darf der Temperaturunterschied zwischen Pressengestell und Spindel maximal sein, damit die Knicksicherheit der Spindel mindestens SK = 2,1 ist?
127
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen In Kapitel 2 wurden die fünf Grundbeanspruchungsarten Zug, Druck, Schub, Biegung und Torsion behandelt. In der Praxis tritt selten eine Spannungsart für sich allein auf. Daher hat man an einer Schnittstelle in einem Bauteil meistens zwei oder mehr Spannungsarten gleichzeitig. Man spricht in diesem Fall von zusammengesetzter Beanspruchung. Für das Versagen eines Bauteils sind dann nicht mehr die Einzelspannungen maßgebend, d. h. ein Bauteil kann bei zusammengesetzter Beanspruchung auch versagen, wenn alle vorhandenen Einzelspannungen kleiner sind als die dafür jeweils zulässigen Spannungen. In diesem Kapitel werden daher die Berechnungsgrundlagen für Bauteile mit mehreren Spannungsarten behandelt. Zunächst werden einige Beispiele gezeigt: F
A B
2) Am einseitig eingespannten Träger der Länge l, der Breite b und der Höhe h greift am freien Ende eine außermittige Kraft F an. Der Träger erfährt eine Beanspruchung durch Biegung, Schub und Torsion.
A n s ic h t B
F
F B
l
h
1) An einem statisch bestimmt gestützten Träger greift eine äußere Kraft F nicht senkrecht zur Stabachse an: Der Träger muss eine Zug-, Schub- und Biegebeanspruchung aufnehmen.
e b
F
3) Ein Kranhaken wird auf Zug, Biegung und Schub beansprucht.
F
4) Die Beanspruchung von Getriebewellen besteht meist aus Biegung, Schub und Torsion. Oft kommen noch Zug oder Druck hinzu.
d0 a
F
F
Bild 3-1 Beispiele für zusammengesetzte Beanspruchungen
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
128
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Gleichartige Spannungen – Normalspannungen und Tangentialspannungen je für sich – können nach dem Superpositionsprinzip durch algebraische Addition zusammengefasst werden. Dies gilt nur, solange die Beanspruchung im HOOKE’schen Bereich stattfindet, wenn also Spannung und Dehnung proportional sind.
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen Beanspruchung bei Zug oder Druck mit Biegung Wir betrachten zunächst einen links einseitig eingespannten Balken, der am freien Ende (rechts) durch eine Biege- und eine Zug- bzw. Druckkraft belastet ist, Bild 3-2.
ed
A
Mb A
z0 emax
=
bz
a
Zug
= z0
bd
bd
min
max
d
+
bz
max
z
+ F
min
Druck max
A
Fl
+
bd
a
Fl
F a
A
A
F Mb
d)
Fx
Zug
d
bz
F a
c)
A
Fz
Fq Fl Mb
minDruck
ez
Fx
A
=
bd
x
b)
+
max Zug
z
z0
Fl Mb A
Fz
z
bz Fx
ed
Fx
A
Fz
Fq
ez
a)
x
Fz
x
z
Druck
= z0
l
min
Bild 3-2 Biegung mit Zug oder Druck; a) Biegekraft Fz und mittige Zugkraft Fx; b) Biegekraft Fz und mittige Druckkraft Fx; c) außermittige Kraft F als Zug- und Biegekraft; d) außer mittige Kraft F als Druck- und Biegekraft
In Bild 3-2a und b treten im eingezeichneten Querschnitt A gleichzeitig ein Biegemoment Mb = Fz⋅x und eine Längskraft Fl = Fx auf. Fx und Fz sind dabei z. B. die Komponenten einer schräg angreifenden Kraft F. In Bild 3-2c und d ergeben sich im Querschnitt A ein Biegemoment Mb = F⋅a und eine Längskraft Fl aufgrund der außermittig angreifenden Kraft F. Die Schubbeanspruchung durch die Querkraft Fz in Bild 3-2a und b ist vernachlässigbar, wenn die Länge des Balkens l wesentlich größer als die Balkenhöhe h ist. In der Praxis gilt dies ab etwa l > 10⋅h.
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen
129
Die im Balken auftretenden Spannungen lassen sich wie folgt berechnen: Zug- bzw. Druckspannungen: σ z,d = Biegezugspannungen: σ bz =
F A
Mb M =ˆ b I Wbz ez
Biegedruckspannungen: σ bd =
(3.1)
Mb M =ˆ b I Wbd ed
(3.2)
I ist dabei das axiale Flächenmoment 2. Grades und ez und ed sind bei unsymmetrischen Querschnitten die Abstände der Querschnittsränder von der Biegeachse. Für die Dimensionierung oder den Nachweis eines Balkens interessieren beim Auftreten von Biegespannungen die Spannungen am Rand, da diese maximal sind und hier die zulässigen Spannungen zuerst erreicht werden. Die resultierenden Randspannungen können wir durch algebraische Addition ermitteln:
σ min = −σ bd + σ z
(3.3)
Biegung mit Druck: σ max = | −σ bd − σ d ; σ min = | σ bz − σ d
(3.4)
Biegung mit Zug:
σ max = σ bz + σ z ;
Positive Randspannungen sind resultierende Zugspannungen; resultierende Druckspannungen treten als negative Randspannungen auf. Als Festigkeitsbedingung gilt, soweit die Streckgrenze des Werkstoffs der Quetschgrenze entspricht: | σ max | ≤ σ zul
(3.5)
Durch die Überlagerung von Biegespannungen mit Zug- oder Druckspannungen verschiebt sich die Spannungs-Nulllinie um das Maß z0. Bei Biegung mit Zug wandert die Nulllinie zur Biegedruckseite und z0 wird negativ. Ein positives z0 erhalten wir bei Biegung mit Druck; hier verschiebt sich die Nulllinie zur Biegezugseite. Nach Bild 3-2a ergibt sich z0 bei Biegezug zu z0 = −
σz ⋅ ez σ bz
(3.6)
und für Biegedruck nach Bild 3-2b erhält man z0 =
σd ⋅e σ bd d
(3.7)
Für σz > σbd (vgl. Bild 3-2c) oder σd > σbz (vgl. Bild 3-2d) liegt die Spannungsnulllinie außerhalb des Querschnitts. Als resultierende Randspannungen erhält man hier nur Zug- bzw. nur Druckspannungen.
130
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Beispiel 3-1: Wir untersuchen eine Stütze aus einem I-Profil mit angeschweißtem Konsolblech, Bild 3-3a. Die Stütze wird durch zwei Druckkräfte F1 und F2 außermittig belastet, da die Kraft F2 um die y-Achse des I-Profils (senkrecht zur Zeichnungsebene) ein Biegemoment erzeugt. Gegeben: Querschnittsfläche A = 69 cm²; axiales Widerstandsmoment Wbx = 653 cm³; zul. Spannung σzul = 30 N/mm² Gesucht ist die maximale Randspannung. Ist sie zulässig?
1
= 6 0 k N
Lösung:
a = 3 0 0 F
2
= 2 5 k N
Die Stütze wird auf Druck durch die beiden Kräfte F1 und F2 und auf Biegung durch das Biegemoment Mb = F2⋅a beansprucht. Die Gesamtspannung in einem Querschnitt in ausreichender Entfernung zur Krafteinleitungsstelle und zum Auflager (z. B. Querschnitt B – B) erhält man als Summe aus der Biege- und der Druckspannung. Die größte Spannung wird entsprechend Bild 3-2d am Biegedruckrand auftreten. Da es sich um Druckspannungen handelt, werden sie mit negativem Vorzeichen berücksichtigt:
I3 0 0 - D IN 1 0 2 5
F
σ max = −σ bd − σ d Die Biegespannung ergibt sich zu
σ bd = B
B
M b F2 ⋅ a 25 kN ⋅ 300 mm = = Wb Wb 653 ⋅ 103 mm3
σ bd = 11,5
N mm 2
Bild 3-3a Stütze zu Beispiel 3-1
Für die Druckspannung erhält man:
σd =
F F1 + F2 (60 + 25) ⋅103 N = = A A 69 ⋅10 2 mm 2
σ d = 12,3
N mm 2
Die größte Randspannung, eine Druckspannung, berechnet sich damit zu
σ max = − (11,5 + 12,3)
N mm 2
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen N
σ max ≈ − 24
mm 2
Die Bedingung | σ max | ≈ 24
F M
1
= 6 0 k N F
N mm
2
< σ zul = 30
N mm 2
wird eingehalten.
Die minimale resultierende Randspannung erhalten wir folgendermaßen unter Berücksichtigung, dass aufgrund des symmetrischen Profils gilt: σ bd = σ bz .
= 2 5 k N 2
= F 2·a b
131
σ min = σ bz − σ d = (11,5 − 12,3) e z
e
σ min = − 0,8 d
s
s
z0 =
0
s
b d
N mm 2
m a x
σd ⋅ ed σ bd
ed ≡ ez = e = z0 =
s
mm 2
Nach Gl. (3.7) kann jetzt auch die Nulllinienverschiebung z0 ermittelt werden. Das I-Profil nach Bild 3-3a hat eine Höhe von 300 mm: d
b z
z
N
h 300 mm = = 150 mm 2 2
12,3 ⋅150 mm = 160,43 mm 11,5
Die Spannungsnulllinie liegt also außerhalb des Profilquerschnittes analog zu Bild 3-2d.
Bild 3-3b Durch Druck und Biegung beanspruchte Stütze nach Beispiel 3-1
Beispiel 3-2: Ein U-Profil wird außermittig durch eine Druckkraft belastet. Zu bestimmen sind die Lage des Schwerpunktes der Querschnittsfläche und die maximale Normalspannung an der Einspannung. Gegeben: a, F
132
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen a
a
F
S
2 a
2 a
2 a
Lösung: Wir berechnen zunächst die Lage des Schwerpunktes im y-z-Koordinatensystem. Dazu teilen wir die Gesamtfläche des U-Profils in Teilflächen auf, für die die Schwerpunktlage leicht zu ermitteln ist. z A
zS =
¦ zi ⋅ Ai = 2 ⋅ A1 ⋅ 3a + A2 ⋅ a = 12a 3 + 8a 3 Ages
1
y s
zS =
4a 2 + 8a 2
12a 2
20a 3
5 = a (ausgehend vom unteren Rand) 3 12a 2
y A 2
Bezogen auf die Schwerpunktachse in der Höhe zS hat die Kraft F ein Biegemoment Mb =
5 a⋅F 3
Zur Berechnung der Biegespannung
σb =
Mb ⋅e Iy
fehlt noch das Flächenmoment 2. Grades für die yS-Achse. Dies setzt sich zusammen aus den Flächenmomenten der Einzelflächen um ihre (Teil-)Schwerpunkte und aus den STEINERAnteilen: I y = 2 ⋅ I1 + 2 ⋅ s12 ⋅ A1 + I 2 + s 22 ⋅ A2
Für Rechteckflächen gilt allgemein für das axiale Flächenmoment 2. Grades: I=
b ⋅ h3 12
Damit erhält man schließlich: 4a ⋅ (2a )3 § 2 · a ⋅ (2a )3 §4 · + 2 ⋅ ¨ a ¸ ⋅ 2a 2 + + ¨ a ¸ ⋅ 8a 2 12 3 12 © ¹ ©3 ¹ 2
Iy = 2 ⋅ Iy =
16a 4 64 4 32a 4 32 4 48 4 96 4 + a + + a = a + a 12 9 12 9 12 9
2
3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen
Iy =
133
144a 4 + 384a 4 528 4 44 4 = a = a 36 36 3
Setzt man den Abstand des unteren Profilrandes zum Schwerpunkt in die Formel für die Biegespannung ein, so erhält man die Biegespannung am unteren Rand, in diesem Fall eine Biegedruckspannung:
σ bu =
5 ⋅ a ⋅ F ⋅ 3 ⋅ 5a 4
3 ⋅ 44 ⋅ a ⋅ 3
=
25 ⋅ F 132 ⋅ a 2
Durch entsprechendes Einsetzen für den oberen Rand ergibt sich eine Biegezugspannung:
σ bo =
5 ⋅ a ⋅ F ⋅ 3 ⋅ 7a 3 ⋅ 44 ⋅ a 4 ⋅ 3
=
35 F 132 a 2
Die Druckspannung im Querschnitt berechnet sich zu:
σd =
F F = Ages 12a 2
Damit lassen sich die resultierenden Spannungen am unteren und am oberen Profilrand bestimmen:
σ res u = −σ bu − σ d = σ res o = σ bo − σ d =
−25F − 11F 132a
2
35F − 11F 132a 2
=
=
−36 F 132a
24 F 132a 2
2
=
=−
3 F 11 a 2
2 F 11 a 2
Am unteren Rand ergibt sich eine resultierende Druckspannung, während der obere Rand eine resultierende Zugspannung aufweist. Die maximale Spannung tritt am unteren Rand auf:
σ max = σ res u =
3 F 11 a 2
3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen Analog zur Behandlung der Normalspannungen in Abschnitt 3.1 erfolgt jetzt die Betrachtung von Tangentialspannungen. In Bild 3-4a ist ein einseitig eingespannter Zapfen mit einer außermittigen Querkraft Fq am freien Ende dargestellt. Die Bilder 3-4b und c zeigen die Belastungen des Zapfens an der Einspannstelle. Neben der Querkraftbeanspruchung, die zu Schubspannungen (Scherspannungen) führt, ergibt die am Außenradius angreifende Kraft Fq eine Torsionsbeanspruchung (Torsionsspannungen aus dem Torsionsmoment T, Bild 3-4c). Die zusätzlich aus der Querkraft herrührende Biegebelastung, das Biegemoment Mby in den Bildern
134
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
3-4b und c, wird für die Überlegungen hier vernachlässigt. Aufgrund der geringen Länge des Zapfens ist das zunächst zulässig. Je näher die Schnittebene am freien Ende liegt, umso geringer ist das Biegemoment. z l
a )
z
b )
M
y x F
z
c )
y F
r q
q
M T
b y
F
b y
Bild 3-4 Beanspruchung durch Tangentialspannungen aus Querkraft und Torsion q
Die Schubspannungen aufgrund der Torsionsbelastung errechnen sich wie folgt:
τt =
Fq ⋅ r T =ˆ Wt Wt
Diese Spannungen liegen in jedem Punkt des Querschnitts senkrecht auf dem Radius des betreffenden Punktes, siehe Bild 3-5a. Sie nehmen vom Rand zum Querschnittsmittelpunkt hin linear ab und sind im Mittelpunkt null. Für die Schubspannungen infolge Querkraft gilt nach Gl. (2.67) allgemein (vgl. Abschnitt 2.3.4):
τ q ( x, z ) =
a ) t
Fq (x ) ⋅ H (z ) I ⋅b S c h u b sp a n n u n g e n a u s Q u e rk ra ft u m 9 0 ° g e k la p p t g e z e ic h n e t
B t
t t D
t
t
t
S c h u b sp a n n u n g e n in H ö h e P u n k t D
B
q
q
t E
t
D
b )
t t
A t
A
t C
t t
q
C
q
S c h u b sp a n n u n g e n a u f L in ie A -E
Bild 3-5: Überlagerung von Schubspannungen aus Torsion und Querkraft
Bild 3-5b zeigt die Größe der Schubspannungen aus Querkraft – sie sind parabelförmig über dem Querschnitt verteilt mit dem Maximum in Querschnittsmitte. Am oberen und unteren
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
135
Rand des Querschnitts (Punkte B und C) sind sie null. Sie liegen in der Querschnittsebene – in Bild 3-5b also in der Zeichenebene – und weisen hier nach unten. In Bild 3-5c sind sie für die Lage des Punktes D und für die Linie A-E eingezeichnet. Für die Überlagerung der Tangentialspannungen aus Torsion und Querkraft ist zu beachten, dass sie aufgrund ihrer von Punkt zu Punkt unterschiedlichen Größe und Richtung wie Vektoren zu behandeln sind. Damit erhält man die Schubspannungen für die verschiedenen Punkte des Querschnittes: Punkt A:
τ A = τq −τ t
Punkte B und C: τ q = 0 ; τ B,C = τ t Punkt D:
G
G
G
τ D = τ t + τ q (siehe Bild 3-5a)
In Punkt E tritt die maximale Schubspannung auf, da hier τt und τq dieselbe Richtung haben. Die Schubspannung aus Querkraft erreicht hier den Maximalwert nach Gl. (2.72).
τ max = τ E =
Fq ⋅ r Wt
+
4 Fq 3 A
Für die Dimensionierung eines entsprechend Bild 3-4a belasteten Bauteils ist diese Schubspannung maßgebend, falls wie hier vorausgesetzt, die Biegespannungen vernachlässigbar sind. Die Vorgehensweise beim gleichzeitigen Auftreten von Normal- und Tangentialspannungen wird in den folgenden Abschnitten behandelt.
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen In der Praxis treten Normal- und Tangentialspannungen oft gleichzeitig auf, z. B. bei Antriebsund Getriebewellen, die meist auf Biegung und Torsion (und auch durch Längs- und Querkräfte) beansprucht werden. Da Normal- und Tangentialspannungen unterschiedliche Richtungen haben, dürfen die verschiedenartigen Spannungen nicht für sich gegen die zulässigen Spannungen geprüft werden. Damit ist der getrennte Vergleich
σ max ≤ σ zul und τ max ≤ τ zul nur für Überschlagsrechnungen, nicht jedoch als Spannungsnachweis zulässig! Auch die geometrische Addition der verschiedenen Spannungsarten gibt keine brauchbare Aussage über die Haltbarkeit eines Bauteils. Es ist bis heute nicht theoretisch eindeutig geklärt, durch welche Beanspruchung bei einem mehrachsigen Spannungszustand ein Versagen des Werkstoffs auftritt. Eine praxisgerechte Lösung bietet hier das Vergleichsspannungsprinzip, bei dem ein mehrachsiger Spannungszustand in einen vergleichbaren, d. h. beanspruchungsgleichen einachsigen Spannungszustand umgerechnet wird. Allerdings verhalten sich bei mehrachsigen Spannungszuständen die verschiedenen Werkstoffe nicht gleich, so dass für das Versagen von Bauteilen je nach verwendetem Werkstoff unterschiedliche Vergleichsspannungshypothesen entwickelt wurden, siehe Abschnitt 3.4.
136
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Zweiachsiger Spannungszustand Ein Stab, der durch eine Längskraft (Zug- oder Druckkraft) belastet wird, unterliegt einem einachsigen Spannungszustand. Es treten nur Spannungen in einer Achsenrichtung, hier in Längsrichtung, auf. In der Praxis überwiegt der zweiachsige, ebene Spannungszustand. Dabei treten zwei oder mehr Spannungen in einer Ebene auf. Dies ist z. B. der Fall bei Biegung mit Torsion oder bei zwei zueinander senkrechten Normalspannungen. Die Schnittflächen parallel zur Wirkungsebene dieser Spannungen sind spannungsfrei, z. B. bei Blechelementen, siehe Bild 3-6. Alle Spannungen liegen in der x-y-Ebene, y d. h. es gibt keine Spannungen senkrecht zur Zeichenebene. s
s
t
y
y x
t
x
t
x y
t s y
y x
x y
s x
x
Für die Schubspannungen gilt folgende Vereinbarung für die Indizes: Der erste Index gibt die Ebene an, in der τ angreift; x bezeichnet z. B. die Ebene senkrecht zur x-Achse. Der zweite Index gibt die Richtung von τ an. τxy steht demnach für eine Schubspannung, die in einer Ebene senkrecht zur x-Achse liegt und in Richtung der y-Achse verläuft. Bild 3-6 Ebener Spannungszustand
Es gilt der Satz der zugeordneten Schubspannungen (vgl. Abschnitt 2.3.2):
τ xy = τ yx =ˆ τ Auf die Darstellung eines dreiachsigen (räumlichen) Spannungszustands wird hier verzichtet. Es sei nur angemerkt, dass sich dabei Normal- und/oder Tangentialspannungen in drei zueinander senkrechten Ebenen überlagern. Es treten also Spannungen in allen sechs Flächen eines Quaderelements auf. Räumliche Spannungszustände ergeben sich in Bauteilen im Bereich von Kerben (z. B. Ringnuten, Passfedernuten, Bohrungen) und von Schweißnähten sowie in der Nähe von Kraft-Einleitungs- und -Umleitungsstellen. Wir kommen zurück zum zweiachsigen Spannungszustand und schneiden den Quader aus Bild 3-6 unter einem Winkel , Bild 3-7. Auf die Schnittebene legen wir ein neues η-ζKoordinatensystem. In diesem Koordinatensystem unter dem Winkel zur x-Achse treten ebenfalls Normalspannungen σα senkrecht zur Schnittebene und Tangentialspannungen τ in der Schnittebene auf. Diese Spannungen werden wir berechnen und schließlich einen Winkel bestimmen, für den die Normalspannung maximal ist. Damit haben wir dann die Größe und die Richtung der so genannten Hauptspannungen im Quaderelement bestimmt. Einerseits kennen wir damit die maximale Normalspannung, die ein Bauteil beansprucht. Bei faserverstärkten Kunststoff-Bauteilen, die z. B. im Flugzeug- und Fahrzeugbau aus Gewichtsgründen eingesetzt werden, kennen wir dann auch die Hauptbeanspruchungsrichtung und können so die Richtung der Fasern in der Kunststoffmatrix festlegen. Faserverstärkte Bauteile haben in Richtung der
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
137
Fasern hohe Festigkeit, aber quer dazu nur geringe, da hier allein die erheblich niedrigere Festigkeit der Kunststoffmatrix maßgebend ist. Treten Spannungen unter verschiedenen Richtungen auf, muss z. B. ein entsprechend ausgerichtetes Fasergewebe einlaminiert werden. Auch bei Umformvorgängen, z. B. beim Tiefziehen von Blech bei der Herstellung von Karosserieteilen für Automobile, wird die Blechplatine je nach Form des Presswerkzeugs mehrachsig beansprucht. Hierbei interessieren die Größe der maximalen Spannung und die Richtung, um z. B. das Entstehen von Rissen im Blech beim Umformen zu vermeiden.
a ) S p a n n u n g e n
b ) K rä fte
z s A
a
t
A ·s in a a
t a
y x
t
s
h
s a·A x
x y
t a ·A
t xy·A ·s in a a t
A ·c o s a
s
s x·A ·s in a
y
y x
·A ·c o s a
s y·A ·c o s a
Bild 3-7 Geschnittenes Teilelement und Koordinatensystem
Bild 3-7a zeigt den geschnittenen Quader mit den auftretenden Spannungen; in Bild 3-7b sind die aus den Spannungen resultierenden Kräfte (Spannungen multipliziert mit den zugehörigen Flächen) dargestellt. Die schräg liegende Schnittfläche hat die Größe A. Wir bilden jetzt das Kräftegleichgewicht in den Achsenrichtungen des η-ζ-Koordinatensystems.
¦ Fς = 0 σ ⋅ A − σ x ⋅ A ⋅ sin α ⋅ sin α − σ y ⋅ A ⋅ cos α ⋅ cos α
−τ yx ⋅ A ⋅ cos α ⋅ sin α − τ xy ⋅ A ⋅ sin α ⋅ cos α = 0
(
)
σ = σ x ⋅ sin 2 α + σ y ⋅ cos 2 α + τ yx + τ xy ⋅ sin α cos α
(3.8)
¦ F = 0 τ ⋅ A − τ xy ⋅ A ⋅ sin α ⋅ sin α + τ yx ⋅ A ⋅ cos α ⋅ cos α
+ σ x ⋅ A ⋅ sin α ⋅ cos α − σ y ⋅ A ⋅ cos α ⋅ sin α = 0
(
)
τ = σ y − σ x ⋅ sin α cos α + τ xy ⋅ sin 2 α − τ yx ⋅ cos 2 α
(3.9)
138
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Mit den Gln. (3.8) und (3.9) können jetzt die Spannungen am geschnittenen Quader berechnet werden. Wir können diese beiden Gleichungen aber noch vereinfachen. Nach dem Satz der zugeordneten Schubspannungen ist τ xy = τ yx . Außerdem gelten folgende trigonometrische Beziehungen: sin 2 α =
1 − cos 2α 2
cos 2 α − sin 2 α = cos 2α
cos 2 α =
1 + cos 2α 2
2 sin α ⋅ cos α = sin 2α
Damit erhält man aus den Gln. (3.8) und (3.9):
σ = τ =
σ y +σx 2
σ y −σx 2
+
σ y −σ x 2
⋅ cos 2α + τ yx ⋅ sin 2α
⋅ sin 2α − τ yx ⋅ cos 2α
(3.10)
(3.11)
Mit diesen Beziehungen (3.10) und (3.11) ist es uns gelungen, die Normal- und die Tangentialspannung in der Schnittebene des unter dem Winkel geschnittenen Quaderelements zu bestimmen. Wie schon eingangs gesagt, wird die maximale Normalspannung gesucht bzw. der Winkel , für den die Normalspannung maximal wird. Dazu leiten wir die Gl. (3.10) für die Normalspannung σ nach ab und setzen die Ableitung null:
σy −σx dσ = −2⋅ ⋅ sin 2α − 2 ⋅τ yx ⋅ cos 2α = 0 dα 2 Der Winkel, für den die Normalspannung maximal wird, d. h. für den die Ableitung nach Gl. (3.12) null ist, wird Hauptachsenwinkel h genannt (mit Index „h“ für Hauptachse). −
σy −σx 2
⋅ sin 2α h + τ yx ⋅ cos 2α h = 0
(3.12)
Über den allgemeinen trigonometrischen Zusammenhang tan α =
sin α cos α
erhält man schließlich aus Gl. (3.12) für den Hauptachsenwinkel: tan 2α h =
2τ yx 1 ; α h = arctan 2 σ y −σ x σ y −σ x
Aus der Beziehung
2τ yx
(
)
(
tan 2α h = tan 2α h + 180 D = tan 2 α h + 90 D
(3.13)
)
lässt sich erkennen, dass die Extremwerte der Normalspannung für h und h+90° auftreten, d. h. die Achsen für σmin und σmax stehen senkrecht aufeinander.
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
139
Zur Bestimmung der maximalen und der minimalen Spannung verwenden wir folgende trigonometrische Zusammenhänge tan 2α
sin 2α =
cos 2α =
1 + tan 2α 2
1 1 + tan 2 2α
und erhalten schließlich:
σ max =
2
σy +σx
§σy −σx · 2 ¸ + τ yx ± ¨¨ ¸ 2 © ¹
2
min
(3.14)
τ =0 Für die Hauptachsen des ebenen Spannungszustandes gilt: • Die Normalspannung σ erreicht für eine Hauptachse ein Maximum. • Die Normalspannung σ für die dazu senkrechte Achse ist minimal. • Die Tangentialspannung τ ist null. Für das Problem der Ermittlung der Hauptspannungen und Hauptachsen bei einem ebenen Spannungszustand hat MOHR1 eine graphische Lösung angegeben, die nach ihm „MOHR’scher Spannungskreis“ genannt wird. Um diese graphische Methode zu entwickeln, betrachten wir nochmals die Gln. (3.10) und (3.11) für die Spannungen im unter dem Winkel geschnittenen Quaderelement:
σ − τ =
σy +σx 2
σ y −σx 2
=
σ y −σx 2
⋅ cos 2α + τ yx ⋅ sin 2α
⋅ sin 2α − τ yx ⋅ cos 2α
(3.15) (3.16)
Diese beiden Gleichungen werden quadriert. Aus Gl. (3.15) wird dann 2
2
σ +σ x · § σ y −σ x · σ −σ x § 2 ¨σ α − y ¸ =¨ ¸ cos 2 2α + 2 y ⋅ cos 2α ⋅τ yx ⋅ sin 2α + τ yx ⋅ sin 2 2α ¨ ¸ ¨ ¸ 2 2 2 © ¹ © ¹ und für Gl. (3.16) erhalten wir:
τ α2
§ σ y −σ x = ¨¨ 2 ©
2
σ −σ x · 2 ¸ sin 2 2α − 2 y sin 2α ⋅τ yx cos 2α + τ yx ⋅ cos 2 2α ¸ 2 ¹
Beide Gleichungen werden addiert:
σ +σx § ¨σ − y ¨ 2 © 1
2
· § σ −σ x ¸ + τ α2 = ¨ y ¸ ¨ 2 ¹ ©
2
· 2 ¸ + τ yx ¸ ¹
Christian Otto MOHR (1835 – 1918), deutscher Eisenbahn-Ingenieur, Baustatiker und Hochschullehrer an den TH Stuttgart und Dresden
140
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Das Ergebnis hat die Form einer Kreisgleichung und stellt den schon erwähnten „MOHR’schen Spannungskreis“ dar. Dieser Kreis hat die Mittelpunktskoordinaten M
σ y +σ x
(3.17)
0
2
und den Radius § σ y −σ x r = ¨¨ 2 ©
2
· 2 ¸ + τ yx ¸ ¹
(3.18)
Bild 3-8 zeigt den MOHR’schen Spannungskreis in einem σ-τ-Koordinatensystem. Nach Gl. (3.17) können zunächst die Mittelpunktskoordinaten berechnet und der Mittelpunkt M des Kreises auf der σ-Achse eingezeichnet werden. Man erhält den Punkt F auf der σ-Achse als Ende der gegebenen Spannung σy und den Punkt G als Endpunkt der gegebenen Spannung σx.
M =½( y + x) E
A
x
ma
90
y
min
Hauptachsen 0
45°
C
min
h G
yx 2h
xy
F
M
min
ma
D
x
x
x
xy yx
y
x
y B
max ½( y - x)
Bild 3-8 MOHR’scher Spannungskreis
Mit der gegebenen Tangentialspannung τyx, die in F nach oben und in G nach unten eingetragen wird, findet man die Punkte A und B und damit den Durchmesser des Kreises als Strecke AB . Der Schnittpunkt C des Kreises mit der waagerechten Achse legt die minimale Hauptspannung σmin fest und im Punkt D findet man die maximale Hauptspannung σmax. Die Verbindung AC bildet mit der waagerechten Achse den Hauptachsenwinkel h. Die Gerade AC gibt die Richtung von σmin an. Senkrecht dazu verläuft die Richtung von σmax. Trägt man an
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
141
der Geraden AC im Punkt A einen Winkel von 45° an, findet man mit der Geraden AE (und der dazu Senkrechten) auch die Richtung der größten Schubspannung τmax. Aus Bild 3-8 kann man folgende Beziehungen für die Hauptspannungen σmax und σmin ablesen:
σ max = σ M + r =
σ min = σ M − r =
σ y +σ x 2
σ y +σx 2
§σ y −σ x + ¨¨ 2 ©
2
· 2 ¸ + τ yx ¸ ¹
(3.19)
2
§σ y −σ x · 2 ¸ + τ yx − ¨¨ ¸ 2 © ¹
(3.20)
Die Größe der maximalen Tangentialspannung kann man analog zur Vorgehensweise für die Ermittlung der maximalen Normalspannung durch Differentiation der Gl. (3.11) berechnen: dτ =0 dα 2
§σ y −σ x · 2 ¸ + τ yx =ˆ r ¸ 2 © ¹
τ max = + ¨¨
(3.21)
Die maximale Tangentialspannung im Hauptachsensystem entspricht dem Radius des MOHR’schen Spannungskreises, d. h. nach Bild 3-8
τ max =
σ max − σ min 2
(3.22)
Der Winkel τ ist um 45° größer als der Hauptachsenwinkel:
α = α h + 45D
(3.23)
Damit erreichen die Schubspannungen unter 45° zur Hauptachse ein Maximum.
Beispiel 3-3:
Gegeben sind für einen ebenen Spannungszustand die Normalspannungen σx = 40 N/mm² und σy = 80 N/mm² sowie die Tangentialspannung τyx = 34,6 N/mm². Gesucht sind die Größe und Richtung von σmax, σmin und τmax. Lösung: Zunächst werden die gesuchten Größen grafisch ermittelt. Dazu konstruieren wir den MOHR’schen Spannungskreis. Wir tragen die gegebenen Spannungen σx = 40 N/mm² (Punkt G) und σy = 80 N/mm² (Punkt F) auf der waagerechten Achse auf. In F und G zeichnen wir senkrecht nach oben bzw. unten die Tangentialspannung τyx = 34,6 N/mm² ein. Mit den Punkten A und B haben wir als Strecke AB den Durchmesser sowie als Schnittpunkt der Geraden
142
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
AB mit der waagerechten Achse den Mittelpunkt M gefunden. Wir können dann die Hauptspannungen aus Bild 3-9 ablesen:
σmax = 100 N/mm²; σmin = 20 N/mm²; τmax = 40 N/mm²
t
H a u p t T a n g a c h se n d e r e n tia l sp a n n u n g e n
5 0
E
N /m m ² 3 0
t
2 0
m a x
1 0
C 0
er n d g en h se n n u n c a t u p sp a H a rm a l N o
a
-2 0
-4 0
s s
t 2 a G
h
3 0
1 0
-1 0
-3 0
A
4 5 °
m in
M
5 0
t
s
h
y x
F
7 0
D 9 0
1 1 0
N /m m ²
s
y
y x
x
B
-5 0
s
m a x
Bild 3-9 Grafische Lösung im MOHR’schen Spannungskreis für Beispiel 3.3
Die Linie AC gibt eine Richtung der Hauptachse der Normalspannungen vor; die Zweite liegt senkrecht dazu. Die Linie AE legt die Richtung der Achse der Tangentialspannungen fest; auch hier steht die zweite Achse senkrecht auf der Ersten. Als Zweites ist auch eine rechnerische Lösung mit Hilfe der Gln. (3.19) und (3.20) möglich.
σ max = min
σy +σx 2
2
§σ y −σx · 2 ¸ + τ yx ± ¨¨ ¸ 2 ¹ © 2
§ 80 + 40 · N § 80 − 40 · 2 N =¨ ± ¨ ¸ ¸ + 34,6 2 © 2 ¹ mm © 2 ¹ mm 2 = §¨ 60 ± 20 2 + 34,6 2 ©
· N ≈ (60 ± 40 ) N ¸ ¹ mm 2 mm 2
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
σ max ≈ 100
N mm
σ min ≈ 20
2
143
N mm 2
Die maximale Schubspannung ergibt sich nach Gl. (3.22):
τ max =
σ max − σ min 2
≈ 40
N mm 2
Für die Hauptachsenwinkel erhält man nach Gl. (3.13): tan 2α h =
2τ yx
σ y −σx
=
2 ⋅ 34,6 69,2 = ; 2α h = arctan 1,73 ≈ 60° 80 − 40 40
Da die Arcus-Tangens-Funktion nicht eindeutig ist, liefert die Gl. (3.13) nur eine Hauptachsenrichtung; die Zweite steht senkrecht dazu:
α h1
= α h ≈ 30D
α h 2 ≈ 120D bzw. -60D
Dies gilt analog auch für den Winkel der Tangentialspannungsrichtung: tan 2α τ = −
α 1 ≈ −15D
σ y −σ x 2τ yx
=−
80 − 40 40 =− ; 2α = arctan (− 0,578) ≈ − 30D 2 ⋅ 34,6 69,2
α 2 = α h + 45D = 30D + 45D = 75D = α 1 + 90°
Die rechnerischen Ergebnisse stimmen im Rahmen der Zeichengenauigkeit mit den zeichnerischen überein. Bild 3-10 zeigt vier Sonderfälle des MOHR’schen Spannungskreises, wobei jeweils links das Element mit den eingeprägten Spannungen, in der Mitte der MOHR’sche Spannungskreis und rechts das um 45° gedrehte Element dargestellt sind: a)
Einachsiger Zug (wie er z. B. beim Zugversuch auftritt) – der Spannungskreis berührt die senkrechte Achse von rechts. Der Hauptachsenwinkel hat für τyx = 0 nach Gl. (3.13) den Wert h = 0. Am unter 45° gedrehten Element können wir die größten auftretenden Schubspannungen erkennen, da sie nach Gl. (3.23) unter einem Winkel von 45° zu den Normalspannungen auftreten. Ihre Größe ergibt sich nach Gl. (3.11) für σx = σ und σy = 0 sowie = 45° zu τα = σ/2.
b) Einachsiger Druck – der Spannungskreis berührt die senkrechte Achse von links. Mit σx = -σ erhält man die am um 45° gedrehten Element eingezeichneten Spannungen. c)
Allseitiger Schub – der Mittelpunkt des Spannungskreises liegt im Ursprung. Für die Normalspannung am 45° gedrehten Element ergibt sich mit σx = σy = 0 und τyx = τ sowie = 45° der Wert σ = τ.
d) Allseitiger Druck (dieser Fall entspricht z. B. der Belastung eines Steins unter Wasser) bzw. allseitiger Zug – der MOHR’sche Spannungskreis entartet zu einem Punkt auf der waagerechten Achse, denn nach Gl. (3.18) ist für σx = σy = σ und τyx = 0 der Radius r = 0. Unter 45° ist nach Gl. (3.10) σ = σ und nach Gl. (3.11) ergibt sich τ = 0.
144
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
Bild 3-10 Sonderfälle des MOHR’schen Spannungskreises
Beispiel 3-4:
Die gebrochene Schraubenfeder eines Pkws zeigt eine Bruchfläche unter 45° zur Windungsachse (siehe Foto). Erläutern Sie, warum der Bruch unter diesem Winkel aufgetreten ist.
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen
145
Lösung: Schraubenfedern werden auf Torsion beansprucht, da es sich bei ihnen um gewundene Torsionsstabfedern handelt [10, S. 325]. Wir zeichnen den MOHR’schen Spannungskreis für diesen Sonderfall der Beanspruchung (siehe auch Bild 3-10c). t
Die Schubspannung yx ist gleich der Torsionsspannung t: A
t
C
s
a m in
h
= -s
yx = t. Der Kreismittelpunkt M liegt im Ursprung des Koordinatensystems; der Radius des Kreises ist gleich t. Für die Normalspannungen gilt x = y = 0, da nur eine Torsionsspannung auftritt. Aus dem MOHR’schen Spannungskreis ermitteln wir die Richtung der Hauptspannung: Mit h = 45° liegt die Hauptspannungsrichtung um 45° gedreht gegenüber yx.
t
2 a M
m a x
t
h
s
m a x
s D
t
B
Aus dem MOHR’schen Spannungskreis entnimmt man die Größe der Hauptspannung:
max = yx = t
(Zugspannung)
Mit Gl. (3.19) können wir die Hauptspannung max auch rechnerisch ermitteln und erhalten dasselbe Ergebnis. Ebenso ergibt sich aus Gl. (3.13) der Hauptachsenwinkel zu 45°. Auf der um 90° gedrehten Hauptspannungsrichtung tritt min auf. Diese Normalspannung ist bei gleichem Betrag entgegengesetzt wie max gerichtet; es handelt sich also um eine Druckspannung. Betrachten wir ein Rechteckelement auf der Außenseite des Federdrahtes, so liegt die Hauptspannung max unter 45° zur Drahtachse, so dass bei torsionsbeanspruchtem, vergütetem Federdraht ein Bruch in der Hauptachsenrichtung üblich ist (90° zur maximalen Hauptspannung
max). H a u p ts p a n n u n g s ric h tu n g
T
s
R ic h tu n g d e r B ru c h flä c h e
t
m a x
t
t
t
t
t
T t
s
t
m a x
146
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
3.4 Vergleichsspannungshypothesen Vergleichsspannungshypothesen versuchen die Frage zu klären, wann bei mehrachsigen Spannungszuständen ein kritischer Spannungszustand erreicht wird. Grundgedanke aller Vergleichsspannungshypothesen ist, die Wirkung eines mehrachsigen Spannungszustandes auf eine einachsige Normalspannung zurückzuführen. Dazu wird eine gleichwertige einachsige Vergleichsspannung σv gebildet. Diese errechnete (fiktive) Vergleichs(normal)spannung σv wird mit der zulässigen Normalspannung σzul verglichen. Als Spannungsnachweis wird σv σzul geprüft. Für die Sicherheit eines Bauteils ist maßgebend: • die Art der Beanspruchung, • die Art des möglichen Versagens. Aus den unterschiedlichen Beanspruchungs- und Versagensarten wurden zahlreiche theoretische Modelle für Festigkeits- oder Bruchhypothesen abgeleitet. Es existiert bis heute keine allgemein gültige und für alle Beanspruchungs- und Versagensarten gleichermaßen geltende Theorie. Drei Hypothesen haben sich herausgebildet, deren Brauchbarkeit durch Versuche und Praxis bestätigt wurden: 1. die Normalspannungshypothese (NH) 2. die Schubspannungshypothese (SH) und 3. die Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH). Im Folgenden werden diese Hypothesen und ihre Einsatzbereiche der Reihe nach behandelt.
3.4.1 Hypothese der größten Normalspannung (NH) Nach der Normalspannungshypothese2 tritt ein Versagen bei mehrachsiger Beanspruchung ein, wenn – unabhängig von den anderen Spannungen – die (größte) Hauptspannung σmax einen Grenzwert erreicht (Bruchfestigkeit).
σmax ergibt sich aus dem MOHR’schen Spannungskreis nach Gl. (3.19) mit: σ max =
σ y +σ x 2
§ σ y −σ x + ¨¨ 2 ©
2
· ¸ + τ 2 = σ v ≤ σ zul ¸ ¹
(3.24)
Für den Fall, dass nur Biegung und Torsion als Belastung vorhanden sind, gilt: σx = σ und σy = 0. Daraus folgt:
σv = 2
1§ 2 2 · ¨ σ + σ + 4τ ¸ ≤ σ zul 2© ¹
(3.25)
Sie wurde erstmals 1861 von dem schottischen Ingenieur und Physiker William John Macquorn RANKINE (1820 – 1871) formuliert.
3.4 Vergleichsspannungshypothesen
147
Die Hypothese der größten Normalspannung liefert eine brauchbare und gute Übereinstimmung zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung von spröden Werkstoffen.
3.4.2 Hypothese der größten Schubspannung (SH) Die Schubspannungshypothese – auch Hypothese nach TRESCA3 genannt – geht davon aus, dass ein Versagen (bei räumlicher Beanspruchung) durch Schubspannungen ausgelöst wird. τmax ergibt sich aus dem MOHR’schen Spannungskreis:
τ max = MF 2 + AF 2 (siehe MOHR’scher Spannungskreis Bild 3-8) § σ y −σ x = ¨¨ 2 ©
mit τ max =
2
· 2 ¸ + τ yx ¸ ¹
σ max − σ min 2
Aus dem Zugversuch (Abschnitt 2.1.1) hatte sich ergeben, dass die maximale Schubspannung unter einem Winkel von 45° auftritt und halb so groß wie die Normalspannung ist:
τ max =
σv 2
; σ v = 2 ⋅τ max
Daraus ergibt sich für die Vergleichsspannung: 2
§ σ y −σ x · 2 ¸ + τ yx ¸ 2 ¹ ©
σ zul ≥ σ v = 2 ⋅ ¨¨
( 3.26)
=
(σ y − σ x )2 + (2τ yx )2
(3.27)
=
(σ y − σ x )2 + 4τ yx2
(3.28)
Bei Biegung und Torsion gilt: σx = 0; σy = σb; τyx = τt
σ zul ≥ σ v = σ b2 + 4τ t2
(3.29)
Die Hypothese der größten Schubspannung liefert eine brauchbare Übereinstimmung zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung von zähen (duktilen) Werkstoffen mit ausgeprägter Streckgrenze (großer plastischer Verformbarkeit).
3
Henri Édouard TRESCA (1814 – 1885), französischer Ingenieur. Neben der Entwicklung der Schubspannungshypothese war TRESCA auch an der Gestaltung des Urmeters in Paris beteiligt.
148
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
3.4.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (GEH) Der Ansatz der Gestaltänderungs(energie)hypothese – auch MISES4-Hypothese genannt – ist, dass ein Versagen (bei räumlicher Beanspruchung) auftritt, wenn die Gestaltsänderungsenergie (auch Gestaltänderungsarbeit) einen Grenzwert erreicht. Wird ein Bauteil belastet, so wird bei der Formänderung des Bauteils Arbeit verrichtet (Energie verbraucht): die Formänderungsarbeit/-energie (siehe auch Abschnitt 1.5). Diese Formänderungsenergie WF ist aufteilbar in: • Volumenänderungsenergie WV • Gestaltänderungsenergie WG mit:
WF = WV + WG.
Beispiel:
Bei einem Würfel, der in einer Richtung auf Zug beansprucht wird, vollzieht sich die Formänderung in zwei Schritten: 1. Schritt: Volumenvergrößerung unter Beibehaltung der Würfelform. Diese Volumenvergrößerung wird durch die Normalspannung verursacht. 2. Schritt: Gestaltänderung unter Beibehaltung des vergrößerten Volumens. Diese Gestaltänderung durch die Schubspannung verursacht.
Bild 3-11 Verteilung der Formänderungsarbeit
Aus der Beobachtung von Versuchen hat sich ergeben, dass die Volumenänderungsenergie keinen Einfluss auf das Versagen hat, hingegen jedoch die Gestaltänderungsenergie. Das heißt, dass der Schubspannungseinfluss bei diesem Modell entscheidend ist. Ohne Herleitung (da sehr aufwändig) ergibt sich für den zweiachsigen Spannungszustand:
σ v = σ x2 + σ y2 − σ x σ y + 3 2 ≤ σ zul 4
Richard VON MISES (1883 – 1953), österreichischer Mathematiker
(3.30)
3.4 Vergleichsspannungshypothesen
149
Die Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie liefert eine gute Übereinstimmung zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung von duktilen Werkstoffen ohne ausgeprägte Fließgrenze (z. B. Tiefziehstähle: hohes Verformungsvermögen ohne ausgeprägte Streckgrenze: DC 06; DC 10) sowie insbesondere bei dynamischer Beanspruchung.
3.4.4 Anstrengungsverhältnis Bisher ist es nicht gelungen eine Hypothese zu finden, die allen Werkstoffen und Belastungsarten gerecht wird. Die unter 3.4.1 bis 3.4.3 aufgeführten Gleichungen für die Vergleichsspannung σv sind gültig, wenn für σ und τ der gleiche Belastungsfall vorliegt, d. h. beide sind entweder ruhend, schwellend oder wechselnd. Häufig treten in der Praxis jedoch unterschiedliche Belastungsfälle auf: z. B. für eine Welle: Biegung wechselnd, Torsion ruhend. Um diese unterschiedlichen Belastungsfälle zu berücksichtigen, wird ein Korrekturfaktor in die Formeln eingeführt. Zunächst soll betrachtet werden, wie die Torsionsspannung in den unterschiedlichen Vergleichsspannungshypothesen berücksichtigt wird. Dazu wird der Fall „reine Torsion“ betrachtet mit σx = σy = 0. Aus dem Verhältnis der zulässigen Spannung zul zur zulässigen Torsionsspannung zul ergeben sich die folgenden Verhältniswerte für jede Vergleichsspannungshypothese (Tabelle 3-1). Tabelle 3-1: Berücksichtigung der Torsionsspannung in den Vergleichsspannungshypothesen
Hypothese
ϕ=
σ zul τ zul
NH
SH
1
2
GEH 3 ≈ 1,73
Mit diesem Verhältniswert ij wird nach BACH der Korrekturfaktor α0 gebildet, der auch Anstrengungsverhältnis genannt wird.
α0 =
σ zul σ Grenz bzw. α 0 = ϕ ⋅ τ zul ϕ ⋅ τ Grenz
(3.31)
α0 ist ein Gewichtungsfaktor von τ, mit dem in den Vergleichsspannungshypothesen die unterschiedlichen Beanspruchungsarten für die Normal- und Torsionsspannung berücksichtigt werden. Die Werte von σGrenz undτGrenz werden aus Dauerfestigkeitsschaubildern oder Tabellen für die gegebenen Belastungsfälle herausgesucht. Mit dem Korrekturfaktor α0 nach BACH ergeben sich für die Vergleichsspannung für den Fall „Biegung mit Torsion“ (σx = 0 und σy = σ) die folgenden Gleichungen:
1
V = §¨ + 2 + 4(0 )2 ·¸ ≤ zul für NH ¹ 2©
(3.32)
150
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
V = 2 + 4(0 )2 ≤ zul für SH
(3.33)
σ V = 2 + 3( 0 )2 ≤ σ zul für GEH
(3.34)
Beispiel 3-5
Gegeben ist eine Welle aus E335, die durch ein Biegemoment M und ein Torsionsmoment T belastet wird. Gesucht: Anstrengungsverhältnis 0, wenn a) M wechselnd, T ruhend, b) M und T wechselnd c) M ruhend und T wechselnd. Lösung: Werkstoffdaten nach [10, TB 1-1]
σbF = 400 N/mm2;
σbw = 290 N/mm2
τtF = 230 N/mm2;
τtw = 180 N/mm2
ϕ = 3 (für GEH); α 0 =
σ Grenz ϕ ⋅ τ Grenz
a) α 0 =
σ bw 290 = ≈ 0,73 ϕ ⋅τ tF 3 ⋅ 230
b) α 0 =
σ bw 290 = ≈ 0,93 ϕ ⋅ τ tW 3 ⋅ 180
c) 0 =
bF
ϕ ⋅ tW
=
400 3 ⋅ 180
≈ 1,28
Erkenntnis: die stärkste Gewichtung der Schubspannungen tritt bei wechselnden Torsionsmomenten auf!
Beispiel 3-6
Wir schauen uns noch einmal die Antriebswelle von Finn Niklas’ Dreirad an. In Beispiel 2-19 hatten wir die maximal auftretende Torsionsspannung bestimmt. Mit Kenntnis der Theorie zur Überlagerung von Spannungen soll jetzt die maximal auftretende Vergleichsspannung v der Antriebswelle bestimmt werden und mit der zulässigen Spannung verglichen werden.
3.4 Vergleichsspannungshypothesen
151
Gegeben:
Fhl = Fhr = 197,7 N a = 150 mm d = 18 mm S235: Re = 235 N/mm2
Smin = 1,5 max = 21 N/mm2 (aus Beispiel 2-18) Anstrengungsverhältnis 0 = 1
Lösung: Aus dem Biegemomentenverlauf ergibt sich das maximal auftretende Biegemoment:
Mb = Fhl · a = 197,7 N · 150 mm = 29655 Nmm Mb Mb 29655 Nmm = = = 51,8 N/mm 2 π 3 π 3 Wb 3 d 18 mm 32 32
σ max =
Da die Belastung der Antriebswelle dynamisch ist, wird die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese bestimmt.
σ v = 2 + 3( 0 )2 nach Gl. (3.34). σv = (51,8 N/mm 2 ) 2 + 3( 21 N/mm 2 ) = 63,3 N/mm 2 2
σ zul =
Re 235 N/mm2 = = 157 N/mm 2 Smin 1,5
v < zul Die in der Antriebswelle auftretende Vergleichsspannung bleibt unter der zulässigen Spannung.
152
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
3.5 Verständnisfragen zu Kapitel 3 1. Nennen Sie Beispiele für ein Bauteil mit zusammengesetzter Beanspruchung aus Normalund Tangentialspannungen. 2. Was ist bei der Überlagerung von Schubspannungen aus Querkraft und Torsion zu beachten? 3. Was kennzeichnet einen ebenen Spannungszustand? 4. Erläutern Sie die Bedeutung der Hauptachsen bei einem ebenen Spannungszustand. 5. Wozu dient der Mohr’sche Spannungskreis? 6. Warum können Schub- und Normalspannungen nicht einfach addiert werden, um eine maximal auftretende Spannung zu bestimmen? 7. Wann muss eine Vergleichsspannung berechnet werden? 8. Wie wird bei Berechnung einer Vergleichsspannung der Festigkeitsnachweis geführt? 9. Welche Vergleichsspannungshypothesen werden a) bei einer ruhenden Beanspruchung b) bei einer dynamischen Beanspruchung angewendet? 10. Wieso wurde in die Theorie das Anstrengungsverhältnis 0 eingeführt?
3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 Aufgabe 3-1
Ein Säulendrehkran darf in der äußersten Stellung der Laufkatze eine Last F = 20 kN (siehe Skizze) heben. Die Säule ist aus Rohr ∅ 273 x 5-S235JRH hergestellt. Der Ausleger besteht aus einem IPB-Profil. Gegeben: l = 2200 mm; l1 = 3000 mm; l2 = 2500 mm; a = 400 mm a) Ermitteln Sie Art und Größe der maximalen Spannung im Querschnitt B – B sowie im Einspannquerschnitt am Boden. b) Bestimmen Sie die Nulllinienverschiebung (Verlagerung der neutralen Faser) y0 im Querschnitt B – B. c) Skizzieren Sie den resultierenden Spannungsverlauf und die Nulllinienverschiebung qualitativ im Querschnitt B – B.
3.6 Aufgaben zu Kapitel 3
153
Aufgabe 3-2
Eine Getriebewelle aus E335 wird auf Biegung wechselnd ( bW = 290 N/mm2) und Torsion schwellend (Sch = 230 N/mm2) beansprucht. a) Welche Hypothese ist anzuwenden? b) Wie groß ist das Anstrengungsverhältnis 0? Aufgabe 3-3
Ein Blech aus S235JR (Raumtemperatur und keine besonderen Umwelteinflüsse) ist in der Blechebene statisch belastet. Die Spannungen betragen x = 132 N/mm2; y = 48 N/mm2 und = xy = 61 N/mm2. a) Mit welcher Hypothese sollte das Blech auf Versagen gegen Fließen geprüft werden? b) Wie groß ist die Vergleichsspannung? c) Wie groß ist die Sicherheit gegen unzulässig große Verformung? Aufgabe 3-4
Von einem abgewinkelten Balkenelement sind folgende Daten bekannt:
154
3 Zusammengesetzte Beanspruchungen
F1
= 1,5 kN
F2
= 3,6 kN
F3
= 1,0 kN
l1
= 1000 mm
l2
= 500 mm
d
= 50 mm
Bestimmen Sie Ort und Größe der maximalen Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese für ein Anstrengungsverhältnis von α0 = 1. Aufgabe 3-5
An einem Kegelrad wirken die Umfangkraft Fu = 6 kN, die Axialkraft Fa = 2 kN und die Radialkraft Fr = 1 kN. Die Abmessungen betragen: d = 50 mm, do = 120 mm, l = 40 mm.
Lager
Fa
Fu
Fr A
d
do
Fr
l
Für die Querschnittsfläche A sind zu ermitteln: a) die größte resultierende Normalspannung b) die Vergleichsspannung σv mit dem Anstrengungsverhältnis α0 = 1 zunächst ohne Berücksichtigung der Schubspannung aus der Querkraft c) die Vergleichsspannung σv mit dem Anstrengungsverhältnis α0 = 1 mit Berücksichtigung der Schubspannung aus der Querkraft. d) Wann muss die Querkraft bei einer Biegebeanspruchung zur Ermittlung der Vergleichsspannung berücksichtigt werden?
155
4 Durchbiegung Bisher haben wir bei der Dimensionierung von Bauteilen auf die Beanspruchung geachtet, indem wir untersucht haben, ob die vorhandene Spannung die zulässige nicht überschreitet und notwendige Sicherheiten eingehalten werden. Im Maschinenbau spielt aber auch die Steifigkeit beziehungsweise die Verformung von Bauteilen, Maschinen, Fahrzeugen usw. eine Rolle. Werkzeugmaschinen müssen sehr steif ausgelegt werden, damit nicht die Bearbeitungsgenauigkeit durch unzulässige Verformungen der Maschinen leidet. Eisenbahn-Reisezugwagen dürfen sich z. B. unter der Nutzlast nur um 1/300 der Stützweite durchsenken. Das ergibt bei den üblichen Stützweiten von 19000 mm zwischen den Drehzapfen der Laufwerke eine maximale zulässige Durchbiegung in der Mitte des Wagenkastens von 63 mm. Da auch Getriebewellen Verformungen zeigen können, muss überprüft werden, ob die Winkelverschiebungen, die infolge der Verformung der Welle in den Lagerstellen auftreten, von den vorgesehenen (Wälz-)Lagern aufgenommen werden können. Das folgende Kapitel befasst sich daher mit der Berechung von Verformungen, Biegelinien und Tangentenwinkeln von Bauteilen.
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie Ein Träger, der auf Biegung beansprucht wird, krümmt sich. In diesem Abschnitt wird die Gleichung für die Linie hergeleitet, die diese Krümmung beschreibt. Diese Linie wird elastische Linie oder Biegelinie genannt.
Bild 4-1 Biegebeanspruchter Träger mit Rechteckquerschnitt auf zwei Stützen a) hochkant, b) flachkant
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
156
4 Durchbiegung
Die Krümmung des Trägers ist abhängig von • der Größe des Biegemoments, • der Starrheit des Werkstoffs gegen eine elastische Deformation und • der Form und Größe des Balkenquerschnitts. Zur Herleitung der elastischen Linie gelten die folgenden Voraussetzungen: 1. die Achse des unbelasteten Trägers (Balkens) ist gerade und der Querschnitt konstant, 2. die Querschnittsabmessungen (Breite b und Höhe h) sind klein gegenüber der Balkenlänge l (h << l), d. h. die Schubspannungen sind vernachlässigbar, 3. der Balkenwerkstoff ist homogen und isotrop, der E-Modul für Zug und Druck gleich und das HOOKE’sche Gesetz gültig, 4. die äußere Belastung liegt in der Symmetrieebene des Querschnitts bzw. in Richtung einer Hauptachse (gerade Biegung), 5. es treten nur kleine Durchbiegungen (Deformationen) und Winkeländerungen auf, 6. die Balkenquerschnitte bleiben eben und senkrecht zur Balkenachse, 7. die untersuchten Querschnitte sind in genügender Entfernung von Krafteinleitungsstellen (Auflager, Lastangriffsstellen), 8. die maximale Spannung liegt unterhalb der Proportionalitätsgrenze ( max p). Im Bild 4-2 ist der Teilabschnitt eines auf Biegung beanspruchten Balkens dargestellt.
Bild 4-2 Teilabschnitt eines auf Biegung beanspruchten Balkens (nach [1])
Die w-Koordinate ist nach unten gerichtet der Wert für die Durchbiegung ist positiv (bei Belastung von oben).
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
157
Für die Dehnung eines Bogenelementes im Abstand z von der neutralen Faser ergibt sich:
ε=
Δl l
=
z ⋅ dα ds
Ein Bogenelement hat die Länge ds = ρ ⋅ dα
ε=
z ⋅ dα z σ = = (HOOKE`sches Gesetz) ρ ⋅ dα ρ E
Bei einer linearen Biegespannungsverteilung über der Balkenhöhe ergibt sich für die Spannung: M ⋅z σ= b (I =ˆ axiales Flächenmoment 2. Grades) I Mb ⋅ z z = ρ E⋅I
1
ρ
=
Mb =k E⋅I
(k: Krümmung)
(4.1)
Bemerkung: • Das Produkt E·I entspricht der Biegesteifigkeit, d. h. die Steifigkeit eines Balkens hängt nicht von seiner Festigkeit ab, sondern nur vom E-Modul und dem Flächenmoment 2. Grades. • Wenn Mb und A konstant sind, folgt, dass auch konstant ist, d. h. die Krümmung wird durch einen Kreisbogen beschrieben. Normalerweise ist Mb nicht konstant; Mb = f(x) Die Krümmung der Biegelinie ändert sich von Punkt zu Punkt der xAchse. Für die Technik sind die Durchbiegung w und die Winkellage w der Biegelinie von Interesse. So gilt für viele Wälzlagerarten (Rillenkugel-, Nadel-, Zylinderrollenlager), dass keine Winkelabweichungen der Drehachsen zugelassen sind. Mit der Berechnung von w kann überprüft werden, ob der Einsatz derartiger Lager möglich ist. Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen und w bzw. w hergeleitet werden. In der Mathematik (Funktionentheorie) wird der Zusammenhang zwischen der Krümmung einer Kurve, die durch den Punkt P geht, und der Tangente in dem Punkt P wie folgt beschrieben (siehe Bild 4-3):
Bild 4-3 Definition der Krümmung
158
4 Durchbiegung 1
ρ
=
y ′′
(1 + y ′ )
3 2 2
Auf die Koordinaten x, w umgeformt: 1
ρ
=
w′′
(1 + w′ )
3 2 2
Voraussetzung für die Herleitung der elastischen Linie sind kleine Winkeländerungen (siehe auch Annahme 5). Daraus folgt zum Beispiel für αmax = ½o w´ = tan α = tan (0,5°) = 0,009 w´2 10-4, d. h. w´2 ist in der vorstehenden Gleichung bei Anwendung auf Biegung vernachlässigbar. 1
ρ
=
−
Mb E⋅I w′′
(1 + )
3 w′ 2 2
=
Mb E⋅I
(In vorstehender Gleichung negatives Vorzeichen, da w positiv nach unten!) w′′ = −
M b (x ) E⋅I
(4.2)
Dies ist die lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung für die elastische Linie (Biegelinie). Hier noch einmal ein Verweis auf die Vorzeichenregel aus Abschnitt 2.2.2: Ein Moment, das auf der Seite der positiven w-Achse eine gezogene Faser erzeugt, ist positiv (Bild 4-4).
+
Mb
Mb w
Bild 4-4 Vorzeichenregel
M b (x ) darf nur bedingt zur Berechnung von Blattfedern verwendet E⋅I werden (nur bei kleinen Verformungen), da die Voraussetzung w2 0 bei großen Durchbiegungen nicht erfüllt ist.
Die Gleichung w′′ = −
Erkenntnis: Die zweite Ableitung der Biegelinie eines Trägers mit konstanter Biegesteifigkeit entspricht nach vorstehender Gleichung dem Momentenverlauf. Man erhält folgenden Zusammenhang zwischen der Streckenlast, dem Momentenverlauf, dem Steigungswinkel und der elastischen Linie: q(x) = – Fq(x)´ = – M b(x)´´ = + ij(x)´´´E·I = + w(x)´´´´E·I
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
159
Aus der Funktion der Streckenlast erhält man nacheinander durch Integration: 1. 2. 3. 4.
die Querkraftlinie Fq(x) die Biegemomentlinie M b(x) den Steigungswinkel der Biegelinie (x) und die Biegelinie w(x).
Fq = − q ⋅ dx
³
(4.3)
³
(4.4)
M b = Fq ⋅ dx
ϕ=−
Mb
³ EI
(4.5)
dx
w = ³ ϕ ⋅ dx
(4.6)
x Diese Vorzeichen ergeben sich, weil es üblich ist, die Durchbiegung von Trägern nach unten positiv anzugeben und die positive x-Achse nach rechts zu legen (Bild 4-5). Der Steigungswinkel soll dann positiv sein, wenn bei zunehmendem Wert x auch die Durchbiegung größer wird.
w Bild 4-5 Koordinaten bei Durchbiegung
Beispiel 4-1 Für den eingespannten Träger konstanter Biegesteifigkeit (linke Abbildung), der am Ende durch eine Einzelkraft belastet ist, sind die Gleichung der Biegelinie, die maximale Durchbiegung und die Winkeländerung zu bestimmen. F
F
Mb(x)
x wmax max
w
Lösung nach Gl. (4.2):
EI · w" = -Mb(x)
l
l
}
-Fl
160
4 Durchbiegung
Beziehung für Mb-Verlauf aufstellen und dabei auf richtiges Vorzeichen achten! Nach Definition ist das durch F verursachte Moment negativ (Druck/ Stauchung auf positiver w-Seite). M b ( x) = − F ⋅ x
EI ⋅ w′′ = + F ⋅ x
Zweimal integrieren: EI ⋅ w′ =
1 2 Fx + C1 2
EI ⋅ w =
1 3 Fx + C1 x + C 2 6
Die Integrationskonstanten C1 und C2 aus den Randbedingungen (Rb):
• Horizontale Biegelinie an der Einspannstelle w(x = l) = 0 • keine Durchsenkung an der Einspannstelle w(x = l) = 0. Rb. 1: 1 2 Fl + C1 2
EI ⋅ w′ = 0 = C1 = −
1 2 Fl 2
Rb. 2: EI ⋅ w = 0 = C2 =
1 3 1 3 Fl − Fl + C 2 6 2
1 3 1 3 1 3 Fl − Fl = Fl 2 6 3
Konstanten einsetzen ergibt die Biegelinie: w=
1 §1 1 1 · F ⋅ x3 − F ⋅ l 2 ⋅ x + F ⋅ l 3 ¸ ¨ EI © 6 2 3 ¹
w=
Fl 3 3 ⋅ EI
ª 1 § x ·3 3 x º + 1» « ¨ ¸ − 2l «¬ 2 © l ¹ »¼
Maximale Durchbiegung an der Krafteinleitungsstelle:
x=0 w= w(x = 0) =
F ⋅l3 [0 − 0 + 1] 3 ⋅ EI
F ⋅l3 = wmax 3 ⋅ EI
(Rb. 1) (Rb. 2)
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
161
Größte Schiefstellung (ij größte Tangentenneigung) auch bei x = 0:
(
F §1 2 1 2· F x − l ¸= x2 − l 2 2 ¹ 2 EI EI ¨© 2
w′ =
x = 0 w′ = −
)
F ⋅l2 = ϕ max 2 EI
Auswertung der Gleichung für w: w=
F ⋅l3 3 ⋅ EI
ª 1 § x ·3 3 x º « ¨ ¸ − + 1» 2 l 2 l »¼ ¬« © ¹
die Durchbiegung ist: 1. linear proportional zur Last F 2. in der 3. Potenz zur Länge l 3. umgekehrt proportional zur Biegesteifigkeit E·I
Zu beachten ist, dass lange Träger überproportional deformiert werden und daher eventuell nach der zulässigen Durchbiegung dimensioniert werden müssen. Die zulässigen Spannungen werden dabei z. T. nicht erreicht.
Beispiel 4-2 Für den eingespannten Träger konstanter Biegesteifigkeit (linkes Bild), der durch eine konstante Streckenlast q belastet ist, sind die Gleichung der Biegelinie, die maximale Durchbiegung und die Winkeländerung zu bestimmen (Schnittgrößen am Träger siehe rechtes Bild).
Lösung: x
¦ Mi = 0 Mb = − q ⋅ x ⋅ 2 = − q Elw ′′ = − M b = q w′′ =
q ⋅ x2 2 EI
x2 2
x2 2
162
4 Durchbiegung
Integrieren: w′ =
q 1 3 ⋅ x + C1 2 EI 3
w=
q 1 4 ⋅ x + C1 ⋅ x + C2 2 EI 12
Randbedingungen: w′ ( x = l ) = 0
C1 = −
ql 3 6 EI
w( x = l ) = 0 C2 = −
C2 =
q 1 3 ⋅ l + C1 = 0 2 EI 3
ql 4 2 EI
q l 4 ql 3 ⋅ − ⋅ l + C2 = 0 2 EI 12 6 EI ql 4 § 1 1· ⋅¨ − ¸ = − 2 EI © 12 3 ¹
ql 4 8EI
Gleichung der Biegelinie: ª 1 § x ·4 4 x º « ¨ ¸ − + 1» 3 l «¬ 3 © l ¹ »¼
w=
ql 4 8EI
w=
4 ql 4 ª 4 x 1 § x · º «1 − + ¨ ¸ » 8EI « 3 l 3 © l ¹ » ¬ ¼
Maximale Durchbiegung bei x = 0: w(x = 0) =
ql 4 8EI
Neigung bei x = 0: 3
w′ =
ql 3 § x · ql 3 − ¨ ¸ 6 EI © l ¹ 6 EI
w′ ( x = 0 ) = −
ql 3 = ϕ max 6 EI
§1 4· ¨ − ¸ © 12 12 ¹
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
163
Beispiel 4-3
Für den außermittig mit einer Einzelkraft F belasteten Träger konstanter Biegesteifigkeit sind die Gleichung der Biegelinie und die maximale Durchbiegung zu bestimmen.
Lösung: Zunächst soll der Momentenverlauf bestimmt werden:
Mb(x) ist keine glatte Funktion über der Balkenlänge (ist meistens so), d. h. verschiedene Mb-Funktionen Integration in getrennten Bereichen, hier I und II. Auflagerkräfte:
¦ Fy = 0 = FA + FB − F
¦M
( A)
= 0 = FB ⋅ l − F ⋅ a = 0 FB = F ⋅
FA = F − FB = F − F ⋅
a l
b § a· §l a· FA = F ¨1 − ¸ = F ¨ − ¸ = F l l l l © ¹ © ¹
a l
164
4 Durchbiegung
Mb max aus Momentenverlauf:
M bII − FA ⋅ x + F (x − a ) = 0
M bI − FA ⋅ x = 0 M bI = F
b ⋅x l
M bII = F
M bmax = M bI (x = a ) = F ⋅
b ⋅ x − F (x − a ) l
b⋅a l
b EI ⋅ w I′′ = − M bI = − F ⋅ ⋅ x l
b EI ⋅ wII′′ = − M bII = − F ⋅ ⋅ x + F (x − a ) l
b x2 EI ⋅ wI′ = − F ⋅ ⋅ + C I1 l 2
′ = −F ⋅ EI ⋅ wII
(x − a )2 + C b x2 +F II1 l 2 2
EI ⋅ wII = − F ⋅
b x3 (x − a )3 + C ⋅ x + C +F II1 II2 l 6 6
EI ⋅ wI = − F ⋅
b x3 ⋅ + C I1 ⋅ x + C I2 l 6
Randbedingungen:
w0 = w(x = 0) = 0 (Rb. 1 für „I“) wl = w(x = l) = 0 (Rb. 2 für „II“) Übergangsbedingungen:
wIa = wI(x = a) = wIIa (Üb. 1) wIa = wI(x = a) = wIIa (Üb. 2) Aus Rb. 1:
wI(x = 0) = CI 2 = 0 CI 2 = 0 Aus Üb. 2:
wIa(x = a) = wIIa(x = a) −F
(a − a )2 + C b a2 b a2 + C I1 = − F +F II1 l 2 l 2 2
C I1 = C II1
für Krafteingriffsstelle, da die Durchbiegung und die Steigung gleich sein müssen
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
165
Aus Üb. 1: wIa = wIIa −F
b a3 + C I1 ⋅ a + C I2 = l 6
= −F
(a − a )3 + C ⋅ a + C b a3 +F II1 II2 l 6 6
C II2 = 0
Aus Rb. 2: wl = w II1 = 0 = − F C II1 =
F 6
(l − a )3 + C ⋅ l b l3 +F II1 6 l 6
ª (l − a )3 º » «b ⋅ l − l ¼» ¬«
Mit b = l − a ; C II1 =
[
]
F b 2 ⋅ l − b 2 = C I1 6 l
Gleichungen für die Biegelinie entsprechend den beiden Bereichen I und II: wI ( x ) =
F b ⋅ 6 EI l
wII ( x ) =
[(l
2
)
− b2 ⋅ x − x3
F bªl ⋅ ( x − a )3 + 6 EI l «¬ b
]
( l 2 − b2 ) ⋅ x − x3 º»¼
Kontrolle: wI(x = a) = wII(x = a): wI ( x = a ) = =
F b ⋅ 6 EI l
[(l
2
)
− b2 ⋅ a − a3
]
( a 2 − a2 ) + (l 2 − b2 ) ⋅ a − a3 º»¼
F bªl ⋅ 6 EI l «¬ b
mit l = a + b wI (x = a ) = =
[
F b ⋅ 6 EI l
[( a
2
)
+ 2ab + b 2 − b 2 ⋅ a − a 3
]
F b 3 F a 2b 2 ⋅ a + 2a 2 b − a 3 = ⋅ 6 EI l 3EI l
]
166
4 Durchbiegung
Maximale Durchbiegung: (liegt für a > b im Bereich I) wI(xm) = 0 wI′ = −
[
[
]
(
)
xm2 1 2 = l − b2 2 6
x m2 =
]
2 F b 2 F b xm ⋅ ⋅ + ⋅ l − b2 = 0 EI l 2 6 EI l
1 2 l −b2 3
xm =
(l
2
− b2 3
wmax = wI (x m ) =
)
(x-Koordinate der maximalen Durchbiegung!)
F b ⋅ 6 EI l
[(l
2
)
3 − b 2 ⋅ xm − xm
=
3 3º F bª 1 2 1 2 l − b2 2 − l − b2 2 » ⋅ « 6 EI l « 3 » 3 3 ¬ ¼
=
3º F b 1 ª2 2 « l − b2 2 » ⋅ 6 EI l 3 « 3 » ¬ ¼
(
wmax =
)
(
F b ⋅ 9 3EI l
(
]
)
)
(
)
3
l 2 − b2 2
Die Biegelinien und Verformungen grundlegender Balkenprobleme sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Tabelle 4-1: Biegelinien und Verformungen von Balken
Belastungsfall
1
Gleichung der Biegelinie
w=
3 Fl 3 ª 3 x 1 § x · º «1 − + ¨ ¸ » 3EI « 2 l 2 © l ¹ » ¬ ¼
w=
2
2 Fl 3 x ª 4 § x · º» ⋅ «1 − ¨ ¸ 16 EI l « 3 © l ¹ » ¼ ¬
für x ≤
l 2
Durchbiegungen w Neigung
wF = wmax =
ϕmax =
F ⋅ l3 3 ⋅ EI
Fl 2 2 EI
wF = wmax =
ϕA = ϕB =
F ⋅ l3 48 ⋅ EI Fl 2 16 EI
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie
167
2 Fl 3 a § b · x ª l x2 º » ⋅ ⋅ ¨ ¸ ⋅ «1 + − 6 EI l © l ¹ l « b a ⋅ b » ¬ ¼
w=
für x ≤ a
3
Fl 3 b § a · x1 ª l x2 º ⋅ ⋅ ¨ ¸ ⋅ «1 + − 1 » 6 EI l © l ¹ l « b a ⋅ b » ¼ ¬ 2
w1 =
für x1 ≤ b
w=
2 Fl 3 a x ª § x · º ⋅ ⋅ «1 − ¨ ¸ » 6 EI l l « © l ¹ » ¬ ¼
w1 =
ϕA = wF ⋅
1 § l· ¨1 + ¸ 2a © b ¹
ϕ B = wF ⋅
1 § l· ¨1 + ¸ 2b © a ¹
2 Fl 3 x1 ª« 2a a x §x · º ⋅ +3 ⋅ 1 −¨ 1 ¸ » 6 EI l « l l l © l ¹ » ¬ ¼
für x1 ≤ a
Fl 3 § a · § a · ⋅ ¨ ¸ ⋅ ¨1 + ¸ l¹ 6 EI © l ¹ ©
ϕA =
Fl 2 a 1 ⋅ = ⋅ϕB 6 EI l 2
ϕF =
Fl 2 a § a· ⋅ ¨2 + 3 ¸ 6 EI l © l¹
Kreisbogen mit dem Radius:
ρ=
5
EI M
Näherungsweise: Ml 2 § x· w= ¨1 − ¸ l¹ 2 EI ©
2
4 ql ª 4 x 1 § x · º w= «1 − ⋅ + ¨ ¸ » 8 EI « 3 l 3 © l ¹ » ¬ ¼ 4
6
wmax =
Ml 2 2 EI
ϕ max =
Ml EI
wmax =
ql 4 8EI
ϕ max =
ql 3 6 EI 4
7
5ql 2 2 5ql 4 ª § x · º ª 4 § x · º wmax = 384 EI «1 − 4¨ ¸ » «1 − ¨ ¸ » w= 384 EI « © l ¹ »¼ «¬ 3 © l ¹ »¼ ¬ 3
ϕA = ϕB =
wmax =
8
w=
M Al ª x 3 § x · 1§ x· « − ¨ ¸ + ¨ ¸ » 3EI « l 2 © l ¹ 2© l ¹ » ¬ ¼ 2
2
2
2
wF =
für x ≤ l
4
2
Fl 3 § a · § b · ⋅¨ ¸ ⋅¨ ¸ 3EI © l ¹ © l ¹
wF =
3º
bei x =
ϕA =
ql 24 EI
M Al 2 9 3 EI
l
3
MA l2 = −2ϕ B 3EI
168
4 Durchbiegung
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung Aus den Grundlösungen für die Durchbiegungen und Neigungen der elastischen Linie (nach Tabelle 4.1) ergeben sich Kombinationsmöglichkeiten. Die Voraussetzung dafür ist, dass die resultierende Spannung kleiner als die Proportionalitätsspannung bleibt: σres max < σP. Im linear-elastischen Bereich gilt: Eine Überlagerung (Superposition) ist möglich. Durch die Überlagerung von Grundlösungen werden die Durchbiege- und Neigungswerte für komplizierte Belastungsfälle aus Einzelkräften und -momenten sowie Streckenlasten zusammengesetzt. Wenn kleine Verformungen und geringe Neigungen (vgl. Annahme 5 aus Abschnitt 4.1) vorhanden sind und alle Durchbiegungswerte (so gut wie) senkrecht zur unverformten Balkenachse liegen, besteht die Möglichkeit der einfachen Addition. Dazu wird auf die Grundlösungen aus Tabelle 4-1 zurückgegriffen. Beispiel 4-4
Überlagerung durch Addition: wges = wq + wF , d. h. Fall (6) u. (1) aus Tabelle 4-1
wges =
q ⋅ l 4 Fl 3 l 3 § q ⋅ l F · + = + ¸ ¨ 8EI 3EI EI © 8 3¹
wges =
l3 E⋅I
§ q⋅l F · ¨ 8 + 3¸ © ¹
Neigung am freien Ende:
ϕ ges = ϕ q + ϕ F =
ql 3 Fl 2 + Fall (6) u. (1) für die Neigung aus Tabelle 4-1 6 EI 2 EI
wF
wq
wges
Einseitig eingespannter Balken der Länge l mit konstanter Streckenlast q und Einzellast F am freien Ende
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung
ϕ ges =
169
l2 § q ⋅l · +F¸ ¨ 2E ⋅ I © 3 ¹
Beispiel 4-5
wF2
q1·l/2
wges
wq1
Einseitig eingespannter Träger mit konstanter Streckenlast q auf der ersten Balkenhälfte und F am freien Ende
l Ansatz: wges = w2 = wq1 + ϕ q1 ⋅ + wF 2 2
Wichtig: q verursacht nicht nur die Durchbiegung an der Stelle 1, sondern für die Gesamtdurchbiegung muss auch die Neigung des Trägers an dieser Stelle berücksichtigt werden. Diese Neigung ijq1 führt mit dem Hebel l/2 zu einer zusätzlichen Absenkung an der Stelle 2. 4
3
§l· §l· q ⋅¨ ¸ q⋅¨ ¸ l F ⋅l3 2 2 wges = © ¹ + © ¹ ⋅ + 8E ⋅ I 6 E ⋅ I 2 3E ⋅ I 3
§l· q ⋅¨ ¸ F ⋅l2 2 ϕ ges = ϕ q1 + ϕ F2 = © ¹ + 6E ⋅ I 2E ⋅ I
Beispiel 4-6
Einseitig eingespannter Balken mit zwei Einzelkräften. Auch bei diesem Beispiel muss berücksichtigt werden, dass die Kraft F1 nicht nur eine Durchbiegung an der Krafteinleitungsstelle von F1 verursacht, sondern mit dem Neigungswinkel ijF1 und dem Hebelarm b zur Durchsenkung an der Stelle F2 beiträgt.
170
4 Durchbiegung
§ a3 · a2 l3 wmax = F1 ¨ + ⋅ b ¸ + F2 ¨ 3E ⋅ I 2 E ⋅ I ¸ 3E ⋅ I © ¹
ϕ max =
(
1 F1 a 2 + F2 l 2 2E ⋅ I
)
Beispiel 4-7
q2·l/2
wq2
wq1
wges
Einseitig eingespannter Balken mit konstanter Streckenlast q über der 2. Hälfte der Balkenlänge
Eine Überlagerung kann auch mit negativer Addition – also durch Subtraktion – stattfinden. wges = wGanz − wTeil
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung
171
Auch bei diesem Beispiel muss berücksichtigt werden, dass die Teilquerkraft (rechts im Bild) nicht nur die Durchbiegung wq2 an der Stelle 1 verursacht, sondern auch mit dem Neigungswinkel ijq2 und dem Hebelarm l/2 zur Durchsenkung an der Stelle 2 beiträgt. l wges = wq1 − ( wq2 + ϕ q2 ⋅ ) 2 3 § § l ·4 · §l· ¨ q ⋅¨ ¸ ¸ q ⋅¨ ¸ ¨ ©2¹ q ⋅l ©2¹ l ¸ ⋅ ¸ + −¨ = 8E ⋅ I ¨ 8E ⋅ I 6E ⋅ I 2 ¸ ¨ ¸ © ¹ 4
wges
wges =
q ⋅l4 E⋅I
wges =
q ⋅ l 4 41 ⋅ 8E ⋅ I 48
1 1 · §1 − ¸ ¨ − 8 128 96 © ¹
ϕ ges = ϕ1 − ϕ 2 =
§ 41 5 · ≈ ¸ ¨ © 48 6 ¹ q ⋅l3 7 ⋅ 6E ⋅ I 8
Beispiel 4-8
Einseitig eingespannter Balken mit abschnittsweise verschiedener Biegesteifigkeit unter Einzellast am freien Ende
Ansatz: Addition von drei Anteilen
max. Durchbiegung : wmax = w1 + w2 + w3 w1 an der Stelle 1 infolge F und M = F ⋅ b : w1 = F ⋅
a3 a2 F ⋅ a2 + F ⋅b ⋅ = E ⋅ Ia 3E ⋅ I a 2E ⋅ I a
§a b· ¨ + ¸ ©3 2¹
172
4 Durchbiegung
w2 infolge der Neigung in (1): § a2 a w2 = ϕ 1⋅ b = ¨ F + F ⋅b⋅ ¨ 2E ⋅ I a 2E ⋅ I a ©
· ¸⋅b ¸ ¹
w3 durch F über b: w3 =
F ⋅ b3 3E ⋅ I b
wmax =
F ⋅ a3 3E ⋅ I a
3 § ¨1 + 3 l b + §¨ b ·¸ ⋅ I a ¨ a a © a ¹ Ib ©
· ¸ ¸ ¹
Entsprechend: ϕmax aus drei Anteilen Kontrollen für wmax: für b = 0 und a = l wmax =
F ⋅l3 3E ⋅ I a
für Ia = Ib = I und a + b = l: 3 § l b § b · ·¸ a 3 ¨1 + 3 + ¨ ¸ = a 3 + 3ab(a + b ) + b 3 ¨ a a © a ¹ ¸¹ © = a 3 + 3a 2 b + 3ab 2 + b 3 =ˆ (a + b )3 = l 3
i. O.!
Beispiel 4-9
Kragträger mit Einzellast F am freien Ende
Verformung bei F aus • Moment M = F·a in B • Kraft F über Länge a:
i. O.!
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung
wges = wM + wF =
173
(F ⋅ a ) ⋅ l ⋅ a + F ⋅ a 3 3E ⋅ I
3E ⋅ I
wobei wM = ϕ B ⋅ a 2
wges =
F ⋅ l3 § a · § a· ⋅ ¨ ¸ ⋅ ¨1 + ¸ 3E ⋅ I © l ¹ © l¹
Beispiel 4-10
Durchbiegungen an den Krafteinleitungsstellen: w1 = w11 + w12
1. Index: Stelle
w2 = w21 + w22
2. Index: verursachende Kraft
Für die Lagerstellen: A = A1 + A2 und B = B1 + B2 Beispiel 4-11
Jetzt wollen wir uns noch einmal das Dreirad von Finn Niklas anschauen und bestimmen, wie weit sich das Gestell an der Stelle des Sitzes unter dem Gewicht von Finn Niklas nach unten durchbiegt.
w22
w21
w12
w11
w2
w1
Träger auf zwei Stützen mit Einzellasten F1 und F2.
174
4 Durchbiegung
Die Schnittgrößen am Rahmen sind im folgenden Bild dargestellt. Gegeben: M l2
FGF l1
l1= 450 mm; l2 = 850 mm; lh = 950 mm;
A
FGF = 550 N; FV = 154,7 N; Fhl = Fhr = 197,7 N;
FV
M = 46,41 Nm; Iy = 78552 mm4;
B
Für den vorderen Träger gilt: wB = wBF + wBM
Fhl
C
2
wBF =
lh Fhr
Fl 3 § a · § b · ⋅¨ ¸ ⋅¨ ¸ 3EI © l ¹ © l ¹
2
(Fall 3 in Tabelle 4-1)
a = l1; b = l2 und l = l1 + l2 2
wBF =
wBM =
FGF l 3 § l1 · § l2 · ⋅¨ ¸ ⋅¨ ¸ 3EI © l ¹ © l ¹
2
2 3 M Al 2 ª x 3 § x · 1§x· º « − ¨ ¸ + ¨ ¸ » (Fall 8 Tabelle 4-1) 3EI « l 2 © l ¹ 2© l ¹ » ¬ ¼
x = l2 wBM =
Ml 2 3EI
wB =
2 3 ªl 3§l · 1§l · º « 2 − ¨ 2¸ + ¨ 2¸ » 2 © l ¹ »¼ «¬ l 2 © l ¹
FGF l 3 3EI
2
2
Ml 2 §l · §l · ⋅ ¨¨ 1 ¸¸ ⋅ ¨¨ 2 ¸¸ + 3EI ©l ¹ © l ¹
ªl 3 §l « 2 − ¨¨ 2 «¬ l 2 © l 2
2
1 §l · ¸¸ + ¨¨ 2 2© l ¹
· ¸¸ ¹
3º
» »¼
2
550 N ⋅ 13003mm3 § 450 · § 850 · ⋅¨ ¸ ⋅¨ ¸ 5 N 4 © 1300 ¹ © 1300 ¹ ⋅ 3 ⋅ 2,1 ⋅10 78552 mm mm 2 ª 850 3 § 850 ·2 1 § 850 ·3 º 46, 41 Nm ⋅13002 mm 2 « + − ¨ ¸ + 2 ¨ 1300 ¸ » N 4 « 1300 2 © 1300 ¹ © ¹ »¼ 3 ⋅ 2,1 ⋅ 105 78552 mm ⋅ ¬ mm 2
wB =
= 1,25 mm + 1,16 mm = 2,14 mm Gleichzeitig biegt sich der hintere Träger an der Stelle C unter dem Einfluss der Gewichtskraft durch: wC =
F ⋅l3 (Fall 2 Tabelle 4-1) 48 ⋅ EI
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
175
l = lh; F = Fh= Fhl + Fhr wC =
Fh ⋅ lh 3 395,3 N ⋅ 9503 mm3 = = 0, 43 mm 48 ⋅ EI 48 ⋅ 2,1 ⋅105 N ⋅ 78552 mm 4 mm 2
Auf die Stelle B wirkt sich diese Durchbiegung wie folgt aus: l wBC = wC 2 l Die Gesamtdurchbiegung am Sitz ergibt sich aus: l 850 wBges = wB + wC 2 = 2,41 mm + 0,43 mm ⋅ = 2,69 mm l 1300
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme Die Biegetheorie liefert zusätzliche Informationen, um Systeme, die statisch unbestimmt sind und in der Statik nicht lösbar waren, zu lösen. Die in der Statik behandelten Begriffe „statisch bestimmt“ beziehungsweise „statisch unbestimmt“ sollen hier noch einmal kurz definiert werden. Die statische (Un-)Bestimmtheit kann unterschieden werden in • innere und • äußere statische (Un-)Bestimmtheit. Bei innerlich statisch (un-)bestimmten Systemen werden geschlossene Fachwerke, Rahmen oder Ringe betrachtet und die Kräfte in den Stäben berechnet. Bei äußerlich statisch (un-)bestimmten Systemen werden offene Tragwerke (wie die in den Bildern 4-6 bis 4-9 dargestellten Balken, Rahmen, …) betrachtet. Bei diesen sind vor allem die Auflagerkräfte von Interesse. In diesem Buch werden nur die äußerlich statisch (un-)bestimmten Systeme behandelt.
Definition für statische Bestimmtheit Wenn die Anzahl der statischen Gleichgewichtsbedingungen ausreichend ist, um die statischen Unbekannten zu bestimmen, dann ist das System statisch bestimmt.
Bild 4-6 Statisch bestimmte Systeme
176
4 Durchbiegung
In Bild 4-6 sind jeweils drei unbekannte Auflagerreaktionen vorhanden: im oberen System FAx, FAy und FBy; im unteren System FAx, FAy und MA. Diese Unbekannten lassen sich bestimmen, wenn drei (statische) Gleichgewichtsbedingungen vorhanden sind. Für diese Gleichgewichtsbedingungen sind folgende Alternativen möglich: a) Fix = 0; Fiy = 0 und Mi(A) = 0 b) Fix = 0; {Fiy = 0}; Mi(A) = 0 und Mi(B) = 0 c) Mi(A) = 0; Mi(B) = 0 und Mi(C) = 0 Bedingung für c) ist, dass die Punkte A, B und C nicht auf einer Geraden liegen. Im Gegensatz zu statisch bestimmten Systemen sind bei statisch unbestimmten Systemen mehr Unbekannte als Gleichgewichtsbedingungen vorhanden (Bild 4-7 bis Bild 4-9).
Bild 4-7 Einfach statisch unbestimmtes System
Das System in Bild 4-7 basiert auf dem System in Bild 4-6 oben. Es wurde ein zusätzliches Loslager in Punkt C eingeführt. Damit gibt es vier unbekannte Größen (FAx, FAy, FBy und FCy). Für die Gleichgewichtsbedingungen gelten die drei unter a) bis c) beschriebenen Alternativen. Bei vier Unbekannten und drei Gleichgewichtsbedingungen bedeutet dies eine einfache statische Unbestimmtheit.
Bild 4-8 Zweifach statisch unbestimmtes System
In Bild 4-8 wurde das System aus Bild 4-6 unten um ein Festlager in Punkt B erweitert. Mit dem Festlager ergeben sich zwei zusätzliche Unbekannte (FBx, FBy). Mit fünf Unbekannten und drei Gleichgewichtsbedingungen ist das System zweifach statisch unbestimmt.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
177
Bild 4-9 Dreifach statisch unbestimmtes System
In Bild 4-9 ist ein fest eingespannter Rahmen dargestellt. In beiden Einspannpunkten treten Horizontal- und Vertikalkräfte sowie Einspannmomente auf. In Summe gibt es sechs unbekannte Größen. Bei drei Gleichgewichtsbedingungen bleiben drei Unbekannte übrig, woraus folgt, dass das System dreifach unbestimmt ist. Zur Lösung der unbekannten Größen werden zusätzliche Informationen aus der Formänderung des Systems abgeleitet. Für statisch unbestimmt gelagerte Balken bzw. Rahmen sind verschiedene (gängige) Verfahren im Einsatz: a) Integrationsmethode: nutzt Informationen, die bei der Lösung der Differenzialgleichung der Biegelinie berücksichtigt werden. b) Überlagerungsmethode: löst die Biegefälle nach dem Additionsprinzip. c) Energiemethode nach CASTIGLIANO1: hierbei wird die Formänderungsarbeit bei Biegung betrachtet: Wb =
1 M b2 1 dx M b ⋅ dϕ =ˆ 2 E⋅I 2
³
³
Der Ansatz von CASTIGLIANO ist: wF =
∂Wb ∂F
d. h. die Durchbiegung an einer Kraftangriffsstelle ist gleich der Ableitung der Formänderungsarbeit nach dieser Kraft. An einem Auflager gilt: w=0
∂Wb = 0 für Lager A. ∂F
In diesem Buch sollen nur a) und b) vertieft werden. Dabei wird im folgenden Abschnitt aufgezeigt, wie man mit diesen Methoden statisch unbestimmte Systeme lösen kann.
1
Carlo Alberto CASTIGLIANO (1847 – 1884), italienischer Ingenieur
178
4 Durchbiegung
a) Integrationsmethode M b (x ) E⋅I Aus den Randbedingungen des Systems werden zusätzliche Informationen gewonnen, die zur Bestimmung der statisch unbestimmten Größen genutzt werden.
Ausgang ist die Differenzialgleichung der Biegelinie: w′′ = −
• Für ein zusätzliches Lager gilt: Die Durchbiegung w = 0 (unter Umständen auch w = 0, wenn eine Symmetrie vorliegt). • Bei zusätzlicher Einspannung: w = 0, w = 0. Beispiel 4-11
Ein Balken der Länge 2l mit konstanter Biegesteifigkeit E·I wird in den Punkten A, B und C gelagert und mit einer konstanten Streckenlast q belastet (Bild 4-10).
Bild 4-10 Dreifach gelagerter Balken mit Streckenlast
Gesucht werden • die Auflagerkräfte FA, FB, FC • der Biegemomentenverlauf Mb(x) Lösung: Da die Balkenanordnung und die Belastung symmetrisch sind, muss auch die elastische Linie symmetrisch sein (Bild 4-10, b). Es reicht daher aus, nur eine Hälfte des Balkens bis zur Bal-
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
179
kenmitte zu betrachten. Wenn die Biegelinie symmetrisch ist, dann muss der Steigungswinkel am Mittellager bei B gleich null sein: wB = 0. Am Lager gilt auch, dass die Durchbiegung gleich null ist: wB = 0. Das Lager B mit wB = 0 und wB = 0 entspricht einer festen Einspannstelle. Zur Vereinfachung kann daher ein Ersatzsystem mit der Hälfte des Balkens und einer festen Einspannstelle betrachtet werden (Bild 4-10, c). An diesem treten die in Bild 4-11 dargestellten Schnittgrößen auf.
Fq Bild 4-11 Schnittgrößen am Ersatzsystem
Mb FA Es gilt:
¦ F = 0 = FA − Fq = FA − q ⋅ x
¦M = 0 = +
x2 ⋅ q − x ⋅ FA 2
EI ⋅ w′ = − M (x ) ⋅ dx =
³
EI ⋅ w =
(1)
x3 x2 ⋅q − ⋅ F A + C1 6 2
x4 x3 ⋅q − ⋅ F A + C1 ⋅ x + C 2 24 6
(2)
(3)
Das heißt es gibt drei Unbekannte: FA, C1, C2 zu bestimmen aus den Randbedingungen: w0 = w(x = 0)
= 0 (Rb. 1)
wl = w(x = l)
= 0 (Rb. 2)
wl = w(x = l)
= 0 (Rb. 3)
Aus Gleichung (3) und (Rb. 1) C2 = 0 Aus Gl.(3) und (Rb. 2): 0=
l4 l3 ⋅ q − ⋅ F A + C1 ⋅ l 24 6
C1 =
l2 l3 ⋅ FA − ⋅q 6 24
Gl. (2) und (Rb. 3): 0=
l3 l2 ⋅ q − ⋅ FA + C1 6 2
180
4 Durchbiegung
0=
l3 l2 l2 l3 ⋅ q − ⋅ FA + ⋅ FA − ⋅q 6 2 6 24
0=−
l2 l3 ⋅ FA + ⋅ q 3 8
FA =
3 ⋅q ⋅l 8
C1 =
l2 3 l3 3−2 ⋅ ⋅q ⋅l − ⋅q = ⋅ q ⋅l3 6 8 24 48
C1 =
1 ⋅ q ⋅l3 48
Aus Symmetriegründen: FC = FA =
3 ⋅q ⋅l 8
Vertikales Kräftegleichgewicht:
¦ Fiy = 0 = FA + FB + FC − 2 ⋅ q ⋅ l FB = 2 (ql − F A )
FB =
5 ql 4
Daraus folgt die Gleichung der Biegelinie (aus (3)): x4 x3 3 ql 3 ⋅q − ⋅ q ⋅l + ⋅x 24 6 8 48
EI ⋅ w = w(x ) =
q ⋅l 4 48 EI
3 § § x ·4 · ¨ 2 ¨ ¸ − 3 §¨ x ·¸ + §¨ x ·¸ ¸ ¨ ©l¹ © l ¹ © l ¹ ¸¹ ©
und für die Steigung: w ′( x ) =
ql 4 48 EI
§ x3 x 2 1 ·¸ ¨8 − 9 + ¨ l4 l 3 l ¸¹ ©
Proben nach Rb. (1), (2), (3): w(x = 0)
= 0 i. O.
w(x = l)
= 0 i. O.
w‘(x = l)
= 0 i. O.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
181
Biegemomentenverlauf: M b (x ) = − M b (x ) =
x2 3 ⋅q + ⋅q ⋅l ⋅ x 2 8
ql 2 8
§ § x ·2 · ¨ − 4 ¨ ¸ + 3 §¨ x ·¸ ¸ ¨ ©l¹ © l ¹ ¸¹ ©
x = 0 ⇒ M bA = 0 ⇒ i.O. x = l M bB = −
ql 2 8
Um den graphischen Verlauf von Mb darzustellen, können die Nulldurchgänge mit M b (x ) = 0 bestimmt werden: 2
§x· §x· − 4¨ ¸ + 3¨ ¸ = 0 l © ¹ ©l¹
3 § x· − 4¨ ¸ + 3 = 0 x = l 4 ©l¹
Die waagerechte Tangente für Mb kann wie folgt bestimmt werden: M b′ = 0 =
ql 2 § x 1· ¨−8 2 + 3 ¸ l¹ 8 © l
−8x + 3l = 0 x =
3 l 8
3 · ql 2 § 9 3· § Mb¨x = l¸ = +3 ¸ ¨− 4 8 8 64 8 © ¹ © ¹ =
ql 2 § − 36 + 72 · ql 2 36 ¨ ¸= 8 © 64 ¹ 8 64
3 · 9 § Mb¨x = l¸ = ql 2 8 ¹ 128 ©
Der resultierende Biegemomentenverlauf ist in Bild 4-12 dargestellt.
182
4 Durchbiegung
3 l 8
M=
9 ql 2 128
3 l 4 l
Bild 4-12 Biegemomentenverlauf
b) Überlagerungs- bzw. Superpositionsprinzip Das grundlegende Prinzip besteht darin, statisch unbestimmte Systeme in statisch bestimmte (Teil-)Systeme zu zerlegen: • in ein statisch bestimmt gelagertes Hauptsystem (wird auch Grund- oder Nullsystem genannt) mit allen gegebenen äußeren Belastungen und • so viele Zusatzsysteme, wie überzählige Lagereaktionen vorhanden sind. Die Reaktionskräfte oder -momente der überzähligen Auflager werden im jeweiligen Zusatzsystem als äußere Belastungen berücksichtigt. Dann erfolgt die Bestimmung der Verformungen (Durchbiegungen und/oder Tangentenneigungen) für das Hauptsystem und die Zusatzsysteme. Anschließend werden die einzelnen Verformungswerte so überlagert, dass die Gesamtverschiebungen und/oder Tangentenneigungen dem Ausgangsystem entsprechen (z. B. an den betreffenden Lagerstellen gleich null sind). In Bild 4-13 ist dargestellt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um das Ursprungssystem zu zerlegen. Zweckmäßig ist es, das Hauptsystem so zu wählen, dass die zu verwendenden Grundlösungen möglichst einfach sind.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
183
Bild 4-13 Zerlegung in Haupt- und Zusatzsysteme
Dieses Beispiel soll im folgenden Teil nach beiden Zerlegungsvarianten gelöst werden. Beispiel 4-12
Der eingespannte Träger nach Bild 4-13 hat ein überzähliges Lager. Er ist damit einfach statisch unbestimmt. Zur Lösung wird ein statisch bestimmtes Hauptsystem gesucht und ein Zusatzsystem.
Lösung nach Hauptsystem I: Entfernen von Lager A
Als Hauptsystem wird ein eingespannter Träger betrachtet.
184
4 Durchbiegung
q wAq
Die maximale Durchbiegung, die durch die Querkraft q verursacht wird, wird mit wAq bezeichnet. Zur besseren Übersichtlichkeit werden im Index der Durchbiegungen (und auch der Neigungen) immer der Ort (in diesem Fall A) und die verursachende Kraft (hier q) angegeben. Im Zusatzsystem wird die überzählige Auflagerkraft (FA) als äußere Belastung angenommen.
Der Ansatz zur Lösung der Aufgabe ist die Überlagerung der Durchbiegungen am Lager A: wA = wAq + wAFA
=0
Nach Tabelle 4-1, Fall 6 und Fall 1: wAq =
q ⋅l4 8 EI
wAFA = − wA =
FA ⋅ l 3 3EI
q ⋅ l 4 FA ⋅ l 3 − =0 8 EI 3EI
FA ⋅ l 3 q ⋅ l 4 = 3EI 8 EI FA =
3 q ⋅l 8
Damit ist die Auflagerreaktion des überzähligen Lagers bestimmt. Alle weiteren Größen könnten jetzt berechnet werden.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme
185
Lösung nach Hauptsystem II: Die feste Einspannung in Punkt B wird zu einem Festlager
Das Hauptsystem mit dem Neigungswinkel w`Bq am Lager B:
Im Zusatzsystem wird die überzählige Auflagerreaktion (das Moment M0, welches im Hauptsystem weggelassen wurde) als äußere Kraft angenommen.
Der Ansatz zur Lösung liegt hier in der Überlagerung der Neigungswinkel am Lager B: ′ wB′ = w ′Bq + wBMo =ˆ ϕ B = ϕ Bq + ϕ BMo = 0
Nach Tabelle 4-1, Fall 7 und Fall 8:
ϕ
Bq = −
q ⋅l3 24 EI
ϕ
BMo
=
M ⋅l 3EI
M0 =
ql 2 8
Aus MB = 0 lässt sich FA bestimmen und über Fiy = 0 dann auch FB. Bei einem 2-fach statisch unbestimmten System müssen neben dem statisch bestimmten Hauptsystem zwei Zusatzsysteme aufgestellt werden. In jedem Zusatzsystem wird eine der überzähligen Auflagerreaktion als äußere Kraft angenommen. Die möglichen Varianten zur Aufstellung der Hauptsysteme und die Ansätze zur Lösung werden in Bild 4-14 dargestellt.
186
4 Durchbiegung
Bild 4-14 Zerlegung in Haupt- und Zusatzsysteme (a … d) bei einem 2-fach statisch unbestimmten System
4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4
187
Beispiel 4-12
Die Auflagerreaktionen des Balkens aus Beispiel 4-11 sollen mit Hilfe des Überlagerungsprinzips bestimmt werden.
Ansatz zur Lösung: Im Hauptsystem wird das mittlere Auflager (Lager B) entfernt, so dass ein einfacher Balken vorhanden ist. Im Zusatzsystem wird die Kraft FB als äußere Belastung angenommen. Da am realen System im Lager B die Durchbiegung null ist, gilt: wB = wBq + wBF = 0 Tabelle 4-1, Fall 7 und Fall 2: wBq =
5 q(2l )4 5 ql 4 =ˆ 384 EI 24 EI
F (2l )3 l3 = − FB wBF = − B 48EI 6 EI
5 ql 4 l3 5 − FB = 0 FB = q ⋅ l 24 EI 6 EI 4
Aus Symmetriegründen mit vertikalem Kräftegleichgewicht: FA = FC =
3 q ⋅l 8
Fazit: Wenn man den Lösungsweg mit dem in Beispiel 4-11 (Lösung mit Integrationsmethode) vergleicht, ist der Ansatz mit dem Überlagerungsprinzip viel schneller. Er lässt sich immer dann sehr gut einsetzen, wenn sich ein statisch unbestimmtes System in einfache Teilsysteme zerlegen lässt, von denen die Durchbiegungen und Neigungen bekannt sind.
188
4 Durchbiegung
4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4 1. Wie wird die Krümmung eines Balkens berechnet? 2. Wie lautet die lineare Differenzialgleichung für die elastische Linie? 3. Haben zwei Balken aus S235 und S355 unterschiedliche Biegesteifigkeiten? 4. Warum führt die Anwendung der Biegegleichung für Werkstoffe mit hohen Verformungen zu Fehlern? 5. Welches ist das grundlegende Prinzip zur Lösung statisch unbestimmter Systeme nach der Überlagerungsmethode? 6. Wann ist eine Überlagerung von Biegefällen möglich? 7. Wie (unter welchen Randbedingungen) werden Haupt- und Zusatzsysteme überlagert?
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 Aufgabe 4-1
In den Außenfasern eines Balkens herrscht der von Null mit der Trägerlänge linear ansteigende Spannungsverlauf.
Gegeben: ESt = 2,1·105 N/mm2; max = 120 N/mm2; l = 2 m; h = 300 mm (Balkenhöhe; konstant) a) Welchen Wert hat die größte Krümmung im Balken und wie ist der Krümmungsverlauf entlang des Trägers? b) Welchen Winkel bilden die Tangente an der Biegelinie in den Endpunkten I und II? c) Durch welchen Belastungsfall kann der obige Spannungsverlauf erzeugt werden? d) Wie groß ist die maximale Durchbiegung des Balkens?
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 Aufgabe 4-2
Dargestellt sind zwei horizontal eingespannte Blattfedern gleicher Biegesteifigkeit. Gegeben: Länge l; Kontaktabstand d mit d <
Ein wie skizziert gelagerter Träger wird durch die Kraft F belastet. Zu bestimmen ist die Verschiebung des Kraftangriffspunktes bei konstanter Biegesteifigkeit. Gegeben: F , l , E·I = konst.
Aufgabe 4-4
Ein einseitig eingespannter Träger wird an seinem freien Ende durch einen Gelenkstab abgestützt. Gegeben: I ,E , l , q , A , a a) Wie groß ist die Verschiebung des Punktes C? b) Wie groß ist die Kraft F im Gelenkstab?
189
190
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
5.1 Lösungen zu Kapitel 1 5.1.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 1 1. Die Statik betrachtet ideale starre Körper und ermittelt die unbekannten Auflager-, Gelenk- und Stabkräfte. Die Festigkeitslehre betrachtet deformierbare oder elastische Körper und stellt einen Zusammenhang zwischen den äußeren und inneren Kräften sowie den Verformungen her, mit dem Ziel der Bauteilbemessung und des Spannungsnachweises. 2. Ein Versagen eines Bauteils kann durch Gewaltbruch, Dauerbruch, unzulässig große Verformungen und durch Instabilität auftreten. 3. Zu den Grundbeanspruchungsarten zählen: Zug, Druck, Biegung, Schub/Abscheren und Torsion(Verdrehen). 4. Das Freimachen ist ein gedankliches Aufschneiden der Systeme und Antragen der Kraftwirkungen und Sichtbarmachen der Kräfte. Beim Freischneiden werden die Systeme gedanklich aufgeschnitten und die inneren Kräfte angetragen, um die Spannungen anzutragen und sichtbar zu machen. 5. Die Spannung ist das Verhältnis aus der Teilschnittkraft Fi und der dazugehörigen Teilschnittfläche Ai. 6. Normalspannungen treten senkrecht zur gedachten Schnittfläche auf, während die Tangentialspannungen parallel zur gedachten Schnittfläche auftreten. Daraus resultieren zwei unterschiedliche Verformungs- und Zerstörungswirkungen. 7. Die wahre Spannung wird aus dem Quotienten der jeweiligen Kraft F zum jeweiligen Querschnitt Atat ermittelt. Der Unterschied besteht darin, dass beim allgemeinen Spannungs-Dehnungs-Diagramm die Spannung sich auf den Ausgangsquerschnitt bezieht. 8. Das HOOKE’sche Gesetz gilt nur für den elastischen Bereich und sagt aus, dass zwischen der Spannung und der Dehnung ein linearer Zusammenhang besteht. 9. Die POISSON`sche Konstante m ist das Verhältnis der Längsdehnung zur Querkürzung q. Die Querkontraktionszahl ist der Kehrwert der Possionschen Konstanten. 10. Die Formänderungsarbeit Wf ist abhängig von der Kraft F2, der Länge l, dem Elastizitätsmodul E und der Querschnittsfläche A. 11. Die Haltbarkeit eines Bauteils ist abhängig vom zeitlichen Verlauf der Belastung/ Beanspruchung und der Betriebsart (Dauer- oder Aussetzbetrieb). 12. Die Lastfälle nach BACH werden unterschieden nach ruhender, schwellender und wechselnder Belastung. 13. Das WÖHLER-Diagramm dient zur Ermittlung der Bruch-, Kurzzeit-, Zeit- und Dauerfestigkeit.
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
5.1 Lösungen zu Kapitel 1
191
14. Das SMITH-Diagramm wird aus einer Vielzahl von WÖHLER-Diagrammen zur Ermittlung der Dauerfestigkeiten für die jeweilige Beanspruchungsart erstellt. Aus ihm können die Grenzspannungen o und u für den jeweiligen Werkstoff entnommen werden. 15. Sicherheiten S werden eingeführt, da die aus Versuchen gefundenen Grenzspannungen ( m, D) im Betrieb nicht erreicht werden dürfen und um Unsicherheiten bei der Berechnung der auftretenden Spannungen aufgrund von Einflüssen (keine homogenen, isotropen Werkstoffe, Oberflächenbeschaffenheit, Kerben) zu berücksichtigen.
5.1.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 1 Aufgabe 1-1 Zunächst müssen die Kräfte aus dem Kräfte- und Momentengleichgewicht bestimmt werden (Reihenschaltung): F = F1 + F2; F1 = 25 N; F2 = 75 N. Damit wird l1 = 0,238 mm; l2 = 0,714 mm und = 0,036°. Für die Spannungen muss die Gewichtskraft des Stabes mit berücksichtigt werden, somit wird F1 = 50 N; 1 = 200 N/mm2 und F2 = 100 N; 2 = 400 N/mm2. Aufgabe 1-2 Durch die Belastung des Verbundstabes ergeben sich gleiche Dehnungen für Holz und Stahl. Die beiden Stahlplatten sind identisch und dürfen deshalb zusammen geführt werden. Unter Beachtung dieses Zusammenhanges ergeben sich folgende Werte: AH = 1 500 mm2; ASt = 200 mm2; F = FH = 8,72 kN; FSt = 16,28 kN. a) Für die Spannungen ergeben sich folgende Werte:
H = 5,8 N/mm2 und St = 81,4 N/mm2 b) Verlängerung l = 0,116 mm Aufgabe 1-3 Die Formänderungsenergie für die Gummifeder beträgt Wf = 4,3 Nmm. Aufgabe 1-4 Die Formänderungsenergie für den linken und rechten Teil des Stabes beträgt Wf li =327,4 Nmm und Wf re = 873 Nmm. Aufgabe 1-5 a) Berechnung der Kraft pro Stahlband mit Fleer = 3679 N und Fvoll = 9810 N Berechnung der Spannungen im Stahlband: leer = 41 N/mm und voll = 109 N/mm2 b) Bedingung für Fließen (voller Tank): SF = 2,7 (ausreichend, da Smin > 1,5) Festigkeitsbedingung für Bruch (voller Tank): SB = 4,3 (ausreichend, da SB > 2) c) Berechnung der Verlängerung der Stahlbänder (Befüllung): = 0,00032 und l = 0,45 mm
192
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
5.2 Lösungen zu Kapitel 2 5.2.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 2 1. Die Zugspannung in Stäben ist konstant, wenn folgende Bedingungen vorliegen: • die Querschnittsfläche liegt senkrecht zur Stabachse • die Wirklinie von F liegt auf der Schwerpunktachse (Mittelinie) und • der Querschnitt ist konstant bzw. hat sanfte Übergänge. 2. Für die Tragfähigkeitsrechnung gilt: F Fzul = zul ·A und für die Bemessungsrechnung: A Aerf = F/ zul. 3. Die Normalspannung beträgt = 0/2 und die Schubspannung max = 0/2. 4. Die Trag- und die Reißlänge sind nur abhängig von zul bzw. Rm und vom spezifischen Gewicht des verwendeten Werkstoffs. 5. Bei Erwärmung dehnen sich Körper aus und beim Abkühlen ziehen sie sich zusammen. Die Spannung ist abhängig vom Längenausdehnungskoeffizienten, dem E-Modul und der Temperaturdifferenz. 6. Der Werkstoff mit der geringeren Festigkeit ist bei der Ermittlung der Flächenpressung maßgebend. 7. Für das Aufreißen von Behältern, Kesseln oder Rohren in Längsrichtung ist die Tangentialspannung t verantwortlich, da sie doppelt so groß wie die Axialspannung a ist. 8. Die Grenzgeschwindigkeit eines frei rotierenden Ringes hängt von der zulässigen Spannung zul und der Dichte des Werkstoffs ab. 9. Die Querkraft Fq bewirkt ein Verschieben der einzelnen Querschnitte gegeneinander und bildet mit der Auflagerkraft ein Kräftepaar, was ein Moment erzeugt. 10. Die neutrale Faser ist spannungsfrei und die Spannungen nehmen von ihr aus linear nach außen zu. Darüber hinaus bleibt die Länge in diesem Bereich unverändert. 11. Die Hauptgleichung der Biegung lautet b = Mb/Wb. 12. Das Widerstandsmoment ist proportional der Breite b und proportional der Höhe h2. 13. Das (axiale) Flächenmoment 2. Grades ist ein Maß für die Steifigkeit eines Querschnitts gegen Biegung. 14. Mit dem Satz von STEINER lässt sich das Gesamtflächenmoment 2. Grades von zusammengesetzten Flächen berechnen. Er lautet: I = Is + z2·A. 15. Eine Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse auf eine andere Achse, die nicht Schwerpunktachse ist, ist mit dem STEINER’schen Satz nicht möglich, sondern kann nur über die S-Achse vorgenommen werden. 16. Die Schubspannung ergibt sich aus dem Produkt von Schubwinkel und Schubmodul. 17. Die Schubspannung ist (bei symmetrischen Profilen) in Profilmitte maximal. An dieser Stelle ist die Biegespannung null, während am Rand die Biegespannung maximal, die Schubspannung aber null ist. Bei langen Trägern unter Querkraftbiegung ist die Biegespannung sehr viel größer als die Schubspannung aus Querkraft.
5.2 Lösungen zu Kapitel 2
193
18. Unsymmetrische Profile verdrehen sich unter Querkraft, die nicht im Schubmittelpunkt eingeleitet wird. Nur wenn die Querkraft im Schubmittelpunkt angreift, erfährt der Träger keine Torsionsbeanspruchung (zusätzlich zur Biege- und Schubbeanspruchung). 19. Die Torsionsspannungen eines Kreisquerschnitts sind an der Außenseite am größten, in der Mitte dagegen null. Zur besseren Ausnutzung des Materials ist deshalb ein Kreisringprofil (Rohr gegenüber Vollwelle) günstiger. 20. Entsprechend Gl. (2.90) können nur der Durchmesser der Drehstabfeder verkleinert und/oder die Länge vergrößert werden. Bei einer Verkleinerung des Durchmessers erhöht sich die Spannung in der Feder; die Länge der Feder hat auf die Spannung keinen Einfluss. 21. Die 1. BREDT’sche Formel dient zur Ermittlung des Torsionswiderstandsmomentes dünnwandiger geschlossener (!) Querschnitte. 22. Offene Profile (hier: U-Profile) sind wesentlich torsionsweicher als geschlossene Profile (z. B. Rohre). Da Lkw-Rahmen in der Regel torsionsweich ausgelegt werden, verwendet man als Längsträger der Rahmen U-Profile. 23. Knicken ist kein Festigkeitsproblem, sondern ein Stabilitätsproblem. Sobald die Knickkraft erreicht wird, erfolgt schlagartig das Versagen eines druckbelasteten Stabs durch Knicken. Daher muss die vorhandene Kraft bzw. Spannung eine entsprechende Sicherheit (SK > 2 … 4) gegenüber der theoretischen Knickkraft bzw. Knickspannung haben. 24. Die Knickspannung (für schlanke Stäbe meist nach EULER) hängt nur von einer Materialkonstante, dem Elastizitätsmodul, ab. Ansonsten ist die Stabgeometrie maßgebend. Wenn ein Stab aus Baustahl eine zu geringe Knicksicherheit hat, bleibt nur eine Veränderung des Querschnitts (evtl. der Länge und der Lagerungsparameter). Die Wahl eines höherfesten Stahls führt aufgrund des gleichen Elastizitätsmoduls nicht zum Ziel. 25. Bei der Knickung nach TETMAJER liegt die Knickspannung im Bauteil oberhalb der Proportionalitätsgrenze, also im inelastischen Bereich.
5.2.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 2 Aufgabe 2-1 a) Mit der Bedingung 2lSt + lCu = h kann die Kraft F = 4,67 kN bestimmt werden. b) Die Spannungen ergeben sich zu st = 140 N/mm2 und Cu = 70 N/mm2. c) Die Temperaturabsenkung muss Δϑ = 50 K betragen. Aufgabe 2-2 a) Der erforderliche Querschnitt Aerf beträgt 43087,4 mm2 und damit di (gewählt).
erf
= 230 mm
b) Die erforderliche Fläche AD1 erf ist 148.214 mm2 und damit D1 = 440 mm (gewählt). Aufgabe 2-3 a) Die Kraft, die auf den Flansch wirkt, beträgt F = 29,32 kN. b) Die Spannungen betragen t = 32,4 N/mm2 und a = 16,4 N/mm2.
194
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
Aufgabe 2-4 Bei einer Drehzahl nF = 2065 min-1 beginnt der Ring, sich plastisch zu verformen. Aufgabe 2-5 Das y-z-Koordinatensystem wird in die Profilmitte (yS = 0) und den unteren Rand des Profils gelegt, der Schwerpunkt zS befindet bei 46,6 mm. Die Flächenmomente betragen Iy = 588, 4 cm4 und Iz = 217,3 cm3. Für das rechte Profil erfolgt die gleiche Koordinatenzuordnung mit zS = 26 mm; damit erhält man die Flächenmomente Iy = 43,8 cm4 und Iz = 213,6 cm4. Aufgabe 2-6 Für das Maschinengestell ergeben sich folgende Werte: yS =0 und zS = 23 cm, Iy ges = 1,4 ·105 cm4; Iz ges = 3,9·105 cm4 Wy ges = 8·103 cm3; Wz1 = 1,06·104 cm4 und Wz2 = 1,7·104 cm4. Aufgabe 2-7 Die Länge l beträgt 78,7 m. Aufgabe 2-8 a) Flächenmoment Iy ges = 295096,3 mm4 b) Biegespannungen b1 = 57,5 N/mm2 und b2 = – 50,3 N/mm2 c) die Biegespannung in Höhe der Schweißnaht b Schw = 11,7 N/mm2 Aufgabe 2-9 a) Das Gesamtdrehmoment ergibt sich aus dem Bohrmoment und dem Reibmoment. Das Reibmoment lässt sich aus der Normalkraft, dem Reibbeiwert und dem Hebelarm berechnen. Die Normalkraft erhält man aus Flächendruck und Mantelfläche des Gestänges: TR = r ⋅ μ ⋅ p ⋅ π ⋅ d ⋅ LE = 462 Nm
Das Gesamtmoment beträgt somit: Tges = TR + T = 2 462 Nm b) τt = 36,6 N/mm2 c) Der Verdrehwinkel wird mit der Gesamtlänge L = 5,5 m berechnet.
ϕ = 0,0715 rad; ϕ = 4,1° Aufgabe 2-10 Das Torsionsmoment berechnet man über die Formel P = T⋅ω = 500,4 Nm mit ω = Winkelgeschwindigkeit. a) Mit τt zul = T/Wt erhält man für den Außendurchmesser D = 41,59 mm und über das gegebene Durchmesserverhältnis δ für den Innendurchmesser d = 32,27 mm.
5.2 Lösungen zu Kapitel 2
195
b) Die Torsionsspannung ist linear über dem Querschnitt verteilt (im Mittelpunkt ist die Torsionsspannung Null). Da hier die Durchmesser so ausgelegt wurden, dass an der Außenfaser die zulässige Spannung vorliegt, beträgt die Spannung an der Innenseite τti = 0,8 ⋅τt zul = 48 N/mm2. Aufgabe 2-11 Das Torsionsmoment wirkt auf beide Längenabschnitte; ϕ = ϕ1 + ϕ2; damit ist a = 301,6 mm. Die Torsionsspannung ist im durchbohrten Teil höher; τt = 407,4 N/mm2. Aufgabe 2-12 Für die Torsion geschlossener beliebiger Hohlprofile kann die Formel von BREDT, Gl. (2.99), angewendet werden:
τ=
T 2 ⋅ Am ⋅ s
Dazu ermitteln wir zunächst die von der Mittellinie des Profils eingeschlossen Fläche Am. Sie kann über zwei Rechtecke angenähert werden: Am ≈ (36⋅44 + 56⋅32) mm2 = 3376 mm2 Die Torsionsspannung beträgt damit τ ≈ 59 N/mm2. Aufgabe 2-13 Wir ermitteln zuerst nach Tabelle 2-5, Zeile 9, das Torsionsträgheitsmoment und das Drillwiderstandsmoments für die V-förmige Torsionsfeder: It ≈ 1080 mm4; Wt ≈ 360 mm3. Den Faktor η nehmen wir wie beim rechtwinkligen Profil mit 0,99 an. Über Gl. (2.89) kann man durch Umstellen das Torsionsmoment für den Winkel ϕ = 10° bestimmen (T ≈ 12758 Nmm). Die Torsionsspannung erhält man dann nach Gl. (2.81): τt = 35 N/mm2. Aufgabe 2-14 Um die Druckkraft im Stab AB bestimmen zu können, müssen zunächst die Winkel im Dreieck bestimmt werden nach der für schiefwinklige Dreiecke geltenden Formel cos α =
b2 + c2 − a2 2b ⋅c
mit a = der dem Winkel α gegenüber liegenden Seite des Dreiecks. Dann kann man die Kraft bestimmen über die Kräftegleichgewichte in waagerechter und in senkrechter Richtung im Punkt B: FAB = 72 kN (Druck). Wir nehmen zunächst an, dass elastische Knickung vorliegt. Damit kann die Knickkraft nach EULER, also nach Gl. (2.110), ermittelt werden. Aufgrund der gelenkigen Lagerung des Stabs liegt Knickfall 2 vor mit lK = 4500 mm. Das axiale Flächenträgheitsmoment für ein Rohr ist
I min =
π 32
⋅ (D 4 − d 4 )
196
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
Mit der Beziehung für die Sicherheit gegen Knicken SK =
FK FAB
erhält man schließlich als Gleichung für den gesuchten Innendurchmesser d = 4 D4 −
64 ⋅ S K ⋅ FAB ⋅ lK2
π3 ⋅E
und als Zahlenwert d ≈ 84 mm. Ob unsere Annahme der elastischen Knickung richtig war, prüfen wir über den Schlankheitsgrad λ nach Gl. (2.106). Hier ist λ = 138; unsere Annahme war also richtig: Es liegt elastische Knickung nach EULER vor. Aufgabe 2-15
a) Die Spindel ist entsprechend Knickfall 3 gelagert (siehe Bild 2-67) mit lK ≈ 0,7⋅l. Damit ergibt sich der Schlankheitsgrad der Spindel zu λ ≈ 100 > λ0 = 88 (für E335), also EULERKnickung. Die Knickspannung ist demnach σK ≈ 210 N/mm2. Als vorhandene Spannung liegt die Druckspannung aus der gegebenen Spindelkraft mit σd ≈ 50 N/mm2 vor. Damit ergibt sich eine Sicherheit gegen Knicken SK ≈ 4,2 für die unbeheizte Presse. b) Die Gesamtspannung in der Spindel setzt sich aus der Druckspannung und der Wärmespannung zusammen:
σ = σ d + σ ϑ mit der Wärmespannung σ ϑ = α ⋅ Δϑ ⋅ E . Die Sicherheit gegen Knicken lautet hier also: SK =
σK σ d + α ⋅ Δϑ ⋅ E
Diese Gleichung stellt man nach Δϑ um und setzt Zahlenwerte ein. Man erhält: Δϑ ≈ 20 K.
5.3 Lösungen zu Kapitel 3 5.3.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 3 1. Träger unter Querkraft werden auf Biegung und Schub beansprucht. Ein Kranhaken wird auf Zug, Biegung und Schub beansprucht. Getriebewellen werden z. B. auf Biegung und Torsion beansprucht. 2. Schubspannungen sind wie Vektoren zu behandeln, d. h. neben der Größe muss bei der Überlagerung auch die Richtung beachtet werden. Die größte Schubspannung im Querschnitt tritt dort auf, wo Schubspannungen aus Querkraft und Torsion dieselbe Richtung haben.
5.3 Lösungen zu Kapitel 3
197
3. Ein ebener Spannungszustand liegt vor, wenn alle auftretenden Spannungen (Normal- und Schubspannungen) in einer Ebene liegen, wie es z. B. bei Blechelementen der Fall ist. 4. Die Normalspannungen in Richtung einer der Hauptachsen sind maximal, senkrecht dazu minimal. In Richtung der Hauptachsen sind die Schubspannungen null. 5. Der MOHR’sche Spannungskreis ist ein graphisches Verfahren, mit dessen Hilfe für z. B. einen ebenen Spannungszustand Größe und Richtung der maximalen und minimalen Spannungen bestimmt werden können. 6. Normalspannungen und Schubspannungen führen zu unterschiedlichen Schadensmechanismen im Bauteil. Diese lassen sich nicht linear überlagern. Daher nie Normal- und Schubspannungen aufaddieren! 7. Immer wenn Normal- und Schubspannungen in einem Bauteil auftreten, muss die Vergleichsspannung berechnet werden. Nur wenn eine dieser beiden Spannungen sehr klein sein sollte, z. B. die Schubspannung infolge einer Querkraft bei einem langen eingespannten Träger, kann diese Spannung vernachlässigt werden, so dass dann auch nicht die Vergleichsspannung bestimmt werden muss. 8. Als Festigkeitsnachweis gilt, wenn die berechnete Vergleichsspannung kleiner als die zulässige Normalspannung ist. Zur Bestimmung der zulässigen Spannung siehe Abschnitt 1.7. 9. a) Bei vorwiegend ruhender Beanspruchung wird für spröde Werkstoffe die Normalspannungshypothese und für zähe Werkstoffe mit ausgeprägter Streckgrenze die Schubspannungshypothese eingesetzt. b) Bei dynamischer Beanspruchung wird die Gestaltänderungsenergiehypothese verwendet. 10. Beanspruchungen können ruhend, schwellend oder wechselnd auftreten. Dies gilt sowohl für die Normalspannungen als auch für die Schubspannungen. Da das Eintreten eines Schadens von den unterschiedlichen Beanspruchungen abhängig ist, müssen diese in den Vergleichsspannungshypothesen berücksichtigt werden. Dies geschieht über das Anstrengungsverhältnis o.
5.3.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 3 Lösung 3-1
Die Säule wird durch die Kraft F auf Druck und durch das Moment Mb = F⋅(l-a/2) auf Biegung beansprucht. Die aus diesen beiden Belastungen herrührenden Spannungen sind Normalspannungen und können daher addiert werden. Es ist zu beachten, dass auf der linken Seite der Säule Biegezug-, auf der rechten Biegedruckspannungen vorliegen. Die Spannungen im Querschnitt B – B und im Einspannquerschnitt (unten links) sind gleich, da die Säule durch ein konstantes Biegemoment und eine konstante Druckkraft belastet wird. a) Die Biegespannung beträgt σb = 144,4 N/mm2. Sie liegt auf der linken Seite der Säule als Biegezug-, rechts als Biegedruckspannung vor. Für die Druckspannung erhält man σd = 4,8 N/mm2. Damit ist die größte resultierende Spannung eine Druckspannung mit σd ≈ 149 N/mm2.
198
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
b) Die neutrale Faser verschiebt sich zur Biegezugseite (hier also nach links) und zwar um den Wert
σd σ d e z = d ⋅ a = 4,54 mm σ bd σ bd 2
y0 =
Lösung 3-2
a) Da es sich um einen zähen Werkstoff handelt und schwingende Beanspruchung vorliegt, ist die Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH) anzuwenden. b) α0 =
σ Grenz 1 σ bW 1 290 N/mm 2 = = = 0,73 ϕ ⋅ τ Grenz 3 τ Sch 3 230 N/mm 2
Lösung 3-3
a) Es handelt sich um einen zähen Werkstoff und statische Belastung, damit kommt die Schubspannungshypothese (SH) zur Anwendung. b) σ v = =
c) S =
(σ y − σ x )
2
( 48 − 132 )2
Re
σv
=
2 + 4 ⋅ τ yx
+ 4 ⋅ 612 = 148,12 N/mm 2
235 N/mm2 148,12 N/mm2
= 1,59
Lösung 3-4
σ res = σ z + σ b M b13 = F13 ⋅ l1 F13 = F12 + F32 = 1,5 2 + 1,0 2 = 1,80 kN F ⋅l F π 3 π
res = 2 + 13 1 ; Wb = d A = d2 32 4 A Wb
5.3 Lösungen zu Kapitel 3
res =
3600 N
π 4
res = 1,83
τt =
+
⋅ 50 mm 2
N mm 2
199
2
1800 N ⋅1000 mm
π
32
+ 146,68
50 3 mm 3 N
mm 2
≈ 149
N mm 2
F1 ⋅ l1 F1 ⋅ l1 1500 N ⋅ 500 mm N = = ≈ 31 π 3 π Wt 3 3 mm 2 d 50 mm 16 16
σ v = σ 2 + 3τ 2 = 149 2 + 3 ⋅ 312 ≈ 158
N mm 2
Lösung 3-5
a) Ansatz: Fa und Fr liegen in einer Ebene. Die Biegung ist aber entgegengesetzt Subtrahieren und resultierendes Biegemoment ermitteln. M bFa =
Fa ⋅ d 0 2000 N ⋅ 120 mm = = 120 Nm 2 2
M bFr = Fr ⋅ l = 1000 N ⋅ 40 mm = 40 Nm M bar = M bFa − M bFr = 120 Nm − 40 Nm = 80 Nm
Fa und Fr stehen senkrecht auf Fu das Biegemoment ergibt sich aus einer vektoriellen Addition. M bFu = Fu ⋅ l = 6000 N ⋅ 40 mm = 240 Nm
M b res = M b a r 2 + M b u 2 = 240 2 + 80 2 Nm = 253 Nm
σb =
Mb π ⋅d 3 M b = M b res W b = Wb 32
σb =
253 Nm ⋅ 32 = 20,61 N/mm 2 π ⋅ 503 mm 3
Überlagerung der Normalspannung mit der Biegespannung:
σd =
π Fa 2000 N ⋅ 4 = = 1,01 N/mm 2 A = ⋅ d 2 2 2 A π ⋅ 50 mm 4
σ max = σ d + σ b = 20,61 N/mm 2 + 1,01 N/mm 2 = 21,62 N/mm 2
200
b)
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
τt =
F ⋅d Mt π M t = u 0 Wt = ⋅ d 3 Wt 2 16
τt =
Fu ⋅ d 0 ⋅ 16 6000 N ⋅ 120 mm ⋅ 16 = = 14,66 N/mm 2 π ⋅ 503 mm3 2 ⋅π ⋅ d 3
σ v = σ n + 3 ⋅ (α 0 ⋅ τ t ) 2 = 21,62 2 + 3 ⋅ 14,66 2 N/mm 2 = 33,3 N/mm 2 c) Unter Berücksichtigung der Schubspannung aus der Querkraft ergibt sich die resultierende Schubkraft aus: Fr + Fu Fres = Fr 2 + Fu 2 = 12 + 6 2 kN = 6,08 kN
τ=
4 F ⋅ für einen Vollkreisquerschnitt 3 A
τ=
4 Fres 4 ⋅ 6,08 kN ⋅ 4 = 4,13 N/mm 2 ⋅ = 3 A 3 ⋅ π ⋅ 50 2 mm 2
Schubspannung aus der Querkraft und Torsion zusammenfassen:
τ res = τ max = τ t + τ = 14,66 N/mm2 + 4,13 N/mm2 τ res = 18,80 N/mm 2 σ v = 21,62 2 + 3 ⋅ 18,80 2 N/mm 2 = 39,1 N/mm 2 d) Bei kurzen Trägern oder Wellen kann die Schubkraft aus der Querkraft einen nennenswerten Einfluss haben und muss berücksichtigt werden.
5.4 Lösungen zu Kapitel 4 5.4.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kapitel 4 1. Die Krümmung eines Balkens berechnet sich nach Gl. (4.1): k=
Mb E⋅I
2. Die Differenzialgleichung der elastischen Linie lautet nach Gl. (4.2): w′′ = −
M b (x ) E⋅I
3. Nein, die Biegesteifigkeit ist unabhängig von der Festigkeit des Werkstoffs. Sie ist nur abhängig vom E-Modul und vom Flächenträgheitsmoment. 4. Die Herleitung der Biegelinie gilt nur für kleine Winkeländerungen. Bei größeren Verformungen und größeren Winkeländerungen ist die Berechnung mit einem Fehleranteil verbunden.
5.4 Lösungen zu Kapitel 4
201
5. Grundlegendes Prinzip ist die Zerlegung eines statisch unbestimmten Systems in ein statisch bestimmtes Hauptsystem und Zusatzsysteme. Die Anzahl der Zusatzsysteme entspricht dem Grad der statischen Unbestimmtheit (1-fach, 2-fach, …). In jedem Zusatzsystem wird eine der überzähligen Lagerreaktionen als äußere Kraft angenommen. 6. Eine Überlagerung von Biegefällen ist im linear-elastischen Bereich, also mit res < möglich.
p,
7. Die Überlagerung findet an Punkten statt, an denen die Verformung des Systems bekannt ist. Dazu gehören Lager- und Einspannstellen. An diesen ist die Durchbiegung w = 0 und bei Einspannstellen auch die Neigung w`= 0. Für diese Stellen gilt: w Hauptsystem an dieser Stelle + w Zusatzsystem an dieser Stelle = 0 im Ursprungssystem an dieser Stelle.
5.4.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kapitel 4 Lösung 4-1
a) Krümmung des Balkens
σ max =
2 ⋅ σ max ⋅ I Mb Mb M h = ⋅e = b ⋅ M b = Wb I I 2 h
Mb = F ⋅l
σ max = k=
1
ρ
=
2 ⋅ σ max ⋅ I F ⋅l h ⋅ M b = F ⋅l = I 2 h Mb 2 ⋅ σ max ⋅ I h= EI E⋅I ⋅h
2 ⋅ σ max k= = E ⋅h
2 ⋅120 2,1 ⋅10 5
N mm 2
N mm 2
= 3,81 ⋅10 −6
⋅ 300 mm
1 mm
b) Winkel der Tangente
ϕ II = 0 ϕ I = ϕ max =
F ⋅ l 2 2 ⋅ σ max ⋅ I ⋅ l σ max ⋅ l = = 2 EI 2 EIh E⋅h N
⋅ 2000 mm 2 mm ϕ max = = 0,00381 rad ≈ 0,22D N 2,1 ⋅105 ⋅ 300 mm mm 2 120
c) Belastungsfall Der Spannungsverlauf tritt bei einem mit einer Kraft F belasteten eingespannten Balken auf.
202
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
d) Maximale Durchbiegung wmax
N ⋅ 20002 mm2 2 ⋅120 2 F ⋅ l 3 2 ⋅ σ max ⋅ l 2 ⋅ I mm = = = N 3EI 3 ⋅ EI ⋅ h 3 ⋅ 2,1 ⋅105 ⋅ 300 mm mm2
wmax = 5,08 mm
Lösung 4-2
a)
wF =
F ⋅ l3 ; wF = d ; F = FIA 3⋅ E ⋅ I
FIA =
3⋅ E ⋅ I ⋅ d
l3
b) Wir betrachten zunächst nur den unteren Träger: wB = wA + ϕ A ⋅ l = d wB =
FIIA ⋅ l 3 FIIA ⋅ l 2 F ⋅l 3 5 + ⋅ l = IIA ⋅ =d 3⋅ E ⋅ I 2⋅ E ⋅ I 6 E⋅I
FIIA =
6 E ⋅I ⋅d . ⋅ 5 l3
Dies ist die Kraft, um den unteren Träger so weit hinunter zu drücken, dass dieser den Punkt B berührt. Die notwendige Gesamtkraft ergibt sich aus: Fges = FIIA + FIA + FIw A FIw A ist die Kraft, um den oberen Träger zusätzlich um die Durchbiegung des unteren Trägers hinunter zu drücken.
FIw A =
3 ⋅ E ⋅ I ⋅ wA l3
=
3 3 ⋅ E ⋅ I FIIA ⋅ l ⋅ = FIIA 3⋅ E ⋅ I l3
Fges = 2 ⋅ FIIA + FIA =
12 E ⋅ I ⋅ d 3 ⋅ E ⋅ I ⋅ d 27 E ⋅ I ⋅ d ⋅ + = ⋅ 5 5 l3 l3 l3
Lösung 4-3
Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt:
5.4 Lösungen zu Kapitel 4
203
Im Zusatzsystem wird die überzählige Auflagerkraft FB als äußere Belastung angenommen.
Der Ansatz zur Überlagerung ist: wB = wBF + wBB = 0 Bestimmung von wBF im Hauptsystem: w BF = wF + ϕ F ⋅ l wFB =
F ⋅l 3 F ⋅l 2 + ⋅l 3EI 2 EI
w BF =
F ⋅l 3 § 1 1 · ¨ + ¸ EI © 3 2 ¹
w BF =
5 F ⋅l 3 6 EI
(Tabelle 4-1, Fall 1)
Bestimmung von wBB im Zusatzsystem: wBB =
FB ⋅ (2l )3 8 FB ⋅ l 3 = 3EI 3 EI
Auflager wBF − wBB = 0 3 5 F ⋅ l 3 8 FB ⋅ l − =0 6 EI 3 EI
FB =
35 5 F FB = F 86 16
Durchbiegung wM in der Balkenmitte (am Kraftangriffspunkt): wM = wMF − wMB ,
wMF =
Fl 3 (Tabelle 4-1, Fall 1) 3EI
wMB =
FB (2l )3 3EI
wMB =
5⋅8⋅ F ⋅ l 3 16 ⋅ 3 ⋅ E ⋅ I
§ 3 l 1 § l ·3 · ¨1 − + ¨ ¸ ¸ (Tabelle 4-1, Fall 1) ¨ 2 2l 2 © 2l ¹ ¸ © ¹ 3 § 3 1 · 5 F ⋅l § 5 · ¨ ¸ ¨1 − + ¸ = © 4 16 ¹ 6 EI © 16 ¹
204
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
wMB =
25 F ⋅ l 3 96 EI
wM =
F ⋅l3 EI
wM =
7 F ⋅l 3 96 EI
§ 32 25 · ¨ − ¸ © 96 96 ¹
Lösung 4-4
Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt:
Im Zusatzsystem wird die Kraft, die im Gelenkstab auftritt, als äußere Kraft FC berücksichtigt.
wCq =
ql 4 8EI
(Tabelle 4-1, Fall 6)
wCF =
FC l 3 3EI
(Tabelle 4-1, Fall 1)
wCS = FC ⋅
a l = FC ⋅ (Dehnung des Stabes C) EA EA
wCq + wCF = wCS
ql 4 FC l 3 a − = FC ⋅ 8EI 3EI EA ql 4 FC ⋅ a FCl 3 = + 8EI EA 3EI ª a ql 4 l3 º = FC « + » 8EI «¬ EA 3EI »¼ FC =
ql 4 ql 4 1 1 ⋅ = ⋅ 3 8 EI a 8I a l 3 l + + EA 3EI A 3I
5.5 Übungsklausuren
205
5.5 Übungsklausuren Um ein Gefühl für den Zeitbedarf in einer Klausur zu bekommen, sind nachfolgend die Aufgaben zweier Klausuren aufgeführt. Zulässige Hilfsmittel: Taschenrechner, ein Blatt eigene Formelsammlung, Skript. Bearbeitungszeit 90 Min. Der Lösungsweg ist vollständig anzugeben.
Klausur 1 Aufgabe 1
Die drei Stäbe sind miteinander verbunden und spannungsfrei zwischen den Wänden platziert. Die Temperatur wird von T1 auf T2 erhöht. geg.: T1 = 20o C, T2 = 40o C St = 1,2 ⋅ 10-5 K-1; ESt = 2,1 ⋅ 105 N/mm2 lSt = 300 mm; ASt = 200 mm2 Al = 2,3 ⋅ 10-5 K-1; EAl = 0,7 ⋅ 105 N/mm2 lAl = 200 mm; AAl = 450 mm2 Cu = 1,7 ⋅ 10-5 K-1; ECu = 1,2 ⋅ 105 N/mm2 lCu = 100 mm; ACu = 515 mm2 a) Bestimmen Sie die Spannung im Stahlstab, wenn beide Wände als starr angenommen werden. b) Welche Spannung tritt im Stahlstab auf, wenn die Wände nachgeben (C = 100000 N/mm)? Aufgabe 2
Ein im Boden eingespanntes Hohlrohr ist mit einem Flachstahl verschweißt. Auf diesen wirken die Kräfte Fx und Fy. Die Länge, um die der Flachstahl gebogen wird, beträgt l. geg.: l hR A
Fx = 0,5 kN Fy = 1,0 kN l = 400 mm hf = 20 mm bf = 30 mm hR = 1000 mm da = 70 mm di = 64 mm E = 2,1 ⋅ 105 N/mm2 α0 = 1
l
a) Bestimmen Sie die vertikale Verlagerung des Punktes A infolge der Kraft Fy. b) Bestimmen Sie die Vergleichsspannung, die im Hohlrohr auftritt. Lassen Sie den Einfluss der Schubspannung aus Querkräften unberücksichtigt.
206
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
Aufgabe 3
Das Profil des skizzierten Biegeträgers ist aus drei Rechtecken zusammengesetzt. 5a
2F
2a
F A
5a
B
l
2l a
2l
a 5a
a) Skizzieren Sie den Biegemomentenverlauf für den Balken mit Angabe des größten Biegemoments. b) Ermitteln Sie die Lage der Schwerpunktachse des Profils. c) Wie groß ist das axiale Flächenträgheitsmoment Ib für die waagerechte Schwerpunktachse? d) Wie groß ist die maximale Biegespannung für F =1 kN, a = 1 cm und l = 1 m? Aufgabe 4
Die Kolbenstange eines Schiffsdieselmotors ist im Kolben und im Kreuzkopf (Geradführung, siehe Skizze) gelenkig gelagert. Sie hat eine maximale Druckkraft bei Höchstlast des Motors von F = 500 kN aufzunehmen.
Kolbenbolzen
F Kolben
Weisen Sie nach, dass die Kolbenstange aus Schmiedestahl richtig dimensioniert ist. Gegeben: l = 350 cm
Flächenmoment 2. Grades
Imin = 1200 cm4
Querschnittsfläche:
A = 140 cm²
Elastizitätsmodul:
E = 210.000 N/mm²
Streckgrenze:
Re = 355 N/mm²
Kolbenstange l
Länge
Bolzen
Pleuel Kreuzkopf
F
5.5 Übungsklausuren
207
Klausur 2 Aufgabe 1
Der Stab 1 mit dem Radius r = 15 mm wird um Δϑ = 60o erwärmt. geg.: = 1,2 ⋅ 10-5 K-1 E = 2,1 ⋅ 105 N/mm2 l1 = 500 mm a = 0,2 mm
a) Welche Spannung tritt im Stab 1 auf, wenn die Wand 2 als starr angenommen wird? b) Welche Spannung tritt im Stab 1 auf, wenn die Wand 2 nachgibt (C = 100 000 N/mm)? Aufgabe 2
Ein T-Träger wird durch eine Kraft F auf Zug und Biegung beansprucht. geg.: F = 10 kN l1 = 200 mm l2 = 300 mm a = 10 mm b = 50 mm c = 70 mm a) Bestimmen Sie die Lage des Flächenschwerpunktes. b) Berechnen Sie die maximal auftretende Spannung. Aufgabe 3
In einem Getriebe wird die untere Welle durch eine Radialkraft FR und durch eine Umfangskraft FU belastet. geg.: FU = 500 N FR = 300 N l1 = 100 mm l2 = 200 mm dZ = 200 mm
Zul = 120 N/mm2
208
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
Wie groß muss der Wellendurchmesser dW sein, damit die maximal auftretende Vergleichsspannung (Anstrengungsverhältnis o = 1) die zulässige Spannung nicht überschreitet? Aufgabe 4
Eine mit der Streckenlast q belastete Brücke (E, I1) wird durch eine Stahlstütze (E, I2) mit dem Durchmesser dS abgestützt. geg.: q = 10 kN/m l = 10 m h=8m dS = 200mm I1 = 2 ⋅ 106 mm4 E = 2,1 ⋅ 105 N/mm2
a) Um welchen Betrag senkt sich die Brücke in der Mitte durch? b) Wie groß ist die Sicherheit gegen Knicken der Stütze?
Lösung Klausur 1 Aufgabe 1
a)
Δlϑ = Δϑ [α St ⋅ lSt + α Al ⋅ lAl + α Cu ⋅ lCu ] Δlϑ = ΔlSt + Δl Al + Δl Cu =
F ⋅ lSt F ⋅ lAl F ⋅ lCu + + ESt ⋅ ASt EAl ⋅ AAl ECu ⋅ ACu
º ª lSt l Cu l Al = F« + + » E ⋅ A E ⋅ A E ⋅ A Al Al Cu Cu ¼ ¬ St St
F=
F=
Δϑ [α St ⋅ lSt + α Al ⋅ l Al + α Cu ⋅ l Cu ] lSt l Cu l Al + + ESt ⋅ ASt E Al ⋅ AAl E Cu ⋅ ACu
20 K⎡ ⎣1, 2 ⋅10−5 ⋅ 300 + 2,3 ⋅10−5 ⋅ 200 + 1,7 ⋅10−5 ⋅100 ⎤ ⎦ K−1mm ⎡ ⎤ mm 300 200 100 + + ⎢ ⎥ ⎣ 2,1⋅105 ⋅ 200 0,7 ⋅105 ⋅ 450 1, 2 ⋅105 ⋅ 515 ⎦ N mm 2 mm2
F = 13104 N
5.5 Übungsklausuren
b)
209
σ St =
F 13104 N N N = = 65,52 ≈ 66 2 2 ASt 200 mm mm mm2
Δlϑ =
F ⋅ lSt F ⋅ l Cu F ⋅ l Al 2⋅F + + + ESt ⋅ ASt E Al ⋅ AAl E Cu ⋅ ACu C
... = 5639 N lSt lCu lAl 2 + + + ESt ⋅ ASt EAl ⋅ AAl ECu ⋅ ACu C
F=
F 5639 N N N = = 28, 2 ≈ 28 2 ASt 200 mm2 mm mm2
σ St =
Aufgabe 2
a)
Δy =
Fy ⋅ hR E ⋅ AD
π
AD =
4
π
ID =
+
64
Fy ⋅ l ⋅ hR E ⋅ ID
Fy ⋅ l 3 3E ⋅ I Flachstahl
(da2 − di2 ) = π4 (702 − 642 ) = 631,5 mm2 (da4 − di4 ) = 64π (704 − 644 ) = 35,5 cm4
I Flachstahl =
b ⋅ h 3 30 mm ⋅ 203 mm3 = = 20000 mm 4 12 12
103 ⋅1000
Δy =
⋅l +
2,1 ⋅105 ⋅ 631,5
+
103 ⋅ 400 ⋅1000
103 ⋅ 4003 400 ⋅ + 2,1 ⋅105 ⋅ 35,5 ⋅104 3 ⋅ 2,1 ⋅105 ⋅ 20 ⋅103
Δ y = 0, 0075 mm + 2,15 mm + 5, 079 mm
Δ y = 7, 24 mm b)
M b1 = Fy ⋅ l = 1000 N ⋅ 400 mm = 400000 Nmm M b2 = Fx ⋅ hR = 500 N ⋅ 1000 mm = 500000 Nmm
M bges = M b21 + M b22 = 640310 Nmm Wb =
σ= τt =
π d a4 − di4 32
M bges Wb
d
+
Fy AD
M t Fx ⋅ l = Wt Wt
=
=
π 704 − 644 32
70
mm3 = 10144 mm3
640 310 Nmm 10 144 mm3
+
1000 N 631,5 mm2
= 64,71
N mm2
≈ 65
N mm2
210
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
π d a4 − d i4
Wt =
τt =
da
16
= 20288 mm3
500 ⋅ 400 Nmm 20288 mm
3
= 9,86
N mm
2
≈ 10
N mm 2
σ v = σ 2 + 3τ t2 = 65 2 + 3 ⋅10 2 ≈ 67
N mm 2
Aufgabe 3
a)
¦F
y
= 0 = FA + FB − 3 F → FA = 3 F − FB
¦ M b = 0 = F ⋅ 2l + 2 F ⋅ 3l − FB ⋅ 5l = 0 FB =
8 Fl 8 = F 5l 5
8 15 7 FA = − F + F = F 5 5 5 M bmax =
yS =
− 3a ⋅ 5a 2 + 3,5a ⋅ 10a 2 5a 2 + 5a 2 + 10a 2
=
− 15a 3 + 35a 3 20a 2
1,5a 4,5a 2,5a 0,5a
y3
a
y2
y1
a
3,5a
yS = a
emax
b)
16 Fl 5
5.5 Übungsklausuren c)
d)
211
I ges = I1 + A1 ⋅ y12 + I 2 + A2 ⋅ y22 + I 3 + A3 ⋅ y32 I ges =
5a ⋅ (2a )3 5a ⋅ a 3 a ⋅ (5a )3 + 10a 2 ⋅ (2,5a )2 + + 5a 2 ⋅ a 2 + + 5a 2 ⋅ (4a )2 12 12 12
I ges =
40a 4 + 125a 4 + 5a 4 + 62,5a 4 + 5a 4 + 80a 4 12
I ges =
40 + 125 + 5 + 750 + 60 + 960 4 ⋅a 12
I ges =
1940 4 485 4 a = a ≈ 162 a 4 12 3
I ges
Wb =
emax
σ max =
=
485 4 2 970 3 9 a ⋅ = a ≈ 35, 9a 3 ; emax = a 3 9a 27 2
M b 16 ⋅ F ⋅ l ⋅ 27 432 F ⋅ l = = 3 4850 Wb 5 ⋅ 970 ⋅ a a3
σ max = 0,089 ⋅
σ max =
F ⋅l a3
432 1000 N ⋅1000 mm ⋅ 4850 103 mm3
σ max ≈ 89
N mm 2
Aufgabe 4
λ=
lK imin
imin =
λ=
l K = l = 350 mm I min 1200 cm 4 = = 2,93 cm A 140 cm 2
350 cm = 119, 45 ≈ 120 2,93 cm
λ = 120 EULER-Knickung σK =
N π 2 ⋅ E π 2 ⋅ 210 000 N = ≈ 144 2 2 2 120 mm mm 2 λ
σd =
F 500000 N N = ≈ 36 A 14000 mm 2 mm 2
212
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben SK = FK =
=
σ K 144 = ≈ 4 36 σd
ausreichend !
π 2 ⋅ E ⋅ I min l2
π 2 ⋅ 210 000 N ⋅1200 cm 4 ⋅102 mm 2 3502 mm 2 cm 2 mm 2
FK = 2030,32 kN S=
FK 2030,32 kN = = 4, 06 500 kN FD
Lösung Klausur 2 Aufgabe 1
a)
Δlϑ = α ⋅ Δϑ ⋅ l = 1,2 ⋅ 10−5 ⋅ 60 ⋅ 500 mm = 0,36 mm
Δls = Δlϑ − a = 0, 36 mm − 0, 2 mm = 0,16 mm Δls 0,16 mm N N ⋅E =σ σ = ⋅ 2,1 ⋅105 = 67, 2 2 500 mm Δl mm mm 2 b)
Δlϑ = Δls + a + x2 x2 =
F C
Δlϑ = F =
σ =
F ⋅l F 1º ª l + a + Δlϑ − a = F « + » E⋅A C ¬ EA C ¼
Δlϑ − a 1 l + EA C
=
Δlϑ − a l
1 + Eπ r 2 C
=
0,16 mm = 11,97 kN 500 mm 1 + N N ⋅ ⋅ 152 mm2 100000 2,1⋅ 105 mm mm2
F 11,97 kN 11,97 kN N = = = 16,93 A mm 2 π ⋅ r2 π ⋅152 mm 2
5.5 Übungsklausuren
213
Aufgabe 2
a)
ys =
b)
A
Ai
yi
Ai yi
1
600
0
0
–15,91
2
500
35
17500
19,09
1100
17500
¦ yi Ai = 17.500 = 15,91 mm Ages
I xges =
1.100
10 ⋅ 603 50 ⋅103 + 15,912 ⋅ 600 + + 19,092 ⋅ 500 = 518257,58 mm4 12 12
σb =
Mb Mb = ⋅e Wb Ix
Mb =
1 l 1 3 2 ⋅ F ⋅ 2 ⋅ l1 = 2 ⋅ 10 kN ⋅ ⋅ 200 mm = 848,53 Nm 2 l1 + l2 2 5
emax = eu = 15, 91 mm + 30 mm = 45,91 mm
σ bmax =
Mb 848,53 ⋅103 Nmm N ⋅ emax = ⋅ 45,91 mm = 75,17 4 Ix 518257,58 mm mm 2
σ max = σ b + σ z 1 1 2F 2 ⋅ 10 kN N 2 σz = = 2 = 6, 43 1100 mm Ages mm 2 σ max = 75,17
N mm
2
+ 6, 43
N mm
2
= 81, 6
N mm2
Aufgabe 3
τ=
Mt Mt = π 3 Wt d 16
M t = Fu ⋅
dz = 500 N ⋅ 100 mm = 50 Nm 2
Fres = FU2 + FR2 = 583,1N M b = Fres ⋅
l2 2 ⋅ l1 = 583,1 ⋅ ⋅100 mm = 38,87 Nm 3 l1 + l2
yis= yi –ys
214
5 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben Mb Mb = π 3 Wb d 32
σb =
2
2
§ · § · 2 ¨ Mb ¸ ¨ Mt ¸ § 16 · ª 2 2 2 2 3 + ⋅ = σ v = σ b + 3τ = ¨ ¸ ¨ π ¸ ¨ ¸ ¬ 4 M b + 3M t ¼º π d π 3 3 © 3¹ ¨¨ ¨¨ d ¸¸ d ¸¸ © 32 ¹ © 16 ¹
16
=
πd
16
d3 = d=3
4 M b2 + 3M t2
3
πσ v
1
4 M b2 + 3M t2
(
16 ⋅ 4 ⋅ 38,87 ⋅ 103 π ⋅ 120
4 M b2 + 3M t2 =
πσ
d w ≥ 17,03 mm
Aufgabe 4 fq =
5 q ⋅ l4 ⋅ 384 EI
fs =
Fsl 3 48EI
f res = f q − fs =
F ⋅h 5 ql 4 Fsl 3 ⋅ − = s 384 EI 48EI EA
Fs h Fsl 3 5 ql 4 + = 48 I 384 I A ªh 5 ql 4 l3 º Fs « + »= ¬« A 48 I ¼» 384 I
Fs =
=
5 ql 4 1 5ql 4 ⋅ = 384 I ª h ª hI l 3 º l3 º « + » 384 « + » «¬ A 48 I »¼ «¬ A 48 »¼ 5 ⋅10 ⋅ (10 000 )
4
ª º « 8000 ⋅ 2 ⋅106 10 0003 » 384 « + » π 48 » « ⋅ 2002 ¬ 4 ¼
f res =
62,5 ⋅103 ⋅ 8000 2,1 ⋅105 ⋅
π
4
2002
= 62,5 kN
= 0,076 mm
)
2
(
+ 3 ⋅ 50 ⋅ 103
)
2
= 17,03 mm
5.5 Übungsklausuren b)
215
Knickfall 2: s = h I=
π 64
λ=
FK =
d4
s = I A
h
π d 4 ⋅ 64 π d 2 4
=
4h 4 ⋅ 8000 = = 160 EULER d 200
π 2 ⋅ EI s2
FK =
π 2 2,1 ⋅105 ⋅ π ⋅ 2004
64 ⋅ 80002 F 2543, 48 kN = 40, 7 S= K = FS 62,5 kN
N = 2543,48 kN
216
Quellen [1]
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[2]
ASSMANN, B., Aufgaben zur Festigkeitslehre. 12. Aufl., München: Oldenbourg, 2003
[3]
BÖGE, A, Technische Mechanik. Statik – Dynamik – Fluidmechanik – Festigkeitslehre. 28. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2009
[4]
BROMMUNDT, E.; SACHS, G.; München: Oldenbourg, 2006
[5]
FALK, S., Technische Mechanik. Dritter Band: Mechanik des elastischen Körpers. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 1969
[6]
HIBBELER, R. C., Technische Mechanik 2. Festigkeitslehre. 5. Aufl., München: Pearson Studium 2005
[7]
HOLZMANN, G.; DREYER, H.-J.; ET AL., Holzmann-Meyer-Schumpich. Technische Mechanik – Festigkeitslehre. Wiesbaden: Teubner, 2006
[8]
LÄPPLE, V., Einführung in die Festigkeitslehre. Lehr- und Übungsbuch. 2. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2008
[9]
LÄPPLE, V., Lösungsbuch zur Einführung in die Festigkeitslehre. Ausführliche Lösungen und Formelsammlung. 2. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2008
ET AL.,
Technische Mechanik. Eine Einführung. 4. Aufl.,
[10] MUHS, D.; WITTEL, H.; ET AL., Roloff/Matek Maschinenelemente. Normung – Berechnung – Gestaltung. 19. Auflage, Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2009
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
217
Weiterführende Literatur BERGER, J., Klausurentrainer Technische Mechanik. Aufgaben und ausführliche Lösungen zu Statik, Festigkeitslehre und Dynamik. Wiesbaden: Vieweg, 2005 DANKERT, J.; DANKERT, H., Technische Mechanik: Statik, Festigkeitslehre, Kinematik/Kinetik. 5. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2009 HAGEDORN, P., Technische Mechanik. Band 2: Festigkeitslehre. 4. Aufl., Frankfurt am Main: Harri Deutsch, 2006 HAHN, H. G., Technische Mechanik fester Körper. 2. Aufl., Leipzig: Fachbuchverlag, 1992 KNAPPSTEIN, G., Aufgaben zur Festigkeitslehre – ausführlich gelöst mit Verständnisfragen, Antworten, Formeln, Computer-Rechnung. 3. Aufl., Frankfurt am Main: Harri Deutsch, 2004 MAYR, M., Technische Mechanik. Statik, Kinematik – Kinetik – Schwingungen, Festigkeitslehre. 6. Aufl., München/Wien: Hanser, 2008 MAYR, M., Mechanik-Training. Beispiele und Prüfungsaufgaben. 3. Aufl., München/Wien: Hanser, 2008 MÜLLER, W. H.; FERBER, F., Technische Mechanik für Ingenieure. 3. Aufl., München/Wien: Hanser, 2008 RICHARD, H. A.; SANDER, M., Technische Mechanik. Festigkeitslehre. Lehrbuch mit Praxisbeispielen, Klausuraufgaben und Lösungen. 2. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2008 ROMBERG, O.; HINRICHS, N., Keine Panik vor Mechanik! Erfolg und Spaß im klassischen „Loser-Fach“ des Ingenieur-Studiums. 7. Aufl., Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2009 WRIGGERS, P.; NACKENHORST, U.; ET AL., Technische Mechanik kompakt: Starrkörperstatik – Elastostatik – Kinetik. 2. Aufl., Wiesbaden: Teubner, 2006
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
218
Sachwortverzeichnis Anstrengungsverhältnis ..................... 149 Beanspruchungsarten ............................. 4 Biegelinie ............................................ 155 Biegemomentenverlauf ......................... 53 Biegesteifigkeit ................................... 157 Biegung ................................................ 47 BREDT’sche Formel .............................. 97
Dauerfestigkeit ..................................... 18 Dauerfestigkeitsschaubild ..................... 20 Differenzialgleichung 2. Ordnung für die elastische Linie .................... 158 Durchbiegung ..................................... 157
Elastische Knickung .......................... 110 Elastizitätsmodul .................................. 10 Energiemethode nach CASTIGLIANO ... 177 EULER ................................................. 111
Festigkeit ................................................ 6 Festigkeitsbedingung ............................ 28 Festigkeitslehre ....................................... 1 Flächenmomente 1. Grades .................. 63 Flächenmomente 2. Grades .................. 64 Flächenpressung ................................... 36 Flächenträgheitsmomenten ................... 61 Formänderungsarbeit ................ 13, 79, 94 Freischneiden .......................................... 4
Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie ................. 148 Hypothese der größten Normalspannung ......................................... 146 Hypothese der größten Schubspannung .... 147
Integrationsmethode ........................... 178 Kesselformel ........................................ 41 Knicklast ............................................. 107 Knickspannung ........................... 106, 111 Korrekturfaktor ................................... 149
Längenänderung .................................. 10 Längenausdehnungskoeffizienten ........ 33 Lastfall .................................................. 17 Mindestsicherheit ................................ 22 MISES-Hypothese ............................... 148 MOHR’scher Spannungskreis .............. 139 Normalspannung .................................... 6 –, zusammengesetzt ........................ 128
polares Flächenmoment 2. Grades ....... 90 polares Flächenträgheitsmoment .......... 90 polares Widerstandsmoment ................ 91 Querkürzung ........................................ 13
Gleitung ............................................... 79
Reißlänge ............................................. 32
Grenzgeschwindigkeit .......................... 46 Grundgleichung der Torsion ................ 91
Satz von den zugeordneten Schub-
Hauptachsenwinkel ............................ 138 Hauptgleichung der Biegung ................ 62 Hauptspannungen ............................... 141 Hauptsystem ....................................... 182 HERTZ’schen Theorie ......................... 39
spannungen ....................................... 81 Schlankheitsgrad ................................ 108 Schrumpfspannungen ........................... 34 Schub- und Scherspannung .................. 79 Schubfluss ............................................ 96 Schubmittelpunkt .................................. 88 Schubmodul .......................................... 79
K. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9790-9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Sachwortverzeichnis Schubspannung .................................... 90 Schubspannungsverteilung ................... 83 Schwerpunkt ......................................... 63 Spannung ................................................ 5 Spannungen durch Eigengewicht ......... 32 Spannungen durch Fliehkräfte ............. 45 Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern ..................................... 40 Spannungs-Dehnungs-Diagramm .......... 7 Statik ...................................................... 1 statische Bestimmtheit ........................ 175 STEINER’scher Satz ............................... 68 Streckenlast .......................................... 51 Superposition ...................................... 168
Tangentialspannung ............................... 6 –, zusammengesetzt ........................ 133 TETMAJER ........................................... 116 Torsion ................................................. 89 Torsionssteifigkeit einer Welle ............ 93
219 Torsionswiderstandsmoment ................ 91 Trägheitsradius ................................... 108 TRESCA ............................................... 147
Überlagerungs- bzw. Superpositionsprinzip ............................................ 182
Verdrehwinkel ..................................... 93 Vergleichsspannung ........................... 146 Vorzeichendefinition ............................ 50
Wärmespannungen .............................. 33 Widerstandsmoment ............................. 59
Zugspannung ....................................... 27 Zugversuch ............................................. 7 Zulässige Spannungen .......................... 21 Zusatzsystem ...................................... 182