Herausgegeben von Hans Beck und Hans-Ulrich Wiemer
Feiern und Erinnern GESCHICHTSBILDER IM SPIEGEL ANTI KER FESTE
Herausgegeben von Ernst Baltrusch, Kai Brodersen, Peter Funke, Stefan Rebenich und Uwe Walter
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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Hans Beck/Hans-Uirich Wiemer. Feiern und Erinnern Hans Beck: Ephebie - Ritual
( ure
eine Einleitung
.................
7
9
Geschichte.
Polisfest und historische Erinnerung im klassischen Griechenland
.............
Hans-Uirich Wiettur. Neue Feste - neue Geschichtsbilder? Zur Erinnerungsfunktion städtischer Feste im Hellenismus
.........................
Rene Pftilschiftet: Die Römer auf der Flucht. Republikanische Feste und Sinnstiftung durch aitiologischen Mythos
......
55
83
1 09
Ra(fBehnvald: Festkalender der frühen K:aiserzeit als Medien der Erinnerung. 141 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Matthäus Heif. Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser
.........................................
167
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
lI1ischa Meier. Die Abschaffung der venationes durch Anastasios im Jahr 499 und die ,kosmische' Bedeutung des Hippodroms Register
© 2009
Verlag Antike e.K., Berlin
Einbandgestaltung disegno visuelle kommunikation, Wuppertal Druck und Bindung Henkel GmbH Druckerei, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbest�mdigem Papier Printed in Germany
ISBN
978-3-938032-34-3
.
............................................................. .................................... .......................
Über die Herausgeber und Autoren
Satz Oliver Hihn, Gießen
........................ ..................
...................................... ..................................
203 233 239
Vorwort
Der vorliegende Band geht auf eine Sektion zurück, die von den Herausgebern auf dem
46.
Deutschen Historikertag in Konstanz im September
2006
aus
gerichtet wurde. In Gapg gesetzt wurde das Unternehmen durch eine lebhafte Diskussion des damaligen Rahrnenthemas GeschichtsBilder, die uns rasch dazu gebracht hat, diese allgemeine Vorgabe auf die Vorstellungs- und Lebenswelt der einfachen Leute herunterzubrechen. Die hier versammelten Geschichts
bilder haben deshalb nur wenig gemeinsam mit der intellektuell-reflexiven Art und Weise, wie sich ein Thukydides oder Tacitus mit der Vergangenheit und ihrer sozialen Konstruktion als Geschichte auseinandergesetzt haben. Statt dessen werfen sie Licht auf Deutungen und Lesarten von Vergangenheit, die in
breiteren Kreisen zirkulierten: oft nur als mündliche Traditionen oder als
mimetische Rituale und kommuniziert zwischen Menschen ohne jede elitäre Bildung, aber mit erheblicher Präsenzkraft und nachhaltigen Sinnangeboten. Der Ausnahmezustand des Festes schien uns besonders gut dazu geeignet, diese Form von antiken Vergangenheitsbildern einzufangen. Die Vorträge der Sektion wurden fur die Druckfassung überarbeitet; hinzu kamen die Beiträge von Matthäus Heil und rvfischa Meier, die das Thema bis in die hohe und späte Kaiserzeit hinein verfolgen. Dennoch kann und soll auch gar nicht der Anspruch erhoben werden, hier ein ganzes Millennium antiker Festkultur abzudecken. Die Studien sind als Diskussionsbeiträge gedacht, die den Zusammenhang zwischen Festen und Geschichtsbildern vom klassischen Griechenland bis in die Spätantike exemplarisch entfalten. Daß drei Jahre nach der Konstanzer Sektion nun ein Buch vorgelegt wernatürlich zuallererst den Kollegen und
den kann, verdanken die Freunden, die sich als Autoren
das Thema eingelassen haben. Oliver Hihn
hat die Manusktipte auf dem Weg zum Buch mit großer Sorgfalt bearbeitet und die Druckvorlage fast alleine erstellt. Er und Joanna Ayaita haben die Heraus geber auch beim Lesen der Korrekturen nachhaltig unterstützt. Beim Erstellen des Registers half Catherine MacPherson. AUen dreien gilt unser her7Jicher Dank. Danken möchten wir schließlich auch den Herausgebern der "Studien zur Alten Geschichte", insbesondere Uwe Walter, die unser Buch in ihre Reihe aufgenommen und hilfreiche Hinweise beigesteuert haben, sowie der Gerda Henkel Stiftung, die einen namhaften Zuschuß zu den Druckkosten gewährt hat.
Montreal/Gießen, Dezember
2009
Hans Beck und Hans-Ulrich Wiemer
Feiern und Erinnern - eine Einleitung
1
Hans Beck/Hans-Ulrich Wiemer
I. Wozu dieser Band? Erinnerung und Gedächtnis stehen seit geraumer Zeit im Zentrum kultur wissenschaftlicher Debatten und werden in ihren vielfaltigen Manifestationen gerade auch von Historikern eingehend untersucht. Die kollektive Vergegen warngung von
ihre mediale Präsentation, sIDnstiftende und
handlungsleitende Funktion und ihre Verankerung in sozialen Praktiken und Diskursen, für die sich die Bezeichnung Geschichtskultur eingebürgert hat, gehören mittlerweile zum Tbemenkanon aller historischen Disziplinen. Sie bilden nach wie vor Kernbereiche aktueller Forschungen. Inzv.dschen liegt eine Vielzahl von Studien zur Geschichtskultur in fast allen Epochen und Regionen der historischen Welt vor, und das Thema findet auch außerhalb der Universiden es erlangt hat, aber auch von
tät große Beachtung. Von dem dem Umfang, den die ihm
Forschungen angenommen haben, legt
die Tatsache, daß es mittlerweile auch durch enzyklopädische Zusammenfas2 sungen erschlossen wird, ein beredtes ab. Die in diesem Band versammelten Studien verknüpfen den erinnerungs geschichtlichen Ansatz mit einem Themenbereich, der in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts intensiv diskutiert wurde, inzwischen aber wieder weniger Aufmerksamkeit findet: dem Fest als einer Form sozialen Handelns. Dieser Verknüpfung liegt die
zugrunde, daß in der griechisch
römischen Welt \V'1e in allen Gesellschaften, in denen Schriftlichkeit verhältnis
/
mäßig gering entwickelt ist
ein enger Zusammenhang zwischen Feiern und
Erinnern besteht, weil Feste mit Vorstellungen über eine dem Anspruch nach für alle verpflichtende Vergangenheit verbunden waren, die im gemeinsamen Vollzug regelhafter Handlungsfolgen
und verinnerlicht wurde.
Das Fest überwand die Grenzen, die der individuellen Aneignung von Vor-
Wu: danken Ralf Behrwald, Christa Frateantonio, Rene Pfeilschifter, Winfried Speitkamp, Uwe Waltet und David Yates fur Hinweise und K.nttk. Pethes/Ruchatz 2001; Erll/Nünning 2008. Die durch Harns 1989 angestoßene Debatte über Ausmaß und Eigenart von Schriftlichkelt
1n
der griechisch-römischen Welt kann und muß hter mcht resürmert
werden. Im vorliegenden Zusammenhang genüge der Hinweis, daß der Austausch von Ideen in allen anttken Gesellschaften mcht primär durch Texte vennittelt \vurde.
Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer
10
Feiern und Erinnern
stellungen über clie Vergangenheit durch die Struktur des Bildungswesens
11
eine Einleitung
Ohne diese "sozialen Rahmen", meinte Halbwachs, gebe es keine Erinnerung,
gesetzt waren, indem es breite Schichten beteiligte. Zugleich schuf es eigen
weswegen Bilder der Vergangenheit im Traum stets undeutlich blieben und sich
tümliche Beclingungen für diese Aneignung, clie durch emotionale Intensität
im Zustand der Aphasie gar nicht einstellten.6 Das Bild der Vergangenheit aber,
und Konformitätsdruck gekennzeichnet waren.4 Die im Fest repräsentierte
das im kollektiven Gedächtnis erzeugt werde, entspreche dem Bedürfnis des
Vergangenheit ist der Kritik entzogen, solange man feiert, und prägt sich gerade
Kollektivs nach sozialer Kontinuität und werde daher fortlaufend umgeformt?
darum besonders tief ein.
Obwohl Halbwachs an die Möglichkeit objektiver Erkenntnis der Vergangen
Die folgenden Bemerkungen sollen in das Thema Feiern und Erinnern ein
heit glaubte und scharf zwischen kollektiver Erinnerung und geschichtswissen
führen, indem zunächst der wissenschaftsgeschichtliche Kontext skizziert wird:
schaftlicher Rekonstruktion der Vergangenheit ("histoire") trennte, stellte seine
clie Stuclien zum "sozialen" oder "kulturellen" Gedächtnis einerseits, diejenigen
Gedächtnistheorie den positivistischen Glauben, die Vergangenheit existiere
z\vischen Feiern und Erinnern für die griechisch-römische Welt näher betrach
sie den Blick auf die sozialen Bedingungen für individuelle Gedächtnislei
zur Festkultur andererseits. Daran anschließend soll der Zusammenhang
unabhängig von denen, die sich mit ihr beschäftigen, nachhaltig in Frage, indem
tet und genauer beschrieben werden.
stungen lenkte. Es bedarf kaum der Hervorhebung, daß Halbwachs die Reich
weite seiner Theorie überschätzte, wenn er glaubte, daß sie eine psychologische
- und, wie man heute hinzusetzen muß, neurobiologische - Analyse des perso 11. Erinnerung und Gedächtnis in der Forschung
nalen Gedächtnisses erübrige. Für unsere Überlegungen kommt es lediglich
1'.11t der Hinwendung zum Themenbereich Erinnerung und Gedächtnis greift
forschung markieren, hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann.
die Geschichtswissenschaft Konzepte
darauf an, daß seine Studien eine neue Stufe in der Geschichte der Gedächtnis
die der französische Soziologe
Die Geschichtswissenschaft hat Halbwachs' Gedächtnistheorie
Maurice Halbwachs, ein Schüler Emile Durkheims, bereits in den i920er Jahren
freilich
zunächst kaum Beachtung geschenkt, obwohl er zum Umkreis der um die Zeit
entwickelt hatte. Halbwachs hatte in seiner 1925 publizierten Untersuchung
schrift "Annales" gescharten Historiker gehörte.8 Marc Bloch warf Halbwachs
schende Lehre des Philosophen Hemi Bergson den Nachweis zu führen
Soziale und vernachlässige daher clie Beziehungen zwischen individuellem und
sei.5 Zu diesem Zweck untersuchte er die Bedingungen, die dazu führen, daß
piellen Gegensatz zwischen seiner Soziologie des Gedächtnisses und einer
"Les cadres sociaux de la memoire" gegen die in Frankreich damals vorherr
in einer ausführlichen Besprechung vor, er verabsolutiere und verdingliche das
versucht, daß das Gedächtnis kein individuelles, sondern ein soziales Vermögen
kollektivem Gedächtnis,9 und umgekehrt sah Halbwachs selbst einen prinzi
bestimmte Sinneswahrnehmungen erinnert, andere aber ausgeblendet oder
historischen Analyse der Vergangenheit.lO Einer Rezeption in der deutschen
vergessen werden, und gelangte zu dem Ergebnis, daß Erinnerungen stets auf
einen sozialen Rahmen bezogen und daher gruppenspezifisch und gegenwarts
Halbwachs (1925, 1-79) zog aus der Analyse dieser beiden Zustände das Resüme: "il
bezogen seien. Seine These lautete, daß Individuen stets nur das erinnerten, was
n'y a
für das Kollektiv, dem sie angehören, von Bedeutung ist, weil Erinnerungen
de memoire possible en dehors des cadres dont les hommes vivant en se servent pOut frxer et retrouver leuIs souvenirs" (79).
nicht durch selbstreflexive Bew ußtseinsakte wiedergefunden oder wachgerufen,
Halbwachs 1925, 113:
hommes qm ne demanderaient a Ja memoire que
d'eclairer leur action immedlate, et pour qui Ie plaisir pur et simple d'evoquer le
sondern durch aktives Beziehen auf die soziale Umgebung konstituiert \ViiIden.
passe n'existerait pas, parce qu'il se peindrait aleurs yeux des memes couleurs que le present, ou, simplement, parce qu'ils en seraient incapables, n'auraient aaucun degre le sens de la contlnmte sodale. Cest pourquoi la socH�te obltge les hommes, de
temps en temps, non seulement a reprodmre en pensee les evenements anterieurs de
Die Bedeutung von Emotionalität ftir die Analyse von Ritualen betont progtamma tisch Chaniotis 2006; prägnant formuliert ist dieser Aspekt bei Chaniotis 2008, 85:
leur vie, mais encore ales retoucher, a en retrancher, ales complerer, de
"Feste waren Ere1grusse mit emotionaler Intensität [...] Weder Intensität noch Emotionalität sind quantifizierbare Begriffe, AIthistotiker nehmen sie nur selten in
niquions un prestige que ne possedait pas Ja realite".
den Mund. Studiert man aber die antike Religiosität und ihre Dynamik, so kann man
Dazu aufschlußreich Revel 2005.
ohne sie nicht auskommen." S. dazu jetzt auch Hans Beck in diesem Band, S. 75-78. Halbwachs 1925. Zu Halbwachs' Gedächrnistheorie vgl.
a ce
que, convaincus cependant que nos souvenlfS sont exacts, nous leur commu
10
Assmann 2005;
Marcel/Mucluelli 2008. Auf ihre philosophischen Schwächen macht Heinz 1967
Bloch 1925. Halbwachs 1950/1997, 130-142. Nach Halbwachs stcht die Gesch1chtswissenschaft rucht m einem lebendigen Traditionszusammenhang und vermag es auch nicht,
aufmerksam.
I I
einen solchen zu schaffen, 1st kemer SOZlalen Gruppe verbunden und strebt nach
Feiern und Erinnern - eine Einleitung
Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer
12
Geschichtswissenschaft der Weimarer Zeit dürfte neben der ausgeprägten Abwehrhaltung der Historikerzunft gegenüber den aufstrebenden Sozialwissen schaften auch die Tatsache hinderlich gewesen sein, daß die historistische Richtung der Geschichtsschreibung, für welche die Standortgebundenheit jeder historischen Erkenntnis eine Selbstverständlichkeit war, nach dem Ende des Kaiserreiches auch innerhalb des eigenen Fachs in die Defensive geraten war. Die in Halbwachs' Gedächtnistheorie implizit enthaltene Relativierung jed weder historischen Erkenntnis war ja gerade das, was nach Ansicht vieler deutscher Intellektueller überwunden werden mußte, damit die Geisteswissen schaften zu einer "nationalen Wiedergeburt" Deutschlands beitragen könnten. Schließlich hat auch das Lebensschicksal des Soziologen, der 1 944 im Kon zentrationslager Buchenwald ums Leben kam/ I dazu beigetragen, daß sein Werk nahezu in Vergessenheit geriet und gleichsam neu entdeckt werden mußte. Das letzte von Halbwachs selbst publizierte Buch - eine historische Studie, die der Entstehung einer christlichen Erinnerungslandschaft im spät antiken Palästina gewidmet ist - erschien 1 941 und ging in den Wirren des Zweiten Weltkrieges unter.12 Sein erinnerungs theoretisches Spätwerk, dessen Titel "La memoire collective" heute in aller Munde ist, blieb unvollendet und wurde erst 1950, sechs Jahre nach dem Tode seines Verfassers, aus dem Nach laß veröffentlicht. Auf Übersetzungen ins Deutsche mußte man lange warten: "Les cadres sociaux de la memoire" erschien erst 1 966 unter dem Titel Das 13 Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen", und es dauerte noch einrr:�l 24 Jahre, bis 1 991 auch das postume Hauptwerk in deutscher Sprache zugänglich gemacht wurde. 1 4 Die Halbwachs-Rezeption in der Geschichtswissenschaft begann auf breiter Front erst ein halbes Jahrhundert, nachdem er seine Gedächtnistheorie erstmals publik gemacht hatte, in den 1 980er Jahren. Sie stand im Zusammenhang poli tischer und wissenschaftlicher Debatten über die Genese, Reproduktion und Funktion kollektiver Vorstellungen über die Vergangenheit, die diesem Thema in Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten eine weit über die akademische einem Immer und überall gültigen, einheitlichen Bild der Vergangenheit, einer Art objektiver
Universalgeschichte.
Diese
Opposition
zwischen
"memOIre"
wieder. Einen VergleICh zwischen den Positionen von Halbwachs und Nora zieht
12
13 14
Welt hinausreichende Resonanz sicherten.15 Für dieses sprunghaft anwach sende Interesse an der sozialen Konstruktion von Vergangenheit stehen Titel wie der von Eric Hobsbawm und Terence Ranger herausgegebene Sammel band "The Invention of Tradition" (1983), David Lowenthals Geschichte des Umgangs mit der Vergangenheit "The Past is a Foreign Country" (1 986) oder Michael Kammens Studie "Mystic Chords of Memory. The Transformation of Tradition in American Culture" (1991), die allesamt Bestseller auf dem angel sächsischen Markt für historisch-soziologische Sachbücher wurden, 16 aber auch Yosef Hayim Yerushalmis Buch "Zakhor: Jewish History and Jewish Memory" (1982) . 17 Die Ursachen für diesen Trend sind vielfaltig und können hier nur angedeutet werden. Ein wesentlicher Impuls ging von der Frage aus, wie das Gedächtnis der Shoah für künftige Generationen bewahrt werden könne und solle, wenn die letzten Zeugen einmal nicht mehr am Leben sein werden. Die Holocaust-Problematik war jedoch nicht der einzige Grund, weshalb man der Frage nach der sozialen Konstruktion von Vergangenheit nunmehr allgemein große Bedeutung zumaß. Kaum weniger wichtig waren intellektuelle Strömungen der 1970er und 1980er Jahre, die das überkommene Selbstver ständnis der Geschichtswissenschaft nachhaltig in Frage stellten: Man entlarvte traditionelle Vorstellungen über Geschichte ideologiekritisch als Herrschafts instrumente, um der "Stimme der Unterdrückten" Gehör zu verschaffen; man relativierte eurozentrische oder "westliche" Geschichtsbilder im Zeichen des Multikulturalismus; oder man hegte prinzipielle Vorbehalte gegen alle großen Erzählungen und erklärte deren Dekonstruktion zur einzig legitimen Aufgabe des postmodernen Intellektuellen. Soweit die theoretischen Konzepte und die politischen Optionen, die mit ihnen einhergingen, auch divergieren mochten, in einem Punkt stimmten alle überein: Vorstellungen über die Vergangenheit spiegeln nicht emfach wider, was einmal war, sondern sind das Produkt sozia len Handeins und müssen als solche analysiert werden. In Europa hat der französische Historiker und Verleger Pierre N ora der Beschäftigung mit kollektiven Vorstellungen über die Vergangenheit nachhal tige Impulse verliehen. Nora konstatierte für das moderne Frankreich die Auflösung aller Erinnerungsgemeinschaften, die sich ihre Vergangenheit im
und
"histoire" kehrt bel Nora 1984/1997, 23-25 und bel Fran<;:OIs/Schulze 2001, 14f.
11
Große-Kracht 1996.
15
Zu Halbwachs' Leben vgl. jetzt Becker 2003.
Halbwachs 1950/1997; dt. 1991. 1980.
Eine Übersetzung ins Englische erschien bereits
rückSichtigt und den Schwerpunkt auf die angelsächSische Forschung legt, die in
einflußreich war Connerton 1989. Ein theoretisch anspruchsvoller und empirisch
1925; dt. 1966. Seit 1992 ist das Werk auch in einer englischen
Ubersetzung zugänghch, die der bekannte Soziologe Lewis A. Coser besorgt hat.
Ausgezeichneter, breit angelegter Überblick, der auch verschiedene Vorläufer be dieser Skizze rucht angemessen gewürdigt werden kann, bel Olick/Robbins 1998;
Halbwachs 1941/2008. Eine deutsche Übersetzung erschien 2003.
�albwachs
13
fundierter Beitrag, der anthropologische und lustorische Perspektiven vereint, ist 16
17
Fentress/Wickham 1992. Hobsbawm/Ranger 1983; Lowenthal 1986; Kammen 1991. YerushalmJ 1982.
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
14
Feiern und Erinnern - eine Eiuleitung
Modus des kollektiven Gedächtnisses angeeignet hätten; auch die französische Geschichtswissenschaft habe aufgehört, ein Träger des nationalen Gedächt
nisses zu sein, wie noch in der Dritten Republik, und stehe ihrer
Frankreichs in der Regel symbolische Figuren, welche das Gedächtnis sozialer Gruppen stützen, indem sie der Erinnerung einen stabilen Rahmen, Prägnanz und Anschaulichkeit verleihen.23
Geschichte inzwischen mit kritischer Distanz gegenüber. Alles Geschehene werde sogleich den Archiven überantwortet, während die Last der Erinnerung
15
Unter den Altertumswissenschaftlern war der Ägyptologe
Assmann der
dem einzelnen aufgebürdet sei. In dieser Situation entstehe das Bedürfnis, sich
erste, der das Thema systematisch durchdachte und zugleich empirisch er 24 forschte. In seiner wegweisenden Smdie über das "kulturelle Gedächtnis", die
sei, die nationale Tradition Frankreichs, die nicht mehr unmittelbar 18 Für das Medium, das diese Vergegenwärtigung
Sprachen übersetzt worden ist,25 untersuchte er am Beispiel Ägyptens, Israels
einer als bedeutsam empfundenen Vergangenheit ermöglicht, hat er den Begriff
und Griechenlands das Verhältnis von Schrift, Erinnerung und politischer
bewußt zu vergegenwärtigen.
1 992
erstmals erschien und inzwischen vielfach neu aufgelegt und in mehrere
der
Identität in frühen Hochkulmren und unterschied dabei zwei Typen des kol
inzwischen zu den Schlüsselbegriffen kulturwissenschaftlicher Forschung ge
lektiven Gedächtnisses von unterschiedlicher Reichweite und Struktur: das auf
des "lieu de memoire", des Gedächtnis- oder Erinnerungsortes,
hört und auch in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist. Nora
Alltagskommunikation beruhende kommunikative Gedächmis einerseits, das
versteht darunter Kristallisationspunkte des kollektiven Gedächtnisses, die stets 19 eine materielle, symbolische und funktionale Dimension besitzen. Die von
auf kultureller Kodierung beruhende kulturelle Gedächtnis andererseits. Das
ihm initiierte, siebenbändige Sammlung französischer "lieux de memoire" (1984-1 992),20 eine Art Inventar der nationalen Symbolik Frankreichs,zl ver
kommunikative Gedächrnis reicht nicht weiter als drei Generationen zurück, weil es nicht über Techniken der Tradierung verfügt, die Erinnerungen über den Tod seiner individuellen Träger hinaus konservieren könnten; jedes Ge
schaffte dem Begriff große Publizität und regte vergleichbare Projekte in
schehen, welches von der Gegenwart weiter entfernt ist als diese drei Gene
anderen Ländern an. In Deutschland erschien in den Jahren
2001 /2002 die von
rationen, fillt dem Vergessen anheim. Diese i\.tt des kollektiven Gedächtnisses
Schulze herausgegebene, dreibändige Sammlung 22 "Deutsche Erinnerungsorte". Der Begriff selbst hat sich dabei von seinen
für seine Bewahrung zuständig sind. Im Gegensatz dazu vermag das kulturelle
spezifisch französischen
Gedächtnis Vergangenheiten festzuhalten, die aus der Alltagskommunikation
Etienne Fran<;ois und
18
19
Konnotationen
gelöst und bezeichnet
außerhalb
ist wenig strukturiert und kommt ohne die Existenz von Spezialisten aus, die
verschwunden sind, weil es über Speichermedien
Nora 1984/1997, 28: "L'etude des lieux de memoire se trouve ainsi a la croisee de deux mouvements qui lui donnent, en France et aujourd'hui, sa place et son sens: d'une part un mouvement purement hlstoriographlque, le moment d'un retour reflexif de ]'hlstoire sur elle-meme; d'autre part un mouvement proprement hlstorique, Ja fin d'un tradition de memoire. Le temps de lieux, c'est ce moment precis ou un immense capital que nous vivions dans l'intimite d'une memoire dlSparait pour ne plus vivre que sous le regard d'une histoire reconstituee". c'est ce Nora 1984/1997,37: "Les lieu:x de memoire appartiennent aux deux qui fait leur mteret, malS aussi leur complexite: simples et ambIgUS, naturels et artificiels,irnmediatement offerts a l'experience Ja plus senSible et, en meme temps, relevant de I'elaboration Ja plus abstraite. lls sont lieu:x, en effet, dans les trois sens du mot, materiei, symbolique et fonctionnel, mais simultanement, a des degres seulement divers [ .] Ce qui les constitue est un jeu de la memoire et de l'hlstoire, une interaction des deux facteurs qui abouht a leur surcletermination rec:IPI'OQ'ue" Nora 1984/1992; 1997 erschien eine gekürzte Taschenbuchausgabe, auch ins Englische übersetzt wurde. Nora 1984/1997, 15: "La disparitlon rapide de notre memoire nationale m'avait semble appeler un inventaire des lieux ou elle s'est electivement incarnee et qU1,par la volonte des hommes ou le travail des sH�des, en sont restes comme les plus eclatants symboles: fetes, emblemes, monuments et commemorations, mais aussi eloges,dtchonnaires et musees". Fran<;:ois/Schulze 2001/2002.
überdauern können. 23
. .
20 21
22
24 25
Diese
die den einzelnen
Unterscheidung fillt mit derjenigen zwischen
2001, 17f.: "Erirmerungsorte können ebenso materieller WIe immaterieller Natur sein [ ...]. Erinnerungsorte sind sie rucht dank ih.rer materiellen Gegenständlichkeit, sondern wegen illrer symbolischen Funktion. Es handelt sich um langlebige, Generationen überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erin nerung und Identität, die in gesellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und die sich in dem Maße in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung,Anwendung und Übertragung verändert. Wir verstehen also ,Ort' als Metapher, als Topos im buchstäblichen Wortsinn. Der Ort wird allernicht als eine abgeschlossene Realität angesehen, sondern un Gegenteil stets als in einem Raum (sei er real, sozial, politisch, kulturell oder imaginär)". Nota selbst stand der Übertragung des von ihm geprägten Begriffs auf andere Nationen und seme! damit verbundenen Umdeutung zunächst skeptisch gegenüber (Nota 1993), hat sie aber später gebilligt, insistiert fteilich nach wie vor auf den Unterschieden zwischen den verschiedenen, national geprägten Erinnerungskulturen t'.Ut:OP2lS: Nora 2002, 681-686. Zur des Konzepts vgL Harth 2008, der auch die Schwierigkeit verdeutlicht, seine Leitbegnffe ins Englische zu übertragen. Assmarm 1992. Ihre Grundgedanken skizziert in programmatischer Kürze Assmann 1988a.
Feiern und Ermnern - eine Einleitung
Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer
16
schriftlosen und schriftlIchen Gesellschaften keineswegs zusammen, denn das C.reschichtsbewußtsein schriftloser Völker schließt in der Regel eine Urzeit
gibt.26 Wo das kollektive Gedächtnis im
für die es keine lebenden
Modus des kulturellen Gedächtnisses funktioniert, wird Vergangenheit durch
sie gilt als vorbildhaft und verbindlich,
Riten inszeniert oder in Texten
und bestimmte Personen wachen darüber, daß sie unverfalscht bewahrt wird. Wie das genau geschieht, ist kulturspezifisch und variiert daher außer
17
auf verschiedene Art und Weise versucht, einem verdinglichten Verständnis der
Begriffe "kollektives" bzw. "kulturelles Gedächtnis" man von "SOC1'al memory,,30
0der
etwa indem
. I remembermg . ,,31 spr1c . ht, auf "mne"SOCla
monic practices,,32 abhebt oder den Plural "Erinnerungskulturen,,33 verwendet.
Da alle Seiten darin übereinstimmen, daß kollektive
gruppenbezogen sind und andererseits einer kulturellen
einerseits unterliegen,
können Historiker sich in der Sache verständigen, auch wenn die Begrifflichkeit
ordentlich stark. Die Spezifik des Alten Ägypten etwa liegt nach Assmann
uneinheitlich ist und aller Voraussicht nach auch bleiben wird.
gebildeten Rahmen in liturgischen Formen kommemoriert wurde, um sich der
Erinnerung auch in den Altertums,vissenschaften Hochkonjunktur, und es
darin, daß die Vergangenheit in einem monumentalen, durch die Pyramiden Unwandelbarkeit des Kosmos zu vergewissern,
während sich das antike
Judentum im Studium eines kanonischen Textes seiner Ursprünge und dadurch
Seit den 1990er Jahren haben Forschungen zum Thema Gedächtnis und würde VIel zu weit führen, alle hier einschlägigen Arbeiten anzuführen. Es muß genügen,
herausragende Publikationen der letzten Jahre zu nennen: in monogra
seiner einzigarugen Beziehung zu Gott versichert habe. Bei den alten Griechen
Michael Jung hat die großen Landschlachten der
Texten fixiert gewesen, aus denen konkurrierende Ansprüche abgeleitet werden
einer exemplarischen Studie als Medium einer vergangenheitsbezogenen Iden
schließlich sei eine für alle verbindliche Vergangenheit durch einen I
konnten.2? Daß die Altertumswissenschaften
Assmann
wesentliche Anstöße
ver
danken, steht außer Zweifel, auch wenn seine Ausführungen nicht ohne Kritik
phischer Form untersucht34 und Angela KÜhr die thebanische Mythologie in titätskonstruktion analysiert.35 Im römischen Bereich hat die Arbeit von Uwe Walter über
"Memoria und
Rom" Maßstäbe
res
publica.
Zur Geschichtsknltur im republikanischen
36 Fast zeitgleich haben Karl-Joachim Hölkeskamp und
geblieben sind. Man hat moniert, daß er ein zu einfaches, ja verzerrtes Bild von
Elke Stein-Hölkeskamp einen umfangreichen Sammelband über römische
jüdischen Bereich zeichne,
oben erwähnten Initiativen französischer und deutscher Neuhistoriker bildet.3?
den Formen und Modalitäten kollektiver Erinnerung im altgriechischen und und damit empirische
Schwachstellen seines
Erinnerungsorte herausgegeben, der nun ein althistorisches Gegenstück zu den
magnum opus benannt. Grundsätzlicher Art ist der Einwand, daß der kulturelles Gedächtnis, wie er ihn verwendet, eine Uniformität in den Vor stellungen über die Vergangenheit suggeriert, die in komplexen Gesellschaften kaum je gegeben ist. 28 Dieser Einwand ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als der Begriff kulturelles Gedächtnis das Mißverständnis nahelegt, es
seien "Kulturen", die über ein kollektives Gedächtnis verfügten, während es in Wahrheit soziale Gruppen
die sich ein ihren Bedürfnissen entsprechendes
30 31 32
Bild der Vergangenheit schaffen und bewahren, wie Halbwachs sehr genau wußte und auch Assmann ausdrücklich betont. Der Begriff "kollektives
Gedächtnis" ist zudem mit der Vorstellung belastet, das Kollektiv sei eine aktive Substanz, das Individuum hingegen bloß deren passiver Teil?9 Man hat
26
27 28
29
Dazu grundlegend Vansina 1985. VgL auch Schott 1968. Assmann 1992, 163-292. Zu Ägypten auch Assmann 1988b; Assmann 1989; 1991c. Olick 2008, 158E.. Fentress/Wickham 1992, IX: "an important problem facing anyone who wants to follow Halbwachs in ttus field is how to elaborate a conception of memory which, while doing full justice to the collect1ve side oE one's conscious life, does not render the individual a sort oE automaton, passively obeying the interiorized objective will. weil as to avoid the image oE a Jungian collect1ve unconIt lS for dus reason
33
34 35
36 37
scions) that we shall normally use the term ,social rather than ,collective the greater recognizabdity of the latter phrase". memory', So etwa 1989; Fentress/Wickham 1992. So MIsztal 2003. In diesem Slllne Olick/Robbins 1998; Olick 2008, 158: "upon eloser examination, collect1ve memory really reEers to a wide variety oE mnemomc products and prac tices, often quite different from another. The former (products) inelude stories, pictures, records, historieal ritual, books, statues, representation, speeches, studies, sutveys, etc.; the latter (practices) indude reminiscences, recall, avowal, demal, rationalization, excuse, acknowledgement, and many others. 1vfnemoruc practices though occuring in an infimty of contexts and through a shiftlng mul tipliClty oE media ate always Slmultaneously individual and social". "Erinnerungskulturen" war das Markenzeichen eines Sonderforschungsbereiches an der Jusms-Lieblg-Utuversität Gießen, der 2008 auslief; zu seinen theoretischen Grundlagen vgL etwa Cornelißen 2003 oder Erll 2003. Jung 2006. Kuhr 2006. Waltet 2004. Stetn-Hölkeskamp/Hölkeskamp 2006. Ein Band über "GriechIsche Erinnerungs orte" wird 2010 folgen.
18
Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer
Fe1ern und Eriunern - eine Einleitung
Zürich gesammelt wurden,45 und Uwe Schultz initiierte eine Reihe von Sen
111. Feste und Feiern in der Forschung Feste und Feiern haben seit eh und je die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden. Theologen und Religionsv.rissenschaftler, Volkskundler und Ethno
logen,
Soziologen
historiker
haben
und Psychologen,
sich
ebenso
mit
Literaturnrissenschaftler
ihnen
19
beschäftigt
wie
und
Kunst
Vertreter
der
GeschiChtswissenschaft.38 Im Zuge der verstärkten Hinwendung zu Themen der Kultur- und Alltagsgeschichte nahm die Beschäftigung mit Festen und Feiern seit Mitte der 197Üer Jahre jedoch einen großen Aufschwung, auch wenn das Thema niemals eine so herausragende Stellung erlangte, v.rie sie die Studien zum Thema Erinnerung und Gedächtnis derzeit einnehmen. In Europa hatte die französische Forschung dabei "riederum eine Vorreiterrolle inne. Dort erschienen im Jahr 1976 gleich drei Arbeiten, die Feste im Allcien Regime und
dem französischen Revolutionszeitalter zum Gegenstand hatten.39 Emmanuel Le Roy Ladurie veröffentlichte 1979 mit "Le Camaval de Romans" eine Studie über ein außer Kontrolle geratenes Fest des 16. Jahrhunderts in Romans, die, in
mehrere Sprachen übersetzt, zu einem der erfolgreichsten historischen Sach bücher des 20. Jahrhunderts \vurde.40 1983 legte Jacques Heers eine Synthese über die Feste des westeuropäischen lvfittelalters vor, die ebenfalls weite Verbreitung fand.41 Zwischen diese beiden Daten fillt die Publikation eines
Sammelbandes, der das Thema Fest vom Hellenismus bis ins 19. Jahrhundert 2 hinem verfolgt.4 Im deutschsprachigen Raum wurde das Thema etwas
dann aber ent-
schieden aufgegriffen. Die Arbeitsgruppe "Poetik und Hermeneutik" \v-idmete
dungen über "Das Fest" im "Hessischen Rundfunk", die anschließend (1988) als Buch erschienen und das Thema in eine breite Öffentlichkeit trugen. 1991 zog Michael Maurer in der "Historischen Zei tschrift" eine vorläufige Bilanz
dieser Arbeiten und skizzierte Fragen für künftige Forschungen.46 Seitdem ist
eine Fülle von historischen Arbeiten zum Thema erschienen, die hier nicht vorgestellt oder auch U1,lr aufgezählt werden können.47 Die theoretische Reflexion über Feste und Feiern ist lange Zeit von dem
Gedanken beherrscht worden, daß diese Formen sozialen Handelns ihrem
Wesen nach als Exzeß und Ekstase zu deuten seien. In diesem Punkt waren sich ansonsten so gegensätzliche Denker wie Sigmund Freud und Ernile Durkheim völlig einig.48 Beide formulierten kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges anhand ethnologischen Materials die Auffassung, daß das Wesen des Festes in der zeitlich begrenzten Aufhebung oder Umkehrung sozialer Regeln liege. Sie stimmten auch darin überein, im Fest ein Mittel der indivi duellen und kollektiven Regeneration zu
wenngleich sie die .Art und
\'Veise, wie sich diese Regeneration vollzieht, unterschiedlich bestimmten: Für Freud war das Fest eine Art Ventil, eine Praxis, die dazu verhilft, Triebe zu befriedigen, die im Alltag mit großer Anstrengung unterdrückt werden müssen, damit die Gruppe fortbestehen kann; es ermöglicht eine zeitweilige Aufhebung Lust strebt, und dem
der Scheidung zwischen dem Ich, das nach
Ichideal, das ersterem als Anwalt des Realitätsprinzips den Triebverzicht auf erlegt.49 Durkheim dagegen betrachtete das Fest
zwar
ebenfalls als eine Form
dem Fest 1989 einen Tagungsband, an dem sich vor allem Iiteratur- und Kunstwissenschaftler sowie Philosophen
43 \'Venig später setzte der
deutsche Mediävistenverband das Thema auf die Agenda einer Jahrest.agung.44
Die Philosophische Fakultät der Universität Zürich veranstaltete 1987 eine
45
46
47
epochen- und disziplinenübergreifende Vorlesungsreihe zum Thema "Stadt und Fest", deren Beiträge in einer Festschrift zur 2000-Jahr-Feier der Stadt
38 39 40 41 42 43 44
48 49
Umfangreiche, aber keineswegs vollständige Ltteraturangaben fmden sich bei Mauter 2004b. Berce 1976; Ozouf 1976 (das Buch 1st 1988 auch in enghscher Übersetzung erschtenen); Vovelle 1976. Le Roy Ladurie 1979; das Buch ersch1en im selben Juhr auch in englischer Sprache. folgte 1989. Die deutsche Heers 1983. Eine Übersetzung erschien 1986. Auctores vari11981. Haug/Waming 1989. Altenburg 1991.
Hugger 1987. Maurer 1991. Einen Eindruck von der V1elfalt neuhlstorischer Beitrage aus den letzten beiden Jahrzehnten vermitteln dte Bände von Hettling/Nolte 1993; Koselleck/Jeismann 1994; Schl1l1d 1995; Friedrich 2000; MUller 2004. Zum jeweiligen blographlschen und werkgeschichtlichen Kontext Gay 1998, 324-335 für Freud bzw. Lukes 1972, 450-484 für Durkheim. Freud 1913/1974, 425: "Ein Fest ist ein gestatteter, v1elmehr gebotener Exzeß, elll feierlicher Durchbruch eines Verbotes. N1cht weil Menschen infolge einer Vorschrift ftoh sind, begehen sie Ausschreitungen, sondern der Exzeß liegt im Wesen Festes; dte festliche Stimmung wird durch die Fre1gebung des sonst Verbotenen erzeugt"; Freud 1921/1974, 122: "Es wäre gut denkbar, daß auch dte Sche1dung des Ichideals vom Ich nicht dauernd vertragen wird und sich Ze1tweilig zurückbilden muß. Bei allen Verzichten und Einschränkungen, die dem Ich auferlegt werden, ist der periodische Durchbruch der Verbote Regel, wie ja die Institution der Feste zeigt, die ursprünglich .nichts anderes sind als vom Gesetz gebotene Exzesse und dieser Befreiung auch ihren heiteren Charakter verdanken. Karneval treffen in diesem D1e Saturnalien der Römer und unser
Hans Beck / Hans-Ulnch Wlemer
20
FeIern und Erinnern - elle Einleitung
5o außeralltäglichen Handelns, verstand es aber als Ritual, das die moralischen Grundlagen der Gesellschaft in regelmäßigen Abständen erneuert, indem es einen Zustand kollektiver Euphorie ("effervescence'') erzeugt, in welchem die Teilnehmer sich als Teil eines größeren Ganzen erleben und sich auf die gemeinsamen Grundlagen ihrer Existenz besinnen; dieses Erlebnis festige das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe und gebe dem einzelnen Kraft und 51 Selbstvertrauen. Es dürfte kaum zu bestreiten sein, daß die ungebrochene Attraktivität dieses Modells darin liegt, soziologische und psychologische Ansätze zu vereinen, indem es die Funktion, die Feste für Individuen und für Kollektive erfüllen, auf 52 unmittelbar einleuchtende Art und Weise zu verknüpfen vermag. Man hat in der historischen Forschung auch deswegen gerne darauf zurückgegriffen, weil es sich mit Vorstellungen vom Gegensatz zwischen "Volkskultur" einerseits, Obrigkeit und/oder Bürgertum andererseits verbinden und dadurch in sozial geschichtliche Theorien mit umfassendem Geltungsanspruch wie etwa Sozial disziplinierung oder Modernisierung einordnen läßt.53 wesentlichen Zug mit den Festen der Primitiven zusammen, die in Ausschweifungen jeder Art mit Übertretung der sonst heiligsten Gebote auszugehen pflegen".
50
Durkheim 1912/1968, 547: "toute fete, alors meme qu'elle est purement laIque par ses ongines, a certains caracteres de la ceremonie religieuse, car, dans tous les cas, eile a pour effet de rapprocher les individus, de mettre en mouvement les masses et de susciter ainsi un etat d'effervescence, parfois meme de delire,qui n'est pas sans parente avec l'etat religieux. L'homme est transporte hors de lui, distrait de ses
occupations et de ses preoccupatlons ordinaires. Aussi observe-t-on de part et
d'autre les memes manifestations: cris, chants, musique, mouvements violents, danses, recherche d'excitants qui remontent le niveau vital etc. On a souvent remarque que les fetes populaires entrainent aux exces, font perdre de vue la limite qui separe le licite et l'illicite; !l est egalement des ceremonies religieuses qui
deterrrunent comme 51
un
besom
de
violer
les regles
ordinairement les plus
respectees". Durkhelill 1912/1968,610:"Il ne peut pas y avoir de societe qui ne sente le besoin d'entretenir et de raffermir, a intervalles reguliers, les sentiments collectifs et les
Idees collectives qui font son unite et sa personnalite. Or, cette refection marale ne peut etre obtenue qu'au moyen de reunions, d'assemblees, de congregations ou les individus, etrOltement rapproches les uns des autres, reaffIrment en commun leurs
communs sentiments; de la, des ceremonies qUl, par leur objet, par les resultats qu'elles produisent, par les procedes qui y sont employes, ne different pas en nature
des ceremonies proprement religJeuses. Quelle difference essentielle y a-t-il entre
21
Der Gedanke hingegen, daß Feste vor allem der Besinnung auf überzeitliche Ordnungen und Werte dienen, verdankt seine Verbreitung philosophischen und theologischen Antrieben, der Reflexion über die Grundstrukturen und die metaphysischen Voraussetzungen menschlicher Existenz. Es waren Vertreter einer philosophischen Anthropologie wie Otto Friedrich Bollnow und Josef Pieper, die ihn in den 1 950er und 1 960er Jahren ins Zentrum ihrer Festtheorien 54 stellten. Die Geschichtswissenschaft hat davon zunächst kaum Notiz genom men. Der Aspekt der Selbstreflexion trat in den historischen Disziplinen erst in dem Moment gleichberechtigt neben das Paradigma von Exzeß und Ekstase, als Sozialwissenschaftler begannen, der Frage nach der sozialen Reproduktion von "Sinn", von Normen und Symbolen also, zentrale Bedeutung beizumessen. Der Soziologe Winfried Gebhardt legte 1 987 eine Festtheorie vor, die auf der mit idealtypischer Strenge getroffenen Unterscheidung zwischen Fest und Feier als zwei gegensätzlichen Formen sozialen Handelns beruht und in der deutschsprachigen Festforschung große Beachtung gefunden hat.55 Gebhardt definiert Feste und Feiern als Vergemeinschaftungs- und Vergesellschaftungs formen, "die, durch ihre Beziehung auf etwas als außeralltäglich Gedachtes, der individuellen wie kollektiven Bewältigung des Alltags dienen und zwar auf qualitativ unterschiedliche Art und Weise. Das Fest hilft, den Alltag zu bewäl tigen, indem es ihn aufhebt. Die Feier hilft, den Alltag zu bewältigen, indem es 56 ihn bewußt macht, d.h. ihn als sinnvolles Geschehen ins Bewußtsein hebt". Das Fest ist dieser Theorie zufolge ein spontanes und ungeregeltes Ge schehen, in welchem die Regeln des Alltagslebens zeitweise außer Kraft gesetzt werden; es sei seinem Wesen nach Exzeß und Ekstase. Es entlaste das Indivi duum von den Zwängen des Alltags und vermittle ihm das Erlebnis seiner Einheit; durch dieses Erlebnis stärke es zugleich das Zusammengehörigkeits gefühl der Gruppe, der das feiernde Individuum angehört. Die Feier dagegen hebe den Alltag nicht auf, sondern reflektiere ihn, indem sie den Feiernden die Sinnhaftigkeit ihres Daseins und der Ordnungen, in denen es sich vollzieht, bewußt mache. Im Gegensatz zum Fest liege das Wesen der Feier daher in der Ruhe und Kontemplation; es vollziehe sich in strengen Formen, die auf die Überhöhung, nicht auf die Aufhebung der alltäglichen Wirklichkeit zielten. 57 Gebhardt ist der Auffassung, daß sich mit diesen Begriffen eine historische Entwicklung beschreiben lasse, die er als Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft versteht: In der traditionalen Gesellschaft nämlich
une assemblee de chretiens celebrant les principales dates de la vie du Christ, ou de
juifs fetant soit la sortie d'Egypte soit la promulgation du decalogue, et une reunion
de citoyens commemorant l'institution d'une nouvelle charte marale ou quelque grand evenement de la vle nationale?". 52 53
Zu psychoanalytischen Ansätzen zur Erklärung des Festes vgl. auch Maurer 2004c.
So etwa bei Chartier 1987.
54
Bollnow 1955; PIeper 1963. Zu theologIschen Festtheonen vgl. auch Leppm 2004.
55
WIe es scheint, handelt es sich
um
rue bIslang einzige ausformulierte Festtheorie aus
soziologJscher Perspektive; sIe wird bei Homann 2004 reprodUZIert.
56
Gebhardt 1987,53.
57
Gebhardt 1987,53-74.
22
FeIern und Ennnern - eine Einleitung
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
hätten sich Feier und Fest stets als Einheit dargestellt; zur Trennung zwischen
23
Medium des kollektiven Gedächtnisses einbüßt. Dieser Zustand ist auch nach
diesen beiden Fonnen der Festlichkeit sei es erst gekommen, als der Glaube an
den medialen Revolutionen der Postmoderne nicht
die Selbstverständlichkeit einer "heiligen" und darum unverfügbaren Ordnung
Gedenktage etwa gehören nach wie vor zu den Praktiken des
geschwunden sei. Das Bedürfnis nach rationaler Vergewisserung der norma
kein moderner Staat verzichten möchte.
tiven Grundlagen des Daseins habe die traditionale Einheit von Fest und Feier 58
Erinnerungsfunktion von Festen erst verhältnismäßig spät aufgenomruen. Dies
aufgelöst und die moderne, bewußt inszenierte Feier geschaffen.
Nationale
Die altertumswissenschaftliche Festforschung hat die
'-"L,UU,";'J.,LJ.�,
auf die
nach der
auch mit der Beharrungskraft fachspezifischer Orientierungen zusam
Gegen Gebhardts Festtheorie ist vorgebracht worden, daß sie im Gegensatz
Die Feste
der griechisch-römischen Welt
wurden lange Zeit fast
in welchem die Feier eine besondere 59 Form des Festes, nicht aber seinen Gegensatz bezeichne. Dieser Vorbehalt
men.
trifft freilich nur die sprachliche Form. Aus histotischer Sicht viel schwerer
Die
wiegt der Einwand, daß die von Gebhardt gebildeten Idealtypen auf viele vor
des 20. Jahrhunderts und sind der damals herrschenden Vorstellung verpflich
zum landläufigen Sprachgebrauch
ausschließlich unter religionswissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht. Synthesen über griechische Feste stammen aus der ersten Hälfte
modeme Gesellschaften kaum anwendbar sind, weil ihre Elemente dort, wie
tet, daß der ursprüngliche, religiöse Sinn griechischer Feste bereits in klassischer
Gebhardt selbst einräumt, eine Einheit bilden. Idealtypen, die ungeeignet sind, 60 sind jedoch wenig hilfreich. Es
Zeit in Vergessenheit geraten sei. Martin Nilsson und Ludwig Deubner haben
die historischen Phänomene zu
darum
hat daher gute sachliche Grunde, wenn Gebhardts Begriffspaar von der Ge 61
Hetrach:turlj?; grundsätzlich ausgeschlossen und sich darauf konzentriert, den
schichtswissenschaft in der Regel nicht verwendet wird.
Es war erneut Jan Assmann, der mit Nachdruck darauf hinwies, daß eine
dle ihrer Ansicht nach rein profaner Natur waren, von der
äußeren Ablauf und den ursprünglichen, aber später meist vergessenen Sinn 63 Diese Grund gLl,CLJU.1"LWOL Feste ,,religiösen Charakters" zu rekonstruieren.
zu
auch der kalenderförmigen Darstellung attischer Feste 64 zugrunde, die Herbert W. Parke 1977 vorlegte. Die Rolle, die Feste für die
erinnern, die aus der Alltagskommunikation verschwunden sind. Assmann
Reproduktion sozialer Gruppen spielen, war für diese Betrachtungsweise eben
vor allem
wesentliche Funktion von
an
modernen Bedingungen, darin
aber nicht nur - unter vorEreignisse
und
Gestalten
annahmen
definierte das Fest daher als "Urform des kulturellen Gedächtnisses", weil es in
sowenig von Belang wie ihre Bedeutung für die Vermittlung kollektiver
auf jeden Fall aber der zentrale Ort
Vorstellungen über die Vergangenheit. Noch eine 1992 unter dem vielver
einer Besinnung auf die Ursprünge, die Orientierungen im Großen und die 62 verbindenden Geschichten" sei. Weil fehlen, die auf Schrift
the Light of Public Ritual" publizierte Untersuchung war nicht erinnerungs
beruhen, sind diese Gesellschaften auf die
geschichtlich, sondern quellenkritisch angelegt: Sie betrachtete Feste, in denen
schriftlosen Gesellschaften "der
um
von Vergangenheit im
sprechenden Titel "Festivals and Legends: The Fonnation of Greek Cities in
Erinnerung bewahren und weitergeben zu können. Gewiß
Ereignisse und Gestalten der Vergangenheit thematisiert wurden, um nach
nimmt die Bedeutung von Festen für die Reproduktion kollektiver Vorstel
zuweisen, daß die kultische Form der Kommemoration zu einer Verzerrung der 65 Erinnerung an das tatsächlich Geschehene ftihrte.
Fest angewiesen, lungen
über
die Vergangenheit
ab,
wenn
durch
Verschriftlichung
neue
Zu dieser Zeit hatte sich in der Forschung über grIechische Rituale freilich
Speichennedien geschaffen werden, welche die Möglichkeiten eines Zugangs zur Vergangenheit vervielfältigen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Fest
bereits eine
durch die Verschriftlichung kollektiver
Walter Burkerts verbunden ist. Burkert kombinierte Konzepte der funktio
jede Bedeutung als
nalistischen 58 59
60
61
mit psychoanalytischen
und
verhaltensbiologischen
Ansätzen und betonte die gruppendynamischen, integrativen und formierenden Wirkungen von Ritualen, während er ihrer Orientierungsleistung weniger 66 Beachtung schenkte. Anfang der 1990er Jahre legte dann Angelos Chaniotis
Gebhardt 1987, 87-98. Koch 1991,29-40; Maurer 2004b, 37. Schmld 1995, 10f. Deile 2004 trägt dieser Kritik Rechnung, indem er Sonderform des Festes zu definieren. Seine Definition des Festes vergegenwärtigt
sich
eine
G e me i n s c h a f t
besonderen äußeren Formen" 62
Neuorientierung vollzogen, die mit dem Namen
Die Feier sei "ern
bel dem die Bedeutungsebene emphatisch reflektiert und Assmann 1991b, 13.
"Im Fest
Bedeutung
in
festlichen Charakters, wird" (13f.).
63 64
65 66
Nilsson 1906; Deubner 1932. Parke 1977. Robertson 1992. Eine elngehende Würdigung des opus magnum Burkerts bietet GladJgow 1983. Die sozialen Funktionen religiöser Rituale
Burkert 1977, 382-402 unter den
Feiern und Erinnern
Hans Beck / Hans-Ulrich Wiemer
24
die erste einer ganzen Serie von Studien vor, in denen griechische Feste unter modernen
interpretiert werden; sie wird seitdem kontinuierlich
fortgesetzt und soll in eine Gesamtdarstellung griechischer Feste münden.67
Die gleiche Beharrungskraft althergebrachter Konzepte prägte die For
schung zu römischen Festen. Auch in diesem Bereich hielt man zäh an einem D ekadenzmodell
das die Krise der römischen Religion lange vor dem
Einsetzen der literarischen Überlieferung beginnen läßt; es prägte nicht bloß
Georg Wissowas klassische Darstellung der römischen Religion aus dem J abre
1902, sondern ebenso Kurt Lattes Neubearbeitung aus dem Jahre 1 960.68 Da
25
eine Einleitung
satz erhielt durch die seit einigen J ahren zu beobachtende Hinwendung zu einer
kulturwissenschaftlichen
Betrachtung der
römischen
Republik zusätzliche
Impulse, die den Blick auch auf die Erinnerungsfunktion von Festen lenkten.
Karl-Joachim Hölkeskamp und andere haben in jüngster Zeit nachdrücklich auf den engen Zusammenhang zwischen Kollektiverinnerung und Ritualen wiesen und ihn in einer Reihe von Arbeiten empirisch belegt?'
Die Feste der römischen Kaiserzeit fanden und finden demgegenüber auf
fallend geringes
wenn man von den stadtrömischen Zirkus spielen
einmal absieht.72 Zwar \V'U!de auch in diesem Bereich steiS solide Grundlagen
die Grundlinien der Deutung feststanden, konzentrierte man sich bis weit in die
arbeit geleistet: Man rekonstruierte minutiös die unübersehbare Fülle oft
Tugenden: Eine 1 98 1 unter dem Titel "Festivals and Ceremonies of the Roman
durch sorgfältige Editionen und präzise Textinterpretationen neue Quellen für
ner Feste
Städte in der Kaiserzeit?5 Auch die Jahreskalender
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein auf die Pflege der positivistischen Republic" veröffentlichte, nach dem Kalender geordnete Beschreibung einzel Athenians"
gewissermaßen das römische Pendant zu Parkes "Festivals of the
war als Fortsetzung und Aktualisierung des 1 899 erstmals pub
lizierten Standardwerks von William Warde Fowler zum selben Thema ange
legt.69 Eine Betrachtung religiöser Rituale als El emente eines sozialen Systems,
das stetem Wandel unterlag, weil es filig war, sich neuen Rahmenbedingungen anzupassen, hat sich hier erst in den 1 9 90er Jahren durchgesetzt und in dem
von Mary Beard, John North und Simon Price verfaßten Handbuch "Religions of Rome" dann auch einen repräsentativen Ausdruck gefunden?O Dieser An-
67
68
69
70
Stichworten "Solidadsierung im Spiel und Widerspiel der Rollen", "Initiation" und "Knsenbewältigung"; vgl. das methodische Bekenntnis in der Einleitung: "Der psychologische und der soziologische Aspekt lassen sich in historischer Sicht zumindest prinzipiell vereinen durch die Hypothese, daß die Entwicklung der Gesellschaftsfonnen einschließhch der religiösen Rituale und der Seelenfunktionen in steter Wechselwirkung erfolgte, so daß von der Tradition her das eine je auf das ist" (26). Hier wie auch in einem Aufsatz über "Die antike Stadt andere (Burkert 1 987) wird ausdrücklich auf Durkheim verwiesen. als Chaniotis 1 99 1 ; seitdem etwa 1 995; 2003a; 2006; 2008 (mit weiteren Verweisen). Die hellenistischen Prozessionen gewidmete Arbeit von Köhler 1 996 stellt dagegen
ephemerer Kaiserfeste und ihre Rezeption in den Provinzen73 und erschloß
den Festkalender der römischen Armee74 und fUr die Festkultur gIJ,C\.,lll"\.ll':::L
(Ferialia)
(Fasft) und Festverzeichnisse
des römischen ltJalien76 und die Akten der stadtrömischen Arval
brüderschaft?? wurden in monumentalen Neuausgaben vorgelegt. I nnovative
Deutungsmodelle wurden jedoch erst seit den 1980er Jahren erprobt. Simon Price deutete den I
zwischen provinzialen Eliten und dem Kaiser: Die provinzialen Eliten erwiesen
dem Kaiser als Inhaber einer schlechthin überlegenen Gewalt göttliche Ehren
und wurden dafür mit der Anerkennung ihrer eigenen :Machtpositionen belohnt.78 Das zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. durch die Stiftung des
Vibius Salutaris in Ephesos kodifizierte Programm für städtische Prozessionen
wurde Anfang der 1 990er Jahre zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht,
die Festrituale als Spiegel von Vorstellungen über die kollektive Identität einer Stadt betrachtete.79 Eine umfassende Darstellung der Festkultur Roms zur Zeit
71 72
73 74
76 77 78 79
Hier sei lediglich auf Beck 2005b, Hölkeskamp 2005 und Itgenl;ho,rst 2005 ver Wiesen, wo Sich zahlreIche Ltteraturhinweise fmden. Vgl. jedoch die bei Rüpke 2008a gesammelten BeIträge, in denen die Erinnerungsfunktion von Festen allerdings nicht eigens thematisiert wird. Herz 1 978; Herz 2003. des berühmten Papyrus 54 aus Dura Europos, der Bruchstücke des Editio !"'ei5tkll.lertders der dort statioruerten Cohors XX Palmyrenorum enthält, durch Fink u.a. 1 940 (mit ausführlichem Kommentar). Spätere Literatur ist bei Fink 1 971, 422429 Nr. 1 1 7 verzeichnet. Die Demosthenes-Stiftung aus Oinoanda: Wörrle 1 988 ( SEG 38, 1 462). 1 963 lnserIt XIII, 2); neuere Funde bei Rüpke 1995 und Herz 2003. 1 998. Price 1984, bes. 65-77. Rogers 1991. Die Resultate sind freilich ebenso problematisch Wie die sozIal geschichtlichen Prämissen; vgl. zu letzteren Halfmann 2001 . =
26
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
Feiern und Erinnern - eine Einleimng
der julisch-claudischen Dynastie legte 1999 Stephane Benoist vor. ist
festzustellen,
daß
die
Entstehung
und
Durchsetzung
80
Schließlich christlicher
Festkalender in der Spätantike nach wie vor nicht systematisch untersucht und
27
dies leisten, stärken sie den inneren Zusammenhalt der Gruppe, die an dieser kollektiven Erinnerung teilhat. In den Forschungen zur griechischen, hellenistischen und römischen Fest
dargestellt worden ist. Immerhin liegen inzwischen jedoch einige Studien vor,
kultur indessen hat dieser Aspekt lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. Die
die sich mit dem Festkalender des spätantiken Rom und seiner Transformation 81 durch den Kult der Heiligen sowie mit der Festkultur der syrischen Metropole 82 Antiocheia am Orantes im 4. Jahrhundert n.Chr. beschäftigen. Die Forschung
wichtigste Ausnahme bildet ein Aufsatz, den Angelos Chaniotis Festen gewid met hat, die er als historische Gedenktage bezeichnet, weil das
oder die
Person, deren man feiernd gedachte, als historisch betrachtet werden könne.
zur Entstehung des Weihnachtsfests hat soeben Hans Förster noch einmal
Chaniotis hat in diesem Aufsatz wesentliche Elemente des Geschichtsbildes,
zusammengefaßt und versucht, den Nachweis zu erbringen, daß es keineswegs
das durch solche Feste vermittelt wurde
an die Stelle eines älteren Festes für den Sonnengott getreten sei, ",-je seit
Idealisierung -, treffend herausgearbeitet und ihre im Hellenismus steigende
Hermann Useners klassischer S tudie aus dem Jahre 83 nommen wurde.
1889 allgemein ange
Personalisierung, Theologisierung,
Popularität als Reaktion auf den Verlust politischer Selbständigkeit und den Schwund kultureller Identität auf lokaler Ebene zurückgeführt, den die griechi 85 schen Bürgerstaaten auf diese Weise hätten kompensieren wollen. Es verklei nert die bahnbrechende Bedeutung dieses Aufsatzes nicht, wenn man bemerkt,
IV. Fest und Geschichte in der griechischen Welt
daß die Argumentation in zweierlei Hinsicht auf Prämissen beruht, die heute
Der Hinweis Ernile Durkheims, daß Feste zur Reproduktion sozialer Gruppen
griechischer Bürgerstaaten im Hellenismus und auf der strikten Trennung
beitragen, indem sie den Rahmen für die kollektive Erinnerung an eine als 84 hat in der Forschung lange Zeit
verbindlich gedachte Vergangenheit bilden,
nur geringe Beachtung gefunden, da man andere Aspekte und Funktionen bevorzugt in den Blick nahm. Erst Jan Assmann hat die Erinnerungsfunktion von Festen nachhaltig betont und am Beispiel des Alten
Ägypten eindrucksvoll
belegt. In der Tat scheint evident, daß Gesellschaften mit gering entwickelter Schriftlichkeit auch deswegen der Feste bedürfen, damit kollektive Vorstel lungen über die Vergangenheit für alle zugänglich, kommunizierbar und durch gemeinsames Erleben verinnerlicht werden. Identitätsbildung und Geschichts bewußtsein stehen in engem Zusammenhang: Feste fungieren als Fixpunkte und als Medien der kollektiven Erinnerung und tragen dadurch zur Ausfor mung von Geschichtsbildern bei, die einen als bedeutsam empfundenen Konnex z'wischen der Gegenwart und der Vergangenheit herstellen und dadurch ihrerseits sinnstiftend und handlungsorientierend wirken. Indem Feste
nicht mehr konsensfiliig sind: auf dem Dekadenzmodell für die Geschichte zwischen historischen und religiösen Festen. Natürlich ist es gerechtfertigt und aufschlußreich, sich auf Feste
80
82 83
84
Benoist 1999. Dazu kritisch Chamberland 2003. Den stadttömischen Festkalender des 4. Jahrhunderts n.Chr. analysiert Salzman 1990, die Transformation der Memonalkultur durch die Verehrung von Märtyrern Dlefenbach 2007. Soler 2006. Usener 1889/1911; Förster 2007. Durkhelm 1912/1968 unterscheidet kategonal ZWischen "rites mimetiques" (501530), "rItes representatifs ou commemoraüfs" (531-555) und "rites piaculaires" (556-592).
konzentrieren, deren Einrichtung eine Reak
diese Ereignisse i m Fest repräsentiert werden. Da die Griechen jedoch jedes Fest auf die Tat von Personen zurückführten, deren Wirken in der Vergangen heit angesiedelt wurde, ohne dabei zwischen Mythos und Geschichte grund sätzlich zu unterscheiden, kann die Rolle, die Feste für die Ausbildung von polisspezifischen Geschichtsbildern spielten, gar nicht in den Blick kommen, wenn man sich auf ,,historische" Feste beschränkt. Die Vergangenheit reichte 1m Bewußtsein der meisten Griechen zurück in eine Urzeit, in der Menschen und
Götter noch persöulich
miteinander
verkehrten. Diese Ur.t:eit war zwar aufgrund wes großen zeitlichen Abstands zur Gegenwart allenfalls undeutlich erkennbar, aber dennoch hochbedeutsam, 85
81
zu
tion auf für uns faßbare Ereignisse darstellt, wenn man untersuchen will, wie
Chaniotis 1991, bes. 140: "Die Polis, die seit der hellemsüschen Epoche als Staats foml ihre historische Grenze erreicht, eingebunden zunächst rn ern Netz zwischen staatlicher Beziehungen, später in ernen kompli7ierten Verwaltungsapparat, konnte ihren Zusammenhalt nicht durch politische l'vfittel verstärken, sondern in erster Iinie durch die Berufung auf dIe Vergangenheit [. . .] Das tiefe menschliche Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und Identität konnte vom Ideologtschen Gerust der Weltreiche (Herrscher- und Kaiserkult, später die christliche Religion) nur zum Teil befriedigt werden. Weder in der nicht mehr vorhandenen politischen Selbständigkeit noch in der sprachlIchen oder überhaupt der kulturellen Eigenart im Zeitalter des Weltbürgertums konnte es zu semem vollen Recht kommen, doch aber im Geschichtsbe'W'Ußtsern kleiner und großer Biirgergemeinden."
weil man überzeugt war, daß die normativen Grundlagen des Zusammenlebens, nicht zuletzt der Götterkult, in ihr
worden waren.86
Nach dem "cultural turn" bedarf die Feststellung, daß die Rolle, die Feste
für das Geschichtsbewußtsein einer sozialen Gruppe spielen, von vielen Fakto
ren abhängig ist, keiner umständlichen Begründung mehr. Diese Faktoren lassen sich nicht auf den
Moderne versus Vormoderne reduzieren,
sondern verlangen eine konkrete Analyse der kulturspezifischen Bedingungen
und Formen des Feierns und Erinnerns. Für die Welt der griechischen Biirger staaten in klassischer und hellenistischer Zeit ist davon auszugehen, daß so gut wie j edes Fest insofern eine Art Vergangenheitsbezug aufwies, als man Geschichten darüber erzählte, wie, warum und von wem es eingerichtet worden
war.87 Diese Geschichten erklärten und begründeten eine Praxis, indem sie ihren Ursprung auf Taten göttlicher oder menschlicher Personen zurückführ ten. Die in der modernen Wissenschaft
und notwendige - Unter
scheidung zwischen historischen und mythischen Personen spielte dabei keine Rolle. Man unterschied zwischen Menschen, Heroen und Göttern. Die Götter
zu
vielfach in Werken lokalhistorischen und antiquarischen Charakters behandelt,
die freilich bis auf geringe Reste verloren sind.90 Systematische Theorien hinge
gen, in denen Feste als soziales Phänomen analysiert werden, haben sich allen
falls in Ansätzen entwickelt, auch wenn der Gedanke, daß das Feiern von Festen Freude bereitet und von Alltagssorgen entlastet, durchaus CFF"l17P'�t>f1 istY I Der Satz, daß "die Griechen ihre Riten (praktizierten), ohne sich 2 über ihr rituelles Tun reflektierend bzw. kommentierend auszulassen",9 keunt
Ausnahmen. Fest.e galten als unantastbarer Bestandteil des
nur
das die Vorväter hinterlassen hatten, und waren untrennbar mit den Göttern
verbunden, deren Existenz und Wirksamkeit nur von wenigen Außenseitern in wurde.93 Die Sinnstiftung durch Feste erfolgte daher stets in
Frage
einem
Bezugssystem.
daß j edes griechische Fest der klassischen und hellenisti-
Die schen
Zeit einen Vergangenheitsbezug aufweist,
unterschiedlich ausgeprägt. Es gab viele Feste, in denen die Vergangenheit der
den Ursprüngen hinauf und umfaßte damit Gestalten, die noch in
90
Nicht alle diese Geschichten, die man über den Ursprung von Festen und
Kulten erzählte, wurden verschriftlicht, und nur ein Bruchteil der verschrift
91
298-313;
4,46;
vgl. 'Ihuk.
2,38, 1 ;
2008.
Ps.-Xen.
3,8;
Herakleides Krinkos 1 , l f. Eine systematische Untersuchung der
wie die Griechen selbst das Fest als Form sozialen Handelns deuteten, fehlt. Heruichs
Stand von Spezialisten
1 998, 49-55
bespncht einige Stellen, die Sich auf attische Feste beziehen;
eine das gesamte grIechisch-römische Altertum sowie den jüdisch-christlichen
und verfügten auch nicht über ein Monopol zur Verbreitung religiöser Lehren,
Bereich umfassende Problemskizze gtbt Klauser
weswegen ihre Erzählungen niemals den Rang einer für alle Mitglieder der
1969.
Platon betont in den
"Gesetzen" die pädagogische und integrative Wtrkung von Festen (vgl. Boyance
Kultgememde verbindlichen Lehre innehatten. Die grundsätzliche Feststellung
1 937, 1 67-184;
�forrow
1 960, 352-398):
Im zweiten Buch (653B/C) heißt es, die
Götter hätten den von Mühe geplagten Menschen die wechselnde Folge der Feste
bleibt davon unberührt: Man wollte wissen, warum bestimmte Feste auf eine
und thnen dabei die Musen, ApolIon und Dionysos als
zur
bestimmte Art und Weise gefeiert wurden, und man erzählte Geschichten über
Festgenossen
den Ursprung eines Festes, um dieses Bediirfnis zu befriedigen. Dies war so
und schlecht
zu
selbstverständlich, daß Platon und Polybios es in bildungs theoretischem Kon
Deutung dieser
text ohne weiteres voraussetzen konnten.89 l'viit der Zeit stellte sich in den
denen Stelle
darmt Sie dte in der Jugend verinnerlichte B efiihigung, gut unterscheiden, durch Musik und Tanz sozusagen auffrischten (zur
Altäre und
sammeln und zu ordnen. Seit klassischer Zeit wurden Feste und Opfer datum
aus dem Zusammenhang gerissenen und darum mißverstan-
1 989, 45f.).
Anfreunden der
griechischen Biirgerstaaten freilich ein Bedürfnis ein, diese Geschichten zu
Das gegenseitige Kennenlernen und Sich-
Wird im fünften Buch
(738D/E)
anläßlich der Empfehlung,
einzurichten, wie dte Tradition es vorsehe, als weItere von Festen genannt. Boyance
wesentltche
1 937, 209-224
rekonstruiert aus
verstreuten Hinweisen, U.a. bei Philon und Strabon, eine peripatetische Theorie des Festes. Der von ihm beanspruchte Strabon-Text
Gehrke 2001; Hans Beck und Hans-Ulrich \Vtemer in dIesem Band. Dazu grundlegend Parker
2005, 369-379
(380-383). 88 Veyne 1 983, bes. 39-68. attische Feste
89
gesammelt. Es gab Monographien
saler Konstruktionen von Zelt und Vergangenheit vgl. jetzt auch Clarke Der locus classicus ist Arlstoph. Nub. Isokr. or.
literarische Werke von panhellenischer Verbreitung. Diejenigen, die solche
8?
1914
aber auch Spezialschriften über emzelne Feste. Zum VerhaItnis lokaler und univer
lichten Erzählungen ist uns überliefert. Noch weniger fanden Eingang in Geschichten erzählten, bildeten keinen
Die Reste dieser Schoftstellerei hat Tresp
über den Festkalender emzelner bedeutender Städte wie Athen, Sparta oder Rhodos,
persönlichem Umgang mit den Göttern gestanden hatten.88
86
bedarf nun freilich der
prltZHllerUfl.g und Modiftkation. Denn dieser Vergangenheitsbezug war sehr
sterblich, es sei denn, sie existierten als
waren ewig, die Menschen
Heroen oder Götter auch nach dem Tode noch fort. Die Vergangenheit reichte stets bis
29
FeIern und Erinnern - eine Einleitung
Hans Beck / H ans-Ulrtch Wiemer
28
Plat. leg. 10,887C-E; Pol.
Reinhardt
mit einer LIste aitiol<)g1ilcher Mythen fiir
FGrH 468 F 92
4,20,8.
1n
93
(10,3,9)
wird jedoch seit Karl
der Regel auf Poseidonios zurückgeführt (poseid. F
2). Henrichs 1 998, 34. Drachmann 1 922.
370
Theiler ;;:::
30
Gruppe, die es feierte, nur eine
31
Feiem und Ennnem - eine Emleitung
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
Rolle spielte, weil die Gestalten und
hier aber auch die Kulte eInZuordnen, die gtiechische Bürgerstaaten für Wohl
Ereignisse, auf die man ihren Ursprung zurückführte, im Fest selbst nicht
täter einnchteten, seien diese nun auswärtige Herrscher oder l\1itbürger, denn
thematisiert wurden. Der Zusammenhang zwischen den Ainologien, mit denen Beitrag, den das Fest zur Reproduktion eines kollektiven Geschichtsbildes
sie perpetuierten die Erinnerung an konkrete Wohltaten für die Ge 99 meinde. Auch die Kulte gtiechischer Städte für römische Magistrate gehören lOO in diese K.ategorie.
leistete, gering. In diese Klasse dürften viele alte Feste fallen, deren Progtamm
Die Rolle, die ein Fest für das Geschichtsbewußtsein eines gtiechischen
dieses Fest erklärt wurde, und dem Fest selbst war daher locker, und der
durch die Auseinandersetzung mit natürltchen Phänomenen dominiert war, wie 94 Sie wurden
Bürgerstaates spielte, hilJg also wesentlich davon ab, ob die Vergangenheit, auf
etwa die Thesmophotien, die Anthesterien oder die Kameien.
die seine Entstehung zurückgeführt wurde, im Fest selbst thematisiert wurde.
zwar oftmals nachträglich mit einer oder mehreren Erzählungen verbunden, die
War dies der Fall, dann konnte diese Vergangenheit im Fest auf verschiedene
ihre Entstehung und ihren Ablauf erklären sollten, indem sie einen Bezug zu
Art und Weise inszeniert und repräsentiert werden, je nachdem, welche Medien
einer als weitentfernt gedachten Vergangenheit
dabei zum Einsatz kamen. Ereignisse und Figuren der Vergangenheit konnten
herstellten. Diese Geschichten wurden jedoch im Fest selbst nicht thematisiert
durch das gesprochene Wort, durch symbolische Handlungen und durch Bilder
Gestalten und
und blieben ihm daher äußerlich. In bestimmten Fällen allerdings "Ua.H:�L<::H
ev07iert werden. Das gesprochene Wort nahm dabei die Form von Kultliedern
Gestalten und Ereignisse der Urzeit für das Selbstverständnis einer sozialen
auf göttliche oder menschliche Personen an, denen ein Fest gewidmet wa!, oder
Gruppe eine so gtoße Rolle, daß die Erinnerung an sie auch die Deutung und
die von Reden, die im Rahmen eines Festes, aber ohne direkten Bezug auf
Ausgestaltung der Feste prägte, die auf sie zurückgeführt wurden. Der Vergan
Kulthandlungen gehalten "",'Urden, und natürlich
genheitsbezug dieser Feste ist darum stark ausgeprägt. Sie trugen wesentlich zur
kombiniert werden. Handelte es sich um ein Fest, dessen Programm musische
Vergegenwärtigung von Vergangenheiten bei, die von konstitutiver Bedeutung
Agone umfaß te, dann wurden kollektive Erinnerungen der Festgemeinde wohl
fur die kollektive Identität der Festgemeinde waren. I
auch bei musikalischen und theatralischen Vorstellungen aufgegtiffen und lOl erneuert. Unter den symbolischen Handlungen, die einer Zeremonie Sinn
etwa das neue, penteterische Fest der Artemis Leukophryene in Magnesia am . 95 96 ' C ' Mysterlen M" d'l.e rerorrruerten aander, von Anda111' a In · Messe111en 0der die 97 späthellenistischen Theseien in Athen.
konnten
beide
Formen
verleihen, ohne selbst aus Sprechakten zu bestehen, kommt der Prozession entscheidende Bedeutung zu. Eine Prozession folgt aber in der Regel einer
�och stärker ausgeprägt war die Erinnerungsfunktion bei Festen, die eigens
bestimmten Route und verleiht dadurch bestimmten Orten eine ge.Stelge,rte
zu dem Zweck eingerichtet wurden, die Erinnerung an Ereignisse der jüngsten
Bedeutung für das Geschehen. Man sammelt sich an einem vereinbarten Punkt,
Vergangenheit wachzuhalten; man spricht in diesem Fall auch von historischen
paSSiert auf dem Weg zum Ziel bestimmte Monumente, hält wohl auch an dem
Gedenktagen. Diese Bezeichnung ist durchaus berechtigt, denn eine Reihe von
einen oder anderen inne. Indem man die Route für die Prozession fixierte,
Zeugnissen belegt, daß die Perpetuierung der Erinnerung zu den proklamierten
markierte man Punkte im Raum, an denen die
Zielen solcher neuen Feste zählte. Die Aitiologie des Festes ist in diesem Fall
durch Bilder oder gesprochene Worte evoziert
ein zeitgenössischer und repräsentativer Ausdruck des Selbstverständnisses der
Erinnerung an bestimmte Ereignisse und Gestalten und trug so zu ihrer
Festgemeinde, und das Fest selbst ist ein b e","l.l.ßt
Stabilisierung bei.
Mittel zur Ver
stetigung der kollektiven Erinnerung. Das berühmteste Beispiel ist zweifellos das Freiheitsfest
(Eieutheria),
das
am
Ort des Sieges von Plataiai
Feste konnten in der gtiechischen Welt aber nicht bloß eInzelne Elemente polis spezifischer Geschichtsbilder vennitteln, sondern auch als Anlaß für die
die meisten überlieferten Beispiele auch hier wieder aus der 98 Unter erinnerungsgeschichtlichem Aspekt sind
wurde,
hellenistischen Zeit stammen.
99
100 94
Siehe Burkert
1 977, 234-245;
Parker
2005, 270-283
(Anthesterien) . 96 97
98
S. dazu Hans-Ulrich Wiemer In diesem Band. Deshours
2006. Kennell 1999.
(fhesmophorien);
an Vergangenes lokalisierte dadurch die
290-326
Habicht 1970; Gauthier Theriault 2001 .
1 985. Souveräner Überbhck bei Chaniotis 2003b.
101 Wie Bowie
1 986, 27-35 wahrscheinhch hat, b.tl.deten diese schon in klass1.scher Zeit emen institutionellen Rahmen, in welchem narrative Elegien vo,rgetra.ten v.rurden, die von der nahen und fernen Vergangenheit einer Polis VgL in cliesem Zusammenhang auch die dUtch einen Papyrus fund
Bugh 1990;
bekannt gewordene Plataiat-Elegie des Slmorudes: Text,
S. dazu Hans Beck in diesem Band.
Interpretationen bei Boedeker/Sider
2001.
Übersetzung und
Feiern und Erinnern - eine Einleitung
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
32
Konstruktion und als Ivfittel zur Diffusion von Geschichtsbildern dienen, die ein ganzheitliches Bild der Vergangenheit zu vermitteln beanspruchten. Diese
33
ligung ge feiert wurden, tendierten auch die Vorstellungsinhalte, die mit diesem
Fest assoziiert wurden, dazu, in den Hintergrund zu treten. Umgekehrt gilt die
Funktion war ursächlich mit der Ausbreitung von Festen verbunden, die zwar
Regel, daß diejenigen Feste, auf deren Pflege die Bürgerschaft besonderen Wert
wurden, aber auch Teilnehmer aus
legte, in hohem Maße mit histonscher Bedeutung aufgeladen waren. Sie
von einzelnen Bürgerstaaten
anderen Teilen der griechischen Welt anzogen. Der Wille, den Stellenwert der
mußten nicht notwendig historische Gedenktage sein, in denen die jüngere
eigenen Gemeinschaft zu
oder jüngste Vergangenheit im Vordergrund stand;
indem man Feste von überregionaler Aus
die mit zentralen
strahlung veranstaltete, läßt sich bei den Griechen schon in archaischer Zeit
Kulten verbundenen Feste waren geeignet, den Bogen von der Gegenwart zu
beobachten. Ein frühes Beispiel ist die Ausgestaltung der Panathenäen zu 102 einem penteterischen Fest im Athen des 6. Jahrhunderts v.Chr. Seit dem
man glaubte, daß zentrale Normen des Zusammenlebens in ihr verwurzelt
frühen
3. Jahrhundert v.Chr.
häuften sich diese Versuche jedoch. Eine Reihe
griechischer Bürgerstaaten, vor allem in Kleinasien, versuchte nun, möglichst viele Griechen zu überzeugen, daß zumindest eines seiner Feste den vier alten gemeingriechischen Festen an
gleichkomme und daher unter Beteiligung
aller Griechen zu feiern sei. Man schickte Gesandtschaften in alle I-Iimmels richtungen, um griechische Staaten und Herrscher zur Anerkennung dieses
der Urzeit zu schlagen, die als besonders bedeutsam empfunden wurde, weil waren.
Betrachtet man den Festkalender eines griechischen Bürgerstaates als Gan
zes, enthält er die Gesamtheit der Rituale, die ihm für die Vergegenwärtigung zur Verfügung standen. Auch wenn das Fest für die
seiner
Griechen der klassischen und hellenistischen Zeit natürlich nicht das einzige Medium der Konservierung und Repräsentation von Vergangenheit war,
Anspruchs zu bewegen. Dieses Unternehmen machte es erforderlich, die
brachte der Festkalender insgesamt relativ kohärente Vorstellungen über die
Polis in der griechischen Welt möglichst vorteilhaft darzustellen. Ein wesent
gemeinsame Vergangenheit der Bürgerschaft, mit anderen Worten: ein spezifi
licher Bestandteil dieser Werbekampagnen war der Verweis auf VelPflich
sches Geschichtsbild zum Ausdruck. Veränderungen im Festkalender schlugen
tungen, die in der
sich darum im Geschichtsbild der Bürgerschaft nieder: Bestimmte Gestalten
wurzelten, sei es auf Verwandtschafts
verhältnisse, die eo ipso zur Unterstützung velPflichteten, oder auf
und
für die man sich jetzt zu revanchieren habe. Diese Feste gaben daher einen
gegenüber anderen zurück; Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit, die mit
starken Impuls für die Konstruktion von Geschichtsbildern, mit deren Hilfe
noch lebenden Personen verbunden sein konnten, kamen neu hinzu, hielten
der
man die eigene Gemeinde mit Aussicht auf Erfolg als würdiges
kulturellen Gemeinschaft aller Griechen erweisen konnte. Da das zu diesem
der entfernteren Vergangenheit traten allmählich an Bedeutung
sich freilich oft nur kurz und verschwanden dann spurlos. Kulte für Herrscher, die sich als Wohltäter und Retter erwiesen hatten, waren für ein rasches Veral
Zweck präsentierte Geschichtsbild die für alle Ivfitglieder dieser kulturellen
ten besonders anfallig, auch wenn es durchaus
Gemeinschaft relevanten Traditionsbestände akzentuieren mußte, kam es in
Kult für einen vergöttlichten Herrscher auch nach dessen Tod weiter pflegte.
daß ein Bürgerstaat den
der
Es war schließlich nich t ohne Bedeutung für das Geschichtsbild eines grie
griechischer Abstammung und Wesensart
chischen Bürgerstaats, ob und in welchem Maß sein Festkalender die Ver
dienten, und andererseits Taten hervorhob, die als Leistungen für alle Griechen
gegenwärtigung unpersönlicher Prinzipien, Qualitäten und Potenzen bewirkte,
diesem Fall zu einer Selektion, die einerseits Gestalten und Frühzeit betonte, welche als gelten konnten.
Weil die Präsenz bestimmter Gestalten und Ereignisse der Vergangenheit
denen
Dauer zugeschrieben wurde.
Gewiß suchte man bei alle n
griechischen Festen das Wohlwollen der immerseienden Götter zu gewinnen,
unter den Bedingungen schwach entwickelter Schriftlichkeit wesentlich davon
die als Garanten der eigenen Lebensordnung verstanden wurden. Insofern
abhing, ob und wie sie mit Festen verbunden waren, die unter großer Anteil
waren Zeitlichkeit und Ewigkeit stets aufeinander bezogen, und man brachte
wurden, standen Wandlungen des Fest
dadurch die Überzeugung zum Ausdruck, daß die Polis bei aller Veränderung
nahme der Bürgerschaft kalenders
in
einem
engen
Zusammenhang
mit
Veränderungen
in
den
kollektiven Vorstellungen über die Vergangenheit. Wenn Feste im Laufe der Zeit an Attraktivität verloren, weil andere Feste, die neu
oder präch
tiger ausgestaltet worden waren, mit größerem Aufwand und stärkerer Betei-
102
Neils 1992; Parker 2005, 253-269.
auf Grundlagen beruhe, die dem zeitlichen Wandel entzogen seien. Die in der klassischen Zeit beginnende kultische Verehrung abstrakter Wesenheiten, wie Eintracht
(Homonoia)
oder
eIgenen Gemeinde sichern sollte,
103 Thenault 1996.
deren Wirken den Fortbestand der brachte jedoch ein neues Element in den
Hans Beck
34
/
Felern und Erinnern
Hans-Ulnch Wiemer
Vorstellungshaushalt, von dem griechische Bürgerstaaten zehrten: Man institu
tionalisierte das Gedenken an existentielle Bedrohungen der Bürgerschaft,
indem man der Eintracht unter den Bürgern und dem Sieg über äußere Feinde
kultische Verehrung envies. Krisen der jüngsten Vergangenheit wurden kom
memoriert, indem man ihre Bewältigung abstrakten Wirkkräften zuschrieb, die als unzerstörbar gedacht waren.
Mit der Einrichtung von Kulten fur den eigenen
Demos erreichte
diese Ent
eine .t.:.ll.U"'.LW1E;
35
Memorialprogramm städtischer Feste prägte. Der kategoriale Unterschied
bleibt davon jedoch unberührt. 1
06
V. Fest und Geschichte in Rom und im Imperium Romanum In der römischen Republik war der
zwischen Identitäts
wicklung eine neue Stufe: Indem man die Bürgerschaft, der man selbst
bildung, historischer Erinnerung und Festkultur nicht weniger wirkkräftig als in
System, das sich auf den
gemeinde Feste, die kollektiven Vorstellungen von sozialen Ordnungsprinzi
angehörte, zu einem göttlichen Wesen erhob, erklärte man das politische
Demos berief,
für sakrosankt und
es damit j eder
Kritik. Dieses Modell wurde schließlich auf eine
Macht übertragen, Als
als Rom zur alleinigen Vormacht des östlichen 1vfittelmeerraums die griechischen Bürgerstaaten Feste fur die
dea Roma und
den popuJus
Romanus
einrichteten, wurde ein Modus der rituellen AffIrmation römischer Herrschaft
etabliert, die diese in alle Zukunft projizierte, indem sie der neuen Supermacht . zuschr'leb . 104 EWlg . kelt Bevor der Blick auf römische Feste gerichtet wird,
es noch, auf einen
wesentlichen, häufig nicht hinreichend beachteten typologischen Unterschied aufmerksam
zu
machen. Die hier angestellten Überlegungen beziehen sich auf
der Welt der griechischen Bürgerstaaten. Auch hier veranstaltete eine Bürger
pien, deren Ursprüngen und Entwicklung Ausdruck verliehen; das Feiern war und in diesem Sinne als
eine Praxis, die zum Dasein eines Bürgers
"bürgerliche Religion" bezeichnet werden kann. In Rom war der Ablauf des
gesamten öffentlichen Lebens jedoch von der spezifischen Qualität abhängig,
die einzelnen Tagen zuerkannt und in einem Jahreskalender erfaßt wurde,
weshalb die geschichtliche
memona noch stärker an die
soziale Organisation von
Zeit gebunden war, als dies im griechischen Bereich der Fall war.107 Schon
gegen Ende des 4. Jahrhunderts v.ehr. existierte wahrscheinlich ein verschrift lichter Kalender, der eine vollständige Übersicht über potentielle Gerichtstage
griechische Bürgerstaaten und auf Feste, die von diesen veranstaltet wurden.
gegeben haben soll. Die römische Tradition hat seine Veröffentlichung durch
außerhalb von Städten, sollten diesem Typ nicht subsumiert werden; sie bilden
als Meilenstein auf dem Weg zum
ob innerhalb oder
Feste, die von Herrschern ausgerichtet wurden,
eine Kategorie für sich, weil sie nicht der Selbstdarstellung einer Bürger
gemeinde, sondern derjenigen eines Herrschers oder einer Dynastie dienten.
Das klassische Beispiel ist das im ägyptischen Alexandreia der zweite Ptolemaier zum Gedenken an seinen
das
Vater einrich-
tete, denn hier wurde nach einem am Hof verfaßten "Drehbuch" nicht etwa die
Bürgergemeinde Alexandreia, sondern die ptolemäische Dynastie in Szene
gesetzt. 105 Das Memorialprogramm königlicher Feste brachte folglich kein städtisches Geschichtsbild zum Ausdruck, sondern ein dynastisches. Sie waren
Teil einer spezifisch königlichen Erinnerungskultur, die mit anderen, insbeson
dere städtischen, konkurrierte. Zwar konnte es zu einer Vermischung dieser
beiden Typen kommen, wenn sich in Residenzstädten eine Symbiose zwischen
Herrscher und Bürgerschaft enro..1.ckelte, die auch die Inszenierung und das
104 Mellor 1976; Mello! 1 9 8 1 . 105 Wir kennen dieses Fest aus der bei Athenaios
25-35, 1 96A-203B) überlieferten
Beschreibung elnes rhodischen Autors namens Kallixeinos (FGrH 627 mrerseits
auf amtlichen Unterlagen fußen dürfte;
Thompson 2000; Wlemer 2009.
dazu
u.a.
F
2), die
Rlce 1 983;
en. Flavius vor allem als Preisgabe von senatorischem Herrschaftswissen und
zwischen Patriziern und Plebejern Geschäftstagen
verstanden.!08 Der Ausweis von
solchen, an denen die .Alltagsgeschäfte ausgesetzt wurden
(dies jastt) und (nefastt), entwickelte
sich in der Folge aber rasch zu einer kalendarischen Kompilation von Fest tagen. Durch ihre Aufnahme in die
Fasti wurden
die Feste und Gedenktage
Roms kanonisch, indem sie in eine stets wiederkehrende zeitliche Abfolge ge stellt wurden.
Der älteste im Original erhaltene Jahreskalender
deren Aufzeichnung wohl um 1 70 v.ehr.
die
Fasti Antiates maiores,
beinhaltete einerseits eine
Kette sakraler Feste, um die sich die "Geschichte" der frühen Republik lagerte,
religiöse Zeremonien, deren
gangenheit warfen, aber auch
Licht weit zurü ck in eine ferne Ver"schwarze Tage"
(dies atn),
die an
historische Unglücksfälle der Republik erinnerten. Die Einordnung dieser
Gedenk- und Festtage in den Lauf des Jahres machte den K.alender wiederum 106 Weltere Verweise bei Wiemer 2009. 107 Z um römischen Kalender folgerungen zuvor bereits
108 Humm 2000, 99-106; Beck nachweisen.
Rilpke
1 99 5 ;
fillt
ähnlichen
Schluß-
1993. 1 78-1 80, beide mit allen relevanten Quellen-
Hans Beck
36
I Hans-UlrlCh Wiemer
Feiern und Erinnern
zu einer Art öffentlicher J ahreschronik, mit welcher der Bürgerschaft ihre im Fest verankerte Geschichte immer wieder aufs neue vor Augen 109 wurde. Denis hat diese feine Vernetzung von "natürlicher" Zeit und ihre Durchdringung mit politischen Ordnungskategorien jiingst ganz
als
entscheidenden Schritt zu einer echten Historisierung von Zeit gedeutet. Erfolg dieser Variante eines amalgamierten J ahres- und Festkalenders, der mit der Geschichte der Bürgerschaft aufgeladen war, zeigte sich auch daran, daß sie schon in der mittleren Republik alle anderen Formen kalendarischer Darstel lung
OVlds poetische Kommentierung der
Fasti ma.rkiert
hier nur
den letzten und freilich wichtigsten Beitrag in einer langen Reihe von kalenda rischen Annäherungen an die römische Frühgeschichte und ihre lI1
im
Fest.
Unter den i m Kalender ausgewiesenen Festen boten die sakralen
Ludi und
die seit der Zeit der Bürgerkriege dann häufig auftretenden Gedenkspiele einen Rahmen für die Erinnerung an die Vergangenheit. So waren die am 2 1 . August eines
J ahres ausgerichteten
Consualia
ein altes Fest zu Ehren der Götter
Neptun, Mars und Consus, die allesamt mit dem Schutz der Ernte in Verbin dung gebracht '.vurden. An den
Consualia,
deren Inaugurierung auf Romulus
zU!U<;kll:et1.llU:t wurde, hatte nach römischer Tradition auch der Raub der Sabinerinnen stattgefunden. Bei der alljährlichen Ausrichtung der
Consualia
w"lirde folglich ein einschneidender Moment in der Frühgeschichte der Stadt kommemoriert und mit diesem Verweis auch die Erinnerung an eine Reihe von grundlegenden Handlungsmotiven der politischen Kultur Roms wachgehalten: die Aufnahme fremder Bürger, das Asyl, aber auch die soziale Rolle der Ehe frauen. Für die im Circus Maximus versammelte Bürgerschaft bildeten die
Consualta daher über
das ephemere Erlebnis hinaus einen memorialen Fixpunkt,
weil sie Jahr für J ahr an ein als historisch und in dieser Historizität als verbind 1 12 lich verstandenes Ereignis erinnerten. Die verschiedenen Spiele erbrachten eine vergleichbare Erinnerungsleistung, wenngleich der Grad der historischen Konkretisierung dessen, was erinnert vlurde, sehr unterschiedlich war: So boten die
ludi Plehet seit ihrer Einrichtung um das Jahr 2 1 5 v.Chr.
einen vagen
Verweis zusammenhang für Ereignisse, die für den S tand der Plebejer formativ wurden, während durch Gedenkspiele markante
oder spliter kon
krete Geburts- oder Jahrestage regierender, teilweise auch verstorbener Kaiser sowie von Mitgliedern ihrer Familien gefeiert wurden. 1 09 Rüpke 1 995, 359. 110 2007. 111 Einen Zugang zu der für Nicht-Spez1alisten mcht mehr überschaubaren Uteratur zu Ovids Fasten vermittelt Fantham 2002.
112 Wlssowa 1912, 202; Dumezil 1 974, 1 68; BernsteIn 1 998, 34.
eine Et nleitung
37
Roms Aufstieg zur Herrschaft über die Mittelmeerwelt löste eine Dynamik aus, Ausdehnung der traditionellen Spiele
die sich nicht zuletzt in einer
und Feste niederschlug. Livius verstand diese Entwicklung als einen "selbst fur 1 13 Wahnsinn", und die ältere For opulente Königreiche kaum schung hat in der Regel angenommen, daß sie mit einem radikalen Sinnverlust einherging: Insbesondere die öffentlichen Spiele seien in der späten Republik zu bloßen Volksbelustigungen herabgesunken, die als Mittel zur 1hnipulation des Stimmvolkes dienten, aber keine für die Teilnehmer bedeutsamen Bot schaften und Erfahrungen mehr vermittelten. Diese auf dem Dekadenzmodell beruhende Deutung unterstellt, daß die Zunahme von Ritualen gleichbedeu tend mit ihrer Sinnentleerung
und verkennt, daß sie Teil eines sich
verändernden Systems waren, in welchem nicht allein neue Feste auf Kosten alter an Bedeutung gewannen, sondern auch alten Festen neuer Sinn zuge schrieben ,.vurde; gerade für die alten Feste begann jetzt eine Suche nach den Ursprüngen, die gestiegene Ansprüche an die Erklärbarkeit von Riten befriedi 1 l4 Tatsächlich spricht vieles dafUr, daß die ludi auch in der gen sollten. Republik Erfahrungen von großer emotionaler Intensität ermöglichten. Dies gilt namentlich für die verschiedenen Prozessionen, die zu Beginn der Festlich keiten abgehalten wurden. Bei den frühen annimmt, daß sie
ludi Romani, von denen man zu Recht
lediglich eine Verlängerung des Triumphzuges dar
stellten, war ein solcher Zusammenhang schon in mrer Entstehungsgeschichte 1 15
angelegt.
Für eine andere Form von p01npa ist der für die Teilnehmer erfahrbare Sinn gehalt erst vor kurzem herausgearbeitet worden. Während die vielen Zitkus prozessionen, die am Vortag von
ludi abgehalten wurden, in
der Ve:rg,m��erc1he1t
meist als eine Art religiöses Begleitprogramm abgetan wurden, hat sich nun mehr ergeben, daß die pompa circensis eine prägende Rolle in der Umzugskultur der Republik
16
Nach der detaillierten Beschreibung dieses Prozes
sionstyps, die Dionysios von Halikarnaß aus dem Werk des ältesten römischen Geschichtsschreibers, Fabius Pietor, geschöpft hat, standen die Zitkusparaden ganz im Zeichen einer versinnbildlichten Einheit des Volkes mit seinen Ober magistraten und den Göttern. Gleichzeitig 'l;-urden die Ordnungsprinzipien der
1 13
Liv. 7,2,13;
Inter altarum parva prmcipia rerum ludorum quoque prima visa est, ab sano indiO res zn hane t>ix opulentis regnis tolerabilem insanzam venent. Die
"" steht am Ende des berühmten Exkurses über die Entstehung der ludi
'u,. ,�." ..
!CMn/ci in Rom; vgl. dazu den Kommentar von Oakley 1 998, 40-7 1 , wo auch die 114 115
umfangreiche Ltteratur angeführt wird. S. dazu Rene Pfeilschifter in diesem Band. Bernstem 1 998, 5 1 -57.
116 Beck 2005b; Hölkeskamp 2008.
38
Hans Beck
Feiern und Erinnern
/ Hans-Ulrich Wlemer
Gcsellschaft betont: soziale Hierarchic, Vcrmögensklasscn und Vorrang dcs
Altcrs. Wenn der Zug im Zirkus angekommcn war, wurde den Göttern in Anwcsenheit und Zcugenschaft dcr Bürgcr ein Opfer dargebracht, mit dem die Prozessions teilnehmer noch einmal auf diese
Grundlagen eingeschworen
wurdcn. Dic Zirkusumzüge wurden demzufolge von dcm Motiv bestimmt, den Zusammenhalt des Bürgerverbandcs und glcichzcitig seine innercn Hierarchicn
eine Einleitung
39
religion kein einheitliches, von allen Einwohnern Roms geteiltes Geschichts bild. Selbst in den
265 vici der
Princeps selbst ausgehenden
Stadt, welche die Lares
Attgusti seit
einer vom
Reform kultisch verehrten, herr
schte keine Uniformität, wenn es um die Festlegung der jeweiligen Ära oder die
Rezeption neuer Feste zu Ehren des Augustus und seiner Familie ging. 1 I9 Man
beschränkte sich zwar darauf; aus einer vorgegebenen Reihe auszuwählen,
und normativen Fundamente zu präsentieren. Mit diesem doppelten Signal
reproduzierte aber keineswegs sklavisch, was der Senat beschloß. Diese Fest
schaftlichen Kontinuums, das sich in der römischen Vorstellung bis in die
enthalten die in augusteischer Zeit als Inschri ft publizierten Jahreskalender und
evozierten die pompae
circenses
aber vor allem auch die Vorstellung eines gesell
Frühgeschichte der Stadt zurückverfolgen ließ. Diese Dauerhaftigkeit wurde im
stellung gilt erst recht für die römischen Kolonien in Italien. Auch hier
Festverzeichnisse jeweils eine bestimmte Auswahl von Daten und Festen und
Jahrhundert ab
geben daher einer "individuellen" Sicht der Vergangenheit Ausdruck, die sich 0 gegen völlige "Gleichschaltung" sperrt. 1 2 Aus der Rückschau erweist sich die
Von dcn Zirkusparadcn ging somit immcr ein starkes Signal historischcr Dauer
das von Augus tus geschaffene Herrschaftssystem schon bald fest etabliert war,
Geschichtswerk Fabius Pictors ausdrücklich zufolge wurden die pompae
circenses
bereits seit dem frühen
Seiner Darstellung
5.
gehalten, und die Anordnung des Zuges sei dabei immer dieselbe gebliebcn. aus: Erstcns wurdc dic Kontinuität der Gescllschaftsordnung gefeiert und zweitens, damit eng verbunden, die Dauerhaftigkeit der Lebensgrundlagen der I 7 Republik. 1 Die Grammatik stadtrömischer Feste mußte sich grundlcgend ändern, als
"Geschichtspolitik" des ersten Princeps ohnehin als Durchgangsstadium: Da
haben seine Nachfolger sich bei dem Versuch, neue Fixpunkte his torischer
Erinnerung zu schaffen, viel größere Zurückhaltung auferlegt, wenngleich
Geburtstage und Regierungsjubiläen natürlich immer gefeiert wurden; die
unaufhörliche Betonung eines Neuanfangs wurde unnötig und trat auch im
die Herrschaft daucrhaft in den Händen eines Mannes zu liegen begann. Der
Kalender gegenüber der Betonung der Kontinuität zurück.
Gedenken Zu verankern: Er sorgte dafür, daß die Vorstcllung, sie markiere
kalendarisch flxierten Vergangenheit kommen
erste Princeps hat wie kein anderer versucht, seine Herrschaft im festlichen einen Ncubeginn in der römischen Geschichte, durch die kalendarische Fixie
Wenn es schon in Italien niemals
genzen in den Provinzen des
zu
einer völligen Vereinheitlichung der so mußten die Diver
Imperium Romanum naturgemäß
noch viel stärker
die ihm und seiner Familie galten, stets aufs neue evo
au:;gepriiigt sein, denn diese brachten ganz unterschiedliche kulturelle Tradi
kannte Füllc von Gedcnktagen eingeführt, und eine große Anzahl inschriftlich
Eine einheitliche Festkultur konnte es unter diesen Bedingungen ebensowenig
rung einzelner
ziert wurde. Während seiner Herrschaft wurde eine vorhcr und nachher unge erhaltener
Fasti und Feria/ia
aus Rom und den angrenzenden Regionen Italiens
bcweist, daß die vom Zcntrum ausgehenden Initiativen zu einer Vereinheit
lichung und Kanonisierung der Erinnerung nicht ohne Resonanz blieben. Denis
hat diese Kalender- und Festreformen kürzlich mit vollem Recht
als zentralen Bestandteil der von Augustus eingeleiteten "cultural revolution" 18 beschrieben. 1 Freilich hat diese "Rcvolution" keineswegs eine allumfassende oder gar un
angefochtene Neuordnung des römischen Geschichtsverständnisses gezeitigt.
Bereits in der Stadt Rom '>''llrde die von Augustus ausgehende, im Kalender
flxierte Matrix historischer Erinnerung durchaus unterschiedlich rezipiert. Auch
wenn Augustus' Neuerungen auf der Ebene lokaler Kultvereine durchaus auf
fruchtbaren Boden flelen, entstand unter den Bedingungen einer Großstadt-
tionen in das Reich ein, die von den Kaisern grundsätzlich respektiert wurden.
wie eine Reichsreligion. Im römischen Ägypten '>"llrden andere Feste als im römischen Griechenland oder in I
dieser Regionen variierten die Festkalender jeweils von Stadt zu Stadt bzw. von
Tempel zu TempelY' Noch grundsätzlicher waren die Unterschiede zwischen den Provinzen der lateinischen Reichshälfte, wo einheimische Kulte reorgani
siert und mit Hilfe römischer Vorstellungen neu wurden, bevor sie 2 werden konnten, und denen des griechi
Teil der "bürgerlichen Religion,, 1 2
schen Ostens, wo man die Kontinuität zur vorrömischen Kultpraxis wahrte
119 S. dazu RalfBehrwald lfi diesem Band.
1 20 1 21
So jetzt noch einmal Rüpke 2008b. Zu den Festen im griechisch-römischen Ägypten Perpillou-Thomas 1993. Hlfizu
122
Ritus als Pharaonen verehrt wurden: GrJmm 1 994. Zu diesem Konzept und semen Grenzen bel der Analyse des römischen Reiches
kommen naturlich die Feste fUr römische Kaiser, in denen diese nach ägyptischem
117 Fabms Pictor FRH 1 F 20; dazu Beck 2005b, 90-96. 1 1 8 Wallace-Hadrill 2008, 239-250.
Woolf 1 997.
Hans Beck / Hans-Ulrlch Wiemer
40
Feiern und Erinnern - eille Emleitung
41
und betonte. In den Städten des griechischen Ostens setzte die kultische
umfaßte er Personifikationen römischer Institutionen, Götter des städtischen
Verehrung des römischen Kaisers eine Praxis fort, die seit hellenistischer Zeit
Pantheons, den mythischen Stadtgründer Androklos, den Diadochen Lysi
etabliert war, und sie vollzog sich in Formen, die bereits seit Jahrhunderten 23 eX1stierten, auch wenn sie vaniert und neu kombiniert wurden. 1 Was man
kationen von Institutionen der eigenen Stadt.
machos und Augustus, die Ephesos neu gegründet hatten, sowie Personifi 128 Da man diese Bilder bei allen
"Kaiserkult" zu nennen pflegt, war ein Bündel ganz unterschiedlicher kultischer
wichtigen öffentlichen Anlässen umhertrug, war dafür gesorgt, daß das kollek
Aktivitäten, unter denen Kulte, die einzelne Städte bestimmten Kaisern dar
tive Gedächtnis eine Dimension besaß, die weit in die vorrömische Zeit
brachten, die erste Stelle emnahmen. Auf städtischer Ebene waren diese Kulte
zurückreichte.
Teil eines lokal spezifischen Festkalenders, der in dieser Form einmalig war, und fügten sich daher in Geschichtsbilder ein, deren Fokus eine Polis bildete. Darüber legte sich seit Augustus nun freilich ein Ensemble von Kulten, die
Bei allen Divergenzen gab es einheitsstiftende Faktoren auch im religiösen
Bereich. Der Export stadtrömischer Kulte in die Provinzen hielt sich freilich in engen Grenzen: Der Rechtsstatus einer
colonia hatte zur Folge,
daß Gemeinden,
dem Kaiser auf provinzialer Ebene dargebracht und von eigens für ihn be 124 stellten Oberpriestern geleitet wurden. Diese provinzialen Kaiserkulte, die
die ihn erhielten, ihre inneren Verhältnisse - nicht bloß politische Institutionen,
für die Selbstdarstellung neuer, rucht mehr auf eine Polis fixierter Eliten große
ten; er wurde aber nach Augustus nur noch selten verliehen. Ein anderer Weg,
sondern auch die öffentliche Kultpraxis - nach dem Vorbild Roms organisier
Bedeutung gewannen, stellten ein neues, stadtübergreifendes Element der Fest
auf dem stadtrömische Feste sich in die Provinzen verbreiteten, war die Orga
kultur dar, das auf administrativen Einheiten beruhte, die von Rom geschaffen 125 und auch immer wieder verändert wurden. In den Provinzmetropolen frei
nisation einer Gemeinde als
lich, in denen diese von Provinzialversammlungen ausgerichteten Kaiserfeste stattfanden, dürfte der Unterschied kaum zu spüren gewesen sein, weil man diese Feste als Teil des eigenen Festkalenders empfand. Das Recht, einen (oder gar mehrere) Kaisertempel zu besitzen, war begehrt, weil ihre Anzahl den 26 Status einer Stadt in ihrer Provinz demonstrierte. 1 Diese Kulte konnten einen Kaiser um viele Jahrzehnte überdauern, freilich auch sehr rasch wieder ver schwinden, wenn ein Kaiser der s tadtrömischen
damnatio memoriae
anheimfiel
und damit aus dem offiziellen Gedächtnis Roms getilgt wurde. Das im Fest
municipium,
deren Oberschicht die individuelle
Mitgliedschaft im römischen Bürgerverband erlangte und sich an Rom orien tierte. Da das flavische Munizipalgesetz, in welchem dieser Rechtsstatus ver 29 einheitlicht wurde, nur fragmentarisch erhalten ist, 1 bleibt jedoch ungewiß, in welchem Umfang er mit der Imitation religiöser Institutionen Roms verbunden 30 war. 1 Der wichtigste Träger für die Verbreitung stadtrömischer Feste über das gesamte Reich war zweifellos das von Augustus geschaffene stehende Heer. Wie das
Fenale Duranum
zeigt, wurde im römischen Heer nicht bloß eine
Anzahl von Kaiserfesten gefeiert, sondern auch eine Reihe jener Feste, die aus
institutIOnalisierte Gedenken an verstorbene Herrscher unterlag somit stetem
republikanischer Zeit stammten. Auch wenn diese Feste schwerlich noch kon
Wandel, weil nicht bloß mit dem Wechsel von Herrschern stets neue Feiern
krete Vorstellungen an republikanische InstitutIOnen transportierten, gehörten
eingeführt,
sondern immer wieder auch alte
eingestellt oder abgeschafft
wurden.
sie noch im
3.
Jahrhundert n.Chr. zu den symbolischen Praktiken, die das 13I Vor allem aber war das Heer diejenige
Römertum der Soldaten definierten.
Die regierenden Kaiser waren freilich nicht bloß in den Festen virtuell prä
Institution, die das offizielle, am Hof des Kaisers gültige Geschichtsbild in die
sent, die zu ihren Ehren gefeiert wurden. Ein Gebet für den regierenden Kaiser
kultische Praxis übersetzte, indem sie einer stetigem Wandel unterliegenden
war fester Bestandteil aller Feste, die eine Stadt in der Kaiserzeit ausrichtete, und Ka!serbilder wurden in vielen Prozessionen mitgeführt und am Ort des 12 Festgeschehens ausgestellt. 7 Wo man es sich leisten konnte, legte man sich
Auswahl von Kaisern nach zentralen Vorgaben Kult darbrachte. Auf diese Weise entstand ein für das Militär spezifisches Geschichtsbild, das sich in einer Auswahl "guter" Kaiser kristallisierte, die bis zu Caesar und Augustus zurück
einen Fundus an tragbaren Bildern zu, der sich nicht auf den regierenden
reichte und stets einen klaren Schwerpunkt auf der regierenden Dynastie
Kaiser und Angehörige seiner Familie zu beschränken brauchte: In Ephesos
aufwies. Von den
die in Dura unter Herrschaft des Alexander
Severus zwischen
n.Chr. zu Ehren von Kaisern gefeiert wurden,
123 124
Charuotts 2003a. Herz 1 997.
125
Mtleta 2008.
127
Charuotts 2003a, 9f.; Edelmann 2008, 160-164.
126
Burre1l 2004.
1 28 129
130 131
27 Festen, 222 und 227
LEphesos 27, Z. 1 50-213 rrut Rogers 1 991, 83. Neuer Komposrttext bei Gonz:ilez 1 986 rrut den Korrekturen bei Crawford 2008. Beard/North/Pnce 1998,
I,
313-363; Ando 2007.
Vgl. dazu neben der klassischen Studie von Nock 1952 jetzt auch Koßmann 2008.
42
Hans Beck
I Hans-Ulrich Wiemer
waren fünf dem regierenden Augustus und weitere sechs oder sieben Ange hörigen der severischen Dynastie gewidmet; die übrigen verteilten sich auf
Feiern und Erinnern - eine Einleitung
43
�IAH""'5� Verdrängung aller Feste, die sich gegen eine christliche Interpretation
Augustus, Germanicus, Claudius, Nerva, Trajan, Hadrian, Antoninus
sp�errte!l, war ein Prozeß, d�r sich über mehrere Jahrhunderte hinzog und erst 134 im frühen Mittelalter zu einem gewissen Abschlnß kam. Dieser Prozeß kann
Mark Aurel, Ludus Verus, Commodus und Pertinax sowie die kaiser
freilich in diesem Band, der nur einzelne Schlaglichter auf das Verhältnis von
lichen Frauen Matidia, Marciana und Faustina. Der Bestand an Kaiserfesten, der von Zivilisten in allen Teilen des Reiches
Feiern und Erinnern werfen soR nicht mehr untersucht werden. Er hat seinen Zweck
wenn er den Leser zu überzeugen vermag, daß antike Feste einen
eleichlzeitig: begangen wurde, blieb dagegen sehr gering. Unabdingbar waren
erheblichen Beitrag zur sozialen Konstruktion von Geschichtsbildern geleistet
wohl lediglich der Geburtstag des regierenden Kaisers und der Tag, an welchem
haben, der längst noch nicht erschöpfend erforscht ist.
war. Die von der kaiserlichen Zentrale bei bestimmten
er zur
Anlässen angeordneten Siegesfeiern dürften dagegen schon sehr viel weniger in
sein. Neben ihnen gewannen die Jubilarfeiern für römische
die Tiefe
die im ersten Jahrhundert als Gelübdezeremonien zu verstehen sind, im 132 Laufe des 2. Jahrhunderts n.Chr. an Bedeutung. Durch ihre groß angelegte, verschwenderische Inszenierung vlurden die Jubilarfeiern zu Medien, mit deren Hilfe die (tatsächliche oder vermeintliche) Sieghaftigkeit des Kaisers reichsweit in Szene gesetzt wurde. Damit Vlurde eine Art historisches Kurzzeitgedächtnis etabliert, dem eine aufs äußerste verkürzte Erfolgsbilanz eingeschrieben war. erfuhr diese Tendenz, als das Kaisertum am Ende des
Eine änßerste
n.Chr. nach einer langen Zeit der Mobilität wieder seßhaft
4.
wurde, nun freilich
Im
neuen Rom am Bosporus. Im Hippodrom von Kon
stantinopel veranstaltete der Kaiser Spiele, die ihn als Herrn des Kosmos erscheinen ließen und dabei zugleich Vorstellungen evozierten, die seine Herrschaft an die historische
Roms zurückbanden. Im Fest wurden kosmische und die nicht bloß herrschaftslegitimierend wirkten,
sondern zugleich auch integrativ, insofern sie dem Hippodrom als Ort einer spezifischen Form der Kommunikation zwischen Untertanen und I
anlagerten, die der Verfolgung ihres Glaubens
durch römische Statthalter und Kaiser Widerstand geleistet und dadurch Zeugnis von ihrem Glauben eine ganz andere
hatten. Dadurch entstanden Festzyklen, die kommemorierten und neue Tugenden propa-
gierten. Die christlichen Feste für Märtyrer, die nicht weniger lokalspezifisch waren als die heidnischen, haben diese auch unter den ersten christlichen Kai sern keineswegs ersetzt, sondern vlurden parallel zu diesen gefeiert. Die voll-
1 32 S. dazu Matthäus Heu in diesem Band. 1 33 S. dazu :tY1tscha Meier in diesem Band.
1 34 Markus 1 990, 85-135; Dlefenbach 2007, 488-538.
Feiern und Erinnern - eme Emleitung
Hans Beck / Hans-Ulnch Wiemer
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München 1 988.
Jungmänner lassen sich in drei Kategorien einteilen. Erstens die militärische Seite der Ausbildung: Zur Ephebie gehörte das Training im Hoplitenkampf,
Seatde
Speerwurf, Bogenschießen und in anderen Waffengatmngen. Hinzu kamen 1 Unterrichts einheiten in Kriegführung und Strategie. Zweitens der Bereich der nicht-militärischen Bildung: Aus den vielen Ephebeninschriften, die vor allem ab der zweiten Hälfte des
3. Jahrhunderts
das Bild prägen, ist
daß die
jungen Märmer in verschiedenen Fächern unterwiesen wurden. Sie erhielten Unterricht im Ptolemaion, Lykeion und in der Akademie; sie wurden durch Attika
um Wege, Wehranlagen und Grenzen kermenzulernen; und sie
besuchten die geschichtsträchtigen Orte ihrer Heimat: Marathon, Salamis, Munichia, Sunion. Überall dort wurden Kränze niedergelegt, bei Salamis auch eine Regatta abgehalten. Im Amphiareion in der Nähe von Oropos, der seit jeher umstrittenen Grenzlandschaft zwischen Attika und Boiotien, erhielten sie zudem eine Art Geschlchtsunterricht. Sie gingen, wie es IG II2 "zum Amphiareion und erfuhren von der Geschichte des
1 006
heißt,
von den
Anfangen an [. . .], opferten und zogen am gleichen Tag weiter durch die chora,,2. Allzu
hat die Unterweisung in der Geschichte des
also rucht
gedauert. Die dritte und letzte Kategorie umfaßt den weiteren Horizont der Polis feste. In ihrer Rolle als Initianden, die in das soziale und religiöse Leben der Polis
wurden, fundamentale gesellschaftliche Praktiken einübten
[Arlstot.] Ath. Pol. 42,1 -5. Zu den Ausbildungsfeldern der hellerusrischen Ephebie
in Athen s. allgemein; Reinmuth 1952; PeIeIudrs 1 962; Roscam 1 969; Reinmuth
1 97 1 ; Rhodes 1 980; Schröder 1 986; Kah 2004; Burckhardt 2004. Das Register von Kennell 2006 erlaubt jetzt einen Überblick über die mit diesen Feldern verbundenen 2
öffentlichen Ämter
(für Athen:
S. 1 5-30).
1G 112 1006, Z.70-72: "HYUYEV 88 KUI d� [,0 :A,.upHlp]uov KUI [crwp�crUV[TE� n'tv
YEyOVS]i:uv 'rOU tEPOU [uno &Px]U1tü[v] WOVOlV . . . K[uI] (lücruvw; anfj"Oov auo"J.lspsl sL; [n'tv e]amrov Xropav.
Hans Beck
56
Epheble - Ritual - Geschichte
und ritualisierte Verhaltensnormen erlernten, nahmen die Epheben an einem
tanz auf; bei den
breiten Spektrum von Kultfesten teil, bei denen sie Prozessionen oder Fackel
Patparonia
züge abhielten, Opfer durchführten, Wettkämpfe veranstalteten und Waffen tänze vorführten: so etwa bei den athenischen Dionysien, den Panathenäen, den Eleusinien und den Oschophorien.3 Die strittige Frage, wieweit diese für den Hellenismus bezeugten Bestand teile der institutionalisierten Ephebie in die klassische Zeit zurückreichten, ist hier von untergeordneter Bedeutung.4 Das gilt auch für die verschiedenen Entwicklungsphasen, die die Ephebie im Hellenismus selbst durchlief. Die
Umstände im späten
2. Jahrhundert unterschieden sich ja recht deutlich von de nen in der Zeit unmittelbar nach der großen Ephebiereform von 336/335. Der
Karneza leiteten
beinhalteten
unter
57
fünf Jünglinge die Prozession. Die argivischen anderem
einen
Agon
der
Epheben.8
Bei
Initiationsfesten, etwa den athenischen Apatourien oder den spartanischen Hyakinthien, standen die Epheben naturgemäß sogar im Mittelpunkt des Geschehens .9 Die Liste ließe sich leicht verlängern und auch um solche Zere
monien erweitern, bei denen Abteilungen junger Mädchen eine privilegierte
Position einnahmen. l O Ob ein straff durchorganisiertes Ephebieprogramm zum
gängigen Repertoire öffentlicher Einrichtungen der klassischen Polis gehörte, sei dahingestellt. Sicher ist, daß die für den Hellenismus überlieferte aktive Teilnahme der Jungmannschaften an den Festen der Polis in der Tradition einer langen Entwicklung stand, die weit bis in die archaische Zeit zu!Ückreichte. Der Festkalender trug
grob zugeschnittene Überblick dient vielmehr dazu, die Ausbildungsbereiche zu
zu
einer regelmäßigen Selbstvergewisserung der Bür
benennen, die für die Erziehung und Sozialisation von Jungmännern als kon
gerschaft und zur Pflege ihrer kollektiven Erinnerung bei. l l Die einzelnen
stitutiv erachtet wurden. Die Bündelung dieser Bereiche und ihre Institutio
Bestandteile des Festes zeichneten sich schon dadurch aus, daß ihnen ein aus
nalisierung in Form eines polisweiten Ephebieprogramms in vorhellenistischer
geprägter Gemeinschaftssinn zugrunde lag. Dazu gehörte die Bekränzung der
Zeit sind umstritten, aber es besteht kein Zweifel daran, daß j eder einzelne Bereich für sich genommen auf eine eigene Entwicklungsgeschichte zurück blickte und auf gewissen Vorläufern basierte. Im militärischen Training wurden junge Männer in der einen oder anderen Form durch ihre Polis unterwiesen,
seit es die Phalanx gab; denn ohne kollektives Training funktioniert die Phalanx
Festteilnehmer, die Prozession der Festgemeinde, das Opfer und Festmahl der versammelten Bürger, das Schwören von Eiden, gemeinsame Gebete und Choraufführungen, bei denen das Festlied gesungen wurde, sowie gymnische Wettkämpfe und dramatische Inszenierungen in Form von Waffentänzen oder nachgestellten Agonen, die wiederum unter den Festteilnehmern selbst ausge
nicht.s Dasselbe gilt für die von der Aristokratie dominierten Kavallerie.6 Und
tragen wurden. Ablauf und Organisation dieser Elemente wurden von dem
Zeit eine prominente Rolle ein. So waren die Jugendlichen Athens bei allen
rein äußerlich signalisierten die Kränze und oft auch eine zeremonielle Gewan
Stationen der Panathenäen als eigene Statusgruppen präsent: bei der Prozes
dung der Teilnehmer12 ja den besonderen Status des Festtages, der einen
sion, dem Opfer, den Choraufführungen und den abschließenden Agonen? In
"religiösen Kontrapunkt zum Alltag"
wenigstens bei religiösen Polisfesten nahmen Jungmänner seit der archaischen
Sparta führten die Jungmannschaften während der
4
Gedanken bestimmt, die Festgemeinde als solche kenntlich zu machen - schon
Gymnopaidiai einen Waffen-
0 an
Assmann)
setzte.
Gleichzeitig
Dionysien, Panathenäen und Eleusinien: IG 112 1006; 1008; 1009; 101 1 ; 1028; 1029;
Karneia und Gymnopaidiai: Nilsson 1 906/1995, 1 1 8-129, 1 40-1 42; Brelich 1 969, 178; Pettersson 1 992. Parparonia: Robertson 1 992, 1 79-207; Dillery 1 996, 232f.
1030; 1039; 1040; 1041; 1043. Oschophorien: Plut. Thes. 22-23; Brelich 1 969, 444f.;
Apatourien: Parke 1 977, 88-92; Vldal-Naquet 1 98 1 / 1986, 1 5 1 -176. Hyakinthien:
Robertson 1 992, 120-133. Die Begriffe ,Ephebie' und ,Epheben' werden
llTI
folgenden nicht Im technischen
Sinn einer Polisinstitution gebraucht. Sie verweisen allgemein auf eine Statusgruppe
10 11
171-
Nilsson 1 906/1995, 129-1 40; Brelich 1 969, 141-148, 179-1 91 passIm.
Z.B. bei den Adonia,
Thesmophoria, Karyateia oder dem Fest der Artemis von Brauron.
D e r Zusammenhang ist gesehen worden, lange bevor e r i m Zuge des durch die
memorzaJ turn weite
von Jungmännern, die an der Schwelle vom Jugendlichen- zum Erwachsenenalter
Arbeiten von Jan Assmann eingeleiteten
standen.
hat. S. nur Burkert 1 977/ 1 985, 21 6-234, 254-260 und passim. Als bahnbrechend
Am prägnantesten
kommt
dIes
natürlich Im
sogenannten
EphebeneId
Verbreitung gefunden
zum
muß bereits Nilsson 1906/1 995 gelten, dessen Zugnff auf die griechische Religion
Ausdruck, der aber aus späterer Zelt stammt: Tod 204 = Rhodes/Osborne 88; vgl.
über eine Deutung der Fest- und Ritualkomplexe erfolgt. Das he=eneutische
Stob. 43,48; Poll. 8,105; Plut. Alk1b. 1 5,7; Lyk. 76-77; Demosth. or. 19,303. S. dazu
Instrumentarium zur Einordnung von Fest und RItual fehlt natürlich noch. Die jün
Siewert 1 972 und 1977; Burckbardt 1 996, 57-63; ferner die bei Rhodes/Osborne
gere Forschung zeigt, wie fruchtbar der interkulturelle VergleICh ist:
genannte Literatur.
Haug/Warning 1 989 und zum kollektiven Mahl Dietler/Hayden 2001 .
Zu denken ist nur an das berühmte Epheben-Relief von ca. 400: Shear 1 97 1 , 271f.
12
S.
vor allem
Die berühmte Mystenerunschnft von Andarua (hellerustische Zeit) erläßt nicht
DIe rotfigutlge Schale Nordrhein-Westfalen 1 (Düsseldorf, Hetjens Museum), 1 963-
welliger als neun unterschiedliche Kleidervorschriften für verschiedene Gruppen
25 = Beazley ARV2 1 625, 44, zeigt ebenfalls eine Reitstunde (um ca. 510).
von Festteilnehmern: Syll.3 735; vgl. Paus. 4,26,6-27,6 sowie Hans-Ulrich Wiemer in
Vgl. Brelich 1 969, 3 1 4-348; Burkert 1 977 / 1 985, 258.
diesem Band.
58
Epheble - Ritual - Geschichte
Hans Beck
Speisung und Gebet aber seit jeher die Kohärenz
schärften Prozession,
derjenigen Gruppe, die an der Schwelle zur vollwertigen Teilhabe an den Rechten und Pflichten dieser Bürgerschaft stand, indem sie ihr eine sichtbare, privilegierte Rolle
1m
Festakt zuwies. Für die Jungmannschaften der Polis
waren Fest und Ritual von formativer Bedeutung. Sie förderten die soziale Bewußtsemsbildung und die
SOWle die Verinnerlichung der von der
Polis als gültig erachteten Sinn- und Orientierungsmuster. Dem Fest kam eine Schlüsselfunktion
bei
der
der
kollektiven
Selbstbilder
Erklärung des Umgangsritus ruckte die Anfange des Festes i n die Ara der boio 15 1 IT!ng In Orchomenos hielten die Agrioma die hrllfl1e
tischen Grunderheroen.
an die Töchter des Stadtgründers Mmyas wach. Das jährliche Ritual der sym bolischen Tötung einer Minyerm sollte an den Frevel der Frauen
Die äußeren Bedingungen des Polis festes machten diesen Zusammenhang
die
mit Wahnsinn gestraft wurden, nachdem sie Dionysos Agrionios ein Opfer 16 In Patrai scheint die nächtliche Prozession VCLWCU!Cl." hatten.
beim Kultfest des Dionysos Aisymnetes gar einer "symbolische[n] Reinsze
des mythischen Synoikismos gleichgekommen zu sein, dem die Polis 18 Auch diese Liste ließe sich leicht fortführen. Der
und
gängigen Deutungsmuster der Welt von einer Generation auf rue nächste zu.
59
ihre Existenz verdankte.
ZUlsru::nnlerlhang dürfte aber bereits deutlich sein. Die aitiologische br'k:l2L!11ng von rituellen Praktiken und Zeremonien machte jedes Fest
noch prägnanter. Denn in der räumlich eng begrenz ten und in der Regel gut
der
überschaubaren Stadt manifestierte sich ein dichter Erinnerungsraum, in dem
immer auch
sich das Selbstverständnis der Gemeinde bündelte. In der face-to-face-society
der Gesamtheit der rituell vergegenwärtigten Vergangenheit, die im kollektiven
der Vergangenheit omni
der Polis war die vielschichtige
zum
,lustorisehen' Fest, und der Kanon der Polisfeste entsprach
Gedächtnis der Bürgerschaft gespeichert war.
Der Festkalender spiegelte
präsent; sie kristallisierte sich in der Bildsprache von Tempeln, Weihungen und
insofern ein einprägsames Geschichtsbild, in dem die mythische Vergangenheit
der monumentalen Ausgestaltung öffentlicher Räume und Plätze, die ihrerseits 13 Die so aufgeladene Topo
und die periodische Erinnerung an sie zu einem mächtigen Sinnamalgam
mit Statuen und Denkmälern ausgestattet waren.
zusammengeschmolzen waren. In der Weitergabe und Erneuerung von aitiologischem Vergangenheits-
graphie diente als städtische Bühne des Festes (bei Landbegehungszeremonien und Totenfeiern \vurden
auch extraurbane und liminale Räume
miteinbezogen), auf der es eine Vielzahl von Referenz- und Anknüpfungs
wissen
für sich genommen eine mächtige historische Botschaft. Denn der
Verweis auf die mythhistonsche Vergangenheit implizierte ja eine
der Polis verwiesen. Einge
Kontinuität der Bürgergemeinde, deren Wurzeln biS in eine heroische Zeit
grenzt war aber auch der I
zu!Ückreichten. Diese ferne Vergangenheit sanktionierte wiederum die Tradi
punkten gab, die auf die ruhmvolle
Fremde als Zuschauer willkommen, doch war der eigentliche Teilnehmerkreis
tionen und Notmen der Gegenwart, indem sie die gegenwärtige Ordnung der
bei der allergrößten Mehrheit der Polisfeste auf die
Polis als Schöpfung mythischer Grundungsväter auswies. ß,fithin wurde solche 19 Ordnung auf das Witken der Götter selbst zuruckgeführt. Der Zusammen
Bürgerschaft beschränkt, mit der die
oft nur märmliche -
wlederum identisch war.
In dieser Festkultur wies jedes Fest einen starken Vergangenheitsbezug auf und trug zur Manifestation eines
Be,,'Ilßtseins bei. Um die Polis
feste lagerte sich ein dichtes Netz von Aitiologien und Etymologien, die von ihrer Gründung berichteten, die
einer Kultzeremonie erklärten und sie
insofern ,rustorisierten'. Bei den athenischen
Theseia
und
Pyanopsia
wurde der
I
hang zwischen Ursprung und Fest ging aber noch über aitiologische GfÜnder geschichten hinaus. Die Griechen machten keinen kategorialen Unterschied ZWischen
Festen mit mythhistorischen Wurzeln und solchen, bei 20 Jedes religiöse Fest war
denen an ein konkretes Ereignis erinnert wurde.
inlmer auch ein memoriales Fest, da an seine Anfange erinnert wurde, die ihrer seits in
Mythentraditlonen und Gründersagen eingekleidet waren. Von
gedacht; das Fest erinnerte an eine entscheidende Station in der athenischen GfÜndungsgeschichte, die den Anstoß für seine Inauguration gegeben haben 14 soll. Die boiotischen Daidala memorierten einen Ehestreit zwischen Zeus und Heta, die von ihrem Gatten nur durch einen Trick besänftigt werden konnte. Einer als Tochter des Asopos verkleideten Holzstatue, die in der Prozession mitgeführt wurde, kam dabei entscheidende
13 14
15 16 17 18
zu. Diese aitioJogische
Parke 1 977, 74·82.
Nilsson 1 906/ 1 995, 273-274; Schachtet 1 9 8 1 , 1 7 9- 1 8 1 . Baudy 1 998, 1 48. Hauptquelle: Paus. 7, 1 9-21; s. Baudy 1998, 1 47-148 und 165
zum
möglichen Alter
des Festes; Ntlsson 1 906/1995, 21 2-213 (Verbindung mit Artemis Tnklana); Brelich 19
ProgrammatiSch: Hölscher 1 998.
Nilsson 1 906/ 1 995, 50-56; Schachtet 1 98 1 , 245-250; Charuo!1s 2002; Iversen 2007.
20
1969, 366-376. Am prominentesten das zurückgefUhrt \vuxde: s. nur VgL Chamo!1s 1 99 1 , 1 28.
Doppelkömgtum, das auf die Tyndaridru 1977/1985, 212-21 3.
Hans Beck
60
Ephebie - Rttual - Geschichte
dieser Mythogeschichte war die Geschichte der unmittelbaren Vergangenheit durch verschiedene Zäsuren getrennt Thukydides' Archäologie macht diese Sichtweise besonders augenfällig.21 Gleichzeitig schloß die Gegenwart aber unmittelbar an das mythische Stratum der heroischen Zeit an; dieses reichte wiederum über den Trojanischen Krieg bis in die Zeit von Göttern und Titanen. Einen qualitativen Unterschied zwischen mythischer und historischer Vergangenheit gab es 1n dieser Interpretation des Zeitstrahls bekanntlich nicht Felix Jacoby hat dies in seinem berühmten Buch zu den lokalgeschichtlichen Traditionen Athens nachdrücklich herausgestellt.22 Für die Analyse der historischen Sinnstiftung beim Fest macht es U"i",9;
den Errungenschaften der Heimatstadt bündelte. Die folgenden Überlegungen zur Erinnerungsleistung von Polisfesten sollen beide Perspektiven weiter aus leuchten. Die privilegierte Rolle der Jungmannschaften beim Fest verlangt zudem nach einer genaueren Bestimmung der Funktion, die die Epheben im Prozeß der Weitergabe und Erneuerung historischen Vergangenheitswissens ausfüllten.
Schau-Platz Vergangenheit: Plataiai und konkurrierende Erinnerung an den griechischen Sieg über die Perser bei Plataiai stellt diese Die Zusammenhänge exemplarisch heraus. Anders als bei den Schlachten von Marathon (490) und den Thennopylen (480), an denen jeweils nur eine sehr begrenzte Anzahl hellenischer Verbündeter teilgenommen hatte, handelte es sich bei der Streitmacht von Plataiai um eine breite Koalition, die eine Vielzahl von Städten umfaßte. Der Hellenenbund war keine partielle Allianz, sondern eine groß angelegte Symmachie?5 Seine Mitglieder ent\.vickelten in der eine Fülle memorialer Praktiken, durch die die Erinnerung an die Ereignisse des Sommers 479 wachgehalten wurde und einen äußeren Rahmen erhielt. Die Kollektivität der Schlacht, die im Kern alle Städte des griechischen Mutterlan des spiegelt sich in einer besonderen historischen Erinnerung wider, deren Inhalte und Gegenstände zwischen gemeinsamen und individuellen oszillieren. Auf der einen Seite stand der kollektive Erfolg des Hel lenenbundes, der allenthalben gefeiert und glorifiziert �wurde, auf der anderen die selbstbev;,ußte Betonung des eigenen Beitrages zu diesem Erfolg, den die einzelnen S tädte für sich reklamierten?6 Plutarch überliefert Einzelheiten der Kommemoration: [wenige Tage nach der Schlacht] fand eine allgemeine Versamm lung der Griechen statt, und Aristeides stellte den Antrag, es sollten alljähr lich in Plataiai von ganz Griechenland Vertreter und zusammenkommen, und es sollten alle vier Jahre Kampfspiele, die Eleuthe gefeiert werden. (2) [...] die Plataier sollten für unverletzlich und heilig erklärt werden (rl:crUA.OUC; 1(al mpooc; &
S. dazu Luraghi 2000; Tsakmakts 1 995, 20-63. Jacoby 1949, 1 1 1 - 1 1 9 , 128-148 und passim. Charuotis 1 9 9 1 . Z u Marathon und Platairu s . unten; vgl. Chaniotis
1 9 9 1 , 124-125, mit einer
Zusammenstellung der inschriftltchen Belege fur alle vier. Der Ibermopylen
61
25
An der Deutung des Hellenenbundes als breit angelegter Symmachie sollte man
Schlacht wurde in Sparta seit der Überfuhrung der Gebeine des Leonidas um die
nach wie vor festhalten, auch wenn dies immer wteder einmal in Zweifel gezogen
Mitte des 5. Jahrhunderts in Form elles jährlichen Agons und Epitaphios gedacht:
wird: s. jetzt die umfassende Diskussion bei Jung 2006, 272-280.
Paus. 3,14,1; IG V I , 660. An den Thennopylen selbst wurde höchstwahrschemhch ein rituelles Totengedenken jetzt Albertz 2006, 64-66.
doch gibt es dafür keinen
Beleg: s.
26
Darin liegt elll wesentltcher Unterschied zur Erinnerung an Marathon und ehe Thennopylen, die im Dienst der jeweiligen Hegemonieansptüche Athens und Spartas stand. Dle panhellenische Dimension fehlte.
Ephebie - Rttual - Geschichte
Hans Beck
62
land zu opfern. Nachdem das beschlossen war, übernahmen es die Plataier, für die gefallenen und in ihrem Land liegenden Griechen eine Totenfeier zu begehen.
(3)
Das tun sie noch heute auf folgende Weise. Im Monat
Maimakterion, der bei den Boiotern der Alalkomenios ist, am
1 6.
veran
stalten sie eine Prozession, die früh morgens ein Trompeter mit kriege rischen Signalen eröffnet. Es folgen Wagen voll von Myrtenzweigen und I
(VWvlcrKOl üEu9EpOl), die
Opfergaben an Milch und Wem in I
(4)
denn kein Sklave darf mit irgend etwas, das zu diesem Dienst
gehört, zu tun haben, weil die Männer für die Freiheit gefallen sind. Zuletzt kommt der Archon der Plataier, dem es zu anderer Zeit nicht gestattet ist, Eisen zu berühren oder ein anderes als ein weißes Kleid zu tragen, der jetzt aber ein Purpurgewand angelegt hat.
(5)
Er holt einen Wasserkrug aus dem
Archiv und schreitet schwertumgürtet durch die Stadt zu den Gräbern. Dann schöpft er Wasser aus der Quelle und wäscht selbst die Grabpfeiler ab und salbt sie mit Myrrhenöl, schlachtet den Stier über dem Op ferherd, betet zu Zeus und Hermes, den Göttern der Erdtiefe, und ruft die tapferen Männer, die für Griechenland gefallen sind, zum Mahl und zum Blut schmaus.
(6)
Zuletzt mischt er einen I
dazu: ,Ich trinke den Männern zu, die für ehe Freiheit der Griechen gestor ben sind.' Dies halten die Plataier bis heute aufrecht." (Arist.
21,1-6,
von K. Ziegler/W. Wuhrmann)
übers.
waren also so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich bei der Zuerkennung des
gememen Erwägungen heraus nicht unwahrscheinlich. Während Marathon und die Thermopylen jeweils den Hegemonieanspruch der Athener und Spartaner untermauerten, führte die Schlacht von Salamis im Herbst des Jahres
480
zu
nicht unerheblichen Friktionen zwischen beiden Seiten. Umstritten war nicht nur die Frage nach dem Oberbefehl über die griechische Armada, sondern im
Anschluß auch diejenige nach dem individuellen Beitrag, den die Hauptpro tagonisten und ihre jeweiligen Feldherrn zum Sieg geleistet hatten.28 Im Som
mer des Jahres
479
war es nun durchaus offen, ob der I
nahtlos fortgesetzt oder nach einer kurzen Pause bald neu entfacht würde. Plataiai markierte aber wenigstens insofern einen Wendepunkt, als die Perser erst einmal aus Griechenland abzogen. Die Frage nach einem Resümee der I
45
Verse fragmentarisch erhalten sind, stammt aus dem Jahr
Es
478
oder
477.
eröffnet damit einen einzigartigen Einblick in den zeitgebundenen Kontext und die unmittelbaren Bedingungen, unter denen sich die
memoria
an Plataiai kon
stituierte?9 Nach dem Proömium, das die Schlacht in eine Kontinuitätslinie mit dem Trojaruschen I
Plutarch referiert zunächst den angeblichen Beschluß zum Abhalten der Toten
(1-2),
. . . lva nc; [flv�]crETad )[crTEPOV aD uvop&]v, 01 LmipT[T)l TE Kat 'EAAUOl OOUAlOV �fla]p [EcrXOV] Ufluv6fl[EVOl fl� nv' lOElv <pavEp]&[C; OUo' upElrijc; EM8[ovTO, . . .
beides in unmittelbarem
Anschluß an die Schlacht, und schildert dann das kommemorative Fest der Plataier für ihre eigenen und die anderen griechischen Gefallenen, so wie es zu
(3-6) .
Tropaion und Tapferkeitspreises verständigte.
Der geschilderte Wettstreit zwischen Athenern und Spartanern ist aus all
Spiel stand und wer verhinderte, daß Hellas an jenem Tag unterjocht wurde:
feiern und zur Einrichtung der Eleutherien
semer Zeit ausgerichtet wurde
63
Die detaillierte Beschreibung von Umzug,
Blutopfer und Weinspende dürfte auf eigener Anschauung beruht haben. Wie
" ... s o daß man sich später wieder erinnert
viel davon in den zeitnahen Kontext der Schlacht gehört, ist schwer zu
an die Männer, die für Sparta und für Hellas ausharrten
bestimmen. Immerhin behauptet Plutarch, daß der Kampf um die historische
und verhinderten, daß man den Tag der Knechtschaft sah,
Erinnerung an Plataiai bereits am Tag nach der Schlacht begonnen habe. So soll zwischen Athenern und Spartanern ein Streit über die Errichtung eines
und die ihre Tapferkeit nicht verbargen .. .',30
Tropaion
und, damit eng verbunden, die Zuweisung des Tapferkeitspreises entbrannt sein. Um eine weitere Eskalation zu vermelden, einigte man sich auf Antrag der Korinther darauf, beides den Plataiern zuzuerkennen, da künftig "keine der
In dem Verweis auf den Trojanischen I
streitenden Parteien an ihrer Auszeichnung Anstoß,,27 nähme. Die Plataier
27
Plut. Anst. 20,2.
28
Hdt. 8,22-25.
29
Der neue Simonides: P.Oxy. 3965
30
200 1 ; Obbink 2001 (grundlegend). Sim. Erg. eleg. 1 1 W2, 24-27.
=
Sun. Erg. eleg. 1 1 W2; s. West 1 993; Parsons
64
Hans Beck
Epheble - llitual - Geschichte
dem der Rückgriff auf die heroische Vergangenheit als Verweis auf eine ,histo
rische' Präzedenz diente. Gleichzeitig bot der Troja-Bezug einen Referenz
punkt, der in der griechischen Welt allgemein anerkannt und akzeptanzfähig war und der es auch erlaubte, die Gefallenen der Schlacht in die Nähe der mythischen Helden von Troja zu rücken.32 Diese panhel1enische Agenda wird
bei Simonides von dem Anspruch flankiert, die Schlacht von Plataiai als beson
dere Leistung der Spartaner herauszustelIen. In der Elegie wird der Name
Spartas nicht nur vor HelIas gestellt, sondern implizit auch das Schicksal der Griechen insge samt mit dem der Spartaner gleichgesetzt. Die Kollektivität des
panhellenischen Erfolges wird mit den hegemonialen Ansprüchen der Sparta ner kombiniert, die im Hellenenbund die führende Position eingenommen hatten und nun eine exponierte Rolle im Narrativ der historischen Erinnerung
für sich reklamierten.
Gegen eine solche Deutungshoheit über die vergangenen Ereignis se durch
die Spartaner, wie sie bei Simonides artikuliert wird, formierte sich rasch Wider
stand. Die Symmachie der Griechen war sich nach der Schlacht zwar einig, den
zehnten Teil der Beute den Göttern zu weihen nnd im ApolIon-Heiligtum von
Delphi ein Anathem in Form eines Dreifußes aufzustellen, zusammen mit einer Schlangensäule?3 Über die genaue Ausgestaltung des Weihgeschenks
kam es
jedoch zur Kontroverse. Denn die ursprüngliche Ins chrift, die vom spartani schen König Pausanias - angeblich eigenmächtig
-
am
Monument angebracht
worden war, bezeichnete es als Weihung in seinem Namen.34 Offenbar war diese Lesart der Ereignisse nicht konsensHihig. Die Mehrheit der Bundesgenos
sen protestierte gegen die als allzu selbstherrlich empfundene Monopolisierung
des Erfolges durch Sparta und verlangte eine Umformulierung?5 Der folgende Streit, der anscheinend im Rat der Amphiktyonen ausgetragen '.vurde, endete
mit einem durchschlagenden Erfolg für die Verbündeten. Die Inschrift, die in
die Schlangensäule gemeißelt wurde und vollständig erhalten ist, beginnt mit den schlichten, aber urunißverständlichen Worten: "Die folgenden führten den
31
Jung 2006, 240.
32
Vgl. Jung 2006, 227-230.
33
Hdt. 9,8 1 ;
vgl.
65
I
zuerst genannt sind, dominiert ansonsten der Kollektivitätsgedanke. Weder
unternimmt es die Inschrift, auf die einzelnen Schlachten der Jahre
480 und 479 getrennt einzugehen und die jeweiligen Beiträge der Symmachoi gegeneinander
aufzurechnen, noch wird eine Stadt als solche herausgestellt oder auf die Leistnng ihres Heerführers rekurriert. Stattdessen ist schlicht von "dem Krieg" die Rede, und es '.vird auch einfach auf "die folgenden" verwiesen, die diesen
Krieg führten. Die Inschrift der Schlangensäule spricht somit eine dezidiert panhellenische Sprache, genauer gesagt: Sie stelIt Plataiai und die Perserkriege
insgesamt ins Licht einer konzertierten Aktion alI derjenigen Poleis, die sich zum Hellenenbund bekannt und die Allianz tatkräftig mit Bürgersoldaten un
terstützt hatten. Bei dieser Form der medialen Erinnerung wurde insofern auf Rang und Status geachtet, als die Spartaner in ihrem Führungsanspruch des Hellenenbundes bestätigt und zuerst genannt wurden. Aber dieser Aspekt war nur sekundär gegenüber dem kolIektiven Tenor, den das Anathem ansonsten anstimmte. Ohne jeden qualifizierenden Zusatz zu den Leistungen der einzel
nen Bündner kommunizierte die Inschrift ein gewisses Egalitätsprinzip; die Teilnehmer der Allianz hatten nach ihren besten Möglichkeiten einen maxima
len Beitrag zum gemeinsamen Erfolg geleistet. In der sprachlichen Verkürzung lag demnach eine mächtige Botschaft. Entscheidend war bei dieser inschrift lichen Präsentation der Vergangenheit, wer überhaupt unter den Bündnern
aufgelistet war nnd wer nicht
darauf wird noch zurückzukommen sein. Am eigentlichen Schauplatz in Plataiai entstanden mehrere Monumente, die die Erinnerung an die Schlacht wachhielten. Die Versammlung der Kriegsteil
nehmer bewilligte den Plataiern 80 Talente, mit denen der s tädtische Tempel der Athena w'ieder aufgebaut und mit neuen Statuen und Historiengemälden ausgeschmückt wurde.37 Femer wurde ein Heiligtum des Zeus Eleutherios er
baut, das einen prachtvollen Altar erhielt. Die Altarinschrift, die erneut die Kollektivität des griechischen Erfolges herausstreicht und auf den Freiheitsge danken abhebt, ist (unvollständig) bei Plutarch und (volIständig) in der "Anthologia Graeca" überliefert:38
Paus. 10,1 3,9.
Den
archäologischen
Befund
kommentieren
Flower/Marincola 2002, 249-251. In Olympla weihte die Allianz eIne zehn Ellen hohe Zeus-Statue und am Isthmos eine Poseidon-Statue, dIe etwas kleller ausfiel: Hdt. 9,81; Paus. 5,23,1-3; s. Gauer 1 968, 28-36 zu den Einzelheiten. 34
'ED.:tjvrov &pX1lYÖ� brei
mpu'tov
roAEO€ M�&ov I
I1(1)ouv{(l� o{� 1lvf\1l' ave9TjK6 1:006.
Thuk. 1 ,1 32,2; Plut. De Herod. malign. 42; Demosth. or. 59,97.
35
Thukydides sagt nichts vom Protest der Bündner und führt di e Umformuherung
36
Syll,3 31
slattdessen auf das Zerwürfnis zWlschen Sparta und seinem angeblich exzentrischen
37
Plut. Arist. 20,3.
König zurück. Demosthenes verweist dagegen ausdrücklich auf den Protest der
38
Bundesgenossen.
==
Tod 1 9
==
MI., 27
=
HGIÜ 14; s. die Diskussion bei Jung 2006, 248-250.
Plut Arist. 1 9,7; Anth. Graec. 6,50. DIe Plutarch-Handschriften lassen den ersten Pentameter aus und bieten auch sonst einen leicht abweIchenden Text.
Epheble - Rltual - Geschichte
Hans Beck
66
67
führung des Festes oblag.4o Gleichzeitig hielt die Polis Plataiai J ahr für Jahr eine
'tOVÖe noS' "'EMllvS'; pro/ltl Xep� EPYC(l l\peO';
Totenfeier für die gefallenen Griechen ab. Die Plataier taten das am
eU'tOA.f.lC(l ,!,uxfj.; A.TJ/lu'tt JtetflO/levm,
16.
Alalkomenios, Ende Oktober oder Anfang November, also erst mehrere
ITepcru.; el;eA.acraV'tS<;, EA.eU6spov 'EA.A.&öt Kocr/lOV
Wochen nach dem Jahrestag der Schlacht im August.41 Möglicherweise waren
llipucraV'to ßiO'; ßillf.lOv 'E1eu6epiou.
bei diesem Polis fes t auch vereinzelt Festgesandtschaften anderer Städte zuge ,,Als das hellenische Volk mit der Kraft seiner Hände in Ares' Feldschlacht, im festen Vertraun auf seinen Willen und Mut, einst die Perser vertrieben, da baute es für die befreite
Hellas zum Schmuck den Altar Zeus dem Befreier hier auf."
gen; auszuschließen ist das nicht. In erster Linie war die Totenfeier vom Alalkomenios aber ein städtisches Fest. Die Plataier waren
Plutarch
(Übersetzung von H . Beckby)
wor-
sich, und primär dürfte bei den Feierlichkeiten der toten Plataier den sein (ihr Kontingent war seinerzeit genannte
Prozession
des
600
Mann stark
Archonten
und
16.
unter 42 Die von
der Jungmänner,
Waschung der Grabstelen sowie das Stieropfer, bei dem die
die wie
Während das Heiligtum des Zeus Eleutherios in der umstrittenen Frage nach
derum eine prominente Rolle spielten, markierten zentrale Ritnale eines
der memorialen Konstituierung der Schlacht von Plataiai eine dezidiert panhel
genuinen Polisfestes. Sie rückten die Zeremonie in die Mitte der
lenische Position bezog, ließen es sich die Verbündeten nicht nehmen, vor Ort jeweils eigene Denkmäler zu errichten, mit denen ihr
zum griechischen
Erfolg in die Topographie des Schauplatzes hineingeschrieben wurde. Die Spartaner errichteten gleich drei solcher Grabdenkmäler (für die gefallenen Megarer, Phliasier
Priester, Spartaner und Heloten), die
lag der
gemeinde, die als Akteur und als Adressat des Ritus auftrat. Akzent der historischen Erinnerung natürlich auf der
koine.
Denn
die Totenfeiern standen ja im Zentrum der Kommemoration eines panhelleni
schen Ereignisses, sie waren ein Teil der gemeinsamen griechischen Geschichte,
die alle betraf. Dem individuellen Erinnerungsbedürfnis der Bürgergemeinde
jeweils eines. Hinzu kamen mehrere Denkmäler von Städten, die überhaupt
stand somit ein weiterer Sinnzusammenhang
nicht an der Schlacht teilgenommen hatten und angeblich leere Grabmonu
bedingten sich gegenseitig: ohne den Blutzoll der Plataier kein griechischer Sieg,
mente errichteten, um so im nachhinein von ihrer als peinlich empfundenen
und ohne die hellenische Allianz kein Überleben für Plataiai. Es zeigt sich hier
Beide Deutungen
Abwesenheit abzulenken. Die Aigineten sollen überhaupt erst zehn J ahre später
erneut dieselbe Verzahnung individueller und kollektiver memorialer Perspekti
ein öffentliches Grabmal errichtet
nach Herodot auf Betreiben ihres
Proxenos in
Förderung aiginetischer Interessen
ven, die auch für die anderen .Medien der
Plataiai, der darin eine
sah.39 An den Nordausläufern des Kithairon entstand demnach ein hochgradig
Dieselbe Konfiguration findet sich in anderen Städten. Denn natürlich fei-
politisiertes memoriales Ensemble aus Tempel, Altar und Denkmälern, das an
erten auch andere Poleis
die Ereignisse erinnerte, die sich im Sommer 479 zugetragen hatten. Memoriert
Beitrag zum griechischen
mit denen an Plataiai - und
am
gen griechischer Städte im Kampf gegen die drohende Unterdrückung - auch
Pausanias44 und in Megara wurde
Zu einem späteren
wurden auch periodische Siegesfeste instau-
riert. Plutarch führt die
dieser ,Großen Eleutherien' auf einen
Beschluß des l\risteides
doch schöpft sein Bericht hier höchstwahr-
scheinlich aus Quellen, die athenische ,Fälschungen' des 4. Jahrhunderts für
in späterer Zeit
ein
Kultverein eingerichtet, dem die Durch-
40
Hdt. 9,85 mit Flower/Manncola 2002, 254-256.
Jahr den Toten der Perserkriege ins 5
Plut. Anst. 1 9,8. Nach den
Ausfiihrungen von Pierat/Etienne 1975
ist eine Einnchtung der Eleuthenen Im 5. Jahrhundert unwahrschcinlich. Hätten sie zu
dieser
Zeit
betdt"
ex1Stlert, wären
(I'huk. 3,58,4) erwähnt worden. Den
sie
wohl
im Plädoyer der Plataler
Bcschlußantrag des Aristeides hat
beteits Habicht 1 96 1 , 34 verworren. Zum Kultverein s . auch Jung 2006, 281 .
41 42 43
Hdt. 9,28.
45
I G VII 53; s . Charuotis 1988, 255f.
44
39
in Sparta im Rahmen des alljährlichen Fests des
Boedromion
Ablauf und Ausgestaltnng dieser Feste sind nur spärlich überliefert; die Feier-
eingerichtet worden sein; sie wurden alle vier J ahre am Tag der Schlacht, dem 4. Dazu wurde dann auch - ebenfalls erst
ihren
gesamt geopfert, und dies offenbar noch Jahrhunderte nach dem Ereignis.4
bare Münze nahmen. Die Eleutherien dürften jedenfalls erst im 4. Jahrhundert Boedromion (Anfang
3.
an
erinnert wurde. In Athen wurde die Schlacht
wurden der glänzende Sieg des Hellenenbundes und die individuellen Leistun solcher Städte, die ga.r nicht bei Plataiai gekämpft hatten.
charakteristisch geworden
ist.
Plut. Arist. 21,3 (oben zitiett) . Plut. De
IG V i ,
Athen. 7,349F.
+ 660; Paus. 3,1 4, 1 .
Hans Beck
68
Ephebie
lichkeiten in Plataiai sind nur deshalb so gut bezeugt, weil Plutarch sie mit nen Augen gesehen haben dürfte. Aber schon die verschiedenen Termine im im Oktober oder beim Epitaphios für Pausanias verdeutlichen, daß die die bei Plataiai gekämpft hatten, 1h:re ganz eigene B eurteilung dieses nVCl!LIU�"C" hatten, und sich diese Beurteilung auch ganz verschieden im Festkalender der Polis niederschlug. Während die Spartaner daran dachten, daß der unter dem Kommando ihres
Pausaruas errungen wurde, über-
wog für die Plataier höchstwahrscheinlich die bloße Teilnahme an der Schlacht,
-
Ritual - Geschichte
Anstelle der Perserkriege: die Erinnerungsleistung der thebanischen Daphnephorien eH.Hcge. Die Thebaner hat-
Im benachbarten Theben feierte niemand die
ten die entgegengesetzte Entscheidung gettoffen und sich wie viele andere 47 Städte in Boiotien und Thessalien auf die Seite der Perser gestellt. Die Perser kriege waren
und blieben - für sie ein schwieriges Stück Geschichte. In der
Debatte zwischen Thebanern und Plataiern in den ersten Jahren des Pelopon
und zwar auf der richtigen, d.h. der griechischen Seite. Denn angesichts des
nesischen
anrückenden persischen Heeres war für sie ja \V'ieder der alte Loyalitätskonflikt
zutage. Von thebanischer Seite wird der
aufgebrochen, der die Geschichte ihrer Stadt in den letzten beiden Generatio
Stadt seinerzeit in Händen von Tyrannen gewesen
nen bestimmte. Sollten sie dem Vorbild der benachbarten Thebaner folgen und mit diesen
MedismoJ begehen,
oder sollten sie ihr Heil auf der anderen Seite des
Kithairon in der griechischen Allianz suchen? In dieser Schicksalsstunde schlu gen die Plataier dieselbe Richtung
die sie seit ihrem Anschluß an Athen um
69
die Thukydides beschreibt, tritt dies mit aller Deutlichkeit
l'vlediJ?/Jos dabei
damit erklärt, daß die
die versucht hätten, ihr
Unrechtsregime mit persischer Unterstützung abzusichern. Die Verantwortung zu den Persern wird somit auf eine nicht näher bestimmte 48 Im 4. Jahrhundert fmdet sich eine
für den
Gruppe von Alleinherrschern abgewälzr.
andere Rechtfertigungsstrategie. Der boiotische Lokalhistoriker Aristophanes
das Jahr 5 1 9 verfolgt hatten. Sie blieben auf Seiten der hellenischen 4
ner verbreitet und sie mit der Ausbreitung pikanter D etails zum thebanischen
Zenttum der griechischen Geschichte ruckte, verlief dann so, daß sich ihr Ent
Medismos absichtlich
schluß in der Rückschau als eine glückliche Entscheidung herausstellte. In der
Gold zu bestechen.
spezifischen Situation, in der sich die
memoria an
die Schlacht der Stadt Plataiai
behauptete, Herodot hätte in seinem Werk Lügengeschichten über die Theba diskreditiert, nur weil sich diese geweigert hätten, ihn mit 49 Die Wirksamkeit solcher Sttategien ist schwer zu beurtei
len. Ihre bloße Existenz bezeugt immerhin, daß in Theben lange Zeit mit der
Medismos
formierte, wurde demnach nicht nur der gefallenen Plataier und Griechen
Geschichte der Perserkriege gerungen wurde. Der thebanische
gedacht und insofern an ein Stück ,\veltgeschichte' erinnert.
frontierte die Bürgerschaft von Anfang an mit einem schwierigen memorialen 5o Erbe. Das betraf schon das Totengedenken für die 300 gefallenen Thebaner, 51 die auf persischer Seite gekämpft hatten. Eine periodisch wiederkehrende
Es wurde
gleichzeitig der regionale Kontext memoriert und an die besondere Konstella tion Plataiais z\V'ischen Athen und Theben erinnert, in der sich die kleine Polis
kon
seit j eher befand. Das Polisfest der Gemeinde Plataiai war so besehen eine
Kultfeier, wie sie für die auf Seiten des Hellenenbundes überliefert wird, ist
Zeremonie, bei der die Erinnerung an ein panhellenisches Ereignis gleich in
nicht bezeugt. Fragt man nach der Rolle der Polisfeste im Prozeß der Heraus
doppelter Hinsicht auf die lokale Interpretation durch die Polisgemeinde
bildung, Weitergabe und Einschärfung eines spezifischen Geschichtsbildes in
heruntergebrochen \Vrurde: Zum einen war das Totenfest Ausdruck des Bedürf
Theben, scheiden Feste zu den Perserkriegen aus.
nisses der Stadt, die Erinnerung an den Verlust ihrer B ürgersoldaten im Kontext der eigenen Schicksals- und Erfahrungsgemeinschaft zu bewältigen. Und zum anderen wurde dieser Kontext lokalpolitisch aufgeladen, indem an die historische Tradition Plataiais und seine prekäre Stellung im Grenzgebiet zwischen Attika und Boiotien angeknüpft wurde.
47
Hdt. 7,1 32; 8,34; 9,86-88 (lvledtsmos angeblich bereits vor der Thermopylen Schlacht; s. aber 7,202-205 zur Abordnung eines thebanischen Kontingents); Buck 1 979, 132-
48 49
50
1 3 4; Demand 1982, 2 1 f.; Beck 1 997, 88. Thuk. 3,53-67; Verwels auf eine angebliche thebanische Tyrannis: 3,62. FGrH 379 F 5-6, aus Plut. De Herod. Szenen wie das groß angelegte Festbankett
31 -33. i\ttaginos für die Perser in Theben
9,15-1 7) müssen im nachhinein schwer an den Thebanern genagt haben. In von Herodot in diesem Zusammenhang erzählten Konversation zv.>ischen dem Orchomenier Thersander und einem persischen Befehlshaber "IN-lrd die 46
Thuk. 2,73,3; 3,55,3; 3,63,2; 3,68,5; Hdt. 6,108,1 ; 7,132; 8,50,2; s. Amit 1 973; Hammond 1992.
Niederlage der Perser als Ergebnis gotthchen Willens hingestellt. Diese Inter 51
pretation iieß den lvledlsmos Thebens noch verwerflicher erscheinen. Hdt. 9,67.
Eines der prächtigsten thebaruschen Polisfeste waren die Daphnephorien, die alle acht Jahre, wahrscheinlich im Mai, gefeiert wurden. Bei diesem Frühlings fest wurde symbolisch der Lorbeer Apollons nach Theben gebracht und in einer Prozession durch Stadt und Umland getragen. In den Quellen lassen sich verschiedene Entwicklungsstadien der Zeremonie ablesen, denen jeweils die gleiche Intention zugrunde lag: Die Daphnephorien waren ein Fest, mit dem die Thebaner ihre Ansprüche auf die Oberhoheit über ihre weitläufige chora 52 artikulierten. Der zum Fest gehörende Umgangsritus führte zum ältesten Tempel der Stadt, dem suburbanen Heiligtum des Apollon Ismenion südöstlich der Kadmeia in der Nähe des Elektrischen Tores, und weiter zu dem im Um land gelegenen Heiligtum für Apollon Galaxion. Die Überlieferungslage zu den Der schematische Blick auf die beim Daphnephorien ist äußerst Fest gepflegte historische memoria wird dadurch erschwert. Der Ablauf der Prozession ist durch Proklos bekannt, der im 5. J ahrhundert n.Chr. eine relativ detaillierte Schilderung verfaßt hat. Ein Auszug aus dessen Beschreibung ist in der ,Bibliothek' des Photios überliefert (321 a-b) . Dieser Bericht dürfte, wie Albert Schachter gezeigt hat, das Stadium des Festes im 4. 53 Jahrhundert V.Chr. widerspiegeln. Nach Proklos wurde die Prozession von einem Knaben angeführt, dem Daphnephoros, der in diesem Jahr als Apollon Priester fungierte.54 Er hielt einen Lorbeerzweig in den Händen. Unmittelbar vor ihm trug sein nächster männlicher Verwandter einen Olivenholzstamm, der mit Lorbeerzweigen und Blumenkränzen geschmückt war. Auf dem Gebinde war oben eine bronzene Sonnenkugel aufgesteckt, an der 'Wiederum kleinere Kugeln hingen, die Planeten und Monde symbolisierten. Im mittleren Teil waren 365 violette Bänder befestigt, die den Tagen eines Jahres entsprachen. Der Daphnephoros trug einen Goldkranz und offene Haare, ein schinlmerndes Gewand, das bis auf den Boden reichte, und zeremonielles Schuhwerk. Ihm trugen folgten ein Knaben- und ein Mädchenchor, die ebenfalls . . 55 u nd den Festgesang reZItierten. 52 53 54 55
Epheble - Ritual - Geschlchte
Hans Beck
70
Zum Fest
Dieser Befund wird durch Pindar gestützt, aus dessen Feder mehrere daphne 56 Parth. 2 (Race) phorische Oden fragmentllrisch überliefert sind. Ode 94b ehrt einen Daphnephoros namens Agasikles, dessen Familie eine exponiene Rolle in der thebanischen Politik spielte. Sein Vater Pagondas kommandierte später 57 die thebanische Kavallerie in der Schlacht vom Delion im Jahr 424. Pagondas' Vater Aioladas wird wiederum als Vorsteher eines "allseits gerühmten Hauses" (1t(lVOO�ov maOll6v: Z.S-9) gepriesen. Diese prosopographischen Beobach tungen weisen die Ode als Spätwerk Pindars aus. Sie stammt höchstwahr 58 scheinlich aus den 440er Jahren. Die überlieferten Zeilen des parthenischen liedes daß Agasikles' Schwester in eine zeremonielle Tracht geklei 59 det war. Sie lief in der Prozession neben ihrem urunittelbar vor dem Daphnephoros, wobei sie selbst einen Lorbeerzweig trug. Pindars Beschreibung weicht insofern von derjenigen des Proklos ab, als der nächste männliche Ver wird. Ansonsten wandte des Lorbeerträgers noch von seiner Tochter ist die Konfiguration dieselbe. In beiden Beschreibungen werden die Schlüssel rollen der Prozession von jungen Knaben und Mädchen übernommen, die den Umzug zusammen mit ihrem Vater anführen. Ihnen folgen jeweils Kohorten von Jünglingen und jungen Mädchen. Zweierlei Billt auf. In beiden Überlieferungsvarianten wird das Bild von Jungbürgern bestimmt, wobei die Tracht des Daphnephoros wahrscheinlich auf einen vorübergehenden Geschlechterwechsel anspielte. Proklos beschreibt seine Robe als Mädchengewand; der J unge war offenbar als Mädchen verklei-
MS·t(l ÖE 1:piTIjv �/l€pav Sme€/lEVO<; Kpu1:zi 1:mv nOt.e/liülV KUI am&; tZ n\v ÖU<jlVfl<jlopiav S1:€A€I' Kul tO eeOS sKcieEV ÖIUTIjPZ'\1:UI. 'H öl; öU<jlVTj<jlopiu suAov uuiu<; KU1:uCJtS<poum öa<jlvUlS Kui nolKiAoIS C1VeZCJI Kat sn' C1KPOU )lSv xaAldj €<jluP/l6�S1:UI CJ<jlUtpU, ilK öt 1:aUTIjS /lIKpOt€pas s�uptm (J\v KatU ÖE ,0 f!€CJOV to13 SUAoll nzpletvw; BA.UCJCJova tiis m' C1KPo.? CJ<jluipu<; Ku8un1:01lCJI nop<jlupii mi:/l/la1:U·To. ÖE Tzlv::utaia. 1:013 SUA(1) xzplCJ1:illouCJ I KPOKOl1:{Q. Bou4TUI ÖE U-otOU; TI /lEV UVültU1:m CJ<jlaipa tov tjA10V (0$ Kat 1:0V f\.nO/..A.rova avu
im allgememen s. Nllsson 1 906/ 1 995, 1 64f.; Schachter 1 981, 83-85 und
Schachter 2000; Kühe 2006, 242-246. Schachtet 2000, 1 05-1 1 4.
S. dazu auch den knappen Bencht von Paus. 9,10,4.
Prokl. ehr. 25
Phot. 321 a-b Bekker: TU ös 4yo/llivU TIup8tvla xopoi<; nup8tvmv EveypU<jlE1:0. ot; Kat 1:a ÖU<jlVTj<jl0PIKU 00<; Elc; ytNOS nimEl'I5u<jlVUS yap Ev BOlülng IM EvvEUETIjpiöo<; Eie; To. 1:013 f\.noM,owo<; KO/li�ovrES lEPE'i<; ESU/lV(1)V umov Ölo. xopo13 nupetvülV. Kai � uinu' Tmv A(o!J;ülv OCJOI KUT<[lK(1)V 'ÄPVl1V Kut tU tauT!] xülpiu KUTU lPl1CJ/lOV uvumuvrz<; €KE18EV Kat npoKUeZ�O/lEVO\ e�ßu<; €nopeOllV npOKU1:EXO/ltva<; 1m0 TIEAacrymv. KOIvr;; U/l
71
56
Parth. 1 -3
=
Frg. 94a-c Race.
Die Familie wird auch in Parth. 1
58
59 60
Schachter 2000, 100-105. Parth. 2 = Frg. 94b, Parth. 2
=
Frg. 94b,
Z. 6; 1 1 f.; 70. Z. 7f.; 67-69.
94a genannt. Pagondas: Thuk. 4,91 -96.
Hans Beck
72
Ephebie - RItual
det.61 Dieses Outfit des Lorbeerttägers spricht für seine gesellschaftliche Stel
Gesdl.lchte
73
Auffällig ist der iiberschwengliche Ton. Unter anderem wird behauptet, daß
lung als Ephebe, der sich in der Übergangsphase vom Jüngling zum Mann
den 1bebanern kürzlich "unsterbliche Gunst" (aOavu.av XUptv: Z. 4) zuteil
einem Initiationsritus zu unterziehen hatte. Bestimmt repräsentierte er dabei die
geworden sei. Gleichzeitig werden die Heldentaten der Vorfahren des
gleichaltrigen Jungmänner der Stadt, die m den hinteren
phoroJ gepriesen. Die entsprechende Passage ist relativ gut erhalten:
der Pro
zession liefen. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, daß
den
Daphnephorien ein Initiationsritual zugrunde lag, das Parallelen zu den besser
m(l1:(). Ö' A:yacrtKAEBl
Als ehrlicher
bezeugten Initiationsfesten in Athen aufwies.62 Zweitens waren die Daphne
IlUpWr; �AUOOV er; xopov
kam Ich zum Tanz,
Denn
phonen in einen mehrschichtigen kommemorativen Kontext der Träger des Lorbeerzweiges sollte an den ersten
Daphnphoros
Daphne
40
überhaupt
des Agasikles
eaOAo'ir; .B YOVBUcrtV
und für seine edlen Vorfahren
awpt npo�Bv{at(Jl' .t
wegen illrer Gastfreundschaft.
erill1e 1 m, den boiotischen Strategen Polematas, der die Daphnephorien nach
llaOBV yap .a nUA.a.l .a vUv
Damals wie heute werden sie geehrt
einem Traumbild im Krieg gelobt und eingerichtet hatte.63 Der Sieg des
.' all
von lhren rvIitburgern
lnnOlv .' WKUnoöOlv nO[/,u-
wegen der weltbekannten
der moler vom
Polematas gehörte in den Kontext des
Arne und
der Pelasger gegen die Thebaner, mithin also in die mythhistorische GIÜn
für die bei
yvalTOlr; enl vilcal.<;,
der
at.; ev alovBacrtv 'OyXJ1[ amu KAu].fir;,
von Aiolem und Pelasgern diente später als Legitimationsgrundlage für The
den Gestaden des ehrwürdigen Onchestos
Tals öE vaov 'hOlvlar; a[Il
und beim berühmten Tempel der Itonia
bens HegemonieanspIÜche über seme
xahav a.B
sIe ihr Haupt tult Kränzen schmückten
a/lTjf)Bv Sv 1:B rriaq. nepm[ . . .
und in Pisa . . .
45
dungsphase der Stadt. Der erfolgreiche thebanische W1derstand gegen das Heer
chora und
Gebiete in Mittel
boiotien. Die genaue Lage des Galaxion-Heiligtums ist umsttitten, doch ist es sehr wahrscheinlich, daß es sich am Westrand der Tenerischen Ebene befand, einem Gebiet, das die äußerste Grenze des thebanischen Polisterritoriums markierte und gleichzeitig als
zum amphiktyonischen Heiligtum
Sollte die Datierung der Ode zutteffend sein, dann überrascht dieser Tenor der 1bebaner wurden an den berühmtesten
nicht. Die "Weltbekannten
von Onchestos galt.64 Die Prozession zum suburbanen Tempel des Apollon
Heiligtümern Boiotiens
Ismenion und zum liminalen Galaxion-Heiligtum war dann sicher auch eine
und der Amphiktyonie von Onchestos
Landbegehungszeremonie, bei der sieb die Teilnehmer die Größe ihres Polis. . .. ' 5 terntonums vergegenwarngten.6
demnach nicht allein von lokaler Bedeutung, sondern sie hatten einen weiteren
Der Verweis auf Polematas und den
gegen die moler gehört natürlich
in den Bereich der historischen Aitiologie, wie er weiter oben charakterisiert wurde.66 In Ode 94b fmdet sich aber noch ein ganz anderer historischer Reflex.
dem Heiligtum der Athena ltonia bei Koroneia 46_7).67 Außerdem wurde der boioti
sche Sieg "in Pisa", d.h. in Olympia memoriert. Die fraglichen Ereignisse waren politisch-militärischen
der ihnen einen Platz auf der Bühne eines
panhellenischen Heiligtums sicherte. Im genannten Zeitfenster von Ode 94b kommt dafür nur die Schlacht von Koroneia im Jahr 447 in Frage. Nachdem die Athener zehn Jahre zuvor weite Teile Boiotiens besetzt und in diesem Zu
61 62
sammenhang auch demokratische Die schunmemde Robe relChte, Wie bei Mädchengewändem üblich, bIS zu den Füßen. VgL Schachter 2000, 1 1 1 ; Kühr 2006, 243. Die kurze Beschreibung des Pausanias (9,10,4) schelllt darauf hinzudeuten, daß eine großere Zahl von Jugendlichen an der Prozession teilnahm. Das lange Intervall zwischen zwei Daphnephorien
63 64
65
66
in den meisten Poleis eingesetzt
hatten,68 gelang den boiotischen Exulanten 447 ein fulminanter Sieg bei Koroneia, der die Athener zum Abzug aus Boiotien zwang. Der thebanischen Reiterei fiel in der Schlacht die Schlüsselrolle zu.69 Es folgte die Einrichtung des
freilich gegen ein Initiationsfest im engeren
Slllne. Das Auion 1st bel Proklos uberlJefert, s. oben Anm. 55.
die
GalaXIon: Schachter 2000, 1 10; Kühr 2006, 245.
(Diod. 1 5 ,44,4).
Am prägnantesten ist dies Immer noch von Pohgnac 1 984/1 995, 32-41, 98-106 und passim herausgearbeitet worden;
Price 1 9 84, 1 1 0-1 1 2; Graf 1 996.
Vielleicht 'C1rurde mit dem Schuhwerk des Lorbeerträgers elne ähnliche Aitiologie verbunden, oder sellle Sandalen waren eine unmittelbare historische Referenz:
Schachter (2000, 1 06) hest in Proklos' Text (s. oben Anm. 55) t'l',xQccrloC«; anstelle von f:1flXQCtT!oet,. Die Schuhe wären dann leichte und offene Soldatenstiefel gewesen,
67 68 69
nach
dem
athenischen
Iphikrates
lphtkratides
genannt vlurden
Onchestos: Buck 1 979, 88-90; Schachter 1 986, 207-221; Tausend 1 992, 27. Athena Itonia: Schachter 1 98 1 , 1 1 7-127.
TIlUk. 1 ,1 08,2f.; Dl0d. 1 1 ,83,1-3. Thuk. 1 ,1 13 , 1 ;
3,62,3; s. vor allem Buck 1 979, 1 5 1 -1 53, der den oligarchIschen
Hllltergmnd der Exulanten in Orchomenos beleuchtet; s. auch Beck 1 997, 89f. tult Anm. 35; Mafodda 2000, 54-59.
Ephebte - Ritual
Hans Beck
74
75
Geschichte
Boiotischen Bundes, der den Thebanern ein bis dahin ungekanntes Maß an
Fest und Geschichte: die Emotionstiefe historischer Erinnerung
in Mittelgriechenland mit einem Mal auf den Kopf gestellt. Die Schlacht ebnete
Der Verweis auf die Vergangenheit hatte seinen festen Platz in der Festtradition
ersten Jahren seines Bestehens vom Interessenausgleich seiner mächtigsten
ihnen immer auch der Umstände gedacht wurde, unter denen sie eingerichtet
sehen Amphiktyonie und beim Athena Itorua-Heiligtum, dem Austragungsort
Anfingen des Festes gehörten zum Kanon des Rituals, sie begegneten in allen
Während die Landbegehungszeremorue der Daphnephorien als solche seit
mit der Gründergeschichte in Verbindung s tand, dem Gebet und Festlied, den
zugleich auch des epochalen
nahmen. Neben diesen religiösen Festen steht eine zweite Gruppe von histori
den Ritus der Daphnephorien hineinges chrieben. Und umgekehrt dürfte die
Vergangenheit dienten. Bei ihnen fInden sich dieselben Elemente des religiösen
Wohlstand, Stabilität und Sicherheit bot. Koroneia hatte die Machtverhältnisse den Weg zur Gründung eines Bundesstaates, dessen Politik zumindest in den Mitglieder bes timmt war?O DIe Propagierung des Sieges in der alten boioti der panboiotischen Spiele, ist vor diesem Hintergrund um so verständlicher.
jeher dazu diente, die Hegemonieansprüche der Thebaner in Boiotien zu arti kulieren, ""turde unter dem
Daphnephoros Agasikles
Siege s über die Athener gedacht. Die Ereignisse des Jahres 447 hatten sich in
Heldentat von 447 bei jeder neuen Feier periodisch wachgerufen und die Erinnerung an sie aufgefrischt worden sein. Die Kombination mit einer Land dem
Initiationsritus
der
Epheben
machte
worden sein sollen. Aitiologische Gründersagen und Mythentraditionen
zu
den
Stadien der Festzeremonie: dem Umzug, zumeist in Form eines Kultbildes, das
dramatischen oder szenischen Agonen, die ihrerseits auf den Mythos Bezug schen Festen und Gedenkfeiern, die der Kommemoration der unmittelbaren diese Elemente sogar in derselben Abfolge
Polisfestes, und häufig
(prozes sion, Opfer, Choraufführung, dramatische Darstellung). Die enge An
die
lehnung der historischen Polisfeste an die religiöse Kulttradition ist natürlich
in der jüngeren Gegenwart gegen Athen wiederum besonders sinnfallig und
der Toten verbunden war. In diesem Fall war der Prozeß des Erinnerns in eine
begehungszeremonie
und
der Polis. Wie gesehen, waren religiöse Feste stets historisch motiviert, da bei
geschichtliche Erinnerung an die Schlachten in der thebanischen Frühzeit und
zielte auf den Eindruck eines historischen Kontinuums.71 Durch die aktive Einbindung der nächsten Generation von Bürgersoldaten ·wurde dieser Zu
nicht verwunderlich, gerade wenn die Erinnerung beim Fest mit der Ehrung
der wichtigsten religiösen Zeremonien der Polis überhaupt eingebettet: das
Totenfest.
Geschichte
sammenhang zugleich als verpflichtender Leistungsansporn formuliert und in
zueinander.
komplexes Polisfest dar, bei dem die Erinnerung an die mythhistorische Ver
che Zeremonie beim
die Zukunft projiziert. Die thebanischen Daphnephorien stellten demnach ein gangenheit
zum
zentralen Element der Selbstvergegenwärtigung und Selbst
identifIzierung der Bürgergemeinde avancierte. Die Einbettung der historischen
lfmnona in
einen rituellen Kontext dürfte dabei eine besondere Emotions- und
Erfahrungstiefe erzeugt haben. Den Epheben wurde bei den Daphnephorien ein Stück Geschichte weitergegeben, indem sie selbst in den Prozeß der Erin
nerungspflege eingebunden wurden und die entscheidende Rolle bei der Insze nierung der Vergangenheit einnahmen.
und
Religion
verhielten
sich hier
komplementär
Opferfeiern zu Ehren der Toten wie diejenigen in Plataiai oder die alljährli
Pofyandreion
in Marathon72 leisteten ja beides, historische
Kommemoration und Ehrung der Toten durch die Gemeinde beim Fest. Beim thebanischen Totenfest für Herakles kam dieser Zusammenhang prägnant zum
Ausdruck. Am Vorabend des Hauptfestes, das im Winter am Wendepunkt des
boiotischen Jahres stattfand, wurde ein Totenopfer dargebracht. Empfanger dieses Opfers waren neben Herakles seine Frau Meg-.ara sowie mre gemeinsa
men Söhne, die AlkaIdai, die von ihrem Vater einst im Wahnsinn erschlagen
wurden. Zum Ritus gehörte, daß in der Nähe des Gymnasiums beim Elektri
schen Tor fünf Altarfeuer entzündet wurden, die die ganze Nacht hindurch
brannten. Wie Pindar
stand der folgende
im Zeichen eines
rühmten Wettkampfes, der unter den Epheben der Stadt ausgetragen wurde.
Das wichtigste thebanische Totenfest wurde demnach vom historischen Rekurs
auf die Vergangenheit bestimmt, indem das allgemeine Totengedenken in der
70
Das ist der Bund, der durch die Hellenzka aus Oxyrhynchos bekannt geworden 1st:
Stadt mit der Geschichte von Herakles und dem (tragischen) Tod seiner Söhne
Larsen 1 968, 33-40; Buck 1 979, 1 54-162; Beck 1 997, 89-94; Cartledge 2000; 71
Mafodda 2000, 89-1 00; Bleckmann 2006, 55-90.
Paus. 1,32,3-4; IG II2 1 006; 1 058 (maßgeblrehe Beteiligung der Epheben) . In der
Darauf spielten auch die Symbolik der Sonnen- und Mondkugeln SOWIe die 365
Stadt wurde Pan unterhalb der Akropolis allj ährlich mit Opfern und einem
VIoletten Bandet am Olivenholzstamm an. I n dieser Brldsprache war alles auf
Fackellauf geehrt:
Kontinuität und dauerhafte Ordnung angelegt.
Hölkeskamp 2001, 339f.; Gehrke 2003.
Hdt. 6,105,3; Paus. 1 ,28,4;
s.
Parke 1977, 1 72f.;
76
Epheble - Ruual - Gesduchte
Hans Beck
verknüpft wurde. ,Geschichte' und Totenkult gingen hier erneut Hand in 73 Hand.
77
starke Akzentuierung der heroischen Verdienste der Vorfahren der anwesenden Bürgergemeinde vor Augen, was ein jeder zu leisten hatte. Wenigstens in die
Vergangenheit und Kult der Gemeinde hatte
sem einen Punkt ist eine strukturelle Vergleichbarkeit der griechischen
"richtige Konsequenzen für das Geschichtsverständnis der Bürger. Denn
f?ypomnema mit der auf exempla fixierten memoria der Römer zu konstatieren,
Autorität. Sie vlurde von einer religiö
ohne daß dies freilich einen zwingenden sozialen Verhaltenskodex gezeitigt 79 wie er für die römische Welt prägend wurde. Zweitens: Unter den Fest
Diese Affinität von Geschichte erhielt durch sie eine
sen Aura umkränzt, die ihr besondere Verbindlichkeit verlieh und eine beson dere Verpflichtung für den einzelnen Politen implizierte. Anders gesagt Die
teilnehmern läßt sich vor allem eine Gruppe namhaft machen, die der erste
Erinnerung an die Vergangenheit wurde in dieser Variante kultisch überhöht,
Adressat
indem sie zum integralen Bestandteil eines umfassenden Rituals wurde. Das
zwischen ruhmvoller Vergangenheit und einer hoffnungsvollen Zukunft ver sinnbildlichte. Den verschiedentlich in das Ritual eingebundenen Jungmännern
Stemmen von Rindern auf den Opferaltar, mit dem die Epheben bei verschie 74 denen Festen ihre Kraft unter Beweis zu stellen hatten, war, so besehen, nicht nur ein von der Theseus-Sage inspirierter Männlichkeitstest, sondern es ruckte die geschichtliche Erinnerung an "lneseus auch in den Mittelpunkt einer rituel
dieser Botschaft war, und die gleichzeitig den Zusammenhang
der Polis kam im komplexen Vorgang der Erneuerung und Weitergabe des Wissens um die Vergangenheit die Schlüsselrolle zu. Die Epheben standen in der Mitte der feierlich inszenierten Vergangenheit. S1e erlernten und sie
len Choreographie. Die histor1sche Referenz bildete für die Epheben, die die
gaben ihr ein Gesicht: in eigenen Abteilungen der Prozession und in Chören,
Kraftprobe vorzuführen hatten, die Klimax des Rituals. Bei den genannten
als Opferdiener oder als Akteure in dramatischen Darstellungen. Bei Initia
Herakieia in Theben fand die Heraklesgeschichte nicht nur in der allgemeinen Affrnität zu Herakles als Patron der wie kein anderer heldenhaftes
im Gymnasium Ausdruck, der und Jugend symbolis1erte, sondern
auch in den bezeugten Agonen der
Zu solchen im Ritus überhöhten
Praktiken der Vergegenwärtigung von aitiolog1schem Vergangenheitswissen zählten dann auch die Selbstgeillelung von Jungmännern, so beim Fest der 75 76 Artemis Orthia in Sparta, ferner das Waschen von Grabsteinen, das Singen 77 von Päanen und Chorliedern, der historische Waffentanz, Agone und das 78 dieser Praktiken in eine Kachstellen von Naumachien. Die zeremoruelle
Handlungskette
verlieh
den
eigentlichen
Gegenständen
der
Erinnerung ungeahnte Emotionstiefe, die ihrerseits die Wahrnehmungsmuster der Bürgergememde prägte und ihren inneren Zusammenhalt stärkte. Man kann diesen Gedanken noch weiter
Denn wie gesehen war
diese Erinnerung ja nicht ziellos und auch nicht zufallig, sondern sie hatte eine inhärente Agenda, und dies \viederum in zweierlei Hinsicht. Erstens führte die 73
Nilsson 1906/1995, 446f.; Schachter 1 986, 1 4-30; Kühr 2006, 1 90-194. JG JJ2 1006; 1 008; 1 0 1 1 ; 1 028; 1 029; s. Ktitzas 1 997. 75 Nilsson 1906/1995, 1 90-194. 76 Plut. Arist. 21 (zitiert S. 60f.) 77 So etwa Dithyramben (bel den Großen DIonYSIen, nargeIlen und Panathenaen), daphnephorische Oden (s. oben) und epiniklsclle Bel den Gymnopaidiai von wurden Päane gesungen, ln denen der und der ThermopylenSchlacht gedacht wurde: S08ibi08 FGrH 595 F 5 1 5,22, 678 b-c; Suda s.v. Gymnopazdzm; s. Nilsson 1 906/1995, 1 4 1 . 78 S. [Aristot.] Ath. PoL 53,4; Dem. 1 9,303 und schoL; Ph:tloch. FGrH 328 F 1 5- 1 6 und F 105; s. Parke 1 977, 139, 1 68; Brelich 1969, 449-456.
74
.
die die Jungmänner in die kooperativen Verhaltensnonnen der Bürgc:rg(�mein.de einführten, beinhaltete der Kanon der Initiationsbestände (Tanz,
Sjssitton,
Lieder) mithin auch das Wissen um die schicksalhafte
�eit der Bürgergemeinde, also ihre - freilich stark selektive
ge
Geschichte. Die Teilhabe an der historischen Erinnerung wurde zum wesentlichen Schritt
in Richtung auf das Vollbürgertum, ihr Erlernen und ihre Pflicht und Aufgabe der nächsten Generation von Bürgern. 8o
zur
Wo steuert eine solche historische Ermnerung hin, und welches Ge
schichtsbild wird projiziert? Die Geschichte beim Fest hatte nur intellektuell-reflexiven histories apodeixts Herodots gemeinsam. In
Hin
sicht stand sie im Gegensatz dazu: hier, bei Herodot, der händeringende Ver79
J:<.Ja'pheb()lle:n von Hyampolis ln Phokis kam dies mIthin am deutlichsten zum \Vährend des Fests wurde ein großer ScheJterhaufen auf dem nach Plut. Mu!. vm. 2 und Paus. 1 0, 1 ,6 Götterbllder, Puppen, Kleider und Schmucksachen verbrannt wurden. Damit wurde an den (lustorischen?) zwischen Phokern und Thessalern erinnert, In dem die Phoker vor der letzten ihre gesamte Habe zurückließen und Befehl gaben, alles in <1Urgerlell zu lassen, falls die Schlacht verloren gtng. Der Ausdruck (f>wY.tdt ",PIIUIU>';Ilt: Verzweiflung'') wurde danach ja auch sprichwörtlich. DIe fU r die Phoker gut aus, weshalb die Elaphebolien zum wurden. wurde aber die bedingungslose der Vorfahren erinnert. IJteratur: Nilsson 1 906/1995, 221-225; Graf 1 985, 412-417; Ellinger 1993. 80 FUr Graf 1 985, 416 stand das Feuerritual von Hyampolis mit der Initiation von Jungmannern und lhrer Aufuahme in Ktlegerbünde in Verbindung. Hauptakteur Erinnerung waren in dieseln Fall erneut die Jungund -adressat der manner gewesen, beIm Feueropfer die zentrale Rolle spielten.
Hans Beck
78
Ephebie - Ritual
such einer gesamtgriechischen Betrachtung, dort eine scharfe Privilegierung der
Geschichte
79
Literatur
Polisgeschichte; auf der einen Seite ein ausgearbeitetes Narrativ, auf der ande ren aitiologische Schlaglichter und Momentaufnahmen. Die Zersplitterung von Geschichte beim Fest liegt natürlich zuallererst Das
Fest
hat
eine
andere
Grammatik
als
am
Medium der Erinnerung.
narrative
Darstellungen
und
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powers and the small Olles in anclent Greece (Collecllon Latomus 1 34), Brussel
im hellenistischen) nie konkurrenzlos. Geschichte wurde innerhalb der engen räumlichen und mentalen Grenzen der Polis konstruiert, und allen Gemein samkeiten der hellenischen
koine
zum Trotz sah das Ergebnis dieser Kon
struktion überall anders aus. Geschichte war dabei nicht nur der Wirkkraft eines "innate sociocentrism" ausgesetzt, d.h. einer unreflektierten Akzeptanz durch die PoJisbürger, für die die eigene Lesart der Vergangenheit schon allein des
halb die richtlge war, weil sie aus der Mitte der eigenen Bürgergemeinde kam SI und als solche nicht weiter hinterfragt wurde. Gleichzeitig war historische Erinnerung intentional angelegt. Grundergeschichten und mythische Traditio nen statteten die Polis nicht nur mit Orientierungswissen über ihre eigene Vergangenheit aus, sondern sie boten auch eine robuste Basis für die Artiku lierung und Durchsetzung von Machtanspruchen in der Gegenwart, ganz gleich ob diese Anspruche weit gesponnen waren und etwa auf die Hegemonie in Griechenland abzielten, oder ob sie einfach nur im Zuge von Gebietsstreitig 82 keiten zwischen rivalisierenden Nachbarstädten fo=uliert \vurden. Sozio
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sierten.
Deutungen eine eigene Verbindlichkeit, und sie stifteten auch zusätzlichen sozialen Sinn, indem sie das Geschichtsbewußtsein der Bürger auf den Ho rizont der eigenen Stadt lenkten. So
diese Geschichtsbilder in der
einen Stadt waren, so wenig bedeuteten sie aber in der nächsten. Auch in dieser Hinsicht waren sich die Griechen uneinig.
RJ., A History of Boeolla, Edmonton 1 979.
militänschen Rolle athenischer Bürger im I
81
Der Begriff stammt aus der "critical-tlunking-theory". Er hat bislang kemen Wider hall
In
der Geschichts,,-issenschaft gefunden, ist aber gut geeignet, um em grund
legendes Phänomen im Prozeß der Genese, Weitergabe und Ab:tualisiemng von
82 83
Geschichtsbildern zu benennen. S. dazu nur Gehrke 1 994; Gehrke 2001. In Megara wurde noch im 4. Jahrhundert n.Chr. der l:'erserktH:ge Akzent natürlich ganz auf dem meganschen Beitrag zw: Gnechenlands lag: IG VII 53 (s. oben Anm. 45).
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1.
Städtische Feste im Hellenismus
Man hat oft bemerkt, daß die griechischen Bürgerstaaten im Hellenismus noch stärker als früher danach strebten, sich der ideellen Grundlagen ihrer Existenz zu vergewissern.2 Die Gründe liegen auf der Hand: die bedrohliche Instabilität der von großen Monarchien dominierten Staatenwelt, die gesteigerte Mobilität von Personen und der raschere Austausch von Wissen, überhaupt die dichtere und in ungeahnte Fernen ausgreifende kulturelle Vernetzung der Griechen. Ein Aspekt dieses erhöhten Bedürfnisses nach Selbstvergewisserung war eine mit erheblichem Aufwand betriebene Traditionspflege vor allem im Bereich der Erziehung und Religion. Die Zeitgenossen haben wiederholt ausgesprochen, daß das Feiern von Festen ein von den Vorvätern ererbter, verpflichtender Brauch sei, und dadurch zu erkennen gegeben, daß Feste für sie ein bewußt eingesetztes Mittel waren, die Verbindung mit den Vorfahren immer wieder
neu zu bekräftigen. Zudem haben sie die Einführung neuer Feste im Hellenis mus gerne mit der Absicht motiviert, auf diese Art und Weise die Erinnerung an ein als bedeutsam empfundenes Ereignis der jüngsten Vergangenheit zu konservieren. Wohlbekannt ist schließlich auch, daß der Festkalender griechi scher Bürgerstaaten im Hellenismus einem beschleunigten Wandel unterlag: Man führte nicht bloß in großer Arlzahl neue Feste ein und feierte alte mit größerer Pracht als zuvor. Insbesondere gab es erheblich mehr Feste von über regionaler
Bedeutung,
an
denen
viele
griechische
Festgesandtschaften teilnahmen. Am Ende des
3.
Staaten
durch
eigene
Jahrhunderts wurden pan
hellenische Feste nicht mehr bloß in Olympia und in Delphi, in Nemea und am Isthmos von Korinth gefeiert, sondern auch an vielen anderen Orten der griechischen Welt? Nun sind verallgemeinernde Aussagen über die äußerst vielgestaltige und in rascher Veränderung begriffene Welt der hellenistischen Bürgerstaaten stets
censla 1 1), Tübrngen 1 995. Vldal-Naquet 1 98 1 / 1 986: Vldal-Naquet, P., The Black Hunter. Forms of Thought and Forms of Society in the Greek World, Baltimore 1 986 (frz. Original: Le chasseur nOlr. Formes de pensees et formes de sOCJ(§te dans le monde Grec., Pans 1981). West 1993: West, M., Simonides redivIvus, ZPE 98, 1 993, 1 - 1 4.
Ich danke Jens Bartels, Hans Beck, Ralf Behrwald, Orhan Brngöl, Winfried Held,
Rene Pfeilschifter, Wulf Raeck, Victor Walser und Marun Zimmermann für Hinweise und Anregungen.
Vg!. dazu etwa Herrmann 1 982; Chankowski 2005.
Den besten Überblick vermittelt noch immer Robert 1 982.
84
Hans-UlIich Wiemer
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
problematisch und angreifbar. Man kann diesem Problem begegnen, indem man
aus
einer
möglichst
vollständigen
Auflistung
bezeugter
Merkmale
hellenistischer Feste unter Verzicht auf regionale und chronologische Differen 4 zie ng eine Art Idealtypus des hellenistischen Festes konstruiert. Ich möchte
�
eine stärker kontextbezogene Analyse
einzelner Feste
griechischen Bürgerstaaten zwischen dem Ende des
versuchen, die in
3. und dem Anfang des 1 .
Jahrhunderts v.Chr. reorganisiert oder neu eingeführt wurden. Dabei geht e s mir einerseits um die Frage, ob sich im Bereich der Festkultur ein Wandel gegenüber der klassischen Zeit beobachten läßt, andererseits aber auch um Entwicklungen innerhalb
der drei J ahrhunderte, die zwischen
dem Tod
Alexanders und dem Sieg des
über Antonius und Kleopatra liegen.
Meine Beispiele stammen aus
am Mäander, Bargylia und Messene.
Ich mache also Feste zum Gegenstand, die von hellenistischen Bürgerstaaten gefeiert wurden,
nicht
aber
solche,
deren
Ausrichtung
bei
Herrschern
griechisch-makedonischer Abkunft lag. Herrscherfeste, die in einer nichtgrie S chischen Tradition stehen, wie wir sie im ptolemäischen Ägypten oder im 6 seleukidischen Babvlon finden, bleiben folglich ebenso ausgeklammert, wie
�
solche, die zwar na h Programm und Semantik griechisch sind z.B. die Feste 7 der Ptolemaier im ägyptischen Alexandreia aber der Selbstdarstellung von
Bevor indessen die Sache selbst erörtert wird, ist noch ein Wort zur Quellenerforderlich: Die Feste der archaischen und Idassischen Zeit müssen in der Regel auf der Grundlage viel späterer, häufig aus antiquarischer Gelehrsamkeit schöpfender Texte rekonstruiert werden. Anhand solcher Texte läßt sich nur selten sicher entscheiden, wann und wie lange ein Fest in der beschriebenen Form gefeiert wurde, wenngleich häufig ausdrücklich oder stillschweigend vorausgesetzt wird, e s habe sich über J ahrhunderte hinweg nichts oder nur geändert. Aus vielen Teilen der hellenistischen Welt hingegen, ins besondere aus Griechenland und Kleinasien, ist uns eine stattliche Anzahl von Urkunden überliefert, die sich auf die Einführung neuer oder die Reorga nisation bereits bestehender Feste beziehen. Da es sich in der Regel um Beschlüsse handelt, die von einer Versammlung gesamten
Bürgerverband
oder
eine
Festkalenders
finden
hier
einen unmittelbaren und
Niederschlag, weshalb unsere Chancen, solche Veränderungen zu kontextuali sieren, für den Hellenismus erheblich größer sind als für die vorangehenden
schätzen.
4
repräsentierte,
oder Reorganisation von Festen motiviert wurde. Intendierte Veränderungen des
strikte Trennung z,,,-ischen professionellen Akteuren und passiven Rezipienten
die es mir im folgenden gehen wird. 9
Untereinheiten
weisungen und geben Aufschluß über die Gründe, mit denen die Einführung
Perioden der griechischen Geschichte.
geprägt, weshalb ihre Prozessionen den Charakter von Paraden annahmen. Der
seiner
wurden, die den
enthalten diese Urkunden konkrete, mitunter sehr detaillierte Handlungsan
Herrschern und Dynastien und nicht der S elbstvergewisserung einer Fest 8 gemeinde dienten. Von Herrschern veranstaltete Feste waren durch eine
intendierten Wirkung nach stellen sie das genaue Gegenteil der Feste dar, um
85
Freilich datf man die Aussagekraft dieser Quellen auch wieder nicht über 1O Denn von dem leidigen Umstand, daß die betreffenden Lrkunden
selten vollständig überliefert sind, einmal ganz abgesehen,
sie das
Programm eines griechischen Festes niemals umfassend; vieles konnte still schweigend vorausgesetzt werden, weil es in den hellenistischen Bürgerstaaten aJ.Ij�er:neln bekannt, zum Teil auch in schriftlichen Kodifikationen kultischer
Chaniotis 1995. Die fehlende zeitliche
mOl11eren auch Gauthier
1996, 135 (dagegen wiederum Chaniotis 1998, 295, Nr.
und Chankowski 2005,
190f. VgL dazu den Überblick von Hölbl 1994, 69-110; 141-156; 228-270 sowie die Spezialstudie von Dunand 1980.
Am besten bekannt ist dte von dem Rhodier Kallixeinos (FGrH 697 F 2 = Athen. 5, 196A-203B) beschnebene Dlonysos-Prozession, die von Ptolemaios II. im Rahmen
Ptolemaieia veranstaltet wurde;
dazu Dunand 1981 ;
Rice 1983; Hesberg 1989; Walbank 1996; Thotupson 2000.
Abzulesen auch an der von Atheruuos in engem Anschluß an Polyblos (Athen. 5, 194C-195D + Diod. 31,16,2
war. Solche "heiligen Gesetze"
(Hieroi Nomot)
aber
zu
Volksbeschlüssen kaum j emals auf Stein ge:5Cl:1lne 1I und sind darum bis auf geringfügige Reste verloren. Im übrigen liegt auf der Hand, daß Volksbeschlüsse normative Quellen sind; sie sprechen aus, was zu einem bestimmten Zeitpunkt der Wille des Volkes war. Ob dieser Wille über
VgL dazu Boiy 2004, 277-287.
der 279/278 eingerichteten
Normen wurden im
=
längere Zeit konstant blieb und tatsächlich umgesetzt \vurde, kann darum in der Regel erst dann entschieden werden, wenn eine Reihe von Zeugnissen die sich auf dasselbe Fest beziehen; dieser glückliche Fall ist jedoch auch im Hellenismus nur selten gegeben.
Pol. 30,25,1-26,4) beschriebenen Parade, die
Antiochos IV. nach dem "Sieg" über Ptolemaios VI. in Daphne veranstaltete, wahrscheinlich im Rahmen des dort gefeierten
dazu zuletzt Mittag
2006,282-295 (mit der älteren Literatur). Ich habe diese Unterscheidung an anderem Ort näher ausgeführt: Wiemer 2009; mißachtet W1!d der Unterschied z.B. von Köhler 1996, dem Chaniotis 1997a, 246f.
trotz der an anderem Ort (Charuotis 1997b) geübten scharfen und berechtigten
10 11
Kritik in dtesem Punkt zu folgen geneigt scheint.
V gl. dazu die lehrreichen Ausführungen von Chankowski 2005, bes. 192-202. Dazu Näheres in Wtemer 2003, 271f. mit Anm. 61.
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
Hans-Ulrich Wiemer
86
87
noch ziemlich genau rekonstruieren, wie diese Gesandten argumentierten, als
2. Magnesia am Mäander
sie ihr Anliegen in der Volksversammlung griechischer Bürgerstaaten vor
Wer die Bedeutung ermessen will, die Feste für das Geschichtsbewußtsein hellenistischer Bürgerstaaten hatten, kommt rucht umhin, auf das Beispiel Magnesia am Mäander einzugehen. Die Magneten hatten bereits im Jahre
trugen: 1 8 Neben der Autorität des Orakels von Delphi, auf das sie Sich immer wieder beriefen, 1 9 führten sie zwei stets wiederkehrende Argumente an, die die Gegenwart auf spezifische Art und Weise mit der Vergangenheit verknüpften.
dem Fest der Hauptgottheit ihrer Stadt, der Artemis Leuko
Zum einen nämlich betonten sie in grauer Vorzeit begründete Verwandt
Gnechen Asiens einen Agon einrichteten, in welchem die Sieger mit Geld
und Unterstützung abzuleiten, etwa indem sie darauf hinwiesen, daß der von
221 /220 versucht,
2 phryene, 1 zu überregionaler Anerkennung zu verhelfen, indem sie für die preisen belohnt wurden; dieser Versuch war aber ohne rechten Erfolg ge blieben. 1 3 Nachdem es der Nachbarin und Rivalin Milet jedoch gelungen war,
das in Didyma gefeierte Apollon-Fest in den Rang eines Kranzagons zu erhe ben, der nur alle vier Jahre gefeiert und von Gesandtschaften aus der gesamten 4 Ökumene besucht wurde, 1 unternahmen die Magneten einen neuen Anlauf. Nun sollte auch das Fest der Artemis Leukophryene alle vier Jahre in Ver bindung mit einem Kranzagon gefeiert werden. Da dies j edoch voraussetzte, daß sich möglichst viele griechische Staaten und Herrscher bereit erklärten, eine eigene Delegation zu diesem Fest zu entsenden und den Siegern dieselben Privilegien einzuräumen, wie sie Sieger bei den vier traditionellen panhelle nischen Agonen genossen, bedurfte es einer Werbekampagne, die mit großen Mühen und Kosten verbunden war. Die Magneten schickten im Jahre weniger als
20
208
schaftsverhältnisse, um daraus einen Anspruch auf wohlwollende Behandlung der Polis Same auf Kephallenia als Gründer verehrte Kephalos ein Neffe des O Magnes, des namengebenden Vorvaters der Magneten, gewesen sei? Zum an deren aber hoben sie hervor, daß die Griechen in der jüngeren und j üngsten Vergangenheit von den Magneten Wohltaten erfahren hätten, die es nun zu erwidern gelte; in derselben Absicht wurde dort, wo dies möglich und opportun war, zusätzlich auch auf konkrete Leistungen für einzelne Staaten hingewiesen. So war der Hinweis, daß die Magneten anderthalb Jahrhunderte zuvor
Jahre
Bürger- und Bundesstaaten sowie alle großen Könige erklärten
sich bereit, die schen
Leukophryena von
Pythia gleichzustellen. 16
nesias" (I.Magnesia 17 = FGrH 482 F 3) und das gefälschte Dekret des Kretischen
Bundes (I.Magnesia 20 = FGrH 482 F 4). Zur Interpretation vgL vor allem Gauthier
18 19
Grundungsgeschichte der Stadt eine zentrale Rolle (dazu unten Anm. 23). Nach
Plut. de Pyth. or. 1 6, 402A
delpluschen Apollon emer Mannschaft
14 15
16 17
9EtVat ,mv KU,OtKOUV,OlV l\criuv zu lesen
Herzog 1 905 = Syll.3 590. Zur Datierung Rigsby 1 996, 174-176.
Die Antwortbriefe und -beschlüsse sowie dIe sogenannte Stiftungsurkunde der 16 = Syll.3 557 = FGrH 482 F 2) liest man jetzt am besten bei Rigsby 1996, Nr. 66- 1 3 1 , doch fehlen dort die "Gründungsgeschichte Mag-
Leukophryena (I.Magnesia
beim Galliersturm 279 schickten sie nach
=
Syll.3 560
=
Rigsby 1 996, Nr.
dafür dreI Mainaden aus Theben (I.Magnesla 21 5 mit Henrichs 1978, 123-1 37); von 203/202
20
Aufgelistet bei Kern 1 901, 499-504.
Nach wie vor grundlegend Boesch 1908.
(uv9pdl1tOlV unupxut<;);
des Gottes von Delphi ein, um dIe Bedeutung emes Götterzeichens zu klären,
npO'n[ov upyuptl l,TjV uymvu
ist.
I.Magnesla T XXI unterstützten dIe Magneten den
gründeten auf Apollons Geheiß ein neues Heiligtum des Dionysos und importierten
DIe Vorgescluchte ist erst durch Ebert 1982 geklärt worden, der erkannte, daß m FGrH 482 F 2, Z. 1 6-17
=
3. Heiligen KrIeg gegen dIe Phoker durch die Entsendung
96, Z. 9; I.Magnesla 21 5a, Z. 1 4f.); zwischen 278 und ca. 250 holten sie ein Orakel
wo der alte Artemis-Tempel lag.
=
1m
eIgenem Bekunden ein Hilfskorps (I.Magnesla 46
Zum Namen vgL Kern 1 901, 508f. Kern leitete den Bemamen von dem Toponym
LMagnesia 16 = Syll.3 557
Die Stellen sind zu zahlreich, um hier aufgelistet zu werden; vgL das Regtster VI 1
Delplu ist auch sonst vielfach belegt: So SPIelt der Gott bereits in der ältesten
Leukophrys ab, der durch Xen. hell. 3,2,1 9; 4,8,17 als Name des Ortes bezeugt ist, 13
1972, 209-287; Jones 1 999, 50-65.
VgL zum folgenden bes. Curty 1 995, 107-129 und Gehrke 2001, bes. 287-306.
bel O. Kern, I.Magnesia, S. 228. DIe enge BeZIehung der Magneten zum Gott von
Magnesia am Mäander im Rang den delphi
Da die Magneten einen erheblichen Teil der positiven Bescheide, die ihre Gesandten mit nach Hause brachten, auf Stein verewigen ließen,1 7 können wir 12
bei der Abwehr des keltischen Angriffs auf Delphi geleistet hatten, 22
nicht
Festgesandtschaften aus, die fast die gesamte damals von
Osten, um für die Annahme der Leukophryena als panhellenisches Fest und 5 isopythischen Kranzagon zu werben. 1 Das Ergebnis konnte sich sehen lassen:
1 50
279
wohl allen Griechen als rühmliche Tat galt.
Griechen bewohnte Welt durchreisten, von Sizilien im Westen bis nach Iran im
Mehr als
300
Dareiken für die Ummauerung der neu gegründeten Stadt Megalopolis gestiftet 2 hatten, 1 nur in Arkadien von werbender Kraft, während die Hilfe, die sie im
21 22
bis
1 93/192
hatten
die
Magneten
einen
Sitz
in
der
Amphiktyonie inne: Lefevre 1998, 1 1 7f. VgL allgemein Wörrle 2000.
delphischen
LMagnesia 35 = Rigsby 1 996, Nr. 85, Z. 12-1 5: EI-HPUv{�UV'OlV I OE KUt nEpt ,u<; oiKElo,u,o<; ,u<; unupxoucru<; MUM'tOl<; n01:l KECPUAAUVU<; I KU,U ,UV crUYYEvElUV ,Uf! MuyvTjw<; KUt KECPUA.oU wil tl.Tjtovo<; flE'u nucru<; CPlAOI'tlf!tu<;. LMagnesia 38 = Syll.3 559 = fugsby 1996, Nr. 88, Z. 22-29.
LMagnesia 46 = Syll.3 560 = Rigsby 1996, Nr. 96, Z. 8-10: Ef!CPUv{�[UV'tE<; ,uvl ,u<; l\P,Ef![lOO<; EnlcpuvlElUV KUt ,uv YEYEV1]�[ulv I ßoa9Eluv uno ,[mlv n[plo[yovOlv u]{nmv
Hans-Ulnch Wlemer
88
89
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
Um ihrer Argumentation Nachdruck zu verleihen, führten die magnetischen
Gesandten ein ganzes Dossier von Texten mit sich, das ihre keineswegs kon kurrenzlose Version der magnetischen Geschichte23 stützen sollte: Zu ihnen
Die von über
1 50 griechischen Staaten
des Festes der
Artemis Leukophryene zum Kranzagon war ein eindrucksvoller Beweis für das
Ansehen der ß.iagneten und ihrer Stadtgötrin in der Ökumene griechischer
gehörte eine Geschichte Magnesias, die der aktuellen politischen Konstellation
Staaten und Könige. Die Erinnerung an diesen in der Geschichte der Stadt
zum Teil speziell Hit diesen Anlaß fabriziert hatte.25 So wies man einen
licht hatte, wurde in Magnesia auf
angepaßt war,24 aber auch Orakel und Beschlüsse griechischer Staaten, die man
einzigartigen Erfolg, aber zugleich auch an das Geschichtsbild, das ihn ermög
Beschluß vor, der so aussah, als sei er viele J ahrhunderte zuvor vom Kretischen
durch das Fest selbst in regelmäßigen Abständen erneuert und gefestigt. Bei der
Weise gehütet, vor allem aber
Bund gefaßt worden, als die Magneten von Kreta aus in ihre neue, kleinasia
ersten Feier der neuen, penteterischen Leukophryena müssen sich in Magnesia
verleihen, hatte man bei seiner Abfassung die typischen Formeln kretischer Ur
Jahre hinweg stets so viele waren, darf man schon wegen der wechselvollen
tische Fleimat aufbrachen; um ihm den
Anschein von Authentizität
zu
kunden benutzt, wie sie im Hellenismus gebräuchlich waren.26 Wie die
Resonanz auf die Werbekampagne der Magneten beweist, hat sich an solchen
Festgesandte aus über
1 50 griechischen Staaten getroffen haben. Ob es über die
Zeitläufte bezweifeln. Es besteht jedoch Grund zu der Annahme, daß das Fest
noch um die Mitte des
2.
Jahrhunderts mit Glanz gefeiert wurde, denn aus
Ungereimtheiten damals kaum jemand ernstlich gestört. Vor allem aber wurde
dieser Zeit datieren Dekrete, in denen drei attalidische Städte die Leukophryena
Urzeit überhaupt aktuelle Anspruche begründen lassen: Was für uns in Mythos
Leukophryena klar im Schatten der ephesischen Artemis-Feste, wenngleich der
niemals bezweifelt, daß sich aus einer in undeutlicher Ferne verschwimmenden und Geschichte zerfallt, war im öffentlichen Diskurs hellenistischer Staaten noch immer durch eine ununterbrochene Kette von Verwandtschaftsverhält
nissen einerseits und gegenseitigen Verpffichtungen andererseits verkrlüpft, wie
es bereits
in klassischer Zeit der Fall gewesen war.27
Agon noch in der Kaiserzeit ene bis ins
3.
ist 29 und das Bild der Artemis Leukophry
Jahrhundert n.Chr. hinein das häufigste Motiv der lokalen
Münzprägung blieb?O
Die Festgesandten, die nach Magnesia kamen, um die Leukophryena mitzu
feiern, gingen mit in der Prozession zum Heiligtum der Arternis, durchschritten
S[1<;] ,0 kpOv ,0 tv A!lA1j)[ols], VU(acruv'toov tv fUlXUU; 'tous ßup[ß]apous 't0[U]e; E1ttcrt[pu'tw]cruv'ta<; S1ti Ötap1tuyf]t .[mv tO]i} [O]sou XPT]}Ul,oov. Zu diesem Dossier vgl.
neben F. Jacoby, FGrH IIIb: Kommentar zu Nr. 297-607 (fe xt) , Leiden 1955, 38323
als isopythischen Kranzagon akzeptierten.28 In der Kaiserzeit standen die
387; dass. (Noten), Leiden 1 955, 225-228 vor allem Chaniotis 1 988, 34-41. In der ältesten, bei Arist. F 631 Rose = I.Magnesia T XX vorausgesetzten Version der Gründungsgeschichte, dte von Prinz 1 979, 1 1 1-121 scharfsinnig rekonstru1ert worden ist, stammten dte Magneten aus dem thessalischen Pherai, wurden von
dabei das Propylon, das die
mit dem Heiligtum verband, und beteiligten
sich an dem Opfer, das der Göttin dort an ihrem monumentalen Altar darge bracht wurde. In diesem Bereich war auch das Grab der Leukophryne zu
bestaunen, von der man
sie habe dem Stadtgründer Leukippos einst
mals die Ansiedlung ermöglicht, um ihn heiraten zu können. 3 ! Durch das
Bildprogramm
des
Tempelfrieses wurde der panhellenische Mythos
des
Kömg Admetos dem delphischen ApolIon geweiht und auf dessen Geheiß von Leukippos nach Klemasien geführt; die ZWlschenstanon Kreta fehlte damals noch, 24
statt.
und die Auswanderung fand vor dem Trojanischen
LMagnesia 1 7 = FGrH 482 F 3. Die Inschrift wurd e (mit grundlegendem Kommentar)
erstmals
herausgegeben
von
Kern
1 894
(dazu
Wilamowitz
Moellendorff 1 895 sowie vor allem Prinz 1979, 1 2 1 -1 37). Zum historischen Kontext
28
29
vgl. Dusanic 1 9 83, der jedoch die politische Komponente der Werbekampagne 25
26 ZI
überschätzt.
Sv€KOV'ra [1tO]A,[e]L
= FGrH 482 F 4; vgl. dazu Charuorls 1999, bes. 6 1 -64.
In den InstruktlOnen der milesischen als panhellenisches Fest anzuerkennen,
dte dIe Koer emlud, die
Didymeia
ähnliche GeSichtspunkte hervorge
hoben: die heilige Hochzeit von Zeus und Leto in Didyma, die Orakel ApolIons für
DrCl der bislang
Belege kommen von außerhalb der Stadt: IG XII 1, 73,
B, Z. 6 (Rhodos,
1 . Jh. n.Chr.); LDidyma 97, B, Z. 4; Robert/Robert 1972,
Nr. 366
eines kaiserzelthchen Athleten, Herkunft unbekannt). Die
anderen beiden stammen aus Magnesia selbst: LMagnesla 1 49
LM"agnesla 46 = Syll.3 560 = Rigsby 1 996, ::\lr. 96, Z. 12-1 6:
LMagnesla 20
die Kämge und die Wohltaten der Milesier für die anderen Gnechen: Svll. . 3 590 mIt Günther 1991, 100-107. LMagnesia 85-87 1 996, Nr. 129-131 .
=
lAG 62; LMagnesia
193. Tibenus hat den Antrag der Magneten auf Gewährung einer Neokorie wegen 30 31
der germgen
der Stadt abgelehnt: Tac. anno 4,55 .
Schultz 1975, 36f. Magnetische Tetradrachmen zeigen bereits um die Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. das Bild der Artemis: Jones 1 979. Clem. Alex. Protr. 29C
(= I.Magnesla T XA'V), der Sich auf den frühkaiserzeitlichen
Grammatiker Zenon aus Myndos beruft. Die Liebesgeschichte stcht bei Parthen. 5 LMagnesia T XXIV, wo der Name allerdmgs Leukophrye lautet und als Vater Mandrolytes genannt wird. Das Bild des Leukippos wurde städtische Münzen gesetzt: Schultz 1 975, 42.
111
der Kaiserzeit auch auf
90
Hans-Ulrich Wiemer
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
I<:ampfes gegen die Amazonen evoziert.32 Dieser Mythos dürfte in Magnesia
indessen auch lokale Assoziationen geweckt haben
für den aus Magnesia
stammenden Lokalhistoriker Possis ist elne "Amazonis" in mindestens drei
Büchern bezeugt -, wenngleich wir aufgrund fehlender Überlieferung nicht mehr erkennen können, in welcher Weise er in das Geschichtsbewußtsein der Magneten integriert war.33 Möglicherweise wurden bel dieser
auch
Episoden aus dem Leben der Göttin in Form eines kultischen Dramas
lnSZel11el:t, das im Westgtebel des Artemis-Tempels vor den drei dort befind lichen Türen aufgeführt "lurde.34
Sicher ist jedenfalls, daß der Festgemeinde auf den Wänden einer Stoa in
der Südwestecke der Agora nicht bloß an die
100 Episteln und Dekrete griechi-
scher Könige und Bürgerstaaten vor
panhellenisches Fest akzeptiert
91
standen, die die
Leukophryena
als
sondern auch ein Bericht über die
Stiftung des Festes sowie ausgewählte Dokumente, darunter eine Grundungsgeschichte Magnesias, die bei der
Werbekampagne verwendet daß sich auf dem ca.
worden \varen.35 Weiterhin ist davon
1 8.000
m2 großen Platz eine Vielzahl von heute verlorenen Statuen befand, die die
Erinnerung an verdiente Mitbürger und
Wohltäter wachhielten,
die auf den Basen standen.
indem sie den Blick auf Ehreninschriften
Schließlich \\rurden im Rahmen des Festes zweifellos auch Reden gehalten, in denen die verwandtschaftlichen Verbindungen und glorreichen Taten der Mag
neten alle vier J ahre aufs neue beschworen vrurden.
Das im Kult der Artemis Leukophryene liegende Potential zur Konser
32 33
34
war damit jedoch noch nicht
vierung und Aktualisierung von
Herkenrath 1 902; Yaylah 1 976; Davesne 1 982. FGrH 480 F 2. Wenn Demetnos von Skepsis bei Strab. 1 2,3,22, 551 C polemisiert, hat dieser - miinnhche! Amazonen bei Magnesla und Priene, lokaliSIert. Amazonen sInd u.a. in Ephesos als eponyme HerOlllen bezeugt; vgl. Blok 1 997. So jetzt Held 2005, bes. 1 4 1 f.; 147ff. Ephesische Münzen Giebelfeld des dorugen Artemis·Tempels, das ebenfalls ll11t Öffnungen versehen war. - Bingöl 1 999 und 2007, 67-73 nimmt dagegen an, dIe GIebeltüren seien bei Vollmond geoffnet worden, damit das Mondlicht die Kultstatue ansttahlte und dadurch Gläubigen, die vor der Tür des Pronaos versammelt waren, den spricht llld essen Eindruck vermittelte, die Göttin "erscheine". Gegen diese eine Reihe von Gründen: DIe Statue, deren Maße unbekannt wäre j edenfalls nach der auf Carl Humann zurückgehenden Rekonstruktion des Tempels auch bei Vollmond allenfalls teilweise erleuchtet worden. Zudem dIe Erklärung nicht für das Artell11sion von Ephesos, wo das Kultbild 1ll einem Natskos aufgestellt war; Schließlich fehlt eine Beleuchtung vom Tempelgiebel aus 1st hIer jeder Hlllwels darauf, daß kultische Handlungen für Artemls bei Volksbeschluß über Vollmond vollzogen wurden; in dem von Bingöl das Fest des Zeus Sosipolis (I.Magnesia 98 SylI.3 589 LSA 32, Z. 1 5) wlId das Opfer keineswegs auf Vollmond, sondern auf Neumond terminiert (tv -n)l vOUJ.L'ljVUll) ; obendrein geht es hier eben mcht um den Kult der Attemis Leukophryene, sondern um den des Zeus Sosipolis. gezeigt (so zuerst man habe in der mittleren GIebeltür die Kultstatue der von Hommel 1 957, 29ff.), andeutungsweise Humann 1 904, 64 Anm. 1 ; spricht zum emen das Fehlen von Treppenanlagen im Baubefund und zum anderen die Tatsache, daß die beiden seitlichen Türen so nicht erklärt werden können. Für die von Humann postulierte Verbindung dieser ll11t dem "Elllführungsfest" fehlt ein konkreter Anhaltspunkt, weil in der Stiftungsurkunde für dIeses Fest (I.Magnesia 1 00 SylJ.3 695 LSA 33, Z. 1 2) zwar von einer göttlichen Eingebung und für das Volk (Oda<; m1.1tVola<; Kill 1tllpamM� ')'cVO;u3vrJS ,&1 oVj.Utllvtl nl"Ost) die 1St, diese "Eplpharue" aber den Entschluß mOtiVIert, den Tempel wlederherzustellen; es also nicht um eme alljährlich wiederholte Zeremonie.
erschöpft. Als die Bauarbeiten an dem neuen, von dem Architekten Herrno
genes entworfenen Artemis-Tempel, dem viertgrößten Kleinasiens, am Ende des
3.
Jahrhunderts so weit fortgeschritten waren,36 daß die Kultstatue in des
sen Cella aufgestellt werden konnte, beschlossen die Magneten, das Bild der
Göttin, die im Aussehen der
Artemis glich,3? feierlich in den neuen
Tempel zu überführen. Die Überführung sollte am Geburtstag der Göttin, dem
6. Artemision, stattflnden,38 und dieser
mit dem Namen Eisitma
35
36
37
38
39
sollte künftig alljährlich als Festtag begangen werden.39
O. Kern, LMagnesla, S. 1 1 - 1 2 zu Nt. 1 6 sowie Abb. I + 11. Zur Datierung des und seines Architekten vgl. die überzeugende durch Kreeb 1 990. Gauthier 1 990, 63 Anm. 7 Interpretation der datiert das erste Dekret das Ende des 3. Jal1thunderts, das zweite auf die Jahre nach 1 80; ähnlich Gros 1 978, der das Epitheton N11O'](jlOPOS, das Artemis nur auf den SIeg über Antiochos IH. bei Magnesia am im zweiten Dekret Slpylos bezleht, die Magneten am Mäander SIch dem römischen und dadurch eme ehrenvolle Behandlung und die Feldherm Ludus Sdpio Anerkennung der Asylie des Attemis-Heiligmms erlangt hatten: Liv. 37,45; Tac. anno wohl der auf den "SIeg" 1m Krieg gegen l'vlllet (Syll.3 3,62. ).loch näher 588), wenn dieser 1 88 anzusetzen ist, was freJ!ich neuerdings wieder in Frage gestellt wird und derZeit wohl rucht abschließend geklärt werden kann ; vgl. die gegensätzlichen Positionen von Wörrle 2004 und Habicht 2005. Die Arte1D1s trug ein enges, steh nach unten verjüngendes Gewand Brustbehang und einen zylindrischen Kopfschmuck (Epentfytes), einen mit Taf. 6 1 -63. (Polos): Fleischer 1 973, Nach Diog. Laert. 2,44 melllten die Deller, ArtemlS seI am 6. Thargehon gC1JVIC;1l, nach Procl. in Tim. 200d war der Göttin jeder sechste Tag eines Monats !4'O>Helll!4" lVHlgIlLeSl.a am Mäander dürfte ihr Geburtstag daher auf den sechsten UCIJ
Dieses im selben Monat wie die zu
Neue Feste
Hans-Ulrich Wiemer
92
Leukophryena gefeierte
Fest war im U"" ):,C,u�;"LiC
letzterem eine rein lokale Angelegenheit. Während die penteterischen
phryena
Leuko
in hohem Maße der Außendarstellung der Polis Magnesia
waren die
Ezjiteria
ein
bei dem die Einwohner Magnesias unter sich
blieben. Sein ritueller Kern, der vermutlich viel älter war, bestand aus einer Prozession der magnetischen Frauen, die in das Heiligtum der Artemis zogen und der Göttin dort durch einen nicht näher beschriebenen "Beisitz" Ehre erwiesen; dabei fiel einem Jungfrauen-Chor die Aufgabe zu, Hymnen auf Ar 40 temis Leukophryene zu singen. An den Eisiteria hingegen, die auf dieses alte Frauenfest sozusagen aufgep fropft wurden, sollten nach dem Willen der Volks versammlung alle Einwohner der Polis teilnehmen. Aus diesem Grund durfte an diesem
weder
noch Unterricht erteilt werden; selbst die Skla
ven und Sklavinnen sollten von der Arbeit freigestellt sein. Obwohl die Auffor derung, das Fest der Einführung der Kultstatue der Artemis in ihre neue sich ausdrücklich an alle Personen richtete, die auf
Behausung mit zu
dem Territorium der Poli s
Magnesia lebten,
also
Fremde und Sklaven
einschloß, blieb das Fest eine Verans'taltung, die im Namen und zum Nutzen der Bürgerschaft ausgerichtet wurde. Dies muß allen Beteiligten klar gewesen sein, denn sie wurden am Festtag vor dem Rathaus und in Anwesenheit der Amtsträger der Polis aufgefordert, ein Gebet zu sprechen, in dem vom Segen der Göttin für die Magneten und ihre Frauen, aber niemanden sonst die Rede
neue Geschichtsbtlder?
93
sicht, die Erinnerung an diesen bedeutsamen Einschnitt in der Geschichte der Stadt zu verewigen, deutlich zum Ausdruck. Zugleich betonte man, daß man der Stadtlenkerin Artemis erfülle und eine 42 Beides fiel für
damit eine Verpflichtung
Tradition fortsetze, die man von den Vorvätern ererbt habe.
die Magneten letztlich zusammen, denn die '.vichtigste Lehre, die man aus der Vergangenheit zog, war eben die Verpflichtung, die ewigen Götter zu verehren. Diese hehren Grundsätze
zu
verkünden war nun freilich leichter, als sie Jahr
für Jahr in die Tat umzusetzen. Wir wissen nicht genau, woran genau es in 43 diesem Fall haperte. Jedenfalls kam das Thema einige J ahre, nachdem die Magneten die Einführung der
Eisiteria beschlossen hatten, erneut auf die
ordnung der Volksversammlung. Man s ah sich genötigt, den früheren Beschluß zu erneuern und seine inschriftliche Aufzeichnung
zu
veranlassen, und man
alljährlich gleich nach der Wahl der Artemis-
ordnete an, daß er Priesterin und des
Jahresbeamten verlesen werden solle; für
den Fall, daß dies unterblieb, drohte den zuständigen Amtsträgern eine hohe Geldstrafe . Schließlich wurden alle Haus- und Ladenbesitzer aufgefordert, am Festtag vor den Türen Altäre zu errichten und mit dem N amen der Göttin zu beschriften, freilich wagte man es nicht, bei Zuwiderhandlung mit Geldstrafen 44 zu drohen. Die Schwierigkeit, die gesamte Einwohnerschaft für ein neues und in seiner Ausgestaltung be scheidenes Fest zu mobilisieren, ist hier mit Händen zu greifen. Offenkundig war eben längst nicht jeder bereit, für die
Eisiteria Jahr
war. Wörtlich hieß es: "Möge Artemis Leukophryene den Magneten und ihren
für Jahr Zeit und Geld zu opfern. Daher darf man wohl vermuten, daß die
Frauen Gesundheit und Reichtum gewähren, das bestehende Geschlecht vor Unheil bewahrt und das nachgeborene glücklich werden".4 1
des Volkes, aber ohne starke Beteiligung der Einwohnerschaft
Als die Bürgerschaft von Magnesia den Beschluß zur Einführung der
Eisiteria
faßte, brachte sie den Stolz auf den vorläufigen Abschluß eines
Bauprojektes, das sie über Jahrzehnte hinweg beschäftigt hatte, und die Ab-
40
41
T.Magnesia 100A = Syll.3 695A T.Magnesia 100A
=
:=
LSA 33A, Z. 26-29.
Syll.3 695A = LSA 33A, Z. 36-48, wo
lJ1
Eisiteria im
Laufe der Zeit
Wenn dies so
war ,
zu
einem Fest verkümmerten, das zwar im Namen wurde.
dürfte auch die Erinnerung an die feierliche Einführung der
Kultstatue allmählich verblaßt und aus dem Bewußtsein breiter I
Z. 41-42 mit Gauthier
1 990 rucht /-UITu ['tmv naijorov, sondern J.lC'tu [07tov]omv zu lesen ist; das Gebet steht in Z. 43-48. Die Aufforderung, alle Einwohner sollten vor ihren Häusern und Läden Altäre errichten und darauf Opfer darbringen, wird
im Regest,
das dem Dossier rur
dte inschriftliche Publikation vorangestellt wurde, wiederholt: Z. 7-10. In dem einige Zeit
fixierten Gebet, das bel der Weihe des Stiers rur Zeus Sosipolis von
42 43
jedem
dessen Priester gemeinsam mit der Pnestertn der Artemis Leukophryene, dem am
Leben waren, sowie den ,vichtigsten
erflehte man Frieden, Wohlstand und reichliches Wachstum anderen Früchte und Nutztiere dagegen nicht bloß für die
samt ihren Frauen
und Kindern, sondern ausdrücklich auch fUr die anderen Einwohner der Stadt und ihrer Gemarkung: Syll.3 589 = LSA 32, Z. 21-3 1 .
Leukaphryena den Eisiteria in
Konkurrenz machten, ist nicht auszuschließen
die motivierende
scheinlich; der ursprüngliche Volksbeschluß über die Eistteria sollte alljährlich
wurde, und aller
Syll.3 695A = LSA 33A, Z. 1 2- 1 8.
Präambel des zweIten Dekrets 1st leider verloren -, aber doch eher unwahr
Herold, dem Stephanephoren, je neun Knaben und Mädchen, deren Eltern noch
LMagnesia lOOA
Daß man sich erst nachträglich bewußt wurde, daß dte
44
verlesen werden. I.Magnesia 1 00B
Syll.3 695B
:=
LSA 33B, wo in Z. 23-24 IIllt Pelekidis 1 956 t&v
[00 .mv l]epmv n[pocrolll>rov zu lesen ist. Zu Hausaltären vgl. Robert 1 966, bes. 1 86f.; 1 90f.; auch in: Robert 1 990, 6 1 Of.; 6 14f.
Neue Feste
Hans�Ulrich Wiemer
94
neue Geschichtsbilder?
95
3. Bargylia
Himmel stehenden, altertümlichen Kultstatue erzählte man, d a ß sie niemals 52 von Regen oder Schnee benetzt werde.
Bargylia, gelegen an der Küste des südwestlichen Kleinasien zwischen Iasos und Myndos, war einer der zahlreichen griechischen Bürgerstaaten, die in der
Polybios hat sich über diese Art von Wunderglauben mokiert und Historio 53 graphen, die solche (�eschichten in ihre Werke aufnahmen, scharf getadelt. In
großen Politik der klassischen und hellenistischen Zeit niemals eine selbstän 45 Dementsprechend spärlich sind unsere dige Rolle zu spielen vermochten.
Kenntnisse über seine äußere Geschichte: Wir wissen, daß die Stadt ma kedonischen Truppen als Stützpunkt diente, als Philipp V. im Jahre 201 nach 46 K.arien kam, die erst 1 96 auf römischen Befehl abzogen, und daß sie nach dem Tode Attalos' In. im Jahre 1 33 die Römer gegen Aristonikos und seine 47 Anhänger unterstützte. Auch die Kontakte zu anderen griechischen 48 staaten reichten kaum über das westliche Kleinasien hinaus. Das erhebende
Gefühl, ihre Stadt sei der Mittelpunkt eines die gesamte Ökumene umspannen das den Magneten am Mäander durch die Feier der den
Leukophryena
immer wieder vermittelt ,,'Urde, war den Bargy
Gleichwohl bildet auch hier ein Artemis-Kult den Identität, der jedoch im Gegensatz zu Magnesia weit 49 wurde, außerhalb der Stadtmauern an einem Ort namens Kindya weshalb die dort verehrte Göttin Artemis Klndyas hieß. Diese Göttin war der 5o ganze Stolz der Bargylieten. Man stellte sie sich als eine mit langem Chiton, einem engen sich nach unten verjüngenden Gewand (Epen4Jtes) und einem kapuzenartig über den Kopf gezogenen Mantel bekleidete und über der Brust gefesselte Frau vor und schmückte die seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. geprägten 51 Silber- und Bronzemünzen der Stadt mit ihrem Bild. Von ihrer unter freiem
Bargylia dürfte dIese Kntik auf
Gegenliebe gestoßen sein, wenn man sie
denn überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Ein in den Jahren
1 995
bis
2000
sukzessive bekannt gewo.rdenes Dossier, das aus substantiellen Überresten drei 54 läßt mit großer Deutlichkeit er besteht, er Volksbeschlüsse von kennen, daß die Beziehung zu dieser Gottheit noch im späten
2.
Jahrhundert
den allgemein anerkannten Bezugsrahmen bildete, in welchem die Bargylieten die Geschicke ihrer Stadt deuteten. Aus dem besagten Dossier geht nämlich hervor, daß die Bargylleten in einer akuten, militärischen Bedrohungssituation, zu der es wohl im Rahmen des Aristonikos-Krieges gekommen war, die Wrrk samkeit ihrer Göttin unmittelbar erfahren hatten; hellenistische Griechen 55 Als die Gefahr vorüber war, beschlossen
sprachen hier von einer Eplphanie.
die Bargylieten, der Göttin für die Rettung der Bürgerschaft aus höchster Not 56 Ob sie von Anfang an
durch ein Fest den gebührenden Dank abzustatten.
beabsichtigten, dieses Fest jährlich abzuhalten, ist unklar, doch muß dieser Ge danke sehr bald aufgekommen und in die Tat umgesetzt worden sein. Die Erinnerung an diese mit Hilfe der Göttin glücklich überstandene Existenzktise wurde damit
und die in enger zeitlicher Folge verabschiedeten
Volksbeschlüsse, die uns erhalten geblieben sind, legen von dem Bemühen Zeugnis ab, die Prozession und das anschließende Opfer möglichst prächtig auszugestalten und möglichst breite Kreise daran zu beteiligen. Nachdem man ursprünglich nur die Phylen als Untereinheiten der Bürgerschaft beauftragt hatte, Rinder zu
um sie in der Prozession vorzuführen ' wofür ihnen s7 man bald
Geld aus der Tempelkasse zur Verfügung gestellt wurde,
Zur Zeit Anuochos' I. scheint Bargylia unter seleubdJscher Herrschaft gestanden zu 426 LIasos 608) haben, wie aus dem Dekret für den Richter Tyron aus Teos SOWle aus Alexandet-Tetradrachmen hervorgeht, die die Kultstatue der Artenus als Beizeichen tragen: Seyrig 1964. Philipp V. w Bargylia: Polyb. 16, 24; Polyain. 4,18,2. l'vfakedorusche Garnison: Pol. 46 Liv. 32,33,6f.); Pol. 1 8,8,8f.; Gv. 33,18,1 8f.; Pol. 1 8,44,1-4; Llv. 1 8,2,3 Lentulus befreIt Bargylia: Pol. 1 8,48,2; Liv. 33,35,lf.; Plut. Titus 1 2,1. zusammen47 I.Iasos 612 nut Holleaux 1938, 1 79-198. Zum fassend Daubner 2006. Syll.3 426 = LIasos Dekrete für fremde Richter: LPriene 47 = I.Iasos 607 4S 608 (feos); lIasos 609 (Samos); 6 1 0 (Kyme). des Ortes, der 1m 5. Jahrhundert noch �"1lJ> "''' 'U.'5 gewesen war und dem 49 Zur Bean/Cook 1 957, Seebund einen höheren Tribut leistete als
45
50 51
96-99. Zu Ihrem Bild vgl. Jucker 1967; Fleischer 1 973, 223-229 nut Taf. 89 + 9 1 a-b. WeIser 1 985, 181-1 85.
52
Pol. 16,12; Strab. 14,2,20, 658A. S.v. Bargylia; Pol. 1 6,12. Reste ewer UrgeschIChte von Bargylia bewahrt Steph. ihr wurde dle Stadt von Bargylos, einem GeHihrten des Bellerophontes, gegriindet. 54 Edttionesprzncipes: Blümel 1995, 35-39, Nr. 1 + Blumel 1 997 + Blümel 2000; jetzt mit SEG 50, zahlreichen Verbesserungen zu lesen als SEG 45, 1 508A+B (zu Z. 1 -5 1 100) + SEG 50, 1 10 1 . Vgl. dazu den grundlegenden Kommentar von Zunmermann 2000, der jedoch den dritten Teil noch rucht kannte. 55 LIasos 613 mit Robert 1937, 459-465. 56 Daß es sich nicht um das Hauptfest der Artemis Kindyas gehandelt hat, das nach Ausweis von LIasos 607 = LPriene 47, Z. 16-1 7 bereits um 200 mit einem Agon verbunden war (vgl. auch SEG 38, 8 1 4, Z. 12-13), geht mit hinreichender Sicherheit daraus hervor, daß der Termin jeweils genau bezeichnet wird. 57 SEG 45, 1 508A, Z. 3-9 rnit Zimmermann 2000, 465-469. 53
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
Hans-Ulnch Wiemer
96
97
auch die in der Stadt ansässigen Fremden, an die man zunächst offenbar gar 58 schließlich
Feind erstand, den auch die Spartaner zu fürchten hatten; beide, Messenien und
zahlte man aus der Staatskasse für denselben Zweck auch an sechs Gruppen 59 von Amtsträgern einen Betrag von je 1 00 Drachmen. Die Prozession führte
dem Achäischen Bund angeschlossen.
nicht gedacht hatte, an der Mast von Rindern für diese Prozession;
aus der Stadt weit hinaus in das Heiligtum, wo die Rinder rituell geschlachtet wurden, und das Fest endete damit, daß man ihr Fleisch am Tag darauf, nach 60 der Rückkehr in die Stadt, auf der Agora gemeinschaftlich verzehrte. Die Bargylieten haben im dritten der drei erhaltenen Beschlüsse die Über zeugung ausgesprochen, daß die Göttin sich für die Ehren, die ihr mit dem neuen Fest erwiesen wutden, ihrerseits bereits wieder erkenntlich
Sparta, 'l.vurden schließlich zu Beginn des 2. Jahrhunderts gegen ihren Willen 64 Für die Messenier war die erzwungene
Mitgliedschaft im Achäischen Bund mit erheblichen Gebietseinbußen verbun� den: Man hatte schon früher Orte an der Westküste des Golfs von Asine an 65 Nach dem gescheiterten Versuch, sich von den Achäern
den Bund verloren.
loszusagen, mußte man nun auch Orte an der Ostgrenze der Pamisos-Ebene in 66 die Unabhängigkeit entlassen: Die Quellen nennen Thouria, Pherai und Abia. 67 Zu diesen Orten gehörte allem Anschein nach aber auch A.ndania, wo die
denn Stadt und Land seien in bester Verfassung, weil die Göttin, "Vorsorge
Messenier seit alters einen Mysterienkult feierten, von dem im folgenden die 68 Rede sein wird.
trägt, für die Angelegenheiten der Stadt insgesamt und auch im einzelnen für 61 Damit bestätigt sich
v.Chr. überwinden können, nachdem der Achäische Bund im Krieg gegen Rom
habe,
das Leben aller Bewohner der Stadt und des Landes".
noch einmal, daß das im Fest institutionalisierte Gedenken an diese glücklich überstandene Gefahr für die Bargylieten vor allem der Vergewisserung diente, daß die Gottheit auch
m
Die Messenier haben diesen Tiefpunkt ihrer Geschichte erst nach 146 eine katastrophale Niederlage erlitten hatte. Da man sich aus dem Krieg heraus 69 und auch
gehalten hatte, erlangte man den Status einer civifas libera ef immtJnis,
der Zukunft ihre schützende Hand über sie halten
würde, wie sie es in der Vergangenheit getan hatte.
64
Die Annälterung begann bere1ts am Ende des 3. Jahrhunderts, als sich Sparta der gegen die Achäer gerichteten messemsch-ätolischen Koalition anschloß (pol. 9,30,6;
16,1 3,3). Auf dieses Bündnis scheint sich em EpIgramm zu Ehren des Spartaners Damostratos zu beziehen, das auf einer Staruenbasis im Gymnasion von Messene
4. Messene
stand; es heißt dort, Damostratos habe "alten Haß in Freundschaft" verwandelt:
Das dritte und letzte Beispiel kommt aus Messene und führt uns in den späten 62 Hellenismus, in die späten 90er Jahre des 1 . Jahrhunderts v.Chr. Der Staat der
65
Messenier war im Jahre 369 mit thebanischer Hilfe gegen den erbitterten Widerstand Spartas gegtiindet worden und blieb bis weit in das 3. Jahrhundert hinein
durch
hartnäckige
Versuche
der Spartaner, Messenien zurückzu 63 gewinnen, in seiner Existenz bedroht. Die Mächte, bei denen man Rückhalt
gegen den spartanischen "Erbfeind" suchte, wechselten, nicht aber die anti spartanische Ausrichtung, bis den Messeniern im Achäischen Bund ein neuer
66 67
SEG 47, 390. Pylos gehörte dem Achäischen Bund spätestens 209 (Liv. 27,30,13), vielleicht schon 220 (poL 4,25,6) an, Asme vor 1 96 (poL 1 8,42,7), Korone vor 1 82 3 9,49,1 ; Syll.3 653 A 1 7 ; B 17); vgl. Roebuck 1941, 66-108, bes. 93f. mit Anm. 124; Meyer 1978, 270-278; Grandjean 2003, 225f. mit Anm. 2. Pol. 23,17,H.; Pausan. 4,29,12. LOlympla 46 IPArk 3 1 ; Strab. 8,3,6, 339A; 8,3,25, 350A (aus Demetrios von =
Skepsis). Zur Lage des Karnetaston, das bislang nicht sicher lokaliSiert werden konate, 68
vgL Deshours 2006, 52-55. Auf die VIel diskutierte Frage, welchen Göttern diese Mystenen kann
und
muß
hier
mcht
eingegangen
werden;
nach
den
vlurden, einleuchtenden
Darlegungen von D eshours 2006, bes. 200ff. handelte es sich im Kern um ein Fest der Demeter, der die Dioskuren als
"Große Götter" beigesellt waren. Die
58
SEG 45, 1 508B.
59 60
SEG 50, 1 101.
Umdeutung der "Großen Götter"
61
SEG 50, 1101, Z. 9-1 1: 0[(1 tO tllV tc 1tOAlV Kat t�V xropav Sv t�!
I Kalli<:mjl ctva! IhaSscrm 1tpovooUm]� lX1'rr�� nuv Tl: KOlV&V ti]� 1tOAcro� 1tpllYI-Ultrov Kai t&[v] I mt' lo!a{l}v
Welche Rolle dabei Apollon Kameios spielte, bleibt undurchsichtig, auch wenn ein
!;KUcrtOU ß{ou ,&v KU,OlKoUV1:rov t1\v 1:8 1tOAlV KUt n)v x@pav.
jetzt durch die Weihinschrift SEG 52, 412 schon um 300 v.Chr. gesichert ist.
62
63
rmr
erst bekannt
die "Großen Göttinnen" von Eleusis scheint
erst in der Kaiserzeit erfolgt zu sein und könnte gut eine Zutat des Pausanias sein.
SEG 45, 1 508A, Z. 9-13; 1508B, Z. 17f.; dazu Zimmermann 2000, 472-478.
Die umfassende und gründliche Studie von Deshours 2006 ist
1n
staatlJcher Kult des ApolIon Karneios, 1n welchem auch hieroi amtierten, fiir Messene
69
Wenn das in der Mystenenurkunde genannte "fünfundfünfzigste Jahr" (dazu unten
geworden, als dieser Aufsatz bereits geschneben war; dort ist auch die umfangreiche
Anm. 71) sich auf die achäische Ara bezicht, begannen die Messenier wie die Achäer
ältere Literatur zu den Mystenen verzeichnet und besprochen (S. 17-25).
im Jahre 146/145 oder 1 45 / 1 44 v.Chr. eine neue Ara; zum Anfangsdarum vgl.
Zur Geschichte Messeniens in hellenistischer Zelt vgl. neben den grundlegenden
Ferrary 1988, 189 mit Anm. 228. Eme Entscheidung des Mummius zugunsten der
Studien von Roebuck 1941, 58ff. und Meyer 1978, 263ff. jetzt vor allem Grandjean
2003; Luraghi 2008, 249-291 .
Messemer überliefern l.Olympla 52
Vgl. dazu
=
Syll.3 683, Z. 52-55 + 63-66; Tac. anno 4,43,3.
1996, 41 1 -413, Nr. 150.
Neue Feste
Hans-Ulrich Wiemer
98
Andania dürfte damals wieder messenisch geworden sein. Es dauerte jedoch
einige Jahrzehnte, bis man daran ging, den dort beheimateten Mysterienkult neu
zu organisieren. Nachdem die Messenier sich zuvor in Arg08 der Zustimmung 70 Apollons versichert hatten, beschlossen sie im Jahre 92/91 (oder 9 1 / 90) eine 7 grundlegende Reform, 1 deren Bestimmungen in einer Urkunde rut:derg!�le!st: wurden, die so ausführlich war, daß sie drei ganze Stelen füllte; zwei davon sind 7 erhalten geblieben und bieten Immerhin 1 94 Zeilen Text. 2 Aus dieser Urkunde ergibt sich das Bild eines mit Prozession, Opfer und Bankett, mit Reinigungs
und Initiationsriten sowie musischen Darbietungen verbundenen
das
zwar im Namen und Auftrag der Polis Messene ausgerichtet, aber auf allen
Ebenen von einer wohlhabenden Elite dominiert wurde . Die Organisation und
Aufsicht lag in den Händen eines exklusiven Personenkreises, der von den ein 73 fachen Mysten auch äußerlich abgesondert war. Detaillierte Aufwandsbe-
70
71
Ich halte
Urkunde fest, 1 390
Luraghi 2008, 294-300) an der traditionellen Datierung der
das im Text mehrfach genannte "fünfundfünfzigste Jahr" (lG V 1 ,
SylV 736, Z. 1 0-1 1 ; 52; 54; 90) auf eine mit dem Jahr 1 4 6 oder 1 4 5 v.Chr.
begulllende
.Ära
bezieht. Daß dte aktische Ära gemeInt ist, was auf das Jahr 24
n.Chr. führen würde, scheint mir schon deswegen werug wahrscheinlich, weil das argivlsche Orakel über die Mysterien, das ihrer Reform vorherglllg, um 1 00 v.ehr. aufgezeichnet worden sein dUrfte: Wilhelm Vollgraf, der die Inschrift erstmals edierte (Vollgraf 1909, 175), urteilte, daß die Schrift ins 2. oder 1. Jahrhundert v.Chr.
weise. Zudem dürfte das nach sprachlicher Form und institutionellem Verfahren mit der Mysterieninschrift eng verwandte Dossier über die
(lG V 1 ,
1432-1433 mit Wilhelm 1 9 1 4, bes. 7 1 -86 = Wilhelm 1984, bes. 72
schränkungen regelten die Art und den Wert der Kleidung, die im Heiligtum
getragen werden durfte, und verboten Goldschmuck, Schminke und auf wendige Frisuren?4 Die Größe der Zelte, die in dem etwa
Kilometer von
Die späthellenistischen Mysterien von Andania waren kein historischer
Gedenktag in dem Sinne, daß sie an ein bestimmtes Ereignis der Vergangenheit
erinnern sollten. Gleichwohl waren sie auf zweierlei Art und Weise aufs engste
mit dem Geschichtsbewußtsein der Messenier verbunden: Die Messenier
hatten sich nach der Gründung ihres Staates eine Pseudo-Historie zugelegt, die das Stigma, das in der Abkunft von Unfreien lag, tilgen sollte, indem sie die
gähnende Leere in der schriftlichen Überlieferung über ihr Volk mit Erzäh 77 lungen von einer harmonischen Urzeit und heldenmütigen I<ämpfen füllte. In
in die Zett
heimatete Mysterienkult eine prominente Rolle. Andania galt als die erste
den Residenz der messenischen Könige und als Heimat des größten 7 die Messenier vorweisen konnten, des Aristomenes, 8 unter dessen Führung sie Zeit erfolgreich Paroli geboten hatten, bis sie, besiegt
den Spartanern
durch Verrat, schließlich hatten aufgeben und die Heimat verlassen müssen. Die Prozession, die aus der Stadt Messene durch die stenyklarische
wo
die Vorfahren einst beim sogenannten Ebermal einen vielbesungenen Sieg über 7 die Spartaner errungen hatten, 9 ins Heiligtum von Andania war für die Teilnehmer also eine Reise zu einer geheiligten Stätte ihrer
zwischen 70 und 30 v.Chr gehören: ß,llgeotte 1997. IG V 1 , 1390
Syll.3 736 . Zu den Fundumständen der beiden Stelen und der
sollten;
des Dokuments vgl. Deshours 2006, 49-63. Der Beschluß war in die Form
eines ötnYPCl.I-lI-LCt
5; 25; 28; 95; 1 13; 1 82; 189; 1 90; 1 92) gekleidet; eine Abschrift
wurde von den VOIWöciK'tffi Messenes verwahrt (Z. 73
10
der Stadt Messene entfernten Heiligtum für die Dauer des Festes aufgeschlagen 7 werden d urften, war ebenso reglementiert wie die Art ihrer Möblierung, 5 und 76 auch für wohltemperierte Bäder und geheizte Massageräume war gesorgt.
dieser Pseudo-His torie spielten sowohl der Ort Andania als auch der dort be
dazu Pierart 1 990; Deshours 1 999; Deshours 2006, 66ff.
SylJ.3 735;
99
neue Geschtchtsbl1der?
1 1 2-1
und durfte von
jedermann eingesehen werden. Zur Organisation des Festes vgl. Deshours 2006, 77-97. Dem aus Männern und Frauen bestehenden Personenkreis, die in der Kultordnung als
Hierol und HIerai be
zeichnet werden, war mit Ausnahme der Kassenverwaltung, für die fünf für diesen Zweck
74 75 76 77
Amtsträger zuständtg waren (Z. 45-64), die gesamte Organisation
39-41)
Hieroi besaßen
20 von ilmen dienten als bewaffnete Festordner
ein Züchtigungsrecht (Z. und konnten
(strophlOn):
IG V 1, 1390
IG V i , 1390
IG V 1, 1390
Z. 1 77-179.
Syll.3 736, Z. 16-26. Syll.3 736, Z. 34-38. Syll.3 736, Z. 107- 1 1 1 .
Grundlegende Beiträge stammen von F. Jacoby, FGrH lIlA (Kommentar zu 262-
Pausanias' "Messenische Geschichte" liest man jetzt am besten in der vorzüglich
Tome IV: La Messenie. Text grec par M. Casevitz, traduit er commente par J.
trugen einen weißen Filzhut (Z. 13) und gingen i n der Prozession vor den einfachen am hetligen Festessen teil (Z. 95-99). Die
Haarband
kommentlerten Ausgabe der Collection Bude: Pausafllas, Description de la Grece,
1 16; 1 32),
31 -33); nur sie nahmen gemeinsam mit den Priestern und den Künstlern
konnten ebenfalls gewählt werden, mußten für die Wahl aber
296), Leiden 1943, 1 09ff., bes. 1 1 2-1 1 9; Pearson 1962; Deshours 2006, 1 67-212.
und Durchführung anvertraut. Die Mitglieder dieses "Organisationskomittees" wurden aus einem schriftlich definierten Personenkrets ausgelost
Hieroi unter 40
eigens nominIert werden (Z. 1 1 6-170). Die "Zehn" trugen ein purpurfarbenes
78
79
Pans 2005. Pausan. 4,15,7.
Pausan. 4,1 5,8; 1 6,6. Hdt. 9,64 berichtet, daß die Messenier beim Aufstand von 464
Geldstrafen verhängen (Z. 75--80). Sie selbst unterstanden einem aus zehn Personen
Sv
bestehenden Gremium, dessen Mitglieder durch Wahl aus den über 40jährigen
des messenischen Königs Kresphontes (paus an. 4,3,7) und als Musrerungsplatz 1m
Bürgern bestellt wurden und nicht in zwei aufeinander
Jahren amtieren
Et!''VUII1..apo'i<;
300 Spartaner toteten. 5tenyklaros galt darüber hinaus als ReSIdenz
1 . Messenischen Kneg (pausan. 4,6,6).
Hans-Ulrich Wiemer
1 00
Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
Aber nicht bloß das Heiligtum, in welchem die Mysterien vollzogen wurden, war für die Messenier ein Erinnerungsort par excellence. Die Mysterien selbst waren ein untrennbarer Bestandteil der Vergangenheit, die sie für bedeutsam und verpflichtend hielten, und ihre Feier trug dazu bei, diese Vergangenheit immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Denn in der Vorstellung der Messenier worden, waren die Mysterien von Andania nicht bloß zur selben Zeit so als auch ihr Staat gegründet wurde. Vielmehr spielte der Kult auch in den heroischen Kämpfen gegen Sparta, wie die Pseudo-Historie sie prominente Rolle: Seine Hierophanten waren nach dem
1.
Ul![:;L\:ilUt:,
Messenischen
ins Exil nach Eleusis gegangen, aber zurückgekehrt, um den von Aristomenes 81 angeführten Freiheitskampf zu unterstützen; vor der Schlacht am Eberrnal, in der man es den Spartanern einmal richtig gezeigt hatte, waren sie zur Stelle 82
gewesen, um Aristomenes' Mannen zum Kampf anzuspornen. Vor allem aber galten die Kultordnungen als ein
das der große
Aristomenes hinterlassen hatte, weil er wußte, daß Messenien nicht verloren sei, 83 solange das Wissen um die Mysterien erhalten bleibe. Darum habe er die Kultordnung, bevor er seine Heimat verlassen mußte, auf Zinnrollen geschrie ben, diese in einem Krug geborgen und als ein Unterpfand des künftigen Wiederaufstiegs in der Erde vergraben. Die im Jahre
92/91
vorhandenen
101
5. Resümee Wir haben Feste von sehr unterschiedlicher Art und Bedeutung betrachtet, um zusam
festzustellen, wie Feiern und Erinnern in hellenistischen
menhingen. Dabei hat sich gezeigt, daß der Wille, die ganze Stadt im Fest zu vereinen, bis weit ins
2.
Jahrhundert vorhanden war, wenngleich seine
Umsetzung auf beträchtliche Schwierigkeiten stieß und sich eine allmähliche Öffnung für Fremde abzeichnet; erst im späthellenistischen Messene ließ sich die Vereinnahmung von Fest und Erinnerung durch eine exklusive jylinderheit beobachten.
D ementsprechend konnte
die Mehrheit der Teilnehmer die
Vergangenheit, an die man sich feiernd erinnerte, bis an die Schwelle zum späten Hellenismus durchaus als die ihre empfinden. Dieser Befund korreliert insofern mit der Entwicklung der politischen Institutionen in den drei unter suchten Poleis, als sich in den Quellen für das
Messenien eine 87 Die
Dominanz des Rates gegenüber der Volksversammlung abzeichnet.
Annahme, daß die politische Kultur der griechischen Bürgerstaaten sich erst im veränderte, bewährt sich also auch 88
Laufe des zweiten Jahrhunderts
im Bereich der Feste und Memorialpraktiken. Weiterhin hat sich
daß es keineswegs allein und oftmals auch nicht
heiligen Bücher galten als eine Abschrift eben dieser Zinnrollen, die man bei 84 der Gründung Messenes auf wunderbare Weise haben wollte,
in erster Linie die sogenannten historischen Gedenktage waren, die zur Aus
und der Krug, in welchem Aristomenes sie einst versteckt haben sollte, wurde
Biirgerstaaten beitrugen.
im Heiligtum von Andania noch zur Zeit des Pausanias wie eine Reliquie vor 85 gezeigt. Die Mysterien zu feiern bedeutete demnach nicht bloß, der Vorfahren zu gedenken, um ihnen nachzueifern, sondern zugleich auch, den 86 Glauben an die Unzerstörbarkeit Messeniens zu
formung und b eständigen 89
des Geschichtsbev;rußtseins griechischer verbunden waren, das sich rasch als ephemer
bestimmten historischen
erweisen konnte, für ein schnelles Veralten besonders anfällig. So mancher worden war, erw-ies sich bald darauf
König, der eben noch als
als gleichgültig oder machtlos, wenn er sich nicht sogar als "Tyrann" entpuppte.
87
Vgl. dazu jetzt FröhlIch
1 999. Aus der Mysterieninschrift IG V 1 , 1 390 = Syll.3 736
(synhedrot)
geht hervor, daß die "Fünf" kontrollieren
80 81
82 83
84 85 86
.
Pausan.
Daß dJe J\1ysterien von Andania bis ins
wurden, bezeugt Pausanias
augusteischer Zeit übernahm ein Ratssekretär die Aufgabe, eine Subskription zu organisieren: SEG
2. nachchristliche Jahrhundert gefeIert
(4,33,4-6); etwa zur selben Zeit ehrte die Provinzial
1 992, 55-59, Nr. 22. Für Thouria, dessen
35, 343 mit
Instimtionen denen der Stadt Messene anscheinend sehr ähnlich waren
736, Z. 1 2-13.
versammlung von Achaia einen Priester der "Großen Götter" von Andania: SEG
1 1, 984.
nicht bloß die Kassenführung der
sondern auch Zusätze zum diagram?lJa beschheßen (Z.
Verwendung städtischer Gelder entscheiden dürfen 1 85f.) und vor allem ilber (Z. 57; 89). Zudem das zweite Ehrendekret für den Ratssekretar Anstokles, selbst bestellten (IG V 1, 1 432, Z. 22f.) In daß die synhedroi mren
Pausan. 4,1 ,2;
2,6; 3,7. 4,1 7,7. Pausan. 4,16,1 ; 6. Pausan. 4,20,3-4. Pausan. 4,26,5-8; 27,5; IG V I , 1 390 Pausan. 4,33,5.
deswegen, weil sie mit einem
Sie waren
verwendete dIeselben
89
1 386, Z. 3; 1 2)
-,
-
man
ergibt sich rue starke
1 , 1 379 (mit 5 1 ; SEG 1 1, 974. Vgl. dazu dem "Klassiker" von Gautluer 1 985 jetzt auch die bel Fröhlich/Müller 2005 gesammelten Beiträge. Zu Ihnen Chaniotis 1 991 . Stellung der
88
synhedror mit
(IG V I ,
Robert
1 928);
auch SEG
Deutlichkeit aus dem Dekret IG V
1 1 , 972
ISE
Neue Feste
Hans-Ulrich W1emer
102
die einer Gottheit von herausragender Bedeutung
Zudem besaßen
gewidmet waren, ein erheblich größeres Potential, sinnstiftend und handlungs orientierend zu wirken, weil sie viel besser geeignet waren, im gemeinsamen Gedenken den Bogen von der Urzeit, die den Zeitgenossen als Quelle und Maßstab ihrer eigenen Bestrebungen galt, hin zur Gegenwart zu schlagen. Für alle hier betrachteten Feste, auch und
für diejenigen, in denen
der Kult einer Gottheit mit der Erinnerung an ein bestimmtes
d er
jüngsten Vergangenheit verbunden war, gilt, daß die Vergegenwärtigung der Vergangenheit nicht bloß in kultische Handlungen eingebettet, sondern auch konzeptuell auf die ewige Macht der Götter bezogen blieb. Insofern bestätigen sie die Auffassung, daß die sinnstiftende Kraft der Polis-Religion auch im 90 Auch das Geschichtsbild, das durch die hier unter
Hellenismus fortdauerte.
suchten Feste vermittelt wurde, unterscheidet sich in seiner Struktur nicht von demj enigen, das bereits in klassischer Zeit vorherrschte. S chon damals hatte es
neue Geschichtsbilder?
103
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waren, mit einer Urgeschichte verknüpfte, die Sinnstiftung und Handlungs orientierung
zugleich
lieferte.
Die
im
Hellenismus
stark
zunehmende
Vernetzung der griechischen Bürgerstaaten führte j edoch dazu, daß Traditions bestände, die Aussicht auf gemeingriechische Anerkennung hatten, stärker akzentuiert wurden. Da sich j edoch Verdienste um alle Griechen aus der jünge ren und jüngsten Vergangenheit nicht beliebig vermehren ließen, hatte die verstärkte Einbindung in die griechische Ökumene
ein starkes Wachstum
urzeitlicher Überlieferungen zur Folge, die durch überregionale Feste sowohl nach innen als auch nach außen vermittelt wurden.
EA 28,
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aru
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Neue Feste - neue Geschichtsbilder?
Hans-Ulrlch Wiemer
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1. Ein rätselhaftes Fest Unser Wissen über die
Poplifugia
ist begrenzt. Da wäre zunächst einmal der
Name selbst, der offensichtlich ,Volks flucht' zu bedeuten scheint. Dann der Termin: Das Fest wurde am
5.
Juli eines jeden Jahres gefeiert. Schließlich
Fragmente des Rituals: Männer, die die Stadt verlassen, nicht in feierlicher
Prozession, sondern ungeordnet, dichtgedrängt, und die sich dabei gebräuch liche
römische
Vornamen
zurufen,
wie
Gaius,
Marcus,
Lucius.
Beim
mit den
Nonae Caprotinae,
einem
Ziegensumpf auf dem Marsfeld findet das Opfer statt.l Das ist schon alles, was
wir wissen. Plutarch verbindet die zwei Tage später, am
7.
Poplifugia
Juli, ebenfalls auf dem Marsfeld gefeierten Fest. Viel
hilft das freilich nicht, da auch die
Nonae Caprotinae
weitgehend im dunkeln
bleiben: Sklavinnen, welche die Stola römischer Matronen tragen, aber gleich
zeitig
betteln,
die
Umstehenden
verspotten
und
einander
spielerisch
bekämpfen, bis sie zusammen mit den freien Frauen ein Festmahl in Hütten aus Feigenästen einnehmen. Überhaupt spielt der Feigenbaum eine zentrale Rolle, sein Saft hat mit dem Opfer für luno zu tun, wir wissen aber nicht, mwiefern, und seine Zweige werden als Ruten verwendet, wir wissen aber nicht, wozu?
Für aufmerksame Lektüre und anregende Kritik danke Ich Frank Bernstein. Fast. Maff. Iu!. 5; Fast. Arnit. Iul. 5; Fast. Ant. min. Iul. 5; Plut. Rom. 27,4; 29,2f.; 1 1 ; Plut. Cam. 33,7; DlOn. HaI. ant. 2,56,5; Varro ling. 6,18; Calp. hist. frg. 45 Chasslgnet (= Erg. 43 Peter = Macr. Sat. 3,2,14). Eme nützliche Quellenübersicht gIbt A. Degrassi, InscrIt XIII 2, p. 476f. Zum Tag des Festes vgl. Pfeilschifter 2008. Plut. Rom. 29,2; 9f.; Plut. Cam. 33,7f.; Plut. Numa 2,1; Plut. fort. Rom. 320c; Varro ling. 6,18; Macr. Sat. 1,11,36; 40; Auson. 14,16,9f. Green (= 13,23,9f. Prete); Ov. ars 2,257f.; Pol. Silv. Fast. Iu!. 7; [plut.] paralI. min. 313a; Querol. 74 Jacquemard-Le Saos; CIL IV 1555. Vgl. wiede= Degrassi, InscrIt XIII 2, p. 479-481. VIelleicht ist dIe nonaria, die bei Pers. 1 ,133 einen Phllosophen am Bart zieht, eine feIernde Sklavin (so Morice 1 890). Interessanterweise wird V. 25 ein Feigenbaum, eine caprzjicus, erwähnt, wenn auch in anderem Zusammenhang. Doch man kann schlecht an der Deutung der Scholien vorbei: Schol. Pers. z. St. und Schol. luv. 6,1 17 Wessner verstehen nonaria als Prostituierte. Zur Diskussion zuletzt Rüpke 1995, 558 Anm. 42; McGinn 2004, 1 49-1 51.
DIe Römer auf der Flucht
Rene Pfeilschifter
110 Man hat sich seit dem
1 9. Jahrhundert darum bemüht, aus
diesen Bruchstücken
das Ensemble der Rituale zu erschließen und deren ursprünglichen Sinn zu anderen wurden eine Markierung von Himmels
erfassen. Neben
111
rituellen Geschehens wesendich über den von Bremmer erreichten Stand
hinauszukommen. Ich will statt dessen die Geschichten untersuchen, die sich
um
die
Poplifugja
ranken, Geschichten über die Zeit des Romulus und des
phänomenen,3 der Jahreszeiten4 oder des Kalenders5 vorgeschlagen, eine
Camillus, welche ihrerseits den Ursprung des Festes erklären, und dies zwar auf
sogar ein Regenzauber9 und schließlich Krise und Wiederherstellung der
�u;=,'�"�U
6 eine symbolische Reinigung,7 ein Fruchtbarkeitsritus,8
Anrufung der
Gemeinschaft. lO Heute
man gewöhnlich nicht mehr
so
Fall ist das die Crt:sellschaft der mitderen und späten Republik, über die wit
wenigstens halbwegs aus zahlreichen anderen Quellen Bescheid wissen. In hat Jan Bremmer Elemente eines Inversionsrituals ausge dieser
macht, einer verkehrten Welt; diese Deutung legen vor allem die Sklavinnen im Gewand von Matronen nahe. Ähnlich wie bei den Saturnalien konnte sich
angestauter s07ialer Druck endaden, was letzdich die gewohnte gesellschafdiche !2
T.P. Wiseman hat in den Riten jüngst elementarere
Antriebe menschlichen Verhaltens entdeckt: Überall in Fest und Opfer findet er Hinweise auf das Liebesleben, und so mündet seine Interpretation in die Beschreibung einer C)e:x:o:cg1e.13
Wie auch immer man über diese Deutungen urteilt, sie erklären nur einzelne
rituelle Aspekte, und zwar vor allem solche der
Nonae Caprotinae.
Die
Poplifugja
bleiben im Schatten, und überhaupt ist unklar, worin ihre rituelle Verbindung
mit dem zwei
10 11 12
13
2. Mündlichkeit und Schriftlichkeit Aitiologische Mythen sagen uns wenig über die Anfange, aber viel über die '-,,; , "J.1'\..H«J. l,
"Interpretation lunaire": Drossart 1 974a; Dumezil 1 986, 271 -283. Erntefest: Fowler 1 899, 1 77f.; "mldsummer agncultural festival": Forsythe 1 994, 324; Bremmer 1 987b, 85. Sabbatucci 1999, 283-285. Kraus 1 953, 77f. Schwegler 1 853, 532-534; Fowler 1 899, 1 76; Palmer 1 974, 1 1 . Wissowa 1 9 1 2, 184; Frazer 1929, 343-356; Coarelli 1 997, 33-46 (fillt manch Polemlk gegen Bremmer 1 987b); Erkell berechngter Kritik, vor allem aber 1981, 38f. Otto 1905, 1 87-189; Robertson 1 987, 26f., 30-32, 35f., 38-41. Scheitern und Neuetabherung der Nonen: Rüpke 1 995, 560f.; "CriSl totale dell'organizzazione comunitaria": Coarelli 1 997, 23-27. Wie sehr Rückschlüsse von den (vermeintlichen) Anfangen auf das hlstonsch faßbare Rom in die Irre fuhren, hat Beard 1987, l f. knapp skizziert. schon Graf 1 985, 310. Einen Überblick über Bremmer 1 987b, 76-83, 85-88. Kenner 1 970, 82-95; zur Analyse Versnel entsprechende Feste in der 1 987, 1 35-139. Wiseman 2004, 1 72; Wlseman 1 998, 68.
in der sie erfunden werden,14 Nicholas Horsfall hat von ,sekun
gesprochen, erdacht für Rezitationen und ausgestattet mit, wenn
überhaupt, bescheidener sozialer Funktion. Gleichzeitig hat er die gelehrten Schreibtischinventionen der späten Republik abgesetzt von im Volk verbrei
teten, mündlich tradierten und l etzdich authentischeren Vorstellungen.15 Eine Unterscheidung
zwischen
den
intellektuellen
Erzeugnissen
von
und dem, was der ,Mann auf der Straße' glaubte, ist freilich zu
schematisch. Ich halte es durchaus für möglich, daß die römischen Literaten
mündlich kursierende Erzählungen aufgenommen und geformt haben, ähnlich
wie die Btüder Grimm es später mit ihren Märchen taten.!6 Das würde natür lich nicht auf
später stattfmdenden Fest besteht. Angesichts der Quellen
lage ist es meiner Meinung nach aber kaum möglich, durch eine Analyse des
4
spannender.
sehr nach
Ursprüngen im Morgengrauen der Geschichte als vielmehr nach der (oft von Festen für spätere Generationen. ! ! In diesem verschobenen)
Hierarchie
eine weniger wissenschafdiche Weise, als wit das heute versuchen, dafür aber
14
16
Aitiologie zutreffen, wohl nicht einmal auf eine Mehrzahl.
Zum Begnff knapp Graf 1 996, 1 25; zur Forsc:hungsgeschichte Graf 1 993, 31 -43. Horsfa1l 1 987, 1 für die Formuherung "litde or no 'soclal function'" unter Berufung auf Burkert 1 979, 2. Doch Burkert trennt bel weitem nicht so scharf wie Horsfall: "A tale 'created' that is, invented by an indIvidual author - may somehow become 'myth' 1f it becomes traditional, to be used as a means of communciation 1!l subsequent generanons, usually with same dlStortions and reelaborations". Vgl. ferner Burkert 1 993, 19f. Kritik an Horsfall üben auch Wiseman 1 994a, 25 und Beard 1993, 56-58. Rüpke 1 995, 4 12f. wiederum zeigt sich, unabhängig von dieser einer Breitenwirkung von Aitiologien. Diskussion, skeptisch Ich stelle tmr diese nicht so vor, daß man dem Volk emfach aufs Maul schaute und lediglich ein wenig stilistisch feilte. Hotsfall 1 987, 7 warnt vor einem Vergleich mit den Grimms, aber em Blick auf deren tatsächliche ArbeItsweise hilft durchaus weiter: DIe Brüder änderten ihre Quellen bei Bedarf inhaltlich stark ab, sie stützten sich in Umfang auf schriftliche Vorlagen, und was ihnen mündlich zugetragen sie fust nie dl!ekt vom Mann auf der Straße - oder von sondern vermittelt durch junge Damen des gehobenen weisen Märchenfrauen Bürgertums. Das läßt SIch nicht eins zu eins auf Rom übertragen, aber es sensides Übergangs von Mündlichkeit zu Schnftlichkeit oder bilisiert für die LlU"raIC�(e1lJ[e zum anderen. Zu den Grimms Rölleke 2004, 38-41, 47-68, 1 993, 40-49; Bluhm 1995, 4-24.
Die Römer auf der Flucht
Rene Pfeilschifter
1 12
Aber warum sollte man die Existenz solcher Einflüsse von vornherein aus zweifellos über eine reichhaltige mündliche
schließen? Die Römer Kultur. J7
Allerdings, viel mehr als die Tatsache, daß es sie gegeben hat, wissen wir
nicht. Und was wir vielleicht von ihr in schriftlicher Form haben, läßt sich nicht
eine solche Analyse sind besser, weil das Ausgangsprodukt
113
die literarischen
Mythen - in diesem Falle ja bekannt ist und es sich leichter nach tatsächlichen Folgen und Wixkungen forschen läßt als nach möglichen Grundlagen und
Ursachen. Dies will ich im Folgenden versuchen, zunächst in Form allgemeiner
Überlegungen, dann anhand des Beispiels der
Poplifugia.
als Überbleibsel verifizieren. Die republikanische Geschichtsschreibung und die antiquarische Literatur, zwei unserer Hauptquellengattungen für aitiologische Mythen, sind nur in Trümmern erhalten, und auf Authentifikationsbekun
dungen, �wie sie uns die Dichtung liefert
[... )'),
(a
la ,ein alter Mann hat mit erzählt
sollte man besser nicht bauen.18 Wir verfUgen (noch?) nicht über das
methodische Instrumentarium, aus diesem Bestand die mündlichen Mythen zu rekonstruieren.19 Gleichzeitig fehlt uns eine antike Beschreibung d er Kultur der römischen Plebs. Deshalb läßt sich die ,Grimmsehe Vermutung' leider nicht erhärten, und man kann auf diesem Fundament keine These wagen. Wir müs
akzeptieren, in dem sie uns überliefert
sen die Mythen in dem
sind, eben als Literatur. Ihre Quellen können wir nicht fassen. Möglichkeit der Beeinflussung:
Nun gibt es freilich noch die
Die Schreibtischinventionen hinterließen ihrerseits einen dauerhaften Eindruck bei breiteren Schichten des römischen Volkes. In diesem Fall hätten sie durch
3. Alte und neue Feste ist also nach der sozialen Funktion literarischer Ainologie. In einem
Zu
ist Horsfall zweifellos rechtzugeben: Römische Ursprungsmythen besitzen eine derart starke literarische Formung, daß sie oft nur wie eine spielerische Beschäftigung weniger Intellektueller mit der Vergangenheit wixken. Vor allem dies für Ovids
Fasti.
Doch hier ist sofort anzumerken, daß
dieser
Schriftsteller gelesen werden wollte. Er schrieb nicht nur fUr die Bibliotheks
sondern für die Salons und für die gehobene Unterhaltung. Dieser
Gedanke macht sein Werk zwar noch nicht massentauglich, aber er unter streicht, daß immerhin eine breite Elite sich für dergleichen interessierte.
Aufschlußreich sind die Anlässe, an die Ovid seine Aitiologien knüpft.
aus eine gewisse gesellschaftliche Relevanz besessen?O Die Bedingungen rur
Neben Sternbildern, Namen, Bräuchen und Tempelweihungen erklärt er alte,
17
dieser Gelegenheit verrichteten rituellen Handlungen, die eben deswegen der
Was
WIf
c nvlvail
o
18
von ihr wissen, hat Horsfall 2003 souverän dargestellt. Zu den
a vgl. den Überblick von
cannina
Walter 2004, 70-74, zu mündlichen Prophezeiungen
und Orakeln Wiseman 2006. Beispiele aus dem Beglaubigungsapparat von Ollids
Fasti:
2,584; 4,377f.; 4,683-690;
4,905-910; 6,21 9-226; 6,395-400. Skeptisch stimmt schon, daß in gleicher WelSe Götter als Gewährsleute herangezogen werden: 1 ,93-288; 1 ,659f.; 3,167-172; 4,1 91 -
schon seit
Erläuterung bedürfen. Die Feiern neuerer Art, die verschiedenen kommen
LudiApoilinares etwa, die nur einige Tage nach den Popiifugia stattfanden, am
6,655f.; 6,693-695; 6,80 1 -8 1 2. Zur literarischen Gestaltung dieser Passagen Rutledge
für die Masse der rönuschen Bevölkerung stehen karm als ein schriftstellernder
1 980. Allgemein zur Zwe:tfelhaftigkeit
Aristokrat.
Bekundungen Horsfall 1988, 32-34.
literarIsche fuuologle - und überhaupt Elitendiskurs über Ptivatansicht einzelner oder als Gespinst kleiner literarischer
sich
Anders Wiseman 1 994a, 34.
beiseite schieben läßt, bleibt der davon unberührte ,einfache Mann' nicht zu
Vgl. nur die umsichtigen Bemerkungen von Horsfall 2003, 96-99. Insofern stimme
ich mit ihm durchaus überein, nur daß Ich glaube, daß die mündlichen Mythen fiir
Unrecht der Idealtypus des römischen Gliiubigen. Wenn aber plausibel gemacht
uns verloren smd, wahrend Horsfall 1 987, bes. 4f., 9 denkt, es habe sie gar nicht
werden kann, daß derartige Ursprungsgeschichten auf größere soziale Gruppen
(oder kaum) gegeben. T.P. Wiseman, der
wirkten, ändert sich das Bild.
der Gegenseite, hat fiir ihre
Existenz mit guten Gründen plädiert. Aber seine Versuche, sie aus den Quellen zu
dest:!lheren, haben mich bislang nicht überzeugt (s.o. Anm. 1 5 und u. Anm. 66 fiir 20
Ludi pubiici,
nur am Rande vor,21 und auch wenn wix außerhalb Ovids
suchen, finden wir lediglich einen rudimentären mythologischen Apparat. Über
die
1 96; 5,7-1 07; 5,194-376; 5,450; 5,637-662; 5,695-698; 6,1-100 ; 6,21 3f.; 6,251 -256;
19
im Kalender verzeichnete Feste, mit spezifischen, nur bei
seine Bemühungen um verlorene Bühnenstücke).
Erst das macht die j\..itiologien fiir den
1 987, 3 stellt fest: "In my view, there IS no reason (and, for
us,
auch Beard 1 993, 57. tnteressant. Beard to
the illiterate
mute) peasant as a truer representative of the Romanness of Roman
religion than Hellenized Roman intellectuals or Roman Greeks." Das ist richtig,
SOWeit es die einzelne Person betrifft. Aber nicht nur weil er unverbildet ist, gilt der
Bauer als authentischerer Vertteter des 'Römertums', sondern auch weil er viel eher
21
VgL die (tn der Verszuschretbung allzu großzügige) liste der Aitia in det! Loehr 1996, 98-1 10. Alle nut
(Megalesia,
F/ora/ia
Teil des Festgeschehens dar, und zwar einen, der lediglich im Fall
Mega/esia 4,179-392 - Ludi Mega/enses GenaZia 4,393-620; 4,679-7 1 2 - Ludi Ceriales Ludi Florales 4,946; 5,189(; 5,277-354
größere Aufmerksamkeit fmdet:
4,187f.; 4,326; 4,357f.; 4,377f.; 4,3 9 1 f. ; 4,679f.;
Farn bei
verknüpften Feste der ersten Jahreshälfte
werden von Oliid ausführlich gewürdigt, aber die Spiele
stellten nur einen der
Ludi
F/ora/ia
4,943-947; 5,1 83-378
(Wiseman 2002a, 296-298 glaubt tn v. 331-354 em Bühnenstück: zu erkennen). Zur
Untersche:tdung zwischen Ludi und Fest Bernstein 1 998, 1 68f., 191 f., 212-214.
Rene Pfellsdufter
1 14
1 3.
Juli, �wußte man zu erzählen, die Römer hätten während ewer der ersten
Feiern Hannibal dank der Hilfe Apollos so schnell von der Stadt vertrieben, und damit Frevel in den Spielen
daß sie rechtzeitig zurückkehrten, ohne
aufkommen zu lassen?2 Die anderen
selbst die ältesten, die
1ll
Romani,
falls überhaupt etwas bekannt
mußten mit weniger auskommen: Sie war,
1 15
Die Römer auf der Flucht
Reaktion auf einen Sieg, auf ungünstige Prophezeiungen, Dürren oder
Seuchen eingerichtet.23 Und, noch
selbst diese Anlässe spiegelten
sich im Ablauf der Feste nicht wider. Eine rituelle Performanz des Aition fand nicht statt.
Der Grund dafür scheint klar: Das Zeremoniell der
Triumphe, die zugegeben nicht so häufIg dafür eine weit höhere Frequenz besaßen
an die Leichenzüge, die denn auch in Rom war es leichter
zu sterben als zu ttiumphieren -, Leichenzüge, bei denen man nicht nur das
DeHlee der wiedererstandenen Ahnen des Betrauerten bestaunen und dem Lob
seiner Taten lauschen konnte, sonderu auf die später ebenfalls Spiele zur Kommemoration wie zum allgemeinen Ergötzen folgten sowie, als Höhepunkt,
Gladiatorenkämpfe. 27 Im
2.
J ahrhundert v.Chr. war Rom eben kein ärmlicher Arbeiter- und
Bauernstaat mehr, in dem man für jede Ablenkung dankbar sein mußte. mit dem feier
Ludi
Vielmehr gab es ein breites Tableau an Aktivitäten, die der einzelne gar nicht
lichen Umzug der GötterbIldrusse und mit dem Opfer war in seiner Bedeutung
vollständig wahrnehmen konnte. Man hatte zu wählen. Die traditionellen
nicht schwer zu verstehen, zudem wiederholte es sich bei jedem dieser Feste in
religiösen Feste hatten es angesichts der Konkurrenz schwer. Der Lauf der
spezieller Mythen bot die
ähnlicher Form?4 Für die Schaffung
rituelle Inszenierung also keinen Anlaß. Einen solchen Anlaß brauchte man
halbnackten, riemenschwingenden Luperci brachte noch genügend Schauwert 8 mit sich;2 die Prozession der Poplifugia mußte aber, verglichen mit einem
stücken, mit Pferde- und Wagenreunen, mit Tierhetzen, mit athletischen
lauthals Namen zu rufen mochte für den Moment Spaß machen, aber letztlich
auch gar nicht. Die
Ludi lockten
mit
Unterhaltung, mit Theater
Wettkämpfen, kurz: mit Spektakeln, die Entspannung, Spaß und natürlich Gemeinschaft versprachen.
Die Ludi boten
den
Fußball
der römischen
Circusbesuch, eher absonderlich wirken. In der Gruppe mitzulaufen und
handelte es sich doch um ein spannungsarmes und wenig abwechslungsreiches erf':l1u:geJEl. Also: warum sich die Mühe machen und
Weshalb über-
Republik, sie waren Selbstläufer, für die man nicht viel Werbung machen
haupt das Ganze? Der Sinn, den das Ritual auf einer frühen Stufe der sozialen
daß die statanschen, also die
vergessen, je dynamischer sich die Gesellschaft der mittleren Republik aus
mußte. Erfolgreiche Konzepte erkennt man vor allem daran, daß sie kopiert werden. Das schlug sich nicht nur darin
jedes Jahr wiederholten Spiele in ihrer Zahl ,vie in Ihrer Dauer wuchsen.25 Die
unregelmäßigen, entweder vom Senat veranlaßten oder von einzelnen Feld herren gelobten Votivspiele nahmen im
2. Jahrhundert v.Chr.
ebenfalls immer
mehr Raum im Jahreslauf ein; die Spiele letzterer Art sollten zudem den N amen 6 ihrer Veranstalter populär machen.2 Und da ich schon bei den nichtzyklischen Events bin: Es sei an die öffentlichen Speisungen des Volkes erinnert, an die
Macr, Sat. 1,17,25; Fest. p. 436-438 Lindsay; Servo Aen. 8,1 1 0. VgL Bernstein 1 998,
Entwicklung besessen hatte, wurde im kollektiven Gedächttlis um so schneller differenzierte. Was die Menschen nicht mehr verstehen, verliert an Bedeutung für sie. Der bloße Alterswert reicht nicht. Wenn man nicht weiß, was man droht die Gefahr, daß man überhaupt nicht mehr feiert.29 Diesen verlorenen Sinn versuchten die aitiologischen Mythen neu zu stiften:
Obskure Verrichtungen wurden einer breiten Ö ffentlichkeit wieder eingängig gemacht,
27
89, 1 83f.
wurden
DefIzite
im
Vergnügungswert
durch
die
Zu den öffenthwen Mählern zuletzt VÖSSlllg 2004, 1 89-192, 234-236, und Donahue 2004, 59-63; zum Tnumph Flalg 2003, 32-48 und Itgenshorst 2005, passim, bes.
Die Belege fmden sich bei Bernstein 1 998, 24, 1 57, 163, 1 7 1 , 1 79f., 1 93, 216,
1 89-218; zum Lelchenbegängrus Walter 2004, 89-108 und Flower 1 996, 9 1 - 1 58; zu
Dion. Ha!. ant, 2,1 9,4; 5,57,5; 7,72 (= Fab. Plct. hist.
den Gladlatorenkampfen Ville 1 9 8 1 , 42-46, 57-88.
Liv. 30,38,1 1 ;
20 Cllassignet ;:; 16 Peter);
Ov. am. 3,2,43-56; fast. 4,3 9 1 . Vgl. Bernstein 1998, 41 -44, 162f., 170f.,
1 82, 203f., 2 1 9 f., 254-267, 3 1 7, 341 -344 und jetzt Beck 2005, 90-96. Im Jahr 200 wurden etwa 20 Tage von vier Festen
es bereits 76 Tage bel acht Festen. VgL Th. Mommsen, Dabei Sind clie
Instauraftones, ganze oder partIelle
beim Tod Caesars waren
12
299; Taylor 1 937. Feste, noch gar
ruwt rmtgerechnet. Vgl. Horsfall 2003, 1 3. Eille Liste der VOll L1V1US erwähnten
instauraftonßs
gibt Cohee 1 9 94, 467f. Zu den Folgen der
allem auf die Jahre zVliswen etwa 220 und 173 konzentnerte, fiir
26
gleichzeitig
28 29
Zwn Ritual Ulf 1 9 82, 29-78; Wiseman 1 995b, 80-84; zur Popularität bis ins 5. Jahrhundert n_Chr. Wiseman 1 9 95a, 1 4- 1 7; McLyun 2008. Vgl. hierzu auch, aus der Sicht eines Neuzeithistorikers, clie
von De�i1e
2004, 8f.: "Em Fest ohne Anlass ist nicht denkbar. Feste sllld immer auf eine bestimmte
hin ausgenchtet. [ ...] Auch wenn Feste mcbt mehr
notwendigerwelse
der Menswen mit den Göttern thematisieren müssen,
die SlW vor
tragen sie doch immer noch fiesen transzendenten Charakter und smd auf
öffentliwe
Bedeutrulgen ausgerichtet, die auch tiber den Tag und kurze Affekte hinaus Bestand
Leben vgl. Bernstem 1 998, 246-248.
haben. In diesem Sinne versichern sich Menswen 1m Fest der Bedeutsarukeit ihres
Zu den Votivspielen Bernstein 1 99 8, 84, 1 42-1 57, 271-281.
Lebens."
Rene Pfeilschifter
116
Die Römer auf der Flucht
117
Einbettung der Rituale in die kollektive Identität der res publica ausgeglichen.3o
Angesprochenen. Dieser Aufsatz konzentriert sich auf die letzten beiden
das aber nur, wenn das Ritual auch von den jetzt
Einbettung der Analyse individueller Arbeitstechniken in die Bedingungen
Den Rahmen bildete immer die ruhmreiche römische Geschichte, die bruchlos
in die
Lebenden aufgenommen und weitergegeben wurde. So fühlte sich der einzelne Namensrufer während der minder
Poplifugia
nicht nur als ß!Iitglied einer mehr oder
Gruppe, sondern als Teil eines Kontinuums, das
von den Anfängen Roms bis in alle Zukunft reichte, und das auch deswegen, weil er, der einzelne, seinen Beitrag leistete.31 Hier wird ein
Vorzug der traditionellen Rituale gegenüber den
meisten anderen Festen deutlich: Bei diesen konnte man nur zuschauen - in Circus und Theater waren die Handelnden sogar
infam
-,
bei jenen aber besaß
der einzelne Teilnehmer eine sehr viel bessere Chance, selber zu agieren. Mit machen verbindet mehr als
bloßes
Zuschauen. Man empfindet stärkere
B eteiligten als auch zum RituaL Und war
Affmität sowohl zu den
die von den Streichen der laufenden
letztlich nicht schon die junge
Luperci
getroffen wurde, mehr Akteurin als Zuschauerin?32 All das setzt freilich voraus, daß man teilnehmen wollte, und diese Voraussetzung schufen eben die Mythen. Ob sekundär oder nicht, spielt hier keine Rolle. Trifft diese Interpretation zu, dann können diese Geschichten nicht lediglich unter ein paar Antiquaren auch nicht gelehrte Kabinettstücke für die
kursierende Elaborate gewesen
Elite. Meiner Meinung nach haben sie eine sehr viel breitere Öffentlichkeit beeinflußt oder, um etwas vorsichtiger zu sein: Sie haben sich an eine sehr viel
wenn auch in exemplarischer Weise. Der zweite 'würde zudem eine republikanischer Literaturrezeption erfordern. Da für eine schriftliche Ver mitdung an breite Schichten die Voraussetzungen fehlten,33 wäre vor allem eine Analyse der Formen mündlicher Verbreitung notwendig.34 In diesem Rahmen kann das nicht geleistet werden. Mein Augenmerk gilt hier nur der Frage, wie ein Aition gestaltet sein mußte, um seine Akzeptanzchancen bei der Bevöl kerung zu erhöhen. Was den ersten Punkt betrifft, das Interesse der Schriftsteller, soll hier, statt der erforderlichen DetaiIanalyse, eine Skizze genügen: Die meisten Römer, die sich in den letzten beiden vorchristlichen Jahrhunderten historisch und antiqua gehörten der senatorischen Oberschicht an. Für diese war das
risch
" �.:",-".'-H
in und der Applaus der Öffentlichkeit selbstverständlich, ja er war das
politische Lebenselixier, da man nur durch Erfolg in den Volkswahlen aufstei gen konnte. Die politische Kultur Roms war eine öffentliche. Warum sollten Gl·andSt:lg11e1.:IXS der Kurie bei ihrer literarischen Beschäftigung dann plötzlich
mit Resonanz innerhalb ihrer kleinen Peergroup zufrieden sein? Ihre Literatur hatte mit der res publzca genauso 33
tun "vie ihr Engagement auf dem Forum.
unterhalb der Oberschicht war es vielleicht etwas besser
breitere Öffentlichkeit gewandt.
zu
als
1 989, 1 57-1 74, 1 93-196, 222-229, 231 f., 259-267 glaubt:
Man vergleiche nur die Beiträge in Beard 1 991 und die nuancierten Bemerkungen von Eich 2000, 75-91 zur Verbreitung von Büchern und Texten. Aber grundsätzlich
4.
34
Mythen für das Volk
scheint mir Harris' Pessimismus nach wie vor gerechtfertigt.
Öffentliche Rezitationen 2,3f.; Gell. 1 6,10,1; 1 8,5,2)!
Um diese These umfassend zu belegen, wäre dreierlei
zu
Gründe für das Interesse der Autoren, einen weiteren Kreis Art und Weise, in der sie dies
zu
untersuchen: die beeinflussen; die
die Wrrkung der Aitiologien auf die
Allgemein zum
zWlschen Mythos und Rttual Burkert 1 979, 57:
"The defect of ritual, in a human sOClety, is the apparent nonsense inherent in its redirection of activity, the 'as-if plausible context and fill the vacant
element; here a tale may supply a " Etwas spezieller Beard 1 987, 3: "ritual
actions and the narratives whtch purport to explain those acrions
31
der
Wie auch Prosastücke - in diesem Fall eine Preisrede auf einen
Verstorbenen
mündlich verbreItet werden konnten, erklärt anschaulich Plin. epist.
4,7,2; 6. DlOn Chrys. 20,10 berichtet von einem offenbar typischen Straßenbild (zugegeben
grIechischen)
Stadt
der
frühen
Kaiserzeit,
in
der
in
neben
Flötenspielern, Tänzern, Gauklern, Gedichtrezitatoren und Sängern zu sehen ist: 'tov
08 lO1:0p{UV nva � /lß6ov Ihl1YOUfUNov. Weitere Stellen zur Geschichtsschreibung: Suet. Aug. 89,3; Suet. Claud. 41,l f.; Sen. dial. 5,23,6; Plin. eplSt. 1 ,1 3,3; 7,1 7,3; 9,27. Vgl. insbesondere Horsfall 2003, 55-57, 6 1 ; ferner Scobie 1 983, 1 1-16; Wiseman 1 9 8 1 , 383-387; Wiseman 1 994a, 33f.; Booth 1 980; Rawson 1985, 48-53. Zur Ausrichtung römischer Literatutwerke auf den mündhchen Vortrag vgl. die Beiträge in Vogt
in welchem Maße das Zusammenspiel der über das
200 1 , 20-23, 3 1-40; weitere Literatur bei Suerbaum 2002, 1 5-18. Beispiele aus
together construct Roman rehglOus mearungs."
Kalenderjahr verteilten Feste, mitsamt den Aitia aus unterschiedlichen Epochen
32
dreu/atores, Straßenkünsdern, die
auch Literatur vortrugen, smd wohlbezeugt, aber meist für \'Verke
form
Roman religlous experience and Beard 1 987, 7-10 hat
together
und die Tätigkeit von
bei
einer
30
Enrnus auf dem Forum oder im Theater (Suet. gramm.
römischer Vergangenheit, Identität stiftete G,Romanness"). Ov. fast. 2,425-428; 2,445-448; luv. 2,1 42; Plut. Rom. 21 ,7; Caes. 61 ,2f. Vgl. Ulf 1 9 82, 72-78; Wiseman 1 9 95a, 14.
Sptta 1 990 (mit der Rezension von Horsfall 1 993), sowie Schmidt 1 993 und EhIers anderen zeigen, daß der Ausnahmefall der Tristram 1 996.
etwa Island und Irland, über die wir besser unterrichtet sind, von Schnftlichkeit zur Mündlichkeit keineswegs einen von Literatur darstellt. VgL dazu die Beiträge in
Die Römer auf der Flucht
Rene Pfeilsclufter
118
38
119
Nur daß die eine die Vergangenheit, das andere die Gegenwart betraf. Schrift
Flucht des populus.
ersetzen,35 aber für einen Senator war sie eben auch kein
erhöhten Erklärungsaufwand betreiben. Die simpelste Möglichkeit, eine Flucht
stellerei
vermochte
politische
Aktivität
natürlich
nicht
gleIchwertig
zu
otium im Sinne unseres
Römer auf der Flucht passen freilich schlecht zur perma
nenten Sieghaftigkeit der
res publica.
Die Aitiologten mußten in diesem Fall also
modernen Freizeitbegriffs. In einer Epoche, in der man überall Zeichen des
vergessen zu machen, ist ein nachfolgender Sieg, und exakt dieses Aition der
kam es nun besonders darauf an, der Gegenwart die Vergangenheit nahezu
schreiber des
inneren Niedergangs zu entdecken glaubte (was nicht ganz unberechtigt war) ,
Poplifugia
finden wir bei Calpurnius Piso, einem senatorischen Geschichts
2. Jahrhunderts v.Chr.:
Die Etrusker hätten das Volk in die Flucht
bringen?6 Diese Sorge löste den Boom der historischen Schriftstellerei erst so
geschlagen, später aber habe ein SIeg das römische Schlachtenglück wiederher
Varro, der meinte, mit seinem Werk mehr für den Erhalt der traditionellen
schönste wiedergutgemacht. Freilich, Flucht bleibt Flucht, und hierin liegt das
richtig aus. Von hier war es nicht mehr weit zum Sendungsbewußtsein eines
gestellt?9 Die
Religion getan zu haben als Aeneas mit der Rettung der Penaten aus dem
Problem der Pisonischen Erklärung. Der herausgehobenste Teil des ganzen
Varro stellt auch nicht gerade den römischen Durchschnittsantiquar dar, aber
zug nach. Zwar wurde des Sieges laut Piso mit einem Opfer gedacht, aber das
untergehenden Troia.37 Dies ist zwar eine sehr prononcierte Äußerung, und der Wille, etwas für die
res publica
zu tun, und der Glaube, die Gemeinschaft
zum moralisch Besseren zu beeinflussen, wohnte dieser Art der Schriftstellerei
von Anfang an inne.
Poplifugia
sind damit historisch emgeordnet, die Flucht aufs
Rituals, der Auszug aus der Stadt, ahmt eine aufgelöste Truppe auf dem Rück
fand erst einen, wenn nicht sogar zwei Tage darauf statt, da erst dann auch der
Sieg erfochten worden war. In der Zwischenzeit mußte man mit der rituellen
Niederlage leben, was in irgendeiner Weise aufgefangen und verarbeitet hätte
werden müssen. Davor aber schreckten die Römer stets zurück, die schwarzen
Tage der Vergangenheit wurden lieber verdrängt. Der Verzicht auf rituelles
Gedenken spiegelt nur das Verhalten der Römer angesichts tatsächlicher
5. Die Poplifugia dreimal erklärt
Niederlagen wider: Diese wurden schlicht nicht als solche akzeptiert, bis
Der Wunsch war da. Wie stand es nun mit der Wirkung? Daß die
Poplifugia an
die Gemeinschaft im ganzen appellierten, machte schon der Name deutlich: die
3S
Katastrophe gab es in Rom keinen Platz mehr, wie die von Hannibal
gefangenen Römer genauso erfahren mußten wie die Überreste der Legionen
von Cannae. Es existierten nicht einmal staatliche Gedenkfeiern für die Gefal Schon deshalb, weil LIteratur in Rom nicht sonderlich geeignet war, unmittelbar auf den polItischen Diskurs elllzuwlrken. Zu diesem wichtigen Punkt ElCh 2000, bes.
36
irgendwann doch der entscheidende Sieg gelang. Für die Überlebenden einer
143-154.
S. nur Cato orig. frg. 1 ,2 Chassignet (= 2 Peter) : clarorum homznum atque magnorum non minus otii quam negotiz rationem exstare oportere (mit dem Kommentar von FRH 12 1 56) ; s. auch Asell. hist. frg. 2 Chassignet
(=
2 Peter) mit FRH II 88f. Zur sozialen
lenen.4o Angesichts dieser Gemütslage vermag man sich nur schwer vorzu
stellen, daß Pisos Interpretation die
Poplifugia
zu einem Sammelpunkt der kol
lektiven Identitätsfindung werden ließ. Was sich auf dem Papier einfach und
überzeugend las, konnte nur schwer in die rituelle Performanz umgesetzt wer
den.
Herkunft von Historikern und Antiquaren Rawson 1 985, 91-93; Wiseman 1 981 ,
379-383. Zum Impetus des antiquarischen Sammelns Moatti 1 997, 106-1 1 5; Walt 1 997, 1 69-180; Sehlmeyer 2003, 1 65-1 71 . ,Antiquar' verstehe ich hier im weitesten
Slllne, als Bezeichnung von Schriftstellern, die sich mit antiquarischen Fragen
38
beschäftigten - gegebenenfalls auch von Historikern, Juristen und Grammatikern -,
272. Abgesehen von der Ähnlichkeit in der Wortbildung, ve=ag ich keinen inneren
also nicht beschränkt auf Vertreter elller eigenen antiquarischen Literaturgattung, rue
Zusammenhang zWischen
sich frühestens Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. ausbildete (zur Problematik auch
37
Suerbaum 2002, 535).
se timere ne [Sc. dez] pereant, non incursu hostil� sed civium neglegentia, de qua dlos velut ruzna lzberari a se dicit et in memoria bonorum per eius modi libros recondz atque seroari utiliore cura, quam Mete/lus de incendio sacra Vestalia et Aeneas de Troiano excidio penates liberaHe praedicatur. Zur Stelle Graf 1 992, 25: "das ist ein Programm zum
Varro ant. frg. 2a Cardauns:
öffentlIchen Wirken auch für den Antiquar, der sein Unternehmen elllbettet
III
dasjenige der augusteischen Restauration". VgL auch Romano 2003, 99-108; Peglau 2003, passim, bes. 137f.
Der Plural meint rucht mehrere, separate Fluchten (so Palmer 1 974, 1 0) , sondern
ellle einzige mit "fuites multiples, desordonnees, dans la confusion": Dumezil 1 986,
39
Poplifugia
und
Regifugium
(24. Februar) zu erkennen (wie
etwa Sabbatucci 1 999, 283, 285; etwas anders von Ungern-Sternberg 1 993, 1 05f.) .
Calp. hist. frg. 45 Chassignet
(=
frg. 43 Peter = FRH 7 F 45 Macr. Sat. 3,2,14) .
Varro ling. 6 , 1 8 kennt die Geschichte ebenfalls, nur daß bei ihm die Etrusker zu
Fzculeates ac Fidenates etfinitiml alu werden - was
kein direkter Widerspruch sein muß,
s. nur Uv. 1 ,1 5,1 - und er eine Datierung gibt: bald nach dem Abzug der Gallier aus
40
Rom. Den Sieg erwähnt Varro lllcht, aber ihn llltereSSieren hier nur die
Poplifugia.
Zum Fehlen rituellen Gedenkens Walter 2004, 205; zu tatsächlichen Niederlagen
demnächst Kath 2003.
Die Römer auf der Flucht
Rene Pfeilsdufter
120
Das Odium der Niederlage meidet eine zweite Deutung, die wir bei Plutarch
1 21
rituelle Deutungshoheit über die Vergangenheit zu erlangen, im Sinne einer
und Dionysios von Halikarnaß finden. Sie interpretiert die Flucht nicht als
polarisierenden Sinnstiftung, die ihre Kraft nicht aus einer positiven Identifi
militärisches Ereignis, sondern als einen Vorgang des zivilen Lebens, modern
kation rrut der Gemeinschaft, sondern aus einem innenpolitischen Feindbild
gesprochen: als
der Innenpolitik. Freilich geht es nicht um Bürgerzwist
zog. Denkbar sind zwei Spielarten: eine optimatische, zur Einschärfung der
oder Ständekampf, der
ist ein weit erhebenderer. Romulus
Hüterfunktion des Senats angesichts monarchischer Bestrebungen, und eine
bestellte das Volk zum
auf das Marsfeld, und mitten in der
populare, zur Aufrüttelung des in seiner Freiheit bedrohten Volkes, das unter
Versammlung erhob sich ein gev,'"altiger S turm, mit Donner, Blitz und Hagel,
der I
die Sonne verdunkelte sich, und das Volk floh in Ve!\\1rrung. Als der Himmel
11�I,pn"nO"
sich beruhigt hatte, kehrten die Menschen zurück, aber der König blieb 41 Diese Version
versch\vunden. Romulus war zu den Göttern entrückt worden.
hat mehrere Vorzüge: Eine Flucht vor dem Übernatürlichen ist keine Schande, der rituelle Auszug an den
Poplifugia
wird hier nicht zum Problem. Das Fest
wird verknüpft mit der Gründungszeit und der Vergöttlichung des ersten
zur
sonstigen Instrumenta-
des Romulus, letztere mehr zum gedrängten Auszug an den Poplifugia.
Aber mit welcher Stoßrichtung auch immer - eine derartige Usurpation der
Poplifugia publica
hätte ungleich weitreichendere Folgen für den Zusammenhalt der
res
als jedes politische Pamphlet, da das festliche Ritual ungleich
eindtücklicher, emotionaler wirkt und viel mehr Menschen erreicht als der bloße Buchstabe.
Königs, es ist also besonders ehrwürdig. Und schließlich steht der Tag für sich,
Doch ist Vorsicht geboten. Keine einzige Quelle spricht ausdrücklich von
und kein eher diffuses Opfer eingeführt werden,
einer senatorischen Bluttat am ZIegensumpf. Bei Plutarch erschlagen die Sena
es müssen kein späterer
damit die Geschichte funktioniert.
toren den König im Heiligtum des Vulcan, dann zerstückeln sie den Leichnam
Nun gibt es aber einen Pferdefuß, freilich einen hochinteressanten: Nach
und schaffen die Teile versteckt in ihrer Toga davon, damit niemand etwas
einer bekannten Variante wurde Romulus keineswegs von seinem Vater in den
bemerkt. Denn das Volk ist nicht anwesend und muß daher auch nicht fliehen.
Himmel erhoben, vielmehr rissen die Senatoren den zum Tyrannen mutierten
Dann erzählt Plutarch die (ausdtücklich als solche gekennzeichnete) Variante
Stadtgründer in Stücke. In der späten Republik war dieses negative Bild en
von Romulus'
vogue, und wenn ein Senator einen zu mächtig gewordenen einzelnen wie
Mordes bezichtigen, bis der Verdacht durch Iulius Proculus zerstreut wird, der
war dies nicht schmeichelhaft Pompeius als zweiten Romulus 42 gemeint, es stellte eine Drohung dar. Wendet man eine solche Lesart auf die
Romulus erzählt. Zwar sind die Verdächtigungen nicht aus der Luft gegriffen:
Poplifugia
an, kann keine Rede mehr sein von einer Integration der gesamten
Bürgerschaft in die
res
publica.
Das wäre zwar untypisch: Römische Aitiologien
schufen keine Erinnerungsorte für einzelne
zu
auf dem Forum von der ihm zuteil gewordenen Epiphanie des vergöttlichten Während das Volk auseinanderläuft, drängen sich die Mächtigen zusammen, 45 und allzu schnell wiegeln sie das spätere Wundern und Fragen ab. Das macht
Gruppen - ",eie das
etwa in der Frühen Neuzeit durchaus der Fall war, man denke an die Zunft 43 feste -, Teilidentitäten, etwa für die Plebs, wurden eher als Bedrohung denn 44 als Bereicherung des kollektiven empfunden. Doch es lohnt, das Szenario kurz
es folgen die Vorwürfe einiger, die den Senat des
skizzieren: Die Memorierung einer derartigen
senatorischen Bluttat spaltete die Gemeinde. Sie stellte einen Versuch dar,
45
Plut. Rom. 27,6-28,3; Plut. Num. 2,1-4 (knapper). Der Mord findet &v 'tl'P iEpCiJ 'tOß 'HqlUlmoll statt, Meint Plutarch danut das Volcanal auf dem Forum oder den Vulcantempel auf dem Marsfeld? Die Wendung findet sich bei Plutarch noch
zweimal in Verbindung mit Romulus: Plut. qu. R. 276b erbaut dieser einen
Vulcantempel außerhalb der Stadt, vielleicht 1n der Absicht, dort ungestört die Senatoren zu versammeln, und Plut. Rom. 24,5 stellt er
41 42
Passage ist ambivalent Plut. Rom. 27,3f.; 6-8; 29,3; Plut. Num. 2,1 f.; Plut. Cam. 33,9f.; DlOn. Hal. ant.
2,56,2; SE. S. ferner Plut. fort. Rom. 320c.
1m
Vulcanheiligtum ein
auf, mitsamt elner Statue seiner selbst. Die zweite
erbeutetes bronzenes
Parallelstelle Dion. HaI. ant. 2,54,2 Ist nicht präziser -, dafur, daß Plutarch auch
die erste aber eindeutig. Das Tempel außerhalb meint,
das
Volcanal,
in
der dntten den
einen bloßen Altar ohne TempeL
Plut. Pomp. 25,9; SaU. hist. frg. 1 ,55,5 Maurenbrecher (= or. Lep. 5); in Tull. 7. Zur
Ohnehin kann man sich eine heJml1che Ennordung lelChter in einem geschlossenen
Romulusgestalt in der späten Republik vgl. etwa Alföldi 1 97 1 , 1 4-36; Martin 1 994,
Gebäude vorstellen als unter freiem Himmel,
43
282-296.
bezieht Plut. Pub!. 1 6,9 die
Vg!. dazu jüngst, mit weiterer Ltteratur, Schmidt 2005, passim, insbesondere 78-86
Hal. ant. 5,25,2, Ltv.
44
zu Ursprungs erzählungen.
den LapIS ntger, beim
Man denke nur an den Gedächtrusort Aventin: Die nut lhm verbundenen
vielleicht heißt das nur, daß tatsächlich Romulus nicht dort starb
Traditionen betonten den Konfukt im Gemeinwesen.
Walter 2004, 1 83 - 1 88.
im
Herzen der Stadt. Andererseits
Wendung auf das
Volcanal (gesichert durch DlOn.
und Gell. 4,5,1), und Fest. p. 1 84 Ltndsay bezeichnet
Volcanal,
als einen für Romulus' Tod bestimmten Ort. Aber das Folgende ist
wegen zahlreicher Lticken leid er unklar. (Auf keinen Fall läßt sich allein aus einer
Rene Pfeilsclllfter
122
Die Römer auf der Flucht
123
den Ziegen sumpf aber noch nicht zum Ort eines Verbrechens. Das
Es bleibt Dionysios. Er kennt als
Verhalten der Senatoren scheint eher Plutarchs Bemühen geschuldet, das
setzt ihn in unmittelbaren Zusammenhang mit den
Mißtrauen erzählensch plausibel
zu
machen. Das ist unbedingt nötig, denn auf
eine Apotheose können eigentlich keine Mordvorwü!fe
Ein irdisches
Poplifugia.
klingt
fühlen. Das die Mörder nutzen den
nach einer Rationalisierung der Apotheose
Regen, die Finsternis und die allgemeine
deutet Plutarch nicht im geringsten an, daß der Verdacht
daß erst Dionysios diese entgättlichte Geschichte mit den
könnte, und schon bald wird er durch Proculus' Erzählung auch im Volk ent
Aber die Tat
verüben einige Neubütger, die sich von Romulus
Kapitalverbrechen paßt nicht zu übernatürlichen Hlmmelsphänomenen. So sein
und
einen Mord am
aus -, und es kann sein,
Poplifugia verbunden
hat. Doch wie es um die Genese auch bestellt sein mag: Diese Version nimmt
gegen
dem Aition die angesprochene politische Relevanz. Und die senatorische Vari
den Senat zur Ermordung im Heiligtum gehören. Mord und Verdacht sowie
ante, die Dionysios ebenfalls kennt, spielt auch bei ihm ohne das Volk,
Vergättlichung und Erscheinung bilden ursprünglich
lokalisiert wieder in der
kräftet. Die Epiphanie folgt der Apotheose, wie die
Traditions
Stadt, in der Kurie. Wahrscheinlich entspringt
linien, die in unserer Überlieferung notdürftig verbunden werden: nicht durch
Dionysios' Melange wie bei Plutarch eher dem
ellen Vorfall am Ziegensumpf (oder gar eine Flucht des Volkes), sondern allein
Verschwindens VOn Romulus in sein Werk zu
durch Proculus. Die lateinischen Quellen geben die
Manöver der spätrepublikanischen Tagespolitik. 47 Romulus' Ermordung nichts zu tun.
ähnlich wie
Plutarch wieder, sie bemühen sich aber weniger um narrative Wahrscheinlich 46 keit. Das Ergebnis: Der Verdacht gegen den Senat wirkt bei ihnen deplaziert.
alle Versionen des als einem rafftnierten Die
Poplifugia
haben mit
Nachdem ich diese Variante in die Literatur verbannt habe, fällt kein S chatten mehr auf die Romulus-in-den-Himmel-entriickt-Geschichte. Trotz
Kombination von Festus und der in frage stehenden Identität von
Volcanal
und
Lapis niger erschließen,
im
wie
Robertson 1 987, 1 1 verweist auf Dionysios'
Romulus EUr Zusammenkünfte bestimmt (ant. 2,50,2), aber Senatss1tzungen,
sondern Volksversammlungen
(s.
Romulus
eine
1 983, 1 67 f. will.)
am.
beim Forum, das
sind keine
und
dte
an die erste Aitjologie von Flucht und Niederlage
von
Rückschluß von der Körperschaft, keme origtnäre seiner LokalJSlerung gekommen ist und ob er die zweI
Anm. 46)
der Proculusbericht); [plut.] paral!. min. 31 3cd
Himmelsphänomene); Val. Max.
mttemander
occisus a .fUir [
tatsächlich den Tempel auf dem Marsfeld meint, bringt das den Senatsmord noch
46
Sie lehnt sich
ihr
Cassius Dio, aber keine
(nur
m der Kurie); App. civ.
2,476f. (nur Ermordung im Senat); lakonisch Pol. Stlv.
verwechselt hat, läßt sich hier nicht weiterverfolgen. Festzuhalten 1st: Selbst wenn er Das
Poplifugia.
ist vielleicht sogar aus
Himmelsphänomene den Vertuschungsversuchen, es folgen Unruhe im Volk und
ein
Wle Plulafch ZU
rucht in Zusammenhang mit den Vorgängen beim
an,
48 hervorgegangen. Aber sie ist keine bloße Variation, denn diese letzte Interpre-
Robertson selbst angeführten Stellen). Die übJ:lgen Quellen helfen nicht weiter, Sle sprechen vom Senat, der Kurie und vom Ratsgebäude
der
dem existiert noch eine weitere, eine dritte
Febr. 1 7
(1): Rnmulus,
] . Robertson 1 987, 1 1 - 1 3 mit Anm. 6 lokalisiert ohne Rücksicht auf
•••
die erzählerischen Zusammenhänge.
47
Dion. HaI. ant. 2,56,1; 3-6; 2,63,3f. Zu Genese und Überlieferung der beiden
Setting 1st zu unterschiedltch: eine isolierte Senats sitzung auf der einen Seite, eine
Traditionsstränge von Romulus' Tod
von Ungern-Sternberg 1 993, 1 02-104,
allgemem zugängliche Volksversammlung mit Wettereinwirkung auf der anderen.
1 07f., und Bremmer 1 987c, 45-47, der
den Senatsmord als mögliches Aition
Cic. rep. 2,17; 2,20; Llv. 1 ,16; Ov. fast. 2,48 1 -5 1 0; Flor. epit. 1 ,1,16-1 8. DIese
der
Autoren lassen auf die 1l.potheose den bloßen Verdacht einer Ermordung (Cicero,
nicht ausschheßt, trotz seiner berechtigten Kntik an der weiter
gehenden These von Burkert 1 962, 365-371 . Die Entstehung der Mordversion setzt
Florus) durch dte Senatoren
Ovid) oder, etwas praziser, einer Zerstückelung
Poplifugia
er
zu
Anfang des 1. Jahrhunderts an, was
zu deren Bezeugtmg in den letzten
folgen, ohne daß sIe dies als Variante ausweisen oder den Ort der Tat erwähnen.
Jahrzehnten der Republik passen würde.
Der Leser muß deshalb annehmen, gemeint sei die Szene am Ziegensumpf, was
308�31 2 vermuten sogar Liclnius Macer als Urheber. Dagegen spricht aber: Wenn
nach der dortigen Entrückung nur absurd wirkt
Proculus tatsächlich bei EnOlus vorkommt
eine
perobscura fama, wie Iivius allem CIcero gegenüber
auch prompt urtetlt (1 ,1 6,4) . Die Reserve bel LlVIus und vor
1 9 1 4, 1097f. und Walt 1 997, zuletzt Skutsch 1 985, 260E., dagegen
aber die starken Argumente von Koch 1 953, 1 8-25 und Jocelyn 1989, 42-46), dann
der Apotheose ruhrt von ,aufgeklärter' SkepSIS
der Möglichkeit elOer
gtlt dies auch für die Mordvorwürfe 1m Volk. Denn 10 allen erhaltenen Versionen
Vergötthchung her, sie darf nicht als Bllligung
Mordvanante mißverstanden
besteht die Funktion des Proculusberlchts darin, d1ese Vorwürfe zu entkräften (so
werden (so aber jetzt Sailor 2006, 345-347; vgl. 153f.) . Von Ungern-Sternberg 1 993, l OH. hat
Ermordung
zu
den ansonsten posluven
auch vif. ill. 2,1 3E. (gleICher Ablauf, aber nur
und Volk); loann. Antioch.
Bemühen
um
59 Roberto (= Cass.
Harmonisierung: Nach der
nur Miles 1 995, 139f.,
auch Walt 1 997, 1 63, aber mit anderen
Apotheose fehlt das Motiv für die Einführung
wie wenig die der Quellen paßt. S.
sedifto zwischen
Senat
6,1aa) (vergebliches
,helfen' die
Ohne Zweifel an der 1st das richtig, dann
kennt schon Enruus die Mordversion; politische Relevanz gev..iflnt Sle erst viel
48
später. In der Forschung wird das, soweit ich sehe, fast einhellig angenommen: etwa Orto 1 905, 1 86f.; Welllstock 1936, 857f.; Koch 1 937, 94, 1 1 5; Kraus 1 953, 75; Forsythe
Die Römer auf der Flucht
Rene Pfe1lschifter
1 24
tauon ist ungleich komplexer, und das Ritual wird an entscheidenden Stellen anders erklärt Nach der Gallierkatastrophe war Rom geschwächt, und dies
suchten die umwohnenden Latiner unter Führung des Livius Postumius auszunutzen. Sie zogen vor die Stadt und verlangten, daß man ihnen Frauen
übergebe, Jungfrauen wie Unvermählte, um die gegenseitige Verwandtschaft
durch neue Heiratsbündnisse enger zu gestalten. Die Römer sahen d arin eher eine Forderung nach Geiseln, aber guter Rat war teuer, da sie den Latinern
1 25
Diese Geschichte ist zweifellos die phantasievollste, und deshalb wirkt sie auf den modernen Hörer wenig überzeugend. Ein sekundärer Mythos, wie man ihn
sich kaum schlimmer vorstellen kartn. Ganz abgesehen von den bunten Details,
scheint die Erzählung unglaubwürdig konstruiert. Oder soll man wirklich glauben, daß eine Sklavin Gelegenheit erhielt, den Führern der
res pub/ica ihre
Ideen zu unterbreiten? In der Überlieferung nimmt der Philotis-Mythos freilich
erheblich breiteren Raum ein als die ersten beiden Fassungen, Plutarch und
militärisch nichts entgegenzusetzen hatten.49 In dieser Situation hatte eine
Polyainos kennen ihn ebenso wie Macrobius und Ovid. Aber das kann lediglich
sie selber und andere (hübsche) Sklavinnen, gekleidet als freie Frauen, den
hohe Akzeptanz bei Teilnehmern und Zuschauern des Rituals schließen. Aller
nichts, und Postumius verteilte im Feldlager die Frauen auf seine Leute. Der
Performanz attraktiv machten.
diskret, und so erfahren wir, daß die Männer nach ausgiebigem Sex und Wein
derum vermieden. Sicher hatte niemand ein Problem damit, an einer Prozession
Sklavin, Philotis oder Tutola mit Namen, die rettende Idee: Die Römer
Feinden ausliefern. Dieser Plan wurde durchgeführt, die Latine.r merkten vornehme Plutarch verschweigt weitere Details, andere Quellen sind weniger genuß in tiefen Schlummer fielen. Philotis kletterte nun auf einen Feigenbaum
und hielt eine Fackel hoch, Richtung Rom; rückwärts aufgespannte D ecken
verhinderten, daß die Wachen der Latiner das Licht bemerkten. Auf dieses verabredete Zeichen hin
der nächtliche Angriff. Da die römischen
den burlesken Motiven geschuldet sein; daraus läßt sich noch nicht auf eine
dings gibt es durchaus Aspekte der Philotis-Erzählung, die sie auch für die Die Hauptschwäche der ersten Version, Flucht und Niederlage, ist wie
teilzunehmen,
die
an
einen
nächtlichen
Überraschungsangriff erinnerte.
Übrigens ist dieses Aition das einzige, das die Richtung des Zuges berücksich tigt, von der Stadt aufs Marsfeld. Die Bewegungen der ersten beiden Versionen
gehen dagegen umgekehrt vom Marsfeld aus, Richtung Rom. Doch nur weil die
Soldaten, offenbar aus Gründen der Geheimhaltung, nichts von diesem Teil
Philotis-Geschichte in diesem Punkt näher
konnten nur mit gegenseitiger namentlicher Anrufung halbwegs Ordnung her
Ritual nicht sklavisch nach oder, aus römischer Perspektive betrachtet, die
des Plans wußten, waren sie überrascht, brachen in Eile und Tumult auf und
stellen. Die zumeist im Schlaf überrumpelten Latiner vlurden natürlich
die Schmach war abgewendet. Der Senat schenkte den Sklavinnen für ihre
mutige Tat die Freiheit, stattete sie mit einer Mitgift aus und erlaubte ihnen, die Kleidung, die sie zur Täuschung angezogen hatten, auch in Zukunft zu tragen. Zur Erinnerung wurde der
Nonae Caprotinae.
des Sieges in Zukunft als Fest begangen, als
Das Ganze hatte sich nämlich an den Nonen ereignet, dem
siebten des Monats, und der wilde Feigenbaum heißt im Lateinischen
daher Caprotinae.
49
50
50
caprificus,
1 994, 322, 329; knapp, aber differenz1erter von Ungem-Stemberg 1 993, 221 Anm. 1 12. Robertson 1987, 9f., 1 3-18 sieht zwar die Unterschiede, zieht aber keine Konsequenzen. Der Tausendsassa dieser Epoche, M. Funus Camillus, bleibt m dteser Episode ausgeblendet. Er besiegt die Latiner in einer (von Plutarch eigens als solcher ausgewiesenen) konkurrierenden Vers1on, m der die j\lonae Caprotinae keine Rolle spielen (plut. Cam. 33,l f.; 34,1-35,5). Trotzdem 1st es mteressant, daß die airiolo gischen Mythen ausgerechnet m den beiden Anfangsze1ten Stadtgründung durch Romulus und Wiederaufbau nach dem Gallierangriff spielen. Zu diesem Punkt von Ungem-Sternberg 2000, 220f. Plut. Rom. 29,4-9; Plut. Cam. 33,3-8; Macr. Sat. 1 , 1 1 ,37-40; Polyain. 8,30; Pol. Silv. Fast. Iul 7; [plut.] parall. min. 31 3a; Ov. ars 2,257f. Die Wiedergabe im Text folgt
am
Ritual
verleiht ihr das noch
nicht unbedingt höhere Glaubwürdigkeit. Aitiologische Mythen erzählen das
Teilnehmer müssen das Gründungsgeschehen nicht eins zu eins nachvollzie hen. Es
völlig, wenn einige oder auch nur ein charakteristisches Merk
mal erkennbar wiederaufgenommen werden.51 Auf die Richtung des Zuges kommt dabei wenig an. D afür berücksichtigt die Philotis-Geschichte gleich zwei Feste, die
und die
Nonae Caprotinae.
Poplifugia
Das Ritual unter dem Feigenbaum und die Rolle der
Sklavinnen werden hinreichend erklärt. Überhaupt wirkt die ganze Geschichte vom
Caprorinenfest
her konstruiert.
Das
römischen Auszug, das einzige Aition für die
51
nächtliche
Tohuwabohu
Pop/ijugia, ist im Grunde
beim
ein über-
Plutarch und Macrobius (zu Unterschieden zWlschen Plutarchs beiden Versionen Bühler 1 962, 272, 274-277). Der Kern ist in allen Quellen der gleiche, die Differenzen sind iibersichtlich: Bei Macrobius, Silvius und wohl auch bei Ps. Plutarch werden auch oder sogar ausschließlich verheiratete Frauen gefordert, bei letzterem und bei Ovid sind die Angreifer Gallier, und Ps.-Plutarch allein nennt den feindlichen Anführer Atepomaros und die Sklavin Rhetana (die neben dem r"lgenoaUITI gle1ch noch die Stadtmauer erklimmen muß, zum Ausgleich freilich Fackel mehr benötigt). Zu den Namen vgl. auch Bremmer 1987b, 83f. Robertson 1 987, passim, bes. 9, 1 7-19, 2 l f., 28-30, 35, 38, 40, sieht das nicht und versucht das Ritual von den Legenden her zu rekonstruieren. Setne Ergebnisse sind mit äußerster Vorsicht aufzunehmen.
flüssiges Detail. Es könnte wegfallen, und roe Geschichte würde immer noch funktionieren.
Für den Interpreten der
Feste
interessant. Einen Grund für roe Einbeziehung der
127
DIe Romer auf der Flucht
Rene Pfeilschifter
1 26
aber vlird es
hier richtig
Poplifugia muß e s
ja gegeben
haben. Wenn keine narrative Notwendigkeit vorliegt, bleibt nur, ihn in der rituellen Performanz zu suchen.
rät. Die augenscheinliche Zusammengehörigkeit der Rituale findet ihr Äquiva lent in der Einheitlichkeit ihrer Aitiologie.55
Ein zeitlicher WIderspruch, nämlich daß in der Geschichte Philotis' !<J.et tern auf den Baum vor dem römischen Ausmarsch stattfindet, ja ursächlich fUr roesen
während der Aufbruch im Ritual zwei Tage vor dem Ziegenbaumfest
kommemoriert wird, dieser Widerspruch stellte offenbar keine Schwierigkeit dar. Mythos und Fest mögen dasselbe Thema haben, aber sie befinden sich in unterschiedlichen Aggregatzuständen der historischen Erinnerung. Gleichzeitig
6. Ritual und Erzählung
wächst das Verständnis für Plutarch. Er berichtet von
Poplifugia und Nonae Caprotinae wurden
am
5. und 7. Juli gefeiert, also in engem
zeitlichem Zusammenhang. Die Opfer beider Feste fanden auf dem Marsfeld statt, offenbar in unmittelbarer Nähe zueinander. Der Zug der irgendwo
an
der
palus caprae,
dem
Ziegensumpf,
Poplifugia endete
einem
ausgedehnten
morastigen AreaL Der Feigenbaum, das wichtigste Requisit der Philotis Geschichte, existierte tatsächlich; er ist
noch für die Zeit Mark Aurels
bezeugt.52 Dort fanden sich die freien Frauen und die Sklavinnen ein. Der wilde Feigenbaum, die
caprijicus,
von der die
Nonae Caprotinae
ihren Namen haben
sollen, ist für die Römer, wörtlich übersetzt, ein Ziegenfeigenbaum. und palus
caprae:
Caprijicus
Der Ziegenfeigenbaum paßt \vunderbar zum Ziegensumpf. Es
besteht also eine enge zeitliche, örtliche und sprachliche Nähe zwischen beiden Festen. Wegen dieser Ähnlichkeiten hat man in der Forschung inuner wieder 3 Das mag sein oder auch
einen ursprünglichen Zusammenhang vermutet.5
nicht sein, WIr wissen es nicht. Mich interessiert hier nur, daß den Römern späterer Zeiten dieser Konnex ebenfalls ins Auge gesprungen sein muß.54 Die Philotis-Geschichte erklärt beide Feste, und daraus gewinnt SIe ihre Plausibili-
53
54
Plutarch, der die Feste anscheinend nie besuchte, dann glaubte, sie fänden an einem einzigen Tag statt, ist ein verzeihlicher Irrtum. Was läßt sich aus den drei aitiologischen Mythen zu den
Poplifugia
lernen?
Die Geschichten werden nicht alle zur selben Zeit entstanden sein; die Mög lichkeit, daß die Philotis-Geschichte auf Pisos Erzählung von Flucht und späterem Sieg zurückgeht, habe ich bereItS erwähnt. Vielleicht entsprechen roe Aitia sogar verschiedenen Phasen in der Performanz des Festes. Auch römische Rituale wandelten sich und blieben nicht über J ahrzehnte und J ahrhunderte ohne Veränderung. Weitergehende Spekulationen auf diesem Feld verbietet freilich die schmale Quellenbasis. Doch schon roe bloße Existenz dreier Geschichten nebeneinander ist interessant: Offenbar fand keine von ihnen genügend Akzeptanz, um dIe anderen aus der Überlieferung zu tilgen. Diese verlangsamte Traditionsbildung rührt natürlich daher, daß die Aitia nicht bloß
Wo diese Nähe fehlte, konnte auch keine Verbllldung hergestellt werden: Die Weihung des Tempels für Fortuna Muliebns wurde zwar am 6. Juli begangen, aber das Heiligtum befand sich an der Via Larina, südöstltch von Rom, während das
sowie Coarelli 1 997, 16-20 (mit Karte). Otro 1 905, 1 89; Weinstock 1 936, 858f.; Dumbjl 1 986, 272, 283; Coarelli 1 997, 21 f. Gelegentlich wird sogar behauptet, die Poplzfugza und Nonae Caprotmae selen nicht an separaten Tagen gefeiert worden, sondern hätten ein einheitliches Fest gebildet:
Marsfeld im N ordwesten der Stadt lag. Zudem war der Kult auf emmal verheiratete Mattonen, auf univirae, beschränkt, Sklavinnen spIelten hier kelne Rolle, und es fehlte das Element der Ausgelassenheit, das gemeinsam war. So vmrde
Schwegler 1 853, 532-534 mit Anm. 6: Robert.son 1 987, 1 8-20; Rüpke 1 995, 556-561. Dagegen ausführltch Pfeuschifter 2008. Dem widerspncht nicht, daß Plutarch die Etymologien ausemanderhälr: Entweder
gerühmt
lill i\ition
Nonae Caprotinae Ihren Namen der palus caprae (Rom. 29,2; Cam. der caprzjiCUJ (Rom. 29,9; Catn. 33,8). Für ihn schließen SICh
Popkfugia und Nonae Caprotinae wahrscheinlich lill Krieg
zwar ebenfalls weibliche Tapferkeit
das berühmte Zusammentreffen Coriolans mit Mutter, Gattin und
Frauen von Rom -, aber auf einer Zur Fortuna Muhebtis Dlon.
verdanken die
849f.; Lejeune 1967, 198-202.
Nonae
und daß sie gar keine Konfusion war, wenigstens nicht im negativen Sinne. Daß
RA Aur. 1 3,6. Zu exakteren LokalisIerungsversuchen vgl. Coarelli 1 993 und 1 996
33,10) oder Romulusversion und Philotlsgeschichte narnlich aus, nur ein i\.ition kann das richtige sein (Rom. 29,1 1). Aber eine ,nchrige' Interpretation kannte dIe römische Kultpraxis nicht (s.u.). Modeme etymologische Herleltungen: Wemstock 1 936,
und
aber nun zeigt sich, daß er diese Konfusion schon in seinen Quellen vorfand
S5 52
Poplifogia
einem Atemzug und glaubt, daß beide an ein und demselben Tag 6 stattfanden. Für die Vermischung beider Feste ist er öfters kritisiert worden,5
Caprotinae in
anderen Ebene als in der Philotisgeschichte. ant. 8,55,3-56,4; weItere Quellen bei Degrassi,
InscrIt XIII 2, p. 479, zum Helltgtum Egidi 2004. .Anders Rüpke 1 995, 561; Coarelli 56
1 997, 3 1 . Etwa von I
128
Rene Pfeilschifter
Die Römer auf der Flucht
mündlich tradiert wurden, sondern wahrscheinlich auf dem Papier geboren und
auf diesem auch bewahrt wurden. Selbst die leblos wirkende Fluchtversion
vermochte so zu überleben. Die Romulus- und die Philotis-Geschichte aber Deutungen des Rituals. Dadurch
koexistierten vielleicht beide als
wurde ihre Wirkung nicht unbedingt beeinträchtigt. Römische Rituale
V"'.uu.u�
ten, anders als später die christliche Religion, nicht nach eindeutigen und einheitlichen Interpretationsmustern.57
Es
kam nicht darauf an,
ob
die
Geschichten im analytischen Sinne wahr waren, sondern ob sie glaubwürdig
wirkten und Sinn vermittelten. 58 Und wenn das gleich zwei Erzählungen taten 9 um so besser.5
129
portional mitwuchs, müssen die alten Kalenderfeste darunter ein wesentliches Zeichen dieser Krise.
Gleichzeitig zeugen sie auch von wachem Interesse. Aber das sagt uns, um
es noch eintual zu wiederholen, nichts über die Rezipienten, nur über die Angebotsseite, die aus wenigen, antiquarisch interessierten Literaten bestanden haben kann. Selbst ausführliche Schilderungen von Ritualen wären noch kein
Beleg dafür, daß die dazugehörigen Feste wohlbesucht waren. Genausogut können sie von ein paar verlorenen Gestalten weitergeschleppt worden sein. Dieser Befund
nicht für alle Feste - man denke nur an die Luperkalien -,
aber doch für eine beträchtliche Anzahl, nicht bloß für 7.
Caprotinae.
Die Nonae Caprotinae auf der Bühne
haben.
Die Schaffung aitiologlscher Mythen, die neuen Sinn zu stiften vel:sw:hten, sind
Poplifugia
und
Nonae
Aber es gibt einen Hinweis darauf, dal) die Mythenforscher nicht
allein für den Elfenbeinturm arbeiteten. Varro bemerkt in seinem Werk über
Was wissen wir nun konkret von der Wirkung auf die Öffentlichkeit, von der
die lateinische Sprache beiläufig, daß die Gründe für den Vollzug der
Caprotinae-Riten
dem Volk in einem Drama während der
Prägung und Vedebendigung des Rituals durch den Mythos? Die Quellen las
erläutert wurden.62
öffentlichen Aufmerksamkeit, den die
Apollinares,
sen uns an dieser Stelle leider im Stich. Sie sagen nichts über den Grad der
Poplifugia und die Nonae Caprotinae genos
sen. Die öfters zu lesende Ansicht, die Feste seien weitgehend vergessen
Nonae Ludi Apollinares
EingerIchtet während des Zweiten Punischen Krieges, wurden die ursprünglich ein Eintagesfest am
1 3.
Ludi
Juli, schon bald verlängert,
indem immer mehr vorhergehende Tage mit Theateraufführungen gefüllt
wur
worden,6o ist einem Dekadenzmodell der republikanischen Religion verpflich
den. Im Jahre
Möglichkeit.61 Über die vorhin geäußerten, allgemeinen Schlüsse kommt man
rung lassen sich nicht zeitlich fIxieren,63 ebensowenig wie wir das Drama
dierten im Laufe des
es muß an den Nonen selbst oder an einem der darauffolgenden Tage aufge
tet, verifizieren läßt sie sich mcht. Aber das gleiche gilt für die ge,Q;t!ltellig;e
nicht hinaus: Andere Feste moderneren Zuschnitrs, vor allem die
2. Jahrhunderts
expan
v.ehr., und über ihre Popularität sind '\.V1r
wohlunterrichtet. Da die den Bürgern zur Verfügung stehende Zeit nicht pro-
1 90
dauerten sie mindestens vom
Kaiserzeit schließlich vom
6.
bis zum
1 3. Juli.
1 1.
bis zum
1 3.,
in der frühen
Die Zwischenstufen der Erweite
datieren können, von dem wir überdies weder Autor noch Titel kennen. Aber
führt worden sein, eventuell sogar am
zuvor. Was den Inhalt betrifft, sollte
man nicht so kühn sein wie Wiseman und gleich die gesamte Szenenfolge
57 58
Vgl. etwa Scheid 1 992, 122f. Zur Wahrheit von Mythen kurz und bundlg Burkert 1 979, 25: "Evidently the question of 'historical truth' is absolutely irrelevant in such a tale; it is neither more nor less effective even if it i5 true". 59 Beard 1 9 87, 6f., 1 0f. Sieht die Deutungsoffenheit von Festen, die zu immer neuen Erklärungen angesichts gewandelter gesellschaftlicher Bedingungen anregte, mit Recht als wesenthch fur deren Fortbestand an: "the conrtnued resonance of such festivals in Roman dunng the historical penod depended on this wide dtspersion of their meaning; on the festivals' capacity to be remterpreted and re-understood" (7). Gleich mehrere Interpretationsangebote erhöhten die Akzeptanzchancen in der differenzierten Gesellschaft der Republtk. Vgl. auch Graf 1 992, 21f. Anders Rüpke 1 995, 412. 60 So Scullard 1 981, 1 59, 163; Forsythe 1 994, 325, 327. 61 Vgl. nur Rüpke 1 995, 41 1 , 616f. Der Optinusmus von Bremmer 1 987b, 86 läßt slCh durch das Vorkommen des Namens 'Capratlnus/a' in der Kruserzelt nicht untermauern (CIL I 761; 11 585; 3300; 4154; IF 5,733; VI 975; 6061; 24443; 35354; 37685; XII 3631; XIII 5730).
rekonstruieren.64 Aber es ist eine plausible Vermutung, daß auf der Bühne
derjenige Stoff eine zentrale Rolle spielte, der uns als einziger aitiologischer Mythos über die Nonae Es
Caprotinae bekannt ist:
die Philotis-Geschichte.65
mir hier nicht um die zuletzt wieder ausgiebig diskutierte Frage, ob
der römische Mythos zunächst in fablllae praetextae gestaltet Ufld von da in histo-
62
Varro ling. 6,19: cur hoc, togata praetexta data ezs Apolftnmibus ludis docuit populum. Zum Text und zur Gattung der togata praetexta Drossart 1974b; Wiseman 1 998, 8-1 1 mit Anm. 63; Manuwald 2001, 66-7 1 . 63 1 1 . Juh: Liv. 37,4,4. Spätestens zur Zelt Clceros hatten die Ludi den 7. Juli erreicht: in den Kalendern Degrassi, InscrIt XIII 2, Att. 1 6,1,1 ; 1 6,4,1. Zu den p. 477f. 64 Wiseman 2004, 1 7 1 (,,Jlnalgmatnre reconstruction"), 1 73. 65 So etwa schon Otto 1 905, und Latte 1 960, 106 Anm. 2.
1 30
Rene Pfeilsclufter
Die Reimer auf der Flucht
wurde.66 Wichtig ist nur, daß rische, epische und lyrische Fotmate ein Versuch gemacht \vurde, die Nonae Caprotinae einem breiteren Publikum nahezubringen, dem populus, wie Varro sagt.67 Es ist faszinierend, daß ausge rechnet die Ludi, die Aufmerksamkeit von den traditionellen Festen abzogen, dafür genutzt wurden. Die Ludi Apollinares überdeckten die Nonae Caprotinae, da sie bald nach den Nonen begannen oder vielleicht sogar schon an ihnen selbst gefeiert wurden. Bei dieser populiiren Veranstaltung wurde nun das modernste Medium genutzt, um auf die Festlichkeit alten Stils hinzuweisen.68 Niemand weiß, v.>i.e sehr die Nonae Caprotinae zu diesem Zeitpunkt von den Ludi Apollinares beeinträchtigt wurden. Mit Sicherheit wäre aber kein Stoff zur Aufführung gebracht worden, der keine Chance auf Erfolg bei einer größeren Zuschauerschaft besaß. Unter den Dramatikern waren um den Bestand tradi tioneller Feste besorgte Senatoren bei weitem nicht so prominent vertreten wie und nichts erlaubt anzu in der historischen und antiquarischen nehmen, daß ausgerechnet dieser Literat eine Ausnahme war.69 Allerdings 66
Am entschiedensten bejaht hat sie Wiseman: 1 994c, 82-85; 1 994a, 35f.; 1994b, 5, 10-
21; 1995b, 129-143; 1999; 2002a, 283-299; 2002b; 2004, 1 47f., 1 71 , 173, 248; vor allem 1 998, 1 -74. Kritisch dazu zuletzt Flower 1 995, 170, 1 73-175; Manuwald 200 1 , 91-94;
67
Horsfall
2003,
96-98;
Walter
2004,
Forschungsbericht gibt Wiseman 1 998, 1 -8, 12-15.
78-82;
2006.
EInen
Anwesend waren Männer, Frauen und Kinder, quer durch alle sozialen Schichten;
auch Nichtbürger und Sklaven schauten zu (Belege bei Rawson 1991 , 513-521).
Über die Zuschauerzahl läßt sich nur spekulieren, zumal wir meht wissen, ob das Drama öfters auf dem Spielplan stand oder ob es bei emer
68
Aufführung
blieb. Zur Größe von Theateraudiwnen zuletzt He:tl 2003, 21-23 (mit Literatur). Ob auch die spärlichen Aitia der Ludi selbst auf die Bühne
könnte an die Ludi Florales (Ov. fast. 5,277-330) und
denken -, wissen wir nicht (s. aber oben Anm. 21). Nun
an
wurden - man
die LudiApollinares
es drei Ludi publici Ceriafes, Megalenses und Florales -, dIe erst später zu einem bereits bestehenden
Kultfest hInzugefügt wurden. Es gibt (leIder nicht besonders deutliche) Hmweise darauf, daß die Stiftung dieser Kulte bei den Ludi themal1siert wurde. Ov. fast. 4,326
131
waren die Spielgeber, meist die Aedilen oder in jedem Fall Vertreter der Oberschicht. Wieweit diese sich nun im Detail um den Spielplan und um den Inhalt einzelner Stücke kümmerten, variierte sicher von Magistrat zu Magistrat?O Angesichts des Genres kommt auf die exakte Kompetenzaufteilung letztlich aber nicht viel an. Poet und Ausrichter verband ein gemeinsames Ziel: Sie wollten Applaus hören. :e.fit der Entscheidung für das Caprotinenstück rechneten sie auf ein gewisses Grundinteresse, ein Interesse, das mit Wissen UC;JLLlC;U1" C werden mußte.71 Das Volk erfuhr bei der Aufführung der praetexta etwas Neues, wie Varro ausdrücklich bemerkt. Es \vurde also nicht bloß Altbe kanntes in dramatische Form gebracht. Informiert über die Ursprünge des mochten die Zuschauer sich angespornt fühlen, die Passivität ihrer Sitze zu verlassen und wieder einmal die Poplifugia und die Nonae Caprotitlae zu besu chen, dieses oder nächstes Jahr.72 Ein solches Ergebnis dürfte Dichter und Veranstalter recht gewesen sein, auch wenn diesem Ziel sicher nicht ihr wesentliches gehört hatre. Historische Dramen waren zunächst einmal Unterhaltung, nicht offizielle Volkspädagogik. Aber die alten Feste zu begreifen war offensichtlich nicht nur ein Anliegen elitärer Zirkel. Alle Römer waren empfanglieh für die Erfahrung der Gemeinschaft, die ihnen diese Rituale boten - wenn sie sie nur verstanden. In den letzten beiden Jahrhunderten der Republik drohte das Bedürfnis nach Teilnahme zu verkümmern, weil man anderswo immer besser unterhalten wurde; für die respublica, die auf einem breiten Konsens ihrer Bürger ruhte, war das eine bedrohliche Entwicklung. Die aitiologischen Schöpfungen der Epoche wirkten dem entgegen, und sie hatten wohl dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie den Hergang der rituellen Perfotmanz angemessen widerspiegelten. Ihre Erklä rungen hielten die alten Kalenderfeste attraktiv und leisteten so \'{1esentliches für die der rituellen Identitätsstiftung. Poplifugia, Nonae Caprotinae und die übrigen wurden in einem Maße in die römische Vergangen heit inkorporiert, das ihnen ursprünglich nicht zu eigen gewesen sein kann. Das
spricht von einem Drama, das (wahrscheinlichl) an den Ludi Megalenses an die
Einholung der Magna Mater erinnerte. Das Theaterstück über die Nonae Caprotinae
gIng Insofern weiter, als es ein Fest aufgriff, das keinen inhaltlichen Bezug zu den Ludi hatte, nur einen zeitlichen. Gemein wäre beiden Inszemerungen aber "a
stehen; viele dieser Werke dürften dIe Bühne freilich mcht gesehen haben. Einen
representatlon of a cult story appropriate to the festal day": Littlewood 1981, 387.
Vgl. auch Bremmer 1987a, 1 05f. Kragelund 2002, 1 7-24 hat auf den breiteren Kontext hingcwwsen: Generell thematisierten fabulae praetextae Geschichten, dIe auch in Kultaitien eine Rolle spielten - etwa Accius' Brutus und das
Regifugiulll
Überblick gibt Cancik 1978, 325.
70
-,
69
Ennius' Alllbracia.
etwa
C. Iulius Caesar Strabo (aed. cur. 90; zu ihm Stärk in Suerbaum 2002, 1 67f.) macht
den Anfang einer kurzen Reihe, in der immerhin Caesar und die heiden Cicerones
Engagement, Verfügung
oder sie riefen, in ihrer zeitgenössischen Spielart, bei Votlvspielen und Tempel
weihen in Erinnerung, warum diese den Göttern gelobt worden waren
Ter. Eun. 20: Menandn ElInllchulll} postquam aediles emerunt, beweIst kein persönliches sondern lediglich, haben; aber
V.
daß die Aedilen das
notwendige Geld zur
22 scheInt eIner von ihnen das Stück bel eIner
Probe abzunehmen. Maßgeblichen mhaltlichen Einfluß nimmt Bernstem 1998, 237 71 72
an., s. aber dessen Anm. 48 und Gruen 1 992, 188-197. Zur
des Volkes rucht nur fiir Komödien vgl. Horsfall 2003, 1 3 f., 58�63.
ublikumson.entienmg des reimischen Dramas knapp Lebek 2000, 62f. 1 974b, 63f.
Rene Pfeuschifter
132
veränderte
die
7 Feste. 3
Die Römer auf der Flucht
Die geschichtliche Dimension verlieh ihnen
ein
Distinktionskriterium, das konkurrierende Feierlichkeiten nicht besaßen. Man
hat mit Recht darauf hingewiesen, daß bei den Wagenrennen die Zuschauer 74 Veranstal
wohl weniger über Romulus als über das führende Pferd sprachen. tungen solcher Art fehlte die Konzentration auf die
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res publica,
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Festkalender der frühen Kaiserzeit als Medien der Erinnerung RalfBehrwald
1. Eine neue Epoche wird propagiert Mit Octavians Rückkehr als Sieger der Bürgerkriege begann im Jahr
29
v.Chr.
auch für Roms Festkalender eine neue Epoche. Die zahlreichen Ehrungen des Princeps schlugen sich in einer rasch anwachsenden Zahl jährlich zu begehen ! der Feste nieder. Damit war ein Bereich des öffentlichen Lebens betroffen, der bereits mit der Kalenderreform Caesars 46 v.Chr? in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt und in antiquarischen Werken kommentiert worden war: Eines von ihnen, Varros Antiquitates rerum divinarum, war Octavians 3 Adoptivvater gewidmet. Im Wortsinn eine neue Epoche begann in Ägyp t e n , wo auf Senatsbeschluß der Fall Alexandrias den Beginn einer Provinzialära 4 markierte: Das Neujahrsfest sollte gleichermaßen Octavians Person und das historische Ereignis seiner Ankunft in Ägypten in Erinnerung rufen. In anderen Regionen des O stens wurde O ctavians Sieg bei Actium zum Ausgangspunkt
Zusammenstellungen dieser Festtage geben Gage
1 977, 155-185 Jn seiner Bude 1 955, 44-55. Grundlegend sind ferner Herz 1 978, bes. 1 1 48 f.), und Kienast 1999,
Ausgabe der Res gestae SOWle Ehrenberg/J ones Herz 1975, 225-227.
Vgl. Geiger
hier bes.
6-8
(überarbeitet als:
1 936; Malitz 1 987 sowie Rüpke 1 995, 369-39 1 .
Einen engen Zusammenhang mit der Kalenderreform Caesars vermutet Tarver
1 996.
Gegen das tradttionelle Datum
sprechend auf die zweite Jahreshälfte
47 v.Chr. datiert er die Antiquitates ent 46 v.Chr. BereIts früher war der I
Gegenstand gelehrter Literatur gewesen; es Ist daher Irreführend, wenn Sehlmeyer
2003, 169
schreibt: "antiquarische Schriften zum Thema Kalender und fasti gehören
dann erst in augusteische Zeit". Er selbst verweIst zuvor
4
(162) auf Cassius Hemina 6 F 17 (s1CI), S. 164 auf Sempronius Tuditanus FRH 8 F 3 Gedoch nicht F 7). Cass. DIO 51,19,6: Der Senat habe beschlossen, nlV 'tE �!1EPUV F.v TI � 1\AE�UVOPEtU MAco, uyu8�v 'tE dVUl KUt E� 'tU EnEl'tU lhT] uPX'1V 'tfj� unupt8!1�aEffi� ulmllv v0!1il:;w8at, KUt 'tov Kuiaupu nlv 'tE E�ouaiuv 't�v 'tmv OT]!1UPXffiV OtU ßiou EXE1V, KUt 'tol� Enlßoffi!!EvOt� Ull'tOV KUt EV'tO� 'tOD nffi!1T]piou KUt E�ffi !!EXP1� Üyooou �!11muo{ou U!1UVE1V. Die neue Ära scheint jedoch bald wieder außer Gebrauch gekommen zu sem, wie Skeat 1 994 zeigen konnte. Vgl. zuletzt Skeat 2001. Die auf Gardthausen zurückgehende FRH
Annahme, diese von Cassius Dio überlieferte Epochendatierung betreffe nicht den ägyptischen, sondern den stadtrömischen Kalender (so zuletzt noch einmal Gage
1 977, 1 55-185,
bes.
1 57),
Ist durch dIe von Skeat dtskutierte Dokumentation in
Ägypten hinfällig geworden.
Festkalender der frühen KaJ.serzeit
Ralf Behrwald
142
einer Ära.5 Dagegen konnte es in Rom zu einer solchen Ärenzählung unter dem
143
später proklamierten die ludi saeculares den Beginn einer neuen Epoche.ll Doch
Zeichen der res pubJica resn/uta nicht kommen, in welcher die Restitution repub
damit war kein Ende: Seit
likanischer Vergangenheit sich eben auch als Restitution republikanischer Fest
erinnerte jährhch ein vom Senat beschlossener Feiertag am
und Kalendertradition gab.
der Kaiser eine Reorganisation des römischen Kompitalkultes in Gang, die
Die Vorstellung, in eine neue Epoche einzutreten, war
und vlurde - je
1 2 v.Chr. auch pontifex maximus
-
an den Amtsantritt
6. März12
setzte
7
v.ehr. abgeschlossen war. An das epochale Ereignis der Einrichtung dieses
doch auch hier verbreitet.6 Es ist bezeichnend für den Charakter der Herrschaft
Kultes erinnerte in jedem vicus fortan eine Ära, nach der die Inschriften des
des Augustus, daß diese Vorstellung bald in einer Vielzahl ,epochaler' Ein
Kompitalkultes datiert wurden.
schnitte ihren Ausdruck fand, die sich jedesmal auch im Festkalender nieder
Diese Vielzahl neuer Feierlichkeiten und die Inszenierung immer neuer, den
schlugen. Octavians Geburtstag7 wurde ebenso in den Rang von feriae publicae
Beginn einer Epoche markierender Feste s tellten eine bemerkenswerte, ganz
erhoben, wie man von nun an die Schließung des Janusbogens am
auf den Princeps abgestellte Innovation auch deswegen dar, weil in republikani
1 1 .1 .29
v.Chr.8 und den Tag seines Triumphes im selben ]ahr9 als Staatsfeiertage bege hen sollte. Die Neuregelung des Jahres
27 v.Chr. fand ebenso Eingang in die Festkalender: Feiertage erinnerten jährlich am 1 3. Januar an die Verleihung der corona civica, am 1 6. Januar an die Annahme des Namens Augusrus .lO Zehn Jahre
scher Zeit die Einführung neuer Feiertage selten gewesen war.13 Im römischen Festkalender kumuliert, formten die neuen Gedenktage einen Zyklus meist
durch Senatsbeschluß eingeführter, jährlich wiederkehrender Feiern, welche die
neue politische Ordnung propagierten: "Augusto riscrive tutto e, nello stesso tempo, iscrive se stesso dentro ogni aspetto della vita, pubblica e privata", wie es Alessandro Barchiesi formuliert hat.14 In der his torischen Erinnerung der stadtrömischen und darüber hinaus der Bevölkerung ltaliens15 '.vurden jährlich immer ,,-'ieder die neue politische Ordnung und die Verdienste ihres Begrün
VgL Leschhorn 1993, 225-228; zu den entsprechenden Feierlichkeiten fueks 1970. Für die Provinz
Asia
wurde erst 9 v.Chr. der Geburtstag des Kaisers zum Neu
jahrstag erkl!irt (OGIS 458; RDGE 65; das Dossier der Inschriften eingehend untersucht von Laffi 1967), vgI. zuletzt Buxton/Hannah 2005. Die Et"Wartung emes epochalen Neuanfangs artikulierte schon 40 v.Chr. Vergils 4. Ekloge, die zuletzt von Binder 1983 auf Octavian bezogen "\.vurde. Dagegen will Perutelli 1 995, 6 1 f. nur eine "metaphor far the birth of a new
politische
Bezüge
erkennen
(vgI.
auch
Clausen
1 994,
era"
ohne konkrete
1 1 9-1 50).
Doch
die
Idealisierung von OctaVlan/Augustus auch in den frühen Werken Vergils hat zuletzt Holzberg 2006, 44-6 1 (bes. 47-51 zu Eel. 4) hervorgehoben. - Zur Vorstellung der augustetschen Herrschaft als eines wiedergekehrten
vgI. ferner Bmder 1 97 1 , bes. 281f.
Aureum Saeculum
ders aufgerufen.
Welche Bedeutung dem Festkalender in der öffentlichen Wahrnehmung dieser Zeit zukam, erhellt nicht zuletzt aus der großen Zahl inschriftlicher FenaJia und Fasti augusteischer Zeit. Diese Gattungen, die sich rasch in Italien verbreiteten, ergänzten sich in ihrer Aussage: Galt die inschriftliche Publikation von Kalendern der Vergegenwärtigung des Princeps im jährlichen Zyklus der Feiern, so konnten daneben Magistratsfasten, wie die Kalender häufig mit historischen Erläuterungen und Notizen versehen, die Erinnerung an die Ab-
in der Aeneis
Die Quellen versammelt Attilio Degrassi m seinem Kommentar, InscrIt XIII 2: Degrasst 1 963, 5 1 2-514; vgI. ferner König 1 972. Die kalendertechnischen Aspekte erortert ferner Suerbaum 1980, 335-337.
11
InscrIt XIII 2, 1 7; zu der bel Cass. Dio 51 ,20,4 genannten ersten der drei Schließungen des Bogens, deren Augustus sich R. Gest. div. Aug. 13 rühmt, vgl. Kienast 1999, 223 mit der dort genannten Literatur sowie Scheid 2007, 48 u. Rldley
zusammenfassende,
den
Säkularakten
ausgehende
Darstellung
hat
65 zusammen; vgL ferner Schmid 2004.
12
Die Quellen bei DegrasSl 1963, 420f.; den Senarsbeschluß überliefern die Fasti
13
Wie sehr dieses Verfahren sich von den Verhhltrussen der Republik unterscheide, in
Praenestzni (Inscrlt XIII
Zum Tnumph vom 13.-15.8.29 v.Chr. vgI. Du fratgne 1 994, 41f. und zuletzt
von
Schnegg-Köhler 2002 vorgelegt. Dte ältere Literatur stellt Kienast 1999, 223f. Anm.
2003, 1 1 4- 1 1 6.
2, 1 7) zum 6. März.
Bosworth 1999, der auf S. 7f. in dem Datum des Triumphes eme Verb11ldung zu
der es nie zur Einführung neuer .forlae pubkcae gekommen sei, betont Champeaux
Herakles sieht. Ihm wurden nach Ausweis der Fastz Al/ifant
2003, 1 85f.
am
12. und 1 3.8. Opfer
dargebracht (InscrIt XIII 2, 24; CIL IX 2319-
14
Barchiesi 1 994, 59. Zum propagandistischen Einsatz des Kalenders Kienast 1999,
Stehe unten S. 1 52f. Es ist demgegenüber s1grufikant, daß rmt der Neuordnung des
15
225-227. Daß es sich dabet um ein rem italisches Philllomen handelt, betont zuletzt Haensch 2007, 178; zur eptgraphischen Publikation des julianischen Kalenders in Italien seit
im Circus und an der
Porta trigemina
20) . 10
Eine
Jahres 23 v.Chr. kein Fest verbunden war; sie 1;I,.urde erkennbar als Justierung des Bestehenden, nicht als Neubeginn empfunden.
Augustus vgL ferner Cooley 2006, bes. 237-243.
Festkalender der frrihen Kaiserzeit
Ralf Behrwald
1 44
dabei freilich folge der historischen Erfolge des Augustus sicherstellen16 "keinem historischen, sondern einem propagandistischen Zweck dienend", wie es Uwe Walter kürzlich pointiert formuliert hat.l7 Im Zusammenhang der kaiserlichen Selbstdarstellung kommt dem auguste ischen Festkalender und seiner inschriftlichen Verbreitung freilich noch aus einem zweiten Grund eine besondere Bedeutung zu. Die Vorstellung kaiser licher Propaganda wurde in der jüngeren Forschung WIederholt als proble matisch empfunden,18 wenn nicht völlig abgelehnt.19 So hoben etwa Gregor Weber und Martin Zimmermann besonders das methodische Problem hervor, daß die Rezepdon von Äußerungen der kaiserlichen Zentrale kaum je nachzu vollziehen sei?O Jenseits einer Diskussion über den heuristischen Wert des das besondere Interesse Begriffs Propaganda, die hier nicht zu leisten ist, Teil weder des augusteischen Festkalenders darin, daß er zum aus Äußerungen der kaiserlichen Zentrale noch aus literarischen Texten oder Kunsrwerken der Hochkultur bekannt ist,21 sondern aus die auf die Initiative lokaler Funkdonsträger zurückgehen und damit auf Rezipienten der kaiserlichen Selbstdarstellung. hielt jede Aus den Festen, die Hof und Senat propagierten und worden war; die dieser Inschriften eine Auswahl fest, die vor Ort Einheitlichkeit des vom Hof erschaffenen augusteischen Festkalenders und das Geschichtsbild, das er zum Ausdruck bringen sollte, wurde hier sofort wieder in die Vielfalt lokaler Kalenderinschriften aufgebrochen. Jede dieser - durch gängig nur fragmentarisch erhaltenen Inschriften reflektiert folglich gleich-
145
zeidg die lnitiadve der kaiserlichen Zentrale und die Reaktion lokaler Funktionsträger: Mit ihrer je eigenen Auswahl von Festen und präsenGeschichtsbildes, tieren diese auch eine je eigene Adaption eines im Fall der Fasti MqffeianP vielleicht sogar eine deutliche Absage an die gewünschte Verherrlichung des neuen Herrschers?3
2.
Der Kompitalkult und seine Ären
Seit dem Abschluß der augusteischen Neuordnung im Jahr 7 v.ehr. bestand Rom aus 265 vici, von denen manche republikanische Vorläufer hatten, andere neu gegründet wurden.24 Ihre magistri versahen den Kult der Lares Augusti, der sich in mehreren neuen Feiertagen artikulierte. Am ersten Januar überbrachten Vertreter der vici dem Herrscher Geldspenden auf dem Kapito!.25 Die von Augustlls vermehrten Geschenke flossen in einem Akt des Gabentausches zurück; Sueton berichtet, aus ihnen habe der Kaiser vicatim kostbare Götter statuen gestiftet?6 Auf den 1. August den Feiertag, der an das Ende der
22 23
S.u. S. 1 50-152. Diese Unterschledlichkcit betont nach Scheid 1992, 121 besonders Rüpke 1 995, 41 1 f. (anders hingegen Graf 1 997, bes. S. 20). Sie ist um so bemerkenswerter, als seit der julianischen Reform der
stadtrömische Kalender völlig verwendet wird, WIe nach Rüpke
emheitlich und ohne Rücksicht
2004, 33 zuletzt Haensch 2007, 1 7 8 hervorgehoben hat; vgl. bereits Crawford 1996, 16
Das Verhältrus eines zyklischen Zeitverständrusses zu einer linearen Vorstellung von Zeit und Geschichte untersucht Benoist 1 999. Sem Versuch, dabei eine Abfolge
24
kultische Funktion und dte Vergabe der Götterbilder durch Augustus nennt Ov.
vermag jedoch nicht zu überzeugen, vgl. dIe Kritik von Chamberland 2002, bes.
18
408f. Jüngst ist Benoist 2005, bes. 304-308 auf das Thema zurückgekommen.
fast. 5,145f. Vgl. Blekken 1958; Kolb 2002, 510-5 13; Tarpin 2002, bes. 137-174
Walter 2006, 52. So spricht etwa Hölscher 1 984, 28f. von "Meinungslenkung"; e:tnen "weitgehend
Literatur
sowie Lott 2004, 81-127 und zuletzt Lo Cascio 2007 mit der dort genannten
20
21
326. Alföldy 1 99 1 spricht von ,Propaganda' (291) und ,Werbung' (321 f.), ohne daß ZWIschen den Begnffen unterschieden ",iirde.
Als Ausnahme haben hier allein die Fastz Praenestini (lnscrlt XIII 2, 1 1) zu gelten,
wohl die von Suet. Gramm. 1 7,4 genannte Inschrift,
in der M. Verrius Flaccus,
Pnnzenerzieher am Hofe des Augustus, Jastos a se ordinatoJ el marmoreo pam/i illC/sos publieamt, vgl. Dihle 1 958, bes. 1 637f.
der
vta
in
der
städtischen
Verwaltung.
Augusteische
Suet. Aug. 57,1: omnes ordines in lacHm
c;ttrli
quotannis
ex
vota pro salute eius stipem
iaC/ebanf; item &1. Ian. sfrenuam in Capitolio etiam absenti, ex qua summapretiosissima deorum
szmulacra mercatus Vlcatzm dedicabat, ut Apo/lill8m Sandaliarium el lovem Tragoedum aliaque.
überpolntlert.
Weise festhält wie Enenkel/Pfeijffer 2005, bes. 8f.
Rolle
zuvor wenig besiedelt waren, vgl. etwa zum Marsfeld Palmer 1990, 1 8-28. 25
So etwa Elch 2003, der jedoch dte Positionen der älteren Forschung bisweilen In Ihrer Einle:ttung (\'\leber/Zimmermann 2003b) zu Weber/Z1111mermann 2003a, bes. 23; anders jedoch Niquet 2003, bes. 1 56-165, die an dem Konzept in gle1cher
zur
Neugründungen von VIa werden vor allem für jene Stadtbezirke angenommen, die
selbstläufigen Prozeß" "ohne explizite Direktiven von oben" erkennt Zanker 1 990,
19
Das Datum nennt Cass. Dlo 54,35,2f., die Zahl der vici (für das Jahr 73 n.Chr.) Plin.
nato 3,66. Suet. Aug. 30 erwähnt die Reorganisation der Stadt in regzones und vici, ihre
republikaruschen und neuen, augusteIschen Zeitvorstellungen zu rekonstruieren,
17
426.
26
Vgl. Cass. Di0 54,35,2f. Vgl. Meslin 1 970, 31-34
potlach rituel", 32) und zuletzt Rowe 2002, 92-
94. Den von Sueton be;�eugtecn Tausch von strenae gegen kaiserhche Stiftungen ex stipe hat Flambard 1982 37) erkannt; ihn
56), vgL Meslin 1 970, 46.
der Nachricht von Cass. DlO 59,6,4 (zum Jahr
die Inschnften (CIL VI 456-458 sowie 30974, AE 1 980,
Anm. 2 sowie zum privaten l.:rsprung dieser strellae ebd. 39-
Ralf Behrwald
146
Bürgerkriege erinnerte - wurde der Beginn des Amtsjahres der
gelegt.27 Auf den Anfang jeden Jahres fielen die
magist1i vzcorum
ludt Compitalicit�
lichkeiten fanden im Frühj ahr und Sommer statt.
28
weitere Feier
Die vtci wurden darüber
auch jenseits des Kompitalkultes zum Fokus weiterer Kulte und Feste, wie
Altäre für versduedene andere Gottheiten
die von
171agtsl1i vieorum
gestiftet wurden.29 Der in ihnen begangene Kompitalkult wurde zu emem System aufeinander verweisender
und beziehungsreich inszenierter
Zeremonien des Gabentausches, die von jedem der begangen wurden.
265 viei
der Hauptstadt
In dem Kompitalkult hat besonders Andreas Alföldi ein Medium kaiser
DIe Stiftungen, von denen Sueton nur ZWei nennt, dürften sich uber einen längeren Zeitraum hingezogen haben und Sind kaum als
Ereigffis zu verstehen.
Von den beiden genannten Götterstatuen verweist
des
auf den gleichnamigen
27
lupiter Tragoedus,
vieus
(vgl. Coarelli 1 999, 1 89; zur
über dessen Bezlehung zu e111em
ApolIon SandaJiarius
Blick sowie Fasten der jährlich wechselnden ten und in den Versammlungslokalen der
magisl1i, die inschriftlich vici ausgestellt wurden.
festgehal
Die Einrichtung der viel brachte für deren Belange auch die Einführung
einer Ära mit sich, datieren doch die meisten erhaltenen Inschriften der
vici
nach den J ahren seit der Kulteinrichtung. Auf Inschriften, die im ersten Jahr nach der Reorganisation der
viei
entstanden, heben deren magism mit erkenn
Ein epochales Ereignis kruserlicher Kultpolitik scheint sich so in der Ären datierung der
viei manifestiert
die bis in das
zu haben, einer
3. Jahr
hundert n.Chr. in Gebrauch blieb.
Freilich zeigt eine in den letzten Jahren
Zahl von Inschriften,
die zuletzt Jörg Rüpke eingehend diskutiert hat ?3 daß einige dieser Ären gar nicht auf das Jahr 7 v.Chr. zurückgingen. So setzte die Ära des
Virtutis im Jahr 9
bekannt 1st,
v.Chr. ein,34 diejenige des
vieus Iovis Fagutalis
vieus Honons
el
sogar schon im
vgl.
Quod eo rite tmp. Caesar rem publicam trisftssimo pericuJo liberavit: so der identische Eintrag zum 1. August In den Fasti Amitemi (lnserIt XIII 2, 25; CIL IX 41 92) und den =
32482), dem
seiner RekonstruktlOn der Fasti Praenestim (lnscr!t XIII 2, 17) gefolgt ist.
Kompitalaltare aus, weil er von zu hoher Qualität seI (anders noch Alföldi 1 973, 30f.). Die Inschrift des Altars (CIL VI 876) unterscheidet sich von denjenigen der 32
Zum Damm des Amtsantritts vgl. Nlebling 1956, bes. 323f,
aboJita restituzly uf SaJufis Suet. Aug. 31 .4: nonnulla etiam ex antiquis augunum} Diale jlamomumy sacmm Lupereale, Judos ct CompitaJicios. . . . Compztales Lares oman bis anno tnstztuit vemisfloribus ef aestivis, vgJ. Latte 1967, 307. Stiftungen von magistri: DianaAuflISta: GL VI 128 via), CIL ,lI 129 (magistri Memmut Augustus: GI. V1 283 und GI. VI 34 via); Stata Mater. CIL VI 763 via), CIL VI 764 (magistrz I/ia); Stata Mater Augusta: CIL VI 766 (magism Stata Fortuna August«. CIL VI 761 (magzstn via); Volcanus Qutetus Augustus et Stata klater Augusta: CIL VI 802 (magistri via); Apollo Augustus: CIL VI 33 (magistri v7a), CIL VI 35 (magister u. minister); Hercules: CIL VI 282 (magzstn Vtcz), Hercules Tutor. CIL VI 343 (magism via); Venus Augusta: AE 1980, 54 (magziter Mercurius und andere Götter: CIL VI 30975 (ein magzster vm?). - Stiftungen von ministn: A esculapius; CIL VI 12 (mimster); Apollo Augustus (s.o.).
Alföldi 'J 973, der ehe lrutiatlve des Hofes v.a. 26f. betont. Seine Rede von der jedoch mcht davon ablenken, daß LAJföleh der eme
Larenaltäre und stützt Hölschers Urteil.
Magzstrt lim qui [ . . . ] pnmi magistenum inierunt.
2004, Nr. 9); Mancini 1 935, 78 Nr. 2 (Lott 2004, Nr. 1 0). Vgl. eIL VI 128: 33 34
vzci quz [. . . ] pnmus lnagz.rterzum zmt (Lott 2004, Nr.
gegenüberstellt
und von einem einseitigen Modell kaiserlicher Propaganda welt So etwa Zanker 1 990, 135-139. Hölscher 1 988, bes. 390, hat
111
ist. der geringen
nun Rüpke 2005, Bd. 3, 1 50 1 -
1 503.
CIL VI 449 (Lott 2004, Nr. 37), deren Formulierung
Laribus Aug(ustzs) et Gem(i)s Caesanlm [Imp(eratori) Caes(ari) DOJI'/itiano Aug(usto) co(n)s(uli) I dmg(nato) X [ . . . ] anni LXXXXII [. . .] vom 9. Konsulatsjahr Domitians (83 n.Chr.) auf 9
v.Chr. als Anfangsjahr der Ära führt, Gatti 1906, 203 hat
desig(nato) X
10 Jahre zum
Konsul designiert wnrde (Cass. DlO 67,4,3), und Niebling 1 956, 328 ist ihm darin D1e Inschrift sei als
desig(nato) (dedcs) aufzulosen und könne
zwischen 83 und 92, der Anfang der LÄ..ra also nur
zwischen 9 und 1 v.Chr. datiert werden. Doch abgesehen unplauslble Ergänzung
co(n)s(uli) X] I destg(nato) X
in ein beliebiges in den Zeitraum
daß man dann die vorschlagen müßte, hat
1980, 37 gezeigt, daß die Designation Domltians für die Konsulate der Jahre Z\\ilschen 83 und 92 gerade im Gegenteil
zur
Unterdnickung der Designatlonsanga
ben auf dornitianischen Inschriften führte. Buttrey hat Sich =t den Argumenten Gattis mcht auseinandersgesetzt, Mattln 1987, 50 sie rundheraus abgelehnt. Zu den
rici, d1e nicht 1m Jahr 7 v.Chr.
Aren emzelner
ger:ad(�zu deren Charakteristikum erkannt. Entsprechend sondert er 394f. den Altar
grundlegenden Beobachtungen von Moretti 1958, 233f.
aus der Reihe der
ehe Angabe
damit erklart, daß Dornitian 84 für die
kunsdeuschen Qualität der Larenaltäre, die eine Beteiligung des Kaisers ausschließe, Museo Gregonano profano Inv. 1 1 1 5 (bei ihm K
magister
5).
Nach Rüpke 1995, 58-63 und Rüpke 1998, 28-30
der Regierungskreise"
echter Dankbarke1t" auf Serten der
CIL VI 283 (Lott 2004, Nr. 6); CIL VI
445 (Lott 2004, Nr. 7); CIL 446/7 (Lott 2004, Nr, 8); Panciera 1 987, 62-73 (Lott
vermochte, darf
"Gefühlskontrolle", die "über dIe Loyahtät der Massen zu
31
Einnchtung ihrer Kulte in Erinnerung hielten. Neben den
Coarelli 1 993, 57);
Vtcus nichts
Fasten der Arvalbruderschaft (lnscrIt XIII 2, 2; CIL VI 2295
30
vici die
LarenaltäIen und ihren Weilunschriften kommen hier Wandkalender in den
Aronen 1 995.
>J'.,",." '" 1!l 28
reich, wie die
barem Stolz ihre Rolle als die ersten hervor, die diese Funktion bekleideten.32
licher Emflußnahme erkannt.30 Dagegen betonte die jüngere Forschung eher 3l die Initiative der viei. In unserem ist zunächst aufschluß-
zum
147
Festkalender der frühen Kalserzdt
268.
ferner die 1990, 265-
Ralf Behrwald
148 Jahr
12
v.Chr.
Zethus aus
35
In dieselbe Richtung weist die Weihung des L.
1
dem Jahr
Lucretius L.
l.
n.Chr., welche zwar auf private Iniative zurückgeht, sich
mit der Formulierung
nono [anno) I introeunte Jelie[iter)
vieus
jedoch der Ära eines
bedienen dürfte. Dieser vieus hätte seine Ära dann bereits 8 v.Chr. beginnen 36 lassen. Andererseits scheint dieser Prozeß sich in einzelnen vici auch bis min destens in das Jahr
6
v.Chr. gezogen zu haben, von welchem die Ära des Comieularius ihren Ausgang nimmt. 37
vieus
Bereits Mommsen hat aus diesem Befund auf eine Übergangsperiode ge schlossen, in der in den einzelnen vici sukzessive die Kompitalkulte und ihre magistn eingeführt wurden,38 und zuletzt hat Rüpke noch einmal den langsamen 39 Prozeß der Einrichtung des Larenkultes unterstrichen. Daß von Seiten des Kaisers eine deutliche Zäsur im J ahr
7
v.Chr. angestrebt war, die sich dann ja
auch in den meisten Ären sowie in der literarischen Überlieferung niederge 4o schlagen hat, ist nicht zu bezweifeln. Dennoch ist gerade das spätere Ein setzen einzelner Ären, das nicht allein mit der Neugründung von vici im Zuge 41 der Ausdehnung der städtischen Besiedlung Roms zu erklären ist, ein eindeu tiges Zeichen für die Uneinheitlichkeit der Reform. So lag der
vieus Comzcularius,
dessen Ära ein Jahr später einsetzte, direkt am Ludus Magnus und damit sicher in alt besiedeltem Gebiet. In den
vici
sollte die Wahl einer Ärendatierung, so scheint es, in der Tat
Jahr
vieus,
punkt historischer Erinnerung zurücktrat. Auch wenn die Mehrheit der ihren Kult im Jahr
7
v.Chr. eingerichtet hatte und von hier an zählte, ist diese
Ära bemerkenswerterweise nie die einheitliche Ära aller 35
36
37
vici
vici geworden:
Noch im
CIL VI 452 (Lott 2004, Nr. 40), geweiht dem Trajan UD Jahr seiner 13. tribunizi schen Gewalt (109): aed(zeulam) [ . . . ] maJgistri anni CXXI sua inpensa restitu[er(unt)J, woraus das Anfangsjahr 12 v.Chr. folgt, will man nicht mit Gatti 1 906, 205f. eine Verschreibung für CXVI postulieren. CIL VI 30975. Eine Verbindung ffilt den Inschriften der via" schließt Gatti 1 906, 200 aus; angenommen haben sie nach der eingehenden Besprechung von Cavallaro 1975/ 1976, Palmer 1990, 20 und zuletzt Rüpke 2005, Bd. 3, 1 502. Moretti 1958. Morettis Inschrift Nr. 3 (= AE 1960, 63; 27. Jahr der Ära) stammt aus dem Jahr 22 n.Chr., für die Suffektkonsuln der Inschnft Nr. 1 ( AE 1 960, 6 1 ; 61. Jahr der Ära) hat Camodeca 1 986, 205-207 das Jahr 56 ermitteln können. Damit kann die Ära des vicus Cornicularius rucht vor dem Jahr 6 v.Chr. begonnen haben. Zitiert im Kommentar zu CIL VI 454; ihm schließen sich etwa Bleicken 1958 und Fraschetti 1990, 265-268 an. Rüpke 2005, Bd. 3, 1501-1503 und zuvor schon in Rüpke 1 995, 62f. So Lott 2004, 85f., während Tarpin 2002, 137-140 unentschieden bleIbt. Auf diese Erklärung weist bereIts Palmer 1990, 20 hin.
39 4()
41
magistn'
vici
eine andere Perspektive erkennen. Daß deren j ew eilige
T r a d i ti o n , daß also die Gründung des Larenkultes in j edem der augusteischen Reform von
7
vieus engstens mit
v.Chr. verbunden war, wird den Zeitgenossen
dennoch bewußt geblieben sein. Gerade deshalb bleibt es bemerkenswert, daß sie die historische Verortung ihrer Magistratslisten nicht an dieses Großereignis 45
anschließen wollten. Einer dieser
magistrorum vici Epochenjahr.
46
vici
wählte, wie die an der
zeigen, neben dem Jahr
7
Via marmorata
gefundenen
Fasti
v.Chr. sogar noch ein zweites
Eine unter dem Festkalender angebrachte Konsulliste setzt mit
dem Jahr 43 v.Chr. ein. Genannt sind j edoch nicht die eonsules ordinarii des 47 Jahres, sondern an ihrer Stelle die Suffektkonsuln Caius Caesar und Quintus
42
43 44
45
=
38
n.Chr., als auf dem Kapitol eine gemeinsame Stiftung zahlreicher
die Position der kaiserlichen Zentrale zu eigen machen, so lassen die Inschrif ten der
urbs; es war das Datum der Kultgründung im j eweiligen
hinter welches das große Ganze der augusteischen Reform als Bezugs
1 36
errichtet wurde, wählte man für deren Inschrift eine Konsulsdatierung, wäh 42 rend eine - naheliegende - Ärendatierung nach dem J ahr der Kulteinführung 43 unterblieb. Während die literarischen Quellen den Moment der Neuglie 44 derung der S t a d t im J ahr 7 v.Chr. in den Vordergrund stellen und sich damit
einen Neuanfang, ein epochales Ereignis markieren. Aber dieser Neuanfang lag nicht auf der Ebene der
149
Festkalender der frühen KaIserzeit
46 47
Die Ärendatierungen bleiben in den vici mlndestens bis in das 2. Jahrhundert n.Chr. im Gebrauch; so datiert die Inschrift des vieus Iovis Fagutahs (CIL VI 452) aus dem Jahr 109. In AE 1949, 170 (wohl 208) und CIL VI 30960 (222/3) ist sie (plausibel) ergänzt. CIL VI 975 31218; VgL Rüpke 2005, Bd. 3, 151 3f. und zuvor schon Rüpke 1998, bes. 33-36. Cass. Dio 55,8,6f.; ähnlich Suet. Aug. 31,4 (ohne Angabe des Datums). Mit der Datierung nach einer durchlaufenden, eigenen Ära beschritten die vici Roms noch ln anderer Hinsicht elnen bemerkenswerten Sonderweg. Ist in kaiserzeitlichen Vereinigungen über die via hinaus elne Datierung nach lustra, die sich auf ein Anfangsdatum beziehen, üblich (vgL Waltzlng 1 895, Bd. 1, 362f.), so kann eine fort laufende Jahreszählung, wie sie gelegentlich auch in Gemeinden des Westens begegnet (zusammengestellt bei Leschhorn 1996, 195), allenfalls bei den Inschriften der Mailänder fabri et eentonan' angenommen werden, vgL Waltzing 1 895, Bd. 1, 362f. und Mommsen ln seinem Kommentar zu den vier relevanten Inschriften (CIL V 5578, 5612, 5738 und 5869), CIL V 2, S. 635. Mailands "most interesting and most puzzling system" (Harris 1 977, 285 mit Anm. 15) wäre jedoch reichsweit die einzige Korporation, die sich eine eigene Ära zugelegt hätte, so daß möglicherweise die schon von Mommsen erwogene, aber verworfene, von Liebenam 1890, 198 Anm . 1 kategorisch ausgeschlossene Alternative eller städtischen Ära vorzuziehen ist. InscrIt XIII 2, 12; vgL Rüpke 1 995, 58-63, bes. 60f., und Rüpke 1998, 36-41, zuletzt Rüpke 2005, Bd. 3, 1505-1 510. Der manipulative Charakter dieser Änderung wird daran deutlich, daß für die folgenden Jahre auf dIe eonsules ordinarii die suJfeeti mit dem Vermerk sul folgen; für das erste Jahr sind Octavlan und PedlUs an der Stelle der ordinarii und ohne den Zusatz eingetragen. =
1 50
Festkalender der frühen I<Jl1serzelt
Ralf Behrwald
Pedius: Das erste Auftreten des künftigen princeps markiert hier den Epochen einschnitt, von dem an die Konsulsfasten dokumentiert sind. Ob dieses Ereig nis auch im Kalender als Jahrestag markiert war, läßt sich leider wegen dessen 48 fragementarischer Erhaltung nicht mehr klären.
3. Gedenktage und Geschichtsbild
Die Kalender römischer collegia - oft ist nicht klar, ob es sich um Kalender von vici oder anderer Vereinigungen handelt - nennen bemerkenswerterweise die Feiertage des Kaiserhauses meist nur in einer Auswahl. Vor dem Hintergrund dieser Praxis erweist sich die Rede von d e m römischen Festkalender als eine Fiktion, unterscheidet sich doch die Auswahl der aufgenommenen Festtage bei den einzelnen Killendem bisweilen deutlich. 4 Besonders aufschlußreich sind hier die Fasti Maffeiani, 9 eine Fasteninschrift, die eine Familien von Freigelassenen wohl bald nach 8 v.Chr. für ein stadt römisches collegium aufstellen ließ.5o In seiner Diskussion des Textes hat Rüpke vermutet, daß die aufgenommenen Feste - unter ihnen die Saturnalia, das Fest der Mens und die Vestalia - eine Auswahl darstellen, die sich am ehesten mit den religiösen Vorlieben Freigelassener oder Sklaven in Verbindung bringen 51 lasse. Unter den historischen Notizen, die dem Kalender beigefügt sind, fällt ein großes Interesse an der Zeit Caesars auf. Aus ihr werden - neben den ludi Victoriae Caesaris am 20.7., die wie alle ludi zu erwarten sind - Caesars Emnahme von Alexandria am 27.3.47 v.Chr. und sein Sieg über die Pompeianer in Spanien am 2.8.49 v.Chr. genannt; unter dem Eintrag hoc die Caesar Hispali vicit am 9.8. dürfte sich schließlich der Sieg von Pharsalos 48 v.Chr. verbergen. Diesem Interesse an den kriegerischen Taten Caesars steht nun in den Fasti Maifeiani ein ebenso prononciertes Desinteresse an den militärischen Erfolgen des Octavian/ Augustus gegenüber. So fehlt jeder Hinweis auf die Schlachten bei Naulochos und bei Actium,52 und auch die Schlacht bei Philippi, in der
Caesar gerächt wurde, wird nicht genannt.53 Besonders bemerkenswert ist, daß der Text am 1.8.54 den Einzug des Augustus in Alexandria und damit das Ereig nis, welches andere Kalender als das Ende der Bürgerkriege rechneten und dem 55 der Monat seinen Namen verdankte, zu übergehen scheint. In markantem Gegensatz zu dem Bild, das diese Fasten von Caesar entwerfen, werden für Augustus alle kriegerischen Ereignisse konsequent ausgeblendet. Dagegen wird das Ende der Bürgerkriege gleIch zweimal, mit dem zum dies vitiosus erklärten 56 Geburtstag des Antonius und am Dedikationstag des Victoria-Altars in der Curie des Senats, dem 28.8., evoziert. Das lang erwartete Ende des Bürger krieges zwischen Marcus Antonius und Octavian wurde hier erkennbar in den Mittelpunkt kalendarisch fIxierter Erinnerung gestellt. Eine ähnlich markante Auswahl treffen die Fastl Maifeiani für die Zeit des Principats. Sie nennen den Geburtstag des Augustus am 23.9., die Augustalla am 1 2 1 0 . sowie unter den nicht nicht in Verbindung mit einem Feiertag, sondern als historische Daten eingetragenen Notizen den Antritt seines Oberpontifikats 57 am 6.3.12 v.Chr. mit dem Eintrag hoc dIe Caesarponttf(ex) maxim(us) fact(us) est. Dagegen werden jene Daten, welche die Einrichtung des neuen politischen Systems reflektieren, durchgängig ausgeblendet: Die Fasti Maffeiani übergehen den ebenfalls zu feriae publicae erhobenen Tag, an welchem der I
53
54
55
48 49 50 51
52
Völlig vereinzelt stehen hier die Fast! Pzncianz (InscrIt XIII.2, 3; CIL VI 2294 = 32481), rue vermutlich um 20 v. aufgestellt wurden und deren Konsulnlisten biS etwa 80 v. zurückgere1cht haben dUrften: Rüpke 1 995, 51f. InscrIt XIII 2, 10, der dem von Mommsen m CIL 12 1, S. 303-325 aufgrund von Publikationen des 16. und 17. Jhs. fast vollstandig rekonstrUlerten Text folgt. Rüpke 1 995, 55 erwägt wegen der Nennung der Vestalia am 6.9. emen Zusammen hang mit einem Verem römischer Bäcker. Rüpke 1995, 54f. Beide Schlachten werden m allen anderen Fasteninschriften, in denen der Tag erhalten Ist, genannt: Fastifratrum Aroalium (InscrIt XIII 2, 2) und Vallenses (InscrIt
151
56
57 58
XIII 2, 1 8) sOWIe außerhalb Roms den FastiAmiteronz (InscrIt XIII 2, 25) und Antiates mznlstrorum (InscrIt XIII 2, 26). Sie fehlt freilich auch m den Fasti fratrum Aroalium (InscrIt XIII 2, 2), dem Feriale Cumanum (InscrIt XIII 2, 44) und sehr wahrscheinlich auch in den Fasti Sabini (InscrIt XIII 2, 5); sicher genannt wird sie nur in den Fasti Praenestini (Inscrlt XIII 2, 17).
Er ISt an rueser Stelle heute nicht mehr erhalten, doch stimmen die Kopien des 1 6 . Jh5. und rue frühen Editionen darin überein, daß sie fUr den 1 . August nur die Nennung des Nundinalbuchstaben und der Kalenden, in der nächsten Zeile jedoch umfangreiche Textreste überliefern, die SICh auf Caesars Sieg am 2.8.49 v.Chr. beziehen. Das Fehlen des Sieges bel Mutlna am 1 5.4.43 v.Chr. ist bei den meisten Fasti zu beobachten. Er wird allem im Feriale Cumanum (InscrIt XIII 2, 44) genannt, fehlt aber in den Fasti Vaticani (Inscrlt XIII 2, 23) und den von PanClera gefundenen Fasti vici lugarii (AE 1975, 1 7) sowie außerhalb Roms in den Fasti Caeretani (InscrIt XIII 2, 8) und Vallenses (Inscrlt XIII 2, 1 8) . Freilich ohne explizite Nennung des Anlasses als en(doterczsus) dies vitios(us) ex s(enatus) c(onsulto) (Inscrlt XIII 2, 10); m noch knapperer Welse wird der Tag von den Fastz Oppzani (InscrIt XIII 2, 1 3) als en(doterczsus) vitiosus aufgeführt. Der Tag wurde seitdem als öffentlicher Feiertag begangen (Belege bei Degrassi 1 9 63, 420) .
Diesen Tag, den 5.2., uberliefern Suet. Aug. 58,1 und Ov. fast. 2,11 9-1 44; er WIrd in allen Fasten vermerkt, m denen der Tag erhalten ist: in den Fasti Praenestini (Inscrlt
152
Ralf Behrwald
Res Gestae ausdrücklich hervorhebt59 erhalten hatte. 6 Verleihung des Titels Augustus 0 bleibt in den }asti Maffiiani uner
im Nachtrag zu den der
der
wähnt, wie der Kalender überhaupt die Neuordnung des J ahres 27 völlig über6 1 Es fehlt ferner die
dedicatio
der
Ara Paris
1 53
Festkalender der frühen Kaiserzeit
am
30.1 ., die ansons ten unter
allen anderen Fasten, für die dieser Tag überliefert ist, nur noch die Tr ' " " b erge hen.62 v ta lYlarmorata u
Fastz
der
hatte.67 Ein anderer Kalender, die
16. J anuar dagegen der Augustdia aus,
überging die Ereignisse des
Fastz
8 kommentarlos.6 Das
Feriale Cumanum
ließ sogar das Fest
in dessen Namen bereits der Titel des
princeps
verewigt
sich bei den Feiertagen, die an beson-
\vurde.69 Ähnliche Unterschiede
erinnern sollten: An die Schließung
dere Wendepunkte im Leben des
anderer italischer Städte heran. Von besonderem Interesse sind hier zwei
Fasti Praenestini, während das des J anuar übergeht. Umgekehrt nennt Feriale Cumanum sie unter den O das Feriale Cumanum den Tag, an dem Octavian seine Toga anlegte?
Selbstdarstellung rückt: die
Fasti Praenestini, deren Abfassung auf den Gramma tiker und kaiserlichen Hoflehrer M. Verrius Flaccus zurückging, und das Feriale Cumanum, ein Opferkalender,63 der eine Auswahl kaiserlicher Gedenkfeiern der Tag versammelte. So erinnerte in den Fasti Praenestini j ährlich der 1 3. 64 der Verleihung der corona civica, an die Neuordnung von 27. Doch obwohl es
wahl aus den Daten der jüngeren Geschichte als erwähnenswert aufnahm, ließe
sich bei diesem Eintrag nicht
eine detaillierte Analyse aller dieser Kalender, die hier nicht angestrebt ist, das
Das bisher gewonnene Bild ge"mnt an Schärfe, zieht man Kalender
Inschriften, deren stark affirmativer Charakter sie in enge Nähe zur kaiserlichen
sondern
um
um
die Nennung einer vorgegebenen Feierlich-
eine historische Notiz handelte
des Ianusbogens im Jahr 29 v.Chr. erinnern die
Dieses Nebeneinander, bei dem jeder Festkalender eine jeweils eigene Aus
sich an weiteren Kalenderinschriften weiterverfolgen. So zeichneten sich etwa die
Fasti Val/enses in bemerkenswertem
Gegensatz zu den
Fasti Mtiffeiani gerade
dadurch aus, daß sie neben den Schlachten Caesars auch die großen militä
rischen Erfolge des Octavian/ Augustus fast vollständig anführen.7 1 Wenngleich
die Auswahl also nicht
Bild im Detail noch deutlicher hervortreten ließe, so dürften dessen Umrisse
durch die Vorgaben eines Senatsbeschlusses definiert war -, wurde die gleich
bereits jetzt klar erkennbar sein. Trotz der umfangreichen Verluste, die dem
zeitige Verleihung von zwei Lorbeerbäumen, die Cassius Dio gemeinsam mit 5 der corona civica überliefert,6 übergangen, während für den 16. Januar die Ver
fragmentarischen Erhaltungszustand aller I
gabe des Augustusnamens ",-jeder aufgenommen wurde.66 In Cumae empfan den die Redaktoren des dortigen Opferkalenders
a l l e i n den
1 6.
Januar als erinnerungswürdig, an dem Octavian den Namen Augustus erhalten
XIII 2, 1 7), dem Fenale Cumanum (InscrIt XIII 2, 44) sowie In den Maglstratsfasten aus Cupra Maritima (InscrIt XIII 1, 7). Vgl. Bowersock 1 990 und zuletzt Scheid 59 60
61
62
63
64 65
66
1999.
R Gest. div. Aug. 35. Cass. DlO 53,16,6; Suet. Aug. 7,2 (ohne Angabe der Umstände); vgl. Kienast 1 999,
lassen sich noch der von den auch viele Fragen
67 68
69
70 71
Corona querc[ea, utz super zanuam domus Imp(eratoris) I Augusti poner[eJur, smams decrevit, qllOd rem pub/icam] I p(opu/o) R(omano) rflSIlIm�im (Inscrlt XIII 2, 1 7) .
Cass. Dio 53,16,4.
Imp(erator) Caesar [AuguIlus XIII 2, 1 7) .
UWUW.IUltUJ
zpso VII
111
(Inscrlt
so wird für den 29. Januar in mehreren Kalender ein
Feiertag aufgeführt, das an diesem Tag gefeierte Ereignis, das nie vollständig genannt wird, ist jedoch bis heute unbekannt geblieben.72
92f.
Zum Inhalt dieser Neuregelung, deren Reflex In den Fasten im folgenden zu werden die Jubiläen der besprechen ist, vgl. Kienast 1999, 78-98. Völhg (InscrIt XIII 2, 13). Neuregelung des Jahres 27 v.Chr. auch von den Inscrlt XIII 2, 12. Genannt wird sie in den Fasti (Inscrlt XIII 2, 22) sowie außerhalb Roms in den Fasti Caeretani (InscrIt XIII 2, 8), Cuprenses (InscrIt XIII 2, 9), Pramestini (Inscrlt XIII 2, 17) und dem Feriale Cumanum (InscrIt XIII 2, 44). 1 995, 525 u. 527, der auf eme Zur Charakterisierung des Feriale Cumanum vgl. eingehende Untersuchung verZichtet.
und in manchen Fällen auch die Stoßrichtung der
Redaktoren getroffenen Auswahl erkennen. Freilich bleiben
72
Febr(uarias) eo Die III numini] (InscrIt XIII 2, 44).
Caesar Augustu]s appellatus est supplicatio
InserI t XIII 2, 8. Ob der 1 3. 1 . einen Htnweis auf die Neuordnung von 27 v.Chr. enthIelt, ist nicht bekannt; ehe Inschnft ist an dieser Stelle lückenhaft, und nur die b!'willlnl:lng des zum Ungluckstag erklärten Geburtstages des Mareus Antonius am 1 4. 1 . ist InscrIt XIII 2, 44. Erhalten ist der Eintrag in den Fastz Sabtni (Inscrlt XIII 2, 5) und den Fastz' Viae dei Setpenti (InserIr XIII 2, 27). Die Fasti Plateae Manfredo Fanti (InscrIt XIII 2, 4) werden von Degrassi wegen des Fehlens der Augusta/ta vor 19 v.Chr. datiert. 1 8, 1 0; ansonsten nur noch überhefert ln den Fastz Antiates minares (Inscrlt XIII 1 , 26).
InscrIt XIII 2, 18; es fehlt nur der Hinweis auf dle Schlacht bei Mutina, an die allein das Feriale Cumanum (InscrIt XIII 2, 44) ennnert. Dagegen scheinen die Fasti Caeretani (InscrIt XIII 2, 8) in ähnltcher Weise wie die Fasii Caesars betont zu haben. In den magistrorum vici (InserIt XIII 2, 1 2) und Praenestmi (InscrIt XIII 2, 1 7) , vgl. Herz 1975, 405 Anm. 1 0 u. Degrassl, 1 963, 404. Auffälligerweise ist i n keiner -
Ralf Behrwald
154
Festkalender der frühen Kalserzeit
Aus den Inschriften dieser Vereinigungen, die zugleich den schmückenden Hintergrund boten, vor dem der Kult an den Festtagen vollzogen wurde, trat den Festteilnehmern also ein durchaus unterschiedlich akzentuiertes Geschichtsbild entgegen; die Fasti MqJeiani scheinen durch die Auswahl der aufgenommenen Fe1ertage sogar einen zentralen Aspekt kaiserlicher Selbst� darstellung, den Anspruch auf Sieghaftigkeit, ganz unterdrückt zu haben. Auf Ereignisse der republikanischen Geschichte verwiesen dabei nur Fest tage, die an Caesar erinnern. Offen bleibt, inwieweit darüber hinaus auch l o k a l e Traditionen eines Stadtviertels in den viei erinnert wurden. Für das eompttum Aeifium, das in seinem Namen d1e Erinnerung an die Familientradition einer republikanischen gelts wachhielt, hat Monique Dondin-Payre eine solche Kontinuität vermutet.73 Beweisen läßt sie sich bislang für keinen der auguste� ischen vlci; in die Kalender flossen Sie jedenfalls nicht erkennbar em. vici und anderer collegja führten von der Die Inschriften der zentralen Initiative des Kaisers zu den Reaktionen der Untertanen und ließen dort das Nebenemander unterschiedlicher Geschichtsbilder zutage treten. Der Befund würde noch wertete man die Kalender italischer Gemein� den, auf die bereits kurz einzugehen war, systematisch aus.74 Eine solche umfassende Untersuchung ist hier nicht beabsichtigt; vielmehr soll im den nach der historischen Dimension jener Feste gefragt werden, die vom Kaiserhaus initiiert, unter seiner Kontrolle ausgewählt und begangen "rurden. Im Versammlungslokal der fratres Arvales, dem lucus Deae Diae vor den Toren der Stadt, ließ diese unter Augustus neuorganisIerte Priesterschaft in ähnlicher Weise wie die bescheideneren Kompitalkulte einen Festkalender Genau \V-le die bekannten Opferprotokolle der Bruderschaft, die commentani fratrum Arvalium, war die Kalenderinschrift, die etwa 1 ,60 m hoch war und deren rekonstruierte Gesamtbreite sich auf über drei Meter belief, auf Marmortafeln von m Höhe angebracht; in einer unteren Zone von 60 cm Höhe waren Konsulatsfasten angebracht. Innerhalb dieses Ensembles aus commentarii, Fasten und Kalender nahm dieser eine prominente Stellung ein:
Wurden jene in Buchstaben von etwa 1 cm Höhe aufgezeichnet, so waren die 75 Buchstaben des Kalenders etwa dreimal so groß. Aufschlußreich ist das Verhältnis zwischen dem Kalender und den commentani, die das tatsächliche Kultgeschehen inschriftlich dokumentierten. Die jährlichen Kulthandlungen der Arvalen unterlagen stän digen Veränderungen.76 Dabei ist nicht nur an die Opfertennine aus Anlaß von Herrscherjubiläen zu denken, die mit jedem Herrscherwechsel überarbeitet werden mußten. Auch die Verbindung zwischen Herrscherhaus und römi schem Pantheon, die etwa der Kult der Salus mit ihren wechselnden Beinamen herstellte, wurde wiederholt neu deflniert.77 In den commen/ani der Arvalen fanden diese Neudeflnitionen j ährlich ihren Niederschlag. Im Gegensatz dazu stand der Kalender. John Scheid hat zuletzt zeigen können, daß der Kalender der fratres Arvales zwar kurz nach seiner Aufstellung Korrekturen und - wohl in den frühen 20er lahren v.Chr. - noch um Nachträge e.rweitert wurd�.78 Danach verzichtete man jedoch darauf, die Veränderungen im Kultgeschehen weiter zu dokumentieren; bereits zu Leb� und für zeiten des Augustus wurden neue Feiertage nicht mehr seine Nachfolger trug man selbst deren dies natales nicht nach. Jörg Rüpke hat darauf daß dies den Kultvollzug auch nicht störte, da die von den fratres Arvales zu vollziehenden Opfer feriae coneeptivae waren: Ihre Termine wur� den jährlich neu und erschienen deshalb auf dem Kalender nicht.8o Der Kultkalender der Arvalen bildete einen Zyklus prominenter römischer Feiertage ab, der unverändert blieb und unberührt von jenem historischem Wandel, den doch die Kultprotokolle neben ihm abbildeten. J\1it j edem Herrscherwechsel und jeder Veränderung im Kultgeschehen mußte diese Dis krepanz noch zunehmen. .Ähnlich wie die Inschriften der vici und collegja, aber aus ganz anderen Gründen lassen auch die Fasten der fratres Arvales Brüche und Dissonanzen in einem Geschichtsblld erkennen, das aus der selektiven Über� nahme kaiserlicher Vorgaben entstand.8 1 75 76 77 78
Kalenderinschrift ein 73
mit der Neuordnung von
23 v. Chr. verbunden: Sie
wurde erkennbar rucht als feiernswerter Neubeginn empfunden. Dondin-Payre
1987. Freilich begegnet es als compzfum Aalzt in den Fasti fratrunl als der Ort, an dem die Arvalbruder am 1 .1 0. das Ttgzllllm
Aroalium (lnscrIt XIII 2, 2) 74
sorontlm begehen.
Daneben wäre die Untersuchung auf pnvate I(alender auszudehnen, zu denen vorläufig
1995, 86-90, bes. 89 heranzuziehen ist.
155
79
80 81
Eine Beschreibung des Fundkomplexes geben Scheid 1ll
bereits Vgl. die Dies hat Scheid
1 990, 77�81 XIII 2, 2. 1998.
SOWle zuvor
seinem Kommentar zu InscrIt Untersuchung von Scheid Schwarte
1 977 zeigen können.
1998, 693.
So schon für den dies natalü des Tibenus am
Rüpke 1 995, 45-48, bes. 48.
1 6.1 1 .
Mustergültig wird dies deutlich für den
30 v.Chr. als fenae publicae den Status NP hatte.
Fa.rn Fra/rum Arvalillm nachgetragen, erstreckten (vgL König Zusammenhang ebenfalls
des Augustus
am
23.9., der seit
Veränderung wurde in den
doch obwohl die Feierhchkeiten sich über zwei
1 97 2) , unterblieb dies für den 24.9., der im selben
NP geworden war.
Festkalender der frühen KaiserzeJt
Ralf Behrwald
1 56
4. Feiern und
-
Aufgrund des Erhaltungszustandes der Inschriften ist dieser Prozeß außerhalb
Vergessen
Roms sehr viel deutlicher zu erkennen aL� in den stadtrömischen Fasten. Denn
Unter dem 26. Oktober nennt der Fes tkalender der Arvalen die ludi Victoriae 82 Jullanae. Unter demselben Namen begegnen diese ludi in den F'asti Jabini, die
wohl nach 19 v.Chr. entstanden sein dfuften.83 Dieser Verweis, hinter den augusteischen Neuanfang zurück, wrrft die Frage nach der historischen Tiefen schärfe des Festkalenders der frühen Kaiserzeit auf. Denn ebenso wie die
Erwartung eines epochalen Einschnittes griff auch die Einrichtung neuer Feste
als lVlittel der Selbstdarstellung auf caesarische Modelle zurück. Die Feste, die
der Senat für Caesar an den Tagen wichtiger Siege beschlossen hatte,84 wurden unter Augustus ebenso weiter gefeiert wie natürlich die
ludi Victmiae Caesaris.
Dagegen überrascht e s nicht, daß für den Venus-Victrix-Tempel des Pompeius
in augusteischer Zeit zwar der Dedikationstag weiter begangen wurde, Caesars
Konkurrent aber in den Kalendern nicht namentlich genannt wird. Die Sprach
regelung der
einheitlich in
F'asti tiberischer Zeit aus Allifae85 und aus Amiternum lautet hier theatro marmoreo, obwohl das Theater in Rom weiterhin ah Pom
peiustheater bekannt war.86 Diese Sprachregelung findet sich ähnlich auch bei
F'asti Jabinl7 unter diesem Namen, doch bereits in augusteischer Zeit in den F'asti Mqffeiani nur als Itldi Victoriae aufgefiihrt werden,88 während die F'asti Praenestini, welche
den ludi Victoriae Ju/lanae, die im Kalender der Arvalen und in den
für Caesar und Augustus die gestifteten Spiele immer nennen, und die nach 20 n.Chr. verfaßten
1 57
F'asti Amiterni sie ganz übergehen.89
die
der
F'asti Amiterni und der von M. Vetrius Flaccus verfaßte Kalenderkommentar F'asti Praenestini lassen bereits einen deutlichen Unterschied in der Behand
lung republikanischer und jüngerer Feste erkennen. Mit historischen Korne
mentaren hat Verrius Flaccus in Praeneste solche Feste versehen, die enrweder
der Frühzeit Roms angehörten, oder die in direktem Zusammenhang mit der
domus Augusta standen. Dazwischen ragt als verbindendes Element allein der Galliersturm heraus: Der Eintrag des 23.3 schiebt in seine Erläuterung des
altrömischen Reinigungsfestes
Ttlbi/ustrium einen Verweis auf die gallische
Eroberung von 396 v.Chr. ein.90 Selbst die während des 2. Punischen Krieges in Rom eingeführten
Mega!ensia kommentiert Flaccus dagegen nur mit Blick auf
die Riten. Obwohl die Einführung des Kultes der Magna Mater und ihre histo
rischen Umstände in der zeitgenös sischen Literatur, erwa in Ovids Fasti, breit
erörtert werden,91 rückt Verrius Flaccus hier alle historischen Bezüge in den
Hintergrund.92 Ähnlich verhält es sich mit den knapperen Erläuterungen der
F'aslt Ami/erni, die sich völlig auf die augusteische Zeit konzentrieren und auch einen Tag wie den dies Alliensis, der an die Niederlage gegen die Gallier an der Allia erinnerte, unkommentiert lassen.93
Der dünne Faden einer historischen Kontinuität zwischen Republik und
Kaiserzeit riß bald völlig ab. Nach der Zeit des Tiberius werden die Spiele
Sullas nicht mehr genanntr im 4. Jahrhundert n.Chr. wurden sie sicher nicht
mehr gefeiert. Doch wie Peter Herz gezeigt hat, fIng der Prozeß einer laufen
den Revision des K.alenders und vor allem: einer laufenden Tilgung ftüherer
82
83
Feiertage hier erst an. Schon die antiken Historiker heben ihn hervor. Caligula
Ebenso in den Fast: .l'abmi, InscrIt XIII 2, 5. InscrIt XIII 2, 5 mit dem Kommentar von Degrassi sowie Rüpke 1 995, 96 nimmt
ein augusteisches Datum an und nennt die Einrichtung der Augusta/ia 1 9 v.Chr. als
unterdrückte, wie Dio und Sueton übereinstimmend berichten, jene Feiern, die an die Niederlage des Antonlus im Bürgerkrieg erinnerten, den er als seinen
terminus post quem. Doch unter diesem Namen wurde das Fest wahrschemIich erst nach dem Tod des Augustust gefeiert, vgl. Scheid 200 1 , 95f. - Die Fasti Majjeiani, wohl nach 8 v.Chr. entstanden (InscrIt XIII 2, 10), sprechen hingegen nur von ludi 84 85
86
Vm'onae. Sie sind zusammengestellt bei Herz 1 978,1 1 50. InscrIt XIII 2, 24.
Eine scho/a sub theatro Aug(usto) Pompeian(o) nennt die undatierte Inschnft CIL V1
9404. Auch die R. Gest. div. Aug. 20 sprechen von theatrum PompelUm und heben 87 88
89
90
hervor, Augustus habe es sine tl/la inscripttone nomznis met restauriert.
Fasti .l'abini (InserIt XIII 2, 5); Fasttfratrum Arvalium (Inscdt XIII 2, 2). Ludi Vzdoriae: Fastt' Majftiani (InscrIt XIII 2, 10). Die Fortnulienmg des ersten Festtages ist in den Fasti Oppzani (InscrIt XIII 2, 1 3) und den Fasti viae dez .l'erpenti (InscrIt XIII 2, 27) sowie den Fasti Antiates ministroruJJ1 (InscrIt XIII 1 , 31) verloren; daß sIe hier in den folgenden Tagen als ludi in Ctrco bezeichnet werden, besagt weil der erste Eintrag den vollen Titel der Spiele nennt.
Fastt Praenestini (InserTt XIII 2, 1 7); Fasti Amiterni (Inserlt XIII 2, 25).
91 92
93 94
Fasti Praenestini (InscrIt XIII 2, 1 7) zum 23.5.: [Tubil(ustrium)J, np. [FeriaeJ Marti. Hic dies appe!!atur ita quod I in atno Sutorio tubi lustrantur; I quibus in sams utuntur. Lutatius I 1uitkm c/avam eam ait esse m t'uina Palatt I [i]ncensi a Gallis repertam, qua Romulus Urbem I mauguravent. Vgl. Ov. fast. 4,1 79-372.
Fasti Praenestmi (InscrIt XIII 2, 1 7) zum 4.4.: Ludi M(atri) D(eum) M(agnae) I(daeae). Megalenfta vocantur, quod !eJa dea I Megale appellatur. Nobilium mutitattones cenarum I solitae suntfrequenterjieri, quod Mater Magna I ex /ibns Sibu/linis aYClisstta Iocum mutavit 6X Phrygia I Romam. Die Fasti AJJ1iterni (InserIt XIII 2, 25) erläutern auch das tubilustrium nicht. Der Eintrag zum dies A//iensis ist in den Fasti Praenestini verloren. Zu den Hercules-Spielen Sullas, dle bereits in der Republik hatten, vgl. Wiseman 2000.
an
Bedeutung verloren
Festkalender der frühen KaIserzelt
Ralf Behrwald
158
Vorfahren verehrte.95 Pragmatischer waren die Gründe, mit denen etwa Claudius und Nerva die Abschaffung von Feiertagen begriindeten, die
1 59
legitImer Herrscher, die jedes Jahr wieder in Ermnerung treten, vor die Erinne rung an die Leistungen und persönlichen Qualitäten emzetner Atlgtlstz�
lieh überhand genommen hatten.
WIe unterschiedlich dabei verschiedene Kalender vorgehen konnten, die an die Neuordnung von
sich bereits an den
27
v.Chr. erinnerten.
Auch ansonsten hingen Fortbestand oder Niedergang von Festtagen des
kaiserlichen Hauses von Faktoren ab, dte für uns weitgehend im dunklen
bleiben: Für das Totengedenken an Gaius und Lucius Caesar hat Wolfgang Dieter Lebek ein Fortleben bis an das Ende des
1.
Jahrhunderts nachweisen
sich
können.97 Zwar konnte die Veranstaltung von Zirkusspielen am
ludi Victoriae Caesaris, an ludi Victoriae Caesarzs ct Claudi der
mer hilfreich auswirken, doch selbst ein Fest wie die indem er sie als
die Claudius noch
eigenen Selbstdarstellung nutzbar machte,98 ist nach trajanischer Zeit nicht mehr belegt.99 Und es mutet Wle eine Ironie dteser Entwicklung an, daß auch dte prominenten Feste der augusteischen Zeit, wie Peter Herz gezeigt 100 dem Ende der julisch-claudischen Dynastie in Vergessenheit gerieten.
nach
Die wichtigste Ausnahme von diesem Prozeß sukzessiven Vergessens 10 1
waren die Geburtstage der Kaiser. Der Kalender von Santa Maria der am Ende des
2. Jahrhunderts
entstanden sein dürfte, das
0 aus severischer Zeit 1 2 und der Chronograph des Jahres
Feriale Dtlrant.m führen wichtige
Herrscherfeiern, vor allem Siegesfeiern, allenfalls :fii:r kurz zurückliegende Kaiser auf. Frühere
principes werden,
soweit man sie zu den kanonisch ,guten'
Kaisern zählt, hingegen mit der Nennung ihres Geburtstag in Erinnerung ge
5.
Resümee
Der Festkalender der augusteischen Zeit mit seiner starken, in immer neuen
Festen zum Ausdruck
Vorstellung eines Neuanfangs erscheint bei
näherer Betrachtung als ein vorübergehendes Phänomen. Der
und
baldige Abbruch der Gewohnheit, Festkalender in Stein zu publizieren, ist von
Jörg Rüpke mit dem immensen irnwachsen von Kaisergedenktagen erklärt
worden und mit den immer wieder neuen Anforderungen, die politische Wech selfälle an einen politischen Festkalender stellen mußten.J 04 Vielleicht deutet aber doch beides eher auf das Ende einer bestimmten
damit verbundenen Form historischer Erinnerung hin, die im
von
Republik zu Prinzipat stand. Hatte Augustus doch mit der geradezu inflationär anmutenden Verkündung epochaler Neuanfänge letztlich keine Alternative
zum Vorbild spätrepublikanischer Politik geboten, sondern sich in deren
Tradition
Das Vorbild eines Sulla, Pompeius und vor allem Caesar
wurde unter den Möglichkeiten der Monarchie ins Monumentale gesteigert. Mit der
der neuen politischen Ordnung war eine ständige Neu-
konstitution immer neuer, spektakulärer Fixpunkte historischer Erinnerung unnötig, wahrscheinlich wäre sie auf Dauer auch gar nicht zu leisten gewesen.
bracht. Das Geschichtsbild, das dem Betrachter hier entgegentritt, trennt damit
Emzelne
erinnert werden, und der Zeit der früheren principes. An sie erinnern keine spezi
ohne Erfolg. Der Weg führte in eine andere Richtung, wie sie bereits im Fest
zwischen einer jüngeren Geschichte, aus der wichtige Ereignisse als Jahrestage
fischen historischen Leistungen mehr, ihr Andenken ist im Kalender auf den
dies natalis
reduziert. Damit schiebt sich der Gedanke a n die Sukzession
in diese Richtung über das von
Erreichte hinaus
zugreifen, wie sie etwa bei Caligula oder Nero zu beobachten sind, blieben kalender der .fratres Arvaies angelegt war. Dort unterblieben bereits
augusteischen Zeit Anderungen und Aktualisierungen: Die Arvalbrüder als Angehörige der Senatsaristokratie
am
Ende der
an denen die
mußten immer
mehr von dem in ihrem Heiligtum ausgestellten Kalender abweichen. 95 96
97
98 99
1 00 101
1 02 1 03
Bei der Auswahl der in die
Cass. Dio 59,20�2; Suet. Cal 23,1. Siehe oben S. 152f.
CIL VI 33943; 37834
princeps die
EdIert von Magi 1 972; vgL zur Datierung Salzman 1 981 SOWle zusammenfassend Rüpke 1 995, 86-90.
Fink 1 971 , 422-429, Nr. 1 1 7; erstmals ediert von Fink u.a. 1 940,
Gililatfl 1 954 SOW1e Herz 1 975, 87-93.
2, 42; auch nach der Untersuchung von Salzman
UliLllt:gt:I1U Stern 1 953.
sich, daß auf durchaus auf
Einführung eines einheitlichen Festkal enders ermöglichte/OS fühtte
die kaiserliche Initiative unter den Bedingungen einer Großstadtreligion aber
1 903, 1 61).
Zusammenfassend Herz 1 978, 1 1 48; vgL jungst Herz 2003, bes. 54-56.
InscrIt XIII
zwar
fruchtbaren Boden fiel. Doch anders als im .Militär, wo die Befehlsstruktur dem
Lebek 2003, bes. 52-55.
VgL Herz 1 978, 1 1 50.
Fasft aufzunehmenden Feste
der Ebene lokaler Kultvereine das augusteische
Nock 1 952; 1 990 bleibt
nicht zu einem geschlossenen, von allen Stadtbewohnern einheitlich im Festge104
Rüpke 1 995, 41 7-424.
Daß der Festkalender des romischen I\ililitärs von Augustus festgelegt wurde, hat auf der Grundlage des Ferzale
Duramtm
242, und nach Ihm GIlliam 1 95 4
und
1 ,8 zuerst Nock 1 952, bes. 1 9 7 und
Festkalender der frühen Kaiserzelt
Ralf BelL.<wald
160
161
schehen vergegenwärtigten Geschichtsbild. In den viii Roms wählte man unter schiedliche Anfangsj ahre für die epochale Neuerung des Larenkultes, in den
Literatur
Kalendern der viii wurden jeweils verschiedene Feste des Monarchen rezipiert oder ignoriert. Auch wenn sich nur in wenigen EinzelHillen ein Eindruck
Alföldi 1 973: Alföldi, A., Die zwei Lorbeerbäume des AUguShlS (Antiquitas III 1 4),
ge\vinnen ließ von den Kriterien der jeweiligen Auswahl, dürfte es doch nicht auch zu weit gehen, hier von unterschiedlichen Formen der Rezeption oder
Alföldy 1 991 : Alfoldy, G., Augustus und die Inschriften. Tradition und Innovation. DIe
partiellen Zurückweisung kaiserlicher Initiativen zu sprechen. Die einzelnen Festkalender entstanden jeweils aus der Interaktion kaiserlicher Politik und
Asonen 1 995: Asonen, ]., in: LTUR 3 ( 1995), 1 6 0 s.v. Iuppiter Tragoedus, stahm.
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106
Fasti Maffeiani (InscrIt XIII
2, 1 0),
2, 22) SOWle außerhalb Roms die (Inserlt XIII 2, (InserIt XIII 2,
17). 44),
Oppiani (Inserlt XIII 2, Fasti Caeretani (InscrIt
Übergangen wird der Geburtstag das allerdings als
Feriale
13),
Verulani (Inserit XIII Praenestinz nur 1ffi Feriale Cumanum
XIII 2, 8) und
keine vollständige Wiedergabe des
Kalenders beabsichtigt und nur eine Auswahl kmserhcher Jubelfeiern präsentiert.
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166
Ralf Behrwald
Skeat 1 994: Skeat, T.c., The Beginning and the End of the Kaicrapo� Kp
Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser Matthäus Heil
Constantin ist während seiner Regierung nur dreimal nach Rom gekommen. Beim ersten Mal, Ende Oktober
312 n.Chr.
- nach dem Sieg über Maxentius -,
zog er als Eroberer oder Befreier in die Stadt ein. Bei den beiden anderen Malen kam er, um ein Fest zu begehen: Im Juli
315
n.Chr. reiste er aus Gallien
zur Feier seiner Decennalien an, seines zehnten Herrschaftsjubiläums, und ging im Herbst wieder nach Gallien zurück.! Im Sommer
326
n.Chr. durchquerte er
das halbe Reich - eigens um in Rom seine Vicennalien (sein zwanzigstes Herr schaftsjubiläum) zu begehen. Er kam damals aus dem Reichsosten und begab sich schon kurz nach den Feiern an die Balkanfront und im Folgejahr wieder in den Osten? Die Jubilarfeiern wurden also ebenso wichtig genommen wie ein großer Feldzug. Allein die Kaiserreisen erforderten einen immensen logisti schen und finanziellen Aufwand, und der Herrscher verbrauchte hierfür viel von seiner kostbaren Zeit. Während zahlreiche Kriege als Reaktion auf eine (echte oder vermeintliche) Bedrohung zu erklären sind, war der Kaiser bei diesen Feiern frei von äußerem Zwang und konnte langfristig planen. Die Feste wurden also bewußt als ein Hauptereignis der kaiserlichen Regierung in Szene gesetzt. Warum war dem so? Warum hat es der Kaiser z.B. nicht bei einem kleinen Umtrunk im vertrauten Kreise bewenden lassen und ansonsten seine Energie auf handfeste Probleme verwandt, die es doch in großer Zahl gab? In der modernen Fachliteratur sucht man vergebens nach Antworten, obwohl die Feiern allenthalben erwähnt werden.3 Psychologische Spekulationen würden
Zu den Daten siehe Barnes 1 982, 72 (mit Belegen): Constanttn traf am 1 8. oder 21 . Juli in Rom ein und reiste am 27. September ab. Sein dies imperii war der 25. Juli 306 (SIehe Kienast 1 996, 298 mit Belegen). Die Jubilarfeier fand hier am Anfang des zehnten Reßlerungsjahres statt. Zu Constantins Itinerar und den Daten SIehe Barnes 1982, 76f.: Constantin betrat Rom am 1 8. oder 21. Juli und verließ die Stadt bereits am 3. August. Diese Feier markierte den Abschluß des zwanzigsten HerrscherjalJres. Im Jahr zuvor hatte es bereIts emen Festakt in Nikomedia gegeben, vgl. Eus.-HJeron. Chron. p. 231 Helm (zu 325 n.Chr.): Vicennalia Constantini Nicomediae acta et sequenti anno Romae edita sunt. Siehe beIspielshalber Demandt/Engemann 2007 (Katalog der Trierer Constantin Ausstellung von 2007). Dort findet man nur wenig mehr als eine Spalte bei Kolb 2007, 177f. und zwei Spalten bei Engemann 2007a, 203f. - Die wichtigsten Beiträge zu den JubilarfeIern der römischen Kaiser sind zweI 1 950 und 1951 erschienene Akademieabhandlungen von Harold Mattingly. Eigentlich wird hier jedoch nur eine
\Jatthäus Heil
1 68
Die Jubilarfeiern der romischen K:user
169
hier nicht weiterhelfen: Andere Kaiser vor und nach Constantin haben Ihre
dern ein wesentlicher Teil der Geschichte. Denn viele der großen L:.J.
Jubiläen mit ähnlich großem Aufwand begangen. Auch der bloße Verweis auf 4 die römische Tradition �würde nicht viel erklären. Gerade Constantin hat
bestehen im Kern nicht aus Handgreiflichkeiten, sondern aus Sprachhand 7 lungen oder kommunikativen Akten; erinnert sei nur an die Proklamation
vielfach rigoros mit der Überlieferung gebrochen
nicht nur in seiner Reli
eines neuen Kaisers. Rituale könnte man auffassen als eine standardisierte Form
und die Feier
der Kommunikation, bei der allen Beteiligten klar ist, was die symbolischen
gionspolitik. Auch am Ablauf der Jubilarfeiern hat er viel
seiner Tricennalien, seines dreißigsten Herrschaftsjubiläums, sogar gänzhch 5 nach Konstantinopel verlegt. Aber an der Feier als solcher hat er festgehalten. Große Jubiläen implizieren stets einen historischen Rückblick, und dieser nimmt für gewöhnlich nicht die Form eines selbstquälerischen Sündenbe
Handlungen zu bedeuten haben. Allerdings liegt die Semantik solcher Akte für den modernen Historiker nicht immer offen zutage, sondern muß erschlossen werden. Das
auch für
vor
die Jubilarfeiern. Es läge nahe, sich zunächst an den äußeren Ablauf zu halten 8 und zu versuchen, von daher den inneren Sinn zu erfassen. Doch ist dies bei
Augen. Das war auch bei den Jubilarfeiern der römischen Kaiser nicht anders.
den Feiern Constantins nur teilweise möglich, da die Quellen allzu knapp und
kenntnisses an, sondern stellt die Vergangenheit als eine Die Feste vermittelten also - unter anderem
ein
Geschichtsbild,
selektiv berichten und viele wichtige Details fortlassen.
reduziert war. Man muß
scheint es, die Genese der Jubilarfeiern zu verfolgen. Denn wie sich zeigen
die Frage also präziser fassen: Warum haben Constantin und seine Kollegen
wird, hatten sie eine wmdungsreiche Geschichte, in der sie erst alhnählich zu
das auf sehr wenige, schlichte und pauschale
derart großen Wert darauf gelegt, eine Erfolgsbilanz ihrer bisherigen Regierung
dem geworden sind, was sie später waren; ihr Bedeutungsgehalt wurde also erst
zu präsentieren, und warum haben sie dies in Gestalt einer Jubilarfeier getan?
nach und nach aufgebaut. Aus der Genese der Jubilarfeiern
Die moderne Forschung hat (zumindest in anderen Bereichen) mittlerweile gelernt, politische Rituale wichtig zu nehmen zumal in ,vormodernen' Gesell 6 schaften. \Vie sich zeigte, waren sie nicht ein folkloristisches Kuriosum, son-
rue zudem nach der nur
(nicht vollstandige) Sammlung der teilweise richtigen Vorannahme strukturiert Ereigmsse berichteten und daher
Artikel in der RE und anderen
4
Kaiser seiner Zeit diese Feste so wichtig genommen haben.
1. Ursprünge
die Münzen jeweils über
Münze genau einern Fest zuzuordnen sei. Die
Die Jubilarfeiero sind ausschließlich das Werk der römischen Monarchie. E s
sind enttäuschend knapp. Hilfreicher 1st dte
gab kein außerrömisches Vorbild (auch nicht bei den hellenistischen Königen)
knappe Zusammenstellung von Kienast 1 996, 45-5 1 . Eine Serie von Aufsätzen von Andre Chastagnol (Siehe exemplI
sich vielleicht
auch eine Antwort auf die zweite Frage, nämlich warum Constantin und die
die
Anm.) verliert sich in (nicht
immer schlüssigen) Überlegungen zu Detailfragen. Anscheinend ist ein erheblicher Teil der modernen Forschung der Suggestion erlegen, daß Jubiläen einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt "fallig" gewesen seien. Entsprechend wurden Regeln posruliert, und es wurde Immer Wieder versucht, die JubilarfeIern als (scheinbare) Fixpunkte für weitere chronologische Forschungen
ZU
verwerten, siehe z.B. Chastagnol 1 982, bes. 370, Chastagnol 1 983, 1 1 ; Chastagnol 1 984a, 92f.; Chastagnol 1 984b, 105; Chastagnol l987, bes. 49 1 . Aber wie zu zeigen
und auch keine Vorläufer in der Zeit der Republik. Allerdings ist kein eigent licher Gründungsakt überliefert. Die
nach den Ursprüngen hat sich in der
Antike bereits Cassius Dio gestellt, der Geschichtsschreiber aus der Severerzeit. habe sich
Er unterbreitet folgende Theorie:
proconsulare auf zehn Jahre verleihen
27
v . Chr. das
imperium
und da dieses immer wieder verlän-
gert worden sei, sei die Alleinherrschaft des Augustus in Perioden von zehn Jahren gegliedert gewesen. Dann f:ihrt er fort:
sein \\lird, hatten die JubIlarfeiern ihrerseits eine wechselvolle Geschichte, Ulld als großes, eminent pohtisches Fest waren sie selbstverständlich den Imperativen der PolItik unterworfen
auch was den Zeitputikt
zu dem sie tatsächlich
begangen wurden. Zu beidern siehe unten S. 190- 1 92.
anrike f111den (wo pohtische Debatten tabu waren). In der Tat gab es hier derartige
Siehe z.B. Althoff 2001; Stollberg-Rilmger 2004 (teilweise unnotig theonelasllg). Für
1 ":'<-II'C;UIUl.''''CU,
das Mittelalter erwIes sich der Forschungsansatz als ertragreich; 111 der Alten
Siehe das
Geschichte scheint er noch zu keinen durchschlagenden Erkenntnisfortschrltten
Chastagnol 1 987 versucht aus der ZusammenZlehung von Nachrichten
geführt zu haben. Das mag damit zusammenhängen, daß die Kommunikation durch
denen Festen ein Bild vom typischen Ablauf zu rekonstruieren. Die Methode setzt
Riruale
hat, wo offen dtskutiert werden kann. Entsprechend R.ttualkolmnlur.Uk2ltlOn besonders in der hohen Kaiserzelt und der Spät-
siehe z.B. Wlerner 2004. Werk von Austin 1 962.
zu
verschie
jedoch e111e Gleichfimrugkeit und Unwandelbarkeit voraus, dte erst zu beweisen wäre.
171
Die Jubilarfeiem der romischen Kaiser
Matthäus Heil
170
,,Aus diesem Grunde feierten die nachfolgenden Herrscher, obwohl sie
erfolgreich bewältige; sie standen nach Ablauf der fünf- oder zehnjährigen
nicht mehr für einen bestimmten Zeitraum, sondern ein für allemal auf Le
imperium proconsulare sicher erneuert. Augustus sprach die Gelübde - wie jeder angehende Proconsul zweifellos im Namen der res ptiblica Romana aus. Denn solche öffentlichen Gelübde bezogen sich dem Wortlaut nach j eweils auf den status rei ptlblicae, und der Magistrat handelte sozusagen als Vertreter der
benszeit ernannt wurden, nichtsdestoweniger alle zehn Jahre ein Fest, wie wenn sie bei dieser Gelegenheit ihr Kaisertum vlieder erneuerten. Und so 9 hält man es bis zum heutigen Tage.,, Ob Dio damit recht hat, erscheint fraglich. Die Zehnjahresfrist ist eine rein
Periode zur Einlösung an und wurden nach der Verlängerung des
gemeinde.
äußerliche Gemeinsamkeit, und mit dem Konzessivsatz räumt Dio selbst daß er das Nebeneinander von lebenslänglichem
imperium proconsulare und
zehnj ährigem Fest nicht näher erklären kann. Zudem findet man bei keiner
Bewegte sich hier noch alles
1m
Rahmen der Tradition, ergab sich bei
imperium procot1stllare und andere Vollmachten ohne zeitliche Begrenzung, doch gerade Tiberius ein religionssystematisches Problem: Tiberius übernahm das
dokumentierten Feier irgendeinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem
deswegen konnte man die üblichen Gelübde nun nicht mehr an das Ende der
imperium proconsulare. Man muß die Passage wohl so auffassen, daß Cassius Dio,
Amtszeit oder der Funktion binden. Denn dies hätte bedeutet, daß die Erfül
der die voll entwickelte Form der Jubilarfeiern kannte,
1O
sich auf die Suche nach
lung des Gelübdes überhaupt nie
fällig werden konnte
es wäre ein unsinniges
deren Ursprüngen begeben hat, bei den von ihm benutzten Historikern der
Versprechen gegenüber den Göttern gewesen. Statt die Gelübde ganz fallen
Vermutungen
zulassen, hat man sie sozusagen artifiziell auf zehn Jahre terminiert: Sie wurden 13 im J ahre 24 n .Chr. nachweislich eingelöst; zugleich wurden neue Gelübde auf
frühen Kaiserzeit aber nicht fündig wurde und daher anstellte.
Hilfreicher erscheint es, die frühen Jubilarfeiern selbst zu betrachten: ist stets von Gelübden
11
Dort
(zJota)J genauer: von Gelübden auf zehn Jahre (vota
wie überliefert ist - im Jahr 34 n.Chr. 14 eingelöst wurden, also nach Ablauf von vollen zehn J ahren. Der erste Kaiser, zehn Jahre ausgesprochen, die dann
decennalia) die Rede, und diese Gelübde sind ohne Zweifel der ursprüngliche,
der
kultische Kern. Ein Gelübde besteht bekanntlich aus zwei wesentlichen Teilen:
nicht Augustus, sondern Tiberius.
vota decmnalia von der Art der späteren Jubilarfeiern begangen hat, war also
einem Versprechen an eine Gottheit, im Falle der Erfüllung eines Wunsches
Die Wahl einer zehnjährigen Frist hatte wahrscheinlich einen naheliegenden
(votum suscipere), und der späteren Ein
Grund. Es war dies die längste Frist, die in der römischen Staatspraxis ge
eine besondere Leistung zu erbringen
lösung des Versprechens, nachdem der Wunsch in Erfüllung gegangen is t
bräuchlich war. Man fmdet häufig Fristen von einem Jahr (wie die Amtsdauer
(votum solvere). In der römischen Welt waren Gelübde ein geradezu ubiquitäres
der Magistrate), von fünf J ahren (wi e die Zeit von Censur zu Censur) und - als 15 deren Verdopplung von zehn Jahren. Auf diese lange Standard-Frist wur
den nicht nur in Notlagen ausgesprochen, sondern auch wenn jemand eine
den sowohl das
größere Aufgabe anging oder ein Amt übernahm. Einzulösen waren solche
terminiert, ohne daß zwischen beidem ein unmittelbarer Zusammenhang
Gelübde dann jeweils bei Ablauf der Amtszeit oder der Erfüllung der Aufgabe,
bestanden haben muß. Die Gelübde wurden einfach so eingerichtet, daß die
Phänomen, sowohl im Privatleben
12
wie auch im Bereich des Staates. Sie wur
imperium procot1sulare des Augustus als auch die vota für Tiberius
was aber längst nicht immer pünktlich erfolgte, sondern oft verspätet oder manchmal verfrüht. Bei staatlichen Gelübden wurde zumeist ein feierliches Opfer für Jupiter Optimus Maximus auf dem K.apitol in Rom versprochen. So darf es als sicher zug
daß Augustus
auch bei der Übernahme des
13
wie vor einer Reise oder einem Feld
imperiumproconsulare Gelübde ausgesprochen
hat, in denen dem Jupiter Optimus Maximus und anderen Göttern bestimmte Gaben (d.h. ein Opfer) für den Fall zugesichert \V\l1:den, daß er seine Aufgabe
14
Cass. Dio 57,24,1 (Xiphilin-Exzerpt): 016AeövrIDv OB 'tmv OEKa m:mv 1:fj� apx;il<;; rn'rtofi 1jITJq>icr�rn:o� t.t&v t<;; nlV aVUAlllJflV o.&ij<; owe:vo� SÖE1jEh] (oUöB yap söEi'to Ka'ta-ct�vIDv au'tTlv, rocrnsp 0 Al)yo1)Q"1;o<;, (1px.ElV), � �MOl ltavfrr1)pl<; i\ ÖEKaETI1P\J; SltOlf]9T]. Cass. Dio 58,24,1 -2: !lS'u öB 'taiha dKOO'tOU ittou<;; 1:fj� apx;i\<; €1tlO'tmo<; rn'rt&; �, KairOt ltEpi 'tE TO 'AAßavov Kat 1tSPi. 'to ToUcr(01)AOV ölfl'l:pißIDV, oUK scrij1ee:v @; n]v 1tOA1V, oi Ö' fum'tOl AOUK10<; 't8 O{ll1:iltl o<; Kai aßw<; llSPcrtKO<;; nlv Ö€KglTJPwu nlV o€UTEpav 8roPTacrav. OmID yap
-
10 11 12
Andre Chastagnol (slehe Anm. 4) und andere haben wiederholt behauptet, daß die
Cass. DlO 53,1 6,2f. Siehe unten S. 1 77f.
Einlösung der Gelübde immer am Anfang des zehnten Jahres erfolgte. Wie man
Zu den Quellen siehe das Folgende. Die ungeheure Materialfillle ist wohl auch der Grund, warum es zu den
SIeht, trifft die angebliche Regel bereits bei den ersten derartigen Festen nicht zu.
umfassende Untersuchung gibt.
vota
keine
Dies bedeutet selbstverständlich, daß nicht alles, was auf fünf oder zehn terminiert 1St, mit Jubilarfeiern zu
tun
hat.
Die Jub!larfeiern der rOffilschen KaIser
Matthäus Heil
172
Götter nach einer langen, aber endlichen Zeit mit deren Einlösung rechnen
173
2. Die Etablierung der Jubilarfeiern
durften. Zu beachten ist allerdings, daß es neben den
vota decennalia viele weitere
Gelübde zugunsten des Kaisers gab. Hervorzuheben sind die Gelübde auf ein Jahr, die j eweils am Neujahrstag und später
am
3. Januar
feierlich eingelöst und
ausgesprochen \vurden, ferner vielerlei Gelübde aus besonderen Anlässen wie einer Erkrankung des Kaisers. Überhaupt wurde der staatliche Kult so umge staltet, daß die meisten Riten die Bitte der
res
publica an die Götter zum
Ausdruck brachten, den Princeps zu schützen, weil nur er ihre Wohlfahrt gewährleisten könne. Zugleich wandelte sich die Teilnahme an solchen Riten zu emem Akt der Zustimmung zum Prindpat und zum Ausdruck der persönlichen Verbundenheit mit dem Princeps - aber als einer Verbundenheit zwischen
Für die frühe Kaiserzeit gibt es keine weite:ren Hinweise auf
vota decennalia,
obwohl Claudius und Nero j eweils ihr zehntes Jahr erreicht haben. Gelübde 17 zugunsten Domitians, von denen wir zufällig erfahren, könnten vota decennalia 18 gewesen sein, und ebenso könnten Spiele, die Trajan gab, mit der Einlösung solche:r Gelübde zusammenhängen. Ab Hadrian stehen wir auf sicherem Bo den. In dokumentarischen Quellen ist bezeugt, daß bei Vollendung seines 19 zehnten und zwanzigsten Regierungsjahres Feste gefeiert wu:rden. Seit Antoninus Pius wird in der Münzp:rägung regelmäßig auf die Einlösung der 2o zehnjährigen Gelübde und die Feiern hingewiesen. So läßt sich zeigen, daß die 2I Feste auch unte:r allen seinen Nachfolgern begangen wurden. Seit Commodus
Ungleichen. Viele weitere ritualisierte Gesten brachten die gleichen Gedanken
(strena) an den (dies imperiz) als besonderer
zum Ausdruck, wie z.B. die Gabe von Neujahrsgeschenken Kaise:r. Später wurde der Tag des Herrschaftsantritts Glückstag
Die Gelübde, die später zum Kern der Jubilarfeiern wurden,
nahmen in diesem Umfeld zunächst keinen he:rausgehobenen Rang ein.
17
18
In den
des
füh:rlich über den Herrschaftsantritt des Tiberius, übergeht aber die Einrichtung
vota decennalia. In seinen Augen waren sie wohl ein technisches Detail. Sogar Tiberius selbst hat die vota decennalia nicht \\,7:i.chtig genommen. Im Jahr 34 n.Chr.
ihrer Gabe die Gelübde zu unterstützen, dte jemand anderer aU'''fJJraCll.
jasti Ostienses
werden zum Jahr 108 n.Chr. Gladiatorenspiele erwähnt;
allerdings 1st der Text stark beschädigt (Vidman 1 9 82, S. 47, Fr. J). Ähnliche Spiele
Das wurde auch von den Zeltgenossen so gesehen. Tacitus berichtet aus der
Scheid 1 998, Nt. 49 (81 n.Chr.): DIe fratm arvales haben votorum commendandoru!17 causa d. h. um mit pro salute et incolumztate Caesaris divif Domttzam auf dem Kapitol
19
Jahres
1 07
n.Chr.
scheinen
aber
mit
dem Triumph über
die
Decennalien: Fasti Ostienses (Vidman 1 982, S. 49, Fr. Mc): XIII k.
decennafe[s
zn
pro} salute Aug. dieb. X XIII k. Nov.
Nov. lud[i} votivi Circo p(yrrichae?) j(actae). Hinweis auf vota pubfica
hielt e:r sich zwar in de:r Nähe von Rom auf, fand es aber nicht für wert, wegen
Vicennalien: P.Oslo 77. - Ob sich Münzen mit dem
der Einlösung de:r Gelübde persönlich in die Stadt Rom zu kommen, und ließ 16 sich durch die Consuln vertreten. Eben deswegen erklärt ein Blick auf die
allgemein auch Chastagnol 1 9 84b. Wenig hilfreich erscheint Rachet 1 980.
frühesten U:rsprünge der Jubilarfeiern allein noch mcht vieL ]'vlindestens ebenso
Daker
zusammenzuhängen (ebd., Fr. Hc) .
�:1attingly 1 950, Nr. 4-7) ebenfalls auf die Vicennalien beziehen, ist nicht klar. VgL 20
Zu Antorunus Pius SIehe Matcingly 1 950, Nr. 9; RIC III Antorunus PlUS Nr. 1 7 1 1 7 3 ; 1 84; 846; 849; 851-853; 856; 858; 864
wichtig ist es zu verfolgen, \vie sie später einen neuen, spezifischen Inhalt
(Decennalia)
und Mattingly 1950, Nt. 10;
RIC III Antorunus Pius Nr. 156b-157; 283; 291 -295; 306f; 783; 792-794; 813f.;
gewannen.
1008-1012; 1 01 8- 1 020; 1 026-1028; 1033t:; 1 037; 1 042; 1 062f.; 1 066 21
Damals war noch mcht von
Vtcennalt, sondern von Decennalia 11
(Vicemzafia).
die Rede.
Marc Aurel: Mattingly 1 950, Nr. 1 3; RIC III Marc Aurel 243-251 ; 1003-1008; 10141 0 1 8; 1256 vgl. 1720f. Probleme bereitet eine 166/167 n.Chr. beginnende Serie mit der Legende vota dec(em)
ann(orum) susc(epta), Mattingly
1 950, Nr. 1 1; 14; RIC III Marc
Aurel 944f.; 951. Zu Commodus siehe dte sehr starken Münzemissionen bei Mattingly 1 950, Nr. 1 5[; RIC III Commodus 99a-c; 1 1 5; 136; 318; 321; 441 ; 444a; 449; 454-456; 459
(vota sllscepta decennalia), Mattingly 1 950, Nr. 17; RIC III (vota soluta decennalia), tvlattingly 1 950, Nt. 1 8; RIC III 576 (votis XX). Allem Anschein nach sind dte Gelübde, auf dte
Commodus Nr. 140; 1 6 1 ; 522 Commodus Nr. 229; man
sich
bezog,
mcht
ausgesprochen worden,
bereits
zum
sondern erst
am
ZeItpunkt
der
Augustus-Erhebung
Beginn seiner Alleinherrschaft. Im
einzelnen ergeben sich ethche Probleme, weil manche Typen und Legenden offenbar über längere Zeit geprägt wurden. - Auf den zehnten Jahrestag der Ernennung zum Augustus scheint auch eine alexandrirusche Münze mit der 16
Legende Cass. Dio 58,24,H. ; vgl. oben Anm. 14.
""e'oo(oc;) 0€XCI.€1('1e'C;)
hinzuweIsen: BMC Alexandria 1442; Geißen 1 982,
Nr. 2226. - Vielleicht 1st auch die Inschrift CIL IX 273 heranzuziehen.
Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser
Matthäus Heil
174
fIndet man dann auch Prägungen anläßlich des Aussprechens der -
vota decennalia
ein Brauch, der von Pertinax weitergeführt wurde.22
Man kann also geradezu mitverfolgen, wie aus den eher nebensächlichen
zehnjährigen Gelübden in der hohen Kaiserzeit ein veritables Herrscherfest
wurde. Seit ungefahr der Zeit Hadrians kann man im eigentlichen Sinn von
Jubilarfeiern sprechen.23 Das läßt sich durch einige weitere Beobachtungen stützen: Bei Hadrians zehnjährlgem Jubiläum wurden
ludi votivi decennales
(,Zehnjahres-Gelübde-Spiele') ausgerichtet, die sich über zehn
hinzogen.
175
Reiches mitgefeiert und die Erinnerung an das selten begangene Fest noch später wach gehalten wurde.26
Die Münzen, die seit Antorunus Pius geprägt wurden, lassen überdies er
kennen, wie die Herrscher die Jubilarfeiern verstanden wissen wollten, welche
Botschaft ihnen zugedacht war. Die Typen der Rückseiten lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen: Eine Gruppe zeigt den Kaiser beim Opfern.
Diese Miinzen bilden also die Einlösung des Gelübdes ab, denn gemeint ist
sicher das feierliche Opfer auf dem Kapi tol, das dem Jupiter versprochen wor
Dabei ist es gleichgültig, ob sie zu den Leistungen gehörten, die den Göttern
den war. Eine zweite Gruppe zeigt Victorien in verschiedensten Varianten, z.B.
einlösung veranstaltet wurden. Wichtig scheint, daß an dem Ereignis nicht nur
Victorien, die einen so beschrifteten Schild hochhalten. Hier wird das Jubiläum
versprochen worden waren, oder ob sie lediglich aus Anlaß der Gelübde
eine Victoria, die eine Formel wie
vota X auf einen Schild schreibt, oder zwei
einige Funktionäre teilhatten (wie es bei einem Opfer der Fall gewesen wäre).
also als eine große Siegesfeier vor Augen gestellt. Eine dritte Gruppe ist weit
n.Chr.,
Kranz umgeb en ist. Der Kranz ist wohl als Siegerkranz zu verstehen, und diese
Vielmehr feierte die ganze Stadt mit
sei es aus Überzeugung oder aus Ver
gnügungssucht. Die Spiele begannen übrigens nicht am
1 1 . August 127
an dem Hadrian sein zehntes Herrscherjahr vollendete, sondern erst am
Oktober
1 27
20.
n.Chr. Der Grund ist ebenso einfach v,1.e bezeichnend: Hadrian
schlichter gestaltet; sie
lediglich eine Aufschrift wie
vota X, die von einem
Typengruppe dürfte als eine Art Abbreviatur der Victoria-Motive aufzufassen sein. Eine vierte Gruppe zeigt schließlich den Kaiser als Spielgeber. Solche
war in diesem Sommer in Italien unterwegs und kam erst Anfang oder lvfitte
Prägungen waren anfangs eher selten. Zunächst dominierten die Opfer-Dar
ben?4 Anders als seinerzeit Tiberius legte er also Wert darauf, selbst in
den beherrschenden Bildmotiven. Die Vota-Formel im Kranz darf geradezu als
August zurück; die Spiele wurden auf einen passenderen Zeitpunkt verscho
stellungen, doch schon bald wurden die Victorien und der Text im Kranz zu
würdevoller Weise dabei zu sein, und sein Wunsch gab den Ausschlag. Das
das Standard-Bild für die Jubilarfeiern bezeichnet werden.
Fälligkeit, sondern von den Imperativen der Politik bestimmt.
nur schwer aus den ursprünglichen Gelübden abzuleiten; sie ergab sich viel
Datum eines Herrscherfestes wurde letztlich nicht von der kalendarischen Hadrians Zwanzigjahrfeier, seine Vicennalien, ist nur indirekt bezeugt. Ein
Papyrus aus dem Fayum
daß dort noch unter Marc Aurel ein jährliches
Gedenkfest für die Vicennalienfeier von
1 37
n.Chr. begangen ,vurde?S Auch
wenn hierbei möglicherwei se nicht viel Aufwand getrieben wurde, so
der
Papyrus dennoch, daß die Vicennalien selbst in sehr entfernten Teilen des
Die enge Verbindung mit dem Siegesgedanken, die man hier beobachtet, ist
mehr aus der allgemeinen kaiserlichen "theologie de la victoire".27 Nicht die
Reichsverwaltung, sondern der Kampf gegen die äußeren Feinde galt als die
ureigene Aufgabe des Kaisers,28 und die ,Kaisertheologie' insinuierte, daß der
Herrscher die Götter auf seiner Seite habe und stets erfolgteich sei - mehr
noch, daß es quasi seine Haupteigenschaft sei, stets den Sieg zu erringen und
dem Reich damit Sicherheit, Ruhe und Wohlstand zu verschaffen (wofür man ihm den allergtößten Dank schulde). Dieser ursprünglich eigenständige Kom
plex von Behauptungen, Bildern und Assoziationen wurde nun in der hohen
Kaiserzeit mit den alle zehn J ahre wiederkehrenden Jubiläen verbunden.29 Die Botschaft, die sich daraus ergab, könnte man etwa so in Worte fassen: Der
22
Siehe Mattingly 1 950, Nr. 20; RIC IV 1 Pertinax Nr. 1 3.; 24; 28 (hier schon mit der etwas .trrefiihrenden Legende primi decennales); 31a; 39. Das Aussprechen der Gelübde am 1 2. Januar 193 n.Chr. wu:d auch in den Arvalakten vermerkt, siehe Scheid 1 998,
23
Nr. 97, S. 277. Das heißt aber ruchl, daß das Fest damals uberhaupt erst entstanden 1st (gegen Hammond 1959, 31 -33, der allzu leicht glaubte, daß nicht exlstJert habe, wovon
24 25
26
nichts überliefert
27
28
Die
1st unstrittig.
ReIch fanden, WIrd nicht
zuletzt erSIchtlich aus den Festkalendern BGU
und PDura 54 (dem "Feriale
Duranum") . Ausdruck von Gage 1 933. Siehe z.B. Tat. anno 1 3,4,2: Als Nero sich zu Anfang seiner Herrschaft als der künftige Ideal-Princeps vorstellte, endete seine von Seneca geschriebene Rede mit
Zu Hadrians Itinerar siehe Klenast 1 996, 1 28f.; Birley 1 997, 1 97-199. P.Oslo 77: U1tSP 'tOU 'tov 9toV i\ÖPlUvOv ÖIru'tSpllV rile; upxfje; [öSKt'tll pwa] 1ttltA:I1PWK€Vlll.
DIe Beachtung, die die großen Kaiserfeste im
2<)
den \Vorten:
...
teneret antiqua mUlIia smatus [...] se malldatis exercitibus consulturum.
Richtig gesehen bereits von Alföldl 1934, 97-100.
Die Jubilarfeiem der rörruschen Kaiser
Matr..1,äu s Heu
176
Kaiser habe jetzt schon zehn Jahre lang durch seine fortwährenden Siege dem
Reich das höchste Glück beschert, und es sei zu hoffen, zu wünschen und zu
beten, daß er diese außerordentlichen
(mindestens) auch in den
nächsten zehn Jahren vollbringen werde.
Es wäre ebenso einfach ",'.ie unergiebig zu zeigen, daß diese Botschaft allen
falls teilweise durch die Realität gedeckt war. Interessanter erscheint die Frage,
warum sie gerade in der hohen Kaiserzeit mit solchem Nachdruck immer aufs keine unmittelbare Antwort
Neue �ederholt wurde. Da die
enthält, hilft vielleicht ein Blick auf dIe
weiter, mit der sich die Kaiser
177
3. Septimius Severus Septimius Severus war der erste, der das inzwischen übliche Fest zu einer
großen Haupt- und Staatsaktion gesteigert hat.3o Im Frühjahr oder - weitaus
wahrscheinlicher - im Sommer
202
n.Chr?! kehrte er von seinem Orient
feldzug und seiner Ägypten-Reise nach Rom zurück. Dort zog er wie ein
Triumphator ein, auch wenn der feierliche adventus des I
stand die Monarchie als solche
Tochter des höchst einflußreichen Prätorianerpräfekten Plautian. Die Senato
Kaiser werden durfte. Wer die Macht innehatte, mußte also dartun, warum man
Jubiläums wurden gewaltige Geldgeschenke an die Prätoriarter und die stadt
auf mögliche Widersprüche - mehrere Argumentationsstränge zugleich und
Jahressolds eines Soldaten); insgesamt wandte der Kaiser nicht weniger als
konfrontiert sahen. Anders als unter
längst nicht mehr zur Debatte, doch gab es nach wie vor keine klare Regel, wer
ihm folgen sollte. Die politische Werbung verfolgte - ohne Rücksicht
ren wurden vom Kaiser zu einem exquisiten Bankett geladen. Aus Anlaß des römische Plebs verteilt - zehn Goldstücke pro Mann (d.h. etwa zwei Drittel des
200
suchte diese in gtiffige Parolen, eingängige Bilder und aus drucks starke Rituale
Millionen Sesterzen auf. Ferner wurden zur Feier der Heimkehr, der Siege und
hungsreich varüert - vielleicht in der Hoffnung, daß sie ihre eigene Realität
nicht weniger als
zu kleiden. Die wenigen Kernmotive wurden unentwegt wiederholt und bezie
der Decennalien des Kaisers ganz besonders
700
Spiele gegeben, wobei
überwiegend exotische Tiere in der Arena erlegt wurden.
gewönnen, wenn sie sich einmal 111s Denken der Menschen einprägten. Neben
Ins;ge:;anlt sieben Tage dauerten die Festlichkeiten. Vermutlich wurde im gan
Götter und den (angeblichen)
druck ihrer Freude dem Kaiser ,goldene Kränze' (bzw. die entsprechenden
das Wohlwollen der
dem 1:Iinweis auf die Abstammung, die 'vielfachen
auch das Motiv des
consensus universorum
zen Reich mitgefeiert, und die Gemeinden haben wohl schon damal� als Aus
I
Geldsummen) geschenkt.33
sich über lange Zeit hinweg höchst erfolgreich bewährt, was die Schlußfol
30
feiern gewann es eine spezifische Variation in der Behauptung, der I
Die Jubilarfeiern hatten den Vorteil, daß dem Publikum nicht erst mühsam
eine neugeschaffene Symbolsprache vermittelt werden mußte. Ebenso wie die Gelübde, aus denen sie
bauten sie jeweils auf
31
wenn auch nur im 1 950, Nr. 23; vorliegend); Herodian. 3,1 0,lf., ferner die Münzen: 1 Septimius Severus Nr. 1 86; 307-31 0; 329; 5 19f.; 821 ; 832 vgl. Nr. 607. Vgl.
L..eugrllsse: Cass. Dio 76,1 ,1-5 (der Bencht eInes
auch Chastagnol 1 984a. Das genaue Datum ist nicht überliefert. Zum Teil wird angenommen, das Fest habe
am
Vertrautem auf, das varüert, erweitert und mit anderem Bekannten in Verbin-
dies imperii des
9. April begonnen, also dem
Severus
Kienast 1 996, 1 57). Dies
ist aber lediglich aus angeblichen Fälligkeitsregeln erschlossen. Das Itinerar des
gesetzt werden konnte. Das Zuttauen in die Verständlichkeit des Festes
Kaisers spricht dagegen, daß die Feier ,pünktlich' begangen wurde: Am 1. Januar
um das Anliegen ins Bild zu setzen. Doch war das Fest rucht allein
haben dort den Konsulat angetreten. Für dte Reise quer durch Anatolien und den
202 n.Chr. befanden sich Severus und Caracalla noch in Antiochia in Syrien und
war so groß, daß man sich auf den Münzen oft mit einer bloßen Chiffre
Balkanraum
auf seine Hauptbotschaft zu reduzieren. Denn zugleich bot es einen Anlaß, die
kaiserliche Freigebigkeit und patronale Großzügigkeit in Szene zu setzen, und
Akzentuierung verschiedene Stränge der kaiserlichen Herrschaftslegitimation.
, eInen Besuch bei den
-
drei Monate verblieben, was wohl entschieden zu
es war nach wie vor auch ein Zustimmungsritual, das die Beherrschten allseits
fröhlich mitfeiern sollten. In ihm sammelten sich also in unterschiedlicher
rund 3000 km
Pannonien sowie die Vorbereitung der Feiern in Rom wären erwägt, daß der Kaiser
32
am
in Moesien und damit nur etwa
ist. Auch Birley 1 988, 143f.
9. April noch auf dem Weg nach Rom war. Vgl. ferner
zu Herodian. 3,10,1 -2. So ist wohl Herodian. 3,10,1 (vtKl]6po� uno 'toil 'Prollalwv 0TtIlOU fJStU W",(w,1]S l:u!pI1-
den Kommentar von Wluttaker 1969
Ilia� 't& Kat ep1]crKEia� Wccot;(9!]) in Kombination mit den übrigen Quellen zu 33
verstehen; vgl. auch Birley 1988, 1 44.
SIehe AB 1 960, 102 = IAM 354 (aus Volubilis, ein Gelübde des Procurators Cn.
Haius Dmdumenianus aus Anlaß der Decennalien).
Vgl. Oliver 1 989, Nr. 275.
Wenn Ohver recht hat, daß dieses Dokument dem Severus Alexander (und dem
X'U.'''''"!:SIOIU bel seinem Herrschaftsantntt) zuzuweisen ist, dann darf man schließen,
Matthäus Hell
178
DIe Jub:tlarfeiem der römischen I
Das Herrschaftsjubiläum \\'"Urde nun auch der Erwähnung in der (uns erhal
tenen) Historiographie für wert befunden, denn der Senator und Geschichts schreiber Cassius Dio war persönlich anwesend und hat als Augenzeuge berichtet. Nicht eIgens notiert hat er die
der alten und das Aus
sprechen der neuen zehnjährigen Gelübde, obwohl beides zwingend voraus zusetzen 1st. Die
vota, der eigentliche Anlaß der Jubilarfeiern, waren
zur Nebensache geworden.
Das große Herrscherfest von
202
inzwischen
n.Chr. setzte sich aus mehreren Einzelfei
ern zusammen, die jeweils eine ähnliche Botschaft unters Volk brachten: Der Kaiser
inzwischen geschmückt mit dem Siegerbeinamen
kehrte nach einem erfolgreichen äußeren
Parthicus maximus
-
zurück, das Jubiläum gab zu
verstehen, daß er sich schon über viele J ahre hinweg in gleicher Weise bewährt habe, und aus der Hochzeit konnte man ersehen, daß die Dynastie das Reich
noch lange in gleicher Weise beschützen werde. Dieses einfache Welt- und Geschichtsbild wurde wohl nicht zuletzt
mit solchem Aufwand pro-
pagiert, weil ihm offenkundige Fakten
Septimius Severus, ein
Emporkömmling, war durch einen Staatsstreich an die Macht gelangt und hatte sich in zwei Bürgerkriegen durchgesetzt
gegen den Willen eines erheblichen
Teils des Senats. Inzwischen hatte sich Severus zum Sohn Mare Aurels erklärt und damit dynastische Legitimität beansprucht. Doch ahnte er wohl, daß dies
allein nicht genugte?4 Die Feier von
202
n.Chr. ging möglicherweise indirekt
auf die unausgesprochenen Vorbehalte ein. Freunde wie Gegner konnten in ihr eine Demonstration sehen, daß Severus sich gegen alle Widerstände erfolgreich
behaupten konnte und daß seiner Familie die Zukunft
Allerdings hatte
Severus immer darauf verzichtet, wegen der Siege in den Bürgerkriegen zu triumphieren, und hatte hier und anderswo stets seine
gegen äußere
Feinde betont. Die Feier und ihr einseitiges Bild von der Vergangenheit waren
sozusagen auch ein Angebot, ganz im Sinne des tradierten Herrscherideals der
Kaiser aller Römer sein zu wollen, jedenfalls s ofern sie sich seiner AutorItät fügten.
zehn Jahren gefeiert, sondern entweder am Anfang des zehnten J ahres oder in
dessen I'vfitte. Hier wie in allen Punkten war der Kaiser nicht der Sklave der Überlieferung, sondern die Tradition konnte benutzt werden, um mit ihr Politik zu machen. Allerdings setzten neuartige Handlungen dann ihrerseits Maßstäbe
für die Zukunft.
4.
sein Jubiläum
anders als die Vorgänger
Antworten auf die Herrschaftskrise
Die Decennalien Caracallas wurden
aufwendig und eher routinemäßig
begangen, doch ,vurden sie nachweislich auch außerhalb der Stadt Rom von
den Reichsbeamten und den Provinzbewohnern mitgefeiert.35 Dasselbe gilt
wohl für Severus Alexander,36 dessen Decennalien anscheinend vorgezogen
wurden, weil der Aufbruch des Kaisers in einen Orientkrieg anstand.
In den fünfzig J ahren nach dessen Sturz hat nur ein einziger Kaiser sein
zehntes Jahr erreicht, nämlich Gallienu s; die vielen anderen kamen alle früh zu
Tode. So könnte man vermuten, daß die Jubilarfeiern in der politischen Insta bilität des
3. Jahrhunderts
obsolet geworden seien. Aber das Gegenteil ist rich-
Gerade in der Zeit der Krise37 griffen die Herrscher geradezu verzweifelt
nach allen Möglichkeiten, sich selbst mit dem traditionellen Herrscherfest in Verbindung zu bringen.
Recht besehen, hatte dies seine Logik: Nahezu alle Kaiser des dritten Jahr
hunderts waren als Putschisten zur Herrschaft gekommen, konnten sich nur auf die prekäre Loyalität der Soldaten stützen und standen noch mehr als ihre ')L��"l1"l;;J.
unter dem Zwang, sich selbst als Alleinherrscher rechtfertigen zu
mussen. Da es an guten Gründen fehlte, griffen sie nach jedem Strohhalm. Fast alle
35
eine neuen Dynastie zu stiften, scheiterten
Reichsmünzen: Mattingly 1950, Nr. 26; RIC IV 1 CaracalIa 1 79-181; 204f.; 441a; auf das Jubiläum beziehendes Kaiserfest in Agypten: BGU 362
hat Severus
CaracalIas Erhebung zum Augustus im Jahre 198 n.Chr.
Offenbar war für 2 1 7
oder 218 n.Chr. eine Vicennalienfeler geplant, SIehe die Münzen eme Art unregel-
erhobener Steuer darstellte, und daß die Jubllarfeiern ein Anlaß waren, das
34
29; RIC IV 1 CaracalIa 207; 295; 314, auf denen jeweils ein 36
aurum coronariu!tl zu verlangen. VgL dazu auch Cass. Dio 77,9,2.
wurde - mit der Behauptung, die Sterne (d.h. etn unabitnderliches,
unergründliches Sducksal) harten Severus zum KaIser bestlmmt. Dies wurde gesehen von Rubm 1980.
1 950, Nr. lffit dem
erhofften PartherSIeg hergestellt wird. Siehe dIe Münzen Matttngly 1 950, Nr. 32; RIC IV 2 Sevems Alexander Nr. 217-219; 260f.; 505-510; 61 6f.; 654. Ferner gibt es alexandrinische Münzen mit der Aufschrift
Zum Bemühen um Legitimation gehört wohl auch, daß nun oft die Astrologie ms Spiel
Mitteis/Wilcken
1912, Nt. 96. SIehe außerdem CIL VI 434 b = ILS 3012 (Rom). Gezählt wurde ab
nicht nach der Vollendung von
daß das aurul?/ coronarium schon damals eine substantielle
bevor davon
470. SIehe ferner Münzen aus Berytos (BMC PhoemCla Nr. 122-131) und ein sich
Die Wirkung des Festes ergab sich wohl unter anderem aus der Zusammen
fassung der verschiedenen Feiern. Wohl um diese zu
179
n;epioöo� Ö€KO:tlj: BMC Alexandria 1703 bzw. - lffit Iuba Mamaea auf der Vorderseite 37
BMC Alexandria 1 762; Geillen 1982, Nr. 2512. Es ist hier mcht nötig, die Angemessenheit des Krilsenlbejl;riffs für das 3. Jahrhundert n.Chr. zu diskutieren, vgl. dazu Johne/Gerhardt/Hartmann 2006.
Matthäus Hell
1 80
DIe Jubilarfelem der römischen Kaiser
eine Wirkung ausging. Etliche beriefen sich auf die Götter, sei es in Gestalt
den Herrscher formulierten
einer reichsweiten Fürbitte für den Kaiser (\v-ie Decius), sei es durch die Ein
-
das Jubiläum erreichen.
zu
44
verstehen wohl als Beschwörung, ihr Herr
vigiles fügte auch gleich hinzu, 45 congiaria X aurios, er erhoffte sich ein
Ein Soldat der
führung eines neuen Schutzgottes (v.>ie Aurelian), sei es durch den dezidierten
warum er dies seinem K:aiser wiinschte:
Rückgriff auf die altrömischen Götter (wie Diocletian). Hierher gehört wohl
Donativ, so groß wie das des Septimius Severus.
auch die pompöse Ausgestaltung von Herrschertracht und Herrscherzere
181
Da die Jubiläen als Gedanke stets präsent blieben, gab es
um
so mehr
moniell, was beides den Kaiser wie einen unantastbaren Halbgott erscheinen
Grund zum
ließ. Aber das alles genügte nicht - offenkundig auch nicht in den Augen der
Jubiläum wurde demonstrativ korrekt erst am Ende des zehnten Herrscher 46 47 UC),,"L'F;Cll, nämlich 263 n.Chr., und mit großem Aufwand gefeiert. In
Kaiser selbst. Auf eine langjährige, siegreiche Bewährung verweisen zu können,
als Gallienus tatsächlich seine Decennalien erreichte. Das
hätte viel zur Legitimation beigetragen.
wird
Schon seit Commodus war es üblich geworden, bereits das Aussprechen der
L,CJlllll'Ull,lgC:lJ Gelübde zu Herrschaftsantritr als feierlichen Akt auszugestalten. 38 39 40 In der Folge tl<::zelLlg!: ist dies auch für Pertinax, Macrinus und Elagabal. ließ dann nahezu jeder Kaiser und Usurpator Münzen prägen, die auf die
suscepta
vota
und sie taten das zum Teil auch für ihre Mitherrscher:
4 Maximinus Thrax, Balbinus und Pupienus, Gordian III. , 1 Philippus Arabs, Decius, Trebonianus Gallus, Aemilian, Valerian, Gallienus, Tetricus 11., 42 Claudius Gothicus, Probus, Carus, Carinus und Carausius. l\tfan machte diesen
sachlich wohl korrekt
�
vor allem der Zug aufs
wo Gallienus in eigener Person das Opfer darbrachte. An nahmen auch Senatoren, Ritter, Soldaten und das ganze Volk teil, es wurden Opfertiere, Elefanten, Gladiatoren und Schauspieler mitgeführt und die angeblich
Völker dargestellt, während sich der Kaiser in der
Kleidung eines Triumphators sehen ließ. Nach der Rückkehr des Kaisers in den Palast gab es ein Bankett, Spiele und andere Lustbarkeiten. Inszeniert wurde auch hier also nicht nur der Ablauf von zehn Jahren, sondern die siegreiche Bewährung des Herrschers. Die Feier fiel allerdings in die Zeit der schlimmsten
Akt also mit Verve publik und spekulierte wohl auf den bekannten psycho
Mißerfolge des Gallienus und des ganzen Reiches, und wohl genau deswegen
logischen
wurde sie in der senatorischen
daß das Publikum quasi schon als Faktum nimmt, was ihm 43 Wenn einem Kaiser die Zukunft zu gehören
stark kritisiert, auf die hier die
selbstsicher angekündigt wird.
Hist01ia Augusta
schien, durfte er mit Gehorsamsbereitschaft rechnen. Übrigens wurden in
geblieben sein, wie übel es um ihn stand. Doch vermutlich gerade weil von
zurückzugehen scheint. Dem Kaiser wird kaum verborgen
dieser Zeit Jubilar-Formeln auch außerhalb des Kontextes eines realen Festes
einer siegreichen Bewährung nicht die Rede sein konnte, wurde sie um so nach
verwandt, wenn Untertanen in devoter Unterordnung ihre guten Wünsche für
drücklicher ins Bild gesetzt, zumal Gallienus mit seinen zehn Herrscherjahren über ein zutreffendes Argument
38 39
4Q
41 42
43
SIehe oben Anm. 22. Siehe die Münzen Mattingly 1950, Nr. 30; RIC IV 2 Macnnus Nr. 5-13; 126-133. Im siehe eine Münzemission von Ephesos mit der Aufschrift Reich wurde ßiin;a (BMC loma Siehe dIe Münzen Mattingly 1950, Nr. 3 1 ; RIC IV 2 Elagabal 202f. und ehe Arvalakten des 218 n.Cht.: Scheid 1998, Nt. 100, S. 297. Die Feier in Rom fand lange vor Ankunft des neuen Kaisers statt. Für Severus Alexander läßt sich eine solche Feier nicht nachweisen. Bei ihm ist das feierliche Aussprechen der Gelübde auch durch die Arvalakten belegt, siehe Scheid 1998, Nr. 1 1 2, S. 327. Der Kürze halber selen luer nur die Belege bei Mattingly 1950 genannt: )Jr. 33 (Maximmus Ihrax), 34 (puplenus und Balbinus), 35 (Gordian m.) , 36E (philippus i\tabs), 38f. (Decius), 40 (Trebonianus Gallus), 41 (Aemilian), 42 (Valenan und Gallienus), 53 44 (Claudius Gothtcus), 46E (probus), 48 (Carus und Carinus), 54 (Carausius). femer RIC V 1 Florianus 43. Schon seit Pertinax war es üblich, beim Herrschaftsantritt einfach nur vota decennalia auf die Münzen zu schreiben (Mattingly 1950, Nr. 20; RIC IV 1 Pertinax Nr. 1 3). Ohne zusätzliches Wissen könnte em Betrachter leicht meinen, der Kruser habe seine Decennalien bereIts erreicht.
um die Tradition der Jubilarfeiern für
sich in Anspruch zu nehmen. \Vas blieb den Rivalen zu tun, deren
noch fern lagen? Postumus,
der Herrscher des gallischen Sonderreiches, der mit Gallienus im Kampf lag,
44
45 46
47
CIL V1 428 = 11.5 2219 (Rom, unter Severus CIL VI 2998f.; 3012; 3019; 3065; 3076 (Wandkntzeleien im Wachlokal der cobors VII vigjlum aus der Zeit von Severus Alexander); eIL VI 1097 (Rom, für Philippus i\rabs und sem Haus); CIL '11I 3012; CIL VIII 21560 ILS 2608 (aus Mauretania Caesariensis, eine Weihung von Soldaten für Gordian III. und Tranqnillin a); CIL 1lI 8706. CIL VI 2998. Das Jahr geht eindeutig aus Porph. v. Plot. 4f. hervor. In der Forschung wird oft das Jahr 262 n.Cht. genannt, doch lediglich auf Grund von Vermutungen über die Fälligkeit der Feier, S1ehe z.B. Chastagnol 1983, 1 3. HA Gall. 7,4-9,7. Siehe ferner die Reichsmünzen 1950, Nr. 43; RIC V I Gallienus Nr. 92-96; 333-335; 406; 411; 440-442; 540f.; 597-599 (569; 597-599 aus Siscia) und die alexandrinischen Münzen rrut der Legende IiS1CaST1]Pls !C\lp{01J BMC Alexandria 2240; Geißen 1982, Nr. 2915. Beachte außerdem CIL XIV 5334 (OSha).
Die Jubilarfeiem der romischen Kaiser
Matthäus Heil
1 82
erfand wenig später die Quinquennalien (Fünfjahresfeier)
oder
265
nicht nur Münzen mit
offensichtlich als
direkte Antwort auf die große Decennalienfeier des GaUienus. Sie wurden
kann man auch an Inschriften machen. 54 Übrigens hörten derartige Mani Gerade die irreführenden Legenden zeigen überdeutlich, was den stets ge
Halbierung der ursprünglichen Frist wurde der Kerngedanke der Jubilarfeier Aber
nur
dadurch
fand
Postumus
eine
Rechtfertigung,
vota X soltda)53
pulationen unter Ka:lsern, die fest im Sattel saßen, sofort wieder auf.
seiner Usurpation keine Gelübde auf fünf Jahre ausgesprochen, und mit der verwässert.
sondern sogar solche mit
was einer gezielten FaJschmeldung gleichkommt. Ähnliche Beobachtungen
264
48 Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Postumus bei
n.Chr.
vons X et
1 83
fihrdeten Herrschern ihrem eigenen Urteil nach besonders fehlte: der Nach
um
überhaupt ein Jubiläum zu feiern und in gewisser Weise mit Gallienus gleich
weis siegreicher Bewährung in der überkommenen Form von J ubilarfeiern.
Gelübde wurden im Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol
nen damit eher noch an B edeutung. Ihre Geschichte hat eine Parallele in der
D1ese blieben ein Referenzpunkt herrscherlicher Selbstdarstellung und gewan
zuziehen. Bis dahin war die Feier stets an die Stadt Rom gebunden gewesen; die
Aufwertung anderer, auf die Person des Herrschers zielender Feiertage: des
eingelöst, wie dies zuletzt Gallienus zelebriert hatte. Postumus rückte davon ab
Kaisergeburtsrags und des
- wohl nicht aus inneren Gründen, sondern umständehalber, weil Rom in der
rerzeit immer stärker
und ein erster Schritt zur Loslösung des Jubiläums von der Stadt.
Aurelian
49
und
5.
spätestens selt Constantin wurden die Fünfjahrfeiern zum Allgemeingut. Die
Quinquennalien blieben aber stets eine Jubilarfeier minderen Einigen Herrschern des späteren dritten Jahrhunderts
vot.
XX
auch hier
Cl\.'LUl",Cll
53
54
51
zunächst
Gefeiert wurde nicht in Rom, da sich beide Kaiser die ganze Zeit über auf
votis X et XX herstellen,51 obwohl er nur etwa ein halbes Jahr herrschte. Carausius ließ voto publico multis XX prägen,52 und von Probus gibt es
50
n.Chr.
Quinquennalien begingen, wissen wir nur durch die beiläufige Erwähnung eines
cennalienformel
49
285
Panegyrikers, der dem Maxirnian hierfür eine Festrede versprochen hatte.56
ließ,5o was bIS dahin allenfalls anläßlich der
Siehe die Mrinzen Mattmgly 1 950, Nr. 50; RIC V 2 Postumus Nr. 34f.; 41; 50f. (Mattingly 1 950, �r. 50a RIC V 2 Postumus Nr. 34f. trägt die programmatische Rückseiten-Aufschrift quinquennaleJ Postumi Aug.). Die Münzen lehnen sich in ihrer Gestaltung an die übllchen Decennallen-Typen an. Siehe die Münzen Mattingly 1 950, Nr. 53; RIC V 2 Tetricus 204f.; 209E. Wenn Tetricus Quinquennalien gefeiert hat, tat er dies zu fruh, denn sein fünftes Herrscherjahr hat er gar nicht erreicht. - Probus scheint keine Quinquennalien begangen zu haben. Mattingly 1 950, �r. 5 1 ; RIC V 2 Postumus �r. 258; 334. Mattingly 1 950, Nr. 45; RIC V 1 Tacitus Nt. 1 09. Mattingly 1 950, Nr. 54a; RIC V 2 CarauslUs 595-597; 620.
n.Chr. regierende Diocletian und sein
keinen neuartigen Umgang mit den Jubilarfeiern an den Tag.55 Daß sie ihre
Decennalienfeiern üblich war. Auch Kaiser Tacitus ließ Münzen mit der De
48
284
Mitkaiser Maximian legten - außer einer gewissen Zurückhaltung
hätten sie ein großes Jubiläum erreicht. Bild und Münzlegende changierten zwischen superlativischen Wünschen, intensiven Beschwörungen und der billi Postumus, der
Der Triumph der Tetrarchen
Der seit
auch diese
Neuerung nicht. Sie ließen Münzen mit irreführenden Legenden prägen, so als
gend in Kauf genommenen Täuschung des Publikums. Voran
\vurde. Die Jubiläen waren aber seltenere,
Politik dienstbar gemacht werden konnten.
worden, so entsprach ein schneller zu erreichendes Jubiläum offenbar auch den hat ebenfalls Quinquennalien gefeiert, möglicherweise auch
dies tmperii,
größere, komplexere und stärker gestaltbare Feste, die dadurch um so mehr der
Waren die Quinquennalien also aus speziellen Zeitumständen heraus kreiert
Bedürfnissen vieler nach folgender Herrscher, die die Idee
des Herrschaftsantritts, des
der als allgemeiner Glückstag fur das ganze Reich verstanden und seit der Seve
Hand des Gallienus verblieb. Es war dies die erste Jubilatfeier außerhalb Roms
i
56 57
befanden.57 Aus Anlaß der Decennalien wurden Münzen
!',"II.."�""""
VotlS X et XX: Mattmgly 1 950, Nr. 47a-b; RIC V 2 Probus �r. 328; 362; 383; 454; 457-463; t)ota X soluta: Mattingly 1 950, Nr. 47c; RIC V 2 Probus Nr. 7. AE 1995, 1 541 :::: IK 57, 15, eme des praeses von Lycla Pamphylia., Tercntlus Marcianus, für Probus von 278 n.Chr.; sie endet mit der bel Decennahen üblichen Formel votis X ann.. tJotis XX anno Vielleicht war die Formel aber nur Im Sinn emes Wunsches des Dedikanten fur den Herrscher gemeint. Auf den vota-su.rcejJta-Munzen 1 950, Nt. 55; RIC V 2 Diocletian 466f. erscheinen Dloc!etlan und MaXlID1an sie wurden also erst nach Maxlffilans Kaisererhebung geprägt. Dloclenans eigenem Herrschaftsantritt schemen keine hergestellt worden zu sem. Lat. 1 1 (3),1 ,1 . Eindeutige Quinquennalienpragungen slld nicht bekannt. Flir eine gememsame Feier hätte es nur elle Gelegenheit gegeben, em Treffen in Raetlen 288 n.Chr.: Paneg. Lat. 10(2),9,1, wo aber von keiner Feier die Rede ist. Sie haben wohl getrennt und zu unterschtedllchen Zelten gefeiert.. - Auch der Carausius hat Quinquennahen siehe die Münzen J.'.,.cu,,,,,. v 1 950, Nr. 54; RIC V 2 Carausius Nr. 3f.
Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser
Matthäus Heil
1 84
und die Kaiser haben im Jahr
293
n.Chr. den ordentlichen Consulat über
nommen, doch wie ihr Itinerar zeigt, haben sie auch dieses Jubiläum sicher nicht gemeinsam am selben Ort gefeiert. 59 Im selben Jahr, doch offenbar nicht
Jahres
303 n.Chr., und die Hauptfeier
fand im November
185
303 in Rom statt, d.h.
am Anfang von Diocletians zwanzigstern Jahr. Maximian war persönlich anwe send, und ebenso reiste Diocletian eigens wegen der Feier aus Nikomedia quer 65 Die Tetrarchen, die sich ohnehin stark
an den Jubilarfeiern, wurden mit Galerius und Constantius Chlorus zwei
durch das halbe Weltreich nach Rom.
Caesares mit aktiver Herrscherfunktion ernannt, was den Rhythmus der Feiern 60 verkomplizierte. Ob die Caesares eigene Quinquennalien gefeiert haben, 62 61 bleibt unklar. Ihre Decennalien wurden in jedem Fall begangen, doch
auf die römische Tradition beriefen, beharrten also auf dem nicht mehr selbst
zumindest ideell wurden sie mit den Vicennalien der Augusti Diocletian und
Kombination von mehreren Festen: einem Triumph über ,viele Völker' und der 66 eigentlichen Jubilarfeier; hinzu werden Spiele, Bankette und ähnliches gekom
Maxirnian zusammengelegt. Denn die Tetrarchen traten immer entschiedener als einheitliches Herrscherkollegium auf, das aus zwei gleichrangigen Augusti und zwei
um
zehn Dienstjahre jüngeren Caesares bestand. Das gesamte öffent
verständlichen Gedanken, daß die Feier nach Rom gehöre. Das große Ereignis selbst bestand - wie schon bei Septimius Severus und Gallienus - aus einer
men sein. Die Verbindung von Triumph (hier erstmals ein vollgültiger) und Jubiläum entsprach auch ganz der Bedeutung, die den Jubilarfeiern schon seit
liche Erscheinungsbild wurde darauf abgestimmt; unter anderem wurden (tat
fast zwei Jahrhunderten gegeben wurde.
sachenwidrig) Maxirnian genauso viele Regierungsjahre zugeschrieben wie 63 Diocletian. Ferner wurden gemeinsame Jubilar-Münzserien der Augusti und
rungsjahre hatte zuletzt AntOnllUS Pius erreicht, und die Nöte der voraus
Diocletian und Maximian hatten allen Grund zum Feiern: Zwanzig Regie
Caesares geprägt, wobei letztere jeweils mit dem um zehn Jahre geringeren 64 Jubiläum erschienen. Sollte es dennoch eigene Feiern der Caesares gegeben
gegangenen ,Zeit der Soldatenkaiser' hingen elementar damit zusammen, daß
haben, bleiben sie uns hinter dem Schleier dieser Inszenierung verborgen.
mian hatten überdies sämtliche Usurpatoren niedergeworfen und die allerorten
Diocletian und Maximian begingen ihre Vicennalien gemeinsam, und diese
sich kein I
wurden nun zu einem großen Staatsakt ausgestaltet; sie wurden bewußt und
ohne
gezielt als Gipfelpunkt ihrer erfolgreichen gemeinsamen Regierung in Szene
Erfolg".
Grund von "jenen zwanzig Jahren von beständigem glücklichem 67 Die Vicennalienfeier war damit ein Ausweis der wiedergewonnenen
gesetzt. Diocletian und Maxirnian übernahmen den ordentlichen Consulat des
Stabilität und brachte die persönliche Leistung - und das Weltbild - des Kai
58
Mattlngly 1 950, Nr. 56; RIC V 2 Diocletian, Rom Nr. 108; 125f.; 1 30; 175-179; 5 1 1 -
der krönende Abschluß clieser erfolgreichen gemeinsamen Regierung gedacht.
514; Lugdunum Nr. 468; Trier Nr. 485-87, siehe ferner die alexandriruschen
Denn allem Anschein nach haben Diocletian und Maximian hier den gemein-
serkollegiums perfekt zum Ausdruck. Das Fest war offensichtlich zugleich als
Münzen für Diocletian ffilt der Aufschrift 1tEpiooo� OEKUTT]: Geißen 1 983, Nr. 3269.
Vgl. außerdem die Inschriften CIL III 10605; AE 1 944, 96 (Ostia) und die 59
60 61
Meilensteine CIL XVII 2, 1 1 8; 120a-b. Maximian besuchte Ende 294 n.Chr. die Stadt Rom: CJ 9,16,5(6), vgl. Paneg. Lat.
65
dleser Stelle vor, daß er nur kurz in Rom geblieben ist. Dies ist eine willentliche
Für die neuen Caesares wurden offensichtlich
Mißdeutung. Man muß umgekehrt betonen, daß Diocletian eigens wegen der Feier
vota-suscepta-Münzen
geprägt, siehe
Mattingly 1 950, Nr. 56a; RIC V 2 Galerius Nr. 702f. Die Antwort hängt davon ab, ob Paneg. Lat. 8 (5) zur Quinquennalienfeler des
66
Constantius Chlorus gehört. Es ist auch nicht sicher, ob die Rede 297 oder 298 62
63
64
Lact. mort. pers. 1 7,H., vgl. Barnes 1 982, 56 bzw. 59f. - Lactanz W1!ft Diocletian an
7 (6) ,8, 7. Ob dies ffilt emer Jubilarfeier zusammenhing, muß offenbleiben.
nach Rom gekommen 1st; seine eigentlichen Aufgaben lagen anderswo.
Eutrop. 9,27,2: ... post triumphum
inclitum, quem Romae ex numerosis gentibus egerant (scil.
Diocletlan und MaXimlan); Eus.-Hieron. chron. p. 227 Helm (zu 304 n.Chr.):
n.Chr. gehalten wurde.
DiocJetzanus et Maxzmzanus Augusti insigni pompa Romae triumphaverunt.
Siehe die Münzen Mattingly 1 950, Nr. 56b; RIC VI Trier Nr. 82; RIC VI S. 678. Die
wurden u.a. die gefangenen Frauen, Schwestern und Kinder des Perserkömgs
Im Triumphzug
Feiern waren im Frühjahr 302 oder Frühjahr 303 n.Chr. ,fällig' gewesen. Im
Narses vorgeführt. Auf die Vicennalienfeler beZieht sich auch Paneg. Lat. 7(6),8,8;
Frühjahr 303 hielt sich Galerius zusammen mit Diocletian in Nikomedia auf, wo sie
Eus. h. e. 8,13,9. - Aus Anlaß des Festes gab es eme sehr reiche Münzemission:
die große Christenverfolgung begannen. Aber die christlichen Autoren erwähnen
Mattingly 1 950, Nr. 57; RIC VI Trier Nr. 75f.; 93-99; 134-136; 562-571; 607-614;
nichts von einer ungefähr gleichzeitig stattfmdenden Jubilarfeier.
Ticinum Nr. 1 1 ; 36-42, Aquile1a Nr. 5-7; 10-15; Rom Nr. 74-89; Karthago Nr. 37f.;
Siehe Kolb 1987, 1 1 5-127 (mit der älteren Literatur).
Nicomedla Nr. 13-16; vgl. auch die unter Maxentius geprägten Solidi RIC VI Rom
Der Gedanke, die Regierungsjahre des Hauptkalsers als die Regierungsjahre des
Nr. 1 36; 145f. und das Multiplum Nr. 1 74. Vgl. auch dle Materialsammlung von
gesamten Kaiserhauses aufzufassen, findet sich bereits in der Severerzelt, siehe AE 1 960, 102
=
IAM 254 und vgl. oben Anm. 33. Bezeichnenderweise kam er dort
mcht vom Kaiser, sondern von einem selbständig agierenden höheren Beamten.
67
Kuhoff 200 1 , 230-45.
Paneg. Lat. 7(6),10,1 : zlJa
vzginti annorum continuaftJzcitas.
Der gleiche Gedanke fmdet
sich auch bei Eus. h. e. 8,13,9, obwohl der Autor völlig andere Intentionen verfolgt.
186
Matthäus Heil
samen, freiwilligen Rücktritt vereinbart,68 der dann ein gutes Jahr später, näm lich am 1 . Mai 305 n.Chr., vollzogen wurde. Das Fest sollte demnach auch anschaulich die Summe ihres gemeinsamen Wirkens ziehen. Aus Anlaß der Vicennalien wurden in Rom mehrere große (heute nicht 69 mehr vorhandene) Monumente errichtet, der arcus novus und besonders das 7o sogenannte Fünfsäulenmonument auf dem Forum Romanum. Letzteres bestand aus einer Säule für Jupiter, je einer mit dem Genius eines der beiden Augusti (anläßlich ihrer Vicennalien) und je einer mit dem Genius eines der beiden Caesares (anläßlich ihrer Decennalien) . Das Bildprogramm der erhal tenen, reliefgeschmückten BaSIS verewigte die Grundgedanken des Festes m Stein: die Verbindung von vota und victoria Oubiläum und Sieg), das dazuge hörige Opfer an die überkommenen Götter, die Kollegialität der Augusti und die Einbeziehung der Caesares als collegae minores und designierte Nachfolger. Diese Botschaften wurden ganz in traditionellen Bildern ausgedrückt - nicht aus Phantasielosigkeit, sondern um bewußt den Konnex zur rörruschen Über lieferung zu betonen. Auch auf den begleitend geprägten Münzen wurde letztmals in der römischen Geschichte - das Opfer dargestellt, das die Kaiser zur Einlösung der Gelübde auf dem Kapitol darbrachten.7! Das Publikum sollte zur Kenntnis nehmen, daß Erfolg und siegreiche Bewährung von der gebührenden Verehrung der alten Götter herrühre. Dieser Aspekt der Jubilar feiern war zuvor selten so stark hervorgekehrt worden; hier paßte er zum 72 Geschichtsbild der Tetrarchie. 68
69
70
71
72
Paneg. Lat. 6(7),15,6 spricht davon, daß MaXllDlan dem Diocletian zn Capztolzno Iovis templo etwas (nämhch mitabzudanken) geschworen habe. Das kann nur bei der Vicennalienfeier gewesen sein, denn Diocletlan und Maxirruan waren sonst nie zusammen m Rom. Erwähnt belm Chronographen von 354 n.Chr. (Chron. mm. I p. 148 Mommsen). Das Monument gmg m der Renaissance verloren; erhalten 1st ledlghch die Inschrift (CIL VI 31383). Siehe Platner/Ashby 1929, 4lf. s.v. Arcus Novus (Diocletlanl); Torelli 1993, 10lf. (rrut Ltterarur). Teilweise wird das Monument allerdmgs mit Diocletians Decennalien m Verbmdung gebracht, so u.a. Kolb 1987, 1 80-183. Siehe dazu L'Orange 1938; Kähler 1 964; Wrede 1 981. An aussagekräftlgen Resten ist nur eine BaSIS erhalten (,Decennalienbasis'). Siehe auch die Inschriften CIL 1203; 1204+1205 = 31262. Vgl. ferner kurz Brandt 1998, 64-68. Matttngly 1 950, Nr. 57; RIC VI Trier Nr. 75f.; 93a-99; 134-136; 562-571; 607-614; TlCillum Nr. l l a-b; 36a-42b; Aquileia Nr. 5a-7b; 1 0-15; Rom Nr. 74-87b; Karthago Nr. 35a-38, Nikomedta Nr. 13-16. Siehe auch oben zu den Caesares und vgl. außerdem RIC VI Rom Nr. 136; 145f.; 174 (unter Maxentius). Die hohen Beamten des Reiches und dte Reichsbewohner brachten in vleWiltiger Welse Ihre Anteilnahme zum Ausdruck, vgl. den Ehrenbogen CIL VIII 4764 = 1 8698 = ILS 644 (Macomades m Numidien), die Baumschnft AE 1987, 961 = 1990, 1015 vgl. 1992, 1714, dte Meilensteine CIL VIII 22481; 22485; 22488; 22489, das
Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser
187
6. Constantin und das Christentum Bekanntlich ging die Geschichte nicht so weiter, Wie Diocletian sie geplant hatte.73 Das tetrarchische System zerfiel, und die Bürgerkriege setzten die rivali sierenden Herrscher unter einen erhöhten Legitimationsdruck, was die Bedeu tung der Jubilarfeiern nochmals ansteigen ließ. Auf weite Strecken könnte man die Geschichte des folgenden Jahrzehnts anhand der Jubilarfeiern schreiben, denn die Konkurrenten suchten sich auch mit ihren Feiern gegenseitig auszu stechen. Während die Quinquennalien des Maximmus Daia keine Spuren hinterlie ßen und die Quindecennalien des Galerius wohl gar nicht begangen wurden, feierten Constantin und Maxentius - die Rebellen gegen die tetrarchische Ord nung - 310/3 1 1 n.Chr. ihre Quinquennalien jeweils mit beträchtlichem Auf wand (Constantin umständehalber in Gallien). Mit der Betonung von Sieg, Dauer und Bewährung kehrten sie ihren eigenständigen Herrschaftsanspruch heraus.74 Galerius hatte für 3 1 2 n.Chr. eine große Vicennalienfeier geplant,75 76 nach der er vielleicht gemäß dem Beispiel DlOcletians zurücktreten wollte, doch 1St er noch vor der Feier gestorben. Constantin überwältigte dann be kanntlich Maxentius, und Licinius besiegte Maxirninus Daia, den letzten Partei gänger des tetrarchischen Systems. Dieser ließ kurz vor seinem Untergang in
Glasbild CIL XV 7007, die Goldfibel aus Schottland CIL VII 1283 (Abbildung in .ßJ 174, 1974, 230) und die Bittschrift P.Oxy. 2187. Siehe auch den Silberbarren: Chastagnol 1988, 24. 73 Zunächst wurde aber dieser Eindruck zu vermitteln versucht: Man prägte Münzen, die die vota vlcennalia suscepta der neuen Augusti Constantius und Galerius sowie die vota decennafta suscepta der neuen Caesares Severus und MaXlmmus Daia zum Gegenstand hatten: Matttngly 1950, Nr. 58; RIC VI Trier Nr. 682a-688; Siscia Nr. 148; Nikomedia Nr. 37f.; Antlochia Nr. 129-131. Vgl. ferner den Meilenstem CIL VIII 22491 . Auch hier war das gewollte Bild des geordneten Herrscherkollegiums offenslChdich wichtiger als die Frage, wann die jeweiligen Gelübde wirklich ausgesprochen worden waren. 74 Maxentius: Matttngly 1 951, Nr. 60; RIC VI Aquileia Nr. 128; Rom Nr. 227-241 ; 281a-c; Ostia Nr. 8f.; 57; 62-64. Bel Lact. motto pers. 44,4 werden seine Quinquennalien ins falsche Jahr verlegt. - Constantin: Mattingly 1951, Nr. 6 l f.; RIC VI Trier Nr. 639-641; 744-754; 791-793; 821; 898-913. Siehe ferner Paneg. 5(8),13,14; 6(7),2,3. Die Hauptfeier fand am Anfang des fünften Herrschaftsjahres statt, doch gab es offenbar auch eme Feier zum Ende dieses Jahres, siehe Paneg. 5(8),1 3,2; vgl. Nixon 1980. 75 Lact. mort. pers. 31 ,2f.; 35,5, vgl. ebd. 20,4. 76 Vgl. den Residenzbau in Romuhana/Gamzigrad, der wohl - WIe Diocletians Palast in Split - als Ruhesitz dienen sollte, siehe Vasic 2007; Bülow 2007; Wulf-Reith 2007.
Die Jubilarfeiern der römischen KaIser
Matthäus Heil
188
höchster Verzweiflung Decennalien-Münzen prägen,
77
obwohl er erst acht
von da an wurde es zum stehenden Brauch, in jedem funften Jahr ein Jubiläum zu feiern. Im Jahr
Jahre an der Macht war. Über Constantins Decennalienfeier von
315
n.Chr. in Rom wurde bereits
gesprochen. Aus diesem Anlaß stiftete ihm der Senat das bekannte Bogen 78 In dessen Inschrift und Bildprogramm wird allerdings nicht (wie
1 89
321
n.Chr. folgten die Quinquennalien der Caesares, die
separat begangen wurden. Constantins Söhne Crispus und Constantinus 11. feierten in Rom, Licinius und sein Sohn Licinius H. waren nicht dabei und ihre 81 Zur
monument.
schiere Existenz wurde vom damaligen Festredner eisern totgeschwiegen.
üblich) nur in allgemeiner Form die Verbindung von Dauer und militärischem stantins kurz zurückliegenden - und hier als Befreiungstat hingestellten - Sieg
eigenen Feier von Licinius n. wurden unter anderem prachtvolle Silberschalen 82 hergestellt, die vor einigen Jahrzehnten gefunden worden sind; es wurde also 83 wohl an keinem Aufwand gespart. Kurz vor seiner endgültigen Niederlage
über Maxentius Bezug, benutzte das einzelne Ereignis also als B eleg für die
gegen Constantin im Jahre
Erfolg herausgestellt. Vielmehr nahm das Monument sehr direkt auf Con
allgemeine Behauptung. Constantins Verbündeter und nunmehriger Rivale Licinius hat wenig später ebenfalls mit großem Aufwand seine Decennalien 79 1: ' geleIert. Im
Jahre
320
n.Chr.
hat
Constantin
seine
Quindecennalien,
sein
fünfzehntes Herrschaftsjubiläum begangen. Es war die erste nachweisbare Feier 8o dieser und sie wurde von einer überreichen Münzprägung begleitet. Erst 77
Mattingly 1951, Nt. 59. L'Orange 1 939; siehe zuletzt Engemann 2007b. Inschriften: CIL VI 1 1 39 (cf. 31245) ILS 694. Das Fest wurde auch zum Sujet einer reichen Münzpragung: Matnngly Nr. 28; Trier Nt. 6-1 1 ; 38; 86-91 ; Ades Nr. 70; Rom 1951, Nr. 64; RIC VII Nr. 44; Ticinum Nr. 25; 40; 50; 58; Sirmium Nr. 9-13; Thessalonica Nr. 6f.; Heraclea Nr. 8-10; Antiochia Nr. L Constantin und LlcinlUS traten hier teilweise als Herrscherkollegium mit gemeinsamem Jubiläum auf. Nach Eus. V.c. 1 ,48 wurde das Fest im ganzen Machtbereich Constantins mitgefeiert (angeblich ohne blutige Opfer) . Bestätigungen liefern die Inschrift C� VIII 8477 ILS 695, gesetzt von Septimius Flavianus, dem praeses von Mauretamen (vgL auch OL VIII 8478), ferner AE 1990, 343 SOWle dIe goldene Fibel aus Niederemmel bei Trier (AB 1 978, 5 1 5; K.-J. In: Demandt/Engemann 2007, CD Nr. I 7.21) und eine weitere Goldfibel aus Bonn (heute Paris: C. Glfolre, In: Demandt/Engemann 2007, CD Nr. I 7.23). Siehe auch die Model bei Chastagnol 1 988, 24 Nr. 3. Quinquennalien: Mattingly 1 951, Nr. 63; RIC VII Nikomedia Nr. 1-10; Heraclea Nr. 3f. Decennalien: Mattingly 1951, Nr. 65; RIC viI Heraclea Nr. 7; 9-10; Nlkomedia Nr. 1 8; 41 f.; Antiochla Nr. 2-4; 20; 3 1 f. Siehe ferner die aus diesem Anlaß hergestellten, beschrifteten Sdberschalen aus Svirkovo (Chastagnol 1 988, 24 Nr. 4), aus Cervenbreg (ebd. Nt. 5), aus Naissus/Nig (ebd. 25 Nr. 6 ILS 8939; C. Entwistle, in: Demandt/Engemann 2007, CD I 7.14; J. Kondie, ebd. CD 1 7.1 6f.) und aus Esztergom (Chastagnol 1 988, 25 Nr. 7; Z. Mrav, In: Demandt/Engemann 2007, CD I 7.15). Da dies die frühesten bekannten Largitionsschalen sind, könnte man erwägen, ob Licinius ihr Erfinder war. Doch vielleicht täuscht der Zufall der Überlieferung. Münzen: Mattlngly 1951, Nr. 67; RIC VII London Nt. 1 85-230; Lyon Nt. 63-208; Tner Nr. 208-209; 213-236; 254-257; 266-278; 291 -334; 341-355; 368-428; 439; Ades Nr. 1 85-195; 202-208; 223; 228; 233; 239; 246; 252; Ticinum Nr. 81 -87; 90f.; 1 09f.; 1 14-127; 1 30f.; 140-144; 163; 167; Aquliela Nr. 37; 47-64; 80-85; 104; Rom Nr. 146-150; 194-227; 231 ; 237; 245; Sirmium Nt. 9 f.; Siscia Nt. 47-140; 148; 1 59 ; =
=
79
80
324 n.Chr. ließ Licinius Vicennalien-Münzen prägen, 84 obwohl seine Vicennalien noch fern waren - offenbar eine Verzweiflungstat
wie die des Maximinus Daia. Mit dem Sieg Constantins über Licinius begann eine neue Epoche, auch in der Geschichte der Jubilarfeiern. Constantin bekannte sich mittlerweile unmißverständlich und ausschließlich zum Christentum. Der alte Kern der
1 68; Thessalonica Nr. 27-35; 52-56; 72-84; 88; 96; 101 ; 109; 1 17. Überwiegend handelt es sich um Fo!!is-Prägungen, teils mit der auffalligen Legende beata tran qui!!itas. Teils gehen die Senen nahdos in Prägungen zu den Quinquennalien der Caesares über, und teils werden auf Constantin bezügliche Rückseiten mit den Porträts der Caesares auf den VorderseIten kombiniert. - Solange Constantin und Liciruus nicht offen nn Krieg lagen, wurde in der Münzprägung der Schein der Einheit des Herrscherkollegiums noch gewahrt und Licinius gelegentlich noch bedacht, siehe RIC VII Ades Nr. 209; 224; 229; 234; 240; Rom Nr. 228; 233; TicInum Nr. 1 32; 1 45; Aqullela Nr. 67; 86; Siscia Nr. 141; 149f.; 160; Thessalonica Nt. 97; 102-104; 110- 11 2. Doch besonders in den westlichen Münzstätten sank er zur bloßen Randfigur ab. Zu Constantins Quindecennalien vgl. auch Paneg. Lat. 4(10),2,2 und CIL VIII 26166. 81 Paneg. Lat. 4(1 0), der Panegynker von 321 n.Chr. Siehe bes. Paneg. Lat. 4(1 0),2,2. Zum Fest SIehe ferner die Münzen Mattingly 1 951, Nr. 69; RIC VII London Nr. 291 f.; Lyon Nr. 95; 98-100; 21 0f.; Trier Nr. 339f.; 430-434; 440f.; Ades Nr. 2 1 0-212; 225-227; 230-232; 235-238; 241-245; 247-251; 254-263; Rom Nt. 74-76; 229-231 ; 234-236; 238-244; 246f.; Ticmum Nt. 134-139; 148-162; 1 64-166; 1 68-173; Aquileia Nt. 68-79; 87-103; 105-115; Slfmium Nr. 23-27; 32-34; Siscia Nt. 142-147; 1 5 1-1 58; 1 61-167; 1 69f.; 1 72f.; 175f.; 178f.; 1 81 f.; Thessalomca Nr. 85-87; 89-95; 98-100; 105108; 1 1 3-1 1 6; 1 1 8-1 22. In den Münzprägungen wurde der Sohn des Licinius jeweils mitberücksichtigt. 82 SIehe Overbeck 1 973; G. Zahlhaas, in: Demandt/Engemann 2007, CD I 7.1 8f. Der Inschrift zufolge wurden die Schalen (d.h. die Geschenke) von Licinius aus Anlaß des Festes seines Sohnes ausgegeben; gefeiert hat eigentlich also LiClniuS 1. 83 Mattingly 1951, Nr. 68 führt Münzen an, die 321/322 n.Chr. zu den Quindecen nalien des Ucinus geprägt worden sein sollen. Doch gehören sie wohl zur gtoßen Emission anläßlich der Quindecennalien ConstantlUs (siehe Anm. 80). Bezeich nenderweIse kennt man (bislang) keine Largitionsschalen zu den Quindecennalien des Lici ruus. 84 Mattingly 1951, Nr. 71. DIe Sache bleibt erklärungsbedürftig.
1 90
191
Die Jubilarfeiern der römischen KaIser
Matthäus Heil
Jubilarfeiern bestand jedoch aus Gelübden und blutigen Opfern an heidnische
erster von allen römischen Kaisern Tricennalien gefeiert. Allerdings wurde das
Götter, woran ein Christ sich unter keinen Umständen beteiligen konnte. So
Standard-Programm in charakteristischer Weise abgeändert: Alle Feierlichkeiten
hätte es nahegelegen, das Fest schlichtweg fallenzulassen (zumal es nach dem
fanden in der neuen, christlichen Residenz Konstantinopel statt; die bis dato
Sieg über Licinius nicht mehr für den Konkurrenzkampf benötigt wurde) ähnlich wie Constantin schon
3 1 3 n.Chr. die damals anstehende Saecuhtrfeier
einfach übergangen hatte.85 Wie es scheint, folgte nun tatsächlich eine Phase der UnSIcherheit. Der
Festreigen zu Const.antins Vicennalien wurde
325 n.Chr. mit einer Feier in
Nikomedia eröffnet, zu der auch all die christlichen Bischöfe in den Palast geladen \vllrden, die am gleichzeItig im benachbarten Nikaia tagenden Konzil teilnahmen. 86 Im Folgejahr Macht
326 n.Chr.
also nach genau
20 Jahren an der
reiste Constantin nach Rom und feierte dort erneut: Dies war wohl als
die Hauptfeier gedacht. Das Fest scheint im wesentlichen dem üblichen
obligate
Romreise
entfiel, obwohl ihr keine
äußeren
Hindernisse
entgegenstanden. Offenbar wurde auch diesmal sowohl der Anfang als auch
das Ende des J ubiläumsjahres festlich begangen.89 Opfer und Gelübde an
heidnische Götter hat es ganz sicher nicht mehr gegeben. Wohl bei der
Abschlußfeier durfte Eusebius, der Bischof von Cäsarea, auftreten und hielt ungeniert eine Art christlicher Predigt. Die Rede fand allerdings in einer profa nen Festversammlung statt, und es mag
daß außer Eusebius noch weitere Panegyriker sprachen. Doch ist es bezeichnend für den Geist der Feiern, daß
man hier erstmals einen christlichen Bischof als Festredner herbeiholte.
Spätestens diese Tricennalienfeler kam dem Entschluß gleich, an den Jubi
Schema gefolgt zu sein, doch unterließ es Constantin, aufs Kapitol zu ziehen
läen grundsätzlich festzuhalten;9o sie hatten damit die Bekehrung des Kaisers
genügte es für den christlichen KaIser, nur auf diese zu verzichten? Wie es
gestrichen. Man könnte meinen, mit dem Verzicht auf die Gelübde und das
und dem Jupiter Optimus Maximus die ublichen Opfer darzubringen.87 Doch
überlebt. Allerdings wurden sämtliche elOdeutig heidnischen Elemente ersatzlos
330/331 n.Chr. anstehenden) 25 -Jahr
Opfer sei das Fest sozusagen entkernt worden. Doch eigentlich bildeten diese
Feier weniger Aufhebens gemacht und auch nicht von den damaligen Jubiläen
Zeremonien schon längst nicht mehr den wahren Mittelpunkt; sie waren sogar
scheint, hat Constantin von s einer (für seiner Caesares.88 Jedoch erreichte er
335/336 n.Chr. sein dreißigstes Jahr als
vor ihm konnte nur Augustus auf eine solche Herrschaftsdauer zurück und als
autonom weiterbestehen. Für die Fortführung der Jubilarfeiern mag die Rück
Hier Ist mcht der Ort, um auf die verwickelten Fragen um
dürfte der Grundgedanke nach Vile vor allseits überzeugt haben. Constantin
blicken. Dieses Ereignis hat Constantin wieder feierlich begangen 85
Zos.
2,1,1 -7,2.
Constantlns
-
religiös e
Entwicklung,
den
Zeitpunkt
und
die
Grunde
seiner
Konversion sowie die Eigenart seines Selbstverstandnisses als christlicher Kaiser näher emzugehen. Für die vorliegende Untersuchung genügt es festzuhalten, daß Constantin sem Christsem lnsofern ernst nahm, als er Sich persönhch bereits vor 86
dem Sieg über Iicinius des heidnischen Götterkultes stnkt enthielt. Eus. V.c.
1 ,25, 1 .
3,15, l f.;
entbehrlich geworden - für den Ablauf wie für die Botschaft der Feier. Die übrigen Bestandteile waren nur lose mit ihnen verbunden und ko=ten daher
vgi auch ebd,
Eus. V.c.
3,15,1
4,47.
Siehe ferner Socr. h. e.
1 ,16,1;
Sozom. h. e.
erwähnt auch, daß in den PrOVillZen
wurde.
sicht auf heidnische Empfindlichkeiten gesprochen haben, vor allem aber war der größte Soldat seines Zeitalters und konnte sich mit einigem Recht als denjenigen präsentieren, der über dreißig Jahre hinweg (unter dem Schutz eines höchsten Wesens) Sieg
um
Sieg errungen und damit dem Reich Einheit, Frie
den und Sicherheit beschert hatte. Daß hierdurch seine Stellung und die seiner Dynastie geradezu bis zur Unerschütterlichkeit befestigt "'-"lude, steht außer
Frage. Und es war genau dieser Punkt, den das Fest zum Ausdruck brachte.
Der Kaiser ordnete aus Anlaß semer Vicennalien allg=eine Geldspenden an: Eus.
87
3,22 (übernommen von Thdt. h. e, 1,1 3,4). 2,29,5. - Straub 1955 wollte die ZOslmos-Stelle (entgegen dem Text) a u f das Jahr 3 1 2 n.Chr. beZieh en, was aber nicht überzeugt: vgL dazu Wlemer 1994. Zur Feier selbst SIehe auch Prosper Tiro (Chron. min. I p. 450 Mommsen) und die Consularia Constantinopobtana (Chron. mm. I p. 232 Mommsen). Ivfit der Feier ist V.c.
Zos.
89
4,40,1-2; 4,46; Eus.-Hieron. Chron. p. 233 Heltn; Prosper 451 Mommsen); Consnlaria Constantlnopolitana (Chron. min. I p. 235 ?\1ommsen). VgL auch Eus. V.c. 1,1,1; 4,49. - Münzen: Mattingly 1951, Nr. 73; RlC VII Trler Nt, 571; Aquilela Nr. 130; Siscia Nr. 242-249; 257f.; ThessalOllica Nt. 1 79; 20M.; Heraclea Nr. 90-94; 106; Konstantinopel Nr. 5lf.; 1 07f.; Nikomedia Nr. 1 75-180; Antlochla Nr. 96. Teilweise werden dabei auch die Siehe ferner Eus. V.c.
Tiro (Chron. min. I p.
vielleicht auch eine Glasplatte zu verbinden: C. Martini, in: Demandt/EngemaIln
2007, CD Nr. 1 10.3. - Münzen: Mattingly 1951, Nr. 70; RlC VIl Rom Nr. 256-263; 273; 359; 'f1clllum Nr. 174-176; 1 86-188; 197; Sitmmm Nr. 66; ThessaloUlca Nr. 1 23-130; 140; Heraclea Nr. 56-66; 69-73; 82; 87; Nikomedia Nr. 63-67; 103; Kyzlkos Nt. 22f. Hiermit verbinden Sich Prägungen zu den Decennalien der Caesares (vgi 88
Mattingly
1951, Nr. 72).
Nur elnlge Münzen weisen vielleicht auf die Feste hm: RlC VII Rom Nr. Heraclea Nr.
90-94; 1 06; Nikomedia Nr. 1 7l f.
31 8-320;
Die Hauptquelle für das Fest ist dIe Tricennalienrede des Eusebius, die aber
für den konkreten Ablauf wenig ergiebIg ist. Zu ihrer Datierung vgI. Drake 1 975.
90
Caesares einbezogen.
Es gibt auch Münzen zu den Decennallen Constanuus'
333/334 n.Chr.
anstanden: Mattlngly
1951,
Das Fest Ist also wohl begangen worden.
Nt.
74;
Il.
als Caesar, die für
RlC VII Konstantinopel Nr.
72.
Matth1ms Heil
1 92
Die Jubllarfelem der römischen KaIser
Die Formen waren überdies wohlvertraut, und die Botschaft wurde deswegen von allen verstanden. Es galt schließlich auch, ganz hand-
ohne lange feste
zu berücksIchtigen: Die Soldaten freuten sich auf Donative,
die hohen Beamten auf wertvolle Ehrengeschenke, die Plebs auf Spiele und Spenden. Die Gestaltung, die Constantin damals fand, entsprach völlig den Gegebenheiten des Reiches, das in seiner Gesamtheit noch Z\,1.>ischen Heiden wurde sie auch allseits v.>ider
tum und Christentum stand. Wie es
standslos akzeptiert. Constantins reduzierte, mit dem Christentum verträgliche
Form der Jubilarfeiern ist dann traditionsbildend geworden.
Die Opfer wurden möglicherweise auch deswegen nicht sehr vermißt, weil das Fest seit dem frühen vierten Jahrhundert einige neue Elemente und viel leicht eine neue Mitte erhalten hatte, wie sich aus der Kombination verschie dener Hinweise erschließen läßt. Hervorzuheben ist besonders ein großer Festakt
im
Palast, ein Empfang des Kaisers für seine Hofleute, Beamten,
Militärs und andere geladene Gäste, wie es ihn auch zu anderen Anlässen gab. Die Würdenträger seines Reiches haben hier wohl ihre Glückwiinsche über bracht, und sie haben dafür Dankgeschenke von erheblichem materiellen Wert ethalten.91 Dies ist zweifellos der ,Sitz im Leben' der silbernen
��',,",��"'"
schalen. Die erhaltenen Stücke - neben den bereits erwähnten aus der Zeit des
Licinius vor allem das :Missorium Theodosius' 1.
tragen alle Inschriften mit
Bezug auf das Jubiläum; sicherlich wurden sie eigens für den Anlaß hergestellt, und vermutlich wurden sie mitsamt den d arauf liegenden Preziosen dem Gra tulanten als Spezialgeschenk und Erinnerungsstück überreicht.92 Diese Feier war ferner wohl der Platz der Lobreden,93 die seit der tetrarchischen Zeit in größerer Zahl überliefert sind. Gehalten wurden sie jeweils im Palast vor einer auserlesenen Gesellschaft in Anwesenheit des Herrschers und des Hofstaats. Sicherlich gab es außerdem Gastmähler und ähnliches. Der Empfang diente offenkundig dazu, das Loyalitätsverhälmis zwischen dem Kaiser und seinen hohen Amtsträgern zu festigen, d.h. den Personen, auf deren Treue der Kaiser der Spätantike besonders angewiesen war. Insofern war dieser
der
zeit- und umständegemäße Nachfolger des Banketts für die Senatoren, das seinerzeit Septimius Severus gegeben hatte.
i
I
I
I
Ansonsten waren die Jubilarfeiern zeremonielle Großanlässe, zu denen die
Kaiser mit ihren Untertanen huldvoll in Kontakt traten und z.B. Spenden ver
teilten. In der öffentlichen Wahrnehmung wurden offenbar vor allem die Spiele beachtet. Nun gewann der Typus der Jubiläumsmünzen an Bedeutung, der den Kaiser als Spielgeber zeigr. Dargestellt wird der Kaiser thronend mit einem Tuch
Vorstellung davon VerteiilurHl det
kann
dona consulana durch
Kaiser Justin H. vermitteln (Coripp. lust. 4,129
Siehe auch Paneg. Lat. 8(5), 1 ,4 92 93
Herrscher steht).
in den
adyta
des Palastes) ; 4,4 (der
st praemia sumunt consulis et 1tlUndi domini, julva plenajmlnt ar;gentea vasa metallo. Vgl. auch Coripp. lust. 4,154-54: tune oratorum geminae jacundia linguae sollemni munen laudes cansuhs Augusti. Vgl. Coripp. lust. 4,145-47:
superbi eeeinit
in der erhobenen Hand. Es ist die Pose, mit der ein Spielgeber
mappa
das Startsignal gibt. Nicht zufällig finden sich
daher in spätantiken Chroniken Wendungen wie
(vicennalia) eden
oder
dare,J4 in
dieser Art sprach man sonst von Spielen. Ferner wurde nach wie vor ein sehr großzügiges Donativ an die Soldaten gezahlt. Dieses blieb auch später wichtil5 und erhielt sich sogar besonders lange.
Im Reich wurde intensiv mitgefeiert.96 Hohe Offiziere und
demonstrierten ihre Loyalität, indem SIe stifteten97 und vielleicht auch Fibeln
Stadtgemeinden
Reich hatten das
Beamte
aus diesem Anlaß Monumente die Jubilarformeln trugen.98 Die
aurum coronarium
zu entrichten formell eine freiwillige Gabe als Ausdruck der freudigen Teilnahme, in Wirklichkeit längst eine Art Steuer. Die Senatoren waren zu etwas ähnlichem verpflichtet,
im
dem aurum oblaticittm. 99 Darüber hinaus haben einzelne Städte besondere Monu mente errichtet,loo und ebenso haben Einzelpersonen aus unterschiedlichen Gründen B eiträge zum großen Fest geleistet. So hat PublUius Optatianus
Porfyrius dem I
auf Begnadigung.
Da es nicht unbedingt nur eine
in der
große Feier gab, sondern unter
Constantin z.B. zwei, konnte das gesamte zehnte oder zwanzigste Jahr als Jubi läum aufgefaßt werden. So erklären sich Formulierungen wie tetlJpore mcen
naitumlO2 oder incepta und plena qttinquennalia. 103 Der Sprachgebrauch also 10 Fluß, weil die Sache selbst an Eindeutigkeit verlor. Die Jubiläen fanden ihren Niederschlag nach v.>ie vor auch in der Münzprägung. Seit Constantin findet 94
Eus.-Hleron. Chron. p. 231 Helm; Consularia Constantinopohtana (Chron. min. I p. 235. 239. 244 Mommsen); Amm. 2 1 , 1 ,4 (alle
95
Conppus' dichterische Beschreibung der
(mappa)
durch das Werfen der
96 91
1 93
68; 70 Mommsen: dare). Daneben findet sieh Liban. er. 22,4. auch Eus.
97 98 99 100
101
102
103
edere) ; Marcell. Com. (Chron. min. agere ("ie beim Triumph) .
v.c. 1 ,48 zu den Decennalien Constantins
oben Anm . 72 und 78.
(vgl. oben
II p.
i\nm. 78).
Siehe oben Anm. 72 und 78. Hierhet gehört vielleicht auch das HUlte:rglaLSbild CIL
xv 7007.
Siehe Jones 1 964, 430f. mit den Vgl.
ua;Gu�;t:llIl111I
Anmerkungen.
z.B. ILS 644. G. Polara, Turin 1973. tempore qutnquennalium CIL III 61 59.
Pubhhus Optatianus Porfynus, ed. Lact. mort. pers. 38,6; vgl. Lat. 5(8),13,2.
Matthäus Heil
194
1 95
Die Jubllarfeiern der rönuschen Kaiser
man entsprechende Motive nicht nur auf speziellen Festemissionen, sondern
aber den Anschein, als habe sich der Hauptinhalt des Festes allmählich ver
auch als Standard-Typen oder Dauerserien. Das Bildmotiv des heidnischen
schoben. Offenbar traten die Gaben und der Gabentausch sowie die Loyali
Opfers verschwand selbstverständlich, doch wurden nach wie vor die alten
tätsbeteuerungen stark in den Vordergrund, während immer weniger auf die
Gelübde-Formeln benutzt, jetzt z.B. in der Form
sie XX sie XXX oder vot. XX
Siege des Kaisers insistiert wurde. Noch immer brachte das Fest die allgemeine
vot. xxx. Daran hat offensichtlich niemand Anstoß genommen, zumal dies Tradition war und votum rasch zum bloßen ,Wunsch' verblaßt sein dürfte. Bald
Freude über die Regierung des j eweiligen Herrschers zum Ausdruck, aber sie \vurde immer weniger mit seiner (angeblich)
wurden die Formeln willkürlich mit immer höheren Zahlenpaaren versehen,
Anders als früher transportierte die Feier nicht ein simplifiziertes Geschichts
was kaum erstaunt, da die Zahlen nach dem Wegfall der je zehnjährigen
bild, sondern gar keines mehr.
Gelübde keine konkrete Bezugsgröße mehr hatten.
Bewährung begründet.
ebenfalls bald
Die legitimierende Wirkung des Gebens und Nehmens
an ihre Grenzen. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts beklagte sich der Stadt präfekt Symmachus in deutlichen Worten über die Vielzahl der mit Pflicht 7. Auflösung und Ende
spenden verbundenen Feste und über die hohen Summen, die den Senatoren 106 Soldaten und hohe Beamte sahen den als aurum oblaticium abverlangt wurden.
Die Jubilarfeiern wurden nie formell abgeschafft, und entsprechend gibt es
Jubiläen wegen der namhaften Geldgeschenke sicher nach wie vor mit froher
keinen eindeutigen Endpunkt. Vielmehr fand ein Prozeß der Desintegration
Erwartung entgegen. Bei der übrigen, zahlungspflichtigen Bevölkerung dürfte
statt Sie verschwanden Stück für Stück, Element für
der kaiserliche Fiskalismus die Freude nach und nach erstickt haben.
bis schließlich
nichts mehr übrig blieb. Möglich war dies, weil das Fest aus einem Konglo
Im fünften Jahrhundert verloren die Jubilarfeiern rasch an Bedeutung. Im
merat verschiedener Zeremonien bestand, die weder praktisch noch ideell fes t
Westreich wurden bis zum Jahr 422 n.Chr. noch solche Feste begangen; als
miteinander verknüpft waren. So konnte man Teil fü r Teil ändern oder weg
letzte sind die Tricennalien des Honorius bezeugt, die mit einem ,Triumph' in J07 Ravenna verbunden waren. Im Osten reichen die halbwegs verläßlichen IOS Nachweise bis zur 45-Jahr-Feier Theodosius' Ir. im Jahr 444 n.Chr. Bis 450
lassen. Die Anfange dieses Prozesses kann man seit dem ausgehenden vierten Jahrhundert beobachten. Noch Julian Apostata hat sein Jubiläum \vie die frühe ren Kaiser gefeiert: Nach der Rebellion gegen Constantius H. beging er 104 (terminlich korrekt) mit einigem Aufwand seine Quinquennalien und präsen tierte sich darnit als ein Herrscher, der bereits auf Leistungen und blicken
konnte.
Die
Kaiser
der
valentinianischen
und
n.Chr. wurde im Osten das
aurum eoronarium abgeschafft.
Danach wurden zwar noch Münzen mit Jubiläumsformeln geprägt, doch verwIesen sie wohl auf keine öffentlichen Veranstaltungen mehr. Bereits in den
zurück
sehr reichen Jubiläumsprägungen der theodosianischen Dynastie war es zu
theodosianischen
Inkonsequenzen in der Zählung gekommen, und ferner sind auch die Frauen 109 Später wurden Jubides Kaiserhauses mit vota-Münzen bedacht worden.
Dynastie feierten sehr regelmäßig, was gebührend beachtet wurde, wie sich an 105 Es hat
etlichen Inschriften ablesen läßt, die auf die Jubiläen Bezug nehmen.
104
106
Amm. 21,1,4; Mattingly 1951, Nr. 86f.; RIC VIII Tner Nr. 362-365; Lyon Nr. 207; 2 18f.; 227-235; 239; Ades Nr. 230; 309-3 1 2; 324-326; Rom Nr. 328-330; 489-502; Aquileia Nr. 244f.; Siscia Nr. 41 4-422; Sirmium Nr. 1 02f.; 108; Thessalomca Nr.
107
220f.; 227f.; Heradea Nr. 1 05f.; Konstantinopel Nr. 1 59; 1 65-1 67; Nikomedia Nr. 1 2a-25; Kyzllms Nr. 1 29- 1 3 1 ; Antiochia Nr. 2 1 1 -214; 219-21; Alexandria Nr. 90f. Die Münzen gehen teIls in die Decennalien-Formel /Jot X mulf. XX über. Offen sichtlich handelte es sich mcht 105
um
eine einmalige Festprägung, sondern um ein
längerfristig verfolgtes Programm. Siehe CIL III 7494
=
ILS 770; OL III 8030
=
AE 1 980, 768; CIL VI 3 1 402- 1 1
(Rom,po/lJ' Valentiniam); ILS 766 (Rom); CIL IX 5946; OGIS 722; Chastagnol 1 988, Nr. 1 1 und 20; AE 1 999, 625; Siehe ferner das Silbenrussorium Theodosius' I (lnschnft: CIL II 483
108
ILS 784). Zu den Münzen siehe der Kürze halber Mattingly
1 95 1 , Nr. 89-93; 95-106; 1 1 1 - 1 1 6; 1 2 1 f.; 127-1 29.
Symm . reL 1 3,1-3 (von 385 n.Chr.). Die Senatoren waren bereit, 1 600 Pfund Gold zu zahlen, doch hatten die kaiserlichen Finanzbehörden noch mehr Zum üblichen Ablauf vgl. Symm. ep. 2,57 (von 383 n.Chr.). MareeIl. Com.
min. II p. 75 Mommsen); Chromea Gallica a. CCCCLI (Chton. min. I p. 656 Mommsen), vgl. Hydat. (Chron. min. II p. 20 Mommsen).
Anlaß war der Sieg über die Usurpatoren Maximus und Jovinus. Marcell. Com. (Chron. min. II p. 77-81 Mommsen), speziell zu 444 n.Cht.: Theodosius PrifiCeps flofla quinquennaJia dedit (ebd. p. 81). Zu den Münzen Siehe
109
1 95 1 , Nr.
1 32-135. Aelia Eudoxia (wohl zur Eheschließung nut Arcadius und zur Erhebung zur Augusta), Mattingly 1 9 5 1 , Nr. 1 30f.; ferner Eudocia, Galla Placidia, Pulcheria, Eudona
und
Honoria
(hauptsächlich
aus
Anlaß
des
25-jähtigen Jubiläums
Theodosius' II.), Mattmgly 1 95 1 , Nr. 1 1 8; 1 23f.; 1 36-1 39; RIC X Nr. 225-23 1 ; 254265; 1 804; 1 808; 2007; 2012; 2020f.; 2046. Die Damen wurden mer sozusagen in die
Matthäus Heil
1 96
DIe JubilarfeIern der rÖ1TI1schen KaIser
läums-Münzen ohne erkennbares System und teils mit sehr hohen vota-Zahlen geprägt, und zwar auch für Iulius Nepos und Basiliscus.
110
Kaiser, die nur kurz regierten: Maiorian, Die Münzen wurden offenbar meist zu Regie
rungsbeginn geprägt und brachten wohl nur Glückwünsche zum Ausdruck -
1 97
Traditionsrelikt ab, zumal es keine neue, spezifisch christliche Rolle gefunden hatte. 1m Westen kam es noch einmal zu e iner zitathaften Aufnahme von Ele
500 n.Chr. menten der Jubilarfeier. Der Ostgotenkönig Theoderich 1 l4 seine Tricennalien in der Stadt Rom. Er zog aus diesem Anlaß in einer
gehört wohl zu dessen Herrschaftsantritt im Jahre
nichts weiter. Die letzte derartige Münze stammt aus der Zeit Justins II. und llI 565 n.Chr. Die Jubilarfor
triumphartigen Prozession in das Palatium ein; anschließend
mel war hier sicher nur noch ein bedeutungsloser Teil des Traditionsschatzes.
Spiele und verteilte Geschenke. Dies entsprach ungefähr dem Festprogramm
Dieser Prozeß stand nicht für sich allein. Seit dem ausgehenden
4. Jahrhun
dert sind auch andere traditionelle Herrscherfeste verschw-unden ,,>ie die Feier des
dies itllpeni und
die Gelübdefeier am
3.
Januar. Es liegt nahe, daß dies mit
fundamentalen Anderungen im gesamten Umfeld zusammenhing. Denn inzm sehen war das Christentum nicht nur zur Staatsreligion geworden, sondern hatte sich auch als die Religion des
Volkes durchgesetzt. Ent
sprechend begründeten die Kaiser ihre Legitimität immer mehr aus ihrer 112 Rechtgläubigkeit und I<..irchennähe. Ferner hatte sich das Erscheinungsbild des Kaisertums merklich verändert. Der
des Feldherrn-Kaisers, der an
der Spitze seiner Truppen in eigener Person in den Krieg zog, war abgelöst worden durch die herrscherliehe Majestät, die abgeschieden und hocherhaben in ihrem Palast thronte und mit ihrem Wink von dort aus alles lenkte - oder die �Iachthabern) über
praktischen Geschäfte den Günstlingen (u nd
ließ. O ffensichtlich bestanden die Untertanen nun geradezu darauf, daß ihr 13 Herrscher diese Art von Hoheit und Würde ausstrahlte. I Das Jubilarfest alten Zuschnitts mit seiner Betonung der langjährigen siegreichen Bewährung des
der Spätantike. Um die Erinnerung an frühere Taten und
er Circus des
ist es dabei nicht mehr gegangen, denn die Botschaft des Festes lag einfach in der W1ederaufnahme des alten Brauches. Der Gotenkönig suchte sich hier und bei vielen anderen Gelegenheiten seinen romanischen Untertanen als einen Herrscher zu präsentieren, der ganz in der römisch-kaiserlichen 1 I5 Tradition stand. Nach diesem bewußten antiquarischen ist die Tradition im Westen abgerissen. Im Osten schaffte Justinian den letzten ver bliebenen institutionellen Rest ab: ein Donativ, das alle fünf Jahre an die Sol 1 16 daten wurde. Der I
sondern auch sein Inhalt. Am Beginn stand eine relativ
schlichte Gelübdefeier. Erst im zweiten Jahrhundert bekam sie durch die Ver-
Kaisers ging damit wohl immer mehr an den Erwartungen des Publikums vor bei. Da das Fest ganz auf die Person des Kaisers zugeschnitten war, konnten es auch die mächtigen Heermeister und Höflinge nicht für sich selbst instrumen talisieren, rue das Reich in Wahrheit leiteten. So sank es zu einem bloßen
11 4 Exc. Val.
Damals l:uelt Sich auch Fulgentius von Ruspe in Rom auf, Wle in
66f.
semer Vita erwähnt wird (Ferrandus, vita Fulgentil cap.
9
ed. G. G. Lapeyre,
Ferrand, Dlacre de Carthage, Vie de Saint Fulgence de Ruspe. Texte etabli et traduit, Paris
PL
1 929
65
p.
1 30
sq. cap.
1 3,27).
Allerdings sucht der Autor der Vita zu
verdeutb.chen, daß sem Held an weltb.chem Firlefanz (nugae saeculares) wie dem keIn Interesse hatte, und erwähnt daher von
lffipenalen Aufttltt e1nes Feier des gesamten Hauses einbezogen.
Nach einer
unregelmäßIgen vota-Prägungen sucht auch
110 Mattingly
1 951,
Nr.
1 25; 126; 144.
In
fut: das Problem der
1 988. Gedicht an Maiorian entwirft
Sidonius Apollinaris das Wunschbild, daß dieser die Quinquennalien erreIchen möge (Sidon. carm.
1 3 ,28f.: sie lustra Ifllperti perennis acta I quinquentzaliafascibus
das ist wohl Tradltlonsgut und bedeutet abgehalten wurden. 1 11 Wroth 1 908, S. 76f. Nr. m
Seit
450
Aber
daß damals noch solche Feiern
n.Chr. wurden die öströmischen Kaiser durch den Patriarchen von
Konstantinopel gekrönt. 113 Julians Bemühungen, der alten Herrschertugend der civilitas nachzuleben, fiihrte
22,7,1 -3 (... quad laudabant altz, quidam ut ajftctatufll et vzle ca�pe/J'am).
dürftigen Parallelquellen und zur Datierung siehe Vitiello
Amm.
22,4,1-9;
2005, 56-7 1 . Theodetlchs 2004. Allerdings geht er
Rom-Besuch wird auch ausführlich besprochen von Vitiello (ebd.,
BOf.)
daß in den "Excerpta Valeslana" nicht nur von einem
datüber
feIerlichen
des
Tricennahenfeier sich
in Rom, sondern - getrennt davon - auch von einer
Rede 1st, und in Vltiello
2005, 70f.
bestreItet er sogar, daß es
um em echtes Herrscherjublläum handelte. Doch hat er sowohl den
Wortlaut des
1 7-77 und S. 1 03 Nr. 290.
offenkundig selbst bel seinen Parteigängern zu Itrltatlonen,
den Fe1em des Theodench nur wenige ausgewählte Details. Zu den weiteren,
als auch samtliche IndIZIen
damals kalendansch noch nicht ,fillig' waren, ist
ein Rückblick auf die Gescl:uchte der Jubilarfelem
SIch. Daß die Ttlcennalien b edeutungslos, wie Seme Analysen sind in
diesem Punkt ergänzungsbedürfug. 115 VgL auch ILS 827. 1 16 Prok. HA 24,27-29. Anastasius hatte anläßhch seiner Vlcennalien noch em Donativ gezahlt, SIehe Jones
1 964, 233.
bindung
Die Jubilarfeiern der römischen Kaiser
Matthaus Heil
1 98
mit
Elementen
des
Triumphs
einen
spezifischen
Inhalt:
1 99
Literatur
die
Erinnerung an die (vorgebliche oder behauptete) siegreiche Bewährung des Kaisers über ein ganzes Jahrzehnt hinweg, die seine Herrschaftsberechtigung
Alföldt 1934: Alföldi, A., Die Ausgestaltung des monarchischen Zeremoniells
am
römi
schen Kaiserhofe, MDAI(R) 49, 1 934, 1 -1 1 8 u. TE 1-5 (Ndr. in: ders., Die
nachdrücklich untermauerte. Solange dieser Gedanke überzeugte, standen die
monarchische Repräsentation
Jubilarfeiern in Blüte. Die überlieferte Gestalt war aber nie ganz fest, sondern konnte jeweils zeitgemäß adaptiert werden und unterstand der Verfügung durch
Jlll
rötnlschen Kaiserreiche, 3. Aufl., Darmstadt 1 970,
1-1 1 8 u. TE 1-5). Allhoff 2001: Althoff, G., Die Veränderharkeit von Ritualen im Mittelalter, in: ders.
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Formen
und
Funktionen
öffentlicher
Kommurukation
im Mittelalter
(Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, 1 57-176.
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Matthaus Hell
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Die Abschaffung der venationes durch Anastasios im Jahr 499 und die ,kosmische' Bedeutung des Hippodroms* Mischa Meier
1. Die Abschaffung der venationes in der Forschung Im Jahr 499 ließ Kaiser Anastasios im gesamten Imperium Romanum die in zahl ] reichen Städten ausgesprochen populären Tierhatzen (venationes) verbieten. Es gehört mittlerweile zu den Allgemeinplätzen der Forschung, diesen Erlaß mit einem weiteren Verbot, dem der Pantomimen-Aufführungen aus dem Jahr 501 /502,2 in Verbindung zu bringen und dessen Ursachen auch für die Einstel 3 lung der venationes verantwortlich zu machen: Im J ahr 499 oder 5004 war es 5 6 unter dem Stadtpräfekten Helias anläßlich des Brytai-Festes in Konstantinopel *
Für eine Reihe hilfreicher Hmwelse danke ich Wolfram Brandes und Hans-Ulrich Wiemer ganz herzlich. Theod. Anagn. 553 p. 1 56,1 5 Hansen (Avu<J't(l(JlO� aVE<JtE!N: 1:0 xpu<JupyuPov KUI 't(l KUvTIYlU EltUU<JCV; Theoph. a.m. 5993 p. I 143,1 7f. de Boor; Prok. Gaz. pan. 1 5; Priscian. 223-227: !pse vetas ludos, animarum damna, nefandos / atque voluptates prohibes a sanguine sum� / corporis et causa pascendi perdere vitam, / humanos arcens lacerari dentibus artus, / dentibus, armatur rabies quib$lS alm firarum; Jos. StyL 34 p. 52 Luther. - Die Datierung des Verbots - 498 oder 499 - wurde in der Forschung verschiedentlich diskutiert (vgL Epplett 2004, 221 Anm. 1), schemt mir aber durch Josua Stylites (s.o.) eindeutig auf August 499 festgelegt zu sein; vgL in diesem Sinne auch Chauvot 1986, 259 Anm. 404. Dieses Verbot ist in den Quellen gut dokumentiert: Marc. Com. ad anno 501,1-3 p. 95 Mommsen; Jos. StyL 46 p. 62 Luther; Prok. Gaz. pan. 1 6; Ioann. Antioch. frg. 309 p. 532 Roberto; Exc. de insid. 39 p. 168 de Boor (aus Johannes Malalas) (vgL Exc. de mSld. 36 p. 1 67 de Boor); Theoph. a.m. 5997 p. I 147,1 7-20 de Boor; Suda s.v. Mc.:iou[lii<; p. III 308f. Adler. Zu den Quellen s. auch im einzelnen Greatrex/Watt 1999, Hf. VgL etwa zuletzt Demandt 2007, 230: "Unter den innenpolitischen Maßnahmen des Kaisers sind das Verbot von Tierhatzen und mimischem Theater zu nennen [. . .)". Ferner Bury 1 923, 437f.; Jones 1 964, 232; Capizzi 1969, 241; Al. Cameron 1 973, 228ff., 24H.; Al. Cameron 1 976, 226; Coyne 1 991, 1 58; Lee 2000, 53f.; Haarer 2006, 228 ("In 499, he put an end to venationes [. . .] and m 502, in response to the Brytae disaster, forbade pantomimes"). Zum Datierungsproblem s. Bury 1 923, 437f. Anm. 5; Chauvot 1 986, 262f. Anm. 410. PLRE II 530. Zu den Brytaz, über die nur wellig bekannt Ist, s. etwa Luther 1 997, 1 52f.; Greatrex/Watt 1 999.
204
Die Abschaffung der venatzones durch Anastasios
Mlscha Meier
zu schweren, von den Zirkusgruppen entfachten Krawallen gekommen, die zahlreiche Todesopfer gekostet hatten? Als dasselbe Fest dann im Jahr 501 mitderweile hatte Konstantinos Tzouroukkas8 die Stadtpräfektur inne - erneut zum Ausgangspunkt schwerer Ausschreitungen wurde, bel denen 3000 Men schen m der Hauptstadt zu Tode kamen (darunter ein illegitimer Sohn des Anastasios), reagierte der Kaiser mit emem reichsweiten Verbot der Panto 9 mimen, die beim Brytai-Fest offenbar elle zentrale Rolle gespielt hatten. Das Vorgehen sowohl gegen Tierhatzen als auch gegen Pantomimen wurde in die sem Smne als umfassendes Maßnahmenpaket interpretiert, das eine generelle Eindämmung von Unruhen und Revolten in den Städten des Ostens - insbe sondere m Konstantinopel - habe bewirken sollen. Gleichzeitig habe der Kaiser damit seine chrisiliche Integrität und religiös angeleitete Verachtung für blutige Spektakel bzw. heidnische Feste demonstrieren können. !O Obwohl zwischen beiden Verboten - je nach Datierung - mindestens ca. zwei Jahre gelegen ha ben müssen, wurde dieser mutmaßliche Konnex bisher nur selten in Zweifel gezogen - was umso erstaunlicher ist, als die Quellen eme direkte Verbindung zwischen den belden Maßnahmen keineswegs bezeugen. Immerhin ist vereinzelt dafür plädiert worden, die Einstellung der venationes, zu deren Hintergründen sich anders als im Fall des Pantomimenverbots keine konkreten Aussagen in der Überlieferung finden, auf andere Ursachen zurück zuführen. So haben etwa Alain Chauvot und David Bomgardner angedeutet, daß auch ökonomische Gründe für eine Abschaffung der Tierhatzen gesprochen hätten, denn Bereitstellung und Transport der Tiere waren äußerst kostspielig; beide haben diesen Aspekt allerdmgs nicht weiter vertieft und ausgeführt. l 1 Eine ganz andere Interpretation schlug dagegen Chris Epplett
vor. Er mellte, die Erwähnung des venationes-Verbots in den Panegynci Priscians und Prokops von Gaza beziehe sich lediglich auf den Spezialfall der damnatio ad bestias, während spätere Quellen, wie Theodoros Anagnostes und Theophanes, die Enkoffilen nur noch ganz summarisch zusammengefaßt und durch die Verwendung des allgemeinen Begriffs .r<;ynegia eme übertriebene Vor stellung von der Tragweite der Maßnahme vermittelt hätten. 12 Anastasios habe sich, so Epplett weiter, mit der Abschaffung der Tierhatzen als besonders frommer K.aiser inszenieren wollen, mdem er eine Hinrichtungsart beseitigt habe, unter der in früheren Jahren msbesondere die Christen hätten leiden müssen und die m jüngerer Zeit namenilich vom ,arianischen' Vandalenkönig Hunerich gegenüber den katholischen Christen angewandt worden sei. 13 Nachdem es dann zwischen 501 und 514 (mit der Ausnahme 507) in Kon stantinopel weitgehend ruhig geblieben sei, habe der Kaiser das Verbot wieder aufgehoben. 14 Eppletts Thesen, die im übrigen keineswegs neu smd, 15 vermögen indes nicht zu überzeugen. Zunächst einmal ist anzumerken, daß Anastasios' Zeitge nosse Theodoros Anagnostes kaum als "spätere Quelle" bezeichnet werden kann. Da aber auch die angesprochene Nachricht in der Theophanes-Chronik mittelbar auf ihr! zurückgeht, sind beide Autoren in ihrer allgemeinen Wortwahl durchaus ernst zu nehmen; überdies verwendet Josua Stylites in seiner 507 vollendeten syrischen Chronik ausdrücklich das griechische Lehnwort 16 .r<;ynegion. Daß Anastasios nur auf em Verbot der damnatio ad bestias gezielt haben soll, geht sodann aus den Panegyrici keineswegs emdeutig hervor; zwar wäre es möglich, die Texte m diesem engeren Sinne zu interpretieren/7 aber die 12
10
II
Ioann. AntlOch. frg. 309 p. 532 Roberto; vgl. auch Exc. de insld. 36 p. 1 67 de Boor. PLRE II 313 (Constantlnus qUl et Tzourouccas 13). Genauer gesagt: Er verbannte rue pantoml1llischen Vortanzer der ,Zirkusparteien' in den einzelnen Städten, was der Attraktivität der Brytai und SOtnlt diesem Fest Insgesamt In hohem Maße schadete. Zur Rolle von Tänzern und Pantomimen bei den Brytai s. Greatrex/Watt 1999, 4, 7, 13, 16ff. Vgl. etwa Jones 1 964, 232 ("a man of somewhat puritanical piety''); Capizzl 1 969, 241 . TIerhatzen waren Wiederholt Gegenstand christlicher Polemik, vgl. etwa Tert. spect. 12; 23; Cypr. Donat. 7; Salv. gub. 6,10; Weis mann 1 972, 56, 80; Bomgardner 2002, 21Of. Mehrere christliche Kaiser zeigten denn auch demonstratiVe Distanz, so etwa Theodosios II. (vgl. Socr. h.e. 7,22,12) oder Leon I. (Verbot, venatzones und andere Darbietungen sonntags abzuhalten: Cod. lust. 3,12,9,2) . Chauvot 1 986, 1 6 8 ; Bomgardner 2002, 219. Insgesamt faßt auch Chauvot - wie Alan Cameron (s.u.) - das Verbot der venationes sowie die Ausweisung der Pantotnlmen-Tänzer als zus ammenfassendes Maßnahmenbündel, das eine Zentrie rung der spektakulären Darbietungen auf die Wagenrennen im Hippodrom Intendiert habe (s. bes. 1 72f.).
205
13 14 15 16
17
Epplett 2004, 224f., das Zitat 224. - Die Tertnlru venatio/KuvftytoV sind in der Tat rucht eindeutig fesdegbar, da In der Kalserzeit verschiedene Formen von Tierhatzen geläufig waren: Tiere konnten tnlt speZiell ausgebildeten Gladiatoren (bestianz) konfrontiert oder direkt aufeinander gehetzt werden; zudem genoß die erwähnte Hinnchtungsart ad bestzas Populantät. Epplett 2004, 226f. Epplett 2004, 227. Bereits Rouech6 1 993, 78 und Luther 1997, 1 67f. hatten rue antiken Nachrichten auf die damnatio ad bestias bezogen. Vgl. Luther 1997, 52 Anm. 1 17. Luther 1 997, 168 Anm. 262, führt Prokops Formulierung Ilvops� yap oU<Jruxsv:; tv IlS<JC(l o�W(l nupsoilioVTO TOV:; lh,piou; als IndiZ dafür an, daß die Maßnahme sich auf die damnatio ad bestias bezogen habe, wahrend Epplett 2004, 224f. zudem darauf hinweist, daß das Verbum 1I:IltQlltotll wfLl haufig die ÜbersteIlung verurteilter MIssetäter zum Strafvollzug bezeichne; beides schließt aber rucht aus, daß Anastasios' Verbot SICh darüber hinaus auf alle Formen von venatzones bezogen haben kann. Der Panegyriker, der den Kaiser In möglichst günstigem Licht zu zeIChnen hatte, wird kaum auch die unpopuliiren Seiten des venatio-Verbots - nämlich den Fortfall öffent-
Die Abschaffung der venationes durch Anastasios
Mischa Meier
206
Argumente sind keinesfalls zwingend und schließen ein generelles Verbot von
Tierhatzen jeglicher Art nicht zwangsläufig aus;1 8 zudem läßt sich die Zeit nach
501
nur dann als verhältnismäßig ruhig beschreiben, wenn man wie Epplett den
großen Staurotheis-Aufstand des Jahres
5 1 2,
an dem auch die ,Zirkusparteien'
politische Intentionen des Kaisers zurückzuführen. Zwar ist ein solcher Kausal
zusammenhang in keiner Quelle explizit bezeugt,23 doch zumindest Priscian
erwähnt die Einstellung der Tierhatzen immerhin direkt, nachdem er den I
beteiligt waren,19 einfach ausklammert.2o Und schließlich wird man die Frage
24 sedttio penitus Jefe/ur ab urbe.
haben soll (dazu später) , wenn es ihm doch insbesondere auch zur Selbstdar
ruhr, nicht aber - zumindest nicht direkt
stellen müssen, warum Anastasios das Verbot der
stellung als frommer Kaiser hätte dienen sollen
einer Phase (nämlich dem ersten Jahrzehnt des
venationes wieder
aufgehoben
und dies dann ausgerechnet in
6.
Jahrhunderts), in der seine
religiöse Integrität zunehmend in Zweifel gezogen wurde.
Angesichts dieses Mangels an befriedigenden Alternativen ist die Forschung
daher bislang zumeist beim ttaditionellen Erklärungsmodell geblieben, das von
dem besagten Zus ammenhang z",�schen der Abschaffung der
Kynegion
venationes
im
und der Verbannung der Pantomimen aus den Theatern ausgeht. Es
hat seinen prominentesten und wirkrnächtigsten Vertreter in Alan Cameron
von dem Befund einer zunehmenden Häufung von
gefunden, der
Unruhen und Aufständen unter Beteiligung der ,Zirkusgruppen' im späteren
Jahrhundert
5.
insbesondere unter Anastasios - die These entwickelt hat, daß
dieser Kaiser Tierhatzen und Pantomimen untersagt habe, um mögliche Keim
zellen für Gewaltaktionen zu eliminieren und das Treiben der ,Zirkusgruppen'
ganz auf die Wagenrennen im Hippodrom zu kanalisieren?l Die relative Ruhe, die im ersten J ahrzehnt des
6. J ahrhunderts
herrschte, habe diese Maßnahme in
der Rückschau denn auch erfolgreich erscheinen lassen.22
In der Tat ist es verlockend und auf den ersten Blick auch folgerichtig, die
Abschaffung der
venationes ebenso
licher Spektakel
Maßnahmen gegen Pantomimen mit dem Vorgehen gegen öffentlichen Auf
es zunächst einmal nahelegen, auch die Abschaffung der Tierhatzen mit der Gefahr von Aufständen zu verbinden?6 Dann aber muß ein anderes, bereits
erwähntes Phänomen erklärt
Unruhe stiftenden venationes wenig
ersten Jahrzehnts des
thematisIert haben, sondern könnte ganz gezielt versucht haben,
damnatio ad besttas bezicht. VgI. etwa Coyne 1 99 1 , 1 59f., die Priscian. 223-227 auf den Kampf zwischen wilden Tieren und bestiarii bezieht; ähnlich deuten Theodondes 1 958, 74 und Stein 1 949, 79
22
möglicherweise bereits seit Mitte des
o ffenbar schon wieder praktiziert wur
6. J ahrhunderts
den. Jedenfalls findet sich auf Konsulardiptychen des Areobindos27 aus dem
J ahr
506
ebenso auf den Diptychen des
die Darstellung wilder
Anastasios (eines Verwandten des
aus dem Jahr
9 5 1 7?
Der spätere
Kaiser Justinian, der mit der Tochter eines Bärenführers der Grünen verheiratet
war (1) ,30 feierte sein Konsulat dem gleichzeitig
(simu� 20
521
Löwen,
unter anderem mit einem Tierspektakel, bei
30
Panther und andere wilde Tiere aufmar
schierten, 'Ivie der Chronist Marcellinus Comes voller Bewunderung hervor
hebt.3 1 Ein Papyrus aus dem ägyptischen Oxyrhynchos, der sich allerdings nur
ganz grob und unsicher in das
6. Jahrhundert
datieren läßt, enthält ein Zirkus
programm, bei dem auch Tiere (eine Gazelle und Hunde) als Zwischeneinlagen
23
24
Prok. Gaz. pan. 15 und fügen ausdriickhch hinzu, daß
gerade die damnaflo ad bestias welterhm praktiziert worden sei! Vict. Tunn. ad anno 5 1 3 p. 1 95 Mommsen. Zu diesem Aufstand und seinen Implikationen
S.
verbreitetes Problem, wie etwa Cassiod. var. 3,51,3 für Rom bezeugt. 240ff.; Al, Cameron 1 976, 226f., 275. Camerons Vgl. i\l. Cameron 1 973, Thesen haben in der Forschung welthm Anklang gefunden, vgl. etwa Chauvot 1 986, 163ff.; Coyne 1 99 1 , 1 58; Haarer 2006, 228.
Priscian. 21 8-222 (Aufstände): per te
deletur ab urbe / innocuos spolians Stlb
medtis
moenibus ense / Bacchantes stimulis vini
e/Ves
plauStique fomentes / el spoliis pacis
nocte parafts; 223-227 (venationes-Verbot) .
VgL Coyne 1 99 1 , 1 58. 26 27
28
29
Vgl. Prok. Gaz. pan. 1 5-16. In diesem Sinne deutet etwa Coyne 1991, 1 5 8 die Passagen. PLRE II 1 43 f. (FI. Areobindus Dagalruphus Areobindus 1). PLRE II 82f. (FI. AnastaslUs Paulus Probus Sabmianus Pompeius Anastasius 1 7). Dazu Al. Cameron 1 978. Areobindos: Delbrueck 1 929, 107ff., Nr.
Taf. 9-1 1 ; Volbach 1976, 32ff., Nr. 8-
11 (raf. 4-5); Anastasios: Delbrueck 1 929, 1 23ff., Nr. 20-21, Taf. 20-21; Volbach
jetzt Meier 2007.
Tatsächlich waren Unruhen im Zusammenhang mit den spectacula ein reichsweit
Darauf hat auch Chauvot 1 986, 1 68 hlllLge"'le;;en. terras sole retracto; / nam
anklingt, wo das furchtbare Ende eines Tierkärnpfers sich sicherlich nicht auf die
20 21
für das auch Cameron keine befriedi
gende Deutung anbieten kann, nämlich der Umstand, daß die vermeintlich
bestiarius um em hteransches Motiv zu handeln, das auch CasslOd. var. 5,42,2
19
das venationes-Verbot, das er lediglich
unmittelbar zuvor erwähnt hatte.25 Trotzdem könnte gerade diese Juxtaposition
Zudem scheint es sich bei der BeschreIbung des grauenhaften Todes eines v6nalor /
die entsprechende
per te
Prokop von Gaza allerdings verknüpft zwar die
wie das Pantomimen-Verbot auf ordnungs-
lediglich die für jeden vermittelbaren pOSItiven Seiten der Maßnahme anzusprechen.
18
207
1 976,
30 31
Nr. 1 7-21 (raf. 8-9).
Prok. l-IA 9,2-3. Prokop zufolge hat Theodoras Vater Akakios unter Anastasios als Bärenführer der Grünen gewirkt.
Mare. Com. ad anno 521 p. 1 01-1 02 Mommsen. Allerdings spricht Marcellinus nur
von der DarbIetung der Tiere (exhibuilj, nicht von deren
Die Abschaffung der
Mischa MeIer
208
zwischen den Wagenrennen eine Rolle gespielt haben.
32
Blutige Tierhatzen
Novelle Justinians aus dem Jahr 537 erwähnt ([. . ] cum 33 bestiis pugnantes homznes et vincentes audacia, znsuper et interemptae bestiae), und die Todesstrafe ad bestias als eine Form der venatio ist dann wieder für das spätere 6. werden zudem in einer
Jahrhundert bezeugt. nach Justinians
34
Novelle
.
Für Cameron waren die Tierhatzen indes spätestens erledigt. Seinen Ü berlegungen zufolge waren sie der
venatzones durch AnastaslOs
zumal spätestens unter Justinian ja tatsächlIch wieder blutige
209
venationes
stattge
funden haben müssen. Camerons viel zitierte These, wonach Tierhatzen und Pantomimen-Vor stellungen verboten wurden, um mögliche Unruhen der ,Zirkusgruppen' ganz auf den Hippodrom zu begrenzen, wirft damit beträchtliche Probleme auf. Denn vor dem Hintergrund einer derartigen Intention läßt sich die rasche
venationes
Konkurrenz durch die zunehmend populären Wagenrennen ohnerun nicht
Wiederbezeugung der
gewachsen, so daß die Verbots maßnahme des Anastasios lediglich einen Prozeß
auch aus anderen Erwägungen heraus eher unwahrscheinlich, daß Anastasios
beschleunigt habe, der sich ohnehin gerade vollzog:
ausgerechnet dieses Ziel verfolgt haben soll:
(1) ,,[ . . .]
it is probable that Anastasius only accelerated an inevitable process in
schlichtweg nicht erklären. Es erscheint aber
Cameron behauptet, daß das Verbot der Tierhatzen wie dasjenige der
Pantomimen den von ihm unterstellten ordnungspolitischen Zweck tatsächlich
the East. Long before the end of Justinian's reign the Cynegion stood as
erfüllt habe, insofern die von den ,Zirkusparteien' ausgehenden Unruhen, die
silent and empty in the new Rome as the Colosseum in the old. The Byzan
insbesondere Anastasios' erstes Regierungsjahrzehnt schwer erschüttert hatten,
tine never lost his taste for wild and exotic animals, and for centuries they
abgeflaut seien. In der späteren Phase der Herrschaft dieses Kaisers habe es 39 stattdessen vornehmlich religiös motivierte Aufstände gegeben. Diese
were paraded up and down the hippodrome to cheering cro,,:ds. But no 's blood, animal or human, was spilt to make a Byzantine holiday".
Feststellung gibt indes den Sachverhalt nicht adäquat wieder. Eine strikte Trennung zwischen ,religiös' und ,profan' motivierten Unruhen im spätantiken
Dennoch bleibt die Frage: Warum finden sich schon ab
506 - trotz des voraus
Konstantinopel erscheint aufgrund der engen Verklammerung der beiden
gegangenen Verbots - wieder venationes-Darstellungen, und dies auf so promi
Sphären ohnehin problematisch. Und tatsächlich sind auch für die Unruhen in
nenten
der frühen Phase des Anastasios durchaus religiöse Elemente greifbar, so etwa 4o für die Krawalle im Jahr 496 nach der Absetzung des Patriarchen Euphemios;
und
offiziösen
Bildträgern
wie
den
Konsulardiptychen?
Andre
Chastagnol hat vor längerer Zeit das Problem dadurch zu lösen versucht, daß er
491
in den Diptychen lediglich D arstellungen "des jeux edulcores, simples exhi
auch für den Aufstand des Jahres
bitions de betes,
Euphemios durch das Insistieren auf seinen Vorbehalten gegenüber der 41 ,Orthodoxie' des Kaisers für zusätzliche Brisanz gesorgt haben könnte. Der
avec
simulacres
de combats et exercices d'adresse ou
ist zumindest nicht auszuschließen, daß
Mensch und/oder Tier tödlichen
d'acrobatie" sehen wollte; Anastasios habe demzufolge nur die blutigen, für venationes verboten. 36 Diese ,harmlose' Lesart
große Aufstand des Jahres
widerspricht allerdings vollkommen der Wildheit und Brutalität der abgebilde
Kaisers steht, war entgegen der
ten Szenen, und schon Cameron fragte daher mit Recht, "whether the fero
motiviertes Ereignis. Ich habe an anderer Stelle zu zeigen versucht, wie in
cious-looking bears and lions on the Areobindus diptychs knew that they were 37 only supposed to be engaged in a ,simulacre de combat",. Auch die These, es 38 handele sich "um ein rein künstlerisches Motiv", befriedigt nicht wirklich,
zusammengeflossen sind und erst gemeinsam die gefährliche Sprengkraft der
32 33
34
3S 36
P.Oxy. 34,2707.
ganz
unterschiedliche
mitnichten ein rein religiös
Motive
verschiedenster
Akteure
Situation erzeugt haben, die Anastasios immerhin zu einer - wohlkalkulierten 43 Demutsgeste im Hippodrom zwang. Darüber hinaus sollte nicht vergessen
512
die ,Zirkusgruppen' aktiv betei
Nov. lust. 105,1 . Epplett 2004, 228f. mit den Belegen; vgl. Luther 1 997, 168 Anm. 262. Al. Cameron 1 973, 228-230, das ZItat 230; ähnlich Roueche 1 993, 79. Chastagnol 1 966, 62; ihm s chließen sich Metten 1 9 9 1 , 1 70 und Bomgardner 2002,
venationes-Verbot
weiterhin simulierte und daher unblutige Kämpfe stattgefunden
hätten. S. auch Chauvot 1 986, 1 72f. 37
Erhebung
wiederum, der für die späten Jahre dieses
42 communis opinio
werden, daß auch beim Staurotheis-Aufstand 44 ligt waren (siehe oben).
219 an; vgl. Epplett 2004, 222; Coyne 1 991 , 1 6 1 , die vermutet, daß nach dem
38
dieser
512
Al. Cameron 1 973, 229. Skeptisch auch Roueche 1 993, 78. Luther 1 997, 168 Anm. 262; ähnlIch Haarer 2006, 228 Anm. 221.
39 40
41
42 43
44
Vgl. Al.
Cameron 1 973, 239, 242; Al. Cameron 1976, 1 30.
Theod. Anagn. 455 p. 128 Hansen; Theoph. a.m. 5988 p. 1 1 40,13-15 de Boor. Chararus 1 974, 55 und Gray 1 979, 35.
Vgl
.
etwa Greatrex 1 997, 64; s. auch Al. Cameron 1 973, 235; Gizewski 1 988, 205f.;
Liebeschuetz 1 998, 1 78: "the great relIglOus riot at Constantinople". Vgl. Meier 2007. Vict. Tunn. ad anno 5 1 3 p. 195 Mommsen.
Die Abschaffung der venationes durch AnastaslOs
fvllscha Meier
210
(2) Ohne ZweIfel hat sich Anastasios darum bemüht, Unruhen und Aufstände 45 bzw. zu unterdrücken. Aber eine Kanalisierung spektakulärer Darbietungen ausschließlich auf den Hippodrom wäre schwerlich geeignet
211
wenn Papst Gelasius I . in seinem berühmten Schreiben a n Anastasios aus dem J ahr 494 beiläufig andeutet, daß die Einhegung von spectact;/a im Osten für 'Zusät'(jiche Tumulte gesorgt habe, die der Kajser eigens unterdrücken mußte.48
gewesen, diesen Zweck zu erreichen, weil sie lediglich den Ausgangspunkt für weitere Untuhen fokussiert, nicht aber deren Möglichkelt als solche begrenzt und daher das Grundproblem nicht behoben hätte. Ob nun im Theater, im
Kynegion
2. Der Hippodrom als ,Zentrum des Kosmos'
oder im Hippodrom: Die ,Zirkusparteien' waren an all diesen Orten
aktiv und konnten auch an all diesen Orten ihre Provokationen in Szene setzen.
Wenn eine Zentralisierung aller spectm:ula im Hippodrom nicht der Eindäm
Der Hippodrom als Zentrum der politischen Kommunikation zwischen Herr
mung von U nruhen dienen sollte
scher und Volk in Konstantinopel war dafür - im
ja sogar prädesti
weniger um die Erhaltung d er öffentlichen Ordnung als um die Kontrolle über
wozu diente sie dann? Ging es womöglich
mert, und nicht ohne Grund nahmen so viele Krawalle und Aufstände dort 46 Cassiodor schildert diese Gefahr anschaulich mit Blick
die Medien der Kommunikation zwischen Kaiser und Untertanen? Nun ist der
ihren Ausgangspunkt.
Hippodrom auch im Zusammenhang der kaiserlichen Repräsentation von
auf die Verhältnisse in Rom:
immenser Bedeutung gewesen; denn hier fanden die Sieghaftigkeit des Herr schers und ein aus der Historie heraus fundiertes, in kosmischen Dimensionen
"Ein Grüner überschreitet die Ziellinie Blauer Unglück
ein Teil des Volkes trauert: Ein
und sogleich wird eine Menschenmenge in der Stadt ins Wenn sie nichts gewinnen,
herum; wenn sie nichts verlieren, werden sie schwer
sie leidenschaftlich
verankertes Zentralitätspostulat zusammen. Dies hat in einer Gruppe von Texten ihren Niederschlag gefunden, die im Kontext der Diskussion um die Abschaffung der
venationes (und nicht nur dort) bisher noch nicht berücksichtigt
und in nichtige
wurden. Sie alle hätten längst eine eingehende Behandlung unter ganz unter
S treitere1en stürzt man sich, als mühe man sich um das Wohl des gefahrde 47 ten Vaterlande s ab".
nur auf die für unsere Fragestellung wichtigen Aspekte) -, denn sie teilen eine
schiedlichen Gesichtspunkten verdient auffillige Gememsamkeit: Sie neigen
Anastasios hätte mithin eher Optionen sondieren müssen, die großen Fest veranstaltungen dezentraler zu gestalten, um dem Hippodrom den Druck als Schmelztiegel der Emotionen
zu
eine
Deeskalationsstrategie dargestellt, sondern das genaue Gegenteil
wäre dienlich gewesen. Und so ist es denn auch
auf den Prinzipat zurück, aber sie scheint doch im
46
47
6.
Jahrhundert eine
besondere Bedeutung erlangt zu haben, denn entsprechende Äußerungen 50 kulminieren in dieser Zeit, und ich bin geneigt, darin nicht lediglich einen
verwunderlich, 48
45
den Circus bzw. Hippodrom als
einen besonderen, stark symbolbefrachteten Ort, mitunter sogar als Zentrum 49 des Kosmos, zu b eschreiben. Diese symbolische Interpretation des Circus
nehmen - anders ausgedrückt: Nicht eine
Kanalisierung der Aktivitäten der ,Zirkusgruppen' auf den Hippodrom hätte
ich beschränke mich im Folgenden
Dies hat Al. Cameron 1 973, 24Off. am Beispiel der kaiserlichen Pohttk nut dem Porphynos, der sowohl fut die Grünen als auch für dle populären B lauen fahren klar aufgezeigt. Zu den weiteren Maßnahmen des Anastasios gehörten u.a. das Bekenntnis zum unbedeutenden Rennstall det Roten (statt einer emdeutigen Patteinahme fur die rivalisierenden Blauen oder Grünen, vgl. loh. Mal. 16,2 p. 320,23-24 Thurn) sowie das harsche Vorgehen gegen aufrührerische ,Zirkusgruppen' vor allem im ersten Jahrzehnt semer Herrschaft. Vgl. Guillaod 1 967, 271ff. Cassiod. var. 3,51,1 1 : transit prasmus, pars popua mamt: avztatis cifIligitur. nihil prvftcientes flruenter insultant nihilpatientes maneJ eontentioneJ sie disceditur; tamquam Je stattJpenditantis patciae Vgl. auch die aufschlußreiche im Dialog Hepl ltOAl'tucij<; brmTIU.lT]<; (aus frühjustioianischer Zelt) zum Treiben der ,Ztrkusgruppen': Mazzucchi 1 982, 1 00-1 1 4 p. 33-35.
49
50
Gelas. epist. 1 2,10 p. 357 Thtel: Taceo, qtJodpro rebtJs ludicris populares tumultus nuncetiam vestrae pietatiJ auctoritas refirmarit. Es handelt s1ch dabei im einzelnen um: Tert. spect. 9; Anth. Lat. 1 88 Shackleton Batley 1 97 Riese; Cassiod. var. 3,51,3-1O;Joh. Lyd. mens. 1 ,1 2 p. 3,17-7,15; 4,30 p. 88,13-90,1 3 Wuensch; Coripp. Laud. lust. 1 ,3 1 4-344; loh. Mal. 7,4-6 p. 133,38137,57 Thum (davon abhängig sind Chron. Pasch. p. 205,17-21 1 ,7 Dmdorf, Joh. Damask. 699 PG 96,372-373 und Kedren. 258A-259C PG 121,293); lsid. Etym. 1 8,27-41; vgl. Drac. De laude De1 2,1 5-19 Moussy/Camus; Matt. Cap. 2,189f. S. dazu Wuilleumier 1 927; Dagron 1 974, 330ff. (der insbesondere auch auf die Sonnen symbolik ill den aufgeführten Texten eingeht); Dagron 2000; Lyle 1984; VeSplj1;l1aru 1 994; Vespigoani 200 1 , bes. 49ff. Eine Aufstellung der 10 den ,Zirkusverwendeten Motive mit Zuordnung zu den jeweiligen Autoren findet sich bei Castorina 1 96 1 , LXXXlVff. Av. Cameron 1 976, 1 43: ,,[. . .] a network of sirntlarly antiquariao accounts of circus and its colour symbolism in certain [. . . ] literary works, maioly of this penod"; Stevens 1 988, 1 72f.: ,,[ . . . ] systemattc accounts of the cosmic aod
Die Abschaffung der venationes durch Anastasios
lI,fischa Meier
212
Zufall der Überlieferung zu sehen. Läßt sich also möglicherweise aus diesen
(wenngleich i n unterschiedlichen Kombinationen 7
213
ist manifest; sie verweist
i
,Hippodrom-Texten' näherer Aufschluß über die Intentionen des Anastasios
die konkurrierenden Farben in einen zyklischen Ablauf von e,viger Dauer. Der
Das früheste erhaltene Zeugnis dieses Diskurszusammenhangs weist noch
erscheint indes die Interpretation von Mars, den Zephyri, der Terra mater so,,".ie
gewinnen?
in die hohe Kaiserzeit zurück; es st.ammt aus Tertullians standenem Traktat
51 De spectaculis.
spectacula äußert sich der Autor auch
um
200
n.Chr. ent
I m Rahmen seiner Invektive gegen die zur
von Pferde- und Wagen
rennen und präsentiert dabei mehrere Ursprungsversionen, die in der Kaiserzeit
Circus erscheint damit als Garant für Stabilität und Permanenz. Schwieriger
Himmel und Meer. Man hat in dieser Aufzählung mit Blick auf die
Überlieferung und auf die im Folgenden von Tertullian angesprochenen
elementa mundialia
einen Hinweis auf die vier Elemente gesehen, wenngleich
diese Deutung einige Inkonsistenzen und offene Fragen hinterläßt.58 Ganz
Umlauf waren:52 Erwähnung finden u.a. die konkurrierenden
un.abhängig von den komplizierten EInzelproblemen, welche die Tertullian
den mythischen Erfinder des Wagens bzw. der Quadriga Trochilos von
gende "Archäologie" der Wagenrennen im Circus von einer kosmologisch
offenbar
im
Erzählungen über Erichthonios als ersten Meister des Viergespanns53 sowie Argos.54 Für den römischen Bereich rekurriert Tertullian dann aber auf Romu lus, der
quadrigamprimus astendit.
55
Zunächst habe es in Rom nur zwei Farben für
Zirkusrennställe gegeben, Weiß und Rot, wobei Weiß dem Winter
candidas),
hätten
Rot dem Sommer
(ob solir ruborem)
(ob nives
geweiht gewesen sei.56 Erst später
Leute Rot dem Mars, andere Weiß den Zephyri, ferner Grün der
Terra mater oder
dem Frühling und Blau dem Himmel, Meer oder dem Herbst
geweiht. Die hinter diesem Schema stehende Jahreszeitensymbolik
eine auch
außerliterarisch bezeugte Konstante der ,Zirkussymbolik' bis in die Spätantike
Passage aufwirft, läßt sich aber festhalten, daß bereits um
200 eine
sich verfesti
konnotierten Symbolik begleitet und überlagert wurde .
Mit den programmatischen Worten "der Circus ist ein Abbild d e s Him
mels"
(circu.r imago polt) setzt das Epigramm De circen.ribus ein, das im Codex Sa/masianu.r (8. Jahrhundert) als Teil der (später so genannten) Antho/agia Latina überliefert ist.59 Die Gedichtsammlung wurde in Nordafrika zur Zeit d er ausge henden Vandalenherrschaft, d.h. um
534,
von einem anonymen Gelehrten
zusammengestel1t.60 Grundelemente der symbolischen Ausdeutung des Circus,
wie sie bereits Tertullian geboten hatte, sind auch in diesem Gedicht enthalten, doch wird die kosmologisch-allegorische Bedeutung des Circus
seinen
vermeintlichen astronomischen und astrologischen Implikationen nunmehr noch wesentlich deutlicher akzentuiert, ja geradezu zelebriert, denn die "ge
51
S2
astrol'ogical symbolism of the circus concentrate in two periods: the second and very seventh century"; Kay 2006: ,,[. . .] an century [. . . ] and the sixth to early such extant treatments being from the slXth century onwards". Tert. spect. 9; Kommentar: Castorina 1961, 193ff.; Turcan 1986, 1 7 1 ff. In der Forschung wurde darüber
ob Tertullian sein Material aus einer
verlorenen Ludzcra hist01ia Suetons
haben könnte (vgL Soveri 1 9 1 2, 104ff.;
Wuilleumier 1927, 1 94; Hanfmann
56
Vgl. Conpp. Laud. lust. 1,314-32 1 ; lsid. Etym. 18,36; 1 8,41; Cassiod. var. 3,5 1 , 5 ; Joh.
Lyd.
mens.
4,30
p.
90,2-4 Wuensch;
Moussy/Camus; Mart. Cap.
Drac.
De
laude
D e i 2,1 5-1 9
Lyle 1984, 829f. Zu den Assoziationen von
Wagenrennen im Zu:kus einerseits sowie den Jahreszeiten andererseits in der Kunst
daß die
S. Hanfmann 1 95 1 , 1 6 1 ff. (Sarkophage und Mosaike), der allerdings 1 62f. auch auf
antike zunehmend an Gestalt gewinnt, so daß - zumindest rnr die späteren Autoren
dIe logische Problematik dieser Verb111dung hinweist: Während die Jahreszeiten e111en Zyklus aus vier aufeinanderfolgenden, gleichberechtigten Elementen bilden,
Quelle dargestellt haben kann; vgL Av.
Cameron 1976, 1 43; Kay 2006, 365.
zu diesem Aspekt des Enchthonios-Mythos etwa Verg. georg. 3,1 1 3f. (von a.a.O. zitiert); Servo georg. 3,1 1 3; PIm. nato 7,202. Castorina 1 9 6 1 , 200ff.
Trochilos galt als Sohn der ersten argivischen Hera-Priesterin Kallithea, vgl. Schol. Arat. 1 6 1 ; Hieron. chron. ad anno 449 p. II 25 Schoene:
55
57
(docta vetustas) hätten ihn ad numeros limitis aetherii konzipiert:61 Die carcert.r stehen dementsprechend für die Zahl der Monate und
Starttore der
der Spat-
Sueton sicherlich nicht die
54
12
I 1 59; II 75, Anm. 1 12; Castorina 1 96 1 ,
LXXXITff.); dies ist nicht auszuschließen, doch ist ebenso symbolisch-kosmologische Ausdeutung des Circus/Hippodroms erst
53
lehrten Alten"
.formr Trochilus. Castorina 1 9 6 1 , 204f.
Primus quadrigam iunxzsse
Vgl. Tert. speet. 5,5. Zu Überlegungen über mögliche archrusch-rituelle Ursprunge von Farbensymbolik
lebt der Circus davon, daß eine Farbe über die drei anderen triumphiert; Yacoub 1 970, 98f., Nr. 2403; Turcan 1986, 177 (Mosaik); 58 59 60
Cameron 1976, 45ff.
Cameron 1 976, 1 44 (weitere
Sie werden diskunert von Turcan 1 986, 1 77f.; vgl. auch Castor111a 1 96 1 , 214. .Anth. Lat. 188 Shackleton Bruley
197 Riese; Kommentar: Kay 2006, 364ff.; vgL
auch Srevens 1988, 1 72ff.
De circensibus in ihm "a reeord o f a last revival of
Vgl. Kay 2006, Hf. Eine etwas spätere Datierung des Gedichts byzantinische Zeit erwägt Stevens 1988, 1 77, der in
im 111doeuropäischen Gesamtzusammenhang s. Lyle 1984, 834ff., zu Tert. spect. 5,5
bes. 839; Turcan 1 986, 1 77; zur historischen Entwicklung im Römischen Reich s. Al.
Al.
Literatur zu Mosaikdarstellungen).
the circus under the Byzantmes in the west, probably in Africa, in the early to mid 61
sixth century" sieht. Anth. Lat. 1 88,H. Shackleton
1 97,H. Riese.
Die Abschaffung der
Mischa Meier
214
der Tierkreissternbilder des Zomak, die vier Pferde emes Vierspänners sym� bolisieren die Jahreszeiten, die vier Rennstall�Farben dagegen die vier Ele� 62 mente; die metae bedeuten Aufstieg und Untergang (d.h. Osten und Westen),63 der euripus repräsentiert den dazwischen liegenden Ozean, der Obelisk das Zentrum des Kosmos, die sIeben Runden die Umlaufbahnen der sieben Plane� 64 ten. Der Zweispänner ist dem Mond geweiht, der Vierspänner der Sonne (dieses auch unabhängig vom Circus populäre und für die kaiserliche Selbst� 65 darstellung gerade in der Spätantike ausgesprochen wichtige Motiv hatte 66 bereits Tertullian erwähnt), den Dioskuren gehören die Einspänner.67 Das Epigramm schließt mit einem ganz in paganer Tradition stehenden Distichon: 68 Divinis constant nostra spectacula rebus, / gratia magna quibus crevit honore deum, des� sen letzte beide Worte ebenso programmatischen Charakter besitzen wie der Beginn des Gedichts. Die im Epigramm De circensibus referierten kosmologischen Assoziationen des Hippodroms erscheinen leicht variiert auch in einem von Cassiodor ver� faßten Schreiben Theoderichs des Großen an seinen damaligen praefectus praetorio Faustus69 (ca. 509�512),7o das im übrigen grundsätzlich eine deutliche 7! Ablehnung gegenüber den Wagenrennen erkennen läßt. Den ersten Wettbe� 72 werb habe Oinomaos von Elis angesetzt, während für Rom wiederum Romu� 62 63
64 65
66 67
68
69 70 71
Anth. Lat. 188,3�5 Shackleton Bailey
=
1 97,3�5 Riese.
Anth. Lat. 188,1 1 f. Shackleton Bailey = 1 97,1 1 f. Riese, mit Kay 2006, 372. Anth. Lat.
1 88,13�16
Shackleton
Bailey
=
1 97,13�16
Riese. AufBilligerweise
verzichtet der Autor beim Obelisken auf die ansonsten geläufige Sonnensymboltk. VgL Kay 2006, 369f. Tert. spect. 9,3; dazu Castorina 1 96 1 , 1 97ff.
215
lus als Archeget benannt wird, der die Spiele im Kontext des Raubs der Sabi� nerinnen eingeführt habe - damals noch ohne Circus, denn diesen habe erst Augustus errichten lassen.73 Im Folgenden erscheinen zahlreiche mittlerweile bekannte Motive: die Parallelisierung der 1 2 Tore mit den 12 Sternbildern des Zodiak, die Farben als Symbol für die Jahreszeiten (grün Frühling, blau Winter, rot Sommer, weiß Herbst) , und auch auf die 12 Monate wird ange� spielt.74 Insgesamt, so Cassiodor, imaginierten die Spiele die Werke der Natur 75 (naturae ministerza). Geläufig ist ebenfalls der Bezug des Zweispänners auf den 76 Mond und des Vierspänners auf die Sonne, während die sieben Runden eines Rennens bei Cassiodor nicht für Planetenbahnen stehen, sondern für die sieben Tage der Woche.77 Demgegenüber finden sich die aus dem Gedicht De circen� sibus bekannten Anspielungen auf Orient und Okzident ebenso im Theoderich/Cassiodor�Brief wie die Deutung des euripus als Ozean,78 ergänzt durch einen Bezug der 24 Rennen einer Veranstaltung auf die 24 Stunden eines Tages.79 Symbolistisch�kosmologische Spekulationen über die Bedeutung des Circus bzw. Hippodrom scheinen, wie angedeutet, im 6. Jahrhundert größere Ver� breitung gefunden zu haben. Zwei längere Passagen in Johannes Lydos' Schrift De mensibus widmen sich ebenfalls dem Thema und lassen signifikante Varia� tionen erkennen: 8o So findet man neben der Erwähnung des Oinomaos, der geläufigen Parallelisierung von eurzpus und Ozean sowie von Obelisk und Sonne, der Assoziation an die Tierkreiszeichen des Zodiak und dem Bezug der sieben Runden auf die sieben Planetenbahnen sowie der Farben auf die Elemente und Jahreszeiten (grün = Frühling, rot = Sommer, blau = Herbst, weiß = Winter) 8! auch die Information, daß die Zauberin Kirke (von deren =
=
=
=
Anth. Lat. 188,1 7f. Shackleton Bailey = 1 97,1 7f. Riese. Anth. Lat. 188,19f. Shackleton Bailey = 1 97,1 9f. Riese. PLRE
II 454�456 (FL Anicius Probus Faustus iunior Niger 9).
Cassiod. var. 3,51,3�10. Dazu s. Meyer�Flügel 1 992, 280ff.
superstitio ln Verblndung gebracht werden), bes. 3,51,13: expedzt znterdum desipere, ut populi possimus desiderata gaudza contznere. Theoderich/ CasslOdor sehen in den spectacula allgemeln eln 1ffi
1 ,69ff. (mIt SchoL Pind. OL 1 , 1 1 4); Apollod. epit. 2,4�9; Apoll. Rhod. 752ff.; Diod. 73
Vergnügungssucht und den Wünschen der Massen nachzukommen und dadurch Ruhe und Stabilität im Sinne der gewährleisten; die Finanzierung von herrscherlicher
humanitas dar
beatztudo temporum (Cassiod. var. 3,5 1 ,1 3) zu spectacula stellt für Theoderich daher einen Akt
(Cassiod. var. 1,30,1), vgL Meyer�Flügel 1 992, 267ff.
Elne Bezugnahme auf den Oinomaos�Mythos, der als Aitlon der olympIschen Wagenrennen erzählt wurde. Demzufolge zwang KÖnIg Olnomaos aus dem ehschen Pisa, der Sohn des Ares, den Freiern seiner Tochter HIppodameia als Bewährung� sprobe stets eln Wagenrennen auf, das für diese jedes Mal tödlich endete. Erst Pelops gelang es mit Hilfe von Oinomaos' Wagenlenker Myrtilos, den König zu be� siegen und zu toten. Daraufhm konnte Pelops Hippodameia heiraten. VgL Pind. OL
4,73; Hyg. fab. 84; Paus. 5,1 4,6. CasslOd. var. 3,51 ,3f. Augustus selbst spricht in seinem
Tatenbencht ledIglich
davon,
ein pulvinar ad circum Maximum ernchtet zu haben (R. Gest. div. Aug. 1 9); von seinem
VgL etwa Cassiod. var. 3,51,1 2f. (wo die Wagenrennen nut
Grundsatz abzulehnendes Übel, das zu ertragen aber notwendig sei, um der
72
venationes durch Anastasios
Feldherrn Agnppa stammen die silbernen Delphine, mIt denen die Runden gezählt 74 7S
76 77
78
79
80 81
wurden, vgL Humphrey 1 986, 78ff.; Zanker 2003, 79. Cassiod. var. 3,51 ,4f. Cassiod. var. 3,51,5:
luderentur.
SlC
factum, ut naturae ministena spectaculorum composita imaginatione
Casslod. var. 3,5,6. CasslOdor fügt noch hinzu, daß die reitenden Herolde zwischen den Rennen den schnellen Gang des Morgensterns nachahmten. Cassiod. var. 3,51,7. Cassiod. var. 3,51,8. Cassiod. var. 3,5 1 ,1 0 . Joh. Lyd. mens. 1,12 p. 3,17�7,15; 4,30 p . 88,13�90,13 Wuensch. Johannes Lydos zufolge hat Romulus zunächst nur drei Farben eingeführt: Rot für Ares bzw. das Feuer, WeIß für Zeus bzw. dIe Luft, Grün für Aphrodite bzw. die
Die Abschaffung der venationes durch Anastaslos
J\1ischa Meier
216
Namen Johannes Lydos das Wort
Circus ableitet) die Wagenrennen in Italien
217
Averil Cameron hat z u Coripps Exkurs über den Hippodrom bereits vor mehr
heimisch gemacht und Romulus sie dann für Rom übernommen habe; den
als drei
Transfer von Rom nach Konstantinopel habe dann Septimius Severus geleistet,
which is certainly out of place in the context, having no relation to the 87 real occasion which he describes". Diese Beobachttrng, die sich bei einem
der den Hippodrom in der Kaiserstadt
am
Bosporus habe anlegen lassen.
Das literarisch am feins ten ausgefeilte, inhaltlich dafür aber
am
konkrete Textstück unserer Sammlung stammt indes aus Coripps
wenigsten
um
566/567
Blick in den Text leicht nachvollziehen umso
nach Justinians Tod
Faustus
Ende des Kaisers rasch in Konstantinopel verbreitet habe, was - eindrucksvoll an das Ende des 1 . Buches seiner Lobrede plaziert Volkes
zu
läßt, v.>irft freilich die Frage auf, warum
der Dichter die Digression dann überhaupt eingefügt hat. Sie stellt sich mit
entstandenem Panegyricus aufJustin Ir. In seiner Darstellung der Geschehnisse
(565) beschreibt der Autor, wie sich das Gerücht vom
angemerkt, es handele sich dabei um "an academic set-
Dringlichkeit, als auch Theoderich/Cassiodor im Schreiben an gezwungen waren, in der gegebenen Ausführlichkeit auf die
Symbolik des Circus
zumal sie aus ihrer prinzipiellen Verachtung
einer Versammlung des
der Wagenrennen kein Hehl machten. Auch im Falle ihres (oben zitierten)
im Hippodrom geführt habe, welche Coripp als Gelegenheit nutzt, über
Briefes resultiert der Rekurs auf die Circus-Symbolik jedenfalls nicht unmittel
die symbolische Bedeutung dieses Ortes
zu
reflektieren.
82
Die vom Epiker
bar aus dem Grundthema des Textes. Könnte der Kontext daher ein literari
bearbeiteten Motive sind erwartungsgemäß nicht neu: Die Sonnensymbolik der
scher sein?
Wagenrennen wird hervorgehoben (wiederum durch Allusion auf die vier 83 P ferde des Sonnenwagens), die vier Farben als Symbole der J ahreszeiten (grün
wechselseitige
Frühling, rot
Sommer, blau
==
In diesem Punkt v.>ird man über Spekulationen nicht hinauskommen. Eine
Herbst, weiß Winter) gedeutet - dies 84 allerdings in auffälliger Ausführlichkeit - und einmal mehr Oinomaos als 85 Erfinder der vierspännigen Rennen angeführt. Anders als das Gedicht De
hin als Reflexe
=
der Circus-Texte des
6. Jahrhunderts läßt sich
jedenfalls we der schlüssig erweisen noch widerlegen, doch könnten sie immer Diskussionen interpretiert werden, die dann u.a. auf 88 Diese Deutung
der literarischen Ebene einen Niederschlag gefunden hätten.
circensibus mit seinem traditionalistisch-paganen Gestus schließt Coripp mit
beantwortet allerdings die Grundfrage nicht, sondern verschiebt sie lediglich
einem dezidiert christlichen Bekenntnis und verdeutlicht damit, daß die symbo
auf eine andere Ebene. Denn wenn dem Motiv der Circus-Symbolik im
lische Deutung des Hippodrom im
hundert offensichtlich eine besondere Rolle zukam, dann wird man nach einer
6. J ahrhundert nicht religiös festgelegt war:
6. J ahr
Ursache für dieses Phänomen forschen müssen, und dies führt zwangsläufig "Nachdem der Schöpfer der Sonne unter der Sonne hatte gesehen werden
aus der rein literarischen Sphäre hinaus in Richtung der historischen Kontexte.
wollen und Gott Menschengestalt von der Jungfrau angenommen hatte, da
Die Vermutung liegt nahe, daß der Hippodrom selbst, als Ort und als Institu
wurden die Spiele für die Sonne abgeschafft und Ehre und Spiele den römi
6. Jahrhundert eine ganz besondere Ausstrahlungskraft besessen haben ihn als Zentrum des Kosmos erscheinen ließ und die auf Assozia tionen beruhte, deren Valenz durch eine ganz spezifische memoria fundiert
schen Kaisern übertragen und die heiteren Zirkus freuden dem neuen 86 Rom".
tion, im
muß, die
dabei als Brennspiegel einer
wurde. Der Circus b zw.
geordneten Welt, und in der Geschichte der Wagenrennen bildete sich die
aber strltten ehe Gallier um gleiches Recht, und es wurde Blau Hll JZU1�"'lt"!SL, da Ihre Kleider eine solche Farbe hatten - zu Ehren des Kronos bzw. des Poseidon" (llau:pov OE �plallv oi rUMOl m::pl OIlOTllltac;, KIll xpomm:91] TO !3SV&TOV lila TO TOlO1hOIl xrmllllTO<; &iVIll TU [IlUTlIl ooJTCOV, &«; TlIl�V 'tOU Kpovoll � IlUMOV Toll Iloa&!orovor;), vgL Job. Lyd. mens. 1 ,1 2 p. 6,24-7,4 Wuensch (zur
82
83
84 85 86
nac:bttaglJlcb,:n nmHJIlrl.mg der Farbe Blau s. auch 4,30 p. 88,22-90,4 Wuensch). Conpp. lust. Kommentar: Av. Carneron 1976, 1 43ff. Coripp. Laud. lust. 1 ,3 1 4-3 1 6. Coripp. Laud. lust. 1 ,31 7-329, mit Al. Carneron 1976, 336-338. Coripp. Laud. lust. 1,334f. Conpp. Laud. lust. 1 ,340-344: .redfaetor solis postquam sub sole videri / se voluitformamque deus de Vtrgtne sumps# / humam generis, tune munere solis adempto / principibus defatus honor munusque Latinis / et iucunda novae circensia gaudia Romae.
Geschichte der
von der mythischen Frühzeit über die frührömi Ge:e;e:nwart ab. Daß dieser zentrale ,Erinnerungsort' im
6. J ahrhundert nicht im Kaiserpalast, einer Kirche oder einem anderen Ge bäude angesiedelt wurde, ist
verweist dieser Umstand doch auf
die fundamentale Bedeutung der Kommunikation zwischen Herrscher und hauptstädtischer Bevölkerung, die Platz fand. In einem
im Hippodrom ihren bevorzugten 6.
bisher ausgesparten Hippodrom-Text des
J ahrhunderts kommt dieser Aspekt in besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck.
87
88
Av. Carneron 1 976, 1 43. Vgl. Kay 2006, 365.
218
Die Abschaffung der venationes durch Anastasios
Mischa Meier
Es handelt sich um eine Passage aus dem 89 Malalas:
7.
Buch der
Weltchronik
hatte den Apsyrtos, der ihn unerbittlich die Wagenlenk-Kunst lehrte.
des J ohannes
9o
Dieser Oinomaos unterlag dem Lyder Pelops und wurde getötet. (p.
1 34,72 Thurn)
Diesen Pferdewettkampf dachte sich als erster ein gewis
ser Mann namens Enyalios aus, Sohn des Poseidon [ . . . ] . Eben diesen Pfer
"Und sofort setzte er [Sc. Romulus] wiederum einen Anfang und gründete den Circus, den er Hippodrom nannte, in Rom, da er die Volksmenge der
dewettkampf hat Enyalios für Zweispänner erfunden, wie dies der weise
beschrieben hat, und fortan, nach ihm, hat
Römer zerstreuen wollte, weil sie Unruhen anzettelten und ihn angingen
Ka.llimachos in seinen
wegen seines Bruders. Und er veranstaltete als erster ein Pferderennen auf
Erichthonios ihn veranstaltet. Und andere veranstalteten ihn an verschiede
Eteszen
dem Gebiet Roms, zur Feier des Helios, sagt man, und zu Ehren der ihm
nen Orten.
untergeordneten vier Elemente, d.h. Erde, Meer, Feuer und Luft, wobei er
(p.
auch den Umstand erwog, daß die Könige der Perser glücklich in die Kriege
kampf mit Vierspännern; daher wurde er auch sehr berühmt, wie es in den
gehen, weil sie eben diese vier Elemente ehren. In Rom j edenfalls ehrten sie
Histon'en
diese vier Elemente nicht, auch nicht an einem einzigen Fest. Doch Oino
berichtet, daß der Bau des Hippodroms nach der Einrichtung des Kosmos
1 35,80 Thurn)
Oinomaos aber veranstaltete als erster eben diesen Wett
des höchst welsen Charax ruedergelegt ist; dieser hat auch dies
maos, der König über das Land der Pisaten, veranstaltete in den euro
errichtet worden ist, d.h. des Himmels, der Erde und des Meeres. Er hat
päischen Gebieten am
berichtet, daß die
25.
Dystros-März einen Wettkampf für Helios den
Titan, weil er darüber stand, so sagt man, wenn Erde und Meer - d.h.
12
Tore den
12
Häusern des Zodiak entsprechen, der
Erde, Meer und den vorübergehenden Lauf des Lebens der Menschen ein
Demeter und Poseidon - miteinander rangen, die dem Helios unterstehen
richtet. Die Rennbahn des Hippodroms repräsentiere die ganze Erde, der
den Elemente. Und es wurde ein Los geworfen zwischen eben diesem
Euripos
König Oinomaos und j edem, der aus einem beliebigen Land kam, ihn
die bei der Wendemarke
niederzukämpfen; und immer wenn das Los Oinomaos dazu aufrief, für
den Lauf und die astronomische Bewegung der sieben Sterne des Großen
Poseidon zu kämpfen, trug er die Tracht blauer Gewänder, d.h. des
Bären.
Wassers, und sein Gegner trug die grüne Tracht, d.h. der Erde. Hinwieder,
(p.
wenn das Los dem Oinomaos auftrug, die Tracht der Demeter zu tragen,
Ehren des Helios und der ihm untergeordneten vier Elemente als erster den
dann trug er die grüne Tracht und sein Gegner trug die Tracht Poseidons,
Wettkampf in Rom, und er veranstaltete ihn im Land des Westens, also in
das vom Land geteilte Meer, die Kurve bei den Toren den O sten,
1 35,92
(Sphendone)
den Westen, die sieben Bahnen aber
Thurn) König Romos [= Romulus] aber erfand auch selbst zu
d.h. des Wassers, also blau; und wer unterlag, wurde getötet. Und eine
Italien, mit Vierspännern, d.h. für Erde, Meer, Feuer und Luft. Und Romos
zahllose Menge kam, um den jährlichen königlichen Wettkampf zu sehen,
legte eben diesen vier Elementen Namen zu: Der Erde [den Namen]
aus jedem Land und j eder Stadt; und die Bürger, die die Küstenstädte und
Prasinos-Partei, d.h. Grün, dem Meer, d.h. dem Wasser, Venetos-Partei, wie
die Inseln bewohnten, und die S eeleute von den Dörfern an den Küsten
Blau, dem Feuer Rhousios-Partei, wie Rot, der Luft Albos-Partei, wie Weiß.
beteten, es möge der siegen, der die blaue Tracht trug, d.h. die des
Und von dort ausgehend wurden die vier Parteien in Rom ersonnen. Er
Poseidon, wobei sie prophezeiten, daß, wenn der Kämpfer für Poseidon
benannte die Prasinos-Partei (d.h. auf Römisch das Verweilende - denn
unterliege, ein Schwund vielfältiger Fischarten eintreten werde, ferner
praisenteuein
Schiffbrüche auf dem Meer und gefährliche Notlagen durch gewaltige
ihren Wäldern besteht. Die Venetos-Partei benannte er danach, daß unter
Winde. Die Bürger aber, die das Binnenland bewohnten, die Bauern vom
der Herrschaft Roms eine große Provinz namens Venetien besteht, deren
Land und alle, die sich mit Ackerbau abmühten, beteten, es solle der Träger
heißt
paramenein
[verweilen]), weil die grüne Erde immer mit
Hauptstadt Aquileia ist, und von dort kommen die blauen, d.h. venetischen
Farben für Kleider. Und er fügte der Prasinos-Partei, also der Erde, die
der grünen Tracht siegen, wobei sie prophezeiten, daß, wenn der Kämpfer
für Demeter unterliege, d.h. für die Erde, Hunger aus Getreidearmut ein
weiße an, so sagt man, die Luft, insofern sie es auch regnen läßt und sie der
treten werde, ferner Mangel an Wein, Öl und den anderen Feldfrüchten.
Erde dient und sich ihr fügt; und der Venetos-Partei, d.h. dem Wasser,
Und Oinomaos besiegte zahlreiche Gegner über viele Jahre hin; denn er
fügte er durch Beimischung die Rhousios-Partei an, d.h. das Feuer, insofern
90 89
219
loh. Mal. 7,4-6 p. 133,38-137,57 Thurn.
Zu dlesem Farben-Antagorusmus und semem symbolischen Gehalt s. Lyle 1984, 838f.
220
Die Abschaffung der lJIJ1Ia!iones durch j\nastasios
l'vlischa Meter
221
das Wasser das Feuer löscht, weil es ihm untergeordnet ist. Und fortan
noch keine Männer hatten, und einzig diese; und Romos begab sich in den
waren die Bewohner Roms in die Parteien gespalten, und sie lebten nicht
Hippodrom und schaute zu. Und während der Veranstaltung des Pferde
mehr in Eintracht miteinander, wegen eines derartigen Verlangens nach
wettlaufs \vurde das Heer aus dem Palast entlassen, sie stürmten den
dem eigenen Sieg und des Einsatzes für die eigene Partei
wie für irgend
Hippodrom, und aus den Sitztreppen zerrten sie die jungfräulichen Frauen
eine Religion. Und es gab eine große Spaltung in Rom, und die Parteien
und diejenigen, die noch keine Männer hatten; und sie nahmen sie für sich
in Rom eine große Feindschaft gegeneinander, seit Romos für sie
selbst als Frauen. Dies aber ließ Romos nur ein einziges IvIal geschehen, wie
das Schauspiel des Wagenrennens ersonnen hatte. Und immer wenn Romos
der höchst weise Dichter Vergil dargelegt hat. Ebenso hat es auch Plinius,
sah, daß Leute in irgendeiner Partei Gruppierungen des Volkes oder Sena toren liebten, die gekränkt worden waren und sich ihm wid ersetzten wegen
der Geschichtsschreiber der Römer, niedergeschrieben, und ähnlich auch 91 Livius. Andere Historiker haben geschrieben, daß Romos als erster für sie
des Todes seines Bruders oder aus irgendeinem anderen Grund, dann
ein Rennen mit Mauleseln veranstaltet habe."
entschloß er sich, sich um die andere Partei zu kümmern, und er hielt sie wohlwollend und in Gegnerschaft gegenüber dem Ziel seiner Feinde. Seit dem machten auch die späteren Könige /Kaiser
(Basileis)
Roms von diesem
Dieser aus verschiedenen Gründen hochinteressante Passus enthält eine ganze Reihe bemerkenswerter Aspekte, die eine eingehendere Behandlung verdienten.
Prinzip Gebrauch.
Ich möchte mich im Folgenden allerdings auf diejenigen Punkte konzentrieren,
(p. 136,26 Thurn) Unter der Herrschaft eben dieses Romos aber bestand
die für unsere Fragestellung relevant sind: 1m Gegensatz zu den bisher aufge
sein Heer zu großen Teilen aus Fremden, und es gab in Rom eine Menge
führten Texten sind johannes Malalas die kosmologischen Assoziationen des
wilder Menschen, und die Zahl der Frauen entsprach nicht derjenigen an
Hippodroms zwar durchaus geläufig mit Verweis auf den Historiographen 92 Charax von Pergamon hält er z.B. unmißverständlich der Hippodrom sei
Männern. Und die Heerscharen von jungen Männern gierten nach Lebens Bürgerkrieg. Romos aber war ohne Mut, da er nicht wußte, was er tun
"entsprechend der Ordnung des Kosmos" (si� 't�v 'tOD 1(001100 olOiKT)OW) 93 errichtet worden -, doch treten sie bei ihm gegenüber anderen Aspekten
sollte. Denn keine der Frauen ertrug es, sich mit den Soldaten einzulassen,
deutlich zurück. Seine Konzeption des Hippodroms gründet diesen - und das
wie bei Wilden und Barbaren. Und er verkündete ein Gesetz, wonach die
ist bemerkenswert - auf Freveltaten, Mord, Entführung und Gewalt. Schon zu
freude; und sie gingen auf dem Forum die Frauen an, und es gab Chaos und
Brytides
(,Brutus
Beginn der Passage wird deutlich gemacht, daß Romulus den Hippodrom vor
Kinder') nannte; und niemand konnte sich dazu durchringen, ihnen die
allem deshalb habe errichten lassen, um die Menge zu zerstteuen, die ihn wegen
sondern sie sagten, sie hätten wegen der Kriege
des Brudermordes (den Malalas unmittelbar zuvor behandelt hatte) attackiert 94 habe. In diesem Sinne soll Romulus das Volk geschickt in die vier (bzw.
Soldaten jungfrauen zur Ehe nehmen sollten, die er eigene Tochter zu
keine Hoffnung, von Tag zu Tag zu überleben, sondern alle verheirateten ihre Töchter mit den Leuten aus der Stadt. Und Romos zog ohne Mut fort
faktisch zwei) ,Zirkus parteien' aufgeteilt haben, was aufgrund der unterschiedli
zum Orakel; und es erging eine Weissagung an ihn, daß er für die Frauen
chen, an religiösen Eifer grenzenden
ein Pferderenn-Spektakel veranstalten solle, damit das Heer sich Frauen zu
zu permanenter Rivalität, ja zu einer großen Spaltung
führen könne. Und er versammelte das Heeresaufgebot im Palast und ver
der Bevölkerung geführt haben soll, woraus der Urkönig dann wiederum politi
(oocr1tSP 9pT)(JJ(siu� nv6�)95 Zugehörigkeiten (Jffiyu crx;lcrl1u) innerhalb
anstaltete ein Pferderennen, wobei er den Befehl erließ, nur Frauen dürften
sches Kapital zu schlagen vermocht habe. Denn immer dann, wenn er opposi
den Pferdewettlauf mit ansehen. Und da ein ganz besonderes Schauspiel
tionelle Halturlgen ausmachte, habe er diese neutralisieren können, indem er
stattfinden sollte, kamen aus der ganzen Umgebung sowie den entlegenen Städten und Dörfern Scharen von Frauen nach Rom, und es füllten den Hippodrom verheiratete Frauen und jüngere jungfrauen; es kamen aber auch die Töchter der so genannten Sabiner, deren Land in der Nähe Roms lag, schöne Frauen. Und Romos gab heimlich Befehle, daß keine verhei ratete Frau, die römische Bütgerin war, zusehen dürfe; er befahl auch seinem eigenen
daß sie es nicht wagen sollten, eine verheiratete Frau
anzutasten, sondern sie sollten die jungfrauen rauben und diejenigen, die
91 92 93 94 95
Vgl. Lv. 1,9. FGrH 103 F 34. loh. Mi!. 7,4 p. 135,83 Thurn. loh. Mal. 7,3 p. 1 3 3,38-40 Thurn; der Brudennord und seine 1 33,31 Thurn. loh. Mal. 7,5 p. 1 36,17. Cassiod.
Va!.
7,H. p. 1 32,12-
hält fest, daß die Wagenrennen in alter
Zeit als StkTUm galten, später aber zum ludibnum verkommen seien (vgL auch lsid. Etym. 18,27,1).
222
Die Abschaffung der wflatione.r durch AnastaslOs
r.1tscha Meier
96
223
Von beson
durchzusetzen verstand, als eng zusammengehörig empfunden. Daß vor diesem
derer Bedeutung ist allerdings Malalas' nachfolgende Bemerkung, wonach alle
Hintergrund ein Herrs cher wie Anastasios auf den Gedanken hätte kommen
sich auf die Seite der Rivalen seiner politischen Gegner schlug.
1m
späteren römischen Herrscher es Romulus gleichgetan hätten: €� €KdvolJ Kul ot
können, die populären
).leT' umov ßUatAe1:<; rij<; !>W).lll<; T0 uUT0 Kuv6vl Sxpl]crUVTO.97
verbleibenden Spektakel auf den von ihm dirigierten Hippodrom zu konzen-
Damit 1St klar: Für J ohannes Malalas gehören Aufruhr und Hippodrom Zu sammen. Letzterer erweist sich dabei in erster Linie als ein Herrschaftsinstru ment, das Königen und Kaisern klebte
und zwar auch denen, an deren Händen Blut
die Macht erhalten sollte; fur einen spätantiken Chronisten, dem in der
t'enationes
Amphitheater abzuschaffen, um alle
ist daher naheliegend. Doch wiederum ergeben sich Schwierigkeiten: Warum wurden nicht die gleichfalls populären PaIltomimen ebenfalls schon 499 verboten (und nicht erst 501/502), und warum führt die Überlieferung in ihrem Fall das Verbot auf ganz
Regel das Stigma der Stumpfsinnigkeit anhaftet, ist dies eme bemerkenswerte
konkrete Unglücksfälle und Unruhen zurück? Und
Erkenntnis. Und Malalas geht noch weiter: Sein anschließender Bericht über
tierte Frage - warum liegen ab der zweiten Hälfte des 1 . Jahrzehnts des 6. Jahr
den Frauenraub der verwahrlosten und kaum zu bänd1genden Soldateska, der in
hunderts erneut Zeugnisse für
signifikanter Weise den Hippodrom zum Brennpunkt des verbrecherischen 98 Aktes stilisiert, führt gleichsam an einem mythisch-archetypischen Beispiel
erneut die bereits disku
venationes vor?
Zwei denkbare Erklärungen erweisen sich als nicht tragfähig: (1) Die An
vor, in welcher \Velse dieser Ort von den Kaisern instrumentalisiert werden
nahme, daß d1e
venationes nicht grundsätzlich verboten, sondern nur vom I<jnegion in den Hippodrom verlegt wurden, scheitert am Zeugnis des Marcel
konnte. Unweigerlich fühlt man sich an das blutige Gemetzel erinnert, mit dem
linus Comes; denn er unterscheidet für die Konsulfeiern Justinians im Jahr 521
Justinian im Januar 5 3 2 den Nika-Aufstand niederschlagen ließ und bei dem 99 um die 30.000 Opfer im Hippodrom zutückblieben; aber auch die berühmte
\Vagenrennen im
Demutsgeste, mit der Anastasios im November 51 2 den Staurothets-Aufstand OO ebenfalls im Hippodrom kollabieren ließ, l wird dabei evoziert. Der Hippo
einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgenommen, weil ihre Popularität seine
drom
Versuche, die Spektakel auf den Hippodrom
so d1e für uns wichtige Quinte ssenz der Malalas-Pass age - diente den
unmißverständlich zwischen den Tierspektakeln im
circus.
101
amphitheatrum und den
(2) Das Argument, AnastaslOs habe das Verbot der
venationes eventuell
zu
und damit auf seine Person - zu
Herrschern zur Sicherung und mitunter brutalen Durchsetzung ihrer Macht
konzentrieren, unterwandert hatte, überzeugt ebenfalls nicht. Wenn nämlich
positionen. Das ist keine sonderlich positive Bewertung des ,Zentrums des
Anastasios tatsächlich den Hippodmm zum einzigen Zentrum der politischen
Kosmos', aber sie läßt erkennen, warum die Circus-Digressionen im 6. Jahr
Kommunikation in Konstantinopel hätte ausbauen wollen, dann hätte er
hundert offenkundig so verbreitet waren: Thppodrom und Herrscher wurden in
diesen Weg mit besonderer Konsequenz beschreiten müssen, um nicht durch
dem Jahrhundert, das mlt Anastasios einen Kaiser sah, der virtuos mit den Mechanismen der politischen Kommunikation im Hippodrom zu spielen ver
zunichte zu machen bzw. gar einen zusätzlichen Autoritätsverlust zu riskieren.
ein späteres Einlenken dIe Erhöhung semer Position wieder vollkommen
mochte (Staurotheis-Aufstand) und das mit Justinian einen Monarchen erlebte,
Damit läßt sich eine offenkundige Inkongruenz konstatieren: Die skizzier
der seine gottbefohlene Machtstellung rigoros in grauenvollen Blutbädern
ten Texte aus dem 6. Jahrhundert betonen sämtlich die besondere symbolisch kosmische Bedeutung des Hippodroms als Zentrum der Welt, und Johannes
96
VgL Ioh. Mal. 7,5 p. 1 36,1 7-23 Thurn.
97
loh. 1vfaL 7,5 p� 1 36,23-25 Thum.
98
Die Verbindung des Raubs der Sabmermnen mit dem Circus war prinzipiell im traditionellen Motivschatz der Römer verankert, vg!. etwa Varro ling. 6,20; Dion.
Funktion hervor, die tief m der mythischen Vergangenheit als historische Kon stante verankert wird. Doch zur befriedigenden Erklärung des Verbots der Tierhatzen reicht dieser Ansatz nicht hin. Zwar ist bekannt, daß Anastasios ein
Ha!. ant. 2,30; Polyum. 8,3,1 ; Plut. Rom. 1 4; Tert. spect. 5. Die ausdriickltche
durchaus machtbewußter Kaiser war, der - 'wie bereits angedeutet - die
Geschehens auf den Circus/Hippodrom 1st allerdmgs
Mechanismen der politischen Kommunikation in Konstantinopel beherrschte
Fokusslerung des 99
Malalas hebt überdies in deutlichen Worten seine herrschaftsstabilisierende
vor Malalas rucht Vgl. Meier 2003.
100 loh. Mal. 1 6, 1 9 p. 333f. Thum; Euagr. H.E. 3,44; Pseudo-Dionysius of Tel-Mahre: Chronide, Part IH. Transla.ted with Notes und Introduction by W. Witakowski,
und vittuos zu instrumentalisieren vermochte und dem maIl entsprechende Hintergedanken bei der Abschaffung der kann. Aber um mehr als
um
venationes daher durchaus zutrauen
Hintet;gedanken kann es sich dabei nicht gehandelt
Uverpool 1 996, p. 9; Mich. Syr. 9,9 (ed. J.-B. Chabot, Chronique de r.1tchel le Syrien, Pamarche Jacobite d'Antloche [1 1 66-1 1 99], Tome 1I, Paris 1901, Ndr. Brüssel 1963, p. 1 62f.).
101 Vgl. Mare. Com. ad anno 521 p. 1 0 l f. Mommsen.
224
DIe Abschaffung der venatlones durch Anastasl0s
Mischa Meier
500
106
225
haben. Nicht nur die nachträgliche Wiederzulassung der Spektakel spricht
(wohl inklUSive venator)
dagegen, sondern vor allem auch der Umstand, daß das Verbot, wie Josua 102 Stylites ausdrücklich anmerkt, reichsweit in alle Städte erging. Die Situation in
scheinen die Preise dann aber erheblich angestiegen, ja geradezu explodiert zu
Konstantinopel kann somit uicht isoliert betrachtet, sondern muß vor einem
Tiere gelangte, deren Populationen
größeren Gesamtzusammenhang analysiert werden.
Diocletians Preisedikt wird für einen hochwertigen libyschen Löwen bereits die
denarii aufzuwenden hatte.
In der Spätantike
sein - zumal für Regionen, in denen man uicht so einfach an die benötigten I07 ohnehin spürbar zurückgingen. In Maximalsumme
1 50.000 denarii veranschlagt, wohingegen ein lOS \25.000 denarii erworben werden konnte.
von
Löwe
minderer Qualität auch für
Die Aussagekraft dieser Zahlen ist freilich aus vielen Gründen hochpro
3. Eine mögliche Lösung
blematisch, u.a. wegen der immensen Wertschwankungen, denen die römische Es ist vor allem Wolfgang liebeschuetz gewesen, der mit einem weiten Blick
Währung gerade im 3. Jahrhundert unterlag, und weil sich die Kosten für einen
auf das ganze Reich darauf hingewiesen hat, daß im Zuge der "decline of the
Leoparden in Mrika nur schwer mit denen für einen Löwen in anderen
Councils and the passing of power to the notables" insbesondere die Vergnü
Regionen vergleichen lassen. Es geht an dieser Stelle auch lediglich darum, eine
gungsspektakel in den Städten in eine Krise gerieten. Die Orgauisation von
Tatsache zu illustrieren: Tierhatzen waren ausgesprochen teuer, und ihre
Tierhatzen, Theaterveranstaltungen und anderen Darbietungen entglitt den
Kosten müssen im Verlauf der Spätantike aufgrund des zunehmenden Tier
Kurialen und Künstlervereiuigungen allmählich und wurde - wie in Rom und
mangels und der aufwendigen Transporte noch erheblich angestiegen sein. Wie
Konstantinopel ohnehin üblich
von den ,Zirkusgruppen' übernommen - ein
Prozeß, den Liebeschuetz grob im
5.
Jahrhundert situiert. Die Finanzierung
dieser Gruppen und ihrer Infrastruktur erfolgte größ tenteils aus Steuermitteln 103 "What had been
hoch die Belastungen waren,
die
auf denen lasteten, die im 4. Jahrhundert
venationes ausrichteten,
für den Westen die Korrespondenz des Symmachus I09 Auch ein Gesetz und für den Osten diejeuige des Libauios (zur Syriarchie).
und damit in letzter Konsequenz durch die Reichszentrale:
aus dem Jahr 41 7 gibt einigen Aufschluß: Es reagierte auf eine Klage aus der
celebrations of the dty-commuuity became occasions of celebration of the 104 Damit \vurde zwar die Präsenz des Kaisers in den Städten weiter emperor".
vier Monate anstatt der vorgesehenen sieben bis acht Tage Station gemacht und
Provinz Euphratensis, wonach Tiertransporte in Hierapolis häufig drei oder
fundiert und zelebriert, doch das sich neu etablierende System verursachte im
dabei unerträgliche Kosten verursacht hätten. no Wenn nun aber aus Steuern
Gegenzug auch enorme Kosten.
gewonnene
Leider sind wir nur ganz unzureichend über die Aufwendungen informiert, die eine venatio erforderte. Ein Mosaik aus dem nordafrikauischen Smirat in der
Mittel
reichsweit
für
solche
Transporte
und
Bereitstellungen
verwendet werden mußten, konnte sich dies zu einer ernsthaften finanziellen Belastung auswachsen.
Nähe von Sousse (Hadrumetum) , das in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts
Dieser Sachverhalt führt uns zuriick zu den ökonomischen Aspekten der
datiert wird (das so genannte l'viagerius-Mosaik), zeigt vier venatores im Kampf lOs Aus der in das Mosaik integrierten Inschrift geht gegen vier Leoparden.
venationes, die in der Forschung bisher nur angedeutet worden sind. In ihnen scheint mir der Schlüssel zum Verständuis der Maßnahme zu liegen:
hervor, daß Magerius, der die Tierhatz ftnanziert hatte, für jeden Leoparden 106 AE 1967, 549. Magenus hat diesen Betrag dann aber wohl großzügig verdoppelt, 107 102 103
Jos. Styl. 34 p. 52 Lurher.
orgarused hunting of anintals by the aristocracy all contributed
the role of the decunons as weil as of the guuds of perfonners, and they were paid
supply that began
largely, but not entl!ely, out of taxation, that is by the emperor. [ . . . ] Subsequently
[(14
105
Wlutby 2006. Zur Gesamtentwicklung s. auch Lamado 2002. Liebeschuetz 1 998, 1 68. Dunbabin 1978, 67ff., mit Taf. 22, Abb. 53; Papini 2004, 1 63ff., mit Fig. 74.
to
to
the shortage of
make themselves felt by the late third century AD. Tbe price of
big cats, as revealed in Diocleuan's Maximum Price Edict [. . .], was astronomical by
the emperor paid most of the regular expenses, and bis representacive, the prov--incial 2001, 205ff., ferner Roueche 1993, 57ff. Kritik an Liebeschuetz' Position äußert
Dazu s. Bomgardner 2002, 214ff., beg. 216: "The destruction of habitat for agricultural exploitation, the widespread performance of venationes in the amphi theatres of North Africa, the export of animals for the arenas of the empire and the
Liebeschuetz 1998, 168; vgI. ebd.: "They [d.h. die ,Zttkusgruppen1 rhus took over
governor or, at Constantinople, the emperor himself presided"; vg!. Liebeschuetz
vgl. Dunbabin 1978, 68.
108 109 110
the end of the third century AD [. . . ]
".
Ed. DiocL 34,1a-2 (ed. S. Lauffer, Diokletians Preisedikt, Berlin 1971, p. 193). Vgl. Jennison 1937, 95ff. (mit den Belegen), 14Off.; Petit 1955, 1 36ff.; Ilebeschuetz 1 972, 1 4 1 ff.; Liebeschuetz 1983, 255ff. Cod. Theod. 1 5,1 1 ,2, nut Jennison 1937, 1 51 f.; Bomgardner 2002, 213.
Die Abschaffung der venationes durch AnastaslOS
1-flscha Meier
226
Im Jahr 498 hatte Anastasios im gesamten Römischen Reich die seit Konstantin zu entrichtende ,Handels- und Gewerbesteuer', das sogenannte
(collatio /ustralis),
Chrysargyron
Dieser Schritt wird in der Überlieferung einhellig lI in Edessa soll
nistration (Einführung des
comes sam patrimonit), 1 17
227
aber auch durch kurzfristige 118 Trotz allem dürfte die
Ausgleichszahlungen aus seinem eigenen Vermögen. Haushaltslage
zunächst
einmal
ausgesprochen
angespannt
gewesen
als besonders populäre und wirkungsvolle Maßnahme gefeiert/
Anastasios wird jeden
es Josua
stattfindenden Freudenfestes gekommen sein.
unter anderem daraus resultierender vermeintlicher Geiz rasch sprichwörtlich 1 I9 und zum Gegenstand von Spöttereien. Daß die Abschaffung der venationes
dieser einschneidenden fJ11a1z 1 polinschen Maßnahme wahrscheinlich verschie
aw,gereChnet in das J ahr
sogar zur Einrichtung eines in j ährlichem Turnus 1 12 Der Kaiser verfolgte mit
so/idus benötigt
499
haben, und nicht ohne Grund \vurde sein
fallt, also in diejenige Phase, in der die Finanz
insbesondere eine Belebung von Handel und Gewerbe, aber
situation ohne Zweifel am schwierigsten gewesen ist, verwundert vor diesem
sicherlich auch einen Popularitätszuwachs. Freilich bedeutete die Maßnahme
Hinte:rglcut1ld nicht mehr. Ein bisher noch überhaupt nicht bemerktes Indiz für
dene
für die Einkünfte des emmal
zu
Imperium Romanum einen schweren Rückschlag, den es
verkraften
Chrysargyron
erst
Wir können die Aus\.\,jrkungen der Abschaffung des
einen engen Zusammenhang zwischen der Abschaffung des
heute nicht mehr quantif1Z1eren, aber sie müssen beträchtlich
gewesen sein. Josua Stylites nennt allein für Edessa einen Betrag von 140 1 13 Goldpfund für vier Jahre. Ob man dies nun konsequent für alle Städte des
Imperium Romanum hochrechnen \.\dU bzw.
beide Maßnahmen sogar in einem Satz erwähnt und damit einen l20 Mit der Abschaffung der ungemein teuten
inhaltlichen Konnex suggeriert.
Tierhatzen im gesamten Reich mußte es zu einer spürbaren Erleichterung der kommen. Erst als der gefahrlichste Finanzeogpaß über
für das Oströmische Reich müssen in j edem Fall
wunden war, d.h. als die flankierenden Maßnahmen zu greifen begannen,
Anastasios versuchte mit unterschiedlichen Maßnahmen die durch den
einer solchen merklichen Entspannung gekommen sein muß, resultiert bereits
Fortfall des Chrysargyron entstandenen Verluste aufzufangen, insbesondere 11 durch die Münzreform des Jahres 498, 5 ferner durch eine forcierte adaeratio 1 16 durch Umorganisationsmaßnahmen in der Finanzadmider Naturalabgaben,
1 13
1 14 1 15 11 6
sich wieder großzügigere Ausgaben leisten. Daß es zu
konnte die aus der
daß der Kaiser bei seinem Tod die größten Finanzreserven,
rue ein Kaiser bis dahin zusammengespart hatte, überhaupt hinterließ: 320.000 121 und dies trotz eines kostspieligen Perserkrieges (502-506), trotz Goldpfund groß
1 12
und
kann oder nicht - die sich aus diesem
Wert ergebenden . . 114 lffimens gewesen sem.
111
Chrysargyron
dem Verbot der Tierhatzen ist in der Tatsache zu sehen, daß Theodoros
Bauprojekte wie der Langen Mauern vor Konstantinopel, der Dara oder mehrerer Donaubefestigungen,
Cod. lust. 1 1,1,1 ; 51 Luther; Prok. Gaz. pan. 13; PrisClan. 149-1 6 1 ; Theod. Anagn. Theopb. a.m. 5993 p. I 1 43,1 7f. de Boor; H.E. 3,39; KyrilL Skyrh. v. Sabae p. Thurn; loh. Mal. 16,7 p. 145,14-18 Schwartz; Kedren. 627, PG 121 ,681D-684A; Zon. 14,3,1 1 . Weitere Belege bel Delmaire 1 989, 372, Anm. 52. Zum Datierungsproblem s. Nöldeke 1 904, 1 35; I<arayannopulos 1 958, 136; Delmaire 1 989, 372; Luther 1 997, 1 66, Anm. 252; Haarer 2006, 1 94, Anm. 5 1 . Jos. Styl. 31 p. 5 1 Luther: "Es freute sich die ganze Stadt, und alle [Bürger] kleIdeten wie etnfache Leute, und trugen Kerzen, die sich in weIße leuchteten, und Räucherwaren, \Vohlgeruch verbreiteten, und gingen unter Psalmengesängen und lUdern Sle Gott lobten und den Kaiser priesen, und des Slffi eon, feIerten dort Abendmahl, betraten hinaus zur Kirche des [wieder] dIe Stadt und veranstalteten ein Fest der Freude und der Wohlgeruche die ganze Woche lang. Sie beschlossen, daß sie dieses Fest alljährlich begehen würden. Alle Handwerker ruhten sich aus und freuten sich, badeten und lagen in der Halle der Kirche und in allen Portiken der Stadt". Jos. StyL 31 p. 51 Luther. Zur Diskussion s. I<arayannopulos 1 958, 1 3 1 ; Delmaire 1989, 371 ff.; Haarer 2006, 1 95f. 1 985, 475ff.; Haarer 2006, 202ff. Metcalf 1 969; Hahn 1 973, 22ff.; Haarer 2006, 1 99ff.
sowie spürbarer
Finanzhilfen für Städte, die durch Krieg oder Naturkatastrophen gelitten 122 hatten. Die finanZielle Situation des Reiches muß sich also nach 498/499 deutlich erholt haben sehen
und in diesem Umstand dürfte die Ursache dafür zu
daß Tierhatzen bereits wenige J ahre nach ihrem Verbot wieder
stattfinden konnten. Die Finanzkrise war offenbar überwunden, es konnten 1 17 118
119
120 121 122
Dazu Brandes 2002, 1 8ff., bes. 38f. loh. Mal. 16,7 p. 325,26-29 Thurn. Zur Sparsamkeit bzw. zum ,Geiz' des AnastaSlOS vgL Cod. lust. 2,7;25; loh. MaL 1 6,20 p. 335,46 Thurn; Chron. Pasch. p. I 61 0,14 Dindorf; Baalbek-Orakel p. 1 9,168 (ed. PJ Alexander, The Oracle o f Baalbek. The Tiburtine Sibyl in Greek Dress, Washlngton 1 967); Joh. Lyd. mag. 3,46; Anth. Graec. 1 1 ,270f.; Ioann. Antioch. frg. 312 p. 542 Roberto. AufschlußreIch ist auch SelU Verhalten während der in der Osrhoene in den Jahren 500-502, vgl. Wiemer sogenannten 2006, 258ff., bes. Theod. Anagn. 553 p. 1 56,15 Hansen (Avo.(TIamo� a.vro'tsw; 'to xpuO'Upyupov Ko.1 'tu Theoph. a.m. 5993 p. J 1 43,17( de Boot. 1(1)\.'1\l'lo. lm;CX!lcrSV); davon Prok. HA. 1 9,7. VgL Stein 1 949 [1968], 1 92f.
228
Mischa Meier
Die Abschaffung der venationes durch Anastasios
wieder größere Mittel in die Belustigungen der Massen investiert werden, und entgegen der These Alan Camerons dürfte wohl gerade die erneute Erlaubnis der Tierhatzen auch Spannungen und Konfliktpotenziale bereinigt haben anders als das Vorgehen gegen populäre Veranstaltungen, das eher Unmut und Aggressionen erzeugt haben dürfte, wie Papst Gelasius' Bemerkung ja auch nahelegt (siehe oben) . Die
venationes
wurden also
im Jahr 499
nicht deshalb abgeschafft, weil
Anastasios die Aktivitäten der ,Zirkusgruppen' auf den Hippodrom beschrän ken und damit I
damnatio ad bestias oder
ausschließlich für die besonders blutigen
Tierspektakel. Vielmehr scheint es sich in erster Linie schlichtweg um eine finanzpolitische Maßnahme gehandelt zu haben, die temporär den Fortfall des
Chrysatgyron ausgleichen
sollte und nach der Stabilisierung der fmanziellen Ver
hältnisse wieder zurückgenommen werden konnte. Für den Sonderfall Kon s tantinopels mag dabei noch der Gedanke eine Rolle gespielt haben, daß eine mit dem Verbot der
venationes einhergehende
stärkere Zentrierung der
spectacula
auf den Hippodrom die Rolle des Kaisers als Hauptakteur im
des
Kosmos' noch einmal in besonderer Weise akzentuiert und die
des
Hippodroms als Instrument zur Festigung von Herrschaft hätte manifest wer den lassen. Doch angesichts der pragmatischen Bereitschaft des
das
Verbot der Tierhatzen nach kurzer Zeit wieder zurückzunehmen, kann es sich dabei tatsächlich lediglich um einen Hintergedanken, nicht aber um die haupt sächliche Intention der Maßnahme gehandelt haben. Anastasios wird sich des Potenzials einer noch weiteren Stilisierung und Zelebrierung der Zirkussymbo lik im Sinne herrscherlicher Selbstdarstellung ohne Zweifel bewußt gewesen sein - doch er war zugleich auch ein ausgesprochen geschickter Pragmatiker in Machtfragen, der in der Regel wußte, wie weit er gehen unkalkulierbare Risiken einzugehen.
123
ohne allzu
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DIes
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DIe Abschaffung der
Mischa Meier
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Abendmahl
ArlStOnikOS (Eumenes IlI.)
226
Achruscher Bund
Acnum, Schlacht bei
Artemis Ortlua (Sparta)
1 4 1 , 1 50
1 5f., 26, 34, 39, 84, 141 , 1 77,
25, 146, 1 50f.,
1 54-156, 1 59, 173 Assmann, Jan
207 Aeneas
6 1 , 76
Arvalen, fratres Arvales
1 77
adventus
94f.
Artemis Leukophryene, s. Lukophryena
96f.
1 0, 1 5f., 22, 26, 57f.
Astronomie, s. Gestirne
118
ngli�l"'lC', Thebaner (Orchomenos)
60-63, 65-68, 72-74, 78 Athena Itonia (Koroneia)
59, 73
111CWO.
24, 29f., 32, 55-58,
Athen, Athener
7 1 , 73f.
3 1 , 56f., 60, 7 5f., 86, 89, 95 1 41 f.,
Attalos III.
1 5 1 , 153, 1 56
Augustalia
Augusms (OctaVlan)
66
73f.
94 38-42, 84, 141-
1 60, 1 69-171 , 1 73, 1 76, 190, 2 1 5 Aitiologie
28, 30, 35, 58-60, 72, 75f.,
78, 1 1 1 - 1 1 4, 1 16 f., 1 1 9f., 1 23-127,
Aurelian (Kaiser)
1 80, 1 82 1 42
aureum saeculum
1 29, 1 31 , 214 Alexander Severus (Kaiser) Alexandreia (Ägypten)
4 1 , 1 79 34, 84, 1 4 1 ,
Babvlon
84
k
Ban ett, s. Festmahl Bargylia
1 50f.
84, 94-96
Alkohol, s. Wein
Bellerophontes
Amazonen
Bloch, Mare
90
Amphiareion
Boionen, Boiotischer Bund
55
AnastaslOS I . (Kaiser)
203-2 1 2, 222f.,
Caesar, C. Iutius
Anthologia Latina
Cahgula (Kaiser)
65, 213
Camillus,
91 Literatur
Antiquare, 85, 1 1 2,
29,
1 29 f., 1 4 1 , 1 97
Antoninus Pius (Kalser)
42, 173, 175,
L Fucius
1 58f.
Caracalla (Kaiser) Carausius (Kaiser) Cassiodor
84, 1 5 1 , 153, 160
Apatouria (Athen) i\pollon
Apollon I smenios
70, 7 2
204f., 216, 228
commentarii
98, 2 1 2 61, 66-67 99f.
12, 20,
26f., 29, 42, 1 28, 1 84, 1 87-197, 36
Claudius (I
1 52
Aristomenes, Messenier
56f., 70, 75-77,
92, 1 17, 226
circus mt/xzmus
1 22f.
Aristeldes, Athener
1 80 , 1 82f.
Christen, Christenverfolgung
57
29, 64, 70, 84, 86-88, 97E.
Apotheose
1 1 1 , 124 1 77 , 1 79
210, 21 4f., 217
Chöre, Chorlieder
185 Antonius, M.
Argos
41 f., 141, 1 49-1 5 1 ,
1 53f., 156-159, 1 84-187, 1 89-191
30
Antiochos III.
203f.
30, 57, 97-
100 Anthesthma
55, 58f.,
62, 68f., 72-75 Brytai (Konstantinopel)
226-228 Andania, Mysterien von
Ara Paas
95 11
42, 158, 1 73
1 54f.
Commodus (Kaiser)
42, 173, 180
I ' r
234 Constantln der Große
1 67-169, 1 82,
1 87-194, 226
Constantinus 11. (I
Consualia
1 89, 1 94
36
corona etvzca
91
cultural turn
1 89
Fasti 58
Daphnephorien,
97
daphnephoros
69-74,
Decius (I
dzes
1 80
(s. auch Kalender, Ovid)
Dzdymeia
FastiAmiterni 146, 1 5 1 , 1 5 7 Fasti Antzates (minores, maiores)
Faustina
1 80, 1 83-187,
225
Di0'!Ysza (Athen)
56, 76
DlOnysos Aisymnetes (patrai)
59
207f.
Domitlan (Kaiser)
36, 38-40, 42, 57-59, 68, 78, 83, 85, 141-160, 1 7 5
Ferzale Cumanum 1 5 1 - 1 53, 160 Fertale Duranum 41 , 1 58, 1 60, 1 75 flrtae 1 42f., 1 5 1 , 1 5 5-1 57 Festmahl
57f., 69, 77, 98, 1 09, 1 14,
147, 173
Flaccus, M. Vernus Fle1sch
10, 1 9 f., 24, 26
57 9 1 -93
Forum Romanum
Eleutherta
77
56, 1 00
30, 61f., 66f. 10, 75-
55-57, 59, 6 1 , 67, 7 1 f., 74-
Ephebene1d (Athen) 25, 40f., 90 90, 95, 121f.
Gebet
179-1 82, 1 85 87, 1 1 9, 1 24f.,
56
1 1 -17, 41, 59, 1 1 5
kulturelles, sOZ1ales 17, 22
15
38, 1 1 0
1 0, 12, 15-
197, 207-209,
2 1 6, 222f.
25, 36, 40-42, 147, 175 23f., 35f., 38f., 1 1 0, 1 1 3,
38, 141
145, 149, 1 70, 173, 1 75,
1 81 f., 1 86, 1 90
Karneza (Sparta) Karneval
30, 57, 97
19
Kelten
87
Kirche
217, 226 21 5 25, 30, 1 1 6
kollektive Identität
42, 1 68f., 21 Of.,
Kommunikation 21 7, 222f.
1 00
H1ppodrom (Konstantinopel)
42,
Kompitalkult
143, 1 46, 148, 1 54
Konstantinopel 42, 1 68, 1 9 1 , 1 94, 196, 203-205, 209f., 2 1 6, 223f., 227f.
13
Konstantinos Tzouroukkas
195 57
Korone1a, Schlacht von 24, 56f., 72,
Isthmos, Isthmien
83, 64
1 1 0, 2 1 2-216
Janus, Janusbogen
1 42
203, 205, 224, 226 42, 1 67-198
Decennalien
167, 1 7 1 - 1 74, 1 77,
1 79-184, 1 86, 1 88, 190[, 1 93[
204
65
Korinth
74, 77, 98
Jubilarfeiern
1 92, 216
Kleidung, s. Tracht
Heroen, s. Grunderheroen
Josua Stylites
Justin H. (I
Justinian 1. (I
Kirke
75f.
Herrscherkult (s. auch Kaiserfeste) 33f.
Jahresze1ten
9-12, 14, 1 7f., 23, 40, 1 00
kommunikatives
85, 98
61, 63-66, 69
H1erophanten
1 70, 1 82,
1 90
Kapitol
1 0-12, 1 6
(hieroi nomoz)
Herakleia (Theben)
Hierarchie
Jupiter Optimus Maximus
Kalenderreform
21 8f.
Hellenenbund
194
16
1 75, 179, 197
56f., 76
Initiation, Initiationsritus
40, 57f., 75, 92
kollektives
Helios
59, 78
1 1 4, 1 1 9
Heilige Gesetze
Juden, Judentum
129, 131, 141-145, 147, 150-160,
42, 173f.
Hyakinthia (Sparta)
70, 72
Gedachtnis
Hadrian (I
Halbwachs, Maurice
Holocaust
1 57, 1 67, 21 6
77
Epiphame
1 14
Grundungsmythos
Hannibal
1 90, 1 93, 197 Julian Apostata (Kaiser)
Kalender
28, 59
Honorius (Kaiser)
Gallier, Galliersturm
78, 1 14, 121
Ephesos
Fußball
Gallienus (I
Emotionalität, Emotionstiefe Epheben
99
Galaxion
181
Eleusis, Eleusznza
Frisuren
Grunderheroen
1 1 1 f.
203-228
1 86 19
180
Elaphebolza (Hyampolis) Elephanten
144, 1 52, 1 57
96
Freud, Sigmund
Elagabal (I
25f., 29, 32f.,
177, 1 81 , 1 85, 1 93
Donativ, s. Geschenke Durkhelffi, Emile
35,
167, 1 73f., 1 79, 1 84-
Kaiserfeste (s. auch Herrscherkult) 62, 66f., 76, 89
Gymnopaidiai (Spatta)
42
1 1 5,
173, 1 81 , 205 Grimm, Gebruder
143f., 146, 1 5 1 -
(Festkalender)
70, 90,
1 1 0, 1 1 3, 123, 213-21 5, 219
Grab, Grabstein
153-155, 1 57f., 160, 1 83, 1 93
1 96
Gestirne (s. auch Kosmos)
Gladiatoren, Gladiatorensp1ele 35,
57, 91-93, 141-143, 145f., 1 50f.,
Ferialia
64, 145, 17�, 177, 181,
Gewand, s. Tracht
144f., 150-156
Fe1ertag, Festtag (s. auch flrtae)
86, 88
Diocletian (Kaiser)
Eisiteria
25,
1 54, 1 56f., 1 60
86
dies atrt, dies Alliensis 35, 157 diesJasti / nefasti 35 dies imperzz 1 67, 172, 1 77, 183, dies natales 1 55, 1 59
Eid
Geschenke
1 89, 191-1 93, 1 95, 197
Fastz Maffiiani Fastz Praenestini
64, 83, 86-88
D1ptychen
129f.
1 53
34
42, 170-178, 180,
Gesang, Sänger, s . Chöre, Chorlieder
56
1 9 1 , 1 95, 1 9 7
Vicennalien
1 82f., 1 86f., 1 90f., 1 94-196, 1 9 8
77
1 82-1 84, 187-
1 89, 194, 1 96 Tricennalien
2 1 1 , 228
vota
Gelübde,
209
173
76
D1dyma,
60, 99, 1 0 1 , 143, 145, 1 59
35f., 38, 1 4 1 - 1 43, 149-157, 1 60,
40
Quinquennalien
1 0-12
23, 27, 30, 33, 35, 38,
GelaslUs 1. (papst)
58, 126
Fackelzuge
Damostratos, Spartaner
Pythien
1 19
Jabulae praetextae
28
Dazdala (Bo10tien) damnatzo memoriae
Delphi
Etrusker
exempla maiorum, exempla virt�iis
153
dea Roma
Gedachtnistheorie Gedenktage
56, 83
Euphemios, Patriarch
142, 1 52
Crispus (Kaiser) Cumae
Ennnerungsort, s. lieu de memoire Erz1ehung Etymologte
Cornelius Scipio, L.
235
Regtster
Reg1ster
Kosmos
73f.
16, 42, 21 1-224, 228
Kränze, Siegeskränze
55, 57, 62, 73,
1 75, 177 Kreta
58, 88
Kultbild Kyme
75, 90 90
Landbegehungszeremonie
lapzs niger
Laren, Larenkult
lares Augusti
Latiner
58, 72, 74
121f.
124
146-149, 160 39, 145
1.
236 Legitimation
63, 72, 1 76, 1 7 8, 1 80,
1 87, 1 9 8
Leonidas, Spartaner
uukophryena (Magnesia)
Milch
88f.
30, 86-94
Lieder, s. Chöre, Chorlieder
lieu de memoire 34-36, 38[, 1 20,
1 24,
9-18, 22-27, 30f.,
57-68, 75f., 99-102,
127,
1 30-132,
1 42f.,
1 47f., 1 5 1 , 1 53f., 1 59 , 192, 1 97f.,
217
Lorbeer
70-72, 1 52
36f., 42, 74, 1 1 4f., 1 1 7,
1 28, 130, 1 50, 1 57, 1 73f., 1 77, 1 81 , 1 85, 1 9 1 -193, 1 97, 2 1 6
IudiApolhnares
1 1 3, 1 29f.
ludi Compitahdi
146
ludi Plebei
36
ludi Romani
30, 84, 86-94
Malalas, Johannes
83, 2 1 4
2 1 8, 221 -223
Marathon, Schlacht bei 75
55, 60f., 63,
Marathon, Polyandreion 42
1 3f.
1 09f., 124-1 3 1
Onchestos
72f.
Opfer, Opfertiere
2 1 4-216, 2 1 8f.
109f., 1 20-1 22, 1 25-
62, 70
64, 73,
28, 38, 55-59, 62,
1 94, 204, 222
Oropos
87f., 98, 1 1 2, 220, 227 55
Ovid
58f., 73
56
36, 1 1 2[, 122, 1 25, 1 57
Päane, s. Chöre, Chorlieder
lMaximian (Kaiser) 87
1 67, 1 85-1 88
1 68f., 1 83- 1 86
66f., 75, 78
Pagondas, Thebaner Panathenäen
Pantomrrnen
71
32, 56, 76
203-207, 209 , 223
Pmparonia (Argos) paterpatriae 151
60, 63f., 66
28, 84, 95
109-132
Probus (Kaiser)
57
Prozession
1 8 1 f.
1 80, 1 82f.
1 93
24f., 3 1 , 37f., 40, 56-59,
62, 66f., 70-72, 75, 77, 84, 88f., 92, 95f., 98E, 1 09, 1 14[, 125, 1 8 1 , 1 97
Purpur
34, 84
62, 99
Pyanopsia (Athen)
Regenzauber
Rinder, Stiere
Rindermast
1 1 5, 1 1 8, 1 21 , 1 27-1 29, 1 32, 1 74,
221 , 228
Sinope
90
Sklaven, Sklaverei
62, 92, l O9E., 124-
127, 1 30, 1 50, 1 79
Smyrna
90
soziale Kohärenz
26f.
Soziozentrismus (innate sociocentrism)
96f., 99f.
29, SM., 62-68, 76,
Speisung, s. Fesrmahl
Spenden, s. Geschenke
110
Spiele, s. ludi
Starue, Kultstarue
95f. 76
1 0, 1 7, 20, 23-25, 33, 37, 56-
59, 67, 72, 75-77, 1 09f., 1 1 5 f. , 1 1 9, 1 21 , 124-1 29, 1 3 1 f., 1 68f., 1 72, 176
Inversionsrirual
37, 56-60, 72, 78, 99, 102, 1 1 0,
78
Stemmen der funder
Rirual
30, 42,
9f., 1 5, 1 7, 2 1 , 23, 29, 3 1 , 35,
Sinn
Sparta, Spartaner
58
Pythlen, s. Delphi
114
1 1 0, 1 24
1 78, 1 83, 1 96f., 203-205, 207, 2 1 4,
1 1 2,
25, 3 9-41 , 1 4 1 f., 1 79 , 1 90
Ptolemäer
Seuchen
1 85, 1 93,
60, 66f., 77, 1 1 4, 1 4 1 , 1 50, 1 56-1 5 8
1 43
Porfyrius, Publilius Optatianus
Postumus (Kaiser)
216
Siegesfest (s. auch Eleutheria)
1 20, 156, 1 5 9
1 1 4, 2 1 8
35, 39, 1 1 4, 1 1 7-
195, 220
Sex
pompa, s. Prozession
Provinzen
84, 1 6 9
Septimius Sevems (Kaiser)
6 1 f., 65-68, 1 09, 1 20-127
Poplifugia
9, 1 6, 26, 32, 1 1 1 - 1 1 4,
1 59, 1 77-179, 1 8 1 , 1 85, 1 88, 1 93,
30f., 60-69, 7 5 , 78
28f.
Polybios
99
124, 1 30, 1 4 1 , 1 43f., 1 51 f., 1 56,
71, 75
Prophezeiung (s. auch Orakel)
1 70, 1 74f., 1 8 1 , 1 86, 1 88 , 1 90f., Orakel
Semantik
64f., 1 8 1 ,
66, 70, 73, 77, 94, 99, 1 5 4
Senat, Senatoren
Pontifex maxirnus
1 12, 1 1 4, 1 1 9f., 1 26, 142, 1 52-1 55,
Orchomenos
1 24-12 9
77, 8 7
Pompeius
66f., 75-77, 89f., 92f., 95, 98, 1 09f.,
Oschophoria (Athen)
42
Maxentius (Kaiser)
Megara
75
42, 1 26 , 1 73f.,
Mark Aurel (Kaiser) 178
Megalopolis
1 67, 1 84f. , 1 90
117
55
56, 60, 63
1 81
Schriftlichkeit
39
36, 2 1 5, 220,
Schlangensäule (Delphi)
Schmuck
Platalai, Schlacht bei Plutarch
Schauspieler
Schminke
94
Philosophenschulen
Platon
62
220
42, 174, 1 80
56
Plataial, Plataler
1 90
Olive, Olivenzwetg, Olivenöl
1 30, 1 57
127, 1 45
Nikomedeia
Pel1inax (Kaiser)
Pindar
42, 1 58
1 7, 60f., 63, 65-
67, 69-74, 78, 218, 227
Philotis
21 8-222
Salanlis, Schlacht bei
Salben
118
Philipp V.
1 1 1 , 120-124, 126,
1 28, 132, 212, 21
222
69
2 1 4, 2 1 9
Phalanx
Romulus (Romos)
Sabinerinnen, Raub der
72
Perser, Perserknege
Phokis
Olympia, Olympische Spiele
Magnesia am Mäander, Magneten
Matidia
96-101
1 59 , 1 73, 1 75
Nikala, Konzil von
Penaten
64,
1 49f.
Q.
Pharaonen
83
Oinomaos von Elis
26, 42
36, 21 2f.
62
Octavian, s. Augusrus
Saturnalia 1 9, 1 50 luperci, Lupercaka 1 1 5f., 1 29
Mars
66, 89f., 94,
Mysterien, Mysterienkul t
1:\:'ora, Plerre
143
Marsfeld (Rom)
97
Myrte, Myrtenzweige
Nonae Caprotinae
.. .
Marciana
25, 3 1 , 5 8 , 64-66, 89, 1 59, 1 86,
Mummius, L.
Pedius,
Ilelops 1 4, 1 6,
N euj ahrsgeschenke, s. Geschenke
ludi Victoriae, s . n",Ö';'l
Magna Mater
Monument, Bogenmonument
Münzen, Münzprägung
67f., 72, 97, 99f.
Peloponnesischer
58f.
Mond, s. Gesritne
1 88, 1 93
Pausanias (spartanischer König)
Pelasger
Minyas von Orchomenos
Nerva (Kaiser)
37, 1 1 4
ludi saeculares
96-100
86, 89, 91
Nero (Kaiser)
1 1 3 , 1 30, 1 5 7
ludi Megalenses
62
Milet, l\fi1esler
Nemea, Nemeen
1 1 3, 1 30
ludi Florales
30, 84, 96-101
1 68, 1 73 , 1 75-177, 1 79-198, 226
ludi (s. auch Gladiatorenspiele, Toten feier)
Messemen, Messene
Messemsche Kriege
60
Leulcippos von Magnesia
237
Register
Register
110
95, 97, 1 2 1 , 145f.
Sulla, L. Cornelius
1 7, 58, 64f., 901 58f.
Symbolik, symbolische Handlung
14f., 2 1 , 25, 3 1 , 41 , 59, 70, 74, 76, 169, 1 76, 2 1 1 -2 1 7
238
Symmachus 195, 225 s. Festmahl Tacitus (KaIser) 1 82 Tanz, Tänzer (s. auch
63f., 88, 1 1 8 TropaWJI
29, 73, 77, 1 1 7
1 14,
1 1 6f, 129f, 1 56, 203, 206, 210, 68-70, 72-74, 76,
78, 87
Theodench der Große 1 97, 21 4f., 217 Theodosius II. (Kaiser) 1 95f. Thermopylen, Schlacht bei den 60f, 63, 69, 76 Tbesmopboria
30, 58, 76
30
Thessalien 69, 88 Tiberius (l(aiser) 89, 155, 157, 1 7 1 f., 1 74, 1 97
Tierhatz, s. venatJones Totengedenken, Totenfeier
109, 1 1M ., 129,
1 3 1 , 1 41 , 222 venatioms
223f.
Theseus, Tbeseia
Über die Herausgeber und Autoren
62f
Varro, M. Terentius
Tegea, Tegeaten 66 Tetrardue 183-187 Theater, Theateraufführungen
Theben, Thebaner
56, 60,
Troja, TrojaIuscher Krieg
Syssition,
58, 60,
62, 67-69, 75, 1 10, 1 58
Tracht 7 1 , 99, 1 24, 1 8 1 , 2 1 8 Gewänder 57, 62, 70-72, 9 1 , 94, 1 10, 1 16, 1 97, 218, 226
Trajan (KaIser) 42, 148, 1 58, 1 73 TrlUmph, Triumphzug 37, 1 1 5, 142, 1 77f, 1 83-186, 1 93, 195, 1 97f
1 1 4, 203-228
Vermögensklassen 38 Vibius SalutarJs 25 VIruS
39, 143, 145-150, 1 54f., 160
Volcanal 1 2 1 f. vota, s. Gelubde Waffen Tanz 56f., 76 Training 55f. Wagenrennen 1 14, 1 32, 204, 206, 208, 21 2-214, 21 6f., 21 9-221, 223
Weihnachten, Weihnachtsfest 26 Wem, Weingenuß 62, 1 24, 21 8 Zeus 58, 62, 66, 88, 2 1 5 Zeus Eleuthenos 65f Zeus Soslpoli� 90, 92 Zirkus (s. auch Htppodrom)
25, 37f.,
1 1 6, 1 42, 1 58, 204-207, 209-216, 21 7f., 224, 228 206f., 209f., 2 1 9, 221 214f., 219
Hans Beck, geboren 1969, 1st John MacNaughton Professor und Director of Classical Studies an der McGill University in Montreal. Seine Forschungs schwerpunkte liegen in der griechischen Geschichte der klassischen der römischen Republik und in der antiken Historiographie. Zur Zeit bereitet er einen Blackwell Companion to Ancient Greek Government vor und zusam men mit Peter Funke, an einem Band zu den griechischen Bundesstaaten. Von 2005 bis 2010 war er lYfitherausgeber des Brill's New J acoby. Seine wichtigsten Publikationen sind: Polis und Koinon, Stuttgart 1 997; Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfange des curiNS honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005; Die Frühen Römischen Historiker I2/II. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Hans Beck und Uwe Walter, Darmstadt 2005/2004; John Buckler und Hans Beck, Central Greece and the Politics of Power in the Fourth Century BC, Cambridge 2008; Hans Beck, Peter Scholz, Uwe Walter (Hgg.), Die Macht der Wenigen. Aristokratische Herrschaftspraxis, Kommunikation und edler Lebensstil in Antike und Früher Neuzeit, Nlünchen 2008. Ra!fBehrwald, geboren 1 967, ist seit 2007 Professor für Alte Geschichte an der Universität Bayreuth. Studium in Tübingen und Perugia, Promotion in Chem, nitz 1 998, Habilitation in Bamberg 2004, Wissenschaftlicher Assistent in Chemnitz und Bamberg, 2003/4 Fellow in Byzantine Studies in Dumbarton Oaks, 2005-2007 Akademischer Rat an der LMU München. Forschungs schwerpunkte: Geschichte und Epigraphik Kleinasiens, griechische Historio graphie und dle Stadt Rom in der Spätantike. Wichtigste Publikationen: Der Lykische Bund. Untersuchungen zu Geschichte und Verfassung, Bonn 2000; Hellenika von Oxyrhynchos, Darmstadt 2005; Die Stadt als Museum? Die Wahrnehmung der Monumente Roms in der Spätantike, Berlin 2009. 1 960, ist seit 2006 Professor für Alte Geschichte an der MatthätlS Heil, TU Berlin. Studium der Fächer Geschichte, Deutsch und Griechisch in Würz burg und Marburg, 1 987-1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Marburg, 1 992 Promotion (Würzburg), 1 993-2006 Wissenschaftlicher Ange stellter an der Berlin-Brandenburgischen i\kademie der Wissenschaften beim Projekt Prosopographia Impmi Romani, 2002-2006 Arbeitsstellenleiter bei diesem Projekt, 2005 Habilitation an der TU Berlin, seit 2006 von der Berlin-Branden burgischen Akademie der Wissenschaften beurlaubt. Veröffentlichungen: Die orientalische Außenpolitik des Kaisers Nero, München 1 997; als Nlitautor und Herausgeber beteiligt an vier Bänden der Prosopographia Imperii Romani (19982009); viele Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden, u.a. Sozialer
Herausgeber und Autoren
240
Abstieg: Beredtes Schweigen?, in: W. Eck, M. Heil (Hgg.), Senatores populi Romani, Stuttgart
2005, 295-31 2;
Der Senat; Der Ritterstand, in: K-P. Johne
u.a. (Hgg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Berlin
Mischa Meier,
geboren
1971 ,
ist seit
2004
2008, 7 1 5-736; 737-776.
Professor für Alte Geschichte an der
Universität Tübingen. Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Pädagogik in Bochum
(1 991-1 996), 1 998
Promotion in Bochum;
Wissenschaftlicher As sistent in Bielefeld, dort
2002
assistent in Bonn. Wichtigste Publikationen:
Habilitation,
1 999-2004 2004 Ober
Aristokraten und Damoden.
Untersuchungen zur inneren Entwicklung Spartas
im 7.
Jh. v. Chr. und zur
politischen Funktion der Dichtung des Tyrtaios, Stuttgart
1 998;
Das andere
Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im
6. 2003, 2. Auflage 2004; Justinian. Herrschaft, Reich und Religion, München 2004; Richard Wagners Der Ring des Nibelungen und die Griechische Antike. Zum Stand der Diskussion, Göttingen 2005; Anastasios 1. Die Entstehung des Byzantinischen Reiches, 2009.
Jahrhundert n. Chr., Göttingen
Rene Pfeilschifter,
1 97 1 ,
ist Wissenschaftlicher A ssistent am Institut für
Geschichte der TU Dresden. Studium der Alten Geschichte und der Klassi
schen Philologie an der IMU München,
2006-2008 Feodor Lynen-Forschungs
stipendiat an der Pennsylvania State University. Er hat über die römische Griechenlandpolitik um Göttingen
200 v.Chr. promoviert (Titus Quinctius Flamininus, 2005) und eine Reihe von Arbeiten zur politischen Kultur der römi
schen Republik vorgelegt, u.a. Martin J ehne und Rene Pfeilschifter (Hgg.) , Herrschaft ohne Integration? Rom und Italien in republikanischer Zeit, Frankfurt am Main
2006.
Zur Zeit bereitet er ein Buch über die soziopolitische
Stellung des spätantiken Kaisers vor.
Hans-Ulrich Wiemer,
geboren
1 96 1 ,
ist seit
2006
Professor für Alte Geschichte
an der Universität Gießen. Er hat in Marburg und Oxford Geschichte und Klassische Philologie studiert, wurde war
1 99 4-2004
Universität Marburg, und
2008/9
1 994 promoviert und 2000
habilitiert. Er
Wis senschaftlicher Assistent, später Hochschuldozent an der
2004-2006 Forschungsassistent
Gerda Henkel Fellow an der Brown
schwerpunkte liegen
im
an der Universität Zürich Seine Forschungs
Hellenismus und in der Spätantike. Zur Zeit arbeitet er
an einer Biographie Theoderichs des Großen und
mit Stefan Rebenich,
einen Band über Johann Gustav Droysen vor. Wichtigste Publikationen: Liba nios und Julian. Studien zum Verhältnis von Rhetorik und Politik hundert n.Chr., München Historiographie, Frankfurt
1 995; am
Main
2001;
2005;
Jahr
Handel und Piraterie. Unter
suchungen zur Geschichte des hellenistischen Rhodos, Berlin der Große, München
im 4.
Rhodische Traditionen in der hellenistischen
2002;
Alexander
als Herausgeber: Staatlichkeit und politisches
Handeln in der römischen Kaiserzeit, Berlin und New York 2006.