Wilfried Krüger Excellence in Change
Wilfried Krüger
Excellence in Change Wege zur strategischen Erneuerung 4., über...
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Wilfried Krüger Excellence in Change
Wilfried Krüger
Excellence in Change Wege zur strategischen Erneuerung 4., überarbeitete und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Professor Dr. Wilfried Krüger ist ordentlicher Professor (em.) für Unternehmensführung und Organisation an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Hauptarbeitsgebiete sind, neben dem Management des Wandels, Strategisches Management, Kernkompetenz-Management sowie Organisationsmanagement. Er ist der Praxis unterrichtend und beratend verbunden.
Mitglieder der SGO (Schweizerische Gesellschaft für Organisation und Management) erhalten auf diesen Titel einen Nachlass in Höhe von 10 % auf den Ladenpreis.
1. 2. 3. 4.
Auflage Auflage Auflage Auflage
2000 2002 2006 2009
Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Ulrike Lörcher | Katharina Harsdorf Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Umschlaggrafik: Grafik-Design Peter Möhrle, Radolfszell Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1253-4
Geleitwort
Geleitwort zur 4. Auflage Veränderung und Entwicklung machen auch vor dem Werk Excellence in Change nicht Halt. Schon nach drei Jahren ist wieder eine neue Auflage erforderlich. Dies ermöglicht Anpassungen und Ergänzungen, was dem Standardwerk neue Aktualität und Relevanz verleiht. Es ist sehr erfreulich zu beobachten wie breit und häufig Excellence in Change in der Praxis, in der Schulung und in der Wissenschaft eingesetzt wird. Wilfried Krüger und sein Team haben viel Arbeit in diese 4. Auflage investiert. Dafür bedanke ich mich im Namen der SGO Stiftung sehr herzlich. Ich wünsche dem Werk weiterhin viel Erfolg und hoffe, dass es das Dezennium vital und mit ungebrochener Akzeptanz überschreiten wird. Zürich, im März 2009
Dr. Markus Sulzberger Präsident der SGO Stiftung
Geleitwort zur 1. Auflage Tiefgreifender Wandel in den wirtschaftlichen, soziokulturellen, politisch-rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen von Unternehmungen und öffentlichen Institutionen führt zu einem erheblichen Veränderungsdruck. Die hohe Zahl von Fusionen, die immer kürzeren Reorganisationszyklen und die diskontinuierliche Entwicklung verdeutlichen, daß sich Unternehmungen entweder aus eigener Kraft und aus eigenem Antrieb verändern müssen oder zum Spielball von extern gesteuerten Veränderungen werden. Mit der vorliegenden Publikation erscheint bereits das achte Werk in der Edition SGO im Gabler Verlag. Die erfreulichen Absatzzahlen dieser Reihe zeigen, daß die Grundidee von konzeptionell anspruchsvollen und gleichzeitig praxisorientierten Veröffentlichungen bei einer breiten Leserschaft Anklang gefunden hat. Es ist uns ein großes Anliegen, diese interessante Arbeit fortzuführen. Wir haben uns daher entschlossen, die Forschungsaktivitäten der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation (SGO) per 1.1.2000 in
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Geleitwort
die neu geschaffene SGO-Stiftung zu überführen. Auf diese Weise können wir uns noch besser auf die Entwicklung neuer Wissensbausteine und deren Verbreitung in Publikationen, Tagungen und Seminaren konzentrieren. Die Forschung und Praxis zum organisatorischen Wandel sind durch eine große Vielfalt konzeptioneller Ideen und Vorgehensmodelle gekennzeichnet. Ganzheitliche Konzepte mit einem ausgeprägten Gestaltungsanspruch sind noch eher selten. Genau diese Lücke schließt die Publikation Excellence in Change. Es ist Wilfried Krüger und seinem Autorenteam gelungen, ein gleichzeitig theoretisch fundiertes, konzeptionell ausgereiftes und sehr praxisorientiertes Werk vorzulegen. Es fokussiert nicht nur auf einzelne Ansätze des organisationalen Wandels, sondern entwickelt eine Gesamtkonzeption, die aufzeigt, wie Unternehmungen den Pfad der kontinuierlichen strategischen Erneuerung beschreiten können. Neben Fragen der strategischen Planung und der Steuerung von Veränderungsprojekten werden u.a. auch der Stellenwert des Topmanagements im Unternehmungswandel, die Thematik der Verhaltensänderungen, Fragen der Kommunikation und des Wandlungscontrolling erörtert. Die hervorragende Leistung von Wilfried Krüger und seinem Team verdient große Anerkennung in mehrfacher Hinsicht. Obwohl sieben Autoren und Autorinnen an der Erarbeitung der Publikation beteiligt waren, ist das Werk konzeptionell ausgewogen und in sich schlüssig. Die interessanten Ausführungen sind mit einer Vielzahl illustrativer Praxisbeispiele ergänzt. Aufgrund des in jedem Kapitel gegenwärtigen zugrundeliegenden Modells hebt sich die vorliegende Publikation wohltuend von der Vielzahl fragmenthafter und allzu stark vereinfachender Betrachtungen der Unternehmungsentwicklung ab. Führungskräfte erhalten mit diesem Werk ein äußerst nützliches Arbeitsinstrument, das ihnen dabei hilft, Prozesse des Wandels besser zu gestalten und in den übergeordneten Kontext der Unternehmungsentwicklung einzuordnen. Forschende finden viele Anregungen für eigene Projekte und fruchtbare Diskussionen. Ich wünsche diesem Buch die ihm gebührende, breite und engagierte Leserschaft. Zürich, im April 2000
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Dr. Markus Sulzberger Präsident der SGO-Stiftung
Vorwort
Vorwort zur 4. Auflage Seit einigen Jahren befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer umbruchartigen Veränderung. Die aktuelle Finanzkrise kommt verschärfend und alles überlagernd hinzu. Nun muss sich zeigen, inwieweit die schon erreichten Veränderungen dazu beigetragen haben, die Unternehmungen krisenfester und zukunftsfähiger zu machen. Zukunftsfähigkeit beruht entscheidend auf Wandlungsfähigkeit. Und damit ist ein Hauptthema dieses Buches angesprochen, das nun aktueller denn je ist. Erfolgreich sind tiefgreifende Veränderungen, wenn es gelingt, dem sachlich notwendigen Wandlungsbedarf mit dem Willen zur Veränderung und den erforderlichen Fähigkeiten zu begegnen. Das Spannungsfeld aus Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit bildet den Kern des sog. 3W-Modells, das den Orientierungsrahmen für unsere Arbeit bildet. Darauf aufbauend soll dieses Buch die theoretische Erklärung und die praktische Bewältigung tiefgreifenden und weitreichenden Wandels vorantreiben bzw. unterstützen und damit einen Beitrag zur Krisenbewältigung und strategischen Erneuerung der Wirtschaft leisten. Es richtet sich an die verantwortlichen Führungskräfte der Wirtschaft, ihre Stäbe und Berater sowie an fortgeschrittene Studenten der Organisations- und Führungslehre und ihre Dozenten. Die erste Auflage war das Resultat eines mehrjährigen Forschungsprojekts, das vom Team des Lehrstuhls für Organisation, Unternehmungsführung, Personalwirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen gemeinsam konzipiert und durchgeführt wurde. Maßgebliche finanzielle, aber auch ideelle und fachliche Förderung erfuhr das Projekt seinerzeit durch die Schweizerische Gesellschaft für Organisation, vertreten durch Herrn Dr. Markus Sulzberger, bei dem ich mich für seine kameradschaftliche Kooperation besonders herzlich bedanken möchte. In die vierte Auflage sind zum einen unsere mittlerweile gewonnenen Erfahrungen mit der Anwendung und Umsetzung des Konzepts in Vorträgen, Seminaren sowie Beratungs- und Entwicklungsprojekten eingeflossen. Zum anderen wurden neue Entwicklungen von Theorie und Praxis berücksichtigt, dies insbesondere im Hinblick auf die krisenartige Wirtschaftslage. Bei unverändertem Ge-
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Vorwort
samtkonzept des Buches beziehen sich die Änderungen und Ergänzungen neben einer durchgehenden Aktualisierung und Erweiterung der Praxisbeispiele vor allem auf die:
Krisen- und Turnaround-Situationen und deren Bewältigung,
Umgestaltung von Wertschöpfungsarchitekturen und Geschäftsmodellen,
Konfigurierung von Wandlungsprojekten im Sanierungsfall einerseits, bei M&A-Vorhaben andererseits,
Formen und Möglichkeiten der virtuellen Kooperation und interaktiven Wertschöpfung mit Hilfe des Web 2.0,
Aufgaben und Rollen von Topmanagern in Veränderungsprozessen,
Entstehung und Bewältigung von Führungsdefiziten,
Methoden und Techniken zur Unterstützung von Wandlungsvorhaben.
Ich danke unseren Praxispartnern für die Hinweise und Abdruckgenehmigungen, Herrn Dipl.-Kfm. Christian Konz, M.A./UWM für die Zuverlässigkeit und Professionalität in der Projektkoordination und die akribische technische Betreuung, Frau Beate Lind im Sekretariat für die bewährte Hilfe bei der Texterstellung und -korrektur, Frau Dipl.-Kff. Juliane Stahl für Korrekturhinweise, sowie dem Gabler Verlag, vertreten durch Frau Ulrike Lörcher, für die partnerschaftliche Abwicklung. Ein ganz persönlicher Dank geht an mein Autorenteam. Dass wir uns über wachsende zeitliche und berufliche Distanzen hinweg zu dieser neuen Auflage zusammengefunden haben, zeigt mir einmal mehr die persönliche Verbundenheit und die konzeptionelle Gemeinsamkeit der Beteiligten. Dies gehört für mich zu den schönsten und besten Erfahrungen der letzten Jahre. Gießen, im Januar 2009
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Wilfried Krüger
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Geleitwort zur 4. Auflage................................................................... 5 Geleitwort zur 1. Auflage................................................................... 5 Vorwort zur 4. Auflage ....................................................................... 7 Inhaltsverzeichnis ............................................................................... 9 Teil A: Konzeption des Wandlungsmanagements Kapitel 1 Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement Wilfried Krüger........................................................................................ 19 1.1 Charakteristik des Unternehmungswandels...................... 21 1.1.1 Wandel als Daueraufgabe und Arbeitsform ........... 21 1.1.2 Wandel als Management von Gegensätzen ............ 22 1.2 Koordinaten des Wandels..................................................... 27 1.2.1 Wandlungsbedarf ....................................................... 27 1.2.2 Wandlungsbereitschaft .............................................. 30 1.2.3 Wandlungsfähigkeit ................................................... 32 1.3 Komponenten des Wandlungsmanagements .................... 36 1.3.1 Wirkungszusammenhänge........................................ 36 1.3.2 Wandlungsprozesse: Aufgaben und Phasen des Wandels festlegen ....................................................... 38 1.3.3 Strategie: Fokus und Stoßrichtung des Wandels bestimmen ................................................................... 39 1.3.4 Topmanagement: Wandel vorantreiben und ermöglichen ................................................................. 40 1.3.5 Einstellungen und Verhalten: Wandel in den Köpfen verankern ....................................................... 41 1.3.6 Projekt- und Programm-Management: Organisation für Wandel schaffen............................ 42 1.3.7 Human Resource Management: Personelle Veränderungen bewirken .......................................... 42 1.3.8 Kommunikation: Einheitliches Verständnis erzeugen....................................................................... 43 1.3.9 Controlling: Prozess- und Ergebnistransparenz sichern .......................................................................... 43 1.3.10 Toolbox: Wandlungsaufgaben instrumentieren ..... 44
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2 Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme Wilfried Krüger ........................................................................................45 2.1 Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung..............................................................................48 2.1.1 Begriff der strategischen Erneuerung.......................48 2.1.2 Umgestaltung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsarchitekturen ...................................51 2.1.3 Konfigurationsmanöver .............................................54 2.1.4 Objekte und Formen des Wandels............................56 2.1.5 Stoßrichtungen des Wandels: Abbau, Umbau und Aufbau ..................................................................60 2.1.6 Wandel in Turnaround- und Krisensituationen......63 2.1.7 Tiefgreifender Wandel im Prozess der Unternehmungsentwicklung.....................................68 2.2 Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)......................................................68 2.2.1 Vorgehensmodell ........................................................68 2.2.2 Initialisierung...............................................................70 2.2.3 Konzipierung...............................................................73 2.2.4 Mobilisierung...............................................................75 2.2.5 Umsetzung ...................................................................78 2.2.6 Verstetigung.................................................................81 2.3 Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms ..84 2.3.1 Fragestellungen ...........................................................84 2.3.2 Festlegung der Teilprojekte .......................................84 2.3.3 Sequenzen, Überlappungen und Parallelläufe bestimmen....................................................................86 2.3.4 Arbeitsteilung zwischen Management-, Ausführungs- und Unterstützungsaufgaben vorsehen ......87 2.3.5 Aufgaben und Phasen des Wandels festlegen ........88 2.3.6 Beispiel Sanierungsvorhaben ....................................89 2.3.7 Beispiel M&A-Vorhaben ............................................91 2.4 Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung..........92 2.4.1 Kanalisierter Wandel als Herausforderung.............92 2.4.2 Ermöglichung emergenter Veränderungen.............94 2.4.3 Kombination intendierten und emergenten Wandels im Gegenstromverfahren ...........................98 2.5 Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration).......102
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Inhaltsverzeichnis
2.6
2.5.1 Charakteristik der Collaboration............................ 102 2.5.2 Formen der Collaboration ....................................... 104 Zusammenfassung............................................................... 112
Teil B: Erfolgsbestimmende Komponenten des Wandels Kapitel 3 Strategische Optionen der Erneuerung Norbert Bach / Christian Homp.......................................................... 117 3.1 Ebenen der strategischen Erneuerung .............................. 120 3.2 Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene ............................................ 121 3.2.1 Konzentration und Diversifikation ........................ 121 3.2.2 Strategische Optionen als Normstrategien im Wandlungsportfolio ................................................. 123 3.3 Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen.............................................................................. 127 3.3.1 Transfer: Potentiale mehrfach nutzen .................... 127 3.3.2 Präferenzpolitik: Schärfen des Unternehmungsprofils............................................. 131 3.3.3 Rückzug: Trennung von Verlustgeschäften .......... 132 3.4 Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen ............................................................................ 134 3.4.1 Entwickeln: Wachstum durch Potentialaufbau .... 134 3.4.2 Ergänzung: Potentiale vervollständigen................ 138 3.4.3 Fokussierung: Stärkung der Kernleistung ............ 140 3.5 Zusammenfassung............................................................... 142 Kapitel 4 Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels Wilfried Krüger...................................................................................... 143 4.1 Rollenprofil des Topmanagements.................................... 146 4.1.1 Fragestellung............................................................. 146 4.1.2 Rollenverhalten in Transformationsprozessen ..... 146 4.1.3 Rollenerwartungen an Führungskräfte ................. 148 4.2 Strategische Imperative des Topmanagements................ 152 4.2.1 Transformationsprozesse steuern und kontrollieren!............................................................. 152 4.2.2 Widerstände überwinden, Akzeptanz erzeugen!. 160 4.2.3 Wandel emotional absichern!.................................. 168
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Inhaltsverzeichnis
4.3
4.4
4.2.4 Implementierung gestalten!.....................................171 4.2.5 Rahmenbedingungen für Unternehmungsentwicklung schaffen!...............................................177 Umgang mit Führungsdefiziten.........................................182 4.3.1 Entstehung von Führungsdefiziten ........................182 4.3.2 Überbrückung von Führungsdefiziten ..................183 Zusammenfassung ...............................................................190
Kapitel 5 Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter Norbert Bach..........................................................................................193 5.1 Aktion und Reaktion in sozialen Systemen ......................196 5.2 Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle ..................199 5.2.1 Mentale Modelle als Speicher handlungsleitenden Wissens ...................................199 5.2.2 Mentale Modelle prägen Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz.................................................203 5.2.3 Zielgruppen der Promotoren und Opponenten ...205 5.3 Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top downVorgehen................................................................................208 5.3.1 Gestaltung der Aktivierungssituation zur Umsetzung .................................................................208 5.3.2 Problemverifikation zur Verankerung der Wandlungsergebnisse...............................................212 5.4 Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Bottom upVorgehen................................................................................216 5.4.1 Enabling-Prozess als notwendige Voraussetzung........................................................................216 5.4.2 Durchsetzung nach Genehmigung durch das Topmanagement........................................................218 5.5 Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie .....221 5.5.1 Energieverläufe in Wandlungsprozessen ..............221 5.5.2 Competing Commitments produktiv nutzen .......225 5.6 Zusammenfassung ...............................................................228 Kapitel 6 Projekt- und Programm-Management Carsten R. Brehm / Sven Hackmann / Dietgard Jantzen-Homp .....231 6.1 Organisatorische Verankerung des Wandlungsmanagements....................................................234
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Inhaltsverzeichnis
6.2
6.3
6.4
6.5
6.1.1 Tagesgeschäft vs. Wandlungsgeschäft ................... 234 6.1.2 Überwindung von Trägheit als Herausforderung ...................................................... 235 Projektmanagement und Projektteams als Grundlage ... 236 6.2.1 Projekte und Projektmanagement .......................... 236 6.2.2 Aufbau und Entwicklung des Projektteams ......... 237 Management und Organisation von Wandlungsprogrammen..................................................... 243 6.3.1 Programm-Management ist Management von Projekten .................................................................... 243 6.3.2 Aufgaben des Programm-Managements .............. 244 6.3.3 Programmorganisation und ihre Bausteine .......... 250 6.3.4 Anbindung der Sekundärorganisation an die Primärorganisation................................................... 258 6.3.5 Programm-Büro als Integrator................................ 259 6.3.6 Collaboration – Virtualisierung von Zusammenarbeit in Wandlungsprogrammen ...... 264 Wandlungsfähige Organisation ......................................... 265 6.4.1 Organisatorische Wandlungsfähigkeit als Ziel..... 265 6.4.2 Charakteristik einer wandlungsfähigen Organisation .............................................................. 267 Zusammenfassung............................................................... 270
Teil C: Unterstützende Komponenten des Wandels Kapitel 7 Human Resource Management im Wandel Larissa Becker ....................................................................................... 275 7.1 Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen................ 278 7.1.1 Abbau durch Personalfreisetzung.......................... 278 7.1.2 Umbau durch Austausch oder Versetzung ........... 289 7.1.3 Aufbau durch Personalbeschaffung....................... 293 7.2 Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen........... 295 7.2.1 Personalentwicklung................................................ 295 7.2.2 Personalführung ....................................................... 297 7.2.3 Führungs- und Anreizsystem ................................. 300 7.3 Unterstützung der Verstetigung durch Personalmanagement .......................................................... 303 7.4 Zusammenfassung............................................................... 305
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 8 Kommunikation im Wandel Carsten R. Brehm ..................................................................................307 8.1 Kommunikation als Katalysator im Wandel ....................310 8.1.1 Ausgangspunkt und Gegenstände der Kommunikation ........................................................310 8.1.2 Kommunikation zur Aktivierung und Modifikation mentaler Modelle ..............................311 8.2 Grundlagen der Kommunikation ......................................312 8.2.1 Verständnis von Kommunikation...........................312 8.2.2 Ziele und Wirkungen von Kommunikation in Veränderungsprozessen...........................................314 8.2.3 Kombination unterschiedlicher Kommunikationsformen..........................................315 8.3 Kommunikation im Wandlungsprozess ...........................317 8.3.1 Kommunikationsstrategische Überlegungen........317 8.3.2 Initialisierung.............................................................320 8.3.3 Konzipierung.............................................................321 8.3.4 Mobilisierung.............................................................325 8.3.5 Umsetzung .................................................................327 8.3.6 Verstetigung...............................................................329 8.4 Auswahl und Einsatz von Kommunikationsinstrumenten ..........................................330 8.4.1 Effiziente Kommunikation und geeignete Instrumente................................................................330 8.4.2 Kommunikation im Wandel 2.0 – Möglichkeiten neuer Kommunikationsformen...............................333 8.5 Zusammenfassung ...............................................................335 Kapitel 9 Controlling der strategischen Erneuerung Norbert Bach / Henrik Steinhaus ........................................................337 9.1 Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling .............................................................................340 9.1.1 Controllingverständnis und Ziele der Transformation ..........................................................340 9.1.2 Ebenen, Aufgaben und Träger des Wandlungscontrollings ............................................342 9.2 Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen...347
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Inhaltsverzeichnis
9.3
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9.2.1 Regelgrößen in Transformationsprozessen........... 347 9.2.2 Kostenrechnung in Transformationsprozessen .... 350 9.2.3 Kostenschätzung im Rahmen der Programmplanung ................................................... 352 9.2.4 Steuerung und Kontrolle im Transformationsprozess........................................... 357 Controlling der Verstetigung ............................................. 362 9.3.1 Aufgaben des Verstetigungscontrollings .............. 362 9.3.2 Organisatorische Verankerung im Office of Strategy Management .............................................. 364 Zusammenfassung............................................................... 365
Kapitel 10 Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager Carsten R. Brehm / Thorsten Petry .................................................... 367 10.1 Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung.... 370 10.1.1 Einordnung der Toolbox in das Gesamtkonzept.. 370 10.1.2 Ziele und Funktionen des Tooleinsatzes ............... 371 10.1.3 Anwender und Anwendungssituation.................. 373 10.1.4 Einschränkungen und Benutzerhinweise.............. 373 10.2 Darstellung ausgewählter Tools ........................................ 374 10.2.1 Ausgewählte Tools im Überblick ........................... 374 10.2.2 Tools in der Initialisierung ...................................... 375 10.2.3 Tools in der Konzipierung....................................... 382 10.2.4 Tools in der Mobilisierung ...................................... 388 10.2.5 Tools in der Umsetzung........................................... 395 10.2.6 Tools in der Verstetigung......................................... 399 10.3 Auswahlkriterien der Tools und Anpassung der Box..... 401 10.4 Zusammenfassung............................................................... 403 Teil D: Management Summary Kapitel 11 Agenda für das Wandlungsmanagement Wilfried Krüger...................................................................................... 407 Autorenverzeichnis......................................................................... 415 Literaturverzeichnis........................................................................ 419 Stichwortverzeichnis....................................................................... 443
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TEIL A: KONZEPTION DES WANDLUNGSMANAGEMENTS
Charakteristik des Unternehmungswandels
1.1
Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Kapitel 1
Wilfried Krüger
19
Charakteristik des Unternehmungswandels
1.1
Leitgedanken zu Kapitel 1 Strategische Erneuerung, welchen Typs und welchen Inhalts auch immer, braucht ein Rahmenkonzept, das wie eine Blaupause bzw. ein Architekturmodell die Problemfelder des Wandels strukturiert und zueinander in Beziehung setzt. Ein solches Rahmenkonzept wird hier mit dem sog. 3W-Modell vorgestellt. Diese Bezeichnung rührt von den Koordinaten des Wandels her, von deren Spannungsfeld jeder Wandlungsprozess geprägt wird und die alle Kapitel des Buches durchziehen: Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft, Wandlungsfähigkeit. Die neun Komponenten des 3W-Modells, die sich sozusagen im Fadenkreuz der genannten ‚3W‘ befinden, werden in den Kapiteln 2 - 10 behandelt. Sie sind eingeteilt in erfolgsbestimmende Komponenten (Teil B) und unterstützende Komponenten (Teil C). Das 3WModell ist beides: ein Beschreibungs- und Erklärungsmuster für die Theorie des Wandels und ein Bezugsrahmen für das Management des Wandels. Die Lektüre von Kapitel 1 hat damit eine doppelte Funktion: Sie gibt dem Leser ein Orientierungsmodell an die Hand und bietet ihm zugleich eine Zusammenfassung der markantesten Punkte des Buches.
1.1
Charakteristik des Unternehmungswandels
1.1.1
Wandel als Daueraufgabe und Arbeitsform
Dieses Buch behandelt die Probleme und Lösungsansätze tiefgreifenden und weitreichenden Unternehmungswandels, bei dem eine umfassende strategische Erneuerung, eine Transformation der Unternehmung bzw. der Geschäfte (Corporate bzw. Business Transformation), angestrebt wird. Beispiele hierfür sind:
Strategiewechsel, Änderung des Geschäftsmodells, M&A-Vorhaben, Optimierung der Wertschöpfungsarchitektur, Einführung einer neuen Organisationsstruktur, funktions- und bereichsübergreifende Verbesserungsinitiativen.
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Häufig reichen solche Vorhaben über die herkömmlichen Unternehmungsgrenzen hinweg. Wandel findet dann gemeinsam mit externen Partnern statt (sog. Koevolution). Eine erfolgreiche strategische Erneuerung mündet zukünftig nicht mehr – wie in der Vergangenheit – in einen Zustand der ‚Organisationsruhe’. Externe wie interne Impulse erzeugen immer wieder neue Wandlungsnotwendigkeiten. Wandel wird dadurch von einem einmaligen Projekt zu einer ständigen Herausforderung. Wandel ist eine Daueraufgabe. Dies gilt nicht nur für Führungskräfte oder gar nur für die Unternehmungsspitze. Vielmehr sind auch die Mitarbeitenden auf breiter Basis und in starkem Maße vom Unternehmungswandel betroffen bzw. aktiv an ihm beteiligt. Insofern gehören ‚Wandel‘ und die damit verbundene Arbeit z.B. in Projektteams, Erfahrungsaustauschgruppen und Communities of Practice heute zu den Aufgaben jeder Stelle einer Unternehmung. „Business Transformation has become a central way of working“, so die mehrheitlich akzeptierte Auffassung europäischer Führungskräfte (Capgemini 2008, S. 6). Zu prüfen ist daher, welche Besonderheiten ‚Wandel als Arbeitsform’ aufweist.
1.1.2
Wandel als Management von Gegensätzen
Problemstellung Bei intensiver Beschäftigung mit Theorie und Praxis des Unternehmungswandels stößt man immer wieder darauf, dass sich erfolgreicher Wandel aus ganz gegensätzlichen Quellen speist. So gibt es z.B. einerseits den strikt geplanten und konsequent durchgesetzten Turnaround-Prozess. Andererseits kann ein sich spontan entwickelnder, unvorhergesehener Wandel zu innovativen Produkten, neuen Geschäften oder neuen Kernfähigkeiten führen.
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Die Lehre, die sich aus diesen wie anderen Gegensätzen ziehen lässt, lautet: Management (des Wandels) kann nicht gelingen als ‚Entweder-oder-Management’. Gefragt ist eine Handhabung des ‚Sowohl-als-auch’. Wandlungsverantwortliche müssen Gegensätze beherrschen bzw. ausbalancieren. In ähnlichem Zusammenhang spricht Knut Bleicher von Management von Paradoxien (vgl. 2004), Dieter Gebert von Dilemma-Management (vgl. 2004). Es scheint,
Charakteristik des Unternehmungswandels
1.1
dass gerade solche Unternehmungen, die sich als ‚Musterbrecher’ erfolgreich gegen einen allgemeinen Trend behaupten oder durchsetzen, Paradoxien beherrschen (vgl. Wüthrich et al. 2006). Die für eine allgemeine Charakteristik des Geschehens wichtigsten Gegensätze werden im Folgenden skizziert.
Tagesarbeit und Entwicklungsarbeit! Ein grundlegendes Dilemma ist bereits mit der Notwendigkeit der Unternehmungsentwicklung verbunden. Unternehmungen müssen hart arbeiten, um ihr Tagesgeschäft im Wettbewerb erfolgreich zu bewältigen. Zugleich aber sind die dabei erreichten Ergebnisse und ihr Zustandekommen immer wieder zu hinterfragen. Hartnäckiges Verfolgen gesetzter Ziele und konsequentes Nachhalten vereinbarter Prozeduren und Regelungen muss einhergehen mit ihrem ebenso konsequenten Infragestellen. Diese Spannungen auszuhalten und aktiv zu gestalten – und dies ohne Blockaden und Pattsituationen – verlangt besondere Führungskunst.
Intendierter und emergenter Wandel! Komplexe Systeme und Prozesse zeigen eine erhebliche Eigendynamik. Dadurch bleiben auch die Möglichkeiten eines ‚durchgeplanten’ Wandels begrenzt. Zu unterscheiden ist daher zwischen intendiertem Wandel, der absichtsvoll geplant wurde, und solchen Veränderungen, die sich spontan und unvorhersehbar aus verschiedensten Impulsen heraus ergeben, in der Theorie als emergenter (eigendynamischer) Wandel bezeichnet (vgl. Krüger 2004a, Sp. 1606). Das Entstehen ungeplanter Veränderungsprozesse setzt Handlungsfreiräume und die Möglichkeit zur spontanen und vielseitigen Interaktion voraus. Für die Unternehmungsleitung bedeutet dies, dass sie Wandel nicht nur in ihrer herkömmlichen Rolle als Promotor ‚von oben’ inhaltlich bestimmt und steuert, sondern auch Prozesse und Prozeduren gestaltet und ermöglicht, in denen sich Ideen und Impulse ‚von unten’ entfalten können. Sie rückt mithin in eine Rolle ein, die als ‚Emergenzenabler’ zu bezeichnen wäre (vgl. Krüger 2002, S. 245ff.). Der intendierte Wandel bildet zwar den Hauptgegenstand dieses Buches, aber emergente Prozesse werden in den Gesamtzusammenhang einbezogen, so insbesondere in Kapitel 2.4.2 sowie 4.2.5.
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Evolutionärer und revolutionärer Wandel! Emergenter Wandel kann zu einem Schwungrad der Entwicklung werden. Dies betrifft zwar weniger die einmaligen größeren Wandlungsprojekte (fundamentaler, revolutionärer Wandel), umso mehr aber die vielen kleinen Veränderungen (inkrementeller, evolutionärer Wandel), die erforderlich sind, um eine kontinuierliche Entwicklung der Unternehmung zu gewährleisten. Damit ist ein weiterer Gegensatz angesprochen, das Begriffspaar ‚evolutionär – revolutionär’. Die Frage ist, ob die Veränderung möglichst in einem großen Sprung oder eher in vielen kleinen Schritten erfolgen soll, ob der Wandel also revolutionär (Umbruchsmodell) oder evolutionär (Evolutionsmodell) auszugestalten ist. In der Theorie wurde in dem Zusammenhang ein Gleichgewichtsmodell des Wandels (‚punctuated equilibrium’) entwickelt, wonach es in Unternehmungen längere Phasen relativer Ruhe gibt, in denen lediglich Wandel in kleinen Schritten stattfindet. Diese ‚Ruhephasen’ werden von instabilen Phasen der Transformation unterbrochen (vgl. Romanelli/Tushman 1994). Letztlich ist es eine empirische Frage, welche Bedeutung derartige Verläufe haben. Aus konzeptioneller Sicht ist die Gleichgewichtsvorstellung allerdings zu kritisieren (vgl. Gebert 2000). Einerseits gibt es in Unternehmungen ständig akzelerierende und retardierende Kräfte, deren Interaktion darüber bestimmt, ob und in welchem Umfang Veränderungen ausgelöst werden. Wandel ist insofern als Kraftfeld widerstreitender Kräfte und strategischer Vorhaben (‚issues’) zu erklären (vgl. auch Nutt et al. 2000), eine Perspektive, die hier mit der Kategorie des ‚Einflussmanagements’ erfasst wird. Andererseits lassen sich in einem konkreten Wandlungsprogramm ‚Revolution’ und ‚Evolution’ durchaus sinnvoll miteinander verbinden, um so die Vorteile zu bündeln, die Nachteile aber auszugleichen. Das fünfphasige Prozessmodell, das diesem Buch zugrunde liegt, ist so ausgelegt, dass es derartige Kombinationen ermöglicht. Zum einen könnte ein revolutionäres Konzept in einer evolutionären Umsetzungsphase schrittweise verwirklicht werden. Zum anderen könnte auf eine durchgeführte umbruchartige Änderung in der Verstetigungsphase ein stetiger Strom evolutionärer Verbesserungen folgen.
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Charakteristik des Unternehmungswandels
1.1
Zu prüfen ist u.a., welches Maß an Wandel die Mitarbeiter bzw. das System Unternehmung verarbeiten und verkraften können. ‚Umbruch‘ und ‚Evolution‘ stellen also auch ein Problem der Schrittlänge (Pacing) des Wandels dar. Davon gedanklich zu trennen ist die Frage, ob der Wandel ‚Top down‘ oder ‚Bottom up‘ erfolgt und ob eher direktiv oder partizipativ vorgegangen wird (vgl. im Einzelnen Kap. 4). Umbruch erfolgt nicht zwingend ‚von oben‘ und schließt Partizipation nicht aus, genauso wenig, wie Evolution ‚von unten‘ erfolgen muss bzw. zwangsläufig die Mitwirkung breiter Kreise bedeutet. Das Umbruchsmodell spiegelt sich exemplarisch im Business Reengineering wider, Evolutionsdenken ist charakteristisch für kontinuierliche Verbesserungsprozesse, so z.B. für das Six Sigma-Konzept. Für das Umbruchsmodell sprechen insbesondere die Schnelligkeit des Vorgehens und die Möglichkeit, gesamthafte Ergebnisse ‚wie aus einem Guss‘ zu erzielen. Vor allem in Krisensituationen wird daher regelmäßig auf das Umbruchsmodell gesetzt. Manche Probleme enthalten auch Sachzwänge, die insbesondere in der Einführung ein schrittweises Vorgehen verbieten. Das ‚Umlegen des Schalters‘ oder das ‚Durchtrennen des Bandes‘ z.B. symbolisieren den schlagartigen Übergang von einem Systemzustand zum nächsten. Bedenken gegen den Umbruch resultieren aus Akzeptanz- und Widerstandsüberlegungen (‚Man muss die Leute da abholen, wo sie sind.‘) sowie aus der mangelnden Vorhersehbarkeit und Planbarkeit sämtlicher Details in einem ‚Generalplan‘. Für das Evolutionsmodell sprechen die Beherrschbarkeit und Risikoarmut kleiner Schritte sowie die hohe Akzeptanz kleiner Veränderungen, die ‚natürlich’ wirken. Dagegen ist einzuwenden, dass Evolutionsprozesse mehr Zeit verbrauchen, als heutzutage im Allgemeinen zur Verfügung steht und dass eine Vielzahl kleiner Schritte nicht ausreicht, um grundsätzlich veränderte Verhältnisse zu schaffen.
Proaktiver und reaktiver Wandel! Dass sich Unternehmungen wandeln wollen, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass dieses Buch überhaupt geschrieben wurde. Passives Verhalten bleibt hier also außer Ansatz. Aktives Verhalten vorausgesetzt, ist zu klären, ob frühzeitig, also proaktiv, oder abwar-
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1
Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
tend, also reaktiv, agiert werden soll. Abgesehen von der Mentalität der Entscheider, die den ‚Draufgänger’ ebenso kennt wie den ‚Zauderer’, gilt es, einige Sachargumente bei der Verhaltenswahl zu bedenken. Proaktive Verhaltensweisen werden üblicherweise mit ‚Pionier‘ oder ‚Leader‘ assoziiert. Das logische Gegenstück hierzu bilden die ‚Follower‘. Die Vorteile des Leaders sind die Nachteile des Followers und umgekehrt. Der Pionier kann durch sein proaktives Verhalten:
eine starke Marktposition erreichen, Wettbewerbsvorteile gewinnen, Kundenbindung erzeugen, Kosten- und Erlösvorteile ausnutzen (Abschöpfungsstrategie), Spielregeln und Marktstandards beeinflussen bzw. bestimmen, Markteintrittsbarrieren gegenüber Nachahmern errichten, Handlungsspielraum aufbauen und behalten. Wer nicht proaktiv handelt, sondern reaktiv, also abwartend und zögernd, verhält sich als Follower. Auch dafür lassen sich durchaus gute Gründe nennen. Durch reaktives Verhalten kann der Follower:
Erfahrungen des Pioniers nutzen, mit geringeren Entwicklungs- und Wandlungskosten rechnen, Fehler und Umwege der Erstentwicklung vermeiden, auf hohe Akzeptanz am Markt wie innerhalb der Unternehmung setzen,
geringe Kosten für den Marktaufbau kalkulieren. Die Vorteile proaktiven Verhaltens sind beeindruckend. Sie fallen desto stärker ins Gewicht, je rascher sich externe Entwicklungen ändern und je ambitionierter die Unternehmungsziele sind. Wettbewerbsvorteile oder gar Marktführerschaft lassen sich zumindest auf Dauer ohne Proaktivität nicht realisieren. Wer Marktführer sein will, muss ‚Wandlungsführer‘ werden.
26
Koordinaten des Wandels
1.2
Letztlich gilt: das Aktionsmuster ist mit den Gegebenheiten der Unternehmungssituation in Einklang zu bringen. Dies kann gleichermaßen das rasche Ausnutzen von Chancen bedeuten (‚window of opportunity‘) oder den Start aus der zweiten Reihe, wie gelegentlich bei Übernahmen zu beobachten. Das besonnene Warten kann ebenso zum Erfolg beitragen wie das gezielte Hinarbeiten auf eine günstige Situation. Aber in jedem Fall gilt der berühmte Satz, dass die Geschichte denjenigen bestraft, der zu spät kommt (Gorbatschow). ‚Renovieren’ im Sinne einer regelmäßigen Verbesserung ist in jedem Fall besser als ‚Reparieren’, also das Bewältigen einer Krise. Unternehmungen wie der HENKEL Konzern oder die VOITHGruppe stehen für ein Konzept vorausschauender Veränderungsprogramme (vgl. Scheiter et al. 2003).
1.2 1.2.1
Koordinaten des Wandels Wandlungsbedarf
Wandlungsprozesse bedürfen einer Kursbestimmung. Hierzu dienen drei gedankliche Koordinaten: Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit. Sie sind Bestandteil eines Analyserasters der geplanten (intendierten) strategischen Erneuerung, der die Grundlage dieses Buches bildet und zugleich einen Bezugsrahmen für das praktische Vorgehen darstellt (vgl. Abb. 1/1). Zur sprachlichen Vereinfachung als 3W-Modell bezeichnet, wird dieses Orientierungsmodell jedem Kapitel vorangestellt. Dreh- und Angelpunkt jeder Veränderung ist das Bewältigen des sachlich notwendigen Wandlungsbedarfs. Es ist eine der Hauptaufgaben der Unternehmungsspitze, derartige Notwendigkeiten zu erkennen und Wandlungsprozesse einzuleiten. Unternehmungen, die sich passiv oder zu zögerlich verhalten, fallen im Wettbewerb zurück und schwächen ihre Position. Dass Stillstand Rückschritt bedeutet, gilt mehr denn je. Insofern existiert, schon von außen betrachtet, immer ein mehr oder minder großer Wandlungsbedarf, der durch Wandlungsprozesse zu decken ist.
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1 Abbildung 1/1
Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Orientierungsmodell der strategischen Erneuerung (3W-Modell)
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Den Ausgangspunkt eines Wandlungsprozesses bildet der Wandlungsbedarf. Darunter ist das Ausmaß der sachlich notwendigen Veränderungen der Unternehmung, ihrer Teilbereiche und Mitglieder sowie ihrer externen Kopplungen mit marktlichen und außermarktlichen Anspruchsgruppen zu verstehen. Für erfolgreichen Wandel muss das objektiv Notwendige auch subjektiv wahrgenommen werden. Nur ein erkannter und anerkannter Wandlungsbedarf führt zu Veränderungsprozessen.
Wandel wird aber nicht nur von außen erzwungen und findet dann als Reaktion statt. Er kann und muss auch von innen getrieben werden, sei es, dass neue Ziele gesetzt oder dass neue Möglichkeiten gesehen und genutzt werden. Der Pionier passt sich nicht reaktiv an, sondern gestaltet proaktiv. Er ist nicht ‚Anpasser‘, sondern ‚Gestalter‘, und er definiert und bestimmt den Wandel auf der Grundlage eigener Ideen und Vorstellungen. Welche Wandlungsbedarfe im Einzelfall existieren, hängt einerseits von der Wettbewerbssituation, andererseits von den angestrebten
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Koordinaten des Wandels
1.2
Wettbewerbsvorteilen ab. Idealtypisch lassen sich fünf Fälle unterscheiden, die isoliert oder in Kombination auftreten können: Kosten- und Preiswettbewerb: Billiger! Die vielfältigen Programme zur Kostensenkung beherrschen das Bild der letzten Jahre. Kostensenkung kann zwar die Rendite verbessern, ist aber für sich genommen noch keine strategische Erneuerung, führt nicht zu Wachstum. Der Hinweis auf ‚umkämpfte, gesättigte Märkte’, in denen man nicht anders überleben könne, ist in jedem Fall kritisch zu hinterfragen, denn Märkte (und Konjunkturen) sind nicht gegeben, sondern werden gemacht. Qualitäts- und Leistungswettbewerb: Besser! Unternehmerische Leistung besteht nicht im Sparen, sondern darin, neue oder bessere Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung zu finden, Märkte oder Marktsegmente als solche überhaupt erst zu sehen und zu entwickeln, neue oder verbesserte Produkte und Leistungen anzubieten. Zeit- und Responsewettbewerb: Schneller! Verkürzung von Prozesszeiten, vor allem in kritischen Prozessen, z.B. in der Belieferung, der Produktentwicklung oder Auftragsabwicklung, aber auch die Verkürzung von Antwortzeiten oder die Erhöhung der Termintreue spielen in vielen Branchen eine erhebliche Rolle. Technologiewettbewerb: Innovativer! In vielen industriellen Branchen stellt der Einsatz neuer Technologien einen Motor der Veränderung dar. Nur Firmen, die rechtzeitig neue Technologien entwickeln oder einsetzen, sind dort auf Dauer überlebensfähig. Dies betrifft Basistechnologien, die zu völlig neuen Märkten und Produkten führen (z.B. Lasertechnologie, Nanotechnologie), ebenso wie Technologien, die herkömmliche Produkte und Verfahren verändern (z.B. Klebetechnik im Fahrzeug- und Flugzeugbau, Hybridantriebe). Geschäftsmodell-Wettbewerb: Anders! Herkömmliche Wertketten werden zunehmend aufgebrochen. An die Stelle hochintegrierter Konzerne treten fokussierte Spezialfirmen, vielfach in Netzwerken verbunden. Ein ‚Hersteller’ wie ADIDAS zieht sich aus traditionellen industriellen Wertkettenbestandteilen wie Beschaffung, Produktion und Montage zurück und konzentriert sich auf Entwicklung, Design und Vermarktung. Stammhaus-Konzerne schaffen interne Märkte, auf denen Produktionsstandorte um Fertigungsaufträge konkurrie-
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
ren. Verallgemeinert ausgedrückt: herkömmliche Geschäftsmodelle und Branchenstrukturen verändern sich, und es findet ein Wettbewerb um das beste Geschäftsmodell statt. Alle Formen des Wettbewerbs sind offenkundig mit hohen Wandlungsbedarfen verbunden. Wettbewerb und Wandel sind geradezu synonym. Dennoch ist die Auslösung einer Veränderung im Einzelfall keineswegs einfach. Der objektiv notwendige Wandel, wie ihn z.B. ein Außenstehender diagnostizieren würde, und der subjektiv wahrgenommene und akzeptierte Wandlungsbedarf fallen nicht selten auseinander. Insbesondere die unterschiedlichen Interessenlagen und Machtpositionen der Stakeholder sind maßgebend dafür, ob ein Wandlungsproblem als solches überhaupt gesehen und ob es als lösungsbedürftig eingestuft wird.
1.2.2
Wandlungsbereitschaft
Ein Schlüssel zu erfolgreichem Wandel ist die Wandlungsbereitschaft. Sie umfasst die auf inneren Einstellungen sowie auf Nutzenkalkülen beruhende Haltung gegenüber den Zielen und Maßnahmen des Wandels (Einstellungsakzeptanz) sowie die Neigung, aktiv am Wandel mitzuwirken (Verhaltensakzeptanz).
‚Bereitschaft zum Wandel’, insbesondere also die Wandlungsmotivation der Mitarbeiter, ist für das Gelingen eines Veränderungsprozesses von entscheidender Bedeutung, dies zeigen auch empirische Ergebnisse (vgl. Vahs/Leiser 2003, S. 69ff.). Mangelnde Akzeptanz von notwendigen Änderungen ist mit Sicherheit eine der häufigsten und schmerzlichsten Alltagserfahrungen, die Promotoren des Wandels immer wieder machen müssen. Insbesondere fallen auch die ‚bekundete’ und die ‚gelebte’ Wandlungsbereitschaft auseinander. Akzeptanzbarrieren führen einerseits dazu, dass sich Wandlungsbedarfe aufbauen, denen nicht entsprochen wird (‚Nachholbedarf/Reformstau‘), und sie bewirken andererseits, dass ein erheblicher Problemdruck (‚Leidensdruck‘) nötig ist, um eine Kurskorrektur vorzunehmen. Zugespitzt formuliert, ergibt sich daraus
30
Koordinaten des Wandels
1.2
eine Sentenz, der erfahrene Praktiker nicht ohne resignierenden Unterton zustimmen: Ohne Krise kein Wandel. Es zeichnet den erfolgreichen Wandlungsmanager aus, dass er es schafft, diese Formel zu durchbrechen und einen grundlegenden Wandel auch ohne Krise zu gestalten. Grundlage hierfür ist die Kenntnis der Einflussfaktoren der Wandlungsbereitschaft (vgl. Abb. 1/2, nach Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006).
Abbildung 1/2
Wandlungsbedarf Wandlungsbedarf erkannt erkannt
ZielZiel bekannt bekannt + + positiv positiv bewertet bewertet
Personeller Veränderungswille Personeller Veränderungswille
SachbezogeneRahmenbedingungen Rahmenbedingungen Sachbezogene
Einflussfaktoren der Wandlungsbereitschaft
Wandlungserfolg Wandlungserfolg wahrscheinlich wahrscheinlich
Es gilt der Seneca zugeschriebene Ausspruch: Wir tun nicht deswegen nichts, weil die Lage so ernst ist, sondern die Lage ist so ernst, weil wir nichts tun.
Es gibt zunächst eine situationsunabhängige Wandlungsbereitschaft. Sie wird durch sachbezogene Rahmenbedingungen, wie z.B. wandlungsfördernde Anreizsysteme, ebenso geprägt wie durch den personellen Veränderungswillen, der sich z.B. in solchen Persönlichkeitsmerkmalen wie Neugierde und Experimentierfreude ausdrückt. Die situationsabhängige Wandlungsbereitschaft betrachtet
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1
Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
dagegen die aktuelle Lage. Eine hohe Bereitschaft zum Wandel ist nur dann zu erwarten, wenn die Beteiligten 1. den konkreten Wandlungsbedarf erkennen, 2. das angestrebte Ziel kennen und positiv beurteilen, 3. ein Erreichen des Ziels für wahrscheinlich halten. Das Wecken und Steigern der Wandlungsbereitschaft ist eine wesentliche Aufgabe des Wandlungsmanagements. Die Wandlungsbereitschaft bestimmt darüber, wer sich als Befürworter (Promotor) oder Gegner (Opponent) des Wandels verhält bzw. wer unentschlossen ist (Indifferente). Die Beeinflussung der Wandlungsbereitschaft durchzieht mehrere Kapitel dieser Schrift, so insbesondere Kapitel 4 (Topmanagement), Kapitel 5 (Einstellungen und Verhalten) und Kapitel 7 (Human Resource Management), aber auch Kapitel 8 (Kommunikation).
1.2.3
Wandlungsfähigkeit
Die Wandlungsfähigkeit bezeichnet die auf geeigneten Befähigern beruhende Möglichkeit eines Einzelnen bzw. einer Organisationseinheit oder der Unternehmung insgesamt, Wandlungsprozesse erfolgreich durchzuführen. Neben personellen Befähigern (z.B. Wissen und Können der Beteiligten) sowie unternehmungsbezogenen (z.B. flexible Strukturen und Prozesse) sind auch technische Befähiger von Bedeutung (z.B. modularer Aufbau von Produktions- oder Informationstechnik).
32
Der Unternehmungserfolg wird zukünftig in starkem Maße von der Wandlungsfähigkeit aller Ebenen geprägt werden. Nur wandlungsfähige Unternehmungen sind nachhaltig zukunftsfähig. Zukunftsfähigkeit basiert auf Wandlungsfähigkeit (vgl. Krüger 2006a). Die unternehmungsbezogenen Voraussetzungen hierfür sind in den letzten Jahren in vielen Fällen verbessert worden. Die Unternehmungen sind schlanker und beweglicher geworden. Es gilt jetzt, dabei nicht stehen zu bleiben, der Sehnsucht nach Ruhe nicht dau-
Koordinaten des Wandels
1.2
erhaft nachzugeben, sondern weitere Erneuerungsprozesse in Angriff zu nehmen. Wandlungsbezogenes Wissen und Können der Manager und Mitarbeiter sind in der Unternehmung zu halten und zu entwickeln. Zu ihrer Entfaltung ist eine wandlungsfreundliche Organisationsumgebung erforderlich. Dazu gehören zunächst eine innovations- und wandlungsorientierte Strategie und Kultur der Unternehmung. Die Primärorganisation (Strukturen und Prozesse) muss Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aufweisen, und es müssen Bausteine der Sekundärorganisation (z.B. Teams, Workshops, Communities of Practice) vorhanden sein. Organisation wird von Systemen flankiert (z.B. Managementsysteme, Anreizsysteme). Auch die materielle Infrastruktur ist zu erwähnen. Im produzierenden Gewerbe spielen produktionstechnische Befähiger eine herausragende Rolle, also z.B. ein flexibler Maschinenpark. Nicht zuletzt ist die Verfügbarkeit von finanziellen Potentialen von Bedeutung. Dabei entstehen die Fähigkeiten höherer Referenzebenen (z.B. Unternehmung) erst aus der Integration der Fähigkeiten niedrigerer Ebenen (z.B. Teilbereiche, Einzelpersonen). Umgekehrt gilt, dass die Subsysteme bzw. die Unternehmung insgesamt durch eine entsprechende Infrastruktur und geeignete Einzelmaßnahmen erheblich zur Kultivierung individueller Fähigkeiten beitragen. Die Wandlungsfähigkeit einer Unternehmung ist Teil der unternehmungsweiten Fähigkeiten (synonym: organisationale oder organisatorische Fähigkeiten). Der Grundgedanke des Konzepts der organisatorischen Fähigkeiten besteht darin, dass Wettbewerbsvorteile nicht in den sichtbaren und bewertbaren Ausprägungen von Strukturen und Prozessen bestehen, sondern in den quasi dahinter liegenden, sich in Strukturen und Prozessen erst entfaltenden Fähigkeiten einer Unternehmung. Diese ‚organizational capabilities’ stellen spezifische Routinen dar, also Standards oder Vorgehensmuster der Aufgabenerfüllung (vgl. Winter 2003, S. 991). In einer formalen Betrachtung geht es bei den organisatorischen Fähigkeiten um drei aufeinander aufbauende Kategorien (vgl. zum Folgenden Krüger 2006b; Winter 2003; Teece et al. 1997; Collis 1994; ähnlich aus Kernkompetenzsicht Krüger/Homp 1997, S. 41ff.). Zunächst gilt es, Basisfähigkeiten zu bestimmen. Damit sind solche organisatorischen Fähigkeiten gemeint, die ein System für die laufende Aufgabenerfüllung (‚Tagesgeschäft’) benötigt. Eine am Markt
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1
Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
erfolgreiche Unternehmung, die ihre seitherigen Geschäfte professionell betreibt und sich damit quasi im Gleichgewicht befindet, übt Basisfähigkeiten aus. Sie besitzt gegebenenfalls ‚Standard Operation Procedures (SOP´s)’, also Basisstandards, nach denen vorgegangen wird. Im Einzelfall kann es sich dabei um gänzlich unterschiedliche Fähigkeiten handeln. Ein Industriebetrieb, der Fertigprodukte aus angelieferten Bauteilen herstellt und anschließend vertreibt, benötigt z.B. andere Fähigkeiten als ein unabhängiges Forschungs- und Entwicklungszentrum, dessen Aufgabe die Neuproduktentwicklung ist. Jede Art von Weiterentwicklung und Veränderung des Tagesgeschäfts verlangt Fähigkeiten, die über die Basisfähigkeiten hinausgehen, also Fähigkeiten höherer Ordnung darstellen. In der Literatur wird hierzu der Begriff ‚dynamic capabilities’ verwendet. Unternehmungen, die über Routinen für Veränderungen verfügen, besitzen dynamische Fähigkeiten. Aus Sicht des 3W-Modells sind dynamische Fähigkeiten mit Wandlungsfähigkeiten gleichzusetzen. Dabei lassen sich analytisch zwei Stufen unterscheiden: dynamische Fähigkeiten 1. und 2. Ordnung. Dynamische Fähigkeiten 1. Ordnung liegen vor, wenn sich eine Unternehmung reaktiv an Umweltveränderungen anpassen bzw. proaktiv eigene Veränderungen durchführen kann. Sie entstehen nicht schon bei einmaliger Durchführung eines Veränderungsvorhabens oder wenn man sich überwiegend auf externe Berater stützt. Erst wiederholter Wandel führt zu Einsichten und Erfahrungen, die sich zu einem Muster erfolgreicher Veränderungsprozesse verdichten lassen. So entstehen Routinen des Wandels, also Veränderungsstandards. Praxisbeispiele hierfür liefern vor allem die Vorgehensmodelle, Methoden und Techniken der Projektarbeit, die den Beteiligten als Arbeitsgrundlage dienen. Ein professionelles Projektmanagement repräsentiert dann dynamische Fähigkeiten 1. Ordnung.
Dynamische Fähigkeiten 1. Ordnung können die Grundlage für externes Wachstum sein, so bei wiederholten Firmenübernahmen z.B. durch CISCO oder E.ON zu sehen. Beide Firmen besitzen spezifische Standards für die erfolgreiche Identifikation, Übernahme und Integration von Targets. Internes Wachstum hat IKEA perfektioniert. Ein spezielles Expansionsteam wird
34
Koordinaten des Wandels
1.2
bei Neuansiedlungen überall in Europa tätig: Grundstückskauf, Personaleinstellung, Bau der Möbelhallen. Zwei Monate vor Eröffnung kommt eine zweite Gruppe zum Einsatz, die im ersten Jahr die neue Niederlassung zum Laufen bringt, bevor eine lokale Organisation das Geschäft fortführt (Quelle: von Krogh/Cusumano 2001, S. 96). Alle diese Unternehmungen haben durch mehrfache Durchführung gleichartiger Aktionen ein standardisiertes Vorgehen (eine Routine) entwickelt, das unternehmungsweit zur Verfügung steht.
Die höchste Stufe in dieser Pyramide der Fähigkeiten (dynamische Fähigkeiten 2. Ordnung) ist erreicht, wenn Unternehmungen kollektive Lern-, Entwicklungs- und Innovationsfähigkeiten besitzen. Diese Fähigkeiten 2. Ordnung dienen dazu, Fähigkeiten 1. Ordnung sowie Basisfähigkeiten zu generieren und zu verändern. Es handelt sich also um Standards zur Veränderung von Standards. Das dabei angestrebte Leitbild ist die Unternehmung als evolvierendes, entwicklungsfähiges System (vgl. auch Kirsch 1997). Erreicht werden soll, dass eine Unternehmung nicht nur in der Lage ist, Wandel durch herkömmliche Projektarbeit zu leisten. Wandlungsprozesse sollten permanent und eng verzahnt mit den täglichen Geschäftsprozessen ablaufen. Wandel ist zu verstetigen und als kontinuierlicher Strom von Entwicklungsimpulsen zu organisieren. Es geht darum, Wandlungsfähigkeit zu einer Kernkompetenz zu machen (vgl. Krüger/Homp 1997). Diesem Ziel und damit der Zukunftsfähigkeit von Unternehmungen dient u.a. die letzte Phase des Wandlungsprozesses im 3W-Modell sowie das Gegenstromverfahren als Orientierungsmodell für den Unternehmungsprozess. Einen deutlichen Beleg für den hohen Stellenwert der Wandlungsfähigkeit in der Praxis liefert auch eine europaweite Studie, die von der BOSTON CONSULTING GROUP in Kooperation mit der EUROPEAN ASSOCIATION FOR PERSONNEL MANAGEMENT durchgeführt wurde. Demnach erwarten die befragten Führungskräfte, dass die Entwicklung zu einer lernenden Organisation eine von fünf kritischen Fähigkeiten darstellt, die zukünftig von hoher Bedeutung sein werden (vgl. BCG 2007, S. 16ff.)
Ein Beispiel für kollektive Lern- und Entwicklungsprozesse bietet das sog. Community Management der BAYER AG. Zielgruppe sind die konzernweit verteilten Spezialisten der breiten Palette von Unterstützungsfunktionen (z.B. Controlling, Law & Patents, HR, Procurement). Sie werden durch verschiedene organisatorische Regelungen und Plattformen koordiniert,
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
und fachlich geführt, aber auch entwickelt. Dazu gehören zunächst je nach Bedarf Workshops und Fachmeetings. Für die Arbeit in den jeweiligen Fachgruppen sind sodann mehr als ein Dutzend sog. Community Councils zuständig. Sie werden von Coordination Boards unter der Leitung eines Mitglieds des Konzernvorstands geführt, denen die zuständigen Vorstandsmitglieder der Teilkonzerne, die Geschäftsführer der Servicegesellschaften und die Leiter der jeweiligen Konzernfunktion angehören. Die Kommunikation und Interaktion in diesem Netzwerk trägt dazu bei, die Basisfähigkeiten der beteiligten Funktionen konzernweit zu fördern und zu verbessern. Insofern handelt es sich um einen Ansatz, der sich den organisatorischen Fähigkeiten 2. Ordnung zurechnen lässt.
1.3
Komponenten des Wandlungsmanagements
1.3.1
Wirkungszusammenhänge
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen geplante, tiefgreifende und weitreichende Veränderungen. Wenn im weiteren Verlauf ohne weiteren Zusatz von Wandlungsmanagement gesprochen wird (synonym: Transformationsmanagement, Management der strategischen Erneuerung) ist immer diese Form intendierten Wandels gemeint. Darauf bezieht sich auch das Orientierungsmodell (3W-Modell), dessen neun Komponenten des Wandlungsmanagements die Gliederung des Buches bestimmen: Wandlungsprozesse (Kap. 2), Strategien (Kap. 3), Topmanagement (Kap. 4), Einstellungen und Verhalten (Kap. 5), Projekt- und Programm-Management (Kap. 6), Human Resource Management (Kap. 7), Kommunikation (Kap. 8), Controlling (Kap. 9), Toolbox (Kap. 10).
36
Komponenten des Wandlungsmanagements
1.3
Diese Komponenten des geplanten Wandels sind auf vielfältige Weise ineinander verwoben.
Abbildung 1/3
Beziehungen zwischen den Komponenten realisieren Erfolgsbestimmende Komponenten
Strategie Kap. 3
ändert Topmanagement prägt Kap. 4 ändert treibt
erfordert
verfordert langen
Projekte-/ Programme Kap. 6 trägt ändert
Basiskomponente
Wandlungsprozess Kap. 2
durchzieht Unterstützende Kommunikation Komponenten Kap. 8 instrumentiert
unterstützt HRM Kap. 7 instrumentiert
Einstellungen und Verhalten Kap. 5
überwacht Controlling Kap. 9 instrumentiert
Toolbox Kap.10
Diejenigen Wirkungszusammenhänge, die in diesem Buch untersucht bzw. zugrunde gelegt werden, verdeutlicht Abbildung 1/3. Den Mittelpunkt des Geschehens bildet der Wandlungsprozess. Er stellt die Basiskomponente des Modells dar und wird demgemäß in Kapitel 2 behandelt. Der Prozess wird von drei Komponenten geprägt und getragen (Strategie, Topmanagement, Organisation) und prägt seinerseits die Komponente ‚Einstellungen und Verhalten’. Erst mit geänderten Einstellungen und Verhaltensweisen kann ein transformativer Wandel realisiert werden. Dies gilt für alle Mitglieder der Unternehmung, die vom Wandel betroffen sind, und insbesondere die Mitarbeiter. Mitglieder, die aktiv in das Projekt eingebunden sind, werden von Betroffenen zu Beteiligten, getreu der Implementierungsempfehlung: ‚Betroffene zu Beteiligten machen’. In dem Schema von Abbildung 1/3 sind sie dann Teil des Projektund Programm-Managements.
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Strategie, Topmanagement, Projekt- und Programm-Management, Einstellungen und Verhalten besitzen eine herausgehobene Bedeutung für den Erfolg des Wandlungsprozesses und werden daher im Teil B ‚Erfolgsbestimmende Komponenten’ zusammengefasst. Kommunikation, Human Resource Management und Controlling helfen den Wandlungsverantwortlichen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Dabei kann auf eine Reihe von Methoden und Techniken zurückgegriffen werden, die insgesamt die Toolbox des Wandlungsmanagements ausmachen. Diesen vier Komponenten kommt eine Supportfunktion zu, weshalb sie dem Teil C ‚Unterstützende Komponenten’ zugeordnet sind.
1.3.2
Wandlungsprozesse: Aufgaben und Phasen des Wandels festlegen
Unternehmungswandel spielt sich auf drei unterschiedlichen Prozessebenen ab, die im Zusammenhang gesehen und gestaltet werden müssen. Prozess der Unternehmungsentwicklung (Makroprozessebene)
Auch im Leben einer Unternehmung gibt es unterschiedliche Stadien, z.B. Pionierstadium, Markterschließung, Reifestadium.
Essenz der Unternehmungsentwicklung sind die Übergänge von einem zum anderen Stadium. Sie sind mit spezifischen Krisenpotentialen behaftet, die Risiken und Chancen gleichermaßen enthalten.
Diese Übergangsprozesse sind nichts anderes als ein tiefgreifender und weitreichender Wandel, es sind Transformationsprozesse (synonym: Prozesse der strategischen Erneuerung). Transformationsprozess (Mesoprozessebene)
Dieser Prozess beschreibt die verschiedenen Aktivitäten eines tiefgreifenden und weitreichenden Unternehmungswandels, die erforderlich sind, um die Übergangsstadien der Unternehmungsentwicklung geordnet zu bewältigen (vgl. Kap. 2.2.1).
38
Komponenten des Wandlungsmanagements
1.3
Transformationsprozesse umfassen sowohl sachbezogene Aufgaben des Wandlungsmanagements als auch personenbezogene.
Transformationsaufgaben sind regelmäßig nicht durch ein abgegrenztes Projekt allein zu erfüllen, sondern bedingen die Formulierung eines umfassenden Programms.
Die Umsetzung des Transformationsprogramms geschieht durch einzelne Projekte. Projektprozess (Mikroprozessebene)
Projekte sind zeitlich abgegrenzte Vorhaben, die relativ neuartig und komplex sind und die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten erfordern.
Projekte können in jedem Stadium der Unternehmungsentwicklung sowie während der Übergangsstadien gestartet werden.
Innerhalb der Übergangsstadien werden Projekte für unterschiedliche Teilprobleme und Phasen des Transformationsprozesses eingerichtet. Den Ausgangspunkt dieses Buches und damit die Basiskomponente des 3W-Modells bildet der Transformationsprozess. Er beschreibt die zu bewältigenden Aufgaben in ihrer sachlogischen Abfolge. Wie alle Erfahrungen zeigen, sind diese Aufgaben weitestgehend verallgemeinerungsfähig. Sie sind also von den Verantwortlichen durchzuführen, gleichgültig, um welche Branche oder um welche konkreten Unternehmungsstrategien es geht.
1.3.3
Strategie: Fokus und Stoßrichtung des Wandels bestimmen
In sachlicher Hinsicht ist Wandel Ausdruck der Unternehmungsstrategie. Erkannte Wandlungsbedarfe führen zu veränderten oder neuen strategischen Zielen, die durch geeignete Maßnahmenprogramme erreicht werden sollen (= Strategien). Von den Stoßrichtungen her betrachtet, geht es dabei immer um Strategien des Abbaus, Umbaus oder Aufbaus von Geschäften. Diese Strategien sind gleichbedeutend mit umfangreichen Veränderungsprozessen.
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
Im Mittelpunkt von Kapitel 3 steht dementsprechend die Erörterung der möglichen strategischen Optionen, die, einzeln oder in Kombination, den Inhalt der strategischen Erneuerung ausmachen. Ihr Fokus kann primär die Änderung von Ressourcen und Fähigkeiten sein (strategische Potentiale) oder die Stellung im Markt und Wettbewerb (strategische Positionen). Die Entwicklung eines Autos mit Hybridantrieb (TOYOTA) ist z.B., isoliert betrachtet, eine Potentialveränderung. Es versteht sich, dass daraus im günstigsten Fall auch eine Positionsverbesserung entstehen kann. Die LINDE AG hat sich auf das Geschäft mit Industriegasen konzentriert. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Gabelstaplergeschäft aufgegeben (‚Abbau’) und einer der Hauptkonkurrenten im Geschäft mit Industriegasen übernommen (‚Aufbau’). Diese Akquisition veränderte unmittelbar die weltweite Marktposition. Durch geeignete Integrationsmaßnahmen (‚Umbau’) entstanden in der Folge erhebliche Synergieeffekte, also spürbare Potentialvorteile.
1.3.4
Topmanagement: Wandel vorantreiben und ermöglichen
Ein grundlegender, tiefgreifender Wandel muss in jedem Fall von der obersten Führungsebene getragen bzw. mitgetragen werden, wenn er erfolgreich sein soll. Dass es sich dabei um einen besonders wichtigen, wenn nicht sogar den bedeutsamsten, kritischen Erfolgsfaktor des Wandels handelt, zeigt sich immer wieder auch in empirischen Studien (siehe zuletzt Capgemini 2008, S. 12). Dabei darf zwar die Rolle des mittleren Managements nicht unterschätzt werden, und selbstverständlich können auch andere Führungskräfte oder Mitarbeiter bereits zu Beginn des Prozesses impulsgebend tätig werden. Kraftvolle und glaubwürdige Führung ist und bleibt aber ein Grundelement jedes Wandlungsprozesses. Topmanager sind daher aufgefordert, als Promotoren des Wandels zu wirken. Dies betrifft den geplanten, intendierten Wandel. Topmanager sollten sich aber auch der Bedeutung des ungeplanten, emergenten Wandels bewusst sein und hierfür als Enabler des Wandels fungieren. Kapitel 4 zeigt, welche Rollen das Topmanagement zu übernehmen hat, welche Anforderungen sich ihm stellen und worin seine Beiträ-
40
Komponenten des Wandlungsmanagements
1.3
ge im Wandlungsprozess bestehen sollten. Besondere Beachtung wird dabei dem Zusammenhang von Führungsstilen und Wandel sowie den Fragen und Lösungsansätzen der Implementierung geschenkt. Da eine Einzelperson bzw. eine homogene Gruppe mit der Fülle und Heterogenität der Aufgaben und Anforderungen überfordert sein kann, behandelt Kapitel 4 auch Möglichkeiten, etwaige Führungsdefizite zu beheben (z.B. durch den Einsatz externer Berater oder Management auf Zeit).
1.3.5
Einstellungen und Verhalten: Wandel in den Köpfen verankern
Wandlungsmanagement ist zu einem nicht geringen Teil ‚Management der Humanressourcen‘. Die Herausforderung liegt darin, dass nicht nur Wissen und Fähigkeiten zu verändern sind, sondern auch Einstellungen, Werte und Verhaltensmuster, also tiefer liegende, bis ins Unterbewusstsein reichende Merkmale der Person. Es gilt, die Sichtweise und Interpretation der Realität zu verändern, also das Bild, das sich der Einzelne von der Unternehmung und ihrer Situation sowie von sich selbst als Teil des Ganzen macht. In den Köpfen der Unternehmungsmitglieder bildet sich ein ‚genetischer Code‘ der Unternehmung heraus. Strategische Erneuerung verlangt nicht weniger, als diesen Code transparent zu machen und ihn gezielt zu verändern. Kapitel 5 behandelt diese ebenso wichtigen wie schwierigen Fragen anhand der Theorie der mentalen Modelle. Es wird erklärt, wie mentale Modelle entstehen und wie sie wirken. Vor allem aber wird gezeigt, in welcher Weise durch Veränderungen mentaler Modelle Einstellungen und Verhaltensweisen geändert werden können. Wandel muss buchstäblich ‚in den Köpfen verankert’ werden, um Erfolg zu haben. Dies gilt für alle Beteiligten und Betroffenen und dabei in besonderem Maße für die Mitarbeiter. Für das Topmanagement resultiert daraus ein Aufgabengebiet, das hier als Management von Bewusstseinslagen (kognitives Management) bezeichnet wird. Die Notwendigkeit und das Ausmaß des Wandels ist den Betroffenen ‚bewusst zu machen’.
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
1.3.6
Projekt- und Programm-Management: Organisation für Wandel schaffen
Zur Organisation des Wandels gehört neben der bereits erwähnten Regelung der Wandlungsprozesse (‚Prozessorganisation‘) die Verteilung der Aufgaben und Kompetenzen auf vorhandene oder neu zu schaffende organisatorische Einheiten (‚Aufbauorganisation‘). Der vorhandenen Primärorganisation, die das Tagesgeschäft trägt, ist eine Sekundärorganisation für den Transformationsprozess zur Seite zu stellen. Bausteine dieser Struktur sind Planungs- und Steuerungsgremien einerseits (z.B. ein Lenkungsausschuss) und ausführende Einheiten andererseits (z.B. Projektteams). Kapitel 6 behandelt die in Frage kommenden Strukturbausteine der Primär- und Sekundärorganisation und zeigt ihre Ausgestaltung sowie ihr Zusammenwirken. Da Wandel eine Daueraufgabe darstellt, sollte die Unternehmungsorganisation ihrerseits wandlungsfähig sein. Der Idealfall ist eine Unternehmungsorganisation, in der die übliche Trennung zwischen Primär- und Sekundärorganisation aufgehoben ist. Leitbild ist eine lern- und entwicklungsfähige Organisation, in der die Wandlungsfähigkeit dauerhaft verankert ist und die damit zukunftsfähig gemacht wurde. Welche besonderen Ansätze eine wandlungsfähige Organisation ausmachen, wird ebenfalls in Kapitel 6 behandelt.
1.3.7
Human Resource Management: Personelle Veränderungen bewirken
Dreh- und Angelpunkt erfolgreichen Wandels sind personelle Fragen. Die Aufgaben, Instrumente und flankierenden Systeme, die der Bewirkung der angestrebten personellen Veränderungen dienen, bilden den Gegenstand von Kapitel 7 (Human Resource Management). Dargestellt werden zum einen HRM-Aktivitäten, die sich als Teil eines konkreten Projekts ergeben, differenziert nach Abbau, Umbau und Aufbau. Zum anderen wird auch auf allgemeine, projektunabhängige Maßnahmen eingegangen, die sich vor allem darauf richten, die Wandlungsbereitschaft zu erhöhen und die personelle Seite der Wandlungsfähigkeit zu verbessern. Nicht zuletzt
42
Komponenten des Wandlungsmanagements
1.3
wird der Beitrag des HRM zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und damit zur Zukunftsfähigkeit der Unternehmung gezeigt.
1.3.8
Kommunikation: Einheitliches Verständnis erzeugen
Wandel bedingt eine abgestimmte Interaktion aller Beteiligten. Das Medium der wechselseitigen Abstimmung ist der Austausch von Ideen, Meinungen, Absichten, Plänen und Entscheidungen, kurz: ist Kommunikation. Durch umfassenden Informationsaustausch muss in der Unternehmung ein möglichst einheitliches Verständnis des Wandlungsvorhabens erzeugt werden. Die Gesamtheit der damit verbundenen Aufgaben und Instrumente bildet ein Querschnittsthema des Wandlungsmanagements, das den gesamten Prozess begleitet. Kapitel 8, das diesen Fragen gewidmet ist, greift ebenfalls auf die Theorie der mentalen Modelle zurück. Davon ausgehend, werden die konzeptionellen Grundlagen der Kommunikation geklärt. Den Schwerpunkt des Kapitels bildet sodann die praktische Bewältigung der Kommunikationsprobleme in den einzelnen Phasen des Transformationsprozesses.
1.3.9
Controlling: Prozess- und Ergebnistransparenz sichern
Zur Unterstützung der Aufgaben des Planens, Steuerns und Kontrollierens ist in der Praxis ein ausgebautes Controlling zum Standard geworden. Es gilt nun, Schritt für Schritt auch Wandlungsprozesse durch geeignete Controllinghilfen besser beherrschbar zu machen. Dabei müssen letztlich alle Unternehmungsprozesse im Zusammenhang gesehen werden: der langfristige Prozess der Unternehmungsentwicklung, der Transformationsprozess als Ganzes und – in ihm enthalten – der Ablauf verschiedener Einzelprojekte. Diese drei ineinander geschachtelten Prozesskategorien bilden den Bezugsrahmen, auf den sich Kapitel 9 richtet. Mit Schnittstellen zum allgemeinen Controlling, das den Prozess der Unternehmungsentwicklung abbildet, wird das Hauptaugenmerk auf das Controlling
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Das 3W-Modell: Bezugsrahmen für das Wandlungsmanagement
eines Wandlungsprogramms gelegt. Auch dabei ergeben sich einige Differenzierungen hinsichtlich der verschiedenen Phasen des Transformationsprozesses. Abgerundet wird dieses Bild durch Hinweise auf die Überwachung eines konkreten (Teil-)Projekts. Erst die genaue Kenntnis des Projektstatus und des Projektfortschritts, über alle Teilprojekte hinweg, lässt erkennen, wie weit das Wandlungsprogramm bereits realisiert ist und wo Eingriffe erforderlich sind.
1.3.10
Toolbox: Wandlungsaufgaben instrumentieren
Praktiker sind – verständlicherweise – besonders daran interessiert, nicht nur Konzepte, sondern auch konkrete Methoden und Techniken für ihre Alltagsarbeit an die Hand zu bekommen. Für die Personalarbeit, die Kommunikation und das Controlling als den prozessbegleitenden Komponenten finden sich in den entsprechenden Kapiteln bereits zahlreiche Hinweise und Beispiele. Kapitel 10 stellt nun für die einzelnen Phasen des Wandlungsprozesses ausgewählte Techniken (Tools) dar. Insbesondere wird ein auf dem 3W-Modell basierendes Instrument vorgestellt, das eine Kurzdiagnose einer konkreten Wandlungssituation erlaubt, das sog. EiC- (Excellence in Change) Barometer. Hinzu treten weitere Tools wie z.B. die Stakeholderanalyse und die Betroffenheitsanalyse, die sich vor allem für das Einflussmanagement eignen. Insgesamt zeigt sich die Toolbox gut gefüllt und sortiert, und es liegt nur am Benutzer, sich ihrer zu bedienen.
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Kapitel 2
Wilfried Krüger
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 2 Dieses Kapitel behandelt die Wandlungsprozesse als Basiskomponente des 3W-Modells und diskutiert damit im Zusammenhang stehende Grundfragen der strategischen Erneuerung: (1) Was bedeutet strategische Erneuerung in der Praxis? In welchen Formen tritt sie auf? Diese Frage zielt auf eine Klärung der unterschiedlichen Wandlungsprogramme, die Wege zur Erneuerung darstellen (Abschnitt 2.1). (2) Wie laufen Wandlungsprozesse generell ab und welche Aufgaben fallen dabei an? (Abschnitt 2.2). (3) Was ist im Einzelfall bei der Konfigurierung eines konkreten Wandlungsvorhabens zu beachten? (Abschnitt 2.3)? (4) Was kann getan werden, damit nach einer strategischen Erneuerung ein Prozess der kontinuierlichen Weiterentwicklung abläuft (Abschnitt 2.4)? (5) Inwiefern kann virtuelle Kooperation im Web 2.0 für Veränderungsprozesse genutzt werden (Abschnitt 2.5)?
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.1
Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1.1
Begriff der strategischen Erneuerung
Ehe auf die Prozesse tiefgreifenden Wandels und die dabei zu lösenden Probleme einzugehen ist, muss die Charakteristik transformativen Wandels – hier synonym als strategische Erneuerung bezeichnet – geklärt werden. Dies beginnt bereits mit dem viel strapazierten Begriff ‚strategisch’.
Arbeitsdefinition: Als strategisch werden alle Fragen angesehen, die nachhaltig die Erfolgspositionen und die Erfolgspotentiale der Unternehmung berühren. ‚Strategisch‘ bedeutet ‚nachhaltig erfolgskritisch‘ und ist insofern auch für die Existenzsicherung und Zukunftsfähigkeit der Unternehmung bedeutsam.
Erfolgsposition: Bezeichnet die Stellung der Unternehmung bzw. eines Geschäfts/einer Einheit auf dem relevanten Aktionsfeld (z.B. Produktmarkt, Region, Kundengruppe). Wird beurteilt anhand der üblichen absoluten Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn, Cashflow, Kapitalwert; vor allem aber der relativen Kennzahlen wie Marktanteil und Kapital- oder Cashflow-Rendite. Der Vergleich des IstZustands mit den angestrebten Zielen/der Vision der Unternehmung zeigt den Veränderungsbedarf. Erfolgspotential: Die Gesamtheit erfolgsbestimmender Faktoren (‚Erfolgsfaktoren‘) der Unternehmung in ihrer wirksamen Ausprägung. Für die Ableitung eines Veränderungsvorhabens ist eine Diagnose dieser positionsprägenden Faktoren erforderlich, z.B. mithilfe einer SWOT-Analyse, Konkurrenzanalyse sowie Wertketten- und Prozessanalyse. Eine Strategie wäre demgemäß ein Maßnahmenprogramm zum Halten oder Verändern von Erfolgspositionen und/oder Erfolgspotentialen. Daraus lässt sich zur ersten Übersicht eine einfache Strategiematrix entwickeln, die auch die Felder der strategischen Erneuerung sichtbar macht (vgl. Abb. 2/1).
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1 Abbildung 2/1
Felder der strategischen Erneuerung
2
3 Strategische Erneuerung
geändert
Erfolgsposition Halten
unverändert 1
4
geändert unverändert Erfolgspotential
Während Feld 1 das unveränderte Halten von Position und Potential symbolisiert, ebenfalls eine strategische Entscheidung, sind die Felder 2 - 4 durch verschiedene Formen der Veränderung charakterisiert, umschließen also die Fälle der strategischen Erneuerung. Sie werden im Kapitel 3 im Detail behandelt.
Feld 2: Geänderte Position mit unveränderten Potentialen z.B. regionale Marktausweitung, Internationalisierung mit vorhandenem Sortiment, dsgl. Kompetenztransfer auf neue Geschäfte, aber auch Rückzug aus (Teil-)Märkten.
Feld 3: Geänderte Position mit geänderten Potentialen z.B. Produktinnovationen zum Aufbau neuer Märkte, Konzentration auf Kerngeschäfte und Aufgabe von Randbereichen, M&A, Entwicklung integrierter Problemlösungen.
Feld 4: Unveränderte Position mit veränderten Potentialen z.B. Zusammenlegung von Standorten, neue Prozess- oder Produkttechnologien, neue Strukturen und Prozesse zum Halten der Marktstellung. Das Anspruchsniveau der Erneuerung dürfte tendenziell von Feld 2 über Feld 4 zu Feld 3 wachsen, dem Feld, auf dem gleichzeitig Po-
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
tentiale und Positionen zu verändern sind. Dahinter verbirgt sich im Grenzfall ein kompletter Konzernumbau, oft mit M&A-Prozessen verbunden. Zumindest für anspruchsvolle Vorhaben gilt, dass der notwendige Wandel nicht durch Einzelprojekte oder -maßnahmen zu bewältigen ist. Vielmehr ist ein ganzes Bündel technischer, organisatorischer, personeller und finanzieller Projekte bzw. Maßnahmen erforderlich, die aufeinander abzustimmen sind. Eine solche Gesamtheit abgestimmter Wandlungsprojekte wird hier als Wandlungsprogramm bezeichnet. Wie Abbildung 2/1 auch deutlich machen soll, ist nicht bereits jede Änderung von Erfolgspositionen oder -potentialen als strategisch i.S. einer nachhaltigen Veränderung einzustufen. Man denke an alltägliche Vorgänge der Erneuerung wie z.B. Wartungsmaßnahmen, Ersatzinvestitionen, Renovierungen, Einsparprogramme oder auch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die nur der Aktualisierung und Auffrischung vorhandener Kenntnisse und Fähigkeiten dienen. In derartigen Fällen bleibt die Konfiguration der Erfolgsfaktoren und -positionen unverändert, lediglich die Quantität oder Qualität einzelner Faktoren bzw. Positionen wird verbessert. Derartige Veränderungen verdienen sicherlich nicht das Prädikat strategisch bzw. transformativ. Bei allen Schwierigkeiten einer exakten Abgrenzung sind solche operativen Veränderungen mit ihrer relativ geringen Reichweite und Tiefe nicht als ‚nachhaltig erfolgskritisch’ einzustufen. Sie werden daher hier als reproduktiver Wandel bezeichnet. Die weißen Flächen von Feld 2 und 4 in Abbildung 2/1 sollen diese Veränderungen symbolisieren. Selbstverständlich existieren Wechselwirkungen. Jeder strategische Kurswechsel löst eine Fülle operativer Folgemaßnahmen aus. Umgekehrt wird das ständige Unterlassen oder Versäumen operativer Anpassungen irgendwann zu einem strategischen Problem. ‚Strategische Erneuerung’ bezeichnet also zunächst die Maßnahmenprogramme, die der nachhaltigen Veränderung von Erfolgspositionen und/oder Erfolgspotentialen dienen. Im Kern geht es um neue Fähigkeiten/Kompetenzen bzw. Geschäfte (Produkt-/Marktkombinationen). Sodann ist mit dem Begriff der Erneuerung auch der Prozess zu bezeichnen, der zu diesen neuen Geschäften oder Fähigkeiten führt (vgl. im Einzelnen Floyd/Wooldridge 2000, S. 48ff.).
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1.2
2.1
Umgestaltung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsarchitekturen
Ein markantes Thema der strategischen Erneuerung ist seit einiger Zeit die Veränderung überkommener Geschäftsmodelle mit dem Ziel der Wertsteigerung. Kurzgefasst ist ein Geschäftsmodell die Vorstellung von Geschäftseinheiten bzw. Geschäftspartnern davon, wie ihr Geschäft nutzenstiftend für die Beteiligten zu betreiben ist. Ein arbeitsfähiges Geschäftsmodell muss unverzichtbar vier Kernfragen klären und besteht demgemäß analytisch aus vier Teilmodellen (vgl. Bach/Buchholz/Eichler 2003, S. 12): 1. Wie sehen die Prozesse aus, die den angestrebten Kundennutzen stiften (Prozessmodell)? 2. Wer übernimmt welche Teile der Prozesse (Teilnehmermodell)? 3. Wie werden Erlöse erzielt (Erlösmodell)? 4. Wie werden Transaktionen abgewickelt (Transaktionsmodell)? Grundlage des Unternehmungswertes ist die Wertschöpfungsarchitektur – hier synonym: das Wertsystem – der Unternehmung. Das Wertsystem wird durch Prozessmodell und Teilnehmermodell geprägt, also den Teilen des Geschäftsmodells, die Aktivitäten und Träger der Wertschöpfung festlegen. Dort liegen die Hauptansatzpunkte zur Steigerung des Unternehmungswertes. Im Hinblick auf das Prozessmodell lassen sich drei verschiedene Typen als Strukturmuster der Wertschöpfung unterscheiden: Wertkette, Wertzyklus und Wertnetz (vgl. Abb. 2/2, nach Krüger 2004b, S. 64ff.). Wertketten sind das bekannte Vorstellungsmodell, das seinen Ursprung in der industriellen Produktion hat. Wert entsteht in diesem Fall durch Be- und Verarbeitung von Inputs (z.B. Rohstoffe, Materialien, Teile) zu marktfähigen Produkten. Die einzelnen Bearbeitungsschritte (z.B. Beschaffung, Produktion, Montage) reihen sich aneinander, woraus sich das Bild der Kette ergibt. Diese Kettenstrukturen unterliegen weithin einer Entflechtungstendenz, da sich Unternehmungen auf ihre wertsteigernden Aktivitäten konzentrieren. Zunächst sind davon Randfunktionen betroffen: Outsourcing von Aufgaben wie Lohnabrechnung, Kreditoren-, Debitoren- und Anlagenbuchhaltung. Mehr und mehr stehen aber auch solche Funktionen zur Disposition, die eigentlich Kernfunktio-
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
nen eines ‚Produzenten’ sind, wie z.B. Beschaffung, Produktion, Montage. Aus Einkaufsabteilungen werden ProcurementUnternehmungen, die weltweit die günstigsten Lieferanten suchen und Bestellungen abwickeln. Derartige Einheiten, die auf einzelne Schichten der Wertkette spezialisiert sind, werden als ‚Schichtenspezialist’ (‚Layer Player’) bezeichnet (vgl. hierzu und zum Folgenden Heuskel 1999, S. 65ff.). Produktion und Montage werden im Grenzfall ebenfalls aufgegeben. Die seitherige Industrieunternehmung konzentriert sich auf Produktentwicklung/Design einerseits, Vermarktung der Produkte andererseits (so z.B. Nike und Puma). Partnerfirmen, mit denen man in einem Netzwerk zusammenarbeitet, übernehmen die anderen Teile der Wertkette. Logistikunternehmungen verbinden die Kettenglieder. Der herkömmliche Produzent organisierte alle Teile der Wertkette und führte sie auch selbst durch. Er verhielt sich damit als ‚Integrator’. Lediglich am Beginn und Ende der Kette gab es externe Schnittstellen zu Lieferanten bzw. Kunden. Die Transaktion fand über den Markt anhand von Festpreisangeboten oder verhandelten Preisen statt. Nunmehr gibt es zahlreiche Schnittstellen und eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmer, innerhalb wie außerhalb des Netzwerks. Der Produzent muss sich von der Rolle des Integrators lösen und die eines ‚Orchestrators’ übernehmen. Dabei ist offen, welches Transaktionsmodell Anwendung findet. Ausgehandelte, langfristig gültige Preise treten ebenso auf wie Auktionen, bei denen Teilnehmer z.B. um Aufträge in einem Bietverfahren konkurrieren. Wertzyklus: Die Suche nach Wettbewerbsvorteilen und Wachstumschancen führt industrielle Hersteller auch dazu, produkt- und verwendungsbezogene Dienstleistungen mit den physischen Produkten zu kombinieren, um so dem Kunden statt einer isolierten Einzelleistung eine integrierte Problemlösung anzubieten. Bauunternehmungen wie HOCHTIEF oder BILFINGER BERGER verlegen sich auf das Konzipieren, Finanzieren und Betreiben von Bauten (sog. BOT-Modelle: Built, Operate, Transfer), so z.B. bei Verwaltungsgebäuden und Flughäfen, aber auch Botschaftsgebäuden. Die Unternehmung wandelt sich vom ‚Produzenten’ zum ‚Problemlöser’. Ihr Wertschöpfungsprozess stellt keinen linearen, kettenförmigen Ablauf mehr dar. Er gleicht eher einem zyklischen Problemlösungsprozess. Es geht darum, das spezifische Kundenproblem zu erkennen, nach geeigneten Lösungen zu suchen und diese durchzuführen. Der
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
Wertzyklus tritt damit – zumindest teilweise – an die Stelle der Wertkette. Auch für Unternehmungen, die dem Typ ‚Problemlöser’ entsprechen, gilt im Übrigen, dass sie entweder überwiegend alle Leistungen selbst erbringen (Integrator) oder sich durch NetzwerkPartner ergänzen lassen können (Orchestrator). Netzwerke als Teilnehmermodell sind dabei offenbar im Vormarsch begriffen.
Strukturmuster der Wertschöpfung
Abbildung 2/2
Wertkette • • •
sequentieller Be- und Verarbeitungsprozess („Produzent“) Wert entsteht durch Umwandlung von Inputs in marktfähige Outputs typisch für industrielle und landwirtschaftliche Produktionsprozesse aller Art
Wertzyklus • • •
zyklischer Problemlösungsprozess („Problemlöser“) Wert entsteht durch Erkennung und Lösung von Kundenproblemen typisch für Projektmanagement, Engineering, Forschung, Werkstätten, Beratung, freie Berufe, Anwälte, Wartung und Service, Heilberufe, Krankenhäuser
Wertnetz • • •
Vermittlungsprozess zwischen zwei oder mehr Teilnehmerseiten („Intermediär“) Wert entsteht durch Verbindung von Teilnehmern sowie das Angebot geeigneter Dienste typisch für Banken, Versicherungen, Kommunikationsdienste, Agenturen, Makler, Auktionshäuser, Marktplatzbetreiber
Wertnetz: Sprachlich leicht mit dem Teilnehmermodell Netzwerk zu verwechseln, in der Sache aber deutlich zu unterscheiden, ist der dritte prozessbezogene Strukturtyp der Wertschöpfung, hier als Wertnetz bezeichnet. Die gemeinsame Geschäftsidee so unterschiedlicher Geschäfte wie z.B. Börsen, Auktionen, Privatkredite, Personalvermittler, Lebensmittel- oder Getränkemärkte, besteht darin, eine Verbindung von zwei (oder mehr) Teilnehmer- bzw. Marktseiten herzustellen. Unternehmungen bzw. Geschäfte dieses Typs sind
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
weder ‚Produzent’ noch ‚Problemlöser’, sondern ‚Intermediär’. Ein Auktionator z.B. bringt Anbieter und Interessenten zusammen; das klassische Kreditgeschäft verlangt als Gegenseite zu den Kreditnehmern den Sparer. Auch für den Intermediär stellt sich die Frage, ob er die Leistungen weitgehend selbst erbringt oder sich auf externe Partner stützt. Ein Wertnetz kann also in Eigenregie betrieben werden oder arbeitsteilig durch Kooperationspartner, die ein organisatorisches Netzwerk bilden, so z.B. bei EBAY zu sehen. EBAY selbst bringt zwar als Internetauktionshaus Anbieter und Nachfrager zusammen, bezieht aber zahlreiche Dienstleister in sein Geschäftsmodell ein, um den gesamten Transaktionsprozess in finanzieller und technischer Hinsicht abzuwickeln. Auf die Weise bekommt der Kunde einen Komplettservice geboten.
2.1.3
Konfigurationsmanöver
Der Wandel von Wertsystemen lässt sich im Detail anhand verschiedener Konfigurationsmanöver behandeln (vgl. Abb. 2/3, nach Krüger 2004b, S. 70ff.). Die einzelnen Manöver sind analytisch unabhängig voneinander und lassen sich im Einzelfall isoliert oder kombiniert anwenden. Der Orchestrator z.B. muss mehrere Manöver vollziehen. Wenn er von einem bestehenden, integrierten Geschäft ausgeht, legt die Entflechtung durch enges ‚Fokussieren’ die Grundlage, der teils ein ‚Neu konstruieren’, in jedem Fall ein ‚Koordinieren’ folgen muss. ‚Neu konstruieren’ führt im Übrigen zu innovativen Geschäftsmodellen und damit zur Figur des ‚Pioniers’. Der Integrator wird im Gegensatz dazu durch ‚Integrieren’ und ‚Expandieren’ Wertsteigerungen versuchen. Seit einigen Jahren sind solche Manöver weithin dominierend, die zu einer Entflechtung von Wertketten führen, also insbesondere ‚Fokussieren’ und ‚Komprimieren’. Dahinter steht die Konzentration auf oder die Rückkehr zu Kerngeschäften und -kompetenzen. Im Ergebnis dieser Veränderungen werden die Unternehmungsgrenzen durchlässiger, und die Zahl der arbeitsteilig an der Wertschöpfung beteiligten Teilnehmer erhöht sich. Die Wertschöpfung erfolgt dann mehr und mehr interaktiv in Netzwerken und Allianzen. Auch
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
‚Konsumenten’ spielen dabei eine immer aktivere Rolle, bis hin zur Rolle des ‚Prosumenten’ (vgl. Kap. 2.5).
Konfigurationsmanöver
Abbildung 2/3
Fokussieren Breite oder Tiefe der WS reduzieren; durch Verkleinerung, Aufgabe oder Abgabe von Kettengliedern. Beispiel: Fertigungstiefe reduzieren; Programmbreite / Leistungsangebot reduzieren; Konzentration auf Kerngeschäfte.
Integrieren
Breite oder Tiefe der WS extern erhöhen (‚externes Wachstum‘): Eindringen in Bereiche bisheriger Kunden / Lieferanten (betr.: Tiefe) oder Konkurrenten (betr.: Breite). Beispiel: Vom Teilelieferanten zum Systemanbieter.
Komprimieren Erhöhen eigener WS durch Ausschalten bzw. Überbrücken nachgelagerter oder vorgelagerter Stufen (z.B. Einzelhandel); begünstigt durch Internet. Beispiel: Direktvertrieb bzw. Direktbezug.
Expandieren Zusätzliche, bisher nicht vorhandene Aktivität auf Basis eigener Kräfte aufbauen und in das bestehende Wertsystem einfügen (‚internes Wachstum‘). Beispiel: Industrielle Dienstleistungen; Integrierte Problemlösungen; BOT-Modelle.
Neu konstruieren
Neudefinition des Geschäfts bzw. der Prozesslogik; neue Spielregeln des Marktes. Beispiel: Vom Teilelieferanten zum Systemanbieter; elektronische Marktplätze.
Koordinieren Enge Kopplung von Wertsystemen verschiedener selbstständiger Kooperationspartner. Beispiel: Supply Chain Management; Strategische Allianzen.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.1.4
Objekte und Formen des Wandels
Unternehmungswandel kann sich eher auf die ‚harten’ Erfolgsfaktoren konzentrieren (z.B. Strukturen und Systeme) oder auf ‚weiche’ Faktoren (z.B. Fähigkeiten und Einstellungen). Anhand dieser unterschiedlichen Objekte lassen sich schwerpunktartig vier verschiedene Formen des Wandels unterscheiden (vgl. Krüger 1994, S. 358ff.).
Abbildung 2/4
Formen und Objekte des Wandels
Strukturen, Prozesse, Systeme, materielles Realisationspotential RESTRUKTURIERUNG Strategie REORIENTIERUNG Objekte und Formen des Wandels
Fähigkeiten, Verhalten REVITALISIERUNG Werte und Überzeugungen REMODELLIERUNG
Restrukturierung: Struktur-, Prozess- und Systemänderungen Restrukturierung (oder Reorganisation) bezeichnet die Veränderung von Prozessen, Systemen und Strukturen sowie materiellen Potentialen (z.B. Maschinen, Gebäude, Einrichtungen). Restrukturierungen sind zwar notwendige Begleiterscheinungen bzw. Folgen tiefgreifenden Wandels, aber keineswegs jede Restrukturierung ist bereits geeignet, nachhaltige Veränderungen der Erfolgspositionen oder -potentiale auszulösen. Dies gilt insbesondere für die immer wieder wellenartig ablaufenden Kostensenkungsanstrengungen. Restrukturierung/Reorganisation (69%) war zu Beginn des Jahrzehnts mit Abstand der häufigste Anlass für Change Management in Deutschland. Kostensenkung wurde in 33% der Fälle genannt (vgl. Capgemini 2005, S. 19).
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
Oft sind derartige isolierte Programme allerdings nicht tiefgreifend genug, um zu einer wirklichen Erneuerung zu führen. Insofern überrascht es nicht, dass in der jüngsten europaweiten Studie von CAPGEMINI die befragten Unternehmungen angaben, in den Jahren 2004 - 2006 zeitgleich mehrere Veränderungsvorhaben – im Durchschnitt sieben Projekte – durchgeführt zu haben. Auch für die Jahre 2007 - 2009 wurden weitere Vorhaben erwartet; mit steigender Bedeutung für folgende Themen: M&A-Transaktionen, Outsourcing/Offshoring, funktionsübergreifende Verbesserungsprogramme und Wertkettenoptimierung (vgl. Capgemini 2008, S. 7).
Reorientierung: Strategiewechsel Reorientierung bezeichnet die Veränderung der strategischen Ausrichtung, wie z.B. die Aufgabe alter und Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Reorientierung reicht tiefer als Restrukturierung und ist eine notwendige Bedingung für einen transformativen Wandel. Die Studie von 2008 zeigte zwar eine abnehmende Bedeutung des Strategiewechsels. Aber immerhin 32,8% der Befragten erwarteten noch entsprechende Projekte (vgl. Capgemini 2008, S. 7).
Revitalisierung: Änderung der personellen Fähigkeiten Revitalisierung umfasst die grundsätzliche Veränderung personeller Fähigkeiten sowie des Führungs- und Kooperationsverhaltens. Hier liegen unverzichtbare Wurzeln der organisationalen Fähigkeiten. Als Ansatzpunkte sind zu nennen: verstärkte Partizipation und Delegation, Stimulierung von Kreativität, Eigenverantwortung und Unternehmertum.
Remodellierung: Veränderte Werte und Überzeugungen Remodellierung umschließt die Änderung von Werten und Überzeugungen sowie der darauf aufbauenden Einstellungen. Sie ist die am tiefsten gehende Veränderung einer Unternehmung. Die von allen geteilten (kollektiven) Werte, Überzeugungen und Einstellungen bilden den Kern der sog. Unternehmungskultur. Ihre Erklärung und Gestaltung ist so bedeutsam wie schwierig und langwierig, zu sehen z.B. bei Deregulierungs- und Privatisierungsbemühungen.
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Wie diese Überlegungen deutlich machen, greifen die vier Formen des Wandels unterschiedlich tief. Dies ist in dem Schichtenmodell von Abbildung 2/4 veranschaulicht. Die Tiefe des Wandels nimmt tendenziell von ‚oben’ nach ‚unten’ zu. Dies gilt unbeschadet der vielfältigen sachlogischen und prozessualen Beziehungen, die in einem konkreten Programm zwischen diesen Schichten bestehen. Restrukturierungen sind allerdings unverzichtbare Startpunkte der Veränderung, so insbesondere Führungsprozesse (z.B. Zielvereinbarungen, Ziel-/Ergebnisanalysen) und damit verbundene Anreizsysteme (Leistungsbeurteilung, leistungsorientierte Gehaltsbestandteile).
Das Thema: Von der öffentlichen Verwaltung zum effizienten und bürgernahen Dienstleister Die Beispiele: Kommunalverwaltungen der Städte Wetzlar und Brunsbüttel Im Bereich des öffentlichen Dienstes hat es immer wieder Versuche gegeben, moderne Managementmethoden einzuführen, um mehr Wirtschaftlichkeit, Leistungsorientierung und Kundenorientierung zu bewirken. Und immer wieder sind die verschiedenen Ansätze hierzu weitgehend gescheitert. Nach dem Jahr 2000 entstand durch zwei ‚externe Schocks’ neuer Veränderungsdruck: Zum einen wurde bundesweit beschlossen, die kameralistische Rechnungslegung durch die doppelte Buchhaltung als Grundlage für ein aussagefähiges Controlling abzulösen. Zum anderen legten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes mit dem TVöD die Grundlage für flächendeckende Zielvereinbarungen und eine entsprechende leistungsorientierte Bezahlung für tariflich Beschäftigte. Gegenüber beiden Themen sind erhebliche Widerstände zu beobachten. Führungskräfte fürchten den Zwang zur Leistungsdifferenzierung, Mitarbeiter und ihre Vertretungen befürchten eine Erhöhung des Leistungsdrucks. Die Umsetzung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements wird in vielen Kommunen als auf die Kämmerei bzw. den Fachbereich Finanzen beschränktes Projekt mit großem Aufwand und minimalem Nutzen für den Rest der Verwaltung gesehen. Als Treiber des Wandels hätte das Topmanagement – vor allem Bürgermeister, Landräte, Verwaltungsvorstände – eine zielführende Umsetzung der neuen Instrumente einfordern können. In der Regel blieben allerdings solche Impulse aus und das Topmanagement verhielt sich neutral oder gelegentlich sogar eindeutig ablehnend gegenüber den neuen Instrumen-
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
ten. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, so z.B. die Städte Wetzlar und Brunsbüttel. In der Stadt Wetzlar finden bereits seit 1998 in der Verwaltung teilweise mehrmals jährlich Führungskräfte-Tagungen zum Themenbereich Verwaltungsmodernisierung statt, die von einer ‚Koordinationsgruppe Verwaltungsmodernisierung’ vorbereitet und durchgeführt werden. Im Kontext dieser Diskussionen wurde mehrfach versucht, Zielvereinbarungen als Steuerungs- und Führungsinstrument in der Verwaltung zu etablieren. Jedoch konnte erst im Rahmen der Umsetzung des tariflichen Leistungsentgelts dieses Vorhaben realisiert werden. An der Ausarbeitung der notwendigen Dienstvereinbarung waren neben dem Personalrat auch die Mitglieder der Koordinationsgruppe beteiligt. Zum Start der Umsetzungsphase des neuen Systems wurden durch den Oberbürgermeister erstmals ‚Oberziele’ im Sinne strategischer Handlungsfelder für die Stadtverwaltung formuliert. Aus diesen leiteten Dezernenten und Amtsleitungen ihre Jahresziele ab. Innerhalb der Dezernate wurden die Ziele der Amtsleitungen im Rahmen von Zielkonferenzen transparent gemacht und diskutiert. Der Einführungsprozess wurde durch praxisorientierte Schulungsveranstaltungen zur Ableitung und Formulierung von Zielen für Führungskräfte und Mitarbeiter unterstützt. In der Konsequenz gelang es, mit nahezu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt im Jahr 2007 erstmals Ziele zu vereinbaren, die weit überwiegend auch erreicht wurden. Das Leistungsentgelt hat in diesem Fall ein ‚window of change’ für Veränderungen im Bereich der Führung (Mitarbeitergespräche) und Steuerung (Zielvereinbarungen) geöffnet: Der extern erzeugte Wandlungsdruck konnte in der Verwaltung positiv für einen Veränderungsprozess genutzt werden. Trotz des aus Sicht der beteiligten Führungskräfte hohen Aufwands für den Abschluss und die Überprüfung von Zielvereinbarungen, bestätigten schon ein Jahr nach Einführung drei Viertel der Führungskräfte positive Veränderungen durch die Zielvereinbarungen. Die Stadt Brunsbüttel begann bereits 2005 als eine der ersten Kommunen in Schleswig-Holstein mit der Umsetzung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements. Im Jahr 2007 wurde eine Dienstvereinbarung zur Umsetzung des Leistungsentgelts abgeschlossen und mit dem erstmaligen Abschluss von Zielvereinbarungen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch für 2007 umgesetzt. Im Jahr 2008 wurde mit der Ableitung von Kennzahlen für die im Haushalt ausgewiesenen Produkte die Basis für die Verbindungen beider Instrumente geschaffen: Die Kennzahlen sind einerseits Gegenstand der Zielvereinbarungen mit den Produktverantwortlichen, z.B. in Form von Wirtschaftlichkeits- und Auslastungszielen für die verschiedenen kommunalen Aufgabengebiete wie z.B. Kitas, Schulen, Bürger-Büro. Zum anderen werden die Kennzahlen im Haushalt ausgewiesen und sind damit Grundlage für Controlling, Reporting und Abstimmungsprozesse mit der Politik. Erfolgsfaktor für die gelungene Integration war die fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit auf der zweiten Führungsebene der Fachbereichsleitungen. Dort wurden die Synergiepotentia-
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
le erkannt, und es wurden gemeinsame Ziele einer effizienten und effektiven Umsetzung der neuen Instrumente verfolgt. „Durch diesen Mechanismus ist zu erwarten, dass die Doppik im Ergebnis zu einem wirtschaftlicheren öffentlichen Dienst führen wird“, so Lutz Necknig, Leiter des Fachbereichs Finanzen und Wirtschaft.
2.1.5
Stoßrichtungen des Wandels: Abbau, Umbau und Aufbau
Ein ganz anderes Merkmal praktischer Wandlungsvorhaben ist deren Stoßrichtung. Danach lassen sich recht klar Programme des Abbaus, Umbaus und Aufbaus unterscheiden, eine Einteilung, auf die im Verlauf dieser Schrift mehrfach zurückgegriffen wird. Abbau: Mit diesem Begriff ist die Zurückführung oder Aufgabe von Positionen oder Potentialen gemeint, gleichgültig, ob dies freiwillig oder gezwungenermaßen geschieht. Ein strategisch relevanter Abbau liegt z.B. dann vor, wenn die Unternehmung sich zu einer Konzentrationsstrategie entschließt. Randgeschäfte werden aufgegeben, die Wertschöpfungstiefe wird um solche Bereiche verringert, die nicht zur Kernkompetenz gehören. Derartige Maßnahmen verändern nachhaltig die Erfolgspositionen und die Erfolgspotentiale. In aufbauorganisatorischer Hinsicht bedeutet Abbau vor allem Stellenabbau, Abflachung der Hierarchie und Dezentralisierung. Zu denken ist an das Stichwort ‚Lean Management’, also die Verringerung der Leitungstiefe bei gleichzeitiger Erhöhung der Leitungsbreite. Eine weitere Veränderung in diesem Zusammenhang ist die Schaffung kleinerer Einheiten sowie der Abbau von zentralen Einheiten.
60
Intelligenter Abbau ist allerdings mehr als ein flächendeckendes ‚Streichkonzert’ und setzt bei den Geschäftsprozessen an (vgl. z.B. Fischermanns 2006). Anzustreben sind ‚schlanke’ Prozesse, also einfache Abläufe, die möglichst standardisiert sind und ohne Liegeund Wartezeiten ans Ziel führen. Dies kann durch passende Konfigurationsmanöver wie Fokussieren und Komprimieren erreicht werden, aber auch durch eine Zurücknahme zu weit getriebener Arbeitsteilung. Man denke an Stichworte wie ‚Rundumsachbearbeitung’ oder ‚teilautonome Arbeitsgruppen’. Aus derartigen struktu-
Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
rellen Änderungen resultiert eine Reduktion der Schnittstellen, der Fehlerquellen und der Durchlaufzeiten. Abbaumaßnahmen sind in besonderer Weise von personalpolitischen Problemen geprägt, da sie mit einem veränderten Personalbedarf in quantitativer wie qualitativer Hinsicht einhergehen. Abbau ist daher regelmäßig mit vielfältigen Maßnahmen des HRM verbunden. Umbau: Wenn vorhandene Potentiale und Positionen umgruppiert und erneuert werden, ohne dass sie grundsätzlich in Frage gestellt werden, wird von Umbau gesprochen. Umbau als strategische Maßnahme betrifft den als erfolgskritisch angesehenen Kern der Unternehmung, der gestärkt und verbessert werden soll (Kerngeschäfte, Kernprozesse, Kernfunktionen). Umbauprogramme sind für den betroffenen Bereich typischerweise eine Kombination aus Elementen des Abbaus und des Aufbaus. Als Beispiel aus dem Bereich der Basisfähigkeiten kann die Einführung einer wichtigen neuen Verfahrenstechnologie dienen, z.B. der Ersatz der Schweißtechnik im Automobilbau durch Klebetechnik. Vorhandene Fähigkeiten und Einrichtungen werden dabei zumindest teilweise entbehrlich, neue müssen aufgebaut werden. In organisatorischer Hinsicht ist an die zahlreichen Fälle des Konzernumbaus zu erinnern. Aus historisch gewachsenen Unternehmungen werden klar gegliederte, strategisch ausgerichtete Organisationen. An die Stelle vielfach verbundener und verschachtelter Einheiten treten autonome Subsysteme (z.B. Sparten, Geschäftseinheiten), innerhalb derer relativ überschaubare und möglichst abgeschlossene Aufgabenfelder zu bearbeiten sind und die als Profit Center geführt werden (vgl. Krüger 2004c). Hierarchische Abstimmung wird teilweise von einer marktlichen Abstimmung (Verrechnungspreise, interne Märkte) abgelöst. Mehrfachaufgaben werden in dem Zusammenhang in spezialisierten Centern zusammengefasst und dort kostengünstiger bzw. leistungssteigernd durchgeführt, so für die vielfältigen Unterstützungsaufgaben in der Bildung sog. Shared Service Center zu sehen (vgl. z.B. Krüger/Danner 2004). Die in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Organisationseinheiten sind als Kunden zu interpretieren. In letzter Konsequenz soll sich jeder Mitarbeiter idealerweise wie ein Unternehmer verhalten. Die Organisation hat dann die Rahmenbedingungen für ein möglichst
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
breites internes Unternehmertum zu schaffen. Flankierend sind personelle Maßnahmen des Trainings und Coachings einzusetzen. Aufbau: Ein Aufbau liegt zum einen vor, wenn eine Unternehmung für sie neue Potentiale oder Positionen mit eigenen Mitteln schafft; so zu sehen bei dem Konfigurationsmanöver des Expandierens (entspricht internem Wachstum); zum anderen, wenn sie es mit M&A-Aktivitäten, also der Integration, versucht (entspricht externem Wachstum). Entweder werden im Rahmen vorhandener Kompetenzen neue Produkte/Leistungen angeboten, neue Regionen oder neue Kundengruppen erschlossen, oder es entstehen neue Kompetenzen, die in vorhandenen oder neuen Geschäften zu Wettbewerbsvorteilen führen. Aufbau ist also auf das ‚doing right things’ konzentriert, im Gegensatz zum Abbau, der sich mit ‚doing things right’ befasst. Kleinere Veränderungen im Aufgabeninhalt oder -volumen lassen sich noch dadurch auffangen, dass einzelne Stellen oder Gruppen in die vorhandenen Organisationseinheiten eingefügt werden. Größere Veränderungen bedingen das Schaffen neuer Einheiten. Je modularer und flexibler der Ausgangszustand organisiert ist, desto leichter lassen sich solche Maßnahmen verwirklichen. Ein Aufbauprogramm entspricht dann dem Prinzip der Zellteilung. Es werden z.B. weitere Vertriebseinheiten (Niederlassungen/Vertriebsgesellschaften) gegründet oder Produktions- und Montagestandorte eröffnet. Das Hauptaugenmerk im Aufbau wird zunächst auf den werthaltigen (operativen) Aktivitäten liegen. Allerdings müssen die steuernden und unterstützenden Aufgaben und Prozesse im weiteren Verlauf ebenfalls angepasst werden. Besondere Probleme bereitet in aller Regel die Integration übernommener Unternehmungen, wenn sie – ganz abgesehen von personellen und kulturellen Unterschieden – einen anderen organisatorischen Aufbau als die übernehmende Unternehmung aufweisen. Der Verwirklichung der Integrationsziele, die letztlich dem Aufbau dienen sollen, gehen dann regelmäßig Abbau- und Umbaumaßnahmen voraus, die den Gegenstand eigener Wandlungsvorhaben bilden, der sog. Post Merger-Integration (vgl. Krüger 2006e). Die drei Stoßrichtungen des Wandels korrespondieren im Übrigen mit dem Management eines Geschäftsfeld-Portfolios, z.B. auf Basis der BCG-Matrix (Marktwachstums-/Marktanteilsmatrix) und den
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
dort üblichen Normstrategien. Nachwuchsgeschäfte (‚Fragezeichen‘) verlangen einen Aufbau oder Umbau, ‚Stars‘ wachsen noch (Aufbau). Felder, die als ‚Cash Cows‘ eingestuft werden, sind normalerweise der Strategie des Haltens unterworfen, evtl. kommt auch ein Umbau in Betracht. Die ‚armen Hunde‘ schließlich erleiden Umbau und Abbau. Es ist also eine Frage der Unternehmungssituation und der Unternehmungsstrategie, welcher Programmschwerpunkt im Einzelfall zu wählen ist. Die Besonderheiten des jeweiligen Programms (z.B. ‚Abbau‘ durch Zusammenlegung von Standorten oder ‚Aufbau‘ durch Einführung einer neuen Technologie) und die spezifischen Situations- und Strategieerfordernisse führen zu gänzlich unterschiedlichen Anforderungen an das Topmanagement (vgl. Kap. 4.2) und bedingen z.B. andere Formen der Implementierung des Wandels (vgl. Kap. 4.3). Strategische Erneuerung in dem hier vorgetragenen Verständnis umfasst daher weit mehr als das sog. ‚Change Management‘, das im Sprachgebrauch der Praxis weitgehend gleichbedeutend ist mit den personellen Umsetzungsaufgaben im Wandel.
2.1.6
Wandel in Turnaround- und Krisensituationen
Abbau, Umbau und Aufbau sind in dieser Reihenfolge charakteristische Sequenzen in Wandlungsprozessen der letzten Jahre, in denen Unternehmungen alle Anstrengungen unternehmen, einen Abwärtstrend zu stoppen und zu einer Trendumkehr zu gelangen (Turnaround). Dies gilt in besonderer Deutlichkeit und Dramatik für Sanierungs- und Insolvenzfälle, also für Unternehmungen in der Krise. Abbildung 2/5 zeigt in idealtypischer Weise derartige Situationen und stellt den Zusammenhang zu den hier diskutierten Fragen des Wandels her (vgl. Krüger 2006c). Eine Unternehmungskrise ist dadurch gekennzeichnet, dass wesentliche bzw. dominante Unternehmungsziele nicht erreicht werden und dadurch der Fortbestand der Unternehmung gefährdet ist (vgl. Krystek 1987, S. 4ff.). Charakteristische Krisenformen sind die Strategie-, Erfolgs- und Liquiditätskrise (vgl. zum Folgenden Müller 1986, S. 53ff.; Leupin 1998, S. 25ff.). In der Strategiekrise ist der Verlust von Erfolgspotentialen zu beobachten, sei es z.B., dass ein
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Nachfolgeproblem nicht gelöst wird, dass Patente auslaufen, neue Technologien nicht rechtzeitig beachtet oder Markt- und Wettbewerbsänderungen falsch eingeschätzt werden. Die Erfolgskrise ist durch das Nichterreichen von Gewinn- und Rentabilitätszielen, die Liquiditätskrise durch Gefährdung der Zahlungsfähigkeit charakterisiert. Personeller Hintergrund dieser Krisensymptomatik sind die Stakeholder der Unternehmung und ihre Beziehungen. Konflikte unter den Gesellschaftern oder Spannungen zwischen Aufsichtsorgan und Geschäftsführungsorgan sind hier bspw. zu nennen. Aber auch andere Anspruchsgruppen, wie z.B. Banken, Betriebsräte, Lieferanten und Kunden, wirken auf das Geschehen ein. Unterschiedliche Interessenlagen und Machtkonstellationen beeinflussen die Entwicklung und werden ihrerseits im Krisenverlauf verändert. Bei gravierenden und länger andauernden Spannungen wird auch von einer Stakeholderkrise gesprochen. Ein besonders häufiger Verlauf liegt vor, wenn eine strategische Krise zu einer Erfolgskrise führt, die sodann in eine Liquiditätskrise mündet. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Umsatzkurve und die Kostenkurve nicht parallel verlaufen. Umsätze brechen typischerweise schneller weg als sich Kosten abbauen lassen. Außerdem verursacht die Krisenbewältigung regelmäßig zunächst zusätzliche Kosten, was die Ergebniskrise noch verschärft (vgl. Friedrich/Lubos 1997, S. 10). Erfolgreiches Krisenmanagement muss den darin liegenden Abwärtstrend stoppen und den Turnaround bewirken. Dabei ist die zur Verfügung stehende Zeit vollkommen unterschiedlich gelagert und nimmt mit der Abfolge der Krisen drastisch ab. Während eine Strategiekrise nach den Ergebnissen von Hauschildt et al. durchschnittlich 385 Tage dauert, ist die Erfolgskrise im Durchschnitt mit 179 Tagen anzusetzen und die Liquiditätskrise nur mit 53 Tagen (Hauschildt et al. 2006, S. 21). Die Krisenbewältigung beginnt, abgesehen von finanziellen Sofortmaßnahmen im Falle einer Liquiditätskrise, zwangsläufig mit Abbau- und auch Umbaumaßnahmen. Prozesse, Strukturen und Produktionsprogramme werden gestrafft. Es kommt zu Standortverlagerungen und Outsourcing-Aktivitäten. Im Erfolgsfall hat die Unternehmung ihre Renditeposition verbessert und ist zumindest
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Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
vorübergehend wieder wettbewerbsfähig geworden. Ertrags- und Liquiditätskrise sind überstanden. Wie der Verlauf zahlloser Sanierungs- und Insolvenzfälle allerdings zeigt, ist es mit Abbau und Umbau allein nicht getan. Die Schwächen sind zwar beseitigt (‚Diät’) und damit ist das Überleben zunächst gesichert. Kommt es im Anschluss daran allerdings nicht zu einer Umorientierung und einem gezielten Stärkenaufbau (‚Fitnesstraining’), dann erweist sich die Krisenbewältigung als zu kurz gegriffen. Die nachhaltige Fortführungsfähigkeit, die Zukunftsfähigkeit der Unternehmung, ist nicht gewährleistet. Die Strategiekrise bleibt bestehen. Damit ist die Notwendigkeit des Aufbaus angesprochen. Kostensenkungsprogramme z.B. erhöhen die Effizienz, verändern aber nicht den Kurs der Unternehmung. Im schlimmsten Fall wird der falsche Kurs nun mit frischer Kraft verfolgt. Die Symptome sind zwar beseitigt, aber die Fehlerursachen im Bereich der Strategie bleiben bestehen. Die alte Krankheit wird in naher Zukunft erneut ausbrechen. Ihre Behandlung – das Kurieren der Strategiekrise – verlangt zunächst eine Neuformulierung der Unternehmungs- bzw. Geschäftsstrategie. Das Ergebnis sind nicht selten umfangreiche strategische Manöver oder sogar radikale Kurswechsel, z.B. die weit verbreitete Abkehr von Diversifikationsstrategien und die Konzentration auf Kerngeschäfte und Kernkompetenzen. Ein erfolgreicher strategischer Kurswechsel und die dementsprechenden Wandlungsprogramme bewirken eine neue Aufschwungphase, führen also zum gelungenen Turnaround.
Das Thema: Unternehmung wachstumsorientiert erneuern Das Beispiel: BAYER AG Die BAYER AG erlebte im Jahr 2001 einen drastischen Ergebniseinbruch. Ursachen waren der Vermarktungsstopp des Blockbuster Lipobay (Präparat zur Cholesterinsenkung) im Pharmageschäft sowie eine schlechte Konjunktur im Chemiegeschäft. Mit Beginn des Jahres 2002 begann ein Projekt zur Neuordnung des Konzerns. Aus einem Stammhauskonzern wurde – im Wesentlichen innerhalb eines Jahres – eine Strategische Management Holding. Das Chemiegeschäft, Ursprung und Herzstück der alten ‚Farbenfabriken zu
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Leverkusen’, wurde ausgegliedert (LANXESS). Die nach diesem Umbau verbliebenen Geschäfte wurden auf drei Kernbereiche konzentriert: Gesundheit (HEALTHCARE), Ernährung (CROPSCIENCE), hochwertige Materialien (MATERIALSCIENCE). Innerhalb dieser Bereiche wurden Randaktivitäten aufgegeben (Abbau) und zukunftsträchtige Geschäfte durch Investitionen und Zukäufe gestärkt (Aufbau). Auch in der Gesundheitssparte fand eine Fokussierung statt. Im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente (Division Pharma) konzentrierte man sich in der Forschung auf Onkologie sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Stärkeres Gewicht als bis dahin wurde auf die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente gelegt (Division Consumer Care). Nach dieser erfolgreichen Konsolidierung wurde mit der SCHERING Akquisition das Gebiet der verschreibungspflichtigen Medikamente (Division Pharma) wieder signifikant gestärkt. Schwerpunkte liegen nun in den Bereichen General Medicine, Specialty Medicine, Women's Health Care und Diagnostic Imaging. Im Zuge der gesamten Entwicklung sank der Umsatz von 30.275 Mrd. € im Jahr 2001 (116.900 Mitarbeiter) bis auf 23.278 Mrd. € in 2004 (93.700 Mitarbeiter). Zuletzt stieg der Umsatz auf 32.385 Mrd. € im Jahr 2007 (106.200 Mitarbeiter). Das operative Ergebnis lag in 2001 bei 1.611 Mrd. €, in 2004 bei 1.875 Mrd. € und erreichte in 2007 3.154 Mrd. €, was in etwa eine Verdoppelung der Umsatzrendite bedeutet. Bei der BAYER AG gingen die strategische Neuausrichtung (Reorientierung) und die Bewältigung der Ertragskrise (Restrukturierung) Hand in Hand. Abbau- und Umbaumaßnahmen erfolgten weitgehend parallel. Der Aufbau begann zeitlich versetzt. Die Neuausrichtung erfolgte nach erfolgreichem Abschluss der Restrukturierungsmaßnahmen. Die Fähigkeiten im Bereich der Forschung wurden teils verstärkt, teils konzentriert. Zusätzlich wurden übergreifende Programme implementiert, die dem Wissens- und dem Ideenmanagement dienen. Sie unterstützen den innovativen Prozess auch außerhalb von F&E. Alle diese Ansätze lassen sich der Revitalisierung zurechnen. Das gleiche gilt für die Stimulierung von internem Unternehmertum durch dezentrale Verantwortung und klare Performance-Orientierung. Mit der Leitidee vom ‚ErfinderUnternehmen’ wird auf den neu konfigurierten Arbeitsgebieten außerhalb der Chemie eine Remodellierung angestrebt, die mit der Welt des ‚Chemiebeamten’ vergangener Tage kaum noch Ähnlichkeiten aufweist.
Abbau, Umbau und Aufbau dienen der Stärkung vorhandener bzw. der Entwicklung neuer organisatorischer Basisfähigkeiten. Die hierfür erforderlichen tiefgreifenden Veränderungen erfordern zu ihrer erfolgreichen Durchführung dynamische Fähigkeiten 1. Ordnung. Unternehmungen, die keine geeigneten Routinen besitzen,
66
Wandlungsprogramme als Wege zur strategischen Erneuerung
2.1
lassen sich typischerweise durch externe Berater unterstützen. In neuester Zeit wird auch verstärkt auf Interim-Manager zurückgegriffen, die im Unterschied zu Beratern in die Geschäftsführung eingebunden werden, also die Umsetzung operativ zu verantworten haben. Bei Erfolg hat das Krisenmanagement im herkömmlichen Verständnis seine Aufgabe erfüllt.
Abbildung 2/5
Wandel in Turnaround-Situationen
Stakeholderkrise
Umsatz/ Kosten
Strategiekrise
Erfolgskrise
Liquiditätskrise Dynamische Fähigkeiten 2. Ordnung: Sicherung kontinuierlicher Weiterentwicklung
Erforderliche organisatorische Fähigkeiten:
Dynamische Fähigkeiten 1. Ordnung: Bewältigung tiefgreifenden Wandels
Zukunftsfähigkeit
Basisfähigkeiten: Beherrschung des Tagesgeschäfts Umsatzentwicklung
Kostenentwicklung
Stoßrichtungen des Wandels:
Abbau
Umbau
Aufbau Zeit
Offen bleibt allerdings die Frage, ob die erreichte Erfolgsposition nachhaltig ist. Die Unternehmung hat zwar im Verlauf des Turnarounds ihre verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen. Für ihre Zukunftsfähigkeit ist es allerdings zwingend erforderlich, ihre Basisfähigkeiten permanent zu überprüfen und weiterzuentwickeln, um im Wettbewerbsprozess nicht erneut zurückzufallen. Die Herausforderung besteht also darin, sich die Fähigkeit zum permanenten Wandel, zur kontinuierlichen Entwicklung, anzueignen. Damit sind die dynamischen Fähigkeiten 2. Ordnung angesprochen (vgl. Abb. 2/5). Defizite bei diesen Fähigkeiten lassen sich auf Dauer nicht durch Rückgriff auf externe Hilfe ausgleichen. Sie müssen intern aufgebaut werden.
67
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.1.7
Tiefgreifender Wandel im Prozess der Unternehmungsentwicklung
Welche Form des Wandels eine Unternehmung benötigt, hängt auch davon ab, in welchem Stadium ihrer eigenen Entwicklung sie sich befindet. ‚Junge Pionierunternehmungen‘ weisen z.B. andere Charakteristika auf als ‚reife Konzerne‘. Nationale Nischenanbieter benötigen andere Fähigkeiten als ‚Global Player’. Unternehmungen besitzen zwar keinen festen Lebenszyklus (vgl. Krüger 1994, S. 344ff.), aber charakteristische Entwicklungsstadien. Daher sollten in jedem Einzelfall die Besonderheiten des erreichten ‚Lebensstadiums’ ermittelt und es sollte geprüft werden, welchen Anforderungen die Unternehmung in dem zukünftig angestrebten Stadium ausgesetzt sein wird. Typischerweise enthalten die Übergänge zwischen zwei Stadien Transformationsvorgänge; so z.B. wenn eine Pionierunternehmung, die auf die Person des Gründers zugeschnitten ist, stark wächst und demgemäß eine personenunabhängige Organisation, ausgebaute Systeme und den Einsatz professionellen Managements benötigt. Ähnlich gravierenden Problemen sehen sich Mittelständler ausgesetzt, die eine Nachfolgeregelung benötigen. Eine Diversifikation ist ebenso ein Transformationsprozess wie die in der Gegenrichtung laufende Fokussierung. Nicht zuletzt verbinden sich mit dem Übergang einer nationalen oder exportorientierten Unternehmung zum ‚Global Player’ derzeit für viele Firmen erhebliche Abbau-, Umbau- und Aufbauprobleme. Derartige Übergangsstadien sind immer Brennpunkte der Entwicklung und verlangen nach tiefgreifendem und weitreichendem Wandel, bieten also Anlass zur strategischen Erneuerung. Davon betroffen sind Potentiale und Positionen gleichermaßen.
2.2
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2.1
Vorgehensmodell
Transformationsvorhaben unterscheiden sich von eher zum Arbeitsalltag gehörenden Projekten reproduktiven Wandels dadurch, dass es jetzt um neue Strategien und Fähigkeiten geht sowie um
68
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Grundsatzentscheidungen über das Selbstverständnis und den Kurs der Unternehmung. Dies sind keine reinen ‚Sachprobleme’, und insofern ist Management des Wandels nicht nur Management von Sachfragen. Die Transformationsziele und die Wege zu ihrer Erreichung sind mangels Erfahrung kaum eindeutig bestimmbar. Es handelt sich also selten um als richtig oder falsch beweisbare Entscheidungen. Nur wenn alle Beteiligten fest von der Unabweisbarkeit und Richtigkeit überzeugt sind, wenn alle alles tun, um in der eingeschlagenen Richtung voranzukommen, dann werden die angestrebten Ergebnisse auch tatsächlich eintreten. Umgekehrt gilt, dass schon mancher ‚geniale Plan‘ gescheitert ist, weil niemand so recht an ihn glaubte oder weil er nur halbherzig verfolgt wurde. Der Erfolg ‚stellt sich nicht ein’, so wie ein überraschender Besucher. Der Erfolg einer Unternehmung beruht auf der Gesamtheit nachdrücklicher und nachhaltiger Aktivitäten. Genau dazu sind Transformationsprozesse erforderlich. Für die Wandlungsverantwortlichen bedeutet dies, dass der personalen Dimension des Geschehens besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Zum einen muss ein Bewusstsein für die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Wandels geschaffen werden, und im weiteren Verlauf des Prozesses müssen gegebenenfalls neue Einstellungen und Überzeugungen der Beteiligten entstehen. Wandlungsmanagement ist insofern kognitives Management, hier als Management von Bewusstseinslagen bezeichnet. Zum anderen ist es erforderlich, die notwendige Unterstützung und Prozessenergie zu aktivieren und über den gesamten Prozess hinweg aufrecht zu erhalten, damit der Wandel nicht versickert und versandet. Die Opponenten und Bedenkenträger sind zu überwinden. Wandlungsmanagement ist Einflussmanagement. Die verschiedenen veröffentlichten Prozessmodelle unterscheiden sich u.a. deutlich in der Abdeckung der erläuterten Managementaufgaben. Ein Modell, das dabei besonders positiv hervorsticht, ist das achtstufige Modell von Kotter (vgl. 1996). Aus einer kritischen Auseinandersetzung mit Kotters Argumentation und aufbauend auf eigenen Erfahrungen und Erhebungen entstand die im weiteren Verlauf verwendete Ablaufdarstellung (vgl. Abb. 2/6). Sie beschreibt den Prozess tiefgreifenden und weitreichenden Wandels anhand von fünf Phasen: Initialisierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung, Verstetigung.
69
2 Abbildung 2/6
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Wandlungsprozess und Wandlungsmanagement Wandlungsprozess und Wandlungsmanagement Phasen des Wandels Initialisierung - Wandlungsbedarf feststellen - Wandlungsträger aktivieren
Konzipierung - Wandlungsziele festlegen - Maßnahmenprogramme entwickeln
Mobilisierung - Wandlungskonzept kommunizieren - Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit schaffen
Umsetzung - Prioritäre Vorhaben durchführen - Folgeprojekte durchführen
Verstetigung - Wandlungsergebnisse verankern - Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern
Aufgaben des Wandlungsmanagements Zielzustand der Unternehmung Ausgangszustand der Unternehmung
t
Die fünf Phasen bilden den Rahmen für eine Analyse der Aufgaben des Wandlungsmanagements. Dabei werden jeweils die beiden wichtigsten Aufgaben einer Phase bestimmt. Dies ist mit hoher Trennschärfe möglich und liefert deutliche Unterschiede in den Aufgabeninhalten. Es ergeben sich zehn Aufgaben, die von der Bestimmung des Wandlungsbedarfs in der Konzipierungsphase bis zur Sicherung der Wandlungsbereitschaft und der Wandlungsfähigkeit in der Verstetigungsphase reichen. Sie lassen sich in Teilaufgaben der Wandlungsverantwortlichen weiter auffächern.
2.2.2
Initialisierung
Charakteristik: Die Identifikation und verbindliche Feststellung eines sachlich notwendigen Wandels (Aufgabe 1: Wandlungsbedarf feststellen) und die Aktivierung der Wandlungsträger (Aufgabe 2) sind Aktivitäten der Prozessauslösung. Aufgabe 1 muss die sachliche Notwendigkeit des Wandels klären, Aufgabe 2 die Kräftekonstellation erkunden und die notwendige Überzeugungsarbeit im Führungskreis leisten, um anschließend den weiteren Prozess in Gang zu bringen.
70
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Aufgabe 1: Wandlungsbedarf feststellen Problembewusstsein erzeugen: Die Analyse der internen wie externen Situation lässt einen größeren Veränderungsbedarf erkennen. Im ersten Schritt gilt es nun, im Führungskreis ein Bewusstsein für die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Wandels zu erzeugen, einen ‚sense of urgency’ (vgl. Kotter 1996, S. 35ff.). Vision entwickeln: Die Richtung in die sich der Wandel bewegen soll, muss im Idealfall von einer Zukunftsvision der Unternehmung bestimmt sein. Sie zu entwickeln und z.B. in einem Leitbild niederzulegen, ist Sache der Unternehmungsspitze.
Aufgabe 2: Wandlungsträger aktivieren Wandlungskoalition formen: Transformative Veränderungen tangieren zwangsläufig verschiedene interne wie externe Interessengruppen und deren Positionen. Wandlungsprozesse sind demgemäß als ein Kraftfeld zu begreifen, bestehend aus Promotoren, Opponenten und Unentschiedenen. Es kommt darauf an, die möglichen Promotoren zu identifizieren und für den Wandel zu gewinnen. Sie bilden die Träger des Wandels, womit diejenigen Personen bzw. Gruppen bezeichnet werden, die einen maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis des Wandlungsprozesses ausüben. Wendet man diese Überlegungen z.B. auf Sanierungsvorhaben an, so lautet eine Ausgangsforderung, dass die Kräfte der Vergangenheit und die von ihnen kontrollierten Einflusssysteme abzulösen sind. Die neue, umsetzungsverantwortliche Spitzen-Führungskraft sollte möglichst unabhängig sein, nicht durch die Fehler der Vergangenheit belastet und ohne persönliche Bindungen oder Verpflichtungen in der Unternehmung sein. Der Wechsel zu neuen Gesichtern symbolisiert unübersehbar den Neuanfang, und er führt zu einer Überwindung überholter Wahrnehmungsmuster und Erfolgsmuster der Vergangenheit. Das Verbleiben des alten Managements in den angestammten Positionen führt dagegen regelmäßig zu Konflikten (vgl. Völpel/Bach 2008, S. 153). Wandlungsprozess auslösen: Die Wandlungskoalition bzw. ihr Repräsentant (z.B. Vorsitzender des Vorstands oder Aufsichtsrats) löst anschließend den sichtbaren Teil des Veränderungsprozesses
71
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
aus. Die Wandlungsbedarfe sind genauer zu konkretisieren, und die Vorgehensweise zu ihrer Bewältigung ist festzulegen. Checkliste zur Phase 1: Initialisierung Aufgabe 1: Wandlungsbedarf feststellen Welches sind die kritischen Erfolgsfaktoren der Unternehmung/der Geschäftsfelder? Von welchen marktlichen und außermarktlichen Einflussgrößen ist die Unternehmung/sind die Geschäfte abhängig? Welche internen und externen Veränderungen/Impulse/Anregungen sind zu beobachten/zu erwarten? Welche Vorstellungen/Ideen/Visionen hinsichtlich der eigenen Zukunft liegen dem Vorgehen der Unternehmung/der Geschäftsfelder zugrunde? Gibt es aufgrund eigener Absichten oder/und externer Entwicklungen erkennbaren Bedarf an grundsätzlichen Änderungen? Worin genau besteht dieser Änderungsbedarf in sach-technischer, finanzieller, zeitlicher und personeller Hinsicht? Aufgabe 2: Wandlungsträger aktivieren Wer ist von den erforderlichen Veränderungen voraussichtlich betroffen? Welche Bedürfnisse und Interessen haben die Betroffenen? Welche Vor- und Nachteile/Chancen und Risiken ergeben sich aufgrund des Wandels für sie? Wer/Welche Gruppe resp. Einheit ist als Gegner bzw. Befürworter des Wandels einzustufen? Wer/Welche Gruppe wird sich abwartend verhalten? Wie können die möglichen Befürworter für das Vorhaben gewonnen werden? Wie ist mit Opponenten und Indifferenten umzugehen? Wie stellen sich die Kräfteverhältnisse insgesamt dar? Ist das Unterstützungs- und Durchsetzungspotential groß genug, um den Wandel in Gang zu bringen und zum Erfolg zu führen? Wer entwickelt mit wem bis wann ein Wandlungskonzept? Welche Unterstützung ist hierfür erforderlich?
72
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2.3
2.2
Konzipierung
Charakteristik: Auf den Anstoß zum Wandel folgt die Konzipierung des Wandlungsvorhabens. Hierzu zählen die Festlegung der Stoßrichtungen des Wandels (Aufgabe 3: Wandlungsziele festlegen) sowie der Entwurf und die Bewertung geeigneter Lösungsalternativen zur Deckung des Wandlungsbedarfs (Aufgabe 4: Maßnahmenprogramme entwickeln). Auch die Realisierung dieser Vorhaben in sachlicher, zeitlicher, institutioneller und personeller Hinsicht ist zu durchdenken. Dies bedeutet nichts anderes, als die Organisation des Wandels zu planen. Als Ergebnis dieser Phase muss feststehen, wo und in welcher Form ‚Abbau, Umbau, Aufbau‘ stattfinden sollen.
Aufgabe 3: Wandlungsziele festlegen Ziele und Rahmenbedingungen festlegen: Die Wandlungsziele sind Ausdruck der Unternehmungsvision und langfristiger Unternehmungsziele, entstehen also aus dem Herunterbrechen übergeordneter Zielvorstellungen, die durch den Wandel erreicht werden sollen. Je präziser die Wandlungsziele formuliert sind, desto genauer ist die Richtung für die Maßnahmen der Zielerreichung vorgegeben und desto besser lassen sich die Aufgaben des späteren Programm-Managements erfüllen. Zielsetzungen werden durch Rahmenbedingungen begrenzt, die es ebenfalls festzustellen bzw. festzulegen gilt. Es handelt sich dabei um interne wie externe Faktoren, die im konkreten Fall als gegeben und unveränderbar zu gelten haben und den Wandlungsspielraum begrenzen. Die Zielklarheit, zu der die kleine Zahl der Wandlungsträger vordringen muss, ist von den offen geäußerten Vorstellungen zu unterscheiden. Es ist Sache eines Kommunikationskonzepts (vgl. Kap. 8), darüber zu befinden. Ein zu frühes Bekanntwerden von Details kann das gesamte Projekt gefährden, so z.B. bei M&A-Vorhaben. Insbesondere bei zu erwartendem Widerstand (Opponenten) werden die Promotoren des Wandels in diesem Stadium des Prozesses eher auf Geheimhaltung oder sogar gezielte Desinformation setzen als auf umfassende Aufklärung. Dies sind typische Schachzüge des Einflussmanagements. Sie sind allerdings in Bezug zu setzen zu der im weiteren Projektablauf herzustellenden Transparenz.
73
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Aufgabe 4: Maßnahmenprogramme entwickeln Projektverantwortung und Aufgabenverteilung regeln: In komplexen Vorhaben ist die Arbeitsteilung und Koordination der erforderlichen (Teil-)Projekte festzulegen. Es sind z.B. Programmbeauftragte, Lenkungsausschüsse und Projektleiter zu bestimmen und miteinander zu verzahnen. Und es ist die sachliche, zeitliche und auch räumliche Reihenfolge des Vorgehens zu planen. Besonderes Gewicht ist dabei auf klare Projektaufträge und realistische Ziele zu legen. Dies zählt zu den wiederkehrenden Lektionen, die aus der Praxis stammen (vgl. Vahs/Leiser 2003, S. 101ff.; Claßen 2005, S. 73ff.). Konzepte beurteilen und auswählen: Zur Bewältigung des Wandlungsbedarfs sind geeignete Maßnahmen zu erarbeiten. In aller Regel ist ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen erforderlich, also ein Maßnahmenprogramm. So entsteht in der Kombination der Ziele und Maßnahmen ein Wandlungskonzept als Rahmen für das weitere Vorgehen. Die Konzepterarbeitung geschieht in den dafür vorgesehenen Projektteams. Aufgabe des verantwortlichen Managements ist die abschließende Beurteilung der Vorschläge und die Bestimmung der zu realisierenden Alternative. Im Extremfall werden sogar mehrere unterschiedliche Programme – z.B. für Abbau und Aufbau – geplant, die zeitgleich oder zeitlich überlappend einzuleiten sind. Durchführungsentscheidungen treffen: Das weitere Vorgehen in sachlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht ist Gegenstand eines speziellen Aktionsplans, der von der Spitzeninstanz zu verabschieden und zur Durchführung anzuweisen ist. Tiefgreifender Wandel ist regelmäßig mit personellen Konsequenzen verbunden, die in Deutschland mitbestimmungspflichtig sind. Die Arbeitnehmervertreter sind zu informieren und ihre Zustimmung ist einzuholen. Dies bedingt gesonderte Verhandlungsprozesse. Im Grenzfall kann der Betriebsrat ein Gegengutachten zu den Plänen der Geschäftsleitung einholen. Alle derartigen Aktivitäten sind im Zeitplan besonders zu berücksichtigen (vgl. Kap. 7).
74
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Checkliste zur Phase 2: Konzipierung Aufgabe 3: Wandlungsziele festlegen Welche generellen Ziele/Strategien gelten für die Unternehmung/die Geschäfte? Welche Teilziele lassen sich daraus für das Wandlungsvorhaben ableiten? Welche Ergebnisse werden mit dem Wandel angestrebt? Welche internen/externen Rahmenbedingungen sind zu beachten/einzuhalten? Aufgabe 4: Maßnahmenprogramme entwickeln Welche Maßnahmen(-bündel) erscheinen grundsätzlich geeignet, die angestrebten Ziele/Ergebnisse zu erreichen? Welche Alternativen gibt es hierzu? Woraus bestehen die verschiedenen Entscheidungsalternativen im Einzelnen? Welche Kosten/Nutzen verursachen die möglichen Alternativen? Welche Alternative ist die beste? Wie lassen sich die unterschiedlichen Programmbereiche sachlich, zeitlich und personell aufteilen? Wie ist bei der Umsetzung und Durchsetzung der Maßnahmen vorzugehen (Wer, Was, Wann, Wie)? Wie sind die personelle Verantwortung und die Organisation des weiteren Vorgehens geregelt?
2.2.4
Mobilisierung
Charakteristik: Das Wandlungsmanagement muss im Anschluss an die Konzipierung den Kreis der Beteiligten und Betroffenen auf die beabsichtigten Änderungen einstellen bzw. sie mit der Änderung konfrontieren. Wie dies geschieht, ist wiederum eine Frage der Wandlungssituation und der Kräftekonstellation. Die Skala reicht vom ‚Schaffen vollendeter Tatsachen‘ bis zu einer weitreichenden Partizipation und Delegation. Dies ist ein Aufgabenkomplex, der mit dem Begriff ‚Mobilisierung‘ angemessen charakterisiert erscheint – ein Begriff, der wesentlich andere Akzente setzt als Begriffe wie ‚Einführung‘, ‚Durchsetzung‘ oder auch ‚Implementierung‘. Zwei Aufgaben lassen sich dabei deutlich unterscheiden: Aufgabe 5 (Wandlungskonzept kommunizieren) zielt vorrangig auf die
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Wandlungsbereitschaft und damit auf die Überwindung von Willensbarrieren, Aufgabe 6 (Wandlungsbedingungen schaffen) richtet sich tendenziell auf die Wandlungsfähigkeiten, dient also dem Abbau von Fähigkeitsbarrieren. Die Entwicklung von Maßnahmenprogrammen (Aufgabe 4) ist noch weitgehend eine Sachfrage, ihre Durchsetzung im Rahmen der Mobilisierung hat das Schwergewicht im Bereich des Einflussmanagements und der kognitiven Führung.
Aufgabe 5: Wandlungskonzept kommunizieren Überzeugungsarbeit leisten: Das Wandlungskonzept ist in die Fläche zu tragen und dort zur Akzeptanz zu bringen. Die spätestens im Rahmen dieser Aufgabe durchzuführende Einbindung der Aufsichts- und Mitbestimmungsorgane ist Sache des Topmanagements. Das gleiche gilt für ein evtl. notwendiges externes Anspruchsgruppenmanagement. An Brennpunkten des Geschehens muss das Topmanagement sichtbar und aktiv an der Mobilisierung mitwirken, sei es, dass Einzelgespräche mit Schlüsselpersonen geführt werden oder dass bei größeren Kommunikationsveranstaltungen (z.B. ‚Roadshows’ oder ‚Town Meetings’) Vertreter der Spitzeninstanz auftreten. Zeitlich und sachlich damit abzustimmen ist die interne Information der Mitarbeiter. Die Organisation der hierfür erforderlichen Maßnahmen, z.B. Konferenzen und Informationsmärkte, verlangt Kommunikations-Know how, das dem Programmleiter zur Seite zu stellen ist. In dem Maße, wie die hierfür eingesetzten Mitarbeiter Programm- und Projektverantwortung tragen, sind sie neben dem Topmanagement auch aktiv in der Kommunikation tätig (Kommunikationsprojekte). Symbolisches Management praktizieren: Einprägsam sind Symbole und symbolisches Handeln der Verantwortlichen, in denen sich unübersehbar der Sinn des Wandlungsprogramms und auch die Ernsthaftigkeit des Veränderungswillens manifestieren. Zeichen setzend wirkt insbesondere die personelle Besetzung und organisatorische Verankerung des Wandlungsprojekts. Wenn es gilt, personifizierte Misserfolge der Vergangenheit zu bewältigen, so kann auch das demonstrative ‚Ziehen personeller Konsequenzen‘ eine deutliche Signalwirkung entfalten. Anreize zur Veränderung schaffen: Um neben den bereits vorhandenen Promotoren möglichst viele Betroffene zum aktiven Mitma-
76
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
chen zu bewegen, sind geeignete Anreize zu schaffen. Veränderung ist immer unbequem, lästig oder gar schmerzhaft. Mit Druckmitteln allein wird man nicht auskommen, um eine Kurskorrektur durchzusetzen und nachhaltig aufrecht zu erhalten. Damit lässt sich Opposition überwinden, aber keine positive Einbindung erreichen. Wo immer es möglich ist, muss daher sichtbar und spürbar gemacht werden, dass der Wandel nicht nur ein notwendiges Übel, sondern auch ein lohnendes Ziel darstellt.
Aufgabe 6: Wandlungsbedingungen schaffen Durchführungsvoraussetzungen schaffen: Für die Durchführung prioritärer Vorhaben wie für die Folgeprojekte sind einige Management-Entscheidungen erforderlich. Sie betreffen vor allem das Festlegen der Prioritäten, die Übertragung von Kompetenzen auf ausgewählte Projektleiter sowie die Zuweisung und Freigabe von finanziellen, personellen und sachlichen Mitteln. So sind z.B. Schulungen von Projektleitern, Teammitgliedern und Moderatoren durchzuführen, Vorkehrungen für eine Projektdokumentation und ein Projektcontrolling zu treffen oder geeignete Anreizsysteme und Personalpläne festzulegen, die den Projektbeteiligten eine möglichst klare Orientierung für den Einsatz im Projekt und ihre anschließende Verwendung bieten. Derartige Aktivitäten können ihrerseits schon so vielfältig und funktionsübergreifend sein, dass sie den Charakter von unterstützenden Projekten tragen (Vorbereitungsprojekte). Dies gilt auch für die Ermöglichung bzw. Vorbereitung virtueller Veränderungsaktivitäten, wie sie in Kapitel 2.5 beschrieben werden. Die erforderliche ITInfrastruktur ist aufzubauen, und es sind Spezialisten für die Überwachung und Moderation der web-basierten Interaktion einzusetzen. Aufgabe 6 verliert in dem Maße an Bedeutung, wie eine Unternehmung über dynamische organisatorische Fähigkeiten verfügt, sei es z.B., dass man auf bewährte Prozeduren und Personen für Projektmanagement zurückgreifen kann, sei es, dass man über Einheiten verfügt, die gewohnt sind, professionelle Projektunterstützung zu leisten.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Checkliste zur Phase 3: Mobilisierung Aufgabe 5: Wandlungskonzept kommunizieren Wer bzw. welche interne/externe Anspruchsgruppe/Einheit ist in den Mobilisierungsprozess einzubeziehen? Worüber und in welcher Form soll jeweils informiert werden? Wer übernimmt die Informationsaufgaben? Zu welchen Zeitpunkten und in welcher Reihenfolge soll die Information stattfinden? Aufgabe 6: Wandlungsbedingungen schaffen Welche Qualifikation ist zur Durchführung der geplanten Projekte erforderlich? Wer/Welche Einheit verfügt über die entsprechenden Fähigkeiten? Welche Schulungs- und Trainingsmaßnahmen sind zur Vorbereitung der Projektarbeit erforderlich? Welche Einheiten der Projektorganisation sind zu bilden (z.B. Teams, Lenkungsausschuss), welche Aufgaben und Kompetenzen sind ihnen zu übertragen und wie sind sie personell zu besetzen? Ist die nachhaltige Einbindung des Topmanagements sichergestellt? Wer ist für die Projektarbeit ganz oder teilweise freizustellen, und wie sind die späteren Verwendungen geregelt? Welche Anreize für die Projektbeteiligten gibt es? Wie sind die Kommunikation und die Koordination der Projektarbeit geregelt? Wie werden die Projektergebnisse dokumentiert?
2.2.5
Umsetzung
Charakteristik: Die Durchführung von prioritären Vorhaben (Aufgabe 7) sowie vor allem die sich anschließenden Folgeprojekte (Aufgabe 8) machen zusammen den Prozessabschnitt der Umsetzung aus. Im Rahmen der Konzipierungsphase ist regelmäßig nur ein kleiner Kreis tätig, von der Umsetzung des Konzepts sind im Grenzfall sämtliche Mitarbeiter betroffen. Demgemäß kommt dieser Phase eine entscheidende Bedeutung für den Projekterfolg zu. Mit der Umsetzung kann erst begonnen werden, wenn gegebenenfalls die erforderlichen Mitbestimmungsergebnisse erreicht wurden (vgl. Kap. 6).
78
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Da nicht alle Probleme gleichzeitig gelöst bzw. angepackt werden können, sind Prioritäten unter den verschiedenen (Teil-)Projekten zu bilden. Dies führt zu der Unterscheidung von prioritären Vorhaben (Basisprojekten) und Folgeprojekten. Mit der Realisierung dieser Projekte werden Schritt für Schritt (evolutionär) die Wandlungsbedarfe gedeckt und die Wandlungsziele erreicht.
Aufgabe 7: Prioritäre Aufgaben durchführen Prioritäten festlegen: Typische Kriterien zur Priorisierung sind:
Sachliche Abhängigkeiten. Voneinander unabhängige Projekte können parallel oder zeitlich überlappend bearbeitet werden, was die Gesamtdauer des Programms verkürzt. In dem Maße, wie Projektergebnisse aufeinander aufbauen, ergibt sich dagegen ein sequentieller Ablauf mit hohem Zeitbedarf.
Dringlichkeit. Zeitkritische Probleme werden zuerst bearbeitet. In der Praxis zeigt sich diese Priorität u.a. darin, dass der Schwächenabbau (z.B. in Form von Kostensenkungsmaßnahmen) vor dem Stärkenaufbau (z.B. Entwicklung von Kompetenzen und Wettbewerbsvorteilen) rangiert.
Einführungsrisiko. Um ein hohes Einführungsrisiko abzufangen, ist die Durchführung von Pilotprojekten üblich, die in einem begrenzten Bereich die Funktionsfähigkeit der Lösung testen. Erst anschließend erfolgt die Anwendung in der Breite.
Know how-Transfer. Der Aufbau von erfolgskritischen Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgt in Basisprojekten, wovon die Anschlussprojekte profitieren.
Ressourcenverfügbarkeit. Knappe Ressourcen in finanzieller, personeller und sachlicher Hinsicht prägen zwangsläufig auch die Projektarbeit.
Kurzfristige Erfolge. Um Vertrauen in das Programm zu erzeugen und die Wandlungsbereitschaft zu erhöhen, sollen frühzeitig Projekte durchgeführt werden, die risikoarm kurzfristig einen Erfolgsnachweis erbringen (‚Quick Wins‘). Auf diese Weise lassen sich Skeptiker überzeugen, und die Promotoren erhalten eine Bestätigung ihrer Arbeit. Die Legitimation der Wandlungsabsichten wird drastisch erhöht und die Beweislage in Sachen Projekterfolg verändert sich zugunsten der Promotoren.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Programmablauf überwachen: Die genaue Definition der Projektaufträge und -ziele, die Bestimmung der Reihenfolge des Vorgehens, die Auswahl der Beteiligten sowie die Koordination der sich überlappenden bzw. parallel arbeitenden Projekte (‚Simultaneous Engineering’) markieren Aufgabenschwerpunkte des Wandlungsmanagements. Die Projektmitarbeiter sind für die Erarbeitung der Einzelheiten, die Dokumentation und Auswertung der Projektergebnisse sowie deren Aufbereitung und Weitergabe verantwortlich. Zumindest anhand ausgewählter Zwischenschritte und -ergebnisse (‚Meilensteine’) muss sich auch das Topmanagement um den Fortschritt des Programms kümmern.
Aufgabe 8: Folgeprojekte durchführen Fortschrittskontrolle: Die Überwachung des Programmablaufs setzt sich bei den Folgeprojekten fort. Jetzt erfolgt gegebenenfalls die Übertragung der bisher in Pilotprojekten gemachten Erfahrungen auf alle Anwendungsfelder. Hierzu sind entsprechende Aufträge zu erteilen und ihre Realisierung ist zu kontrollieren. Schließlich ist am Ende des Vorhabens auch die Beurteilung und Gratifizierung der erbrachten Leistungen vorzunehmen, und es sind die Personalverwendungsentscheidungen beim Auflösen der Teams und der Programmleitung zu treffen. Eingriff im Ausnahmefall: Folgeprojekte bauen auf den Basisprojekten auf. Sie bewirken bzw. komplettieren den Wandel und realisieren die gesteckten Ziele. Sofern markante Abweichungen vom angestrebten Ziel zu beobachten sind, ist es Zeit für das ‚Management by Exception’, wie es auch im Tagesgeschäft praktiziert wird, also den korrigierenden Eingriff von oben. Lessons learned festhalten: Die während der Projektarbeit gemachten Erfahrungen sollten zu ‚Lessons learned’ und ‚Best Practices’ für zukünftige Vorhaben verarbeitet werden. Damit kann der Reifegrad des Projektmanagements (vgl. Kap. 2.4.3) erhöht und ein Beitrag zu den dynamischen organisatorischen Fähigkeiten geleistet werden. Die erforderlichen Dokumentationsarbeiten oder Workshops werden zwar in aller Regel als lästig angesehen. Der Fähigkeitszuwachs sollte diesen Aufwand allerdings rechtfertigen.
80
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Checkliste zur Phase 4: Umsetzung Aufgabe 7: Prioritäre Aufgaben durchführen Welche Teilprobleme besitzen höchste Priorität und in welchen Bereichen lassen sich kurzfristig Verbesserungen erreichen? Welche Projektaufträge sind durch wen bis wann mit Vorrang zu bearbeiten? Welche Ergebnisse sind erzielt und welche Erfahrungen sind gemacht worden bei der Durchführung dieser ‚Quick Hits’? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Folgeprojekte (inhaltlich, organisatorisch, personell)? Aufgabe 8: Folgeprojekte durchführen Welche Projekte sind in welcher zeitlichen Abfolge durch wen durchzuführen? Welche Ergebnisse sind erzielt und welche Erfahrungen sind gemacht worden bei der Durchführung dieser Projekte? Sind die Ziele des Wandels erreicht worden, welche Korrekturen und Ergänzungen sind gegebenenfalls erforderlich? Welche Konsequenzen für die Zukunft ergeben sich aus dem Wandlungsvorhaben? Wie läuft die Beendigung des gesamten Vorhabens ab? Welche personellen Maßnahmen sind zu ergreifen?
2.2.6
Verstetigung
Charakteristik: Am Ende der Umsetzungsphase steht das Ausklingen des Wandlungsprogramms, keinesfalls jedoch das Ende der Unternehmungsentwicklung. Der erreichte Zielzustand ist kein ‚Endzustand‘. Wandel muss zu einem Dauerthema gemacht werden. Welchen Stellenwert kontinuierlicher Wandel im Management mittlerweile besitzt, kommt auch in der Befragung europäischer Führungskräfte durch CAPGEMINI zum Ausdruck. 86% der Befragten vertraten die Auffassung: „business transformation has become a central way of working“ (Capgemini 2008, S. 7). Daher endet das hier zugrunde gelegte Prozessmodell des Wandels nicht wie noch in dem berühmten Modell von Lewin (vgl. 1947) mit einem ‚Refreezing’ des erzielten Wandlungsergebnisses, sondern mit der Verstetigung im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Erste Voraussetzung hierfür ist, dass die erreichten Wandlungsergebnisse beibehalten werden und kein Rückfall in alte Zustände und schlechte Gewohnheiten zu verzeichnen ist. Alle Aktivitäten, die dazu beitragen, werden hier in Aufgabe 9 zusammengefasst (Wandlungsergebnisse verankern). Die zweite Voraussetzung liegt darin, die erworbene Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit nicht erlahmen bzw. veralten zu lassen. Kontinuierliche, aktive Weiterentwicklung eines Systems verlangt zwangsläufig auch ein Aufrechterhalten der Wandlungsbereitschaft und eine Pflege der Wandlungsfähigkeit der Beteiligten. Beides kommt in Aufgabe 10 zum Tragen (Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern).
Aufgabe 9: Wandlungsergebnisse verankern Wandlungsergebnisse überprüfen: Der Übergang von der Umsetzung zur Verstetigung bedeutet auch einen Verantwortungsübergang. Das Programm-Management hat seine Aufgabe erfüllt, das Linienmanagement ist nun maßgeblich für die Verstetigung zuständig. Es ist also Sache der Bereichsverantwortlichen, zunächst dafür zu sorgen, dass ‚das Neue‘ beibehalten wird. Dies verlangt ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin. Vor allem aber müssen die Aufgaben und Ziele für den eigenen Verantwortungsbereich und jeden Mitarbeiter so umgestellt werden, dass die Nachhaltigkeit der Ergebnisse erreicht wird. Im Wesentlichen dürfte es auf die Ausübung der einzelnen Führungsaufgaben ankommen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Erhöhter Kontakt und verstärkte Eingriffe in der Anfangsphase, klare Zielabsprachen in der Folge. Die Kontrolle der Zielerreichung, die Auswertung der Ergebnisse und die Honorierung der Erfolge, z.B. durch Anreizgewährung, sind wiederum eine Führungsaufgabe. Erst mit dieser Aufgabe wird der Führungsregelkreis geschlossen, der mit der Formulierung von Wandlungszielen begonnen hatte.
Aufgabe 10: Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern Wandlungsziele in den Managementprozess integrieren: Der jährliche Führungsprozess zur Bewältigung des Tagesgeschäfts muss ergänzt und angereichert werden um Ziele und Vorhaben, die der evolutionären Weiterentwicklung der Unternehmung dienen. Im
82
Ablauf tiefgreifenden Wandels (Transformationsprozess)
2.2
Idealfall gelangt man so zu Unternehmungsbereichen, die sich im Sinne einer Selbstentwicklung verhalten und nach dem großen Umbruch der gesamten Unternehmung aktiv einen permanenten, bereichsbezogenen Wandel vollziehen können. Die Abwicklung des Tagesgeschäfts und seine Verbesserung müssen Hand in Hand gehen. Damit gekoppelt ist über adäquate Anreize nachzudenken. Plattformen für Lernen und Entwicklung schaffen und nutzen: Das Arbeiten in Einheiten der Sekundärorganisation, wie z.B. Workshops, Teams, Quality Circles oder Erfahrungsaustauschgruppen sollte in geeigneter Form für die Verstetigung des Wandels genutzt werden. Eine steigende Bedeutung hierfür besitzen auch internetgestützte Formen des Austauschs, z.B. in Foren und Communities. Ziel aller derartigen Ansätze muss es sein, eine ‚Motorisierung’ kontinuierlichen, evolutionären Wandels im Sinne des Gegenstrommodells zu erreichen (vgl. Kap. 2.5). Checkliste zur Phase 5: Verstetigung Aufgabe 9: Wandlungsergebnisse verankern Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Wandlungsvorhaben für das Tagesgeschäft der Teilbereiche? Ist sichergestellt (organisatorisch, personell, führungsbezogen), dass die Teilbereichsleiter die angestrebten Ergebnisse beibehalten? Aufgabe 10: Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern Sind seitens der Unternehmungsspitze Wandlungsziele für das laufende Geschäft formuliert und auf die Teilbereiche heruntergebrochen worden? Ist die Zielerreichung in den Teilbereichen personell und organisatorisch geregelt? Wird die Erreichung dieser Ziele überwacht und gratifiziert? Gibt es bereichsübergreifende Vorkehrungen für den Erfahrungsaustausch und die Dokumentation und Verbreitung der Ergebnisse? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Ergebnissen und Erfahrungen für die weiteren Absichten und Ziele der Unternehmung und ihrer Bereiche?
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.3
Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms
2.3.1
Fragestellungen
Wandlungsprogramme bestehen aus mehreren Projekten, die arbeitsteilig durchzuführen sind. Innerhalb eines Transformationsprozesses laufen also mehrere Projektprozesse ab.
Der beschriebene Ablauf tiefgreifenden Wandels, die darin enthaltenen Aufgaben sowie die Checklisten sind zusammengenommen eine verallgemeinerte (generische) Orientierungshilfe für Transformationsprozesse. Im Einzelfall kann diese Grundlage benutzt werden, um den konkreten Wandlungsprozess so zu konfigurieren, dass sich ein unternehmungs- und situationsadäquates Vorgehen ergibt. Dies steht in engem Zusammenhang zur Aufbauorganisation von Programmen und Projekten, die den Gegenstand von Kapitel 6 bilden. Für die prozessbezogene Konfiguration stellen sich vor allem folgende Fragen:
Welche Teilprojekte sind zu unterscheiden? Wie ist die sach-zeitliche Verzahnung der (Teil-)Projekte geregelt?
Wie sieht die vertikale Arbeitsteilung im Wandlungsprojekt aus? In welchen Phasen soll das gesamte Vorhaben ablaufen?
2.3.2
Festlegung der Teilprojekte
Die Initialisierungsphase trägt noch nicht Projektcharakter, sondern liefert Projektanstöße und mündet in einen Projektauftrag für ein Strategieprojekt, das in der Konzipierung durchzuführen ist. Das entsprechende Team muss das Wandlungskonzept (Ziele und Maßnahmenprogramme) erarbeiten und damit den Rahmen für das weitere Vorgehen bestimmen. Die Mobilisierung enthält Kommunikations- und Vorbereitungsaufgaben, die bei komplexen Vorhaben Gegenstand eigener Projekte sind. Kommunikationsprojekte kön-
84
Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms
2.3
nen die Wandlungsverantwortlichen bei ihren Informationsaufgaben unterstützen; sie dienen zur Stärkung der Wandlungsbereitschaft, Vorbereitungsprojekte der Schulung und dem Training, also den Wandlungsfähigkeiten. Den operativen Kern des Wandlungsvorhabens bilden die Umsetzungsphase und die dort zu bewältigenden (Teil-)Projekte. Basisprojekte bearbeiten prioritäre Aufgaben und Folgeprojekte tragen sodann die Hauptlast der Realisation des Wandels. Grundlage für den Zuschnitt der notwendigen Projekte bildet das Wandlungskonzept, das als Ergebnis der Konzipierung entstanden ist. Die darin festgelegten Ziele und Maßnahmenpakete müssen durch geeignete Teams (‚Task Forces’) abgedeckt werden. Sei es, dass es sich um abteilungs- bzw. bereichsübergreifende Kernprobleme handelt, z.B. Reduzierung der Entwicklungsdauer oder Abbau der Zwischenlager; sei es, dass es um die Restrukturierung von Organisationseinheiten geht. Im Falle von Reorganisationsprojekten sollte die Programmstruktur der beabsichtigten Zielstruktur der Unternehmung nach der Transformation entsprechen. Eine bedenkenswerte Empfehlung lautet, die späteren Leiter der jeweiligen Einheiten bzw. die Process Owner zu Teamleitern zu machen. Anders formuliert: die ‚Gewinner’ des Wandels werden ‚gesetzt’ und optimieren im Projekt den Bereich, den sie danach verantwortlich übernehmen. Analog kann auf der Ebene der Mitarbeiter sowie der Gesamtprojektleitung verfahren werden. Die zeitlich befristete Organisation des Vorhabens wird am Projektabschluss ‚vertikalisiert’, also in die Zielorganisation der restrukturierten Unternehmung übertragen. Sodann gibt es Querschnittsaufgaben, die spätestens während der Umsetzung auftreten und in speziellen Projekten zu bündeln sind. Hierzu zählen in jedem Fall die personalwirtschaftlichen Aufgaben als ein Schlüsselproblem jeder Transformation. Die geplanten personellen Maßnahmen, vorwiegend Abbau- und Umbaumaßnahmen, sind zu realisieren. Diese Aufgaben, in der Praxis oft als Change Management bezeichnet, sind als eigenes Teilprojekt in die Projektorganisation zu integrieren. Im Einzelfall können andere Querschnittsthemen hinzukommen, wie z.B. die IT oder die Abwicklung von Baumaßnahmen und Umzügen.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.3.3
Sequenzen, Überlappungen und Parallelläufe bestimmen
In der Programmplanung sind sodann die sach-zeitlichen Abhängigkeiten zwischen den (Teil-)Projekten zu klären und vor allem im Hinblick auf die Projektgesamtdauer zu optimieren. Dabei spielt die gewählte Implementierungsform eine wesentliche Rolle. Es versteht sich, dass Projekte, deren Erfolg von einem Geheimhaltungsund Überraschungseffekt abhängt (z.B. M&A-Vorhaben), einen anderen Ablauf bedingen als z.B. die üblichen Restrukturierungsvorhaben. Geht man von einem Top down-geleiteten partizipationsergänzten Vorgehen aus (vgl. Kap. 4.2.4), dann können Strategieprojekte und Kommunikationsprojekte überlappend gestaltet werden. Wenn im Strategieprojekt absehbar ist, dass es zu einer grundsätzlichen Änderung kommen wird, können bereits die notwendigen Informationsveranstaltungen geplant werden. Mit ihrer Durchführung kann dann im direkten Anschluss an das Strategieprojekt begonnen werden. Die Kommunikationsprojekte selbst könnten grundsätzlich parallel ablaufen, z.B. für verschiedene Standorte oder Mitarbeitergruppen. Unmittelbar danach beginnt die Realisation der Vorbereitungsprojekte, die parallel zu den Kommunikationsprojekten geplant worden sind. Während der Vorbereitungsprojekte wiederum kann bereits die Planung von prioritären Vorhaben erfolgen. Prioritäre Vorhaben (Basisprojekte) sollen zeitlich überlappend mit Folgeprojekten ablaufen. Ausnahmen von dieser Regel bilden vor allem Pilotprojekte, deren Ergebnisse abzuwarten sind, ehe mit den Folgeprojekten angefangen wird. Folgeprojekte können weitgehend parallel organisiert werden, sofern sie unabhängig voneinander sind. Ansonsten ist zumindest ein überlappendes Vorgehen anzustreben. Legt man dieses Verlaufsmuster zugrunde, so ergibt sich schematisch der in Abbildung 2/7 dargestellte zeitlich komprimierte Gesamtablauf eines Transformationsprozesses. Insbesondere ist die lange Zeit, die häufig zwischen der Konzipierung und der Umsetzung liegt, deutlich zu verkürzen.
86
Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms
Abbildung 2/7
Überlappende Projektabläufe sequentieller Ablauf
Strategieprojekte
Initialisierung
Konzipierung
Initialisierung
Konzipierung
2.3
Kommuni- Vorbereikationstungsprojekte projekte
Basisprojekte
Mobilisierung
Mobilisierung
Folgeprojekte
Umsetzung
Umsetzung
Verstetigung
Verstetigung
Strategieprojekt „Simultaneous Engineering“ = überlappende/ parallele Abläufe
Kommunikationsprojekte Planung
Durchführung
Vorbereitungsprojekte Planung
Durchführung
Basisprojekte Pilotprojekte Planung Durchführung Folgeprojekte Planung
Durchführung
Folgeprojekte
Pilotprojekte
Ergebnis ist abzuwarten, bevor Folgeprojekte beginnen.
Folgeprojekte
Folgeprojekte die voneinander abhängig sind, können höchstens überlappend, nicht jedoch parallel durchgeführt werden.
2.3.4
t Zeitvorteil durch parallele Abläufe
Arbeitsteilung zwischen Management-, Ausführungs- und Unterstützungsaufgaben vorsehen
Wie das Tagesgeschäft bedarf auch ein Wandlungsvorhaben einer vertikalen Arbeitsteilung zwischen ‚Führung’ und ‚Ausführung’. Dies betrifft die Arbeit jedes einzelnen Projekts, aber auch die übergeordnete Gesamtleitung. In aufbauorganisatorischer Hinsicht ergeben sich daraus die Positionen der (Teil-)Projektleiter, des Programm-Managers sowie des Lenkungsausschusses (vgl. im Einzelnen Kap. 6.3.3). Unter Prozessgesichtspunkten erhält man zum einen programm- und projektbezogene Managementprozesse, die der Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle dienen.
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Zum anderen ergeben sich die jeweiligen Ausführungsprozesse der Teams, die den operativen Kern des Vorhabens bilden. Die Arbeit in allen Teilprojekten bedarf gleichermaßen durchgängiger Unterstützung. Daher empfiehlt es sich, entsprechende Prozesse und Positionen in der Projektorganisation vorzusehen. Je nach Aufgabenvolumen ist an einen Projektassistenten oder ein Projekt-Büro zu denken, zugeordnet dem Programm-Manager. Diese Einheit übernimmt neben reinen Administrationsaufgaben vor allem das Projektcontrolling. Sie hilft bereits in der Konzipierung bei der Erstellung eines integrierten Maßnahmenplans und der Definition von Ergebnisgrößen und ermittelt später die Realisierungsfortschritte. In der Umsetzungsphase stellt die Supporteinheit das Bindeglied zwischen den Management- und den Ausführungsprozessen dar. Damit soll erreicht werden, dass alle Verantwortlichen stets auf der Höhe des Geschehens sind.
2.3.5
Aufgaben und Phasen des Wandels festlegen
Die zehn Aufgaben des Wandels sind zwar als typisierte Kategorien unverzichtbarer Teil jedes Wandlungsvorhabens. Es gibt keinen (intendierten) Wandel, ohne dass bspw. initialisiert, konzipiert und vor allem umgesetzt wurde. Eine einzelfallbezogene Spezifikation vor allem des Inhalts, aber auch der Reihung von Aufgaben und Teilprozessen (‚Phasen’) der Veränderung ist allerdings dennoch erforderlich. Davon betroffen sind in erster Linie die Ausführungsprozesse. Sie unterscheiden sich in ihrem Inhalt bei unterschiedlichen Wandlungsanlässen bzw. -schwerpunkten. Managementaufgaben sowie Unterstützungsaufgaben sind dagegen weitestgehend unabhängig von der Art des Projekts. Die fallspezifische Konfiguration eines Wandlungsprogramms wird im Folgenden exemplarisch für zwei besonders relevante Wandlungsvorhaben gezeigt: für Sanierungsprojekte zum einen, M&AVorhaben zum anderen. Beide Projektarten zusammengenommen repräsentieren den Turnaround-Verlauf (AUA). M&A-Vorhaben dienen der Erzielung von externem Wachstum (= Aufbau) ebenso wie der Marktbereinigung und Synergieerzielung (= Aufbau).
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Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms
2.3.6
2.3
Beispiel Sanierungsvorhaben
Sanierungsvorhaben dienen der Krisenbewältigung, sollten also idealerweise einen Turnaround erreichen. Insofern ist auch die Sanierung einer Unternehmung ein spezieller Transformationsprozess. Sanierungssituationen sind allerdings Krisensituationen, und die Transformation ist reaktiv. Im Gegensatz zu Wandel in Normalsituationen ist ein Scheitern der Konzeptumsetzung im Falle der Sanierung unmittelbar existenzbedrohend. Der damit verbundene Problemdruck und Zeitdruck erhöht den Wandlungsbedarf drastisch und führt zu besonderen konzeptionellen und personellen Anforderungen. Dazu gehört vor allem eine erhebliche Robustheit der Sanierungsoperationen und des Sanierungsmanagements, also ein aus der Not geborener Verzicht auf konzeptionelle Feinheiten und persönliche Rücksichtnahmen. In vielen Fällen begnügt man sich de facto mit Abbau- und Umbaumaßnahmen, die allerdings nicht zu neuem Wachstum führen. Sanierungsfälle sind von dem bereits beschriebenen typischen Krisenverlauf geprägt: Strategiekrise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise. Eine wirklich überzeugende Sanierung hat daher auch die Strategiefragen zu klären. Die Bewältigung der Krisen muss wegen der Dringlichkeit in umgekehrter Reihenfolge stattfinden: Die Regel lautet ‚Liquidität vor Ergebnis vor Strategie’. Liquiditätsengpässe verlangen Sofortmaßnahmen (prioritäre Projekte). Diese Maßnahmen müssen bereits während der Konzipierung von erfolgs- und strategiebezogenen Teilprojekten greifen (Überlappungen). Sodann ist eine Stabilisierung der Ergebnissituation – z.B. durch Kostensenkungsvorhaben – zu erreichen. Überlappend oder parallel zu diesen Folgeprojekten ist an einer strategischen Neuausrichtung zu arbeiten, z.B. durch den Verkauf einzelner Geschäfte und Zukäufe im Kerngeschäft. Diese und ähnliche konzeptionelle Überlegungen, gepaart mit langjährigen Erfahrungen, haben im INSTITUT DER WIRTSCHAFTSPRÜFER (IdW) zur Verabschiedung eines Standards für Sanierungsvorhaben geführt. Aufbauend auf den dort getroffenen Festlegungen zeigt Abbildung 2/8 die Konfigurierung tiefgreifenden Wandels am Beispiel einer Sanierung (vgl. IdW 2008 sowie Krüger 2009). Die Managementprozesse sowie die Unterstützungsprozesse, in Abbildung 2/8 ergänzend dargestellt, sind im IdW-Standard nicht näher ausdifferenziert. Im Mittelpunkt stehen die Ausführungsprozesse. Da die
89
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Initialisierung typischerweise von außen erfolgt, durch Druck der Banken oder der Gesellschafter, ist diese Phase nicht Teil des eigentlichen Projekts. Die Ausführungsprozesse sind sodann in die Phasen Bestandsaufnahme, Maßnahmenplanung und Umsetzung gegliedert. ‚Bestandsaufnahme’ und ‚Maßnahmenplanung’ zählen zur Konzipierung. Die ‚Umsetzung’, auch in der Sanierung als solche bezeichnet, kann man sich zweigeteilt vorstellen, in Sofortmaßnahmen und Folgemaßnahmen.
Abbildung 2/8
Konfiguration eines Sanierungsprojekts
Managementprozesse
•Planung, Organisation und personelle Besetzung des Projekts •Lenkung und Überwachung des Projekts •Stakeholdermanagement Konzipierung
Ausführungsprozesse
Phase 1: Bestandsaufnahme •Lage der Unternehmung •Krisenstadium und Krisenursachen Konzipierung •Lageprognose Phase 2: Maßnahmenplanung •Maßnahmen zur stadiengerechten Bewältigung der Krise •Integrierter Sanierungsplan Umsetzung: Prioritäre Projekte Phase 3: Umsetzung •Bewältigung der Liquiditätskrise
Unterstützungsprozesse
90
Umsetzung: Folgeprojekte •Bewältigung der Ertrags- und Strategiekrise •Übergabeaktivitäten
•Projektcontrolling •Administration
Diese drei Phasen sind – wie erläutert – überlappend zu planen und durchzuführen, um die Gesamtdauer zu verkürzen und rasche Ergebnisse zu erzielen. Eine Mobilisierung ist im IdW-Standard nicht als eigener Prozessteil vorgesehen. Entsprechende Aktivitäten müssten also gesondert in die Phasen 2 und 3 eingebaut werden. Die Sanierung ist mit der Übergabe an die für das Tagesgeschäft vorgesehenen Führungskräfte und ihre Mitarbeiter beendet. Ihnen würde es obliegen, die Verstetigung zu berücksichtigen, um künftigen Krisen vorzubeugen.
Fallweise Konfigurierung eines Wandlungsprogramms
2.3.7
2.3
Beispiel M&A-Vorhaben
Zur strategischen Erneuerung gehören neben Abbau und Umbau vor allem auch Aufbaumaßnahmen. Neben den Möglichkeiten des internen Wachstums spielt das externe Wachstum durch Beteiligungserwerb, Übernahmen und Fusionen (Mergers & Acquisitions, M&A) eine große Rolle. Dies gilt vor allem für gesättigte Märkte sowie Branchen, die wenige Möglichkeiten besitzen, durch Technologieänderungen oder Produktinnovationen zu wachsen. Einen Vorschlag für die Konfigurierung eines M&A-Vorhabens gibt Abbildung 2/9 wieder (entwickelt nach Krüger 2006e). Gegenstand ist der Kauf – erstes Teilprojekt – und die anschließende Integration – zweites Teilprojekt – einer Unternehmung. Die zugehörige Programmorganisation wird in Kapitel 6.3.3 erläutert. Die Initialisierung des gesamten Vorhabens ist das Ergebnis eines Strategieprozesses. Auf der Basis eines entsprechenden Projektauftrags findet ein insgesamt 4-phasiger Ausführungsprozess statt. Er wird durchgehend von Managementprozessen getragen sowie von Unterstützungsprozessen flankiert. Zunächst werden in Phase 1 mögliche Targets identifiziert und bewertet (Konzipierung). Der Kaufvorgang, die sog. Transaktion (Phase 2), stellt die Umsetzungsphase dieses ersten Teilprojekts dar. Als Teilaufgabe der Transaktionsphase wird die Integration als zweites Teilprojekt mit der Entwicklung eines Rahmenkonzepts vorbereitet. Dieser Plan fließt in die Kaufverhandlungen und den Vertragsabschluss mit ein. In der Phase 3 (‚Integration’) geht es letztlich um die Umsetzung der Integration. Hierzu muss allerdings zunächst noch das Rahmenkonzept anhand der nunmehr erworbenen Unternehmung detailliert werden. Erst dann kann die eigentliche Durchführung der Maßnahmen erfolgen, vorbereitet durch Mobilisierungsschritte. Die Übergabe an das neue Management (Phase 4 ‚Geschäftssteuerung’) bildet den Projektabschluss. Die darin enthaltenen ‚Folgerestrukturierungen’ verweisen auf weitere Wandlungsvorhaben und bilden zumindest einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Verstetigung. Die Verstetigung selbst ist eine Aufgabe für das neue Management und nicht mehr Teil des M&A-Vorhabens.
91
2 Abbildung 2/9
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Konfiguration eines M&A-Vorhabens
Initialisierung Managementprozesse
•Konzernstrategie und Konzernentwicklung •Planung, Organisation und personelle Besetzung des Projekts •Steuerung und Kontrolle des Projekts Konzipierung des Vorhabens
Ausführungsprozesse
(1) Konzeption •Basisstrategie •Suche und Auswahl von Targets •Grobbewertung
Verstetigung
(2) Transaktion •Detailbewertung/Due Diligence •Verhandlung/Rechtliche Prüfung •Rahmenkonzept Integration •Vertragsphase/Closing Umsetzung der Integration
(4) Geschäftssteuerung •Übernahme •Folgerestrukturierungen •Kontrolle Unterstützungsprozesse
Umsetzung des Vorhabens Konzipierung der Integration
(3) Integration •Detailkonzept Integration •Mobilisierung und Durchführung •Ergebniskontrolle
•Controlling/Rechnungswesen/Finanzen •HRM •IT •Kommunikation
2.4
Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4.1
Kanalisierter Wandel als Herausforderung
In der Vergangenheit traten Wandlungsvorhaben (‚Reorganisation’, ‚Restrukturierung’) in Abständen von 10 - 15 Jahren auf und erfassten wie eine große Welle eine Unternehmung bzw. ganze Branchen. Das Bild von der Welle zeigt allerdings auch negative Folgen dieser Art von Wandel: Wellen kann man über sich hinweg rollen lassen. Wellen brechen sich, verebben und versanden. Die Wandlungsergebnisse stellen sich nicht ein, oder aber alte Zustände und Gewohnheiten sind nur kurzfristig unterdrückt, kommen aber bald wieder an die Oberfläche.
92
Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4
Diesen Mängeln soll in dem hier vertretenen Konzept bereits dadurch begegnet werden, dass der Wandlungsprozess in eine Phase ‚Verstetigung’ mündet. Diese Phase bildet die Grundlage für einen kontinuierlichen Strom der Entwicklung, den es zu kanalisieren und voranzutreiben gilt. Zwei Anforderungen sollte ein solcher Prozess der ‚gesteuerten Evolution’ konzeptionell erfüllen: Zum einen muss er so angelegt sein, dass er die Prozesse des Tagesgeschäfts mit Veränderungsprozessen verzahnt. Nur so lässt sich die Forderung nach permanentem Wandel erfüllen. In dieser Richtung lassen sich auch die Bemühungen interpretieren, ähnlich wie für Projektprozesse für die verschiedenen Geschäftsprozesse Reifegradmodelle zu entwickeln, die mit einer Standardisierung beginnen und mit kontinuierlicher Verbesserung enden (vgl. Davenport 2005). Die bekannten und weit verbreiteten ISO 9000 Standards sind dagegen binär und statisch angelegt, enthalten also gerade keine Veränderungsaufforderungen. Sie entsprechen insofern dem erwähnten Gedanken des ‚Refreezing’ in Lewins Modell. Zum anderen sollte die kontinuierliche Entwicklung idealerweise nicht nur die vor allem abwärts gerichteten Prozesse intendierten Wandels enthalten, sondern auch die vorwiegend aufwärts verlaufenden emergenten Wandlungsimpulse. Für alle Unternehmungen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, ist dies ein sinnvolles Leitbild. Für diejenigen Unternehmungen, die Marktführerschaft anstreben oder verteidigen wollen, ist es ein unverzichtbares Muss. Wandlungsfähigkeit einer Unternehmung ist auf dynamischen Märkten eine Kernfähigkeit. Wettbewerbsvorsprung verlangt Wandlungsvorsprung. Marktführerschaft bedingt Wandlungsführerschaft. Basis hierfür ist die Wandlungsfähigkeit als Kernfähigkeit der Unternehmung. Im Folgenden wird zunächst gezeigt, wie man sich einen Prozess emergenten Wandels vorstellen kann. Sodann wird mit dem Gegenstromverfahren ein Orientierungsmodell vorgestellt, das emergenten wie intendierten Wandel enthält und beides mit dem Tagesgeschäft verbindet. Mit konventionellen Ansätzen lässt sich ein kompletter Gegenstrom nur mühsam verwirklichen, das Web 2.0 allerdings ermöglicht ‚Quantensprünge’ (vgl. Kap. 2.5).
93
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.4.2
Ermöglichung emergenter Veränderungen
Emergenter Wandel nimmt seinen Ausgang nicht vom Topmanagement und wird dann Top down implementiert. Er beginnt vielmehr bei Ideen einzelner Mitarbeiter unterer Ebenen und ist insoweit auch als eine Form der Bottom up-Implementierung zu interpretieren (vgl. Kap. 4). Der Prozess des emergenten Wandels lässt sich allerdings nicht als eine sequentielle Abfolge definierter Aktivitäten (‚Phasen’) erfassen und gestalten, wie dies mit den bisher verwendeten fünf Phasen des intendierten transformativen Wandels geschieht. Er ähnelt mehr dem kreisförmigen Ausbreiten einer Welle, die ein Stein im Wasser verursacht, als dem phasenartigen Ablauf. Den stärksten und umfassendsten Wandel löst diese Wellenbewegung aus, wenn sie zum Entstehen neuer oder geänderter organisatorischer Fähigkeiten führt, also die gesamte Unternehmung innovierend verändert. Wie es dazu kommen kann, versuchen Floyd/Wooldridge anhand des Entstehens strategischer Initiativen zu erklären (vgl. 2000, S. 117ff.). Die Grundgedanken dieses Modells werden hier aufgegriffen und zu einem ‚Wellenschema’ verarbeitet (vgl. Abb. 2/10). Es beginnt mit der Veränderungsidee eines einzelnen Mitarbeiters. Für den weiteren Verlauf spielt es keine Rolle, wie diese Idee entsteht, welchen Gegenstand und welchen Reifegrad sie hat. Um aus diesem singulären Gedanken eines Einzelnen weiterreichende Veränderungen entstehen zu lassen, muss er zwangsläufig weitere Kreise ziehen und dort akzeptiert werden. Der Mitarbeiter kann seine Idee z.B. in seinem eigenen Netzwerk diskutieren oder sich an seinen Vorgesetzten wenden. Dort wird darüber befunden, ob aus der Idee ‚etwas werden kann’. Der Vorgesetzte muss klären, ob der Änderungsimpuls mit aktuellen Strategien der Einheit (z.B. Funktionsbereich, Geschäftseinheit, Unternehmung) in Einklang steht oder ob sich darin ein Beitrag zur Lösung eines relevanten Problems der Einheit erkennen lässt. Bereits in diesem Stadium kann der Prozess beschleunigt oder frühzeitig gestoppt werden. Das Problem hierarchischer Barrieren tritt hier erstmals auf. Es dürfte in der Praxis ein gravierendes Hindernis darstellen, und es wäre bereits aus diesem Grund naiv, auf eine quasi naturgesetzliche Wirksamkeit ‚emergenter Wellen’ zu setzen.
94
Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4
Das Barrierenproblem setzt sich fort, wenn man sich den weiteren Prozessverlauf ansieht.
Von der Idee eines Einzelnen zur organisatorischen Fähigkeit (‚Wellenschema’)
Abbildung 2/10
Organisatorische Fähigkeit
Legitimation durch obere Ebene
Emergente Routine Übergreifende Verbreitung und Weiterentwicklung Erweiterte Initiative Diskussion im Netzwerk der Führungskraft Abgestimmter Vorschlag Interpretation/Beurteilung durch mittlere Ebene Idee eines Einzelnen
Sollte der Vorgesetzte an der Sache interessiert sein und ein Weiterverfolgen als aussichtsreich einschätzen, so wird die Idee zu einem konkretisierten abgestimmten Vorschlag, der mit den Rahmenbedingungen der Einheit in Einklang steht. Jetzt handelt es sich um eine ‚behandlungsbedürftige Angelegenheit’ (‚Issue’). Je innovativer der Vorschlag ist, desto weniger passt er in vorhandene Routinen. Für eine weiter gehende Abklärung und Absicherung wird sich die Führungskraft daher nicht ohne Weiteres auf den Dienstweg begeben, sondern sich ihrer informalen Beziehungen bedienen. Nun wird der Vorschlag innerhalb dieses Netzwerks diskutiert, gegebe-
95
2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
nenfalls verfeinert und modifiziert. Das Wissen und die Erfahrungen der Beteiligten fließen in den Prozess ein und erhöhen den Gehalt der Lösung. Es kann zum Beschleunigen oder Einfrieren des Vorgangs kommen. Auf jeden Fall wird die besondere Bedeutung mittlerer Ebenen sichtbar. Ihnen kommt in Prozessen emergenten Wandels eine Schlüsselstellung zu. Eine ähnliche Feststellung lässt sich im Übrigen für die Implementierung abwärts gerichteten, intendierten Wandels treffen (vgl. Kap. 4). Im Erfolgsfall hat die Idee nun den Status einer informal bereits vorgeklärten, akzeptierten und für unterstützungswürdig befundenen Initiative erreicht. Im nächsten Schritt, der nächsten Welle, wird in den verschiedenen beteiligten Einheiten eine nähere Präzisierung, eine Erprobung oder Pilotanwendung stattfinden. Die vorhandenen Vorgehensweisen, Regeln oder Routinen werden also modifiziert bzw. in einer Parallelanwendung um Alternativen ergänzt. Damit zugleich findet eine Weiterentwicklung und Weiterverbreitung der Initiative statt, ein Prozess, der sich zwangsläufig mehr und mehr dem Einfluss der fokalen Führungskraft und erst recht dem Urheber der Idee entzieht. Wenn sich die Initiative aufgrund der gemachten Erfahrungen und Lernschritte bewährt, dann ist aus der Idee eine emergente Routine geworden, also z.B. eine Verfahrens- oder Produktänderung, die sich sozusagen informell durchgesetzt und bewährt hat. Im letzten Schritt geht es darum, die formale Anerkennung dieser Routine zu erreichen. Dies kann nur durch die Genehmigung seitens höherer Instanzen geschehen, bei unternehmungsweiten Änderungen also durch eine Entscheidung der Geschäftsleitung. Es versteht sich, dass auch an der Stelle Barrierenprobleme existieren. Gelingt deren Überwindung, dann ist die Änderung offizielle Politik. Der in der Routine enthaltene Wissens- und Erfahrungsbestand tritt damit zu den organisatorischen Fähigkeiten hinzu oder ersetzt seitherige Fähigkeiten. Grundsätzlich lässt sich dieses Entstehungsmuster auf alle Arten organisatorischer Fähigkeiten anwenden, Basisfähigkeiten und dynamische Fähigkeiten. Auch Wandlungsfähigkeiten können aus emergenten Prozessen entstehen, so z.B., wenn der Leser dieses Buches Anregungen erhält, die er in seiner Arbeitsumgebung dazu nutzt, Veränderungsprozesse besser zu verstehen oder zu gestalten.
96
Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4
In dokumentarisch-romanhafter Form ist ein solcher Prozess von Maja Grolimund Daepp sehr anschaulich beschrieben worden; in einem Buch, dessen Hauptfigur ein Manager ist, der Opfer einer Fusion geworden ist (vgl. 2005). Das folgende Beispiel des AUDI Quattro zeigt sehr eindringlich, wie ein emergenter Prozess ablaufen kann. Es begann mit einer Produktidee und endete mit der Reorientierung eines ganzen Konzerns.
Das Thema: Emergenter Wandel Das Beispiel: AUDI Quattro Winter 1976: Ingenieur Bensinger, der Leiter der Fahrwerksentwicklung, ist begeistert vom Fahrverhalten des VW Iltis (Geländewagen) und überlegt, ob das Konzept nicht auf Limousinen übertragen werden könnte. Er findet Unterstützung beim damaligen AUDI-Entwicklungsvorstand Ferdinand Piëch, seinem Vorgesetzten. Nur wenige Personen werden in die inoffizielle schrittweise Konzeptentwicklung eingeweiht. Im März `77 wird Hans Nedvidek mit der Fahrwerksentwicklung beauftragt. Ein erster Prototyp auf der Basis des Audi 80 führt zur Duldung des Projekts durch andere AUDI-Vorstände. Aber erst ab September `77 gibt es eine offizielle Projektnummer und eine Teamerweiterung auf zwölf Mann. Januar `78: der VW-Verkaufsvorstand sowie der Marketingchef werden überzeugt durch Fahrversuche auf der Turacher Höhe, Europas höchstem Alpenpass. Mai `78: Zustimmung zur Serienproduktion durch Prof. Dr. Ernst Fiala, VW Entwicklungsvorstand. März `80: Der AUDI Quattro ist der Star des Genfer Salons. Es beginnt die Neupositionierung der Marke AUDI mit ‚Vorsprung durch Technik’. Der Quattro feiert viele Rallyeerfolge. Zahlreiche technische Folgeprojekte führen zur Bestätigung und Stärkung der Neupositionierung, so z.B.: Procon-Ten (Aufprallschutz), voll verzinkte Karosserien, Alukarosserie beim A 8. (Quelle: Bach 2000, S. 176ff.)
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.4.3
Kombination intendierten und emergenten Wandels im Gegenstromverfahren
Das hier verwendete Orientierungsmodell für eine kanalisierte, kontinuierliche Unternehmungsentwicklung ist das Gegenstromverfahren (vgl. Abb. 2/11; aufbauend auf Krüger/Homp 1997; Krüger/Bach 1999). Es verbindet ‚Tagesgeschäft’ mit ‚Wandel’ und berücksichtigt nicht nur den intendierten, sondern auch den emergenten Wandel. Alle behandelten Implementierungsvarianten lassen sich dabei durchführen. Bei einem eingespielten Gegenstromverfahren sind die verschiedenen Wandlungsaufgaben in einem institutionalisierten Prozess so miteinander gekoppelt, dass ein projekt- und programmspezifisches Implementierungsmanagement weitgehend entbehrlich ist.
Abbildung 2/11
Institutionalisierung des Wandels im Gegenstromverfahren
Mitarbeiterführung Unternehmungskultur
Top down Leitbilder Strategien Standardziele
Verbesserungen Best Practices
Zielsystem Anreizsystem
Outside in: „Anpassung“ Marktsituation > Kundenbedürfnisse > Wettbewerbsstrategie Lieferanten/ Komplementoren
Inside out: „Gestaltung“ Ressourcen + Fähigkeiten > Kernkompetenzen > Wettbewerbsvorteile
Personalentwicklung/ Organisation
Entwicklungsziele Anreize Vorbildfunktion
Internes Unternehmertum Bottom up
Kunden/ Wettbewerber
Planungs- und Kontrollsystem Informationssystem
Vertikaler Gegenstrom: Kombination von ‚Top down‘- und ‚Bottom up‘-Impulsen Der organisatorisch-vertikale Gegenstrom dient dazu, die strategische Lücke zu schließen, die sich zwischen den angestrebten Positi-
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Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4
onen und Potentialen als den Sollgrößen und den tatsächlich vorhandenen Istgrößen auftut. Dieser Prozess entspricht dem Führungsprozess der Balanced Scorecard (BSC) oder des Managements by Objectives (abwärts gerichtete Zielplanung, aufwärts gerichtete Maßnahmenplanung). Auf die Weise ist die Steuerung des Tagesgeschäfts anhand jährlicher Standardziele und Pläne mit dem Management des Wandels, das Innovations- und Entwicklungsziele und -vorhaben formuliert, sachlich, zeitlich und personell zu verzahnen. Im Fall der Jahresplanung macht ein abwärts gerichteter Vorlauf (‚Top down‘) den Anfang. Der eingeleitete Wandlungsprozess ist dann als intendierter, deduktiv-visionsgeleiteter Prozess zu bezeichnen. Die Rahmenvorgaben von oben werden in bereichsbezogene Ziele heruntergebrochen. Im aufwärts gerichteten Rücklauf (‚Bottom up‘) werden von den jeweiligen Einheiten (unterjährige) Maßnahmen geplant, die den angestrebten Wandel bereichsbezogen umsetzen und damit die Ziele erreichen sollen. Als einfache Empfehlung für den verkraftbaren Umfang an Wandel in Normalphasen der Geschäftsentwicklung lässt sich auf das alte Pfadfindermotto verweisen (‚Jeden Tag eine gute Tat tun’). Jeder Bereichsverantwortliche sollte sich in der laufenden Periode ein bis zwei in den Zielrahmen passende Verbesserungsinitiativen vornehmen und so seinen Beitrag zur evolutionären Entwicklung leisten. Emergente Impulse stellen – schematisch betrachtet – Bestandteile des Bottom up-Prozesses dar. Allerdings handelt es sich dann nicht um einen Rücklauf. Übergreifende Vorschläge und Ideen, die von der Basis ihren Ausgang nehmen, werden Bottom up ausgearbeitet, entwickelt und als interne Bestlösungen verbreitet. Im Grenzfall entstehen so die im ‚Wellenmodell’ behandelten Routinen und organisatorischen Fähigkeiten. Dieser Prozess wäre analytisch als emergent und induktiv-fähigkeitsgeleitet zu bezeichnen.
Horizontaler Gegenstrom: Kombination von ‚Inside out‘- und ‚Outside in‘-Perspektive In organisatorisch-horizontaler Richtung geht es um Prozesse, die sich entlang der Wertkette bewegen und externe Partner einbeziehen. Neben Lieferanten und Kunden kommen auch Wettbewerber in Betracht sowie Partner, die komplementäre Fähigkeiten besitzen
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
(sog. Komplementoren). Wandel in diesem Teil des Gegenstroms ist vor allem durch das Stichwort Koevolution geprägt, also z.B. Produktentwicklungsprojekte, die gemeinsam in einem Netzwerk mit Lieferanten und Kunden durchgeführt werden. Es versteht sich, dass auch dabei emergente Änderungen auftreten können. Die Verlaufsrichtung ‚Inside out‘ beginnt bei den eigenen Ideen, Ressourcen und Fähigkeiten. Die Unternehmung bemüht sich aufgrund eigener Impulse und Potentiale um einen proaktiven Wandel. Die ‚Outside in’-Perspektive ergänzt und durchdringt den horizontalen Gegenstrom in der anderen Richtung. Hier geht es darum, Veränderungen in der Marktsituation und den Kundenbedürfnissen zu erkennen und sich daran reaktiv anzupassen.
Reifegrad des Projektmanagements erhöhen Die Forderung nach kontinuierlicher Entwicklung bedeutet, dass Projekte als Arbeitsform zum Alltag gehören. Um auch diese Arbeitsform zu professionalisieren, werden Schulungen und Standards für Projektmanagement von spezialisierten Instituten und Vereinigungen vorangetrieben. Einzelpersonen wie Firmen können sich mittlerweile sogar für Projektmanagement zertifizieren lassen und sich damit um eine Verbesserung ihrer Wandlungsfähigkeiten bemühen. Zur Einschätzung des Fähigkeitsniveaus werden in der Praxis Reifegradmodelle benutzt. Nach dem Modell des PROJECT MANAGEMENT INSTITUTE z.B. lassen sich vier Reifegrade bzw. Entwicklungsstufen unterscheiden (vgl. hierzu Project Management Institute 2003): 1. Standardisierung, 2. Messung, 3. Kontrolle, 4. Stetige Verbesserung.
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Die Standardisierung beginnt aus organisatorischer Sicht mit der Beschreibung und Dokumentierung der Aufgaben des Projektmanagements. Sie setzt sich fort mit einer Festlegung einzusetzender Methoden, Techniken und Tools. Die Messung der Aufgabenerfüllung kann im einfachsten Fall qualitativ angelegt sein. Hier sind die weit verbreiteten Ampelkarten der Praxis einzuordnen, also die schrittweise Beurteilung des Projektfortschritts anhand der Farben
Gegenstrom als Prozessmodell der Unternehmung
2.4
einer Verkehrsampel. Bereits solche einfachen Hilfsmittel sind unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten wirkungsvolle Hilfen. Auch die quantitative Beurteilung eines Projekts kann sich zunächst einfacher Kennzahlen bedienen, so z.B. einem Vergleich der geplanten und der realisierten Gesamtdauer bzw. der Gesamtkosten. Für eine detaillierte Analyse sind Projektkosten und -nutzen aufzuschlüsseln, wie im Kapitel 9 (Controlling) dargestellt. Voraussetzung hierfür sind allerdings klare und operationale Projektziele seitens der Auftraggeber sowie ein darauf aufbauender Projektplan. Nur dann lässt sich eine Kontrolle sachgerecht durchführen, die laufende Überwachung des Projektfortschritts ebenso wie spätere Ergebniskontrollen. Für die vierte Reifegradstufe, die stetige Verbesserung, sind die dokumentierten Projektergebnisse und -erfahrungen ebenso auszuwerten (‚Lessons learned’) wie externe Entwicklungen. Dies sind Aufgaben, die nicht von wechselnden Projektleitern zu leisten sind, sondern in einer gesonderten Einheit zu bündeln und zu professionalisieren sind. Soweit erkennbar, sind die meisten Unternehmungen davon weit entfernt. Sie befinden sich in der Mehrzahl noch auf unteren Stufen, vorwiegend sogar noch auf der Standardisierungsstufe (vgl. Barcklow 2006). Bezogen auf die Wandlungsfähigkeit von Unternehmungen sind also offenkundig noch erhebliche Defizite vorhanden. Dies betrifft schon die Projektmanagement-Fähigkeiten als Teil der erläuterten dynamischen Fähigkeiten 1. Ordnung und vollends ihre stetige Weiterentwicklung, die analytisch zu den dynamischen Fähigkeiten 2. Ordnung zu zählen wäre.
Instrumentierung und Motorisierung des Wandels Damit das Ziel einer sich entwickelnden, lernenden Unternehmung (vgl. Probst/Büchel 1994) erreicht wird, ist eine geeignete instrumentelle Abstützung erforderlich, die dafür sorgt, den Wandel genauso zur Gewohnheit werden zu lassen wie die Tagesarbeit. Zum Vorantreiben (‚Motorisieren’) des Entwicklungsstroms sind die Veränderungs- und Verbesserungsinitiativen nach Möglichkeit in den jährlichen Zielvereinbarungs- und Budgetierungsprozess, also in das Tagesgeschäft, aufzunehmen. Hierfür bieten moderne Führungskonzepte wie die Balanced Scorecard geeignete Ansatzpunkte. Die
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Standard-BSC sieht eine eigene Perspektive vor, die auf Lernen und Entwicklung/Innovation bzw. Mitarbeiter und Lernen ausgerichtet ist. In der Ausformulierung dieser Perspektive lassen sich Wandlungsziele verankern. Umfassende Entwicklungsvorhaben sind allerdings Querschnittsthemen und müssen demgemäß auch in den anderen Perspektiven zum Ausdruck kommen. Sicherlich ist vorrangig die Prozessperspektive angesprochen, aber gleichermaßen ist bei übergreifenden Veränderungen die Kundenperspektive betroffen. Selbstverständlich müssen sich die Resultate der Entwicklung auch in der Finanzperspektive niederschlagen, dies sowohl auf der Kosten- wie der Erlösseite. Geeignete Wandlungsplattformen sind ein- und auszubauen. Einrichtungen wie Erfahrungsgruppen, Managementseminare, kontinuierliche Verbesserungsprozesse usw. dürfen keine einmaligen Veranstaltungen bleiben. Wandlungsrelevante Schlüsselfähigkeiten lassen sich auch in organisatorischen Einheiten als ‚Centers of Competence’ bündeln (vgl. Krüger/Homp 1997, S. 209ff.). Hinzu kommen in letzter Zeit immer stärker die elektronischen Formen des Lernens und der Entwicklung, die sich mithilfe des Web 2.0 erreichen lassen.
2.5
Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5.1
Charakteristik der Collaboration
Bereits das Web 1.0 hat die Möglichkeiten des Wandlungsmanagements bereichert. E-Mail, Intranet, Portale, Foren und Chats als typische Tools des Web 1.0 erleichtern vor allem die Information und Kommunikation, auch im Rahmen von Veränderungsvorhaben. Mit dem Sammelbegriff Web 2.0 verbinden sich nun Ergänzungen und Weiterentwicklungen, die außerdem die Kooperation und Koordination unterstützen, so z.B.: Individual Weblogs (Aufzeichnungen, die kommentiert werden können) oder Corporate Weblogs (Teil der offiziellen Unternehmungskommunikation), Social NetworkingPlattformen (Herstellen von persönlichen Kontakten), Wikis (Content, der von einer Vielzahl von Nutzern erstellt wird), Instant Mes-
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Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5
sagging (Interaktiver Informationsaustausch), Audio- und VideoWebcasting (Audio- oder Videodateien zum Download), Groupware (Applikationen, die eine Arbeitsgruppe unterstützen), Web Conferencing (Video-Konferenzen) sowie Mashups (Erstellung neuer Medieninhalte durch Kombination von Text, Bild, Daten, Tönen, Videos) und RSS Feeds (Really Simple Syndication; Spezifische Inhalte oder Teile einer Webseite können vom Empfänger abonniert werden oder in andere Webseiten integriert werden). Bei entsprechender Ausgestaltung sind diese internetbasierten Anwendungen geeignet, jede Art interner und externer Interaktion zu unterstützen. Es entsteht ein virtueller Workspace an Stelle des physischen Workplace. Darin ist auch eine Zusammenarbeit in Echtzeit möglich, also eine simultane Interaktion. Für die virtuelle Kooperation im Web 2.0 hat sich die Bezeichnung Collaboration eingebürgert (vgl. im Einzelnen z.B. Tapscott 2008, S. 125ff.). Einheiten, die collaborativ zusammenarbeiten, können insbesondere sein: einzelne Personen, Projektgruppen, soziale Gruppen, Communities of Practice (Wissensgemeinschaften), intraorganisationale Einheiten, interorganisationale Einheiten, Großgruppen (Kollektive). Auf der Kostenseite sind nach der Investition in eine geeignete Infrastruktur sinkende Transaktions- und Koordinationskosten zu erwarten. Intern können horizontale Prozesse erleichtert und vertikale Barrieren abgebaut werden (vgl. Abb. 2/12). Eine weitere Veränderung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsarchitekturen ist ebenso möglich wie eine Erleichterung der beschriebenen Konfigurationsmanöver (vgl. die Kap. 2.1.2 und 2.1.3). Besonders betroffen sind Teilnehmer- und Prozessmodell, bis hin zur Figur des ‚Prosumenten’, eines Kunden also, der nicht nur kauft und konsumiert, sondern auch aktiv in die Rolle des Produzenten eingreift. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist THREADLESS, eine T-ShirtUnternehmung. Nutzer stellen Designentwürfe ins Netz, andere Nutzer bewerten diese, nehmen Verbesserungsvorschläge vor und erklären gegebenenfalls ihr Kaufinteresse. THREADLESS lässt die besten Entwürfe drucken und verkauft für 15 $ monatlich etwa rund 60.000 Shirts (vgl. Reichwald et al. 2008, S. 101f.). Auch wenn man nicht so weit gehen muss wie Don Tapscott, einer der Protagonisten des Internet, der die Meinung vertritt: „Business-Webs ersetzen das
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Unternehmen“ (FAZ vom 9.6.2008), dürfte feststehen, dass die Wertschöpfung einer Unternehmung mehr und mehr interaktiv erbracht werden wird (vgl. Reichwald et al. 2008). Dies führt dazu, dass bereits von Enterprise 2.0 gesprochen wird (vgl. hierzu z.B. McAfee 2008 sowie Tapscott 2008). Das Ausmaß der virtuellen Kooperation ist beträchtlich und es steigt an. Insbesondere die starke Zunahme von Blogs und Wikis, wie sie z.B. in einer MCKINSEY-Studie deutlich wird, verweist darauf (vgl. Bughin et al. 2008, S. 2). Auch markante Effizienzwirkungen lassen sich belegen, so z.B. in einer weltweiten Studie der Unternehmungsberatung FROST & SULLIVAN, in der mit einem speziellen ‚Collaboration Index’ gearbeitet wird (vgl. Frost & Sullivan 2006). Besonders beeindruckend ist, dass Veränderungsprozesse auf eine praktisch unbegrenzte Zahl von aktiven Teilnehmern ausgeweitet werden können. So lässt sich zum einen ein großes Erfahrungs- und Ideenpotential nutzen (betr.: Konzipierung), zum anderen kann eine rasche, umfassende und interaktive Aufklärung über geplante Veränderungen erfolgen (betr.: Mobilisierung). Und nicht zuletzt kann die benötigte Expertise für die Durchführung von Projekten aktiviert und gebündelt werden (betr.: Umsetzung).
2.5.2
Formen der Collaboration
Mittlerweile gibt es zahlreiche Formen und Beispiele für Collaboration. Im Folgenden wird eine Typisierung vorgenommen, die nicht auf die technischen Lösungen abstellt, sondern auf die unterschiedlichen Anwendungsgebiete mit Bezug zu Veränderungsprozessen von Unternehmungen. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass sich sämtliche Teile des beschriebenen Gegenstroms collaborativ unterstützen lassen und dass daraus eine erhebliche Wandlungsdynamik resultieren kann. Insofern erscheint es nur konsequent, auch von Change 2.0 zu sprechen. Hier werden sechs Formen unterschieden. Die ersten drei beziehen sich auf den horizontalen Gegenstrom, die weiteren drei auf den vertikalen. Abbildung 2/12 illustriert diese Formen, die sich als virtuelle Organisation über die Hierarchie legen.
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Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5 Abbildung 2/12
Change 2.0: Formen der Collaboration im Gegenstrom
Web-basierte Problemlösungsprozesse
Web-basierte Entwicklungspartnerschaften
Interne Verbesserungsund Innovationsinitiativen NutzerCommunities
Virtuelle Teams
Interne Wissens- und Lerngemeinschaften
Web-basierte Entwicklungspartnerschaften Der erste Anwendungsfall betrifft Abnehmer-ZuliefererKooperationen. Diese für beide Seiten hoch bedeutsamen Partnerschaften entlang des Wertschöpfungsprozesses sind in ihrem Aufbau in vielen Industrien lange bewährt. Zum Unternehmungswandel tragen sie dann bei, wenn es sich nicht nur um die effiziente Anbahnung und Abwicklung von Einkaufs- und Belieferungsprozessen handelt, sondern wenn bereits die Produkt- und Teileentwicklung sowie gegebenenfalls deren laufende Verbesserung Gegenstand der gemeinsamen Arbeit sind.
Die SUPPLY ON AG ist eine internetbasierte Einkaufs- und Entwicklungsplattform. Sie wird gemeinsam betrieben von Automobilzulieferern wie BOSCH, CONTI, SIEMENS VDO, ZF FRIEDRICHSHAFEN sowie SAP (Komplementor). Als Käufer kommen die Zulieferer sowie die Autoindustrie auf die Plattform, als Verkäufer die Teilehersteller. Das Handelsvolumen betrug in 2005 80 Mrd. €, generiert von 8.500 Unternehmungen aus 30 Ländern (Quelle: FAZ vom 07.12.2005). Diese Plattform stellt praktizierte Koevolution dar. Die gemeinsame Wertschöpfung beginnt bei Produktentwicklungsprozessen, die über SUPPLY ON laufen. Der Nachfrager stellt das Pflichtenheft des fraglichen Teils ins Netz, die potentiellen Lieferanten können Entwicklungsarbeit leisten. Im Erfolgsfall ergibt sich daraus die Belieferung in der Serienfertigung. Die
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
dort gemachten Erfahrungen werden schließlich in einem web-basierten Änderungsmanagement zwischen Abnehmer und Lieferant zu kontinuierlichen Verbesserungen genutzt.
Nutzer-Communities Kunden bestimmter Hersteller oder Nutzer bestimmter Produkte bilden im Internet häufig Foren, um sich vor allem über Anwendungserfahrungen und Wartungsprobleme auszutauschen. Das gleiche gilt für Dienstleistungen wie Hotels, Restaurants, Urlaubsreisen oder Versicherungen. Potentielle Käufer bzw. Kunden berücksichtigen die im Netz zu findenden Kommentare bei ihrer Kaufentscheidung. In Deutschland sind es nach einer ALLENSBACHErhebung 17 Millionen Konsumenten, die sich dieser ‚digitalen Mundpropaganda’ bedienen (nach FAZ vom 24.11.2008). Diese Gemeinschaften können von Herstellerfirmen nicht nur passiv als Informationsquelle genutzt werden, sondern auch aktiv gestaltet und zur Kommunikationsplattform mit ihren Kunden ausgebaut werden. Beziehungen zu Veränderungsprozessen in Form von Verbesserungsvorschlägen lassen sich zwanglos herstellen.
Im Computerkonzern DELL sind 40 Mitarbeiter damit beschäftigt, in Blogs und Foren mit Internetnutzern über die Produkte ihres Hauses zu kommunizieren. Der OTTO-VERSAND betreibt ein Modeblog „Two for Fashion“ (Quelle: FAZ vom 24.11.2008). PROCTER&GAMBLE hat ein elektronisches Dorf, die ‚Pampers-Village’, eingerichtet, in dem sich junge Eltern über Babypflege austauschen. Daraus ergeben sich Hinweise für die Verbesserung der Windelhöschen (Quelle: Müller 2008, S. 108).
Web-basierte Problemlösungsprozesse Von den beschriebenen Communities ist es gedanklich nicht weit zu unternehmungsseitig gezielt angestoßenen Problemlösungsprozessen, mit deren Hilfe versucht wird, von Internetnutzern Hinweise zur Lösung von Unternehmungsproblemen bis hin zu innovativen Vorschlägen zu erhalten.
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Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5
Der österreichische Kristallschmuckhersteller SWAROWSKI veranstaltete einen Designwettbewerb im Internet, den ‚Signity Watch Design Contest’. Mithilfe eines Online-Konfigurators konnten die 1.600 Teilnehmer dieses Wettbewerbs Uhren entwerfen und Kristalle auf Armbändern und Gehäusen platzieren. Aus den besten der 2.000 eingereichten Vorschläge entstanden neue Produkte. Die Firma DOPPELMAYR ist Weltmarktführer bei Seilbahnen und Skiliften. Auf einem Serviceportal können sich einerseits Kunden videogestützte Ratschläge für Wartungsarbeiten holen. Andererseits geben 314 registrierte Seilbahnbetreiber Verbesserungsvorschläge, Montage- und Wartungstipps in das Portal ein. Als Ergebnis wurden Berg- und Talstationen komplett neu gestaltet. Zukünftig sollen Anlagenbetreiber eigene Videos ins Netz stellen können. Als größter Innovationsmarktplatz der Welt gilt die Webseite INNOCENTIUnternehmungen können dort Innovationsaufgaben einstellen. Firmen wie SAP stellen Projekte vor und loben Prämien für die Lösung aus. Registriert sind über 160.000 Mitglieder, die sich für solche Entwicklungsarbeit interessieren. VE.COM.
(Quelle: Müller 2008, S. 112)
Virtuelle Teams Virtuelle Kooperation mithilfe geeigneter Software kann auch dazu benutzt werden, Teamarbeit von räumlich verteilten Mitgliedern zu ermöglichen bzw. zu unterstützen. Die Arbeitsteilung lässt sich besser organisieren und koordinieren. Alle Beteiligten haben Zugriff auf die dokumentierten Arbeitsergebnisse. Simultane Interaktion ist möglich, also z.B. virtuelle Workshops und Teamsitzungen. Allerdings zeigen die Erfahrungen in Unternehmungen wie MICROoder TELEFONICA (O2), dass die herkömmlichen gruppendynamischen Aspekte der Teamarbeit unverändert aktuell bleiben. Dies ergab eine Studie der BERTELSMANN STIFTUNG (vgl. Konradt/Köppel 2008, S. 38f.). Persönlicher Kontakt der Teammitglieder und persönliche Führung durch einen Teamleiter sind erforderlich, um den ‚Teamgeist’ aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Die Identifikation mit der Teamaufgabe und dem Team selbst (‚Wir-Gefühl’) sind Voraussetzungen für eine effiziente Teamleistung (vgl. auch Kap. 6.2). Diese Bedingungen setzen einem virtuellen Team in Reinkultur sicher sehr enge Grenzen. Nur Personen, die sich aus der realen Arbeitswelt bereits gut kennen, einander schätzen und sich vertrauSOFT
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
en, werden ohne größere Anlaufschwierigkeiten auch erfolgreich so intensiv virtuell zusammenarbeiten, wie es eine Teamaufgabe erfordert. Teamaufgaben und Teamleistungen stehen unter anderen Bedingungen als z.B. Foren oder Blogs. Als Empfehlung lässt sich daraus ableiten, dass im Einzelfall ein intelligenter Mix aus virtueller und physischer (‚realer’) Kooperation zu organisieren ist.
Interne Wissens- und Lerngemeinschaften Die Bildung von Communities kann selbstverständlich auch unternehmungsintern erfolgen und genutzt werden. Teils eigendynamisch, teils intendiert entstehen virtuelle Netzwerke von Personen, die ähnliche Aufgabenstellungen und Probleme zu lösen haben. In diesen sog. Communities of Practice (CoP’s) werden Erfahrungen ausgetauscht und Lösungsideen diskutiert. Eine CoP stellt also eine Wissens- und Lerngemeinschaft dar. CoP’s können herkömmliche organisatorische Lösungen, wie z.B. das Einrichten von Erfahrungsaustauschgruppen, Quality Circles und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP), ersetzen oder ergänzen. Wenn es gelingt, die Wissensbasis von Kollektiven für Veränderungs- und Entwicklungsprozesse zu nutzen, dann können sie einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der Wandlungsfähigkeiten und zur kontinuierlichen Entwicklung der Unternehmung leisten. Tagesgeschäft und Wandel werden eng miteinander verzahnt. Im Idealfall wird die Trennung von Primärorganisation und Sekundärorganisation aufgehoben (vgl. Kap. 6.3.6). Das ‚Sekundäre’ (Verbesserungen/Wandel) und das ‚Primäre’ (Tagesgeschäft) werden integriert. Das folgende Beispiel zeigt eindringlich, was dies konkret bedeuten kann.
Das Thema: Organisationales Lernen / Collaboration Das Beispiel: Produktions-Lern-System (PLS) in Motorenwerken der DAIMLER AG Die Werker in- und ausländischer Motorenwerke von DAIMLER verbessern ihre Kenntnisse mithilfe der Elektronik direkt am Arbeitsplatz. Im Werk stehen hierzu Terminals, die über das Internet gesteuert werden. Im Mannheimer Werk kommt ein Terminal auf etwa zehn Mitarbeiter. Für jeden Arbeitsplatz zeigen die Geräte Anleitungen für die an der jeweiligen
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Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5
Maschine gerade anstehenden Tätigkeiten an. Auf die Weise ist das gesammelte Erfahrungswissen für jeden Einzelnen in Portionen abrufbar. Die Beschreibungen sind mit kurzen Sätzen sowie einfachen Bildern und Grafiken standardisiert. Die Besonderheit besteht darin, dass die Werker als Nutzer des Systems die Inhalte selbst erstellen bzw. verbessern. Basis hierfür sind Verbesserungsvorschläge, die sie von überall her in das System eingeben können. Redaktionsteams, bestehend aus je einem Meister und zwei oder drei Facharbeitern, bearbeiten die Inhalte und pflegen sie in das System ein. Das PLS tritt so an die Stelle von dicken Bedienungsanleitungen, eigenen Zettelsammlungen oder der mühsamen Suche nach einem fachkundigen Kollegen. Die Vorteile machen sich bei hoch individualisierter Fertigung besonders bemerkbar, da dort unterschiedliche Maschinen zum Einsatz kommen und unterschiedliche Kundenspezifikationen zu erfüllen sind. Neben diesem lexikonartigen Einsatz wird das PLS auch systematisch zur Qualifizierung sowie zur Umschulung genutzt. Fünf nachprüfbare Weiterbildungsstufen, verknüpft mit Aufstiegsmöglichkeiten, bieten Anreize für die Werker. Für DAIMLER bestehen zählbare Ergebnisse in gesunkenen Fehlerzahlen und kürzeren Unterbrechungszeiten (Quelle: FAZ vom 19./20.7.2008). Dieses Beispiel zeigt zum einen sehr eindrucksvoll, dass sich der Community-Gedanke nicht nur auf die vielzitierten ‚Wissensarbeiter’ oder ‚reifen Konsumenten’ anwenden lässt. Zum anderen wird auf handfeste Weise deutlich, was es heißen kann, ‚Tagesgeschäft’ und ‚Wandel’ miteinander zu verbinden.
Interne Verbesserungs- und Innovationsinitiativen Kollektive Lern- und Veränderungsprozesse sind typischerweise durch viele kleine Schritte gekennzeichnet, stehen also für den Strom evolutionären Wandels einer Unternehmung. Interne virtuelle Kooperation kann in anderer Form auch für tiefer gehende Verbesserungen und Innovationen genutzt werden. Dafür sind die Grundgedanken des vertikalen Gegenstroms umzusetzen. Dies verlangt, dass die Unternehmungsspitze zunächst die Ziele setzt und geeignete Themengebiete bzw. Aufgabenstellungen festlegt. Diese Inhalte der jeweiligen Initiative sind unternehmungsweit zu kommunizieren (abwärtsgerichteter Vorlauf, ‚intendierter Prozess’). Wer Beiträge leisten kann, tut dies in einem virtuellen Workspace. Die Bemerkungen, Anregungen und Ideen werden ausgewertet und zu konkreten Projekten verdichtet (aufwärtsgerichteter Rücklauf, ‚emergenter Prozess’).
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
Bezogen auf die beschriebenen fünf Phasen des Wandlungsprozesses bedeutet dies aus Sicht der Spitze, dass sie nach erfolgter Initialisierung in die Konzipierungsphase einsteigt und hierfür im virtuellen Workspace das kollektive Wissen aller Unternehmungsmitglieder anzapft. Im Vergleich mit herkömmlichen Managementmethoden handelt es sich um eine besondere Form von Kreativitätstechnik, eine Art ‚kollektiven Brainstormings’. Hier wie dort sind kreativitätsfördernde Spielregeln einzuhalten, und es ist der Einsatz von Moderatoren vorzusehen, um die Diskussion zu strukturieren und voranzutreiben. Im Anschluss an den virtuellen Teil der Konzipierung wird in herkömmlicher Form weitergearbeitet: Es sind Projektaufgaben für die Umsetzung zu definieren, die Projekte sind personell und organisatorisch zu regeln und zu priorisieren (Quick Wins, Basisprojekte, Folgeprojekte). Die Bedeutung der sich üblicherweise daran anschließenden Mobilisierung nimmt ab. Denn das Verfahren eines virtuellen Workshops erfüllt im Erfolgsfall zugleich einige Mobilisierungsfunktionen, so dass die Umsetzung zeitnah und zügig erfolgen kann. Wie das folgende Beispiel zeigt, können mittels geeigneter IT mittlerweile weltumspannende Brainstormings mit Zehntausenden von Teilnehmern organisiert werden.
Das Thema: Interne Verbesserungs- und Innovationsinitiativen Das Beispiel: ‚Innovation-JAM’ bei IBM IBM praktiziert seit 2001 weltweite Brainstormings, für die eigene Hardund Software eingesetzt und entwickelt wurde. In Anlehnung an die Improvisationssessions von Jazzmusikern, die sog. Jam Sessions, trägt das Konzept die Bezeichnung JAM. Seit 2007 wird dieses inzwischen erprobte und standardisierte Verfahren auch den Kunden der IBM angeboten. Im Folgenden wird der in 2006 durchgeführte Prozess eines auf Innovation ausgerichteten JAM beschrieben (nach Bjelland/Wood 2008). Er umfasste 150.000 Teilnehmer aus 67 Firmen in 104 Ländern! Acht Phasen wurden insgesamt durchlaufen: Phase 1: Ziele identifizieren Das Topmanagement legt die angestrebten Ergebnisse des JAM fest.
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Unternehmungswandel im Web 2.0 (Collaboration)
2.5
Phase 2: Bestimmen der Themenfelder Die verschiedenen Aufgabengebiete und Fragestellungen für das Brainstorming werden bestimmt. Hier handelte es sich um 25 TechnologieCluster, über die diskutiert werden sollte, so z.B. Anwendungen für Supercomputer, die Entwicklung der globalen Collaboration für Unternehmungen sowie das gleiche Thema für Einzelpersonen. Phase 3: Webseiten aufbauen, Basisinformationen bereitstellen Die technischen Installationen für das JAM werden vorgenommen. Auf den entsprechenden Webseiten können sich Interessenten nun über das Vorhaben informieren, sich registrieren lassen und Hintergrundinformationen über die unterschiedlichen Cluster einsehen. Phase 4: Erste JAM-Runde Für die Arbeit an den 25 Clustern sind im virtuellen Workspace Foren und Wikis geöffnet. Nun finden 72 Stunden lang rund um den Globus online und in Echtzeit interaktive Diskussionsprozesse statt. Experten und Topmanager von IBM stehen hierfür zur Verfügung. Moderatoren steuern die Prozesse, im Hintergrund wird an der Auswertung gearbeitet. Phase 5: Review der ersten JAM-Runde Spezialisten werten die Beiträge (Postings) aus und ordnen sie zu Clustern. Hierfür werden auch Textanalysetools eingesetzt. Die Ideen werden zu möglichen Änderungsvorhaben (Programmen/Projekten) verarbeitet. Phase 6: Zweite JAM-Runde Drei Monate später wird in diesem Fall ein zweites Brainstorming durchgeführt, das die Möglichkeit bietet, die geordneten Ideen aus der ersten Runde zu überarbeiten und zu konkretisieren, so z.B. in dem neu gebildeten Projektcluster ‚staying healthy’. Phase 7: Review der zweiten JAM-Runde Die Brainstorming-Resultate werden erneut analysiert und strukturiert. Daraus werden solche Vorhaben abgeleitet, die zu den Zielen und dem Produkt-Portfolio von IBM passen. Phase 8: Vorbereiten neuer Geschäfte Der Vorstand von IBM beschließt ein Budget von 100 Mio. $ zur Entwicklung und zum Aufbau von insgesamt zehn neuen Geschäftseinheiten. Eine davon, ‚Big Green’, widmet sich mittlerweile sehr erfolgreich Innovationen im Umweltschutzbereich.
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Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
2.6
Zusammenfassung
Dieses Buch beschäftigt sich mit tiefgreifendem Wandel (Transformation), also mit Sachverhalten, die auch mit dem Begriff der strategischen Erneuerung zu kennzeichnen sind. ‚Strategisch’ heißt, dass es um eine nachhaltige Veränderung der Erfolgspositionen und/oder Erfolgspotentiale der Unternehmung geht.
Aus Sicht eines wertorientierten Managements geht es bei Wandlungsvorhaben letztlich darum, die Wertschöpfung der Unternehmung zu steigern. Herkömmliche Wertketten werden hierzu durch unterschiedliche Konfigurationsmanöver verändert. Dominierend sind in letzter Zeit Entflechtungs- und Konzentrationsvorhaben. Neben der Grundstruktur einer Kette sind allerdings auch netzartige und zyklusartige Wertsysteme zu unterscheiden, die von den Veränderungen betroffen sind. Wertschöpfung wird insgesamt mehr und mehr interaktiv erbracht. Und Gleiches gilt für Veränderungsvorhaben.
Um die analytisch zu unterscheidenden Felder des ‚Erneuerungsportfolios’ abzudecken, sind umfassende und tiefgreifende Vorhaben durchzuführen, Wandlungsprogramme also, die aus einer Gesamtheit aufeinander abgestimmter Einzelprojekte bestehen. Die Stoßrichtungen des Wandels sind unterschiedlich und bedingen ein differenziertes Wandlungsmanagement, je nachdem, ob Abbau, Umbau oder Aufbau (Akronym: AUA) die Richtung bestimmen.
Genau in dieser Abfolge sind Vorhaben erforderlich, die einen Turnaround, eine Trendumkehr, bei nachlassendem oder sinkendem Umsatz bzw. Gewinn bewirken sollen. Überlebenswichtig werden ‚AUA-Projekte’, wenn es um die Bewältigung von Unternehmungskrisen geht (Sanierungsfälle).
Tiefgreifender Wandel ist Teil der langfristigen Entwicklung einer Unternehmung, in deren Verlauf Lebensstadien wie Pionierphase, Internationalisierung oder auch Globalisierung zu durchlaufen sind. Transformationsprobleme und -prozesse treten vorwiegend beim Übergang von einem zum anderen Stadium auf und führen zu typischen Wandlungsbedarfen.
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Zusammenfassung
2.6
Rückgrat des Wandlungsmanagements bildet der Wandlungsprozess. Das Vorgehensmodell, das diesem Buch zugrunde liegt, sieht fünf Phasen vor: Initialisierung, Konzipierung, Mobilisierung, Umsetzung, Verstetigung. Dieses Phasenmodell ist flexibel auf unterschiedliche Situationen anwendbar. Es legt besonderes Gewicht auf eine gleichgewichtige Berücksichtigung von Sachaspekten (z.B. organisatorische Aspekte, Optimierung der Projektgesamtdauer) und Verhaltensaspekten (z.B. Schaffung von Wandlungsbereitschaft) des Wandels.
Wie die letzte der fünf Phasen des Wandels bereits in ihrer Bezeichnung (Verstetigung) erkennen lässt, stellt ein stetiger Strom evolutionärer Weiterentwicklung der Unternehmung das Leitbild dar, dem sich das Management verpflichten muss. Es gilt, für das ‚Wandlungsgeschäft’ Prozesse, Strukturen und Instrumente zu entwickeln und einzusetzen, die möglichst in das Tagesgeschäft integriert sind und dafür sorgen, dass permanenter Wandel stattfindet. Denn Marktführerschaft setzt in Zukunft Wandlungsführerschaft voraus.
Um diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, ist das Unternehmungsgeschehen nach dem Vorstellungsmodell eines Gegenstroms zu organisieren. Organisatorisch horizontale Prozesse laufen von und zum externen Marktpartner und binden ihn ein, z.B. in Form von Entwicklungspartnerschaften. So entsteht ein Prozess der Koevolution. Organisatorisch vertikale Prozesse bestehen zum einen aus abwärtsgerichteten, intendierten Initiativen der Veränderung und Verbesserung und zum anderen aus aufwärtsgerichteten Vorschlägen und Anregungen, die auch eigendynamischen (emergenten) Charakter tragen können.
Die Möglichkeiten der IT-Unterstützung von Wandlungsprozessen gehen mittlerweile weit über die herkömmlichen Informations- und Kommunikationsanwendungen hinaus. Die unter dem Sammelbegriff Web 2.0 verfügbaren Tools – z.B. Blogs, Wikis, Foren – lassen sich praktisch unbegrenzt für Kooperations- und Koordinationsaufgaben nutzen. Es entstehen virtuelle Arbeitsräume, in denen Veränderungsideen diskutiert und konkrete Wandlungsprojekte bearbeitet werden können. Der gesamte Gegenstrom, als zunächst bildhafte Vorstellung einer entwicklungsfähigen Unternehmung, kann durch virtuelle Kooperation
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2
Strategische Erneuerung: Programme, Prozesse, Probleme
(‚Collaboration’) instrumentiert und stimuliert werden; und dies in einer engen Verzahnung mit dem Tagesgeschäft. So entsteht Change 2.0.
114
TEIL B: ERFOLGSBESTIMMENDE KOMPONENTEN DES WANDELS
Ebenen der strategischen Erneuerung
3.1
Strategische Optionen der Erneuerung
Kapitel 3
Norbert Bach / Christian Homp
117
Ebenen der strategischen Erneuerung
3.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 3 Für den Praktiker ist die Frage besonders wichtig, wie eine strategische Erneuerung als Veränderung von Erfolgspositionen und/oder Erfolgspotentialen konkret vonstatten gehen kann. Die strategischen Optionen der Erneuerung sind daher eine eigene Komponente des 3W-Modells (‚Strategie‘) und bilden den Gegenstand von Kapitel 3. Im Fokus stehen der Abbau, Umbau oder Aufbau der betriebenen Geschäfte. Bei dieser marktseitigen Betrachtung gilt es, bestehende Positionen zu sichern oder neue Positionen aufzubauen. Die zur Erreichung dieser Wettbewerbsziele einzusetzenden Potentiale sind die Ressourcen und Fähigkeiten, über die die Unternehmung verfügt. Nachfolgend werden anhand der Lebenszyklen für Positionen und Potentiale strategische Optionen der Erneuerung hergeleitet und anschließend in konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten erläutert.
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3
Strategische Optionen der Erneuerung
3.1
Ebenen der strategischen Erneuerung
Im Kapitel 1 wurde der Begriff der strategischen Erneuerung eingeführt für Maßnahmenprogramme, die der nachhaltigen Veränderung von Erfolgspositionen und/oder Erfolgspotentialen dienen. Als theoretische Erklärungsmuster für solche Bewegungen werden im Strategischen Management grundlegend der marktorientierte und der ressourcenorientierte Ansatz unterschieden (vgl. Welge/AlLaham 2008, S. 76ff. und S. 87ff.). Aus der Anwendung dieser Theorien auf das hier vorgestellte Modell des Unternehmungswandels resultieren drei Ebenen der strategischen Erneuerung, auf denen dem Wandlungsmanagement Optionen offen stehen: die Gesamtunternehmungsebene (Corporate level), die Ebene der Geschäftsfelder (Business level) und die Ebene der Ressourcen und Fähigkeiten (Kompetenzen). Im Falle von Einproduktunternehmungen oder sog. Single businessUnternehmungen entfällt die Unterscheidung von Corporate und Business level. Zumindest die meisten Großunternehmungen betreiben verschiedene Geschäfte in dafür vorgesehenen organisatorischen Einheiten (Sparten, Business units) und einer eigenen Leitungsebene. Die Ebene der Geschäftsfelder ist dem marktorientierten Ansatz des Strategischen Managements zuzurechnen, der die Unternehmung als Portfolio von Geschäften interpretiert. Ziel der Unternehmungsführung ist ein ausgewogenes Portfolio an Geschäften, die sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Lebenszyklen befinden. Der von reifen Geschäften generierte Cashflow-Überschuss wird genutzt, um das Wachstum junger, Erfolg versprechender Geschäfte zu finanzieren. Im marktorientierten Modell findet Wettbewerb überwiegend auf der Ebene der Geschäfte statt. Wettbewerbsvorteile entstehen durch eine Positionierung des eigenen Leistungsangebots bezüglich Kosten- und/oder Differenzierungsvorteilen in einem engen oder weiten Wettbewerbsfeld (vgl. Porter 2000). Der für strategische Erneuerung konstituierende Begriff der Erfolgsposition (vgl. Kap. 2.1) liegt auf der Ebene der Geschäftsfelder.
120
Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene
3.2
Eine Unternehmung ist auf einem oder mehreren Geschäftsfeldern tätig. Jedes dieser Geschäfte steht im Wettbewerb mit Geschäften anderer Unternehmungen und hat im Wettbewerb eine über Kosten- und/oder Differenzierungsvorteile erkennbare Erfolgsposition inne (Ebene der Geschäfte). Die Wertschöpfung in einem Geschäftsfeld entsteht durch den Einsatz von Ressourcen und Fähigkeiten (Ebene der Ressourcen und Fähigkeiten), die geschäftsfeldübergreifend genutzt werden. Der Erfolg der Gesamtunternehmung bemisst sich aus der Summe der Geschäftserfolge als Resultat des geschäftsfeldübergreifenden Einsatzes der Ressourcen. Strategische Erneuerung findet auf allen drei genannten Ebenen statt: Gesamtunternehmung, Geschäfte sowie Ressourcen und Fähigkeiten.
Im Denkmodell des ressourcenorientierten Ansatzes unterscheidet sich die Unternehmung von anderen Unternehmungen in ihrem Reservoir an Ressourcen und Fähigkeiten (Kompetenzen), die sich nur schwer imitieren lassen und nicht ohne Weiteres übertragbar sind (vgl. Barney 1991). Fortbestand und Weiterentwicklung der Unternehmung werden durch aktiven Einsatz dieser Kompetenzen in alten und neuen Märkten gesichert. Wettbewerb hat in diesem Denkansatz eine andere Dimension, hier tritt geschäftsfeldübergreifend Unternehmung gegen Unternehmung an. Ziele sind daher die Entwicklung, die Nutzung und der Transfer von Kompetenzen in mehrere Geschäfte. Die Ressourcen und Fähigkeiten bilden die Erfolgspotentiale, die zur Wertschöpfung in den Geschäftsfeldern eingesetzt werden.
3.2
Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene
3.2.1
Konzentration und Diversifikation
Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene ist das Ergebnis eines Abbaus, Umbaus oder Aufbaus von Positionen und/oder Potentialen. Aus Sicht des Strategischen Managements
121
3
Strategische Optionen der Erneuerung
geht es auf dieser Ebene um die Frage der Konzentration im Sinne einer Bündelung der Kräfte oder eine Diversifikation zur Streuung der Geschäftsrisiken (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 277ff.). Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmungen stellt sich darüber hinaus die Frage, in welchen Wertschöpfungsnetzwerken die Unternehmung partizipieren und Beiträge leisten möchte (vgl. Petry 2006). Eine Diversifikations- oder Konzentrationsstrategie auf Gesamtunternehmungsebene zieht folglich immer Abbau-, Umbauoder Aufbaumaßnahmen auf der Geschäftsfeld- und/oder Ressourcenebene nach sich (vgl. Abb. 3/1).
Abbildung 3/1
Strategische Optionen zur Konzentration oder Diversifikation auf Gesamtunternehmungsebene
Abbau
Positionen
Potentiale
Rückzug aus einzelnen Geschäftsfeldern unter Beibehaltung der Potentiale
Fokussierung auf Kernkompetenzen unter Beibehaltung der Positionen
Umbau Umbau der Positionen gemäß einer geschäftsfeldübergreifenden Präferenzpolitik
Ergänzung von Potentialen um komplementäre Komponenten
Aufbau Transfer von Potentialen auf neue Märkte mit neuen Positionen
Entwicklung neuer Potentiale zum Erhalt alter oder zur Erschließung neuer Positionen
Der Rückzug aus einzelnen Geschäftsfeldern ist gleichbedeutend mit dem Abbau von Geschäftspositionen, d.h. die Unternehmung zieht sich aus dem Geschäftsfeld zurück, baut die Ressourcen und Fähigkeiten aber nicht ab. Ähnlich verhält es sich bei einer Fokussierung auf Schlüsselkompetenzen. Können Positionen in bestehenden Geschäften auch durch Fremdbezug von Randleistungen oder durch mehrfach nutzbare Kernkompetenzen gehalten werden, besteht die Möglichkeit, nicht mehr benötigte Randkompetenzen aufzugeben. Dieser Versuch wird vielfach im Zuge des Outsourcings unternommen. Ein Umbau der Gesamtunternehmung kann sowohl durch eine klare Präferenzpolitik hinsichtlich der Positionierung in den Ge-
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Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene
3.2
schäftsfeldern erfolgen als auch durch Ergänzung der vorhandenen Potentiale durch komplementäre Kompetenzen. Strategische Erneuerung durch Aufbau wird möglich durch den Transfer angestammter Kompetenzen auf bisher nicht bediente Anwendungsfelder oder die vorausschauende Entwicklung neuer Erfolgspotentiale.
Beispiele für strategische Erneuerung auf der Gesamtunternehmungsebene liefert die Firmenhistorie der DAIMLER AG. Die in den 80er Jahren auf Initiative vom damaligen Konzernvorstand Edzard Reuter verfolgte Diversifikationsstrategie zur ‚Verbreiterung der Unternehmungsbasis’ steht für den Aufbau von Potentialen durch die Zukäufe von MTU, DORNIER, AEG und MBB ebenso wie für den Transfer von Kompetenzen zur Erschließung neuer Geschäfte mit der Baureihe 190, dem ‚Baby-Benz’. Die Qualitätsprobleme und die roten Ergebniszahlen Anfang der 90er Jahre belegen, dass die Potentiale vielleicht doch zu weit gestreckt wurden. Mit dem Amtsantritt von Jürgen Schrempp wird die Vision vom ‚Integrierten Technologiekonzern’ im Jahr 1995 ad acta gelegt. Es erfolgte ein Rückzug aus den nicht zur Vorstellung des ‚globalen Mobilitätskonzerns’ passenden Geschäften. Gemäß der übergreifenden Präferenzpolitik eines globalen Premiumanbieters wurde der Konzern umgebaut. Hinsichtlich der Potentiale erfolgte eine Fokussierung auf Kompetenzen zur Herstellung von Kraftfahrzeugen. Die Akquisitionen von CHRYSLER und MITSUBISHI wurden als Ergänzungen des Ressourcenpools angesehen, die für den Aufstieg zu einem ‚Global Player’ unverzichtbar sind. Gleichzeitig wurde damit ein Transfer von Potentialen betrieben, wie es z.B. die MERCEDES-Motoren in manchen CHRYSLER-Modellen belegen. Mit der Trennung von CHRYSLER im Jahr 2007 unter dem Vorsitz von Dieter Zetsche erfolgte zunächst ein Abbau durch Rückzug aus den von CHRYSLER bedienten regionalen Märkten und Fokussierung auf Kompetenzen der DAIMLER AG. Innerhalb des PKW-Geschäfts schlug man gleichzeitig für die Marke MERCEDES eine Präferenzpolitik ein, in dem mit der R-Klasse, dem viertürigen Coupé CLS und dem kleinen Geländewagen GLK aufbauend auf bestehenden Potentialen neue Positionen erarbeitet wurden.
3.2.2
Strategische Optionen als Normstrategien im Wandlungsportfolio
Wann welche Option zur strategischen Erneuerung der Gesamtunternehmung genutzt werden sollte, entscheidet sich anhand des Wandlungsbedarfs in den einzelnen Geschäften. Hier ist es Aufgabe des Controllings der Verstetigung, auf allen drei Ebenen der strategischen Erneuerung die Entwicklungen im Wettbewerbsumfeld zu
123
3
Strategische Optionen der Erneuerung
‚monitoren’ und die entscheidungsrelevanten Informationen aufzubereiten (vgl. Kap. 9.1). Der Erfolg einer Unternehmung – gemessen in Finanzen und Marktanteilen – hängt maßgeblich von der Position im Markt (Erfolgsposition) sowie den internen Stärken (Erfolgspotentialen) ab. Für eine Groborientierung benötigt das Topmanagement daher eine Einschätzung der Attraktivität der Erfolgsposition sowie Informationen zur Stärke der eingesetzten Erfolgspotentiale, d.h. eine Einschätzung der eigenen Ressourcenausstattung im Vergleich zu aktuellen und potentiellen Wettbewerbern. Diese beiden aggregierten Indikatoren führen zu einem Positions-/Potential-Portfolio, in dem die aktuellen Geschäfte positioniert werden (vgl. Abb. 3/2).
Abbildung 3/2
Strategische Optionen als Normstrategien im Positions-/PotentialPortfolio
attraktiv Entwicklung Abbau Umbau
Erfolgsposition
Nutzung Ergänzung
II
III
I
IV
Präferenzpolitik
Aufbau Rückzug / Fokussierung
Transfer
unattraktiv schwach
Erfolgspotential
stark
Die theoretische Grundlage einer Verwendung der strategischen Optionen als Normstrategien in diesem Portfolio bilden die bereits von Igor Ansoff (vgl. 1984, S. 41; Kotler/Bliemel 2006, S. 571ff.) propagierten Zusammenhänge zwischen den Lebenszyklen von Nachfrage, Technologien und Produkten (vgl. Abb. 3/3, entwickelt nach Ansoff 1984, S. 41). Ausgangspunkt aller drei Zyklen ist die Existenz eines Kundenbedürfnisses. Um dieses Bedürfnis befriedigen zu können, muss eine
124
Strategische Erneuerung auf Gesamtunternehmungsebene
3.2
Unternehmung zunächst Potentiale aufbauen. Unabhängig davon, dass oftmals Potentiale und Positionen parallel aufgebaut werden (vgl. Specht et al. 2002, S. 123ff.), beginnt ein Nachfragezyklus folglich mit der Entwicklung von Potentialen (Feld II).
Abbildung 3/3
Absatzmenge
Lebenszyklen von Nachfrage, Positionen und Potentialen
Nachfragezyklus
Potentialzyklen Positionszyklen
Zeitablauf
Gelingt diese Form des Wandels, dann können die erworbenen Fähigkeiten in der Wachstumsphase des Nachfragezyklus genutzt werden. Vorhandene Potentiale führen zu starken Positionen (Feld III). Im nächsten Schritt kann das nahende Ende eines Produktlebenszyklus (Erosion der Position) durch die Option der Präferenzpolitik hinausgezögert werden. Die analoge Option des Umbaus von Potentialen (Ergänzung) dient der Verlängerung des Potentiallebenszyklus. Auf diese Weise kann eine anhaltende oder wachsende Nachfrage zunächst noch ohne Aufbau neuer Positionen oder Potentiale weiter bedient werden. Beide Optionen können auch miteinander kombiniert werden, wenn z.B. durch Umbau der Potentiale der Wechsel von einer Differenzierungs- zu einer Kostenführerstrategie möglich wird (Umbau der Position). Im idealtypischen Verlauf unterliegen Potentiale längeren Zyklen als Positionen. Zum Ende eines Positionslebenszyklus kann ein noch starkes Potential deshalb durch Transfer zum Aufbau neuer Positionen genutzt werden (Feld IV). Neben dieser reaktiven Variante des
125
3
Strategische Optionen der Erneuerung
Transfers können Potentiale, dem Gedankengut des Kernkompetenz-Managements folgend, auch parallel in mehreren Geschäften genutzt werden, woraus wiederum Möglichkeiten eines Umbaus der Positionen (Präferenzpolitik) resultieren. Am Ende von Positions- und Potentiallebenszyklen steht nur noch der Rückzug bzw. die Konzentration als Option offen (Feld I). Lässt der Nachfragezyklus nach wie vor Geschäft erwarten, sollte rechtzeitig mit der Entwicklung neuer Potentiale begonnen werden, die neue Positionszyklen ermöglichen.
Der Unterhaltungselektronikkonzern LOEWE erzielte Anfang des Jahrtausends noch 85% seines Umsatzes mit Bildröhrenfernsehern. Der Markt für Fernsehgeräte zeigte nach wie vor Wachstumsraten, und als Anbieter hochwertiger Designgeräte sah man sich gut positioniert. Aufbauend auf eigenen Bildröhren- und Designkompetenzen wurden regelmäßig neue Produkte auf den Markt gebracht. Die Strategie zielte darauf, den Nachfragezyklus nach Fernsehgeräten durch eine Kombination der Optionen der Präferenzpolitik und Ergänzung der Potentiale um komplementäre Videound DVD-Technologien möglichst lange und renditeträchtig zu nutzen. LOEWE hatte jedoch die Entwicklung der TFT-Technologie unterschätzt. „Die Schnelligkeit des Nachfragewandels hat uns überrascht“, sagt Vorstandschef Rainer Hecker. Zwar hatte man das Potential der TFTTechnologie erkannt und eigene Flachbildgeräte im Produktprogramm, allerdings zum vierfachen Preis gleichwertiger Röhrengeräte. „Wir haben unsere Position zu streng ausgelegt“, räumt Hecker ein. „Kunden haben einen TFT-Fernseher an sich als Premium empfunden.“ Für LOEWE-Design war auf dem Markt keine extra Preisprämie zu erzielen. Hecker: „Wir hätten im ersten Schritt auf preiswerte Einstiegsgeräte setzen sollen.“ Noch im Krisenjahr 2003 wurden preiswerte TFT-Produkte lanciert und die Änderung der Positionierung mit einem konsequenten Kostenreduktionsprogramm im Bereich der Potentiale begleitet. Durch konsequenten Umbau von Positionen und Potentialen wurde der Turnaround bewältigt. (Quelle: Schlesiger 2006, S. 87f.)
126
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen
3.3
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen
3.3.1
Transfer: Potentiale mehrfach nutzen
3.3
Analog zu der im Marketing bewährten Unterscheidung von marktgetriebenen und technologiegetriebenen Innovationen kann die strategische Option des Transfers von Potentialen in einer reaktiven und in einer proaktiven Variante ausgeübt werden. In der reaktiven Variante des Transfers geht es darum, neue Verwendungsmöglichkeiten für Potentiale zu finden, deren bediente Geschäfte am Ende ihrer Lebenszyklen stehen. Bei dieser Outside inBetrachtung besteht die Herausforderung für das Wandlungsmanagement darin, Entwicklungen am Markt rechtzeitig zu erkennen und sich entwickelnde neue Anwendungsmöglichkeiten zu identifizieren. Ziel eines proaktiven Transfers ist es ebenfalls, neue Anwendungsfelder für bestehende Potentiale zu finden. Allerdings ist die Denkrichtung eine andere. Ziel dieses Inside out-getriebenen Transfers ist das kreative Schaffen neuer Märkte. Im Gegensatz zum reaktiven Transfer, für den die Marktforschung eine ausgereifte methodische und instrumentelle Unterstützung anbietet (vgl. Berekoven et al. 2004), ist das Instrumentarium eines proaktiven Transfers noch weniger entwickelt.
„Wichtig ist, dass wir ständig überprüfen, ob der eingeschlagene Weg noch der richtige ist“, sagt Bernhard Ribbrock, Chef der ARVATO-Sparte Mobile, die den Handy-Versand für Mobilfunkkonzerne verantwortet. „Jede Technologie hat vom Prinzip her eine Marktchance.“ Monatliche Status-Reports dokumentieren daher die Mitarbeiterideen für neue Geschäfte. „Daran können wir erkennen, ob wir uns neben dem Kerngeschäft weiterentwickeln“, so Ribbrock (Quelle: Schlesiger 2006, S. 89).
Als mögliche Objekte eines Potentialtransfers werden nachfolgend Kern- und Endprodukte, Marken und Kompetenzen näher betrachtet. Demgegenüber lassen sich fünf Zielfelder identifizieren, die vom vorhandenen Sortiment bis zum völlig neuen Geschäftsfeld reichen (vgl. Abb. 3/4, Krüger/Homp 1997, S. 126).
127
3 Abbildung 3/4
Strategische Optionen der Erneuerung
Transfermöglichkeiten Was wird transferiert?
Wohin wird transferiert?
1
Kernprodukte
A
Vorhandenes Sortiment
2
Endprodukte/ -leistungen
B
Neue Produkte/Leistungen im Stammgeschäft
3
Marken
C
Neue Kunden im Stammgeschäft
D
4
Ressourcen und Fähigkeiten/Kernkompetenzen
Neue Regionen im Stammgeschäft
E
Neue Geschäftsfelder
Die offensichtlichste Form des Transfers ist die Übertragung von bekannten Endprodukten (2) auf neue Kunden (C) oder Regionen (D). Zahlreiche Beispiele für solche Produkttransfers finden sich in der Automobilindustrie, die sich im letzten Jahrzehnt zunehmend zu einer globalen Branche entwickelt hat.
TOYOTA hat den Produkttransfer als Teil seiner Strategie etabliert. Neue Modelle werden, sofern sie nicht gezielt für einzelne Regionen entwickelt werden, zunächst im Heimatland Japan getestet. Bewährt sich ein Produkt, werden schrittweise Produktionskapazitäten aufgebaut, um das Modell anschließend auch in Auslandsmärkten anzubieten.
Unterschiedliche Endprodukte können auf gemeinsamen Kernprodukten basieren. Unter einem Kernprodukt (1) wird dabei die reale Verkörperung einer oder mehrerer Kernkompetenzen verstanden. Das Kernprodukt ist einerseits zentraler Bestandteil eines oder mehrerer Endprodukte. Kernprodukte können daher auch als eigenständiges Transferobjekt innerhalb des vorhandenen Sortiments (1/A, vgl. Abb. 3/4), für neue Produkte im Stammgeschäft (1/B) oder auf vollkommen neuen Geschäftsfeldern (1/E) zum Aufbau neuer Positionen genutzt werden. Aufgrund des Absatzes in verschiedenen Endgeschäften können Synergiepotentiale in Form von Men-
128
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen
3.3
gendegressions- und Kostensenkungseffekten realisiert werden. Diese lassen sich nutzen, um neben dem Differenzierungsvorteil einen Kostenvorteil auf dem Endproduktmarkt aufzubauen. Oftmals muss hierzu nicht einmal das Kernprodukt an Dritte verkauft werden.
Der weltgrößte Automobilhersteller GENERAL MOTORS hat im Gegensatz zu TOYOTA traditionell eine Strategie externen Wachstums durch Zukauf regionaler Automobilhersteller verfolgt. Daraus resultierten in der Vergangenheit hinsichtlich der Positionen eine differenzierte Marktbearbeitung, hinsichtlich der Potentiale jedoch Parallelentwicklungen und unnötige Redundanzen in der Fertigungskapazität. OPEL hatte es lange Zeit trotz der aufgrund steigender Energiepreise wachsenden Nachfrage nach Diesel-Fahrzeugen versäumt, eigene Dieselmotoren zu entwickeln. Zunächst wurden Motoren der japanischen Tochtergesellschaft ISUZU eingebaut, in höheren Baureihen griff man auf BMWMotoren zurück. Mit der Beteiligung an FIAT im Jahr 2000 wurde der von ALFA ROMEO entwickelte Common-Rail Motor zum Kernprodukt erklärt. Als einziger Mittelklasse 4-Zylinder Dieselmotor des Konzerns durchlief die 1.9 CDTI-Maschine eine systematische Weiterentwicklung mit Blick auf die EURO 4 Abgasnorm und die Ausrüstung mit einem Partikelfilter. Inzwischen wird der Mittelklasse-Dieselmotor neben den Fahrzeugen des FIAT-Konzerns (FIAT, ALFA ROMEO, LANCIA) auch in verschiedenen Modellreihen der GENERAL MOTORS Marken OPEL, VAUXHALL und SAAB eingesetzt. Neuerdings setzt GENERAL MOTORS in Europa auf eine Mehr-Markenstrategie, um gezielt einzelne Marktsegmente ansprechen zu können. So werden ab Herbst 2008 in Rüsselsheim der OPEL INSIGNIA und das Schwestermodell von SAAB auf der gleichen Fertigungsstraße hergestellt. Ähnliche Vorteile verspricht man sich von der Doppelnutzung der Entwicklungs- und Fertigungspotentiale für die Geländewagen OPEL ANTARA und CHEVROLET CAPTIVA.
Der Transfergedanke ist nicht auf physische End- oder Kernprodukte beschränkt. Es ist ebenso möglich, ganze Marken auf neue Regionen oder Anwendungsfelder zu übertragen (Markentransfer). Die Übergänge zwischen dem Produkt- und dem Markentransfer sind dabei fließend. Vielfach wird zunächst ein einzelnes Produkt transferiert. Im Erfolgsfall wird anschließend versucht, die gesamte Marke im neuen Geschäftsfeld zu positionieren (3/E-Transfer). Markentransfer spielt im Zuge der Europäisierungs- und Globalisierungsbestrebungen eine zunehmende Rolle, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Hier muss versucht werden, den Kunden an die Marke zu binden, da Identifikationsprozesse und Markenbewusst-
129
3
Strategische Optionen der Erneuerung
sein, wie sie bei realen Produkten, z.B. der Automobil- und Bekleidungsbranche, zu beobachten sind, vielfach ausbleiben.
Die PROSIEBENSAT1-Gruppe verfolgt explizit das Ziel, Umsätze außerhalb des Stammgeschäfts mit Einnahmen aus Fernsehwerbung zu generieren. Die Basis hierfür bilden die Sendermarken. Ihr Potential weitet die Unternehmung konsequent auf benachbarte Geschäftsfelder wie Merchandising, Licensing, Teletext, Internet, mobile Dienste, E-Commerce, Teleshopping oder Telefonmehrwertdienste aus (Quelle: www.prosiebensat1.com).
Der Kompetenztransfer als die letzte der in Abbildung 3/4 dargestellten Transfermöglichkeiten beschreibt den Fall, dass eine Unternehmung ihre spezifischen, vorteilsgenerierenden Fähigkeiten nutzt, um neues Wachstum zu erreichen. Um nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufzubauen, ist es unerlässlich, die grundlegenden Ressourcen und Fähigkeiten in den Transferprozess mit einzubeziehen. Sie stellen letztlich die Wurzeln der unternehmungsweiten Kernkompetenzen dar. Sie sollten über den Produkt- und Markentransfer hinaus in neu betretene Geschäftsfelder verpflanzt werden, um auch dort wieder dauerhaftes Unternehmungswachstum zu sichern.
Als die Stadt East Riding in England einen Dienstleister suchte, der kommunale Aufgaben wie das Eintreiben von Hundesteuer bis zum Betrieb des Bürger-Büros suchte, ließ sich ein Mitarbeiter aus dem mittleren Management der BERTELSMANN-Tochter ARVATO DIRECT SERVICES die Ausschreibungsunterlagen kommen. Die erste Prüfung ergab, dass die aus der Zahlungsabwicklung bei einem Internetanbieter gewonnenen Erfahrungen durchaus dazu qualifizieren, dem kommunalen Kunden die ausgeschriebene Leistung anbieten zu können. In Absprache mit dem Vorstand in Gütersloh wurden 2 Mio. € in die Ausarbeitung des Angebots gesteckt. ARVATO erhielt den Zuschlag, heute arbeitet eine 500 Mann starke Truppe im Bereich kommunaler Dienstleistungen. (Quelle: Schlesiger 2006, S. 89)
130
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen
3.3.2
3.3
Präferenzpolitik: Schärfen des Unternehmungsprofils
Präferenzpolitik ist gleichbedeutend mit einem Umbau von Positionen zur Schärfung des Unternehmungsprofils. Prägend sind die angestrebten Wettbewerbsvorteile der Kostenführerschaft und der Differenzierung. Als konkrete Maßnahmen stehen Preisreduzierung, Produktdifferenzierung und Markenaufbau zur Wahl. Durch einen Wechsel der Wettbewerbsstrategie können Marktanteile gehalten oder gewonnen werden, wenn die bisherige Position vom Wettbewerb angegriffen wird. Im Fall der Preisreduzierung bedeutet dies konkret, dass bisher zu einem über dem Branchendurchschnitt liegenden Preis angebotene Premiumprodukte im Preis gesenkt werden. Typischerweise wird diese Option allerdings nur verfolgt, wenn die Kunden nicht bereit sind, für die angebotene Differenzierung ein Premium zu zahlen oder die Differenzierungsposition in der Zwischenzeit anderweitig besetzt wird.
Im Automobilmarkt wurde mit der Gemeinschaftsentwicklung und gemeinsamen Produktion der Modelle Aygo, C1 und 106 durch TOYOTA und den PSAKonzern im Jahr 2005 ein Marktsegment unterhalb der bisherigen Kleinwagenklasse geschaffen. Gleichzeitig wurden die etablierten Kleinwagenhersteller durch den Markteintritt des rumänischen DACIA Logan angegriffen. FORD Deutschland hat diesen Angriff auf sein Einstiegsmodell KA mit einer Preisreduzierung für das Sondermodell ‚KA Student’ pariert und sich so eine neue Position verschafft. Zum Zeitpunkt seiner Markteinführung war der KA ursprünglich zu einem über dem Branchendurchschnitt liegenden Preis angeboten worden, was mit dem auffälligen Design des Fahrzeugs begründet wurde. Andere Hersteller wie FIAT oder RENAULT reagierten ebenfalls mit einer Preisreduzierung. Trotz Einführung der Nachfolgemodelle werden die alten Versionen des FIAT Punto und RENAULT Clio weiter produziert und zu deutlich reduzierten Preisen angeboten.
Die Produktdifferenzierung als alternative Wettbewerbsstrategie versucht, Angriffe der Wettbewerber auf die eigene Position mithilfe von Maßnahmen in Bezug auf Produktqualität, -design und -preis zu erschweren. Vielfach ist damit eine Individualisierung der Produkte hinsichtlich der Kundenbedürfnisse verbunden (Customizing).
131
3
Strategische Optionen der Erneuerung
Der Unterhaltungselektronikhersteller LOEWE hat den Wechsel zur TFTTechnologie kombiniert mit einer Produktdifferenzierung. Marketingmitarbeiter erkannten den in der Automobil- und Küchenindustrie herrschenden Trend zur Individualisierung. „Kunden wollen sich ihr Produkt nach eigenen Wünschen zusammenstellen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Rainer Hecker. Folgerichtig wurde die Produktlinie Individual ins Programm aufgenommen. Kunden können Teile der Geräteverkleidung selbst wählen. Die nach Farbe, Oberflächenbeschaffenheit und Material unterschiedlichen Produkte sind ein Renner im Programm (Quelle: Schlesiger 2006, S. 87).
Zentrales Element des Umbaus von Positionen durch Markenaufbau ist ein einheitlicher Markenname. Dieser bildet das zentrale Element einer internationalen Markenidentität und damit den Kern der markenpolitischen Standardisierung (vgl. Esch 2005b, S. 79ff.). Üblicherweise sind Marketingkampagnen darauf ausgelegt, ein Branding von Fertigprodukten oder Dienstleistungsmarken zu erreichen (vgl. Esch/Langner 2005, S. 573ff.). Weitaus langlebiger ist die Markierung der unternehmungsweiten Kernkompetenz sowie einer produktumspannenden Kerneigenschaft, z.B. ‚Freude am Fahren‘ (BMW) oder ‚Vorsprung durch Technik’ (AUDI). Vorteil ist, dass der Kunde an die Marke und darüber hinaus auch an die Unternehmung gebunden wird und nicht an ein dem Lebenszyklus unterliegendes Einzelprodukt. Der Kunde verbindet mit der Marke über einen Produktwechsel hinweg Qualität, Kompetenz und garantierte Gebrauchssicherheit.
3.3.3
Rückzug: Trennung von Verlustgeschäften
Verfehlt ein Geschäft fortlaufend die Ergebnisziele und lassen sich auch keine Fortschritte durch Aufbauprogramme erwarten, so sind Abbau- oder Umbaumaßnahmen angebracht, um die Kostenposition zu verbessern. Sieht das Management jedoch keine Chance zur Fortführung des Geschäfts, so sollten auch Positionen abgebaut werden. Hierbei können die zugehörigen Potentiale entweder mit abgebaut (Verkauf) oder aber zu anderweitiger Verwendung beibehalten werden (Rückzug durch Stilllegung).
132
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Positionen
3.3
Aufgrund der schlechten Verkaufszahlen und des hohen Cashflow-Bedarfs zur Aufrechterhaltung der Position hat VOLKSWAGEN zum Jahresende 2005 das Geschäft mit Luxusfahrzeugen auf dem US-Markt aufgegeben. Der Vertrieb des Phaeton in den USA wurde eingestellt. Trotz erfreulicher Verkaufszahlen im ersten Quartal 2008 und der Unterstützung durch den Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und Aufsichtsratsmitglied Ferdinand Piëch, lautet die aktuelle Aussage von Wendelin Wiedeking, dem Vorstandsvorsitzenden des VW-Großaktionärs PORSCHE, die Zeit für teure Spielzeuge bei VOLKSWAGEN sei vorbei. „VW wird die nächste Generation des Phaeton – wie jedes andere Modell auch – nur bauen, wenn wir damit die angestrebte Kapitalrendite erzielen“, reagierte Martin Winterkorn (Quelle: Die Welt vom 15.04.2008).
Checkliste zum Aufbau, Umbau, Abbau von Positionen In welcher Phase des Nachfragezyklus befinden sich unsere Geschäfte? In welcher Phase ihrer Lebenszyklen befinden sich die von uns angebotenen Produkte und unsere Potentiale? In einer Outside in-Betrachtung: Welche Entwicklungen am Markt bieten neue Einsatzmöglichkeiten für unsere Potentiale? In einer Inside out-Betrachtung: Welche bisher noch nicht oder nur unzureichend befriedigten Kundenbedürfnisse können mit unseren Potentialen noch bedient werden? Bestehen Möglichkeiten eines Markentransfers zum Aufbau neuer Geschäfte? Verfolgen wir in den von uns bedienten Geschäften eine konsistente Wettbewerbsstrategie? Ergibt sich aus den verschiedenen Positionen ein für den Kunden wahrnehmbares Strategieprofil? Führt die Möglichkeit der Mehrfachnutzung von Potentialen zu neuen Optionen bezüglich der Positionierung in einzelnen Geschäftsfeldern? Weist unser Geschäftsportfolio echte Verlustgeschäfte auf, die sich auch mittelfristig nicht profitabel umbauen lassen und die kein Langfristpotential besitzen?
133
3
Strategische Optionen der Erneuerung
3.4
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen
3.4.1
Entwickeln: Wachstum durch Potentialaufbau
Die Entwicklung neuer Potentiale kann als grundlegendste strategische Erneuerung angesehen werden. Sie ist sichtbarer Ausdruck der Wandlungsbereitschaft und stellt höchste Anforderungen an das Wandlungsmanagement. Insbesondere dann, wenn es zu einer proaktiven Kompetenzentwicklung kommen soll, benötigt die Unternehmung frühzeitig Prozesse, die die Gesamtheit der kompetenzorientierten Aufbau- und Umbaumaßnahmen der Ressourcen und Fähigkeiten lenken und unterstützen (vgl. Homp 2000). Konkret sind Maßnahmen des Wissensmanagements zu fördern sowie Lernprozesse zu initiieren. Hierzu zählt neben der Schaffung von unternehmerischen Freiräumen auch die Verbindung von Marktnähe und Entwicklungskompetenz. Insbesondere Letzteres stellt einen dauerhaften Kundennutzen sicher und schützt vor Fehlentwicklungen. Produktinnovationen sind die am häufigsten vorkommende und nach außen sichtbarste Form der Kompetenzentwicklung. Sie stehen – ebenso wie Prozess- und reine Kompetenzinnovationen – immer dann zur Wahl, wenn einem Geschäft eine positive Nachfrageentwicklung zugesprochen wird, bisher in der Unternehmung jedoch noch keine entsprechenden Potentiale vorhanden sind. Vielfach wird die Form der Produktinnovation zum Aufbau oder zur Wiedererlangung eines Differenzierungsvorteils angestrebt. Die Unternehmung versucht dabei, ein neues Produkt zu schaffen, das nicht nur die Leistungsanforderungen des Kunden erfüllt, sondern auch gleichzeitig den latent vorhandenen Bedürfnissen vorgreift und Begeisterungsanforderungen des Kunden befriedigt. Ein derart proaktives Vorgehen birgt alle Chancen, aber auch Risiken des Pioniers in sich. Als Produktinnovator kann zwar die Pionierrente abgeschöpft werden, diese steht aber den Innovationsaufwendungen und den Kosten der Marktbereitung gegenüber.
134
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen
3.4
Ein Beispiel für eine Vorreiterrolle in der Produktentwicklung ist die von TOYOTA erstmals in einem Serienfahrzeug angebotene Hybridtechnologie, der Kombination eines Verbrennungsmotors mit einem Elektromotor und einer Batterie als Energiespeicher. Grundüberlegung ist, den Verbrennungsmotor nur dann laufen zu lassen, wenn er mit gutem Wirkungsgrad arbeitet. Nicht für Vortrieb benötigte Leistung wird in elektrische Energie umgewandelt und in einer Batterie gespeichert. Daraus wird der Elektroantriebsmotor des Pkw mit Energie versorgt. Als einziger Automobilhersteller war TOYOTA davon überzeugt, dass die Hybridtechnologie langfristig marktfähig ist. In Japan wurde mit dem Prius bereits 1997 das erste Serienautomobil mit Hybridtechnologie verkauft. Zug um Zug erfolgte die Einführung in weiteren regionalen Märkten. Während der Prius nach seiner Markteinführung in 2001 in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung blieb, entwickelte er sich im US-Bundesstaat Kalifornien zu einem Kultobjekt. Zur Oscar-Verleihung 2004 fuhren zahlreiche Stars mit einem Prius vor. In der Zwischenzeit gewann nicht nur der Prius zahlreiche Auszeichnungen, TOYOTA hat seine Produktpalette zielstrebig um weitere Hybridfahrzeuge erweitert, nicht zuletzt um den in den USA sehr erfolgreichen Geländewagen LEXUS RX 400h. Die Konkurrenz hat erkannt, dass sich TOYOTA auf dem Gebiet der Hybridtechnologie einen Erfahrungsvorsprung erarbeitet hat. Inzwischen sind nicht nur in Amerika Konkurrenzprodukte am Markt vertreten, auch die europäischen Hersteller bieten Fahrzeuge an oder positionieren sich auf den Automobilmessen. Die Marktposition von TOYOTA wird jedoch nicht ohne Weiteres anzugreifen sein.
Insbesondere auf gesättigten Märkten gewinnen Prozessinnovationen an Bedeutung, vor allem im Hinblick auf Kosten, Zeit und Qualität der Wertschöpfung. Im Kern geht es um die Restrukturierung der Prozessarchitektur mit dem Ziel, Blindleistungen zu eliminieren und eine maximale Wertschöpfung zu erreichen, die sich letztlich in einem gesteigerten Kundennutzen niederschlägt bzw. generell dem Nutzen von Anspruchsgruppen dient. Als elementar ist somit bei der Neugestaltung der Leistungskette die exakte Kenntnis der Kundenwünsche anzusehen. Die Prozessinnovation sollte weniger kostengesteuert als vielmehr ‚market- bzw. customer-driven‘ sein (vgl. Rohm 1998, S. 52) und der Verbesserung der Größen Zeit und Qualität dienen. Es geht nicht nur darum, den Unternehmungswert zu erhöhen, sondern auch den Kundennutzen zu steigern.
135
3
Strategische Optionen der Erneuerung
Der schwäbische Maschinenbauer TRUMPF GMBH & CO. KG gilt als eine der innovativsten Unternehmungen in Deutschland. TRUMPF ist Weltmarktführer im Bereich der Lasertechnologie und größter deutscher Werkzeugmaschinenbauer. Der Erfolg ist das Ergebnis eines permanenten Veränderungsprozesses. „Wir müssen als Unternehmung tun, was der Mensch nicht kann – Alterserscheinungen verhindern“, so Mathias Kammüller, Produktionsleiter bei TRUMPF. Hierzu wird ein Strom ständiger Innovationen in den Ebenen Maschinen, Märkte, Menschen und Methoden angestrebt. 1998 wurde im Produktionsbereich das Konzept der Lean Production auf die Kleinserienfertigung im Maschinenbau übertragen. Seitdem gleiten ganze Maschinen auf Luftkissen von einer Fertigungsstation zur nächsten, während just in time Werkzeuge und Materialien bereitgestellt werden. „Es ist phantastisch zu sehen, dass dies auch mit High-Tech Maschinen von 15 oder 20 Tonnen Gewicht möglich ist“, sagt der Produktionschef. „Da früher ein Monteur nur alle 100 Stunden auf ein bestimmtes Problem stieß, war er in Versuchung, es durch Improvisieren zu lösen. Wenn er heute dasselbe Problem im 10-Stunden-Takt hat, ruft er irgendwann beim Lieferanten an und sagt: die Bohrung muss 10 mm nach links.“ Zur Förderung von Prozessinnovationen sind 70 Mitarbeiter permanent freigestellt. Ziel des neuesten Projekts ‚Synchro 4’ ist die Reduktion der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung einer TRUMPF-Maschine von acht auf vier Wochen. (Quelle: Scheytt 2005, S. 60ff.)
Als Ausgangspunkt der Innovation können die Kernkompetenzen und die mit ihr verbundenen Kernprozesse der Unternehmung genutzt werden. Als Kernprozesse sind dabei die Prozesse anzusehen, die eine unternehmungsspezifische, wettbewerbsrelevante Stärke in sich tragen und einen maßgeblichen Beitrag zur Kernkompetenz der Unternehmung leisten. Ihre Innovierung ist mithilfe einer Makro- und einer Mikroanalyse möglich (vgl. Krüger 2005, S. 180ff.). Bei der Makroanalyse werden die unternehmungsübergreifenden Prozesse, ihre externe Prozessvernetzung sowie die Schnittstellen und ihr Beitrag zu den Kernprozessen der Unternehmung geklärt. In einem zweiten Schritt, der Mikroanalyse, sind dann die einzelnen Prozessglieder hinsichtlich einer Funktionsverbesserung, einer Funktionsausgliederung oder -eingliederung sowie einer Funktionsaufgabe zu untersuchen. Den komplexesten Schritt innerhalb der strategischen Option der Entwicklung bildet die Kompetenzinnovation. Die Unternehmung
136
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen
3.4
strebt hier die Erneuerung und Weiterentwicklung ihrer Wettbewerbsbasis, d.h. der unternehmungseigenen Kernkompetenzen, an.
Der dänische Hersteller von Hörgeräten OTICON hat in den 90er Jahren seine Kompetenzbasis neu aufgebaut. Die Revitalisierung begann mit einer Umstellung des Unternehmungsslogans auf ‚people first’. Während früher die bestmögliche technische Lösung zum Ausgleich eines Hördefizits gesucht wurde begann man nun, sich genau mit den Kundenbedürfnissen zu beschäftigen. So machten erst Gespräche mit Kunden auf das ‚Verschlussproblem’ aufmerksam. Ein Hörgerät im Ohr kommt zwar dem Kundenwunsch einer unauffälligen Optik entgegen, es verschließt jedoch den Hörgang, was dem Benutzer unangenehm ist. Darüber hinaus verändert der geschlossene Gehörgang den Klang der eigenen Stimme, was zu einer Störung der Selbstwahrnehmung führen kann. „100 Jahre hat sich die Hörgeräteindustrie um das Problem des Hörens gekümmert, jetzt fangen wir erstmals an, das Problem des Sprechens zu realisieren“, so Graham Naylor, Leiter des OTICON Forschungszentrums in Eriksholm. „Ein schwerhöriger Mensch hört ja nicht nur zu, 30% der Zeit spricht er.“ Zum Aufbau von Kompetenzen rund um das Kommunikationsproblem startete das Grundlagen-Team weltweit Kooperationen mit Universitäten und Forschergruppen. Neben Hörgeräten mit Belüftungskanälen zur Lösung des Verschlussproblems ist eines der Ergebnisse das Gerät adapto, dessen Software die menschliche Sprache von anderen Geräuschen unterscheiden und gezielt verstärken kann (Quelle: Gründler 2005, S. 20ff.).
Idealtypisch ist der Prozess der Kompetenzinnovation, ebenso wie der Wandlungsprozess insgesamt, als Gegenstrom zu organisieren (vgl. Krüger/Bach 1999, S. 61ff.). Bei einem deduktiv-visionsgeleiteten Vorgehen beginnt der Prozess mit einem abwärts gerichteten Vorlauf, bei dem die Unternehmungsleitung die angestrebten Kompetenzen als Ziel vorgibt. In der induktiv-fähigkeitsgeleiteten Form beginnt der gleiche Prozess mit einer Bestandsaufnahme der vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten an der Unternehmungsbasis. Hier ist auf der bestehenden Ressourcenbasis aufbauend über zukünftige Kompetenzinnovationen zu entscheiden. Auch eine proaktive Kompetenzinnovation muss kundenrelevant und marktfähig sein. Hierzu ist der vertikale Prozess – wie am OTICON-Beispiel sehr deutlich wird – durch einen horizontalen Strom zu ergänzen. In einem bedürfnisorientierten Vorlauf sind die latenten Kundenwünsche einzufangen. Im kompetenzorientierten Rücklauf ist zu prüfen, ob die Unternehmung in der Lage ist, die Bedürfnisse mittels Kompetenzinnovation zu befriedigen.
137
3
Strategische Optionen der Erneuerung
3.4.2
Ergänzung: Potentiale vervollständigen
Ergänzung bezeichnet den Umbau der Potentiale zum Erhalt oder zum Ausbau von Positionen am Markt. Diese reaktive Variante des Potentialumbaus kommt immer dann zum Tragen, wenn aufgrund des Auslaufens einzelner Technologiezyklen zum Halten der Marktposition ein Umstieg auf andere Potentiale erforderlich ist.
Die führende Position der SCHÄPER SPORTGERÄTEBAU GMBH auf dem Markt für Fußballtore war auf einen Schlag dahin, als am 3. April 1971 auf dem Gladbacher Bökelberg ein SCHÄPER Holztor auf der Höhe der Grasnabe brach. Der Umsatz mit Holztoren sank dramatisch, fortan wurde in den höheren Ligen auf in Schweden gefertigte Aluminiumtore gespielt. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit Fußballtoren erkannte Tischlermeister Klemens Schäper aber bald den Schwachpunkt an den Schwedentoren: „Die Schweden waren in Europa zwar führend in der Aluminiumverarbeitung, kannten sich aber nicht mit Toren aus. Sie steckten die Ecken nur zusammen, anstatt sie solide zu verschweißen. Dadurch wackelten die Schwedentore ständig.“ SCHÄPER wollte die angestammte Marktposition nicht kampflos aufgeben, stellte einen Aluminiumschweißer ein und stieg um auf neue Materialien, Produkte und Prozesse. „Zum Glück mussten wir keine neuen Geräte anschaffen, denn unsere drei Holzkreissägen schnitten durch das weiche Aluminium wie durch Butter.“ Die Qualität der SCHÄPER Aluminiumtore sprach sich schnell herum und schon bald riefen auch die Bundesligavereine wieder an und orderten stabile SCHÄPER-Tore. SCHÄPERS Marktposition ist seitdem unangefochten, heute stammt die Hälfte aller Bundesligatore aus dem 16 Mann-Betrieb in Münster. (Quelle: www.sportschaeper.de; Stefanidis 2005, S. 124ff.)
Am Beispiel der Fußballtore wird deutlich, dass die neuen Potentiale (der neu eingestellte Aluminiumschweißer) die bestehenden und für die Marktposition konstituierenden Kompetenzen (Klemens Schäper) nicht ersetzen, sondern ergänzen. Am Anfang dieser strategischen Option sollte deshalb eine genaue Analyse dahingehend erfolgen, welches der angestammten Potentiale konstituierend für die Marktposition ist und welche neuen technologischen Potentiale genutzt werden können, um diese Potentiale auch zukünftig zum Nutzen der Kunden einsetzen zu können.
138
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen
3.4
Seine starke Position verdankt HASBRO, hinter MATTEL die Nummer zwei auf dem Weltmarkt und in Deutschland Marktführer auf dem Markt für Spiele, nach Meinung von Geschäftsführer Michael Rauterkus der Kombination aus Tradition und Innovation. „Wir haben die klassischen Spielideen mit moderner Technik verbunden“, so Rauterkus. Bestand früher Trivial Pursuit lediglich aus Fragekarten, so muss man heute Filmsequenzen oder Musikeinspielungen erraten. Die DVD-Gesellschaftsspiele waren so erfolgreich, dass HASBRO in 2006 weitere Spiele dieser Art auf den Markt brachte. Bei der modernen Version von Monopoly wird nicht mehr mit Spielgeld bezahlt, sondern mit Kreditkarte. Obwohl das Spiel aufgrund der aufwändigen Technik nicht billig ist, war es vor Weihnachten 2005 weitgehend ausverkauft. Anlässlich der Fußballweltmeisterschaft wurde ein WM-Monopoly entwickelt, bei dem statt Straßen Fußballmannschaften und statt Hotels Stadien gekauft werden. Die Ergänzung traditioneller Ideen um moderne Technologie verfolgt HASBRO ebenfalls im Segment der angebotenen Plüschtiere. Publikumsmagnet auf der Nürnberger Spielwarenmesse im Januar 2006 war ein lebensgroßes Shetlandpony, das seinen Kopf in jene Richtung dreht, aus der es angesprochen wird (Quelle: FAZ vom 02.02.2006).
Die Variante der Potentialergänzung zum Ausbau von Positionen zielt auf eine kontinuierliche Ausweitung des Kerngeschäfts. Ausgehend von bestehenden Geschäften und bereits bekannten Bedürfnissen der Kunden werden Potentiale zum Angebot ergänzender Produkte und Dienstleistungen aufgebaut. Wichtig ist, dass nicht durch unabgestimmte Angebote die Geschäftsposition verwässert, sondern in den Augen der Kunden erhalten und verstärkt wird. Ziel ist es, den Kunden im Sinne eines Systemgeschäfts weitere komplementäre Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Diese Denkweise kann bis zum Angebot einer integrierten Problemlösung führen, wie das nachfolgende Beispiel der BLG AUTOMOBILE LOGISTICS GMBH zeigt.
Bremerhafen gehört mit 1,4 Mio. Fahrzeugen pro Jahr zu den größten Autohäfen der Welt. Die BLG LOGISTICS GROUP AG & CO. KG unterhält dort ein Terminal, über das sowohl Produkte europäischer Hersteller ins Ausland exportiert, als auch Importe aus den USA und Japan entladen werden. Insgesamt finden 100.000 Fahrzeuge auf dem Autoterminal der BLG Platz. Um dem Verdrängungswettbewerb in der Logistikbranche zu entgehen und die Kunden in der Automobilbranche enger an sich zu binden, wurde die BLG AUTOMOBILE LOGISTICS GMBH gegründet. In dieser Tochtergesellschaft
139
3
Strategische Optionen der Erneuerung
wurden ergänzende Potentiale aufgebaut, um so den Kunden eine integrierte Dienstleistung anbieten zu können. Die Fahrzeuge werden gereinigt und einer Pre-Delivery Inspektion unterzogen, Transportschäden werden repariert, die Umrüstung auf deutsche Zulassungsbestimmungen vorgenommen; es werden aber auch Sonderausstattungen wie Sonnendächer, Klimaanlagen oder Ledersitze eingebaut (Quelle: www.blg.de).
3.4.3
Fokussierung: Stärkung der Kernleistung
Die strategische Option der Fokussierung beschreibt den Abbau von Potentialen. Hierbei kann weiter differenziert werden in Potentialabbau mit Erhalt der Positionen (Transfer oder Outsourcing) und eine Variante ohne Erhalt der Positionen (Verkauf). Ziel sind Größendegressions- und Spezialisierungseffekte, die durch die Mehrfachnutzung bestehender Potentiale erzielt werden können. Die Möglichkeit eines Transfers von Kernprodukten oder Ressourcen und Fähigkeiten wurde bereits beschrieben (vgl. Kap. 3.3.1). Zur Fokussierung zählen aber auch Konzepte wie die Plattformstrategien zur Effizienzsteigerung in der Fertigung. So fertigt bspw. die AUDI AG auf Basis der sog. modularen Längsplattform verschiedenste Modelle und Varianten der Baureihen A4, A6 und A8. Teure Kernprodukte wie Achsen, Motoren, Lenkungen, Klimaanlagen oder die elektronische Steuerung kommen ebenfalls baureihenübergreifend zum Einsatz (vgl. Hillebrand 2006, S. 52). Aufgrund der Standardisierung können bisher speziell für einzelne Baureihen vorgehaltene Potentiale abgebaut werden. Darüber hinaus sind Erfahrungskurveneffekte in der Forschung & Entwicklung, der Beschaffung sowie der Fertigung und Montage möglich. Wettbewerbsvorteile können ebenso entstehen durch den Abbau von Randfunktionen in Form von Outsourcing. Eine richtig getroffene Outsourcingentscheidung ermöglicht der schrumpfenden Unternehmung, an möglichen Größen- und Spezialisierungseffekten beim Dienstleister zu partizipieren und diese bei der Positionierung des eigenen Leistungsangebots an die Kunden weiterzugeben. Ein gezieltes Outsourcing bietet daher langfristig Chancen zum Aufbau neuer Stärken. Die Abgabe einzelner Funktionsbereiche sollte zu einer Ressourcenfreisetzung führen, die zur Stärkung der eigenen Kompetenzen genutzt werden kann.
140
Wandel durch Aufbau, Umbau und Abbau von Potentialen
3.4
Viele Aufgaben des nichtklinischen Basisbereichs eines Krankenhauses werden in der ASKLEPIOS KLINIKEN GMBH durch zentrale Servicebetriebe und Servicecenter erfüllt. Dazu gehören u.a. Bereiche wie Einkauf, Logistik, DRG-Management, Aus-, Fort- und Weiterbildung. Andere Unterstützungstätigkeiten wie z.B. Buchhaltung, Personalwesen werden regional, u.a. in der ASKLEPIOS KLINIKEN HAMBURG GMBH, in Tochtergesellschaften gebündelt. Somit muss nicht jedes Krankenhaus die notwendige Infrastruktur bereitstellen, der nichtklinische Basisbereich lässt sich wesentlich effizienter organisieren. Die einzelnen Krankenhäuser rufen die benötigten, in Umfang und Qualität genau definierten Leistungen bei den Servicebetrieben oder Servicecentern ab. Diese sind für die Qualität ihrer Leistungen verantwortlich und stellen sie den anfordernden Krankenhäusern in Rechnung. Viele ihrer Dienstleistungen bieten die Servicecenter und Servicebetriebe auch externen Kunden an (Quelle: www.asklepios.com).
Bei einer Fokussierung in der Form des Verkaufs werden mit den Potentialen auch die zugehörigen Positionen aufgegeben. Ein solcher Umbau auf Konzernebene wird in der Regel vom Kapitalmarkt positiv beurteilt, wie die Beispiele der BAYER AG (Abbau des Chemiegeschäfts, vgl. Kap. 2.1, S. 67f.) oder der LINDE AG (Verkauf der Sparten Kältetechnik und Material Handling) belegen. Checkliste zum Aufbau, Umbau, Abbau von Potentialen Welche Kompetenzen, Prozesse und Produkte stehen für den Erfolg unserer Unternehmung? Welchen Nutzen stiften wir unseren Kunden mit welchen Leistungsangeboten? Welcher Anteil des Umsatzes entfällt auf Neuprodukte? Wann sind die Geschäftsprozesse das letzte Mal grundlegend in Frage gestellt worden? Welche neuen Entwicklungen in den Bereichen Technologie, Materialien, Informationen können den angebotenen Kundennutzen verbessern? Welche an unser Leistungsangebot angrenzenden Teilprobleme haben unsere Kunden? Besteht die Möglichkeit, eine integrierte Problemlösung anzubieten? Welche Teile unserer Wertschöpfung zählen nicht zu unseren von Kernkompetenzen geprägten Kernprozessen? Besteht die Möglichkeit, einzelne Leistungsbestandteile fremd zu beziehen und auf die Kernleistung zu fokussieren?
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3
Strategische Optionen der Erneuerung
3.5
Zusammenfassung
Strategische Erneuerung erfolgt durch den Abbau, Umbau oder Aufbau von Positionen und Potentialen. Daraus ergeben sich drei Ebenen der Erneuerung: die Ebene der Gesamtunternehmung, die Ebene der Geschäfte und die Ebene der Ressourcen und Fähigkeiten.
Nachfrage, Potentiale und Produkte unterliegen Lebenszyklen unterschiedlicher Dauer. Aus den Wechseln von Positionen und Potentialen innerhalb eines Nachfragezyklus ergeben sich Handlungsoptionen, die gezielt zur strategischen Erneuerung der Gesamtunternehmung eingesetzt werden können. Das Positions-/ Potential-Portfolio liefert eine methodische Hilfestellung zur Positionierung der Geschäfte und zur Wahl geeigneter Optionen.
Unabhängig von den Lebenszyklen einzelner Positionen und Potentiale sollte auf Gesamtunternehmungsebene eine Entscheidung für eine Diversifikations- oder eine Konzentrationsstrategie getroffen werden. Während der Kapitalmarkt in der Regel eine Konzentrationsstrategie favorisiert, zeigen Beispiele wie GENERAL ELECTRIC oder SIEMENS, dass auch eine Diversifikationsstrategie zum Erfolg führen kann.
Auf der Ebene der Geschäfte stehen die Lebenszyklen einzelner Produkte und Geschäfte im Mittelpunkt. Durch den Transfer von Potentialen können neue Geschäfte aufgebaut werden, ein Umbau von Positionen durch Präferenzpolitik ermöglicht eine Verlängerung von Produktlebenszyklen, und auch der Rückzug aus einzelnen Geschäften kann eine sinnvolle Option sein.
Auf der Ebene der Potentiale stehen die Optionen der Kompetenzentwicklung, der Ergänzung und der Fokussierung offen. Alle drei Arten potentialorientierter Maßnahmenprogramme ermöglichen es, Positionen im Markt aufzubauen oder zu halten.
142
Rollenprofil des Topmanagements
4.1
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Kapitel 4
Wilfried Krüger
143
Rollenprofil des Topmanagements
4.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 4 Ohne aktive Unterstützung durch das Topmanagement ist kein transformativer Wandel möglich. Von Topmanagern ist hierfür zu erwarten, dass sie geplanten (intendierten) Wandel auslösen und aktiv vorantreiben (Rolle als Promotoren), aber auch, dass sie die Voraussetzungen für eigengesetzliche (emergente) Veränderungen schaffen (Rolle als Enabler). Welche Aufgaben und Anforderungen sich dabei stellen, wird anhand sog. Strategischer Imperative erläutert. Sie erstrecken sich auf die Sachfragen des Wandels ebenso wie auf die Probleme von Macht und Einfluss. Nicht zuletzt geht es um die Änderung von Einstellungen und Verhaltensweisen. Bei all dem ist auch die emotionale Seite des Geschehens zu beachten. Insgesamt zeigt sich dabei eine breite Palette von Anforderungen, denen ein einzelner Topmanager, aber auch der gesamte Führungskreis, nicht immer gewachsen ist. Die Ursachen und Formen solcher Führungsdefizite werden ebenso diskutiert wie Maßnahmen zu ihrer Bewältigung.
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
4.1
Rollenprofil des Topmanagements
4.1.1
Fragestellung
Die Bedeutung, die Topmanagern in Veränderungsprozessen zukommt, ist kaum zu überschätzen. Daraus leitet sich die Ausgangsfrage dieses Kapitels ab: Welche Rolle(n) sollte das Topmanagement im Wandel spielen? Diese Frage wird im Folgenden anhand ausgewählter Querschnittsprobleme des Wandels behandelt, die der besonderen Aufmerksamkeit des Topmanagements bedürfen. Dabei ist der Begriff der Rolle nicht lediglich metaphorisch gemeint, sondern sehr wohl im Sinne der Rollentheorie. Rollen sind „Bündel normativer Erwartungen, die sich an den Inhaber einer sozialen Position richten“ (Wiswede 2004, Sp. 1289). Für die Rollen in Führungspositionen sind zwei Fragen von besonderer Bedeutung (vgl. Wiswede 2004, Sp. 1291f.): 1. Welches Rollenverhalten zeigen Führungskräfte? 2. Welche Rollenerwartungen werden an die Führungskraft gestellt?
4.1.2
Rollenverhalten in Transformationsprozessen
In der Praxis zeigen sich zwei Lager bei den Führungskräften der ersten und zweiten Ebene. Die ‚harten Hunde’ (45%) setzen darauf, den Leidensdruck zu erhöhen, um Wandel zu bewirken. Die mitarbeiterorientierten Manager (56%) handeln dagegen nach dem Grundsatz: ‚Betroffene zu Beteiligten machen’ (vgl. Capgemini 2003, S. 21). Unterschiedliches Führungsverhalten drückt sich in besonderem Maße in der Art und Weise aus, wie Wandel in der Unternehmung implementiert wird. Derartige Fragen werden als Teilprobleme der Implementierung im weiteren Verlauf näher beleuchtet. Der empirische Befund erinnert im Übrigen an das altbekannte Gegensatzpaar ‚autoritäre (direktive) Führung vs. partizipative (nondirektive) Führung’. Es hat sich seinerzeit herausgestellt, dass beide Führungsstile zum Erfolg führen können und dass ihre Effizienz auch
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Rollenprofil des Topmanagements
4.1
von der Führungssituation abhängt. Insofern lassen sich aus dem CAPGEMINI-Befund keine Empfehlungen ableiten. Zudem ist die Führungspraxis wesentlich vielfältiger als es die unvermeidbar klischeehaft wirkende Gegenüberstellung von ‚Führungsstilen’ ausdrückt. Sucht man nach Erfolgsfaktoren, so stößt man darauf, dass es unabhängig vom Stil die Persönlichkeit der Führungskraft ist, die einen maßgeblichen Einfluss auszuüben vermag. Führungserfolg und Wandlungserfolg sind also nicht (in erster Linie) vom Führungsstil abhängig. So vielfältig Persönlichkeiten sind, so vielfältig sind die Möglichkeiten, eine Rolle auszufüllen. So gesehen stellt sich die Frage, ob es allgemeine Persönlichkeitseigenschaften gibt, die einen Zusammenhang zum Führungserfolg und damit indirekt zum Erfolg von Veränderungsprozessen zeigen. An dieser Stelle ist man auf Lebenserfahrungen und eigene Beobachtungen angewiesen. Und daraus ergeben sich – immer wiederkehrend – drei Attribute, die zwar nahe beieinander liegen und die schwer greifbar sind, denen aber doch ein hohes Maß an Relevanz zukommen dürfte: Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion. Authentizität drückt aus, dass eine Person sich so gibt wie sie tatsächlich ist, ihre Persönlichkeit also unverstellt zum Ausdruck kommt. Eigentlich ‚gibt sich’ diese Person gar nicht, sondern sie ‚ist wie sie ist’. Offenbar sind wir durchaus bereit, sehr unterschiedliche Verhaltensweisen zu akzeptieren, wenn unser Gegenüber authentisch wirkt, also gerade nicht wie ein ‚Rollenspieler’ auftritt. Glaubwürdigkeit einer Person ist dann gegeben, wenn ihre Sachaussagen auf den Empfänger überzeugend wirken. Insbesondere in Situationen, die durch ein hohes Maß an objektiver Unsicherheit gekennzeichnet sind, ist diese Eigenschaft offenkundig sehr wichtig, da sie Vertrauen schafft und damit die Akzeptanz der angestrebten Änderung erhöht. Um Authentizität und Glaubwürdigkeit ausstrahlen bzw. einschätzen zu können, ist es erforderlich, dass die Topmanager in ihrem Reden und Handeln ‚an der Basis’ überhaupt wahrgenommen werden. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, im Wandel ein möglichst hohes Maß an ‚Sichtbarkeit’ herzustellen. Die gesamtverantwortliche Führungskraft muss sich z.B. persönlich in die Informati-
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
ons- und Kommunikationsaktivitäten der Mobilisierungsphase einbringen. Von ihrer Person, ihrem Auftritt und ihrer Glaubwürdigkeit, hängt es in starkem Maße ab, ob die Betroffenen Vertrauen in das Wandlungskonzept bekommen, ob sie Hoffnung für die Zukunft schöpfen und schließlich das Konzept mittragen. Die Bedeutung der Vorbildfunktion von Führungskräften ist alles andere als neu. Es geht nicht an, dass sie ‚öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken’. In dieser Hinsicht scheint unsere Toleranzbereitschaft recht gering zu sein. Worte und Taten unserer Führungskräfte sollen in Einklang stehen. Umso verblüffender ist es immer wieder, die teilweise eklatanten Verstöße gegen die Vorbilderwartungen zu erleben. Zum Rollenverhalten gehört eben auch, dass die Wandlungsverantwortlichen das verlangte bzw. geänderte Wertesystem selbst verkörpern und vorleben. Ein strategischer Kurswechsel der Unternehmung verlangt auch, sich von bisherigen Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen zu verabschieden. Reorientierung, Revitalisierung und Remodellierung beginnen auf der Führungsetage. Die Frage ist, ob das Topmanagement hierzu bereit und in der Lage ist. Es geht also nicht nur um ‚Change Management’, sondern auch um „Change the Management“ (so Wüthrich et al. 2002). Sonst entstehen spezielle Führungsdefizite, die nicht selten zum Auswechseln der Spitze führen, dies besonders in Turnaround-Situationen (vgl. z.B. Barker III et al. 2001).
4.1.3
Rollenerwartungen an Führungskräfte
Zukunftsfähigkeit der Unternehmung sichern Rollenerwartungen kommen von den verschiedenen Stakeholdern, denen sich Topmanager gegenübersehen. Unabhängig von der Fülle unterschiedlicher Interessen im Einzelfall und den damit verbundenen Rollenkonflikten (vgl. hierzu Krüger 1972) wird hier realistischerweise davon ausgegangen, dass die Zukunftsfähigkeit der Unternehmung in der Erwartungsschnittmenge aller dieser Gruppen liegt. Da Zukunftsfähigkeit Wandlungsfähigkeit verlangt, sind auch Wandlungsprozesse grundsätzlich im wohlverstandenen Interesse aller Stakeholder. Die im Wandlungsprozess zu erfüllenden
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Rollenprofil des Topmanagements
4.1
Managementaufgaben lassen sich insofern als Pflichten im Rahmen von Rollenerwartungen interpretieren.
Promotor und Enabler von Wandel sein Eine Ableitung allgemeiner Topmanagement-Rollen ist mit den beiden Kategorien ‚Promotor’ und ‚Enabler’ bereits erfolgt. Die Promotorenrolle dient in der hier vorgenommenen Interpretation auf der Sachebene dazu, konkrete Veränderungsprozesse auszulösen, Wandlungsvorhaben zu konfigurieren, zu steuern und zu überwachen. Damit ist zu gewährleisten, dass der Wandlungsbedarf erkannt sowie richtig geplant und gut organisiert abgearbeitet wird. Auf der personalen Ebene steht für das Topmanagement das Erzielen von Wandlungsbereitschaft im Vordergrund. Der Wille zur Veränderung ist zu erzeugen und Widerstände sind zu überwinden. Die Wandlungsfähigkeit im einzelnen Projekt zu gewährleisten, z.B. durch Vorbereitungsprojekte, in denen die Betroffenen geschult werden, ist keine Aufgabe des Topmanagements. Mit dem Begriff des Enablers (Befähigers) ist im Hinblick auf die Rollen von Topmanagern eine Reihe von Erwartungen bezeichnet, die sich nicht auf ein einzelnes Vorhaben richten. Vielmehr geht es darum, in der Unternehmung Rahmenbedingungen zu schaffen, die zukünftig Entwicklungsprozesse, auch solche ungeplanter Art, zulassen und begünstigen (emergenter Wandel).
Visionäre Führung und effizientes Management praktizieren Um Verhaltensakzeptanz zu erzeugen, ist Einflussmanagement erforderlich, sei es durch Anreize (positive Sanktionen) oder durch Druck (negative Sanktionen). Insbesondere über Anreize, also Leistungen seitens der Unternehmung, wird versucht, eine entsprechende Gegenleistung von den Mitarbeitern in Form von ‚Mitmachen’ oder geändertem Verhalten zu erreichen (sog. transaktionale Führung, vgl. Bass 1998). Mit dieser Verhaltensakzeptanz ist allerdings nicht ohne Weiteres auch eine Veränderung der inneren Haltung und der Überzeugungen verbunden, die in ihrer Gesamtheit die Unternehmungskultur prägen und sich im Wandel als Einstellungsakzeptanz äußern. Je tiefgreifender und weitreichender die angestrebten Veränderungen sind, desto mehr muss durch das Management von Bewusstseinslagen auch daran gearbeitet werden,
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
um eine Transformation der Verhältnisse zu erreichen. Dieses Führungsverhalten wird demgemäß als transformationale Führung (vgl. zu einer Übersicht Tichy/Devanna 1990; Bass 1998; Steyrer 2004 sowie Scholz 2000, S. 948ff.) oder auch charismatische Führung (vgl. bereits Weber 1976, S. 654) bezeichnet. Führungskräfte dieses Typs sollen insbesondere eine Vision besitzen. Und sie setzen u.a. Symbole und Rituale ein, um der Vision zum Leben zu verhelfen. Die Geführten erleben im Führungsalltag durch charismatische Führung einen Prozess der Sinnstiftung (vgl. Weick 1995). Gerade darin liegt ein großer Teil der motivatorischen Kraft begründet, die im Grenzfall bis zur Hingabe und Aufopferung reichen kann. ‚Kostensenkung’ im Rahmen von herkömmlichen Restrukturierungen ist keine Vision. Visionäres Denken ist erforderlich für die Reorientierung, Revitalisierung und Remodellierung einer Unternehmung. Nur so ist es z.B. zu erklären, dass
Autos von einem Luxusartikel für Reiche zu einem Produkt wurden, das sich selbst die Bandarbeiter der Autofabrik leisten können (FORD),
im Zeitalter der Großcomputer die Idee eines Computers für Jedermann – der Personal Computer – eine Branche revolutionierte (APPLE),
sich ein deutscher Stahlkonzern (PREUSSAG) in eine Touristikunternehmung (TUI) und
ein finnischer Mischkonzern, der u.a. Gummistiefel produzierte, zum Weltmarktführer für Handys verwandelte (NOKIA). Für Spitzenführungskräfte von Pionierunternehmungen wie für Traditionskonzerne gilt: „If they cannot imagine the future, they cannot create it“ (Prahalad/Oosterveld 1999, S. 38). Im angelsächsischen Sprachraum wird der Gegensatz zwischen ‚Manager’ (transaktionale Führung) und ‚Leader’ (transformationale Führung) betont. Um diesen Sachverhalt auszudrücken, wird hier die Bezeichnung ‚effizienter Manager’ bzw. ‚visionärer Führer’ gewählt. Die Rolle des ‚effizienten Managers’ wird zwar im gesamten Verlauf des Wandlungsprozesses benötigt, hat aber anteilig die größere Bedeutung in Umsetzung und Verstetigung des Wandels, wenn es also zum einen darum geht, verabschiedete Konzepte auch
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Rollenprofil des Topmanagements
4.1
konsequent zu realisieren und wenn zum anderen Sorge zu tragen ist, dass die Ergebnisse beibehalten und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Tendenziell gegenläufig ist die Bedeutung der visionären Führung einzuschätzen. Vor allem Initialisierung und Konzipierung verlangen ihren Einsatz. In Abbildung 4/1 ist ein idealtypischer Verlauf der drei Koordinaten des Wandels eingezeichnet, der empirische Ergebnisse vereinfacht widerspiegelt.
Führungsprofil und Wandlungskoordinaten im Wandlungsprozess
Abbildung 4/1
Initialisierung Konzipierung Mobilisierung Umsetzung Verstetigung
WANDLUNGSBEDARF
VISIONÄRE FÜHRUNG
WANDLUNGSBEREITSCHAFT WANDLUNGSBEREITSCHAFT
EFFIZIENTES MANAGEMENT
WANDLUNGSFÄHIGKEIT
Die Untersuchung von Krüger/Bach/Biemann zeigt am Beispiel der Bildung von Shared Service Centern u.a., dass Wandel nur begonnen wird, wenn ein hoher Wandlungsbedarf empfunden wird. Der Bedarf nimmt im Laufe des Prozesses ab, die Wandlungsfähigkeit nimmt stark zu, etwas weniger die Wandlungsbereitschaft. Beide Zunahmen korrelieren deutlich positiv mit dem Erfolg des Wandels (vgl. Krüger/Bach/Biemann 2006). Die relative Höhe von Bereitschaft und Fähigkeit am Prozessbeginn, so wie sie in Abbildung 4/1 dargestellt wird, ist allerdings nicht empirisch unterlegt. Das Führungsprofil wechselt mit der Stoßrichtung des Wandels. Bei harten Schnitten im Abbau wird eher der effiziente Manager, bei zukunftsträchtigen Aufbauprogrammen mehr der Visionär gebraucht. Die darin liegende Herausforderung wird noch dadurch verschärft, dass in vielen Fällen die meisten der beschriebenen An-
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
forderungen entweder gleichzeitig oder doch in kurzer Folge zu bewältigen sind, da sich ‚Abbau, Umbau, Aufbau’ überlagern oder sogar parallel zu bewältigen sind. Es geht also auch im Hinblick auf diese beiden Rollen nicht um ein ‚Entweder-oder’, sondern um das ‚Sowohl-als-auch’; eine weitere Facette des Managements von Gegensätzen im Wandel (vgl. Kap. 1).
Strategische Imperative beachten Die genannten Rollenerwartungen beschreiben in einer betont allgemeinen Form, was die Topmanager auf der ‚Bühne des Wandlungstheaters’ erwartet. Sie geben gewissermaßen einen Überblick über das gesamte Rollenspektrum. Es versteht sich, dass im Verlaufe einer ‚Aufführung’ zahlreiche Einzelaufgaben und Verhaltensweisen erforderlich sind, um dieses Spektrum auszufüllen. Sie alle im Einzelnen aufzuführen, käme einem kompletten Managementlehrbuch gleich. Als Handreichung für die Wandlungsverantwortlichen, vor allem also die Topmanager, wird stattdessen im Folgenden eine Reihe von Empfehlungen formuliert. Sie gruppieren sich um fünf sog. Strategische Imperative. Mit der Bezeichnung ‚Imperativ’ soll ein hoher Verbindlichkeitsgrad signalisiert werden. Es geht sozusagen um Muss-Bedingungen für das Ausfüllen der Rollen des Topmanagements. Ihre Beachtung ist von einer wandlungsverantwortlichen Führungskraft zu erwarten, wenn sie ihren Rollen im Wandel gerecht werden will.
4.2
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2.1
Transformationsprozesse steuern und kontrollieren!
Ziele setzen, Initiativen auslösen
152
Dem Wandel eine Richtung geben, also Ziele setzen, die es zu erreichen gilt, ist eine erste Steuerungsaufgabe. Sodann sind die Themenfelder festzulegen, die Gegenstand einer Veränderungsinitiative sein sollen. Und es ist zu bestimmen, wie eine solche Initiative ablaufen soll, sei es z.B. als ein konventionelles unternehmungsweites
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Veränderungsprogramm oder ein virtuelles kollektives Brainstorming im Web 2.0 (vgl. Kap. 2.5). Das Topmanagement bestimmt die Art des Spiels, setzt die Regeln fest und gibt das Startzeichen.
Enges Timing Promotoren müssen das Timing vornehmen, also Zeitpunkt und Zeitdauer des Wandels sowie die Reihenfolge des Vorgehens bestimmen. Kritisch für das Timing ist als erstes die Frage nach dem Startzeitpunkt des Vorhabens. Hierfür wird die Forderung nach proaktivem Handeln erhoben, dessen Vorteile bereits diskutiert wurden (vgl. Kap. 1). Die Lippenbekenntnisse, wie wichtig proaktives Handeln sei, sind auch durchaus zahlreich. Dennoch ist Proaktivität weit eher die Ausnahme als die Regel. Diskutiert man mit Managern die Gründe hierfür, so wird ziemlich übereinstimmend argumentiert, dass die Wandlungsbereitschaft der Mitarbeiter zu gering sei und dass Wandel erst dann akzeptiert werde, wenn seine Notwendigkeit unabweisbar sei. Das Ergebnis ist die These: Ohne Krise kein Wandel. Sie trifft sich mit dem erwähnten Führungsstil der ‚harten Hunde’. Die Frage ist natürlich, ob diese Erklärung tatsächlich zutrifft oder ob es nicht auch die Risikoscheu und Initiativarmut mancher Manager ist, die sich dahinter verbirgt. Fehlendes Vertrauen in die eigene Kraft und Verantwortungsscheu können hinzukommen. Es entsteht ein Kompetenz-/ Angst-Syndrom (vgl. Krüger/Ebeling 1991). Letztlich unterscheidet sich das Entstehungsmuster für die Wandlungsbereitschaft von Managern in nichts von demjenigen der Mitarbeiter. Und von manchen Wandlungsvorhaben, z.B. Mergers & Acquisitions, sind Managementpositionen genauso oder sogar stärker betroffen als die Ausführungsebene. Dementsprechend findet Widerstand auch auf den Managementetagen statt. Für die Konzipierungsphase eines laufenden Projekts bedeutet Timing, dass klare und verbindliche Ergebnisziele/Meilensteine zu definieren sind. In der Umsetzung und Verstetigung ist eine konsequente Kontrolle durchzuführen, um die Bewältigung des Wandlungsbedarfs zu überprüfen. Konsequenz im Vorgehen und Fokussierung auf das Wesentliche sind die Handlungsprinzipien der Umsetzung. Ziele dürfen in der Realisierung nicht verwässert werden. ‚Nachbessern’ kann also nur bedeuten, dass die Anstrengungen der
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Zielerreichung intensiviert werden. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass kurzfristig anstehende Aktivitäten wesentlich genauer geplant werden als die in der Planung vorgesehenen mittel- bis langfristigen Aktivitäten. Durch eine rollierende Feinplanung der Umsetzungsaktivitäten werden Doppelarbeiten und Nachbesserungen vermieden. Im Rahmen der Umsetzung ist außerdem die Reihenfolge der geplanten Maßnahmen erfolgsrelevant. Die hierfür erforderliche Prioritätenbestimmung seitens des Managements ist nicht nur anhand von Sachgesichtspunkten, sondern auch im Hinblick auf Akzeptanzwirkungen vorzunehmen. Außerdem ist darauf hinzuwirken, dass Vertrauen in das Programm entsteht und sich die Wandlungsbereitschaft erhöht. Hierzu sollten frühzeitig Projekte durchgeführt werden, die risikoarm kurzfristig einen Erfolgsnachweis erbringen (‚Quick Wins‘). Auf diese Weise lassen sich Skeptiker überzeugen, und die Promotoren erhalten eine Bestätigung ihrer Arbeit. Die Legitimation der Wandlungsabsichten wird drastisch erhöht, und die Beweislage in Sachen Projekterfolg verändert sich zugunsten des Wandlungsmanagements. Festzulegen ist auch die Gesamtdauer des Programms. In sachlicher Hinsicht hängt der Zeitbedarf von den Ursachen des Wandlungsbedarfs, der Situation der Unternehmung sowie von rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Ein Liquiditätsengpass z.B. verlangt in jedem Fall schnellstmögliche Eingriffe. Ein Sanierungsfall, der sich in einer Erfolgskrise ausdrückt, wird heute nach Möglichkeit unterjährig bewältigt (‚Restrukturierung’). Mehr Zeit benötigt ein strategischer Kurswechsel (‚Reorientierung’), wenn neue Produkte entwickelt, neue Wachstumsfelder erschlossen, neue Fähigkeiten aufgebaut werden sollen. Solche tiefgreifenden Veränderungen dauern dann besonders lange, wenn neue Fähigkeiten (‚Revitalisierung’) oder eine geänderte Unternehmungskultur (‚Remodellierung’) erforderlich sind. Allerdings sind die Prozessdauer und der Umfang des zu verkraftenden Wandels auch ein sozio-psychologisches Problem. Zumindest größere Vorhaben stellen für alle Beteiligten eine Ausnahmesituation mit mehr oder weniger großen Zusatzbelastungen dar. Sie sind desto leichter zu ertragen, je klarer und rechtzeitiger das Ende absehbar ist. Zu lange Planungsdurststrecken sollten also vermieden werden.
154
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Zu optimieren ist auch die Zeitdauer zwischen größeren Veränderungen. Einerseits sollte wegen der notwendigen Ausreifung nach einer Transformation, soweit möglich, eine Phase relativer Ruhe herrschen. Andererseits sind zu lange Stillstandszeiten zu vermeiden, da die damit einhergehende Verfestigung der Gewohnheiten die angestrebte kontinuierliche Weiterentwicklung behindern würde.
Scharfes Pacing Schließlich ist auch die Frage des Pacing zu klären. Damit werden hier die ‚Schrittlänge’ – der Umfang und das Anspruchsniveau der Maßnahmen – sowie das Tempo der Realisierung bezeichnet. Ausmaß und Dringlichkeit des Wandlungsbedarfs bestimmen in sachlicher Hinsicht die Pace. In Krisensituationen geht Schnelligkeit vor Genauigkeit. So brachial die Rede von den ‚raschen, harten Einschnitten’ wirken mag, so sehr ist die Sanierung darauf angewiesen. Es gibt keine Zeit für ein vorsichtiges, schrittweises Vorgehen, keine Gelegenheit für Erprobungen und Lernprozesse. Das Sanierungsmanagement bekommt keine ‚zweite Chance’. Es ist die Stunde der fokussierten, genau gezielten und hoch dosierten Veränderungsschritte. In jedem Fall sind auch personale Aspekte beim Pacing von Bedeutung. Opponenten werden ‚überrumpelt‘ oder ‚entwaffnet‘, wenn rasch gehandelt wird. Zugleich werden Promotoren und Zögernde bestärkt und mitgerissen. Dies spricht dafür, vor allem die einschneidenden Maßnahmen rasch durchzuführen. Für ein scharfes Pacing spricht auch, dass nur sehr anspruchsvolle Ziele die Chance bieten, dass ausgetretene Pfade verlassen, neue Wege eingeschlagen und (endlich) auch innovative Lösungen realisiert werden (‚Not macht erfinderisch’). Zusätzlich müssen sich die Beteiligten immer wieder eines klar machen: Transformativer Wandel, der reaktiv ist, bedeutet, dass man in einem Rennen aus den hinteren Reihen startet. Um auch nur in das vordere Drittel zu kommen, muss man für einige Zeit deutlich schneller sein als der Durchschnitt. Und um zukünftig im Rennen zu bleiben und nicht wieder zurückzufallen, muss man das Tempo, das die Besten vorgeben, mithalten.
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Zu vermeiden ist allerdings auch, dass mehrere gegenläufige Vorhaben gleichzeitig die Organisation traktieren oder dass ein neues Wandlungsvorhaben begonnen wird, ehe noch die letzte Änderung richtig bewältigt wurde. Derartige Konstellationen sog. exzessiven Wandels führen zwangsläufig zu negativen Reaktionen der Betroffenen, bis hin zum Verlust qualifizierter Kräfte (vgl. Stensaker et al. 2001).
Orchestrierung des Wandels Eine durchgehende Managementaufgabe ist die Abstimmung der einzelnen Koordinaten des 3W-Modells sowie der Komponenten des Wandels untereinander (‚Orchestrierung’). Leitidee ist es, ein ausgewogenes Verhältnis (Fit, Stimmigkeit, Kongruenz) unter diesen Bausteinen herbeizuführen. Erst die gelungene Orchestrierung (Auswahl des Stücks, Einsatz der Instrumente, Art der Interpretation) führt zum Erfolg, also einer stimmigen Aufführung. Während der ‚Dirigent’ eher für einen direktiven (autoritären) Stil steht, ist der ‚Bandleader’ mehr der primus inter pares. Er pflegt einen nondirektiven (kooperativen) Führungsstil. Besonders markante Orchestrierungsprobleme, wie sie nicht nur innerhalb des 3W-Modells zu beachten sind, werden im Folgenden diskutiert. Stimmigkeit der Wandlungskoordinaten: Abbildung 4/2 illustriert die Probleme mangelnder Stimmigkeit unter den Wandlungskoordinaten. Das Ziel des Wandlungsmanagements besteht – bildlich gesprochen – darin, die drei Kreise Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit möglichst zur Deckung zu bringen (Feld 7). Von diesem Ideal gibt es analytisch verschiedene Abweichungen, die auf Missverhältnisse bei der Problembewältigung verweisen. (1) Reformstau: Im ungünstigsten Fall fehlen sowohl der Wille wie die Fähigkeiten, einem Wandlungsbedarf gerecht zu werden. Oder aber ein objektiv vorhandener Wandlungsbedarf entzieht sich der subjektiven Wahrnehmung. Wandlungsdruck baut sich auf, es kommt zu einer Situation, die als Reformstau bekannt ist. Einer Studie von BOOZ ALLEN HAMILTON zu Folge befindet sich über ein Viertel aller Unternehmungen in einer solchen Situation, von
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
den Autoren als Zustand der passiv-agressiven Starre bezeichnet. Unflexible Strukturen, fehlerhafte Prozesse und Richtlinien auf der einen, demotivierte, Widerstand leistende Mitarbeiter auf der anderen Seite kennzeichnen diesen Typ. Er bildet den mit Abstand häufigsten Organisationstyp. In derartigen Unternehmungen stellt sich den Promotoren des Wandels ein Maximum an Barrieren entgegen; der Wandlungsprozess wird zum Hürdenlauf. Kein Wunder, dass Unternehmungen dieser Kategorie deutlich weniger rentabel sind als die sog. flexible Unternehmung (vgl. Neilson et al. 2006, S. 80). Maßnahmen der Anreizgestaltung (Schub- und/oder Zugmotivation, positive und/oder negative Sanktionen) können dem Erzielen von Bereitschaft, Maßnahmen der Information und des Trainings der Verbesserung der Fähigkeiten dienen. Nicht zuletzt geht es aber auch um einen flexibilitäts- und wandlungsorientierten Umbau der Organisation (vgl. Kap. 6.4). (2) Fähigkeitsdefizite: Schon einfacher sind Situationen zu bewältigen, in denen zwar die Fähigkeiten fehlen, sich aber wenigstens Bedarf und Bereitschaft decken. Akute Fähigkeitsdefizite können durch externe Berater oder Interim-Manager überbrückt werden. Für eine nachhaltige Lösung ist allerdings der interne Aufbau personeller und organisatorischer Fähigkeiten unverzichtbar.
Mögliche Missverhältnisse in den Koordinaten des Wandels
Abbildung 4/2
Fähigkeitsdefizite Reformstau
1 Wandlungsbedarf
2
Wandlungsbereitschaft
Unbefriedigter Veränderungsdrang
3 7 Willensbarrieren
6 Wandlungsfähigkeit
4 5
Fehlgeleitete Aktivitäten Ungenutztes Fähigkeitspotential
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
(3) Unbefriedigter Veränderungsdrang: Schwierig zu diagnostizieren ist eine Situation, in der eine latente Wandlungsbereitschaft existiert, der keine Fähigkeiten entsprechen und die vor allem auch am Bedarf vorbeigeht. Ist es z.B. Übereifer, die schiere Abenteuerlust oder ein ungebändigtes Machtstreben? Handelt es sich um Mitarbeiter, deren Bereitschaft nur die richtige Orientierung fehlt, um eine umgeleitete Unzufriedenheit, hinter der tiefere Ursachen stecken oder schlicht um unqualifiziertes und unberechtigtes ‚Gemecker‘? Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, werden die Führungskräfte unterschiedlich reagieren. (4) Fehlgeleitete Aktivitäten: Unangenehm dürften auch die Fälle sein, in denen sich Fähigkeiten und Bereitschaft am Thema vorbeibewegen. Wenn der Wandlungsbedarf eindeutig festgestellt wurde, hat das verantwortliche Management eine klare Handhabe zum Vorgehen. Wenn sich jedoch verschiedene Denkschulen oder Lager in einer Unternehmung gegenüberstehen, deren Auffassungen über den ‚richtigen‘ Wandlungsbedarf auseinandergehen, dann kann es im Grenzfall zu einer vollständigen Blockade kommen. In diesem Fall stünden sich nicht Gegner und Befürworter des Wandels gegenüber, sondern es ginge um ‚Richtungskämpfe‘ innerhalb des Wandels. (5) Ungenutztes Fähigkeitspotential: Feld 5 symbolisiert ein ungenutztes und auch nicht benötigtes Fähigkeitspotential, das aber insofern ‚ruht‘, als auch die Wandlungsbereitschaft fehlt. Man wird unwillkürlich an Fälle wie den der ‚inneren Kündigung‘ erinnert. (6) Willensbarrieren: Feld 6 repräsentiert ein weiteres Gebiet der Opponenten. Wenn sich Bedarf und Fähigkeiten decken, aber die Bereitschaft zum Handeln fehlt, liegen Willensbarrieren vor. Sie zu überwinden oder zu brechen, verlangt eine geeignete Gestaltung der Anreizsituation. Stimmigkeit von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung: Für den Wandlungsprozess sind die zu erfüllenden Wandlungsaufgaben präzise zu beschreiben und vollzugsverbindlich zu regeln (Wer macht was bis wann?). Aufgabenerfüllung und Verantwortungsübernahme verlangen allerdings auch die Übertragung von Kompetenzen, also z.B. Informations-, Auftrags- und Verfügungsrechte sowie bestimmte Entscheidungsrechte für die Projektleitung. Das damit angesprochene Kongruenzprinzip der Organisation ist eben-
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
so alt wie seine Nichteinhaltung geradezu chronisch ist. Dies betrifft auch die Einbindung der Topmanager in den Veränderungsprozess. Gerade für diese Gruppe gilt, dass die Aufmerksamkeit und der Nachdruck, mit denen Wandlungsaktivitäten verfolgt werden, unter den Belastungen des Tagesgeschäfts leiden und im Zeitablauf schwächer werden. Dann ist es wichtig, die Managementaufmerksamkeit durch klar definierte Verantwortlichkeiten in der Organisationsstruktur sowie im Fahrplan des Wandels immer wieder neu zu wecken. Stimmigkeit von Konzipierung und Umsetzung: In der Praxis gibt es nicht selten ein Missverhältnis zwischen ‚Konzipierung‘ und ‚Umsetzung‘, was sich in der bissigen Bemerkung von den ‚Konzeptionsriesen‘ ausdrückt, die gleichzeitig ‚Umsetzungszwerge‘ seien. Im Lichte der hier vertretenen Konzeption sind dies Probleme der Implementierung. Sie werden im weiteren Verlauf noch ausführlich diskutiert. Stimmigkeit von unterstützenden und erfolgsbestimmenden Komponenten: Ein weiterer Punkt betrifft die Stimmigkeit der unterstützenden Komponenten untereinander und im Verhältnis zu den erfolgsbestimmenden Komponenten. Die besten Pläne bleiben kraftlos, wenn sie nicht richtig kommuniziert werden. Die Übertragung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, z.B. auf Teams oder Programmbeauftragte, sollte durch die Integration in ein geeignetes Führungs- und Anreizsystem abgesichert sein. Vor allem, wenn Wandlungsaufgaben neben dem Tagesgeschäft als Zusatzaufgaben zu erfüllen sind, muss ihnen auch eine geeignete Gratifizierung folgen. Sonst kommt es zur Leistungszurückhaltung (Hold up). Projektmanager wie Lenkungsgremien benötigen die planende und kontrollierende Unterstützung des Controllings zur Erfüllung ihrer Managementaufgaben. Personelle Stimmigkeit des Wandels: Im Brennpunkt der personellen Stimmigkeit befinden sich das Topmanagement und die Mitarbeiter, sowohl in ihren Wechselwirkungen untereinander als auch mit den anderen Komponenten. Die damit angesprochenen Fragen sind überragend wichtig, aber zugleich außerordentlich diffizil. Dies beginnt bereits damit, dass ‚Topmanagement‘ und ‚Mitarbeiter‘ im konkreten Fall keineswegs eine in sich geschlossene Gruppe mit einheitlicher Einstellung gegenüber dem Wandel bilden. Innerhalb
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
und zwischen den beiden Personenkreisen gibt es Gruppierungen und ‚Fraktionen‘, ‚Netzwerke‘ und ‚Seilschaften‘. Eine Einstimmung auf den Wandel zu erreichen, ist schon schwer genug, ‚Einstimmigkeit‘ kann als unrealistisch praktisch ausgeschlossen werden. Die gesamten sachbezogenen Maßnahmen der Orchestrierung, also vor allem verbindliche Organisationsregelungen, straffes Prozessmanagement und eine wirkungsvolle instrumentelle Abstützung des Wandels, sollten positiv auf die personelle Stimmigkeit ausstrahlen. Die personenbezogene Führungsrolle der Promotoren beginnt bei der personellen Besetzung der Projektgremien. Sie endet im Falle eines Transformationsprozesses mit der Übergabe des betriebsbereiten Systems an die Benutzer. Im Sinne permanenten Wandels argumentiert, ist sie allerdings unbefristet.
4.2.2
Widerstände überwinden, Akzeptanz erzeugen!
Befürworter und Gegner, Wankelmütige und Unentschlossene diagnostizieren Ein Kernproblem jedes Veränderungsvorhabens stellen die personellen Barrieren dar. Zur Diagnose derartiger Widerstände lässt sich das sog. Eisbergmodell der Implementierung anwenden (vgl. Abb. 4/3). Während der sichtbare Teil des Eisbergs die Sachaufgaben des Projekts und Projektziele wie Kosten, Qualität und Zeit repräsentiert, gibt es unter der Wasserlinie einen größeren, weniger offen zu Tage liegenden Aufgabenbereich, der die Akzeptanz des Projekts und der beabsichtigten Änderungen betrifft (vgl. zum Folgenden im Einzelnen Krüger 2006d). In Abhängigkeit von der inneren Einstellung der Betroffenen (Einstellungsakzeptanz) und deren äußerem Verhalten (Verhaltensakzeptanz) lassen sich analytisch Befürworter (Promotoren) und Gegner (Opponenten) aber unterscheiden. Äußeres Verhalten und innere Haltung müssen sich keineswegs decken. In den zwei Fällen, in denen beides zur Deckung kommt, hat man es entweder eindeutig mit Promotoren oder mit Opponenten zu tun. Weichen beide Akzeptanzformen voneinander ab, so sind die Betreffenden als Wan-
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
kelmütige (verdeckte Opponenten) bzw. Unentschlossene (potentielle Promotoren) einzustufen.
Abbildung 4/3
Eisbergmodell des Wandels Qualität
Management Management von von Sachfragen Sachfragen
Kosten
Zeit
Akzeptanz
Promotoren
Management Management von von Bewusstseinslagen Bewusstseinslagen
po si tiv
iv
Opponenten
tiv ga ne
Einstellungsakzeptanz
Verdeckte Opponenten
Verhaltensakzeptanz
ne ga t
tiv si po
Potentielle Promotoren
EinflussEinflussmanagement management
Akzeptanz ist ein ganz allgemeines Phänomen. Im Wandel drückt sie sich in der Kategorie der Wandlungsbereitschaft aus. Diese Koordinate des Wandels stellt immer wieder einen besonderen Engpass dar, für intendierten wie für emergenten Wandel. Und während sich fehlende Wandlungsfähigkeiten zumindest kurzfristig ausgleichen lassen, z.B. durch den Einsatz externer Berater, gibt es für fehlende Wandlungsbereitschaft buchstäblich keinen Ersatz. Die große Bedeutung dieses Problems lässt sich u.a. anhand der schon mehrfach zitierten CAPGEMINI-Studie zeigen. Sie ergab
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
eine leicht rechtsschiefe Normalverteilung in Sachen Akzeptanz: „Wenige Mitarbeiter in Extrempositionen (‚Begeisterung’: 10%; ‚Ablehnung’: 12%) und dazwischen die große Masse der etwas Positiven (‚Zustimmung’: 23%), Abwartenden (‚Neutralität’: 29%) und leicht Negativen (‚Skepsis’: 26%)“ (Capgemini 2003, S. 27). Die Konsequenz ist, dass Mitarbeiter und Mitarbeitervertretung, Managementebenen, Banken und Gesellschafter, aber auch Kunden und Lieferanten mithilfe einer sog. Stakeholderanalyse gedanklich unter die Lupe zu nehmen sind (vgl. zu diesem Tool Kap. 10). Die am stärksten betroffenen und die einflussreichsten Personen oder Gruppen werden zum Gegenstand einer sog. Betroffenheitsanalyse gemacht (vgl. auch hierzu Kap. 10). Auf die Weise wird geklärt, welche Widerstände zu erwarten sind und welche eigenen Maßnahmen dagegen in Betracht kommen.
Kraftfelder verändern Fundamentaler Wandel lässt sich nur dann verstehen und bewältigen, wenn man sich das Kraftfeld – die ‚politische Arena’ – klar macht, auf dem sich das Geschehen bewegt. Wandlungsprozesse sind nie reine Sachprozesse, sondern gleichermaßen Prozesse von Macht und Einfluss, also ‚gemischte Sach-/Machtprozesse’ (vgl. grundlegend hierzu Krüger 1976). Die Machtausübung kann eher offen und massiv oder verdeckt und subtil erfolgen (vgl. Keiner 1981). Das Topmanagement bewegt sich in einem Netzwerk externer und interner Kräfte, die es wahrnehmen und in seine Betrachtung einbeziehen muss. Management des Wandels ist daher in jedem Fall auch Netzwerkmanagement (vgl. Petry 2006). Die Führungskraft wird neben ihrer Positionsmacht genauso wie alle anderen Beteiligten ihre Netzwerke nutzen, um ihren Handlungsspielraum und ihre Einflussmöglichkeiten zu erweitern (vgl. zum Folgenden Sandner 1993, S. 148ff.). Genau dies wird typischerweise am Beginn des Wandlungsprozesses geschehen, wenn es darum geht, eine Wandlungskoalition zu bilden. Es versteht sich, dass der Einbindung der Mitarbeitervertretung in jedem Falle besondere Bedeutung zukommt. Gegen einen Betriebsrat wird sich wenig bewegen lassen, mit seiner Unterstützung sehr viel.
162
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
In einem Wandlungskonzept, z.B. für eine Sanierung, ist festzulegen, welche Beiträge die Beteiligten (z.B. Banken, Eigenkapitalgeber, Mitarbeiter, Manager) bis wann zu leisten haben und welche Zusicherungen bzw. Gegenleistungen sie erwarten dürfen. Das darauf fußende Commitment aller beteiligten Stakeholder ist Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung. Ein Problem der Praxis besteht darin, dass ein grundlegender Wandel oft von bestehenden dominanten Netzwerken bzw. Koalitionen abgelehnt wird. Dann gilt es, gegen diese Einflusssysteme (vgl. Mintzberg 1983) vorzugehen, sie ihrerseits zu verändern bzw. eine Gegenmacht aufzubauen. Markante Formen sind das personalistische Einflusssystem (persönlichkeitsgebundene Netzwerke, ‚Seilschaften’), sowie als Gegenstück das bürokratische. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung sog. professionalistischer Systeme, also die Dominanz bestimmter Berufsgruppen oder Ausbildungsgänge in einer Unternehmung. Um eine Ideologie herum entstandene Systeme sind für Unternehmungen eher atypisch, rein ‚politische’ Einflusssysteme, in denen sich alles um Macht und Machterhalt dreht, sind dagegen keineswegs selten. Im ungünstigsten Fall kommt es zu einer Pattsituation zwischen dem herrschenden Einflusssystem und den Promotoren des Wandels mit der Folge, dass Veränderungen blockiert werden. Wenn sich die Lager nicht zu einem Kompromiss zusammenraufen, ein Machtkampf aber ausgetragen wird, entstehen Sieger und Besiegte. Exponierten Managern, die der Verliererfraktion angehören, bleibt dann oft nichts anderes übrig, als die Unternehmung zu verlassen. Wenn die Promotoren für eine Konfrontation zu schwach sind bzw. das Risiko scheuen, müssen sie gegebenenfalls abwarten, bis Schlüsselpersonen die Unternehmung verlassen, um dann einen Kurswechsel bzw. Neuanfang durchzusetzen. Derartige Zusammenhänge bilden den Hintergrund für die häufig zu beobachtenden Fälle, dass ein Wachwechsel an der Unternehmungsspitze mit einem Kurswechsel in der Unternehmungspolitik einhergeht.
Wandlungsenergie sichern Wandel kann nur Erfolg haben, wenn er von einem starken Willen zur Veränderung getragen wird und mit ausreichender Unterstützung rechnen kann. Weitreichender Wandel braucht weitreichende Unterstützung. Unentschlossene und Opponenten werden dann
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
mitkommen, wenn zumindest eine qualifizierte Minderheit genügend Masse und Einfluss gewonnen hat. Damit ist die Rolle der Befürworter, der Promotoren des Wandels, angesprochen. Drei unterschiedliche Kategorien von Promotoren werden vor allem benötigt: Machtpromotor, Fachpromotor, Prozesspromotor (vgl. zum Folgenden Hauschildt 2004, S. 199ff.; Hauschildt 2001; Witte 1973). Diese ursprünglich speziell für Innovationsprozesse identifizierten Kategorien lassen sich auch auf die beschriebenen Phasen tiefgreifenden Wandels anwenden. Auf die außerdem zu beobachtende Kategorie des Beziehungspromotors sei hingewiesen (vgl. Gemünden/Walter 1995). Das Promotorenmodell ist kein organisatorisches Stellenmodell, sondern ein Rollenmodell und insofern mit der hier verfolgten Rollenanalyse völlig kompatibel. Das Wandlungsmanagement hat dafür zu sorgen, dass die drei Rollen in der personellen Zusammensetzung der Wandlungskoalition und der Organisation des Wandels möglichst abgedeckt sind. Beiträge des Machtpromotors: Die Rolle des Machtpromotors beruht vorwiegend auf hierarchischer Macht. Er erteilt Aufträge und gibt Ressourcen frei (Initialisierung, Umsetzung, Verstetigung), und er formuliert Ziele und Visionen (Initialisierung, Konzipierung). Er sorgt während des Prozesses für den Strategischen Fit, also die Orchestrierung der Erfolgsfaktoren (Mobilisierung, Umsetzung, Verstetigung), und er überwindet Opponenten (Initialisierung, Mobilisierung). Im Rahmen der Projektorganisation ist er Mitglied oder Vorsitzender des Lenkungsausschusses. Beiträge des Fachpromotors: Der Fachpromotor verfügt als Experte über fachliche Fähigkeiten und Informationsquellen. Von ihm werden Ideen und Initiativen erwartet (Initialisierung). Vor allem aber muss er bei der Suche nach Lösungen (Konzipierung) und deren konkreten Ausarbeitung und Realisierung (Umsetzung) eingesetzt werden. Fachpromotoren werden in unterschiedlicher Weise in die Projektorganisation eingebunden, als Berater, Unterstützungseinheit, Mitglied von Projektteams oder auch Leiter von Teilprojekten. Der reine Fachspezialist wird sich aber weniger als Gesamtprojektleiter (Programm-Manager) eignen. Beiträge des Prozesspromotors: Der Prozesspromotor muss den gesamten Wandlungsprozess hindurch aktiv sein. Programm- bzw. Projektleiter haben diese Rolle zu übernehmen. Organisations- und
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Führungsfähigkeiten müssen ihnen zu eigen sein, um diese Rolle auszufüllen. Sie müssen Interessenlagen und Betroffensein erkunden und berücksichtigen (Initialisierung, Mobilisierung). Die Gesamtzielsetzung ist von ihnen in Teilziele, -aufgaben und -projekte zu zerlegen. Reihenfolgen und Termine sind zu bestimmen und zu überwachen (Konzipierung, Umsetzung). Außerdem gehören Motivation, Erklärung, Instruktion und Information zu ihrer Rolle (Mobilisierung, Umsetzung).
Verhaltensakzeptanz erzeugen Jeder Betroffene einer Transformation wird sich fragen, welche Konsequenzen die Umsetzung für ihn haben wird. Diese bange oder hoffnungsvolle Frage des „What is in for me?“ bzw. „Bin ich morgen noch da?“ muss der Programm-Manager beantworten. Verhaltensakzeptanz wird zum einen davon bestimmt, ob die persönlichen Konsequenzen der Veränderungen hinreichend bekannt sind und zum anderen, ob sie positiv oder negativ bewertet werden. Daraus ergibt sich für das Einflussmanagement die Aufgabe, zunächst für sich selbst Transparenz herzustellen: über die Ausgangslage, die notwendigen Veränderungen und die angestrebten und zu erwartenden Ergebnisse. Sodann sind die Konsequenzen der Veränderungen für die Betroffenen zu untersuchen und akzeptanzfördernd zu beeinflussen. Transformationsprozesse führen zwangsläufig zu Gewinnern und Verlierern und darauf aufbauendem Promotoren- und Opponentenverhalten. Gewinner sind dadurch charakterisiert, dass die Sanierung für sie mehr Vorteile (Anreize) als Nachteile (Beiträge) mit sich bringt. Verlierer sehen sich dagegen mit einem mehr oder minder gravierenden negativen Saldo von Anreizen und Beiträgen konfrontiert. Der Programm-Manager muss die jeweiligen Anreiz-Beitrags-Konstellationen gedanklich bilanzieren und zu beeinflussen suchen. Der Umgang mit Opponenten ist ebenso wichtig wie schwierig. Ist davon auszugehen, dass man sie weder ändern oder überzeugen noch umgehen kann, wird man ihren Einfluss auf die eine oder andere Weise brechen oder beseitigen müssen, bis hin zu personellen Konsequenzen. Dabei sind auch die Netzwerke und ‚Seilschaften’ der Betreffenden besonders zu berücksichtigen. Das Einflussmana-
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
gement muss erreichen, dass die Schlüsselpositionen der Unternehmung mit Promotoren statt mit Opponenten besetzt sind. Die Leistungsträger, egal ob Gewinner oder Verlierer, sind frühzeitig zu informieren, möglichst in der Unternehmung zu halten, durch geeignete Anreize neu zu motivieren und aktiv in den Umsetzungsprozess einzubinden. Sie sind also möglichst zu Promotoren der Veränderung zu machen. Dies betrifft alle Hierarchieebenen, wobei natürlich die Vorbild- und Abstrahlfunktionen des Führungsteams und des mittleren Managements den größten Hebel bilden. Bei dem fast immer unvermeidlichen Personalabbau ist dafür zu sorgen, dass die Wandlungsziele, z.B. durch differenzierte Formen der Personalfreisetzung, Versetzung oder Personalentwicklung, erreicht werden. Nicht zuletzt ist auch an diejenigen zu denken, deren Situation sich durch die Sanierung nicht spürbar verändert. Auch sie brauchen Klarheit und Ermutigung. Ihre zukünftige Motivation wird durch den Umgang mit den anderen Betroffenen, vor allem den Verlierern, beeinflusst (vgl. im Einzelnen hierzu Kap. 7).
Einstellungen verändern Einflussmanagement kann das Verhalten in die gewünschten Bahnen lenken, also Verhaltensakzeptanz erzeugen. Damit ist allerdings nicht ohne Weiteres auch eine Veränderung der inneren Haltung verbunden. Fehlende Einstellungsakzeptanz drückt sich insbesondere in einer inneren Opposition aus (potentielle Opponenten). Das ‚Verwässern’, ‚Versanden’ oder ‚Aussitzen’ von Wandlungsvorhaben hat hier seine Ursache. Sobald der Druck des Wandlungsmanagements nachlässt oder andere Kräftekonstellationen entstehen, entpuppt sich die Verhaltensakzeptanz als bloße Äußerlichkeit. Potentielle Opponenten gehen zu offenem Widerstand über, und viele Indifferente schwenken um. Die altbekannten Verhaltensmuster von Opportunisten bzw. ‚Wendehälsen’ entstehen auf diese Weise. Vom Wandlungsmanagement wird erwartet, dass es ihm gelingt, die Mitarbeiter zu veränderten Einstellungen zu bewegen und damit insgesamt die Unternehmungskultur zu ändern. Spätestens in der Mobilisierungsphase ist den Mitarbeitern bewusst zu machen, dass die Denk- und Verhaltensmuster der Vergangenheit nicht mehr in gleicher Weise für die Zukunft gelten und dass nur durch einen (oftmals) fundamentalen Wandel das Überleben der Unternehmung
166
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
zu gewährleisten ist. Es geht darum, den erheblichen Veränderungsbedarf (‚Magnitude of Change’) zu verdeutlichen und mit einem Gefühl für die Dringlichkeit der Veränderung (‚Sense of Urgency’) zu kombinieren. In der Umsetzungsphase besteht ein spezifisches Problem darin, dass selbst bei einem Personalwechsel an der Spitze und dem Austausch von Opponenten in Schlüsselpositionen die Gewohnheiten und das Regelsystem der Vergangenheit fortbestehen. Für einen nachhaltigen Wandel sind auch die ‚Macht der Gewohnheit’ bzw. das ‚Festhalten an bewährten Regeln und Rezepten’ zu überwinden. Im Verlauf der Umsetzung ist daher ein über den Tag hinausreichendes neues, positives Leitbild der Unternehmung in den Köpfen zu verankern. Die Führungskräfte heben z.B. die Kundenzufriedenheit als neuen Maßstab für den persönlichen und unternehmerischen Erfolg hervor, nutzen neue Symbole und Rituale, um den Zusammenhalt und die Leistungsbereitschaft zu stärken. Dass es nicht nur bei Symbolen bleiben darf, sondern dass damit auch konkrete Taten und stimmiges Handeln einhergehen müssen, scheint nicht selbstverständlich zu sein. Neue Prozesse, veränderte Aufgaben- und Kompetenzregelungen sowie neue Anreizsysteme bilden wesentliche Bausteine der Umsetzung. Nicht zuletzt gehört dazu auch, dass die Wandlungsverantwortlichen das betreffende Wertesystem selbst verkörpern und vorleben, also eine Vorbildfunktion erfüllen. Damit lösen sie Identifikationsprozesse aus, zeigen die Erreichbarkeit der Ziele und erneuern das Selbstvertrauen der Geführten. Der Verzicht auf den Vorstandsfahrer (‚Symbol’) z.B. bringt nichts, wenn nicht Führungsebenen abgeschafft und Führungskräftegehälter zielorientiert variabilisiert werden. Ein Transformationsprozess wird erst dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn sich die mentalen Modelle der Unternehmungsmitglieder, also ihr Bild von der Unternehmungswirklichkeit und ihrer Rolle darin, geändert haben (vgl. Kap. 5). Langfristiger Erfolg schließlich ist daran zu erkennen, dass niemand – die unvermeidbaren ‚Ewiggestrigen’ ausgenommen – die alten Verhältnisse zurückhaben will.
167
4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
4.2.3
Wandel emotional absichern!
Emotionen ernst nehmen J.P. Kotter, einer der führenden amerikanischen Wandlungstheoretiker, sagt, Wandel sei nicht durch die Sequenz ‚think – change’ erreichbar, sondern nur durch ‚see – feel – change’ (vgl. Kotter/Cohen 2002, S. 8). Bei der Ausübung der beschriebenen Managementaufgaben ist daher auch die emotionale Wirkung zu beachten; im Sinne eines ‚Emotionenmanagements’. So kann versucht werden, negative Emotionen (z.B. Angst, Furcht, Sorge, Ärger) zu reduzieren und positive Emotionen zu erzeugen bzw. zu verstärken (z.B. Neugierde, Freude, Stolz). Kurz: es geht um die emotionale Seite der Wandlungsbereitschaft. Das Ziel lässt sich vielleicht am besten als emotionale Absicherung des Wandels kennzeichnen. Managern, die an dieser Stelle auf die mangelnde Greifbarkeit von ‚soft facts’ verweisen, sei eine alte Erkenntnis entgegengehalten: „Emotions are the hardest facts in politics“. Die emotionale Seite des Wandlungsprozesses illustriert idealtypisch Abbildung 4/4. Die Betroffenen durchleben eine Zeit der emotionalen Wechselbäder. Spätestens während der Konzipierung der Änderungen entstehen Gerüchte und Vorahnungen. Sie verbinden sich mit Unsicherheit, Sorgen und Ängsten, aber auch positiven Erwartungen und Hoffnungen. Wenn die Betroffenen in der Mobilisierungsphase mit den Plänen konfrontiert werden, herrschen zunächst Überraschung, Schreck oder Schockzustände. Allerdings kristallisiert sich bereits in der Mobilisierung heraus, wer zu den ‚Gewinnern (G)’ bzw. den ‚Verlierern (V)’ gehören wird. Dementsprechend verläuft die Fieberkurve der Emotionen im weiteren Verlauf der Mobilisierung und vor allem der anschließenden Umsetzung sehr unterschiedlich. Die Verarbeitung der persönlichen Konsequenzen kann so divergierende Ereignisse umfassen wie unerwartete neue Karrieremöglichkeiten, das Begraben derartiger Hoffnungen oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Die notwendige Umorientierung der Personen wird von einer professionell vorgehenden Unternehmung in allen Fällen gezielt unterstützt (vgl. Kap. 7), im Negativfall z.B. durch monetäre Ausgleichzahlungen, durch Umschulungen oder Outplacement-Beratung; im Positivfall durch Mentorenkonzepte oder Führungskräftetrainings. Ziel muss es sein, dass die Betroffenen die für sie neue Situation bewältigen.
168
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Dazu gehört in emotionaler Hinsicht ein ‚Ende des Wechselbads’; ein Zustand relativer Ausgeglichenheit also, hier als Balancierung bezeichnet.
Abbildung 4/4
Emotionen im Wandlungsprozess Gefühlslage der Betroffenen
negative Emotionen
positive Emotionen
4. Balancierung (G): Erfolgserlebnisse Zufriedenheit Identifikation 3. Verarbeitung (G): Neugier Freude Begeisterung 4. Balancierung (V): Anpassung Gefasstheit Resignation
1. Vorahnung: Hoffnung Sorge Angst
2. Konfrontation: Überraschung Schreck Schock
Konzipierung
Mobilisierung
3. Verarbeitung (V): Enttäuschung Ärger Frustration
Umsetzung
Verstetigung
Da Wandel zukünftig in kleineren Schritten kontinuierlich erfolgen wird (Verstetigung), bedeutet Balancierung auch die permanente Aufgabe, die eigenen Möglichkeiten und die gestellten Anforderungen einander anzupassen. ‚Balance’ kann allerdings Unterschiedliches bedeuten: z.B. aktive Zufriedenheit der ‚Gewinner’ einerseits, eine eher resignative Hinnahme der Verhältnisse seitens der ‚Verlierer’ andererseits.
Emotionen beeinflussen Letztlich wirken alle markanten Managementaktivitäten in Veränderungsvorhaben – direkt oder indirekt – auf die Emotionen der Beteiligten. Zugespitzt formuliert: Management ist immer auch Emotionenmanagement. Insofern ist der im Folgenden zusammengestellte Maßnahmenkatalog im Grunde zugleich ein komprimiertes Pflichtenheft für das Topmanagement in Transformationsprozessen.
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Management von Sachfragen: Hier stehen Information und Kommunikation im Mittelpunkt. Es geht um Aufklärung und um die sprichwörtliche Versachlichung der Auseinandersetzung. Vermittle Informationen und Kenntnisse über…
die Stärken und Schwächen der Ausgangslage, zu erwartende Konsequenzen bei ‚Nichtwandel’, Wandlungsbedarfe und angestrebte Ziele, Benchmarks und Best Practices, geplante Maßnahmen, Ablauf des Veränderungsprozesses, Chancen und Risiken der Veränderung, Positionen und Aufgaben der Betroffenen und Beteiligten während und nach der Veränderung
und erreiche dadurch…
realistische Beurteilung des Status quo, Abbau von Skepsis und Unsicherheit, Klarheit über die Konsequenzen der Veränderung, Abbau von Furcht und Angst.
Einflussmanagement: Die Sachänderungen bewirken Änderungen der Anreiz-Beitrags-Konstellation. Deren ‚Salden’ sind nun so zu gestalten, dass sich möglichst die beabsichtigte Verhaltensänderung einstellt. Gestalte die Anreiz-Beitrags-Konstellation, bestimme hierfür…
die zukünftig zu erwartende Anreiz-Beitrags-Konstellation des gesamten Bereichs,
die vom Einzelnen erwarteten Leistungen bzw. die notwendigen Einschränkungen und Nachteile,
die im Gegenzug zu erwartenden Vorteile und Anreize bzw. Ausgleichsmaßnahmen
und erreiche dadurch…
Abbau von Verweigerungshaltungen, Erhöhung der Bereitschaft, Nachteile hinzunehmen, höhere Bereitschaft, Risiken zu übernehmen,
170
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Freude über erreichbare Fortschritte und Verbesserungen, aktives Engagement im Wandlungsprozess, höhere Bereitschaft, Chancen zu nutzen. Management von Bewusstseinslagen: Hier geht es um die Nachhaltigkeit fundamentaler Veränderungen. Sie wird nur erreicht, wenn sich bei den Betroffenen auch die ‚Sicht der Dinge’ ändert. Verändere die Sichtweisen und Einstellungen durch…
unübersehbare, zeichensetzende Aktivitäten zum Prozessbeginn,
Entwicklung und Kommunikation einer stimulierenden, aber realistischen Zukunftsvision,
eindringliche Darstellung von Problemen, Lösungen und Fortschritten im Prozessverlauf,
kurzfristig erreichte Erfolge (‚Quick Wins’) und Erfolgserlebnisse,
Einsatz von Vorbildern, eigenes Vorbild und erreiche dadurch…
Gefühl für die Notwendigkeit von Wandel, Gefühl für die Dringlichkeit der Veränderung, Weckung von Neugierde, Stimulierung von Hoffnung und Begeisterung im Veränderungsprozess.
4.2.4
Implementierung gestalten!
Charakteristik der Implementierungsprobleme Die Implementierungsphase ist mit weitem Abstand der kritischste Teilprozess des Wandels. Hier ist das Risiko des Scheiterns am höchsten (vgl. Capgemini 2008, S. 13). Weitreichende und tiefgreifende Änderungen scheitern nicht selten bereits in der Konzeptphase, oder sie versickern und versanden nach der Einführung. Konsequenterweise müssen auch die Implementierungsaktivitäten bei Projektbeginn oder sogar schon im Vorfeld einsetzen und sie dürfen nach der Einführungsphase nicht ohne Weiteres enden. Die Folge-
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
rung, die daraus zu ziehen ist, besteht darin, Implementierung nicht länger als ‚Phase’ zu verstehen (vgl. Kolks 1990; Krüger 1999, S. 872ff.).
So interpretiert, umschließt die Implementierung alle Aufgaben, Methoden und Techniken, die sicherstellen sollen, dass die angestrebten Ziele durch Anwendung und Nutzung der jeweiligen Maßnahmen erreicht oder übertroffen werden, gleichgültig zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Phase des Prozesses entsprechende Aktivitäten erfolgen.
Die Fülle der Detailprobleme und der möglichen Lösungsrichtungen der Implementierung mündet letztlich in die Frage, ob ein Vorgehen ‚von oben mit Druck’, eine stärkere Einbindung mittlerer und unterer Ebenen oder gar eine ‚Impulsgebung von unten’ zu bevorzugen ist. An dieser Stelle kommt das Rollenverhalten der Führungskräfte insofern ins Spiel, als es um die Frage der Partizipation der Mitarbeiter an den Führungsentscheidungen des Vorgesetzten geht. Dieses Merkmal wird traditionell zur Unterscheidung von ‚autoritärer’ (‚harte Hunde’) vs. ‚kooperativer/demokratischer’ (‚mitarbeiterorientierte Manager’) Führung benutzt. Um die mit diesen Begriffen zwangsläufig verbundenen Wertungen zu vermeiden, hat Jürgen Wild schon früh vorgeschlagen, das neutrale Begriffspaar direktiv und nondirektiv zu verwenden (vgl. 1971, S. 69ff.). Diese Führungsstile drücken sich in zwei unterschiedlichen Verlaufsrichtungen der Implementierung aus: direktiv/abwärts (Top down) oder nondirektiv/aufwärts (Bottom up) (vgl. zum Folgenden Bach 2000, S. 196ff.). Daher wird nachfolgend von Top down- und Bottom up-Implementierung als generischen Implementierungsstrategien gesprochen.
Strikt direktive Implementierung (Top down-Verlauf) Eine strikte Top down-Implementierung zielt auf schnelle Ergebnisse ab und versucht daher, mangelnde Wandlungsbereitschaft bei den Mitarbeitern durch Geheimhaltung des Wandlungskonzepts und Überraschungseffekte abzufangen. In der Literatur ist dieser direktive Wandel auch als ‚Bombenwurf’ diskutiert worden (vgl. Kirsch et al. 1979, S. 180ff.). Das strikt direktive Vorgehen zeigt
172
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Abbildung 4/5. Dazu erfolgt eine abgestimmte, gleichzeitige, schnelle Ausführung in allen Bereichen.
Abbildung 4/5
Vorgehen bei strikt direktivem Wandel
Aufgabenträger
Aufgabe
Initialisierung
Konzipierung
Mobilisierung
Umsetzung
Verstetigung
- Wandlungsbedarf feststellen - Wandlungsträger aktivieren
- Wandlungsziele festlegen - Maßnahmenprogramme entwickeln
- Geheimhaltung zur Erzielung von Überraschungseffekten - Aktivierungssituation gestalten
- abgestimmte, schnelle Umsetzung in allen Bereichen - Rückgriff auf vorhandene Problembewältigungsmuster
- Wandlungskonzept kommunizieren - Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern - Wandlungsergebnisse verankern
Topmanagement
Topmanagement
Topmanagement
alle Betroffenen
Topmanagement
Anschließend ist in der Verstetigungsphase Absicherungsarbeit zu leisten. Sie umfasst die bisher unterlassene Kommunikation des Wandlungsbedarfs ebenso wie die nachträgliche Erläuterung des direktiven Vorgehens als einzig möglichem Weg der Krisenbewältigung. Zum Aufbau von Einstellungsakzeptanz sollen die Mitarbeiter nunmehr einen nachvollziehenden Prozess der Problemerkennung durchlaufen, um das gewählte Vorgehen als richtig zu verinnerlichen. Dadurch kann auch eine Identifikation mit der erneuerten Unternehmung aufgebaut und eine nostalgische Verklärung der ‚guten alten’ Zeit vermieden werden.
Das Thema: Direktive Implementierung Das Beispiel: DAIMLERCHRYSLER Als geradezu schulmäßiges Beispiel einer strikt direktiven Implementierung kann auch heute noch der Entstehungsprozess der DAIMLERCHRYSLER AG angesehen werden. Im Vorfeld der Fusion wurden nicht einmal alle Vorstandsmitglieder der DAIMLER-BENZ AG einbezogen. Die Wandlungskoalition beschränkte sich auf die engsten Vertrauten von DAIMLER-BENZ Chef Jürgen Schrempp und CHRYSLER CEO Bob Eaton, ergänzt um ein externes Beraterteam von GOLDMANN SACHS. Der öffentliche Start wurde mit einer Pressekon-
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
ferenz in London und Meldungen in den Medien regelrecht inszeniert. Der erzielte Überraschungseffekt war groß. Dieser Umstand wurde ausgenutzt, um in allen Bereichen beider Fusionspartner zahlreiche Umsetzungsprojekte zu starten. Schließlich lobte Jürgen Schrempp noch vor der Genehmigung der Fusion auf der Hauptversammlung die Geheimhaltung und das strikt direktive Vorgehen als Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Durchsetzung seines Konzepts. Ergänzt wurde diese Absicherungsmaßnahme durch positive Öffentlichkeitsarbeit, die sich auch auf die Aktienkurse auswirkte. Dies wiederum überzeugte die Aktionäre, auf der Hauptversammlung die Pläne des Konzernlenkers Schrempp zu genehmigen (Quelle: Bach 2000, S. 135ff. und Appel/Hein 2002).
Gemäßigt direktive Implementierung Die gemäßigt direktive Variante der Top down-Implementierung wird aufgrund der Beteiligung von Schlüsselpersonen in der Konzipierungsphase auch als partizipationsergänzter Generalplan bezeichnet (vgl. Abb. 4/6).
Abbildung 4/6
Vorgehen im partizipationsergänzten Generalplan
Aufgabenträger
Aufgabe
Initialisierung
Konzipierung
Mobilisierung
Umsetzung
Verstetigung
- Wandlungsbedarf feststellen - Wandlungsträger aktivieren
- Wandlungsziele festlegen - Maßnahmenprogramme entwickeln
- Wandlungskon- - Prioritäre Vorhaben durchzept kommuniführen zieren - Folgeprojekte - Wandlungsbedurchführen reitschaft und Wandlungsfähigkeit schaffen
- Wandlungsergebnisse verankern - Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern
Topmanagement
Wandlungskoalition unter Einbezug von Schlüsselpersonen
Wandlungskoalition unter Einbezug von Schlüsselpersonen
Wandlungskoalition unter Einbezug von Schlüsselpersonen
alle Betroffenen
sehr kurze Umsetzungsphase
Als Schlüsselpersonen sind generell die Leiter der nachgelagerten Einheiten (z.B. Geschäftsbereichsleiter oder Werksleiter) anzusehen, also die mittlere Ebene. Ihre Partizipation soll die Qualität des Wandlungskonzepts erhöhen und das Risiko von Misserfolgen reduzieren. Sie sind es, die in ihren Verantwortungsbereichen die
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
Umsetzung leisten müssen, und auf ihre Information und Argumentation richtet sich ganz zwangsläufig die Aufmerksamkeit der unteren Ebenen. Insofern kommt dem mittleren Management eine Doppelrolle zu, die mit dem Bild des Scharniers beschrieben werden kann. Nach oben, gegenüber der Spitze, können sie die Realistik und Qualität des geplanten Wandels verbessern. Dem dient die Partizipation in der Konzipierungsphase. Die damit erreichte Akzeptanz des Wandels auf den mittleren Ebenen strahlt auf die unteren Ebenen aus. Die erforderliche Mobilisierung und vor allem die Umsetzung sollten dadurch erleichtert werden.
Nondirektive Implementierung (Bottom up-Verlauf) Bottom up-Implementierung als Gegenstück zum Top downVerlauf bedeutet nicht, dass die Mitarbeiter an der Unternehmungsbasis ohne Unterstützung des Topmanagements eigenständig Transformationsprozesse auslösen und durchführen. Transformativer Wandel ist ohne Autorisierung des Vorhabens und Bewilligung der notwendigen Sach- und Personalmittel schlichtweg unmöglich. Dennoch kann auch transformativer Wandel seinen Ursprung in Initiativen der betroffenen Mitarbeiter haben, wenn diesen im Gegensatz zu Top down-Vorgehensweisen eine eigenständige Problemerkennung zugestanden wird. Die Voraussetzungen dafür sind durch spezielle Enabling-Maßnahmen zu schaffen (vgl. unten Kap. 4.2.5). Die verschiedenen Aktivitäten und Versuche der Einflussnahme durch die Akteure des Wandels gestalten sich bei Bottom upImplementierung wesentlich vielschichtiger als bei einer zentralen Steuerung des Transformationsprozesses in Top down-Richtung. Sie folgen nicht dem Phasenschema intendierten Wandels, sondern dem ‚Wellenschema’ emergenten Wandels (vgl. Kap. 2.4.2). Zu erinnern ist auch an die internen Wissens- und Lerngemeinschaften, die von den Beiträgen der Mitglieder der Community getragen werden. Aufgabe des Managements ist es, solchen virtuellen Kooperationen Raum zu geben und die entstehenden Ideen sowie Änderungsimpulse aufzugreifen und zu konkreten Maßnahmen und Projekten zu verdichten.
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Kombination unterschiedlicher Implementierungsformen Top down- und Bottom up-Vorgehensweisen der Implementierung weisen je spezifische Vor- und Nachteile auf. Nur durch Top down-Implementierung können schnelle Ergebnisse zur Krisenbewältigung erzielt und die Abstimmung des Transformationsprozesses auf die geplante Unternehmungsentwicklung gewährleistet werden. Bei mangelnder Wandlungsbereitschaft der Mitarbeiter kann eine einseitige Fremdbestimmung durch das Management jedoch zur Ablehnung des Konzepts führen, so dass die angestrebte strategische Erneuerung nicht erreicht wird. Partizipation bei der Erstellung des Wandlungskonzepts führt zu Einstellungsakzeptanz und hilft daher, solche Barrieren zu überwinden. Sie nimmt jedoch viel Zeit in Anspruch und kann zu einem anderen als dem ursprünglich geplanten Wandlungskurs führen. Die Förderung von unternehmerischer Initiative (Bottom upImplementierung) an der Unternehmungsbasis schließlich eröffnet der Unternehmung vom Management nicht wahrgenommene Wege der strategischen Erneuerung. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass sich konkurrierende Wandlungsvorhaben gegenseitig blockieren oder sich die verschiedenen Teilbereiche der Unternehmung in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Durch eine sequentielle Kombination unterschiedlicher Implementierungsrichtungen kann versucht werden, ein möglichst optimales Wirkungsprofil zu erzielen: Strategische Initiativen und Ziele als abwärtsgerichtete Rahmenvorgaben, konkrete Projekte zur Umsetzung als aufwärtsgerichtete Veränderungsbeiträge. Dies entspricht dem Gegenstromverfahren, das für den Prozess kontinuierlicher Entwicklung skizziert wurde (vgl. Kap. 2.4.3) und das in jedem Fall als Vorgehensmuster für die Verstetigung zu empfehlen ist. Interne Verbesserungs- und Innovationsinitiativen stellen exemplarische Anwendungen dieses Prinzips dar (vgl. Kap. 2.5.2.).
Situationsspezifische Wahl der Implementierungsform Ausschlaggebend für die grundsätzliche Wahl einer der beiden generischen Implementierungsstrategien ist der Wandlungsbedarf in zeitlicher und sachlicher Hinsicht. Wenn rasches Handeln erforderlich ist, wie vor allem in Krisensituationen, so muss Top down vorgegangen werden, um schnell zählbare Ergebnisse zu erzielen. Es
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
besteht jedoch die Gefahr, dass es zu Abstoßreaktionen kommt. Für den notwendigen Akzeptanzaufbau empfiehlt sich daher anschließend eine Beteiligung der Betroffenen in Bottom up-Richtung. Hohe Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit an der Basis begünstigen Bottom up-Verläufe. So könnte das Topmanagement z.B. ein Bottom up vorgestelltes Wandlungskonzept anschließend auch direktiv ohne weitere Beteiligung betroffener Mitarbeiter implementieren. Bei einer stark dezentralisierten Unternehmung ist sogar der Fall denkbar, dass ein auf eine Initiative des einen Teilbereichs zurückzuführendes Konzept in einem anderen organisatorischen Subsystem strikt direktiv eingeführt wird. Die Wahl einer bereichsbezogenen Implementierungsstrategie hängt dann in erster Linie von den Koordinaten des Wandels vor Ort und nicht von der Unternehmungssituation insgesamt ab.
4.2.5
Rahmenbedingungen für Unternehmungsentwicklung schaffen!
Schaffung von Freiräumen Auch eigendynamische Prozesse des sog. emergenten Wandels sind vom Topmanagement zu beachten, anzuerkennen und nach Möglichkeit zu fördern bzw. zu kanalisieren. Seine konzeptionelle Einbettung erfuhr diese Thematik in Kapitel 2.4.2. Das Topmanagement hat hier nicht die Rolle von Promotoren, sondern von Enablern des Wandels. Grundvoraussetzung ist die Schaffung von Freiräumen, eine Forderung, die zunächst im klaren Gegensatz zu den derzeit dominierenden Vorstellungen des Einsparens und Verschlankens steht. Denn Freiräume kosten Arbeitszeit und verlangen Budgetanteile, sind also Ausdruck von ‚organizational slack’.
Eine der innovativsten Ideenschmieden weltweit ist der Technologiekonzern 3M. Er ist bekannt für die 15%-Regel. Mitarbeiter der Forschungsabteilungen können danach 15% ihrer Arbeitszeit für Projekte ihrer Wahl einsetzen.
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Abgesehen von den notwendigen Rahmenbedingungen, die Spielräume eröffnen müssen, geht es vor allem darum, eine positive Einstellung gegenüber Initiativen der Mitarbeiter sowohl in deren eigenen Köpfen als auch in den Köpfen der Führungskräfte zu bilden. Des Weiteren ist die kreativitätsfördernde interdisziplinäre Kommunikation zwischen den Mitarbeitern zu unterstützen. Eigenständige Projekte und die Übernahme von Risiko sollten belohnt werden. Nur wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, wird ein Mitarbeiter, der eine sich bietende unternehmerische Chance erkennt, diese zu seiner eigenen Sache machen und Initiative zeigen. Das Schaffen von Freiräumen stellt einen Enabling-Prozess dar. Zu den Führungsaufgaben gehören in diesem Zusammenhang alle Maßnahmen, die der Gestaltung eines Ideen- und Innovationsmanagements sowie einer entwicklungsfähigen Organisation (vgl. Kap. 6.4) dienen. Freiräume sind nicht nur für Innovationen erforderlich, sondern generell für alle Formen kollektiven Lernens und kollektiver Entwicklung. Ohne den damit verbundenen ‚slack’ sind dynamische organisatorische Fähigkeiten nicht zu haben. Abbaumaßnahmen, die dazu führen, dass auch solcher ‚slack’ abgebaut wird, sind nicht als eine sinnvolle Form von Diät einzustufen. Vielmehr sind hier die Grenzen zur ‚Magersucht’ überschritten.
Ermöglichung organisationalen Lernens Wie wichtig organisationale Lernprozesse sind, ist in der Literatur bis zum Überdruss betont worden. Herkömmliche Fort- und Weiterbildungsformen, meist off the job, können heute durch die in Kapitel 2.5 erläuterten modernen elektronischen Formen der Kooperation – Collaboration/Web 2.0 – ergänzt oder ersetzt werden. Das Topmanagement muss die Einrichtung geeigneter Infrastrukturen für interne Wissensgemeinschaften veranlassen. Das gleiche gilt für die externe Collaboration, z.B. in Form web-basierter Problemlösungsprozesse oder der Förderung von Nutzer-Communities.
Einführung von Ideenmanagement Emergenz lebt letztlich vom kreativen Potential und der Initiativfreudigkeit der Mitarbeiter. Es geht dabei nicht nur um F&EProgramme. So sehr Produkt- und Verfahrensinnovationen Ergebnis
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Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
gezielter Entwicklungen sind, so sehr ist die Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen voll von Beispielen, die zeigen, dass Innovationen auch aus Zufällen, den Ideen einzelner Querdenker oder aus sog. U-Boot-Projekten entstehen, die zunächst im Geheimen und unterhalb der offiziellen Linie arbeiten.
Bei BMW starten viele Projekte als U-Boot, meist als Einmannprojekt. Auf die Weise entstand z.B. der BMW Touring Ende der 80er Jahre, als Kombimodelle in der Konzernstrategie nicht vorgesehen waren. Ein Designer von BMW baute sich eine Langversion seines Autos, weil er Platz für Familie und Sport brauchte. BMW-Vorstand Burkhard Göschel dazu: „Während manche Produkte zentral geplant werden können, müssen in Unternehmen auch Kreativitätsfreiräume vorhanden sein, in denen U-Boot-Projekte ohne Wissen des Vorstands kreativ entwickelt werden können“ (Schlesiger 2006, S. 88). Zu den Musterbeispielen, die im BAYER-Konzern im Zusammenhang mit der Neuausrichtung auf das ‚Erfinder Unternehmen’ kommuniziert werden, gehört die Entwicklung und Patentierung (1941/42) des Polyurethans. Der chemische Prozess, der dem zugrunde lag, wurde von der Zunft als nicht beherrschbar bzw. sinnlos abgetan. Dem Erfinder wurde die Qualifikation zum Laborleiter bestritten. Der Reaktionsprozess äußerte sich darin, dass aus dem Reaktionsbehälter großvolumiger Schaum quoll, mit dem niemand etwas anfangen konnte. Heute basiert ein großer Teil aller weltweit hergestellten Kunststoffe (‚Schaumstoffe’) auf dieser Ausgangsidee und Polyurethane sind eine der tragenden Säulen des Teilkonzerns MATERIAL SCIENCE von BAYER. Man ist in diesem Bereich Weltmarktführer mit einem Marktanteil von ca. 30%.
Nachdem auf das Potential und die Formen der virtuellen Problemlösungs- und Innovationsprozesse schon an verschiedenen Stellen dieses Buches eingegangen worden ist, darf nicht vergessen werden, dass auch konventionelle, also ‚nichtelektronische’ Formen einen unverändert hohen Stellenwert besitzen und besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Bedeutung des kreativen Potentials der Mitarbeiter ist seit Jahrzehnten erkannt, und es gibt verschiedene Ansätze, die der Aktivierung und Ausschöpfung dienen. Der traditionelle Ansatz ist das betriebliche Vorschlagswesen (BVW, vgl. Thom 1996). Beginnend mit dem Briefkasten, in den jeder seine Papier gewordene Idee einwerfen kann, über die Beurteilung der Vorschläge durch ein Expertengremium, bis hin zur Prämierung der besten umgesetzten Ideen reicht der Prozess. Nach einer Untersuchung des
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
DEUTSCHEN INSTITUTS FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT nahm die Anzahl eingereichter Vorschläge seit 2000 allerdings stark ab (vgl. Großer 2006, S. 5). Entweder muss das Ideenmanagement neue Wege gehen oder ständig neu stimuliert werden. Vorteil des BVW ist die Umgehung des direkten Vorgesetzten und damit der hierarchischen Barriere. Nachteil ist seine Bürokratisierung. Die Kritik am BVW gipfelt demgemäß in der Bemerkung, dass es sich um ‚tote Briefkästen’ handele. Zusätzlich oder anstelle des BVW werden daher auch andere, flexiblere Formen des Ideenmanagements entwickelt.
Bei dem Zigarren- und Zigarillohersteller DANNEMANN ist seit 2004 ein erfolgreiches Ideen- und Innovationsmanagementkonzept im Einsatz, an dem von 370 Mitarbeitern mittlerweile ca. 160 mitwirken. Für das Ausarbeiten der Idee, einschließlich der Nutzenschätzung, sowie die anschließende Umsetzung sucht sich der Ideenstifter kompetente Mitstreiter aus dem Haus. Er kann dabei von einem der neun hierfür ernannten Mentoren unterstützt werden. Der Mentor entscheidet über die Umsetzung. Er darf bis zu 5.000 € in ein Projekt investieren. Der Mentor begleitet das Projekt, für dessen Umsetzung der Ideengeber selbst verantwortlich ist, und hält den Kontakt zur Geschäftsleitung. Mit der Auswahl von Mentoren ohne Chefstatus wird die Hierarchiebarriere vermieden, die der DANNEMANN-Berater Jens Weiss von BAUMGARTNER & CO aus Vorgesetztensicht wie folgt formuliert: „Möglicherweise ist es demnächst so, dass ein untergebener Mitarbeiter mit einer Idee kommt, die so genial ist, dass ich sie selber hätte haben müssen. Und dann setzt er die auch noch um. Und ich kann es nicht verhindern“ (Quelle: Großer 2006, S. 5). Haupteffekt dieses Modells sind Produkt- und Verfahrensverbesserungen. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Nebeneffekte. Das bereichsübergreifende Verständnis nimmt zu, die Beteiligten erwerben Führungsfähigkeiten, und die Geschäftsleitung wird auf Talente aufmerksam, z.B. für die Mentorenfunktion (nach Großer 2006).
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Der BAYER-Konzern hat neben seinen F&E-Abteilungen und einem speziellen Vorschlagswesen, das auf Verfahrens- und Prozessverbesserungen angelegt ist, eine konzernweite Struktur zur Generierung von neuen Produkt- und Geschäftsideen eingerichtet. Die Innovationsinitiative ‚Triple-i’ (Inspiration, Ideen, Innovation) bietet jedem Mitarbeiter die Möglichkeit, eine entsprechende Idee an einen Innovationsmanager zu übermitteln, der die weitere Prüfung und Ausarbeitung vornimmt bzw. begleitet. Basierend auf der Idee eines BAYER HEALTHCARE-Mitarbeiters wurde zum Beispiel durch diese Initiative ein Blutzuckermessgerät für Kinder entwickelt, welches die Bedürfnisse und Wünsche dieser Klientel berücksichtigt. Die Idee wurde im Jahr 2006 eingereicht, umgehend durch DIABETESCARE aufgegriffen und das Messgerät erfolgreich auf den Markt gebracht. Solche Ideen, die
Strategische Imperative des Topmanagements
4.2
nicht in die aktuelle Ausrichtung der Teilkonzerne passen, werden in einer eigenen Einheit vorangetrieben, der BAYER INNOVATION GMBH (BIG). An Ideen, die bis zur Marktreife gelangen, wird der Ideengeber finanziell beteiligt. Bei dem Handyhersteller MOTOROLA gibt es einen Innovationsprozess namens Early Stage Accelerator. Jeder Ingenieur kann seine Idee an das Büro des Chief Technology Officer weiterreichen. Aussichtsreiche Ideen werden mit internem Venture Capital weiterentwickelt und bei Erreichen bestimmter Ziele von einem der MOTOROLA-Geschäftsbereiche übernommen (Quelle: Heuer 2006).
Organisation internen Unternehmertums Letztlich geht es darum, internes Unternehmertum (Intrapreneurship) zu organisieren. Internes Wachstum muss auch von Intrapreneuren getragen werden. Je nach strategischer Bedeutung der Idee und der Nähe zum bisherigen Geschäft sind verschiedene Organisationslösungen denkbar. Sie reichen vom kompletten Spin off bei marktfähigen Ideen, die nicht zur Unternehmung passen, über Zwischenlösungen wie die Errichtung einer New Venture Division, bis hin zur kompletten Integration in die existierenden Einheiten (vgl. z.B. Burgelman 1984). Vor allem solche Unternehmungen, die ein Portfolio verschiedener Geschäfte führen, sind darauf angewiesen, immer wieder Nachwuchsprodukte und -geschäfte zu generieren und in die bestehende Organisation zu integrieren. Jedes einzelne davon ist eine Investition in eine Wachstumsoption. Manche sind erfolgreich, andere nicht. Die Fähigkeit, solche Optionen zu generieren, hängt in starkem Maße von internem Unternehmertum und dieses wiederum von einer geeigneten organisatorischen Architektur ab (vgl. Chakravarthy 1997).
Kopplung von Führungsprozess und Wandel Die Entfaltung von Eigeninitiative und Kreativität ist auch bei der Ausgestaltung des Gegenstromverfahrens (vgl. Kap. 2.4.3) zu berücksichtigen. Die verschiedenen Ansätze konventioneller Art sowie mithilfe des Web 2.0 sind in Kapitel 2.4.3 sowie 2.5 bereits dargestellt worden.
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
4.3
Umgang mit Führungsdefiziten
4.3.1
Entstehung von Führungsdefiziten
Die tägliche Praxis zeigt, dass ein strategischer Kurswechsel von Unternehmungen nicht immer gelingt und sehr oft mit Managementturbulenzen einhergeht. Die Ursache hierfür bilden vielfach Führungs- und Machtdefizite der Spitze. Die folgenden Punkte greifen besonders markante Fälle auf.
Das Management ist bis an seine Kapazitätsgrenze mit Tagesarbeit belastet und außerstande, zusätzliche Projekte zu handhaben.
Eine Situation tiefgreifenden Wandels (Transformationsphase) verlangt andere Qualitäten als die ‚Normalphasen‘ der Unternehmungsentwicklung. Negativ formuliert: ‚Schönwetterkapitäne‘ sind bei stürmischer See überfordert.
Die Bandbreite der Anforderungen ist zu groß und wird vom Topmanagement nicht ausreichend abgedeckt. An der Unternehmungsspitze herrscht ein hoher Konformitätsdruck, der bis hin zur Uniformität reicht. Auf die Weise sollen die Handlungsfähigkeit, Geschlossenheit und Schlagkraft der Spitze gestärkt werden. Bei gewandelten Anforderungen kann sich diese Homogenität als gravierender Nachteil erweisen.
Der angestrebte neue Kurs ist deswegen erforderlich, weil sich der alte Kurs als falsch erwiesen hat. Die Verantwortlichen an der Spitze repräsentieren die Fehler der Vergangenheit und sind insofern persönlich belastet. Ihnen wird nicht genug Vertrauen für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben entgegengebracht.
Die Unternehmungsspitze ist gespalten in Promotoren und Opponenten, die sich gegenseitig blockieren. Keine der beiden Seiten ist alleine in der Lage, Wandel durchzusetzen.
Die Unternehmungsspitze ist sich zwar einig, aber insgesamt zu schwach, um sich intern durchzusetzen. Die vertikale Machtdifferenz ist zu gering.
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Umgang mit Führungsdefiziten
4.3
Die ersten vier Punkte verweisen auf Führungsdefizite unterschiedlicher Art, die letzten beiden sind auf Machtdefizite an der Spitze zurückzuführen. Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten des Defizitabbaus untersucht.
4.3.2
Überbrückung von Führungsdefiziten
Wechsel im Topmanagement Das Auswechseln von Topmanagern ist eine vielfach zu beobachtende Begleiterscheinung strategischen Kurswechsels. Der Wechsel an der Spitze symbolisiert den Ernst der Lage und demonstriert den Änderungswillen, ist also auch als Teil symbolischen Managements zu begreifen. Eine positive Signalwirkung ist insbesondere zu erwarten, wenn es nach allgemeiner Einschätzung ‚die Richtigen’ trifft, auf deren Fehler die aktuellen Schwierigkeiten zurückzuführen sind. In deutschen Aktiengesellschaften wird ein solcher Wechsel oft durch das Streben nach Kontinuität erschwert, das sich u.a. darin ausdrückt, dass frühere Vorstandsvorsitzende nach Ablauf ihrer aktiven Vorstandszeit in den Aufsichtsratsvorsitz wechseln. Diese Konstellation ist für ein kritisches Hinterfragen der bisherigen Strategien und eine Neuorientierung alles andere als förderlich. Es fragt sich, ob ein interner oder externer Nachfolger vorzuziehen ist. Rein analytisch betrachtet, gibt es keine eindeutige Bestlösung. Für beide Alternativen lassen sich (Miss-)Erfolgsbeispiele finden. Mögliche Vorteile interner Nachfolge:
detaillierte Unternehmungskenntnisse, höhere Akzeptanz im Mitarbeiterstamm, Nutzung interner Netzwerke zur Durchsetzung von Wandel (sofern Netzwerke nicht Wandel blockieren). Mögliche Vorteile externer Nachfolge:
Transfer von Erfahrungen aus anderen Unternehmungen/Branchen,
unbefangene, unvoreingenommene Problemsicht (keine Betriebsblindheit),
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
unabhängig von sozialen Bindungen und Verpflichtungen innerhalb der Unternehmung,
höherer Drang, einen raschen Erfolgsnachweis zu führen. Auch empirische Untersuchungen vermitteln unterschiedliche Ergebnisse, sowohl im Ganzen als auch im Vergleich der USA mit Europa. In einem 7-Jahresvergleich von 1995 - 2004 z.B. stellten die Autoren einer weltweiten Studie von BOOZ ALLEN HAMILTON fest, dass Insider insgesamt einen höheren Shareholder Return erwirtschafteten als Outsider. Allerdings sind Outsider in der ersten Hälfte der Amtszeit besser als Insider. In der zweiten Hälfte dreht sich das Bild um. In Europa sind beide Gruppen in der ersten Hälfte etwa gleich leistungsstark, in der zweiten Periode sind Insider deutlich besser. Die Lage, aus der heraus Unternehmungen Outsider holen, ist generell deutlich schlechter als die von Insidern (vgl. Lucier et al. 2005, S. 12ff.). Ein besonderes Problem stellt die Tatsache dar, dass verschiedene Stadien der Unternehmungsentwicklung gänzlich unterschiedliche personelle Anforderungen stellen, besonders drastisch in Turnaround- und Krisensituationen zu sehen. Die rasch wirksamen Notmaßnahmen und Kostensenkungsaktivitäten der ersten Phasen eines Turnaround (‚Abbau’ und ‚Umbau’) verlangen andere Fähigkeiten als eine konzeptionell durchdachte, strategische Neuausrichtung der Unternehmung (‚Aufbau’). Auch wenn es sehr holzschnittartig wirkt: der ‚typische Sanierer’ wird selten zugleich ein ‚innovativer Unternehmer’ sein. Insofern ist zu prüfen, ob wechselnden Situationen auch mit einem Personalwechsel an der Spitze zu begegnen ist. Ein Indiz dafür, dass in der Praxis mittlerweile nicht selten so verfahren wird, könnte die stark gesunkene Verweildauer von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften darstellen. Während früher der ‚Job hopper’ eher kritisch gesehen wurde, wird er heute mehr und mehr zu einem Normalfall. Letztlich stellt sich dabei die Frage, worin eigentlich noch der Unterschied zu einem Management auf Zeit besteht.
Management auf Zeit Eine in den letzten Jahren immer stärker genutzte Möglichkeit, Führungsdefizite auszugleichen, besteht darin, zeitlich befristet externe Manager einzustellen. Dieses ‚Management auf Zeit’ oder ‚Interim-
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Umgang mit Führungsdefiziten
4.3
Management’ genannte Konzept ist der zeitlich begrenzte Einsatz externer Führungskräfte in einer Unternehmung zur Erfüllung spezieller Führungsaufgaben. Interim-Manager werden mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen organisatorischen Kompetenzen ausgestattet und tragen dementsprechende Verantwortung. Darin unterscheiden sie sich von herkömmlichen Beratern (vgl. im Einzelnen z.B. Bloemer 2003). Drei Einsatzfelder haben sich seither gezeigt: Ausgleich von Führungsengpässen, Krisen- und Turnaround-Bewältigung, Management von Spezialprojekten (z.B. IPO, IT, M&A; vgl. im Einzelnen Bruns/Kabst 2005, S. 519ff.; Alewell 2005, S. 6). Die Empirie zeigt, dass sich das Persönlichkeitsprofil von Interim-Managern deutlich von dem der Berater wie der Linienmanager unterscheidet (vgl. Bach et al. 2009). Eine besondere Kategorie in diesem Zusammenhang stellt der sog. Chief Restructuring Officer (CRO) dar. Dabei handelt es sich um einen Spezialfall eines Interim-Managers, der in Sanierungsfällen eingesetzt wird (vgl. im Einzelnen Völpel/Bach 2008). Er muss hierzu vor allem über Erfahrungen im ‚Abbau’ und ‚Umbau’ verfügen. Interim-Management ist allerdings auch in reinen Aufbauphasen möglich, wie das folgende Beispiel zeigt.
Das Thema: ‚Aufbau’ durch Management auf Zeit Das Beispiel: DBE DEUTSCHE BIOENERGIE AG Die in Regensburg gegründete DBE DEUTSCHE BIOENERGIE AG fungiert als Finanz- und Managementholding. Sie hält Beteiligungen an Gesellschaften in Deutschland und Polen in der gesamten Wertschöpfungskette der Biodieselerzeugung. Mit einem Netzwerk von Standorten in Deutschland und in verschiedenen europäischen Ländern baut DBE bis Ende 2008 eine Produktionskapazität von 200.000 Tonnen Biodiesel pro Jahr auf. Die Werke in Deutschland sind an ausgewählten Verkehrsknotenpunkten platziert (dezentrales Konzept), um für die regionalen Abnehmer und Partner, wie Speditionen, Mineralölhändler, Landwirte und städtische Verkehrsbetriebe gut erreichbar zu sein. Werner Engelhardt, Gründer und Aufsichtsrat der DBE, setzte für den Aufbau eines neuen Werkes einen Interim-Manager der Firma ATREUS INTERIM MANAGEMENT ein. Er beschreibt seine Erfahrungen mit dieser personellen Lösung wie folgt:
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4
Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
„Nachdem sozusagen die Basisarbeit für eine grundsolide Finanzierung – Eigenkapital und Fremdkapital – und eine erste Werksplanung getan war, konnten wir das Unternehmen in die ‚Operative’ entlassen. Damit ist aber erstmal eine ganze Menge an Aufbauarbeit zu leisten, denn das Unternehmen musste aus der Idee des Geschäftsmodells heraus mit dem Aufbau eines Teams und den Prozessen wachsen. Wir wollten mit einem Interim-Manager gerade in der Aufbauphase unseres Unternehmens ein hohes Maß an Flexibilität gewinnen. Der zeitliche und örtliche Einsatz war noch nicht exakt zu definieren und eine genaue Aufgabenbeschreibung für eine solch dynamische Phase bleibt immer unvollständig. Wir benötigten einen Manager, der zupackt und die Ärmel hochkrempelt. In engster Abstimmung mit dem Topmanagement der DBE musste der Interim-Manager die Aufbau-Organisation des Unternehmens erstellen und mit Leben füllen, was ein entsprechend schnelles Recruiting als Unterstützung erforderte. Die Abläufe und Prozesse mussten zeitnah mit den ersten Angeboten, Aufträgen und Lieferungen durchstrukturiert sein. Wegen der nur teilweisen Einbindung in Linienfunktionen stand die reine Projektarbeit mit dem Anspruch an Geschwindigkeit und Präzision im Vordergrund. Dabei hatte der Interim-Manager die Koordination von Aufgaben und Überwachung von Meilensteinen, Erstellung betriebswirtschaftlicher Auswertungen und Vorbereitung von Präsentationen zu übernehmen. Aufgrund der nur rudimentären Erfahrungen in operativen Prozessen in unserem jungen Unternehmen sollte der Interim-Manager dazu einschlägige Kenntnisse mitbringen und diese sehr ‚geerdet’ in den Teams einbringen. Der Interim-Manager wurde von uns in dieser Form auch als Coach eingesetzt, um seine Erfahrungen den Teams zu übermitteln. Im Dreiklang würde ich sagen: Knowledgetransfer – Coaching – Projektmanagement. Der Interim-Manager konnte den Aufbau erfolgreich strukturieren und die Ablauforganisation gestalten. Zeitpläne und Aufbauleistungen wurden überwacht und chemische Projekte mit Fachwissen geführt, das wir nicht im Hause hatten. Damit gewannen wir Sicherheit bei der Umsetzung unserer ambitionierten Ziele. Durch den Einsatz des Interim-Managers gelang es uns darüber hinaus, schon innerhalb kürzester Zeit unsere Umsätze nochmals deutlich zu steigern. Die Erwartungen der Investoren wurden deutlich übertroffen. Schließlich waren wir mit unserem Interim-Manager so zufrieden, dass wir ihn nach seiner Interimstätigkeit in eine Festanstellung übernommen haben. Insofern war der Einsatz für uns auch dahingehend lohnend, dass wir die Rolle des CEO nun auch dauerhaft besetzt und darüber hinaus den Vorteil haben, dass wir den Manager und er uns bereits aus der intensiven Zusammenarbeit ausführlich kennen.“
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Wenn es um ein einmaliges Projekt geht, dürfte InterimManagement eine gute Lösung sein. Dies gilt insbesondere für akute Krisensituationen, zu deren Bewältigung das interne Management
Umgang mit Führungsdefiziten
4.3
zeitlich oder fachlich nicht in der Lage ist. Ein geeignetes Einsatzfeld ist auch die Überbrückung eines zeitlichen Engpasses bis zur Rückkehr einer erkrankten oder dem Eintritt einer neuen Führungskraft. Letztlich wird – bei allen Unterschieden im Detail – das bei den Mitarbeitern seit langem praktizierte Konzept der Zeitarbeit auf die Führungskräfte übertragen (vgl. Alewell 2005). Die Kernbelegschaft erfüllt dauerhafte Kernaufgaben. Für Randaufgaben oder zeitlich befristete Aufgaben werden bei Bedarf ‚Zeitarbeiter’ eingesetzt. Unternehmungswandel und Unternehmungsentwicklung sind allerdings heute dauerhafte Kernaufgaben von Führungskräften. Sie zu erfüllen ist unerlässlich, um Unternehmungen nachhaltig wettbewerbsfähig und damit zukunftsfähig zu machen. Bei einem einmaligen Turnaround oder in einer akuten Krise kann Hilfe von außen erwünscht oder unverzichtbar sein; am besten aber auch hier als Hilfe zum Aufbau dynamischer organisatorischer Fähigkeiten, die – wie erläutert – die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit bilden. Letztlich ist die Wandlungsverantwortung als selbstverständlicher Teil der Führungsverantwortung zu begreifen und nicht auf Externe delegierbar. Wozu, wenn nicht dafür, ist das hauptamtlich tätige Management der Unternehmung eingesetzt.
Einsatz externer Berater Der Einsatz externer Managementberater ist zumindest in Großunternehmungen alltäglich. Die unterstützende Rolle in der strategischen Erneuerung kann zwar auch von internen Beratern übernommen werden, für Externe spricht aber, dass sie unabhängiger und objektiver sind und erheblich mehr Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmungen und Situationen gesammelt haben (vgl. Kubr 1988, S. 33). Die Akzeptanz externer Berater ist daher oft höher als die des ‚Propheten im eigenen Land‘. Dies gilt gelegentlich auch im Verhältnis Vorstand – Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat, und insbesondere die Bankenvertreter, machen dann zu ihrer eigenen Sicherheit ihre Zustimmung zu Plänen des Vorstands vom Beratervotum abhängig. Dies betrifft im Wesentlichen Aufgaben der Initialisierung und Konzipierung. Managementberater können sehr wohl als Sparringspartner oder Coach von Managern agieren. Dazu gehört, dass
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
sie den Internen die ‚Scheuklappen des Gewohnten‘ von den Augen nehmen. Sie wirken so dem Kenner-Macher-Syndrom von Topmanagern entgegen. Dass gerade die Strategieberatung ein klassisches Tätigkeitsfeld der Beratungen ist, ist allerdings oft auf Managementdefizite im Bereich strategischen Denkens zurückzuführen. In der Konzipierung ergeben sich Probleme, wenn die Externen durch die fehlende Detailkenntnis der Unternehmung ambitionierte Wandlungsvorhaben entwerfen, die in dieser Form gar nicht umgesetzt werden können. Kritisch ist auch das ‚zwanghafte Verkaufen‘ oder schablonenhafte Anwenden bestimmter Managementkonzepte zu sehen. Ein starkes und kompetentes Topmanagement ist gefordert, um das Agieren der Berater beurteilen und steuern zu können und um eine zu hohe Informations- und Entscheidungsabhängigkeit zu vermeiden. Viele Berater sind Meister der Kommunikation. Mit entsprechend aufbereiteten Präsentationen und einer ausgefeilten Rhetorik sind sie in der Lage, Betroffene von der Vorteilhaftigkeit geplanter Veränderungen zu überzeugen (vgl. Kieser 1998, S. 199). Dennoch ist das Abtreten dieser Mobilisierungsaufgabe an externe Berater problematisch. Berater können das Kommunikationskonzept entwickeln helfen. Die Kommunikation selbst bleibt Führungsaufgabe. Wie sonst sollen die Glaubwürdigkeit des Managements und das Vertrauen in seine Konzepte aufgebaut werden. Im Rahmen der Umsetzung wird durch den Beratereinsatz einzelnen Wandlungsinitiativen und Projekten mehr Durchsetzungskraft verliehen (vgl. Kieser 1998, S. 198f.). Widerstände können dagegen entstehen, wenn eine beraterbasierte Veränderung Teil einer nichtpartizipativen Top down-Beratung darstellt (vgl. Staehle 1999, S. 970ff.). In der Verstetigung können externe Berater z.B. zur methodischen Unterstützung hinzugezogen werden. Sie können außerdem Trainingsmaßnahmen durchführen, Teamprozesse moderieren und als Multiplikatoren im unternehmungsweiten Erneuerungsprozess agieren (vgl. Krüger 1998, S. 243). Schwerpunkt ist die Sicherung der Wandlungsfähigkeit. Die Wandlungsbereitschaft ist dagegen in erster Linie vom Topmanagement aufrecht zu erhalten.
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Umgang mit Führungsdefiziten
4.3
Topmanagement-Team mit Spitze Die Anforderungen an das Topmanagement sind breit gefächert. Selten wird eine einzelne Person bzw. ein einheitlicher Managertypus in der Lage sein, dem gerecht zu werden. Zu große Konformität begünstigt Betriebsblindheit und ‚Group Think’. Idealerweise sollte daher auch im Topmanagement der Teamgedanke Einzug halten. In Teams kommen unterschiedliche Spezialisten mit komplementären Fähigkeiten zusammen, um komplexe Probleme interaktiv zu lösen. Entsprechend ließe sich die komplementäre Besetzung des Topmanagements empfehlen (vgl. Janz 1999, S. 184ff.; Krüger 1995, S. 148ff. und Nadler/Tushman 1990). In einem solchen TopmanagementTeam könnte sich jede Spitzenführungskraft auf ihre jeweiligen Stärken konzentrieren, und das Team insgesamt deckte dann die gesamte Anforderungsbreite ab. Dies würde insbesondere mit einem unressortierten Vorstand korrespondieren. Unternehmungen, die zu diesem Zweck mehr Diversität im Führungskreis wollen, müssen bei der Personalauswahl und der Personalentwicklung von Führungskräften ansetzen. Dem Standardprofil ist dabei eine klare Absage zu erteilen. In der praktischen Ausgestaltung dürften sich vor allem zwei Probleme stellen. Zum einen gibt es einen Zielkonflikt zwischen der Diversität im Management, die Kreativität und Flexibilität begünstigt, und der Notwendigkeit einer einheitlichen Willensbildung, die zur Geschlossenheit und Schlagkraft gehört. Heterogenität in der personellen Zusammensetzung begünstigt Uneinigkeit und Pattsituationen. Zum anderen muss man sich darüber im Klaren sein, dass im Topmanagement Karrieredenken und Machtkämpfe zumindest latent immer präsent sind, was ein konstruktives Miteinander gleichberechtigter Teammitglieder nicht gerade begünstigt. Insofern handelt es sich um einen weiteren Fall von Dilemma-Management (vgl. Kap. 1.1.2). Dabei spielen auch die Anreizsysteme eine wichtige Rolle (vgl. Kap. 7.2.3). Es ist nicht verwunderlich, dass Führungskräfte, die im Laufe der Karriere durch offene oder versteckte Anreize zum Einzelkämpfer konditioniert wurden, Schwierigkeiten haben, dieses Verhalten im Spitzengremium abzulegen. An der Stelle ist an Helmut Maucher zu erinnern, den legendären langjährigen Chef von NESTLÉ. Er hält die Spitzeninstanz einer Unternehmung als Team mit Spitze und nicht als Team als Spitze für
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Topmanager als Promotoren und Enabler des Wandels
Erfolg versprechend (vgl. Maucher 1996, S. 75). Zwar haben die aktienrechtlichen Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland zumindest dem Alleinentscheidungsrecht des Vorstandsvorsitzenden einen gesetzlichen Riegel vorgeschoben. Dies schließt allerdings keineswegs Abstufungen in der Praxis aus. So ist es in jedem Fall eine Frage der jeweiligen Persönlichkeit und ihres Führungsstils, sich als Spitze des Teams zu positionieren. Nicht zuletzt sind in einigen Großunternehmungen organisatorische Regelungen im Entstehen, die sich de facto am Leitbild eines CEO – dem ‚Chief Executive Officer’ der anglo-amerikanischen Board-Verfassung – orientieren, so insbesondere der Wechsel vom ‚Sprecher’ zum ‚Vorsitzenden’ des Vorstands sowie die Errichtung eines ‚Executive Board’ unterhalb des Vorstands.
4.4
Zusammenfassung
Topmanager haben in Wandlungs- und Entwicklungsprozessen unterschiedliche und teils gegensätzliche Rollen zu erfüllen. Prozesse geplanten Wandels verlangen den Promotor, der Wandel aktiv gestaltet und vorantreibt. Da Wandel nur zum Teil planbar ist und viele Veränderungen aus ungeplanten Ideen und Impulsen resultieren, kommt es außerdem darauf an, Freiräume und Plattformen für die Entfaltung dieses emergenten Wandels zu schaffen. Der Manager wird zum Enabler.
Im Verlauf des Veränderungsprozesses ist visionäre Führung ebenso erforderlich wie effizientes Management. Kritisch ist die Erzeugung von Wandlungsbereitschaft, also der Akzeptanz von Veränderungen. Dazu wird nicht nur das Management von Sachfragen benötigt, sondern auch das Ausüben von Macht und Einfluss (Einflussmanagement) sowie die kognitive Führung (Management von Bewusstseinslagen). Einflussmanagement kann durch positive oder negative Sanktionen das Verhalten in gewünschter Weise beeinflussen, also Verhaltensakzeptanz erzeugen. Auf die Veränderung der inneren Einstellungen (Einstellungsakzeptanz) zielt das kognitive Management ab.
Nicht zu unterschätzen ist bei tiefgreifendem Wandel die Be-
190
rücksichtigung und Beeinflussung der emotionalen Seite des Ge-
Zusammenfassung
4.4
schehens. So schwer fassbar oder gar messbar Emotionen sind, so sehr sind sie Teil des Geschehens. Erfolgreicher Wandel läuft nicht ohne Weiteres nach dem Schema ‚think – change’ ab, sondern folgt dem Verlauf ‚see – feel – change’.
Kritisch für den Wandlungserfolg ist die Implementierung. Sie ist ein durchgehendes Thema der Veränderung und nicht lediglich eine Phase ‚Einführung’. Je nach Situation und Führungsstil reicht die Bandbreite der Möglichkeiten von strikt direktivem Vorgehen über partizipationsergänzte bis hin zu nondirektiven Varianten. In prozessualer Sicht resultieren daraus Top downgerichtete Verläufe oder Bottom up-Prozeduren.
Emergenz lässt sich zwar nicht planen, aber ermöglichen. Hierfür sind Freiräume sowie eine entwicklungsfähige Organisation Grundvoraussetzungen. Geeignete Formen des Ideenmanagements sind einzurichten. Außerdem sind die Führungsprozesse für das Tagesgeschäft idealerweise mit Wandlungsprozessen zu verbinden. Genauso wie für eine erfolgreiche Implementierung kommt auch dabei mittleren Managementebenen eine bedeutsame Scharnierfunktion zu.
Das Topmanagement ist aus verschiedenen Gründen nicht immer allen Anforderungen des Unternehmungswandels gewachsen. Im Grenzfall besteht die Lösung dieses Problems in einem Wechsel im Topmanagement. Aber auch der Einsatz von InterimManagern sowie externen Beratern kann helfen. Längerfristig ist die Frage nach der angemessenen Zusammensetzung des Führungskreises und den hierfür erforderlichen Aufgaben der Personalentwicklung zu stellen.
191
Aktion und Reaktion in sozialen Systemen
5.1
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Kapitel 5
Norbert Bach
193
Aktion und Reaktion in sozialen Systemen
5.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 5 Grundlegender Wandel kann nur gelingen, wenn er von den betroffenen Mitarbeitern hinreichend unterstützt und akzeptiert wird. Kritisch sind diejenigen Fälle, in denen Mitarbeiter Wandel ablehnen oder ihn als Bedrohung empfinden, sich also als Opponenten oder bestenfalls Indifferente verhalten. Das Entstehen solcher Einstellungen und Verhaltensweisen zu erklären und sie nach Möglichkeit zu verändern, wird dann zu einem Schlüsselproblem des Wandels. Von dieser Situation wird im folgenden Kapitel ausgegangen. Als Grundlage dient die Theorie der mentalen Modelle. Sie erlaubt es, Anwendungsempfehlungen abzuleiten, die sich auch hinsichtlich der in Kapitel 4.2 dargestellten Implementierungsvarianten differenzieren lassen. Damit sind dann auch solche Vorgehensweisen zu behandeln, in denen es möglich ist, ‚Betroffene zu Beteiligten’ zu machen.
195
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
5.1
Aktion und Reaktion in sozialen Systemen
Die Mehrzahl der Mitarbeiter zählt in der Regel zu den Betroffenen des Wandels, ohne dass sie einen aktiven Part bei der Formulierung des Wandlungskonzepts gespielt hat. Dennoch haben diese Mitarbeiter verständlicherweise eigene Ideen und eigene Interessen, die nicht immer mit denen des beschlossenen Wandlungskonzepts konform gehen. Für die Wandlungskoalition stellt sich neben den Sachproblemen der Umsetzung deshalb vor allem die Frage, wie das Wandlungskonzept bei den Mitarbeitern durchgesetzt und zur Akzeptanz gebracht werden kann. Diese in der Praxis zentrale Fragestellung soll nachfolgend anhand einer Analogie aus der Mechanik näher erläutert und anschließend mithilfe der Theorie mentaler Modelle mit Handlungsempfehlungen und konkreten Maßnahmen beantwortet werden. Soziale Systeme, wie es Unternehmungen sind, verhalten sich nicht gemäß physikalischer Gesetze. Dennoch sei an dieser Stelle das Aufzeigen von Analogien erlaubt, soweit es das Verständnis von Wandel erleichtert. Stabile Unternehmungslagen, der Nicht-Wandel, sind in der Statik als Gleichgewichtszustände bekannt. Im Gegensatz dazu wird Wandel als Veränderung in Zustand (Elastomechanik) oder Lage (Dynamik) eines Körpers aufgefasst. Solcher Wandel tritt nicht von selbst auf, sondern ist immer eine Folge einer Krafteinwirkung von außen. Ähnlich den äußeren Kräften in der Mechanik (z.B. Schwerkraft) unterliegt jede Unternehmung nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen wie z.B. den Arbeitszeitgesetzen, Mitbestimmungsgesetzen, der Unternehmungsverfassung oder Betriebsvereinbarungen. Tritt nun zusätzlich eine neue Kraft auf, z.B. in Form einer Gesetzesänderung, so entsteht ein Wandlungsbedarf (vgl. Abb. 5/1).
196
Aktion und Reaktion in sozialen Systemen
Analogien zwischen Mechanik und Wandlungsmanagement Mechanik
Wandlungsmanagement
Betrachtungsobjekt
Mechanisches System (Festkörper)
Soziales System von Menschen
Bezugsbereich
Körper/Gegenstand
Organisatorischer Gestaltungsbereich
Beispiel für äußere Gewichtskraft Kräfte Lager-/Haltekräfte
5.1 Abbildung 5/1
Gesetzliche Rahmenbedingungen, z.B. Mitbestimmungsrechte Regelungen der Unternehmungsverfassung Corporate Governance Regeln
Beispiel für innere Kräfte
Eigenschaften des Betrachtungsobjekts
Direkt aufgebrachte Kräfte, z.B. Zugkraft per Seil
Wandlungsbedarf, z.B. gesetzliche Deregulierung der Branche, neue Technologien
Innere Reibung: einzelne Partikel haften aneinander
Vorhandensein von Seilschaften, persönliche Beziehungen, informelle Netzwerke
Druckspannung: Druckkräfte in den Schnittflächen
Ursache: Zieldifferenzen bezüglich der Termine: eine Koalition drängt eine andere, den ersten Schritt zu tun
Zugspannung: Zugkräfte in den Schnittflächen
Ursache: Zieldifferenzen bezüglich der Dringlichkeit: eine Koalition treibt den Wandel voran, andere wollen nicht in Rückstand geraten
Schubspannung: Seiten-/Scherkräfte in den Schnittflächen
Ursache: Zielkonflikt bezüglich der Zielinhalte, d.h. bezüglich der richtigen Maßnahmen zur Deckung des Wandlungsbedarfs: zwei Koalitionen rivalisieren um die gleichen Ressourcen zur Verwirklichung ihrer Pläne
Schwerpunkt
Unternehmungskultur
Elastizität/Zähigkeit (Elastizitätsmodul)
Kapazitätsanpassungsvermögen/sozialer Zusammenhalt
Flächenträgheit
Beharrungsvermögen
Bruchfestigkeit
Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts
197
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Veränderungen in Zustand und der Lage eines Systems sind durch die Wirkung äußerer und innerer Kräfte bedingt. Im 3W-Modell ist die treibende äußere Kraft (Aktion) der Wandlungsbedarf, der systemimmanente Abwehrkräfte (Reaktion) hervorruft. Aufgrund von Kraft und Gegenkraft entstehen unterschiedliche Spannungszustände in der Unternehmung.
Ansatzpunkte zum Management der Verhaltensänderungen auf Mitarbeiterseite ergeben sich in erster Linie aus der Analyse der als Reaktion auf äußere Krafteinwirkung entstehenden inneren Kräfte und Spannungen. Die innere Reibung eines Festkörpers kann verglichen werden mit dem Vorhandensein von Seilschaften und informellen Netzwerken in der Unternehmung. Diese sind oftmals abteilungs- oder sogar bereichsübergreifend. Solche ‚innere Reibung’ im sozialen Gefüge hat zur Folge, dass es immer mehr Betroffene gibt, als im Wandlungskonzept zunächst ersichtlich ist. Über die unmittelbar Betroffenen hinaus ist auch der Widerstand der mittelbar Betroffenen einzukalkulieren, deren wichtige Koalitionspartner in ihrer Position gefährdet sind. Abwehrreaktionen sind deshalb auch aus Bereichen möglich, die von der Sache her nicht zu den Betroffenen zählen. Am Anfang aller Überlegungen zum Management von Verhaltensänderungen sollte daher eine Analyse der betroffenen Stakeholder (vgl. Kap. 10.2) und der ‚politischen Arena’ stehen.
198
Den verschiedenen Arten der mechanischen Spannung entsprechen unterschiedliche Vorstellungen zu Zielterminierung und Zielinhalten. Schub- und Zugspannung haben ihre Ursachen in den Einschätzungen zur Dringlichkeit des Wandlungsbedarfs oder bezüglich der Reihenfolge der zu ergreifenden Maßnahmen. Während im Fall der Schubspannung eine Koalition die andere drängt, endlich den als notwendig erachteten nächsten Schritt zu tun, resultiert Zugspannung daraus, dass eine Koalition oder einzelne Schlüsselfiguren ‚nach vorne preschen’ und auf diese Weise die Verbleibenden unter ‚Zugzwang’ setzen. Schubspannungen sind die für Wandlungsvorhaben kritischsten Spannungen, da ihre Ursachen in inhaltlichen Differenzen bezüglich des Wandlungsbedarfs oder einzelner Komponenten des Wandlungskonzepts liegen. Interessenvertreter für sich oftmals gegenseitig ausschließende Vorgehensweisen kon-
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2
kurrieren um Ressourcen. Der größte Fehler besteht darin, eine Schubspannung durch vermeintlich gerechte Aufteilung der Ressourcen weiter zu erhöhen und damit einen ‚Torsionsbruch’ zu provozieren. Mit einem solchen Kompromiss raubt man allen konkurrierenden Alternativen die Chance auf Realisierung. Auch hinsichtlich der Eigenschaften des Systems helfen Analogieschlüsse dem Verständnis. Unabhängig von einem konkreten Wandlungsbedarf hat jede Unternehmung eine Kultur. Unterstützen die Haltekräfte diesen ‚Schwerpunkt’, so kann unterschiedlichen externen Lasten durch Kapazitätsanpassungen begegnet werden. Bei solchen ‚elastischen Verformungen’ behält die Unternehmung ihre Kultur und kehrt bei Wegfallen der Last wieder in ihren Ausgangszustand zurück. Ohne feste Verankerung in einem Lager (z.B. Patent) führt die Einwirkung äußerer Kräfte (z.B. neue Konkurrenz) dazu, dass sich feste Körper in Bewegung setzen. In Abhängigkeit von der geometrischen Form und der Masseverteilung des Körpers sind dabei mehr oder weniger große Widerstände zu überwinden. Diese in der Physik als Trägheitsmomente bezeichneten systemimmanenten Widerstände gegen Lageveränderungen (Wandel) zeigen sich auch in Unternehmungen. In Abhängigkeit davon, an welchen Stellen die ‚schwergewichtigen’ Koalitionsmitglieder sitzen und an welcher Stelle die Veränderung ansetzt, ist das soziale System mehr oder weniger leicht zu verändern.
5.2
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2.1
Mentale Modelle als Speicher handlungsleitenden Wissens
In der Mechanik können – abgesehen von Spezialproblemen – Verformungen und Lageveränderungen von Körpern exakt berechnet werden. Ein mechanisches Verhalten von Mitarbeitern anzunehmen, wäre jedoch sträflich. Dennoch gibt es in der Psychologie verschiedene Ansätze und Theorien, die sich mit Widerständen, Abwehrreaktionen und Gegeninitiativen von betroffenen Mitarbeitern beschäftigen. Nachfolgend wird die Theorie mentaler Modelle (vgl.
199
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Hacker 1997; Bach 2000, S. 55ff.; Hillen 2004, S. 40ff.) vorgestellt, die eine Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen für das Wandlungsmanagement erlaubt.
Mentale Modelle sind vereinfachende Modelle im Kopf eines Menschen, die das reale Geschehen beschreiben und erklären. Alles Wissen setzt sich aus solchen Modellen zusammen. Mentale Modelle steuern das Verhalten, und sie bestimmen, was Menschen wahrnehmen, wie sie fühlen und auf welche Reize sie reagieren.
Menschen machen sich anhand ihrer Wahrnehmungen ein Bild von ihrer Umwelt. Allgemein kann von vereinfachenden Modellen im Kopf des Menschen gesprochen werden, die das reale Geschehen beschreiben und erklären. Alles Wissen eines Menschen setzt sich aus solchen Modellen zusammen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Durch wahrgenommene Reize (z.B. Reh am Straßenrand) wird ein die Situation abbildendes mentales Modell im Kurzzeitgedächtnis aktiviert. Anhand dieses Modells können dann gedankliche Simulationen durchgeführt werden, die es dem Menschen erlauben, aufgrund von Annahmen über zukünftige Entwicklungen Prognosen abzugeben (das Reh könnte die Straße überqueren), Alternativen zu generieren und anhand der individuell verschiedenen mit der abgebildeten Situation assoziierten Emotionen (Rehe sind niedliche Tiere) und Präferenzen Entscheidungen zu treffen (langsamer fahren). Anschließend wird die Wahrnehmung auf solche Objekte und Sachverhalte ausgerichtet, die Gegenstand der inneren Simulationen sind, um so die Grundlagen der getroffenen Entscheidung und des gewählten Verhaltens zu überprüfen (Sind weitere Rehe in Sicht?). Mentale Modelle steuern folglich nicht nur das Verhalten, sie beschreiben auch, was Menschen fühlen, bestimmen, was sie wahrnehmen und auf welche Reize sie wie reagieren (vgl. Abb. 5/2). Eine besondere Schwierigkeit für das Veränderungsmanagement liegt darin, dass die meisten mentalen Modelle durch lange Gewöhnung tief im Unterbewussten verankert und dadurch besonders schwer zu ändern sind.
200
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2 Abbildung 5/2
Entscheidungsprozess der Verhaltenssteuerung
Realität Problemerkennung
Wahrnehmung von Objekten und Ereignissen
Beschreibungsmodell + kausale Beziehungen
Erklärungsmodell + Annahmen
Prognosemodell Problembewältigung
+ Präferenzen und Emotionen
Entscheidungsmodell
Verhalten
Jeder Mensch hat seine eigenen, subjektiven mentalen Modelle. Dennoch führen eine gleiche Berufsausbildung oder die langjährige Tätigkeit in derselben Unternehmung zu in vielerlei Hinsicht ähnlichen mentalen Modellen. Diese Gemeinsamkeiten bilden ein orientierendes Ordnungsschema für das eigene Verhalten, sowohl hinsichtlich der Aufgabenerfüllung als auch im sozialen Verhalten am Arbeitsplatz. Geteilte oder kollektive mentale Modelle, die sich in den Normen und Werten der Unternehmungskultur widerspiegeln, werden im Alltag nicht mehr hinterfragt. Wer sich an die ungeschriebenen Regeln der Unternehmungskultur hält, muss sich nicht erklären und sein Handeln nicht rechtfertigen. Dieses Phänomen erklärt die Theorie mentaler Modelle als Wirkung kollektiver mentaler Modelle. Ein solches gemeinsames Verständnis führt zu einer eindeutigen Differenzierung zwischen Zugehörigen und Außenstehenden, insbesondere bei Betroffenen des Wandels. In der Systemtheorie wird diese systeminterne Abgrenzung als Identität bezeichnet (vgl. Luhmann 2002).
201
5 Abbildung 5/3
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Identitäten am Beispiel der möglichen Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland Wandlungskonzept
Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland
Identität
‚wirtschaftsnahe Realos’
‚alternative Fundamentalisten’
Assoziierter Wandlungsbedarf
Großer Bedarf, da der Energiebedarf sonst nicht intern gedeckt werden kann
Kein Bedarf, da die mit Atomstrom verbundenen Gefahren vermieden werden müssen
Überdenkenswertes Konzept
Unnötiges Konzept
Abhängigkeit der Wirtschaft von Energie
Gefährdung von Mensch und Natur
Deutschland als Wirtschaftsmacht, die auf Energie angewiesen ist
Deutschland als Standort, der im Vergleich zu Ländern der Dritten Welt bereits hoch belastet ist
Sicherung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit
Unnötige Verlängerung der Gefährdung
Es vergrößert sich die Chance, rechtzeitig alternative Energiequellen zu erschließen
Der Druck, alternative Energiequellen zu erschließen, wird zurückgenommen
Die Gefahr geht von unsicheren AKW in anderen Ländern aus
Je näher ein AKW, desto größer die eigene Gefährdung
Attribute im mentalen Modell
Reduktion von bei fossiler Ener- Chance zum Aufbau von erneugiegewinnung notwendigen CO2- erbaren Energiequellen Ausstößen
Wie am Beispiel der von der Energiewirtschaft geforderten Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland deutlich wird, stiften mentale Modelle Identität und steuern das dieser Identität zugeordnete Verhalten. Wähler mit eher alternativ fundamentalistischer Einstellung sehen in erster Linie eine Verlängerung der Gefährdung und eine nicht notwendige Rücknahme des politischen Drucks, die Stromproduktion auf alternative und erneuerbare Energiequellen umzustellen. Eher wirtschaftsnahe ‚Realos’ sehen hingegen in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gefährdet und argumentieren darüber hinaus, dass ein Weiterbetrieb der AKW sowohl in Bezug auf die Gefahren als auch die CO2-Belastung eine gute Lösung wäre (vgl. Abb. 5/3).
202
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2
In seinem zweiten Bestseller zum Thema Change Management „The Heart of Change“ stellt der amerikanische Autor J.P. Kotter die Emotionen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Nach über 200 Interviews in Unternehmungen aus aller Welt kommt er zu folgendem Schluss: „Our main finding, put simply, is that the central issue is never strategy, structure, culture, or systems. […] Behavior change happens in highly successful situations mostly by speaking to people’s feelings.” (Kotter/Cohen 2002, S. x). Mit diesem Statement bestätigt Kotter die Theorie mentaler Modelle in ihrer Aussage, dass Verhalten letztendlich von den im Entscheidungsmodell enthaltenen Präferenzen und Emotionen abhängt.
5.2.2
Mentale Modelle prägen Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz
Mitarbeiter zeigen sehr unterschiedliche Verhaltensweisen, wenn es darum geht, gewohnte Verhaltensweisen aufzugeben und sich auf Neuerungen einzustellen. Eine aktive, positive Bereitschaft, das Wandlungskonzept voran zu bringen, wird in der Literatur als Akzeptanz bezeichnet (vgl. Wiendieck 1992a, Sp. 91ff.). Dies entspricht auch der Diskussion um mangelnde Akzeptanz, die häufig von Praktikerseite geführt wird. Wie aber kann Akzeptanz erzielt werden, und welche Einflussfaktoren spielen dabei eine Rolle? In der Akzeptanzforschung wird für eine detailliertere Analyse zwischen ‚Einstellungsakzeptanz‘ und ‚Verhaltensakzeptanz’ unterschieden, was eine Klassifizierung der Betroffenen erlaubt und so die Ableitung zielgruppenspezifischer Maßnahmen ermöglicht.
Abbildung 5/4
Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz Positive Erfahrungen mit einem Erklärungsmodell im Erfahrungswissen Positiver Anreiz-Beitrags-Saldo in einem aktivierten Entscheidungsmodell
Einstellungsakzeptanz Verhaltensakzeptanz
203
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Allgemein versteht die Psychologie unter einer ‚Einstellung‘ die ‚Assoziation mit einer Bewertung‘ (vgl. Herkner 1992, Sp. 793). Einstellungsakzeptanz resultiert folglich aus positiven Erfahrungen (vgl. Abb. 5/4). Eine praktische Umsetzung dieser Erkenntnis liefert die aus dem Sport bekannte Regel: „Never change a winning team.“ Positive Erfahrung bestärkt den Glauben an den Erfolg. Es wird versucht, mit bewährten Problemlösungsmustern – den im Erfahrungsschatz abgelegten positiv assoziierten mentalen Modellen – erneut erfolgreich zu sein. An diesem Beispiel wird gleichzeitig die Gefahr positiver Erfahrungen deutlich. Ist der nächste Gegner anders aufgestellt als die bisherigen und kommt eine andere Taktik zum Einsatz, so ist der Trainer gut beraten, die Mannschaftsaufstellung zu überdenken. Übertragen auf das Wandlungsmanagement bedeutet dies, dass mit positiver Einstellungsakzeptanz gerechnet werden kann, sofern in der Vergangenheit mit ähnlichen Wandlungskonzepten Erfolge erzielt wurden. Gleichzeitig erklärt sich aus positiver Einstellungsakzeptanz auch das Festhalten am Bewährten und die abwehrende Haltung gegenüber Veränderungen. Ob die Einstellungsakzeptanz zu einem korrespondierenden Verhalten führt, entscheidet sich in der Problembewältigungsphase anhand der wahrgenommenen situativen Rahmenbedingungen, den mit dem Wandel verbundenen Emotionen und den Präferenzen im Entscheidungsmodell. So erklärt sich der taktische Umbau eines bewährten Teams oft durch die Aufstellung des Gegners (Annahmen im Prognosemodell). Auch kennt wahrscheinlich jeder Situationen aus dem Alltag, in denen er sich wider besseren Wissens verhalten hat. Dieses opportunistische Verhalten resultiert aus dem Anreiz-Beitrags-Saldo in den Entscheidungsmodellen. Verhaltensakzeptanz, d.h. konkretes wandlungsförderndes Verhalten, ergibt sich dann, wenn aus ganz individueller Sicht die erwarteten Vorteile überwiegen oder die drohenden Sanktionen schwerwiegender scheinen als der zu leistende Einsatz. Eindrucksvolle Belege für die Stichhaltigkeit dieser Theorie liefern regelmäßig Skandale aus dem Hochleistungssport. Einzelne Sportler setzen trotz des Wissens um die gesundheitlichen Folgen (Erklärungsmodell) zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit Dopingmittel ein und vertrauen darauf (Wahrscheinlichkeiten im Prognosemodell), dass ein Nachweis nicht gelingt. Offensichtlich wiegen die mit dem potentiellen Erfolg verknüpften emotionalen Hochgefühle in diesen Fällen die Nachteile
204
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2
der Gesundheitsschädigung auf. Für Sportler mit anders gearteten Präferenzen scheidet der Einsatz von Doping hingegen schon alleine aus Fairnessgründen aus. Auch an der Dopingproblematik wird deutlich, dass ein großer Teil der menschlichen Verhaltenssteuerung unbewusst abläuft. Zur Problembewältigung wird auf Erfolg versprechende mentale Modelle aus dem Erfahrungsschatz zurückgegriffen. Regelmäßig aktivierte und benutzte neuronale Strukturen ‚verbreitern‘ sich und lassen sich leichter wieder aufrufen (vgl. Matthies 1998, S. 18ff.), Routinetätigkeiten werden als weniger beanspruchend empfunden. Dieser Vorteil verwandelt sich in einen Nachteil, wenn neue Aufgaben eine bewusste Verhaltenssteuerung erfordern. Neue Situationen müssen in einer Problemerkennungsphase durchdacht werden, bewährte mentale Modelle sind dann kritisch zu hinterfragen.
Die Verhaltenssteuerung erfahrener deutscher Autofahrer im Straßenverkehr verläuft überwiegend unbewusst. In Deutschland ermöglicht dies ein entspanntes Reisen. Diese automatisierten Handlungen verkehren sich in einen Nachteil, wenn derselbe Autofahrer sich im Linksverkehr zurechtfinden muss. Nur eine bewusste Unterdrückung der intuitiven Reaktionen verhindert Ärger mit den anderen Verkehrsteilnehmern oder gar Zusammenstöße.
5.2.3
Zielgruppen der Promotoren und Opponenten
Anhand der Unterscheidung von Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz können die Betroffenen im Wandlungsmanagement in vier Gruppen eingeteilt werden (vgl. Abb. 5/5). Promotoren zeichnen sich durch eine positive Einstellung und eine aktive Wandlungsbereitschaft aus. In Seminaren zum Thema Wandlungsmanagement wurden solche Personen regelmäßig mit den Attributen ‚neugierig’, ‚lernwillig’, ‚aufgeschlossen’, ‚sachorientiert’, ‚begeisterungsfähig’ und ‚ansteckend’ beschrieben. Ferner zeichnen sie sich in der Wahrnehmung ihrer Kollegen durch ‚Energie’, ‚Arbeitseinsatz’ und ‚Leistungswille’ aus. Es ist daher nicht überraschend, dass bereits im Columbus-Projekt von Witte (vgl. 1973) das Vorhandensein von Promotoren ein entscheidendes Merkmal der erfolgreichen Wand-
205
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
lungsprojekte war. In der Analogie der Mechanik entsprechen Promotoren den Zug- und Druckkräften, die neben der Erzeugung kreativer Spannung auch Bewegung in das System bringen.
Abbildung 5/5
Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz
positiv
Potentieller Promotor
Promotor
Opponent
Verdeckter Opponent
negativ
positiv
Einstellungsakzeptanz negativ
Verhaltensakzeptanz
Das logische Gegenstück zum Promotor ist der Opponent. Diese Betroffenengruppe zeigt ihre negativen Einstellungen auch in einer ablehnenden Haltung und der Verweigerung aktiven Zutuns. Merkmale, die von Seminarteilnehmern den Opponenten zugeschrieben wurden, lauten ‚Enttäuschung’, ‚Resignation’, ‚Querulantentum’, ‚Besitzstandswahrung’. Opponenten zählen üblicherweise zu denjenigen, deren Besitzstand durch das Wandlungsprogramm gefährdet sein könnte. Sie sind daher in der Regel unter den Mitarbeitern mit längerer Betriebszugehörigkeit zu finden, die aufgrund früherer Verdienste Sonderrechte aller Art genießen. Die Tatsache, dass Opponenten in Start up-Unternehmungen ebenso zu finden sind wie in Traditionsfirmen, belegt die kausale Unabhängigkeit vom Alter eines Menschen. Dennoch sind es die positiven wie negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit, die neurophysiologisch nicht mehr gelöscht werden können. Für das Wandlungsmanagement ist daher entscheidend, dass es bei ‚alten Geschichten’ bleibt und nicht überkommene Erfahrung die Auseinandersetzung mit Neuem verhindert. In der Mechanikanalogie argumentiert stehen
206
Verhaltenssteuerung durch mentale Modelle
5.2
die Opponenten für die Flächenträgheit oder das Beharrungsvermögen des Systems Unternehmung. Neben der bewussten Umgehung oder einer Trennung von Opponenten sind daher das direkte Anbringen von Kräften, d.h. eine aktive Beteiligung der Bremser, der gezielte Nachteilsausgleich und das Setzen materieller und positioneller Anreize die Erfolg versprechendsten Maßnahmen. Die Scheu vor dem Unbekannten haben die verdeckten Opponenten bereits überwunden. Trotz negativer Einstellungsakzeptanz zeigen sie positives Verhalten in der Umsetzung des Wandlungskonzepts. Auch diese Personengruppe wird mit typischen Attributen beschrieben: ‚Sicherheitsdenken’, ‚nicht auffallen wollen’, ‚Mitläufer’, ‚Opportunist’, ‚Pragmatiker’, ‚keine Alternative’. Auffällig sind hohe Sicherheits- und soziale Bedürfnisse, emotionale Verunsicherung sowie das Einfordern klarer Führung. Darüber hinaus sind sie trotz oberflächlich positivem Verhalten keine verlässlichen Partner (‚Ambivalente’, vgl. Schirmer/Luzens 2003). Typischerweise scheuen verdeckte Opponenten die Außenseiterposition und lassen sich zumindest zum Mitmachen bewegen. Erfahrene Wandlungsmanager nutzen dies und binden die Wackelkandidaten in die Projektarbeit ein. Zeigen sich erste Erfolge, erweisen sich Befürchtungen als unbegründet oder wird ein individueller Nutzen für den verdeckten Opponenten deutlich, so ändert er aufgrund der gemachten Erfahrungen oftmals auch seine negative Einstellung. Andererseits bestärkt jeder Fehlschlag negative Einstellungen. Um ihrem hohen Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen, könnten verdeckte Opponenten nun den Wandel sabotieren, um vermeintlich größeren Schaden zu vermeiden. Ein verdeckter Opponent ist somit ein Paradebeispiel für das Aneinanderhaften der Partikel, für die innere Reibung in einem System. Es zeigt sich daher, wie wichtig für den Wandlungsmanager die Kenntnis der sozialen Beziehungen in der Unternehmung ist, um die verdeckten Opponenten für sein Konzept zu gewinnen. Die potentiellen Promotoren, obwohl sprachlich positiv assoziiert, sind die für das Wandlungsmanagement am schwierigsten zu beeinflussende Gruppe. Gleichzeitig wirkt ihre negative Verhaltensakzeptanz extrem bremsend auf den Wandlungsfortschritt. Von den Kollegen werden potentielle Promotoren häufig als ‚Perfektionist’, ‚Experte’ oder ‚Schlüsselfigur’ bezeichnet. Ebenso werden Äußerungen wie ‚Angst vor der Courage’, ‚ruhiger Zeitgenosse’, ‚kämpft für
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
seine Überzeugungen’ genannt. Auch wenn sie in der Regel nicht die zahlenmäßig größte Gruppe darstellen, verkörpern potentielle Promotoren den Schwerpunkt der Unternehmung, der nur mit großem Aufwand bewegt werden kann. Ihr passives Verhalten gegenüber dem Wandlungskonzept erklärt sich aus den Kompromissen, die im Wandel getroffen werden müssen. Ein potentieller Promotor sucht die 100%-Lösung. Eine Möglichkeit für das Wandlungsmanagement, die sich im praktischen Einsatz bewährt hat, ist der Einsatz potentieller Promotoren als Fachexperten in ausgewählten Projektteams. Aber Vorsicht ist angebracht: potentielle Promotoren brauchen starke Führung, sonst bleiben sie letztendlich passiv und kehren bei Nachlassen der unmittelbaren Krafteinwirkung (Führung) wieder in ihren Schwerpunkt zurück.
5.3
Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top down-Vorgehen
5.3.1
Gestaltung der Aktivierungssituation zur Umsetzung
Die grundlegende Vorgehensweise bei Top down-Implementierung wurde bereits in Kapitel 4.2 erläutert. Ziel ist vor allem ein schnelles, abgestimmtes Handeln zur Deckung dringender Wandlungsbedarfe. Die besondere Herausforderung besteht darin, die aufgrund der mangelnden Beteiligung der Mitarbeiter bei der Entwicklung des Wandlungskonzepts zu erwartenden Abwehrreaktionen vorauszusehen und abzufedern. Dennoch ist auch bei Top down-Vorgehen Akzeptanzaufbau möglich. Nachfolgend wird erläutert, wie durch eine gezielte Gestaltung der Aktivierungssituation kurzfristig Verhaltensakzeptanz erzielt und durch eine ex post-Problemerkennung langfristig auch Einstellungsakzeptanz aufgebaut werden kann. Wie bei der Analyse der offenen und verdeckten Opponenten deutlich wurde, kann Einstellungsakzeptanz durch die Vermittlung positiver Erfahrungen, d.h. durch Beteiligung am Wandlungskonzept, erzielt werden. Genau dies ist in der Regel durch den Zeitdruck und die gebotene Vertraulichkeit beim Top down-Vorgehen jedoch nicht möglich. Bei direktivem Vorgehen gilt es daher, zur Erreichung der
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Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top down-Vorgehen
5.3
kurzfristigen Wandlungsziele zunächst eine positive Verhaltensakzeptanz der Mitarbeiter zu erreichen. Wichtig ist eine kurzfristige, schnelle und abgestimmte Problembewältigung. Folglich ist die vordringliche Aufgabe des Wandlungsmanagements, aus bekannten Problemlösungsmustern der Mitarbeiter ein Wandlungskonzept zu konstruieren. In der Wandlungskoalition müssen daher Führungskräfte vertreten sein, die die Mitarbeiter gut kennen und deren Reaktionen auf bestimmte Reize vorhersagen können.
Deutsche Schulen führen in jedem Schulhalbjahr Feueralarmübungen durch. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass jeder Lehrer und jeder Schüler weiß, wie er sich im Notfall zu verhalten hat. Wichtig ist, dass der Alarm ernst genommen wird und nicht einzelne Betroffene eigenmächtig agieren und das Gebäude nicht verlassen. Neben der Übung des Notfallverhaltens zählt daher auch die Glaubwürdigkeit des Alarmsignals zu den Erfolgsfaktoren im Ernstfall. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 haben unter dem Schlagwort ‚Continuity Management’ ähnliche Feueralarm-Konzepte Einzug in die Unternehmungspraxis gehalten. Ziel ist es, die Notfallrisiken für die Geschäftstätigkeit zu identifizieren und den Wiederanlauf der Prozesse in einer Notfallsituation gezielt zu steuern.
Am Beispiel des Continuity Managements wird die herausragende Bedeutung der Aktivierungssituation für erfolgreiche Top downImplementierung deutlich. Das Topmanagement muss den Wandlungsbedarf richtig erkennen und interpretieren. Auf dieser Basis kann dann gezielt die Aktivierungssituation gestaltet und zur Mobilisierung der Mitarbeiter eingesetzt werden. Die Betroffenen dürfen keine Zweifel an der richtigen Darstellung der Situation hegen, unabhängig davon, ob das Topmanagement eine Bedrohung oder eine Chance als Auslöser nutzt (vgl. Bruch/Vogel 2005, S. 87ff.). Gelingt es, mit den richtigen Reizen die erwünschten Beschreibungs- und Erklärungsmodelle im Kurzzeitgedächtnis zu aktivieren, so kann eine weitgehend reibungsfreie Verhaltensakzeptanz erreicht werden.
Die LUFTHANSA AG hat mit dem für undenkbar gehaltenen, aber erfolgreichen Turnaround Anfang der 90er Jahre und den nachfolgenden Veränderungsprogrammen eine Reihe an Reaktionsmechanismen aufgebaut, die ihr
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
bei der Bewältigung der Krise nach dem 11. September 2001 sehr zugute kamen. Die Stilllegung von Flugzeugen, freiwilliger Gehaltsverzicht oder sofortiger Abbau von Überstunden und Urlaub mussten nicht erst neu erlernt werden, sondern waren mehr oder weniger bekannte Übungen. Dem Management kam dabei zu Hilfe, dass im Herbst 2001 bei keinem Mitarbeiter Zweifel an der akuten Krisensituation bestand. Das Management konnte daher ohne größere Kommunikationsmaßnahmen die bewährten mentalen Modelle zu diesen Mechanismen aktivieren (Quelle: Bruch/Vogel 2005, S. 97f.).
Für eine schnelle Implementierung von Wandlungskonzepten ist es zwingend erforderlich, dass ein zeitaufwändiges Durchlaufen einer Problemerkennungsphase auf Seiten der Mitarbeiter zunächst vermieden wird. Ergänzend sollte durch gezielte Anreizsetzung und Schaffung von positiven Emotionen Einfluss auf die Präferenzstruktur im Entscheidungsmodell genommen werden. Diese Maßnahme zielt insbesondere auf die verdeckten Opponenten, der bei Top down-Vorgehen in der Regel von der Anzahl her größten Betroffenengruppe. Hierzu dient der gezielte Einsatz von Belohnungsund Sanktionsmacht. In der Analogie der Mechanik argumentiert, werden Zug- und Druckkräfte aufgebracht, die zwar Spannungen erzeugen, jedoch die Mitarbeiter in Bewegung versetzen. Auf diese Weise werden aus passiv Betroffenen zumindest Mitläufer. Erzielte Wandlungsfortschritte erzeugen positive Emotionen und führen zu persönlichen Erfolgserlebnissen, so dass mittel- bis langfristig auch Einstellungsakzeptanz aufgebaut werden kann. Checkliste zur Aktivierungssituation Gibt es erklärte Feindbilder? Lassen sich diese übertragen? Welche Situationen wurden als besonders erfolgreich empfunden? Welche Situationen sind als besonders bedrohlich in Erinnerung? Gibt es positive Erfahrungen mit Wandel, auf die aufgebaut werden könnte? Gibt es positiv assoziierte Personen, die zur Kommunikation eingesetzt werden können? Welche Kommunikationsmedien sind positiv/negativ belegt? Gibt es Örtlichkeiten von besonderer Bedeutung in der Unternehmungshistorie?
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Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top down-Vorgehen
5.3
Zur Gestaltung der Aktivierungssituation zählen sowohl der bewusste Einsatz von Anreizen und Macht als auch der zielorientierte und abgestimmte Einsatz aller Arten der Kommunikation bei deren Vermittlung. Dabei ist gezielt zu bedenken, welche Emotionen angesprochen werden sollen, um die Organisationale Energie (vgl. Kap. 5.5) zu steuern.
Wie sind die anderen Betroffenengruppen bei der Gestaltung der Aktivierungssituation zu berücksichtigen? Da die Interpretation der Ausgangslage und die Gestaltung der Aktivierungssituation in den Händen des Topmanagements liegen, entscheidet sich die Frage nach positiven oder negativen Einstellungen unmittelbar an den handelnden Personen. Positive Erfahrungen mit den Wandlungsträgern können zu positiver Einstellungsakzeptanz führen, woraus sich in der Regel die Gruppe der Promotoren rekrutieren wird. Schlechte Erfahrungen mit den Botschaftern mindern hingegen die Glaubwürdigkeit der Wandlungsbotschaft. Die Frage, ob sich einzelne Betroffene als Promotoren erweisen oder nicht, hängt daher unmittelbar von der Glaubwürdigkeit und Autorität des Topmanagements ab. Sollten diese in den Augen der Betroffenen grundsätzlich nicht gegeben sein, so wird in der Regel das Aufsichtsgremium ohnehin über den Austausch von Personen nachdenken. Auf jeden Fall ist dringend angeraten, die Trägergruppe um eine positiv assoziierte oder zumindest neutrale Person zu ergänzen und diese in den Mittelpunkt der Kommunikation zu stellen. Neben dem Versuch, die an die handelnden Personen geknüpften positiven Erfahrungen zu aktivieren, sollten unter allen Umständen Assoziationen mit Negativerlebnissen aus der Vergangenheit vermieden werden, um nicht unnötig offenen Opponenten Wasser auf die Mühlen zu gießen. Dies bezieht sich sowohl auf den Namen des eingesetzten Konzepts (‚nie wieder Business Reengineering’) als auch auf Personen aus der Wandlungskoalition (‚der hat noch nie Erfolg gehabt’). Solche Seitenkräfte führen zu Spannungen unter den Betroffenen, die leicht zum Scheitern des Wandels führen können. Worst Case-Szenario ist eine offene Verweigerungshaltung auf breiter Front aufgrund negativer Propaganda der Opponenten. Lässt sich dieser Fall nicht weitgehend ausschließen, so sollten Opponenten im Vorfeld entmachtet werden. Weiterhin ist der Versuch
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Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
angeraten, die Wandlungskoalition um Meinungsführer aus den Mitarbeitern zu erweitern. Gelingt es, diese als Promotoren zu gewinnen, kann eine offene Meuterei verhindert werden.
Kennt ein Betriebsrat seine gesetzlich verankerten Rechte, kann er einen unvermeidbaren Personalabbau unnötig verzögern. Es ist daher angeraten, den Sozialpartner frühzeitig bei der Entwicklung eines Abbauplans einzubeziehen und ihm die Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung zu geben. Beratungsunternehmungen wie die BR-CONSULTANTS GMBH haben sich darauf spezialisiert, Betriebs- und Personalräte bei der Plausibilitätsprüfung mitbestimmungspflichtiger Konzepte zu unterstützen. Die fachliche Beratung der Arbeitnehmervertreter sichert zum einen den Mitarbeitern die Nachhaltigkeit des Konzepts zur Standorterhaltung. Zum anderen profitiert die Unternehmungsleitung sowohl von möglichen neuen Ideen der Mitarbeiterseite bezüglich des Geschäftskonzepts als auch von einer zeitnahen Verhandlungslösung, die vom Betriebsrat mitgetragen wird.
5.3.2
Problemverifikation zur Verankerung der Wandlungsergebnisse
Die größte Gefahr bei Top down-Implementierung liegt darin, dass zwar eine kurzfristige Umsetzung gelingt, aber bereits mittelfristig die Mitarbeiter wieder zu ihren gewohnten Verhaltensweisen zurückkehren. Im Sinne der Mechanikanalogie hat die Unternehmung ihre Zähigkeit gezeigt und kehrt nach elastischer Verformung wieder in den Ausgangszustand zurück. Als Ergebnis bleibt eine weitere Erfahrung, dass durch kurzfristige Dehnung vieles ausgesessen werden kann. Dieser auch als Remanenz bekannte Effekt verhindert nicht nur die Erreichung der Wandlungsziele, er untergräbt zusätzlich auch die Autorität des Topmanagements im Hinblick auf weitere Veränderungsvorhaben. Wie lassen sich solche schlechten Erfahrungen vermeiden? Ziel ist es, die eingeschlagene Lösung ex post als die einzig gangbare zu verifizieren. Aus der elastischen muss eine plastische Verformung mit bleibenden Veränderungen werden. Ein solches nachträgliches Durchlaufen der Problemerkennungsphase geschieht jedoch nicht von selbst. Es bedarf einer gezielten Kommunikation, deren Aufwand nicht unterschätzt werden sollte. Die zugehörigen Methoden und Instrumente des Kommunikationsmanagements (vgl. Kap. 8)
212
Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top down-Vorgehen
5.3
bedürfen für den Fall der direktiven Implementierung einer speziellen Ausgestaltung.
Um ein Versanden der erzielten Wandlungsergebnisse zu vermeiden, muss bei Top down-Implementierung ex post eine bewusste Problemerkennung durchlaufen werden. Das gezeigte Wandlungsverhalten wird nachträglich als richtig verifiziert und als positive Erfahrung abgespeichert. Dem strikt direktiven Vorgehen der Wandlungskoalition wird ex post die Legitimation zugebilligt.
Ein Kardinalfehler wäre es, die angewendete ‚Überrumpelungstaktik’ zu leugnen und Vorwürfe der mangelnden Beteiligung abzustreiten. Eine nachträgliche Problemerkennung kann nur dann erfolgreich sein, wenn die realen Geschehnisse gemeinsam aufgearbeitet werden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Hauptverantwortlichen der Wandlungskoalition in den aufwändigen Kommunikationsprozessen persönlich als Sender agieren müssen.
Ein Musterbeispiel gelungener ex post-Kommunikation und Bestärkung in der Richtigkeit des eingeschlagenen Wegs liefert die Beschreibung der Überzeugungsarbeit des Krankenhausmanagers Paul Levy: „Dies ist eine traurige Woche […] hart für diejenigen, die noch da sind […] die Büros sind leerer als sonst. […] Wir wollen nicht bloß überleben. Wir wollen blühen und gedeihen und allen zeigen, von welch großer Bedeutung ein akademisches Lehrkrankenhaus wie unseres für die Region ist.“ Im weiteren Verlauf des Turnaround-Prozesses betonte Levy regelmäßig die nach wie vor akute Krisensituation. Als die finanziellen Ergebnisse dann erstmals positiv ausfielen, lobte er seine Mannschaft und dankte für die geleistete Unterstützung des Konzepts (Quelle: Garvin/Roberto 2005, S. 58ff.).
Über allgemeine Kommunikationsmaßnahmen wie Mitarbeiterzeitschriften und Rundmails sind persönliche Gespräche mit den Schlüsselpersonen unter den Betroffenen unersetzlich. Wichtig ist insbesondere, die persönliche Wertschätzung zu verdeutlichen. Die unterschwelligen Zweifel an der Richtigkeit des direktiven Vorgehens sollten in der Sachlogik bestätigt werden, natürlich hätte eine aktive Beteiligung und bessere Information im Vorfeld zu mehr
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Akzeptanz geführt. Daher muss schlüssig aufgezeigt werden, dass die äußeren Umstände (z.B. bei einem Merger) dies nicht zugelassen haben (anderes Erklärungsmodell) oder aber aus Gründen des höheren Zeitbedarfs zu deutlich schlechteren Ergebnissen geführt hätten (Widerlegen des Prognosemodells). Dem Streben der Betroffenen, in den Ausgangszustand zurückzukehren und dann mit eigenen Mitteln zu agieren, kann so Einhalt geboten werden. Neben dem persönlichen Gespräch der handelnden Personen können zur Legitimation des direktiven Vorgehens auch gezielt neutrale Experten eingesetzt werden. Konkrete Maßnahmen reichen von Pressemitteilungen über Interviews mit ausgewählten Journalisten bis hin zu nachträglichen Gutachten durch externe Berater. Alle diese Maßnahmen können sehr wirkungsvoll sein, wenn sie auf wahren Gegebenheiten aufbauen. Sie werden jedoch zum Boomerang, wenn sie lediglich der Verschleierung einseitiger Interessenwahrnehmung dienen sollen. Viele Mitarbeiter sind zwar nicht sehr geübt im Kommunizieren, sie spüren jedoch sehr schnell, ob sie ernst genommen oder nur benutzt werden. Es besteht die Gefahr, dass gerade die wertvollen Mitarbeiter die Unternehmung nach einer solchen (Ent-)Täuschung verlassen. Checkliste zur ex post-Problembewältigung Welche sachlichen Bedenken gegen die direktive Implementierung werden im Nachhinein von den Betroffenen diskutiert? Wer fühlt sich durch die mangelnde Aufklärung in der Initialisierungsund Konzipierungsphase übergangen oder in seiner Position angegriffen? Welche Argumente sprechen eindeutig gegen die Erfolgsaussichten einer Implementierung mit stärkerer Partizipation der Betroffenen? Anhand welcher nach Umsetzung des Wandlungskonzepts vorliegenden Sachinformationen können Argumente pro Partizipation ex post entkräftet werden? Welche Zahlen, Daten, Fakten sprechen eindeutig gegen eine Rückkehr in den Ausgangszustand? Wer sind die entscheidenden Personen für eine Verankerung der Wandlungsergebnisse? Welche Kompensationsgeschäfte können im Nachhinein einzelnen Opponenten angeboten werden?
214
Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Top down-Vorgehen
5.3
Der nachträgliche Problemerkennungsprozess kann also auch in unerwünschten Erkenntnissen enden. Schlechte Nachrichten wie die Kunde, man sei angelogen und missbraucht worden, sprechen sich schnell herum und sind oft nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Dies wiederum führt zu bleibenden Schäden nicht nur hinsichtlich der Wandlungsbereitschaft, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Ist der Ruf als Arbeitgeber erst einmal ruiniert, wird es sehr schwer werden, wandlungsfähige und begeisterungswillige Mitarbeiter zu gewinnen. Die Risiken einer Top down-Implementierung sind groß, können aber getragen werden, wenn man sich der Möglichkeiten und Grenzen des Akzeptanzaufbaus bei dieser Implementierungsvariante bewusst ist. Checkliste Grenzen und Risiken der Top down-Implementierung Ist eine Beteiligung der Betroffenen wirklich ausgeschlossen? Wer muss in die Wandlungskoalition aufgenommen werden, um ein umsetzbares Wandlungskonzept anhand bekannter Problemlösungsmuster konzipieren zu können? Welche zusätzlichen Verhaltensweisen können im Sinne eines Continuity Managements noch antrainiert werden? Welche Reize und welche Medien können zur Gestaltung der Anreizsituation eingesetzt werden? Mit welchen inneren Spannungen ist zu rechnen, wenn durch Anreize und Sanktionen Zug- und Druckkräfte aufgebracht werden? Wie groß ist das Beharrungsvermögen? Wie stark ist die Zähigkeit, d.h. kurzfristiges Mitlaufen mit der Tendenz zum langfristigen Aussitzen, ausgeprägt? Mit welchen Maßnahmen kann eine Rückkehr in den Ausgangszustand verhindert werden, wenn die Betroffenen mitlaufen? Wo liegt die Bruchfestigkeit? Bei Erreichen welcher Grenzen steigen die Betroffenen aus?
215
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
5.4
Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Bottom up-Vorgehen
5.4.1
Enabling-Prozess als notwendige Voraussetzung
Die Möglichkeiten und Grenzen des Akzeptanzaufbaus bei Bottom up-Vorgehen sind deutlich anders gelagert als im Fall der direktiven Implementierung. Insbesondere hinsichtlich einer aktiven Beteiligung der Betroffenen stehen alle Wege offen. Die Grundsatzfrage der Praxis lautet allerdings: Wie bringe ich die Mitarbeiter dazu, Initiative zu zeigen? An diesem Problem werden die drei Elemente eines Bottom up-Vorgehens deutlich: 1. Schaffen der generellen Voraussetzungen für Mitarbeiterinitiative unabhängig von einem einzelnen Wandlungsbedarf. Diese dem Transformationsprozess zeitlich vorgelagerte Aufgabe (vgl. Kap. 4.1.3) obliegt dem Topmanagement. 2. Erkennen von Wandlungsbedarfen und Ausarbeitung von zugehörigen Konzepten. Dies umfasst die Aufgaben der Phasen Initialisierung, Konzipierung im Wandlungsprozess und erste Schritte der Mobilisierung. Hier ist die Initiative der Mitarbeiter gefordert. 3. Auswahl und Durchsetzung alternativer Konzepte als Aufgaben der Umsetzung und Verstetigung. Dies ist eine originäre Topmanagementaufgabe, wobei in der Regel die Vertreter des Konzepts die Umsetzung als Promotoren unterstützen. Die Praxis scheut sich häufig vor dem Einsatz von Ressourcen zur Schaffung der personellen, organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen, da aufgrund der benötigten Vorlaufzeit für den Enabling-Prozess dieses Investment unabhängig von einem konkreten Wandlungsbedarf zu tätigen ist. Eines muss jedoch klar sein: Auf Initiative der Mitarbeiter zu setzen, ohne als Management die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben, heißt Flucht vor der eigenen Verantwortung. Die erste Voraussetzung, die für eine Bottom up-Initiative notwendig ist, ist das Vorhandensein der richtigen Leute an den richtigen Stellen in der Unternehmung. Zu diesen personellen Vorausset-
216
Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Bottom up-Vorgehen
5.4
zungen zählt in einem ersten Schritt die Definition klarer Auswahlkriterien für die Stellenbesetzung. Ein Umbau der Mitarbeiterschaft wird unter den Rahmenbedingungen deutschen Arbeitsrechts immer nur schrittweise erfolgen können. In Abhängigkeit von der Ausgangssituation wird sich auch ein Abbau von Mitarbeitern nicht immer vermeiden lassen. Wichtigster Erfolgsfaktor ist die Besetzung der Führungspositionen. Ziel eines Umbaus ist es, durch adäquate Personalauswahl und -entwicklung klare Führung in Richtung Eigeninitiative und Verantwortung für die Unternehmung zu leben. Nur auf diese Weise kann Einstellungsakzeptanz gegenüber selbst initiiertem Wandel aufgebaut werden.
Nach der Übernahme des Vorstandsvorsitzes der LINDE AG stellte Wolfgang Reitzle die Weichen für einen weitgehenden Umbau des Traditionskonzerns. Auf Reitzles Initiative wurden alle Führungskräfte überprüft, Schlüsselpositionen neu besetzt und eine neue Personalentwicklungsstrategie verabschiedet. Auch die systematische Schulung der Mitarbeiter nach dem Six Sigma-Konzept und die Einführung der Balanced Scorecard zur Steuerung der Geschäftsprozesse nach einheitlichen Kennzahlen und Messgrößen trugen zur Verbesserung der Wandlungsfähigkeit bei. Auch wenn Wolfgang Reitzle die anschließenden Konzepte eher direktiv implementierte, so wurden mit diesem Enabling-Prozess die Voraussetzungen geschaffen, um mit der Unterstützung der Mitarbeiter einen bemerkenswerten Wachstumssprung hinzulegen und die Marktkapitalisierung zu verdoppeln. Nachdem die Mannschaft fit gemacht war, gelangen dann auch die Übernahme von BOC, die Abspaltung der Material Handling Sparte und der spätere Verkauf der KION AG.
Neben den personellen sind auch die organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für Eigeninitiative zu schaffen. Ansatzpunkte hierfür liefern die Inhaltstheorien der Motivation. Gemäß dem Defizitprinzip (vgl. Maslow 1970) motivieren nur solche Bedürfnisse, die noch nicht befriedigt sind. Demzufolge ist zunächst durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen sicherzustellen, dass insbesondere Sicherheitsbedürfnisse und soziale Anerkennung gegeben sind. Herzberg (vgl. 1968) beschreibt dies als das Einhalten von Hygienebedingungen, ohne die keine Eigeninitiative gedeihen kann. In mentalen Modellen argumentiert, resultiert aus der Sicherstellung der Basisbedürfnisse eine Umbewertung der Alternativen in den Entscheidungsmodellen. Wandel wird so weniger risikoreich. Zu den entsprechenden Maßnahmen zählt nicht zuletzt die Gewäh-
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
rung zeitlicher und finanzieller Freiräume. Eigeninitiative außerhalb der Linienaufgaben muss erlaubt sein, damit die Befriedigung der Sicherheitsbedürfnisse nicht gefährdet ist. Aus gleichem Grund muss in gewissem Umfang Zugang zu finanziellen Mitteln bestehen. Erst wenn diese Ausgangsbedingungen geschaffen sind, können die sog. Motivatoren ihre Wirkung entfalten. Hierunter fallen nach den Untersuchungen von Herzberg vor allem die Aufgabenorientierung und die Anerkennung individueller Leistung durch die Führungskräfte.
Ein gutes Beispiel für Eigeninitiative der Mitarbeiter fördernde organisatorische und infrastrukturelle Voraussetzungen liefert GOOGLE. Damit die Produktpipeline nicht abreißt, haben die mehr als 1.000 Entwickler einen Tag in der Woche keine andere Aufgabe, als über neue Produkte nachzudenken (Quelle: FAZ vom 30.01.2006).
Checkliste organisatorische und personelle Voraussetzungen Welche Ausgangsbasis liegt hinsichtlich des Mitarbeiterstamms vor? Sitzen an den wichtigen Stellen die richtigen Leute? Wie ist es um die Eignung der Führungskräfte bestellt? Welche Sachverhalte führen zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern? Wie können diese Dinge abgestellt werden, um hygienische Bedingungen zu schaffen? Wie stark sind die Mitarbeiter ausgelastet? Sind genügend zeitliche Freiräume für Eigeninitiative vorhanden? Ist in den Budgets Spielraum für Experimente? Lässt das Berichtswesen eine Mittelverwendung für Eigeninitiative zu? Besteht bei guten Ideen die Möglichkeit, ein Innovationsbudget einzufordern und Unterstützung durch einen Sponsor zu bekommen?
5.4.2
Durchsetzung nach Genehmigung durch das Topmanagement
Bei gegebenen Voraussetzungen zeigen fähige Mitarbeiter Initiative, bilden Wandlungskoalitionen und erarbeiten Konzepte. In der Regel existieren mehrere dieser Koalitionen parallel, die für alternative Wandlungsoptionen Vorstudien ausarbeiten. Tiefgreifender Wandel im Sinne einer strategischen Erneuerung ist jedoch sehr ressourcenaufwändig. Für eine unternehmungsweite Umsetzung und Durch-
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Maßnahmen zur Verhaltensänderung bei Bottom up-Vorgehen
5.4
setzung eines der vorgeschlagenen Konzepte muss das Topmanagement Ressourcen bewilligen. Eine von der Unternehmungsbasis getriebene strategische Erneuerung ohne Genehmigung durch das Topmanagement ist schlichtweg unmöglich. Die Managementherausforderung besteht darin, im Sinne der Unternehmungsstrategie kompatible Programme auszuwählen und einen zielorientierten Einsatz der Mittel sicherzustellen.
Bei GOOGLE ist der gesamte Innovationsprozess auf Chefentwicklerin Marissa Meyer zugeschnitten. „Es ist mein Job, die Vorschläge zu prüfen, Verbesserungsvorschläge zu machen und zu schauen, ob die Produkte in unsere Strategie passen. […] Wir entwickeln Dienste, die uns helfen, die Informationen der Welt zu organisieren. Wir sind und bleiben eine Suchmaschine.“ Maßgeblich geleitet von dieser Unternehmungsmission entscheidet sie, welche Ideen den GOOGLE-Gründern vorgestellt werden (Quelle: FAZ vom 30.01.2006).
Ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung und Auswahl der vorgestellten Alternativen sind neben der Wertebasis der Unternehmung – explizit oder implizit – immer auch die handelnden Personen, die für ein Konzept stehen. Bei Nicht-Genehmigung eines ausgearbeiteten Konzepts verlassen oftmals ganze Teams die Unternehmung und suchen ihren persönlichen Erfolg in der unternehmerischen Selbstständigkeit. Checkliste Ressourcenzuweisung Welche Konzepte unterstützen die verfolgte Unternehmungsstrategie? Sprechen die Potentiale eines der Konzepte für ein Überdenken der Unternehmungsstrategie? Sind die Annahmen, die dem business case zugrunde liegen, realistisch? Liegen Studien (Zahlen, Daten, Fakten) vor, die dies bestätigen? Bestehen Zielkonflikte zwischen Konzepten aus der engeren Auswahl? Besteht die Gefahr, dass bei Nicht-Genehmigung ihres Konzepts wichtige Personen die Unternehmung verlassen? Welche Folgen hätte der Weggang dieser Schlüsselpersonen zum einen für die Weiterentwicklung der Unternehmung, zum anderen für die Motivation der verbleibenden Mitarbeiter?
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Abgesehen von den inhaltlichen Aspekten sind deshalb bei der Auswahl der weiter zu verfolgenden Konzepte die aufgrund der personellen Besetzungen zu erwartenden Widerstände und Verluste zu berücksichtigen. Eine goldene Entscheidungsregel für diesen Fall gibt es nicht. Wer sich im ersten Schritt für ein Bottom up-Vorgehen entscheidet, fördert Eigeninitiative der Mitarbeiter, die bei NichtGenehmigung bis zum Schritt in die Selbstständigkeit der Initiative führen kann. Das Beispiel GOOGLE zeigt, dass ein eindeutiger Auftrag in der Unternehmungsmission – to organize the world's information and make it universally accessible and useful – den Mitarbeitern nicht nur Orientierung sondern auch Identifikationsbasis bieten kann. Durch eine solch klar umrissene Wertebasis, eine darauf abgestimmte Strategie und ein Meilensteinreporting während der Konzipierungsphase kann einem Abwandern der Leistungsträger weitestgehend vorgebeugt werden. Zusätzlich sollte als Teil des EnablingProzesses oder im Rahmen der Verstetigung ein Retention Management aufgebaut werden. Im Idealfall gelingt es, die Mitarbeiter so stark an die Unternehmung zu binden, dass sie ihre eigene Weiterentwicklung nicht an einzelne Projekte knüpfen. Auch bei Bottom up-Implementierung erfolgt die flächendeckende Realisierung des Wandlungskonzepts erst in der Umsetzungsphase. Die Überwindung der Trägheit der Masse ist in der Regel jedoch mit weniger Ressourcen zu bewerkstelligen als bei Top downVorgehen. Da die Betroffenen das Konzept selbst initiiert und ausgearbeitet haben, kann davon ausgegangen werden, dass weniger ungeahnte Fallstricke im Weg liegen. Diese Tatsache sollte auch in der Kommunikation genutzt werden, so dass in den Augen der Betroffenen eine Blockadehaltung einem Verrat an der eigenen Idee oder zumindest der eigenen Mannschaft gleich kommen würde. Weitere Zug- und Druckkräfte zur Mobilisierung der Masse lassen sich durch Einsatz der Mitarbeiter aus der ursprünglichen Wandlungskoalition in der Projektorganisation aufbringen. Solche Projekt- und Teilprojektleiter sind die besten Fachpromotoren, die man sich wünschen kann. Gleichzeitig ist vonseiten des Topmanagements die volle Unterstützung im Sinne des Machtpromotors sicherzustellen. In Abhängigkeit vom Inhalt und Ausmaß des zu deckenden Wandlungsbedarfs kann auch der Einsatz von Prozess-
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Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie
5.5
und Beziehungspromotoren sinnvoll sein. Für die Rolle des Prozesspromotors fehlt in der Praxis oftmals ein geeigneter interner Kandidat, der über die zur Steuerung des Transformationsprozesses notwendigen Methoden- und Kommunikationsfähigkeiten verfügt. Die Stelle eines Chief Restructuring Officers wird daher nicht selten extern mit Managern mit Großprojekterfahrung oder ehemaligen Unternehmungsberatern besetzt. Betrifft die strategische Erneuerung auch die Lieferanten- und Kundenbeziehungen, kann für die Netzwerkpflege und die Kommunikation mit den externen Anspruchsgruppen zusätzlich die Rolle eines Beziehungspromotors besetzt werden. Geeignet sind hierfür externe Branchenexperten, die aufgrund ihrer Expertise bei allen Betroffenen Autorität genießen und im Rahmen des Transformationsprozesses – oft nur nebenamtlich – die Kommunikation zwischen den Parteien sicherstellen.
5.5
Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie
5.5.1
Energieverläufe in Wandlungsprozessen
Promotoren und Opponenten bilden im Wandel ein Kraftfeld der Implementierung (vgl. Kap. 4). In Abhängigkeit von Art und Umfang des Wandlungsbedarfs und den mit dem Wandlungskonzept verbundenen Zukunftsaussichten werden die Auseinandersetzungen in unterschiedlicher Intensität und Qualität geführt. Wie in der Mechanikanalogie benötigt es auch im Unternehmungswandel eine nicht unbeträchtliche Energie, um Wandel herbeizuführen. Der Lage- und Bewegungsenergie in der Physik stehen im sozialen System Unternehmung verschiedene Zustände Organisationaler Energie gegenüber.
Organisationale Energie ist die Kraft, mit der eine Unternehmung zielgerichtet Dinge bewegt. Die Stärke der Organisationalen Energie zeigt, in welchem Ausmaß die vorhandenen Potentiale mobilisiert wurden (vgl. Bruch/Vogel 2005, S. 31).
221
5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Anhand der beiden Dimensionen Intensität und Qualität können die Zustände der korrosiven Energie, der resignativen Trägheit, der angenehmen Trägheit und der produktiven Energie unterschieden werden (vgl. Abb. 5/6, Bruch/Vogel 2005, S. 42). Wesentliches Merkmal korrosiver Energie ist eine zwar hohe Intensität, die Potentiale werden aber nicht im Sinne der Unternehmungsziele produktiv genutzt. Die Mitarbeiter verwenden einen Großteil ihrer Energie für interne Grabenkriege, Spekulationen und mikropolitische Auseinandersetzungen. Teilbereiche der Unternehmung schwächen sich gegenseitig und verhindern gemeinsame Aktivitäten, anstelle vereint die Unternehmung voran zu bringen. Im Zustand der resignativen Trägheit sind die Potentiale nur in geringer Intensität aktiviert. Das Interesse am Unternehmungsgeschehen ist niedrig, entsprechend selten sind auch diesbezügliche Kommunikations- und Interaktionstätigkeiten zwischen den Mitarbeitern. Typische Emotionen sind die der Frustration und Enttäuschung bis hin zur inneren Kündigung. Die gesamte Unternehmung ist daher von einer gewissen Lethargie gekennzeichnet.
Abbildung 5/6
Zustände Organisationaler Energie
hoch
Korrosive Energie
Produktive Energie
Resignative Trägheit
Angenehme Trägheit
Intensität niedrig
negativ
positiv Qualität
Die angenehme Trägheit ist geprägt von Zufriedenheit mit dem Status quo, Wohlbefinden, geringer Wachsamkeit und schwachen emotionalen Spannungen. In diesem Zustand erkennen Unterneh-
222
Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie
5.5
mungen Wandlungsbedarfe nur sehr schwer, sie denken nicht mit und setzen sich nicht mit den Entwicklungen in ihrem Wettbewerbsumfeld auseinander. Ein Zustand produktiver Energie ist gekennzeichnet von positiver Qualität, gekoppelt mit hoher Intensität der Energie. Dies zeigt sich sowohl in Bezug auf die Wahrnehmung des Wettbewerbsgeschehens wie auch auf die Geschwindigkeit von Interaktions- und Arbeitsprozessen. Auffallend ist weiterhin, dass in diesen Unternehmungen die Emotionen, Aufmerksamkeit und Aktivitäten der Mitarbeiter in die gleiche Richtung – nämlich in die der Unternehmungsziele – gehen. Die Herausforderung für das Wandlungsmanagement besteht darin, typische Energiefallen zu vermeiden und die Unternehmung im richtigen Moment in einen Zustand positiver Energie zu versetzen (vgl. Bruch/Vogel 2005, S. 82).
Anhaltender Erfolg in stabilen Wettbewerbssituationen verleitet zum Sturz in die Trägheitsfalle. Angenehme Trägheit tut am Anfang nicht weh, kann aber ebenso wie resignative Trägheit tödlich enden, wenn sie nicht überwunden wird.
Fehlgeleitete oder blockierte Energie und nicht integeres Führungsverhalten sind die typischen Auslöser der Korrosionsfalle.
Permanent hoher Einsatz und steigende Geschwindigkeit von Aktivitäten können in der Beschleunigungsfalle enden. Den Mitarbeitern geht die Energie aus, und ursprünglich positiver Aktionismus endet in resignativer Trägheit. Die Beschleunigungsfalle zeigt, dass Menschen nicht permanent wandlungsfähig sind. Die in diesem Buch angestrebte Verstetigung darf daher nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass permanent Sprintrennen in höchster Geschwindigkeit zu bewältigen wären. Die permanente Weiterentwicklung der Unternehmung gleicht eher einem dauerhaften Hindernislauf, bei dem die Geländebeschaffenheiten zwischenzeitliche Anstrengungen erfordern, aber auch ruhigere Phasen erlauben. Nur Stillstand ist nicht erlaubt. Der Verlauf der Organisationalen Energie während eines Wandlungsprozesses sollte daher bei erfolgreichem Wandlungsmanagement stets im positiven Bereich, d.h. in Richtung der Wandlungszie-
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
le liegen. In der Initialisierungsphase werden aufgrund produktiver Energie Wandlungsbedarfe rechtzeitig erkannt. Da die Mitarbeiter die Notwendigkeit von Wandel anerkennen und eine verspätete Reaktion vermieden werden konnte, steigt während der Konzipierung und Mobilisierung zunächst die Stimmung. Werden im Verlauf der ersten Umsetzungsschritte jedoch die Wandlungsinhalte bekannt, gibt es in der Regel auch Verlierer. Dieser Umstand führt zu einem Absinken der Energieintensität, in dieser Phase ist Trauerarbeit zu leisten, wie auch im Beispiel des Krankenhausmanagers Paul Levy deutlich wurde. Wichtig ist, dass gleichzeitig erste Wandlungserfolge erzielt werden und gegengesteuert werden kann. Gelingt es nicht, die Grundhaltung unter den Mitarbeitern positiv zu halten, kann eine fehlgeschlagene Umsetzung die Mitarbeiter ins Tal der Tränen stürzen. Produktive Restenergie kann dann schnell in der Korrosionsfalle enden. Deshalb müssen erste Erfolge unbedingt als solche anerkannt, gewürdigt und kommuniziert werden, was den Aktivierungsgrad wieder steigen lässt, bis hin zur Euphorie des erfolgreich umgesetzten Konzepts (vgl. Abb. 5/7).
Abbildung 5/7
Energieverlauf bei erfolgreichem Wandlungsmanagement positiv
Intensität und Richtung Organisationaler Energie
Euphorie
Wandlungsbedarf erkannt
stetig positive Grundstimmung
Verlierer im Tal der Tränen
negativ
224
t
Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie
5.5
Der Zustand der Euphorie lässt sich nicht dauerhaft halten, das würde in der Beschleunigungsfalle enden. Anzustreben ist vielmehr, die im Verlauf des Wandels gewonnene Erfahrung abzuspeichern und die zugehörigen mentalen Modelle positiv assoziiert als festen Bestandteil des Unternehmungsgeschehens zu verankern. Das erläuterte Beispiel der LUFTHANSA zeigt deutlich, welchen Nutzen die Unternehmung langfristig daraus ziehen kann.
5.5.2
Competing Commitments produktiv nutzen
Über die bisher dargestellten Einstellungen und Verhaltensweisen der Betroffenen und die Verläufe Organisationaler Energie hinaus zeigen häufig einzelne Mitarbeiter individuelle Widerstände, die zunächst nicht erklärlich sind. Ein fähiger Mitarbeiter nutzt nicht die Chance, sich über die Leitung eines Teilprojekts zu profilieren. Eine Kollegin, für die durch das Wandlungskonzept lange geäußerte Karrierewünsche offen stehen, erweist sich entgegen der Erwartungen nur als potentielle Promotorin, die mit ihrem Zögern den Prozessfortschritt bremst. Wie entstehen solche Haltungen und wie kann damit umgegangen werden? Auch hierfür finden sich Erklärungen und Handlungsstrategien in der Theorie mentaler Modelle. „Der wahre Grund, weshalb Mitarbeiter sich nicht ändern“ lautet der vielversprechende Titel eines Harvard Business Artikels (vgl. Kegan/Lahey 2002). Trotz offenkundig hervorragender Fähigkeiten und offen kommunizierter Zustimmung zeigen einzelne Mitarbeiter nicht das erwartete Verhalten, bringen nicht die erwartete Leistung. Kegan/Lahey begründen diesen Widerspruch mit dem einprägsamen Schlagwort der ‚competing commitments’. Probleme und Herausforderungen treten eben gerade nicht isoliert und zeitlich entzerrt auf. Sie verlangen von den Betroffenen Priorisierungen und Entscheidungen. Stehen einzelne Aufträge in Konkurrenz zueinander, kommt es oftmals zu inneren Pattsituationen. Die Betroffenen sehen sich außerstande, den entscheidenden Schritt zur Fortsetzung eines Projekts zu gehen, da dies einem Bruch mit einer anderen Verpflichtung gleichkommen würde. Bestes Beispiel für competing commitments ist die Problematik der ‚work-life-balance’. Beruflich spricht alles für die Übernahme einer herausfordernden Aufgabe. Die Kandidatin sagt zu, zeigt aber nicht das erwartete Engagement und die
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
gewünschte Leistung. Die Ursachen liegen oftmals in einem competing commitment gegenüber dem Partner und der Familie. Diese gilt es herauszufinden. Nur wenn die Zielkonkurrenz offenliegt, kann eine bewusste Entscheidung getroffen werden, die für alle Beteiligten Planungssicherheit gewährleistet (vgl. Kegan/Lahey 2002, S. 88ff.). Die im Harvard Business Artikel beschriebenen competing commitments erklärt die Theorie der mentalen Modelle aus der Identität der handelnden Personen. Für die work-life-balance heißt das: Bin ich in erster Linie Familienmensch oder dem Wohl des Arbeitgebers verpflichteter Mitarbeiter? Auch die Politik liefert prägnante Beispiele.
Im Herbst 2001 lag im Bundesrat ein von der SPD-Bundesregierung eingebrachter Entwurf zu einem neuen Einwanderungsgesetz zur Abstimmung vor. 31 von 35 notwendigen Stimmen galten als sicher, entscheiden würde die Stimmabgabe von Brandenburg und Bremen. Unter besonderem Druck stand Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Einerseits stand mit der Loyalität gegenüber der SPD die große Koalition der Landesregierung in Frage, andererseits sprachen die eigene Überzeugung und das Parteibuch gegen die Annahme des Gesetzentwurfs. Der Koalitionsvertrag sah vor, sich bei Uneinigkeit innerhalb der Koalition bei einer Abstimmung im Bundesrat zu enthalten. Als Ministerpräsident Manfred Stolpe mit „Ja“ stimmte, meldete sich auch Schönbohm laut mit „Nein“ zu Wort, womit der innere Konflikt Schönbohms noch einmal für die breite Öffentlichkeit hörbar wurde. Vom Bundesratspräsidenten gewertet für die Abstimmung wurde mit vierfacher Gewichtung das „Ja“ von Ministerpräsident Manfred Stolpe. Bundespräsident Rau unterzeichnete das Gesetz am 20.06.2002.
Das Wissen um die aus konkurrierenden Identitäten resultierenden inneren Spannungen hat handfeste Konsequenzen für das Wandlungsmanagement. Bei jeder Besetzung von Führungspositionen im Wandlungsprogramm sollte bei der Personalauswahl die individuelle Situation mit den Betroffenen durchgesprochen werden. Von äußerster Bedeutung ist dabei ein wertschätzender Umgang miteinander, der es allen Beteiligten erlaubt, ihr Gesicht zu wahren. Die ehrlich ausgesprochene Ablehnung eines Projektauftrags durch den Wunschkandidaten ist im Vergleich zu einer halbherzigen oder gar mangelhaften Auftragserfüllung die für alle Beteiligten bessere Lösung. Oftmals können vorhandene Spannungen auch produktiv genutzt werden, wenn der betreffende Mitarbeiter eine andere als
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Förderung und Erhalt von Organisationaler Energie
5.5
die ursprünglich geplante Rolle übernimmt, diese aber mit vollem Engagement im Sinne des Wandlungsprogramms ausfüllt. Checkliste Competing Commitments Welche Aufgabeninhalte aus dem Wandlungsprogramm könnten potentiell zu Zielkonflikten führen? Wie genau lauten die konkurrierenden Ziele? Welcher der Kandidaten für eine Position im Wandlungsprogramm könnte sich mit den konkurrierenden Zielen identifizieren? Welche Brücken können einem Kandidaten im Auswahlgespräch gebaut werden, über die er ohne Gesichtsverlust den Projektauftrag ablehnen kann? Wie kann die Absage wichtiger Schlüsselpersonen zur Mitarbeit im Projekt schadensbegrenzend kommuniziert werden? Ist die betreffende Person bereit, an dieser Kommunikation mitzuwirken, z.B. als Sender? Welche der betroffenen Personen verhalten sich anders als erwartet? Welche Anhaltspunkte im Lebenslauf der Betroffenen gibt es, die zu identitätsbedingten Spannungen führen könnten? Anhand welcher konkreten Vorfälle kann das wandlungshemmende Verhalten der Betroffenen angesprochen werden? Ergeben sich aus diesen Vorfällen Hinweise auf konkurrierende Ziele? Welche Kompensationsgeschäfte können den Betroffenen angeboten werden, um eine Verschiebung der Prioritäten zugunsten des Wandels zu erzielen? Welche alternativen Positionen in der Unternehmung gibt es, die für die Betroffenen weniger konfliktbehaftet sind?
Für den Umgang mit scheinbar unwilligen Betroffenen in der Umsetzungs- und Verstetigungsphase gilt die gleiche Handlungsempfehlung. Offene Gespräche und Nachfragen helfen, die oftmals unbewusste Entscheidungssituation zu verstehen und Lösungen aufzuzeigen. In der Regel sind die Betroffenen dankbar, dass der innere Konflikt zu Tage kommt, da sie die Stillstandssituation selbst als unbefriedigend erleben. Durch Kompensationsgeschäfte und Aufzeigen von Sanktionen kann hoffentlich eine Entscheidung für den Wandel herbeigeführt werden. Die vermeintlichen Bremser erweisen sich dann im Nachhinein als treibende Kräfte. Für den Fall, dass die Entscheidung gegen ein Mittragen des Wandels fällt, ist eine Versetzung des Betreffenden in einen anderen Unternehmungsbereich, evtl. auch eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen, angeraten. Auch wenn die persönliche Entscheidung des
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5
Einstellungen und Verhalten der betroffenen Mitarbeiter
Mitarbeiters gegen den Wandel gefallen ist, bleibt er ein wichtiger Multiplikator, dessen Meinung bei seinen Kollegen gehört wird. Zur Absicherung der Akzeptanz ist deshalb ein wertschätzender und fairer Umgang auch mit den offenen Opponenten äußerst wichtig. Ähnlich der Empfehlungen beim Top down-Vorgehen ist auch bei der Lösung individueller Zielkonflikte eine ex post-Verifikation des gezeigten Verhaltens anzustreben. Ziel ist es, die erlebte Konfliktsituation, den wertschätzenden Umgang und die erfahrene Unterstützung als positive Erfahrungen mit dem Arbeitgeber in den mentalen Modellen zu verankern. Selbst wenn in der konkreten Wandlungssituation kein Einvernehmen erzielt wurde, so können innere Spannungen auf diese Weise zumindest langfristig doch produktiv genutzt werden.
5.6
Zusammenfassung
Wandlungsprogramme verursachen in der Unternehmung interne Kräfte und Spannungen unter den Betroffenen. Um diese Kräfte und Spannungszustände produktiv zu nutzen, gestattet die aus der Psychologie stammende Theorie mentaler Modelle eine Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen für das Wandlungsmanagement. Mentale Modelle als vereinfachende Abbildungen im Kopf eines Menschen prägen die Einstellungsund Verhaltensakzeptanz der vom Wandel Betroffenen.
Bei einer Top down-Implementierung gilt es, Abwehrreaktionen vorherzusehen und in den Generalplan des Managements zu integrieren. Aufgrund einer gezielt ausgestalteten Aktivierungssituation können Überraschungseffekte erzielt und kurzfristig positive Verhaltensakzeptanz erreicht werden. Erzielte Wandlungserfolge führen anschließend zu positiver Einstellungsakzeptanz. Hinsichtlich der Verankerung der Wandlungsergebnisse sollten die Betroffenen ex post eine Problemerkennung durchlaufen und das direktive Vorgehen als richtige Maßnahme des Managements verinnerlichen.
Bottom up-Vorgehen ist nur möglich, wenn bereits im Vorfeld in einem Enabling-Prozess die personellen, organisatorischen und
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Zusammenfassung
5.6
infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen wurden. Durch klare Kommunikation der Strategie und der Pflicht zu frühzeitigem Reporting werden die Initiativen der Mitarbeiter in der Initialisierungs- und der Konzipierungsphase in die richtige Richtung gelenkt. Für die anschließende Mobilisierung und Umsetzung ist der Einsatz von Mitarbeitern der ursprünglichen Wandlungskoalition als Fachpromotoren in der Projektorganisation, die Unterstützung des als Machtpromotor agierenden Topmanagements sowie der Einsatz von Prozess- und Beziehungspromotoren empfehlenswert.
Auf der kollektiven Ebene gelingt es einem erfolgreichen Wandlungsmanagement, die Organisationale Energie im Kraftfeld der Implementierung sowohl von der Intensität her als auch in der Qualität zum Erfolg des Wandlungsprogramms zu steuern. Hierzu sind insbesondere die drei typischen Energiefallen, die Trägheitsfalle, die Korrosionsfalle und die Beschleunigungsfalle zu vermeiden.
Individuelle Widerstände können überwunden werden, indem den betroffenen Mitarbeitern in persönlichen Gesprächen geholfen wird, competing commitments zu identifizieren und persönliche Zielkonflikte zu lösen.
229
Organisatorische Verankerung des Wandlungsmanagements
6.1
Projekt- und Programm-Management
Kapitel 6
Carsten R. Brehm / Sven Hackmann / Dietgard Jantzen-Homp
231
Organisatorische Verankerung des Wandlungsmanagements
6.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 6 Die Durchführung von Veränderungsprozessen erfolgt maßgeblich durch Wandlungsprogramme und -projekte. Vor diesem Hintergrund sollen die organisatorischen Fragen von Projekten und Programmen als Kernstück der entsprechenden Managementaufgaben näher beleuchtet werden. Die Bedeutung einer klaren und straffen Organisation des Wandels darf nicht unterschätzt werden. Es gilt zunächst, den in Kapitel 2 beschriebenen Wandlungsprozessen eine aufbauorganisatorische Struktur zu geben, die mit der Primärorganisation des Tagesgeschäfts möglichst wirkungsvoll verzahnt ist. Die organisatorischen Lösungen für die fünf Phasen des Transformationsprozesses werden im Einzelnen dargestellt. Sodann muss dem Anspruch Rechnung getragen werden, dass Wandel zu einer Daueraufgabe werden soll. Dies bedeutet, dass die Primärorganisation ihrerseits zu einer flexiblen und damit wandlungs- und lernfähigen Organisation umgebaut werden muss. Die verschiedenen Ansatzpunkte hierfür werden ebenfalls erläutert.
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6
Projekt- und Programm-Management
6.1
Organisatorische Verankerung des Wandlungsmanagements
6.1.1
Tagesgeschäft vs. Wandlungsgeschäft
Tiefgreifender Wandel braucht eine eigene Organisation, also Strukturen des Wandels oder auch Wandlungsplattformen. Standard ist es, hierfür der Primärorganisation, die das Tagesgeschäft trägt, eine sog. Sekundärstruktur für die Bewältigung des Transformationsprozesses zur Seite zu stellen, typischerweise eine Projektorganisation (vgl. u.a. Kap 6.2.1). Allerdings unterliegt auch die Primärorganisation im Zeitablauf Veränderungen, denn permanenter Wandel ist nicht allein durch Sekundärbausteine bzw. ‚ein paar Projekte’ zu leisten. Die Primärorganisation selbst muss zur Wandlungsfähigkeit der Unternehmung beitragen, also ihrerseits flexibel und wandlungsfähig sein (vgl. dazu Kap. 6.4.2). In solchen Fällen ist die Sekundärorganisation in die Primärstruktur integriert. Es geht also vereinfacht um die beiden kaum zu trennenden Fragen der ‚Organisation des Wandels’ und des ‚Wandels der Organisation’. Die Primärorganisation spielt eine erhebliche Rolle für die Stabilität der Unternehmung, denn eine Organisation, in der vieles in Bewegung ist, braucht auch Halt. Eine aufbauorganisatorische Struktur, in der Bausteine der Sekundärorganisation völlig fehlen, ist heute jedoch nicht mehr denkbar. Die Sekundärorganisation schafft Regelungen für das ‚Wandlungsgeschäft‘. Sie ist gekennzeichnet durch bereichsübergreifende, neuartige Aufgaben (Spezialaufgaben, vgl. Krüger 2005, S. 169), die einer Mehrzahl von Mitarbeitern zur arbeitsteiligen Erfüllung übertragen werden. Diese werden dafür vollständig oder zeitweise von ihrer Hauptfunktion freigestellt. Als Initialzünder für Veränderungsprozesse können solche organisatorischen Bausteine wirken, die durch nicht-ständige Zusammenarbeit gekennzeichnet sind. Hier sind Ausschüsse, (selbststeuernde) Arbeitsgruppen sowie Workshops zu nennen (vgl. Krüger 2005, S. 173). Ebenso ist Ausschuss- und Kommissionsarbeit herkömmlichen Typs (‚Sitzungen‘) anzutreffen. Diese Bausteine der Sekundärorganisation stehen allerdings häufig noch isoliert neben den Regelungen des Tagesgeschäfts mit der Folge, dass sich mit diesen Aktivitäten größere Wandlungsbedarfe nicht bewältigen lassen. Ihre Eignung als Wandlungsplattform steht und fällt mit ihrer inhaltli-
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Organisatorische Verankerung des Wandlungsmanagements
6.1
chen Ausgestaltung und personellen Besetzung. Hinzutreten müssen insbesondere Arbeitsgruppen, Projektteams, aber auch die in Kapitel 2.5 erläuterten Formen der virtuellen Kooperation wie z.B. virtuelle Teams und Communities of Practice als mögliche Wandlungsplattformen. Derartige Einheiten unterstützen und fördern eine flexible Ausgestaltung der Unternehmung und ermöglichen dadurch ein proaktives, auf den Wandlungsbedarf abgestimmtes Verhalten. Für die Entwicklung der jeweiligen Unternehmung ist im Einzelfall zusätzlich von Bedeutung, ob und wieweit Änderungsvorhaben anschließend wieder in die Primärorganisation ‚eindringen’ und zu einer Weiterentwicklung der Organisation führen. Gelingt dies, dann bildet die damit geschaffene Projekt- oder Programmorganisation einen Bestandteil eines nachhaltigen Führungskonzeptes.
6.1.2
Überwindung von Trägheit als Herausforderung
Das Bewältigen von Wandel ist in herkömmlichen Organisationen eine Sonderaufgabe. Sie verlangt, dass Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft herausgelöst werden und dass sich das Tagesgeschäft ändert. Wandel steht der täglichen Routine entgegen, die ein erhebliches Beharrungsvermögen besitzt. Diese Trägheit ist aus Sicht der organisatorischen Veränderung das Problem, das bereits durch die Behandlung der verschiedenen Formen der Organisationalen Energie verdeutlicht wurde (vgl. Kap. 5.5). Zur Überwindung von Trägheit und zum Erzeugen produktiver Energie können Einheiten der Sekundärorganisation gebildet werden, die zeitlich befristet mit Sonderaufgaben betraut werden. Hierdurch werden Diskussionen und Problemlösungen abseits von Hierarchie und Tagesorganisation ermöglicht. So können Veränderungen in Gang kommen, Regeln hinterfragt und Innovationen angeschoben werden. Dabei ist es zunächst einmal völlig unerheblich, in welcher der zahlreichen Spielarten die Zusammenarbeit organisiert ist. Wichtig ist, dass sie existiert und gefördert wird. Die prominenteste Form sind Projektteams. Im Folgenden werden das Projekt und seine Eigenschaften kurz vorgestellt sowie der Aufbau und die Entwicklung eines Projektteams erläutert.
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6
Projekt- und Programm-Management
6.2
Projektmanagement und Projektteams als Grundlage
6.2.1
Projekte und Projektmanagement
Projektaufgaben sind, verglichen mit den Daueraufgaben der Unternehmung, relativ neuartig und komplex, oftmals einmalig und verlangen eine interdisziplinäre Besetzung des Projektteams (vgl. Krüger 1993a, Sp. 3559; Frese 2005, S. 512; DIN 69901).
Projekte sind Vorhaben mit definiertem Anfang und Abschluss, die durch die Merkmale zeitliche Befristung, Einmaligkeit, Komplexität und Neuartigkeit gekennzeichnet sind und einen interdisziplinären Querschnittscharakter aufweisen.
In der Literatur wird unter dem Begriff ‚Projektmanagement’ zum einen die Gruppe der Träger von Projektaufgaben verstanden, zum anderen wird es als Gesamtheit projektbezogener Aufgaben definiert (vgl. Frese 2005, S. 513). Im Folgenden soll Projektmanagement als Oberbegriff für alle willensbildenden und -durchsetzenden Aktivitäten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Projekten definiert werden (vgl. Haberfellner 1992, Sp. 2091). Projektmanagement stellt im Gegensatz zu den einzelnen durchzuführenden Projekten eine dauerhafte Führungskonzeption dar.
Projektmanagement ist ein fortdauerndes, zeitlich nicht befristetes, innovatives Führungskonzept für komplexe Vorhaben (vgl. Schröder 1970, S. 25; Krüger 1994, S. 374).
Die organisatorische Gestaltung des Projektmanagements umfasst insgesamt drei Ebenen (vgl. Krüger 1994, S. 374f.; Reiß 1995, S. 450; Krüger 2000, S. 285ff.):
Management durch Projekte: Im Mittelpunkt des Managements
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durch Projekte steht das Topmanagement. Es stellt das oberste Lenkungsgremium der Projektarbeit dar und gestaltet die projektübergreifenden, die gesamte Unternehmung betreffenden Sachverhalte. Sei es als Initiator und Treiber oder zumindest als
Projektmanagement und Projektteams als Grundlage
6.2
Sponsor. Seine Führungsaufgabe nimmt das Topmanagement durch das Aufsetzen verschiedener Projekte wahr. Hauptaugenmerk besitzt die Anbindung an Strategie sowie Struktur der Gesamtunternehmung. Die Projektplanung muss auf die Geschäfts- und Unternehmungsstrategie abgestimmt sein, um auf mögliche externe Entwicklungen reagieren zu können (vgl. Krüger 2008, S. 270ff.).
Management von Projekten: Wenn die Unternehmung mehrere, abhängige Projekte durchführt, sollte die projektübergreifende Koordination auf eine eigene Projektstelle, die Programmleitung, übertragen werden. Diese Managementebene übernimmt eine Aufgabe, die ähnlich der des Managements eines Portfolios von Geschäften ist. Daher kann diese Projektmanagementebene auch als Projekt-Portfolio-Management bzw. Multiprojektmanagement bezeichnet werden (vgl. Jantzen-Homp 2000; Steinle/Eßeling/Eichenberg 2008; Lomnitz 2008).
Management des Projekts: Der Kern der Projektarbeit wird durch das Management des Projekts abgebildet. Wichtigster Bestandteil ist das Projektteam mit seinem Projektleiter, die zusammen einen Projektauftrag bearbeiten. Das Management des Projekts beschreibt die ‚operative‘ Projektarbeit. Diese drei Ebenen bilden die konzeptionelle Grundlage, um die verschiedenen Aufgaben im Projekt- und Programm-Management voneinander abgrenzen zu können. Nur dann ist die Erarbeitung einer klaren organisatorischen Zuordnung möglich.
6.2.2
Aufbau und Entwicklung des Projektteams
Für die Bildung von Projektteams ist zuerst die relevante Aufgabenart zu untersuchen. Je nach Inhalt des Wandlungsgeschehens können diese natürlich sehr vielfältig sein. Allgemein lassen sich hierbei Führungsaufgaben, Ausführungsaufgaben, Unterstützungsaufgaben und Spezialaufgaben unterscheiden (vgl. Kap. 2.3.4). Das Projektteam und sein Projektleiter müssen über die für die spezifische Projektaufgabe benötigten Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Dazu muss die Programm- und die Projektleitung zunächst die Qualifikationsanforderungen an die Projektmitarbeiter aus der
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6
Projekt- und Programm-Management
Aufgabenstellung heraus ableiten. Anhand des Anforderungskataloges kann eine Projektdatenbank, in der die fachlichen und konzeptionellen Fähigkeiten sowie die Projekterfahrungen und -ergebnisse aller bisherigen Projektmitarbeiter aufgelistet sind, passende Mitarbeiter vorschlagen. Zudem kann eine solche Datenbank auch die Planung des Bedarfs an qualifiziertem Personal unterstützen. Parallel ist die Teamgröße zu bestimmen, die von der Komplexität und dem Umfang der zu erfüllenden Aufgabe beeinflusst wird. In der Regel liegt die optimale Teamgröße bei drei bis sechs Mitgliedern. Ist das Team größer, lassen Effizienz und Leistung merklich nach (vgl. Forster 1978, S. 68; Bleicher et al. 1989, S. 107f.). Ferner ist zu klären, ob die Teammitglieder hauptamtlich oder nebenamtlich ihre Projektaufgaben erfüllen sollen und wer die Funktion des Projektleiters übernimmt. Dabei ist darauf zu achten, dass die individuellen Leistungsschwerpunkte der Teammitglieder heterogen sind und sich die spezialisierten Fähigkeiten ergänzen, also eine ‚diversity‘ entsteht (vgl. Rosen/Brown 1996, S. 217ff.). Für das ‚StrategieProjekt‘ in der Konzipierungsphase bedeutet dies, dass sowohl Vertreter des Topmanagements als auch bereits Personen der zukünftigen Programmleitung zusammenkommen. Nur das Topmanagement kann die Wandlungsziele und damit auch die anstehenden Maßnahmen zur Zielerreichung vorgeben. Die Programmleitung übernimmt darauf aufbauend die Ausarbeitung der konkreten Wandlungsmaßnahmen. Mit der bewussten Zusammenstellung der einzelnen Personen entsteht jedoch noch nicht automatisch ein Team. Vielmehr durchlaufen Projektteams einen Entwicklungsprozess (vgl. überblickartig bei Wiendieck 1992b, Sp. 2378f.). Das bekannteste Modell hierfür stammt von Tuckman (vgl. 1965). Unterschieden werden vier typische Phasen der Teamentwicklung (Forming, Norming, Storming, Performing), die von Team zu Team in unterschiedlichen Stärken auftreten können. Den Abschluss bildet die Auflösungsphase als fünfte Phase, in der die Probleme bei der Projektbeendigung verdeutlicht werden.
Formierungsphase (Forming): Die Mitglieder eines neu formierten Projektteams müssen sich zunächst aneinander gewöhnen. Es beginnt ein gegenseitiges ‚Abtasten‘, gekennzeichnet durch
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Projektmanagement und Projektteams als Grundlage
6.2
Unsicherheit, Abhängigkeit vom Projektleiter, gegenseitiges Misstrauen und eine geringe Übereinstimmung in Bezug auf Ziele und Arbeitsmethoden (vgl. Grunwald/Redel 1986, S. 309). Hierarchische Positionsunterschiede aus den vorherigen Linienpositionen wirken sich aus, die Kooperationsbereitschaft ist nicht sehr hoch. Ein ‚Wir-Gefühl‘ ist noch nicht vorhanden.
Konfliktphase (Storming): Die Konfliktphase stellt einen zentralen Punkt im Teamentwicklungsprozess dar. Die Führungskompetenzen einzelner Mitarbeiter sowie die fachlichen Fähigkeiten werden verglichen, und die Widerstände gegen den Projektleiter nehmen zu. Es kommt zur Austragung von Meinungsverschiedenheiten, die – konstruktiv gelöst – zum Motor für neue Anstöße und Veränderungen werden und die Grundlage für die späteren Teamnormen bilden. Voraussetzung ist allerdings die richtige Führung dieses Teamprozesses durch den Projektleiter (vgl. Wehmeyer/Münch 1993, S. 427).
Normierungsphase (Norming): In dieser Phase entwickelt sich der Gruppenzusammenhalt. Die Konflikte sind beigelegt und die Widerstände überwunden. Teamnormen kristallisieren sich heraus. Das Bedürfnis nach einer Sicherung der Gruppe tritt in den Vordergrund, ein ‚Wir-Gefühl‘ entsteht. Auf der sach-rationalen Ebene findet ein offener Meinungsaustausch statt. Es herrscht keine volle Übereinstimmung in Sachfragen, aber die Ziele werden operationalisiert und Aufgabenbereiche zur Zielerreichung unter den Teammitgliedern verteilt (vgl. Comelli/von Rosenstiel 2003, S. 212f.).
Arbeitsphase (Performing): In der vierten Phase tritt das Team in die Hauptarbeitsphase. Interpersonelle Probleme sind gelöst. Die Teammitglieder sind mit ihren Stärken und Schwächen vertraut und haben ihre Beziehungen untereinander geklärt, so dass der Prozess des Durchdringens bis hin zur Teamgeschlossenheit beendet ist. Aus der individuellen Verantwortung entsteht eine Verantwortung füreinander. Ein gefestigtes Gruppengefühl ist das Ergebnis, und es bildet sich die Grundlage für die Projektkultur. Das Rollenverhalten innerhalb des Projektteams ist flexibel und auf die Projektaufgaben gerichtet. Dies ermöglicht eine optimale Freisetzung der Wandlungsenergie, um gemeinsam das Wandlungsziel und die daraus abgeleiteten Aufgaben zu erfüllen
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6
Projekt- und Programm-Management
(Tuckman 1965, S. 387: „The group becomes a sounding board of which the task is played.”).
Teamauflösung (Adjourning): Nach Beendigung des Projekts wechseln die Teammitglieder zurück in ihre angestammte Linienfunktion oder übernehmen neue (Projekt-)Aufgaben. Dabei können Reentry-Probleme auftreten. Projekterfahrungen wollen in der neuen Verwendung eingebracht werden, allerdings oftmals gegen den Widerstand der Nicht-Projektmitglieder (vgl. Patzak/Rattay 2004, S. 131). Im Erfolgsfall entsteht nach der Formierungsphase Gruppenkohäsion. Dies ist ein Maß für die Stabilität einer Gruppe sowie für die Attraktivität, die die Gruppe auf alte und neue Mitglieder ausübt (vgl. Staehle 1999, S. 282f.; von Rosenstiel 2003, S. 280f.). Eine hohe Gruppenkohäsion kann auf der einen Seite eine gute Ausgangsbasis für Lernprozesse und damit für den Unternehmungswandel bilden (vgl. Shrivastava 1983, S. 19).
Abbildung 6/1
Kohäsionsfördernde und -hemmende Faktoren kohäsionsfördernd aufgabenadäquate Gruppen-
größe Häufigkeit der Interaktion Attraktivität und Homogenität Intergruppen-Wettbewerb Einigkeit über Gruppenziele Erfolg und Anerkennung
kohäsionshemmend tendenziell zu große
Gruppengröße Einzelkämpfer individuelle Leistungsbewertung Intragruppen-Wettbewerbe Zielkonflikte Misserfolge
Kohäsion ist ein Maß für die Stabilität und Attraktivität der Gruppe,
die sie auf alte oder neue Mitglieder ausübt. Attraktiv ist die Gruppe aber für Einzelne nur dann, wenn sie als
Instrument zur persönlichen Zielerreichung dient.
Der Teamzusammenhalt und die offene Kommunikation führen einerseits zum Aufbau einer Vertrauenskultur, die als Katalysator im Veränderungsprozess wirkt. Barrieren werden leichter überwunden, Veränderungen schneller angestoßen und umgesetzt. Andererseits stellt eine hohe Gruppenkohäsion auch einen Risikofaktor
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Projektmanagement und Projektteams als Grundlage
6.2
dar, denn durch die Kohäsion entsteht ein relativ hoher Gruppendruck. Gruppenkonformes Verhalten wird gefördert, abweichende Problemsichten, Meinungsverschiedenheiten und alternative Lösungen werden unterdrückt (vgl. Janis 1983, S. 378; Sprenger 1995, S. 159). Es kommt zur Gruppenbefangenheit (vgl. Janis 1983, S. 378f., der dies als ‚Group Think‘ bezeichnet. Vgl. auch die Ausführungen bei Staehle 1999, S. 291, der von ‚getrübten Realitätswahrnehmungen‘ spricht). Die Gruppenkreativität wird eingeschränkt. Die geschilderten gruppendynamischen Effekte sind prägend für den Erfolg eines Teams. Dies in einem so starken Maße, dass selbst für die Zusammenarbeit in virtuellen Teams persönliche Begegnungen als erfolgskritisch angesehen werden. Demgemäß wird in der bereits erwähnten Studie von Konradt/Köppel ein „Lebenszyklusmodell der virtuellen Teamarbeit“ vorgestellt, das die beschriebenen Phasen der Teamentwicklung aufgreift und variiert. Ausgewählte Empfehlungen aus Sicht des Teamleiters werden im Folgenden dargestellt (vgl. im Einzelnen Konradt/Köppel 2008, S. 16f. sowie 26ff.). Phase 1: Aufbau und Konfiguration. Die Teamleitung muss über viel Erfahrung in Personalführung verfügen. Die Teammitglieder müssen eigenständig arbeiten können, über Selbstdisziplin, Teamfähigkeit, Vertrauensfähigkeit und kulturelle Toleranz verfügen. In dieser Phase sind gemeinsame Meetings erforderlich, in denen auch der Teamleiter anwesend ist. Phase 2: Initiierung und Start. In einem ‚Face to Face’-Treffen wird der offizielle Start vollzogen (Kick off). Die Teilnehmer legen den Projektplan fest und formulieren Grundregeln für ihre Zusammenarbeit und Abstimmung. Auch in der Folgezeit sollen persönliche Treffen fest vorgesehen werden. Phase 3: Erhalt und Regulation. In dieser Arbeitsphase steht die Führung des Teams im Vordergrund. Der Teamleiter muss u.a. den Kommunikationsfluss sicherstellen, für eine aktive Beteiligung und Integration aller Mitglieder sorgen, das Vertrauen untereinander stärken und Leistungsanreize bieten. Phase 4: Evaluation und Optimierung. Maßnahmen zur Kontrolle und Förderung des Gruppenerfolgs stehen im Vordergrund. Team-
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6
Projekt- und Programm-Management
meetings, aber auch Einzelgespräche sind abzuhalten. Lessons learned-Workshops sollen helfen, die Arbeit zu optimieren. Phase 5: Beendigung. Die Teamleitung sollte ein Abschlussmeeting durchführen, die Projekterfolge würdigen und auch durch den nächsthöheren Vorgesetzten anerkennen lassen. Sodann ist auf die gemachten Erfahrungen des Projekts und ihre Bedeutung für zukünftige virtuelle Kooperationen hinzuweisen. Checkliste zur Einrichtung der Projektteams Welche Art von Aufgaben ist zu erfüllen und welches Anforderungsprofil ergibt sich daraus? Wie viele Teammitglieder sind nötig bzw. welche Mitarbeiterkapazitäten sind erforderlich? In welchem Umfang ist eine Mitarbeit der einzelnen Projektmitarbeiter erforderlich (Voll-/Teilzeit)? Ist der Einsatz zeitlich befristet oder für die gesamte Projektdauer erforderlich? Wie ist das Team zusammengesetzt? Sind heterogene Leistungsschwerpunkte/Fähigkeiten berücksichtigt? Wer wird Projektleiter und welche speziellen Anforderungen muss er erfüllen? Sind die Projektteammitglieder von ihrer Haupttätigkeit freigestellt? Herrscht Akzeptanz für das Projekt beim Linienvorgesetzten? Wird das Projektteam bei der Aufgabenerfüllung vom Topmanagement bzw. von der Linie unterstützt (insbesondere bei nebenamtlicher Projektarbeit)? Sind diese zeitweise in die Projektarbeit bzw. das -team integriert? Sind Reentry-Möglichkeiten nach Abschluss des Projekts für die Projektmitglieder geregelt?
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3.1
Programm-Management ist Management von Projekten
6.3
Spätestens in der Mobilisierungsphase ist eine Mehrheit von aufeinander abgestimmten Projekten und damit ein auf dem Projektmanagement aufbauendes Programm-Management erforderlich. Programm-Management ist Management von Projekten. Es wird nach oben abgegrenzt durch das Management durch Projekte und nach unten durch die operative Projektarbeit, das Management des Projekts (vgl. Kap. 6.2.1). Dabei übernimmt die Programmorganisation eine Führungsunterstützungsfunktion. Sie ist die Organisation des Wandels im engeren Sinne. Die Programmorganisation setzt das Wandlungsprogramm in Bewegung und hält es am Laufen und bildet in diesen Phasen die treibende Kraft der Veränderung. Die projektübergreifende Koordination sollte auf eine eigene Projektstelle, die Programmleitung (das Programm-Management) übertragen werden (vgl. Krüger 2008 m.w.N.; Steinle/Eßeling/Eichenberg 2008; Lomnitz 2008). Sie betreibt das Management von Projekten. Programm-Management für Unternehmungswandel ist eine besondere Form des Multiprojektmanagements, womit die zeitgleiche Durchführung einer Mehrzahl von Projekten bezeichnet wird (vgl. im Detail Lomnitz 2008). Es betrifft eine Mehrzahl zu integrierender Projekte, die erst gemeinsam die Veränderung der strategischen Ausrichtung ermöglichen (vgl. Jantzen-Homp 2000, S. 19). Problem der Projekte ist der Wandel. Das Problem des Programms sind die Projekte. Das Programm-Management muss den Wandlungsprozess planen, organisieren, steuern und kontrollieren, ohne aber selbst an der Problemlösung durch die Teams direkt beteiligt zu sein. Die Programmleitung muss den Gesamtüberblick und die ‚Lufthoheit’ haben, um eine inhaltliche Weiterentwicklung über Zielvorgaben, die Sicherstellung thematischer Schnittstellen und die Verdichtung im Sinne des Wandlungskonzeptes zu gewährleisten. Die Programmleitung orchestriert den Wandel. Die Orchestrierung, also die Zusam-
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Projekt- und Programm-Management
menstellung der Projekte und Aktivitäten, ist eine der Erfolgsbedingungen für den Wandel. Handlungsfähig wird die Programmleitung durch die Person der oder des Programmleiter(s). Besondere Anforderungen werden daher an diese Person(en) gestellt, die diese Aufgabe erfüllen sollen. Alle Mitarbeiter in koordinierenden Funktionen, vor allem auf der Ebene des Managements von Projekten, sollten über besondere fachliche und soziale Kompetenzen verfügen (vgl. Doppler/Lauterburg 2005, S. 164). Dieser Personenkreis umfasst die Programmleitung und damit den Programm-Manager sowie die Projektleiter. Er ist zumeist auch in die Kopplung der Sekundärorganisation mit der Primärorganisation einbezogen.
6.3.2
Aufgaben des Programm-Managements
Anbindung der Projektorganisation an die Rahmenbedingungen und die Unternehmungsstrategie Im Laufe der Projektarbeit können sich die Rahmenbedingungen ändern, unter denen das Wandlungsprogramm gestartet wurde. Diese externen Impulse sind vom Programm-Management aufzugreifen und mithilfe geeigneter Maßnahmen sowohl auf der Ebene des Programms als auch auf der Ebene der Einzelprojekte umzusetzen (vgl. zu den Maßnahmen Krüger 2008, S. 270ff.). Dafür ist es erforderlich, dass die Veränderungen überhaupt von den Auftraggebern wahrgenommen werden. Strategie- und wandlungsrelevante Änderungen müssen dann an die Programmleitung durchgestellt werden, d.h. die strategische Planung und Projektplanung sind hier iterativ aufeinander abzustimmen. Diese Arbeitsgrundlagen des Projekts sind solange gültig wie die jeweilige Strategie. Es ist Sache der Strategieverantwortlichen, diese Korrekturen vorzunehmen (vgl. dazu und zum Folgenden Krüger 2008, S. 270). In diesem Fall sind u.a. folgende Fragen zu klären: 1. Haben sich die Rahmenbedingungen der Projektarbeit insgesamt verändert? 2. Welche (Teil-)Projekte sind von externen Änderungen betroffen? 3. Haben sich die Prioritäten der (Teil-)Projekte verändert?
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
4. Sind die Projektaufträge zu korrigieren (Ziele, Gegenstandsbereiche, Termine, Budgets, personelle Besetzung)? Unternehmungen, die die strategische Relevanz und die Risiken beim Programm-Management in den Vordergrund rücken und sich weniger an Finanzkennzahlen orientieren, sind der empirischen Studie von Dammer et al. (vgl. 2006) zufolge erfolgreicher bei der Durchführung von Multiprojekt-Programmen. Das für die projektbezogene Umsetzung der externen Veränderungen zuständige Gremium ist der einerseits mit dem zuständigen Linienmanagement und andererseits mit den einzelnen Projekten vermaschte Lenkungsausschuss. Dies ist die Kernaufgabe der vertikalen Koordination.
Vertikale Koordination der Projektmanagementebenen Die vertikale Koordination umfasst die bereits beschriebenen Ebenen des Managements des Projekts, von Projekten und durch Projekte. Organisatorisches Grundprinzip ist die organisatorische und personelle Vermaschung von einzelnen Einheiten (vgl. Abb. 6/2). Sie basiert auf einem weitgehend partizipativen Führungsverständnis. Es geht einerseits von aktiven, motivierten und eigenverantwortlichen Teammitgliedern aus und andererseits von einem Auftraggeber, der mit den in Gang gesetzten Projekten tatsächlich eine Strategie verfolgt. Die Mitgliedschaft der Projektleiter in der Programmleitung sichert dabei im Sinne einer ‚Aufwärtsvermaschung‘ die unmittelbare Anbindung der Projekte an das Programm und damit auch die Einbindung der Teams (vgl. Abb. 6/2 unten). Der Projektleiter ist an Entscheidungsprozessen auf beiden Ebenen beteiligt, im einen Fall als Leiter, im anderen als einfaches Mitglied. Er kann als ‚linking pin‘ (vgl. Likert 1967, S. 50; Schreyögg 2003, S. 261ff.) die schnelle Durchsetzung der Aufgaben im Team gewährleisten, aber auch die Erfahrungen der Projektarbeit direkt in das Programm einspeisen. Damit können Kommunikation und Einfluss im Sinne eines notwendigen programmspezifischen Gegenstroms in beide Richtungen ihre Wirkung entfalten. Eine zweite Vermaschung besteht zwischen Programmleitung und Lenkungsausschuss. Sie entsteht entweder durch die zusätzliche Übernahme der Funktion des Programm-Managers durch ein Mitglied des Lenkungsausschusses in Personalunion (‚Abwärtsverma-
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6
Projekt- und Programm-Management
schung’) oder aber durch die Aufnahme des vorher nicht als Person im Lenkungsausschuss vertretenen Programm-Managers in den Lenkungsausschuss (‚Aufwärtsvermaschung’). Mit dieser Vermaschung wird das Ziel verfolgt, durch eine ständige Rückkopplung der Wandlungsergebnisse zum einen eine bestmögliche Umsetzung der strategischen Wandlungsziele zu erreichen. Zum anderen können die oben beschriebenen strategischen Änderungen direkt in das Programm- und Projektmanagement einfließen. Der ProgrammManager ist somit an der Festlegung der strategischen Stoßrichtung beteiligt und kann die Rückmeldungen der Projektleiter aus der operativen Wandlungsarbeit einfließen lassen. Im Rahmen der Abwärtsvermaschung werden von den Mitgliedern des Topmanagements verschiedene Rollen übernommen, so vor allem die von Sponsoren und Veränderungsmanagern. Sponsoren: Topmanager müssen den Wandlungsprozess vorantreiben und den Programm- und Projektleitern helfen, Barrieren zu überwinden (vgl. Krüger 2000, S. 287; Müller/Brehm 2000, S. 325f.). Dazu werden einzelnen Topmanagern einzelne Projekte – unabhängig davon, ob fachliche oder hierarchische Nähe gewünscht ist oder nicht – zum Sponsoring in ihre Verantwortung gegeben. Neben der in jedem Fall notwendigen Verantwortungsübernahme kann der Sponsor in Abhängigkeit von der gewählten Wandlungssequenz einen unterschiedlichen Führungsanspruch praktizieren. So wird der Führungsanspruch bei Abbaumaßnahmen sehr hoch sein (operative Führung), da das Topmanagement alle unternehmerischen und projektspezifischen Funktionen wahrnimmt. Die Autonomie der Projekte ist gering. Hingegen sollte das Topmanagement bei Aufbaumaßnahmen strategisch bzw. finanziell führen. Das selbsttständige Denken und Handeln der Projekte steigt (vgl. zum Führungsanspruch Krüger 2005, S. 209ff.; Bühner 1993, S. 418f.; in Verbindung mit Projektarbeit vgl. Jantzen-Homp 2000, S. 131ff.). Im Idealfall nutzt das Topmanagement die Chance, persönlich als Sponsor kontinuierlich Energie auch auf Projektebene zuzuführen, z.B. durch die motivierende Teilnahme an Projektsitzungen, Vermittlung von Experten und Know how, Incentives. Solche Topmanager, denen es gelingt, diesen Prozess wirklich voranzutreiben, werden dann zu echten ‚Change Champions’ (vgl. Nadler/Nadler 1998).
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Veränderungsmanager: Es handelt sich dabei um WandelSpezialisten, die vor allem in der Umsetzungsphase für die Schaffung von Akzeptanz des Wandlungsvorhabens auf breiter Basis eingesetzt werden. Veränderungsmanager sind also auf die personale Seite des Geschehens konzentriert. Diese Rolle kann – im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis von ‚Change Agents’ – nur von Unternehmungsinternen wahrgenommen werden, da nur sie über eine tiefgehende Vertrautheit mit der Unternehmung verfügen, weitgehend übereinstimmende Wertvorstellungen besitzen und damit per se eine höhere Akzeptanz bei den Mitarbeitern genießen. Diese Art von Change Agents kann in der Umsetzungsphase mit dem Programm-Manager zeitweise eine Doppelspitze bilden.
Das Thema: Veränderungsmanager Das Beispiel: Aufgaben und Erfolgsfaktoren Im Rahmen eines umfassenden Veränderungsprogramms mit dem Schwerpunkt Reorganisation/Integration bei einem großen deutschen Transportdienstleister wurde innerhalb der Programmorganisation die Stelle eines Veränderungsmanagers eingerichtet. Er hatte neben der allgemeinen Begleitung des Prozesses insbesondere die Aufgabe, an der schwierigen Schnittstelle zwischen sach- und personenbezogenen Themenstellungen zu vermitteln. Dazu war es erforderlich, immer wieder in zahlreichen persönlichen Gesprächen den Sinn und die Ziele des Projekts an die Betroffenen zu kommunizieren, in die Bereiche zu tragen und so für die notwendige Akzeptanz zu sorgen. Die Schnittstellenfunktion erforderte es des Weiteren, ständig die Kommunikation zwischen Topmanagement und Mitarbeitern zu verbessern bzw. die schlimmsten Kommunikationsdefizite ‚zu puffern’. Im Gegensatz zu anderen typischen Change Agents arbeitete der Veränderungsmanager hier sowohl an der sachorientierten Prozess- und Projektunterstützung mit als auch als Moderator und Kommunikator an den ‚human factors’, also den ‚Veränderungsprozessen im Denken’. Aufgrund der straffen Reorganisation mit Versetzungen, Degradierungen, Kompetenz- und Verantwortungsbeschneidungen waren an der Nahtstelle zum Topmanagement echte Fähigkeiten als Konfliktmanager und Schlichter gefragt. Dazu musste der Veränderungsmanager einerseits über ein großes Einfühlungsvermögen für die Belange der betroffenen Mitarbeiter verfügen, durfte aber andererseits den Prozessfortschritt nicht aus den Augen verlieren.
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6
Projekt- und Programm-Management
Durch folgende Faktoren wurde der Beitrag des Change Managers zum Projekterfolg sichergestellt: Unmittelbare Einbindung im Zentrum des Veränderungsgeschehens, mit tiefen Kenntnissen des Vorgehens, ohne aber selbst ein Teil davon zu sein. Obwohl als Externer im Programm tätig, gelang es dem Veränderungsmanager ‚Stallgeruch’ anzunehmen und so eine breite Akzeptanz seiner Person zu erzeugen. Mit dem entsprechenden Einfühlungsvermögen gelang es ‚Betroffene dort abzuholen, wo sie sind‘ und so wesentlich zur Akzeptanz des Programms beizutragen. Durch ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit kraft Persönlichkeit fassten alle Beteiligten schnell Vertrauen. Intime Kenntnisse der Unternehmung und ihrer Organisation, der Unternehmungskultur sowie Argumentationsgeschick in Verbindung mit Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen waren weitere Erfolgsfaktoren.
Checkliste zur organisatorischen und personellen Vermaschung Welche Einheiten der Organisation des Wandels sind miteinander auch personell zu vernetzen? Sind die verschiedenen Rollen in Personalunion überhaupt auszufüllen? Welche Personen aus der Ebene Management durch Projekte scheinen aufgrund ihres Engagements besonders geeignet, eine personelle Vermaschung zu gewährleisten? Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Personen? Wie ist die Vermaschung organisatorisch zu gewährleisten, z.B. über Routinesitzungen und vordefinierte Agenden?
Horizontale Aufgabenverteilung und Koordination Das Programm-Management entscheidet auch über die horizontale Aufgabenverteilung und Koordination der Einzelprojekte. So sind z.B. Projekte der strategischen Neuausrichtung und unterstützende Struktur- und Systemprojekte miteinander zeitlich und inhaltlich zu koordinieren. Projektaufträge und -ziele sind zu formulieren, Budgets sind zuzuweisen, der Projektfortschritt ist zu überwachen und gegebenenfalls muss korrigierend eingegriffen werden. Auch gilt es, die Projektzwischenergebnisse bzw. die Projektendergebnisse den
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
nachfolgenden Projekten zur Verfügung zu stellen, um neue Erkenntnisse aus der bisherigen Projektarbeit weiterverarbeiten zu können und dadurch Synergievorteile zu realisieren. Die Programmleitung sammelt das erworbene Wissen der verschiedenen Projekte, strukturiert es und gibt es nach Bedarf an die laufenden bzw. Folgeprojekte weiter. Des Weiteren sind die Übergänge zwischen den Wandlungsphasen möglichst reibungslos zu gestalten. Dies gilt insbesondere für die Mobilisierungs- und Umsetzungsphase und die entsprechenden Basis- und Folgeprojekte (vgl. Kap. 2.3.2). Die verschiedenen Projekte, wie Kommunikationsprojekte, Vorbereitungsprojekte (z.B. für den Aufbau einer wandlungsfördernden Infrastruktur), Pilotprojekte und die darauf aufbauenden Folgeprojekte, können nun durch sequentielle, überlappende oder simultane Verlaufsmuster (vgl. Madauss 2000, S. 77f.; Jantzen-Homp 2000, S. 48ff.) organisiert werden. Welcher Ablauf gewählt und wie er ausgestaltet wird, hängt von den Zielsetzungen und Inhalten der einzelnen Projekte ab. Voneinander abhängige Entwicklungsschritte der einzelnen Projekte müssen sequentiell geregelt werden, so z.B., wenn ein Projekt auf dem Endergebnis eines anderen Projekts (z.B. einem Pilotprojekt) aufbaut. Durch die Parallelisierung voneinander unabhängiger Entwicklungsschritte können die Projektlaufzeiten verkürzt werden. Eine Programmleitung, die diese Abstimmungsarbeiten ernst nimmt, betreibt die erwähnte Orchestrierung des Wandels und erzielt eine hohe Qualität der Projektergebnisse bei kurzer Projektdauer.
Verstetigung der Wandlungsergebnisse Das Programm-Management behält die Gesamtverantwortung für die Erreichung der Wandlungsziele auch nach Beendigung und Auflösung der Teilprojekte. Nach der Übertragung der Verantwortung für die neuen Strukturen und Prozesse auf das Linienmanagement übernimmt das Programm-Management im Rahmen der Verstetigung die kontinuierliche Unterstützung und Begleitung der Linienverantwortlichen, damit diese sich in ihre neuen Aufgaben einarbeiten können. Weiterhin sollen die bisher erarbeitete Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit gesichert werden. Hier gilt es, die Linienverantwortlichen zu coachen und ihnen geeignete Hilfsmittel an die Hand zu geben, um die betroffenen Organisationseinheiten
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Projekt- und Programm-Management
zu einem selbstverantwortlichen und evolutorischen Handeln anzuleiten. Konkret kann dies bedeuten, dass das Programm-Management regelmäßige Treffen mit den Linienverantwortlichen veranstaltet, um die Fortschritte im Prozess der Verstetigung zu ermitteln. Dabei kann ein evtl. vorhandenes Programm-Büro die Einführung und erste Durchführung von Workshops oder Quality Circles übernehmen und damit die Linienmanager zunächst von dieser Aufgabe entlasten. Im Rahmen des ‚Follow up-Controlling’ führt das ProgrammManagement nach Abschluss des Wandlungsprogramms eine Überprüfung der erreichten Veränderungen durch. Hierbei ist insbesondere die Nachhaltigkeit der erzielten Wandlungsergebnisse von Bedeutung, die zur Verstetigung des Wandels unbedingt notwendig ist. Zukünftige Wandlungsprojekte können an den Ergebnissen der vorherigen nur ansetzen, wenn deren Ergebnisse klar dokumentiert und noch offene Baustellen deutlich sichtbar sind (vgl. auch Kap. 9).
Die SAP AG, der weltweit führende Anbieter von Enterprise Resource Planning-Systemen (ERP-Systemen), hat vor dem Hintergrund dynamischer und kontinuierlicher Veränderungen auf den Gebieten Markt, Technologie und Wettbewerb einen Strategiewechsel hin zu einem integrierten Problemlöser vollzogen. Dieser Strategiewechsel hat in der Folge umfangreiche Reorganisationsprogramme, u.a. im Entwicklungsbereich, ausgelöst. Die nachhaltige Verankerung der erzielten Ergebnisse sowie deren Eignung für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie soll auch nach Programmabschluss einer ständigen Kontrolle unterzogen werden. Diese Aufgabe übernimmt bei der SAP AG das Corporate Strategy Management-Team, das sich nach Programmende aus der aufgelösten Programmleitung gebildet hat. Dazu werden in vierteljährlichen Performance Trackings die Beiträge der neu gebildeten Organisationseinheiten zur Erreichung der Unternehmungsziele überprüft. Werden dabei nachhaltige Abweichungen ermittelt, werden die neu geschaffenen organisatorischen Regelungen als Ursache der Abweichungen überprüft und gegebenenfalls überarbeitet (Quelle: Vetter/Sturm/Petry 2006).
6.3.3
Programmorganisation und ihre Bausteine
Für umfangreiche Wandlungsprogramme ist eine Programmorganisation einzurichten, in der die Arbeitsteilung und Koordination
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
zwischen den Einzelprojekten geregelt ist. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung sind auf die verschiedenen Einheiten zu verteilen. Abbildung 6/2 gibt einen schematischen Überblick über die Programmorganisation.
Abbildung 6/2
Programmorganisation Unterstützungseinheiten
Lenkungsausschuss = Management durch Projekte Programmleitung = Management von Projekten Projektteams = Management des Projekts
Auch in einer Programmorganisation sind Steuerungs-, Operations- bzw. Ausführungs- und Supportaufgaben zu erledigen (vgl. zum SOS-Konzept Krüger 2005, S. 154ff.). Zusätzlich sind die Koordinationsaufgaben als Teil der Steuerungsaufgaben zu extrahieren. Folgende Bausteine charakterisieren eine Programmorganisation:
Lenkungsausschuss: Der Lenkungsausschuss ist das hierarchisch höchste Organ der Programmorganisation. Während die Aufgaben des Managements durch Projekte bereits in der Initialisierung beginnen, konstituiert sich der Lenkungsausschuss erst im Anschluss an das Strategie-Projekt in der Konzipierungsphase, das mit der Festlegung eines groben Sachkonzepts sowie eines Zeit- und Budgetrahmens endet. Häufig sind die Initiatoren der Wandlungskoalition Gründungsmitglieder. Wichtige weitere Mitglieder des Lenkungsausschusses sind je nach strategischer Bedeutung des Wandlungsprogramms insbesondere Topmanager der ersten oder zweiten Führungsebene in ihrer Funktion als Auftraggeber und in ihrer Rolle als Machtpromotoren (vgl. Kap. 4.2.2). Dabei ist auf eine ausgewogene Vertretung der unter-
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6
Projekt- und Programm-Management
schiedlichen betroffenen Unternehmungsbereiche zu achten. In der Regel ist der Lenkungsausschuss als Steuerungs- und Koordinationsgremium der Programmorganisation als Kollegialinstanz ausgestaltet, d.h. die Entscheidungen fallen einstimmig oder zumindest mit qualifizierter Mehrheit. Ein externer Programm-Manager ist zwecks Mitübernahme der Verantwortung auch in den Lenkungsausschuss aufzunehmen (vertikale, personelle Vermaschung). Damit ist eine erste wichtige Aufgabe des Lenkungsausschusses angesprochen: die Auswahl der Programmleitung. Darüber hinaus entwickelt der Lenkungsausschuss die Visionen und Leitbilder für das Programm und konkretisiert die für den Projektauftrag notwendigen Ziele des Programms. Auf diesem Weg wird die Entsprechung von Unternehmungsstrategie und Wandlungsstrategie sichergestellt. Der Lenkungsausschuss trifft programmbezogene strategische Entscheidungen, vertritt die Programminteressen nach außen und lässt die Interessen externer und interner Anspruchsgruppen sowie geänderte Rahmenbedingungen mit einfließen. Auch das Mitbestimmungsmanagement ist von diesem Gremium zu übernehmen bzw. zu überwachen. Der Lenkungsausschuss muss die Barrieren und Engpässe im Auge haben und gegebenenfalls beseitigen (vgl. Schildknecht 1998, S. 293f.). Des Weiteren überwacht er den Gesamtablauf auf Basis der Informationen des Programmcontrollings und löst im Ausnahmefall etwaige Konflikte (vgl. Patzak/Rattay 2004, S. 101ff.). Der Schwerpunkt der Aktivitäten des Lenkungsausschusses liegt in der Konzipierung sowie der Umsetzung. Am Beginn seiner Arbeit muss er dafür sorgen, dass die ‚richtigen’ Ziele und Maßnahmen beschlossen werden. Am Ende seiner Tätigkeit muss er gewährleisten, dass nach der erfolgten Umsetzung auch die Voraussetzungen für die Verstetigung gegeben sind.
Programmleitung und Kernteam: Die Programmleitung besteht im einfachsten Fall aus einer Person, dem Programm-Manager. Als zentrale Figur des Managements von Projekten ist er mit den nötigen Kompetenzen auszustatten. Er ist wesentlicher Träger der Informations- und Kommunikationspolitik (vgl. Kap. 8). Seine Hauptaufgaben bestehen zunächst im Herunterbrechen des Wandlungskonzepts aus dem Strategie-Projekt in einzelne Projektziele und -aufträge für die Basis- und Folgeprojekte sowie
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
der Ablaufplanung. In Abstimmung mit dem Lenkungsausschuss sind die einzelnen Projektleiter auszuwählen. Außerdem entscheidet der Programmleiter, welche externen Stellen, z.B. Berater, ausgewählte Kunden oder Lieferanten, den Wandlungsprozess besonders in den Phasen Mobilisierung und Umsetzung unterstützen sollen. Sodann ist er durch Steuerung und Kontrolle für den reibungslosen Ablauf des Wandlungsprogramms verantwortlich. Da der Koordinationsaufwand auf der Programmebene erheblich ist, bietet sich die Bildung einer Mehrpersoneneinheit an. Die Programmleitung setzt sich dann aus dem Programm-Manager und den Projektleitern zusammen, evtl. ergänzt um Vertreter von Unterstützungseinheiten (z.B. Programmcontrolling, vgl. auch Kap. 9) oder beteiligten Beratern. Üblicherweise wird eine solche Zusammensetzung mit diesen Aufgaben auch als Kernteam bezeichnet (vgl. Patzak/Rattay 2004, S. 129; Krüger 2005, S. 225). Bei einer großen Anzahl von Teilprojekten kann sich für die effiziente Projektsteuerung aus den Mitgliedern dieses Kreises ein fünf- bis siebenköpfiges Programm-Kernteam bilden. Das Management von Projekten wird spätestens in der Mobilisierungsphase eingerichtet und hat seinen Arbeitsschwerpunkt während der Umsetzungsphase. Die Arbeit der Programmleitung endet mit dem Übergang in die Verstetigung (vgl. Krüger 2000).
Projektleiter und Projektteams: Die Projektleiter und ihre Teams bewerkstelligen das operative Geschäft des Wandlungsprozesses (Management des Projekts). Der Projektleiter erhält Weisungen von der Programmleitung, in der er gegebenenfalls selbst mitarbeitet. Er hat für sein Projekt die relevanten Schnittstellen zu identifizieren und abgeleitet aus dem Projektauftrag eine saubere Projektdefinition mit den wesentlichen Teilzielen zu erarbeiten. Darüber hinaus obliegt ihm die Zusammensetzung und Organisation seines Teams (vgl. Kraus/Westermann 1998, S. 33ff.). Das Team selbst besitzt im Rahmen des Projektauftrags in der Regel einen weiten Handlungsspielraum, der zum Entwurf innovativer und zugleich anwendernaher, akzeptierbarer Lösungen genutzt werden soll. Die Teammitglieder wirken an den projektrelevan-
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6
Projekt- und Programm-Management
ten Planungs- und Steuerungsprozessen mit. Dafür müssen im Team die entsprechenden Spezialisten und/oder Generalisten vertreten sein, die sich durch selbstständiges, unternehmerisches Denken und Handeln auszeichnen. Im Rahmen des Wandlungsprozesses hat das Management des Projekts seinen Tätigkeitsschwerpunkt in der Umsetzungsphase, in der alle erforderlichen Basis- und Folgeprojekte durchgeführt werden. Dabei trägt der Projektleiter die Führungsverantwortung für sein Projektteam und die Ergebnisverantwortung für die Erreichung der vorgegebenen Projektziele.
Programmunterstützungseinheiten: Auch Programm-Manager und Projektleiter benötigen Unterstützung, z.B. durch einen Projekt-Assistenten oder ein Programm-Büro (vgl. Kap. 6.3.5). Aufgaben sind vor allem Dokumentation und Administration, Controlling, Kommunikation und Methodenberatung. Insbesondere die Funktionen Kommunikation und Controlling sind in ihrer Bedeutung so hoch einzuschätzen, dass sie als selbstständige, begleitende Unterstützungseinheiten mit in das Programm aufgenommen werden sollten, da sie u.a. den Lenkungsausschuss beim Management durch Projekte unterstützen. Für die Methodenberatung bietet sich ein (auch extern vorgehaltener) Expertenpool oder ein Projekt-Competence-Center (vgl. JantzenHomp 2000, S. 142ff.) an, welche für alle Projekte Organisationsentwickler, Moderatoren, EDV-Spezialisten u.ä. im Bedarfsfall zur Verfügung stellen. Diese Einheiten sind dem Management von Projekten zuzuordnen.
Das Thema: Programmorganisation Das Beispiel: SAP AG Im Rahmen des Reorganisationsprojekts des Entwicklungsbereichs (SCORE: Strategic Cross-Organizational REalignment) der SAP AG wurde im Anschluss an die Initialisierungs- und Konzipierungsphase eine Programmorganisation für die Umsetzung in der Realisierungsphase eingerichtet. Das Wandlungsprogramm bestand aus insgesamt acht aufeinander abgestimmten Teilprojekten, deren operative Steuerung von der Programmleitung (bei SAP Project Office genannt) übernommen wurde. Die strategische
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Steuerung hatte der Project Steering Board, also der Lenkungsausschuss, inne (vgl. Abb. 6/3). Die Aufgaben des Project Steering Boards lagen in der Festlegung strategischer Entscheidungen, der Überwachung des Gesamtprogramms und der Vertretung des SCORE-Programms nach außen. Um den betroffenen Mitarbeitern und den beteiligten Projektmitgliedern die strategische Bedeutung des Programms zu verdeutlichen, war der Lenkungsausschuss mit Topmanagern aus dem Entwicklungsbereich und Vorstandsmitgliedern besetzt. Die inhaltliche und zeitliche Koordination der Teilprojekte oblag der Programmleitung. Ebenso hatte sie die Entscheidungen über die personelle Besetzung der Teilprojektleiter zu treffen. Für diese Positionen wurden nach Möglichkeit die für die zukünftigen Einheiten vorgesehenen Leiter ausgewählt, da diese ein Interesse an effektiven und effizienten Lösungen hatten (Quelle: Vetter/Sturm/Petry 2006).
Abbildung 6/3: Programmorganisation SCORE Project Steering Board
Teilprojekte
Project Office
Project Org. In Development
Quality Mgmt.
Interface BSGs / Global Marketing
Interface BSGs / AP&A / Net Weaver Unit
Portfolio Mgmt.
Roll-in, Product Def. & Sol. Mgmt.
Business Planning
SCORE Implementation Teams
BSG F&PS
BSG SI
BSG MI
Wie am Beispiel des SCORE-Projekts der SAP angedeutet, ist es in der Praxis weithin üblich, bei aufbauorganisatorischem Wandel die geplante Zielorganisation vorab in der Projektorganisation abzubilden. Die zu entwickelnden Organisationseinheiten sind Gegenstand entsprechender Teilprojekte. Die zukünftigen Leiter dieser Einheiten sind bereits ‚gesetzt’ und leiten diese Teilprojekte. Ihre späteren Vorgesetzten können konsequenterweise als Programm-Manager bzw. im Lenkungsausschuss tätig werden. Das vorgenannte Beispiel beschreibt den allgemeinen Anwendungsfall einer Programmorganisation. Einen speziellen Anwendungsfall
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6
Projekt- und Programm-Management
stellt die organisatorische Gestaltung der Post Merger-Integration nach einer M&A-Transaktion dar. Die sog. ‚Organisation der Integration’ stellt organisatorische Maßnahmen zur Begleitung des Integrationsprozesses zur Verfügung.
Das Thema: Organisation der Integration Das Beispiel: Post Merger-Projektorganisation M&A-Projekte (‚Aufbau’) sind spezielle Anlässe für Unternehmungswandel. Die Post Merger-Integration wird als eigenes Projekt in der Umsetzungsphase des Wandlungsprogramms durchgeführt (vgl. Kap. 2.3.7). Die Besonderheiten der Post Merger-Themen erfordern eine Post MergerProjektorganisation (vgl. Abb. 6/4). Eine dieser Besonderheiten ist durchgehend die personelle Zusammensetzung, denn es gilt, die Interessen beider Unternehmungen zu integrieren. Dementsprechend wird aus Projektmanagement hier ein spezielles Integrationsmanagement, das den Übergang in die Geschäftssteuerung gestaltet (vgl. Kap. 2, Abb. 2/9). Das sog. Integration Board, das mit Topmanagern der Käuferunternehmung und des Targets besetzt ist, erfüllt die Funktion des Lenkungsausschusses. Seine Aufgaben umfassen die strategische Steuerung der Integration, also die Überwachung der Einhaltung der Integrationsziele aus dem Rahmenkonzept. Die operative Steuerung des Integrationsprogramms wird vom Integration Management, der Programmleitung, durchgeführt. In dieser Einheit sind Führungskräfte der Käuferunternehmung und der übernommenen Unternehmung sowie gegebenenfalls externe Berater vertreten. Die Hauptaufgabe besteht in der Definition der einzelnen Integrations-Teilprojekte, in denen die funktionale Integration erarbeitet wird, und deren Steuerung. Zudem bestimmt das Integration Management die Leiter der Teilprojekte. Des Weiteren koordiniert die Programmleitung Querschnittsprojekte, die zur Bearbeitung von übergreifenden Themen, bspw. Detaillierung der Integrationsstrategie, Kommunikation, Business Planung und Organizational Design, gebildet werden. Zur Unterstützung des Integration Managements wird ein Integration Office eingerichtet, das in der Praxis in den meisten Fällen hauptsächlich mit externen Beratern besetzt ist. Dies kann als eine spezielle Form des Programm-Büros verstanden werden (vgl. Kap. 6.3.5). Im Falle der Post Merger-Integration kommen zusätzliche Aufgaben hinzu. Diese umfassen die Planung der Integrationsmaßnahmen, die Koordination der Schnittstellen zwischen den Integrations-Teilprojekten und den beiden beteiligten Unternehmungen, das Controlling des Projektfortschritts und der Projektergebnisse sowie die Anfertigung des entsprechenden Reportings für das Integration Management.
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Abbildung 6/4: Post Merger-Projektorganisation
Integration Board Integration Management
Integration Office
Integration Strategy
Communication
Business Planning
Organizational Design
QuerschnittsProjekte
Procurement
Production
Logistics
Marketing / Distribution
Funktionale Teilprojekte
HR
Quality Management
IT
Finance & Accounting
Art, Anzahl und Aufgaben der Integrations-Teilprojekte sind vom Integrationsansatz abhängig. Je höher die Integrationstiefe, desto mehr Funktionsbereiche müssen integriert werden und desto mehr Teilprojekte werden benötigt. Eine mögliche konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Teilprojekte ergibt sich durch eine Orientierung an den operativen Funktionen der Wertschöpfungskette der neuen Unternehmung.
Checkliste zur Programmorganisation Ist das Topmanagement im Lenkungsausschuss vertreten? Wie viele (Teil-)Projekte muss das Programm umfassen, um die Wandlungsziele erreichen zu können? Wie viele Personen sind für die Programmleitung und Projektleitung notwendig? Erfüllt der Kandidat/erfüllen die Kandidaten die Anforderungen in Bezug auf Integrations- und Koordinationsfähigkeiten, Teamfähigkeit als primus inter pares, Mut und Akzeptanz sowie Kommunikationsfähigkeiten? Wird dem ‚Staffing‘ die notwendige Aufmerksamkeit eingeräumt? Erreicht das Programm eine Größe, die Unterstützungseinheiten notwendig macht? Erhalten die Projektteams genug Zeit, einen gemeinsamen Arbeitsrhythmus zu erreichen? Ist die Auskopplung eines Kernteams angezeigt? Welche Personen kommen dafür in Frage?
257
6
Projekt- und Programm-Management
6.3.4
Anbindung der Sekundärorganisation an die Primärorganisation
Die Programmorganisation kann ihre Wirkung erst entfalten, wenn ihr ein angemessenes Gewicht im Verhältnis zur Primärorganisation zugestanden wird. Lenkungsausschuss, Programmleitung und Kernteam stellen Wandlungsplattformen dar und sollen zugleich die intensive Kopplung mit der Primärorganisation sichern (vgl. Abb. 6/5). Die hierarchische Einordnung und Steuerung dieser Plattformen bestimmt maßgeblich, wie stark die gesamte Organisation auf das Programmziel ausgerichtet wird. Die Anbindung kann aus den genannten Gründen nur auf Topmanagementebene erfolgen. Damit werden die Autorität und die Unabhängigkeit der Programmleitung mit Signalwirkung versehen, und auf diese Weise kann auch der ‚Fit‘ mit der Unternehmungsstrategie verbessert werden.
Abbildung 6/5
Anbindung der Sekundär- an die Primärorganisation Primärorganisation
-
Ziele und Aufträge Personelle Besetzung Ressourcen Kompetenzen Steuerung / Überwachung
-
Wandlungskonzepte Veränderungsmaßnahmen Kommunikation Training Beratung / Coaching
Sekundärorganisation
- Information - Mitarbeit - Mitentscheidung
Die Komplexität des Wandlungsvorhabens bedarf einer professionellen und damit in der Regel auch vollamtlichen Programmleitung. Abhängig von der Größe des Programms gilt dies auch unter Umständen für die Projektleiter. In der Praxis liegt der Freistellungsgrad der Projektmitarbeiter jedoch häufig nur bei 50 bis 60%. In diesen Fällen ist der weisungsbezogene Durchgriff zwischen Primärfunktion und Projekt zugunsten der Projektarbeit zu regeln, um personelle Ressourcenkonflikte von vornherein zu vermeiden. Je komplexer die Aufgaben der Projekte aber sind, desto eher emp-
258
Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
fiehlt es sich, die entsprechenden Projektleiter vollständig vom Tagesgeschäft zu entbinden. Das Dilemma der Anbindung besteht zum einen darin, dass der Programmorganisation ein hohes Maß an Autonomie zugestanden werden muss, um eine Arbeit möglichst entfernt vom Tagesgeschäft zu ermöglichen. Veränderungen brauchen Raum, d.h. Freiheitsgrade in Handlungen und (Teil-)Entscheidungen. Zum anderen aber kann keine Wandlungsorganisation im luftleeren Raum agieren. Die Primärorganisation ist in den Wandlungsprozess einzubinden, denn sie muss sich schließlich mit verändern. Einen Ansatzpunkt zur Lösung dieses Problems stellen die Mitarbeiter selbst dar. In der hier unterstellten matrixähnlichen Lösung sind die Projektmitglieder sowohl in der Programmorganisation als auch im Tagesgeschäft aktiv. Im ‚Wandlungsgeschäft‘ wird ihnen möglichst weitgehende Autonomie zugestanden. Sie unterstehen der Programm- und Projektleitung. Im Tagesgeschäft sind sie (z.B. zwei Tage in der Woche) in die Linie integriert. Dies führt zwar zu Reibungsverlusten durch den häufigen ‚Jobwechsel‘, hat aber den weitaus größeren Vorteil, dass dadurch die Erfahrungen und Ergebnisse der Projektarbeit in die Primärorganisation einfließen (vgl. Grimmeisen 1998, S. 235f.). Auf diese Weise wird in kleinen Schritten der Boden für die Veränderung bereitet. Im Gegenzug nehmen die Mitarbeiter Bedenken und Ängste ihrer Kollegen aus dem Tagesgeschäft mit in das Projekt und können von dort aus helfen, Barrieren abzubauen. Diese kurzen Ausführungen zeigen die zahlreichen Konfliktpotentiale, die die Abstimmung zwischen Tages- und Programmorganisation vor allem in der Praxis mit sich bringt. Vielfach sind es auch hier die Mitarbeiter, die dies leisten und aushalten müssen (vgl. Eggers/Ahlers 2008, S. 205ff.).
6.3.5
Programm-Büro als Integrator
Je komplexer und umfangreicher das Wandlungsprogramm ist, desto schwerer wird es für das Kernteam, die beteiligten Projektteams seriös zu steuern, zu koordinieren und zu kontrollieren. Eine spezielle Unterstützungseinheit hierfür stellt das Programm-Büro dar. Seine Arbeit beginnt mit der Einrichtung der Programmleitung spätestens in der Mobilisierungsphase, der Aufgabenschwerpunkt
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Projekt- und Programm-Management
liegt jedoch in der Umsetzungsphase. Beim Übergang in die Verstetigungsphase besteht seine Aufgabe in der Überwachung der notwendigen Schritte zur Verstetigung der Wandlungsergebnisse. Die personelle Besetzung des Programm-Büros richtet sich nach dem Umfang der Aufgabenstellung. Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen eine Stärke von zwei bis zehn Personen, die ganz oder teilweise für diese Tätigkeiten freigestellt sind. Bei der Auswahl der Mitarbeiter wird empfohlen, auf ausgewählte Führungskräfte und Teammitarbeiter mit einer guten Reputation zurückzugreifen, da sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Anerkennung ihrer fachlichen und persönlichen Fähigkeiten angewiesen sind. Die benötigten fachlichen Kompetenzen sind dabei von den Besonderheiten des Wandlungsprogramms abhängig. Die interne Organisation des Programm-Büros ist durch eine klare Kompetenz- und Aufgabenabgrenzung zwischen den Mitarbeitern gekennzeichnet. Zudem sollte der Programm-Manager zum Leiter dieser Einheit bestimmt werden, da deren Hauptaufgabe in der Unterstützung seiner Funktion liegt. Daneben fungiert das Büro gegebenenfalls als Ansprechpartner und Koordinator für externe Berater. Die Durchführung eines begleitenden Projektcontrollings ist ebenfalls Aufgabe des Programm-Büros, um zeitnah einen Gesamtüberblick über Ergebniserreichung und Risikostatus des Wandlungsvorhabens zu erhalten. Generell lassen sich die Aufgaben des Programm-Büros vereinfacht in die folgenden vier Bereiche untergliedern:
Begleitung des Wandlungsprozesses: Die Unterstützung in der Planung, Überwachung und Kontrolle des Projektablaufs und der Projektergebnisse, also das Projektcontrolling, ist eine Hauptaufgabe des Büros, dies in enger Verbindung mit dem Liniencontrolling. Dazu gehört auch die Entwicklung von Wandlungsstandards. Sollte die Wandlungsstrategie aufgrund aktueller Entwicklungen geändert werden, muss das Programm-Büro darauf reagieren und den Projektplan sowie die Projektorganisation entsprechend anpassen. Dies kann sich auch auf die Zielsetzungen der Teilprojekte, deren Anzahl oder Zusammensetzung auswirken.
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Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Administration: Hierunter fallen im Wesentlichen alle Aufgaben, die der Umsetzung organisatorischer Veränderungen im engeren Sinne dienen. Im Allgemeinen zählen dazu insbesondere die Vorund Nachbereitung von Meetings, Erstellung von Stellenbeschreibungen und Zielvereinbarungen für die neue Struktur, Kostenerfassung und -abrechnung sowie die Administration von Umzugs- und Konsolidierungsaktivitäten.
Kommunikation: Das Programm-Büro stellt die Kommunikationsplattformen für alle am Wandlungsprogramm beteiligten Mitarbeiter zur Verfügung. Dazu gehören bspw. die Organisation und Abwicklung von Meetings, die Sammlung und Bereitstellung von Informationen in Präsentationen und Datenbanken sowie die Überwachung und Kommunikation des aktuellen Projektstatus. Zudem kann das Programm-Büro die Durchführung der Kommunikationsmaßnahmen in der Mobilisierungsphase zur Information der Mitarbeiter über das Wandlungsprogramm übernehmen (vgl. Kap. 8).
Personalfragen und andere Spezialaufgaben: Für die Übergangszeit kann das Programm-Büro auch das Personalmanagement übernehmen. Sei es bspw. die operative Personalplanung und die sich daraus ergebenden ‚Wanderungslisten’ (d.h. Mitarbeiter X wandert von Organisationseinheit A nach B) und deren Realisierung. Da das Programm-Büro dafür meist nicht mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet ist, bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit der Personalabteilung der Unternehmung und/oder des Konzerns. Insbesondere in Abbausituationen müssen alle sozialpartnerrelevanten Themen geplant und vorbereitet werden. An der Schnittstelle zwischen Primär- und Sekundärorganisation ergeben sich weitere Aufgaben, wie z.B. die Unterstützung von Linieneinheiten in spezifischen Fragestellungen sowie die Durchführung von betriebswirtschaftlichen Sonderberechnungen (‚Business Cases’).
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Projekt- und Programm-Management
Das Thema: Programmsteuerung als Kernelement der Programmorganisation Das Beispiel: Einführung einer ERP-Standardsoftware (Enterprise Resource Planning) Ein häufiges ‚Veränderungsprojekt’ ist die Einführung einer ERPStandardsoftware. Die großen ERP-Anbieter (z.B. SAP) verfügen mittlerweile über ein professionelles Programm-Management und über etablierte Ansätze der organisatorischen Verankerung einer dafür erforderlichen Programm-Steuerungseinheit. Bei dem folgenden Beispiel handelt es sich um die deutschen Einheiten eines international tätigen Generikaherstellers mit einem Deutschland-Umsatz von über 400 Mio. € mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Wie bei einer ERP-Einführung üblich, sind alle relevanten Fachbereiche und Funktionen der Unternehmung betroffen (Marketing/Vertrieb, Beschaffung/Produktion, Qualität, Finanzen und Controlling etc.). Die Programmorganisation besteht aus vier verschiedenen Einheiten: Kontrollgremium, Programmsteuerung, Projekten und Querschnittsthemen (siehe Abb. 6/6). Eine zentrale Stellung nimmt darin die sog. Programmsteuerung mit ihren vier ‚Projekten’ ein, die zusammen mit dem Steering Committee die Gesamtverantwortung trägt: ‚Program Management’, ‚Change Management’ und ‚Program Office’. Ergänzt wird die Programmsteuerung durch das ‚Risk Management’.
Abbildung 6/6: Programmorganisation
Kontrollgremium ProgrammSteuerung
Operative Projekte (insg.13)
Querschnittsthemen
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Steering Committee Program Management
Risk Management
Change Management
Program Office
Financial Acc. / Controlling
Logistics
Technology
Plants
Distribution
QM
Planning
…
Applications
Contract Management
IT Safety
Workflow / DMS
Das ‚Program Management’ als Projektleitungsorgan wird von einem zweiköpfigen ‚Program Office’ durch die Bereitstellung der entsprechenden
Management und Organisation von Wandlungsprogrammen
6.3
Ressourcen, Tools sowie der zentralen Büroinfrastruktur unterstützt. Wesentliche Aufgabe neben der Administration und Dokumentation ist die Pflege der gesamten Kommunikationsinfrastruktur. Insgesamt koordiniert es mehr als 150 eingebundene Mitarbeiter. Im Programmzentrum sind 25 Büroräume für die Projektteams eingerichtet, die über die notwendige Projektinfrastruktur verfügen (gemeinsame IT, kollektiver Kalender, Projektdatenbanken, weitere Meetingräume etc.).
Abbildung 6/7: Schwerpunkte in der Programmsteuerung Steuerungseinheit
Kernaufgaben
Program Management
Gesamtprojektleitung Ansprechpartner Steering Committee
Risk Management
Unterstützung bei Identifikation und Bewertung von Risiken Umsetzungscontrolling und Eskalation von Projektrisiken
Change Management
Kommunikation, Konflikt- und Widerstandsmanagement Einsatz und Koordination der Change Manager
Program Office
Administration, Koordination und Support Kommunikationsinfrastruktur und PM-Tools
In den Projekten der Kontrolle und Steuerung hat jeder Mitarbeiter Gesamtverantwortung für den Erfolg des Programms. In den operativen Projekten teilen sich jeweils ein ‚Kernteam’ und ein ‚erweitertes Team’ unter der Leitung eines Projektleiters und eines Prozessverantwortlichen die Arbeit. Innerhalb dieser Projekte liegt die Verantwortung in mehreren Händen. Der Prozessverantwortliche erarbeitet mit den Fachbereichen im Rahmen des Anforderungsmanagements die inhaltlichen Ergebnisse, und der Projektleiter übernimmt gemeinsam mit dem ERP-Hersteller und anderen externen Dienstleistern die Umsetzung. In einigen Projekten werden diese beiden Projektrollen in Personalunion übernommen. Die Mitarbeiter des Kernteams stehen in der Regel mehr als 50% für das Programm zur Verfügung und werden temporär vom erweiterten Team unterstützt. Vonseiten des ERP-Anbieters werden die Projekte durch sog. ‚Prozess Champions’ vervollständigt. Die ‚Querschnittsthemen’ sind zum großen Teil aufgrund des geringeren Umfangs ‚Ein-Mann-Projekte’ und werden nur durch den Projektleiter in der Programmorganisation vertreten.
263
6
Projekt- und Programm-Management
6.3.6
Collaboration – Virtualisierung von Zusammenarbeit in Wandlungsprogrammen
Die erläuterte Form der Programmorganisation basiert auf herkömmlichen Arbeitswelten. Die notwendige Interaktion und Koordination in Projekten und Programmen benötigt ‚physische Einheiten’, also z.B. Teams und Ausschüsse. Im Zeitalter des Web 2.0 kann die gewünschte Interaktivität zwischen Personen und Personenmehrheiten auch virtuell herbeigeführt werden (vgl. zu den verschiedenen Formen der virtuellen Kooperation/Collaboration Kap. 2.5). So können z.B. in einem ‚virtuellen Programm-Büro’ neue Formen der Zusammenarbeit und Koordination realisiert werden. In einer von allen Beteiligten genutzten IT-Umgebung entsteht ein virtueller Workspace an Stelle des realen Workplace (vgl. Krüger 2008, S. 279). Zeitlich und vor allem räumlich getrennte und trotzdem interaktive Arbeit wird durch web-basierte Anwendungen deutlich leichter als bisher. Derzeit gehen die technischen Möglichkeiten noch wesentlich weiter als die tatsächliche Anwendung. Die Professionalisierung des Change Managements an der Schnittstelle zwischen Projektmanagement, Informationstechnologie und Kommunikation (vgl. Kap. 8) steht erst am Anfang. Dies zeigt eindringlich auch eine aktuelle Studie des Lehrstuhls für Organisation der Universität Stuttgart (vgl. www.change-zweinull.de, 2008). Die Nutzung virtueller Arbeitsformen führt dazu, dass die Trennung zwischen Sekundär- und Primärorganisation aufgehoben wird bzw. zumindest die Grenzen deutlich ‚fließender’ werden. Zeitgemäße Arbeitswelten und Qualifikationen lassen ganz neue Möglichkeiten entstehen. Die gleichen Auswirkungen haben solche Anwendungen natürlich auch bei der Zusammenarbeit innerhalb der Programm- bzw. Projektorganisation. Dadurch wird vor allem die Flexibilität bei Zeit und Raum deutlich gefördert (vgl. dazu Kap. 8). Einschränkend muss allerdings auch hier erwähnt werden, dass die persönliche Begegnung unverzichtbar ist. Dies zeigen insbesondere die vorgetragenen Empfehlungen zur Zusammenarbeit virtueller Teams. Wandel bleibt ‚peoples business’. Wer ohnehin ‚miteinander kann’, kann auch collaborieren, wo die ‚Chemie’ nicht stimmt, wird es auch mit Web 2.0 schwierig.
264
Wandlungsfähige Organisation
6.4
Wandlungsfähige Organisation
6.4.1
Organisatorische Wandlungsfähigkeit als Ziel
6.4
Wenn nach erfolgter Transformation eine kontinuierliche Weiterentwicklung angestrebt wird, so muss sich die Organisation der Unternehmung entsprechend verändern. Ziel ist eine lern-, entwicklungs- und wandlungsfähige Unternehmung, eine Unternehmung also, die als ‚chronically unfrozen‘ (vgl. Weick 1977) beschrieben werden könnte. „Organisation ist kein Zustand, sondern ein Prozess, keine starre Pyramide, sondern ein bewegliches, endloses Band. [...] Organisation ist Wandel“ (Krüger 1993b, S. 501). Aus einem gelungenen Wandlungsprogramm erwächst Wandlungserfahrung. Diese Wandlungserfahrung zu erhalten und zu verstetigen, sichert den Umgang mit permanentem Wandel in der Zukunft. Prozesse permanenten Wandels sind, richtig organisiert, stetige organisationale Lernprozesse. Hierzu müssen Primär- und Sekundärorganisation zu einer integrierten Organisation zusammenwachsen. Damit werden Organisationen selbst zu dynamischen Entitäten, die nicht mehr in Stillstandsund Wandelepisoden unterscheiden (vgl. Schreyögg/Noss 2000, S. 54). Dies lässt sich mit der Metapher des ‚built-in change‘ beschreiben. Im Idealfall entfällt dann die Trennung zwischen Linienmanagement sowie Programm- und Projektmanagement. Die Führungsverantwortung für den Wandel geht damit auf die Manager über, die für das Tagesgeschäft verantwortlich sind.
Die integrierte Wandlungsorganisation versucht, Wandlungsund Tagesgeschäft strukturell und personell zu koppeln. Prozesse des ‚Tagesgeschäfts‘ und des ‚Wandlungsgeschäfts‘ verschmelzen und liegen in einer Hand.
Damit ist eine Änderung im Selbstverständnis der organisatorischen Gestaltung verbunden. Das Denken des Organisationsmanagements muss teils geändert, teils erweitert werden.
Dynamisches Organisationsverständnis: Das Verständnis des Themas ‚organisatorischer Wandel’ war bisher geprägt von der Vorstellung, dass sich die Unternehmung exogenen Veränderun-
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Projekt- und Programm-Management
gen anzupassen hat. Diese Sichtweise unterstellt eine einseitige Beziehung zwischen Umwelt und Unternehmung (vgl. Weber 1996, S. 58ff.). Die Voraussetzung einfacher Kausalität ist für komplexe Systeme jedoch obsolet. Das Verhältnis zwischen System und Umwelt ist vielmehr durch eine „Wechselseitigkeit der Interaktionen“ gekennzeichnet (Weber 1996, S. 85 unter Rückgriff auf Maturana 1982); es ergibt sich eine System-UmweltKoevolution (vgl. Brehm 2003, S. 93ff. m.w.N.). Dieses dynamische Verständnis beschreibt einen ständigen Prozess des Anpassens und Gestaltens, einen kollektiven Lern- und Entwicklungsprozess (vgl. Zahn 1996, S. 10).
Erweiterung des Gestaltungsbereichs um den Einflussbereich: Das Umsystem der Unternehmung und dort besonders die Anspruchsgruppen gewinnen aufgrund der ‚verfließenden‘ Grenzen zwischen Unternehmung und Umsystem als Einflussbereich wesentlich an Bedeutung. Der Gestaltungsbereich der Unternehmung und damit der organisatorischen Regelungen erweitert sich um die Beziehungen zur Umwelt.
Verkürzung der Regelungsdauer: Organisation bedeutet nicht mehr das Schaffen einer ‚dauerhaften Ordnung’. Da die zu lösenden Probleme und Aufgaben sich nicht mehr über lange Zeiträume prognostizieren lassen, kann man davon ausgehen, dass es im Vorhinein auch keine dauerhaften Strukturen mehr gibt. Die Geltungsdauer organisatorischer Regelungen verkürzt sich. Bestimmungen, die in der Vergangenheit noch fünf bis zehn Jahre Gültigkeit hatten, bestehen heute evtl. noch ein Jahr, einen Monat oder gar eine Woche. Die für den Kunden zu lösenden Probleme und die vom Wettbewerb ausgelösten Aktivitäten bestimmen die relevanten Zeitintervalle.
Reduktion der Regelungsdichte: Nicht zuletzt ist der Umfang organisatorischer Regelungen zugunsten von Handlungsspielräumen und eigendynamischen Prozessen zurückzufahren. Selbstorganisation tritt teilweise an die Stelle traditioneller ‚hoheitlicher’ Fremdorganisation. Emergente Ordnung und emergente Routinen ergänzen die intendierte Ordnung und reichern sie an.
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Wandlungsfähige Organisation
6.4.2
6.4
Charakteristik einer wandlungsfähigen Organisation
In einer wandlungsfähigen Organisation werden sich Strukturen und Prozesse der Unternehmung in einem völlig anderen ‚Aggregatzustand‘ wiederfinden (vgl. schon Gerstein/Shaw 1994, S. 267f.; Macintosh/Maclean 1999). Dieser Aggregatzustand lässt sich mit dem Begriff der Flexibilität kennzeichnen. Organisatorische Flexibilität bildet die Basis der Wandlungsfähigkeit. Sie beruht auf fünf organisatorischen Gestaltungsfeldern (vgl. zum Folgenden vollständig Brehm 2003).
Organizational slack als grundlegende Voraussetzung organisatorischer Wandlungsfähigkeit. Organizational slack beschreibt einen spezifischen Überschuss, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. bezogen auf die aktuellen Anforderungen, überdimensioniert ist (vgl. Bleicher 1979, S. 60). Am besten könnte man ‚Slack’ als organisatorischen Freiraum bezeichnen, der letztlich dazu führt, dass Handlungsspielräume für die Organisationsmitglieder entstehen. Die Organisation hat damit eine ‚Reserve’ an strukturellen Fähigkeiten. Eine derartige Überdimensionierung zeigt sich z.B. in Rahmenregelungen, die wesentlich mehr Freiraum lassen, als eigentlich nötig wäre oder im Zulassen von informalen Beziehungen und Regelungen. Es entstehen Handlungsspielräume, die für die Wandlungsfähigkeit unabdingbar sind. Organizational slack stellt somit eine Voraussetzung für die folgenden Gestaltungsfelder dar.
Bildung von Subsystemen nach dem Prinzip der Modularisierung. Die Basis einer flexiblen Organisation ist die Bildung geeigneter organisatorischer Einheiten, da diese die Quelle von Flexibilität und Wandlungsfähigkeit sind. Es geht darum, Teil(problem)lösungen als umfassende, generalisierte Aufgabenund Verantwortungskomplexe zu definieren. Wichtig ist dabei, dass die ganzheitlichen Aufgabenbündel für die Mitarbeiter einen Sinnzusammenhang darstellen und ihnen die ‚Anschlüsse‘ an den Wertschöpfungsprozess klar sind. Die Wertschöpfungskette stellt dann ein schnittstellenarmes Modulsystem aus Aufgabenbündeln dar (vgl. Picot et al. 2003, S. 231ff.; Baldwin/Clark 1998). Unter diesen sog. Modulen werden an der Wertschöp-
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Projekt- und Programm-Management
fungskette der Unternehmung orientierte integrierte, relativ kleine und überschaubare organisatorische Einheiten verstanden. Damit einher geht die Dezentralisierung von Entscheidungs- und Ergebniskompetenz und -verantwortung. Nur dadurch können die notwendigen Handlungsfreiräume geschaffen werden. Dezentralisierung sollte dem Prinzip der Subsidiarität oder föderativen Dezentralisierung folgen (vgl. Picot 1991, S. 102ff.; Staehle 1999, S. 743).
Integration von Subsystemen auf Basis loser Kopplungen. Von losen Kopplungen kann man immer dann sprechen, wenn Abteilungen oder Bereiche wenige gemeinsame Variablen haben und/oder diese im Vergleich schwach ausgeprägt sind (vgl. Weick 1985, S. 163). Übertragen auf die Organisation stellen lose Kopplungen einen Kompromiss zwischen starr bzw. eng gekoppelten Strukturen und Prozessen und vollkommen unverbindlichen Beziehungen dar. Innerhalb der Wertschöpfungsprozesse sollte zwischen den einzelnen Prozessschritten ausreichend Spielraum sein, damit die Teilprozesse (in vorgegebenen Rahmenregelungen) selbstständig auf Veränderung reagieren und sich weiterentwickeln können. Der Kerngedanke ist, im Anschluss an die Definition von Modulen, die Abhängigkeiten zwischen diesen zu reduzieren. So können zeitliche Kopplungen gelockert werden, leistungswirtschaftliche Kopplungen verringert sowie zielbezogene oder ressourcenbezogene Kopplungen und Abhängigkeiten reduziert werden. Organisatorische Ausgestaltung finden lose Kopplungen in Form einer sog. Kontextsteuerung, die sich auf Rahmenregelungen beschränkt oder durch interne Märkte (vgl. Teubner/Willke 1984; Frese 2005, S. 191ff.).
Interne Organisation der Subsysteme durch Selbstregelung. Selbstorganisation oder auch Autonomie beschreibt das Maß an Selbstbestimmtheit einer organisatorischen Einheit. Das bedeutet, dass die für die Aufgabenerfüllung zuständigen Personen durch Gestaltungsentscheidungen relativ dauerhafte Handlungsmuster für sich etablieren dürfen (in Anlehnung an Göbel 1998, S. 177; Jung 1985; Probst 1987). Die Gruppe wird zum Gestaltungsträger und -bereich zugleich. Durch Fremdregelung in Form von Rahmenvorgaben muss die Autonomie in der Organi-
268
Wandlungsfähige Organisation
6.4
sation ermöglicht und kanalisiert werden. Gegenstände selbstorganisatorischer Regelungen können sein: interne Formalisierung (Regelgebundenheit), Hierarchisierung, Arbeitsteilung (Spezialisierung), interne Koordination, Ablauforganisation etc. Die frei werdenden Führungskapazitäten des Managements können dann verstärkt zur Unterstützung und Beratung der Teams verwendet werden.
Organisationales Lernen zur Sicherstellung der Entwicklung. Lernen wird vor allem auf den Ebenen des Individuums und der Gruppe unbedingter Bestandteil der täglichen Arbeit im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung und Entwicklung. Erfahrungen und neues Wissen müssen generiert, verteilt und zugänglich gemacht werden. Lernen ist ein Prozess der Veränderung der organisatorischen Wissensbasis zur Erhöhung der kollektiven Problemlösungsfähigkeit der Unternehmung (vgl. zusammenfassend Klimecki et al. 2000). Die kollektive Verarbeitung von Informationen erfolgt über Kommunikation als wesentliches Lernmedium. Die organisatorische Leistung besteht in der Herstellung von Kommunikationsbedingungen, die sowohl zeitliche als auch inhaltliche Freiräume geben, damit die Organisation sich selbst weiterentwickeln kann. Zu nutzen sind zunächst herkömmliche Formen der Interaktion wie Quality Circles und Erfahrungsaustauschgruppen. Sodann ist an die Einführung einer dualen Struktur mit sog. Communities of Practice (vgl. Wenger/Snyder 2000; von Krogh/Wicki 2001) zu denken, wie am Beispiel der BAYER AG erläutert (vgl. Kap. 1.2.3). Interaktivität und Lernen kann aber auch web-basiert über Collaboration auf Basis von Blogs, Wikis, Podcasts, Foren etc. realisiert werden (vgl. Kap. 6.3.6 und 2.5). Zur Organisation und Koordination aller derartigen Aktivitäten sowie zur Auswertung und Weiterentwicklung von Wissen und Erfahrungen könnten bestehende Abteilungen wie ‚Unternehmungsentwicklung‘, ‚Kommunikation’ und ‚Organisation‘ enger miteinander verzahnt und zumindest teilweise integriert werden (vgl. Frese 2000). Das Topmanagement hätte damit eine organisatorische Einheit zur Verfügung, die gleichermaßen Beratungs- wie Schrittmacherfunktionen für den permanenten Wandel übernehmen könnte. Die Institutionalisierung einer solchen Wandlungs- und Entwicklungsplattform als Dauereinrichtung wäre sichtbarer Ausdruck des Anspruchs, eine
269
6
Projekt- und Programm-Management
permanente und aktiv betriebene Unternehmungsentwicklung in Angriff zu nehmen – z.B. als Wandlungsstab oder Center of Change. Die beschriebenen Gestaltungsfelder sind nicht unabhängig voneinander, im Gegenteil, sie bedingen und ergänzen sich gegenseitig, d.h., man kann in diesem Fall nicht einen Schritt ohne den nächsten tun. Die Flexibilität bzw. Wandlungsfähigkeit einer Organisation ist das Ergebnis eines organisatorischen Gestaltungsprozesses, der versucht, die definierten Gestaltungsfelder nach Maßgabe der System-Umwelt-Bedingungen miteinander in Einklang zu bringen. Nur so können sie zu einer Lösung werden, die sicherstellt, dass sich die Unternehmung unter den beschriebenen Rahmenbedingungen in eine Phase der Verstetigung hinein entwickeln kann und sich die Organisation insgesamt als eine echte Wandlungsplattform etabliert. Es entstehen in den jeweiligen Einheiten und ihren korrespondierenden Umfeldern zum Teil eigene Subkulturen und -strukturen, die sich geschäftspezifischen und lokalen Unterschieden besser anpassen können. Die Ausstattung mit den entsprechenden Freiheitsgraden wirkt sich positiv auf die Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit der Einzelnen und der Gruppen aus, und es entwickelt sich die angestrebte ‚eingebaute’ Wandlungsfähigkeit.
6.5
Zusammenfassung
Die Zeiten organisatorischer Ruhe sind vorbei. Ausgehend vom seitherigen wiederholten Wandel der Strukturen in längeren Zeitabständen geht es heute und in Zukunft um die Gestaltung dauerhafter Strukturen des Wandels. Auf der Basis von Wandlungsplattformen ist die Unternehmung in der Lage, ihre strukturelle Wandlungsfähigkeit zu verbessern.
Für die Bewältigung des Transformationsprozesses benötigt die Primärorganisation, die der Erfüllung des Tagesgeschäfts dient, eine Ergänzung durch die Sekundärstruktur, z.B. in Form von Projektteams. Das Projektmanagement als fortdauerndes, zeitlich nicht befristetes Führungskonzept umfasst hierbei organisatorisch drei Ebenen: Management des Projekts, Management von
270
Zusammenfassung
6.5
Projekten (Programm-Management) und Management durch Projekte.
Die Mobilisierungs- und die Umsetzungsphase machen eine Mehrheit von aufeinander abgestimmten Projekten und damit ein auf dem Projektmanagement aufbauendes ProgrammManagement erforderlich, die gemeinsam eine Veränderung der strategischen Ausrichtung ermöglichen. Die projektübergreifende Koordination wird hierbei auf die Programmleitung übertragen. Diese muss den Wandlungsprozess zum einen inhaltlich begleiten, zum anderen nimmt sie eine organisatorische Koordinations- und Integrationsfunktion wahr.
Durch die Veränderungen in der Organisation verändert sich auch die Organisation selbst, sie entwickelt sich zu einer wandlungsfähigen Organisation. Diese ist in der Lage, Wandel zu verstetigen, indem sie eine Kopplung von Wandlungs- und Tagesgeschäft erreicht (integrierte Sekundärorganisation). Für die organisatorische Bewältigung und Gestaltung permanenter unternehmerischer Wandlungsprozesse ist die organisatorische Flexibilität die Basis. Grundstrukturen einer solchen wandlungsfähigen Organisation werden bspw. durch die Bildung von Subsystemen nach dem Prinzip der Modularisierung sowie eine Integration auf Basis loser Kopplungen realisiert.
Die auf die Weise organisatorisch verankerte Wandlungsfähigkeit ist wesentlicher Teil der erläuterten dynamischen organisatorischen Fähigkeiten 2. Ordnung. Sie sind erforderlich für die Erlangung und Aufrechterhaltung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen, was gleichbedeutend mit deren Überlebens- und Zukunftsfähigkeit ist.
271
TEIL C: UNTERSTÜTZENDE KOMPONENTEN DES WANDELS
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Human Resource Management im Wandel
Kapitel 7
Larissa Becker
275
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 7 Mit Kapitel 7 beginnt Teil C und damit die Behandlung solcher Wandlungskomponenten, die wandlungsunterstützend wirken. Das Human Resource Management, um das es hier zunächst geht, muss die personellen Veränderungen bewältigen helfen, dies in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Teilweise sind diese Aufgaben von der Art des Wandels abhängig, denn Abbau, Umbau und Aufbau stellen unterschiedliche Anforderungen. Allerdings gibt es auch programmunabhängige Maßnahmen, die Wandlungsprozesse flankierend begleiten. Kapitel 7 gibt einen konzentrierten Überblick über alle anstehenden Fragen. Die Skala reicht u.a. von der Personalfreisetzung und Versetzung über die Anreizpolitik bis hin zu Problemen der Personalführung.
277
7
Human Resource Management im Wandel
7.1
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1.1
Abbau durch Personalfreisetzung
Überblick Derzeit stehen Abbauprogramme und damit Personalfreisetzungen im Fokus der meisten Unternehmungen. Bei vorübergehenden Personalüberhängen kann bspw. durch Reduktion von Mehrarbeit, Einführung von Kurzarbeit (vorübergehende Herabsetzung der betrieblichen Arbeitszeit), Gewährung von Sabbaticals (Langzeiturlaub) oder gezielte Urlaubsgestaltung gegengesteuert werden (vgl. Bühner 2005, S. 83ff.). Eine kreative Lösung stellt das Angebot an die Beschäftigten dar, auf freiwilliger Basis Sonderzahlungen in Freizeit umzuwandeln. Dies praktiziert bspw. die VICTORIA VERSICHERUNG seit 2004 im Rahmen der sog. Pro-Job-Maßnahme mit großem Erfolg (vgl. www.erfolgsfaktor-familie.de). Hierdurch werden kurzfristig Gehaltskosten gesenkt, Personalkapazitätsüberhänge reduziert, und es wird ein Beitrag zur Work-Life-Balance der Mitarbeiter geleistet. Der durch einen transformativen Unternehmungswandel ausgelöste Personalminderbedarf ist allerdings typischerweise langfristiger Natur und bedarf daher weiter gehender Maßnahmen. Die hierfür geeigneten Methoden unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich ihrer Kosten, ihrer Steuerbarkeit sowie ihrer Wirkung auf die betroffenen Mitarbeiter (vgl. Abb. 7/1). Je ‚härter’ das Instrument ist, desto größerer Widerstand seitens der Betroffenen und des Betriebsrats ist zu erwarten und desto schwieriger ist die Durchsetzung. Allerdings erreichen ‚sanfte’ Maßnahmen in der Regel nur einen kleinen Teil der Belegschaft, so dass bei größeren Abbauprojekten oder gar Standortschließungen harte Einschnitte nicht vermeidbar sind. Auch an dieser Stelle ist auf den Zusammenhang von Abbau, Umbau, Aufbau zu erinnern. Kostensenkung (Abbau) allein ist selten eine ausreichende Strategie. Umbau und Aufbau müssen folgen. Diese zunächst unternehmungspolitisch gemeinte Forderung spielt auch personalpolitisch eine große Rolle. Die Verhandlungen über Arbeitsplatzabbau und die Akzeptanz entsprechender Vereinbarungen werden erheblich erleichtert, wenn ein unternehmerisches Kon-
278
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
zept vorliegt, das der nachhaltigen Fortführung dient und nicht als Teil einer ‚Salamitaktik’ angesehen wird.
Abbildung 7/1
Personalabbauinstrumente im Überblick
hoch
ATZ, Vorruhestand Aufhebungsvertrag Betriebsbedingte Kündigung
Kosten Arbeitszeitverkürzung Natürliche Fluktuation niedrig ‚sanft’
Wirkung auf die Betroffenen
‚hart’
Sanfte Freisetzungsmethoden Der erste Schritt zum Personalabbau besteht in der Nutzung der Fluktuation. Hierzu zählen neben der natürlichen Fluktuation (Pensionierung, Vorruhestand, volle Erwerbsunfähigkeit, Tod) das Auslaufen befristeter Arbeitsverträge sowie die Eigenkündigung von Arbeitnehmern. Basis ist in der Regel die Verhängung eines Einstellungsstopps. Falls sich ein genereller Einstellungsstopp ungünstig auf die Personalstruktur auswirkt und/oder zu Engpässen bei Schlüsselqualifikationen führt, empfiehlt sich ein qualifizierter oder modifizierter Einstellungsstopp. Er lässt Einstellungen in bestimmten Bereichen oder nach vorheriger Prüfung der betrieblichen Notwendigkeit zu (vgl. Bühner 2005, S. 83ff.; Berthel/Becker 2007, S. 299f.). Umfang und Geschwindigkeit des hierdurch erreichbaren Personalabbaus hängen insbesondere von der Altersstruktur der Belegschaft und von der durchschnittlichen Fluktuationsrate ab (vgl. Abb. 7/2, AGV Vers., AGV Banken). Die mit einem transformativen Wandel verbundenen Personalabbauziele erfordern meist ein rascheres Tempo und damit weiter gehende Maßnahmen.
279
7 Abbildung 7/2
Human Resource Management im Wandel
Abgangsgründe 2006/2007 in der Finanzbranche (Angaben in Prozent) Abgangsgründe
Banken (2006)
Versicherungen (Innendienst) (2007)
Tarif
AT
‚Natürliche’ Fluktuation, Vertragsablauf
1,0
1,1
3,3
Kündigung durch den Arbeitnehmer
2,4
3,2
1,0
Kündigung durch den Arbeitgeber
0,5
0,3
0,4
Einvernehmliche Vertragsauflösung
2,7
2,0
1,6
Jährlicher Abgang gesamt
6,7
6,7
6,4
Auch durch Arbeitszeitverkürzung, bspw. durch eine Teilzeitinitiative, lässt sich die Personalkapazität senken. Aufgrund der mit ihr verbundenen Einkommenseinbußen kommt sie allerdings für die meisten Mitarbeiter nicht in Frage. Ihre Attraktivität lässt sich durch Angebot einer Teilabfindung und/oder Zusicherung einer Rückkehroption in ein Vollzeitarbeitsverhältnis steigern. Um unerwünschte Mitnahmeeffekte zu vermeiden, sollten die Arbeitszeitreduktionen gezielt mit ausgewählten Mitarbeitern vereinbart werden (Prinzip der wechselseitigen Freiwilligkeit). Dem steht die Forderung der Arbeitnehmervertretung entgegen, im Sinne einer Gleichbehandlung allen Beschäftigten die Möglichkeit einer Arbeitszeitreduktion zu eröffnen. Vorruhestandsmodelle und Altersteilzeit richten sich an ältere Mitarbeiter. Für sie spricht neben der hohen Akzeptanz durch Mitarbeiter und Betriebsrat vor allem die Verjüngung der Belegschaft, die sich tendenziell positiv auf Wandlungsfähigkeit und Wandlungsbereitschaft auswirkt (vgl. Becker 2001, S. 145f.). Daher sind sie ein beliebtes Instrument der sozial verträglichen Umsetzung und stehen als solches im Mittelpunkt aktueller Personalabbauprogramme bspw. bei EON und KARSTADT (vgl. www.faz.net vom 27.08.2008 und 02.09.2008).
280
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Bei Vorruhestandsmodellen scheiden Mitarbeiter vorzeitig aus und gehen je nach Alter direkt oder nach einer Übergangszeit in den Ruhestand. Zur Überbrückung der Zeit bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn sowie zur (Teil-)Kompensation von Rentenabschlägen leistet die Unternehmung eine Ausgleichszahlung (vgl. Bühner 2005, S. 84). Bei der Altersteilzeit reduziert der Mitarbeiter aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber seine Arbeitszeit bis zum Ruhestand auf die Hälfte. Den Einkommensverlust kompensiert der Arbeitgeber zumindest teilweise durch Aufstockung des Gehalts und Zahlung zusätzlicher Rentenversicherungsbeiträge. Die Verteilung der Arbeitszeit ist den Vertragspartnern überlassen. Die meisten Unternehmungen wenden das Blockmodell an, das den Zeitraum der Altersteilzeit in eine aktive und eine passive Phase aufspaltet (vgl. Ahlbrecht/Ickenroth 2003). Problematisch sind bei Vorruhestand und Altersteilzeit die hohen Kosten sowie der Erfahrungsverlust. Auch ist das hiermit erreichbare Personalabbauvolumen in vielen Unternehmungen bereits durch vorhergehende Umstrukturierungen und Personalabbauinitiativen weitgehend ausgereizt, wie das folgende Beispiel der DRESDNER BANK zeigt. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels setzt zudem ein Mentalitätswechsel ein, der u.a. dazu führt, dass Arbeitgeber zunehmend zurückhaltend mit diesen Instrumenten umgehen. Beispielsweise erschwerte METRO den Zugang zur Altersteilzeit mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Anträge innerhalb von vier Jahren von 1.200 auf 200 im Jahr sank (vgl. FAZ vom 20.09.2008). Für Beschäftigte sämtlicher Altersklassen geeignet ist der Aufhebungsvertrag. Mit diesem Instrument wird das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen ohne Beteiligung des Betriebsrats und ungeachtet von Sonderkündigungsschutz und bestehenden Beschäftigungsgarantien beendet. Das Einverständnis der Beschäftigten wird durch Abfindungen erreicht, deren Höhe im Wesentlichen von Alter und Betriebszugehörigkeit abhängt (vgl. Bühner 2005, S. 84). Die Unternehmung nimmt durch die gezielte Offerierung von Aufhebungsverträgen Einfluss auf die Auswahl der abzubauenden Mitarbeiter, gewinnt Planungssicherheit (Ausschluss von Kündigungsschutzklagen) und vermeidet die mit betriebsbedingten Kündigungen einhergehende negative Öffentlichkeitswirkung. Daher ist die einvernehmliche Vertragsauflösung ein häufig genutztes In-
281
7
Human Resource Management im Wandel
strument des Personalabbaus. Allerdings sinkt in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Bereitschaft der Beschäftigten, gegen Abfindung freiwillig die Unternehmung zu verlassen, erheblich.
Das Thema: Sozial verträglicher Personalabbau Das Beispiel: DRESDNER BANK Die Übernahme der DRESDNER BANK durch die COMMERZBANK wird weitreichende Folgen insbesondere für das übernommene Institut haben. Nach mehr als 135 Jahren soll der traditionsreiche Name DRESDNER BANK als Marke verschwinden. Daneben sollen im Zuge der Fusion etwa 9.000 Arbeitsplätze wegfallen, davon etwa 6.500 in Deutschland. Die COMMERZBANK will den Stellenabbau möglichst sozial verträglich umsetzen. Zumindest bis 2011 soll auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. Insbesondere in den Filialen setzt man stark auf die Nichtbesetzung frei werdender Stellen. Daneben soll der Stellenabbau bspw. durch Altersteilzeit, Vorruhestand und Aufhebungsverträge umgesetzt werden. Die Machbarkeit einer solchen sozial verträglichen Umsetzung des geplanten Stellenabbaus ist allerdings kritisch zu sehen. Dem Gesamtbetriebsrat der DRESDNER BANK zufolge hat nahezu jeder Mitarbeiter der DRESDNER BANK schon mehrfach einen Aufhebungsvertrag angeboten bekommen. „Wer sich das bisher nicht leisten konnte, kann es auch jetzt nicht“, so EggertLehmann, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der DRESDNER BANK. Auch seien weniger als 1.000 Mitarbeiter der DRESDNER BANK alt genug, um bis 2011 in Altersteilzeit gehen zu können. (Quelle: www.faz.net vom 01.09.2008 und vom 02.09.2008)
Betriebsbedingte Kündigung Können die Ziele des Wandels mit sozial verträglichen Freisetzungsmethoden nicht erreicht werden, bleibt nur die betriebsbedingte Kündigung. Dabei ist eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Vorschriften zu beachten, insbesondere die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte (Sozialauswahl). Dazu zählen gem. § 1 III KSchG die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine evtl. Schwerbehinderung. Die genaue Ausgestaltung und Gewichtung dieser Kriterien liegt in einem gewissen Rahmen im Ermessen der Unternehmung.
282
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Das Thema: Sozialauswahl Das Beispiel: GOTHAER LEBENSVERSICHERUNG AG Im Jahr 2005 verlagerte die GOTHAER LEBENSVERSICHERUNG Stabs-, Dienstleistungs- und Produktbereiche von Göttingen nach Köln unter gleichzeitiger Aufgabe des Standorts Göttingen als Hauptverwaltungsstandort. Im Interessenausgleich ist die Sozialauswahl wie folgt geregelt: Jeder Mitarbeiter erhält 1 Punkt für jedes vollendete Lebensjahr ab dem vollendeten 21. Lebensjahr (max. 30 Punkte), 1 Punkt für jedes vollendete Dienstjahr (max. 30 Punkte), 8 Punkte für jede Person, für die gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen, 5 Punkte bei einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent sowie einen weiteren Punkt für einen um je 10 Prozent erhöhten Grad der Behinderung. Die Sozialauswahl erfolgt innerhalb vergleichbarer Mitarbeitergruppen in einem ersten Schritt nach dem oben dargestellten Punkteschema. Danach hat eine Einzelfallprüfung stattzufinden (Quelle: Interessenausgleich Zukunftssicherung Gothaer Leben).
Der mit der Sozialauswahl einhergehende Verlust von Leistungsträgern und die Verschlechterung der Altersstruktur werden regelmäßig als gravierender Nachteil betriebsbedingter Kündigungen angeführt. Dies muss jedoch spätestens seit der Novellierung des Kündigungsschutzgesetzes zum 01.01.2004 relativiert werden. Einerseits können nunmehr alle Arbeitnehmer, „deren Weiterbeschäftigung [..] im berechtigten betrieblichen Interesse liegt“ (§ 1 Abs. 3 KSchG), aus der Sozialauswahl ausgenommen werden. Diese ist dann nur noch unter den verbleibenden Beschäftigten vorzunehmen. Weiterhin erlaubt das Kündigungsschutzgesetz seit 2004 explizit die „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ (§ 1 Abs. 3 KSchG). Der Kündigungsschutz älterer Mitarbeiter sollte daher nicht überbewertet werden. Beispielsweise greift in der Versicherungsbranche der Sonderkündigungsschutz für ältere Mitarbeiter ausdrücklich nicht bei Rationalisierungen (Manteltarifvertrag des privaten Versicherungsgewerbes, § 15 Abs. 3). Die betriebsbedingte Kündigung älterer Mitarbeiter ist also durchaus möglich,
283
7
Human Resource Management im Wandel
wenn auch aufgrund ihres Alters und der in der Regel längeren Betriebszugehörigkeit sehr kostenintensiv. Kündigungsschutzklagen können die Umsetzung betriebsbedingter Kündigungen langwierig, teuer und schwer steuerbar machen. Um diese Risiken zu reduzieren, greifen viele Unternehmungen zu den sog. Turboprämien. Dabei werden zusätzliche Abfindungen bei Verzicht auf Kündigungsschutzklage vorgesehen. Der Sozialplananspruch selbst darf allerdings nicht von einem Klageverzicht abhängig gemacht werden, und das für den Sozialplan vorgesehene Volumen darf nicht zur Finanzierung von Turboprämien verwendet werden (vgl. Braun 2005; Lelley 2006).
Mitbestimmung bei Betriebsänderungen Bei einem transformativen Unternehmungswandel liegt in aller Regel eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vor, bei der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Interessenausgleich und ein Sozialplan zu verhandeln sind (vgl. Jaeger 2001; Stück 2005). Der Interessenausgleich regelt bspw. Zeitpunkt, Umfang und Form der Betriebsänderung sowie die Verfahrensweise bei der Sozialauswahl (vgl. das Beispiel GOTHAER LEBENSVERSICHERUNG AG). Sein Ziel ist es, die nachteiligen Folgen der Betriebsänderung auf die Beschäftigten möglichst gering zu halten. Er hat Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Transformation, da vor seinem Abschluss (oder dem Feststellen des Scheiterns und der Einstellung des Verfahrens durch die Einigungsstelle) keinerlei Umsetzungsaktivitäten erfolgen dürfen (vgl. Stück 2005, S. 57). Der Arbeitgeber kann also mit der Betriebsänderung erst beginnen, wenn er sich ausreichend um eine gütliche Einigung bemüht hat. Kommt es zu keiner Einigung, ist der Arbeitgeber in seiner unternehmerischen Entscheidung frei (vgl. Dilger 2004, Sp. 1770ff.). Das hat aber erhebliche Konsequenzen für die Akzeptanz der Transformation und damit für Produktivität, Betriebsklima und ungewollte Arbeitnehmerkündigungen. Der Sozialplan soll die für die Beschäftigten mit einer Betriebsänderung einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile durch Zahlung von Abfindungen ausgleichen oder mildern (vgl. § 112 BetrVG; Dilger 2004, Sp. 1765). Können sich beide Seiten nicht einigen, ist der Sozialplan – im Gegensatz zum Interessenausgleich – unter bestimmten
284
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Umständen durch die Einigungsstelle erzwingbar. Die Dotierung des Sozialplans ist in der Praxis unterschiedlich, kann jedoch durchaus bis zum Zweifachen der jährlichen Einsparung reichen (vgl. Stück 2005, S. 57). Dennoch liegen seine Kosten typischerweise unter den Kosten für Aufhebungsverträge. Dies liegt einerseits daran, dass betriebsbedingte Kündigungen schwerpunktmäßig jüngere Mitarbeiter mit weniger Sozialpunkten treffen, andererseits an der Notwendigkeit der attraktiven Gestaltung der Konditionen von Aufhebungsverträgen, ohne die das Instrument wirkungslos bliebe.
Die Beschäftigten des Bochumer NOKIA-Werks sollen Abfindungen von bis zu 220.000 € erhalten. Zur Berechnung der individuellen Abfindung wird das Bruttomonatsgehalt mit dem Produkt aus Beschäftigungsdauer und Alter multipliziert und durch 20 geteilt. Dabei wird maximal die Tarifgruppe T 6 zugrunde gelegt, die einem Bruttomonatsgehalt von 6.000 € entspricht (Quelle: www.sueddeutsche.de vom 10.04.2008).
Liegt keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vor, greift § 1a KSchG, das im Falle betriebsbedingter Kündigung einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vorsieht, sofern der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt.
Transferberatung Abfindungen werden für die Betroffenen angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation, dem Wegfall der Steuerfreibeträge zum 01.01.2006 sowie den Reformen im Arbeitsförderungsrecht (ALG II) zunehmend unattraktiv. Zudem mildern sie ausschließlich die wirtschaftlichen Kosten des Arbeitsplatzverlusts, nicht dagegen die sozialen und psychischen Folgen. Daher wurde als Alternative zum ‚klassischen’ Abfindungssozialplan das Konzept des Transfersozialplans entwickelt, dessen wesentliches Ziel die Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Transferberatung (Outplacement, Transferagentur, Transfergesellschaft) ist. Transferagenturen und Outplacement-Dienstleister fördern den nahtlosen Übergang der betroffenen Arbeitnehmer in ein neues Beschäftigungsverhältnis oder in die Selbstständigkeit durch Qualifizierung, Beratung und Vermittlung. Zwischengeschaltete Trans-
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7
Human Resource Management im Wandel
fergesellschaften sorgen zudem dafür, dass die von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Mitarbeiter nicht sofort auf der Straße landen, sondern vorerst mit einem befristeten Arbeitsverhältnis in der Transfergesellschaft weiterbeschäftigt werden. Sie werden besonders häufig von großen Konzernen wie DEUTSCHE POST, DEUTSCHE TELEKOM (VIVENTO) oder DEUTSCHE BAHN genutzt, die in den vergangenen Jahren einen drastischen Stellenabbau vorgenommen und zu diesem Zweck betriebseigene Transfergesellschaften etabliert haben. Zehntausende Mitarbeiter durchliefen und durchlaufen die Transfergesellschaften dieser ehemaligen Staatsbetriebe (vgl. Mulitze 2005, S. 22).
Das Thema: Transfergesellschaft Die Beispiele: SIEMENS, NOKIA SIEMENS konnte in den vergangenen Jahren betriebsbedingte Kündigungen immer wieder vermeiden. Dies erfolgte u.a. mithilfe von Transfergesellschaften, in denen die Mitarbeiter für eine Übergangszeit weitergebildet wurden und Vermittlungsdienste nutzen konnten. Auch im Rahmen des 2008 gestarteten Stellenabbaus, bei dem weltweit 17.600 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen, davon 6.400 in Deutschland, bietet SIEMENS eine Transfergesellschaft an. Daneben werden interne Versetzungen geprüft – in Anbetracht von 3.200 offenen Stellen im Konzern ebenfalls ein Erfolg versprechendes Vorgehen (Quelle: FAZ vom 08.07.2008; www.sueddeutsche.de vom 26.08.2008). Auch NOKIA bietet den Beschäftigten des Bochumer Handy-Werks den Wechsel in eine Transfergesellschaft an und kalkuliert hierfür Kosten in Höhe von 15 Mio. €. Die ersten der ehemals 2.300 Beschäftigten wurden Anfang Juli 2008 in die Transfergesellschaft übernommen. In ihr können sie nach Ablauf der Kündigungsfrist zwölf Monate lang beschäftigt werden (Quelle: www.sueddeutsche.de vom 08.04.2008 und 30.06.2008).
286
Die Vorteile der Transferberatung liegen aus Unternehmungssicht u.a. in der Sicherung des Betriebsfriedens und dem Imagegewinn durch sozial verträglichen Personalabbau. So spielen „übliche Begleiterscheinungen von Personalabbauprozessen, wie etwa überhöhte Fehlzeiten, steigende Unfallzahlen, Sabotageakte oder auch Kündigungsschutzklagen“ bei Einsatz eines Transfersozialplans kaum noch eine Rolle (Blatt et al. 2002, S. 61). Diesen Vorteilen gegenüber
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
stehen die Kosten für die Transfergesellschaft sowie für Beratung und Qualifizierung (vgl. Mulitze 2005). Wichtigstes Qualitätskriterium der Transferberatung ist die Vermittlungsquote. Diesbezüglich sind insbesondere die Transfergesellschaften in die Kritik geraten, deren durchschnittliche Vermittlungsquote bspw. in Nordrhein-Westfalen 2006 gerade mal bei 32% lag. Ursache war neben der unterschiedlichen Qualität der Transfergesellschaften und der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch der Umstand, dass Transfergesellschaften jahrelang als Instrument zur Frühverrentung eingesetzt wurden (vgl. Nicolai 2008). Deutlich bessere Vermittlungsquoten von teilweise sogar über 80% werden durch Transferagenturen und Outplacement erreicht (vgl. Blatt et al. 2002, S. 61f.; Mulitze 2005; Wolff 1999).
Umgang mit den verbleibenden Mitarbeitern Sofern nicht die Schließung eines gesamten Betriebs beabsichtigt ist, geht es selbst im Abbau nicht nur um Freisetzung, sondern auch darum, die verdeckten Folgekosten des Personalabbaus zu vermeiden. Der Erfolg jeder Personalreduktionsinitiative hängt im Wesentlichen davon ab, dass 1. diejenigen Personen, die nicht mehr gebraucht werden, die Unternehmung verlassen (Trennung), 2. diejenigen Mitarbeiter, die weiterhin benötigt werden, gehalten werden (Bindung) und 3. die Motivation der Mitarbeiter erhalten wird (Engagement). Ersteres lässt sich durch Auswahl der Freisetzungsinstrumente steuern. Der größte Spielraum besteht beim Einsatz von Aufhebungsverträgen. Bei der Nutzung der natürlichen Fluktuation und dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen dagegen sind die unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Kreis der Betroffenen sehr gering. Die Bindung und Motivation der verbleibenden Mitarbeiter wird in der Praxis meist vernachlässigt. Folge ist die sog. ‚Survivorproblematik’. Mitarbeiter beobachten Trennungen sehr genau und antworten mit vielfältigen, für die Organisation meist negativen Reaktionen (vgl. Jaeger 2001, S. 30; www.fazjob.net vom 11.09.2006). Nicht von der Unternehmung intendierte Kündigungen (‚involuntary
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Human Resource Management im Wandel
terminations’) bringen oft einen erheblichen Verlust von Know howund Leistungsträgern mit sich, da es vorwiegend junge, qualifizierte Mitarbeiter mit hoher Flexibilität und Veränderungsbereitschaft sind, die die Unternehmung verlassen (vgl. auch Capgemini 2007, S. 57; Deloitte 2005; Jaeger 2001, S. 30f.). Bei der verbleibenden Belegschaft kommt es zu einem Anstieg der Fehlzeiten und einem Abfall von Produktivität, Motivation, Identifikation und Loyalität (vgl. Capgemini 2007, Deloitte 2005; Frick 2004; Badura et al. 2006 sowie www.fazjob.net vom 22.09.2006). Dies gefährdet nicht nur den Wandlungserfolg, sondern langfristig die Innovations- und Veränderungsfähigkeit der Unternehmung. Diese unerwünschten Effekte können vermieden werden durch:
Fairness bei Entlassungen. Sie drückt sich nicht nur in der Höhe der Abfindungen aus, sondern auch in einer menschlichen Abwicklung von Kündigungen und in zusätzlichen Unterstützungsangeboten wie bspw. Outplacement-Beratung. Wichtig ist, dass die Betroffenen in der Krise nicht allein gelassen werden (vgl. Blatt et al. 2002, S. 60ff.; Frick 2004, Sp. 1322; Jaeger 2001, S. 31; www.fazjob.net vom 22.09.2006).
Respekt und Wertschätzung gegenüber den Betroffenen. Entscheidend ist hierfür vor allem die Kommunikation des Stellenabbaus. Dabei sollte der verantwortliche Vorstand persönlich Flagge zeigen und so sein Interesse an den Mitarbeitern zeigen – ein Faktor, der einer Studie der Unternehmungsberatung TOWERS PERRIN zufolge besondere Bedeutung für das MitarbeiterEngagement hat (vgl. Towers Perrin 2007, S. 11). Ein Missachten dieses Grundsatzes wird sofort vermerkt. Beispielsweise wurde der Vorstandsvorsitzende des SIEMENS-Konzerns, Peter Löscher, scharf dafür kritisiert, dass er die Verkündung des Stellenabbaus bei SEN dem Finanzvorstand überlassen hat. Dies wurde dahingehend interpretiert, dass ihm die Mitarbeiter nicht sonderlich wichtig seien und er diese unangenehme Aufgabe lieber einem anderen überlasse (vgl. FAZ vom 08.07.2008).
Einfühlsame Kommunikation. Es bedarf viel Fingerspitzengefühls bei der Gestaltung des Trennungsprozesses. Das Trennungsgespräch selbst sollte der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Betroffenen führen. Dabei sind eine offene und objektive
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Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
Darstellung der Situation wie auch Verständnis für die Reaktion des betroffenen Mitarbeiters gefragt (vgl. Kuntz 2005).
Handeln im Einklang mit den Unternehmungswerten. Auch die Vorbildfunktion des Senior Managements im Sinne der Unternehmungswerte ist bedeutsam für das Engagement. Entsprechend ist das Change Management auch und besonders in Abbauphasen an den Unternehmungswerten auszurichten, um die Motivation der Leistungsträger nicht aufs Spiel zu setzen (vgl. Towers Perrin 2007, S. 11).
Information und Einbindung. Um verbleibende Mitarbeiter zum Durchhalten und Bleiben zu ermutigen, empfiehlt es sich, Leistungsträger in die Transformation einzubinden und ihnen hierdurch gleichermaßen Gestaltungsspielräume wie auch Informationen aus erster Hand zu bieten.
Individuelle Zusicherungen. Schlüsselpersonen ist frühzeitig zu signalisieren, dass ihnen kein Arbeitsplatzverlust droht. Daneben sind ihnen Perspektiven aufzuzeigen, und sie sind darüber zu informieren, welche Rolle sie nach der Transformation haben werden. Auch der gezielte Einsatz von Anreizen kann die Durchhaltemotivation fördern.
7.1.2
Umbau durch Austausch oder Versetzung
Ein Umbau führt typischerweise zu einem veränderten Personalbedarf in qualitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Bei seiner Realisierung sind zwei Fälle zu unterscheiden, der Austausch von Teilen der Belegschaft über den externen Arbeitsmarkt und die interne Versetzung (vgl. Abb. 7/3, in Anlehnung an Becker 2001, S. 136). In größeren Unternehmungen, die an verschiedenen Standorten operieren, entwickelt sich ein teilweise sehr lebhafter interner Arbeitsmarkt, der auch durch Personalentwicklungsprogramme und Job Rotation-Aktivitäten unterstützt wird. An dieser Stelle ist auf die seit langem wiederholte Forderung nach ‚lebenslangem Lernen’ und ‚Mobilität’ zu verweisen. Sie tragen erheblich zur personellen Wandlungsbereitschaft im Umbau bei.
289
7 Abbildung 7/3
Human Resource Management im Wandel
Alternative Umbaustrategien
qualitativer, räumlicher, zeitlicher Personalbedarf vor dem Wandel
Versetzung (interner Arbeitsmarkt)
qualitativer, räumlicher, zeitlicher Personalbedarf nach dem Wandel
Personalfreisetzung
Personalbeschaffung Austausch (externer Arbeitsmarkt)
Austausch von Mitarbeitern Radikale Veränderungen sowie eine geringe Flexibilität der Beschäftigten erfordern zwingend einen Austausch zumindest von Teilen des Personals, z.B., wenn in der neuen Struktur geringer qualifizierte und kostengünstigere Mitarbeiter eingesetzt werden sollen. Daher gehen viele Unternehmungen den Weg, die Beschäftigten über eine Kombination aus Personalfreisetzung und Personalbeschaffung auszutauschen (vgl. das folgende Beispiel).
2005 schloss die GOTHAER ALLGEMEINE VERSICHERUNG drei Niederlassungen in Frankfurt, Berlin und Dortmund. Die Mitarbeiter wurden betriebsbedingt gekündigt. Parallel hierzu wurde in Köln-Mülheim das GOTHAER KUNDENSERVICE-CENTER gegründet. Dort wurden etwa 100 Mitarbeiter neu eingestellt, die ohne Tarifvertrag zu deutlich niedrigeren Gehältern und mit längeren Arbeitszeiten bisher von den Niederlassungen erledigte Geschäftsvorfälle bearbeiten (Quelle: Financial Times Deutschland vom 20.02.2006).
Allerdings ist es schwierig, Betriebsrat und Beschäftigte von der Notwendigkeit eines Personalabbaus zu überzeugen, wenn gleichzeitig externe Einstellungen vorgenommen werden. Der Betriebsrat wird darauf drängen, frei werdende bzw. neu zu schaffende Stellen durch interne Bewerber zu besetzen. Daneben stößt die Kombinati-
290
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
on von Freisetzung und Beschaffung teilweise an rechtliche Grenzen. So sind betriebsbedingte Kündigungen nur zulässig, wenn im selben Betrieb keine freien vergleichbaren (gleichwertigen) Arbeitsplätze oder Arbeitsplätze zu geänderten (schlechteren) Bedingungen vorhanden sind (Ultima-Ratio-Prinzip). Liegen die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang vor, regelt der sog. Outsourcing-Paragraph (§ 613a BGB) die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Darin heißt es u.a., dass der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden darf (Besitzstandswahrung). Zudem besteht eine umfassende Informationspflicht gegenüber den Arbeitnehmern. Die gesetzliche Frist für den Widerspruch gegen den Betriebsübergang beginnt nicht zu laufen, wenn die Betroffenen fehlerhaft über die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen in Kenntnis gesetzt wurden (vgl. Mues 2006).
Versetzung von Mitarbeitern Kann und soll der Umbau dagegen mit dem bestehenden Personal bewältigt werden, sind Versetzungen oder Änderungskündigungen in der Regel unvermeidbar. Für sie sprechen neben der Vermeidung der mit Freisetzungen und Beschaffungen einhergehenden Kosten und Risiken vor allem der Erhalt von Know how und Erfahrungen. Zudem können durch Versetzungen betriebsbedingte Beendigungskündigungen vermieden werden, was aus Imagegründen und zum Erhalt des Betriebsklimas auch im Interesse der Unternehmung ist.
Das Thema: Umbau durch interne Versetzungen Das Beispiel: KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG BAYERNS Im Zuge einer Qualitätsoptimierung und strategischen Neuausrichtung entstehen in der KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG BAYERNS (KVB) ständig neue Stellen, deren externe Besetzung sich zunehmend langwierig und schwierig gestaltet. Gleichzeitig entfallen Stellen durch Automatisierung und Prozessoptimierung. Interne Versetzungen werden dadurch erschwert, dass es sich bei dem Abbau meist um einfachere Sachbearbeiterstellen handelt, deren Inhaber weder für den internen noch für den externen Arbeitsmarkt ausreichend qualifiziert sind. Es fehlt ihnen überwiegend an
291
7
Human Resource Management im Wandel
PC-Erfahrungen und kaufmännischen Grundkenntnissen sowie teilweise auch an einer abgeschlossenen Ausbildung. Um Kündigungen zu vermeiden und neu entstehende Stellen zu besetzen, nutzt die KVB seit 2005 das KVB-Entwicklungszentrum. Mitarbeiter, deren Stellen wegfallen, werden in dieses interne Zentrum versetzt und dort qualifiziert, bis sie auf frei werdende oder neu geschaffene Stellen wechseln können. Die Qualifizierung erfolgt auf Basis einer individuellen Schwerpunktanalyse, die sowohl Stärken und Neigungen der Betroffenen als auch mittelfristig frei werdende und entstehende Stellen berücksichtigt. Die Mitarbeiter werden zielgerichtet auf eine bestimmte Stelle oder zumindest eine bestimmte Tätigkeitsart hin entwickelt. Die theoretische Weiterbildung wird ergänzt durch Hospitationen in den Fachbereichen. Der Lernerfolg wird durch Tests und Zielvereinbarungen gesichert. Der Erfolg dieses Instruments spricht für sich: Alle Teilnehmer haben bisher das Entwicklungszentrum erfolgreich abgeschlossen und innerhalb der KVB eine neue Aufgabe übernommen. Die neue, meist deutlich höherwertige Position fanden sie im Durchschnitt nach nur sechs Monaten. Damit wurde nicht nur den Mitarbeitern eine Perspektive geboten, sondern auch die KVB hat Kosten gespart. Die Ausbildung im Entwicklungszentrum kostet etwa ein Drittel dessen, was für die ansonsten erforderliche Trennung angefallen wäre (Quelle: Ungnad/Fink 2008).
Bei der Versetzung besteht eine wesentliche Herausforderung darin, die Beschäftigten entsprechend ihren Fähigkeiten und Erfahrungen optimal den neuen Aufgaben und Anforderungen zuzuordnen (Personaleinsatz). Dabei ist die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bezüglich Versetzungen und Änderungskündigungen zu beachten. Die Vorgehensweise wie auch das Ergebnis der Zuordnung der Mitarbeiter auf die Zielorganisation sind mit den Mitbestimmungsgremien abzustimmen. Bezüglich der Einbindung der Betroffenen besteht die Möglichkeit eines Top down-Vorgehens, bei dem der Arbeitgeber das ‚Matching’ von Stellen und Personen übernimmt. Den Mitarbeitern wird lediglich mitgeteilt, welche Aufgabe sie zukünftig haben werden. Dieses Procedere bietet sich insbesondere bei reinen Standortverlagerungen ohne wesentliche Veränderung von Aufgaben und Anforderungen an. Das diametral entgegengesetzte Bottom up-Vorgehen berücksichtigt in stärkerem Maße die Interessen der Beschäftigten. In der Praxis finden sich typischerweise Mischformen. Beispielsweise werden die Wünsche der Betroffenen im Rahmen einer
292
Wandlungsprogrammabhängige Maßnahmen
7.1
schriftlichen Befragung und/oder persönlicher Gespräche erhoben, bevor eine Zuordnung der Mitarbeiter in die Zielorganisation erfolgt. Alternativ werden die neuen bzw. geänderten Stellen ausgeschrieben und die betroffenen Mitarbeiter werden aufgefordert, sich zu bewerben. Die Stellenbesetzung findet dann mittels eines Auswahlprozesses auf Basis der internen Bewerbungen sowie ergänzender diagnostischer Instrumente (Interview, Assessment Center) statt. Dem Vorteil der Auswahl nach Eignung steht ein hoher Aufwand für Mitarbeiter, Führungskräfte und Personalabteilung gegenüber. Daher wird auf Ausschreibungen gerne verzichtet, sofern sie nicht vom Betriebsrat verlangt werden.
7.1.3
Aufbau durch Personalbeschaffung
Typischerweise liegt in Transformationssituationen ein qualitativer Nettopersonalbedarf vor, der durch Personalentwicklung gedeckt werden kann. Diese wird in Kapitel 7.2.1 näher betrachtet, da sie bei nahezu jedem Wandlungsprogramm von Belang ist. Daneben entsteht insbesondere bei Aufbauprogrammen ein quantitativer Nettopersonalbedarf, der Personalbeschaffung erfordert. Doch auch Abbau und Umbau bringen zumindest in Teilbereichen der Unternehmung quantitative Personalbedarfe mit sich. Man denke bspw. an eine Verwaltungsabteilung, die im Rahmen einer Kostensenkungsinitiative neben Rationalisierungsmaßnahmen und dem Outsourcing nicht strategischer Bereiche ein strategisches Beschaffungsmanagement einführt. Die hier geschilderten Instrumente und Methoden der Personalbeschaffung gelten daher für Aufbau, Umbau und Abbau. Ein quantitativer Personalbedarf kann intern oder extern gedeckt werden. Eine Möglichkeit der internen Personalbeschaffung ist die Arbeitszeitverlängerung. So haben in den vergangenen Jahren einige Unternehmungen der Metallindustrie einem Teil der Mitarbeiter eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von der 35- zur 38- bzw. 40-Stunden-Woche gegen Lohnausgleich angeboten. Durch diese Maßnahmen wurden Beschaffungsengpässe bei knappen Berufsgruppen wie bspw. Ingenieuren gedeckt. Auch durch Aufstockung von Teilzeit- auf Vollzeitarbeitsverhältnisse werden intern zusätzliche Kapazitäten generiert. Die Grenze für den internen Ausgleich
293
7
Human Resource Management im Wandel
quantitativer Unterdeckungen bilden im Wesentlichen die bisherige Arbeitszeit, die Bereitschaft der Beschäftigten zur Arbeitszeitverlängerung sowie rechtliche Restriktionen, insbesondere Arbeitszeitgesetz, tarifliche und betriebliche Regelungen. Lässt sich der Personalbedarf nicht intern decken, ist auf externe Personalbeschaffung zurückzugreifen, wobei sich typischerweise eine größere Auswahl ergibt. Mitarbeiter von außerhalb der Unternehmung bringen nicht nur neue Impulse, Wissen und Erfahrungen mit, sie neigen auch nicht zu der bei internen Mitarbeitern oft anzutreffenden Verklärung der Unternehmungsvergangenheit, die eine erhebliche Wandlungsbarriere darstellt. Nachteilig sind die höheren Kosten der externen Personalsuche, die längere Vorlaufzeit, das Fehlen informaler Netzwerke und die mangelnde Betriebskenntnis. Auch kann externe Personalbeschaffung negative motivatorische Effekte auf die vorhandenen Mitarbeiter haben, wenn die externe Rekrutierung interne Aufstiegschancen reduziert. Externe Personalbeschaffung findet ihre Grenzen in Engpässen auf dem Arbeitsmarkt. In einigen Branchen und Berufsgruppen gibt es einen zunehmenden Fachkräftemangel, der sich in Schlagzeilen wie „Ingenieure weiter Mangelware“ (www.faz.net vom 04.9.2008), öffentlichkeitswirksam äußert. Insbesondere bei qualifizierten Fachkräften ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot (vgl. Towers Perrin 2007, S. 7). Auch der sog. ‚War for Talents’, der Krieg um die besten Talente, ist nach wie vor voll im Gange. Diese Situation wird künftig weiter verschärft werden durch die demografische Entwicklung, die einen signifikanten Rückgang der Erwerbstätigen und eine weitere Abnahme der jungen Altersstufen bringen wird. Folge ist eine enorme Herausforderung für den deutschen Arbeitsmarkt (vgl. Statistisches Bundesamt 2006; FAZ vom 20.09.2008). Bei der externen Personalbeschaffung kommt es darauf an, in relativ kurzer Zeit möglichst zuverlässige Informationen über die Eignung des Bewerbers zu erhalten. Es ist nicht die absolut ‚beste’, sondern die am ehesten den Anforderungen entsprechende Person zu finden. Der neue Mitarbeiter muss zu der Unternehmung passen (‚kultureller Fit’). Im Idealfall kann er einerseits als Vorbild und Schrittmacher des Wandels fungieren und ist andererseits in der Lage, auf die bisherigen Beschäftigten einzugehen und sie dort abzuholen, wo sie sich befinden.
294
Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen
7.2
Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen
7.2.1
Personalentwicklung
7.2
Maßgeschneiderte Personalentwicklung kann durch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit, die Anpassung der Mitarbeiterqualifikation an veränderte Anforderungen und die Erhöhung der Flexibilität einen erheblichen Beitrag zum Wandlungserfolg leisten (vgl. Becker 2003). Im Vordergrund steht dabei der Abbau von Fähigkeitsbarrieren (vgl. Becker 2001, S. 118ff.; Witte 1973, S. 8f.) durch Vermittlung fachlicher, methodischer, sozialer und ManagementKompetenzen (vgl. Berthel/Becker 2007, S. 306ff.; Bühner 2005, S. 95ff.). Dabei können die in Abbildung 7/4 genannten Anforderungskategorien unterschieden werden.
Abbildung 7/4
Wandlungsbezogene Anforderungen an die Mitarbeiter
Schichten des Wandels
Strukturen/Prozesse, Systeme, Realisationspotential
Resultierende Anforderungen
Wissen
RESTRUKTURIERUNG Strategie REORIENTIERUNG Fähigkeiten, Verhalten REVITALISIERUNG Werte und Überzeugungen REMODELLIERUNG
Können
Verhalten
Einstellungen
Wissen lässt sich gut durch Seminare und Trainings off the job vermitteln, vorzugsweise so durchgeführt, dass die Umsetzung des Gelernten direkt im Anschluss erfolgen kann, also gegen Ende der Umsetzungs- bzw. am Beginn der Verstetigungsphase. Eine ortsund zeitunabhängige Alternative oder Ergänzung zu herkömmlichen Lernformen stellt das E-Learning dar. Es bringt nicht nur Kos-
295
7
Human Resource Management im Wandel
ten- und Zeitvorteile mit sich, sondern die Beschäftigten gewöhnen sich gleichzeitig an den Umgang mit neuen Medien. Zu prüfen ist allerdings, ob die Unternehmungskultur und die Infrastruktur die neuen Lernmethoden zulassen. Schwieriger ist die Vermittlung von Können, da es häufig auf Erfahrungen beruht, die nur begrenzt vermittelt werden können. Insofern bieten sich Maßnahmen on the job an (bspw. Vertretungen, Sonderaufgaben, Job Enrichment und Job Enlargement). Für diese Methoden sprechen insbesondere der gute Praxistransfer und die vergleichsweise geringen Kosten. Neue Aufgaben, wie für Aufbau und Umbau erforderlich, lassen sich so allerdings nicht einüben. Als Lösung bietet sich die Simulation der Aufgabenerfüllung mittels Rollenspielen oder Planspielen an oder aber die Einrichtung von Übungsarbeitsplätzen.
Zum Erlernen der für die mit einem Modellwechsel einhergehenden neuen Aufgaben nutzt OPEL im Werk Rüsselsheim ein sog. Methoden-TrainingsZentrum. In diesem werden einzelne Segmente der zukünftigen Fertigungsstraße nachgebildet. Durch Variation der Fließbandgeschwindigkeit können neue Arbeitsschritte zuerst langsam erlernt und schließlich unter realen Alltagsbedingungen geübt werden (Quelle: Bach 2000, S. 150).
Remodellierungen und Revitalisierungen schließlich erfordern eine Veränderung von Einstellungen und Verhalten. Hierfür eignen sich am ehesten Rollenspiele oder gruppendynamische Trainings. Outdoor-Trainings z.B. dienen der Motivation und Teamfindung, aber auch der Erhöhung der Risikobereitschaft und der Persönlichkeitsentwicklung. Zur Sicherung des Praxistransfers sowie zur individuellen Förderung von Fähigkeiten und Verhaltensweisen kann begleitend Coaching eingesetzt werden. Die hohen Kosten erfordern allerdings eine Beschränkung auf die mittleren und oberen Führungskräfte sowie auf Schlüsselpersonen (vgl. Becker 2001, S. 121ff.). Geschickt eingesetzte Personalentwicklungsmaßnahmen bewirken neben der Steigerung der Wandlungsfähigkeit auch eine Verbesserung der Wandlungsbereitschaft. Sie signalisieren den Beschäftigten Hilfe und Unterstützung beim Umgang mit den auf sie zukommenden Veränderungen. Ängste und Unsicherheiten der Betroffenen werden reduziert, und sie beantworten drängende Fragen bezüglich Anforderungen (Was wird von mir erwartet?) und
296
Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen
7.2
Perspektiven (Was habe ich davon?). Der Austausch mit anderen Betroffenen, die Kanalisierung von Hoffnungen und Befürchtungen und die Schaffung von Klarheit über das, was noch auf die Mitarbeiter zukommt, bauen Barrieren ab und erhöhen die Akzeptanz. Zudem werden Personalentwicklungsmaßnahmen auch als immaterielle Anreize eingesetzt. Sie steigern die Mitarbeiterzufriedenheit und die Loyalität der Beschäftigten (vgl. Becker 2003, S. 15). Die Wirksamkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen ist am höchsten, wenn sie in den obersten Hierarchieebenen beginnen. Die Teilnahme der Führungskräfte signalisiert die Bedeutung der Maßnahme und wirkt motivierend. Auch Personalentwicklung stößt an Grenzen, und zwar nicht nur an finanzielle. Individuelle Neigungen und Interessen, die persönliche Lernbereitschaft und nicht zuletzt die Fähigkeit, Wissen aufzunehmen und Verhaltensweisen zu ändern, schränken ihre Möglichkeiten ein. Insbesondere in Veränderungsphasen ist zudem der teils hohe Zeitbedarf für Personalentwicklungsmaßnahmen problematisch. Verschärft wird dieser Effekt, wenn die Mitarbeiter nicht nur Teilnehmer von Qualifizierungen sind, sondern auch als Trainer, Multiplikatoren oder in dem Veränderungsprojekt selbst eingesetzt werden. Die Folgen dieser Mehrfachbelastung sind u.a. psychische und physische Überlastung der Mitarbeiter, Rückstände und Qualitätsprobleme. Sie wiegen umso schwerer, wenn gleichzeitig ein Rückgang der Produktivität und ein Anstieg von Fehlzeiten und Fluktuation aufgrund eines unzureichend ausgeführten Change Managements vorliegen (vgl. Capgemini 2007, S. 55ff.). Aus diesen Gründen ist es dringend geboten, das Thema ‚Qualifizierung’ von Anfang an in der Projektplanung zu berücksichtigen und ausreichende – gegebenenfalls externe – Kapazitäten vorzuhalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass erforderliche Schulungen rechtzeitig vor der Umsetzung erfolgen.
7.2.2
Personalführung
Wesentlichen Anteil an der Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter hat die Personalführung als direkte Interaktion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern (disziplinarische Führung). Die Führungskräfte sollen als Promotoren und
297
7
Human Resource Management im Wandel
Enabler des Wandels wirken (vgl. Kap. 4.1). Dabei geht es um drei zentrale Funktionen.
Beeinflussung von Einstellungen und Verhalten der Mitarbeiter im Sinne des Wandels. Wie bereits in Kapitel 4 erläutert, besteht eine zentrale Aufgabe der Führungskräfte darin, die Wandlungsbereitschaft der Mitarbeiter zu erhöhen, also ein wandlungskonformes Verhalten und – soweit möglich – eine positive Einstellung zum Wandel zu erreichen. Insbesondere durch Kommunikation, Anweisung, Delegation, Einbindung, Unterstützung, klare Ziele und Kontrolle ist sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die ihnen im Rahmen des Wandels sowie in der neuen Organisation übertragenen Aufgaben übernehmen. Dabei ist die Vorbildfunktion der Vorgesetzten von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Aufrechterhaltung von Motivation und Arbeitszufriedenheit sowie Bindung von Leistungs- und Know how-Trägern. Die Aufrechterhaltung des Engagements der Beschäftigten sowie die Mitarbeiterbindung sind besonders wichtig, wenn der Wandel mit Personalfreisetzung einhergeht (vgl. auch die Ausführungen in Kap. 7.1.1). Hierzu müssen Führungskräfte die Sorgen und Ängste der betroffenen Mitarbeiter ernst nehmen und Verständnis für Ärger, Frustration und Trauer zeigen. Dabei haben sie die Rolle eines Katalysators oder manchmal auch eines Prellbocks für die Emotionen der Mitarbeiter. Letztlich sollten die Führungskräfte ihre Mitarbeiter „im Sinne eines Lotsen [..] durch die Untiefen der Veränderungsprozesse hindurchleiten“ (Bartscher 2005, S. 66).
Mitwirkung an der Kommunikation des Wandlungsprogramms.
298
Die mit dem Wandel einhergehende Verunsicherung bedingt einen erhöhten Informations- und Kommunikationsbedarf der Mitarbeiter. Die Führungskräfte sind gefragt, durch Informations- und Diskussionsveranstaltungen sowie durch persönliche Gespräche die Mitarbeiter zu ermutigen und ihnen Orientierung zu vermitteln (vgl. Klaffke 2005, S. 59 sowie Kap. 8). Sie müssen zudem Gesprächsbereitschaft signalisieren und die Sicht der Mitarbeiter anhören (vgl. Bartscher 2005). Dabei ist es wichtig, auch über unerfreuli-
Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen
7.2
che Themen frühzeitig und umfassend zu berichten – ein in der Praxis leider oft nicht beherzigter Hinweis. Insbesondere in puncto Umfang und Offenheit der Kommunikation besteht aus Sicht der Mitarbeiter noch ein erheblicher Steigerungsbedarf (vgl. Klaffke 2005, S. 60; Towers Perrin 2007, S. 17). Diese Funktionen verlangen den Führungskräften in erheblichem Maße Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen ab. Besonders schwierig wird ihre Rolle, wenn sie gleichzeitig selbst von der Veränderung betroffen sind. Daher ist es unerlässlich, sie bei ihren Aufgaben im Change Management zu unterstützen, bspw. durch Beratungs- und Trainingsangebote.
Das Thema: Führung in Phasen der Veränderung Das Beispiel: GOTHAER VERSICHERUNGEN Eine Führungskraft muss manchmal Unbequemes überzeugend vermitteln, gerade in Zeiten von Veränderung. Sie führt ihre Mitarbeiter auf neue Wege – auch gegen Widerstand. Um ihre Führungsmannschaft optimal auf solche Situationen vorzubereiten, setzt der GOTHAER-Konzern seit 2008 das Seminar „Überzeugender Führungsauftritt in Phasen der Veränderung“ ein. Es wird sowohl als offenes Seminar über den Bildungskatalog der GOTHAER wie auch als geschlossenes Seminar im Rahmen von laufenden bzw. unmittelbar bevorstehenden Veränderungsprojekten angeboten. Insbesondere Letzteres bietet besonders effektive Möglichkeiten, das Gelernte an praxisnahen Beispielen intensiv zu erproben. Im Rahmen des Seminars erfahren die Teilnehmer die immer wiederkehrenden Gesetzmäßigkeiten in Change-Prozessen: Welche Phasen durchlaufen Menschen, bis sie bereit sind, Vertrautes loszulassen und Neues anzunehmen? Welche Unterstützung ist zu welchem Zeitpunkt hilfreich? Sie lernen, wie sie Unbequemes in geeigneter Form mitteilen und schwierige Gespräche und Diskussionen angemessen führen können. Sie werden gestärkt in ihrem Führungsauftritt – für das persönliche Gespräch und auch für Präsentationen. So, dass sie glaubwürdig bleiben können und gleichzeitig ihre Aufgabe der Durchsetzung voll erfüllen: mit sicheren rhetorischen Werkzeugen, mit Entschiedenheit für die Interessen der Unternehmung und mit dem Gefühl, dass sie sich selbst treu bleiben. Neben der Wissensvermittlung stehen Übungen, Feedback, Selbstreflexion, Austausch und Rollenklärung im Vordergrund.
299
7
Human Resource Management im Wandel
7.2.3
Führungs- und Anreizsystem
Strukturell gestaltet und institutionalisiert wird Führung durch Führungssysteme wie bspw. Management by Objectives oder das Konzept der Balanced Scorecard (vgl. Kap. 9.3). Seine volle Steuerungswirkung entfaltet das Führungssystem, wenn die Ziele mit Entwicklungsmaßnahmen, regelmäßiger Beurteilung der Zielerreichung und Anreizen zu einem Kreislauf verzahnt werden. Durch Integration von auf den Wandel abgestimmten Zielen in die Zielvereinbarung wird eine Verbindung zwischen Wandlungszielen und Führungssystem und somit eine Verankerung der Wandlungsergebnisse erreicht (vgl. auch Klaffke 2005, S. 60). Dies richtet das Mitarbeiterverhalten auf den Wandel aus, unterstützt die Nachhaltigkeit der Wandlungsergebnisse und erhöht die zukünftige Wandlungsfähigkeit und Wandlungsbereitschaft (Verstetigung). Behält man dagegen das alte Führungssystem unverändert bei, werden weiterhin die alten, unerwünschten mentalen Modelle aktiviert. Dies bedeutet konkret, dass z.B. neben die herkömmlichen Standardziele auch Innovations- und Entwicklungsziele treten müssen. Ist Teamarbeit gefordert, sind Teamziele zu formulieren. Wachsen die Anforderungen an die Mitarbeiter, muss es Ziele für die persönliche Entwicklung geben, getreu der Devise ‚Fordern und Fördern’ (vgl. Krüger/Becker 2001). Das Führungssystem ist mit einem Anreizsystem zu koppeln. Während durch Maßnahmen der Personalentwicklung Könnensbarrieren abgebaut werden, wirken Anreize primär auf das Wollen. Beispielsweise sollten Schlüsselpositionen in der neuen Organisation nach Möglichkeit mit Personen besetzt werden, die sich bei der Veränderung besonders positiv hervorgetan haben. Auch sind Veränderungsbereitschaft und die jeweiligen Beiträge zu Veränderungsinitiativen in das Beurteilungs- und Anreizsystem aufzunehmen (vgl. Klaffke 2005, S. 61). Dies erfolgt am effektivsten über die Kopplung der Wandlungsziele mit Anreizen. „Die Ziele und Messgrößen einer Unternehmung sind unentwirrbar miteinander verknüpft, und die Anreize sind der Klebstoff, der sie zusammenhält“ (Gouillart/Kelly 1995, S. 340). Sie beeinflussen das Verhalten der Mitarbeiter und Führungskräfte und sorgen so dafür, dass eine Veränderung auch eintritt. Anreize stabilisieren bereits erreichte Verhaltensänderungen durch fortwährende Belohnung und verhindern das Wiederauf-
300
Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen
7.2
kommen überwunden geglaubter Gewohnheiten. Bereits die Änderung des Anreizsystems sendet Signale aus, die dem Wandel zusätzlichen Schwung geben.
Das Thema: Mobilitätsanreize Das Beispiel: GOTHAER LEBENSVERSICHERUNG AG Bei der Verlagerung von Funktionen der GOTHAER LEBENSVERSICHERUNG von Göttingen nach Köln hatte die Fortführung der Beschäftigungsverhältnisse in der Hauptverwaltung Köln Priorität gegenüber der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Daher wurden im Rahmen des Sozialplans neben der Abfindungsstaffel insbesondere großzügige Leistungen zur Förderung der regionalen Mobilität vereinbart. Sie umfassten u.a.: die Möglichkeit zur Besichtigung des potentiellen neuen Arbeits-/ Wohnorts innerhalb der Arbeitszeit, inkl. Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten für den Beschäftigten, seinen Ehegatten bzw. Lebenspartner und weitere im Haushalt lebende Angehörige, bei doppelter Haushaltsführung die Übernahme der Kosten für eine Zweitwohnung am Dienstort sowie für wöchentliche Heimfahrten für längstens drei Jahre (bei Mitarbeitern über 55 Jahren bis zum Renteneintritt), die Übernahme der Kosten für einen Umzug innerhalb von 15 Monaten nach der Versetzung (Erstattung von Maklergebühren und Speditionskosten, Zahlung einer einmaligen Pauschale für Umzugsnebenkosten sowie gegen Kostennachweis einer Umzugsbeihilfe bspw. für Tapetenwechsel, Malerarbeiten oder Vorhänge und Übernahme eines nachgewiesenen Mietmehraufwands für bis zu drei Jahre. Alternativ kann der Mitarbeiter die Zahlung eines einmaligen Pauschbetrags verlangen.), Zahlung einer Mietbeihilfe sowie die Möglichkeit zur Ausübung eines ‚Rückkehrrechts’ innerhalb von sechs Monaten nach einem Wechsel nach Köln (ohne Verlust des Abfindungsanspruchs). Daneben hatten die betroffenen Mitarbeiter aus dem Sozialplan heraus ein Anrecht auf Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf vier Arbeitstage. Montags vor 12 Uhr und freitags nach 15 Uhr dürfen für sie keine Servicezeiten festgelegt werden. (Quelle: Sozialplan Zukunftssicherung Gothaer Leben)
301
7
Human Resource Management im Wandel
Opponenten unter den Führungskräften dürfen keinesfalls toleriert werden. Erfahrungsgemäß befinden sich die meisten Opponenten im mittleren Management: „change-fatigued middle managers froze out initiatives introduced by the 20-somethings below them and the senior managers above them who were hot for change“ (Abrahamson 2000, S. 76; vgl. auch Capgemini 2005, S. 33). Widerstände bei Führungskräften sind nicht nur häufig anzutreffen, sie sind auch besonders gefährlich. Aufgrund ihrer hierarchischen Stellung und der damit verbundenen Macht sowie ihrer Vorbildfunktion haben Führungskräfte einen weit größeren Einfluss auf den Erfolg des Wandels als Mitarbeiter. Die mangelnde Unterstützung aus dem Linienmanagement ist ein typischer Grund für das Scheitern von Veränderungsvorhaben (vgl. Capgemini 2007, S. 39ff.). Um keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Wandels aufkommen zu lassen, ist insbesondere auf opponierende Führungskräfte mit negativen Sanktionen zu reagieren. Dies ist unerlässlich, um die Glaubhaftigkeit des Veränderungsvorhabens nicht zu gefährden. Als ultima ratio verhindert die Trennung von überzeugten Opponenten, dass diese den Wandel blockieren. Schon die ‚Statuierung eines Exempels’ ist eine Warnung an alle Unentschlossenen und verdeckten Opponenten (vgl. Gaßner 1999, S. 212f.). Auch haben Umbesetzungen in den oberen Führungsetagen Signalfunktion. Sie machen deutlich, dass ein Aufbruch in eine neue Ära ansteht. Da viele Führungskräfte Leitendenstatus haben, ist die Trennung von ihnen rechtlich vergleichsweise einfach. In der Praxis einigt man sich meist auf einen Aufhebungsvertrag. Bei der Gestaltung des Anreizsystems sind materielle und immaterielle Anreize intelligent zu kombinieren, und es ist eine Reihe von Anforderungen zu beachten (vgl. Abb. 7/5, in Anlehnung an Becker 2001, S. 113). Anreizsysteme müssen die beabsichtigten Wirkungen erreichen (Ziel- und Leistungsorientierung) und dazu einerseits auf überprüfbare Leistungsmerkmale Bezug nehmen (Messbarkeit), andererseits auch die Motivationssituation der Bezugsgruppe berücksichtigen (Attraktivität). Das System der Anreize muss in sich schlüssig (Konsistenz) und auf wechselnde Arbeitssituationen anwendbar (Flexibilität) sein. Damit es von den Mitarbeitern verstanden wird, sollte es möglichst überschaubar sein (Transparenz). Nicht zuletzt muss es auch wirtschaftlich vertretbar und leistbar sein (Effizienz und Finanzierbarkeit).
302
Unterstützung der Verstetigung durch Personalmanagement
Gestaltung eines Anreizsystems
7.3 Abbildung 7/5
Ziele und Wirkungen eines Anreizsystems Direkt: Verhaltenssteuerung - Belohnung - Bestrafung
Indirekt: Einstellungsänderung - Signalwirkung - Symbolisches Management
materielle Anreize: extrinsische Motivation
immaterielle Anreize: intrinsische Motivation
positive Sanktionen
Bonus, Gehaltserhöhung
Partizipation, Entwicklungsmöglichkeit
negative Sanktionen
Reduktion variabler Vergütung
Versetzung, Abmahnung
Anforderungen an ein Anreizsystem Ziel- und Leistungsorientierung, Messbarkeit, Konsistenz, Flexibilität, Transparenz, Attraktivität, Effizienz, Finanzierbarkeit.
7.3
Unterstützung der Verstetigung durch Personalmanagement
Personalführung, Führungs-/Anreizsysteme und Personalentwicklung sind nicht nur für das einmalige Transformationsvorhaben, sondern auch für die angestrebte kontinuierliche Weiterentwicklung der Unternehmung von Bedeutung. Hierdurch, wie auch durch Personalbeschaffung und Personaleinsatz, kann das Personalmanagement Beiträge zur Verstetigung leisten. Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Kreativität, Innovationskraft, Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit, Unsicherheitstoleranz, unternehmerisches Denken, Zukunftsorientierung und Risikofreude stellen günstige Rahmenbedingungen für einen Wandel dar (vgl. Becker 2001, S. 121ff.; Hailey 2001, S. 1130). Werden diese Merkmale in der Personalauswahl berücksichtigt, wird die Grundlage für eine wandlungsfähige und -bereite Belegschaft gelegt, die durch Perso-
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7
Human Resource Management im Wandel
nalentwicklung zu erhalten und systematisch auszubauen ist. Das Anreizsystem sollte Engagement und persönliche Weiterentwicklung fördern. Die entsprechenden Einstellungen und Verhaltensweisen sind von den Führungskräften konsequent vorzuleben. Feedback und offene Kommunikation schaffen ein lern- und entwicklungsfreundliches Klima. Die Unternehmungs- und Führungskultur muss offen gegenüber Experimenten und Fehlern sein, damit sich Lernen und Innovation entwickeln können. Bei KRAFT JACOBS SUCHARD bspw. wurden persönliche Charakteristika wie ‚managing with uncertainty’ und ‚management toleration of risk taking’ in das Führungssystem integriert (vgl. Hailey 2001, S. 1137). Die Personalpolitik sollte eine mittlere Betriebszugehörigkeit anstreben. Eine zu lange Unternehmungszugehörigkeit führt erfahrungsgemäß zu erheblichen Vorbehalten gegenüber Veränderungen. Andererseits stellt eine zu hohe Fluktuation eine Innovationsbarriere dar, da Wissen und Erfahrungen verloren gehen (vgl. Hailey 2001, S. 1130). Die Flexibilisierung der Personalausstattung erleichtert die Umsetzung künftiger Veränderungen. Eine Flexibilisierung in qualitativer Hinsicht (funktionale Flexibilität) lässt sich durch eine möglichst breit angelegte Qualifikation der Beschäftigten erreichen, wie sie bspw. durch gezielte, nach Möglichkeit auch funktions- und bereichsübergreifende Job Rotation und Projektarbeit vermittelt werden kann (vgl. Becker 2003, S. 15f.). Eine Flexibilisierung des quantitativen Personalbestands (numerische Flexibilität) wird vor allem durch vom Normalarbeitsverhältnis abweichende Beschäftigungsverhältnisse erzeugt, z.B. befristete Arbeitsverhältnisse, Einsatz freier Mitarbeiter sowie Leiharbeit. Der seit einigen Jahren zu beobachtende Boom der Zeitarbeitsbranche ist eine Folge des Flexibilitätsbedarfs, dem angesichts des deutschen Arbeitsrechts mit Festanstellungen nur unzureichend genügt werden kann (vgl. Grünwald 2006). Allerdings bergen solche Flexibilisierungskonzepte auch Gefahren, da bei kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen die meist eher langfristig angelegten Investitionen in wettbewerbsrelevantes Humankapital kaum möglich sind. Der Aufbau einer Randbelegschaft eignet sich daher am ehesten für geringer qualifizierte Funktionen sowie für Unternehmungen mit häufigen Auslastungsschwankungen (vgl. Kaiser/Roßbach 2003).
304
Zusammenfassung
7.4
7.4
Zusammenfassung
Transformativer Wandel bringt eine Reihe personeller Herausforderungen und Aufgaben mit sich. Art und Umfang der benötigten Personalmanagementmaßnahmen und -instrumente hängen von der Art des Wandlungsprogramms (Abbau, Umbau, Aufbau) ab. Liegt in Abbausituationen der Schwerpunkt auf der Personalfreisetzung und in Aufbausituationen auf der Personalbeschaffung, so erfordern Umbausituationen interne Versetzung und/oder eine intelligente Kombination aus Freisetzung und Beschaffung.
Daneben sind begleitend und unabhängig vom verfolgten Wandlungsprogramm wandlungsunterstützende Personalmaßnahmen zu ergreifen. Wandlungsprogrammunabhängige Maßnahmen bestehen insbesondere in der auf das Können der Mitarbeiter gerichteten Personalentwicklung und dem primär auf das Wollen gerichteten Einsatz von Führung und Anreizen.
Langfristig kann Personalmanagement dazu beitragen, die Flexibilität und damit die Wandlungsfähigkeit und Wandlungsbereitschaft der Unternehmung zu steigern (Verstetigung). Hierzu müssen Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalentwicklung wie auch Anreize und Führung auf die Schaffung einer möglichst flexiblen, kreativen und anpassungsbereiten Belegschaft ausgerichtet werden.
Diese Aspekte der Personalarbeit können nicht genug betont werden, dies gerade in Zeiten des Personalabbaus. Die Entwicklung der personellen Seite der Wandlungsfähigkeit sowie die Absicherung der Wandlungsbereitschaft bilden das notwendige Gegenstück zu entsprechenden Organisationsmaßnahmen. Damit sind weitere Voraussetzungen zum Entstehen der dynamischen organisatorischen Fähigkeiten 2. Ordnung zu schaffen.
305
Kommunikation als Katalysator im Wandel
8.1
Kommunikation im Wandel
Kapitel 8
Carsten R. Brehm
307
Kommunikation als Katalysator im Wandel
8.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 8 Kommunikation ist ein durchgehendes Thema jedes Veränderungsprozesses und daher eine Querschnittsaufgabe des Wandlungsmanagements. Sie ist ein herausragendes Medium der Akzeptanzsicherung und Beeinflussung. Die Wandlungsbereitschaft und Teile der Wandlungsfähigkeit werden kommunikativ verändert. Kapitel 8 hellt die theoretischen Hintergründe im notwendigen Umfang auf und erläutert anhand der fünf Phasen des Wandlungsprozesses die Kommunikationsstrategie und den Einsatz der Kommunikationsinstrumente.
309
8
Kommunikation im Wandel
8.1
Kommunikation als Katalysator im Wandel
8.1.1
Ausgangspunkt und Gegenstände der Kommunikation
Kommunikation ist allgegenwärtig und selbstverständlich und wird daher nur selten hinterfragt. Bewusst gestaltete Kommunikation ist jedoch ein wesentlicher Erfolgsfaktor jeder Interaktion in Unternehmungen. Dies gilt für Situationen unternehmerischer Veränderungen aufgrund der Interaktionsintensität in besonderem Maße. Veränderungsmanagement ist immer auch Kommunikation. Kommunikation und Wandel sind beide organisatorische Wirklichkeiten, und das folgende Kapitel untersucht die Frage, wie Kommunikation im Wandel selbst erfolgreich zu gestalten ist. Im 3W-Modell wird Kommunikation als Katalysator des Wandels verstanden. Verändernde und veränderte Kommunikation beginnt und endet in den Köpfen der Mitarbeiter. Damit bilden nicht mehr nur die Menschen selbst den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Kommunikation, die zwischen Menschen stattfindet (vgl. Luhmann 1985, S. 103). Kommunikation ist Voraussetzung und Schlüssel zur Veränderung der Unternehmung. Die Bedeutung der Kommunikation für Veränderungsprojekte wird in der Praxis sehr hoch eingeschätzt. Dies zeigt z.B. eine weltweite Befragung von 1500 Schlüsselpersonen durch die IBM. Auf Platz 3 der wichtigsten Erfolgsfaktoren rangiert dort: „Honest and timely communication“ (IBM 2008, S. 13). Die Auswertung der Studie zu diesem Thema gipfelt in dem Satz: „Communicate or fail“ (IBM 2008, S. 29). Eine für deutsche Großunternehmungen repräsentative Studie, die von der KPMG gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt wurde, zeigt allerdings auch, dass es noch einigen Verbesserungsbedarf gibt. Nicht das ‚Ob’ der Kommunikation, sondern das ‚Wie’ ist entscheidend. Die befragten Experten sahen noch Potential für die bessere Gestaltung der Kommunikation in folgenden Punkten (vgl. KPMG 2008, S. 38f.):
310
Kommunikation als Katalysator im Wandel
8.1
Besseres (ganzheitliches und schlüssiges) Konzept, Klarere Vermittlung von Notwendigkeit, Zielsetzung und Inhalten des Wandlungsvorhabens,
Bessere Auswahl geeigneter Medien und bessere Bestimmung der richtigen Zeitpunkte der Kommunikation,
Gezieltere Auseinandersetzung mit den Betroffenen.
8.1.2
Kommunikation zur Aktivierung und Modifikation mentaler Modelle
Bezugspunkt der Kommunikation sind im 3W-Modell die mentalen Modelle (vgl. Kap. 5.2) und die darin gespeicherten individuellen und gemeinsamen Interpretationen der organisatorischen Regelungen. Diese Interpretationen gilt es zu ändern. Es geht um „Changing mindsets and attitudes“ als der größten Herausforderung für das Change Management, so die erwähnte IBM-Studie (vgl. IBM 2008, S. 12). Und solche Änderungen in Form neuer gemeinsamer Interpretationen können nur durch Kommunikation entstehen (vgl. Kieser et al. 1998, S. 139ff.). Dahinter steht die Erkenntnis, dass organisatorische Regelungen nicht bereits aufgrund formaler Vorschriften in Stellenbeschreibungen, Richtlinien etc. beachtet und befolgt werden, sondern erst durch die mentalen Modelle der Beteiligten. Demgemäß müssen Aktivitäten zur Änderung von Regelungen in besonderem Maße darauf abzielen, eingefahrene, d.h. nicht bewusstseinsfähige, mentale Modelle durch Kommunikation zu durchbrechen und abzuwandeln (vgl. Kieser et al. 1998, S. 55). Die Herausforderung besteht darin, Kommunikation in Gang zu setzen, die nicht in den gewohnten mentalen Modellen ‚einrastet‘. Wenn dies gelingt, ist eine Veränderung bestehender oder eine Neubildung mentaler Modelle möglich. Primär geht es darum, positive Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz und damit Wandlungsbereitschaft zu erzeugen. Daneben ist auch der Aufbau personaler Wandlungsfähigkeiten durch Kommunikation zu leisten.
311
8
Kommunikation im Wandel
Checkliste zur Ausgangssituation Sind sich die Verantwortlichen des Wandels über die weitreichende Bedeutung des Kommunikationsproblems im Klaren? Besteht das Commitment, das Thema Kommunikation strategisch, organisatorisch und budgettechnisch als Teil des Wandels zu sehen? Besteht bei den Kommunikationsverantwortlichen ein gemeinsames Verständnis über die Wandlungssituation und die Inhalte des Wandlungsprogramms? Besteht hinreichend Klarheit über die alten und neuen mentalen Modelle, die durch Kommunikation aufgebrochen bzw. erzeugt werden sollen? Sind die ersten Auswirkungen auf das Anreiz-Beitrags-Verhältnis der Mitarbeiter bedacht worden oder ist es vorgesehen, sich mehr oder weniger systematisch mit den Veränderungs-Gewinnern und -Verlierern auseinanderzusetzen?
8.2
Grundlagen der Kommunikation
8.2.1
Verständnis von Kommunikation
Kommunikation ist eine Art sozialen Verhaltens. In ihrem Mittelpunkt steht die zweckgerichtete Übermittlung von Informationen zwischen einem Sender und einem Empfänger in einem bestimmten Kontext. Der Kontext der Kommunikation wird durch die Variablen Kanal, Zeit und Ort bestimmt. Im Unternehmungswandel liegt der Zweck der Kommunikation in der Einstellungs- oder Verhaltensänderung der beteiligten Personen.
312
Kommunizieren ist mehr als Informieren, es ist soziales Verhalten, bei dem es z.B. auch um den Aufbau von Vertrauen, die Erzeugung von positiven Emotionen und den Abbau von Barrieren geht. Im Wandel gibt es nicht nur das so häufig beklagte Informationsdefizit, sondern vor allem ein Kommunikationsdefizit. Die Mitarbeiter wollen gar nicht alles wissen, sondern sie benötigen vorwiegend zielgruppenspezifische Kommunikation, die geeignet ist, ihre Angst und Unsicherheit abzubauen. Dies wird durch den Kommunikationsinhalt und die kommunizierenden Personen geleistet.
Grundlagen der Kommunikation
8.2
Nach Schulz von Thun (vgl. 1998, S. 25ff.; ähnlich Neuberger 1994) können vier Seiten der Kommunikation unterschieden werden (vgl. Abb. 8/1). Dieses Modell hat gerade in Transformationsprozessen mit ihren anspruchsvollen Kommunikationsbedingungen eine besondere Bedeutung. Denn dort geht es nicht allein um die Sache, sondern vor allem um die sozio-emotionale Seite des Geschehens (vgl. Mast 2008, S. 426ff.). Dabei sind verbale wie auch nonverbale Kommunikationssignale verhaltenswirksam.
Abbildung 8/1
Vier Seiten der Kommunikation
Beziehungsaspekt zeigt, in welchem Verhältnis man zueinander steht und was man voneinander hält Sachaspekt umfasst den Sachinhalt der Nachricht, d.h. die Tatsachendarstellung
Nachricht
Appellaspekt bezeichnet, wozu der Kommunikationspartner veranlasst werden soll
Selbstoffenbarungsaspekt enthält Informationen über den Sender und seinen Gemütszustand
Gewichtiger Ausgangspunkt ist die Nachrichtenquelle selbst und deren Authentizität, die durch die Stimmigkeit der folgenden drei Punkte erreicht wird: Glaubwürdigkeit (Einheit von Wort und Handeln), Attraktivität (Bekanntheit und Sympathie) und Autorität der Quelle (vgl. Graumann 1972). Der Empfänger hingegen kann nun nach Würdigung der vier Seiten sein eigenes Anschlussverhalten wählen. Er kann die Information ignorieren oder dem Sender eine Rückmeldung geben. Erfolgreiche vollständige Kommunikation liegt dann vor, wenn die Kommunikationspartner sich einig sind, dass sie sich richtig ‚verstanden‘ haben und der Empfänger die Mitteilung zur Grundlage seines weiteren
313
8
Kommunikation im Wandel
Handelns macht (vgl. Luhmann 1985, S. 216ff.). Darin liegt die Schwierigkeit. Gerade in Großgruppen ist es fast ausgeschlossen, dass jeder jeden richtig versteht und man sich darüber auch noch verständigt. Trotz allem muss das Kommunikationskonzept darauf abzielen.
8.2.2
Ziele und Wirkungen von Kommunikation in Veränderungsprozessen
Um ihre besondere katalytische Wirkung zu entfalten, muss Kommunikation kognitive, emotionale und konative Wirkungen anstreben (vgl. Bruhn 2003, S. 397ff.; Piderit 2000). Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die kognitive Wirkung noch relativ gut erreicht wird, die emotionale Seite aber im Management generell und im Change Management speziell lange vernachlässigt wurde (vgl. Schirmer/Luzens 2003, S. 316ff.).
Information und Transparenz erzielen kognitive Wirkungen, führen also zu neuen Einsichten und einer positiven, vernunftgemäßen Beurteilung des Wandels. Kommunikation sorgt zunächst dafür, dass der Wandlungsprozess vom Empfänger überhaupt wahrgenommen wird. Für den Einzelnen steht danach die Über- und Durchschaubarkeit des Prozesses im Vordergrund. Kommunikation muss den Betroffenen die Veränderung und den von ihnen darin zu leistenden Beitrag deutlich machen. Daraus entsteht auch in Ansätzen eine konative (verhaltensleitende) Wirkung, also die Absicht, sich wandlungsgerecht zu verhalten.
Durch Überzeugung sollen Widerstände überwunden und ebenfalls Handlungsabsichten gewonnen werden. Überzeugen ist mehr als Überreden, nämlich eine Lösungsfindung durch Argumentieren, Verhandeln und Lernen. Die Ansichten des Gegenübers werden also explizit einbezogen (vgl. Conger 1999, S. 31ff.). Die Überzeugungsleistung entspringt zielgruppengerechten, schlüssigen Argumenten und faktenbasierten Beweisen sowie einer dem Kontext entsprechenden Tonart. Der Umfang ist jedoch stark abhängig von der Stoßrichtung des Wandels und der gewählten Implementierungsform. Bei einer durch eine große Anzahl von ‚Verlierern‘ geprägten Situation wird die Überzeugungswirkung begrenzt sein.
314
Grundlagen der Kommunikation
8.2
Emotionalisierung und Motivation: Ziel der Kommunikation muss es auch sein, positive Stimmungen und Motivation für Veränderungen hervorzurufen. Emotionen werden dann zu Triebkräften für Veränderungen. Symbole, Brands, Metaphern und Anekdoten in Verbindung mit einer bildhaften und lebendigen Sprache sind die Medien emotionaler Kommunikation.
Vertrauensaufbau: Vertrauen dient der Reduktion von Unsicherheit und Angst im Hinblick auf Verlauf und Ergebnis des Wandels. Vertrauen fördert ebenfalls die emotionale ‚Hinstimmung’ und Handlungsabsicht der Beteiligten. Es entsteht durch authentische Kommunikation. Beharrungskräfte werden abgebaut, die Veränderung kann schneller und reibungsloser vonstatten gehen.
Visualisierung: Kommunikation im Wandel muss komplexe Sachverhalte übermitteln. Visualisierung unterstützt diesen Vorgang und damit die Erreichung der angestrebten Wirkungen. Bildhafte Darstellungen erleichtern dem menschlichen Gehirn das Verstehen und Behalten von Informationen. Dies geschieht zum einen durch grafische Abbildungen, z.B. von Organisationsstrukturen oder Geschäftsprozessen, zum anderen durch Metaphern oder Geschichten, in denen sich gleichnishaft das Geschehen widerspiegelt, also rhetorische Bilder (vgl. Kieser et al. 1998, S. 146ff.; Koch 2004, S. 273ff.).
8.2.3
Kombination unterschiedlicher Kommunikationsformen
Erfolgreiche Kommunikation entsteht aus der richtigen Kombination verschiedener Kommunikationsformen in einem Kommunikationskonzept. Dies betrifft zunächst das Verhältnis von informaler und formaler Kommunikation (vgl. Mast 2008, S 209ff.). Die formale Kommunikation umfasst die offiziellen Kommunikationsstrukturen, die in der Unternehmung institutionalisiert sind und im Wesentlichen auf bekannten Kommunikationsinstrumenten basieren. Sie sind bewusst gestaltet sowie personenunabhängig formuliert und dokumentiert.
315
8
Kommunikation im Wandel
In der täglichen Unternehmungspraxis findet ein Großteil der Kommunikation auf informalem Weg statt. Sie beruht auf persönlichen Einstellungen und Motiven und zieht sich wie ein großes Netz über und durch die Organisation. Informal werden alle Dinge geregelt, für die es keine (akzeptierte) offizielle Regelung gibt. In Veränderungssituationen und der damit verbundenen Unsicherheit herrscht ein erhöhtes Mitteilungs- und Austauschbedürfnis unter den Mitarbeitern. Dann ist informale Kommunikation wesentlich flexibler und schneller als formale Kommunikation (vgl. Mohr/ Woehe 1998, S. 65f.) und stillt diese grundlegenden Kommunikationsbedürfnisse. Sie ist nicht zu verhindern oder einzudämmen und schon von daher zu ‚integrieren’. Informale und formale Kommunikation können sich ergänzen und sind mit ihren jeweiligen Spezifika zu berücksichtigen und einzuplanen (vgl. auch Koch 2004, S. 268ff.). Für die aktive Gestaltung ein schwieriges Unterfangen, denn die Rahmenbedingungen informaler Kommunikation kann man schaffen und fördern, aber die darin transportierten Inhalte nur begrenzt bestimmen. Bei der Gestaltung ist auf drei Dinge zu achten (vgl. Doppler/Lauterburg 2005, S. 357ff.; Koch 2004, S. 269): 1. Gezielte Förderung, z.B. durch Aufenthaltsräume, Feste, Ausflüge. 2. Informale und formale Kommunikation sollten nicht im Widerspruch zueinander stehen, da sich so die Unsicherheit unnötig erhöht. 3. Wo es sinnvoll erscheint, sind die Kanäle der informalen Kommunikation konsequent zu nutzen. Wenn Veränderungen herbeigeführt werden sollen, müssen auch für die Veränderungskommunikation neue Regeln gelten. Somit ist ein wesentlicher Ansatzpunkt die bewusste Entscheidung zwischen bekannten und/oder neuen Kommunikationsformen und -instrumenten (ähnlich Bernecker/Reiß 2003, S. 14ff.): bspw. neue Formen (Welt-Café, Open Space), neue Richtungen (lateral), neue Medien (Unternehmenstheater), andere Räume (Alpenhütte). Eine weitere wesentliche Entscheidung ist die Ausgestaltung von Feedbackmöglichkeiten. Je nach Phase im Veränderungsprozess und Kommunikationsinhalten sind Einweg- oder Zweiwegkom-
316
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3
munikationsformen zu wählen. Bei der Einwegkommunikation gibt es nur einen Sender und meistens mehrere Empfänger. Die Empfänger können wie bei einer Konferenz ein Plenum bilden oder wie beim Business-TV ein verstreutes Publikum. Eine Feedbackmöglichkeit ist nicht vorgesehen. Es gibt Situationen, in denen nicht lange verhandelt werden und nicht jeder zu Wort kommen kann. Einwegkommunikation ist dann reine Mitteilungskommunikation. Sie ist in aller Stringenz nötig, wenn es darum geht, Fakten zu übermitteln und Entscheidungen durchzusetzen. Zweiwegkommunikation ist wechselseitige Kommunikation. Praktische Bedeutung erlangt sie in besonders schwierigen Wandlungssituationen, bei zu lösenden Konflikten, erklärungsbedürftigen Themen oder Gesprächen mit sog. kommunikativen Schlüsselpersonen (vgl. Koch 2004, S. 257; Berner 2003). Meinungsführer, Multiplikatoren und hartnäckige Opponenten können nicht in einer großen Zahl angesprochen, sie müssen in ‚Face to Face’-Gesprächen eingebunden werden.
8.3
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3.1
Kommunikationsstrategische Überlegungen
Die Kommunikationsstrategie befasst sich mit dem grundlegenden Informations- und Kommunikationskonzept. Ein solches Konzept beinhaltet sowohl die Ziele der Kommunikation als auch die Maßnahmenprogramme zur Erreichung dieser Ziele (vgl. auch Abb. 8/3) und dient der Klärung folgender Fragen:
Bestimmung der Zielgruppe: Als Zielgruppe wird hier ein Personenkreis verstanden, der bezüglich eines für die Wandlungskommunikation relevanten Merkmals möglichst homogen ist. Merkmal in diesem Sinne ist normalerweise die Betroffenheit der Personen durch den Wandel. Ist die Betroffenheit in Art, Ausmaß und Richtung bei mehreren Personen vergleichbar ausgeprägt, so ergeben sich daraus gleich gelagerte Anforderungen für die Kommunikation mit dieser Gruppe (vgl. dazu ausführlich Kap. 10 und die dort gezeigten Instrumente). Andere, einfachere Merkmale können gleiche Hierarchie- oder Funktionseinordnung, Bereichs- oder Abteilungszugehörigkeit, vergleichbare
317
8
Kommunikation im Wandel
Rollen in der informalen Struktur oder Status als Promotoren bzw. Opponenten sein.
Selektion der Inhalte: Welche Inhalte (Wandlungsbedarf, Ziele etc.) dienen dem Fortgang des Wandlungsprogramms, welche nicht? Welche Inhalte sind in der gewünschten Intention evtl. nicht kommunizierbar? Welche Inhalte sind streng vertraulich und dürfen nicht kommuniziert werden?
Umfang und Offenheit der Kommunikation: Sollte der gewählte Inhalt umfassend oder eingeschränkt kommuniziert werden? Ist vollkommene Offenheit und Ehrlichkeit immer sinnvoll?
Selektion der Sender: Wer sind die geeigneten Meinungsführer und Multiplikatoren? Werden Meinungsführer und Topmanager in hinreichendem Maße eingebunden? Welche Sender garantieren die notwendige Authentizität?
Aktivitätsgrad der Kommunikation: Sollte grundsätzlich aktiv oder verhalten kommuniziert werden? Welcher Aktivitätsgrad sollte in welcher Phase des Wandlungsprogramms gewählt werden?
Timing: Die Inhalte und deren Umfang, Sender und Empfänger der Kommunikation sind auch in zeitlicher Hinsicht zu regeln. Wer ist in welcher Reihenfolge zu informieren? Wann lancieren wir die ersten Informationen? Wann machen wir die Kick offVeranstaltung? Wie müssen die Projektstarts getaktet werden?
Persönliche oder mediale Kommunikation: Soll unmittelbar die Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz beeinflusst werden? Dann sollte persönliche Kommunikation bevorzugt werden, da der Sender hier relativ großen Einfluss hat und eine Feedbackmöglichkeit besteht (Kick offs, Hotlines, Mitarbeitergespräche, Versammlungen, Informationsmessen, -börsen und -märkte, Konferenzen, Führungsdialoge, Foren, Workshops). Oder sind unterstützende Aktivitäten erforderlich? Ist evtl. Anonymität hilfreich? Müssen große Gruppen angesprochen werden? Dann könnte mediale Kommunikation angezeigt sein (Intranet, E-Mail, Mitarbeiterzeitschrift, Flugblätter, Schwarze Bretter, Rundschreiben).
318
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3
Integrierte Kommunikation: Die inhaltliche und formale Abstimmung der Kommunikation wird als integrierte Kommunikation bezeichnet (vgl. Esch 2006). Inhaltlich abgestimmt heißt, dass auf unterschiedlichen Kanälen zu einem Zeitpunkt und über einen Zeitraum hinweg die gleichen Botschaften gesendet werden. Formale Abstimmung bedeutet, dass zur besseren und schnelleren Verankerung der Informationen in den mentalen Modellen immer die gleichen Symbole, Metaphern und Bilder verwendet werden, um die Identität des Programms zu wahren (‚Branding’ von Veränderungen).
Auch Veränderungen benötigen kommunizierbare Identitäten, also eine ‚Marke‘ (vgl. Esch/Langner 2005, S. 573ff.). Für die Beteiligten und Betroffenen ist dies eine Voraussetzung für den Erfolg von Wandel, denn aus der Identifikation mit der Veränderung können sie Motivation schöpfen. Die Anzahl der Namen für Veränderungsprogramme sind mittlerweile austauschbar und trotzdem im Sinne einer Emotionalisierung notwendig und hilfreich. Einige Beispiele seien hier genannt, wie z.B. Be Number One (GLAXOSMITHKLINE), Lernende Organisation (LeO) bei VEBA, Turn On Power (TOP) bei SIEMENS, Strategic Cross-Organizational REalignment (SCORE) und Global Organizational ALignment (GOAL) bei SAP, Step-by-Step bei der SPARKASSE Oberhausen, Olympia bei OPEL, Total Customer Care bei SCHOTT oder andere Programme wie z.B. TURBO, WIN, MOVE, TOP FIT, START, PLUS, PULSE usw. Identitäten von Wandlungsprogrammen entstehen im besten Fall immer durch aus dem Programmziel abgeleitete Sinnzusammenhänge. Diese müssen für die Mitarbeiter transparent sein, nur dann können sie im Rahmen eines Branding mit eigenen Logos auf T-Shirts, Tassen und Zeitschriften usw. kommuniziert werden. Besonders Erfolg versprechend ist es unter Umständen, wenn die Mitarbeiter an der Namensfindung aktiv beteiligt werden.
Die Entwicklung, Detaillierung und Realisierung des Kommunikationskonzepts sind Aufgaben, die den verschiedenen Phasen des Wandlungsprozesses zuzuordnen sind. Die wichtigsten Ziele, Aufgaben und Formen der Kommunikation zeigt Abbildung 8/2. Sie werden im Folgenden erläutert.
319
8 Abbildung 8/2
Kommunikation im Wandel
Ziele und Aufgaben der Kommunikation im Wandlungsprozess
Ziel
Aufgaben
Schwerpunkt
Initialisierung Vermittlung des Wandlungsbedarfs
• Persönliche Ansprache relevanter Promotoren • Entwicklung einer Change Story • Identifikation geeigneter Kommunikatoren
Informale, persönliche Kommunikation im kleinen Kreis
Konzipierung Bedeutung und Beachtung von Kommunikation sicherstellen
• Entwicklung von Kommunikationsstrategie und -konzept • Verbreiterung der Basis • Einbindung/Schulung wesentlicher Kommunikatoren
Legitimierte Kommunikation im Projektteam und darüber hinaus
Mobilisierung Herstellung von Wandlungsbereitschaft
• Generierung von Aufmerksamkeit • Überzeugende und emotionalisierende Darstellung des Wandlungsbedarfs • Erzeugung von Akzeptanz und Verständnis
Persönliche und mediale Kommunikation in Groß- und Kleingruppen
Umsetzung Vermittlung von Fähigkeiten und Unterstützung der Problemlösung
• Bereitstellen von Information zum Umsetzungsstatus • Überzeugende Darstellung der individuellen Vorteile • Kommunikation von Resultaten/Erfolgen • Abhalten von motivierenden Events
Regelmäßige UpdateKommunikation für Großgruppen und Dialogkommunikation auf allen Ebenen
Verstetigung Aufrechterhalten regen Erfahrungsaustauschs
8.3.2
• Kommunikation von Erfolgsbeispielen • Schaffung von Dialogplattformen für Austausch auf breiter Basis • Unterstützung der Überführung in die Regelkommunikation
Dialogkommunikation auf allen Ebenen, informale persönliche Gespräche
Initialisierung
Während der Initialisierung muss zunächst eine informale Kommunikation über Wandlungsbedarfe in Gang kommen. Wenn einige der Beteiligten zu der Überzeugung gekommen sind, dass ein Wandlungsbedarf besteht, und gegebenenfalls auch schon Vorstellungen darüber besitzen, wie dieser anzugehen ist, dann bildet sich eine Wandlungskoalition. Ihre Mitglieder haben durch Kommunikation ein gemeinsames Bild bzw. Verständnis des Wandlungsbedarfs ge-
320
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3
wonnen und fungieren als Promotoren bzw. Enabler der Veränderung. Sie werden gezielt weitere Wandlungsträger aktivieren und die erforderliche Prozessenergie aufbringen. Vorwiegend durch persönliche Kommunikation, insbesondere im Vier-AugenGespräch, werden Schlüsselpersonen eingebunden. Sie können ihre Bedenken im Dialog direkt bekunden, und trotzdem bleibt der notwendige Vertraulichkeitsgrad noch gewahrt. Getreu dem Motto ‚gute Strategien sind wie gute Geschichten’, gilt es hier allerdings, die Storyline für die Change Story zu entwickeln (vgl. Loebbert 2006, S. 59ff.). Sie orientiert sich an den Phasen des Prozesses und den ‚3W’ als Bezugsrahmen, legt die wesentlichen Inhalte und entscheidenden Szenen sowie die darin agierenden Hauptdarsteller fest. Schrittweise wird die informale Kommunikation durch formale ergänzt und abgelöst, so z.B. in einer Klausurtagung, auf der Wandlungsbedarf und Wandlungsprogramm näher bestimmt werden. In der Initialisierungsphase hat das bewusste Nicht-Kommunizieren noch hohe Bedeutung. So ist im Falle eines Top downWandels die Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern noch stark eingeschränkt. Die Wandlungskoalition muss genügend Zeit haben, im Stillen an ersten konzeptionellen Überlegungen zu arbeiten, um anschließend mit überzeugenden Vorstellungen an die Öffentlichkeit gehen zu können. Ein besonders schwieriges Unterfangen, denn im schlimmsten Fall wird schon hier Spekulationen und Interpretationen Tür und Tor geöffnet, die das Veränderungsvorhaben gefährden können (vgl. ausführlich Berner 2004). Bei der Bottom up-Vorgehensweise gehen Initialisierung und Konzipierung fließend ineinander über. Um möglichst viele Anregungen zu erhalten, kann direkt aktiv und umfangreich in die Breite kommuniziert werden.
8.3.3
Konzipierung
In der Konzipierungsphase wird idealerweise Kommunikation als ein Teilprojekt aufgefasst (vgl. u.a. Kohnke 2008, S. 60). Darin geht es insbesondere um die Entwicklung eines Kommunikationskonzepts für die Mobilisierung. Zu regeln ist zum einen die programm-
321
8
Kommunikation im Wandel
interne Kommunikation, z.B. Dokumentation, Berichtswesen, Sitzungen, Informationswege, zum anderen die den Schwerpunkt bildende programmexterne Kommunikation. Die mobilisierende Kommunikation ist von herausragender Bedeutung, denn auf der Kick off-Veranstaltung wird der für den Wahrnehmungsprozess wichtige erste Eindruck von der Veränderung geprägt. Er entscheidet darüber, wie weitere Inhalte von den Empfängern selektiert und aufgenommen werden. Kommunikation und ihr Kontext (Kanal, Zeit, Raum) prägen die Aktivierungssituation (vgl. Kap. 5) und damit direkt die Wahrnehmung der Anreiz-Beitrags-Salden durch die Empfänger (vgl. auch Berner 2002).
Abbildung 8/3
Ausschnitt aus einem Kommunikationskonzept Instrumente medial
Aktivitäten
Zeit
Empfänger
Sender
Flugblatt
einmalig
alle
Start
Kom.-Team
BusinessTV
14-tägig
Info-Kreise
Entwicklung
Vorstand
MAZeitsch.
14-tägig
allg. Infos
Kom.-Team
Intranet
permanent alle o.
allg. Infos u.
Kom.-Team
1,2 alle
begrenzt
persönlich
Inhalt
Kummerkasten Betriebsvers. Kick off
Hintergründe
permanent alle
alles
Progr.-Mgt.
¼-jährl.
alle
Status
BR/Progr.-
einmalig
alle
Konzept/
Mgt. Progr.-Mgt.
Vision Führungsdialog
wöchentl.
Info-Kreis 1
Probleme
Vorstand
Das Kommunikationskonzept ist dem Inhalt des Wandlungsprogramms und der Implementierungsstrategie anzupassen. Abbau und Aufbau verlangen z.B. nach völlig unterschiedlichen Kommunikationskonzepten. Zurückhaltung, Diplomatie und Verantwortungsbewusstsein prägen so weit wie möglich die AbbauKommunikation, ohne sie von der Pflicht zur Wahrheit zu entbin-
322
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3
den. Hier wird die Top down-Vorgehensweise auch die Kommunikation bestimmen. Im Falle eines Umbau- oder Aufbauprogramms sind die Möglichkeiten etwas vielfältiger. Zur eingängigen Vermittlung des Wandlungsbedarfs eignen sich dann rhetorische Figuren wie z.B. Metaphern oder Geschichten, aber auch Leitbilder und Visionen. Diese haben den Vorteil, dass sie Raum für eigene Interpretationen lassen und ihnen somit mehr Akzeptanz entgegengebracht wird (vgl. Kieser et al. 1998, S. 146ff.). Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen bestehenden und neuen Kommunikationsaktivitäten und -medien ist Voraussetzung für das Gelingen. Denn mit alten Instrumenten (z.B. Betriebsversammlung oder Mitarbeitergespräch) neue Inhalte zu transportieren, erscheint problematisch. Um ein Einrasten in alte Denkstrukturen von Anfang an zu vermeiden, bietet es sich daher an, neue Instrumente einzusetzen. ‚Kick offs‘ ergänzen Betriebsversammlungen, der ‚Veränderungsdialog‘ ergänzt das Mitarbeitergespräch, eine spezielle ‚Change‘-Zeitschrift die Mitarbeiterzeitung. Zweifellos bleiben schlechte Nachrichten auch dann schlecht, wenn das Kind einen anderen Namen trägt. Doch es muss der Versuch unternommen werden, einen im Hinblick auf Kanal, Zeit und Raum neuen und offenen Kontext zu schaffen. Ebenso sind Einweg- und Mehrwegkommunikation zu kombinieren. Es gibt Informationen, die im Top down-Prozess nur ‚abwärts‘ kommuniziert werden können. Hingegen sollten bei einer partizipationsergänzten oder Bottom up-Vorgehensweise die Mitarbeiter bereits in die Konzipierung mit einbezogen werden, im einfachsten Fall durch Feedbackmöglichkeiten; sei es z.B. durch Kummerkästen beim Kick off, Foren im Intranet, Feedback-Coupons am Schwarzen Brett (‚Fragemauer’) oder in der Mitarbeiterzeitschrift, EMail- und Telefonredaktionen. Im Rahmen unserer Beratungserfahrung haben sich als wesentlich eine klare Zielgruppenorientierung sowie ein pragmatischer Instrumentenmix erwiesen. Das Kommunikationsvorgehen umfasst vier Phasen: 1. Vermittlung der Bedeutung des Kommunikationsprojekts und Erarbeitung der strategischen Grundlagen des Kommunikationskonzepts (Storyline).
323
8
Kommunikation im Wandel
2. Identifikation der möglichen Zielgruppen und Einschätzung der Betroffenheit. Dabei werden einerseits die positive oder negative Ausprägung und andererseits das Ausmaß der Betroffenheit beurteilt. Dadurch entsteht zum einen ein klares Bild der Promotoren/Opponenten und zum anderen eine differenzierte Beurteilung der wichtigen und größeren Gruppe der ‚Unentschlossenen’. Als Tool wird hierzu die sog. Betroffenheitsanalyse eingesetzt (vgl. Kap. 10.2). 3. Auswahl und Beurteilung der vorhandenen und neu zu schaffenden Kommunikationskanäle. Dies umschließt die Eignungsprüfung für bestimmte Arten der Kommunikation, Inhalte und Zeitfenster sowie (budget-)technische oder soziale Restriktionen des Einsatzes. 4. Im Rahmen der Umsetzung erfolgt dann die Abstimmung zwischen den Zielgruppen und den geeigneten Kommunikationskanälen in Form einer Kommunikationsmatrix. Hierbei zeigt sich, welche Kommunikationskanäle für welche Zielgruppe sinnvoll einsetzbar sind. Ein darauf aufbauender Umsetzungsplan legt für jede Zielgruppe die Kommunikationszeitpunkte (z.B. Kalenderwoche), -kanäle und -inhalte sowie im Besonderen die Verantwortlichen fest. Aus dem Gesamtplan kann dann für jede Zielgruppe schließlich ein detailliertes Zielgruppenkonzept herausgebrochen werden. Checkliste zum Kommunikationskonzept Ist die grundlegende Kommunikationsstrategie festgelegt? Ist ein Kommunikationsteam eingerichtet und mit der Entwicklung eines umfassenden Kommunikationskonzepts beauftragt? Gibt es Bestrebungen zum Aufbau einer ‚Veränderungsmarke‘ mittels Festlegung eines ansprechenden Namens und Logos? Werden umfassende Schulungen von Sendern in Präsentation und Moderation durchgeführt? Haben die Vorbereitungen einer Kick off-Veranstaltung begonnen? Ist eine Mischung aus persönlicher und medialer Kommunikation gefunden? Ist ein intelligenter Mix aus bestehenden und neuen Kommunikationsinstrumenten berücksichtigt? Gibt ein phasenspezifischer Kommunikationsspiegel einen Überblick über das Gesamtkonzept? Sind darin in ausreichendem Maße Feedbackmöglichkeiten vorgesehen?
324
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3.4
8.3
Mobilisierung
Beim Übergang von der Konzipierungs- zur Mobilisierungsphase wechselt auch die Kommunikationsstrategie. Hier beginnt die aktive, offene und umfassende Kommunikation über den Wandlungsbedarf und die Programmziele. Ziel ist die Herstellung der Wandlungsbereitschaft. Die Betroffenen sollten mit entsprechenden zielgruppenspezifischen Informationen versorgt werden. Jetzt gilt es, mit der Vielfalt an Informationen und Kommunikationskanälen die erläuterten Kommunikationswirkungen voll zur Entfaltung zu bringen, so vor allem die Schaffung von Transparenz, Vertrauen, Überzeugung und positiven Emotionen. So haben Studien gezeigt, dass die Wandlungsbereitschaft wesentlich höher ist, wenn den Mitarbeitern klar wird, dass der Veränderungsprozess fair, objektiv und professionell vollzogen und vor allem kommuniziert wird (vgl. u.a. Vahs/Leiser 2003, S. 68f.). Mit der Mobilisierung beginnt auch die formale Veränderungskommunikation in den Kommunikationsprojekten. Die Mobilisierung lebt insbesondere von einer gelungenen Auftaktveranstaltung und davon, eine möglichst große Zahl von Mitarbeitern mittels persönlicher Kommunikation zu erreichen. Kick off-Veranstaltungen sind die erste Möglichkeit für die Verantwortlichen, Klarheit zu schaffen und Hintergründe, Ziele und die Vorgehensweise transparent zu machen, um so ein gemeinsames mentales Modell entstehen zu lassen. Im emotionalen Bereich geht es darum, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Dabei nimmt die persönliche Kommunikation im Gegensatz zur medialen eine exponierte Stellung ein. Die Mitarbeiter wollen möglichst den Verantwortlichen, d.h. dem Topmanagement und dem Programm-Management, in die Augen sehen können und Informationen aus erster Hand erhalten (vgl. exemplarisch Schmidt/Trachtenberg 2003, S. 156ff.). Das Commitment der Führungsmannschaft muss sichtbar und erlebbar dargestellt werden. Dazu gehört auch, dass direkt vor Ort Fragen der Betroffenen beantwortet werden. Wenn der Sender eine glaubhafte und zielgerichtete Autorität und Vertrauen ausstrahlende Führungspersönlichkeit ist, dann verliert der Kontext an Bedeutung. Die Mobilisierung steht und fällt daher mit den kommunizierenden Personen. Hier wird nachfolgend häufig mit besonders geeigneten sog. Multiplikatoren gearbeitet (vgl. Wagner 2008, S. 75ff.).
325
8
Kommunikation im Wandel
Instrumente persönlicher Kommunikation könnten Roadshows, Townmeetings, Führungsdialoge mit Vorständen und Informationsmessen oder -märkte sein. Ergänzende Interviews dienen dem Feedback. Das mediale Angebot unterstützt die Akzeptanzsicherung, indem die Hintergrundinformationen in der Mitarbeiterzeitschrift, im Intranet, auf Schwarzen Brettern, Flugblättern etc. veröffentlicht werden. Herausgehoben werden soll hier das Intranet. Es weist ein hohes Maß an Interaktivität auf, hat kaum zeitliche Verzögerungen, kann selektiv bestimmten Informationskreisen zugänglich gemacht werden und entlastet Druckerzeugnisse vom Aktualitätsdruck. In großen Unternehmungen ist auch der Einsatz allgemein zugänglicher Medien wie Tageszeitungen zu prüfen. Dabei geht es ebenso um die mediengerechte Inszenierung des Veränderungsthemas. Zu beachten ist die Abstimmung interner und externer Kommunikation.
Im Rahmen der Mobilisierung ergeben sich aus unserer Erfahrung insbesondere bei Abbaustrategien – aber auch bei jeder Art von Umbau – erhebliche Probleme durch die unterschiedlichen Kommunikationsadressaten. Die Unternehmung ist bestrebt, sich gegenüber Kunden, Aktionären/Teilhabern, Kapitalmarkt, Presse etc. als glänzend aufgestellt zu präsentieren. Aufwändige Präsentationen für Analysten zeichnen ein positives Bild mit entsprechenden Zukunftsaussichten. Gleichzeitig möchte man den Führungskräften und Mitarbeitern klar machen, dass dies alles für die Zukunft noch nicht ausreicht und Restrukturierung, strategische Neuausrichtung, Personalabbau/Kostensenkung, Aufgabe von Geschäftsfeldern etc. unumgänglich sind. Nicht selten wird gerade der beste Abschluss seit Konzernbildung verkündet, gleichzeitig werden aber intern weitere Rationalisierungsprojekte betrieben. Derartige Konflikte sind extrem schwer zu handhaben. Es gelingt in diesen Situationen kaum, den notwendigen Spagat zu schaffen, was stark an der Glaubwürdigkeit der Kommunikation und der Akzeptanz von Veränderungsprojekten zehrt.
Bis zu diesem Zeitpunkt im Wandlungsprozess spielen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen für die Kommunikation eine untergeordnete Rolle. Die meisten umfassenden Kommunikationsmaßnahmen sind zwar relativ teuer, jedoch eine gute Investition, wenn sie die Zielgruppe in ihrer Einstellungs- und Verhaltensakzeptanz positiv beeinflussen. Die Gefahr besteht darin, zu viel Geld für untaugliche
326
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3
Kommunikationsinstrumente auszugeben. Der Löwenanteil der Kommunikationskosten fällt in der Mobilisierung und Umsetzung an. Dort sollte daher auch ein ‚Kommunikationscontrolling‘ ansetzen. Dabei ist Effektivität und Effizienz zu unterscheiden. Einzelgespräche sind sicherlich effektiv, jedoch (zunächst) weniger effizient. Die Identifikation von Meinungsführern, also Personen mit besonders intensivem Kommunikationsverhalten, als Multiplikatoren kann dieses Verhältnis verbessern. Im Gegensatz dazu sind Konferenzen oder Business-TV vom Kontaktpreis her sicherlich effizient, doch nicht sonderlich effektiv (vgl. Reiß 1997, S. 126). Allerdings bieten die neuen Medien heute Alternativen, die sowohl effektiv wie effizient eingesetzt werden können, und das im Grunde zu eher geringen Kosten im Verhältnis zu den gebotenen Möglichkeiten. Nicht vernachlässigt werden darf die Schnittstelle zur Unternehmungskommunikation. Denn Veränderungen nützen wenig und Wenigen, wenn sie nicht wahrgenommen werden. Steigende Aktienkurse, höhere Kundenaufmerksamkeit und das Interesse der Medien für die eigenen Themen können Indikatoren hierfür sein und den angefallenen Kosten als Nutzengrößen gegenübergestellt werden.
8.3.5
Umsetzung
Ziel der Kommunikation in der Umsetzung ist die Vermittlung von Wandlungsfähigkeiten und die Unterstützung in der Erarbeitung der Problemlösung in den verschiedenen Teilprojekten. Die dazu erforderlichen Hauptaufgaben sind die umfängliche und regelmäßige Information zum Umsetzungsstatus unter Beachtung der Differenzierung und gegenseitigen Abstimmung von Inhalten und Empfängern sowie der Einbau von Feedbackschleifen. Der Empfängerkreis wird in diesem Stadium deutlich erweitert, sei es durch die Schaffung spezieller Informationskreise oder anhand einzelner Projekte. Es gilt, die Betroffenen sowie insbesondere die Schlüsselpersonen als Multiplikatoren zu informieren, die dann vor Ort auf den Erfolg der Kommunikation und der Veränderung einwirken können (vgl. Mohr/Woehe 1998, S. 159). Des Weiteren erscheint im persönlichen Gespräch die überzeugende Darstellung der individuellen Vorteile angezeigt, d.h. neben der
327
8
Kommunikation im Wandel
formalen Projektkommunikation gewinnt auch die informale Kommunikation wieder an Bedeutung. Die informalen Kanäle müssen genutzt werden, um die Opponenten der Veränderung zu identifizieren und gezielt anzusprechen, bevor die formalen Gespräche mit ihnen beginnen. Eine weitere wesentliche Aufgabe ist das Kommunizieren von Erfolgen im Zusammenhang mit oder durch das Veranstalten von motivierenden Events (vgl. Schmidt/Trachtenberg 2003). Bei der Umsetzung des Kommunikationskonzepts kommt es speziell auf die inhaltliche Abstimmung an, um nicht durch Kommunikationsfehler dem Wandlungsprozess wieder Energie zu entziehen. Einen Schwerpunkt muss die Durchführung von Dialogveranstaltungen bilden, also eine Kommunikationsform, die direktes Feedback ermöglicht. Solche Dialogveranstaltungen erfolgen im Idealfall diagonal zur Hierarchie, kaskadenförmig bis an die Basis und immer zusätzlich zur Regelkommunikation (vgl. Koch 2004, S. 269ff.). Das Zulassen und Einbinden von Feedback spielt sowohl im Erfolgsfall als auch im Misserfolgsfall eine erhebliche Rolle. Erfolge sind kommunikationstechnisch auf allen Kanälen ‚auszuschlachten‘, da sie zum einen als Benchmark andere Projekte weiter vorantreiben können, zum anderen aber auch potentiellen Opponenten den Wind aus den Segeln nehmen. Der Misserfolgsfall einzelner Projekte bietet aus Sicht der Kommunikation in der Umsetzungsphase zwei Möglichkeiten, die abhängig von der Bedeutung des Projekts und der Tragweite des Misserfolgs gewählt werden können: Die positive Variante ist, im Sinne eines ‚aus Fehlern lernen‘ das Problem offen zu kommunizieren, allerdings nie ohne die Lernergebnisse und Lösungsansätze mitzuverbreiten. Diese Maßnahme kann geeignet sein, das Vertrauen in die Verantwortlichen zu fördern und Glaubwürdigkeit zu dokumentieren. Der zweite Weg ist der Versuch des Totschweigens und Aussitzens. Diese Handlungsalternative erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit, birgt allerdings erhebliche Risiken, wie aufkommende ungewollte Gerüchte, Vertrauensverlust oder Barrierenaufbau.
328
Kommunikation im Wandlungsprozess
8.3.6
8.3
Verstetigung
Das kommunikative Handeln in der Verstetigung besitzt im Hinblick auf die langfristige Erhaltung von Wandlungsfähigkeit und -bereitschaft weiterhin einen hohen Stellenwert und ist seinerseits zu verstetigen. Zunächst geht es um eine an den erreichten Erfolgen ausgerichtete Kommunikation zum Abschluss des Programms, sodann aber um Kommunikation, die den angestrebten kontinuierlichen Entwicklungsprozess unterstützt und begleitet. Kommunikation in der Verstetigung lebt zunächst davon, dass überhaupt Kommunikationsmöglichkeiten bereitstehen. Dafür hat die formale Kommunikation als ‚Enabler‘ die Voraussetzungen zu schaffen. Hierzu gehören regelmäßige moderierte Veränderungsforen, offene Diskussionsforen, Change Workshops, hierarchieübergreifende Monats- oder Quartalsgespräche zu speziellen Themen, die an die Veränderungen anschließen und diese weiterentwickeln. Im besten Fall gelingt es, positive Erfahrungen mit Kommunikationsmedien und -methoden in das Tagesgeschäft zu überführen und damit auch das Kommunikationsverhalten in der Unternehmung generell zu verändern. Die Führungsmannschaft muss hier wiederum mit bestem Beispiel vorangehen. Checkliste zum Übergang in die Verstetigung Sind die Ergebnisse des Instrumenteneinsatzes bekannt und die Erfahrungen mit dem Kommunikationskonzept dokumentiert? Sind die wesentlichen Erfolge so kommuniziert und ‚in Stein gemeißelt’, dass sie zum Gegenstand der Corporate Story werden können? Welche Instrumente haben sich als besonders sinnvoll vor dem Hintergrund der spezifischen Unternehmungskultur erwiesen und sind geeignet, langfristig der Kommunikation zu dienen? Sind bereits regelmäßige Kommunikationsinstrumente im Sinne der Verstetigung eingeführt? Sind Plattformen geschaffen, die einen weiteren Austausch zulassen und fördern?
329
8
Kommunikation im Wandel
8.4
Auswahl und Einsatz von Kommunikationsinstrumenten
8.4.1
Effiziente Kommunikation und geeignete Instrumente
Abschließend soll ein kurzer Einblick in die Auswahl von und die Arbeit mit den Kommunikationsinstrumenten gegeben werden. Voraussetzung ist immer, dass über die Kommunikationsstrategie und die Zielgruppen Klarheit besteht. Für die zielgruppenspezifische Auswahl der Kommunikationsinstrumente lassen sich folgende Kriterien einsetzen:
Projekttyp bzw. Kommunikationssituation: In einer PullSituation haben die Mitarbeiter ein hohes Informationsbedürfnis und verarbeiten das Informationsangebot ohne weitere Aktivierung (Turnaround, Abbauprogramme). In einer Push-Situation ist die Aufmerksamkeit dagegen niedrig, und die Ideen, Ziele und Maßnahmen müssen aktiv mit hohem Druck kommuniziert werden (Visionsentwicklung, z.T. Aufbauprogramme; vgl. Berner 2002).
Vorerfahrungen: Zu berücksichtigen ist, inwieweit schlechte oder gute Vorerfahrungen der Mitarbeiter mit Veränderungen das Vorhaben beeinflussen können.
Gruppengröße: Weitere wesentliche Einflussgröße ist natürlich die Gruppengröße. Hier sind ergänzend zu Einzelgesprächen Klein- und Großgruppen relevant und damit auch der mögliche Grad der Individualisierung von Kommunikation.
Komplexität der Information: Bei einfachen Themen genügen auch relativ einfache, standardisierte Formen der Einwegkommunikation (z.B. Rundschreiben, Arbeitsanweisungen). Für schwierigere und erklärungsbedürftige Fragen sind entsprechend aufwändigere Instrumente erforderlich. Sie sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie die Präsenz von Funktionsträgern oder Multiplikatoren erfordern und Feedbackmöglichkeiten eröffnen. Bei der Konfigurierung der geeigneten Instrumente geht es letztlich darum, das richtige Maß an Individualisierung bzw. Standardisie-
330
Auswahl und Einsatz von Kommunikationsinstrumenten
8.4
rung der Kommunikation zu finden. Ein Zuviel an persönlicher Kommunikation kann ebenso ineffizient sein wie ein Zuwenig (vgl. Abb. 8/4; Hungenberg/Wulf 2007, S. 267; Koch 2004, S. 254).
Abbildung 8/4
Effizienter Bereich der Kommunikation
Direktes persönliches Gespräch
Kommunikationsmedien/ -formen
Hoch
Zu viel Information führt zu Konfusion
Interaktive Kommunikation bei komplexen Inhalten
Indirektes persönliches Gespräch
Soziale Präsenz
Persönliches Schreiben
Unpersönliches Rundschreiben
Einseitige Kommunikation bei einfachen Inhalten
Gering
Individualisierungsgrad
Zu wenig Information führt zu Misstrauen
Niedrig
Hoch
Das Profil der jeweils geeigneten Kommunikation hängt zwangsläufig vom Implementierungsverlauf ab und wechselt dabei auch noch von Phase zu Phase. Ausgewählte Details zeigt Abbildung 8/5 am Beispiel eines partizipativen Wandels. Dort sind bereits in der Phase der Konzipierung zahlreiche Einbindungsinstrumente vorgesehen. Wie oben bereits beschrieben, haben diese Maßnahmen zugleich auch mobilisierenden Charakter, können also die Mobilisierungsphase entlasten bzw. verkürzen. Insbesondere für die Einbindung von Großgruppen haben sich neue Kommunikationsformen entwickelt – z.B. Open Space, Real Time Strategic Change (RTSC) oder Welt-Café genannt. Sie ermöglichen es, z.T. auch über 1.000 Mitarbeiter an Veränderungsprozessen zu beteiligen und fruchtbare Ergebnisse daraus zu ziehen (vgl. zur Bonsen 2003 sowie Kap. 2.5.2). Ein direktives Vorgehen wäre demgegenüber durch eine wesentlich restriktivere Kommunikationspolitik gekennzeichnet. Im einfachsten Fall wären dies eine ‚Mitteilungskonferenz’ und einige Projektbesprechungen und -präsentationen.
331
8 Abbildung 8/5
Kommunikation im Wandel
Ausgewählte Kommunikationsinstrumente bei partizipativer Implementierungsstrategie
Initialisierung Workshops, Round Tables, Meetings, Lobbying, Klausuren, FührungskräfteDialog, Networking
Konzipierung Workshops, Open Space, RTSC, World-Café, Brown Paper Sessions, Kultur- und Klimaumfragen, Business Lunch
Mobilisierung Workshops, Town Meetings, Road Shows, Unternehmenstheater, Storytelling, Kick offs, Ausflüge, Videos, persönliche Briefe, Zeitschriften, Flyer, Newsletter, Betriebsversammlung, Infou. Projektmessen, Intranet, BusinessTV, Pod-/ Webcasts, PR, Give Aways, Projekt-/ Unternehmens-Blogs
Umsetzung moderierte Workshops u. Meetings, Schwarze Bretter, Ausflüge, Info.- u. Trainingspräsentationen, Hotlines, Interviews, ProgrammSprechstunden, Konferenzen, Kummerkasten, Projekt-/ Unternehmens-Blogs, Wikis, NetworkingPlattformen
Verstetigung Foren, Interessengruppen, CoP‘s, Erfahrungsgruppen, Lunchgespräche, Networking, UnternehmensBlogs, Wikis, PR, monatliche Verstetigungstreffen
Um bei aller Komplexität des Themas die Übersicht zu behalten, ist schon die Beachtung einiger einfacher Regeln sehr hilfreich:
Von Beginn an die strategische Bedeutung, das Commitment der Führung und die organisatorische und budgetmäßige Verankerung des Themas Kommunikation sicherstellen.
Frühzeitig offen über geplante Änderungen informieren und verbindliche Zeitpunkte für die Details ankündigen und einhalten.
Kommunikation bedeutet nicht, dass alle bei allem mitreden – es gibt auch zu viel des Guten.
Kommunikation des Wandlungsbedarfs vor Kommunikation von Lösungen.
Entschiedenheit und Überzeugung in der grundsätzlichen Richtung und Vorgehensweise signalisieren.
Auf Sorgen, Ängste, Nöte und Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen und Feedbackmöglichkeiten etablieren.
332
Auswahl und Einsatz von Kommunikationsinstrumenten
8.4
Negative Aspekte mit mutiger Deutlichkeit konstruktiv ansprechen und mit den Konsequenzen auseinandersetzen. Scheinheilige Diplomatie zerstört Vertrauen und Akzeptanz.
Für einfache routinemäßige Inhalte einfache Kommunikationsformen wählen, für schwierige, ungewöhnliche Nachrichten besondere Kommunikationsformen wählen.
8.4.2
Kommunikation im Wandel 2.0 – Möglichkeiten neuer Kommunikationsformen
Die aktuellen Nutzungs- und Anwendungsmöglichkeiten des Internets werfen die Frage auf, inwieweit diese auch im Change Management sinnvoll nutzbar gemacht werden sollten. Basis ist die Entwicklung des sog. Web 2.0 mit den beiden prägenden Merkmalen: Sozialisierung von Inhalten und Themen sowie Interaktivität (vgl. u.v.a. Hagemann/Vossen 2008, S. 192). Das Web 2.0 verändert damit zum einen die Form der Zusammenarbeit und zum anderen die Kommunikationsmöglichkeiten (vgl. Kap. 2.5 sowie 6.3.6). Erste empirische Untersuchungen zeigen zwar, dass die tatsächliche Nutzung des Web 2.0 im Change Management den technischen Möglichkeiten noch weit hinterherhinkt, doch die von den Experten unterstellten Nutzenpotentiale rechtfertigen eine Auseinandersetzung (vgl. www.change-zweinull.de, 2008). Die Möglichkeiten des Web 2.0 werden im Wesentlichen geprägt durch eine Vielzahl ‚neuer’ Kommunikationsinstrumente. Zu den unter entsprechenden Umständen anwendbaren Instrumenten zählen z.B.: Corporate- oder Programm-Blogs, Wikis und Foren, Networking-Plattformen, virtuelle Chat-Rooms, Audio- und Webcast. Alle dienen mit unterschiedlichem Beitrag der Erreichung der Kommunikationsziele (vgl. Kap. 8.2.2): Blogs können idealerweise den Meinungsaustausch fördern sowie bei entsprechender Glaubwürdigkeit gute Überzeugungsarbeit leisten und sogar Vertrauen schaffen. Persönliche Blogs sind geeignet, Emotionen zu wecken und Motivation zu schaffen. Wikis können vor allem Informationen sowie Wissen dokumentieren, zur Verfügung stellen und weiterentwickeln. Weiterhin können
333
8
Kommunikation im Wandel
sie im Sinne der Visualisierung komplexere Sachverhalte oder Geschichten transportieren. Pod- und Webcast sind aufgrund der Eigenschaften des Mediums sehr vielfältig: von der mitreißenden Rede des Vorstandes bis zur Visualisierung eines neuen Prozesses lassen sich viele Ziele erreichen: Information, Überzeugung, Emotion und Motivation. Social Networking-Plattformen können hier als eine Form multimedialer Personenverzeichnisse verstanden werden. Damit schaffen sie Transparenz über Beteiligte und deren Fähigkeiten. Durch die Zusammengehörigkeit und die Möglichkeiten der Interaktivität können sie zu einem sehr vertrauenswürdigen Medium werden. Wesentliche Nutzenpotentiale werden weiterhin bei der Aktualität des Informationsstandes, der Wissensnutzung, der Kommunikationsintensität, der Motivation und Akzeptanz sowie der aktiven oder passiven Mitwirkung der Beteiligten gesehen. Bezüglich der Dauer und Kosten des Veränderungsprojektes dürften die Auswirkungen allerdings eher gering sein (vgl. www.change-zweinull.de, 2008). Ähnlich wie bei der Auswahl der klassischen Kommunikationsinstrumente ist auch hier der Einsatz an Voraussetzungen geknüpft: Verfügbarkeit, Verbreitung, sonstiges Informationsverhalten der Mitarbeiter und des Unternehmens, Qualifikationsniveau, konkrete Inhalte. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist konzeptionell sinnvoll. Ein gutes Konzept kann besser werden, aber ohne Kommunikationskonzept kann auch Web 2.0 nicht helfen. Insgesamt kann die Auseinandersetzung mit den Themen und die Interaktion über Zeit, Raum und Hierarchie hinweg deutlich gesteigert werden. Oder anders ausgedrückt, „mehr Betroffene können intensiver beteiligt“ werden. Mit den technischen Möglichkeiten verbessert sich die ‚Demokratisierung’ des Veränderungsvorhabens – wenn dies denn gewünscht ist. Excellence in Change heißt, sich langfristig auch bei der Kommunikation die technischen Möglichkeiten zunutze zu machen.
334
Zusammenfassung
8.5
8.5
Zusammenfassung
Verändernde und veränderte Kommunikation leistet als Querschnittsfunktion einen wesentlichen Beitrag zu den beschriebenen Wandlungsprozessen. Sie beginnt und endet in den Köpfen der Mitarbeiter, also genau dort, wo Veränderungen stattfinden müssen. Kommunikation wirkt unmittelbar auf die mentalen Modelle ein und kann so deren Verhaltenssteuerung beeinflussen.
Die Kommunikationsstrategie ist ein wichtiger Bestandteil des Wandlungsmanagements. Aus ihr leitet sich ein umfassendes, phasenspezifisches Kommunikationskonzept ab. Dieses muss sowohl formale als auch informale Kommunikation berücksichtigen, verschiedene Rollenverteilungen zwischen Sendern und Empfängern nutzen und aus der Vielzahl der Kommunikationsinstrumente die wirklich geeigneten auswählen.
Wesentliche Einflussgrößen für die Auswahl der Kommunikationsstrategie sind die Inhalte des Programms bzw. der Projekttyp und die gewählte Implementierungsstrategie. Dies umfasst sowohl die eher restriktive Kommunikation im Top downVorgehen als auch die umfassende Einbindung im Fall des Bottom up-Vorgehens.
In jeder Phase des Wandlungsprozesses findet Kommunikation statt. Daher müssen Inhalte, Sender, Empfänger ausgewählt und der Kontext gestaltet werden, um zielgerichtet und zielgruppenspezifisch kommunizieren zu können.
335
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1
Controlling der strategischen Erneuerung
Kapitel 9
Norbert Bach / Henrik Steinhaus
337
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 9 Controlling ist im Tagesgeschäft eine unentbehrliche und gut ausgebaute Führungsunterstützung. Den gleichen Anspruch Schritt für Schritt auch im Wandlungsgeschäft einzulösen, ist die Intention von Kapitel 9. Planung, Steuerung und Kontrolle von Wandlungsprogrammen über die Phasen des Wandlungsprozesses hinweg sind zu bewältigen. Dabei sind die Unterschiede von Abbau-, Umbau- und Aufbauprogrammen in der Zielsetzung und den Kennzahlen zu berücksichtigen. Nicht zuletzt ist der Zusammenhang von Gesamtprogramm und einzelnen (Teil-)Projekten im Controlling abzubilden und beherrschbar zu machen.
339
9
Controlling der strategischen Erneuerung
9.1
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1.1
Controllingverständnis und Ziele der Transformation
Den hier diskutierten Fragen des Controllings von Transformationsprozessen liegt das Controllingverständnis von Hahn/Hungenberg zugrunde (vgl. 2001, S. 265ff.). Für das Controllingobjekt Wandel führt dies zum Begriff Wandlungscontrolling, der die informationelle Sicherstellung ergebnisorientierter Planung, Steuerung und Überwachung von Transformationsprozessen umfasst. Gegenstand der nachfolgenden Abschnitte sind daher Methoden und Verfahren, die versuchen, die Aufgabenerfüllung im Wandlungsprozess zu bewerten und auf ihren Ergebnisbeitrag hin zu quantifizieren.
Wandlungscontrolling hat die informationelle Sicherstellung einer ergebnisorientierten Planung, Steuerung und Kontrolle des Wandels zum Ziel. Hierzu wird die Aufgabenerfüllung im Wandlungsprozess bewertet und hinsichtlich ihres Ergebnisbeitrags quantifiziert.
Die gewählte Definition stellt nicht ohne Grund den Ergebnisbeitrag in den Mittelpunkt der Betrachtung. In konjunkturell schwierigen Zeiten und bei dringendem Wandlungsbedarf sind Kapitalgeber nur anhand von harten Zahlen davon zu überzeugen, in eine strategische Erneuerung zu investieren. Wandel ist ein Investment in zukünftige Erträge und strategische Optionen müssen als alternative Investments behandelt werden, mit deren Hilfe die Erhaltung und erfolgreiche Weiterentwicklung der Unternehmung sichergestellt werden sollen. Monetäre Rückflüsse sind als alleinige Steuerungsgröße jedoch nur bedingt geeignet, da sie lediglich das Ergebnis eines lang dauernden Prozesses widerspiegeln und somit nur eine Steuerung mit starker zeitlicher Verzögerung erlauben. Soll das Schiff nicht übermäßig weit vom Kurs abkommen, sind auch sachlogisch und zeitlich vorgelagerte Zielkategorien erforderlich. Als Lösung bietet die Controllingliteratur die Unterscheidung von
340
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1
Wert-, Leistungs- und Sozialzielen an (vgl. Hahn/Hungenberg 2001, S. 11ff.):
Wertziele: Alle Ziele, deren Ausmaß in monetären Einheiten bewertet wird, zählen zu den Wertzielen. Investoren erwarten Rückflüsse auf ihr eingesetztes Kapital, sei es in Form von Dividenden und/oder einem gestiegenen Unternehmungswert (total shareholder return). Das Ergebnis der unternehmerischen Wertschöpfung wird traditionell in Ergebniskennzahlen (z.B. EBIT) und Liquidität (z.B. Cashflow) festgehalten, moderne Konzepte fokussieren auf den Unternehmungswert (z.B. Kapitalwert, EVA). Jedes Investment in ein Wandlungsprogramm wird daher an seinem Beitrag zur Steigerung des Unternehmungswerts gemessen. Wenn durch den Wandel kein Unternehmungswert generiert wird, sollten auch keine Ressourcen dafür eingesetzt werden. Gemäß der Definition zählt auch die Einhaltung von Obergrenzen monetärer Inputgrößen (z.B. Budget) zu den Wertzielen.
Leistungsziele: Wertschöpfung resultiert aus der Erstellung marktfähiger Produkte oder Dienstleistungen. Leistungsziele im Produktionsprozess als den Ergebniszielen vorgelagerte Regelgröße erlauben eine zeitnahe Steuerung dieser Prozesse. Im Wandlungsmanagement korrespondieren die Leistungsziele mit der Deckung des Wandlungsbedarfs. Die angestrebte Veränderungsleistung muss phasenspezifisch näher bestimmt und operationalisiert werden. Hierbei können spezifische Ziele und Kennzahlen für Abbau-, Umbau- oder Aufbauprogramme festgelegt werden.
Sozialziele: Hiermit sind Verhaltensweisen der Unternehmung gegenüber ihren Mitarbeitern angesprochen, die auf eine aktive Beteiligung zielen. Wie bereits in Kapitel 5 erläutert geht es um die Akzeptanz bei den Mitarbeitern, ohne die keine Wertschöpfung stattfindet und ohne die kein Wandel bewältigt werden kann. Die Wahl einer Implementierungsstrategie determiniert daher maßgeblich die Kostenverläufe im Verlauf von Transformationsprozessen.
341
9
Controlling der strategischen Erneuerung
Die hohe Zahl der Insolvenzen im deutschen Mittelstand hat oftmals ihre Ursachen in mangelnden Kenntnissen bezüglich betriebswirtschaftlicher Steuerungsgrößen. In einer mittelständischen Unternehmung der Elektronikbranche wird Mitte des Geschäftsjahres 2007 deutlich, dass ohne ein weiteres Engagement der Banken in Kürze keine Rechnungen mehr bezahlt werden könnten (Wertziele). Bei einer Analyse der letzten Geschäftsjahre stellt sich heraus, dass bereits seit zwei Jahren die Produktivität und die erzielte Qualität (Leistungsziele) stetig gesunken sind. Gespräche mit den Mitarbeitern ergeben, dass vor drei Jahren die Stimmung in der Belegschaft schlechter wurde und dass vor zwei Jahren drei Schlüsselpersonen die Unternehmung verlassen hatten (Sozialziele).
9.1.2
Ebenen, Aufgaben und Träger des Wandlungscontrollings
Im Folgenden wird das Wandlungscontrolling in die Ebenen Controlling der Unternehmungsentwicklung, Controlling von Transformationsprozessen und Projektcontrolling unterschieden. Im Gegensatz zum regulären Controlling der Unternehmung ist der betrachtete Zeitraum nicht das Geschäftsjahr oder das Geschäftsquartal. Welche Zeiträume betrachtet werden und welche Aufgabengebiete zu unterscheiden sind, wird vom jeweiligen Programmbzw. Projektauftrag determiniert. Übergeordnete Aufgabe ist das Controlling der Unternehmungsentwicklung. Es hat die Identifikation von Wandlungsbedarfen und die generelle Bewertung strategischer Optionen zum Gegenstand. Im hier vertretenen Verständnis ist eine strategische Frühaufklärung mit einem gezielten Monitoring von identifizierten Impulsen eine Daueraufgabe, die als strategisches Controlling zu den Kernaufgaben einer Controllingfunktion in der Linie zählt. Die Bestimmung von Wandlungsbedarfen und darauf aufbauende Entscheidungen der strategieverantwortlichen Instanzen liefern die Grundlage für Wandlungsprogramme auf Unternehmungs- oder Geschäftsebene. Es geht um die Definition des Programmauftrags mit Zielinhalt, Zielausmaß und Zieltermin (vgl. Abb. 9/1).
342
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1 Abbildung 9/1
Ebenen des Wandlungscontrollings Controlling der Unternehmungsentwicklung als Daueraufgabe Programmaufträge, z.B. Inhalt: Konzernweite Herstellkosten Ausmaß: Reduzierung um 15% Termin: bis Ende 2008
Wandlungscontrolling im engeren Sinn Initialisierung Konzipierung Mobilisierung
Umsetzung
Verstetigung
Projektaufträge, z.B. Inhalt: Standortübergreifende Transport- und Lagerkosten Ausmaß: Reduzierung um 10% Termin: 06/2008
Projektcontrolling Strategieprojekte
Kommunikationsprojekte
VorbereiBasis- Folgetungsprojekte projekte projekte
Typische Projekte
Das Controlling von Transformationsprozessen setzt nun auf der Wandlungsprogrammplanung auf, in deren Rahmen der Programmauftrag in Projekte und Teilprojekte zerlegt wird. Bereits in der Programmplanung werden mit der Budgetierung, Kennzahlendefinition und Meilensteinplanung die Grundlagen für das spätere Projektcontrolling gelegt.
Das Controlling des Transformationsprozesses dient der ergebnisorientierten Planung, Steuerung und Kontrolle der Aktivitäten der Projektprozesse des Wandels mit Blick auf die Erreichung des Programmauftrags.
Die Wandlungsprogrammplanung erfolgt grundsätzlich zunächst Top down durch Vorgabe eines Gesamtbudgets für den Programmauftrag durch die Unternehmungsleitung. Daraus folgend werden die Vorgaben hinsichtlich Aufgaben, Budgets und Terminen für die Projektprozesse detailliert.
343
9
Controlling der strategischen Erneuerung
Ebenso wie bei der Planung auf Programmebene sind auch für eine realistische Aufwandschätzung hinsichtlich der Projektprozesse des Wandels oftmals tiefgreifende Spezialkenntnisse notwendig. Die Programmplanung erfordert deshalb zwingend einen Bottom upRücklauf aus den Teilprojekten. Die Verteilung der Controllingaufgaben auf Aufgabenträger erfolgt analog der Wandlungsprogrammplanung. Auf der Teilprojektebene ist das als Grundlage für das Controlling notwendige Aufstellen eines Projektplans üblicherweise Aufgabe des Teilprojektleiters. Er sollte über Erfahrung aus vergleichbaren Tätigkeiten verfügen und zuverlässige Schätzungen zu erforderlichen Sachmitteln, Personalkapazitäten und Terminen geben können.
Abbildung 9/2
Aufgabenträger im Wandlungscontrolling
Aufgabe
Aufgabenträger
Controlling der Unternehmungsentwicklung
Linieneinheit Controlling
Controlling des Transformationsprozesses
Programmcontrolling als Führungsunterstützungseinheit
Controlling der Projektprozesse
Projektleiter bzw. Teilprojektleiter
Die Programm- und Projektplanung bildet die Grundlage für das Controlling des Transformationsprozesses. Die Kennzahlen aus dem Programmplan sind die Regelgrößen, der Einsatz von Sachmitteln und Personal die Stellgrößen für eine Steuerung gemäß dem Regelkreisprinzip (vgl. Hahn/Hungenberg 2001, S. 50ff.). Wie die drei Ebenen des Wandlungscontrollings ineinander greifen und welche Komplexität sich dabei im Turnaround eines Konzerns ergibt, zeigt das folgende Beispiel der DEUTSCHEN POST.
344
Wandlungscontrolling als spezielles Projektcontrolling
9.1
Das Thema: Ebenen des Wandlungscontrollings Das Beispiel: DEUTSCHE POST WORLD NET AG Die DEUTSCHE POST WORLD NET hat sich seit Beginn der 1990er Jahre durch Restrukturierungsmaßnahmen und zahlreiche Akquisitionen von einer staatlich geführten Behörde zu einem führenden Anbieter globaler Distributions- und Logistikdienstleistungen entwickelt. Die DEUTSCHE POST WORLD NET AG ist in den Bereichen BRIEF, EXPRESS, LOGISTIK und aktuell noch FINANZEN/DIENSTLEISTUNGEN tätig. Ständige Wandlungsprogramme begleiten die Unternehmung. Im Folgenden soll als Beispiel für die Ebenen des Wandlungscontrollings das STAR-Programm der Jahre 2002 bis 2005 betrachtet werden.
Abbildung 9/3: Aufbauorganisation der DEUTSCHE POST WORLD NET AG (Stand: 2005)
Deutsche Post World Net
Konzern
Unternehmungsbereiche
MAIL
EXPRESS
LOGISTICS
FINANCE
Leistungsmarken
Im Jahr 1990 erwirtschaftete die Post bei einem Umsatz von 19 Mrd. DM einen Verlust von 1,4 Mrd. DM. Nach Rationalisierung, Modernisierung und Arbeitsplatzabbau im großen Stil fuhr die Unternehmung 2001 bei einem Umsatz von 33,4 Mrd. € einen Gewinn (EBITDA) von 2,55 Mrd. € ein. Die Ergebniskennzahlen waren dennoch Anlass zum Start des Wertsteigerungsprogramms STAR im Januar 2002. Erklärtes Ziel war es, durch Erschließung von Synergien das operative Ergebnis bis zum Jahr 2005 um mindestens 1,4 Mrd. € auf 3,6 Mrd. € zu erhöhen. Abbildung 9/4 zeigt die bisher erzielten kumulierten Ergebnisbeiträge zum Ende des Geschäftsjahres 2004 (Quelle: Geschäftsbericht DPWN AG 2004, S. 23).
345
9
Controlling der strategischen Erneuerung
Abbildung 9/4: Kumulierter Ergebnisbeitrag des STAR-Programms (in Mio. €) 1600 Akkumuliertes Ziel per 31.12.2005: mindestens 1.400 Mio. €
1400 1200 1000 Akkumuliertes Ziel per 31.12.2004: mindestens 800 Mio. € 143
800 600
862 Mio. € (31.12.2004)
118 97
400
81
423 Mio. € (31.12.2003)
84 79
200
81 93
0
86 Mio. € (31.12.2002)
86
Q4
Q1
Q2
Q3 Q4
Q1 Q2
Q3
2002
2003
2004
86 Mio. €
337 Mio. €
439 Mio. €
Q4 Q1
Q2
Q3 Q4
2005
Das STAR-Programm umfasst insgesamt über 100 Einzelprojekte, die folgenden fünf Programmaufträgen zugeordnet sind: Vereinheitlichung des Markenauftritts, Harmonisierung der Vertriebsstrukturen, Standardisierung des Produktsortiments, Integration bestehender Netzwerke, Optimierung von Querschnittsfunktion wie Einkauf und IT. Im Rahmen des letztgenannten Programmauftrags wurden im Jahr 2004 die Einkaufsfunktionen grundlegend umstrukturiert. Große Einkaufsvolumina wurden nach insgesamt 18 Produktkategorien gebündelt und werden nun nach dem Prinzip des Category Management geführt. Konkrete Einzelbeispiele für Projekte sind: Standardisierung der von Geschäftskunden verwendeten Verpackungen, um den Kunden gegenüber weltweit optisch einheitlich aufzutreten. Mithilfe internetgestützter Einkaufswerkzeuge konnten für diesen gebündelten Bedarf neue Lieferanten in Asien, Osteuropa und Amerika gewonnen und bessere Konditionen erzielt werden. Der Bedarf an Computern wird konzernweit ermittelt und ausgeschrieben; die Hardware wird nun zu günstigeren Konditionen von wenigen Hauptlieferanten bezogen.
346
Für die Beschaffung von Uniformen und Schutzkleidung wurden konzernweit einheitliche Richtlinien festgelegt. Nach mehreren umfangreichen Ausschreibungsverfahren konnte die Zahl der Kernlieferanten
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
auf 20 Unternehmungen aus Europa, Asien und Amerika reduziert werden. Das STAR-Programm hat die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2005 geplanten Ziele erreicht, oftmals bereits vor den angestrebten Terminen. Auf der Führungskräftetagung der DPWN im Februar 2006 in Interlaken kündigte der damalige Vorstandsvorsitzende Zumwinkel bereits das Nachfolgeprogramm FirstChoice an: „Jetzt legen wir den Fokus verstärkt auf Aspekte der Kundenzufriedenheit, Qualitätsentwicklung und Qualitätsführerschaft.“ Wie bei STAR wird auch bei FirstChoice exakt kontrolliert und gemessen, was die einzelnen Projekte an Umsatz und Erträgen bringen. Diese Zahlen sollen quartalsweise auch publiziert werden. (Quelle: Geschäftsberichte und Präsentationen auf www.dpwn.de)
9.2
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2.1
Regelgrößen in Transformationsprozessen
Als Regel- und Stellgrößen für das Controlling des Transformationsprozesses wird eine Reihe von Kennzahlen benötigt, die neben dem Leistungsfortschritt vor allem die Höhe verschiedener Kostenarten und deren Belastung auf Projektkostenstellen darstellt. Im betriebswirtschaftlichen Verständnis ist Wertschöpfung die Differenz zwischen Input und Output. Die Höhe dieser Differenz und damit der Unternehmungserfolg wird im internen Rechnungswesen in der Kosten- und Leistungsrechnung widergespiegelt. Auch wenn mit Bezug auf Transformationsprozesse die Ermittlung der Wertschöpfung mit Problemen behaftet ist, da sowohl die zu erbringende Leistung als auch die aufzubringenden Kosten nur schwer zu quantifizieren sind, muss dennoch über Annahmen und Näherungsrechnungen eine Bewertung der Leistung eines Wandlungsprogramms erfolgen. Dies gilt zumindest für die primären Wirkungen, die sich z.B. auf Kosten, Zeiten, Mengen, Qualitäten richten. Sekundärwirkungen wie z.B. die Verbesserung organisatorischer Fähigkeiten sollten zumindest bedacht und qualitativ abgeschätzt werden.
347
9
Controlling der strategischen Erneuerung
Das Thema: Controlling im Turnaround Das Beispiel: Mittelständische Kunstschlosserei Eine über Jahrzehnte erfolgreiche Kunstschlosserei ergänzte den Schlossereibetrieb um einen Eisenwarenhandel, der sich positiv entwickelte und bald eine ähnliche Größe wie das Schlossereigeschäft erreichte. Die Probleme begannen, als zunächst der Einkaufsverbund, dem man sich im Eisenwarenhandel angeschlossen hatte, in wirtschaftliche Probleme geriet, und sie verschärften sich weiter, als in der benachbarten Kreisstadt zwei große Baumärkte ihre Pforten eröffneten. Schließlich zogen die rückläufigen Umsätze des Eisenwarenhandels die gesamte Unternehmung in die Krise, so dass auch auf Druck der finanzierenden Banken ein Wandlungsprogramm erarbeitet werden musste, das zunächst einen Abbau des Eisenwarenhandels vorsah und dann den Umbau der Restunternehmung mit dem Ziel des späteren Ausbaus des immer noch profitablen Schlossereigeschäfts. Für eine Verlängerung ihres Engagements verlangten die Banken ein wirksames Controlling des Transformationsprozesses. Es wurden verschiedene Projekte herausgearbeitet, zu deren laufender Überwachung Kennzahlen definiert wurden (vgl. Abb. 9/5). Schwierigkeiten bereitete vor allem die Bewertung des Warenabverkaufs als ein Teilprojekt des Wandlungsprogramms im Rahmen des Abbaus. Nur durch das Setzen von Prämissen ließ sich hier eine Quantifizierung vornehmen:
Abbildung 9/5: Kennzahlen zur Bewertung des Wandlungsprogramms
348
Projekt
Ziel
Verantw.
Termin
Bestandsreduzierung
Halbierung der Bestände
Einkauf
Innerhalb von -8,5 8 Monaten
+103,5
Übernahme von Regiearbeiten in der Schlosserei
Zusätzliche Regieumsätze i.H.v. 20%
Schlossereimeister
Innerhalb von +20,0 einem Jahr
+20,0
Senkung Schlos- Wareneinsatz sereikosten und Personalkosten senken
Geschäfts- Innerhalb von +16,3 führung, 3 Monaten Meister
+16,3
Senkung Fläche für Handelswaren
Geschäfts- Innerhalb von +24,0 führung einem halben Jahr
+24,0
Mietkostenreduzierung
Ertrag Liquidität (T€) (T€)
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
Ziel:
Bestandsreduzierung Eisenwaren (Abbau)
Maßnahme:
Abverkaufsaktion mit Sonderrabatten
Ausgangssituation: Umsatzziel: Wareneinsatzquote: Wareneinsatz: Wareneinkauf: Bestandsabbau:
9.2
150 T€ 59% 88,5 T€ 88,5 T€ 0 T€
Prämissen im Rahmen des Wandlungscontrollings: Abverkauf erhöht Umsatz um 10%. Abverkauf wird mit Preisnachlass von 15% durchgeführt. Es erfolgt kein Wareneinkauf, Abverkauf erfolgt aus Warenbestand.
Abbildung 9/6: Vergleich Effekte aus Projekt Warenabverkauf (Abbau) gegenüber Ausgangssituation Kennzahl
Wirkung
Ertrag (T€)
Liquidität (T€)
Umsatz
Erhöhung um 10% auf 165 T€
+15
+15
Wareneinsatz
Erhöhung von 88,5 T€ auf 112 T€ (durch Rabatt und Umsatzplus)
-23,5
-23,5
Wareneinkauf
Kein Wareneinkauf, da Bestandsabbau
+112
+112
Bestandsveränderung
Bestandsabbau um 112 T€
-112
0,0
-8,5
+103,5
Summe
Mithilfe der prognostizierten Soll-Werte konnten der Beitrag des Projekts während des Transformationsprozesses überwacht und bei Auftreten von Abweichungen zeitnah Gegensteuerungsmaßnahmen veranlasst werden (z.B. zusätzliche Werbemaßnahmen oder Einschaltung eines Aufkäufers zur Bestandsveräußerung).
Zur Steuerung von Transformationsprozessen wird neben der reinen Kostenüberwachung in der Regel eine Vielzahl von Kennzahlen eingesetzt, die den Ergebnisfortschritt bezüglich des Programmauftrags abbilden sollen. Gemäß der vorgenommenen Unterscheidung von Abbau-, Umbau- und Aufbauprogrammen zeigt Abbildung 9/7 eine Übersicht geeigneter Kennzahlen.
349
9 Abbildung 9/7
Controlling der strategischen Erneuerung
Abbau-, Umbau- und Aufbaukennzahlen Abbau
Umbau
Aufbau
Capital Employed (CE), Return on CE, Working capital, Capital expenditure, Budget für Abfindungen, Budgeteinsparungen, Marktkapitalisierung
Verhältnis neuer zu alter Umsatz, Schulungsbudget, Personalkosten pro Mitarbeiter, Marktkapitalisierung
Umsatzwachstum, Umsatz aus Neugeschäft, Umsatz aus Wachstumssegmenten, Investitionsvolumen, F&E-Budget, Vertriebs-/ Werbeaufwand, Neueinstellungsbudget, Schulungsbudget, Marktkapitalisierung
LeisPersonalbestand, tungs- Anzahl stillgelegter ziele Vertriebs- oder Produktionsstandorte, Abbau Fertigungskapazität, Abbau Lagerbestand
Anzahl neuer Geschäftsfelder, Anzahl Neukunden, Fertigungstiefe, Automatisierungsgrad in der Fertigung, Qualitätskennzahlen, Anzahl Versetzungen, Kundenzufriedenheit
Anzahl Neukunden, Anzahl neuer Geschäftsfelder, Anzahl Neuprodukte, Neuproduktrate, Produktentwicklungsdauer
Sozial- Abbau ohne betriebsziele bedingte Kündigungen, Sozialplan, Anzahl OutplacementMaßnahmen
Anzahl interner Stellenbesetzungen, Fluktuationsrate, Krankenstand, Fehlzeiten, Anzahl Schulungen je Mitarbeiter
Anzahl Neueinstellungen, Anzahl Schulungen je Mitarbeiter, Anzahl gezahlter Prämien, Betriebszugehörigkeit
Wertziele
9.2.2
350
Kostenrechnung in Transformationsprozessen
Neben den mit dem Transformationsprozess verbundenen Effekten (Kosten und Leistungen) muss sich das Wandlungscontrolling auch mit den Kosten des Wandlungsprogramms selbst befassen. Hierbei kann in transparente Kosten (z.B. Reisekosten, Schulungskosten, Infrastrukturkosten, Beratungskosten) und in verdeckte Kosten unterschieden werden. Letztere werden oft vernachlässigt. Beispielhaft seien hier die Opportunitätskosten durch Mitarbeiterverunsicherung und Fluktuation oder Leistungsverluste gegenüber Marktpartnern durch die interne Veränderungsanstrengung eines Wandlungsprogramms angeführt.
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
Stehen mehrere Wandlungsalternativen zur Verfügung, spielt für einen aussagekräftigen Kostenvergleich der Planungshorizont eine entscheidende Rolle. Generell ist es schwierig, alle entstehenden Kosten zu quantifizieren und in einer Systematik zu erfassen. Bei der für strategische Erneuerungsprogramme typischerweise gegebenen Planungsunsicherheit erscheinen daher einfache Kostenvergleichsrechnungen zu alternativen Konzepten völlig ausreichend. Sowohl auf Programm- als auch auf (Teil-)Projektebene sind die transparenten Kosten grob abschätzbar und können als Einzelkosten budgetiert und verrechnet werden. Für die verdeckten Kosten genügt in erster Näherung eine Unterscheidung von Entscheidungs- und Abstimmungskosten einerseits und Akzeptanz- und Mobilisierungskosten andererseits. Eine weitere Hilfestellung zur Erfassung zumindest der großen Kostenblöcke leistet die Unterscheidung von Analyse- und Diagnosekosten, Informations- und Kommunikationskosten, Qualifikations- und Realisationskosten sowie Kontrollkosten. Damit die Kostenverantwortung im Rahmen des Wandlungscontrollings handelnden Personen übertragen werden kann, sollten eigene Kostenstellen für das Wandlungsprogramm eingerichtet werden. Üblicherweise werden zwei Hauptkostenstellen unterschieden, eine für die Programmebene, eine für die Projektebene. Alle Kosten und Leistungen, die nicht bei der Abwicklung von (Teil-)Projekten entstehen, sondern z.B. dem Aufbau der Infrastruktur des Wandels oder übergeordneten Kommunikationsmaßnahmen dienen, sind dem Programm zuzurechnen, die zugehörigen Kosten werden als Programmkosten bezeichnet. Die Hauptkostenstelle der Projektebene umfasst alle Hilfskostenstellen der einzelnen Projekte. Im Sinne einer Prozesskostenrechnung sind der Programmebene zurechenbare Gemeinkosten getrennt von den Kosten der einzelnen Projekte zu erheben und zu verrechnen. Damit ist sichergestellt, dass insbesondere die unter Umständen erheblichen Vorlauf- und Folgekosten, welche tendenziell auf der Programmebene anfallen, hinreichend einbezogen werden (vgl. Grimmeisen 1998, S. 151). Aus der Summe der auf die beiden Hauptkostenstellen verrechneten Kosten ergeben sich die Gesamtkosten des Programms. Generell empfiehlt es sich, bei der Ausgestaltung des Wandlungscontrollings auf dem vorhandenen Planungs-, Kontroll- und Berichtssystem aufzubauen, um den Aufwand für die Datengenerie-
351
9
Controlling der strategischen Erneuerung
rung so gering wie möglich zu halten. Der Mehraufwand für wandlungsspezifische Sonderrechnungen darf den daraus erzielten Nutzen nicht übersteigen. Ein weiteres Argument dafür, das Berichtswesen so einfach wie möglich und die Kennzahlengenerierung aufwandsminimal zu gestalten, liefert der Zielkonflikt zwischen Genauigkeit und Aktualität. Im Wandel ist eine zeitnahe Transparenz des Prozessfortschritts einer hohen Genauigkeit vorzuziehen. Checkliste Kostenrechnung Welcher Planungshorizont wird zugrunde gelegt? Wie können die mit dem Wandlungsprogramm entstehenden Kosten und angestrebten Leistungen quantifiziert werden? Ist im Programmauftrag der Output des Wandlungsprogramms klar formuliert und sind Kennzahlen für seine Messung definiert? Welche transparenten Kosten sind zu erwarten? Welches sind die Ursachen für diese Einzelkosten? Welcher Zeitbedarf welcher Beteiligten ist in der Initialisierung und Konzipierung notwendig? Kann diese Zeit bewertet und als Abstimmungs- und Entscheidungskosten erfasst werden? Welcher Zeitbedarf welcher Beteiligten ist in der Mobilisierung, Umsetzung und Verstetigung notwendig? Kann diese Zeit bewertet und als Akzeptanzkosten erfasst werden? Welches Bild ergibt sich bei einer Einteilung der bisher erfassten Kostenarten in Vorlauf-, Durchführungs- und Folgekosten? Sind alle Kostenarten erfasst? Welche Kostenstellen sollten im Sinne einer verursachungsgerechten Zuordnung der Kosten eingerichtet werden oder welche bestehenden mit diesen Kosten belastet werden? Wie lässt sich das Wandlungscontrolling in das bestehende Planungs-, Kontroll- und Berichtswesen integrieren? Sind umfangreiche Modifikationen notwendig, oder lassen sich die notwendigen Berichte einfach generieren?
9.2.3
Kostenschätzung im Rahmen der Programmplanung
Basis der Kostenschätzung ist eine Ablaufplanung. Typisch für komplexe Vorhaben ist in der Praxis ein teilzyklisches Vorgehen. Einzelne Planungsphasen (z.B. Definition von Projektaufträgen, Alternativensuche und -beurteilung, Entscheidung) werden in zu-
352
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
nehmendem Detaillierungsgrad (Vorstudien, Haupt- und Teilstudien) mehrfach durchlaufen (vgl. Abb. 9/8).
Teilzyklisches Vorgehen bei der Programmplanung
Abbildung 9/8
Teilzyklisches Phasenkonzept Projektphasen
Hauptaufgaben und Phasenergebnis
Initialisierung
Ergebnis: Programmauftrag - Systemabgrenzung - Umsysteme/Schnittstellen - Rahmenbedingungen - Kernprobleme - Hauptziele - Grobe Lösungsrichtungen - Lösbarkeit / Durchsetzbarkeit / Finanzierbarkeit
Vorstudie
Hauptstudie
Teilstudien
Ergebnis: Rahmenkonzept - Unter-/ Teilsysteme untersuchen - Varianten für Teillösungen - Ggf. Prototypen, Pilotanwendung - Prioritäten für Detailstudien Ergebnis: Grobkonzept - Ggf. nötige Konkretisierung bis zur Ausführungsreife - Einführungsplanung - Dokumentation für den Benutzer
Besondere Bedeutung haben bei Programmen zur strategischen Erneuerung die Vorstudien zur Auswahl eines Rahmenkonzepts. Die Entscheidung betrifft den Fortbestand und die Entwicklung der Unternehmung und wird nur schwer rückgängig zu machen sein. Das Bedürfnis der Entscheidungsträger nach einer quantifizierbaren Entscheidungsgrundlage mit harten Zahlen, Daten, Fakten ist daher groß. Gleichzeitig kann ohne Ausarbeitung der zugehörigen Detailkonzepte auch nicht annähernd von Planungssicherheit gesprochen werden. Das Wandlungscontrolling kann hier nur über das Setzen plausibler Prämissen Alternativen bewerten, muss die gesetzten Prämissen als Grundlage der Bewertung ausführlich dokumentieren
353
9
Controlling der strategischen Erneuerung
und auf die Planungsunsicherheit deutlich hinweisen. Durch diese Grobbewertung kann oftmals die verhängnisvollste Entscheidung – nämlich die Entscheidung, ein Wandlungskonzept zu vertagen – vermieden werden. Die Bestimmung von Kosten und Nutzen eines Wandlungsvorhabens bildet das betriebswirtschaftliche Kernproblem, das direkt oder indirekt dem Wandlungscontrolling zugrunde liegt (vgl. hierzu und zum Folgenden Krüger 2006b). Die Abschätzung von Kosten und Nutzen eines Wandlungsvorhabens als Methode ist dabei weitgehend unabhängig von den Inhalten desselben und daher allgemein anwendbar. Als Grundlage für eine Kostenschätzung im Rahmen der Vorstudie kann die in Abbildung 9/9 dargestellte Übersicht der in den jeweiligen Phasen und in Steuerung und Support zu berücksichtigenden Kostenarten dienen. Die Kosten der Initialisierungsphase nach teilzyklischem Phasenkonzept muss die Linieneinheit Controlling selbst abschätzen und bei eigener Durchführung bzw. Beauftragung entsprechend überwachen. Erst mit Beginn der Konzipierungsphase können diese Kosten dem Wandlungsprogramm belastet werden. Wird das Wandlungsprogramm noch im Bereich der Vorstudie verworfen, werden bereits entstandene Kosten meist den Führungsunterstützungsfunktionen (z.B. Unternehmungsentwicklung, Controlling) belastet. Auch in der Konzipierungsphase können die zur Ausarbeitung der Haupt- und Teilstudien anfallenden Kosten noch erheblich differieren. Der Zeitaufwand für die Konzipierung und die Kosten für eine evtl. notwendige externe Unterstützung sind für alle Detailkonzepte bezüglich Strategie, Organisation, Humanressourcen und Systemen abzuschätzen und zu summieren. Folgerichtig finden sich die gleichen Kostenarten bei den Umstellungskosten in der Umsetzungsphase wieder. Hinzu kommen Anfahrverluste aus Produktions- und Umsatzausfällen bzw. aufgrund der zu Beginn geringeren Produktivität durch notwendige Lernprozesse bei den Mitarbeitern. Auch erhöhte Fehlzeiten und Krankenstand während der Umstellungsphase sind je nach Mengengerüst zu berücksichtigen.
354
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
Abbildung 9/9
Kostenschätzung im Rahmen der Programmplanung
Koordinationskosten
- Lenkungsgremien - Projektleitung - Interne Schnittstellen
- Externe Partner - Externe Anspruchsgruppen
Konzipierung Initialisierungskosten Vorstudie Rahmenkonzept Grobkonzept Feinkonzeptionskosten Strategie Führungskräfte Infrastruktur / Standorte Sachmittel / Maschinen Prozesse Aufbauorganisation PuK-Systeme IT-Systeme Anreizsysteme Kommunikation Risikomanagement
9.2
Mobilisierung
Umsetzung
Verstetigung
Kommunikationskosten Umstellungskosten Folgekosten Kommunikationskonzept Infrastruktur / Standorte Produktivitäts Programmmarketing Sachmittel / Maschinen veränderungen Kick off-Veranstaltung Prozesse Lohnveränderungen Flugblätter / Plakate Aufbauorganisation Kapitalstruktur Abhängigkeiten Gesprächszeiten PuK-Systeme Reisekosten IT-Systeme Anreizsysteme Akzeptanzkosten Kommunikation innere Kündigung Schulungskosten Risikomanagement Fluktuation Führungskräfte Anfahrverluste Einkauf Produktionsausfälle Kommunikationskosten Produktion Umsatzausfälle Logistik Feedback-Prozesse Fehlzeiten / Krankenst. Vertrieb Lessons learned Durchlaufen Lernkurve Verwaltung Veranstaltungen Abstimmung mit Kunden persönliche Einbindung und Lieferanten Sachmittelkosten Akzeptanzkosten Maschinenpark Zeit für Kommunikation Gebäude Einbindung ext. Fuhrpark Anspruchsgruppen EDV-Ausstattung etc.
- Projektinfrastruktur - Administration/Controlling
Unterstützungskosten - Interne und externe Kommunikation
Die Höhe und die zeitliche Lage der einzelnen Kostenarten im Transformationsprozess werden nicht nur von Inhalt und Ausmaß des Wandlungsbedarfs, sondern auch von der gewählten Implementierungsstrategie bestimmt. Abbildung 9/10 zeigt zwei idealtypische Kostenverläufe. Bei den Balken handelt es sich um die Summe aus den in der jeweiligen Phase anfallenden Programm- und Projektkosten (kumulierte Betrachtung aller in der jeweiligen Phase anfallenden Kosten). Weisen die Zahlen zeitlich stark unterschiedliche Verläufe auf, dann sollte auch die Projektkostenrechnung mit diskontierten Werten arbeiten. Das gleiche gilt für die Ergebniszahlen, also insbesondere Einsparungen. Projekte sind dann wie Investitionen zu behandeln. Ihr monetärer Wert lässt sich als Barwert der Zahlungsreihen bzw. als interner Zinsfuß ermitteln. Derartige Rechnungen werden für das Multiprojektmanagement bzw. Projekt-Portfolio-Management unverzichtbar.
355
9 Abbildung 9/10
Controlling der strategischen Erneuerung
Phasenspezifische Kostenentwicklung bei unterschiedlichen Implementierungsstrategien
In den ersten 2 Phasen fallen lediglich Programmkosten an.
Kosten
Bottom up-Vorgehensweise
A
Programmkosten
Top down-Vorgehensweise
B
Projektkosten
A A
A
A B
A
A
Initialisierung
A
A
Konzipierung
B
B
B
Mobilisierung Umsetzung
A
A
B
B
Verstetigung
Die Abbildung zeigt, dass bei einer Bottom up-Implementierung durch die vielfältigen Einbindungsmaßnahmen in den frühen Phasen des Transformationsprozesses hohe Kosten anfallen, während in der Mobilisierungs- und Umsetzungsphase und auch in der Verstetigung nur in vergleichsweise geringem Umfang Kosten entstehen. Hohe Beteiligung bei der Konzepterstellung erhöht die Abstimmungskosten, senkt jedoch gleichzeitig die Akzeptanzkosten in der Umsetzungs- und Verstetigungsphase. Umgekehrt weist eine Top down-Implementierung geringere Kosten in den frühen Phasen des Transformationsprozesses mit einem Kostenmaximum in der Umsetzungsphase auf. Dieses Kostenmaximum erklärt sich aus der Notwendigkeit des nachträglichen Akzeptanzaufbaus im zweiten Teil des Transformationsprozesses. Den geringen Abstimmungsund Entscheidungskosten zu Beginn des Prozesses stehen die hohen Akzeptanzkosten in der Umsetzung und Verstetigung gegenüber.
In Krisensituationen ist die Betrachtung der Kostenverläufe aus Liquiditätssicht von erheblicher Bedeutung. Die Frage, wann welche Zahlungen zu tätigen sind, muss oft mit den Banken abgestimmt werden. Fremdkapitalgeber machen ihr Engagement in der Regel von erzielten Erfolgen und der Wahrscheinlichkeit des Programmerfolgs abhängig. Da bei Bottom upVorgehen die Kosten in den frühen Phasen der Transformation anfallen und
356
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
es gleichzeitig länger dauert, bis erste Wandlungserfolge nachgewiesen werden können, scheidet ein solches Vorgehen in Krisensituationen praktisch aus. Kapitalgeber bevorzugen ein Top down-Vorgehen, da zunächst weniger Mittel benötigt werden und bei anschließendem Ausbleiben von Umsetzungserfolgen das Engagement zurückgezogen werden kann.
Neben der zeitlichen Lage der Kosten wird in Abbildung 9/10 außerdem die Entwicklung der Programm- bzw. Projektkosten erkennbar. Während in den ersten beiden Phasen nur Kosten anfallen, die dem Programm angerechnet werden, sind ab der dritten Phase die jeweiligen Kostenanteile zu erkennen. Bis zum Abschluss der Kommunikationsaktivitäten in der Mobilisierungsphase sind die für Strategie und Konzeption anfallenden Kosten ihrer Art nach den Programmkosten zuzurechnen. Die Maßnahmen in der Umsetzungsphase sind hingegen hauptsächlich in Projekten durchzuführen, die verursachungsgemäß als Einzelkosten auf die Hauptkostenstelle der Projekte gebucht werden. Ein Mitarbeiter, der von der Konzepterstellung in ein Projektteam wechselt, wird dann auch kostenmäßig dem Projekt angelastet. Darüber hinaus wird einzelnen Projekten auch jeder Zugriff auf die gemeinsame Infrastruktur in Rechnung gestellt, wie z.B. der Einsatz von Moderatoren, Trainern oder Experten aus dem idealerweise einzurichtenden ‚Ressourcenpool zur Herstellung der Wandlungsfähigkeit‘.
9.2.4
Steuerung und Kontrolle im Transformationsprozess
Die im Rahmen der Vorstudie erstellten Plandaten müssen nach der Entscheidung für eine Alternative im Rahmen von Haupt- und Detailstudien näher spezifiziert werden. Eine oft diskutierte Grundsatzfrage ist dabei der Einsatz von Projektmanagementsoftware. In Abhängigkeit vom Programmauftrag könnte auch ein einfaches Ausfüllen von Projektberichten eine ausreichende Grundlage für die Steuerung und Kontrolle sein. Werden diese in Form von ‚Ampelkarten’ grafisch aufbereitet, erhält das Programmcontrolling einen schnellen Überblick über den aktuellen Status einzelner Teilprojekte des Transformationsprozesses. Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den Teilprojekten im Rahmen einer strategischen Erneuerung lassen sich jedoch wesentlich einfacher in Standardsoftware
357
9
Controlling der strategischen Erneuerung
zum Projektmanagement abbilden. Der Aufwand für die Ersterstellung eines Programmplans in einem solchen Tool sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Bei hoher Planungssicherheit und geringer Änderungshäufigkeit kann dieser Aufwand gespart werden. Bei hoher Unsicherheit und komplexen Wechselwirkungen macht die einfache Anpassung des Programmplans bei Planabweichungen den Ersterstellungsaufwand im DV-Tool jedoch mehr als wett. Im Rahmen der Hauptstudie ist auch ein Risikomanagement für das Wandlungsprogramm einzurichten. Mögliche Risiken müssen identifiziert und in ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungen auf den Programmfortschritt eingeschätzt werden. Ziel des Risikomanagements ist es, für das Eintreten zumindest der gravierenden Programmrisiken Maßnahmenpläne fertig erstellt zu haben, um die Handlungsfähigkeit bei Eintreten des Risikos sicherzustellen. Checkliste Risikomanagement Auf welchen Annahmen bezüglich externer Entwicklungen beruht der Programmplan? Welche Alternativszenarien sind denkbar? Ist mit dem Eintreten der Alternativszenarien ein Risiko für das Programm verbunden? Welcher Art ist das Risiko? Welche Bedeutung hat es für den Programmerfolg? Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist mit dem Eintreten des Risikos zu rechnen? Mit welchen Maßnahmen kann die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos minimiert werden? Welche Indikatoren deuten auf das Eintreten der externen Risiken hin? Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, wenn die Indikatoren das Eintreten des Risikos ankündigen? Auf welchen internen Annahmen beruht der Programmplan? Welche internen Alternativszenarien sind denkbar? Wie wahrscheinlich sind diese? Welche Auswirkungen auf den Programmfortschritt hat das Eintreten der Alternativszenarien? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um den Risiken vorzubeugen? Welche Indikatoren kündigen das Eintreten der internen Risiken an? Wie sollte im Ernstfall reagiert werden?
358
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
Neben der Programmplanung in der Konzipierungsphase liegt der Aufgabenschwerpunkt des Wandlungscontrollings in der Umsetzung des Wandlungskonzepts in den Projektprozessen. Auf der Basis des Programmplans sind die folgenden Steuerungsaufgaben zu erfüllen:
Soll-Ist-Vergleiche gemäß dem Regelkreisprinzip, informationelle Aufbereitung der Auswirkungen von Maßnahmen bei Planabweichungen,
Einpflegen von beschlossenen Maßnahmen in den Programmplan,
Monitoring der Indikatoren aus dem Risikomanagement. Bei Programmen zur strategischen Erneuerung kann davon ausgegangen werden, dass Projektrisiken eintreten, einzelne Aufwände falsch eingeschätzt wurden und somit im Verlauf des Transformationsprozesses Änderungen in den Projektplänen und im Programmplan vorgenommen werden. Kleinere Soll-Ist-Abweichungen in (Teil-)Projekten sollten durch eigenständige Steuerungsmaßnahmen des (Teil-)Projektleiters korrigiert werden. Ist hingegen das Erreichen des Projektauftrags (Inhalt, Termin) in Gefahr, so ist eine Umwidmung von Ressourcen auf Programmebene bis hin zu einer nachträglichen Erhöhung des Programmbudgets oder einer Umdefinition des Programmauftrags durch den Lenkungsausschuss angemessen. Um für diese bei strategischer Erneuerung zu erwartenden Planänderungen gerüstet zu sein, sollte daher schon zum Programmstart ein geregeltes Verfahren für das Änderungsmanagement eingerichtet werden. Hier ist im Vorhinein zu regeln, ab welchem Ausmaß der Planabweichung in welcher Form Änderungswünsche aus den Teilprojekten vorgebracht, beurteilt und entschieden werden (vgl. Abb. 9/11). Planabweichungen entstehen in der Regel in den Projektprozessen des Wandels. Sieht der Projektleiter sich nicht in der Lage, durch eigenes Nachsteuern im Rahmen seiner Befugnisse die Planziele zu erreichen, kann er einen Planänderungsantrag stellen. Diese – in der Praxis ‚Change Requests’ genannten – Formulare werden bei der Programmleitung eingereicht und gehen als Soll-Ist-Abweichung in deren Steuerungsregelkreis ein.
359
9 Abbildung 9/11
Controlling der strategischen Erneuerung
Ablauf eines Planänderungsverfahrens Controlling der Unternehmungsentwicklung Programmauftrag
Lenkungsausschuss Beschluss
Programmcontrolling
Beschlussvorlage
Programmplan
Programmplan
Soll
Ist
Nachsteuern innerhalb des Programms
Projektauftrag
Projektauftrag
Projektcontrolling
Soll Projektplan Ist
Change Request Inhalt: Auswirkungen: •Ressourcen •Termine •Schnittstellen
Projektplan
Nachsteuern innerhalb des Projekts
In Abhängigkeit von den geschätzten Auswirkungen steuert die Programmleitung eigenständig nach und macht neue Vorgaben für die betroffenen (Teil-)Projekte. Ist der Programmauftrag gefährdet oder sind zusätzliche Ressourcen vonnöten, erarbeitet die Programmleitung eine Vorlage für den Lenkungsausschuss. Dieser entscheidet dann über den weiteren Kurs und daraus resultierende Änderungen im Programmauftrag. Anschließend erstellt das Programmcontrolling einen neuen Programmplan und pflegt die notwendigen Änderungen in Projektaufträge und Projektpläne ein.
360
Planung und Steuerung von Wandlungsprogrammen
9.2
Das Thema: Nachsteuern bei Planabweichungen Das Beispiel: Umsetzungsphase der Restrukturierung eines mittelständischen Schlossereibetriebs In der Umsetzungsphase der Restrukturierung des beschriebenen Schlossereibetriebs zeigte sich, dass der geplante und mit Kenngrößen hinterlegte Abbau des Eisenwarenhandels nicht in der gewünschten Schnelligkeit erfolgte:
Abbildung 9/12: Plan-Ist-Abweichung Bestandsabbau Eisenwaren Projekt
Ursprüngliches Ziel
Bestandsreduzierung Halbierung der Eisenwaren bestehenden Bestände von 224 T€ um 112 T€ und Freisetzung von Liquidität.
Status
Abweichung
Es wurden Waren in Höhe von ca. 85 T€ abverkauft.
Nach Erreichen des Abschlusszeitraums für den Abverkauf konnte Ware in Höhe von etwa 27 T€ nicht wie geplant veräußert werden. Eine Liquiditätslücke droht zu entstehen.
Zum vereinbarten Reviewtermin wurde klar, dass das Projekt ‚Bestandsreduzierung’ nicht den vorgesehenen Leistungsstand erreichen würde. Da die Generierung von Liquidität in der Abbauphase notwendige Voraussetzung für die Folgephasen Umbau und Aufbau war, bestand Handlungsbedarf. Nach Feststellen der Abweichung im Lenkungsausschuss, in dem auch die finanzierende Bank vertreten war, wurde beschlossen, den nicht veräußerten Bestand zur Hälfte des ursprünglich geplanten Veräußerungswertes abzugeben. Die Ware wurde damit für ca. 20 T€, also unter dem ursprünglichen Einkaufswert, an einen Abverkäufer veräußert. Die verbleibende Liquiditätslücke wurde durch die finanzierende Bank mithilfe einer vorübergehenden Erhöhung der Kontokorrentlinie geschlossen.
361
9
Controlling der strategischen Erneuerung
9.3
Controlling der Verstetigung
9.3.1
Aufgaben des Verstetigungscontrollings
Strategische Erneuerung endet nicht mit der Umsetzungsphase eines Transformationsprozesses. Langfristiges Ziel muss es sein, den Wandel zu verstetigen. Wie bereits erläutert, kann Verstetigung jedoch nicht bedeuten, dass die gesamte Unternehmung sich permanent im ‚Endspurt’ befindet. Die von Karl Weick geprägte Metapher der ‚chronically unfrozen systems’ (vgl. 1977, S. 31ff.) ist dahingehend zu interpretieren, dass zwar permanent einige der Unternehmungsbereiche im Umbruch sind, die Unternehmung als Ganzes aber immer auch – alleine schon aus Gründen der CashflowGenerierung – Bereiche mit stabilem Geschäft aufweisen sollte. Es ist daher Aufgabe des Controllings der Verstetigung, das Management informationstechnisch in der Frage zu unterstützen, auf welcher Ebene der Erneuerung und in welchen Bereichen der Unternehmung zwingende Wandlungsbedarfe vorliegen und welche Bereiche im Sinne der Cashflow-Generierung stabil gehalten werden sollten. Es entsteht somit eine Art Wandlungsportfolio in der Unternehmung, das im optimierten Zustand wandlungsdynamische Unternehmungsbereiche aufweist, die von stabilen Bereichen mitgetragen werden. Im Laufe der Zeit sollte die Wandlungsdynamik von Bereich zu Bereich das Portfolio durchwandern. Dabei ist von dem Controlling der Verstetigung sicherzustellen, dass das Gesamtportfolio im Cashflow stabil gehalten wird. Grundlage des Controllings der Verstetigung auf Gesamtunternehmungsebene ist das Normative Management mit der Vision und Mission der Unternehmung. In diesen Dokumenten kommen die grundlegenden Werte und die Vorstellungen über den Nutzen zum Ausdruck, den die Unternehmung ihren Anspruchsgruppen stiften will. Aufgabe des Controllings ist, an dieser Stelle zu prüfen, ob die gehaltenen Positionen und die hierfür benötigten Potentiale zu dieser Nutzenstiftung (noch) geeignet sind.
Am Beispiel DAIMLER zeigt sich der Wandel in Vision und Mission einer Unternehmung auf. Die Vision des ‚Integrierten Technologiekonzerns’ war Vorgabe vom damaligen Konzernvorstand Edzard Reuter. Die relevanten Informationen aufzubereiten, ob und mithilfe welcher Potentiale und
362
Controlling der Verstetigung
9.3
Positionen diese Vision realisiert werden könnte, ist Aufgabe des Controllings der Verstetigung auf Gesamtunternehmungsebene. Ebenso als Controllingaufgabe zu sehen ist die Aufbereitung von Informationen, dass diese Vision utopisch ist und dass ein Wechsel angebracht wäre. Der Wechsel von DAIMLERCHRYSLER zur Vision des ‚globalen Mobilitätskonzerns’ war der erste Schritt, der zeigte, dass der Wandlungsbedarf auf der Gesamtunternehmungsebene erkannt wurde. Der Verkauf von CHRYSLER zeigt, dass selbst diese Vision von DAIMLER weiter spezifiziert und angepasst werden muss.
Die Ebene der Geschäfte entspricht der traditionellen Sichtweise des Controllings. Hier werden typischerweise die finanziellen Kennzahlen aufbereitet und dem Management als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt. In der Praxis zählen neben den Finanzen auch die Betrachtung von Konkurrenten und Marktentwicklungen zum strategischen Controlling der Geschäftsfelder einer Unternehmung. Eine reine Betrachtung der finanz- und marktwirtschaftlichen Sphäre würde zu kurz greifen, um die nachhaltige Fortführungs- und Entwicklungsfähigkeit einer Unternehmung beurteilen zu können. Ein ergänzendes Controlling auf der Ebene der Ressourcen und Fähigkeiten untersucht daher die leistungswirtschaftlichen Potentiale der Unternehmung. Instrumentell können die verschiedenen Betrachtungsebenen in Balanced Scorecards zusammengefasst werden. Umfassend umgesetzt beinhalten die Karten nicht nur rein geschäftsbezogene Perspektiven, sondern sie zeigen auch sowohl die Ursache-WirkungsKetten innerhalb der Geschäfte als auch die geschäftsfeldübergreifenden Querbeziehungen und Nutzungsmöglichkeiten im Bereich der Potentiale auf. Mithilfe einer unternehmungsweiten BSC-Implementierung können Wandlungsbedarfe allgemein am Nichterreichen von Zielen erkannt werden. Eine Abweichungsanalyse zeigt dann nicht nur die Dringlichkeit eines Wandels auf, sondern sie gibt auch inhaltliche Hinweise auf die Art des Bedarfs. Somit kann gezielt gesteuert werden, welche Bereiche des Systems Unternehmung zu wandeln sind und welche Bereiche den Cashflow zur Finanzierung der Transformationsprozesse liefern sollen.
363
9
Controlling der strategischen Erneuerung
9.3.2
Organisatorische Verankerung im Office of Strategy Management
Die Protagonisten der Balanced Scorecard, Robert Kaplan und David Norton (vgl. 2005), berichten, dass insbesondere diejenigen Unternehmungen nachhaltig erfolgreich sind, die auf Gesamtunternehmungsebene eine neue Abteilung zur Überwachung aller strategisch relevanten Aktivitäten eingeführt haben, das Office of Strategy Management. Diese Idee wird hier für die organisatorische Verankerung eines Verstetigungscontrollings aufgegriffen. Das Office of Strategy Management wird damit aber auch zur zentralen Einrichtung für das in Kapitel 9.1.2 beschriebene Controlling der Unternehmungsentwicklung. Ein solches Strategie-Büro sollte idealerweise für folgende Aufgaben verantwortlich zeichnen:
Einführung und Management von Balanced Scorecards: Die Strategie ist in Ziele und Maßnahmen zu überführen. Schlüsselfaktoren sind hier die Standardisierung der Terminologie und der verwendeten Kennzahlen.
Strategieabstimmung innerhalb der Unternehmung: Die Strategien aller Untereinheiten, Geschäfts- wie Funktionsbereiche, sind mit der Gesamtunternehmungsstrategie abzustimmen. Zum einen unterstützt das Strategie-Büro in methodischer Hinsicht, zum anderen hilft es bei der Identifikation und Umsetzung übergreifender Themen wie z.B. Synergieerschließungen.
Strategieüberprüfung: Das Strategie-Büro organisiert und unterstützt Treffen des Topmanagements zur Strategieüberprüfung. Hierzu generiert es aus den letzten Scorecardberichten Reports zu allen strategierelevanten Themen und zeigt Abweichungen auf.
Strategieentwicklung: Über die jährliche Strategiekonferenz hinaus sollte die unterjährige Leistungsmessung mithilfe der Scorecards dazu benutzt werden, die Gültigkeit der hinter der Strategie stehenden Annahmen zu überprüfen. Hierzu zählen auch die in den Karten abgebildeten Ursache-WirkungsBeziehungen.
364
Zusammenfassung
9.4
Controlling von Wandlungsprogrammen: Das Controlling von Wandlungsprogrammen sollte im Strategie-Büro koordiniert werden. Die programmübergreifende Ressourcenplanung und das Reporting an den Vorstand sollten vom Strategie-Büro übernommen werden.
Controlling der Unternehmungsentwicklung: Die Identifikation von Wandlungsbedarfen und die generelle Bewertung strategischer Optionen können in das Strategie-Büro integriert werden. Wandlungsprogrammaufträge werden im Strategie-Büro definiert.
Sicherstellung strategischer Prioritäten: Planung und Budgetierung, das Personalmanagement und das Wissensmanagement sind wichtige Funktionsbereiche für die Erreichung von Wandlungszielen. Das Strategie-Büro koordiniert diese Tätigkeiten und achtet auf die Einhaltung strategischer Prioritäten.
9.4
Zusammenfassung
Bei der gegebenen Planungsunsicherheit und den vielfältigen zu berücksichtigenden Wechselwirkungen wird in Transformationsprozessen die Ergebnisorientierung leicht aus den Augen verloren. Die Einrichtung eines Wandlungscontrollings mit einer verantwortlichen Zuweisung der Controllingaufgaben auf Aufgabenträger zählt daher zu den Pflichtbestandteilen des Programm-Managements.
Ausgangsbasis der Programmplanung ist ein eindeutig definierter Programmauftrag. Dieser ist in (Teil-)Projektaufträge zu zerlegen und in einem Gegenstromverfahren mit Ressourcen, Meilensteinen und Terminen zu beplanen. In Abhängigkeit von der Art des Wandlungsprogramms (Abbau, Umbau, Aufbau) werden spezifische Kennzahlen zur ergebnisorientierten Steuerung definiert. Bei gegebenem Wandlungsziel sind dabei transparente und verdeckte Wandlungskosten zu minimieren.
Die Steuerung von Transformationsprozessen erfolgt gemäß dem Regelkreisprinzip anhand von Soll-Ist-Vergleichen. Aufgrund der inhärenten Unsicherheit einer strategischen Erneue-
365
9
Controlling der strategischen Erneuerung
rung ist mit größeren Planabweichungen zu rechnen. Vorbeugend sollten daher sowohl ein Risikomanagement als auch ein Planänderungsverfahren institutionalisiert werden.
Das Controlling der Verstetigung zeigt auf, wann in welchen Bereichen der Unternehmung Wandlungsbedarfe vorliegen. Das methodische Hilfsmittel der Balanced Scorecard ist dabei gut geeignet, die Entwicklungen auf allen drei Ebenen der strategischen Erneuerung zu überwachen. Eine organisatorische Verankerung der Aufgaben des Verstetigungscontrollings kann in Form eines Strategie-Büros erfolgen.
366
Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung
10.1
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Kapitel 10
Carsten R. Brehm / Thorsten Petry
367
Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung
10.1
Wandlungsbereitschaft Strategien Topmanagement
Wandlungsbedarf
Projekt-/ ProgrammManagement
Mitarbeiter
Wandlungsprozesse
Strategische Erneuerung
Human Resource Management Kommunikation Controlling Toolbox Wandlungsfähigkeit
Leitgedanken zu Kapitel 10 Das beste strategische Konzept bleibt in der Umsetzung kraftlos, wenn es nicht von geeigneten Methoden, Techniken und Instrumenten unterstützt wird. Die Methodik des Vorgehens wird im 3W-Modell durch den fünfphasigen Wandlungsprozess beschrieben. Techniken und Instrumente – hier vereinfacht als Tools bezeichnet – sind Hilfsmittel zur informationellen Unterstützung bei der Erfüllung von Einzelaufgaben in diesem Prozess. Für die sach-rationale Seite des Geschehens gibt es zahlreiche Tools, vor allem aus dem Gebiet des Projektmanagements, die hier nicht behandelt werden. Kapitel 10 konzentriert sich vielmehr primär auf die sozio-emotionalen Aspekte des Wandlungsprozesses, die in ihrer Bedeutung zwar unstrittig sind, deren Bewältigung aber weit weniger professionell gehandhabt wird. Das vorliegende Kapitel soll erfahrenen und angehenden ‚Change Managern’ die Möglichkeit geben, ihre bisherigen Techniken zu überprüfen, zu ergänzen oder gegebenenfalls völlig neue kennen zu lernen.
369
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
10.1
Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung
10.1.1
Einordnung der Toolbox in das Gesamtkonzept
Während der Wandlungsprozess als Vorgehensmodell die grundlegende Methodik zur Verfügung stellt, bedarf es zur instrumentellen Umsetzung des Vorgehens geeigneter, mehr oder weniger standardisierter Hilfsmittel. Diese für einzelne Teilaufgaben einsetzbaren Techniken und Instrumente werden ganz allgemein als Tools bezeichnet, die in ihrer Gesamtheit eine Art ‚Toolbox’ ergeben (ähnlich Steinle/Eggers/Ahlers 2008, S. 81ff.). Der Einsatz der Tools wird demzufolge durch die Methodik vorgegeben (vgl. schon Krüger 1992, Sp. 1572). Grob gesprochen lassen sich die Tools danach einteilen, ob sie vorwiegend die sach-rationale oder die sozio-emotionale Seite des Geschehens erfassen. Prägenden Einfluss darauf haben aus Sicht des 3W-Modells die Komponenten ‚Verhalten’ und ‚ProgrammManagement’ (vgl. Abb. 10/1). Für die sach-rationale Seite des Geschehens gibt es zahlreiche Instrumente und Techniken, vor allem aus dem Gebiet des Projektmanagements, die in der Praxis bereits weit verbreitet sind (vgl. bspw. Capgemini 2003, 2005 und 2008) und daher hier nicht intensiver behandelt werden sollen. Die im Folgenden vorgestellten Tools fokussieren bewusst auf die weniger beachtete, aber hoch bedeutsame (vgl. bspw. Rohe 1998, S. 16f., Claßen 2008, S. 31ff.) Auseinandersetzung mit Personen und Personengruppen im Wandlungsprozess und decken Potentiale von Widerständen und Konflikten (Wandlungsbarrieren) auf. Bei den vorgestellten Tools handelt es sich nicht um rechnergestützte Werkzeuge oder konkrete Softwarelösungen, sondern um Denkwerkzeuge zum Durchdenken fremder Gedanken, Gefühle und Positionen, auch ‚Brainware’ genannt (vgl. Schmidt 1992, Sp. 1690). Aufgrund der Fokussierung auf personelle Fragen des Wandlungsmanagements besitzt die Toolbox eine große Nähe zu den (Teil-) Kapiteln zur Implementierung (Kap. 4.2) und Kommunikation (Kap. 8). Als Argumentationsgrundlage fungieren in allen Fällen die mentalen Modelle und die Anreiz-Beitrags-Theorie. Gemeinsames Ziel der Implementierungs- und Kommunikationsaktivitäten ist
370
Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung
10.1
die Erzeugung von Akzeptanz bei Betroffenen und Beteiligten, um die nachhaltige Veränderung von Einstellungen und Verhalten zu gewährleisten.
Abbildung 10/1
Einordnung der Tools in das Gesamtkonzept
Methodik
3W-Modell Wandlungsprozess
Wie werden die Menschen berücksichtigt?
Mentale Modelle Anreiz-BeitragsTheorie
Management des Wandels
Welche Tools werden eingesetzt?
Wer tut was, bis wann, mit wem, womit?
ProgrammManagement
Verhalten
Wie wird im Wandel vorgegangen?
Programmorganisation
Tools
Im Rahmen der Implementierungsmaßnahmen kann wiederum die Kommunikation als Kernaufgabe identifiziert werden. Unabhängig davon, welcher Weg der Beeinflussung eingeschlagen werden soll, ist es immer wichtig, sich über die Zielgruppe Klarheit zu verschaffen. Darauf und auf alle damit verbundenen Fragen ist die vorliegende ‚Toolbox’ ausgerichtet. Sie dient der informationellen Unterstützung der Aktivitäten zur Festlegung einer Implementierungsstrategie und der Erstellung eines Kommunikationskonzepts.
10.1.2
Ziele und Funktionen des Tooleinsatzes
Um ein planvolles und systematisches Vorgehen sicherzustellen, sind Transparenz und Überblick im zunächst undurchsichtigen
371
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Kraftfeld aus Promotoren und Opponenten zu gewinnen. Was ein erfahrener Manager intuitiv macht, soll hier methodisch unterstützt werden: Klarheit darüber gewinnen, wer die treibenden und bremsenden Kräfte sind, von denen das Erreichen der Wandlungskoordinaten abhängt. Es geht um eine explizite Diagnose des Kraftfelds, die als Grundlage des Managementhandelns dienen kann. Ein weiterer unmittelbarer Nutzen besteht darin, dass bei der Anwendung der Tools die Kommunikation über den Gestaltungsbereich und seine sozialen Besonderheiten überhaupt in Gang kommt. Für das Projektteam fungieren die Tools als Katalysator von Kommunikation und schaffen damit nachvollziehbare Klarheit und Entscheidungsqualität. Ein mittelbar zu erreichender Effekt besteht darin, dass die Verwendung einheitlicher Verfahren sowohl innerhalb von großen Programmen als auch im Zeitvergleich eine gewisse intersubjektive Vergleichbarkeit der Analysen schafft. Bei aller Bedeutung der sozio-emotionalen Dimension ist es aber auch ein Ziel der Toolbox, eine deutliche Erhöhung der Verbindlichkeit für das weitere Vorgehen im Wandlungsprogramm zu erreichen. Es gilt, die weichen zu harten Faktoren zu machen. Aus den genannten Zielen können weitere wesentliche Funktionen des Tooleinsatzes im operativen Wandlungsgeschäft abgeleitet werden:
systematische und strukturierte gedankliche Vorwegnahme von aktuellen und zukünftigen Widerständen, Einflussmaßnahmen und Machtpositionen,
informationelle Unterstützung zur Verbesserung operativer Projektarbeit, z.B. durch Ressourcenallokation und Teamzusammensetzung,
Hilfe bei der Priorisierung von Einflussmaßnahmen nach Dringlichkeit (z.B. Ansprache und Einbindung von Multiplikatoren) oder Wichtigkeit (Trennungsentscheidungen),
Sicherung von Einheitlichkeit und Struktur gemeinsamer Beobachtungen und subjektiver Beurteilung (Intersubjektive Nachprüfbarkeit, Quasi-Objektivität).
372
Tooleinsatz zur Unterstützung der Implementierung
10.1.3
10.1
Anwender und Anwendungssituation
Als Hauptnutzer der hier vorgeschlagenen Tools sind die in der Programmleitung und/oder dem Kernteam handelnden Personen angesprochen. Bei dem Durchdenken fremder Positionen handelt es sich zwangsläufig um subjektive Einschätzungen. Deshalb ist zu empfehlen, dass eher Personenmehrheiten als Einzelpersonen Gebrauch von den Tools machen, um wenigstens ein gewisses Maß an relativer Objektivität i.S. intersubjektiver Vergleichbarkeit und Nachprüfbarkeit zu gewährleisten. Die typische Situation, in der eine Nutzergruppe (Projektteam) die Tools anwendet, kann auch als sog. ‚War Room’-Szenario beschrieben werden. Ein Team zieht sich in einen abgeschlossenen Raum zurück und versucht auf der Basis der Einschätzung unterschiedlicher Personen und Konstellationen ein Bild von dem zu bearbeitenden ‚sozialen Schlachtfeld’ zu erhalten. Ein übliches und zweckmäßiges Vorgehen, wenn die Beteiligten es nicht versäumen, Feedbackschleifen einzubauen, um ihre blinden Flecken aufzudecken. Man muss sich leider von der Vorstellung verabschieden, dass Change Management eine selbstreflexive Organisations- und Teamentwicklungsmaßnahme darstellt. Anwender sind auch Entscheider, und Entscheidungen sind gerade in Wandlungssituationen zumeist mit Härten verbunden.
10.1.4
Einschränkungen und Benutzerhinweise
Als besonders problematisch erweisen sich beim Tooleinsatz solche Situationen, die subjektive Einschätzungen von Anreiz-BeitragsKonstellationen anderer Personen erfordern. Hier kann die gewünschte ‚Objektivität’, wie bereits festgestellt, nur durch eine Mehrzahl von subjektiven Einschätzungen erzielt werden. Die Erfahrung zeigt, dass ein Team von vier bis sieben Personen bei der Beurteilung einer ihm bekannten Person zumindest auf eine zu 80% tragfähige Einschätzung kommt. Der Einsatz der Tools kann das eigenständige Nachdenken nicht ersetzen, sondern nur strukturieren helfen. Die Tools sind Denkwerkzeuge. Sie entheben den Anwender auch nicht der eigenen Kreativität, im Gegenteil: Bei der Anwendung und vor allem dem
373
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
programmadäquaten ‚Customizing’ ist das Einbringen eigener Erfahrungen und Kreativität unabdingbar. Jedes Tool ist entsprechend intelligent anzupassen und weiterzuentwickeln, nur dann leistet es die gewünschten Dienste (‚A fool with a tool is still a fool.’). Es geht darum, sich im Wandlungsprozess von Beginn an auf die für die Implementierung relevanten Informationen zu konzentrieren, was Schritt für Schritt erfolgen sollte, damit möglichst wenig Informationsgehalt verloren geht. Beginnend mit der Initialisierung gewinnen die Wandlungsverantwortlichen auf die Weise einen zunächst groben und im weiteren Verlauf immer deutlicheren und detaillierteren Eindruck von den Triebkräften der Veränderung. Gezieltere Mobilisierung und erfolgreichere Umsetzung sollten der Gewinn dieser Bemühungen sein.
10.2
Darstellung ausgewählter Tools
10.2.1
Ausgewählte Tools im Überblick
Die ausgewählten Tools setzen im Wesentlichen an zwei Ansatzpunkten an. Zum einen werden Instrumente vorgestellt, die dabei unterstützen, die Ausgestaltung der Koordinaten des Wandels transparent zu machen. Zu nennen sind hier insbesondere die am Wandlungsbedarf ansetzende Wandlungsimpulsanalyse sowie die auf die Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit ausgerichteten Tools EiC-Barometer und EiC-Matrix. Zum anderen geht es um Instrumente zur Erfassung von Interessen und Einflussmöglichkeiten von Personen und Personenmehrheiten im Wandlungsprozess. Zunächst werden die Stakeholder des Wandels auf breiter Basis analysiert (Stakeholderanalyse), bevor auf die Betroffenheit der einzelnen Gruppen eingegangen wird (Betroffenheitsanalyse und Kooperationsprofile). In der Mobilisierung und Umsetzung rücken dann Einzelpersonen verstärkt in den Blickpunkt. Sowohl für die Key Player, die aufgrund individueller Positionen großen Einfluss auf den Wandlungserfolg haben, als auch die am Wandlungsprogramm direkt beteiligten Personen ist zu untersuchen, welche Ziele und Motive sie antreiben und ob sowie in wel-
374
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
cher Weise sie eingebunden werden können (z.B. Key PlayerAnalyse, Commitment Planning, Compatibility-Matrix).
Abbildung 10/2
Tooleinsatz in den Wandlungsphasen
Phasen des Wandlungsprozesses
Ausgewählte Tools
Initialisierung Wandlungs-
Mobilisierung
Konzipierung
EiC impulsBarometer Analyse Betroffen heitsanalyse StakeholderAnalyse Kooperationsprofile
Umsetzung
EiC CompatibilityMatrix Matrix Kommu ResponsibilitynikationsChart instrumente Beteiligungskonzept Key PlayerAnalyse CommitmentPlanning
Verstetigung Follow Up-
Controlling Wandlungs-
radar Lessons
learned MbO / BSC Mitarbeiter-
profile
Die Toolbox ist ein Werkzeugkasten. Wie in jedem Werkzeugkasten sind die Auswahl und der Einsatz der einzelnen Werkzeuge Sache des Anwenders. Persönliche Vorlieben und Erfahrungen spielen beim Werkzeugeinsatz ebenso mit wie Art und Ausmaß der Veränderung, Anzahl der Beteiligten/Betroffenen sowie die gewählte Implementierungsstrategie. Auch die phasenspezifische Zuordnung der Tools kann variieren. Eine zumindest idealtypische Zuordnung von Werkzeugen zu Wandlungsphasen zeigt Abbildung 10/2.
10.2.2
Tools in der Initialisierung
Die Erfahrung zeigt, dass am Projektbeginn selten hinreichende Klarheit über den Untersuchungsgegenstand herrscht, und dass die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen hierüber und über den Wandlungsbedarf haben. Um ein gemeinsames Grundverständnis herzustellen, kann vor einer toolgestützten Analyse von Details das Durchprüfen der folgenden zwei Checklisten hilfreich sein. In der ersten Liste, der ‚Checkliste Untersuchungsgegenstand’, geht es um die Abgrenzung des Gegenstands der Projektarbeit.
375
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Checkliste Untersuchungsgegenstand Auf welchen Gegenstandsbereich sollte sich Ihrer Ansicht nach das Wandlungsvorhaben erstrecken (z.B. Arbeitsgruppe, Abteilung, Sparte, Geschäftsfeld, Unternehmung insgesamt, Unternehmungsnetzwerke)? Welchen Problemschwerpunkt hat aus Ihrer Sicht das Projekt: z.B. technisch, personell/sozial, unternehmungskulturell, organisatorisch/strukturell, führungstechnisch/kommunikativ, ökonomisch, marktlich/wettbewerblich? Welche Bedeutung haben die zu lösenden Probleme für die Unternehmung, z.B. überlebenswichtig, gesamthaft-ausstrahlend, strategisch-erfolgsbestimmend, isoliert-bereichsbezogen, operativ? Wie dringend/bis wann ist eine zumindest vorläufige Lösung bzw. eine spürbare Verbesserung zu erreichen? Welche Schnittstellen, externen Beziehungen und Rahmenbedingungen sind von erheblichem Einfluss auf den Untersuchungsbereich (unternehmungsinternes und -externes Umfeld)? Woran (z.B. Indikatoren, Kennzahlen, Beschwerden usw.) lässt sich die Notwendigkeit von Veränderungen erkennen? Wer ist in personeller Hinsicht von den notwendigen Veränderungen betroffen bzw. in das Vorhaben einzubeziehen?
Im Wechselspiel damit ist der Wandlungsbedarf festzulegen, denn Wandlungsbedarfe sind Handlungsbedarfe, verweisen also ihrerseits auf Gegenstandsbereiche der Projektarbeit. Die ‚Checkliste Wandlungsbedarf’ benutzt das Prinzip der SWOT-Analyse und wendet es auf Wandlungsvorhaben an. Es geht also darum, sowohl die interne Situation (Strengths, Weaknesses) als auch die externe Situation (Opportunities, Threats) zu betrachten. In systematischer Hinsicht sollten die in den Checklisten enthaltenen Fragen bereits im zentralen Controlling geklärt worden sein. Der Projektauftrag wäre dann das Resultat derartiger Analysen. Allerdings sind die notwendigen Informationen oft erst durch die Projektarbeit selbst und den damit verbundenen Einbezug der erforderlichen Spezialisten zu gewinnen. In diesen Fällen sollte der Einsatz der Checklisten klärend wirken. Eine möglichst umfassende Ausgangsdiagnose sorgt im weiteren Verlauf für die Konzentration der Kräfte und erleichtert die Konzipierung und Umsetzung wirksamer Therapievorschläge.
376
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
Checkliste Wandlungsbedarf Welche Veränderungen haben im Untersuchungsbereich stattgefunden und zum Entstehen von Problemen beigetragen/geführt? Welche positiven Besonderheiten (‚Stärken’) weist der Untersuchungsbereich auf (z.B. Produktqualität, Mitarbeiterqualität, effiziente Prozesse, moderne Systeme, starke Marke, flexible Strukturen, hohe Motivation)? Welche Veränderungen in den Stärken sind zu erwarten (auch ohne den Wandel durch eigene Maßnahmen aktiv voranzutreiben)? Welche markanten Schwächen sind erkennbar (z.B. Kostennachteile, Produkt-Portfolio, Qualitätsprobleme)? Welche Veränderungen in den Schwächen sind zu erwarten (auch ohne den Wandel durch eigene Maßnahmen aktiv voranzutreiben)? Welche relevanten Veränderungen sind im internen Umfeld (z.B. neue Eigentümer, Outsourcing, Prozessumstellungen) und externen Umfeld (z.B. Veränderungen der Kundenbedürfnisse, neue Wettbewerber, Substitutionsprodukte, Lieferantenbeziehungen, neue Technologien, neue gesetzl. Bestimmungen, gesellschaftliche Strömungen) aufgetreten bzw. zu erwarten? Welche Risiken/Bedrohungen für den Untersuchungsbereich resultieren daraus (z.B. sinkende Erlöse, Abwanderung von Kunden, geänderte Qualifikationsanforderungen, Arbeitsplatzverlust)? Welche Chancen könnten sich ergeben (z.B. neue Marktsegmente, Marktausweitung, verbesserte Produkte, erhöhte Kundenbindung, Aufbau von Alleinstellungsmerkmalen)? Welche kritischen Erfolgsfaktoren (prägend für die Wettbewerbsvorteile) lassen sich aus den Stärken/Schwächen und den Chancen/Risiken erkennen (z.B. Preiswürdigkeit der Produkte, Zuverlässigkeit der Lieferung, integrierte Problemlösungen/Systemlösungen für den Kunden, Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung)? Welche sachlichen und zeitlichen Prioritäten für den Wandel (‚A-Probleme’ bzw. Prioritäre Projekte und Folgeprojekte) ergeben sich Ihrer Meinung nach daraus?
Die Antworten auf die Fragen der Checklisten stellen ihrerseits eine Liste von Einzelaussagen dar. Damit ist eine gesamthafte Beschreibung der Ausgangslage und der erwarteten Entwicklung des Untersuchungsbereichs gegeben. Für das weitere Vorgehen ist diese Problemlandkarte noch genauer zu analysieren. Anzustreben ist eine hinreichend detaillierte Diagnose der sachlichen und vor allem personellen Einflussfaktoren, die für die Erarbeitung einer Wandlungsstrategie in der anschließenden Konzipierung von Bedeutung sind.
377
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Zwei Aspekte stehen im Vordergrund: 1. Klärung der Wandlungsimpulse und deren Wechselwirkungen sowie die Verdichtung zu konkreten Wandlungsbedarfen. 2. Identifikation und Einschätzung der Stakeholder.
Wandlungsimpulsanalyse Ein konkreter Wandlungsbedarf entsteht typischerweise aus verschiedenen internen und externen Impulsen, die sich gegenseitig beeinflussen und insbesondere verstärken, bis hin zu den erläuterten Unternehmungskrisen (vgl. Kap. 2.1.6). Daher sollte/muss die Auflistung einzelner Faktoren der SWOT-Analyse um eine Analyse der Wechselwirkungen i.S. des vernetzten Denkens ergänzt werden. Hierzu dient die sog. Wandlungsimpulsanalyse. Dabei sind zunächst die wesentlichen internen und externen Wandlungsimpulse zu erfassen und hinsichtlich ihrer Wirkung aufeinander zu bewerten. Hierfür eignet sich die Darstellung in einer Einflussmatrix (vgl. Probst/Gomez 1991, S. 13f. und Abb. 10/3). Als Ergebnis ergibt sich eine Verdichtung der zwei bis vier wirklich relevanten Wandlungsbedarfe, die dann das für die Unternehmung sachlich notwendige Ausmaß des Wandels darstellen. Das in Abbildung 10/3 gezeigte Schema lässt sich für beide Wirkungsrichtungen (von ‚extern’ auf ‚intern’ und umgekehrt) verwenden. Die Eintragungen sind so zu interpretieren, dass die Auswirkungen (= Wandlungsbedarf) externer Wandlungsimpulse auf interne Komponenten abgeschätzt werden. Die Spaltensummen geben demgemäß Auskunft darüber, wie stark ein externer Impuls auf die Unternehmung wirkt (= aktiver Faktor). Die Zeilensummen sind dagegen ein Indikator für das Ausmaß der erforderlichen Änderungen (= passiver Faktor). Die Einflussmatrix macht die Ursache-Wirkungs-Beziehungen deutlich. Aktive Faktoren stellen Ursachen dar, passive Faktoren dagegen Wirkungen. Will man therapieren, muss man möglichst an den Ursachen ansetzen. Falls dies – wie bei vielen externen Ursachen – nicht möglich ist, zeigt die Einflussmatrix, welche internen Handlungsfelder am stärksten betroffen sind und macht damit den Anpassungsbedarf der Unternehmung deutlich. Die internen Hand-
378
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
lungsfelder stehen ihrerseits in Ursache-Wirkungs-Beziehungen, und es kann sodann an den internen Ursachen angesetzt werden.
Abbildung 10/3
Einflussmatrix interner und externer Faktoren
1
1
3
? Topmgmt.
3
…
?…
…
Summe
12
*beispielhaft
10
Summe
? Struktur
…
3
Konkurrenten
3
neue Prod.verf.
Branchenauflösung
2
Mediatisierung
Intens.d. Wettbew.
? Strategie
Wertewandel
Globalisierung Interne Wandlungsimpulse*
Externe Wandlungsimpulse*
20 …
15 12
15
0 = kein Einfluss 1 = geringer Einfluss
2 = starker Einfluss 3 = zwingender Einfluss
Stakeholderanalyse Mit der Verdichtung des Wandlungsbedarfs werden primär die Sachfragen des Wandels angesprochen. Für einen Überblick über das bestehende Kraftfeld aus Promotoren und Opponenten und deren Potentiale bietet sich die aus mehreren Analyseschritten bestehende Stakeholderanalyse an (vgl. bspw. Tietmeyer 2005, S. 622ff.). Im ersten Schritt ist zunächst festzustellen, welche Anspruchsgruppen der Unternehmung überhaupt von der angestrebten Veränderung (im weitesten Sinne) betroffen sind. Es ist nötig, sich die Ansprüche der einzelnen Gruppen zu verdeutlichen und zu prüfen, inwieweit deren Erfüllung durch die strategische Erneuerung berührt wird. Folgende Fragen sind dabei hilfreich:
379
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Wer ist in seinen Ansprüchen von der Erneuerung heute oder in Zukunft betroffen (direkt oder indirekt)?
Wer hat zur Verbesserung seiner eigenen Position ein Interesse an der Erneuerung?
Wer hat bereits Absichten zur Einflussnahme geäußert oder konkrete Aktivitäten im Zusammenhang mit der Strategie veranlasst? Zu einer ersten allgemeinen Einschätzung der Relevanz der einzelnen Stakeholder kann zum einen deren Beeinflussbarkeit und zum anderen ihr Einfluss betrachtet werden (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 171ff.). Auf die Weise erhält man eine Relevanz-Matrix (vgl. Abb. 10/4). Dabei wird zunächst auf eine genaue Analyse der Betroffenheit verzichtet. Eine solche Betrachtung erfolgt für die als relevant identifizierten Gruppen in der Konzipierungsphase mithilfe einer speziellen Betroffenheitsanalyse (vgl. Abb. 10/7).
niedrig
hoch
Relevanz-Matrix der Stakeholder
Beeinflussbarkeit
Abbildung 10/4
C
B
D
A
niedrig
hoch
A = einflussreiche Gruppe, die jedoch keinem direkten Einfluss unterliegt, z.B. Konkurrenten B = einflussreiche, aber gesprächsbereite Gruppe, z.B. Kapitalgeber C = niedriger Einfluss bei hoher Beeinflussbarkeit, z.B. z.T. Lieferanten und Mitarbeiter D = keine Relevanz
Einfluss
Im nächsten Analyseschritt sind die Einflussmöglichkeiten der Stakeholder im Hinblick auf das geplante Wandlungsprogramm zu konkretisieren (vgl. Steinle et al. 1999, S. 59ff. und Abb. 10/5). Dazu bieten sich wiederum zwei Achsen an: die Richtung der Einflussmöglichkeiten und die Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung. Sollte
380
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
eine Gruppe über sowohl positive wie negative Einflussmöglichkeiten verfügen, sind entweder beide oder die mit der höheren Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen.
Abbildung 10/5
Einflussmatrix der Stakeholder Positive Einflussmöglichkeiten auf die Strategie
Betriebsrat
Kunden Bank Shareholder Händler F Abteilung Produktion Vorstandsbereich I
Lieferant Z Lieferant X Abteilung Finanzen
Wettbewerber
Beeinflussung wahrscheinlich
Beeinflussung unwahrscheinlich
Lager
Lieferant Y
Negative Einflussmöglichkeiten auf die Strategie
Abgeleitet aus der Abbildung sollte dann für alle Stakeholdergruppen ermittelt werden, welche Ziele sie verfolgen, welches Behinderungspotential sie besitzen und welche Aktionen bzw. Reaktionen zu erwarten sind. Hierauf aufbauend ist eine entsprechende Handlungsstrategie im Umgang mit der Stakeholdergruppe festzulegen (vgl. Steinle et al. 1999, S. 60 sowie Abb. 10/6). Insbesondere lässt die Stakeholderanalyse auch Rückschlüsse darauf zu, wann welche Gruppe wie in den Prozess zu integrieren ist, z.B. welche Gruppen Teilnehmer der ersten Workshops sein sollen oder müssen. Als Richtschnur kann gelten, dass als negativ eingeschätzte Gruppen bereits in den frühen Phasen aufmerksam zu beobachten und gegebenenfalls zu integrieren sind. Unkritische Gruppen müssen evtl. nur in einer späteren Phase (z.B. Umsetzung) mit einem klaren Projektauftrag versorgt werden.
381
10 Abbildung 10/6
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Stakeholderanalyse: Ableitung einer Handlungsstrategie
Stakeholder
Ziele der Stakeholder
Mitarbeiter Produktion
10.2.3
…
- Besitzstand …
Unterstützungs-/ Behinderungspotential
Konkrete Reaktionen der Stakeholder
Handlungsstrategie der Programmleitung
- Streik - Kündigung
- Sabotage
- Kompensation - Gespräche
…
…
…
Tools in der Konzipierung
In der Konzipierung sind die Wandlungsziele festzulegen und daran anschließend Maßnahmenprogramme zu entwickeln. Während diese Sachaufgaben in der Praxis durch Techniken der Zielformulierung, Alternativenbeurteilung und Entscheidung (z.B. Nutzwertanalyse oder AHP-Technik) meist gut abgedeckt sind, bleibt häufig unklar, mit welchen personellen Widerständen und Wandlungsbarrieren zu rechnen ist. Um diese Lücke zu beseitigen, sind zwei wichtige Analyseaufgaben zu erfüllen: 1. Beurteilung der Wandlungsbetroffenheit der wichtig(st)en Stakeholdergruppen. 2. Diagnose der Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit in den vom Wandel betroffenen Organisationsbereichen.
Betroffenheitsanalyse Gegenstand sind die im Rahmen der Stakeholderanalyse als wesentlich identifizierten Anspruchsgruppen des Wandels. Betroffenheit ist die Voraussetzung dafür, dass Aktivität bei Personen oder Gruppen, egal in welche Richtung, überhaupt erst entsteht (vgl. Hansel/Lomnitz 2003, S. 127ff.). Durch Betroffenheit wird aus einer neutralen Situation eine Aktivierungssituation. Um Aufklärung hierüber zu erhalten, muss sich der Toolanwender in die Lage der
382
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
Betroffenen versetzen. Für die jeweiligen Anspruchsgruppen ist zu prüfen, welche Wandlungsimpulse sie wahrnehmen und inwiefern sie davon in ihrer Anreiz-Beitrags-Konstellation betroffen sind. Gruppenspezifische Anreiz- und Beitragskomponenten sind zu bestimmen und zu durchdenken. Daraus ergeben sich Hinweise, von welcher Seite Widerstände zu erwarten sind, aber auch, wer Interesse an einer Mitarbeit haben oder das Vorhaben aktiv unterstützen könnte. Die Abbildung 10/7 zeigt schematisch auf, wie die Ergebnisse einer solchen Betroffenheitsanalyse aussehen könnten.
Abbildung 10/7
Betroffenheitsanalyse
Produktmanager
Logistik
++
o
+
…
Handlungsspielraum
++
-
--
o
…
Aufgabenzuordnung
++
++
o
o
…
… Summe Grad der Betroffenheit
…
Sachbearbeiter
++
Vertriebsmitarb.
Cost Center Leiter
Verantwortung
Betriebsrat
Geschäftsführg. Betroffenheitsaspekt
Betroffene Personengruppen
… ++
++
+/-
o
…
++ = stark positiv + = gering positiv o = kein Einfluss - = gering negativ -- = stark negativ
Im Einzelfall können weitere Kriterien der Betroffenheit bedeutsam sein, so z.B. Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeit, Entlohnung, Anbindung an Informationsströme, Arbeitsbeziehungen, Qualität der Arbeit, Fremdkontrolle, Belastung, Prestige oder Einflussmöglichkeiten. Wichtig sind die klare Abgrenzung der Beurteilungskriterien und eine vollständige Problemabdeckung einerseits, die Begrenzung auf eine überschaubare Zahl andererseits.
383
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
So wird man am Ende vier bis fünf Cluster unterschiedlicher Betroffenheiten erhalten (vgl. zum Vorgehen Abb. 10/5), die dann als ‚Implementierungsgruppen’ mit den entsprechenden Maßnahmen anzugehen sind. Wird die Analyse mit immer den gleichen Personen und Tools durchgeführt, ergibt sich ein recht klares und einheitliches Bild der Lage. Der Einsatz in der Praxis hat gezeigt, dass die subjektiven Einschätzungsunterschiede demgegenüber an Bedeutung verlieren.
Kooperationsprofil Die Beziehungen zwischen den relevanten Stakeholdern im Hinblick auf die aktuelle und zukünftige Zusammenarbeit klärt das sog. Kooperationsprofil (in Anlehnung an Hansel/Lomnitz 1993, S. 38). Auch daraus lassen sich maßgebliche Hinweise auf Erfolgs- und Misserfolgspotentiale für das Wandlungsprogramm ableiten. Abbildung 10/8 soll dazu Orientierungspunkte anbieten.
Abbildung 10/8
Kooperationsprofil (zwischen Programmleitung und betroffenen Einheiten) Stab für Unt.entwicklung
Vertriebsabteilung Z Produktionsabteilung W
++ vertrauensvoll viel Abstimmung / Kommunikation Bereitschaft zur Zusammenarbeit Konflikte werden offen angesprochen
384
+
0
-
-kein Vertrauen keine Abstimmung keine Zusammenarbeit Konflikte werden verdeckt ausgetragen
Entscheidungen werden gemeinsam getragen
Entscheidungen werden nur einseitig getragen
Abmachungen werden eingehalten
versprochen wird viel, aber wenig eingehalten
es gibt Kompromissbereitschaft
hohe Standpunktfestigkeit
offener Informationsaustausch
‚mauern‘, taktieren mit Informationen
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
EiC-Barometer Neben der Identifikation der Betroffenheit der wichtigen Stakeholder ist zur Konzipierung eines situationsgerechten Wandlungsprogramms eine Diagnose der Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit der betroffenen Personen bzw. Organisationseinheiten notwendig. Wie bereits dargestellt, müssen die ‚3W’ in Einklang gebracht werden. Während der Wandlungsbedarf typischerweise den Ausgangspunkt des Wandels darstellt und daher bereits zu Beginn des Wandlungsprogramms analysiert wird (vgl. Checkliste Wandlungsbedarf und Wandlungsimpulsanalyse), werden Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit meist weniger beachtet, obwohl sie häufig für den Misserfolg im Wandel verantwortlich sind. Es ist empfehlenswert, daraus resultierende mögliche Wandlungsbarrieren in der Umsetzung bereits im Konzept zu berücksichtigen. Da es sich bei der Diagnose der Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit der betroffenen Organisationseinheiten um komplexe Sachverhalte handelt, die auf vielfältigen Einflussfaktoren beruhen, ist es wenig sinnvoll, hier rein intuitiv vorzugehen. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Analyse aller wesentlichen Einflussfaktoren. Hierzu eignet sich das sog. Excellence in Change-Barometer (vgl. Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006). Auf Grundlage einer Checkliste von jeweils zehn Fragen können auf einfache Weise komplexe Wandlungsprobleme eingekreist und transparent gemacht sowie Einzelmaßnahmen zur Problemlösung abgeleitet werden (vgl. Abb. 10/9 und 10/10). Bei der Beurteilung der Wandlungsbereitschaft (vgl. Abb. 10/9) wird zwischen einer situationsunabhängigen und einer situationsabhängigen Bereitschaft zur Veränderung unterschieden (vgl. Kap. 1.2.2). Während die situationsunabhängige Wandlungsbereitschaft zum Ausdruck bringt, inwieweit die betrachtete Einheit nach Veränderung strebt, ohne dass es hierfür einen konkreten Auslöser gibt (in den Fragen WB.1 bis WB.5 abgefragter genereller, sachbezogener und personeller Veränderungswille), betrachtet die situationsabhängige Wandlungsbereitschaft die konkrete, aktuelle Situation mit dem zu bewältigenden Wandlungsbedarf. Eine hohe Bereitschaft zum Wandel ist nur dann zu erwarten, wenn die Beteiligten den konkreten Wandlungsbedarf erkennen (WB.6 und WB.7), das ange-
385
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
strebte Ziel kennen und positiv beurteilen (WB.8) und ein Erreichen des Ziels für wahrscheinlich halten (WB.9 und WB.10). Die Enabler der Wandlungsfähigkeit (vgl. Abb. 10/10) können in die sechs Faktorenbündel Strategie (WF.1 und WF.2), Strukturen und Prozesse (WF.3 bis WF.5), Systeme (WF.6), Realisationspotential (WF.7 und WF.8), Träger (WF.9) sowie Philosophie und Kultur (WF.10) eingeteilt werden (vgl. KOMPASS-Erfolgsfaktorenmodell, Krüger 1988, S. 27ff.). Die Fähigkeit eines erfolgreichen Wandels muss durch alle sechs Erfolgsfaktoren getragen werden (vgl. im Detail Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006). Neben der Möglichkeit einer Diagnose in Einzelarbeit durch den Wandlungsmanager (‚War Room’-Szenario) kann das EiC-Barometer aber auch zum Vergleich von Selbst- und Fremdbild der am Wandel Beteiligten bzw. von ihm Betroffenen (z.B. Auftraggeber, Projektmanager, Teammitglieder) verwendet werden. In diesem Fall zeigt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Einschätzung und offenbart gleichzeitig evtl. vorhandene Kommunikationslücken zwischen den verschiedenen Beteiligten. Die Beantwortung der insgesamt 20 Fragen ist natürlich noch nicht ausreichend, um spezifische Einzelmaßnahmen abzuleiten. Hierzu bedarf es einer detaillierten Analyse der Einzelantworten, die den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung trägt:
Welche Fragen sind in der gegebenen Situation nicht/weniger bedeutsam?
Welche Antworten fallen besonders negativ auf (Wert < 2)? Welche Bandbreite der Antworten kann (nicht) hingenommen werden?
Welcher Handlungsbedarf 1. Priorität ergibt sich aus den Einzelantworten (niedriger Wert und/oder hohe Streuung)?
Wie lauten die resultierenden Gesamtwerte für Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit?
Welche Position in der EiC-Matrix (s. Tools in der Mobilisierung) ergibt sich daraus für die Untersuchungseinheit?
Welche Maßnahmen lassen sich insgesamt als empfehlenswert/notwendig ableiten?
386
Darstellung ausgewählter Tools
Excellence in Change-Barometer (I) - Wandlungsbereitschaft (WB) Organisationseinheit
10.2 Abbildung 10/9
Beurteilt durch:
Frage 1
Wie hoch ist die Wandlungsdynamik der Branche allgemein? 1
2
3
4
(1 =seh r niedrig; 4= sehr hoch)
Frage 2
Wie hoch sind die Partizipationsmöglichkeiten der Mitarbeiter an wichtigen Entscheidungen? 1
2
3
4
(1 =seh r niedrig; 4= sehr hoch)
Frage 3
Wie hoch ist der Anteil der Mitarbeiter, die bereits in mehreren Bereichen/Unternehmungen gearbeitet haben? 1
2
3
4
(1 =seh r niedrig; 4= sehr hoch)
Frage 4
Wie sind die allgemeinen Persönlichkeitsmerkmale der Betroffenen? 1
2
3
4
(1=ängstlich, konservativ; 4=neugierig, risikobereit)
Frage 5
Wie hoch ist die Anzahl freiwillig initiierter und umgesetzter Verbesserungsvorschläge? 1
2
3
4
(1=sehr niedrig; 4=sehr h och)
Frage 6
Erkennen die Betroffenen die derzeitige Situation als "nicht-zukunftsfähig"? 1
2
3
4
(1=trifft nicht zu ; 4=trifft voll zu)
Frage 7
Existiert bei allen Betroffenen ein einheitliches Verständnis der notwendigen Veränderungen? 1
2
3
4
(1=trifft nicht zu ; 4=trifft voll zu)
Frage 8
Beurteilen die Betroffenen die angestrebten Ziele positiv (Anreiz-Beitrags-Saldo)? 1
2
3
4
(1=trifft nicht zu; 4= trifft voll zu)
Frage 9
Verfügen die Betroffenen über überwiegend positive oder überwiegend negative Wandlungserfahrungen? 1
2
3
4
(1=überwiegend negativ; 4= überwiegend positiv)
Frage 10
Ist das "Commitment" der Führungskräfte zum Wandel erkennbar? 1
2
3
4
(1=trifft nich t zu; 4=trifft voll zu)
387
10 Abbildung 10/10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Excellence in Change-Barometer (II) - Wandlungsfähigkeit (WF) Organisationseinheit
Beurteilt durch:
Frage 1
Gibt es veränderungsbezogene und flexible Leitbilder, Ziele und Strategien? 1
2
3
4
(1=nicht vorhanden; 4=vorhanden und umg esetzt)
Frage 2
Existieren (langfristige) Entwicklungs- bzw. Wandlungsprogramme? 1
2
3
4
(1=trifft nicht zu; 4=trifft voll zu)
Frage 3
Wie hoch ist der Grad der organisatorischen Selbstständigkeit und inneren Flexibilität der einzelnen Bereiche/Einheiten? 1
2
3
4
(1=sehr niedrig; 4=sehr hoch)
Frage 4
Existieren flexible Einrichtungen, wie z.B. Lernplattformen, Erfahrungsgruppen, Yellow Pages, Communities of Practice? 1
2
3
4
(1=nicht vorhanden; 4=vorhanden und intensiv genutzt)
Frage 5
Wie flexibel ist die Kopplung der Organisationseinheiten untereinander sowie mit externen Partnern? 1
2
3
4
(1=sehr starr; 4=sehr flexibel)
Frage 6
Existieren ein professionelles Projektmanagement mit einem abgestimmten Vorgehensmodell sowie entsprechende Kommunikations-, Dokumentations- und Informationssysteme? 1
2
3
4
(1=sehr wenig professionell; 4=sehr professionell)
Frage 7
Wie hoch sind Wandlungs-Know how und Wandlungs-/Projekterfahrung der Beteiligten? 1
2
3
4
(1=sehr niedrig; 4=sehr hoch)
Frage 8
Gibt es organisatorische und zeitliche Ressourcen für neue Initiativen und Innovationen? 1
2
3
4
(1=nicht vorhanden; 4=vorhanden und intensiv genutzt)
Frage 9
Sind unterschiedliche Managertypen mit unterschiedlichen Qualifikationen vorhanden? 1
2
3
4
(1=nicht vorhanden; 4=in hohem Maße vorhanden)
Frage 10
Gibt es eine offene Kultur mit einer freien Kommunikation und einer hohen Konfliktfähigkeit? 1
10.2.4
388
2
3
4
(1=wenig offene Kultur; 4=sehr offene Kultur)
Tools in der Mobilisierung
Die Auswertung des EiC-Barometers eignet sich sehr gut für einen Gesamteindruck bei komplexen Vorhaben und die Planung von Mobilisierungsmaßnahmen. Für diese Phase ist außerdem zu klä-
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
ren, wie ein sinnvolles Kommunikationskonzept instrumentell unterstützt werden sollte und wie die Aufgabe ‚Wandlungsbedingungen schaffen’ mit personellen Informationen unterfüttert werden kann. Der Tooleinsatz in der Mobilisierungsphase dient damit vor allem dazu, folgende Fragen zu beantworten: 1. Welche Maßnahmen der Umsetzungsvorbereitung ergeben sich aus der Analyse der Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit? 2. Welche Instrumente sollten zur Kommunikation des Wandlungsbedarfs und -programms eingesetzt werden? 3. Wie ist mit Key Playern im Wandel umzugehen und ihr Commitment zu sichern?
EiC-Matrix Durch die Addition der Einzelwerte der Fragen des EiC-Barometers (1 - 4 Punkte je Frage) ergibt sich für Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit jeweils ein Gesamtwert zwischen 10 (Minimum) und 40 (Maximum). Übertragen in die Excellence in Change-Matrix (vgl. Abb. 10/11) verdeutlichen diese Werte, bei welchen Koordinaten die betrachtete Einheit Handlungsbedarf hat.
Excellence in Change-Matrix
Abbildung 10/11
Wandlungsbereitschaft
40
Excellence in Change Fähigkeitsdefizite
25
Reformstau
Willensbarrieren
10 10
25
40
Wandlungsfähigkeit
389
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Die Positionierung einer Unternehmung oder Organisationseinheit in der EiC-Matrix erlaubt eine erste Einschätzung der Ausgestaltung der Wandlungskoordinaten (‚Reifegrad’) und damit eine Festlegung der Stoßrichtung des Vorgehens in der Mobilisierungs- und Umsetzungsphase. Darüber hinaus ist eine erste Abschätzung der notwendigen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen zur Beseitigung der Mängel möglich (vgl. Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006). Im ungünstigsten Fall fehlender Bereitschaft und Fähigkeiten (Reformstau, vgl. Kap. 4.2) stellt sich dem Wandlungsmanager ein Maximum an Barrieren entgegen, der Wandlungsprozess wird zum Hürdenlauf. In der Mobilisierung ist gleichzeitig an beiden Koordinaten zu arbeiten. Etwas einfacher sind Situationen zu bewältigen, in denen wenigstens die Bereitschaft zum Wandel vorhanden ist (Fähigkeitsdefizite). Hier müssen ‚lediglich’ noch die notwendigen Fähigkeiten aufgebaut werden. Aus der Beantwortung der Einzelfragen im Bereich Wandlungsfähigkeit ist ersichtlich, in welchen Bereichen der größte Handlungsbedarf besteht. Da es in der Regel relativ lange dauert, Wandlungsfähigkeit aufzubauen, ist hier der Einbezug externer Berater sinnvoll. Diese können kurzfristig zur Überbrückung von Fähigkeitsdefiziten und langfristig zum Fähigkeitstransfer (z.B. auch durch Schulungen) eingesetzt werden. Wenn zwar die notwendigen Wandlungsfähigkeiten vorhanden sind, aber die Bereitschaft zum Handeln fehlt, liegen Willensbarrieren vor. Diese (kurzfristig) zu überwinden oder zu brechen, verlangt vor allem eine offene Kommunikation des Wandlungsbedarfs und eine geeignete Gestaltung der Anreizsituation.
Kommunikationsinstrumente Insbesondere im Hinblick auf die Schaffung einer ausreichenden Wandlungsbereitschaft kommt der Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. Mögliche Ansatzpunkte zur Festlegung des Kommunikationskonzepts und zur Auswahl passender Kommunikationsinstrumente lassen sich aus den Ergebnissen des EiCBarometers ableiten. Im Falle eines fehlenden einheitlichen Verständnisses der notwendigen Veränderungen bspw. (vgl. Frage WB.7 in Abb. 10/9) erkennen die Betroffenen unter Umständen zwar
390
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
die Notwendigkeit von Veränderungen im Allgemeinen, sind aber orientierungslos und nicht in der Lage, aktiv zu handeln. Unter solchen Bedingungen ist es sinnvoll, bereits in den frühen Phasen des Wandlungsprojekts entsprechende Kommunikationsmaßnahmen zu ergreifen. Dies kann z.B. mit Workshops der Schlüsselpersonen beginnen und sich im weiteren Verlauf kaskadenförmig auf die betroffenen Bereiche in Form von Konferenzen (‚Road Shows’, ‚Town Meetings’) ausweiten.
Key Player-Analyse Im Sinne einer Kraftfeldanalyse gilt es, in der Mobilisierung diejenigen Personen zu identifizieren und zu aktivieren, die einen maßgeblichen Einfluss auf das Wandlungsgeschehen ausüben können. Die Zahl dieser Schlüsselpersonen (Key Player) hält sich selbst bei umfangreichen Veränderungsprojekten in überschaubaren Grenzen. Daher sollte die Programmleitung die Position der in Frage kommenden Personen genau durchdenken, um den Projekterfolg mit der Einbindung von Schlüsselpersonen weiter abzusichern. Es geht um die zusätzliche Aktivierung von Energie bzw. die Übernahme der erläuterten Promotorenrollen. Die folgende Übersicht soll beispielhaft verdeutlichen, anhand welcher Merkmale untersucht werden kann, welche Personen das Potential für einen Key Player haben (vgl. Abb. 10/12). Eine derartige Analyse kann im Übrigen auch in einem früheren Stadium des Wandels erfolgen, also selbst in der Initialisierung, wenn es um den Aufbau der Wandlungskoalition geht. Das Programm-Management sollte versuchen, den identifizierten Key Playern eine dementsprechend aktive Rolle im Wandlungsprozess einzuräumen (bspw. als „Change Agents“, vgl. Pascale/Sternin 2006, S. 53). Diese Rolle sollte durch die Bereitschaft und die Fähigkeit gekennzeichnet sein, sich den Herausforderungen eines tiefgreifenden Wandlungsprozesses zu stellen. Key Player machen sich im Idealfall die Wandlungsziele zu Eigen und treiben auf diesem Fundament die Wandlungsaufgaben voran. Im Einzelfall ist zu klären, welche Form der organisatorischen Einbindung in Betracht kommt, z.B. als Mitglied des Lenkungsausschusses oder Teilprojektleiter.
391
10 Abbildung 10/12
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Key Player-Identifikation Mitarbeiter: Ausprägung
Einheit: Funktion:
nein
Merkmal
Leiter eines relevanten Bereiches
mittel
ja
X
hatte sehr viele Projekteinsätze
X
Programmleitungserfahrung
X
besondere kommunikative Fähigkeiten
X
besondere fachliche Fähigkeiten
X
besondere quant./qual. Ressourcen
X
steuert wichtige Prozesse
X
sitzt an wichtigen Informationsknoten gute Beziehungen außerhalb der Unt.
X X
…
Commitment Planning Im Weiteren ist es die Aufgabe des Programm-Managers, das für einen erfolgreichen Wandel erforderliche Mindestmaß an persönlichem Commitment seitens der Schlüsselpersonen zu bestimmen. Hierfür ist das aktuelle und das erwünschte Commitment der identifizierten Key Player gegenüberzustellen. Ein Problem ist die begrenzte zeitliche Verfügbarkeit und die Gefahr des ‚Umkippens’ einer Schlüsselperson unter Überlast. Ein weiteres Problem stellt das Commitment aus inhaltlichen Gründen dar. Bei intensiver Einbindung in das Wandlungsprogramm kann der Key Player seine Stellung (z.B. auf Basis von Informationsmacht) in dem Kraftfeld weiter ausbauen. Für die Programmverantwortlichen stellt sich dann die Frage nach dem Grad der Abhängigkeit von einzelnen Personen (vgl. Lomnitz 2008).
392
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
In Anlehnung an Beckhard/Harris kann das ‚Commitment Planning’ als mehrstufiges Vorgehen dargestellt werden (vgl. Beckhard/Harris 1987, S. 93ff. und Abb. 10/13): 1. Identifizierung von Schlüsselpersonen oder -gruppen, deren Commitment erforderlich ist (vgl. Betroffenheitsanalyse und Checkliste). 2. Festlegen eines Mindestmaßes an Prozessenergie, welches notwendig ist, um den Wandlungserfolg sicherzustellen (SollCommitment). 3. Entwicklung eines Plans zur Erreichung des Mindestmaßes an Commitment und Überwachung des Fortschritts (vgl. Implementierungsmaßnahmen). Für die verschiedenen Schlüsselpersonen ist das Commitment nicht notwendigerweise gleich hoch, denn dies hängt letztlich von der auszufüllenden Rolle im Wandlungsprogramm ab. Die ‚Summe’ des Commitments muss aber ausreichen, um die notwendige Veränderungsenergie zu erzeugen.
Abbildung 10/13
Commitment-Chart Commitment
Key Player
No Commitment
Let It Happen
Hauptaktionär
X
Produktionsleiter
X
Betriebsratsvors. Mitarbeiter XY
X
Help It Happen
Make It Happen 0
0
0 0
F&E-Leiter
X X0
… X = Ist-Commitment 0 = Soll-Commitment
= Entwicklungsrichtung
393
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Das Thema: ‚Toolbox’-Einsatz im Wandel Das Beispiel: Post Merger-Integration Wandlungssituation: Die 1.200 Mitarbeiter umfassende Tochtergesellschaft eines internationalen Telekommunikationskonzerns befand sich in einer schwierigen Situation. Auf die zunehmende Dynamisierung der Nachfrage und den erhöhten Preisdruck am stagnierenden Markt wurde mit der Akquisition eines viel kleineren aber dynamischeren Mitbewerbers reagiert. Kulturen der Tradition und des Bewahrens prallten auf Kulturen der Innovation und der Neupositionierung. In dieser Situation verbreitete sich Unzufriedenheit auf allen Stufen der Unternehmung. Widerstand, Verunsicherung und Spannungen waren fester Bestandteil des Alltags. Analyse: Der von innen und außen sichtbare Wandlungsbedarf und das Verhalten der Mitarbeiter ließen auf Willensbarrieren (vgl. EiC-Matrix) schließen. Diese Vermutung wurde durch den Einsatz des EiC-Barometers bestätigt. Die Auswertung ergab in einigen Aspekten divergierende Ergebnisse zwischen den Aussagen der Mitarbeiter und denjenigen der mittleren und oberen Führungskräfte (ca. 160 Personen). Eigen- und Fremdbild dieser Gruppen verhielten sich teilweise spiegelbildlich: ‚Wir’ sind sehr wohl wandlungsbereit, ‚die da’ allerdings nicht. Markante Unterschiede zeigten insbesondere die Fragen nach einem einheitlichen Verständnis des Wandlungsbedarfs (Frage WB.7), dem ‚Commitment’ der Führungskräfte (WB.10) sowie den Partizipationsmöglichkeiten der Mitarbeiter (WB.2). Maßnahmen: Mithilfe einer Open Space-Veranstaltung von einem Tag wurden zunächst die durch den Vorstand vorgegebenen Unternehmungsziele reflektiert und gemeinsame Führungsgrundsätze und Regeln der Zusammenarbeit definiert. Jede Führungskraft übernahm als Mentor die Verantwortung für die Sicherung der Umsetzung eines Grundsatzes oder einer Regel. Die Ergebnisse der Umsetzung wurden sechs Monate später in einer zweiten Workshop-Runde ausgewertet und weiterbearbeitet. Hier bestätigte sich eine zuvor ausgesprochene Vermutung: Maximal die Hälfte aller Führungskräfte hatte ihre Umsetzungsverantwortung tatsächlich wahrgenommen. Insbesondere die Kommunikationsmaßnahmen wurden nur in zweiter bzw. dritter Priorität oder gar nicht umgesetzt. Im weiteren Verlauf des zweiten Workshops wurde daher das Verständnis für den Zielzustand erweitert und vertieft (Commitment Planning), und es wurden weiter gehende Maßnahmen für die Sicherung des Wandels erarbeitet. Außerdem wurde allen Führungskräften klar kommuniziert, dass der Wandel bereits unaufhaltsam lanciert war und es für sie nur die Optionen ‚Einsteigen’ oder ‚Aussteigen’ gab.
394
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
Ergebnisse: Heute kann die Unternehmung auf einen erfolgreichen Wandel zurückblicken. Dies zeigt sich u.a. daran, dass vermehrt Ausschreibungen gewonnen werden und ein Durchbruch in der Diversifikation der Kundensegmente sowie eine Reduktion der Personalrotation erreicht wurde. (Quelle: Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006)
10.2.5
Tools in der Umsetzung
Nach der Mobilisierung der Wandlungsträger und der Schaffung der notwendigen Wandlungsbedingungen muss die Umsetzung beginnen. Für die in dieser Phase anfallenden Aufgaben des Projektmanagements bietet die Literatur ein einschlägiges und sehr umfangreiches Instrumentarium an (vgl. Keßler/Winkelhofer 2004; Lehner 2001; Hansel/Lomnitz 2003). Neben der Anwendung eines professionellen Projektmanagements stellt sich für den ProgrammManager aber auch die Aufgabe, die soziale Dimension des Programms im Blick und Griff zu behalten. Dies betrifft insbesondere folgende Punkte: 1. Zusammenstellung von arbeitsfähigen Teams unter Beachtung des sozial-psychologischen Kontexts (persönliche ‚Kompatibilitäten’). 2. Systematische Einbindung bzw. Beteiligung aller Stakeholder und Festlegung der zu erbringenden Beiträge (Form und Grad der Einbindung).
Compatibility-Matrix Mitentscheidend für die erfolgreiche Zusammenarbeit eines Projektteams und damit letztlich den Projekterfolg sind die persönlichen Beziehungen innerhalb des Teams. Trotz der weit verbreiteten Ansätze zur Teambildung und -entwicklung ist die Frage: „Wer kann mit wem?“, nicht zu unterschätzen. Dies gilt im Besonderen dann, wenn für langwierige und z.T. ineffiziente Storming-Phasen keine Zeit zur Verfügung steht. Deshalb ist neben der Analyse der einzelnen Personen und -gruppen des Gestaltungsbereiches auch eine Einschätzung der Beziehungen zwischen diesen notwendig.
395
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Neben den – mithilfe von Kooperationsprofilen (s.o.) erfassbaren – Verhältnissen zwischen den beteiligten Personengruppen sind auch die persönlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Teammitgliedern zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, vor der Projektbesetzung eine Abschätzung der ‚Verträglichkeiten’ der in Betracht kommenden Personen vorzunehmen. Es gilt, alle Faktoren, die das Zusammenarbeiten beeinflussen, zu erfassen und entsprechend ihrer Wirkung auf die Teamleistung zu berücksichtigen. Zu nennen sind hier bspw. positive Wirkungen durch gemeinsame Erfolge, Seilschaften, Karrierepfade oder Sympathie sowie negative Wirkungen durch schlechte Erfahrungen, Missgunst oder generelle Ablehnung. Ein Instrument zur (grafischen) Darstellung des Einflusses der Beziehung von zwei Personen auf die Teamleistung bietet die Compatibility-Matrix, wie sie z.B. auch teilweise in ProjektmanagementTrainings-Tools hinterlegt ist (vgl. bspw. ,Project Excellence’ der TRISOLUTIONS AG). Die bilaterale Kompatibilität zwischen den beteiligten Personen wird hierbei anhand eines vorher festgelegten Farbcodes dargestellt (vgl. Abb. 10/14).
Abbildung 10/14
Compatibility-Matrix
Beeinflusste Person
…
Dr. I. Besser
W. Ordnung
H. Otto
T. Muster
…
G. Schwätzig
…
H. Otto
…
W. Ordnung
…
Dr. I. Besser
…
Einfluss der Zusammenarbeit auf die Performance + 20 + 10 +/- 0
…
396
G. Schwätzig
T. Muster
Beeinflussende Person
…
…
…
…
…
- 10 - 20
Darstellung ausgewählter Tools
10.2
In diesem Zusammenhang muss die Programmleitung aber auch entscheiden, inwieweit sie Reibungseffizienzen und produktive Konflikte zulassen möchte, die dann vielleicht der Umsetzung im Tagesgeschäft vorweggenommen sind (vgl. Malik 2006, S. 22f.).
Responsibility-Chart Ausgangspunkt der Umsetzungsansätze ist ein klares Bild über gewünschte oder erforderliche Beiträge der Betroffenen und Beteiligten zu wichtigen Meilensteinen, Entscheidungen oder Aktionen. Dazu bedarf es einer Übersicht über diese Beiträge und die wichtigen Akteure, zunächst vollkommen unabhängig von der Phase des Wandels. Akteure in diesem Sinne können direkt involvierte Personen und/oder deren Vorgesetzte sein, interne Gruppen, wie z.B. Programmleitung, Aufsichtsrat, Geschäftsführung, Lenkungsausschuss, oder externe, wie z.B. Bankiers, Gewerkschaftsvertreter und Lobbyisten. Beckhard/Harris nennen dieses Vorgehen ‚Responsibility Charting’ (vgl. 1987, S. 104ff. und Abb. 10/15).
Abbildung 10/15
Responsibility-Chart
Aufsichtsratsvors.
Bereichsleiter
Frauenbeauftragter
…
Aktion A
I
V
-
S
-
…
Aktion B
V
-
Z
-
Z
…
I = Vorher zu informieren
…
…
…
…
…
…
…
- = Irrelevant
Entscheidung/ Aktion
Vorstand
Programm-Mgr.
Akteure V = Verantwortlichkeit Z = Zustimmung (Vetorecht) S = Support (Ressourcenbereitstellung)
Mit dieser Darstellung lassen sich im Sinne eines Soll-Zustands die entscheidenden (politischen) Eckpunkte des Projekts abbilden. Folgende Regeln sollten Anwendung finden: (1) Zuerst ist die Verantwortlichkeit festzulegen. Diese kann nur einmal pro Zeile zugewie-
397
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
sen werden und darüber sollte Konsens bestehen. Ist dies nicht möglich, muss die Aufgabe weiter untergliedert werden, die Verantwortung eine Hierarchiestufe höher angesiedelt werden oder auf der Ebene darunter entschieden werden, wer die Verantwortung tragen soll. (2) In jedem Feld ist stets nur ein Buchstabe einzusetzen. (3) Schließlich sollten nicht zu viele Zustimmungserfordernisse vergeben werden, da dies den Prozess erfahrungsgemäß stark verzögert. Die Übersicht erzeugt insbesondere dann Commitment, wenn die Inhalte in genau dieser Form auch vom Lenkungsausschuss verabschiedet werden. Zum einen wird dadurch die ‚Management Attention’ gewährleistet, zum anderen wird dem Programm-Manager seine Durchsetzungsmacht verliehen.
Beteiligungskonzept Abgeleitet und ergänzt aus dem Responsibility-Chart kann ein Beteiligungskonzept entwickelt werden. Es bietet im Gegensatz dazu einen wesentlich vollständigeren und differenzierteren Eindruck der Beteiligtenstruktur (vgl. Abb. 10/16 und ergänzend Hansel/Lomnitz 2003, S. 133ff.).
Abbildung 10/16
Beteiligungskonzept
Bereiche
Phase
398
1
2
3
Fachbereich Mgmt.
me
a
me
Fachbereich MA
mh
a
ma
Betriebsrat
fB
Revision
fB
Geschäftsführung
mh
…
…
…
e= me = a= ma = i=
e …
…
Beteiligung:
…
mg = fB = ifB = mh =
entscheiden mitentscheiden autonom entwickeln aktive Mitarbeit Recht auf Information geleg. Mitwirkung formelle Beratung informelle Beratung Meinung einholen
Darstellung ausgewählter Tools
10.2.6
10.2
Tools in der Verstetigung
Häufig wird Wandel als projektartige Einmalanstrengung im Sinne einer wellenartigen Veränderung interpretiert, die mit der Umsetzung abgeschlossen ist. Mit dem Ende des eigentlichen Wandlungsprogramms endet auch der Einsatz von Wandlungstools. Diese Sichtweise ist allerdings in Zeiten permanenten Wandels zu kurzsichtig. Die weiter gehende Herausforderung besteht darin, Veränderungsinitiativen und auf Wandel ausgerichtete Tools in das Tagesgeschäft und hier insbesondere in den jährlichen Zielvereinbarungs- und Budgetierungsprozess aufzunehmen (vgl. Krüger/Coray/Dominizak/Petry 2006). Das Ziel muss es sein, die Verstetigung des Wandels instrumentell zu unterstützen. Dies betrifft folgende Aufgaben: 1. Verankerung der Wandlungsergebnisse in der Unternehmung. 2. Sicherung von Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit für zukünftigen Wandlungsbedarf.
Follow Up-Controlling Nach dem Abschluss der Umsetzung einer strategischen Erneuerung ist es wichtig, zunächst einmal zu überprüfen, ob die Ziele des Wandels auch erreicht wurden. Da sich der Erfolg eines transformativen Wandlungsprozesses häufig aber erst viel später in seinem vollen Umfang erkennen lässt, darf die Messung der Zielerreichung keine einmalige Aktion am Ende des Wandlungsprogramms darstellen, sondern muss regelmäßig wiederholt werden. Wurde bspw. eine neue Organisationslösung eingeführt, ist es sinnvoll, die strategische Effektivität und Effizienz der gewählten Lösung in gleichmäßigen Abständen zu überprüfen (Follow Up-Controlling, vgl. Vetter/Sturm/Petry 2006). Vorstellbar wäre bspw. ein (halb-) jährliches strategisches Performance Tracking. Werden (nachhaltige) Abweichungen zwischen Ziel- und Ist-Wert ermittelt, müssen die Veränderungen als mögliche Ursache kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Bei größeren Missständen ist die Notwendigkeit eines neuen bzw. weiterführenden Wandlungsprogramms zu überprüfen. Für diese Aufgabe sind prinzipiell alle betroffenen Führungskräfte der Unternehmung verantwortlich. Trotzdem kann es z.T. sinnvoll
399
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
sein, entsprechende Aufgaben in einer organisatorischen Einheit zu bündeln. Denkbar wäre bspw. ein zentrales ‚Center of Corporate Strategy and Change’ (vgl. Kaplan/Norton 2005 sowie Kap. 9).
Wandlungsradar In einem solchen Center könnte auch die Aufgabe aufgehängt sein, die Unternehmung und Umwelt permanent zu beobachten (‚Monitoring’) und nach zukünftigen Wandlungsbedarfen zu suchen (‚Frühwarnsystem’, vgl. Krystek/Müller-Stewens 1999). Einen möglichen Ansatz hierzu liefern die vorgestellte Wandlungsimpulsanalyse sowie das EiC-Barometer. Diese Tools könnten zu einem regelmäßig eingesetzten Wandlungsradar umgebaut werden.
‚Lessons learned’ Neben der inhaltlichen Überprüfung der Zielerreichung ist es am ‚Ende’ eines tiefgreifenden Wandlungsprogramms in der Regel ebenfalls sinnvoll, die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Wandlungsprozess festzuhalten. Dabei sollten solche ‚Lessons learned’ explizit auch auf die sozio-emotionalen Probleme und Erfahrungen eingehen. Denn während sich die Inhalte von Wandlungsprogrammen immer wieder ändern, bleiben die grundsätzlichen Probleme menschlicher Zusammenarbeit häufig dieselben. Auch Erfahrungen im Umgang mit den Tools selbst sollten festgehalten werden. Dies kann dabei unterstützen, einen (unternehmungs- und/oder personen-)spezifischen Instrumentenkasten zu entwickeln, auf den in zukünftigen Projekten zurückgegriffen werden kann. An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass im sozio-emotionalen Bereich die Verankerung von Erfahrungs- und Feedbackgruppen ausschließlich unter Einbindung von externen bzw. neutralen Beratern und Moderatoren Erfolg verspricht.
Strategische Steuerungsinstrumente
400
Ein wesentliches Ziel der Verstetigung ist es, die Entwicklung und Erhaltung von Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit zu dauerhaften Unternehmungszielen zu machen. Hierfür sind die damit angesprochenen Aspekte folglich auch in moderne Führungskonzepte wie das Management by Objectives (MbO) oder die Balanced Scorecard (BSC) zu integrieren. Beim MbO müssen neben die (monetären) Standardziele zusätzlich auch Innovations- und Entwicklungs-
Auswahlkriterien der Tools und Anpassung der Box
10.3
ziele treten. In der BSC ist eine wandlungsorientierte Ausgestaltung der einzelnen Perspektiven vorzunehmen. Leitbild ist die entwicklungsorientierte Unternehmungsführung. Dabei sollten Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit regelmäßig erhoben werden, z.B. in Form einer (anonymen) Mitarbeiterbefragung im Rahmen der Jahresplanung. Es könnten dann vermehrt auch quantitative Metriken/Indikatoren zur Messung verwendet werden. Das Ziel muss es sein, dass die Manager neben den Kennzahlen für das Tagesgeschäft auch über Wandlungsindikatoren verfügen sollten.
Mitarbeiterprofile Im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter ist es zu empfehlen, die im EiC-Barometer sehr allgemein abgefragten und nur subjektiv zu bestimmenden (Persönlichkeits-)Eigenschaften der Mitarbeiter regelmäßig zu erfassen und Mitarbeiterprofile zu erstellen. Eine regelmäßige Beurteilung der Mitarbeiter seitens ihrer Vorgesetzten, Kollegen und Untergebenen (360 Grad-Feedback) erleichtert die Einschätzung möglicher Verhaltensweisen im Wandlungsfall, lässt erkennen, wer wie einzubinden ist und unterstützt bei der Frage, welcher Mitarbeiter für welche Aufgaben geeignet ist.
10.3
Auswahlkriterien der Tools und Anpassung der Box
Die Absicht des vorliegenden Kapitels war es, die personellen Bezüge des Wandlungsprozesses besser in den Griff zu bekommen. Dazu wurden einige Tools vorgestellt, die dem Change Manager bzw. dem Team die Informationsgrundlagen liefern sollen, um Entscheidungen zu treffen. Die Frage nach den Auswahlkriterien für die Tools soll hier nur kurz und relativ allgemein beantwortet werden. In der Summe sollte sich eine Auswahl von Tools ergeben, die einerseits einzelne Phasen des Prozesses im Hinblick auf Vollständigkeit und Gültigkeit adäquat unterstützen. Andererseits müssen die Tools zueinander passen und aufeinander aufbauen, um ein konsistentes Ergebnis zu erhalten. Folgende Kriterien lassen sich hier anwenden (vgl. Grochla 1982, S. 296ff.; Krüger 1992, Sp. 1584):
401
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
Inhaltliche Angemessenheit: Die Toolbox entbindet nicht von einer sauberen Problemstellung. Es gilt, stets die Eignung eines Tools in Bezug auf das zu lösende Problem, die Verfügbarkeit von ‚Daten’ und die Qualität der Ergebnisse zu beachten.
Personelle Angemessenheit: Hier stehen die fachlichen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten der Anwender zur Diskussion. Dabei ist auch die Verständlichkeit und Erlernbarkeit des einzelnen Tools selbst mit einzubeziehen.
‚Wirtschaftliche’ Angemessenheit: Die Relation zwischen dem zu betreibenden Aufwand und dem angestrebten Nutzen sollte ebenfalls nicht aus den Augen verloren werden. Während der Aufwand, wenn auch nur als Opportunitätskosten, durch die Multiplikation von Personen und Stundensätzen leicht zu errechnen ist, ist der Nutzen von Transparenz und Systematik des sozialen Kraftfeldes im Wandel nur schwer zu messen. Stellt man sich den Barwert der dadurch vermiedenen Konflikte vor, so ließe sich mit Leichtigkeit ein erheblicher Betrag ‚herbeirechnen’. Der Basiswert der Tools besteht darin, dass sie dem Einzelnen und vor allem dem Team einen Denk- und Diskussionsleitfaden bieten. Die Teamarbeit wird transparenter und stärker versachlicht. Für den erfahrenen Manager sind für die gleichen Überlegungen vermutlich häufig ein Blatt Papier, ein Bleistift und ein klarer Verstand ausreichend. Dennoch kann auch hier im Sinne der komplementären Ergänzung ein Blick in die Toolbox nicht schaden. Dazu sind auf Basis der Besonderheiten des aktuellen Vorhabens, des Umfangs und auch der persönlichen Erfahrungen Anpassungen der Tools vorzunehmen. Zum einen hinsichtlich der Phasenzuordnung bzw. des genauen Anwendungsbereichs und zum anderen bei der Festlegung von situationsspezifischen Beurteilungskriterien oder Merkmalen. Erst dann können die Tools einen Nutzen stiften.
402
Im Rahmen einer regelmäßigen Studie von CAPGEMINI unter Führungskräften großer und größerer mittelständischer Unternehmungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde empirisch festgestellt, dass den Managern viele Tools – zumindest vom Namen her – bekannt sind. Bei einer Betrachtung der in der Praxis tatsächlich eingesetzten Tools zeigt sich aber bereits ein etwas anderes Bild. Es fällt auf, dass der Schwerpunkt des Tooleinsatzes in der Praxis eindeutig auf den klassischen Projektmanagementtools liegt (von 91% der befragten Manager eingesetzt). Tools zur
Zusammenfassung
10.4
Mobilisierung und Kommunikation besitzen auch heute noch allenfalls eine mittlere Bedeutung (Veranstaltungen/Events: 89%, MitarbeiterMobilisierung: 59% Nutzungsquote). Masseninstrumente wie Open SpaceVeranstaltungen u.ä. werden noch seltener eingesetzt (33%). Die im Rahmen dieses Kapitels behandelten auf sozio-emotionale Fähigkeiten gerichteten Analysetools werden – wie zu erwarten gewesen war – nur selten eingesetzt. Am ehesten kommt noch die Stakeholderanalyse zur Anwendung, die von immerhin 51% der befragten Manager eingesetzt wird. Die Nutzungsquote von Wandlungsbereitschafts- und -fähigkeitsanalysen liegt bei maximal 10%. (Quelle: Capgemini 2008 S. 26ff.)
10.4
Zusammenfassung
Die im Rahmen dieses Kapitels vorgestellten Tools dienen der informationellen Unterstützung der Aktivitäten zur Festlegung einer Implementierungsstrategie und der Erstellung eines Kommunikationskonzepts.
Der Fokus der hier vorgestellten Tools liegt zum einen auf der Analyse der Wandlungskoordinaten und zum anderen auf den personellen Aspekten des Wandels. Sie sollen dem Wandlungsmanagement helfen, im zunächst unübersichtlichen Kraftfeld aus Promotoren und Opponenten, Orientierung und Überblick zu gewinnen.
Die verschiedenen Tools können idealtypisch den Phasen des Wandlungsprozesses zugeordnet werden, wobei andere Konstellationen des Einsatzes denkbar sind. In der Initialisierungsphase bieten sich – neben den Tools der strategischen Analyse – insbesondere die Wandlungsimpuls- und die Stakeholderanalyse an. In der Konzipierungsphase kann auf das EiC-Barometer und die Betroffenheitsanalyse zurückgegriffen werden. Diese beiden Instrumente bilden auch die Ansatzpunkte für die Tools in der Mobilisierungsphase. Zu nennen sind hier die EiC-Matrix, sämtliche Kommunikationsinstrumente, die Key Player-Analyse und das Commitment Planning. In der Umsetzungsphase stehen als Tools bspw. die Compatibility-Matrix, das ResponsibilityChart und das Beteiligungskonzept zur Verfügung. Wichtig ist
403
10
Toolbox – Denkwerkzeuge für Change Manager
schließlich, dass Wandel nicht als projektartige Einmalanstrengung im Sinne einer wellenartigen Veränderung interpretiert wird, sondern in das Tagesgeschäft und hier insbesondere in den jährlichen Zielvereinbarungs- und Budgetierungsprozess integriert wird (Verstetigungsphase).
Die vorgestellte Auswahl an Tools ist nicht rezeptartig zu verstehen. Auf Basis der Besonderheiten des aktuellen Vorhabens, des Projektumfangs sowie der persönlichen Erfahrungen können und sollen Anpassungen vorgenommen werden. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Tools aufeinander abgestimmt sind und sinnvoll aneinander anschließen. Hierbei ist auf inhaltliche, personelle und wirtschaftliche Angemessenheit zu achten.
404
TEIL D: MANAGEMENT SUMMARY
Agenda für das Wandlungsmanagement
Kapitel 11
Wilfried Krüger
407
Agenda für das Wandlungsmanagement
1.
11
Wandel ist eine Daueraufgabe für jedes Unternehmungsmitglied!
„Das einzig Beständige ist der Wandel.“ Diese letztlich auf Heraklit zurückgehende Erkenntnis ernst zu nehmen und in die Praxis umzusetzen, ist die erste Forderung, die an das Wandlungsmanagement zu stellen ist. Jedes Mitglied der Unternehmung muss sich angewöhnen, Wandel als eine Daueraufgabe zu sehen und zu akzeptieren. ‚Erneuerung‘ ist kein einmaliger Vorgang, sondern eine anhaltende Herausforderung, der nur durch hartnäckige, nachhaltige Wandlungsbemühungen entsprochen werden kann. Will eine Unternehmung im Wettbewerb mithalten oder gar Wettbewerbsvorteile erringen, so darf sie nicht stehen bleiben. Insbesondere das Erzielen dauerhafter Wettbewerbsvorteile ist ohne eine ausgeprägte Wandlungsfähigkeit undenkbar. Nur so kann es gelingen, der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein. Wettbewerbsvorteile beruhen also auf Wandlungsvorteilen. Wandlungsfähigkeit gehört zu den erstrebenswerten Kernkompetenzen einer Unternehmung. Und vollends gilt: Wer Marktführer sein will, muss Wandlungsführer sein. Marktführerschaft verlangt Wandlungsführerschaft. 2.
Wandel ist mit dem Tagesgeschäft zu verzahnen!
Die Zeiten sind also vorbei, in denen Wandel durch eine in längeren Abständen durchgeführte ‚Reorganisation‘ zu bewältigen war, durchgeführt von Spezialistenteams. Wandlungsvorhaben brauchen zu ihrem Erfolg ‚Management Attention‘, und sie müssen mit den laufenden Unternehmungsprozessen eng gekoppelt werden. Diese Verzahnung mit dem Tagesgeschäft stellt ein zweifaches Problem dar. Zum einen müssen die Vorhaben der strategischen Erneuerung so organisiert werden, dass die zu leistende Projektarbeit und die zu erreichenden Projektergebnisse möglichst ohne Reibungsverluste konzipiert und implementiert werden. Wandlungsvorhaben dürfen sich nicht wie große Wellen an Widerständen brechen, auslaufen und versanden. Zum anderen ist sicherzustellen, dass alle Beteiligten nach der Durchführung einer tiefgreifenden Veränderung nicht in einen ‚wandlungsfreien Ruhezustand‘ zurückkehren. Wandel durch gezielte kleinere und größere Verbesserungen muss Teil des jährlichen Managementzyklus der Planung,
409
11
Agenda für das Wandlungsmanagement
Steuerung und Kontrolle werden. Wandlungsziele gehören demgemäß in jede Zielvereinbarung. Es gilt, den Wandel zu verstetigen. An die Stelle des häufig zu beobachtenden wellenartigen Verlaufs von Wandlungsprozessen muss ein stetiger Strom der Unternehmungsentwicklung treten. 3.
Strategische Erneuerung verlangt die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen!
Tiefgreifender und weitreichender Wandel umfasst mehr als die Änderung von Strategien, Strukturen und Systemen. Er muss, um nachhaltig erfolgreich zu sein, die Einstellungen und Verhaltensweisen der Unternehmungsmitglieder umformen. Es geht darum, den ‚genetischen Code‘ der Unternehmung zu verändern. Die Wurzel des Problems bilden die mentalen Modelle der Beteiligten. Diese steuern das Verhalten jedes Einzelnen und machen in ihrer Gesamtheit die Inhalte der Unternehmungskultur aus. Mentale Modelle bestimmen über die Erkennung des Wandlungsbedarfs und prägen die Wandlungsbereitschaft. Nur wenn es gelingt, wandlungsfördernde Einstellungen zu wecken und aufrecht zu erhalten, kann eine Unternehmung wandlungs- und entwicklungsfähig gemacht werden. Dazu gehört auch, dass Wandel nicht nur als lästige Pflicht und riskantes Unternehmen, sondern als persönliche Bereicherung und Entwicklungschance gesehen und erlebt wird. Das mentale Problem beginnt nicht erst bei den unteren Ebenen, sondern bereits an der Unternehmungsspitze. Nur wer die Bereitschaft und die Fähigkeit besitzt, an sich selbst zu arbeiten, und wer offen ist für interne und externe Anregungen und Impulse, der entspricht den Anforderungen, die eine lernende Organisation stellt und kann darin eine Führungsrolle beanspruchen bzw. auf Dauer erfolgreich ausfüllen. 4.
410
Wandel verlangt professionelles Human Resource Management!
Gleichgültig, ob Abbau, Umbau oder Aufbau das Ziel ist, in jedem Fall sind quantitative und qualitative Veränderungen der Personalkapazität ein kritischer Faktor. Wandlungsmanagement und Human Resource Management (HRM) müssen Hand in Hand arbeiten. Dies gilt für die Gestaltung von Personalabbau- und Versetzungsmaßnahmen wie für die Förderung von High Potentials, für die Ent-
Agenda für das Wandlungsmanagement
11
wicklung von Anreizsystemen wie für die Veränderung von Führungsstilen. Die Grundlage hierfür liefert ein HRM, das über eine gut ausgebaute Infrastruktur verfügt und dadurch in der Lage ist, unabhängig vom einzelnen Wandlungsprogramm bestimmte Dienste zu erbringen (z.B. Führungskräfteentwicklung). Dann können auch die programmabhängigen Maßnahmen maßgeschneidert konzipiert und umgesetzt werden. 5.
Wandel bewirken heißt Kraftfelder verändern!
Ob ein Wandel überhaupt zustande kommt, welchen Weg er nimmt und welche Schwungkraft er erreicht, ist nicht in erster Linie ein rein sachlogisches Problem. Es ist vielmehr eine Frage, die sich in der Auseinandersetzung zwischen den fördernden und den hemmenden Kräften, zwischen Kraft und Gegenkraft, entscheidet. Promotoren und Opponenten sind als aktive, die Indifferenten als passive Kräfte Teil des Geschehens. Wer Wandel will, muss die Kräfte beherrschen. Ohne die erfolgreiche Bündelung von fördernden und die nachhaltige Überwindung der passiven und widerstrebenden Kräfte ist ein Erneuerungsprozess schlicht unmöglich. Kräftekonstellationen und Interessenlagen erkunden, Einflüsse der verschiedensten Art nutzen und ausüben, Konflikte erkennen und austragen, Interessen artikulieren und durchsetzen, bestimmt die Arbeit eines Wandlungsmanagers zu einem erheblichen Teil. Dabei ist Führungsstärke in jeder denkbaren Form verlangt. 6.
Topmanager treiben den Wandel voran und ermöglichen ihn!
Das Topmanagement steht in der Verantwortung für die Erneuerung und muss sich selbst in die Pflicht nehmen. Die Prozessenergie, um die stetige Erneuerung in Schwung zu halten, kann auf Dauer nur von der Spitze kommen. Topmanager müssen sich als Promotoren der Evolution sehen und verhalten. So sehr das Empowerment unterer Ebenen, das Aktivieren und Mitmachen der Unternehmungsbasis, für den Wandlungserfolg benötigt wird: Letztlich verebbt jede Initiative ‚von unten‘, wenn sie ‚von oben‘ nicht aufgegriffen und gefördert wird. Kontinuierliche Weiterentwicklung einer Unternehmung beruht auf einer Stimulierung und Kanalisierung vielfältiger Impulse. Hierfür sind geeignete Voraussetzungen zu schaffen. Topmanager sind in dem Zusammenhang
411
11
Agenda für das Wandlungsmanagement
Enabler eigendynamischer Veränderungen, die zum geplanten Wandel hinzutreten. Kühne und visionäre Führung wird in jedem Fall ebenso benötigt wie nüchternes, beharrliches und effizientes Management. Symbolisches Management und glaubwürdige Vorbildfunktion sind genauso gefragt wie das Setzen klarer Ziele und die Gewährung leistungsund wandlungsbezogener Anreize. Unterstützt wird eine solche Führung durch Authentizität und persönliches Engagement der verantwortlichen Manager. 7.
Veränderung organisieren, Organisation verändern!
Der Erfolg einer strategischen Erneuerung hängt auch von der geeigneten Organisation ab – dies in doppelter Hinsicht. Zum einen geht es um eine effiziente Organisation des Vorhabens selbst. Die Binnenorganisation der Programme und Projekte sowie ihre organisatorische Kopplung mit der Primärorganisation sind zu gestalten und zu steuern. Zum anderen steht die Umgestaltung der vorhandenen Unternehmungsorganisation zu einer flexiblen, entwicklungsfähigen, lernenden Organisation auf der Tagesordnung. Es gilt, Strukturen und Prozesse so auszugestalten, dass sie kontinuierliche Verbesserungen begünstigen und hervorbringen. Das Vorstellungsmodell einer evolutionsfähigen Unternehmungsorganisation ist nicht die ‚Pyramide’, sondern der ‚Gegenstrom’. Zu seiner Ausgestaltung gehört auch die Ermöglichung und Nutzung virtueller Kooperationen, dies sowohl intern wie extern. Der physische Workplace wird ergänzt durch den virtuellen Workspace, in dem sich Teams und Communities, Kunden und Lieferanten treffen. 8.
Methoden, Techniken und Tools einsetzen!
Die besten strategischen Absichten und das beste Programm- und Projektmanagement bleiben letztlich kraftlos, wenn geeignete Methoden, Techniken und Instrumente fehlen oder wenn diese nicht bzw. nicht richtig eingesetzt werden. Rückgrat des methodischen Vorgehens ist die Bestimmung der einzelnen Wandlungsphasen und -aufgaben und deren Abfolge. Das 3W-Modell liefert hierfür einen fünfphasigen Vorgehensplan. Die in den einzelnen Phasen anfallenden Aufgaben lassen sich wirkungsvoll unterstützen. Besonders markant sind die Instrumente der Kommunikation und des Control-
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lings, aber auch die verschiedenen Denkwerkzeuge (Tools), derer sich der Wandlungsmanager bedienen kann. Die Qualität des Wandlungsmanagements zeigt sich in der gezielten Auswahl und Kombination sowie der gekonnten Anwendung der Instrumente. Das gleiche gilt im Übrigen für die Verstetigung des Wandels. Manager, die zu Recht für sich in Anspruch nehmen wollen, erfolgreich zu sein und professionell zu arbeiten, müssen sich eine ‚instrumentierte Evolution‘ in ihr Pflichtenheft schreiben. 9.
Erneuerungsprozesse orchestrieren!
Der Erfolg einer strategischen Erneuerung beruht nicht darauf, dass man einzelne Hebel als Erfolgsfaktoren bewegt oder verschiedene Zutaten nach einem fertigen Rezept zusammenmischt. Das 3WModell als Bezugsrahmen dieses Buches und die darauf aufbauenden Kapitel zeigen, welche Faktoren und welche Wechselwirkungen das Wandlungsgeschehen ausmachen. Keine noch so ausgefeilte theoretische Aussage und kein Fallbeispiel kann allerdings das eigene Nachdenken der Wandlungspromotoren ersetzen. Die Anwendung allgemeiner Erkenntnisse auf den jeweiligen Einzelfall und das ‚Customizing‘ der verschiedenen Komponenten ist ihre originäre Aufgabe. Und wie sich ein guter Koch von einem durchschnittlichen durch eigenständige Kreationen unterscheidet, so wird sich auch ‚Excellence in Change‘ an der positiven Abweichung vom Durchschnitt erkennen lassen. Wenn es dabei überhaupt so etwas wie ein Erfolgsgeheimnis gibt, dann liegt es wohl noch am ehesten darin begründet, dass es gelingt, die verschiedenen Elemente des Geschehens miteinander in Verbindung zu bringen und aufeinander abzustimmen. Die Gesamtwirkung und damit der Erfolg resultieren aus dem Zusammenklang der Einzelelemente, aus ihrer Orchestrierung also. 10. Just do it! Die vielen Hinweise, Ratschläge und Empfehlungen dieses Buches speisen sich aus theoretischen Einsichten ebenso wie aus praktischen Erfahrungen. Ein kritischer Leser mit einschlägiger Managementpraxis sollte sich an vielen Stellen bestätigt fühlen. Leser, denen diese Erfahrungen fehlen, sollten aus dem Text und den vielen Beispielen Anwendungshilfen entnehmen können.
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Wer den Text reflektierend studiert, wird immer wieder auf Aussagen stoßen, die unmittelbar einleuchten, selbstverständlich erscheinen oder gar schlicht wirken. Für die Interpretation dieser Leseeindrücke sei hier abschließend noch ein Hinweis gegeben: Wenn man sich – wie die Autoren dieses Buches – über Jahre hinweg nach Kräften bemüht, ein hochkomplexes Problemfeld zu durchdringen, dann tauchen allmählich hinter der Fülle der Details klarere Konturen auf. Und zum Ende hin stößt man immer wieder auf ganz einfache Erkenntnisse und Regeln. Es gibt keine Wundermittel oder Geheimrezepte. Vielmehr gelten die Grundregeln des Geschäftslebens und des Common Sense (‚gesunder Menschenverstand’); dies auch für Excellence in Change. Sie lassen sich auf Dauer nicht ungestraft ignorieren. Da sie aber gelegentlich in Vergessenheit geraten, folgt dieses Buch der Regel: „Das ist selbstverständlich und muss daher besonders betont werden“. Letztlich kommt es allerdings immer darauf an, den Einsichten und Worten Taten folgen zu lassen. Auch dies ist nur scheinbar eine Selbstverständlichkeit und muss daher hier hervorgehoben werden. In absolut unübertrefflicher Weise hat es seinerzeit Erich Kästner ausgedrückt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ – Just do it!
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Autorenverzeichnis KRÜGER, PROF. DR. WILFRIED 1964 - 1968 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität München und der FU Berlin, 1971 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Freiburg i.Br., 1975 Habilitation, 1978 1985 Lehrstuhl für Betriebsführung an der Universität Dortmund, seit 1985 Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung und Organisation (OFP), an der Justus-LiebigUniversität Gießen. Prof. Krüger ist Gesellschafter der EICPARTNER Unternehmensberatung. BACH, PROF. DR. NORBERT 1988 - 1994 Studium an der TU Darmstadt und am Trinity College Dublin. Promotion (1999) und Habilitation (2007) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit 2008 leitet er das Fachgebiet Unternehmensführung und Organisation an der TU Ilmenau. Praktische Erfahrung im Change Management sammelte Prof. Bach in den Jahren 1999 - 2000 als Managementberater der CSC PLOENZKE AG. Zudem ist er Gesellschafter und seit 2007 Geschäftsführer der EIC-PARTNER Unternehmensberatung, Gießen. BECKER, DR. LARISSA Dipl.-Kff., war von 1997 - 2001 wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl OFP und hat mit einer Arbeit zum Thema „Personalabteilung im Unternehmungswandel – Anforderungen, Aufgaben und Rollen im Change Management“ promoviert. Von 2001 - 2004 war sie Managementberaterin bei der PLURALIS AG mit den Schwerpunkten Organisations- und Personalberatung. Seit 2004 arbeitet sie im zentralen Personalbereich des GOTHAER Konzerns als Projektmanagerin Strategische Instrumente. BREHM, DR. CARSTEN R. Dipl.-Kfm., war von 1998 - 2003 wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl OFP und betreute als Forschungsassistent der SGO das Projekt „Excellence in Change“. Promoviert hat er 2003 mit einer Arbeit zum Thema „Organisatorische Flexibilität der Unternehmung“.
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Es folgte eine Tätigkeit als Managementberater bei der EICPARTNER Unternehmensberatung in Gießen, wo er auch heute noch als Gesellschafter und Berater aktiv ist. Seit 2006 ist Dr. Carsten Brehm Professor für Personal, Unternehmensführung und Organisation an der Dualen Hochschule BadenWürttemberg in Ravensburg. HACKMANN, SVEN Dipl.-Kfm., von 2002 - 2007 wiss. Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl OFP mit den Forschungsschwerpunkten: Unternehmungswandel, Organisation, Unternehmungsintegrationen, Post Merger-Management. Derzeit promoviert er mit einer Arbeit zum Thema „Post Merger Integration – Gestaltung der Organisationsintegration“. HOMP, DR. CHRISTIAN Dipl.-Kfm., war von 1995 - 2000 wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl OFP und hat zum Thema „Aufbau und Entwicklung von Kernkompetenzen“ promoviert. Er war bis 1997 Forschungsassistent der SGO und ist Mitautor des Buches „KernkompetenzManagement“ (Wiesbaden 1997). Von 2000 - 2005 arbeitete er im Bereich ‚Corporate Strategy and Development’ der SCHOTT AG in Mainz als ‚Project Manager’. Von 2005 - 2007 war er als Projektleiter in der Unternehmensentwicklung von THYSSENKRUPP MATERIALS EUROPE tätig. Seit 2007 ist Dr. Homp selbstständiger Buchhändler. JANTZEN-HOMP, DR. DIETGARD Dipl.-Kff., war von 1995 - 1999 wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl OFP und hat mit einer Arbeit zum Thema „ProjektportfolioManagement – Multiprojektarbeit im Unternehmungswandel” promoviert. Sie ist seitdem freiberufliche Dozentin bei der Bankakademie e.V., Frankfurt und Lehrbeauftragte der FH Wiesbaden. PETRY, DR. THORSTEN Dipl.-Kfm., war von 2003 - 2006 wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl OFP und hat mit einer Arbeit zum Thema „Netzwerkstrategie –
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Kern eines integrierten Managements von Unternehmungsnetzwerken“ promoviert. Nach Beratungstätigkeiten bei ACCENTURE und EIC-PARTNER vor und während der Promotion arbeitet er seit Juni 2006 als Strategy Consultant bei CAPGEMINI CONSULTING. STEINHAUS, HENRIK Dipl.-Kfm., von 1999 - 2001 Mitarbeiter bei der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR MITTELSTANDSBERATUNG GMBH, danach kaufmännischer Geschäftsführer einer mittelständischen Elektronikunternehmung. Seit 2005 Geschäftsführer der EIC-PARTNER Unternehmensberatung, Gießen. Externer Doktorand am Lehrstuhl OFP mit den Forschungsschwerpunkten Unternehmungskrisen und Mitarbeiterkapitalbeteiligungen.
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Stichwortverzeichnis
Stichwortverzeichnis 3M ........................................177 3W-Modell ......................27, 36 Abbau ............................ 60, 278 Abfindungen .............. 281, 284 Aktivierungssituation ............. .......................... 209, 211, 322 Akzeptanzaufbau...............208 Altersteilzeit ............... 280, 281 Anreiz-Beitrags-Konstellation ..........................................170 Anreizsystem............................ .................. 189, 300, 302, 304 Arbeitsgruppen ..................235 Arbeitszeitverkürzung ......280 Atreus Interim Management...... ..........................................185 Audi................................ 97, 140 Aufbau........................... 62, 125 Aufhebungsvertrag.................. .......................... 281, 287, 302 Authentizität.......................147 Balanced Scorecard.................. .................... 99, 300, 364, 400 Basisprojekte...................79, 86 Bayer......... 35, 65, 141, 179, 180 Berater .................................187 Bertelsmann.................. 107, 130 Beteiligungskonzept ..........398 Betriebliches Vorschlagswesen ...............................179 Betriebsübergang ...............291 Betroffenheitsanalyse .............. .................................. 162, 382 Beziehungspromotor .........164 Bilfinger Berger ......................52 BLG Logistics Group ............139 BMW ............................ 129, 179
Booz Allen Hamilton.... 156, 184 Capgemini ................ 57, 81, 147 Change 2.0 .......................... 104 Change Agent............. 247, 391 Change Management .......... 63 Change Requests ............... 359 Chief Restructuring Officer.... .......................................... 185 Collaboration.............. 102, 178 Commitment ...................... 392 Communities of Practice......... .................................... 33, 108 Compatibility-Matrix ........ 395 Competing Commitments...... .................................. 225, 227 Controlling ............................... ............ 43, 123, 342, 343, 362 Daimler AG.......................... 108 DaimlerChrysler... 123, 173, 362 Dannemann.......................... 180 Dell....................................... 106 Deutsche Bahn ..................... 286 Deutsche Bioenergie AG ...... 185 Deutsche Post....................... 286 Deutsche Post World Net..... 345 Deutsche Telekom ................. 286 Diversifikation ................... 122 Doppelmayr.......................... 107 Dresdner Bank...................... 282 Dynamic Capabilities.......... 34 Ebay........................................ 54 EiC-Barometer............ 374, 385 EiC-Matrix .................. 374, 389 Einflussmanagement............... ...................... 24, 69, 149, 170 Einflusssysteme ................. 163 Einigungsstelle................... 284
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Stichwortverzeichnis
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Einstellungen ......166, 296, 298 Einstellungsakzeptanz ............ ....................................30, 204 Einwegkommunikation.....317 Eisbergmodell des Wandels.... ..........................................161 E-Learning...........................295 Emergenz ............................178 Emotionenmanagement ....168 Enabler des Wandels ............... ...... 23, 40, 149, 177, 298, 386 Enabling-Prozess........175, 178 Energie korrosive..........................222 produktive.......................223 Enterprise 2.0 ......................104 Erfolgsposition .....48, 120, 124 Erfolgspotential ....48, 121, 124 Ergebnisverantwortung ....254 Evolutionsmodell...........24, 25 Externe Berater ...................187 Fachpromotor .....................164 Fähigkeitsbarrieren............295 Fiat................................129, 131 Flexibilität ...................267, 304 Fluktuation..........................279 Folgeprojekte ........................79 Follow Up-Controlling......399 Ford.......................................131 Führung.......................149, 150 Führungsdefizite ................182 Führungskultur ..................304 Führungssysteme...............300 Führungsverantwortung...254 Gegenstrom.............92, 98, 245 deduktiv-visionsgeleitet...... ..........................................137 induktiv-fähigkeitsgeleitet.. ..........................................137 -verfahren................176, 181
General Electric .................... 142 General Motors..................... 129 Geschäftsmodell................... 51 Gestaltungsempfehlungen (organisatorische) .......... 270 Glaubwürdigkeit ............... 147 Goldmann Sachs................... 173 Gothaer Lebensversicherung ...... .................................. 290, 301 Hasbro .................................. 139 Henkel..................................... 27 Hochtief .................................. 52 Human Resource Management........................... 42, 277 IBM ...................................... 110 Ideenmanagement ............. 178 Identität............................... 201 IdW-Standard ....................... 89 Implementierung ..................... .......... 146, 159, 171, 176, 370 Bottom up ............................. .................. 175, 216, 292, 356 direktiv ............................ 172 nondirektiv ..................... 175 Top down .............................. .......... 172, 210, 215, 292, 356 Initialisierung ............... 70, 320 Innocentive.com.................... 107 Innovationen von Kompetenzen.......... 136 von Produkten................ 134 von Prozessen................. 135 Innovation-JAM ................. 110 Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) .................................. 89 Institutionalisierung des Wandels............................. 98 Interessenausgleich ........... 284 Interim-Management .............. Siehe Management auf Zeit
Stichwortverzeichnis
Internes Unternehmertum...... ..........................................181 Kernkompetenz....................35 Kernprodukt.......................128 Kernprozesse ......................136 Kernteam.............................252 Key Player-Analyse ...........391 Koevolution ..........................22 Kommunikation ....................... .... 43, 288, 310, 312, 315, 372 Controlling......................327 Formen .... 312, 318, 325, 333 Instrumente..... 326, 330, 390 Konzept ...........................321 Strategie...........................317 Konfiguration .......................84 Konzentration.....................122 Konzernumbau ....................50 Konzipierung........ 73, 321, 382 Kooperationsprofil.............384 Kosten der Entwicklung im Wandel.............................355 transparente....................350 verdeckte .........................350 Kostenrechnung .................352 Kostenschätzung................352 Krise......................... 31, 63, 153 Kündigung..........................282 Kündigungsschutzklage ......... .................................. 281, 284 Kurzarbeit ...........................278 LBK Hamburg.......................141 Lebenszyklen.............. 124, 142 Leistungsziele.....................341 Lenkungsausschuss ...........251 Linde .....................................141 Loewe ............................ 126, 132 M&A-Vorhaben....................91 Macht........... 163, 164, 182, 210
Machtpromotor.................. 164 Makroanalyse..................... 136 Management der Humanressourcen .... 41 Dilemma- .................. 22, 189 von Bewusstseinslagen ....... .................................... 69, 171 von Gegensätzen............ 152 von Paradoxien ................ 22 von Sachfragen......... 69, 170 Management auf Zeit.............. .................................. 157, 184 Markenaufbau.................... 132 Marktorientierter Ansatz.. 120 McKinsey ............................. 104 Mentale Modelle .. 41, 200, 311 Microsoft .............................. 107 Mikroanalyse...................... 136 Mitarbeiterprofile .............. 401 Mittleres Management............ ...................... 40, 96, 175, 302 Mobilisierung............... 75, 325 Motivation .................. 217, 287 Motorola ............................... 181 Multiprojektmanagement. 243 Musterbrecher ...................... 23 Nestlé.................................... 189 Öffentliche Verwaltung....... 58 Opel ...................................... 296 Opponenten.............................. ............ 71, 206, 207, 211, 302 Orchestrierung ................... 156 Organisation des Wandels...................... 42 wandlungsfähige ........... 265 Organisationale Energie ... 221 Organisationales Lernen... 178 Organisatorische Fähigkeiten ............................ 33, 178, 305 Organizational slack.. 177, 267
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Stichwortverzeichnis
Oticon ...................................137 Otto-Versand ........................106 Outplacement .....................288 Outsourcing ........................140 Pacing ............................25, 155 Partizipationsergänzter Generalplan..............................174 Personal -auswahl ..................294, 303 -beschaffung ...290, 293, 294 -einsatz.............................292 -entwicklung...................304 -freisetzung .....278, 290, 298 -führung ..........................297 -versetzung .............289, 291 Persönlichkeit .....................147 Planspiele ............................296 Plattformstrategien ............140 Portfolio an Geschäften .................120 von Positionen/Potentialen . ..........................................124 Proaktivität .............26, 28, 127 Problemerkennung ............212 Problemlösung (integrierte) ... ..........................................139 Procter&Gamble ...................106 Produktdifferenzierung ....131 Programm -Büro ................................259 -leitung ............................252 -Management......42, 84, 243 -organisation...........251, 265 -unterstützungseinheiten .... ..........................................254 Projekt -arbeit.................................34 -controlling......................342 -leiter................................253
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-management........................ ...................... 34, 42, 100, 236 -prozesse ........................... 84 -team................................ 253 Promotoren des Wandels........ 23, 40, 71, 149, 164, 205, 207, 220, 251, 297 ProSiebenSat1-Gruppe ......... 130 Prosument..................... 55, 103 Prozesspromotor................ 164 PSA ...................................... 131 Reaktivität..................... 26, 127 Reformstau ......................... 156 Remodellierung ................... 57 Renault ................................. 131 Reorientierung ..................... 57 Responsibility-Chart ......... 397 Ressourcenorientierter Ansatz .......................................... 121 Restrukturierung ................. 56 Retention Management..... 220 Revitalisierung ..................... 57 Risikomanagement............ 358 Rollen -erwartungen .................. 148 -spiele .............................. 296 -verhalten ........................ 146 Routinen................................ 33 Sabbaticals .......................... 278 Sanierungsfälle................... 185 Sanierungsvorhaben............ 89 Sanktionen .......................... 302 Schäper Sportgerätebau........ 138 Schering.................................. 66 Schichtenspezialist (‚Layer Player’) .............................. 52 Sekundärorganisation ....... 234 Siemens................................. 142 Sozialauswahl............. 282, 283
Stichwortverzeichnis
Sozialplan............................284 Sozialziele ...........................341 Sponsoren ...........................246 Stakeholderanalyse.... 162, 379 Strategie.................................39 Strategisch.............................48 Strategische Erneuerung......... .............................. 21, 50, 134 Begriff ................................48 Ebenen ..................... 120, 142 Strategische Imperative.....152 Strategische Optionen Entwicklung............ 123, 134 Ergänzung............... 123, 125 Fokussierung .. 122, 140, 141 Konzentration.................126 Normstrategien ..............124 Präferenzierung.................... .......................... 122, 125, 131 Rückzug .................. 122, 126 Transfer.................................. .. 123, 125, 127, 128, 129, 130 Supply On ............................105 Swarowski.............................107 SWOT-Analyse ...................376 Telefonica (O2).......................107 Threadless .............................103 Timing .................................153 Toolbox .......................... 44, 371 Tools.....................................370 Topmanagement ...................... 40, 146, 177, 183, 189, 209, 216, 219 Topmanagementwechsel ..183 Toyota ........... 128, 129, 131, 135 Trägheit angenehme......................222 resignative.......................222 Transfersozialplan..............285 Transformation....... 21, 68, 284
Trumpf.................................. 136 Übergangsstadien................ 68 Umbau........................... 61, 131 Umbruchsmodell........... 24, 25 Umsetzung ........... 78, 327, 395 Unternehmungsentwicklung . ............................................ 68 Unternehmungskultur 57, 304 Unternehmungsstrategie .... 39 Unternehmungswert......... 341 Untersuchungsgegenstand..... .......................................... 375 Veränderungsleistung....... 341 Veränderungsmanager ..... 247 Verhalten..................... 296, 298 Verhaltensakzeptanz ............... .................... 30, 149, 165, 204 Verhaltenssteuerung ......... 205 Vermaschung...................... 245 Verstetigung ............................. ...... 81, 93, 300, 303, 329, 399 Virtuelle Kooperationen ... 175 Virtueller Workspace......... 103 Vision .................................. 150 Voith-Gruppe.......................... 27 Volkswagen ........................... 133 Vorbildfunktion ................. 148 Vorruhestandsmodelle............ .................................. 280, 281 Wandel emergenter.................. 24, 94 intendierter ....................... 23 reproduktiver ................... 50 Stoßrichtungen................. 60 transformativer ................ 50 Wandlungsbedarf .................... .............. 28, 71, 156, 196, 376 Wandlungsbereitschaft ........... ............ 30, 156, 161, 168, 296
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Stichwortverzeichnis
Wandlungscontrolling.......340 Wandlungsergebnisse .........82 Wandlungsfähigkeit ................ 32, 156, 177, 188, 267, 295, 386 Wandlungsimpulsanalyse 378 Wandlungskonzept........74, 85 Wandlungsmanagement .....36 Komponenten ...........36, 156 Koordinaten ....................156 Wirkungszusammenhänge. ............................................37 Wandlungsplattformen .....234 Wandlungsprogramm .........50
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Wandlungsprozess .. 37, 38, 69 Wandlungsradar ................ 400 Wandlungsziele.................... 73 Web 2.0 ........................ 102, 178 Wellenschema............... 94, 175 Wert -kette .................................. 51 -netz ................................... 53 -ziele ................................ 341 -zyklus ............................... 52 Workshops .......................... 234 Zeitarbeit............................. 187 Zielvereinbarung ............... 300