Im Weltraum hört niemand Deine Schreie ...
Am anderen End e unseres Sonnensy st ems gesch ieht auf der Raumstation Au...
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Im Weltraum hört niemand Deine Schreie ...
Am anderen End e unseres Sonnensy st ems gesch ieht auf der Raumstation Auriga das scheinbar Unmögliche - Ellen Rip ley , die sich selbst im Kampf gegen das Al ien auf der Strafkolonie Fiorina 361 geopfert hatte, erwacht zu neuem Leben! Doch die neue Chance ist für Ripley alles ander e als ein G e schenk des Himmels. Schn ell merkt sie, daß mit ihr et was nicht stimmt - ihr Körper ist st ärker und zäher, als er es je zuvor gewesen ist . Und dann muß sie sich einer nervenzerreißenden Heraus forderung st ellen, d ie al les bisherige weit übertrifft - denn nicht nur Ripley ha t überlebt ... Der Roman zum neuen Alien Film mit Sigourney Weav er und Winona Ryder! Dieses Buch ist Sigourney W eaver gewidmet, a ls Dank dafür, daß sie eine bewundernswerte Action und Abenteuerheldin geschaffen hat. Schließlich war der erste >Held < auch eine Frau.
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Alan Dean Fo ster
ALIEN 4
DIE WIEDERGEBURT
Der Roman zum Film von A. C. Crispin nach dem Drehbuch von Joss Thedon
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
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HEYNE ALLGEM EINE REIHE - Nr01/20011
Titel der Originalaus gabe ALIEN RES URRECTION
Ins Deutsche übersetzt von Thomas Hag und Bärbel Deninger 2. Auflage
Re daktion: We rne r Baue r Copyright © 1997 by Twentie th Century Fox Film Corpora tion A ll rights rese rve d. Copyright © 1997 der deutsc hen Ausgabe by Wilhe lm He yne Verla g GmbH & Co. KG, Münche n Printe d in Germany 1997 Umschla gillustra tion: Copyright © 1997 by Twentie th Century Fox, mit freundlic her Gene hmigung de r Twentie th Century Fox of Ge rma ny Innenillus tra tionen: Suza nne Tenner © Twentie th Century Fox U mschla gges ta ltung: A te lier Ingrid Schütz, Münche n Sa tz: P inkuin Sa tz und Da tentechnik, Be rlin Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3453138937 4
Prolog Ein AlienInsekt! Vincent Dist ephano zuckte unwillkürlich zusammen. Wie zum Teufel ist es hier nach achtern in die Kommandokap sel gelangt? Er bewegte sich keinen M illimet er, während er das grotesk aussehende Wesen anst arrte. Die Augen des AlienKäfers waren riesig, viel zu groß für den Rest des länglichen, ekelh aften Kopfes. Die schmale ellip tische Regenbogenhaut schien sich um die Linsen herumzuwickeln, ein Zeichen dafür, daß es aus einer anderen, nichtt errest rischen Welt kam. Es blinzelte, und seine dur chsichtigen Lider flattert en dabei so schnell, daß Vinnie gar nicht erkennen konnt e, ob sie sich von oben nach unten oder umgekehrt bewegten. Vielleicht sogar von links nach rechts. Wenn die Lider still standen, waren sie nicht einmal zu sehen. Das Wesen blinzelte erneut - schnell, zwei- dreimal - und wandte den Kop f. Hatte es ihn bemerkt? O nein! Die Kiefern des Wesens öffneten sich drohend. Dünne Fäd en aus klarem, dickflüssi gem Speichel bi ldet en sich hint er den dünnen Lipp en, t ropften an den gefährl ich spit zen Zähnen herab. Viele Zähne! Die Lipp en zogen sich nach hinten, als übe das Wesen ein stummes, hämisches Grinsen. Dann bewegt e es sich langsam vorwärt s. Vinnie zwang sich, unbewegli ch sitzen zu bleiben und beo bacht et e, wie das M aul des Dings sich langsam öffnete und schloß. Ein Strang klebri gen Sp eichels trop fte auf den Boden. Wenn es eines von diesen Dingern bis hierher geschaff t hat, dacht e er, dann gib t es bestimmt no ch mehr davon. Vielleicht eine ganze verdammte Brut. Woher kommen diese Biester überhaupt? Und wie gelang en sie an Bord? 5
Spielte das eine Rolle? Dieses hier war jedenfalls da, in diesem Augenbl ick, no ch dazu in seiner Nähe, und das rei cht e ihm. Der Käfer kroch vorwärts und verharrte dann wieder. Seine Bewe gungen waren schnell, insekt enhaft , und sein Schwanz zuckte wie ein n ervöser Sensor. Konnt e er ihn sehen? War er überhaupt in der Lage, ihn wahrzunehmen? Funkt ionierten diese ri esigen Augen nach den bekannten Gesetzen, oder hatt en sie sich so entwickelt , daß sie Nahrung und Beute nur als Lichtquelle wahrnahmen? Ori ent ierte sich das Din g überhaupt eher nach Geruch oder Bewegung als nach visuellen Reizen? Der groteske, längliche Kopf des Alien wirbelte herum, als habe das Wesen Schwieri gk eit en, sich zu orientieren. Vielleicht lenkten es die blinkenden Licht er und die akt ivierten farbigen Linien auf d en Computerbildschirmen ab. Hoffentlich so sehr, daß sie das Ding davon abhielten, Vinnie zu ent decken. Das hoffte er jedenfalls. Er mußte schlucken. In diesem Augenblick flackerte einer der Beobacht ungs monitore und wechselte die Bilder in rasant er Abfolge. Das Ding wandte ihnen den häßlichen Kopf zu. Plöt zlich tauchte der Planet Plut o, der schweigend unter dem Schiff ruhte, in Nahaufnahme auf. Die Aufnahme zeigte, wie einer seiner kleinen Geysire ausbrach und flüssiges Nit rogen in die Luft sp uckt e. Die Helligk eit der Frostringe Plut os stellte trotz der eingesp renkelt en tiefrot en Stellen einen immer wieder verblüffenden Kont rast zur völligen Schwärze des Alls dar. Das Wesen schauk elt e mit dem Kopf und schien die planetarischen Aktivit ät en zu beobachten. Der Geysirausbruch erreicht e seinen Höhepunkt, während die Kamera immer näher heranging. Lautlos spuckt e der Krat er seinen Inhalt aus. Das außerirdisch e Ding wandt e sich nun vollkommen von Vinni e ab und kr abbelt e auf den Bildschirm zu, beweglich wie eine Sp inne. Jetzt! Schnell! Jetzt si eht es dich nich t! Vinnie st reckt e vorsichtig die Hand aus und li eß sie blitz schnell auf das Wesen n iedersausen. Als aus gebi ldet er Soldat 6
verfügte er über gute Reflexe. Ein schmat zendes Geräusch. Hab' ich dich, Mistkerl! Er hob die Hand und begutacht et e die zerdrückt en Überreste des Alien- Insekts, die an seinen Fingersp itzen klebten. Was zum Teufel war das wohl? Er schüttelte angewidert den Kopf. General Perez würde einen Schlaganf all kri egen, wenn er hörte, daß sich an Bord seines makellosen Schiffes, der Auriga, ein außerirdisch er Käfer tumm elt e, noch d azu in der Kom mando kapsel. War das hi er der einzi ge od er gab es noch mehr? Zwei genü gt en, um Tausende zu erzeugen. Sch eiße, bei man chen dieser Alien- Spezies reichte schon eins. Während er d en zerquetschten Käfer untersucht e, t rank der junge Soldat den Rest seines M ilchshakes aus und schluckte ein paar kleine Klump en nicht auf gelösten Pulvers mit hinunter. Mann, Perez würde auch einen Schlaganfall kriegen, wenn er wüßte, daß du während deines Dienstes was trinkst. Vinnie grinste. Ja, General Perez war ein Hundertp rozent iger, aber Vinnie hat te das Frühst ück verp aßt , und ohne irgendwas im Bauch würde er es nicht bis zum M itt agessen schaffen. Dienst in der Kommandokapsel war so ziemlich die l an gweili gste Tät igkeit, die es auf dem Schiff gab. Schlimmer war nur noch, mit knurrendem M agen in der Kap sel zu sitzen. Er zerdrückt e den Plastikbecher und steckte ihn in seine Ta sche. Dann nahm er den dazugehörigen breiten Strohhalm und stocherte damit in der Käfermasse herum. Der längliche Kop f war noch sichtbar, ebenso di e winzigen, aber bösart ig wirkenden Zähne. Puh, was für ein häßlicher Hundesohn. Wie bist du nur an Bord gekrabbelt? Du mußt aus einer dieser inoffiziellem Lieferungen des Generals stammen, aus irgendei ner obskuren Kolonie am Rande der Grenze. Nicht daß i ch's wissen wollte! Wenn man als einfacher Soldat auf einem Top-Secret Schiff 7
stationiert war, das um das Gravitationszentrum von Plut o und Charon - also mit anderen Worten in der beschissenen M itte von Nichts - kurvte, dann lernte man schnell, nicht s zu fragen und nichts zu erzählen. Das einzige, was Vinnie in d iesem endlos scheinenden D ienst jahr an Bord der Auriga gel ernt hat te, war die Tatsache, daß auch ein Top-Secret Job so ziemlich das Ödest e war, womit man einen Soldat en strafen konnt e. Hier passiert e nichts, niemals! Dafür sorgte schon General Perez, mit seinen unzähligen Inspektionen, mit seinem >Alles muß sauber wie geleckt sein< Tick. Jedes kl einste M aschinent eil, jeder Computerchip, jeder Knopf auf der Auriga war neuester Standard, glänzend poliert und perfekt inst and gehalt en. Auf diese Weise konnte einen nicht einmal ein t echnisch er Defekt von seiner Langewei le erlösen. Nun, in drei M onaten hatt e Vinnie es geschafft. Und wer ein erfol grei ches Dienstjahr auf einem Top-Secret Schiff vorweisen konnte, der hatte danach die freie Auswahl, was den Dienst anbet raf. Aber mein nächster wird garantiert ein bißchen unterhalt samer als dieser hier. Vielleicht auf dem Außenposten von Rig el. Da ist was los, da geht die Post ab. Nicht wie auf dieser Beerdigung h ier. Er inspizierte das Insekt erneut und schob die Einzelteile mit dem Strohhalm auseinander. Das zumindest hatt e etwas Lächer liches - den Krieg gegen die Insekt en konnt e d ie saubere Auriga nicht gewinnen. Vinnie war nicht daran gewöhnt, krabbelndes Leben im All zu sehen. Natürlich war das M ilitär seit jeher dafür berüchtigt, auf jedem seiner Wege ir gend ein Gewürm mit zu schlepp en, angefangen von den Ratten und Fliegen in der Ladung und den Nahrungsvorrät en an Bord der alten Holzschif fe. Im zwanzigsten Jahrhundert war mit Kisten voll er Fracht, Nahrung und Waffen die braune Baumschlange auf die Inseln 8
des Südp azifiks gelangt und hatte für die Ausrott ung ganzer Vogel arten gesorgt. In den ersten Tagen der Kolonisat ion des Alls waren mit angeb lich sterilisierter, vakuumv ersiegelter und gefrier getrockneter Nahrung ganze Armeen der gemeinen Küchenschabe in die erste M ars-Kolonie abgesetzt worden und hatten dort eine fast alles vernichtende Seuche aus gelöst. Aber heutzutage sor gt en die Verhältnisse in den Frachträumen dafür, daß keiner der kleinen Bastarde mehr überlebte, und eigentlich gab es das Problem nicht mehr. Nur noch auf der Auriga. Angefangen von d en M oskit os, die bei irgendeinem Laborexperiment entkommen waren und bis heute an den selt samsten Ort en auftaucht en, über die Spinnen, die nach einer d er inoff iziell en Lieferungen überall herumli efen, bis hin zu dem ein oder anderen seltsamen Insekt , wie dem, das er gerade zerquet scht hatte. Das riesige Schiff schien ein einziges Sammellager für Insekten zu sein! Es schien, als hätt en es sich die n ieder en Leb ensformen der Galaxis zur Aufgabe gemacht, Gener al Perez zu zei gen, daß er M utt er Natur nicht beherrschen konnt e, egal welchen Ran g er h at te, egal wie wichtig seine geheimen Operationen hier an den Grenzen des Solarsystems auch waren. Vinnie strich die Überreste des Käfers, aus denen immer noch Blut und Speichel trop fte, in den Strohhalm und üb erlegt e, ob er den >Fund< melden sollte. Eigentlich ver lan gt e es d er Gener al so. Es trieb den Alt en fast in den Wahnsinn, daß un gebetene Gäst e sein makel loses Schiff aufsucht en. Er wollt e, daß jeder einzelne Käfer gefangen wurde, mö gl ichst lebendig, dam it er >klassifiziert< werden konnte, um seine Herkunft zu klären. Vinnie dachte an den Pap ierkram und an die Fragen. Und all dieser Aufwand wegen eines blöden Käfers. Er betrachtete das Ende des St rohhalms. Von wegen! Er st eckte den Strohhalm in den M und, zielt e auf das glasklar e Sichtfenster der Kommandokap sel und blies kr äftig h inein. Die 9
Insektenmasse klatscht e gegen die Sch eibe und b lieb dort haften, wie eine M ücke, die an der Windschutzscheibe eines Landfahrzeugs klebt . Vinn ie l achte. Und das, mein Junge, war der Höhepunkt dieser unend lich en Schicht! Er ließ seinen Bl ick über die Komm andokonsole und di e Bildschirm e gleit en. Alles ruhig. Sehr ruhig. St erbenslangwei lig. Selbst der Gey sir sp uckt e nicht mehr. Der Soldat seufzte, kratzte sich den fast kahl geschorenen Kopf und bemüht e sich, nicht die Sekunden auf der Uhr zu zählen, bis seine Schicht vorüber war. Vielleicht t auchte ja noch mal ein Käfer auf und verschafft e ihm etwas Abwechslung. Er fr eute sich schon darauf.
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l.
Dr. M ason Wren durcheilte mit energisch en Schritten den Flur, der zu seinem Haup tlabor führte. General Perez hatt e ihn mitt en beim Frühstück zu einer unerwart et en Besp rechung gebeten, und die 23 M inuten, die er dadurch verloren hatt e, wirkten sich nun äußerst unangen ehm auf den Zeitplan des Wissenschaftlers aus. Zum Glück konnte Wr en sich auf seinen M it arbeit erst ab verlassen. Sie kamen p ünktlich, starteten die morgendlichen Program me, überp rüft en die Ergebnisse der Nacht schicht und konnten ihn über den gegenwärtigen Stand des Experiments unterricht en. Gewohnheit smäßig checkte er den an seinem Revers ange brachten Pager. Kein e Nachricht en. Vat er - oder besser gesagt die künstliche männliche Stimme des Supercomputers, der die Lebenserhaltungs, die wissenschaftlichen und alle and eren wichtigen Systeme auf der Auriga steuerte - würde ihm Be scheid sagen, wenn es ir gendwelche Neui gkeit en gab. Und keine Nachrichten waren immer gute Nachrichten. Als Perez ihn zu sich bestellt hat te, hatt e er Ärger erwartet, irgendwelch e neuen Probleme. Aber der Alte wollte ihn ledig lich auf ein paar Arbeit sdetails aufmerksam machen, damit er sicher sein konnt e, daß sein Chefwissenschaftler auf dem laufenden war. Zwei Wochen war en ver gan gen, ohne daß er mitt en in der Nacht ins Laborat orium geruf en worden war, und Wren hatt e den p lötzlichen Fort schrit t mit Genugtuung r egist riert . Vielleicht hatt en sie endlich den Durchbruch geschafft. Der schlanke Wissenschaftler mit dem leicht schütt eren Haar näherte sich den Labortüren mit sein em üblichen schnellen Schritt . Die beiden bewaffneten So ldat en, die dort Wache standen, registrierte er k aum. Sie waren fast unsichtbar für ihn, ein Teil der Einrichtung wie die M öbel oder di e Niet en an den Druckluft türen. Zwar wußt e er, daß die Soldaten alle vier 11
Stunden ausgetauscht wurden, doch kamen sie ihm alle identisch vor, mit ihrem st arren Blick, dem ausdruckslosen Gesicht, der olivfarbenen Panzerung und den schweren Waff en, die si e st et s entsichert bei sich trugen. Schwarz, weiß, braun, M änner, Frauen, für Wren sahen sie alle gleich aus. Si e waren eben Soldaten, weit er nichts. Er und sein Team waren Ärzte, also Wissenschaft ler. Vom einfachsten M echaniker bis hin zu ihm dient e sein Team einem höheren Ziel: der Erweiterung des Wissens, dem Fort schrit t der M enschheit, der Verbesserung der Lebensbedin gun gen. Die Soldaten erfüllt en nur den ein en Zweck, Wren und seinem Team zu helfen, ihre Ziele zu errei chen. Sie alle - Soldaten und Wissenschaftler - gehörten zum M ilitär, aber für Wren war k lar, wer von beiden wert voller war. Die Türen öffneten sich laut los und gaben ihm den Weg ins Hauptlabor frei. Als er an den beiden Wacht post en vorbeiging, stellte er amüsiert fest , daß sie nicht nur gleich aussahen, sondern auch ihren Kaugummi im gleichen Takt kauten. Wie Roboter. Nein, nicht wie Robot er. Damals, als es sie noch gab, hatten Roboter relativ individuelle Ei genschaft en gehabt. Hinter ihm schlossen sich die Türen so lautlos, wie sie si ch geöffnet hatten, und damit hatte er die Sold at en schon wieder vergessen. Wie zu erwarten, war sein Team bereit s vollzählig versammelt , emsig bei der Arbeit, im Dienst e der Wissenschaft. Und dieses Labor war dafür der perfekt e Ort. Hier gab es nur das Best e von allem, die best en App arat e, die best en Programme und die besten M itarbeiter. Die Resultate würden das beweisen. Wren kam an den erst en Arbeit sp latz und beobacht et e di e Bildschirm e. Er verfolgte die r asch wechselnden Datenmuster und registriert e zufrieden den Fortschritt, den sie anzeigten. Als er Dr. Carlyn Williams einen Blick zuwarf, lächelte si e ihm kurz zu. »Wir sind gut im Geschäft, Dr. Wren«, meldete sie strahlend. Er lächelte zurück. 12
»Ein schöner Start in den Tag, Carly n.« Er ging zum nächst en Platz und begrüßt e die Dokt oren M at t Kinloch, Yoshi Watanab e, Brian Clauss, Dan Sprague und die Doktorandin Trish Font aine. Kinloch hielt den Daumen hoch, und Wren wußte, daß er damit den erfol greichen Abschluß einer Testreihe meint e, die si e gest ern abend begonn en hatten. Der Projekt leit er erwiderte die Geste und ging weiter. Dabei fi el ihm auf, wie identisch er und sein Team gekleidet waren. Hellbraune oder olivfarbene Overalls, darüber die übli chen Laborkit tel. Er fragte sich, ob General Perez seine Leute genauso schlecht auseinanderhalten konnte wie er die Soldaten. Nachdem er einmal ganz herum gegangen war und sich d avon überzeugt hat te, daß alles gen au so war, wie er es haben wollt e fast zu schön, um wahr zu sein - wandt e er sich endlich dem Brutkasten zu. Dr. Jonat han Gediman, sein junger, dunkelhaariger, ehr geizi ger Assistent, wart et e bereit s auf ihn. Er sah so angesp annt aus, daß Wren befür cht et e, er würde gleich von einem Bein auf das andere hüpfen. Aber er konnt e es seinem Schützlin g nicht verübeln. Nach all dem, was er heute morgen b ereit s gesehen hatte, entwickelten sich die Dinge wirk lich aufs vort reffli chste. Doch nachdem sie schon so viel e Rückschläge hatten hinneh men müssen, sah Wren keinen Grund, sich zufrieden zurückzu lehnen. Es konnt e noch immer genu g schief gehen. »Sie haben auf mich gewartet«, sagt e Wr en zu seinem Assis tenten. »Ich weiß das zu schätzen.« Gediman nickte. »Ich hatte noch genug zu tun. M öchten Sie die Klein e jetzt sehen?« Wren unt erdrückte ein Stirnrunzeln. Es gef iel ihm nicht, daß Gediman dazu nei gt e, die Spezies zu personalisieren; es kam ihm nicht besonders professionell vor. Aber Gediman war ein derart guter Wissenschaftler und darüber hinaus so fleißig und loyal, daß Wren versuchte, über sol che Sp leens hinwegzusehen. »Sicher«, sagt e er. »Sehen wir uns die Spezies einmal an.« 13
Gediman drückte ein paar Knöp fe, und dann beobachteten sie, wie die Daten über den k lein en Bildschirm auf dem Brut kasten liefen. Der hohe M et allzy linder paßt e seine Temperatur an; kalte Dämpfe waberten an der Außenseit e. Langsam b egann sich die metallene Außenhülle zu drehen und zu heben, so lange, bis sie die Decke berührte. Dort blieb sie stehen. Das M etallgeh äuse öffnete sich aut omat isch und gab den Blick auf eine kleinere cry ogenische Röhr e frei, die etwa einen M et er lang und einen M et er breit war. Wren las die Dat en. Dauer und Verlauf der Inkubation, die Bestandteile des chemischen Wachstumsmediums, elektrische Stimulation der Zellen und ander e Informat ionen liefen in einem ständig auf den neuesten St and gebracht en Strom über den Schirm. »Da ist sie«, murmelt e Gediman mit sanfter St imme. Wren sah ihn auf merksam an. Gedimans Au gen war en weit aufgerissen, wie die eines Vaters, der zum erst enmal sein neuge borenes Kind sieht. Das wiederu m gef iel Wren. In vielerlei Hinsicht handelte es sich auch um Gedimans Kind. Gedi man, Wren, Kinloch, Clauss, Williamson - alle M itarbeiter in diesem Labor waren die Eltern dieser Sp ezies, und Wren ermutigte sie sogar, Beschüt zergefühl e zu entwickeln. Diese Art von besit zer greifendem St olz bracht e sie dazu, noch h ärter zu arbeiten, noch kreativer zu denken, mit einer Hingabe, die kein noch so hohes Gehalt hät te bewirken können. Wren mußte lächeln. »Sehen Sie sich ihr Gesicht an!« sagt e Gediman voll vät erli chem Stolz. Wren beobachtete die Spezies, die auf si e zuschwebt e. Sie wurde von einer gelatineartigen Flüssigkeit umgeben, in der sie ernährt wurde und her anwuchs. Zunächst schien die Spezies nicht mehr zu sein als eine v erschwommene M asse. In der klassischen Fötushaltung - und schon das allein kam einem wissenschaftlichen Wunder gleich - trieb sie näh er an das Glas heran und erlaubte Wren einen Blick auf das, was Gediman 14
gemeint hat te. Es war das Gesicht eines kleinen M enschen, eines hübschen M ädchens, und mit einem Schlag spürte Wren die gleiche Erregung, die Gediman er griff en hat te. Die Gesicht szüge hat ten sich bereit s so weit entwickelt , daß man ein individuelles Wesen erkennen konnte. Feines Haar schwebte in Form winziger Locken um den vollkommen geformt en Kop f herum und gab der Spezies etwas Geisterhaftes, als schwimme dort eine Art M eerjungfrau vor ihnen. Wren blinzelte und schütt elt e die Fantasien ab. Sein geschultes Auge untersucht e die verschi edenen Röhren, Kabel und Senso ren, die an der Sp ezies angebracht waren. Alles war an seinem Platz und erledigt e seinen Job, fütterte, überwachte und ließ die Spezies weit aus schneller wachsen und sich entwickeln, als die Natur es jemals beabsichtigt hatte. Aber Wren hat te sowieso nur wenig Geduld mit der Nat ur, wegen ihr er Lan gsamkeit, ihrer Fehler und vor allem wegen der unvorhersehbaren Überraschun gen, die sie immer wieder bereithielt. Sein e Aufgabe war es, der Natur vorauszueil en und sie nach seinen Bedürfnissen zu formen. Es sah so aus, als habe er es bald gesch afft. Er läch elt e, und seine Finger st richen fast zärtlich über die Außenwand des Brut kastens. »Sie ist wunderschön, nicht wahr?« fragte Gediman leise. Wren öffnete den M und, sagte aber ni cht s und nickte nur. Sie entwickelt sich auf jeden Fall besser, als wir zu hoffen wagen durften. Als die Sp ezies wieder d avontrieb, glaubte er zu sehen, wie die sich entwickelnd en Augen unt er d en Lidern rollten. Er fragte sich, ob es bereit s hell und dunkel unterscheid en konnt e. Und er fragt e sich, was es spürte, sofern es überhaupt et was spürte. Plötzlich wurde es hell, und sie schreckte au f. Im Hellen konnte man gesehen werden. Es war schwerer, sich im Hellen zu verstecken. 15
Ihr Körper krümmte sich zusammen. Die warme Nässe um sie herum bedeutete Sicherheit, aber vor dem hellen Licht hatte sie Angst. Chaotisch e Traumbilder flackerten durch ihr ungeform tes Bewußtsein. Die kalte Annehml ichkeit des Hyperschlafs. Der verzweifelte Drang, ihre Kinder zu beschützen. Die Stärke und der Zusammenhalt ihrer eigenen Art. Die Kraft ihres eigenen Zorns. Die Wärme und die Sicherheit des dampfenden Brutkastens. Die Bild er waren gleichzeitig ohne Bedeu tung und doch au ch bedeutungsvoll. Sie spürte sie au f einer Ebene, die wei t über das Bewußtsein hinausging, weit über alles Erlernbare. Sie waren ein Teil von ihr, ein Teil dessen, was sie gewesen war. Und sie waren ein Teil von dem, was sie nun wurde. Sie trieb in der weichen, beruhigenden Wärme dahin und versuchte, sich vor dem Licht zu verstecken. Und dann die Geräusche, murmelnde, ferne Geräusche, die nich t aus ihr kamen und andere, die aus ihr kamen. Die Klänge wogt en heran und ebbten ab, und auch sie bedeuteten nichts und gleichzei tig alles. Sie hörte die Geräusche von innen, darunter eine Stimme, di e stärker war als alles andere. Die Stimme, der sie stets zuhörte und an die sich so gern erinnert hä tte. Sie hörte ihr Flüstern: Meine Mami hat immer gesagt, daß es keine Ungeheuer gibt keine echten. Aber es gibt sie. Wenn sie nur wüßte, was das bedeutete. Eines Tages vielleicht ... Einen kurzen Augenblick nur gestattete sich Wren et was Wunschdenken, et was Hoffnung. Bald würden die ersten Bericht e erscheinen. Dann die Bücher, die Vorträge. Später kamen dann die Auszeichnungen. Dies war nur der Anfan g! Der Föt us trieb in dem m it Gel gefüllten Brutkasten, und Wren 16
mußte zugeben, daß Gedi man recht hat te. Er war wunderschön. Eine vollkomm ene Sp ezies. Sie dr ehte sich, und das gekrümmt e Rück gr at berührte sanft das Glas. Da sah er es, etwas, das vorher nicht dagewesen war. »Ist Ihnen das eigentlich auf gefal len?« fr agt e er Gediman so beiläuf ig, wie es ihm mö gl ich war. »Was ...?« stott ert e Gediman und st arrte auf den Rücken der Spezies. »Dort .« Wren deutete auf die Knospen auf beiden Seiten des Rückgr at s. »Diese vier St ellen dort. Genau dort , wo die Dorsal hörner sein sollt en.« Nun entdeckt e Gediman sie auch. Er runzelt e die St irn. »Glauben Sie et wa, daß sie beginnt, Abnormit ät en zu entwi ckeln?« Wren schüt telte den Kop f. »Wir beobachten sie. Es könnte der Beginn eines embryonalen Versagens sein.« »O nein ...«, seufzte Gediman. »Sehen wir nicht gl eich schwarz. Wenn wir Glück haben, handelt es sich ledi gli ch um ein rudimentäres Wachst um. Dann könnten wir sie sp äter entfernen.« Gediman sah ent täuscht aus. Sein Enthusiasmus war verflogen. Wren klopft e ihm auf die Schult er. »Dennoch ist es immer noch jeder anderen Spezies, die wir bis jetzt gezüchtet haben, weit überlegen. Ich bin vol ler Hoffnung, und das sollten Sie auch sein.« Sein Assistent raffte sich zu einem Lächeln auf. »Ja, wir sind weit gekommen, und es geht ihr so gut . Ich hoff e, Sie haben recht , Dr. Wren.« Das hoffe ich auch, dachte Wren und betrachtete die Sp ezies. Er hoffte nur, daß M utt er Nat ur sich nicht wieder einen kleinen Scherz auf seine Kosten erlaubt hat te. Einen M onat später standen Wren und Gediman erneut vor einem Brut kasten. Dieser war jedoch erheblich größer, üb er zwei M eter hoch und 17
einen M et er breit. Das kindliche Wesen, d as in dem alten Brutkasten wie ein Korken herumgeschwommen war, war gewachsen und gedi ehen. Jet zt füllt e es seine neue Kam mer fast gänzli ch aus. Die Atmosp häre im Labor war von höchster Erwartung ge prägt. Wren fi el auf, wie oft seine M it arbeit er an d en Brut kasten trat en und ihre eigene Leist ung b estaunten. So viel aus so wenig. Alte Blutproben. Ein paar Gewebeteile aus dem Knochenmark, der Milz, der Rückenmarksflüssigkeit. Verstreute, beschäd igte DNA. Und aus all dem - das hier. Das Wesen drehte sich. Sein schulterlanges braunes Haar schwebte um das Gesicht herum und verdeckte einen Teil der attrakt iven, erkennbar menschlichen Züge. Die Hand war zu einer Faust geballt. Jetzt öffnete sie sich. Die Augen hint er den geschlossenen Lidern bewegten sich. Träumte es? Was für Träume mochten das sein? Und vor allem, wessen Träume? Wren warf einen Blick auf di e Inkubatordaten. Der erst e Bildschirm zeigte das EKG des Wesens. Der Herzschlag war gleich mäßi g und rhyt hmisch, der Sinus -A Rythmus vollkommen normal. Gut, sehr gut. Er schaute auf den zweiten Schirm. Während der erste die Daten für die erwachsene weiblich e Spezies zeigt e - das Wort >WIRT< leuchtete in großen Buchstaben auf - erschienen auf dem zweit en die Daten für einen sogenannt en >GAST<. Ein zweites EKG zeigte auch hier einen Herzschlag, viel schnel ler als der des Wirtes, in einem heft igen Wellenmust er. Dennoch war er so st ark wie der andere. Er war gesund. Wren lächelt e. Er blickte in das Gesicht der Wirts-Spezies. Si e runzelte die Stirn. Wenn er weniger nüchtern denken würde, wie etwa Gediman, hätte er geglaubt , daß es unglücklich sei. Wessen Träume träumst du? Deine eigenen? Oder die deines Gastes? Das wüßte ich wirklich gerne. Dr. Jonathan Gediman konnte sein Glück kaum fassen. Dr. 18
Wren hatt e ihm tat sächlich erlaubt, die Operation eigenständig durchzuführen. Er stand in dem kühlen sterilen OP, in steriler Kleidung, von Kopf bis Fuß abgeschrubbt , und bemühte sich, das chirur gische Sichtger ät an die richtige Posit ion zu führen. Neben ihm st and Dr. Wren, gespannt und erwart ungsvoll. Dr. Dan Sprague war ebenfalls anwesend. Dan hatt e ihm gratuli ert, als Wren seine Ent scheidung verkündete. Seine ehrli ch gem ein ten guten Wünsche hat ten geholfen, Gedimans zitternde Hände zu beruhigen. Etwas zumindest. Das Sicht gerät wechselte ständig den Fokus, und Gedim an betätigte die Kontrollschalter. M it dem Visor konnt e er durch weitreichende Binokularsi cht auf eine m ikroskopische Sch ärfe geh en, die es ihm er laubte, Gewebe bis hin zur Zellebene zu untersuchen. Er holte tief At em und versuchte sich zu beruhigen. Als Sprague ihm mit einem sterilen Tuch den Schweiß von der Stirn wischte, wäre er fast zusammengezuckt. »Nur die Ruhe, Junge«, sagte Dan kumpelhaft. »Du schwitzt wie ein Hund.« Gediman nickte und dachte abwesend, Hunde schwit zen doch gar ni cht . Er blinzelt e und konzentrierte sich. Wenn nur Wren nicht so dicht neben ihm st ände. Auch ohne einen Visor würde er die kleinst e Panne, den winzigst en Fehler bemerken. Genau wie Sprague. Ruhig, Gediman, sagt e er zu sich selbst. Das hier ist doch nich t deine erste Operation. Das ist eine ganze Sache. So was ähnliches hast du tausendmal gemacht. Ja, aber nicht hier, nicht bei dieser Spezies. Nicht mit Ripley. Spezies war Wrens Bezeichnung, aber Gediman hatt e schon aufgehört, sie so zu nennen, als sie noch ein mikroskopisches Bündel aus acht vollko mmen geformten Zellen gewesen war. Er drehte den Kopf, um sie anzusehen, si e richtig anzusehen. Sie lag hinter dem dicken Transparenzglas, das die chirurgische Kammer u mgab und sie von dem M edizinert eam trennte. Sie 19
atmete lan gsam, aber norm al, im Anäst hesieschlaf. Ganz entsp annt lag sie dort auf dem Tisch, mit unbeweglichen Augen. Ihre starken Kieferknochen waren et was herabgesackt, ihre Lip pen leicht geöffnet. Bis auf die zahlr eichen Katheter und Sensoren, die ihren Körper unter dem durchsicht igen, leichen tuchähnlichen chirurgisch en Tuch verunziert en, sah sie aus wie Schneewit tchen, das auf den Prinzen wartet, der sie wachküßt . Gediman fuhr sich üb er die Lipp en. Sie sieh t ganz normal aus. Eine große, attraktive junge Frau. Selbst das amniotische Gel an ihrem Körper und d ie bläuliche Färbung ihrer Haut können daran nichts ändern. Er war sehr stolz auf sie. Sie hatte so vieles überstanden, so viel erreicht . Und dies würde ihr stolzest er Augenblick werden - wenn er kein en M ist baute. Er ging zum Instrumententisch und steckt e seine in den Gum mihandschuhen steckenden Arme bis über die Ellenbogen in die Schläuche, mit denen er die Instrument e fernsteuerte. Wren und Sprague standen neben ihm und sahen zu. Um den Operations saal herum - hinter Plexi glas - stand der Rest des Teams. Sie alle hatten viel in diese Sache inv estiert . Er bracht e seine Finger in die emp findlichen Kontrollhand schuhe, fühlt e, wie sie sich seinen Händen und Armen anpaßten, und bewegt e sie vorsicht ig, um zu prüfen, ob die Kont akt e funk tioniert en. Behut sam führt e er die Steuerung und beobachtete, wie die Roboterarme in der Op erat ionskammer zum Leben erwacht en. »Ich bin bereit«, verkündete er und warf einen Blick auf di e Daten. Alles sah gut aus. Gehirnaktivität, At mung, Herzfrequenz. Er führte die Lasersäge in Position, genau über ihr em Brust bein. »Denken Si e daran«, sagt e Wr en leise in sein Ohr. »Nur kein e Hast . Immer einen Schritt nach dem anderen. I ch bin bei Ihnen.« 20
Damit wollte er den Kollegen beruhigen, erreichte aber genau das Gegent ei l. Er begann den Kontakt mit dem Laser und zog eine hell e, ger ade Linie. Der Schnitt sollt e von der M itte des Brustbeins bis direkt über den Nabel verlaufen. Er sah zu Rip ley s Dat en hinüber. Si e war nicht allzu t ief betäubt , und er wollt e sicherge hen, daß sie nichts spürte. »Ich hab' sie im Griff«, sagte Sprague leise und wischte ihm erneut den Schweiß ab. Dan war der Anästhesist bei der Opera tion, und Gediman vertraute ihm. Dennoch ... Der erste Schnitt war gemacht. Er bewegte die Roboterklauen, befest igt e sie an der Haut und zog sie auseinander, nicht mehr als nöt ig. Dann schnit t er vorsichtig mit dem Laser zwischen den M uskeln der Faszies, genau auf der Lini a alba. Danach das Bauchfell. Kurz darauf war er durch. Die Blutung wurde durch den Laser gestillt, der glei chzeitig kaut erisiert e. Der Einschnit t sah gut aus. »Ausgezeichnet«, hauchte Wren. »Okay, jet zt den Behälter an seinen Platz. Vorsichtig ... bereiten Sie die amnio ...« Gediman war schon weit er. Er hatte bereits das Zeichen gege ben, auf das hin der kleine Inkubator mit der amniot ischen Flüssigkeit heran gefahren wurde. Er beobacht et e, wie er an seinen Platz neben Ripleys Oberkörp er geschoben wurde, di cht neben Rip pen und Hüfte. Der Chirurg sp ürte, wie die Spannung im Raum anstieg, als die kleine Kammer lautlos an ihr en Platz gesteuert wurde, wo sich lan gsam ihr Deckel öffnete. »Gut«, sagt e Wren. »Gut. Wir sind bereit.« Gediman biß sich auf die Lippen. Er streckte seine rechte Hand in dem Kontrollhandschuh noch einmal aus. Eine speziell gep olst erte Robot erklaue bewegt e sich auf sein en Befehl hin in Posit ion und senkte sich vorsicht ig in die Ein schnit tst elle hinein, bis sie in Ripley verschwunden war. Gediman wandte sich wi eder den M onit oren zu und verfolgte den Weg der Greifer in sein er Patientin. Er bewegte die Klauen 21
vorsichtig und geschickt. Schweißp erlen trop ften seine Stirn hinab, aber noch bevor sie auf den Visor laufen konnten, war Sprague zur Stelle und t upft e ihm die Tropfen ab. Der Chirurg schwit zte enorm, trotz der Kühle des Raums. Die Nerven. Er verfolgte die Greifer und die Farbbilder aus dem Inner en seiner Pat ient in, die von den Biosensoren geliefert wurden. Er lächelte. »Da ist es«, murmelte er zufrieden. Der Preis. Das Ziel ihrer Arbeit. Er zog d ie Greifer etwas fest er an, auch wenn Wren unnötiger weise »Vorsicht , Vorsi cht « flüsterte. »Ich hab' es«, murm elt e Gediman, als er d ie Greifer w ieder vorsichtig aus Ripleys Körper führte. Alle Augen richteten sich auf die Schn ittstelle, als der Greifer langsam sicht bar wurde. In seinem gep olst erten Handschuh lag ein kleines, blutver schmiert es embryoartiges Wesen, dessen Züge durch das Blut und das Schutzgewebe seiner M utt er nicht genau auszumachen waren. »Die Wert e sind gut«, sagt e Wr en, der d ie Biodaten des Parasi ten las. »Hier auch«, meldete Dan, der sich um Ripleys Dat en geküm mert hatt e. Aus den Augenwinkeln sah Gediman, daß sich der Rest des Teams dicht ans Glas gedrängt hatt e, um alles gen au zu sehen. Niemand sagte ein Wort. Alle st arrten auf das kleine Bünd el ... »Ich trenne jetzt die Verbindungen«, künd igte Gediman an. »Alles klar«, ent gegnete Wr en. Gediman führt e einen weiteren App arat um das Wesen herum, der die sechs dünnen, nabelschnurartigen Verbindungen abschneiden und verätzen sollte, durch die der kleine Alien m it seinem Wirt verbunden war. Schnell und gesch ickt führte er die Schneidekl auen ... vier, fünf, sechs! Es war frei. 22
Plöt zlich begann das Wesen zu zucken und st reckt e sich, als habe die Trennung von seiner M utt er ihm mit geteilt, daß es nun an der Zeit sei, sein eigenes unabhän gi ges Leb en zu beginnen. Zeit zu atmen; Zeit zu wachsen; Zeit sich zu bewegen. Es wand sich in dem gep olsterten Greifer, zuckte mit dem Schwanz und öffnete plötzlich das kleine M aul zu einem stummen Schrei. »Verdammt!« flucht e Sprague, als er den wütenden Prot est des kleinen Bündels sah. »Vorsicht ig!« mahnte Wren. »Lassen Sie es ni cht los. Schaff en Sie es in den Tank.« Gediman nickte heftig. Er wußte, daß er das Din g sicher im Griff der Klauen hatt e, auch wenn es kämpfte und wild hin und her zuckt e. Es konnt e sich nicht befreien. Er p ackte es in den Amniotank und l ieß es nicht los, bevor d er Deckel f ast ganz geschlossen war. Dann erst löste er den M echanismus und zog den Greifer mit einer schnellen Bewegung hoch. Das kleine Alien st eckte sicher in dem verschlossenen Inkubator. »Wunderbar!« ri ef Wren. » Wunderbar e Arbeit , Gediman.« Er packt e seinen Assist enten bei den Schult ern. Der Chirurg at met e heftig aus, während Sprague ihm di e Stirn abwischte. Er spürt e, wie sein Körp er sich ent spannte, und merkte erst jetzt, wie verkrampft er die ganze Zeit gewesen war. »Danke, Dr. Wren.« Alle beobacht et en, wie der kleine Inkubat or, in dem nun das Wesen wie wild herumschwamm und einen Ausweg suchte, auf dem gleichen Weg aus der Op erat ionskammer ent fernt wurde, auf dem er gekommen war. Kinloch und Fontaine würden ihn auf seiner Reise in die Wachstumskammer begl eit en und es über die M onitore überwa chen, bis keine Gefahr mehr best and. Gediman bl ickt e zu den Zuschauern hinüber und sah, daß sein e Kollegen ihm zulächelten. Kinloch hatte den Daumen gehoben. Er lächelte zurück. 23
Jet zt erst wandte er sich wieder Ripley zu.
Er nahm sein en Sicht helm ab und sah Wren fragend an.
»Und ...?«
Er deutete auf Ripley, die noch immer schlafend in der Kam
mer lag. »Der Wirt?« fragt e Wren, ohne Ripley dabei anzusehen. Gediman sah auf die Dat en. »Ihr EKG ist normal ... es geht ihr gut .« Er sp rach nicht weit er, um nicht allzu eifrig zu wirken. Wren fand ja schon, d aß all ein sein Int eresse an di eser Sp ezies unprofessionell war. Er mußte aufp assen, was er sagte. Wren hatte noch keine Ent scheidung bezüglich ihr es Schicksals get roffen. Gediman wartete ungeduldig. Wren betrachtete die Bildschirme und warf einen zweit en Blick auf Rip ley . Schließlich sagt e er: »Nähen Sie die Spezies wieder zu.« Gediman mußt e sich zurückhalt en, um nicht laut Danke zu rufen. Er wußte, daß Wren als wissenschaftlicher Leiter durch aus die Befugnis hatt e, sie zu terminieren. Aus irgendeinem Grund hät te Gediman das nie akzep tiert. Es schien eine solche Verschwendung. Besonders nach all der Arbeit. »Dan«, sagte Wren zu ihrem Kollegen.
»M achen Sie das, ja? Ich d enke, daß Gediman für heut e genu g
Aufregung hatte.« Gediman l ächelte und nickte Dan zu. »Sicher«, meinte Dan. »Wird mir ein Ver gnü gen sein.« Automatisch warf Gediman noch ein en letzten Blick auf di e Daten. Anästhesie, Atmung, Herzfrequenz, alles sah gut aus. Er ließ sich von Wren zur Seite schieben. »Nun«, sagte Gediman und kümmert e sich nicht länger darum, ob man seiner Stimme die Aufregun g anmerkt e. »Das ging doch so gut , wie man nur erwart en konnt e.« 24
»Oh, besser, Doktor«, sagt e Wren voller Resp ekt . »Viel besser.« Irgend etwas befahl ihr aufzuwachen. S ie ignorierte es. Wenn sie erst einmal wach war, dann würden ihre Träume wahr werden. Wenn sie wach war, würde sie wieder existieren, und nicht zu existieren hat te endlich frieden für sie gebracht. Sie hatte Angst, daß es damit vorbei sein könnte. Irgend etwas befahl ihr aufzuwachen. Sie wehrte si ch. Langsam und verschwommen begann sie etwas wahrzuneh men. Etwas außerhalb von ihr. Irgend etwas geschah mit ihr. Man nahm ihr etwas fort. War das ihr Wunsch? Sie konnte sich nicht erinn ern. Trotz der Kälte und trotz der Helligkei t öffnete sie die Augen. Sie konnte alles sehen, was um sie herum geschah, klar und deutlich, aber sie verstand nichts davon. Seltsame Geräte aus Metall und Plastik bewegt en sich schnel l um sie herum, schlos sen eine klaffende Wunde in ihrem Bauch, während andere Geräte schon herankamen, um die geschlossene Wunde zu versiegeln. Sie spürte etwas, aber es war nur ein ganz lei chter Schmerz, den sie ein fach ignori erte. Ihre Augen bewegten sich, während sie Informationen aufnahm. Dann verstand sie. Es war fort. Sie hatten es ihr genommen. Ihr Junges. Ein Teil von ihr spürte eine enorme Erleichterung, ein anderer eine unglaubliche Wut. Sie schwankte zwischen diesen Gefühlen, die sie beide nicht verstand, nahm nur die emotionalen Schwingungen wahr, während sie bewegungslos dalag und di e chirurgischen Arme beobachtete. Zwei dieser Arme, erkannte sie, waren irgendwie mit einem der Wesen verbunden, die in diese seltsame, durchsichtige Eierschale starrten, in der sie gefangen war. Diese Wesen 25
umringten sie und bli ckten auf sie herab. Offenbar nahmen sie an, daß sie h ilflos war. Die Arme schwenkten hin und her und machten ihre Arbeit, taten Dinge, um die sie nicht gebeten hatte, die sie nicht wollte und die sie nicht verstand. Sie beobacht ete, wie das Wesen die Instrumente dirigierte und sie dabei ansah. Ohne besonderen Zorn griff sie blitzschnell nach dem Arm des Wesens, das hinter der versiegelten Eier schale stand. Mit einer gewissen distanzierten Neugier packte sie den Arm - nicht einmal besonders fest - und drehte ihn, nur um zu sehen, was passieren würde. Die Reaktion war interessant. Das Wesen hörte sofort auf, ihr weh zu tun. Gut. Sie drehte weiter und hatte das Gefühl, daß in einem Teil des Wesens, das in dem künstlichen Arm steckte, etwas zu brechen oder zu spli ttern schien. Noch interessanter war die Reaktion der anderen Wesen außerhalb der durchsich tigen Eierschale. Das Wesen, das an d em Arm hing, zuckte hin und her und schlug mit seinem frei en Arm gegen den Behä lter. Sein Mund war weit geöffnet, als wolle es sie beißen. W itzig. Sie fragte sich, ob sie Laute von sich gaben. Die seltsame Eierscha le, in der sie lag, schien jedes Geräusch abzuhalt en, denn außer ihrem eigenen Atem hörte sie keinen Ton. Sie blinze lte und drehte noch einmal an dem Arm. Wieder Zucken, Schlagen. Jetzt liefen auch di e anderen Wesen um dasjenige, das sie g efangen hat te, h erum, griffen nach ihm, bewegten ihre winzig en, harmlos aussehenden Münder auf und zu und fuchtelten mit den Händen. Was für eine Aufregung. Eines der Wesen drängte die anderen beiseite und starrte si e an, die kleinen Augen wei t aufgerissen. Er betätigte hektisch einige Schalter auf seiner S eit e der Schale, tat Dinge, die sie nicht sehen konnte, und plötzlich fühlte si e, wie ihre Augen schwerer wurden. Schade. Sie wollte nicht schlaf en. Sie woll te di e Wesen beoba chten. Wollte von ihnen lernen, wenn mögl ich. 26
Und vor allem wollte sie hier raus ... Aber der Schlaf über mannte sie, bevor sie sich noch wei ter darüber Sorgen machen konnte. Innerhalb wen iger Sekunden hatte sich der glänzende steril e Operationssaal, in dem eben no ch eit el Freude herrschte, in ein chaot isches Tollhaus verwandelt . Wren hatte bei Gediman gestanden und mit ihm über das Alien- Embryo gesp rochen, als er hörte, wie Dan Spragues Knochen brachen und sp littert en. Dans Schreie hört e man durch die gesamt e St at ion. Sofort waren alle verfü gbaren M itglieder des Teams in den Saal ger annt , dazu noch die Soldaten und andere Beobacht er, wobei sie fast jede der Vorschrift en mißacht et en, die ihnen so best ändig eingebleut worden waren. Aber niemandem gel an g es, Sprague aus dem Griff der Sp ezies zu befreien. So etwas hatt e Wren noch nicht gesehen. Eine völli g unerwart et e Entwicklung. Höchst int eressant ! Er drängte sich nach vorne, u m Wirt und Op fer in den Blick zu bekommen und di e Situation zu beenden. Alle anderen schr ien durcheinand er, während Dan einfach nur brü llte ... ... und sie l ag einfach da unter ihr en Tüchern. Ihr e Wund e war erst teilweise versiegelt, doch ihr Gesicht zeigte keinerl ei Ausdruck, während sie Dans Arm brach. Wren betätigte die Anästhesieschalter und erhöhte die Dosis drastisch. Gediman stand neben ih m, voller Angst um sein Liebl ingskind. »Töten Sie sie nicht , Dr. Wren, bitte töt en Sie sie ni cht!« Nicht betteln, Gediman, dacht e Wren angewidert. Das ist unprofessionell. Der Wirt blinzelte schl äfrig, ließ Dr. Sprague jedoch no ch immer nicht los. Ihre Augen bewegten sich, und sie schaute Wren genau ins Gesicht. Sie sah ihn an, sah durch ihn hindurch. Er sp ürte ein Frösteln. Dann schlossen sich ihre Lider l an gsam, und Sekunden später 27
löste sich ihr Griff. Kurz darauf hatten Clauss und Watanabe Dan auf ein e Bahr e gelegt . Watanabe unt erzog den übel zuger ichteten Arm einer ersten Untersuchung. An mehrer en Stellen drangen Knochen durch die Haut und den sterilen Kitt el. Der Arm war derart verdreht worden, daß die Hand in einem grot esken Winkel abst and. Das Blut pulsierte aus Dans Wunden, strömte über den makel los weißen Kit tel und klatscht e auf den Boden. In dem sterilen OP, in dem Weiß und andere neut rale Farben vor herrschten, wirkte das leuchtende Rot des Blut es um so scho ckierend er. Zumindest war er steril, dacht e Wren, ganz der Arzt . Wir müßten verhindern können, daß sich die Wunde infiziert, auch wenn so viele Leute die Sterilität des Raumes verletzt haben. M it Genugtuung sah er, wie effizient sich Watanabe u m alles kümmerte. Er hatte sich auf Orthopädie spezialisiert, bevor er zum Team geko mmen war. Der junge Arzt wandte den Blick von seinem si ch vor Schm er zen windenden Patienten. »Dr. Wren, i ch würde Dan gern e in OP C bringen und ihn sofort zusammenflick en.« »Tun Sie das, Yoshi«, st immte Wren zu. »Brian und Car lyn sollen Ihnen assistieren. Brauchen Sie sonst noch jem anden?« »Nein, das sollt e reichen«, versichert e Watanabe. Dann gab er den Soldaten ein Zeichen, auf das hin sie Dan aus dem OP trugen. Außer Gediman verließen all e anderen den Raum. Gediman war an die Roboterarme zurück gekehrt und schloß die Wunde des Wirts, ungeachtet dessen, was zuvor passiert war. Wren regist rierte es anerkennend. Aber Gediman sah hoch grad ig nervös aus. Wren fragt e sich, ob der plötzliche Gewaltausbruch des Wirts ihm einen Schock verset zt hatt e. »Alles okay?« fragte Wren. 28
Im OP war alles wieder ruhig, die normale sterile At mosp häre wieder her gestellt. Nur ein abstraktes Blut must er auf dem Boden erinnerte an den Zwischenfall. Gediman nickte abrupt. Er beendete die Schließung der Wunde und zog die Instrumen te zurück. Der Wirt schlief weit er, während seine Operationskammer automatisch in eine gesicherte Regenerationszelle überführt wurde. »M ir geht es gut«, behauptete Gediman, auch wenn seine Stimme dabei zittert e. »Und ... und ich bin Ihnen dankbar, Doktor. Ich bin dankbar dafür, daß Sie sie n icht terminiert haben. Ich denke, daß es sich um einen un glückl ichen Zwischenfall ...« Wren sah seinen Schützlin g an. »Damit hatte es nicht das gerin gste zu tun, Gediman. Aber Dan wird wieder gesund. Und wir wissen jet zt etwas über den Wirt, das wir vorher nicht wußten. Et was, das wir nicht voraussehen konnten. Das ist ein unerwarteter ... Nutzen.« Er lächelte Gediman an, in der Gewißheit , daß auch er seine Erregung über diese unerwart et e Ent wicklung nicht verbergen konnte. Amüsiert beobachtete er, wie sich auf Gedimans Gesi cht die Erk ennt nis spiegelt e, d aß sich seine Einst ellun g in bezug auf den Wirt offenb ar geändert hat te. Plötzlich wurde dem Assisten ten klar, daß sein Chef den Wirt nicht länger als läst iges An hängsel, sondern als Gewinn betrachtete. Gediman hat te lange dagegen ar gu ment iert, daß die Spezies t erminiert werden sollte, aber Wren sch ien nur an d en Dat en interessiert, die er aus dem Leichnam gewinnen konnte. Doch jetzt war Wren nicht mehr sein Feind, sondern sein Verbünd et er, wenn es darum ging, das Schicksal des Wirts zu entscheiden. Gediman seufzte erleichtert auf und strahlt e Wren an. »In den nächsten Tagen werden wir einiges mehr wissen«, sagte Wren. »Sowohl über d en Wirt als auch über den Gast. Das sollten 29
sehr interessante Tage für uns werden, denken Sie nicht auch ?« Der Assistent lächelte. »O ja, Doktor, das denke ich al lerdings auch.«
2.
Sie zog sich zusammen, machte sich klein und untersuchte ihre Umgebung. Zumindest war sie endlich wach genug dazu. Das Licht leuchtete nur schwach, aber das störte sie nicht. Sie konnte alles sehen. Der Raum, der sie umgab, war groß genug, um darin zu stehen und sich auszustrecken, ja selbst herumzu gehen, aber sie tat ni chts dergleichen. Jedenfalls nicht, solange sie nicht mehr wußte. Si e atmet e langsam und leise, blieb zusammengekrümmt und sah sich um. Die Zelle war leer. Es gab kein Wasser, keine Kleidung, keine Möbel, nichts, mit dem sie si ch selbst oder anderen Schaden zufügen konnte. Sie wurde von einem durchsi chtig en weißen Tuch bedeckt, ein Überbleibsel d er Operation. In der Decke über ihr befand sich ein kleines Sichtfenster, und als plötzlich ein Schatten darüberstrich, spannten sich ihre Muskeln an. Sie beweg te sich nich t und atmete kaum, hielt den Besitzer des Schattens aber genau im Auge. Stiefel wurden über dem Fenster sichtbar, ein paar Sekunden lang. Dann verschwanden sie wieder. Sie wurde also beobachtet. Gut zu wissen. Erst viele Minuten später, als sie sich er war, daß die Stiefel nicht so bald wiederkommen würden, dachte sie wieder an sich. Ihr Geist kam ihr immer noch etwas träge vor. Sie hat te lange geschlafen, war operi ert worden. Eine Operation. Warum bin ich op eriert worden? War i ch krank? 30
Sie schob die Fragen beiseite. Sie verwirrten sie nur. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als auf die Antworten zu warten. Ihr Gesicht juckte. Sie berührte es und kratzte sich vorsichtig. Ihre Haut, die noch naß und zart war, ließ sich in Fetzen herunterziehen. Die Haut darunter fühlte sich stärker und trocken an. Vorsichtig zog sie si ch die ob ere Haut in langen, feucht en Streifen ab, die sie auf den Boden fallen ließ. Das tat gut. Während sie sich schälte, fiel ihr Blick auf die Narbe, die über ihre Brust lief. Sie fuhr mit der Hand über die glatte, perfekte Linie, spürte dabei nur einen ganz leichten Schmerz. Sie hob die Tücher und betrachtete di e Wunde. Sie beunruhigte sie, auch wenn sie nich t wußte, warum. Als sie mit den Fingern über die Wunde glitt, fiel ihr etwas an ihrer Hand auf. Sie zog sie unter dem Tuch hervor. Irgend etwas war merkwürdig an dieser Hand, unvertraut. Sie betrachtete die langen, schmalen Finger - es waren nur fünf und die Finger nägel. Sie waren länglich, stark und extrem scharf. Obwohl es ihre eigenen Nägel waren, wirkten sie seltsam. Es kam ihr vor, als hätte sie diese Nägel noch nie zuvor gesehen, als gehörten sie nicht dorthin. Aus irgendeinem Grund, den sie nicht kannte, b eunruhigten si e diese Fing er, und sie steckte einen davon in den Mund und kaute an dem Nagel herum, versuchte ihn abzubeißen. Aber er brach nicht. Zähne waren zu schwach für ihn. Während sie auf dem Nagel herumbiß, entd eckte sie etwas Dunkles auf der Innenseite ihres Arms, nahe dem Ellenbogen. Sofort vergaß sie ihre Fingernägel, streckte den Arm aus und sah ihn sich an. Auf d er Haut befand sich ein Zeichen. Sie runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. Eine Zif fer. Die Ziffer Acht. Sie berührte das Mal, zog aber die Hand sofort wieder weg. Was konnte das bedeuten? Sie spürte instinktiv, daß es sich dabei nicht um eine Art Namen hand elt e, und um a ls Iden tifizie 31
rung zu dienen, war die Zahl nicht lang genug. Die Zahl Acht. Während sie auf das Zeichen starrte und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, hörte sie ein ent ferntes Summen. Ein kleiner, fliegender Organismus umkreiste ihren Kopf und lenkte sie ab. Sie beoba chtete ihn fasziniert. Der Organismus senkte sich herab und landete auf ihrem Arm, direkt neben der Tätowierung. Sie beobachtete das Wesen geduldig und neug ierig. Was war es? Was würde es tun? Vorsichtig hob sie den Arm, um besser sehen zu können. Der winzige Organismus hatte lange, zarte Beine, elegant e Flügel und einen langen Stachel. Plötzlich fiel ihr ein Name ein. Moskito! Die Erinnerung war so deutlich, daß sie fast lächeln mußte. Es war ein Insekt. Ein Moskito. Sie beobach tet e, wie er tänzerisch über ihren Arm balancierte. Langsam führte er seinen Stachel in ihren Arm ein, so behut sam, daß sie es gar nicht spürte. Der Vorgang verblüffte sie, und sie beobachtete ihn mit der morbiden Faszination eines Kindes. Der Bauch des Wesens füllte sich. Mit meinem Blut! Es saugt mein Blut. Lang vergessene Informationen über Insekten liefen in ihrem Kopf ab, während sie zusah, wie sich das Wesen satt trank. Doch dann begann sich d er Moskito plötzlich zu verändern. Sein geschwollener Bauch schrumpfte, die durchsichtigen Flügel knisterten, und die zarten Tänzerbeine falteten sich zusammen, als schmelze die Fliege von innen heraus. In Sekundenschnelle war es zu einem schwarzen Häufch en zusammengetrocknet. Die Verwandlung erregte ihr Interesse nur für kurze Zeit. Sie pustete das Überbleibsel von ihrem Arm und hatte es auch schon vergessen. Dann richtete sie ihren Bl ick auf das Sichtfens ter und wartete auf das nächste Au ftauch en der Stiefel.
32
3. »Name?« fragt e di e St ewardeß und blickte auf ihre Liste. »Purvis«, antwort et e der M ann mechanisch. »Larry. ID-Code zwölf-sieben-neunundvierzig.« Er reicht e ihr seinen Computerchip. Sie steckt e ihn in ihr Handgerät und las die Informat ionen, die auf dem Bildschir m erschienen. Dann nickt e sie und lächelte ihn freundlich an. »Alles klar. Willkom men an Bord, M r. Purvis.« Der schlanke unterset zt e M ann lächelte ebenf alls. M r. Purvis. Das gefiel ihm. Xarem pries sich als die Fluggesellschaft Nummer eins an, und bislang schien es, als würden sie ihr em Ansp ruch gerecht werden. Die Stewardeß winkte ihn ins Schiff hinein, u m di e Personalien der hint er ih m wart enden Frau zu überprüfen. Er folgte den Zeichen zu den Hyperschlafeinheiten. Das Schiff war klein und wurde nur für Personentransport e benutzt. Auch die Cr ew würde in den Hy perschlaf gehen, nachdem si e auf Kurs waren und das Sonnensystem verlassen hatten. Nun, Purvis kümmert e es nicht , daß es keine Annehmlich keiten an Bord gab. In den Broschüren, die ihn davon überzeugt hatten, sich für diesen Job eintragen zu lassen, st and, daß all das in den Nickelraffiner ien auf Xarem warten würde. Der ganze verdammte Plan et war nach der Gesellschaft benannt worden. Vor dem M inenclaim war er nichts weiter als eine Nummer gewesen. Zwei M onat e Schlaf, und er war da. Eine neue Karriere, ein n euer Anfang. Nicht schlecht für einen nicht mehr so jungen Kerl wie ihn. Über das Leben, das er hier auf d em M ond hinter sich ließ, wollt e er n icht mehr nachdenken. Er hatte sich zwei Jahre lang b emüht , noch einm al mit seiner Frau ins reine zu kommen, alles umsonst. Seine Kinder waren erwachsen und gin gen ihrer Wege - jet zt war es an der Zeit für ihn, das gleich e zu t un. Und es war ja nicht so, als sei er der französi 33
schen Fremdenlegion bei get reten. Die Bed ingungen auf Xa rem sollten mit die besten sein. Plöt zlich überkam ihn ohne Vorwarnung ein Gefühl der Ein samkeit; es traf ihn hart. Ent schlossen schüt telte er den Kopf. Er mußte darüber hinwegkommen, neue Ziele finden. Es war ein neuer Anfang, ein e neue Zukunft. Auf Xarem hat te er ganz andere Chancen als auf dem M ond. Er würde neue Dinge sehen, neue Erfahrungen machen. Vi el leicht würde er sich sogar wieder verlieben. Er war noch jung genu g ... vielleicht konnt e er noch einmal eine Fam ilie gründen. M it diesen hoffnungsvoll en Gedanken st ieg er in d ie Hyper schlafröhre, auf der sein Name stand. Ein Steward gin g an den waagerecht gelagerten Schlafbo xen vorbei und überp rüft e alles, die Leitun gen, di e Dosierun g der Narkotika, die Comput er einst ellun gen. Gewissenhaft und gründlich, das gefiel Purvis. Er legte seine Tasche in den St auraum über der Röhre und macht e es sich zwischen den gemüt lichen Kissen bequem. Sanfte M usik plätschert e aus Lautsprechern, um ihn zu ent span nen, während eine freundliche Frauenstimme ihm von den Dingen erzählt e, die ihn auf Xarem erwarteten. Er lächelt e, schloß die Augen und wartete darauf, daß die Kühle des Hyperschlafs über ihn kam. * Gediman horchte Ripley ab, die ganz ruhig auf dem Unt ersu chungstisch saß. Seit man sie aus der Regenerationszelle geho lt hatte, war sie eine fr iedl iche, gehorsame Patientin gewesen. Und weil sie sich so verhalt en hatt e, hatt e Gediman die Wachen fortgeschickt , die sie im Auge behalten sollten, so daß Ripley während der Unt ersuchung eine gewisse Privatsphäre hatt e. Natürlich standen weiterhin zwei bewaffnete Wacht posten draußen vor der St at ion. Auch wenn sie keinerlei Zeichen jenes gewalt tätigen Verhal 34
tens gezei gt hatt e, das sie gestern an den Tag gelegt hatte, so hatten sich die M itarbeiter des Teams doch ziemlich r ar ge macht , als sie hörten, daß sie ambulant behandelt werden sollt e ohne Bet äubung. Dan Sp rague, der sich auf der Krankenstation von seinen Verl et zungen erholt e, hat te natürlich erst recht keine Lust, Ripley persönlich zu treffen. Gut so. Schließlich hatten die Teamkollegen auch and ere Aufgaben, die si e erled igen mußten. Außerdem hatt e Gediman keine Angst vor ihr. Si e faszinierte ihn. Er war dankbar für die Zeit, die er allein mit ihr verbringen durfte, in der er sie studieren konnt e, ihre Fähigkeiten und M öglichkeiten erforschte. Du bist nichts als ein moderner Dr. Frankenstein, nicht wahr, Gediman? Und dies ist deine Braut ... Er ging u m sie herum, schob das Patientenhemd auseinander, dort , wo es auf dem Rücken getrennt war, und untersucht e die vier di agonalen Narb en auf beiden Seiten ihres Rückgrats. Die Einschnitte waren sauber und fielen kaum auf. Es waren die Überbleibsel der deformierten Dorsalhör ner, di e ihr Körper auszubilden versucht hatte. Wren hatt e sie wegop eriert, und er hatte hervorragende Arbeit geleist et . Glücklicherweise hatt en sie sich als rudimentär erwiesen, vollkom men nutzlos, und ihr Ent fernen hat te ihre Entwicklung in keiner Weise behindert. Er st ellt e sich wieder vor si e, wobei ihm bewußt wurde, daß sie ihn die ganze Zeit beobachtet hatt e, auch als er hint er ihr st and. Sie schi en st ets auf der Hut zu sein, stets wachsam, bereit ... für was auch immer. Er wollte sie beruhi gen, egal was sie fürchtete. »Ripley«, sagt e er leise, mit der sanften St imme, die er auch einsetzt e, wenn er Experimente mit Kindern durchführte. »Ich werde Ihnen etwas Blut abnehmen. Die Nadel wird ein wenig stechen, aber ansonsten kann Ihnen überhaupt nicht s passieren.« Sie sah ihn regungslos an. Er bewegt e sich langsam und acht e te darauf, daß sie all es sehen konnte. Er wollte sie nicht erschre cken. Es ist eher so, als würde man mit einer großen Dschungelkatze 35
arbeiten als mit einem Kind. Nur ihre Augen bewegen sich. Ihr Körper bleibt unb eweglich, in si ch zurückgezogen. Fast wünsch te man sich, sie hät te einen Schwanz, an dessen Zucken man ihre Laune ablesen könnte. Vorsicht ig brachte er eine Bandage an. Dann gr iff er zu der eigens an gefertigten Sprit ze, der Nadel, der Blutsam melröhre. Das Design war ur alt, aber die M at eriali en ultramod erner Raumfahrtentwicklung zu verdanken. Behut sam führte er die Nadel ein und steckte die Sammelröhre auf, bevor auch nur ein Tropfen Blut ent weichen konnte. Schnell füllt e sich der durch sicht ige Zylinder mit dunkelrot schäumender Flüssigk eit . Sie verzog keine M iene, sondern beobacht et e die Prozedur mit der gleich en teilnahmslosen Ruhe, die sie schon die ganze Zeit an den Tag gelegt hat te. Gerade als er die Röhre und die Nadel aus ihrem Arm entfernt hatte, hört e er Wrens Stimme, »Nun, wie geht es unserer Nummer acht heute?« fragte er und betrachtete den Computerausdruck, auf dem all ihre Daten gesammelt waren. War jemals ein lebender Or ganismus so gründlich überwacht worden? Gediman bezweifelte es beinahe. »Scheint bei guter Gesundheit zu sein«, antwortete Gediman, während er die Röhre beschriftete und in ein spezielles Regal stellte. »Wie gut ?« fragte Wren. Gediman konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sehr gut! Besser, als wir vor ausgesagt haben, viel besser!« Er sah zu Ripley hinüber, um ihre Reaktion auf Wr en zu p rüfen, aber ihr Ausdruck und ihre Halt ung ändert en sich nicht, auch wenn ihre Aufmerksamkeit eind eut ig d em ält eren Wissenschaft ler galt. Sie sah ihn an, ohne zu blinzeln, durch emot ionslose, halb geschlossene Augenlid er. Noch immer mit den gleichen behutsamen Bewegungen wi e zuvor lüftete Gediman Ripleys Pat ientenhemd, damit Wren einen Bl ick auf die Op erat ionsnarbe werfen konnte. »Sehen Sie 36
sich das Narben gewebe an. Sehen Sie den Rück gang?« Wren starrt e auf die Narbe. Als Arzt hatt e er keinen Bl ick für Ripleys nackte Brüste, sondern nur für die Schnit tlinie, die zwischen ihnen verlief. Er sah ungläubig auf. »Und das seit ...« »Gest ern!« vollendet e Gediman st olz. »Das ist gut«, gab Wren zu. Er sah zufrieden aus. »Das ist sehr gut.« Gediman nickte eifri g, wie ein kleiner Junge. Er wußte nur allzugut , daß Wr en noch nie in seinem Leben eine sol ch schnel le Regeneration von Narbengewebe gesehen hatte. Wren ging ein en Schritt auf di e unbeweglich dasitzende Frau zu, während Gediman sie wi eder m it dem Hemd b edeckte. Wren lächelt e Ripley zu, als wolle er ihr Vert rauen gewinnen. Gedi man merkte jedoch sofort, daß Wren nie viel mit Patienten gearbeit et hat te, sei es bei Exp eriment en oder sonstwie. »Tja, tja, tja«, sagt e Wren herablassend. »Sieht so aus, als könnten wir bald sehr sehr stolz auf dich ...« Ripleys Arm schoß mit der Geschwindigkeit einer Schlange auf den Doktor zu und packt e ihn beim Hals. Wren schnappt e nach Luft. Noch bevor Gedi man richtig begriff, was da vor sich ging, war sie vom Tisch gesprungen, hatte den mit den Armen rudernden Wren durch den Raum bugsiert und ihn gegen die Wand gedrückt. Wrens Gesicht leuchtete rot . Er konnte nicht mehr atmen. Gediman st arrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Frau, die während der ganzen Unt ersuchung wi e eine Schau fensterp upp e dagesessen hatt e und jet zt so gewalttätig reagierte. Sie hi elt Wren mit einer Hand an der Kehle fest und hob den Arzt ohne sicht bare Anstrengung einige Zent imet er in die Höhe. Starr vor Schreck en sah Gediman, wi e Wr en blau anlief. Seine Lip pen hatten sich zu einem ungewollten Grinsen nach hinten gezogen, während er hi lflos mit den Absät zen gegen die Wand schlug. Ripley begann, ihn mit beid en Händen zu würgen, er 37
versucht e ihre Handgelenke zu zerkrat zen, versuchte sich zu befreien, aber ohne Erfolg. Ripleys Augen waren längst nicht mehr zu teilnahmslosen Schlitzen zusammengezogen. Sie standen weit auf, und sie brannten vor Zorn. Gediman hört e voller Entset zen, wie sie ihr erstes Wort sprach. »Warum?« fragte sie den Doktor, den sie im Begr iff war zu töt en. »O mein Got t ...!« st öhnt e Gediman. Er schien ebenso hilflos wie der keuchende Wr en. Tu was! signalisiert e Gedi mans Gehirn. Verzweifelt suchte er den roten Knopf, der irgendwo sein mußt e. DER NOTRUF! Dort , an der Wand! Er lief darauf zu und löste den Alarm aus. Das Geräusch schien Wren neue Kräfte zu verleihen. Er wehrt e sich verzweifelt und konnt e sich schließlich sogar aus ihr em Griff befreien. Er fiel zu Boden und wollt e davonkriechen, aber Ripley st ürzt e sich auf ihn wie eine Katze, die nur noch ein bißchen mit der M aus spielt, bevor sie sie verschlingt . Sie umschloß Wren mit ihren langen Beinen und preßt e ihm die Luft aus den Lungen, während sie seine Schultern auf den Boden nagelte. Wren krallte sich im Linoleu m fest , aber er konnte ihr nicht entkommen. Sirenen heulten und Licht er blinkten, aber Rip ley schien nicht s davon zu merken, während sie ihrem Opfer das Leben aus dem Körper preßt e. Si e hatt e nur ein Ziel, wie ein Raubtier. Die pneumatischen Türen öffneten sich mit einem schm at zen den Geräusch und die Wachtposten stürmten herein. Einer von ihnen, auf dessen Helm Dist ephano stand, lief auf die Frau zu und zielte mit seinem Gewehr auf si e. »Loslassen!« brüllte er, während er mit ruhiger Hand di e Waffe auf si e geri cht et hielt . »Laß ihn los oder ich schieße!« Aus dieser Entfernung! schoß es Gedi man voller Ent setzen durch den Kopf. Das Ding steht auf volle Ladung. Das reicht, um ein Rhinozeros zu betäuben. Er wird sie umbringen ...! 38
Er sah zwischen Ripley und dem blau angelaufenen Wren hin und her. Sie muß aufgehalten werden, aber wie ...? Wrens Bewegungen wurden bereits langsamer. »Ich sagte loslassen!« rief Distephano. Seine St imme kl an g sicher und gelassen. Der zweit e Soldat, eine Frau, stand hint er ihm und sichert e ihn ab. Ripley sah über ihre Schult er hinweg den bewaffnet en M ann und seine Partnerin an. Ihr Blick t rübte sich, und p lötzlich wurde sie wieder zu jener teilnahmslosen Sch aufensterp upp e, die sie vor ihrem Angr iff auf Wren gewesen war. Eine Sekunde lang bewegte sich niemand. Fast unmerklich krümmte si ch Distepha nos Abzugsfinger. Dann löst e die Frau ihre Hände von Wrens Kehle, fast beiläuf ig, als habe sie mit einemmal das Interesse an ihm verloren und richtete sich auf. Der Wissenschaftler sackte zusammen und schnappt e nach Luft . Gediman warf seinem Vor geset zten einen besor gt en Blick z u. Er wußt e, daß er nun zu ihm eilen sollte, um Erst e Hilfe zu leist en und sich erzust ellen, daß sein Kehlkop f nicht gequetscht oder seine Ripp en gebrochen waren, aber er hatte Angst , sich zu bewegen. Vielleicht würde Ripley dann wieder aggressiv reagier en, und die Soldaten würden sie erschießen. Plöt zlich at met e Wren mit einem rasselnden, harten Geräusch. Seine Farbe wechselte wieder von blau zu rot . Gierig so g er die Luft ein. Distep hano ging auf Ripley zu, die in der M itt e des Raumes stand. »Runter! Das Gesicht auf den Boden! Sofort!« befahl er mit ruhiger Stimme. Sie wich jedoch keinen Zentimeter zurück, gehorchte seinem Befehl ni cht , sondern sah ihm nur trotzig ins Gesicht . Er feuerte sofort. Die elektrische Ladung traf sie voll und schleuderte sie nach hinten, gegen App arat uren und Käst en mit Spezies. »Nein!« Gediman hörte sein en ei genen Schrei. Er klang schrill und hoch - hysterisch. Hatt e dieser Soldat sie etwa get ötet? 39
Die beiden Wachtp ost en gingen auf die leblos am Bod en liegend e Frau zu. Sie würden ein zweit es M al schießen, und dieses M al würde es ein t ödlicher Schuß sein. Aber noch bevor Ged iman ir gend et was unt ernehmen konnt e, hatte sich Wren auf d ie Knie gerap pelt und winkte den Soldaten zu. »Nein! Nein! M ir ist nichts passiert! Zurück ...« keuchte er mit rauher St imme. Es ist zu spät, dacht e Gediman. Er hät te heulen können. Zu spät! All die Arbeit. Jetzt ist sie tot. Tot oder so schwer verletzt ... Ripley st öhnt e auf, rollte sich auf den Rück en und sah sich um, als sei sie noch nie zuvor in diesem Raum gewesen. Ihr Blick fiel auf Ged iman und blieb an ihm haften. Verblüfft sah er sie an. Sie schien völlig intakt. Ihr Gehirn funktionierte noch. Und das, nachdem sie eine solche Ladung abbekommen hatte. Sie sah Gedi man unverwandt an und murmelte schließlich ein einziges Wort. »Warum ...?« Gediman hatt e die Frage gehört und spürte eine Welle der Furcht . Was würde geschehen, wenn sie es her ausfand? * Immer wieder prüfte sie die Stärke der Bänder, die sie hielten. Sie gaben nicht nach. Schließlich gab sie es auf. Der Mann, der ihr gegenübersaß, hatte von all dem nichts mitbekommen, obwohl sie nur ein Tisch trennte. Auch der bewaffnete Wacht posten hinter ihr hatte nichts bemerkt. Sie waren dumpf, diese Menschen. Der Mann, der vor ihr saß, red ete und redete. Er red ete schon so lange, daß sie ihm gerne d ie Kehle zerschmettert hätte, nur damit er aufhörte zu reden. Er versuchte sie zum Sprechen zu bringen. Sie wußt en ja nun, daß sie es konnte. Schon über eine 40
Stunde versuchte er es. Sie langweilte sich zu Tode. Er hielt eine Karte hoch, au f der ein einfaches Haus abgebildet war und buchstabierte langsam. »HAUS.« Sie reag ierte ni cht, und er buchstabiert e es mit unendlicher Geduld noch einmal, wobei er seinen Tonfall leicht änderte. »HAUS.« Sie starrte ihn nur an und sagte nichts, damit ihm ein bißchen unwohl würde. Doch er buchstabierte das Wort noch einmal. Der Name auf seinem w eißen Kit tel laut ete >Kinlo ch<. Auf dem Helm des Soldaten stand >Vehrenberg<. Über dem Türmechanismus hing ein Schild mit der Anweisung: >Vor dem Öffnen der Tür müssen die Wachen informiert werden.< Darunter stand der gleiche Satz in sechs anderen Sprach en, auch in Arabisch und Japanisch. Sie wußte, daß es sich um diese Sprachen handelt e, weil sie d ie Sätze lesen konnte. S ie fragte sich nicht, warum sie diese Sprachen verstand, genausowenig wie sie sich fragte, warum sie atmen, denken oder töten konnte. Sie konnte es ein fach. Kinloch hi elt eine weitere Zeichnung hoch. »BOOT.« Sie fragte sich, ob seine Kno chen woh l ebenso zerbrechlich waren wie die des Mannes hinter der Glasscheibe, der Mann, der mit den Roboterarmen an ihr gearbeitet hatte. Dieser Gedanke amüsierte sie immerhin etwas, während er immer wieder das Wort buchstabierte. Als er es zum fiinften Mal tat, reichte es ihr. »Boot«, murmelte sie entnervt . Das Gesicht des Mannes leuchtete derart begeistert auf, daß sie es sofort bedauerte. Er zeigte ihr noch ein Bild. Dieses Mal sagte sie das Wort sofort, nur um d er ewig g lei chen Prozedur zu entgehen. »Hund.« Die Zeichnungen waren alle mit bestimmten Assoziationen in ihrem Kopf verbunden, aber keine löste irgendwelche best imm ten Erinnerungen aus. Die Dinge hatten eben Namen, einfache Namen, die sie kannte. Die Übung war sinnlos. Sie blickte auf den Stapel von Zeichnungen, die neben Kinloch lagen und hätte fast aufg estöhnt. 41
Der Stapel war noch sehr hoch. * General M art in Allah andro Car los Perez stand mit verschränk ten Armen im Labor und starrte auf die M onitore, auf denen die Testergebnisse dieser Frau angezeigt wurden. Er war sich nicht ganz sicher, ob er der Sache zustimmen sollte. Schließlich hatte es niemals zum ursp rünglichen Plan gehört, den Wirt am Leben zu erhalten, nachdem der Gast ent nommen worden war. Nachdem die beiden Sold at en Distep hano und Calabrese und die beiden Wissenschaftler nach dem Angriff auf Wren ihren Bericht abgegeben hatt en, hatte der General die beiden Ärzte sofort zu sich beordert, um ihnen ordent lich den Kopf zu waschen. Aber auch wenn die beiden genau wie er zum M ilitär gehörten, so waren sie do ch kein e So ldat en. Trotz ihrer militärischen Ausbildun g blieben sie immer Ärzte. Obwohl die Wissenschaft die gleiche gewissenhaft e Disziplin verlangte wie der M ilitärdienst , so handelte es sich bei den Ärzten historisch gesehen jedoch st et s um die am weni gst en konventionell denkenden Soldat en. St ändi g mißachteten sie Befehle und sorgten im Dienst für Probleme. Perez kannte den Grund: M ediziner fühlten sich in erster Lini e dem Wissen verpflichtet, der wahre So ldat hingegen seinem Kommandant en und seiner Einheit sowie den Zwillings göt tern Diszip lin und Ordnung. Wissenschaft und militärische Notwendigkeiten waren oft unvereinbar e Herren, und dieser Wirt - diese Frau - war der lebende Beweis dafür. Sie h at te aus nächst er Nähe eine voll e Ladung abb ekomm en und war lediglich kurz bet äubt . Was zum Teufel ist sie? Und was zum Teufel wollen diese beiden mit ihr anstellen? Eines wußte Perez genau. Daß sie auf seinem Schiff bli eb, gef iel ihm ganz und gar nicht. Es gef iel ihm kein bißchen. 42
Die beiden Wissenschaftler waren bemüht, ihn zu besänft igen, nachdem sie hat ten zugeben müssen, daß sie das Leb en des Wirts erhalt en hatten, ohne ihn offiziell von ihrer Absicht zu unterricht en, geschweige denn ihn um seine Erlaubnis zu bitt en. Sie schwirrt en um ihn herum wie zwei nervöse M ott en. Dabei fiel ihm ein, daß man heut e in den Lagerräu men der M esse Getreidemotten gefunden hatte. Er runzelt e die Stirn. Wie d iese zähen kleinen Bastarde den M anipulationsprozeß überst anden hatten, war ihm ein Rätsel. »So et was hat es noch nicht gegeben«, sagt e Wren, während die Frau gelangweilt die Bilder auf den Kart en identifizierte. »Genau!« p lapp erte Wrens Schoßhündchen Gedim an ihm nach. »Sie verh ält sich den Kriterien eines Erwachsenen entsp rechend.« Die beiden Wissenschaft ler t auschten Blicke aus, als stünden sie in t elepathischem Kont akt . »Und ihr Gedächt nis?« fragt e Perez skeptisch. Erneut sahen sie sich an. »Es gibt Lücken«, räumte Wren schließlich zögernd ein. »Und es herrscht eine gewisse ko gnit ive Dissonanz.« Perez fragt e sich, ob Wren das wirklich wußt e, oder ob er nur riet. Vielleicht machte sie ihm ja et was vor. M it ihren unp rovo zierten Attacken hatte sie die Wissenschaftler schon zweimal überrascht - wenn man den Angriff eines Raubtiers überh aup t unprovoziert nennen konnte. Zu was war sie noch fähig? Perez war für jeden M enschen auf seinem Schiff verant wort lich, selbst für diese beiden verdammt en Narren. Konnte er verantwort en, daß dieses ... dieses ... Was zum Teufel ist sie denn eigent lich? Konnte er es wagen, sie am Leben zu lassen und möglicherweise jeden in Gefahr zu bringen, nur weil d iese beiden großen Kinder ein bißchen Onkel Dokt or mit ihr sp ielen konnten? Perez' offensichtlicher M angel an Begeisterung machte Wren 43
nervös. Er wischte einen Fleck vom Bi ldschirm, auf dem Kinloch gerade das Bild einer rotbraunen Katze hochhielt. Sie betrachtete es und wandte dann stirnrunzelnd den Blick ab, als denke sie über etwas nach. Das ist interessant, dacht e Perez. Waru m ger ade bei diesem Bild? »Das t urnt sie ab!« rief Gedim an. Wren st arrte ihn mißbilligend an. Perez wußte, daß er für diese Art von unprofessioneller subjek tiver Sp rache keinerlei Ver ständnis hatte. Amüsiert beobachtete er, wie ihre Allianz bröckelte. Keine Disziplin. Keine Loyalität. Kein Ziel. Nur Neugier. Aber zuviel Neugier kann tödlich enden. »Es hat konnektive Schwierigkeiten. Es handelt sich primär um einen schwach aus gep rägt en emot ionalen Autismus. Gewisse Reaktionen ...« Perez schaltete ab. Wren erinnerte ihn manchmal an ein en Polit iker. Seine Worte mocht en kompliziert er klingen, waren aber genau so leer. Er richt et e seinen Blick auf die Frau. Was immer sie auch noch sein mo cht e, eine Frau war sie. Zumindest äußerlich. Wrens Versuche, das zu leugnen, gefielen ihm nicht. Ob sie nun beschlossen, sie zu t erminieren oder ni cht , sie mit einem Haufen med izinischer Fachwört er zu belegen, würde ihre Individualit ät und ihren Überlebenswillen nicht auslöschen. Der Wissenschaft ler, der bei Ripley saß, legte das Kat zenbild schließlich beiseit e und versuchte es mit einem neuen. Es handelte sich um eine einfache Zeichnung, di e ein blondes M ädchen darstellte. Der Körper der gefesselt en Frau verst eifte sich plötzlich. Der gelan gweilt e Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand, sie sah mit einemmal aus gesprochen auf merksam aus. M it sicht licher Verblüffun g starrt e sie auf das Bild. Dann entspannte sich ihre Stirn, und ihre Augen bekamen einen weichen Glanz. Einen Augenbl ick lang sah es aus, als würde sie weinen. In di esem 44
M oment zeigt e sie zum erstenmal etwas zutiefst M enschliches. Selbst Kinloch schien berührt und saß schweigend da, drängte sie nicht, das Wort zu buchst abieren, das er hören wollt e. Eine Zeit lan g schwiegen alle. Die Zeichnung des Mädchens tauchte vor ihren Augen auf. Sofort bäumte sich ihr Körper in den Fesseln auf. Ihr Kind! Ihr Junges! Nein, nicht ihres ... Doch, meins, mein Junges! Das Bild bedeutete gleichzeitig alles und nichts. In ihrem Kopf schwirrten chaotische, konfuse Szenen und Erinnerungen umher, die sie nicht en twirren konnte. Die dampfende Wärme des Horts. Die Stärke und die Sicher heit ihrer eigenen Art. Die Einsamkeit des einzeln en. Und die unstillbare Sehnsucht ... Kleine, starke Arme, die si ch um ihren Hals klammerten, kleine, starke Beine, die sich um ihre Hüfte schlangen. Es herrschte Chaos, und dieses Chaos war sie. Die Soldaten starben schreiend. Feu er. Ich wußte, daß du kommen würdest. Eine Wel le des Schmerzes über einen unwied erbringlich en Verlust schwappte über sie. Ihre Augen füll ten sich mit Flüssig keit, bis sie nichts mehr sehen konnte, leerten sich und füllten sich erneut. Es bedeutete nichts - und alles. Mami! Mami! Sie suchte nach einer Verbindung zu ihrer eigenen Art, sie suchte die Stärke und d ie S icherheit des Horts, doch sie fand sie nicht. Sta tt dessen nich ts als Schmerz, das entsetzliche Gefühl von Verlust. Sie war hohl, leer. Wie nie zuvor. Sie sah den Arzt an, der das Bild hielt, und hätte ihm gerne di e Frage gestellt, die si e den anderen schon gestellt hatte. Die Frage, von der sie wußte, daß sie sie n icht b eantworten wollt en. Warum? Eines Tages würde sie die Antwort bekommen. Wenn nicht hier und jetzt, dann bald. 45
Während die Echos der Stimme ihres Jungen durch ihren Kopf hallten, beschloß sie, die Antwort zu finden. Sie würde sie von ihnen bekommen. Trotz ihrer Gewehre, trotz ihrer Fesseln. Sie würde sie sich n ehmen. Mit Gewalt. Perez sah, wie die Frau auf dem Videoschirm mit den Tränen zu kämpfen schien. Er wunderte sich. Sie erinnert sich an das Kind, das kleine Mädchen, das si e gerettet hat. Wi e ist das möglich? »Aber es kann sich offenb ar erinnern«, murmelt e er Wren zu und übernahm unwillkürli ch die Wort wahl des Wissenschaftlers. Er sah dem Arzt ins Gesicht. »Warum?« Wren schien selbst überrascht . Er konnte es nicht verbergen. Er wandte sein en Bl ick vom Bildschirm ab und versucht e sich an einer Erk lärung. »Nun, ich würde sagen ... kollekt ives Gedächtnis. Über Generationen hinweg von den Aliens auf gen et ischer Eb ene weitergereicht. Fast wie eine ho chentwickelte Form des Instinkts. Vielleicht handelt es sich um einen Überleb ensmechanismus, der sie vereint und die Sp ezies erhalten soll, egal welche unterschiedlichen M erkmale sie von ihr en jeweil igen Wirten mitbekommen haben.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Ein unerwart et er Vorteil des genetischen Drifts.« Für wie blöd häl t er mich eigent lich? Perez sah dem Arzt so lange in die Augen, bis dieser den Bli ck ab wandt e. Der General schnaubt e ver ächtlich. »Ein Vort ei l ...?« Noch einmal sah er zu der Frau hinüber, sah den gequälten Ausdruck auf ihrem Gesi cht . Ich habe genug gesehen. Er drehte sich auf dem Absat z um und verließ d en Raum. Die beiden Ärzte folgt en ihm so gleich. Sie l iefen hint er ihm den Flur hinab und versuchten ihn umzustimmen, auf ihre Seite 46
zu ziehen. »Sie denken doch n icht etwa an Terminierung?« fragte Gedi man än gstlich. »Und ob ich an Terminierun g denke!« platzt e Perez heraus. Es machte ihm dieb ischen Sp aß, Gedimans entsetztes Gesicht zu sehen. Wren versucht e sich einzuschalten, versuchte seinen St at us als leitender Wissenschaftler in di e Waagschale zu werfen. »Wir halten das ni cht für ein Problem. Der Wirt ... es ...« Perez blieb stehen und sah Wr en mit ten ins Gesicht. Er trat dicht an ihn heran, so daß sich die beid en M änner Fuß an Fuß gegenüberstanden. »Ellen Ripley ist bei dem Ver such gestorben, diese Sp ezies zu vernichten, und nach allem, was wir wissen, ist es ihr gelun gen.« Er st ieß mit dem Fin ger gegen Wrens Brust. »Ich bin nicht scharf darauf zu erleb en, wie sie ihr e alten Hobbys wieder aufnimmt .« Besonders dann nicht, wenn sie über den unerwarteten Vorteil des >genetischen Drifts< verfügt! Gediman h ielt es für nötig, sich in dieses M ännergesp räch einzumischen. Grinsend glu ckste er: »Wüßte nicht , auf welche Seite sie sich schlägt, wenn es zum Kampf kommen sollte.« Perez wirbelte herum. »Und dieser Gedanke scheint Si e zu beruhigen?« fuhr er Gediman an. Der Wissenschaftler t rat zwei Schritt e zurück und grinste nicht mehr. Perez gin g weiter. Die beiden anderen folgten ihm dicht auf den Fersen, murmelnd und vertrauliche Blicke austauschend wie zwei Schuljun gen, die einen Blick in die M ädchendusche erhäschen wollen. Perez är gerte sich. Es gab so viele andere Dinge, die wichti ger war en. Hatten sie ihre Ziele denn völli g ver gessen? Den Grund für di eses Projekt? Schütze mich vor den Wissenschaftlern! dachte er. Sie schaff en es nicht, diese Station frei von Insekten zu halten, aber es macht ihnen Spaß, Zeit und Geld an das einzige Wesen zu verschwen den, das dieses ganze Projekt gefährden könnte. 47
Schließlich blieb er vor einer Si cherheit st ür st ehen. Er gab einen Code ein und wartete, während der Computer ihn verarbeitete. Der Atemanalysator schob sich heran. Perez haucht e in den Schlauch. Der Co mputer analysierte nicht nur die verschiedenen M oleküle seines At ems und ident ifizierte ihn danach, die Retinalanalyse zeigte auch an, ob jemand Alkohol oder Drogen zu sich genommen hatt e. Dann wurde der Eint ritt verweigert, selbst wenn alle and eren Daten stimmten. Verär gert hörte er, wie die Ärzte hinter ihm tuschelt en. Trotz seiner schlechten Laune schienen sie ziemlich opt imistisch, als wüßten sie, daß er schl ießl ich doch nachgeben würde, unt er welchen Vorbehalten auch immer. Er wartete, bis die Türen sich geöffnet hatten, und erlaubte den beiden Ärzten dann den Eint ritt in die innere Beobachtungsst at ion. In der kleinen Zelle war es dunkel und unnatürlich ruhig. Sofort schwiegen auch die M änner, als verlange dieser Ort nach Stille. Zwei bewaffnete Posten standen schußbereit zu beiden Seiten ein es großen Beobachtungsfensters. Der General schien die beiden Soldaten nicht einmal zu regist rieren, gab ihnen auch nicht den Bef ehl zum Rühren. Solange sie auf dieser Station Wach e hielten, gab es diesen Befehl nicht. Nicht hier. Perez t rat an das Sicht fenst er heran. Er blickte in ein e weit ere Kammer, die noch dunkler war, und wart et e, bis sich seine Augen an das Dämmer licht gewöhnt hat ten. »Eines will ich klarst ellen«, sagte er schließlich leise zu den Ärzten. »Sie sieht mich einmal komisch an, und ich schicke sie schlafen. So wie ich es sehe, ist Nummer acht ein Neb enp rodukt aus Fleisch und Blut.« Es ärgerte ihn schon, ihnen auch nur soviel einzugestehen, weil er wußte, daß sie es als p ersönlichen Sieg betrachten würden. Aber nur, weil sie n icht verst anden, wie er dacht e. Es spielte keine Rolle, wie lan ge Ripley an Bord seines Schiffes lebte, wenn si e einmal die von ihm gezogene Linie überschrit t, würden ihr keine Gnadengesuche ihres Fanclubs mehr helfen. Er würde al les t un, um dieses Projekt zu 48
einem Erfolg zu machen, und er würde nicht zulassen, daß eine Frau das alles zunicht e machte. Perez sah, wie sich et was in der inneren Kam mer bewegt e und zog seine Augen zu Schlit zen zusammen. Er lächelt e verh alt en. »Diese Dame hi er bringt's.« O Ripley, wenn du jetzt dein kleines Mädchen sehen könntest. Die Schatten bewegten sich und k amen näher an die Scheib e heran. »Wie l an ge dauert es noch, bis sie sich vermehrt?« fragt e Perez die Wissenschaftler. »Nur ein paar Tage noch«, sagt e Wren gen au so leise wie der General. » Vielleicht weniger.« Er senkt e die St imme noch mehr. »Wir brauchen bald d ie Ladung ...« »Sie ist unterwegs«, sagt e d er General barsch, entset zt darüber, daß Wren dieses Thema vor d en wachhabenden Soldaten erwähnt hatte. Wußt e der M ann nicht einmal, was >geheim< hieß? Hatt e er denn überhaupt keinen Verst and? Er blinzelt und versuchte, in der dunk len Kammer etwas auszumachen, den wahren Lohn ihrer Arbeit. Da! Da war sie! Ja, das ist mein Mädchen! Und dann bewegte sie sich in d as Li cht , so daß man sie gerad e eben erkennen konnte, ein Schatten aus einem Alptraum: Regina horribilis - die Alien-Königin. * Immer wieder prüfte sie den Raum, der sie gefangenhielt, aber hier gab es nichts, das nachgab, keine Mög lichkeit zu entkom men. Die Wände waren unnatürlich glatt. Ein e Wand war transparent und erlaubte ihr hinauszusehen, doch ihr Bl ick fiel nur auf einen Raum, der dem ihren ähnelte. Auf d er anderen Seite der transparenten Wand standen zwei Menschen mit ihren schmerzbringenden Apparaturen. Sie gaben nie ein Geräusch von sich, sahen sie nie an, sondern standen bloß da. 49
In regelmäßigen Abständen wurden sie von zwei anderen abgelöst, die ihnen so ähnlich sahen, daß sie keinen Unterschied erkennen konnte. Ihren Geruch konnte si e durch die transparen te Wand nicht wahrnehmen, auch wenn durch den Schacht des Luftversorgungssystems andere Gerüche zu ihr hereindrangen. Jetzt standen drei andere Menschen vor der transparenten Wand. Zwei davon erkannte sie. Sie waren bei ihrer bizarren Geburt dabeigewesen. Sie ha tte das Gefühl, daß sie für d iese Geburt verantwortlich waren - und auch dafür, daß sie jetzt hier festsaß. Erneut prüfte sie ihre Umgebung, doch die Menschen, die si e beobachteten, bemerkten es nicht, wußten nicht, was sie tat, auch wenn sie nur ein paar Schritte von ihr entfernt standen. Auch die beiden Wachen bemerkten n ie etwas. Sie waren dumpf, diese Menschen. Dumpf, verweichlicht und langsam. Aber sie waren in der Lage, Vorrichtungen zu bauen, mit denen sie ihre Nachteile kompensieren konnten. Wie die Vorrichtung, die sie jetzt umschloß. Sie tat ni cht weh, war ab er stärker, als sie wirkte. Nachdem si e einmal darin saß, konnte sie nicht w ieder aufstehen. Sie konnte nicht einmal ihre Arme befreien. Wenn sie darin eingesperrt war, konnten diese Menschen sie überall hinbringen und mit ihr machen, was sie wollten. Und sie konnte nur dasitzen und warten. Aber sie konnte gu t warten. Besser, davon war sie überzeugt, als diese Menschen. Einer der Menschen sprach mit den anderen. Mehr schienen sie nicht zu machen, sie standen nur herum, sahen sie an und redeten. Sie verstand si e nicht, aber das war auch nicht nötig. Sie wußt e, daß die Koloni e ihnen schon früher entgegengetreten war. Es hatte Siege gegeben, und Nied erlagen. Bald würde es wieder einen Sieg geben. Sie konnte wart en. Das konnte sie sogar sehr gut, auch wenn sie sich augenblick lich zu Tode langweilt e. Auf der Uniform eines der Beobachter stand >Perez<. Die Namen der beiden anderen lauteten >Wren< und >Gediman<. 50
Über dem Türmechanismus hing ein Schild mit der Anweisung: >Vor dem Öffnen der Tür müssen die Wachen informiert werden.< Darunter stand der gleiche Satz in sechs anderen Sprachen, darunter in Arabisch und Japanisch. Sie wußte, daß es sich um diese Sprachen handelte, weil sie die Sätze lesen konnte. Sie fragte sich nicht, warum sie diese Sprachen verstand, genausowenig wie sie sich fragte, warum sie atmen, denken oder töten konnte. Sie konnte es einfach. Die Menschen sprachen weiter mit einander. Sie fragt e sich, ob ihre Knochen so zerbrechlich waren wi e di e des Mannes, der sie von ihrem Wirt befreit hatte. Sie fragte sich, ob ihr Blut wohl so warm war wie das ihres Wirtes, genauso süß schmeckte und genauso spritzte, wenn die Knochen auseinandergerissen wurden. Diese Gedanken vertrieben ihr etwas die Langeweile. Bald war es an der Zeit, sich zu vermehren. Dann würde dieses winzige Gefängnis zu klein sein, um ihre großartige Legeröhre zu beherbergen, zu klein für ihre zahlreiche Brut. Zu klein, zu kalt, zu feindli ch. Sie sehnte sich nach der dampfenden Wärme des Horts. Nach der Stärke und der Sicherheit ihrer eigenen Art. Die Einsamkeit ihres besonderen W esens lastete au f ihr. Und diese unstillbare Sehnsucht, sich zu vermehren. Bald würde es genügend Krieger g eben, die sie beschützt en und den perfekten Hort für sie bauten. Und di ese M enschen, diese bedauernswerten weichen Mensch en, würden ihren Jungen als Nahrung d ienen, als W irte der neuen Brut. Es würde so kommen. Aber da waren diese Erinnerungen. An unerwartetes, plötzliches Chaos. Krieger, die schreiend starben. Und Feuer. Und ein Mensch, der standhaft blieb und ihr eigen es Junges im Arm hiel t. Sie hat te Tod und Zerstörung über den Hort gebracht. Sie blinzel te verwirrt. In ihrem Kopf wirbelten Fragment e von 51
Erinnerungen und Instinkten herum, die sie nicht einordnen konnte. Der alles durchdringende Schmerz des Verlustes, eines unwiederbringli chen, betäubenden Verlust es strömte durch ihren Körper. Er bedeutete nichts und alles. Sie suchte nach der Verbindung zu ihrer eigenen Art, sucht e nach der Kraft und der Sicherheit des Horts, aber sie fand sie nicht. Statt dessen empfand sie ni chts als diesen Schmerz über einen furchtbaren Verlust. Sie war hohl. Leer. Aber das würde nicht immer so bleiben. Ihr Körper wußte es. Es würde einen neuen Hort geben. Es gab immer einen neuen Hort. Sie würde ihn selbst bauen. Sie und ihre Kinder. Trotz ihrer Gewehre, trotz ihrer Fesseln würden diese M enschen ihnen zum Opfer fallen. Sie würden sie ernähren und ihre Jungen gebären. Si e würde diesen Ort mit Gewa lt einnehmen. Wie sie es immer getan hatte und immer tun würde. Unsere strukturelle Perfektion wird nur noch von unserer Feindsel igkeit übertroffen. Selbst die Menschen bewundern unsere Reinh eit. Wir sind Überlebende, die sich weder durch Bewußtsein, Gewissen oder moralische Il lusionen b ehindern lassen. Wir sind perfekte Organismen ...
4.
Gediman saß mit Rip ley an einem Tisch in der M esse, aller dings ein p aar Stühle von ihr ent fernt. Er wollte ihr Plat z zum Atmen lassen, au ch wenn es nur eine Gest e war, di e Privatsphä re erset zen sollte. In der Kombination aus M esse und Erholungs raum war alles still; sie waren die beiden einzigen Gäste, die jetzt dort aßen. Nat ürlich standen auch hier zwei Wacht post en bei der Tür, aber sie gehörten so untrennbar zum Invent ar der 52
Auriga, daß Gediman sie kaum noch wahrnahm; Rip ley wahr scheinlich auch n icht mehr. Sie war noch imm er gefesselt, aber in den letzten Tagen hatt e man die Bänder gelockert , um ihr etwas mehr Bewegung zu verschaffen. Seit sie das Bild von dem kleinen M ädchen gesehen hatte, war sie seltsam passiv und nachdenklich gewor den. Sie hatte sich keiner M aßnahme widerset zt und auch keine Tendenz zur Gewalttätigkeit mehr gezeigt. Wren gl aubt e, daß durch das Bild des Band es Erinnerungen aus gelöst worden waren, die einen Teil ihr er alt en Persönlichk eit zurückgebracht hatten. Sie ist immerhin Schiffsoffizier gewesen, hatt e Wren gesagt. Sie weiß, wie m an gehorcht, wie man Befeh len folgt. Gediman hatt e seine Zweifel. Die gelockerten Fesseln er laubt en es ihr zum erst enmal, ohn e fremde Hilf e zu essen. Gediman war zufrieden. Zwangsfütt erung war eine unangenehme Sach e, und er hatte befürchtet, daß sie d abei nicht genügend Nährstoffe zu sich nehmen würde. Aber jet zt, da sie die Gelegenheit hatte, selbst zu essen, schien es sie nicht sonderlich zu interessieren. Sie hatte nach ein paar Löffeln an gef an gen, d ie M ahlzeit auf dem Teller herumzuschieben. Es handelte sich um di e typische Schiffsnah rung, so oft verarbeitet, getrocknet und wieder verarb eit et , daß sie echt em Essen kaum noch ähnelt e. Dennoch hätte sie mehr Appetit haben sollen. Gediman befürcht et e, daß Ripley unter Depressionen litt , aber Wren hatte seine Sor gen abgetan. Gediman hat te sein Frühstück schon fast beendet , als ihm auffiel, wie genau sie ihr Besteck, vor allem das M esser betrach tete, das sie offenbar erheblich mehr interessiert e als ihr Essen. Er wischte sich den M und ab. »M esser«, sagte er freundlich. Er wollt e unbedingt eine Beziehun g zu ihr aufbauen, wollt e sich mit ihr aust auschen. Dann fand er vielleicht heraus, was in 53
ihrem Kop f vorgin g, dem einzigen Teil ihres Körpers, über den sie nicht genau Bescheid wußten. Woran erinnerte sie sich? Was wußte sie? Gediman wollt e es unbed ingt wissen. Ripley sah mit zusammengekniffen en Augen zu ihm herüber. Direkten Augenkont akt vermied sie stets. Leise wiederholte sie das Wort , wenn auch nicht ganz korrekt : »Pisser.« Gediman war froh, daß sie allein waren, die Sache hätt e sonst peinlich sein können. »M esser«, korrigiert e er nachsicht ig. Ihre M iene verändert e sich. Fast schien es, als habe er ein Lächeln gesehen, aber schon war es verschwunden. Dann überrascht e sie ihn mit einer Frage: »Wi e habt ihr ...?« Es schien ihr derart schwerzufallen, d ie Worte auszusprechen, daß er den Sat z für sie zu Ende führte: »... mich bekommen? Harte Arbeit. Blutproben, Gewebeproben. Wir haben sie von Fiorina 161. Sie l agen auf Eis, auf der Krankenst at ion.« Eine einfache Erk lärung für ein en sehr kompliziert en Job. Ein e solche Arbeit war noch nie geleistet worden. Die Proben waren in ausreichender M enge vorhand en, und es gab auch genügend Zellen, aber d ie DNS war ein einziges Chaos. Und dann hat ten sie zu ihrer Verblüffung festgest ellt , daß das Embry o-Alien, das Ripleys Körper schon infiziert hatte, als die Blut und Zellp roben entnommen worden waren, seine Invasion noch weiter fortge set zt hat te. Wie ein Virus hat te der Embryo die lebenden Zellen seines Wirt s befallen, jed e einzelne, und sie gezwungen, sich seinen Bedürfnissen nach Wachst um und Entwicklung anzup as sen. Ein wahrer M eilenstein der Evolution durch Anpassung. Auf diese Weise wurde gar antiert, daß jeder wie auch immer geartete Wirt all das bereit hielt, was der sich entwickelnde Embryo braucht e, selbst wenn der Körp er des Wirts eigentlich nicht geei gnet war. Nur weil Alien- DNS in das von Rip ley ein gedrungen war, war es ihnen möglich gewesen, si e zusammen mit dem Embry o zu inkubieren. Aber leicht war es nicht gewesen. Sie hatten die 54
DNS bis hinunter zur RNS aufschlüsseln müssen, hatt en sie rekonstruieren müssen, damit sie wieder funktioniert e ... es war harte Arbeit , unglaubl ich schwere und frustrierende Arbeit , und sie hatt e Jahre gedauert. Aber nun saß sie da, wie jedes andere menschl iche Wesen und aß wie ein menschl iches Wesen. Und ihr schreckliches Kind, das jetzt ... »Fiorina 161 ...«, sagt e Rip ley leise, als wende sie das Wort in ihrem M und und prüfe seinen Geschmack. »Fury ...?« »Läutet da eine Glocke?« fragte Gediman aufgeregt. Wenn sie doch nur mit ihm red en würde. »Woran erinnern Sie sich?« Sie beant wortete die Frage nicht, sondern bedachte ihn nur erneut mit diesem seitlichen Bl ick. »... Wächst ... >es« Gediman sah sie v erblüfft an. »Ob ... >es< ...?« Sie fragt nach dem Embryo, den wir ihr entnommen haben! »Ja, >es< wächst . Sehr schnell.« »Es ist eine Königin«, sagte sie best immt und legt e die Gabel beiseite. Sie schob den Tel ler weg. Aber sie war anästhesiert. Wie ... »Woher wissen Sie das?« »Es wird sich ver mehren«, sagt e sie tonlos. Zum erstenmal sah sie ihm ins Gesicht . »Ihr werdet alle sterben. Jeder von der ...« sie sah das M esser an »... scheiß Gesellschaft wird sterben.« Ihre Augen blieben auf die Gabel geheftet. »Welche Gesellsch aft?« Wovon sprach sie? »Wey land-Yutani«, k lärte Wren ihn auf. Er hatt e die M esse betreten und war zu den b eiden an den Tisch gekomm en, aber Gediman war so in das Gespräch vert ieft gewesen, daß er ihn gar nicht bemerkt hatte. Wren zei gt e wie im mer das herablassende Lächeln, das er aufset zt e, wenn er mit Rip ley zu t un hatte. Eigent lich selt sam, dacht e Gediman. Die Abdrücke, die si e auf seiner Kehle 55
hinterlassen hatte, waren noch imm er gut sicht bar. Der leitende Wissenschaftler setzt e sich direkt neben die Frau. Er hat te kein Interesse daran, ihr Freir aum zu lassen. Im Gegent ei l, es schien, als bedränge er sie absichtlich, als wolle er sie provozieren, um zu sehen, ob sie si ch noch einmal auf ihn st ürzen würde. Gediman gefi el es nicht, aber er konnte nichts dagegen tun. Wren hörte ja doch n icht auf ihn. Ripley sah ihn aus den Augenwinkeln an, während Wren völli g unbekümmert ein paar Bissen von ihrem Teller aß, so wie ein Vat er, der sich etwas vom Essen seines Kindes nimmt. »Wey land-Yutani«, wiederholt e er und sah zu Gediman hin über. »Rip ley s frühere Arbeitgeber, ein Terran-Growt h Kong lomerat, das mit dem M ilit är einige Verträge abgeschlos sen hatte. Das war lange vor Ihr er Zeit , Gedim an. Sie sind vor Jahrzehnt en in Konkurs gegan gen und wurden von Walmart geschluckt. Kriegsschicksal.« M it einem kühl en Lächeln sagte er zu Ripley: »Aber Sie werden bald merken, daß sich seit damals einiges geändert hat.« Gediman glaubt e erneut , den Anfang eines Lächelns auf ihrem Gesicht entdeckt zu haben. »Das bezweifle ich«, sagte sie. Wren tat gar nicht erst so, als habe er ihren Kommentar miß verstanden. »Wir sind keine Piraten, wissen Sie. Wir sind vom M ilitär der Ver einigten Sy st eme, nicht von ir gendeiner hab gie rigen Firma.« Als würde er ni cht au ch für eine d ieser >habgierigen< Firmen arbeiten, wenn sie sein e Art der Wissenschaf t finanzi eren würde, dacht e Gediman, aber er behielt den Gedanken für sich. Ripley st arrte auf ihren Teller. Ihre Stimme klang müde. »Das macht keinen Unt erschied.« Der Satz schien eine Erinnerung aus gelöst zu haben, denn sie schwieg und runzelte die Stirn. »Ihr werdet trotzdem alle sterben«, fuhr sie dann fort . Wren schlug in gespieltem Schr ecken die Hände zusammen. 56
»Und wie st ehen Sie dazu?« Sie zuckt e mit den Schult ern. »Es ist euer Begräbnis, nicht meins.« Wren gefiel diese Antwort nicht, und er konnte seine Ungeduld kaum verb er gen. M it einemm al sprach er nicht mehr wie m it einem Kind zu ihr. »Ich wünschte, Sie würden verstehen, u m was wir uns hier bemühen. Die möglichen Nutzen dieser Rasse gehen weit über die Friedensschaffung hinaus. Neue Impfstoffe, neue Verbindun gen ... dieses Wesen eröffnet uns ungeahnt e M öglichkeiten.« Plötzlich hielt er inne, als habe er bereits zuviel von sich selbst verraten. Gediman spürte die Frustrat ion in Wr ens Wort en. Aber er wußte auch, daß Ripley ihre Pläne nicht verstehen oder gar gutheißen konnte. Es hand elt e sich schließlich um Träume, die nur von Wissenschaft lern get eilt werden konnt en. Und Wren hatte recht - hier steckte ein grenz enloses Potential. Vielleicht dauerte es Jahrzehnte, bis die komplexe Genetik dieser Wesen entschlüsselt war, und weit ere Jahrzehnte, bis man d en einzi gar tigen genetischen Code, der säurehalt iges Blut und Sil ikonpan zer hervorbrachte, an ander e Leb ensformen anp assen konnt e. Wenn man herausfand, wie der parasit äre Gast seinen Wirt gen et isch und ch emisch veränderte, würden Bioch emi e und Biomechanik ins nächste Jahrhundert katapultiert. Allein die Arbeit, die sie geleist et hatt en, um Ripley und ihr AlienNachkommen zu schaffen, hatt e das Klonen um hundert Jahre voran gebracht! Wren nahm wi eder seinen herab lassenden Tonfall an. »Sie können sehr stolz sein.« Sie lacht e, zum erstenmal, aber es klang bitt er und abstoßend. »Oh, das bin ich.« Wren ignoriert e die Ironi e. »Und das Tier selbst ist ein Wunder. Sie werden von unschätz barem Wert sein, wenn wir sie erst einmal gezähmt haben.« 57
Ripley sah Wren so scharf an, daß er zurückwich. »Sie sind wie Krebsgeschwüre. M an kann ihnen kein e >Tricks< beibringen.« Zu Gedimans Überraschung ent hielt sich Wren einer Antwort . Ripley spielte nachdenklich m it der Gabel. Gedim an hät te sie gerne gefragt, woran sie dachte. Aber sie sagt e nur ein Wort: »Sie.« * Distep hano beobachtete, wie sich das kleine Priv at schiff der Auriga auf dem Leit st rahl nähert e. Bis jetzt war diese Schicht so langweil ig verlaufen wie all e ander en in der Kommandok ap sel. Er vermerkte die Annäherung des kleinen Raumkreuzers im Logbuch und benachri cht igt e offiziell den General. Noch nie hatte er hier draußen ein Privatschiff gesehen. Nicht so nahe an der Auriga. Natürlich war das längst nicht so aufregend wie der Zwischenfall mit dieser Retortenfrau letzt e Woche. Aber wie oft passiert e so et was schon? Offiziell hat te er nichts mehr über die Sache gehört , nachdem er seinen Bericht eingerei cht hatt e, aber hint en herum hatt e er mitbekommen, daß seine Salve die Frau wohl zur Vernunft gebr acht hatte. Seitdem sei sie lammfrom m. Er hatte sogar gehört, daß man sie gest ern komplett von ihren Fesseln befreit hatte. Sie durft e sogar ein bißchen herumlauf en. Warum ni cht , schließlich war en st ändi g zwei Wachen b ei ihr. Außerdem waren sie jetzt sicherlich um so mehr auf der Hut . Es galt momentan als der heißeste Job an Bord, die Ret ortenlady zu begleit en. Was für ein irr er Auft rag! Fast umgehend erhielt er eine Antwort auf seine M eldung. »Das sich nähernd e Schiff hat von General Perez die Erlaubnis erhalten anzudocken«, sagt e >Vater<, die männli che Comput er stimme, die unheiml ich durch d ie kl eine Kapsel hallt e. »Autorisationscode lautet 6993. Sicherheitsst ufe eins.« 58
Interessant, dacht e Distephano. Privat e Schiffe brachten so gut wie nie Vorräte oder ander e Lieferun gen zur Auriga. Die Auriga war ein Top Secret, ein ultrageheimes Schiff. Normal erweise mußte hier die Autorisierung autorisiert werden, wenn man nur einen Sack M ehl liefert e. Und diese kleine Schmeißfliege durfte einfach so andocken? Vinnie hört e die aut omatisierte M eldung des Schiffes, das Registrat ionsnummer und Namen an gab. So so, die Betty. Er gab die Zahlen, die ihm die weibliche Computerstimme der Betty genannt hat te, in seine Konsole ein. »Registrat ionsnummer des sich nähernden Sch iffes«, sagt e Vat er monoton, »existiert nicht. M öglicherweise liegt ein Ein gabefehler vor. Bit te geben si e die Nummer ern eut ein.« Vor allen Dingen Hegt da ein Fehler vor, dacht e Vinni e verärgert und tippt e die Zahl ein zweites M al ein, langsamer als zuvor. »Dem Vereinigten M ilitärsyst em liegt keine solche Registra tionsnummer vor«, meldete Vater. »Wenn kein Ein gabefehler vorliegt, handelt es sich um ein ni cht regist riertes Schiff.« Das ist doch nicht möglich, dacht e Vinni e. Er benachrichti gt e erneut den Gener al und kontaktierte das Schiff im Anflu g, von dem er vor der Erlaubnis zum Andocken einen gült igen Aut orisat ionscode verlangte. Aber selbst wenn es ein ... Sie hätten doch ni cht die Chuzpe, eine Militärstat ion anzufli egen! Vinnie erwartete jeden Augenbl ick, daß der Code der Betty erneut abgelehnt wurde. Dann konnte es sehr interessant werden. Entweder würde sich das Schiff schleunigst aus dem Staub machen, oder es würde einen Notruf senden, fal ls es aus irgendwelch en Schwier igkeiten notlanden mußt e. Und wenn Perez das ablehnte ... Wenn er es ablehnt, muß i ch das Schi ff eventuel l abschießen! fuhr es Distep hano durch den Kopf. Er hatt e genug Feuerkraft unter seinem Daumen, um das kleine Raumschiff zu Atomen zu 59
pusten. Er beobacht et e, wie die Bett y die M onitore ausfüllte. Plöt zlich dröhnte die St imme General Per ez' höchstpersönlich durch die Kopfhörer in seine Ohren. »Ich habe dem Schiff di e Erlaubnis anzudocken erteilt, Sol dat«, grollte er. »Wo liegt das Problem?« Distep hano sucht e nach den richt igen Worten. Er hatte nicht im mindesten damit gerechnet, den Alten selbst zu hören. Um so etwas kümmert en sich in der Regel die Offiziere. »Oh, es tut mir leid, Sir, ... es ist nur, d ie Registriernummer, ähm ...!« Er schluckte und versuchte sich zusammenzureiß en. »Sir! Kein Problem, Sir! Andocken erfolgt sogleich, Sir!« »Das will ich hoffen!« knurrt e Perez. Vinnie beobachtete das Schiff. Ein Pirat, ein verdammt echtes, hundertprozentiges Piraten schiff. Keine Registrationsnummern. Nichts Offizi ell es. Und Perez lädt es ein, an Bord zu kommen. Was sagt man dazu. Vinnie fiel die Warnung ein, die ihm sein kommandierender Offizier vor diesem Auft rag mit auf den Weg gegeben hat te. Wenn du erst mal da draußen b ist, Jung e, darfst du eines ni e vergessen - keine Fragen stellen. Nichts erzählen. Kein Wort. Ich will nicht, daß sie zu mir kommen und sagen, ich hätte dich nicht richtig ausgebildet. Ja, dieser Dienst würde ihn voranbrin gen - voraus gesetzt, er eckt e nicht mehr beim Alt en an. Ich gehe jede Wette ein, daß das nicht mehr vorkommt. Für den Rest der Reise werde ich auch ganz brav sein. Das kleine Schiff hielt seinen Kurs. Jetzt konnte er es deutlich erkennen. Es sah sogar aus wie ein richt iges Piratenschiff und war in Tarnfarben gestrichen, damit es unauffällig üb er veget a tionsreiche Landschaften fliegen konnte. Es hand elt e sich offensichtlich u m ein vielseit iges kleines Schiff, das zwar für den Raumflu g konzipiert war, jedoch auch üb er angewinkelte Seitenteile verfügte, die für Atmosphärenflüge schnell und 60
einfach in aerodynamisch e Tragflächen verwandelt werden konnten. Außerdem besaß es Höhen und Seitenruder, di e es beweglicher machten. Aber dennoch handelte es sich um ein altes Schiff, an vielen St ell en geflickt mit Teilen, die nicht ganz paßten, zerbeult und verdreckt. Vor dem riesigen, dunkel glänzenden Rumpf der Auriga verschwand es fast. Dann st arrte Vinnie un gläubi g auf das Bi ld auf dem Tank. Was, zum Teufel ...? Er mußte lachen. Als Exp erte für alles, was mit dem Zweit en Welt krieg zu tun hat te, erkannte er die alt modische Art dieses Gemäldes sofort . Pinup hatt e man so et was mal genannt . Unter dem Schiffsnamen war eine üpp ige Frau mit runden Hüften und großem Busen auf gem alt , die in einem engen f igurbetonten Badeanzug auf einer altertümlichen Rakete saß, die sich über den Tank des kleinen Schiffes erstreckte. Die Betty, in der Tat . In let zt er Zeit wurde es hier auf der Auriga immer int eressanter. * An Bord der Betty war es immer interessant. Zumindest für ihren Kapitän Frank Elgyn, einen hageren, hochaufgeschossenen M ann M itte Vierzig, dessen dunkle Au gen und stark gebogene Nase ihm et was Raubvogel artiges gaben. Er lehnt e sich in seinem Kopilotensitz zurück und st ützt e seine in St iefel st e ckenden Füße an der Konsole ab. Hatte ihn doch eben so ein grünschnäbli ger Kommißkop p, der noch feucht hinter den Ohren war, nach seiner Registrat ionsnummer gefragt! Leise lachend dreht e er si ch zu seiner Pilotin Sabra Hillard, einer großen, kr äftig gebaut en Frau, die ihm zu grinst e und ihren kurzgeschorenen Kopf schüttelte. Als ob es irgendwo auf der Welt oder wo auch immer einen Autorisierungscode für dieses Schiff geben würde, auf dieser Reise und mit dieser Ladung. Aber klar doch. 61
Er machte es sich in seinem Sitz gemüt lich. Sabra hat te ihre Lieblingsmusik aufgedreht, und der schrill e Sound ir gendwelcher modernen Rhy thmen dröhnte durch das Schiff. Elgyn dreht e ni cht leiser. Der Pilot durfte sich di e M usik aussuchen. Wenn es an Bord der Betty überhaupt Regeln gab, dann diese. Er wandte sich über die Kom-Anlage noch einmal an den So ldat en. »M eine Aut orisierung laut et >Du kannst mich mal<, mein Sohn!« Sabra schnaubte vor Lachen. Während sie zur Landung ansetzte, sp ielt e sie nebenbei ein Videospiel, irgendeine Raumschlacht. Es war erstaunlich, was diese Frau alles gleichzeiti g konnte. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm schon ganz heiß. Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu, den sie erwid erte. »Und jetzt mach das gott verdammt e Baby auf«, sagt e er zu dem Soldaten. »Oder Gener al Perez tanzt auf deinem jungfräu lichen Arsch Polka.« Offenbar hatt e der General eine derart ige Aufforderun g bereits erteilt, denn die Comp ut erst imme der Auriga gab Hill ard die Koordinaten durch, die sie br auchte. »Bring uns auf drei-null runter«, sagt e Elgyn. »Nimm die Parallelbahn.« Sie macht e sich nicht die M ühe, von ihrem Comp uterspiel hochzusehen. »Wird gemacht , Darling.« Während die Raumstation immer näher rückt e, erhob sich El gy n von seinem Sit z. »Geh nicht mit dem Gas runt er, bevor wir sechshundert M eter dran sind. Ein kleiner Schrecken kann ihnen nicht schaden.« Er strich ihr mit dem Dau men über die Wange, und sie zwin kerte ihm zu. Sein Blick wandert e durch das Cockp it, das Durcheinander aus improvisiert er Ausrüst ung, veralteten Videosp ielen, umherl ie 62
gend en Kleidungsst ücken, und ander em Treib gut der Crew. In der M itte dieses or ganisiert en Chaos stand Christie. Dieser massige, aber gutaussehende dunkelhäutige M ann ließ f ast jeden Raum, in dem er sich befand, kl ein aussehen. Ein guter M ann, dacht e Elgyn - wenn er auf dein er Seite st and. Christie war damit beschäftigt, seine Rüstung anzuschnall en. Das kompliziert e Gebilde bestand aus einer ganzen Reihe von winzigen Flaschenzügen und Schäften von der gl eichen dunklen Farbe wie seine Haut. Er h at te es selbst entworfen und gebaut. Nachdem er es an den Unterarmen befest igt hatte, von den Handgelenken bis zum Ellenbogen, war kaum noch et was davon zu sehen. Damit konnte er Waffen mit sich h erumtragen, ohne daß jem and auch nur auf die Id ee kam, ihn zu untersuchen. El gy n ging auf ihn zu. »Wir l anden. Es wird Zeit, et was von der Gast freundschaft des Generals in Anspruch zu nehmen.« »Großart ig«, höhnte Christ ie. Seine ausdrucksvollen, dunklen Augen rollten sich voll er Verzweiflung nach oben. »Armeefraß!« El gy n half ihm, den letzt en Riemen fest zuzurren. »Das wird uns schon reichen, bis wir die Familienladung abgelief ert haben. Voraus geset zt, die Eingeborenen sind fr eundlich.« Christie hatte gut zugehört. »Erwarten wir Ärger?« El gy n zögerte etwas zu lange mit seiner Ant wort. »M it Perez? Ich glaube k aum, aber sei auf alle Fälle wachsam.« Christie stellte keine weit eren Fragen mehr und gab au ch keinen Kommentar ab. Er nickte nur kurz und schütt elt e seine Dreadlocks. Alles kl ar. Der M aschinenraum der Betty mußte sich den Plat z mit der Ladebucht teilen. Hier arbeit et en Annalee Call und John Vriess und versucht en einem antiquierten M aschinenteil, das sie scherzhaft St abilisator nannten, wieder etwas Leben einzuhau chen. Call wußt e, daß Vriess die Landun g geradezu herbeisehnt e. Si e 63
waren dicht an ihrer Leistungsgr enze, und einige der alt en Teile konnten einfach nicht mehr repariert werden. Sie hat ten ihr Bestes getan, aber Elgyn hoffte, daß ihnen die Armee einige Ersatzteile überlassen würde, als kleinen Bonus für gute Arbeit. Call und Vriess hofft en das glei che. Call, eine kleine, zierliche Frau, stand neben dem M aschi nenblock. M it ihren lan gen, dünnen Fin gern konnt e sie besser an einige schwer zugängliche Teile der empfindlichen Vorrichtung kommen. Währenddessen lag Vri ess, ein st ämmi ger M ann mitt leren Alters mit sandblondem Haar, einem kr äftigen Kinn und einer runden Nase auf einem flachen Fahr gestell, auf dem Boden. Er versucht e die Reparatur von unten anzugehen. Call senkt e derweil den oberen Teil des Stabilisators mittels einer mechanischen Ket tenwinde über die untere Hälfte. Nicht zum erstenmal hatten sie St unden gebrau cht , um das >Gehirn< der M aschine zu rep arieren. Jetzt mußten sie es mit ihrem mechanischen Unterteil wiederver einen und die b eiden Hälften so hinbekommen, daß sie har monisch zusammenarbeiteten. Während Call die M aschinenteile zusamm enfügte und di e Winde entmagnetisierte, dachte sie über ihren Kollegen nach. Sie arbeit et e gerne mit Vriess. Er war fleißi g, einfalls reich und konnte sich auf seine Arbeit konzent rieren. Das war mehr, als man von den meisten Leuten auf di esem Schiff behaupten konnte. Sie löste die Ket ten vom oberen System und sah zu, wie die Wind e wieder nach oben unter die Decke r asselt e. Vriess, der noch immer unter der M aschine lag, begann ein e kleine M elodie zu pfeifen, die sie bei ihrer letzten Landung in einer Bar gehört hat ten. Als sie an den Abend dacht e, mußte sie lächeln. Auch einer der Gründe, warum sie gerne mit Vri ess arbeitete. M eistens war er gut gelaunt und umgänglich. Von oben bekam Call p lötzlich mit, daß jemand den Arbeit s raum betreten hatte. Sie p fiff weit er, um Vriess nicht zu beunru higen, sie wollte, daß er seine Arbeit ohne Störung erledigen konnte. Während sie pfiff, warf sie ihren Blick n ach ob en, wo 64
ein M ann den Laufsteg über dem M aschinenraum b et reten hat te. Es war Johner. Call kannte seinen Vornamen n icht einmal. Vielleicht hatte er gar keinen, was ihr auch egal gewesen wäre. Sie haßte diesen M ann, haßt e all es, was er war und was er t at . Es gab Tage, da b estand ihr Hauptjob auf der Betty darin, Johner nicht merken zu lassen, wie sehr sie ihn verabscheute. Diese Freude wollte sie ihm auf kein en Fall gönn en. Aber jetzt mußt e sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Johner würde sich nur über sie lustig machen, wenn sie eine Schraube fallen ließ oder sich einen Knöchel aufriß, nur wei l sie nicht aufgepaßt hatte. Außerdem wäre es ihr am liebst en gewesen, wenn Vriess gar nichts von Johner mitbekam. Viel lei cht ging er ja, wenn sie ihn einfach ignoriert e. Keine Chance, dacht e Call, als der große st ämmi ge M ann gen au über ihr st ehenblieb. Er grinste ihr zu. Seine kleinen, eisblauen Augen erinn erten sie an ein Schwein. Zweifellos war Johner der häßlichst e M ann, den sie je gesehen hatt e, und die zerfurcht e Narbe, die quer über sein Gesicht lief, trug nicht ger ade dazu bei, sein Äußeres at traktiver zu machen. Aber im Grunde verachtete Call ihn am meist en wegen sein es ekelhaften Charakt ers. Sie tat so, als existiere er nicht. Sein Grinsen wurde nur noch breit er, und durch die Narbe verzog sich sein Gesi cht zu einer krassen Parodie eines Lächelns. Er begann die M elodie mitzusummen. Allerdings klang das Li ed in sein er Version irgendwie unangen ehm und schief. Vielleicht p aßt e es so besser zu ihm. Call beob achtete, wie er ein Taschenmesser hervorzog, es aufklappte und begann, sich die Fingernägel zu säubern. Sie wandte den Kopf noch weiter ab, so daß sie ihm bei seiner persönlichen M aniküre nicht auch noch zusehen mußte, und pfiff weiter, laut er dieses M al, damit Vr iess Johners Summen nicht mit bekam. Si e bekam n icht mit, daß Johner das M esser in der Luft baumeln ließ, auch nicht, daß er es losließ. Sie sah nur, wi e es Vr iess' Bein traf. 65
Die schmale Klin ge dran g ein gutes Stück in Vriess' Ober schenkel ein. Call sp ürte eine Welle der Wut, die sie nicht abschütt eln konnte, und starrt e mit offenem M und nach oben. Sie wußt e nicht, ob sie schreien oder fluchen oder et was nach diesem Hundesohn werfen sollte. Vriess blieb unter dem Stabilisator liegen und arbeitete p fei fend weiter. »Bist du verrückt?« zischte Call dem kichernden Johner zu. Jet zt , da sie auf gehört hatte zu pfeifen, bekam auch Vr iess mit, daß irgend etwas nicht stimmte, und zog sich unter der M aschi ne hervor. Er erblickte Johner auf dem Laufsteg und sah verständnislos zur wütenden Call hinauf. »Nur ein bißchen Zielübung«, sagte Johner vollkomm en ungerührt. Er zeigte auf den M ann auf dem Fahrgest ell. »Vriess beschwert sich ja auch gar nicht.« Call sah Vr iess an und ließ ihren Bli ck auf sein Bein gleiten. Als er das M esser sah, das aus seinem Oberschenkel ragte, schrie er ent setzt auf. Er drückte einen Knopf an seinem Gestell, dessen hinterer Tei l sich aufr ichtete. Der Sitz wurde angehoben, und die Beinstützen zusammengeklappt. Nach wenigen Sekun den hat te sich das Gestell wieder in den mechanischen Rollstuhl verwandelt , den Vriess selbst konstruiert hatte. Der von der Hüft e abwärts gelähmt e M echaniker st arrte auf das kleine Taschenmesser, das in seinem gefühllosen Bein st eckte. »Du verdammter Hurensohn!« fluchte Vriess und warf mit der ganzen Kraft seiner starken Arme einen Schraub enschlüssel nach Johner. Doch Johner wich dem Werkzeug mühelos aus und lachte nur noch lauter. »Ach komm schon! Du hast doch gar nichts gespürt!« Er grinste, als habe er gerade einen wirklich guten Witz erzählt. Vriess starrte hilflos zu ihm hinauf, was Call nur noch wüt en der macht e. Ohne viel Aufhebens holt e sie ein sauber es Ta schentuch aus ihrer Hosentasche, packte das M esser, zog es aus 66
dem Bein und legte das zusammengef altete Tuch auf die klaffende Wunde. Vriess preßte den St off auf das Loch, um die Blutung zu st opp en. Beide sagten kein Wort und arbeiteten so konzentriert zusammen wie bei ihren anderen Aufgaben. Call sah zum Laufst eg hinauf, zu dem wandelnd en Fleisch klops, der sie so anwiderte. »Du bist ein schwachsinniges Arschloch, weißt du das?« Johner schien es nichts auszumachen, daß sie ihn beschimp fte. Er hatte sie beide aus der Fassung gebracht, also hatt e er gewonnen. Glucksend streckte er seine Hand aus. »Du kannst mir das M esser jet zt wiedergeben.« Call wollte das M esser schon zusammenklappen und zu ihm hinaufwerfen, als sie es sich anders überlegte. Sie war zu wütend, um vernünft ig zu sein. Vriess beobacht et e sie. Er berührt e ihren Arm. »Call, ver giß es. Er hat zuviel Selbstgebrautes intus.« Sie wußte, daß Vriess keine An gst vor Johner hatt e, auch wenn der M ann ihm über legen war. Aber es sah ih m ähnlich, daß er sich wegen ihr Sor gen machte. Sie hatt e drahtige M uskeln, aber sie war k lein und zierlich. Und Johner hatte keine Skrupel, auch einer Frau weh zu t un. Er hielt es für Sp aß. Aber das war Call egal. Sie hatt e es satt, diesem ekelhaft en Kerl aus dem Weg zu geh en. M it einer schnellen Bewegung klemmte sie das M esser zwi schen zwei M etallstreben ein und brach die Klinge am Griff ab. Johners Gesicht färbte sich rot vor Zorn. Er deutete mit dem Finger auf si e. »Treib's nicht zu weit , kleine Annalee. Wenn du noch ein biß chen bei uns bleibst, dann wirst du merken, daß man mich nicht ungest raft verarscht.« Call sah ungerührt zu ihm hinauf. Größe war nicht alles. Sie konnte auf sich selbst aufpassen, und wenn er das herausfinden wollte, von ihr aus gerne. Die beiden st arrten sich ein ige Sekunden lan g an, und d ann wandte sich Johner zu ihrer Verblüffun g ab. Wütend stapft e er 67
davon. Call strich sich das kurze schwarze Haar aus den dunkl en Augen und m ahlt e mit dem Kiefer. Sie war noch immer außer sich. Johner hatt e es geschafft, ihnen die Laune gründlich zu verderben. Doch dann stieß Vriess sie an und sagte: »I ch denke, wir sollten uns wirklich nach besserer Gesellsch aft umsehen.« * Geschickt steuerte Sabra Hillard die winzige Bett y in den riesigen auf geblähten Bau ch der Aunga. »Und das alles von meinen St euer geldern«, murm elt e sie, bis ihr einfi el, daß sie noch ni e St euern b ezahlt hatt e. Grinsend setzte sie ihr M anöver fort. Über ihr öffnet en sich die gewaltigen Tore der Andockstat ion. Sie hörte über Kopfhörer die St imme des Comput ers: »Ando cken fortsetzen.« »Aye, ay e, Alt er«, murmelte sie und br achte das Schiff in Position. Die massiven Elektromagneten der Auriga bewegt en sich vorwärt s, als Hillard das kleine Schiff heransteuerte. M it einem lauten metallischen Geräusch klam merten sich die M agneten an den Rump f der Betty und zogen sie ins Dock. Wie ein Kl einkind im Babysitz, dachte Hillard. Warum gefällt mir dieser Gedanke nicht? Nun, Fesseln sind eben Fesseln. »Andocken beendet«, teilte ihr Vaters Stimme mit. » Sie kön nen jet zt von Bord gehen.« Selbst der Comp uter klang, als gebe er gerne B efehl e. Hillard wischte ihr e negat iven Gedanken beiseite und drückt e einen Kom- Schalter. »Auf geht 's, M at rosen, Landgan g! Denkt daran, der General hat gesagt, kein e Waff en auf d er Auriga. Wir sehen uns an der Luftschleuse, Leut e. Ende.« 68
Warum hat te sie beim Andocken in einer solch riesi gen St at ion nur imm er das Gefühl, als würde sie bei lebendi gem Leibe verschluckt?
5.
Perez beobachtete von einem hochgelegenen Laufsteg aus, wi e sich seine Soldaten auf die Ankunft der Betty-Crew vorbereit e ten. Sein kritisches Auge t astete jeden seiner M änner ab, stets auf der Suche nach einem Anzeichen von Sch lamp erei oder Ungehorsam, aber die Truppe macht e einen guten Eindruck. Der Korridor vor der Luft schleuse sah so saub er und geleckt aus wie der Rest seines Schiffes. Genau so wollte er es; er hatt e jeden Soldaten auf der Auriga handver lesen. Jed er von ihnen hat te den Ehrgeiz voranzukommen, bessere Posten und int eressant e Einsätze zu bekommen. Unter Perez' Kommando gedient zu haben, galt als Sprungbrett , wenn sie ihre Zeit auf der Auriga beendet hatten. Bis heut e hatten sie ihn nicht enttäuscht . Und das würden sie auch jetzt nicht , nicht wenn sie wußten, daß er sie beobacht et e. Die Luft schleuse drehte sich, und Vater meldet e: »Drehun g beendet. Türen öffnen sich.« Als sich die pneumat ischen Türen mit einem Ächzen hoben, zeigt e sich die Crew des klein en Pirat enschiffs nach und nach den Sold at en. Perez fragte sich, was einige seiner M änner bei ihrem Anblick wohl dacht en. An Bord der Auriga war alles blitzblank, so wie es Perez verlangte. Jeder seiner Soldaten trug selbstverständlich die gleiche Uniform, einer sah aus wie der andere. Es sp ielt e keine Rolle, ob es nun M änner oder Frauen waren, ob sie groß oder klein waren oder zu welcher ethnischen Grupp e sie gehörten. Sie bildeten ein e Einh eit , die ihrem 69
Kommandant en gehorchte. Im Gegensatz zu diesem zerlumpten Haufen, dacht e er abschät zig. Si e glichen sich nur darin, daß keiner dem anderen glich. Ihre Kleidun g, die Haare, wie sie gin gen ... oder rollten, dacht e Perez verblüfft, als einer der Crew in einem mechan ischen Rollst uhl aus der Luftschleuse auft auchte. Er schütt elt e den Kopf. Perez konnte sich kaum vorstellen, wie El gy n es fertigbrachte, daß diese bizarre, buntscheckige Trupp e auch nur den einfachst en Befehlen fo lgte. Er fragte sich, wie sie mit diesem schrott reifen Schiff dort draußen i m All überlebt hatten, dort , wo Diszip lin und Ordnung die einzigen Dinge waren, auf die man sich verlassen konnte. Die Crew d er Bett y schlurfte in d ie Halle. Als sie näher kam en und Perez sie genauer b et racht et e, kamen ihm leise Zweifel an seiner ersten Einschätzung. Er sah ihre aufmerksamen Augen und die gespannte Halt ung, bemerkte ihre ledri ge Haut , in die sich das Schmieröl wie eine Tätowierung eingegr aben hat te. Sie hatten doch etwas gemeinsam. Jeder einzelne t rug eine Gelas senheit zur Schau, bei der es sich nicht um bloße Fassade handelt e. Wie sein e Soldaten, konnten auch diese M änner und Frauen töt en, wenn es sein mußt e. Selbst, nahm er an, diese junge Frau in der Mitt e. Woher kommt sie? Elgyn hatte nichts von einem neuen Crewmitgl ied erwähnt. Per ez fragt e sich, ob sie schon get ötet hatt e, wischte den Gedanken aber rasch beiseite. Es waren Piraten, im wahrsten Sinne des Wortes, und Perez rechnet e sich diese Tat sache nicht zu seiner Ehre an. Schmuggler, dacht e er gri mmig. Gib es zu, Martin, es sind nichts als Diebe und Mörder. Und du hast sie angeheuert. Wieso zierst du dich, sie zu empfangen? Es ist nich t so, als ob du die Wahl hättest. Die seltsame Truppe blieb dort st ehen, wo die Soldaten sich aufgebaut hat ten, um sie zu durchsuchen. Die Besat zungsmitglieder der Betty tauscht en ungläubige Blicke aus und t uschelten miteinander. Doch dann traten sie vor 70
und ließen sich filzen. Der riesi ge schwarze M ann, der ganz vorne st and, hob die Arme. Sein offenes Hemd gab den Blick auf seine breite, durcht rainierte Brust frei. Währ end er abgetas tet wurde, schüt telte er den Kopf. Plöt zlich begann ein Sensorlicht an dem Handschuh eines Soldaten zu blinken. Die Frau, der en Signal akt iviert worden war, sah zu einem großen M ann mit einer häßlichen Narbe hoch und sagt e bestimmt : »An Bord sind keine Feuerwaffen erlaubt, Sir.« Der M ann mit der Narbe grinste nur, aber Perez dacht e, sei nett zu ihr, Freund. Sie ist eine erstklassige Nahkampfspezialistin. Wenn du ihr auf d ie Nerven gehst, kann sie deine ganze Crew auseinandernehmen. Und deine häßliche Fresse macht ihr bestimmt keine Angst. Doch dann öffnete der M ann seine Jacke und zeigte der Sold a tin, was den Sensor ausgelöst hatte. Eine große silberne Ther moskanne. »Schwarz gebrannt !« verkündete er. »M ein eigenes Zeu g. Viel gef ährlicher als Waffen.« Die Crew der Betty lacht e. Die Soldatin zeigt e keinerl ei Regung. »Tut mir leid, Sir. Sie können weiter.« In diesem Au genblick entdeckte Elgyn Perez auf dem Laufsteg und ging auf ihn zu. »Was ist los - glauben Sie, wir könnt en ihr Schiff kapern? Immerhin sind wir zu sechst.« Wieder lachten sein e Leut e. Perez wartete, bis sie sich beruhigt hatt en. »Nein, aber ich befür cht e, daß Ihre Idiotencrew sich vollaufen lassen wird und einer von euch im Suff ein Loch durch unseren Rumpf schießt . Wir befinden uns im All, Elgyn.« Fast hoffte er darauf, daß seine M annschaft nun ebenfalls in Gelächter ausbrechen würde, aber dazu waren sie all e zu professionell. Sie v erzogen k eine M iene. 71
Nachdem all e durchsucht worden waren, durft e die Crew der Betty auf ein Zeichen Perez' das Innere der Auriga betret en. Der Rollstuhlfahrer bewegt e sich als let zter vorwärts. Er fuhr auf die Soldat in zu, die bei Johner d ie Thermoskanne gefunden hatte. »Wollen Sie den Rollstuhl nicht auch durchsuchen?« fragte er die Frau m it unschuldi gem Blick. Doch die So ldat in ließ den M ann auflaufen. Perez wußte, daß sie erfahren genug war, um auf das scheinbar treuherzige Angebot des Pirat en n icht einzugehen. Er wollt e mehr durchsucht haben als sein en Rollst uhl. Die Soldatin hob lediglich den Arm und deutete auf di e Gruppe, die dem gel ähm ten M ann vorausgin g. M it einem vielsagenden Grinsen rollt e er hinter ihnen her. Perez ging eb enfal ls. Eine Viertelst unde später ertönte im Privat quartier des Gene rals das Türsignal. Er wußte, um wen es sich handelte, und befahl Vater, zu öffnen. Elgyn stand draußen und lehnte lässi g am Türrahmen. Er schlenderte h erein, nickte dem General zu und ging sogleich an den Tisch, auf dem Perez zuvor et was vorbereitet hatt e. Dort - auf der br eiten, flachen Tischplatt e - lagen TausendDollar Scheine, gezählt und gebündelt. Es waren eine M enge Bündel. Perez wollte gar nicht lange darüb er nachdenk en, wie viele. Die Not en waren gebraucht, die Seri ennumm ern nicht durchlaufend. Die Schein e waren rechteckig und grün und trugen das dümmlich e Gesicht irgendeines Kongreßführers aus dem let zten Jahrhundert . Eigentlich, dachte Perez, sollten sie leucht end rot sein. Schließlich hand elt e es sich um Blutgeld. El gy n setze sich langsam in den Sessel, den Perez für ihn bereitgest ellt hat te. Er sah aus gesp rochen zufrieden aus. Lä chelnd betrachtete er die Bündel, blätt erte eins davon mit dem Daumen auf und überf log die Summe. »Es war nicht so leicht z u beschaffen«, sagt e Perez wichtig El gy n hob eine Augenbraue. »Das gilt auch für unsere Ladun g. 72
Sie sind do ch jetzt nicht verarmt, oder?« Perez merkt e, daß Elgyn ihn mißverstanden hatte. »Ich mein e die Banknoten. Heutzutage hat kaum noch jemand Bar geld.« Und schon gar nicht so viel. El gy n grinste. »Nur diejenigen, di e nicht möchten, d aß ihr e Geschäfte irgendwo registriert werden. Halbseidene Elemente. Sie, zum Beispiel.« Die Spitze hatte gesessen. Frag dich noch einmal, Mart in, dient man eigent lich so seinem Land? Perez nahm ein kleines, recht ecki ges Paket vom Tisch und stellte ein Glas dazu. »Einen Drink?« El gy n nickt e, ganz der höfliche Gast. Perez zog die Schutzkappe des kleinen Plastikbehälters ab und drückte ein St ück braunes Gel in das Glas. Dann bewegt e er es unter einem Handlaser hindurch und reicht e Elgyn die nunmehr flüssige Erfrischun g. Danach bereitete er sich selbst ein Glas zu. Es war ein guter Scotch, wenn auch nicht der best e. »Ich schätze, was Sie hier durchziehen, ist nicht unbedingt vom Kongr eß gen ehmi gt , was immer es auch sein mag«, sagte El gy n und nahm ein en Sch luck. Nachdem er gekostet hatte, hob er das Glas und prostete Perez zu. Freut mich, daß dir der Jahrgang zusagt, dachte Perez grim mig. Nein, dieses Projekt war nicht vom Kongreß geneh migt. Es war auch nicht von irgendeiner anderen offiziellen Regierungs stelle oder einem M ilitärausschuß genehm igt. Aber Perez mangelt e es nie an Geld oder anderen M itt eln. Doch wenn er mit Gesindel wie d iesem arbeiten mußte, Piraten, dann brachte ihn das dazu, das gesamte Projekt in Frage zu stellen. Nicht , daß er sich keine Fragen leist en konnte. Er mußte einen Job erledigen, einen Auft rag ausführen, aber er hatt e freie Hand in all em. Er mußte einfach daran glauben, daß der sp ät ere Nutzen für die 73
M enschheit die Opfer wert war, die jet zt gebracht werden mußten. Perez hatte wenig Verst ändnis für Wr ens Zukunft svisionen vom Fort schrit t der M edizin und biochemischen Wundern. Er dacht e nur an d ie Wesen, die, m it elektronischen Implantaten zur Lenkung ihr es Verh alt ens ausgest at tet , die idealen Boden trupp en abgeben würden. Wren und Gediman hat ten kürzlich berichtet, daß die Intelligenz der Aliens weit aus höher sein könnte, als ihre bruchstückhaften historischen Dat en bislang hatten vermuten lassen. Für Perez stellte das nur einen zusätzlichen Vorteil dar schlaue Tiere ließen sich l eichter zähmen. Er wollte daran glauben, daß noch zu seinen Lebzeiten die sinnlose Verschwendung wert vollen, gut ausgebildeten M en schenmaterials vorüber sein könnt e. M enschliche Soldaten würden dann nur noch für die Putzarbeit benötigt, n achdem eine Operation beendet war. Das war die richt ige Arbeit für M änner und Frauen, die denk en, einsch ät zen und beurt eilen konnten. Irgendwann würden andere Formen von Aliens gezücht et werden, die für bestimmte Gef echtssituationen besonders geei gnet waren. Sie würden dem M ilitär helfen, von Verbrechen verseuchte Städte zu säubern, neue Planet en für die Kolonisat ion vorbereiten, indem sie gef ährliche Spezies vernichteten. Eine neue Ära des Fri edens und der Produktivität würde durch sie beginnen ... Er unterbrach seinen Gedankengan g und sah Elgyn an. Der Pirat würde das nicht verstehen, nichts davon. Als sie über den Preis für die Lieferung verhandelt hatt en, hatt e Elgyn nicht einmal gefragt, wofür di ese besondere Fracht gebraucht wurde. Er hatte sich nur für den Haufen Geld int eressiert, der nun vor ihnen lag. Auch wenn Elgyn ein Mensch ist wie ich, dacht e Perez, so gehören wir doch völlig unterschiedlichen Arten an. Er wechselt e das Thema. 74
»Wo haben Sie die neu e M aus aufgegabelt?« El gy n lachte. »Call? Ach, ir gendwo unt erwegs. Sie sucht e einen Job als M echanikerin.« »Nicht unattraktiv«, meinte Perez trocken. »Ja, ich würde sie auch nicht von der Bett kant e schubsen«, stimmte Elgy n ihm zu. »Und dazu ist sie ein wahrer Teufel mit dem Schraubenschlüssel. Ich glaube, Vriess hat Liebeskum mer.« Er nah m ein Bündel Geldschein e, hielt es sich unter die Nase und atmete t ief ein. Dabei lächelte er wie ein M ann, der ger ade d as Bouquet ein es erstklassigen Weines genießt oder den sauberen scharfen Duft einer gut gelagerten Zigarre. »Sie fr agt e dauernd nach unserer k lein en Transakt ion. Ich kann das gut verstehen. Klingt doch alles sehr geheimnisvol l und gef ährlich ...« Perez fiel nicht darauf r ein. »Es handelt sich um eine M ilit äroperation.« El gy n ließ sich nicht so leicht abschrecken. »Die meist en Forschungslabors der Armee müssen aber nicht außerhalb des regulären Raums operier en. Und sie müssen auch kein e privaten Subunternehmer beauftragen ... und die Art Fracht, die wir liefern, br auchen si e auch nicht.« Perez merkte, daß Elgyn ihn unt er Druck setzte. Weshalb? Hoffte er auf einen Zuschlag? Nun, sollt e er sein e Karten doch aufdecken. »Wollen Sie etwas von mir, El gy n?« Der hagere M ann lehnte sich ent sp annt zurück. »Nur Kost und Logis für ein p aar Tage. Vriess hätt e gerne ein paar Ersatzt eile. Wenn es nicht zu viele Umstände m acht.« Perez fragte sich erneut , ob er nicht einen Fehl er beging. Als er El gy n für dieses Unternehmen an geheuert hatt e, hatte er sich ernsthaft überlegt, die Besat zung nach erfolgter Lief erung zu töt en und ihr Schiff zu zerst ören. Er hatte sich schließlich dagegen entschieden, weil es mehr Probleme hätt e schaffen können, als es löst e. Vielleicht wäre der Schuß nach hinten 75
losgegangen. Aber jetzt war er nicht mehr so sicher. Und während er darüber nachdachte, war es sicherlich gut, die Crew an Bord zu haben, mit angedocktem Schiff. »Nat ürlich nicht. Halt en Sie sich von den v erbotenen Zonen fern, fangen Sie keine Sch läger eien an, und mi casa ist auch Ihres.« El gy n hob dankend sein Glas und trank es aus. »Ich gehe nat ürlich d avon aus«, fügte Perez hinzu, »daß Si e sich nur um Ihre eigenen Sachen kümmern.« Der M ann lächelte st rahlend. »Dafür bin ich b erühmt.« Ja, dacht e Perez, das stimmt. Deshalb habe ich dich ja auch angeheuert. Im Frachtraum der Betty zog Call ihre Handschuhe über und ging zu Christ ie. Das große M ann sah sie gleichmüt ig an und fragt e: »Was ist mit Johner los?« Sie zuckt e mit den Schult ern. »Du kennst Johner. Er ist schon wieder in Part yst immung.« Christie schüttelte den Kopf. »Ich hätte es wissen sollen. In diesem Fall, danke für d ie Hilf e.« Sie nickte lässig. Dann hörten sie das metallisch e Geräusch, mit dem sich di e Luftschleusen der Betty öffneten, und di e weib lich e Comp uter stimme der Betty meldete: »Luftschleusen gedreht . Türen öffnen sich. Rampe senkt sich.« Call und Christie gingen zu den automatischen Handwagen, in denen die ersten Container der >Fracht< lagen. Sobald sich die großen Türen ganz geöffnet hatt en, lenkten sie die Handwagen mit den Beh ält ern über die Rampe, die von der Betty zur Auriga führte. Diese Behälter aus M etall und PlastikGlas waren fast drei M eter hoch und einen M et er breit. Zwanzig dieser Dinger mußt en ent lad en werden. Das war die b esondere Lieferun g für den General. Und in den Hyperschlaf-Röhren lagen erwachsene M enschen, M änner und Frauen. 76
Call wol lte nicht darüber nachdenken. Es gehört e ni cht zu ihrem Job, darüber nachzudenken. Dies war die Fracht , und sie mußte die Fracht liefern. Das war alles. Sie bekam ihr Gehalt und einen Anteil dazu. Dazu hat te sie sich schließlich verpflich tet. Trotzdem fragte si e Christie leise: »Sag mal, glaubst du, El gy n weiß, wofür Perez sie braucht ?« Christie sah sie aufmerksam an, als fall e ihm erst jetzt wieder ein, daß sie neu an Bord war. »Ich kann dir mit absolut er Gewißheit versichern, daß El gy n nicht eine M inute lang über die Pläne des Generals nach gedacht hat. Er hat nur an das Geld des Generals gedacht .« Sie nickte und wollte sich umdrehen, als Christie sie am Arm packte, mit für einen M ann wie ihn erst aunlicher Sanftheit. Genauso klang seine Stimme. »Call, hör zu. Elgy n macht sich keine Gedanken über diese Sache, und er bezahlt uns dafür, daß wir es auch nicht tun, okay?« Call mußte lächeln. Solch brüder liche Fürsorge hatte sie von Christie nicht erwart et . »Schon klar. Bringen wir's hint er uns.« Sie schob den Handwagen über die Rampe in die Auriga. Einfach nur abliefern, nicht darüber nachdenken. Nicht über sie nachdenken. Schlafende Leute ... Zusammen mit dem schweigenden Christ ie schob sie die Röhren an Wachtposten vorbei, bis sie si ch einer großen Tür m it der Aufschrift >Verbotene Zone< näherten. Auch vor dieser Tür standen Soldat en. Als sie Call und Christ ie sahen, klopfte einer der Soldaten an das Tor. Augenbl icklich glitt es zischend auf. Call sah einen großen, mitt elschweren M ann, der keine Soldat enuniform, sondern einen Laborkit tel trug. Er wirkte auch nicht wie ein Soldat. Auf seinem Kitt el stand der Name >Wren<. Die beiden Cr ewmitglieder der Bett y näherten sich der Tür, aber gerade als sie hindurchgehen wollt en, gab ihnen einer der Soldaten ein Zeichen, anzuhalten. Andere So ldat en kamen 77
herbei, um die Hyp erschlafröhren zu übernehmen. Christ ie warf Call einen Blick zu und nickte, und die beiden über gaben ihre Fracht, ohne ein Wort zu sagen. Die Wacht post en rollt en die Behälter in die verbot ene Zone, während Call und Christie zurück zur Betty gingen, u m die n ächsten zu holen. Genausowenig wie d ie Soldat en d ie Betty betret en durften, erhielt die Cr ew der Betty Erlaubn is, sich in der verbotenen Zone aufzuhalten. Doch als Call und Christie sich auf d en Rückweg machten, um neue Behälter zu holen, warf Call einen schnellen Blick über die Schulter. Sie sah, wi e die Soldaten die Röhr en tief in die verbotene Zone hineinfuhren. Wohin gingen sie mit ihnen? Weckten sie die Schläfer auf oder hielten sie si e im Hyperschla f? Was geschah in der verbotenen Zone? Die Türen schlossen sich hinter den Soldaten, noch bevor Call irgendeine Ant wort auf ihre Fragen finden konnte. Sie wandt e sich wieder der Betty und ihr er Aufgabe zu. Zwanzig schlafend e M änner und Frau en einer abseit s gelege nen mil itärischen Forschungsstation zu übergeben. Ja, eine wirklich einfache Aufgabe. Zumindest, dacht e Wren erlei cht ert, plappert Gediman endlich einmal nich t. Keiner der vollst ändi g versammelten Wissenschaftler sprach ein Wort. Nun, was hätt en sie auch sagen sollen. Sie hat ten die Bericht e gelesen, die Geschichte, ab er bislang h at te es keinen lebenden Zeu gen dessen gegeben, was sie gleich erleben würden. Es war ein denkwürdi ger Au genblick, der resp ekt volles Schwei gen forderte, im Gedenk en an die M änner und Frauen, die sich opfern würden. Wren beu gt e sich vor und erweckte die verschied enen Comp u terbildschirme zum Leben. Sein e M it arbeit er standen unruhi g hinter ihm. Wenn sie wollt en, konnten sie alles von jedem 78
möglichen Blickwinkel aus verfolgen. Sie konnten aber auch einfach alles durch das riesige Sicht fenst er betrachten, von dem aus man d ie Kammer nebenan einsehen konnte. Plötzlich fiel ihm auf, daß si e im Takt atmeten. Er schluckte und drückte ein ige Tast en. Über die M onitore sahen sie eine Großaufnahme des Raums. Zwanzig Hyperschlafröhren waren auf nach unt en geneigten Platt formen zu einer runden, kuchenähn lich en Form zusammen gestellt. Ihre Enden trafen sich in der M it te. Wren betätigte die Kontrollinst rumente, und langsam hoben sich die Röhren, b is sie senkrecht standen. Dann wurden sie mechanisch gesich ert. Wren bet ät igt e weitere Schalter und veränderte langsam die Cryo-M ischung in den Kammern. Er konnte es sich nicht leist en, die Wirt e zu beschädigen. Dazu waren sie zu wert voll. Nach einer Wart ezeit sahen die Daten der Cry o-M ischung optimal aus. M it Hilfe des Co mputers öffnete Wren die durch sicht igen Deckel der Schlafröhr en. Auf den M onit oren konnte man deut lich sehen, daß einige der in den Röhren liegenden M enschen sich bereit s regten. Er sah, wie Augen zuckten, Lip pen sich bewegten, Anzeichen dafür, daß sie langsam ihr Bewußt sein wiedererlangten. Die Dat en waren gut. Die Schl äfer erwacht en, alle funktioniert en einwandfrei und befanden sich bei guter Gesundheit. Ausgezeichnet e Wirte. Wren warf Gediman einen Blick zu. Der M ann trat unruhig von einem Fuß auf den ander en. Offenbar war ihm nicht wohl zumute. Wren beobachtete die anderen. Carlyn rieb sich die Arme, als sei ihr kalt. Trish hatte die Arme verschränkt und sah mit starrem Blick durch das Si cht fenst er, als wolle sie sich durch nichts aus der Ruhe brin gen lassen, was dahinter geschah. Kinloch st and mit offenem M und da, als könne er nicht glauben, daß er hier war und alles beobachtete. Sprague und Clauss tuschelt en miteinander, währ end sie nervöse Blicke dur ch das Sichtfenster warfen. Clauss rieb sich im mer wi eder den Hals. Wren wandte sich von ihnen ab. Er wollte sich durch si e nicht 79
stören lassen. Aber es war kein Wunder, daß sie nervös waren. An dieses Erlebnis würden sie sich ihr Leben l an g erinn ern. Es wurde Zeit. Wren bediente di e Kontrolltast en, gab etwas ein, und sie sahen, wie sich ein län gl iches, röhrenförmi ges Gebilde von d er Decke senkt e. Um den mächtigen Transp ortarm herum befanden sich einzelne Cont ainer. In jedem dieser Container lag ein r iesi ges, auf obszöne Weise organisch ausse hendes Alien-Ei. Wenn man diese Dinger überhaupt Eier nennen wollte. Sie waren in sich lebende Organismen, und in ihnen pulsierte feucht ein weit eres Leben. Sie standen fest auf dem breiteren Ende, während das sp itze nach oben zei gt e. Vier lappenähnliche Falt en bildet en an diesem spitzen Ende eine selt same Öffnung. M ächtige Venen hingen an der Oberfläche der Eier herab und liefen bis auf den Boden des Cont ainers. Wren und Gediman hat ten Stunden darüber spekuliert, welchem Zweck sie dienten. Zum ein en stabilisierten sie offensichtlich das Ei, und viel lei cht konnten sie in ihrer >natürlichen< Umge bung Nährstoffe aus dem Boden ziehen und so die Larven im Inneren über Jahre hinweg am Leben erh alt en, sollte es nöt ig sein. Wren konzent rierte sich wieder auf den Computer. Der Transportarm positionierte nun jeweils einen Container mit einem Ei vor den Schlafkammern. Sobald der Transport arm stillstand, tat sich etwas. Es war, als sp ürten die Eier, die bislang keine Reaktion gezeigt hatt en, daß sie in der Nähe anderer lebender Or ganismen waren. Sie erwachten selbst zum Leben. Die Wissenschaftler sahen, wie sich hinter der >Schale< dunkle Schat ten bewegt en. Die flexiblen Wände der Ei er begannen zu zittern. Die Übertragung liefert e nicht nur Bi lder, sondern auch Geräu sche. Und diese Eier gaben Geräusche von sich, schm at zende, feuchte, schlürfend e Töne. Es war en Geräusch e, di e an chirurgi sche Eingriffe er innerten, wenn man die Or gane i m Inneren des Körp ers bearbeitete. 80
Wren bemerkte, daß seine M it arbeit er vollkommen re gungslos hinter ihm st anden. Unbewußt wischt e er sich mit dem Arm den Schweiß von der Oberl ippe. Einer der Schläfer in den Röhren blinzelte und öffnet e die Augen. Der sch lanke, dunkelhaar ige M ann zeigte die typ ischen Anzeichen eines Hyp erschlaf-Katers; aufgrund der Betäubungsm ittel erwachte man schlapp und mit ausgetrocknetem M und. Der Name auf seiner Kammer lautete Purvis. Das Ei, das vor seiner Röhre stand, zittert e und öffnet e sich dann plötzlich. Die vier Lapp en schlugen sich nach hinten und bildeten ein en großen unregelm äßi g gefor mten M und. Hektisch hantierte Wren an den Armaturen, um die Kamer a mit dem Schwenkarm so zu drehen, daß si e Aufnahmen vom geh eim nisvollen Inneren der Wesen machen konnte. Natürlich hat ten sie es schon analysiert, mit jedem fern gesteuerten Sensorsy stem, das ihnen zur Verfügung stand. Sie hatten sogar einige der Organ e benannt , auch wenn sie noch darüber rätselten, wozu sie dient en. Aber es war doch etwas anderes, wenn man es mit eigenen Augen sah. Das Ei neben Purvis' Röhre öffnete si ch als nächst es. Dann folgte das daneben, bis der Kreis sich geschlossen hat te. Die Op fer waren noch nicht ganz im Wachzust and. Schläfr ig blinzelnd bewegt en sie orientierungslos die Köpfe. Sie wußten, daß sie nicht m ehr dort waren, wo sie eingeschlafen war en, aber sie wußt en auch nicht , wo sie jetzt waren und warum. Die Wirkung d er Drogen war noch so st ark, daß sie nur bl in zeln konnten und vielleicht eine leichte Verwunderung emp fan den. Schl ießl ich hatt e sich jedes Ei geöffnet. Wren hielt den Atem an, wie alle ander en auch. Dann krabbelte vorsicht ig etwas mit sechs spindeldürren Beinen aus dem Ei vor Purvis heraus. * Langsam t auchte Purvis aus dem Hy perschlaf auf. Tolle Sach e, 81
diese Form des Transports. Eben noch lag man in den Kissen und bereitete sich auf einen langen Winterschlaf vor, und schon wacht e man wieder auf, zig M illionen Lichtjahr e und zwei M onat e von seinem St artpunkt entfernt. Er sp ürte, wie ihm wärmer wurde und seine Glieder sich entspannten, während die Cryo-M ittel aus seinem Körper gespült wurden. Er war bereits wach genug, um über seinen neuen Job nachz u denken. Die Xarem- Raffinerie lag ziemlich abseits der üblichen Routen, und daher mußten sie besser zahlen als andere Gesell schaft en. Er hatte auch gehört , daß der Komfort besser sein sollte aus genau di esem Grund. Das Paket, das man ihm angebo ten hatte, klang vielversprechend. Er hofft e nur, daß die Ar beitsbedingungen auch das hielten, was die Werbung verspro chen hatt e. Er hatte die Nase voll von >Luxusunt erkünften<, die sich als Schlafsäle ent puppten, in denen man nicht die ger ingste Privat sphäre hatt e. Er sp ürte das Blut in seinen Füßen und streckte sich. Zwei Jahre auf Xarem waren besser als fünf Jahre irgendwo anders. Wenn der Zuschlag ent sp rechend war, würde er vielleicht sogar verlängern. Er öffnete die Augen und sah si ch um. Hmm, komischer Erholungsraum. Daß man die Schlafröhr en, vorher bewegte, kannt e er gar nicht. Normalerweise erholte man sich auf dem Schiff. Nach dem Aufwachen erhob m an sich, duscht e, holt e seine Sachen ... Er sah sich um. Die Röhren war en au ch ganz anders arrangiert als auf dem Schiff. Er bl inzelte, um besser sehen zu können. Schließlich bemerkte er das riesige eiförmi ge Din g, das vor ihm stand. Was zum Teufel ist das ? Er hatte nichts davon gehört, daß es irgendwelch e komischen außerirdischen Lebensform en auf Xarem gab, seien es pflanzliche oder tierische. Also was zum Teufel stellt e di eses Ding dar? Und selbst wenn es zum Planeten gehörte, was hatte es dann in dieser Abt eilun g zu suchen? 82
Das längliche M onstrum schüttelte sich plötzlich und bewegt e sich, wie zum Leben erwacht . Seine Oberfl äche war feucht und glitzert e mit einer Art Schleim. Angeek elt versucht e Purvis irgendwie zu entkommen, aber er konnte sich nicht bewegen. Der Deckel der Hyp erschlafröhre hat te sich zwar geöffnet , aber nur, um Kopf und Hals freizugeben. Der Rest seines Körp ers steckt e fest. Er schluckte und versucht e, seine St imme wied erzu finden, um nach einem Steward zu rufen, jemanden, der sich um dieses Ding kümmert e - und ihn vor allem aus der Röhre befreite. Aber noch bevor ihm das gelang, öffn et e sich das Ding. Purvis sp ürte eine Welle der Übelkeit, als die sich ausein an derfaltenden Lap pen häßliche schmatzende Geräusche von sich gab en. Was geht hi er vor, verdammt noch mal? Er ließ seinen Blick über die anderen Röhren gl eit en, und j et zt erst , als sein Verstand langsam k larer wurde, sah er, daß auch vor den anderen Kam mern diese grot esken Eier saßen. Warum ? Und wozu? Plöt zlich begann et was Langes, Insekt enhaft es aus dem Ding zu klett ern. Schlanke, fin gerähnliche Extremit ät en befühlten vorsichtig die ekelhafte Eifor m. Schließlich t auchte das Wesen, zu dem die Sp innenbeine gehörten, langsam auf. Es sah aus wie die Ausgeburt ein es Alptraums, eine Kreuzung aus einem Skorp ion mit weichem Körp er und einer Köni gskrabb e. Was ist das, eine Art Insekt? Purvis haßte Insekten, kleine, große, j ede Art. Das war, einer der Gründe, warum er lieber im All arbeitete. Dort sah man fast nie Insekten! Und wenn dies ein Insekt war, dann war es sozusagen die M utter der ganzen Bande. Wachsam kr abbelte es auf seinen l än gli chen Beinen vorwärts, behende wie ein Tänzer. Das reicht! Voller Panik hämmert e Purvis auf die Knöpfe und Schalter in seiner Röhre ein in der Hoffnung, das Ding ir gend wie aufzubekomm en. Er wollt e f liehen, so weit weg von di esem M onst er, wie es nur ging. Aber egal, was er tat, er erreichte 83
nicht das geringst e. M it weit aufgerissenen Augen starrt e er um sich. Die anderen Schläf er schienen noch nicht so weit wie er und bekamen gar nicht richt ig mit, was da geschah. Das Wesen bewegt e sich, wiegte sich l eicht auf den Bein en. Purvis riß den M und auf, holte entsetzt Luft, um einen Schrei auszustoßen. Genau in diesem Augenb lick stürzte sich das Wesen mit ungeh eurer Schnelligkeit auf ihn, um vieles schneller, als er mit den Augen verfo lgen konnte. Et was Kaltes, Nasses, Gummi artiges schlu g ihm hart ins Gesicht . Gleichzeit ig schien es, als würde sein ganzer Kopf von einer riesi gen Hand gep ackt. Eine lange, dünne Peitsche wick elt e sich blit zartig u m seinen Hals und nahm ih m die Luft. Dann erkannt e er, was gescheh en war. Das monströse Insekt , dieses Ding, saß auf seinem Gesicht. Purvis verlor vor Angst fast den Verstand. Er wollte schreien, aber noch bevor ein hysterischer Laut aus seiner Kehle dr ingen konnte, wurde er zum Schwei gen gebracht. Kau m hatte er den M und geöffnet, als etwas Fleisch iges, Schleimiges seine Kehle füllt e, eine Art Röhre, die si ch in seinen M und schob. Der Geschmack und das Gefühl war en ekelerregend, und sein leerer M agen revoltiert e, währ end Purvis verzweifelt versuchte zu at men. Das Ding drängte in ihn hinein, füllte seinen M und aus, seinen Hals, rammt e sich in seine Kehle, durch die Luftröh re hindurch, in d en Leib hinein. Imm er noch versucht e er zu schreien, während er verzweifelt seinen Kop f schütt elt e, um das Ding ir gendwie loszuwerden. Seine Arm e und Hände waren noch immer in der Röhr e gefangen und sein Kop f zu weit von den Seiten ent fernt, um ihn d agegenzuschlagen. Seine Arme zuckten, er trat sinnlos mit den Füßen gegen den Deckel, aber nichts nutzte, nicht s half. Vor Angst , schierer, unbeschreiblicher Angst fast um den Verstand gebr acht , er gab sich Purvis schließ lich der Furcht vor dem Ersticken und versank hilflos in Angst und Schrecken. Er sah nichts mehr, hört e nichts mehr. Er nahm nur no ch wahr, 84
wie der Or gan ismus, der ihn an griff, sein Gesicht, seine Kehle und seinen Körper in Besitz nahm. Dann schien das Wesen mit seiner klammen Kält e auch sein Blut zu durchdringen. Sterne tanzten vor seinen Augen. Er hörte auf, sich zu wehren, schon zu geschwächt. O Got t, er mußte sterben. Er wurde langsam von einem auß erirdisch en Insekt get ötet. Purvis schluchzt e, während die Kälte ihn über mannte und das Blut in seinen Venen gefror und seinen Körp er lähmte. Jet zt wünschte er sich nur noch, nichts mehr fühlen zu müssen. Schließlich wurde sein Wunsch erfüllt , und die l ähmende Kält e hüllte ihn ein wie zuvor der Hyperschlaf. Dabei sp ürte er noch, wie das Din g auf seinem Gesicht seine Umklammerung noch verstärkte und sich der p eit schenartige Schwanz noch fest er um seine Kehle wickelte. Gemeinsam glit ten M onst er und M ensch in den Schlaf, wobei das eine weitaus sanft er ruhte als der andere. Purvis begann zu träumen, schreckliche Träume, von denen keiner mehr von Xarem handelte. * Im Beobacht ungsraum hörte Wren, wie sich hinter ihm Carlyn lautstark übergab. Sprague und Kinloch st anden bei ihr und versucht en, sie zu beruhigen. Sie weint e. Clauss war bereits zuvor aus dem Raum gestürzt. Gediman stand neben ih m und schwieg nachdenklich. Auch er war weiß wie die Wand. Trish Fontaine hielt die Arm e verschränkt und bebt e vor Zorn. Überrascht sah Wren sie an. »Sie haben gesagt, daß sie nichts von dem mitbekommen würden, was p assiert«, sagte Trish vorwurfsvoll. »Sie haben gesagt, sie würden ni cht s spüren.« Wren holte tief Atem und sammelt e seine Gedanken. Er brauchte diese Leut e. Er konnt e es sich nicht leist en, ihre Loy alit ät zu verlieren. Noch nicht. »Sie haben ihre Daten gesehen. Sie lagen noch bei vierzi g 85
Prozent . In ihren Körpern war noch immer so viel CryoKühlmitt el, daß sie noch halb schliefen. Falls sie ir gend et was gespürt, irgend etwas mitbekommen hab en, dann muß es wie ein Traum für sie gewesen sein, mehr nicht. Sie haben die Daten selbst verfolgt. Nach der Implantation werden sie sich an nicht s mehr erinnern. Und während der Inkubation können wir sie wahrscheinlich in einem Dämmerzustand belassen. Vor d em Durchbruch des Embry os führen wir eine Vollnarkose durch. Es ist vollkommen schmerzfrei, wie i ch Ihnen schon erklärt habe.« Trish st arrte ihn düst er an. Offenbar glaubt e sie ihm nicht mehr. Dann dreht e sie sich abrupt um und ging zu Carlyn hinüber. Verär gert wandt e sich Wren an Gedim an, doch sein Assist ent blickte wie geb annt durch das Sichtfenster. Wütend wandte sich Wren an seine M it arbeit er: »Jetzt hört mir mal zu, Leut e, was wir hier erleb en, das ist Wissenschaft, experimentelle Wissen schaft in ihrer reinsten Form!« Sie sahen ihn an, und er erkannte den Ekel in ihr en Augen. »Ich gebe zu, es ist nicht gerad e net t und sicherlich auch kein hübscher Anbli ck, ab er es ist Wissen schafl. Haben Sie v iel lei cht schon ein mal vom M anhatt anProject gehört , im zwanzigsten Jahrhundert ? In der Gruppe der Wissenschaftler, die sich um die Ent wick lung der At ombombe bemüht en, gab es einige, die befürchteten, daß die Det onat ion einer solchen Bombe das Hy drogen in der Atmosphäre ent zünden könne. In diesem Fall hät te die gesamte At mosp häre Feuer gefan gen, und die vo llkommene Auslöschung des Lebens wäre die Folge gewesen. Und trotz ihrer Furcht haben sie diese erste experi mentelle Bombe gezündet . In der Wissenschaft muß man Risiken eingehen, wenn man Fort schritt e erzielen will, wenn man et was entdecken will.« Seine M it arbeit er sahen ihn nur schweigend an und wandt en sich wieder ab. Verär gert blickte Wren zu Gediman hinüber. Wo war dessen 86
Ent husiasmus geblieben, jet zt, da sie ihn brauchen konnt en? »Ich weiß nicht, was für ein Problem unser e Leute haben. Si e haben di e Literatur gel esen. Sie haben gewußt , was sie erwartet, als sie unterschrieben haben.« Gediman konnte seinen Bl ick nicht von dem riesigen Sicht fenster lösen. Die Schläfer hatten aufgehört zu kämpfen und lagen r egungslos da, in einem komatösen Zustand. Die Sensoren zeigt en an, daß die Implantation bereits begonnen hatte. Zwan zig Gesichtsklammer er umarmten zwanzig M enschen. Ihre Sauerst offblasen pumpten großzügig Luft in ihre Wirt e und hielten sie so am Leben. Schließlich sagte Gediman et was. Seine Stimme klang blechern und dünn. »Darüber zu lesen ist eine Sach e. Es zu sehen ist eine ganz andere.« Er sch luckt e und betastete abwesend seine Kehle. Als Wren wieder auf die Videoschir me blickte, mußte er si ch bewußt daran hindern, das gleiche zu t un.
6. Call und Christie schlossen zur Grupp e auf, die gerade die M esse betret en hatte. Vriess grinste die Frau von sein em Rollstuhl aus an. »Alles geschafft?« Call n ickt e, und Christie sagt e: »Abgeladen und quit tiert. Jeder einzelne. I ch nehme an, unser glorreicher Führer sitzt noch bei El General?« »M einst du damit Elgyn?« fragte Hill ard grinsend. »Schätze schon.« Sie wandte sich an Vriess. »Warst du schon einkaufen?« »M it leerem M agen?« fragt e er zurück. »Du machst Witze. Zuerst werde ich hier in diesem Vier-Sterne Restaurant speisen, 87
dann sehe ich mir die Teile an. M an muß Prioritäten setzen.« Lachend bewegte sich die Gruppe durch die offenen Türen. Ver glichen mit den Ausmaßen der Betty kam C all hier auf der Auriga alles riesi g vor, au ch dieser Saal, der sie an eine Höhle erinnerte. Hier konnten alle Soldaten gleichzeit ig essen, wenn es sein mußt e, und doch bli eb noch genug Platz für sport liche Aktivit ät en. Am einen Ende des Raums war ein B asket ballkorb angebracht, am anderen st anden Fit neß geräte und Boxutensili en. Die Soldat en hatt en bereits gegessen, und außer ihnen hielt sich nur noch eine Frau im Saal auf, die unter dem Korb m it einem Basketball sp ielt e. Sie war groß, schlank und hatte schult erlan ges braunes Haar. Call n ahm an, daß es eine Soldatin oder eine Wissenschaftlerin sein mußte, die frei hatte. Die anderen sahen ebenf alls zu ihr hinüber. Als Johner die Frau entdeckte, murmelte er : »Oh, oh ...« Call verzo g angewidert das Gesicht. Johner lächelte und sagte: »Du hast völli g r echt, Vriess, ein M ann muß Prioritäten setzen.« Er schlenderte zu der Frau hinüber, ein paar der ander en folgten ihm in eini gem Abstand. Call wußte nicht genau, ob es sich dabei um simple Grupp en dynamik handelte, oder ob sie Är ger befürchteten. Sie bezwei felte, daß der grot eske Johner auch nur mit einem einzigen M itglied d er Auriga leicht fert ig werden würde. Ungeni ert st ellt e sich Johner hinter die Frau. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und säuselte mit einer St imme, d ie er wahrscheinlich für verführerisch hielt: »Wie wär's mit einem kleinen Spiel, eins gegen eins?« Call fragte sich, wie weit Johner jemals mit dieser Dampf hammer methode gekommen war. Wahrscheinli ch hat te er bislan g jedesmal bezahlen müssen, bevor sich eine Frau m it ihm einließ. Die Frau drehte den Kop f, nur ganz leicht , um ihn wissen zu lassen, daß si e ihn wahrnahm. Sie sah nicht sehr erfreut aus. 88
Dann drehte sie sich wied er um, als wolle sie sagen, du kannst jetzt wieder gehen, und dribb elt e weiter mit dem Ball. »Was hältst du davon?« fragt e Johner. Er drückte sein Gesicht in ihr Haar und atmete tief ein. Call hörte sie genau. »Laß mich in Ruhe!« Die Warnung klan g unmißverständlich, auch wenn eine Spur von Resignation mitzuschwingen schi en. »Warum sollte ich?« fragte Johner koket t. »Weil du es sonst bedauern wirst «, antwort et e sie tonlos. In ihrer St imme war nichts Kokett es. Johner drückte seinen Leib an si e und rieb sich an ihr. Call sah, wie die Wut in ihr hochstieg. Er strich der Frau über den langen Nacken und murmelte: »Willst du mir weh t un? Ich glaube, das könnte mir gefal len.« Seine kleinen, fast farblosen Augen verengten sich, und sein Gesicht verzog sich zu einem abst o ßenden Grinsen. Genaugenommen war an Johner sowieso alles abst oßend. Die Frau dr eht e sich um. Die Parodie eines Lächelns, die sie Johner schenkte, war ebenfalls kaum at traktiv. Die Crew st and um die beiden herum. Es schien, als hätt en sie den Ärger bereits vorausgeahnt . Wahrscheinli ch kam so et was mit Johner öft er vor. Call beugte si ch ebenfalls vor, bereit, dieser seltsamen Frau zu helfen. Das würde der Crew zwar überhaupt nicht gefallen, aber ... Vriess zup fte sie am Hemd. Sie sah ihn an, und er schüt telte fast unmerklich den Kop f. Misch dich nicht ein, Call, schi en er zu sagen. Sie sah wieder zu Johner und der Frau. Vielleicht konnte sie die Situation auflösen, wenn sie Johner zum Essen rief ... Ohne Vorwarnun g rammt e die Frau ihr en Ellenbogen in Johners M agen. Dann trat sie einen Schritt zurück und versetzt e ihm einen gut gezielten Kinnhaken. Ungläubig staunend registriert e Call, daß sie während der ganzen Zeit den Basketball 89
in der ander en Hand hielt. Es sah aus, als wolle Johner für den Bruchteil einer Sekunde vom Boden abheben, bevor er m it einem lauten Knall auf dem Boden landete und auf dem glatten Parkett nach hinten rut schte. Die Crew der Bett y starrt e die Frau an, nicht so sehr, weil si e Johner geschlagen hatte, sondern weil sie ihn mit solcher Kraft get roffen h at te. Call sah v erblüfft , wie Johner weiterrutscht e, bis seine Fahrt von Punchin gbällen auf Ständern auf geh alt en wurde, in die er hineinsauste und die üb er ihm zusammenkrachten. Noch bevor Call ganz begriff, was sie soeben gesehen hat te, trat Hillard vor und stürzt e sich mit einem Schrei auf die Frau, die sich einmal h alb um die Achse drehte und Hillards Angriff mit Leichtigkeit abwehrte. Call st aunt e - die Pilotin war eine zähe Kämp ferin, die durchaus töten konnte, und diese Frau schüt telte sie ab, als sei sie ein Kind. Hillard wurde durch ihren eigenen Schwung zu Boden geschleudert. Als Zugab e warf d ie Frau ihren Basketball nach Hill ard und traf sie genau in der M agengrube. Die Pi lotin schnappte nach Luft und blieb flach liegen. Jet zt ergriff Christ ie, dessen M uskeln reliefartig hervortrat en, einen der Punch ingbäl le, packte ihn am St änder, holte aus und schlug der Frau den Ball ins Gesicht, mit all seiner Kraft. M it offenem M und beobachtete Call, wie die Fremde den Schlag ohne sichtbare Reaktion einsteckte wie ein Boxer. Sie verzog keine M iene. Aus ihrer Nase lief lediglich etwas Blut. Christie schien ebenso verblüfft, aber d ann holte er no ch einmal aus und schlu g erneut zu, noch heftiger. Und wieder steckt e die Frau den Schlag, ohne mit der Wimp er zu zucken, weg. Si e blieb einfach nur stehen und sah ihn an. M it einem Aufschrei holte Christie erneut aus. Dieses M al schoß der Arm der Frau in die Luft . Sie hielt den niedersausenden Punchingball auf, indem sie d en St änder er griff, ihn Christie - Christie! dachte Call wie betäubt - entriß und wegschleuderte. Dann stürzt e sie sich auf ihn wie ein wild es Tier. M it einer 90
Hand griff sie ihn an sein em Schöpf, während sie mit der anderen seinen Kiefer p ackte. Verzweifelt versucht e er sie abzuschütteln, doch gelang es ihm nicht. Brüll end schlug er auf sie ein, kratzte und versuchte alles, von ihr freizukommen, während sie versuchte, ihm den Kiefer zu brechen. Es war eine furcht erregende Szene. Call war beinahe auf gest anden, dieses M al, um Christie zu helfen, aber wied er hielt Vriess sie fest. »Halt dich raus!« bef ahl er ihr. Sie zögerte, gehorchte dann j edoch. M ittlerweile war Johner wieder auf den Beinen. Er lief auf die beiden miteinander ringenden Gest alt en zu und wuchtet e seine fleischi ge Faust in Ripleys ungeschützte Leber. Die Frau wirbelte herum, aber ihr Gesicht war nicht schmerz-, sondern wutverzerrt . Sie ließ Christie los, als habe si e ihn vergessen, und er sackte wie eine M arionet te zu Boden. Dann ging sie plöt zlich in die Knie, und ihre Hand schoß wie ein Schlange nach vorne. M it der gleichen Kraft , mit der sie vorhin Christies Kiefer gepackt hat te, faßt e sie Johner zwischen den Beinen. Johner st ieß einen hohen, verzweifelten Schmerzensschrei aus. Er fiel auf die Knie, und die Fremd e versetzte ihm einen Hieb in den M agen, der ihn zusammenklapp en ließ wie ein Taschenmes ser. Plöt zlich drang eine M ännerstimme laut und deutlich durch das allgemein e Tohuwabohu aus Schreien und Stehnen. »RIPLEY!« Call dreht e sich herum und sah v ier Soldaten, die ihre Gewehr e auf die Crew gerichtet hatten - nein, nicht auf die Crew, sondern auf die Frau. Zwischen ihnen standen zwei M änner in Laborkit teln, der eine etwas im Hintergrund. Sie erkannte den ersten M ann. Er hatte die Lieferun g in Empfang genom men. Auf der Brusttasche seines weißen Kitt els stand >Wren<. Auf dem Kitt els des M annes hint er ihm las sie d en Namen >Gediman<. Gediman sah reichlich nervös aus, aber Wr en bl ieb k alt wie Eis. 91
Nicht schwer zu sehen, wer hier das Sagen hatt e. Die Frau, die Wren an gesprochen hatte, hob langsam den Kopf. Sie wirkte wieder vollkommen ruhi g, ja f ast teilnahmslos, als habe sie nur eben m al den Boden gewischt mit einer Crew von Leuten, die sich für die Härtest en der Hart en hielten. Call starrt e die Frau an. Hatte er gerade Ripley gesagt? Call konnte es nicht glauben. Rip ley? Christie richtete sich auf und verschränkt e die Arme hinter dem Rücken, so als sei alles okay . Call wußte, daß dies durchaus nicht der Fal l war. Auch Hillard hat te sich aus eigener Kraft wieder auf ger appelt. Nur Ripley hielt noch immer mit einer Hand Johners Hemd gepackt, als sei sie noch nicht gewillt, ihre Beut e loszulassen, jet zt , da sie sie erwischt hat te. »M achen wir hier keine Szene«, sagt e Wren leise, als spräche er mit einem Kind. Als hätten sie nicht eben eine Szene gehabt, und eine ziemli ch schreck lich e dazu. Als hät te er nicht vier Soldaten befohlen, ihre Waffen auf sie zu richt en. Als hätte er die Kontrol le über sie. Überraschenderweise ließ Ripley den M ann los und t rat einen Schritt zurück. Sie st and abseits, als wolle sie zei gen, daß sie zu niemand em gehör e und nur sich selbst verpflichtet sei. Sie zei gt e mit der Hand auf den kn ienden Johner und sagt e beiläuf ig: »Er ... stinkt.« Und als sei das eine vollko mmen plausibl e Erkl ärung für das, was sie getan hatte, nickte Wren. Johner bekam wieder genug Luft , um zu sp rechen. »Was zum Teufel bist du?« Er schluchzte vor Schmerzen. Ripley sah ihn verächtlich an und betrachtete dann die ander en mit halb geschlossenen Lid ern. Ohne ein Wort zu sagen, wischte sie sich den Tropfen Blut ab, der ihre Oberlip pe herunt erlief. Dieser Trop fen war ihr mitt lerweile wahrscheinli ch genauso egal wie all e Anwesenden, die Betty-Crew, die Soldaten, ihre Waffen, Wren und Gediman zusammen ... Cal l sah, wie der 92
Tropfen Blut auf dem Boden landete ... Als wäre ihr plötzlich alles zu langwei lig geworden, hob Ripley den Basketball auf, der inzwischen weit vom Korb entfernt lag. Sie zielte kurz, warf - und sah zu, wie er durch die Luft segelt e und schließlich im Korb landete. Dann drehte sie sich um und gin g hin aus. Wren gab den Soldaten ein Zeich en, auf das hin sie ihre Waf fen senkten. Sie hört e, wie er zu Gediman sagte: »Sie hat schon etwas von einem Raubtier, ni cht wahr?« Er bewundert sie deswegen, dacht e Call. Gediman war noch immer nervös wie ein Rennpferd. Er t rat von einem Fuß auf den anderen und mur melte: »Na ja, dieser Kerl ... stinkt wirklich.« Die beiden Wissenschaft ler und die Soldat en verließen eben falls die M esse. Der Rest der Bet ty-Crew konnte ihre lädierten Kameraden aufsammeln. Cal l führt e Christie zu einer Bank, während Hillard Johner aufhalf. Keinem von ihnen war jet zt noch groß nach Essen zumute. Call sah zu der Tür, durch die Ripley verschwunden war. Dabei fiel ihr Blick auf den kleinen Tropfen Blut , den Ripley auf den Boden hatte fallen lassen. Ein winziges Rauchwölkch en stieg von dem Fleck hoch. Darunter warf der Boden Blasen ... * Als sich die Nacht auf die Auriga senkt e, suchten sich die Crews der beiden Schiffe verschiedene M öglichkeiten der Zerst reuung - gef ahrlose M öglichkeiten. In der Kabine, die man ihr zugewiesen hatte, lag H illard nackt auf ihrer Koje, mit einem zufrieden en Ausdruck auf dem Gesicht. Sie seufzte wohlig und genoß die Gefühle, die durch ihren Körper strömt en. Noch schmerzt e ihr Körp er von der Attacke in der M esse, aber das hi er macht e all es wieder gut. Sie 93
verdiente es und wollte jede Sekunde genießen. Über die Schulter hinweg lächelte sie dem M ann zu, der ihr dieses intime und intensive Vergnügen bereitete. El gy n lächelt e ebenf alls, während er seiner Geliebten di e müden, schmerzenden Füße massierte. General Perez saß in seinem Quart ier und p utzte seine St iefel. Er machte es ei genhändig, genau d en Vorschriften ent sp rechend. Zunächst wachste er sie, wobei er das Wachs nach und nach m it einem Hand laser schmolz. Dann t rug er es in einer feinen Schicht auf das Leder auf. Zuletzt p olierte er sie von Hand, bis man sich fast darin spiegeln konnte. Für ihn war es eine Art Zen-Aufgabe: es beschäft igte den Körp er, während sich der Geist ent spannte. Und es verschaffte ihm die Zeit , über die Zukunft seines Projekts zu sinnieren. In den Lagerräumen des Schiffs rollt e Vri ess durch endlose Gänge, an endlosen Regalreih en vorbei, die mit genau b eschrif teten und kategorisiert en Ersat zteilen voll gestopft waren. Tausende von Teilen, abertausende. Ein M echanikertraum. Und alles war neu, brandneu. High- End Zeug, perfekt , auf dem neuesten St andard. Für General Perez gab es nur das Beste. Auf Vriess' Schoß st ap elt en sich bereit s Kabel, kl einer e Ersatzt eile, Schaltkreise. Er blieb vor einer Kiste mit Dioden stehen, nahm sich eine Schachtel und rollte dann weit er. Plötzlich blieb er stehen, rollte noch einmal zurück und schnapp te sich eine zweite Schacht el. Bevor er weit erfuhr, sah er mit schuldbewußt em B lick um sich. Im Wohnzimmer eines Wohntrakts lümmelten sich Christie, Call und Johner vor einem Videobildschirm und r eicht en Johners Thermoskanne mit Schwarzgebranntem untereinander weiter. Nach der Schl ägerei am Nachmitt ag war ihnen allen 94
nicht sehr nach Unt erhalt ung zumute. Es überrascht e Call, daß die beiden M änner ihr keineswegs übelzunehmen schienen, daß sie ihnen nicht geholf en hatt e, aber schließlich war sie die Neue, und sie wirkte nicht sehr kräftig. Außerdem hatte auch Vriess nicht mit gemischt, und nur ein Narr würde denken, daß er sich nicht wehren konnte. Abgesehen von Call waren die anderen schon seit ewigen Zeit en zusammen. Vriess redete nicht gern e darüber, aber einmal hatte er angedeut et , daß sie alle Sö ldner gewesen waren, damals - bevor Vri ess gelähmt wurde. Auf dem Bildschirm taucht e das neuest e M odell eines chrom blitzenden Revolvers auf. Er wurde von allen Seiten gezeigt, so daß sich der Zuschauer von der Qualität der Waffe überzeugen konnte. Die technischen Daten standen daneben. Die Waffe war so modern, dachte Call, daß sie sich wahrscheinlich von selbst laden konnte. Dieses Schmu ckstück kann schon bald ihnen gehör en, verkündet e ein M oderator. Allerdings für so viele Credits, daß man sich fast ein neues Raumschiff dafür kaufen konnte. Johner reichte ihr die Thermoskanne, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu wenden. Call schütt et e sich noch einen Schluck des t ödlichen Gebräus in ihr Glas. Jeder entspannte sich auf seine Weise. Gediman arbeitete all ein in der verbotenen Zone. Er gin g in den drehbaren Beobachtun gsraum. Von hier aus konnte er in aller Ruhe die Entwicklung der eingep flanzten Aliens beobach ten. Er gestatt ete sich nicht , über die Schläfer in ihren Röhren nachzudenken, und über die Gesichtsklam merer, die an ihnen klebten. Das gehört e nicht zu seinen Aufgaben. Er war Wissen schaft ler, er hatte eine M ission zu erfüllen, und seine Aufgabe best and hier und jetzt darin, die sich entwickelnd en Aliens zu beobachten, die bereits geboren waren. Schad e nur, daß si e so wenig historische Infor mat ionen h at ten. 95
Gediman hielt es für eine wissenschaftliche Tragödie, daß sie nicht mehr auf dem Planet en LV-426 landen konnt en, auf dem die Crew der Nostromo die ersten Aliens ent deckt hat te. Welch einen Reichtum an Informationen h ät te man dort vor gefunden! Aber das gestrandete Schiff mit seiner Fracht von Tausenden von Eiern war zerstört worden, als der Nuklearreaktor eines beschädigten Atmosphärenwandlers exp lodierte. Zurückgeblieben war nichts als radioaktiver Abfall und ein neunzehn M egahekt or großer Krater. LV-426 würde nie wieder bewohnbar sein. Zusammen mit einigen ander en war es Rip ley gelungen, LV 426 vor der Explosion zu verlassen, doch nach einem Schaden an ihrem Schiff hat ten sie auf Fior ina 161 notlanden müssen. Dort war ein einzelnes Krieger -Alien auf getaucht, das auf d ie Königin wartete, die Rip ley , ohne es zu wissen, in sich trug. Aber dieser Krieger war get ötet worden. Ripley hatte Selbstmord begangen, um zu verhindern, daß di e Königin in ihr über lebt e. Dies hät te das Ende des menschlichen Kont akt s mit der Rasse der Aliens sein können, zumal alle mi litärischen und privat en Versuche, den Ursprungsplanet en der Aliens zu entdecken, fehlgeschlagen war en. Umsonst hatt e man Hunderte von Welten untersucht. Das Geheimnis der nahezu vollkommenen Organism en war zusammen mit LV-426 unt ergegangen, bis zu dem Tag, an dem man die Blut und Gewebep roben Ripley s auf Fiorina 161 entdeckt hat te. Das war jetzt 25 Jahre her. Die ursp rünglich en Proben h at ten nur wenige Informationen preisgegeben, und sie wären zweimal fast zerstört worden. Doch vor zehn Jahren hatt e M ason Wren, ein M ilit ärwissenschaftler, das Potential gesehen, das in diesen Proben steckte, und hatt e es irgendwie geschafft , eini ge sehr wichtige Leute von den M öglichkeit en neuer Waffentechno logien zu überzeugen. Seitdem war es sein Projekt. Doch erst in 96
den let zten beiden Jahren hatte er es geschafft, daß man wirklich an seine Vision glaubte. Damals waren er und seine M itarbeiter auf die Auriga gekommen. Plötzlich hatten sie all es nur Erdenk liche bekommen, um das Projekt voranzutreiben. Nachdem die gek lonten Zellen aus den Proben zum erstenmal einen längeren Zeit raum überlebt hat ten und sich entwickelt en. Und nun waren sie an diesem Punkt angelan gt . End lich st and eine konkr et e Anwendung ihr er wissenschaftlichen Forschung kurz bevor. Aber es gab noch viel zu lernen. Geduldig beobacht et e Gediman die M onitore, die ständig erneuerten Dat en und die Sp ezies selbst. Selbst die Wissenschaftler hatt en sehr verblüfft darauf reagiert, nach welch kurzer Zeit einige der Embryos aus ihren glü cklosen Wirten hervorgebrochen waren, ganz zu schweigen davon, m it welch rasanter Geschwindigkeit sie sich entwickelten. Wr en war sich nicht sicher, ob dieses Tempo auf ihre M anipulationen zurückzuführen war oder ob es sich dabei um den nat ürlichen Ablauf dieses Prozesses handelte. Die existierenden Unt erlagen hatten nur lückenhaft e Aussagen zur Zeitspanne machen können, und die Zahl der >Probanden< war letzten Endes zu klein, um Aussagen über Normen oder Trends machen zu können. Auf die meist en Embryos warteten sie ja noch ... Gediman ließ die Kammern an sich vorbeigleiten, bis er eine best immte errei cht hatt e. Er fuhr seine Zelle bis dicht an das breite Sichtfenster der Kammer heran. Im Inneren lagen zwei fast ausgewachsen e Aliens. Es sah aus, als hielten sie ein e Art Winterschlaf. Sie hatt en sich auf dem Boden zusammen gerol lt und lagen völ lig regungslos da. Er machte sich Notizen und überp rüft e die Zeit. Plötzlich t rat ein dritt es Allen aus den Schat ten heraus ans Fenster. Unwillkürlich zuckte Gediman zusammen. Er hatt e das Wesen überhaupt nicht bemerkt , bis es auf einmal aufgetaucht war. Es lauerte über ihm, dunkel, ri esig, bösart ig und vollkommen außerirdisch. Der bizarre, längliche Kopf, der l an ge, breite 97
Schwanz, die sechsfingri gen Hände, das externe, sil ikonbe schichtete schwarze Skelett, die monströsen Dorsalhörner. Das Biest wuchs noch immer. Du beobachtest mich also? dachte der Wissenschaftler. Es war ein gespenst isches Gefühl, von einem so riesigen Raubt ier betrachtet zu werden - einem R aubtier ohne erkennbare Augen. Aber du kannst auch so gut sehen, stimmt's? In diesem längli chen Kopf stecken hochempfindliche Sensoren, die au f Wärme, Vibration, Geräusche, Geruch und Bewegung reagieren - 360 Grad gespannter Aufmerksamkeit, alle bekannten Werte des Hörens und Sehens übertreffend. Ein erstaunliches Wesen. Er warf einen Bli ck in d ie Hy perschlafröhre, in der dieser M ann namens Purvis lag, und erinnerte sich deutlich an den Ausdruck des Schreckens auf Purvis' Gesicht, als sich das Ei vor ihm geöffnet hatte. Er war wach gewesen, Dann h at te der Gesichtsklammerer ihn angesprungen, und er hatt e sich verzwei felt gewehrt. Er schüt telte das Bild ab. Purvis trug seinen Embry o noch in sich. Es hat te sich herausgestellt, daß der M ann an Schilddrü senunt erfunktion litt . Nichts Ernstes, aber das war d er Grund dafür, daß sich sein Embryo lan gsamer entwickelte als die anderen. Vergiß ihn. Nur weil du seinen Namen gelesen hast ... Vergiß alle. Es mußte g etan werden. Jetzt bist du so wei t gekommen. Sie sind da, und das ist nur der Anfang. Das Alien beobacht et e ihn weiterhin aufmerksam. Es war noch näher an das Fenster her an gekommen. Auch Gediman trat von seiner Seite des Sichtfensters näher, als sei er magisch angezo gen. Langsam kr äuselten sich die dünnen Lipp en des Alien, und es zeigte seine chromfarbenen Zähne. Es öffnete sein mächtiges M aul und schob langsam seine st arre Zunge vor, als solle Gediman si e wissenschaftlich begut achten. Die Zunge verfügte über zusät zliche Zähne, und von ihrem Schaft trop fte klarer Speichel h erab. 98
Gediman v er gaß Purvis tatsächlich sofort , ver gaß au ch di e Gesichtsklammerer und gab sich wi e verzaubert di esem Anblick hin, den noch ni emand gesehen hatte, ohne get ötet zu werden. Plöt zlich mußt e er grinsen. »Ist das eine aus gefahr ene externus lin gua ... oder freust du dich nur, mich zu sehen?« murmelte er. Er stützte sich mit einer Hand an der Konsole ab und k am so nahe an das sp eziell angefertigte, st ahlhart e, dur chsichtige Plastik, das sie immer noch Glas nannt en, heran, daß er mit der Stirn dagegenschlug und für einen kurzen Au genblick an der Scheibe klebt e wie ein klein es Kind, das durch ein Schaufenster sieht . Ohne Vorwarnung schoß die Zunge des Alien wie eine Peit sche heraus und schlug gegen das Glas, genau an seinem Auge. Gediman machte einen Sat z zurück. Sein Herz pochte, seine Hände waren feucht . Ohne den Blick von dem Alien abzuwen den, ging er zur Hauptkonsole. »Zeit für die erst e Lektion, mein Kleiner«, sagt e er und schlug mit der Hand auf einen großen roten Alarmknopf. Augenbl ickl ich stürzt en Strahlen flüssigen Nitrogens auf das Alien herab. Sobald sich der Stoff mit der Luft verband, ent wi ckelt en sich Wolken aus Nitrogendampf. Das M onst er kreischt e entsetzt auf und t aumelte in die M itte des Käfigs zurück. Dabei tramp elt e es auf seine schlafenden Artgenossen, die erwachten und ebenfalls in Panik geri et en. Sie st immten in das Gekreische und Gebrüll mit ein. Gediman ließ den Knopf los. Der Krieger, der die Dusche abbekommen hat te, wandt e seinen obszönen Kop f zu Gediman. Sein riesi ger skorpionähnlicher Schwanz zuckte wild hin und her. Die beiden anderen wußten nicht so recht, was geschehen war, und zogen sich in eine Ecke zurück. Das erste Alien kam wieder auf das Sichtfenster zu, aber sofort legte Gediman wi eder di e Hand über den roten Knopf. Dann wartete er. Das M onst er hielt inne, genau wie Gediman. 99
Drohend st reckt e das Alien seine Zunge heraus, machte aber keinerlei Anst alt en, näher an das Fenster heranzukommen. Gediman ni ckt e zufrieden. »So, so, du lernst also schnell, was?« Voller Genugtuung griff er nach seinem Notizbuch. * Der große Krieger stand zitternd in der kleinen, seltsamen Höhle. Er bebte vor Zorn. Dieses kleine weiche Opfer hat mir weh getan, es hat mich verbrannt! Wütend sch lug er mit dem Schwanz, während er zusah, wie sein Opfer an verschiedenen Instrumenten herumspielte und Dinge tat, die dem Krieger nicht ganz klar waren. Er starrte auf den gefährlichen roten Punkt in der Nähe des Opfers. Daneben las er die Worte >Alarm< und >Vorsicht! Nitrogen-Düsen<. Er beobachtete das kleine Wesen, auf dessen Kleidung der Name Gediman stand, dabei, wie es Worte in eine Vorrichtung schrieb. Das Opfer verströmte Genugtuung und Stolz, als habe es soeben seine wahre Bestim mung erkannt. Nicht, daß es den Krieger b esonders interessiert hätte. Für ihn hatte das Opfer nur eine einzige Funktion, die gleiche wie jede andere Spezies. Er zuckte mi t dem Schwanz und streckte warnend seine Zunge heraus. Die Atmosphäre pfiff durch seine Dorsalröhren. Er haßte diese fremde Umgebung, er sehnte sich nach der dampfend en Wärme des Hortes, nach der Stärke und der Sicherheit seiner eigen en Art. Auch wenn zwei andere bei ihm waren, er l itt darunter, allein zu sein. Es war Zeit, den Hort zu bauen. Zeit, sich mit den anderen Kriegern zusammenzutun und der Königin zu dienen. Deshalb existierte er. Er beobachtete das Opfer und lernte alles über es, was er als Krieger wissen mußte. Dieses Exemplar konnte er mit seinem Geruchssinn nicht erfassen, aber er roch andere seiner Art, deren Geruch durch 100
die dünne Luft getragen wurde. Es handelte sich um warmblütige Sauerstoffa tmer. Er konnte selbst durch die durchsichtige Barriere die Farbe des At ems wahrnehmen. Er sah die Farbe des Blutes, rot, durch die blassen Venen hindurch und konnte sein e chemische Zusammen setzung analysieren. Er konnte sein Gewi cht schätzen, seine Muskelmasse, seine Widerstandskraft. Er wußte, wie stark es war, oder besser, wie schwach. Er sah di e Farben seiner Gefühle, wußte, ob es sich warm oder kalt fühlte, ob es Angst oder Schmerz empfand. Jetzt empfand es Angst vor dem Krieger aber noch nicht genug. Besonders jetzt ni cht, da es bewiesen hatte, daß es dem Krieger weh tun konnte. Das >Gediman< zeigte die Farbe des Stolzes und der Zufrie denheit. Ich werde mich an di ese Farbe erinnern, wenn ich d ich hol e. Und ich werde dich holen. Der Körper des Gedimans würde Baumaterial für d en Hort abgeben. Wenn er erst einmal dort gelagert war, würde der Krieger entscheiden, ob er als Nahrung für die König in dienen sollte, als Wirt für ihre Jung en oder gar als Nahrung für die Jungen. Vielleicht würde Gediman ein Junges gebären und sogleich sein e erste Mahlzeit werden. Und da du mir weh getan und Freude daran gezeigt hast, werde ich mich für di e Möglichkeit entscheiden, bei der du am längsten am Leben bleibst. Der Krieger würde zusehen, wie d er Stolz des Gedimans langsam dahinschmolz und mit ihm jedes Gefühl, das er kannte, bis nichts mehr übrig war als Furcht, eine alles andere überla gernde Furcht, wie sie Gediman noch nie verspürt hatte. Furcht machte einen erst zu einem gu ten W irt, sie war eminent wichtig. Sie machte den Organismus aufnahmefähig, öffnete die Pfade für die Jungen, erlaub te ihn en, f este Wurzeln zu schlagen und zu wachsen. Dafür mußte sich der Wirt ihnen anpassen, und aus diesem Grund war Furcht so wichtig. Und wenn die Jungen 101
ihren fremden Brutkasten verlassen hatten, dann hatten die letzten Wellen von Furcht und Schmerz das Fleisch des Wirtes so weich und zart gemacht, daß es den Jungen als Nahrung dienen konnte. Der große Krieger zuckte mit dem Schwanz und übertrug alles, was er dachte, fühlte und plante, an seine Brüder und seine Königin. Sein e Königin, seine Mutter, sandte ihr Einverständnis. Es würde bald geschehen. Der Krieger würde sich darum kümmern. Und dieses kleine Menschenwesen, dieses Gediman, würde der erste sein. Der erste Brutkasten. Die erste Nahrung. Und er würde es a lles mitansehen. Dafür würde der Krieger ebenfal ls sorgen. Die Königin war einverstanden. * Im Wohnt rakt sah Call, wie ein b izarr geformtes Schwert auf dem Bi ldschirm auftaucht e. Lan gsam hatte sie di e Nase voll von Videos und Alkohol. M ann, die Abende auf der Betty waren interessanter als das hier. Sie wollt e aufst ehen, fiel jedoch wieder nach hint en, als habe sie die Balance ver loren. Die beiden M änner kich erten amüsiert. »M ein Got t, Johner«, sagt e sie und kratzt e sich am Kop f. »Was hast du in dieses Zeug nur reingetan? Batteriesäure?« Sie starrt e in ihr leeres Glas, als wisse sie nicht mehr, wann si e es ausgetrunken hatt e. »Och, nur ein bißchen ... wegen der Farbe«, sagt e Johner entschuldigend. Dann platzten er und Christie schier vor Lachen und schlugen die Händ e aufeinander. »Ich hab' jedenfal ls genug«, murmelte sie, hievt e sich aus ihrem Stuhl hoch und wankte davon. Dabei pfiff sie die kleine M elodie, die sie mit Vriess eingeübt hatte, auch wenn sie dieses M al et was schief klang. Als sie den Wohnt rakt verlassen hatt e und sicher sein konnt e, 102
daß niemand in der Nähe war, richtete sie sich plötzlich wieder auf und wirkte vollkommen nüchtern. Sie sah sich um und ging dann langsam den Flur h inunter. Dabei fol gt e sie einer St recke, die sie vorher festgelegt hatte, bis sie vor der erst en Tür mit der Aufschrift >Zut ritt verboten< stand. Von hier ab, das wußte sie, würde jed e Tür zur Barriere. Si e wühlte in ihren Taschen und brachte einen Schlüsselrin g m it Dietrichen zum Vorschein. Daran bef anden sich ein Dut zend M ikro-Spray Kapseln, die sie zum größten Teil selbst geb aut hatte. Sie sah über d ie Schulter, bis sie sicher sein konnt e, daß si ch niemand näh erte. Dann begann sie, mit den Kapseln die Schlös ser zu öffnen, eins nach dem and eren. Für manche mußte man in schneller Abfolge einen Code ein geben und zusätzlich die richtige Kombination von Sprühchemi kalien in den Atemanaly sat or sp rühen. Bei manch en reicht e ein Sp rüher aus der r ichtigen Kapsel. Es gab kein es, das ihr widerstand. Schließlich öffnete sich die letzte Tür lautlos vor ihr, gerade genu g, damit sie ihren schlanken Körper hineinschieben konnte. Sie zögerte kurz und schloß d ann die Tür hint er sich. Bis jetzt hatte sie keinen Alarm aus gelöst . Offenbar bewachten sie den Insassen dieser Zelle nicht mehr so streng wie am Anfan g. Das Vier eck war klein und dunkel, und für einen Augenbli ck dacht e Cal l, sie habe die falsche, eine unbewohnte Zelle erwischt . Hier gab es nichts - kein Waschbecken, keinen Trinkwassersp ender, keine Toilet te, nichts. Sie sah nur Schat ten und von oben herabf allende Lichtstrahlen, die d en kleinen Raum in kleinere Einheiten aufzut eilen schien en. Als sich ihr e Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatt en, stellte sie fest, daß sie direkt vor der Sohle eines Trainingsschuhs kniet e, der zu ein em Bein gehörte, das aus der Ecke mit den dunkelst en Schat ten heraus ragte. Der Insasse der Zel le lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Offenbar hatte er sich ganz bewußt dort hingelegt, wo ein möglicher Beobachter von oben ihn nicht sehen konnte. 103
Langsam kroch Call auf die Gest alt im Schat ten zu. Obwohl sie nahe war, konnte sie das Gesicht des Schläfers nicht erken nen. Call zwängte sich in das dunkel abgegrenzt e Gebiet manchm al war es doch von Nutzen, wenn man einen kleinen, kompakten Körp er hatte. Die Finst ernis umschloß sie vollkom men, so daß sie beide jetzt unsichtbar waren. Kaum hat te sie sich verbor gen, als ein Schat ten hoch über ihr hinwegglitt. Es war ein Wachtp osten, der seine Runde über den Zell en drehte und dessen Stiefel für einen kurzen Augenb lick über dem Gitt er in der Decke sichtbar waren. Cal l hielt den Atem an. Schließlich hörte sie seine Schrit te nicht mehr. Cal l drehte si ch zu der schlafenden Frau, voller An gst, daß sie d ie Frau aufwe cken könnte, doch diese schlief weiter. Das braune Haar fiel ihr ins Gesicht, und ihr Atem hob und senkte sich gleichmäßig. M enschlich eben. Die Arme der Frau waren über ihrem Bauch verschränkt , als bewache sie et was dort drinnen, oder als habe sie Schmerzen. Selbst im Schlaf wirkten ihre st rengen, aber attrakt iven Züge sorgenvoll. Vielleicht träumt e sie schlecht ... Du bist hierher gekommen, um einen Job zu erledigen, dacht e Call und versuchte, das Gefühl von M itleid zu unterdrücken. Also, dann tu es auch. Nur weil sie aussieht wie ... Call, die Att ent äterin, streckte lautlos ihre rechte Hand aus, und das im Ärmel verborgene Stilett glit t hinein. Auf einen Knopfdruck fuhr die Klinge aus. Die silbern glänzende Waffe war fast dreißig Zent imet er lan g, m it einer tödlichen Spit ze. Waffen mit Kugeln waren etwas für Feiglinge. Call arbeitete lieber aus der Nähe, ohne Ger äusche. Sie duckte sich und hob langsam und ohne zu zitt ern die Hand. Hör auf, sie anzustarren. Tu endlich das, weswegen du ge kommen bist. Sie mußte schlucken. Ein schneller St ich ins Herz, und das war es. Ripley würde es gar nicht merken. Es war das Beste, was sie für sie tun konnt e. Plöt zlich bewegte sich die Frau im Schlaf. Call erst arrte. Der 104
Kopf der Frau fiel etwas nach hint en. Ihr lan ger schlanker Hals lag frei. Ein Teil der Schnürung ihrer braunen eng anliegenden Weste hatt e sich gelo ckert . Selbst in den Schatten erkannte Call die bleiche Haut ihrer Brüste und ihres Bauchs. Call zog die Öffnung mit dem St ilet t noch et was weiter ausein ander. Verwirrt st arrte sie auf die Narbe. Ein e Narbe? O nein! »Und?« fragte die Frau leise. Call zuckte zusammen und rutschte etwas zurück. Fast hätte sie ihr M esser fallen lassen. »Willst du mich jetzt umbringen, oder was?« fragte R ipley mit ihrer wie üblich fl achen, tonlosen Stimme. Call p reßte die Lippen zusammen. »Es hat doch gar k einen Sinn mehr, oder ?« M it einer schnellen Bewegung ihres Hand gelenks ließ sie di e eingefahr ene Klinge wied er in ihrem Ärmel verschwinden, so ger äuschlos, wie sie das M esser herausgeholt hatte. »Sie haben es doch bereit s herausgenommen. O mein Gott ... ist es hier? Hier an Bord?« Sie fröst elt e. Noch konnte sie nicht begreifen, daß sie wirkli ch zu sp ät gekommen sein sollte. Zu spät. Ripley lächelte grimm ig. »Du meinst mein Baby?« Call schüt telte den Kopf. Wie bizarr ihr Gespräch mit dieser Frau war, fiel ihr kaum auf. »Das verstehe ich nicht. Wenn sie es haben, warum behalten sie dann dich?« Ein Schult erzucken. »Sie sind n eu gier ig. Ich bin der letzte Schrei.« Eine Welle ohn mächti gen Zorns spülte über Call hinweg. Sie hatte nicht damit gerechnet, zu spät zu kommen. Dann zwang sie sich, nicht mehr daran zu denken. Sie sah die Frau an, die vor ihr im Dunklen lag, ließ das Stilett wieder in ihre Hand 105
gleiten, fuhr die Klin ge aus und zeigte die Waffe Ripley. M it sanfter Stimme bot sie ihr ein Geschenk an. »Ich kann dafür sorgen, daß all es aufhört . Der Schmerz ... dieser Alp traum. Das ist alles, was ich dir anbieten kann.« Du verdienst etwas Besseres. Ripleys Blick wurde etwas offener, und Call entdeckt e eine solch unaussprechliche Trauer darin, daß es ihr die Kehle zuschnürte. Ohne zu ant worten, hielt Ripley die Hand hoch und legte sie an die M esserspitze. »Wieso glaubst du, daß ich dir das erl auben würde?« murm elt e sie. Dann preßt e sie ihre Hand gegen die Sp itze des Stiletts, bis es in ihr Fleisch drang und am anderen Ende wieder her auskam. Sie hört e erst auf, als die Klin ge gut e fünf Zent imet er aus ihr em Handrücken ragt e. Call sah sie mit offenem M und und aufgerissenen Au gen an, so wie in der M esse. »Wer bist du?« flüsterte sie und st arrte auf die durchbohrt e Hand, sah, wie ein dünnes Rinnsal Blut aus der Wunde lief, sah das ausdruckslose Gesicht der Frau. M it flacher St imme ant wortete sie: »Ripley, Ellen, Lieut enant, First Class. Nummer 5156170.« Call konnt e nur mit dem Kopf schütteln. »Ellen Ripley ist vor über zweihundert Jahren gestorben.« Die Information schien eine Regung auszulösen. Auf Ripleys Gesicht spiegelt e sich so etwas wie mild e Überraschung. Sie zog sich das M esser aus der Hand und läch elt e dab ei etwas schief, als habe es doch ein bißchen weh get an. »Ich habe M orse gelesen«, sagte Call heft ig. »Ich habe all e verbotenen Geschicht swerke studiert. Ellen R ip ley hat ihr Leben geop fert, um uns vor dem M onst er zu schützen. Du bist nicht sie.« Die Frau namens Ripley schaut e an Call vorbei zu einem Punkt in der Ferne, den nur sie erkenn en konnt e. »Ich bin nicht sie? Und wer bin ich dann?« 106
Gute Frage. Ent setzt beobacht et e Call, wie die Klinge des M essers zischte und qualmte, wie sie vor ihren Augen zusam menschmolz, bis nur noch ein scharfkantiger, dunkler St ummel übrigblieb. Das war Rip ley s Antwort. Call hielt ihr den Stahl hin. »Das bist du. Ein Ding. Eine Testkonstruktion, ein Klon. Sie haben dich in einem beschissenen Labor gezüchtet.« »Aber nur Gott kann einen Baum machen«, ent gegnet e Rip ley in einem Anflug schwarzen Humors. Call spürte eine plötzliche Sehnsucht , diesen Doppelgän ger, diesen Schatten Ripleys zu verstehen. »Und jetzt haben sie das wilde Tier in d ir hervor gelockt.« Wieder d iese Traurigkeit, dieser Seelenschmerz. Eine Qual, di e Call nur er ahnen konnt e. »Nicht ganz.« Call verstand sie ni cht . »Was?« Ripley sah sie an, l ieß zu, daß sie ihr in die Augen schaute. Ihr Blick sch ien sie zu verbr ennen, so wie ihr säureh alt iges Blut Calls M esser verbrannt hatte. »Es ist in meinem Kopf«, flüstert e die Frau. »Hinter meinen Augen.« Zum erst enmal klang sie wirk lich menschlich, ver letzbar. »Dann hilf mir! Wenn noch ir gend et was M enschliches in dir ist, dann hilf mir, sie aufzuhalten, bevor dieses Ding ausbri cht .« Die Verzweiflun g d er Frau kannte kein e Grenzen. »Es ist zu spät.« Zunächst verstand Call sie f alsch. Zu spät für mich? Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie wehrlos in d er Dunkelh eit hockt e, nur Zent imet er ent fernt von diesem ... diesem ... Call wußte nicht, wie sie die Frau nennen sollte. Ein Raubt ier, das sie wahrscheinlich mit einer Hand töten konnte, ohne daß sie eine Chance gehabt hätt e. Ihr M esser nützt e ihr ja wohl nichts mehr ... 107
Als Ripley ihre Hand hob, zuckte die jüngere Frau zusammen. Einen M oment lang hielt Ripley inne, dann st rich sie Call über die St irn, st rich eine Haarsträhne beiseite. Es war eine sanfte, beinahe sinnliche Geste, so wie eine M utter ihr Kind streichelt, wenn sie Trost spendet oder schaut, ob alles in Ordnung ist. »Ich habe mi ch mit dem Gedanken abgefunden«, murm elt e Ripley, und Call erk annt e, daß sie das M onster meint e, das sie gebor en hatte. Daß dieses Wesen lebte. Daß sie eine neue Plage über die M enschen bringen würde. »Es ist unausweichlich.« Call m achte ein ernstes Gesicht . »Nicht, solange ich da b in.« Ihr war klar, wie albern sich d as anhören mußte. Sie haßte ihr e kleine, zierli che Gestalt, ihre weich e, perlende Stimme. Nicht zum erstenmal wünschte sie sich, so geb aut zu sein wie Christie. »Du kommst hier nicht mehr leb endi g raus«, sagte Ripley traurig, als müsse sie einem dummen Kind etwas genau erklä ren. Call hörte das Zittern in ihr er Stim me, als sie ent gegnete: »Das glaube i ch nicht, verdammt noch mal.« Amüsiert hob Ripley eine Augenbraue. »Ach ja?« M it blitzart iger Geschwindigkeit schoß Rip ley s Hand nach vorn. Sie packte Call beim Hals, die sofort keine Luft mehr bekam. Inst inktiv holte Cal l mit der geschmolzenen Klinge ihres M essers aus, aber die engen Wänd e und ihr e eigene Furcht behinderten sie. Ripley schlug ihren Arm auf den Boden und kauerte über ihr. Call mußt e gegen ihre Panik ankämpfen, versuchte ruhig zu bleiben. Di e Au gen des Raubtiers über ihr funkelten. Dann sagte Ripley traurig: »I ch kann es aufh alt en.« Call glaubt e sich schluchzen zu hören. Sie wußt e, daß man den Schrecken auf ihrem Gesicht ablesen konnte. Sie winselte m it den Augen um Gnade. So plöt zlich, wie Ripley sie gepackt 108
hatte, ließ sie Call auch wi eder los. Die Frau wich zurück und rollt e sich in der Ecke wieder zusammen wie ein Fötus, verkroch sich so tief in den Schatten wie möglich. Was machst du? Warum versteckst du dich überhaupt? Was glaubst du, wollen sie von dir? Kein Wunder, daß diese Zelle vollkommen leer war. Wenn es eine Pritsch e gegeben hätte, dann hättest du dich auch noch darunter versteckt. Findest du wirklich eine Art Frieden und Sich erheit, wenn du d ich zu einem kleinen Ball zusammenrollst und in die Ecke zwängst? Ist es eine längst vergessene, jahrhundertealte Kindheitserinnerung? »Geh«, befahl ihr Ripley. Ihre St imme klan g vollkommen leer. »Verschwinde hier. Sie such en dich schon.« Call wich vor ihr zurück. Sie hat te Angst , daß Ripley es sich anders überl egen könnte. Ob sie aus diesem Raum lebendig wieder herauskam, lag einzig und allein in der Hand dieser Frau. Als sie merkte, daß Rip ley sie geh en li eß, er griff eine neue Furcht von ihr Besitz - von den Wachen entdeckt zu werden. Völlig kopflos krabbelte sie zur Tür, heftig nach Atem rin gend. Sie hatte all das vergessen, weswegen sie gekommen war. Jet zt ging es ihr nur noch darum, sich selbst zu retten. Call wunderte sich, wie st ark dieser Überlebensinst inkt sie vorantrieb. Sie hantierte an der Tür herum, fand den M echanismus und drückt e sie auf. Sie rannte davon und ver gaß bei ihrer wilden Flucht jede Vorsicht . Aber kaum hatt e sie die Zelle ver lassen, als et was Kaltes, M etallisches ihr en Nacken traf. Noch b evor sie sich wehren konnt e, wurde sie von einem Elektroschock getroffen, der ihr die Haut versengte, ihr e Nerven br iet und wie ein Blitz durch ihren ganzen Körper fuhr. Sie stieß einen Schrei aus, und während alles um sie herum dunkel wurde, sackte sie gelähmt zusammen. M it einem selbstzufriedenen Grinsen beobacht et e Wren, wi e die zierlich e, dunkelhaarige Frau zu Boden stürzte. Zwei Soldaten packten sie unter den Armen und zogen sie davon. Was glaubst du, wer du bist, dich in ein Top-Secret For 109
schungsprojekt einzumischen? dachte er. Hast du wirklich geglaubt, du könntest etwas ausrichten? Er war so außer sich vor Zorn, daß er den Soldaten fast dank bar war. Ihr e Anwesenheit schüt zte ihn davor, seine professio nelle Halt ung aufzu geben. Call schütt elt e benommen den Kopf, während sie langsam wieder klar wurde. »Sie werden noch merken, daß dies eine äußerst unüberlegt e Tat war«, herrscht e er sie an. »Wo sind ihre Freunde?« fragte er einen der Soldaten. »Soweit wir wissen, Sir, halten sie sich alle in ihren Quartier en auf.« »Schlagen Sie Alar m«, befah l Wren. »Und bringen Sie di e Bande her - sofort !« * Ripley rollte sich in ihrer dunklen Ecke zusammen und starrte in die Finsternis. Sie versuchte, d ie Worte der jungen Frau nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen. Sie war entsetzlich müde, aber sie wagte nicht zu schlafen. Ich will nicht schl afen, sagte eine kleine dünne Stimme in ihrem Kopf. Ich habe böse Träume. Wer hatte das gesagt? Rip ley wuß te es nicht mehr, aber die Erinnerung daran tat weh. Sie konnte nicht schlaf en ... sie hatte Angst, sie könnten sie im Schlaf berühren. Im Schlaf war ihr Geist ungeschützt, und dann kamen sie an die Oberfläche, die Monster, die echten Ungeheu er. Sie bewegten sich, atmeten brodelnd ... und si e schmiedeten Pläne, träumten und warteten ... Ein Schauder l ief durch ihren Körper. Sie waren ein perfekter Organismus, der nur ein Ziel kannte. Und diese Frau, diese kleine junge Frau, sie konnte das nicht verstehen. 110
Ihre strukturel le Perf ektion wird nur noch von ihrer F eind seli gkei t übertroffen. Ripley konnte sich nicht erinnern, wer das zu ihr gesagt hatte oder wann, aber sie erinnerte sich an den Satz. Er erfüllte sie mit ein em überwältigenden Gefüh l der Trauer. Der Eifer der idealist ischen jungen Frau, ihr Enthusiasmus bedrückten sie noch mehr. Denn Ripley hatte in den Augen der Frau gesehen, was sie von ihr hielt. Was das Sch icksal und ein unbarmherziges Universum aus ihr gemacht hatten. Und was hat das Schicksal nun aus mir gemacht? fragte sie sich deprimiert. Sie wußte es ni cht. Hat te es wied er El len Ripley aus ihr gemacht, wie ihr ein Teil ihres verwirrten Geistes weismachen wollte, oder hatte es si e zu einem Kollaborateur gemacht, einem Wechselbalg, genau so grotesk wie ... wie ... Ich zi ehe es vor, al s künstli che Person bezeichnet zu werden. Sie betrachtete die schnell heilende Wunde auf ihrer Hand. Von dem Messerstich war nicht mehr viel zu sehen. Schließ lich überwältigte die Stille si e. Ihre Augen schlossen sich, ihr Körper en tspannte sich, und si e gl itt in die fremde Welt des Schlafs. Und dann kam es ... das, was auf sie gewartet hatte, hinter ihren Augen ... Ihre Sehnsucht nach der dampfenden Wärme des Horts, nach der Stärke und Sicherhei t ihrer eigenen Art. Sie litt darunter, allein zu sein. Nur im Schlaf konnte sie mit ihnen zusammenkommen, sich unter sie mischen. Es war an der Zeit, den Hort zu bauen. Zeit, sich den anderen Kri egern anzuschli eßen und d er Königin zu dienen. Das war ihr Lebenszweck. Die Kriegerin zuckte mit ihrem Schwanz und gab alles, was sie dachte, fühlte und plante, an ihre Königin weiter. Und die Königin sandte ihre Liebe und ihr Einverständnis an die Kriegerin zurück. Die Königin würde sich darum kümmern, und die Kriegerin würde dafür sorgen, daß es so geschah. Und d iese menschliche Muschel, diese Ripley, sie würde die Mutter von 111
ihnen allen werden. Der erste Brutkasten, der erste Krieger. Und sie würde alles mit ansehen, würde das Glück mit ihnen teilen. Dafür würde die Kön igin sorgen, denn Ripley war der Grundstock des Hauses. Die Ernährerin des Horts. Die Begründerin der Neug eborenen. Hilflos zuckte Ripley im Schlaf hin und her. Sie gab leise Laut e des Schmerzes und des Protests von sich. Die Königin tei lte ihre Träume und hieß sie gut.
7.
Christie war gerad e i m Begr iff, Johner mit zuteilen, daß er endgü ltig genug von seinem schrecklichen Fusel und seiner Gesellschaft habe, als plötzlich die Türen ihres Wohntrakts aufgerissen wurden. Er und Johner sprangen auf, währ end vier Soldaten in den Raum stürmt en. Noch bevor einer von ihnen irgend etwas machen konnt e, starrten sie in die M ündungen von vier geladenen und entsicherten Gewehr en. Die beiden M änner von der Betty tauscht en einen schnellen Blick aus. Johner drückte instinktiv seine Thermoskanne an sich. »Was gibt's für ein Problem?« fragte Christie und achtete darauf, keine plöt zliche Bewegun g zu machen. Er hi elt die Hände an den Seiten, weg vom Körp er. Niemand sollte hier irgendeinen Fehler mach en. »Sir«, sagt e einer der Soldaten mit einer Höflichkeit, die der Situation nicht angemessen schien, »kommen Si e beide bit te mit uns. Sofort .« Nun, ich schätze, das werden wir, dacht e Christie und nickt e Johner kurz zu. »Sir«, wiederholt e der Soldat. »Sofort.« 112
Christie sah den M ann an, auf dessen Helm der Nam e Distep hano eingest anzt war. »Sicher, M ann, wir kommen. Kein Problem, stimmt's, Johner?« Vorsicht ig legte Christ ie die Hände auf den Rücken und falt et e sie zusammen. »Ganz recht «, murmelte Johner. Sie wurden in die M esse gebracht , die hell beleucht et war. Kurz darauf führten andere Soldaten Hil lard und Elgyn her ein. El gy n hatte sich offenbar in aller Eile anzieh en müssen, denn er war noch imm er damit beschäftigt, seine Kleider zu ordnen. Er sah zu Christie hinüber, Hillard ebenfalls. Niemand sagt e etwas. Plöt zlich wurde Call in den Rau m gestoßen. Sie schi en benommen und massierte sich den Nacken. Dokt or Wren kam zusammen mit den Soldaten, die Call bewachten. Imm er wieder bedachte er die kleine M echaniker in mit wüt enden Blick en. Sie haben sie betäubt, dachte Christie besor gt. Was, zum Teufel, hat dieses kleine Madchen vorgehabt? Und wo ist Vriess? El gy n hörte auf, an seinen Sachen herumzunest eln. Er sah Wren in die Augen. »Was geht hier vor, verdammt noch mal?« »Sieht aus, als wolle man uns reinlegen, Boß«, sagt e Christ ie laut. Er wollte El gy n signalisieren, daß er vollkommen kl ar war. Er hatte stundenlang m it Johner getrunken, aber beide waren es gewohnt , mit einem Alkoholpegel zu arbeiten, der andere M änner umgehauen hät te. Auch wußt e er, daß El gy n sich bereits fragte, ob er sich in dieser Situation auf ihre Reakt ionen verlas sen konnte. Christie versucht e, si ch durch Vriess' Abwesenheit nicht verunsichern zu lassen. Hielten sie ihn ir gendwo als eine Art Geisel fest ? Wren sah um sich und fr agte El gy n: »Wo ist der andere? Der in dem Stuhl?« Nun, wenn er es nicht weiß, dann ist Vriess noch frei, dachte 113
Christie erlei cht ert. Er hört e, wie Johner Dist ep hano anknurrte: »Nimm dein e verdammten Hände von mir.« Seine St imme klang undeut lich, leicht lall end. Christie fragt e sich, ob Johner nicht doch zuviel gesoffen hatt e. »Doktor«, sagte Elgyn mit ruhiger Stimme. »Unterhalten wir uns. Was geht hier vor ?« Wrens Ant wort schien keinen Sinn zu er geben. »Ent weder verratet ihr mir jet zt sofort, für wen ihr arbeit et , oder ihr werdet die Ant wort herausbrüllen, sobald der M orgen kommt.« Was? dacht e Christie. Als wir hierher kamen, haben wir für dich gearbeitet, du blöder Wi chser. Ansonsten arbeiten wir für uns - und keinen anderen. Er tauschte einen vielsagenden B lick mit Elgyn aus. Plöt zlich t rat Call mit verst einert er M iene vor. »Wren, die anderen haben nichts damit zu tun.« Es geht um Call? Wie, zum Teufel, soll d enn ein kleines Mädchen d ieser hochg e rüsteten Militärstation schaden können? Hillard sah Call an. »Womit zu tun?« El gy n hob beruhigend die Hände. »Also, keine Aufregun g, Leut e. Wir könn en darüber red en. Kein Grund, sich aufzuregen.« Christie sp annt e seine M uskeln an, als er hörte, wie Elgyn die Losung nannte. Er h at te die Hände noch immer hint er dem Rücken. Lautlos glitt en zwei Revolver aus seinen Ärmeln in seine Hände. Vorsichtig umschloß er die Griff e. Ein vertraut es, gutes Gefühl. Wren schäumte weit er. »Kennt ihr die Strafen für terroristische Aktivit ät en?« »Terroristen?« murmelte Johner. Mist, dacht e Christie, vielleicht hat Johner doch zuviel intus. 114
Wenn er wirklich weggetreten ist ... zu langsam reagiert ... dann stecken wir wirklich tief drin. Endlich zeigte au ch Elgyn eine h eftigere Reaktion. »In meiner Crew gibt es keine verdammten Terroristen.« Wütend wandte er sich an die einzige Person, die zu wissen schien, um was es ei gent lich gin g. »Call, was ist hier los?« Aber noch bevor sie antwort en konnt e, ergriff Wren wieder das Wort. »Es ist mir scheißegal, ob ihr mit drinst teckt oder ni cht . Ihr habt eine subversive Person an Bord eines M ilitärschiffs gebr acht , und was mich betrifft , werdet ihr mit ihr zusammen braten. Habt ihr mich verstanden?« El gy n richtete sich auf, und er sah Wren direkt ins Gesicht. »Das haben wir.« Dann wandert e sein Blick an dem Doktor vorbei. »Christie?« Der Angesprochene rührte sich ni cht und stand unbewegli ch wie eine St at ue da. Aber er hatte zugehört. Noch bevor irgend j emand reagier en konnte, hatte Christie die Waffen hint er seinem Rücken hervor gezogen. Währ end er sich drehte wie ein Geschützturm in der Sch lacht, feu erte er die ersten Schüsse ab. Obwohl er sich so schnell bewegte, t raf er gen au. Vi er der So ldat en sanken nacheinander zu Boden, genau ins Herz getroffen. Auch wenn die anderen Crewmitglieder so gef ährlich nahe bei den Soldaten gestanden hat ten, wurde keiner von ihnen auch nur von einer Ku gel gestreift . Die Wucht der Geschosse, die die Soldaten aus solch kurzer Distanz get roffen hat ten, schleuderte sie nach hint en. Blut, Gewebe und Knochenteile spritzten aus den Wunden, auf die Wände, Tische, Stühle und auf die M enschen. Schließlich sackten sie zu Boden, aber noch in diesem Augenblick reagierte ein anderer Soldat. Er hatte hinter Christie gestanden, t rat nun neben ihn und richtete seine Waff e auf den großen M ann. Christie sah ihn nicht einmal an. Er riß einfach den Arm hoch, 115
zielte aus den Augenwinkeln und drückte ab. Der Sold at wurde nach hinten gesch leudert und war tot, noch bevor er den Abzugsfinger krümmen konnte. Ein Soldat, der in der Nähe des Eingangs gebl ieben war, st ieß einen Schlacht ruf aus und st ürmte wild um sich schießend vorwärt s. Christie tauchte aus der Schußlinie, aber die Schüsse und ihr e Querschläger wirbelten gefähr lich nahe um den langsamer reagier enden Johner herum. Fast sah es aus, als führe er einen komischen Tanz auf, während er si ch b emüht e, den Deckel seiner Thermoskanne abzuschrauben. Wie durch ein Wunder entging er dabei den ziel los ab gef euert en Schüssen. Doch dann traf ein Schuß dort, wo es Johner am meisten weh tat - in die Thermoskanne mit seinem Selbst gebr annt en! Die Kugel durchlöcherte den ob eren Teil des M etallbehält ers. Ent geistert sah Johner, daß die Kugel das fert iggebracht hat te, was ihm nicht gelungen war. Sie hat te den Deckel d er Kanne gelöst , so daß der darin verborgene Revolver in Johners Hand glitt . Er hatt e kaum Zeit zu zielen - der Deckel hing noch am Ende des Laufs - und schoß einf ach b lindlings auf den Soldaten. Der Deckel explodierte mit einem lauten Knall. Doch er hatt e get roffen. Der Soldat schr ie auf, fiel auf d en Rücken und rut schte auf dem Boden weiter, so wie Johner am Nachmit tag. Nur daß der d abei lebendig gewesen war. El gy n hielt den t oten Soldaten auf, in dem er ihm den Fuß in den Weg stellte und seinen Helm blockierte, so beiläufig, als stoppe er einen Fußball. Aber dann hörte Christie ein ominöses Klicken. Jemand st and hinter ihm. »Stop !« brüllt e eine männl iche St imme in sein Ohr. Christie sah nach hint en. Er erkannt e den glat ten Lauf einer beeindruck enden Waffe, die auf sein en Kop f gericht et war. »Laßt eure Waff en fallen«, bef ahl der Sold at ihm und Johner. »Oder ich puste ihm den Kop f weg.« 116
Alle verharrten regun gslos. Christie sah, wie Johner hämisch grinste, häßl ich wie nie. Die zerborstenen Überrest e der Thermoskanne qualmten. Johners Hand mußte ganz schön verbrannt sein. Meine Waffen fall en zu lassen ist gar ni cht so einfach für mich, Junge, dacht e Christ ie, während er ganz langsam die Arme hob. Er breitete die Hände aus, damit alle die Vorricht ung sahen, mit der die Revolver gehalten wurden. Im Grunde hatt e er noch gar keine gute M öglichkeit gefunden, sich in Situationen wie dieser schnell von seinen Waff en trennen zu können. Viel lei cht weil er geglaubt hat te, nie in eine solche Lage zu kommen. Der Soldat, der Christie in Schach hielt, hatt e nicht damit ger echnet, mit einer solchen Konst ruktion konfrontiert zu werden. Aus den Augenwink eln sah Christ ie, wi e dem M ann der Schweiß das Gesicht herunt erlief. Er zittert e vor Ansp annung. Jet zt mußte Christie ganz vorsichtig sein. Sie alle mußt en vorsichtig sein. Eine f alsche Bewegung, und er war tot . Christie richtete den Blick nach oben und sucht e die Decke ab. Er zielt e mit dem Revolver auf eine der verstärkt en Ecken. Dann bewegte er die Waffe, kaum merklich ... er zielte. Er schoß und hört e das hohe Pfeif en der Ku gel, als der von der Decke zurückp rallende Querschläger in den Hel m des Soldaten eindrang. Der M ann stürzte zu Boden wie ein gefällt er Baum. Aus dem Loch in seinem Hel m st ieg Rauch auf. Damit war nur noch ein Soldat übri g - und ein Doktor. Distep hano und Wren. Christie lächelte, senkt e die Arme und richtete seine Waffen auf sie. Kaum war der erst e Schuß abgefeuert worden, als im Beobach tungsraum Alarm glocken läuteten und Warnlichter aufbl itzten. Gediman und seine Assistentin Carlyn Williamson wandt en sich den Videomon itoren zu, von denen einer auch die M esse zeigte. Während sie schockiert zusahen, was dort geschah, meldete Vaters perfekt modulierte St imme: »Notfall, Notfall. In der M esse findet ein bewaffneter Überfall auf Besatzungsmitglieder 117
der Auriga statt.« Der Comp ut er wiederholte die M eldung immer wieder, noch während sie zusahen, wie die bunt zusammen gewürfelt e Crew der Betty in wenigen Augenblicken mehr als ein halbes Dutzend gut ausgebildeter und bewaffneter So ldat en t ötete. Noch bevor Gediman ganz verstanden hatte, was da vor sich ging, war alles schon vorbei. Entset zt sah er, wie ein riesiger schwarzer M ann Dr. Wren einen Revolver an die Schläfe drückte. »Ach du Scheiße!« zischt e Gediman hilflos. Carlyn haucht e Wrens Namen und packt e Gediman beim Arm. Sie wußten beid e, daß sie n icht das geringste tun konnten. Nichts, außer der sich ihnen biet enden Szene entsetzt zuzu schauen. Und was zum Teufel machen wir jetzt? dachte El gy n, als eine plötzliche Ruhe eingekehrt war. Christ ie richt et e noch immer seine Waffe auf d en Kopf des Dokt ors, um ihn zur bestmögli chen M it arbeit zu bewegen. Wie zum Teufel kommen wir heil von diesem Kahn h erunter? Indem wir Wren als Geisel nehmen? Hier wird es gleich von Soldaten nur so wimmeln. Johner, den die Erei gnisse offenbar nüchtern gemacht hat ten, entwaffnete den einzigen Soldaten, der überlebt hat te. Er hatt e sogar den Namen auf seinem Helm entdeckt . »Also, Distephano, ganz ruhig ...«, murmelte er, während er die Waff e des Soldaten an sich nahm. Kaum war Johner fertig, als Call sich davonmachen wollte. »Ich brin ge die Sache jet zt zu Ende«, verkündet e sie. Welche Sa che? El gy n hatte noch imm er keine Ahnung, was all das aus gelöst hatte. Aber Call wußte es. Der Captain eilte ihr hinterher, erwischt e eine Handvoll ihres schwarzen, kurzgeschnitt enen Haares und zo g sie zu sich. Ihr kleiner Körper wand sich in seinem harten Griff. 118
»Du gehst nirgendwohin, Call!« herrschte er sie zornig an. * Der Krieger registrierte, wie sich die Gefühle d er Menschen veränderten, die jetzt mit dem Rücken zu ihm und seinen Brüdern standen. Ein anderer Krieger befand sich neben ihm, während der dritt e allein in einer Ecke d es Käfigs saß - der kleinste der drei. Der zweit e Krieger schrit t nervös auf und ab, der erste beobachtete und wartete. Sein Bli ck fiel auf den roten Knopf, den die M enschen ni cht mehr zu beachten schienen. Die Menschen waren aufgeregt, nervös, machten sich Sorgen. Ihre Farben flammten hell auf. Der Grund für ihre Besorgnis existierte o ffenbar noch immer. Draußen erklangen seltsame Geräusche, Stimmen, laute Geräusche ohne Sinn. Li chter blitzten. Es war interessant, aber es sollt e den Krieger nicht von seinen eigentlichen Zielen ab lenken. Es gab sicherlich einen Weg, um die unerwarteten Probleme der Menschen zum Vorteil seiner Rasse zu nutzen. Er erinnerte sich an etwas. Es kam von der Mutter. Ich weiß ni cht, welche Spezies schlimmer i st ... zumindest si eht man ni cht, daß sie si ch dauernd belügen und betrügen ... Es stammte ni cht aus seiner Erinnerung, und er war sich nicht ganz sicher, was es bedeutete. Ab er irgendeine Bedeutung hatte es sicher, irgend etwas konnte er daraus lernen. Er überlegte ... Dann wandte sich der erste Krieger an seinen bei ihm stehen den Bruder und übermittelte ihm Informationen. Der zweite Krieger nahm sie auf. Dann blickten sie beide den dritten an. Der kleinere verstand ihre Zi ele und ihre Gründe, das ganze neue Konzept. Er stimmte ihm sogar zu. Aber auch er litt unter dem Gedanken, allein zu sein, und drückte sich nervös gegen die Wand der Höhle. Die beiden größeren Krieger wandten sich wied er den Men schen zu und beobacht eten sie und vor allem d en Knopf, der die 119
Nitrogen- Dusche auslöste. In ihrer Panik hatten ihn die Men schen offenbar völlig vergessen. Die Geräusche, die Stimmen, die Bilder auf ihren Maschinen, das all es lenkte sie von den Kriegern ab. Sie waren eine übersensibl e Spezies, aber sie konnten sich anpassen. Einer d er Gründe, warum sie so gute Wirte abgaben. Sie würden sich beeilen müssen. Die beiden Krieger gingen auf den dritten zu, der sich für einen Augenblick in seinem Alleinsein, sein er Individualität verlor, auch wenn er seine Brüder verstand. Voller Furcht fletschte er di e Zähne. Es spielte keine Rolle. Die beiden hieben gemeinsam auf ihn ein. Der kleinere Kri e ger schrie auf und brüllte, als die b eiden ihn packten, mit aller Kraft an ihm zerrten. Ihre furch tein flößend en Schwänze hielten sie dabei im Gleichgewi cht und schlugen zwischendurch gegen die Wände und das Sichtfenster. Der Bruder, der wußte, daß er sterben mußte, schrie immer lauter, als sich mächtige Zähne in seinen Schädel schlugen, als kraftvolle Hände an seinen Gliedern, seinem Schwanz, sein em Kopf zerrten. Als sich die Zähne des zweiten Soldat en schließlich durch das feste Außenskelett gebohrt hatten, sprudelte das Blut aus dem Schädel des Opfers. Der erste Krieger riß seinem Bruder den Arm ab, und Blutfontänen spritzten auf Wände, Boden und Sichtfenster. Schon roch der erste Krieger, wie der Boden der Kammer langsam schmolz, hörte das Zischen und Brodeln der Zerstörung. Kreischend bot der sterbende Krieger sein Leben der Königin zum Opfer an. Er tat es für seinen Hort, wenn auch mit einer gewissen Trauer. Schließ lich ertönte ein letzt er, triumphaler Schrei aus seiner Kehle, gefolgt von einem Todesröcheln. Die beid en anderen rissen ihm di e Brust auf, brachen d ie Dor salhörner von seinem Rücken ab, verstümmelten seine Beine. Das Blut ihres Bruders bedeckte sie wie eine Glasur, aber sie 120
waren gegen seine säurehaltig e Substanz immun. Der Boden der Höhle jedoch warf Blasen, brodelte, schmolz und wurde weich. Noch immer hieben sie auf ihren toten Bruder ein, bis sie ihn buchstäblich zu Brei geschlagen hatten. Der erste Krieger spürte, daß die Königin das Opfer ihres Sohnes mit Trauer und Stolz akzeptierte. * Inmit ten des Chaos aus blit zenden rot en Alarmlichtern und dem Heulen der Sir enen änderte Vat er plötzlich die Ansage, die er seit dem Beginn des ersten Alarms durch gegeben hatte. Erst nach drei Wiederholungen drang der Inhalt der Nachricht zu Gediman und seiner Assistentin durch. »Schwerwiegende strukturelle Schäden an der Tierhaltungs einhei t Nummer 001. Der Schaden ist so beträch tlich, daß er die Sicherheit der Tierhaltungseinhei t 001 gefährdet. Schwerwiegende strukturelle Schäden an der ...« Schad en an der Höhle? Gedi man ver gaß das Blutbad in der M esse und lief an das Sicht fenst er. Er hörte die schrecklichen Schreie, die von drinn en nach außen drangen, konnte ab er kaum etwas ausmachen außer sich h ekt isch bewegenden Schatten. Ein riesiger Schwanz schlug gegen das Sichtfenster und ließ es erzitt ern. Plötzlich klat schte rot e Flüssigkeit gegen das Glas ... ... das zu schmelzen begann. Zwei dieser Dinger reiß en das dritte in Stücke. Was, zum Teufel ...? »Dr. Gediman!« schrie Carlyn und deutete auf das Fenster. »Doktor!« Nach all dem Durchein ander war es in der Zelle st ill gewor den. Gedim an sah Fetzen am Boden liegen, von etwas, das einmal l ebendig gewesen war. Auf dem Bod en hatte sich ein brodelnder, Blasen werfender Teich gebildet. Die beiden anderen Aliens wandt en sich ihm zu, und es sah aus, als ob sie 121
grinsten! Der Teich begann p lötzlich, tiefer zu sinken. Gediman riß die Augen auf. Entsetzt sprang er auf den Not fallknopf zu und drückt e ihn. Sofort sp ritzte das Nit rogen von der Decke herab, ab er er hörte keine Schreie aus dem Käfig. Er hört e gar n icht s mehr. Kurz darauf füllte d as Nitrogengas die Zelle, so daß er für eine Weile lediglich den Neb el sah. Er nahm die Hand vom Knop f und wart et e darauf, daß der Nebel sich verzog, dam it er ... »O mein Gott, Doktor!« schrie Carlyn und deutete in die Kammer. Während der Nebel sich l icht et e, sah Gediman nur noch, wi e ein lan ger Schwanz in einem tiefen, tiefen Loch verschwand. Mit einem Schrei schreckte sie aus ihrem Alptraum hoch. Wach auf. Sei ruhi g. Es gibt Ärger. Nein, das war nur eine Erinnerung. Sie lauschte, starrte in die Dunkelheit hinein. Sie spürte etwas. Nein, es war keine Erinn erung - und auch kein schlech ter Traum. Etwas ging vor sich. In der Wirklichkeit. Gediman sah, wie sich die Tore des Käfigs öffnet en. Das war unmöglich. Das konnte nicht geschehen. Sie waren verschwunden. Weg! Er konnte nur an eines denken - Wren wird mich umbringen. Meine Stipendien, mein e Karriere, alles im Eimer. Er bet rat das verbot ene Gebiet, den Käf ig. Noch immer konnt e er es nicht fassen, daß dieses Gefängnis leer war. Vorsicht ig ging er um St el len auf dem Boden herum, di e noch im mer schmolzen und fleißi g Blasen warf en. Der Gestank von verbranntem Plastik raubt e ihm fast den Atem. In der M it te des Raumes tat sich ein gewaltiges Loch auf. Hier 122
war der Boden einf ach weggeschmolzen wie Pudding. Das war nicht möglich. Wohin konnten sie denn gehen? Was konnten sie denn schon tun? Er beugte sich über d as Loch, darauf bedacht , nicht in die brodelnden Flecken zu treten. Er konnte nichts erkennen, es war zu dunkel. Vielleicht waren sie dort unt en, hat ten sich im vielfältigen Gitterwerk des Schiffs verfangen, so daß man sie wieder einsperren konnt e ... wenn er nur etwas sehen könnt e ... Er kniet e nieder und starrte in die Finst ernis. Hinter ihm sagte Carlyn mit zit ternder Stimme: »O Gott, Dr. Gediman, seien Sie doch vorsi cht ig!« Es war schlimm er, als er gedacht hat te. Er sah jetzt einen Lichtschein. Das Blut hatt e sich bereit s durch zwei Ebenen gefressen. »Verdammt, Carlyn«, sagte er. »Sie können überall sein.« Plöt zlich t auchte am Rand des geschmolzenen Lochs etwas Schwarzes, Spinnenartiges auf. Gediman st arrte so angestrengt in die Tiefe, das er es nicht sofort wahrnahm. Vielleicht eine h albe Sekunde zu spät . Dann registriert e sein Gehirn: Sechs Finger, lange Nägel, nichtmenschliche Hand Er versucht e seinen Kop f zurückzuziehen, war aber nicht annähernd schn ell genug. Die br eite Hand umschloß sein Gesicht, packt e es und hielt es f est . Er schrie, aber sein Schr ei erstickte in der silikonhäutigen Hand des Alien. Gedimans Furcht erblühte wie eine böse Blume, sie überwälti gt e ihn, wurde sein ein und alles. Es war ihm ganz egal, ob ihn jemand hört e. Er mußte schreien, und er tat es. Immer und immer wieder. M it einer Kraft, die er so nicht erwart et hatte, zog der riesi ge Alien-Krieger ihn mit einem fast elegant zu nennenden Schwung in die Dunkelheit des Gitterwerks unt er dem Boden. Dort unten umarmt e das Ali en Gedi man. Seine Arm e und sein Schwanz schlangen sich um ihn, als seien sie Liebhaber. Das 123
Alien drückte ihn an sich und hielt ihn fest, damit er nicht fiel. Dann nahm das B iest seine Hand von Ged imans Gesicht und betrachtete ihn mit einer gewissen Neugier, während Gedimans Lunge die Luft p ump te, die er brauchte, um seine schrecklichen Angst schreie auszustoßen. Fast schien es, als lächele das Wesen wie die Cheshir e-Katze, dort unten in der Dunkelheit, aber Gediman sah nur die furchter regenden Silberzähne, zu einem Grinsen entblößt . Es grinste ihn an. Gediman schr ie weit er. Carlyn starrte mit weit aufger issenen Augen auf das Loch, in dem Dr. Gediman gerad e auf unerk lärliche Weise verschwunden war. Nein, nicht auf unerklärliche Weise. Sie wußte genau, was gesch ehen war. O Gott , sie wußte es. Zitternd wankte Carlyn aus dem Käfi g und hieb auf die Kon trollknöpfe, mit denen die Tür geschlossen wurde. Sie waren frei. Sie waren frei! Vater plappert e immer noch et was von strukturellen Schäden und Gefährdun g der Sich erheit . Terroristen hatt en Dr. Wren in ihre Gewalt gebracht, und nun ... In Panik rannte sie davon. Sie mußte jemanden find en, der ihr helfen konnte. Doch sie wußte, daß es hier, im Außenbezirk von Plut o, keine Hilfe gab. Sie hatten einen bösen Flaschengeist losgelassen, aber das Schlim mst e war, daß sie selbst in der Flasche saßen. * Call war vol lkommen frustriert. Sie mußt e an Elgyn heranko mmen, si e mußte. Sie spürte, wie er schwankte, ihr auf der einen Seite glaubte, auf der anderen gen ei gt war, seine Verluste zu minimieren und sich aus dem Staub zu machen. 124
»Er führt illegale Exp erimente durch.« Sie schrie d en Kap itän der Betty fast an. »Er züchtet ...« Johner, der noch immer ziemlich bet runken war, unterbrach sie: »Sie ist ein verdammter Spitzel! Legen wir di e Schlampe auf Eis ...« Call übert önte ihn und deut et e auf Dr. Wren. »Er züchtet hier eine Alien- Spezies, und das ist mehr als gef ährlich. Wenn diese Wesen ausbrechen, hab en wir es hier m it einer Sit uat ion zu t un, gegen die d ie Wur mpest auf Lacert a der reinste Square Dance war.« El gy n nahm ihre Wort e offenbar sehr ernst . Sein Blick wander te zwischen Call und Wren hin und her. Plöt zlich murmelte Christie: »Psst! Hört mal zu!« Auch wenn er nur leise gesprochen hatte, lauscht en sie alle, auch Wren und Distep hano. Es kam aus der Ferne, aber sie konnten es dennoch hören. Schreie. Schreckliche Schr eie. Al len schien et was klarzuwerden, und niemand rührte sich. Stimmen. Schüsse. Ein hohes Kreischen, nicht menschlich, furcht bar ... Langsam drehte sich Wren in die Richt ung, aus der d er Lär m kam. Plöt zlich meldete sich Va ters Stimm e: »Notfall. Die Tier haltungseinheiten 001 bis 010 haben derartig schwere strukturelle Schäden erlitten, daß ihre strukturelle Integrität zerstört ist. Die Spezies, die in diesen Einrichtungen untergebracht waren, sind frei. Die Besatzung wird angewiesen, die Auriga umgehend zu evakuieren. Ich wiederhole: die gesamte Besatzung sofort evakuieren.« »Nein!« schrie Wr en. Vom durchdrin genden Klang der Alarmsirenen aus dem Schlaf ger issen, schreckte M artin Perez von sein em Lager hoch. Vat ers ruhige Stimme übertönte den Lärm und gab die Not fallanwei sungen, darunter auch den Bef ehl zur sofortigen Evakuierung. Evakuierung? dacht e Perez schlaft runken. Das ist unmögli ch. 125
Der einzige Grund, die Auriga zu evakuieren, wäre ... Vater wiederholte sein e M eldungen und nannte den Grund für den Alarm: » ... Tierhaltungseinheit en hab en ext ensive struktu relle Schäden er litten. Die Spezies sind frei ...« M it einem ohnmächtigen St öhnen griff Perez nach seiner Kappe, stülpte sie sich auf den Kopf und sucht e nach seinen Schuhen. Wenn dieser Klon für all das ver ant wortlich war, dann würde er seine sofortige Zerst örung anordnen, bis hinunter zur letzten Zelle. Die Wissenschaftler eilt en zur Hilfe herbei, kau m daß sie Vaters M eldung gehört hatten. Keiner von ihnen mochte glauben, daß die Aliens wirklich frei waren. Das war doch unmöglich. Wie konnt e das geschehen? Dr. Brian Cl auss hatte sich ganz in d er Nähe der Käf ige auf geh alt en, als er die Schreie und die Schüsse hörte. Ohne groß nachzudenken, rannt e er zum Ort des Geschehens. Unt erwegs streift e er seinen Laborkittel ab. Darunter trug er den gleichen Overall wie d ie Soldat en. Als er den Teil der Einricht ungen erreicht hat te, in dem sich der Beobacht ungsraum befand, b ewegte er sich lan gsamer, vorsichtiger vorwärts. Plötzlich blieb er stehen. Vor ihm lagen fünf tote Soldaten. Oder waren sie gar nicht tot ? Er kniet e sich neben einen jun gen weiblichen Ser geant und fühlt e ihren Hals. Dabei sah er um sich, auf all es acht end, was in seiner Nähe geschah. Er spürt e, daß unter der noch warmen Haut das Blut pulsierte. Das Herz schlug kräft ig und regelmäßig. War sie gelähmt? Egal. Sie konnt e ihm jedenfalls nicht helfen, konnte ihm nicht verraten, was hier gesch ehen war. Brian richtete sich auf, doch d ann beu gt e er sich noch einmal zu der Soldatin hinab, nahm ihren Revolver an sich und über prüfte das M agazin. Sicher ist sicher ... Vorsichtig sah er sich um. Wren hätt e sicher angeordnet, die Wesen nicht zu töten. Er 126
wollte, daß sie betäubt und wieder eingesperrt wurden. Brian hatte lange genug mit dem Wissenschaft ler gearbeitet, um das zu wissen. Aber als er die zerstört en Käfige vor sich sah und an die gelähmten Soldaten d achte, gab ihm die Waffe, di e er an sich p reßte, wenigstens etwas Sicherheit. Scheiß auf Wren, dachte er. Der Sinn der Wissenschaft best and darin, aus Fehlern zu lernen. Er unt ersuchte die anderen wi e t ot daliegenden Soldaten. Ich nicht, dachte er, ich werde nicht so enden. Soll doch einer dieser Bastarde versuchen, mich zu überraschen, dann werden wir schon sehen, wer am Schluß auf dem Bod en li egt. Er ent sicherte die Waffe und erinnert e sich dankbar an das Waffentraining, das er für di esen Job auf sich genommen hatte. Es konnte losgehen. Wir werden ja sehen, wie diesen häßlichen Bastarden die fetten Geschosse gefal len, di e ich für sie auf Lager habe. Er bewegt e sich an d en zerstörten Käfigen ent lan g und st ieg lautlos über die Soldat en hinweg. Jeder einzelne Käfi g war vollkomm en zerst ört, zu Klump geschlagen, sogar der einzige, der leer gewesen war. Die Gewalt, die dabei an gewendet worden war, schien un glaublich. Als hätt en diese Tiere die Gefangenschaft abgrundt ief geh aßt . Aber das war verrückt . Schließlich waren es in der Tat nur Tiere ... oder? Er st and vor dem ersten Käfig. Hier mußte es an gefangen haben. Er lugt e hinein und sah ein riesiges geschmolzenes Loch im Boden. Wie war das p assiert? Das Licht war schwach, aber er meinte zu sehen, daß sich in dem düsteren Loch et was bewegte. Versteckt e sich ein er von ihnen et wa noch dort ? Clauss zielte, konnt e aber nicht genug erkennen. Er lauscht e. Kein Geräusch. Vorsicht betrat er durch das zerst örte Sichtfens ter die Kammer. Sein ganzer Körper war angespannt. Er war bereit zu schießen. Er zog die Augen zusammen, blieb jedoch in der Nähe des Fenst ers und beobacht et e von dort das Loch. 127
Da! War da nicht etwas gewesen? Etwas, das sich bewegte? Ein Schwanz vielleicht? Brian sah noch genauer hin und zielte. Er fühlte sich nicht mehr wie ein Wissenschaftler. Er füh lte sich wie ein Soldat. Wie gerne würde er einen von di esen Bastarden abknallen, nach dem, was sie den So ldat en draußen an getan hat ten - und vor all em nach dem, was sie laut Carlyn Dr. Gediman an getan hatten. Der Krieger, der sich im Beobachtungsraum versteckte, warte te, bis der Mensch ihren alten Käfig ganz betreten hatte, wartete, bis das Opfer auf das Loch zugegangen war, zu dem ihn einer seiner anderen Brüder mit ein em Zucken seiner Schwanz spitze gelockt hatte. Sie waren so leicht verführbar, diese Menschen. Er sah zu, wie der Wissenschaft ler die Waffe hob. Der Krieger wartete ... Dann fuhr seine stei fe Zunge hervor, schlug auf den verhaßten roten Knopf und drückte ihn nach unten. Die Düsen versprühten das Nitrogen auf den Menschen, durchnäßten seine Kl eider und sein Gesicht. Er wurde von dem Schwall überwältigt und von einer schrecklichen Kälte ver brannt. Der Mensch zuckte unter der Nitrogendusche und gri ff mit den Händen nach seinem zu Eis erstarrten, brennenden Gesicht. Seine Hand blieb an der gefrorenen Haut kleben. Das Opfer schrie, bis seine Lungen vereisten und keinen Sau erstoff mehr transportierten. Der Schmerz ließ ihn durch den Käfig taumeln, und der Arm, der die Waf fe hielt, sch lug gegen die Wand. Wie ein Eiszapfen brach er am Ellbogen ab. W ieder taumelte er herum und kam gegen eine andere Wand, an der er sich den Unterarm zerschmetterte. Die Hand klebte jedoch noch immer an seinem Gesicht. Schl ießl ich sackte er zusammen, und Beine und Rückgrat brachen durch den Sturz und ihr eigenes Gewicht auseinander. Der Kopf zersplitterte in winzige Scher ben, wie der Rest des Körpers. Der Krieger hatte alles b eobachtet, selbst durch den Ni trogen 128
nebel. Er ließ den Knopf erst los, a ls der Rest des M enschen auf dem Boden lag, regungslos, in unzählige Scherben zerbrochen, über den Käfigboden verstreut. Er konnte trotzdem noch als Nahrung dienen. Er würde ihn später holen - wenn di e Teile nicht mehr ganz so kalt waren. Schließlich err eichte der Lärm au ch Rip ley s Zelle. Sie öffnet e ihre Augen in der Dunkelheit. Sie fuhr zusammen, wie jedesmal, wenn sie erwacht e, und lauscht e m it all ihren Sinnen. Langsam kam sie aus dem Schatten heraus und begab sich in die M itt e des Raums. Sie konnte sie hör en, die M enschen, wie sie schrien und Schüsse abfeuerten. Sie hört e das Chaos. Es kam ihr bekannt vor. Und sie konnt e die Krieger hör en. Sie war en frei, und si e brüllt en ihren Sieg über die Op fer heraus, die versucht hatt en, sie einzusp erren, und die nun bald ihre Wirte werden würden. Ganz in der Ferne hörte sie auch die Königin. Sie spürt e ihre Freude, ihre Genugt uung über ihre Untertanen, ihren Stolz auf den M ut der Krieger. M it all ihren Sinnen nahm sie die M enschen und die Ali ens wahr. Sie hatte das alles schon ein mal gehört ... Ellen Ripley konnte nicht anders. Sie saß zusammengekrümmt auf dem Boden ihrer Zelle und mußte lachen. Es war ein freudloses Lachen, in dem Hysteri e mitschwang. Plötzlich hämmerte etwas gegen ihre Zellentür. Sie sprang auf und lachte nicht mehr. Ein erneut es Hämmern, immer wieder. Die Tür beult e sich ein und gab l eicht nach. Noch einmal dieses Hämmern, laut und brutal. Sie waren gekommen, um sie abzuholen. Ihre schrecklichen Kinder.
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8.
Zu einem passenden Zeitp unkt würde Perez Rechenschaft für das verlangen, was an Bord seines Schiffes geschehen war. Dann würde er wissen, wer genau M ist gebaut hatt e. Aber er war ein zu gut er Kommandant , um ni cht zu erkennen, daß jetzt der falsche Zeitpunkt dafür war. Wenn Vater zu der M einung gelan gt war, d ie Gef ahr für die Besatzung sei so groß, daß sie das Schiff aufgeben mußten, dann würden sie das tun. Noch war nicht alles ver loren. Sie konnt en die Auriga auch in den Ret tungsschiffen vom All aus kont rollieren und d ie Raumstation zu einem ander en Dock schl ep pen, während die Wesen darin in der Falle saßen. In einer Falle ohne Beute. Dann hätten sie die Zeit, sie in neuen Gef ängnissen unterzubringen ... Aber diese Pläne mußten noch warten. Jetzt mußt e er sich darum kümmern, seine Trup pen in Sicherheit zu bringen. Seine gut aus gebildeten, handverl esenen Soldat en reagiert en perfekt , so wie sie es gel ernt hatten. Das erste Ret tungsboot war bereits startbereit und füllt e sich mit Soldat en. Perez gab seine Anweisungen ruhi g und effizient, ohne Verschwendun g von Zeit und Ener gie. Einer nach dem anderen glitten die Soldaten die Stange hin ab in den Bauch des Schiffs, wo sie sich an schnallten. Va ter zählte die M it glieder d er M annschaft, die das Schiff b estiegen. Eigentlich hätten es mehr sein müssen ... Olsen hastete hint erher, wie immer zu spät. Wenn er nicht ein so gut er Techniker wäre ... »Bring deinen Arsch in Schwung, Junge, und rein in das Schiff!« brüllt e Perez den dahintrabenden Soldaten an. Olsen sprang im letzten Moment an die Stange, gerade als die Luke des Rettungsschiffs sich hinter ihm zu senken begann. Irgend etwas bewegte sich seit lich von Perez. Er schaute auf. Plöt zlich schoß ein riesiger schwarzer Schatten rept ilienhaft und mit unglaublicher Geschwindigkeit das Dock hinab, glit t 130
wie ein gut geschmiert es M aschinenteil unter der Luke h indurch und rut schte die Stange hinunt er in das Ret tungsschiff. »Sir!« schrie der Soldat, der hinter ihm st and und die Andock bucht kontrollierte; er deut et e mit dem Finger auf die Luke. Mein Gott! Erst arrt st and der General an Deck und sah voller Ent setzen, wie der riesi ge Alien- Krieger das Rettungsschiff entert e. »Die Luke öffnen! Laßt sie raus!« Der Soldat schlu g m it der Hand auf seine Tastatur. Als sich die Luke wieder öffnete, hört en sie die Schrei e, menschliche und nichtmenschliche, die aus dem Schiff drangen. Die Männer und Frauen dort drinnen sind angeschnallt, und sie haben keine Waffen bei sich! Perez sah, wie Blut - menschliches Blut - gegen die Sichtfens ter der Raumkap sel spritzte. Die Schreie wurden l aut er. Perez dreht e sich um, nahm eine Granate aus dem Gürtel des Soldaten, der in st ummem Entsetzen hint er ihm st and, und riß die Sicherheitslasche ab. In diesem Augenb lick taucht e Olsen an der Luke auf, als habe ihn jemand in die Luft geschl eudert . Sein Gesi cht war angst verzerrt , er klammerte sich an di e Stange, an das Geländer und versucht e zu ent kommen. Doch dann umklammert en riesige dunkle Hände seine Beine und zogen ihn wieder zurück, hinab in die Hölle. »Die Luke wied er schließen!« befahl Perez. »Aber, Sir ...!« p rotestierte der Soldat. »Schließen! Sofort!« wiederholte der General. Der Soldat zögerte nur für einen Wimpernschlag, d ann ge horchte er. Während die Schiffsluke sich senkte, ro llte Perez die Granate wie eine Kugel über den Boden. »Das Schloß drehen!« ordnet e er gl eichzeitig an. Dieses M al zögert e der Soldat nicht. Kurz bevor sich die Luftschleusen ganz geschlossen hatten, t rudelte die Granate unter ihnen hindurch. Perez sah gerade noch, wie sie in das 131
Ret tungsschiff fiel, dessen Luke sich ebenf alls gerade schloß. Nachdem Luke und Luft schleuse dicht waren, senkte sich eine gnäd ige Stille herab. Aber Perez hörte noch imm er die Schreie seiner Soldaten. Er würde sie sein ganzes Leben lang schreien hören. Hast ig stieß er den Sold at en beiseite und betätigte eigenhändi g den M echanismus, der das Rettungsschiff st artete. Er spürt e, wie die Auriga bebte, als das Boot durch das Dock ins All geschos sen wurde. Er blickte auf den nächst en M onitor und verfolgte die Fahrt. Das Schiff h at te die Auriga verlassen. Di e Sichtfenster waren nun von roten Vorhängen bedeckt, aber hinter diesem Schirm aus Blut konnte er noch immer schattenhafte Bewegun gen im Inneren ausmachen. M it grimmi gem Gesicht betätigte Perez den ferngest euert en Auslöser für die Granat e. Er und der Soldat neben ihm sahen, wie das Schiff laut los im Al l exp lodierte. Er schloß die Augen im Gedenken an seine gefallenen Sold a ten und salut ierte dann noch einm al d en schnell auseinandertrei benden Wrackt ei len des Ret tungsschiffes zu, das seine Trupp e in Sich erheit hatt e bringen sollen. Er wandt e sich an den Soldaten, der übri ggeblieben war. Der junge M ann sah ihn angstvoll an, und Perez gab sich alle M ühe, zuversichtlich und selbstsicher zu klingen. »Schließen Sie sich der n ächsten Truppe in Boot zwei an und warnen sie alle! Geben Sie Obacht! Und jet zt ab mit Ihnen!« Der Soldat nahm die Habachtst ellung ein und salutierte: »Ja wohl, Sir!« Er eilt e davon. Perez starrte in die Leer e des Al ls, in der eben no ch das Ret tungsschiff zu sehen gewesen war. Allein mit seinen Sor gen und der Frage, welche Schuld er auf sich gelad en hatte, fuhr Perez mit den Fingern über einen der M onitore. 132
Plöt zlich lief es ihm kalt den Rücken hinab, und alles in ihm spannt e sich an. Er spürte gen au, daß er ni cht mehr allein war. Ein Teil von ihm wollte das Gefühl als Hirn gespinst abtun, aber der Teil, d er ihn all die Jahre beim M ilitär hatte überleben lassen, wußt e es besser. Er starrt e unbewegli ch auf den Bild schirm und sah sch ließ lich sein furcht erregend es Spiegelbild, als es sich hinter ihm aufr icht et e. Eines von ihnen. Es ragt e über ihm auf, größer als der größte M ann, furchterregend, st umm, den Tod bringend. Perez stand kerzengerade d a. Er wei gerte sich, Furcht zu zeigen, weigerte sich, seine Nieder lage einzugest ehen. Das schuldet e er seiner vernichteten Trupp e. Er starrte den furcht baren Wid erschein an. Der Alien- Krieger entblößt e seine dünnen Lippen zu einem hämischen Grinsen und zei gt e dabei die primären silbernen Zähne. Aus seinem M aul t ropft en Speichelf äden, als es die spinnenartigen Hände hob. Perez nahm vorsichtig die Hand zur Seite. Wenn er schnell genu g war ... er griff nach dem Revolver ... Und sah, wie die steife, mit weiteren Zähnen besetzte Zunge aus dem M aul schnellte. Es t at nicht einmal weh, als sie seinen Hinterkop f t raf. Der Hieb kam so hefti g, so p lötzlich und so präzise, daß er den Schmerz des t ödlichen Schlages gar nicht mehr spürt e. Er hatte keine Zeit gehabt, zu reagieren. Die Hand, di e auf dem Revolver griff ruhte, erschlaffte und fiel herab, und auf dieser Seite spürte Perez gar nichts mehr. Wie betäubt von den Ereignissen, die sich zu plöt zlich und zu erschreckend ver ändert hatt en, als daß er sie begreif en konnte, faßte sich Perez mit der anderen, noch br auchbar en Hand an den Hinterkop f. Als er sie vor sein Gesicht hi elt , sah er Blut und Gewebe. Düster registriert e er, d aß es si ch um sein eigenes Hirn handeln mußt e. Dann reagierte sein Körp er plötzlich und versagte m it Verzö gerung den Dienst - wie ein e M aschine, der zu schnell der St rom abgedreht wird. 133
Perez stürzte zu Boden. Sein M örder beugte sich zu ihm hinab; er hatt e mit seinem Op fer noch etwas vor. Niemand war da, der dem General salutiert oder weni gstens hätte bezeugen können, daß er soeben das größt e Op fer für sein Land und dieses tödliche Projekt geleistet hatte, an das er so fest geglaubt hatte. »Rettungsschiff eins ist zerstört worden«, meldete Vater. Seine Stimme klang unangemessen ruhig. »Rettungsschiff zwei wurde von unbekannten Kräften außer Betrieb gesetzt. Not fall für das gesamte Schiff. Die Besatzung muß sofort evakuiert werden. Wiederhole: Die Besatzung muß sofort evakuiert werden.« »Nein!« schrie Wren außer sich. Selbst in der M esse hatten sie die Zerstörung des ersten Schif fes gehört und gesp ürt. Sie hatt en auch Schüsse gehört, Explosi onen, die Schreie von M enschen - und anderen Wesen. Und es schien immer sch limmer zu werden. Wi e war das möglich? Je mehr Vater ihm von diesem Alpt raum, der sich auf der Auriga absp ielt e, berichtete, desto mehr packte Wren der Zorn. Er wandt e sich an Call, die Frau, mit der alles angefan gen hatte. »Was haben Si e getan?« »Ich?« gab sie zurück. »Also gut«, unt erbrach Elgyn. Er klan g erstaunlich gelassen. »Genug damit. Es wird Zeit zu verschwinden. Wir schlagen uns zur Betty durch.« Hillard sah ihn skeptisch an. »Die Betty befindet sich am ander en Ende des Schiff es. Wer weiß, was uns unterwegs erwartet.« Der Soldat Distephano trat vor und wandte sich an Wren. Auch er klang bemerkenswert ruhig. »Sir, wir müssen geh en.« Gehen? dacht e Wren ungläubig. Meine ganze Arbeit zurücklassen? Ich gehe nirgendwoh in. 134
Aber bevor er noch etwas sagen konnt e, meint e Distephano zu El gy n: »Lassen Sie ihn geh en. Es gibt keinen Är ger.« Versuchte er etwa, mit diesen Terroristen ein Geschäft zu machen? Ich sorge dafür, daß er entlassen wird. Unehrenhaft! El gy n schüttelte best immt den Kop f. »Du kannst ihn haben, wenn wir weg sind. Vorher ni cht .« Der riesige schwarze M ann schubste Wren vorwärts, der fast gef allen wäre. Er sah, daß die M änner und Frauen der Bett y ihre Waffen noch immer auf ihn und den Soldaten richteten. Lächerlich! Ungeheuerlich! Er mußte in sein Labor ... El gyn beugt e sich über einen toten Soldaten und nahm ihm seine Waffe ab. »Was ist mit Vriess?« fragt e Hill ard besor gt . Der häßliche M ann, den sie Johner nannten, knurrte: » Scheiß auf Vriess.« Jet zt erst dämmerte es Wren, was hier vorging. Ihm wurde klar, daß er von di esen Leut en nicht erwarten konnte, daß sie ihn, seine Arbeit und das, wofür sie st and, jemals verstehen würden. Wie auch, wenn ihnen selbst das Schicksal eines ihrer Freunde gleichgültig schi en. Er erkannte, daß sein Leben in ihren Händen l ag. Er sah zu Distephano hinüber, der ih m als einziger p otentieller Verbündet er geblieben war, und beschloß, mit diesen Piraten zu kooperieren, bis sich die Gelegenheit ergab, das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Im r icht igen Au genblick vielleicht ... Er wurde aus der M esse hinaus auf den Gang geschoben. Die Reise begann. * John Vriess hat te gerade die let zten Ersatzteile in den ver schiedenen Taschen und Schubladen verstaut, die Bestandteile seines Rollstuhls waren, als es mul mig wurde. Er hört e seltsame Geräusche, als explodier e irgendwo auf dem 135
Schiff et was. Dann Schreie. Schließlich v erkündet e der Co mputer die Evakui erung, wäh rend Vriess noch immer nicht wußte, was zum Teufel da vor sich ging. Vorsichtig machte er sich auf den Weg zur Betty. Er wußte, daß Elgyn nicht ohne ihn losfliegen würde, ab er Johner würde sich den Teufel um ihn scheren. Auch d ann nicht , wenn Vriess einen Haufen Ersat zteile brachte. Er rollt e die beängstigend leeren Korridore entlang. Was, zum Teufel, mocht e sich auf diesem massiven Schiff er eignet haben, was konnte so schnell einen so großen Schaden verursacht haben, daß der Comput er die Evakuierun g anordnet e? Kernbruch? Er hat te die Hälfte ein es langen Gan gs hinter sich gebracht, als er über sich ein Geräusch hörte. Vr iess sah zum Deckengitter hinauf. Er sah, wie etwas über die Gitt er huschte. Und er hört e schlitternde Geräusche. Ratten? An Bord ein es Mili tärschiffs? Unmöglich. Immerhin hatt e er vorhin einen M oskito erschlagen müssen, was auch schon ziemlich seltsam war, aber ... Schon wieder hört e er es. Was immer es war, es bewegte sich. In seine Richtung. Vr iess hat te das Gefühl, daß es etwas ziemlich Großes sein mußte. Es kam näher, immer schneller, bis es genau über ihm war. Vriess griff an die Seite seines Rollstuhls, ohne sicht bare Panik, ganz ruhi g, aber zügig. Unt er der Lehn e zog er et was hervor, das eigentlich wie eine Zierleiste aussah, in Wahrheit jedoch ein Teil einer Waffe war. Er griff auf die andere Seite und holte das Gegenst ück hervor. Der Schußmechanismus befand sich hint en am Stuhl. Die drei Teile waren so in das Design eingearbeitet, daß man sie kaum bemerkte und schon gar nicht annehmen konnte, daß sie zusammengehörten. M it drei schnellen Bewegungen hatte er die Waffe zusammen geset zt und best ückt . 136
Ohne Hekt ik hob er sie langsam an, zielte auf die Decke ... Und schoß! Ein lauter Knall zerriß die Stille. Das Etwas über der Decke schrie auf. Es war ein unglaublich schril ler, ni cht menschlicher Schrei. Vri ess hört e, wie es sich ent fernte, und wußt e, daß er es nicht richt ig erwischt hat te, was immer es war. Er versuchte das Wesen zu verfolgen, das über dem Gitt er davonlief. Dabei bemerkt e er nicht, daß von der Decke ein Trop fen Alien-Blut herabfiel, direkt auf sein geläh mtes Bein. Der Tropfen traf fast genau die St elle, die Johner gestern mit dem M esser verletzt hatte. Dann fiel ein zweit er Tropfen herab. Und ein dritt er. Vriess bemerkte es erst , als er verbrannt es Fleisch und ver brannten St off roch. Ent setzt starrt e er auf seinen Oberschenkel und sah, wie ein kleiner Teil davon weggeät zt wurde. In panischem Schrecken rieb er, ohne nachzudenken, mit der Hand über die Wunde. Etwas von dem Zeug, das sein Bein ver ätzte, kam an seine Finger und br annt e höll isch. Er schütt elt e die Hand und hätt e sie fast in den M und gest eckt, als ihm klarwurde, was dann geschehen würde. Währenddessen kämpfte er gegen den Schmerz an, denn er wollte nicht, daß seine Schreie dieses Wesen, das dort oben lauerte, wieder anlockten. Plöt zlich t raf ein Trop fen Säureblut sein Ohr, und der Schmerz, den er v ersp ürte, war so immens, daß er sich auf d ie Zunge biß, um nicht laut loszubrüllen. Dann kam es wieder, er konnt e es hören. Oder war es ein anderes? Jedenfalls verhielt es sich aggressiver, es trampelte nicht nur auf dem Gitt erwerk herum, sondern versuchte tatsäch lich, es zu zerst ören. Plötzlich brach ein Stück der Deckenplatte heraus, und ein Kopf schob sich durch das Loch. Es war ein ri esiger, länglicher Kop f aus einem Alpt raum, ohne Augen, ohne Ohren, ohne Haare, nicht s als Schädel und ZÄHNE! Gigant ische St ahlfän ge, Tausende in einem riesi gen M aul, das 137
ihn anzischte. Dann öffnete sich das M aul, etwas kam heraus und Vriess sah noch ... M EHR ZÄHNE! Vriess verlor d ie Nerven und brü llte hysterisch. Er drückte ab und feuert e. Immer wieder. Das Ding mit den Zähnen brü llte zurück, bevor es in tausend kleine Fet zen explodierte, die auf Vr iess herabregnet en. Ver zweifelt versuchte der gelähmt M ann, mit seinem Rollstuhl davonzukommen. Die Tür ihrer Zelle beu lte si ch ein, während die Wesen dag e genhämmerten. Lange würde sie nicht mehr standhalten. Ripley sah sich in der Zelle um, auf der Suche nach irgend etwas, das ihr h elf en konnte. Sie schaute nach oben, und ihr fiel auf, daß sie den Wachtposten seit längerem nicht mehr gesehen hatte. Aus der Ferne hörte sie die Stimme des Computers, der die Evakuierung anordnete. Keine schlechte Idee, aber wi e ... Sie erinnert e sich an etwas. Zerb rich Gl as. Beeil dich. Es gab kein Glas, das sie zerbrechen konnte. Si e haben den Strom unterbrochen. Wie haben sie das ge schafft? E s sind Tiere! Sie suchte die Zelle ab, bis sie eine meta llummantel te Stromlei tung entdeckte, und folg te ihr bis zu einem Metallg ehäuse, das an die Wand geschweißt war. Den Strom unterb rechen! Sie schlug mit ihrer Faust gegen das Gehäuse, mit der glei chen Kraft, mit d er die Al iens gegen die Tür schlugen und versuchten, zu ihr zu kommen. Immer wieder schlug sie dage gen. Das Metall bewegte sich, dellte sich ein, gab nach. Die ganze Zeit schau te si e immer wieder fieberhaft zu der Tür, die nicht mehr lange halten würde. Schließ lich gelang es ihr, die Finger unter einen kleinen Spalt im Metall zu schieben. Sie zerrte daran und drehte es hin und 138
her, bis sie das Gehäuse schließlich aus der Wand gerissen hatte. Darunter lagen elektrische Schaltkreise. Mit der scharf en Kante des abg erissenen Metalls fügte sie sich einen bösen Schni tt in den Arm zu. S ie hielt den Arm über die Schaltkreise und Kabel, die sie freigelegt hatte, und drückte die Wunde auseinander, damit noch mehr Blut herausfloß. Kaum hatten die ersten Tropfen die Kabel berührt, als sie zu schmelzen begannen. Plötzlich sprühten Funken auf, und sie schreckte zurück. Die Lichter gingen aus, Ripley konnte gut im Dunkeln sehen. Dann öffnete si ch mit einem Zischen der Notausgang in der Zellenwand. Mit einem letzten Blick auf die erzitternde Tür verließ Ripl ey ihre Zelle. Christie gin g vor an, Elgyn bildete die Nachhut . Wie in alten Zeit en, dachte der Capt ain der Bett y, aber es waren keine schönen Er innerungen. Sie gingen hintereinander, der Doktor und der Soldat irgendwo in der M it te. Eigent lich kamen sie zieml ich schnell dur ch die Gänge der Auriga. El gy n wußte nicht, was er von den seltsamen Dingen, di e sich auf diesem Schiff taten, halten sollte. Wo, zum Teufel, steckt en all die Soldaten, Offiziere und Wissenschaftler? Dieses Sch iff war wie ein verd ammt er Bi enenstock, aber wo steckten die Bienen? Die st ändig zur Evaku ierung auffordernde Comp uterst imme nervte ihn, und er hätt e die Lautsprecher kaputtgeschossen, wenn er sie gesehen hätte. Dabei fiel ihm ein, daß es mögli cherweise sehr dumm gewesen war, den toten Soldat en in der M esse nicht mehr Waffen und M unition abgenommen zu haben. Zu viele Waffen und zuviel M unition konnte man nie haben. Seine M annschaft eilte weit er, kreuzte einen anderen, ebenfalls halb dunklen Korridor. Als El gy n daran vorbeik am, ent deckte er etwas. Ungläubig schaute er noch ein mal h in. Eine schwere Mili tärwaffe lag dort einfach auf dem Bod en. Wie, zum Teufel ... 139
Wie kam ein Soldat dazu, sein bestes Stück so einfach liegen zulassen? Egal, jedenfalls konnte Elgyn seinen Fehler aus der M esse korrigieren. Wer's findet, behält's. Er sah si ch vorsicht ig um und hob die Waffe auf, als er ein e zweite ent deckte, die nur ein paar Schr itt e weiter den Flur hinauf lag. Sehr merkwürdig. Er schultert e die erste Waffe, ging vorsichtig auf die zweit e zu und nahm auch di ese an sich. Das Gewehr klebt e förm lich am Boden, war mit ir gend einem widerwärtigen Film bedeckt. Als Elgyn die Waffe hochhielt, trop fte eine gelatineartige Flüssigkeit vom Lauf herab wie Schneckenschleim. Ekelhaft . Funktionieren dürf te es trotzdem noch. Was ist eigentlich mit dem Licht hier unten? Er hörte Hillards Stimme. »Elgyn?« »Ich komme!« rief er und wollt e sich gerade umdrehen, als er eine dr itte Waffe sah, ein paar M eter vor ihm. Sie lag n eben einem selt samen Loch im Boden, als sei dort das Deck einfach weggesch molzen. War hier eine Granate explodiert ? Vorsicht ig trat er an das Loch heran und griff n ach dem drit ten Gewehr. Irgend etwas, vielleicht ein sechst er Sinn, ließ ihn p lötzlich zögern. Er erinnert e sich daran, wi e er als kleiner Junge einmal mit seinem Großvater auf Eichhörnch enjagd gegangen war. Sie hatten eine Fal le für die kleinen Tier e auf gest ellt , mit einer Sp ur aus Erdnußbutt er, die bis zum Käfig führt e. »El gy n!« rief Hillard no ch einmal. Verschwinde. Du hast zwei. Laß die dritte lieg en und mach, daß du ... Zwei riesige dunkl e Hände schossen mit wahnsinniger Ge schwindigkeit aus dem Boden heraus, wickelten sich um seine Knöchel und zogen ihn mit einem plötzlich Ruck nach unten. El gy n brach durch die Bodenp lat ten. Er breitete di e Arme aus, um seinen Fall aufzuhalt en. Seine Handflächen schlu gen auf das 140
Deck. Verzweifelt versuchte er, sich ir gendwie am Boden festz u klammern und sich aus dem Loch herauszuziehen, aber die Hände ließen seine Bein e nicht los. Er hat te die gefundenen Gewehre fall en lassen. Eines lag zu weit von ihm weg, das andere war in d em Loch im Bod en verschwunden. El gy n strampelte mit den Beinen, trat wie wild um sich, um aus den Klauen zu kommen, die ihn umschl an gen und ihn hinabzogen. Er spürte sie an seinen Knöcheln, seinen Waden, seinen Knien, und was i mmer es war, das ihn gepackt hatt e, es begann sich an seinem Körper hochzuziehen. Hilflos schrie er auf, schlug mit den Fäusten auf den Boden, t rat und kämpft e, um sich zu befreien; er wußt e, er kämpfte um sein Leben. Sein Unterleib war vollständig umschlossen, und nun packt en ihn starke, unglaublich starke Arme um d ie Hüften und hielten ihn fest. Was ist das? Was, zum Teufel, ist das? Et was ungeheuer Kräftiges und Rasiermesserscharfes wie ein langer Sp eer - durchbohrt e seine Brust , so schnell, daß es ihm den Atem nahm. Der Piratenkap itän spürte jeden Zentimeter, den sich das Ding durch seinen Körp er grub, durch Rippen, Lunge und Herz, bis es auf dem Rücken wieder herauskam und ein klaffend es Loch zurückließ. El gy n, der nicht mehr atmen konnte, sp ürte, wie das Leben aus ihm entwich, während er sich im Griff seines M örders wand. Was ist das? Was, zum Teufel, ist es, das mich tötet? Und warum? Das let zt e, was Elgy n sah, war eine widerwärt ige, riesige schwarze Gest alt , die aus dem Loch im Boden aufstieg. In ihren silbernen Zähnen hi elt sie sein rotes Herz.
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Christie hatte den Gang schon halb dur chquert , als er merkt e, daß die anderen nicht mehr hinter ihm waren. Er r annt e zurück und fand sie am letzten Korridor, den sie gekreuzt hatten. »Was zum Teufel t reibt ihr hier? Wir haben's eilig.« Niemand ant wortete ihm. Sie starrt en nur alle in den düst eren Gang. »Elgyn! Elgyn!« ri ef Hillard. Christie schob sich nach vorne und sah gerade noch, wie die schatt enhaft e Gestalt seines Captains durch den Boden nach unten gezerrt wurde. »Verdammte Scheiße!« Er rannte den Gang hinunter. Die anderen folgten ihm. El gy n war nur noch von den Schult ern auf zu sehen. Sein Gesicht war eine M aske aus Schmerz und Schrecken. »Zieht ihn raus!« schrie Hillard. »Holt ihn raus, verdammt!« Johner und Dist ep hano p ackten Elgyn bei den Armen und zogen ihn in den Gang herauf. Christie st arrte entsetzt auf das klaffende Loch, das m itten durch El gy ns Körper hindurchging. Er war tot. Der Captain tot? Christie konnte durch das Loch hindurchseh en. Elgyn war tot . Sie starrten die Leiche fassun gslos an. Selbst Wren war erbleicht, auf seiner Haut hatt e sich kalter Schweiß gebildet. Hillard hielt ihren t oten Freund im Arm und sah ihn wortlos an. Dann ertönte ein laut es Krachen. Sie wirbelt en herum. Der Boden zwischen ihnen und dem Hauptgang schi en förm lich zu exp lodier en, und ein Schauer aus Schutt und Bodenteilen regnete herab. Und dann wurde der Hauptgang von einer Vision aus der Höll e verdeckt. Ein riesiges, lauerndes M onster. Christie erinnerte sich, daß Call über Wr ens wissenschaft liches Projekt gesprochen hatte, davon, daß er Un geheuer züchtete, davon ... 142
»Wenn diese Wesen ausbrechen, dann haben wir es hier mit einer Situa tion zu tun, gegen die di e Wurmpest auf Lacerta der reinste Square Dance war.« O, ja, dachte Christie, dam it hattest du wohl recht . Das Wesen öffnet e sein M aul und zeigt e eine unglaub lich e Reihe gl itzernder Edelstahlzähne. Dann st reckt e es seine Zunge heraus und zischte. Voller Panik ließ die Grupp e die Leiche ihres Capt ains bei dem Loch l iegen und rannte davon, in den Gang hinein, um ihm zu entkommen, diesem - Ding! Sie bo gen um eine Ecke und fanden sich in einer Sackgasse wieder. Das hat es geplant! fuhr es Christie durch den Kopf. Dieses Ding hat einen W eg gefunden, Elg yn anzulocken, und dann hat es Elgyn dazu benutzt, uns eine fall e zu stellen. Und jetzt hat es uns. Verdammt. Er holt e tief Luft. Er mußte nachdenken. Wenn sie sich jetzt nicht wenigst ens halb so clever verhielten wie dieses Ding, dann waren sie tot. Christ ie drückte sich gegen die Wand und schob sich langsam zur Ecke vor. Er mußte wissen, wo sich dieses verdammte Ding bef and. Er packt e Johner beim Hemdsär mel und zog ihn zu sich her an. Johner war ganz grau im Gesicht, besonders um die gezackte Narbe herum. Aber zumindest war er wieder nücht ern, dessen war sich Christie sicher. Johner zittert e. Christ ie hat te ihn noch nie vor Furcht zittern sehen, ja, er hätt e sogar geschworen, daß Johner so etwas gar nicht konnt e. »Bist du okay ?« flüstert e Christie. Johner blinzelt e und holt e t ief Luft . »Ja. Ja, alles klar.« Das wollte ich hören, dachte Christ ie. Christie warf einen Bli ck um d ie Ecke. Er sah, wie am ander en Ende des Gangs das Alien aus dem Boden st ieg und sich auf den tot en Elgyn zubewegt e, der über dem geschmo lzenen Loch lag. 143
Christie lief der Schweiß in die Augen, und er mußt e bl inzeln. »Kommt es?« flüst erte Johner heiser. »Kommt es?« »Weiß nicht. Sieht aus, als kümmere es sich erst m al um di e Leiche.« Hinter ihnen stieß Hillard einen leisen Seufzer aus. Johner hatte sich wieder im Griff, das spürt e Christ ie, denn er wollte nun selbst einen Blick in den Gang werfen. »Kommt es?« flüst erte Christ ie. »Ja!« sagte Johner fast beiläuf ig. Hillard atmete pfeifend aus. »Na, großart ig.« »Das meine ich doch auch!« sagte Johner und legte sein G e wehr an. »Bringen wir es hinter uns.« Christie sah den vernarbten M ann an, und beide konnten sich ein breites Grinsen nicht verkneif en. Dann wurde Christie k lar, daß sie nur ein en Schrit t davon entfernt waren, hysterisch zu werden, und er zwang sich zur Ruhe. Christie sah wied er um die Ecke. In der Tat, es k am. Es war fast drei M eter groß, und dennoch stieg es geschickt wie eine Spinne über El gyns Leiche und kam auf sie zu. Doch dann bewegte sich die Leiche. Ungläub ig starrte Christie auf die Szene, aber er sah gen au, wie sich Elgyns Körper zwischen den Spinnenbeinen des M onst ers rührt e. Er zog Johner zu sich heran. Hillard trat zu ihnen, ganz vorsichtig. Elgyn ist tot! Wie, zum Teufel Diese absurde B ewegun g hatte offensichtlich auch d as Unge heuer verwirrt, denn es machte kehrt und beugte sich über den Körp er. Fast schien es, als b eschnüffele es ihn. Die Leiche bewegte sich erneut, richtete sich leicht auf. Christie kannte sich aus mit den seltsamen Sachen, die ein Körper nach dem Tod machen kann, aber das hier stand nicht auf seiner Liste. Jet zt schnüffelte das M onst er an dem großen Loch in Elgyns Brust. Währenddessen schaukelte der Körper et was, und dann tauchte plötzlich der Lauf eines Gewehres aus dem Loch in 144
El gy n auf. Christie t raute seinen Augen nicht, und Johner sah ebenso fassungslos drein. Auch das Alien wußte offenbar nicht, was es davon halten sollte. Es schnüffelte am Lauf und verzog dann hämisch grinsend sein M aul. Plötzlich tip pte der Lauf des Gewehres leicht an den Kopf des Alien. Dann fiel ein Schuß. Die Salve pustete seinen Kopf bis zur Hölle und wieder z u rück, und die Bett y-Crew versteckte sich hint er der Ecke, um nicht von Blut und Gewebefetzen bespritzt zu werden. Christie wagt e als erster einen Bli ck. Das M onst er war auf den Boden gesunken und alles, was sein Blut berührt hatt e, begann zu schmelzen. Vorsi cht ig schob Chr istie sich mit schußbereitem Gewehr um die Ecke. Johner ging neben ihm, und langsam folgten auch die anderen. Der Gewehrlauf, der aus Elgy ns Körper geragt hatte, ver schwand wieder im Loch. Dann wurde seine Leiche ho ch gehoben und zur Seite gerollt . Zwei schmale Hände t auchten am Rand des Loch es auf und legten das Gewehr auf dem Boden ab. Dann schwan g sich der Schütze aus dem Loch. Schockiert erk annt e Christie, daß es sich um die gl eiche Frau handelte, die ihnen die Tracht Prügel verpaßt hatte - die Frau, die sie Ripley nannten. Sie zog sich mit einer elegant en Bewegun g nach oben, klop fte sich lässig ab und schult erte ihr Gewehr, als hätte sie schon ihr ganzes Leben lang eins getragen. Christie sah Johner an, der nicht den Eindruck m achte, als wolle er sich ein zweites M al mit ihr anlegen. Niemand b ewegte sich, b is die Frau sich zu El gy n hinabbeugte und ihn zu durchsuchen begann. Plöt zlich st ürzt e Hillard auf sie zu, wütend, als sei di ese Frau der Grund für all ihre Problem e. »Laß ihn in Ruhe!« schrie sie. Christie verzog das Gesicht. Er fragte si ch, wi e vi ele von 145
diesen Biestern wohl unt erwegs waren und wie viele die laute Stimme wohl anlocken könnte. Ripley würdigt e Hillard kaum eines Blickes. Sie entdeckte in El gy ns Taschen eine Handvoll M unit ion, verglich sie mit ihrer und steckte sie ein. Dann richt et e sie sich auf und lud ihr Gewehr, das sie gewissenhaft überp rüft e. Dabei t at sie, als exist ierten die anderen überhaupt nicht. Call f and plötzlich ihre Stim me wi eder. »Okay ... ganz ruhig ... verdammt ...« murm elt e sie. Ripley sah sie alle für einen lan gen, unbehaglichen Augenbli ck an. Dann ging sie wortlos zu dem t oten Ungeheuer. Si e beu gt e sich über den Kopf und griff hinein! Eine klare, klebr ige Flüssigkeit lief aus dem zerschmett erten Kiefer. Es zuckte noch im Todeskampf. Christie hörte ein leises Geräusch neben sich und stellte ver blüfft fest, daß es von Johner kam. Der M ann starrte angeekelt auf das M onst er. Aber klar. Mann, Johner haßte Insekten und Reptilien, und dieses Dmg sah wie die Mutter dieser Bi ester aus. Ohne Vorwarnung packt e Rip ley die Zunge des Alien. Einen Kampfschrei ausstoßend, zog sie mit schier unm enschlicher Kraft daran und riß die ri gide, mit Zähnen bewehrt e Zunge direkt aus dem Kop f des Aliens heraus! Während die anderen nur dastanden, ging Rip ley auf Call zu und legte der kleineren Frau das ekel erregend e, trop fende Ding in die Hände. »Hier«, sagte Ripley. »Das gibt ein tolles Armband.« Dann gin g sie ein paar Schritt e zurück. Call starrte ent setzt auf ihr Geschenk und ließ es auf d en Boden fall en. Die anderen sahen angewidert weg. Christie fiel auf, daß Wren versucht e, die Gruppe zwischen sich und Ripley zu halten, aber die Frau schien ihn gar nicht zu beachten. M it zitternder Stimme fragte Johner Christie: »Was mach en 146
wir jetzt ?« Er zuckt e mit den Schultern. »Das gleiche wie bisher. Wir machen, daß wir hier r auskommen.« »Was ist, wenn es mehr von ihnen gibt?« Johners Augen glänzt en nervös. »Wir ... wir sollt en hierbleiben. Sollen sich di e Soldaten um die Biester kümmern. Irgend jemand wird schon kommen ... ich meine ... wo bleibt sie denn, die Armee ... ?« Es gef iel Christie ganz und gar nicht , Johner in dieser Verfas sung zu sehen. Wenn sie hier rauskommen wollten, dann brau cht e er ihn. »Sie sind tot«, sagte Call plötzlich. Sie klang sehr bestimmt , und Christ ie hatte ihr nicht s entgegenzuset zen. Schließlich hatten sie keinen einzigen Soldaten gesehen, seit sie die M esse verlassen hat ten. Johners Blick fiel auf Wren und verdüst erte sich. M it gezoge ner Waffe ging er auf den Wissenschaft ler zu. Obwohl er unbewaffnet war, trat ihm der So ldat , Distephano, in den Weg. Johner i gnorierte ihn, sein ganzer Zorn und seine Furcht richteten sich auf Wren. Call hat te gesagt, daß er für die Züch tung der Aliens verantwortlich sei, und daran erinnert e Johner sich jetzt . »Dieses Arschloch brauchen wir nicht mehr«, knurrte er. »M achen wir ihn fertig.« »Zurück!« befahl Dist ep hano vergeblich. Johner hob die Waffe und zielt e auf das Gesicht des Soldaten. Distep hano wich ihm nicht aus, aber Wren sah ihn än gstlich an. »Hör auf!« rief Cal l und drängte sich vor. Wütend drehte sich Johner zu ihr um. Er stand kurz davor, zu exp lodier en. »Du hast hier gar nichts zu sagen!« Die zierliche kleine Frau gab nicht klein bei. Sie sah Johner in die Augen und sagt e: » Wir töten niemanden, es sei denn in Notwehr.« Widerwillig beschloß Chr istie, sich einzumischen. Er wandte 147
sich an Wren. »Doktor. Dieses Ding. Das ist das Ergebnis ihres kleinen Projekts?« »Ja«, gab Wren kleinlaut zu. »Und es gibt noch ander e?« Wren nickt e. »Wie vi ele?« Der Doktor sah nervös um sich, und Christie merkte, daß er noch immer An gst vor Ripley hatte, die mehrere M eter ent fernt auf dem Bod en hockte. M it kaum hörbarer Stimme mur melt e er: »Zwanzig.« Johner verlor fast die Beherrschun g. »Zwanzig? Wenn es wirklich so viele von diesen Biestern gibt , dann sind wir ja wohl in den Arsch gekniffen!« Alle begannen durcheinander zu reden, bis Ripley s klare Stimme dur ch das Palav er drang. »Es werden mehr sein. Viel mehr.« Sie sahen sie an. »Sie pflanzen sich fort«, erklärte sie. »In ein p aar St unden werden es doppelt so viele sein. Wahrscheinlich mehr.« Sie richtete sich mit ein er fließenden Bewegung auf. Ohne irgendeine größere Regung zu zeigen als bisher, sagt e sie: »Also, mit wem muß ich schlafen, um von diesem Schiff runt erzukommen?« Niemand r eagi erte auf den Scherz. Sie machte sie r eizbar, nervös. Ungeachtet der Tatsache, daß Ripley sie vor dem Ungeheuer ger et tet hatte, fühlte sich ni emand in ihrer Nähe wohl. Call t rat vor und deutete auf Ripley. »Einen M oment mal. Sie war der Wirt für diese M onster. Wren hat sie geklont, weil sie eins davon in sich trug.« »Das erklärt eini ges«, flüsterte Christie Johner zu. »Sie ist ein zu großes Risiko«, beharrte Call. »Lassen wir si e hier.« Johner nickt e. 148
»Dieses M al bin ich auf Cal ls Seit e.« Keine gute Idee, dachte Christ ie. Wir brauchen sie. Er wußte nicht warum, er wußte es einfach, und er war es gewohnt , dem Gefühl in seinem M agen zu folgen, besonders wenn es knüpp eldick kam. Ohne Elgy n hatten sie keinen Führer mehr. All e sahen sie ihn an, ab er - M ann, er wollt e diesen Job nicht. Schließlich wandte er sich an d ie Grupp e und entschied: »Si e kommt mit .« »Sie ist kein M ensch!« p rotestiert e Call wütend. »Sie ist ein Teil von Wr ens Exp eriment! Sie kann sich jeden Augenblick gegen uns wenden!« Die ganze Zeit über beobachtete Christie Rip ley , die no ch immer d iese teilnahmslose Kält e zei gt e. Und ihre Au gen, d iese Raubt ierau gen ... Sie verlor en mit dieser Diskussion nur wertvolle Zeit . Zwanzig von diesen Din gern? Er wandt e sich an die Grup pe. »Es ist mir völ lig egal, ob ihr mit allem einverst anden seid oder nicht. Wenn wir di ese Scheiße h ier überleben wollen, dann müssen wir zusammenhalt en. Wir werden gemeinsam dieses Schiff ver lassen. Erst dann heißt es: jede einsame Seele für sich selbst.« Er er griff Elgyns Gewehr und reichte es Distephano. Johner sah ihn entsetzt an, doch Christie beacht et e ihn nicht. Der Soldat nickte ihm dankb ar zu und checkte das M agazin. Call st arrte Ripley an. »Du kannst ihr nicht vertrauen«, warnte sie Christie ein letztes M al. Christie sah Ripley an, dann Distephano, dann Call. »Ich vertraue überhaupt niemandem«, sagte er. Hillard, die geschwi egen hatt e, ganz auf ihren tot en Liebhaber konzentriert , legte ihren M antel auf Elgyns Gesicht. Johner wurde sich plötzlich bewußt, daß sie ihren alten Kame raden ohne Begräbnis auf fremdem Boden zurückließen, und sein Gesicht verzog sich zu etwas, das man als Ausdruck des 149
Bedauerns interpret ieren konnt e. »Vaya con Dios, Mann«, murm elt e er. Hillard b erührte Elgyns Hand ein letzt es M al und erhob si ch. Call legte ihr t röstend die Hand auf die Schult er, aber Hillard wandte sich mit einem mißtrauischen B lick ab. Ripley übernahm Elgyns letzte Position, die Nachhut. Sie beobachtete die Gruppe mit einer Art distanzierter Faszination. Christie sah, wie Call sich zu ihr umschaute und Ripley die kleine M echaniker in mit einem kalten Lächeln bedachte. Der Ausdruck auf dem Gesicht der Frau ließ ihn fröst eln. »Also, verschwinden wir hier«, b efahl Christie und übernahm ein zweites M al die Führung. Ohne ihren Capt ain und Freund setzten sie ihren Weg zur Betty fort. Das muß der Zellentrakt sein, dacht e Christie. Eine Menge Türen. Eine Menge Orte, an denen sich diese verdammten Dinger verstecken können. Seit sie den Gang verlassen hatt en, in dem Elgyn gestorben war, hat ten sie kein einziges Alien mehr geseh en. Nir gendwo hatte sich irgendeine Form von Leben gezeigt, alles wirkt e leer und verlassen. Aber das Gefühl, daß ihnen ir gend etwas folgte, wurde Christ ie nicht los. Vielleicht war es nur Ripley, die die Nachhut bildete. Christ ie wußte es nicht. Jedenfalls waren alle wachsam und auf das Schlimmste gefaßt. Jet zt verhielten sie sich endlich wie eine Einheit und nicht wie der zusammen gewürfelt e Haufen, der sie ja in Wirklichkeit waren. Er konnt e sich dar auf verlassen, daß Johner, Hillard, Distep hano und selbst Call - auch wenn sie keine Waffe t rug jede Tür und jeden Winkel genau beobacht et en. Als Christie einen geschlossenen Fahrst uhl passiert e, kam ihm zum erstenmal der Gedanke, daß sie es vielleicht schaffen würden. Kaum war er fünf M eter weiter gegangen, ertönt e ein Klingeln. Der Fahrstuhl, dacht e Christ ie und blieb wie angewurzelt stehen, so wie alle anderen. 150
Langsam hob er seine Waffe und hört e, wie die ander en es ihm gleichtaten. Als sich die Fahrstuhlt üren langsam öffneten, stand Christ ie davor. Die anderen waren ebenfalls in Position gegangen und richteten ihre Waffen auf den Lift. Niemand bewegt e sich. Sie hielten den At em an. Im Inneren des Fahrstuhls war es so dunkel, daß man nichts erkennen konnt e. Plöt zlich schlugen Funken aus der Fahrstuhldecke, und das Innenlicht begann zu flackern. Christie sah etwas Gebücktes, Rechteckiges in der Eck e. M it einem Schlag ging plöt zlich die Beleuchtung an, und der Fahrstuhl wurde in ein gleißendes Neonlicht get aucht. Vriess saß vor ihnen, ein Gewehr im Arm. Er zitt erte, und seine Augen waren starr vor Schreck. Der Schweiß lief in Strömen an ihm herab. Eine Sekund e lang starrt en Vr iess und die Crew einander an, als würden sie nicht glaub en, was sie da sahen. Dann at met en sie erleichtert auf und ließen die Waffen sinken. »O M ann«, japste Johner. »Vriess!« rief Call strahlend und lief auf ihn zu. Vriess lächelte schwach und sagte mit zitt ernder Stimme: »Hallo, Leute, wie geht 's euch so? He, Call.« Christie wischt e sich d en Schweiß von d er St irn. »Ich dachte schon, sie hät ten Hack aus dir gemacht.« In Vriess' St imme klang al les über seine Erlebnisse mit , was sie ihn hätten fragen können. »Ihr ... ihr habt dieses beschissene Ding au ch gesehen?« »Wir haben sie gesehen«, antwort et e Christie grimmig. »M ist «, sagte Vriess. »Ich dacht e, ich hätt e sie vielleicht alle erwischt .« Christie schüt telte den Kopf. Er sah die Brandwunden an Vriess' Bein und Ohr. Ja, sein Freund hat te offenbar eine wirklich unheimliche Begegnung gehabt. 151
Johner fragte Wr en: »Können wir diese Dinger ir gendwi e aufspüren?« Wren schütt elt e den Kopf. »Nein.« Sagst du uns auch die Wahrheit, Doc? fr agte sich Christie. Johner schien sich mit tlerweile wirklich Sor gen zu mach en. »Wenn wir in die Betty kommen, könnt en sie schon da sein! Vielleicht sogar drinnen.« Wren schien etwas Aufmunterndes beisteuern zu wollen. »Ihre Aktivität scheint sich bis jetzt auf den hint eren Berei ch zu konzentrieren, bei den Quartieren. Es gibt kein en Grund anzunehmen, daß sie woandershin gehen.« Christie sah den Doktor zweifelnd an. »Sie werden dort bleiben«, warf Ripley ein. Sie klang so überzeugend, daß Christie ihr einfach glaub en wollte. Die Crew schien sich immer noch unwohl in ihrer Nähe zu fühlen, als rät selten sie, wer oder was sie war. »Sie brüt en«, erklärte Rip ley mit ihrer flachen, emotionslosen Stimme. »Sie haben jet zt neue Wirtskörper. Sie bleiben in der Nähe. Wenn sie jemanden losschicken, dann in d ieses Gebiet hier ... dort , wo das Fleisch ist.« Wenn sie jemanden losschicken. Christie dachte nach. Als seien sie Menschen, di e denken und planen können - aber viellei cht können sie das wirklich. »Das Fleisch«, sagte Call angeekelt. »M ein Got t.« Christie wollte mehr wissen. Er schert e sich nicht um di e Worte. »Sie brüten also. Wie lange dauert das?« Er hat te nicht Wren gefragt, weil er sich lieber auf eine verl äß licher e Quell e verl ieß. »Stunden«, sagte Ripley. »Oder weniger«, fügte Wren plötzlich hinzu. »Der Prozeß ist beschleunigt worden. Es hat etwas mit den ...« Er warf Ripley einen schuldbewußt en Blick zu. 152
»... gek lonten Zellen zu tun.«
Ihr M iene wurde noch verschlossener.
Okay. Das wissen wir jetzt. »Je schneller wir zum Schiff ko mmen, d esto besser.« Johner zeigte mit dem Daumen auf Vr iess. »Ich würde mal vorschlagen, daß wir diesen Krüp pel hier nicht unbedingt mitschlep pen sollt en, wenn wir zügig vorankommen wollen.« Er gr inste den M ann im Rollst uhl schamlos an.
»Ist nicht persönlich gemeint.«
Vriess lächelt e bit ter zurück und zeigt e ihm d en M itt elfinger.
»Aber sicher nicht.«
Noch bevor Christie Johner mitteilen konnt e, daß er ein Idiot
sei, t rat Hillard vor. Sie hatt e seit Elgyns Tod geschwiegen. Irgendwie schien sie in ihrer Trauer Call und Rip ley dafür verantwort lich zu machen. Chr ist ie hatt e sich bereits Sorgen gemacht, daß ihre dep ressive Halt ung die Grupp e gefährden könne. Aber jetzt hat te sie den Kop f gehoben, und etwas von ihrem alten M ut schien zurückgekehrt . »Niemand wird zurück gelassen«, befahl sie streng. »Nicht einmal du, Johner.« Ihre St imme klang fest, wenn auch traurig. Niemand wagte ihr zu widersprechen. Christie wandt e sich an Distephano.
»Welches ist der beste Weg?«
Der Soldat dacht e kurz nach.
»Die Fahrstühle. Sie gehen von der obersten Ebene des Sch if
fes bis hinunter zu den M aschinenräumen. Allerdings ohne Zwischenst op . Aber wenn wir in den Schacht kommen, führt dort ein Versorgungstunnel entlang, der über Deck l läuft. Der führt uns direkt ins Dock.« Christie nickt e.
»Klingt nicht dumm. Wie kommen wir dort hin?«
»Diesen Gang hinunter. Dann biegen wir ab und neh men ein e
Abkürzung durch die Labors zu den Fahrstühlen.« »Na schön«, sagte Christie. »Dann machen wir es so.« 153
Vriess begann, irgendwelche Tei le von seinem Stuhl abzu schrauben und zusammenzusetzen. Seine Waffen. Bald l ag ein kleines Arsenal auf seinem Schoß. Christie mußte lächeln. Vriess entging das Lächeln seines Freundes nicht . »Den Stuhl filzen sie ni e.« Distep hano blickte kopfschüttelnd auf die Waff ensammlun g. »Call!« sagt e Vriess. Als das M ädchen aufbl ickt e, warf er ihr eine kleine, aber t ödliche Waffe zu, die wie für sie gesch affen schien. »Wieso kriegt sie eine?« gru mmelte Johner. Christie ignor ierte ihn. »Seid ihr bereit? Dann los jet zt. Wir geh en in Zweier grupp en.« Gerade als sie losgehen wollt e, ert önte Rip ley s flache Stimme. »Wir bewegen uns.« »Was?« fragte Christie. »Das Schiff bewegt sich«, wiederho lte Ripley. »Ich kann es fühlen.« Sie kann es fühlen? dachte Christ ie entgeistert. Wren schütt elt e den Kopf. »Das ist bei diesem Schiffst yp unmöglich. Selbst wenn sich die Auriga bewegen sollte, so kann sie es gar nicht spüren.« Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn veranlaßte, sich wieder hinter einem der Crewmit glieder zu verstecken. Christie überlegte noch, als Call nachdenklich sagt e: »Sie hat recht.« »Das Schiff bewegt sich seit dem Angriff«, beh arrte Rip ley und sah Wren herausfordernd an. Alle Augen richt et en sich auf ihn. Der Schweiß lief ihm von der St irn, als er schl ießl ich einräumte: »Nun ... ähm ... das ist, glaube i ch ... ganz normal.« Distep hano nickte besorgt . »Es st immt. Wenn das Schiff schwer b eschädi gt w ird, dann kehrt es per Autopilot zu seiner Basisstation zurück.« Call schob den Ki efer vor. 154
»Ich schät ze, das hätt en Sie uns sicher bald mit geteilt, Wr en, oder?« Der Wissenschaftler senkte den Kop f und st otterte. »Ich ... hab's vergessen.« Aber sicherli ch, dacht e Christie angewidert. »Zu welcher Basisst at ion?« fragt e Hill ard. Leise antwortete Wren: »Zur Erde.« »O Gott, du Bastard, du ...« Call war außer sich, schien fast die Beherrschung zu verlieren. Johner schüttelte voller Abscheu den Kop f. »Die Erde? Ich will aber nicht zurück auf diesen Scheißhaufen.« Call schri e Wren auf gebracht an: »Wenn diese Dinger auf di e Erde komm en, dann ist das ... ich meine ...« »Das Ende«, sagt e Ripley scheinbar un gerührt. Call schüttelte den Kopf, als wolle sie es nicht akzeptieren. »Wir müssen das Schiff in die Luft sprengen!« »Wir müssen gar nichts«, meinte Christ ie. »Nur von ihm runter müssen wir! Wie l an ge d auert es, bis wir die Erde err eichen?« fragte er Distephano. Der Soldat, der an einer Konsole st and, holte einige Daten auf den Bildschirm. »Knapp drei Stunden.« Call wandt e sich an Christie. Si e wußte, daß sie vor allem ihn überzeugen mußte. »Verstehst du nicht ? Die Viecher werden mitt en auf einer dicht bevölk erten Station land en. Niemand hat die gerin gste Ahnung davon, was sie erwartet. Und wir rollen den roten Tepp ich für das Ende unserer Art aus!« »Das ist nicht unser Problem«, schalt et e sich Hillard ein. »Call«, sagte Christie bestimmt. »Du wirst dieses Schiff nicht sprengen, jedenfalls nicht, solan ge wir noch an Bord sind. Wenn wir aus diesem Schlamassel raus sind, kannst du machen, was du willst.« Er wandt e sich an den Klon.
»Ripley, hättest du was dagegen, an der Sp itze zu gehen?«
Sie schüt telte den Kopf und ging nach vorne, und sie macht en
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sich erneut auf den Weg. Christie bildet e nun die Nachhut. Vor sich hörte er Johner murmeln. »O M ann, die Erde ... was für ein Slum.« Aber je länger Johner darüber nachdacht e, dest o mehr Dinge fielen ihm ein, die schlim mer waren, als auf der Erde zu enden. Zum Beispiel so zu enden wie Elg yn. Bei dem Gedanken daran, wie das ekelhafte rept ilienhaft e Ding auf si e zugekommen war, schütt elt e es ihn. Während sie Gan g n ach Gang durchquerten, konnte Johner eine gewisse Bewunderung für di e große Frau, die jetzt die Gruppe führte, nicht verhehlen. Sie mußte Eiswasser in den Venen haben, so wie sie sich dem Ding gest ellt hat te, mit nichts als einem warmen Leichn am zwischen sich und ihm. Sicher, sie war ein Klon, aber verdammt noch mal, auch Klone hatten Gefühle. Sie kamen an eine weitere Kreuzung, an der Ripley stehenblieb und lauschte. Nach kurzer Zeit sagt e sie: »Frei.« Johner schloß zu ihr auf. »Du hast schon vorher mit diesen Din gern zu tun gehabt ?« fragte er ohne Umschweife. Sie schien sich auf ihre Aufgabe konzent rieren zu wollen. »Ja«, antwortet e sie knapp . Als nichts mehr kam, fragte Johner nach: »Und was hast du gemacht?« »Ich bin gest orben«, sagte sie kühl. Sie ging weiter, während Johner fast stehengeblieben wäre. »Das war eigentli ch nicht das, was ich hören wollte«, sagte er zu Dist ep hano, der neben ihm ging. Der Soldat schütt elt e nur den Kopf, grinste und klop fte Johner auf die Schult er. Nachdem sie etwas weiter gegan gen waren, gab Distephano Ripley ein Zeichen. Er deutete auf ein e Tür. »Hier entlang«, sagte der Soldat. »Eine Abkürzung.« Er öffnete die Tür und ging hindurch. Die ander en folgten ihm. Es handelt e sich um eines der Labors. Zum erstenmal fiel 156
Johner auf, daß Ripley so etwas wie eine Regun g zei gt e, als sie an einer großen Röhre mit der Aufschrift >Inkubat or< vorbei kamen. Erinnerungen an den Kindergarten? dacht e Johner. Doch schon hatten sich ihre Züge wieder geglätt et , und sie folgte dem Soldaten. Dann bogen sie um eine Ecke, und Johner entdeckte et was ganz ander es. Als seine Kamerad en es sahen, fuhr jedem einzelnen der Schreck in die Glied er. Am Ende des Raums, dort, wo die Schat ten dunkler wurden, ändert e sich die St ruktur des Zimmers. Die Schat ten tanzten und zeichneten groteske Bi lder. Der Boden, die Wände, die Decke alles war verändert worden. Ein ganzer Raum - umkonstruiert. Sie waren hier gewesen und hatten sich hier für eine Weile ein Zuhause ein gericht et , hatten die mensch lich e Umgebung nach ihren Wünsch en umgefor mt. So etwas hatt e Johner noch nie gesehen. Es war in der Tat völlig unmenschlich. Die Wände war en nicht mehr glatt, sondern auf selt same Weise strukturiert , fast wie das Innere eines Brust korbs, mit gleichmäßig vert eilt en Rip pen oder Knochen, die mit dunklen M embranen verbunden waren. Und oben an den Wänden ... Johner erstarrt e und merkte, daß alle ebenf alls v erharrten und nach oben sahen, die Waffen bereit. Ripley stand da wie eine Statue, bewegte sich n icht und at met e nicht. An den Wänden hingen M enschenkörper. Sie klebten dort , tot enstill, wie Fliegen auf Fliegenpapier. Offenbar wurden sie durch elastische M embranen dort festgehalten wie mit Kleb stoff. Johner starrt e entsetzt die Gest alt an, die vor ihm hin g. Distep hano, der hint er ihm stand, hat te ein en Lichtschalter entdeckt und betät igt e ihn. Johner zuckte zusammen. Ein Spot beleuchtete plötzlich den M ann über ihm. Es war einer der Wissenschaftler, und er t rug noch immer seinen weißen Kittel mit der Aufschrift >Kinloch<. Sein Gesicht war eine M aske aus Schmerz, die seine let zten Zuckungen zeigte, seine auf ger issenen Augen. Sein Kitt el war 157
mit seinem ei genen Blut getränkt. Es sah aus, als sei etwas in ihm detoniert und habe seine Brust durchbohrt. Oder sich viellei cht durchgenagt, dacht e Johner angeekelt. Er konnte Kinlochs Lungen und seinen Darm gen au erkennen. Distep hano bewegte den Sp ot und leuchtete auf di e ander en Körp er, die an der Wand hingen. Sie sahen alle aus wie Kinloch. Alle waren sie tot , alle hatten die gleiche gr äßli che Wunde. Offenbar alles Leute, die in diesem Labor gearbeitet hatten. Johner las die Namen auf den Kit teln - Williamson, Sp rague, Font aine ... Es wäre gar nicht so schlimm, dacht e Johner, wenn diese Namen nicht wären. Wenn sie namen los wären. Für die meisten aus der Grup pe war der Anblick dieser M en schen schier unert räglich, und selbst Johner, der von sich dachte, er hätt e schon alles und noch ein bißchen mehr gesehen, mußte sich schließlich abwenden. Er wußt e, wenn sie diese Sache überlebten, würde er diesen Anblick nie mehr vergessen. Ripley sah die Leichen nur regun gslos an, als sei dies ein Bild, das sie schon so oft gesehen hatte, daß sie es nicht mehr groß interessiert e. Dann ent deckte Johner, daß in einer der Hyp erschlafröhren noch ein M ensch lag. Das ist einer der Schläfer, den wir entführt und hier abgeli e fert haben. Er gin g auf die Röhre zu und sah, daß der Deckel t eilweise geöffnet war. Er klappt e ihn ganz auf. In der Röhr e l ag eine Frau. Ihre Brust war aufgerissen, ihr Gesicht schmerzverzerrt. »Das ist alles nur ein besserer Traum!« murmelte er, aber er wußte, daß es aus diesem Traum kein Erwachen gab. Zu seiner eigenen Ver är gerung stellte Johner fest, daß ihn tatsächlich so et was wie Schuld gefüh le p lagt en. Du hast sie hier abgeliefert, damit die das mit ihr machen. Du hast sie entführt, genau wie all die anderen, und hast keine Fragen gestellt. Das Geld nehmen und verschwinden. Und damit hast du deinen eigenen Tod heraufbeschworen. Si eh 158
dir ihr Gesicht an. Und die Gesichter der anderen dort an der Wand. So wirst du auch enden. Und du hast immer gedacht, du sähest schon abstoßend genug aus. Plöt zlich spürte Johner, wie eine Welle der Übelk eit in ihm aufstieg. Er holte t ief Luft, wandte sich von dem Sarkophag ab und unterdrückt e das Gefühl. Christie kam auf ihn zu und bot schweigend Hilfe an. Johner war dankbar dafür, daß der große M ann bei ihm war. »Gehen wir weiter«, sagte Christie leise, und Johner riß sich zusammen und nickte. Sie set zten ihren Weg durch das Labor fort und fanden überall Spuren der Aliens - B lutlachen und regelrecht e Pfützen von menschlichem Gewebe. Als sie einen weit eren verdunkelt en Abschnitt betraten, ver langsamten sie ihr Tempo. Eine flackernde Neonröhre warf abwechselnd Licht und Schatten - wie ein großes Stroboskop über die Alptraumlandschaft des zerst örten und verwandelten Labors. Vri ess hielt seine Waff e nach oben und stieß gegen die Röhre, aber das Licht flackert e nur um so heft iger. Hier gab es so viel e App arat e, so viel Zeug, daß der ganze Raum ein e Ansammlung von Schlupflöchern und Ecken darstellte. Alles war abwechselnd in Licht und Schat ten ge taucht. Es zerrte an den Nerven. Ripley nahm wieder ihren Plat z an der Spitze ein, während sie langsam weitergin gen, alles gen au beobachtend. Johner sah sich mit zusammengekniffenen Augen um. Eines dieser ri esigen schwarzen Viecher mit seinem komisch en Exoskelett würde sicherli ch gut in diese Szenerie p assen. Johner starrte durch das pulsierende Licht. Röhren, Apparate, Schreibt ische, Ecken und Winkel, Röhren, ein Gesicht, noch mehr Röhren - Johner blinzelte. Hatte er eben tatsächlich ein Gesicht irgendwo dort in einer Ecke gesehen? Ripley reagierte noch vor ihm und wandt e sich um, gefolgt von Johner und Christie. Das Licht ging an und aus. Da war es. Ein bleiches Gesicht, starr vor Angst. 159
Im nächsten Augenbl ick stürmt e die Gestalt aus ihrem Ver steck. Der M ann hielt etwas Längliches in der Hand, ein Rohr vielleicht . Schreiend st ürzte er sich auf die verblüffte Ripley, die für eine Sekunde das Gleichgewicht verlor und den Schlag vo ll abbekam. Si e stürzt e zu Boden. Sofort sprang Christ ie ihr zu Hilfe und blockte den nächsten Hieb ab. Johner richtete seine Waffe auf den M ann und brüllte: »Laß es fallen, laß es fall en, M ann!« Viel fehlte n icht , und er hät te den Angreifer erschossen. Das Adrenalin pumpt e durch seinen Körp er. Die anderen sah en zu, gleichermaßen erregt. Christie stand über Ripley, die sich langsam wied er regte und rief: »Beruhi gt euch, Leute! Keine Panik, ganz ruhig bleiben.« Der M ann war in seine Ecke zurückgekrochen. Wie durch ein Wunder flammten die Neon licht er plötzlich wieder auf. Die ganze Crew hatte ihre Waff en auf den M ann ger icht et , der sich in der Ecke krümmte. Ripley schüttelte den Kopf, als reiche das, um die Wirkung eines schweren Schlages zu verdauen. Sie erhob sich. »Laß die St ange fallen, M ann!« befahl Christie der winselnd en Gest alt . »Los!« Der M ann sah ihn mit vor Angst geweit et en Augen an. »Geht weg!« stieß er hervor, aber seine zitt ernde Stimme macht e kein en Eindru ck auf sie. Der Angriff h at te ihn offenbar allen M ut gekostet, den er noch hatt e aufbringen könn en. Die Stange, di e er hielt, fiel dröhnend auf d en Boden. Sein Blick wanderte unsicher von einem zum anderen. Schließlich fragt e er mit zittriger St imme »Wer seid ihr?« und kam schwankend und ängstlich aus seinem Verst eck gekrochen. Johner las den Namen >Purvis< auf dem Over all des M annes. Verdammt. Noch ein er von den Schlä fern, die wir entführt haben. Christie ging auf ihn zu, ohne in seiner Aufmerksamkeit 160
nachzulassen. »Purvis, wir sind die Leut e, die von di esem verdammten Schiff runterwollen.« Purvis sah sie völlig v erwirrt an. Er war schweiß gebadet, und der Geruch von Furcht ging wellenför mig von ihm aus. »Von welchem Schiff?« fragt e er. »Ich war im Hyperschlaf, unterwegs nach Xarem, um dort in der Nickelraffin erie zu arbeiten ...« Christie und Johner sahen einander betreten an. Selbst Wren wandte sich ab. »Ich bin au fgewacht ... ich verstehe das nicht«, fuhr Purvis fort. »Dann ... dann ... habe ich etwas ... Schreckliches gesehen. Es hat mich erstickt ...!« Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Call mischte sich ein, und zum erst enmal war Chr istie ihr dankbar dafür. »Hör zu«, sagte sie zu Purvis. »Du kommst mit uns. Hier ist es zu gefährlich für dich.« Johner und Christie sahen sich an und zuckt en mit den Schul tern. Was Johner betraf, schuldeten sie ihm etwas, weil sie ihn entführt hat ten, auch wenn sie nicht gewußt hatt en, daß er als Alienfutt er enden sollte. Plöt zlich t rat Ripley an Purvis heran. Er zuckte zusammen und wich zurück, aber sie roch ledi glich an ihm. Johner roch den M ann aus einem M eter Entfernung, und best immt nicht w eil er ein bißch en viel Rasierwasser auf get ragen hatt e. »Laßt ihn hier«, sagte Rip ley tonlos. »Scheiße!« herrschte Call sie an. »Wir lassen niemanden auf diesem Schiff zurück.« Ripley verzog keine M iene. »Er trägt eins von ihnen in sich. Ich kann es riechen.« Purvis zuckte nervös. Es sah aus, als würde er gleich ein en Nervenzusammenbruch beko mmen. »In mir? Was ist in mir?« Johners Haut begann zu kribbeln, als ob Tausende von Amei sen darüber li efen. Ameisen mit silbernen Zähnen. 161
»Scheiße, ich fände es nicht gut, wenn irgendwo in meiner Nähe eines von di esen Dingern zur Welt kommt.« Vriess rollt e zu ihnen. »Das Risiko ist zu groß.« Call stellte sich gegen sie. »Wir können ihn nicht im St ich lassen«, fordert e sie. Verdammt, hört sie denn nie auf, dacht e Johner erschöpft . Vriess versuchte, sie zu überzeugen. Gute Idee, dacht e Johner, wahrscheinlich ist er der einzige, der das fertigbrächte. »Ich dacht e, du bist hierher gekommen, um zu verhindern, d aß sie sich ausbreiten.« Vriess' Worte schienen Eindru ck auf sie gemacht zu haben. »Können Sie den Vor gang nicht irgendwie aufhalten?« fragt e sie Wren verzweifelt. Christie schütt elt e den Kopf. »Dafür haben wir wohl keine Zeit.« Wren wagt e es nicht , Purvis ins Gesicht zu sehen. »Hier ginge es auf keinen Fall. Das Labor ist völli g zerstört.« Christie flüsterte Call etwas zu. »Ich könnt e das übern ehmen. Schmerzlos. In d en Hinterkopf. Vielleicht wäre es das best e so.« Der alte Softie, dachte Johner. Call schütt elt e den Kopf. »Es muß einen anderen Weg geb en. Wenn wir ihn einfrier en ...« Purvis' Blick wandert e zwischen ihnen hin und h er, und mit jedem Wort, das er hörte, wuchs seine Panik. Er starrte auf seine Brust. »Was zum Teufel ist denn in mir?« Sie alle sahen ihn an, und Johner fiel auf, daß es ihnen all en sehr unangenehm war, selbst Distephano. Keiner von ihnen war unschuldi g. Schließlich sagte Wren leise: »Ein Parasit. Ein fremdes El e ment, das ...« Ripley unterbrach ihn ungeduldi g. Sie hatte genug von diesem 162
Unsinn. »In deiner Brust sitzt ein Ungeheu er«, sagt e sie Purvis mit ruhiger Stimme mit ten ins Gesicht . »Diese Typen hier«, sie d eut et e mit dem Daumen auf di e Crew der Betty, »haben dein Schiff gekapert und dich mitsamt deiner Hyperschlafröhre an diesen Kerl verkauft .« Sie nickte zu Wren hinüber. »Und er hat ein außerirdisches Wesen in dich eingepflanzt . In ein paar St unden wird es durch deinen Brustkasten brechen und du bist tot. Noch irgendwelche Fragen?« Oh, was für ein eiskaltes Biest, dachte Johner bewundernd.
Sie sah Purvis noch imm er ins Gesicht .
»Und ich bin die M ut ter des M onst ers«, fügt e sie hinzu.
Dann sah sie Wren mit dem gleichen Blick an, bis dieser sich
ab wandt e. Call hatte offenbar vor, Rip ley s direkte Art zu imitieren. Si e drängte sich vor, packt e Purvis am Arm und verkündete: »Er kommt mit uns. Wir können ihn auf der Betty einfr ieren, und der Doktor kann es später entfernen.« Alle Bli cke ri cht et en sich auf Wren.
»Also gut «, sagte er schließlich und nickte.
Johner wollt e nicht glauben, daß alle anderen d as einfach so
akzept ierten. Drohend beugt e er sich über Cal l. »Und seit wann hast du hier das Kommando?« Sie sah ihn, ohn e mit der Wimper zu zucken, an. »Seit du ohne Eier auf d ie Welt gekommen bist.« Bevor Johner eine gut e Antwort einfiel, rollte Vriess zwischen sie. »Ruhig, Leute.« M ittlerweile schob Christie Purvis bereits hinter Ripley her. »Du kommst mit. Vielleicht überlebst du sogar. Wenn's Sch e rereien mit dir gibt, erschieße ich dich.« Ärgerlich mur melnd folgte Johner der Gruppe, die ihren Weg durch das Labor fort setzte.
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10.
Klonlager? Ripley las das Schild üb er dem let zten Labortrakt , den sie durchqueren mußten, registrierte das Wort aber kaum. Sie hatte genu g d amit zu tun, die Gruppe anzuführen. Distep hano t rat an eine der v iel en Konsolen. Seine Händ e glitt en über die Tasten. »Die Auriga ist ger ade an den Jupitermonden vorbeigeko m men«, meldet e er. Ripley wußte, daß sie eigentlich so etwas wie Verantwort ung spüren sollte, den Wunsch zu helfen, aber das einzi ge Gefühl, das sie an sich wahrnahm, war ein alles andere üb erlagernder Selbst erhalt ungst rieb. Wie bei jedem anderen Tier auch, dacht e sie bit ter. Genau wie bei den Tieren. Sie versuchte, ni cht an die Aliens zu denken, aus Angst, die Wesen könnt en sie dann aufspüren. Aber bald, wenn sie nicht mehr mit anderem b eschäftigt waren, dann würden sie kom men, um sie zu holen. Sie gingen an einer endlosen Reih e von Türen vorbei, mit Aufschriften, die Ripley nicht das ger ingst e sagt en. Doch dann ... Ripley blieb st ehen. Dort drinnen war et was. Etwas Lebendi ges? Seit ihr er >Geburt< hatte Ripley nicht s in sich gespürt, außer einer grenzenlosen Leere. Doch jetzt lief so etwas wie eine Well e der Furcht durch ihren Körper. Sie schalt et e ihre Sinne auf Höchstleist ung und ging auf di e Tür zu. Auf dem gl äsernen Sichtfenster stand et was. Sie starrt e auf die Ziffern. Dann zog sie ihren Hemdsärmel hoch und bet racht et e die Zahl auf ihrem Arm - eine 8. 164
Geh weg, sagt e eine Stimme in ihr. Geh weit weg. Sie sch loß die Au gen, und ein Sch auder lief durch ihren Körper. Hinter dieser Tür befand sich et was Furchtbares, und es hat te mit ihr zu tun. Distep hano stand neben ihr. »Dort geht es nicht lang«, sagt e er leise. Auch Christie kam auf sie zu. Ihr seltsames Verhalten beun ruhigte ihn off enbar. »Ripley, wir haben jet zt keine Zeit, die Sehenswürdigkeit en zu gen ießen.« Es spielte keine Rolle. Si e konnten auch ohne sie weitergehen. Sie wußte, daß sie dort hinein mußt e. Plöt zlich hörte sie Wren neben sich. Er klang nervös. »Ripley ... tun Sie es nicht.« Sie mußte es. Sie öffnete die Tür, blieb einen Herzschlag l an g stehen und versucht e sich auf das vorzubereit en, was sie gleich sehen würde. Die ganze Zeit über hatte sie beklagt, daß sie keine Gefühl e hatte, nicht menschlich war. Und nun wurde sie p lötzlich von Gefühlen überflut et , geradezu ertränkt : Schmerz. Schrecken. Ekel. Schuld. Trauer, vor allem Trauer. Die anderen blieben verwirrt an der Tür stehen. Keiner wagt e es, ihr zu folgen. Ripley blickte in einen Rau m, in dem lauter Brutkäst en st an den. Nein, es waren keine Brutkästen, jet zt nicht mehr. Es waren Lagereinheiten. Einmachgläser auf dem neuest en Stand der Technik. Für meine Schwestern. Die erst e Einheit ent hielt einen Or ganismus von der Größe eines voll ausgebildeten menschlichen Föt us. Er war jedoch völlig defor miert, kaum erkennbar. Das Glas, in dem er in einer Konservierun gsflüssigkeit schwamm, trug di e Aufschrift Nummer 1. Nicht >er<, dachte Ripley, sondern >sie<. Behutsam berührt e sie das Glas und ging weiter. 165
Die nächste Einheit, Nummer 2, ent hielt ein kl eines Kind. Es war ebenfalls schwer defor miert, halb M ensch, halb Alien. Ellen Ripleys Gesicht schaut e aus jenem schrecklichen länglichen Kopf. Dorsalhörner trat en aus dem Rücken aus. Rip ley zog die Schultern zusammen und spürt e die Narben an ihr em Rückgr at . Nummer 3 hatte einen Schwanz und kein Gesicht. Sie war ungefähr zwei Jahre alt. Nummer 4 war etwa vier Jahr e alt , hat te ein Exoskelett und die rigide, mit Zähnen besetzt e Zunge, die aus einem halbmensch lichen Kop f ragte, der ihr Gewicht nicht tragen konnte. Irgend etwas lief aus Ripleys Augen. Sie berührt e ihre Wangen. Tränen? Die Tränen eines Monsters. Fast hätte sie gel acht. Nummer 5 war fast erwachsen. Auch sie hat te Dorsalhörner, doch waren diese eindeutig rudimentär. Der Kopf war der eines Alien, einer Köni gin, aber er st eckte auf der grot esk verzerrten Version ein es weiblichen Körpers. Die Tränen st römten Ripley s Gesicht herab. Acht von uns. Aber wie viele Hunderte, Tausende von Zellen sind gezüchtet worden, di e nie über das Acht-Zellen, n ie über das Sechzehn-Zellen Stadium hinausgekommen sind. S ie haben uns erst eine Nummer gegeben, nachdem wir eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht hatten. Sie dachte an die Wissenschaftler, die an ihren Zellen gearbei tet hat ten, Woche für Woche, M onat für Monat , Jahr für Jahr. Sie waren t ot und dienten nun als Fut ter für ihre ei genen Schöpfungen. Der Ged anke konnte sie ni cht trösten. Sie kam zu Nummer 6. Auch ihr Gesicht steckt e in einem bizarren, länglichen Kopf, war aber fast erwachsen, sah beinahe aus wie sie. Sie h at te die gleich en Hände, mit den seltsamen kräft igen langen Nägeln. Die Augen waren geöffnet . Ihre Augen. Sie sahen ... Was? Meine Zukunft? Ein Monster mehr in der Sammlung? 166
Sie ging weiter durch ihr e ganz persönliche Alp traumwelt. Nummer 7 war keine Lagerröhre. Es war ein großer, rechteckiger Behälter, von vorne nicht einsehbar. Rip ley bemerkte, daß elekt rische Drähte hineinführ ten. Sie sah M eßger ät e, die ir gend etwas anzeigten. Das Gefühl von Furcht, das sie packt e, als sie um d ie Einheit herumging, war überwältigend. Das ist keine Lagereinheit! Das ist eine Intensivstation mit einem Hydro-Bet t, mit den all den Apparaten, die man braucht, um ... Sie begann, unkontroll iert zu zit tern. Ihr M und öffnete sich, ihre Augen weit et en sich vor Schreck. Auf dem Bett lag ein lebendes Wesen, sofern man das Leben nennen konnt e, was dieser Organismus erduld en mußt e. Das M onstrum besaß Ripley s Gesicht in einem mißgestalteten Kopf, auf dem nur an weni gen Stellen kleine Büschel braunen Haares wuchsen. Seine grot esk verrenkt en Glieder wurden von Gurt en festgehalten, während gleichzeit ig eine Unzahl von Röhren Nährstoffe in seinen Körper führt en und es am Leben erhielten. Leuchtende, int el ligent e Au gen sahen Ripley an. Das Wesen erkannte sie! Meine Schwester, dacht e Ripley entsetzt. Der M und öffnet e sich und zei gt e silberne Zähne. St ränge klaren zähen Speichels t ropften herab, als das M onster zischend kundtat, daß es wußte, wer Ripley war. Dann st ieß sie zwei Wort e hervor, mehr nicht . »Töte mich!« Sie f leht e den einzi gen M enschen an, von dem sie wußte, daß er ihr diesen Wunsch erfüllen würde. Ripley weinte hemmungs los, während das M onster sich in seinen Gurten wand, bettelnd und flehend. Ripley wankte bestürzt zurück. Sie stieß ein en l eisen Klagelaut aus, Tränen strömt en über ihr Gesicht. Plötzlich stand Call neben ihr. Sie hielt eine Waffe in der Hand, die ihr sonderbar 167
vertraut vorkam. »Das ist ein Flammenwerfer«, sagt e Call. »Dist ep hano hat ihn in einer Waffenkammer gefunden, an die er sich erinnert e.« Ripley sah die Waffe durch einen Tränenschl eier an. Ja, sie wußt e, was das war. Sie drehte sich um und warf einen letzten Blick auf ihre Schwest er. Das M onst er auf dem Bett zuckte hin und her, es öffnete seinen obszönen M und. Klebriger Speichel t ropfte auf ihr Kinn, auf die Bett laken. Ihre Augen sagten das, was ihr gequältes Hirn nicht ausdrücken konnte. Ohne nachdenken zu müssen, entsicherte Rip ley die Waff e und feuerte auf die angek et tete Kreat ur. Sie zwang sich, nicht auf die schrecklichen, halb menschlichen, halb alienartigen Schrei e zu hören, während sie imm er und immer wieder feuert e, die Einheit schmolz, die Röhren, die Fesseln, bis alles zerst ört war. Sie gin g zurück. Der Flam menwerfer in ihr en Händen fühlt e sich gut an, wie für sie geschaff en. Sie feuerte auf jed e La ger einheit, setzte alle in Brand. Alarmglocken läuteten, und eigent lich hätte sofort die Sp rinkleranlage ihren Dienst aufneh men müssen, aber offenbar enthielt sie kein Wasser mehr, und Ripley konnte ihre Orgie der Zerst örung ungehind ert fortset zen. Einer n ach dem anderen zerbarsten die Behälter, und Plastik glas und Stahlteile regneten her ab, als Ripley sich von ihren >Ent wicklungsstufen< befreite. Sie hörte erst auf, als das Labor eine einzi ge br ennende, bro delnde M asse war. Die Waffe war leer. Ripley warf den Flam menwerfer auf den Boden und schlug die Tür hinter sich zu, damit das Feuer sich nicht ausbreit et e. Ripleys Tränen waren versiegt, aber an ihr er Stelle sah m an etwas viel Gefährlicheres in ihrem Gesicht. Sie ging auf Wren zu. Der Wissenschaftler duckte sich und schaut e sich ängstlich und hilfesuchend um. Aber d ie anderen, die einen kleinen Teil dieser Hölle gesehen hatten, wichen zurück und ließen ihn wissen, daß ihm niemand mehr helfen würde. Nur Call t rat dazwischen, als 168
Ripley vor Wren stand. »Ripley ... tu es nicht «, sagte Call l eise. Eine un gl aubli che M üdigkeit schien mit einemmal Besitz von Ripley zu ergreif en. Ihre Schultern sackt en her ab. »Tu was nicht?« flüsterte sie verzweifelt. Die Spannung wich aus der k lein en Gruppe. Wren at met e hörbar auf und hatt e sogar den Nerv, selbstgerecht zu lächeln. In diesem Augenbli ck wirbelte Call h erum und schlu g ihm mit der Faust aufs Kinn, mit aller Kraft, die in ihr em sehnigen kleinen Körper steckt e. Wrens Kop f kippte nach hint en, und der Wissenschaftler brach vor Ripley zusammen. Ripley sah die jünger e Frau an und sp ürte, wie irgendei ne Verbindung zwischen ihnen entstand. Was genau es war, konnte sie nicht sagen. »Das«, sagte Call. Sie rieb ihr e Hand. Ohne noch einen weiteren Blick auf den am Boden liegenden M ann zu werfen, marschiert e sie den Gang hinunter. Ripley sah den am Boden Liegend en an. Wren hielt sich das Kinn und schüttelte den Kopf. Christ ie beugte sich über ihn, als sei er sich noch nicht ganz sicher, ob Rip ley den Job nicht doch noch zu Ende bringen würde. »Das mußte mal so kommen, Doc«, sagte er f ast freundlich. Ripley hätte beinahe gelacht. Sie nahm ihre eigene Waffe und ging hinter Call her. Johner, der ebenfalls am Eingang des Labors st ehengeb lieb en war, fragt e Christie: »Wozu die ganze Aufregun g? Das war doch nur Verschwendung von M unition.« Christie zuckt e mit den Schultern und half Wren auf d ie Beine. Call drehte sich um und rief : »Beeilen wir uns. Vielleicht hat der Lärm sie angelockt .« Johner hat te sich noch immer nicht beruhigt. »Verst ehst du das, Christie? Ich meine - Frau en!« 169
Sie harten den Laborkomp lex hint er sich gelassen. Nach eini ger Zeit blieb Distephano bei einer Bodenluke stehen und öffnet e sie. In dem darunter liegenden Schacht brannten einige Notlichter, do ch ging er zu tief hinab, um bis ganz nach unten sehen zu können. »Hier müssen wir runter«, erklärte Distephano überflüssiger weise. Christie wandt e sich an den gelähmten M echaniker. »Vriess, ab hier geht's ohne Rollst uhl weit er.« »Ich weiß«, sagt e Vriess resigniert und holt e eini ge Seil e hervor, die er an seinem St uhl verborgen hatte. Als Call den anderen in den Schacht fol gt e, sagte Christie zu Vriess: »Wird wieder ein Kawlan g-M anöver, was?« Vriess lachte verbittert auf. »Wie in alten Zeit en ...« Damals hatt en sie gedacht , ihr letztes Stündlein habe geschla gen. Sie h at ten sich nicht vorst ellen können, jemals et was Schlimmeres zu erleben. Jet zt st and Christie in einem Gang auf der Auriga, und es kam ihm vor, als sei Kawlang wi e ein Urlaubst ag auf dem Lande gewesen ... Als sie am Ende des Schacht es von der Leiter sprang, stand Call bis zu den Knien im Wasser. Sie befanden sich im Kühl turm, und eigentlich hätte hier kein Wasser sein dürf en. Distep hano und Johner, die vor ihr herunt er gestiegen war en, standen Rücken an Rücken und checkten die Lage. Schweigend bedeut et en sie Call weiterzugehen, während die anderen herunterkamen. Call watete bis zum Ende des Raums, wo Rip ley bereit s wart e te. Die große Frau betrachtete ihre Hände, die seit dem Erlebnis im Labor nicht mehr aufgehört hatten zu zittern. Der Schmerz hatte sich in ihr Gesicht eingegraben, und ihre Augen waren gerötet. Cal l hat te Probleme mit ihr. Im mer wieder hatte sie sich gesagt, daß sie kein richt iger M ensch sei, daß sie ei gentli ch gar nichts fühlt e. Aber nun mußt e sie sich der Wirklichkeit st ellen. 170
Ripley war mindest ens so menschlich wi e sie. Sie hatte Gefühle, vielleicht sogar zu viele. Call bl ieb neben ihr stehen. Sie mußte irgend etwas sagen. »Ich ... ich kann mir nicht vorstellen, wie du dich fühl en mußt.« Ripley sah sie düster an. »Nein, das kannst du nicht .« Call unt ersuchte die Umgebun g. Die dunkle, von Rohren durchzo gene Kammer war überflut et , und der Wasserp egel stieg. Aus den Kühlrohren lief das Wasser die Wänd e her ab. Die Crew hatt e sich wieder versammelt. Auf Christies Signal hin wateten sie los. Alle waren bis aufs äußerste angesp annt . Langsam erschöpfte sie diese dauernde Aufmerksamkeit, dieser M angel an Ruhe. Call sah ihn en die Belastung an, Johner, Hil lard, dem nervösen Purvis. Christie schritt ungerührt durch das Wasser, obwohl er Vriess t rug. Sie gin gen Rücken an Rücken. Der gelähmte M ann hatte sich mit den Bändern aus seinem Rollst uhl an Christie festgebunden. Auch er beobachtete die Decke. »Das kommt aus den Kühltanks«, sagt e er. »Jemand muß di e Vent ile geöffnet haben.« »Die Viecher können es nicht gewesen sein«, sagte Johner, doch dann stockte er. »Oder?« Hillard sah ihn v erwirrt an. »Aus welchem Grund ...« Sie gingen weit er durch das Wasser. Plöt zlich standen sie vor einer Wand. Eine Luke mit einer Leiter führt e auf die unterste Ebene h inab. Die Luk e war noch sicht bar, st and aber schon fast unt er Wasser. »Wir sind jet zt auf dem Grund des Schiff es«, sagt e Wr en. »Dieser Abschnitt ist versiegelt . Wir müssen die Leiter hinunter durch die Kombüse, et wa fünfundzwanzig M eter, bevor wir durch einen anderen Schacht wieder raufkönnen.« Call wurde sich bewußt , daß er fünfundzwanzig M et er unter Wasser meinte. Christie wandte den Kopf und sagte zu Vriess: »Bereit für ein 171
kleines Bad, Partner?« Vriess lachte. »Okay !« »Die Sache st inkt«, beschwerte sich Johner. »Sie sind sich sicher, was di e Dist anz bet rifft ?« fragte Hillard Wren. Der Doktor nickt e. Christie schien unsicher. »Wir sollten jemanden vor ausschicken. Ripley?« Call sah Christ ie st irnrunzelnd an, aber R ipley ging zur Luk e und beugt e sich über den Schacht . »Es gef ällt mir n icht «, sagte sie. Christie st immte ihr zu. »Was soll einem hier schon gef allen?« Ripley sah ihn amüsiert an und zuckt e schließlich mit den Schultern. »Also gut!« verkündete sie, holt e tief Luft und tauchte in das Wasser. Offenbar hat ten sich die Tanks geleert, denn das Wasser versiegt e langsam, bis es nur noch träge di e Wänd e herunter tröp felte. Niemand sagt e etwas, und keiner bewegt e sich. Alle starrten nur die Luke an, in der Ripley verschwunden war. Wie l an ge konnte sie den Atem anhalten? Distep hano holte eine Schut zhülle aus seiner Gürt elt asche und stülpte sie über den Zy linder seiner Waff e. Christie sah ihm zu. »Das sollt et ihr auch machen«, sch lug der Soldat dem Schwar zen und seinem siamesischen Zwilling vor. Christie zeigte ihm seine Waff en. »Das sind Einwegwaff en. Die vertragen das.« Distep hano sah das Gewehr int eressiert an. »Einwegwaffen. Ich habe davon gehört . Wie viele M agazine?« »Zwanzig«, sagte Christie. Plötzlich waren der Pirat und der Soldat nur zwei M änner, die über ein gemeinsames Thema redeten. »Ein gerit zte Kugeln. Damit erzielt man auch bei einem kleiner en Kalib er gute Er gebnisse.« Distep hano nickte bewundernd. »Cool.« 172
Christie redet e weiter, als lenke ihn das Geplauder von der schrecklichen Ansp annung ab, die über ihnen lag. » Sind bei Killern sehr beliebt, weil du sie nach dem Job wegwerfen kannst . Niemand wirft gern eine Waffe weg, die er schon lange besit zt , verst ehst du?« Distep hano sah ihn komisch an, und Christie erkannte, daß er zu weit gegan gen war. Dafür hat te der Soldat kein Verst ändnis. Schließlich war er Soldat. Dem Vat erland d ienen und dieser ganze patriotische M ist . Ein p einli ches Schwei gen setzte ein. Die beiden M änner hat ten sich plötzlich nicht s mehr zu sagen. Vri ess beobacht et e weiter die Decke. Das einzige Geräusch, das sie hört en, war das Trop fen des Wassers. Call taucht e ihr e Hand hin ein und kühlt e sich die Stirn. Es macht e sie nervös, daß Ripley so lange fort blieb. Plöt zlich sprudelte das Wasser hinter ihnen auf. Sie fuhren herum und richteten ihre Waff en auf d en Fleck. Sekunden vergingen, und eine let zte Blase zerplatzt e an der Oberfläche. Dann war alles wieder ruhig. Si e wandt en sich wieder der Luke zu. Plöt zlich schoß Ripley vor ihnen aus dem Wasser. Sie zuckten zusammen, während Rip ley nach Luft schnappt e. Als sie wieder sp rechen konnt e, stieß sie hervor: »Nach unge fähr zwanzig M etern bin ich an eine verschlossene Tür gekom men. Es hat et was gedauert , bis ich sie aufhatte. Ich bin nicht ganz bis zum Ende geschwommen, aber der Ausgang war ni cht mehr weit weg.« Call sah die ander en an. »M uß ich euch raten, tief Luft zu holen?« Sie läch elt en sogar. »Christie«, sagte Vriess grinsend. »Tu mir einen Gefall en, wenn wir auf der anderen Seit e an d ie Oberfl äche kommen bitt e nicht rückenschwimmen.« Der große M ann lachte. Die M it glieder der Grupp e atmeten so 173
viel Luft ein, wie sie nur konnt en, und folgten Ripley, die vor ihnen ins Wasser tauchte, um ihnen den Weg zu zeigen. Hillard und Johner waren die letzt en, die eintauchten. Die Sicht unter Wasser ließ zu wünschen übrig. Das Wasser war zwar klar, aber in der Kombüse funkt ionierten nur noch wenige Lichter, so daß al les im Halbdunk el lag. Hillard gefiel es nicht, obwohl sie ni cht wußte, ob ihr helles Licht besser gefallen hätte. Die Kombüse war ri esig, was die Si cht noch verschlecht erte. Sie beobachtete Wren, der vor ihr auf das Ende des Raums zu schwamm. Sie mißt raute ihm, weil er den Bauplan der Auriga gen au kannte. Vielleicht wollte er sie ir gendwann austricksen. Sie schwammen um eine Ecke. Noch ein ziemlich lan ger Weg. Hillard sp ürte langsam den Druck auf ihr en Lun gen, den Wunsch zu at men. Sie kämpft e dagegen an. Neb en ihr bewegte sich Johner unbeholfen fort . Plötzlich sah er sich um, wurde langsamer und blieb hinter ihr zurück. Hillard wandt e sich nach hinten und sah, was auch Johner gesehen hatt e.. Fast hät te sie aufgeschr ien. Zwei Aliens schwammen hinter ihnen her, trotz ihrer M asse beweglich wie Aale. Ihr e Schwänze zuckten im Wasser. Johner riß die Augen auf. Aber dann hob er seine Waffe und drückte ab. Die Kraft des Rückst oßes drückte ihn nach hint en. Das Projekt il raste auf die Wesen zu und traf eines genau in den Kopf. M it einem gedämpften Knall wurde es in Stücke ger issen. Das zweite Alien schwamm ungerührt weiter. Johner schoß wie eine Rakete an Hillard und Rip ley vorbei. Er rudert e wild mit den Arm en. Rip ley sah sich um und erblickte das Ungeheuer. Als die ander en es bemerkt en, machte sich Panik breit. Nur Rip ley blieb ruhig. Sie trieb Hill ard an, als bliebe d ie Pilotin freiwilli g zurück. Sie hat hier unten überhaupt keine Probleme. Es scheint, als brauchte sie gar nicht zu atmen, dacht e Hillard und schlug wild mit den Bein en. Sie sp ürte den Druck und das Summen in ihr em Kopf, das lauter wurde. Luft! Ich brauche Luft! 174
Hillard sah, wie Purvis und Distephano Wasser schluckten, während das M onst er immer näher k am. Ripley trieb die Schwimmer weit er an. Hillard f iel auf, daß si e sich immer weiter von ihr ent fernten - sie konnte ihnen nicht mehr fol gen. Ich kann nicht mehr. Ich muß at men. Dieses Ding erwischt mich! Sie versucht e, ni cht daran zu denken, st eckte all ihre Ener gie in d en Versuch weiterzuschwimmen. Aber dann machte sie doch den Fehler, sich umzusehen. Es war so nahe! Noch zwei Armlängen, und es hat te sie. Es ent blößte seine Zähne, und die düsteren Licht er der Unt er wasserwelt spiegelten sich in den chromglänzenden Fängen. Sie sah, wie sein Schwanz noch schneller zuckte. Panik er griff sie, und plöt zlich schluckte sie einen M und voll Wasser. Nein! Sie st rampelte noch wilder mit den Beinen. Kräft ige, unmenschli che Hände zerrten an ihr em Fuß. Instinkt iv stieß sie einen Schrei aus und preßt e allen Sauerstoff aus ihren Lungen. Dann atmete sie wieder ein, hoffte verzweifelt auf Luft, um weiterschreien zu können, doch in ihre Lungen drang nicht s als Wasser. Die riesigen Hände wanderten ihren Körp er hinauf, packten sie um die Hüft en, um die Brust , bis sie in der tödlichen Umarmung versank. Verzweifelt trat und schlug sie um sich, sah, wie sich di e anderen im t rüben Dunkel immer weit er entfernt en, bis sie sich schließlich ihrem schrecklichen Liebhaber hingab, dort unter Wasser. Hillard ist verschwunden. Sie ist weg! schoß es Call durch den Kopf, als sie durch die Tür schwamm und dicht vor ihr das Licht des Fahrstuhlschachts ausmachen konnte. Wie viele würden sie noch an diese Biester verlieren? Würden si e nacheinand er geho lt werden, bis keiner von ihnen mehr übri g war ? Konnt en sie überhaupt etwas t un, um das Schiff an seiner Rücckehr zur Erde zu hindern? Sie konnte es sich n icht erlauben, die Hoffnun g aufzu geben. 175
Einen Schritt nach dem anderen. Erst mal an di e Luft. Wir brauchen Luft. Sie ruderte mit den Füßen und stieg an die Wasseroberf läch e hoch, dorthin, wo es heller wurde. Doch kurz bevor sie ihren Kopf in das Licht und den Sauerstoff recken wollt e, schlug sie gegen etwas Undurchlässiges, Flexibles und Durchsichtiges. Was, zum Teufel ... Sie drückte dagegen und sp ürte, wie es nachgab, wenn au ch nur ein bißch en. Die Luft war nur wenige qualvolle Zent imet er entfernt . Es mußte irgend etwas sein, das die Ali ens gespannt hatten, eine Art durchsicht iges Netz. Aber warum? M it den letzten Resten ihrer Kraft schlug Call auf die transparente Decke ein. Die anderen waren nun neben ihr. Auch sie kämpften gegen das Netz und brauchten dabei ihre let zten Reserven auf. Call sah nach oben. Ein paar M et er über ihnen befand sich ein Fahrstuhl, dessen Decke wie ein Sp iegel glänzte. Und dann entdeckt e Call sie. Das M etall reflektierte sie. Am Rande des Wassers lagen Alien-Eier, nebeneinand er auf ger eiht. Call ver gaß fürs erste diesen Anbli ck. Wenn es ihnen nicht gelan g, das Net z zu zerstören, um an die Luft zu kommen, würden sie jet zt und hier sterben. Sie ho lte ihr St ilet t hervor, das noch immer in ihrem Ärmel gesteckt hat te. Die geschmolzene Klinge hat te eine scharf e Kant e. Sie stach dam it auf das Netz ein und schaffte es tatsächlich, ein Loch hin einzubohren, wenige Zent imet er groß. Ihr t at alles weh. Sofort schwamm en Johner und Christ ie herbei, steckten ihre mächtigen Hände dur ch das Loch, zerrt en und rissen daran, ohne jedo ch das Net z aufbrechen zu können. Aus den Augenwinkeln sah Call, wi e Distephano hilflos im Wasser trieb, ohne Bewußt sein. Und ir gendwo hint er ihnen kam dieses Ding ... Plöt zlich war Ripley bei ihnen. Si e p ackte das Netz mit beiden Händen und riß es mit einem gewaltigen Ruck auseinander. Die 176
Crew schoß an die Oberfläche, nach Luft schnapp end, hust end, die wunderbar e Luft einat mend. Auch Ripley schnappte nach Luft, und Call war dankbar, daß sie zumindest eine gewisse menschliche Schwäche zeigte. Call wischte sich das Wasser aus den Augen und blickte zum Fahrstuhlschacht hinauf. Sie sah, wi e sich eines der Eier langsam und mit einem schmatzenden Geräusch öffnete. M it einer schnellen, explosiven Bewegung katapultiert e sich etwas Vielbeiniges, Groteskes aus dem Ei. Noch bevor irgend jemand reagier en konnte, landet e es mit einem ekelerregenden Geräusch auf Ripleys Gesicht . Purvis stieß einen schrillen Schrei aus, als Ripley zusammen mit dem Wesen unt er ging. Cal l versuchte, ihr mit den Augen zu fol gen, hatt e sie aber nach kurzer Zeit in der Finsternis bereits verloren. Das letzte, was sie sah, war, wie Ripley unt er Wasser mit dem Wesen kämpfte, das sich um ihr Gesicht gewick elt hat te. »Verdammte Scheiße«, zischt e Johner und sah zum Fahrstuhl hinauf. Sie beobacht et en, wie sich di e anderen Ei er mit den gleich en schmatzenden Geräuschen öffneten und spinnenartige Beine über den Rand krabb elt en. »Das ist eine Falle!« brüllt e Johner. »Si e haben uns in einen verdammten Hinterhalt gelockt . Tauchen! All es tauchen!« Er verschwand im Wasser. Alle taten es ihm, ohne zu zögern, nach. Wollen sie uns wirklich ertränken? dacht e Call. Dann wurde ihr alles klar. Entweder wir brechen durch das Netz und schnap pen mit weit aufgerissenem Mund unachtsam nach Luft, und die Biester springen uns an, oder wir verlieren un ter Wasser das Bewußtsein, und sie pflücken uns wie Blumen. So oder so haben sie uns. Wieder schwammen sie unter Wasser, aber dieses M al wußten sie nicht mehr, wohin. Call konnte Ripley nicht mehr sehen, aber in der Ferne erkannt e sie das Alien, das Hillard getötet hatte. Als es sah, daß die Op fer wieder unt er Wasser waren, 177
schwamm es schnel ler. Christie hatte es ebenfal ls gesehen. Er blickte nach oben zum Frachtlift hinauf, sah die Spiegelbilder der schreckli chen Eier, die dort saßen und auf si e wart et en, und griff nach seinem Granatwerfer. Alles geschah in völliger Stille. Nur wenige ged ämp fte Geräusche drangen durch das Wasser. Christie stellte die Reichweite seiner Waffe ein, hielt sie n ach oben und zielte auf das Sp iegelbild. Dann schoß er. Die Granate zischte durch das Wasser nach oben und p rallte von der Decke ab. Von dort fiel sie mit einem nassen, schlürfen den Geräusch auf eines der Eier. Ein kurzer Schlag, und dann erfol gt e eine Exp losion, die sie selbst unter Wasser erzittern ließ. Christie hatt e bereits die nächste abgefeuert , dann noch zwei weitere. Eine nach d er ander en zerstörten die t ödlichen Granaten die wartenden Eier. Spinnenmonst er und Eigewebe spritzten durch die Luft. Dann bed eut et e Christie ihnen, daß alles vorbei sei und sie auftauchen könnten. Call beob achtete noch im mer das Alien. Es schien von ir gend etwas abgel enkt , aber wovon? Und wo war Ripley? Für Call war der Gedanke, Ripley verloren zu haben, und dazu noch an einen dieser wid erlichen Gesichtsklammer er, unert räg lich. Als sie zusammen m it Christie und Johner auftaucht e und ihnen half, den bewußt losen Distephano aus dem Wasser zu ziehen, konnte sie nicht mehr anders; sie schrie Ripleys Namen, bis Vri ess ihr b efahl zu schweigen, wenn sie nicht die Hölle herbeirufen wollt e. Sie biß sich auf di e Lipp en und widmet e sich ganz der Aufga be, Distephano das Wasser aus den Lungen zu p umpen. Tränen liefen ihr aus den Au gen. »Los!« befahl Christie. »Das Ding wird bald kommen. Wir müssen die Leiter hoch.« Call sah den Schacht hinauf, sah die Leiter, die an der Seit e hochführt e, bis ganz nach oben, mit ten durch das Schiff. 178
Hustend und spuckend kam Dist ep hano wieder zu Bewußt sein. Call starrte ins Wasser; Vriess, der no ch immer an Christ ies Rücken hing, st rich ihr über die Schulter. Sie sah zu ihm hoch, und alles, was sie an Gefühlen für die geklonte Frau in sich trug, zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Okay, Call«, sagte er leise. »Das war's. Der Soldat ist wieder okay. Wir müssen los.« Sie nickte und fol gt e ihm mit einem let zten Blick zurück. Ripley zerrte an dem Wesen auf ihrem Gesicht, während es versucht e, seine Imp lant at ionsröhre in ihren M und zu schieben. An der Barriere ihrer zusammengeb issenen Zähne kam es nicht vorbei, aber das konnt e es in seinem von einem einzigen Inst inkt gelenkt en Bemühen nicht aufhalten. Es hatt e nur ein einzi ges Ziel, eine einzige Auf gabe im Leben, und selbst nachdem Ripley ihm die Beine abgerissen hat te, kämp fte es weiter für dieses Ziel. Sie wehrte sich mit aller Kraft und sank dabei auf den Grund des Wassers. Die Beine des Ungeheuers waren zerstört , aber sein Schwanz wickelt e sich noch i mmer fest um ihren Hals. Sie biß sich m it den Zähnen in dem f ibrösen, geriff elt en Schwanz fest und riß ihn ab. Dabei löst e sich auch ein Stück Haut an ihrem Hals, aber nun hatt e sie sich von dem M onster befreit, und mit ungeheurer Wut begann sie, es in Fetzen zu reißen. Aber kaum hatt e sie sich bewußt gemacht , daß sie das Wesen end gü ltig getötet hatt e, schaut e sie auf und sah das Alien auf sich zukommen, mit ein em Haß, der d em ihren durchaus ebenbürtig zu sein schi en. Ohne zu zögern, stieß sie sich vom Grund ab und schoß nach oben, so schnell sie nur konnte. Kaum hatte sie die Oberfl äche des Wassers durchbrochen, als zwei st arke Hände sie p ackten und ins Freie zogen. Ripley schnappt e nach Luft und blickte voller Verblüffun g in Johners vernarbtes Gesicht. 179
»Es ist dicht hinter mir!« stieß sie hervor. Er schob sie auf di e Leiter. »Dann nicht s wie weg!« Sie begann di e Sp rossen hinaufzuklettern. Als sie hinunterschaute, sah sie, daß das Alien wi e ein Unter seeboot t auchte und verschwand. Unter den Umständen war jedoch selbst das nur ein schwacher Trost. Ripley beeilte sich, um den Rest des Teams einzuholen. Sie wundert e sich über ihre Hast, bis ihr klar wurde, daß sie Call wissen lassen wollt e, daß sie okay war. Call wundert e es nicht, daß Wren als erster das Ende der Leiter erreichte. Distephano hatte ihnen gesagt, auf welch e Ebene sie gelan gen mußt en, und Wren hatt e dafür gesorgt, daß er als erst er dort ankam. Call war es ziemlich egal. Das Wichti gste schien, so weit und so schnell wie möglich von diesem Al ien wegzukom men. Wenn er wußt e, wie man die Tür aufbekam, um so besser. Wren balancierte auf einem schmalen Vorsp rung neben dem Ein gang, als Call zu ihm aufschloß. Er sah auf die and eren hinab, die noch auf der Leit er klett erten, und t ippt e einen Code in die kleine Tast at ur neben der Tür ein. »Schnell!« drängte ihn Call. Sie konnte n icht sehen, ob das Alien ihnen folgte. »Sie klemmt !« schrie Wren. Frustriert schlug er mit der Faust gegen die Tastatur. »Verdammt ! Ihre Waffe!« Er st reckt e die Hand aus, ohne Call d abei anzusehen, wie ein Chirurg, dem sein Assistent ein wicht iges Instrument reichen soll. Call schaute noch einm al h inab und är gerte sich, daß sie nichts sehen konnte. Ohne zu überlegen, r eichte sie Wren di e kleine automatische Waff e, d ie Vri ess ihr gegeben hat te. Sie dachte erst wieder daran, was sie get an hatte, als sie in die M ündung blickte, die d irekt auf sie ger icht et war. Wie konnte ich nur so dumm sein? - dacht e sie ent setzt . Ripleys Verschwinden und das Alien, das ihnen auf den Fersen war, hatten sie zu sehr abgelenkt. 180
Wren grinste sie überh ebli ch an, als er ihr aus kürzester Ent fernung in die Brust schoß. Call griff sich an die Wunde und starrt e Wren ungläubig an. Ihr e Glieder schienen gel ähmt , ihr Gehirn hört e auf zu arbeiten, während jedes Organ in ihr em Körp er verzweifelt um sein Leben k ämp fte. Sie ver lor das Bewußt sein, wankte und stürzt e die lan ge Röhre d es Fahrst uhl schacht s hinab. Von ganz weit her hörte sie noch wie Vriess »Neeeein!« schrie, als sie an ih m und Christie vorbeifiel, an Johner und an Ripley ... Ripley? Ripley? Du hast es geschaff t ...? Dann sch lug sie auf dem Wasser auf und versank, vorbei auch an dem unter getauch ten Alien, das sie t reiben sah, ohne eine Bewegun g zu machen. Calls l et zter Gedanke war, Ripl ey hat es geschafft, Ripley hat es geschafft. Ripley sah, wie Call an ihr vorbei in die Tiefe fiel und erstarrte vor Schr eck. Sie wundert e sich, daß sie so emp fand. Call schlug auf dem Wasser auf und gin g unter. Ripley sah, wie di e Frau an dem Alien vorbeitrieb, das sich nicht rührte, und auf den Grund sank. Irgend et was regte sich in ihrem Gedächtnis. Etwas ... Ein kleines blondes M ädchen, das in hüfthohem Wasser watete und ihren Namen rief. »Ripley! Ripley!« Sie eilte herb ei, um dem M ädchen zu helfen, ein Renn en gegen die Zeit und gegen die Ungeheuer. »I ch komme! Halt aus! Ich komme!« Aber als sie die Stelle erreicht hatt e, fand si e nichts. Nicht s als den Kopf einer Plastikpuppe, der unten im Wasser trieb, so wie jetzt Call. Sie hatte geschluchzt, geschrien. »I ch muß sie retten! Sie werden sie nicht töten, versteht ihr nicht, sie werden sie nicht töten ...« Sie erinnert e sich an die Tränen, sie erinnerte sich an die Gefühle, die sie schier zerrissen hatt en; Gefühle, die sie auch im Labor gespürt hatt e, als sie ihre Schwest ern sah. Sie b eobachtete, wie Calls Körper langsam v erschwand, und erinnerte sich an den Kop f der Puppe, der ebenfalls im Wasser verschwunden war. 181
Ripley sah hinauf zu Wren, der sie für seine Ziele geschaff en hatte. Wren, der Call k alt blütig getötet hatt e. Kaltblüt iger als die Aliens. Kaltblüt ig wie kein anderer. Der Doktor t ipp te einen neuen Code ein, dieses M al sicherlich den richtigen. Ripley hört e auf, ihre Gefühle zu analy sieren, und hetzte die Leiter hoch, vorbei an Johner, vorbei an Pur vis und Dist ep hano, vorbei an Christ ie und Vri ess. Vriess begann hysterisch zu brüllen: »Wren, du Bast ard! Du verdammtes Arschloch!« Außer sich vor Schmerz und Zorn lud der gelähmte M ann seine Waffe und schoß auf den Dokt or, aber durch seine Position auf Chr ist ies Rücken konnte er nur schlecht zielen. Die Kugeln zischten um Wren herum, aber dann öffnete sich die Tür, und er verschwand dahinter, gerade als Ripley den Vorsprung erreicht hatt e. Sie stürzt e sich auf die Türen, die kurz vor ihr zusammenglit ten. Es gelan g ihr noch, ihr e Hände zwischen den Türspalt zu bringen, und sie v ersuchte mit aller Kraft, sie wieder auseinan derzuzwingen, aber schließlich mußte sie die Hände wegziehen, und die Türen schlugen zusammen. Ripley stieß einen Schr ei aus, den gleichen Wutschrei, den sie über dem toten Alien ausgest oßen hat te. Frust riert hämmert e sie m it den Fäusten gegen die Tür. Ein Teil ganz hint en in ihrem Kop f fragt e sich, ob es ihr nicht besser gegan gen war, bevor sie ihre Gefühle ent deckt hatt e. »Vriess!« schrie Christie dem M ann auf seinem Rücken zu. »Vriess! Hör auf zu schießen, M ann, du bringst uns noch alle um.« Schließlich drangen die Wort e zu ihm durch, und er hörte auf. Christie sp ürte, wie sich Vriess auf ihn sacken ließ, völlig fert ig. »O Scheiße, Christ ie«, sagte er mit erstickter Stimme. »Dieser Hundesohn hat Annalee getöt et . Die kleine Annalee ...« »Ja, M ann«, sagt e Christie und spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. »Sie war eine Kämpferin. Eine tolle Frau. Es tut mir leid, M ann.« Vriess zitt ert e auf seinem Rücken, und Christie 182
hoffte, daß er nicht weint e. Wenn Vr iess jet zt durchdrehte, dann würde ihm das vielleicht auch bald passieren, und das konnte er sich nicht leisten. Nicht , solange er ihn trug. Plöt zlich fuhr Vriess zusammen. »O Gott, Christie. Beeil dich, um Himmels willen, b eeil dich!« Christie blickt e noch rechtzeitig genug hinab, um zu sehen, wie das Alien aus dem Wasser sp rang und begann, beh ende wie ein Affe die Leiter hinaufzuklett ern. Ein Affe auf Speed. Verdammt, war das Ding schn ell. Christie legt e zwei Gänge zu und wucht et e sich und Vriess di e Leiter hinauf. »M ach doch was!« brüllt e er Vriess zu. Er spürte, wie Vri ess an seiner Waffe hantierte. »Sie klemmt, verdammt noch mal!« M it einer Hand feuert e Christ ie nach unten auf das heranstür mende M onster, aber da Vriess auf seinem Rücken h ing, konnte er nicht direkt nach unt en schießen. Die Kugeln verfeh lten den Kopf des Alien und prallten als harmlose Querschläger von der Wand ab. Das Alien stieg ein paar Sp rossen höher und hielt plötzlich an. Als Christie nach unten blickte, sah er, wie das Biest sein silbernes M aul öffnet e. Dann spuckte es plötzlich nach ihnen wie eine monströse Kobra. Es hatt e gut gezielt. Die Speichelku gel traf Christ ie genau am Auge. Der Scho ck und der all es durchdrin gende Schmerz kamen so plötzlich, daß Christie aufschrie und die Leiter losli eß. Die beiden M änner stürzten hinab, auf das M onst er zu, während Christie sich brüllend an sein von Säur e zerfressenes Gesicht griff. Plöt zlich kamen sie zu einem abrupten Halt . Irgendwie hat te Vriess es gesch afft, eine der Leitersprossen zu erwischen. Der gelähmt e M ann verfügte in sein en Armen über enorme Kräfte, aber würden sie ausreichen, sie beid e zu halt en? Christ ie versucht e, nicht an die Säur e zu denken, die seine Haut und sein Gesicht wegfraß. Das Au ge war dahin, aber er wollte t rotzdem 183
leben. Gl eichzeitig wurde ihm jedoch klar, daß auf einmal er die Last für Vriess geworden war. Das war trauri g, wirkl ich. Verdammt traurig. Vriess gelang es, di e Sprosse auch mit seiner ander en Hand zu packen. M it seinem unverletzten Auge sah Christie, daß ihre Beine gef ährlich dicht über dem Kopf des M onst ers baumelten. Vriess begann, sich die Leit er hochzuziehen, doch p lötzlich schoß die Hand des Ali ens hoch und packt e Christ ies Bein wie ein Schraubstock. Christ ie stöhnte auf, als er den unmenschli chen Griff spürte. Er dachte an Elgyn. Und an Hillard. Das Alien zog an seinem Bein. Es hatte die Kraft von fünf, ja vielleicht sogar zehn M ännern. Christie hörte Vriess' Stöhnen, der sich mit al lem, was in ihm steckt e, an die Leiter kl amm erte. Plöt zlich dachte Christ ie an Kawlan g ... Er beugte sich über Vriess, mitten in einem gräßlichen Sumpf gebiet, und sah di e Schrapnellgeschosse, d ie in seinem Rücken steckten. Er erinnert e sich, wi e Vriess schluchzte, schrie. »Haut ab! Laßt mich hi er liegen! Ihr werdet alle sterben, wenn ihr mich nicht hierlaßt!« Er erinnerte sich, wie Elgyn sagte: »Vriess, halt verdammt noch mal dein Maul!« und Christie zunickte. Er erinnerte sich, wie Hillard den verletzten Mann auf seinen Rücken gebund en hatte, während John er die ganze Zeit herumstänkerte. »Wenn wir a lle hier draufg ehen, du Bastard«, fluchte Johner, »dann komme ich als Geist zurück und suche dich heim, du Arschloch.« Sie hatten es fast geschafft, als sie in den Hinterhalt geriet en. Daher hatte Johner die Narbe in seinem Gesicht. Er gab Vriess die Schuld dafür, daß er nicht mehr so >ein verdammt hübscher Bursche< war, und seitdem waren die Dinge ni cht mehr so wie früher. Aber vor allem erinnerte Christie sich daran, wie er Vriess auf seinem Rücken get ragen hat te, wie er dessen stämmigen Körper und dessen Gewicht auf sich gesp ürt hatte. »M ann, stirb mir bloß nicht , Partner«, hat te er immer wieder gesagt. »Du mußt mir den Rück en decken. Hör bloß nicht auf damit, M ann!« 184
Komisch, an was man dachte, wenn einem keine Zeit mehr blieb. Das Alien zog fast sp ielerisch an seinem Bein, und als Christie heruntersah, hätte er schwören können, daß es ihn angrinste. Es spielte tat sächlich m it ihnen. Vr iess klammerte sich k euchend an die Leiter. Jet zt wäre ich eigent lich an der R eihe, Junge, dacht e Christ ie, um dir den Rück en zu decken. Aber ich fürchte, wir sind am Ende. Und M ann, eines sage ich dir, ich hatt e noch nie solche beschissenen Schmerzen, ni cht so, noch nie. Das Alien zog erneut, und Vriess st öhnt e auf. Christie spürte, wie seine Hände langsam den Halt verloren, und es kam ihm vor, als seien es sein e eigenen. Johner traute seinen Augen nicht , als er sah, wie Vriess die Sprosse erwischte und ihren Sturz aufhielt . Das war eine tolle Leistung, aber jet zt sah es danach aus, als ließe das Glück den Krüpp el und Christie endgülti g im Stich. Er sah, wie sich das Alien offenbar einen Spaß mit ihnen machte. Er sah auch das schmerzverzerrte Gesicht Vriess', der verzweifelt versucht e, sein und das Leben sein es alten Freundes zu ret ten. Ohne nachzudenken, nahm Johner eine Waffe in jede Hand. Dann hakte er seine Beine über eine Leitersprosse und ließ sich wie ein Trapezkünst ler nach unten fallen, so daß er fast kop füber an der Leiter hin g. Er hielt sich mit den Beinen f est und hatt e die Arme frei. Dann zielte er auf den schwarzen Schädel, der unt er seinen Kamer aden auft auchte, und schoß. Die Kugeln f logen an den beiden M ännern vorbei, die hilflos an der Leiter h ingen, und dr angen t ief in den Kopf des M onst ers ein. Eine Sekunde lang passierte gar nichts. Dann explodiert e der Al ienkop f mit einem dumpfen Wum mern, und Blut und Gewebe flog durch die Gegend. Eini ges davon land et e auf der Leiter, wo es zischend in das M etall eindrang, aber Christie und Vriess blieben wi e durch ein Wunder von weit eren Verbrennun gen verschont. 185
»Hab' ich dich, du Bast ard!« brüllte Johner. Er schwang sich wieder die Leiter hin auf und setzt e seinen Aufstieg fort . Doch kaum hat te er sich aufgerichtet, als er über sich etwas anderes Schr eckl iches entdeckte. Sein Gesicht verzog sich vor Abscheu und Ekel, und er wäre fast von der Leiter gefallen. Zwischen zwei Rohren erstreckte sich ein großes Net z, in dem ein fettes, spinnenähnlich es Ding saß ... genau in der M itte. M it einem Schrei hob Johner seine Waffe und pustet e das verdammte Din g zu Brei. Dann wurde ihm mit einem Schlag klar, daß er überr eagiert hat te. Zitt ernd hielt er sich an der Leiter fest. »Ist es tot?« fragte Vriess atemlos. Er hi elt sich noch immer an der Leiter fest. »O ja«, hauchte Christie, der vor Sch merzen fast keinen Laut herausbringen konnte. »Es ist tot, das schon.« Auch wenn der Schmerz seinen ganzen Körp er erfaßt hatte, so spürt e er doch, daß die leblose Kreatur noch immer seinen Fuß umkl amm ert hielt. Er konnte sie nicht abschütteln. Wie ein tot es Gewicht baumelt e es unt er ihm, für i mmer an ihn gekett et . Vriess verlor langsam den Halt. Sie hatten keine Chance mehr. Vriess mußte ebenf alls nach unten geschaut haben. Er murmelte eine Litanei. »O Scheiße, Scheiße, Scheiße ...« Da hast du verdammt recht, alter Kumpel, dacht e Christie, dem der Schmerz fast den Verst and raubte. Er spürte, wie Vriess' Griff sich wieder etwas lockert e. Keine Ch ance. Die anderen hoch über ihnen mußt en eb enfal ls erkannt haben, was da vor sich ging. Aus der Ferne hörte er Distephano fluchen. Rip ley rief etwas. Vielleicht kamen sie nach unten aber sie würden es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Christ ie wußte, was er zu tun hatte. Blind griff er in seine Seitentasche und bekam das M esser zu packen. Ripleys Stimme drang zu ihm h erab, schrill, fordernd. »Christie, tu's nicht. Verdammt noch mal, nein!« Na so was! dacht e Chr istie, während er das M esser unter die 186
Riemen schob, d ie ihn und Vriess zusammenhielten. Ich war mir nicht mal sicher, daß sie meinen Namen kennt. Auch Vriess hat te gemerkt , was sein Freund vorhatte. »M ann, was ... was zum Teufel tust du ...? Christie! Nein! Neeein!« Hör auf zu schreien, Mann, dacht e Chr ist ie, und spar dir deine Kräfte. Die Schmerzen und das Gewicht an seinem Bein, das ihn in die Tiefe ziehen wollt e, hat ten ihn so geschwächt, daß er es kaum schaffte, die Riem en durchzuschneiden. Aber er mußt e es tun, sonst würden sie beide sterben. Er schloß die Au gen und legte noch einmal all seine Kraft in den letzten Schnitt. Er hört e, wie seine Freunde sein en Nam en schri en, au ch Ripley, als die Seile schli eßli ch nachgaben. Christie stürzt e zusammen mit dem Alien den Fahrst uhlschacht hinunter. Sie schlugen krachend gegen etliche St ahlt räger, bevor sie ins Wasser klat schten und schließlich darin versanken. Nachdem er von dem schrecklichen Gewicht seines Freundes und des M onsters befreit war, zog Vriess sich mit aller ihm noch verbliebenen Kraft die Leit er hinauf. Christie war gest orben, um ihn zu retten. Er durfte seinen Freund n icht entehren, indem er jetzt aufgab. Doch wie sollte er weitermachen? Zuerst Elgyn. Dann Hillard. Call. Und jetzt Christ ie. Aber Christie hatt e sich geopfert , damit er leben konnte. Er mußte leben. Und sei es, um von diesem Op fer Zeugnis abzule gen. M it all seiner Will enskraft zog Vri ess sich Sprosse um Sprosse hinauf. Er weinte. 11.
Ripley stand an der engen Röhr e, die den Schacht umrundete, und überlegte, was sie als nächstes tun sollten. Christies Op fer, so kurz nach Calls Tod, hatte ihren Gleichmut erschütt ert. Aber 187
sie hatte keine Zeit für Gefühle wie Trauer, nicht einmal Zeit dafür, sich einzugestehen, daß sie überhaup t Gefühle hatt e. Sie spürte, daß bereits ein neuer Krieger unterwegs war, um den zu erset zen, den Johner get ötet hatte. Sie mühte sich mit der Tastatur ab, mit der man die Tür öffnen konnt e. Hatt e Wren sie irgendwie beschädigt? Der Gedanke an Wren löste Wut in ihr aus. Ohne Zweifel befand er sich auf dem Weg zur Betty, um mit ihr zu flücht en. Sollten die ander en zurückbleiben und m it den Aliens fert ig werden. Distep hano und Purvis beobacht et en sie und wart eten darauf, daß sie irgendeinen Plan hervorzaubert e. Sie seufzt e entmutigt und fragte sich, wieso sie darauf kamen, daß aus gerechnet sie eine Antwort auf alles hat te. Dann fragt e sie sich, seit wann es ihr etwas bedeutete, was sie dachten. Zu guter Letzt taucht e auch noch Johners häßlicher Kopf am Rande der Leiter auf. Er hatt e nicht s Besseres zu tun, als zu ihr hinaufzusehen und zu fragen: »Und was machen wir jetzt?« Nicht er auch no ch! Und bevor sie ihm gestehen konnte, daß sie die Tür nicht aufbekam und auch keine Ideen hatte, ert önte plötzlich ein Pfeifsignal. Verwundert blickte Ripley auf die Tast at ur, an der ein Licht aufblinkte. Kurz darauf leucht et en die Lampen an den versiegelten Schachttüren auf. Alle standen mit einem Schlag still und richteten ebenso einmütig ihre Waffen auf die Tür. Niemand at met e. Hat Wren es sich überleg t und holt uns? dacht e Ripley, tat diesen lächerlichen Gedanken jedoch sofort wieder ab. Schließlich gab es ein e weitaus wahrscheinlichere M öglich keit. Sie haben gelernt, wie man die Türen öffnet. Sie sind schlauer als ich. Sie selbst hatte keine Waffe. Bewegungslos stand sie an der Wand und wart et e die sch lechten Neuigkeiten ab. Was konnte es sonst sein?Als sie auf di e Türen blickte, fi el ihr auf, daß Wasser 188
darunter hervorsickerte. Wasser ...? Schließlich öffneten sich die Türen mit einem Zischen, und Ripley schaute genauso ungläubig auf das, was sie sah, wie alle anderen. Call? Aber das war doch nicht möglich ... Die kleine Frau stand triefend vor Nässe vor ihnen, aber d avon abgesehen sch ien sie keine Schäden davongetragen zu haben. Sie sah die Grupp e einfach an und sagte freundlich: »Hier entlang, b itte.« Aber niemand bewegt e sich. Si e waren alle zu verblüfft . Noch immer h ielt en sie wi e hypnotisiert ihre Waffen auf Call ger ich tet. »Los jetzt!« herrschte sie die Grup pe an, um sie aus ihrer Lähmung zu lösen. Schließlich r eagi erten sie, und einer nach dem anderen gin g durch die Tür und trat auf der ander en Seite auf einen Schiffs gan g h inaus. Auch Vriess hatte schließlich das Ende der Leiter erreicht, und Purvis und Distephano ergriffen ihn b ei den Armen, zogen ihn hoch und schlepp ten ihn durch die Tür. Auf dem Gang brach er zusammen, während die anderen völli g erschöpft an den Wänden lehnten und langsam wieder zu Atem kamen. Vriess sah Call mit großen Augen an. »Baby, ich bin vi ell eicht froh, dich zu sehen. I ch war sicher, daß dieses Arschloch dich erwischt hat. Bist du verletzt?« Er st reckt e die Hand aus, aber sie wandt e sich von ihm ab, von allen, und murm elt e nur: »Es geht mir gut.« Ripley sah die anderen an und fand in ihr en Gesicht ern die gleich e Frage, selbst bei Vriess. Schließlich fr agte Distephano: »Trägst du eine Körperrüs tung?« »Ja«, sagt e sie abweisend. »Kommt jetzt.« Aber Rip ley glaubte ihr nicht . Sie hatt e Call am Bod en des Schacht s mit offener Jacke gesehen. Ihr dünn es nasses TShirt 189
hatte an ihren Ripp en geklebt . Sie t rug keine Körperrüstung. Ripley ging auf sie zu. »Die Kugel hat dich mit ten in die Brust getroffen«, sagte sie sacht. »Ich hab's genau gesehen.« Call warf ihr einen trot zigen Blick zu. »Es geht mir gut.« Ripley sah ihr in die Augen. Sie sucht e nach Ant worten, nach der Wahrheit . Call konnt e ihrem Blick nicht standhalt en. Ihr Kinn begann zu zittern, und dann brach sie schließlich zusam men, und die zähe, kleine M echanikerin heulte wie ein Kind, das sich verirrt hat. Ihre Tränen berührten Ripley t ief in ihr em Inn eren. Trotzdem beugt e sie si ch vor und zog Calls versiegelte Jacke auseinander. Sie war genau in die Brust getroffen worden, daran hat te sich nichts geändert - aber dort, wo man jetzt eigentlich Blut , Knochen und Lungengewebe hät te sehen müssen, enthüllte d ie häßlich e Wund e ein wirr es Durcheinander aus Co mputert eilen, künstlichen Organen, M emory-Komponenten und synorgani schen Drähten und Schläuchen. »Ein Roboter«, sagt e Ripley t onlos. Eine Erinnerun g blitzt e in ihr auf. »Ich ziehe den Begrif f >künstlicher Mensch< vor.« M üde schloß sie die Augen. »Ich werd' verrückt«, murmelt e Johner entgeist ert. »Die klein e Annalee st eckt voller Überraschungen.« Ripley ließ die Arme hängen und redete mehr zu sich selbst . »Ich hätte es wissen müssen. All dieser M ist über M enschlich keit. Niemand ist so beflissen wie ein Wiedergeborener.« Distep hano war nähergetreten und betrachtete fasziniert die blauweiße Flüssigkeit, die Call als Blut diente. Es war über ihre Brust und ihr T-Shirt gesp ritzt, aber offensicht lich hat te sie den Verlust irgendwie auf gehalt en, da sie i mmer noch funktioniert e. »Ich dacht e, diese Syntheten denken streng logisch und all dieser Scheiß«, sagte Johner zu der Grupp e. »Aber sie ist ein richtiger Psy chopath!« 190
Fast hätte Rip ley die Augen verdr eht . Wie schnel l Johner do ch eine Seelenverwandtschaft erkannt e. »Eine Terrorist in?« fragte Purvis nervös. »Dann war sie nicht hier, um uns zu beschützen?« Ripley versucht e die Antwort in Calls Augen, in ihrem Gesicht zu finden, aber die Frau - der Roboter - verweigerte sie ihr. Vriess konnte kaum sp rechen. »Du bist eine aus der zweiten Generat ion, st immt's?« Ripley durchst öberte ihr Gedächtnis, fand jedoch keinen Bezu g zu diesem Ausdruck. War es nach ihrer Zeit, und vor dieser? »Laßt mich in Ruhe«, f leht e Call, die ihre Tränen wieder unter Kontrolle hat te. Ihre Stimme allerdin gs nicht. Ihre Vokalspuren schwankten, ein Beweis für die Schwere ihrer Verlet zung. Die Worte kamen etwas verlangsamt aus ihrem M und, mit einem selt samen, mechanischen Echo. Es kl an g unheimli ch. »Call ...?« Vriess fordert e eine Antwort, vielleicht weil er glaubte, daß er eine verdiente. »Zweit e Gen?« Johner lachte prustend. »Verdammt , das erklärt eine M enge.« Ripley kannte den Ausdruck nicht, aber sie stellte keine Fra gen, sondern wartete ab und hörte zu. »Du bist ein Aut onom, nicht wahr?« fragt e Distephano. Er klang eher neugier ig als entrüstet. Wahrscheinlich dacht e er daran, daß Call ihm in der M esse das Leben gerettet hatt e. Johner hät te ihn kaltblüt ig getöt et , und zwar mit Ver gnü gen. Distep hano bemerkte die Verwirrun g Ripleys und erkannte, daß sie nicht verstand, worum es ging. »Roboter, di e von Robotern konstruiert wurden«, erklärte er. »M it hohen et hischen Werten und sehr emotional. Sie sollten die synt hetische Indust rie wiederbeleben. Statt dessen halfen sie dabei, sie zu Grabe zu tragen.« Ripley sah Call an. Sie dachte an B ishop. Dann dachte sie an Ash. Jetzt verstand sie. »Sie waren zu gut.« Distep hano nickt e. »Sie ließen sich n icht gerne sagen, was sie 191
tun sollten. Die Regierung start et e eine Rückrufaktion.« Seine Stimme klang nachdenklich. »Es gab ein verdammtes M assaker. Ich habe oft davon gehört, daß ein paar unversehrt davon gekom men sein sollen, aber M ann ... ich hät te nie gedacht, daß ich mal einen kennenlernen würde.« Ripley beobacht et e Vriess aus den Augenwink eln. Er sah enttäuscht und traurig aus, wie ein gebrochener M ann, jemand, der alles verloren h at . Purvis sah von einem zum anderen. »Großart ig. Wirkli ch großarti g. Sie ist also nichts als ein verdammter Toaster. Können wir jetzt gehen?« Die grobe Bemerkung schien genau das zu sein, was sie nach dieser letzt en Überraschung brau cht en. Alle atmeten tief durch. »Wievi el Zeit noch bis zur Landung?« fragte Johner d en Soldaten. »Weni ger als zwei Stunden«, ant wortete er. »Und wir sind vom Kurs ab«, mur melt e Johner. »Wir sollt en wirklich los.« Call hat te sich von der Grupp e abgewandt , scheinbar ganz mit den Rep arat uren an ihrem Leck beschäfti gt . Plöt zlich begannen alle auf einm al zu reden. Und wieder stand Ripley abseits und beobachtete, wie die Grupp endy namik sich erneut veränderte. Diesmal jedoch stand Call, wi e sie, außerhalb der Gruppe, von ihr getrennt . Und sie würde nie wieder dazugehören. Sie erinnert e sich d aran, wie Call ihr im Klonlabor den Flam menwerfer gereicht hat te. Das Gespräch stockte, und sie sah, wie Vriess verst ohlen zu Call hinüberschaute. Er wirkte traurig und ent täuscht. »M ein Gott ...«, hörte sie ihn angewid ert murmeln. »Okay«, meinte Johner, »dann schn ap p dir mal deinen Schrau benschlüssel. Viel lei cht braucht sie nur einen Ölwechsel. Und dieses Teil hätte ich bein ahe gefickt.« Voller Veracht ung sah Vriess ihn an. »Als hättest du's noch nie mit einem Androiden getrieben.« 192
Sie drifteten auseinander, dachten wieder als Individuen, nicht länger als Einheit. Ripley wollt e die Führung nicht übernehmen, doch es schien ihr nicht s anderes übri g zu bleiben. Christ ie war tot . Sie trat auf die anderen zu und fragte: »Wo genau bef inden wir uns, Distep hano?« »Auf den oberen Decks«, meinte er. »Alles Lad eräum e ... Die Kapelle ist hier oben, sonst nicht viel.« »Kommen wir von hier zum Rau mschiff?« Er dacht e nach. »Es liegt ein Paar Decks tiefer, aber machbar wäre es.« Johner kam ein wenig erfreulicher Gedanke. »Und wenn der gute Doktor die Betty als erst er erreicht ?« »Verdammt!« flucht e Vr iess. Ripley sah den Soldaten an. »Gibt's einen anderen Weg? Ein en schnelleren?« Er dacht e nach. »Hm ... Ja. Durch die Wand. Wir müssen di e Türblockade aufbrechen. Das wird ein Weilchen dauern. Haben Sie Werkzeu g?« wandte er sich an Vriess. Alle dachten an den zurückgelassenen Ro llst uhl.
Vriess schüt telte den Kop f.
»Werkzeug schon, aber keinen Schweißbrenner.«
»Dann jagen wir di e Tür in die Luft!« entschied Johner.
Distep hano zeigte zur Decke. » Wir sind ganz oben in diesem
Schacht . Das ist der Außenrumpf.« »Falls Wren es bis zum Comput er schafft«, fiel Ripley ein, »kann er uns fertigmach en.« Und das würde er tun. Ohne zu zögern. »Wir müssen zu einem Terminal«, r ief Johner.
»Auf diesem Deck gibt es keinen«, meinte Distephano. »Wir
müssen zurück.« Zurück? Rip ley starrte ihn an. Kommt nicht in Frage. Der Soldat stieß einen angewiderten Seufzer aus. »Außerdem kenne ich Wrens Paßwort nicht.« Sonst noch was? Habt ihr noch ein paar schlechte Nachricht en 193
auf Lager? Nervös fuhr Ripley sich mit den Fingern durchs Haar. Si e dacht e nach, suchte nach einem Ausweg ... Dann fuhr sie plötzlich herum, schaute zu der abseits stehenden Call h inüber, die immer noch an ihrem Leck herumfummelte, und trat auf sie zu. »Call.« Der Android sah nicht auf. Es war nicht zu erkennen, ob Call überh aup t etwas gehört hatt e. M it klarer Stimme sagte sie jedoch unvermitt elt : »Nein, das kann i ch nicht.« Johner hat te begriffen. »Scheiße! Klar hat die den M aschinentalk drauf!« »Verdammt«, murmelte Vriess. »Nat ürlich, du gehörst zu den neuesten M odellen. Du kannst dich von jeder Außenstation in den Haup tcomp uter einklinken.« Den Blick noch immer gesenkt , schüt telte Call heftig mit dem Kopf. »Kann ich nicht. Ich habe mein en M odemtreiber verbrannt . Wie wir alle.« Vriess beugte sich zu ihr hinunter. »Dann kannst du dich trotzdem noch mechanisch einstöp seln. Das weißt du.« Seine Stimme hatte ihren sanften Klan g wieder gefunden. Er mußte et was in Call berührt hab en, denn endlich sah sie auf und blickte ihnen in d ie Augen. In ihrem ausdrucksvollen, ach so menschlichen Gesicht spiegelt en sich Veracht ung, Wut und Ekel. Sie wußte, sie hatt e keine Wahl; sie sch lossen ein e Art Vertrag. Doch Ripley fühlt e sich nicht wohl dabei, ihn auf d iese Weise zu erzwingen. Aber hat irgend jemand von uns hier eine Wahl? »In der Kap elle gibt es Anschlüsse«, meint e Distephano bedrückt. Sanft legte Ripley die Hand auf die Schult er des Androiden. »Dann los«, drän gt e sie leise. Als sie merkte, daß al le Call und sie anstarrt en, wandt e sie sich um. »Und ihr«, rief sie dem Rest der Grupp e zu, »kümmert Euch um die Wand.« Als hätte sie ihnen ein Feuer unter dem Hint ern angezündet , 194
macht en sie sich sofort ans Werk. Als Rip ley und Call die kleine Kapelle betraten, wunderte sich Call über die Veränderung, die in Rip ley vorgegan gen war, und fragte sich, inwiefern diese mit ihrer eigenen Ver änderung zu tun haben mochte. Selbst die Vernichtung des Klonlabors hatte Ripleys eisige Zurückhaltung nicht zum Schm elzen gebracht, zumindest war davon nichts zu bemerken gewesen. Aber die schwieri gen Situationen, die sie gem eistert hatt en, der Tauch gan g dur ch die überflutete Küche und die Klett ertour im Fahrstuhlschacht, all das hatte sie letztendlich wohl doch berührt . Vielleicht hatten diese Erlebnisse di e wirkliche Ripley neu erstehen lassen. Vi ell eicht war diese geklont e Frau, deren ganzer Kamp f der Zerstörung der Aliens galt, jetzt endlich ganz und gar menschlich geworden. Gerade rechtzeitig wiedererstanden, um ihre M itmenschen noch einm al zu rett en. Sie hat wenigstens M itmenschen, d ie sie retten kann, dacht e Call bitter. Der Ausdruck auf Vriess' Gesicht, als er ihre Wunde sah und erkannte, was sie war, hatt e sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingegraben. Flüchtig überl egt e sie, wie Christie wohl reagiert hätte, wenn er noch am Leben gewesen wäre. Armer Vriess. Er hat alles verloren, was ihm je am Herzen gelegen hat, selbst mich. Er wird nie wieder so an mich denken wie vorher ... Seine Zuneigung zu verlieren bedeut et e ihr mehr, als sie jemals für möglich gehalten hät te. Ach Rip ley , dachte sie, du warst besser dran, als dir alles scheißegal war. Ich wünscht e, ich könnt e diese Verbindungen in mir finden und abschalt en. Aber diese menschli che, emotional mitfühlenden Reakt ionen waren fest in ihr v erdrahtet. Große Worte für den ehrli chen Liebeskummer eines Roboters. Sie sah sich in dem engen Raum um. Eine typ ische Kapelle, peinlich sauber gehalten und sehr klein. Es gab einen Altar und verschiedene religiöse Gegenstände, die je nach anwesender religiöser Gruppierung aus getauscht werden konnten: einen 195
Davidst ern, ein schlicht es silbernes Kreuz, eine grüne Flagge mit dem Halbmond, einen Wiccanstab aus Eberesche und ironischerweise - die weiße Friedenst aube. Bein ahe hätte sie gelacht beim Anblick dieses Symbols auf einer M ilitärstation, deren einziger Zweck es war, die t ödlichste biolo gische Waffe, die je ent deckt worden war, in den Griff zu bekommen. Das einzige religiöse Symbol, das h ier noch f ehlt, wäre ein göttliche Strahlung aussendender Computerchip für Typen wie Wren und Perez, die nur die Technik anbeten. Hinter dem kleinen Alt ar hatte man ein unechtes, von Lampen beleuchtetes Bunt gl asfenster an die Wand geschraubt. Die letzt e Zeremonie hier war wohl eine christ lich e gewesen, denn auf dem Altar vor dem Fenster steckt e das Kreuz. Unwillkürlich bekreuzigt e Call sich. Überr ascht sah Ripley sie an. »Bist du darauf programmiert ?« Call warf ihr einen bösen Blick zu. Nein, ich bin nicht darauf programmiert. Ich besitze ein funk tionierendes Gehirn und habe mich mit dem Thema beschäftigt. Zufällig glaube ich. Aber es hat keinen Sinn, das mit dir zu diskutieren. Du lebst noch n icht lange genug, um eine eigene Philosophie zu entwickeln, du Klon. Sofort fühlt e sie sich schuldi g. Wer war sie denn schon, daß si e so abfällig über ein menschliches Wesen denken konnte, eines mit einer wirklichen Seele. Wenn sie einst an ihr Ende kommen sollte, würde es für sie kein Leben nach dem Tod geben, ebensowenig wie für eine Glühbirne. Call mustert e die Bankreihen und entdeckt e eine Bibel. Sie zog sie aus dem Fach und schlug das elektronische Gerät auf. Unter dem Deckel aus unechtem Leder befand sich ein kleiner Bildschirm, auf dem stand: HEILIGE SCHRIFT. DRÜCKEN SIE START.
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Ehrfürchtig ließ Call die Fin ger über den Bi ldschirm gleiten. Wievi el Trost hatt en ihr einige Zeilen dieses Buches gebracht, nachdem sie von dieser M ission erfahren und sich ent schlossen hatte, den Auftrag anzunehmen, ungeacht et aller Risiken. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du b ist bei mir, dein Stock und dein Stab g eben mir Zuversicht. Ripley sah ihr über die Schulter, zog den Stecker aus der Bibel und hielt ihn ihr hin. »Bitte zwing mich nicht «, f lüst erte Call mit immer no ch brüchiger St imme. »Zwing du mich nicht, dich zu zwingen«, antwort et e Ripley. Beide sprachen mit gesenkter, ehrfürcht iger Stimm e. Schließlich bef anden sie si ch in einer Kirch e. Call wagte es, dem Klon in die Augen zu sehen. Das M itgefühl, das sie dort las, t raf sie bis ins M ark. Trotzdem prot estiert e sie noch einmal. »I ch will da nicht rein. M ein Inneres ist flüssig. Es exist iert nicht wirklich.« Was sie ei gentli ch sagen wollte, war : So l an ge habe ich vorge geb en, ein M ensch zu sein, so lange wurde ich als M ensch akzept iert, ich habe vergessen, wie es ist, Auton zu sein! Und das hier wird mich daran erinnern. Es wird mich wieder zu einer M aschine machen! Ich glaube nicht, daß ich d as ertragen kann. M it entschlossenem Gesichtsausdruck packte Rip ley sie am Handgelenk. Erschrocken erkannte Cal l, daß sie endlich aussah wie ein M ensch. Endlich wirkte sie wie die wirkl iche Ellen Ripley, die vor über zweihundert Jahren gest orben war. »Überwinde dich«, sagte Ripley sanft. Dann fügte sie das einzige hinzu, das trotz Calls Beschädigung und t rotz ihres Verlust s zu ihr durchdringen würde. »Du kannst das Schiff in die Luft jagen. Bevor es die Erde err eicht. Du kannst die Aliens töt en. Sie alle töten.« Das war der Anst oß, den Call gebraucht hat te, weswegen sie hierher gekommen war. Ihr e M ission. Ihr Sinn. 197
»Laß uns nur Zeit genu g, hier herauszukommen«, fügte Rip ley hinzu. Das ist der Grund, erkannte Call. Deswegen hast du immer überlebt, sie immer wieder geschla gen. Dein Ziel. Deine Bestimmung. Genetik? Umweltein flüsse? Persönliche Stärke? Egal. Du bist Rip ley. Du allein. Call nickte. Ihr war, als sei etwas von Ripleys Kraft - von Ripleys M enschlichkeit - auf sie übergegangen. Si e schob einen Ärmel hoch, sucht e das M uttermal auf ihrem Unt erarm und öffnet e es wie einen kleinen Deckel. Darunter wurden zwei Anschlüsse sichtbar. Sie nahm Ripley das Kabel aus der Hand, st eckte es ein und wartete, bis die automatischen Verbindungen ihren Tanz aufnahmen. Zuerst gesch ah gar nichts. Hat ten die Aliens den Hauptcomputer sabotiert ? Nein, das konnte nicht sein. Sie legte den Kopf zur Seite, horchte, wartete, sp ürte. »M ist «, flüst erte sie. »Was ist?« fragte Rip ley besorgt. »Warte ...« Als es dann funktioniert e, geschah alles auf einmal. In einem Augenbl ick war sie noch Annalee Call, von menschlicher, wenn auch beschädi gt er Gest alt , und im nächsten Augenbli ck war sie die Auriga. Behäbig. In Bewegung. Von Invasoren beset zt. Und dennoch merkwürdi g unberührt . So gleichgültig, wie es das in einer Roboterfabrik geferti gt e Kerngedächtnis der Annalee Call gewesen wäre. Zwar hatte man Call Gefühle und M oral implan tiert, aber wie ein neugeborenes Kind hatte sie erst lernen müssen, sie zu benutzen. Das Raumschiff hat te sich mit so etwas nicht herumzuschlagen, für es gab es nur Probleme und ihre Lösungen. Alles war entweder schwarz oder weiß, grau existier te nicht. Auch die Invasion war einfach ein Problem, d as es zu lösen galt. Ein noch nicht gelöstes Problem. Aber es arbeitete daran. 198
Als Auriga wußte sie alles, sah alles, hört e al les. Sie sah sich selbst, ihr Annalee-Selbst, neben Rip ley in der Kapelle sitzen. Sie sah aus wie eine abgest ellt e Puppe, die Au gen auf gerissen, ohne zu sehen, die Pup illen stark geweit et . Rip ley neben ihr wirkt e besorgt. Irgendwie rührt e es sie, daß di ese Frau, dieser M ensch, sich um sie sor gt e. Natürlich war Ripley nicht wirklich menschlich ... Nein, ihre M atrix verwarf diesen Gedanken. Ripley war voll kommen menschl ich. Ihr Bluttyp , ihre Fingern ägel, ihre Fähi g keit, unt er Wasser zu exist ieren, ihre Kraft - all das hatte letztendlich keine Bedeutung. R ip ley war ein M ensch. Und das verletzte Call. Das Sch iff war auf ein e neue, beunruhigende Weise berührt. Es würde das überprüfen müssen. In der Zwi schenzeit durchleuchtete es sich selbst auf der Suche nach Informationen. Es wollte, mußte alles wissen. Ripley rief sanft »Call, wie sieht es aus?« Das Schiff antwortete sofort . Ripley kannte keine Paßwort e, deshalb löscht e Call diese Anforderung. Sie beeilte sich, ihr alles zu sagen, so schnell sie konnte. »Störung in Sektor sieben, Sektor drei. Sektor neun instabil. M aschinen arbeiten mit sechsundachtzig Prozent. Noch sechs undvierzig M inuten bis zur Erdlandung.« Und mehr, so viel mehr, daß das Schiff, in dem Bemühen, alles mit zuteilen, im mer schneller und schn ell er sp rach. Schließlich berührte Ripley ihren Arm, und die Wärme der menschlichen Berührung erschüt terte das Schiff, veränd erte es. »Ruhig, Call. Kannst du jet zt zurückkommen?« Der Android blinzelte, während er s ich von dem Co mputerhirn des Schiffes löst e und wieder zu Call wurde, einem mißbr auch ten, leicht beschäd igten Auton. Sie schüt telte sich und meinte zu Ripley: »Wir haben zuviel Energie verbrau cht . Ich kann keine krit ische M asse bilden, ich kann es nicht in die Luft jagen.« Sie hatte ihre Gefühle wieder, und es waren die trost losesten, die sie je gehabt hat te. 199
Ripleys ruhiger, eindringlicher Blick hielt sie weiter umfan gen. »Dann zerschmettere es«, sagt e sie ent schlossen. Während alle fieberhaft damit beschäftigt waren, die ver schlossene Tür aufzubrechen - Vriess bemüht, die Rolle des Anführers aufrechtzuerhalten, obwohl er mit dem Herzen nicht dabei war , versuchte Larry Purvis, den Gedanken an die bizarren Umst ände, die ihn in diese Lage gebracht hatt en, zu verdrängen. Andernfal ls würde seine Wut auf jeden einzelnen, mit dem er hier zusammenarbeitete, außer Kontrolle ger at en. Es lag eine gr ausame Ironie darin, daß seine einzige Ret tung in den Händen eben jen er M enschen lag, die ihm dies angetan hatten, aber das war nun einmal die Realit ät . Und Purvis war Realist. Er arbeitete härter als je zuvor in sein em Leben, ohne seinen Gedanken freien Raum zu lassen. Er rammte eine Stange in eine Ecke der Tür, um die Hebelkr aft auszunützen und sie aufzubre chen. Keuchend warf er si ch dar auf und wartete, bis sein Gewicht die scheinbar unb ewegliche Tür in Bewegung setzt e. Ein heftiger, stechender Sch merz in seinem Brust korb ließ ihn die Luft anhalten. Er packte sich an die Brust . Sofort hielten auch alle anderen bei der Arbeit inne. Trotz seines Schmerzes bemerkte Purvis, daß Johner und Distephano ihre Waffen in Anschlag hielten. Nein! Nein, so darf es nicht end en, so sinnlos, so dumm! NEIN! Er biß di e Zähne zusammen und wartete. Dann, so schnell wie es gekom men war, verschwand es. Purvis atmete zweimal t ief durch. Es war vorbei. Die Nerven vielleicht . St reß? Ja, Streß. Schwach lächelt e er den anderen zu, die ihn mißtrauisch beäu gt en. »Ich bin okay. Ich bin okay. Wirklich. Ich fühle mich gut.« Er nickte heft ig mit dem Kop f, als könne er sie mit einem gekünstelten Lachen und ein em zu breiten Grinsen überzeugen. Die Waffen wurden gesenkt, und alle wandten sich wieder der Arbeit an der Tür zu. Aber Purvis wußte, daß sie ihn aus den Augenwinkeln heraus 200
beobachteten. Ripley sah zu, wie Call sich wieder einst öpselt e, ihre Lider erstarrt en, die Pupillen weiteten sich, erst die eine, dann die andere. »Landeplatz neu bestimmt ... Neue Flugricht ung sieben, sechzig vier null drei. Quadrant unbewohnt. Bremssyst eme außer Kraft, Beschleunigung steigern. Zeit bis zum Aufp rall jetzt dreiundvierzig M inuten, acht Sekunden.« »Versuch uns den Weg zur Betty fr eizumachen«, erinnert e Ripley sie. »Und wirf sie an.« Call b linzelt e einmal, wie zur Best ät igun g, dann f iel si e wieder zurück in ihre Trance. Die Auriga kontrollierte die Gänge auf dem Weg zu dem nicht registriert en Schiff. Si e öffnet e vier Luken hintereinander, um den Zugang zum Schiff zu ermöglichen. Si e loggte sich in die Betty ein und nahm sie in Bet rieb. An Bord der Bett y gingen die Lichter an, Bildschirme und Anzeigetafeln leu cht et en auf, der M otor erwachte brummend, und das Pirat enschiff b egann seinen Ei gencheck vor dem Aufwärmen. Zurück in der Kap elle, meldete sie R ip ley über Call : »Schiff in Aufwärmp hase, Treibstoff ausreichend ...« Das Schiff hielt inne. Ir gend etwas ... »Bewegungen auf der Auriga, Decks sechs bis neun. Video nicht funktionsbereit . Versucht e Neuausrichtung - ohne Erfolg, Halt, t eilweise Sicht im Abfallt ank. Nicht aut orisierte Anwesen heit ...« Neben Calls körperlicher Hülle fragte Rip ley : »Nicht autori siert?« »Nicht menschlich«, präzisierte das Schiff. Ripleys Stimme verändert e sich. »Wie vi ele?« »Einen M oment«, sagte Call/Auri ga. »Notschaltung in Termi nal fünfundvierzi g V, Deck eins ... Handabdruck ID ...« Call blinzelte und, wieder zurückgekehrt, wandt e sich zu Ripley um. M it ihrer eigenen St imme sagte sie: »Wr en. Er ist 201
fast an der Betty.« Ripley zog die Augenbrauen hoch. Wrens herablassenden Tonfall nachahmend, fragte sie Call: »Und, wie stehst du dazu?« Dr. M ason Wren erreichte die nächste verschlossene Luk e. Diese Türen hielten ihn zwar auf, aber mit seinem TopSecretCode waren sie k ein wirkl iches Hind ernis. Inzwischen war er nur noch fünf Türen von der Betty entfernt . Befand er sich erst einmal an Bord des kleinen Piratenschiffs, konnt e er sein Wissen über die Auriga und sein e Paßworte für den Schiffscom puter einsetzen, um das große Gefährt von außen zu kontrollie ren. Er würde das M ilitärschiff anhalten und es in eine sichere Umlaufbahn um den nächst en Planeten bringen. Lag es dann erst einmal ruhig, würde er den Generalst ab verständigen, und der würde ihm alles schicken, was er zur Reparatur des Schiffes benötigte, außerd em genü gend Truppen und Ausrüst ung, um das gesamte Schiff einzugasen und jed en Alien auß er Gefecht zu set zen, bis sie sie alle unt er Kont rolle hatt en. Dann konnt e er seine Nachforschungen m it mehr Probanden fortsetzen, als er sich je hätte träumen lassen. Aber alles d er Reihe nach. Erst einmal galt es, an Bord der Betty zu gelan gen und sie in Gan g zu bekommen. Er bedauert e immer noch, den Ripleyklon auf der Flucht verloren zu haben, aber immerhin hatte er ihn eine Zeitlang studieren können. Und jetzt, wo er so viele Exemp lare der Aliens bekommen würde, wie er sich nur wünschen konnte, mußte er sie wohl nicht noch einmal klonen. Nicht , daß er es nicht gekonnt hätt e. Sie hatten noch unzählige Zellp roben ihres jetzigen Körpers auf Eis liegen. Jetzt wäre es ein lei cht es, Hunderte von Ripleys zu klonen, jede mit einer Köni gin in sich. Wren stand vor der verschlossenen Tür und t ippte sein Paß wort ein. Die Lämpchen auf dem automatischen Schloß blink ten, und das rote >Geschlossen< Signal schalt et e auf grün. M it einem du mpfen Geräusch sprangen die Türschlösser auf. 202
Vaters Stimm e ert önte: »Notschaltung best ät igt .« Die massive Tür begann sich zu heben. Nervös schaute Wr en sich um, st et s auf der Hut vor ir gendwelch en Anzeichen von Aliens. Er war schon so nah ... Nur wenige Zentimeter über dem Boden blieb die schwere Tür plötzlich stecken. Viel zu tief für einen erwachsenen M ann, um sich darunt er durchzuquet schen. Wren runzelt e die Stirn und tippte seinen Code erneut ein. Aber diesmal reagiert e Vater nicht. Gerade wollte er den Code ein drit tes M al eingeben, als plöt z lich alle Licht er im Flur aus gingen. Er stand in nahezu völl iger Dunkelheit , nur von den Instrument ent afeln und Notlichtern ging ein schwaches Leuchten aus. Wren spürt e, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Nervös schaute er sich um, in seiner Keh le saß ein di cker Klumpen. Er fuhr sich über die trockenen Lippen und sagte leise: »Vater, Systeme auf fünfundvierzig booten. Paßwort >Starlin g<.« Eisiges Schweigen antwort et e ihm. Obwohl ihn fröstelte, brach Wren der Schweiß aus allen Poren. Konnten die Aliens das verursacht haben? Einen so umfassenden Energieausfall, oder einen so tot alen Computerabsturz, daß ...? »Vater, Ener giever lust lokalisier en. Bericht.« Immer noch Schweigen. »Vater?« Die Stimm e, die ihm aus den Lautsprechern entgegenschallt e, war jung und weiblich. »Vat er ist tot, du Arsch.« Er erkannte sie sofort. Es war die St imme dieser klein en Terroristin Call, die er in Rip ley s Zelle erwischt hatt e. Er wirbelt e herum und versuchte, sie zu ent decken. Aber die Stimme war über all, ganz so wie die von Vater es immer gewesen war. Die Tür, die er hat te öffnen wollen, kracht e plötzlich herunt er und verfehlt e nur knapp seine Zehen. Die Schlösser schnap pten ein. Ihr Klang war endgültig. Unumkehrbar. 203
Wie an gewurzelt st and Wren da und starrte versteinert auf die Tür, auf das ganze Sch iff, das soeben zu seinem ein geschwo re nen Feind geworden war. Hinter ihm öffnet e sich eine ander e Tür. Er konnte die Notbe leucht ung wie einen Pfeil in seine Richtung pulsieren sehen. Verdammt, das war die falsche Tür, die völli g falsche. Niemals würde er durch diese Tür zur Betty gel an gen. Calls Stim me hallt e durch das Schiff. »Eindringling auf Deck 1. Eindringling auf Deck 1. Alle Al iens umgehend auf Deck 1. Dort befindet sich Dr. Wren.« Wren überf iel Panik. Er ließ von der Tür ab und stürzt e keu chend zurück in den Flur. Ripley sah zu, wie Call den Stecker aus dem Anschluß in ihrem Arm zog. »Du kannst ja richtig bösarti g sein«, sagte sie lächelnd. »Das gefäl lt mir.« Call ver mied es, sie anzusehen. »Das war's. Das sollte reichen ...« Wieder rutscht e ihre Stimme ab, klan g mechanisch. »M ist !« Sie wühlte in dem Leck in ihr er Brust herum und versucht e, sie zu reparieren. Ripley beugt e sich vor, um ihr zu helfen. »Laß mal sehen ...« Call wich zurück, weiterhin Ripleys Blick ausweichend. »Faß mich nicht an.« Bet roffen richtete Ripley sich auf und st ellt e die Distanz zwischen ihnen wieder her. Die Zurückweisung schmerzte, und das ärgert e sie. »Du findest das wohl ziemlich komisch«, bru mmte Call immer noch mit fremdart ig klingender Stimm e. Sie hob den Kopf und sah Ripley trotzig und wüt end ins Gesicht. Ripley seufzt e. Plöt zlich fühlte sie sich sehr müde. »Ja. Aber in letzter Zeit finde ich eine M enge Din ge komisch. Und ich bin mir nicht sicher, ob si e es wirklich sind.« Call warf ihr einen wütenden Blick zu und explodierte. 204
»Warum lebst du überhaupt noch? Wie erträgst du das? Wie erträgst du dich?« Ihre schwankende, mechanische Stimme klang immer bizarrer. Ripley zuckt e mit den Schultern. »Keine andere Wah l.« Ei gentlich hatt e sie nie eine Wahl gehabt, nicht von dem M oment an, als sie auf einem Schiff namens Nostromo vorzeitig aus dem Hyp erschlaf geweckt worden war. Egal, Call meinte im Grunde ja nur sich selbst und nicht Rip ley . Call wandte ihr e Aufmerksamkeit wieder ihren Eingeweid en zu und kämpft e mit den Instrument en, die ihren Sprachme chanismus regelten. »Du bist wenigstens teilweise menschl ich! Ich bin nur ... Ich bin nur ... Scheiße. Sieh mich doch an ...« Ripley gehorchte und blickte in das Leck in Calls Brust, auf das triefende, weiße Durcheinand er von zerrissenen und klebrigen Fasern. Es kam ihr merkwürdi g vert raut vor ... Sie blinzelte, als sie sich an Bishop erinnerte, seinen M ut, seine M enschlichkeit . »Ich bin abst oßend ...«, kl agt e Call bitter. Ihre Stimme wurde immer lan gsamer und kl an g leise und seltsam, wie eine schlecht aufgenommene Sy nchronst imme. Obwohl Ripley wußte, daß das Problem mechan ischer Art war, klang es in ihren Ohren wie Verzweiflung. »Warum wurdest du nicht m it den anderen zerstört?« fragt e sie. Call sah ihr direkt in die Augen. »Um dich zu töten. Erinnerst du dich nicht ?« Sie hielt einen M oment inne und setzte ihre Selbst reparatur dann fort. »Vor der >Rückrufaktion< bevor für uns alles zusammenbrach - bin ich in d en Haup tcomputer eingedrungen. Den von der Verteidigung. Und da fand ich jede dreckige kleine v erdeckte Op erat ion, die sich die Regierung jemals aus gedacht hatt e. So gar d iese hier. Di e Plän e, Perez' Verwick lung darin, di e Aliens, dich ... Sogar die Idee, d ie M annschaft der Betty anzuheuern. Und mir war klar, wenn sie mit ihren Plänen durchkämen, wäre das ihr Ende.« Ihre St imme 205
war wieder im Klang, der r icht ige Tonfall, di e richtige Ge schwindigkeit. »Das Ende der M enschheit .« Ripley konnte ein Lächeln nicht unt erdrücken. In dem Ganzen lag eine schreckliche Komik. »Was kümm ert es dich, was mit ihnen geschieht?« »Ich bin nun mal so programmiert , okay ?« brauste Call auf. Ripley begann zu lachen. »Bist du auch darauf programmiert , so ein Arsch zu sein? Bist du das neue Arsch-M odell, das sie jetzt herausbringen?« Call konnte nicht anders, auch sie begann zu lächeln und stimmte dann in Ripleys Lachen ein. Aber sie wurde rasch wieder ernst, und als si e sp rach, schwang in ihrer Stimme eine Anteilnahme, die sie zuvor nicht gezei gt hatte. »Ich konnte sie nicht einfach machen lassen«, erklärt e sie Ripley. »Ich konnt e sie sich doch nicht selbst zerstören lassen. Er gibt das einen Sinn? Kannst du das verstehen?« Ripley überlegt e. »Ich habe es einmal verst anden.« Sie ließ ihren B lick durch di e Kapelle schweifen. Vor ihr en Augen taucht en blitzartig Gesicht er, Namen und Erei gnisse auf, mehr ein Durch einander in ihrem Kopf als zusammenhängende Erinnerun gen. »Ich ... Ich habe versucht ... M enschen zu retten ... Ver geblich. Da war ein M ädchen. Ein kleines blondes M ädchen. Si e hatte Alpträume. Ich habe versucht, ihr zu helfen ... und ... sie ist gestorben ... Ich k ann mich an ihren Namen n icht mehr erin nern.« Call streichelte ihre Hand und zog sich dann wied er zurück. In diesem M oment kam Dist ephano herein. »Sind Sie glei ch soweit ?« »Sofort«, antwort ete Ripley. Der Soldat verließ die Kapelle, und di e beiden Frauen fol gt en ihm zur Tür. »Träumst du eigent lich ?« fragte Rip ley neugieri g. 206
Ausweichend ant wortete Call: »I ch ... wir besitzen neurale Prozessoren, die durch ...« Sie unterbrach sich und setzte neu an. »Ja.« »Wenn ich schlafe«, meinte Rip ley und schloß die Augen, »dann träume ich davon. Von ihnen. Jede Nacht. Es ist, als wären sie überall um mich herum. In mir drin.« Sie hörte das kleine M ädchen sagen : Ich will nicht schlafen. Ich h abe schr eck liche Träume. »I ch hatte mal Angst vor diesen Träumen, aber das ist vorbei.« »Warum?« fragte Call. Ripley fixiert e das Bunt glasfenst er. »Egal, wie schlimm die Träume sind ... wenn ich aufwache, ist die Realit ät immer schlimm er.« Ripley überlegt e, was für eine Art übernat ürliches Wesen wohl den Gebeten eines Androiden lauschte, und dann fr agte sie sich, ob es wohl auch den Gebeten eines Klons Gehör schenken würde ... Schwei gend verl ießen sie d ie Kapelle. Als sie hinaust raten, ertönt e die Stimme des Bordcomp uters - jetzt auf Calls Stimme programmi ert - über das ganze Sch iff. »Lüftungssysteme stabilisiert . Sauerstoffgehalt dreiund vierzig Prozent .« Call wirkte überrascht. »Ist das meine Stimme?« Ripley nickte. »Schiff e sind sowieso von Natur aus weiblich.«
12.
Rasch, aber imm er auf der Hut, lief en sie durch di e Flure, an
der Spit ze Johner, Dist ephano und Call trugen Vriess, hinter
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ihnen lief Purvis und als let zte kam Ripley. Ripley hört e Distephano vor ihr sagen: »Jet zt ist es nicht mehr weit.« Purvis seufzte. »Gut, ich bin hundemüde ...« »M ann, komm schon«, zischt e Johner, dessen Nerven kurz vor dem Zerreißen standen, »schlaf en können wir, wenn wir tot sind.« In diesem M oment sp ürte Rip ley et was Glitschiges unter ihren Füßen. Sie bl ieb stehen und sah auf den Boden. Unt er ihr em Stiefel waberte eine durchsicht ige, gel artige Schmiere. Auch die anderen bemerkten sie, als sie hineint raten. Sie kämp fte gegen den Drang, gab dann nach, bückt e sich und berührte sie mit den Fingern, um sicherzugehen. Der Schleim t ropft e dickflüssig von ihrer Hand. Ja. Sie. Purvis sah sich um. »Schlecht es Zeichen, wie?« Ripley mustert e den Weg, den sie gekommen waren, und blickte dann nach vorn. »Wir müssen ganz in der Nähe des Nests sein.« Obwohl sie nicht hätte sagen können, warum oder woher, wußte sie instinkt iv, daß die Aliens dort versammelt waren. »Na gut«, meinte Vriess ungeduldig, »dann gehen wir eben woanders lan g.« Dist ep hano verwarf diese M öglichkeit. »Einen anderen Weg gibt es nicht . Dies ist der einzige.« Johner krümmte sich vor Angst. »Nein! Ver giß es! Da gehe ich nicht lang!« »Der Soldat hat recht«, meinte Call m it gedrückter St imme. »Ich habe das Schiff untersucht. Wir müssen hier entlang ... Wenn wir nicht den ganzen Weg zurück wollen.« »Damit kann ich l eben«, verkünd et e Vriess. »Wir könn en umkehren ...« »Dazu reicht die Zeit nicht mehr«, sagte Call kurz. Sie schaut e zu Ripley hinüber. »Wir haben no ch fast neunzig M inuten!« beharrte Johner. 208
Call zögert e einen M oment und schütt elt e dann den Kop f. »Nicht mehr.« »Was soll das heißen?« fragte Dist ep hano. Johner bemerkte, wie die beiden Frauen einen Blick t auschten und exp lodierte. »Was hast du gem acht, Android?« »Ver giß es«, fuhr sie ihn an. Aber Johner hörte nicht mehr zu. Drohend kam er auf Rip ley zu, »Hey, wenn du mit deinen kleinen Brüdern und Schwestern hier st erben willst, okay. Aber ich möchte noch etwas länger leben als heute, und wenn di eses Stück Plastik da« - er st ieß seinen Daumen in Calls Richtung - »ir gendeinen Scheiß baut, dann bringe ich sie um.« Er wirbelte zu Call herum. »Dich bringe ich um! Geht das in deine Kabel ein? Oder soll i ch es dir ...? Ripley war bei ihm, ehe er Luft holen konnte. Ein e Hand schoß vor und p ackte seine zapp elnde Zunge ... die andere hielt seinen Kiefer umk lam mert. Er erst arrte, nicht mehr in der Lage, auch nur noch ein einziges Wort zu sagen. Ripley näherte sich seinem häßlich en Gesicht bis auf weni ge Zent imet er. »Das gäbe eine fant astische Halskette«, schnurrt e sie und zerrt e drohend an seiner Zunge. Dann ließ sie los. Johners M und schnappt e zu und blieb es. Ripley wandte sich an Distephano. »Wie weit noch bis zum Dock?« »Hundert M eter etwa«, schätzte der Soldat . Wie ein M ann starrt en sie in den verbot enen Flur. Er wirkte verlassen, aber ... »Also, was machen wir?« fragt e Vriess müd e. Sie sahen si ch an. Die Antwort lag in der Luft. Sie war eindeutig. Keine Wahl. Wieder einm al. Ohne weiter zu diskutieren, hoben Call und Distep hano Vriess hoch, und p lötzlich rannten alle so schnell sie konnten den Flur entlang. Ripley lief als letzte. Sich i mmer wieder umschauend, rannte sie h inter den ander en her. Dann plötzlich traf es sie. Sie. Hinter ihren Augen. In ihrem Geist. In ihrer Seele. Sie. Sie 209
kamen sie holen. Si e t aum elt e, versuchte weiterzulaufen, konnte nicht. Sie sank auf die Knie. Call mußte Vr iess an Purvis weitergegeben h aben, und plöt z lich st and sie über ihr und schüt telte sie. »Ripley? Ripley ? Was ist los?« Das schreckliche insekt enart ige Summen in Ripleys Gehirn macht e sie beinah e t aub für Calls Wort e. Sie schüttelte den Kopf, p reßte die Hände auf die Ohren. Ihr Gesicht war schm erz verzerrt . Sie versucht e, eine Warnung hervorzupressen. »Fehler ...! Fehler ...!« »Ripley!« schrie Call hilf los. »Ich höre sie«, keuchte der Klon, den Tränen nahe. Schmerz und Entsetzen überwältigten sie. Sie verlor sich selbst , ihre Identit ät , ihre M enschlichkeit. Sie überwältigten sie. »Der Stock ... Er ist ganz nah. Wir … sind genau über dem Stock ...« Sie waren beide so sehr mit Ripley beschäftigt, daß sie d en Niet nicht bemerkten, der sich dir ekt neben Ripleys Fuß aus dem Boden bohrte. »Ich kann sie hör en«, würgt e Rip ley heraus. Jedes Wort schnit t wie ein M esser in ihre Kehle. »Ganz nah ... Ganz nah.« »Himmel!« r ief Call und zerrte nervös an ihr. »Komm weit er!« Aber Ripley war wie an gewurzelt . Sch merz und Entsetzen macht en jede Bewegung unmöglich. »Ich höre sie ... Die Königin!« Unbeachtet bohrte sich ein zweit er Niet aus dem Boden. »Die was ...?« fragte Call. Wie durch ein en Nebel wurde Rip ley klar, daß Call von den Familienstrukt uren der Aliens keine Ahnung hat te. Und sie war nicht in der Verfassung, jetzt ins Detail zu gehen. »Sie hat Schmerzen ...!« Plöt zlich bemerkte sie eine Bewegung unt er sich und wurde sich der Gefahr, in der sie sich befand, bewußt. Sie blickte nach 210
unten und sah, wie die Hand eines Alien durch das Lüftungsgit ter nach oben schoß, eine Bodenplatte packte und sie heftig nach unten zog. Als der Boden unter ihr weggerissen wurde, taumelt e Ripley und rut schte langsam nach unten. Zapp elnd suchte sie nach einem Halt, versuchte, sich an der Fußbodenkant e vor ihr festzuklammern. Si e sah, wie Call entset zt die Hand nach ihr ausstreckte, aber es war zu spät. M it einem Ruck fiel sie nach unten. Calls Kop f verschwand beinahe in dem Loch, das sich plöt z lich im Fußboden auf getan hatte, während sie die Hand nach der verschwindenden Rip ley ausstreckte. »Ripley!« rief sie in die Dunkelheit unter dem Fußboden hinein. »RIPLEY!« »Was zum Teufel ist da los?« brüllte Johner und l ief zu ihr zurück. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht!« Call geriet in Panik. »O mein Gott!« stöhnte Johner. Vriess zog sich an den Rand des Loch es heran und packte Call an ihrer Bluse. »Annalee, du fällst! Komm zurück!« Sie bemerkt e die Sor ge nicht, di e in seiner Stimme schwan g. Ihr ganzes Denken galt einzig dem schwarzen Loch, in dem Ripley verschwunden war. »Hier!« meint e Distephano und drückte ihr eine Taschen lamp e in die Hand. Call beugte sich wieder über das Loch, aber alles, was sie erkennen konnte, war ein schwaches, weit ent ferntes Leuchten. In weiter Ferne kreischte etwas, aber es war nicht Rip ley . Sie knipste die kleine Lamp e an. Ihr Licht beleucht et e eine Szener ie, die direkt aus der Hölle zu stammen schien. Zunächst meinte Call, in eine ab grundtiefe Schlangengrube zu blicken, ein Nest voller Gewürm, aber dann erkannt e si e, daß alles, was sie sah, all di e schwarzen, gl änzenden, sich windenden Teile zu ihnen gehörten. Den Aliens. 211
Unzählige von ihnen, gemeinsam arbeit end, Seit e an Seit e, Rücken an Rü cken. Ein ungeh eures Gewirr von Schwänzen, Schäd eln, Armen, alle schimmernd und sich wind end wie ineinand er verschlungene Schlangen, die i m Licht der Lampe um sich schlugen. Und inmitt en dieser wimmelnden, kl ebrigen, lebendi gen M asse lag Ripley, wehrlos, festgehalten, mit ausgest reckt en Armen auf dem Rücken liegend. Vor Calls inn erem Au ge erschien plötzlich das Kreuz in der Kapelle, und sie mußte blinzeln. Beinahe hätte sie nach Ripley geruf en, der en Augen weit geöffnet nach oben starrt en, aber dann merkte sie, daß Rip ley sie nicht sah. Sie sah nur noch eins - ihre Zukunft. Während Call und die anderen in angewiderter Faszination in das Loch starrten, versank Ripley langsam in d er M asse der sich bewegenden Aliens, ganz allmählich, wie in Treibsand ... bis sie völlig verschwunden war, bedeckt von den Körp ern der Wesen, die sie zurückerobert hart en. * Zuerst spürte Ripley nur den Schock, dann Entsetzen, dann Ekel, als sie mitten in der wabernden, wogenden Alienmasse landete. Dann war da eine schreckliche, grenzenlose Panik, als sie sich mit ihr bewegten, g egen sie, sie umarmten, sie akzeptier ten, aufnahmen als eine von ihnen. Aber diese Gefüh le lösten sich rasch auf, als der Teil von ihr, der nicht wirklich Ripley war, die Oberhand gewann. Und als die Wärme ihrer Körper sie umgab, als sie in ihrer kollektiven Masse versank, spürte sie, wie eine große Lethargie si e überkam. In der Stille di eses Augenblicks wurden ihre Lider schwer, ihr Körper schlaff, und ohne es zu merken, fiel sie in einen tiefen Schlaf. Und da war es, wartete auf sie ... Ihr Sehnen nach der dampfenden Wärme des Nests, die Stärke und Geborgenheit ihrer Art. So lange hatte sie die Einsamkeit 212
ihrer Individualität getragen. Nur im Schlaf konnte sie zu ihnen kommen, mit ihnen jubeln. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Sie hatten das Nest gebaut. Es wurde Zeit für sie, sich mit den anderen Kriegern zu vereinen und der König in zu dienen. Das war es, wofür sie lebte. Im Schlaf schlug Ripley, die Krieg erin, mit dem Schwanz und übermittelte jed en ihrer Gedanken und Gefühle ihrer Königin. Und ihre Königin sandte ihre Liebe und Anerkennung zurück zu ihrem Krieger. Und ihr Verlangen. Bald würde es gescheh en. Call sp ürte, daß ihre Wangen feucht wurden, und ein entfern ter, logischer Teil ihres Gehirns regist rierte, daß ihr Tränen me chanismus noch funktionierte. Sie fühlt e sich zerst ört, gesch la gen. Es schmerzte schlimmer als die Schußwunde. War also alles umsonst gewesen? Ripleys Mut, ihr Kampf um ihre M enschlichkeit , ihr Selbst ? Wenn ja, was konnt e dann ein beschädigter Android noch ausrichten, um irgend etwas zu ändern? Der Krieger kroch in die dampfende Wärme des Nests. Die Stärke und Geborgenheit seiner Art. Er trug n icht länger die Einsamkeit seiner Individualität. Die Kön igin hatte ihn geehrt, auserwählt wegen seiner Klugh eit. Er war als erster entkommen, hatte die anderen befrei t und die ersten Gastkörper, die erste Nahrung erbeutet. Darum hatten sie ihn erneut ausgewählt, um seiner Königin zu dienen. Er hatte diese Ripley von der Beute weggeholt und trug sie nun durch den Stock zum Nest. Dort gab es Krieger genug, um sie zu beschützen. Dort warte ten Menschen, diese erbärmlichen, weichen Menschen, darauf, dem Jungen der Königin als Nahrung zu dienen und die neue Brut in sich zu tragen. Es würde geschehen. Es würde bald geschehen. Aber der Krieger trug an seiner Erinnerung. Ein unerwartetes 213
Chaos. Brüllende und sterbende Krieger. Und Feuer. Und diese Ripley mitten unter ihnen, ihr Junges in den Armen. Tod und Zerstörung bringend dem Nest. Ein überwältigendes Verlustgefüh l durchflut ete seinen Körper, schmerzender, unersetzlicher Verlust. Es bedeutete nichts, es bedeutete alles. Er suchte nach der Verbindung zu sein er Art und fand die Stärke und Geborgenheit des Nests. Es war ein anderes Nest gewesen, eine andere Zeit. Er durft e jetzt nicht daran denken, jetzt, da seine Königin na ch ihm rief. Trotz ihrer Gewehre, trotz ihrer Fesseln waren die M enschen ihnen wied er einmal in die Hände gefallen. Sie ha tten sie genährt und das Junge der Königin ausgetragen. Gewaltsam hatten sie sie überwältigt. Wie sie es immer getan hatten. Und immer tun würden. Mit der Klarheit ihres Instinkts und ihrer Bösartigkeit. Die Perfekti on unserer Struktu r wird nur übertroffen von unserer Feindsel igkeit. Der große Krieger schlug mit dem Schwanz und übermittelt e jeden seiner Gedanken, Pläne und Gefühle seinen Brüdern und seiner Königin. Seine Königin, seine Mutter, sandte ihre Liebe und Anerkennung und ihr Verlangen. Ihr Verlangen nach Ripley, die er so behutsam in seinen Armen trug. Seine Königin sandte ihre Liebe und Anerkennung zurück zu ihrem Krieger. Und diese menschliche Hül le, diese Ripley, war ihrer aller Mutter. Die erste Gebärmutter. Der erste Krieger. Und sie würde leben, alles zu sehen und die Herrlichkeit mit ihnen zu teilen. Die Königin ha tte da für gesorgt, und der Krieger hatt e es geschehen lassen - denn Ripley war der Grundstein des Stocks. Die Hegerin des Nests. Die Urzelle des Neugeboren en. Hilflos wand sich diese Ripley im Schlaf, sti eß leise Töne des Protests und des Schmerzes aus. Der Krieger bli es ihr ins Gesich t, um ihr Luft und Wärme zu 214
geben. Sie hegend, die sie alle gehegt hatt e. Die Kön igin sandte ihre Anerkennung. Call st and erstarrt an dem klaffenden Loch im Fußboden, unfähig, das Geschehene zu akzept ieren. Sie bemerkt e die Blicke, die zwischen den anderen hin und hergingen, und erkannte, daß die Ereignisse sie verändert hat ten. Rip leys Stärke, ihr M ut , hatten die Gruppe zusammengeschweißt aber jetzt war Ripley verschwunden, und sie begann auseinand erzufallen. Selbst Johner schwieg, in seiner Keh le arbeitete es hart, als hätte er etwas zu Großes verschluckt. In Vriess' Augen st anden so viel Trauer und M itgefühl für Call, d aß sie wußt e, sie würde es nicht ert ragen, seinem Blick zu begegnen. Distep hano starrte wüt end und mit zusammengeb issenen Zähnen vor sich hin. Er umklammert e sein Gewehr, daß die Handknöchel weiß wurden. Und wieder war es Purvis, der die richtigen Wort e fand, u m die St arre zu durchbrechen. Call erinnerte sich vage, daß es nicht das erste M al war. Es war richtig gewesen, ihn mit zunehmen, richti g für ihrer al ler Seelenheil. »Wir müssen weiter, M iß«, meinte er leise. »Das Beste, was Sie ihr jetzt wünschen können, ist ein schneller Tod.« Den würde sie bekommen, sobald die Auriga auf der Erde aufprallt e. Dann wäre Rip ley endlich heimgekehrt. Immer noch konnte Call sich nicht bewegen, den Ort nicht verlassen, an dem sie sie zuletzt gesehen hat te. »Es ist nicht gerecht ...« Die Wort e blieben ihr im Hals stecken, aber diesmal war es keine Feh lfunktion ihres Sp rachmechanismus. Purvis schob eine Hand unt er ihren Arm und drängte sie vorwärts. Die anderen gingen vor, und Purvis geleitete Call zur Betty hinüber. »Es ist nicht gerecht«, beharrt e Call kopfschütt elnd. 215
Purvis seufzte.
»Das sage ich schon den ganzen Tag.«
* Wach auf. Sei ganz ruhig. Wir haben Probl eme. Sie verharrte, lausch end, spürend. Irgend etwas g eschah. Kein Traum. Etwas Wirkliches. Immer noch lag Ripley in den Armen des Tieres. Es gab kaum Licht, ab er das störte si e nicht. Sie atmete ruhig, nahm den Atem des Tieres auf. Die warme Feuchtigkeit um sie herum wiegte sie in S icherheit, aber wirre Traumbilder zuckten durch ihr schwindendes Bewußtsein. Die kalte Geborgenhei t des Hyperschlafs.
Das instinktive Bedürfnis, ihr Junges zu schützen.
Die Stärke und die Gesellschaft ihrer Art.
Die Kraft ihrer eigenen Wut.
Die Wärme und Geborgenheit des dampfenden Nests.
Die Bilder waren sinnlos und sinnvoll zugleich. Sie erkannte
sie mit einem Gespür jenseits des Bewußtseins, jensei ts aller Erfahrungen. Sie waren Teil von ihr, Teil derjenigen, d ie sie gewesen war, dessen, was sie gewesen war. Und jetzt waren sie Teil dessen, was sie werden würde. Sie trieb auf der feuchten, beruhigenden Wärme und wünschte sich in ein Versteck. Murmelnde, weit en tfernte Geräusche erklangen außerhalb von ihr. In ihr. Sie kamen und gingen, die Töne, bedeuteten nichts, bedeuteten alles. Von Ferne hörte sie die Königin und ihr schreckliches Verlangen. Dann setzten die Stimmen in ihr erneut ein, eine deutlicher als die anderen. Die eine, der sie immer lauschte. Die eine, an die sie sich so verzweifelt zu erinn ern versuchte. Sie flüsterte - Mei ne Mami hat immer gesagt, es gibt kei ne Monster - keine echten. Aber es gi bt sie. Diese Stimme zwang sie aufzuwachen. Aber war sie erst wa ch, dann würden die Träume Wirklichkeit werden. Sie war müde, so 216
müde. Aber wenn sie schl ief ... Ich wil l nicht schlafen, sagte die kleine Stimme. Ich habe böse Träume. Sie betasteten sie im Schlaf. Die Monster, die ech ten Monster. Sich bewegend, atmend, wimmelnd - träumend, planend ... Sie schauderte. Sie waren ein p erfekter Organismus, mit nur einer Funktion. Die Perfektion ihrer Struktur wird nur übert roffen von i hrer Fei ndseli gkei t. Sie stöhnte leise, n iedergeschlagen. Eine idealistische junge Frau hatte ihr einen Sp iegel ihrer selbst vorgehalten, wie sie einst gewesen war. Was das Schick sal aus ihr gemacht hatte. Aber was war sie jetzt? War sie Ellen Ripley oder ein Wechselbalg, grotesk wie ... wie ... Du bist wenigstens t ei lwei se menschlich! Ich bi n nur - Ich bin nur ... Ich bevorzuge die Bezeichnung künstliche Person. Ganz allmählich nahm sie ein e vage Berührung wahr. Etwas außerhalb von ihr. Etwas geschah mit ihr. Ihre Blicke wanderten durch den Raum und sammelten Informationen. Ihre schrecklichen Kinder hatten sie schließlich zu sich geholt. Sie waren überall, trugen sie, hießen si e willkommen. Aber die anderen waren verschwunden. Die Menschen. Di e, für deren Schutz und Rettung sie so lange gekämpft hatte. Sie war von ihnen getrennt worden, von ihnen genommen. Ein Teil von ihr verspürte ungeheure Erleichterung. Ein Teil von ihr verspürte unbändige Wut. Zwischen diesen Gefühlen hin und hertaumelnd, lag sie in den Armen des Tiers. Durch ihre Gedanken flimmerte der zeichenhafte Umriß eines blonden Kind es, der allmähl ich durch das deut lich ere Bild eines wirklichen Kindes ersetzt wurde. Ihr Kind? Nein, ni cht ihres ... Doch, mein Kind! In ihrem Bewußtsein strudelten chaotische Erinnerungen durcheinander. Die dampfende Wärme des Nests. Die Stärke und Geborgen 217
heit ihrer Art. Die Einsamkeit der Individualität. Und das instinktive Bedürfnis - zu finden. Kleine, kräftig e Ärmchen um ihren Hals, kleine, kräftige Beinchen um ihre Hüfte. Chaos. Die Krieger brüllten und starben. Feuer. Ich wußte, daß du kommen würdest. Sie blinzelte verwirrt, in ihrem Kopf ein heilloses Durchein ander von Fragmenten, Erinnerungen, Instinkten, die sie nicht einordnen konnte. Ein überwäl tigend es Verlustgefühl durchf lutete ihren Geist, ihren Körper. Schmerzender, unersetzlicher Verlust. Er bedeu te te nich ts - er bedeutete a lles. Ich heiße Newt. Niemand nennt mich Rebecca. Ich komme, Newt! Ich komme. Mami! Mami ! Ripley suchte nach der Verbindung zu ihrer Art, sie suchte nach der Stärke und Geborgenheit des Nests, aber sie waren nicht da. An ihrer Stelle war nichts, außer diesem Schmerz, dem schrecklichen Verlust. Sie war hohl. Leer. Aus den Augenwinkeln sah sie zu dem riesigen Krieger empor, der sie trug, und wünschte sich, ihm dieselbe Frage stellen zu können, die sie den anderen gestellt hatt e, den Menschen. Die Frage, die ni emand beantworten konnte. Warum? Warum? Während die Erinnerung an Newts Stimme durch ihren Kopf geisterte, beschloß sie, daß sie eine Antwort bekommen würde. Sie würde sie ihnen entwinden. Trotz ihrer Größe, ihrer Stärke, trotz ihrer Wildheit und ihrer Feindseligkeit. Sie würde sie sich mit Gewalt hol en. * Nervös brachten die Überlebenden der M annschaft das letzte Stück des Weges zur Betty hinter sich, eili g, aber ohne zu 218
hast en. Sie st ießen auf kein e weiteren Anzeichen von Aliens, keinen Schl eim, k eine Säur eschäden, nichts. Alles blieb überraschend ruhig. Als Vriess ins Schiff get ragen wurde, üb erkam en ihn unerträ g liches Heimweh und tiefe Trauer. Johner und Distephano trugen ihn zum Sitz des Cop iloten, wo die Hinweise auf Hillards Existenz allgegenwärt ig waren, so wie d ie El gyns um den Pilot ensitz. Er schüttelte die Erinnerungen ab und nahm sich vor, sich zu einem p assenderen Zeitpunkt mit ihnen zu beschäf tigen, wenn sie ihre Ärsche erst einmal sicher hier herausbe kommen hätten. Falls er es schafft e, ihre Ärsche hier herausz u bekommen. Während Vriess sich i m Sitz festschnallt e, fragte Johner: »Wi e lange noch, bis wir in der Luft sind?« Vriess st ellt e einige Tabellen und einen ungefähren Flu gp lan zusammen und bet racht et e das Bild der Erde auf ihrem Schirm, das mit jeder Sekunde n äher kam. »Ich brauche Call, sie muß sich noch mal in das Schiff einloggen, das Tor öffnen und die M agneten lösen.« »Wir tauchen in ein paar M inuten in die At mosphäre ein«, drängte Johner. »Dann wird's nicht leicht er. Vriess nickte, seine Hände flogen über das Steuerpult . Er versucht e, nicht daran zu denken, wie selten er dieses Schiff bisher geflogen hat te. Er wollt e n icht über seine mangelnde Erfahrung nachdenk en. Immer waren Hill ard oder Elgyn dagewesen, um die Bett y mit Christ ies Unterstützung zu fliegen. Vriess war der verdammt e M echaniker und Johner der Kraft mops vom Dienst . Sie waren so in ihr e Rollen hineingewachsen, daß sie nur selten aus ihn en her austrat en. Aber darüber wol lte er jetzt nicht nachdenken. Heute war er der Pilot. Er mußte es sein. Call war hinter ihn getreten und lenkt e ihn von seinen Sor gen ab. Er hielt inne und sah sie an. Seit sie ihm zum erst enmal begegnet war, hat te sie in ihm niemals den Krüpp el gesehen. Nie hatt e sie seine Beine angestarrt, nie sein en Rollstuhl 219
wahrgeno mmen. Sie sah immer nur ihn, den M ann, Vriess. Er blickte in das fein gezeichnet e, hübsche Gesi cht . Das mindeste, was er für sie tun konnte, war, sich ebenso zu verhalten. Call zu sehen. Nicht das kabelbest ückte Leck in ihrer Brust. Nicht den mechanischen Anschluß in ihrem Arm. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Brauchst du meine Hilfe?« Er nickte erlei cht ert. »Falls ... falls es dir nichts ausmacht ... Annalee.« Beim Kl an g ihres Vornam ens zuckte sie zusamm en, aber d ann nickte sie kurz. »Klar. Kein Problem.« Si e klinkte sich in das Hirn des Computers ein, als habe sie in seiner Anwesenheit nie etwas anderes getan. Er acht et e nicht darauf, was sie tat. Er sah nur ihr Gesicht. Ihr kleines, hübsches, m enschliches Gesicht. * Ganz allmählich t auchte Rip ley aus der Bewußtlosigkeit auf. Ein Schwindelgefühl überk am sie, ein Taumel, der sie nicht loszulassen schien. Si e schloß für einen M oment die Au gen. Sie hört e nasse Geräusche: Trop fen, Spritzen. Sie hörte Stöhnen, menschliches Stöhnen. Sie hörte ein Surren wie von Insekten. Und der Geruch - Blut. Innereien. Tod. Und alles so naß, heiß und feucht wie ein t ropischer Sump f. Vorsichti g versuchte sie, sich zu bewegen. Ihr Körper war zu ermattet, um zu reagieren. Hatte man sie betäubt? Hypnotisiert? Sie lag auf et was Festem, Starrem, Solidem. Plötzlich platschte von oben etwas Klebriges auf ihr Gesicht. Sie runzelt e die Stirn, doch die Taubheit ließ nicht nach. Schl ießl ich wurde ihr das un an genehme Tropfen zuviel, und sie öffnet e die Augen. Das auf ihr Gesicht t ropfende Zeug rann über ihr e Wange auf den Boden, wo es sofort fest zu werden begann und ihren Kop f festzurrt e. Sie hob eine Hand, zog es herab und wischte sie, ohne nachzudenken, am Boden ab. Währ end dieser instinktiven 220
Handlungen blinzelt e sie, sah sich um, versuchte zu denken, zu verstehen, wo sie sich befand, was geschah. Sie wußte, sie sollte beunruhigt oder wachsam sein, sollt e sich um ihr ei genes Wohl Gedanken machen, doch dafür feh lte ihrem Gehirn die nötige Klarheit. Ripley sah sich im Halbdunkel um. Sie war nicht allein. Über ihr - auf einer Art Vorsp rung ganz in d er Nähe - waren andere M enschen, mindestens acht. Sie kniff die Augen zusammen und versucht e, besser zu sehen. End lich wurde ihr Blick schärfer, und sie erkannte, daß die anderen keineswegs auf einem Vorsprung standen. Si e waren an Armen und Beinen fest gezurrt, mit Fäden aus Exkrementen an die Wände eines riesigen, zylinderförmigen Raums gel eimt . In ihrer Erinnerung hörte sie Calls mechanische St imme et was über Aktivitäten in einem Abfalltank sagen, und sie wünschte, sie hätte besser aufgepaßt. Die acht M enschen, die sie sehen konnte, waren an die Wänd e des Tanks gefesselt. Soldaten, Forscher, alle klebten sie dort wie riesige Fliegen, halb eingesponnen. Sie erinnerte sich an eine ähnliche Szene ... Die Kolonisten von Hadley's Hope an der Wand eingesponnen, Brustsprenger züchtend. Die meisten waren schon geschlüpft. Hier jedoch schienen alle noch intakt ... Sie fuhr sich über die eigene Brust, aber sie war nicht reinf i ziert worden. Sie würde es wissen. Sie könnte es spüren. Hielten sie diese M enschen hier f est , um sie zu infizieren? Der Gedanke entsetzt e sie, doch als sie sich umsah, bemerkte sie, daß sich keine Eier im Tank befanden. Dennoch ließ sie der Anbli ck der acht wie Insekten in einem Sp innennetz gefangenen M enschen nicht los. Ripley zwang sich, den Blick von den gefesselt en M enschen abzuwenden, und sah sich um. Und endlich ent deckte sie sie. Die Aliens. Sie schwammen in dem tief abfal lenden unteren Teil des Abfalltanks, wie Alligat oren in einem Sumpf, nur daß ihr Sumpf aus menschlichem Blut, Eingeweiden und ihren eigenen 221
Ausscheidungen bestand. Ripley kauerte an der St elle, wo der Boden auf die Wand traf, dem höchstgelegenen Tei l des Fußbodens, direkt am Ufer des übelri echenden Sees. Sie zögerte, sich zu bewegen, beobacht et e die Krieger und überlegte, ob sie wohl hier waren, um sich um die eingespon nenen M enschen zu kümmern. Würden sie die Eier bringen und sie infizieren ? Ripley runzelte die Stirn und schaute sich weiter um. Dann erblickte sie sie, die Köni gin. Das riesige Wesen lag ihr dir ekt gegenüber, aber sein Anblick war so verwirrend, daß Ripley einige Augenbl icke brauchte, um ihn zu verstehen. Sie erinnert e sich gut daran, die Königin und ihren ungeheur en Legest achel schon ein mal gesehen zu haben. Damals war das riesige Fortpflanzungsorgan f estgeschnürt gewesen, um es bei seinem ungeheuren Gewicht und Ausmaß zu st abilisieren, während die Königin Ei um Ei auf den Boden der Atmosphä renkammer in Hadley's Hope legte. Aber das war nichts dage gen, was Rip ley jet zt sah. Auch diese Königin war festgeschnürt, aber nicht an ihrem Legest achel. Sie besaß keinen. Offensichtli ch hatte sie diesen Teil von ihr schon abgeworfen. Die Königin selbst war inmitt en des Blut und Exkrementensees auf dem Boden des Abfal ltanks versponnen. Entweder war dort eine seichte Stelle im Tank, oder die Aliens st ützten sie durch eine unsichtbare Schl inge aus demselben M aterial wie das Unt erwassernet z. Jet zt begriff Ripley auch, daß die halb in der chemischen Suppe unter ihr verschwindenden Aliens die Königin versorgt en, sie pflegten. Die im Tank festgemachte menschliche Beut e ignor ierten sie völlig. Immer noch bemüht, zu verst ehen, was sie sah, starrte Ripley sie an. Die Königin war auf dem Rücken festgemacht, ihre Beine, der Schwanz und die Arme waren zur Hälfte versunken. Ihr Kop f schlug vor und zurück, ihre Ext remitäten zapp elt en 222
fieberhaft. Hatt e sie Schmerzen? Und was war das Ding auf ihrem Unterleib ...? Und dann endlich verstand Ripley die ganze Ent setzlichkeit dessen, was sie sah. Die Köni gin h at te einen ri esig aufgeblähten, fleischi gen Bauch, über den sich dicke schwarze Venen zogen. Er bewegte sich, als hätt e er ein ei genes Leben. Das große M aul der Königin öffnet e sich, und sie zischt e wüt end. Ripley st arrte sie an und haucht e: »Keine Eier. Einfach ...« Eine seltsam vertraut e Stimme rief auf ger egt: »Unsere größt e Errungenschaft!« Ripley schaudert e es, sich umzudrehen und dem Besitzer die ser Stimme zu begegnen, doch fühlte sie si ch dazu gezwungen. Als sie aufbli ckt e, erkannte sie Dr. Gediman, fest versp onnen zwischen den anderen Forschern und Soldaten. Seine Augen waren weit auf gerissen und glänzten. Er stand eindeut ig am Rande des Wahnsinns. »Ein sekundärer Fort pflanzungszyklus«, plappert e er fröhlich. »Asexuell. Wie ein Säu get ier. Ohne Wirt !« Ripley unterdrückte ein Stöhnen. »Das ist unmöglich.« Gediman grinst e breit. »Wir dachten, wir könnten sein Fortpflanzungssystem verän dern. Die Eier legezyklen umgehen. Aber das Vieh ließ nicht m it sich handeln.« Er kicherte. »Es hän gt e einfach einen zweiten Zy klus hint en dran. Fant astisch!« Ein gellender Schrei der Königin erschreckte Rip ley , und sie wandte sich wieder zu dem Wesen um. In offenbar un gem il dertem Schm erz schlug es wild um sich. Die sie umsorgenden Aliens wichen m it wirrem Geplapper zurück, ihr insektenhaftes Summen erschi en Ripley fast harmonisch. »Aber wie ...?« murmelte sie verwirrt. »Genet ische Kreuzung«, erl äut erte Gediman hilfreich. Dann blickte er sie mit weit aufgerissenen Au gen an und grinste irre. »M it der DNA des Wirts.« »Nein ...!« 223
Ripley konnte, wollte das nicht akzept ieren. »Sehen Si e doch hin!« gluckste Gediman schadenfroh. »Das sind Sie! Sie sind das!« Es ging üb er ihre Kräfte, aber Ripley unterdrückte die Tränen des Entsetzens und der Wut und zwang sich, die Köni gin anzu schauen. All es, was sie in ihrer Verzweiflung d enken konnte, war: Das ist mein schreckliches Kind. Die Wölbung im Bauch der Königin wuchs deutlich und begann, sich wel lenförmi g zu bewegen. Das war der Anstoß, den Ripley brauchte. M ühevoll erhob sie sich vom Boden des Tanks, ihr Körper bewegte sich jedoch nur langsam und schwerfälli g. Ohne darauf zu achten, kämp fte sie sich hoch und schwor sich: »Ich komme hier raus. Verdam mt, ich komme hier raus!« Gediman beob achtete sie immer noch grinsend. Als Rip ley zu ihm aufsah, erlosch der letzt e Funken Vernunft in seinen Augen. »Wollen Sie n icht sehen, was als nächstes passiert ?« fragte er gutgelaunt .
13.
Call klinkte sich aus der Bett y aus und sah zu, wie Vriess das Abkoppelmanöver von der Auriga vorb ereit et e. Der Gedanke an Ripley quält e sie, zunächst einmal mußt en sie di e anderen in Sicherheit bringen. Als Vr iess seinen Flugplan geordnet hatte, lächelt e er ihr zu, und unsicher lächelte sie zurück. Es gab no ch eine M enge zu tun. Sie verließ die Kommandobrü cke und gin g zu Johner und Purvis hinüber. Zu dem M ann mit dem Narbengesicht aufschau end, murmelte sie: »Johner, brin g Purvis in den Kühlraum.« Johner war die Erleicht erung, zurück auf der Betty zu sein, 224
deutlich anzumerken. Er gab Purvis einen freundschaftlichen Klaps und meinte: »Okay. Zeit für ein kleines Nickerchen, Kumpel.« Purvis, der unglaubl ich müd e und ausgelaugt wirkte, nickt e und set zt e sich in Bewegun g. Call gin g vor an, um Johner mit dem Hyperschlafmix zu helf en. Es ging schneller, wenn sie es macht e, und für Purvis zählte jede Sekunde. Sie lief den dunklen Gan g hinunt er und wart et e darauf, daß die Lichter vor ihr angingen, do ch es blieb dunkel. Sie runzelte die Stirn. Als sie sich in das Schiff eingeklinkt hatte, waren ihr keine mechanischen Defekte aufgefallen, aber sie hatte auch nicht auf Kl eini gk eit en geachtet. Trotzdem, diese Lichter hät ten schon angehen sol len, als sie das Schiff betraten. Unruhig wandte sie sich zu Johner um. Ehe sie etwas sagen konnt e, schob sich eine Hand aus der Dunkelheit hinter ihr, der Lauf des Gewehrs, das sie h ielt , blitzt e im Licht . Als es los ging, fuhr die ohrenbetäubende Explosion in dem en gen Raum Cal l bis ins M ark. Die Kugel traf Purvis in die Schulter. Er schr ie auf und sackte zusammen. Als Johner nach seiner Waffe griff, legte sich ein Arm fest um Calls Hals. Der no ch rauchende, harte Gewehrlauf bohrte sich in ihre Wan ge. Sie erstarrte. Wer ...? Was ...? Woher ...? Der M ann hint er ihr schob sie aus dem Dunkel hinaus ins Licht, und sie hörte eine v ertraute Stimme. »Keine Bewegung«, sagte sie zu Johner, »oder ich puste ihr das Hirn weg!« Wren! Call sah, wie Vriess in seinem St uhl herumfuhr und sie anst arr te, auf seinem Gesicht sp iegelten sich Wut und Hi lflosigkeit, während er fest geschn allt dasaß, unfähig, ihnen zu helf en. Johner war angespannt und konzent riert. Dies war ein Kon flikt , den er verstand, ein Feind, dem er gewachsen war. Der narbengesichtige M ann st and breit beinig da, die Hände vom 225
Körp er weggest reckt , bemüht, nicht bedrohlich zu wirken. Aber Call hatt e Johner im Kampf erlebt. Hätte Wren auch nur ein Quentchen Erfahrun g mit M ännern wie ih m, würde er ihn sofort und ohne weitere Diskussion t öten. Aber Call hatt e den Ver dacht , daß Wren sich in diesen Dingen nicht sehr gut auskannte. »Distep hano!« rief Wren dem Sold at en zu. »Nehmen Sie ihr e Waffen.« Call sah den Soldat en an. Was würde er tun? Bei dem Kampf im Kasino hatte sie ihm das Leben gerett et . Würde er sich jetzt gegen sie wenden? Dist ephano richtete sich auf, als wolle er salut ieren. »Tut mir leid, Sir, aber ... Sie können mich mal!« Er macht e keinerlei Anstalten, seine ei gene Waffe abzulegen oder Johner zu ent waffnen. Wren preßt e sie en ger an sich, sein Arm drückte ihr die Luft ab. Sie sp ürte die Ansp annung in sein em Körper, das Zitt ern, als seine Verzweiflun g wuchs. Er drückt e die Gewehrmündung tiefer in C alls Gesicht. »Waffen runter!« schrie er d en and eren zu. »Runter damit, oder wir sterben alle zusammen!« Ein plötzlicher schrill er Schrei ließ sie al le zusammenfahr en. M it aufgerissenen Augen bäumte Purvis sich auf und griff sich an die Brust. Niemand rührt e sich, selbst Wren nicht. * Ripley sucht e panisch nach einem Fluchtweg aus dem Abfall tank, aber von dort, wo sie kniete, konnte si e keine Türen, keinen Ausgang ir gendwelcher Art erkennen. Sie hatten sie hier hineinbeko mmen, also mußte es auch einen Weg hinaus geb en! Die Königin schlug derweil immer wild er um sich und schri e jetzt ununterbrochen. Die anderen Aliens wurden zunehmend unruhiger, sie sum mten, pfiffen und schossen durch den Schlamm. Ein Schrei der Königin war besonders laut, so daß Rip ley erstarrt e. Der Bauch der Königin hob und senkt e sich wie ein 226
Lebewesen, es war deutlich zu erkennen, daß sich in ihm et was bewegte. Ripley versp annt e sich, als die Erinnerun gen aufstiegen. Auch ich habe das erlebt. Ich habe geboren. Ich war einmal eine Mu tter, eine richtige Mutter. Ich lag in meinem eigenen Bett, und mein Mann war da. Und eine Krankenschwester und ein Arzt. Ich habe geschrien, als mein Bauch sich hob. Sie spürt e es förmlich, so stark war die Erinn erung. Instinkt iv fuhr sie sich mit den Händen über den Bauch. Ich habe geschwitzt, aber ich wollte keine Medikamente, auch dann nicht, als mein Mann mi ch bat, welche zu nehmen. Ich machte mir Sorgen über all di e Jahre unter Hyperschlafdrogen und wollt e bei meiner Ni ederkunft n ichts nehmen. In meinem eigenen Bet t. Meinem Zuhause. Sie beobachtete, wie die Köni gin unten im Schlamm um si ch schlug und schrie, und der Dreck, diese ekelerregende Parodie ihrer eigenen Erf ahrung bereitete ihr Übelkeit. Ich hatte ein Mädchen, ein wunderhübsches kleines Mädchen. Sie sah aus wie ihre Eltern. Wir haben sie Amy genann t. Die Tränen schossen ihr in die Au gen bei der Flut menschli cher Er innerungen, die auf sie einstürzten, während sie in dieser Hölle der Aliens gefangen war. Du hast Amy gesagt, du wärst zu ihrem elften Geburtstag zurück. Du hattest es versprochen. Das war, als du sie das erstemal besiegt hast. Aber dein Fluchtgehäuse wurde siebenundfünfzig Jahre nicht gefunden. Amy ist gestorben, ohne je zu erfahren, warum du nicht zu ihrem Geburtstag gekommen bist. Ripley schloß die Augen. Für einen Au genblick stand das Gesicht ihrer Tocht er deutlich vor ihr. Dann st iegen andere Erinnerungen ho ch. Newt. Hicks. Selbst Jonesy ... 227
Alle waren sie fort, verloren mit den Jahren. Neben ihr starrte Gediman mit weit aufgerissenen Augen und irrem Grinsen auf die Szene. Er kicherte mit einem leisen >he hehe<, das fast so enervierend war wie d ie Geräusche der Aliens. Wieder schrie die Königin auf und st reckt e die Arme nach Ripley aus, als könnte der Klon, ihre eigene >M utter<, ihr durch diese Erf ahrung helfen, die Geburt ir gendwie leiten. Brül lend versucht e das Alienweibchen, si ch aus seinem übelr iechenden Bet t zu befreien. In Erinnerung an ihre eigenen Schmerzen st öhnte Ripley gemein sam mit der Königin, ihr Bauch zog sich ref lexartig zusammen. Und in ihr, in ihren Genen, spürte sie die S chmerzen der Königin in den Eingeweiden. Die telepathisch e Verbindung zwang sie ihr au f, zwang si e, die Königin zu sein, di e Kön igin bei ihrer grauenvollen Niederkunft. Der aufgeblähte, wogende Bauch, der reißende, brennende Schmerz, der erbarmungslose Druck. Die totale Rebellion ihres Körpers zwang sie, eine Funktion zu erfüllen, die sie nicht länger erfüllen wollte. Ripley stöhnte zusammen mit der Königin, litt mit ihr, voller Bemühen und Sympathie. Gleichzeitig spürte sie d ie Unruhe der Krieger, die sich der hilflosen Königin näherten. Sie spürte ihre Angst. Jeder von ihnen jeder ihrer Ehemänner - verzehrte sich danach, ihr zu helfen, aber keiner wußte wie. Plöt zlich schoß eine Blutfont äne wie ein Gey sir aus dem wogenden Bauch der Königin. Tropfend und sickernd rann das Blut dieser erst en Eruption in ät zenden Bächen über den gewölbt en Fleischber g. Rip ley versucht e, sich abzuwenden. Sie wollte dieser widerwärtigen Karikatur einer menschlichen Geburt nicht länger zusehen. Aber wieder schrie die Königin, hob ihren Kopf und starrte Ripley an, als wäre sie ihre Hebamme. Ripley krümmte sich, um klammerte ihren eigenen Unterleib und schrie im Gleichklang 228
mit der Königin. Die sich windende Kreatur sackte zurück in den Schlamm. Plöt zlich, als sp ürten sie etwas, wichen die sie um gebenden Krieger zurück. Ripley blinzelte erschöpft und st arrte wie betäubt auf den p ulsierenden Bauch. Erneut spritzt e eine Blut font äne, und dann preßte et was von unten gegen die dünner werdende Bauchdecke der Köni gin. Es drückt e sich nach oben, immer weiter nach oben, bis das widerst rebende Fl eisch die Form der Gestalt unt er sich annahm. Ripley rieb sich die Augen. Es sah aus, als kämp fe sich ein Schäd el - ein menschlicher Schädel - aus dem zerreißenden Unterleib der Königin heraus. Das Baby ... dachte Ripley abwesend. Die S chädeldecke des Babys. Ich sehe seinen Kopf ... Ein let zter Schrei, ein schreck lich er, gellend er Schrei, und plötzlich kam d as Neugeborene zum Vorschein, wand sich aus der engen Umhüllun g d er Gebärmut ter. Das Wesen war hellhäu tig, nicht schwarz, seine Haut ähnelt e eher menschlichem Fleisch als dem harten silikonartigen Exo skelett der Aliens. Sein Kopf hatt e die typische länglich e Form, aber das Gesicht ... Das Gesicht ... Neben ihr brabbelte Gediman vor sich hin, er weint e in wahn sinniger Freude. »Wunderschön! Ein wunderschöner Schmetterling ...!« Das Gesicht des Neugeborenen hatte etwas eindeutig M ensch liches. Viel zu menschlich! Es sah aus wie ein Schäd el, m it tiefen Augenhöhlen, langen, blitzend weißen Zähnen, hervortre tenden Kieferknochen und den Hohlr äumen, in di e eine mensch liche Nase gehört hät te. Das Gesicht des Neugeborenen war das Ebenbild des Todes. »Wunderschön«, murm elt e Gediman. Ripley sah ihn an. Er schwamm in Glückseligkeit, als hätt e er dem Universum das schönste Geschenk gemacht, das die Wissenschaft hervorbringen konnte. 229
Ripley fühlt e sich seinem Wahnsinn nahe. Sie wandte sich von dem Wissenschaftler ab und versuchte, ihr e auf und ab wogen den Gefühle in d en Griff zu bekommen. Das Neugeborene wand seinen m assigen Körp er aus den Ein geweiden seiner M utt er. Die Königin, deren akute Schmerzen nachli eßen, stöhnt e leise, ihre Bewegungen wurden ruhi ger. Und es ist noch nicht ausgewachsen, dacht e Ripley, ohne zu ahnen, woher dieses Wissen kam. Inn erhalb eines Tages wird es seine Körpergröße verdoppeln, wenn nicht verdreifachen. Und sein Hunger ist grenzenlos. So wie seine Wildheit und Feindsel igkeit. Der perfekte Organismus. Als das Neugeborene sich allmählich aus dem M utterleib befreite, bemerkte Ripley seine Hände. Sie waren kräftig und groß wie die typ ischen Hände der Aliens, aber sie hatten nur fünf Finger. M it den langen Nägeln und der hellen Haut sahen sie aus wie ... ... Genau wie meine! dachte Rip ley angeekelt . In einer Parodie menschl icher Zärtlichkeit krabbelte das Neugebor ene den Körp er der M utter hinauf zum Kopf. Sichtlich stolz auf ihre Leistung stieß die Königin leise, gurrende Töne aus, müt terliche Töne, und bet racht et e ihr Jun ges. Das Neugebo rene kroch näher, und für einen Au genblick sah es so aus, als ob das Junge seine M utter küssen wolle. Dann holte es mit einer wucht igen, abrup ten Bewegung seiner mächt igen Hand aus und riß d er Königin den Kop f ab, daß das Blut in alle Richtungen spritzt e. Ripley, die immer noch telepathisch mit der Königin v erbun den war, sp ürte die Todesschreie des Alienweibch ens bis tief ins M ark. Ohne innezuhalt en, packt e das Neugeborene mit seinen riesigen Zähnen den zitt ernden Körp er seiner M utter, riß die Königin in Fet zen und verschlang große St ücke von ihr. Immun gegen das ätzende Blut, weidete das Neugeborene sich am Fleisch seiner M utter. 230
Ripley sp ürte, daß die Königin starb, als die telep at hische Verbindung zerriß. Es war ein schmerzlicher Riß, wi e ein gebrochener Knochen, dessen spit ze Enden in ihrem Kop f und ihrer Seele knirschten. Ihr Geist suchte nun den Kontakt zu den Kriegern, verlangte nach ihn en. Aber die Verbindung zu den Kriegern war beladen mit Ent setzen und Verwirrun g. Die Aliens wimmelten panisch durcheinander und wußten nicht, was sie tun sollten, jetzt, da ihre Königin, ihr ganzer Lebenssinn, vernichtet war. Ripley schien es, als sei sie von den gep eini gt en Seelen der Hölle umgeben, als die Ali ens vor Schmerzen p fiffen und zwitschert en, während das Neugeborene weiter seine M utter verschlang. Dann fiel ihr auf, daß der Lärm nicht allein von den Kriegern aus gin g. Sie drehte si ch um. Gediman brabbelt e im mer noch vor sich hin, sein Wimmern verwandelte sich rasch in entsetzt es Schreien. Gedimans Augen weit et en sich. Er begann, sich zu winden und immer wilder um sich zu schlagen. Er kreischte hysterisch und zerrt e panisch an dem Harz, das ihn gefangenhielt. Ripley fiel zurück gegen die Wand. Erneut versuchte sie, di e Kraft zur Flucht aufzubringen, doch sie war zu erschöpft. Der Verlust der t elepathischen Verbindung mit der Köni gin ließ sie leer und ohne Orientierung zurück. Plöt zlich erst arrte das mit dem Blut seiner M utter überst römte Neugebor ene und legt e den Kopf zur Seite, als lausche es. Langsam dr ehte es sich um, und Ripley hatt e zum erstenmal die Gelegenheit, in sein Gesicht zu sehen. Tief drinnen in seinen riesigen Augenhöhlen bl itzte ihr ein Augenpaar entgegen, das dem ihren nicht unähnlich war. Sie starrt e es an. Auch Amy hat te meine Augen, dachte sie, und ein hyst erisches Lachen stieg in ihr auf. Auch Gediman sah die Au gen, d ie aus dem gr äßlichen Tot en kopf des Neugeborenen leucht et en, und sein Schreien wurde lauter und panischer. 231
Das Neugeboren e erhob sich unbeholfen. Es ist schon größer geworden, erkannte Ripley. Auf seinen beiden spindeldürren, wackeligen Beinen stehend, macht e das zwei M et er große Baby seine ersten Schritte und torkelt e auf den Wissenschaftler zu. Als es näherkam, brachte seine ri esige, grauen erregend e Gest alt Gediman zum Schweigen. Sein M und klappte zu, und er erstarrt e. Die Augen quo llen ihm aus dem Kopf. Das Wissen um die Gefahr v ersetzt e ihn in einen Zust and Jenseit s allen Entset zens. Das Neugeborene beschnüffelte den M ann. Rip ley sah ihn zittern, als hätte er einen Schlaganf all. Dann öffnete sich das riesige M aul, öffnete sich weit er und weiter. Wie bei einer Schlange, die ihre Beut e verschlin gen will, schien der Unt erkie fer sich über dem gef esselten M ann auszuklinken. Ripley konnt e bei di esem Wesen keine mit Gift zähnen bestückte Zunge erkennen, nur das riesige M aul und gräßlich lan ge, weiß blitzende Zähne. M it entsetzlicher Plötzlichkeit schlug das Neugebor ene zu und senkt e seine gigant ischen Zähne in Gedimans Schäd eldecke. Der M ann fand seine Stimme wieder, und während ihm das B lut über die Stirn in Augen, Ohren und M und strömt e, brüllt e er schrecklicher als je zuvor. O Gott! O nein. NEIN! dacht e Rip ley und betete, daß sie sich mit dem Neugeborenen verbinden und es irgendwie von seinem Vorhaben abbringen könnt e. Aber das Wesen ignoriert e sie. M it einem gräß lich en Ruck und dem krachenden Geräusch brechender Knochen r iß das Neugeborene d ie Schädeldecke ab, mühelos, als köp fe ein M ensch ein hart gekochtes Ei. Gedimans offenliegendes Gehirn schimmerte rosafarben und pulsierte. Ripley st öhnte auf vor Entset zen und wandte sich ab. Si e hörte das weiche Gewebe zerreißen, hörte feuchte Kau- und Schluck ger äusche, begleitet vom Stöhnen und Gurgeln des sterbenden Forschers. Sie roch d en met al lischen Geruch frischen Blut s, als der M ann endlich erschlaffte, immer noch gefan gen in den 232
harzigen Tent akeln. Die l et zten Blutstropfen versanken im M orast unt er ihm. Das einzige, was Rip ley tun konnte, war, die Augen zu schlie ßen. Sie sah nicht, wie das Neugeborene sich umdr eht e, sie bedeut sam anschaute und mit langer gewundener Zunge hungri g seine bluti gen Zähne leckte. * Purvis krümmte sich vor Schmerzen, derartigen Sch merzen, daß er kaum sagen konnt e, wo es am meisten weh tat. Seine Schulter brannt e wie Feuer, die Kugel, die dort saß, t at schreck lich weh. Die Wunde pochte so sehr, daß er kaum denken konnte. Aber die Schmerzen in seinem Bauch - o Gott , die Schmerzen in seinem Bauch war en wirklich unert räglich. Ihm war, als laufe etwas in ihm herum, winde sich wi e eine Sch lan ge, auf der Suche nach einem Weg nach draußen. Er fühlte Übelkeit aufst eigen und neue, gr auenvol le Schm erzen. Trotz seiner Qualen gelang es ihm, sich auf die Szene vor ihm zu konzent rieren. Wren, der allmählich ausflippt e, hatte Call so fest gepackt , daß sie fast erstickte. Wo ihre Kontrollamp en offen lagen, blit zte und blinkte die Brustöffnung auf bizarre Weise. Er h ielt die M ün dung sein es Gewehrs eng an ihr Gesicht gepreßt. Purvis konnt e sehen, daß er ihr weh tat. Call, die al les getan hatt e, um sie zu rett en. Vor allem ihn, Larry Purvis. Wren brül lte: »Dieses sy nthet ische Biest hier wird si ch jet zt in die Auriga einklinken und sie d en Vorschr iften gemäß zur Landung brin gen.« Tap fer versucht e Call zu sprechen. »Das wird sie nicht !« Distep hano wandt e sich gegen sein en Vor gesetzt en. »Sie sind wahnsinnig! Wollen Sie diese Viecher immer noch auf die Erde runt erbringen ?« »Sie haben heut e wohl ni cht besonders gut aufgepaßt?« meint e 233
Johner sarkastisch. Purvis sp ürte, wie sich et was in ihm entrollte. Er stöhnt e und preßt e die Arme gegen die Brust. Offensichtlich verlor Wren allmählich die Kont rolle. »Um di e Aliens werden sich die Quarant änetruppen der Basisstation kümmern.« M it einer hast igen Bewegun g riß er seine Waff e von Calls Gesicht weg und richtete sie auf di e anderen. »Ja, fünf Sekunden lan g vi ell eicht«, brummt e sie. Der Wissenschaftler schwenkt e d as Gewehr zurück und drück te es so fest in ihre Wange, daß sie aufschrie. »M aul halten!« schrie er. »Ich sagte: M aul halten!« In diesem M oment spürt e Purvis ein grau enhaft es Reißen mitt en in seiner Brust , direkt unt er dem Ripp enbogen. Er sah auf seinen Bauch hinunter. Auf seinem Hemd wuchs ein Blutfleck. Er st arrte ihn an, ohne zu begreifen. Auch die anderen hielten inne, so gar Wr en. Dann begriff Purvis. Das Ding in ihm. Seine Zeit war gekom men, geboren zu werden. Sie hatten ihn ni cht rechtzeitig eingefroren, und jetzt war es zu spät. Das M onst er würde sich einen Weg aus seinem Körper beißen und ihn töten. Und Wren, dieser Hurensohn, dieser verdammte Wissenschaftler, war verantwort lich dafür. Auch wenn die M annschaft der Betty ihn gek idnap pt und hierhergebracht hatt e, den Plan, diese Kreaturen der Hölle in menschli che Wirte einzupflanzen, hatt e dieser M ann ausgeheckt. Die Wut, die in Purvis aufstieg, war stärker als das Alien, das ihn t ötete. Er st ützt e sich auf und st arrte Wren haßerfüllt in d ie Augen. Offenbar standen Purvis seine Gefühle ins Gesicht geschri e ben, denn Wren r iß das Gewehr aus Cal ls Gesicht und richtete es auf Purvis. Der ließ si ch jedoch ni cht abhalten, schließlich war es nur ein Gewehr. Es konnte ihn lediglich töten, und das wäre eine Gnade. Taumelnd wie ein Zombie versucht e Purvis, sich aufzurichten. 234
Er torkelt e auf den vor Entset zen erstarrten Wren zu. Die Panik in den Augen dieses selbstgefälligen Bastards bereitete Purvis unmäßige Freud e. Seine Qualen unt erdrückend, sprang der im wahrsten Sinne des Wortes besessene M ann nach vorne. Voller Ent setzen drückte Wren ab. Die Kugel traf Purvis in die andere Schulter. Er wich ein en Schritt zurück, ohne jedoch stehenzubleiben. Das Wesen in ihm bewegte sich jetzt so wild und fraß sich seinen Weg in d ie Freiheit mit solcher Hast , daß Purvis selbst eine Kugel, die ihn aus nächst er Nähe traf, nicht mehr spürt e. Wie durch einen Nebel bem erkte er das Blut, das über seinen Bauch, seine Schultern und seinen Rücken rann. Aber er war zu konzentriert , um weit er darauf zu achten. Sein Blickf eld hatt e sich verengt, für ihn gab es nur noch Wr en ... Wren feuert e ohne Unterlaß, und jeder Schuß traf. Der Griff, mit dem der Wissenschaftler Call umklammert hielt, lockert e sich. M it einer raschen, geübt en Bewegung rammt e sie ihm den Ellbo gen in d ie Brust; glei chzeitig p ackte sie den kleinen Finger der Hand, mit der er sie hielt, und bo g ihn so heftig nach hinten, daß es laut knackt e. Wren schrie auf und li eß sie los. Während sie zusammensackte, löst e sich ein weiterer Schuß. M it dumpfem Aufprall blieb d ie Kugel in ein em gepolstert en Stuhl stecken. Dann war Purvis über ihm und schlug ihm m it der Faust so hart ins Gesicht , daß er das Nasenbein unter seinen Knöcheln splittern fühlte. Das Gewehr flog durch den Raum, und aus den Augenwinkeln sah Purvis, wie Johner danach angelte, um es außerhalb von Wrens Rei chweite zu bringen. Irgendwie fand Purvis die Kraft , wieder und wieder in das verhaßte Gesicht zu schlagen, bis das Blut in Strömen aus Nase und M und floß. Und er schlug imm er weit er. In dem verzweifelten Bemühen, den wilden Schlägen zu entkommen, sackte Wren zusammen. Er fiel auf den Bauch und 235
versucht e mit dem Rest seiner Kräft e, Purvis' erbarmungsloser Wut zu entfliehen. Wie ein dämonischer Liebhaber schwang sich Purvis rit tlings auf sein en Rück en, packte eine Handvo ll von Wrens Haaren und riß seinen Kop f mit einem Ruck hoch. »NEIN!« brüllt e Wren. »Nein! Nein! Nein!« Die Faust in Wrens Haaren, ließ Purvis das Gesicht auf den Boden krachen, ein, zwei, drei, viermal, bis Wren hilflos stöhnend und schluchzend in seinen Armen hing. Plötzlich r ief Vriess »Call! Johner! Soldat! Hier!« und warf der M annschaft Gewehre zu, die unter dem Steuerpult verst eckt gewesen waren. Während er Wrens Haar e umklammert hielt und dessen Ge sicht in den Boden rammt e, sp ürte Purvis, wie der schreckliche Schmerz in seinem Brustkorb den Höhepunkt erreicht e. Er vergrub seine Hände in Wrens Haaren und packt e den Kopf des sich nur noch schwach wehrend en Wissenschaft lers fester, als dieser zuvor Call umklammert hat te. Der Schr ei st ieg aus der Tief e von Purvis' Bauch emp or, und während der Ton sich den Weg durch seinen Körper und aus seiner Kehle h eraus bahnte, überl egt e Purvis, ob das der Schr ei des Wesens sei, sein Geburtsschrei. Er sp ürte, wie es sich bewegte, m it kleinen sch arfen Zähnen um sich b iß und ihn von innen her aus auffraß, sich durch seine Or gane fraß, das Zwerch fell hinauf, durch seine Lungen, seine Rippen brach. Seine Brust wölbte sich nach außen, der Blutfleck auf seiner Brust schwoll an, wuchs und explodierte in einem Schwall aus Blut, Knochen und Organen. M it einem verzweifelt en letzt en Aufwallen von Rache und Haß riß Purivs Wrens Kop f zu sich heran und preßte ihn gegen den blut igen Flecken auf seiner Brust. Jetzt schrien beide, Purvis und Wren. Wren ruderte mit den Armen und versucht e, seinen Peiniger abzuschüt teln, doch Purvis war erbarmun gslos in sein em Todeskampf. Er fühlte, wie seine Ripp en aufsp rangen. Wrens Kop f fest gepackt, wußt e er, daß es nun bald vorüber sein würde. Es ging zu Ende. Aber auf seine Weise. Einmal wenigst ens würde es auf eine Weise zu 236
Ende gehen, d ie er b estimmt hat te. Purvis spürt e die Geburt. Als seine Lungen zerst ört waren, verstummte sein Schreien, aber Wrens Stim me war laut genug für sie beide. Der Ali enembry o p lat zt e aus Purvis heraus und prallt e gegen Wrens Hinterkop f. In einem letzten Aufflackern seines Bewußt seins sah Purvis, wie sich etwas Dünnes, Schlan gen artiges durch Wrens Gehirn und aus seiner Stirn herauswand. Die Schreie des Wissenschaftlers erklommen neue Höhen. In ihnen gellten die vereinten Schreie aller entführten Hyperschlaf reisenden, aller von den Al iens gefangenen Soldaten. Für Purvis waren sie ein lieblicher Choral der Rache. Bei der Geburt des Alien spritzte Blut und Gewebe auf , die zurückweichenden Umstehenden. Das dur chschein ende Wesen wand sich in Wrens Gesicht und versuchte, sich aus dem engen Gefängn is seines Schädels zu befreien. Trotzig schrie es der bewaffnet en M annschaft ent gegen, Wrens Schreie bildeten das grauenvolle Echo. Ehe es um ihn herum dunkel wurde, sah Purvis, wie die M ann schaft der Betty die Waff en hob. Als sie das Feuer eröffneten, hätte er ihnen gerne gedankt. Die vi er Überl ebenden feuerten eine Salve nach der anderen auf die st erbenden M änner und den kreischenden Ali en ab. Die Körper bäumten sich auf und tanzten, sie besudelten den Innenr aum der Bett y mit M enschen und Alienblut. Dann, endlich, brachen die Körper von Wren und Purvis zusammen. Das Alienwesen war d erart zerfetzt worden, daß so gut wie nicht s von ihm übriggeblieben war. Laut schluchzend lief Call zu den Leichen hinüber. M it wüt en den Tritt en schob sie den toten Wren zur Seite. Gerne hätte sie noch weit ere Schüsse auf ihn ab gefeuert , aber sie hielt sich zurück. Es wäre, wie Johner es nennen würde, nur hirnrissige Verschwendung von >M uni< gewesen. Sie kn iet e neben Purvis nieder und st rich ihm sanft über das Gesicht. »Er ... er sieht fast dankbar aus ...«, schluchzte sie. 237
Johners große Hand legte sich auf ihr e Schult er. »Das war er, Annalee. Er wußte, daß wir ihm einen Gef allen taten. Er hat sich darauf verlassen.« Sie sah dem narbengesicht igen M ann ins Gesicht. Einen kurzen Au genblick wirkte es ganz sanft . Sie drückte seine Hand und nickt e. »Los«, meint e Distephano leise. »Wir müssen hier raus. Um die Lei chen kümmern wir uns, wenn wir von der Auriga weg sind.« Ja, dachte Call düst er. Fa lls wir von der Auriga weg kommen.
14.
Sanft schaukelte Gediman in den Faserschnüren hin und her, hin und her. M it dem von Zeit zu Zeit in den absch euli chen Sumpf unter ihm tropfenden Blut bot er ein bizarres Bi ld. Durch das Fehlen der Sch ädeldecke und d es Gehirns wirkte sein Gesicht t rotz der Blutspuren nicht wie ein menschliches. Die Augen des Wissenschaft lers waren geöffnet, aber das einzige, was sie wahrnehmen mochten, war ein Leben nach dem Tod, falls es so et was für Hurensöhne wie ihn gab. I mmerhin war er schon in der Hölle gestorben. Während das Neugeborene sein Gehirn zum Dessert verspeist hatte, war - ohne daß es sich darum gekümmert hätt e - ein kleiner Brustsprenger aus Gedimans Rippen gep lat zt und in den Blutsee hinunt ergef lat tert, während Gediman sich in Todes krämpfen wand. Ripley wußte, daß sie diesen Anblick nie ver gessen würde. Nicht in diesem Leben und auch nicht - sie unt erdrückte nur mühsam ein hysterisches Lachen - im nächst en. Immer noch kauerte sie auf dem Boden des Abfalltanks, bemüht, sich so klein und unsicht bar wie mögli ch zu machen. 238
Sie kn iet e bewegun gslos und ruhi g, so ruhig wie die übr igge blieben en eingewobenen M enschen, die zu ihrem Glück noch bewußtlos waren. Ripley beneidete sie. Sie rührt e keinen M uskel, fürchtete sich, zu blinzeln oder zu atmen. Ohne eine Bewegung wartete sie darauf, daß das Neugeborene jetzt , da es von Gedimans Lei che ab gelassen hat te, seine Aufmerksamkeit auf et was anderes l enkt e. Das Wesen ließ seine Augen durch den Tank schweifen, über die umherirr enden Ali ens, die dahingestreckte Leiche seiner M utter und den noch immer schaukelnden Gediman hinweg. Dann wandt e sich der ri esige Kopf langsam um und sah mit ein em häßlichen Grinsen - zu Ripley hinunter. Ganz allmählich kam das Neugeborene näher. Gelenkig wi e eine Spinne kroch es an der Wand des Abfallt anks entlang, wobei es die Harzfasern als Halt für seine Hände und Füße benutzte. Ripley bemühte sich, ihre At mung und ihr e Angst unter Kon trolle zu halten. Je näher das M onster kam, desto deutlicher konnte sie seine Züge erkennen - was d ie Sache nicht erl eichter te. Das Gesicht des Wesens war mit Blut und rosafarbener Gehirnmasse besprenkelt, auch zwischen seinen riesi gen Zähnen hingen Reste davon. Als es Ripley seinen At em ins Gesicht blies, konnte sie das frische Blut deut lich riechen. Jetzt war das M onst er keine Handbreit mehr von ihr entfernt. Rip ley zittert e am ganzen Körper, sie kämpfte gegen ihre Angst, den instinkt i ven Drang, in Panik zu gerat en und fliehen zu wollen. Ein Teil von ihr konnt e nicht glauben, daß es so weit gekom men war. Nach all den Kämp fen, nach all den M ühen. Würde sie das all es noch ein mal dur chmachen müssen in einem anderen Leben? Bestand der ihrer M einung nach höchst ungerechte Gott, der ihre verschiedenen Leben gelenkt hatte, darauf, daß sie immer wieder in denselben Alp traum hineingebor en wurde? Hatte sie sich nach all dem nicht eine neue Chance in einer anderen Lebensform verdient? 239
Das M aul des Neugeborenen öffnet e sich, und es streckte eine lange, schlangelnde Zunge heraus. Ripley verspannt e sich und versucht e, sich nicht vorzust ellen, wie ihr Schädel auf gerissen und ihr Gehirn verspeist wurde. Die Zunge schoß nach vorn und strich mit ungeh eurer Sanft heit über Ripleys Gesicht, auf das ein wenig harzi ge Schmiere get ropft war. Sie blinzelte und wartete auf das, was kommen mußte. Wieder l eckte das Wesen sie wie eine riesige Katze, immer und immer wieder. Es reinigte ihr Gesicht, ihren Nacken und ihre Schult ern von dem Unrat und den Ein geweiden, m it denen sie besudelt waren. Voller Zärtlichkeit wusch das Neuge borene sie mit vorsichtigen Bewegungen, bemüht , nicht an der zarten Haut oder den Haarst rähnen zu reißen. So gar seine klauenbeset zten, schreckli chen Händ e waren sanft in ihrer Berührung, als sucht en si e nach ev ent uellen Verlet zungen oder versicher ten sich, daß sie in Ordnung war. Seine Gest en er inner ten sie an ein treues Haustier, ein en Hund, der am Ende des Tages sein Herrchen begrüßt, eine Katze, die daru m bet telt, gestreichelt zu werden. Während das M onster ihr Gesicht reinigte und ihr en Körp er betast et e, während es ihr den Tod, den sie erwart et hatte, verweigerte, sah Rip ley in die Augen, die dieselb e Farbe hatt en wie ihre eigenen, und las dort etwas. In diesem Moment schlüpfte di e telepathische Verbindung in sie hinein, berührte ihren Geist und wisperte ihr etwas zu von genetischen Bindungen, di e sie nicht verleugnen konnte. Und es war richtig so. Ihr Sehnen nach der dampfenden Wärme des Horts, die Stärke und Geborgenheit ihrer Art. Noch ein en Moment zuvor hatte sie die Einsamkeit ihrer eigenen Individualitä t getragen. Aber jetzt gaben sie ihr noch einmal die Mögli chkeit, zu ihnen zu kommen, mit ihnen zu jubeln. Sie war im Hort. Sie konnte sich mit den Kriegern vereinen und als Königin dienen, die Hegerin des Neugebo 240
renen. Das war es, wofür sie gelebt hatte. Denn diese Hülle, diese menschliche Hülle, d iese Ripley, war ihrer aller Mutter. Der erste Wirt. Der erste Krieger. Und sie hatte lange genug gelebt, um alles zu wissen und die Herrlichkeit mit ihnen zu teilen. Ripley war der Grundstein des Stocks. Die Hegerin des Horts. Die Urzelle des Neugeborenen. Dies war d ie Antwort auf die Frage, di e sie gestellt hatte. Warum? Dies war der Grund. Sie st arrte in die feucht en braunen Augen, die ihre eigen en hätten sein können, streckte die Hand aus und legt e sie auf den Schäd el d es Neugeboren en. Ihre Hand st rich über den langgezo gen en Kopf des Alien und t ät schelte ihn, wi e sie einst Amys Kopf getätschelt hatt e, streichelt e ihn wie einst Newt. Dies war ihr Kind, genau wi e sie es gewesen waren. Das Neugebor ene st ieß einen leisen, maunzenden Ton aus und sah sie an. Ripley spürte, wie sich die telep at hische Verbindung vertieft e, st ärker wurde. Es war so anders als die anderen, und doch so gleich. Aber in diesem Kont akt lag mehr, lag et was unleugbar M enschlich es. Ihr war, als sei si e mit einem Teil ihrer selbst verbunden, einem v erzerrten, böswilligen Teil, eng verflochten mit ihrem ausgeprägten Selbst erhalt ungstrieb, ihrer wilden Entschlossenheit . Der perfekte Organismus. Perfekt, zu ...? Da berührt e sie eine Stimme aus ihrer Er innerung, der Erinn e rung, di e ihr d ie Aliens selbst unbewußt zurückgegeben hatten. Sie hörte Newts Stimme, so wie sie sie im Brut kasten zum ersten M al gehört hatt e. Meine Mami sagte immer, daß es so was wie Monster nicht gibt - keine echten. Aber es gibt sie doch. Ripley, immer noch von der Int ensität des t elepathischen Kontakts mit dem Neugeborenen wie bet äubt , schauderte vor der grau envoll en Fremdheit des Wesens, das da um ihre Zärt lichkeit buhlte. Das Neugeboren e p arodierte Newt s Wort e. Ich wußte, daß du kommen würdest. 241
Diesen liebevollen Satz aus dem M unde dieser Karikat ur eines Lebewesens zu hören, bereitete ihr Übelkeit . Dann hörte sie Calls verzerrt e mechanische Stimme. »Warum lebst du über haupt noch. Wie erträgst du das? Wie erträgst du ... dich?« Keine andere Wahl, hatte sie geantwort et und auch daran geglaubt . Sie hatt e nie wirklich eine Wahl geh abt , nicht seit sie auf der Nostromo im falschen Teil des Welt raums aus dem Hyperschlaf erwacht war. Aber jetzt hat te sie eine Wahl. Einmal hatte sie eine ech te Wahl. Damals hat te sie Call gefr agt »Warum kümmert es dich, was mit ihnen passiert?« und hatte die M enschen damit gemeint . Jet zt fragte Rip ley sich selbst , warum es sie kümmerte. Was hatten sie für sie get an, daß sie sich so sehr für sie einsetzt e. Vielleicht war ja sie, Ripley, das neue Arsch-Modell ... Sie suchte nach d er Verbindung zu ihrer Art, versucht e zu erkennen, wer und was sie war, damit sie die richti ge Wahl treffen konnte. Sie suchte nach der Stärke und Gebor genheit des Hort s, fand sie aber nicht. Und an ihrer St el le war nichts als Schmerz und schrecklicher Verlust . Sie fühlte sich ausgehöh lt. Leer. Wi e sie sich seit ihrer Geburt gefühlt hatte. Als sie ihre telepathischen Antennen ausstreckte, hörte sie tief in sich Kinderstimmen, zwei M ädchen, Menschenkinder, die über d ie Jahre hinweg nach ihr rief en, Mami! Mami! Ripley starrt e in die wäßri gen Rep tilienau gen des Neugebo renen und zog ihr e Hand weg. M it einem St öhnen des Verlusts traf sie ihre Wahl. Si e hatte die Antwort gefunden. Sie lag in ihrer ei genen Genetik verbor gen. Trotz der Verlockun g der Aliens, trotz ihrer M acht und Stärke, der Reinheit ihr es Stre bens, wußte sie, daß sie durchhalten mußte. Um die M enschheit zu ret ten. Das war die Reinheit ihres Strebens, verstärkt durch die Vermischung ihrer Gene. Sie war Ripley. Sie war es immer gewesen, sie würde es immer sein. Ripley. Und sie würde sie zerstören. M it Gewalt. Ripley at met e tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen, und 242
richtete sich vorsichtig auf. Sie versuchte den Kopf frei zu bekommen, beobacht et e das Neugeborene und sandte ihm und den plötzlich führerlosen Kriegern, die jet zt, da ihre Königin t ot war, nicht wußten, was sie tun sollt en, liebevolle Gedanken. Als sie aufrecht stand, ließ d as Neugeborene von ihr ab. Rip ley streckte die Arme aus und p rüft e eini ge Enden des Netzes, das überall von den Wänden des Tanks herunterbaumelte. Während sie eini ge der kr äftigeren, elast ischeren Seile packte, ließ sie das Neugebor ene nicht aus den Augen. Der Alienmischling legte seinen miß gestalteten Kop f auf die Seit e und versuchte zu verstehen, was Rip ley vorhat te. Sie blickte auf den Blut und Unratsee unt er ihr und befeucht et e ihre Lippen, während eine weitere Erinnerung in ihr hochst ieg eine mit weißglühendem Blei gefü llte Gießform. Nun gut. Sie war schon in Schlim meres gesp rungen aber diesmal nicht. Ripley wickelte die Fasern um ihre Handgel enke, und wie ein Akrobat schwang sie sich nach oben und klet terte, sich m it Händen und Füßen festklammernd, an den Wänden empor. Ihre Augen suchten d ie Decke ab. Die ganze Zeit beäugte das Neugebor ene sie neu gi erig. Ripley versucht e, ruhigen Kopf zu bewahren und ihre Gedanken neutral zu halt en. Während sie an der Wand weit er nach oben st ieg, watete das Neugeboren e zu einer St el le hinüber, von der aus es sie besser im Bli ck hatte. M it schlängelnd en Schwanzbewegungen wie Krokodil e durch den Schlamm gleitend, näherten si ch ihm zwei Krieger, offenbar neugierig auch sie. Ganz langsam, um d ie Aliens nicht aufzuschrecken, klett erte Ripley weiter nach oben, im mer auf der Su che nach einem verräterischen Lichtstrahl. Als sie ihn schließlich ent deckte, l ief ihr der Schweiß aus allen Poren. Sie bemühte sich, weiter ruhig zu bleiben, und damit ihre Gedanken sie nicht verriet en, begann sie, eine M elodie zu summen, an die sie sich plöt zlich erinnert e. »Du ... bist ... mein ... Augenstern ...« Endlich f and sie, wonach sie gesucht hatte. Sie klettert e weiter, 243
zog sich hoch, tast et e die Decke des Abfallt anks ab und fand den Griff, der die Lukentür öffnet e. Als sie sie nach oben in einen der Flur e der Auriga aufschlu g, wandt e sie sich ruckart ig zu dem Neugebor enen um. Sie konnt e den Schock des Tieres über den Verr at in ihrem Kopf sp üren. Das M onster reckte sich so hoch es konnte, streckte drohend die Arme aus und schrie sein er verr ät erischen M utter seine Wut entgegen. Es sp rang auf die nächst gelegene M auer und begann ihr nachzuklet tern, aber Ripley war ihm schon zu weit voraus. Sie schob si ch durch die Luke, warf sie hinter sich zu, verriegelte sie und betete, daß si e das tobende M onst er aufhalt en möge. Ripley konnte sein Wutgeheul durch di e verschlossene Tür hören, während sie sich aufrappelte, umdrehte und losrannte. * »Schaffen wir es noch raus aus diesem Teil?« fragte Johner. Call hörte die Pan ik, die in seiner St imme schwang. »Keine Sorge, wir schaff en es«, ant wortete Vriess ruhig, aber Call bemerkte die Angst auch hinter seinen Worten. »M ach dir nicht in die Hosen.« Die Erde nahm den gesamt en Bildschir m ein. Noch immer war sie ein überwiegend blauer Planet , mit vereinzelt en, über seine Oberfläche verstreuten Wolken. Aber fast zwei Dritt el wurden von einem riesigen um ihn kreisend en M etallgitter verdeckt, einem Teil der umfangr eichen Weltraumoperationen, die von der Gesellschaft und der planetarischen Regierung einvern ehm lich geleit et wurden. Es wirkte wie eine p artielle Umhü llung, die sich etwas schneller dreht e als der Planet selbst . Call wußt e, wie viele M enschen dort unten lebt en - außerdem konnt e sie sich jederzeit in die minütliche Datenakt ualisierun g einklink en - aber sie wollte jetzt nicht über diese Zahl en nachdenken. Die einzi gen M enschen, die noch wirklich auf der Erde lebten, waren 244
diejen igen, d enen die Bürgerrechte entzogen worden war en, und die Arbeitslosen. Arbeit gab es inzwischen fast nur noch im Welt raum und in den Kolonien. Es war daher nicht schwer gewesen, für d en Aufp rall der Auriga eine völ lig unb ewohnt e Gegend auf dem Planeten zu finden. Johner hatte nicht gelogen, die Erde war tatsächli ch ein Slu m. Über den Anschluß in ihrem Arm kommuniziert e sie mit der Betty und arbeitete einen Zeitp lan für ihren Auswurf aus der Auriga aus. Sie hatte das große Schiff so programmiert , daß es das Gitter vollst ändig umf liegen und an der entlegenst en Stelle des australischen Outback auf d ie Oberfläche des Planeten prallen würde. Jet zt dauerte es nicht mehr lange. Bald hoben sie ab, und alles lag hinter ihnen. Call stieß einen t iefen Seufzer aus. Sie hat te sich noch nicht damit abgefunden, auch Ripley zurückzulassen. Außerhalb des Schiff es kurbelt en sich die Flügel der Bett y nach oben, während sich das Schiff ber eitmacht e, sein Ruhebet t zu verlassen. Call warf ein en Blick auf die M onitore vor ihr, obwohl die Betty sie üb er ihren Arm mit Informationen versor g te. Vriess und sie überprüften eine Flut von Dat en, den augen blicklichen Zustand der Betty betreffend. Der Stabilisat or im Frachtraum tat seine Arbeit , die Reparaturen, die sie und Vriess vor ihrem Andocken an der Auriga aus geführt hatten, waren also erfolgreich gewesen. Bei d en Türen der Luftschleusen gab es ein Problem mit dem hydraulischen Druck, vielleicht aus ge löst durch ein kleines Leck. Wahrsch einlich war das passiert, als sie Purvis' Alienembryo erschossen hatten - entweder hat te eine Kugel unglücklich get roffen, oder ein kleiner Tropfen der Aliensäure hatte ir gendwo ein nadelöhr großes Leck gefressen. Bei einem Schiff dieser Größe konnte jeder Druckverlust das gesamte Steuerungssy st em durcheinanderbrin gen. Egal, die Luftschleusen waren all e geschlossen, es dürfte sie also nicht 245
davon abhalten, von der Auriga loszukommen. »Call«, zischt e Johner m it flatternden Nerven, »ist die Bett y soweit ?« Auf dem Bildschir m wurde die Erde größer und größer, während sie di e Auriga in ihre l et zte Umarmung zog. »Läuft auf vollen Touren«, ant wortete Call, immer no ch rechnend. Es wurde knapp . Sie wünschte, Hillard wäre da. »Ich schließe jetzt die Luftschleuse am Dock.« Ohne ihn anzusehen, meinte sie zu Vriess: »Auf dein Zeichen ziehe i ch die Halt e krampen ein.« Sie war eins mit dem Schiff, sie war die Betty. Ein merkwürdiges, aber nicht unangenehm es Gefühl. Vriess schwieg lange, zu lange, und Call sah zu ihm hinüber. Nervös must erte er das Steuerpult . »Okay ...«, murmelte er. »Jet zt muß ich nur noch die ... äh ... die vert ikale Schubumkehr finden.« Distep hano sah dem M echaniker über d ie Schulter und fragt e besorgt : »Hey Leute, ihr könnt dieses Ding doch f liegen, oder?« Ripley hetzte durch die Flure, so schnell sie konnt e. Beinahe instinktiv fand sie den Weg zu d em Dock, an dem di e Bett y lag. Immer wieder ford erte Calls St imme - die St imme der Auriga sie auf, das Schiff zu evakuieren, teilte mit , der Aufprall finde in soundso vielen M inuten und Sekunden statt . Genervt schrie sie zurück: » Verd ammt , i ch laufe, so schnell ich kann!« Als sie um die letzt e Ecke bog, sah sie, wie sich die breit en Tore der Luftschleuse, die zur Betty führte, schlossen. Das Schiff sagte mit Calls Stimme. »Luftschleusentore werden geschlossen. Bitte zurücktreten.« »Neiii iiin!« rief sie und warf sich mit noch größerer Hast nach vorne. Vor ihr sch lossen sich die Türen. M it voller Ge schwindigkeit stürzt e sie sich in den en ger werdenden Sp alt und rutschte gerade noch rechtzeitig durch. Beinahe hätten die zugleit enden Türen einen ihr er Absätze abgerissen. Nach Luft schnappend, p rallte sie mit vol ler Wucht auf den Boden. Dann hört e sie das sau gende Geräusch, m it dem sich der erste An 246
dockmagnet löste. »NEIN!« schrie sie, als könnte irgend jemand auf dem klein en Schiff sie hören. Sie sprang auf und r annt e über das Dock zur Betty. M it lautem Krachen löste sich ein weit erer M agnet. Über d ie Plattform hetzend, wurde Rip ley schneller und schneller, bis sie d as Schiff sehen konnt e. Der letzte M agnet haftete noch am Boden. Noch fünf M eter. Drei ... Eine flüchti ge Bewegun g auf einem der Videomonitore der Betty erregte Calls Aufmerksamkeit. Si e schaut e hin und sah ... »Scheiße!« rief sie, zog den Stecker aus ihrem Arm, schoß aus ihrem Sit z und beugte sich über Vriess' Schult er. »Ripley! Sie kommt! Sie hat es fast geschafft!« Hast ig reicht e sie über seine Schult er und griff nach der Luft schleusenkont rolle der Betty. »Call, zum Teufel!« schrie Vriess verwirrt. »Wir sind fast los! Unsere Zeit läuft aus. Wir können nicht länger warten!« »Wir lassen sie nicht zurück!« schrie Call und schlug mit der Hand gegen den Kontrollhebel der Laderaumt ür. * Endlich g elang es dem vor Wut über sein Verlassensein brül lenden Neugeborenen, sich durch die schmale Luke in der Decke des Abfalltanks zu zwängen. In einem Gewirr von Armen und Beinen fiel das Tier au f das obere Deck der Auriga, aus den frischen klein en Wunden, die es sich gerade zugefügt hatte, tropfte es auf den Fußboden. Von dem rasch schmelzenden Boden stieg Rauch auf. Das ätzende Blut hatte dem Neugebore nen geholfen, das Loch, durch das es gerade gekrochen war, zu weiten und es für seinen riesigen Körper groß genug zu machen. Während seine Wunden zu bluten au fhörten und zu heilen begannen, schaute das Neugeborene sich um. Es sah, wie diese Ripley mit großer Geschwindigkei t im Flur verschwand. 247
Aber das Neugeboren e würde sie finden, konnte es doch dem menschlichen Klon mit Hilfe der Verbindung in seinem Gehirn problemlos folgen. Es zog die Lippen hoch und zeigte grinsend die halb menschlichen, halb alienha ften Zähne. Dann sprang es hinter seinem Vorfahren her, die dunkel werdenden Flure des der Verdammung preisgegebenen Sch iffes hinunter. * Der letzte M agnet war noch nicht gelöst, als Ripley dem Schiff entgegenhastete. Die Laderamp e und al le anderen Rampen waren eingezogen. Das Schiff hing über dem Abgrund des Docktunnels und wart et e darauf, daß sein letzt er Halt gelöst wurde und es aus dem Dock hinausdriften konnte. Während Ripley noch überlegt e, wie sie ins Innere des Raum schiffes gelangen sollte, öffnet e sich p löt zlich einladend die Luftschleuse des Laderaums. Ohne zu zögern, li ef sie zum Rand der Rampe und sprang. Wie ein Taucher auf der Suche nach einem Schatz stürzte sie sich von der Ramp e. Sie segelte durch die Luft, drei M eter, fünf, sieben - und landete hart auf dem festen Boden des Laderau ms der Betty. Die Landun g nahm ihr den At em, und nach Luft schnappend wartet e sie darauf, daß sich die Türen hinter ihr schlossen. Sie zählte leise im Kopf, aber nichts geschah. Plötzlich blit zte eine Er innerung, ein dejà vu in ihr auf, sie ir gendwann, ir gend wo wart end, daß sich eine andere Tür schloß und sie in Si cher heit bracht e, aber die Erinnerung war zu vage, als daß sie sie hätte festhalten können. Als sie zu der verschlossenen Luftschleuse der Auriga zurück sah, durch die sie sich in l et zter M inute gezwängt hat te, bemerk te sie, wie die massiven Türen plöt zlich unt er Schlägen von ungeh eurer Kraft erzit terten. Und wieder. Und immer wieder. 248
Ripley schloß die Augen. Sie wollt e den Kont akt nicht, aber sie wußte, daß es da war. Denn sie würden sie niemals gehen lassen, ihren Anspruch auf sie niemals auf geben. Nicht in diesem Leben. Und viellei cht nie mehr. Si e sah sich im Lade raum um und erkannt e eini ge für das Funktionieren des Schiffes unerläßliche M aschinen. Sie war erst aunt , wie vertraut ihr alles war, alles, was mit der Handhabung eines Raumschiffs verbun den war. Es war schon so lange her. Ein anderes Leben. Ein anderer Körper. Sie r iß sich aus ihren Träum en und wandt e sich den akut en Problemen zu. Dieser Ort war nicht dafür gemacht, dem luft leeren Raum aus geset zt zu sein. Wenn sie die Türen nicht zubekam, würden sie den Flug ni cht überleben. Wußte die M annschaft Bescheid? Konnten sie diesen Raum über Video sehen? Sie sah sich um, konnt e aber nicht entdecken, ob im Frachtraum Kameras angebracht waren. Sich zum Handeln zwingend, zog sie sich schwerfällig hoch. Das Schiff schlingerte in sein er Halterung hin und her, und als sie nach der manu ell en Verr iegelun g der Luftschleusen griff, verlor sie bein ahe ihren schwachen Halt. Sie umklammert e die Hebel und sammelte al l ihre Kräfte, um die Türen zu schließen. Plöt zlich setzten sie sich quiet schend in Bewegun g. Ganz langsam. Ihnen blieb nur noch so wenig Zeit ... Ripley verließ sich darauf, daß die Luftschleuse ihre Arbeit tat, ließ den Hebel los und rannte zur Trepp e hinüber, die zum Cockp it führte. Das Quietschen der herabsinkenden Türen übertönte die Tat sache, daß das Hämmern des Neugeborenen gegen die ver schlossene Luftschleusent ür im Flur plötzlich aufgehört hatte. »Wir haben sie!« meinte Vriess zu Call, als R ipley im Lad e raum gelandet war. »Sie ist drin. Jet zt aber nicht s wie raus hier.« Er machte sich an den Schaltern zu schaff en, um die Betty auf den Flug durch den langen Docktunnel vorzubereiten. Sobald das Schiff die halbe St recke zurückgel egt hatt e, konnte er die äußeren Luftschleusen öffnen. Das große M ilitärschiff befand 249
sich bereits in der Ionosphäre. Es wurde verdammt knapp. Zu knapp, dacht e Vriess. Er spürt e den Druck. Sobald die Türen des Laderaums geschlossen waren, würde er mit dem Abstieg beginnen. Vriess und Call beobachteten über M onitor, wie Rip ley mühe voll aufstand und sich m it der Hand das Haar aus dem Gesicht strich. Sie setzte die manuelle Verr iegelun g in Betrieb, und als die Türen nach unten sanken, verschwand si e. M ehr brauchte Vriess nicht zu sehen. Er schaltete die M onit ore von den Kameras wieder zurück auf die entscheidenden Daten, die er für ihre Flucht aus der abstürzenden Auriga benötigte. Er überflo g Calls Flugp lan, der über d en Bildschirm lief. Sieht gut aus, dacht e er und gab dem Schiff die Anweisung, mit dem Abstieg zu beginnen. In diesem M oment färbt e sich der Bildschirm rot, und in der Fußzeile blinkte eine Nachricht, die Vr iess jetzt wirklich nicht gebr auchen konnte. Hast ig versucht e er eini ge Notschaltungen, aber die Nachricht verändert e sich nicht . »Call«, sagt e er ruhig, aber di e Angst in seiner St imme war nicht zu überhören. »Ich kriege d ie verdammten Türen nicht zu.« »Was?« schrie Johner aus dem Sitz hint er ihm. »Wir könn en nicht mit sperrangelweit offen en Türen in die At mo eint au chen!« »Ripley hatt e sie mit der manuel len Verri egelung fast zuge kriegt«, erklärte Vr iess, die Au gen auf die schlecht e Nachricht auf dem Schirm ger ichtet, »aber si e sind auf halbem Wege steckengeb lieb en. Ich kriege sie nicht von der Stelle.« »Laß mich mal«, sagte Call und klinkt e sich rasch wieder in das Schiff ein. Leise murmelnd bat sie es: » Sprich mit mir, Betty.« An den Wänden des Docks kondensierten die Abgase des Schiff es. Etwas Dampf war mit Ripley in den Lader aum gedrungen, er wabert e um die Ausrüst ung und die Ladun g wie 250
niedrig st ehende Nebel auf einem Fri edhof. Als das Dock die Betty zum Abflug fr eigab, veränderten sich die Luft st röme plötzlich und bliesen den Dampf in eine andere Richt ung. Die Fäden grauer Wassertrop fen, die um d ie Luft schleuse des Docks wirbelten, wurden in einer raschen Böe weggeweht. Zurück blieb eine einsame Gest alt . Als sich das Neugeborene durch den engen Spalt zwischen den Türen gezwängt hatte, die zwischen ihm und dem Schiff gestanden hatten, sah es, wie die M agneten sich lösten. Und es sah diese Rip ley im Schiff stehen. Ent schlossen, an dem Wesen, das es verr at en hatte, die Köni gin verraten hatte, den ganzen Stock verraten hatt e, Rache zu üben, brüllte das Neugeborene einen Schwur der Ver geltung. Es wartete, bis der kondensierende Damp f es wieder in sein tarnendes Grau einhüllt e, und kroch dann auf all en vieren auf das Schiff zu. Auf seinem grauen Totenkopf lag ein Grinsen, als es heimli ch auf sein neues Zuhause zukroch. Es kannte diesen Ort nicht, es wußte nur, daß seine M ut ter - die alles versuchte, ihr verwaistes Kind zu verlassen - es hierher geführt hatte. Die vier M enschen an Bord der Betty wandten sich um, als ihr neuer Passagier ins Cockpit stürzt e. »Ripley!« rief Call und dreht e si ch in ihr em St uhl herum. Sie hätte nicht sagen können, warum, ab er sie mußte sie seh en, um sicher zu sein, daß sie da war. »Hi«, keucht e Ripley atemlos. Als sie an Distephano vorbeilief, gr inst e er sie an. »M ensch, und ich dachte, Sie wären tot !« Sie nickte abwesend. »Das passiert mir öfter.« »Freut mich, daß Sie es geschafft haben«, meinte Distephano. »Ich würde ja sagen, fr eut mich, Sie zu sehen, aber Himmel noch mal, Sie sehen schrecklich aus, und wie sie r iech en!« Ripley beugte sich über Vriess' Schulter und überflog di e M onitore. 251
»Warum sind wir immer noch hier?« Die Daten zeigten deut lich, wie weni g Zeit ihnen noch bl ieb. Von ihrem Sit z aus sah Call zu Vriess hinüber. Er schwitzt e heftig und sah verwirrt aus. Es war offensicht lich, daß die vor ihm liegenden Probleme ihn überforderten. Er stammelt e: »Ich ... äh ... ich versuche gerad e ... die ... di e Notschalt ung ... äh ... zu finden. Ist es die da?« Er griff zögernd nach einem Schalter. Johner beugt e sich hi lfsbereit über ihn, ab er Ripley schob den großen M ann zur Seite und schlug Vri ess' Hand weg. »Ach du große Güt e ...!« murmelte sie entsetzt und schwang sich n eben Vriess in den Stuhl des zweit en Piloten. Elgyns Stuh l, erinnert e sich Call, und ihr Herz zog sich zu sammen. Johner tobte. »Was verstehen denn Sie von ...« Ungeduld ig unterbrach ihn Rip ley . »M achen Sie Witze? Diese Schrott kist e ist ält er als ich.« Ohne sich zu vergr eifen, f logen ihre Finger über das Pult, drückt en Knöp fe, legt en Sch alt er um. Sie sah n icht ein mal genau hin. »Los, öffn en Sie die verdammte Luftschleuse der Auriga«, befahl sie Vriess. Er schien froh, die Kont rolle über d as Schiff an Rip ley ab zugeben, ließ aber den M onitor nicht aus den Augen. Er wies mit dem Kopf darauf. »Wir haben immer noch ein Leck! Sehen Sie! Die Luke!« »Die habe ich geschlossen«, meinte Ripley ruhig. Johner beugte sich üb er sie und wies auf Vriess' Bildschirm. »Die verdam mte Luke!« Sie sah auf den blinkenden Schirm, der im mer noch d ieselbe Geschichte erzählt e. Vriess' Hände bewegt en sich jet zt ohne Zögern über das Pult . Dies war ein Problem, das er verstand. »Schon wieder dieses blöde Din g! Wir haben Druck in der Hy draulik verloren. Wie konnte das p assieren?« Jet zt st and Johner hinter ihm und betrachtete den Bildschirm. Er wandte sich zum Laderaum. »Vielleicht kann ich sie zudrü 252
cken«. »Das habe ich schon versucht«, meinte Ripley. Der Ausdruck auf Johners Gesicht zeigte seine Überzeugung, daß er dann keine Chance hat te. Call sprang auf und st öpselte sich hast ig aus. Im Augenbli ck wurde sie hier nicht gebrau cht . »Ich kümmere mich darum!« Sie klettert e von ihrem Sitz herunter und hielt einen kurzen M oment inne, als sie b emerkt e, daß Ripley sie ansah. In dem eindringlichen Blick der ält eren Frau stand deutlich zu lesen: Ich weiß natürlich, daß du es warst, die mich hereinge lassen hat. Ripleys Dankbarkeit war offensichtlich. Der Android nickte kurz. Ripley bemüht e sich um ein mat tes Lächeln und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder d em M onit or vor Vriess zu. Die Dat en auf d em Sch irm zeigten an, daß d ie Betty sich langsam aus dem Docktunnel hinausbewegte. Call blieb nicht viel Zeit , um di e Türen zu schließen, ehe sich die äußere Luftschleuse öffnete. Aber sie war die einzige, die dort draußen überleben konnte, wenn es soweit war. Eili g schlängelte sie sich durch die Sitzreihen zum Hinterausgang. Als die Cockp ittür sich hinter ihr schloß, sah Call sich eini ge Sekunden lang um. Die Luft schleuse des Laderaums war nur weniger als eine M inute lang geöffnet gewesen, aber diese Viecher bewegten sich mit einer un gl aubli chen Geschwindig keit. War es mö gli ch, daß eins von ihnen hi er hereingekrochen war, während sie auf das Steuerpult konzentriert gewesen waren? Allein der Gedanke ber eit et e ihr Übelkeit, die Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf. Über ihrem Kopf rasselten die mit den Sch iffsbewegun gen schauk elnden Flaschenzüge und Ketten und bildeten die Begleitmusik für ihre Nervosität. Vorsicht ig näherte sie sich den Riegeln. Sie p ackte sie, und in der Hoffnung, die Türen trotz der defekt en Hy draulik schließen zu können, zog sie sie mit aller Kraft nach unten. Die Lämpchen 253
blinkten rot, dann grün und mit qu älender Langsamkeit began nen sich die Türen zu senken, bis sie einen halben M eter über dem Boden erneut steckenblieben. »Call?« Vriess' Stimme aus dem Int erco m jagte ihr ein en solchen Schrecken ein, d aß sie zusammenfuhr. »Call?« Sie wollte gerade antwort en, als hinter ihr ein Schatten vorbei huscht e. Sie erstarrte, alle Sinne schalt et en auf höchste Wach samkeit. Der Schat ten bewegte sich, v erschwand wieder. Call spürte, daß etwas ganz in ihrer Nähe war, und drehte sich langsam um, ber eit , sich ihm zu st ellen, was immer es auch sein mochte. »Call?« r ief Vriess erneut über das Intercom. »Call?« Geschickt lenkte Ripley das Schiff aus den Anlegest ell en heraus auf di e riesi ge Luftschleuse der Aunga zu. Doch während sie die Betty steuerte, war ihr e Aufmerksamkeit di e ganze Zeit auf den M onitor gerichtet, der anzei gt e, d aß die Luftschleu sent ore im Lader aum immer noch geöffnet waren. Hier ist nichts, dacht e Call ärgerlich, und überlegt e, ob der Schad en durch Wr ens Schuß ihre sensorischen Reaktionen beeint rächt igt hatt e. Sie must erte den leeren Laderaum und entschied, daß es das permanent e Geklirr e der Flaschenzüge und Ketten war, das dem ruhigen Raum di esen Eindruck von Aktivit ät verlieh. Ich brauche eine Brechstange, sagt e sie sich und versuchte, sich auf die Tür zu konzentrieren. Sie sah sich in dem däm mrigen Raum um und bemerkte zum erstenmal die verschied enförmigen Schatt en der zahlreichen Ausrüstungs und Frachtgegenst ände. Plöt zlich erschienen sie ihr alle wi e Verstecke. Kümmere dich um die Brechstange! befahl sie sich streng, wütend über diese eingebildeten Schrecken, wo die wirklichen, denen sie ent gegendr ift et en, schon beän gstigend genu g waren. Sie entdeckt e eine lan ge Eisenstange, griff nach ihr, hob sie hoch und prüfte Gewicht und Länge. Damit könnte es gehen. 254
Das Schiff schwankte leicht, und ein plötzliches Knarren der M aschinen ließ sie hochschrecken. Die Kett en schlugen gegen einander. Los, zur Tür! ermahnte sie sich und wandte dem Laderaum den Rücken zu. Si e zwängt e die Eisenst ange in di e manuelle Verriegelung und warf sich auf das ander e Ende, um den festgeklemmt en Hebel vollständig herunterzudrücken. Plöt zlich wurde das Bewußtsein einer ander en Präsenz so stark, daß Call es nicht länger ignori eren konnt e, auch nicht wegen der Luftschleuse. Ein Geräusch, wie zischender Atem, ein warmer Hauch, wie aus gestoßene Luft , das Gefühl von etwas ganz in ihrer Nähe, et was Gefährl ichem. Ihr Körp er verspannte sich, ihre Sinne waren hellwach, ihr Herzschlag beschleunigte rasch. Und da war es, da war es tatsächlich, direkt hinter ihr. Es war riesig. Und absch euli ch. Aus dem dunklen Schatt en erhob sich der schreckli chste Alpt raum, den Call je geseh en hat te - und sie war Sp ezialistin für Alpt räume. Was immer dieses Wesen auch sein mocht e, ein Wald- und Wiesenalien war es ganz bestimmt nicht. Es sah aus wie eine gr äßliche Kreuzung aus dem klassi schen M onst er und dem Todesengel. Sein totenkopfähnliches Gesicht starrte sie heimtückisch an, eine Karikatur m enschlicher Zähne verzog sich zu einem Grinsen. Es war größer als die anderen Aliens, und sein leicht menschlicher Zug ließ es um so grotesker erscheinen. Et was Ähnliches war ihr noch nie begegnet , weder in d en Geschichtsbüchern noch auf der Auriga. Es war mit den ur sprünglichen Aliens verwandt, das erkannte sie selbst in ihrer Panik. Aber die Abweichungen - sollte das Wrens letzt es Geschenk sein ...? Das Wesen hatte unverkennbar menschliche Züge Mein Gott ... Rip leys Gene ...! Sie mußte hier raus. Weg von dieser Kreatur. Da kam es auf sie zu, griff n ach ihr, griff nach ihr m it diesen unglaublich lan gen Armen. 255
Sie fühlt e sich, als habe sie auf dem Deck Wurzeln geschlagen. Es war ihr un möglich, sich zu bewegen od er einen Gedanken zu fassen. Als sie das grauenvolle, nach ihr gr eifend e Wesen anst arrte, setzte ihr Gehirn wegen Überlastung aus. Aber seine Hände griff en direkt an ihr vorbei und packten st att dessen einen der Querbalken an der klemmenden Luftschleu sent ür. Call blinzelte überrascht , als das Wesen die Tür hilfsbe reit bis zum Boden zog und luft dicht verschloß. »M ensch, sie hat die Tür«, meinte Johner zu Ripley, als die Warnung auf dem M onit or grün wurde und sich in ein all clear verwandelt e. Er schlüp fte in den Stuhl, den Call freigemacht hatte, und stellte den Bildschirm auf ein e Außenansicht der Betty ein. »I m al lerlet zten M oment. Öffnen Sie die Türen des Docks, sonst küssen wir gleich den Boden.« Ripley beacht et e ihn kaum, als si e die Steuerung d es Schiffes übernahm und all die Dinge tat, die - dacht e sie Call über ihren Anschluß so viel schneller hätte tun können. »Volle Schubkraft nach unten!« rief Vriess ihr zu. »Wir können hier noch rauskommen.« Er warf Rip ley einen Blick zu. »Aber es wird knapp. Und wir werden ganz schön durchgeschüttelt werden.« Sie nickte, überrascht, wie unwi llig sie ihre Augen vom Bild schirm nahm. Aber Call hatt e die Türen geschlossen. Sie war in Sicherheit. Für Ripley gab es jet zt wichtigere Dinge zu tun. Sie bearbeit et e das Steuerpult und schnallte sich gleichzeit ig im Stuhl fest. Sie hört e, wie Distep hano und Johner dasselbe taten. Alles so vertraut, dacht e sie müde und fummelte an den Gurten um ihre Taille und ihre Schult ern herum ... Genauso wie die Steuerung des Schiffs. All es so merkwürdig vertraut . Plöt zlich teilte die Computerstimme der Auriga, die genauso klang wie Call, über das Int ercom der Betty mit : »Warnung. Verfahrenstechnisches Problem. Schiff nicht au f vertikalen Fall ausgerichtet. Bremssysteme außer Betrieb. Aufprall steht kurz 256
bevor.« »O Scheiße«, schimpfte Johner hint er ihr. Distephano schwieg. Ripley lehnte sich entspannt in ihrem Stuhl zurück, als bef inde sie sich auf einer Kreuzfahrt. »Wir haben es gleich ...«, meinte Vriess ruhig. Auf einmal fügte sich alles zusammen. Ganz plötzlich. Die Fallgeschwindigkeit der Auriga. Die Auswurfgeschwindigkeit der Betty. Alles paßte. »Jet zt !« schrie Ripley und drückte den Hebel auf vol le Kraft. Die Betty macht e einen Satz, und alle hielten sich bereit. Im M oment machte Vriess sich keine Sorgen um Call; er h at te Wicht igeres zu t un. Einige Systeme der Betty liefen nicht so, wie sie sollten, da er die angesetzt en Reparaturen nie hatte durchführen können. Um endgült ig von der Auriga loszukommen, mußte das Schiff schnell reagieren und würde seine ganze Kraft benöt igen. Er bezweifelt e, daß es dazu in der Lage war. Vor allem ohne Hill ard am Steuer ... Er sah zu Ripley hinüber und überlegte, wie sie hierher gekommen sein mochte, und woher sie so viel über die St euerung der Bett y, ihre Eigenheit en und Fähigkeiten wußte ... Plöt zlich schrie Ripley: »JETZT!« und hämmerte auf das Pult ein. Vriess sah auf den M onitor, auf dem das Äußere der riesi gen Auriga erschien, deren unzählige Lichter gegen den australi schen Nachthimmel blinkten, während das Schiff auf die Erde zuraste. Plötzlich schoß die Betty, die neb en der unförmi gen Gest alt des M ilitärschiffs wie ein Spielzeug aussah, aus der Luftschleuse und verfehlte nur knapp das größere Schiff. Auf Vriess wirkte sie wie ein winziges Stück Abfall, d as aus einem startenden Flugzeug geworfen wurde. »Vorsicht !« warnte Johner. »Ich passe schon auf!« versicherte Rip ley , während sie das kleine Schiff in einer engen Kurve von dem Ungeheu er wegma 257
növriert e, das sie zu erdrücken drohte. Die Betty kurvt e h in und her, um die massi ge Hülle des großen Raumschiffs zu umgehen, bis sie es schließlich h inter sich gelassen hatt e. Sie bracht e sich in Position und nahm Geschwin digkeit auf, während die Auriga ihren Todessturz fortsetzt e. Vriess überp rüft e es noch einmal; er wußt e, wie wichtig es für Call war. Aber dieser Teil des Out back war unbewohntes Gebiet , keine Städte, keine M enschen, meilenweit nur dunkles, ödes Land. Der Krat er der Auriga würde auf Jahre hinaus der interessanteste Teil dieser Landschaft sein. Vriess und Ripley kämp ften gemeinsam darum, di e schneller werdende Bett y unter Kontrolle zu bringen, sie holt en aus d em Schiff mit seinen veralteten Teil en das Letzt e heraus, um sich zu rett en. Eine derart ige Angst hatt e Call nicht einmal gehabt, als sie der Säuberungsaktion gegen die Androiden entflohen war. Sie konnte weder d enken noch handeln, sie reagierte nur noch. Das M onst er stand zwischen ihr und der Tür zum Cockp it. Aber das war jetzt gleichgültig, das einzi ge, worauf es jetzt ankam, war Flucht . Egal wohin. Egal wie. Flucht. Das Neugeborene trat einen Schritt auf sie zu, aber in diesem M oment machte das Schiff einen plötzlichen Sat z, und beide verloren das Gleichgewicht . Das war der Kick, den Call ge braucht hatte. Jetzt hatte sie ihre M ot ivat ion wiedergefunden. Sie wich d em aus gestreckten Arm des Wesens aus und rannte, so schnell si e konnt e. Es war direkt hinter ihr, trat ihr beinahe in die Hacken, als wollt e es noch etwas mit ihr sp ielen, ehe es sie töt ete. Das Tier zischt e, und Call spürt e, wie seine Klauen ihr Bein streift en. Sie machte eine scharfe Wendung n ach r echt s und sprang im letzten M oment in den Raum unt er dem Stabilisator. Als das riesige Alien verstand, daß sein e Beute im Begriff war, ihm zu entkommen, brül lte er p rotestierend auf und macht e einen Satz 258
nach vorn, aber Call war schon unter dem Bauch der großen M aschine verschwunden. Sie machte sich so klein wie möglich und rollt e sich immer weiter nach hinten, bis sie gegen d ie Rückwand stieß. Dort dreht e sie sich auf der Stelle und musterte die drei offenen Seiten auf der Such e nach ihrem Verfol ger. Sie rechnet e damit , daß das Wesen ihr nachkroch. Aber es war verschwunden! Der Alienkrieger war dem Neugebor enen aus de m Hort ge folgt, um bei dem Jungen zu sein. Seine Königin war tot , und der Krieger fühlte si ch verloren. Er dacht e, das Neugeborene würde diese Ripley benutzen, um ihnen wi eder eine M it te zu geb en, einen Sinn, aber das Neu geborene hatte diese Ripley nicht halten können. Warum ni cht , das verstand der Krieger nicht. Und jet zt war das Neugebor ene verschwunden, hatte geschworen, diese Ripley zu töten, sie zu verschlingen. Der Krieger war dem Neugebor enen auf sein er Suche gefolgt, denn er brauchte ein Ziel. Aber das Ziel des Neugebor enen war nicht das seine. Die let zten Jungen war en aus ih ren Wirten geschlüpft und wuchsen heran. Der Hort war voll. Vielleicht war unter diesen zuletzt geschlüp ften Jungen eine neue Königin, aber der Krieger wußt e es nicht. Ohne eine Königin, d ie ihn leitete, war er ohne Ziel, ohne Antriebskraft, ohne Sinn. Vielleicht war es das Beste, jetzt Winterschlaf zu halten. Das Schiff, mit dem sie fuhr en, war ohne Beute, nichts befand sich darauf als Krieger, t ote Wirte und Junge. Die Flur e waren selt sam öde. Dies war kein brauchbarer Hort mehr. Nicht ohne neue Wirte. Aber ohne eine Königin, di e sie führte, würden sie, so fürchtete der Krieger, niemals wieder neue Wirte finden. Eine Stimme t önte durchs Schiff. Der Krieger hob den Kopf, als er sie hörte. »Aufprall in sechs Sekunden, fünf ... vier ...« Das Neugebor ene war nicht mehr an Bord. Ja, dachte der Krieger und rol lte sich zu einem fest en Ball zusammen, dies war eine gut e Zeit für den Winterschlaf. 259
Die Stimme des Raumschiffes sagte leise: »Das wars ...« An Bord der Betty sah Distephano gerade genug von Vriess' M onitor, um zu erkennen, was geschah. Er schaute zu Ripley hinüber, die völ lig eins zu sein schien mit ein em Schiff, von dem sie eigentlich keine Ahnun g haben konnte. Ihre Lipp en waren zu einer schmalen Linie zusammengep reßt, ihre Au gen liefen hin und her, ihnen ent ging nicht s. Du bist schon eine merkwürdige Type, dacht e er wohlwollend. Trotzdem, er bewunderte, wie sie mit dem Schiff umgin g - und mit all den anderen Situationen, in die sie geraten waren. Er war ein erfahrener Raumflieger, aber dies war ein echter Höllenf lug, und er war noch nicht zu Ende. Von der Auriga ertönt e leise Calls Stimme: »Das wars ...« Und sie sahen zu, wie das wuchtige Schiff wie ein M et eorit aufprallt e, sich in den Boden bohrt e und in einem riesigen Feuerball explodierte, der den nächt lich en Himmel über M eilen hinweg erhel lte. Die Betty flo g in sicher er Entfernun g und sah aus angemesse nem Abstand zu. Das Schiff selbst war jedoch noch längst nicht in Sicherheit, davon war es noch weit entfernt . »Wow!« sagte Johner für sie alle, als die gigantische Exp losion den Himmel erhellte. Distephano wußte, daß seismo grap hische Instrument e rund um den Planeten den Aufp rall anzeigen würden. Sollt en sie doch versuchen, es zu verstehen. Der Feuer sturm loderte weit er und verzehrte alles, was die Auriga einst gewesen war, all es, wofür sie gestanden hat te. Schade, daß sie zu müde und angespannt waren, um zu applaudieren. Er sah zu Rip ley hinüber. Auf ihrem Gesicht spiegelt en sich die verschiedensten Emp findungen - Erleicht erung, Befriedi gung, Trauer und t otale Erschöpfung, gekop pelt mit int ensiver Konzentration. Distephano applaudierte ihr im stillen. Du hast es ihnen gezeigt, Lady. Du hast es ihnen wieder einmal gezeigt. Er fühlt e sich gut . Sobald sie das Schiff in den Griff gekriegt 260
hatten, würden sie es auf die Erdlandung vorb ereit en. Die Auriga war zerstört. Sie war en in Sicherheit. Dann fiel ihm etwas ein. »Und ich hatte nur noch drei Wochen«, sagte er wehmüti g. »Ich bin mal gespannt, ob die mir d ie Geschichte glauben oder ob sie mich in den Knast st ecken, wenn ich die Wahrheit sage.« »Hey, M ann«, rief Johner ih m gutgelaunt zu. »Du bist herzlich eingel aden, mit uns herumzuziehen. Wir sind nicht unbed ingt organisiert, aber du bist ein findi ges Kerlchen. Du würdest gut zu uns p assen.« Die beiden M änner lächelten müde, viel zu erschöp ft, um den Witz zu gout ieren. »Wo bleibt Call?« fragte Ripley besorgt . »Sie müßt e längst wieder hier sein.« »Du hast recht«, meint e Vriess. »Wir könnten sie gut gebr au chen. Ich habe hier fragwürdi ge M eldun gen aus ein em halben Dutzend Bereichen. Wenn sie sich wieder einklinkt, kann sie das alte M ädchen so lange bemut tern, bis wir sicher gelandet sind.« Er drückte den Intercom-Schalter und ri ef ungeduldi g, »Call, wo zum Teufel steckst du?« Gleichzeit ig schalt et e er den M onitor von den rauchenden Überrest en der Auriga zurück auf den Laderaum. Da Rip ley ihm im Weg stand, mußte Distephano sich über ihr e Schulter beugen, um etwas zu sehen, aber er konnt e Call auf dem M onit or nicht entdecken. In diesem M oment machte das Schiff einen weiteren Sat z, und Ripley kämp fte mit der Steue rung. Plöt zlich schlugen aus einer Kontrollt afel Funken, ein Schlauch riß, und neben Johner entwich zischend Rauch. »O, Scheiße!« rief der große M ann, schnallte sich hastig los und macht e sich an d em Schl auch zu schaffen. »Das Ding fällt auseinand er!« murmelte Ripley durch die zusammengebissenen Zähne. Vriess überprüfte die Dat en. Offensichtlich gefiel ih m nicht, 261
was er sah. »Der Druck ist inst abil!« Johner sah zu Distephano hinüber. »Los, holen Sie Cal l. Wir brauchen sie hier, sofort.« Während der Soldat sich aus seinem Sit z losschnallt e und instinktiv nach seinem Gewehr griff, hörte er Johner angewidert murmeln: »Was ist nun schon wieder mit der Biene los?« Gute Frage, dacht e Distephano und zog los, um ihr zu helfen. Unter dem St abi lisator liegend, hörte Call das Klin geln, das anzeigte, d aß si e das Dock der Auriga verlassen h at ten. Vriess und Ripley hatten im Cockp it wahrscheinlich alle Hände vo ll zu tun, die Betty so weit wie möglich von dem größ eren Schiff wegzubringen. Das Risiko, in den Sog des abstürzenden M ilitärschiffs zu geraten, war noch zu groß. Sie fr agte sich, ob Vriess oder ir gendein anderer den Ali en eindringling über die Kamera gesehen hatte, ob sie wußten, womit sie es hier hinten zu tun hatte. Call lag mucksmäuschenstill und ohne sich zu rühren unt er dem St abilisator und wundert e sich, wohin das Alien ver schwunden war. Lag es ir gendwo auf der Lauer und wartete darauf, daß jemand k am, um sie zu rett en? Ein plötzliches Tapsen auf der M aschine ließ sie zusammen zucken, aber sie rührt e sich nicht. Es ist oben auf der Maschine! dacht e sie. Das leise Geräusch verschwand, und es herrscht e wieder völlige Still e. Call lag wie erstarrt und wartete. Ihre Panik wuchs. M it einemmal warf sich das Wesen auf den Boden und ver sucht e, sich in den en gen Raum unt er dem St abi lisator zu zwängen. Ein Arm und ein Teil seines scheußli chen Kopfes quetscht en sich unter die M aschine, und in dem verzweifelten Bemühen, Call zu packen, verkrallt e es sich im Boden. Ent setzt drückt e Call sich an die Wand und wünschte, sie könne darin verschwinden, aber es gab keinen Ausweg. Die klauenbeset zte Hand grub sich in den dicken, stoßdämpfenden 262
Bodenbelag des Laderaums und zerpflückt e ihn in dichte schwarze Flocken. Das Alien brüllte sein e Wut heraus, griff nach ihr, tastete und zerfetzte jeden Teil des Bel ags, der ihm zwischen die Krallen kam. Call p reßte sich gegen die Rückwand und zog den Bauch ein. Sich windend und mit dem Schwanz um sich schlagend, versucht e das Wesen an sie heranzukomm en. Es wühlt e wie eine Krabbe und quet schte sich im mer weit er in den engen Raum, bis die langen, tödli chen Klauen dir ekt vor Cal ls Nase herumfuch telten. Das Alien tobt e vor Wut, aber sein Kopf war einfach zu groß und zu hart , um unter die M aschine zu passen. Trotzdem gab es den Kampf gegen die Element e nicht auf, überzeugt, daß es sein Ziel erreichen würde, wenn es es nur lange genug versucht e. Eine weitere Drehung, und die Klauen st reiften Calls Nase.
15.
Der längst e Finger des All en zapp elt e direkt vor Calls Gesicht. Sie wagt e nicht zu atmen, aus Angst, in die Reichweit e des Tieres zu gel an gen, aber sie wußte auch nicht, wie lange sie sich noch von ihm fernhalten konnt e. Es knurrt e wild, seine gr auen vollen Geräusch e verset zten sie in Angst und Schrecken. Und das Schlimmste war, sie konnte seinen schrecklichen menschlich/tierischen Gestank riech en. Wie lan ge würde sie noch durchhalt en können, wie lan ge konnte sie sich noch außer Rei chweite halt en? Und wie lange würde es dauern, bis irgend jemand im Co ckp it sie vermißt e? Plöt zlich wurde die nach ihr greif ende Hand des Alien neben sächlich, als zwei in St iefeln steckende Füße in ihr Blickf eld trat en. Sie blinzelte. M ilitärkleidung. Distephano! 263
Von dort, wo er den Lader aum betreten hat te, verdeckte der große Stabilisat or das Alien. Wußte er, daß es hinter ihr her war? Hatte er es auf dem M onitor gesehen? Es war ja nicht so, daß sich das verdammt e Vieh nicht von der St ell e bewegte. Plöt zlich nahm auch das Alien Dist ep hanos Anwesenheit wahr. Call merkte es daran, daß die nach ihr angelnden Klauen plötzlich innehielten und der Körper des Tieres erst arrte. Distep hano schlich sich vorsichtig in den Raum und sah si ch um, ohne etwas zu erwarten. Es war dämmri g hier dr in. Un heimlich. Die Ausrüstung verdeckt e den größten Teil des Fußbodens, die Ket ten, die von der Decke hingen, gaben ein leises, klirrendes Geräusch von sich, das es schwer machte zu denken. Also wo steckt e nun sein Lieblingsandro id? »Call?« r ief er leise. Die merkwürdi ge At mosp häre des Lade raums gebot Ruhe. Vorsicht . »Call? Bist du hier?« Wo sollte sie sonst sein ? fragte er sich. Si e konnte sich un möglich an ihm vorbeigedrückt haben. Distep hano ging weiter, wie ein gut er Soldat jeden Winkel sorgfältig musternd. Während Dist ep hano sich umsah, zog das Allen lan gsam und ger äuschlos seine Hand unt er dem Stabilisat or hervor. Einen Tei l von Call überkam ungeh eure Erleichterun g, di e jedoch sofort von ihr em internen Imperativ außer Kraft geset zt wurde. Jetzt war es hinter Distephano her. Und es war hundert mal schneller und tausendm al t ödlich er als er. Unter Distephanos Füßen schwankte die Betty hin und her. Er stellte sich vor, wi e Vriess und Ripley mit der Steuerung kämpft en und versucht en, dem Schiff manuell ihren Willen aufzuzwingen, da Cal l nicht da war, um sich einzust öpseln. Plöt zlich blieb er wie an gewurzelt stehen. Er sp ürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Konnte eines dieser Monster hier drinnen sein? Hatt e es sich Cal l geschnappt ? Warum sonst war sie nicht zur Brücke zurückgekehrt? Ungläubig must erte er den Laderaum. Hi er gab es Hunderte von Verst ecken. Ein 264
beinahe animalisches Entset zen überkam ihn, aber er riß sich zusammen. Er war Soldat. Ein M itglied von General Perez' handverlesener Truppe. Ruhig, mit fast entspanntem Gesicht sausdruck entsicherte Distep hano sein Gewehr. Er trat noch einen Schr itt vor und st and nun in d er Nähe des großen App arat s, der den Raum beherrschte. M it derselben entsp annt en M iene hob er das Gewehr und visierte. Wenn eins von diesen M onst ern, eins von ihnen, hier in diesem Raum ist ... Er überlegt e einen M oment. Diese M onster haben die Besatzung meines Schiffes bis auf den letzten M ann getötet. Wenn eins von denen hier drin ist , werde i ch ihm di e Höl le h eiß machen. Das bin ich ihn en schuldig. Dann mustert e er den großen Ap parat vor ihm, der ihm den Blick auf den Rau m zum großen Teil verst ellt e. Das muß der Stabilisator sein! dacht e er. Das ist hier nicht die Auriga, sondern nur ein kleines Schiff. Hier l iegt sicher noch eine Tonne anderes lebenswich tiges Zeug herum. Und diese Viecher haben ätzendes Blut! Als ihm dämmerte, was das bedeutete, hielt er inne. Er konnte es nicht erschießen. Nicht hier. Aber vielleicht war er gezwun gen ... Seine weni gen M ögl ichkeiten abwägend, schob er sich l an g sam um den St abilisator herum. Call war soeben zu demselben Sch luß gekomm en. Ätzendes Blut. Wenn Distephano das Vieh erschießt ... Sie starrte auf die alp traumhafte Vision seiner grotesken Visage. Es grinste wieder. Plöt zlich trop fte aus dem gr insenden M aul des Alien ein Schleimt ropfen. Und dann, noch ehe sie ihn warnen konnte, schlug es zu. In dem verzweifelten Wunsch, etwas zu tun, krabbelte Call unt er dem Stabilisator hervor. Das Wesen holte aus und packte mit einem un glaublich langen Arm Dist ephanos Gesicht, mit dem anderen schlug es ihm ohne jede M ühe das Gewehr aus der Hand. Dist ep hano stieß ein 265
kurzes, heiseres »NEIN!« aus und st olperte zurück. Das Gewehr flog dur ch den Rau m und land et e nut zlos in einer Ecke. Die riesi ge Handfläche des Alien bedeckte das Gesicht des Soldaten. Sie hinderte ihn j edoch nicht daran, in wüt ender Über raschung und blanker Panik zu schreien. Als das gigant ische Wesen sich vom Boden erhob, den zappelnden Soldat en im Schlepptau, hörte Call das Krachen von Distephanos Schädel. Der junge M ann schrie vor Schmerz auf. Das Wesen biß in seine Schäd eldecke und klappte sie auf wie eine Venusmuschel, um sein Gehirn zu verschlingen und sein Blut zu trinken. Das war bewußt! dacht e Call ent geistert. Bewußt - und menschlich. Dann drehte sich das Ali en zu ihr um, die riesigen Hauer ähnelt en immer mehr dem grauenvollen Grinsen eines Toten schädels. Das Wesen lacht e - ein r auhes Stackat olachen. Wie betäubt st and Call an gewurzelt an ihrem Plat z. Ripley bemerkte nur nebenbei, daß Johner hint er ihr no ch immer damit beschäftigt war, den gerissenen Sch lauch zu kleben. Sie achtete auch nicht weit er dar auf, als Vr iess dem groß en M ann zurief: »Flick ihn mit dem Servo!« »Hey«, gab Johner zurück, »das ist ei gent lich dein Job. I ch prügele mich lieber!« Ripley wurde erst aufmerksam, als Vriess den Intercom-Knopf drückte und rief: »Call! Komm n ach oben!« Keine Antwort . Das war es, was sie beunruhigte. Call hät te schon längst zurück sein müssen. Sie mußte das Schlin gern des Schiffs hint en im Laderaum gespürt haben. Sie sollte wissen, daß sie i m Cockp it gebr aucht wurde. Und auch Distephano war schon viel zu lange verschwunden. Und dann spürt e Ripley es. Den Kontakt. Die telepathisch e Berührung ihres letzten noch lebenden Kindes. Sie schaud erte, schnallt e sich los und sprang aus ihrem Sit z. 266
Hinter ihr hört e sie Vriess und Johner ihren Namen rufen, als Vriess die verl assene Steuerung üb ernahm und das taumelnde Schiff auf Kurs zwang. Ein Teil von Rip ley registriert e, daß sie in einem fast völli g außer Kontrolle ger atenen Schiff auf die Erde zut rudelten, aber sie verdrän gt e diesen Teil. Er war jetzt nebensächlich. Obwohl es theoretisch nicht mö gli ch war, set zte Calls Gehirn in diesem einen M oment aus. Sie stand im Schatten des Alien mutanten, den sie ger ade Distephanos Hirn verzehren gesehen hatte, und war unfähig, sich zu bewegen, zu denken oder irgend etwas zu t un, um sich zu rett en. Das riesige Tier schi en noch größer zu werden, als es sich vor ihr auftürmte, aber sie konnte nur dastehen, sein grauenvolles Gesicht und die mit Gehirnmas se gesp renkelt en Zähne anstarren und den Blut geruch, seines Atems riechen. Es schnapp te sie, ehe sie reagieren oder sich bewegen konnt e. Es packt e ihre Schult ern und zog sie hoch zu seinem Gesicht. Das riesige M aul öffnete sich, die Zähne kamen näher. Kann es das? fragt e sie sich bet äubt . Kann es Prozessoren und Mikrochips verschlingen? Vielleicht nicht, aber die Zerstörung dieser Einheiten würde ebenso ihr Ende bedeuten, als wäre ihr Gehirn organischer Natur. Call schloß die Augen und murmelt e ein letzt es Gebet . Wie als Antwort gab es einen lauten Knall, als die Cockpit tür ins Schloß fiel. In dem kleinen Laderaum hallt e es ohrenbet äubend. Call hörte ein e St imme rufen: »Hey!« Das Wesen, das sie hielt, verspannte sich und dreht e sich ärgerlich knurrend um. Vor der fest geschlossenen Cockpit tür stand Rip ley . Aufrecht, unbeweglich, mit schu lterbreit gesp reizten Beinen, so selbst bewußt , wie Call sie kannte. Aber der Android hatte scharfe Augen, und sie sah d ie Erschöpfung auf dem Gesicht der Frau. Ripley hatt e schon so viel durchgem acht. Offensichtlich erreichte sie allmählich ihre Grenzen. Das Knurren des Alien 267
wurde leiser, als es Ripley erblickte. Ruhig sagte sie zu ihm: »Das kann ich nicht zulassen.« Der Schwanz des großen Tieres schlug ungeduldig hin und her, und p löt zlich wirbelte es herum, Call immer noch fest im Griff. Die kleine Frau wurde wi e ein Schutzschild mit dem Rücken eng an den Bauch des M onst ers gedrückt. Call blinzelte und versucht e, ihren Selbst erhalt ungstrieb wiederzufinden. Diese Reaktion des Tieres war unglaubl ich menschlich. Ripley st and felsenfest und sah Call in die Augen. Irgendwie mußt du ihr doch h elf en können, dachte Call pa nisch, während das Wesen sie eng umschlungen hielt. Sie schaute zu Dist ephanos verlassenem Gewehr hinüber, das noch dort lag, wo es hin gef all en war. Konnte Ripley es erreichen? Von dem Stabilisator sind w ir wei t genug ent fernt, dachte Call, aber auch hier steht eine Menge Zeug herum ... Was würde geschehen, wenn Ripley dieses Vi eh zerfet zen würde. Das Rütt eln des Schiffes zeigte ihr, daß sie in die Atmosphäre eintaucht en und sich immer mehr der Erde nähert en. Würden sie es auch mit schweren Schäden schaffen? Plöt zlich wußt e sie es nicht mehr. Sie wußte gar nichts mehr. Das Alien p eit schte wild mit dem Schwanz und zischte w ü tend. Sein heißer Atem st reifte Calls Ohr. Rasch musterte Ripley den Raum, ihre Blicke blieben kurz an der Waffe hängen und kehrten dann zu Call zurück. Sie w eiß Bescheid, begriff der Android. Natürli ch, sie ist schon vorher mit Raumschiffen geflogen. Sie erinnert sich. Vi ell eicht erkennt sie sogar Teile der Ausrüstung wieder. Aber andererseits wirkt e die große Frau rat los. Das schien Call aufzuwecken. Sie waren auf dem Weg zur Erde, mit einem M onster im Gep äck. Was macht e es schon, wenn sie alle umkamen, solange nur das Alien zerstört wurde? Wie elekt risiert drän gt e Call nach vorne, sie mußte unbedingt mit Ripley reden, sie mußt e verstehen. 268
»Schieß!« brüllte sie laut st ark. »M ach schon, schieß! Ich bin daran gewöhnt!« Es macht e ihr nichts aus, von Kugeln durch siebt zu werden, wenn sie nur den Alpt raum, der sie hielt, zerstörten. Schließl ich war das ihre M ission. Die M enschheit vor diesem Tier zu retten. Die Erinnerun g daran half ihr. Aber Ripley sah verzweifelt aus, und zu Calls Entsetzen machte sie keinen Versuch, an Distephanos Gewehr heranzukommen. Das Schiff schl ingerte, und alle drei, zu einem bizarren Stilleben versteinert, hat ten M ühe, sich auf den B einen zu halten. Im Cockp it schaltete Vriess hekt isch am St euerpult herum und versucht e die Bett y daran zu hindern, völli g auseinanderzufal len. Er hatte seine Augen überall und verfo lgte zu viele Dinge gleichzeiti g. Er wagt e es nicht, auch nur einen Bli ck auf den M onitor zu werfen, auf dem eins dieser Viecher zu sehen war, das Call als Geisel fest hielt . Er durft e jetzt nicht darüber nachdenken. Johner neben ihm war genauso beschäftigt wie er. Er hielt die Steuerung umkl amm ert und versuchte das durchgedrehte Schiff auf Kurs zu halt en. Als sie aus der Nacht ins Tagesli cht ein tauchten, st ach das Sonnenlicht direkt ins Cockp it. »Wir kommen vom Kurs ab ...«, warnte Vriess seinen CoPilot en. »Ich hab's schon im Griff«, versicherte ihm Johner. »Aufp rall in zehn M inut en«, verkündete der Computer mit ruhiger Stimme. Jetzt erst fiel Vriess auf, daß es Calls St imme war. Während das Neugebor ene zischt e, knurrte und die p anische Call an sich drückt e, wurde Rip ley klar, daß die einzige M ög lichkeit, es zu töt en, die war, die Call vorgeschlagen hatte: sich Distep hanos Gewehr zu angeln und durch den Körper des Androiden auf das M onster zu schießen. Aber dazu war sie 269
ebensowenig in der Lage, wie sie es bei Newt gewesen wäre. Nein, das Alien zu erschießen konnte nicht die Lösun g sein. Aber was war die Lösung? Ripley fixiert e das Wesen und kämp fte gegen die aufsteigend e M utlosigkeit. Alles, einfach alles tat ihr weh. Sie war so ausgelaugt, so erschöp ft, sie wollte sich einfach nur noch hinlegen und sterben. O Gott, warum konnte sie sich nicht einfach hinlegen und st erben? Vielleicht b in ich ja in Wirklich keit der Android, dacht e sie wirr. Ein Androide mit nur einer Programmierung - egal was kommt, mach weiter. Mein Gott, wie ich das hasse. Das Neugebor ene kreischte vor Wut , seine Zähne streift en Calls Kop fhaut - aber es biß nicht zu. Hat te es begriffen, daß Call kein M ensch war, kein organ isches Gehirn besaß und kein Hämoglobin im Blut? Hatt e es die Fremdheit von Calls Androi denkörper gewittert ? M it einem Schock erinnert e sich Ripley plötzlich daran, wie Bishop von einer tobenden Königin entzweiger issen worden war. M it der gleichen Leichtigkeit konnte das Neu geborene Call zerfetzen. Damals hatt e sie Bishop nicht rett en können - und da Call in dieser Zeitp eriode die einzige ihrer Art war, würde sie auch ihr ni cht helfen können. Sie mußte etwas t un - das schien ihr Schi cksal zu sein. M it einem verzweifelten Seufzer st reckt e Rip ley die Hände in einer Demut sgest e nach vorn. Sie zwang sich, den telepathi schen Kontakt, den sie im Hort gespürt hat te, erneut zu suchen. Da ist etwas ... schwa ch ... zurückhaltend ... ab er es ist da ... Ich spüre es ... Es war nicht menschlich, abstoßend, aber irgendwi e vertraut . Es kostete sie ihre ganze Kraft, nicht zu schaudern. Sie sah dem Wesen ins Gesicht, in die Augen, die dieselbe Farbe hatten wie die ihren. Der Kontakt war kalt, aber sehnsüchtig. Wütend, aber schmerzlich einsam. Der Hort war zerstört. Die anderen verschwunden. 270
Das Neugeborene war nun wirklich allein. Die einzige, zu der es noch den Hauch einer Verbindung ha tte, war die M enschen frau, die vor ihm stand. Schlagartig wurde es Ripley klar, und sie begr iff, daß dies der einzige Trump f war, den sie jetzt noch in der Hand hat te. Okay, Baby, dacht e sie sarkast isch, ich bin die einzige Mutter, die dir geblieben ist! Flehend streckte sie ihre Hände aus und fül lte ihren Kop f mit beruhigenden Gedanken, mit der Verbundenheit , die noch vor kurzem zwischen ihnen existiert hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich selbst, mit Newt im Arm, der kleinen, blon den, vert rauensvollen Newt . Si e sah, wie d as Kind Arme und Beine um sie gesch lungen hielt und sich an sie klammerte, in dem sicheren Wissen, daß Rip ley sie nicht gehen lassen, nicht loslassen würde. Newt, die mit dem unerschütt erlichen Vertrau en eines Kindes gewußt hatte, daß Rip ley zu ihr zurückkommen würde. Sie klammert e sich an das Bild in ihrem Kop f und murmelte: »Komm her. Ja, komm.« Ganz allmählich beruhigte sich das Neu gebor ene. Sein Schwanz hört e auf zu schlagen, und es lockerte seinen Griff. Ripley merkte, wie Call sie beobacht et e. Die Verwirrung st and der kleinen Frau ins Gesicht geschri eben. Call rührte sich nicht, konnte sich nicht rühren. Als das Neugeborene sie schl ießl ich losließ, k am d ies so unerwartet für sie, daß sie zu Boden stürzt e. Ripley konnte es sich nicht l eisten, sie anzuschauen oder die Fragen in ihr em Blick zu beantwort en. Ihre Augen fixierten das Neugebor ene, lockt en es, schmeich elt en ihm, von dem Androi den abzulassen und zu ihr zu kommen. Als das riesige Wesen auf Ripley zu krabbelte, sah sie aus den Augenwinkeln, wie Call vorsicht ig von ihm wegrobbte. Gut, dacht e Ripley, gut! Die Erinnerung, wie sie Newt zuzischte: »Lauf! Versteck dich!« hät te sie beinahe aus ihrer Konzentration ger issen. Sie wagt e es nicht, Call dasselbe zuzurufen, dazu war sie dem 271
Neugebor enen noch zu nahe. Ohne Call anzusehen, sagt e sie leise: »Verschwinde.« Dann ging si e dem Neugeborenen ent gegen. »Komm her«, lockte sie das M onst er und st reckt e die Arme aus. Noch zwei Schritt e, drei. Jetzt t ürmte sich das Neugeborene vor ihr auf, so nah, daß sie es berühren konnt e. Call suchte derweil das Weit e. Rip ley blieb weiter mit offenen Händen und offenem Geist st ehen und zeigt e dem Neugebor enen das mütt erliche Bild in ihrem Kopf. Sie dachte dar an, wie die Alienkönigin die Hand ausst reckt e, um ihr imit iertes Kind zu berühren, ehe das Neu geborene ihr den Kopf abriß. War für dieses M onster so etwas wie Trost oder Vertrauen überhaupt exist ent ? Ripley zwang sich, das eine B ild in ihrem Kopf zu bewahren und hielt die Stellung. Ihre Haltung, ihr ganzes Gehabe verströmten Demut. Als das Wesen näher kam, hielt sie den Atem an. Dann stieß das Neugeborene einen leisen Laut aus, als habe es Schmerzen, als fehle ihm etwas. Der kindliche Laut erschüttert e Ripley, und sie sah auf. In dem Totenkopfgesicht war kaum Platz für Gefühle, doch konnt e sie die Einsamkeit des Wesens spüren. Ihre Gest e ihm gegenüber im Hort fiel ihr ein und die Zärtlichkeit , die sie Call gegenüber gezeigt hatt e, dem Androi den, der gekommen war, um sie zu t öten ... und sie reckt e sich und strich dem Neu geborenen langsam und sanft über den langgezogenen Kopf. Hinter ihr beobachtete die auf die Cockpit tür zukrabbelnde Call entset zt und fasziniert zugleich die Int erakt ion der beiden Wesen, die ein ander so fremd und doch genet isch miteinander verbunden waren. Als Ripley das Neugeborene zärtlich st rei chelt e, fuhr seine lan ge, gewunden e Zunge heraus und leckte den Schweiß ab, der über Rip ley s Gesicht lief. Während das Wesen sie reinigte, schaute Ripley an ihm vorbei und musterte den Lader aum. Die ganze Zeit über konzentriert e sie sich auf das Bild der liebenden M utter, welches das Tier zu ihr gezogen 272
hatte. Direkt hinter dem Neugeborenen entdeckte sie ein kleines Bullau ge, dur ch das der aust ralische Nacht himmel zu sehen war, erhellt von der beginnend en Dämmerung. Sie entfernt en sich immer mehr von der Aufp rallst elle, näherten sich aber weit erhin der Erde. Ripley hörte nicht auf, den Kop f des Neugeborenen zu strei cheln. Zärt lich fuhr ihre Hand über d ie breiten Au genknochen, den Kiefer ent lan g zum Kinn hinunter. Automatisch verzogen sich die ihr so grauenvoll vertraut en Lippen des Tot enkopfs. Ihre Fin ger f anden die r iesi gen Zähne und b et asteten sie vorsichtig. Imm er noch ihr Gesicht leckend, öffnete das Neuge borene sein M aul und gest at tet e die neugier ige Unt ersuchung seiner menschl ich -alienh aften Zähne. Vorsichti g strich Ripley mit der Handfläche üb er die Zahnränder des M onsters und drückte sie dann, ohne mit der Wimper zu zucken, fest herunter. Als sie ihre Hand wegzog und sie betracht ete, fül lte sich ihre Handfläche rasch mit dickflüssi gem roten Blut. Ihrem Blut. M enschlichem Blut. Beinahe menschlich jedenfalls. M it ruhigem Gesichtsausdruck und ihre Gedanken unter Kontrolle sah sie dem Neugebor enen wieder in die Augen. Plöt zlich schwang sie den Arm herum und schleuderte die Handvoll Blut direkt auf das Bullauge. Der Blutklumpen platscht e mitten ins Zent rum. Zunächst geschah gar nichts, aber dann, Sekunden später, begann das Bullauge - dort , wo es mit dem Blut in Kont akt gekommen war - zu brodeln. Dann begann es zu qualmen. Dann schmolz es. Über die zerbrechliche Verbindung in ihrem Kopf sp ürte Ripley die Veränderung in der Halt ung des Tieres. Das Gefühl kindlichen Vertrauens, die beunruhi gende Einsamk eit waren plötzlich verschwunden. An ihrer Stelle regierte nur ein Gefühl: Verrat! Das Neugeborene sah Ripleys trotzige Geste mit großer Über raschung. Das einzige, woran es in diesem Moment noch 273
interessiert war, war der langsame, qualvolle Tod des Wesens, das da so zerbrechlich vor ihm stand. Obwohl der Ort, an dem sie sich befanden, schwankte und schaukelte, obwohl das Neugeborene den Verdacht hatte, daß sie in großer Gefahr waren, war ihm das gleichgült ig. Es ließ sich nicht ablenken. Es bäumte sich über seinem Opfer auf und labte sich an dem Gedanken, mit seinen Zähnen ihren Schädel zu durchbrechen. Ganz langsam und genüßlich würde es ihr Gehirn verspeisen. Es fragte sich, ob es damit auch die Erinnerungen d ieser Ripley aufnehmen würde. Es würde wunderbar sein, wenn Ripleys Blut seinen brennenden, ewigen Hunger stillte. Langsam, als wolle es den Moment genieß en, entrollte das Neugeborene sein e Zunge. Ripley erstarrte, bemüht, die p lötzliche Welle der Angst aus ihrem Gesicht zu verbannen. Das Neugeborene öffnete sein riesiges M aul, und seine glitschige Zunge, dieselbe Zunge, die Ripley gerade eben so zärtlich gereinigt hat te, die Zun ge, die dieses Wesen so anders macht e als die Köni gin, die es geboren hatte, glitt heraus. Gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfend, beobachtete Ripley, wie sie st eif wurde, erstarrt e, wie die seiner Vorfahren. Während di e Zunge sich verwand elt e, erschienen an ihrer Sp itze kleine, scharf e Zähne. Ripley stöhnte. Das Neugeborene beugte sich über sie, bereit, seine starre Zunge durch ihre Stirn zu bohren. Ripley konnte die Augen nicht abwenden, in ent setzter Faszination starrte sie auf die M et amorphose des Tieres. Lieber Gott, hilf mir!, dacht e Rip ley . Ihr fiel auf, daß dies das erste Gebet war, das sie in diesem Leben gesp rochen hatt e. Winzige weiße Zähne knirschten an der Zungenspitze, wäh rend silberfarbener Schleim heruntertropft e. Die Zunge schoß nach vorne und nähert e sich ihrem Gesicht. Ripley konnte ihr Zittern nicht mehr unt er Kont rolle h alt en, aber sie zwang sich, nicht zurückzuweichen. Sie wußt e, daß das 274
Raubtier dann lossp ringen würde. Über die Schulter des Neu gebor enen hinweg erblickte sie Call, die gerade nach Dist ep hanos verlorenem Gewehr griff. Dann blickte sie auf ... Und sah das Bullauge direkt hint er dem Neu geborenen. In seiner M it te brodelte das Blut, und langsam schmolz es vo llends dahin. Die Luft war erfüllt von dem unverkennbaren Geruch verbrennenden Plastiks. Wahrscheinlich waren sie schon in der Strat osphäre. Beinahe zu Hause. Fasziniert starrt e Ripley auf das Bullauge. Sie wußte, der Anblick des sich auflösenden Fensters würde sie von den knirschenden Zähnen auf der auf ihr Gesicht ger icht et en Zunge ablenken. Plöt zlich verschwand in ihr em Kopf das Bild von ihr mit Newt in den Armen ... Da waren Erinnerungen. An unerwartetes Chaos. Brüllende und sterbende Krieger. Und Feuer. Und sie selbst, Ripley, mitten unter ihnen, ihr eigenes Junges in den Armen. Tod und Zerstörung bringend dem Hort. Das Neugeborene beu gt e sich zum let zten Kuß hinunter und erschrak über die plöt zliche Veränderung des geistigen Kon takts. Jet zt war keine Er geb enheit mehr in dieser Ripley, keine Angst , kein Bedauern. Nur Trotz! Die Erinnerung an die Zerst örung des Horts durchlief di e Verbindung und erboste das Neugebor ene. Verspottete es. Es brüllt e, ehe es zuschlu g, dann ... Ertönte ein lauter Knall und ein starker, lockender Sog packte das Neugeborene wie eine unsichtbare Kraft. Er wurde immer stärker, bis es unerbitt lich nach hinten gezo gen wurde, nach hinten, weg von seiner Beut e. Das Wesen verst and es nicht ! Wie konnte das gesch ehen? Es brüllt e vor Wut , als diese Ripley immer mehr außer Reichweit e geri et . Das Tier flog rückwärt s, immer schneller, bis es gegen etwas Hartes prallt e und dort st eckenblieb. Es tobt e, schrie und 275
schnappte mit seinen Klauen wild nach Ripley. Es konnte nicht fassen, daß es gefangen war, die Beut e so nah vor Augen. M it einem plöt zlichen Knall zerbarst das von der Säur e zerfressene Bullau ge, und Rauch und kleinere Gegenst ände wirbelt en durch den Raum. Ripley sah, wie Call rasch reagiert e, die Enden eini ger herun terhängend er Schnüre und Ket ten packte, sie löst e und um ihre Brust band. Unzählige kleine Gegenst ände wurden durch das Loch geso gen, während Rip ley s ätzendes Blut sich an den Rändern immer weiterfraß. Das Loch wurde größer, und di e Kraft des Unt er drucks wuchs. M it nach Ripley ausgestreckten Armen wurde das Neugebor ene weit er nach hinten gezogen, weg von ihr zu dem Bullau ge hin. Im gleichen M oment packte Call Rip leys Overall, damit sie nicht mit gezogen wurde. M it lautem Krachen knallte das Neugebor ene gegen das Fens ter und brüllt e auf vor Wut und Schmerz. Die Kraft der vorbei zischenden Atmosp häre hielt es umklammert. Durch die plötzliche Aufhebung des Unt erdrucks stürzte Ripley trot z Calls Umklammerung auf den Boden. Der An droid streckte seine Hand aus und rief ihr zu: »LOS, KOMM HER!« Das Neugeborene kämpft e gegen den Sog. M it Hilfe seiner ungeh euren Kräft e gelang es ihm tatsächlich, sich ein kl eines Stück aus d em Fenster h erauszuziehen. Der dar aus resultierende Unterdruck zog Ripley wieder in seine Richtun g. M it immer laut er werdendem, ohrenbetäubendem Gebrüll versucht e das Neugeborene, seine M utter zu erreichen. Aber sein Toben war ver geblich, gegen die Anziehungskraft der Atmosphäre kam es nicht an. Rip ley konnte seine allmähliche Ermüdung und Verwirrung spüren. Zum erstenmal in seinem kurzen, schrecklichen Leben hatt e es wirklich Angst. Angst zu sterben? überlegte Rip ley . Tja, an den Gedanken solltest du d ich gewöhnen! Sie begann zu lachen und fragt e sich, wann sie aufhör en 276
würde, derartige Dinge komisch zu finden. Dann - endlich - verlor das Neugeboren e den vergeblichen Kampf gegen den Unterdruck und wurde mit einem lauten Flopp en gegen das immer noch wachsende Loch gezogen. Der Aufp rall verletzte seine Haut, und Ripley sah, wie sein ätzendes Blut förmlich explodiert e. Das Kreischen des M onsters fuhr ihr in die Knochen, und auch sie st ieß einen Schmerzensschrei aus, während sie auf dem Boden zu Call hinüberkroch, als wäre der Android ihre einzige Verbindung zu ihrem eigenen M enschsein. Es stimmt e, Call war nur ein Android. Aber der einzi ge Sinn des ursprünglichen Androidenprogramms war gewesen, sie an Ort en einzusetzen, die für M enschen zu gefährlich waren. Sie exist ierten nur, um das Leben echter M enschen zu retten. Über die Jahre hinweg kam die Erinnerung ... Ich bevorzuge die Bezeichnung >künstliche Person< … Ich kann Ihnen über Ihre Chancen keine Hoffnungen machen ... aber Sie haben mein Mitleid. Bishop und Ash - nur Androiden. Der eine hätte beinahe sein Leben geopfert , um sie und ihr Kind zu retten. Der andere hätte sie liebend gerne getötet, weil sie ihm sein e Pläne vermasselt hatte ... Ripley schloß die Augen. Die gegensätzlichen Erinnerun gen ballten sich in ihrem Hirn und plapperten so laut , daß sie keinen Gedanken fassen konnte. Zuerst bemerkt e das Neugeborene nur das unerbitt liche, gr au envolle Vakuu m, das es von dieser Ripley fortriß, dem Wesen, dessen Zerstörung es geschworen hatte. Aber dann prallte es heftig gegen das Bullauge und sp ürte die brennende, eisige Kälte. Die Haut an seinem Rücken und den Nieren begann zu erstarren und platzt e in einer abrupt en, schrecklichen Explosion aus Gewebe und Blut nach drauß en. Es kreischte schrill auf und schnit t qualvolle Grimassen, als ätzendes Blut , Organe und Ein geweide in den Raum hinaus gesogen wurden und dort im selben Augenblick, noch m it ihm verbunden, gefroren. 277
Genaugenommen war es bereits tot, doch sein Gehirn wollte diesen Umstand noch nicht akzeptieren. In einem verzweifelten Aufbäumen preßte das Neugebor ene seine Handfläche gegen das Glas und versucht e, sich wegzudrücken. Aber das Bullau ge hatt e sich auch dort schon teilweise aufge löst, und das ursp rüngliche Loch ver größerte sich i mmer noch, während Ripleys ätzendes Blut - vermischt jetzt mit dem des Neugebor enen - es immer weiter zerfraß. Als das Neu gebor ene panisch dagegen drückt e, schmolz das ganze Fenst er an dieser Stelle zusammen und löste si ch auf. Sein Arm wurde in den Raum heraus geso gen, gefror um gehend, und im selben M oment brach seine Schulter. In blankem Ent setzen riß das Neu geborene die Augen auf. Der Schmerz war schrecklicher als alles, was es sich je hätt e vorstellen können; hi lflos st arrte es zu Ripley hinüber. Es konnte nicht sp rechen, konnte nur brüllen, aber di eses Wesen würde verstehen, was es wollte. Wie konnte seine ei gene M utter zusehen, wie es starb, ohne ihm zu Hilfe zu kommen? M it seinen, denen Rip ley s so ähnlich en Au gen f leht e es si e an: Töte mich, bitte töte mich! Im Cockpit beobacht et e Vri ess, wie die Erde immer näher kam, während er nach wie vor mit der Steuerung des Raum schiffs kämpfte. Calls Stimme setzt e den Countdown fort und erinnerte ihn jede Sekunde daran, daß sie no ch immer n icht da war, daß au ch Ripley nicht zurück gekehrt war, d aß er al lein war in seinem aussichtslosen Kampf mit den veralteten Syst emen des Schiffes. All eine. Unzulänglich. Verkrüp pelt. Niemals würde er es schaffen, die Bett y in ihr em wi lden Sturz zur Erde in den Griff zu bekommen. Plöt zlich warf sich Johner in den Sit z, den Ripley frei gemacht hatte, legt e seine Hände um die von Vri ess und lieh dem M echa niker seine brut al e Kraft. Gemeinsam kämpft en sie mit dem 278
schlin gernden Schiff. Als das Neugeboren e gegen das Fenster prallt e und der schreckliche Sog aufhört e, sank Rip ley erschöpft auf den Boden. Sie hört e, wie Call ihren Namen rief, konnte aber weder denken noch reagieren. Call streckte ihr eine Hand ent gegen, mit der anderen klammert e sich der Android an der Schiffswand fest. M ühsam zwang sich Rip ley , zu der kleineren Frau hinüb erzu krabbeln. Die Schreie des Neugeborenen wurden lauter und schriller und steigert en sich zu p anischer Hysterie. Verzweifelt paddelt e das Wesen in der Luft herum, in seinem Gesicht und seinen Augen stand gräßlicher Schmerz. Gegen ihren Willen wandt e Ripley sich um, denn sein e Angstschreie berührten sie tief. Das Neugebor ene sah ihr dir ekt in die Augen. Es zischte und wimmerte vor Schmerz. Sie schüt telte den Kopf. Ihr letztes schreckliches Kind. Es war nur angemessen, daß sie bei seinem St erben zugegen war. Sie mußte Zeugin sein. Nur, um si cherzugehen. Sie spürte, wie Calls Fin ger ihre Kleid er packten, sie zu sich heranzogen und ihr einen Gurt um Taille und Brust schlangen, aber sie konnt e ihren Bli ck ni cht von dem sich windenden, schreienden Wesen abwenden, das immerhin genetisch mit ihr verbunden war. Als das Neugeborene mit nach Hilfe flehendem Blick seinen Arm nach ihr ausstreckte, schluchzte Ripley auf. Hier geht es zu Ende, dachte Rip ley zu dem Wesen. All es. Für immer. Kein anderes Leben mehr. Das Neugeborene wand sich in Qualen und wimmert e. Ruh ig, dacht e Rip ley, als wolle sie seine Schmerzen lindern. Es dauert nicht mehr lange. Ganz ruhig. M it einem plötzlichen Ruck wurde der ausgestreckte Arm in den Körp er des Wesens gezogen, die Knochen flogen durch das Loch in d en Raum. Das Neugeborene jaulte auf vor Schmerz und wand sich in dem Loch, das es gef angenhi elt wie ein 279
Klebeband eine Fliege. Dann schrump fte sein Unterleib zusam men, und seine Ein geweide wurden durch das Fenst er hinaus gewirbelt. Sein gellender Schrei fuhr Ripley direkt ins Gehirn und ver set zt e ihr einen elekt rischen Schl ag. Sie sackte zusammen und preßt e die Hände gegen die Ohren, um d as grauenvolle Todes röcheln ihres Nachwuchses auszusp erren. Aber der Ton schnitt durch sie wie eine Rasierklin ge, und si e kreischt e gem einsam mit d em Neugeborenen. Sie sp ürte die klebrige Wärm e ihr es ei genen Blut s auf den Händen, als ihre Ohren zu blut en begannen. Laut schreiend krümmte sie sich auf dem Boden zusammen. Call zog sie näher zu sich heran, umklammerte sie, hielt sie m it all ihr er Kraft fest, als wolle sie Ripley vor diesem letzt en Angriff beschützen. In blankem Entsetzen beobachteten di e Frauen, wie eines der Beine des Neugebor enen in seinen Körp er zurückfuhr und in dem Torso verschwand, während riesige Knochen und M uskel stränge in di e Leere hin ausgeschleudert wurden. Dann verschwand auch d as andere Bein mit solcher G e schwindigkeit, daß Ripley befürcht et e, das Fenster würde nicht mehr lan ge halt en. Aber sie konnte ihre Augen nicht von dem entsetzlichen Anblick des zusammenfallenden Neugeborenen abwenden. Während auch der zweit e Arm verschwand, sah das Wesen sie an. Sein Kopf sank in den grotesk miß gebildeten Körp er. O Gott, sag mir, daß du j etzt tot bist. Du mußt to t sein! bett elt e Ripley, doch die lebendi gen Au gen ihres schr ecklichen Kindes versagten es ihr. Seine Lungen mußten sich auf gelöst haben, die grauenvollen Schreie waren endlich verstummt, aber sein M und bewegte sich noch, die angst einflößenden Kiefer öffneten und schlossen sich. Ripley spürte, daß das Neugeborene noch immer mit ihr verbunden war. Und es fleht e sie an: Hilf mir. Hilf mir. Dann, plötzlich, mit einem letzt en gräß lich en Ruck zerriß di e 280
Haut des Wesens und flatt erte wie ein Hemd um die Überr este seines Körp ers, ehe sie mit dem lebendi gen Fleisch des Neuge borenen Stück für St ück durch das Bullauge gezogen wurde; Ripley sah die Finger einer Hand in der Nähe seiner Augen zappeln. Ich muß hier raus, dacht e sie, sonst verliere ich den Verstand. Ich muß hier raus ... Aber diese Augen, diese v erdam mten, den ihren so ähn lich en Augen, l ebt en imm er noch und hielten Rip ley gefangen. Während das Schiff um sie herum dur chgerüttelt wurde, ging die unerbittliche Zerst ückelung des M onsters weit er. Als die letzten Haut fetzen sich vom Körper gelöst hatt en und in die Strat osphäre geflogen waren, ging alles viel rascher. Ripley ließ ihre blut enden Ohren los und bem erkte, daß sie Calls Kopf im Schoß hielt, als wolle sie ein kleines Kind vor einem schreckli chen Anbli ck bewahren. Aber sie waren beide unf ähi g, ihre Augen abzuwenden. Ripley spürte, wie die zart e telepathische Verbindun g ein letztes M al versuchte, sie mit zureißen. Der unmenschliche Kontakt ließ sie erschaudern, gl eichzeitig trauert e sie um es. Es war ein Teil von ihr, und es starb. Aber sie konnt e nicht zulassen, daß es sie mit sich nah m. Plötzlich ruckte der Kopf des Neugebor enen nach hinten, und Ripley erkannte dankbar, daß sein Hint erkopf explodiert war und das Gehirn mitger issen hatte. Als der Kopf auseinanderbrach und das Leben des Neugebo renen auslöschte, spürte Ripley , wie die geistige Umkl am merung m ehr und mehr nachließ. Sie schluchzte, t eils vor Erlei cht erung, teils aus Trauer. Mein Got t, es ist tot, endli ch tot! dacht e sie. Sie wollt e zusammenbr echen und weinen, doch dazu war keine Zeit. Der Unt erdruck hielt an und zog alles, was nicht fest genagelt war, zu den grauenhaften Überresten des Neugebo renen hinüber. Noch eini ge sau gende Geräusche, und die Gesicht shaut des Neugebor enen löste sich vollständig ab und wurde durch die 281
Augenhöhl en hinausbefördert. Als di e letzten Hautreste die Augenhöhlen verstop ften, trat ein kurzer Moment der St ille ein, als hätt en sie das ruhige Zentrum des Wirbelst urms erreicht, aber dann löste sich ein Hautpfropfen, und das Vakuum sog wieder durch die Augenhöhle. Und p lötzlich wurden auch die beiden Frauen im Windkanal wied er zu dem gräßl ich gr insenden Schäd el hinüb er gezogen. Die Vorst ellun g, durch den Kopf des Neugeborenen in den Raum hinaus geschleudert zu werden, war gr auenvol l. Verzweifelt klammerten sich die beiden Frauen an einander und kämpft en gegen den schr ecklichen Sog. »Wir schaffen es nicht!« flucht e Johner, mit der St euerun g kämpfend. Der Boden k am r asch näher. Der Unterdruck im Laderaum schleudert e sie wie einen Papierflieger durch die Luft . »O doch, wir schaffen es!« brüllt e Vriess, in seine eigen en Probleme vert ieft, zurück. Calls Stim me, die Sekunden bis zum Aufprall zählend, be wahrte eine bizarre Ruhe. Während das Schiff um sie herum schwankte und schlin gerte und Ladung und M aschinent eile im Laderau m umher gesch leu dert wurden, hielten Rip ley und Call einander fest umklammert . Ripley hatte die Arme en g um den Körp er des Androiden geschlungen, während Call immer mehr Gurt e um sie schlang und die Enden an den metallenen Halt egriff en befestigte, di e in die Wänd e des Lad eraums geschr aubt waren. Die Gurte schnit ten in ihre Haut, doch sie nahm keine Not iz davon. In ihrem Inneren herrschte, t rotz der Tatsache, daß sie höchst wahrscheinlich in den sich eren Tod rasten, ein e erstaunliche Gelassenheit. Sie erinnert e sich an den Abst urz von der Sulaco und den wilden Flug herunt er nach Hadley's Hope. Sie erinnerte sich an Hicks, der schli ef, als befind e er sich auf einem Ver gnü gungsdampfer, und sie mußt e lächeln. Ripley drückte Call an sich und wünschte, sie könne dieses Bild, ihre Ruhe, an sie 282
weitergeb en. Jetzt war alles egal. Die Erde war in Sicherheit. Sie waren t ot. Alle. Und sie hatte sie überlebt , wenn auch nur für kurze Zeit . Endlich zersprang der gr insende Schädel des Neugeborenen in tausend St ücke und verschwand durch das zerstörte Bullauge. »Wir haben es geschafft, Mann, wir scha ffen es!« brüllte Johner. »Hab' ich doch g esagt«, meinte Vriess, während die beid en M änner mit dem Steuer kämp ften. Ohne Vorwarnun g schüt telte sich d as Schiff ein letztes M al und flog dann plötzlich ganz ruhig. Ripley spürte eine kühle Brise nat ürlicher Luft durch d en Laderaum f ahren und Papiere und Schutt durcheinanderwirbeln, nur daß sie jetzt in den Raum hinein blies, und nicht aus ihm hinaus. Sie blinzelte, sog mit einem riefen At emzug die kühle, frisch e Luft ein und sah aus dem jetzt leeren Bullauge heraus. An dem geschmolzenen Loch erinnert e nichts mehr an sein abscheuli ches Op fer. Alles, was sie sah, waren blauer Himmel und flauschi ge Wolken. Die Still e war unnatürlich, und Rip ley hatte plötzlich das Gefühl, sie falle auseinander. Der Tod des Neugeborenen hatt e die letzt en Reste ihrer angegr iffenen Kräfte verbraucht . Nichts war übriggeblieben. Sie taumelte, dem Zusamm enbruch nahe. Aber Call hielt sie aufrecht. »Du hast es geschafft«, flüsterte der Android. »Du hast es getötet.« »Habe ich das?« fr agte Rip ley wie betäubt. »Ja. Du hast es geschafft . Es ist tot. Es ist Vergangenheit.« . »Fantastisch«, murmelte die größere Frau aus gelaugt. »Das ist fantastisch.« Call sah zu ihr hoch, bemüht , die große Gestalt aufrecht zu halten. »Vielleicht haben wir ja jet zt angeneh mere Träume, was 283
meinst du?« Ripley versucht e ein Lächeln. »Wir haben es geschafft . Es geht uns gut.« »Stimmt «, meint e Call überr ascht. »Das stimmt !« Ripley hörte, wie das Int ercom sich einschaltete. Johners Triumphgeheul schallte dur ch den Raum, während Vriess, offensichtlich in wilder Erleichterung lachend, rief: »Call? Ripley? Seid ihr okay ? Wir sehen euch, aber ...« »Wir sind okay«, rief Call ihnen zu. M it einem breiten Grinsen sah sie zu Rip ley hinüber. »Es geht uns bestens hier hinten.« Ripley nickte. M üde lehnte sie ihre Wan ge gegen Calls St irn. Die beiden M änner im Co ckp it brüllten vor Freude und Er leicht erung. Johner t orkelte aus seinem Stuhl, p ackte Vriess' Kopf und küßt e ihn rauh. »Jippijey!« jauchzt e er. »W ir haben das Ding an den Eiern gepackt. Jetzt müssen wir es nur noch runterbringen!« Ein idiotisches Grinsen auf dem Gesicht , nickte Vr iess hefti g mit dem Kopf. Plötzlich hi elt er inne, sah sich im Cockpit um und wurde ernst . Nervös schaute er Johner an und fr agte leise: »Aber wie kriegen wir sie runter?«
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Epilog
Durch das Aussichtsfenst er der Betty betrachtete Rip ley die näherkommende Erde. Sie hat te noch nie blauen Himmel oder wirklichen Boden gesehen. Zumindest nicht in diesem Leben. Es war neu für sie, und sie genoß ihre Einzigartigkeit. Sie sp ürte, wie Call schweigend neben ihr stand. Die Gegenwart des Androiden gab ihr ein nie gekanntes Gefühl der Geborgenheit und der Kameradschaft. Die Erinnerungen an Newt und Amy, Hicks und Bishop und all die anderen, deren Leben sie gestreift hatt e, brannten nicht länger schmerzvoll in ihr. Jet zt gaben sie ihr Wärme. Sie gaben ihr M enschlichkeit. Sie hatte geliebt und war gel iebt worden. Sie hatte gekämp ft und beschüt zt und war gestorben, um die, die sie liebte, zu retten. Wenn nöt ig, würde sie es wieder tun. Und wieder. Und wieder. Sie h at te ihren Frieden gefunden. Die Traumbilder, die so lange durch ihren Kop f geflimmert waren, waren nicht mehr chaotisch. Die kalte Geborgenheit des Hyperschlafs. Das instinktive Bedürfnis, ihre Jung en zu schützen. Die Stärke und Kameradschaft ihrer Art. Die Kraft ihrer eigenen Wut. Di e Wärme und Geborgenheit der Gesellscha ft von Freunden. Die Bild er gaben Sinn, befriedigten sie. Sie erkannte si e auf ein er Ebene jenseits des Bewußtseins, weit jenseits aller Erfahrung. Sie waren Teil von ihr, Teil derjenigen, die sie g ewesen war, dessen, was sie gewesen war. Und jetzt waren sie Teil dessen, was sie geworden war. Sie wandte sich um und lächelte der kleineren Frau zu. Call betrachtete den näherkommenden Landeplatz. »Die Erde«, sagt e sie, als begreif e sie es erst jetzt. Ripley nickte und unterdrückte ein Lachen. »Die Erde.« »Das erstemal für mich«, meinte Call leise. 285
»Hier gibt's wahrscheinlich 'ne M enge Orte, wo man sich verlaufen kann. Ich gl aube ...« Sie hielt inne, als wolle sie noch viel mehr sagen, find e aber die ri cht igen Wort e nicht. Das erst aunte Ripley. Call war ein Android. Das gesamt e Vokabul ar ihrer Sp rache stand ihr zur Verfügung, und doch fand sie die ri cht igen Worte nicht . »Was?« fragte sie neugieri g. »Was, meinst du, sollen wir tun? Wohin soll en wir gehen ?« Call sah sie an, als wüßt e sie die Ant wort auf alle Fragen. Ripley betrachtete den Planet en und konnte nur den Kop f schüt tern. »Ich ... ich weiß es nicht!« Wieder schütt elt e sie den Kop f. »Ich weiß es wirkli ch nicht, Call. Ich bin hier selber fremd.« Eint rächt ig schweigend standen die beid en Frauen Seite an Seite und bet racht et en die weit entfernten Licht er der nächsten Stadt. Sie hatte noch so viel Zeit , um sich zu entscheiden.
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