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GG07 - Die Transmitterfalle« GAARSON-GATE Band 07 - Die neue universale Ordnung schafft das Gaarson-Gate - Tor zwischen den Welten! von Erno Fischer
ISBN: 3-8328-1231-8
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Einführung: Vor Beginn der Serie: 1. Januar 2001 = Geburt von Tipor Gaarson 27. Oktober 2052 = Tipor Gaarson beschert der Menschheit den nach ihm benannten GAARSON-Effekt - als schier unerschöpfliche Energiequelle - und macht damit erst unter anderem überlichtschnelle Raumfahrt möglich. Warnungen der Kritiker, die sich organisieren und sich selbst als ASTRO-ÖKOLOGEN bezeichnen, werden ignoriert: Sie sind überzeugt davon, daß die ungezügelte Anwendung des GAARSON-Effektes das energetische Gleichgewicht des Universums zwangsläufig stört und letztlich in eine allesvernichtende Katastrophe mündet. 13. Januar 2053 = "Der Schwarze Januar"! So nennt man diesen Tag später, denn die Welt stürzt in eine Wirtschaftskrise wie nie zuvor, nachdem die vorher üblichen Energiegewinnungsmöglichkeiten ad absurdum geführt sind. Sozusagen in einem letzten Aufbäumen schließen alle Energiekonzerne der Welt mit den Öl- und Uranförderungsstaaten einen Pakt, um den GAARSON-Effekt zu verbieten. Sie werden von den ASTRO-ÖKOLOGEN unterstützt. Im letzten Augenblick gelingt es Tipor Gaarson in Zusammenarbeit mit den Regierungen der übrigen Länder der Erde, den berühmten GAARSON-PAKT ins Leben zu rufen: Sein GARRSON-Effekt gehört allen Menschen gleichermaßen. Die Energiekonzerne sollen verantwortlich für die Energiegewinnungsprozesse sein und alle Staaten der Erde gemeinsam die friedliche Anwendung zum Nutzen aller überwachen. 1. Februar 2053 = Der Pakt wird von allen Beteiligten angenommen und tritt augenblicklich inkraft. Damit ist die Krise abgewendet. Aber gleichzeitig wird die Bewegung der Astro-Ökologen weltweit verboten, und ihre Mitglieder werden von nun an als Erzfeinde der Menschheit verfolgt. 23. April 2054 = Alle Tests sind abgeschlossen. Der erste überlichtschnelle Flug ins All erfolgt: Hoffnung für die aus allen Nähten platzende Bevölkerung der Erde, neuen Lebensraum zu finden. 17. Juni 2058 = Die Besiedlung des Alls beginnt. 13. Januar 2091 = In den Annalen der Menschheit vermerkt als der Todestag des Genies Tipor Gaarson. Die Serie beginnt: 13. November 2452 = Die von den Astro-Ökologen prophezeite Katastrophe tritt ein (Bände 1 bis 3) - und ausgerechnet sie, die 400 Jahre lang als die Erzfeinde der Menschheit galten, retten die Erde, indem sie mit eigens dafür heimlich gebauten sogenannten GAARSON-GATES das energetische Gleichgewicht erneuern und damit den endgültigen Raum-Zeit-Kollaps verhindern. Aber ab diesem Zeitpunkt befindet sich die Erde in einer Zone der veränderten Naturgesetze, innerhalb derer die GAARSON-GATES (kurz: GG) wie Transmitter fungieren können, aber die bisherige Raumfahrt nicht mehr möglich ist. Diese Zone breitet sich unaufhaltsam mit Lichtgeschwindigkeit aus. In der Folgezeit wird der Urnachfahr des genialen Tipor Gaarson mit gleichem Namen als Vorsitzender der neuen GAARSON-Partei Weltpräsident. Außerdem wird eine alternative Möglichkeit erforscht, um wieder die Erde mittels Raumfahrt mit den Kolonialwelten außerhalb zu verbinden. Sogenannte Mutanten wären dazu in der Lage. Etwas, was bisher nicht zugelassen wurde, wird zur neuen Chance für die Raumfahrt. Man nennt die betreffenden Mutanten von nun an in Anlehnung an einen Begriff aus der Science Fiction des ausgehenden 20. Jahrhunderts PSYCHONAUTEN. Copyright 2001 by readersplanet
12. März 2453 = Die Entdeckung durch ein Psychonauten-Schiff, daß eine der jüngsten Kolonien (Clarks-Planet) eine einzige PSI-Falle ist, ungewollt verursacht durch ein Raumschiff der KANG-RAHS. Die einzige Möglichkeit für die Mutanten-Mannschaft, das Problem zu lösen, ist die Konfrontation der Aliens mit der Wirklichkeit - indem sie den PSI-Kontakt zur Erde versuchen...
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Vorwort
»Wer seid ihr?« fragte die Stimme erstaunt. Aus dem Nichts schälte sich eine seltsame Gestalt. Sie schimmerte golden und wurde mehr und mehr zu einem greifbaren Ding, an dem man Details erkennen konnte. »Du bist der Goldene!« stellte die Mannschaft verwundert fest. Ja, war diese Gestalt denn nicht nur ein Mythos unter allen Mutanten? Er galt als eine Art Ideal-Mutant, als eine Art Messias also, dem es aufgrund seiner unbegrenzten PSI-Fähigkeiten eines Tages gelang, alle Mutanten zu einen und aus dem Schattendasein allgemeiner mißtrauischer Mißbilligung herauszuführen - zum Licht. Der Goldene... Er existierte tatsächlich? »Ja, der bin ich, aber...« Der Goldene wehrte sich nicht. Er war nur verwundert, genauso wie sie, sah aber anscheinend keine Gefahr in ihnen. Welche denn auch, außer dem Verlust der Anonymität, wenn er wirklich so mächtig war? Und er mußte ungleich mächtiger sein als jeder Mutant, wenn es so relativ spielend trotz der Entfernung gelang, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Obwohl: Die Gedanken der Mannschaft waren ihm zumindest fremdartig, wie es schien, wenn auch nicht bedrohlich. »Wo bist du? Wir rufen dich, weil wir deine Hilfe brauchen.« »Auf der Erde!« erklärte der Goldene bereitwillig. »Genauer gesagt: Ich bin unterwegs in einer dieser sogenannten Fahrstuhl-Kabinen!« fügte er hinzu. »In wenigen Minuten erreichen wir den Tower-Satelliten. Ein Psychonauten-Schiff wartet auf uns dort oben im Orbit.« »Mit welchem Ziel?« »Wer seid ihr?« beharrte der Goldene. »Eine Psychonauten-Mannschaft.« Es folgte die Aufzählung der Namen. Der Goldene ließ sie nicht an seinen Gedanken teilnehmen. Sie wollten es auch nicht erzwingen. »Ich kenne euch«, behauptete er. »Wie habt ihr es geschafft, diese gigantische Entfernung zu überbrücken?« »Gigantische Entfernung?« »Ich weiß, daß ihr unterwegs seid, um halbvergessene Kolonialwelten aufzuspüren. Ich war dabei, als man euch entsandte. Es ist eine wichtige Aufgabe.« »Du warst... dabei?« »Ich bin ein Psychonaut wie ihr. Doch ich halte meine eigentlichen Kapazitäten geheim. Deshalb erscheine ich wie ein ganz normaler Mutant. Es ist meine Tarnung, die bislang immer hundertprozentig war. Bis heute jedenfalls. Bis zu dieser Kontaktnahme... Welch eine Macht, die mit euch ist! Sonst wäre die Kontaktnahme nicht möglich. - Was ist geschehen dort draußen?« »Wir sind auf ein Traumschiff der Kangrahs gestoßen«, kam die Mannschaft ohne weitere Umschweife auf den Punkt. Knapp schilderte sie die Zusammenhänge. Der Goldene zeigte sich nicht erstaunt. »Es ist keine Neuigkeit mehr, daß es einen neuen Katastrophenherd gibt. Das Feld scheint sich stetig auszuweiten. Es gibt Störungen. Mit anderen Worten: Es ist kein Zufall, daß ich mich mit anderen Mutanten auf den Weg machen Copyright 2001 by readersplanet
will, um nach dem Rechten zu sehen, sondern wir haben den Katastrophenherd inzwischen geortet.« »Auf der Erde?« fragte die Mannschaft ungläubig. »Dann ist die Gefahr schlimmer als wir befürchteten.« »Ja«, sagte der Goldene ernst. »Ihr habt die Befürchtung geäußert, andere Welten könnten angesteckt werden. Dies ist nicht die eigentliche Gefahr. Das Feld wird spätestens dann instabil werden, wenn es eine kaum noch zu überschauende Größe erreicht hat. Wie eine Seifenblase, die irgendwann platzt. Das Material dafür haben die Kangrahs aus dem Schwarzen Universum mitgebracht. Ihr Raumschiff ist der Katalysator. Vielleicht sogar sie selbst? Nur deshalb kann das Feld existieren.« »Vielleicht sogar sie selbst?« echote die Mannschaft. Sie wagte gar nicht, den Gedanken zu Ende zu denken, der sich ihnen zwangsläufig anbot. Der Goldene stand vor ihnen, scheinbar im Nichts. Er nickte ernst. Sein Kraftfeld aus purer PSI-Energie, das ihn golden erscheinen ließ, schimmerte dabei. Es gelang der Mannschaft nicht, die Umgebung des Goldenen zu erkennen. Er half ihnen dabei auch nicht. »Ihr habt schon richtig verstanden, Merrin-kläck, Bahrns, Olka, Wera, Cora, Fermens, Macson und Colman: Die Kangrahs und ihr Schiff als Katalysatoren. Wenn sie wieder verschwinden, wenn sie zurückkehren dorthin, woher sie kamen, wird das Feld...« »Nein, wir haben herausgefunden, daß sie das Feld nicht wieder mitnehmen werden. Sie werden es als eine Art PSI-Spur hinterlassen und...« Der Goldene ließ sich nicht beirren: »Sie sind und bleiben die Katalysatoren. Das müssen sie selbst erkennen. Der endgültige Bezug zur Wirklichkeit muß hergestellt werden. Sie müssen sich daran beteiligen. Darin habt ihr vollkommen recht. Eine Schwierigkeit an sich. Aber dann müssen die Kangrahs zu einem endgültigen Bestandteil dieser Realität werden. Ihr werdet sie nicht zu töten brauchen, wenn sie euch freiwillig helfen. Nur ihr Schiff muß verschwinden, das ihnen das Herkommen ermöglicht hat, als sie den Alarmstart durchführen wollten, denn von ihm aus fließen deshalb sämtliche Energien - und bleibt die Brücke bestehen zum Schwarzen Universum!« »Wir haben dich gerufen, Goldener, damit du uns hilfst, die Kangrahs zu überzeugen.« Um den Goldenen herum entstand ein Lichtkreis, der sich langsam ausdehnte. Eine dieser sogenannten Fahrstuhl-Kabinen entstand. Der Goldene wandte sich ab und trat zur Kommunikationsanlage. Kaum hatte er Verbindung mit dem Tower-Satelliten, als er von der Mannschaft berichtete. Auch wenn er dadurch Gefahr lief, seine eigentliche Identität preiszugeben. Kurz drehte er sich herum. Die Mannschaft schwebte scheinbar unsichtbar hinter im Raum, als wäre ihr geistiges Konglomerat wirklich bis hierher gelangt. Ein eigenartiges Phänomen, obwohl sie doch lediglich telepathischen Kontakt mit ihm hatten... »Ich werde sehen, was sich machen läßt. Wenn es gelingt, die Kangrahs zu überzeugen, brauchen wir die weite Reise nicht zu unternehmen.« Eine Bestätigung kam und dann die Verbindung mit dem Tower-Satelliten. Dabei blieb es nicht. Der Goldene wurde weiter vermittelt, und dann tauchte tatsächlich auf dem Bildschirm ein Gesicht auf, das jeder Mensch kannte: Das Gesicht von Tipor Gaarson! Er war der Weltpräsident inzwischen, und er glich seinem Vorfahr, dem die Menschheit nicht nur den Gaarson-Effekt, sondern auch letztlich - nämlich immerhin vierhundert Jahre später die Errettung vor den schlimmsten Folgen dieser Energiegewinnung verdankten, wie ein Ei dem anderen. Noch einmal Besprechung der Sachlage. Dabei tauchte neben dem Präsidenten auch sein wichtigster Berater auf: Harald Urbano! Es gab rasch einen Konsens, denn jeder hatte begriffen, daß es brandeilig war, eine mögliche Lösung zu finden. Der Goldene faßte den Konsens zusammen: »Versucht abermals, mit den Kangrahs Kontakt aufzunehmen. Es muß eine lockere Verbindung zu mir bleiben. Ich werde den Kangrahs die Erde zeigen - vom Tower-Satelliten aus. Die Kangrahs Copyright 2001 by readersplanet
können direkt mit der irdischen Führung verhandeln - über euch und damit über mich. - Das heißt, falls es euch wirklich gelingen sollte, für die Kangrahs als eine Art Medium zu dienen.« Die Mannschaft zog sich zurück, weil allen klar war, daß sie erst den Kontakt mit dem Goldenen unterbrechen mußten, um mit den Kangrahs den erneuten Kontaktversuch zu unternehmen. Sofort erlosch das Bild. Doch sie spürten die »Nähe« von dem Goldenen nach wie vor - der lebenden Mutantenlegende.
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Es war das zweite Mal, daß sie sich direkt an die Kangrahs wandten: Diese schienen sogar darauf gewartet zu haben. »Wir spürten eure Aktivitäten, aber sie schaden dem Feld nicht mehr«, sagte Ro-ab stellvertretend für sein Volk. Die Mannschaft erklärte ihm die Situation. Daraufhin meldete sich Ro-ab eine Weile nicht mehr. Die Mannschaft drängte nicht, sondern wappnete sich in Geduld. Ein kurzer Gedankenimpuls zum Goldenen: »Bist du bereit?« »Natürlich! Das Experiment kann meinethalben beginnen.« Und da »kamen« die Kangrahs wieder. Ro-ab: »Wir haben jede Phase beobachtet, sofern es uns möglich war. Es stimmt, daß unser Schiff das PSI-Feld nährt, wie ihr es nennt. Es stimmt, daß die Sphäre existiert. Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung: Das vom Triebwerk erzeugte Transportfeld - um einmal bei einer so einfachen Bezeichnung zu bleiben - eskalierte. Wir haben es ausprobiert: Innerhalb einer gewissen Sphäre erscheinen die Gesetzesmäßigkeiten normal. Außerhalb scheinen sie zu differieren. Wir zählen dies als Beweis dafür, daß uns der Realitätsbezug keineswegs fehlt, wie von euch vorgeworfen.« »Vielleicht durch uns?« vermutete die Mannschaft. »Oder wärt ihr vor eurem Kontakt mit uns zu diesem Schluß gelangt?« »Vertagen wir diesen Punkt«, erklärte Ro-ab ungerührt. »Klären wir erst etwas anderes: Wir befinden uns nunmehr auf gleicher Ebene. Es hat eine Anpassung gegeben. Ihr seid somit genauso Bestandteil der angeblichen Traumsphäre wie wir. Um noch eingehender eurer Theorie zu folgen: Wir nehmen an einem gemeinsamen Traum teil. Und dann brauchen wir den Punkt auch nicht länger zu vertagen, sondern können schon jetzt auf ihn zurückgreifen, Menschen: Euer Realitätsbezug, entstanden durch die Eigenheiten eines jeden von euch, die im Widerspruch zur Gesamtheit stehen, dient nunmehr auch uns. Weiter: In der Mannschaft habt ihr ein neues Bewußtsein geschaffen, das scheinbar alle individuellen Eigenschaften der Mitglieder beinhaltet, und dies ist falsch. Ich sprach von unseren Beobachtungen: Ihr stört das Feld in keiner Weise mehr, also ging auch euer sogenannter Realitätsbezug verloren. Wir haben inzwischen alles durchgerechnet und durchgedacht, Menschen: Es gibt keine andere Erklärung für alles. Wir müssen euch partiell rechtgeben, aber dann muß für uns alle, auch für euch, deutlich werden, daß es keinen Realitätsbezug mehr gibt - spätestens seitdem ihr diese perfekte Mannschaftseinheit geschaffen habt. Und die Sphäre wächst schneller denn je. Funktionieren Mutanten nicht ähnlich wie eine biologische Gaarson-Konfiguration? Nun, es gibt mindestens einen einzigen gemeinsamen Bezug: Ihr seid in der Lage, Ur-Energien anzuzapfen - ganz genauso wie durch den Gaarson-Effekt. Ihr tut es zur Zeit, um den Traum mit zu erhalten: Unseren gemeinsamen Traum, Menschen! Es gibt nunmehr zwei Katalysatoren, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen: Das Schiff mit uns einerseits und - ihr, die Psychonauten-Mannschaft andererseits! Und nicht nur das Schiff allein - oder gar nur seine Konfiguration!« Alles in ihnen wehrte sich dagegen. Ein verzweifelter Gedankenimpuls zum Goldenen... Copyright 2001 by readersplanet
»Es hat keinen Sinn, Menschen: Es gibt diesen Goldenen nicht! ER ist und bleibt eine Wunschvorstellung, die ihr im Traum realisiert habt. Es gibt mithin auch keine wirkliche Verbindung zu eurer Erde: Eine Illusion! Noch einmal: Derjenige, mit dem ihr angeblich Verbindung aufgenommen habt, ist durch einen Wunschgedanken entstanden. Ihr habt als Mannschaft das sogenannte Menschliche abgestreift und eine der PSI-Ebene perfekt angepaßte Wesenheit geschaffen. - Ihr seid verloren.« »Nein!« schrie die Mannschaft. Es gab tausend Argumente gegen die Behauptungen der Kangrahs, aber keines dieser Argumente war auch nur annähernd so stichhaltig. Sie hatten sich entwickelt, in ihrem Anpassungsbestreben an das Feld, und nun war die Anpassung perfekt. Die Mannschaft wollte zu den Körpern zurück. »Halt!« riefen ihr die Gedanken von Ro-ab zu. »Wartet damit, denn könnt ihr sicher sein, daß ihr wirklich in eure Körper zurückgekehrt seid, wenn ihr es glaubt?« »Dann sind nicht nur wir verloren, sondern alles, vielleicht sogar das ganze Universum!« Und - als Hilfeschrei: »Goldener!« Keine Antwort. Die Vision war geplatzt wie eine Seifenblase. »Das Schicksal hat euch nach Clarks-Planet kommen lassen«, fuhr Ro-ab unerbittlich fort. »Wir ergänzen uns in gewisser Weise. Ihr habt erfolgreich den Keim des Zweifelns gesetzt, und nun haben wir es ebenso mit euch getan. Nach diesem gemeinsamen, langen und beschwerlichen Marsch zur Erkenntnis, bleibt eine wesentliche Frage zu klären: Wie soll jetzt noch ein Realitätsbezug hergestellt werden? Wann können wir sicher sein, daß es sich nicht abermals um ein Traumbild handelt, während die gefährliche Sphäre sich weiterhin ausdehnt - genährt vom Schwarzen Universum, das auch diese Galaxis verschlingen wird? Vielleicht träumen wir dann auch noch davon, daß die Sphäre erlischt und alles seine Richtigkeit hat? Obwohl in Wirklichkeit dann...« »Aufhören!« schrie die Mannschaft entsetzt. Sie sah keine Rettung mehr, nicht den Schimmer einer Chance. »Der Träumer, der sich vergeblich bemüht, zu erwachen. Immer wieder träumt er davon, es wäre ihm bereits gelungen. Es bleibt ein Traum.« »Es gibt eine Möglichkeit - normalerweise!« »Normalerweise?« echote die Mannschaft. »Der Träumer, der sich kneift - sprichwörtlich! -, um den Bezug zur Wirklichkeit wiederherzustellen. Das Leben eines denkenden Wesens besteht im ständigen Vergleich zwischen Lebensillusion und Vergleich mit realen Begebenheiten. Es gelingt uns so lange, wie der Selbsterhaltungstrieb funktioniert, der uns sagt, daß ein zu intensiver Traum gefährlich für Leib und Leben wird. Die sogenannte Kommunikation mit dem Tatsächlichen erfolgt zu oberflächlich, als daß man eine Chance hätte, dieses Tatsächliche in seiner Gesamtheit zu erfassen - weil uns dafür die Kapazität fehlt. Wir können nur ein Stückchen der Realität erfahren und müssen den Rest mit unserer Phantasie ersetzen - in der Einbildung, das wäre dann das vollkommene Verständnis der Dinge. Aber nutzt es dem Träumer, wenn er sich kneift? Doch nur dann, wenn die gefährliche Wirklichkeit es nötig macht! Das PSI-Feld ist so aktiv, daß es jede Notwendigkeit zur Rückkehr in die Realität erlöschen läßt: Wir überleben auch als Träumer - selbst wenn durch unseren Traum sozusagen die ganze Welt ringsherum in Scherben geht.« Die Kangrahs hatten den Spieß umgedreht und hielten nun der Mannschaft den Spiegel der Erkenntnis vor. Es hätte dieses Beweises eigentlich gar nicht mehr bedurft. Und die Mannschaft beruhigte sich wieder. Sie durften sich der Wahrheit nicht mehr verschließen, und die Kangrahs hatten recht, wenn sie annahmen, daß eine Aufsplitterung der Mannschaft jetzt nur noch die allgemeine Gefahr mehren konnte. Die Rettung mußte anders zu finden sein. Copyright 2001 by readersplanet
»Der einmalige Fall«, sagte die Mannschaft. »Es ist ein Krieg, bei dem die Philosophie die Hauptrolle spielt. Waffen sind die Gedanken des menschlichen Geistes.« »Nicht nur des menschlichen!« korrigierte Ro-ab mit gespielter Schärfe. Er machte keinen Hehl daraus, daß er sich über den Erfolg freute. »Sind es nicht sowieso immer die Gedanken, die Kriege erzeugen - und entscheiden? Jeder Akt von Gewalt ist ein Produkt des Geistes.« »Ich beginne zu begreifen!« Die Mannschaft redete wie ein einziges Wesen, und das war es auch innerhalb dieses Traumes. Es war kein Konglomerat mehr, sondern ein neues Wesen, völlig isoliert von der Wirklichkeit, doch damit beschäftigt, den Bezug dazu wiederherzustellen - und sich selbst damit wieder die Existenzgrundlage als Traumwesen zu entziehen... »Ich beginne zu begreifen«, wiederholte die Mannschaft, »was Wissenschaftler Cader im Jahr der Philosophie 2224 gemeint hat. Er sagte wörtlich: "Bei allem, was der Mensch tut bewußt oder unbewußt -, gibt das Wirken seines Geistes das Motiv. So bleibt auch der Sinn seines Daseins ein Produkt dieses Wirkens, das wir letztlich aus sich heraus verstehen müssen. 'Ich bin, WEIL ich bin!' wird dadurch zu einer klaren Aussage: Das Bekenntnis des Geistes, daß er nur wirkt, um zu wirken. Mögen diejenigen den WERT dieses Wirkens beurteilen, die es trifft - positiv oder negativ!" Als denkende Wesen haben wir die Chance, jenen anderen Standpunkt einzunehmen desjenigen, der betroffen ist - negativ oder positiv. Wir vermögen uns vorzustellen, was aus dem Universum wird, wenn wir unser Wirken nicht in die richtigen Bahnen lenken.« »Der philosophische Krieg geht weiter. Sieg oder Niederlage? Der rettende Gedanke bleibt noch aus - der Gedanke, der mit einem einzigen Schlag den Krieg siegreich beenden kann siegreich für das Leben. Noch nie sind denkende Wesen so eindringlich mit dem Grundsatz konfrontiert worden: Am erfolgreichsten sind stets die Illusionen, an die man am ehesten geneigt ist zu glauben und nicht diejenigen, die der Wirklichkeit am ehesten entsprechen! Dies ist ein Kangrahwort, das genauso gut auch auf menschliche Wesenheit zutrifft.« »Die Verwandtschaft aller denkender Wesen dieses Universums - egal wie geartet! Der gemeinsame Bezug.« Die Mannschaft unterbrach sich. Die Beschäftigung des Geistes ist die einzige Möglichkeit, sein Dasein zu markieren, und es war ein reales Dasein dieser Geister, auch wenn die Umgebung illusionär war! Und die Beschäftigung des Geistes ist die einzige Chance, ihn klar zu erhalten, denn rettende Gedanken kommen nicht selten, wenn man »in der Nähe darauf lauert«. Wie der Geistesblitz des Erfinders, der ihn des Nachts heimsucht, wenn sein Verstand dazu bereit ist und sich nicht mit wesensfremden Dingen beschäftigt. Die Beschäftigung mit der Tatsache des Traumes, die philosophische Untermauerung des Phänomens, führte nicht zufällig zur Rückkehr zum Ursprung... »Der gemeinsame Bezug. Ich wollte etwas anderes sagen - und sehe nun eine Brücke: Unser gemeinsamer Bezug innerhalb der Illusion ist im Schwarzen Universum zu finden. Ihr seid zu sehr Produkte dieser Sphäre. Ihr seid tot und doch lebt ihr - weil ihr aus der Energie des Schwarzen Universums schöpft. Und es ist das Schwarze Universum, das durch euch wirkt - in der Form des PSI-Feldes! Nicht der Schiffsantrieb und nicht unser Wirken sind die Katalysatoren, sondern die Verbindung zum Schwarzen Universum! Die Brücke! Aber wie ist sie eigentlich entstanden? Das haben wir immer noch nicht geklärt - genauso wenig wie ihr. Doch weiter: Wir haben uns nur angepaßt. Das ist der Realitätsbezug, Ro-ab: Wir wissen, daß wir träumen und haben deshalb die Chance zu erwachen. Wir können erwachen, weil wir alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen können - und das Bild bleibt schlüssig und ohne Makel. Es ist ein neutrales Bild, das durch einen fehlenden Realitätsbezug nicht getrübt werden kann. Immer und überall, wo es unterschiedliche Pole gibt, existiert auch ein Dazwischen. Das konkrete Bildnis einer Tatsache liegt zwischen Illusion und Wirklichkeit und verbindet beide miteinander. Ihr konntet es nicht sehen, weil es sich gegen euch wendet. Es zeigt euch allzu deutlich, daß ihr in der Realität keinen Platz habt, denn für die Copyright 2001 by readersplanet
Realitätsebene seid ihr längst tot. Ist es euer Selbsterhaltungstrieb letztlich, der die Brücke bestehen läßt? Dann verarbeitet diese Erkenntnis - und zieht eure Schlüsse!« Die Mannschaft zog sich kaum merklich zurück. Die Kangrahs brauchten jetzt Zeit, und die sollten sie haben - ungestört. War es denn wirklich gelungen, mit den letzten Worten den eigentlichen Kern von allem zu treffen?
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Eine ganze Weile hatte die perfekte Séance der Psychonauten-Mannschaft, diese vollkommene Einheit der Geister, nicht mehr auf die Umgebung geachtet. Jetzt erkannte sie das Schiff - und die Siedlung. Beide Bilder waren seltsam ineinander verschoben. Es schien keine Entfremdung zwischen ihnen zu geben. Da war auch ihr eigenes Schiff, die Bahrns. Es entfernte sich, bis es nur noch ein winziger Punkt war. Die Mannschaft widerstand dem Wunsch, ihm zu folgen. Die Kangrahs blieben stumm. Wie jedes denkende Wesen, das erkennen muß, einen falschen Weg beschritten zu haben, mußten die Kangrahs zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Entweder die Bejahung der Illusion und deren Fortführung, was die Situation unveränderbar machen würde - oder die Bejahung der Tatsachen und damit die Aufgabe des gegenwärtigen Daseins. »Rückkehr zum Schwarzen Universum?« klagte Ro-ab stellvertretend für die Gemeinschaft der Kangrahs. Jetzt war der Mannschaft klar, daß Ro-ab mehr als nur ein Stellvertreter war: Die Kangrahs, gemeinsam mit dem »Ich ihres Schiffes«, bildeten längst ein einziges Wesen, unsterblich unter den Bedingungen des Schwarzen Universums, die es praktisch auf Clarks-Planet »importiert« hatte. Dieses Wesen schuf die einzelnen Kangrahwesen genauso als illusionäre Bestandteile, wie selbst das Schiff und alle in ihm enthaltene Materie. Das denkende Produkt eines Schiffes und seiner Besatzung, untergegangen bei einer unvorstellbaren Katastrophe vor einer Milliarde Jahren und damit eingegangen in ein anderes Universum mit anderen Bedingungen, beantwortete die wehmütige Frage selber: »Rückkehr!« Und der Prozeß wurde eingeleitet. Das Wesen, das sich einst als Anpassung im Schwarzen Universum und jetzt wieder im Kontakt mit Mitgliedern der menschlichen Rasse verändert hatte, benutzte die Brücke NACH HAUSE! Es gab für dieses Wesen nur noch eine einzige Realität: Schwarzes Universum! Und der Traum verflüchtigte sich und ließ die Träumer erwachen.
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Auch die Mannschaft erwachte. Die acht Menschen sahen sich erschöpft an. Macson sagte: »Es war wie ein schlimmer Drogenrausch, aber der Kampf ist gewonnen. Dabei erscheint es mir jetzt, im nachhinein betrachtet, als absolut einfach, wie es letztlich hatte geschehen können. Und dafür haben wir wirklich soviel Anstrengung benötigt - letzten Endes? Wie jeder Mensch sich bemühen sollte, aus der Illusion seiner Vorstellungen zu erwachen und die Wirklichkeit zu erkennen. Niemand darf sich als Mittelpunkt des Ganzen fühlen, sondern muß sich als Bestandteil verstehen, nur für sich selbst und seine Taten verantwortlich und nicht für das, was außerdem geschieht. Träume sind sinnlos und gefährlich - bis man daraus lernt. Ich glaube, wir haben daraus gelernt - auch über uns selbst. Wir können nun besser verstehen.« »Ob wir dadurch auch zu besseren Menschen werden?« sinnierte Colman. Bahrns meinte dazu: »Denke an den Wissenschaftler - wie hieß er noch gleich? Cader?« »Ungebildeter...«, setzte Macson an, was ihm eine scharfe Rüge von Merrin-kläck einbrachte: »Bessere Menschen? Dann solltest du mit gutem Beispiel vorangehen!« Bahrns fuhr ungerührt fort: »Cader sagte am Ende: 'Mögen diejenigen den Wert unseres Wirkens beurteilen, die es trifft - positiv oder negativ!' Also tun wir es auch - es den Betroffenen überlassen, ob wir nun bessere Menschen geworden sind.« Merrin-kläck stand auf. »Macson will sich wieder in den Mittelpunkt drängen, Bahrns macht ihm ausnahmsweise den Rang streitig, Colman zupft nichtvorhandene Staubpartikel aus seinem Sonntagsanzug. Fermens ist so wortkarg wie gewöhnlich - und die Drillinge genauso weltfremd... Erhebt euch, denn es gibt viel zu tun. Denkt an die Siedler. Clarks-Planet war für uns wichtiger als ein Psychiater. Aber jetzt brauchen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren auszuruhen. Die Siedler brauchen dringend unsere Hilfe. Und anschließend müssen wir zur Erde zurück. Es ist nicht auszuschließen, daß irgendwann und irgendwo ein neues Traumschiff auftaucht. Es ist nur dann gefährlich, wenn die Menschen nicht um die Gefahren von Illusionen wissen, die ihnen wie die Wirklichkeit erscheinen.« Macson blieb sitzen. Er legte den Kopf schief. »Klingt gut, Merrin-kläck, aber haben wir denn inzwischen endlich geklärt, wieso diese Gefahr überhaupt hat entstehen können? Wieso ist dieses Traumwesen hierher gelangt - mit allen Folgen? Wie konnte die Brücke entstehen? Was hat es ermöglicht - hier auf Clarks-Planet? Und noch etwas: Wir haben erfahren, daß die Kangrahs - ich bleibe jetzt einmal dabei, bei der Nennung der Mehrzahl - erst seit etwa zehn Tagen hier waren. Eine Fehleinschätzung, durch die Illusion entstanden? War es länger? - Nun, jedenfalls hat die Erde Clarks-Planet schon viel früher aufgegeben. Der Kontakt riß ab - hieß es zur Begründung. Was also war denn vorher, bevor das Traumschiff hierher gelangen konnte? Was hat es ermöglicht?« Auch die anderen blieben jetzt sitzen. Sie schauten Macson mit offenstehenden Mündern an. Synchron - nicht nur die Drillinge. Merrin-kläck schluckte schwer. Er ließ sich in seinen Pneumosessel zurücksinken. »Wir haben die ganze Zeit über 'ne Menge Probleme gewälzt. Das Feld ist erloschen, denn das Feld war praktisch identisch mit diesem Wesen. Es war eine Art PSI-Energiewesen, Copyright 2001 by readersplanet
wenn man so will. Genährt von den Energien aus dem Schwarzen Universum, wurde es stetig mächtiger - und hätte letztlich das Schwarze Universum sozusagen vollends hierher gebracht. Und jetzt erst wird mir etwas bewußt, was mir vorher überhaupt nicht aufgefallen ist. Ich begreife es nicht: Blieb ich blind gegenüber einer solchen Offensichtlichkeit, weil es das Energiewesen verhinderte, oder weil es genügend schwerwiegendere Probleme gab, die diese Offensichtlichkeit gar nicht so wichtig erscheinen ließ?« Jetzt schauten alle zu ihm hin, und jeder von ihnen wußte, was er meinte, auch ohne telepathischen Kontakt. Macson nickte und sprach es aus: »Es gibt auf Clarks-Planet überhaupt keine Ghreekhoj mehr! Und begannen nicht auch auf der Erde die Ghreekhoj als erste zu sterben, als die Katastrophe begann?« Merrin-kläck sprang auf. »Es würde ja bedeuten, daß die Katastrophe hier sogar früher begonnen hat als auf der Erde! Deshalb war auch kein Kontakt mehr möglich mit Clarks-Planet: Da die normalen Raumschiffe nicht mehr funktionierten! Niemand konnte es sich erklären, daß man Clarks-Planet nicht mehr mit einem Raumschiff erreichen konnte. Deshalb wurde Clarks-Planet kurzerhand aufgegeben. So war das also.« Colman rief aus: »Und hier gibt es keine Transmitter, um als Ventil zu dienen. Also entstand durch die Katastrophe das gleiche wie in jener Milchstraße, die zum Schwarzen Universum wurde!« Die Drillinge sagten im Chor, wobei ihre Stimmen in gleicher Weise vor Aufregung vibrierten: »Das bedeutet, daß dieses Traumwesen, dieses Energiewesen, das hier als die Kangrahs mit ihrem Raumschiff auftauchte... daß dieses Wesen letztlich Clarks-Planet vor dem Untergang gerettet hat! Und jetzt sind die Verhältnisse hier so stabil wie auf der Erde. Es könnten wieder Ghreekhoj überleben - wie unsere an Bord - und es müßte also auch der Transmitter funktionieren, den wir mitführen. Es müßte uns möglich sein, damit Verbindung zur Erde herzustellen - und sei es auch nur, um von hier zu berichten.« Merrin-kläck schüttelte den Kopf, aber nicht, weil er anderer Meinung war, sondern er hatte einen anderen Grund: »Wieso konnte der Negativ-Effekt auf Clarks-Planet sogar früher auftreten als auf der Erde? Das ist doch der entscheidende Punkt. Es ist doch eine relativ junge Kolonie. Der Gaarson-Effekt wird doch erst seit relativ kurzer Zeit hier angewendet...?« Niemand konnte ihm darauf eine Antwort geben. Macson beschäftigte sich mit der Funkanlage. Er rief auf der üblichen Frequenz die Siedler. Und diesmal kam die Antwort - von einem äußerst verwirrten Mann, den sie nur allzu gut kannten, denn sie hatten ihn im Kreise seiner Familie bei der Funkanlage gesehen: »Wie wie konnten Sie landen, ohne von uns bemerkt zu werden?« stammelte er anstelle einer korrekten Begrüßung. »An was können Sie sich denn überhaupt erinnern?« stellte Macson die Gegenfrage. »Ich - ich weiß nicht recht. - Was ist passiert? Irgendwie... Die Ghreekhoj starben. Nichts mehr funktionierte. Sämtliche Gaarson-Konfigurationen fielen aus. - Nein, das ist nicht richtig. Sie erloschen nicht völlig, aber sie erzeugten Energie, die - die irgendwie nicht mehr brauchbar war. Und dann...« »Ja, was dann?« »Ich - ich weiß nicht. Es ist, als wäre ich soeben aus einem langen, von irren Träumen angereicherten Schlaf erwacht. Seltsam, aber ich glaube, alle hatten dieselben Träume...« Macson nickte grimmig. »Genauso ist es in der Tat! Doch die Träume sind vorbei, und jetzt funktioniert alles wieder. - Wir werden euch alles erklären!« versprach er rasch, weil der Funker zu einer entsprechenden Frage anhub. »Zunächst nur soviel: Derselbe Effekt, wenn auch mit völlig anderen Auswirkungen... Das gab es inzwischen auch auf der Erde. Es ist die Folge des Gaarson-Effektes. Die Gesetzesmäßigkeiten des Universums haben sich verändert - hier so wie auch auf der Erde. Es hat auch Vorteile, denn wir haben einen Transmitter dabei. Ja, Sie hören richtig: Es ist nun möglich, von einer dergestalt veränderten Welt wie Clarks-Planet in Nullzeit Verbindung zur Erde aufzunehmen.« Der Funker schaute ihn an, und in seinem Gesicht war jetzt nicht nur Verwirrung zu lesen, sondern auch... Unglauben. Copyright 2001 by readersplanet
Macson winkte ab. »Na, auch das können wir immer noch gemeinsam besprechen. Wichtiger ist nun dies: Wieso konnte ein solcher Effekt hier schon nach wenigen Jahren auftreten, nachdem es auf der Erde immerhin genau vierhundert Jahre gedauert hat? Was unterscheidet Clarks-Planet und seine Umgebung so sehr von der Erde?« Der Funker grübelte. »Wir - wir haben eine Entdeckung gemacht, bevor dieser - dieser - äh Traum begann: Es gab auf diesem Planeten einst eine andere Kultur. Nein, keine primitive, hier entstandene und später untergegangene Kultur, sondern eine hochzivilisierte, die möglicherweise von außerhalb kam, genauso wie wir... Und wir haben nur vereinzelte Trümmer von dieser Kultur gefunden. Mehr durch Zufall. Alles wurde einst zerstört, und wir haben sogar eine Theorie für alles: Dieser Planet war nicht immer ein Wüstenplanet gewesen. Aber die Wesen von damals führten Krieg, wobei alles zerstört wurde. Es wurden Energien freigesetzt, die nicht nur von der einstigen Kultur nur noch Fragmente übrigließen, die man nur zufällig finden konnte... Das meiste Wasser ist dabei verdampft...« In der Zentrale der Bahrns schauten sich alle an. Was war das soeben gewesen? Womöglich eine raumfahrende Kultur, die den Gaarson-Effekt angewendet hatte - vor undenklichen Zeiten? Nein, sicher nicht die Kangrahs, denn zu diesem Zeitpunkt waren diese längst schon untergegangen gewesen und hatten ihr Schwarzes Universum hinterlassen. Eine andere Kultur - oder andere Kulturen, denn es hatte schließlich einen allesvernichtenden Krieg gegeben. Ein Krieg der Welten? Die Wesen auf Clarks-Planet hatten den Krieg offensichtlich verloren, aber sie hatten als Erbe nicht nur zerstreute und vom Staub der Jahrtausende zugedeckte Fragmente hinterlassen, sondern auch mit ihrer Ausführung des Gaarson-Effektes damals die Grundlage zur Katastrophe gebildet, die letztlich in der Gegenwart erst zur Brücke zum Schwarzen Universum geführt hatte. Der Gaarson-Effekt, wie er von den Siedlern zur Energieerzeugung angewendet wurde, war nur noch der berühmte Tropfen gewesen, der das Faß schließlich zum Überlaufen gebracht hatte. Merrin-kläck sank mal wieder in seinen Sessel zurück. Jetzt war eigentlich alles restlos geklärt, aber beruhigen konnte es sie nicht. Der Beweis war endgültig erbracht: Die Menschheit war nicht allein im Universum als raumfahrende und den Gaarson-Effekt anwendende Rasse. Es gab andere - und es gab auch welche, die längst die Katastrophe hinter sich hatten, die die Menschheit auf der Erde erst vor wenigen Wochen heimsuchte. Ob jede dieser Rassen so geendet war wie die Kangrahs? Eher unwahrscheinlich, denn es sah vielmehr danach aus, als sei das Schwarze Universum die Ausnahme. Jedenfalls war es anzunehmen, weil die Menschen nach Jahrhunderten der praktizierten Raumfahrt noch niemals auf ähnliches gestoßen waren. Es konnte letztlich doch nur eines bedeuten: Es gab auch andere Rassen, die das Gaarson-Gate entwickelt hatten, um damit den endgültigen Kollaps der universalen Ordnung zu verhindern! Genauso wie die Menschen der Erde es getan hatten. Sie schauten unwillkürlich in die Richtung, in der sie hinter der Wand der Zentrale ihren Bordtransmitter wußten, der jedem Psychonauten-Scouter mitgegeben wurde - für alle Fälle. Ob es wirklich so eine gute Idee war, damit den Kontakt mit der Erde zu suchen? Wenn sie nun statt mit der Erde Kontakt bekamen mit...? Merrin-kläck gab Macson ein Zeichen. Macson verabredete daraufhin mit dem Funker einen Zeitpunkt einer persönlichen Besprechung mit der Leitung der Siedlung. Ja, es würde einiges zu besprechen geben. Und inzwischen konnten sie sich um ihren Transmitter kümmern...
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4
Die Gitterpyramide hatte zwingend eine quadratische Grundfläche. Warum dies so sein mußte, hatten sie nicht begriffen - nicht begreifen wollen. Für sie war der Transmitter sowieso ein Fremdkörper auf dem Schiff. Er stand inmitten dem Frachtraum. Die quadratische Grundfläche hatte eine Kantenlänge von genau fünf Metern. Es stimmte bis auf den winzigsten Bruchteil eines Millimeters genau. Es war absolute Präzision erforderlich, wie man ihnen gesagt hatte. Auch, was die vier aufstrebenden Dreiecksflächen betraf, die sich oben in der Spitze trafen - in einer Höhe von ebenfalls genau fünf Metern. Ein engmaschiges Gitternetz, aus dem die Pyramide mitsamt dem Boden bestand. Das Material war extrem formstabil. Selbst wenn man auf dem Bodengitternetz herumtrampelte. Man konnte schwerste Lasten darauf stellen. Nichts verschob sich, und das Bodengitter durfte durchaus Kontakt mit dem darunter befindlichen Protoplastboden des Frachtraums haben. Denn das FluoreszenzFeld, wie die Experten es nannten, baute sich ausschließlich innerhalb der Pyramide auf. Sie standen herum und betrachteten das engmaschige Gitter, als hätten sie alle Zeit der Welt gepachtet. Dabei hatten sie doch den Termin mit der Leitung der Siedler. Aber im Moment waren ihnen sowieso die Hände gebunden - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn das Bio-Gehirn kümmerte sich um den Käfig. Es geschah für die acht Psychonauten unsichtbar und auch unhörbar. Es wurden gewaltige Energien verbraucht, um den Transmitter zu initiieren. Wenn dies einmal geschehen war, war der energetische Verbrauch kaum noch der Rede wert. Der Käfig würde ständig in Bereitschaft bleiben. Dann konnte auch jederzeit jemand oder etwas materialisieren. Theoretisch! fügte Merrin-kläck hinzu, und die anderen nahmen an seinen Gedanken teil, weil er es nicht unterband. Dann zogen sie sich wieder zurück, weil ein jeder seinen trübsinnigen Gedanken nachhing. Sie hatten Angst vor dem Ding - und keine Scheu davor, es offen zuzugeben. Obwohl die Gaarson-Gates die Erde gerettet hatten. Einfach nur, indem man sie initiiert und anschließend benutzt hatte. Das hatte genügt als Ventil für die Katastrophe, um das Schlimmste von der Menschheit abzuwenden. Wenn das GG, wie man es inzwischen abgekürzt nannte, wirklich funktionierte, war das der Beweis für die Richtigkeit all ihrer theoretischen Erklärungen für die Situation, wie sie sie beim Anflug von Clarks-Planet vorgefunden hatten. Falls! fügte Merrin-kläck in Gedanken hinzu und schnalzte beinahe mit der Zunge, wie es manchmal Colman tat. Er schaute kurz zu den anderen. Niemand erwiderte seinen Blick. Alle schauten wie fasziniert auf die Gitterpyramide. Der Frachtraum war der einzige Raum ohne Ghreekho. Er war absolut clean. Wahrscheinlich eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme...? Merrin-kläck schaute zur Spitze der Pyramide hinauf. Sie war fest mit der Decke verbunden. Überhaupt war die Gitterpyramide sorgfältig verankert. Es durfte bei Betrieb nicht die geringste Erschütterung geben. Wahrscheinlich genauso übertrieben, denn andererseits hat man uns doch schließlich versichert, daß das Material, aus dem sie besteht, so extrem formstabil ist, daß kaum etwas passieren kann. Merrin-kläck schüttelte den Kopf. Copyright 2001 by readersplanet
Die Gitterflächen glitzerten, als würden sie aus einem geschlossenen Stück bestehen und nicht aus einem engmaschigen Gitternetz. Die Eingangstür in das Innere der Pyramide fügte sich so perfekt in die Fläche ein, daß man sie nicht mit bloßem Auge erkennen konnte. Auf einmal ging eine Erschütterung durch die Pyramide. Sie begann, leicht zu vibrieren. Das war verbunden mit einem seltsamen Laut. Kein Klappern, kein Scheppern, sondern ein Summen, das sie unangenehm in der Magengrube spürten, weil es eine relativ tiefe Frequenz hatte. Das Summen wanderte den Frequenzbereich empor. Die Gitterpyramide begann zu erbeben. Das war jetzt deutlich sichtbar. Obwohl sie doch so extrem formstabil war? Sie vibrierte, bis ihre Vibrationen und der Ton im Gleichklang waren, und dann riß beides schlagartig ab - der Ton genauso wie die Vibrationen. Gleichzeitig entstand in der Spitze der Pyramide ein Glimmen. Eigentlich kannten sie das bereits. So funktionierten die »alten« Raumschiffe. Sie hatten ebenfalls eine Gitterpyramide, allerdings außen. Und es gab auch da dieses FluoreszenzFeld. Ganz so neu war die GG-Technik also doch nicht. Nur funktionierte die alte Art nicht mehr. Das heißt, das FluoreszenzFeld konnte nicht mehr außerhalb der Gitterpyramide erzeugt werden, sondern nur noch innerhalb, um seine Wirkung zu haben. Der Effekt war eigentlich der gleiche: Das FluoreszenzFeld eines Raumschiffs funktionierte allerdings nur außerhalb direkter Masseeinwirkungen, also abseits der Planetenbahnen eines Sonnensystems. Moderne Raumschiffe entfalteten ihre Gitterpyramide erst - wie ein exakt pyramidenförmiges Segel, das sie total einhüllte -, wenn sie die richtige Position erreicht hatten, vorher getrieben durch starke Traktorstrahlen und unterstützt mit speziellen Antriebssystemen, wie sie nur im Vakuum des Alls eingesetzt werden durften. Dann wurde die Gitterpyramide initiiert, bis schließlich das Fluoreszenzfeld aufgebaut werden konnte und das Raumschiff in Nullzeit zu jener nächsten Massenanziehung brachte, die es anvisiert hatte - auch wenn diese tausend Lichtjahre entfernt war. Vergangenheit! dachte Merrin-kläck. Zumindest für die Erde und ihre direkte Umgebung. Auch wenn dieser Effekt außerhalb des veränderten Bereichs noch funktioniert: Jetzt sind die GGs dran, wie es scheint. Tja, mal sehen... Nun schnalzte er tatsächlich mit der Zunge. Colman gönnte ihm einen erstaunten Blick. Dann schaute er wieder zur Pyramide. Es knallte und krachte in der Spitze, als das Initialfeld sich aufbaute und endlich die gewünschte Stärke erreichte, und dann breitete es sich blitzartig in der gesamten Pyramide aus. Es war wie eine Detonation. Jetzt bewies das Material der Gitterpyramide tatsächlich seine unglaubliche Stabilität. Hätte es aus herkömmlichem Protoplast bestanden, wäre sie zerrissen worden. Den Psychonauten wurde auf einmal klar, daß sie sich in einem solchen Fall in tödlicher Gefahr befunden hätten. Das hatte keiner von ihnen bedacht. Sie waren ja auch noch niemals persönlich anwesend gewesen, wenn ein GG initiiert wurde. Und genau das funktionierte hier und jetzt tatsächlich! Der Beweis für ihre Theorie endgültig. Die Pyramide schien jetzt selber zu glühen, als würde es eine enorme Hitze geben. Doch die Mutanten spürten nichts davon. Sie spürten etwas anderes und zwar mit ihren Parasinnen. Es war ein unangenehmes Gefühl, als würden die Energien sie abtasten bis in die letzte Zelle. Das Inferno der Hölle tobte unterdessen in der Pyramide. So sah es jedenfalls aus, und dann, von einem Sekundenbruchteil zum anderen, erlosch dieses Inferno, und am Ende blieb nur noch ein helles Flimmern in der Spitze innerhalb. Macson ließ die angestaute Luft zischend aus seinen aufgeblasenen Wangen entweichen. »Man hat uns eingeführt in die Technik, wenigstens insoweit, daß wir sie bedienen können. Man hat uns auch alles erklärt. Aber wir waren leider nie dabei gewesen, wenn ein GG initiiert wurde. Deshalb wissen wir auch nicht, ob es wirklich wunschgemäß geklappt hat.« Das Bio-Gehirn widersprach ihm: »Nach meinen Messungen ist alles so, wie es sein soll. Wie ihr wißt, hat man mich extra darauf programmiert. Schade, daß ihr nicht an diesem Copyright 2001 by readersplanet
Programm teilnehmen wolltet und lieber mit eigenen Augen...« »Das wirst du wohl nie verstehen, nicht wahr? Wir sind halt auch nur Menschen, auch wenn wir Mutanten sind«, sagte Colman und ging schnurstracks auf die Pyramide zu. Ein Gedankenimpuls an das Bio-Gehirn genügte: Der Eingang öffnete sich einladend weit. Das Innere der Pyramide war völlig kahl. Es gab nur dieses helle Flimmern in der Spitze. Man hatte ihnen gesagt, dies würde genügen. Damit sei der Transmitter empfangs- und auch sendebereit. Nur würde im Moment wohl niemand etwas senden wollen. Denn die Gegenstation auf der Erde war ebenfalls initiiert und damit in Bereitschaft. Falls das Unwahrscheinliche eintreten sollte und eines der Scoutschiffe mit Psychonauten an Bord auf einen Planeten traf, wo bereits die Veränderung der universalen Ordnung stattgefunden hatte... Ja, sehr unwahrscheinlich - und doch hatten sie genau dieses auf Clarks-Planet vorgefunden! »Halt!« rief Merrin-kläck warnend. Colman blieb tatsächlich stehen und wandte den Kopf. »Du meinst, es sei nicht sicher genug, das GG zu betreten? Wieso? Wenn ich drin bin, kann niemand mehr was schicken. Aber wer sollte den Versuch machen, uns etwas zu senden? Und so lange die Tür offensteht, geht es sowieso nicht, meines Wissens. Weil das FluoreszenzFeld dadurch gestört wird.« »Es ergibt keinen Sinn, deshalb«, erläuterte Merrin-kläck etwas lahm seine Entscheidung. Macson sagte: »Worauf warten wir jetzt noch? Das GG ist gezündet, um es einmal salopp auszudrücken. Wir brauchen ja nicht gleich persönlich die Reise zu unternehmen. Schicken wir der Erde eine Nachricht und warten auf die Antwort. Dann wissen wir endgültig, ob es funktioniert.« »Wenn es wirklich auf der Erde ankommt!« murmelte Fermens. Jeder tat so, als habe er es nicht gehört. Sie verdrängten im Moment einfach eine gegenteilige Wahrscheinlichkeit. Merrin-kläck schickte dem Bio-Gehirn einen Gedankenimpuls, der bedeutete: »Nachricht auf Tonträger!« Dann sagte er laut und deutlich: »Hier spricht Merrin-kläck, Adept des Scoutschiffs Bahrns. Mit mir an Bord sind sieben Psychonauten. Wir befinden uns zur Zeit auf Clarks-Planet. Hier gab es schon vor unserer Ankunft den Energiekollaps, aber die Siedler haben überlebt. Einzelheiten später. Ich betone, dies ist ein Test, um herauszufinden, ob es sich bei der Katastrophe tatsächlich um die Veränderung der universalen Ordnung gehandelt hat - ebenso wie auf der Erde.« Er schritt zur Wand, an der sich eine Öffnung bildete. In der Öffnung lag ein briefmarkengroßer Chip. Merrin-kläck nahm ihn in die Hand und ging damit zum GG. Er spürte, daß seine Hände schweißnaß wurden. Normalerweise hatte er keinerlei Probleme damit, kühl und gelassen zu bleiben. Aber auch er dachte jetzt an die Möglichkeit, daß ihre Nachricht die Erde niemals erreichen würde, sondern... Ja, wen denn sonst? Allerdings zweifelte er jetzt nicht mehr daran, daß ihr GG überhaupt funktionieren würde. Er betrat das GG durch die offenstehende Gittertür und legte den Chip einfach auf den Boden. Dann verließ er das GG fluchtartig. Der Eingang wurde vom Bio-Gehirn auf seinen Gedankenimpuls hin geschlossen. Butterweich paßte sich die Tür an die Gitterfläche an und war im nächsten Augenblick nicht mehr als Tür erkennbar. »Ab geht die Post!« murmelte Macson, aber das Bio-Gehirn hörte nicht auf ihn, sondern erst auf einen Gedankenimpuls von Merrin-kläck. Das FluoreszenzFeld zuckte auf, in allen Farben des Regenbogens. Nur Sekundenbruchteile, aber das genügte, wie man ihnen versichert hatte.
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Die Tür wurde auf den Befehl von Merrin-kläck hin nur kurz geöffnet. Er schaute hinein: Der Chip war spurlos verschwunden. Also hatte die Übertragung geklappt - wohin auch immer. Er ließ die Tür wieder schließen. Ihre Geduld wurde auf keine allzu harte Probe gestellt. Schon zwei Minuten später zuckte das FluoreszenzFeld scheinbar völlig selbständig auf. Sie wußten, was das bedeutete: Empfang! Ihre Herzen schlugen ihnen schier bis zum Hals, als sich die Tür öffnete und sie neugierig nähertraten. Nur die Drillinge hielten sich ein wenig zögerlich zurück. Auf dem Boden lag ein Chip. Nicht an derselben Stelle. Aber es war nicht sofort erkennbar, ob es sich um einen anderen handelte. Merrin-kläck betrat mit seltsam wackeligen Knien das GG und hob den Chip auf. Er brachte ihn zu der Öffnung in der Wand. Bahrns sagte zum ersten Mal etwas: »Nachricht von der Erde! Ganz klar! Oder denkt ihr, die Tonchips würden bei einer anderen Rasse irgendwo in den Tiefen des Alls genauso aussehen wie die von der Erde?« Sie atmeten unwillkürlich auf. Bahrns hatte recht. »Verdammt!« entfuhr es Macson. »Vielleicht haben wir uns nur in etwas hineingesteigert?« »Oder das GG auf der Erde war uns näher. So ist das doch, oder?« erkundigte sich Colman. Niemand beantwortete seine Frage. Er fuhr fort: »Es besteht auch noch die Möglichkeit, daß die anderen kein GG in Betrieb haben, das genau die gleichen Abmessungen hat. Es muß ja bis auf den Bruchteil eines Millimeters genau gleich sein, sowohl in der Kantenlänge als auch in der Höhe. Sonst gibt es keine Übertragung.« Es sagte immer noch niemand etwas. Und dann hörten sie die Nachricht vom Chip, die das Bio-Gehirn auf einen Lautsprecher geleitet hatte: »Hier Kommandozentrale der Psychonauten! Wir grüßen euch. - Das ist ja eine Überraschung!« platzte der Sprecher im nächsten Moment heraus. »Das müßt ihr uns näher erklären, wie es sein kann, daß Clarks-Planet...? Also, wenn ich mich recht entsinne, ist das doch eine noch ziemlich junge Kolonie, nicht wahr? Am besten, ihr kommt persönlich. Es funktioniert ja, wie wir erlebt haben. - Ende der Nachricht!« Alle schauten Merrin-kläck an. Er wand sich etwas unter ihren forschenden Blicken. Macson meldete sich zu Wort: »Ich bin der Nachrichtenexperte hier an Bord. Vielleicht sollte ich...?« Merrin-kläck schüttelte erst einmal den Kopf. Dann schaute er sich in der Runde um. »Ich werde jedenfalls an der Konferenz mit der Leitung der Siedler teilnehmen. Wie es aussieht, ist unser GG von besonderer Wichtigkeit, um Versorgungsprobleme der Siedler zu beseitigen, die zweifelsohne vorhanden sein werden.« Er machte eine Kunstpause. »Ich nehme an, daß man auf der Erde auch in Erwägung zieht, Spezialisten und Material herzuschicken, um ein größeres GG zu erbauen. Damit wäre die erste Außenwelt erreicht, die man auch mit einem GG versorgen kann.« »Eigentlich eine fantastische Sache«, sagte Bahrns mit seinen Gedanken. »Aber ich möchte dennoch nicht zur Abordnung gehören, die der Erde Bericht erstattet. Ihr wißt, ich bin das Monster. Ich gehe ungern unter Menschen. Hier fühle ich mich wohler.« »Dann gehe ich allein«, schlug Macson vor. Copyright 2001 by readersplanet
Colman meldete sich zu Wort: »Zur Zeit ist hier auf Clarks-Planet nur ein einziger besonders wichtig: Merrin-kläck, unser Adept. Er muß als der Kommandant gegenüber den Siedlern auftreten. Also kann ich mich Macson anschließen. Es ist ja schließlich keine Affäre, denn wir können ja jederzeit zurückkehren. Ganz einfach: Einsteigen und ab...« »Ohne uns!« riefen die Drillinge aus. Sie schüttelten sich synchron beim bloßen Gedanken daran. »Das Ding werden wir niemals betreten. Es - es ist uns unheimlich. Und spürt ihr denn nicht auch das Feld, wenn es aufzuckt? Es sind Ur-Energien und... irgendwie ist das alles verwandt mit - mit PSI!« Sie sahen sie erstaunt an. »Die haben eigentlich recht«, meinte Fermens. »Aber wir sind doch alle schon mit einem GG gereist - bei der Einweisung. Ihr denn nicht?« »Doch, doch, aber das war auf der Erde, und das Empfangs-GG stand im Nebenraum und nicht tausend Lichtjahre entfernt, wie hier und jetzt!« Fermens lächelte. »Also gut, wir sind insgesamt acht Psychonauten mit dem Adepten. Die Drillinge bleiben da, auch Bahrns. Merrin-kläck sowieso. Und was ist mit mir? Vielleicht sollte ich dazu beitragen, daß wir als Dreierabordnung zur Erde springen? So unser Adept dem zustimmt. Wie gesagt: Wir können ja blitzschnell wieder hier sein, sobald unsere Mission erfüllt ist.« »Also gut!« entschied Merrin-kläck. »Aber nehmt die Aufzeichnungen vom Bio-Gehirn mit, zur Untermauerung eures Berichtes. Ich habe den entsprechenden Gedankenimpuls schon gegeben.« Die Öffnung in der Wand bildete sich wieder. Der Datenspeicher, der darin lag, hatte die Größe einer Streichholzschachtel. Darin war alles gespeichert, was das Bio-Gehirn von den ganzen Vorgängen auf Clarks-Planet aufgezeichnet hatte, und dabei fehlten lediglich die persönlichen Erfahrungen, die von den Besatzungsmitgliedern außerhalb gemacht worden waren... Macson ging diesmal hinüber und nahm den Speicher an sich. Er salutierte lässig grinsend. Merrin-kläck winkte ärgerlich ab. Die drei betraten das GG. Merrin-kläck schaute ihnen nach, und er hatte dabei ein ungutes Gefühl. War Fermens nicht mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet? Aber die waren unberechenbar und meldeten sich nicht immer. Sie waren auch überhaupt nicht zu steuern. Es geht alles gut! redete sich Merrin-kläck ein. Sonst hätte sich doch sicherlich eine warnende Vision für Fermens gebildet. Er hielt sich daran fest, um seine Nerven zu beruhigen. Denn er brauchte gute Nerven bei der Konfrontation mit den Siedlern. Die würden ganz schön irritiert sein, wenn sie erst einmal begriffen, daß sie Psychonauten und keine »normalen« Raumfahrer waren. Aber vielleicht würde ihm das sogar eher erleichtern, die Sachlage in und um Clarks-Planet zu erläutern bei allem, was die Siedler mitgemacht hatten und nicht so ohne weiteres begreifen würden?
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Aus dem Innern der Gitterpyramide konnte man draußen nur die Schatten der anderen sehen. Und dann war es soweit... Die drei bekamen zwar das Aufzucken des FluoreszenzFeldes mit, das ihnen für die Dauer eines Augenzwinkerns die Sicht nahm, aber als sie wieder nach draußen schauen konnten, wußten sie sofort, daß es geklappt hatte: Es gab andere Schatten, die auf sie warteten. Aus den Schatten wurden lachende Menschen, als sich die Tür öffnete. Die Begrüßung war absolut unkonventionell. Und es waren tatsächlich Menschen und keine Mutanten. Wohl, weil jeder als sicher geltende Mutant mit einem verfügbaren Raumschiff unterwegs war. Die drei verließen das GG und ließen sich stürmisch umarmen. Einer der begeisterten Männer, die sie empfingen, rief immer wieder: »Das ist ja ein Ding: Tausend Lichtjahre wie nichts! Im einen Augenblick noch dort und im nächsten Augenblick hier! Eigentlich unfaßbar. Damit hat die Zukunft nun wirklich begonnen!« Zunächst schien sich niemand mehr darüber zu wundern, daß es überhaupt möglich war, daß der Energiekollaps bereits jetzt schon eine so junge Kolonie wie Clarks-Planet erreicht haben konnte. Nur einer schien daran zu denken. Er trug die blaue Uniform der irdischen Militärs und hielt sich im Hintergrund. Erst als die Begeisterung sich wieder einigermaßen gelegt hatte, trat er näher. Fermens wandte sich ihm zu. Der Uniformierte sagte zu Fermens, ohne sich überhaupt vorzustellen: »Unser Präsident Tipor Gaarson ist persönlich auf dem Weg hierher. Er wird begleitet von seinem wichtigsten Berater Harald Urbano und der Führerin der Astro-Ökologen Cora Stajnfeld.« Also hat man die Brisanz des Augenblicks an höchster Stelle tatsächlich erkannt! dachte Fermens. Die begeisterte Mannschaft, die das GG in der Tiefe der Erde genauso wie die gesamte Anlage darum herum wartete und überwachte, schaute ein wenig mißbilligend auf den Uniformierten. Aber sie hielten respektvoll Abstand. Fermens kannte sich mit Uniformen aus, aber er wunderte sich, daß der Uniformierte keinerlei Rangabzeichen trug. Die neue Masche auf der Erde? Der Uniformierte deutete seinen Blick sehr wohl richtig. Er lächelte flüchtig und sagte erklärend: »Ich gehöre einem Sonderkommando an.« »Und worum geht es dabei?« fragte Macson an Fermens Seite. Der Uniformierte schaute nur Fermens an, als er Antwort gab. Vielleicht wußte er, daß Fermens auch einmal ein Soldat gewesen war? In den Akten stand das jedenfalls vermerkt, auch wenn Fermens daraus bislang stets ein Geheimnis gemacht hatte. Aber bei der Überprüfung zur Eignung als Psychonaut hatten sie harte Tests über sich ergehen lassen müssen - und unangenehme Nachforschungen über ihre Vergangenheit. Auch wenn nicht alles dabei zutage gefördert wurde! dachte Fermens mit einem Anflug von Gehässigkeit. »Wir müssen damit rechnen, daß die ehemaligen Machthaber der Erde den Weg zurück finden, um ihre alten Machtansprüche wieder geltend zu machen. Denn auch die Konzernbosse sind vor der Katastrophe geflohen. Alles wäre wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Das Chaos hätte doch noch über die Erde gesiegt, wären die Astro-Ökologen nicht so umsichtig gewesen. Und es haben sich sehr rasch und genügend Copyright 2001 by readersplanet
Spezialisten auf allen Gebieten der neuen Führungsspitze angeschlossen. Ich gehöre dazu. Und meine Spezialeinheit ist sozusagen für den schlimmsten aller Fälle da, um Gefahren abzuwenden.« »Hier beim GG?« wunderte sich Colman. Diesen schaute der Uniformierte jetzt an. »Ja, auch hier! Dazu wurde ich abgestellt. Und es hat sich bewährt, wie man sieht.« »Weil wir eine Gefahr sind?« wunderte sich Macson. Jetzt wurde endlich auch er angesehen. »Natürlich nicht! Niemand mißtraut Ihnen. Aber es ist schon alarmierend, daß Clarks-Planet die neue Transmittertechnik ermöglicht. Es widerspricht allen Theorien.« »Sie haben recht!« gab Fermens zu. »Aber es ist keine bestehende Gefahr mehr, weil es uns gelungen ist, sie zu unterbinden. Und jetzt ist alles in Ordnung auf Clarks-Planet. Wären wir keine Mutanten...« Er ließ den Rest unausgesprochen. Der Soldat richtete sich steif auf. »Sie dürfen mein Benehmen bitte nicht mißverstehen, aber vielleicht macht mich der Vorgang einfach nervös. Sie verstehen, was ich meine?« Nur Fermens nickte. Er schaute nach dem Begrüßungskomitee. Die gute Stimmung bei denen war verflogen. »Alles in Ordnung!« sagte er lächelnd zu ihnen. »Der Uniformierte ist nervös, weil ihr ihn nicht ausstehen könnt. Aber das ist eigentlich Unsinn, denn er hat tatsächlich recht: Das GG sollte rund um die Uhr mit allen Mitteln streng überwacht werden. Wer garantiert uns denn, daß nur die Menschheit so schlau war, den Gaarson-Effekt anzuwenden? Und wer garantiert uns, daß andere Völker in den Tiefen des unendlichen Universums den Energiekollaps nicht längst hinter sich haben - und ebenfalls GGs besitzen?« Sie erschraken deutlich und gafften ihn an, als würden sie ihn jetzt zum ersten Mal sehen. Fermens schaute nach dem Uniformierten. Dieser war kreidebleich geworden. »Wir verstehen uns?« fragte er ihn. »Ich meine, Sie sollten nicht einfach nur gemeinsam mit uns auf den Präsidenten warten, sondern bereits die Initiative ergreifen - angesichts der Möglichkeit, die ich soeben aufgezeigt habe.« »Sie - Sie meinen tatsächlich, es könnte...?« »Das meine ich nicht nur, sondern ich bin darin völlig sicher!« »Sofort!« sagte der Uniformierte knapp, deutete einen militärischen Gruß an und machte auf dem Absatz kehrt. Colman wendete sich an die anderen. »Nur keine Panik! Fermens hat zwar ganz und gar nicht übertrieben, aber es ist nun nicht so, als würden schon in der nächsten Sekunde Invasoren in dem GG hier auftauchen, die bis an die Zähne bewaffnet sind und uns die Erde unter dem Hintern wegpusten wollen.« He? dachte Macson, das ist eine Ausdrucksweise, die ganz und gar nicht zu dir paßt, denn so würde normalerweise ICH reden! Er schüttelte mißbilligend den Kopf und dachte weiter: Kann es sein, daß wir uns durch das Konglomerat zu sehr aneinander angepaßt haben? Naja, beruhigte er sich sogleich wieder. Es kann ja nicht von Dauer sein. Colman wird bald wieder der alte Schönling und geübte Dandy sein. Ich kann es kaum erwarten, obwohl ich es vorher immer an ihm gehaßt habe. Aber so ist nun einmal Colman. Und nicht so, wie er sich jetzt gibt. Andererseits: Die Worte von Colman verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Besatzung der unterirdischen Anlage schaute sich an, und tatsächlich beruhigten sie sich wieder. Die Tür des GG war inzwischen wieder geschlossen. Nichts tat sich dort. Wieso auch? Copyright 2001 by readersplanet
Macson fragte Fermens: »Vielleicht sollte doch einer von uns zurückkehren auf Clarks-Planet, um Merrin-kläck zu sagen, daß hier alles in Butter ist?« »Ich gehe schon!« versprach Colman und ging zum GG zurück. »Ihr habt es gehört?« fragte er die Mannschaft. Einer von ihnen nickte und zupfte zwei anderen am Ärmel. Sie wandten sich den Kontrollen zu. Die Tür zum GG öffnete sich. Colman stieg ein. Sekunden später zuckte das FluoreszenzFeld auf - und Colman war verschwunden. Nicht für lange. Es dauerte keine drei Minuten, da zuckte es erneut auf, und Colman stand im Gitterkäfig. Die Tür öffnete sich. Er grinste über das ganze Gesicht. Genauso wie ich - sonst! dachte Macson empört. Gott, Colman, bitte, werde wieder der alte! Ich verspreche dir, mich auch niemals mehr darüber aufzuregen! Er hatte es nur gedacht, aber wohl zu intensiv, denn Colman schickte ihm einen eigenartigen Blick. Was hatte er mitbekommen? Macson schirmte sogleich seine Gedanken ab. »Merrin-kläck ist beruhigt. Er macht sich gerade auf den Weg zu den Siedlern. Es ist an der Zeit. Die Drillinge haben allerdings immer noch Angst. Obwohl ich ihnen doch bewiesen habe, daß diese Angst unbegründet ist. Sie haben mich sogar gebeten, nicht wieder zur Erde zurückzukehren mit diesem Ding, wie sie das GG genannt haben.« »Sie lieben dich halt eben und sind deshalb ständig in Sorge um dich!« sagte Macson. Es klang gehässig. Der Uniformierte tauchte wieder auf. »Ich habe einen Kurzbericht abgegeben, in dem ich kurz schilderte, was Sie mir mitgeteilt haben. Eine Möglichkeit, die bisher niemand auf der Erde auch nur im entferntesten in Betracht gezogen hat.« »Aber es betrifft eigentlich nicht nur dieses eine GG, das als Empfänger für die GGs der Scoutschiffe dienen soll, sondern natürlich sämtliche GGs, die im Sonnensystem in Betrieb sind: Es kann durch jedes von ihnen eine ungewollte Verbindung zu einer anderen Welt entstehen!« bemerkte Fermens. Der Uniformierte nickte ernst. »Das habe ich bedacht. - Aber wir sollten hier nicht so offen darüber reden. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein solcher Fall eintritt, ist sicherlich nicht so groß, sonst wäre es längst eingetreten, wie ich vermute. Wir sollten also vermeiden, daß es so etwas wie eine Panik gibt.« Fermens nickte und wandte sich an die Wartungsmannschaft. Aber die waren jetzt nicht gerade übertrieben ängstlich geworden nach diesen Erörterungen. Sie glaubten offenbar nicht so recht an eine wirkliche Bedrohung. Vielleicht ist es ja auch nur eine pessimistische Fehlannahme? dachte Fermens auf einmal. Dennoch: Sicher ist sicher! Wir sollten lernen, vorsichtiger mit den GGs zu operieren. Und sei die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Fremdkontaktes noch so gering: Gewappnet sollten wir auf jeden Fall sein! Obwohl er sich keinerlei Illusionen hingab: Sicher würde niemand den Aufwand rechtfertigen können, der erforderlich gewesen wäre, sämtliche inzwischen bereits in Betrieb genommenen GGs rund um die Uhr streng zu bewachen. Und eine Möglichkeit haben wir sowieso noch nicht in Betracht gezogen - zumindest bei dem, was gesagt worden ist: Was wäre, wenn jemand unvorhergesehen in einem fremden GG irgendwo in den Tiefen des Universums materialisierte, anstatt dort, wo er hin will? Daran denkt kein Mensch. Denn selbst wenn es da draußen andere GGs geben sollte... Es würde dieser Fall ja sowieso nur dann eintreten, falls das Empfangs-GG gestört wäre und da draußen ein genau gleiches GG sich befände. Genau gleich bedeutet in diesem Fall: Bis auf den winzigen Bruchteil eines Millimeters genau gleich! Das beruhigte ihn wieder, und er konnte gelassener der Begegnung mit dem derzeit mächtigsten Mann der Erde entgegensehen: Tipor Gaarson. Copyright 2001 by readersplanet
7
Der Uniformierte führte sie in einen separaten Raum, der offensichtlich Konferenzzwecken diente. Es gab auch eine Bildwand, die eine Seite des Raumes komplett einnahm, aber nicht eingeschaltet war. Eine entsprechende Bedienungsanordung mit Eingabeschacht befand sich direkt daneben. Der dazu gehörige Computer war allerdings aktiviert, wie die drei Psychonauten mit einem Blick erkennen konnten. Macson tastete unwillkürlich nach der Datenbox in seiner Tasche. Aber er wollte warten, bis Tipor Gaarson selbst hier war. »Was ist eigentlich los mit Ihnen, Soldat?« fragte Fermens den Uniformierten. Dieser ging auf die seltsame Frage gar nicht ein. Macson schaute Fermens ein wenig irritiert an. War Fermens nicht immer der absolut Wortkarge gewesen? Wenn er einmal einen zusammenhängenden Satz sprach, dann war das schon eine halbe Sensation. Aber hier und heute hatte er sich regelrecht zum Sprecher erhoben - und umgekehrt, er selber, Macson...? Er schüttelte verwirrt den Kopf und dachte wieder an seine Überlegungen von vorhin. Da hatten sie Colman betroffen. Aber nicht nur dieser hatte sich verändert, sondern alle hatten das. Sie waren nicht mehr dieselben wie zuvor. Sie hatten sich aneinander so sehr angepaßt, daß nun jeder willkürlich den Part eines beliebigen anderen übernehmen konnte. Macson schüttelte sich. Der Uniformierte bedachte ihn daraufhin mit einem mißtrauischen Blick. Er glaubte wohl, es bezöge sich auf ihn? Es wird sich wieder ändern! redete sich Macson ein. Es ist nur vorübergehend. Ich bin eigentlich zuständig als die Quasselstrippe, aber ich spiele zur Zeit eher die Auster, wie sonst Fermens. Wir werden allmählich wieder zu uns selbst zurückfinden. Es ist doch die Individualität, die das wahre Menschsein ausmacht - und nicht das völlige Aufgehen in einer Gemeinschaft. Fermens ließ nicht locker: »Sie haben sicher die Akten von uns allen eingesehen, nachdem Sie die Mitteilung unseres Adepten hier empfangen haben, nicht wahr?« »Ich - ich muß mich entschuldigen für mein Verhalten«, sagte der Uniformierte. »Ich - ich bin nicht immer so. Nicht normalerweise...« Er verstummte, als hätte er jetzt doch das Falsche gesagt und wollte es nicht auch noch durch Weiterreden verschlimmern. Fermens lachte humorlos. »Ist es wegen meinen Eintragungen? Hat es Sie so sehr beeindruckt, daß ich einmal als Elitesoldat ausgebildet wurde?« »Ja - nein!« »Was denn nun?« »Sie - Sie waren ein Kämpfer, einer der besten überhaupt. Sie - Sie hätten Karriere gemacht...« »Und das beeindruckt Sie? Ich wäre ein Killer, ein gemeiner Mörder, ein Schlächter, genauso wie die anderen Schwarzgardisten, wäre ich dabei geblieben. Nicht gerade ein Kompliment. Ich hatte Glück: Es war es für mich zu Ende, noch bevor ich jemals in den praktischen Einsatz gehen mußte. Wir können doch alle froh sein, daß diese Brut gemeinsam mit den fliehenden Machthabern und Superreichen rechtzeitig vor der Katastrophe sozusagen das scheinbar sinkende Schiff verlassen haben.« Der Uniformierte machte einen recht desolaten Eindruck. War er nur verwirrt oder was war sonst mit ihm los? Copyright 2001 by readersplanet
Jetzt waren auch Colman und Macson auf das Benehmen des Uniformierten aufmerksam geworden. Vorher hatte es sie einfach nicht interessiert. Fermens schüttelte den Kopf. »Nein, Soldat, machen Sie mir nichts vor: Das ist es auch nicht, was Ihnen zusetzt. Die anderen kennen unsere Akte nicht, aber Sie. Deshalb benehmen Sie sich auch anders als die anderen. Die sind ganz locker. Und wieso Sie nicht? Weil wir Mutanten sind? Schließlich wurde ich gefeuert als Schwarzgardist - eben aus diesem Grund. Dabei hatte ich auch noch Glück, daß man mich nur gefeuert hat. Normalerweise wäre ich umgebracht worden - einfach ausgelöscht, eliminiert. Aber man schob es auf den Raumunfall, den es gegeben hat, nicht darauf, daß ich schon so geboren wurde. Nein, auch das macht Ihnen nicht zu schaffen: Die Frage, ob es nun wirklich der Raumunfall war oder ob ich... Nein, es ist einfach, weil wir alle drei Mutanten sind. Sie fürchten, wir könnten ihre Gedanken lesen!« »Sie könnten doch - oder? Es - es ist in den Akten erwähnt...« Macson schüttelte jetzt seinerseits den Kopf. »So ein Unsinn! Sie haben zwar die Akten eingesehen, aber nicht sorgfältig genug, wie mir scheint. Reichte wohl die Zeit nicht ganz dafür, nicht wahr? Sonst wüßten Sie, daß es uns nicht so einfach möglich ist, die Gedanken unserer Mitbürger zu lesen. Dies ist uns nur unter ganz bestimmten Umständen möglich, und die sind hier und heute ganz und gar nicht gegeben.« »Tatsächlich?« machte der Uniformierte mißtrauisch. »Ja!« mischte sich jetzt auch Colman ein. Es klang ärgerlich. »Ich dachte einmal, ich könnte mich irgendwann an diese blödsinnigen Vorurteile gewöhnen, aber ich muß immer wieder feststellen, daß man sich daran einfach niemals gewöhnen kann. Wir gelten bei denen als Monster, und so bleibt es auch. Und jetzt, da wir als Psychonauten so etwas wie unentbehrlich geworden sind, verschlimmert das eigentlich unsere Lage nur noch. Wir sind erst recht zu Außenseitern gestempelt. Wir sind für die ein notwendiges Übel. Ja, notwendig zwar, aber dennoch: ein Übel!« Er hatte sich regelrecht in Eifer geredet. Klar, daß es ihm am meisten zusetzte. Er war im Verhältnis zu den Gefährten auch mit dem größten Geltungsbedürfnis ausgestattet. Macson lächelte beruhigt und dachte: Das ist Colman, wie man ihn kennt. Jetzt wird er mehr und mehr wieder normal. Er fühlte sich richtig glücklich bei dieser Feststellung. Fermens klopfte Colman beruhigend auf die Schulter: »Reg dich wieder ab, mein Freund! Das bringt nichts. Der meint es ja nicht böse.« Der Uniformierte war sichtlich peinlich berührt. »Ich - ich versichere Ihnen, Sinjoro Colman, daß ich...« Colman winkte ab. »Schon gut. Vergessen Sie's. Es ist nicht Ihre Schuld. Es ist, wie es ist, auch wenn ich mich nicht daran gewöhnen kann. - Wie lange wird es noch dauern?« »Ich - ich weiß es nicht - mit Verlaub gesagt. Ich habe nur Order, hier gemeinsam mit Ihnen zu warten. Der verehrte Herr Präsident kann jeden Augenblick eintreffen.« Wird er allein kommen - also nur mit seinen Beratern? fragte sich Macson unwillkürlich. Und er beantwortete sich die Frage gleich selber: Wohl kaum!
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Natürlich kam Tipor Gaarson mit einem ganzen Stab: Sein Berater Harald Urbano war mit dabei, doch nicht nur dieser. Eine Art Krisenstab, wie er es insgeheim nannte, denn es hatte ihn ganz schön erschreckt, was er erfahren hatte: Eine junge Kolonie wie Clarks-Planet, die bereits den Energiekollaps hinter sich hatte? Wie hatte das passieren können? Es widersprach doch sämtlichen Erkenntnissen, oder? Um dies zu klären, mußten sich kompetente Leute darum kümmern, wie zum Beispiel John Millory, sein ehemaliger Schulfreund und absoluter Gaarson-Experte. Er hatte ihn inzwischen längst zum wissenschaftlichen Berater in allen Dingen erhoben, die den Gaarson-Effekt betrafen. Und natürlich mußte Cora Stajnfeld mit zugegen sein, die Führerin der Astro-Ökologen, wie sie sich immer noch nannten. Sie war die absolute Expertin in Sachen Gaarson-Gate, wie man die Transmitter treffend nannte. Aber auch zwei weitere fehlten nicht: Benedetta Fandow, die ehemalige Radarspezialistin des Tower-Satelliten, der unter der Leitung von Dan Holder stand. Sie war auch für die Raumüberwachung zuständig gewesen, und das prädestinierte sie nachgerade für Meßmethoden, um letztlich herausfinden zu können, ob sich Clarks-Planet wirklich genauso verändert hatte wie die Erde. Vielleicht gab es auch einen nur ähnlichen Effekt - wie auch immer? Cora Stajnfeld hatte dies bereits theoretisch ausgeschlossen, auf dem Weg hierher. Benedetta Fandow hatte sich ihrer Meinung vorerst enthalten. Sie hatte nur darauf hingewiesen, daß sie genaueres wohl nur vor Ort in Erfahrung bringen könnte. Und Petro Galinski war mit dabei, der ehemalige Sicherheitschef des gleichen Tower-Satelliten, auf dem auch Benedetta Fandow Dienst verrichtet hatte. Benedetta war die einzige, die ihn nicht für kompetent genug für die Aufgabe hielt, die Tipor Gaarson ihm zugedacht hatte: Tipor Gaarson wollte sie gemeinsam nach Clarks-Planet schicken, mit dem Gaarson-Gate, und während Benedetta Fandow dort ihre Messungen vornehmen sollte, wäre Petro Galinski als Sicherheitsexperte sozusagen für die Überwachung des Transmitterverkehrs zwischen der Erde und Clarks-Planet verantwortlich. Er auf Clarks-Planet und eine durch mehr Soldaten verstärkte Überwachungsmannschaft in der unterirdischen Anlage auf der Erde. Tipor Gaarson war zum ersten Mal hier, und er schaute sich aufmerksam um. Diese Anlage war also das ehemalige Hauptquartier der Astro-Ökologen? Dann gab es noch mehr GGs hier, nicht nur das eine Fünf-Meter-GG. Sie waren nur nicht in Betrieb, also noch nicht initiiert. Das hieß, Probeläufe hatte es durchaus schon gegeben. Man könnte hier unten alles in einen regelrechten GG-Bahnhof verwandeln! schoß es ihm blitzartig durch den Kopf. Dazu müßte man allerdings die Zu- und Abgänge ausbauen, denn es ist ganz schön kompliziert, in die Anlage zu gelangen. Logisch, denn sie mußte ja über Jahrhunderte geheimgehalten werden, weil die Astro-Ökologen als hochkriminelle Elemente eingestuft gewesen und entsprechend verfolgt worden waren... Als sie gemeinsam den Konferenzraum betraten, war Tipor Gaarson unverhohlen neugierig auf die drei Mutanten. Er hatte absolut keine Erfahrungen mit sogenannten PSI-Menschen, war noch nie einem zuvor begegnet - zumindest nicht bewußt. Er hatte es eigentlich auch in den letzten Wochen vermieden, sonst wäre es längst zuvor geschehen. Irgendwie hatte er sich davor gefürchtet, sie könnten seine Gedanken belauschen. So ergeht es wohl jedem normalen Menschen! dachte er jetzt bei sich. Aber er spürte keine Angst mehr vor dieser Konfrontation, wie er sie nannte. Er war in seinem Amt gereift, ganz deutlich sogar für ihn selbst. Er hatte alles in einem Maße im Griff, wie er es niemals auch nur im entferntesten für möglich gehalten hätte. Damit hatte er Harald Copyright 2001 by readersplanet
Urbano rechtgegeben, der ihm das von Anfang an zugetraut hatte. Ein kurzer Seitenblick auf seine Begleiter. Er sah, daß sie den Mutanten mit gemischten Gefühlen begegneten, und er konnte das durchaus nachvollziehen, auch wenn es ihm selber nicht mehr so erging. Tipor Gaarson breitete in einer staatsmännischen Geste die Arme aus und eilte auf die drei Mutanten zu: »Herzlich willkommen auf der Erde, meine Herren!« Diese ungeahnt herzliche Begrüßung irritierte die drei Mutanten. Würden sie wirklich meine Gedanken lesen, wären sie nicht so irritiert! konstatierte Tipor Gaarson leicht amüsiert. Er schüttelte jedem der drei kräftig die Hand und umarmte sie sogar kurz. Seine Freude war nicht gespielt. Sie war echt. Einer erkannte das sehr wohl: Colman mit seinen emphatischen Fähigkeiten. Die Gefühle des Präsidenten waren so deutlich, daß er sich ihrer nicht erwehren konnte. Sei sprangen regelrecht auf ihn über. Aber auch die anderen beiden wurden davon angesteckt, obwohl sie keine Emphaten waren. Wahrlich ein großer Mann, unser Weltpräsident Tipor Gaarson! dachte Colman beeindruckt. Was waren seine Vorgänger doch für ausgelutschte Figuren ihm gegenüber... Es war das Beste, was der Menschheit je hatte passieren können, daß die sogenannte Führungselite rechtzeitig vor der Katastrophe die Erde im Stich ließ, in der Tat! Sein Blick irrte zu den beiden Frauen hin. Logisch, sonst wäre er nicht Colman gewesen! Eine kannte er, weil sie inzwischen jeder kannte, obwohl es niemanden gab, dem dies unangenehmer war als ihr selber: Cora Stajnfeld, die Führerin der Astro-Ökologen. Sie strahlte eine unnatürliche Kälte aus, die ihn unwillkürlich schaudern machte. Ja, diese Kälte war unnatürlich, weil... künstlich erzeugt! Sie war keine Mutantin, und dennoch hatte sie unbewußt eine Art Schutzfeld um sich errichtet. Sie kapselte ihre Gefühlswelt total ab. Das äußerte sich auch in ihrer Erscheinung. Sie war asketisch schön, trug jedoch die Haare bewußt streng zurück und hatte absolut keinen Sinn für Mode. Aber das tat ihrer Erscheinung eigentlich überhaupt keinen Abbruch, denn ihre Neigung zu einer Bekleidung, die sie in keiner Weise behinderte, unterstrich sogar noch ihre schlanke, durchtrainierte Figur. Sie bemerkte seinen forschenden Blick und erwiderte ihn aus kühlen Augen. Sie war beim Eintreten kurz ein wenig irritiert erschienen. Wie alle Menschen, wenn sie mit Mutanten konfrontiert wurden... Fast alle! berichtigte Colman sich nach einem Seitenblick auf den Präsidenten, denn Tipor Gaarson war offensichtlich eine Ausnahme. Colman schaute wieder Cora Stajnfeld an. Jetzt war die Astro-Ökologin völlig gefaßt. Selbst wenn es Colman wirklich möglich gewesen wäre, so ohne weiteres die Gedanken seiner Mitmenschen anzuzapfen... Er war überzeugt davon, daß er bei ihr gescheitert wäre. Jetzt war es an ihm, verwirrt zu erscheinen: Warum verbreitet diese Frau soviel Kälte? Was will sie vor sich und aller Welt verbergen? Daß sie auch nur eine normale, fühlende Frau ist und kein hochgezüchteter menschlicher Roboter? Ja, diese Frage stellte er sich, und das half ihm auch, wieder innerlich ausgeglichener zu werden und zu der zweiten Frau zu schauen. Ihre Blicke begegneten sich. Hier sah er endlich, was er sehen wollte: Er sah, daß er ihr gefiel. Sie schätzte ihn unwillkürlich mit ihren Blicken ab. Das war er gewöhnt. Mehr noch: Das brauchte er! Denn sie tat es in der Art einer Frau, der gefiel, was sie sah. Beinahe hätte er mit der Zunge geschnalzt, aber er konnte sich im letzten Moment noch beherrschen und konzentrierte sich endlich auf die Dinge, die hier abliefen. Gerade überreichte Macson dem Präsidenten die Datenbox. Tipor Gaarson gab sie weiter an den stiernackigen Mann mit dem flammendroten Bürstenhaarschnitt und der finsteren Miene. Die drei Mutanten wußten nicht, daß er Petro Galinski hieß. Petro Galinski ging zum Bedienungspanel hinüber und legte die Datenbox in den Eingabeschacht. »Zunächst nur eine Zusammenfassung!« schnarrte er. Copyright 2001 by readersplanet
Er tut nur so wie ein Militarist! dachte Fermens unwillkürlich, den er kannte sich mit so etwas aus. Der stiernackige Mann kam ihm sympathisch vor. Irgendwie glaubte er in ihm Ähnlichkeiten zu sich selber zu sehen. War er denn nicht auch selber ein Mann, der durch übertriebenes Machogehabe seine eigenen gefühlsmäßigen Schwächen zu überdecken trachtete? Er tat stahlhart, aber in Wirklichkeit hatte er eher ein sanftes Gemüt. Aber er fürchtete sich regelrecht davor, daß man dies erkennen könnte. Wie dieser Stiernacken! bekräftigte er in Gedanken. »Auf welche Zeit zusammenfassen?« erkundigte sich eine angenehm klingende Stimme, die direkt aus der Wand zu kommen schien. Ein fragender Blick zum Präsidenten herüber. Tipor Gaarson sagte: »Fünf Minuten! Das dürfte genügen, um einen ersten Überblick zu haben über die Geschehnisse um Clarks-Planet.« Er machte eine einladende Geste. Alle Anwesenden setzten sich um den Konferenztisch herum, auch der Uniformierte, der die Psychonauten hergeleitet und sich eigentlich noch immer nicht vorgestellt hatte. Aber niemand störte sich daran. Genauso wenig wie er sich daran zu stören schien, daß es der Präsident versäumt hatte, ihn ebenfalls zu begrüßen. Ja, Tipor Gaarson hatte ihn noch nicht einmal beachtet, genau genommen. Aber der Uniformierte schien eher froh darüber zu sein. Er hatte sich gedacht, als er diesen Job hier unten angetreten hatte, einen ziemlich langweiligen Job damit zu haben, denn es war eigentlich auf lange Sicht nicht damit zu rechnen gewesen, daß überhaupt jemals jemand in dem initiierten GG auftauchen würde - eigentlich. Es war dennoch geschehen. Und wesentlich zu früh. Und jetzt wollte er selber wissen, wieso das möglich war. Welche Story hatten denn diese Mutanten da mitgebracht?
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Noch einmal erlebten die Psychonauten, was sie auf Clarks-Planet durchgemacht hatten, wenn auch nur in stark komprimierter Kurzfassung. Aber es war wieder lebendig für sie. Das Bio-Gehirn der Anlage sendete telepathische Impulse direkt in die Gehirne der Anwesenden. So daß sie nicht nur visuell über die Bildwand aufnehmen konnten, was die Kameras an Bord und auch die Robotspione außerhalb des Schiffes aufgezeichnet hatten. Und sie hörten nicht nur, was intern gesprochen oder von den Mikrophonen außerhalb registriert worden war. Es schien, als sei die nahe Vergangenheit wahrlich aufs neue erwacht. Als die fünf Minuten vorbei waren, kam es allen so vor, als wären es Stunden gewesen, so intensiv war dieses Erlebnis für sie gewesen. Die Projektion erlosch, genauso wie die Tonausstrahlung. Auch wurden keine telepathischen Impulse mehr in ihre Gehirne geschickt. Sie schauten sich betroffen an. Tipor Gaarson ergriff als erster das Wort. Er schaute dabei Cora Stajnfeld an. »Ich halte es für ausreichend bewiesen, daß die untergegangene Fremdrasse, von deren Kultur die Siedler Fragmente gefunden haben, den Gaarson-Effekt anwandte - und daß dies letztlich den Energiekollaps sozusagen vorbereitet hat. So gesehen, dürfte es eigentlich keinerlei Unterschied zwischen der Änderung der universalen Ordnung auf Clarks-Planet im Vergleich zur Erde mehr geben.« »Nun...«, machte Cora Stajnfeld zögernd. Sie warf einen Blick auf John Millory, doch dieser hielt sich zurück. Jetzt schaute sie den Präsidenten direkt an. »Es gibt durchaus einen Unterschied, Sinjoro Präsident. Bedenken Sie: Wir haben auf der Erde die Katastrophe abgewendet durch den Einsatz von GGs. Dies war auf Clarks-Planet nicht geschehen. Dort hat es eine Brücke zu jenem Schwarzen Universum gegeben, was ja nichts anderes ist als eine untergegangene Milchstraße, der genau das widerfuhr, was auch hier geschehen wäre ohne unsere GGs.« Sie nagte kurz an der Unterlippe, als bräuchte sie das, um besser nachdenken zu können. Dann fuhr sie fort: »Die Kangrahs haben ungewollt die Katastrophe verhindert. Sie waren das Ventil, wenn man so will. Sie haben das gleiche bewirkt wie unsere GGs, aber nicht dasselbe. Verstehen Sie, was ich meine: Es ist das gleiche, aber nicht dasselbe! Und es hätte böse geendet, hätten die Psychonauten die Situation nicht so glänzend gemeistert: Das Schwarze Universum würde sich bald auch von Clarks-Planet aus über unsere Milchstraße ausdehnen, und ich fürchte, dies wäre durchaus nicht in Lichtgeschwindigkeit geschehen. Vielleicht sozusagen sprunghaft, in Etappen? Eine unglaubliche Gefahr, und wir können den Psychonauten um Merrin-kläck nicht genug danken. Sie haben in genialer Weise gehandelt und wahrlich als Retter des Universums. Sie wissen, ich neige normalerweise nicht zu solch enthusiastischen Äußerungen. Aber diesmal sind sie wirklich angebracht!« Alle, außer den drei Mutanten, hoben die Hände und applaudierten. In ihren Augen standen Tränen. Sie waren gerührt. Sogar Cora Stajnfeld! stellte Colman überrascht fest, und mit seiner emphatischen Gabe erkannte er, daß sogar ihr Kälteschutzschirm, wie er ihn inzwischen nannte, an Intensivität verloren hatte. Und dann wurde er genauso verlegen wie seine beiden Gefährten ob der Ovationen, die ihnen hier entgegengebracht wurden. Alle sprangen jetzt auf und applaudierten stärker. Die drei Mutanten blieben allerdings immer noch sitzen und erschienen jetzt wie das sprichwörtliche Häufchen Elend. So hoch hatten sie ihre eigenen Verdienste gar nicht eingeschätzt. Hatten sie nicht einfach nur alles getan, um Copyright 2001 by readersplanet
selber zu überleben? Daß sie dabei sogar das Universum gerettet hatten... Nun gut, das war tatsächlich geschehen, aber es berührte sie ziemlich peinlich, jetzt deswegen dermaßen in den Mittelpunkt zu geraten. Tipor Gaarson erkannte, was in den drei vorging. Er mußte unwillkürlich lachen. »Ihre Reaktion ehrt Sie zusätzlich!« versicherte er. »Aber das Schlimmste steht Ihnen eigentlich noch bevor.« Das Schlimmste? dachten sie alarmiert und sprangen jetzt selber auf. Tipor Gaarson lachte abermals. Es war ein gutmütiges, sympathisches Lachen. »Ich meine damit, meine Herren, daß es eine große Pressekonferenz geben wird. Auf dem Mond, damit das Ambiente stimmt - gewissermaßen. Die Welt soll erfahren, was geschehen ist, und Sie drei werden mit dabei sein - als Zeugen.« Er schaute kurz auf seine Uhr. »Die Pressekonferenz wird morgen stattfinden. Ich freue mich schon darauf. Und Sie sollten jetzt nicht länger so ängstlich dreinschauen: Es wird Ihnen kein Härchen gekrümmt, glauben Sie mir. Es wird sie auch kaum fordern. Und vor allem: Ich werde bei Ihnen sein!« Sein Lachen erstarb. Er schaute Cora Stajnfeld, Benedetta Fandow, John Millory und Petro Galinski der Reihe nach an. »Ich bitte Sie, inzwischen nach Clarks-Planet zu springen. Richten Sie dem Adepten Merrin-kläck meine Empfehlungen aus. Selbstverständlich kann er an der Pressekonferenz morgen teilhaben. Genauso wie die Drillinge und wie Bahrns - so sie nichts dagegen haben.« »Sie werden nicht kommen!« vermutete Macson ein wenig tonlos. »Aber Sie doch, nicht wahr, Sinjoro Macson?« lachte der Präsident. »Und Sie, Sinjoro Colman? Sinjoro Fermens?« Sie nickten alle drei gegen ihren Willen. Wie hätten sie dem Präsidenten persönlich von Angesicht zu Angesicht etwas abschlagen können? Das war auch der einzige Grund, warum sie nicht alles unternahmen, um sich davor zu drücken. »Wir sehen uns also morgen auf dem Mond. Und springen Sie ruhig mit den anderen nach Clarks-Planet. Es ist vielleicht besser, wenn Sie mit dabei sind. Merrin-kläck wird in diesem Moment wohl noch mit den Siedlern verhandeln.« Er wandte sich an Cora Stajnfeld. »Und prüfen Sie bitte auch die Möglichkeit, ein großes Lasten-GG auf Clarks-Planet zu errichten. Es werden weitere hinzu kommen. Denn Clarks-Planet ist zur Zeit der wichtigste Planet für uns außer der Erde. Das liegt ja wohl auf der Hand.« Auch Cora Stajnfeld nickte nur zur Bestätigung. Tipor Gaarson winkte allen zum Abschied zu und verließ dann mit Harald Urbano den Konferenzraum. Seltsam, dachte Macson, dieser Harald Urbano hat die ganze Zeit über nicht ein einziges Wort gesprochen. Als sei er der wachsame Schatten von Tipor Gaarson. Nein, falsch, es gibt einen besseren Ausdruck für seine Rolle: Harald Urbano ist die schützende Hand über dem Präsidenten. - Vielleicht manchmal auch die dirigierende Hand? Nun, dafür ist er schließlich da - als sein wichtigster Berater, nicht wahr?
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Es kam so, wie Macson es vorausgesehen hatte: Merrin-kläck drückte sich erfolgreich vor der Pressekonferenz auf dem Mond mit dem Hinweis, er könne »sein« Schiff nicht im Stich lassen. Bahrns würde sowieso niemals freiwillig in die Öffentlichkeit treten. Die Drillinge gar hatten immer noch panische Angst davor, dem GG auch nur zu nahe zu kommen, geschweige denn mit einem solchen den großen Sprung über die Distanz von immerhin rund 1.000 Lichtjahre zu wagen. Andererseits mußte Macson zu seiner eigenen Überraschung feststellen, daß es ihm längst nicht soviel ausmachte, hier aufzutreten, als er befürchtet hatte. Und Colman schien es genauso zu ergehen. Macson betrachtete ihn von der Seite. Nein, dieser Mensch genießt es sogar! Ja, das war Colman deutlich anzusehen. Er hatte sein jungenhaftes Lächeln aufgesetzt, mit dem er normalerweise sämtliche Damen dahinschmelzen lassen konnte, und in seinen Augen blitzte der Tatendrang. Nur Fermens wirkte sehr verschlossen. Aber das war ja sowieso seine Art - normalerweise. Gestern war er noch anders erschienen, konstatierte Macson im stillen, und heute ist er gerade wieder so, wie wir es von ihm gewöhnt sind. Aber er läßt auch nicht erkennen, ob ihm der Auftritt in der großen Öffentlichkeit etwas ausmacht. Sie hatten alle drei die vorschriftsmäßige Uniform der Raumfahrer angezogen, wie man es von ihnen erwartet hatte. Macson fand das Orange, in denen sie gehalten waren, einfach schrecklich. Aber es gab keine Alternative. Wenn sie schon hier auftraten, konnten sie nicht im leichten Freizeitanzug erscheinen. Und irgendwie sieht diese schreckliche Uniform bei Colman... richtig elegant aus. Er ist wahrlich der einzige Mensch auf Erden und wohl im gesamten bekannten Universum, dem so etwas steht! Er tastete nach dem Paralyser an seiner Hüfte. Die Waffe war echt, keine Attrappe. Sie war ein Bestandteil des Anzuges, gewissermaßen. Nun, wenn man fremde Welten besuchte, war so eine Betäubungswaffe sicher von Vorteil. Aber auf einer Pressekonferenz...? Nun, sie hatten alles getan, wie es sich gehörte, auch wenn sie nicht damit einverstanden waren. So hatten eben diese Uniformen angezogen, zu denen untrennbar nicht nur die Paralyser gehörten, sondern auch die Translatoren. Weil diese Technik unmittelbar in die Anzüge integriert war, genauso wie Sprechfunk und dergleichen. Winzige Minichips besorgten das, die im Stoff eingewoben waren - unsichtbar und unmerklich, außer für den Träger einer solchen Uniform. Somit war sie nicht einfach nur die Ausgehuniform oder die Uniform, die man bei einer Landung auf fremden Planeten anzog. Sie war ein technisches Wunderwerk - sogar mit integrierter Klimaanlage und dergleichen... Macson saß zwischen Colman und Fermens an dem langen Tisch, und der Tisch befand sich auf einer breitausladenden Bühne. Sie befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Tipor Gaarson und seinem Berater. Auf der anderen Seite des Präsidenten saßen John Millory, Benedetta Fandow, Petro Galinski und Cora Stajnfeld. Nachdem sie gestern noch auf Clarks-Planet gewesen waren, hatten sie sich näher miteinander vertraut gemacht. Sicher war nur einer unter ihnen, der sich gern noch viel vertrauter gemacht hätte - zumindest mit den beiden Frauen: Colman. Macson mußte unwillkürlich schmunzeln, als er daran dachte. Copyright 2001 by readersplanet
Er beobachtete die vier Vertrauten des Präsidenten. Sie hatten ebenfalls Uniformen an - die gleichen wie die drei Psychonauten. Es gab allerdings eine wichtige Unterscheidung: Auf der Brust der vier prangte das Pyramidensymbol für Gaarson-Gate, deutlich einer ägyptischen Pyramide nachempfunden, während auf der Brust der drei Psychonauten das PSI-Symbol prangte: Zwei ineinander verflochtene Ellipsen. Macson schaute zu den aufnahmebereiten Kameras. Und da kam auch schon das Zeichen: Die Zuschauer waren durch einen umfassenden Bericht auf die neue Situation vorbereitet worden und wußten jetzt grob darüber Bescheid, was auf Clarks-Planet abgelaufen war. Sie wußten nun auch, daß inzwischen bereits auf Clarks-Planet der Bau einer größeren Transmitteranlage begann. Zunächst sollte es nur einen einzigen Lastentransmitter geben, mittels dem man alles weitere Material von der Erde aus empfangen konnte. Dann würden die Arbeiten noch zügiger voran gehen. Das Lasten-GG sollte genau zehn Meter groß sein, und es würde aus einzelnen Teilen bestehen, die man seit gestern schon über das Fünf-Meter-GG hinüberschickte. Cora Stajnfeld würde nach der Pressekonferenz persönlich die weiteren Arbeiten überwachen, genauso wie John Millory und Benedetta Fandow. Aber auch Petro Galinski würde als Sicherheitschef in enger Zusammenarbeit mit der Leitung der Siedlergemeinschaft sein Amt übernehmen. So war es geplant. Es wurde damit gerechnet, daß das Zehn-Meter-GG bereits morgen fertig war - spätestens. Und dann konnte es beschleunigt weitergehen. Die Psychonauten würden zu diesem Zeitpunkt lange nicht mehr gebraucht werden. Sie würden Clarks-Planet mit der Bahrns verlassen und andere Welten anfliegen, wie es ihr ursprünglicher Auftrag war. Alles klang sehr positiv - und auch Macson war sehr zuversichtlich. Er fand nun auch, daß dies alles eine fantastische Sache war, und an mögliche Gefahren dachte keiner mehr von ihnen. Sie waren allzu überwältigt von den positiven Aussichten... Tipor Gaarson begann zu sprechen. Er begrüßte die Zuschauer. Wahrscheinlich gab es kaum einen Menschen, der nicht live von dieser Konferenz Notiz nahm - außer vielleicht den Neniantoj, die es leider immer noch in überreichlichem Maße gab und wohl noch eine ganze Weile geben würde. Denn die neue Regierung konnte nicht zaubern. Die alten Machthaber hatten zuviel Schrott hinterlassen, als daß man diesen innerhalb von nur wenigen Wochen hätte beseitigen können. Dazu waren sicherlich viele Jahre nötig. Macson konzentrierte sich auf die Worte des Präsidenten, denn er wußte, daß dieser irgendwann auf sie zu sprechen kommen würde, und dann war die Reihe an ihm, etwas zu sagen. Eigenartig, er fühlte noch nicht einmal Lampenfieber. Er war innerlich ruhig und ausgeglichen. Nannte man ihn denn nicht geschwätzig? Nein, er hatte noch niemals Probleme damit gehabt, zu reden. Und auch jetzt nicht. Egal, wie viele Menschen ihm zuhörten. Ja, wenigstens hören dir mir tatsächlich zu und werden nicht nur so tun! dachte er leicht amüsiert. Sein Blick irrte kurz ab hinüber, in einen Bereich hinter den Kameras. Dort stand ein Sieben-Meter-GG. Es gehörte zum Höhepunkt der Pressekonferenz, daß sie zu siebt dieses GG betreten würden, um in die unterirdische Anlage auf der Erde zurückzuspringen, damit sie von dort aus zu Clarks-Planet gelangen konnten. Niemand würde allerdings den Zuschauen sagen, daß sie nicht auf direktem Wege damit nach Clarks-Planet springen konnten, weil es dort eben kein Sieben-Meter-GG gab. Und hier gibt es kein Fünf-Meter-GG, ergänzte Macson in Gedanken. Weil es dieses nur für eventuelle Verbindungen mit den Scoutschiffen gibt. Das heißt, es ist nur ein einziges initiiert, nämlich das in der unterirdischen Anlage. Er nagte kurz an der Unterlippe. Seltsam, daß er sich jetzt überhaupt damit beschäftigte... Da erreichte ihn ein Gedankenimpuls.
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Erschrocken schaute Macson zur Seite: Fermens: Er war völlig grau im Gesicht. Seine Augen schauten wie die gebrochenen Augen eines Toten. Kälte ging von ihm aus, deutlich spürbar auch für Colman, der jetzt an Macson vorbei ebenfalls nach Fermens sah. Fermens hat hellseherische Fähigkeiten! durchzuckte es Macson, und sogleich versuchte er, in das Denken von Fermens einzudringen. Absolutes Chaos empfing ihn, so daß er sich schleunigst wieder zurückzog und sich sogar mit einem zusätzlichen Gedankenblock schützte. Er sah kurz Colman an. Dem erging es genauso. Hatte er den kurzen Gedankenimpuls auch empfangen, vorhin? Es war wie ein ersterbender Hilfeschrei gewesen. Im nächsten Moment war Fermens wieder voll da. Er blinzelte nur ein wenig verwirrt und erwiderte ihre forschenden Blicke. »Was ist passiert?« fragten Macsons Gedanken. Keiner der Anwesenden bekam das mit, außer Colman natürlich. »Ich - ich weiß nicht!« antwortete Fermens genauso lautlos. »Ich kann es nicht deuten. Nur so: Es wird etwas Schreckliches geschehen.« »Wann?« »In Kürze - oder sogar... jetzt gleich?« Unwillkürlich schauten sich Macson und Colman um. Dies war der Augenblick, da Tipor Gaarson das Wort an Macson gab. Jetzt war Macson natürlich in keiner Weise darauf gefaßt. Aber er bewies nicht nur Geistesgegenwart, sondern auch, daß er ein begabter Redner war, denn ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, bedankte er sich in aller Form beim Präsidenten. Dann kam er gleich auf den Punkt, betonte das besondere Geschick ihres Adepten, die wichtige Rolle der Psychonauten allgemein, die sich nun ja hinreichend bewiesen hatte, und er brachte zum Ausdruck, welche einmalige Chance die GGs für die zukünftige Entwicklung der Erde waren. Und nicht nur für die Erde: Clarks-Planet war nunmehr der wichtigste Planet außerhalb der irdischen Hemisphäre, und er unterstrich die Ausführungen des Präsidenten, daß durch die direkte Verbindung zwischen beiden Welten mittels den GGs eine explosionsartige Entwicklung auch auf Clarks-Planet stattfinden konnte, die allen Beteiligten im höchsten Maße diente... Macson sprach, als hätte er jahrelang nichts anderes getan, als auf Pressekonferenzen große Reden zu schwingen. Er war regelrecht in seinem Element. Am Ende gab er das Wort an Cora Stajnfeld weiter, der das überhaupt nicht recht war, die sich allerdings nicht davor drücken konnte. Immerhin war sie hier die absolute GG-Expertin. Sie schilderte noch einmal die Pläne, betreffend einer Vielzahl von GGs, die man wohl über ganz Clarks-Planet verteilen würde, um jeden wichtigen Punkt dort direkt von der Erde aus erreichen zu können. Man wollte auch auf Clarks-Planet nach Wasser bohren, aber das sei dann nicht mehr ihre Aufgabe, sondern die Aufgabe anderer. Damit war eigentlich schon das Ende der Pressekonferenz erreicht. Tipor Gaarson stand lächelnd auf und eröffnete nun, daß die Aufbaucrew, wie er sie nannte, zügig ihre Aufgabe wahrnehmen wollte. Er deutete in den Bereich hinter den Kameras. Einige davon schwenkten herum und zeigten das GG. Es war deutlich initiiert und wartete nur noch auf die Reisenden. Die sieben Betroffenen erhoben sich von ihren Sitzen und schritten gemächlich hinüber, unter den Augen von Milliarden von Menschen. Die Eingangstür zum GG öffnete sich. Sie wollten einsteigen. Und in diesem Augenblick geschah es: Plötzlich war Tumult weiter hinten bei den wartenden Menschen. Unwillkürlich blieben die sieben stehen, und dann wollten sie nach ihren Waffen greifen. Das war eine reine Reflexbewegung. Es war bereits zu spät: »Stopp!« brüllte jemand hinter ihnen. Copyright 2001 by readersplanet
Die Maskierten waren wie aus dem Nichts aufgetaucht und hielten die sieben in Schach. Wo es den Tumult gegeben hatte, hörte man jetzt das leise Zischen von Paralysern, das dumpfe Geräusch von leblosen Körpern, die zu Boden plumpsten, und dann mehrere Kommandoschreie. Einer kristallisierte sich heraus: »Zurück! Alle zurück! Wir schießen gnadenlos. Die Kameras nehmen auch ohne Bedienung auf.« Eine weitere Gruppe von Maskierten bahnte sich einen Weg. »Wir sind die Stimme der Neniantoj! Die Neniantoj leben im Elend, während die neue Führung genauso die Menschen ausbeutet wie die alte. Nur mit neuen Mitteln, wie zum Beispiel diese Gaarson-Gates! Sie sind der Fluch der Menschheit. Die Menschen verlieren ihre Seele, wenn sie diese Dinger benutzen. Ihre Körper werden davongeschleudert, aber ihre Seelen bleiben zurück, hilflos, verloren für die Ewigkeit! - Halleluja!« Er schoß mit seinem Betäubungsstrahler eine Bresche, weil es ihm nicht schnell genug ging, und stieg über die Betäubten hinweg, wobei er wenig Rücksicht nahm. Wie ist das überhaupt möglich? fragte sich Macson erschrocken. Wie konnten die bis hierher kommen und sogar hier eindringen - bei aller Abschirmung, bei all dieser Sicherheit? -Das sind nie und nimmer Neniantoj! Es ist einfach unmöglich. Sie geben sich nur für solche aus. Aber wer sind sie wirklich? Er konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn der Anführer der Maskierten hatte sie erreicht. »Ihr wollte mit dem GG hier springen? Dann wollen wir euch doch dabei helfen, nicht wahr? Aber ihr werdet nicht auf der Erde landen, sondern im Nirgendwo, wo ihr hingehört, denn in diesem Augenblick sind unsere Verbündeten in der unterirdischen Anlage auf der Erde, um das Empfangs-GG abzuschalten.« »Dann wird es überhaupt keine Übertragung geben!« trumpfte Colman auf. »Darauf würde ich nicht wetten! Denn wir haben bereits entsprechende Versuche gemacht mit dem Sieben-Meter-GG.« »Du verdammter Verräter!« schrie jemand. Macson schaute sich irritiert um. Ja, tatsächlich, das war Cora Stajnfeld gewesen, und die zur Schau getragene Kälte war völlig von ihr gewichen: Sie war unübersehbar zornig! Der Maskierte schlug ihr mit der flachen Hand mitten ins Gesicht. Das hatte er jedenfalls vor, aber er hatte die Reflexe der Frau unterschätzt. Die konnte nicht nur rechtzeitig ausweichen, sondern hielt am Ende seinen Arm gepackt. Drei andere Maskierte stießen sie zurück. Jetzt war Cora Stajnfeld nach außenhin wieder völlig beherrscht. Nur ihre Augen blitzten gefährlich. »Ihr seid abtrünnige Astro-Ökologen, niemals Neniantoj. Sonst könntet ihr nicht hier sein - und auch nicht in der unterirdischen Anlage beim Empfangs-GG.« Die Kameras nahmen alles auf - und die Mikrophone auch. Aber es nutzte alles nichts. Die Maskierten trieben die sieben in das bereitstehende GG. Hinter ihnen schloß sich die Gittertür. Der Maskierte lachte gehässig und hob die Hand. Tatsächlich, der Kommandostand für das GG war von den Abtrünnigen ebenfalls besetzt worden, denn auf sein Zeichen hin wurde dort reagiert: Das FluoreszenzFeld zuckte für die Dauer eines Lidschlages auf. Im nächsten Moment war die Gitterpyramide leer. Die sieben waren weg, verschwunden. Aber... wohin?
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Ja, wohin? Das fragte sich auch Tipor Gaarson. Und: Es gibt im gesamten Sonnensystem nur zwei Sieben-Meter-Gates, und dieses ist eines davon. Das andere befindet sich in der unterirdischen Anlage auf der Erde, im ehemaligen Hauptquartier der Astro-Ökologen. - Aber es muß ein drittes geben, sonst hätte es keine Übertragung geben können. - Ja: wo? Er wurde abgelenkt von den aus allen Richtungen eindringenden Uniformierten. Sie machten sich sofort daran, ihren Präsidenten vor den Maskierten abzuschirmen. Für mich sind sie rechtzeitig da, dachte Tipor Gaarson resignierend, aber nicht für die sieben Unglücklichen. Er schaute seltsam teilnahmslos zu, wie die Uniformierten die Maskierten einkesselten. Die Maskierten ließen sich jedoch ohne weiteren Widerstand festnehmen. Der Leiter der Sicherheitsleute riß dem Anführer der Maskierten die Maske vom Gesicht. Tipor Gaarson hatte den Mann unter der Maske noch nie zuvor gesehen. Aber vielleicht Harald Urbano? Er warf einen Blick auf diesen. Harald Urbano war völlig konsterniert. »Mein Gott!« murmelte er. Und: »Das ist einer der wichtigsten Leute aus unserer Bewegung! Wie konnte er denn...? Wie - wie ist denn so etwas überhaupt möglich?« Das fragte sich auch der Leiter der Sicherheitsleute. Er schrie dem Anführer der Rebellen ins Gesicht, ungeachtet der immer noch aufnehmenden Kameras: »Wieso haben Sie das getan, Sie Wahnsinniger?« Es war ein Fehler gewesen, die Kameras nicht ausschalten zu lassen, denn der Anführer der Rebellen nutzte seine Chance dieser ungewöhnlichen Öffentlichkeit zusätzlich, bei der außer den echten Neniantoj fast alle Menschen zuschauten. Mit einem verzerrten Lächeln antwortete er, aber nicht an den Leiter der Sicherheitsleute, sondern an die Kameras gewendet: »Die Gaarson-Gates hatten eine wichtige Aufgabe: Beendigung der Katastrophe! Mehr nicht! Wir waren immer schon dagegen gewesen, sie danach als Transmitter für lebende Wesen einzusetzen. Denn wir wissen, daß dadurch die Seelen von den Körpern getrennt werden. Niemand braucht Mitleid zu haben mit den sieben. Sie waren längst schon seelenlos gewesen, weil sie mehrmals schon ein GG benutzt haben, wie sie selber zugegeben haben. Aber die Gates bewirken sogar noch mehr: Genauso wie sie das energetische Gleichgewicht wiederhergestellt haben im Verlauf der Katastrophe und damit die Rettung brachten, können sie jederzeit ein neues Ungleichgewicht erzeugen, schlimmer noch als es jemals durch den Gaarson-Effekt geschehen könnte. Den Beweis haben die selber geliefert - mit den Kangrahs. Denn sie haben gelogen: In Wahrheit ist die Milchstraße der Kangrahs nicht durch den Gaarson-Effekt zum Schwarzen Universum geworden, sondern durch die anschließend dort benutzten Gates! Und genau dasselbe wird uns allen blühen, wenn wir nicht das tun, was wir tun müssen: Wir müssen die Gates nur bereithalten, um sie dann erst zu benutzen, wenn es erforderlich wird, um Nebeneffekte des Gaarson-Effektes damit zu kompensieren...« Das ist der Wahnsinn! dachte Tipor-Gaarson, und Harald Urbano an seiner Seite sprach es aus: »Der Mann ist wahnsinnig - genauso wie seine Anhänger!« »Ja, wußtest du denn davon, daß es diese Auffassung innerhalb der Astro-Ökologen gibt?« rief Tipor Gaarson alarmiert. »Ja!« gab Harald Urbano kleinlaut zu und wagte es nicht, den Blick seines Präsidenten zu erwidern. »Und warum hast mir nichts davon gesagt?« erkundigte sich Tipor Gaarson gefährlich leise. Copyright 2001 by readersplanet
»Wann denn?« begehrte Harald Urbano auf. »Hatten wir nicht genug andere Probleme zu bewältigen? Wer hätte denn geahnt, daß diese Splittergruppe innerhalb der Bewegung zu solch einer Aktion jemals fähig sein könnte?« Tipor Gaarson schüttelte den Kopf. Ja, sein Berater hatte sicherlich recht, und jetzt war es wirklich zu spät dazu, irgend jemandem dessentwegen Vorwürfe zu machen. Es war geschehen und nicht mehr zu ändern. Aber... WAS war denn eigentlich geschehen? Wie ein Blitz durchzuckte es Tipor Gaarson: Eine Fremdrasse, die längst die GG-Technik anwendet! Und jetzt wissen die von uns! Alarmiert wandte er sich wieder an Harald Urbano: »Sämtliche initiierten Gates müssen ab sofort rund um die Uhr bewacht werden. Nicht nur wegen den paar verrückten Astro-Ökologen. Die haben uns sogar mit ihrer Aktion einen Gefallen getan, denn sie haben uns damit drastisch gezeigt, daß die Psychonauten recht haben mit ihrer Vermutung, daß es irgendwo auch noch andere Gates geben muß. Und wir müssen gewappnet sein. Auf jeden Fall! - Hörst du, Harald?« Der schaute ihn mit großen, runden Augen an und mit halb offenstehendem Mund. Den klappte er jetzt zu. Dann nickte er. Und als er wieder sprechen konnte, sagte er rauh: »So wird die Angelegenheit für uns zu einem Vorteil, weil jetzt niemand mehr etwas gegen unsere Sicherheitsmaßnahmen einzuwenden haben kann. Wir müssen in Zukunft vorsichtig sein, mehr nicht. Es darf niemals passieren, daß ein GG benutzt wird, ohne daß das entsprechende Empfänger-GG aktiv ist. Wenn wir das einhalten, kann eigentlich auf diesem Weg nichts passieren. Und wenn tatsächlich ein ungebetener Gast erscheint... werden wir ihn mit gebotener Vorsicht empfangen.« Er schaute Tipor Gaarson direkt an. Harald Urbano hatte sich wieder gefangen, das war deutlich zu sehen. »Ja, für uns ein Vorteil, aber leider nicht für die sieben Verschollenen. Was ist mit denen jetzt, in diesem Moment? Wo befinden sie sich? Können sie dort Sauerstoff atmen, so wie hier, oder sind sie bei einer Rasse, die eine Atmosphäre atmet, die für Menschen tödlich ist?« »Wenn ich das wüßte...«, murmelte Tipor Gaarson ehrlich besorgt.
ENDE von Band 7
Sie sind verschollen auf einer mörderischen Dschungelwelt mit zunächst unbegreiflichen Verhältnissen - und müssen auch noch den Kampf aufnehmen mit einem gestörten Super-Computer, der mehr über ihren Ursprung erfahren will: Die Erde! Und sie müssen gewinnen - nicht nur, um zu überleben, sondern auch, um die Menschheit zu retten in Band 08 »Ein Held namens Millory«.
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