G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Rechtlosen Plötzlich werden die Pferde im großen Corral unruhig. Es sind...
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G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Rechtlosen Plötzlich werden die Pferde im großen Corral unruhig. Es sind mehr als fünfzig Tiere. Sie beginnen zu kreisen. Dann sind gleitende Schatten zu erkennen. Apachen sind im Corral. »Schießt, Jungs!«, knurrt John Bishop, der betrügerische Indianeragent. »Nehmt keine Rücksicht auf die Pferde! Schießt! Denn die Pferde sind auf jeden Fall verloren! Das habe ich einkalkuliert!« Dann beginnt er selbst zu schießen, und bald knattern die Gewehre und erfüllen die Nacht. Man hört die scharfen Schreie der Apachen. Das Gatter des Corrals ist nun offen. Im Corral wird der aufgewirbelte Staub zu einer dichten Wolke. Die Remuda rast jetzt aus dem Corral in die Nacht hinein, verfolgt von Gewehrkugeln. Manchmal stürzt ein Pferd. Und einige Male wird sicherlich auch ein Apache getroffen. »Das ist alles!«, ruft John Bishop. »Das ist alles, Jungs! Mehr wird nicht passieren! Denn sie haben keine Waffen. In zwei oder drei Tagen haben wir neue Pferde. Ich habe Juarez und Benito mit einem Pferderudel weggeschickt. Sie werden sich rechtzeitig, wenn die Luft rein ist, wieder einfinden.« Er hat es kaum ausgesprochen, als Hiob Starr, der auf der anderen Seite den Hof beobachtet, einen Ruf ausstößt. »Sie wagen es wirklich! Bishop, Sie Narr, Sie haben diese roten Wölfe ganz einfach unterschätzt. Da kommen sie!«
Wieder beginnen Gewehre zu krachen. Bishop eilt auf die andere Seite und späht mit Starr aus dem Fenster. Und da sehen sie es. Die Roten haben den Küchenwagen der Treibmannschaft, die heute kam, und die beiden Wagen der Reservation mit Buschwerk und trockenen Kakteen gefüllt. Sie schieben diese drei Wagen auf das Haus zu, genau auf die hölzerne Veranda. Auf diesen Wagen zucken jetzt Flammen. Das von der Hitze ausgetrocknete Zeug brennt wie Zunder. »Zum Teufel, sie können es dennoch nicht schaffen!«, brüllt John Bishop wild. »Knallt nur noch ein Dutzend von ihnen ab, dann geben sie auf. Sie werden es nicht zum zweiten Mal versuchen! Schießt, Jungs. Schießt!« *** Jim Ballard schläft bis zum Anbruch der Nacht. Dann erhebt er sich und geht ins Haus der Armee-Signalstation. Es riecht nach frischen Biskuits und Kaffee. Sergeant Ted Rourke hockt auf der Bank am Tisch. Bei ihm sitzen noch drei andere Soldaten. Sie essen schweigend. Jim Ballard setzt sich zu ihnen, und es entgeht ihm nicht, dass der Sergeant ständig lauscht. Ihre Blicke begegnen sich einmal. Jim Ballard begreift, dass der Sergeant seine Leute nicht beunruhigen will und deshalb nicht spricht. Aber alle hören sie bis hier oben auf dem Hügel den Lärm aus dem Indianerdorf. Dort findet der »Fleischtanz« statt. Denn die Rinder der Treibherde, die heute ankam, wurden sofort an die hungernden Apachen verteilt. »Solange dieser Lärm zu hören ist«, sagt Jim Ballard kauend, »ist nichts zu erwarten. Aber ich gehe gleich los und sehe unten mal nach. Dafür bin ich ja von der Armee als Scout angeworben, nicht wahr?«
»Vielleicht war an den Rindern doch etwas Fleisch dran. Vielleicht hat John Bishop diesmal mit richtigen und fairen Gewichten die Zuteilungen abgewogen«, brummt der Sergeant hoffnungsvoll. »Vielleicht ist das Fest dort unten nur ein Freudenfest.« »Wenn ich zurück bin, werden wir es genau wissen.« Jim erhebt sich bald, geht zu seinem Gepäck und holt aus der Satteltasche ein Paar Mokassins heraus. Er tauscht sie gegen seine weichen Maßstiefel aus San Antonio aus und nimmt den Hut ab. Bevor er das Haus verlässt, sagt er zu Ted Rourke: »Wenn Bishop sie wieder einmal betrogen hat, dann halten sie nicht länger still. Dann ist dieser Fleischtanz dort unten nur ein Bluff! Und wenn sie ausbrechen, um wieder als freie und wilde Apachen in die Wildnis zu ziehen, dann werden sie vorher auf diesen Hügel kommen und zumindest den Signalturm und die Spiegelanlage zerstören. Ich würde nicht auf sie warten. Sergeant, ich würde mich fertig zu einer raschen Flucht machen.« Dann gleitet er hinaus. Sergeant Ted Rourke bleibt noch eine Weile am Tisch sitzen und blickt seine Soldaten an. Zu den drei jungen Burschen, die kaum ihre Rekrutenausbildung hinter sich haben, hat sich nun auch aus dem kleinen Küchenanbau der Koch gesellt. Die beiden restlichen Männer der kleinen Signalstation sind draußen auf Wache. Der Sergeant blickt also die vier Männer an, und er erkennt die Unruhe und die Sorge in ihren Augen. Und dann sagt er trocken: »Für alle Fälle, Jungs: Packt eure Siebensachen zusammen und macht alles fertig für ein schnelles Abrücken. Ihr habt Glück, dass ich ein alter Sergeant und kein junger und ehrgeiziger Lieutenant bin. Ihr habt Glück, dass mir mein Skalp lieber ist als meine Sergeantstreifen. Ich habe es längst aufgegeben, General werden zu wollen. Ihr habt
auch Glück, Jungs, dass Jim Ballard bei uns ist. Aber vielleicht wird es gar nicht so schlimm. Wir werden sehen.« Als er es gesagt hat, erheben sich seine Männer schnell und beginnen alles für eine rasche Flucht vorzubereiten. Und dann warten sie. Sie müssen sehr lange warten. Dann aber bricht es unten los. Sie hören das knatternde Gewehrfeuer, und sie begreifen, dass die Apachen wild geworden sind und das Haus der Reservatsverwaltung angegriffen haben. Wenig später wird die Sternennacht dann von Feuerschein erhellt. Man kann vom Hügel aus deutlich erkennen, wie drei brennende und mit brennbarem Zeug beladene Wagen gegen das Haupthaus der Indianerstation rollen. Die Gewehre krachen wieder laut. Man hört auch das Geheul der Apachen. Dort unten ist ein schlimmer Kampf im Gange. »Du lieber Gott«, ächzt einer der jungen Soldaten, »das hört sich an, als wären dort unten tausend Teufel aus der Hölle gekommen und hätten auch genügend Feuer mitgebracht.« »Yeah«, knurrt der Sergeant grimmig, »jetzt schmort Mr John Bishop in seinem eigenen Fett. Das hat er sich ganz bestimmt nicht ausgerechnet, das nicht! Und wenn ich ein junger Lieutenant wäre, der einmal General werden möchte, dann würde ich jetzt mit euch Burschen und mit Hurra den Hügel hinunterreiten, um dem lieben Mr Bishop zu helfen. Denn die Armee ist immer dazu da, dass sie alle Dinge auf blutige Art in Ordnung bringt, wenn…« Er vollendet seine Worte nicht, denn er entdeckt eine Gestalt, die auf halber Höhe des Hügels aus den Kakteen gleitet und schnell den Hang heraufgelaufen kommt. »Schießt nur nicht, ihr Milchknaben!«, sagt der Sergeant. »Denn dort kommt Jim Ballard. Wir werden ihn noch so nötig brauchen wie sieben Säuglinge ihre Mutter.« Und dann warten sie, bis Jim Ballard schnaufend bei ihnen
angelangt ist. Er blickt sich erst einmal um und starrt den Hügel hinunter. Die Veranda des Haupthauses brennt nun. Auch das Dach steht in Flammen. Die Gewehre von John Bishops und Hiob Starrs Rindertreibern krachen noch. Jim Ballard sagt keuchend: »Mr John Bishop hat diesen Santez und dessen wilde Jungs unterschätzt. Santez opfert dort unten zwei oder drei Dutzend seiner Krieger. Das hätte John Bishop nicht gedacht. Sie werden ihn ausräuchern. Und dann werden sie die Station einreißen. Dort unten findet ein furchtbares Blutbad statt. Santez bezahlt teuer, aber er hört jetzt nicht mehr auf. Selbst wenn er von seinen hundert Kriegern nur zwei Dutzend übrig behält, hört er nun nicht mehr auf. Aber diese zwei Dutzend Apachen haben dann die Waffen der Weißen. Sie werden dann zu uns kommen.« Er wendet sich an Sergeant Ted Rourke. »Nun, General? Ein Scout erteilt dem Führer einer Truppe nur Ratschläge. Meine Ratschläge kannst du schriftlich haben.« Ted Rourke grinst. »Abhauen?«, fragt er. »Wir könnten uns bis zum Sonnenaufgang halten«, sagt Jim Ballard ruhig. »Aber niemand von uns könnte auf den Turm klettern und die Blendspiegel sprechen lassen. Sie würden uns herunterschießen, diese Santez-Jungs. Die nächste Station, die eure Zeichen auffängt und weitergibt in der langen Kette bis Fort Apache, ist fünfzig Meilen von hier entfernt, nicht wahr?« »Stimmt, Jim«, nickt der Sergeant. Der Scout blickt ihn fest an. »Wenn du diese Station erreichen möchtest, um der Armee den Ausbruch der Hölle zu melden, dann müssen wir uns jetzt auf die Socken machen.« »Und der Ritt wird schnell und rau werden, Jim?« »Wenn Santez dort unten fertig ist, wird er uns jagen, Mr Rourke. Santez muss versuchen, uns zu bekommen, bevor wir die nächste Station erreichen und deren Spiegel nach Osten blinken.« Der Sergeant schluckt trocken.
»Um einige dieser Jungen dort unten ist es bestimmt schade«, murmelt der Sergeant. Er wendet sich seinen Reitern zu. »Aufgesessen!« Sie schwingen sich in die Sättel. »Vorwärts! Traaab! Johooo! Dicht aufschließen, Jungs!« Jim Ballard führt sie. Und dann reiten sie nach Osten zu den Hügel hinunter. Und er fragt sich sorgenvoll, wie lange John Bishop noch kämpfen wird. Denn davon wird es abhängen, ob der Vorsprung der kleinen Truppe groß genug ist. Dieses Rennen läuft nämlich über fünfzig Meilen. Und ein Apache reitet selbst auf einem schlechteren Pferd schneller als ein US-Kavallerist. Das ist sicher. *** Santez ist eine Stunde nach Mitternacht fertig mit seiner Arbeit und sieht dann zu, wie sein bester Mann Yaqui dem einst so wenig ehrenwerten Mr John Bishop den Skalp abnimmt. Wenig später weiß Santez dann, dass er dreimal zehn und einmal sieben Krieger verloren hat, also siebenunddreißig. Er hat reichlich bezahlt, und sein Herz verkrampft sich in seiner Brust bei dem Gedanken an die Trauer der Frauen, Mütter und Kinder. Santez’ Trauer dauert jedoch nur einen kurzen Augenblick, denn er muss jetzt an die Zukunft denken. Also erteilt er eine Menge Befehle, die schnell befolgt werden. Seine Krieger sind nun fast alle bewaffnet. Sie haben auch reichlich Munition. Ricahu geht mit einer starken Bande zum Hügel hinauf, er soll nur den Signalturm zerstören und das Blockhaus der Soldaten anzünden. Wenig später bricht Santez an der Spitze von drei Dutzend Kriegern auf, um die geflüchteten Soldaten zu bekommen. Sie
sind nun beritten, diese Apachen. Und sie galoppieren in die Nacht. Pinal aber, Santez’ drittbester Mann, sammelt nun die Verwundeten, die klagenden Frauen und die Kinder. Und noch vor Sonnenaufgang ist Santez’ Stamm unterwegs zum Mogollon-Plateau. Denn dort leben noch die wilden Tontos! Dort gibt es Schutz und Hilfe bei guten Freunden und Vettern. Und zurück bleiben neunzehn tote Weiße. *** Wenn man fünfzig Meilen rauen Weg schnell zurücklegen will, muss man langsam reiten. Nach den ersten Meilen führt Jim Ballard die kleine Abteilung also langsam nach Osten. Als es Tag wird, lässt er halten. Die Männer müssen ihre Pferde abreiben und durchmassieren. Dann geht es drei Meilen zu Fuß weiter. Als die Sonne richtig zu brennen beginnt, sitzen die acht Männer auf und blicken auf ihrer Fährte zurück. »Da kommt Santez«, sagt Jim Ballard trocken und deutet auf eine Staubfahne, vor der sich einige kleine dunkle Punkte bewegen. Diese Staubfahne ist lang, und Jim Ballard weiß, dass sie von Santez und zumindest drei Dutzend Apachen erzeugt wird. Die Entfernung beträgt etwa sieben Meilen. »Sie kommen schnell«, sagt Jim Ballard lässig. »Sie sind den ganzen Weg im Galopp und sehr rau geritten!« »Und wir nicht«, sagt einer der Soldaten bitter. »Unser Vorsprung könnte größer sein.« Jim Ballard blickt den jungen Mann ernst an. »In diesem Land musst du noch viel lernen, mein Junge«, sagt er milde. »Aber ich will es dir erklären. Weil wir uns Zeit genommen haben, wird Santez uns in weniger als einer Stunde eingeholt haben. Aber dann ist er mehr als zwanzig Meilen scharf und rau geritten. Wir nicht! Unsere Pferde werden dann schneller
sein. Santez ist schon geschlagen. Er hat einen Fehler gemacht. Er wollte keine dreißig Meilen weit reiten, um uns bekommen zu können. Doch er hätte sich auf fünfzig Meilen einstellen sollen. Er ist schon geschlagen. Und in einer Stunde wird er es erkennen. Kommt, Jungs! Nicht nervös werden, wenn sie auch aufholen und uns sehr nahe kommen. Wir reiten weiter im ruhigen Trab. Santez muss seine Pferdchen noch weitere zehn Meilen jagen, bis er nahe genug ist. Ich gebe euch mein Wort, Männer, dass seine Pferde dann kein gutes Finish mehr machen können. So wird in diesem Land gerechnet, Pferdesoldaten!« Die Pferdesoldaten, wie die Reiter der Armee von den Indianern genannt werden, begreifen und grinsen. »Ich habe euch gesagt, Jungs, dass er so gut zu uns ist wie eine liebe Mami zu sieben Säuglingen«, grinst der Sergeant, und er untertreibt dabei, denn er, Sergeant Ted Rourke, ist wahrhaftig ebenfalls erfahren und schlau. Dieser narbengesichtige Sergeant ist eine harte Nummer. Sie reiten also in einem beständigen Trab weiter, ruhig und schonend für die Pferde. *** Jim Ballard kennt die Indianer. Er kennt sie genau. Besonders diese Apachen sind Krieger, die es mit jedem Weißen aufnehmen, ja, ihnen überlegen sind. Er kennt sie besser, als manche es wahrhaben wollen, die sie noch nicht aus der Nähe kennen lernten. In diesem Land sind die Apachen die besten Kämpfer, die es gibt. Die besten Guerilla-Kämpfer. Denn sie leben schon seit vielen, vielen Generationen in einem harten Land, welches keine Gnade kennt und das immer wieder eine erbarmungslose Auslese trifft. Ein Apache ist Wolf und Schlange zugleich. Er ist hart, zäh, schlau, furchtlos und erfahren. Und er ist genügsam. Er kämpft auch dann noch, wenn sich andere
Männer zum Sterben niederlegen. Er kämpft bis zum letzten Atemzug. Es ist also keine Feigheit, wenn Jim Ballard mit sieben Soldaten die Flucht ergriffen hat. Selbst wenn er zwanzig Soldaten bei sich hätte, würde er es sich überlegen, ob er einen Kampf wagen soll. Jim Ballard kennt sich aus. *** Santez und seine Horde kommen bis auf eine Meile an die Verfolgten heran. Dann bringen sie es noch einmal fertig, für eine kurze Strecke die Schnelligkeit ihrer Pferde zu steigern. Ein Weißer hätte das nicht vermocht, aber die Apachen schaffen es. Und es ist ihr Geheimnis, wie sie aus den keuchenden und mit flockigem Schweiß bedeckten Tieren noch einmal das Letzte herausholen. Und doch schaffen sie es nicht, die flüchtende Abteilung einzuholen. Sie kommen nur bis auf dreihundert Yards heran. Dann sind ihre Tiere erledigt. Sie fallen zurück, und der Vorsprung von Jim Ballards Männern vergrößert sich wieder, obwohl sie einen ruhigen und langen Galopp reiten. Santez begreift, dass er geschlagen ist. Er hält an. Das Rudel sammelt sich um ihn. Ruhig und trocken sagt er: »Gelbhaar ist schlau! Gelbhaar hat gut gerechnet, besser als ich. Die Jagd ist vorbei. Gelbhaar hat gewonnen. Er ist so schlau wie ein schlauer Apache.« Er spricht diese Worte anerkennend. Und mit »Gelbhaar« ist Jim Ballard gemeint. Denn das ist Jim Ballards Apachenname. Santez nimmt seine Niederlage also hin wie ein Spieler schlechte Karten in einem Spiel. Er passt und gibt auf. Eine Weile beschäftigen sich die Indianer mit ihren Pferden. Sie arbeiten an ihnen, und viele Tiere werden wahrscheinlich dadurch gerettet. Von der flüchtenden Abteilung ist bald nur noch eine Staubfahne zu sehen, die bald darauf in den Hügeln
im Osten verschwindet. Santez hat inzwischen nachgedacht. Nun ruft er einige seiner Männer zu sich und sagt kehlig: »Der Krieg ist da! Alle Apachen sollen es erfahren. Reitet zu unseren Vettern, zu den Mimbreños, zu den Chiricahuas, zu den Yaquis, zu Cochises Dörfern, reitet zu ihnen! Sagt ihnen, dass die Mescaleros kämpfen und unterwegs zu den Tontos sind. Erzählt und berichtet, wie wir betrogen wurden. Sagt ihnen, wie rechtlos wir sind. Meine Botschaft ist: Die Apachen müssen kämpfen! Sie müssen gut kämpfen! Denn wer gut kämpft, der wird geachtet und gefürchtet! Wir müssen den Weißen beweisen, wie gut wir kämpfen können, wenn man uns betrügt! Vielleicht bekommen dann unsere Überlebenden einen besseren Frieden. Vielleicht hält man dann den Apachen gegenüber gegebene Versprechungen. Das ist meine Botschaft. Nun reitet!« *** Es ist Nachmittag, als Jim Ballard und seine Begleiter, die unter dem Kommando von Sergeant Ted Rourke stehen, die Signal-Station bei den Hügeln am Aravaipa Creek erreichen. Auch hier steht der Signalturm hoch oben auf dem Hügel. Unten stehen einige Gebäude. Diese Siedlung und Niederlassung ist Camp Aravaipa. Die Post- und Frachtwagenstraße nach Tucson führt hier vorbei. Es gibt hier eine Pferdewechselstation, eine Handelsniederlassung und einige kleine Heimstätterfarmen. Auch hat die Armee hier ein Versorgungsmagazin, zu dem auch einige Quartiere gehören. Vor einer dieser Hütten sitzt ein Offizier im Schatten und lässt sich von einem Soldaten die Haare schneiden. Die Haare des jungen Offiziers sind so rot wie eine Flamme. Er hat seine langen Beine weit von sich gestreckt und sagt gerade: »Reiter Clarke, wenn Sie mich noch einmal so an meinen Haaren
ziehen, dann mache ich Sie fertig! Sie wollen ein Barbier sein? Clarke, Sie…« Er unterbricht seine Rede, denn nun sieht er Sergeant Ted Rourke und die Abteilung um die Ecke des großen Handelsstores biegen und auf die kümmerlichen Gebäude der Armee zuhalten. »Nanu, was ist das?«, fragt Lieutenant Clay Benton verwundert. »Clarke, das ist doch dieser Sergeant von der Station bei dem Apachenreservat am Catalina River, oder nicht?« »Genau, Sir«, sagt Reiter Bud Clarke. »Das ist First Class Sergeant Theodore Rourke. Er hat all seine Männer bei sich. Soll ich Sie jetzt einseifen und rasieren, Sir?« Lieutenant Clay Benton starrt den kleinen und krummbeinigen Bud Clarke böse an, denn er weiß zu gut, wie die Frage gemeint ist. Lieutenant Clay Bentons Milchgesicht besitzt nämlich nur fünf von ihm ernst genommene Barthaare. Und das ist sein Kummer. Er würde sich gerne einen Bart stehen lassen. »Clarke, ich werde Sie schon noch zu einem richtigen Soldaten machen, der keine dämlichen Fragen stellt«, sagt er grimmig. Dann reißt er sich das Handtuch vom Hals und erhebt sich. Im Nacken juckt es ihn. Er denkt bitter daran, dass ihm Reiter Clarke wieder eine Menge kleiner Haare in den Nacken fallen ließ. Er wird sich gleich den Hals waschen und eine frische Feldbluse anziehen müssen. Diese juckenden Haare machen ihn verrückt, zumal er sehr schwitzt. Er starrt grimmig auf den Sergeant, der seine kleine Abteilung halten lässt. Er sieht auch den Zivilisten Jim Ballard und fragt sich, was dieser bei der Abteilung zu suchen hat. Jim Ballard sitzt ab, indes der Sergeant seine Reiter ausrichtet und dann vor das Haus geritten kommt, um dem Lieutenant Meldung zu machen. Jim Ballard tritt lässig in den Schatten, lehnt sich gegen die
Wand und sieht sich die Sache an. »Sir, ich melde mich mit der Besatzung der Signalstation vom Santa Catalina River zur Stelle«, sagt Ted Rourke heiser und krächzend. »Ich habe weiterhin zu melden, Sir, dass die Apachen aus der Reservation ausgebrochen sind und…« Ted Rourke erstattet einen genauen, wenn auch knappen Bericht und fügt abschließend hinzu: »Die Meldung muss sofort durchsignalisiert werden, Sir!« Lieutenant Clay Bentons Gesicht ist dunkelrot geworden. »Sie sind also davongelaufen und haben den Indianeragenten Mr John Bishop und seine Leute feige den Indianern überlassen?«, fragt er schneidend. »Sergeant, Sie werden wegen Feigheit Ihre Streifen verlieren. Sie haben sich eigenmächtig und ohne Befehl von Ihrem Posten entfernt. Wie kamen Sie auf diese Idee?« »Die hat er von mir«, mischt sich Jim Ballard ein. Der Lieutenant fährt herum und schnaubt: »Und wer sind Sie?« »Mein Name ist Jim Ballard, Mister…« »Lieutenant!« »... Lieutenant«, vollendet Jim Ballard ruhig, und der kleine krummbeinige Reiter Bud Clarke, der hinter dem Lieutenant steht, stößt einen heiseren Laut aus, der wie ein kaum zu bändigendes Kichern klingt. »Wenn der Sergeant mit seinen Leuten auf seinem Posten geblieben wäre, dann wären sie jetzt alle tot«, spricht Jim weiter. »Ich bin Zivilscout und unterstehe dem Hauptquartier in Fort Apache. Der Sergeant hat Ihnen soeben eine Meldung gemacht, die nichts anderes als den Ausbruch eines neuen Apachenkrieges bedeutet. Also versäumen Sie keine Zeit und lassen Sie endlich die Nachricht durchgeben. Es eilt, Mister! Es eilt mächtig! Schon in dieser Stunde verlieren weiße Siedler irgendwo in diesem Land ihr Leben.« »So ist es, Sir«, sagt Ted Rourke.
Der junge Mann aus West Point, zwanzig Jahre alt und mit den Schulterstücken eines Lieutenants, starrt sie beide seltsam an. Dann dreht er sich auf dem Absatz um und geht ins Haus. An der Tür hält er kurz inne und sagt über die Schulter: »Lassen Sie absitzen, Sergeant! Reiter Clarke, weisen Sie den Männern Quartiere an!« Dann verschwindet er im Haus, setzt sich hinter einen Schreibtisch aus Munitionskistenbrettern und beginnt die Meldung zu schreiben. »Er ist so scharf wie eine Rasierklinge«, sagt Reiter Clarke. »Dieser…« »Halten Sie Ihren Mund, Soldat«, unterbricht ihn der Sergeant und wendet sich seinen wartenden Reitern zu. Indes betritt Jim Ballard die kleine Kommandantur der Station. Der Lieutenant blickt über die Schulter und faucht: »Wenn ich Sie brauche, Scout, dann lasse ich Sie rufen!« Jim Ballard nickt, kommt ruhig zum Schreibtisch und setzt sich auf die Ecke. Staubig, verschwitzt, stoppelbärtig und mit vom Staub geröteten Augen blickt er den Lieutenant an. »Wenn Sie die Meldung durchgeben lassen, Lieutenant«, sagt er ruhig, »dann vergessen Sie nicht zu erwähnen, dass ich, der Scout Jim Ballard, dem Sergeant den Rat zur Flucht gegeben habe. Vergessen Sie das nicht, Mister!« »Nein«, sagt der Offizier klirrend, »ich werde es nicht vergessen. Sie haben einen dummen und unfähigen Sergeant zur Flucht verleitet. Ich werde es schon durchgeben. Keine Sorge! In fünf Minuten ist die Meldung oben auf dem Signalturm. Dann wird sie durchgeblinkt. In weniger als einer Stunde ist die Antwort da. Wahrscheinlich werde ich euch Burschen alle festnehmen und einsperren müssen.« »Mein Junge«, sagt Jim Ballard zu ihm, »der Colonel in Fort Apache kennt mich und Sergeant Ted Rourke ziemlich gut.
Dieser Colonel ist schon lange genug im Land und kennt sich aus. Auch Sie werden sich auskennen, wenn Sie zwanzig Jahre in diesem Territorium sind. Dann sind Sie kein grüner Junge mehr!« Als Jim verschwunden ist, kommt Reiter Bud Clarke herein und sagt mit trockener Stimme: »Die Indianer nennen ihn Gelbhaar, Sir. General Crook ist ein guter Freund von ihm. Während des Bürgerkrieges war er Offizier in der Texas-Brigade. Ich kenne einige Lieutenants, die verdanken ihm, dass sie noch leben und richtige Männer wurden.« Lieutenant Clay Benton starrt seinen Burschen staunend an. Dann keucht er: »Sind Sie wahnsinnig, so mit mir zu reden, Mann?« »Ich bin Ihr Bursche«, sagt Reiter Clarke seltsam ernst. »Ich habe als Offiziersbursche die Pflicht, meinen Offizier…« Er bricht ab, denn er hätte fast gesagt »... vor Dummheiten zu bewahren.« Aber ihm fällt rechtzeitig ein, dass er dies unmöglich sagen kann, nicht zu einem jungen und schneidigen Offizier, der frisch aus West Point kommt. »Ich – ich wollte es Ihnen nur sagen, Sir«, sagt er unbeholfen. »In diesem Land sind viele Dinge anders.« »Wahrscheinlich werde ich Sie Strafdienst machen lassen«, erwidert Clay Benton scharf. Dann macht er sich wieder an die Arbeit. Jim Ballard übergibt draußen sein Pferd einem von Ted Rourkes Soldaten. Dann setzt er sich in Bewegung und erreicht bald den großen Handelsstore, zu dem auch ein Ausschank und eine Speiseküche gehören. Etwa ein Dutzend Zivilisten haben sich hier versammelt. Zwei oder drei Siedler vom Antone Creek sind da, und alle diese Menschen wirken sehr erschrocken und verstört. Die Nachricht, dass Santez und seine Indianer aus dem Reservat ausgebrochen sind und alles zerstört haben, hat sich schon verbreitet. Die Leute wissen auch, dass Jim Ballard ein
Scout der Armee ist. Als er ihre Gruppe erreicht, bilden sie um ihn sofort einen Halbkreis. Einer der Farmer vom Antone Creek fragt nervös: »Wo sind Santez und seine Schufte? Wohin ziehen sie? Sind die Siedlungen am Antone Creek in Gefahr?« »Gefahr ist jetzt überall«, sagt Jim. »Santez hat angefangen. Und immer dann, wenn ein Häuptling anfing, machten alle anderen mit. Ich denke, dass Santez mit seinen Leuten zur Mogollon Mesa zieht. Dort bekommt er Hilfe von den Tontos. Es gibt zwei oder drei Routen zum Mogollon-Plateau, nicht wahr? Eine Route führt am Antone Creek entlang zu den Mesquite-Hügeln und von dort aus weiter…« »Dann sind alle Farmen in Gefahr!«, brüllt der Mann und läuft auch schon zu seinem Wagen. Die beiden anderen Männer schließen sich ihm an. Sie wollen jetzt heim zu ihren Familien. Jim Ballard blickt ihnen nach. »Wenn Santez durch das Antone Valley zieht«, sagt er bitter, »dann kommen diese drei Männer zu spät.« Die anderen Männer, es sind die Leute aus der Post- und Pferdestation, aus dem Handelsstore und ein Goldsucher, der aus dem San Pedro Valley kam, nicken bitter. Plötzlich ruft der Gehilfe des Postmeisters: »Dann ist ja auch die Fremde, die mit dem Jungen zu Bill Haynes wollte, verloren!« Die Männer schweigen. Der Storehalter sagt: »Es war eine prächtige Frau mit roten Haaren und grünen Augen. Es war eine stolze Frau, der man ansah, dass sie für sich sorgen konnte. Und auch ihr kleiner Sohn war prächtig. Jetzt sind sie gewiss schon tot, wenn Mescal-Pedro die Apachen nicht vielleicht doch gewittert hat.« Die anderen Männer nicken. Jim Ballard aber fragt: »Was ist das?« Der Storehalter blickt ihn prüfend an. Dann sagt er grimmig:
»Dort am Antone Creek lebt ein Mann, der sich Bill Haynes nennt. Er hat dort eine jämmerliche Hütte gebaut und versucht, einige Felder anzulegen und Rinder zu züchten. Doch er gab es bald auf, denn ihm war diese Art von Arbeit wohl zu sauer. Das war vor zwei Jahren. Dieser Bill Haynes strich dann wie ein Wolf durch das Land. Er war manchmal auch hier. Er hatte immer Glück mit Karten, betrank sich stets sehr und ritt dann wieder fort. Man kennt ihn überall in den kleinen Städten, bei den Forts und auch in Tucson. Er behauptet, er lebt vom Pferdehandel. Aber…« Der Storehalter verstummt, so als hätte er fast schon zu viel gesagt. Er hebt seine Schultern und schließt mit den Worten: »Gestern kam die Frau mit dem Jungen hier an. Sie fuhr ihren Wagen selbst. Sie hatte Mescal-Pedro als Führer bei sich. Wenn Mescal-Pedro nicht betrunken ist, ist er in Ordnung, obwohl er so furchtsam ist wie eine Maus. Aber als Führer zum Antone Creek war er für die Frau brauchbar. Heute in aller Frühe sind sie von hier losgefahren. Denn die Frau heißt Joyce Haynes und der kleine Junge Tom Haynes. Sie sagte uns, dass Bill Haynes ihr Mann wäre. Hoffentlich hat Mescal-Pedro die Apachen rechtzeitig gewittert. Er ist ja selber ein Viertel-Apache.« Jim Ballard hat wortlos und mit leicht gesenktem Kopf zugehört. Seine Gedanken sind jetzt bei dieser Frau und beschäftigen sich mit ihrem Schicksal. Die Männer gehen nun alle in den Saloon hinein und diskutieren. Der Posthalter sagt laut und bitter: »Zum Teufel, jetzt geht der ganze Kummer wieder los! Und die Armee kommt wieder einmal so langsam wie eine Schnecke in Gang! Das gibt wieder einen endlos langen Indianerkrieg, und bis die Armee den wieder mal gewonnen hat, töten die roten Schufte hundert oder zweihundert oder auch mehr weiße Menschen. Sie morden sie, schlachten sie ab, und bei jedem neuen Erfolg werden sie verrückter und schlimmer. Diese Hölle, die immer wieder
ausbricht, wird erst dann nicht mehr sein, wenn man alle Apachen wie Ratten totgeschlagen hat.« Jim Ballard, der den Männern folgt und sich neben ihnen an den Schanktisch stellt, hört die Worte. Er macht sich seine Gedanken darüber, und als er seinen Whisky bekommt, ist er immer noch sehr nachdenklich. Er trinkt sein Glas leer, verlangt einige Zigarren und zahlt dann. Ruhig zündet er sich eine Zigarre an und macht einige Züge. Die Diskussion der anderen Männer ist jetzt verstummt. Sie trinken jetzt ihre Gläser leer. Jim Ballard wendet sich zur Tür. Dabei sagt er: »Weil die Apachen rechtlos sind und weil sie immer wieder die bittere Erfahrung machen müssen, dass man sie belügt, betrügt und wahrhaftig wie Ratten ausrotten will, deshalb kämpfen sie dann und wann und lassen die Hölle los. Sie sind Wilde, sicher, aber dies hier war ihr Land. Sie lebten hier, bevor die Weißen kamen. Sie wurden hier in diesem Land geboren. Ich kann verstehen, wenn sie kämpfen.« Er will hinaus, aber einer der Männer ruft scharf: »He, Mister! Sie reden wie ein Anwalt der Apachen! Aber Sie sind doch Armeescout, nicht wahr?« Jim Ballard wendet sich noch einmal um und nickt. »Ich bin Armeescout, das stimmt! Ich weiß genau, wie viele Weiße und Soldaten immer wieder getötet werden. Zivilisten und Soldaten, Männer, Frauen und Kinder. In Tucson setzen die Behörden auf jeden Apachenskalp eine Belohnung aus. Aber die Skalpjäger schießen nicht nur wilde Apachen ab. Einem Skalp sieht man nicht an, ob er einem wilden oder zahmen Indianer gehörte. Und man betrügt, belügt und bestiehlt die Apachen. Es würde keinen Krieg geben, wenn man sie anständig behandeln würde.« Nach diesen Worten geht er hinaus. Die Zigarre schmeckt ihm nicht mehr. Langsam schlendert er zu den Gebäuden der Armee hinüber und betritt die Speisebaracke.
Sergeant Ted Rourke und seine Männer sitzen schon an dem langen Tisch und füllen sich gerade die Teller. Jim Ballard setzt sich zu ihnen. »Dieser John Bishop«, murmelt Jim, »ich denke an ihn. Und ich hoffe, dass er nicht leicht gestorben ist. Wenn es Gerechtigkeit gibt, dann müsste dieser Bishop jedes Menschenleben, dessen Tod er verschuldet hat, selbst sterben, immer wieder, mit allen Qualen und Nöten. Aber er hat es wohl sehr leicht gehabt. Er hat die Hölle in Gang gesetzt und ist dann getötet worden. Das war eine leichte Strafe.« »Yeah«, sagt Ted Rourke. Dann essen sie. Als sie fertig sind, kommt der Lieutenant herein. Ted Rourke meldet seine Männer beim Mittagessen. Aber der junge Offizier winkt schnell und lässig ab. Man kann dem jungen Lieutenant ansehen, dass er am ganzen Körper vibriert wie ein eifriger Hund vor einer Kaninchenjagd. Und er sagt: »Die Antwort aus Fort Apache ist da. Sergeant, Sie sind mir als Zugsergeant unterstellt. Ihre Abteilung reiht sich in mein Kommando ein. Wir reiten in zehn Minuten los. Bringen Sie die Reiter in die Sättel. Mit Ihren Leuten und dem Zivilscout Ballard sind wir genau zwanzig Mann. Wir haben den Auftrag, Santez zu folgen und ständig mit diesem Fühlung zu behalten, bis Verstärkungen zu uns stoßen und wir einen Angriff wagen können. Überdies sollen wir ihm auch den Weg verlegen, wenn er zu den Tontos auf der Mogollon Mesa zieht. Auch Sie sind mir jetzt unterstellt, Ballard! Das ist alles!« Er macht auf dem Absatz kehrt und geht hinaus. Draußen ruft die Stimme eines Corporals, der zu Lieutenant Bentons Kommando gehört, schon laute Befehle. Sergeant Ted Rourke schiebt sich mit beiden Händen seinen Hut zurecht. Dabei flüstert er kaum verständlich: »Du lieber Gott, mach schnell aus diesem Jungen einen richtigen Mann. Denn sonst…«
Er spricht seine Worte nicht zu Ende, denn er erinnert sich daran, dass er Sergeant ist. »Ich führe euch«, sagt Jim Ballard zu ihm und geht schnell hinaus. Er holt den Lieutenant erst vor dessen Unterkunft ein. »Zeigen Sie mir den Blinkspruch von Fort Apache, Lieutenant!«, sagt er hart. »Ich will Wort für Wort lesen, was von Fort Apache durchgegeben wurde.« »Ich habe es schon gesagt«, erwidert Clay Benton scharf und will in die Hütte treten. Doch Jim Ballard legt die Hand auf Bentons Schulter, hält ihn somit zurück und geht selbst zuerst hinein. Er findet die Niederschrift der durchgegebenen Nachricht auf dem Schreibtisch, Er nimmt sie und liest. Der Lieutenant schnaubt hinter ihm zornig und sagt heftig: »Wie benehmen Sie sich gegen einen Offizier?« Jim Ballard hat indes gelesen. Er wendet sich dem Lieutenant zu und sagt ernst und eindringlich: »Das wollte ich genau wissen, Mister! Sie haben strikte Anweisung, sich nach meinen Empfehlungen und Ratschlägen zu richten. Vergessen Sie diese Anweisung nicht, Lieutenant. Und jetzt können wir reiten!« Er geht schnell hinaus, um sich ein frisches Pferd geben zu lassen. Als zehn Minuten später der junge Lieutenant den Sergeant, die beiden Corporals und die fünfzehn Reiter inspiziert und feststellt, dass drei Soldaten Whisky in den Wasserflaschen haben, da sitzt Jim Ballard ruhig und gelassen wartend auf einer hässlichen Grulla-Stute, die gegen die prächtigen Armeepferde so jämmerlich wirkt wie ein struppiger Gassenkater gegen gepflegte und gut genährte Hauskatzen. Dann reiten sie los. Die wenigen Menschen der kleinen Siedlung blicken ihnen besorgt nach. Die beiden zurückbleibenden Soldaten, die den Signalturm oben auf dem Hügel besetzt halten, halten sich für
Glücksjungen. »Wohin?«, fragt der Lieutenant. »Zum Antone Creek«, erwidert Ballard. *** Nach einigen Stunden holen sie die drei Farmer ein, die schon eine gute Stunde vor ihnen losgefahren waren. Dann wird es Nacht. Jim Ballard reitet der Abteilung jetzt stets hundert Yards voraus. Als rechts von ihm ein Reiter aus einer Felsgruppe kommt, hält er an. Im Sternenlicht kann er den Mann gut erkennen. Es ist kein reinblütiger Weißer. Der Mann schnauft erleichtert und sagt heiser: »Eine reitende Armee-Abteilung hört man schon aus großer Entfernung und erkennt sie am klirrenden Trab. Aber ihr kommt zu spät. Die Apachen waren schneller.« »Bist du Mescal-Pedro?«, fragt ihn Jim rau. »Bin ich«, erwidert der Mann. »Und wo sind die Frau und ihr Junge? Wo sind sie?« »Ich habe ihr gesagt, dass wir umkehren müssen. Aber sie wollte nicht. Sie begräbt diesen Bill Haynes, der ihr Mann war. Sie sagte, ich würde nicht mehr von ihr gebraucht. Was sollte ich tun?« Indes ist die Abteilung herangekommen und hält nun an. Der Lieutenant fragt ungeduldig: »Was ist los?« »Die Farmer am Antone Creek leben nicht mehr«, erwidert Jim. »Nur Mrs Haynes, die dieser Mann hergeführt hatte, ist noch mit ihrem Sohn dort. Sie trafen später als Santez dort ein, und das war ihr Glück.« »Ich sah den Rauch schon aus der Ferne«, erklärt Mescal-Pedro, »und deshalb wartete ich lange genug.« »Reiten wir weiter«, sagt Jim Ballard nach einer kleinen Pause. »Santez und seine Horde sind jetzt gewiss schon
zwanzig oder dreißig Meilen weiter südlich.« Er reitet nach diesen Worten an. Der Lieutenant starrt Mescal-Pedro an. »Warum hast du die Lady verlassen, Bursche?«, fragt er. »Ich sollte sie an den Antone Creek zu ihrem Mann Bill Haynes führen«, erwidert Mescal-Pedro trocken. »Das habe ich getan, nicht wahr? Sie ist eine weiße Lady, und mein Großvater war ein Indianer. Wenn eine Lady zu einem Mischling sagt, er soll verschwinden, dann muss er es tun. Oder was sollte ich sonst tun?« Lieutenant Clay Benton schnaubt nur durch die Nase. Dann lässt er seine Abteilung anreiten. Mescal-Pedro blickt ihnen nach und lauscht auf ihren klirrenden Trab. »Die Armee besteht aus Dummköpfen«, murmelt er. »Diese armen Jungen sind mit Säbeln, Eisenzeug und allerlei Dingen behängt, die eine Menge Lärm machen. Man hört es weit. Sie sind wie die Katze, die eine Schelle trägt und Mäuse fangen will. Doch Santez ist keine Maus.« Dann reitet er weiter. Denn in seiner Tasche trägt er den Führerlohn. Er möchte ihn schnell in Mescal-Schnaps umsetzen. Gewiss wird er länger als eine Woche betrunken sein. Denn Mescal-Pedro taugt nicht viel und wird nie etwas taugen. Jim Ballard reitet nun sehr schnell, so schnell, dass die Abteilung immer mehr hinter ihm zurückbleibt. Er denkt dabei an die Frau, die mit einem kleinen Jungen in dieses Land kam, die jetzt ihren getöteten Mann beerdigt und die nicht zurück wollte. Jede andere Frau wäre wieder umgekehrt. Aber diese Frau blieb. Warum? Jim Ballard stellt sich diese Frage immer wieder. Er möchte eine Antwort darauf haben. Und so reitet er schnell durch die Nacht. Die Abteilung bleibt weit hinter ihm zurück.
*** Joyce Haynes’ Wege waren nie leicht und glatt, sie waren immer mühevoll und beschwerlich. Die wenigen glücklichen Tage waren wie kurzer und spärlicher Sonnenschein, der durch einen trüben oder wolkenverhangenen Himmel bricht. Dennoch war Joyce Haynes immer eine stolze Frau, die nie resignierte und immer auf eine bessere Zeit hoffte. Es musste, so dachte sie immer, auch für sie und Tom einmal besser werden. Doch jetzt glaubt sie, dass sie am Ende ist. Sie hat keine Hoffnung mehr. Sie ist mutlos und fühlt sich wie ausgebrannt. Bei Sonnenuntergang hat sie Bill Haynes begraben, und als sie dann mit der Schaufel zum Wagen zurückkehrt, wo Tommy wartet, da fragt der Junge ernst: »Jetzt ist mein Vater im Himmel, nicht wahr?« »Ja, Tom«, erwidert sie und muss sich dann schnell hinsetzen, weil ihre Beine plötzlich kraftlos werden. Tom kauert sich neben ihr nieder. Sie nimmt ihn in die Arme und bettet seinen Kopf in ihren Schoß. Und sie hört das Weinen ihres Jungen und kann selbst keine Träne vergießen. Als die Sterne in das Antone Valley ihr kaltes und unirdisches Licht herabsickern lassen, schläft Tom schon. Er hat sich zwar in den Schlaf geweint, aber er fühlt sich dennoch geborgen in den Armen seiner Mutter. In der Luft liegt immer noch Rauchgeruch. Oben auf den Kämmen der das Tal einzwängenden Berge heulen Coyoten. Nach einer langen Zeit erhebt sich Joyce, klettert mit dem Jungen in den Armen in den Wagen und bettet ihn dort sorgsam. Dann klettert sie wieder hinaus und lehnt sich draußen gegen das große Hinterrad. Als sie dann an Bill Haynes denkt, der ihr Mann war, da verspürt sie einen kalten Hass und eine
durch nichts mehr zu überbietende Verachtung. Aber Bill Haynes ist tot. Sein verpfuschtes Leben endete hier. Ein Apache besorgte das. Bill Haynes war sicherlich der einzige Mensch hier am Antone Creek, um den es nicht schade ist. Joyce blickt zu den Überresten der jämmerlichen Hütte, in der Bill Haynes hier gehaust hatte. Die Apachen hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, diese Hütte anzuzünden. Sie hatten sie nur eingerissen. Aus dem großen Corral hatten sie sich drei Dutzend Pferde geholt, die Bill Haynes vor einigen Wochen in Mexiko gestohlen hatte. Aber das weiß Joyce nicht. Sie weiß nur, dass ihr Mann nichts taugte. Sie weiß das jetzt endgültig, und es ist fast wie eine Fügung des Schicksals, dass Bill Haynes nun tot ist. Sie setzt sich plötzlich in Bewegung, verlässt den Wagen und geht noch einmal hin zu seinem Grab. Im Sternenlicht betrachtet sie den Hügel. Dann kann sie ihre Gedanken nicht mehr im Herzen behalten. Sie muss ganz einfach sprechen. Sie muss es tun, denn wie könnte sie sonst ihre Bitterkeit loswerden. »Bill«, sagt sie hart, »du hast nie etwas getaugt. Aber als ich damals von daheim fortlief und deine Frau wurde, da wusste ich das noch nicht. Ich liebte dich sehr, wie ein Mädchen nur einen Mann lieben kann. Ich ging an deiner Seite all die rauen Wege von einer Stadt zur anderen. Und überall hast du versagt. Überall sollte es ein neuer und endlich ein guter Anfang werden. Aber überall jagten dich die Menschen bald davon, weil du ein Lügner, ein Betrüger und ein Falschspieler warst, weil du in jeder guten Gemeinschaft versagtest und überdies noch gemein und streitsüchtig warst. Und dann trennten wir uns, Bill. Denn ich bekam das Kind. Wir trennten uns, und ich eröffnete den kleinen Store in Kansas. Zweimal kamst du abgerissen und fast verhungert zu mir. Und weil du der Vater meines Jungen warst, half ich dir immer wieder auf die Beine.
Beim letzten Mal hast du mir dann geschworen, dass es nun mit dir anders werden würde. Erst nach einem langen Jahr bekam ich dann einen Brief von dir. Und du schriebst mir damals, dass du hier im Arizona-Territorium eine Farm aufbautest. Du schriebst dann immer wieder lange Briefe und erzähltest darin vom Antone Creek, von grünen Hängen, von deinem harten Leben, von deiner harten Arbeit. Du hättest Felder angelegt, ein gutes Haus gebaut, und nun wolltest du auch Rinder und Pferde züchten. Und du müsstest dir nun zwei Helfer anwerben, könntest sie jedoch noch nicht bezahlen, weil die Farm erst im nächsten Jahr richtig Ertrag bringen würde. Und ich glaubte an dich, denn du warst der Vater meines Sohnes. Ich betete, hoffte und wünschte von ganzem Herzen, dass mit dir noch alles gut werden würde, dass Tom eines Tages einen guten Vater haben würde, den er achten könnte. Ich schickte dir regelmäßig mein sauer verdientes Geld. Und ich freute mich über deine Briefe, die immer wieder neue Fortschritte meldeten. Ich glaubte fest daran, dass du dir eine schöne Farm mit vielen guten Feldern, einem Haus und all den anderen Gebäuden und sogar schon eine kleine Rinder- und Pferdezucht geschaffen hättest. Ich glaubte fest daran, dass deine verworrenen Wege nun endgültig zu einem Ziel geführt hätten. Und ich schickte dir jeden Cent, den ich entbehren konnte. Ich verpfändete meinen kleinen Store. Ich glaubte ja nun fest daran, dass du mit meiner Hilfe für dich und deine Familie eine solide Existenz aufbautest. Aber dann übernahmen meine Gläubiger meinen Store. Ich hatte dir mehr Geld geschickt, als gut für das Geschäft war. Doch ich war nicht traurig. Ich glaubte fest daran, dass jeder Cent gut angelegt war. Als ich den Store abgab, bekam ich noch etwas Geld. Ich kaufte mir den Wagen, lud alle Dinge auf, die mir lieb geworden waren, und machte mich mit Tom auf den Weg zu dir. Und dann fand ich diese jämmerliche Hütte, nichts von einer Farm oder Ranch. Gar nichts! Du hattest mich wieder
einmal belogen und betrogen…« Die letzten Worte ruft sie laut und bitter in die Nacht. Dann wendet sie sich vom Grab ab und will zum Wagen zurück. Da sieht sie den Reiter auf dem hässlichen Pferd, einen großen Mann, der seinen Hut abgenommen hat und dessen Haare hell sind. Sie kann ihn im Sternen- und Mondlicht gut betrachten. Er muss schon eine Weile hier zugegen sein, denkt sie, und sicherlich hat er fast jedes Wort meiner bitteren Rede verstanden. Sie blickt ihn abweisend an, und nun wirkt sie wieder sehr stolz und stark im Herzen. Sie hat sich soeben ihre ganze Not vom Herzen reden können. Das hat sie irgendwie gestärkt. Es ist schon jetzt gewiss, dass sie nicht aufgeben wird und ganz bestimmt nicht am Ende ist. »Was wollen Sie?«, fragt sie spröde. Jim Ballard gleitet aus dem Sattel und tritt langsam vor sie hin. »Er ist tot«, sagt er sanft. »Ja, ich habe alles gehört. Ich musste zuhören und brachte es nicht fertig, fortzureiten oder mich bemerkbar zu machen. Verzeihen Sie mir, Madam.« »Und was sonst noch, Mister?«, fragt sie abweisend zurück. Er blickte sie an – lange. Sie erwidert diesen Blick fest und gerade. Da nickt er. »Es ist manchmal so«, sagt er sanft. »Manchmal glaubt man, es gäbe kein Glück und keine guten Dinge auf dieser Welt. Doch Sie haben es nun hinter sich, Madam. Dieser Bill Haynes, der Ihr Mann war, ist tot. Und vielleicht war er nicht einmal schlecht, sondern nur schwach, jämmerlich schwach! Wenn er jetzt eine Chance hätte, etwas tief zu bedauern und zu bereuen, dann würde er dies gewiss tun.« Er kann erkennen, wie sie sich fest auf die volle Unterlippe
beißt. Dann nickt sie krampfhaft. »Yeah«, sagt sie, »ich sollte ihn wohl doch nicht noch nach seinem Tode hassen, denn er ist der Vater meines Sohnes. Nun gut, ich habe mir die Bitterkeit vom Herzen reden müssen. Jetzt ist mir leichter. Bill Haynes ist tot, und er kann nie wieder in mein Leben treten. Ich brauche ihn auch gar nicht. Was wollen Sie hier, Mister?« »Ich bin Armeescout. Jim Ballard heiße ich. Ich führe eine Abteilung hinter Santez und seiner Horde her. Die Abteilung kommt bald. Mrs Haynes, Sie können hier nicht bleiben.« »Warum kann ich das nicht?«, fragt sie zurück. »Warum sollte ich hier nicht bleiben können?« Jim Ballard hört nun schon den klirrenden Trab der heranreitenden Abteilung. Dabei blickt er die Frau an, und er erschrickt etwas, weil er deutlich ihre feste Entschlossenheit erkennen kann. »Die Apachen haben alle Siedler hier am Antone Creek und im ganzen Tal totgeschlagen«, sagt er. »Sie können nicht allein mit einem kleinen Jungen in der Wildnis leben. Das geht nicht. Streifende Apachen könnten eines Tages wieder hier vorbeikommen. Sie müssen zurück, Madam.« Sie wendet den Kopf und blickt zu den Trümmern der Hütte. »Ich weiß nicht, wohin ich gehen sollte«, sagt sie. »Ich kenne keinen Platz, nur diesen. Ich bleibe hier! Ich werde hier eine Farm aufbauen. Ich fürchte mich nicht vor den Apachen. Wenn sie kommen, nun gut! Ich werde diese Entscheidung des Schicksals dann hinnehmen. Ich bleibe hier und werde aufbauen, was der Schwächling Bill Haynes nicht vermochte. Ja, ich fordere das Schicksal heraus! Soll es mich und Tom vernichten, wenn es will! Oder soll es schützend seine Hand über uns halten. Ich werde jede Entscheidung für oder gegen uns hinnehmen.« Nach diesen Worten nickt sie Jim Ballard zu und geht
davon. Er folgt ihr langsam. Als sie den Wagen erreichen, führt Lieutenant Clay Benton seine Abteilung heran. »Ballard«, sagt der junge Offizier sofort scharf. »Ballard, reiten Sie mir nicht nochmals auf diese Art davon. Haben Sie mich verstanden? Ich habe jetzt bald genug von Ihren Eigenwilligkeiten!« Dann wendet er sich an Joyce Haynes und grüßt korrekt. »Madam«, sagt er höflich und respektvoll. »Sie haben bei allem Unglück eine Menge Glück gehabt. Ich werde Ihnen einen meiner Soldaten geben, der Sie und Ihren Sohn nach…« »Ich bleibe hier, Lieutenant«, sagt sie fest. Der Junge aus West Point starrt sie staunend an. Sie ist etwa vier oder fünf Jahre älter als er, und diese Art von Frauen hat er noch nie kennen gelernt. Er kennt nur die verwöhnte und gut behütete Art, die die neueste Mode trägt, Gesellschaften gibt und für alles Bedienstete zur Verfügung hat. Denn dieser Junge aus West Point wurde in Boston geboren, bekam seinen ersten Brei mit einem goldenen Löffel in den Mund geschoben. »Sie wollen hier allein in der Wildnis bleiben?«, fragt er schließlich. »Und eine Farm aufbauen«, sagt sie hart. Einer der drei Farmer, die ihre Pferde von den Wagen ausgespannt hatten und mit der Abteilung geritten sind, sagt drängend: »Reiten wir weiter, Lieutenant! Weiter! Unsere Farmen liegen weiter creekabwärts! Vielleicht lebt noch jemand! Wir kümmern uns morgen um diese Frau! Weiter, Offizier!« Der Lieutenant schluckt. Er wirkt etwas hilflos und blickt Jim Ballard an. Der nickt ihm zu. »Sicher, wir müssen weiter, Lieutenant!« »Viel Glück, Madam«, sagt er zu Joyce. Dann reitet er an. Die Abteilung folgt ihm. Die Frau sieht ihnen nach und lauscht auf den allmählich verklingenden Hufschlag. Jim Ballards Bild ist immer noch vor
ihren Augen, und sie hat immer noch den ruhigen Tonfall seiner Stimme im Ohr. »Das war ein Mann«, murmelt sie. »Ich wünschte, Bill wäre von dieser Sorte gewesen.« Dann klettert sie in den Wagen, legt sich neben ihren Sohn auf das Lager und erträgt dann die ständig strömende Flut ihrer tausend Gedanken. Ich bleibe hier, denkt sie immer wieder fest. Ich fordere hier unser Schicksal heraus. Es soll uns beschützen oder endgültig vernichten. Glück oder Unglück sind überall! Ich will die Farm, aufbauen, die Bill nur als Lügengebilde errichtet hatte. Ich will… *** In dieser Nacht wird der so junge und so schneidige und ehrgeizige Lieutenant Clay Benton zu einem jener Offiziere, die beim Anblick eines Apachen stets einen kalten und unbarmherzigen Vernichtungswillen spüren und keine Gnade kennen. Er wird zu einem dieser Offiziere, für die ein Apache nichts anderes als ein böser Wolf ist, den man töten muss. Denn in dieser Nacht erblickt der junge Mann aus Boston, der die Militärakademie in West Point besuchte und dann in das Apachenland versetzt wurde, zum ersten Mal in seinem Leben Tote. Ihr Anblick macht ihn schaudern. Lieutenant Clay Benton erblickt schreckliche Dinge. Bei jeder Siedlerstätte und Farm kann er es sehen: die grausame und böse Art, mit der der Apache mordet. Einmal muss Clay Benton zur Seite gehen. Es wird ihm übel. Als er sich umwendet, tritt Jim Ballard zu ihm. »Diese Tiere«, krächzt der Lieutenant, »diese wilden, grausamen und tollwütigen Tiere! Sie müssen ausgerottet und vom Erdboden vertilgt werden – wie – wie…« Er bricht heiser ab, denn es fehlt ihm der Vergleich, weil
ihm nichts auf dieser Welt schlimm genug erscheint, um es mit den Apachen zu vergleichen. Jim Ballard betrachtet ihn hart. »Sie müssen es anders sehen, mein Junge«, sagt er ruhig und kann im ersten Morgenlicht erkennen, wie bleich der Lieutenant ist und wie seltsam seine Augen glänzen. »Sie müssen es anders sehen, Benton. Natürlich haben die Apachen hier bestialisch Mann, Frau und Kind gemordet und geschändet, aber das ist auch während des Bürgerkrieges von Weißen gemacht worden. Ich habe mal eine kleine Stadt gesehen, die von Oberst Quantrills Guerilla-Bande überfallen und restlos vernichtet wurde. Da sah es nicht viel anders aus. Benton, diese Apachen leben seit vielen Generationen in einem Land, welches grausam, hart und mitleidlos zu ihnen ist. Deshalb sind sie selbst so grausam und mitleidlos. Die Natur und die Lebensbedingungen haben sie so gemacht. Sie mussten so sein, um nicht auszusterben. Und dann kam auch noch der Weiße und begann sie zu vertreiben, zu bekämpfen, zu vernichten, zu betrügen und zu bestehlen. Ich habe es überall gesehen. Auch dieser Indianeragent John Bishop hat sie betrogen. Sie waren rechtlos, fühlten sich ohnmächtig in ihrer Not, verraten, verkauft und sogar zum Tode durch Hunger und Elend verurteilt, obwohl ihnen der Friedensvertrag mit der Regierung große Versprechungen gemacht hatte. Da brachen sie aus! Ihr ohnmächtiger Hass treibt sie nun zu diesen Scheußlichkeiten. Sie wissen genau, dass sie vernichtet werden, dass dies nur eine Frage der Zeit ist. Sie fühlen genau, dass sie dem Untergang geweiht sind. Und doch lieben sie ihr Land, ihre Familien, ihre Kinder. Sie sind irgendwie hilflos ihrem Schicksal ausgeliefert. Und weil sie das wissen, sind sie so schlimm! Sie sehen jeden Tag, wie in ihrem Land all die Lebewesen einander töten. Sie kennen es nicht anders. In ihrem Blut sitzt der Instinkt zu töten, um selbst nicht getötet zu werden. Und das tun sie jetzt mit einer wilden Verzweiflung.
Sie haben nie etwas von Schonung, Duldung und Liebe gehört. So müssen Sie es sehen, Lieutenant!« »Ich soll wohl Verständnis für sie aufbringen, he?« »Verständnis? Nun, das könnten Sie wohl nur, wenn Sie selbst ein Apache wären. Nein, Verständnis kann man wohl nicht verlangen. Ich will Sie nur davor warnen, die Apachen zu hassen. Denn Hass macht blind und taub und führt in die Hölle. Sie müssen die Dinge kalt und nüchtern betrachten. Wenn Sie das nicht tun, wird der Hass Sie bei der ersten Gelegenheit blind in eine Falle rennen lassen. Oder Sie werden Dinge tun, die Sie…« »Reiten wir!«, ruft Lieutenant Clay Benton scharf. »Reiten wir! Ich will an diese Schufte herankommen! Ich will sie vor die Gewehre bekommen! Ich will sie töten! Reiten wir! Sie stehen unter meinem Befehl, Jim Ballard! Führen Sie mich auf dem kürzesten Weg zu Santez. Das ist ein Befehl!« Jim Ballard atmet langsam aus. »Das habe ich befürchtet«, sagt er. »Und Santez wartet gewiss schon auf uns! Sehen Sie!« Er deutet nach Süden. Dort steigt jetzt vom Kamm einer Bergschulter ein schwarzer Rauchpilz auf. »Wir werden schon angemeldet«, sagt er. »Santez hat Beobachter dort auf dem Kamm zurückgelassen. Jetzt weiß er bald, wie viele Blaubäuche ihm auf der Fährte sitzen.« Er wendet sich ab und geht zu seinem Pferd. Die drei Farmer kommen jetzt zum Lieutenant. Es sind harte, starke und zähe Männer. Sie haben ihre Frauen und Kinder in dieser Nacht begraben und standen vor den verkohlten Resten ihrer Anwesen. In dieser Nacht wurden diese drei Männer noch härter und verspüren jetzt einen unmenschlichen Hass. »Wir möchten mit Ihnen reiten, Lieutenant«, würgt der eine hervor. »Wir möchten uns in Ihre Abteilung einreihen.« »Sicher«, sagt Clay Benton. »Ich stelle Freiwillige ein. Denn ich möchte Santez tot am Boden liegen sehen. Ballard,
führen Sie uns! Das ist ein Befehl!« Jim Ballard reitet langsam an. Sergeant Ted Rourke lässt aufsitzen. Dann ertönt bald wieder der klirrende Trab reitender Kavallerie. *** Sie reiten den ganzen Tag durch Hitze, Staub und durch ein Land, welches immer unübersichtlicher wird und tausend versteckte Winkel, Klüfte, Schluchten und Canyons hat. Sie reiten auf Santez’ Fährte, bis die Nacht hereinbricht. Dann rasten sie am Ende eines Canyons. Jim Ballard sagt: »Zündet ruhig Feuer an und kocht ab. Santez weiß genau, dass wir hier sind. Er kann und soll die Feuer ruhig sehen.« Dann legt er sich zurück, rollt sich auf die Seite und schläft sofort ein. Lieutenant Clay Benton hockt neben ihm. Der harte und zermürbende Ritt hat den Lieutenant fast zerbrochen. Nur die alten und erfahrenen Soldaten, die schon seit Jahren für die Armee durch dieses Land reiten, fühlen sich noch nicht restlos erledigt. Der junge Offizier braucht jedoch nur zwei Stunden, um sich wieder erholt genug zu fühlen. Er setzt sich auf und starrt auf die lange und ruhig atmende Gestalt des Scouts neben sich. Zwei Soldaten bringen die Essensportionen. Es gibt wieder Bohnen mit gekochtem Trockenfleisch, das ewige Essen der Armee. Jim Ballard setzt sich auf, nimmt die Blechschüssel und beginnt sofort zu essen. Erst nach einigen Bissen sagt er zur Seite: »Wir reiten gleich weiter, Lieutenant. Alle klirrenden Eisenteile werden umwickelt, auch die Hufe der Pferde. Es darf nicht klirren, Lieutenant! Wir müssen so leise sein wie lautlose
Schatten. Wenn Sie und Ihre Soldaten das nicht können, dann werden wir Santez nur zu Gesicht bekommen, wenn er aus einem Hinterhalt über uns herfällt.« »Ich weiß Bescheid«, sagt der Lieutenant und erhebt sich, kaum dass er richtig gegessen hat. Sergeant Ted Rourke kommt herbei und hockt sich auf die Absätze. »Der Lieutenant ist zu stolz, um dich zu fragen, was du machen möchtest. Aber ich frage dich, he?« »Wir müssen Santez den Weg verlegen«, brummt Jim. »Wir müssen ihn für eine Weile an einen festen Platz binden. Der Lieutenant will einen Kampf. Nun gut, den soll er bekommen! Aber er soll nicht angreifen müssen.« Mehr sagt er nicht. Aber der Sergeant hat ihn genau verstanden. *** Eine gute Stunde später brechen sie auf, und sie führen ihre Pferde langsam durch den Canyon, durch den sie kamen, zurück. Sie biegen in einen Quercanyon ein und sitzen auf. Dann geht es kreuz und quer durch Schluchten. Erst nach drei Stunden kommen sie von Nordosten her auf die wellige Ebene, erreichen eine Hügelkette und biegen von ihrer Südrichtung nach Osten ab. Überall sind hier Hügel, Felsen und Kakteenfelder. Jim Ballard führt sehr vorsichtig. Manchmal lässt er halten und reitet ein Stück voraus. Sie durchreiten das Hügelland, halten sich wieder südwärts. Hinter ihnen wirbelt viel Staub. Man kann ihn im ersten Morgenlicht erkennen. Tiere und Reiter sind erschöpft. Dieser Ritt wird allen Männern noch viele Tage in den Knochen sitzen. Jim Ballard führt nun in einen tiefen Arroyo hinein, in dessen Schutz und Deckung sie sieben Meilen nach Osten
reiten. Als sie dann aus dem trockenen Flussbett reiten, sehen sie die endlose Felswand der Mogollon Mesa vor sich. Ein breites Loch klafft in dieser gewaltig langen Felswand. Es ist der Tonto Canyon. Jim Ballard hält genau auf diesen Canyon zu. Die Reiter folgen ihm und dem Lieutenant, der zusammengesunken und schief im Sattel sitzt, in Doppelreihe. Inmitten des Canyon-Maules gibt es eine Felsinsel. Einige Büsche und verschiedene Arten von Kakteen und Yucca wachsen hier. Jim Ballard hält an, betrachtet prüfend den Lieutenant und sagt krächzend: »Hier ist der Platz, Lieutenant! Hier können Sie Santez ins Gesicht spucken. Denn er muss hier durch diesen Canyon, wenn er hinauf in das Mesa-Land zu den Tontos will.« »Ich verstehe gar nichts, Mister«, krächzt der junge Offizier zurück. Der harte Ritt hat ihn fast zerbrochen. Er ist sicherlich jetzt nicht viel mehr als ein hilfloser Junge, und nicht nur er, der gar nichts mehr versteht und fast aus dem Sattel fällt! Er wendet sich nun um und sagt krächzend zu Sergeant Ted Rourke: »Also los, wir besetzen diese Felsinsel. Lassen Sie absitzen. Gibt es hier Wasser?« Die Frage gilt Jim Ballard. Der deutet auf die Felsen. »Es ist ein Loch dort. Wenn man an einem dreißig Fuß langen Lasso ein Gefäß in das Loch hinunterlässt, dann holt man kühles Wasser herauf. Das Loch ist mit einem Stein, so groß wie ein Mühlen-Mahlstein, zugedeckt. Es ist das Tonto-Loch.« Als er das gesagt hat, grinst Sergeant Rourke und erteilt nun Befehle. Die Reiter sitzen ab, kümmern sich um ihre müden Tiere. Einige folgen Jim Ballard zwischen die Felsen. Er zeigt ihnen den Stein. Als sie ihn wegnehmen, wozu nur zwei Mann nötig sind, weil er innen hohl ist wie der Deckel einer Büchse, da sehen sie das Brunnenloch. Es ist kreisrund und wie von
einem Riesenbohrer in den Felsboden gebohrt. »Das ist es«, sagt Jim. Er öffnet seine Wasserflasche, nimmt seinen Hut ab und leert die Flasche über seinem Kopf aus. Dann wäscht er sich den Staub aus dem Gesicht und streicht die nassen Haare zurück. »Wasser haben wir«, sagt er. »Und Santez wird auch bald kommen.« Der Lieutenant hat sich schon etwas erholt. Er macht mit seiner Wasserflasche das Gleiche wie Jim Ballard. Und das erfrischt ihn noch mehr. Deshalb fragt er wenig später scharf: »Jetzt wird es Zeit, dass Sie mir die Sache erklären, Scout. Sie haben meine Abteilung nicht geschont, und ich habe Ihnen die Führung überlassen. Aber jetzt…« »Es ist ganz einfach«, unterbricht ihn Jim Ballard trocken, und alle Augen sind auf ihn gerichtet. »Es ist so einfach wie ein Pokerspiel mit offenen Karten.« Er deutet nach Westen. »Irgendwo dort lauert Santez auf uns. Aber wir haben gestern Abend die Feuer brennen lassen und ritten einen großen Bogen. Wir waren schneller als Santez’ Erkenntnis. Wir haben ihn umgangen und befinden uns in seinem Rücken. Aber er weiß das schon seit Stunden. Als wir nämlich heute früh nicht aus dem Canyon kamen, sah er nach und folgte uns. Aber unser Vorsprung war zu groß. Santez kommt jetzt auf unserer Fährte. Er wird bald hier sein. Und er muss hier durch diesen Canyon. Er muss! Er könnte es dreißig Meilen weiter nördlich oder zwanzig Meilen südlicher versuchen. Aber weil er gut rechnen kann, wird er es nicht versuchen. Er kann sich nämlich ausrechnen, dass gestern schon die Besatzungen von Fort Apache und Fort Verde ausgerückt sind. Sie kommen gewiss von Süden und von Norden am Fuß des Rims entlang. Er würde auf eine der beiden Abteilungen stoßen, und die sind ihm überlegen. Er muss hier durch diesen Canyon. Er darf
nicht einmal mehr sehr lange warten. Und wir sitzen hier wie ein Korken im Flaschenhals. Wir halten ihn hier auf, Lieutenant. Denn es gehört zu Ihrem Auftrag, dass Sie verhindern, dass er sich mit den Tontos vereinigen kann. Ich weiß nicht genau, wann die Truppen aus Fort Apache oder Fort Verde hier eintreffen können. Es kann in der kommenden Nacht oder morgen früh sein. Ich weiß auch nicht, wie lange die Tontos brauchen werden, um aus dem Mesa-Land herunterzukommen. Ich weiß nur eines: Hier ist die einzige Chance, um Santez für eine Weile aufzuhalten. Ist jetzt alles klar, Lieutenant?« Der nickt. Seine vom Staub geröteten Augen leuchten plötzlich auf. »Danke«, sagt er. »Sie haben gut geführt, Mr Ballard. Ich konnte Ihre Art nicht ausstehen. Aber Sie sind ein guter Armeescout. Well, ich werde Santez hier aufhalten!« Er wendet sich dem Sergeant zu. »Sergeant, diese Felsinsel wird eine Festung. Hier kommt keiner durch. Kommen Sie, Sergeant, damit wir den Männern ihre Stellungen anweisen. Kommen Sie!« Er steckt schon wieder voller Energie und Tatkraft, dieser Junge aus West Point. Er hat alles begriffen. Er kennt jetzt seine Chance und legt auch schon wieder mit Elan los. »Einen Moment noch«, sagt Jim Ballard ruhig. »Yeah?« »Es wird hart werden, Lieutenant. Denn Santez und seine Krieger werden ohne Rücksicht auf Verluste kämpfen. Sie müssen nämlich nicht nur für sich, sondern für ihre Frauen, Kinder, Schwestern und Mütter diesen Weg freikämpfen. Als Santez hinter Sergeant Rourkes Abteilung und mir mit seinen Kriegern losritt, brachen die Frauen und Kinder seines Dorfes gewiss zu den Mesquite-Hügeln auf. Er aber gab dann unsere Verfolgung auf und machte einen Abstecher zum Antone Valley. Dann wartete er auf uns, aber wir umritten ihn. Sein
Stamm aber hat heute die Mesquite-Hügel verlassen und kommt ebenfalls hierher. Er muss den Frauen und Kindern den Weg freikämpfen. Sonst werden diese von der Armee eingefangen. Und deshalb wird Santez verzweifelt angreifen. Es könnte sein, dass wir den Abend nicht mehr erleben. Darauf wollte ich Sie aufmerksam machen, Lieutenant.« »Wir sind Soldaten!«, sagt dieser fest. Und dann geht er mit seinem Sergeant davon, um die müden Männer richtig zu postieren. Jim Ballard aber legt sich in den Schatten eines Felsens. Die drei Farmer vom Antone Creek hocken sich neben ihn. Einer der drei verbitterten Männer sagt heiser: »Mir ist es gleich, ob ich am Abend noch lebe. Mir ist das gleich, wenn ich zuvor nur ein halbes Dutzend dieser roten Kanaillen töten kann. Ich hatte eine gute Frau und drei Kinder. Und sie haben meine Frau und meine Kinder…« Die Stimme versagt dem Mann. Jim Ballard hört es noch. Dann schläft er ein. Er schläft eine volle Stunde tief und fest. Als er sich danach erhebt, holt er sich einen Segeltucheimer voll Wasser aus dem Brunnen. Er wäscht sich damit. Dann bekommt er Zwieback, Rauchfleisch und getrocknete Pflaumen. Er isst bedächtig und begibt sich dann an den Rand der Felsinsel. Prüfend blickt er in die Richtung, aus der er diese Abteilung herangeführt hatte. Sergeant Ted Rourke tritt neben ihn und fragt: »Nun, Lederstrumpf, nachdem du uns so schön zur Schlachtbank geführt hast, kannst du mir sicher auch sagen, ob du die Hundeflöhe schon wittern kannst.« »Du kannst sie sehen, Ted«, brummt Jim trocken. »Dort kommen sie!« Er deutet auf den Arroyo. Sergeant Ted Rourke sieht es sofort. Denn dort reitet soeben Santez mit drei Dutzend Kriegern heraus, und er erscheint wie aus der Versenkung, so, als wäre
das alles eine große Bühne, auf der bald ein blutiges Drama stattfinden wird. »Diese roten Jungs sehen nett aus«, brummt Ted Rourke und wendet sich zur Seite an einen jungen Soldaten, der mit einem Gewehr hinter einem Felsen steht. »Melde dem Lieutenant, dass er Santez bewundern kann.« Jim Ballard blickt indes in eine andere Richtung, nach Südwesten hin, wo in einer Entfernung von etwa zwanzig Meilen die Mesquite-Hügel liegen. Von dort müsste bald der ganze Tross von Santez’ Dorf auftauchen. Aber auch bei diesem Tross werden sicherlich einige Dutzend Krieger sein. Jim Ballard kann im Südwesten noch nichts erkennen, nicht einmal eine Staubwolke. Doch das hat bei Apachen nicht viel zu bedeuten. Sie können dennoch schon sehr nahe sein, wenn es dort Arroyos gibt, in deren Schutz sie marschieren können. Auch Rauchpilze sind nirgendwo auf den fernen Kämmen zu entdecken. Das ist für Jim Ballard ein fast untrüglicher Beweis, dass Santez’ Tross schon sehr nahe sein muss. Rauchsignale sind nicht mehr nötig! Er wendet sich wieder nach Nordwesten und betrachtet Santez und dessen Männer. Die Apachen sehen seltsam aus, denn sie haben am Antone Creek reiche Beute gemacht. Manche Krieger tragen bunte Frauenblusen. Farbige Seidenkleider haben sie zu Schärpen zerrissen. Sie wirken sehr bunt und wie zu einem Maskenball oder Kostümfest geputzt. Aber es ist nichts Lächerliches an ihrem Anblick. Alle Apachen sind untersetzt, breit und muskulös, mit stumpfschwarzen Haaren, die dicht über den Schultern abgeschnitten sind und über denen sie bunte Stirnbänder oder Tücher turbanartig tragen. Sie haben breite Gesichter. Bewaffnet sind sie gut. Sie haben in der Reservation und am Antone Creek gute Beute machen können. Sie sind zum Teil sogar besser bewaffnet als die Soldaten, denn die Gewehre der Armee sind nicht vom neuesten Modell.
Lieutenant Clay Benton tritt neben Jim Ballard und betrachtet einige Atemzüge lang die wilde Horde. Dann sagt er fest: »Bei Gott, ich werde Santez töten! Ihn und seine Schufte werde ich töten! Wird Santez angreifen, Scout?« »Er hat wenig Zeit«, murmelt Jim Ballard. »Aber er wartet noch. Er zeigt sich nur mit seinen Jungs in aller Pracht. Er weiß genau, dass er fast doppelt so stark ist, wie wir es sind.« »Wenn unsere Pferde nicht so erschöpft wären, dann würde ich mit meiner Abteilung hinausreiten und ihn beim ersten Angriff erledigen«, sagt der Lieutenant. Jim Ballard schüttelt nur sanft den Kopf. Sergeant Ted Rourke stößt tief in seiner Brust ein seltsames Grollen aus. Dann sagt Jim ruhig: »Lieutenant, wenn Sie das wagen sollten, dann sind Sie und Ihre Männer sehr schnell tot. Es wäre genauso, als würden zwanzig Jagdhunde drei Dutzend Wölfe angreifen. Unsere Chancen sind selbst dann noch kümmerlich genug, wenn wir hier in Deckung bleiben. Aber das werden Sie bald wissen. Wenn Sie nach dem ersten Angriff noch leben, dann werden Sie es wissen.« Nach diesen Worten beobachten sie Santez und dessen Horde schweigend. Die Apachen halten immer noch dort, wo sie aus dem Arroyo kamen. Sie haben eine Kette gebildet und sitzen ruhig auf ihren Pferden. Ja, es ist ganz klar, dass sie auf etwas warten. Jim Ballard wendet sich plötzlich um und blickt zum oberen Rand der Mogollon Mesa hinauf, der hier vom Tonto Canyon durchbrochen wird. Doch er kann nichts entdecken. Die Tontos sind anscheinend noch nicht zur Stelle. Als er sich umwendet und nach Südwesten blickt, da sieht er, auf was Santez gewartet hat. Ja, dort taucht jetzt der Tross auf. Dort kommt der lange Zug von Kriegern, Alten, Frauen, Kindern. Sie haben nur
wenige Pferde bei sich. Immer mehr tauchen aus einem Arroyo auf. Zuletzt sind es mehr als zweihundert. Sie halten bald darauf an. Die Krieger lösen sich von diesem Tross, und auch sie kommen in einer breiten Kette heran, zu Fuß und zu Pferd. »Jetzt wissen Sie es, Lieutenant«, brummt Jim Ballard. »Santez hat auf den Rest seiner Krieger gewartet. Nun hat er rund sechzig Mann. Und jeder Apache, der angreift, hört erst damit auf, wenn er tot ist.« Nach diesen Worten zieht Jim Ballard seine beiden Colts und untersucht deren Ladung. Der Lieutenant starrt noch hinüber, überlegt und nagt an seiner Unterlippe. Nun verspürt er doch eine wachsende Unsicherheit, denn er beginnt zu ahnen, dass seine Erfahrung jämmerlich ist und die ihm auf der Schule eingepaukten Dinge über Kriegstaktik, Kampfführung und Strategie hier keine drei Cent wert sind. Er erinnert sich jetzt bitter daran, dass es in West Point keine Vorlesungen über die Kampfweise der Apachen gab. Dafür weiß er jedoch, wie Napoleon seine Schlachten schlug. Aber dieses Wissen nützt ihm jetzt nichts. Er wendet den Kopf und blickt Jim Ballard fragend an. Der nickt ihm zu. »Fein«, sagt er, »dass Sie was wissen wollen, Lieutenant. Manche Jungen von Ihrer Sorte sind zu stolz dazu. Nur wenige begreifen, dass sie was lernen müssen in diesem Land. Nun gut! Santez wird uns schnurgerade angreifen. Seine Krieger werden dann aber dicht vor uns rechts und links ausbiegen, die ganze Felseninsel umklammern und von allen Seiten zwischen die Felsen kommen. Es wird dann ein Kampf Mann gegen Mann werden. Passen Sie auf, Lieutenant! Sehen Sie, was die Frauen, Kinder und die Alten dort drüben machen?« Clay Benton starrt hinüber. Santez’ Tross ist jetzt näher gekommen. Sie haben einen Viertelkreis gebildet, und sie haben den leichten Wind, der von den Mesquite-Hügeln über die wellige Ebene kommt, im Rücken.
Der Boden ist pulvertrocken und staubig. Ein Mensch versinkt bis zu den Fußknöcheln im pudertrockenen und feinen Staub. Der Lieutenant kann den Kummer jedoch noch nicht ahnen. Aber sein Sergeant sagt es ihm jetzt. »Sir«, murmelt Ted Rourke sanft, »diese zweihundert Frauen, Kinder und Alten werden jetzt den Staub aufwirbeln wie eine verrückt gewordene Büffelherde. Der Wind wird diese Staubwolke zu uns bringen. Und wenn sie dicht genug ist, dann wird Santez mit seinen Kriegern angreifen. Das ist alles.« Der junge Lieutenant schluckt, und er denkt wieder daran, dass er in West Point nichts von Apachenstrategie gelernt hat. Wenig später sieht er dann, wie Santez’ Tross den Staub aufwirbelt. Jeder dieser Indianer, und sogar die ganz kleinen Kinder, die kaum allein laufen können, gebärden sich wie Verrückte. Sie wirbeln wirklich den knöcheltiefen Staub auf wie eine Büffelherde in der Stampede. Und der Wind treibt diesen dichter und dichter werdenden Staub heran. Jim Ballard aber sagt hart und trocken: »Jetzt kommt Santez!« Als er es gesagt hat, vergehen etwa dreißig Sekunden, und der Lärm, den die »Staubaufwirbler« machen, ist unbeschreiblich. Die Frauen und Kinder heulen wie alle Teufel der Hölle, und dieses Geheul treibt Santez und seine Krieger an. Von diesen hört man nichts. Aber sie kommen dennoch. Die Sicht ist kaum vierzig Yards weit. Dann sind die Apachen plötzlich da. Sie sind zu Fuß, denn sie gehören ja nicht zu den ausgesprochenen Reitervölkern der Nordprärie. Sie gleiten dicht über den Boden wie huschende Schatten durch den dichten Staub. »Schießt und kämpft, Männer!«, ruft der Lieutenant und sucht sich das erste Ziel für seinen langen Armee-Revolver.
Und dann bricht die Hölle los! Lieutenant Clay Benton hielt sich bis zu dieser Minute für einen vortrefflichen Revolverschützen. Aber als er mit dem vierten Schuss immer noch nicht trifft, ist er schon fast verzweifelt. Es ist, als versuchte er die huschenden Schatten von Vögeln zu treffen. Überall krachen jetzt die Gewehre der Soldaten. Dann tauchen zehn Yards vor dem Lieutenant plötzlich ein halbes Dutzend Apachen auf. Jetzt kann er sie in dem wirbelnden Staub gut erkennen. Plötzlich bellen dicht neben dem Lieutenant zwei Colts auf. Die Schüsse fallen unheimlich schnell, es ist kaum eine Pause zwischen ihnen. Der Junge aus West Point sieht plötzlich, wie die Apachen alle umfallen oder mitten im Ansturm aufgehalten werden, als würden sie gegen eine unsichtbare Wand rennen. Clay Benton wirft einen raschen Blick zur Seite, und nun sieht er, wie ein Texasmann mit zwei Colts umgeht. Jim Ballard schießt aus den Hüften heraus. Er stößt seine beiden Waffen immer wieder wie riesengroße Zeigefinger auf das Ziel. Dabei schießt er unaufhörlich und ohne Pause. Und die Apachen fallen. Clay Benton stößt unwillkürlich einen Schrei aus. Er schießt nun auch seinen Armee-Revolver leer. Und mit dem letzten Schuss tötet er zum ersten Mal einen Menschen. Doch für ihn ist dieser Apache nichts anderes als ein wildes Tier. Dann lädt er seinen Revolver neu. Aber er hat erst drei Patronen neu laden können, als Jim Ballard schon wieder beide Waffen neu geladen hat. Und das ist auch gut. Denn es kommen jetzt wieder Angreifer und versuchen es. Jim Ballard beginnt sofort zu schießen. Plötzlich aber bewegt er sich vorwärts. Clay Benton hat nun seine Waffe aufgeladen und folgt ihm. Er vergisst ganz, dass er Offizier dieser Abteilung ist und seine Leute sich überall nun Mann gegen Mann in einem schlimmen
Abwehrkampf befinden. Mit Kommandos und Befehlen ist hier auch nichts mehr zu lenken oder zu beeinflussen. Hier auf der Felseninsel inmitten des Canyon-Eingangs, da kämpft jetzt jeder Mann allein um sein Leben. Clay Benton folgt also Jim Ballard, der plötzlich vorwärts stürmt. Er folgt ihm wie in einem wilden Rausch. Zwei, drei, vier Apachen versperren ihnen den Weg, aber Jim Ballard ist mit seinen beiden Colts ein furchtbarer Kämpfer. Er schießt alles blitzschnell zusammen, was sich ihm in den Weg stellt oder ihn von der Seite anspringen will. Nur einmal drückt der Lieutenant ab und trifft den zweiten Apachen, er tötet also den zweiten Menschen. Das verschafft ihm eine wilde Befriedigung. Er stößt einen lauten Ruf aus. Plötzlich kommt er hinter Jim Ballard aus dem Staub heraus. Und da sieht er Santez. Jetzt weiß er plötzlich, warum Jim Ballard vorwärts gestürmt ist. Denn dort wartet Santez zu Pferd auf den Erfolg seiner Krieger. Santez zögert einen Augenblick. Als er Jim Ballard auftauchen sieht, treibt er das Pferd sofort an und reitet auf den Scout zu. Dabei drückt er einarmig das Gewehr auf Jim ab, doch die Kugel zupft nur an Jims Schulterspitze. Als der Apache ihn überreiten will, trifft er dessen Pferd. Es fällt auf beide Knie, und Santez dreht über den Kopf des Pferdes hinweg einen Salto. Er rollt sich jedoch geschmeidig wie eine Katze über den Boden, springt wieder auf und hält nun das lange Messer in der Hand. Plötzlich erstarrt er. Denn nicht nur er hört jetzt ganz plötzlich das schmetternde Angriffsignal einer hellen Trompete. Dieses Signal kommt aus der Richtung, in der die Truppe aus Fort Apache kommen muss. Jim Ballard aber springt vorwärts. Santez sticht nach ihm, aber er schlitzt nur das Hemd des Scouts auf. Dann bekommt er einen Fußtritt und den Revolverlauf wie eine Eisenstange über
den Kopf – einmal, zweimal. Er fällt vor Jim Ballards Füße. Lieutenant Clay Benton tritt stolpernd heran und krächzt: »Du lieber Himmel, was ist das?« »Warum haben Sie Ihre Abteilung verlassen, Junge?«, ruft Jim Ballard heiser. »Ich habe Sie nicht eingeladen, als ich losging, um Santez zu holen.« Nach diesen Worten beginnt er wieder zu schießen, denn die Apachen kommen jetzt zurück. Sie alle haben das Trompetensignal vernommen. Nun lösen sie sich von der Felseninsel und kommen durch den wirbelnden Staub. Auch Clay Benton schießt nun, und jetzt kann er auf diese schnellen Angreifer schon besser schießen. Der Boden bebt unter dem Galopp angreifender Kavallerie. Ein bärtiger Offizier und eine Reihe von Soldaten tauchen auf. »Hoooiii, Gelbhaar-Jim!«, brüllt der Offizier und ist auch schon vorbei. Es kommen noch mehr Soldaten. Sie reiten in den wirbelnden Staub hinein. Der Kampflärm schwillt noch einmal an. Dann bläst der Wind den Staub fort. Jim Ballard steht immer noch über Santez. Er lädt seine Colts nach. Clay Benton tritt zu ihm. Er will etwas sagen, doch er bringt kein Wort heraus, nur ein heiseres Krächzen. Jim Ballard nickt ihm zu. »Glück gehabt, Junge! Heute sind Sie etwas hartgebrannt worden. Beim nächsten Mal wird es für Sie leichter sein. Nun kennen Sie sich schon etwas aus. Als ich die Trompete zum ersten Mal hörte, da ging ich los, um Santez zu holen. Ich rechnete mir aus, dass die Jungs aus Fort Apache rechtzeitig kommen würden. Und nun haben wir Santez.« »Ich – ich – habe das erste Trompetensignal gar nicht gehört«, krächzt der Lieutenant. »Als Sie losgingen, Jim, da musste ich Ihnen ganz einfach folgen. Ich weiß nicht…« »Schon gut, Clay«, sagt dieser. Dann blickt er auf eine Reitergruppe, die herangeritten kommt.
Er steckt seine Colts weg und blickt einen Offizier an, der über seiner Feldbluse eine mit Fransen besetzte Lederjacke trägt. Als der bärtige Offizier bei ihm verhält und ihm zunickt, da sagt Ballard ruhig: »Das ist Santez, General!« »Gute Arbeit, Jim«, erwidert General Crook, denn dieser ist es höchstpersönlich. »Gute Arbeit, Jim«, wiederholt er und blickt dann Lieutenant Clay Benton an. Der versucht eine Meldung zu machen, doch der General winkt ruhig ab. »Schon gut, mein Junge«, sagt er. »Als ich als junger Lieutenant meinen ersten Kampf hinter mir hatte, da fühlte ich mich sehr elend. Sie werden mir später Ihren Bericht erstatten, Lieutenant.« Clay Benton schluckt, würgt und grüßt dann. Er wendet sich um und läuft davon, um sich um seine Leute zu kümmern. Er weiß, dass viele von ihnen tot sein werden. Er weiß auch, dass er heute ein Mann geworden ist. General Crook blickt auf Jim und dann auf Santez. Crook ist ein mittelgroßer Mann, untersetzt und bärtig. Er ist der Oberkommandierende in diesem Territorium, und seine Aufgabe ist es, die Apachen zu befrieden, sie ruhig zu halten und die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieses Arizona-Territorium besiedelt werden kann. Doch diese Aufgabe ist ein schweres Stück Arbeit für einen General. Ist das Arizona-Territorium doch fast so groß wie die heutige Bundesrepublik Deutschland. General Crook betrachtet Santez bitter. »Wahrscheinlich wird er am Halse aufgehängt werden«, sagt er rau. »Er hat den Frieden gebrochen und hat getötet. Ich bin sicher, dass ihn das Kriegsgericht hängen wird.« Jim Ballard schüttelt den Kopf. »Es wäre wieder einmal ein großes Unrecht«, sagt er dann scharf. »Santez und sein Stamm wurden belogen, betrogen und
bestohlen. Sie hungerten schon seit Monaten, und sie bekamen nur einen winzigen und überdies noch schlechten Bruchteil von all den Dingen, die ihnen ihr Friedensvertrag mit der Regierung zugesichert hat. Sie wurden betrogen. Wenn ich Santez wäre, wäre ich ebenfalls verzweifelt gewesen. Ich hätte mir an seiner Stelle auch keinen anderen Rat gewusst. Natürlich hat er getötet und schlimme Dinge verübt. Doch der Anlass dazu war ein schmutziger und betrügerischer Indianeragent. Dieser Mr John Bishop müsste aufgehängt werden. Doch er ist schon tot. Was geschehen ist, kommt zuerst auf John Bishops Konto. Hören Sie, General! Ich brachte eine Treibherde zur Reservation. Es war eine kümmerliche Herde. Sie bestand nur aus Haut und Knochen. Aber für John Bishop waren es nicht zweihundertsiebenundfünfzig magere Rinderskelette, sondern dreihundertzehn beste Fleischrinder. Auf seiner Waage wog ein Kilo Fleisch zweitausend Gramm oder noch mehr. In Bishops Abrechnung an das Indianerbüro stimmt gewiss alles. Nach diesen Abrechnungen haben die Indianer gewiss nur das Beste vom Besten und dazu noch reichlich erhalten. Aber sie bekamen einen Dreck. Sie hungerten und darbten. Sie wurden betrogen und beraubt. Dies ist eine verdammt schmutzige Geschichte, General. Sie stinkt gen Himmel. Ich kann Santez gut verstehen. Ich hätte an seiner Stelle nicht anders gehandelt. Zum Teufel, warum kann man die Indianer in den Reservaten nicht anständig behandeln? Warum muss man sie immer wieder betrügen? Warum gibt es so wenig ehrliche Indianeragenten? Wir erleben es doch immer wieder, dass…« »Schon gut, mein Junge«, unterbricht ihn General Crook und blickt ihn seltsam an. »Wir werden uns noch darüber unterhalten. Ja, wir werden uns noch gründlich darüber unterhalten.« Er wendet sich zur Seite und nickt einem Sergeant zu. »Nehmen Sie Santez fest, Sergeant. Legen Sie ihm Ketten an und allen seinen Kriegern.«
Der bärtige Offizier, der zuerst auf der Bildfläche erschienen war und Jim Ballard zugerufen hatte: »Hoiii, Gelbhaar-Jim!«, kommt herangeritten. Er salutiert vor General Crook und meldet: »Es ist erledigt, General! Santez hat große Verluste gehabt. Nur wenige seiner Krieger konnten entkommen. Wir haben all seine Frauen, Kinder und Alten. Bis auf wenige Krieger, die entkommen sind, und bis auf die Toten haben wir sie alle wieder eingefangen. Dieser Lieutenant Clay Benton hat jedoch starke Verluste. Neun Tote und sieben Verwundete. Es war ziemlich hart, General.« Der nickt. »Aber es musste sein«, murmelt er. »Santez musste schnell und gründlich erledigt werden. Er musste aufgehalten werden, bis wir zur Stelle waren. Denn in Freiheit hätte er gewiss mehr als hundert Weiße, Siedler und noch viele Soldaten getötet. Es wäre ein langer und schlimmer Feldzug geworden, wenn er sich mit den Tontos vereinigt hätte. Ich bin zufrieden.« *** Es ist spät am Abend, als General Crook Jim Ballard zu sich rufen lässt. Der General sitzt vor seinem Zelt unter einer Laterne. Vor ihm auf dem Klapptisch liegen die Berichte von Jim Ballard, Sergeant Ted Rourke und Lieutenant Clay Benton. Der bärtige Captain David Benham, Major Jeffrey Trent und einige andere Offiziere sitzen rechts und links neben dem General. Jim Ballard setzt sich auf den noch freien Klappstuhl und blickt den General an. Crook raucht eine dicke Zigarre. »Ich habe Santez und einige andere Indianer vernommen«, sagt er. »Und deren Aussagen decken sich mit Ihren, Jim, und mit den Aussagen des Sergeant Rourke. Santez und sein Stamm sind von dem Indianeragenten John Bishop sehr übel
betrogen worden. Ich werde hinter all diese Dinge noch sehr dahinter haken. Ich werde mir all die Burschen vornehmen, die für John Bishop Waren lieferten. Ich bekomme den ganzen Betrug schon bis auf die kleinsten Dinge heraus. Ich werde einen genauen Bericht an die Regierung machen. Die Leute vom Indianerbüro in Washington werden sich für diese Sache sicherlich im Weißen Haus vor dem Kongress verantworten müssen. Bis jetzt durfte sich die Armee nicht in die Kompetenzen des Indianerbüros einmischen, nicht in die Verwaltung der Reservate. Wir durften nur eingreifen, wenn die Indianer Krieg machten, und uns oblag die Sicherheit aller Wege und Straßen. Nun aber wird es anders werden! Wir haben auf solch eine Handhabe nur gewartet. Nun werden wir durchsetzen, dass die Armee Einfluss auf die Ernennung der Indianeragenten bekommt und diese kontrollieren darf. Das werden General Sheridan, ich und unsere Freunde im Senat nun gewiss durchsetzen können. Ich glaube, es wird in Zukunft nicht mehr geschehen, dass Indianer aus ihren Reservaten ausbrechen, nur weil sie betrogen werden und sich ein Schuft an den Geldern, die für sie bestimmt sind, bereichern will. Das wird anders, Jim Ballard, und es wird nicht nur der Armee dadurch viel Kummer erspart bleiben.« Er macht eine Pause, betrachtet Jim Ballard sorgfältig, so als müsste er diesen prüfen, um eine besondere Entscheidung treffen zu können. Dann sagt er ruhig: »Jim, ich kenne Sie sehr gut, und ich weiß deshalb, dass Sie großes Verständnis für die Indianer haben. Dennoch taten Sie stets als Chefscout von Fort Apache Ihre Pflicht, wenn es gegen die Apachen ging. Sie sind zwar irgendwie ein Apachenfreund, aber zuletzt doch immer ein weißer Mann. Jim, dieses Land steht vorerst noch unter Kriegsrecht. Für die nächste Zeit hat jetzt die Armee zu bestimmen, was hier gemacht wird. Bis sich die Regierung und der dafür zu bestimmende Ausschuss entschieden haben, was
zu tun ist, bestimme ich erst einmal. Nun gut, Jim! Jetzt frage ich Sie, ob Sie den Posten eines vorläufigen Indianeragenten übernehmen wollen. Ich übergebe Ihnen Santez’ Stamm. Sie ziehen damit in das Reservat zurück und fangen noch einmal von vorne an. Sie übernehmen John Bishops Posten, und ich werde dafür sorgen, dass auf dem Konto des Reservats in Tucson genügend Mittel vorhanden sind, damit Sie wieder alles aufbauen und für den Stamm sorgen können. Sie bekommen jede Hilfe, Jim, die Sie haben wollen. Wollen Sie den Posten annehmen? Ich brauche einen guten Mann, der Verständnis für die Indianer hat, der gerecht ist und der das Vertrauen der Armee besitzt. Und das sind Sie, Jim. Also?« *** Jim Ballard geht an den Posten vorbei und zu den Gefangenen hinüber. Diese starren ihn an. Ihre breitflächigen Gesichter sind starr und unbeweglich. Nur ihre dunklen Augen glühen, und es ist nicht das Glühen einer wilden Wut und Mordlust. Diese Männer glauben, dass sie bald sterben müssen. Sie verspüren Schmerz. Denn auch sie sind Menschen mit Gefühlen. Auch sie haben Frauen und Kinder. Jim Ballard hält vor Santez an, der zusammengekauert am Boden hockt und bewegungslos zu ihm hochblickt. Jim hockt sich auf die Absätze. Er spricht Santez’ Sprache fast wie ein geborener Apache, und er sagt: »Es ist bitter, nicht wahr, Santez?« Der blickt ihn seltsam an, sehr bitter und traurig. »Wenn es dich nicht gäbe, Gelbhaar«, sagt er schließlich kehlig, »dann wären wir den vielen Blaubäuchen aus Fort Apache entkommen. Du allein hast uns besiegt. Du entkamst uns, als wir dich verfolgten. Und dann verlegtest du uns hier den Weg zu den Tontos! Die Tontos sind nun dort oben.« Er hebt den Kopf und deutet mit dem Kinn zum oberen Rand des
Mesa-Landes hinauf. »Sie sind dort oben, aber sie wagen es nicht, euch anzugreifen. Wir haben verloren. Wir sind gefangen und werden bald tot sein. Du hast uns besiegt, Gelbhaar. Vielleicht sollten wir dich hassen. Ja, ich glaube, ich hasse dich sehr. Denn du bist schuld daran, dass wir nicht in Freiheit, sondern elendig in Gefangenschaft sterben werden. Der Apache ist rechtlos.« »Nicht mehr, Santez, nicht mehr«, sagt Jim Ballard ruhig. »Der Agent des Reservats hat euch betrogen. Er hat euch hungern lassen und war ein Schurke. Doch nun wird es anders, denn ich werde jetzt für deinen Stamm sorgen. Ich werde euer Vater sein. Und deine Mescaleros werden bekommen, was ihnen zusteht. Ich werde tun, was ich kann. In zwei oder drei Jahren wird jede Familie oder Sippe ein gutes Haus und Acker und Felder haben, Vieh und alles, was weiße Siedler ebenfalls besitzen. Ich sorge dafür.« Santez und die anderen Gefangenen werden nun doch etwas aus ihrer bitteren und resignierten Bewegungslosigkeit gebracht. Sie bewegen sich unruhig und sie murmeln durcheinander. Doch dann sagt Santez kalt: »Kein weißer Mann redet die Wahrheit! Wir haben schon genug schöne Worte gehört, immer wieder! Und immer wieder wurden wir betrogen. Der Apache ist rot! Wer rot ist, der ist rechtlos! Gelbhaar, wir glauben dir nicht!« Jim Ballard erhebt sich. »Vielleicht«, sagt er, »wirst du nicht so schlimm bestraft werden. Vielleicht kehrt ihr eines Tages heim. Dann werdet ihr es sehen. Ihr werdet sehen, was ich euch hier versprochen habe.« Er wartet auf eine Antwort. Aber er erhält keine. Er spürt nur die ganze Bitterkeit und die ganze Verachtung der roten Männer. Da geht er davon.
Und wenn er nicht schon zuvor entschlossen gewesen wäre, jedes Wort, das er versprach, wahr zu machen, so wäre er jetzt dazu entschlossen. Denn ein weißer Mann von Jim Ballards Art erträgt Verachtung solcher Art nicht. Zum Glück gab es in Amerika Männer von Jim Ballards Sorte. Denn sonst wären die Indianer damals ausgestorben. *** Joyce Haynes erlebte in ihrem Leben schon so manche harte Zeit, aber am zweiten Tag nach ihrer Ankunft weiß sie, dass es hier besonders hart werden wird. Aber sie gibt nicht auf und arbeitet jeden Tag von früh bis zum Einbruch der Nacht. Sie ist eine Frau, die sich zu helfen weiß, die fest zupacken kann und die über gewisse handwerkliche Kenntnisse verfügt, um die sie so mancher Mann beneiden könnte. Doch als sie am Nachmittag des vierten Tages die wieder aufgebaute Hütte betrachtet, da sieht sie ein ziemlich klägliches Werk. Es ist eine erbärmliche Hütte, noch jämmerlicher, als sie es zuvor schon war. Joyces Zorn auf Bill Haynes ist wieder da. Von dem Geld, welches sie ihm im Laufe von zwei Jahren geschickt hatte, hätte Bill Haynes ein festes Haus mit Nebengebäuden, Ställen und allerlei andere Dinge bauen können. Aber alles, was Joyce vorfand, war nur ein dürftiges Obdach, ein jämmerlicher Unterschlupf für einen Mann, der zu nichts taugte, der keine Ziele und Pläne hatte und der durch das Land ritt und Pferde stahl, Poker spielte und sich immer wieder betrank. Der kleine Tom jedoch ist stolz. »Mom«, sagt er, »diese Hütte ist prächtig. Sie wird stehen, bis ich groß genug bin und uns ein richtiges Haus mit drei Räumen bauen kann.« »Sicher, Tom, sicher«, sagt sie. »Du wirst ein großer und
tüchtiger Mann werden. Und du wirst hier auch genügend Land haben. Morgen legen wir einen Garten an. Und dann ein Feld. Wir haben genügend Saatgut mitgebracht. Wir werden es schon schaffen.« Sie schluckt und zwingt ihre Tränen zurück. Sie blickt sich um. Einige Hühner picken in der Nähe herum. Es sind Hühner aus der Nachbarschaft. Sie gehörten jenen Siedlern, die hier am Antone Creek lebten und die nun tot sind. Auch einige Schafe sind vorhanden. Joyce hat sie gestern in den Corral getrieben. Doch sie weiß natürlich nicht, ob sie die Tiere behalten kann. Vielleicht treiben sich sogar auch noch Milchkühe in der Gegend herum. Aber das wird sich alles finden. »Heute werden wir die Fertigstellung unserer Hütte feiern«, sagt sie. »Ich mache gute Pfannkuchen, und wir haben auch noch Ahornsirup.« »Fein, Mom! Das ist prächtig!« Tom ruft es zufrieden, und er ist noch ein kleiner Junge, der das Leben nimmt, wie es kommt, und der allen Kummer und alle Sorgen schnell vergessen kann. Bevor Joyce in die Hütte geht, blickt sie sich noch einmal um. Und dann entdeckt sie einen Reiter, der am Creek entlang angeritten kommt. Sie erkennt Jim Ballard. Mit einem Male wird ihr klar, dass sie jeden Tag mehrmals an diesen Mann gedacht hatte. Nun kommt er also zu Besuch. Sie wird sich darüber klar, dass sie mit einem Mal ein gutes Gefühl verspürt, ein Gefühl der Erleichterung. Sie fühlt sich plötzlich nicht mehr ganz so einsam, verlassen und vergessen. Denn da kommt ein Mann, um nach ihr zu sehen. Sie wartet ruhig, bis er sein Pferd verhält und absitzt. Tom blickt dem großen Mann neugierig entgegen. Jim nickt ihm zu. »Beim letzten Mal hast du im Wagen wie ein Bär geschnarcht, Cowboy«, sagt er. »Jetzt sehe ich dich.
Und du wirst deiner Mutter gewiss eine prächtige Hilfe sein.« »Es geht«, sagt Tom ernst. »Ich bin noch ziemlich klein. Aber ich wachse jeden Tag ein Stück!« Er sagt es forsch und blickt Jim Ballard neugierig an. »Habt ihr die verdammten Indianer besiegt?«, platzt er dann heraus, denn er hatte natürlich von seiner Mutter gehört, dass damals Soldaten gekommen und wieder fortgeritten waren. Er weiß auch, dass diese Soldaten von einem blonden Scout geführt wurden. Joyce sagt ruhig: »Du sollst nicht fluchen, Tom.« Jim nickt ernst. »Yeah, die Apachen sind besiegt. Santez ist gefangen.« »Wer hat Santez gefangen?«, fragt der Kleine schnell. Jim Ballard zögert. Dann murmelt er: »Ich hatte etwas Glück, Tommy! Santez fiel vom Pferd und vor meine Füße. Da konnte ich ihn leicht gefangen nehmen.« Er richtet seinen Blick nun auf Joyce, und er sieht sie lange an. Heute sieht er sie im letzten Schein der Sonne, und nun kann er besser sehen, was er damals in der Sternennacht nicht ganz genau erkannte. Sie ist eine prächtige Frau, groß, stattlich und mehr als hübsch. Sie gefällt ihm. Aber das hat er schon vor vier Tagen in der Nacht gewusst. Er blickt sie also ruhig an. »Danke«, sagt sie, »dass Sie nach uns sehen. Aber Tom und ich, wir kommen schon zurecht. Und wir werden wohl auch nicht lange allein hier am Antone Creek sein. Bald werden neue Siedler kommen. Sicherlich werden wir bald Nachbarn haben.« Er nickt leicht. »Das mag sein«, erwidert er. »Aber dieses Land ist voller Gefahren. Gewiss, wir haben Santez ausgeschaltet. Seine Krieger sind tot, verwundet, vertrieben oder gefangen. Auch sein ganzer Tross von Frauen, Kindern und Alten ist eingefangen und wird zum Reservat
zurückgebracht. Aber die Tontos vom Mesa-Land sind noch nicht befriedet. Sie könnten eines Tages wieder morden und plündern. Sie könnten auch eines Tages zum Antone Creek kommen. Es reiten Verlorene, Geächtete, Gejagte durch das Land. Es ist voller Banditen, die vor dem Gesetz flüchten mussten und die manchmal schlimmer sind als wilde Indianer. Madam, hier ist ein schlechter Ort für Sie.« Joyce schluckt mühsam und blickt Jim fest in die Augen. »Wenn es das Schicksal will, ist jeder Ort gut oder schlecht«, sagt sie herbe. »Hier habe ich eine Hütte und ein Stück Land. Ich habe noch etwas Geld, einen Wagen und einige Vorräte. Ich möchte mein Glück versuchen und meinem Jungen etwas aufbauen. Eines Tages wird er ein Mann sein und kann aus einer kleinen Siedlerheimstätte eine Ranch machen. Ich will es versuchen.« Jim Ballard blickt in die Hütte. Er erkennt mit einem einzigen Blick ihre Jämmerlichkeit. Bitter schüttelt er den Kopf. »Sie sind enttäuscht von den Menschen, Joyce«, sagt er. »Sie haben genug von der so genannten menschlichen Gemeinschaft. Sie wollen in der Einsamkeit bleiben. Ich kann das verstehen. Sie haben keinen Mut mehr, es unter den Menschen noch einmal zu versuchen.« »Nein«, sagt sie herb. »Ich habe genug!« Sie blickt ihn dabei seltsam an, und er versteht, dass sie nicht über all die Dinge sprechen will, weil der kleine Junge zuhört. Aber er weiß, wie schwer es in diesem Lande eine allein stehende Frau hat. Jeder Mann glaubt, sie wäre auf seine Hilfe angewiesen, zumal sie auch noch für einen Sohn zu sorgen hat. Jeder Mann, dem sie gefällt – und sie gefällt bestimmt allen Männern –, bedrängt sie gewiss auf jede nur mögliche Art, verspricht ihr den Himmel und jede nur mögliche Hilfe und erwartet dafür Entgegenkommen und Bezahlung. Und das ist dann stets eine Beleidigung.
Jim Ballard nickt. »Ich weiß«, sagt er nur, »ich weiß.« Aber er versucht es dennoch. Er muss es einfach tun. »General Crook hat mich zum neuen Indianeragenten ernannt«, sagt er unbeholfen. »Bis auf die Krieger wird sein Stamm in das Reservat zurückgebracht. Ich habe für mehr als zweihundert Frauen, Kinder und Alte zu sorgen. Sie waren rechtlos und wurden betrogen und belogen. Deshalb brachen sie damals aus. Sie hungerten und fühlten sich zum Untergang verurteilt. Ich aber will ihr Vertrauen gewinnen. Ich will ihnen das Gefühl der Rechtlosigkeit nehmen. Ich will nach bestem Können und Gewissen alles erfüllen, was ihnen der Friedensvertrag versprochen hat. Wenn ich das schaffe, werden sie nie wieder in wilde Verzweiflung ausbrechen und Amok laufen. Ich will sie zu richtigen Bürgern machen. Sie sollen sesshaft werden und eines Tages aus eigener Kraft für sich sorgen können. Wenn ich das schaffe, so wird sich das herumsprechen. Die jetzt noch wilden Stämme, die immer wieder Krieg führen, werden an das Wort der Regierung zu glauben beginnen. Dann wird nicht mehr getötet werden. Für dieses Territorium beginnt dann eine neue Zeit. Die Entwicklung des Landes wird nicht mehr durch blutige Unruhen und Kriege gestört.« Er verstummt, fast erschrocken, denn es wird ihm klar, dass seine Worte viel von seiner Begeisterung für eine Sache verrieten. Joyce betrachtete ihn aufmerksam. Sie weiß jetzt schon viel mehr über ihn, als er mit Worten auszudrücken vermochte. Aber sie sagt nur: »Sie wollen also den Indianern helfen? Sie wollen die misstrauischen Apachen zu der Überzeugung bringen, dass sie Rechte haben und nicht alle Weißen schlecht zu ihnen sind? Nun gut, Jim Ballard. Vielleicht schaffen Sie es. Viel Glück!« Er schüttelt fast ärgerlich den Kopf. »Helfen Sie mir!«, sagt er plötzlich schlicht.
Ihr Staunen ist sehr groß. Sie tritt unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wie soll ich das verstehen?«, fragt sie. »Zu jedem Reservat gehört ein großer Store«, sagt er. »Jede Indianerfamilie hat ein Guthaben und kann bis zur Höhe dieses Guthabens Waren, Proviant und alle nötigen Dinge des Lebensbedarfs aus dem Store beziehen. Führen Sie für das Reservat den Store, Madam. Helfen Sie mir, für die Indianer zu sorgen und sie zu beraten. Sie tun das als Angestellte der Regierung. Ich biete Ihnen einen Job an, Joyce Haynes!« »Warum?«, fragt sie hart. Er hebt die Schultern. »Ich habe ein ganzes Dutzend Gründe«, sagt er schließlich. »Sie können hier mit Ihrem Sohn nicht in der Einsamkeit bleiben. Sie schaffen es als Frau hier niemals. Aber es ist nicht nur der Wunsch, Ihnen zu helfen. Bestimmt nicht! Ich verspreche mir viel davon, wenn eine verständnisvolle Frau den Store führt. Sie werden mit den Indianerfrauen und ihren Kindern besser zurechtkommen als ich. Sie werden schneller ihr Vertrauen erwerben können. Kommen Sie mit mir, Joyce! Helfen Sie mir!« Sie blickt ihn nun misstrauisch an. »Ich müsste Ihnen dann dankbar sein«, murmelt sie. »Wie müsste ich diese Dankbarkeit zeigen? Was müsste ich…« »Zum Teufel!«, unterbricht er sie hart. »Sie haben kein Recht dazu, irgendwelche Dinge zu vermuten, bevor Sie es nicht mit mir versucht haben. Wenn Ihnen an mir mal etwas nicht gefallen sollte, dann können Sie immer noch zu dieser Hütte zurück.« »Das stimmt«, sagt sie. »Diese Endstation bleibt mir immer offen.« Sie betrachtet ihn eine Weile sorgfältig und nagt an ihrer Unterlippe. Dann blickt sie auf Tom nieder, der dicht neben ihr steht und seine Hände in die ihre geschoben hat.
»Tom, was denkst du?«, fragt sie plötzlich. Die blauen Augen des kleinen Burschen betrachten Jim ernst. Dann nickt Tom und sagt: »Diese Hütte ist wirklich nicht sehr gut, Mom. Du musst warten, bis ich groß genug bin. Dann baue ich uns ein festes Haus, lege Felder an und züchte Rinder. Wir sollten das Angebot annehmen, denn dieser Mister gefällt mir. Und einen Store kannst du gut führen, Mom.« »Danke, Tom«, sagt Jim Ballard und blickt Joyce an. »Ich versuche es«, sagt sie. »Ich wäre eine Närrin, wenn ich es nicht versuchen würde.« »Danke«, murmelt er. *** Jim Ballards Aufgabe ist schwer. Die ersten zwei Wochen sind schlimm, denn von den Gebäuden des Reservats ist nichts mehr vorhanden. Es fehlt an den nötigen Dingen, und die Indianer verhalten sich passiv, lehnen mehr oder weniger jede Art von Mitarbeit ab und unternehmen immer wieder Fluchtversuche. Es geschieht alle paar Tage, dass Squaws mit größeren Kindern davonlaufen, um in die Mogollon Mesa zu den Tontos zu entkommen. Jim Ballard fängt diese Flüchtlinge immer wieder ein. Manchmal verspürt er kalten Hass, der ihm entgegenschlägt. Die Tage vergehen. Jim Ballard hat sich gute Männer ausgesucht. Da ist Sergeant Ted Rourke, da sind die beiden Corporals Wego Flynn und Ben Tennessee, und da sind noch einige prächtige Männer, die Jim Ballard gut kennt und die er sich für seine Aufgabe von der Armee abkommandieren ließ. Auch die Signalstation oben auf dem Hügel ist wieder errichtet und besetzt. Der junge Lieutenant Clay Benton und zwölf Soldaten wohnen dort oben auf dem Hügel. Aber jeden Tag schickt der Lieutenant sechs Soldaten herunter, die beim
Aufbau des Reservats helfen müssen. Joyce Haynes und ihr kleiner Sohn Tom wohnen in einem Zelt, und Joyce hilft, wo sie kann. Und doch war es ihr bis jetzt nicht möglich, mit den Indianern in Kontakt zu kommen. Santez’ Stamm verharrt in Abweisung und Passivität. Manchmal ist der Hass deutlich spürbar, den sie gegen die Weißen hegen. Nach zwei Wochen kommen dann die ersten Frachtwagen aus Tucson. Es kommen alle notwendigen Dinge. Jim Ballards Männer arbeiten jeden Tag von früh bis spät. Und eines Tages richtet Joyce ihren Store ein. Das Haupthaus wird fertig. Magazine und Werkstätten entstehen. Immer wieder rollen schwer beladene Frachtwagen heran. Händler und Geschäftemacher melden sich. Die Indianer werden mit allen notwendigen Mitteln versehen. Sie bekommen Armeezelte, Kleidung, Proviant, und das alles reichlich und von bester Qualität. Dennoch muss Jim Ballard jeden Morgen eine Zählung abhalten. Und immer wieder verspürt er die kalte Abweisung und oft sogar Hass. Sie sehen in ihm nur den Mann, der Santez besiegt hat und die Ursache ist, dass viele Krieger getötet wurden, dass dem ganzen Stamm der Weg in die Freiheit versperrt wurde und sie wieder zurück ins Reservat mussten. Sie misstrauen ihm, ja, sie hassen ihn. An einem Morgen stellt er wieder einmal fest, dass fünf Squaws und sieben größere Kinder fortgelaufen sind. Mit Sergeant Ted Rourke und dem Corporal Wego Flynn reitet er sofort los, um die Flüchtlinge einzufangen. In diesem Lande ist ein Indianer zu Fuß oft schneller als ein Weißer zu Pferd, wenn es sich um eine Verfolgung handelt und die Indianer es gut verstehen, immer wieder ihre Fährte zu verwischen. Die fünf Squaws und die sieben Kinder zwischen zwölf und vierzehn Jahren geben Jim Ballard manches Rätsel auf. Sie
müssen von einer sehr erfahrenen Squaw geführt werden, denn die Spur ist nur schwer und mühsam zu verfolgen. Am späten Nachmittag gibt es Jim dann auf und sagt zu seinen beiden Begleitern: »Sie wollen uns nur kreuz und quer durch das Land locken und hinhalten. Sie wollen erreichen, dass wir sie vor Anbruch der Nacht nicht mehr erwischen. Denn die kommende Nacht wird ihnen genügen, um in die Berge zu entkommen, wo wir ihnen zu Pferd nicht folgen können. Und zu Fuß sind sie uns überlegen.« Ted Rourke und Wego Flynn, die beide in Zivil sind und wie Weidereiter aussehen, nicken. Sie wissen, dass zu Fuß jeder Apache einem Weißen fortlaufen kann. »Reiten wir zur Pinal-Quelle, und warten wir dort«, sagt Jim nach einer Weile. »Sie müssen eine Wasserstelle aufsuchen, und ich denke, es wird die Pinal-Quelle sein.« Er reitet wieder an, schlägt eine andere Richtung ein und verlässt somit die verworrene Fährte. Als sie etwa fünf Meilen geritten sind, hören sie Schüsse. Sie starren zu den Hügeln im Südosten hinüber, aus denen nun schon die dunklen Schatten der heranziehenden Nacht gekrochen kommen. Dann reiten sie schnell weiter. Bald darauf erreichen sie die Quelle und somit den Ort eines furchtbaren Massenmordes. Sie finden vier tote Frauen und fünf tote Kinder. Sie starren von ihren erregt und nervös tanzenden Pferden auf dieses grausige Bild nieder, und weil sie begreifen, um was es sich hier handelt, verspüren sie einen bitteren und eiskalten Zorn. Dieser Zorn nimmt vollkommen von ihnen Besitz. Ted Rourke ist es, der heiser krächzt: »Skalpjäger! Seht es euch an, das waren Skalpjäger!« »Weiter!«, ruft Jim Ballard hart und treibt sein Pferd an. Die beiden anderen Männer folgen ihm. Und sie jagen weiter in die Hügel hinein. Im letzten Dämmerlicht des Tages erkennen sie deutlich die Fährte einiger Pferde. Sie folgen diesen Hufspuren.
Doch bald brauchen sie nicht mehr auf die Fährte zu achten, denn nun hören sie wieder Schüsse. Bald darauf kommen sie zwischen zwei Hügeln hindurch auf eine kleine Ebene. Vor ihnen sind hohe Felsen. Und vor dem ersten, besonders großen Felskegel, den die Erosion zu einer seltsamen Spirale zernagt und gebildet hat, halten vier Männer auf ihren Pferden. Sie starren zu dem Felsen hinauf, wenden jedoch ihre Tiere, um die drei Ankömmlinge zu empfangen. Jim Ballard und seine beiden Begleiter reiten langsam heran. Sie wissen, dass sie sich jetzt Zeit nehmen können. Die vier weißen Skalpjäger haben die entkommene Squaw und die beiden entkommenen Kinder auf diesen Felsen getrieben. Bis zu diesem Ort dauerte die Hetzjagd. Nun haben sich die drei Indianer auf diesen hohen Felsen geflüchtet wie ein Stück verfolgtes Wild. Jim Ballard hält an. Ted Rourke und Wego Flynn schieben sich zu Pferd rechts und links neben ihn. Sie haben das letzte Licht des Tages im Rücken. Hinter ihnen über den Hügeln glüht der Himmel blutrot. Jim Ballard betrachtet die vier Burschen. Er ist sich sofort klar, dass diese vier Kerle zu der schlimmen Sorte gehören. Das sind Strolche, denen die Revolver locker sitzen und die gerne Revolverarbeit verrichten. Solche Burschen gibt es zahlreich in diesem Land. Es kommt ihnen gewiss nicht darauf an, ob sie eine einsame Ranch überfallen, einen Geldtransport berauben, Rinder und Pferde stehlen, in wilden Städten und Camps ihre Schafe scheren oder auf Skalpjagd gehen. Jim Ballards Stimme klingt gepresst, als er fragt: »Was ist das?« Die vier Burschen zögern noch mit einer Antwort. Dann aber sagt einer rau: »Was soll das schon sein? Wir sind auf einem Jagdausflug. Wir jagen Rotwild! In Tucson zahlt man zehn Dollar für einen Indianerskalp. Denn nur ein toter
Indianer ist ein guter Indianer! Man muss sie töten wie Raubwild. Wir tun ein gutes Werk! Es ist gesetzlich, nicht wahr? Denn die Behörden zahlen für jeden Skalp. Was wollt ihr?« Die letzte Frage stellt er lauernd. Er und seine drei Partner sitzen zusammengeduckt in den Sätteln. Sie haben die Hände an den Waffen und sind für jeden Verdruss bereit. Jim Ballard deutet zum Felsen hinauf. »Das dort ist eine Squaw. Und die beiden Knaben sind nicht älter als vierzehn. Es sind auch keine wilden Indianer, sondern sie gehören zur Reservation. Was ihr getan habt, ist Mord, ein verdammter Mord!« »Willst du Kummer mit uns, Mister?«, fragt der Sprecher der vier Jäger sofort hart und drohend. »Ich bin der Leiter des Reservats«, erwidert Jim Ballard. »Und ich schütze das Leben der mir anvertrauten Menschen. Ihr werdet nie wieder Skalpe jagen!« »He, warum nicht?« Bei dieser Frage zieht der Skalpjäger seinen Revolver. Und seine Kumpane folgen seinem Beispiel. Aber sie sind nicht schnell genug. Jim Ballard schießt mit beiden Revolvern. Wego Flynn, ein Mann aus Texas, ist nicht viel langsamer, nur einen winzigen Sekundenbruchteil. Und Ted Rourke schafft es auch noch rechtzeitig. Sie machen es hart. Und sie sind inmitten der Wildnis, wo es weder Gesetz noch Recht gibt. Ja, sie müssen töten. Dann wird es still. Jim Ballard spürt am Bein schmerzvoll einen Streifschuss. Wego Flynns linker Arm hängt schlaff hernieder. Und Ted Rourke riss eine Kugel den Hut vom Kopf. Ihre Pferde beruhigen sich. Dann ist es noch stiller. Die vier Skalpjäger sind tot. Ihre Pferde sind erschreckt davongelaufen. »Zum Teufel«, ächzt Jim Ballard bitter. Dann wischt er sich
mit dem Unterarm über das Gesicht und blickt zum Felsen hinauf. Er kann dort oben die Köpfe der drei Flüchtlinge erkennen. »Kommt herunter!«, ruft er in ihrer Sprache hinauf. Und sie kommen. Es dauert eine Weile, aber dann tauchen sie am Ende des Felsens auf und kommen näher. »Es war schwer, eurer Fährte zu folgen«, sagt Jim zu ihnen. »Wir waren deshalb nicht schnell genug und konnten euch nicht beschützen. Eure Brüder und Schwestern würden noch am Leben sein, wenn ihr es uns nicht so schwer gemacht hättet. Ich kann euch nur schützen und für euch sorgen wie ein Vater, wenn ihr mir nicht fortlauft. Und ihr müsst endlich zu glauben beginnen, dass ich es ehrlich mit euch meine und für eure Rechte kämpfen will.« Als er verstummt, blickt die alte Squaw – sie ist so lederhäutig, zäh und erfahren wie ein Mann – eine Weile stumm zu ihm auf. Sie tritt sogar zwei Schritte vor, um ihn besser betrachten zu können. Dann nickt sie. »Vielleicht bist du gut«, sagt sie kehlig. »Aber ein weißer Mann, der gut zu den Indianern ist und ihnen Rechte verschaffen möchte, der wird bald von seiner eigenen Rasse zerschmettert und vernichtet.« Sie wendet sich den beiden Knaben zu, die Jim Ballard mit großen Augen anstarren. »Wir wollen mit Gelbhaar gehen«, sagt sie. »Gelbhaar ist seltsam. Er hat Santez gefangen. Er hat dafür gesorgt, dass Santez keinen großen Krieg beginnen konnte. Aber er schützt Santez’ Volk. Vielleicht können wir Gelbhaar nicht richtig verstehen. Doch er will uns wirklich beschützen. Gehen wir mit ihm zurück. Wir werden sehen.« Dann setzt sie sich in Bewegung. Die beiden Knaben folgen ihr rechts und links. Es sind schon ziemlich große und zähe Burschen. In zwei oder drei Jahren werden sie fast vollwertige
Krieger sein. Und heute hatten sie das Erlebnis, dass ein Weißer ihnen half und dabei Männer seiner eigenen Rasse tötete. Sie werden über dieses Erlebnis nachdenken. *** Als Jim Ballard am Abend des nächsten Tages vor sein Haus reitet, ist er sehr müde und ausgebrannt. Seine Streifwunde am Bein schmerzt. Er sitzt ab, übergibt einem Mann das Pferd und hinkt mühsam ins Haus. Doch als er auf seinem Bett liegt, bleibt er nicht lange liegen. Joyce kommt herein. Sie bringt eine Schüssel mit Wasser und einen Kasten mit Verbandszeug mit. »Ich konnte sehen, Jim«, sagt sie, »dass Sie verwundet sind. Und Ted Rourke erzählte mir schon in kurzen Worten, was unterwegs geschah. Kommen Sie, ich will Ihnen den Stiefel ausziehen und nach Ihrer Wunde sehen. Sagen Sie jetzt nur nicht, dass es nur ein Kratzer ist. Nach Wego Flynns Armverletzung habe ich schon gesehen. Flynn sagt, sie wäre nicht so schlimm wie Ihre Wunde. Also vorwärts, Mister!« »Sie sind sehr energisch, Joyce«, sagt er gepresst, denn er hat wirklich große Schmerzen. Die an sich nicht schwere Fleischwunde hat sich nämlich schlimm entzündet. Joyce zieht ihm den Stiefel aus und schneidet sein Hosenbein auf. Er kann sehen, wie sie leicht zusammenzuckt und sich an die Arbeit macht. Irgendwann schläft er dann ein. Es war ziemlich hart für ihn, mit dieser schmerzvollen Wunde heimzureiten. Er hat auch viel Blut verloren. Joyce tut für ihn alles, was sie kann, und das ist nicht wenig. Sie versteht sich auf Wundbehandlung, und die Apotheke in ihrem Kasten ist gut ausgestattet. Als sie dann fertig ist, zieht sie ihm auch den zweiten Stiefel
aus und legt eine Decke über seine jetzt so schlaffe und entspannte Gestalt. Sie betrachtet den schlafenden Mann eine Weile, und es ist ein seltsamer Ausdruck in ihren Augen. Dann geht sie leise hinaus. Im Indianerdorf herrscht viel Aufregung. Man kann es hören. *** Im Indianerdorf ist es ruhig. Jim Ballard stellt sich vor, wie es dort ist. Sicherlich sitzen die Indianer wieder wie immer stur und verschlossen herum und warten auf etwas, was er bisher nicht ergründen konnte. Sie rühren keine Hand, nehmen jedoch Speise und all die Dinge, die er an sie verteilen lässt. Aber sonst tun sie nichts. Sie warten nur. Aber auf was? Auf Befreiung? Auf neue Not? Auf ihren Tod? Es ist nicht zu ergründen, auf was sie warten. Fest steht jedenfalls, dass sie kaum eine Hand rühren und mit sturer Ruhe auf etwas zu warten scheinen. Jim Ballard seufzt. Von seinem Platz aus kann er zu der Lücke zwischen den Hügeln blicken, aus dem der kleine Fluss kommt. Er weiß, dass dieser Fluss bald sehr wenig Wasser haben wird. Die heiße Zeit und die Trockenheit beginnen bald. Dann wird dieser Fluss ein sehr kümmerliches Rinnsal sein. Jim starrt also auf die Hügellücke, und plötzlich ist ein zündender Gedanke in ihm. Ted Rourke taucht drüben bei den Gebäuden auf, deren Dächer gedeckt werden. Er kommt langsam näher und wischt sich dabei mit einem roten Taschentuch den Schweiß aus Gesicht und Nacken. Langsam betritt er die Veranda und sinkt schnaufend neben Jim auf einen Stuhl. »Ein prächtiges Land«, sagt er grimmig. »Bei Tag braucht hier kein Mensch zu frieren und schwitzt sich das Knochenmark aus dem Leib. Wie geht es dir, Jim?«
Er blickt auf Jims Bein, das dieser auf einem Stuhl ausgestreckt hat. Aber Jim gibt ihm auf diese Frage keine Antwort. Er blickt wieder zur Hügellücke. Dann sagt er plötzlich: »Ich habe Arbeit für dich, Ted.« »Was habe ich denn bis jetzt getan?«, fragt dieser. »Ich habe Häuser gebaut, Dächer gedeckt, in dieser Feldschmiede gearbeitet und dann und wann davongelaufene Indianer eingefangen. War das keine Arbeit?« Jim Ballard grinst. »Nimm dir ein Pferd«, sagt er, »und reite nach Tucson. Wirb zwei Dutzend schwere Frachtwagen an und genügend Männer. Und dann schaffe Felsbrocken, Steine und Baumstämme heran, bis ich dir sage, dass es genug ist.« »He, willst du ein Fort bauen?«, fragt Ted Rourke. »Einen Staudamm«, erwidert Jim. »Ich bin soeben auf die Idee gekommen, und sie ist gut, nicht wahr? Sieh dir die Hügellücke an. Sie lädt gerade dazu ein, einen Staudamm zu bauen. Man kann in dem Tal dahinter den Fluss anstauen.« Ted Rourke machte die Hitze schwer zu schaffen. Deshalb ist sein Verstand nicht besonders rege, und deshalb stellt er auch die Frage: »Was dann?« Jim Ballard hebt die Hand und zählt an den Fingern ab: »Wir können mächtig viel Wasser ansammeln und mit einem guten Bewässerungssystem ein mächtiges Stück Land bewässern. Das bedeutet Felder, Weiden, Obstgärten. Man kann Mais anbauen, Tomatenfelder anlegen, Bäume anpflanzen und alles, was sonst noch wächst. Man kann Schafe und Rinder züchten. Und bevor das Wasser in die Bewässerungsgräben fließt, kann es eine Mühle oder ein Stampfwerk betreiben, eine Erzmühle. Es gibt einige Minen im Land, die es dann mit ihrem Silbererz bedeutend näher haben als nach Tucson und wo sonst noch Erzmühlen sind. Ted, mit Hilfe einer genau geplanten und geregelten Wasserwirtschaft kann ich aus dieser trostlosen Reservation ein blühendes Land machen.« Ted Rourke schluckt und verdaut Jims Worte. Dann fragt er
trocken: »Und auf diese Idee bist du jetzt plötzlich gekommen?« »Ganz plötzlich«, nickt Jim. Ted Rourke brummt etwas und starrt auf die Hügellücke. Der Wasserfall des kleinen Flusses glänzt dort in der Sonne. Ted Rourke weiß, dass dieser Wasserfall während der heißen Jahreszeit manchmal versiegt. Und der Fluss versiegt ohnehin fast gänzlich fünfzehn Meilen weiter südlich in der Wüste. Er verschwindet ganz einfach, so, als ob dort der Erdboden aus trockenem Schwamm oder hunderttausend Löchern bestünde. Ted Rourke nickt plötzlich ernsthaft. »Yeah«, sagt er, »das ist eine ziemlich gute Idee. Aber wenn dir Santez’ Stamm nicht hilft, kannst du das nicht schaffen.« »Dann zwinge ich die Mescaleros zu dieser Arbeit«, erklärt Jim hart. »Dann zwinge ich sie!« Der Sergeant erhebt sich. »Nun gut«, brummt er. »Ich bin schon unterwegs nach Tucson. Mir ist es gleich, auf welche Art ich in der Sonne schwitze.« *** Jim Ballards Schritt ist noch mühsamer und hinkender, als er das Indianerdorf erreicht. Er schwitzt stark und fühlt sich müde. Einige Hunde beschnuppern ihn. Und überall im Schatten der Zelte und Hütten hocken Indianerfrauen, Kinder und alte Männer, die nicht mehr kämpfen können. Sie beobachten den hinkenden Mann. Jim Ballard stellt sich mitten auf den Platz, der von Zelten und Hütten, so genannten Jakals, umgeben ist. »Kommt her, ich will mit euch sprechen!«, ruft er laut. Er muss eine Weile warten, aber sie kommen heute schneller, als er es gewöhnt ist. Sie versammeln sich alle um
ihn, und sie sind etwa zweihundertfünfzig Menschen. Sie betrachten ihn. Sie wissen genau, dass er verwundet wurde, weil er einer Frau und zwei Kindern das Leben rettete. Sie wissen das. Und wenn es sie dankbar und versöhnt stimmt, so lassen sie sich das nicht anmerken. Ihre meist breitflächigen Gesichter sind unbeweglich. Ihre dunklen Augen drücken nichts aus, weder Zuneigung noch Hass. Nichts! Er ist der Herr! Er hat gesagt, dass sie kommen sollen. Und sie müssen gehorchen. So denken sie. Er wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Dann beginnt er ruhig und einfach zu sprechen. »Ich will eine starke Wand bauen, die den Fluss aufhält, bis er in dem kleinen Tal zu einem großen See wird«, sagt er. »Ich will mit Hilfe des Wassers für euch Mescaleros Felder, Weiden und blühende Gärten anlegen. Ihr sollt Mais, Getreide, Tomaten und Pfirsiche anbauen. Jede Familie wird ein richtiges Haus haben wie die weißen Siedler. Ich will euch ein gutes Land schaffen. Die Kinder werden eines Tages in eine Schule gehen. Ihr werdet die gleichen Rechte und den gleichen Wohlstand bekommen wie die Weißen. Aber ihr müsst mir helfen. Es gibt viel Arbeit. Ich kann nicht alles allein und ohne eure Hilfe tun. Ich brauche Hilfe, eure Hilfe, um gut für euch sorgen zu können. Wie kann ich das alles für euch schaffen, wenn ihr mir nicht helft? Sagt es mir!« Er blickt in die Runde. Und die Mauer der breitflächigen Gesichter ist unbeweglich und starr. Plötzlich erkennt er, dass die Augen nicht mehr auf ihn gerichtet sind. Sie alle blicken auf etwas, was sich hinter ihm befinden muss. Er wendet sich schnell um. Zwischen den Zelten halten zwei Reiter. Sie müssen sehr leise und unbemerkt gekommen sein. Es sind Weiße, und sie hatten angehalten und zugehört. Die Entfernung ist nicht weit. Gewiss haben sie jedes Wort seiner Rede verstanden.
Als er sie anblickt, reiten sie wieder einige Yards vorwärts. Es sind zwei hartgesichtige Burschen, wachsam, zäh und gefährlich. Sie sind gut bewaffnet. Einer der Männer hebt langsam die Hand und berührt mit dem Zeigefinger seine Hutkrempe. Dann sagt er mit einer kalten Härte: »Vier weiße Männer wurden getötet. Die Spur ihrer Mörder führt in dieses Reservat. Die vier Ermordeten waren Freunde von uns. Wir hatten uns für einige Tage getrennt. Wir fanden sie dann tot. Können Sie uns diese Sache erklären, Mister? Sie sind doch wohl hier der Boss?« »Ich bin der Agent und Leiter dieses Reservats«, sagt Jim Ballard. »Und ich erwischte diese vier Burschen bei der Skalpjagd. Sie hatten vier Frauen und fünf Kinder getötet und waren dabei, auch die letzten drei Entkommenen zu töten. Es war eine Mörderbande. Sie wurden von mir und meinen Leuten getötet!« Als er es gesagt hat, starren ihn die beiden Fremden kalt und mitleidlos an. »Mister«, sagt der Sprecher dann wieder, »das ist eine böse Geschichte. Sie und Ihre Burschen haben also vier weiße Männer getötet. Das ist Mord, nicht wahr? Ihr habt vier prächtige Männer getötet, die dabei waren, ein gutes Werk zu verrichten. Indianer sind Freiwild! Indianer können abgeschossen werden! Das ist erlaubt. Man zahlt Kopfpreise für jeden Skalp. Und hier – hier habe ich ein ganzes Dutzend Skalpe!« Er greift ans Sattelhorn und nimmt ein Bündel hoch. Ja, es ist ein Bündel Skalpe. Sein Partner hat indes einen Colt gezogen. Jim Ballard kann das nicht verhindern, denn er ist unbewaffnet. Er hat seinen Waffengurt im Haus gelassen. Der andere Bursche lässt das Bündel Skalpe fallen, sodass es wieder an der Schlinge am Sattelhorn hängt. Nun zieht auch er seinen Revolver, und er tut es mit aufreizender Langsamkeit,
obwohl die Versammlung nun erregt und lebhaft wird. Viele Indianer haben zwar nicht jedes einzelne Wort verstanden. Sie haben begriffen, dass zwei Skalpjäger frech und herausfordernd in ihr Camp gekommen sind. Die beiden Reiter haben ihre Colts jetzt schussbereit. Sie starren Jim Ballard an. »Du bist erledigt«, sagt der eine Mann hart. »Du verräterischer Indianerfreund bist erledigt! Indianer sind nicht besser als Ungeziefer. Man muss sie töten. Und die vier prächtigen Jungs, die jetzt tot sind, waren unsere Freunde. Aber auch du bist gleich tot, Mister. Und wenn wir wieder in Tucson sind, werden wir dort berichten, dass ein weißer Schuft auf Männer seiner eigenen Rasse schießen ließ, um ein paar lausige Indianer zu retten. Oh, Mann, wenn wir das in Tucson erzählen, wird eine ganze Mannschaft von dort herüberkommen und…« Jim Ballard wartet nicht länger. Er weiß, dass ihm der Bursche nur eine großspurige Rede halten und ihn dann bestimmt töten will. An Mut hat es Jim Ballard nie gefehlt. Auch jetzt nicht. Er wagt es also, aus seiner kümmerlichen Chance etwas zu machen. Obwohl ihm schon beim ersten Sprung sein verletztes Bein einen wilden Schmerz durch den Körper schickt, springt er vorwärts und stößt den wilden Schrei eines Pumas aus. Dieser Schrei erschreckt die beiden Tiere der Reiter. Dies aber ist Jim Ballards kümmerliche Chance. Da die beiden Pferde mit der Vorderhand in die Höhe steigen und sich heftig und plötzlich bewegen, können sich die beiden Reiter nur mühsam im Sattel halten und nur ungenau schießen. Jim Ballard bringt es fertig, an einen der beiden Reiter heranzukommen. Er läuft um das tanzende Pferd herum, stößt wieder den Pumaschrei aus und bekommt dann das Bein des Mannes zu fassen. Der schießt wieder auf ihn, verfehlt ihn
nochmals und hat nun alle Mühe, sich im Sattel zu halten. Vielleicht wäre Jim Ballard mit ihm zurechtgekommen. Vielleicht hätte er ihn vom Pferd reißen und bezwingen können. Aber der andere Mann trifft jetzt mit einem Schuss. Jim Ballard bekommt die Kugel in den Rücken. Sie stößt ihn gegen das tanzende Pferd. Dessen brüllender Reiter bekommt sein Bein aus Jim Ballards umklammernden Händen. Und er schießt nun ebenfalls auf den zusammenbrechenden Mann. »Komm, Jube!«, ruft der andere Bursche. »Jetzt haben wir seine Männer auf unserer Fährte. Komm, Jube!« Der zwingt sein tanzendes Pferd zur Ruhe und richtet seinen Colt auf den Halbkreis der Indianer. Aber dann hört er auch von den Gebäuden der Reservationsleitung die lauten Rufe und Schreie. Alle Männer, die dort arbeiten, sind von den Schüssen alarmiert worden. Die beiden Skalpjäger begreifen, dass es eine schlimme Sache werden wird, wenn sie auch nur eine Sekunde zögern. Sie reißen ihre Pferde herum, geben diesen die Sporen und jagen davon. Zurück bleibt Jim Ballard, der am Boden liegt, sich nicht bewegt und dessen Blut im Staub verrinnt. Zurück bleiben all die Frauen, Kinder und alten Männer aus Santez’ Stamm. Es ist still… Die Indianer starren auf den leblosen Mann. Aber es ist gewiss, dass sie sich jetzt darüber sehr klar werden, was ihr »Vater« getan hat. Sie wissen, dass diese beiden Burschen, die im Schutz der Zelte unbemerkt herangeritten kamen, zu der Bande gehören, der vier Frauen und fünf Kinder zum Opfer gefallen waren. Und dennoch bewegen sie sich nicht. Dann kommen Jim Ballards Männer gelaufen. Sie sind
bewaffnet. Joyce Haynes ist bei ihnen. Sie hat ihre Röcke hochgerafft und läuft so schnell wie ein Mann. Die Männer schießen hinter den beiden flüchtenden Reitern her. Dann wenden sie sich um und laufen zurück, um sich beritten zu machen und die Verfolgung aufzunehmen. Nur Joyce und Wego Flynn, der seinen verletzten Arm in einer Schlinge quer vor der Brust trägt, bleiben zurück. Joyce kniet nieder, dreht Jim mit unvermuteter Kraft auf den Rücken und untersucht ihn. »Er lebt!«, ruft sie. »Er lebt noch! Helft mit, ihn ins Bett zu schaffen. Vielleicht kann ich ihn retten! Nun helft mir doch!« Wego Flynn bückt sich. Aber es ist sicher, dass er nicht viel mit einem Arm helfen kann. Doch da bewegen sich plötzlich mehr als ein Dutzend Indianerfrauen. Joyce bekommt Hilfe. Es dauert nur wenige Minuten, dann liegt Jim in seinem Bett. Und dann beginnt Joyce Haynes, um Jims Leben zu kämpfen. *** Dieser Kampf dauert vier Tage. »Wird Gelbhaar leben?«, fragt eine alte Squaw kehlig und unbeholfen. Joyce nickt. Diese Abgesandten des Indianerdorfes sind jeden Tag da und fragen. Denn mit den Indianern ging eine Veränderung vor. Sie sorgen sich um Jim Ballard, den sie Gelbhaar nennen. Irgendwie hat das Geschehen in diesen Indianern einen Kern aufgebrochen. Sie nehmen starken Anteil an seiner Gesundung. »Er wird leben«, sagt Joyce. »Denn er ist groß und stark. Hier drinnen ist er groß und stark!« Bei ihren Worten deutete sie auf ihr Herz.
Die Indianerfrauen verstehen ihre Worte. Sie nicken ernst. »Er war für den Tod bereit«, sagt ihre Sprecherin ruhig. »Wir achten ihn sehr. Er ist gut. Er soll leben. Wenn er wieder gesund ist, werden wir daran glauben, dass wir alle leben können und nicht rechtlos bleiben wie bisher.« Nach diesen Worten entfernt sie sich mit den anderen Frauen. *** Jim Ballard ist auf dem Weg zur Genesung und hat heute zum ersten Mal eine richtige Mahlzeit eingenommen. Er liegt still auf dem Lager und betrachtet Joyce ernst und nachdenklich. »Wenn es dich nicht gäbe, Joyce«, sagt er etwas mühsam, »dann wäre ich jetzt schon längst unter der Erde.« Sie schüttelt den Kopf, und sie wirkt blass, schmaler und sehr müde. Man sieht ihr die langen Nachtwachen an und die ständig nagende Sorge. »Alle Wege sind bestimmt und vorgezeichnet«, sagt sie. »Jeder Mensch bekommt sein Schicksal mit auf den Weg. Und du bist bestimmt nicht für einen frühen Tod vorgesehen. Du hast eine Aufgabe mit auf deinen Weg bekommen.« »Alle Wege sind vorgezeichnet«, murmelt er wiederholend. »Joyce, das stimmt wohl. Vielleicht brachte uns das Schicksal zusammen, damit ich eine Chance bekomme.« Sie betrachtet ihn ernst. »Alles auf dieser Welt hat seinen Sinn«, murmelt sie. »Jim, ich bin sehr froh, dass du lebst.« »Und ich bin froh, dass es dich gibt, Joyce!« Auf ihren Wangen zeigt sich nun eine Röte. Sie erhebt sich plötzlich und nimmt das Tablett mit dem leeren Geschirr vom Tisch. »Jim«, sagt sie herb, »du brauchst mir nicht dankbar zu sein.
Das wäre nicht gut.« Sie lässt es bei diesen Worten und geht zur Tür. »Ted Rourke kam gestern aus Tucson zurück«, sagt sie. »Er muss mit dir reden. Ich schicke ihn dir.« Wenig später kam Ted Rourke herein. »So mancher Mann ist zäher als ein Berglöwe«, sagt er. »Und du bist zäher als sieben Berglöwen. Das ist gut! Ich bin mächtig froh, dich wieder grinsen zu sehen.« Er setzt sich rittlings auf einen Stuhl. Er wirkt etwas müde und ist bestimmt magerer und hagerer geworden. Aber in seinen Augen leuchten Tatkraft und Zuversicht und ein trotziger Wille. »Erzähl mir was«, murmelt Jim. Ted Rourke schnauft. Dann beginnt er seinen Bericht. »Bis Tucson brauchte ich drei Tage«, sagt er. »Ich nahm zwanzig schwere Murphy-Frachtwagen, bespannt mit je acht Maultieren, und vierzig Männer unter Vertrag. Ich kaufte allerlei Material ein und wollte am anderen Tag mit dem Wagenzug aufbrechen. Unterwegs hätten wir Bäume gefällt und Steine geladen. Aber es kam etwas dazwischen.« Er macht eine Pause und zögert nun, fortzufahren. »Weiter!«, sagt Jim rau. Ted Rourke nickt. »Die beiden Burschen, die dich zusammengeschossen haben, sind unseren Männern entkommen. Sie kamen wutschnaubend nach Tucson. Sie erzählten dort, dass wir wegen einiger Indianer vier Weiße getötet hätten und auch sie nur mit knapper Not entkommen wären. In Tucson entstand sofort ein gewaltiger Wirbel. Die ganze Stadt wurde wild. Es ist eine harte Stadt. Diese Stadt kennt keine Gnade gegen Indianer. Für die Leute in Tucson ist jeder Indianer ein wilder Wolf oder schädliches Ungeziefer. Bis zu einer gewissen Grenze ist das zu verstehen. Als damals während des Bürgerkrieges die Bundestruppen zum Rückzug gezwungen wurden, war das ganze Territorium ohne Schutz.
Tucson war eine einsame Insel inmitten eines Landes, das von den Apachen beherrscht und kontrolliert wurde. Fast jede Familie hatte Tote zu beklagen. Die Leute in Tucson aber hatten Geschäfte und Interessen im ganzen Lande, zum Beispiel Gold- und Silberminen. Sie verloren das alles auf lange Zeit. Später mussten sie von vorn anfangen, denn die Indianer hatten alles zerstört, vernichtet und viele Menschen getötet. Aus dieser Zeit stammt der große Hass. In Tucson gibt es keine Gnade für eine Rothaut. Ja, man zahlt Prämien für Indianerskalpe! Nun gut, Jim, ich war den angeworbenen Wagenzug und die Männer bald los. Sie hielten natürlich zur Stadt. Sie spuckten mir vor die Füße und erklärten, dass sie für uns keine Hand rühren würden, nicht für Burschen wie uns, die auf gute Männer schießen, um lausige Indianer zu beschützen. Ich musste machen, dass ich aus der Stadt kam, denn der ganze Pöbel tobte. Die Stadtpolizei hielt sich zurück. Sie hätte sich wahrscheinlich nicht blicken lassen, wenn man mich verprügelt hätte. Jim, die ganze Stadt ist jetzt unser Feind. Ich glaube nicht, dass wir auch nur noch einen Hufnagel von Tucson bekommen können. Ich bin dann nach Santa Catalina geritten und habe dort sechs Wagen kaufen können. Diese Wagen taugen nicht viel. Aber ich konnte keine anderen bekommen. Ich brachte sie mit einigen Mexikanern her. Wir haben jetzt insgesamt neun Wagen zur Verfügung. Die mexikanischen Fahrer sind wieder fort. Wir sind nur elf Männer ohne die Soldaten oben auf dem Signalhügel. Und ich frage mich, wie wir einen Staudamm errichten sollen, ganz zu schweigen von Feldern und festen Häusern für die Indianer. Wir sind ganz auf uns selbst gestellt. Niemand hilft uns. Im Gegenteil! In Tucson sagte man mir, dass man herkommen und alles in Stücke schlagen würde, wenn man hier in der Reservation verlausten Indianern zu Wohlstand verhelfen sollte. Diese Stadt hasst uns! Sie stellt sich hinter die Skalpjäger. Man hat sogar gedroht, uns eine Mordanklage anzuhängen. Jim, wir werden General Crook
und die Armee um Hilfe bitten müssen.« Jim Ballard liegt eine ganze Zeit mit geschlossenen Augen da. Er bekämpft seinen bitteren Zorn und denkt über all diese schlechten Nachrichten nach. »Fangt mit den neun Wagen und allen Männern an, Ted! Fangt an damit…«, er öffnet die Augen und fährt fort: »... Baumstämme und Steinbrocken herbeizuschaffen. Ich will den Damm fertig haben, bevor die Regenzeit beginnt. Fangt an! Zum Teufel, warum muss ich hier im Bett liegen! Oha, ich werde es all diesen Narren beweisen! Ich baue ohne fremde Hilfe! Und wenn wir von Tucson nichts mehr bekommen, dann bestellen wir eben alles Notwendige in einer anderen Stadt! Und wenn diese zweihundert Meilen weiter entfernt liegt. Das ist mir gleich. Geh ins Indianerdorf, rufe dort alles zusammen, und suche dir Arbeitskräfte aus. Halte eine Rede und mach ihnen klar, dass ich nochmals um Hilfe bitte. Und wenn sie dann immer noch nicht wollen, dann sag ihnen, dass ich sie hungern lasse oder mit Gewalt zur Arbeit zwingen werde. Los, Ted!« Ted Rourke erhebt sich langsam. Er blickt Jim Ballard an, so, als glaube er, dieser spräche im Fieber. Doch Jims Blick ist zwingend. Da sagt der Sergeant fest: »Nun gut, Jim! Ich versuche es! Ja, ich fange mit der Arbeit an!« Er geht zur Tür, wendet sich dort noch einmal und grinst. »Du hast schon einen harten Schädel, Jim. Und ich werde eine schöne Rede halten.« Als er verschwindet, fühlt sich Jim sehr erschöpft. Er kann nun nicht mehr wach bleiben. Er schläft ein. Er verschläft den Rest des Tages, die ganze Nacht hindurch und erwacht am anderen Morgen. Joyce steht an seinem Bett. Sie lächelt auf ihn nieder und sagt: »Ted Rourke wollte den Indianern eine Rede halten. Aber das war nicht nötig. Als er
sagte, dass du Hilfe brauchtest, damit die Reservation aufblüht und zu Wohlstand kommen kann, da meldeten sie sich alle zur Arbeit. Jim, es sind jetzt zweihundert Menschen bei der Arbeit. Ted Rourke und Lieutenant Clay Benton haben alle Hände voll zu tun, um alle Arbeitskräfte richtig einzusetzen.« Sie sagt diese Worte froh und glücklich zu ihm. Und sie kann erkennen, wie sehr er sich jetzt freut. »Santez’ Stamm liebt dich jetzt«, sagt sie. »Du bist jetzt ihr großer Vater. Sie glauben an dich, weil du ihnen bewiesen hast, dass du ihnen wirklich helfen willst, und dafür sogar fast getötet worden wärest. Sie kennen dich jetzt genau. Du hast ihre Achtung und ihr Vertrauen, Jim.« »Obwohl ich Santez und ihre Krieger bezwingen half?«, murmelt er. »Oh, sie haben wohl doch begriffen, dass Krieg schlecht ist und ich Santez bezwingen musste, damit sie in Frieden leben dürfen.« Sie nickt. »Santez wurde vor einer Woche von einem Kriegsgericht zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Ketten verurteilt. Die Nachricht kam gestern per Spiegeltelegraf durch.« *** Fünf Wochen später – die besonders heiße und trockene Jahreszeit ist jetzt da – klettert Jim Ballard auf ein Pferd und setzt sich vorsichtig im Sattel zurecht. Joyce und der kleine Tom beobachten ihn, und Tom fragt wichtig: »Wie fühlst du dich, Jim?« »Prächtig, mein Junge, prächtig!«, erwidert Jim. »Du wirst dich noch prächtiger fühlen«, sagt Joyce, »wenn du alles gesehen hast. Du wirst staunen, was geleistet worden ist.« Sie lächelt, winkt noch einmal und geht in den Store zurück. Gestern kamen einige Frachtwagen aus Globe. Joyce hat zwei Indianerjungen als Helfer. Sie ist jetzt dabei, all die
eingetroffenen Schätze zu sortieren und einzuteilen. Sie kennt jede Frau, jeden alten Krieger und alle Kinder des Dorfes. Selbst die kleinen Säuglinge sind ihr bekannt. Und morgen ist wieder einmal Ausgabetag für alle möglichen Dinge. Seitdem die Indianer schwere Arbeit leisten, bekommen sie noch Sonderrationen. Joyce hat viel zu tun. Sie ist ein guter Zahlmeister, Lagerverwalter und zugleich eine sorgende Frau. Sie weiß besser als ein Mann, was jede einzelne Indianerfamilie nötig hat. Die Indianer nennen sie in ihrer Sprache »Rothaar mit dem guten Herzen«. Jim reitet langsam zu der Baustelle hinüber. Dort zwischen den Hügeln türmen sich Berge von Baumaterial. Seine Männer und etwa fünfzig Indianerfrauen arbeiten dort. Jim verfolgt den Lauf der vielen Bewässerungsgräben. Er kann die arbeitenden Rotten auf viele Meilen in der Runde erkennen. Lieutenant Clay Benton kommt von Osten her über das Land geritten. Als er Jim erkennt, reitet er schneller. Dann erreicht er ihn und lacht zufrieden. Dieser einst so arrogante und ehrgeizige Junge aus West Point ist ein Mann geworden. Sein Blick wirkt besonnen. Sie folgen dem Lauf der Hauptbewässerungsgräben, die geschickt angelegt sind und sich dem natürlichen Gefälle des Landes und den Bodenverhältnissen anpassen. Jim und der Lieutenant sind bald mittendrin im Planen. Sie werden sich klar über die Lage vieler Parzellen, über Verteilerschleusen und viele andere Dinge. Nach zwei Stunden fühlt er sich trotz aller Freude müde und erschöpft. Er macht sich auf den Rückweg. Er ist ein müder und erschöpfter Mann, als er die Häuser der Reservatsverwaltung erreicht. Vor der Veranda des Stores sind einige Sattelpferde angebunden. Einige Fremde sind zu Besuch. Sie sitzen im Schatten der Veranda und rauchen. Tom Haynes spielt mit
einigen Indianerjungen, die nicht größer sind als er, drüben zwischen den Ställen und Unterkünften. Joyce erscheint nun in der Tür. Sie sieht Jim entgegen. Er sitzt ab. Einige Sekunden muss er sich am Pferd festhalten. Als er dann die drei Verandastufen erklimmt, sucht er Halt am Geländer. Joyce beobachtet ihn, und er weiß, wenn die vier Fremden nicht zugegen wären, würde sie längst zu ihm gekommen sein, um ihn zu stützen. Aber so unterlässt sie es, denn sie kennt sich aus mit dem Stolz eines Mannes. »Es ist Besuch gekommen, Jim«, sagt sie ruhig und fest. In ihren Augen erkennt er den Ausdruck von Wachsamkeit und Sorge. Er setzt sich auf das Verandageländer und lehnt seine Schulter gegen einen Stützpfosten des Daches. Dabei betrachtet er die vier Fremden. Er sieht vier harte und scharfgesichtige Burschen. Er ist froh darüber, dass er heute einen Waffengurt trägt. Er beginnt schon einen Verdruss zu wittern. »Wir wollen mit Ihnen sprechen, Jim Ballard«, sagt einer der Männer und erhebt sich. Seine drei Begleiter erheben sich ebenfalls, und sie wirken sehr selbstbewusst und unduldsam. »Was soll’s denn sein?«, fragt Jim Ballard kalt. »Es hat sich im Land herumgesprochen, was Sie hier machen, Ballard. Sie wollen lausigen Indianern zu einem grünen und blühenden Land verhelfen und sie zu Farmbesitzern und Bürgern machen. Sie wollen dem Innenministerium beweisen, dass auch Indianer Aufbauarbeit leisten können und nett und friedlich sind, wenn sie Rechte besitzen und zu Wohlstand kommen. Sie wollen einen neuen Weg zur Befriedung der Indianer aufzeigen.« »Genauso ist es«, erwidert Jim Ballard. »Sie sind ein verdammter Narr!«, sagt der Fremde scharf. »Wir werden nicht dulden, dass Sie hier Erfolg haben und dieser Erfolg die Indianerfreunde in Washington dazu aufmuntert, neue Gesetze durchzubringen, die den Indianern
die gleichen Rechte geben wie uns Weißen. Wir werden nicht dulden, dass aus den Reservaten überall aufblühende Farmgebiete werden und die Indianer mit Hilfe von Regierungsgeldern schneller und müheloser zu Wohlstand kommen als weiße Siedler. Mister, wir sind dagegen. Und wenn Sie hier nicht auf der Stelle aufhören, dann zerschmettern wir Sie! Haben Sie mich genau verstanden?« »Wer seid ihr?«, fragt Jim Ballard ruhig. »Ihr sprecht ständig davon, dass ›wir‹ dagegen sind, dass ›wir‹ dich zerschmettern wollen. Nun gut, wer seid ihr? Oder wer hat euch geschickt oder steht hinter euch?« Nun grinsen sie ihn an, kalt und hart. Dann sagt ihr Sprecher hart: »Ballard, die Politik im Arizona-Territorium wird nicht in Washington gemacht, auch nicht von der Armee oder von den wenigen Indianerfreunden wie Sie. Die Politik hier in diesem Territorium wird von den Städten, von den großen Rinderzüchtern und von den Minenbesitzern gemacht, und sie alle haben immer wieder durch die Indianer große Verluste erlitten. Sie haben geblutet und immer wieder Schaden erlitten. Sie haben…« »Weil sich die Indianer nicht ohne Gegenwehr berauben und wie Raub wild jagen und töten ließen«, unterbricht Jim Ballard bitter. »Eine Rothaut hat keine Rechte«, sagt der Fremde hart. »Wenn Sie hier den Anfang machen, Ballard, dann machen es die anderen Reservate vielleicht nach. Und deshalb wurden wir hergeschickt, um Sie zu warnen, Ballard! Ich habe ganz offen zu Ihnen gesprochen. Ich habe jetzt eindeutig gewarnt. Wenn Sie hier nicht sofort aufhören, müssen Sie gegen das ganze Territorium kämpfen. Dann sind Sie schnell ein toter Mann. Dann werden Sie wie eine verlauste Rothaut abgeknallt. Halten Sie die roten Affen in einem kleinen Dorf zusammen, und füttern Sie sie. Das ist genug! Aber geben Sie es auf…« »Jetzt ist es genug!«, unterbricht ihn Jim Ballard. »Schert
euch zum Teufel!« »Sicher, wir gehen«, sagt der Mann. »Wir verschwinden jetzt. Aber Sie sind gewarnt, Ballard!« Er geht an Jim vorbei. Die drei anderen Burschen folgen ihm. Sie treten zu ihren Pferden und sitzen auf. Aber bevor sie losreiten, sagt ihr Sprecher noch einmal: »Wir könnten Sie sogar auf gesetzliche Art erledigen, Ballard. Sie haben vier weiße Männer getötet. Unser Richter in Tucson würde Sie wegen Mordes verurteilen und aufhängen lassen. Hüten Sie sich, Ballard!« Nach diesen Worten zieht er sein Pferd herum und reitet an. Die drei anderen Männer folgen ihm. Aber sie kommen nicht weit. Denn überall rings um den Hof kommen nun zwischen den Gebäuden und Hütten bewaffnete Männer hervor. Ted Rourke und Lieutenant Clay Benton führen diese Männer an. Ted Rourke brüllt über den Platz: »Jim, was ist das? Mrs Haynes schickte einen ihrer Indianerjungen zu uns und ließ bestellen, es wären Fremde gekommen, die ihr nicht gefielen. Was ist das, Jim?« Jim überlegt kurz. Einen Moment spielt er mit dem Gedanken, diese vier Burschen verhaften zu lassen. Aber dann lässt er diese Absicht fallen und sagt laut: »Lasst sie fortreiten! Lasst sie nur reiten!« Nach diesen Worten geht er ins Haus. Er kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Sein erster Ausritt hat ihn bis in den innersten Kern erschöpft. Er stolpert in sein Zimmer und fällt bäuchlings auf sein Bett. Joyce kommt herein und zieht ihm wortlos die Stiefel aus. »Was wirst du tun?«, fragt sie dann sanft. »Wenn mich jemand aufhalten will, werde ich ihn niederkämpfen«, sagt er müde. ***
Die Tage vergehen und werden zu Wochen. Jim Ballard wird immer tätiger und ist jeden Tag vierzehn und noch mehr Stunden auf den Beinen. Die Arbeit geht voran. Jeden Tag ist ein neuer Fortschritt erkennbar. Die Wagen der Reservation sind ständig unterwegs. Jim Ballard lässt alle notwendigen Dinge von Globe kommen. Diese Stadt liegt weiter entfernt als Tucson, aber er bekommt von Globe immer noch alles, was er nötig hat. Jim kauft auch eine ziemlich große Schafherde, die von einigen Navajos aus Utah herbeigetrieben wurde. Jim teilt diese Schafe unter den Indianerfamilien auf. Jedes Tier bekommt das Familienzeichen eingebrannt. Dann kommt die Herde wieder zusammen und wird nun von einigen großen Indianerjungen ständig bewacht und im großen Kreis um das Farmland getrieben. Es fanden sich auch erwachsene Apachenkrieger wieder bei ihren Familien ein. Sie kamen dann und wann einzeln oder in kleinen Gruppen von irgendwoher. Die meisten von ihnen waren damals bei Santez und konnten entkommen. Einige aber waren schon vorher aus dem Reservat geflohen, weil sie nicht länger bei John Bishop hungern wollten. Doch nun kommen sie nach und nach zurück. Denn die Kunde, dass es Santez’ Stamm jetzt gut geht und ein weißer Mann wie ein Vater für die Mescaleros sorgt, hat sich im ganzen Territorium verbreitet. Es zieht die Krieger der Mescaleros zu ihren Frauen, Müttern, Kindern und Geschwistern zurück. Sie kehren heim. Und sie melden sich bei Jim Ballard. Der nimmt sie auf. Einige Tage lang schlendern diese Krieger dann misstrauisch und wachsam umher. Aber plötzlich sind sie dann bei der Arbeit. So vergehen also Tage und Wochen. Aber dann kommt eine schlimme Nachricht. Jim Ballard erhält sie an einem Nachmittag, als er in seinem Büro sitzt und
einen langen Brief an General Crook schreibt. Es ist Lieutenant Clay Benton, der diese Nachricht bringt. Er kommt langsam herein, zieht sich die gelben Handschuhe aus und nimmt den Hut ab. »Jim«, sagt er bekümmert, »ich erhielt eine schlimme Meldung. Sie wurde von Fort Apache her über die Signalstation durchgeblinkt. Und sie ist wirklich schlimm.« »Was?«, fragt Jim Ballard nur. Und dann wartet er. »Santez ist ausgebrochen«, sagt der Lieutenant. »Santez und seine Krieger sind ausgebrochen. Sie bekamen Hilfe von irgendwelchen Freunden. Ich weiß es noch nicht ausführlich, aber das ganze Straflager, in dem mehr als hundert Apachen und Santez und seine Krieger als Kettensträflinge festgehalten wurden, ist nicht mehr. Jemand hat die Wachmannschaft überfallen und die Sträflinge aus ihren Ketten befreit. Jemand hat ihnen Waffen gegeben. Und dann fielen sie über ihre Bewacher her, die in irgendeinem Gebäude eingeschlossen waren. Nun ist Santez mit mehr als hundert Apachen irgendwo unterwegs. Sie kommen von Yuma her durch die Gila-Wüste. Aber die ist mächtig groß. Die wenigen Armeestationen können diese hundert Apachen kaum aufhalten. Wenn Santez es fertig bringt, diesmal zu den Tontos durchzubrechen, dann gibt es wirklich jenen großen Krieg, den wir damals mit großer Not noch verhindern konnten. Santez wird sicherlich eine blutige Fährte ziehen. Vielleicht taucht er eines Tages sogar hier mit dreihundert Kriegern auf. Die Tontos, die Chiricahuas, Cochises Krieger, die Yaquis und die Mimbreños, sie alle werden sich mit ihm vereinigen. Sergeant Rourke meint, dass es auch fünf- oder sechshundert werden können.« »Yeah«, sagt Jim Ballard knapp. »Wenn Santez lange genug in Freiheit bleibt und einige Erfolge erringen kann, dann ist es möglich, dass er mehr als sechshundert Krieger unter seinem Befehl vereinigen kann. Dann muss die Armee mehr als zweitausend Soldaten aufbieten, um sie wieder einzufangen.«
Nach diesen Worten denkt er eine Weile nach. Sein Gesichtsausdruck ist bitter. Schließlich murmelt er: »Santez wurde also befreit. Die Sache war richtig organisiert. Jetzt wird mir klar, warum mich meine Gegner, die mein Werk hier zerstören möchten, bisher nach ihren anfänglichen Drohungen in Frieden ließen. Jetzt ist mir alles klar. Diese Schurken haben die ganze Sache von einem anderen Ende her begonnen.« »Erklären Sie mir das, Jim«, sagt der Lieutenant schnell. Jim blickt ihn an. »Die Leute in Tucson und die Minenbesitzer und Rinderzüchter, dieser Interessentrust gegen meinen Plan, sie haben es nicht gewagt, mich und das Reservat anzugreifen. Sie fürchteten sich vor General Crook und der Armee, deren Vertrauen ich besitze. Deshalb dachten sie sich etwas anderes aus. Sie warben sich eine Banditenbande an und verhalfen Santez zur Freiheit. Nun wird Santez plündern und morden, Krieg führen und Blut vergießen. Die Armee wird große Verluste haben und nichts mehr von meinem Plan halten. Das Innenministerium wird gegen General Crook eingestellt sein, und der General wird meinen Plan hier nicht länger stützen und schützen können. Natürlich wird Santez eines Tages hierher zu uns kommen. Aber dann wird es zu spät sein. Nein, ich muss zu Santez! Ich muss ihn von meiner Sache überzeugen. Ich muss ihm klar machen, dass viele Dinge anders geworden sind und er seinen eigenen Stamm vernichtet, wenn er Krieg führt und sich der Armee nicht freiwillig stellt. Ich muss selbst zu Santez!« Er springt nach diesen Worten heftig auf und geht hinaus. Neben der Tür hängt ein Stück Eisenblech an einem vorspringenden Balken. Jim Ballard nimmt einen Eisenschlegel und beginnt auf das Blech zu hämmern. Die Töne hallen fast so laut und so weit wie der Klang einer Kirchenglocke. Es ist ein Zeichen, dass sich alle Menschen des Reservats sofort vor dem Verwaltungshaus zu versammeln haben.
Zuerst kommen seine Männer herbei, an ihrer Spitze Sergeant Ted Rourke. »Was ist los?«, ruft er wild. »Kommen die Dummköpfe aus Tucson jetzt mit einer Mannschaft? Wollen sie ihre verdammte Drohung nun in die Tat umsetzen?« Jim Ballard hebt die Hand und verlangt somit Ruhe. Dann betrachtet er den anwachsenden Haufen der Indianerversammlung. Sie kommen immer noch herbeigeströmt und bilden einen immer größer und dichter werdenden Menschenhaufen vor dem Haus. Schließlich tritt Jim an den Rand der Veranda und beginnt zu sprechen. Er redet in der Sprache der Apachen. »Santez ist frei und macht Krieg. Aber das ist dumm von ihm. Wenn er Krieg macht, wird man mir nicht glauben, dass die Apachen jemals friedlich sein können. Dann wird es mir nicht möglich sein, den Apachen Rechte zu verschaffen und mit eurer Hilfe hier ein blühendes Land zu schaffen. Ich reite jetzt zu Santez! Ich will ihm alles erklären. Und wenn er will, dann bringe ich ihn hierher an diesen Ort. Dann soll er von euch hören, wie ihr denkt. Er soll hier sehen, wie es euch geht und was wir inzwischen alles vollbracht haben. Er soll erkennen können, was er zerstört, wenn er Krieg macht. Ich reite jetzt zu Santez. Ich bitte euch, arbeitet hier weiter! Vollendet unser Werk! Macht alles hier richtig und gut! Damit Santez sehen kann, was er zerstören würde! Das ist alles!« Er wendet sich um und blickt Joyce und seine Männer an. »Es ist die einzige Möglichkeit«, sagt er rau. »Wenn Santez seinen Stamm und die Apachen liebt, wenn er ihnen wirklich helfen will, dann wird er tun, was ich von ihm verlange.« »Oder er wird dich gar nicht anhören und dich sofort töten«, sagt Joyce bitter. »Vielleicht«, sagt er. »Aber ich reite sofort! Clay, geben Sie an Fort Apache durch, was ich vorhabe. Bitten Sie General Crook darum, mir eine Chance zu geben. Das ist alles! Wego,
sattle mir ein Pferd!« *** Zwei Tage später verlässt Jim Ballard die Straße nach Tucson und wendet sich nach Westen. Am dritten Tag erreicht er den Santa Cruz River und stößt dort an der Furt auf drei Reiter, die ihre Pferde tränken. Wenn er den Fluss durchfurten will, muss er dicht an ihnen vorbei. Als er herangeritten kommt, wenden sie sich ihm zu. Er nickt ihnen lässig zu und will vorbei. Doch da sagt einer der drei Männer: »Einen Moment, Mister!« Jim hält an und setzt sich im Sattel bereit. »Was soll’s sein?«, fragt er ruhig. »Wer sind Sie und wohin wollen Sie?«, fragt der Mann hart. Alle drei starren sie Jim an. Es sind scharfäugige und hartgesichtige Burschen. »Wer sind Sie?«, fragt Jim Ballard zurück. Der Mann klappt wortlos die linke Seite seiner offenen Jacke auf. Jim kann auf der Hemdtasche des Mannes einen Stern erkennen. »Ich bin Deputy Sheriff im Pima County«, sagt der Mann dann langsam. »Und Sie sind gewiss Jim Ballard von der Indianer-Reservation. Wir haben eine genaue Beschreibung von Ihnen, Mister. Sie sind Jim Ballard, nicht wahr?« »Der bin ich«, erwidert Jim. »Und was ist jetzt?« »Sie sind nicht mehr in Ihrem Reservationsgebiet, Ballard. Sie sind hier im Pima County. Deshalb muss ich Sie jetzt verhaften. In Tucson liegt eine Anklage gegen Sie vor. Sie und Ihre Leute sollen vier weiße Männer getötet haben.« Jim Ballard denkt eine Weile nach, und es sind viele Gedanken, die jetzt in ihm sind. Schließlich fragt er ruhig: »Habt ihr hier auf mich
gewartet?« Der Deputy Sheriff nickt. »Santez ist ausgebrochen«, sagt er. »Er kommt mit mehr als hundert Kriegern, die wie er als Kettensträflinge in den Steinbrüchen der Strafanstalt Yuma arbeiteten, durch die Gila-Wüste nach Osten. Er muss eines Tages hier am Santa Cruz River auftauchen und eine der wenigen Furten benutzen. Ballard, wir haben uns ausgerechnet, dass Sie die Reservation verlassen und zu Santez wollen, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Wir wissen alles, was Sie tun, Ballard. Wir sind über alles informiert.« »Und jetzt wollt ihr mich aufhalten?«, fragt Jim bitter. »Es ist gegen Sie Anzeige wegen Mordes erhoben worden, Ballard«, grinst der Deputy Sheriff. »Sie müssen sich erst einmal in Tucson verantworten.« »Ich habe keine Zeit«, erklärt Jim Ballard hart. »Ich muss Santez aufhalten. Ich werde später nach Tucson kommen und mich dem Gericht stellen. Ich werde auch Gegenklage erheben. Ich stieß mit meinen Leuten auf einige Männer, die auf Skalpjagd waren und einige Indianerfrauen und Kinder ermordet hatten. Es kam zu einem Kampf. Die Mörder wurden getötet. Das kann ich vor jedem Gericht verantworten. Und jetzt gebt mir den Weg frei, Männer!« Die letzten Worte sagt er hart und kalt. Der Deputy Sheriff und seine beiden Reiter legen sofort ihre Hände an die Griffe ihrer Waffen. »Wenn Sie sich der Verhaftung widersetzen, Ballard, dann müssen wir auf Sie schießen!« Jim Ballard nickt. »Fangen wir also an«, sagt er rau. »Ich lasse mich nicht von einem Deputy Sheriff aufhalten, der sich zum Handlanger einer Interessengruppe macht, die meine Pläne durchkreuzen möchte. Jungs, ich lasse mich von euch nicht bluffen. Wenn ich zu schießen beginne, dann werden zwei von euch tot sein,
bevor ich was von euch abbekomme.« Als er es gesagt hat, wartet er einige Sekunden. Dann drängt er sein Pferd seitwärts an den drei Männern vorbei. Er behält sie im Auge und hat eine Hand am Colt. Der Deputy Sheriff aus Tucson zögert immer noch. Denn er hat schon von Jim Ballard gehört und kennt einige Geschichten, die von Jim Ballards Kämpfen erzählen und fast schon Legende sind. Er weiß außerdem, dass die Armee hinter Jim Ballard steht, und er glaubt selbst nicht an die Rechtlichkeit der gegen Jim Ballard erhobenen Anzeige. Das alles zusammen lässt den Mann zögern, zumal er sich darüber klar ist, dass Jim Ballard nicht blufft, sondern wahrhaftig kämpfen wird. Jim Ballard drängt sein Tier indes seitwärts ins Wasser der Furt hinein, und er kann sehen, wie einer der beiden Begleiter des Deputy Sheriffs nun von einem wilden Verlangen überwältigt wird. Der Mann stößt plötzlich einen scharfen Schrei aus und reißt die Waffe aus dem Holster. Jim lässt sich vom Pferd fallen, und zwar nach der den Männern abgewandten Seite. Er landet im Wasser, geht dabei in die Hocke, und indes dies geschieht, treffen einige Kugeln sein Pferd. Bevor es fällt, schnellt Jim im Wasser zur Seite. Als er Sicht auf die drei Männer bekommt, hält er beide Colts in den Händen. Und dann muss er schießen. Denn nun haben sich auch der Deputy Sheriff und der zweite seiner Begleiter zum Kampf entschlossen. Eine Kugel ritzt Jims Wange. Eine zweite Kugel zupft an seiner Schulter. Und während dies geschieht, steht er bis zu den Knien zusammengeduckt im Wasser und schießt mit beiden Revolvern. Er trifft den einen Mann und dann den Hilfssheriff. Als sie zu Boden gehen, lässt der dritte Mann die Waffe fallen und ruft schrill: »Genug! Ich habe genug!«
Langsam kommt Jim aus dem Wasser. Der Deputy Sheriff sitzt am Boden und presst seine Hand auf die blutende Schulterwunde. Der andere Mann wälzt sich am Boden herum und umfasst sein Knie mit beiden Händen. »Ich verblute«, krächzt er schmerzvoll. Und der dritte Mann ist bleich und zittert etwas. »Ihr Narren!«, sagt Jim zu ihnen. »Ihr konntet mir nicht einmal einen Haftbefehl zeigen und wolltet mich hier aufhalten. Ich werde diese Sache durch General Crook dem Innenministerium vorlegen lassen. Ich bin unterwegs, um Santez und hundert wilde Apachen aufzuhalten. Ich bin in meiner Eigenschaft als Indianerbeauftragter in diesem Teil des Territoriums unterwegs. Und so ein Dummkopf von Deputy Sheriff lässt auf mich schießen und will mich aufhalten! Jungs, das wird mächtig bitter für euch und eure Hintermänner! Wenn die Stadt Tucson was von mir will, dann muss sie sich an die Armee oder an den Innenminister wenden. Dann muss sie bei diesen Stellen ihre Anzeige vorbringen. Oh, ihr verrückten Holzköpfe!« Nach diesen Worten geht er zum Wasser zurück, nimmt seinem toten Pferd den Sattel und das Bündel ab und sucht sich eines der drei Pferde der Männer aus Tucson aus. *** Drei Tage später liegt er zwischen Kakteen und Dornenbüschen auf einem Hügelhang über der Cacasta-Quelle und erblickt die beiden ersten Apachen von Santez’ wilder Horde, die auf den Quellsee zureiten. Er beobachtet, wie sie unten seine Spur entdecken und sofort zu Boden gehen und zwischen die Büsche gleiten. Dann ruft er laut hinunter: »Ich sehe euch! Ich habe hier auf euch gewartet! Hier ist Gelbhaar! Ich will zu Santez! Ich bin ganz allein gekommen. Ich möchte mit Santez reden! Nun
komme ich zu euch! Ich komme friedlich und will nicht kämpfen! Denn ich muss mit Santez reden! Ihr müsst mich zu Santez bringen!« Er ruft es in der abgehackten und kehligen Sprache der Apachen hinunter. Dann wartet er eine Weile, bis er sicher ist, dass die beiden Apachen dort unten lange genug überlegt haben und wahrscheinlich nicht schießen werden. Er erhebt sich aus seiner Deckung, holt sein Pferd hinter den Büschen hervor, nimmt es am Zügel und geht langsam den Hang hinunter und auf die Quelle zu. Von den beiden Apachen ist noch nichts zu sehen. Sie liegen irgendwo wie Wüstenwölfe in Deckung und warten erst einmal ab. Und gewiss haben sie ihre Waffen bereit und brauchten nur abzudrücken. Jim tritt an das Wasser des kleinen Beckens. Er bückt sich und schöpft sich einige Handvoll heraus. Sein Pferd säuft neben ihm. Dann wendet er sich um und zeigt die Handflächen seiner Hände. »Es wird gut sein für die Apachen, wenn ich mit Santez reden kann«, sagt er laut. Und dann kommen die beiden Krieger. Sie tauchen von verschiedenen Seiten auf, und sie sind wachsam und lauernd wie misstrauische Wölfe. Ihre Augen funkeln seltsam. Jim kann böse Lust zum Töten darin erkennen. »Ich will zu Santez«, sagt er. »Und ich bin allein.« Sie treten von zwei Seiten auf ihn zu. In ihren Händen halten sie gute Gewehre. Jeder trägt zwei Patronengürtel kreuzweise über der Brust. Und diese Patronengürtel sind gefüllt. Sie betrachten ihn eine Weile stumm. Dann sagt der Ältere von ihnen kehlig: »Santez wird dich töten. Denn du bist Gelbhaar. Santez hat gesagt, dass er dich töten wird. Ist in
deinem Kopf vielleicht eine Krankheit, dass du zu Santez möchtest?« Jim Ballard grinst bitter. »Bringt mich zu ihm«, sagt er. Der Apache zeigt nach Westen. »In einer Zeit, die ein Mann braucht, um zwei Meilen zu gehen, ist Santez hier. Gib mir deine Waffe, Gelbhaar!« »Ich komme friedlich«, sagt dieser und löst seinen Waffengurt. Er hockt sich auf die Absätze, dreht sich eine Zigarette und beginnt zu warten. Einer der beiden Apachen verschwindet gleitend. Der andere hockt sich einige Yards von ihm entfernt nieder, beobachtet ihn scharf und wartet ebenfalls. Nach einer halben Stunde ist Santez plötzlich da. Mehr als hundert Apachen tauchen von allen Seiten zwischen Kakteenstämmen, Yucca-Pflanzen, Büschen und Felsen auf. Die meisten sind zu Fuß. Nur wenige sind beritten. Santez kommt auf einem struppigen Pinto. Um ihn und Jim Ballard bildet sich ein dichter Kreis von untersetzten, breitschultrigen und breitgesichtigen Kriegern. Santez steigt vom Pferd und tritt langsam näher. Er starrt Jim Ballard an. Als er dicht genug bei Jim ist, hebt er den Fuß und tritt diesem mit aller Kraft gegen die Brust. Jim geht zu Boden. Er hat das Gefühl, als hätte ihn ein Pferd getreten. Es dauert lange, bis er auf Hände und Knie kommt und sich dann schwankend erhebt. »Du bist tapfer, stolz und mutig, Santez«, sagt er. »Ich kam freiwillig zu dir und gab meine Waffen ab. Ich bin in deiner Hand. Und du trittst mich wie einen Hund. Du kannst mächtig stolz sein, Santez.« Der starrt ihn eine Weile an. »Bevor ich dich langsam töten lasse, Gelbhaar, kannst du mir sagen, was du zu sagen hast. Warte, bis ich getrunken und gegessen habe. Dann will ich dir zuhören. Aber danach werde
ich dich töten.« Er wendet sich ab, doch Jim Ballard hält ihn nochmals mit den Worten auf: »Santez, wenn du mich tötest, dann wird dein ganzer Stamm dich verfluchen. Die Frauen, Kinder und Alten deines Stammes werden dich anspucken und verfluchen. Denn sie lieben und achten mich wie einen guten Vater. Ich habe für sie gesorgt wie ein Vater.« Santez blickt ihn eine Weile an, und in seinen dunklen Augen glitzert es seltsam. Dann entfernt er sich wortlos. Auch die anderen Apachen bewegen sich nun. Sie löschen ihren Durst und packen dann ihre Bündel auf. Sie sind mit Proviant reichlich versehen. Jim erinnert sich jetzt an die Gefangenen, die er mit der Horde kommen sah. Sie hocken erschöpft unter einigen Büschen am Rand des Wassers. Es sind vier Weiße. Sie sind körperlich und sicherlich auch seelisch am Ende. Er wird sich darüber klar, als er zu ihnen hinübergeht und sich vor ihnen auf die Absätze hockt. Die Indianer hindern ihn nicht daran, sich zu den vier zerbrochenen Männern zu hocken. Jim Ballard betrachtet sie lange, und sie starren stumpf und hoffnungslos zurück. Diese vier Burschen waren früher sicherlich hartbeinige Nummern. Revolvermänner oder Banditen. Diese Sorte ist in diesem Land reichlich vorhanden. Man trifft immer auf sie, denn dieses Territorium ist eine letzte Zuflucht für Verlorene und Geächtete, die irgendwo dem Gesetz entkamen. »Ihr steckt mächtig in der Klemme, nicht wahr?«, fragt Jim trocken. Doch er erhält keine Antwort. Sie blicken ihn nur dumpf und teilnahmslos an. Sie sind fast nackt, und weil sie schon seit Tagen in der Sonne marschieren müssen, haben sie alle einen fürchterlichen Sonnenbrand. Jim Ballard hat eine bestimmte Idee über diese vier Männer. Und weil er von ihnen etwas hören möchte, macht er es nun härter. Er sagt: »Wie kommt es, dass Santez euch noch nicht
getötet hat?« Nun kann er sehen, wie sie zusammenzucken. Nun sind seine Worte doch durch ihre Erschöpfung und Teilnahmslosigkeit bis in ihren Kern gedrungen. Einer von ihnen räuspert sich krächzend und sagt heiser gepresst: »Ein Apache ist dankbar wie ein tollwütiger Wolf.« Der Mann starrt Jim Ballard an. »Auch du bist erledigt. Du bist der Indianeragent Jim Ballard, nicht wahr? Du bist noch dümmer als wir. Sie werden dich genauso fertig machen wie uns. Doch bei dir hat Santez wenigstens einen Grund. Du warst immerhin maßgeblich daran beteiligt, als man ihn einfing und zum Kettensträfling machte. Bei dir könnte ich verstehen, dass er dich so lange nackt durch das Land laufen lässt, bis dir die Sonne die Haut abgezogen hat. Aber bei uns ist es doch etwas anderes, denn…« Der Mann verstummt bitter. Jim holt sein Rauchzeug hervor, dreht eine Zigarette und reicht sie dem Burschen. Der nimmt sie gierig und lässt sich auch Feuer geben. Als er drei Züge geraucht hat, gibt er die Zigarette an seinen Nachbarn weiter. Dann nickt er Jim zu und sagt: »Danke, Ballard. Pass auf, ich will dir etwas sagen. Wir werden nicht mehr lange leben. Wir waren zu große Dummköpfe. Warum soll ich dir nicht erzählen, wie wir in diese Klemme gerieten?« »Ich glaube, ich weiß es schon«, murmelt Jim. »Ihr gehört zu der Bande, die Santez befreite.« Der Mann starrt ihn sprachlos an. »Du kannst gut rechnen, Jim Ballard«, sagt er. »Yeah, ich bin Jeff Kentrup.« »Ich dachte es mir«, erwidert Jim. »Du bist der Bandit Jeff Kentrup. Und jemand gab dir und deiner Bande den Auftrag, Santez zu befreien.« »Für zehntausend Dollar«, seufzt Kentrup. »Yeah, ihr wart richtige Narren. Und wer gab euch den
Auftrag, Santez zu befreien?« Jeff Kentrup hebt seine breiten Schultern. »Unser Auftraggeber war natürlich nur ein Strohmann, der für Hintermänner arbeitete.« Jim möchte jetzt noch weitere Fragen stellen, aber da tönt die Stimme von Santez zu ihm. »Gelbhaar, komm her zu mir! Komm schnell!« Jim erhebt sich rasch. Er weiß, dass er Santez nicht warten lassen darf. Er muss um die Hälfte des kleinen Sees herum und zwischen den lagernden Gruppen der Apachen hindurch. Dann hockt er sich vor Santez nieder, der inzwischen gegessen und getrunken hat und an einer dicken Zigarre raucht, die sicherlich mal dem Leiter der Strafanstalt gehörte. »Nun kannst du sprechen, Gelbhaar«, sagt Santez. »Wir rasten hier bis Sonnenuntergang. Ich werde dir zuhören, denn dann vergeht die Wartezeit schneller. Es kann nicht schaden, dir zuzuhören. Ich bin ein Mann, mit dem du reden kannst, bevor er dich töten lässt. Wahrscheinlich werde ich dich dort bei dem Ameisenhaufen bis an den Hals eingraben lassen. Denn ich verdanke dir viel, nicht wahr? Ich verdanke dir eine Niederlage, viele Tote und eine schlimme Zeit in Ketten. Aber rede erst einmal, Gelbhaar. Wir haben Zeit!« Er starrt Jim Ballard glitzernd an, böse und voller Hass. Er genießt es regelrecht, dass Jim Ballard nun in seiner Hand ist. Einen Moment verspürt Jim Ballard eine kalte Furcht. Aber dann sagt er ruhig: »Ich bin zu dir gekommen, weil ich daran glaube, dass du deinen Stamm wie ein Vater liebst und niemals deine Mescaleros ins Verderben stürzen würdest. Yeah, ich habe dir eine lange Geschichte zu erzählen. Und wenn du mich auch hasst, so weißt du doch, dass ich nicht lüge. Mach deine Ohren auf, Häuptling!« Und dann beginnt Jim Ballard einfach und schlicht zu erzählen. Er schließt mit den Worten: »Jene Männer, die verhindern
wollen, dass die Apachen Rechte erhalten und zu Wohlstand kommen, haben es nicht gewagt, mich selbst in der Reservation anzugreifen oder deinem Volk etwas anzutun, denn sie fürchten sich vor meinem Beschützer General Crook und seinen Pferdesoldaten. Diese Feinde dachten sich etwas anderes aus. Sie warben weiße Banditen an, die dich und deine Krieger befreiten. Und nun wird wieder Krieg sein, nicht wahr? Nun führst du deine Krieger wieder durch das Land und hinterlässt eine blutige Fährte. Die jungen Krieger aller Stämme werden zu dir kommen, und bald wirst du sehr viele Kämpfer haben.« »Sehr viele!«, grunzt Santez. »Eines Tages werden die Pferdesoldaten euch dennoch besiegen. Aber dann wird so viel Blut geflossen und getötet worden sein, dass die Apachen überhaupt keine Freunde mehr haben. General Crook wird nicht mehr an mich und meinen Plan glauben. Ich kann dann nicht mehr beweisen, dass die Apachen friedliche Aufbauarbeit und mit Hilfe eines Flusses ein grünes Land schaffen können. Ich kann dann nicht mehr beweisen, dass die Apachen es wert sind, Rechte zu erhalten. Santez, wenn du Krieg führst, so zerstörst du die ganze Zukunft deines Stammes. Du tötest die Frauen, Kinder und alle Mescaleros, die bei mir in der Reservation sind, die dort schon viele Monde lang für ihre Zukunft arbeiten und die es nun bald geschafft haben, dass man sie anerkennen muss als friedliche und arbeitsame Menschen. Du tötest dein Volk. Wenn du Krieg machst, wird man die Apachen wieder für tollwütige Wölfe halten. Denn diesmal ist es anders! Diesmal wurde dein Stamm nicht belogen, betrogen und verraten. Diesmal hattest du keinen Grund, dich gegen Rechtlosigkeit aufzulehnen. Diesmal bist du eindeutig der wilde Wolf, der grundlos tötet. Ich bin hergekommen, um dir das alles vor Augen zu führen. Du weißt es jetzt! Ich habe dir alles gesagt. Und nun muss es sich erweisen, ob du dein Volk wie ein Häuptling und Vater liebst
oder ob du nur ein blutgieriger Mörder bist, der vom Rausch befallen ist und dem gleichgültig ist, ob er damit die ganze Zukunft seines Stammes zerstört.« Er verstummt schwer und blickt Santez fest an. Der starrt lange zurück, und alles, was er jetzt fühlt und denkt, bleibt tief unter seiner Oberfläche verborgen. Nach einer Weile senkt er den Kopf und starrt auf den Boden zwischen seine gekreuzten Beine. Dann sagt er rau: »Gelbhaar, du lügst! Ich glaube nicht daran, dass es meinem Stamm bei dir so gut ergeht. Ich glaube nicht daran, dass jede Familie ein gutes Haus, grüne Felder und Wiesen, Schafe, Rinder und andere Haustiere besitzt! Ich glaube nicht daran, dass meine Mescaleros dich lieben, dass sie für dich auch nur eine Hand gerührt haben und…« Er bricht heiser ab und macht eine schnelle Handbewegung. In seinen Augen erscheint ein listiger und verschlagener Ausdruck. »He, du hast mir eine lange Geschichte erzählt! Und was soll ich jetzt tun?« »Leg deine Waffen ab und gehe mit deinen Männern zu General Crook! Ergib dich dem General! Es ist gut, dass du die vier Gefangenen hast. So kannst du dem General beweisen, dass ihr von weißen Schurken befreit worden seid. Man wird euren Ausbruch mit Verständnis behandeln.« »Ich soll in die Ketten zurück?«, fragt Santez. Jim Ballard nickt. »Du wirst es für deinen Stamm tun! Zeig, dass du Frieden hältst, wenn es deinen Mescaleros gut geht und sie nicht rechtlos sind. Opfere dich, Santez! Das ist groß! Das ist mutig! Das gilt mehr als ein langer Krieg mit vielen Toten! Krieg bringt euch allen den Tod. Unterwerfung bringt deinem Stamm eine gute Zukunft und Rechte! Und die Jahre der Gefangenschaft und Strafe gehen vorbei. Wenn du eines Tages heimkommst, wird dein Volk dich mehr lieben als jemals einen Häuptling!«
Als er verstummt, entsteht Unruhe unter den Apachen. Denn er hat ja in ihrer Sprache gesprochen. Schon als er anfing, seine Rede zu halten und den Bericht zu geben, hatten sich die Apachen um ihn und Santez versammelt und zugehört. Doch als er jetzt zu Santez sagt, dass dieser sich ergeben soll und sich unterwerfen und in die Ketten zurück müsste, entsteht Unruhe. Es ist eine böse und wilde Erregung. Nur Santez behält die Ruhe. Er ruft einige scharfe Worte. Er ist der absolute Boss seiner wilden Horde. Es wird sofort still. »Du hast große Worte gesprochen, Gelbhaar«, sagt er bitter. »Alle Weißen sprechen stets und immer große Worte. Aber ich denke, dass auch du mich betrügen möchtest. Man hat dich zu mir geschickt, weil man mich fürchtet. Du sollst mir das Fell über die Ohren ziehen. Ich soll mich ergeben. Aber ich werde mich nicht ergeben. Ich will kämpfen. Ich hole meinen Stamm von der Reservation fort. Ich bin auf dem Weg dorthin. Und meine Boten sind unterwegs. Wenn ich die Reservation erreiche, werden dort aus allen Himmelsrichtungen die Kriegstruppen der Chiricahuas, der Tontos, der Yaquis, der Mimbreños und die aus dem Cochise-Land eintreffen. Ja, ich will einen Krieg machen. Doch du wirst nicht mehr erleben, wie wir die Blaubäuche und Pferdesoldaten töten. Du wirst schon hier sterben, Gelbhaar!« Er schnellt auf die Beine und ruft einige rasche Worte. Sofort stürzen sich von allen Seiten Krieger auf Jim Ballard. Er wird von vielen starken Händen gefasst. Er macht keine einzige Bewegung der Gegenwehr. »Warum zappelst du nicht wie ein Hase?«, fragt Santez kehlig und tritt dicht vor den festgehaltenen Mann. Er starrt ihn seltsam an. »Warum zappelst du nicht wie ein Hase oder eine Wüstenratte in den Fängen des Adlers?« »Ich fürchte mich nicht vor dem Tod«, erwidert Jim Ballard mit bitterer Festigkeit. »Ich bin als Freund zu dir gekommen. Ich wollte dir einen Weg zeigen, deinen Stamm zu retten. Aber
du bist zu feige, um dich für deine Mescaleros zu opfern. Du bist nicht groß genug, Santez, um dich zu ergeben. Also töte mich, du Narr! Denn nun habe auch ich keine Hoffnung mehr.« In Santez’ Augen erscheint einen kurzen Moment lang ein zweifelnder und ratloser Ausdruck. Aber dann blitzt wieder der alte Hass und der Ausdruck von Mordlust in ihnen. »Grabt ihn dort bei den Ameisen ein«, sagt er hart. Jim Ballard wird weggeschleppt. Viele Hände scharren und graben ein tiefes Loch. Andere Hände fesseln ihn grausam. Und es dauert gar nicht einmal lange, da ist er bis zum Hals eingegraben. Bald darauf verspürt er die wütenden und schmerzvollen Bisse der ersten Ameisen. Santez kauert vor ihm und beobachtet ihn im letzten Licht des Tages. »Du wirst langsam sterben, Gelbhaar«, murmelt Santez. »Wenn du jetzt bekennst, dass du mich angelogen hast, dann lasse ich dich wieder ausgraben und schnell und schmerzlos töten. Aber du musst erst zugeben, dass du mich angelogen hast. Du musst ehrlich sein und zugeben, dass mein Stamm im Reservat noch genauso hungert wie zuvor. Dass wir rechtlos sind. Dass wir betrogen werden. Sag es nur, Gelbhaar! Dann ersparst du dir all die Qualen. Dann bist du schnell tot. Du hast nur diese eine Chance, denn wir gehen jetzt fort! Du weißt, was dir bevorsteht, wenn wir dich hier in dieser Lage allein lassen!« »Du bist dumm, Santez! Dein Volk wird dich verfluchen! Sie werden dich anspucken, wenn sie von meinem Tod hören. Denn sie lieben und achten mich. Ich war ihr guter Vater. Und jedes Wort, das ich zu dir sprach, war so wahr wie die Stimme des Windes, der dir die Stimmen des Landes an dein Ohr bringt. Du bist dumm, Santez. Und nun geh! Ich habe dich nicht angelogen! Alle meine Worte waren wahr!« Santez betrachtet ihn noch eine Weile. Dann erhebt er sich. »Gehen wir«, sagt er zu seinen Kriegern.
*** Jim Ballard ist nicht lange mit den wütend beißenden Ameisen allein. Er braucht die Sache nur wenige Minuten zu ertragen. Dann ist Santez wieder da. Er hat einige Krieger mitgebracht. Sie befreien Jim Ballard, und er kriecht keuchend zum Wasser hinunter und steckt seinen Kopf hinein, denn dieser Kopf ist schon angeschwollen und überall gebissen worden. Es dauert eine Weile, bis sich Jim Ballard wieder aufsetzt. »Du wolltest mich doch töten, Santez!«, keucht er. »Oder ist dir nun eine andere Art eingefallen? War dir diese Art, deine Freunde umzubringen, nicht scheußlich genug?« Santez stößt ein kehliges Lachen aus. Nicht immer sind Indianer todernst, wie sie oft geschildert werden. Santez lacht also kehlig und sagt dann: »Ich wollte herausfinden, ob deine Worte wahr sind, aber du wolltest tatsächlich lieber grausam sterben, als sie zu widerrufen. Nun will ich mit dir zum Reservat reiten. Ich will nachsehen, ob alles stimmt, was du sagtest. Meine Kriegshorde hat sich in viele kleine Gruppen aufgelöst. Sie alle eilen auf Schleichwegen zum Reservat. Sie werden allen Soldatenabteilungen entgehen und in fünf Tagen aus allen Himmelsrichtungen beim Reservat eintreffen. Und nicht nur sie! Neue Boten sind unterwegs! Rauchsignale werden in den nächsten Tagen überall meine Botschaften verkünden. Gelbhaar, in fünf Tagen sind mehr als fünfhundert Apachen aller Stämme bei der Reservation versammelt. Ich werde dort sehen. Wenn ich schlechte Dinge sehe, dann…« Er bricht ab und deutet zur Seite. »Dort steht dein Pferd, Gelbhaar! Reiten wir!« ***
Am frühen Morgen des fünften Tages kommt Santez mit seinem Gefangenen und seiner Schar aus den Hügeln und trifft auf die Schafherde des Reservates. »Es sind die Schafe deines Stammes«, sagt Jim Ballard ruhig zu ihm. »Reite hin und sieh nach. Du wirst die Familienzeichen der einzelnen Sippen unter der Wolle in der Haut eingebrannt finden. Jede Sippe erhielt ihrer Kopfzahl entsprechend Tiere zugeteilt. Sieh nach, Santez! Und sprich mit den Hirten!« Santez reitet wortlos aus der Hügellücke heraus. Die anderen Reiter folgen ihm. Die große Schafherde wird von einem halben Dutzend halb erwachsener Indianerjungen bewacht. Sie grüßen ihren Häuptling, aber sie grüßen auch Jim Ballard. Santez richtet mehr als ein Dutzend Fragen an die Knaben, und er erhält schnell und klar die Antworten. Danach sitzt er eine Weile mit gesenktem Kopf unbeweglich auf seinem Pferd. Als er dann Jim Ballard anblickt, ist sein Blick verwundert und wieder irgendwie ratlos. Er hebt die Hand und wischt sich über die Augen. Dann schüttelt er den Kopf und murmelt kehlig: »Sollte es wirklich so sein? Ist das wirklich möglich?« Natürlich drückt er sich in seiner Sprache etwas anders aus. »Es ist alles wahr, was ich sage«, spricht Jim Ballard zu ihm. »Dann will ich es schnell sehen!«, ruft Santez und reitet an. Sie reißen ihre Pferde herum, reiten in einen Canyon hinein, durchreiten ihn und kommen dann auf die Ebene des Reservates. Sie liegt einige Hundert Fuß unter ihnen, und Santez’ Falkenaugen können alles überblicken. Er sieht in der Ferne die Hügel, aus denen der Fluss bisher ungehindert kam. Nun sieht er die Staumauer. Kleine Ameisen scheinen dort zu arbeiten, aber diese Ameisen sind Menschen.
Santez erblickt Bewässerungsgräben, die wie ein Adernetz die Ebene durchziehen. Er erblickt fertige Hütten und Häuser, halb fertige Bauwerke. Wagen mit Material sind unterwegs. Überall sind arbeitende Gruppen im Land verstreut. Da und dort werden Felder gepflügt. Auf eingezäunten Weiden wandert Vieh umher. Santez erblickt ein werdendes Farmland. Er erblickt überall Aufbau. Seine Falkenaugen sehen alles, denn sein Blick reicht zwanzig Meilen weit ungehindert in die Runde. »Dort arbeiten deine Mescaleros für ihre Zukunft«, sagt Jim Ballard ruhig. »Du kannst von hier oben erkennen, dass jede Familie oder Sippe ihr eigenes Stück Land besitzt. Dort unten entstehen mehr als fünf Dutzend kleine Siedlerstellen und Farmen. In zwei oder drei Jahren wird es ein gutes Land mit grünen Feldern, Weiden und Viehzucht sein. Bäume werden eines Tages blühen und Früchte tragen. Mais, Kartoffeln, Tomaten, Erdfrüchte aller Art, Viehzucht, Pferdezucht, Schafe und alles, was es sonst noch gibt, wird in diesem Land euch allen ein Auskommen und eines Tages Wohlstand bringen. Das ist es, Santez!« Der starrt ihn an. »Was hast du mit meinem Volk gemacht in diesen wenigen Monaten? Hast du meine Mescaleros verzaubert? Zauberst du vielleicht auch jetzt, und es ist gar nicht wahr, was ich jetzt sehe, sondern nur ein Trugbild?« »Es ist alles wahr und echt, Santez«, erwidert Jim Ballard. Santez treibt sein Pferd an. Sie reiten nun schnell, und nach vier Meilen stoßen sie auf die erste Siedlerstätte. Hier sind eine alte Squaw, zwei junge Frauen, drei Mädchen und zwei größere Jungen bei der Arbeit. Sie sind dabei, das Haus – eine Adobehütte – zu decken, einen Corral zu errichten und für das Ende des Bewässerungsgrabens ein Becken mit Adobe auszuschmieren. Das heißt, sie waren dabei, dies alles zu tun. Aber nun haben sie sich vor der Hütte versammelt und warten auf die
ankommenden Reiter. Als Santez und Jim Ballard vor ihnen verhalten, grüßen sie Santez, ihren Häuptling, zuerst. Der fragt schnell: »Geht es euch wirklich gut? War Gelbhaar wie ein guter Vater zu euch? Sagt es mir schnell!« Die alte Squaw neigt ihren Kopf und hebt wie segnend ihre Hände. »Gelbhaar war unser Vater! Er gewann unsere Herzen. Er zeigte uns gute Wege. Er und seine Männer sind gut. Wir achten Gelbhaar und vertrauen ihm. Und Rothaar mit dem guten Herzen ist auch gut. Sie ist eine weiße Squaw mit einem kleinen Sohn. Sie achtet darauf, dass wir alles bekommen, was wir brauchen. Es ist alles gut, Santez. Wir freuen uns, dass du mit Gelbhaar kommst, um nachzusehen. Denn Gelbhaar ist unser guter Vater geworden. Er hat uns beschützt und führt uns in eine gute Zeit! Sieh, was wir erbaut haben! Ich bin Arizonac, du kennst mich, Santez! (Arizonac bedeutet Große Quelle) Ich schenkte vielen Söhnen das Leben, und Pinal ist mein Mann. Er und meine Söhne wurden getötet. Nur die Enkelsöhne sind noch da. Sie sollen keinen Krieg mehr führen. Sie wollen auch nicht! Gelbhaar hat uns den Weg gezeigt! Hier ist der Weg!« Sie deutet mit einer umfassenden Armbewegung auf die Hütte, das Land und all die Dinge, die zu dieser Siedlerstätte gehören. »Es ist ein guter Weg, ohne Krieg. Wir arbeiten gern, denn alles ist für uns. Auch die weißen Siedler müssen hart arbeiten. Das ist gerecht. Macht keinen Krieg mehr, Santez. Was Gelbhaar will, ist besser.« Und damit hat sie alles gesagt. Sie senkt den Kopf und tritt zu den anderen zurück. Santez sitzt noch einige Atemzüge regungslos auf seinem Pferd und blickt starr vor sich hin. Dann wendet er sich an Jim Ballard: »Nun glaube ich fast, dass du gut zu uns bist und es ehrlich mit uns meinst. Ich
glaube fast, dass du unser Freund bist, obwohl du dafür sorgtest, dass ich gefangen wurde und viele meiner Krieger von den Soldaten getötet wurden.« »Ich musste es tun«, sagt Jim Ballard. »Ich musste euch aufhalten, um deinen Stamm zu retten.« »Ich begreife es langsam«, murmelt Santez. »Aber ich kann immer noch nicht daran glauben, dass Rechtlose zu Recht kommen sollen. Was ist, Gelbhaar, wenn die anderen weißen Männer, die mehr zu bestimmen haben als du, mit dem, was hier gemacht wurde, nicht zufrieden sind? Was ist, wenn sie dich von hier fortschicken und alles wieder so wird wie unter John Bishop?« Jim Ballard überlegt. »Das wird nie sein«, sagt er. »Das wird nur kommen, wenn du Krieg machst. Dann nämlich ziehen meine großen Freunde und Beschützer ihre Hand von uns.« »Aber wenn es trotzdem wieder anders und so schlecht wird wie damals, obwohl ich keinen Krieg mache und mich vielleicht sogar unterwerfe und in die Ketten zurückgehe?« »Dann würde ich für euch kämpfen«, erwidert Jim Ballard hart. Santez betrachtet ihn lange. »Reiten wir weiter«, sagt er. Und das tun sie. Auf ihrem Weg zur Reservatsverwaltung kommen sie noch an vielen Siedlerstellen vorbei. Zweimal halten sie an und sehen zu, wie Jim Ballards Männer den Indianern das Pflügen beibringen. Die Männer aus Jim Ballards Mannschaft rufen Jim zufriedene Worte herüber. Jim erwidert ihre Rufe. Dann reitet er mit Santez und seinem wilden Rudel Apachenkrieger weiter. Und diese Apachenkrieger staunen und wundern sich immer noch. Nach mehr als einer Stunde schnellen Reitens erreichen sie dann die Gebäude des Reservates. Sie sind schon längst gemeldet. Joyce Haynes, ihr Sohn Tom, der Sergeant Ted
Rourke, Wego Flynn, Ben Tennessee und andere Männer stehen auf der Veranda des Verwaltungsgebäudes und warten. Vom Signalhügel kommt Lieutenant Clay Benton mit zehn seiner Reiter heruntergeritten. Die Augen der Apachenkrieger hinter Santez beginnen böse zu funkeln, als sie die Blauröcke erblicken, die nun den Fuß des Hügels erreicht haben und geradewegs mit klirrendem Trab auf die Gebäude zugeritten kommen. Jim Ballard wendet sich schnell an Santez: »Dieser kleine Häuptling der Pferdesoldaten ist ebenfalls euer Freund«, sagt er. »Er und seine Blaubäuche haben sehr viel geholfen. Halte deine Krieger zurück, Santez.« Der nickt und ruft einige Worte über die Schulter. Indes haben sie vor Clay Benton und den Soldaten den Hof erreicht und halten an. Jim Ballard reitet mit Santez vor die Veranda. Er lächelt Joyce und Tom zu. Dann nickt er seinen Männern zu und sagt: »Das ist Santez.« »Aber du bist waffenlos und sein Gefangener«, sagt Ted Rourke hart. »Und du siehst nicht gerade so aus, als wäre es dir gut gegangen.« Nun grinst Santez über sein breites und hartes Gesicht. Nun zeigt er, dass er ziemlich gut englisch spricht und versteht. »Auch mir ging es nicht besonders gut, Drei-Winkel-Soldat. Wir kennen uns, nicht wahr? Und damit ihr es wisst! Das ganze Reservat ist jetzt schon von gewiss fünfhundert Apachen umstellt. Ich bin gekommen, um zu sehen. Ich habe Signale durch das Land gegeben. Ich habe Boten ausgesandt, und die Rauchzeichen stiegen in den letzten Tagen überall gen Himmel. Die Krieger der ganzen Apachennation sind jetzt rings um das Reservatsland versammelt, dort in den Hügeln, dort in den Kakteenwäldern und in den Canyons und Arroyos. Überall!«
»Und was jetzt?«, fragt Jim Ballard scharf. Aber Santez gibt ihm noch keine Antwort. Er beobachtet Lieutenant Clay Benton, der mit seinen Leuten herangeritten kommt, absitzen lässt und seine Leute zu einer entschlossenen Gruppe sammelt, die sich nun links von den noch berittenen Apachenkriegern befindet. Santez’ Augen funkeln wieder böse und mordlustig. Der Hauch einer Gefahr liegt plötzlich in der Luft. »Was nun, Santez?«, fragt Jim Ballard wieder scharf. Santez blickt Joyce Haynes an. Er reitet sogar ein Stück näher an die Veranda heran. »Die Frauen und Kinder meines Stammes erzählen mir, dass auch du gut zu ihnen warst, Rothaar«, sagt er auf Englisch. Er wendet sich Jim Ballard zu. »Ich möchte alles glauben«, sagt er. »Mein Herz drängt danach, alles zu glauben. Aber ich wurde schon zu oft belogen und betrogen. Ich bin ratlos, Gelbhaar. Wenn ich nur wüsste, ob wir Apachen wirklich nicht mehr rechtlos sind. Wenn ich nur vertrauen könnte, dass man uns dulden wird! Wenn es nur wirklich wahr wäre, dass wir hier wie weiße Siedler auf eigenem Land leben und…« Er bricht ab und schüttelt den Kopf. »Ich glaube dir, Gelbhaar! Ich glaube auch dieser Frau dort! Und ich glaube deinen Männern! Aber was wird sein, wenn die Armee kommt? Und all die anderen weißen Häuptlinge, die mehr zu sagen haben als du, Gelbhaar? Was wird dann sein?« Bevor Jim Ballard etwas erwidern kann, tritt Lieutenant Clay Benton heran. Er sagt knapp: »Es kam ein Blinkspruch von General Crook! Seine Scouts haben ihm gemeldet, dass sich zahlreiche und starke Kriegshorden aller Stämme rings um das Reservat konzentrieren. General Crook hat Fort Apache verlassen. Es kommen aus allen Richtungen mehr als tausend Soldaten. Sie kommen aus Fort Lowell, Fort Verde und aus allen Camps und
von allen Stationen. In zwei Tagen sind sie hier.« Jim Ballard begreift sofort die Gefahr. Denn die Armee wird natürlich mit all den starken Apachenbanden in Berührung kommen. Ein kleiner Anlass kann zum Ausbruch einer regelrechten Schlacht führen. Er wendet sich an Santez. »Schicke Boten aus! Halte Frieden! Verhindere den kleinsten Ausbruch eines Kampfes. Und komm mit mir zu General Crook! Ergib dich dem General! Wenn du das tust, wird er in Washington alles durchsetzen können, was gut ist für euch Apachen. Du musst vertrauen, Santez!« »Wenn ich es könnte, wenn ich wirklich glauben könnte«, sagt dieser. Und dann herrscht Schweigen in weiter Runde. In dieses Schweigen tönt der hämmernde Hufschlag eines Pferdes. Ein Reiter jagt um das Hauptgebäude herum, und dieser Mann kommt aus Richtung der Straße nach Tucson. Es ist einer von Jim Ballards Männern. Er stößt einen lauten Ruf aus, als er nun Jim Ballard erkennt, und wirkt irgendwie erleichtert. Er starrt die Apachenkrieger an und wirkt plötzlich sehr ratlos, »Was ist los, Charly?«, fragt Jim Ballard. »Charly bewachte die Straße nach Tucson«, meldet sich Ted Rourke. »Ich hatte ihn dorthin postiert. Denn wir erhielten vor einigen Tagen eine Warnung. Man ließ uns wissen, dass irgendwelche großen Burschen, die sich für Halbgötter halten, eine Freiwilligen-Kompanie aufgestellt hätten, um dieses Reservat dem Erdboden gleichzumachen.« »Sie kommen jetzt!«, ruft Charly Mills, der die Straße nach Tucson beobachtete. »Ich habe sie vom Hügel aus gesehen. Ich habe fast zweihundert Reiter gesehen. All die Skalpjäger und Indianertöter des ganzen Landes kommen!« »Und sie werden von den Großgrundbesitzern, den Minengesellschaften und den großen Geschäftemachern und
Spekulanten bezahlt und wurden von ihnen aufgehetzt«, sagt Ted Rourkes Stimme bitter in die Stille. Santez hat alles verstanden. Obwohl die Unterhaltung in Englisch sehr schnell vonstatten ging, verstand Santez alles. Nun grinst er böse und wendet sich an Jim Ballard. »Das ist es«, sagt er kehlig. »Das ist es, was ich befürchtete. Ich spürte es ständig in meinem Herzen. Die Weißen in diesem Land geben dem Indianer keine Rechte. Es war unser Land. Die Weißen kamen als Räuber. Und sie dulden nicht, dass der Indianer mehr ist als ein rechtloses Wild, das man jagen und töten kann. Ich habe das gewusst. Und nun bin ich froh, dass ich mit mehr als fünfhundert Kriegern kämpfen kann. Ich werde diese Männer, die da auf der Straße von Tucson kommen, um hier alles zu zerstören und zu vernichten, mit meinen Kriegern töten. Ich werde keinen von ihnen leben lassen. Oh, wenn sie hier ankommen, stecken sie mitten in der Falle. Denn diese Falle ist groß!« Bei seinen letzten Worten macht er eine umfassende Armbewegung. »Überall sind Apachen«, fügt er hinzu, und in seinen dunklen Augen ist nun ein hartes und böses Licht. Jim Ballard weiß, dass nun alles auf des Messers Schneide steht. Nun muss er die Nerven behalten. »Santez«, sagt er fest, »du musst mir vertrauen. Die Apachen dürfen keinen Krieg machen. Ihr dürft nicht kämpfen! Nur ich und meine Leute dürfen das tun. Denn innerhalb der Grenzen des Reservats bin ich der Herr. Hier bin ich das Gesetz. Wer mich angreift, den kann ich bekämpfen. Und das ist gesetzlich. Du musst alles mir überlassen, Santez, mir und meinen Leuten.« »Wie willst du die Feinde aufhalten?«, fragt dieser verächtlich. »Sie sind zahlreich. Du aber hast nur wenige Männer. Und würden diese überhaupt für die Rechte und die
Sicherheit dieses Reservates kämpfen? Würden sie bereit sein, für Indianer zu sterben?« »Du wirst es herausfinden, Santez«, erwidert Jim Ballard hart. Es sieht so aus, als schüttelte sich Santez vor unterdrücktem Lachen. Dann grinst er breit und böse. »Versuche es doch«, sagt er. »Ich will es sehen. Und die vielen Reiter aus Tucson entkommen mir nicht mehr. Ich kann noch etwas warten. Ich will noch eine Weile zusehen!« Jim Ballard überlegt noch einige Sekunden. Dann ruft er: »Lieutenant Benton, kann ich auf Ihre Hilfe rechnen?« »Die Armee schützt alle friedlichen Indianer, die in diesem Reservat leben«, erwidert Clay Benton fest. »Dann lassen Sie aufsitzen, Lieutenant! Reiten Sie mit mir!« Jim Ballard wendet sein Pferd und blickt zu Joyce und auf seine Männer. »Sergeant Rourke«, sagt er, »wenn der Lieutenant, seine Soldaten und ich es nicht schaffen sollten, dann verteidigt ihr gegen die Banditen das Reservat. Verschanzt euch in den Häusern und schießt auf jeden Angreifer. Ich übernehme die Verantwortung. Es ist ein Befehl, Sergeant!« »Wir werden schießen«, sagt dieser ruhig. »Wir sind hier die Hausherren. Wir schießen auf jeden Banditen, der uns angreift.« Jim atmet auf. Nun wendet er sich an Santez. »Häuptling«, sagt er ernst, »wenn das Reservat angegriffen wird, kann ich Freiwillige einstellen, um es zu beschützen. Ich bilde hiermit eine Schutztruppe. Du und deine Krieger, ihr steht unter meinem Befehl. Während meiner Abwesenheit gibt euch Sergeant Rourke die Befehle, dieser Mann dort! Ruf all deine Krieger herbei, Santez! Bildet einen Ring um das Zentrum des Reservats. Und wenn ihr angegriffen werdet, dann
tut genau das, was euch mein Stellvertreter sagt. Willst du, Santez?« Der staunt, und er ist schlau genug, um die ganze Tragweite von Jim Ballards Handlungsweise zu begreifen. Seine Gedanken arbeiten schnell, und er erkennt kein Risiko für sich. Im Gegenteil, er begreift, dass er sich innerhalb des Gesetzes und Rechts befindet, wenn er sich dem Befehl des Indianeragenten und dessen Stellvertreters unterstellt. Dann werden er und seine Krieger von Weißen geführt. Er begreift das. Und er nickt. »Ich erkenne, dass du und deine Männer es ehrlich mit uns meinen«, sagt er kehlig. »Ihr wollt mit uns wie gute Brüder für das Recht kämpfen, gemeinsam für eine Sache! Ich bin kein Dummkopf. Ich habe begriffen, Gelbhaar! Ich werde alles tun, was dieser Drei-Winkel-Soldat mir sagt.« Jim Ballard atmet wieder auf. Dann nickt er Lieutenant Clay Benton zu, der seine Leute aufsitzen ließ. »Reiten wir, Lieutenant!«, ruft er fest. Als er sein Pferd anspringen lässt, folgt ihm der junge Offizier mit den zehn Soldaten. Santez sieht ihnen einige Sekunden lang nach. Dann wendet er sich an seine Krieger. Er wählt mehr als ein Dutzend Boten aus, indem er schnell ihre Namen ruft. »Reitet zu all den lauernden Kriegstrupps«, sagt er zu ihnen. »Bringt die Botschaft, dass Gelbhaar mich zum Anführer der Indianerpolizei ernannt hat. Jeder Apache, der zu mir kommt, ist nicht mehr rechtlos und ein wilder Wolf, sondern steht unter Gelbhaars Befehl. Gelbhaar aber schützt uns! Gelbhaar wird mit uns gegen unsere Feinde kämpfen! Gelbhaar ist unser Vater, der uns beschützt! Und Gelbhaar wird von Drei-Sterne-Crook beschützt. Also ist alles gut, wenn sich die Apachen Gelbhaar unterordnen, wenn sie seine Befehle annehmen und ausführen! Die Apachen sollen kommen und sich hier versammeln! Reitet und verkündet meine Botschaft!«
*** Jim Ballard muss mit seiner kleinen Schar noch mehr als vier Meilen reiten, bis er die starke Horde zu Gesicht bekommt. Das Rudel kommt gerade durch eine Hügellücke auf die Ebene des Reservats. Es hat die Grenzen schon überschritten. Jim Ballard lässt anhalten. Er und die Soldaten halten somit den Reit- und Fahrweg besetzt, der von der Reservation zur großen Armee- und Wagenstraße führt. Er wartet ruhig. Clay Benton hält neben ihm und ruft kurz über die Schulter seinen Soldaten zu: »Absitzen! Gewehre durchladen und entsichern!« Dann starrt auch der Lieutenant wieder auf das große und hartgesottene Rudel. Es reitet jetzt langsamer und fällt in Schritt. Sie haben die kleine Soldatenabteilung gesehen und begreifen, dass man sie aufhalten will. Doch die drei oder vier Anführer dieses Aufgebotes sind hartgesotten und fühlen sich mit zweihundert Burschen hinter sich mächtig stark. Als der erste Reiter nur noch fünfzig Schritt entfernt ist, ruft Jim Ballard scharf: »Das ist weit genug, Leute! Ihr seid hier auf Reservatsgebiet! Ich bin der Indianerbeauftragte! Und ich sage euch jetzt, dass ihr umkehren und außerhalb der Grenzen bleiben müsst! Sonst muss ich euer Eindringen als Landfriedensbruch ansehen!« »Und was dann?«, fragt der erste Reiter, ein großer, sehniger und hartgesichtiger Mann. »Wenn ihr einen Schritt weiterreitet, wird geschossen«, erwidert Jim Ballard hart. Die vorderen Reihen der Reiter beginnen laut zu lachen. Es ist ein böses Lachen. Es ist das wilde Lachen von Männern, die mit bösen Absichten hergekommen sind, sich sehr stark fühlen und sich nicht aufhalten lassen wollen.
Dann wird es wieder still. Der Sprecher der Horde ruft kalt: »Ballard, wir vertreten die öffentliche Meinung des Arizona-Territoriums! Hinter uns stehen alle Weißen von Arizona! Wir sind hergekommen, um ein Exempel zu statuieren! In Arizona ist kein Platz für rote Halunken! Geben Sie uns jetzt den Weg frei, Ballard! Sonst reiten wir Sie und Ihre kümmerliche Armee von einem knappen Dutzend Blaubäuchen über den Haufen! He, Lieutenant! Geben Sie diesem Indianernarren nicht länger Ihre Unterstützung, Die Armee gehört der Allgemeinheit. Sie wird unterhalten von unseren Steuern. Und wir vertreten die Allgemeinheit. Lieutenant, reiten Sie mit Ihren paar Jungs fort! Sonst wird es schlimm!« Lieutenant Clay Benton nagt einige Sekunden an seiner Unterlippe. Dann stellt er sich in den Steigbügeln auf und ruft zurück: »Ich glaube nicht, dass ihr die öffentliche Meinung und die Allgemeinheit vertretet. Ich halte euch für ein angeworbenes Rudel. Ich sehe keine Farmer, keine Rancher, keine Bürger aus Tucson. Ich sehe nur Revolverschwinger, Satteltramps, Vieh- und Pferdediebe und all das Gesindel der Grenze. Ich halte euch für nichts anderes als eine Banditenbande. Hinter den Burschen, die euch anwarben, stehen einige wenige Großgrundbesitzer, Minengesellschaften und Spekulanten, denen die Indianer da und dort im Wege sind. Männer, ihr könnt versuchen, uns über den Haufen zu reiten! Aber ich lasse schießen! Es wird ziemlich rau für euch! Ich habe nur zehn Mann hinter mir, aber hinter uns steht eine Armee. General Crook ist von Fort Apache her unterwegs. Wenn ihr uns angreifen solltet, wird im Territorium der Ausnahmezustand und das Kriegsrecht verhängt. Überlegt es euch nur gut! Man hat euch angeworben und losgeschickt, um Indianerhütten einzureißen, um Felder und Wassergräben zu zerstören, um wieder einmal Indianerfrauen und -kinder zu töten. Aber es wird nicht einfach sein für euch! Für viele Jungs
wird es der Tod!« Er verstummt hart und klatscht mit der Hand auf seinen Oberschenkel. Jim Ballard treibt sein Pferd etwas vor. »Passt auf!«, sagt er fest. »Santez und fünfhundert Apachenkrieger sind in der Nähe. Wenn ihr uns über den Haufen reitet, dann stürzen sie sich von allen Seiten auf euch wie die Bussarde auf eine Mäuseschar. Kehrt lieber um. Ich hatte ohnehin alle Hände voll zu tun, um Santez ruhig zu halten, bis General Crook und die Armee zur Stelle sind. Kehrt um, Jungs!« Er reitet noch weiter vorwärts, bis er sich dicht vor den Anführern der Horde befindet. Er blickt die vier hartgesichtigen Burschen fest an. »Denkt mal nach, Männer«, sagt er rau. »Santez war in Ketten und gefangen. Er wurde von Weißen befreit. Er soll wieder Krieg machen. Und damit es ein schlimmer Krieg wird, der alle Apachen erledigen soll, hat man euch angeworben und hergeschickt. Merkt ihr denn nicht, dass ihr euch für ein paar Dollar zu Dummköpfen macht? Santez und fünfhundert Apachenkrieger sind hier. Das wusstet ihr wohl nicht? Aber eure Auftraggeber rechneten sich das aus. Sie rechneten damit, dass Santez über euch herfallen würde. Natürlich würde ihn die Armee dann eines Tages vernichten. Zuvor würdet ihr zur Hölle fahren. Ihr Narren! Kehrt um! Doch vorher seht noch dort hinüber!« Während seiner letzten Worte hatte Jim Ballard etwas erspäht. Nun zeigt er es dem starken Rudel. Sie blicken in die von ihm angegebene Richtung. Über eine lange Bodenwelle, die ihnen bisher die Sicht versperrte, tauchen viele Reiter auf. Es sind Apachen auf scheckigen Pferden. Es sind viele Apachen, mehr als zweihundert. Sie reiten nun auf dem Kamm der Bodenwelle entlang in Richtung der Reservation. Aber sie spähen herüber.
»Sie reiten zu Santez«, sagt Jim Ballard. »Und Santez steht unter meinem Befehl. Wenn ich tot bin, wird er euch jagen. Und er holt euch ein, bevor ihr in Tucson seid. Jetzt verschwindet höllisch schnell.« Die Reiter starren ihn an. Dann blicken sie unruhig in die Runde. Und nun können sie auch im Norden Apachentrupps erkennen. »Zum Teufel«, sagt einer, »das wäre keine Kaninchenjagd geworden! Ich bin fertig hier! Ballard, ich möchte mich sogar dafür bedanken, dass Sie uns aufgehalten haben. Wir erkennen jetzt erst, in was wir wie Dummköpfe hineingerannt wären, und das für fünfzig Dollar pro Kopf! Ich bin fertig hier! Ich reite zurück!« Jim Ballard grinst, als er wieder bei Lieutenant Clay Benton ist. »Das wäre geschafft«, sagt er. »Jetzt muss ich nur noch Santez dazu bringen, sich General Crook zu unterwerfen.« *** Als er die Verwaltungsgebäude des Reservates erreicht, sind dort alle versammelt. Die Reservationsindianer sind herbeigelaufen und haben ihre Arbeit verlassen. Aus allen Himmelsrichtungen treffen Apachentrupps ein, wilde Krieger mit funkelnden Augen und harten Gesichtern. Sie alle sammeln sich eine Viertelmeile vor der Reservationsverwaltung, dort, wo das einstige Indianerdorf lag und noch Zelte, Jakals und Feuerstellen vorhanden sind. Aber all diese Krieger mussten über das entstehende Farmland reiten. Sie sahen alle Dinge und sie begriffen, dass hier etwas für Santez’ Stamm getan wurde. Sie sprachen auch mit den Reservatsindianern. Santez kommt Jim Ballard entgegengeritten. »Ich habe schon gehört, dass du den großen Kriegstrupp der
Weißen aufgehalten und weggeschickt hast. Es wird also keinen Krieg geben. Ich bin froh darüber. Ich will heute noch mit allen Apachen beraten. Wir werden die ganze Nacht an den Feuern sitzen. Stört uns nicht. Wenn ich morgen noch da bin, werde ich mit dir zu General Crook reiten, Gelbhaar. Viele meiner Krieger werden mir folgen. Doch die Krieger der anderen Dörfer und Stämme werden wahrscheinlich in die Wildnis zurückkehren und erst einmal abwarten.« Jim Ballard nickt ihm zu. »Du bist klug und ziemlich groß, Santez«, sagt er. Sie trennen sich. Jim Ballard reitet vor das Haus. Als er absitzt, kommt Joyce zu ihm, und obwohl viele Männer zusehen, kommt sie in seine Arme. Als sie sich dann lösen, steht Tom neben ihnen und blickt zu ihnen empor. »Wird Jim nun mein Vater?«, fragt er ernst. »Wäre dir das recht?«, fragt Jim und hockt sich vor ihm nieder, sodass sich ihre Augen auf gleicher Höhe befinden. Tom überlegt. »Wir waren Freunde«, sagt er schließlich. »Aber wenn du mein Vater bist, dann musst du mich wohl manchmal verprügeln. Alle Väter tun das dann und wann. Können wir denn da noch Freunde sein, Jim?« »Wenn ich dir den Hosenboden gerben muss«, grinst Jim, »dann können wir allerdings keine Freunde sein. Aber Freunde prügeln sich nie. Wenn du also mein Freund bist, werde ich dich als Vater nie zu verprügeln brauchen.« »Oh, jetzt hast du mich schon mit dem Lasso eingefangen«, sagt Tom. »Mom, hat er es mit dir auch so gemacht?« Er blickt Joyce an. Die lächelt. »Tommy«, sagt sie, »jeder richtige Junge braucht einen Vater. Denn du willst doch ein richtiger Mann werden, so wie Jim.« »Das will ich«, nickt Tom. »Und du brauchst einen Mann,
Mom. Denn es dauert noch sehr lange, bis ich groß genug bin. Wir sollten es mit Jim mal versuchen. Ich glaube, er wird uns nicht enttäuschen.« *** General Crook erreicht zwei Tage später an der Spitze seiner Truppe die Reservation. An ihrer Grenze erwarten ihn Jim Ballard, Santez und etwa zweihundert Apachenkrieger. Vor Santez und seinen Apachen liegt ein ziemlich hoher Waffenhaufen. Etwas abseits werden von Ted Rourke und zwei anderen Männern die vier weißen Gefangenen bewacht. Der General lässt seine Truppe halten und reitet langsam auf Jim Ballard und Santez zu. Als er hält, zeigt Santez ihm beide Handflächen und sagt ruhig: »Ich ergebe mich, Drei-Sterne-Crook! Gelbhaar und mein Volk haben mich davon überzeugt, dass es gut ist, wenn ich mich ergebe und nie wieder Krieg mache. Meinem Stamm geht es gut. Wir werden nicht mehr betrogen, beraubt und sind nicht mehr rechtlos. Ich habe das erkannt. Ich kann in die Ketten zurückgehen. Es macht mir nichts aus, denn meinen Mescaleros hier im Reservat geht es gut. Und mehr wollten die Apachen nie. Nur ein Leben in Frieden und Recht. Dafür habe ich immer gekämpft! Und in Yuma brach ich aus, weil wir von weißen Männern befreit wurden. Dort drüben sind vier von diesen Männern. Ich nahm sie gefangen, denn irgendwie spürte ich schon damals, dass wir befreit wurden, damit unser ganzes Volk ins Verderben rennen sollte. Gelbhaar hat uns viel versprochen. Wird es gehalten werden?« Crook sitzt langsam ab. Er tritt auf Santez zu und reicht ihm die Hand. »Santez«, sagt er langsam, »nun können meine Freunde in der Versammlung der Nation erst richtig kämpfen. Nun können wir im Weißen Haus erst richtig beweisen, dass es keinen
Indianerkrieg mehr geben wird, wenn die Indianer nicht mehr rechtlos sind und wie Menschen leben. Nun ist der Beweis erbracht. Santez, es werden bestimmt Gesetze erlassen, die euch endgültig Rechte geben und euch zu Bürgern machen. Dass du dich ergeben hast, freiwillig, dass du die Waffen vor mich hinlegtest, nur weil du jetzt endlich sehen konntest, dass dein Stamm wie Menschen behandelt wird, das zählt, das zählt sehr.« *** Es vergingen natürlich noch Jahre, bis alles durchgesetzt und durchgekämpft war. Denn die Bürokratie arbeitete langsam. Ein Jahr nach Santez’ Unterwerfung besuchte eine Kommission des Innenministeriums Jim Ballards Reservation. Sie fand kaum Unterschiede zwischen dem Aufbau roter und weißer Siedler. Sie musste bescheinigen, dass auch Indianer sesshaft werden und echte Pionierarbeit leisten können. Diese Kommission brachte die Beweise nach Washington. Und dann begann ein zäher Parlamentskampf, denn die Großgrundbesitzer, die Spekulanten und die Minenbesitzer und alle anderen Indianerhasser gaben natürlich nicht so ohne weiteres auf. Sie wollten verhindern, dass sich die anfänglich so kleinen Indianerreservate ausdehnten, Land für sich beanspruchten und Handel trieben. Aber sie verloren. Denn Abraham Lincoln hatte nicht nur um die Sklavenbefreiung Krieg geführt. Der Geist der Menschlichkeit siegte eines Tages. Jim Ballards Reservation blieb lange ein Mustervorbild. Man folgte überall seinem Beispiel. Heute sind die Apachen schon in der dritten Generation Ackerbauern, Farmer und Viehzüchter. Heute sind Indianer Bürger wie jeder Weiße. Heute gibt es Indianer, die Millionäre sind, weil auf ihrem Land Ölquellen vorhanden waren oder
Vorkommen an Silber und anderen Edelmetallen gefunden wurden. Heute werden Indianer behandelt wie jeder weiße Amerikaner, sie gehen zur Wahl und besitzen die Rechte freier Bürger. Ein Mann, der Jim Ballard hieß, machte damals einen Anfang, und es gab noch andere Männer von seiner Art. Nun, Santez wurde bald freigelassen. Er brauchte seine Strafe nicht abzuleisten. Man erkannte an, dass er Krieg für sein Volk geführt hatte. Santez kehrte eines Tages zu Jim Ballard in die Reservation zurück, die eigentlich gar keine Reservation mehr war. Jim Ballard blieb noch vier Jahre Indianeragent . Dann zog er mit seiner Frau Joyce, seinem Stiefsohn Tom und seinen beiden Söhnen James und Daniel nach Oregon. Er baute dort eine Ranch auf. Es wurde eine große Ranch. ENDE