Sabine Knierbein Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie
Sabine Knierbein
Die Pro...
193 downloads
802 Views
5MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Sabine Knierbein Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie
Sabine Knierbein
Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie Ästhetische, ökonomische und mediale Restrukturierungen durch gestaltwirksame Koalitionen in Berlin seit 1980 Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. phil. habil. Max Welch Guerra
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation am Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar, 2009 Gefördert durch die Studienstiftung des deutschen Volkes.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17424-2
Geleitwort
von Prof. Dr. phil. habil. Max Welch Guerra Der öffentliche Raum entfaltet einen besonderen Zauber für all diejenigen, die sich mit höheren Ansprüchen an die Welt der Nutzung, der Planung und der Gestaltung von Städten wenden. Aber auch Soziologinnen, Kulturwissenschaftler und Stadtgeografinnen fühlen sich von dem Phänomen öffentlicher Raum und seinen schillernden Erscheinungsformen angezogen. Dies ist seit den 1990er Jahren weltweit der Fall. Hand in Hand mit der Ausbreitung eines neuen Typus der Stadtentwicklungspolitik, der aus vielfältigen Gründen öffentliche Plätze, Straßen, Uferpromenaden und städtische Grünflächen als besonders ergiebige Raumtypen für die Aufwertung oder Stabilisierung eines Viertels oder gar der ganzen Stadt sieht, erwuchs eine lebhafte Beschäftigung mit dem Thema an Universitäten, in Architektenkammern und in Feuilletons. Die Freude, auf Kolleginnen und Kollegen zu treffen, mit denen man den Gegenstand gemein hat, ist allerdings oft von kurzer Dauer. Je nach fachlichem Hintergrund begreifen wir sehr unterschiedliche Räume als öffentlichen Raum. Besonders kompliziert kann es werden, wenn die Kommunikation in einer anderen Sprache als Deutsch stattfindet, denn oft stellt es sich heraus, dass die Gesprächspartner ohne Hemmung die Öffentlichkeit Habermas’ etwa mit Hotelhallen und Bahnhofsvorplätzen vermengen. Allerdings ist es nicht nur eine Folge falscher Übersetzungen, wenn die Diskussion über den öffentlichen Raum zuweilen an den Turmbau zu Babel erinnert. In unseren Bibliotheken besitzen wir zwar mittlerweile auch ernsthafte Werke, die den öffentlichen Raum etwa im Sinne einer Kritik an einzelnen Momenten von dessen Entwicklung untersuchen, so etwa an der Privatisierung oder der Sicherheitsmaßnahmen mitsamt Überwachung, oder die unübersichtliche Kasuistik ordnen und im Sinne einer Anleitung zum urbanistischen Handeln zu Ratgebern der öffentlichen Verwaltung und freiberuflicher Planer und Architekten werden. Viel weniger wissen wir indessen über die gesellschaftliche Produktion solcher Räume. Welche sind die Determinanten für Entstehung bestimmter Typen von öffentlichen Räumen? Welche Handlungsrahmen werden gesetzt, bevor auch nur ein Architekt oder Designer beginnt, sich Gedanken über die Ausstattung eines Bahnhofsvorplatzes mit Sitzbänken oder eines Verkehrsknotenpunktes mit Telefonzellen zu machen? Die wissenschaftliche Durchdringung zumal eines solchen komplexen Gegenstandes ist nicht denkbar ohne einen Nachvollzug der Genese des Phänomens. Hier setzt die Arbeit von Sabine Knierbein an, die 2008 als Dissertationsschrift am Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus-Universität eingereicht wurde und dort 2009 als herausragende Abschlussarbeit ausgezeichnet wurde. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Genese einer bestimmten, neuartigen und sich sichtbar ausbreitenden Spielart des großstädtischen öffentlichen Raums. Ein erster Verdienst der Arbeit besteht darin, dass die Autorin ein Phänomen identifiziert und beschreibt, dessen Entstehung erklärt und dessen Auswirkungen auslotet, das mehr und mehr die zentralen Räume deutscher und ausländischer Großstädte prägt. Dieses Phänomen 5
lässt sich zunächst als eine qualitativ gewandelte Ausstattung neuer oder neu gestalteter Stadtmöbel mit Werbung charakterisieren. Sabine Knierbein führt hier den Begriff der Aufmerksamkeitsökonomie ein, der sich als außergewöhnlich erklärungsproduktiv erweist. Sie leistet damit die Erklärung für eine Reihe von Erscheinungen in zentralen öffentlichen Räumen Berlins, die erst durch ihre Untersuchung als ein Ensemble erkannt werden können, ein Ensemble, dessen Erforschung den Blick für den Übergang zu einer neuen Weise der Verwertung des Stadtraumes eröffnet. Diese neue Weise rekonstruiert sie empirisch im Einzelnen, unter genauer Fokussierung auf Details von Stadtmöbeln bis hin zur gesamtstädtischen Dimension. Dabei liefert Sabine Knierbein keine bloße Deskription, keine einfache Chronik eines nunmehr sichtbar gewordenen Wandels der öffentlichen Räume. Sie macht vielmehr – hier ein weiterer Verdienst der Arbeit – die Handlungslogik der verschiedenen relevanten Akteure dieses Ausschnitts der Stadtproduktion nachvollziehbar, die Handlungslogik öffentlicher und privat-unternehmerischer Akteure unter Bedingungen der seit den 1980er Jahren sich qualitativ verändernden politischen Rahmenbedingungen und ebenso der technologischen Innovationen im Bereich der Kommunikation der letzten Jahrzehnte. Die Arbeit leistet insofern auch einen politökonomisch fundierten Beitrag zum besseren Verständnis der Art und Weise, wie Stadtentwicklung im Übergang zu nachfordistischen Bedingungen neue Steuerungsmodi erfährt. Der Aufbau der sechs Kapitel erlaubt die logisch aufeinander bauende Argumentationsfolge bis zur letzen Seite. Dieser Aufbau ist nicht zuletzt deshalb anregend, ja vorbildlich, weil Sabine Knierbein ihr Forschungsdesign nicht nach den Grenzen eines vorab fest gezimmerten fachdisziplinären Parcours zuschneidet, sondern weil sie sich bei dem Versuch, einer neuen Erscheinung der Stadtproduktion auf den Grund zu gehen, auf die verschiedensten sich jeweils als notwendig erweisenden Felder der Stadtpolitik, der Betriebswirtschaft und der Rechtsprechung einlässt. So unterschiedliche Sujets werden sinnvoll einbezogen wie das New Public Management, die Aufmerksamkeitsökonomie und die öffentlichen Bedürfnisanstalten. Diese Leistung ist ein weiterer Verdienst der Arbeit, der im Nachhinein als so logisch erscheint, dass er beinahe übersehen werden könnte. Sabine Knierbeins induktive Studie zu einem Typus der Stadtproduktion, der bisher nicht untersucht wurde, bringt die Debatte über den öffentlichen Raum in der Sache weiter und dürfte auch für Forschungsvorhaben anregend sein, die sich mit anderen Epiphanien unserer etablierten Stadtproduktion beschäftigen. Aber auch methodisch ist sie inspirierend, sie regt zur Nachahmung nach. Gerade wegen dieser doppelten Qualität ist es besonders erfreulich, dass die Arbeit auf dem Wege der Buchveröffentlichung ein breiteres Publikum wird finden können. Die akademische Vielsprachigkeit wird dadurch nicht reduziert, aber durch ihre präzise Diskussion des Phänomens öffentlicher Raum leistet Sabine Knierbein einen substantiellen Beitrag zu unserer besseren Verständigung.
6
Danksagung
Aufmerksamkeit ist nicht nur eine knappe Ressource der strategischen Kommunikation zwischen Staat und Märkten, sondern auch meine ganz individuelle Ressource im Umgang mit meinem ganz persönlichen Lebensumfeld, mit der Familie, mit Freunden und mit Kollegen. An dieser Stelle sei daher all denen gedankt, die mir auf ganz unterschiedliche Weise bei der Realisierung dieses Dissertationsvorhabens den Weg geebnet haben. Ganz besonders möchte ich Max Welch Guerra danken, der mir in den letzten Jahren vieles zutrauend den Weg geebnet hat, stets offen war für die anfangs noch recht exotisch anmutende Aufgabenstellung und sich unvoreingenommen auf die Forschungsinteressen von Fachhochschulabsolventen einließ. Uwe Altrock sei gedankt für die Gespräche über die Produktion von Berlin in Berlin, wunderbare Literaturhinweise und die eindringlichen Nachfragen zu strukturellen Aspekten der Arbeit. Beiden Lehrstühlen sei gedankt für die Unterstützung und Diskussion des Vorhabens im Rahmen zahlreicher Doktorandenkolloquien in Berlin und Weimar. Eine Dissertation ist in ihrer Natur ein aufmerksamkeitsabsorbierendes Wesen. Sowohl für die Schreibende, als auch für Lesende. Dank für mehrere hundert Seiten geschenkter Aufmerksamkeit gilt daher Susanne Prehl, Martin Vaché, Ingo Schwartze und Marlene Hawelka, die diesem Werk ihre wertvolle Zeit widmeten und mit ihren ganz unterschiedlichen Feedbacks zum Erscheinen dieses Buches maßgeblich beigetragen haben. Claudia Tomadoni hat mir bereits in der frühen Phase der Arbeit raumtheoretische Orientierungen aus der geographischen Theorie gegeben. Muchísimas gracias für die unverzichtbaren Gespräche über Gesellschaft, Umverteilungsmechanismen, und schließlich: Raum. Ein herzliches Merci Beaucoup geht nach Brüssel, an Barbara van Dyck. Dank wegen ihrer wiederholten Inputs hinsichtlich der Critical Political Economy aus einer wirtschaftsgeographischen Perspektive, ihren ständigen aufmunternden Supports sowie ganz besonders wegen ihres strukturellen Feedbacks während der gemeinsamen Zeit in Boston. Für letzteres sei auch Chiara Tornaghi ganz herzlich gedankt. Für den Link zu den Schriften von Bob Jessop und sein äußerst konstruktives Feedback als Discussant meines Papers sei insbesondere Stijn Oosterlynck gedankt. Frank Eckardt trug mit seiner Kritik zu überkommenen Raumkonstruktionen in der Forschung des öffentlichen Raumes maßgeblich zur thematischen Weichenstellung bei. Alessandro Balducci, Marco Crimasci, Dieter Hassenpflug, Georgio Pichinatti und Jef Van Den Broeck lieferten mir wertvolle Hinweise im Anschluss an Kolloquiums- und Konferenzpräsentationen in Helsinki, Neapel und Berlin. Den brasilianischen Kollegen am ProUrb der UFRJ ist für die zahlreichen Gespräche während des gemeinsamen dreijährigen Forschungsprojektes Dank auszusprechen, allen voran Lilian Fessler Vaz, Humberto Kzure-Cerquera und Luciana da Silva Andrade. Dank geht auch an Cesar Mattos da Silva vom der PPG-AU der Universidade Federal da Bahia für die Dezemberdebatten 2007 zu öffentlichen Räumen in Brasilien und Deutschland 2007, sowie Anja Steglich und Kathrin Wieck für die gemeinsame Realisierung der Transdisziplinären Werkstattgespräche zum öffentlichen Raum in Halle, Berlin und Weimar. Ohne die Kritik an der ersten Version des Exposés durch Jörn Weinhold, Constanze Petrow, Frank Roost, Ursula Flecken und Klaus Selle wären die Folgejahre der Arbeit weniger inspirierend verblieben.
7
Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Susanne Riese und Johanna Aigner danken, die mich in den vergangenen Jahren stets tatkräftig unterstützten. Flehende Rufe nach temporärer Aufmerksamkeit für aufmerksamkeitsökonomische Betrachtungen kommen oftmals in Schüben. Folgende Personen haben mir manches Mal ad hoc mit ihrer Aufmerksamkeit beigestanden, die Aufmerksamkeitsdefizite, die mir mein Manuskript signalisierte, zu kompensieren: Mein ganz besonderer Dank gilt Julia Herold, für ihre minuziösen orthografischen und grammatikalischen Korrekturen, Florian Koch für die Kritik am fünften Kapitel und an der Konklusion sowie Dorothee Kuon für ihr Feedback zu rechtlichen Ausführungen. Tatkräftig unterstützt haben mich außerdem Julia Heinemann und Brigitte Knierbein. Christiane Lammert leistete journalistischen Beistand in Stilfragen der letzten Stunde, und Lina Maria Sanchez Steiner unterstützte den sozialen Prozess der Entstehung der Dissertation im Moment seiner materiellen Sedimentierung im Copy-Shop. Dank geht auch an Nathalia Berti für ihre Unterstützung bezüglich sozialwissenschaftlicher Forschungsmethodik im Rahmen der Vorbereitung des DAAD-Hospitanzprogramms. Fotografische Beiträge kamen von Barbara Van Dyck und Omar Jabary Salamanca, Tobias und Judith Mannewitz sowie von Claudia Seldin. Auch den Mitarbeiterinnen der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin sei für Ihre den Bürgern und den Forschenden gegenüber aufgeschlossene Haltung und die mehrwöchige Unterstützung bei der Recherche in den Räumen und im Archiv der BVV Mitte von Berlin gedankt. Herzlicher Dank gilt ebenfalls Interviewteilnehmern, deren Namen aus forschungsethischen Gründen in dieser Arbeit nicht veröffentlicht werden können. Abschließend stehen große Worte des Dankes an diejenigen, denen ich gerade in den Jahren der Entstehung dieses Buches sowenig Aufmerksamkeit habe schenken können, und die mich trotz und gerade deswegen umso mehr unterstützt haben, allen voran meinen Eltern Clemens und Brigitte Knierbein sowie Markus und Verena Knierbein und Thomas Knierbein und Marlene Schleep. Habt Dank für die immer währende Aufmerksamkeit und Unterstützung! Meiner Familia Argentina Salas-Piñero möchte ich für den ständigen Zuspruch und die telepathischen Inspirationen argentinischer Natur ebenso Worte aufrichtigen Dankes hinterlassen, wie der Familie Tomadoni-Koessl in Weimar, die mich, ebenso wie Michael Rostalski, immer wieder unverzagt beherbergte. Mein Dank geht auch an Esteban Marcos Chavez-Guevara für den moralischen und technischen Support beim Endspurt sowie an Judith Enneking für eine besondere Leihgabe. Die westfälische Firma Brentrup unterstützte mich mit einer Druckerspende. Tobias Mannewitz hat durch seine wiederholte stilistische Kritik hinsichtlich meiner frühen Textproduktion und aufgrund seines moralischen Supports insbesondere in den ersten Jahren des Entstehens zum Gelingen dieses Vorhabens maßgeblich beigetragen. Diese Arbeit ist unter Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes, des DAAD sowie der DFG entstanden.
8
Inhalt
Verzeichnisse ................................................................................................................. 15 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................. 15 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................................ 16 Anlagenverzeichnis ........................................................................................................................ 17 Zeitgeschehen ............................................................................................................... 19 Einleitung ...................................................................................................................... 21 1
Öffentliche Räume in der postfordistischen Stadtproduktion. Ambivalenzen ....... 27 Öffentlicher Raum als Gegenstand der raumbezogenen Planung und Forschung ............. Öffentliche Räume als konkrete Stadtentwicklungsprozesse und als theoretisches Dilemma ............................................................................................................................... Öffentliche Räume als zentrales Feld der Planung ........................................................ Öffentliche Räume als Gegenstand der raumbezogenen Forschung .......................... Herausforderungen zwischen Planung und Forschung: öffentlich nutzbare Räume, oder: Was ist los mit ‘öffentlichen Räumen’? ................................................... Öffentlicher Raum als Gegenstand dieser Arbeit – Erweiterungen ............................ Gegenwärtige Transformationen öffentlicher Räume – eine offene Thesensammlung ................................................................................................................. Zentrale öffentliche Räume als Teilbereich der postfordistischen Stadtproduktion .......... Zentrale öffentliche Räume und öffentliche Räume von gesamtstädtischer Bedeutung ............................................................................................................................. Berlin: Öffentliche Räume als zentrales Handlungsfeld des nachmodernen Städtebaus ............................................................................................................................. Public Design als Kernaufgabe des Umbaus baulicher Arrangements ....................... Öffentliche Räume als Handlungsfeld zu Zeiten postfordistischer Transformationen ................................................................................................................ Öffentliche Räume und postfordistische Stadtproduktion ........................................... Akteure der gegenwärtigen Gestaltung öffentlicher Räume ......................................... Gestaltwirksame Koalitionen im Bereich der Stadtmöblierung ................................... Postfordistische Produktion öffentlicher Räume als Untersuchungsfeld ............................. Die Produktion öffentlicher Räume als Institutionalisierungsprozess ........................ Urban Governance als Analysegerüst für raumbezogene Prozesse ............................ Ausblick auf mögliche Bewertungsrahmen ..................................................................... Analytische Erweiterungen: Öffentliche Räume als gesellschaftlicher Produktionsprozess – ein Forschungsansatz ..................................................................
27 27 28 30 32 34 39 42 42 43 50 51 55 56 65 66 66 68 72 73 9
Forschungsdesign .......................................................................................................................... Forschungsfrage .................................................................................................................. Forschungsstrategische Überlegungen: Eingrenzung des Themas zwischen Forschungsoptimum und Forschungsalltag .................................................................... Die Vorzüge und Tücken der einzelfallbasierten Forschung ....................................... Leistungsfähigkeit der Untersuchungsmethoden ........................................................... Überblick über die angewendeten Methoden ................................................................. Hypothesen ..........................................................................................................................
73 73 74 77 77 79 81
2 Stadtmöblierung. Vom Katalogprodukt zur Genese eines machtvollen Marktsegments ........................................................................................................ 83 Das Marktsegment der Stadtmöblierung als Teilbereich der Out-of-Home Medien ......... Werbung oder Medien? Stadtraum oder Out-of-Home? Begriffliche Orientierungen ..................................................................................................................... Ein wiederkehrendes Phänomen in neuem Gewand ..................................................... Stadtmöblierung. Out-of-Home Medien. Wissenschaftliche Annäherungen. ........... Trendwenden: Die Verquickung von Außenwerbung und Stadtmobiliar .................. Veränderte Qualitätsansprüche an Werbeträger .............................................................
83 83 86 89 91 93
Gesellschaftliche Determinanten der Out-of-Home Medien im Wandel ............................. 97 Transformationen in der Außenwerbebranche .............................................................. 97 Die Aufmerksamkeitsökonomie ....................................................................................... 99 Eine neue Ära der Mediaplanung ................................................................................... 102 Zielgruppenannäherungen oder der hybride Konsument? ......................................... 103 Die Unausweichlichkeit der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume................................................................................................................................... 106 Die partielle Gleichgültigkeit gegenüber Werbeinhalten ............................................. 107 Gestaltwirksame Koalitionen der Stadtmöblierung in Europa ............................................ 108 Der deutsche Außenwerbemarkt – Fragmentierung, Privatisierung, Konsolidierung ...... 111 Protagonisten und Nebenrollen stadtmöblierenden Außenwerbung .................................. 113 Designlinien der medienbasierten Stadtmöblierung ............................................................... 121 3 Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen . ...................................................... 127 Berlin als Aktionskulisse ............................................................................................................. Die strukturelle Krise der Städte und die spezielle Situation Berlins ........................ Branding Berlin .................................................................................................................. Die Hinwendung Berlins zur werbefinanzierten Stadtmöblierung ............................ Zentrale öffentliche Räume als bauliche Handlungssphäre gestaltwirksamer Koalitionen ................................................................................................................................... Tausend Wall-Wartehallen für West-Berlin und eine Osterweiterung ...................... Privatisierung öffentlicher Bedürfnisanstalten – Zwei Modelle, ein dritter Vorschlag und ein Formatmonopol ............................................................................... Unter den Linden – Kleihues, Wall und ein Wettbewerb ........................................... 10
128 129 136 140 141 141 145 160
Denkmalrestaurationen – 50 zentrale Megaflags für ein Strandbad in der Berliner Peripherie ............................................................................................................ 167 “Brunnensponsoring” – Berliner Bezirke unter Marktöffnungsdruck ..................... 172 Laternenmuseum – Ein Vorstoß auf öffentlich gewidmete Grünflächen ................ 178 Zentrale öffentliche Räume als virtuelle Handlungssphäre gestaltwirksamer Koalitionen ................................................................................................................................... 181 Out-of-Home-Kampagnen multimedial inszeniert ...................................................... 181 E-Terminals, Bluespot und Bluetooth – Seismographen einer herannahenden digitalen Wende ................................................................................................................. 182 Zwei Jahrzehnte werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte – Ausnahmetatbestände .. 186 Planerische Fehlstarts und die Deregulierungserfolge einer wirtschaftsfreundlichen Stadtentwicklungspolitik in Berlin ............................................................................................. Ein verunglückter Rahmenplan Werbeanlagen, ein unveröffentlichtes Handbuch Stadtmobiliar und ein verschollener StEP Öffentlicher Raum .............. Die radikale Verschlankung des Berliner Straßengesetzes .......................................... Die Neue Berliner Bauordnung – Lex Wall? ................................................................ Rahmenverträge auf Senatsebene als vertragliche Stützen des koalitionären Handelns ............................................................................................................................. Wettbewerbspolitische Determinanten – Dienstleistungskonzessionen als vergaberechtlicher Sonderfall der EG ............................................................................ Implikationen rechtlicher Umwälzungen für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen .........................................................................................................................
187 187 189 194 196 197 200
Von jüngeren Experimenten und weiteren Schauplätzen ..................................................... 201 Dog-Dirt-Disposal, Timescope und rollende Werbewände in Berlin ....................... 201 Furore machende Fahrradleihsysteme – Die nächste Etappe werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte ................................................................................................. 205 Stadtentwicklungspolitische Erfahrungen aus anderen Städten .................................. 206 Marktkonzentrationen – VVR Berek. VVR Decaux. VVR Wall! ........................................ 213 Zwischenfazit: Erdung der Annahmen im Antlitz der Empirie ........................................... 215 4 Gestaltwirksame Koalitionen und das kommunikationsstrategische Streben nach Aufmerksamkeit ............................................................................................ 217 Stadtbezogene Imagepolitik: Zentrale öffentliche Räume und das politische Streben nach Aufmerksamkeit ................................................................................................................. Hauptstädtische Medienästhetik – Erweiterung der Politik der Sichtbarkeit zur Politik der Aufmerksamkeit ............................................................................................. Eventbezogene Imagepolitik - Zentrale öffentliche Räume als temporäre Aktionskulissen .................................................................................................................. Gestaltwirksame Koalitionen als Vehikel einer langfristig inszenierten Imagepolitik ........................................................................................................................
218 219 224 227
11
Unternehmerische Kommunikationspolitik: Zentrale öffentliche Räume und das ökonomische Streben nach Aufmerksamkeit .......................................................................... Traditionelle kommunikationspolitische Instrumente – Alter Wein in neuen Schläuchen? ........................................................................................................................ Sponsoring – Vom Ideal des altruistischen Mäzens zur Vermarktlichung des Spendenwesens ............................................................................................................. Werbung out! Public Relations passé? Die Rede ist von Integrierter Kommunikation ........................................................................................................... Bürger oder Unternehmer? Facetten gesellschaftlichen Engagements ..................... Bürgerschaftliches Engagement – Vom Wesen eines begrifflichen Platzhalters .................................................................................................................... Corporate Social Responsibility – Ein viel versprechendes Kommunikationsprogramm ....................................................................................... Politische und ökonomische Intentionen unternehmerischer Kommunikationspolitik ................................................................................................... Lobbying und Public Affairs – Das Weichspülen der Werkzeuge politischer Kommunikation ........................................................................................................... Finanzkommunikation – Die raffinierte Pflege der Beziehungen zu Investoren ...................................................................................................................... Vielfalt der Verräumlichungen unternehmerischer Kommunikationsstrategien ..... Virtuelle Welten –Die Ambivalenz unternehmerischer Selbstdarstellung im Internet .......................................................................................................................... Showtrucks–Mobiles Kommunikationsinstrument für mobile Zielgruppen ...... Vom Showroom zum Urban Showroom – Explizite Verräumlichungen ........... Station-, Stadtplatz- und schließlich Stadtraum-Branding –Extreme der Verräumlichungen ........................................................................................................ Kommunikationspolitik als unternehmerische Selbstbeschreibung .......................... Personality PR – Die Führungskraft als Multiplikator von Aufmerksamkeitspotenzialen ..................................................................................... Impression Management, Mythenbildung und die Corporate Story – Die multiplen Rollen eines vielseitig versierten Wirtschaftsakteurs .............................
230 232 232 239 245 245 247 253 253 257 259 259 260 261 263 265 265 267
Wertschöpfung durch kommunikationsstrategische Interventionen in zentralen öffentlichen Räumen ................................................................................................................... 270 Gestaltwirksame Koalitionen als kollektive Akteure der Wertschöpfung durch strategische Kommunikation ..................................................................................................... 271 5 Merkmale des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen ........................................ 277 Kompensationsgeschäfte als strategisches Handlungsmuster –Angebotspolitik .............. Die Politik der Premiumprodukte an Premiumstandorten ......................................... Die dreifache Relevanz von Lebenszyklusmodellen .................................................... Die Mär vom eindeutigen Risiko-Transfer .................................................................... Paketangebote versus Filetstückstrategien – Mischkalkulationen .............................. Aggressive Angebotspolitik. Reine Nebenwirkung attraktiver Angebotspolitik? ... 12
279 280 281 284 287 289
Zentrale öffentliche Räume als strategische Ressource – Stadtraumpolitik ....................... Wie alles anfing: Kompensationen am gleichen Ort ................................................... Wie es weiter ging: Abkopplungen vom Ortsbezug .................................................... Wie es ist: Entgrenzungen und Kompensationen allerorten ......................................
291 291 291 292
Neue Zentralitäten und die komplexe Verräumlichung strategischen Handelns – Standortpolitik .............................................................................................................................. Überformungen traditioneller und die Ausprägung neuer öffentlicher Räume ...... Intraurbane Medienträgernetze ....................................................................................... Interurbane Verknüpfung lokaler Aufmerksamkeitspotenziale ................................. Glokalisierung der marktlichen Erschließung zentraler öffentlicher Räume ...........
293 294 296 300 301
Innovationen als strategische Instrumente der Anbahnung von aufmerkamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften .................................................. Innovative Produkte und Services .................................................................................. Kommunikationsstrategische Innovationen als aufmerksamkeitserregende Mechanismen ..................................................................................................................... Prozessinnovationen ......................................................................................................... Soziale Innovationen? ....................................................................................................... Zentrale öffentliche Räume als Lead-Märkte für innovatorisches Handeln ............ Die Ambivalenz einer neuen innovationsstrategischen Ressource ........................... Gestaltwirksame Koalitionen als strategischer Handlungszusammenhang in der Aufmerksamkeitsökonomie ....................................................................................................... Zwei Marken und eine widerspenstige Symbiose – Konflikte. Kongruenzen. Kompromisse ..................................................................................................................... Lernendes Regime zweier Marken .................................................................................. Berlin: Experimentierfeld, Schmuckschatulle und Kommunikationsraum einer Medienmarke ...................................................................................................................... Das stadtraumbezogene Branding der Stadtmarke Berlin und ihre kreative Komplizin ........................................................................................................................... Bewertung von gestaltwirksamen Koalitionen als Governance-Arrangements ......
304 306 307 309 311 313 314 316 322 324 326 329 330
6 Zentrale öffentliche Räume als Medium der Aufmerksamkeitsökonomie ........... 333 Governance-Arrangements im Licht neostrukturalistischer und neoweberianischer Deutungsansätze .......................................................................................................................... Stadt als Möglichkeitsraum der Überwindung des postfordistischen Umbruchmoments ............................................................................................................ Neoweberianische und neostrukturalistische Ansätze als Erklärungshilfen ............ Veränderte Wertschöpfungsmechanismen auf der Mikroebene ................................ Ein neues Phänomen der Stadtproduktion und institutioneller Wandel ............................ Vom Ausnahmetatbestand zum Regelfall ..................................................................... Der Rückzug der öffentlichen Hand als Determinante der Entstehung eines Nischenmarktes ................................................................................................................. Öffentlicher Raum als Schauplatz institutioneller Transformationen .......................
335 335 336 337 339 339 341 344 13
Ökonomische Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume .................................. 347 Ästhetisch-ökonomische Restrukturierung baulicher Arrangements .................................. Städtisches Image durch Designqualität ........................................................................ Die diskursive Seitentür: Von der angebotsoffenen Politik des öffentlichen Raumes zur selektiven, designorientierten Politik ........................................................ Design als Argument einer Depolitisierung .................................................................. Designpolitik als Erfolgsfaktor auf einem Legitimationsmarkt ................................. Die mediale Dimension der ästhetisch-ökonomischen Restrukturierung .......................... Aus Aufmerksamkeit Kapital schlagen .......................................................................... Kommodifizierung und Kundenansprache im Kontext medialer Kommunikation ................................................................................................................ Die Verschränkung dreier Märkte zu einem postfordistischen Medienmarkt ......... Öffentliche Räume als mediales Vehikel: Zwischen Massenmedium, Internet und Face-to-Face Kommunikation ................................................................................ Die postfordistische Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie ....................................................................................................... Öffentlichkeit zwischen Medienproduktion und Kulturkonsum .............................. Aufmerksamkeitsbezogene Produktion öffentlicher Räume als postfordistische Akkumulationsstrategie .................................................................................................... Markt: Gestaltungsmacht, Monopol und Konzentrationen ....................................... Staat: Gralshüter öffentlichen Interesses oder Instanz der Kommodifizierung des Kollektiven? .................................................................................................................
351 352 354 358 359 361 362 367 368 370 372 374 379 381 386
Konklusion .................................................................................................................. 391 Deskriptive Eingangsperspektiven ............................................................................................ 391 Die postfordistisch geprägte Produktion zentraler öffentlicher Räume ............................. 392 Merkmale einer wirtschaftlichen Aneignungsstrategie ........................................................... 393 Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie ........... 396 Folgerungen ................................................................................................................ 399 Ausgangsperspektiven ................................................................................................................. 399 Fokus auf die Produktion öffentlicher Räume ........................................................................ 399 Anlagen ........................................................................................................................ 403 Quellenverzeichnisse ................................................................................................... 417 Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... 417 Internet-Quellenverzeichnis ....................................................................................................... 428 Verzeichnis der recherchierten Tages- und Wochenmedien ................................................ 435 Verzeichnis der recherchierten Drucksachen und Protokolle .............................................. 436
14
Verzeichnisse
Abkürzungsverzeichnis AIS ASOG AZG BBR BerlAbgH BGG BID BMVBS BSR BVG BVV CC CLB CLC CLP CLS CPL CSR DBOOT DERG DFBO DSM DSR FASPO FAW FES FNP GF HAW IBA LOHAS NGBK NPM NSM o.J. ÖPNV ÖPP POS PPP PR RdB SFB SIA SteP TKP VvB VVR ZAW
Institut für Autonome Intelligente Systeme des Fraunhofer Instituts Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin Allgemeines Zuständigkeitsgesetz Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Berliner Abgeordnetenhaus Behindertengleichstellungsgesetz Business Improvement District Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Berliner Stadtreinigung Berliner Verkehrsbetriebe Bezirksverordnetenversammlung Corporate Citizenship City-Light-Board City-Light-Column City Light Poster City-Light-Säule costs per lead Corporate Social Responsibility Design-Build-Own-Operate-Transfer-Modelle Deutsche Eisenbahn Reklame GmbH Design-Build-Finance-Operate-Modelle Deutsche Städte Medien Deutsche Städte Reklame Fachverband für Sponsoring Fachverband für Außenwerbung Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH Flächennutzungsplan Gesellschaft für Konsumforschung Hamburger Außenplanung Internationale Bauausstellung ‘Lifestyle of Health and Sustainability Consumers’ Neue Gesellschaft für bildende Kunst New Public Management Neues Steuerungsmodell Ohne Jahresangabe Öffentlicher Personennahverkehr Öffentlich-Private Partnerschaft Points-of-Sale Public Private Partnership Public Relations Rat der Bürgermeister Sender Freies Berlin Stadtinformationsanlage Stadtentwicklungsplan Tausend-Kontakt Preis Verfassung von Berlin Vereinigte Verkehrsreklame Zentralausschuss der Werbewirtschaft
15
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37:
16
Umsatzerlössteigerungen des Berliner Wall Konzerns, Unternehmen für Stadtmöblierung und Außenwerbung, zwischen 1991 und 2007. .................................................................................................... 65 Methodische Verknüpfung von Menschen und Dokumenten. .................................................................. 75 Zusammenstellung der angewendeten Methoden. Systematische und strukturierte Recherche (hell), ergänzt durch Impulsrecherche und Methodenreflexion (dunkel). . ............................................... 80 Differenzierung von Informationsträgern in verschiedene Standardformate der unternehmerisch organisierten Außenwerbung. . ......................................................................................................................... 84 Drei Standardformate der werbefinanzierten Stadtmöblierung. ................................................................ 94 Wartehallen der Intelligent Series. Wall AG/GK Sekkei. . .......................................................................... 96 Evolution des Wartehallendesigns anhand der Veränderung der Firmenlogos der Wall AG. .............. 96 (Out-of-Home) Medienunternehmen agieren auf mindestens zwei Märkten. ....................................... 100 Erotisierung der Außenwerbung. Unter den Linden. Berlin. ................................................................... 108 Übersicht über existierende gestaltwirksame Koalitionen zwischen Städten und Unternehmen der Out-of-Home Medien im Bereich der Stadtmöblierung in den 50 größten Metropolen Europas. ... 110 Außenwerbestrategie des ThinkTanks Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria im Vorfeld des G-8 Gipfels in Heiligendamm 2007. ........................................................... 117 Differenzierung standardisierter Stadtmobiliarstücke der Wall AG durch Modifikation im Detail. . 122 Neue Funktionalität der Intelligent Series der Wall AG. . .......................................................................... 125 Toilettenrestaurationen in Berlin durch die Wall AG realisiert und betrieben. ..................................... 158 Anzahl der im Rahmen der Toilettenverträge in den Bezirken aufgestellten, erneuerten oder restaurierten WC-Anlagen, für die mittels Werbung kompensiert wurde. ............................................. 159 Mega-Flag Standorte in Zentrum als Kompensationsdeal für Restaurierung des peripher gelegenen Strandbad Wannsees. .................................................................................................................... 167 Geplante Megaflag-Werbestandorte zur Sanierung des Strandbades Wannsee im Bezirk Mitte. ....... 170 Bebelplatz – Ort des Stadtplatz-Brandings durch Multinationals und des Mahnens im Gedenken an die Bücherverbrennung. ............................................................................................................................. 171 Stand des Brunnensponsorings in den Berliner Bezirken 2005/2006. ................................................... 177 Werbefinanzierte Brunnenrestauration: Nike Werbekampagne anlässlich der FußballEuropameisterschaft. Strausberger Platz/Karl-Marx-Allee. ..................................................................... 177 Informationen zum Bluespot-System an einer Tram-Wartehalle. Friedrichstraße. .............................. 183 Wertstufenklassifizierung für Sondernutzung im Bezirk Mitte von Berlin (neu) nach dem 12. Juni 2006. .................................................................................................................................................... 193 Dienstleistungskonzessionen als ein mögliches Vertragsmodell des Public Private Partnership – Risiko- und Aufgabentransfer. . ...................................................................................................................... 199 Fotosequenz einer Werbeintervention mit mobilen Stadtinformationsanlagen. Washingtonplatz. ... 204 Fahrradleihsystem Biking des global agierenden Out-of-Home Unternehmens ClearChannel. ........ 206 Dreharbeiten zum US-Kinofilm Valkyrie vor der temporär mit rot-weißen Hakenkreuzfahnen behängten Längsfassade des derzeitigen Finanzministeriums an der Leipziger Straße, Ecke Behrenstraße. .................................................................................................................................................... 222 Daimler-Benz Werbeveranstaltung für die Fashion-Week 2007. ............................................................. 225 Grab des Berliner Unternehmers Ernst Litfaß als Beispiel für sich verselbständigende PRInformationen. Dorotheenstädtischer Friedhof, Berlin. ........................................................................... 243 Auf Internationalität und Grandiosität hinweisende Plakat-PR der Wall AG. ...................................... 244 Gestaltwirksame Koalitionen als kollektive Akteure der Wertschöpfung durch strategische Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen Berlins. .................................................................... 274 Strukturelle Veränderungen der Akteurskonstellation der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume in Berlin zwischen 2005 und 2007. ............................................................................ 298 Verschränkung von (materiellen) Geldmärkten mit (immateriellen) Aufmerksamkeitsmärkten in zentralen öffentlichen Räumen Berlins durch Out-of-Home Medienunternehmen. ........................... 366 Verschränkung dreier Hauptmärkte, auf denen die Unternehmen der Branche der Stadtraummedien interagieren. ...................................................................................................................... 369 Wall-Branding Kampagne Potsdamer Straße, Berlin. ................................................................................ 385 Generischer Definitionsansatz zum Öffentlichen Raum bei Goodsell. ................................................. 403 Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1991. Berlin und der Bund im Vergleich. ........................................................................................................................................................... 406 Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2007. Berlin und der Bund im Vergleich. ........................................................................................................................................................... 406
Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48: Abbildung 49:
Sektoriale Entwicklung der Bruttowertschöpfung in Berlin von 1991 bis 2007. .................................. Sektoriale Veränderung des Anteils einzelner Sektoren am Gesamtprodukt von 1991 bis 2007. ....... Unternehmenskommunikation und ihre Teilbereiche. .............................................................................. Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 4/1). ................................................ Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 8/1). ................................................ Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 18/1). .............................................. Anzahl verschiedener Wall-Außenwerbeträger. .......................................................................................... Anteil einzelner Formate an der Gesamtwerbefläche der Wall AG in Berlin in qm. ........................... Wall Netzpreis in Berlin aufgeschlüsselt nach Werbeträgerformaten in Stück. ..................................... Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 4/1). ............................... Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 8/1). ............................... Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 18/1). .............................
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6:
Verortung des Forschungsansatzes zwischen Forschungsoptimum und Forschungsrealität. .............. 76 Phasen der Berliner Verwaltungsmodernisierung. ...................................................................................... 131 Kürzungen im Landeshaushalt Berlins bei den Zuschüssen an die BSR für Bedürfnisanstalten. ...... 155 Übersicht über die ersten beiden Toilettenverträge. .................................................................................. 156 Preisliste für angebotene Bluespot-Services. . .............................................................................................. 184 Veränderungen der Gebühren für Sondernutzungserlaubnisse bei Werbeflächen im öffentlichen Straßenland. ................................................................................................................................ 192 Mäzenatentum, Spendenwesen und Sponsoring im Vergleich. ................................................................ 239 Ansatz zur Lehre und Erforschung der Produktion öffentlicher Räume an der Schnittstelle zwischen empirischer Stadtforschung und raumbezogener Planung und Gestaltung. ........................ 401 Übersicht über standardisierte Werbeträgerformate. ................................................................................. 404 Brunnensponsoring im Bezirk Mitte von Berlin (neu). ............................................................................. 408 Veränderungen des Berliner Straßengesetzes. ............................................................................................. 409 Novelle der Berliner Bauordnung. ................................................................................................................ 410 ShoppingNet-Orte der Wall AG als Einkaufscenter-Standorte. .............................................................. 411 Regimetypen nach Mossberger und Stoker 2001. ....................................................................................... 412
Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14:
407 407 411 413 413 413 414 414 414 415 415 415
Anlagenverzeichnis Anlage 1: Anlage 2: Anlage 3: Anlage 4: Anlage 5: Anlage 6: Anlage 7: Anlage 8: Anlage 9: Anlage 10: Anlage 11: Anlage 12: Anlage 13: Anlage 14: Anlage 15: Anlage 16: Anlage 17: Anlage 18: Anlage 19: Anlage 20: Anlage 21: Anlage 22: Anlage 23: Anlage 24:
Generische Definition zum öffentlichen Raum bei Goodsell (normativ). ............................................. Kodierung des Interviewschlüssels. .............................................................................................................. Übersicht über standardisierte Werbeträgerformate. ................................................................................. Frequenzatlas, G-Wert, Tausend-Kontaktpreis – Begriffsklärungen. ..................................................... Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1991. ............................................... Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2007. ............................................... Sektoriale Entwicklung der Bruttowertschöpfung in Berlin (1991 bis 2007). ........................................ Veränderung des Anteils der Sektoren am Gesamtprodukt (1991 bis 2007). ........................................ Barrierefreiheit als gesellschaftspolitische Anforderung an Bedürfnisanstalten. ................................... Brunnensponsoring im Bezirk Mitte von Berlin (neu). ............................................................................. Veränderungen des Berliner Straßengesetzes (BlnStrG). .......................................................................... Novelle der Berliner Bauordnung (BauOBln). ............................................................................................ Unternehmenskommunikation und ihre Teilbereiche. .............................................................................. ShoppingNet-Orte der Wall AG als Einkaufscenter-Standorte der ECE Group. ................................ Regimetypen nach Mossberger und Stoker (2001). .................................................................................... Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 4/1). ................................................ Preisveränderungen in Wall Städten 2006 bis 2008 (CLS-Format 8/1). ................................................. Preisveränderungen in Wall Städten 2006 bis 2008 (CLB-Format 18/1). .............................................. Anzahl verschiedener Wall-Außenwerbeträger in Berlin 2008. ................................................................ Anteil der Formate an der Gesamtwerbefläche der Wall AG in Berlin in qm. ..................................... Wall Netzpreis in Berlin aufgeschlüsselt nach Werbeträgerformaten in Stk. ......................................... Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLP-Format 4/1). .......................................... Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLS-Format 8/1). ........................................... Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLB-Format 18/1). ........................................
403 403 404 405 406 406 407 407 408 408 409 409 411 411 412 413 413 413 414 414 414 415 415 415
17
Zeitgeschehen
Seit Fertigstellung der Dissertationsschrift ist ein Jahr vergangen, in dem sich ein Merkmal des neuen Phänomens aufmerksamkeitsökonomischer Bewirtschaftung öffentlicher Räume in Berlin dramatisch verstärkt hat: Die Schnelligkeit, mit der sich die Out-of-Home Medienbranche im globalen Wettbewerb auf wenige potente Bieter reduziert: Im September 2009 übernimmt Global Player JCDecaux die Berliner Wall AG. Das Bundeskartellamt stimmt dem Geschäft im Dezember 2009 zu, mit dem die Franzosen ihren Anteil von 40 auf 90,1 Prozent erhöhen und alleiniger Mehrheitseigner der Wall AG werden. Eine weitere Runde der globalen Marktaufteilung im diesem Medienbereich ist vollzogen. Dass dieser Schachzug den Berliner Konzern und damit die Hauptstadt der Berliner Republik trifft, ist nicht zufällig, avancierte die Spreemetropole doch seit 1980 zur globalen Pionier- und Experimentierstadt dieses postfordistischen Mediensegments. Die Institutionalisierung einer aufmerksamkeitsökonomischen Glokalisierung internationaler wirtschaftlicher Aktivitäten in anfassbaren lokalen öffentlichen Räumen ist damit radikal vollzogen, ein Spagat, der die Gestaltung von Ornamenten an einer Klokabine Unter den Linden, das Vorhandensein menschlicher Aufmerksamkeitspotenziale in öffentlichen Räumen Berlins mit bulgarischen Arbeitern, einem Produktionswerk in Velten und einer übergeordneten Managementzentrale in Frankreich verknüpft. Dem börsennotierten französischen Stadtmöblierer wird es ein Leichtes sein, lokale Wertschöpfungspotenziale des Bewirtschaftungsmonopols in öffentlichen Räumen Berlins in global vermarktbare Finanzprodukte zu verwandeln. Diese medienwirtschaftlichen Transformationen werden sich manifest in veränderten Raumaneignungsstrategien auswirken. In Berlin haben sich Politik und Verwaltung derweil intensiver mit den mannigfaltigen Implikationen der selbst bescherten Deregulierungen auseinandergesetzt, schließlich erwirtschafte der Hamburg Fiskus durch die ‘städtebaulich verträgliche Reduzierung von Außenwerbestandorten’ (und die damit provozierte Veredlung von Aufmerksamkeitspotenzialen) deutlich mehr Monetäres. Die in diesem Buch angekündigten ersten Fäden der Reregulierung verfestigen sich langsam in Berlin, während die Listenpreise pro kleinformatiger Plakatfläche kontinuierlich zwischen 2 und 20 Prozentpunkten jährlich klettern. Politik in Berlin beschäftigt sich derweil mit großflächiger Fassadenwerbung. Die monopolartige, kleinformatige Bewirtschaftung öffentlicher Räume durch gestaltwirksame Koalitionen, an denen der Staat maßgeblich beteiligt ist, erscheint genauso wenig auf der politischen Agenda wie generelle Debatten, die die kommunikative Bedeutung öffentlicher Räume im Dilemma zwischen gebündelter Aufmerksamkeit als immaterieller Ressource Publizität oder als Allmendegut einer schützenswerten öffentlichen Sphäre thematisieren. Wie sehr Politikstile in Berlin denen einer idealtypischen Europäischen Stadt entsprechen werden, bleibt derzeit abzuwarten. Intraurbane politische Regulierung allein wird aber längst nicht ausreichen, um das fragile Wirtschaftsphänomen der derzeitigen glokalen Kommodifizerung des Öffentlichen gesellschaftlich einzubetten, hier ist offensichtlich eine interurbane Regulierungsdebatte von Nöten, sowie wissenschaftliche Positionierungen, die Urbanisierungsprozesse als weltweites Phänomen unter dringendem Einbezug der lokalräumlichen Bindung von Wertschöpfung verstehen, und die gesellschaftliche Bedeutung zentraler öffentlicher Räume als Merkmal dieser Urbanisierung begreifen. 19
Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Prozessen der Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Stadt Berlin von 1980 bis 2008. Im Mittelpunkt stehen dabei Koalitionen zwischen Staat und Privatwirtschaft, deren Handeln darauf abzielt, die Gestalt dieser zentralen öffentlichen Räume zu verändern. Die Herausbildung dieser gestaltwirksamen Koalitionen und ihre Etablierung als maßgebliche Triebkraft der postfordistisch geprägten ästhetischen, ökonomischen und medialen Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume in Berlin sind das Thema dieses Buches. Wie genau hat sich also das Verhältnis zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Institutionen ausdifferenziert, und wie machen sich diese Akteure zentrale öffentliche Räume gegenwärtiger Metropolen als Handlungssphäre zu Eigen? Welche Rolle kann dabei der Stadtentwicklungspolitik zugeschrieben werden, welche der öffentlichen Planung? Und: Welche Prämissen sind es, unter denen öffentlicher Raum unter Rückzug des Staats auf seine Kernaufgaben gegenwärtig entwickelt wird? Schließlich: Welche Chancen ergeben sich durch diesen Rückzug für Akteure des Marktes? Am Beispiel der Ausstattung von öffentlichen Räumen mit Stadtmobiliar und Außenwerbung wird veranschaulicht, wie sich ein Paradigmenwandel bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume vollzieht. Zu Zeiten postfordistischer Transformationen zeichnen sich Umbrüche genau dieses Außenwerbesektors zu einem Out-of-Home Mediensegment ab, die in weitläufigere Transformationen der Medienlandschaft eingebettet zu sein scheinen. Es sind also nicht mehr vorrangig allein lokale Stadtverwaltungen, die ein Interesse daran haben, auf die Entwicklung hochfrequentierter öffentlicher Räume im Zentrum der Hauptstadt strategisch einzuwirken. Es ist ein von lokalen, regionalen sowie nationalen Eigenarten geprägter globaler Markt entstanden, dessen strategische Handlungssphäre gut besuchte, symbolisch aufgeladene und politisch stark diskutierte Plätze und Boulevards darstellen. Das Herrichten zentraler öffentlicher Räume in gegenwärtigen Metropolen mit all ihren Brunnen, Denkmalen, Wartehallen, Bedürfnisanstalten fällt daher in das Aktivitätsspektrum der Marktakteure des Out-of-Home Mediensegments, die in gestaltwirksamen Koalitionen wirken. Die Wahl des Untersuchungsgegenstands dieser Arbeit – die Produktion zentraler öffentlicher Räume – berührt ein fundamentales Dilemma, mit dem sich heutige Stadt- und Freiraumplaner, Landschaftsarchitekten sowie Architekten, ebenso auseinander zu setzen haben, wie ihre Kollegen aus den Sozialwissenschaften: Die der gegenwärtigen Stadtproduktion zugrunde liegende Diversifizierung der Beziehungen und Prozesse auf verschiedenen horizontalen und vertikalen Akteursebenen bei gleichzeitigem Fokus auf die Gestaltung des Lokalen, des fassbaren Ortes. Denn die Gestalt dieses Ortes, eines öffentlichen Platzes, einer Straße, wird nicht allein von lokal verorteten Akteuren entschieden, und manchmal haben Akteure trotz ihrer lokalen Verankerung supralokale Interessen an der Ausschöpfung der vielfältigen Potenziale zentraler öffentlicher Räume in Berlin. Diese Erkenntnis setzt ein analytisches Umdenken hinsichtlich des Raumverständnisses ebenso wie eine Reflexion über veränderte Rollenverständnisse der an kollektiven Handlungen beteiligten Akteure voraus. Sie verlangt, sich kritisch mit dem Begriff des öffentlichen Raumes und seiner Verwendung in gegenwärtigen akademischen Debatten an Architektur- und Planungsfakultäten zu beschäftigen. Denn die 21
Euklidische Konzeption des öffentlichen Raumes als öffentlich zugängliche Morphologie, als gebauter Raum, hält einer ersten empirischen Überprüfung nicht stand. Genauso wenig erscheinen metaräumliche sozialphilosophische Definitionen öffentlicher Räume hilfreich zur Klärung der Frage, wie eben jene Diversifizierung der Prozesse und Beziehungen der Produktion öffentlicher Räume konkret stadtgestalterisch sedimentiert. Es erscheint daher notwendig, auf der analytischen Ebene eine Herangehensweise zu finden, die es ermöglicht, Prozesse der Produktion von Stadtgestalt aus einem relationalen Raumverständnis zu verstehen, also eben jenen Brückenschlag zwischen Morphologie und gesellschaftlichen Prozessen zu vollziehen. Dafür ist die Perspektive auf öffentliche Räume im Sinne der oben bezeichneten Gratwanderung zwischen baulichem Ergebnis und gesellschaftlichen Produktionsprozessen zu schärfen. In diesem Buch wird daher die Produktion jener öffentlichen Räume untersucht, die durch das individuelle und kollektive Handeln von Bürgern, Bewohnern und Besuchern im Raum-Zeit-Kontinuum zwischen Arbeit, Heim und Freizeit, zwischen Museum, Hotel und Event konstituiert werden. In diesem Sinne sind mit zentralen öffentlichen Räumen Räume gesellschaftlicher Zentralität in der Stadt gemeint, wie Henri Lefebvre sie bereits beschrieb. Ihre Zentralität wird neben ihrer hohen Soziabilität auch durch ihre symbolische, historische und kulturelle Bedeutung bedingt, zudem übernehmen sie oftmals als hochfrequentierte Räume im Umfeld kommerzieller und repräsentativer Zentren eine maßgebliche Rolle als Sphäre nicht beabsichtigter Begegnung und unbewusster Interaktion. Zentrale öffentliche Räume gelten als wichtige Orte alltäglicher Face-to-Face Kommunikation, gesellschaftlicher Dissens tritt hier zutage, wohingegen Konsens eher in Einzelfällen erreicht werden kann. Die Frage nach der gegenwärtigen konkreten kommunikativen Bedeutung zentraler öffentlicher Räume berührt daher immer auch ihre politisch-diskursive Dimension, und eröffnet den forschenden Blick auf mögliche Hegemonien über die Kommunikationsmittel in zentralen öffentlichen Räumen. Der ortsbezogene Betrachtungsradius dieser Arbeit ist bewusst auf zentrale öffentliche Räume konzentriert, deren bauliche Arrangements – so werden nachfolgend die baulichgestalterischen Sedimente eben dieses gesellschaftlichen Handelns bezeichnet – sich als öffentlich gewidmetes Straßenland in Besitz öffentlicher Akteure und Institutionen befinden. Diese baulichen Arrangements bieten sich aufgrund ihrer speziellen Bedeutung als städtebauliche Ressource und als stadtpolitischer Verantwortungsbereich für diese Untersuchung an, denn: Das sozialstaatlich geprägte Verständnis staatlicher Akteure hinsichtlich der Produktion öffentlicher Räume als einer ihrer klassischen Stadtentwicklungsfelder scheint im Wandel begriffen zu sein. Eine relationale Definition der Produktion zentraler öffentlicher Räume umfasst nicht allein die bauliche Dimension gestalteter Stadträume, sie umfasst auch virtuelle und kommunikationsstrategische Raumdimensionen, die ihrerseits Ausprägungen der Handlungen eines spezifischen, sich kontinuierlich verändernden Gefüges aus interessengeleiteten Akteuren und ressourcendependenten Institutionen darstellen. Es ist nicht allein ein Einzug des Internets in zentrale öffentliche Räume zu verzeichnen, sondern auch eine Veränderung strategischen Kommunikationshandelns verschiedener gesellschaftlicher Institutionen, das sich etwa in Form von Sponsoring oder von Interventionen aus dem Bereich der Corporate Social Responsibility manifestiert. Auch die Politik scheint veränderte kommunikative Ansprüche an die Produktion zentraler öffentlicher Räume zu entwickeln, um Publizität zu erlangen. Innerhalb einer derartigen Betrachtung ist mit dem Begriff der Produktion von Raum eine Vorgehensweise der raumbezogenen Erkenntnisgewinnung gemeint, die Raum nicht allein als (morphologisches, diskursives, virtuelles,…) Produkt versteht, sondern die gesellschaftliche Prozesse der Produktion dieser Räume in komplex organisierten kapitalistischen Gesellschaften zu ergründen versucht. Auf die Potenziale der Veränderungen dieser Produktionsprozesse 22
konzentrieren sich zu Zeiten postfordistischer Transformationen zunehmend Interessen seitens der Privatwirtschaft und seitens des Staates. Interessen, die im Zusammenhang zur Aufmerksamkeitsökonomie stehen. Mit dem Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie wird die Bewirtschaftung einer neuen, knappen Ressource in zunehmend informationsgeschwängerten Umwelten beschrieben: menschlicher Aufmerksamkeit. Es hat mit Aufkommen und Erfolg des Internets seit den späten 1990er Jahren an Relevanz gewonnen, ist bisher jedoch nur in wenige Studien mit explizitem Raum- und Gestaltbezug integriert worden. In den Kommunikations- und Medienwissenschaften hingegen werden die mannigfaltigen Veränderungen von Kommunikationsverhalten und Mediengebahren verschiedener Akteure zunehmend mit Rückgriff auf die Aufmerksamkeitsökonomie gedeutet. Mit dem Blick auf die exorbitanten Umsatzerlössteigerungen von stadtmöblierenden Out-of-Home Medienunternehmen seit den 1980er Jahren wird deutlich, dass ein solcher Transfer für die raumbezogenen Wissenschaften dringend notwendig ist. Diese bezeichneten Entwicklungen werden gröberen strukturellen Umwälzungen zugeordnet, die gemeinhin auch mit dem institutionellen Wandel im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus beschrieben werden. Die Rolle des Staates in den westlichen Demokratien scheint seit Beginn der 1980er Jahre im Wandel begriffen zu sein, verschiedene Deutungsansätze weisen auf den Ressourcenverlust der Nationalstaaten hin, der sich auf lokaler Ebene in Form von fiskalischen Krisen ausprägt. Andere kritisieren eine derart auf Sachzwangargumente verkürzte Darstellung der Ursachen und weisen auf die mangelnde Kapazität eines durch einen starren Bürokratieapparat gelähmten Staates hin, und auf neue und veränderte Anforderungen seitens der Gesellschaft. Hier wird zunächst davon ausgegangen, dass frühere vorrangig hierarchisch und eindimensional ausgerichtete Prozesse der fordistisch geprägten Stadtproduktion von nunmehr verstärkt heterarchisch und mehrdimensional ablaufenden Prozessen überlagert werden. Dabei kommt es zu einer Verschiebung der Gemengelage zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft, zwischen Institutionen und Akteuren sowie ihren jeweiligen Intentionen und Strategien. Forschungsansätze, die sich mit der Ausdifferenzierung solcher Prozesse auf vertikaler sowie auf horizontaler Ebene im Bereich der Stadtforschung befassen, sind sozialwissenschaftliche Ansätze aus dem Bereich Urban Governance Forschung. Am Beispiel gestaltwirksamer Koalitionen zwischen Staat und Privatwirtschaft geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, in welchem Maße sich derartige institutionelle Veränderungen auf die Produktion zentraler öffentlicher Räume auswirken. Dabei werden gesellschaftswissenschaftliche Ansätze der Public Space Forschung mit denen der Urban Governance Forschung verknüpft, um ein Analysegerüst zu entwickeln, wohingegen der theoretische Bezug zur Aufmerksamkeitsökonomie vor allem bei der Bewertung und Interpretation der beleuchteten Prozesse Relevanz erhalten wird. Im Rahmen einer vorrangig induktiv angelegten Einzelfallstudie, deren empirische Fundamentierung sich räumlich auf den Bereich der Bundeshauptstadt Berlin und hier im Detail auf den Bezirk Mitte beschränkt, wird dargelegt, wie Politiker, Planer und Akteure der Privatwirtschaft Straßen und Plätze im öffentlichen Besitz als Koalition über einen Zeitraum von mehr als zwei Dekaden entscheiden, entwickeln und erhalten. Hierzu werden Plenar- und Ausschussprotokolle der zwei politischen Ebenen des Stadtstaates Berlin, qualitative Experteninterviews, Jahresberichte ebenso wie Tagesmedien herangezogen, die mittels des methodischen Instrumentariums der empirischen Sozialforschung ausgewertet werden. Da es zunächst einer Schärfung des begrifflichen Instrumentariums hinsichtlich der Raum- und Rollenverständnisse sowie themenspezifischer Verweise auf den lokalräumlichen Kontext 23
bedarf, handelt Kapitel 1 von „Öffentlichen Räumen in der postfordistischen Stadtproduktion. Ambivalenzen“. Es knüpft an relevante akademische Debatten zum öffentlichen Raum und zu öffentlichen Räumen in Berlin an, verfeinert den Blick auf theoretische Dilemmata und praxisbezogene Fallenstellungen und stellt einen eigenen Forschungsansatz sowie das Forschungsdesign dieser Arbeit vor. Kapitel 2 „Stadtmöblierung – Vom Katalogprodukt zur Genese eines machtvollen Marktsegments“ ist explizit fallstudienbezogen, und dient dazu, bestehende Kenntnisse über diesen Nischenmarkt aufzubereiten, die von Relevanz für die gesellschaftswissenschaftliche Stadtforschung erscheinen. Erneut werden begriffliche Orientierungen gegeben, um die immanente Logik des Marktsegments der Stadtmöblierung als Teilbereich der Out-of-Home Medienbranche verständlich zu machen. Nachfolgend werden die gesellschaftlichen Determinanten, die die jüngeren Transformationen der Branche vorantreiben, beleuchtet, und es wird ein Blick auf die Marktverflechtungen auf anderen territorialen Ebenen ermöglicht. Schließlich entsteht eine Übersicht über die an gestaltwirksamen Koalitionen direkt und indirekt beteiligten Akteure und Institutionen sowie über ihren Verhandlungsgegenstand – werbefinanzierte Stadtmöbelstücke. Während mit beiden genannten Kapiteln der konzeptuelle und der kontextuelle Rahmen dieser Arbeit – sowohl in Bezug auf die übergeordnete Fragestellung als auch bezogen auf die Fallstudie – abgesteckt werden , ist es Aufgabe von Kapitel 3 und 4, die Resultate der empirischen Forschung hinsichtlich der baulichen, der virtuellen und der kommunikationsstrategischen Dimensionen der Produktion zentraler öffentlicher Räume zu veranschaulichen. Kapitel 3 „Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin“ gibt zunächst Aufschluss über die spezielle Situation der Stadt Berlin als Aktionskulisse und über die Rahmenbedingungen öffentlicher Akteure, die an der Produktion öffentlicher Räume mitwirken. Nach Darbietung des empirischen Materials hinsichtlich der baulichen und virtuellen Dimensionen wird ein erstes Zwischenfazit hinsichtlich der kontinuierlichen Etablierung von Ausnahmetatbeständen angeboten. Ausblicke auf planerische Fehlstarts sowie die jüngere Deregulierung der Rechtsinstrumente durch die Berliner Stadtentwicklungspolitik auf Landesebene folgen, bevor zwei Exkurse auf weitere Dimensionen derartiger Prozesse verweisen, und die Möglichkeit der Relativierung der Berliner Prozesse ermöglichen. Schließlich erfolgt ein Zwischenfazit, das der Erdung der Annahmen im Antlitz der Empirie gewidmet ist. Daran schließt Kapitel 4 „Gestaltwirksame Koalitionen und das kommunikationsstrategische Streben nach Aufmerksamkeit“ an, in dem die dritte Analysedimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume empirisch beleuchtet wird: Ein erster Schritt gibt Aufschluss über die kommunikationsstrategischen Interventionen seitens des Staates, ein zweiter, der aufgrund des derzeit unter öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren existenten Wissensgefälles umfangreicher angelegt ist, verweist auf den Facettenreichtum kommunikationsstrategischer Instrumente, die Out-Of-Home Medienunternehmen bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume beanspruchen. Beide Blickwinkel erscheinen von grundlegender Bedeutung, um veränderte Wertschöpfungsstrategien bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume aufzuzeigen. Abschließend steht daher als Synthese ein Schaubild, das die Rolle gestaltwirksamer Koalitionen als kollektive Akteure bei der Wertschöpfung durch strategische Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen illustriert. Die Synthese der prägnantesten Merkmale des strategischen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen, die sich aus diesen Empiriekapiteln kondensieren lassen, wird im fünften Kapitel realisiert, wohingegen mit der Interpretation der Ergebnisse im sechsten Kapitel der direkte Bezug zur übergeordneten Forschungsfrage erneut hergestellt, und damit der Bogen zurück zu den konzeptuellen Betrachtungen in Kapitel 1 geschlagen wird.
24
Es geht daher im Kapitel 5 „Merkmale des strategischen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen“, erstens, um strategische Handlungsmuster, strategische Ressourcen und um veränderte Raumlogiken strategischen Handelns innerhalb der Koalition sowie, zweitens, darum, Veränderungen des Grads strategischer Handlungen über zwei Dekaden hinweg anhand des Wandels von strategischen Instrumenten und strategischen Handlungszusammenhängen aufzuzeigen. Dabei wird veranschaulicht, wie sich koalitionsinternes Handeln als instrumentelles GovernanceArrangement anfänglich eher unstrategisch ausprägt und wie es schließlich aufgrund von Lernprozessen und konvergierenden Interessen eine Verfestigung als strategischer Handlungszusammenhang mit Regimecharakter erfährt. Die Interpretationen im finalen Kapitel 6 „Zentrale öffentliche Räume als Medium der Aufmerksamkeitsökonomie“ setzen hier an und behandeln die Eingangsfrage nach der Institutionalisierung dieses neuen Phänomens der gegenwärtigen gestaltwirksamen Stadtproduktion in Berlin. Mit der Erkenntnis, dass mit den im vierten Kapitel festgehaltenen Wertschöpfungspotenzialen von strategischer Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen auch neue Kapitalschöpfungsmechanismen einhergehen, richtet sich der interpretierende Blick nunmehr auf die Interpretation der Ergebnisse im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie. Zum einen kommt es zu einer baulichen und ästhetischen Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume in Berlin, deren Grundmotiv jedoch aufmerksamkeitsökonomisch gefärbt, und damit durch die Genese eines neuen Mediensektors geprägt ist. Welche Rolle die Gestaltwirksamkeit koalitionären Handelns, welche Rollen die Unternehmen der Out-Of-Home Medien und staatliche Akteure als in gestaltwirksamen Koalitionen individuell und kollektiv handelnde Institutionen in diesen Prozessen der aufmerksamkeitsökonomisch ausgerichteten Stadtproduktion derzeit inne haben, darauf macht dieses Kapitel aufmerksam. Und auf mögliche Implikationen, die sich aus diesen Erkenntnissen der gesellschaftswissenschaftlich ausgerichteten Stadtforschung für die Stadtgesellschaft ergeben. Am Ende dieser Arbeit steht daher, erstens, Erkenntnisfortschritt bezüglich eines gegenwärtigen Phänomens der jüngeren postfordistisch geprägten Stadtproduktion in Berlin. Zweitens stehen dort kompakte Folgerungen hinsichtlich der Bedeutung dieses Beispiels für die raumbezogene Forschung und Lehre, die einen Vorschlag für ein Analyseschema enthalten, in dem die Aufweitung der Relationen und Prozesse auf verschiedenen territorialen Ebenen, sowie die Erweiterung der Akteurskonstellationen und des institutionellen Gefüges bei der Untersuchung der Produktion öffentlicher Räume berücksichtigt werden. Die Autorin dieses Buches will damit einen Beitrag für die sozialwissenschaftliche Erforschung konkreter gegenwärtiger Stadtentwicklungsprozesse liefern, in denen „gestalteter Raum“ als Momentaufnahme individueller und kollektiver sozialer Handlungen und Entscheidungen verstanden und untersucht werden kann. Freilich ist hier anzumerken, dass sie nicht darauf abzielt, das gesamte Spektrum der Prozesse der Produktion öffentlichen Raumes abdecken zu wollen, ganz im Gegenteil: Hier ist dezidiert ein stark limitierter Ausschnitt der gegenwärtigen Realität gewählt worden, um ein aufmerksamkeitsökonomisch bedingtes Phänomen der Stadtproduktion in seiner Tiefe multidimensional zu ergründen.
25
1
Öffentliche Räume in der postfordistischen Stadtproduktion. Ambivalenzen
Öffentlicher Raum als Gegenstand der raumbezogenen Planung und Forschung Öffentliche Räume als konkrete Stadtentwicklungsprozesse und als theoretisches Dilemma „In den Planungswissenschaften hat sich der relationale Ansatz (...) noch nicht sehr verbreiten können. Stattdessen herrscht ein Dualismus des Raumbegriffs vor. Der Raum wird in zwei verschiedene Typen gespalten: in den physikalischen Raum und in die soziale Raumnutzung. Indem die Planungswissenschaften den ersten Typ als das Praxisfeld ihrer Gestaltungsaufgaben definieren und den zweiten Typ den (...) Gesellschaftswissenschaften überlassen, wird eine unüberwindbare Barriere errichtet, den öffentlichen Raum wirklichkeitsgerecht zu erfassen. Da die relationale Ordnung zwischen physikalischen Bedingungen und sozialen Objekten das Wesensmerkmal dieses Raumzusammenhangs ist, ist ein integrierter Raumbegriff erforderlich.“ (Schubert 2000, 12)
Herbert Schubert hat die akademische Kontroverse um den Gegenstand dieses Buches – den vielfach umschriebenen öffentlichen Raum – auf den Punkt gebracht. Die Diskrepanz zwischen planerischen Positionen und gesellschaftswissenschaftlichen Sichtweisen prägt weiterhin alltägliche Auseinandersetzungen in Forschung, Lehre und Praxis.1 Sie ist jedoch nicht die einzige, die den Forschungsalltag erschwert, wenn man sich inhaltlich zwischen realen Stadtentwicklungsprozessen und abstrakter urbanistischer Theorie bewegt.2 Öffentliche Räume sind nicht allein diffuse Themenbereiche verschiedener akademischer Disziplinen – und auch hier nicht homogen – sondern die Verwendungen von ‘öffentlichem Raum’ in Planungspolitik, alltäglicher Planungspraxis sowie in den verschiedenen akademischen Feldern sind so unterschiedlich, dass sie bisweilen in gegeneinander abgegrenzten Diskursen verwendet werden.3 Nachfolgend sollen daher verschiedene Positionen gegenüber dem öffentlichen Raum kompakt dargestellt werden, um die Feinheiten einer äußerst ambivalenten Debatte greifbarer zu machen. Relevante Positionen werden im Verlauf dieser Arbeit herausgestellt, vertieft und im Antlitz der Empirie erneut diskutiert. Zuvor jedoch muss das begriffliche Instrumentarium einigen Klarstellungen unterzogen werden: Auch wenn hier aus Gründen sprachlicher Vielfalt die Begriffe ‘öffentlicher Raum’ und ‘Öffentlichkeit’ verwendet werden, so kann aufgrund der Vielzahl an Definitionen und Ausprägungen verschiedener im Stadtalltag präsenter Öffentlichkeiten weder von einer verabsolutierten Idealvorstellung oder von einem utopischen Leitbild der einen Öffentlichkeit ausgegangen werden, noch von dem öffentlichen Raum. Vielmehr schließt sich diese Arbeit bereits bestehenden Positionen an, die die Existenz verschiedener Öffentlichkeiten und Teilöffentlichkeiten in ihrer unterschiedlichen Ausprägung anerkennen und demnach auch den erweiterten Plural ‘öffentliche Räume’ verwenden.4 1 Schubert (2000, 9) stellt dar, dass sich zwischen 1998 und 2000 ca. zwei Drittel der per Internetrecherche ermittelten relevanten Literatur zum öffentlichen Raum mit Fragen der Ästhetik beschäftigt, und fragt, warum nur 20% sich mit gesellschaftlichen Bedeutungen des urbanen öffentlichen Raumes beschäftigen. Die Frage, wie gesellschaftliche Veränderungen und ästhetische Aufwertungen öffentlicher Räume zusammen hängen, stellt er jedoch nicht explizit. 2 Lethovuori (2005, 62) bezeichnet die existierende Diskrepanz zwischen 'critical urban theory und non-critical outdated conception of space' als 'unhappy marriage'. 3 Low und Smith 2006, 6. Huning 2006, 17ff. Goodsell 2003, 361ff. Schubert 2000, 12. 4 Huning 2006, 18. Schubert 2000, 58f.
27
Öffentliche Räume als zentrales Feld der Planung Im Bereich der räumlichen Planung befassen sich die der Landschaftsarchitektur zugeordnete Freiraumplanung, der Städtebau und die Stadtplanung mit öffentlichen Räumen: „Mit einer solchen Unterscheidung werden auch, (...) die verschiedenen Zugänge von Städtebau und Freiraumplanung auf der einen und Sozialwissenschaften auf der anderen Seite markiert: Bezogen auf den gleichen Gegenstand fragen die einen nach den Räumen, wie sie entstehen, wer sie wie produziert und reguliert, welche gestalterischen und funktionalen Qualitäten sie haben und was sich daraus für Nutzungsangebote ergeben – während die anderen Aktivitäten und Verhalten sowie deren (kulturellen, sozialen, ökonomischen [!] etc.) Voraussetzungen vorrangig im Auge haben.“ (STARS Journal 2007, 75)
Bei näherer Betrachtung ergeben sich bereits manifeste Unterschiede zwischen den Ansätzen der Stadtplanung, des Städtebaus und der Freiraumplanung. In der Regel werden in der praktizierten Stadtplanung zunächst formale Definitionen herangezogen, die sich an den Eigentumsverhältnissen und damit an den Rechtsverhältnissen orientieren. Öffentliche Räume sind demnach innerstädtische Räume im Besitz der öffentlichen Hand, die in deutschen Kommunen noch einmal formalrechtlich unterteilt werden in öffentlich gewidmetes Straßenland und öffentlich gewidmete Grünflächen. Im städtischen Alltag jedoch ist oftmals von den Nutzern städtischer Freiräume gar nicht auszumachen, welchen formalrechtlichen Status eine Fläche hat. Die klassische Dichotomie von öffentlich und privat erscheint damit zunächst obsolet. In der stadtplanerischen Annäherung jedoch ist sie dies ganz und gar nicht, da sie hier einen traditionellen Interventionsbereich der öffentlichen Hand im Sinne der Planung, Herstellung und Unterhaltung der öffentlichen Flächen, kurz: ein klassisch öffentliches Planungsfeld, markiert.6 Diese recht zweidimensionale Zuweisung spielt vor allen Dingen in der planungsrechtlichen Betrachtung der vielfältigen Nutzungen – im behördlichen Fachjargon Sondernutzungen genannt – eine große Rolle. Hier bezeichnet der öffentliche Raum demnach einen Bereich staatlicher Hoheit und somit die besondere Entscheidungsposition demokratisch legitimierter Akteure: der verantwortlichen Fachexperten in den Stadtverwaltungen sowie der ihr Handeln maßgeblich bestimmenden Protagonisten der Stadtentwicklungspolitik. Im Falle Berlins könnten also bis zu vier öffentliche Handlungsebenen auf die Entwicklung von im stadtplanerischen Sinn verstandenen öffentlichen Räumen hoheitlich einwirken: die Bezirke (Kommunen), der Senat (Land), der Bund sowie die Europäische Union.7 Faktisch sind dies jedoch zunächst in der Regel die Bezirke und der Senat, jedoch lässt sich auf der Ebene der Förderinstrumente auch die Präsenz von bundesstaatlichen und europaweiten Einflusselementen ausmachen und, was die öffentlichen Freiflächen insbesondere im Spreebogen betrifft, auch der Einfluss des Bundesstaates auf die Stadtplanung.8 Was die stadtplanerische Definition von öffentlichen Räumen betrifft, wird sie in der Praxis vor allen Dingen für die Zuständigkeit öffentlicher Akteure, der Planer und Planerinnen bedeutsam, es geht also vorrangig um Aktivitäten der Regulierung und Restriktion, um gesellschaftlichen Interessenausgleich zu gewährleisten. In zunehmendem Maße wird dem Stadtplaner auch eine moderierende Rolle beigemessen, wenn es etwa darum geht, Ressourcen in anderen gesellschaftlichen Bereichen zu mobilisieren und deren Einsatz bei der Stadtentwicklung zu koordinieren. 5 Siehe Internetauftritt Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH Aachen. URL: http://www.p t.rwth-aachen.de/dokumente/forschung/stars/stars_journal_01_2007.pdf (letzter Zugriff am 29.04.08). 6 Selle 2003. Berding et. al. 2003. 7 Zur rechtlichen Verfassungseinheit Berlins als Stadtstaat, zur Rechtstellung der Bezirke, zum Aufbau der Verwaltung sowie zur Aufgabenteilung und Zuständigkeiten siehe Musil und Kirchner 2007, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 2001, 12ff. 8 Welch Guerra 2006.
28
Der Städtebau befasst sich in der Regel mit dem öffentlichen Raum als morphologischem Raum. Das, was in Schwarzplänen weder schwarz noch privat ist, wird in der Regel als ‘leerer Raum’, ‘Freiraum’ oder ‘Raum zwischen den Gebäuden’ bezeichnet, oder kurz mit dem allumfassenden Prädikat des öffentlichen Raumes versehen. Städtebauliche Herangehensweisen an den öffentlichen Raum, die neben den Gebäuden auch den Menschen in die Planung einbeziehen, befassen sich etwa mit Ansätzen der Wahrnehmung baulich gefasster Freiräume durch Menschen, erfassen also ein Verhältnis zwischen (sich bewegenden) menschlichen Körpern und baulicher Umwelt.9 Auch setzen sich städtebauliche Herangehensweisen oftmals mit den räumlich prägenden Gestaltelementen auseinander, dazu gehört insbesondere das im traditionellen Sinn verstandene Straßenmobiliar: Bänke, Poller, Leuchten und so weiter. Öffentliche Bedürfnisanstalten, Kioske oder Bushaltehäuschen werden ab und an durch städtebauliche Wettbewerbe thematisiert, verstärkt nehmen sich aber auch Architekten solcher städtebaulichen Kleinode – oder Mikroarchitekturen, wie sie es nennen – an. Im Unterschied zu den genannten Ansätzen beschäftigt sich die der Landschaftsarchitektur zuzuordnende Freiraumplanung mit öffentlichen Räumen als ihrem zentralen Handlungsfeld. Freiräume werden hier nicht als baulich ‘leer’, sondern als einer natürlichen und kulturellen Sukzession unterliegende Entwicklungsräume verstanden, die sozial ‘genutzt’ werden. Jedoch hält man sich auch in der Freiraumplanung zunächst an ein morphologisches Verständnis von Raum, das durch Aspekte der Geschichte des Ortes, seiner Ökologie und seiner sozialen Nutzung bereichert wird. Freiraum wird – vereinfacht gesagt – vielfach als Container für soziale Handlung angesehen, den es zu gestalten gilt.10 Darüber hinaus als lebendes Ökosystem, sofern Vegetationsflächen Teil der Gestaltungsaufgabe sind. Im Stadtraum wird der ästhetischen Gestaltung urbaner Lebensräume, die zumeist innerhalb von landschaftsarchitektonischen Wettbewerben mit einem ‘Nutzungsprogramm’ fiktiv inszeniert werden, Vorrang eingeräumt. Dabei werden Straßenmobiliarelemente und Mikroarchitekturen als der Gestaltungsaufgabe inhärente Bestandteile eines sich entwickelnden Stadtraums erfasst. Anhand dieser drei stark vereinfachten Darstellungen verschiedener Konzeptionen von öffentlichem Raum im städtischen Planungsalltag wird deutlich, dass es hier unterschiedliche Interpretationen gibt.11 In allen ähnelt sich das Raumverständnis, sie erfassen öffentliche Räume primär als bauliches Wirkungsfeld, für das Zugang gewehrt werden muss. Dieses Verständnis ist Bestandteil der raumgestaltenden Lehre, steht aber nicht allein. Neben stadträumlichen Interventionen mit baulichem Bezug finden seit den 1980er Jahren Sozialprojekte Einzug in die Stadtentwicklungspraxis, wobei selbst in Programmen wie ‘Soziale Stadt’ oder bei Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen ein Großteil der Ressourcen – partiell vorgesehen für Stärkung der Sozialstruktur benachteiligter Gebiete – in bauliche Strukturen investiert wird. Die Definition öffentlicher Räume über das Merkmal des öffentlichen Zugangs ist ebenfalls konfliktreich, da hier oftmals Zugang zu Stadtplätzen und Straßen, nicht aber zu den gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen ihrer Produktion gemeint ist. Denn öffentliche Räume bedürfen der permanenten Aushandlung gesellschaftlicher Interessen, die manchmal mehr, manchmal weniger konsensorientiert erfolgt. Es steht also eine Überidealisierung von öffentlichen Räumen als städtischen Orten der Demokratie, die zumeist von einem normativen Anspruch, diese Räume müssten gleichzeitig faktisch von allen potenziellen Nutzergruppen 9 Siehe etwa bei Janson und Bürklin 2002. 10 Vgl. Schubert 2000, 11f. 11 Ähnlich erfasst es Schubert (2000, 21, Abb. 4), wenn er zu den „Paradigmen des öffentlichen Raumes als Container“ erstens das Paradigma des gebauten Raumes, das Paradigma des öffentlichen Freiraumes und das Paradigma der Verfügungsrechte zählt, die weitestgehend den im Städtebau, in der Landschaftsarchitektur und in der Stadtplanung vorherrschenden Raumpraktiken entsprechen.
29
genutzt werden, flankiert wird, einer eher gesellschaftskritischen Auffassung von öffentlichen Räumen als Kulminationspunkten gesellschaftlicher Konflikte gegenüber. Insbesondere über die Aspekte des ‘Gemeinwohls’ und des ‘öffentlichen Interesses’ können diese Positionen im tagtäglichen Politikprozedere dingfest gemacht werden. Denn bisher wurde gemeinhin davon ausgegangen, dass der Staat schon wisse, wie diese Begriffe auszulegen seien, wie also mit dem öffentlichen Raum zu verfahren sei. Mit einem Wandel der Rolle des Staats verändern sich auch die Auslegungen dieser zentralen Begriffe. Dies kann wiederum als Indiz dafür gewertet werden, dass die Städte und eine ihrer ‘Kernaufgaben’ gegenwärtig in einem äußerst ambivalenten Verhältnis zueinander zu stehen scheinen. Bevor diese erste Hypothese jedoch weiter ausformuliert werden soll, wird nachfolgend begriffliches Klingenschärfen hinsichtlich des öffentlichen Raumes auch für den Bereich der raumrelevanten Forschung erfolgen. Öffentliche Räume als Gegenstand der raumbezogenen Forschung Der baulich-räumliche Bezug der unterschiedlichen Ansätze aus der Planungspraxis erklärt, warum sich unter Gesellschaftswissenschaftlern die Stigmatisierung eingebürgert hat, Planung und über Planung reflektierende Planungstheoretiker würden sich mit einer als deterministisch verurteilten Sichtweise auf den (öffentlichen) Raum zufrieden geben. Es gibt solche Ansätze sicherlich, doch sind sie es, die immer mehr ins Vergessen – und in die Kritik – geraten, denn auch in der gegenwärtigen Planungstheorie sind Raum verabsolutierende Positionen längst überholt, und es wird konstatiert, dass fundamentale Kräfte von Stadtentwicklung ihren Ausdruck im Handeln von Akteuren finden, so dass räumliche Strukturen durch das Planen, Entscheiden und Handeln vieler Akteure verändert werden: „Ursachen, Verlauf und Wirkungen der Entwicklungen im Raum sind .. eng verknüpft mit den Steuerungsversuchen sowie den Rahmenbedingungen des Handelns verschiedener Akteure.“ (Selle 2005, 109, Hervorhebung im Original)
Dabei wird konzeptuell jedoch weiterhin von nicht wenigen Experten von Entwicklungen im Raum gesprochen, was trotz des Rufes nach relational ausgerichteten Ansätzen andeutet, dass Planungstheorie weiterhin Gefahr läuft, implizit weiter ein Verständnis von Raum als Container sozialer Handlungen im Bugwasser des Theorieschiffs mitzuziehen.12 Dies ist nachvollziehbar, weil insbesondere Planungs- und Architekturfakultäten mit der Aufgabe betraut sind, nicht allein Forschende, sondern vor allen Dingen an der Implementierung orientierte Stadt- und Landschaftsplaner sowie Architekten und Gestalter auszubilden. Und da relationale Raumkonzepte aufgrund ihrer Komplexität schwer und nur zeitaufwendig in die durch bauliche Interventionen geprägte Stadtentwicklungspraxis umsetzbar sind13, wird zumeist mit einem gebrauchsfähigen Zwitter aus Akteursstrukturen und Containerraumbezug gearbeitet. Selle etwa 12 Selle (2005, 108) etwa nennt in diesem Zusammenhang zunächst zwei Kategorien: „Der Raum entwickelt sich“ und „der Raum wird entwickelt“, und ergänzt dies durch die Verwendung des Läpple-Zitats „'Raum' als sich (ständig) wandelndes Ergebnis sozialer, ökonomischer und kultureller Aktivitäten und zugleich als konstitutives Element eben dieses gesellschaftlichen Handelns zu verstehen“ (Läpple 1991, 151ff, zitiert durch Selle 2005, 110). Es bleibt jedoch ungeklärt, wie hier Raum letztendlich gedacht wird, da beide Positionen, also Selles dualer Raumbegriff und Läpples Position nicht als stimmig erscheinen. Ein Begriff wie „Entwicklungen im Raum“ wäre dem Verständnis dieser Arbeit entsprechend daher einerseits als Tautologie zu verstehen, da Raum Entwicklung ist, anderseits vermag es eine solche Vorstellung weiterhin, einen dreidimensionalen Raumcontainer, in welchem Akteure interagieren, (unbewusst oder bewusst) zu implizieren. An dieser Stelle tut sich ein entscheidendes epistemologisches Minenfeld auf, das die Überwindung grundlegender sozialwissenschaftlicher und planungstheoretischer Barrieren in der Untersuchung von Stadträumen als Stadtentwicklungsprozessen weiterhin erschwert. 13 Lethovuori 2005, 37ff. Haus und Heinelt 2004, 171f.
30
bezeichnet Schuberts Folgerung, man müsse stets mit einem integrierten Raumbegriff operieren, als „unpraktisch“, da konkrete Fragen der Stadtplanung auf diese Weise nur selten zu beantworten seien. Er konstatiert, dass der spezielle Zugang der räumlichen Planung weiterhin beim dreidimensionalen physikalischen Raum liegen werde.14 An dieser Stelle müssen Gegenfragen gestellt werden: Lassen sich konkrete Phänomene der Stadtentwicklung, mit denen Planer und Gestalter alltäglich konfrontiert sind, mit dem Verhaftet-Bleiben am physikalischen Raumkonstrukt besser verstehen? Ist es nicht explizit die Rolle von Lehre und Forschung, althergebrachte Curricula – auch was unsere Wege, Raum zu verstehen und demnach zu lehren – kritisch zu hinterfragen? Wie sonst hätten die heutzutage als überkommen angesehenen Prinzipien der städtebaulichen Moderne so eine bisweilen fatale Durchschlagkraft entwickeln können, wenn nicht durch das Überkommen traditioneller Raumvorstellungen in raumbezogener Lehre und Forschung?15 Ein wissenschaftlicher Zugang zu Stadträumen umfasst nicht zwangsläufig nur eine einzige mögliche Interpretation, wie es zu gestaltwirksamen Prägungen kommt. Gerade Klaus Selle fordert an anderen Stellen – perspektivischer Inkrementalismus, Partizipation, Kommunikation, um nur einige Ansätze zu nennen – intensivere Prozessorientierung. Warum also nicht konsequent den weiteren Schritt machen und systematisch versuchen, relationale Raumkonzepte schrittweise handhabbar zu machen? Mittels dieser Gegenfragen wird der Auffassung Nachdruck verliehen, dass ein dreidimensionales Verständnis des öffentlichen Raumes als einem physikalischen Raum aus dem Grund nicht verfolgt werden kann, weil es dazu verleitet, analytische Scheuklappen zu entwickeln, die der Komplexität des Gegenstands nicht gerecht werden, denn: Akteure prägen Räume und Räume prägen Akteurshandlungen, jedoch kann sich das eine – abstrakt betrachtet – nicht im anderen reflektieren oder spiegeln, da beide Aspekte zwei Seiten derselben Medaille darstellen.16 Raum ist daher nicht Behälter, sondern Ursache sowie Ergebnis von und Motivation für Handlungen.17 Es gibt erkenntnistheoretisch demnach weder eine nicht-räumliche soziale Realität, noch nicht-soziale öffentliche Räume.18 Die in Stadtform gegossene Ausprägung dieser öffentlichen Räume, die im Folgenden mit dem Begriff der ‘baulichen Arrangements öffentlicher Räume’ bezeichnet werden soll, kann als Verweis auf den Entwicklungsstand der jeweiligen gesellschaftlichen Figuration, als Sedimentieren von Machtverhältnissen und Strukturen der sozialen Differenzierung verstanden werden. Im Rahmen dieser Arbeit kann folglich ein baulich-räumliches Konzept des öffentlichen Raumes (bauliches Arrangement) allein als Teil einer differenzierten gesellschaftswissenschaftlichen Perspektive auf Stadtraum als relationalem Prozess fruchtbar gemacht werden.19 So einem untrennbaren Verständnis von Raum und Gesellschaft wird nachfolgend Priorität eingeräumt, es sei an dieser Stelle vorausgeschickt: Diesen ersten recht vereinfachten Annäherungsversuchen wird im Verlauf dieser Arbeit eine von der konkreten Stadtentwicklungspraxis abgeleitete tiefere Auseinandersetzung folgen.20
14 Selle 2003, 30. 15 Hierzu siehe auch Häußermann et. al. 2008, 56f. 16 Castells (1996, 410), zitiert durch Schubert (2000, 13) formuliert, Raum sei „keine Photokopie von Gesellschaft, sondern (...) Gesellschaft.“ 17 Vgl. Löw et. al. 2007, 63. 18 Vgl. Schubert 2000, 13. 19 Zum Verhältnis von Raum und Zeit als Prozess siehe Tomadoni 2007, 54f. 20 Siehe hierzu auch die Kritik von Benno Werlen (1995, 143) hinsichtlich des Dilemmas empirischer Raumwissenschaften, einen empirisch erforschbaren Raum als Gegenstand vorauszusetzen und damit einen auch einen a priori empirisch vorhandenen Raum gleich zu setzen. Schmid (2005, 29) setzt der Haltung Werlens den Ansatz Lefebvres entgegen, bei dem es nicht um eine 'Theorie des Raumes', sondern um eine 'Theorie der Produktion des Raumes' gehe.
31
Herausforderungen zwischen Planung und Forschung: öffentlich nutzbare Räume, oder: Was ist los mit ‘öffentlichen Räumen’? Auch wenn sich also in den vergangenen Jahren einiges auf dem Campus der raumbezogenen Akteursforschung getan hat, bleibt das Terrain der integrierten Raumforschungsansätze bisher ein oftmals umschifftes, da es stark konfliktiv zwischen Abstraktem und Konkretem mäandriert. Das zeichnet sich besonders in den Ansätzen ab, die den Begriff des öffentlichen Raumes partiell umgehen, in dem sie von „hybriden Räumen“ oder „öffentlich nutzbaren Räumen“ sprechen.21 Anstelle des ‘öffentlichen Raumes’ wird mit dem Konzept der ‘öffentlich zugänglichen (Stadt)Räume’ gearbeitet, um sich damit klar vom verbreiteten Diskursdilemma abzugrenzen. Der große Verdienst dieser Ansätze ist die klar vorgegebene Stoßrichtung: Es werden Stadtraummorphologien im Hinblick auf ihre Eigentumsverhältnisse, ihre Produktion und Regulierung sowie ihre Nutzbarkeit untersucht, die sich durch (möglichen?) öffentlichen Zugang kennzeichnen, und es wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass das, was man bisher gemeinhin als ‘öffentlichen Raum’ charakterisierte, nicht der durch vielschichtige Raum-, Rechts- und Regulierungsstrukturen geprägten städtischen Realität entspreche. Dies sei auch keinem historischen Bruch geschuldet, denn die Verhältnisse seien seither ambivalent gewesen. Die Forscher weisen erneut auf den Umstand hin, dass unter ‘öffentlich’ verschiedenste Sachverhalte subsumiert werden, und dass man genau zu klären habe, auf welche Inhalte genau Bezug genommen wird.22 Bei der Definition für die öffentlich nutzbaren Räume jedoch, deren „Ausgangspunkt (...) die tatsächliche Nutzung öffentlicher Räume bzw. Nutzbarkeit“ ist,23 tut sich ein weiteres begriffliches Spannungsfeld auf: die planerische Projektion. Denn die von den Planern und Gestaltern in der Regel innerhalb einer Planungsprojektion zugewiesene Nutzbarkeit ist keinesfalls gleichzusetzen mit der tatsächlichen Nutzung öffentlicher Räume:24 „Das ‘Öffentliche’ ist nur sehr lose mit dem (physikalischen) Raum verbunden, ergibt sich nicht gleichsam automatisch aus dessen Lage, Ausstattung, eigentumsrechtlicher Zuordnung etc. Insofern kann man vom dreidimensionalen Raum nur als ‘öffentlich nutzbarem’ sprechen. Ob er in dieser Weise genutzt wird entscheidet sich im und durch das Verhalten der Menschen.“ (Selle 2003, 27)
Eines der klassischen theoretischen Dilemmata hinsichtlich öffentlicher Räume offenbart sich hier erneut, denn Planer und Gestalter schaffen durch ihre Arbeit Nutzungsangebote, die keinen Anspruch darauf erheben, zwingend mit der tatsächlichen Nutzung überein stimmen zu können. Wenn also Raum planende und gestaltende Disziplinen vom öffentlichen Raum sprechen, beziehen sie sich in der Regel auf die potentielle Nutzbarkeit von geplanten oder zu planenden und gestalteten oder zu gestaltenden Freiräumen, schlichtweg auf eine Nutzungsprojektion, die sich in einer gestalteten Morphologie realisieren könnte oder gedacht wurde. Soziologen, Ethnologen, Anthropologen sowie andere Experten hingegen setzen sich verstärkt mit der Untersuchung der tatsächlichen Nutzung auseinander, denn allein diese definiere, ob man einen Raum als öffentlich charakterisieren könne. Planer und Gestalter hingegen vermissen bei gesellschaftswissenschaftlichen Ansätzen oftmals den Transfer, wie denn tatsächliche Handlungen Stadtraum baulich-räumlich zu prägen vermögen. Eine solche zunächst ablehnende Haltung seitens der Planer geht einher mit der von Lofland beschriebenen ‘Agoraphobie soziologischer Herangehensweisen’ an räumliche Figurationen, 21 Berding et. al. 2005. Selle 2003. 22 1. Stars Journal 2007, 6. URL: http://www.pt.rwth-aachen.de/dokumente/forschung/stars/stars_journal_01_20 07.pdf (letzter Zugriff am 29.04.08). 23 Ibid. 2007, 8. 24 Siehe auch Altrock und Schubert 2003.
32
die jedoch nicht missverstanden werden sollte: Es geht hier oftmals gar nicht darum, baulichen Strukturen jeglichen Einfluss auf soziale Handlung abzusprechen, sondern vielmehr sträuben sich Sozialwissenschaftler in der Regel gegen Ideen des (gebauten) Raumes als einer potenziell direkt kausalen Determinante für menschliches Verhalten, schlichtweg gegen baulichen Determinismus.25 Dies stößt bei vielen Planern und Gestaltern, und Planung und Gestaltung vermittelnden Akademikern in der Regel auf eine Reaktion, die soziologischen Determinismus – Raum entstehe allein durch Handlung und hätte ansonsten keinerlei Einfluss auf menschliches Handeln – empört verurteilt. Durch solcherlei Haltungen (in beiden Lagern!) aber kann die Debatte um das komplexe Wesen des städtischen öffentlichen Raumes nicht weitergeführt werden. Ebenfalls sei angemerkt, dass auch den sozialwissenschaftlichen Herangehensweisen die Projektion nicht fremd ist. Insbesondere demokratietheoretische Ansätze behandeln den öffentlichen Raum als eine idealtypische Konfiguration für die Herausbildung städtischer Öffentlichkeiten, oder prangern deren Verlust an. Die Projektion drückt sich also in der Betrachtung eines Idealtypus, nicht einer geplanten Nutzbarkeit öffentlicher Räume aus, was zur Folge hat, dass sozialwissenschaftliche Literatur oftmals für gestaltorientierte Akteure deswegen nicht zugänglich ist, weil sie sich in sehr abstrakten Sphären politischer Philosophie bewegt. Nur selten schafft sie es, Überschneidungspunkte zwischen politischer Philosophie und raumbezogener Planung verständlich zu formulieren. In beiden Disziplinen haben Projektionen in bestimmten Anwendungssituationen (etwa bei der Bewertung) natürlich ihre Berechtigung. Dies gilt dann nicht, wenn es um die Analyse, Systematisierung und Interpretation konkreter Stadtentwicklungsprozesse geht. Jedoch schleichen sich Projektionen oftmals ebenfalls in die konzeptionellen Werkzeuge ein, um Stadtentwicklung de facto nachzuvollziehen, was erkenntnistheoretischer Fallenstellung gleich kommt. Demzufolge gibt es in beiden Lagern Stimmen, die – ähnlich wie Schubert – ein integriertes Arbeitskonzept einfordern.26 Die auffordern, Raummorphologien und Handlungen als komplementäre Einheit zu verstehen, und folglich konzeptuell an den disziplinenübergreifenden Schnittstellen arbeiten, um einen hindernisreichen, aber doch alternativen Weg zu beschreiten.27 Dieser beinhaltet, erstens, eine analytische Trennung zwischen projizierten und gelebten öffentlichen Räumen sowie, zweitens, eine konzeptionelle Erweiterung des Raumverständnisses, die eine Gratwanderung zwischen den Ansätzen planungs- und gestaltungsbezogener Disziplinen und denen der Sozialwissenschaften erfordert.28 Es sei nochmals betont, dass ein relationaler Raumbegriff keinesfalls ausschließt, dass durch soziale Handlung produzierte bauliche Arrangements nicht nach wie vor bedeutend für die Interaktion von Akteuren sind. Ein solcher Begriff impliziert jedoch ein prozedurales Verständnis von gesellschaftlichen Handlungen, die gesellschaftliche Handlungen strukturierende Räume produzieren, ohne jedoch Determinismen von beiden Seiten, wohl aber eine Wechselwirkung anzunehmen.29 An dieser Stelle soll jedoch keine ausufernde konzeptionelle Grundsatzdebatte entfacht, sondern vielmehr auf den Umstand verwiesen werden, dass strukturelle Umwälzungen in der Stadtproduktion gleichermaßen veränderte Arbeitskonzepte erfordern, die es ermöglichen, Umbrüche in ihrer Tiefe und Breite zu verstehen. Fest steht zweifelsohne, dass eine solche transdisziplinäre Diskussion nicht alleinstehend oder allumfassend sein kann. Sie kann vielmehr als ein weiterer konzeptueller Baustein zwischen den Disziplinen hergenommen werden, um einen Ausschnitt gegenwärtiger Prozesse der Stadtproduktion in seiner Komplexität auch 25 26 27 28 29
Lofland 1998, 180. Huning 2006. Low und Smith 2006. Ibid. Lofland 1998, 181.
33
nur annähernd zu erfassen. Das Aufstellen eines universalen Ansatzes für die Untersuchung öffentlicher Räume wäre daher nicht nur vermessen, sondern aufgrund der jeweils lokal bedingten und global überformten Komplexität von Stadtproduktionsprozessen gar nicht sinnvoll. Sinnvoll aber erscheint es, dem spezifischen Gegenstand entsprechend eine Arbeitsdefinition für einen Teilbereich zu entwickeln, die dann mittels Empirie-gestützten Vorgehens angereichert werden kann. Öffentlicher Raum als Gegenstand dieser Arbeit – Erweiterungen Zunächst soll daher an dieser Stelle auf das ganz pragmatische Verhältnis zwischen Stadtpolitik und dem öffentlichen Raum – die kommunikationspolitische Bedeutung öffentlichen Raumes – hingedeutet werden.30 Hier wird zwischen der Bedeutung öffentlicher Räume für das Politische, die bereits ausführlich untersucht worden ist,31 und ihrer strategischen Bedeutung für die Kommunikationspolitik von Städten und Unternehmen, speziell aus der Perspektive einer Kritischen Politischen Ökonomie der Stadt, unterschieden.32 Es geht in dieser Arbeit nicht primär um die Bedeutung von öffentlichen Räumen als Artikulationsorten politischer Haltungen durch die Zivilgesellschaft, wie etwa bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig oder bei den internationalen Antiglobalisierungsbewegungen in Genua und Heiligendamm, sondern um den Wandel ihrer Rolle als stadtentwicklungspolitisches Handlungsfeld in der postfordistisch geprägten Stadtgestaltung. Denn öffentliche Räume sind nicht allein kreatives Wirkungsfeld der Planer, sondern ebenfalls Ort der Ausübung staatlicher Hoheit auf städtischer Ebene. Daher werden sie zu Räumen stadtpolitischer Repräsentation und tragen eine komplexe institutionelle Symbolik. Es geht also konkret um ein Verstehen des öffentlichen Raumes aus einer Perspektive, die zunächst einen bestimmten Realtypus33 – zentrale öffentliche Räume in Berlin – an der Schnittstelle zwischen planenden und gestalterischen Disziplinen und der politikwissenschaftlich ausgerichteten Stadtforschung untersucht, und zwar – ähnlich wie Werner Durth dies in den 1970er Jahren getan hat34 – als politökonomische Analyse, Bewertung und Kritik von Stadtgestaltung, und an ihrer Vermittlung durch die Universitäten. Damit ist auch schon die Stadt der Untersuchung benannt: Berlin. Warum die Wahl auf die erneuerte Hauptstadt der Berliner Republik und ihre zentralen öffentlichen Räume zu Zeiten ihres jüngsten historischen Umbruchmomentes gefallen ist, hat verschiedene Gründe. Die Zeit vor, während und nach dem Fall der Mauer allein war für das bis dahin geteilte Deutschland ein Momentum grundlegender Transformationen, mit ganz speziellen Auswirkungen auf das System deutscher Städte und in diesem speziell auf die Metropole Berlin, die als potenzielle neue Hauptstadt einer wiedervereinigten Bundesrepublik diskutiert und mit dem Hauptstadt30 Für eine durchdringende Auseinandersetzung mit der Diskrepanz zwischen den Debatten um die Begriffe 'öffentlicher Raum' und 'öffentliche Sphäre' siehe Low und Smith 2006, 6f. 31 Huning 2006. 32 Damit ist eine Kritik an der politischen Ökonomie der Stadt im Sinne Lefebvres gemeint, der diesen Ansatz als einen Teilaspekt in seine Ausführungen zur Produktion des Raumes, mit dem er die Reproduktion der ganzen Gesellschaft in ihrer räumlichen Sedimentierung verstehen will, integriert (Schmid 2005). Siehe auch die in der angloamerikanischen Stadtforschung etablierte 'Critical Urban Political Economy', die in der Geographie besonders etabliert ist. 33 Der Begriff 'Realtypus' verweist auf die baulich-gestalterische Momentaufnahmen der Prozesse der Produktion öffentlicher Räume während der letzten drei Dekaden, es wird gleichermaßen jedoch anerkannt, dass eine einzige objektivierbare Realität nicht existiert. Über die realistische Methodologie bemerkt Jessop (2007, 241), dass auch diese anerkenne, dass das Wissen über die reale Welt niemals neutral sei, da der Ausgangspunkt jeder Analyse diskursiv festgesetzt werde. 34 Durth 1976.
34
beschluss vom 20. Juni 1991 zur selbigen gekürt wurde. Diese Transformationen sedimentierten auch in Form von Stadtgestalt. Eine Analyse, Bewertung und Kritik von Stadtgestaltung im Sinne von Durth verlangt, von einer nostalgischen Bedeutung öffentlicher Räume abzuweichen, und – konträr argumentierend – ihren Charakter als Stadträume zu betonen, in denen sich veränderte Interessenlagen und Machtansprüche zwischen Markt, Staat und Stadtgesellschaft, also Konflikt, Dilemma und mancherorts schier unvereinbar erscheinende Akteursinteressen manifestieren. Der öffentliche Raum ist demnach „Konfliktraum per se“.35 Aufgrund seiner Hoheitsrechte nimmt der Staat eine zentrale Rolle bei der Aushandlung der unterschiedlichen Interessen ein, hat gleichermaßen aber auch das Potenzial, Konfigurationen von öffentlichem Raum, die der Betonung und Affirmation seiner eigenen Macht dienen, durch Gestaltung baulicher Arrangements, in diesem Fall von (hoch frequentierten) Sozialräumen zu begünstigen.36 Im Rahmen des institutionellen Wandels und somit der im Wandel begriffenen Rolle des Staates hinsichtlich seiner früheren Kernaufgaben, würde sich demnach auch konstatieren lassen, dass sich Machtverhältnisse, die auf einer geschwächten Position des Staates beruhen, im öffentlichen Raum ebenso materialisieren, weil sich die Verschiebung dieser institutionellen Gemengelage auf die Prozesse der Produktion zentraler öffentlicher Räume auswirken. Diese Arbeit ist angetreten, genau dieser Hypothese nachzugehen, und nimmt sich daher explizit zweier gesellschaftlicher Segmente an: dem Staat und den Märkten. In einer derartigen Betrachtung ist zwingend auch die Betrachtung der ökonomischen Dimension öffentlicher Räume eingebettet. Diese hat vielfach nicht die wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren, die ihr aufgrund der mannigfaltigen aktuellen Entwicklungstendenzen beizumessen wäre. Der öffentliche Raum als ‘wirtschaftliches Asset’ – so der neudeutsche Fachterminus aus der Betriebswirtschaftslehre – ist speziell dann untersucht worden, wenn es um die Erforschung der positiven Beeinflussung von Lagewerten benachbarter Immobilien geht, also um indirekte Wirkungen einer gesteigerten Qualität öffentlicher Räume bei Kaufund Mietpreisen von Immobilien (Spill-Over-Effekte).37 Wenn jedoch über Finanzen und öffentlichen Raum in der Praxis referiert wird, so wird wieder und wieder beklagt, dass aufgrund vielfach vorherrschender kommunaler Haushaltskrisen öffentlich gewidmetes Straßenland sowie öffentlich gewidmete Grünflächen als diejenigen Felder städtischer Infrastrukturvorhaltung angesehen werden, die den teils radikalen Budgetkürzungen als erste Bereiche hoheitlicher Planung zum Opfer fallen.38 Öffentliches Straßenland ist jedoch bereits in der Geschichte auch eine Einnahmequelle für Städte gewesen, die sie nutzen konnten, in dem sie kleinere Flächen etwa an Kioskbesitzer, Toilettenbetreiber oder Marktschreier verpachteten. Jedoch hatte der Staat zu Zeiten des Fordismus öffentliche Räume nicht systematisch im Sinne eines zu erwirtschaftenden Profits eingesetzt, sondern im Gegenteil: Öffentliche Ressourcen wurden dafür verwendet, diese Räume baulich herstellen, entwickeln und unterhalten zu können, sie sozusagen als öffentliches Gut zur – freilich repressiv regulierten – Verfügung zu stellen. Öffentliche Räume waren daher während des Fordismus weitestgehend vom Wertschöpfungskreislauf der städtischen Wirtschaft ausgenommen. Wie aber stellt sich das Verhältnis zwischen Staat und öffentlichem Raum im Hinblick auf seine ökonomische Bedeutung, gerade im Kontext der Transformation dar, die gemeinhin mit dem Übergang vom Fordismus zum Postfordismus bezeichnet wird? 35 36 37 38
Altrock und Schubert 2003, 97. Goodsell 2003. Kuklinski 2003. Profé und Plate 2004.
35
Eine weitere Facette, die sowohl die politische sowie die ökonomische Dimension öffentlicher Räume berührt, ist ihre kommunikative Dimension. Diese ist – hinsichtlich ihrer Besonderheiten als „Orte unabhängiger Erfahrungsqualität“39 – von großem Interesse, wenn auch nicht unumstritten.40 In einer Arbeit, die sich mit den Strategien der Politik und der Wirtschaft in gegenwärtigen öffentlichen Räumen beschäftigt, ist es jedoch unerlässlich, die kommunikative Dimension öffentlicher Räume neben anderen einzubeziehen, und zwar nicht abstrakt im Sinne politischer Philosophie, sondern ganz konkret und empirisch. Kommunikation meint hier konkrete, symbolisch vermittelte, soziale Interaktion, verstanden als Prozess wechselseitiger Bedeutungsvermittlung.41 Städtische öffentliche Räume können daher, erstens, als konkrete Artikulationsräume der Stadtgesellschaft verstanden werden, weil sie sich allein auf der lokalen Ebene als Orte der interpersonalen Face-to-Face Straßenkommunikation alternativ zur Präsenz den Massenmedien anbieten. Öffentlichkeit kann somit als öffentlicher Handlungszusammenhang direkt mittels physisch-räumlicher Interaktion – face-to-face – lokal hergestellt werden.42 Zweitens kann mit zunehmender Extrovertierung der Lebensstile jüngst auch eine zunehmende Präsenz verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in öffentlichen Räumen beschrieben werden, die neue Intentionen, Strategien und Motive der Kommunikation in der informationshungrigen Dienstleistungsgesellschaft mit sich bringt. Mit dem Konzept der ‘Economy of Attention’ (Aufmerksamkeitsökonomie) umreißen Davenport und Beck die Hinwendung verschiedenster Marktsektoren zur Bewirtschaftung von Aufmerksamkeit, ohne dies jedoch explizit auf Stadtraum zu beziehen: “In postindustrial societies attention has become a more valuable currency than the kind you store in bank accounts. The vast majority of products have become cheaper and more abundant as the sum total of human wealth increases. Venture capital dollars have multiplied like breeding hamsters. The problems for businesspeople lie on both sides of the attention equation: how to get and how to hold the attention of consumers, stockholders, potential employees, and the like, and how to parcel out their own attention in the face of overwhelming options.” (Davenport und Beck 2001, 3)
Daher ist die kommunikative Dimension öffentlicher Räume nicht allein aus einer gesellschaftlichen Mikroperspektive mit dem Blick auf den sozialen Austausch im Sinne einer Face-toFace Kommunikation unter Individuen beachtenswert, sondern auch das Einbeziehen einer gesellschaftlichen Makroperspektive erscheint mit zunehmender tatsächlicher Hinwendung gesellschaftlicher Gruppen zu den kommunikationsstrategischen Potenzialen öffentlicher Räume als Erkenntnis fördernd. Dies betrifft besonders neue Bedeutung öffentlicher Räume als Orte der Information und der multimedialen, interaktiven Verbraucheransprache. Drittens sind sie aufgrund des privilegierten staatlichen Zugriffs immer aber auch Räume staatlicher Repräsentation. Viertens werden sie für die Ökonomie der Aufmerksamkeit gerade wegen all der genannten Facetten interessant, da ihr Wert als Orte der Information und Kundenansprache aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung für die stadtgesellschaftliche Artikulation und die staatliche Repräsentation gesteigert werden kann. Es liegt daher auf der Hand, dass öffentliche Räume zu Zeiten postfordistischer Transformationen erneut als Räume für die Darstellung privatwirtschaftlicher Kommunikationsstrategien sowie als Übermittler institutioneller Botschaften der Stadtpolitik wieder entdeckt worden sind.43 Es zeichnen sich inmitten dieser neuen Intentions- und Akteursvielfalt punktueller Natur ebenfalls strukturelle Tendenzen ab, öffentliche Räume gewinnbringend zu nutzen, indem man sie nicht allein temporär, 39 40 41 42 43
36
Sennett 2004, 29. Kritik hierzu bei Altrock und Schubert 2003, bei Schubert 2000. Vgl. Scheufele 2008, 90. Bihler 2004. Barz Malfatti und Welch Guerra 2005. Von Borries 2004. Roost 2000.
sondern systematisch medial zu reanimieren versucht.44 Eine gesteigerte Hinwendung zu den in öffentlichen Räumen vielschichtig aktivierbaren Kommunikationskanälen, so eine weitere Hypothese, kann daher als zentrales Merkmal der postfordistisch geprägten Produktion zentraler öffentlicher Räume gedeutet werden. Schließlich darf mit dem Blick auf die zunehmende Virtualisierung der sozialen Alltagswelt darauf verwiesen werden, dass es auch Positionen gibt, die dem öffentlichen Raum jegliche Art der räumlichen Verortung – beispielsweise im Stadtraum – absprechen. Der öffentliche Raum wird als ‘metaspatial’ verstanden.45 Auf den ersten Blick erscheinen solche Konzeptionen für die Erforschung konkreter Stadtentwicklungsprozesse nicht hilfreich, jedoch bergen sie das Potenzial, den spähenden Blick auf eine den heutigen Umständen angepasste Denkart zuzulassen. Deswegen soll an dieser Stelle anerkannt werden, dass sich nicht zwingend jeder öffentliche Raum als öffentlicher Stadtplatz oder öffentliche Straße manifestiert, sondern dass es etwa auch virtuelle öffentliche Räume gibt, die von virtuellen Begegnungen und virtuellen Formen der Kommunikation gespeist werden. Es soll daher im Verlauf der Arbeit zunächst zwischen öffentlichen Räumen unterschieden werden, die wie der Stadtplatz explizit ortsgebunden sind und denen, die zunächst als ortunspezifisch erscheinen (Beispiel: Internet).46 Da jedoch bereits eingangs davon ausgegangen wurde, dass es keine nicht-räumliche soziale Realität gibt, manifestieren sich natürlich auch virtuelle öffentliche Räume baulich-räumlich, in diesem Falle ist es vorrangig der Zugang zu den Netzen virtueller Kommunikation, der ortsgebunden ist, wie etwa ein Internetzugang an einem E-Terminal an der Tramhaltestelle Friedrichstraße, im Büro oder daheim. Die Zuordnung als ortunspezifisch hingegen verweist vielmehr auf räumlich unspezifisch ablaufende kommunikative Handlungen. Eine Position, die zumindest einige der oben genannten Betrachtungsebenen auf den öffentlichen Raum zulässt, ist ein US-amerikanischer Beitrag von Low und Smith.47 Sie sehen öffentlichen Raum als die Geographie der öffentlichen Sphäre an, meinen damit weder ein Abstraktum der politischen Philosophie ohne konkreten Stadtraumbezug, so wie etwa Habermas es formulierte, noch setzen sie öffentliche Sphäre mit Staat gleich. Die von Smith und Low vorgestellte Herangehensweise wendet sich an die Untersuchung sozialer Orte, wie sie von Straßen, Plätzen, Parks, Medien, dem Internet, der Shopping Mall, den Vereinten Nationen, Nationalregierungen und lokalen Nachbarschaften bereitgestellt werden.48 Diese Definition erscheint zunächst unscharf, und spätestens bei der Nennung der Vereinten Nationen darf nachgefragt werden, ob denn ein solches Konzept schlüssig, oder für Berlin anwendbar ist? Jedoch formulieren die Autoren ihren Ansatz weiter aus: “Public space envelops the palpable tension between place, experienced at all scales in daily life, and the seeming spacelessness of the internet, popular opinion, and global institutions and economy. It is .. not a homogenous arena: The dimensions and extent of its publicness are highly differentiated from instance to instance. (…) Public space includes very recognizable geographies of daily movement, which may be local, regional, or global, but they also include electronic and institutional ‘spaces’ that are every bit as palpable, if experienced quite differently, in daily life.” (Low und Smith 2006, 3)
Auch Schubert verfolgt eine ähnliche Argumentation wie Low und Smith: „In einem posttraditionalen Verständnis des öffentlichen Raumes als gelebtem Raum muss der Bedeutungsgewinn der öffentlich zugänglichen Innenräume, virtuellen Stadtrealitäten und der öffentlich agierenden Beziehungsnetze aufgenommen werden. (...). Nach 44 Knierbein 2008a und 2009. 45 Madanipour 2003. 46 Eine solche Position innerhalb der deutschen Debatte ist bereits durch die Pionierarbeit von Sandra Huning (2006) geprägt worden, die ihre Position auf einen angloamerikanischen Beitrag von Goodsell (2003) stützt. 47 Low and Smith 2006. 48 Ibid.
37
diesem Verständnis sind unter öffentlichem Raum nicht nur die physikalischen Erscheinungen von Stadtplätzen, Straßen und Wegen und grünen Freiräumen zu rechnen, sondern auch öffentlich zugängliche Gebäude, Netzwerke der lokalen Öffentlichkeit und öffentlich zugängliche virtuelle Stadträume.“ (Schubert 2000, 56)
Auch Sandra Huning ein differenziertes analytisches Gerüst für ihre Studien vorgestellt.49 Dieses basiert auf vier Kategorien: ortsgebundenem öffentlichen Raum, elektronischem öffentlichen Raum, medial erweitertem öffentlichen Raum und demokratischem öffentlichen Raum. Diese Kategorisierung basiert auf einem Ansatz von Goodsell, der öffentlichen Raum gemeinhin als Raum-Zeit-Kontinuum für aufeinander bezogenen und interaktiven politischen Diskurs versteht, und auf dieser Definition in generischer Weise weitere aufbaut (Anlage 1).50 Der Verdienst der vier beschriebenen Ansätze liegt in ihrer multidimensionalen, im letzten Fall ebenfalls in der generischen Qualität. Jedoch sollen diese Perspektiven nicht unhinterfragt übernommen werden, denn schließlich zielen sie in den jeweiligen Fällen darauf ab, als Arbeitszusammenhang für ganz bestimmte Ausschnitte des Metakonzeptes des öffentlichen Raumes verwendet zu werden. Die beiden zuletzt genannten Positionen etwa müssen nachfolgend vernachlässigt werden, da es sich um explizit normative Ansätze handelt.51 Der für diese Arbeit hilfreichen Forderung nach einem integrierten Raumverständnis Schuberts steht als Schwäche für den Kontext dieser Arbeit sein idealtypisches Verständnis öffentlicher Räume gegenüber, das im weiteren Verlauf seiner Studie zur Verhaltensregulierung deutlich wird. Deswegen soll insbesondere der zuerst genannte Ansatz von Low und Smith als Hilfestellung dienen, um eine Arbeitsdefinition für den speziellen Gegenstand dieser Arbeit zu formulieren. Wie bei Low und Smith, die auch eine Haltung der kritischen politischen Ökonomie vertreten, soll es vorrangig um drei Dimensionen gehen: Erstens, um die baulich-räumliche Ausprägung öffentlicher Räume im Sinne von ortsgebundenen öffentlichen Räumen (bauliche Arrangements), zweitens um den virtuellen Charakter öffentlicher Räume und, drittens, um öffentliche Räume als Übermittlungskanäle für die Kommunikation institutioneller Botschaften, speziell im Hinblick auf ihre kommunikationsstrategische Dimension. Denn ein multidimensionales Herangehen an die Erforschung von Stadtentwicklungsprozessen mag das Potenzial bergen, eben die Kondensationspunkte der Überlagerungen von institutionellen, virtuellen und ortsgebundenen öffentlichen Räumen herauszukristallisieren, und so zumindest einem Bruchteil der Komplexität des Gegenstands entsprechen zu können. Natürlich bleibt aber unangezweifelt, dass weitere Dimensionen der Betrachtung öffentlicher Räume von Relevanz für bestimmte Forschungszusammenhänge sind, jedoch hier vor allem aus forschungsstrategischen Gründen vernachlässigt werden müssen. Das Interesse an dem Wesen gegenwärtiger öffentlicher Räume scheint aber nicht allein aus theoretischen Gründen berechtigt zu sein. Daher soll erneut die Frage aufgeworfen werden, was denn eigentlich mit den öffentlichen Räumen konkret los ist? Nachfolgend wird daher knapp eine Tours d’Horizon bezüglich der viel beschriebenen Transformationen öffentlicher Räume erfolgen, um nicht nur konzeptionellen Forschungsbedarf zu deklarieren, sondern um einen Schritt zurückzugehen, und die empirische Notwendigkeit dieser Forschungsarbeit darzustellen.
49 50 51
38
Huning 2006. Goodsell 2003. Speziell sind hier normative Ansätze aus der Soziophilosophie gemeint.
Gegenwärtige Transformationen öffentlicher Räume – eine offene Thesensammlung Um Veränderungen in der Produktion öffentlicher Räume zu verstehen, erscheint es von Belang, einen Blick auf die vielfach erhitzt geführte Debatte um den evidenten Wandel der Bedeutung öffentlicher Räume zu werfen.52 Mit diesem Thema haben sich verschiedene Forscher und Forschungsgruppen systematisch auseinander gesetzt.53 Diese Arbeit ist zwar nicht angetreten, gesellschaftliche Entwicklungen in öffentlichen Räumen systematisch in ihrer Breite zu erfassen, dennoch erscheint es dringlich, zumindest kurz einen pointierten Abriss zu geben, denn die Auseinandersetzungen lassen erkennen, dass hier weiterhin Klärungsbedarf herrscht. Es wird konstatiert, dass aufgrund von gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen eine soziale und räumliche Fragmentierung in relativ voneinander isolierte Erfahrungs- und Milieuräume wie etwa der Shopping und Urban Entertainment Center entsteht54 (Verinselungsthese), der als Gegenargument bisher selten die zunehmende Verknüpfung verschiedener sozialer Kommunikationsnetze im Stadtraum gegenüber gestellt wird (Vernetzungsthese).55 Andernorts wird eine Verlagerung öffentlicher Funktionen in Privaträume56 (Verhäuslichungsthese) mit der Durchdringung des Öffentlichen durch teils gar intime Handlungen kontrastiert (Informalisierungsthese).57 Forschungen, die den Niedergang öffentlichen Verhaltens Vorrang einräumen, wie etwa die durch Sennett beschriebene narzisstische Psychogenese58 (These des moralischen Verfalls), werden mit denen, die eine jüngere gesellschaftliche Hinwendung zu öffentlichen Räumen betonen, konstrastiert59 (Belebungsthese). Stadtpolitisch werden einer selektiven gestalterischen Konfektionierung öffentlicher Räume auf kaufkräftige Mittelschichten60 (These des selektiv-exklusiven Städtebaus) – etwa die der urbanen Zentren durch die “domestication by cappucino“61 – prozessorientierte Integrationsmaßnahmen in den von der Mehrheitsgesellschaft gemiedenen Stadtvierteln entgegen gebracht62 (These des integrativen Städtebaus). Das bedeutet einerseits, dass sich sozialräumliche Disparitäten in öffentlichen Räumen manifestieren, woraus stadtpolitischer Handlungsbedarf abgeleitet wird (Handlungsbedarfsthese), andererseits, dass sie als Orte stadtpolitischer Steuerungsinterventionen gegen solche Entwicklungen – oder zumindest gegen ihr semiotisches Potenzial, sozialräumliche Polarisierung zu versinnbildlichen – in Anspruch genommen werden63 (Tatkraftthese). In diesem Kontext wird von einer semiotischen Umrüstung öffentlicher Räume durch Symbole, Zeichen und Design gesprochen, infolge derer lokale öffentliche Räume zum Sinnbild für den sozialen Status ganzer Stadtquartiere avancieren64 (Imageaufwertungsthese). Diese werden von unterschiedlichen Lebensstilgruppen und Milieus durchaus unterschiedlich bewertet, was sich in Meidung, Aneignung durch gruppenspezifische oder individuelle Selbstdarstellung oder in
52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
Huning 2006 und 2003. Selle 2003. Schubert 2000. Sennett 2000. Fessler Vaz et. al. 2006. Selle 2003. Altrock und Schubert 2003. Schubert 2000. Ronneberger et. al. 1999. Ort und Schwankl 2008. Schubert 2000. Wouters 1999 und 1979. Sennett 2000. Selle 2003, Bezug nehmend auf Spiegel 1987. Atkinson (2003, 1829) spricht von der 'programmatic extinction of the poor'. Mitchell 2000. Smith 1996. Zukin 1995. Fessler Vaz et. al. 2006. Barz-Malfatti und Welch Guerra 2005. Schubert 2000.
39
negativer Aneignung, sprich Vandalismus, äußern kann (Aneignungsmusterthese). So findet man gegenwärtig „stilspezifisch pluralisierte öffentliche Räume“ vor65 (Lebensstilthese). Dem Verlust einer politischen Funktion öffentlicher Stadträume66 (Entpolitisierungsthese) – sowie sie Häußermann und Siebel einst deklarierten – stehen Erkenntnisse über neue (überlokale) Formen des politischen Ausdrucks entgegen, die sich explizit stadträumlich manifestieren, gleichermaßen jedoch virtueller Plattformen bedürfen, um schlagkräftige Wirkungen zu entfalten67 (Repolitisierungsthese). Nicht zuletzt wird eine Loslösung der Öffentlichkeiten von lokalen Orten durch veränderte Mobilitäts- und Kommunikationsstrukturen, also veränderte Handlungsstrukturen in der Informationsgesellschaft postuliert68 (Enträumlichungsthese), die jedoch von Positionen kontrastiert werden, die eine Rückbesinnung verschiedener gesellschaftlicher Akteure auf die multiplen Potenziale lokaler öffentlicher Orte betonen69 (These der komplexeren Verräumlichung). Auch gehen verschiedene Autoren auf die in der vergangenen Dekade allgegenwärtig gewordene Sicherheitsdebatte und die damit zusammenhängenden Praktiken der Überwachung ein, die vielerorts kritisiert wird70 (Überregulierungsthese), mancherorts jedoch auch – in abgemilderter Form, wie etwa mit Hilfe von intermediären Präventionsräten – Befürworter findet71 (These notwendiger kommunitaristischer Regulierung). Vielfach ist über die oftmals temporäre Musealisierung, Festivalisierung und Eventisierung zentral gelegener Stadträume gesprochen worden72 (Erlebnisorientierungsthese), wohingegen konstatiert wird, dass die in der Peripherie gelegenen öffentlichen Freiräume strukturell vernachlässigt würden73 (Verödungsthese), beides Tendenzen ungleicher räumlicher Entwicklung (These der Abkehr vom Ausgleichsziel). Speziell in ostdeutschen Städten hat es ebenfalls zunehmend Bestrebungen gegeben, im Rahmen der räumlichen Schrumpfungsprozesse entstehende neue Muster öffentlicher Räume wie etwa temporär bespielbare städtische Brachen, konzeptuell zu fassen74 (Verlagerungsthese), wohingegen ebenfalls konstatiert wird, das althergebrachte öffentliche Räume in den boomenden Metropolen eine Überformung erleben75 (Überformungsthese). Generellen Studien zu Privatisierungstendenzen76 (Privatisierungsthesen) bei gleichzeitigem abnehmendem strategischem Potenzial der öffentlichen Hand77 (Steuerungsverlustthese) werden durch solche konterkariert, die eine neu erstarkte Rolle des Staates insbesondere bei der Produktion politisch repräsentativer öffentlicher Räume erkennen78 (These staatlicher Hinwendung). Auch die sektoral beschränkte Sicht auf den Gegenstand insbesondere in der Planungspraxis wird kritisiert79 (Ressortsichtthese), wohingegen seltener angemerkt wird, dass ebenfalls ressortübergreifende Zentralisierungsbestrebungen speziell im Hinblick auf die imagerelevanten öffentlichen Räume initiiert werden (Zuständigkeitszentralisierungsthese). 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79
40
Schubert 2000. Helbrecht 1994. Hasse 1988. Häußermann und Siebel 1987. Huning 2006. Bardt 2006. Huning 2006. Knierbein 2006. Altrock 2005a. Eick 1998. Schubert 2003. Kröninger 2007. Altrock und Schubert 2003. Nagler et. al. 2004. Knierbein 2008a. Ronneberger et. al. 1999. Altrock und Schubert 2003. Fessler Vaz, Knierbein und Welch Guerra 2006. Barz-Malfatti und Welch Guerra 2005. Altrock und Schubert 2003.
In der Summe der hier nur ansatzweise angerissen Thesensammlung scheinen schier gegenläufige Tendenzen in öffentlichen Räumen manifest zu werden. Warum aber hinken solcherlei Gegenüberstellungen in der Regel? Die umrissene Kontroverse um den Funktionswandel öffentlicher Räume zeigt, dass zwar viele der einzelnen Thesen von großem Belang sind, dass die jeweiligen Gegenüberstellungen jedoch keineswegs der Erkenntnisfindung dienen, weil schlichtweg weiterhin über verschiedene Gegenstände geredet wird. Ein Beispiel: Schubert etwa stützt seine Argumentation – angelehnt an Sennett – an einen Rückgang öffentlichen Verhaltens im Stadtraum, das Selle als „Leere im öffentlichen Raum“80 interpretiert, und mit dem Argument der übernutzten Freiräume, der zunehmenden Festivals und Events zu entkräften versucht. Während Schubert jedoch den Verlust einer verhaltensregulierenden, also einer normativen Funktion von öffentlichem Stadtraum im idealtypischen Sinne beklagt, geht es Selle an dieser Stelle argumentativ um das faktische Vorhandensein von Nutzungen und eine empirisch belegte Ausdifferenzierung von Nutzergruppen, um eine deskriptive Betrachtung öffentlicher Räume als Realtypus. Beide Argumentationsstränge lassen sich also höchstens in ergänzender Form zusammenführen, nicht aber vergleichend gegenüberstellen. Die zuvor als Thesen festgehaltenen Interpretationsmuster können daher allein als sich gegenseitig überlagernde, überformende sowie ergänzende Prozesse verstanden werden, die zeitlich parallel sowie nachgeordnet stattfinden können. In den seltensten Fällen sind sie gegenläufig. Erstens – und das haben andere bereits festgestellt81 – liegt es also weiterhin an der theoretischen Unschärfe des behandelten Gegenstands, zweitens – selbst wenn von konkreten sozial konstituierten Stadträumen gesprochen wird – an der Eigenschaft des Konzepts, als Sammelbegriff für alle möglichen Typen öffentlicher Räume herzuhalten. Aufgrund dieses Meta-Charakters der wissenschaftlichen Debatten um den öffentlichen Raum kann folglich immer nur ein theoretischer Teilausschnitt, nie aber die Gesamtheit beleuchtet werden. Indem man per Arbeitsdefinition eine konkrete Forschungsperspektive setzt, erscheint es möglich, Teilerkenntnisse zu erbringen, die dazu beitragen können, ein wenig mehr empirische sowie theoretische Klarheit in das Metakonzept der öffentlichen Räume zu bringen. Untersuchungen des sozialen Bedeutungswandels öffentlicher Räume beziehen sich in Ansätzen, die auf einer idealtypischen Definition öffentlicher Räume basieren, in der Regel auf den Verlust öffentlichen Verhaltens in einem epochaltypischen, sozial- oder politikphilosophischen Sinn.82 Am Realtypus des öffentlichen Raumes orientierte Wissenschaftler hingegen erforschen empirisch, wie sich gegenwärtige Phänomene belebter oder weniger belebter Stadträume der Gegenwart ausprägen oder in der jüngeren Vergangenheit ausgeprägt haben (ExPost), eine Perspektive, die auch in dieser Arbeit angewendet wird. Da der Fokus auf den belebten öffentlichen Räumen liegt, soll nachfolgend der Begriff der ‘zentralen öffentlichen Räume’ mittels einer Abgrenzung zum Begriff der ‘öffentlichen Räume von gesamtstädtischer Bedeutung’ näher bestimmt werden, um die begrifflichen Klingen nach erster Schärfung einem Feinschliff zu unterziehen.
80 Selle 2003, 60. 81 Lehmann 2008. 82 Zu einer aufschlussreichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansätzen aus der politischen Philosophie siehe Huning 2006.
41
Zentrale öffentliche Räume als Teilbereich der postfordistischen Stadtproduktion Zentrale öffentliche Räume und öffentliche Räume von gesamtstädtischer Bedeutung Tagtäglich werden in zentralen Stadtbereichen Plätze, Straßen und Parks hergerichtet und öffentlich gewidmet, das heißt, gestalteter Stadtraum wird für öffentliche Nutzungen frei gegeben. Dort, wo starke Besucherströme auftreten, bergen diese Orte Potenziale der spontanen Kommunikation und Interaktionen mit anderen Akteuren, und können daher aufgrund des hohen Anteils an nicht intendierten sowie an intendierten Begegnungen eine Rolle als Orte der vielfältigen Erfahrungsanreicherung in der städtischen Sozialwelt übernehmen. Denn die Rede ist von Orten, „deren Öffentlichkeit sich bunt und vielfältig zeigt und wo nahezu alle Bevölkerungsgruppen vertreten sind“, die Rede ist von den herausragenden Schauplätzen großstädtischer Öffentlichkeit.83 Eine solche deskriptiv-soziologische Betrachtung von ‘Öffentlichkeit’ wird in nachfolgendem Zitat zu öffentlichen Räumen einer normativ-politikwissenschaftlichen Betrachtung gegenübergestellt: “[T]here is an ambiguity around descriptive and normative interpretations of the public: while for some it describes a condition, for others it offers a recipe for action. (...) The first is a descriptive approach which attempts to offer an account of human conduct in presence of, and in interaction with, others. Public (...) is here understood as the co-presence of humans and the impacts they have on each other, whether through interpersonal relations or the interaction between person and society in general. (...) The key term here is construction and communication of meaning (...) through conduct and performance. The second is a normative approach (...), which attempts to offer a way forward in human interaction, i.e. how this interaction should be conducted. (...) The key word here is power which is exerted (...), through detailed or structural interrelations.“ (Madanipour 2003, 109f84)
In dieser Arbeit werden zentrale öffentliche Räume als Orte potenziell hoher Soziabilität im Sinne der zuerst genannten Definition verstanden, um erstens, dem Gegenstand entsprechend hochfrequentierte öffentliche Räume auch in ihrer kommunikativen Dimension betrachten zu können, und um, zweitens, die Untersuchung der Stadtentwicklungsprozesse analytisch weitestgehend von Normativität freizuhalten, sprich: Um die Debatte um den öffentlichen Raum zu entmystifizieren. Für die Bewertung gegenwärtiger Stadtentwicklungsprozesse gegen Ende dieser Arbeit ist jedoch nicht auszuschließen, dass explizit ein dualer Bewertungsansatz zum Tragen kommen kann, der beide Herangehensweisen berücksichtigt. Gerade hoch frequentierte öffentliche Räume können aufgrund der gleichzeitigen Präsenz verschiedener Menschen mit verschiedensten Lebensentwürfen als Orte vielfältiger Erfahrungsanreicherung verstanden werden. Stark besuchte städtische Straßen und Plätze stellen – ebenso wie Cafés und Supermärkte – Orte der reellen Face-to-Face Kommunikation dar, die trotz diverser Einschränkungen durch vielfältige neue Formen der und mögliche Manipulationen von Kommunikation weiterhin als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Kommunikationskanäle gelten.85 Solche Stadträume werden nachfolgend als zentrale öffentliche Räume bezeichnet. Zentral meint also in dieser Arbeit den sozialräumlichen Kontext hochfrequentierter städtischer Handlungsräume, die gleichermaßen symbolisch, kulturell und institutionell bedeutsam sind.86 Ihre soziale Bedeutung als Orte der Face-to-Face Kommunikation wird durch ihre Lage oftmals in den zentralen Bereichen der Städte begünstigt. Zudem tragen sie historische und damit auch touristische Symbolik, oder befinden sich oftmals im Umfeld politischer oder 83 Eckel 1998, 94. 84 Obwohl Ali Madanipour im Originalzitat den Begriff 'Public Sphere' verwendet, wird hier aus dem gegebenen Kontext heraus mit 'Öffentlichkeit 'übersetzt, nicht mit 'öffentlicher Sphäre'. 85 Madanipour 2003. 86 Im Sinne Lefebvres weist Schmid (2005, 190) in seinen Erörterungen zum Stadtbezug Lefebvres darauf hin, dass Zentralität als gesellschaftliche Ressource zu begreifen sei.
42
kommerzieller Zentren. Das Auftreten hoher Besuchsfrequenzen wird – wie etwa am Alexanderplatz oder an der Friedrichstraße – auch durch die Nähe der Knotenpunkte des öffentlichen Personennahverkehrs forciert. Unter den Begriff der zentralen öffentlichen Räume fallen in Berlin die viel besuchten Parkanlagen des Regierungsviertels, die hochfrequentierten Platzanlagen und Straßenzüge, die zwischen dem Breitscheidplatz der City-West und dem Alexanderplatz im östlichen Teil des als ‘Historische Mitte’ bezeichneten Gebietes liegen, sowie die Besucherscharen beherbergenden Plätze des Potsdamer Platzes. Auch der Tiergarten als Veranstaltungsmeile oder vielfach heimgesuchter Erholungsraum stellt einen solchen Ort dar. Natürlich findet man auch ganz andere populäre Freiräume von nachgeordneter Zentralität, wie die Straßenzüge rund um die Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg, den Winterfeldplatz in Schöneberg oder die Oranienstraße in Kreuzberg, um nur einige der prominenten und populären Berliner Beispiele zu nennen. Nicht mit dem Begriff der zentralen öffentlichen Räume gleichzusetzen ist der Begriff ‘öffentliche Räume von gesamtstädtischer Bedeutung’. ‘Gesamtstädtisch’ bezieht sich auf einen stadträumlich-administrativen Interventionsbereich der Senatsverwaltung von Berlin gegenüber den Bezirken, der in der Berliner Verfassung geregelt ist.87 Oftmals werden Interventionen im eigentlichen Wirkungsbereich der Bezirke als ‘gesamtstädtisch’ deklariert, wenn sie von „außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“ sind.88 Diese Regelung wurde im Hauptstadtvertrag von 1993 und in den Sonderregelungen für Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik (Ausführungsgesetz für das Baugesetzbuch) in juristischen Zement gegossen.89 Die Senatsverwaltung kann demnach die Aufgabe der Entwicklung dieser Bereiche auch gegen den Willen der Bezirke an sich ziehen, was nicht selten zu Konflikten zwischen beiden administrativen Ebenen führt, weil solche Fälle mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung und mit den per Verwaltungsreform angestrebten Prämissen der Dezentralisierung in Konkurrenz treten.90 Beide Konzepte können jedoch auf die gleichen Orte bezogen sein, jedoch bezeichnet der eine Begriff einen politischen Wirkungsbereich, wohingegen der andere Orte mit hohem Soziabilitätspotenzial beschreibt, der Unterschied liegt also in der jeweiligen Perspektive. Nachdem die begrifflichen Werkzeuge präpariert sind, soll nun der Blick auf die jüngere Geschichte der Produktion öffentlicher Räume in Berlin gerichtet werden. Der Abschnitt beginnt mit einem Exkurs in die städtebauliche Moderne in Berlin, um das transitorische Moment des Übergangs hin zur städtebaulichen Nachmoderne erfassen zu können.91 Von hier ausgehend wird der weitere Bogen hin zur Betrachtung der Produktion zentraler öffentlicher Räume im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus gespannt. Berlin: Öffentliche Räume als zentrales Handlungsfeld des nachmodernen Städtebaus Der Wiederaufbau der im 2. Weltkrieg arg zerstörten Metropole Berlin hatte bis in die späten 1960er Jahre dafür gesorgt, dass grundlegende bauliche Infrastruktur für die städtische Bevölkerung wieder verfügbar gemacht werden musste. Einer ersten Phase der Herrichtung öffentlicher Stadträume, die infolge des Kriegsendes vor allem der Grundversorgung der Bevölkerung Berlins diente, folgte erst während der 1970er Jahre eine weitere. Sie wurde maßgeblich be87 Art 67 (1) VvB vom 23. 11.95, zuletzt geändert am 06.07.06. 88 Art 64 (2) VvB vom 23. 11.95, zuletzt geändert am 06.07.06. 89 Konter (et. al.) 2005. 90 In Berlin verfügen die Bezirke aufgrund der Stadtstaatsituation nicht die gleichen Rechte, wie etwa die Kommunen andernorts. Vgl. Dortmunder Beiträge zur Raumentwicklung 2001, 12ff. 91 Zum Begriff der 'städtebaulichen Nachmoderne' siehe Flecken 1999.
43
stimmt von stadtkosmetischen Maßnahmen zur Reversion der Dilemmata, die die während der städtebaulichen Moderne propagierte Funktionstrennung hervorgebracht hatte. Der öffentliche Raum war bis in die Mitte der 1970er Jahre noch kaum auf den stadtentwicklungspolitischen Agenden präsent, es kam sogar soweit, dass führende Stadtforscher postulierten, dass „die Stadtplanung und das Bewusstsein der Öffentlichkeit jahrzehntelang den öffentlichen Raum als Qualität“ vernachlässigt hatten.92 Lediglich mit der im Westdeutschland der 1960er Jahren aufkommenden Diskussion über die Entwicklungen amerikanischer Großstadtzentren meinte man, erste Vorboten der eigenen Zukunft zu erkennen. Diese Erkenntnis löste einen Trend aus, bei dem mittels Einrichtung von Fußgängerzonen die Wirtschaftskraft westdeutscher Innenstädte gesteigert werden sollte, um so der herannahenden Suburbanisierung vorbeugend entgegen wirken zu können. Die Aufwertung der zentralen Bereiche gehorchte vielerorts den Gestaltprinzipien der städtebaulichen Moderne, es wurde etwa nicht vom öffentlichen Raum, sondern – in Anlehnung an das verkehrsorientierte Konzept der autogerechten Stadt – von Fußgängerzonen gesprochen. Erst in den 1970er Jahren kam es zu ersten umfassenderen ästhetischen Aufwertungsmaßnahmen, wie folgendes Zitat veranschaulicht: „Wer die Zentren der großen Städte lange nicht sah, wird sich erstaunt die Augen reiben: Die Städte erscheinen in neuem Kostüm. Statt Betongrau wird Bunt getragen, statt Konfektionsware präsentiert man originelle Details. Von den Lichterketten der Kugellampen bis zum Dessous der kleingepflasterten Wegränder wird die Garderobe getauscht, eine künstliche Schicht von Behaglichkeit verkleidet das städtische Chaos. (...) Nach einem Jahrzehnt zerstörerischen Städtewachstums (...) stehen Stadtgestaltung und -erhaltung auf dem Programm von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern. Privatinitiativen zur Farb- und Fassadengestaltung werden subventioniert, durch Wettbewerbe angeregt und flankiert von denkmalpflegerischen Maßnahmen (...).“ (Durth 1977, 9)
Attraktivitätssteigernde Interventionen städtebaulicher Natur erscheinen also durch die Funktionsteilung, durch die Flucht kaufkräftiger Gruppen an den Stadtrand und durch den damalig drohenden Bedeutungsverlust innerstädtischer Zentren begründet.93 Damalige Stadtforscher vermerkten, dass derartige Investitionen in erfinderische Gestaltungen im Stadtraum jedoch keineswegs allein als zweckfreies Ergebnis humanitärer Ansprüche wie etwa der Verbesserung städtischer Lebensqualität anzusehen, sondern vielmehr als von handfesten ökonomischen und politischen Interessen bestimmte Prozesse zu verstehen seien. Diese so wichtige Erkenntnis Durths soll im Verlauf dieser Arbeit im gegenwärtigen Kontext erneut die Diskussion anregen. Bei der Untersuchung von Aktualisierungen der Stadtgestaltung ist daher danach zu fragen, wann, für wen und zu welchem Zweck es zu (ästhetischen) Innovationen kommt.94 In Berlin, der Stadt, die jahrzehntelang zu einem Schauplatz zweier ganz unterschiedlicher weltpolitischer Hemisphären geworden war, nahm der Wandel städtebaulicher Leitvorstellungen speziell in der zweiten Hälfte der deutsch-deutschen Teilung in beiden Stadthälften immer ähnlichere Züge an. Dies erscheint im Kontext zur internationalen Krise des modernen Städtebaus nachvollziehbar, zudem gab es einige Vordenker wie Günther Stahn, der mit der Forderung nach attraktiven, informationsreichen und fußgängerorientierten Zentrumswegen im DDR-regierten Ostteil Berlins ähnlich wie seine Kollegen im Westen ein Publikum mit differenzierter Kaufkraft im Blick hatte. Auch im Westen zeichnete sich zwischen 1977 und 1980 mit dem Einläuten der IBA-Neubau die Abwendung von den traditionellen Prämissen der städtebaulichen Moderne ab.95 Seit den späten 1970er Jahren gewann das Thema der freiraum92 Trieb 1974, 22, zitiert nach Durth 1977, 14. 93 Dies kann für die Berliner Situation nur eingeschränkt übertragen werden, da die Suburbanisierungstendenzen hier erst mit dem Fall der Mauer Schlagkraft entfalteten. Nichtsdestotrotz wurden die Zentren in ähnlicher Weise gestalterisch aufbereitet. 94 Durth 1977. 95 Flecken 1999.
44
planerischen Gestaltung von Plätzen, Straßen und Gebäuden in der öffentlichen Meinung wieder an Bedeutung. Dies führte in der städtebaulichen Praxis dazu, dass öffentliche Plätze wieder wohnlicher gemacht wurden, durch „Tapeten in Fassadenform“ und „Straßenmöblierung“.96 Als ein solcher Versuch der Stadterneuerung können auch die Wettbewerbe zur Umgestaltung des Breitscheidplatzes (1979), zur Umgestaltung des Kurfürstendamms (1979) sowie des Hardenbergplatzes gewertet werden, die jedoch aufgrund finanzieller Probleme nur partiell realisiert werden konnten. Insbesondere die Schließung der „Schnalle“ – einer Straße die das Europacenter von der Platzfläche des Breitscheidplatzes trennte – und die vielfach kritisierte Errichtung des „Wasserklops“ – einer voluminösen Brunnenskulptur – wird als eine der Pioniertaten der nachmodernen Freiraumplanung im westlichen Berlin gewertet.97 Nach und nach brachte die Berliner Stadtpolitik in den voneinander getrennten Stadthälften Stadterneuerungsmaßnahmen hervor, die jedoch aufgrund der pressenden Notwendigkeiten und der Protestbewegungen und Hausbesetzungen, die sich gegen die radikale Stadterneuerungspraxis richteten, in den 1980ern in West-Berlin maßgeblich durch die Wohnungsbaupolitik bestimmt waren.98 Die Zeit der (nicht allein städtebaulichen) ersten Desillusionierung in der Metropole während der 1980er Jahre war geprägt durch erste Anzeichen der Deindustrialisierung. Diese wird mit der Schließung des Weddinger AEG-Werks und an der politischen Wende hin zu einem CDU-geführten Senat in den Jahren 1981 und 1982 datiert.99 1988 schließlich wurde der Flächennutzungsplan (FNP) 1984 verabschiedet, der als erster Meilenstein die Abkehr von den Prinzipien der autogerechten Stadt hin zu einer ökologisch ausgerichteten Stadtentwicklung beinhaltete. Ganz im Duktus der westdeutschen Ökologiedebatte, die insbesondere durch die Gründung der Partei Die Grünen 1980 an Dynamik gewann, versuchte man auch in Berlin, Prämissen der ökologischen Stadtentwicklung im Denken der Politiker und Planer zu etablieren. Diese neue ökologische Hinwendung zu öffentlichen Freiräumen West-Berlins kann also ebenfalls als Ergebnis der Veränderungen der bundesweiten politischen Agenda Westdeutschlands interpretiert werden. „Der seit 1981 durch die CDU geführte Senat konzentrierte sich stärker auf kommende Groß-Events, auf die 750-Jahrfeier 1987 und auf die Rolle West-Berlins als Europäische Kulturhauptstadt 1988. Die Maßnahmen zur Aufwertung der City-West beschränkten sich weitgehend auf Metropolendesign, etwa auf die Neugestaltung des Breitscheidplatzes und des Wittenbergplatzes sowie auf die Möblierung und Gestaltung des Kurfürstendamms unter Rückgriff auf kaiserzeitliche Vorbilder.“ (Konter (et. al.) 2005, 196)
Aus dem Zitat wird ersichtlich, dass die 1980er Jahre vielmehr als von ökologischen Prämissen wesentlich von der wirtschaftsfreundlichen Stadtentwicklungspolitik des CDU-Senats unter Eberhardt Diepgen geprägt waren, der bereits in seiner Antrittsrede vom 23. Februar 1984 auf die Bedeutung der Herrichtung des Kurfürstendamms für das Image der Metropole verwies.100 Im Ostteil Berlins wurden zentrale öffentliche Räume vorrangig zu Zwecken der politischen Selbstdarstellung hergerichtet, wie beispielsweise die spiralförmige Freiflächengestaltung des Alexanderplatzes auf der Grundlage des überarbeiteten Entwurfs des Stadtbauamtes von Schweizer, Tscheschner und Schulz zwischen 1967 und 1973, die zwar aus der Höhe des nebenstehenden Fernsehturms aus imposante Wirkung entfaltete, jedoch im Stadtraum selbst kaum deutlich erkennbar war. Später kommt es auch hier anlässlich bevorstehender Feierlichkeiten zu ästhetischen Aufwertungen, jedoch nicht in Form einer grundlegenden flächen96 97 98 99 100
Durth 1977, 13. Konter (et. al.) 2005, 193ff. Sewing 2000. Städtebaubericht 1975, 34 zitiert nach Durth 1977, 13. Stahn 1970. Welch Guerra 1999. Konter (et. al.) 2005. Diepgen 1984.
45
deckenden Sanierung und Instandsetzung bestehender Strukturen, sondern vielmehr in Form von stadtkosmetischen Schönheitseingriffen oder projektbezogenen Neugestaltungen wie etwa den Terrassen am Fuße des Fernsehturms. Folglich waren öffentlich gewidmete Plätze und Parks sowie Straßen in beiden Stadthälften immer wieder hergerichtet worden, jedoch geschah dies wenig systematisch, sondern vor allem punktuell an den repräsentativen Orten, im Rahmen der Vorbereitungen der 750-JahrFeier der Stadt, die beiden Stadthälften ein erstes Annäherungsmoment bescherte, sowie im durch den West-Berliner CDU-Senat zelebrierten Kulturhauptstadtjahr 1988. So kurz vor dem Zusammenbruch des DDR-Regimes ahnte man in beiden Stadthälften jedoch noch nicht, dass sich mit dem im folgenden Jahr ereignendem Fall der deutsch-deutschen Mauer nicht allein ein neues Handlungsmoment des deutschen und des Berliner Städtebaus, sondern insbesondere der ökonomischen und gestalterischen Restrukturierung öffentlicher Räume auftun würde. Jedoch war der anfängliche Städtebau zu Zeiten postfordistischer Transformationen auch im vereinten Berlin noch keineswegs explizit an öffentlichen Räumen interessiert. Zunächst standen die Aufteilung und kapitalistische Aufwertung von Grundstücken an, immens investiert wurde in Immobilien. Dies stand ganz im Zeichen der Wachstumseuphorie, die sich in der erneuerten Hauptstadt seit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 entfaltete. Spätestens jedoch die gescheiterte Olympiabewerbung gegen Ende 1993 markierte die Stimmungswende. Dieser Bruch wurde verstärkt durch das 1994 veröffentliche Prognos-Gutachten zur desolaten Finanzlage Berlins, verschärft 1995 durch den Wegfall der Mittel aus Bundeshilfe und Berlinförderungsgesetz, dramatisiert durch die gescheiterte Länderfusion Berlins und Brandenburgs 1996, und schließlich nach der Jahrtausendwende durch die bekannt werdende Berliner Bankenaffäre und den politischen Korruptionsskandal 2001 sowie die verlorene Verfassungsklage anlässlich der außerordentlichen Finanznotlage der Stadt am 19. Oktober 2006 besiegelt. 101 Mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Wiedervereinigung der Stadt sah man sich also einerseits mit der akuten Behandlung tief eingefurchter städtebaulicher Zäsuren in zentralen Stadtbezirken konfrontiert, andererseits dominierten zunächst andere investitionsund interessenstarke Vorhaben die stadt- und bezirkspolitischen Agenden, so dass erst nach Erledigung der städtebaulichen Pflicht die Kür – das gestalterische Veredeln öffentlicher Straßen und Plätze – Eingang in politische Debatten fand. Die setzte ein, als Berlin gerade die volle Schlagkraft der zweiten Phase der Desillusionierung angesichts der zuvor beschriebenen Prozesse erfuhr. So avancierten öffentliche Räume erst in den späten 1990er Jahren aus ganz bestimmten Gründen zu einem zentralen Gegenstand der öffentlichen Stadtentwicklungspolitik. Unter Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD), der zwischen 1996 und 2004 als SPDLandesvorsitzender sowohl in den zwei letzten Momper’schen Senatskoalitionen, dann schließlich unter den ersten beiden Wowereit’schen Koalitionen wechselnde Ämter inne hatte und schließlich als ‘Supersenator’ das Ressort Stadtentwicklung anführte,102 setzte sich in den späten 1990er Jahren die Prämisse „öffentliche Mittel für öffentliche Flächen, private Mittel für private Flächen“103 durch, eine Politik, die dann verfochten wird, wenn es dem Staat an grundlegenden Ressourcen mangelt und er mittels strategischer Impulse Anreize für private Folgeinvestitionen schaffen will.104 Senatsbaudirektor Stimmann etwa betonte 1997, dass der „(…) Eindruck Berlins in den öffentlichen Räumen so zu verbessern [sei], dass wir dem Anspruch, den wir an uns selber stellen und den insbesondere Besucher an unsere Stadt stellen, gerecht werden. (…) Es ist ganz wichtig, dass der Akzent auf die öffentli101 102 103 104
46
Konter (et. al.) 2005. Am 7. April 2004 trat Strieder aufgrund der Tempodrom-Bauaffäre von allen politischen Ämtern zurück. Vgl. DS II/303 der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 29.08.02. Durth 1977.
chen Bereiche gelegt wird, denn nur dafür fühlen wir uns als Senat zuständig.“ (Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie 1997105)
Die jüngere städtebauliche Hinwendung zur gestalterischen Aufwertung öffentlicher Räume kann in Berlin auch im Hinblick auf die ganzheitliche Neuausrichtung der Stadtentwicklungspolitik während postfordistischer Transformationen begriffen werden. Schließlich hatte die öffentliche Hand mit dem Planwerk Innenstadt – einem Instrument postfordistischer Stadtpolitik erster Güte – ein verändertes Leitlinienbündel konstatiert, das der städtischen Innenentwicklung Priorität zu schrieb, und als Leitmotiv für den gestaltwirksamen Zentrumsumbau fungieren sollte. Das vielfach umstrittene von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hinter verschlossenen Türen erarbeitete Leitbild für den zukünftigen Berliner Städtebau hatte bereits in einer internen Vorankündigung Aufsehen und Widerstand bei den Bezirken ausgelöst, denn diese sahen in diesem Akt informeller Planung auf Landesebene ein grobes Konterkarieren der in den Bezirken vorangetriebenen Bereichsentwicklungsplanungen im Sinne des Flächennutzungsplans von 1994. Die im Planwerk Innenstadt eingeschriebene Kritik am gestaltunwirksamen Instrument der Bereichsentwicklungsplanung war durch Senator Hassemer lanciert, und später von Hans Stimmann, dem „ästhetischen Arm“ Senator Strieders,106 aufgenommen worden. Das dezidiert gestaltwirksame Planwerk Innenstadt wurde 1996 schließlich unter Strieder öffentlich vorgestellt, der für seine projektbezogene Vorstellung von Stadtentwicklung bekannt geworden war.107 Mit dem Rückgriff auf Aspekte der traditionellen Stadt mittels des rhetorisch schlagkräftigen Prinzips der Kritischen Rekonstruktion, das bereits während der IBA in den 1980er Jahren erprobt worden war, wurde den städtebaulichen Grundgedanken der baulichen Moderne durch das Planwerk abgeschworen, und eine Rückbesinnung auf den vormodernen, traditionellen Stadtgrundriss für notwendig erklärt.108 „Das bedeutete vor allem: Neugestaltung des Netzes öffentlicher Räume – der Straßen und Plätze. Offizielles Ziel war die diskursive Entwicklung eines in der Öffentlichkeit akzeptierten ‘ganzheitlichen, identitätsstiftenden, städtebaulichen Konzepts für den Innenstadtbereich’.“ (Konter (et. al.) 2005, 203)
Öffentliche Räume waren also mittels Masterplan zu einem der Hauptgegenstände der Berliner Stadtentwicklungspolitik stilisiert worden, was einem Diskurswechsel hinsichtlich der städtebaulichen Intentionen im Anschluss an die Zeit der zweiten Berliner Desillusionierung gleich kommt. Denn auch der Städtebau war während der sich überschlagenden Hiobsbotschaften im Berlin der frühen 1990er Jahre unter Legitimierungsdruck geraten und bot sich gleichermaßen als Handlungssphäre für die positive Umdeutung des durch zahlreiche Affären zerrütteten und mit dem Vorwurf der mangelnden Bürgerorientierung abgewerteten öffentlichen Images der Berliner Verwaltung an. Erst nach der Wahl 1995 wurde der finanzielle Zusammenbruch der Stadt bekannt gemacht, eine „Ernüchterungsplanung schien geboten“.109 Das Planwerk Innenstadt erhielt exakt zu jenem Zeitpunkt politische Relevanz, als das Finanzierungsdefizit in Berlin seinen 1996 vorläufig ersten Höhepunkt erreichte und im Folgejahr 1997 eine drastische Veräußerungswelle ausgelöst werden sollte.110 Welches Thema der Stadtentwicklungspolitik 105 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Nr.13/18 vom 19.02.97, BerlAbgH. 106 Hain 2000. 107 Bei Goebel 2002, 349 findet sich eine bibliografische Übersicht über befürwortende und kritisierende Darstellungen des Planwerks Innenstadt. Einblicke speziell in die politische Situation in Berlin während der Entstehungszeit finden sich bei Sewing 2003. Eine planungswissenschaftliche Auseinandersetzung ist bei Hain 2000 zu finden. 108 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der 'Kritischen Rekonstruktion' siehe Konter (et. al.) 2005, 214ff. 109 Sewing 2003, 185. 110 Vgl. Abb. 2 in Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 2001, 16.
47
aber kann bei leeren Kassen und sich zuspitzender Finanzkrise besser für Mechanismen der politischen Selbstdarstellung emotional instrumentalisiert werden, die auf die Zustimmung breiter Wählerschaften abzielen, als der öffentliche Raum? In diesem Sinn kann das Planwerk Innenstadt – neben dem faktisch vorhandenen teils mangelhaften Zustand zentraler Straßen und Stadtplätze – als Instrument des Agenda Settings verstanden werden, entbrannten doch nachfolgend erhitzte öffentliche Diskussionen um die zukünftig einzuschlagenden Entwicklungslinien, die von den Medien intensiv begleitet wurden. Die mediale Betrachtung anderer konfliktreicher Themen des Städtebaus – wie etwa die öffentlich unterstützte Überproduktion an nicht im erwarteten Maße nachgefragten Büroflächen – konnte so zumindest zeitweilig überblendet werden. 1999 wurde das Planwerk vom Berliner Abgeordnetenhaus als städtebauliches Leitbild beschlossen, die Verbesserung der Krisenstimmung in der Stadt war jedoch längst nicht realisiert.111 Denn auch die Stadtentwicklungspolitik fiel der Lähmung der Stadt im Zuge der städtischen Wirtschaftskrise und des Bankenskandals anheim. Ein Grund mehr, wirtschaftsfreundliche Mechanismen zu forcieren, denn der „(...)Übergang von einem staatskapitalistischen bzw. staatssozialistischen Städtebau zu einem von der öffentlichen Hand kontrollierten, privaten Städtebau musste vollzogen werden.“112 In diesen Kontext ist auch das im Jahr 2004 veröffentlichte Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020 einzuordnen, in dem die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Veränderungen ihrer steuernden Rolle sowie den Wandel der hoheitlichen Aufgaben mittels der Forderung Ausdruck verleiht, in Berlin müsse eine strategische Stadtentwicklungsplanung eingeführt werden, die es vermag, Qualitätsräume zu definieren und durch Interventionen in diesen Multiplikationseffekte zu generieren. Das Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020 sollte vor allem der Politik eine Vision von zukünftiger Stadtentwicklung unterbreiten. Auch öffentliche Räume werden in diesem Band mit dem Verweis auf das Planwerk behandelt, jedoch fehlt jeglicher Hinweis auf den Stadtentwicklungsplan (StEP) Öffentlicher Raum, der als schmückendes Beiwerk zum Planwerk Innenstadt entwickelt, jedoch nie als Planungsgrundlage Bedeutung erlangte. Bei der weiteren Qualifizierung öffentlicher Räume komme es, so die im Stadtentwicklungskonzept formulierte Wendung, auf die Anpassung der technischen Ausstattungen an veränderte Nutzungsmuster an, um „falsche Überformungen zu verhindern sowie Sauberkeit und Sicherheit (...) zu optimieren.“113 An dieser Stelle lassen sich Parallelen in der strategischen Ausrichtung des Berliner Stadtentwicklungskonzepts zu den neoliberalen Diskursen hinsichtlich der gestalterischen Veredelung öffentlicher Räume in anderen (europäischen) Metropolen im Sinne einer “safe and clean policy“ ziehen,114 und es sei kritisch angemerkt, ob man sich hier nicht rhetorisch eines Problems annimmt, dass de facto gar nicht in den zentralen öffentlichen Räumen in der nordeuropäischen Stadt, speziell in Berlin, existiert? Darüber hinaus formuliert das Konzept, dass „die Zusammenarbeit in neuen Kooperationsformen (Public Private Partnership, Corporate Citizenship, bürgerschaftliches Engagement)“115 ein zentraler Ansatz bei der stadtentwicklungsplanerischen Steuerung unter veränderten Rahmenbedingungen sei. In der letzten Dekade sind daher vielfältige Kooperationen zur Stadtentwicklung im Bereich der öffentlichen Räume initiiert worden. Dabei rücken die „entstehenden öffentlichen Räume (...) mehr als früher in den Mittelpunkt städtebaulicher Überlegungen, denn in ihnen 111 Goebel (2002, 349f) kommentiert, dass das Planwerk 1999 durch Senatsbeschluss in den Rang einer überbezirklichen Planungsvorgabe gehoben wurde. Er kritisiert ebenfalls die polemisierende, modifizierte Darstellung des Planwerks Innenstadt als “Berlin StadtWende” während der Architektur-Biennale in Venedig 2000. 112 Für eine detaillierte Darstellung siehe Konter (et. al.) 2005, 199 und 329ff. 113 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2004, 65. 114 Aguirre, Eick und Reese 2006. Löw et. al. 2007. 115 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2004, 5.
48
soll sich die ‘Lebendigkeit’ des Zentrums anders als im ‘fließenden Raum’ der städtebaulichen Moderne in einer hohen Besucher- und Passantendichte niederschlagen.“116 Ein jüngerer Beitrag zu gegenwärtigen Entwicklungstendenzen öffentlicher Räume im Zentrum Berlins weist auf veränderte Lebens- und Konsumstile hin, die sich etwa darin auswirken, dass Auslagen von Geschäften und gastronomischen Einrichtungen (erneut) auf Gehwege vordringen, und deutet diese Entwicklung als „weitere Runde der Kapitalisierung von Orten menschlichen Zusammenlebens“.117 Auch sei die Aneignung des öffentlichen Raumes immer stärker thematischen Trends unterlegen, die vorrangig durch städtische Institutionen des Kommerzes vorangetrieben werden. Diese Themen werden mit kernigen Schlagwörtern betitelt, so dass für Berlin (und London) Trends wie ‘Hollandisierung’, ‘New Yorkisierung’ und ‘Mediterranisierung’ festgestellt werden. Dabei meint der Begriff der Hollandisierung eine neue Hinwendung zur Revitalisierung urbaner Wasserlagen sowie grüner Freiflächen, wohingegen unter New Yorkisierung die Inszenierung von Urbanität wie etwa die Disneyfizierung118 verstanden wird. Sie diene einer ‘Bespielbarkeit’ von öffentlichen Räumen rund um die Uhr und einer ‘Cross Promotion’ der Produkte ihrer (privatwirtschaftlichen) Betreiber. Das dritte Konzept der Mediterranisierung verweist auf die ausdifferenzierte Anpassung der Gestaltung öffentlicher Räume an die Konsumbedürfnisse konsumpotenter Mittelschichten und drückt sich durch die Verwendung mediterraner Gestaltungsmotive (Palmen, Terracottavasen, Sandflächen, etc.) in Anspielung auf einen als mediterran verstandenen Laissez-Faire Lebensstil aus.119 Diesem Panorama privatwirtschaftlich vorangetriebener Kultur- und Konsumeinflüsse könnte im Hinblick auf neuere Aneignungen ebenfalls die ‘Bollywoodisierung’ des öffentlichen Raumes beigefügt werden: Parfümierte Brunnenskulpturen, goldene Sonnenschirme und pompös inszenierte Sitzkissen zeugen von einem (artifiziell) gefärbten Hauch Mumbais in Orange und Gold, der in den touristisch frequentierten Stadträumen wie etwa der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte an Popularität gewinnt. Mediterranisierung ist an den hippen Orten der multikulturellen Großstadtgesellschaft passé, das Unkonventionelle der 1980er Jahre ist zur Konvention geworden, als spezielle Adressaten der Bollywoodisierung gelten nun die neuen weltoffenen und weltkulturinteressierten Kosmopoliten, die bei Mango-Lassi und ChickenCurry auf mit Goldperlen bestickten Sitzkissen thronend ohne Zweifel direkt den symbolischen Transfer zu den bildgewandten Bollywood-Klassikern der Hindi-Filmindustrie herzustellen vermögen. Der Hype des Kulturmotiv-Imports trifft auf ornamentale, farblich expressive Stadtraumgestaltung. Dabei kommt der sinnesansprechenden Gestaltung des öffentlichen Raumes mittels einer weiteren Runde thematischen Designs eine zentrale Bedeutung zu.120 Der Einsatz von ästhetisch ausdifferenzierter Formensprache findet sich jedoch nicht nur in den auf den städtischen Gehwegen stattfindenden gastronomischen Avancen wieder, sondern ebenfalls in den eigens gestalteten Ausstattungsgegenständen wie Bänken, Kiosken, Toiletten und Wartehallen. Auch wenn diese bisher noch nicht derart stark von Kulturimportmotiven beeinflusst worden sind wie die gastronomischen Gestaltungsavancen in öffentlichen Räumen, so hat sich die gestalterische Qualität von so genanntem Stadtmobiliar in den letzten Dekaden grundlegend verändert. 116 Altrock (et. al.) 2005, 337. 117 Altrock 2005a, 351. 118 Roost 2000. 119 Altrock 2005a. 120 Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Design in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Konnotationen beinhaltet: Im Deutschen beschreibt er zunächst die Oberflächen-, Produkt- oder Bildgestaltung, wohingegen etwa im Englischen mit Design Konzeption, Planung und Ordnung gemeint ist. Im Rahmen dieser Arbeit soll vorwiegend die deutsche Bedeutung verwendet werden. Vgl. Schmidt 2008, 487.
49
Für beide Trends – die thematische Gestaltorientierung (Mediterranisierung oder Bollywoodisierung) sowie die systematische gestalterische Aufwertung des funktionalen Equipments der baulichen Arrangements öffentlicher Räume – kann als Hypothese festgehalten werden: Ähnlich wie Urban Design beim nachmodernen Zentrumsumbau generell eine Schlüsselrolle spielt,121 kann auch eine gestalterische Aufwertung der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume durch Public Design als grundlegendes Merkmal für die nachmodernen Umbau öffentlicher Räume gewertet werden. Public Design als Kernaufgabe des Umbaus baulicher Arrangements Public Design ist in der postfordistisch geprägten Produktion von Stadtraum zu einem beliebten Terminus geworden, dies schlägt sich ebenfalls in der Produktion akademischer Literatur nieder.122 Mit ‘Public Design’ wird oftmals speziell das Produktdesign für das Inventar städtischer Freiräume verstanden, jedoch gehören auch weitere gestalterische Maßnahmen der Landschaftsarchitektur in diesen Bereich. Denn, „[w]as uns heute mit der ‘Ästhetisierung der Alltagswelt’ geläufig ist, nimmt mit der Möblierung des städtischen Außenraums seinen Anfang.“ Stadtmöbel dienen als „Requisiten einer allgegenwärtig gewordenen Erlebniskultur“ der umfassenden Inszenierung der Stadt, als „Armaturenbrett unserer Lebenswelt“. Die ihnen zugewiesenen Aufgaben sind erstens infrastruktureller Natur (Ermöglichen des reibungslosen Verkehrs), zweitens haben sie als integrale Bestandteile des Stadtbildes eine imagefördernde Aufgabe, sind also nicht bloße Versorgungseinrichtungen, sondern tragen „gesellschaftsstiftende Funktionen“.123 Diesem durchaus pathetisch anmutenden rhetorischen Zelebrieren von Stadtmobiliar ist nüchtern betrachtet abzugewinnen, dass der Gestaltung von Stadtmobiliar als Mikroelement der postfordistisch geprägten Stadtproduktion eine gesteigerte Bedeutung hinsichtlich ihres imagestärkenden Charakters beigemessen werden kann. Jedoch wird von Designkritikern ebenfalls festgestellt, dass die Verwendung des Begriffs Design inflationäre Züge annimmt, und man muss demnach genauer nachfragen, was genau mit ‘Design’ assoziiert wird? „Es ist festzustellen, dass der Begriff ‘Design’ in zunehmenden Maße verwendet wird, er jedoch im Bewusstsein wie im Sprachgebrauch oft mit der Vorstellung des Besonderen, des Schrägen, Höherwertigen sowie des stilistisch exklusiven assoziiert wird. Aus diesem Grund erhoffen sich Unternehmen (...) durch die Verwendung des Reizwortes ‘Design’ einen Prestigegewinn für ihre Produkte.“ (Designautonome in Erlhoff et. al. 2008, 18)
Aus dem Zitat geht hervor, dass dem Begriff Design durchaus normative Bedeutungselemente beigemessen werden, anders als etwa beim Gebrauch des Begriffs Ästhetik, der in der Philosophie seit jeher diskutiert wird. Wenn es um die Vermarktung von Produkten geht, gehört ein ‘gutes Design’ zur begrifflichen Grundausstattung einer jeden markenadäquaten Kommunikationsstrategie. Gerade jüngere Publikationen zum Thema verweisen in diesem Kontext darauf, dass Public Design zu einem Handlungsfeld international agierender Unternehmen geworden ist.124 In der jüngeren Debatte tauchen außerdem erste designkritische Beiträge auf, die die starke Anbindung des Designs an Marketing-Ideologien bemängeln, und einfordern, Design müsse als Problemlösungsstrategie vielmehr dazu beitragen, Marketing und seine Instrumente 121 Vgl. Bodenschatz 2005, 401. 122 Erlhoff et. al. 2008. 123 Damm und Siebenhaar 2005, 140ff. 124 Erlhoff et. al. 2008. Damm und Siebenhaar 2005. Beide Publikationen sind jeweils durch eine der beiden marktführenden Unternehmen für Public Design in Deutschland, die Berliner Wall AG und die Kölner Ströer Out-of-Home Media AG, gesponsert worden.
50
zu überwinden.125 Diese kritische Perspektive hat nicht zum Ziel, Design per se zu diskreditieren, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass der begriffliche Gebrauch von Design auch politisch motiviert sein kann und demnach stetig gefragt werden muss, was mit der Verwendung des Begriffs in politischen Diskursen genau bezweckt wird. Das Verhältnis von Design, Marketing und öffentlichen Räumen muss also grundsätzlich als durchaus ambivalent eingeschätzt werden. Denn einer Verbesserung stadträumlicher Qualitäten durch Design steht die immer lauter vertretene Annahme, Design sei ein Instrument der sozialen Exklusion, ein Mechanismus der Ansprache allein kaufkräftiger Gruppen, entgegen. Welche gesellschaftlichen Gruppen sind es also, die gemeinhin als designaffin charakterisiert werden können? Welche Gruppen haben ein Gespür für ästhetische Qualität und sind bereit, diese entsprechend preislich zu honorieren? Oder sollte die Frage besser anders gestellt werden, wie etwa: Besteht also die Fähigkeit zu Design-Genuss und Distinktion durch Design nur im Hochkulturschema, oder findet man – ganz im Gegenteil – eine Popularisierung von Design, also eine Entkräftigung der Bindung von ästhetischem Bedeutungsgehalt an den Bildungs- und Erfahrungsstand schöngeistbefähigter gesellschaftlicher Gruppen vor, wenn man sich mit gestalterischen Aufwertungsmaßnahmen in öffentlichen Räumen Berlins beschäftigt? Letztere Annahme würde dem Ansatz ausdifferenzierter Lebensstilmilieus, der als Grundlage die hierarchische Entvertikalisierung der Alltagsästhetik umfasst, gleichkommen.126 Nachfolgend werden diese Fragen nicht beantwortet werden können, es soll jedoch eine Sensibilität für diesen ambivalenten Charakter qualitativ hochwertiger Gestaltungen geschaffen werden, und zwar im Sinne der Gestaltkritik Durths. Als Hypothese für diesen Teilaspekt sei formuliert, dass Design sich vor allen Dingen als argumentativer Mechanismus innerhalb stadtentwicklungspolitischer Diskurse anbietet, um neuen flexible Märkte im Bereich der Gestaltung öffentlicher Räume zur Durchsetzung zu verhelfen. Öffentliche Räume als Handlungsfeld zu Zeiten postfordistischer Transformationen Jedoch, so scheint es, begründet nicht allein die Möglichkeit des strategischen Rückgriffs auf Public Design die neue Relevanz öffentlicher Räume als stadtentwicklungspolitisches Handlungsfeld, sondern ebenfalls eine Wiederentdeckung ihrer Bedeutung innerhalb des wirtschaftlichen Strukturwandels der Stadt. Die benannten Stadträume sind klassische Handlungsfelder der Berliner Stadtplanung, sie waren jedoch weitestgehend von den Wirtschaftskreisläufen der Stadt ausgenommen. Das heißt, sie wurden zwar im Wirkungsradius der Stadtpolitiker als politisches Handlungsfeld sowie im Fadenkreuz der Stadtplaner als Planungsaufgabe verstanden, galten aber zu Zeiten fordistisch geprägter Stadtentwicklung nicht systematisch als ökonomische Ressource. Hier ist also ein politökonomisches Verständnis von Stadtentwicklungsprozessen gemeint, dass die Prozesse der Gestaltung und Planung städtischer Morphologien als Produktionsprozess erfasst, und ihnen eine maßgebliche Verstrickung wirtschaftlicher und politischer Motive beimisst. Stadtentwicklung und Stadtstruktur werden hier durch die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Kapitalakkumulation erklärt. Insbesondere die Rolle des Staates ist in einer solch kritischen sozialwissenschaftlichen Perspektive nicht als neutral erachtet, sondern ihm wird – neben einer gewissen Autonomie – zugeschrieben, dass er die langfristige Stabilität des kapitalistischen Systems garantiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass der
125 Vgl. Baur 2008 in Erlhoff et. al. 2008, 95. 126 Schulze 1997.
51
Kapitalismus instabil ist, und es daher wiederkehrende Phasen der Veränderung der raumbezogenen Logik der Kapitalakkumulation gibt.127 Mit diesen historischen Stadien des Kapitalismus und ihren Übergängen beschäftigen sich Transformationstheorien, darunter z.B. neoschumpeterianische und neomarxistische Ansätze sowie weitere Periodisierungsversuche.128 Dabei stellt die Regulationstheorie einen methodologischen Ansatz dar, „der nicht nur die Produktions-, sondern auch die Konsumnormen und den institutionellen Rahmen kapitalistischer Phasen zu fassen versucht und so deren retrospektive Analyse anstrebt.”129 Innerhalb der kapitalistischen Entwicklung der Gesellschaft lassen sich also verschiedene historische Formationen unterscheiden, von denen der nach dem USamerikanischen Autofabrikanten benannte Fordismus eine hegemoniale Struktur bezeichnet, die sich in Folge der Krise der 20er und 30er Jahre in den USA herausgebildet hat, und sich erst im Deutschland der Nachkriegszeit mit der Regulationsweise der sozialen Marktwirtschaft als ‘rheinischer Fordismus’ oder ‘rheinischer Kapitalismus’ durchsetzt.130 Mit derartigen historischen Stadien des Kapitalismus und ihren Übergängen beschäftigt sich die Regulationstheorie. Diese deutet die Zeitspanne seit den 1980er Jahren in Deutschland und anderen kapitalistisch geprägten Nationalstaaten als Krise des Fordismus oder als Beginn eines historischen Übergangsmoments (Transformation) hin zum so genannten Postfordismus.131 Debatten der gegenwärtigen Stadtforschung konzentrieren sich daher „auf die Formen gesellschaftlicher Transformation, die als postfordistische gekennzeichnet werden.“132 Um das, was für gewöhnlich mit postfordistischen Veränderungen erfasst wird, genauer verstehen zu können, muss jedoch zunächst ein Blick auf ihre Ausgangsbasis, ein Blick auf den Fordismus gelenkt werden. Geprägt durch das industrielle Paradigma der Massenproduktion, durch Standardisierung der Produktion und durch eine organisierte Arbeitsteilung wurde die Maschinerie der fordistischen Produktion durch die Organisation des Massenkonsums sicher gestellt. Auf der Ebene des Staates kommt es zu typischen Formen sozialstaatlicher Interventionen durch Wohlfahrtsteuerung, wenngleich die Aushandlung divergierender gesellschaftlicher Interessenlagen vor allen Dingen zwischen dem Staat, den Märkten und den Gewerkschaften erfolgt. Die dem Funktionieren von Organisationsformen der Arbeit und der Sicherstellung makroökonomischer Muster dienende gesellschaftliche Regulation orientiert sich an den Rollenmustern und sozialen Spielregeln sowie am Erwartungshorizont der nivellierten Mittelstandsgesellschaft.133 Prozesse der Stadtentwicklung sind im Fordismus ebenfalls am Modell der Massengesellschaft ausgerichtet. Dies zeichnet sich in der Hauptfunktion der fordistisch geprägten Stadtplanung aus, massenhaft Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Eine Tendenz, die im Deutschland der Nachkriegszeit durch die Notwendigkeit verstärkt wurde, ganze Städte wieder aufzubauen zu müssen, und diese schließlich staatlich subventioniert nach Suburbia ausufern
127 Jessop 2007. 128 Vgl. Kiefer 2004, 173. 129 Ibid. 2004, 172. 130 Häußermann et. al. 2008. 131 Ausführungen zu Fordismus und Postfordismus und den Merkmalen postfordistischer Stadtpolitik in Bezug zur Regulationstheorie findet man bei Helbrecht (1994, 15ff). Eine äußerst ausführliche jüngere Darstellung dieses Übergangs und seiner Implikationen auf die Stadtentwicklung findet sich bei Häußermann et. al. 2008. Eine solche Perspektive nimmt auch Jessop (2007, 268ff.) bei seinem Ansatz ein, den Postfordismus näher zu charakterisieren. Schmid (2005, 63ff.) beleuchtet den Begriff des Nachfordismus im Kontext zum 'spatial turn' in den Sozialwissenschaften speziell im Hinblick auf die Interpretation von Lefebvres Werk. Kiefer (2005, 32ff.) geht auf die Veränderungen der Medienlandschaft im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus ein. 132 Häußermann et. al. 2008, 135. 133 Ibid.
52
zu lassen.134 Seit den 1970er Jahren zeichnet sich eine grundlegende Schwächung der im regulationstheoretischen Sprachgebrauch als ‘fordistisches Akkumulationsregime’ bezeichneten historischen Figuration des Kapitalismus ab, die seither als ‘Postfordismus’ zu fassen versucht wird.135 Dieser Bruch manifestiert sich nicht allein ökonomisch, sondern durchzieht das Politische, das Kulturelle und das Soziale in ganz unterschiedlicher Intensität und Qualität. Es besteht weiterhin Ungewissheit, ob diese neue Phase von einem einzigen hegemonialen Entwicklungsmodell bestimmt ist, oder ob sich verschiedene Varianten postfordistischer Transformation gleichzeitig abzeichnen. Aus diesem Grund wird in der Untersuchung den Veränderungen der Logik der Marktakteure ein besonderes Gewicht eingeräumt, denn sie erproben neue Produktions-, Logistik- und Absatzlogiken, davon zeugen Just-in-Time-Produktion, flexible Arbeitszeitmodelle und eine zunehmende Simultanisierung von Angebot und Nachfrage, von Produktion und Konsum. Marktakteure folgen damit veränderten Raumlogiken des Kapitals.136 Schon 1994 kommentierte Helbrecht, dass Regulationstheoretiker auch 20 Jahre nach dem Erkennbarwerden derartiger historischer Umbrüche noch nicht überein gekommen sind, wie denn die Phase nach dem Fordismus zu benennen sei. Vierzehn Jahre später, im Jahr 2008, herrscht vielleicht mehr Klarheit über die Vielfalt der Merkmale zur Charakterisierung des neuen Akkumulationsregimes, jedoch hat bis dato noch keines als derart prägnant manifestiert, dass es namenspendende Wirkung für eine Umbenennung des Postfordismus hat erlangen können, ähnlich wie dies in der Initialphase des Fordismus die Strategien des Henry Ford speziell die Popularisierung des Automobilkonsums und die konsumermöglichende Regulierung der Produktionszeiten und des Mindestlohns, taten.137 Es wurde jedoch mittlerweile die Hypothese aufgestellt, dass – wo der Lohn im Fordismus als zentrale Strukturachse galt – es im Postfordismus die Konkurrenz ist.138 Bob Jessop benennt drei derzeitige Widersprüche, die die Suche nach einem stabilen postfordistischen Akkumulationsregime oder Regulationsmodus behindern: erstens, die Trennung 134 Vgl. Helbrecht 1994, 7ff. 135 Die Regulationstheorie basiert auf den Ansätzen der französischen Regulationsschule und wurde mittlerweile vielfach weiterentwickelt, etwa von Jessop (2007). Sie basiert auf einem nicht-linearen, historischen Zugang zum Phänomen der gesellschaftlichen Entwicklung und verortet daher Forschungen mit Stadtbezug in den Sozialwissenschaften. Regulationstheoretiker gehen von einer Instabilität gewisser Tendenzen des Kapitalismus aus, die sie als Akkumulationsregime bezeichnen. Ein solches ist der Fordismus. Da die Regulationsschule auf den Grundsätzen der Marx'schen Kritik an der politischen Ökonomie beruht, setzt sie sich mit Produktionsstrukturen, Lohnverhältnissen und Konsumstilen als Merkmalen des Akkumulationsregimes auseinander, immer aber auch mit der Konflikthaftigkeit der verschiedenen Tendenzen der Kapitalakkumulation, die mittels gesellschaftlicher Regulationsweisen zumindest vorübergehend ausbalanciert werden kann. Regulationsweisen können politische Interventionen, kulturelle Deutungsmuster und soziale Spielregeln sein, ein Beispiel wären etwa wohlfahrtsstaatliche Mechanismen wie Arbeitslosengeld, Krankenversicherung, generell also die mit dem Fordismus assoziierte Politik der Redistribution, oder ganz allgemein betrachtet die soziale Marktwirtschaft im Deutschland der Nachkriegsära. Eine unverrückbare Grundhaltung der Regulationstheoretiker ist es, dass sich Akkumulationsregime und Regulationsweisen weder strukturell von oben herab durchsetzen noch voluntaristisch von unten herauf planen lassen, sondern dass sie als langwieriger historischer Prozess immer Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Kompromisse sind, die jedoch nur über einen gewissen Zeitraum Kontinuierlichkeit sichern können und deswegen als instabil gekennzeichnet werden. Die Regulationstheorie hat seit den 1980er Jahren Bedeutung für die Stadt- und Regionalforschung erlangt. Sie muss sich aber heute weiterhin der Kritik aussetzen, sie betrachte vor allen Dingen Makro- und Mesozusammenhänge und vernachlässige die gesellschaftlichen Mikrostrukturen und damit die Kategorie des Handelns (Häußermann et. al. 2008). Diese Kritik soll hier dadurch entkräftet werden, dass vorrangig mit gegenwärtigen Ansätzen des New Institutionalism gearbeitet wird. Diese betonen ein dialektisches Verhältnis zwischen Struktur und Handlung, das sie durch die Erforschung von Akteuren, Institutionen und Institutionalisierungsprozessen analytisch betrachten. 136 Vgl. Jessop 2007, 259ff. Helbrecht 1994, 16f. 137 Eine ausführliche Beschreibung und Interpretation des Ford'schen Modells und seiner Auswirkungen auf Stadtentwicklung findet sich bei Häußermann et. al. 2008. 138 Petit 1999, bestätigt durch Jessop 2007.
53
zwischen abstrakten Strömen in Räumen (wie etwa dem Cyberspace) und der konkreten lokalen Inwertsetzung (etwa beim Stadtumbau); zweitens, die zunehmend kurzfristige ökonomische Kalkulation (innerhalb von Produktlebenszyklen), die der wachsenden Abhängigkeit der Verwertung von langfristig zu etablierenden außerökonomischen Faktoren (wie etwa Käufersympathien) entgegen steht, und, drittens, das Widerspiegeln grundlegender Konflikte zwischen Produktionsverhältnissen und der Sozialisierung der Produktivkräfte der Informationsgesellschaft. Er konstatiert, dass, egal wie viel Wirtschaftsaktivität in den Cyberspace abwandert, Territorialisierung für das Kapital essenziell bleibt, was nichts anderes bedeutet, als das die Anhäufung von Kapital (Kapitalakkumulation) auch weiterhin konkreter Orte bedarf, an denen sie – wohlgemerkt als komplexerer und multiple Ebenen umspannender Prozess – Wirkungsmacht entfalten kann.139 In dieser Arbeit wird an das Konzept des Postfordismus angeknüpft, weil es Ausdruck einer regulationstheoretischen Perspektive ist, die die Stadtproduktion in den Kontext von Umbrüchen des kapitalistischen Systems, und damit auch in den Kontext von ökonomischen Veränderungsprozessen der Märkte, des Staates, seiner Institutionen sowie der weiteren Ensembles gesellschaftlicher Organisation stellt.140 Es sei erneut betont, dass öffentlichen Räumen zu Zeiten des Fordismus keine übermäßig große Rolle beim ökonomischen Strukturwandel der Stadt beigemessen worden ist. Zu Zeiten postfordistisch geprägter Stadtentwicklung, so die zentrale Hypothese dieser Arbeit, hat sich dieses Verhältnis grundlegend verändert. Denn eine weitere Dimension dieses beschriebenen Umbruchmomentes stellt der Umbau des Staates dar, der oftmals auch als genereller Wandel institutioneller Arrangements erfasst wird. Auch wenn die neoliberale Wende sich in Deutschland nicht in dem Maße abgezeichnet hat, wie in Großbritannien oder den USA141, so halten auch hier neue Organisationsformen und Governance-Modelle Einzug in die Stadtentwicklungspolitik, eine Tatsache, die oftmals am zunehmenden Auftreten von ‘Partnerschaftsmodellen’ zwischen Staat und Markt (Public Private Partnership) seit Beginn der 1980er Jahre festgemacht wird.142 Es geht hier demnach nicht um eine Betrachtung öffentlicher Räume aus Sicht des Städtebaus, der Stadt- oder Freiraumplanung in ihren disziplinenspezifischen Logiken, sondern um ein die bauliche Produktion von Stadt und weitere Kategorien beinhaltendes, erweitertes Verständnis gesellschaftlicher Regulations- und Reproduktionsprozesse mit ihren strukturellen Widersprüchen und strategischen Dilemmata, also um den Zusammenhang zwischen der Organisation von Produktion, Konsum und Stadtentwicklung. In dieser Perspektive spielt der Übergang vom Fordismus zum Postfordismus eine maßgebende begriffliche Rolle, da er sich speziell auf die Umbruchmomente gesellschaftlicher Organisation stützt. Umbruchmomente bergen eine prinzipielle Unbestimmtheit weiterer Entwicklungen sowie ein instabiles Nebeneinander von Alt und Neu.143 Räumliche Dimensionen des Umbruchmomentes werden bisher dahingehend abstrakt zu fassen versucht, dass das fordistische Raummodell durch ein postfordistisches abgelöst oder zumindest überlagert wird.144 Dabei geht es weniger wie im Fordismus um ein funktionsgeleitetes Verständnis vom materiellen Raum, etwa als ‘Verkehrsraum’, als vielmehr um ein komplexes und bisweilen diffuses Raummodell, welches die Gleichzeitigkeit materieller und virtueller sowie gesellschaftlicher und symbolischer Raumdimensionen anerkennt. Es wird weniger von linearen und zweidimensionalen Raummustern als von amorphen und multidimensionalen 139 140 141 142 143 144
54
Jessop 2007, 269. Jessop 2007. Helbrecht 1994. Heinz 1993. Vgl. Häußermann et. al. 2008, 135. Vgl. Helbrecht 1994, 30f.
Raumkategorien ausgegangen. Insbesondere die als immateriell wahrgenommenen Aspekte wie Image, Ereignisse oder Symboliken erscheinen richtungsweisend. Diese sind in ihrer Summe der Ansprache von Emotionen und Rationalitäten – also nicht vorrangig der menschlichen Ratio wie im Fordismus – dienlich.145 Die räumliche Ebene der Stadt gilt damit als ein vorzügliches Untersuchungsfenster, um auf der mikro- und mesoräumlichen Ebene partielle Veränderungen des Akkumulationsregimes empirisch offen zu legen und das, was letztlich mit postfordistischer Raumentwicklung assoziiert wird, qualitativ zu unterfüttern.146 Vielfach ist dies bereits für die Bereiche der Berliner Stadtproduktion geschehen, die im Fordismus klassischerweise den Zyklen der Kapitalakkumulation unterlagen: Wohnungsbau147, Büroflächenbau148, etc. Der Rolle von zentralen öffentlichen Räumen ist jedoch hinsichtlich dieser gesellschaftlichen Veränderungen wenig Beachtung geschenkt worden. Dies mag daran liegen, dass diese im Fordismus nicht derart stark in die Wertschöpfungskette privater und öffentlicher Unternehmen eingebunden waren. Öffentliche Räume und postfordistische Stadtproduktion „Das man danach fragt, wie Städte ‘produziert’ werden, erscheint auf den ersten Blick ungewohnt. Üblicherweise spricht man doch davon, wie Städte ‘sich entwickeln’. (...) Städte und Strukturen [sind] das Ergebnis einer Vielzahl von Entscheidungen (...), und nicht das Ergebnis anonymer Mächte oder schicksalhafter Entwicklungen.“ (Häußermann und Siebel 2004, 117)
Die Herangehensweise, städtische Veränderungsprozesse im Sinne von Stadtproduktion zu erfassen, schwört dem Paradigma ab, Stadt als von Gesellschaft isolierbaren Gegenstand zu deuten. Daher ist jedes Detail, selbst die gestalterische Veränderung einer Klokabine im öffentlichen Raum, im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten. Dadurch aber, dass sich Diskrepanzen aus der Beziehung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert ergeben149, geht die Kritische Politische Ökonomie150 davon aus, dass Stadtentwicklung und somit Raum als Prozess Konfliktpotenzial birgt, dass sich aus den Antagonismen zwischen Marktdynamik, staatlicher Regulierung und stadtgesellschaftlichen Ansprüchen rekrutiert.151 Der Begriff der Stadtproduktion knüpft an den der Raumproduktion Lefebvres an. Was diesen Ansatz für die raumbezogene Stadtforschung interessant macht, ist sein Verständnis der Stadt als Materialität der gesellschaftlichen Praxis, Gesellschaft wird also als Ganzes erfasst, und nicht allein in einer psychoanalytischen Betrachtung des gesellschaftlichen Subjekts, des Individuums, verankert. Freilich geht Lefebvres Konzept über eine reine Kritik der politökonomischen Verhältnisse hinaus, für ihn ist die Stadt eine intermediäre Ebene zwischen den abstrakten, allgemeinen Prozessen und der konkret sinnlichen Ebene der Alltagswelt, sie bildet „den Ausgangspunkt und das Scharnier der gesamten Theorie der Produktion des Raumes“.152 Der äußerst komplexe Begriff der Raumproduktion Lefebvres verknüpft, überlagert und verschränkt drei Kategorien, die Repräsentation des Raumes, die räumliche Praxis und die Räume 145 Hasse 1988, 20. 146 MacLeod 2004. Le Galès 2002, Helbrecht 1994. 147 Welch Guerra 1992. 148 Altrock 2001. 149 In Anlehnung an die Marx´sche Position (1872, 31ff.) geht Lefebvre von den Kategorien Gebrauchswert (Use Value) und Tauschwert (Exchange Value) aus. Diese sind auch für die Perspektiven der städtischen politischen Ökonomie (Urban political Economy) zentral, speziell, wenn es um die Ressource Land geht (Logan and Molotch 2007 (1987)). 150 Kiefer 2005. 151 Häußermann und Siebel 2004. 152 Schmid 2005, 326.
55
der Repräsentation in einer tripolaren Dialektik, die eines mehrerer ontologischer Entwicklungsstadien darstellt.153 Die in diesem Ansatz auch enthaltene Kritik der politischen Ökonomie der Stadt wird hier deswegen als besonders bedeutsam erachtet, weil hier das Erkenntnisinteresse nicht allein an dem Produkt, dem gestaltetem Stadtraum, sondern vielmehr am gesellschaftlichen Produktionsprozess, also gestaltwirksamen Handlungen, und an ihren strukturellen Einflussfaktoren, orientiert ist. Hier wird demnach die stadtgestalterische Ausprägung zentraler öffentlicher Räume nur als ein Teilausschnitt einer Betrachtung gesamtgesellschaftlicher Prozesse eruiert werden, in der nach der Produktion des Raumes aus einer Perspektive gefragt wird, die zunächst nach Veränderungen des Zusammenwirkens verschiedener gesellschaftlicher Segmente (Staat und Markt), ihrer Institutionen und schließlich ihrer Akteure fragt. Akteure der gegenwärtigen Gestaltung öffentlicher Räume Die Ausdifferenzierung individueller Nutzungsmuster und städtebaulicher Gestaltungsinterventionen im Hinblick auf zentrale öffentliche Räume wird durch eine kaum mehr überschaubare Bandbreite an involvierten Akteuren flankiert, von ihren Interessen gelenkt und ihren Strategien bestimmt. Wie an der Veränderung städtebaulicher Paradigmen hinsichtlich zentraler öffentlicher Räume in Berlin dargestellt wurde, umfassen Maßnahmen der Stadterneuerung gemeinhin ganz unterschiedliche Bereiche baulicher Infrastruktur wie den Wohnungsbau, den Straßenbau, den Bau von Sportanlagen oder die Versorgung der Stadt mit kommerziellen Einrichtungen oder Büroflächen. Je nach politischem Klima und äußeren Rahmenbedingungen erobern diese Themen die stadtentwicklungspolitischen Agenden der Städte in unregelmäßigen, jedoch zyklischen Abläufen, und zumeist beruht es – wie zuvor dargestellt – auf einem multikausalen Faktorenbündel und dem opportunsten politischen Moment, warum einem dieser Themen stadtentwicklungspolitischer Vorrang gegenüber anderen eingeräumt wird. Auch die Produktion städtischer Straßen, Plätze und Parks kann als wichtige Facette der Stadterneuerung verstanden werden. Hier spiegelt sich im Gegensatz zu anderen Handlungsbereichen der Stadtentwicklungspolitik auch das institutionalisierte Verhältnis zwischen Staat und Bürgern – oder Stadt und Bewohnern sowie Besuchern – wieder, denn einerseits befinden sich diese – im Gegensatz zu großen Teilen der immobilienmarktbezogenen stadtentwicklungspolitischen Handlungsfelder – zu einem Großteil im Besitz der Kommunen, oder sie sind als private Flächen öffentlich gewidmet. Letztendlich obliegt also zunächst den demokratisch legitimierten Instanzen die durchschlagende Regulierungsmacht, Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Akteuren in öffentlich gewidmeten Freiräumen abzuwägen, zu kontrollieren und zu steuern. Mit dem veränderten Rollenverständnis staatlicher Akteure im Spannungsfeld des institutionellen Wandels jedoch ist auch diese zentrale Rolle der Regulierung nicht mehr die einzige, die der Staat im Hinblick auf die Produktion zentraler öffentlicher Räume einzunehmen scheint.154 Und vielleicht – so müssen wir uns eingestehen – war es nie diese einzige idealisierte Rolle, die staatliche Vertreter der Politik und der Planung inne hatten. Hier hilft vielleicht eine Klarstellung von Bahrdt, der betont, dass öffentliche Institutionen (im juristischen Sinne) 153 Musil 2005, 323. Schmid 2005, 190. Der Begriff der Repräsentation des Raumes wird dem Espace conçu, Conceived Space und konzipiertem Raum zugeordnet, ähnlich wie der Begriff der räumlichen Praxis dem Espace perçu, Perceived Space, wahrgenommenem Raum zugeordnet wird. Schließlich wird der Begriff der Räume der Repräsentation im Kontext des Espace vécu, Lived Space, erlebtem Raum verwendet. Eine ausführliche deutschsprachige Auseinandersetzung mit der komplexen Raumtheorie Lefebvres und dem Ansatz der Produktion des Raumes findet sich bei Schmid 2005, 191ff und 226f. 154 Öffentliche oder staatliche Akteure agieren auf verschiedenen Ebenen von Staatlichkeit, vgl. Brenner 2004.
56
immer nur mehr oder weniger öffentlich im soziologischen Sinne sind, und zwar dann, wenn beispielsweise bei städtebaulichen Entscheidungen allen ein Einblick in die Tätigkeit der staatlichen Repräsentanten gewährt wird, was theoretisch in einem demokratischen Staat der Fall sein sollte, jedoch in der Praxis faktisch oftmals keine Entsprechung fände.155 Durch Prozesse der Ausdifferenzierung raumrelevanter Akteursstrukturen zeichnen sich seit etwa drei Dekaden grundlegende Veränderungen ab, die diese ambivalente Rolle des Staates bei der Produktion öffentlicher Räume erneut sichtbar werden lassen. Infolge soll eine dreiteilige Unterscheidung zwischen öffentlichen Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen des politisch-administrativen Systems, zwischen Akteuren der Märkte, die auch als privatwirtschaftliche Akteure bezeichnet werden, und zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft, erfolgen. Diese Trennung ist erneut analytisch-abstrakter Natur, einzelne Personen oder Gruppierungen können daher im Verlauf von Stadtentwicklungsprozessen durchaus auch intermediäre oder multiple Akteursrollen einnehmen, und das nicht allein in zeitlicher Abfolge, sondern möglicherweise auch gleichzeitig.156 Nachfolgend wird ein Überblick über die derzeit an der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin beteiligten Akteure und hinsichtlich ihrer Aufgaben gegeben: 1. Wenn es um die stadtwissenschaftliche Untersuchung von Akteursstrukturen in multidimensionalen öffentlichen Räumen geht, dann wird als erstes der Begriff der zivilgesellschaftlichen Akteure bemüht. Dieser stiftet gleichsam Verwirrung, denn meint Zivilgesellschaft nicht eigentlich eine vielmehr sozialphilosophisch-normativ ausgerichtete Kategorie, die sich in Antithese zum Staat in emanzipatorischer Manier formiert?157 Diese Diskrepanz zwischen beiden Begriffen tut sich besonders im Deutschen auf, weil für den soziologisch-analytischen Begriff der Civil Society zwei Übersetzungsmodalitäten bestehen: Zivilgesellschaft und Bürgergesellschaft, von denen die erstere als Antithese zum Staat, die letztere als weitere gesellschaftliche Sphäre neben Staat und Markt verstanden wird, die in vielfältiger Weise mit den anderen Sphären interagiert. Nachfolgend wird letzterer Bedeutung Vorrang eingeräumt: Wird Zivilgesellschaft verwendet, dann als Synonym für Bürgergesellschaft in analytisch-deskriptiver Manier. Denn mittlerweile haben sich in der deutschen Stadtforschung beide Verwendungsweisen verfestigt, erstere mit normativem Charakter wie beschrieben und zweite als von der früheren normativen Prägung des Begriffs abweichendes Verständnis der Zivilgesellschaft als gesellschaftlichem Segment neben Staat und Markt. Im Sinne des letzteren Verständnisses, das Relevanz erhält, wenn man Governance-Modelle als Analyseschema anwendet, sollen hiermit die deskriptiv-analytischen Qualitäten des Konzeptes betont werden, wohingegen der normative Begriff als politisch konstituierte Zivilgesellschaft (ähnlich wie der normative Begriff der (politisch verfassten) öffentlichen Sphäre) in der Analyse nicht zur Anwendung kommen soll. Im normativen Verständnis geht es um Individuen und Gruppen in der Sphäre gesellschaftlicher Selbstorganisation zwischen Staat, Ökonomie und Privatheit, in der speziell freiwilliges Engagement mit der Hoffnung auf eine größere Mündigkeit der Bürger, auf Inklusion von Randgruppen, auf eine Entlastung und Kontrolle des Staates, auf eine gesellschaftliche Einbindung der sich leicht verselbständigen Marktwirtschaft sowie auf eine breite Mobilisierung im Sinne des kollektiven 155 Vgl. Bahrdt 2006 (1961), 95f. 156 Für ein komplexes Verstehen von Akteuren siehe Scharpf 2000, 101ff. 157 Für verschiedene Definitionen des Begriffs 'Zivilgesellschaft' in der Geschichte siehe Swyngedouw (2005, 1996), der den Wandel der sozialphilosophischen Auffassungen von Zivilgesellschaft über Hegel, Marx, de Toqueville bis hin zu Gramsci diskutiert. Swyngedouw hält auch fest, dass die Grenzen zwischen den drei Instanzen Staat, Markt und Zivilgesellschaft relativ sind, und im zeitlichen sowie im örtlichen Vergleich immens variieren können. Die drei Sphären sind immer intrinsisch verstrickt, da auch das Handeln zivilgesellschaftlicher Akteure von dem der staatlichen Akteure (Zugang zu und Kontrolle über den Staatsapparat) und der marktlichen Akteure (Zugang zu und Kontrolle über Ressourcen der Kapitalakkumulation) beeinflusst wird, sowie selbst beeinflussend auf dieselben wirkt.
57
Strebens nach dem Gemeinwohl verbunden ist.158 Bei der deskriptiven Erfassung geht es nicht um diese intermediäre Sphäre, die sich selbst politisch organisiert, sondern zunächst einfach nur um eine Analysedimension, nach Bihlers Worten „die Privatheit“, in der alle organisierten sowie nicht organisierten Gruppen, die nicht dem Staat und nicht dem Markt zuzuordnen sind, enthalten sind.159 In diesem Sinne meint der deskriptive Begriff von Zivilgesellschaft den zuerst genannten Übersetzungsbegriff der Bürgergesellschaft. Jedoch verlangt auch dieser Ausdruck hinsichtlich der zu benennenden Akteure Klarheit. Denn der Begriff Bürger ist ebenfalls Konflikt behaftet: Ein solches Konzept ist in der Betrachtung städtischer öffentlicher Räume ebenfalls problematisch, da in der städtischen Realität nicht allein Menschen öffentliche Räume konstituieren, denen das Rechtsprädikat des Bürgers – etwa der Stadt, des Staates oder der Europäischen Union – beigemessen werden kann. Auch mit dem Begriff Nutzer ergeben sich dann Probleme, wenn man sich relationalen Raumkonzepten verschrieben hat, und demnach keine Existenz eines a-priori Raumes mit Behälterfunktion für soziale Nutzungen billigt. Einem relationalen Raumverständnis folgend konstituiert jegliche Art von Nutzung Raumstrukturen, die sich baulich-räumlich manifestieren, es wird also nicht von einer passiven Benutzung eines vorgegebenen Raumes ausgegangen, sondern von einem kontinuierlichen Prozess raumkonstituierender sozialer Handlungen. Wird also der Begriff Nutzung verwendet, dann im Sinne einer raumkonstituierenden Handlung. Die Schärfung der Perspektive auf zivilgesellschaftliche Akteure reflektiert sich im Dreiklang aus Bürgern, Bewohnern und Besuchern. Aufgrund der gewählten Perspektive, speziell das Handeln der Akteure und Institutionen des Staates und der Märkte zu beleuchten und aufgrund der vielfältigen Studien zum Handeln von bürgergesellschaftlichen Akteuren in öffentlichen Räumen,160 hält sich diese Arbeit an dieser Stelle bewusst zurück, wird an anderer Stelle jedoch erneut auf das Verhältnis von Mark- und Staatsakteuren zu zivilgesellschaftlichen Akteuren bei der gegenwärtigen Produktion öffentlicher Räume zurückkommen. 2. Den staatlichen Akteuren kommt bei der Produktion öffentlicher Räume traditionell eine besondere Rolle zu, vor allem, wenn es darum geht, öffentliche Freiflächen in kommunalem Besitz zu entwickeln. Oftmals aber sind die Eigentumsverhältnisse diffus, so dass die öffentliche Hand auch als Koordinator zwischen verschiedenen Eigentümern fungiert, wenn es um die gemeinschaftliche Entwicklung eines städtischen Freiraums geht. Dabei befasst sich die Stadtentwicklungspolitik zunächst mit der politischen Ausformulierung des symbolischen Leitgedankens. Politiker haben die Bedeutung öffentlicher Räume als Handlungssphäre für repräsentative Politiken wieder entdeckt, und für städtebauliche Interventionen als Akte der politischen Selbstbeschreibung reanimiert.161 Durch Investitionen in öffentlichen Räumen sollen schließlich Impulse gegeben werden, um private Folgeinvestitionen zu stimulieren.162 In Zeiten knapper kommunaler Kassen gelten städtische Freiräume außerdem als politische Agenden ersatzweise füllende Populärthemen, die aufgrund ihrer guten Wahrnehmbarkeit von breiten Schichten der Gesellschaft registriert werden und sich somit vorzüglich eignen, die politische Aufmerksamkeit weg von anderen, dringlichen Fragestellungen der Stadtentwicklungspolitik zu lenken.163 Auffällig ist, dass öffentliche Räume in verschiedensten Ressorts intensiv, jedoch nur fragmentiert Ressort übergreifend diskutiert werden, wobei zu beobachten ist, dass sie zwar weiterhin die Agenden von Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Bauausschüssen prägen, immer stärker aber auch die Tagesordnungen der Ausschüsse für Kultur, Wirt158 159 160 161 162 163
58
Vgl. Bihler 2004, 29. Ibid. Huning 2006, Bihler 2004. Welch Guerra 1999. Barz-Malfatti und Welch Guerra 2005, Durth 1977. Durth 1977.
schaft und Rechtsangelegenheiten, eine Entwicklung, die als genereller Trends der Stadtentwicklung interpretiert werden kann. Das Handeln der Experten der öffentlichen Planung wird maßgeblich durch die jeweiligen stadtpolitischen Weichenstellungen bestimmt. Die Fachingenieure setzen sich mit Fragen der Stadt- und Freiraumplanung, des Städtebaus, und in zunehmendem Maße der Regulierung und der Bewirtschaftung öffentlicher Räume auseinander. Planungsaktivitäten werden jedoch von den Ämtern aufgrund der in den vergangenen Dekaden stark zurückgefahrenen Arbeitskapazitäten und des fehlenden speziellen Know-hows der Tiefbau-, Umwelt- und Grünflächenämter oftmals an Landschaftsarchitekturbüros vergeben, und durch Landschaftsbaubetriebe realisiert.164 Den städtischen Ämtern bleibt dann in der Regel noch die Organisation der Pflege von bewachsenen und steinernen Freiflächen, die jedoch ebenfalls in zunehmendem Maße privatisiert wird. Staatliche Akteure sind auch dafür zuständig, die Maschinerie der vielfältigen Förderinstrumente in Gang zu halten. Die Frage, ob die Gelder für die Herrichtung von Platzflächen und auch die Finanzierung der öffentlichen Planungsleistung sowie partizipativer Maßnahmen aus den drastisch beschnittenen Bezirksbudgets oder aber direkt aus dem Landeshaushalt finanziert werden kann, hängt oftmals vom Besitzstatus der Freifläche ab. Öffentlich gewidmetes Straßenland gehört hier je nach Status der Straße dem Land (viele übergeordnete Straßen) oder aber den Bezirken (weniger wichtige Straßen). So war etwa für den Umbau des Breitscheidplatzes das Land Berlin federführend zuständig, und das Bezirksamt wurde mit Teilaufgaben der Implementierungskoordination betraut. Die für Stadtstaaten klassische Zweiteilung administrativer Zuständigkeiten ist im Falle Berlins aufgrund des Hauptstadtstatus in zweifacher Hinsicht um die Bundesebene zu ergänzen: Hier wie in anderen Städten können Mittel der Förderinstrumente des Bundes (z. B. Programm städtebaulicher Denkmalschutz) angefragt werden, jedoch ist der Bund auch gleichzeitig Anrainer vieler öffentlicher Freiflächen (z. B. Plätze und Parks im Spreebogen, Invalidenpark), so dass in einigen Fällen die Senatsverwaltung im Auftrag des Bundes handelt, wenn es etwa um die Entwicklung politisch repräsentativer Freiflächen geht. Mit zunehmendem Bedeutungsgewinn der Europäischen Union ist das benannte Spektrum der Förderinstrumente schließlich noch um die Ebene der EU-Förderinstrumente (z.B. EFRE-Strukturfonds) zu erweitern, letztere kamen etwa beim Umbau des Monbijouparks zum Tragen.165 Der Einfluss der EU auf die lokale Planung und Entwicklung zentraler öffentlicher Räume ist vor allem im Bereich der Förder- und der Rechtsinstrumente zu sehen, in manchen Fällen tangiert er auch Belange des Denkmalschutzes. Mit der Diversifizierung der Förderinstrumente entsteht gleichermaßen erhöhter Verwaltungsaufwand, und eine diffusere Rechtslage, mit der sich vorrangig die spärlich mit Personal ausgestatteten Bezirksämter, manchmal auch die Senatsressorts konfrontiert sehen. Auch hier werden daher Aufgaben der Koordination von Baumaßnahmen immer öfter an private oder halbstädtische Unternehmen wie etwa die Grün Berlin Park und Garten GmbH abgegeben, oder es sind aber Akteure des dritten, intermediären Sektors und der Privatwirtschaft, die die Akquisition externer Fördergelder eigenständig vorantreiben. So geschehen etwa beim Projekt Wrietzener Bahnhof, welches als Modellvorhaben im Programm 164 Siehe zum geplanten Stellenabbau im Land Berlin bis 2009: „Grünunterhaltung ca. 1.665 von 3.038 Stellen (...ca. 58,3 Mio. €), Hochbau ca. 117 von 545 Stellen (...ca. 4,7 Mio. €), Tiefbau ca. 88 von 190 Stellen (...ca. 3,5 Mio. €), Grünbau ca. 26 von 60 Stellen (... ca. 1 Mio. €).” Vgl. Strukturreformen und Verwaltungsmodernisierung im öffentlichen Sektor des Landes Berlin. Bilanz 2001 bis 2006. S.14. URL: http://www.berlin.de/imperia/md/content/ verwaltungsmodernisierung/publikationen/politische_bilanz_verwaltungsmodernisierung.pdf (letzter Zugriff am 28.05.08). 165 Es verbleibt eine weitere Blindstelle der Stadtforschung, inwieweit sich die Schwerpunktsetzung durch den Beschluss der Lissabon-Agenda vom März 2007 zugunsten oder zuungunsten von Stadtentwicklungsmaßnahmen hinsichtlich öffentlicher Räume verschoben hat.
59
Experimenteller Wohnungs- und Städtebau in der Kategorie ‘Gestaltung urbaner Freiräume – Öffentlicher Raum für alle Generationen’ durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert wird. Hier erarbeitete ein Architektenteam an der Schnittstelle zwischen Privatwirtschaft und drittem Sektor den Projektantrag für das sogenannte Wrietzener Freiraumlabor, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg fungiert als offizieller Antragsteller und für das BMVBS koordiniert das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) die Fördermittelvergabe. Die Diversifizierung der Förderebenen, -instrumente und Ressourcenbeschaffungswege bringt also ständig eine neue Fülle an Akteuren und möglichen Konstellationen hervor, die jedoch oftmals punktuell und projektbezogen in immer neuen Netzen Prozesse der (formalen) Stadtentwicklung vorantreiben. Systematische strukturelle Vernetzungen, die stadtweit agieren, gibt es hier vereinzelt zwischen wenigen Akteuren und oftmals beziehen diese sich auf öffentlich gewidmete Grünflächen, weniger auf Straßenland. Auch kam es in den vergangenen Jahren verstärkt zu Kürzungen von Förderprogrammen, wie folgendes Zitat veranschaulicht: „[Es] sind drastische Kürzungen auch bei den Förderprogrammen beabsichtigt, (...). Das halten wir nicht nur für das politisch völlig falsche Signal, sondern sehen damit auch negative Folgewirkungen verbunden, die sich insbesondere bei den kommunalen Einrichtungen und dem öffentlichen Raum zeigen werden. Dies sind aber insbesondere die Bereiche, die in den Sanierungsgebieten noch vordringlich zu verbessern sind. (...) Mit Fortschreiten der Sanierung von privaten und kommunalen Hochbauten wurde in den letzten Jahren das Augenmerk auch verstärkt auf die Instandsetzung und Wiederbelebung von öffentlichen Freiräumen gerichtet. (...) Ohne die Bundesmittel des Programms Städtebaulicher Denkmalschutz und die entsprechende Bereitstellung der Komplementärmittel des Landes Berlin sind die genannten Vorhaben absehbar nicht durchzuführen. Die beginnende Qualifizierung der Freiräume würde jäh gestoppt und zur Verfügung stehende Bundesmittel würden für dringend erforderliche Maßnahmen im Bezirk nicht genutzt werden können.“ (Schreiben des Bezirksamtes Mitte von Berlin (neu) an den Stadtentwicklungssenator Strieder, 2002166)
Neben der mit dem Zitat angesprochenen zunehmend prekären Finanzausstattung der Bezirke für öffentliche Grün- und Freiflächen findet eine ‘personelle Abschmelzung’ in den Umwelt-, Grünflächen-, Straßen- und Hochbauämtern statt, deren Aufgabe je nach Zuständigkeit darin gelegen hatte, öffentliche Räume zu entwickeln, zu erweitern, zu erhalten, oder ihre Nutzung zu regulieren. Immer stärker auch sind in den Planungsämtern Rechts- und Wirtschaftsexperten gefragt, technisches Know-how wird in zunehmendem Maße außerhalb der Behörden rekrutiert. Auch ist anzumerken, dass der sich hier darstellende Prozesscharakter der Entwicklung öffentlicher Freiräume in der Praxis vehement durch funktionale Zuständigkeitszuweisungen und Ressortegoismen zeitlich fragmentiert wird, so dass etwa für die Erteilung von Sondernutzungen öffentlichen Straßenlands die Hochbauämter, für die Freiflächenpflege die Grünflächen- und Umweltämter und für die Planung und Herrichtung die Tiefbauämter zuständig sind. Eine holistische oder postdisziplinäre Betrachtung des Entwicklungsprozesses öffentlicher Räume außerhalb dieses Systems modernistisch organisierter Funktionsressorts wird so nahezu verunmöglicht. Ein weiteres für die Regulierungspraxis öffentlicher Räume unabkömmliches Thema sind die Sondernutzungen öffentlichen Straßenlands, die durch das Berliner Straßengesetz geregelt sind. Per Sondernutzungserlaubnis werden die Ansprüche verschiedener Akteure an städtische öffentliche Räume geregelt. Die Genehmigungspraxis soll dazu dienen, individuelle Interessen mit dem öffentlichen Interesse im Sinne einer Gemeinwohlorientierung abzustimmen. Doch Sondernutzungen sind nicht allein ein Regulierungsinstrument politischer Natur, sie sind darüber hinaus auch ein Finanzinstrument politökonomischer Natur. Über Gebühren (vormals auch Entgelte) wird den Bezirken eine nicht unwichtige Einnahmequelle ermöglicht, deren Bedeutung in Zeiten fiskalischer Krisen erneut entdeckt
166 DS II/3030 der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 25.05.02.
60
worden ist.167 Erneut entdeckt heißt, dass öffentliche Freiräume beispielsweise in der Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls als Vehikel der Ressourcenbeschaffung dienten.168 Die wichtigsten Nachfrager nach Sondernutzungserlaubnissen sind gegenwärtig gemeinhin Betreiber von Imbissbuden und Schankvorgärten, Veranstalter und Eventagenturen. Und Firmen der Außenwerbung. In den zentral gelegenen Bezirken, allen voran dem Bezirk von Mitte (alt), kam es nach Wiedervereinigung des Staates und der Stadt zu einer Welle an Anträgen für diverse Nutzungen, so gingen etwa 1991 um die tausend Anträge auf Sondernutzungsgenehmigungen ein. Um der Vielfalt der angetragenen Begehrlichkeiten gerecht zu werden, und um Kriterien für ihre Beurteilung zu etablieren, setzte man sich mit möglichen Leitlinien auseinander. Zunächst entstand ein Negativkatalog, der sich jedoch nur kurze Zeit behaupten konnte. Schon 1993 stellt die BVV Mitte (alt) den Antrag, die Problematik erneut aufzugreifen, was im Ergebnis zur Umwandlung eines Negativ- in einen Positivkatalog erst im Jahr 1995 führte.169 Dieser wurde bereits 1999 erneut modifiziert.170 Immer wieder auch kommt es bezüglich der Genehmigungspraxis für Sondernutzungen zu Differenzen zwischen den Bezirken und der Senatsverwaltung, etwa bei der Organisation der Fashion Week am Brandenburger Tor im Jahr 2007.171 Dies mündet schließlich, wie aus der neuen Koalitionsvereinbarung der SPD und der PDS sichtbar wird, in folgendem landespolitischen Statement: „Ein zentraler Bereich Berlins zwischen Siegessäule und Alexanderplatz einschließlich der zentralen Plätze (z. B. Pariser Platz, Bebelplatz, Gendarmenmarkt) und der Plätze rund um den Hauptbahnhof sind [!] von besonderer Bedeutung für die Hauptstadtfunktion sowie für die nationale und internationale Präsentation der Stadt. Aus diesem Grund wird der Senat künftig die Zuständigkeit für Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen bei Sondernutzungen von gesamtstädtischer Bedeutung (dazu gehören große Veranstaltungen, Volksfeste, bedeutende Märkte und vom Senat als besonders bedeutend bewertete Veranstaltungen) übernehmen. Damit soll eine den Anforderungen der Hauptstadt entsprechende Nutzung des öffentlichen Straßenlandes sowie eine einheitliche Handhabung sichergestellt werden. Das AZG und das ASOG sind entsprechend zu novellieren.“ (Auszug aus der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Linkspartei. PDS 2006 – 2011, 79172)
Die rot-rote Koalition beabsichtigt seit 2006, die Zuständigkeiten für die Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen für Veranstaltungen zu zentralisieren, indem die Aufgaben der Regulierung im Senatsressort für Verkehrslenkung angesiedelt werden sollen.173 Es kommt zu einer heftigen Protestwelle seitens der Bezirke, denn über die Sondernutzungen von öffentlichem Straßenland werden nicht zuletzt wichtige Einnahmen für die ohnehin schon stark belasteten Bezirksapparate generiert,174 die sich im übrigen auch mit den Auswirkungen der Festivalisierung öffentlicher Räume wie etwa den Zerstörungsszenarios am Vegetationsbestand und zurückbleibenden auf Entsorgung harrenden Müllbergen auseinander zu setzen haben. Dieser konfliktbehaftete Prozess mündet im Jahr 2008 in der Ankündigung der Senatsverwaltung, den Entwurf eines Gesetzes zur Verlagerung der Zuständigkeit für die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis von Veranstaltungen in zentralen Bereichen auf den Weg bringen zu wollen. Denn: „Die Hauptstadt Berlin [ist] (...) nicht nur politisches, gesellschaftliches und kulturelles Zentrum Deutschlands, sondern auch symbolischer Kristallisationspunkt der Republik. Die Bauwerke, Plätze und Straßen, die international mit Deutschland assoziiert werden, befinden sich zum ganz überwiegenden Teil in Berlin. Die Symbolkraft von Bildern aus Berlin wächst deshalb stetig. Berlin 167 DS 118/96 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 09.05.96. 168 Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr 1998a, 19ff. 169 DS 1167/95 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 08.06.95. Aktenbestand D-Rep. 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 39, Landesarchiv Berlin. 170 DS 1357/99 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 08.07.99. 171 Interview B.13.d vom 31.05.07 und Interview B.14.d vom 04.07.07. 172 DS 0057/III der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 24.05.07. 173 Die Welt vom 26.05.07. 174 Interview B.14.d vom 04.07.07, siehe auch DS 0057/II der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 21.12.06.
61
ist eine tolle Metropole und Veranstalter zeigen sich gern vor dem Brandenburger Tor, der Siegessäule oder auf dem Bebelplatz. Die Bilder von diesen Plätzen und Straßen gehen um die Welt. Unsere attraktive Innenstadt ist die Plattform für Feste und Events aller Art, die auch ganz direkte wirtschaftliche Vorteile für die Stadt bringen. Wir wollen deshalb für Veranstalter die Genehmigungsverfahren vereinfachen. Sie werden zukünftig alle notwendigen Genehmigungen von einer Verwaltung erhalten. Berlin bietet damit einen zeitgemäßen Service aus einer Hand.“ (Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer 2007175)
Eine weitere Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ist es, Konzessionen für die Nutzung öffentlichen Straßenlands zu vergeben, die manchmal Sondernutzungserlaubnisse für einen längeren Zeitraum beinhaltet. Konzessionen sind mitunter die ältesten Formen der Bewirtschaftung städtischer Straßen und Plätze176, bereits im alten Rom bauten Private die Via Appia und nahmen von den Nutzern der Straße hierfür einen Obolus entgegen.177 Auch heute noch ist die Konzession eine gängige Rechtsform für eine Teilprivatisierung, bei der der Staat das Kontrollmonopol aus strategischen Gründen wie etwa für die Leitungsversorgung einer Stadt durch die Energieunternehmen nicht ganz aus den Händen geben, jedoch das Risiko für den Bau oder die Leistungserbringung an die Privatwirtschaft abgeben will. So beinhalten Konzessionen die Übertragung von Nutzungsrechten an einem öffentlichen Gut oder aber einer staatlichen oder kommunalen Aufgabe an Personen des privaten Rechts. Der Konzessionär hat für die Bereitstellung einer Konzession eine Konzessionsabgabe zu zahlen, im Gegenzug erhält er in der Regel das Recht, Entgelte wie etwa für das Benutzen öffentlicher Bedürfnisanstalten einzunehmen. Somit gehören das Konzessionieren und das Überwachen von Konzessionsvereinbarungen ebenfalls zum Aufgabenspektrum der öffentlichen Ämter. Einer der bekanntesten Konzessionäre war der Berliner Entrepreneur Ernst Litfaß, der im 19. Jahrhundert als deutscher Pionier der Reklame im öffentlichen Raum galt.178 „Litfass’ Bedingung für seine Bereitstellung eines kontrollierbaren Säulenanschlags bestand (...) in der alleinigen Konzession für die ‚Errichtung einer Anzahl von Anschlagsäulen auf fiskalischem Straßenterrain zwecks unentgeltlicher Aufnahme der Plakate öffentlicher Behörden und gewerbsmäßiger Veröffentlichung von Privatanzeigen, (...).“ (Damm und Siebenhaar 2005, 93)
Das Zustandekommen dieser Konzession im Stile eines heutigen Public Private Partnership war jedoch an weitere Konditionen gebunden, Litfaß verpflichtete sich etwa, nicht nur 100 Säulen aufzustellen, sondern auch gut vier Dutzend Brunnenanlagen und Pissoirs mit Holz zu verkleiden und für den Plakatanschlag zu nutzen. Auch bis heute haben sich Konzessionen in verschiedenen Bereichen städtischer Versorgung durchgesetzt, dass betrifft neben der Außenwerbung ebenfalls die Transportmittel wie Busse und Taxen sowie die Leitungsversorgung mit Gas, Wasser und Strom.179 Für die jüngere Stadtentwicklung kann festgestellt werden, dass die Sondernutzungs- und Konzessionierungspraxis in öffentlichen Räumen Berlins seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung starke Ausdifferenzierungen erfahren hat, was einerseits mit dem historischen Umschwung von einer teilweise staatssozialistisch zu einer marktwirtschaftlich regulierten Bewirtschaftung von Stadtraum, andererseits mit dem neuen Interesse verschiedenster Akteure an einer Repräsentation in städtischen öffentlichen Räumen von besonderer – im Falle Berlins noch nicht symbolisch definierter – Bedeutung erklärt werden kann. Die Umbrüche in Berlin bieten also für verschiedenste Akteure Aneignungspotenziale hinsichtlich öffentlicher Räume, die in anderen Großstädten – etwa in denen Westdeutschlands – viel stärker in einem Korsett traditioneller Regulierungspraktiken eingezwängt erscheinen. 175 Pressemeldung des Landes Berlin vom 19.06.2007. URL: http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2007/ 06/19/80115/ (letzter Zugriff am 03.06.08). 176 Synonyme: Zugeständnis, Lizenz, Genehmigung. 177 Interview D.12.d vom 23.03.07. 178 Damm und Siebenhaar 2005. 179 Ibid. 2005.
62
Schließlich bewirkt auch der bereits beschriebene sozialräumliche Wandel öffentlicher Räume, dass sich Regulierungspraktiken und somit rahmengebende Faktoren der Stadtentwicklung einem Anpassungsdruck ausgesetzt sehen, so dass die quantitative Zunahme der Sondernutzungsanträge und die qualitative Ausdifferenzierung des Spektrums der Sondernutzungsarten multikausal verstanden werden muss. Obwohl man solche Entwicklungstendenzen auch in anderen Großstädten erkennen kann, dienen die zentralen öffentlichen Räume Berlins aufgrund der speziellen symbolischen Brüche und Wendungen und aufgrund ihrer intensiven Frequentierung über das normale Maß hinaus als Versuchsfeld verschiedenster Akteure mit unterschiedlichsten Intentionen, Strategien und Zielsetzungen. Auch die Verwaltungsreform, die im westlichen Teil bereits seit den 1980er Jahren initiiert worden war und ab 1994 im vereinten Berlin an Schlagkraft gewann, eröffnete prozedurale Freiräume für neuartige Formen gesellschaftlichen Handels wie schließlich die mit dem administrativen Zusammenwachsen der beiden Stadthälften im Zuge der Gebietsreform generierte Dynamik. Es etablierten sich Nischenpotenziale sowohl für spontane, punktuelle als auch für systematische, strukturelle Interaktionen zwischen Staat, Märkten und Zivilgesellschaft. Die Existenz von City AGs wie der Interessenvereinigung in der City West, die Einrichtung von Business Improvement Districts (BID)180 sowie die durch städtebauliche Verträge flankierte Etablierung projektbezogener öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP)181 wie bei der städtebaulichen Entwicklung des Alexanderplatzes zeugen davon, dass diese prozeduralen Freiräume bereits vielfältig in Anspruch genommen worden sind. Oftmals sind es Akteure des Marktes und des Staates, die Koalitionen eingehen, mittels derer ebenfalls Freiräume im kommunalen Besitz entwickelt werden. 3. Das Interesse privatwirtschaftlicher Akteure an Interventionen in öffentlichen Räumen manifestiert sich ebenfalls ganz unterschiedlich. Zunächst auf einer ganz lokalen Ebene, denn Gastronomen und Veranstalter sind es, die öffentliche Räume für ihre eigenen privatwirtschaftlichen Aktivitäten, die allerdings zumeist an gewisse Teilöffentlichkeiten gerichtet sind, beanspruchen. Jedoch wurde in den letzten Jahren verstärkt darauf hingewiesen, dass lokale öffentliche Räume in Einzelfällen auch durch globale Konzerne ins Visier genommen werden. Von Borries spricht in diesem Kontext von der „Aktivierung des urbanen Raumes“, die er am Beispiel der Marketingstrategien des Global Players Nike nachweist.182 Demnach findet die Privatwirtschaft zunehmend strategisches Interesse daran, den öffentlichen Raum etwa als Ort situativer, und lebensstilorientierter Marketingmaßnahmen temporär und zielgruppenorientiert zu nutzen. Auch Roost hat – am Beispiel US-amerikanischer Städte – eingehend auf den Einfluss globaler Konzerne in öffentlichen Räumen hingewiesen.183 Jedoch beziehen sich diese Beispiele immer auf die Brandingstrategien ausgewählter Konzerne, die ihre Produkte, Leistungen und ihr Markenimage in bestimmten öffentlichen Räumen zur Schau stellen, diese quasi für ihre Zwecke medienwirksam belegen. Eine weitere Arbeit, die jüngst publiziert worden ist, setzt sich mit der quantitativen und qualitativen Zunahme von Fassadenwerbungen aus der Sicht der Stadtplanung, also mit Interventionen der Werbewirtschaft184 in deutschen Stadträumen, speziell in Frankfurt, München und Berlin, auseinander.185 Jedoch gehen weder die Erforscher der Marketingstrategien von multinational agierenden Konzernen der Frage nach, welche 180 Diese wurden in Deutschland zuerst in Hamburg initiiert. 181 Synonym: Public Private Partnerships (PPP). 182 Borries 2004a und 2004b. 183 Roost 2000. 184 Mit 'Werbewirtschaft' sind nach Siegert (2001b, 119) alle Unternehmen, Institutionen und Organisationen gemeint, die Werbung für sich, ihre Angebote und/oder ihre Leistungen in Medien schalten wollen sowie die zwischengeschalteten Media- und Werbeagenturen. 185 Lehmann 2008.
63
Akteure den Weg der Beschaffung von Werbestandorten auf öffentlichem Straßenland selbst ebnen, noch geht der an Aspekten der Werbewirtschaft interessierte Beitrag darauf ein, wie diese Firmen der Werbewirtschaft selbst den öffentlichen Stadtraum als marktwirtschaftliche Handlungssphäre einerseits und zu Zwecken der eigenen Kommunikationspolitik andererseits in Anspruch nehmen. Auf der einen Seite wird also der fallstudienbezogene Blick auf ausgewählte Strategien von Sportartikelherstellern und Konzernen der Erlebnisindustrie gewagt, auf der anderen die städteübergreifende Betrachtung der Zunahme von Großflächenwerbung in Deutschland. Dazwischen jedoch scheint ein sehr komplexer Interventionsbereich zu liegen, auf den die akademische Debatte – im Gegensatz zur erhitzten Debatte in den Stadtverwaltungen – noch nicht hinreichend aufmerksam geworden ist.186 Lediglich vereinzelt finden sich Hinweise auf Großinvestoren, die „überhaupt erst in der Lage zu sein [scheinen], (...) die Gestaltung und Möblierung öffentlich zugänglicher Plätze zu finanzieren und zu realisieren“.187 Auch von „Paradiesvögeln des Städtebaus“ ist im Zusammenhang mit der Ausstattung städtischer Räume die Rede, hierunter werden sowohl die Investorenarchitekten, die Paradiesvögel der Architektur selbst sowie eine weitere Akteursspezies, die Entwerfer von Stadtmöbeln für den öffentlichen Raum, zusammen gefasst.188 „Neben der Kolonisierung durch kommerziellen Zugriff findet also parallel dessen Kolonisierung durch gestalterischen Anspruch statt – mit der bekannten Folge eines Zugriffs auf Resträume und dem Wunsch nach deren Regulierung und Inwertsetzung, gerade auch durch Architekten.“ (Altrock 2005, 383)
Was aber genau ist gemeint mit Kolonisierung, und wer verhilft den Architekten dazu, etwa Stadtmöbelstücke für den öffentlichen Raum zu gestalten? Und wie, um die Klammer zu schließen, hängt dies alles mit der Außenwerbung, wie mit den Kommunikationsstrategien von kreativen städtischen Entrepreneuren zusammen? Wie wird Design im öffentlichen Raum heute entschieden und was für Koalitionen genau bilden sich? Was passiert denn eigentlich genau in dem bezeichneten Zwischenraum, an dessen Oberfläche bisher nur analytisch gekratzt wurde?189 Mehrfach wurde ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass die genaue Arbeitsteilung zwischen den neuen Medien und städtischen öffentlichen Räumen noch nicht ausreichend untersucht worden ist.190 Was ist also an dieser speziellen Stelle zwischen Außenwerbung, Out-ofHome Medien191 und Stadtmobiliar empirisch los mit dem öffentlichen Raum als Realtypus? Die folgende Graphik (Abb. 1) soll Licht in ein ganz spezielles, bisher noch nicht beleuchtetes Feld der gegenwärtigen Bewirtschaftung öffentlicher Räume bringen.
186 Bei Damm und Siebenhaar (2005, 130f) findet man eine 'schöngefärbte' (FAZ vom 09.09.05) in Teilen kulturgeschichtlich inspirierte Auseinandersetzung mit Teilaspekten. 187 Altrock und Schubert 2005, 371. 188 Altrock 2005c, 382. 189 Lehmann (2008, 104) geht in ihren Studien kaum auf die Eigenlogik des Marktes ein, und erwähnt in ihren Ausführungen über Berlin die Zusammenarbeit zwischen der Wall AG und den öffentlichen Akteuren nur marginal. 190 Huning 2006. 191 'Out-of-Home' bezieht sich auf den Ort der Ansprache der Informationsverbraucher im Gegensatz zu anderen vorrangig in Gebäuden bzw. zuhause empfangenen Mediengattungen, zum Beispiel Hörfunk oder Fernsehen.
64
Abbildung 1: Umsatzerlössteigerungen des Berliner Wall Konzerns, Unternehmen für Stadtmöblierung und Außenwerbung, zwischen 1991 und 2007. Quelle: Eigene Darstellung.192
Sie stellte, in ihrer vor drei Jahren auf der Homepage des Berliner Stadtmöblierungsunternehmens Wall AG veröffentlichten Version die Initialzündung für diese Arbeit dar, denn sie warf die Frage auf, wo eine solch extraordinäre Steigerung der Umsatzerlöse193 bei einem Unternehmen herrühren konnte, dass sich auf maßgeschneiderte und unverwechselbare Designkonzepte für die Stadtmöblierung in Verbindung mit hinterleuchteter Plakatwerbung auf öffentlichen Straßen und Plätzen spezialisiert hat.194 Diese Arbeit geht der Frage nach, inwieweit sich die institutionellen Rollen des Staats und der Märkte bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume im Übergang von der fordistisch zur postfordistisch geprägten Stadtgestaltung gewandelt haben, und untersucht dafür speziell die Prozesse der Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen zwischen den Unternehmen der werbefinanzierten Stadtmöblierung und der öffentlichen Hand in Berlin seit 1980. Gestaltwirksame Koalitionen im Bereich der Stadtmöblierung Der Zugriff eines Außenwerbeunternehmens auf öffentliche Straßen und Plätze in Metropolen wie Berlin kann allein über eine wie auch immer gestaltete Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Sektor erfolgen. Festgestellt wurde in der aktuellen Debatte bereits, dass es in Europa zur gängigen Praxis geworden ist, Koalitionen für die räumliche Entwicklung zu initiieren und zu etablieren.195 Die verstärkte Herausbildung solcher Koalitionen wird etwa als Ausdruck eines intensivierten Standortwettbewerbs der Städte, aber auch als Zeugnis für den Einzug neuerer Steuerungsformen in die Stadtentwicklung gedeutet: 192 Datengrundlage siehe Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/company/facts/revenues/ index.asp (letzter Zugriff am 29.04.08). 193 Der Umsatz konnte zwischen 1991 und 2007 um ca. 950 Prozentpunkte gesteigert werden. 194 Siehe Homepage des Wall-Konzerns. URL: www.wall.de (letzter Zugriff am 26.06.08). 195 Elander 2002.
65
“Increasing economic competition and increased market exposure lead to forms of territorial competition. Private-sector actors play a more important role. They may engage in processes of coalition building (…).” (Le Galès 2000, 179)
Die sozialwissenschaftliche Untersuchung solcher Kooperationsformen wird in verschiedenen terminologischen Arenen ausgefochten, wie etwa der der ‘Partnerschaften’.196 Dabei wird Partnerschaft oftmals als „von mehr als einem Sektor geleitete Interessenkoalition“ beschrieben, die das Ziel hat, „eine ausgehandelte Strategie für die Entwicklung eines definierten Bereiches vorzubereiten und zu überwachen.“197 Obwohl der Begriff der Partnerschaft sich in der jüngeren akademischen Stadtforschungsliteratur etablieren konnte,198 soll nachfolgend der von Werten weniger besetzte Begriff der Koalitionen verwendet werden, was auf das Beharren der Autorin auf notwendiger (hermeneutischer) Distanz zum Forschungsgegenstand verweist. Der Begriff der Koalition wird entsprechend der Definition von Fritz W. Scharpf zunächst als kollektiver Akteur mit separater – nicht zwingend kollektiver – Kontrolle der jeweiligen Handlungsressourcen und mit separaten Handlungszielen verstanden, deren Entscheidungen mittels Vereinbarungen getroffen werden.199 „Koalitionen werden (...) als relativ dauerhafte Arrangements zwischen Akteuren definiert, die getrennte, aber im Großen und Ganzen vereinbare Ziele verfolgen, und die separate Handlungsressourcen im Rahmen koordinierter Strategien einsetzen. (...) Obwohl Entscheidungen für bestimmte Handlungsverläufe von der Koalition als ganzes getroffen werden, hängt ihre effektive Implementation in jedem Fall von den Entscheidungen der einzelnen Mitglieder ab, da die entscheidenden Handlungsressourcen in ihren Händen liegen.“ (Scharpf 2000, 103)
Akteure verfügen über unterschiedliche ‘Fähigkeiten’, die sich an ihren ‘Handlungsressourcen’ erkennen lassen, über ‘Wahrnehmungen’, damit sind ‘sozial geprägte Sichtweisen’ gemeint, und über ‘Präferenzen’, die sich in speziellen ‘Bedürfnissen und Interessen’ ausdrücken. Daraus resultiert, dass Kooperationsformen der Beteiligten stetig neu auszuhandeln sind, ebenso wie die Instrumente, die zur Steuerung solcher Prozesse verwendet werden, und die ihnen zugrunde liegenden Zielsetzungen. Das Handeln der einzelnen Akteure im Kontext des Handelns der Koalition sowie die institutionelle Einbettung ihres Handelns werden also zum zentralen Gegenstand dieses Forschungsansatzes. Daher folgt diese Untersuchung den Ansätzen, die zur Beleuchtung der komplementären Funktionen von Politik, Ökonomie und räumlicher Planung eine neoinstitutionalistische Perspektive einnehmen, da sie vor dem geschilderten Hintergrund ständig neu auszuhandelnder Akteurskonstellationen bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Restrukturierung auf diversen räumlichen Ebenen gewinnbringend erscheint und sowohl das Handlungsparadigma als auch das Strukturparadigma in die Betrachtungen integriert.200 Postfordistische Produktion öffentlicher Räume als Untersuchungsfeld Die Produktion öffentlicher Räume als Institutionalisierungsprozess „Der öffentliche städtische Raum ist (...) als bevorzugter Schauplatz bürgerlicher Selbstdarstellung zu verstehen, der bis in unsere Gegenwart hinein markante und bezeichnende Entwicklungsstadien durchläuft. In seiner Gestaltung spiegelt sich das jeweilige zeittypische Verständnis gesellschaftlicher Austauschprozesse wieder, die allgemein gültige kanonisierte Auffassung von den Regularien menschlichen Zusammenlebens auf engem Raum.“ (Damm und Siebenhaar 2005, 141)
196 197 198 199 200
66
Knierbein 2009. Bailey et. al. 1995, 27. Vgl. Elander 2002, 192. Vgl. Scharpf 2000, 102ff. Haus u. Heinelt 2004. Scharpf 2000.
Es gibt wie beschrieben vielfältige Argumentationsstränge zum öffentlichen Raum, die oftmals Projektionen mit städtischen Realitäten vermischen, und die Untersuchung idealtypischer gesellschaftlicher Konzepte aus den Sozialwissenschaften mit der Beschreibung empirisch nachgewiesener, realtypischer Prozesse konfrontieren. Da öffentlicher Raum in dieser Arbeit als Momentaufnahme sich wandelnder Formen der Vergesellschaftung verstanden wird, ist davon auszugehen, dass es bei den beobachtbaren Veränderungen um einen dem Gegenstand immanenten Wandel geht, was erneut darauf hinweist, öffentlichen Raum als Prozess zu verstehen. Die Möglichkeiten, die ein solches Verständnis eröffnet, sind darin zu sehen, Überformungen traditioneller oder die Ausprägung neuer Strukturen, denen das Label öffentlicher Raum beizumessen ist, erkennen, beschreiben und erklären zu können. Erneut kommen also verschiedene Perspektiven auf öffentliche Räume zum Ausdruck, die zunächst von den realen Stadtentwicklungsprozessen, weniger von stadtplanerischen Projektionen oder idealtypischen gesellschaftswissenschaftlichen Herangehensweisen bestimmt sind. Zumeist werden solche Perspektiven jedoch an das individuelle oder kollektive Verhalten im Raum geknüpft, und erst in vergangenen Jahren wird es erneut als genehm empfunden, auch die städtebauliche Produktion der physisch-räumlichen Dimension öffentlicher Räume ins Licht politikwissenschaftlich ausgerichteter Stadtforschung zu stellen. Denn nicht allein die im Rahmen der politischen Aneignung öffentlich gewidmeter Straßen und Plätze manifestierten Konflikte sind es, die sie zu einer gesellschaftlich äußerst brisanten Handlungssphäre verschiedenster Akteure mit ihren partikularen Interessen und scharfsinnigen Strategien machen, nein, es sind gleichermaßen die politisch vorangetriebenen und fachlich untermauerten Prozesse der Stadtgestaltung – die im Übrigen eng an andere Nutzungen dieser Räume gekoppelt sind –, in denen die ambivalente Natur öffentlicher Räume als Austragungsort gesellschaftlicher Konflikte aufflackert. Dieses Konfliktpotenzial wird dann gesteigert, wenn sich Koalitionen, die allein zwischen Märkten und Staat abgewickelt werden, der Gestaltung von zentralen öffentlichen Räumen verschreiben, und somit nur indirekt, wenn überhaupt, die vielfältigen Interessen der Zivilgesellschaft einbeziehen. Betrachtet man öffentliche Räume also bezüglich der Veränderungen gesellschaftlicher Produktionsprozesse speziell zwischen Staat und Markt, so ist in die Produktion öffentlicher Räume eine veränderte institutionelle Botschaft eingeschrieben, die auf weitere Implikationen für die Stadtgesellschaft im Zuge der postfordistischen Transformation von Stadt schließen lässt. Wie aber kommen Verschiebungen gesellschaftlicher Einflussgrößen in der postfordistisch geprägten Stadtproduktion zustande, zumal zuvor die starke zentrale Stellung des Staates bei der Produktion öffentlicher Räume gegeben war, ja, der öffentliche Raum gar als die Kernaufgabe der öffentlichen Stadtplanung angesehen wurde? Um hier Klarheit zu gewinnen, soll das Augenmerk dieser Arbeit zunächst auf die Mobilisierung gestaltwirksamer Koalitionen, und ihre Ausgangsgründe, gerichtet werden. Bei der weiteren Untersuchung der Koalitionen zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren wird anschließend die Position einzelner Akteure in ihrer jeweiligen Institution und schließlich die Interaktionen beider Akteursgruppen innerhalb der gegebenen Konstellationen erforscht werden. Auch die Anforderungen und Ziele der einzelnen Akteure bezüglich des zweigleisigen Handlungsfelds der Koalitionen (Stadtmobiliar und Außenwerbung) – und gegebenenfalls ihr Wandel – sind, soweit dies möglich ist, nachzuzeichnen. Schließlich ist es von Bedeutung, die prozessorientierte Untersuchung in Erkenntnis fördernden Bezug zu den stadtgestalterischen Interventionen zu setzen. Die entstehenden Koalitionen werden innerhalb dieser Untersuchung zwar auf die der Außenwerbewirtschaft und des öffentlichen Sektors in Berlin beschränkt, diese wiederum sind nur als ein Glied einer vielschichtigen Verflechtung aus Bereitstellern von Produkten und 67
Dienstleistungen, der gesamten Werbewirtschaft, der Media-Agenturen sowie der Vertreter des Denkmalschutzes, der Stadtmarketingstrategen und schließlich der konsumierenden Stadtbewohner und Stadtbesucher sowie weiterer Interessengruppen zu verstehen. Aber, und das ist das Entscheidende, in der Handlungssphäre, in der diese gestaltwirksamen Koalitionen wirken, scheint die spannungsgeladene Überlagerung gestalterischer und politökonomischer Tendenzen katalysiert zu werden. Deswegen wird im Folgenden auch von gestaltwirksamen Koalitionen gesprochen, denn es wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Arbeit angetreten ist, wissenschaftliche Kritik an Stadtgestaltung im Sinne Durths fortzuschreiben. Für wen wird also gestaltet, wie und warum? In einer solchen Betrachtung sind insbesondere Perspektiven aus der politikwissenschaftlichen Governance-Forschung und der Kritischen Politischen Ökonomie von Bedeutung, da sie zur Analyse, Bewertung und Interpretation von stadtentwicklungspolitischen Prozessen methodisches und konzeptuelles Handwerkzeug anbieten. Diese Sichtweisen bieten außerdem an, von einer weniger idealisierten Rolle des Staates bei der Produktion öffentlicher Räume im Rahmen dieser Untersuchung auszugehen. Denn nachdem wiederholt betont wurde, wie wichtig die gegenwärtige Präsenz des Marktes und seiner vielfältigen Ressourcen für die Realisierung ehemals klassisch öffentlicher Aufgaben geworden ist, muss ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass auch Staat fundamentaler Bestandteil der institutionellen Umwelt des Marktes ist, dass Markt also ebenfalls als eingebettet in institutionelle Strukturen und Regeln verstanden werden muss. Um Einfluss auf eben dieses institutionelle Umfeld zu nehmen, bietet es sich an, Kooperationen einzugehen. Die öffentliche Hand selbst verfügt über ein Spektrum an Instrumenten staatlicher Hoheit, um regulierend auf den Markt einzuwirken, z. B. über Eigentumsrechte, Sanktionsberechtigungen sowie wettbewerbs- oder finanzpolitische Mechanismen (Auslegung des Kartellrechts, Erheben von Steuern und Gebühren).201 Es geht bei der Untersuchung gestaltwirksamer Koalitionen ganz gezielt um die Beleuchtung der Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Design und Innovation, hinsichtlich der jüngeren Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin. Aus einer Perspektive der Kritischen Politischen Ökonomie der Produktion öffentlicher Räume in GovernanceProzessen jedoch haben sich wenige Forscher explizit geäußert.202 Im folgenden Kapitel wird erklärt werden, wie die kritische Urban-Governance-Forschung zunächst als Analyseschema für den Rahmen dieser Arbeit fruchtbar gemacht werden kann. Urban Governance als Analysegerüst für raumbezogene Prozesse “A (…) specific challenge to research on governance (…) is related to its spatial application: that is, to the task of backing analysis of the multidimensional determinants of governance with adequate geographical conceptualizations of the relational and scalar forms taken by its spatiality.” (Gualini 2005, 299)
Heute wird intensiv daran gearbeitet, Forschungsansätze aus dem Bereich der Governance auch in der Stadtforschung fruchtbar zu machen, was in vielen, nicht in allen, Fällen erfordert, auch räumliche Bezugsebenen in die Untersuchung der Prozesse einzubeziehen. Zunächst jedoch, bevor ein raumbezogener Ansatz ausgearbeitet werden soll, ein Blick in die Grundlagen der seit den 1990er Jahren in Deutschland aufkommenden Debatte. 201 Vgl. Lütz 2006, 14ff. 202 Für die deutsche Debatte ist insbesondere die Arbeit von Durth 1977 zu nennen, gegenwärtig sind jedoch vorrangig Ansätze aus der angloamerikanischen Debatte tonangebend: Low and Smith 2006, Harvey 2006, Tonkiss 2005, Massey 2003, Zukin 1995.
68
Abstrakt betrachtet bezeichnet die Governance-Perspektive eine generelle Restrukturierung gesellschaftlicher Interaktionsmodi, wenn es darum geht, neue Formen der sozialen Ordnung und neue Wege der Steuerung sozialer Prozesse zu erreichen. Diese Transformationen erscheinen als eng verknüpft mit der Anfang der 1990er Jahre in Deutschland vorgebrachten Diagnose staatlicher Handlungsunfähigkeit gegenüber gesellschaftlichen Problemen sowie fehlender Fähigkeit, staatliches Handeln an neue Formen der sozialen, politischen und ökonomischen Organisation anzupassen.203 Klassische hierarchische Steuerungsmodelle, in denen der Staat als zentrales Scharnier sozialer Entscheidungsprozesse aufgefasst wurde, schienen nicht mehr zu fruchten. Freilich ist ein derart verändertes Verständnis durchaus geprägt von der stärker werden Durchsetzungsmacht der Europäischen Union, die die klassische vertikale Ordnungshierarchie in den Nationalstaaten durcheinander zu wirbeln schien. Zu Anfang der GovernanceDebatte wurde zunächst der Blick weg von hierarchischen Strukturen auf die Verschiebung der institutionellen Gemengelage gelenkt, also ein Wandel “from government to governance“ postuliert.204 Die Ausbildung von Netzwerkstrukturen (Heterarchien) auf der horizontalen Ebene wurde zunächst als Untergrabung der klassisch hierarchischen Strukturen gedeutet. Im Laufe der voranschreitenden Governance-Debatte haben sich jedoch mittlerweile verschiedenste Theoriestränge etabliert. Wo die einen von der sich wandelnden, gleichsam jedoch bedeutenden Rolle des Staates reden, sprechen die anderen über dessen Aushöhlung. Eher zurückhaltend formuliert, herrscht jedoch Konsens darüber, dass sich das strategische Kräfteverhältnis zwischen Staat, Märkten und Zivilgesellschaft in einer Phase der neuerlichen Ausdifferenzierung befindet. Diese Phase wird in den Kontext der Transformationen von einer fordistisch zu einer postfordistisch organisierten Gesellschaft gestellt.205 Konsens besteht auch darüber, dass es zu einer Neudefinition staatlicher Kernaufgaben gekommen ist. Diese Erkenntnis erfordert im Zusammenhang mit der hier gewählten Themenstellung, das sich wandelnde Verhältnis des Staates zu seinen alten, sowie die Hinwendung zu neuen Aufgabenfeldern und das Begehen anderer Wege der Aufgabenerfüllung wissenschaftlich nachzuzeichnen. An dieser Stelle scheint der Grund auf, warum die Governance-Forschung als angemessenes analytisches Tool im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wird. Jedoch bestehen mit dem Begriffsinstrumentarium der Governance-Forschung grundlegende Probleme, denn es existieren hier ebenfalls verschiedene Deutungen und Ansätze, die von einer Reihe normativer und instrumentalisierender Interpretationen ergänzt werden.206 So darf Governance nicht als starr definiertes Theoriegerüst verstanden werden, vielmehr liegt die besondere Aufgabe im Umgang mit Governance als analytischem Konzept darin, es als kontextuellen Forschungsrahmen zu verstehen, der es erlaubt, neue Forschungsfragen in seinem Kontext zu entwickeln,207 und weiter daran mitzuwirken, seine Etablierung mit empirischer und theoretischer Arbeit voranzutreiben. Gerade dieser Vorzug ist es, der es für die explorative und vorrangig induktive Vorgehensweise dieser Arbeit interessant macht. Im Forschungsalltag der raumrelevanten Forschungsdisziplinen wird dem GovernanceKonzept vor allem in der nach-positivistischen Planungswelt eine Schlüsselrolle zugewiesen. 203 Mayntz 1993. Jann (2005, 75) unterscheidet auch zwischen Effizienzlücke, Strategielücke, Managementlücke, Attraktivitätslücke und Legitimitätslücke. 204 Kooiman 1993. 205 Nuissl und Heinrichs 2006. 206 Kooiman (2003) differenziert 12 konkurrierende Ansätze, Le Galès (2002) spricht von “dozens of definitions that are current“. Insbesondere Le Galès (2002) und Stoker (1998) haben die normative Aufladung des GovernanceKonzepts kritisiert. Altrock et. al. (2004, 190) haben festgestellt, dass die analytische und normative Verwendung von Governancekonzepten oftmals verwischt. 207 Le Galés (2002, 18) schlägt in diesem Rahmen eine Soziologie der Governance vor.
69
Es erfreue sich überaus beliebter Anwendungen, da es „gewissermaßen die derzeit beobachtbaren Veränderungen des Verhältnisses von Staat, Privatwirtschaft und ‘Zivilgesellschaft’ zu bündeln scheint.“208 In Ansätzen der Urban Governance-Forschung werden etwa strukturelle Veränderungen des öffentlichen Sektors wie etwa die Einführung des ‘New Public Management’ und der öffentlichen Planung als Teil übergeordneter gesellschaftlicher Restrukturierungsprozesse behandelt und es wird – wie Gualini es im obigen Zitat fordert – eine (stadt)raumbezogene Dimension ermöglicht. Bei der empirischen Erforschung ortsgebundener öffentlicher Räume wenden Stadtforscher aufgrund ihrer Bedeutung für die lokale Stadtumgebung und aufgrund ihres relativ kleinen räumlichen Maßstabs oftmals eine Mikroperspektive an. Um aber institutionelle Rahmenbedingungen der gegenwärtigen Stadtproduktion verstehen zu können, sollten erneut neben der handlungsorientierten Sichtweise strukturelle Veränderungen in Betracht gezogen werden, die die Prozesse des Stadtumbaus bedingen, beeinflussen oder durch sie erzeugt werden. Angesichts der übermäßig großen Herausforderung, Theorien großer Reichweite für die Erforschung von Veränderungen auf der lokalen Ebene zu benutzen, erscheint hier angemessen, sich den Theorien mittlerer Reichweite zuzuwenden. Die Analyse im Rahmen der UrbanGovernance-Forschung ist auf die Erforschung der sozialen, politischen und ökonomischen Dynamiken von Stadträumen ausgerichtet. Man muss sich jedoch im Klaren darüber sein, dass die Meso-Ebene eine analytische Dimension ist, die sowohl von der Makrologik als auch von der Mikrologik beeinflusst wird, was zu Verwischungen der Kausalitäten und Interrelationen führen kann, Kontext und Gegenstand sind demnach schwerer auseinander zu halten.209 Eine intensive Diskussion verschiedener Positionen aus dem Bereich der Urban Governance-Forschung zur Ausarbeitung eines analytischen Ansatzes ist bereits an anderer Stelle detailliert erfolgt, so dass nachfolgend der erarbeitete Analyseansatz vorgestellt wird:210 Forscher wie etwa Patrick Le Galès und Enrico Gualini betrachten Governance-Prozesse aus einer neoinstitutionalistischen, genauer gesagt einer neoweberianischen Perspektive.211 Deshalb basiert der „Ansatz der territorialen Governance“, der hauptsächlich von Le Galès entwickelt und von Gualini bestätigt wurde,212 auf der Überzeugung, dass der Staat eine Phase multidimensionaler Umdeutungsprozesse in einer sozial und politisch fragmentierten Umwelt durchläuft, eine Phase der De-Territorialisierung und Re-Territorialisierung. Der Begriff der Regulation wird hier verstanden im Sinne von relativ stabilisierten Beziehungen zwischen Akteuren oder sozialen Gruppen, die eine Allokation von Ressourcen entsprechend expliziter oder impliziter Normen und Regeln erlauben.213 Regulation wird also im erweiterten Sinne von politischer Regulierung verstanden, die nicht nur mittels Hierarchie realisiert wird, sondern ebenfalls neue Formen annehmen kann. Den Institutionen wird beigemessen, dass sie die Autorität haben, einen stabilen Rahmen für Interaktionen vorzugeben sowie eine zentrale Rolle in diesen Interaktionen einzunehmen. Die Rolle der Regierungen als einer der in solche multilateralen Entscheidungsprozesse involvierten Akteure wird in diesen Ansätzen im Kontext westeuropäischer Städte weiterhin als wichtig eingeschätzt. Genau dieser Punkt ist es aber auch, der die 208 Altrock et. al. 2004, 189. 209 Vgl. Le Galès 1998, 485ff. 210 Knierbein, 2009. 211 Giersig (2008, 86ff) bemerkt etwa, dass Patrick Le Galès als einer der gegenwärtigen Vertreter des neoweberianischen Verständnisses von Governance-Prozessen bezeichnet werden kann, zudem dieser sich selbst als solcher bezeichnet (Le Galès und Bagnasco 2000, 3) und weist auf die Grundzüge des vom Idealtypus der europäischen Stadt inspirierten Weber'schen Forschungsansatzes hin. 212 Le Galès 2006, Gualini 2005, Le Galès 2004, 2002, 1998. 213 Vgl. Le Galès 1998, 483f.
70
lauteste Kritik am Ansatz der territorialen Governance hervorgerufen hat, denn viele Wissenschaftler teilen nicht die Auffassung, nach der die städtische Ebene eine solche neue politische Bedeutung erfahren hat oder erfährt.214 Selbst wenn aber in dieser Studie als Ergebnis stehen sollte, dass die Position der öffentlichen Hand bei der Stadtentwicklung Berlins geschwächt wurde, dann ist der Ansatz der territorialen Governance trotz allem hilfreich, da er das Erkennen des Übergangsmomentes, also von starker hin zu weniger starker oder schwacher staatlicher Steuerung, begünstigt. Weitere Vorteile können im Bereich der Erforschung gestaltwirksamer Koalitionen der Stadtentwicklung gesehen werden, denn diese neoinstitutionalistische Perspektive betont die Bedeutung von informellen sowie formellen Prozessen der Herausbildung von Koalitionen und fokussiert ein eher dynamisches als statisches Verständnis von Raum.215 Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich – westeuropäische Städte – hilfreich, um Stadtentwicklungsprozesse in einer deutschen Metropole wie Berlin zu untersuchen, die auf der einen Seite westdeutsch geprägt, auf der anderen ab 1989 westdeutsch überformt wurde, obgleich dieser Transformationsmoment als geschichtlich einmalig zu bewerten ist. Gualini postuliert außerdem, dass die Vorteile der an der mittleren Ebene orientierten Studien klar darin gesehen werden können, weder auf die ”localist trap“ (lokalistische Falle) noch auf die ”globalist trap“ (globalistische Falle) herein zu fallen, sondern die Verquickung, Überlagerung und gegenseitige Bedingung globaler und lokaler Einflüsse auf Stadtentwicklung anzuerkennen.216 Bezogen auf die Erforschung öffentlicher Räume sollte eine Meso-Analyse daher eine kritische Positionierung gegenüber ”space-place boundedness“ (Ortsgebundenheit) sowie gegenüber ”space-place unboundedness“ (Ortsungebundenheit) begünstigen und die Bedeutung relationaler Raumkonzepte vorantreiben.217 Raumproduktion kann daher auf der Meso-Ebene als multidimensionaler Prozess mit Mikrodynamik und Makrodynamik erfasst werden. Gualini geht auch darüber hinaus ganz explizit auf die physische Gestalt von Orten ein, denn gerade hier läge die Herausforderung für die raumrelevanten Disziplinen, systematische Anknüpfungspunkte an die Governance-Debatte auszubilden. So schlägt dieser innerhalb der neoinstitutionalistischen Perspektive auf Urban Governance die konzeptuelle Brücke zwischen ”space, place and institutions“ und fragt nach der Leistungsfähigkeit des Governance-Ansatzes für die Stadt- und Regionalforschung. Neben den veränderten Rahmenbedingungen für das raumrelevante Handeln von gesellschaftlichen Institutionen (Struktur) soll daher nachfolgend der akteursbezogene Blick (Handlung) dazu verwendet werden, eine komplexe Untersuchungsmatrix der Stadtentwicklungsforschung zu ermöglichen, die, erstens, über den mikroräumlichen Blick hinaus auch andere räumliche Handlungsebenen in die Untersuchung einbezieht und, zweitens, auch die prozedurale Komplexität, die sich in einer horizontalen Ausdifferenzierung sowie in einer vertikalen Neujustierung des gesellschaftlichen Systems zeigt, berücksichtigt. Die GovernancePerspektive ist damit stärker einer institutionellen Denkweise verhaftet als die ältere Theorie der politischen Steuerung.218 Mit der Verwendung der Positionen von Le Galès und Gualini wird ein der Analyse öffentlicher Räume angemessenes Forschungsinstrumentarium für diese Arbeit bereit gestellt, das jedoch um entsprechende Positionen der Forschungen zum öffentlichen Raum zu ergänzen ist. Nachdem nun zuerst der (Meso-) Ansatz der Territorialen Governance bezogen auf den Forschungszusammenhang europäischer Städte um den Ansatz Gualinis erweitert worden ist, 214 215 216 217 218
Healey 2006. Vgl. Lowndes 2001, 1958. Vgl. Gualini 2005, 299. Ibid. 2005, 305. Mayntz 2004, 4.
71
soll die bereits beschriebene Perspektive auf verschiedene Dimensionen des öffentlichen Raumes zur Geltung kommen. Basierend auf Low und Smith soll daher für die Meso-Ebene die kritische sozialwissenschaftliche Betrachtung dreier theoretischer Dimensionen öffentlichen Raumes erfolgen, die da wären
die materielle Ausprägung baulicher Arrangements öffentlicher Räume, der virtuelle Charakter öffentlicher Räume, und die kommunikationsstrategisch-institutionelle Dimension öffentlicher Räume.
Ausblick auf mögliche Bewertungsrahmen Zuvor wurde dargelegt, wie Perspektiven aus dem Bereich der Urban Governance-Forschung für die Analyse von Akteursbeziehungen und Prozessen fruchtbar gemacht werden können. In einem nächsten Schritt soll darüber reflektiert werden, inwieweit Urban Governance-Konzepte auch für die Bewertung der analysierten Prozesse nützlich sein können, denn auch hier kommt es zu Diskrepanzen, weil, erstens, verschiedene Konzepte auf unterschiedlichen Forschungstraditionen der Policy-Analyse beruhen, die nicht, oder nur bedingt kompatibel erscheinen. Zweitens wurden diverse Ansätze in unterschiedlichen nationalen oder kulturellen Zusammenhängen erarbeitet, und erscheinen daher nur bedingt übertragbar. Es tritt an dieser Stelle auch das Dilemma – oder auch, je nach Betrachtungswinkel – die Stärke induktiver und explorativ angelegter Forschungsarbeiten ans Licht, denn: Wie schließlich soll man vorab festlegen, mit welchen Konzepten bewertet werden soll, wenn man es mit einer neuen oder erneuertem Phänomen von Stadtproduktion zu tun hat? Eine solche Auseinandersetzung hat in Arbeiten wie dieser zwingend nach Vorstellung der empirischen Ergebnisse zu erfolgen. Gleichzeitig ist jedoch mit dem analytischen Rahmen schon eine konzeptuelle Schlagrichtung vorgegeben, die jedoch als so weit angelegt verstanden werden darf, dass sie als stützende, jedoch nicht Weg bestimmende Struktur dient. Der Untersuchungsansatz ist möglichst flexibel zu halten, um die Charakteristiken des untersuchten Phänomens zu destillieren, und sich schließlich, nach Eruierung der Daten, erneut und vertieft der Theorie zuzuwenden. Im Umkehrschluss jedoch bedeutet es keinesfalls, dass diese Arbeit auf Theorie verzichten kann, geschweige denn, will. Denn wie bereits vorab geschildert wurde, bedarf auch das Thema des öffentlichen Raumes ständig einer theoretischen Nachjustierung, und es erscheint nicht möglich, neue Phänomene allein nur mit althergebrachten analytischen – und demnach auch theoretischen – Werkzeugen dem Gegenstand entsprechend erfassen zu können. Es muss also zunächst der Blick auf die Empirie gerichtet werden, um festzustellen, welchem Governance-Typus gestaltwirksame Koalitionen entsprechen.219 Hier wird deutlich, dass die Arbeit nicht angetreten ist, vorhandene Theorie zu überprüfen, sondern im Antlitz empirischer Belege in einem dezidiert bescheiden abgesteckten Teilbereich neu oder weiter zu denken. Eine kompakte Auseinandersetzung möglicher Interpretations- und Bewertungspfade erfolgt daher ab dem fünften Kapitel. In diesem Sinne schickt es sich, aus dem Dickicht der zahlreichen Definitionsansätze und nach erfolgter Vorstellung des empirischen Teils eben jene Vorstellungen herauszugreifen, die für die Bewertung der in der Arbeit erforschten Prozessdimensionen Relevanz haben. Ein solches Vorgehen versucht, einer 219 Siehe für Urban Regimes etwa Stone (1989), für Netzwerke Rhodes et. al. (1992), für Ansätze der Territorialen Governance in europäischen Städten Le Gales (2002) und für Partnerschaften Elander (2002) sowie für Wachstumskoalitionen Molotch (1976).
72
kritischen Governance-Forschung um die Thematik von Stadtentwicklungspolitik – so wie sie Altrock, Güntner und Kennel fordern – zu entsprechen.220 Dabei geht es keinesfalls allein um eine nüchterne Analyse der veränderten Rahmenbedingungen und Prozesse, sondern um eine Herausforderung: Denn mit der Ausdifferenzierung von Prozessen unter Beteiligung zahlreicher traditioneller sowie neu in das Feld vorpreschender Akteure ergeben sich Praktiken, deren Bewertung ebenfalls schwieriger und diffuser wird. Analytische Erweiterungen: Öffentliche Räume als gesellschaftlicher Produktionsprozess – ein Forschungsansatz Zuvor wurde das Terrain der öffentlichen Räume begrifflich abgesteckt, schließlich wurden verschiedene Konzepte zur Analyse des öffentlichen Raumes vorgestellt, denen gemein war, dass sie Raum als Ergebnis von und Motivation sowie Ursache für soziale Prozesse und Relationen verstehen. Gestalteter Stadtraum wird daher als Momentaufnahme gesellschaftlicher Prozesse vor allen Dingen dann in seiner ganzen Dimension erkennbar, wenn man etwa versucht, gestaltwirksame Prozesse aus der Retrospektive (Ex-Post) nachzuvollziehen. Hier ergibt sich die Chance, sowohl den Prozess als auch ein entsprechendes Moment der Materialisierung gleichermaßen im Blickfeld zu haben. Theoretisch kann ein solches Verstehen des öffentlichen Raumes mit verschiedenen Theoriegebieten im Bereich der Stadtentwicklungsforschung verknüpft werden: Erstens ist hier mit den Arbeiten zum nachmodernen Städtebau in Berlin ein inhaltlicher Anknüpfungspunkt mit Lokalbezug vorhanden, zweitens können die Prozess- und Beziehungsdimensionen analytisch erfasst werden, wenn man mit Hilfe der – entsprechend umrissenen – Urban Governance-Debatte eine Meso-Ebene findet, auf der neben den lokalen Einflussgrößen ebenfalls Faktoren globaler Wirtschaftsprozesse, die gegenwärtig die Produktion öffentlicher Räume in Berlin beeinflussen, betrachtet werden können. Es werden hier folglich nicht primär konkrete Stadträume im Sinne von materiellen Produkten analysiert, um von dort aus auf die sie konstituierenden Prozesse zu schließen, sondern den Prozessen selbst wird Aufmerksamkeit geschenkt, um heraus zu destillieren, wer sie wie und mit welchen Intentionen prägt, und wie sie infolge gestalterisch sedimentieren. Die Beobachtung der den Prozessen unterliegenden Intentionen, Strategien und Ziele, die eine neue Raumlogik mit sich zu bringen vermögen, ist damit ein fundamentaler Bestandteil des Forschungsprogramms dieser Arbeit, das nachfolgend vorgestellt wird. Forschungsdesign Forschungsfrage Wie genau wird die gestaltwirksame Produktion zentraler öffentlicher Räume durch Veränderungen der institutionellen Rollen des Staates und der Märkte im Übergang von der fordistischen zur postfordistischen Stadtentwicklung geprägt? Welche Bedeutung kann in diesem Kontext für das Beispiel Berlin der Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen zwischen dem Sektor Out-of-Home Medien, dem Land Berlin sowie den Berliner Bezirken, und innerhalb dieser Koalitionen der Raumaneignungsstrategie des Marktakteurs beigemessen werden?
220 Vgl. Altrock et. al. 2004, 187ff.
73
Forschungsstrategische Überlegungen: Eingrenzung des Themas zwischen Forschungsoptimum und Forschungsalltag ”Empirical research goes beyond the passive role of just verify or probe theories, to confirm or confute hypothesis. It performs at least four main functions which contribute to shape theory: it stimulates, re-formulates, re-orients and classifies theory.” (Merton, o.S.221)
Das Spektrum der an der Produktion öffentlicher Räume beteiligten Akteure variiert je nach Funktion, Lage, Zentralität und emblematischer Bedeutung von öffentlichen Stadträumen. Es ist weiterhin abhängig von der Größe, Einwohnerzahl und Position einer Stadt, ob Akteure des Staates, des Marktes oder der Zivilgesellschaft sich an der Gestaltung öffentlicher Räume beteiligen, und davon, ob diese mit ihrer Beteiligung lokale, regionale, nationale oder globale Interessen verfolgen. Optimal mag es nun erscheinen, eine breite Untersuchung über verschiedene Prozesse der öffentlich-privat durchgeführten gestaltwirksamen Produktion dieser Räume durchzuführen und diese als prozessbegleitende Studie nach ethnologischen Methoden wie beispielsweise der teilnehmenden Beobachtung durchzuführen. Optimal wäre es ggf. auch, zur Standardisierung der Erkenntnis möglichst viele Beispiele komparatistisch zu erfassen. Dieser Forschungsansatz, der maßgeblich dem quantitativen Paradigma zuzuordnen wäre, wird hier deswegen abgelehnt, da seine Realisierbarkeit forschungsökonomisch und forschungsstrategisch in Frage gestellt wird. Denn es geht in dieser Arbeit schließlich nicht darum, Koalitionsformen zur Produktion öffentlicher Räume in ihrer gesamten Breite zu erfassen, sondern darum, für ein Koalitionsnovum eine große Erkenntnistiefe bezüglich des Vorgehens bestimmter Akteure und ihrer komplexen Interessenlagen und Strategien zu erreichen. Demnach wird hier ein von Offenheit geprägter qualitativer Einzelfallstudienansatz verfolgt. “A case study is an empirical enquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context ore not clearly evident. (…) The case study inquiry copes with the technically distinctive situation in which there will be many more variables of interest than data points, and as one result relies on multiple sources of evidence, with data needing to converge in a triangulation fashion, and as another result, benefits from the prior development of theoretical propositions to guide data collection and analysis.” (Yin 1994, 13)
Dieses Statement kann, sobald man versucht, es in den Zusammenhang dieser Arbeit zu transferieren, als Argument verwendet werden, die Erforschung der Herausbildung gegenwärtiger Phänomene der Stadtproduktion mittels eines fallstudienorientierten Forschungsdesigns zu untermauern. Die Einzelfallstudie wird um die Beobachtung der gegenwärtigen Tendenzen des entsprechenden Marktes der Unternehmen der „Stadtmöblierung und Außenwerbung“ ergänzt, da eben hier auch der Erkenntnisgehalt für diese Studie und ein weiterer Begründungszusammenhang (Erkenntnisbreite) für das einzelfallbasierende Vorgehen zu sehen ist. Jedoch sollte das Untersuchungsfeld thematisch penibel eingegrenzt werden, um die für die Forschung zur Verfügung stehenden persönlichen Kapazitäten entsprechend sinnvoll einzusetzen. Auch lassen sich vorab wenige Aussagen über den freien Zugang zu Informationen machen, da es sich teilweise um sensible Daten der Verwaltungen oder um Firmeninterna handelt. Umso wichtiger erscheint es in diesem Fall, Primärdaten aus verschiedenen Quellen hinzuzuziehen, um eine ausreichende Verlässlichkeit des Datenmaterials garantieren zu können. Auch für die Durchführung von Befragungen lässt sich aufgrund der Aktualität und der politischen Brisanz von Teilaspekten des Themas eine mögliche Befangenheit in der Gesprächssituation erwarten. Die Studie konzentriert sich also aus Gründen der Erkenntnistiefe und -breite, der Bearbeitbarkeit, des Zugangs zu Informationen, einer möglichen Befangenheit der Interviewpartner 221 Vgl. Merton 1948.
74
bei politisch brisanten Themen sowie aufgrund der Aktualität der oben beschriebenen Phänomene auf bestimmte konkrete Akteurskonstellationen, Inhalte, Prozesse und Untersuchungsräume bei gleichzeitigem multimethodischen Vorgehen.222 Dabei wurde gezielt die Forschung im traditionellen Sinn (Dokumentenanalyse) mit einer am Menschen orientierten Untersuchungsmethode (Experteninterview) verknüpft (Abb. 2).
Abbildung 2: Methodische Verknüpfung von Menschen und Dokumenten. Quelle: Eigene Darstellung. Bezug nehmend auf Bardach, o. J.
Der Untersuchungsgegenstand der Arbeit umfasst die zuvor beschriebenen gestaltwirksamen Koalitionen zwischen dem Land Berlin und dem Bezirk Mitte von Berlin als öffentlichen Akteuren und den privatwirtschaftlichen Unternehmen, die sich dem Wirtschaftssegment der ‚Außenwerbung und Stadtmöblierung’ verschrieben haben. Die primäre Handlungssphäre der Berliner Wall AG etwa – so wird dies auf der firmeneigenen Homepage dargestellt – sind öffentliche Räume in Großstädten und Metropolen, allen voran Berlin.223 Aufgrund des veränderten Aufgabenspektrums von Staat und Märkten und verknüpft mit wachsendem wirtschaftlichen Erfolg dieser Unternehmen (Abb. 1) wird die Erforschung dieser speziellen Akteurskoalition als empirisch äußerst ergiebig und komplex eingeschätzt, so dass der zunächst explorative in einen erklärenden Charakter der Fallstudie übergehen kann.224 Gezielt wird der Prozess der Herausbildung – also der Initiierung und Etablierung – dieser Koalitionen seit 1980 eruiert, da sich zu Beginn der 1980er Jahre – beeinflusst durch die Genese der Thatcher’schen und Reagan’schen neoliberalen Politikmodelle und durch die zunehmende internationale Kritik am modernen Städtebau der Nachkriegsära – auch in Berlin die Einführung veränderter stadtentwicklungspolitischer Prämissen abzeichnete. Auch im konkreten Bezug zur Fallstudie wird erkennbar, dass das damals noch in Baden ansässige Unternehmen Wall mit dem ersten Auftrag über das werbefinanzierte Aufstellen von Bushaltestellen 1984 den Zugang zur stadtentwicklungspolitischen Arena Berlins bekam. Dem waren einige Monate der Angebotspolitik und der Verhandlung mit den West-Berliner Stadtvätern, speziell der BVG, vorausgegangen. Die inhaltliche, zeitliche und akteursspezifische Eingrenzung zieht auch eine räumliche Abgrenzung nach sich: Die Entscheidung, eine ganz spezielle Akteurskonstellation in Berlin zu betrachten, ist das Ergebnis verschiedener Überlegungen: Berlin bietet sich aus seiner speziel222 Eine Übersicht über die Interviewkategorien gibt Anlage 2. 223 Nachfolgend wird das Unternehmen einheitlich als Wall AG bezeichnet. Vor 1999 hatte es andere Namen wie Wall Verkehrsanlagen GmbH und seit 1976 auch Wall Verkehrswerbung GmbH inne gehabt. Dieser privatwirtschaftliche Akteur agiert auch in einigen Klein- und Mittelstädten. Diese werden hier aufgrund des speziellen Fokus auf Berlin nicht weiter untersucht. 224 Für den Vergleich zwischen beschreibenden, erforschenden und erklärenden Fallstudien siehe Yin 1994.
75
len Konstellation der Akteure als Stadtstaat und aufgrund seiner einmaligen Situation als sich rasch entwickelnde internationale Metropole im Kontext der deutschen Wiedervereinigung, die bei potentiellem Rückzug des Nationalstaates auf das Kapital der Privatwirtschaft zur urbanen Restrukturierung angewiesen ist und dabei unter extremen Entwicklungsdruck steht, als Fallstudie an. Erstens besteht also aufgrund der speziellen Haushaltsnotlage ein größerer Handlungsdruck für das Initiieren von gestaltwirksamen Koalitionen als in anderen Städten vergleichbarer Größe und zweitens nimmt die Internationalisierung des Handelns des Berliner Stadtmöblierungsunternehmens Wall AG mit ihrem Umzug nach Berlin und dem kurz darauf folgenden Fall der Berliner Mauer ihre Anfänge. In nur knapp 20 Jahren weitet das Stadtmöblierungsunternehmen sein wirtschaftliches Wirken auf ungefähr 50 Städte und sechs Länder international aus.225 Weiteres Auswahlkriterium ist, drittens, die Bedeutung der Stadt Berlin und ihrer speziellen Situation für dieses Unternehmen, denn es ist das verklärte Ziel des ehemaligen Geschäftsführers und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Wall, Berlin zum „Schaufenster seiner Produkte“ zu machen.226 Insofern kann Berlin als Extrembeispiel für die Herausbildung dieser speziellen Art der gestaltwirksamen Koalitionen eingeschätzt werden. Das Handeln dieses privatwirtschaftlichen Akteurs konzentriert sich vorrangig auf die als zentrale öffentliche Räume bezeichneten Orte. Gründe für diese Einschränkung liegen in ihrer hohen Frequentierung durch Stadtbewohner, Stadtbesucher und Stadttouristen, hier vermögen die strategisch handelnden Akteure der Aufmerksamkeitsökonomie es, lokale über regionale bis hin zu globalen Adressaten anzusprechen. Auch der hohe Bekanntheitsgrad dieser Stadträume, ihre historische und damit verbunden auch ihre emblematische Bedeutung scheinen das Interesse dieser Wirtschaftsbranche nicht zu schmälern, und begünstigen – im Umkehrschluss – das Vorhandensein mobiler Menschenmassen. Räumliche Makroanalyse
Forschungsoptimum
Forschungsrealität
Tabelle 1:
Räumliche Mikroanalyse
Prozesse
Forschungsstrategie
Diverse Metropolen
Öffentliche Räume
Holistisch: Vielfältige Aktivitäten diverser Koalitionen bei der Produktion öffentlichen Raumes
fallbasiert
Berlin (Extrem)
Zentrale öffentliche Räume vorrangig im Bezirk Mitte von Berlin (Extrem)
Speziell: Aktivitäten gestaltwirksamer Koalitionen zwischen den Out-of-Home Unternehmen und dem öffentlichem Sektor (Novum)
Einzelfallbasiert, ergänzt durch Branchenüberblick und Kontextualisierung mit anderen deutschen u. internationalen Fällen
Verortung des Forschungsansatzes zwischen Forschungsoptimum und Forschungsrealität. Quelle: Eigene Darstellung.
Mit einer solchen räumlichen, zeitlichen, inhaltlichen und forschungsstrategischen Eingrenzung des Themas (Tab. 1) entscheidet sich die Autorin für ein an empirischen Erhebungen orientiertes, vorrangig induktives Vorgehen, auch wenn bereits theoretische Bezüge hergestellt 225 Siehe Internetauftritt des Berliner Unternehmen für werbefinanzierte Stadtmöblierung Wall AG. URL: http://w ww.wall.de/de/company/index.asp (letzter Zugriff am 13.05.08). 226 Rheinischer Merkur vom 06.04.06. Die Welt vom 26.09.07.
76
wurden. Diese werden im weiteren Verlauf dieses ersten Kapitels in Form von Untersuchungsfragen und -hypothesen dargestellt Die Vorzüge und Tücken der einzelfallbasierten Forschung Es gibt verschiedene Gesichtspunkte, mit denen die Entscheidung für ein einzelfallbasiertes Vorgehen begründet werden kann.227 Erstens zeichnet sich die Einzelfallstudie dadurch aus, dass „besonders interessante Fälle hinsichtlich möglichst vieler Dimensionen“ über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden können. Dabei ist es nicht unbedeutend, dass die Studie vom qualitativen Paradigma der Offenheit bestimmt ist, und nicht auf einige wenige Variablen reduziert wird. Denn dies würde dem Gegenstand nicht gerecht, weil seine Komplexität verkürzt werden könnte.228 Bei der qualitativen Fallstudie geht es, zweitens, darum, „(...) ein ganzheitliches (...) Bild der sozialen Welt zu zeichnen. Mithin sind möglichst alle für das Untersuchungsobjekt relevanten Dimensionen in die Analyse einzubeziehen. [Hervorhebung im Original]“ (Lamnek 1993, 5)
Zeichnet sich ein Phänomen schon nach erster Voruntersuchung als so prägnant wie das hier thematisierte aus (Abb. 1) und kann man davon ausgehen, dass man es mit Stadtentwicklungsprozessen unter Extrembedingungen zu tun hat, dann bietet es sich im Hinblick auf die Erkenntnisgewinnung an, sich ihm gänzlich zuzuwenden, und offen zu sein für verschiedenste relevante Dimensionen, die das Phänomen bedingen. Das Handeln der Stadtmöblierungsunternehmen in Berlin, insbesondere der Wall AG, kann als außergewöhnlich in dem Sinne bezeichnet werden, als dass es die Prozesse der öffentlichen Stadtentwicklung in Berlin in zunehmendem Maße beeinflusst. Leistungsfähigkeit der Untersuchungsmethoden Es geht also prinzipiell nicht darum, bereits gewonnene Theorien durch Standardisierung zu untermauern oder zu widerlegen, sondern darum, wissenschaftliche Erkenntnis für diesen Bereich zu generieren, und ggf. Verknüpfungen zu Theorien verwandter Bereiche herzustellen. Aus diesem Grund sollen nicht gleiche Parameter in verschiedenen Fallstudien betrachtet werden, sondern adäquate Parameter überhaupt erst eruiert werden. Aus der Beobachtung der breiten Diskussion229 um die Dichotomie quantitativer und qualitativer Forschungsstrategien resultierend verfolgt die Autorin den Ansatz, den insbesondere Gläser und Laudel vertreten: „Inzwischen hat es sich gezeigt, dass solche Entgegensetzungen überzogen sind. (...) Die Konstruktion zweier Paradigmata, von denen eines das Etikett ‘quantitativ’ und eines das Etikett ‘qualitativ’ erhält, darf .. nicht überbewertet werden. (...) Es gibt aber unzweifelhaft unterschiedliche Vorgehensweisen in der Sozialforschung, die durch die Entgegensetzung eines ‘quantitativen’ und eines ‘qualitativen’ Paradigmas reflektiert werden. Der Unterschied zwischen den Vorgehensweisen liegt auf der Ebene der Erklärungsstrategien, das heißt, er bezieht sich auf die Art und Weise, in der die angestrebten Erklärungen menschlichen Handelns erreicht werden sollen. Ein zweiter Unterschied liegt auf der Ebene der empirischen Methoden.“ (Gläser und Laudel 2004, 23)
Auch sollte sich der Forschende bei induktivem Vorgehen im Klaren darüber sein, wie mit theoretischem Vorwissen umzugehen ist, denn lange wurde die wissenschaftliche Position 227 Yin (1994, 38ff) etwa unterscheidet bei Einzelfallstudien zwischen 'critical case' (testing a well formulated Theory), 'unique or extreme case 'und 'revelatory case'. 228 Ibid. 1993. 229 Gläser und Laudel 2004. Bryman 2004. Flick et. al. 2004. Lamnek 1993.
77
vertreten, der qualitativ forschende Wissenschaftler müsse sich frei von allem Vorwissen in die Untersuchung begeben. Hieraus resultierte oftmals ein Hypothesenverzicht. Diese damals als starke Hinwendung zum Kriterium der Offenheit wissenschaftlicher Untersuchungen wahrgenommene – künstliche – Negierung von bestehendem, ggf. normativ geprägtem Vorwissen, erscheint heute zunehmend inadäquat.230 „Mit der hier vorgenommenen Verschiebung der Aufmerksamkeit von Ex-ante auf im Forschungsprozess hervorgebrachte Hypothesen trat das grundsätzliche erkenntnistheoretische Problem, nämlich die Kontrolle des vom Forscher mitgebrachten Vorwissens in den Hintergrund. (...) Erkenntnisse über soziale Phänomene ‘emergieren’ nicht aus eigener Kraft, sie sind Konstruktionen des Forschers von Anfang an.(...) Eine Erklärung für diese Diskrepanz zwischen theoretischer Einsicht, praktischer Forschung und methodologischer Norm könnte in dem Bemühen um die Etablierung einer möglichst scharf konturierten Alternative zur dominanten standardisierten Methodologie zu suchen sein.“ (Meinefeld 2004, 268f.)
Meinefelds Erklärungsansatz zeigt, dass sich die qualitative Sozialforschung aufgrund des Drangs zur Etablierung als anerkannter Forschungsweg gerade durch die angeführten Vorgehensweisen von der quantitativen Sozialforschung abzugrenzen versuchte. Mittlerweile sind qualitative Forschungsdesigns fester Bestandteil der Stadtforschung. Es bedarf daher der Reflexion des eigenen Vorwissens innerhalb einer kritisch-methodologischen Diskussion und eines Bezugs zum allgemeinen Forschungsstand. Als Möglichkeit des Umgangs mit dem Vorwissen schlägt Meinefeld eine Differenzierung zwischen der prinzipiellen methodischen Offenheit und der Expliziertheit, mit der das Vorwissen reflektiert und ausformuliert wird, vor. Dann sei es möglich, die Formulierung von Hypothesen mit dem Rekonstruieren gegenstandsspezifischer Bedeutungsgehalte zu vereinbaren.231 In diesem Diskussionsrahmen entscheidet sich die Autorin für die Bildung von Hypothesen bei gleichzeitiger induktiver Vorgehensweise, die innerhalb eines als iterativ verstandenen Forschungsprozesses überprüft, verworfen oder modifiziert oder aber auch ergänzt und angereichert werden können. Die Schwierigkeiten, die in der Regel qualitativen Forschungsansätzen zugeschrieben werden, sind in einer möglichen Einschränkung des Geltungsbereichs der getroffenen Aussagen zu sehen, was dazu führen könnte, ihre Übertragbarkeit und Anwendung für andere Fälle an zu zweifeln. In der Arbeit soll diesem Kritikpotenzial wie folgt begegnet werden: Neben der phänomenologischen Aufarbeitung der Stadtentwicklungsprozesse in Berlin sollen besonders die vielen komplexen den Prozess bestimmenden Kriterien in ihrer vollen – qualitativen – Breite aufgezeigt werden. Es werden neuere Formen gestaltwirksamer Koalitionen und der Zusammenhang ihres Auftretens angeführt, deren Grundzüge auch für das Verstehen von Entwicklungen in anderen Städten relevant sind, wie die Autorin bereits im Rahmen ihrer Forschungsarbeit in Brasilien nachweisen konnte.232 Die Erkenntnisse dieser Arbeit sollen bei einer Übertragung demnach systematische Erklärungshilfen darstellen, ohne den Anspruch zu verfechten, diese Prozesse in ihrer Totalität erklären zu können. Um die zuvor jedoch auch angesprochene Kritik am Einzelfall basierten Forschungsprozedere zu minimieren, setzt die Autorin auf die Triangulation233 verschiedener empirischer Erhebungsmethoden, die es erlaubt, die relevanten Merkmale, Dimensionen und Facetten eines Untersuchungsgegenstands hinsichtlich des Untersuchungsziels durch empirische Forschung aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen.
230 Meinefeld 2004. 231 Ibid. 2004. 232 Knierbein 2009. 233 Der Begriff Triangulation kommt aus der Geodäsie und bedeutet, dass man mittels zweier (oder mehrerer) bekannter Punkte und Entfernungen die Lage eines dritten, unbekannten Punktes bestimmen kann.
78
„Triangulation beinhaltet die Einnahme verschiedener Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand, oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisiert werden, wobei beides wiederum im Zusammenhang zueinander steht bzw. verknüpft werden sollte. (...) Diese Perspektiven sollten soweit als möglich gleichberechtigt und gleichermaßen konsequent behandelt und umgesetzt werden. Gleichermaßen sollte durch die Triangulation (...) ein prinzipieller Erkenntniszuwachs möglich sein, dass also bspw. Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden, die damit weiter reichen, als es mit nur einem Zugang möglich wäre.“ (Flick 2004b, 12)
So besteht, erstens, die Möglichkeit, die Ergebnisse durch das Einnehmen zweier oder mehrerer Perspektiven auf den Forschungsgegenstand zu überprüfen, und zweitens erscheint dieses Vorgehen dann besonders sinnvoll, wenn darauf abgezielt wird, Ergebnisse, die ein breiteres, umfassenderes oder ggf. vollständigeres Bild des untersuchten Gegenstands liefern, zu erhalten.234 Der große Vorteil der methodischen Triangulation liegt darin, Schwachpunkte unterschiedlicher Methoden zu minimieren. Abgesicherte Erkenntnisse, die aus einem solchen multimethodischen Vorgehen resultieren können, lassen in Folge auch im interpretativen Paradigma zu, vom Extremen bzw. Speziellen auf das Allgemeine zu schließen. Denn diese Studie zielt darauf ab extremtypische Handlungsmuster zu identifizieren, in denen sich vielfach generelle Strukturparadigmata manifestieren.235 “In policy terms, they are non-typical and have a selective geographical and social target range but they provide an insight into what some see as a new direction of policy (…).” (Atkinson 2003, 1835)
Die oftmals an methodischer Triangulation geübte Kritik ist aber, dass viele Forscher die Reaktivität von Methoden vernachlässigen. Das bedeutet konkret, dass jede Methode den Gegenstand, der mit ihr erforscht oder abgebildet werden soll, auf spezifische Weise konstituiert.236 Bei der Wahl verschiedener Untersuchungsmethoden entscheidet man sich also bereits im Vorfeld für unterschiedliche Formen der Gegenstandskonstitution. Sinn und Zweck der Triangulation kann also in keinem Falle ein Erkennen des Forschungsgegenstands in seiner totalen Komplexität bedeuten, denn das ist nicht möglich. Methodische Triangulation dient vielmehr dazu, Formen der Gegenstandskonstitution auszumachen, die einander ergänzen oder widersprechen können (z. B. Alltagswissen (Zeitungsrecherche) versus Expertenwissen (Interviewrecherche)). Von dem Anspruch einer objektivierbaren einzigen Realität wird jedoch explizit Abstand genommen, da sich phänomenologisch-hermeneutisch ausgerichtete Ansätze wie dieser der Auffassung anschließen, dass die Welt durch subjektive Interpretation „entsteht“, also nicht objektivierbar ist. Überblick über die angewendeten Methoden Mittels des nachfolgenden Schemas (Abb. 3) wird kompakt das methodische Vorgehen umrissen: Die Analyse politischer Dokumente, die Tagesmedienanalyse sowie Experteninterviews (Anlage 2) stellen die drei methodischen Eckpfeiler der strukturierten und systematischen Recherche dar (hell hinterlegt). Diese werden ergänzt durch nicht systematisierte methodische Impulse (dunkel hinterlegt) wie etwa Beobachtungen, Foto- und Videodokumentationen, Reflexionen und Feedbacks aus offenen Diskussionen mit Laien und mit Experten sowie durch die nicht systematische Analyse entsprechender Karten und Planwerke. 234 Flick 2004b. Tomadoni 2004. 235 Vgl. Lamnek 1993, 16. 236 Flick et. al. 2004.
79
Nach einer Darstellung des aktuellen Forschungsstands zum öffentlichen Raum und zu Prozessen der postfordistisch geprägten Stadtproduktion in Berlin wurde auf das Forschungsdesiderat – Herausbildung von Koalitionen der werbefinanzierten Stadtmöblierung – verwiesen. Die Forschungsfrage wurde vorgestellt, auf die eine methodische Reflexion erfolgte, denn allein über die Formulierung der Forschungsfrage kann der methodische Rahmen bespannt werden. Im Anschluss soll abschließend für dieses Kapitel die Präzisierung der Forschungsfrage durch Hypothesen erfolgen. Sie bildet gleichermaßen die Brücke zwischen dem theoretischen Einstieg dieser Arbeit (Kap. 1 und 2) und dem empirischen Teil (Kap. 3 und 4), da über die Hypothesen auch das mit der Forschungsfrage festgelegte Thema der Arbeit erst forschungspraktisch handhabbar gemacht werden kann.
Abbildung 3: Zusammenstellung der angewendeten Methoden. Systematische und strukturierte Recherche (hell), ergänzt durch Impulsrecherche und Methodenreflexion (dunkel). Quelle: Eigene Darstellung.
80
Hypothesen ...zu Prozessen der postfordistisch geprägten Stadtproduktion
Es hat sich im Kontext postfordistischer Transformationen ein neues Phänomen der Stadtproduktion hinsichtlich zentraler öffentlicher Räume herausgebildet und etabliert: die systematische werbefinanzierte Koproduktion gestalteten Stadtraums durch Staat und Märkte. Die Herausbildung dieses Phänomens der Stadtproduktion wurde seit Beginn der 1980er Jahre in Berlin begünstigt durch die Wiederentdeckung der gesellschaftspolitischen Bedeutung althergebrachter Konzessionsmodelle für die Bewirtschaftung zentraler öffentlicher Räume. Es kommt zu einer reziproken Verschiebung des Aufgabenfeldes und Verantwortungsbereiches der „Produktion zentraler öffentlicher Räume“ durch die Annäherung der Logik öffentlicher Akteure an die Logik des Marktes und die Übernahme städtischer Aufgaben durch Akteure des Marktes (‘Cities acting as Corporates’ vs. ‘Corporates taking over Cities’ Functions’). Unternehmen aus dem Bereich der Stadtmöblierung und Außenwerbung stellen als ‘multiple Akteure’ einen neuen Protagonisten der postfordistisch geprägten, gestaltwirksamen Stadtproduktion dar.
...zu Hintergründen für die Veränderungen von Prozessen der Stadtproduktion
Hier geht eine gestalterische Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume einher mit der ökonomischen Restrukturierung. Denn zentrale öffentliche Räume sind in der postfordistisch geprägten Stadtproduktion mittels des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen erneut zu wirtschaftlichen Assets geworden, denn ähnliche Tendenzen hat es bereits vor der Zeit fordistisch geprägter Stadtproduktion gegeben. Durch die Verschmelzung der Bereiche Stadtmöblierung und Out-of-Home Medien ist ein neuer flexibler und damit in Grundzügen postfordistisch geprägter Markt im Entstehen begriffen, der öffentliche Stadträume wirtschaftlich erschließt. Grundlegende Triebkraft dieses Paradigmenwandels bei der Produktion öffentlicher Räume ist die ästhetische Aufwertung mittels elaborierten Produktdesigns sowie das beständige Produzieren von Produkt- und Serviceinnovationen mit dem Ziel, Informationsträgerstandorte im öffentlichen Raum zu schaffen und zu akquirieren. Der Markt ist als postfordistisch zu bezeichnen, weil er an der neuen Schnittstelle zwischen mindestens zwei ehemals getrennten Marktsphären erwächst und weil das Geschäftsmodell auf dem Lebenszyklusansatz sowie auf Kompensationsvereinbarungen besteht.
...zu den Implikationen dieser Prozesse für die Stadtgesellschaft
Dies hat zu einem grundlegenden Wandel des Aufgabenverständnisses öffentlicher Akteure hinsichtlich einer ihrer stadtplanerischen, vorher sozialstaatlich geprägten Kernaufgaben geführt, der sich in einer Verlagerung der das Handeln des öffentlichen Sektors
81
prägenden planerischen Prämissen von sozialen und politischen hin zu ökonomischen Argumenten ausdrückt (Depolitisierung). Die derzeitige Rolle demokratisch legitimierter Akteure bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin erscheint äußerst ambivalent: Durch die ästhetische Aufwertung mittels Design werden insbesondere designaffine Bevölkerungsgruppen angesprochen, die in der Regel über einen guten Bildungsstand sowie entsprechendes Kaufkraftpotenzial verfügen und sich aus lokalem sowie internationalem Publikum rekrutieren. So reflektiert sich im gestalterischen Moment eine Hinwendung zu Verbrauchern und Kunden als Adressaten der Stadtentwicklungspolitik, weniger zu den nicht konsumwilligen oder konsumfähigen Individuen und Gruppen der weiteren Stadtgesellschaft. Durch Konzentrationstendenzen kommt es zu oligopolistisch bis monopolistisch anmutender Präsenz der Out-of-Home Medienunternehmen in Berlin, die die Möglichkeit für die Unternehmen eröffnen, partiell auch ein Monopol über die Art der Verteilung der darzubietenden Information zu erlangen. Diese Entwicklung, verstanden als durch die öffentliche Hand forcierte, steht im strukturellen Widerspruch zum fordistischen Vorhalten von pluralistisch genutzten Stadträumen im Sinne einer angebotsoffenen Planung seitens staatlicher Akteure.
...zu Raumlogiken und demnach zu Implikationen für Theorie und Lehre
82
Es ergeben sich zu Zeiten postfordistischer Transformationen veränderte – ökonomisch bestimmte sowie sozial begründete – Raumlogiken bezüglich der Produktion öffentlicher Räume, weil die Akteure des Marktes explizit durch Handlung produzierte, zentrale öffentliche Räume nachfragen. Diese neue Raumlogik der Privatwirtschaft steht in Diskrepanz zu weiterhin vielfach vorherrschenden, fordistisch geprägten Raumkonzeptionen insbesondere bei öffentlichen Akteuren. Die Diskrepanz drückt sich durch ein Informationsnachteil aus, denn auf die den Wert öffentlicher Räume bestimmenden umfangreichen Sozialstudien beruhenden Messungen der Frequenzströme und Verbrauchergruppen in zentralen öffentlichen Räumen haben öffentliche Akteure in der Regel keinen Zugriff. Zentrale öffentliche Räume sind nicht Container für verstärkte Werbemaßnahmen, sondern die Prozesse ihrer Produktion werden zu einem raumzeitlichen Strategie-Instrument der raffinierten Kommunikationspolitik von Unternehmen und Stadtverwaltungen. Gestaltwirksame Koalitionen agieren an der Schnittstelle zwischen Konzepten zu ortsgebundenen öffentlichen Räumen, virtuellen öffentlichen Räumen und öffentlichen Räumen als Kanälen strategischer institutioneller Kommunikation.
2
Stadtmöblierung. Vom Katalogprodukt zur Genese eines machtvollen Marktsegments
Das vorangegangene Kapitel diente dazu, den konzeptionellen sowie den kontextuellen Rahmen dieser Arbeit abzustecken, wird nachfolgend inhaltlich Bezug zum speziellen Bereich der Fallstudie hergestellt. Es geht zunächst darum, Einblicke in die Branche der Stadtmöblierung und Außenwerbung aus einer Perspektive zu vermitteln, die auch historische Vorbilder einbezieht. Begriffliche Reflexion erscheint erstens angebracht, schließlich wurde bisher bereits von Stadtmöblierern, von Außenwerbern sowie von den Unternehmen der Out-of-Home Medien gesprochen, ohne genauer darauf einzugehen, was mit dieser Begriffsvielfalt genau gemeint ist. Zweitens wird mit dem Blick auf die Veränderung gesellschaftlicher Determinanten speziell die Logik der persuasiven Verbraucheransprache im Stadtraum und ihr Instrumentarium der Adressatenansprache erläutert. Drittens wird veranschaulicht, dass diese in Berlin seit Anfang der 1980er Jahre im Entstehen begriffene Marktnische der werbefinanzierten Stadtmöblierung auch auf europäischer Ebene existiert. Damit wird die Einzelfallstudie in den Kontext zu weiteren Entwicklungen auf der makrogesellschaftlichen Ebene gesetzt. Mittels einer Beschreibung der Transformationen des deutschen Marktes werden, viertens, gegenwärtige Markttendenzen in die Betrachtung eingebettet. Die an diesem Marktsegment direkt beteiligten Protagonisten und die indirekt involvierten Akteure in den Nebenrollen werden, fünftens, benannt, um auf ihre jeweiligen Rollen im Beziehungsgefüge der Außenwerbung und Stadtmöblierung hinzuweisen. Den Abschluss dieses Kapitels bilden, sechstens, grundlegende Informationen über verschiedene Designlinien der werbefinanzierten Stadtmöblierung, um den Gegenstand des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen zu erfassen. Damit dient dieses Kapitel der systematischen Aufbereitung von Informationen zu fall- und branchenspezifischem Wissen, das dem besseren Verständnis der nachfolgenden Empiriekapitel dienend vorangestellt wird. Das Marktsegment der Stadtmöblierung als Teilbereich der Out-of-Home Medien Werbung oder Medien? Stadtraum oder Out-of-Home? Begriffliche Orientierungen „Außenwerbung ist die Werbung, die im öffentlichen Raum und aus dem öffentlichen Raum heraus auf jedermann einwirkt.“ (Korff 1987, 14) „Unter Außenwerbung wird alle Werbung im öffentlichen Raum zusammengefasst.“ (Kloss 2007, 363)
Im deutschen Sprachgebrauch wird unter Außenwerbung gewöhnlich das Spektrum diverser Werbeträger im Freiraum erfasst.237 Jedoch existiert eine Vielfalt an Definitionen für Außenwerbung in Fachliteratur und Verwaltungspraxis, von denen einige – wie oben stehend illustriert – ebenfalls einen direkten Bezug zum öffentlichen Raum herstellen, ohne jedoch näher zu 237 Für eine historische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Außenwerbung aus der Perspektive der Marketingforschung siehe Korff 1987, 7ff. Für einen sozialhistorischen Überblick über die Genese der Werbewirtschaft siehe Schnierer 1999, 22ff.
83
erläutern, was genau in der Abstraktion gemeint ist. Zur Außenwerbung zählen konkret Werbesäulen wie die Litfaßsäule, Werbetafeln in verschiedenen Formaten, dazu zählt ebenfalls Fahrzeugwerbung, die auch als Verkehrsmittel- oder Transportmittelwerbung bezeichnet wird und Bauzaun- und Baugerüstwerbung, sowie jüngere experimentelle Formate wie rollende Werbewände (Abb. 4).
Abbildung 4: Differenzierung von Informationsträgern in verschiedene Standardformate der unternehmerisch organisierten Außenwerbung (Anlage 3). Diese Sequenz verweist auf die Existenz verschiedener Teilmärkte, die die hoheitliche Stadtplanungspraxis öffentlicher Akteure und Institutionen (in)direkt betreffen. Hier wird speziell der Teilmarkt der standardisierten Informationsträger betrachtet: ‘Stadtmobiliar’. Abb. 4a. (oben, links): Verkehrsmittelwerbung. Karl-Liebknecht-Straße. Abb. 4b. (oben, mittig) Bauzaunwerbung. Invalidenstraße. Abb. 4c. (oben, rechts): Mobile, ferngesteuerte Werbesäule. Washingtonplatz. Abb. 4d. (unten, links außen): Großfläche. Torstraße. Abb. 4e. (unten, links innen): Transformatorenkästen-Format. Tiergarten. Abb. 4f. (unten, rechts innen): Litfaßsäule. Potsdamer Platz. Abb. 4g. (unten, rechts außen): Fassadenwerbung. Unter den Linden. Quellen: S. Knierbein, C. Seldin und T. Mannewitz.
Eine in der Verwaltung aufgrund bestehender Rechtsnormen vielfach angewendete Benennungspraxis unterscheidet die Gegensatzpaare Fremdwerbung und Eigenwerbung sowie Wechselwerbung und Dauerwerbung.238 Eigenwerbung und Dauerwerbung beziehen sich auf Ladenschilder, Leuchtwerbung oder vergleichbare lokale Informationen zur Identifikation eines Geschäfts vor Ort – der Besitzer bewirbt also sein eigenes Unternehmen – die zumeist dauerhaft angebracht werden. Diese Art der Außenwerbung ist jedoch für diese Arbeit nicht von Bedeutung, denn es soll allein der Bereich ins Visier genommen werden, der gemeinhin als Wechselwerbung oder Fremdwerbung beschrieben wird. Diese wird nicht an der Stelle der Leistung sondern vielmehr unabhängig davon platziert, und wird in der Regel durch intermediär zwischen Produzenten und Konsumenten positionierte Akteure – durch Unternehmen der Außenwerbung – organisiert, installiert und (temporär) betrieben. Traditionell wird mit diesem 238 BauO Bln §10 führt explizit Fremdwerbung und Dauerwerbung sowie temporäre Werbung an.
84
Bereich Plakatanschlag in städtischen Freiräumen assoziiert, denn Werbeträger für Printmedien machen derzeit noch weiterhin 98% der Werbeflächen in städtischen Freiräumen aus.239 Mischformen zwischen Eigen- und Fremdwerbung liegen dann vor, wenn etwa ein Logistikunternehmen für Außenwerbung im Stadtraum auf den angebotenen Werbeträgern Eigenwerbung betreibt. Am Rande werden auch die Marktsegmente der Transportmedien und der Baugerüstwerbung angesprochen, um den Zusammenhang zwischen dem zu untersuchenden Phänomen mit verwandten Entwicklungen in Berlin herzustellen. Beide Bereiche – Transportmedien und Baugerüstwerbung (Fassadenwerbung) – sind jedoch nicht zentraler Gegenstand dieser Arbeit, und darüber hinaus auch bereits partiell erforscht worden.240 Ein ganz anderes Dilemma inhaltlicher Natur tritt im Sprachgebrauch dann zutage, wenn man sich mit entsprechenden Fachtermini in anderen Sprachen auseinandersetzt: Im Englischen wird entweder vom Outdoor Advertisement oder von Out-of-Home Media gesprochen.241 Der zuletzt genannte Begriff bezieht sich auf den Ort der Ansprache der Informationsempfänger (Rezipienten) im Vergleich zu anderen vorrangig in Gebäuden bzw. zu Hause empfangenen Mediengattungen (Hörfunk oder Fernsehen), der zuerst genannte bezieht sich vorrangig auf (städtische) Freiräume. Im spanischen und im portugiesischen Sprachgebrauch wird von Medios exteriores und von Mídia exterior gesprochen, oft jedoch kommt der verkürzte Anglizismus der Outdoors zur Verwendung.242 Anglizismen sind auch im deutschen Sprachgebrauch der Branche allgegenwärtig, denn hier wird der Begriff der Out-of-Home Medien oder der Outdoor Kommunikation immer häufiger anstelle des Begriffs Außenwerbung verwendet. In der deutschen Rechtsprechung (Straßengesetze, Landesbauordnungen, etc.) hingegen hat es sich im Laufe der letzten Jahrzehnte eingebürgert, von Außenwerbung zu sprechen. Nimmt man diese Begriffe genauer in Augenschein, ergibt sich die Frage, ob die Aktivitäten der entsprechenden Unternehmen wirklich allein unter dem Begriff der Werbung zu fassen sind oder ob sich nicht eine globalere Entwicklung hin zu einer Nische in der überkommenen fordistischen Medienlandschaft – den Out-of-Home Medien oder, zu deutsch, Stadtraummedien243 – abzeichnet?244 „Die Begriffe Werbung und Media stehen in einem Verhältnis wie Software und Hardware zueinander: Werbung wird über die Medien gestreut. Die Mediastrategie befasst sich mit dem Einsatz der Werbeträger.“ (Kloss 2007, 245)
Dabei bezeichnet Werbung absichtliche und zwangfreie Formen der Kommunikation, die darauf abzielen, Einstellungen zu beeinflussen. Hier geht es also um (Plakat-)Inhalte kommerziell-persuasiver Natur, quasi die ‘Software’ der Außenwerbung, wohingegen diese Software über ein Netz verschiedener Informationsträger, den Medien im Stadtraum, bereitgestellt wird. „(...) Werbung [umfasst]‚ jede Art der nicht-persönlichen Vorstellung und Förderung von Ideen, Waren oder Dienstleistungen eines eindeutig identifizierten Auftraggebers durch den Einsatz bezahlter Medien.“ (Schnierer 1999, 14f.)
Auch ein Blick in die USA hilft, gegenwärtigen Unschärfen im deutschen Sprachgebrauch vorzubeugen. Eines der größten Außenwerbeunternehmen, Clear Channel, das – neben der französischen Firma JCDecaux – als der Global Player der Stadtmöblierungs-Branche gilt, ist gleichzeitig ein Mediengigant im Radiobereich, der Außenwerbung als eine von mehreren Me239 Vgl. Hofe und Rost 2005, 16. 240 Lehmann 2008, Lehmann und Ache 2004. 241 Siegert und Brecheis 2005, 178. 242 Siehe für den portugiesischen Sprachgebrauch Faccioni Mendes 2006, 5. 243 Anstelle der direkten Übersetzung von ‘Out-of-Home’ wird der Begriff ‘Stadtraummedien’ favorisiert, denn das Phänomen scheint nicht nur Werbung außerhalb der Wohnung im Allgemeinen, sondern speziell Werbung in städtischen öffentlichen Räumen zu betreffen. In diesem Sinne sind Stadtraummedien Medien in öffentlichen Räumen. 244 Bei Scheufele (2008, 104f) findet sich eine Übersicht verschiedener Definitionen des Medienbegriffs.
85
diengattungen betreibt.245 Wichtig wäre also, darauf zu achten, ob die entsprechenden in Berlin tätigen Unternehmen auch andere Medieninhalte als Werbung in städtischen Freiräumen produzieren oder durch Dritte bereit stellen lassen. Dabei dient folgende Sentenz der genaueren Einordnung von Out-of-Home Medien als Sektor der Organisation von Kommunikationsmedien im Stadtraum: „Der Begriff ‘Medium’ ist lateinisch und bedeutet: ‘Mittel’. Der Begriff Kommunikation bedeutet ‘Austausch’. Ein Kommunikationsmedium ist also ein ‘Austauschmittel’.“ (Schäfers 2007, 87)
Nach Kiefer kann davon ausgegangen werden, dass sich die Außenwerbebranche sowie die Medienlandschaft zu Zeiten postfordistischer Transformationen ebenfalls im Umbruch befinden.246 Weil die Begriffe Out-of-Home Medien und Stadtraummedien im Vergleich zum relativ engen Konzept der Außenwerbung weiter gefasst sind und feinere Differenzierungen zulassen, soll ihrer Verwendung nachfolgend Vorrang eingeräumt werden. Auch andere Mediensparten refinanzieren sich fast vollständig oder zu einem großen Teil über Werbung (Anzeigenblätter, Tageszeitungen, private TV-Kanäle), wohingegen wieder andere – beispielsweise die staatlich regulierten öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten – nur einen geringen Teil ihrer Umsätze aus Werbeeinnahmen bestreiten müssen.247 Hier unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten der kommunizierten Nachrichten – die persuasiver (kommerzielle Information) und die informativer Natur (nichtkommerzielle Information). Um die Lesbarkeit der Arbeit jedoch nicht durch zu viele Einschränkungen und Wiederholungen zu beeinträchtigen, wird der Bereich nachfolgend als ‘Stadtmöblierung’, ‘Außenwerbung’, ‘Stadtraummedien’, ‘OutdoorMedien’ bezeichnet, wenngleich damit fortan eine weitergefasste Betrachtungsweise des Marktsegments der Stadtraummedien gemeint ist. Ein wiederkehrendes Phänomen in neuem Gewand Die Verquickung von Außenwerbung und Stadtmöblierung ist kein allzu neues Phänomen. In verschiedenen Metropolen, so etwa London, machte bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts das Problem des „medialen Wildwuchses“und der „Massenplakatierung“ Furore, woraufhin Bestrebungen vorrangig in Frankreich, England und auch in Deutschland vorgenommen wurden, Lösungsansätze für die oftmals als „Verschandelung der Städte“ bezeichnete Entwicklung zu finden.248 Die Stadt Berlin erfuhr in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen Modernisierungsschub, der den preußischen Entrepreneur Litfaß dazu inspirierte, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Denn die rasante Bevölkerungszunahme Berlins erforderte, dass das Zusammenleben der Stadtbevölkerung neu organisiert werden musste, ebenso die Flut an Informationen, die sich in Form von wild geklebten Plakaten auf den städtischen Plätzen und Straßen der aufstrebenden Metropole darbot. Litfaß, der sich durch die Entwicklungen in Paris hatte inspirieren lassen, erhielt bereits 1854 eine Konzession zur Aufstellung von Anschlagsäulen auf öffentlichem Grund in Berlin. Auf diesen war das Anbringen von Informationen öffentlicher Einrichtungen kostenfrei, jedoch war ein Obulus für die Veröffentlichung von Privatanzeigen an den Unternehmer zu entrichten. Diese Pioniertat, die als Grundstein der privatwirtschaftlich organisierten, kommerziellen Bereitstellung und Nutzung von Außenwerbeträgern in Deutsch245 246 247 248
86
Siehe Internetauftritt von Clear Channel. URL: http://www.clearchannel.com/ (letzter Zugriff am 20.11.08). Kiefer 2004. Kloss 2007. Hegemann 1979 (1930).
land gilt, bescherte Litfaß das alleinige Recht zur Plakatierung innerhalb des Berliner Stadtgebiets. Diese Art der Konzessionierung erzeugte ein örtliches Monopol, welches später charakteristisch für die Unternehmen der Außenwerbung werden sollte. Denn der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers hatte seit Beginn der Industrialisierung und mit Einführung der Gewerbefreiheit zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingesetzt und fand in der gesteigerten Bedeutung der Außenwerbung seinen Ausdruck. Zunächst waren es vorsichtige Versuche der Warenanpreisung für Bücher und Heilmittel. Erst im späten 19. Jahrhundert begann die sich herausbildende Werbewirtschaft, weitere Bestrebungen mit Vehemenz durchzusetzen.249 Die Litfaßsäulen dienten zunächst der Regelung der Ansprache verschiedener Öffentlichkeiten, hier fand gewerblicher wie auch behördlicher Informationstransfer statt. Somit war mit der Litfaßsäule ein ordnungspolitisches Element geschaffen worden, mit dem die Kommunikation in öffentlichen Räumen gebündelt, und wie nachfolgendes Zitat veranschaulichen wird, reguliert werden konnte. „Sie reguliert und standardisiert die Spielarten der öffentlichen Ansprache. Genau in dieser Funktion besteht ihre herausragende mediengeschichtliche Leistung.“ (Damm und Siebenhaar 2005, 87)
Wie jedoch Ausführungen zu Litfaßsäulen, die schon lange vor dem 1. Weltkrieg in visuelle Konkurrenz etwa zu den Spittelkolonnaden getreten waren, belegen, war die Litfaß’sche Praxis durchaus umstritten: Denn er selbst war es, der die ‘wilde Plakatiererei’ durch das Anbieten verschiedenster Plakatformate im Vorfeld forciert hatte. Gegen das gemeinsame Projekt des Entrepreneurs und des Polizeipräsidenten Berlins stellte sich außerdem der Magistrat der Stadt, dem die Monopolstellung Litfaß’ bei der medialen Bewirtschaftung öffentlicher Räume widersagte. Der Unternehmer aber schaffte es, sich als Regisseur der öffentlichen Meinung durch gezielte Public Relations (PR) und Werbekampagnen der damaligen Zeit im Vorfeld ein Interesse seitens der Bürgerschaft zu sichern, das auf einer positiven Grundstimmung gegenüber seinen Innovationen fußte, und beschmückte das Ganze mit eigener Kulturproduktion in Form von selbst geschriebenen Gedichten und Liedern wie etwa der ‚Annoncir Polka’. Die heutige Fama, die dem historischen Entrepreneur Berlins zuteil wird, kann also letztlich als Produkt seiner eigenen öffentlichkeitswirksamen Kommunikation und Vermarktung gewertet werden, seines ständigen Drangs, Aufmerksamkeit zu erzeugen und zu bewahren. Der Erfolg des Litfaß’schen Wirtschaftsmodells wird darin gesehen, dass er keine Möglichkeit der Gewinnmaximierung ausließ (etwa das Verkaufen der Noten der „Annoncir Polka“), und sich im besten Falle den Markt, den er zu bedienen suchte, selber schuf. So markiert die Einführung der Plakatanschlagsäule durch Ernst Litfaß die ‘Einführung der gewerblichen Möblierung des Stadtraums in Berlin’. Sie ist „als eines jener Massenmedien zu verstehen (...), deren Durchsetzung den historischen Übergangsprozess zwischen bürgerlicher und industrieller Gesellschaft markiert“, zum einen durch ihre Gestalt, zum anderen durch ihre Funktion der Reorganisation der öffentlichen Kommunikation.250 Auch während der Weimarer Republik gehörte Außenwerbung zum Stadtbild Berlins, wie Dokumentationen über Baugerüstwerbung an der Baustelle des Columbushauses am Potsdamer Platz von 1931 oder die auf ungefähr 3000 Stück bezifferte Anzahl der Litfaßsäulen bele-
249 Schnierer 1999, Korff 1987, Engelmann 1986, Die Welt vom 01.12.04. Für eine ausführlichere Beschreibung der Rolle von Ernst Litfaß während der Berliner ‘Dekade der Modernisierung’ (1845-1855) siehe Damm und Siebenhaar 2005, 88ff. 250 Ibid. 2005, 87f.
87
gen.251 Diese war – wie am Beispiel der Fassadenwerbung veranschaulicht – nicht zwangsläufig auf öffentlichem Grund installiert. Ferner wurden gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele der im Laufe des 19. Jahrhunderts vergebenen Konzessionierungen – so die für das Betreiben der öffentlichen Bedürfnisanstalten Berlins durch die Unternehmer Protz und Hirschberg und von Asten am 31. März 1906 – eingestellt und die Gegenstände gingen in den Besitz des Staates über. Hieraus entstanden die ersten öffentlich vermarkteten Werbevorrichtungen im Berliner Nahverkehr.252 Im Krieg wurden Außenwerbeflächen zu medialen Oberflächen nationalsozialistischer Propaganda, viele der in der Blütezeit Berlins errichteten Stadtmöbelstücke von historischem Wert wurden durch die Bombardierungen zerstört. Die verbleibenden Litfaßsäulen erlangten dann wiederum in der frühen Nachkriegszeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Tauschhandel und die Suche von Vermissten. Im Zuge des beginnenden deutschen ‘Wirtschaftswunders’253 der Nachkriegszeit erholte sich die Werbewirtschaft schnell, schließlich musste Konsum forciert und Produktion angeregt werden.254 Die größten Kämpfe hatten die Außenwerbeunternehmen der Nachkriegsmoderne gegen das Rechtsargument der ästhetischen Verunstaltung auszufechten, das ihnen wieder und wieder seitens der Stadtverwaltungen entgegengebracht wurde. Die seit 1949 im Zentralausschuss der Werbewirtschaft (ZAW) und seit 1963 auch durch den Fachverband für Außenwerbung e. V. (FAW)255 organisierten Unternehmen hatte bereits bereichsübergreifend damit begonnen, die Beschränkungen durch eben jene Instanzen, die Werbung als gesellschaftlich störende Erscheinung deklarierten, abzubauen.256 So wurden etwa Selbstverpflichtungsleitlinien etabliert, um einer zukünftigen staatlichen Regulierung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Fall der Außenwerbung sah sich diese jedoch weiterhin damit konfrontiert, dass ihr eine das Orts- oder Landschaftsbild störende und die Verkehrssicherheit gefährdende Wirkung zugeschrieben wurde. Die folgenden Dekaden brachten zunächst einen rasanten quantitativen Anstieg der Außenwerbeträger, aber auch qualitative Änderungen in der Nutzung mit sich. Der Allgemeinanschlag an Litfaßsäulen wurde nach und nach durch industriell gefertigte Großplakate verdrängt, die auf leicht herzustellende Holzrahmen geklebt wurden. In Hamburg berichtete man ab dem Jahr 1951 von den so genannten ‘Großflächen’ (Abb. 4d), die schnell zum Vorzugsformat der Außenwerbeindustrie avancierten. Dies lag zumal daran, dass sich die Großflächen auf privatem Grund genehmigen ließen, hier verdeckten sie im westlichen Teil des Nachkriegsdeutschlands Trümmerberge und Baulücken. Später konnten sich Großflächen auch auf kommunalen Flächen durchsetzen. Die Monopole, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden waren, hatten sich jedoch im Rahmen der Verstaatlichungen nicht gänzlich aufgelöst, man führte sie nun lediglich unter öffentlicher und später auch halböffentlicher Regie als Quasi-Monopole weiter. Erst um 1950 wurden diese durch die einsetzende Inanspruchnahme von Privatgrundstücken durch privatwirtschaftliche Außenwerbeunternehmen geschwächt. Oftmals hielten sie sich aber in geschwächter Form weiter, bis schließlich zu Beginn der 1980er Jahre neuerlich Transformationen eintreten sollten, die bisher jedoch nur in wenigen Untersuchungen der kritischen Stadtforschung ansatzweise reflektiert worden sind.257 251 Hegemann 1979. Siehe Internetauftritt Symposium „Moderne Medien im öffentlichen Raum. Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“. 10.10.03. Leipzig. Präsentationsvorlage Senator Strieder. URL: http://www.leb endige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/praesentation_strieder.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 252 Locke 2005. 253 Zur Kritik der nostalgischen Verklärung der deutschen Nachkriegszeit als Wirtschaftswunder siehe Wehler 2006. 254 Engelmann 1986. 255 Von 1963 bis 1969 zunächst: Fachverband Plakatanschlag, Verkehrsmittel- und Großflächenwerbung e. V. 256 Vgl. Engelmann 1986, 67f. 257 Kreutzer 1995. Korff 1987.
88
Stadtmöblierung. Out-of-Home Medien. Wissenschaftliche Annäherungen. Fachliteratur zur Kombination zwischen Stadtmöblierung und Außenwerbung ist rar, weil beide Themen in den vergangenen Dekaden auch in der Praxis getrennt voneinander behandelt wurden.258 Zu Zeiten der baulichen Moderne bestimmte rigide Funktionstrennung auch die akademische Betrachtung dieses Themenkomplexes mit, Stadtmöblierung wurde daher der gestaltungs- und ausführungsorientierten Freiraumplanung zugeordnet, wohingegen sich die Stadtplanung mit der Regelung der Art und des Maßes von Raumnutzungen, die Vertreter des ordnungspolitisch bedingten Baurechts mit der Regulierung von Außenwerbung aus einer sicherheitspolitisch und zivilrechtlichen Perspektive heraus befassten. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung aus dem Bereich der Architektur und Stadtplanung, die zunächst historische Erklärungen des Phänomens der Außenwerbung bis in die frühen 1990er Jahre anbietet, auf die stadtgestalterischen Wirkungen der Außenwerbung eingeht und schließlich eine Betrachtung des deutschen Außenwerberechts und der Genehmigungspraxis liefert, findet sich bei Kreutzer.259 Ein weiterer wissenschaftlicher Beitrag Engelmanns aus dem juristischen Lager setzt sich mit der Unschärfe des baurechtlichen Begriffs der ‘Verunstaltung’ auseinander.260 Dieser sei am Maßstab des gebildeten Durchschnittsmenschen orientiert, was ihn zu einem dehnbaren und schwer durch objektive Merkmale auslegbaren Begriff mache. Der Verunstaltungsbegriff könne nicht für Werbeanlagen per se gelten, sondern sei immer im Zusammenhang mit der natürlichen oder baulichen Umgebung zu verstehen. Es komme jedoch erst dann zu einem Verbot, wenn „das Vorhaben nach dem Maßstab des für ästhetische Eindrücke offenen, verantwortungs- und formbewussten, kritikfähigen, gebildeten – nicht nur durchschnittlich gebildeten – Betrachters die Harmonie nicht nur stört, sondern verletzt.“261 Im Laufe der letzten Jahrzehnte habe sich letztendlich das – wie die obige Definition zeigt durchaus sehr angreifbare – Verunstaltungskriterium immer mehr relativiert, so dass es in den 1980er Jahren so anfechtbar geworden sei, dass es kaum noch angewendet wurde. Im Westdeutschland der Nachkriegszeit reüssierte die Überzeugung, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Außenwerbung (z. B. die Unterrichtung der Verbraucher über die angebotenen Waren) so groß sei, dass eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Außenwerbung bestehe. Diese Begünstigung des Werbebedürfnisses der Wirtschaft entspräche jedoch oftmals dem öffentlichen Interesse nicht, das von einem ästhetischen Anspruch an ein gutes Ortsbild oder eine ungestörte Landschaft bestimmt werde. Über eine Nachjustierung des Verunstaltungsbegriffs könne mehr Klarheit in die baurechtliche Debatte gebracht werden. Auch weist Kreutzer darauf hin, dass die Entwicklung der Außenwerbung in Ostdeutschland vor der Wende grundsätzlich anders verlief als in Westdeutschland, da eine zentral gelenkte Planwirtschaft keines so hohen Werbevolumens bedürfe wie eine soziale Marktwirtschaft.262 Gegenpositionen zeigen jedoch, dass es natürlich auch in der DDR Außenwerbung gegeben hat, dass diese allerdings der staatspolitischen Kommunikation untergeordnet war und zu Zeiten der Mangelwirtschaft wesentlich weniger für die Promotion von Konsumgütern in Anspruch genommen wurde, als das bei den deutschen Nachbarn im kapitalistischen Westen der Fall war.263 Die Situation der Außenwerbebranche während der frühen 1980er Jahre untersucht Korff (1987). Der Marketingforscher setzt sich mit dem Außenwerbemarkt in Deutschland auseinan258 259 260 261 262 263
Damm und Siebenhaar 2005, 134f. Kreutzer 1993. Engelmann 1986. Der Verunstaltungsbegriff ist seit einer Rechtssprechung vom 28.06.1955 Usus im Baurecht. Ibid. 1986, 128. Kreutzer 1993. Kloss 2007.
89
der und postuliert, dass das Marktpotenzial aufgrund des negativen Branchenimages in den 1970er und 1980er Jahren nicht ausreichend ausgeschöpft wurde, wofür es vielfache Gründe gäbe.264 Zum einen wurde festgestellt, dass die Abwicklung von Werbekampagnen im Vergleich zu anderen Medien sehr kompliziert sei, weil der Markt aufgrund der zahlreichen Anbieter so unübersichtlich sei. Darüber hinaus würde Außenwerbung von vielen Werbetreibenden nicht als adäquates Medium für bestimmte Produkte (z. B. Sekt und andere Luxusgüter) angesehen, da das Image des Werbeträgers eher einen volkstümlichen Beigeschmack habe, und daher nicht mit dem vieler Werbeinhalte korrespondiere. Vielfach bestünden auch Vorbehalte seitens der verschiedenen Werbekunden, denn Außenwerbung beeinträchtige das Stadtbild und werde demnach allzu selten genehmigt. Preispolitische Zugeständnisse könnten die öffentlichen Verwaltungen nur bedingt positiver stimmen, deswegen sei es nötig, diese durch eine geschickte Gestaltung von Produkt- und Kommunikationspolitik zu ersetzen. Dies sei bisher jedoch nicht branchenüblich, denn die Unternehmen verfügten nicht über entsprechende Kapazitäten, um innovatives Marketing zu betreiben. Schließlich wird prognostiziert, dass die Einführung neuer Medien in öffentlichen Räume aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftig nicht durch die Unternehmen der Außenwerbung realisiert werden könne, da diese weder über die entsprechenden Finanzressourcen noch über das entsprechende Know-how verfügten, um solche Innovationen in Gang zu setzen. Da seien eher Unternehmen mit Spezialkenntnissen aus dem Rundfunk- und Fernsehbereich gefragt. Generell sollten sich Außenwerbeunternehmen verstärkt auf die Ausweitung ihrer Leistungsbündel auf weitere Sekundärleistungen einstellen, sich nicht allein als Wirtschaftsakteure auf einem Markt für Außenwerbeträger, sondern vielmehr auf einem Markt für Kommunikationsleistungen verstehen.265 Wie diese Übersicht über die Arbeiten zur Außenwerbung zeigt, gibt es derzeit recht wenige aktuelle Monographien zum Thema. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung erfolgte zumeist sektorial, bei Kreutzer in Bezug auf Stadtplanung und Architektur, bei Engelmann respektive der rechtlichen Grundlagen und des Verunstaltungsbegriffs, und schließlich bei Korff aus einer marketingwissenschaftlichen Perspektive. Keine dieser Arbeiten setzt nachdrücklich an der stadträumlichen Erforschung interdisziplinärer Zusammenhänge an, wenngleich übergreifende Betrachtungen bei allen angerissen werden. Jedoch stellt Engelmann einen Zusammenhang zwischen den Entwicklungen im Außenwerbebereich und ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung her. Diese Perspektive ist für diese Arbeit von großem Belang, denn es drängt sich die Frage auf, welchen Stellenwert Außenwerbung während der Stadtentwicklung zu Zeiten des Fordismus hatte und welchen man ihr in postfordistisch geprägten Stadtentwicklungsprozessen aus einer Perspektive der Kritischen Politischen Ökonomie zuschreiben kann. Denn wie kaum ein anderes Phänomen, so heißt es, dokumentiere Werbung gesellschaftlichen Wandel.266 Wie also schlägt sich dies in den Prozessen der Stadtproduktion am Beispiel der Außenwerbung nieder? Außenwerbung – so ist vielfach geschrieben worden – ist als ein Instrument der wirtschaftlichen Bedarfslenkung und Bedarfsweckung, sprich, der Anpreisung des Konsums und der Regulierung der Balance zwischen Produktion und Verbrauch des Fordismus zu verstehen. Umso kontroverser erscheint es, dass die stadtentwicklungspolitische Diskussion jener Jahre sich vorrangig auf den ästhetischen Begriff der baulichen Verunstaltung stützt, ohne jedoch eine Auseinandersetzung mit der politökonomischen Bedeutung von Außenwerbung in Prozessen der Stadtproduktion anschließen zu lassen. Werbung galt im Nach264 Schon 1987 weist Korff auf eine fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Außenwerbung in der Marketing- und Werbewissenschaft hin. 265 Korff 1987. 266 Vgl. Kloss 2007, 43.
90
kriegsdeutschland ohne Zweifel als Instrument der Wirtschaftsförderung, wie das nachfolgende Zitat veranschaulicht: „Die gesamte Außenwerbung verfolgt das erklärte Ziel, die Öffentlichkeit als Werbesubjekt in ihrem Sinne zu beeinflussen. (...) Es geht jedoch indes nicht an, dass der Mensch von seiner Konsumentenrolle überwältigt wird. Der Güterproduktion und der Gewinnerzielung darf nicht der Vorrang unter anderen gesellschaftlichen Werten eingeräumt werden, (...). Die Werbung ist aber trotz aller Kritik an unerwünschten Auswirkungen ein Funktionsbestandteil marktwirtschaftlicher Ordnungen. (...) Sie ist Schrittmacher des Fortschritts, veranlasst die Konkurrenten zu ständiger Verbesserung ihrer Waren, und nutzt so letztendlich dem Verbraucher. (...) Werbung will den Bedarf wecken, lenken und steigern.“ (Engelmann 1986, 62f.)
Zudem fällt die Betrachtung von Regulierungsinstrumenten ebenfalls immer wieder in eine auf den ästhetischen Begriff der Verunstaltung reduzierte Betrachtungsweise, was vermutlich im zeitlichen Kontext der baulichen Moderne folgerichtig erschien. Der öffentliche Raum als der Ort, an dem Außenwerbung wirkt, wird hier jedoch konzeptuell auf sein Stadtbild verengt, was aus heutiger Perspektive nicht mehr haltbar erscheint. Andere Funktionen von Außenwerbung, für die eine Betrachtung der kommunikationsstrategischen Dimension öffentlicher Räume interessant werden könnte, werden – auch in einer gerade erschienenen Publikation mit dem Titel „Public Space – Public Relations“267 – nicht in der durch den Titel suggerierten Tiefe angesprochen. Ferner setzt sich keine dieser Arbeiten explizit mit einer Verquickung von Stadtmobiliar und Außenwerbung auseinander, lediglich bei Kreutzer finden sich kurze Passagen zu jüngeren Veränderungen im Bereich der Außenwerbelandschaft. Trendwenden: Die Verquickung von Außenwerbung und Stadtmobiliar Er weist darauf hin, dass zu Beginn der 1980erJahre eine neue Generation von Werbeträgern Einzug in westdeutsche Innenstädte hält: „Unter dem Druck skeptischer Baugenehmigungsbehörden setzte sich seit 1983/84 in deutschen Innenstädten ein Werbeträger durch, der einen Kompromiss zwischen verkehrs- und fußläufiger Wirksamkeit darstellt: die Vitrinenplakatierung. Die sogenannten City-Light-Poster, von innen beleuchtbare Säulen, Flachvitrinen und verglaste Wartehallen mit integrierten Kleinplakaten (1,19 m x 1,68 m), stellen die bislang aufwendigste und anpassungsfähigste Form städtischer Plakatierung dar. Auch innerhalb der Branche betrachtet man sie als Medium der Zukunft. Mehrere Firmen stellen den Städten die gläsernen Wartehallen entgeltfrei zur Verfügung und finanzieren deren Baukosten (ca. 20.000 DM) aus der Vermarktung daran angebrachter Werbeflächen.(...) Als vorteilhaft erwies sich die Praxis, Werbeflächen in Einrichtungen zu integrieren, die ohnehin zur Stadtmöblierung benötigt wurden.“ (Kreutzer 1995, 52f.)
Eine Erklärungslinie für diese Verquickung war, dass Außenwerbeunternehmen die ordnungspolitischen Beschränkungen am besten überwinden können, indem sie Anstrengungen unternehmen, Werbeträger harmonischer in städtische Freiräume zu integrieren. Wie anders als durch eine Verknüpfung von Stadtmobiliar und Werbeträger konnte sich ein solcher Anspruch gewinnbringend weiterentwickeln lassen?268 Natürlich aber hatte es zuvor schon Außenwerbung auf Wartehallen gegeben, jedoch waren letztere nicht gezielt als Werbeträger entworfen worden.269 So können die ‘gläsernen Wartehallen’ aus der Retrospektive als eine der ersten Pioniertaten einer neuen Generation von Akteuren der Außenwerbung verstanden werden, die es in den frühen 1980er Jahren zu verstehen wussten, erste Schritte in Richtung eines neuen Marktsegments der Out-of-Home Medien – der Stadtmöblierung – zu tun.270 267 268 269 270
Lehmann 2008. Vgl. hierzu auch Kreutzer 1995, 54. Vgl. Locke 2005, 40. In Frankreich zeichnete sich diese Entwicklung schon seit Mitte der 1960er Jahre ab.
91
Wie aber genau kam es dazu, denn: Assoziationen, die man gemeinhin mit dem Begriff der Stadtmöblierung verbindet, haben sich in den letzten zwei Dekaden stark verändert. Kulturgeschichtlich kennzeichnet der Begriff zunächst eine sich etablierende Überzeugung, den städtischen Raum als wohnliche Sphäre eines erstarkenden Bürgertums herzurichten.271 Er wurde in Berlin erst im 20. Jahrhundert – so die Vermutung – durch den Präsidenten der Akademie der Künste, Werner Düttmann, geprägt.272 Noch in den 1980er und in den frühen 1990er Jahren ging man etwa in der Landschaftsarchitektur und anderen gestaltenden Disziplinen davon aus, dass unter Stadtmöblierung allerlei Ausstattungsgegenstände für Plätze und Parks, für Straßen und Strände zu verstehen seien.273 Diese wurden bei Low-Budget-Projekten per Katalog geordert oder galten bei HighBudget-Projekten selbst als kreative Aufgabe innerhalb der Gesamtkonzeption des landschaftsarchitektonischen Entwurfs. Auch heute noch ist in der Landschaftsarchitektur dieses Verständnis von Stadtmobiliar präsent, und es gibt auch weiterhin freiraumplanerische Projekte, bei denen die Gestaltung der Bänke, Kioske und ähnlicher Stadtmöbel der landschaftsarchitektonischen Aufgabe inhärent ist. Doch Landschaftsarchitektur, Städtebau und Stadtplanung haben Konkurrenz durch die Außenwerber bekommen. Speziell die Ausstattungsgegenstände, die einst von den kommunalen Eigenbetrieben bereitgestellt, gepflegt oder ersetzt wurden, sind seither für die Werbewirtschaft interessant geworden. Es geht hier um Bus- und Tramwartehallen, es geht um Kioske, Papierkörbe, aber auch um öffentliche Bedürfnisanstalten und Stadtinformationsanlagen (SIA), die zumeist auf öffentlichem Grund errichtet werden. Der Begriff der Stadtmöblierung hat also einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren.274 In der jüngeren Literatur wird vorgeschlagen eine Differenzierung in drei Kategorien vorzunehmen: Erstens Stadtmöblierung, zweitens Stadtmöblierung mit Werbung und, drittens, Außenwerbung. Entscheidendes Kriterium für ein Stadtmöbel sei – so die Produktdesigner und die von ihnen gesponserten Autoren275 – gegenwärtig die Möglichkeit der aktiven Partizipation durch den Nutzer im Sinne einer angebotenen Dienstleistung oder einer offerierten Orientierungshilfe. Diese Arbeit lässt sich zunächst auf die Erforschung der mittleren Kategorie – Stadtmöblierung mit Werbung – ein. Stadtmobiliar produzierende Werbeunternehmen treten aber nicht zwangsläufig in direkte Konkurrenz mit den planenden und entwerfenden Disziplinen, nein, es geht hier eher um einige Produkte, wie beispielsweise Bänke oder Leitsysteme. Jedoch wirft die Kombination von Entwicklung, Installation und Unterhaltung der Produkte, versehen mit einem breiten zusätzlichen Serviceangebot, andere Fragen auf: Es geht also um eine inhaltliche Veränderung in der Produktion städtischer Freiräume, um das Eindringen eines neuen Akteurstypus in die Aufgabenbereiche der klassischen Stadtplanung und Freiraumgestaltung. Denn Out-of-Home Medienunternehmen verstehen es zunehmend, sich das gestalterische Know-how speziell von Architekten und Designern zunutze zu machen, in dem sie diese beauftragen, an der Produktentwicklung mitzuwirken. Damit ergibt sich auch ein verändertes Arbeitsfeld für raumgestaltende Disziplinen.
271 Damm und Siebenhaar 2005. 272 Klünner und Ullmann 1983. Damm und Siebenhaar 2005. 273 Dieses Verständnis bezeichnen Damm und Siebenhaar (2005, 128) als summarische Definition. 274 Die Welt vom 25.08.06. 275 Die Publikation von Damm und Siebenhaar musste sich in der FAZ vom 09.09.05 die öffentliche Kritik gefallen lassen, die Kulturgeschichte der Litfaßsäule zur PR-Plattform der Wall AG verkommen zu lassen.
92
Veränderte Qualitätsansprüche an Werbeträger Um die Motive der werbenden Stadtmöblierer nachzuvollziehen, erscheint es hilfreich, sich mit ihrem Produkt- und Serviceangebot auseinanderzusetzen. Es sind vor allen Dingen die Arten von Mikroarchitekturen im Stadtraum interessant, die Platz für Standard-Print-Formate bieten. Denn ähnlich wie in anderen Medienbereichen hat sich auch im Out-of-Home Sektor eine Standardisierung der Werbeträger (Anlage 3, Abb. 4) deswegen vollzogen, weil im Umgang mit bedeutenden Werbekunden wie international agierenden Konzernen Professionalität gefragt ist. Ein Kriterium, das sich in ihrem Anspruch an elegant gestaltete Stadtmöbelstücke, in die sehr leicht und schnell austauschbare Plakate integriert sind, reflektiert. Zum Schutz vor Entfremdung und Zerstörung werden diese beleuchtet und in verschließbaren Glasvitrinen angebracht. Außerdem können durch die Konzentration auf drei bis vier gängige Werbeformate Produktionskosten im Bereich des Posterdrucks gesenkt werden.276 Dabei wird generell unterschieden zwischen nicht-beleuchteten Flächen und hochwertigeren beleuchteten Flächen (CityLights). Weitere Differenzierungen werden in der Bewegung gesehen, City-Light-Säulen (CLS) etwa rotieren, und viele der Werbeträger für City-Light Poster (CLP) sind mit einem Wechselmechanismus ausgestattet, ebenso wie einige der City-Light Boards (CLB). Diese wechseln zirka alle sieben Sekunden das Motiv, was zum einen aufmerksamkeitsfördernd ist, zum anderen die Rendite pro Standort aufgrund der mehrfachen Belegung erhöht. Das Intervall ist zeitlich normiert, da bei schnelleren Schaltungen eine zu starke Ablenkungsgefahr für den fließenden Verkehr gegeben wäre. Aufgrund dieser Standardisierung der Formate profitieren Werbekunden, die städtische Freiräume für das Branding ihrer Produkte nutzen möchten, von größerer Planungssicherheit bei den Produktionskosten ihrer Werbekampagnen. Erste Tendenzen eines zunehmenden Event-Charakters der Außenwerbung lassen auch darauf schließen, dass Out-of-Home Medien nicht allein für Werbung im klassischen Sinn, sondern in zunehmendem Maße auch für unternehmerische PR-Maßnahmen und für jüngere kommunikationsstrategische Instrumente der Markenführung (z.B. Sponsoring) eingesetzt werden können (Kap. 4).277 Diese Trends werden dadurch unterstützt, dass die Standardisierung der Werbeträger mittlerweile auch über die Grenzen nationaler Werbemärkte hinaus auf dem Vormarsch ist. Das bedeutet, dass Werbekunden ein größeres Kontingent an Plakaten eines Formates produzieren lassen, und dafür Werbeflächen in verschiedenen Städten und städtischen Bereichen buchen können, je nach Wunsch beispielsweise in Istanbul, Boston und Berlin. Das gleiche Format ist im städtischen Freiraum sowie auf dem städtischen Flughafen und in Shopping Centern unterschiedlicher Metropolen buchbar, je nachdem, wie groß und weit gestreut das Netz des Außenwerbeunternehmens ist. So ergeben sich für diejenigen Unternehmen der Branche der Stadtraummedien Synergieeffekte, die die Logistik für eine ganze Bandbreite städtischer Räume organisieren, und deren Portfolio für Kommunikationskunden interessant erscheinende Großstädte beinhaltet. Freilich bestehen interkulturelle Eigenarten, was die Vermittlung von Werbebotschaften, also die Inhalte der Außenwerbung betrifft. Jedoch gibt es inzwischen nicht allein Werbeagenturen, die europaweite oder internationale Kampagnen kreieren, sondern es gibt auch europäische oder internationale Marken, deren Werbebotschaft so reduziert werden kann, dass sie durchaus interkulturell anwendbar ist.278 Die Standardisierung der Werbeträger hingegen macht eine solche Gleichschaltung interkultureller Kampagnen 276 Anlage 3 gibt Übersicht über die in der Außenwerbung gängigen Formate. Zur Klassifizierung von Werbeträgern innerhalb verschiedener Segmente der Außenwerbung siehe Hofe und Rost 2005. 277 Siegert und Brecheis 2005. 278 Kloss 2007.
93
logistisch erst möglich. Einige Anbieter haben sich auf hochwertige Werbeträger spezialisiert, wohingegen andere ebenfalls weniger attraktive Standorte und Produktgruppen im Programm haben. Die Auswahl der jeweils vertriebenen Formate und Werbeträgerqualitäten ist ausschlaggebendes Kriterium bei der Akquisition von Werbekunden, denn eine hinterleuchtete Fläche an einer Haltestelle (CLP) erreicht eine andere Zielgruppe als eine Großfläche.279 Werbeträger für CLP-Formate werden in Deutschland gegen Mitte der 1980er Jahre eingeführt, und verzeichneten in den 1990er Jahren jährlich eine zweistellige Zuwachsrate.280 Beleuchtete Großflächen werden schließlich 1996 und CLB-Formate erst 2001 zum ersten Mal in den Statistiken zum Stellenbestand der Außenwerbeträger genannt, wohingegen beleuchtete Säulen seit Ende der 1990er Jahre angeführt werden (Abb. 5).281
Abbildung 5: Die drei Standardformate der werbefinanzierten Stadtmöblierung. Abb. 5a. (links): hinterleuchtete, verglaste Stadtinformationsanlage (SIA) mit City Light Poster-Format (CLP), Karl-Liebknecht-Straße. Abb. 5b. (mittig): hinterleuchtete, verglaste City-Light Boards (CLB), Leipziger Straße. Abb. 5c. (rechts): hinterleuchtete, verglaste und rotierende City-Light Säule (CLS), Potsdamer Platz. Quelle: S. Knierbein.
Diese Einführung neuer qualitativ hochwertiger Werbeträger kann als Anzeichen dafür gewertet werden, dass es in den letzten Dekaden zu grundlegenden Veränderungen in den Out-ofHome Medien gekommen ist, und es darf – mit dem Blick auf die digitale Revolution in der Außenwerbung vor allem in Asien – davon ausgegangen werden, dass dieser Innovationsprozess in naher Zukunft erst seine wirkliche Reichweite entfalten wird. Davon zeugt auch die jüngste Studie „Digital Signage in Europe-Opportunities for digital Out-of-Home advertising“ der Beratungsunternehmen Goldmedia und Screen Digest, die eine Vervierfachung des Nettowerbeumsatzes mit digitaler Außenwerbung bis zum Jahr 2012 prognostiziert. Demnach sollen die Umsätze mit digitaler Außenwerbung in Europa von 158 Millionen Euro (2007) auf 626 Millionen Euro (2012) ansteigen282, für Deutschland wird ein Wachstum von 3% auf 11%
279 Udo Müller, Geschäftsführer Ströer-Gruppe im Interview. FAZ vom 12.01.04. 280 Hofe und Rost 2005, 40. 281 Siehe Veröffentlichung zum Stellenbestand der Außenwerbeträger ab 1975, online publiziert durch den Fachverband Außenwerbung (FAW), URL: http://www.faw-ev.de/media/download/marktdaten/7stellenbestand_aw_seit_19 75.pdf (letzter Zugriff am 10.03.08). 282 Die Ergebnisse dieser Studie wurden am 21.08.2008 in Berlin vorgestellt. Goldmedia und Screen Digest. Studie "Digital Signage in Europe - Opportunities for digital Out-of-Home advertising". Pressemitteilung „Anteil digitaler Außenwerbung wird stark wachsen“. Siehe URL: http://www.horizont.net/aktuell/medien/pages/protected/show Newsletter.php?id=78413&utm_source=Newsletter&utm_medium=Newsletter (letzter Zugriff am 26.08.08).
94
gemessen am Gesamtumsatz der Außenwerbung angenommen.283 Initiativen, um diese Marktpotenziale ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft zu bringen, stellt das Media Fassade Festival in Berlin im Jahr 2008 dar, dessen Ziel es ist, „völlig neuartige Berührungspunkte zwischen digitalen Räumen einerseits und Architektur und städtischen Räumen andererseits” zu schaffen.284 Nachdem nun ein Rekurs bezüglich der Standardisierung der Formate und der qualitativen Aufwertung der Werbeträger der Außenwerbewirtschaft vorgestellt wurde, wird nachfolgend das Augenmerk auf den Beschaffungsprozess gelenkt: Wie locken stadtmöblierende Außenwerbeunternehmen werbewillige Kunden an? – Ein wichtiges Argument ist die Produktpolitik, denn oftmals kann das Außenwerbeunternehmen direkt mit dem Werbeträger im Stadtraum in Verbindung gebracht werden. Qualitativ hochwertige Außenwerbeträger stellen demnach im Optimalfall ein eindeutiges Qualitätssignal für die potenziellen Werbekunden dar. Im Umkehrschluss: Ein negatives Image des Werbeträgers oder auch des Stadtmöblierers selbst schadet der Akzeptanz der auf den Werbemitteln (Plakat, u. ä.) beworbenen Produkte und Dienstleistungen.285 Denn für den Werbekunden ist es wichtig, dass die Marketingmaßnahmen zur Bewerbung seines Produkts oder seiner Dienstleistung in einem adäquaten Umfeld präsentiert werden. Demnach würde ein hochwertiger Sekt nur entsprechend auf einer hochwertigen Außenwerbefläche seinem Image entsprechende Wirkung entfalten können. Discounterprodukte hingegen wären auf den althergebrachten Großflächen durchaus angemessen, würden aber wahrscheinlich auf hochwertigen Werbeträgern ebenfalls besser in Szene gesetzt. Was hier mittels Beispielen angedeutet werden soll, kann als eine Facette des generellen Trends der Ästhetisierung der Alltagswelt und der Markenkommunikation verstanden werden.286 Da Außenwerbefirmen relativ wenig Einfluss auf die Ausgestaltung der Plakate (Werbemittel), also im übertragenen Sinne der Software, haben, kann dies für sie einen Risikofaktor darstellen. Sollte nämlich eine Plakatkampagne abstoßende oder anrüchige Assoziationen hervorrufen, so kann das Negativ-Image unter Umständen auch auf das Stadtmöblierungsunternehmen zurückwirken, das lediglich die Hardware stellt, also den Informationsträger. Deswegen behalten sich viele Unternehmen eine vertragliche Ablehnungsklausel vor, die allerdings nur selten in Anspruch genommen wird.287 Über die Qualität des Werbeträgers können sich die Out-of-Home Medien-Unternehmen von anderen Marktteilnehmern differenzieren. Dies hat bereits in Deutschland seit dem Beginn der 1990er Jahre zu einem flächendeckendem Austausch von Werbeträgern geführt: Mit geringen Mitteln herstellbare Holztafeln und BetonLitfaßsäulen wurden durch ansprechendere Metall-, Aluminium- und Glaskonstruktionen ersetzt. Heutige Stadtmöbelstücke sind nahezu durchgängig mit Elektroanschlüssen ausgestattet, die es ermöglichen, Werbung auch nachts zu vermarkten. Seit kurzer Zeit sind neue Stadtmobiliarfamilien im Angebot, die Energie über Solartechnik generieren, und somit notwendige Anschlüsse im Straßenraum obsolet machen könnten. Eine Stadtmöbelserie, die über eingebaute Solarzellen in der Dachstruktur verfügt, ist die sogenannte Intelligent Series der Wall AG, die durch das japanische Designbüro GK Sekkei entworfen wurde (Abb.6).
283 Siehe Online-Veröffentlichung der oben genannten Studie. URL: http://www.horizont.net/marktdaten/charts/ pages/show.prl?id=4477 (letzter Zugriff am 26.08.08). 284 Siehe Internet Media Facades Festival Berlin 2008. URL: http://www.mediaarchitecture.org/mediafacades2008/ exhibition/ (letzter Zugriff am 02.11.08). 285 Korff 1987. 286 Ullrich 2006. Schulze 2001. 287 Interview C.9.d. vom 13.12.06.
95
Mit integrierter Energieversorgung lassen sich ebenfalls die sogenannten E-Terminals, das sind stromlinienförmig gestaltete, behindertengerechte Computer-Tische, mit Strom versorgen.288 Neue Druck- und Modellierungstechniken und Software-Tools dienen den Firmen bei der Produktentwicklung und bei der funktionalen und ästhetischen Aufwertung ihrer Werbeträger. Gegenwärtig kommen mehr Materialien zum Einsatz, um weniger standardisierte Stadtmöbel zu entwickeln. Katja Locke, die sich mit der Veränderung der Typologien von Wartehallen in Berlin aus der Perspektive des Produktdesigns auseinandersetzt, geht explizit auf den formalen, sowie auf den funktionalen Gestaltwandel ein.
Abbildung 6: Wartehallen der Intelligent Series. Wall AG/GK Sekkei. Abb. 6a. (links): Integriertesm E-Terminal. Abb. 6b. (mittig): Wartehallen mit Sitzbank und Solarzellen. Abb. 6c. (rechts): Solarmodule in der Dachkonstruktion. Friedrichstraße, Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Abbildung 7: Evolution des Wartehallendesigns anhand der Veränderung der Firmenlogos der Wall AG. Abb. 7a. (links): Überdimensioniertes Firmenlogo. Modell City Line. Abb. 7b. (mittig): Kaum noch wahrnehmbares Firmenlogo. Modell Helios (modifiziert). Abb. 7c. (rechts): Haltestelle, Modell City-Line., Luisenstraße, Berlin und Augustaplatz, BadenBaden. Quelle: S. Knierbein
Dabei wird anhand der gestalterischen Evolution der Wartehallenhäuschen in Berlin dargestellt, welche gestalterischen Charakteristika mit der Zeit in den Vordergrund gerückt sind. So wurde ab 1984 zunächst das Modell Berlin der Softline-Serie eingesetzt.289 Bald wurde dieses Design abgelöst vom nicht speziell für Berlin entwickelten City-Line-Modell, das heute noch 288 Siehe virtuelle Produktpräsentation der Intelligent Series auf der Homepage der Wall AG. URL: http://www.wall .de/de/city_marketing/product_lines/desIgnview.asp?design=hh$hhIntelligenthh$hhSeries (letzter Zugriff am 10.03. 08). 289 Siehe die Abbildung 5.1. in Locke 2005, 37. URL: http://www.kh-berlin.de/khb-neu/projekt/theorie/ katja_locke_berliner_wartehallen.pdf (letzter Zugriff am 10.03.08).
96
vielfach den Berliner Stadtraum prägt. Hier kann die Veränderung der Firmenlogos als Indiz für veränderte Vorzeichen in der Markenkommunikation gedeutet werden (Abb.7, Kap. 4). Prangten auf vielen Berliner Wartehallen, die in den 1980er Jahren auf den Markt kamen, noch überdimensionierte Firmenlogos, so ist ihre Dimensionierung heute wesentlich zurückhaltender. Schaut man sich das Firmenlogo auf den gegenwärtigen Produktneuheiten am Potsdamer Platz an, so ist deutlich Minimalismus in der Gestaltung und Größe zu erkennen, gleichzeitig hat sich dagegen die Anzahl der kleinen, fast sublim wirkenden Logos vervielfacht. Das Prinzip der gestalterischen Evolution des Logos lässt sich in vielen Fällen übertragen auf die Gestaltung der einzelnen Stadtmobiliarelemente in ihrer Gesamtheit: Wirkten etwa die ersten automatischen Toilettenkabinen noch wuchtig, fast ein wenig bleiern, so sind sie heute graziler in der Gestaltung und funktional erheblich ausdifferenzierter. Mancherorts werden auch historische Bedürfnisanstalten durch die Unternehmen der Stadtmöblierung restauriert, so etwa das Berliner ‘Café Achteck’. Dabei tritt immer mehr in den Vordergrund, dass sich Stadtmobiliar feinsinnig in die städtischen Umfelder integriert, oder eben, wie am Beispiel der gemeinsam vom Hamburger Designer Hadi Teherani und der Wall AG für den Bieterwettbewerb in Hamburg entwickelten Stadtmöbelfamilie ‘Landmark’290 erkennbar, eine ganz neue, durchaus ausdrucksstarke Designrichtung für städtische Freiräume vorgegeben werden kann.291 Beide Varianten – die minimalistisch-zurückhaltende sowie die avantgardistisch-bestimmende – liegen gegenwärtig im Trend, und werden durch eine dritte, eher historisch-nostalgische Designrichtung, ergänzt. Ein das Produktdesign maßgeblich mitbestimmendes Kriterium ist die Ausrichtung des integrierten Werbeträgers an den Passantenströmen. Dabei darf der Eindruck des Stadtmöbelstücks nicht mit der Botschaft des Werbemittels, den Plakatinhalten, in Konkurrenz treten. Das hat dazu geführt, dass die Farben der Stadtmobiliarfamilien zunehmend neutraler werden: dunkelblau, dunkelgrün, grau oder schwarz bestimmen die Alltagsästhetik. So kann das Stadtmöbelstück seine Funktion als ‘Passepartout des Plakats’ voll und ganz erfüllen, die Werbebotschaft wird in relativ neutralen Werbeträgern im Stadtraum eingepasst.292 Nachdem nun vor allem die im Stadtraum materiell ablesbaren Veränderungen im Bereich der Out-of-Home Medien dargestellt worden sind, werden diese jetzt in Verbindung zu der Veränderung gesamtgesellschaftlicher Rahmenbedingungen gesetzt, zu jüngeren Umwälzungen in der Medien- und Werbelandschaft. Gesellschaftliche Determinanten der Out-of-Home Medien im Wandel Transformationen in der Außenwerbebranche Mit dem Aufkommen des Internets werden verschiedene Transformationen assoziiert, die eine grundlegende Restrukturierung der Medienlandschaft einläuteten. Ein großer Teil der Medien hatte sich in der Nachkriegs-Ära über Werbung finanziert, die den Verbraucher daheim erreichte. Radio und Fernsehen galten als private Haushalte erobernde Medien, mit denen sich
290 Siehe Internetauftritt der Wall AG. Pressemeldung vom 12.12.06 „Chicago prämiert Wartehalle für Hamburg”. URL: http://www.wall-eg.org/de/company/news/article/news01325.asp (letzter Zugriff am 17.05.08). Nach dem Relaunch der Homepage der Wall AG vom 15.07.08 wird auch die Serie Landmark intensiv vorgestellt. URL: http://w ww.wall.de/de/street_furniture/designlines (letzter Zugriff am 04.08.08). 291 Tagesspiegel vom 04.04.07. 292 Formulierung Kristahn, zitiert in Locke 2005, 39.
97
der Massenkonsum vorantreiben ließ.293 Ungefähr seit Beginn der 1980er Jahre zeichnet sich jedoch im so genannten ‘In-House’-Werbemarkt eine Fragmentierung der traditionellen Massenmedien ab, die durch ein erweitertes Angebot an Kanälen verschärft wird. Ein Grund dafür ist, dass Menschen ihre Zeit daheim heute wesentlich selektiver und gezielter verbringen. Durch den Aufschwung der virtuellen Medien und die Möglichkeit des kabellosen Zugangs zu Informationsquellen (W-LAN) wird auch der Aufenthalt zuhause zunehmend von MultiTasking geprägt. Offensichtlich wirkt sich dies in einer Abnahme der Aufmerksamkeit aus, mit der Radio- und Fernsehwerbung aufgenommen werden.294 Der Rückgang der Bedeutung der klassischen Massenmedien unterliegt jedoch auch einem technischen Fortschritt, der selbst die Wirkung von Internetwerbung einzuschränken vermag. Denn es sind mittlerweile Anwendungen standardmäßig in nahezu jedem Browser installiert, die es dem Verbraucher gestatten, wiederkehrende Werbebanner oder Pop-Ups über sogenannte Pop-Up-Blocker zu filtern. Und auch den Zuschauern und Zuhörern von Radio und TV werden immer mehr technische Möglichkeiten an die Hand gegeben, ihren Medienkonsum daheim so zu steuern, dass Werbung darin immer weniger Platz findet. Medieninformationen werden daher aufgrund der Reizüberflutung strategischer wahrgenommen, Internetfernsehen oder Livestreams verschiedener Radiostationen bieten die Möglichkeit, Sendungen gezielt zu selektieren.295 Als Reaktion auf diese grundlegenden Veränderungen der medialen Einflussnahme in den Haushalten zeichnet sich eine Hinwendung der Werbeindustrie zu einer weiteren Mediensparte ab, den so genannten Ambient Media. Diese sprechen potenzielle Verbraucher in ihrem täglichen Lebensumfeld – Out-of-Home – an. So kann die Postkarte, die auf dem Tisch in der Bar liegt, ebenso als Ambient Media bezeichnet werden, wie die Werbung in den Toilettenräumen gastronomischer Etablissements.296 Außenwerbung wird ebenfalls den Ambient-Medien zugeordnet, denn sie wird in öffentlich einsehbaren Stadträumen positioniert und prägt so dauerhaft das Stadterleben von Berufspendlern, Besuchern und Bewohnern. Die Bedeutung der Ambient-Medien wird noch deutlicher, wenn man sich der Tatsache zuwendet, dass sich in den vergangenen Jahren ebenfalls die Strukturen urbaner Mobilität verändert haben. Immer mehr Menschen müssen mehr Zeit in Mobilität investieren, etwa zwischen Arbeitsplatz und Wohnung.297 Städtische Freiräume sind nicht zuletzt deswegen wieder ins Fadenkreuz der Werbeindustrie gerückt, weil es trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen immer mehr Menschen in Städte zieht. Denn Stadtleben ist wieder attraktiv für Teile der Gesellschaft geworden, die es vormals nach Suburbia gezogen hatte, und speziell diese stellen die für die Werbewirtschaft interessanten neuen urbanen Mittel- und Oberschichten – also Kaufkraft – dar. Denn vielfach ist die Rede davon, dass diese ‘Urbaniten’ wieder in die Zentren zurückkehren.298 Außenwerbung tritt jedoch raumzeitlich betrachtet nicht mit dem Internet in mediale Konkurrenz, da hier gezielt mobile Menschen genau während der Momente ihres Lebensalltages angesprochen werden, während der sie nicht im Büro, im Café oder daheim vor den Monitoren sitzen. Sie spricht wiederum auch die vielen Logistik-Dienstleister und andere Berufsgruppen während der Arbeit an, die in ihrem Arbeitsalltag nicht permanent an die Büroarbeit 293 Damm und Siebenhaar 2005. Kiefer 2004. 294 Kloss 2007. 295 Ibid. 296 Hier etwa sei eine genuin geschlechtsspezifische Verbraucheransprache möglich, Frauen – so wurde in England gemessen – verbringen durchschnittlich 105 sek auf dem Stillen Örtchen. Etwa 78% der Toilettenbesucher erinnern sich an die beworbenen Produkte (vgl. Kloss 2007, 370). 297 Siehe Annual Report JCDecaux 2006, 8. URL: http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/12/129877/report s/AR_DocRef2006_UK_Web.pdf (letzter Zugriff am 19.05.08). 298 Süchting und Weiss 2001.
98
am Computer gebunden sind. Natürlich gibt es zwischen den Phasen des Arbeitens und Nichtarbeitens mediale Intermezzi, etwa die Möglichkeit des Internetempfangs auf den neueren Mobiltelefonen während der von Mobilität geprägten Tageszeiträume. Jedoch wird aus diesen Ausführungen klar, dass Out-of-Home Medien und virtuelle Medien sich im Optimalfall ergänzen können, seltener aber als Konkurrenz zueinander auftreten. Und es wird auch klar, dass es darum geht, Medien zu kombinieren, die jeweils erfolgreich die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen. Denn Aufmerksamkeit ist zur wichtigsten Ressource der Werbewirtschaft avanciert, wie nun skizziert wird. Die Aufmerksamkeitsökonomie Stadtmöblierende Unternehmen der Werbewirtschaft haben sich bisher vorrangig der Organisation der Logistik für Out-of-Home Medien im Stadtraum verschrieben. Hier spielt die Akquisition von für die Werbekunden attraktiven Standorten eine sehr große Rolle. Was aber macht einen Standort attraktiv für den Werbekunden? Wie wirkt Außenwerbung, welche Reichweite können Werbewände, Plakate in Vitrinen oder auf Säulen erzielen? “How does a single brand of salsa attract your attention when two hundred other brands are available? The answer in the attention economy is to buy attention with money.” (Davenport und Beck 2001, 5)
So banal das Zitat zunächst klingen mag, so einfach ist die Botschaft: Produktplatzierungen, Erinnerungswerbung, Strategien der Cultural Camouflage, sie alle verfolgen nur das eine Ziel: Die Aufmerksamkeit der Verbraucher in einer zunehmend reizüberfluteten städtischen Umwelt zu gewinnen. Das hat auch die Wissenschaft auf die Fährte der Aufmerksamkeitsökonomie gebracht, denn nach und nach setzen sich Forscher im Kontext der Informationsgesellschaft mit den Folgen der quantitativen sowie qualitativen Durchdringung des Lebensalltages mit Information auseinander.299 Thorngate etwa definiert um 1990 Aufmerksamkeit einerseits als fokussierte Aktivität, die bestimmt, was eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt tut, also als handlungsstrukturierend, andererseits als Ressource entsprechend der mentalen Kapazität, die er als mentales Kapital bezeichnet.300 „Um (...) das Verhältnis von Aufmerksamkeit auf der einen und (...) Medien auf der anderen Seite beschreiben zu können, muss die wichtige Unterscheidung ‘zwischen der Produktion von Aufmerksamkeit als Voraussetzung und Vorbedingung für andere, meist ökonomische oder politische Zwecke, und der Erzeugung von Aufmerksamkeit als Ziel öffentlicher Kommunikation’ (Beck 2001, 20) Teil [des soziologischen] Grundverständnisses [von Aufmerksamkeit] sein, um in einem zweiten Schritt das Phänomen Aufmerksamkeit sowohl aus Sicht der aufmerksamkeitsaufbringenden, wie auch der aufmerksamkeitserregenden Individuen, Gruppen oder Institutionen – mit den (neuen) Medien als „Spezialisten“ der Aufmerksamkeitsbindung – diskutieren zu können.“ (Proksch 2002, 29)
Franck hingegen konstatiert wenig später als Thorngate, dass Aufmerksamkeit als immaterielle Ressource das Kapital ablösen werde.301 Diese Aussage fand jedoch bisher nur mäßigen Anklang, da sie die Rolle und Eignung von Aufmerksamkeit als Generaltauschware überschätze.302 Einigkeit besteht jedoch in dem Punkt, dass das frühe Input von Franck in die richtige Richtung weist, auch wenn es dahingehend interpretiert werden muss, dass Aufmerksamkeit das knappe Gut der Informationsgesellschaft darstellt, ohne dass Aufmerksamkeit notwendiger299 300 301 302
Franck 2008, Siegert und Brecheis 2005. Franck 2004, Proksch 2002, Franck 1999, Goldhaber 1997. Thorngate 1998, 263. Franck 1998. Vgl. Siegert und Brecheis 2005, 84.
99
weise Geld als Währung substituieren wird.303 Kann man also von einer Ökonomie der Aufmerksamkeit sprechen oder soll man die vorsichtigere Formulierung der Aufmerksamkeitsmärkte wählen?304 Siegert hat betont, dass Aufmerksamkeit bisher im Überfluss vorhanden war.305 Daher musste Aufmerksamkeit auch nicht bewirtschaftet werden, was sich mit Einzug der Neuen Medien und eines neuen gesellschaftlichen Umgangs mit Information per se verändert hat. Spätestens seit der Arbeit von Proksch, der mehrere Aspekte von Aufmerksamkeit in seine umfassende Betrachtung einbindet, ist das Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie in den Sozialwissenschaften verankert, gerade weil sich durch die Entwicklung der Neuen Medien der Wettbewerb um Aufmerksamkeiten rasant verändert hat.306 Schließlich konstatieren auch Davenport und Beck, dass die Rolle von Aufmerksamkeit als ökonomische Ressource spätestens seit den ersten Studien zur Rezipientenwirkung des Fernsehens unumstritten ist.307 Ähnlich wie auch im TV und im Radio berechnet man die Preise der Außenwerbung über Rezipientenkontakte. Das bedeutet, dass Unternehmen der Werbung generell und der Außenwerbung speziell sich prinzipiell zwischen mindestens zwei Märkten bewegen: dem Rezipientenmarkt und dem Werbekundenmarkt (Abb. 8).
Abbildung 8: (Out-of-Home) Medienunternehmen agieren auf mindestens zwei Märkten. Quelle: Eigene Darstellung.
Die Rezipienten sind dabei passive Marktteilnehmer, sie konsumieren zwar Informationen, zahlen dafür aber keinen monetären Preis. Allein die potenzielle Kontaktchance dient in der Außenwerbung als Maßstab, Aufmerksamkeitspotenziale (nicht Aufmerksamkeit!) in Kapital umzuwandeln, denn über die Einheit der Werbeträgerkontakte (die schlichtweg mit den Werbemittelkontakten gleichgesetzt werden) wird in der Aufmerksamkeitsökonomie gehandelt. Im Bereich der Out-of-Home Medien wird die durchschnittliche Zahl der Kontakte – der Begriff bezieht sich allein auf Kontakte innerhalb der zu erreichenden Zielgruppe – durch Verkehrszählungen, Befragungen zur Passierhäufigkeit und durch Ermittlung von Blickkontakten mit Hilfe von Kameras erhoben. Die in derartigen Analysen ermittelten Kontaktraten werden bei der Medienplanung als Kontaktwahrscheinlichkeiten (Chancen) verwendet. Dabei gilt zunächst die Faustregel, je frequentierter ein Ort ist, desto höher die Kontaktchance, jedoch ist es von zentraler Bedeutung, von welchen Teilöffentlichkeiten oder Zielgruppen diese Plätze frequentiert werden. Zentrale öffentliche Räume sind also Orte, an denen hohe Kontaktraten erzielt werden können und lassen sich deswegen gut vermarkten, weil sie einen großen Anteil kaufkräftigen Publikums (konsumbereite Touristen, 303 304 305 306 307
100
Goldhaber 1997. Siegert und Brecheis 2005. Vgl. Siegert 2001a, 110. Vgl. Proksch 2002, 34. Davenport und Beck 2001.
Stadterleben zelebrierende Urbaniten, etc.) anziehen. Bei der Berechnung eines Werbestandorts ist es also bedeutend, wie häufig dieser von wem frequentiert wird. Dies ist – vereinfachend gesprochen – vergleichbar mit den Einschaltquoten im Fernsehen. Bei hohen Einschaltquoten der Sendung ist die Werbeinsel dementsprechend teurer, als bei niedrigeren. Auch hier wird in der Regel zielgruppenspezifisch sondiert, so läuft nachmittags verstärkt Seniorenwerbung und vor der Sportschau anlässlich der männlich-sportlichen Zielgruppe vorrangig Auto- oder Bierwerbung. Das bedeutet übertragen auf die Außenwerbung, dass die stadtmöblierenden Werbeunternehmen eine ganze Maschinerie von Sozialstudien in Gang setzen müssen, um eine solide Berechnungsgrundlage für verschiedene Standorte in der Stadt zu erhalten. Es geht bei Aufmerksamkeitsberechnungen nicht allein darum, ein Produkt ins Bewusstsein der potenziellen Konsumenten zu rücken. Davenport und Beck postulieren, dass das Bewusstmachen nur eine anfängliche Phase des Aufmerksamkeitsprozesses ist (Awareness). Bei der Vielzahl an dargebotenen Produkten und Services findet also bis zur Phase der Entscheidung zunächst eine Hinwendung der Aufmerksamkeit zu einem bestimmten Produkt, zu einer bestimmten Dienstleistung statt (Attention). Erst aber, wenn es zu einem Handeln des Konsumenten im Sinne einer Kaufentscheidung oder einer bewussten Verneinung derselben kommt (Action), dann ist der Aufmerksamkeitsprozess vollzogen (Attention Process).308 Dass sich ein solcher Konsumprozess jedoch nicht empirisch rekonstruieren lässt, also nicht in deterministischer Manier kalkulierbar ist, werden die nachfolgenden Ausführungen zeigen. Zunächst jedoch zurück zu den Aufmerksamkeitsmärkten: Dass diese nicht einem unbegrenzten Wachstum unterliegen können, zeigen etwa die Turbulenzen der 1990er Jahre, in denen die Werbewirtschaft mit Umsatzeinbußen zu kämpfen hatte. Einer der Hauptgründe hierfür wird in der Tatsache gesehen, dass Aufmerksamkeit eine äußerst knappe Ressource ist, wie folgendes Zitat veranschaulicht: “What information consumes is rather obvious: it consumes the attention of its recipients. Hence a wealth of information creates a poverty of attention.” (Simon, Ökonom und Nobelpreisträger309)
In der zunehmend informationsgeschwängerten städtischen Lebenswelt – innerhalb einer Generation hat sich das mediale Informationsangebot um das 40fache erweitert und die ProKopf-Versorgung mit Massenkommunikationsmitteln steigt kontinuierlich etwa um 10 Prozent jährlich310 – zeichnet sich seit wenigen Dekaden eine Durchdringung diverser Stadträume mit (medialer) Information ab: Wie bereits zuvor erläutert, erscheint das häusliche Umfeld als überfrachtet mit Informationsvielfalt und medialem Zuwachs, denn in den Haushalten hat neben TV und Radio auch das Mobiltelefon sowie das Internet Einzug gehalten. Auch die Arbeitsplätze haben sich mit zunehmender Computerausstattung und Virtualisierung zu Orten eines äußerst hohen Informationsaufkommens entwickelt. Schließlich sucht mit der Einführung des W-LAN die Informationsüberflutung ebenfalls die Kaffeehäuser erneut heim. Für ein tiefergehendes Verständnis erscheint es notwendig, einen Einblick in die Methoden zu bekommen, mit denen die Außenwerbewirtschaft versucht, ihrem Objekt der Begierde, dem Rezipienten, und seiner Aufmerksamkeit näher zu kommen. Erinnern wir uns an die Worte von Korff, der den Unternehmen der Branche noch gegen Anfang der 1980er Jahre keine bahnbrechende Zukunft prophezeite. Denn für die effektive Kapitalisierung der Aufmerksamkeit311 schien die Außenwerbewirtschaft noch in den frühen 1980er Jahren nicht ausgerüstet, 308 309 310 311
Kloss 2007. Für ein graphisches Modell des Aufmerksamkeitsprozesses siehe Davenport und Beck 2001, 21. Herbert Simon zitiert durch Kiefer 2004, 175 sowie durch Davenport und Beck 2001, 11. Buß 2008. Franck 1999.
101
wurde ihr doch lange Zeit vorgehalten, gerade die Nachvollziehbarkeit der Reichweite von Werbekampagnen sei aufgrund mangelnder Datenlage nicht gewährleistet. Die Branche verfüge über keinerlei wissenschaftliche Fundierungen zur Bestimmung der Effizienz der Außenwerbung im Vergleich zu anderen Mediengattungen. Die düstere Stimmung und Voreingenommenheit gegenüber der Außenwerbebranche in den 1980er Jahren führte jedoch nicht, wie von Korff angenommen, dazu, dass andere Akteure wie etwa Fernseh- und Rundfunkunternehmen deren Aufgaben übernahmen.312 Sie generierte vielmehr einen grundlegenden Modernisierungs- und Innovationsschub in der bestehenden Außenwerbebranche. Eine neue Ära der Mediaplanung Die Geschäftspraxis der stadtmöblierenden Außenwerber fußt heute auf hervorragenden qualitativen sowie quantitativen Studien aus dem Bereich der Mobilitäts-, Konsum- und Marktforschung.313 Neue Verfahren in der Berechnung der Effizienz von Außenwerbeträgern dienen gegenwärtig der empirischen Fundierung der Preispolitik der Stadtmöblierungsunternehmen gegenüber Werbekunden (diverse Akteure und Institutionen) und den Kunden der Stadtmöblierung (Städte und Kommunen). Denn schließlich initiierten die Außenwerbeunternehmen eine neue wissenschaftliche Qualitätsoffensive, so dass sie gegenwärtig von einer neuen Art wissenschaftlicher Mobilitätsstudien aus dem Bereich des ‘Geo-Data-Mining’, wie beispielsweise dem Frequenzatlas, profitieren können.314 Seit 2002 sind im Rahmen dieses Projektes umfangreiche, systematische Kontaktfrequenzanalysen entstanden, in 2003 wurde der so genannte „Frequenzatlas Gesamtdeutschland“ beim Fraunhofer Institut AIS in Auftrag gegeben, und liegt nunmehr seit 2005 als Instrument der Werbewirksamkeitsberechnung vor.315 An der Erstellung einer solchen Kontaktfrequenzanalyse, die zunächst für 84 deutsche Großstädte ab 100.000 Einwohnern gilt, waren neben dem Fachverband für Außenwerbung (FAW) auch das Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) des Fraunhofer Instituts sowie die Gesellschaft für Konsumforschung (GF) beteiligt.316 Auf Basis einer bundesweit einheitlichen Methodik sollten die Verkehrsfrequenzen in den drei Kategorien Fußgänger, Autofahrer und ÖPNV-Benutzer statistisch aufgeschlüsselt werden. Der Frequenzatlas enthält daher für alle öffentlich zugänglichen Straßenabschnitte der 84 Städte Frequenzwerte, die pro mittlerer Stunde eines Werktags erfasst werden (Anlage 4).317 Ergänzt werden kann diese quantitative Datengrundlage durch Ergebnisse der Markt- und Konsumforschung, die insbesondere die Differenzierung nach Konsumentengruppen ermöglichen. Denn eben jene Verbesserungen in der Nachvollziehbarkeit der gezielten Konsumentenansprache im Stadtraum haben dazu geführt, die Verlässlichkeit und Effizienz der Out-of-Home Medien zu steigern und diese so erneut interessant für potenzielle Werbekunden werden zu lassen. Der Frequenzatlas und vergleichbare Tools sind aber nicht allein ein Argument der Außenwerbewirtschaft gegenüber dem Wer312 Korff 1987. 313 Ähnliche Aussagen treffen Davenport und Beck (2001, 94) für die gesamte Werbewirtschaft. 314 Vgl. Kloss 2007, 367f. Für eine exemplarische Übersicht über Außenwerbeträger-Forschung zwischen 1960 und 1980 siehe Korff 1987, 84ff. 315 Siehe Pressemeldung, Fachverband für Außenwerbung: „Der erste Frequenzatlas für Deutschland liefert fundierte Daten zur Verkehrswegenutzung“ vom 14.11.05. URL: http://www.faw-ev.de/de/faw/presse/pressemeldungen/ index.nid.14.html (letzter Zugriff am 20.05.08). 316 Siehe Homepage des Fraunhofer Instituts. URL: http://www.ais.fraunhofer.de/tp/faw.html (letzter Zugriff am 20.05.08). 317 Hier wiederum gibt es verschiedene Möglichkeiten der Zählungen, wie beispielsweise das von der Bartlett School in London patentierte Space Synthax Verfahren. URL: http://www.spacesyntax.com/ (letzter Zugriff am 20.05.08).
102
bekunden, sondern sie dienen den Außenwerbeunternehmen eigens als Berechnungskriterium für die Preisgrundlage der verschiedenen Standorte, die – wie auch bei anderen Mediengattungen – über den so genannten ‘Tausend-Kontakt-Preis’ (TKP)318 vollzogen wird (Anlage 4). Dieser wird bei elektronischen Medien zunehmend durch die Einheit ‘Costs per Lead ‘ (CPL) ersetzt, hier ist die Anzahl der Zugriffe oder Clicks auf elektronische Ressourcen gemeint. In all diesen Bestrebungen nach Qualitätssteigerung geht es darum, die Leistungsfähigkeit von Außenwerbung gegenüber anderen Medien nachzuweisen. Dies ist über die systematische Berechnung des TKP (Preis pro 1000 Kontakte) möglich geworden. Den Werbekunden, die etwa von intermediären Akteuren wie Media- oder Werbeagenturen vertreten werden, kommen die Ergebnisse der Studien zu Gute, da sie präzise unterschiedliche Werbeträger in ihren Marketingmix integrieren und „deutlich differenzierter räumlich planen“ können.319 Eine weitere Initiative zur Qualitätsverbesserung ist die vom Fachverband der Außenwerbewirtschaft und den Außenwerbeunternehmen Wall AG und JCDecaux durchgeführte Medienanalyse ‘ma 2007 plakat’, die das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung in öffentlichen Räumen in den Mittelpunkt der Erhebung stellt. Zum ersten Mal wird an dieser Stelle nicht allgemein vom Straßenraum und von Straßenabschnitten gesprochen, sondern explizit vom öffentlichen Raum.320 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass speziell in der letzten Dekade ein methodisches Instrumentarium an der Schnittstelle verschiedener gesellschaftswissenschaftlicher Dienstleistungen entstanden ist, das den Außenwerbefirmen die Möglichkeit bietet, Kontaktchancen in öffentlichen Räumen systematisch zu erfassen. Dies geschieht jedoch nicht allein mit der Absicht, Bewegungsströme in quantitativer Hinsicht zu messen, sondern es wird explizit darauf abgezielt, quantitative Studien mit qualitativen Forschungen bezüglich der Streuung der Zielgruppen in städtischen Räumen zu ergänzen. Wie aber genau werden Zielgruppen bestimmt, und: macht es Sinn, Verbraucher in Gruppen mit ähnlichen Konsumgewohnheiten zu kategorisieren? Der nächste Abschnitt wird sich diesem Themenfeld zuwenden. Zielgruppenannäherungen oder der hybride Konsument? “Marketing for everybody is marketing for nobody.” (Lettau zitiert durch Hölscher 1998, 165)
Werbung ist früher wie heute explizit zielgruppenorientiert.321 So könnte man meinen. Jüngere Literatur zu Werbung jedoch weist darauf hin, dass Versuche, Zielgruppen zu bestimmen, immer häufiger den Vorstößen weichen, neue Wege der Kundenansprache zu finden. Denn die Konsum- und Werbeforschung geht gegenwärtig weniger von der Existenz homogener Zielgruppen aus, als vielmehr davon, dass Verbraucher ein hybrides Konsumverhalten aufweisen: „Dieser hybride Konsument ist durch mangelnde Transparenz in seinem Kaufverhalten charakterisiert, da er verschiedene, teilweise widersprüchliche, Konsumverhaltensweisen in sich vereint. (...) Der heutige Konsument kennzeichnet sich jedoch nicht nur durch eine hohe Multioptionalität, sondern ist im Allgemeinen auch besser informiert.“ (Kloss 2007, 259)
318 Auch: Tausenderpreis, Tausenderkontaktpreis. Im Englischen: Thousand Ad Impressions (TAI). 319 Siehe Pressemeldung ma 2007. Plakat - Beginn einer neuen Ära in der Mediaplanung. Fachverband für Außenwerbung. 16.01.08, S.2; URL: http://www.faw-ev.de/ab41fdfff23f680740187086a8f36768/de/faw/presse/ pressemeldungen/index.nid.37.html (letzter Zugriff am 20.05.08). Hervorhebung nicht im Original. 320 Siehe Internetauftritt des FAW. Pressemitteilung ‘MA Plakat 2007’. URL: http://www.faw-ev.de/c02bbe3798dfe a14c4e1595aa4ddf970/de/faw/presse/pressemeldungen/index.nid.43.html (letzter Zugriff am 20.11.08). 321 Werbekontakte, die nicht von der potenziellen Zielgruppe wahrgenommen werden, heißen Streuverluste.
103
Wenn sich die Werbewirtschaft also zunehmend darüber im Klaren ist, dass sie selbst über verbesserte Möglichkeiten der Zielgruppenbestimmung ihrem Subjekt, dem Verbraucher, nicht voll und ganz gerecht werden kann, dann müssen sich die Logistiker der Markenbotschaften überlegen, wie sie diesen als ambivalent in ihrem Kaufverhalten charakterisierenden konsumierenden Individuen mittels Marketing begegnen. Eine jüngere Strategie in diesem Zusammenhang heißt individuelle Kundenansprache. Da diese Vorstöße jedoch derzeit erst im Stadtraum erprobt werden, arbeiten die Firmen vielfach weiterhin mit diversen Methoden der Zielgruppenbestimmung, damit Werbung zielorientierter eingesetzt und somit effizienter durchgeführt werden kann. Der derzeitige Status Quo in der Praxis verknüpft also ziel-gruppenorientiertes Werben mit Wegen der individuellen Verbraucheransprache. Nachfolgend werden verschiedene Wege der Zielgruppenbestimmung vorgestellt.322 Es kommen zum Beispiel Zielgruppenbeschreibungen zur Anwendung, die auf geographischen, soziodemografischen, psychografischen sowie verhaltensorientierten Merkmalen beruhen.323 Für den Bereich der Werbung hat sich die geographische Zielgruppenplanung des Marktforschungsinstituts A.C. Nielsen durchgesetzt. Sie unterteilt sieben geographische Regionen in Deutschland, eine davon – das AC Nielsen-Gebiet 5 – ist Berlin.324 In den Nielsengebieten wird die Absatzentwicklung bestimmter Produkte nachvollzogen, um zum einen das Konsumverhalten der Verbraucher, zum anderen die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Konsums, wie etwa die Entwicklung der durchschnittlichen Kaufkraft, regional bestimmen zu können. Da diese geographisch-soziodemografische Zielgruppendefinition jedoch zu wenig Differenzierungspotenzial für gruppenspezifische Konsumgewohnheiten birgt – in Berlin würden demnach laut Nielsen beispielsweise alle Bewohner bestimmte Produkte in gleicher Weise konsumieren –, wird sie in der Regel durch psychografische Beschreibungen ergänzt oder ersetzt, die darauf abzielen, Verbraucherverhalten zu erklären. Seit den 1970er Jahren hat sich neben den Nielsengebieten auch die Betrachtung von Life-Style-Typen durchgesetzt, die auf die Werbeagentur Michael Conrad & Leo Burnet zurückgeführt wird325: „Die einzelnen Life-Style-Typen werden gemäß ihren dominierenden Einstellungen und Lebensstilen beschrieben, (...) und ergänzt (...) um ihr Konsum- und Medienverhalten sowie die vorherrschenden soziodemographischen Ausprägungen.“326 Für die Bestimmung von Life-Style-Typen gewinnen empirische Sozialstudien zu ‘Lebensstilen’ bestimmter Absatzgruppen an Relevanz, denn es liegt im Interesse der Werbewirtschaft, operationalisierbare Life-Style Gruppen zu konstruieren, die es ermöglichen, Werbekampagnen entsprechend der Zielgruppen abzustimmen. Ähnliche Bestimmungsversuche sind die ‘Euro-SocioStyles’, die der Zielgruppenbestimmung länderübergreifender Kampagnen dienen.327 Die vielfach geäußerte Kritik an derartigen Klassifikationen, die durch kommerzielle Marktforschungsinstitute erarbeitet werden, ist, dass sie aufgrund fehlender soziologischer Methodik nicht als valide erachtet werden. Außerdem kommt es zu einer simplifizierten, klischeebehafteten Darstellung der Verbraucher, die eine Trennschärfe vorgeben, die in Zeiten des Wandels von Werten und Konsumgewohnheiten streitbar ist. Deswegen wird für die Werbewirtschaft vielfach ein neuerer Ansatz interessant, der auf der sozialen Lebensweltanalyse aufbaut: ‘Sinus-Milieus’. Hier werden Menschen gruppiert, die sich in ihren Auffassungen und Lebensweisen ähneln. Mit dem kernigen Spruch „Zielgruppen, die es wirklich gibt” wirbt das 322 323 324 325 326 327
104
Einen kompakten Überblick hierzu gibt Kloss 2007, 183-190. Vgl. Hölscher 1998, 190. Knierbein 2008b, 444. Siehe Abbildung 5-4 in Kloss 2007, 186. Vgl. Hölscher 1998, 172f. Hier wird auch der Begriff der Life Styles gegen den der Lebensstile abgegrenzt. Koschnick zitiert nach Kloss 2007, 187. Kloss 2007, Hölscher 1998.
Unternehmen Sinus Sociovision dafür, dass “Verbraucher .. auch nur Menschen”328 sind. Letztere werden sowohl nach sozialer Lage als auch nach Grundorientierungen mit folgendem Ergebnis kategorisiert: Neben den größeren Gruppen wie der bürgerlichen Mitte, den Traditionsverwurzelten, den Konsum-Materialisten und den Hedonisten werden kleinere Gruppen wie die DDR-Nostalgischen, Postmaterielle, Experimentalisten sowie Etablierte, Konservative und schließlich die modernen Performer in Bezug auf Deutschland unterschieden. Mit der Milieuforschung hat man sich damit vom traditionellen Modell sozialer Klassen und Schichten verabschiedet. Jedoch wird der kommerziellen Erforschung von Sinus-Milieus durch die akademische Milieuforschung vorgeworfen, sie wolle das eigene Modell zum Standard machen und damit das technische Wissen um das Instrument der Milieuforschung und dessen kommerzielle Verwertung monopolisieren. Es werde nicht nur als das Werkzeug mit dem Anspruch empirischer Totalität vorgestellt, sondern darüber hinaus auch als solches gezielt vermarktet.329 Die Effekte von Werbemaßnahmen auf das Rezipientenverhalten konnten bisher jedoch nicht ausreichend erklärt werden. Es bleibt also, wie man das Pferd der Werbewirksamkeitsforschung auch aufzuzäumen gedenkt, immer eine Art ‘Black Box’ zurück. Selbst innerhalb der einschlägigen Werbe-Fachliteratur wird postuliert, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Werbewirkung in der Regel unbefriedigend sei, da es keine allgemein gültigen Patentrezepte gäbe.330 Aktuelle Perspektiven in der Medienrezeption befassen sich mit dem Begriff des ‘Involvements’. Bei hohem Involvement verarbeiten Rezipienten Medieninhalte intensiv, bei niedrigem oberflächlich und beiläufig.331 Letztendlich jedoch lassen sich qualitative Aspekte des Werbeerfolges wie etwa die Veränderung der Verbraucherhaltung, ja seine Bewusstseinsentwicklung gegenüber dem Produkt nicht kausal nachvollziehen. Dies verdeutlicht ein Dilemma bei den Werbetreibenden, was durch folgendes Zitat veranschaulicht werden soll: “Half the money I spend on advertising is wasted; the trouble is I don’t know which half.“ (Wanamaker, US-amerikanischer Kaufhausbesitzer (1838 bis 1922))
Dieses Dilemma könnte sich in der nahen Zukunft durch die Umstellung der Werbemedien von der Massenansprache über die an Zielgruppen orientierte Verbraucherkommunikation hin zur individuellen und interaktiven Kundenansprache grundlegend ändern. Denn Werbung und speziell Außenwerbung wird, erstens, zunehmend interaktiver und, zweitens, dadurch ebenfalls kundennaher. Durch verschiedene Maßnahmen, das Verhalten der Verbraucher sowie ihre persönlichen Daten zu ermitteln, ergibt sich eine neue Bandbreite im Bereich der Kundenansprache. Der Stadtraum stellt in diesem Kontext eine durchaus interessante Option dar, denn hier können klassische Medien wie das Plakat mit innovativen Vorrichtungen der individuellen Kundenansprache verknüpft werden. Mit Mobiltelefonen ausgestattete Passanten, die sich per Pedes in der Stadt bewegen, werden mittels Funktechnik geortet und während des hautnahen Passierens von einer Plakatwand per SMS kontaktiert. Die Kundenansprache ist in diesem Fall nur partiell individuell, weil die Werbenden nicht über persönliche Kontaktdaten des Kunden (Namen, Adressen, etc.) verfügen, jedoch aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Sensor und 328 Siehe Internetauftritt Sinus Sociovision. URL: http://www.sinus-sociovision.de/ (letzter Zugriff am 20.05.08). 329 Hölscher 1998. Eine ausführliche Darstellung der Sinus-Milieus in Deutschland 2006 findet man bei Kloss 2007. Weitere Informationen unter URL: www.sinus-milieus.de (letzter Zugriff am 20.05.08). Ausführungen zur Konsumgesellschaft finden sich bei Schulze, 2001. Eine kritische Sicht auf die Sinus Milieus findet sich bei Ullrich (2006, 128ff) und auch Diaz-Bone (2004) setzt sich intensiv mit dem von Socio Vision vorgestellten kommerziellen Modellen und dem Milieubegriff bei Schulze auseinander. 330 Kloss 2007. 331 Scheufele 2008.
105
Mobiltelefonen interaktiv in virtuellen Kontakt mit Individuen treten können. Die Interaktion wird dadurch ermöglicht, dass die Durchdringung des Alltagslebens mit Mobiltelefonen nahezu jeden Passanten heutzutage elektronisch erreichbar macht. So sind die Veränderungen in der Medienlandschaft eng mit Innovationen im Telekommunikationsbereich verwoben. Dass sich derartige Innovationen nachhaltig auf die Ausgestaltung von Stadträumen auswirken, das haben bereits frühere Neuerungen wie die öffentliche Telefonzelle gezeigt. Es ist demnach nicht vollkommen zufällig, dass mit dem Rückzug der öffentlichen Telefonzelle andere Telekommunikationsmittel Einzug in den Stadtraum und darüber hinaus, in die Mechanismen der Stadtproduktion halten. Die Kombination aus Breitenwirkung und möglicher individueller Ansprache der Kunden durch neuartige Werbeträger der Außenwerbung macht Stadträume zu interessanten medialen Oberflächen für die lokal bis global agierende Aufmerksamkeitsökonomie. Konsumenten können sich jedoch zumindest in einigen Bereichen vor unerwünschten interaktiven Maßnahmen schützen, in dem sie sich in die Robinson-Liste des Deutschen Direktmarketing Verbandes eintragen.332 Die Unausweichlichkeit der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume „Service und Design des City-Line-Systems bieten Ihnen Alternativen zu Großstadtschmutz und Graffitikünsten, sichern Ihrer Werbung Akzeptanz durch Sympathie.“ (Wall Verkehrsanlagen GmbH o. J. zitiert durch Locke 2005, 40.)
Im Vergleich zu anderen Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften) offeriert Plakatwerbung im Stadtraum den grundlegenden Vorteil, durch Größendimension überzeugen zu können. Auch der Prozess der Wahrnehmung läuft weitaus weniger selektiv als bei anderen Mediengattungen ab, denn wo man im Fall der Zeitungen Seiten umblättern oder beim Radio- und Fernsehen die Kanäle wechseln kann (Switch-Option, Zapping Zone), ist Selektion – etwa das bewusste Wegschauen – bei städtischer Umgebung wesentlich schwieriger realisierbar (No Zapping Zone).333 Erst wenn dem Nutzer von Stadtraum bewusst wird, dass er Werbebotschaften konsumiert, kann er selektiv handeln. Oftmals aber werden Werbebotschaften unbewusst wahrgenommen, da die Botschaft in die Morphologie der Stadt integriert ist. Ein solch unbewusstes Wahrnehmen wird in der Werbeforschung sogar als wirksamer eingestuft als bewusst gemachte Werbebotschaften, da mittels des so genannten Mere-Exposure-Effects unterschwellig Vertrautheit mit dem Werbemotiv erzeugt wird und bewusste Gegeneinstellungen demnach gar nicht aufgebaut werden können.334 Umfragen belegen, dass klassische Plakatwerbung am wenigsten lästig oder störend auf die Konsumenten wirkt, denn bei ständiger sinnlicher Übersättigung der Stadtmenschen kommt es im Stadtraum nicht unbedingt auf eine unmittelbare oder sachliche Überzeugung der Verbraucher an, sondern darauf, den Absatz eines Produktes mittels Erinnerungswerbung durch Suggestivwirkungen zu fördern.335 Suggestive Außenwerbung, so die dezidierte Position einiger Autoren, berge allerdings auch gesellschaftliche Gefahrenpotenziale, da ihre mit Millionenaufwand erzeugte Wirkung für viele übermächtig und zum Zwang werde.336 Wenngleich diese Probleme für den Bereich der Außenwerbung hinreichend bekannt sind, haben Out-of-Home Medien in den vergangen 20 Jahren signifikante Zuwächse erfahren. Als Ursachen hierfür werden zunächst ganz unterschiedliche Gesichtspunkte angesprochen. 332 333 334 335 336
106
Robinson Liste siehe URL: http://www.erobinson.de/info-listen.htm (letzter Zugriff am 20.05.08). Faccioni Mendes 2006. Hofe und Rost 2005. Siegert 2001b. Kloss 2007. Hofe und Rost 2005. Engelmann 1986. Engelmann 1986.
Out-of-Home Medien erfreuen sich gerade auch deswegen einer wachsenden Popularität unter den Werbekunden, weil sie die Möglichkeit eröffnen, Verbraucher direkt im Umfeld der Orte des Konsums kommerziell anzusprechen, und das – wie dargelegt – auf eine schier unausweichliche Weise. Dies wird im Fachjargon der Branche auch als ‘letzte Kontaktchance vor dem Verkaufsort’ (Last Contact before Point of Sale) bezeichnet. Auch ihr Störfaktor, also ihr Potential, negativ wahrgenommen zu werden, ist – zumindest was die kleineren, die 4/1 und 8/1Formate betrifft – als relativ gering einzuschätzen, da sie als Teil von Stadtmobiliar nicht zwangsläufig als pures kommerzielles Element erkannt wird.337 Was die Regulierung der Inhalte von Außenwerbung noch zu Zeiten des Fordismus betrifft, hat in den letzten Dekaden eine Entdramatisierung dieser oftmals stark moralisch geprägten Debatten stattgefunden, so dass es bisweilen sogar zu einer partiellen Gleichgültigkeit gegenüber Werbeinhalten seitens der demokratisch legitimierten staatlichen Akteure gekommen ist. Der nächste Abschnitt wird Aufschluss darüber geben, warum diese Gleichgültigkeit jedoch allein als partiell dargestellt werden kann. Die partielle Gleichgültigkeit gegenüber Werbeinhalten Es ist nicht dem Zufall geschuldet, dass weder die Kommunen noch die Stadtmöblierer systematische Regelungen für die Inhalte der Werbekampagnen vorsehen. Dies findet seine Begründung in den Rechten auf freie Meinungsäußerung und zum Teil in der fehlenden demokratischen Legitimierung der mit der inhaltlichen Bestückung der Werbeträger befassten Akteure. Teilweise jedoch gibt es Einschränkungen, vorrangig gegen Alkohol- oder Nikotinwerbung in öffentlichen Räumen, oder gegen PKW-Werbung auf den Fahrzeugen des ÖPNVs. Auch achten einige Bezirksämter darauf, dass die Inhalte nicht frauenfeindlich, rassistisch oder faschistisch sind.338 Andere Verträge beinhalten ähnliche Klauseln, mit denen sich die Firmen oder das Land Berlin das Recht vorbehalten, eine Kampagne aus dem Programm zu nehmen, wenn die Inhalte ethisch oder moralisch nicht vertretbar sind. Darüber hinaus tun sich öffentliche Auftraggeber schwer damit, parteipolitische Werbung – die im Übrigen ja für bestimmte Zeiträume kostenlos im öffentlichen Raum platziert werden darf – oder aber religiöse Werbung zuzulassen. “An aspect that makes advertisement in public space doubly offensive is its more and more blatant use of human sexuality as an eyecatcher. While the sexual act between two people is probably the most private function that one can think of, a provocative gesture or pose in an ad brings it to the open. You and I as passers-by are challenged to get involved in an act of exhibitionism.“ (Taipale 2006, 10f.)
Wie das Zitat verdeutlicht, ist ebenfalls ein Trend zur zunehmenden Erotisierung der Plakatwerbung (Abb.9) beobachtbar.339 Dieser wird in der Regel besonders an den Werbekampagnen eines schwedischen Modehauses festgemacht, jedoch ziehen mittlerweile auch andere Modehäuser mit leicht bekleideten Models auf überdimensionierten Plakaten nach. Das Phänomen speziell der Dessouswerbung in öffentlichen Räumen weist in überspitzter Form auf die reziproke Durchdringung des Öffentlichen und des Privaten hin und kann auch mit dem Schlagwort des hedonistischen Körperkults, der zunehmend öffentliche Räume prägt, gefasst werden.
337 Das verhält sich bei überdimensionierten Blow-Up-Fassadenwerbung-Formaten anders. 338 Tagesspiegel vom 27.01.08. 339 Taipale 2006.
107
Im Mai 2008 wurde die politische Debatte um Werbeinhalte erneut entfacht, so wollte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Zigaretten- und Alkoholwerbung verbannen, um der Problematik des Flatrate-Trinkens nicht noch medialen Vorschub zu leisten.340 Angesichts der rasant ansteigenden Diabetes- und Fettleibigkeitsrate in Deutschland dürfe man konsequenterweise ebenfalls weniger Werbung für Süßigkeiten zu lassen. Die politische Grundsatzfrage sei hier jedoch, ob es eine hoheitliche Aufgabe des Staates darstelle, Produktwerbung zu regulieren oder aber das Bewusstsein der Verbraucher bereits in den Bildungsstätten zu schulen.341
Abbildung 9: Erotisierung der Außenwerbung. Unter den Linden. Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Es sind der Gründe also vielfältige, warum man davon ausgehen kann, dass mit den Stadtraummedien im Bereich der Stadtmöblierung eine neue Mediensparte aus der Wiege gehoben wird, die sich einerseits an vormodernen Konzessionsmodellen orientiert, andererseits aufgrund des heute verfügbaren wissenschaftlichen Instrumentariums Stück für Stück näher an die Klärung der Black Box der Werbewirkung heranrückt, ohne diese jedoch entschlüsseln zu können. Kommunikationstechnische Innovationen erscheinen hier ebenso wichtig wie die Standardisierung und die ästhetische und funktionale Aufwertung von Werbeträgerformaten. Neben diesem ersten Blick auf den Wandel gesellschaftlicher Determinanten der Außenwerbung – also der Beleuchtung eines Teils der institutionellen Umwelt gestaltwirksamer Koalitionen – wird nachfolgend die Marktdynamik im Out-of-Home Bereich auf verschiedenen territorialen Ebenen nachgezeichnet. Gestaltwirksame Koalitionen der Stadtmöblierung in Europa Während einige der Out-of-Home Unternehmen bis in die 1990er Jahre zunächst organisch gewachsen sind, indem sie lokale, regionale oder – wie JCDecaux in Frankreich – nationale Märkte eroberten, wurden die letzten zwei Dekaden durch einen Expansionsdrang der werbenden Stadtmöblierungsunternehmen geprägt. Dies betraf erst mal Bestrebungen auf der europäischen Ebene, schließlich jedoch expandierten die Unternehmen auch in andere Weltregionen. Jenseits der kleinen Anzahl an global wirkenden Konzernen wie Viacom, Clear Channel Limited Inc. Ltd. und JCDecaux, ist der werbefinanzierte Stadtmöblierungsmarkt vor allem durch Mittelstandsfirmen geprägt, die auf den einzelnen nationalen, regionalen und lokalen Märkte agieren. Eine solche Firma ist das Berliner Unternehmen Wall AG, das zunächst im 340 Tagesspiegel vom 26.05.08. 341 Interview A.20.d vom 17.06.08.
108
Süden Deutschlands regional, und mit dem Sprung nach Berlin ebenfalls national tätig wurde. Das war Anfang der 1980er Jahre. Mittlerweile zählt das Unternehmen 50 Städte in verschiedenen Ländern, vor allem osteuropäische Metropolen, zu seinen Kunden im Bereich der werbefinanzierten Stadtmöblierung. Stadtmöblierungsmärkte sind neben dem räumlichen Bezug ebenfalls durch Produkt- und Servicespezialisierungen der einzelnen Unternehmen fragmentiert. So hat sich die Kölner Firmengruppe Ströer neben stadtmöblierungstauglichen Formaten auch auf Blow-Up-Werbeträger spezialisiert.342 Einige der Märkte sind von oligopolistischen bis monopolistischen Strukturen beherrscht (Frankreich, Polen), andere wurden erst in den vergangenen fünf Jahren konsolidiert (Deutschland), weitere sind weiterhin hart umkämpft (Osteuropa, Russland). Oftmals ist es auch zu freundlichen oder feindlichen (Teil-)Übernahmen gekommen (Gewista und JCDecaux, Wall AG und JCDecaux), so dass sich auch ein globaler Konsolidierungstrend auf wenige potente Anbieter langfristig anzubahnen scheint.343 Die Werbewirtschaft muss im Rahmen ihrer Stadtmöblierungsaktivitäten in (zentralen) öffentlichen Räumen zwangsläufig Kooperationen mit den lokalen Stadtverwaltungen eingehen, um medialen Zugriff auf zentrale öffentliche Räume zu bekommen, die sich im Besitz der Kommunen befinden. Daher soll nachfolgend nicht allein das Wirken der privatwirtschaftlichen Akteure eines neuen, machtvollen Marktsegments beleuchtet werden, sondern vielmehr ihre Interaktionen, das Zusammenspiel mit den öffentlichen Entscheidungsträgern in den Kommunen und in den Parlamenten der Stadtstaaten. Es geht nach diesem ersten Überblick über Transformationen in der Außenwerbebranche nachfolgend darum, das gemeinsame Wirken beider Akteursgruppen im Hinblick auf stadtgestalterische Veränderungen, also das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen zu untersuchen. Hierbei ist nach den jeweiligen individuellen und kollektiven Intentionen, Strategien und Zielen zu fragen. Schließlich muss eine Betrachtung der Verteilung und Verhandlung von Ressourcen erfolgen, um das Wirken gestaltwirksamer Koalitionen nachzeichnen zu können. Um die nachfolgende empirische Einzelfallstudie in Berlin (Kap. 3 und 4) jedoch in einen übergeordneten Marktkontext einordnen zu können, wird zunächst ein kompakter Überblick über die Existenz von Stadtmöblierungskoalitionen in den fünfzig größten Städten Europas gegeben (Abb. 10).
342 Das Unternehmen firmiert unter Ströer Out-of-Home Media AG, aus Gründen der Lesbarkeit werden nachfolgend die Kurzfassungen Ströer AG oder Ströer Gruppe verwendet. 343 Liedtke 2002.
109
Abbildung 10: Übersicht über existierende gestaltwirksame Koalitionen zwischen Stadtverwaltungen und Unternehmen der Out-of-Home Medien im Bereich der Stadtmöblierung in den 50 größten Metropolen Europas. Quelle: Knierbein 2009, 196f344 344 Kartenlegende: 1 Including subsidiaries. JCDecaux (France) is a worldwide operating company with further focuses in Europe, South and North America, Asia-Pacific and Russia. The company dominates the majority of the French Street and Outdoor Advertising Market. 2 JCDecaux (France) holds 35% of the Wall AG (Germany) share capital. The Wall AG is mainly operating in German, Eastern Europe and the United States. 3 Including subsididiaries. Clear Channel Outdoor (USA) is a worldwide operating company with focus on Europe, South and North America, Asia-Pacific and Africa. 4 Cemusa (Spain) mainly operates in mediterranean countries, in South America and in the United States. 5 JCDecaux (France) owns 32,35% of the IGPDecaux’s share capital. 6 JCDecaux holds a minority interest of the APG Affichage Holding which is mainly operating in Switzerland and Eastern Europe. 7 JCDecaux holds 67% of the shares of gewista, which is providing Vienna. Gewista is focusing also on CEE-cities. 8 JCDecaux holds 32,35% of the shares of IGPDecaux.
110
Aus der Karte wird ersichtlich, dass pro Metropole in der Regel mindestens ein Anbieter über Verträge im Bereich der Stadtmöblierung verfügt. Jedoch gibt es auch Beispiele – etwa in Spanien – wo systematisch zwei Anbieter pro Stadt vertreten sind. Dies mag – ähnlich wie in den Studien über Rio de Janeiro festgestellt345 – an einer Aufteilung der Ausschreibung in verschiedene Lose (z. B. Zentrum, Peripherie) liegen, kann jedoch auch dadurch entstanden sein, dass Städte nicht ein komplettes Stadtmöblierungspaket ausgeschrieben haben, sondern einzelne Ausschreibungen je nach Element (Wartehalle, Kioske, etc.) zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt haben. Im stärker angloamerikanisch beeinflussten Bereich findet man vor allem den US-Medienkonzern Clear Channel Limited Inc. Ltd. als Anbieter. Dies kann in der Übernahme der britischen Firma Adshel durch den US-Konzern begründet liegen, somit heißt das Stadtmöblierungssegment des US-Konzerns nun auch seit wenigen Jahren Clear Channel Adshel. Europaweiter Marktführer in den 50 größten Metropolen ist unumstritten die französische Firma JCDecaux, die im Jahr 2008 ein üppiges Aktienpaket an der Wall AG hält. Im Vergleich der unternehmensgeschichtlichen Entwicklung von Clear Channel Limited Inc. Ltd. und JCDecaux fällt ein weiteres Phänomen ins Gewicht: Entstammt das Möblierungssegment bei Clear Channel Limited Inc. Ltd. aus einem Zukauf einer Stadtmöblierungsfirma durch einen global agierenden Medienkonzern, so verhält sich dies bei JCDecaux anders. Ähnlich wie die Wall AG hatte die lokal ansässige französische Firma sich zuvor auf Verkehrsanlagen aller Art spezialisiert und wuchs zunächst organisch, bevor das allein auf werbefinanzierte Stadtmöblierung spezialisierte Unternehmen auch auf internationalen Märkten expandierte. Kurz, es zeichnet sich eine Marktnische zwischen zwei bestehenden Märkten ab, die von beiden Flanken aus erobert wird. Dabei lernen die Medienunternehmen von den Stadtmöblierern hinsichtlich der Qualität und der Angebotspolitik, wohingegen die Stadtmöblierer in den Medienkonzernen ein Vorbild für eine mögliche Ausweitung ihrer kommunikationsstrategischen Geschäftsaktivitäten auf andere Bereiche zu sehen vermögen. Mit dem Blick auf die Abbildung (Abb. 10) wird deutlich, dass die den deutschen Stadtmöblierungsmarkt prägenden Verhältnisse im Jahr 2006 äußerst heterogen sind. Neben den Franzosen sind vorrangig die deutsche Ströer Gruppe sowie der Wall Konzern präsent. Da in der Graphik nur die Städte aufgeführt sind, die zu den 50 größten in Europa zählen, wird nicht ersichtlich, ob es noch weitere Anbieter gibt. Um genaueren Aufschluss über die Verhältnisse auf dem deutschen Markt – und diese sind für das Beispiel Berlin ebenfalls zu berücksichtigen – zu bekommen, wird im nachfolgenden Abschnitt dargestellt, wie sich ein extrem fragmentierter, deutscher Außenwerbemarkt in der vergangenen Dekade durch grundlegende Umwälzungen konsolidiert hat. Der deutsche Außenwerbemarkt – Fragmentierung, Privatisierung, Konsolidierung Aus früheren Analysen des Außenwerbemarktes in Deutschland geht hervor, dass sich dieser noch gegen Ende der 1980er Jahre als überaus fragmentiert darbot.346 Immer wieder wird die große Anzahl verschiedenster Anbieter angeführt, die es den Werbekunden schwer macht, flächendeckende Kampagnen einzusetzen. Denn sie müssen mit einer Vielzahl von Anbietern verhandeln, um etwa nationale Kampagnen in den wichtigsten deutschen Städten Deutschlands realisieren zu können.
345 Knierbein 2009. 346 Korff 1987. FAZ vom 15.11.02.
111
„Der Markt für Außenwerbung ist hierzulande gekennzeichnet durch hohen kommunalen Einfluss, regionale Quasi-Monopole, eine starke produktseitige Segmentierung und damit insgesamt durch eine starke Zersplitterung. Im Gegensatz zu teils oligopolistisch strukturierten europäischen Nachbarmärkten ist die Anbieterseite durch zahlreiche Familien- und Kommunalgesellschaften geprägt, der Einfluss von Medienkonzernen ist in Deutschland noch sehr gering.“ ( Liedtke 2002, 35)
Nachdem im Jahr 2002 der deutsche Außenwerbemarkt – seines Zeichens der größte europäische Einzelmarkt im Hinblick auf das investierte Werbevolumen – noch wie oben geschildert als zersplittert eingeschätzt wurde, haben sich nach der Jahrtausendwende weitreichende Umwälzungen in der deutschen Out-of-Home-Landschaft ergeben. Mit der Privatisierung des früheren Marktführers in der deutschen Außenwerbung, der Deutschen Städte Medien (DSM), vormals Deutsche Städte Reklame (DSR) ist im Jahr 2004 eine Privatisierungswelle losgetreten worden, die Ihresgleichen sucht.347 Die Struktur der DSM war lange Zeit heftig umstritten, da knapp 30 westdeutsche Städte gleichzeitig als Gesellschafter und als Kunden der DSM fungierten.348 Private Unternehmen forderten nachdrücklich die Privatisierung, um die monopolistischen Strukturen zugunsten des freien Wettbewerbs aufzugeben. Dies wurde durch die Europäisierung des Wettbewerbsrechts und der Dienstleistungskonzessionen begünstigt (Kap. 3) Dass letztendlich die DSM allerdings privatisiert wurde, ist nicht zuletzt Resultat größerer Deregulierungsbestrebungen, sondern schlicht und ergreifend auch Ergebnis ihrer Größe.349 Um weiterhin expandieren zu können, war das Unternehmen auf Kapital zur Vorfinanzierung größerer (Stadtmöblierungs-) Projekte angewiesen, denn diese erfordern in der Regel immense finanzielle Vorleistungen. Da die Kommunen in der DSM jedoch eher eine Einnahmequelle denn einen Ausgabenfaktor sahen, waren sie zwar darauf eingestellt, jährliche Konzessionsgelder und Dividenden zu erhalten, jedoch nicht willens, hohe Investitionssummen aufzubringen. Die Privatisierung der DSM war so letztendlich eine finanzstrategische Öffnung für Interventionen der globalen Finanzmärkte, ohne die es in der Branche bei zunehmendem Konsolidierungsdruck kaum Erfolgschancen zu geben scheint. Diese Privatisierungswelle hat kurzfristig zu einer signifikanten Verschiebung der Marktanteile auf dem deutschen Außenwerbemarkt und zu einer neuen Marktführerschaft geführt. Diese hat die Ströer Gruppe – zumindest was vereinzelte Außenwerbesegmente betrifft – durch die Akquisen der Deutschen Städte Medien und der Deutschen Eisenbahn Reklame jüngst errungen.350 Bei solcherlei Akquisen liegt der bezahlte Wert der Unternehmen oftmals um ein Vielfaches über den tatsächlichen Gewinnpotenzialen, weil die (halb)öffentlichen Unternehmen über Pachtverträge, exklusive Konzessionen und nicht zuletzt über Personal verfügen, das über lange Jahre Geschäftskontakte zu politischen Entscheidungsträgern in den Städten etablieren konnte.351 Resümierend lässt sich für die vergangenen zwei Dekaden feststellen, dass sich die größeren deutschen Unternehmen Wall AG und Ströer im Bereich der Stadtmöblierung zu über deutsche Grenzen hinweg agierenden Multinationals entwickelt haben. Gleichzeitig agieren sie weiterhin auf den heimischen Stadtmöblierungsmärkten, um die Marktführerposition auf dem Heimatmarkt einzunehmen oder zu behaupten. Erst in den kommenden Jahren wird sich zeigen, wer es im Wettbewerb vermag, die Kommunen mit seinem Angebot zu überzeugen, denn viele der Verträge der heutigen Ströer DSM mit den Kommunen laufen in diesen Jahren aus. Wie man am Beispiel der erfolgten Ausschreibung in Freiburg ersehen kann, haben bereits einige Städte die Gelegenheit wahr genommen, Bieterverfahren auszuloben, und halten damit 347 Die Deutsche Städte Reklame enstand aus der 1921 gegründeten ‘Reklamestelle der Stadt Frankfurt GmbH’. 348 Vgl. Korff 1987, 56. 349 FAZ vom 08.06.03. und vom 15.11.02. 350 Laut der FAZ vom 08.11.05 darf die Ströer Gruppe sich nicht mehr ‘Nummer 1 bei der Stadtmöblierung nennen, da ihr per Gerichtsentscheid der Anspruch auf ein solches Prädikat entzogen wurde. Kläger war die Wall AG. 351 FAZ vom 08.06.03.
112
nicht an tradierten Strukturen fest. In Freiburg hat die Wall AG den Zuschlag erhalten, weil sie der Stadt neben werbefinanziertem Stadtmobiliar ebenfalls die Errichtung eines Vermarktungszentrums für die Aktivitäten des Unternehmens in Süddeutschland zugesagt hatte.352 Bedeutsam erscheint, dass der deutsche Außenwerbemarkt im Zuge seiner Konsolidierung sehr interessant für globale Medienkonzerne wie Clear Channel Inc. Ltd. und Viacom geworden ist.353 Auch der französische Außenwerber JCDecaux hat sein Augenmerk erneut auf „die Perle Deutschland“ gerichtet.354 Denn im Vergleich zu Frankreich (8%) oder zur Schweiz (12%) ist die Auslastung der Werbeetats mit Außenwerbemaßnahmen in Deutschland (3-4%) noch erstaunlich gering, obwohl das Wachstum bei den Nettowerbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger zwischen 1996 und 2005 bei der Außenwerbung 44% betrug, wohingegen andere Werbemedien nicht einmal die 25%-Wachstumsmarke erreichten.355 Dem deutschen Außenwerbemarkt wird daher für die kommenden Jahre weiterhin ein enormes Wachstumspotenzial prophezeit.356 Derzeit bietet sich dem Betrachter des deutschen Außenwerbemarktes ein nahezu oligopolartiges Gefüge, das sich infolge der jüngeren Großprivatisierungen erst langsam sortiert. Dies hat das Bundeskartellamt im Sommer 2007 dazu bewogen, sich einen besseren Einblick in einen komplexen, aber auch intransparenten Markt zu verschaffen, indem manche geschäftliche Vorgänge nicht auf Anhieb nachzuvollziehen seien.357 Welche Rolle Berlin in diesem Markt und für einzelne Akteure spielt, das soll nachfolgend dargestellt und beurteilt werden. Auch soll dann gezielt die Frage gestellt werden, wie sich ein solch globalisierendes Marktsegment hinsichtlich der Ausstattung öffentlicher Räume lokal durchsetzt. Zunächst jedoch wird ein Einblick in das Akteursnetzwerk der Protagonisten und der Nebenrollen der werbefinanzierten Stadtmöblierung gegeben, der durch eine Übersicht über das gestalterische Grundrepertoire einzelner Unternehmen ergänzt wird. Protagonisten und Nebenrollen der stadtmöblierenden Außenwerbung Stadtmöblierer agieren intermediär zwischen Kommunikationskunden, Informationsverbrauchern und öffentlichen Akteuren mit staatlichen Hoheitsrechten hinsichtlich des öffentlichen Straßenlandes, im Falle Berlins der Landesregierung sowie der Berliner Bezirke. Sie sind jedoch nicht die einzigen Akteure im Beziehungsgeflecht zwischen den genannten, wohl aber die entscheidende Triebkraft der werbefinanzierten Stadtmöblierung. Um genaueren Aufschluss über dieses komplexe Akteursgeflecht zu bekommen, werden nun die zentralen Rollen – Protagonisten – und die wichtigsten Nebenrollen charakterisiert.358 Innovationsfreudige Stadtmöblierer fungieren als Anbieter der Werbeträger (Netzbetreiber), nehmen in der Regel allerdings keinen oder wenig Einfluss auf die Konzeption, Entwicklung und Bereitstellung der Werbeinhalte, es sei denn, sie nutzen ihre Werbeträger für eigene Produktwerbung oder für Kommunikationsstrategien der unternehmerischen Selbstbeschreibung. In manchen Fällen bieten sie Beratung bezüglich der Gestaltung von Plakatmotiven an. Wie man anhand einiger Spezialkampagnen nachweisen kann, sind die stadtmöblierenden Netzbe352 Handelsblatt vom 27.12.04. 353 Der Spiegel vom 02.08.03. 354 Die Welt vom 29.12.02. 355 Kloss 2007, 293f. 356 Die Welt vom 16.06.03. Handelsblatt vom 05.04.02. 357 Siehe Internetauftritt Medienhandbuch.de. URL: http://www.medienhandbuch.de/news/bundeskartellamtermittelt-in-der-aussenwerbung-11397.html (letzter Zugriff am 23.09.08). Resultate stehen im Jahr 2008 noch aus. 358 Für eine Akteursübersicht für den Bereich der Außenwerbung Mitte der 1980er Jahre siehe Korff 1987, 56ff.
113
treiber in der Regel äußerst flexibel, da sie einerseits sehr nah an den Beschaffungsquellen (kommunale Stadtmobiliarausschreibungen) agieren, andererseits jedoch auf die Wünsche des Absatzmarktes eingehen müssen, etwa durch die Schaltung individualisierter KreativKampagnen wie etwa der Persil-Kampagne am Potsdamer Platz im Januar 2007. Die innovationsfreudigen Stadtmöblierer sind demnach in der Lage, die Schnittstelle zwischen Beschaffungs- und Absatzaktivitäten im Bereich der Außenwerbung optimal zu besetzen. Zudem versuchen sie, sich als Unternehmensmarken im zunehmenden globalen Stadtmöblierungswettbewerb strategisch zu positionieren. Als Beispiel für die innovationsfreudigen Stadtmöblierer soll nachfolgend exemplarisch auf die Firma Wall AG eingegangen werden, da sie – wie bereits erläutert – für den Berliner Kontext eine herausragende Rolle spielt. Seit 1984 ist das vormals badische Unternehmen an der Spree vertreten. Grund für den Ortswechsel war ein Auftrag der Senatsverwaltung für die Errichtung und Unterhaltung von 1000 werbefinanzierten Wartehallen in West-Berlin. Zunächst siedelte das Unternehmen in Spandau an. Von dort aus leitete man die Geschäfte und Produktionsangelegenheiten bis zum ersten Umzug der Abteilung Produktion ins brandenburgische Velten im Oktober 1994. Die erste Prognose sah vor, dass das neue 25. Mio. DM teure Werk in Brandenburg nach der Wende Arbeitsplätze für rund 200 Mitarbeiter bieten sollte, die monatlich zunächst etwa 300 Litfaßsäulen und 150 Toiletten herstellen würden.359 Kurze Zeit später sinnierte die Unternehmensleitung bereits über den Bau einer zweiten Fertigungsschleife im Gewerbegebiet in Velten, die speziell für die Herstellung von Billboards vorgesehen war.360 Im Juni 2002 dann zog es die Managementabteilung der Firma zurück in die Spreemetropole, an einen opportuneren Ort in die Mitte Berlins. Das Unternehmen bezog das Bürogebäude an der Friedrichstraße 118, das es zuvor von der Berliner KapHag AG erworben hatte.361 Dieser Umzug erschien auch aus kommunikationsstrategischen Gründen notwendig, da die Marketingabteilung von der neuen räumlichen Nähe zu politischen Entscheidungsträgern profitieren würde.362 In der heutigen Unternehmenszentrale wurde ebenfalls der von dem Berliner Büro Art+Com konzipierte mediale Showroom der Wall AG eingerichtet.363 Zwischenzeitlich war eine neue Expansion des Firmensitzes im Gespräch, da die Wall AG plante mit JCDecaux eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft einzurichten.364 Hierzu hatte man ein Grundstück gegenüber der bestehenden Firmenzentrale am Oranienburger Tor ins Auge gefasst.365 Neben den deutschen Produktionsstätten expandierte die Wall AG außerdem in die USA, wo im Jahr 2001 ein zweites Werk in Boston eröffnet wurde366, und in die Niederlande, wo 2005 ein weiteres Werk für 45 Mitarbeiter bei Arnheim errichtet wurde.367 Summa summarum, für den firmengeschichtlichen Expansionsprozess stellt die Stadt Berlin ein ganz besonderes räumliches Scharnier dar, denn von hier aus gelang es dem Unternehmen zunächst in der Metropole, dann national und schließlich über Deutschlands Grenzen hinaus zu expandieren. Welche Bedeutung in diesem Kontext die Stadt Berlin für das Unternehmen und das Unternehmen für Berlin einnehmen soll, wird in nachfolgenden Kapiteln dargestellt. 359 360 361 362 363 364 365 366 367
114
Süddeutsche Zeitung vom 03.01.98. Tagesspiegel vom 29.10.94. Handelsblatt vom 06.12.95. Tagesspiegel vom 20.06.02. Interview C.9.d. vom 13.12.06. Die Welt vom 09.12.02. Bisher hat das Kartellamt jedoch noch Bedenken angemeldet (Stand 14.03.08). Berliner Morgenpost vom 14.03.08. Handelsblatt vom 06.12.95. Tagesspiegel vom 04.12.04.
Neben den innovationsfreudigen Stadtmöblierern, von denen hier exemplarisch ein Berliner Unternehmen vorgestellt wurde, sind für den Weg zwischen Werbekunden und der Installation von Außenwerbung in zentralen öffentlichen Räumen durch dieselben jedoch gleichermaßen die kreativen Kampagnenplaner von großer Bedeutung. Sie sorgen sich um die inhaltliche Ausgestaltung von Werbekampagnen und können deswegen als intermediär zwischen Werbekunden und Stadtmöblierern agierend verortet werden. Profanerweise sind dies Werbeagenturen der freien Wirtschaft oder in Wirtschaftskonzerne integrierte Werbeabteilungen.368 Diese helfen dem Kunden bei der Planung und Realisierung von Kampagnen und beraten ihn hinsichtlich der Wahl des Marketing-Mixes. Sie erhalten gewöhnlich von den Stadtmöblierern eine Mittlerprovision (15%), sofern nicht Dritte (Spezialmittler) mit der Beschaffung der Werbeträgernetze beauftragt sind. Den Werbekunden steht es nicht zu, derartige Mittlerprovisionen einzustreichen, jedoch stehen Großabnehmer von Außenwerbeträgern traditionell in dem Verdacht, über die Gründung eigener Spezialagenturen in den Genuss der Provisionen zu kommen.369 Ob die kreativen Kampagnenplaner sich im Mediamix für Außenwerbung entscheiden, und welche Bedeutung sie den stadtraumbezogenen Werbemaßnahmen beimessen, hängt von der werblichen Zielsetzung ihrer Kunden, vom Werbebudget und vom Anspruchsniveau der Werbetreibenden und der Agenturen ab.370 Außenwerbung ist von Klienten und kreativen Kampagnenplanern bisher dann als vorteilhaft eingeschätzt worden, wenn das Kampagnenbudget relativ gering ist oder aber, wenn durch Konzentrationen innerhalb anderer Mediengattungen Preise drastisch angestiegen sind. Ähnlich wie in der stadtmöblierenden Außenwerbebranche ist es auch im Bereich der Werbeagenturen zu Konzentrationen gekommen, was sich als struktureller Einflussfaktor ebenfalls im Wettbewerb und im Beziehungsgeflecht zwischen Stadtmöblierern, Werbekunden und kreativen Kampagnenplanern ausdrückt. In der zweiten intermediären Nebenrolle beim Produktionsprozess der Außenwerbung stehen die intermediären Mediaagenturen, die auch Spezialmittler genannt werden.371 Diese treten seit den 1980er Jahren verstärkt als Akteure auf, die zwischen Werbekunden, Werbeagenturen und Stadtmöblierern intermediär agieren, indem sie den Werbekunden bei der Mediaplanung unterstützen und ihn hinsichtlich des kombinierten Einsatzes mehrerer Mediengattungen (Mediamix) beraten und somit potenzielle Aufgabenbereiche der kreativen Kampagnenplaner übernehmen. Spezialmittler sind zumeist Plakat-Medienagenturen, die für gewöhnlich eine Mittlerprovision erhalten und über die die Buchung und Abwicklung von Plakatkampagnen organisiert wird. Sie realisieren einerseits den Werbeträgervergleich innerhalb der Mediensparte (Intramedialvergleich) sowie zwischen den Werbeträgern verschiedener Mediensparten (Intermedialvergleich). Auch im Bereich der Media-Agenturen ist es in Deutschland zu Konzentrationsprozessen gekommen, da „80% der Schaltungen im deutschen Medienmarkt (...) von gerade einmal 7 Netzwerken im Bereich der Media-Agenturen vorgenommen [werden]“.372 Damit sind entsprechende Folgen im Bereich der Transparenz verbunden.373 In den größeren Außenwerbeunternehmen sind zumeist firmeneigene Spezialmittler beschäftigt oder es werden eigenständige Subunternehmen gegründet, wie jüngst in Berlin geschehen, als die Wall AG die
368 369 370 371 372 373
Für einen Überblick über die Arbeitsbereiche und Abläufe in Werbeagenturen siehe Kloss 2007, 237-245. Kloss 2007. Vgl. Korff 1987, 37 und 187. Für einen Überblick über die Arbeitsbereiche und Abläufe in Media-Agenturen siehe Kloss 2007, 245-261. Hainer 2004, 2668. Ibid. 2004, 2673.
115
neue Tochterfirma ‘Die Draussenwerber’ mit Sitz in Spandau präsentierte, eine Gründung, die aus der Übernahme eines ehemals landeseigenen Betriebs hervorging.374 Auch wenn nicht zentraler Bestandteil dieser Arbeit, so soll doch zumindest angedeutet werden, welche Akteure in Deutschland vorrangig Außenwerbung in Auftrag geben, also am Anfang der Produktionskette positioniert sind. Um die Beziehungsgefüge respektive der kapitalkräftigen Werbekunden nachvollziehen zu können, lohnt ein Blick auf die vorrangig auftraggebenden Unternehmen sowie Branchen des Jahres 2007. Neben Automobilherstellern wie Toyota Deutschland, der Volkswagen AG und dem Nissan Center Europe sind unter den 20 Top-Werbekunden ebenfalls die einschlägigen Einzelhandelsmagnaten Media-Saturn Holding und Kaufhof vertreten. Auch einschlägige Medienkonzerne wie die Axel Springer AG und die VOX Film und Fernsehgesellschaft greifen für die Promotion ihrer Mediaprodukte und für ihr eigenes Markenbranding auf Out-of-Home Medien zurück. Natürlich dürfen auch die gegenwärtigen Telekommunikationsanbieter wie O2 Germany, E-plus Mobilfunk Deutschland, Nokia Telecommunications, Sony Ericsson Mobile sowie Vodafone D2 und T-Home Deutschland in dieser Aufzählung nicht fehlen, nehmen sie doch als Gruppe den größten Anteil an der Außenwerbung in Deutschland 2007 ein. Als letzte Großgruppe seien die populären Modegeschäfte wie C&A Mode und Hennes + Mauritz genannt. Schließlich sind es auch noch Energiekonzerne wie E wie Einfach Strom und Gas, Pharmakonzerne wie die Beiersdorf AG, der Global Player der Möbelindustrie Ikea, Toto und Lotto Gesellschaften und – bezeichnenderweise – die Aktion Mensch, die zu den 20 wichtigsten Kunden der Außenwerbeunternehmen in Deutschland zählen. Sie investierten im Jahr 2007 knapp 780 Mio. Euro (brutto) für verschiedene Werbeträger der Out-of-Home Medien.375 Das Klischee, jegliche per Außenwerbung übermittelte Information bestehe aus Kommerz, und Werbung sei schließlich allein nur Instrument der Privatwirtschaft, um für Produkte und Services zu werben, ist demnach falsch. Zwar haben verschiedene Märkte den größten Wirtschaftsanteil an der Außenwerbung, jedoch stellen Plakatkampagnen auch das zentrale Kommunikationsinstrument für Akteure und Institutionen aus weiteren gesellschaftlichen Sektoren dar, um auf sich oder die von ihnen verfolgten Ziele und ihre Beweggründe aufmerksam zu machen. Beispiele für solcherlei Kampagnen findet man im Bereich der Gesundheitsprävention (z.B. Aids-Kampagnen der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, Krebsvorsorgekampagnen der Felix Burda Stiftung), im Bereich der Ausbildungsinitiativen (z.B. Azubi-Kampagne der Bundesagentur für Arbeit), sowie Plakatserien zu Menschenrechtsverletzungen (z.B. „Es geschieht nicht hier aber jetzt“-Kampagne von Amnesty International) oder aber Kampagnen zur Promotion gewisser Glaubensrichtungen (z. B. Kampagne der ProChrist e.V. Kassel).376 Manchmal werden auch gesellschaftlich sehr brisante Gegenstände zu Inhalten von Plakatkampagnen, wie man im März 2007 für eine Woche in den Vitrinen der Wall AG ersehen konnte: Dort machte Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit der Wall AG auf die in Berlin seit ihrer Einführung heftig umstrittenen Babyklappen aufmerksam.377 Des Weiteren gehören Außenwerbestrategien immer häufiger zum Mediamix diverser Fundraising-Aktionen 374 Siehe Pressemeldung. URL: http://www.pressebox.de/pressemeldungen/wall-ag/boxid-160680.html (letzter Zugriff am 22.05.08). 375 Quelle: OMGOutdoor / Nielsen Media Research, Januar 2008; Veröffentlichung „Top-Kunden“ auf der Homepage des FAW, URL: http://www.faw-ev.de/media/download/marktdaten/Nielsen%20Top%20Kunden_2007.pdf und Veröffentlichung „Top-Branchen“ auf der Homepage des FAW, URL: http://www.faw-ev.de/media/download/ marktdaten/Nielsen%20Top%20Branchen_2007.pdf (letzter Zugriff 22.05.08). Daten zum Jahr 2006 bei Schalk et. al. 2007, 72f; zum Vergleich für das Jahr 1983 bei Korff 1987, 58f. 376 Für eine bebilderte Darstellung der genannten Kampagnen siehe Schalk et. al. 2007, 681ff. 377 Die Welt vom 27.03.07.
116
globaler ThinkTanks wie dem Globalen Fonds gegen Aids, Malaria und Tuberkulose.378 Die Autorin dieser Arbeit wurde von einer Mitarbeiterin des Globalen Fonds im Februar 2007 in Berlin interviewt, um nähere Berlin-Informationen für die Mediaplanung der später auf dem Potsdamer Platz ausgestellte Kampagnen (Abb.11) zu bekommen. Der globale Fonds wollte laut der Aussage der Global-Funds Akteurin zu Zeiten der deutschen Ratspräsidentschaft im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm die Aufmerksamkeit der zentralen politischen Entscheidungsträger in Berlin wecken, um sie zu einer positiven Berücksichtigung der Seuchenvorsorgeproblematik in Afrika während des Gipfels zu bewegen. In dem Gespräch ging es um die gesellschaftliche Akzeptanz verschiedener Formate und Standortempfehlungen bezüglich der anzusprechenden Zielgruppen. Die Kampagne wurde schließlich im Juli 2007 realisiert.
Abbildung 11: Außenwerbestrategie des ThinkTanks „Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria“ im Vorfeld des G-8 Gipfels in Heiligendamm 2007. Quelle: S. Knierbein.
Hier ist zu vermerken, dass viele der oben genannten Akteure und Institutionen intermediär zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft agieren.379 Das heißt, eine Kampagne für verbesserte Malariaprophylaxe in Afrika kann durchaus im Interesse der Pharmaindustrie oder von dieser unterstützt sein. Gleichermaßen kann eine Kampagne zu Babyklappen in Berlin ebenfalls eine gewisse parteipolitische Haltung symbolisieren und demnach als programmatische, parteipolitische Proklamation gewertet werden. Es ist im Einzelfall nachzuvollziehen, welche Beweggründe hinter verschiedenen Kampagnen stehen und vor allem, welche Akteure sich für die Durchsetzung dieser Motive in welchem Maße einsetzen. Es besteht, was die Inhalte von Außenwerbung betrifft, also durchaus Forschungsbedarf, der jedoch in dieser Arbeit aufgrund des gewählten Forschungsschwerpunktes nicht abgedeckt werden kann. Nachdem die wichtigsten Akteure auf dem Weg zwischen Werbeauftrag und Außenwerbelogistik benannt worden sind, wird nun auf weitere Akteure zwischen Außenwerbelogistik und der Positionierung von Werbeträgern im Stadtraum eingegangen. Bei der Stadtmöbelproduktion kommen renommierte Designer und Architekten, die von Out-of-Home Unternehmen beauftragt werden, zum Zuge. Die Berliner Wall AG etwa hat in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Architekten und Designern weltweit zusammengearbeitet, und gilt unter Branchenkennern als Vorreiter für solche Arten der Kooperationen, bei denen das Image des kollaborierenden Architektur- oder Designbüros eine zentrale Rolle spielt.380 In der Regel wird der Kult um die Stararchitekten und Stardesigner schlichtweg auf das Segment der Stadtmöblierung übertragen: Kleihues+Kleihues entwerfen Prototypen für Berlin, Hadi Teherani für 378 Siehe Homepage des Globalen Fonds. URL: http://www.theglobalfund.org/de/ (letzter Zugriff am 17.05.08). 379 Evers und Laville 2005. 380 Interview D.3.d vom 27.06.06.
117
Hamburg (beide für Wall AG), Lord Norman Foster entwirft in London, Guto Indio da Costa in Rio de Janeiro (beide für JCDecaux) und James Irvine gestaltet Stadtmobiliar in Mailand (beide für Ströer Gruppe). Ihre Produktfamilien werden oftmals als exklusive Pioniertat für die erfolgversprechende Teilnahme an jeweils lokalen Ausschreibungen benutzt. Das bedeutet, dass die Stadtmöblierungsunternehmen strategisch die Entwurfsleistung auslagern, um gestalterischen Bezug zur jeweiligen Metropole herzustellen. Renommierte Architektur- und Designbüros verfügen in der Regel ebenfalls über ein fundiertes Know-how respektive der lokalen Politiklandschaft, ein Kriterium, das für die Stadtmöblierungsunternehmen im Hinblick auf die strategische Vorbereitung der Public Affairs, also der Lobbyarbeit, nicht uninteressant erscheint. Gewinnt ein Stadtmöblierungsunternehmen mit der eigens vom Hamburger Designer für die Elbmetropole entwickelten Serie oder mit der durch das in Rio de Janeiro ansässige Designstudio für die Stadt des Zuckerhutes kreierten Stadtmöbelfamilie nicht die lokale Ausschreibung, wird das Modell kurzerhand in das internationale Portfolio der Unternehmen aufgenommen und an nächster Stelle ortsunabhängig vermarktet, letzteres etwa in Australien.381 Jüngere Entwicklungen im Bereich der jungen kreativen Avantgarde in Berlin zeigen aber, dass auch hier eine weitere Ausdifferenzierung stattfindet: Denn nicht allein renommierte Büros und Studios aus den einschlägigen Disziplinen sind gefragt, sondern ebenfalls dem kreativen Potenzial der Stadt Berlin entsprossene und an der kreativen Erschließung postfordistisch geprägter Märkte orientierte Dienstleistungsanbieter wie die Berliner Büros Ion Design und Art+Com. Diese kooperierten zunehmend mit dem Berliner Stadtmöblierungsunternehmen. So schmieden Ion Design und die Wall AG seit kurzem an einer gemeinsamen Allianz: Der Stadtmöblierer hat sich mittels einer kräftigen Kapitalspritze bei der nun als Ion-Design GmbH firmierenden Design-Agentur mit 30 Prozent beteiligt, eine Koalition zwischen zwei privatwirtschaftlichen Akteuren, die schon gut eine Dekade lang existiert und nun unternehmerisch zu verschmelzen beginnt. Unter dem Dach Ion Designs befinden sich die Bereiche Verpackungsgestaltung, Produktgestaltung, Public Design, Exhibition Design und Interior Design sowie Architektur, die das Büro kreativ miteinander verknüpft. Das Unternehmen hat für die Wall AG in der Vergangenheit bereits E-Terminals, unterschiedliche Plakatvitrinen, die Innenarchitektur der unterirdischen WC-Anlagen auf dem Breitscheid- und dem Alexanderplatz sowie die Corporate Architecture der (ehemaligen) Firmensitze in den Niederlanden und in Freiburg entwickelt. Auch die Außengestaltung des Wall’schen Showtrucks entstammt der Feder der Berliner Designer.382 Die Art+Com AG hingegen vermarktet sich als Gestalter und Realisierer von innovativen Projekten in den Bereichen Kultur, Industrie und Forschung. Bei Ihnen handelt es sich speziell um die Entwicklung interaktiver Lösungen mittels des Einsatzes neuer Medien. Das Unternehmen wurde 1988 von Gestaltern, Künstlern und Wissenschaftlern als eingetragener Verein ins Leben gerufen, 1995 in eine GmbH sowie 1998 in eine AG umgewandelt und versorgt mit 60 Mitarbeitern Kunden wie BMW, Procter und Gamble, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Centre George Pompidou in Paris sowie die Europäische Kommission, das deutsche Forschungsministerium, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Wall AG mit kreativen Ideen. Für das Berliner Stadtmöblierungsunterneh-
381 Interview D.7.b vom 16.10.06. 382 Die Welt vom 13.08.07. Tagesspiegel vom 04.12.04. Siehe Internetauftritt der Wall AG, Pressemeldung vom 03.06.08. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01571.asp und siehe Internetauftritt der Ion Design GmbH. URL: http://www.iondesign.de/ (letzter Zugriff am 23.06.08).
118
men hat die Art+Com AG bereits den firmeneigenen Internetauftritt, den multimedialen Showroom in der Friedrichstraße sowie das so genannte Timescope entwickelt.383 Neben den privatwirtschaftlichen Protagonisten und den mit einem breiten Spektrum an Akteuren besetzten Nebenrollen zählen aber vor allem öffentliche Akteure (Verwaltung, Politik, etc.) zu den Protagonisten gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin, auf die nachfolgend eingegangen wird. Wie angedeutet, ist der Kontakt zu politischen Protagonisten, also den Entscheidungsträgern in den Parlamenten der Stadtstaaten und den Kommunal- und BVVVersammlungen von großer Bedeutung für die Stadtmöblierer, denn Außenwerbung unterliegt seit den Nachkriegsjahrzehnten einer rigiden Regulierungspraxis. Mittels gezielter Lobbyarbeit kann jedoch im Optimalfall der Zugriff auf vormals unzugängliche öffentliche Ressourcen, konkret öffentliches Straßenland, erleichtert werden. Darüber hinaus sind bei stadtweiten Verträgen die Rahmenbedingungen zwischen öffentlicher Hand und der Privatwirtschaft zu verhandeln. Schließlich ist die Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern auch wichtig für das Stimmungsbild, denn in der Regel kooperieren gestaltwirksame Koalitionen mehrere Jahre oder Jahrzehnte, so dass die Beziehungen gepflegt werden wollen. Das konkrete Aushandeln verschiedener Werbeträgerstandorte verbleibt Aufgabe der Kooperation zwischen kommunalen Implementierern, also dem Fachpersonal öffentlicher Verwaltungen und den Unternehmen. Wenngleich oftmals Rahmenbedingungen bereits politisch gesetzt wurden, entstehen an dieser Schnittstelle der Implementation von Stadtmöblierungsaktivitäten im Stadtraum größere Reibungsflächen, denn jede Werbeanlage, jedes Billboard wird für gewöhnlich als Einzelfall behandelt und erfordert demnach ein komplexes bürokratisches Verwaltungsprozedere. Jedoch scheinen die stadtplanerischen und baurechtlichen Praktiken ebenfalls im Wandel begriffen zu sein (Kap. 3). Die kommunalen Implementierer befinden sich in dem Dilemma, zwischen politischem Willen und oftmals demokratisch-normativ geprägter Planungsethik stehend mit den Stadtmöblierern die Verräumlichung von Außenwerbestrategien realisieren zu müssen, ohne jedoch maßgeblichen Einfluss auf die Formulierung politischer Rahmenbedingungen ausüben zu können. Bisher ist wenig über die Akteure gesagt worden, die nicht der staatlichen Sphäre und nicht der der Märkte zugeordnet werden. Dies liegt einerseits am gewählten Schwerpunkt der Arbeit, sich gezielt mit Kooperationen zwischen Staat und Märkten auseinanderzusetzen, andererseits daran, dass in die beschriebenen Prozesse vielfach zivilgesellschaftliche Akteure nicht direkt eingebunden sind. Der Bezug zur Stadtgesellschaft ist jedoch für eine Analyse der aufmerksamkeitsökonomischen Rolle zentraler öffentlicher Räume von großer Bedeutung, denn die Praktiken der Außenwerber in öffentlichen Räumen sind auf die Aufmerksamkeitspräsenz von Informationsrezipienten angewiesen. Vereinzelt kommt es zu Kommentaren und zu organisiertem Widerstand seitens der Bürger, Besucher und Bewohner, die die kommerzielle, mediale Bewirtschaftung öffentlicher Räume beklagen. Sporadisch werden Kommentare von Berlinern veröffentlicht, z. B. ein Leserbrief bezüglich fehlender Haltestellen im Bötzowviertel, in dem ein Berliner fragt, ob die schlechte Ausstattung seines Quartiers mit den Investitionen für Haltestellen-Solardächer an anderer Stelle im zentralen Bereich Berlins zusammenhänge.384 Punktuell ist es in den vergangenen Jahren ebenfalls zu organisierten Widerstand gegen Außenwerbung allgemein durch vielfältige Formen der Kommunikationsguerilla385 gekommen. Akteure der Kommunikationsguerilla zerstören (zumeist in illegaler Manier) Werbeplanen oder 383 Siehe Internetauftritt von Art+Com. URL: http://www.artcom.de/ (letzter Zugriff am 23.05.08). Tagesspiegel vom 27.03.07. Die Welt vom 09.12.02. Für eine Produktinformation zum Showroom siehe http://www.artcom.de/ index.php?option=com_acprojects&page=6&id=3&Itemid=115&details=0&lang=de (letzter Zugriff am 23.06.08). 384 Tagesspiegel vom 08.09.04. 385 Verwandte Begriffe sind Medienguerilla oder Informationsguerilla.
119
trennen aus diesen Charaktere heraus, und re-inszenieren diese als Kunstwerke drapiert an anderer Stelle im öffentlichen Raum (Visual Kidnapping). So geschehen im Jahr 2002 im Rahmen einer Intervention des französischen Künstlers Zevs auf dem Alexanderplatz.386 Die so genannten Adbusters können als legal agitierendes Pendant zu den Guerilleros der Kommunikation aufgefasst werden. Sie formieren sich etwa in Form der Adbusters Media Foundation als Non-Profit-Organisation und veröffentlichen das 120.000 Leser starke Adbusters Magazine.387 Auch das Cultural Jamming – hier werden Strategien, Ausdrucksformen sowie konkrete Beispiele aus der Werbung künstlerisch persifliert und ins Absurde geführt – ist mittlerweile weit verbreitet. Zentrale Motive dieser Non-Profit Bewegungen, die sich meistens im Street Art Bereich etablieren, sind – neben der oftmals in der Presse skandierten Zerstörungswut – Globalisierungskritik gegen die in alle gesellschaftlichen Sphären vordringende Wirtschaftskommunikation und gegen eine systematische Fehlinformierung der Menschen in der postfordistisch geprägten Stadtgesellschaft. So soll etwa der manipulative Charakter von Werbung den Menschen mittels radikaler Interventionen ins Bewusstsein gerückt werden. Außerdem ist es verklärtes Ziel der Kommunikationsguerilla, das Entstehen von Gegenöffentlichkeiten zu forcieren, um überhaupt erst gesellschaftliche Diskurse bezüglich der Subversivität von Information herstellen zu können. Generell richtet sich gesellschaftlicher Widerstand also gegen Außenwerbung im Allgemeinen, jedoch scheint es in Berlin – einer Stadt die bekannt für die kritische Haltung ihrer Bürger und Bewohner gegenüber verschiedenen Stadtentwicklungsphänomenen – keine nennenswerten gesellschaftlichen Proteste über diese organisierten Praktiken hinaus zu geben.388 Ob dies nun als Folge einer auch in anderen Städten auftretenden normalen Politikarmut aufgrund eines mit Ende des Fordismus auslaufenden Etatismus oder als Folge einer Depolitisierung gewertet werden muss, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Es sollen jedoch in den folgenden Kapiteln Argumente vorgestellt werden, um mögliche Interpretationswege aufzuzeigen. Es verbleibt weitere Aufgabe der empirischen Stadtforschung, sich dieser Diskrepanz ausführlicher zuzuwenden. Nachdem in diesem Kapitel bereits historische Rückgriffe auf die Praktiken des Ernst Litfaß erfolgten, nachdem gesellschaftliche Determinanten der Veränderung der Medienlandschaft und gegenwärtige Marktzusammenhänge in Deutschland und Europa vorgestellt wurden, rundeten Informationen zur Akteursbesetzung der Protagonisten- und der Nebenrollen den Überblick über ein weit vernetztes Gewebe in der Akteurslandschaft ab, deren Handeln gestaltwirksamer Koalitionen eingebettet ist. Abschließend wird der eigentliche Verhandlungsgegenstand dieser Koalitionen – gestaltetes Stadtmobiliar – erläutert. Anhand des Produktspektrums der Wall AG wird exemplarisch ein kompakter Einblick ermöglicht, dessen Sinn weniger eine kunst- oder kulturwissenschaftliche Einordnung ist, sondern die Illustration der beschriebene Genese des Stadtmöblierungsmarktes anhand der Evolution seiner Produkte.389
386 Die Welt vom 12.08.06. 387 Siehe Internetauftritt der Adbusters Media Foundation. URL: http://www.adbusters.org/about/adbusters (letzter Zugriff am 23.06.08). 388 Eine Ausnahme scheint sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg an zu deuten, wo der Blick von der Oberbaumbrücke in Richtung Alexanderplatz nun durch Billboards der O2-Arena verstellt wird, was in 2007 zu Protesten insbesondere durch die alternative Szene geführt hat. 389 Für eine kunst- und kulturwissenschaftliche Einordnung siehe Damm und Siebenhaar 2005.
120
Designlinien der medienbasierten Stadtmöblierung Seit Beginn der 1990er Jahre zeichnet sich in Berlin der Trend ab, verschiedene Stadtmöbel in gestalterischen Serien zusammenzufassen. Gegenwärtig werden nicht mehr einzelne Objekte für den Stadtraum vermarktet, sondern anspruchsvolle Designlinien, die aus einheitlich gestalteten Produktfamilien bestehen. Einhergehend mit zunehmender Qualitätssteigerung von Fassadenarchitektur haben sich auch die Ausstatter öffentlicher Räume des gesteigerten Anspruchs an qualitätvolle Ästhetik angenommen. Dabei weicht man von der klassischen Objektgestaltung ab, um Stadtmöblierung stärker in den Bezug zu Stadtraum zu setzen. Der Ausstattungsgegenstand wird also nicht mehr als Solitär, sondern als Teil des zu gestaltenden Inventars für die baulichen Arrangements öffentlicher Räume interpretiert. Diese Entwicklung wird durch die zuvor angesprochene Tatsache begünstigt, dass die einschlägigen Unternehmen mit bekannten Größen aus Architektur und Design zusammen arbeiten, um mittels ihrer Reputation und ihres ästhetischen Feinsinns ganz besonders ansprechende Produkte auf den Markt zu bringen. Zentrales Motiv für diese Hinwendung zu ästhetischer Raffinesse liegt auf den ersten Blick vor allen Dingen im Geschäftsmodell der werbefinanzierten Stadtmöblierung begründet: „Demnach muss eine Wall-Wartehalle so gestaltet sein, dass sie eine ideale Präsentationsfläche für Werbekunden darstellt. Sie sollte also stets sauber und intakt sein. Ein Wunsch, der nicht neu ist, aber erstmalig direkt mit dem Geld zahlender Kunden verbunden ist.“ (Locke 2005, 38)
Auch für die Städte erscheint es von gesteigerter Bedeutung, Straßen und Plätze mit einheitlichen Stilelementen zu versehen, um durch Homogenisierung gestalterische Leitmotive in die städtischen Freiräume zu bringen. Letztendlich sollen innerhalb gestaltwirksamer Koalitionen aus Sicht der Städte Ressourcen gebündelt werden, um die als überkommen interpretierte modernistische Formensprache im Stadtraum überwinden zu können. Darüber hinaus finden öffentliche Akteure in den innovationsfreudigen Stadtmöblierern ein Gegenüber, das willens ist, innovationsgemäß in die Entwicklung gestalterischer Neuerungen im öffentlichen Raum zu investieren. Begriffe wie die ‘Wiedererkennbarkeit’ und ‘Unverwechselbarkeit’ des individuellen Stadtbildes werden vielfach bemüht und mit dem Attribut ‘maßgeschneidert’ geschmückt. In der Praxis erscheint das Angebot jedoch keinesfalls als so flexibel wie es vorgestellt wird, denn durch Erweiterung des Repertoires der Stereotypen entsteht keine derart gestaltete Vielfalt in der Stadtmöbelgestaltung, die den vielfältig differenzierbaren Stadträumen innerhalb einer Stadt und darüber hinaus im Städtevergleich gerecht werden könnte. Maß schneidern lässt sich jedoch die Zusammensetzung des ‘Warenkorbs’, also die Auswahl und die Anzahl der jeweiligen Stadtmöbel, der Warenkorb selbst ist nur in eingeschränktem Maße modifizierbar. Für das Berliner Unternehmen lässt sich aber eine überdurchschnittliche Vielfalt in den Serien feststellen, so bietet die Wall AG gut zwei Dutzend Designlinien an, von denen einige auf der Firmenhomepage ausführlich vorgestellt werden.390 Aufgrund der für dieses Unternehmen speziellen Situation, über eine Produktionsabteilung samt eigenen Produktionsstätten zu verfügen, ist größere Flexibilität bezüglich der Anpassung des Mobiliars an die Wünsche diverser Kommunen gegeben. So wurden etwa – wie im Falle der Stadtmöblierung Baden-Badens – die Standardstrukturen mit einem Kranz aus stadttypischen Kreuz-Emblemen aufgerüstet, die Standardvariante wurde demnach um ein standardisiertes Zwischenstück ergänzt.
390 Zu den weiteren Ausführungen dieses Abschnitts siehe Locke 2005, 37ff. sowie die virtuelle Produktpräsentation auf der Homepage der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/city_marketing/product_lines/index.asp (letzter Zugriff am 24.06.08).
121
Die Produktionsweise musste demnach nicht komplett verändert, sondern geringfügig ergänzt werden, Differenzierung erfolgte in der Montur vor Ort.
Abbildung 12: Differenzierung standardisierter Stadtmobiliarstücke der Wall AG durch Modifikation im Detail. Abb. 12a. (links): Eingearbeitetes Wappen des Bezirks Mitte von Berlin in Helios-Stadtinformationsanlage. Abb. 12b. (mittig): Zusätzlicher Stahlaufsatz mit Kreuzstrukturen in Helios-Wartehalle. Abb. 12c. (rechts): Helios-City-Light-Säule mit Messingkugeln (links) und zusätzlichem Spitzdach. Kurfürstenstraße und Karl-Liebknecht-Straße. Berlin. Augustaplatz. Baden-Baden. Quelle: S. Knierbein.
Was die Materialwahl betrifft, hat sich speziell seit Beginn der 1980er eine generelle Neuorientierung ergeben: Verwendete die Wall AG in den ersten für Berlin aufgestellten Wartehallen für das Dach eine Sandwich-Konstruktion aus Kunststoff (Abb. 7c), so kommen bereits im Folgemodell größere Glasflächen zum Einsatz. Aufgrund neuer Materialien und einer veränderten Statik wird die Verwendung der flexiblen Modularbauweise möglich. Fortschritte in Konstruktion und Materialwahl bringen darüber hinaus verstärkte Transparenz und scheinbar weniger Vandalismus sowie verbesserte Reinigungsfreundlichkeit mit sich, da Glas im Gegensatz zu Kunststoffen resistent gegenüber Reinigungschemikalien ist und sich durch die verminderte Anzahl tragender Elemente größere transparente Sichtflächen ergeben, die schneller zu reinigen sind. Diesem ersten Einblick in veränderte Designansprüche und -möglichkeiten der Stadtmöblierung folgt nun ein exemplarischer Überblick über die marktgängigen Produktlinien des Berliner Stadtmöblierers – und ihre Urheber.391 Arno Bonanni war einer der ersten Architekten, mit denen das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen in seiner frühen Expansionsphase zwischen 1987 und 1995 kooperierte. Aus dieser Kooperation entstand die erste WallDesignserie Helios, deren Stadtmöbelstücke im Berliner Stadtraum an verschiedensten Stellen zu finden sind. Sie wird – wie nahezu alle Helios-Elemente – durch die Verwendung von Messingkugeln als Accessoire charakterisiert. Ein Beispiel der Helios-Stadtinformationsanlage befindet sich an der Karl-Liebknecht Straße auf Höhe der Marienkirche. Man kann sie am Bügelaufsatz aus Rundrohr mit eingearbeitetem Bezirkswappen und an der Messing-Optik des Bogens erkennen (Abb. 12a). Die Helios-Werbesäule fasst 4/1 oder 8/1 Plakate, es gibt sie mit Flachdach sowie mit orientalisch anmutendem Spitzdach (Abb. 12c). Der Sockel ist in der Regel mit Granitplatten verkleidet und mit Schmuckstreifen aus Messing verziert. Die HeliosWartehalle Standard verfügt ebenfalls über eine gewölbte Dachkonstruktion, was sie luftig und leicht wirken lässt. Neben der Standardvariante findet man Unter den Linden das extra für den Boulevard entwickelte klassizistisch anmutende Helios-Classic-Modell vor, das wie eine 391 Für einen detaillierten Produktüberblick siehe Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/city_ marketing/product_lines/index.asp (letzter Zugriff am 24.06.08).
122
“3dimensionale Skizze antiker Tempelarchitektur” wirkt, wenn man den gestalterischen Bruch, der mittels der Verwendung eines Tonnengewölbes entsteht, bei Seite lässt.392 Der Grundriss der Helios-Toilette entspricht dem einer Ellipse, das Dach ist über dem Eingang hochgewölbt, die Außenfassade ist mit Granitstein verkleidet. In der Regel werden in die Toilettenfassade zwei CLP-Formate integriert. Die von Bonanni gestaltete Stadtmöbelfamilie findet man in St. Louis, Istanbul, Moskau und St. Petersburg in blankem Messing oder in mattem Anthrazit. Im gesamten Stadtgebiet Berlins wurden Helios-Elemente seit Mitte der 1990er Jahre eingesetzt.393 Speziell für den Standort Unter den Linden hat das Architekturbüro Kleihues+Kleihues die Stadtmöbelserie ‘Challeng’e entworfen. Als Inspiration für die Phase der kreativen Ideenfindung propagiert Kleihues die so genannte Stadtbildanalyse, eine Methode, die sich an den baulichen Eigenarten der Umgebung orientiert. Ein Merkmal der Stilelemente der Stadtmöbelserie ist die waagerechte Teilung der Fassade mittels wohl proportionierter Fassadenelemente (Rippenstruktur), die ein Fugenspiel simuliert. Das emaillierte Stahlblech der Außenfassade kann farblich beschichtet werden, in die Fassade werden bis zu vier CLP-Formate integriert. Der Grundriss der Challenge City Toilette und der Kioske entspricht dem ‘Ship-ShapeDesign’. Trotz der Verwendung dieser Stromlinienform im Grundriss zeichnet sich die weitere Formensprache vor allem in der Verwendung klarer Geraden aus. Das Dach wird verziert von einem abgesetzten aber die Fassadenstruktur spiegelnden weißen Band mit Beschriftung, welches nachts beleuchtet werden kann. Die Formensimulation der baulichen Fassaden spiegelt sich in den Kiosken und WC-Stadtmöbelstücken wieder, nicht jedoch in der Haltestelle, die über ein gewölbtes Dach verfügt, das mit dem Prinzip der Anpassung an vorhandene Baukultur im Stadtraum bricht. Das besondere Element der Challenge-Serie sind die Kioske in vier Formaten (S, M, L und das Modell Blumenkiosk), auf deren Rückseite je nach Modell mindestens zwei CLP-Werbeträger integriert sind. Auch die ein 8/1 beherbergende hohe Multifunktionssäule kann mit einem Kiosk ausgestattet werden, oder aber als Dachkonstruktion für ein E-Terminal dienen. Diese Serie umfasst neben Kiosken und City-Toiletten ebenfalls Stadtinformationsanlagen und ein so genanntes News Rack, eine sechsteilige Verkaufsanlage für Zeitungen. Im Gegensatz zu den Elementen der Serie Helios wirken die der Serie Challenge weniger verspielt. Sie muten schlicht, gediegen und zeitlos an. Die Rückkehr zu Ornamenten à la Art Deco kann als eine Abkehr von der Sachlichkeit der Helios-Familie interpretiert werden. Die ebenfalls von Kleihues für die Wall AG entwickelte Designlinie ‘Streetline’ ist der Stadtmöbelfamilie Challenge sehr ähnlich, zumindest im Hinblick auf die Grundrisse, die auf dem sphärischen Dreieck beruhen. Sie ist im Detail jedoch wesentlich schlichter, ohne aufgesetzte Fassadenteile und ohne den für Challenge charismatischen weißen Streifen im Dachabschluss. Die mögliche Beschichtung des emaillierten Stahlblechs ermöglicht Variationen durch Farbwahl. Auch hier kommen mit Edelstahl, Emaille, Aluminium und Sicherheitsglas hochwertige Materialien zum Einsatz. Streetline umfasst ein Produktspektrum zwischen City-Toilette, Wartehalle und Kiosken, Stadtinformationsanlagen, Multifunktionssäulen in zwanzig Varianten (etwa mit integriertem Telefon oder Kiosk) sowie zusätzlich Abfallbehälter, Recycling-Boxen und Bänke. Die Zusammenarbeit mit Kleihues prägt die Wall’sche Produktpolitik in der Mitte der 1990er Jahre, der mit den Designlinien ‘Avenue’ und ‘Campo’ eine neue Phase der Produktentwicklung folgt, bei der das Designbüro Staubach und Kuckertz zum neuen Partner wird. Die Serie ‘Avenue’ kennzeichnet im Gegensatz zu Helios und Challenge ein auf filigranen Gestaltelementen beruhendes Design. Die homogen gestalteten Fassaden der Avenue Stadt392 Locke 2005, 48. 393 Locke 2005. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Architekturwerkstatt 2004, 82ff.
123
möbel bestehen aus einseitig lackiertem Sicherheitsglas, und kontrastieren so die tradierte Verwendung von gebogenen Stahlprofilen. Der Materialkanon der Produktlinie wird dadurch ermöglicht, dass konstruktive Bestandteile sich hinter den innenseitig lackierten Paneelen aus Sicherheitsglas verbergen. Bei der Avenue-Wartehalle etwa ist das Dachelement vorrangig an den hinteren Trägern befestigt und löst sich nach vorne hin von der Konstruktion ab, ein stilistisches Merkmal, das auch in der Architektur während der 1990er Jahre verstärkt zur Verwendung kommt. An der Wartehalle lassen sich jedoch zwei Kritiken fest machen: Es wird ein gestalterischer Bruch zwischen Werbevitrine und der übrigen Konstruktion deutlich, denn diese passt sich dem Verlauf des leicht aufstrebenden Daches mit ihrer normierten waagerechten Oberkante nicht an. Durch den Verzicht auf seitliche Stahlstützen an den Vorderkanten der Konstruktion, der Leichtigkeit signalisieren soll, steht eine Glasscheibe im Raum, die an der Vorderkante farblich markiert werden muss, damit die Passanten sie nicht übersehen. Auch hier vermisst man die Raffinesse des Dachelements, das mit laserbearbeiteten Lichtöffnungen und integrierten Leuchten ausgestattet ist. Aufgrund der nahezu alle Elemente umfassenden Verwendung von Glasfassaden mutet Avenue kostbar und zerbrechlich an, jedoch wird dieser Materialkanon nicht konsequent im Formenkanon reflektiert.394 Die Designlinie ‘Campo’ hebt sich deutlich vom 1990er Jahre Stil der Designlinie Avenue ab. Beherrschten bei Avenue noch das Filigrane, das Leichte und das Transparente die Optik, so mutet Campo robust, rechtwinklig und stilvoll an. Hier kommt dem Konstruktionselement des Rahmens eine vordergründige Rolle zu, der bei den Dachelementen der City-Toilette und des Kioskes nach vorne hinausragt, um vor Regen zu schützen. Der wohlproportionierte Aluminiumrahmen, ganzflächige Glaswände und satinierte Dachgläser bestimmen die Optik der Gestaltfamilie, deren Konstruktionsdetails unsichtbar zusammengefügt sind. Diese Designlinie verzichtet auf jede Art von Ornamentik, Zurückhaltung zeigt sich auch bei anderen Elementen dieser Produktfamilie, wie etwa der Bank, die ohne Rückenlehne auskommt, was jedoch dem Komfort für ältere Menschen abträglich sein kann. Neben diesen den Kontext der späten 1990er Jahre bestimmenden Designlinien hat nach der Jahrtausendwende die durch das japanische Designbüro GK Sekkei entworfene ‘Intelligent Series’ Aufsehen erregt (Abb. 6). Denn diese zeigt sich nicht allein in der Gestalt avantgardistisch, sondern vor allem im Zusammenspiel aus gestalterischem Anspruch und funktionaler Erweiterung. Neben einer beheizbaren Sitzbank und einer LED-Anzeige für Nachrichten, Datum und Uhrzeit verfügt die Dachkonstruktion über eine eingebaute Photovoltaik-Anlage, die Energie für die nächtliche Beleuchtung generieren kann. Im Gegensatz zu den früheren Designlinien basiert die Intelligent Series auf der neuerlichen Hinwendung zum wartenden Menschen, dem neben Werbeplakaten und virtuellen Werbebannern zusätzliche mediale Information angeboten wird. Mittels integrierter E-Terminals, die vom Büro Ion-Design entwickelt wurden, avancieren die Wartehallen zu Orten einer wieder erstarkten Kommunikation, besonders wegen der offerierten virtuellen Fenster. Der Formenkanon der Intelligent Series wird durch die wiederholte Verwendung dreieckiger Aluminumprofile gewährleistet. Ein neues Stadtmöbelstück aus dieser Designlinie ist die elektronische Stadtinformationsanlage, neben Postern bietet diese Raum für ein integriertes E-Terminal. Im Gegensatz zu den Kleihues’schen Serien liegt dem Design des Tokyoter Büros GK Sekkei nicht die formale Anpassung an ein spezielles städtisches Umfeld, sondern die funktionale Anpassung an neue Anforderungen eines Mobiliars im Stadtraum generell zugrunde. Die Intelligent Series kann deswegen als avantgardistisch bezeichnet werden, weil sie mittels der Bündelung alter und neuer
394 Damm und Siebenhaar 2005.
124
technischer Funktionen im Stadtraum diesen funktional und optisch entlastet.395 Mittels des Einsatzes von Photovoltaik wird versucht den bisher vorgebrachten Argumenten der kritischen Ökologen gegen unnötigen Energieverbrauch durch die Hinterleuchtung der Außenwerbung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Für die Werbekunden ist die neue Serie deswegen interessant, weil neben dem CLP-Printformat nun ebenfalls Bluetooth Technik und virtuelle Werbeformate vermarktet werden können. Nachdem nun wesentliche Designfamilien der Wall AG kompakt im Hinblick auf ihre gestalterische Formensprache, Funktionalität und im Hinblick auf ihren Bezug zum Stadtraum vorgestellt worden sind, und somit der genuine Gegenstand des kooperativen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen umrissen ist, soll im nachfolgenden dritten Kapitel der Blick auf Stadtentwicklungsprozesse in Berlin seit Beginn der 1980er Jahre gelenkt werden.
Abbildung 13: Neue Funktionalität der Intelligent Series der Wall AG. Angelehnt an Werbeanzeige der Wall AG. Der Spiegel 47/2006, 169, Eigene Darstellung.
395 Vgl. Locke 2005, 56ff.
125
3
Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen
Im vorangegangenen Kapitel wurde der Zusammenhang zwischen übergeordneter Forschungsfrage und nachfolgender Fallstudie hergestellt, es ging um die Branche der Out-ofHome Medien und um ihr aus der Wiege gehobenes Marktsegment der Stadtmöblierung. Dargestellt wurde, dass gestaltwirksame Koalitionen im Bereich der Stadtmöblierung bereits in Europa in den 50 größten Metropolen an der Tagesordnung sind und dass sich der seit wenigen Dekaden entstandene Markt systematisch und unter Mitwirkung von Städten und Kommunen Nischen in öffentlichen Räumen erobert hat. Es ist also der Makrokontext – sowohl inhaltlich als auch räumlich – dargestellt worden, und es wurde veranschaulicht, dass es verschiedene Gründe für Transformationen öffentlicher Räume gibt, sei es in der Medienlandschaft, in der Werbebranche, oder einfach in veränderten Ansprüchen, die Stadtgesellschaft gegenwärtig an Stadträume stellt. Wenig wurde aber bisher gesagt über die veränderten Rahmenbedingungen für das Handeln öffentlicher Akteure. Kein Wort ist darüber verloren worden, wie denn dieses Koalitionsmuster zwischen Out-of-Home Unternehmen und Stadtverwaltungen überhaupt entstehen konnte, geschweige denn darüber, wie es sich gegenwärtig darbietet. Denn gerade diese Phase der Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen ist das zentrale Thema dieser Arbeit und wird daher nachfolgend am Beispiel des Sonderfalls Berlin mit verstärktem Blick auf die Prozesse im Bezirk Mitte von Berlin untersucht.396 Die Erkenntnisse aus diesem und dem folgendem Kapitel stellen das empirische Kernstück dieser Arbeit dar. Deswegen wird das dritte Kapitel zunächst dazu dienen, eine ganze Bandbreite an Interventionen gestaltwirksamer Koalitionen zwischen der Branche der Stadtraummedien und der öffentlichen Hand darzustellen, die sich seit den 1980er Jahren abzeichnet. Da jedoch bereits angemerkt wurde, dass die Agenten der Aufmerksamkeitsökonomie nicht nur baulich-räumlich intervenieren, wird auch im vierten Kapitel erörtert, inwieweit Unternehmen dieses Bereiches das Prinzip der Aufmerksamkeit auch kommunikationsstrategisch – also in der Darstellung ihres eigenen oder anderer Unternehmen – verfolgen und damit indirekt Stadtentwicklung beeinflussen. Nachfolgend wird der Blick zunächst auf die Rahmenbedingungen für Stadtentwicklung in Berlin, auf Verwaltungsreform(en), das Debakel des öffentlichen Haushalts, Konsolidierungstendenzen, auf die neue Hinwendung der Stadtpolitik – man erwähne ‘be Berlin’ – zum Konzept der Stadt als Marke gerichtet, um die im Wandel begriffenen Rahmenbedingungen für das Handeln öffentlicher Akteure zu benennen. Die mit dem Verweis auf die GovernanceDebatte angerissene Betrachtung der Veränderung von Steuerungsmechanismen der Stadtentwicklung und damit prinzipiell der Veränderungen in Stadtentwicklungspolitik, wird nachfolgend um die lokale Situation erweitert. Anschließend erfolgt der gezielte Blick auf das baulichgestalterische Handeln gestaltwirksamer Koalitionen, eine erste Essenz der empirischen Forschungsarbeit in den Archiven und in Gesprächen mit den Akteuren in Berlin. Mit jüngeren 396 Der Bezirk Mitte von Berlin (alt) bestand bis zum Jahr 2001 allein aus dem Stadtteil Mitte. Seit der Verwaltungsreform besteht der Bezirk Mitte von Berlin (neu) aus den Stadtteilen Mitte, Tiergarten und Wedding. Die Bezirke in Berlin stellen unselbständige Verwaltungseinheiten mit nur begrenzten Befugnissen dar, wenn man sie mit den Befugnissen anderer deutscher Kommunen vergleicht. Die Berliner Bezirke haben etwa kein Recht, örtliche Steuern zu erheben, Satzungen zu erlassen oder im eigenen Namen Verträge mit Dritten abzuschließen (Stand 2001. Vgl. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 2001, 12).
127
Avancen im Bereich der virtuellen Dimension städtischer Räume wird bereits eine erste Verwebung baulich-gestalterischer mit virtuellen Arrangements zentraler öffentlicher Räume angerissen. Anschließend wird auf den Punkt gebracht, wie sich Ausnahmetatbestände über 20 Jahre hinweg etablieren konnten. Sodann wird der Fokus auf die Veränderung eines zentralen stadtentwicklungspolitischen Instruments, der Rechtsprechung, geschwenkt, um aufzuzeigen, wie die Berliner Stadtentwicklungspolitik jüngst das Baurecht und das Baunebenrecht, also die Berliner Bauordnung und das Berliner Straßengesetz dazu verwendet hat, eine systematische Deregulierung der Nutzungsmöglichkeiten in öffentlichen Räumen herbeizuführen. Auf andere rechtliche Veränderungen, die diese fundamentale Abwendung von zentralen Kriterien des modernen Städtebaus flankieren, soll ebenfalls hingewiesen werden. Denn an dieser Stelle kann im Detail untersucht werden, ob eine der zentralen Hypothesen, nämlich die Frage, ob sich aus der werbefinanzierten Stadtmöblierung als Ausnahmetatbestand die Regel etablieren konnte, angereichert, ergänzt oder verworfen werden muss. Im Anschluss werden zwei Exkurse angeboten: Exkurs I – Gegenwärtige Experimente und jüngere Schauplätze der medienbasierten Stadtmöblierung – begünstigt die Möglichkeit, die Ergebnisse aus Berlin in Kontext zu weitläufigeren Entwicklungen zu setzen. Hier geht es um neuere Formen und jüngere Schauplätze der gegenwärtigen Stadtentwicklungspraxis gestaltwirksamer Koalitionen, die vielleicht einen Ausblick auf mögliche Trends und Tendenzen der zukünftigen Entwicklung ermöglichen, bisher aber zumeist Experimentcharakter haben. Die Studien zu systematischen Vorstößen des Out-of-Home Mediensektors werden daher erweitert um Perspektiven auf neue städtische Produkte und Dienstleistungen sowie um Prognosen, die sich aus der Relativierung des Berliner Beispiels im Zusammenhang mit anderen, zum Teil avantgardistischen Exempeln internationaler Stadtentwicklungspraxis ableiten lassen. Exkurs II – Asset Swap – ist von großer Bedeutung für die jüngsten Entwicklungen der Aufmerksamkeitsökonomie im Kontext des Berliner Exempels über die Stadtmöblierung hinaus. Schließlich werden zentrale Hypothesen im Antlitz der ersten empirischen Informierung erneut beleuchtet, erweitert und angereichert. Im anschließenden, vierten Kapitel geht es dann um die Frage nach den empirischen Befunden für die kommunikationsstrategische Dimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume. Berlin als Aktionskulisse Die spezielle Situation des öffentlichen Sektors in Berlin – der Politik und der Verwaltung – kann einerseits vor dem Hintergrund der speziellen historischen Situation der Stadt mit den bekannten Zäsuren und Umbrüchen, andererseits vor dem Hintergrund gesamtdeutscher und nationenübergreifender Entwicklungen verstanden werden. Der Bogen soll nunmehr zu gegenwärtigen Entwicklungen in Berlin gespannt werden, speziell zu den Aktivitäten des Stadtmarketings und der Hinwendung der Berliner Stadtpolitik zum City Branding, das spätestens mit Einführung der be Berlin- Kampagne Einzug in die Berliner Metropolenpolitik gehalten hat. Ist der Kontext der Fallstudienstadt Berlin geklärt, soll in einem dritten Schritt die Hinwendung der Berliner Stadtpolitik zur werbefinanzierten Stadtmöblierung verdeutlicht werden, bevor es zur Darstellung erster empirischer Ergebnisse kommt.
128
Die strukturelle Krise der Städte und die spezielle Situation Berlins Seit Beginn der 1980er Jahre verzeichnen zunächst westdeutsche, nach der Wende auch ostdeutsche Kommunen wachsende Defizite im Finanzhaushalt. Hierbei handelt es sich nicht allein um eine vorübergehende ökonomische Schwächung, sondern um ein strukturelles Defizit, das im Zusammenhang eines umfassenderen Wandels gesamtstädtischer Rahmenbedingungen steht. Stadtentwicklung betreffend wird etwa konstatiert, dass Deregulierung und Liberalisierung seit Beginn der 1980er Jahre die Muster der Kommunalpolitik grundlegend verändert haben.397 Oftmals bleibt unklar, ob diese Tendenzen als Folge des derzeit allgegenwärtig vorgebrachten Arguments der Krise kommunaler Haushalte erst verstärkt zur Verwendung kommen, oder ob es nicht bereits unabhängig von den Kassandrarufen Tendenzen bewusst forcierter Liberalisierungen gegeben hat und man schließlich entdeckt hat, dass sich Privatisierung vorzüglich mit dem Verweis auf die brisante Finanzsituation der Kommunen politisch durchsetzen lässt. Liberalisierungstendenzen deuteten sich etwa im CDU-regierten West-Berlin der frühen 1980er Jahre an, schließlich sprach bereits der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen, in seiner Antrittsrede 1984 von Aufgabenkritik, der sich die öffentliche Verwaltung zu unterziehen habe.398 Ob also die Finanzkrise Ursache, Mechanismus oder Folge von Privatisierungsbestrebungen ist, lässt sich nicht eindeutig zuordnen, es ist vielmehr anzunehmen, dass diese Tendenzen sich gleichermaßen entwickelten, und es schließlich zur argumentativen Verquickung kam. Festgehalten werden kann nichtsdestoweniger, dass der Verweis auf die kommunale Haushaltskrise mittlerweile zum Sachzwangargument avanciert ist,399 um langwierige politische Debatten über öffentliche Träger auf vielfältige Art und Weise herausfordernde Alternativen auf einen gewissen ökonomisch untermauerten Argumentationspfad zu eichen. Es bleibt also von Fall zu Fall genau zu untersuchen, ob ein solches Argument für sich allein zu stehen vermag, quasi als eine Determinante (unter mehreren) für prozedurale Transformationen akzeptiert werden kann, oder ob es aus rhetorischen Gründen vorgebracht wird, um umstrittenen gesellschaftlichen Entscheidungen mit verklärter ökonomischer Notwendigkeit mehr Schlagkraft zu verleihen, sie somit kurzerhand politisch zu legitimieren. Mit dem verstärkten Auftreten von Liberalisierung und Deregulierung wird gemeinhin eine grundlegende Reform des öffentlichen Sektors assoziiert, das so genannte New Public Management (NPM). NPM wird auch als Unterkonzept eines normativen Governance-Begriffes betrachtet, weil hier der staatszentrierte Schritt von der Einsicht in Prozesse der Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses direkt in die Formulierung der Erfolgsbedingungen für dieses Handeln übergeht. Mittels „marktförmiger Anreizstrukturen und durch kooperative Vernetzung mit privatwirtschaftlichen Akteuren“ werde „für eine Leistungssteigerung des öffentlichen Sektors“ gesorgt, womit die marktliberale Nuancierung dem Normativen beigefügt werde.400 Derartige Bestrebungen zur Reform öffentlicher Stadtverwaltungen kamen zunächst – wie der Anglizismus andeutet – in den angelsächsischen Ländern zum Tragen. NPM bezeichnet ein Bündel verwaltungspolitischer Reformstrategien, bei der die Verwaltung überwiegend nach betriebswirtschaftlichen Kriterien handelt. Dies drückt sich in der Auslagerung und Verselbstständigung von Verwaltungseinheiten, in der Einführung von Wettbewerbselementen in das Verwaltungshandeln sowie in der Übernahme privatwirtschaftlicher Managementmethoden aus. Kurz, es wurde eine Neukonzeption des öffentlichen Sektors mit 397 398 399 400
Libbe et. al. 2002. Diepgen 1984. Häußermann et. al. 2008. Nuissl und Heinrichs 2006, 54.
129
dem Schwerpunkt vorangetrieben, staatliches Handeln einem neuen Leitbild unterzuordnen: Effiziente und effektive Aufgabenwahrnehmung werden mit der Forderung verbunden, den Aktionsradius kommunaler Verwaltungen gemäß der Prämisse des ‘schlanken Staates’ auf seine ‘Kernaufgaben’ zu reduzieren. Die Expertenkommission Staatsaufgabenkritik des Landes Berlin betont im Abschlussbericht 2001, dass die Beweislast hinsichtlich der Bestimmung hoheitlicher Kernaufgaben umzukehren sei. Man habe zukünftig nicht nach Rechtfertigungsgründen für das Weiterbestehen staatlicher Aufgabenwahrnehmung zu suchen, sondern grundsätzlich zu beweisen, „welche Aufgaben .. für das neue Berlin .. von existentieller Bedeutung sind.“401 Neben diesem Anspruch, also einer Umformulierung der Rolle des öffentlichen Sektors im Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Sphären besteht der Binnenanspruch, die Verwaltung von innen heraus zu modernisieren.402 Seit den frühen 1990er Jahren, also gut zehn Jahre nach dem Aufkommen des New Public Managements in den angelsächsisch geprägten Wirtschaften befasst sich speziell das Neue Steuerungsmodell (NSM) mit der kommunalen Verwaltungsreform in Deutschland. In der Makroperspektive kann – anders als in den meisten angelsächsischen Marktwirtschaften – für Deutschland eine systemimmanente Binnenreform angenommen werden, bei der die Regelorientierung vorherrschender Steuerungsmechanismus bleibt, diese jedoch vereinzelt durch Privatisierungen oder verstärkte Wettbewerbselemente ergänzt wird. Jedoch verschaffen sich – international wie auch in Deutschland – zunehmend kritische Stimmen Gehör: New Public Management unterliege einer zu stark einseitigen Ausrichtung am Modell der Stadt als Dienstleistungsunternehmen, in dem ‘Effizienz’ als Bewertungsmaßstab gegenüber anderen wie (wettbewerblicher) ‘Fairness’, (prozeduraler) ‘Korrektheit’ und (demokratischer) ‘Loyalität’ überbewertet werde. Generell seien diese Reformbestrebungen daher zu wenig oder gar nicht in das politische und gesellschaftliche Umfeld der Verwaltung eingebettet, was die Gefahr berge, dass Mechanismen der Marktsteuerung zum Selbstzweck werden, und sich nicht mehr daran messen lassen, ob sie politisch und gesellschaftlich akzeptabel sind. Zusammengefasst: New Public Management erhöhe die Bedeutung des Marktes als Regelungsinstitution und unterschätze den Stellenwert politischer Rationalitäten.403 So fragen etwa Bogumil et. al. in ihrer Zwischenbilanz zum Neuen Steuerungsmodell in Deutschland, ob weberianische Verwaltungsstrukturen und -prozesse immer noch die deutsche Verwaltungslandschaft prägen oder ob die Ökonomisierung der Verwaltung nachhaltige Spuren hinterlassen hat.404 Man könnte dieser Frage mit dem Verweis auf Jann entgegnen, der das Neue Steuerungsmodell weniger als einen neuen Entwurf administrativer Steuerung, sondern vielmehr als das Gegenbild realer oder wahrgenommener Mängel der derzeitigen, auf der klassischen bürokratischen Steuerung nach dem idealtypischen Modell Max Webers beruhenden Steuerungspraxis interpretiert. Die empirischen Ergebnisse der Forschergruppe um Bogumil jedoch verweisen auf eine andere Tendenz, nämlich, dass ein umfassender Paradigmenwechsel der deutschen Verwaltung vom weberianischen Bürokratiemodell zum New Public Management nicht empirisch belegt werden kann. Ja, es wird sogar konstatiert, das NPM sei gescheitert, es sei eine Rückkehr zum weberianischen Verständnis festzumachen, die sich in ReHierarchisierung und Re-Zentralisierung ausdrücke. Welcher von beiden Deutungsansätzen sich für Berlin konstatieren lässt, bleibt zunächst zu klären.405 401 Siehe Abschlussbericht der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik. 2001, 16. URL: http://www.berlin.de/im peria/md/content/verwaltungsmodernisierung/publikationen/abschlussberichtstaatsaufgabenkritik.pdf (letzter Zugriff am 28.05.08). 402 Schröter und Wollmann 2005. 403 Vgl. Schröter und Wollmann 2005, 72ff. Vgl. Jann 2005, 75ff. 404 Bogumil et. al. 2007. 405 Vgl. Ibid. 2007, 318. Vgl. Jann 2005, 75.
130
Die Präsenz des Neuen Steuerungsmodells kann in Berlin eindeutig an verschiedenen Symptomen festgemacht werden: So ist etwa die traditionelle Kameralistik als Buchhaltungssystem durch Instrumente des kaufmännischen Rechnungswesens (Doppik) ersetzt worden, auf Senatsebene wurden Globalsummenhaushalt und Globalbudgetierung eingeführt und – um es plakativ zu formulieren – Bäume werden nunmehr finanzlogisch als Produkte definiert, auf die Einnahmen oder Ausgaben zu verbuchen sind.406 Auch versucht man, von rein quantitativen Berechnungen notwendiger Leistungen zu qualitativen Leistungsbeschreibungen überzugehen, eine Veränderung, die sich beispielsweise im neuen Bewertungssystem der Grünflächenpflege Berlins widerspiegelt. Dieser ersten phänomenologischen Annäherung folgt nun eine Systematisierung der Eigendarstellung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die auf einer Beschreibung verschiedener Phasen der Verwaltungsmodernisierung beruht (Tab. 2). Vorrangig innenorientierte Verwaltungsmodernisierung Verwaltungsvereinigung (1990 bis 1994)
Die beiden Verwaltungshälften, West-Berliner Senat und Ost-Berliner Magistrat, werden zu einer Verwaltung zusammengefügt.407
Einführung des Neuen Steuerungsmodells (1995 bis 1999)
Instrumentenmodernisierung: Einführung von dezentralen Strukturen, Ergebnissteuerung über Zielvereinbarungen, Personal- und Qualitätsmanagement sowie von Produkten, Kostenrechnung, Budgetierung und Controlling. Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG, 1999).
Rechtliche Verankerung der Prinzipien des NSM (1999 bis 2000)
Beschluss, die Bezirke von 23 auf 12 zu reduzieren. Schulung der Mitarbeiter zu effizienzorientierten Dienstleistungsanbietern. Paradigmenwechsel: Nach außen gewandte Verwaltungsmodernisierung
Phase des Paradigmenwechsels zur grundlegenden Staatsaufgabenkritik (2000 bis 2002)
Hinterfragen des Umfangs und der Art der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Expertenkommission Staatsaufgabenkritik. Stellenabbau.
Neuordnungsagenda 2006 (2003 bis 2006)
70 Modernisierungsprojekte. „Mehr Leistung – weniger Kosten“. Straffung des Verwaltungsapparates durch verstärkten Stellenabbau. Haushaltskonsolidierung.
Programm „ServiceStadt Berlin“ (ab 2007)
Verbesserungen im Servicebereich für Bürger, Wirtschaft und Investoren. Erleichterter Zugang zu den Dienstleistungen. Vereinfachung der Verwaltungsprozesse. Einsatz neuer Kommunikationstechniken.
Tabelle 2:
Phasen der Berliner Verwaltungsmodernisierung. Selbstdarstellung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Quelle: Eigene Zusammenstellung.408
Nach diesem Exkurs hinsichtlich der Beschreibung der Umsetzung der Verwaltungsreform in Berlin erscheint es dringlich, sich mit der veränderten Rolle des Staates und seiner Neuorientierung bezüglich hoheitlicher Kernaufgaben auseinander zu setzen. Denn die Verwaltungsreform wirkt sich nicht nur maßgeblich auf kommunale Verfahrensweisen, sondern auch auf politische 406 Interview A.1.d vom 21.11.05. 407 Das Verwaltungssystem West-Berlins wird zunächst auf die Ost-Berliner Stadtteile ausgeweitet. 408 Siehe Internetauftritt der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. URL: http://www.berlin.de/verwaltungsmode rnisierung/ (letzter Zugriff am 28.05.08).
131
Entscheidungsprozesse aus, werden doch mit neuen Verfahren neue politische Bewertungsmaßstäbe eingeführt. Der Stadtstaat Berlin versucht heute im Rahmen des veränderten kommunalen Selbstverständnisses – vom ‘versorgenden’ zum ‘aktivierenden’ Akteur – bei gleichzeitiger Rationalisierung der Mittelvergabe neue Finanzierungspartner und Kooperationen für das Bereitstellen verschiedener Produkte und Dienstleistungen zu finden.409 „Der Staat hat die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Dienste und Güter) zu gewährleisten (Gewährleistungsverantwortung); die Dienstleistungen und Güter müssen jedoch nicht in Eigenproduktion erstellt werden (keine Produktionsverantwortung).“ (Auszug aus dem Abschlussbericht der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik des Landes Berlin410)
Heinelt fasst diesen Paradigmenwechsel auch als einen Wandel vom Verwaltungsstaat zum Verhandlungsstaat auf.411 Die mit dem Dreiklang versorgen, verwalten, produzieren beschriebene, frühere Rolle der öffentlichen Hand wird im Rahmen der Verwaltungsreform durch einen neuen Akkord aus aktivieren, verhandeln und gewährleisten ersetzt. Daraus ergeben sich naturgemäß neue Ansprüche an die Fähigkeit des Staates, gesellschaftliche Entwicklung steuernd zu beeinflussen. Als entscheidend für seine Handlungsfähigkeit412 und somit auch der Städte werden im jüngeren Paradigma strategische Bündnisse verschiedener Akteure angesehen, deren Stärke darin gesehen wird, dass sie eine höhere Informiertheit aller Akteure voraussetzen, ein größeres Maß an Steuerungsintelligenz fordern und zur Bündelung gesellschaftlicher Kreativitäts- und Innovationsprozesse beitragen. Schließlich aber geht es in jedem Fall um die Bereitstellung notwendiger Ressourcen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, und nicht zuletzt um das Aushandeln der strategischen Interessen, um auf diese Ressourcen Zugriff zu bekommen. Daher bringen Bündnisse diverse Schwierigkeiten mit sich, da ihre Logik vor allem rationalen, ökonomischen Effizienzprinzipien unterliegt.413 Gerade in öffentlich-privaten Koalitionen kann dies dazu führen, dass soziale sowie ökologische Interessenlagen den politischen und ökonomischen nachgeordnet werden. Städte sehen sich im Zugzwang, große Eingeständnisse zu machen, um zumindest kurzfristig die Folgen der fiskalischen Krise abzuwenden, um z. B. Zinsen aus Darlehen tilgen zu können. Oftmals kommt es in diesem Kontext zu Privatisierungen verschiedenster Art – von der materiellen Privatisierung (z. B. Verkauf öffentlicher Infrastruktur) bis hin zu diffusen Strategien der Privatisierung in rechtlichen Grauzonen, die eine unterschiedliche Reichweite aufweisen. Die generelle Debatte über diese Entwicklungen entbrennt derzeit am Beschaffungsinstrument der Public Private Partnership (PPP).414 Ob die oben für den allgemeinen Strukturwandel dargestellten Tendenzen und die kritischen Folgen der Bestrebungen nach einer Reform des öffentlichen Sektors derart für das Beispiel Berlin zutreffen, bleibt zunächst dahingestellt. Die detaillierte Beleuchtung des lokalen Kontexts erscheint wichtig, um die Ausgangsbedingungen und Begleiterscheinungen für die postfordistisch geprägte Stadtentwicklungsphase Berlins der letzten Dekaden in das Wissen um den allgemeinen Strukturwandel einzuordnen. Während der Zeit der deutsch-deutschen Teilung fand sich Berlin aufgrund seiner extremen Ausnahmesituation befreit von vielerlei wettbewerblichen Maßstäben und sah sich insofern dem regionalen, nationalen, kontinentalen und 409 Profé et. al. 2004. Libbe et. al. 2002. Wohlfahrt und Zühlke 1999. 410 Abschlussbericht der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik 2001, 16. URL: http://www.berlin.de/im peria/md/content/verwaltungsmodernisierung/publikationen/abschlussberichtstaatsaufgabenkritik.pdf (letzter Zugriff am 28.05.08). 411 Vgl. Heinelt 2005, 10ff. 412 Mit Handlungsfähigkeit ist das aus der Regimetheorie bekannte Konzept der ‘power to’, das dem ‘power over’ entgegengestellt wird, gemeint (vgl. Haus und Heinelt 2004, 178f. und Stone 1989, 229). 413 Wohlfahrt und Zühlke 1999. 414 Rügemer 2008.
132
globalen Standortwettbewerb der Städte nur in geringem Maße ausgesetzt. Unter dem schützenden Mantel allgegenwärtiger Subventionen zeigte sich jedoch anhand erster Deindustrialisierungserscheinungen (Kap. 1), dass die Stadtwirtschaft auf zunehmend wacklig werdenden Fundamenten gründete. Denn stärker als in anderen Städten war der wirtschaftliche Strukturwandel in West-Berlin geprägt durch eine erhebliche Verschiebung des Gewerbes vom sekundären (produzierenden) Sektor in den tertiären Dienstleistungssektor, wobei die geschaffenen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich auffällig wenig in der Privatwirtschaft und vielmehr im öffentlichen Sektor angesiedelt waren. Zwischen 1960 und 1983 hatte sich bereits die Zahl der Arbeiter im verarbeitenden Gewerbe um nahezu die Hälfte auf 157.000 verringert. Damit lag West-Berlin bereits vor dem Fall der Mauer bei einem Arbeitsplatzverlust im produzierenden Gewerbe von 48,5% und damit weit über dem westdeutschen Durchschnitt von 22,1 %. Gründe hierfür wurden in den globalen Veränderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, den geopolitischen Besonderheiten dieses Wirtschaftsraums und den lokalen Reaktionen auf diese Besonderheiten gesehen. Dabei hatte noch bis zu Beginn der 1970er Jahre ein Arbeitskräftemangel im Westteil der Stadt geherrscht, auf den als Regulierungsreaktion eine sachkapitalorientierte Wirtschaftsförderung lanciert wurde, die gegen Anfang der 1990er Jahre als einer der Hauptgründe für den Rückstand der Berliner Industrie gewertet wurde. Gefördert worden waren nämlich standardisierte kapital-, flächen- und stromintensive Massengüterproduktionen, deren Arbeiter in der Regel gering qualifiziert waren. Die damalige Berliner Wirtschaftsförderung hatte es versäumt, sich rechtzeitig neuen Entwicklungstrends zuzuwenden. Aufgrund der geopolitischen Situation waren viele Konzernzentralen aus West-Berlin in westdeutsche Städte verlagert worden. Man versuchte, dies durch stärkere Mittelstandsorientierung zu kompensieren, was jedoch nur ergänzende, nicht aber korrektive Wirkungen entfaltete, denn nur mit endogenem Potenzial geschürt konnte die Flamme wirtschaftlicher Prosperität nicht lodern.415 Das staatssozialistisch überformte Gebiet der ehemaligen Hauptstadt der DDR unterlag grundverschiedenen Ausgangsbedingungen, musste sich jedoch auch indirekt auf globale Wirtschaftsverschiebungen einstellen. Zunächst prägten hauptstädtische Repräsentationsbedürfnisse auch die Wirtschaftsstruktur, so arbeiteten beispielsweise 9,4% der Beschäftigten der nationalen Bauwirtschaft in Ost-Berlin. Die Stadtverwaltung wirkte während der 1980er Jahre bereits darauf hin, Synergien zwischen Wissenschaft und Produktion stärker auszunutzen. Bis 1972 hatte man Privatbetriebe verstaatlicht und infolge die gesamte Wirtschaftsstruktur der DDR umorganisiert. Diese war nun maßgeblich von der Existenz staatlicher Großbetriebe, der Kombinate, beherrscht, die allerdings ebenfalls durch staatliche Subventionen vor den Einflüssen sich internationalisierender Wirtschaftsmärkte weitestgehend geschützt wurden. Im Jahr 1985 erbrachten in Ost-Berlin die Großbetriebe der Sektoren Elektrotechnik, Maschinenbau sowie die chemische Industrie zirka 61% der Gesamtproduktion der Stadt.416 Es gab in Ost-Berlin keinen Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften, die in relativ zukunftsträchtigen, produzierenden Sektoren arbeiteten. Im tertiären Bereich der Dienstleistungen waren jedoch kaum Arbeitsplätze geschaffen worden, zudem setzte mit der Wiedervereinigung der Stadt ein großflächiger Arbeitsplatzabbau öffentlicher Stellen im Dienstleistungsbereich ein. Im Zuge der Wende wurden auch die DDR-Kombinate und somit auch eine mögliche Zukunftsträchtigkeit der technologieorientierten Industriezweige zerschlagen. Die Produkte, die sie herstellten, erschienen entweder unter dem kapitalistischen Klima freier Märkte nicht
415 Vgl. Robinet 1991, 27f. 416 Vgl. Lucht 1991, 33ff.
133
mehr effizient produzierbar, oder hinsichtlich der Standards der durch den westlichen Kapitalismus geprägten Konsumkultur als nicht mehr adäquat.417 Mit der Deprivatisierung der Wirtschaftsstruktur in Ost-Berlin ging ebenfalls eine weitergehende Deprivatisierung der städtischen Grundstücke einher. Die Deprivatisierung der Grundstücke war in Berlin jedoch keine gänzliche neue Erscheinung, derlei Tendenzen hatten – bezogen auf die Stadtmitte – bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen und erreichten im Jahr 1990 ihren Höchststand.418 Seit dem Fall der Mauer lässt sich in der Stadt eine Umkehr dieses Trends verzeichnen, denn mit der Wiedervereinigung setzte im Stadtkern Berlins, speziell in den ehemaligen Gebieten Ost-Berlins die Reprivatisierung enteigneter Grundstücke ein. Diese wurden und werden allerdings durch das Vermögens- und Entschädigungsgesetz erheblich verzögert. Reprivatisierungsabsichten der Berliner Stadtentwicklungspolitik machten jedoch nicht bei Privatgrundstücken halt, so sollte gemäß Goebel speziell das Planwerk Innenstadt dazu eingesetzt werden, ebenfalls Verkehrs- und Freiflächen des Landes Berlin zu reprivatisieren oder zu bebauen.419 Dem entgegen stand jedoch der “vom Land Berlin in Hunderten von Fällen geltend gemachte Ausschlusstatbestand dauerhafter öffentlicher Gemeingebrauch”, für den “ein aus Indizien abgeleiteter Erklärungswillen einer Behörde .. ausreichend [ist]”.420 Bezüglich der Rolle des Planwerks Innenstadt bei der Reprivatisierung städtischer Flächen bemerkt Sewing, dass das Planwerk erstmals seit der Ausweitung von Bürgerrechten im 19. Jahrhundert den Bürgerbegriff wieder explizit an Eigentum binde.421 Hinzu kam, dass die Berlin noch bis in die späten 1980er Jahre begünstigende Fördersituation sich mit dem Fall der Mauer grundlegend veränderte. So hatte die deutsch-deutsche Wiedervereinigung die Stadt entgegen aller neu gewonnenen Funktionen und der gesteigerten internationalen Aufmerksamkeit gleichermaßen vom Subventionsstatus, den West- und Ostberlin vor der Wende inne hatten, enthoben. „Ganz Berlin“, so wurde konstatiert, hatte „über seine Verhältnisse gelebt“.422 Die Wiedervereinigung brachte ebenfalls einen herben Einschnitt in der Beschäftigtensituation im sekundären Sektor mit sich: Arbeiteten 1989 noch rund 378.000 Beschäftigte in industrieller Beschäftigung, so waren dies im Jahr 2007 noch knapp 100.000, womit Berlin heute eine deutlich geringer Beschäftigtendichte im sekundären Sektor aufweist, als andere deutsche Ballungszentren.423 Außerdem verfügte die Stadt vor und nach der Zusammenführung der administrativen Instanzen West- und Ostberlins über einen aufgeblähten Verwaltungsapparat, den es zu reduzieren galt. Hinzu kam der Kostenaufwand für den Regierungsumzug und für die Bereitstellung fehlender Infrastruktur und schließlich für die Verwaltungsreform 2001. In diesem Zuge waren gleich mehrere Argumente für die systematische Privatisierung kommunaler Ressourcen gegeben, die dem gegenwärtigen Umbau Berlins von der Mieterstadt zur Eigentümerstadt Vorschub leistet.424 417 Ibid. 418 Goebel (2002, 368) weist allerdings darauf hin, das sich 1846 nur 45 der knapp 1100 Grundstücke in öffentlichem Besitz befanden, ein Verhältnis, dass bis 1990 quasi umgekehrt wurde, nun befanden sich allein vier Grundstücke in diesem Bereich nicht im Besitz des Staates. 419 Ibid. 2002, 359ff. Eine Übersicht zu juristisch fein säuberlich voneinander getrennten, historischen Enteignungsphasen und daran geknüpften differierenden Rückübertragungsansprüchen findet sich hier ebenfalls. 420 Ibid. 2002, 360, Bezug nehmend auf den Wortlaut des Widerspruchsausschußbescheides zur Ablehnung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des Rückübertragungsantrags für das Grundstück “An der Spandauer Brücke 2”. LARoV. Rep. 741, Nr.120413. 421 Sewing 2003, 193. 422 Weinzen 1995, 11. 423 Siehe Internetauftritt der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Industrie in Berlin. URL: http://w ww.berlin.de/sen/wirtschaft/politik/industrie.html (letzter Zugriff am 20.11.08). 424 Bodenschatz 2005.
134
Aufgrund ihrer besonderen historischen Situation und historisch begründeten, gewachsenen Polyzentralität ist Berlin also alles andere als eine durchschnittliche, deutsche Stadt. Dennoch ist gerade der Zeitraum seit der Wende ein sehr wichtiger in der urbanistischen Betrachtung, da die räumliche Restrukturierung der zuvor gespaltenen Stadt bei gleichzeitiger Neudefinition der Besitz- und der politischen Steuerungsverhältnisse die stadtentwicklungspolitische Agenda dominierte. Entsprechend dem neu bestätigten Hauptstadtstatus hat sich die Stadt des Weiteren auch räumlich neu zu (re)präsentieren, gerät unter zunehmenden Performanzdruck, an ihrem Metropolenimage zu feilen. Außerdem gilt es weiterhin, stadträumliche Grundlagen für das Erstarken der städtischen Wirtschaft zu schaffen, um ökonomische Prosperität zu schüren und somit Arbeitsplätze in der Stadt zu generieren. Auch die Anpassungserfordernisse an die Anforderungen kultureller Repräsentation, etwa die Vorbereitungen internationaler Kulturund Sportereignisse (z. B. der Loveparade (vormals) oder der Fußballweltmeisterschaft 2006), verstärken den Handlungsdruck auf die Stadtentwicklungspolitik zunehmend. Der Entwicklungsdruck, dem sich die Stadt nunmehr seit Ende der 1980er Jahre ausgesetzt sieht, erscheint folglich als multidimensional in der Qualität und stark im Ausmaß. Nach der Phase der ersten städtebaulichen Utopien, die etwa anhand der Planungen für den realisierten Potsdamer Platz und für das (noch) nicht realisierte Alexanderplatzareal festzumachen ist und Berlin als neue Global City überhöhte, kam Mitte der 1990er Jahre die (zweite) Phase der Ernüchterung und des Pessimismus angesichts der zukünftigen Entwicklung der Metropole. Ein stagnierendes reales Bevölkerungswachstum in einer schrumpfenden Region sowie eine von vielen Ereignissen beeinflusste Krise erschütterten die Stadtentwicklungspolitik gegen Ende der 1990er Jahre unweigerlich. Einen weiteren Kulminationspunkt erreichte die rasante Talfahrt Berlins mit dem Scheitern der Verfassungsklage Berlins im Oktober 2006. Gegenwärtig – so wird gemutmaßt – erlebt die Stadt einen zaghaften Aufschwung, der mit der Restrukturierung der Industrieproduktion sowie mit der Entwicklung neuer Wirtschaftsgrundlagen in den Bereichen Biotechnologie, Medizintechnik, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Verkehrssystemtechnik und Optischen Technologien begründet wird.425 Seit 2005 ungefähr kann die Gesamtentwicklung der Bruttowertschöpfung in Berlin als positiv dargestellt werden (Anlagen 5 bis 8). Im Vergleich zu den allgemeinen sektoriellen Entwicklungstrends in Deutschland ist für Berlin zwischen 1991 und 2007 eine stärkere Tertiärisierung festzustellen. Auffällig ist, dass trotz des übermäßig starken Stellenabbaus im öffentlichen Sektor Berlins gleiche Entwicklungen im Bereich öffentliche und private Dienstleister wie auf Bundesebene festgestellt werden können. Die stärksten Abweichungen in Bezug zur Gesamtentwicklung zeichnen sich im Baugewerbe Berlins ab. Setzt man diese beiden Entwicklungen – also Trendläufigkeit bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen in Bezug zu Trendabweichungen bei der Entwicklung des Baugewerbes – in den Kontext zur Stadtmöblierungspraxis, so kann die Hypothese formuliert werden, dass nicht etwa Bauleistungen in Berlin zurückgegangen sind, sondern dass diese nur nicht mehr in den traditionellen Baubranchen, sondern in der Stadtmöblierungsbranche und anderen postmodernen Wirtschaftszweigen, die als Dienstleister kategorisiert Bauleistungen in Verquickung mit Dienstleistungen realisieren, erbracht werden. Damit würden ebenfalls die volkswirtschaftlichen Betrachtungen eine empirische Begründung für den Forschungsbedarf, der in dieser Arbeit festgestellt wurde, untermauern. Auch der mittlerweile positiv in den Medien rezipierte Versuch des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin426, den öffentlichen Haushalt radikal zu konsolidieren, vermag es, den Beginn eines neuen Abschnitts der Postwende-Stadtentwicklung als existent zu wähnen. So wurde 425 Siehe Internetauftritt der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Innovationsstrategie des Landes Berlin. URL: http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/politik/kompetenzfelder.html (letzter Zugriff am 20.11.08). 426 Stand Dez. 2008.
135
prognostiziert, dass Berlin nicht nur sexy, sondern bald auch reich sei, da die Metropole ab 2008 keine neuen Schulden mehr machen und ab 2009 schließlich ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum verzeichnen werde.427 Ein weiterer wichtiger Schritt wird in der Föderalismusreform gesehen, denn diese bringt seit September 2006 den Hauptstadtparagraphen mit sich, der der Stadt im föderalen System der Republik eine neue rechtliche Dimension zuschreibt.428 Somit erhält Berlin erneut einen Sonderstatus, der die Stadt aber nicht davor bewahren wird, sich im interurbanen Standortwettbewerb – vielleicht zunächst moderat auf europäischer Ebene – positionieren zu müssen. Für den nationalen Wettbewerb scheint die Stadt durch die Gesetzesänderung jedoch dauerhaft besser positioniert, wenngleich eine überaus starke Hauptstadtstellung, wie man sie aus Frankreich kennt, hier nicht zu erwarten ist. Berlin ist gegenwärtig ein politisch verfasster Stadtstaat, in dem bereits zwei Ebenen des öffentlichen Sektors miteinander verwoben sind eine Binnen- sowie Außenmodernisierung also im Spannungsfeld bestehender Zuständigkeiten, Ressortegoismen und der immer wieder konfligierenden Absichten zweier Verwaltungsinstanzen, die unterschiedliche Zielsetzungen bei ungleicher Durchsetzungsmacht verfolgen, stattfindet. So treffen landespolitische Planungskompetenzen (Senat der Stadt Berlin) mit kommunalpolitischen (Bezirke der Stadt Berlin) auf engstem Raum aufeinander und werden gleichzeitig von einem bundespolitischen Repräsentationsanspruch überlagert. Es bestehen an vielen Stellen Kompetenzstreitigkeiten zwischen den verschiedenen Ebenen dieses vertikalen Systems.429 Dieses ohnehin schon komplexe Geflecht der unterschiedlichen Interessen der öffentlichen Hand nimmt durch die verstärkte Involvierung privater Akteure und globalen Kapitals zunehmend diffusen Charakter an.430 Dabei entstehen besondere Interessengefälle, denn „die ins Boot geholten auswärtigen Akteure sind nicht nur ungleich machtvoller als die üblichen regional verankerten (...) Investoren, sie haben auch in der Regel keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem besonderen Ort.“431 kStrategien, die Stadt am Markt, also mit Marktteilnehmern, zu entwickeln, werden seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt im Rahmen des Stadtmarketings und des City Branding forciert.432 Branding Berlin „Erfolgreiches Stadtmarketing zeichnet sich dadurch aus, dass die kulturellen Werte einer Stadt gekonnte visuell verdichtet und mit erwünschten gesellschaftlichen Zielen gekoppelt werden.“ (Löw et. al. 2007, 128)
Place Making is Place Marketing! Ein solches Statement ist natürlich streitbar, es verweist jedoch auf zwei Dimensionen der Strategien des Place-Making: erstens, auf die ortsgebundene Dimension planerischer und gestalterischer Interventionen im Stadtraum, und, zweitens, auf das kommunikative Potenzial vermarktbarer Visionen von Stadt und Städtebau, also auf die immateriellen, symbolisch-diskursiven Aspekte von Stadtentwicklung. Stadtraum wird in dieser zweiten Dimension zum Träger von Bedeutung.433 Damit werden “der Kampf um Symbole, die Definition von Images, die Repräsentation kultureller Praktiken” wichtiger und die Städte vor die Wahl gestellt, welche symbolischen Welten und damit welche sozialen Gruppen sie zu 427 Morgenpost vom 04.07.07. Tagesspiegel vom 28.04.07. 428 Mit dem Art 22 GG wird zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Stadt verfassungsrechtlich als Hauptstadt bestimmt. 429 Preisler-Holl 2004. 430 Bindner und Smith 1999. 431 Lenhart 2001, 12. 432 Helbrecht 1994. 433 Vgl. Helbrecht 1994, 34.
136
bedienen gedenken.434 Auf letztere Dimension konzentrieren sich vielfältige Aktivitäten des Stadtmarketing, mit dem üblicherweise die Stärkung innerstädtischen Handels, die Forcierung von attraktivitätsteigernden Maßnahmen und strategischer Standortprofilierung sowie das Initiieren öffentlich-privater Kooperationen in Verbindung gebracht werden.435 Auf den Punkt gebracht, geht es im Stadtmarketing darum, die Stadt als Marke zu begreifen. Ähnlich wie also Nike eine Unternehmensmarke darstellt436, kann die Stadt Berlin als (mehr oder weniger unternehmerische) Marke (mehr oder weniger unternehmerisch) verstanden werden. Auf diese kommen im Zuge des internationalen und interurbanen Standortwettbewerbs neue Anforderungen etwa im Bereich der lokalen Wirtschaftsförderung zu, denn stimulierende Formen der Akquisitionsmaßnahmen für Unternehmensansiedlungen, innovative Serviceleistungen und zielgruppenorientierte Strukturpolitik scheinen nicht mehr mittels der klassischen Instrumente der öffentlichen Verwaltung realisierbar zu sein. Diesem Dilemma versucht man mit Strategien des Stadtmarketings zu begegnen. Dabei bezieht sich Stadtmarketing auf ein Konzept aus der Unternehmensführung, das auf der konsequenten Ausrichtung des Unternehmens an den Erfordernissen des Marktes beruht. Die Stadt wird demnach als ein Produkt verstanden, das strategisch am Markt und für den Markt entwickelt werden muss.437 Ilse Helbrecht verweist jedoch darauf, dass diese Perspektive nur eine unter möglichen anderen ist, und etwa vom deutschen Städtetag propagiert wurde, Stadtmarketing vielmehr als partnerschaftlichen Ansatz für ein kooperatives Handeln aller relevanten Entscheidungsträger aufzufassen, für den es erforderlich ist, die Leitbegriffe aus dem betriebswirtschaftlichen Marketing feinfühlig in den kommunalen Kontext zu übersetzen. An dieser Stelle sei bemerkt, dass ein solch konstruktives Verständnis von Stadtmarketing zwar begrüßt wird, dass jedoch gleichermaßen davon ausgegangen wird, dass alle Akteure neben kollektiven Interessen auch ganz partikulare Individualinteressen verfolgen, und dass die Bestimmung, welche Entscheidungsträger als ‘relevant’ empfunden werden, nicht zwangsläufig aus kollektivem Konsens heraus erwächst. Stadtmarketing kann daher – ebenso wie Stadtplanung – auch zum hegemonialen Instrument staatlicher Repräsentationsansprüche werden. Unter Stadtplanern hat sich an einer weiteren Facette des Stadtmarketings Kritik verfestigt: Es wird beklagt, dass etwa der öffentliche Raum kommerzialisiert, privatisiert und seiner urbanen Widersprüchlichkeit beraubt werde.438 Anstelle des Entwickelns als erforderlich angesehener fachlich integrierter Innenstadtkonzepte in der langfristigen Perspektive befasse sich Stadtmarketing mit beliebigen Events, Dauerkirmes und Zwangsbespaßung, in ihrer Natur temporär und an Rendite orientiert.439 Andere Deutungsansätze verstehen das Aufkommen des Stadtmarketings als Kritik an existierender Stadtplanung und als Reaktion auf die Krise der Stadtplanung in den 1980er Jahren, da andere Inhalte gewählt, andere Verfahren realisiert und schließlich andere Akteure einbezogen werden. Es wird einerseits auf die Ambivalenz von Stadtmarketing verwiesen, andererseits auf sein Potenzial, als versuchte Erneuerung kommunalpolitischen Handelns eine neue Phase der Stadterneuerung einzuläuten. In der jüngeren Literatur wird ein Übergang vom nunmehr drei Dekaden intensiv praktizierten Stadtmarketing zum Stadtbranding (City Branding) postuliert.440
434 435 436 437 438 439 440
Ibid, 35. Hatzfeld 2006. Borries 2004b. Helbrecht 1994. Vgl. Hatzfeld 2006, 178. Ibid. Kavaratzis 2004.
137
“What is new .. is the conscious application of marketing approaches by public planning agencies not just as an additional instrument for the solution of intractable planning problems, but, increasingly, as a philosophy of place management.” (Kavaratzis 2004, 59)
Dieser Übergang ist darauf zurückzuführen, dass Stadtmarketing aus verschiedenen Gründen in den meisten Städten allein provisorisch umgesetzt wurde: Erstens auf das fehlende Knowhow von öffentlichen Akteuren in den Stadtverwaltungen hinsichtlich der Prinzipien des Marketings. Zweitens auf das embryonische Stadium, in dem sich das Neue Steuerungsmodell immer noch befindet. Drittens auf das unzureichende Wissen der Marketingexperten hinsichtlich des Umgangs mit Orten und Räumen.441 Schließlich zeichnet sich ab, dass drei Dimensionen von Marketing zur Herausbildung des Place Marketing beigetragen haben: Marketing im Non-Profit Bereich, Social Marketing und Image Marketing. Ersteres veranschaulichte, dass Marketing vom reinen Profitgedanken abgelöst werden kann, wohingegen zweites zur Beeinflussung von Attitüden von Zielgruppen beitragen soll. Stärker als diese ersten beiden Aspekte hat sich jedoch das Image Marketing auf die Ausbildung von place marketing ausgewirkt: “(...) images can be effectively marketed while the products to which they relate remain vaguely delineated, (...), a notion, that was warm-heartedly accepted by city administrators faced with the complex and intricate city product.” (Kavaratzis 2004, 60)
Die Hinwendung zum City Branding resultierte aus der Kritik an Stadtmarketing-Treibenden, dass neuere Erkenntnisse aus der Marketingforschung wie Corporate Identity oder Corporate Branding kaum Eingang in die Praxis des Stadtmarketing fänden. Ausgehend von vier Dimensionen eines theoretischen Stadtmarketing-Mixes, bei denen Place Marketing durch ‘Design’ (Place as Character), ‘Infrastruktur’ (Place as fixed Environment), ‘Dienstleistungen ‘ (Place as Service Provider) sowie durch ‘Attraktionen’ (Places as Entertainment and Recreation) realisiert werden kann, nahm man zunehmend wahr, dass die maßgebliche Rolle im Stadtmarketing-Mix der Imagedimension zu fiel, die kreiert und kommuniziert werden musste.442 Daraus schließt Kavaratzis443: “(...) encounters with the city take place through perceptions and images, thus the object of city marketing is not the ‘city’ itself, but its image.” Hubbard und Hall postulieren mit dem Verweis auf die charakteristischen Merkmale der ‘Entrepreneurial City’, dass diese als eine “imaginary city, constituted by a plethora of images and representations” zu verstehen ist.444 Wenn aber Stadtmarketing hauptsächlich auf Imagekonstruktionen und -umdeutungen beruht, sind dann nicht die anderen Elemente des Stadtmarketing-Mixes überflüssig? Auf diese damalige Kritik folgte eine Reorientierung der Stadtmarketingstrategen hin zu Konzepten, die stärker auf Imageproduktionen abzielen, allen voran das Konzept des Brandings. Dabei beinhalten Brands (Marken) eine ganze Reihe an physisch und psychosozial vermittelbaren Überzeugungen und Haltungen, sie spielen daher anders als einfache Produkte eine maßgebende Rolle bei der Konstruktion von Konsumidentitäten. Bezogen auf das Imagemarketing von und für und in Städten ist in diesem Kontext zu beachten, dass “(...) everything a city consists of, everything that takes place in the city and is done by the city, communicates messages about the city’s image.”445 Hinsichtlich der Rolle öffentlicher Räume bei der Imageproduktion werden so genannte ‘Landscape Strategies’ für die Imagekommunikation verwendet, die darauf abzielen, die Designdimension von ‘Place as Character’ herzustellen. Schließlich verweist Kavaratzis 441 442 443 444 445
138
Vgl. ibid. 2004, 59f. Ibid. Ibid. 2004, 62. Hubbard und Hull 1998, 7. Kavaratzis 2004, 67.
darauf, dass es einer unzulässigen Vereinfachung gleichkäme, dem Stadtbranding allein ökonomische Motive, die sich an externe Publika richten, beizumessen. Er plädiert, das Konzept sowohl in seiner ökonomischen, als auch in seiner politischen und sozialen Reichweite im Sinne der folgenden Sentenz von Ashworth zu verstehen:446 “(...) it may be as much about communication between citizens as clients and public authorities as service providers as about attractive exogeneous investment, employment or customers. Equally, promotion is both easiest and effective when it is self-promotion. A place is sending messages to itself. The purpose is the fostering of a civic consciousness and self-confidence. This is both an end in itself and a necessary precondition for external marketing.” (Ashworth 2001, zitiert durch Kavaratzis 2004, 70)
Die Frage, inwieweit Stadtbranding im Berliner Kontext gegenwärtig praktiziert wird, klärt sich mit dem Blick auf die jüngere tagesmediale Berichterstattung zügig: Seit dem Frühsommer 2007 versucht die Senatsverwaltung unter Federführung des Regierenden Bürgermeisters und Kultursenators Klaus Wowereit, Berlin öffentlichkeitswirksam als Brand zu positionieren. An der strategischen Entwicklung Berlins zur Dachmarke – also einer Marke, die andere nachgeordnete Marken umfasst – ist die Agentur Berlin Partner federführend beteiligt.447 Im August 2007 wurde das Berlin Board im Rahmen der Senatskampagne ‘Berlin – Stadt des Wandels’ zur Positionierung der Marke gegründet, das im vierteljährlichen Turnus tagen soll. Dem Berlin Board gehören bis zu 15 herausragende Persönlichkeiten aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Stadtentwicklung an, die 2007 über ein Budget von 600.000 Euro, in den zwei Folgejahren von jeweils 5 Mio. Euro verfügen.448 Die Positionierung der Marke Berlin ist dem Ziel unterstellt, das internationale Renommee der Stadt zu verbessern und in der nach innen gewandten Perspektive einheimischen Bürgern und Unternehmen die Chance zu geben, sich stärker mit ihrer Stadt zu identifizieren.449 Am 11. März 2008 stellte Klaus Wowereit das erste Interimsergebnis der Bestrebungen, die so genannte Hauptstadtkampagne be Berlin/ Sei Berlin, vor.450 be Berlin beruht auf der Marketingstrategie, das bereits recht positive Außenbild der Stadt im Ausland mittels kommunikativer gesellschaftlicher Inklusion der einheimischen Bürger und Bürgerinnen sowie der Firmen auch in der Stadtgesellschaft zu verfestigen.451 Damit möchte sich die Stadt als „einzigartig, tolerant und weltoffen“ positionieren.452 Gegenwärtig werden jedoch bereits die kritischen Stimmen lauter, die von einer Instrumentalisierung der Bürger – insbesondere der Kreativen – sprechen, die das Ziel hat, das Image der Stadt strategisch umzudeuten. Demnach ist Berlin zwar die einzige Metropole, die sich als ‘Soziale Stadt’ vermarktet, gleichzeitig werden jedoch vormals negativ behaftete Skandalfelder wie etwa die Rütli-Schule in Neukölln einem radikalen symbolischen Umdeutungs446 Ibid. 2004, 70f. 447 Drs 16/11507 vom 04.12.07, BerlAbgH. 448 Dem Gremium gehören an: Hermann Parzinger (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Hans Kollhoff (Architekturprofessor), Mathias Döpfner (Vorstandschef der Axel Springer AG), Thomas Tuschl (Genforscher, USA), Catherine Mühlemann (Managing Director der MTV-, VIVA-Mediengruppe), Sir Peter Hall (Professor für Stadtentwicklung), Eckard Minx (Daimler-Chrysler), Werner Wenning (Vorstandschef der Bayer AG), Jutta Allmendinger (Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin), Wolf Lepenies (Soziologe) Von der Senatsverwaltung: Ingeborg Junge-Reyer (Senatorin für Stadtentwicklung), Jürgen Zöllner (Senator für Wissenschaft), Harald Wolf (Wirtschaftssenator) und Klaus Wowereit. (Tagesspiegel-Online vom 10.08.07). 449 Tagesspiegel-Online vom 10.08.07 (zwei Artikel). URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Stadtentwicklung;art 270,2355292 und URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Berlin-Board;art270,2355540 (letzter Zugriff am 27.05.08). 450 Drs 16/20210 BerlAbgH vom 13.03.08. Siehe Internetauftritt der Hauptstadtkampagne. URL: http://www.sei. berlin.de (letzter Zugriff am 27.05.08). 451 Siehe Rede des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit anlässlich des Kampagnenstarts. URL http://www. sei.berlin.de/index.php?id=20 (letzter Zugriff am 28.03.08). 452 Siehe Internetauftritt der Hauptstadtkampagne. URL: http://www.sei.berlin.de/index.php?id=3 (letzter Zugriff am 29.05.08).
139
prozess unterzogen, um den medialen Berichterstattern ein neues positiv konnotiertes Begriffsinstrumentarium zur Verfügung zu stellen (Kap. 4). Und schließlich kann man „den Akteuren einer Stadt nicht befehlen, sich als endogene Potenziale zu definieren, ihr Verhalten und Denken zu ändern und umgehend innovativ zu werden.“453 Ob diese Kritiken berechtigt sind, lässt sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig klären. Es wird eine Frage der Empirie verbleiben, inwieweit ein holistischer Stadtbranding-Ansatz, wie ihn Michaelis Kavaratzis vorgestellt hat, allein wissenschaftlich begründete Rhetorik bleibt, oder ob sich dieses neuere Instrument zur postfordistischen Steuerung von Stadtentwicklung wirklich in der Praxis dazu eignet, gesellschaftlich ausgewogene Stadtentwicklungsprozesse zu fördern. Die Hinwendung Berlins zur werbefinanzierten Stadtmöblierung „Der öffentliche Raum hat etwas mit der Frage von Ästhetik zu tun, mit Wertschätzung, mit der Möglichkeit, sich aufzuhalten. Und deswegen ist es natürlich ein interessantes Konzept, zu versuchen, die Brunnen über Werbung zu finanzieren, die Toiletten, die Bushaltestellen, Möglichkeiten und Service für Bürgerinnen und Bürger.“ (Strieder, Berliner Senator für Stadtentwicklung 2003454)
Die stadtpolitische Hinwendung zur werbefinanzierten Stadtmöblierung kann in Berlin vorzüglich mit einem Zitat des früheren politischen Protagonisten Peter Strieder, einem ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden, Senator unter CDU und SPD-geführten Regierungen und schließlich Supersenator zweier fusionierter Ressorts – veranschaulicht werden. Denn wie kein anderer nahm Strieder eine Position gegenüber Werbung im öffentlichen Raum ein, die sich von der tradierten Verunstaltungskritik deutlich abhob. Speziell Strieders Vortrag während eines Symposiums in Leipzig und seine Teilnahme an einer Podiumsdiskussion, an der auch Hans Wall teilnahm, dokumentieren dies: Werbung gehöre zum Stadtbild heutiger Konsumgesellschaften und auch die Rolle Berlins bei Innovationen hinsichtlich der stadtplanerischen Regulierung von Werbung sei nicht zu unterschätzen. Schließlich müsse man sich in der Hauptstadt verhalten „wie der Durchschnitt der 400 Millionen [sic!] Städte dieser Welt“.455 Von Bedeutung erscheint auch, zwischen welchen Arten von Werbung Strieder differenziert: “Ich glaube, dass Werbung ästhetisch sein kann, ich glaube, dass Werbung Dynamik in eine Stadt bringen kann, ich glaube, dass wir über Kommunikation reden. (...) Werbung gehört zu unserem Leben mittlerweile dazu, auch in den Städten, und ich glaube, dass wir uns diesem Trend in den Städten nicht entziehen können. Die Frage, die sich für mich stellt, ist eine andere: Wie wirkt denn diese Werbung in der Stadt? Natürlich, am Pariser Platz, am Gendarmenmarkt in Berlin – dort werden wir nicht genehmigen, dass City Light Boards aufgestellt werden. Aber warum sollen die nicht aufgestellt werden in der Leipziger Straße, dieser Stadtautobahn der DDR, die die Urbanität kaputtmacht. Warum soll ich nicht auf dem Mittelstreifen Unter Den Linden die Produkte von Herrn Wall aufstellen lassen, auch wenn sie Werbung beinhalten? Sie sind eine Information, und die Frage ist doch: Hat Werbung einen Zusatznutzen für die Städte oder ist die Werbung in einem solchen Zustand, wie wir es von den Schaltkästen und dergleichen mehr kennen, mit wilder Plakatierung? Dann stört sie mich.“ (Striefer, Berliner Senator für Stadtentwicklung, Podiumsdiskussion in Leipzig vom10.März 2003456)
Strieder differenziert hier deutlich in zweierlei Hinsicht: Erstens, zwischen wilder Plakatierung und werbefinanzierter Stadtmöblierung und, zweitens, zwischen werbefreien Zonen (No-AdAreas) und gewollten Werbezonen (Ad-Areas) (Kap. 2). 453 Häußermann et. al. 2008, 260f. 454 Podiumsdiskussion „Moderne Medien im öffentlichen Raum“ während des 3. Symposiums „Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“ der Stiftung Lebendige Stadt, am 10.10.03 in Leipzig. URL: http://www.lebendige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/podiumsdiskussion_moderneme.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 455 Ibid. 456 Ibid.
140
Zentrale öffentliche Räume als bauliche Handlungssphäre gestaltwirksamer Koalitionen Wie aber ist es schließlich zu diesen Entwicklungen gekommen, wie bildeten sich denn die ersten gestaltwirksamen Koalitionen? Warum spricht Strieder neben Bushaltestellen, Toilettenhäuschen auch Brunnen, und darüber hinaus neben Stadtmobiliar auch Serviceleistungen für Bürgerinnen und Bürger an? Nachfolgend wird zunächst eine Situationsbeschreibung gegeben, um aufbauend auf diesen vorangestellten Kontextualisierungen – die Rede war bereits von öffentlichen Räumen, Governance, Stadtmöblierung, Out-Of-Home Medien, Konzessionen, Verwaltungsreform, Stadtmarketing, be Berlin und weiteren thematischen Anknüpfungspunkten – den Blick gezielt darauf zu richten, wie sich gestaltwirksame Koalitionen zunächst in (West)Berlin seit den 1980er Jahren entwickelt haben. Tausend Wall-Wartehallen für West-Berlin und eine Osterweiterung „(...) ich habe als Arbeitsauftrag gegeben, man möge prüfen, wie die Eigenbetriebe Berlins und die Betriebe mit Kapitalbeteiligung Berlins möglichst effizient geführt werden können; eventuell sollte man in diesem Zusammenhang prüfen, wie die Eigenständigkeit der Betriebsführung gestärkt werden könnte, wie eine klare Gewaltenteilung zwischen Politik und Wirtschaft – wo notwendig – getroffen werden könnte, schließlich ob in diesem Zusammenhang auch in dem einen oder anderen Fall der Verkauf von Anteilen von Kapital durch das Land Berlin nützlich sei oder ob sogar eine Privatisierung des einen oder des anderen Betriebes als nützlich erscheint.“ (Brunner, Berliner Wirtschaftssenator, 47. Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses vom 12. Januar 1981)
Im Jahr 1981 veranlasst der damalige Berliner Wirtschaftssenator Brunner (FDP), der während der nur fünf Monate währenden Amtszeit des Berliner Regierenden Bürgermeisters HansJoachim Vogel von Januar bis Juni 1981 im Amt war, eine Prüfung hinsichtlich möglicher Potenziale von Privatisierungen der Berliner Eigenbetriebe, die durch das ihm unterstehende Ressort Wirtschaft durchgeführt wurde.457 Dies kann als einer der ersten Impulse auch für spätere politische Strategien der Liberalisierung und Deregulierung in West-Berlin der frühen 1980er Jahre gewertet werden. Eine der ersten Bastionen öffentlicher Privatisierungsbestrebungen sollten infolge die Wartehallen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden. Bereits im Dezember 1982 wird im Berliner Abgeordnetenhaus der Antrag auf die Errichtung von Fahrgastunterständen gestellt, um Haltestellen im West-Berliner Stadtgebiet über das bisherige Maß hinaus mit Wartehallen auszustatten.458 Die bisher im Stadtbild installierten Haltestellenhäuschen seien bis zu 30 Jahre alt und machten teilweise einen „nicht erbaulichen“ Eindruck.459 Bei den 570 bereits durch die BVG bereitgestellten Wartehallen existierte das Problem, dass eine Baugenehmigung für jeden einzelnen Standort eingeholt werden musste, was in der Regel ein Verfahren von 2 Jahren pro Standort nach sich gezogen hatte. Dieses Dilemma, so die Prognosen damals, könne im Rahmen einer stadtweiten Ausschreibung minimiert werden. Außerdem war es in den einzelnen Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV)460 der West-Berliner Bezirke zu wiederholten Streits um die Genehmigung
457 Plenarprotokoll Nr. 13/8 vom 09.05.96, S. 481F, BerlAbgH. 458 Plenarprotokoll Nr. 09/37 vom 20.01.83, S. 2308, BerlAbgH. 459 Tagesspiegel vom 05.05.83. 460 Die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) der Berliner Bezirke sind durch Kommunalwahlen politisch legitimiert. Die Sitzverteilung der Mitglieder entspricht dem Verhältnis der Fraktionen, es werden keine Koalitionen gebildet. Die BVV wählt das Bezirksamt (Bezirksbürgermeister und Stadträte), welches die Bezirksverwaltung leitet. Die BVV bestimmt die Grundausrichtung der Verwaltungspolitik im Bezirk, beschließt den bezirklichen Haushaltsplan und kontrolliert die Geschäftsführung des Bezirksamtes (vgl. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 2001, 13).
141
einzelner Wartehallen gekommen461, so dass man – durch das Angebot eines badischen Unternehmers namens Hans Wall inspiriert – in den BVG-Etagen sinnierte, ob man die Aufstellung der Wartehallen nicht für das gesamte West-Berliner Stadtgebiet ausschreiben sollte. Im Mai 1983 spielt sich eine erhitzte Diskussion der Parlamentarier im Ausschuss für Betriebe des Berliner Abgeordnetenhauses ab. Aus der Retrospektive wird die Veranstaltung zweier Firmen anlässlich der Präsentation ihrer Straßenmöbel auf dem Hammarskjöld-Platz in Charlottenburg im Kontext der Ausschreibung der Fahrgastunterstände diskutiert. Es gibt Beschwerden, dass „(...) Abgeordnete wohl nur als ‘Staffage’ eingeladen worden seien, weil ‘offensichtlich alles längst gelaufen sei’ (...). Während die deutsche Firma durch ein Massenaufgebot mit Zelt, Freibier, Musik ‘und Piefke mittendrin’ vertreten gewesen sei, habe die französische Firma nur in bescheidenem Rahmen und sichtlich irritiert ihre Produkte angeboten.“462
Während der Präsentation beider Stadtmobiliarfirmen in Berlin wurden Stimmzettel durch die Senatsverwaltung an die Bevölkerung verteilt, mittels derer ein Stimmungsbild über die angebotenen Wartehallen, Bedürfnisanstalten und Informationssysteme eingefangen werden sollte. Ca. 200 Bürger beteiligten sich. Die von zünftig schwäbischer Musik beschwingte und im badisch dekorierten Zirkuszelt verköstigte Mehrheit sprach sich für das Programm der Firma Wall aus. Die Franzosen waren lediglich mit einem Showtruck angereist, der den Besuchern bei beginnendem Regen – im Gegensatz zum Zelt – wenig Unterschlupf bot, so besagt es zumindest der durch das damals noch badische Unternehmen kultivierte Mythos.463 Zurück zur politischen Debatte: Durch den Vorsitzenden des Ausschusses, Staffelt, und durch weitere Abgeordnete wird der Charakter der Veranstaltung als „höchst peinlich“ beschrieben. Die französische Firma habe sich verschaukelt gefühlt, und die Senatsverwaltung hätte während der Veranstaltung einschreiten müssen, denn offenbar sei dieses „Event mit Jahrmarktcharakter“ den Veranstaltern entglitten.464 Die deutsche Firma sei darüber hinaus begünstigt gewesen, weil sie bereits über eine Option zur Bereitstellung von 200 feuerverzinkten und verrottungssicheren Wartehallen aus Aluminium und Sicherheitsglas – eine davon war bereits vor dem Hauptsitz der BVG aufgestellt worden – verfügte. Man befürchtete, dass diese Situation zu einer Verzerrung des laufenden Wettbewerbs beitragen könne.465 Der Optionsvertrag zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der badischen Firma war am 26. März 1982 zustande gekommen, nachdem das Unternehmen der BVG bereits im September 1981 angeboten hatte, kostenlos Wartehallen aufzustellen, die „luftiger, hübscher und besser“ seien als die der BVG, so der damalige BVG-Direktor Piefke im Ausschuss.466 Die Wartehallen würden von den Unternehmen bereitgestellt und seien mittels Werbeeinnahmen zu refinanzieren, darüber hinaus sei geplant, die BVG mit 20% an den Einnahmen aus der Werbung zu beteiligen. So spare man 15.000 DM Anschaffungskosten pro Stück und 1200 DM an jährlichen Unterhaltungskosten. Auch habe die deutsche Firma angeboten, ihre Produktionsstätten bei erfolgter Auftragserteilung nach Berlin zu verlegen. Der Berliner Senator für Arbeit und Betriebe, Wronski (CDU), bemerkt im Rahmen der Debatte, dass sich keine Kommune derzeit ein schöneres Arrangement leisten könne, denn den Berlinern würde in kürzester Zeit etwas geboten, was sonst im Rahmen normaler Wirtschaftspläne Jahrzehnte dauere. Wie bei Erfindungen hätten die beiden Firmen offenbar zur gleichen Zeit dieselbe Idee gehabt. Er habe erst sehr viel später von dem Angebot der Firma JCDecaux gehört, die ein ganzes Programm von 461 462 463 464 465 466
142
Protokoll des Hauptausschusses 12/50 vom 04.11.92, BerlAbgH. Protokoll des Ausschusses für Betriebe 9/28 vom 31.05.83, BerlAbgH. Tagesspiegel vom 05.05.83. Die Welt vom 26.09.07, Tagesspiegel Sonderbeilage „20 Jahre Wall AG“ vom 12.08.04. Protokoll des Ausschusses für Betriebe 9/28 vom 31.05.83, BerlAbgH. Tagesspiegel vom 05.05.83. Protokoll des Ausschusses für Betriebe vom 31.05.83, BerlAbgH.
Stadtmobiliar anbiete. Dies sei – laut Piefke – der BVG erst ab April 1983 bekannt gewesen, weil man auf die französische Firma durch eine Annonce in einer Verkehrszeitschrift aufmerksam geworden sei.467 Nachfolgend sei Piefke persönlich bei beiden Firmen vorstellig geworden und habe für den Senat einen Bericht über deren Leistungsfähigkeit erstellt. Er sei in Frankreich von der Präsentation des französischen Anbieters enttäuscht gewesen, denn man habe Berlin dort lediglich das gleiche Stadtmobiliar anbieten wollen, wie Paris, Marseille oder Lyon. Der BVG-Direktor aber – so Hans Wall später – habe etwas ganz Besonderes für Berlin gewollt, für ihn sei es Grundbedingung gewesen, dass spezielle Entwürfe für Berlin eingereicht würden.468 Der badische Unternehmer reagierte schnell: „Und wenn Berlin goldene Hallen mit Diamanten auf dem Dach haben will – ich baue Ihnen alles.“ (H. Wall während des Werksbesuches von BVG-Direktor Piefke im badischen Ettlingen469)
Im Herbst 1982 wird der BVG die Federführung für die Wartehallenausschreibung entzogen, weil man im Senat überlegt, nicht allein Wartehallen, sondern ein komplettes Stadtmöblierungsprogramm auszuschreiben, das die Kompetenzen der BVG überschreiten würde. Das Verfahren wird von nun an durch die Senatsverwaltung für Umwelt und Stadtentwicklung übernommen. Diese erarbeitet eine Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage für eine ganze Bandbreite an Stadtmobiliarelementen. Maßgebend für die Ausschreibung erscheinen Kriterien wie die Wirkung des Stadtmobiliars im Stadtbild, ihre Eignung als Werbeträger, ihr Repertoire an technischen Funktionen, die Leistungsfähigkeit beider Anbieter sowie die finanziellen Folgekosten für das Land Berlin einschließlich der wirtschaftspolitischen Effekte. Als Argument gegen die Privatisierung wird angeführt, dass ein solches Geschäft Einnahmeverminderungen bei der mit der Werbung betrauten BVG-Tochter VVR Berek verursachen würde, die letztendlich aber durch die wirtschaftliche Attraktivität des Angebots kompensiert werden könnten. Ein Jahr später realisiert die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen eine Ausstellung „Straßenmöbel in Berlin“ und publiziert im Dezember 1983 einen Ausstellungskatalog dazu.470 Das badische Unternehmen gewinnt schließlich 1984 die auf einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren basierende Ausschreibung für die Produktion, Aufstellung, Reinigung und Wartung von 1000 Wartehallen in West-Berlin.471 Das unentgeltlich angebotene Leistungspaket wird über die Gewährung einer Konzession zur Vermarktung der Werbeflächen an den Wartehallen refinanziert. Die BVG erhält in diesem Zusammenhang von der Wall AG einen Gewinnanteil von zehn bis zwanzig Prozent, ob vom Listenpreis oder vom Realgewinn, wird nicht deutlich.472 Zunächst werden in Berlin die Modelle ‘Berlin’ und kurze Zeit später ‘City-Line’ aufgestellt.473 Im Januar 1987 sind die Verträge zwischen der Firma Wall und der BVG erneut Diskussionsgegenstand im Ausschuss für Verkehr und Betriebe des Berliner Abgeordnetenhauses.474 Insbesondere die SPD kritisiert im Nachhinein die vereinbarten Konditionen, die weit unter denen lägen, die das badische Unternehmen etwa mit der Stadtverwaltung in Düsseldorf für ein ähnliches Vorhaben vereinbart habe. Auch wird kritisiert, dass der Unternehmer die Vertragskonditionen nicht eingehalten habe, denn schließlich sei die Ausschreibung – trotz geringerer Ausbeute für die Stadt als bei Vertragsabschluss mit dem Konkurrenten – zugunsten 467 468 469 470 471 472 473 474
Protokoll des Ausschusses für Betriebe Nr. 9/28 vom 31.05.1983, S. 4, BerlAbgH. Locke 2005. Die Welt vom 09.09.03.Tagesspiegel vom 08.09.03. Frankfurter Rundschau vom 10.09.03. Klünner et. al. 1983. Tagesspiegel vom 28.02.02. Handelsblatt vom 09.06.89. Locke 2005. Protokoll des Ausschusses für Verkehr und Betriebe, Nr. 10/23 vom 27.01.87, BerlAbgH.
143
dieser Firma ausgefallen, weil in Aussicht gestellt worden sei, durch eine Unternehmensumsiedlung von Baden-Württemberg 140 Arbeitsplätze in Berlin zu schaffen. Dies sei bisher aber noch nicht geschehen. Des Weiteren bestünden Unklarheiten, ob die Firma – wie vorgesehen – ein geplantes Forschungsvorhaben mit 700.000 DM unterstützen würde. Senator Wronski widerspricht der Kritik und erläutert, dass die Firma Wall die Anfrage auf eine frühzeitige Verlängerung des Vertrags gestellt hätte. An dieser Stelle würde das Land Berlin erneut die Chance zu Nachverhandlungen bezüglich der Höhe der kommunalen Ausbeute nutzen können. Auch habe die Firma keinen Unternehmenssitz mehr in Baden-Württemberg, sondern richte sich seit Ende 1986 einen neuen Unternehmenssitz in Berlin-Spandau ein. Nach der Wiedervereinigung wird der Vertrag mit der Wall AG auf Ost-Berlin ausgeweitet, bereits 1990 ist von einem (Zusatz)Vertrag mit Ost-Berlin über die Aufstellung von 500 Wartehallen die Rede, aufgestellt werden dann insgesamt in den Folgejahren ca. 812.475 Im gesamten Stadtbild können heute diverse Typen an Wartehallen vorgefunden werden, es werden immer wieder Neuerungen an ausgewählten Standorten aufgestellt. Auch die Verträge zwischen der BVG und der Wall AG werden mehrmals modifiziert, wie etwa am 12. Dezember 2005, und auch das Vertragsende wird von 2014 auf 2020 verschoben. Gegenwärtig beläuft sich die jährliche Konzessionsabgabe der Wall AG an die BVG auf 20 bis 30% des Nettoumsatzes bei gleichzeitiger Gewährung eines garantierten jährlichen Mindestsatzes.476 Bezüglich der Kompensationsforderungen seitens der Wall AG kursieren diverse Zahlen, so berichtet etwa das Handelsblatt, dass für 2000 gelieferte Wartehallen die Errichtung von etwa 500 Billboards auf den Berliner Straßen gestattet werden soll.477 Diese Zahl sollte sich jedoch als utopisch herausstellen, so wird der Bestand an Billboards (aller Anbieter) in Berlin im Jahr 2006 auf ca. 110 bis 150 insgesamt geschätzt.478 Genauere Zahlen hinsichtlich der Kompensationsforderungen des Wartehallenvertrags konnten nicht eruiert werden.479 Mitte der 1990er Jahre entschließt sich die BVG, das lukrative Geschäft mit Werbung an Fahrgastunterständen selbst zu realisieren, und errichtet erneut Wartehallen in Eigenregie. Die renditeträchtigen Standorte an den Magistralen sind jedoch bereits durch den WallWartehallenvertrag vereinnahmt, so dass die BVG nur auf die weniger ertragreichen Standorte zurückgreifen kann. Mit Abschluss späterer Verträge in anderen Bereichen kommt es zu einer Vereinbarung, die der deutschen Firma die Konzession auf die exklusive Nutzung des CLPStandardformates auf öffentlichem Straßenland im Berliner Stadtgebiet zusichert. Dies bedeutet auch für die BVG eigenen Werbeflächen, dass fortan nur noch kleinere, marktunübliche Plakate hinter Glas vermarktet werden können. Dies bringt ihr anstelle der damals üblichen 60 DM für ein 4/1 Format lediglich 16 DM pro Tag ein. Aufgrund dieser Umsatzeinbußen schreibt die BVG im Jahr 2001 die Vermarktung der Werbung an den eigenen Haltestellen öffentlich aus und lässt diese schließlich ebenfalls durch die Wall AG vermarkten. Dies scheint nicht zufällig, ist doch die Wall AG faktisch gesehen der einzige Bieter, der das branchenübliche 4/1-Format auf Berlins Straßen verwenden darf. Den privatwirtschaftlichen Mitbietern bleibt nur die gleiche Möglichkeit wie der BVG, nämlich, den Einsatz weniger attraktiver Formate und damit eine geringere Beteiligungsoption anzubieten.480 Ab dem Jahr 2000 erobert eine neue Generation von Wartehallentypen Berlin, die ‘Intelligente Wartehalle’, Stückpreis rund 40.000 DM. Fünfhundert dieser High-Tech-Möbelstücke – 475 476 477 478 479 480
144
Handelsblatt vom 05.07.90. Tagesspiegel vom 28.02.02. Drs 15/13360 vom 14.03.06, BerlAbgH. Handelsblatt vom 06.12.95. Drs 15/13 360 vom 14.03.06, BerlAbgH. Da diese als Geschäftsgeheimnisse der Firmen gelten, schützt die öffentliche Verwaltung sie als sensible Daten. Tagesspiegel vom 28.02.02.
die Entwicklungskosten für dieses Produkt liegen bei 20 Mio. DM – sollen laut Angaben der Firma Wall in Berlin in den folgenden Jahren installiert werden.481 Diese Zahl kann als zu hoch gegriffen angesehen werden, bis März 2004 wurden allein gut zwei Dutzend errichtet, und zwar an symbolischen, touristisch hoch frequentierten Orten wie der Friedrichstraße.482 Von Bedeutung erscheint im Fall der Stadtmöblierungskonzessionen für Berliner Wartehallen das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Direktor der BVG, Joachim Piefke, und der Wall AG. In der Zeit nach seiner Pensionierung gerät Piefke in die öffentliche Kritik, weil er Beraterverträge mit der Firma Wall und mit der BVG abgeschlossen hat. Die Wall AG indes profitiert vom seinem Erfahrungsschatz. Die SPD erwirkt schließlich am 12. Februar 1987 eine Sonderprüfung der Verträge zwischen der Firma Wall und der BVG durch den Rechnungshof. Auch der damalige CDU-Senator Wronski gerät nach einem anonymen Brief der Kripo im Rahmen dieser Vorwürfe unter Korruptionsverdacht, offizielle Ermittlungen unterbleiben allerdings, Wronski dementiert.483 Geprüft werden sollte durch den Rechnungshof, ob die Verträge sachgerecht sind, haushaltsrechtlichen Ansprüchen genügen und ob die Vertragskonditionen erfüllt wurden.484 Über die Ergebnisse der Prüfung wird Stillschweigen bewahrt. Die besondere Rolle des ehemaligen BVG-Direktors wird erneut in 2003 deutlich, als die Wall AG anlässlich seines Todes eine Kampagne mit ca. 200 gehängten Plakaten zu seinem Gedenken in Berlin lanciert: „600 Wall-Mitarbeiter danken für ihr Vertrauen. Zum Tod von Mr. BVG“. Später werden die Wall-Repräsentanten immer wieder auf die Schlüsselposition des BVGDirektors für die Entwicklung des Unternehmens in Berlin hinweisen485: „Ohne ihn würde es keine Wall AG geben. Er hat uns 1984 als kleiner Firma mit knapp 20 Leuten die Chance gegeben, in Berlin werbefinanzierte Wartehäuschen aufzustellen.”486. Die Wartehallen stellten den ersten Vorstoß der Wall AG in Berlin dar, der zweite jedoch sollte wenige Jahre später folgen. Privatisierung öffentlicher Bedürfnisanstalten – Zwei Modelle, ein dritter Vorschlag und ein Formatmonopol „Deutsche Städte geben jährlich 100 Mio. DM für Bedürfnisanstalten aus, die keiner benutzt.“ (Hans Wall, FAZ vom 06. Januar 2001)
Das Thema der Bedürfnisanstalten ist für jede Stadt ein sensibles, werden doch hiermit oftmals sehr intime, manchmal sogar anrüchige Orte assoziiert. In Berlin hatte es bereits im Jahr 1838 Auseinandersetzungen bezüglich der Aufstellung von Wasserklosetts auf öffentlichem Straßenland gegeben, das zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht vorrangig in der Hand des Berliner Magistrats war. Litfaß bot damals an, 30 seiner Säulen zu mit Reklame und Informationen ummantelten Pissoirs umzufunktionieren, bekam deswegen das Anschlagmonopol zugesprochen, stellte die Pissoirs jedoch nie auf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bekamen zwei Privatunternehmer Konzessionen zur Aufstellung von öffentlichen Bedürfnisanstalten in zwei voneinander abgegrenzten Gebieten im Norden und Süden Berlins, ab 1891 mussten sie hierfür auch Pacht entrichten, da es dem Magistrat zuvor gelungen war, Herr über das öffentliche Straßenland in Berlin zu werden. 1906, als die Verträge mit beiden Unternehmern ausliefen, wurden die Bedürfnisanstalten in öffentliche Regie überführt und von der Stadtreinigung gesäubert, ein Zustand, der nahezu 80 Jahre von Dauer sein sollte. In den Dekaden nach dem 481 482 483 484 485 486
TAZ vom 07.12.00, Die Welt vom 24.05.00, FAZ vom 23.05.00. Die Welt vom 16.03.04 und vom 13.05.03. Die Welt am Sonntag vom 24.11.02. Der Spiegel vom 16.01.89. Drs 10/1296 vom 06.02.87, BerlAbgH. Die Welt vom 09.09.03. Tagesspiegel vom 08.09.03. H. Wall, zitiert in Die Welt vom 09.09.03
145
2. Weltkrieg waren Großstadttoiletten erneut zu Orten geworden, an denen sich neben der Mehrheitsgesellschaft verstärkt marginalisierte Gruppen aufhielten, Zuflucht oder Deckung suchten. Der Tenor während der 1980er Jahre war, dass öffentliche Toiletten insbesondere für obdachlose Menschen wichtige Zugangspunkte zu sauberem Trinkwasser darstellten (und stellen).487 Drogenabhängige und Dealer nutzten diese Orte aufgrund ihrer Abgeschiedenheit als Treffpunkt abseits der sozialen Kontrolle der Öffentlichkeiten, zudem wurden sie – wie etwa die ehemalige Toilettenanlage am Alexanderplatz – als ‘Klappe’ benutzt, als Treffpunkt für anonymen gleichgeschlechtlichen Sex.488 Vielfach hatte es seit der ersten Einrichtung öffentlicher Toiletten nach dem Krieg keine nennenswerten Restaurationen gegeben, viele der bestehenden Anlagen befanden sich daher in einem heruntergekommenen Zustand oder waren aufgrund baulicher Mängel geschlossen worden.489 Von 17 öffentlichen Bedürfnisanstalten im Bezirk Mitte waren im Juni 1993 etwa 76% infolge erheblicher sanitärer und bautechnischer Mängel für den Publikumsverkehr gesperrt.490 Daher ist es nicht zufällig, dass Bedürfnisanstalten seit zirka zwei Jahrzehnten erneut stadtplanerische und gestalterische Aufmerksamkeit beigemessen worden ist. Diese Entwicklung kann jedoch auch im Hochbaubereich identifiziert werden, wo Bad und WC-Design ebenfalls erneut auf die gestalterische Agenda geraten sind.491 Gründe für die neue Hinwendung zu gestalteten Bedürfnisanstalten sind vielfältig. So sind es etwa verbesserte technische Standards und das Streben nach einer sozial gerechten Angebotsplanung, behindertengerechte Anlagen im Stadtraum bereitzustellen, die zu Beginn der 1980er Jahre verstärkt eingefordert wurden (Anlage 9). In West-Berlin wurden 1980 zehn aus Lottomitteln finanzierte und durch den Reichsbund e. V. beschaffte Toilettencontainer zu diesem Zwecke aufgestellt, die jedoch bereits zehn Jahre später aufgrund ihres maroden, ungepflegten Zustands verschlossen da standen. Nach schwieriger Klärung der Zuständigkeiten und Besitzverhältnisse – ein im Übrigen klassisches Problem im Bereich öffentlicher Toiletten – hatte die Berliner Stadtreinigung (BSR) die maroden Anlagen für einen symbolischen Betrag von 1 DM gekauft und für 15.000 DM pro Stück sanieren lassen, wobei die Reparatur vom erstmaligen Einsatz kostengünstiger Fertigbauteile begünstigt wurde.492 Weitere Gründe für die aufflammenden Gestaltungsintentionen hinsichtlich öffentlicher Aborte kann man – am Beispiel Berlin – als stadtbildwirksame Versuche werten, das mit Punks und Graffiti assoziierte Image, das die Stadt seit der Zeit der Hausbesetzungsbewegungen prägte, öffentlichkeitswirksam aufzupolieren. Denn vielfach waren öffentliche WC-Anstalten aufgrund ihres besorgniserregenden Zustandes und ihres schlechten Rufes als dubiose Orte schlichtweg ebenfalls zu von der Mehrheitsgesellschaft gemiedenen Orten geworden, und trugen somit nicht in positiver Weise zu einem ‘gepflegten’ Image der Stadt bei. Städtische Toiletten galten bis in die frühen 1990er Jahre hinein als „unappetitlich“.493 Darüber hinaus hatten Mechanismen der Liberalisierung und Deregulierung – ähnlich wie zuvor bei der BVG – auch die Berliner Stadtreinigungsbetriebe erreicht, so dass das Abgeordnetenhaus im geschichtsträchtigen Herbst 1989 folgenden Absatz in die Haushaltsplanung aufnahm:
487 Interview D.3.d vom 27.06.06. 488 TAZ vom 28.08.07. 489 Interview B.14.d vom 04.07.07. 490 DS 347/93 der BVV Mitte von Berlin (alt), Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 15, Landesarchiv Berlin, S. 2. 491 Interview D.3.d vom 27.06.06. 492 Drs 11/266 vom 21.06.89, BerlAbgH. 493 Süddeutsche Zeitung vom 02.10.95.
146
„Der Senat wird (...) aufgefordert, auf die BSR mit dem Ziel einzuwirken, die Unterhaltung vorhandener sowie die Planung neuer Bedürfnisanstalten so vorzunehmen, dass unter Berücksichtigung des jeweiligen Standorts sowie der Benutzerfreundlichkeit die kostengünstigste Lösung angestrebt wird.“ (Drs 11/482 BerlAbgH vom 22. November 1989)
Es wird deutlich, dass Kostenersparnis zu einem der wichtigsten Kriterien bei weiteren Aktivitäten der BSR bezüglich der Organisation neuer und weiterer Toiletten im Stadtgebiet avancierte. Um die BSR-Reformbestrebungen zu beschleunigen, kürzte das Berliner Abgeordnetenhaus am 20. November 1989 nachdrücklich das Budget für die Toilettenvorhaltung um 2 Mio. DM. Weitere 2 Mio. DM für Bau und Unterhaltung der 290 Einrichtungen werden gesperrt. Dies wirkt sich im Folgejahr darin aus, dass 39 auslaufenden Stellen eliminiert und 52 Stellenstreichungen vorgenommen wurden, einige davon verwaltungsintern umgeschichtet. In einem Fünfjahresplan sollten nach und nach weitere Stellen ‘abgeschmolzen’ werden. Toiletten wurden infolge der Personaleinsparungen nicht mehr acht Mal, sondern nur noch zwei bis sechs Mal täglich gereinigt, ein Sechstel der WCs fielen nachfolgenden Schließungen zum Opfer.494 Trotz zahlreicher Bedarfsmeldungen für den Neubau von öffentlichen Toilettenanlagen aus den Bezirken, wurden Neubaupläne ungeachtet ihrer Planungsreife seit den Kürzungen nicht mehr realisiert. Lediglich die behindertengerechte Umrüstung wurde von der BSR vorangebracht. All diese Bestrebungen dienten dem Sachzwang der Einsparung durch Kürzungen. Aufgrund einer Forderung des Rats der Bürgermeister nach einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen wurde schließlich die Sperre für weitere 2 Mio. DM aufgehoben, da man allein für West-Berlin mit einer Besucherzunahme um 120 Mio. Besucher jährlich rechnete.495 Durch verminderte Reinigungszyklen bei gleichzeitiger Zunahme der Stadtbesucher seit Öffnung der Grenzen gerieten die noch geöffneten WC-Anlagen in einen immer bedenklicheren Zustand, was wiederum in der Fülle parlamentarischer Anfragen aus den unterschiedlichen Fraktionen reflektiert wird. Obwohl es seit 1987 innerhalb der BSR bereits zu Rationalisierungsbestrebungen und Überprüfungen der Notwendigkeit einzelner Standorte gekommen war, hatte sich die BSR auch bei Privatanbietern von automatischen WCs kundig gemacht, deren Einrichtungen aber bis dato nur beschränkt nutzbar waren. 496 In einer Kleinen Anfrage vom 30. Mai 1990 fragt der Abgeordnete Jürgen Kriebel (SPD) gezielt nach den Auswirkungen der Kürzungen durch den Senat und danach, ob die Variante in Erwägung gezogen worden ist, die zu erbringenden Leistungen analog zu den BVG-Wartehallen über Werbung zu refinanzieren. Da sich die öffentlichen Entscheidungsträger noch in Verhandlungen mit entsprechenden Unternehmen der Privatwirtschaft befinden, kann diese Frage im Frühsommer 1990 noch nicht abschließend beantwortet werden.497 In einer Mitteilung der Senatsverwaltung vom 24. Juli 1990 wird darauf verwiesen, dass die Firma D. einem vorherigen Test ihres ToilettenModells nicht zugestimmt habe, wohingegen „die Firma W. als einzig verbleibender Anbieter (...) nach eigenen Angaben inzwischen die TÜV-Abnahme für ihr Modell [hat] erreichen können. Für die Herstellung sucht sie jedoch noch einen Geldgeber. Mit diesem Ziel ist sie auch an die BSR herangetreten. (...) im Übrigen ist die Ausführung der Firma W. noch nicht für Behinderte geeignet.“498 Wie sich später herausstellt, ist hier – ähnlich wie während der Wartehallenausschreibung – von der mittlerweile in Berlin ansässigen Firma Wall und ihrem französischen Konkurrenten, der Firma JCDecaux, die Rede. 494 Drs 11/1022 vom 24.07.90, BerlAbgH. 495 Drs 11/1022 vom 24.07.90, BerlAbgH. Diese Mitteilung enthält auch eine tabellarische Übersicht der Bedürfnisanstalten im Verhältnis zu Einwohnerzahl und Besucherströmen. 496 Drs 11/1022 vom 24.07.90, S. 12, BerlAbgH. 497 Kleine Anfrage Nr. 1384 vom 30.05.90, BerlAbgH. 498 Drs 11/1022 vom 24.07.90 und Drs 12/541 vom 05.03.91, BerlAbgH.
147
Im Spätsommer desselben Jahres geht der Senat bereits in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Inge Frohnert (SPD) davon aus, dass demnächst behindertengerechte WC-Kabinen am Markt verfügbar sein werden, die Hindernisse zur Bereitstellung öffentlicher Toiletten in Berlin könnten so in naher Zukunft beseitigt werden.499 Die BSR weist bis September 1990 27 behindertengerechte WC-Standorte in West-Berlin aus.500 Immer wieder berücksichtigt die politische Debatte auch die Frage nach den historischen Bedürfnisanstalten, den gusseisernen Strukturen mit dem Kosenamen ‘Café Achteck’.501 Deren Restauration soll Priorität beigemessen werden, jedoch wird am Beispiel des Standortes Bevernstraße in Kreuzberg illustriert, dass für eine solche Restaurierung hohe Kosten – zwischen 200.000 und 225.000 DM pro Anlage – angesetzt werden.502 Des Weiteren werden die angesichts des zunehmenden Vandalismus entstehenden Schäden als äußerst problematisch erachtet, die zusätzliche Kosten verursachen. Im Hinblick auf die Haushaltsplanungen für 1991, in denen der BSR von den vorgesehenen 25,2 Mio. DM allein nur noch 18,0 Mio. DM durch das Land Berlin in Aussicht gestellt werden, postuliert Senator Haase, dass mit Blick auf den Ostteil der Stadt geprüft werde, ob mit privaten Kooperationspartnern dauerhaft ein ausreichendes Angebot an öffentlichen Bedürfnisanstalten gesichert werden kann.503 Am 6. Dezember 1991 schließlich beauftragt das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat, die öffentlichen Bedürfnisanstalten bis 1993 in private Trägerschaften zu überführen. Dabei sollen die Bedürfnisanstalten in zentralörtlicher Lage einer gesonderten Prüfung unterzogen werden. Die Angebote von Privatunternehmen, automatische WCs unentgeltlich dem Land Berlin zur Verfügung zu stellen, sollen unverzüglich genutzt werden.504 Warum es zu dieser Entscheidung kam, wird klar, wenn man einen Blick auf die weitere Fachdebatte wirft: Im März 1992 setzt sich der Ausschuss für Verkehr und Betriebe erneut mit der Situation auseinander. Man habe berechnet, dass ein durchschnittlicher Besuch öffentlicher Bedürfnisanstalten bei derzeitiger Frequentierung das Land Berlin 5,28 DM koste. Daher favorisiere der Senat derzeit ein Modell, bei dem durch Privatunternehmen vollautomatische WC-Kabinen bereitgestellt würden. Das Problem sei indes darin begründet, dass die anbietenden Firmen nur interessiert seien, wenn ihnen Stadtmöbel für Reklamezwecke zur Verfügung gestellt würden. Dabei müsse die Stadtverwaltung zunächst einmal das (fiktive) Werbevolumen feststellen, damit vom Staat nichts verschenkt würde. Die BSR verfolge jedoch derzeit drei andere Linien:
1. Gründung einer GmbH in Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, Aufgabe: Reinigung, evtl. auch Wartung und Instandhaltung. 2. Outsourcing von Reinigung, Wartung und Instandhaltung an Dritte an Privatwirtschaft. 3. Gründung einer Gesellschaft, die neben den Aufgaben aus 1. ebenfalls die Anlagen kauft.
Letzteres sei jedoch aufgrund der Restbuchwerte für die bestehenden Anlagen kompliziert, die sich auf 12 bis 13 Mio. DM beliefen. Auch wird angemerkt, dass man bereits früher mit dem Problem konfrontiert gewesen sei, dass Stadtmobiliar an hochfrequentierten Standorten aufgestellt wurde, weshalb man schließlich unter die Erde gegangen sei. Sollte man solche Modelle heute verfolgen, wäre es ratsam, die Grundinvestition in den Bau der Bedürfnisanstalt von der 499 500 501 502 503 504
148
Drs 11/1223 vom 30.08.90, BerlAbgH. Auflistung siehe Drs 11/1223 vom 30.08.90, BerlAbgH. Weitere Informationen zur Historie des Café Achteck bei Klünner 1983, 54ff. Drs 11/1377 vom 28.11.90, BerlAbgH. TAZ vom 05.11.96. Mündliche Anfrage Nr. 23 des Abgeordneten Rainer Giesel (CDU) vom 21.02.91, BerlAbgH. Plenarprotokoll Nr. 12/21 vom 06.12.91, S. 1762, BerlAbgH.
privatwirtschaftlichen Leistungsbereitstellung für die Pflege und Instandhaltung zu trennen. Senator Haase weist schließlich die Vorwürfe wegen der Verzögerung des Privatisierungsverfahrens mit dem Hinweis zurück, dass die bisher am Markt angebotenen Automatiktoiletten nicht behindertengerecht seien. Das Angebot der Werbeindustrie sei „eine neue Situation, nachdem man bisher von Zuschüssen, Kauf oder Mieten der Anlagen ausgegangen sei, was sich aber nach Prüfung durch die Verwaltung als sehr teuer herausgestellt habe.“505 Im Juni 1992 kommt es zu einer weiteren Debatte im parlamentarischen Ausschuss für Stadtplanung und Stadtentwicklung, zu der auch der Geschäftsführer der Wall Verkehrsanlagen GmbH, Hans Wall, geladen ist.506 Ausgangspunkt der Debatte ist, dass das Unternehmen den östlichen Bezirken bereits vor Jahresfrist Angebote unterbreitet hatte, diese mit einem kompletten Stadtmöbelprogramm bestehend aus Litfaßsäulen, Stadtinformationsanlagen (SIA), Wartehallen, Fahrradständern und vollautomatischen Toiletten auszustatten. Jedoch hatte die Senatsverwaltung Widerspruch gegen die geplante Stadtmöblierung eingelegt, um den es nun in der parlamentarischen Auseinandersetzung ging. Ein fraktionsübergreifender Antrag von elf Abgeordneten (FDP, CDU und SPD) hinsichtlich der Aufhebung des Widerspruchs gegen die Stadtmöblierung in den östlichen Stadtgebieten wird in folgender Fassung zur Empfehlung an das Abgeordnetenhaus weitergeleitet: „Der Senat wird aufgefordert, die Möglichkeiten und Angebote, die zu einer – unter wirtschaftlichen und stadtbildpflegerischen Gesichtspunkten – vorteilhaften Stadtmöblierung bei gleichzeitiger Aufstellung von Werbeträgern führen, bis zum 31.10.92 zu prüfen und ab dem 1.1.93 zu realisieren. Insbesondere muss endlich die vom Hauptausschuss seit langem geforderte verbesserte und wirtschaftlich vertretbare Versorgung mit umweltverträglichen und behindertengerechten Toiletten erreicht werden.“ (Protokoll des Ausschusses für Stadtplanung und Stadtentwicklung Nr. 12/21 vom 10.06.92, BerlAbgH)
In der Diskussion geht es um die Frage, wie mit dem Wall’schen Vorschlag zu verfahren sei. Die FDP befürwortet diesen in Ermangelung staatlicher Möglichkeiten und beharrt auf dem Aspekt der Behindertengerechtigkeit, die SPD tritt insbesondere dafür ein, dass die Stadtmöblierung sowohl stadtbildpflegerischen sowie wirtschaftlichen Aspekten gerecht werde, die CDU schlägt eine Ausweitung des Auftragsgebietes auch auf die unterversorgten West-Berliner Bezirke im Nordwesten vor. Bündnis 90/Die Grünen fordern die Umweltverträglichkeit der Einrichtungen sowie eine öffentliche Ausschreibung anstelle einer direkten Firmenauswahl durch den Senat. Letzteres wird von der CDU zunächst befürwortet, denn der Senat habe Vergleiche zu ziehen, jedoch ebenfalls eine schnellstmögliche Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In seiner Stellungnahme erläutert Hans Wall, dass seine Firma sich selbstverständlich dem freien Wettbewerb stelle, und weist noch einmal auf den Qualitätsvorsprung seiner Produkte hin, insbesondere was die neuen vollautomatischen, selbstreinigenden und behindertengerechten Bedürfnisanstalten aus dem Wall’schen Sortiment beträfen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum neben den laufenden Bestrebungen des Senats, die BSR (teil) zu privatisieren, in die die Firma Wall als potentieller Bieter bereits involviert ist, ein (zusätzliches) Angebot an die Bezirke in Ost-Berlin gemacht wird? Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Der Senat reagiert zunächst nicht zeitnah auf das Angebot der Firma Wall bezüglich der Toilettenausschreibung für (zunächst) West-Berlin, so dass diese sich kurzerhand mit ihrem Angebot an die Ost-Berliner Bezirke wendet. Diese stimmen wohlwollend zu, um die Misere der fehlenden Toilettenanlagen im öffentlichen Raum ad hoc abzuwenden. So ist jedoch eine illegale Rechtslage zwischen Bezirk und Land entstanden, da dieses 505 Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Betriebe Nr. 12/23 vom 18.03.92, BerlAbgH. 506 Drs 12/1356 vom 26.03.92, Drs 12/1715 vom 17.06.92 und Drs 12/2209 vom 10.11.92 sowie Protokoll des Ausschusses für Stadtplanung und Stadtentwicklung 12/21 vom 10.06.92, BerlAbgH. Das Datum des Widerspruchsaktes seitens der Senatsverwaltung kann nicht genau zurückverfolgt werden.
149
Vorgehen vorab mit der Senatsverwaltung hätte geklärt werden müssen. Letztlich einigt man sich verwaltungsintern auf eine nachträgliche Sondergenehmigung temporärer Natur für jeweils eine Toilettenanlage pro Bezirk, alle weiteren müssen wieder abgebaut werden.507 Am 17. Juni 1992 wird der Antrag auf Aufhebung des Widerspruchs gegen die Stadtmöblierung in den östlichen Bezirken schließlich im Hauptausschuss befürwortet, einen Tag später kommt es schließlich auch im Berliner Abgeordnetenhaus zum Beschluss einer minimal modifizierten Version.508 Im gleichen Zeitraum liegt das Angebot einer „bestimmten Firma“ für ein Privatkonzept für Toiletten bei der Senatsverwaltung vor, woraufhin das laufende Ausschreibungsverfahren abgeändert und um eine von dieser Firma an die Senatsverwaltung angetragene Erweiterung ergänzt wird.509
Outsourcing: Allein die Bereiche Instandhaltung und Reinigung sollen privatisiert werden, den Rest soll die BSR weiterführen. Halböffentliches Modell: Es wird eine privatwirtschaftliche Firma gegründet, an der die BSR 51% Anteile hält. Privatisierung: Verkauf der Anlagen an Bieter, die sie sukzessive durch vollautomatische Anlagen ersetzen müssen. (Diese Variante wird durch Werbung refinanziert).
Diese Erweiterung wird am 04. November 1992 noch einmal Beratungsegenstand des parlamentarischen Hauptausschusses, es entbrennt eine Diskussion um die Problematik der Kompensation durch Werbeanlagen.510 Über diese äußern sich besonders die Bezirke kritisch, weil sie derartige Beeinträchtigungen des Stadtbildes nicht für wünschenswert halten, denn Werbeanlagen sind nicht zwingend direkt auf den Toilettenhäuschen angebracht, sondern es würde auch dadurch kompensiert, dass der Stadtraum mit unabhängigen Werbeträgern, zumeist SIA, bestückt würde. Der Abgeordnete Klein stellt fest, man dürfe die Mitsprache der Bezirke nicht aufheben, wohingegen der Abgeordnete Lüdtke sich dafür ausspricht, dass die Entscheidung bei Widerstand der Bezirke zentral vom Senat getroffen werden müsse. Weitere Abgeordnete bemerken, dass der Ausgabeposten öffentliche Bedürfnisanstalten gegen Null gefahren werden solle, um die Kostenbelastungen der Stadt zu reduzieren. Die Bezirke hätten solcherlei Strukturveränderungen zu akzeptieren, deswegen sei es berechtigt, seitens des Senats einen weiteren Sperrvermerk für die BSR von fünf Millionen Euro durchzusetzen, im Zweifelsfall auch gegen den Willen der Bezirke. Schließlich habe man ja bereits mit der werbefinanzierten Bereitstellung von Wartehallen durch etwaige Unternehmen in Berlin durchaus positive Erfahrungen gemacht, es stünde mittlerweile an jeder halbwegs frequentierten Haltestelle eine Wartehalle und die Werbung sei aufgrund des hohen Nutzwertes für den Bürger zu verkraften. Angesichts des eklatanten Mangels an öffentlichen Toiletten solle umgehend ausgeschrieben werden. Aus dieser Debatte resultiert die Situation, dass die BSR in den Folgemonaten zunehmend unter Zeit- und Finanzdruck gesetzt wird. Die bis Ende 1992 getroffenen Maßnahmen der BSR, den Auftrag der Privatisierung zu vollziehen, werden vom Abgeordnetenhaus als unzureichend erachtet, infolge werden erneut 2,5 Mio. DM gestrichen, weitere 2,5 Mio. DM erneut gesperrt. BSR und Senatsverwaltung haben dem Abgeordnetenhaus erneut bis zum 31. März 1993 über den Stand des Privatisierungsverfahrens zu berichten.511 In einer Hauptaus507 508 509 510 511
150
Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Betriebe Nr. 12/23 vom 18.03.92, BerlAbgH. Plenarprotokoll Nr. 12/32, S.2698 vom 18.06.92, BerlAbgH. Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses Nr. 12/43 vom 23.09.92, BerlAbgH. Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses Nr. 12/50 vom 04.11.92, BerlAbgH. Drs Nr. 12/2218 (II. B. 53. i.) vom 04.12.92, BerlAbgH.
schusssitzung vom 10. März 1993 spitzt sich die Verärgerung der Parlamentarier über die Verzögerungen des Privatisierungsverfahrens und die teils als kontraproduktiv empfundenen Haltungen von Senat und BRS zu. Es wird darauf gedrängt, für die BSR allein nur noch Mittel bis zum 31. Mai 1993 zu bewilligen, damit der Mangel an öffentlichen WC-Anlagen endlich behoben und der Titel „Ausgaben für die BSR“ stetig weiter reduziert werden könne.512 Der für Ende März geforderte Endbericht mit dem Ergebnis der durch die BSR veranlassten Ausschreibungen wird schließlich am 19. Mai 1993 vorgelegt, darin wird „insbesondere (...) das Angebot der im Bericht nicht namentlich genannten Firma Wall ausführlich vorgestellt“. 513 Offensichtlich hat sich die politische Agenda hinsichtlich des Betreibens der öffentlichen Bedürfnisanstalten innerhalb eines vierjährigen Prozesses von generellen Überlegungen der betriebsinternen Rationalisierung hin zu Bestrebungen einer kompletten Privatisierung transformiert, schließlich sogar mit der dezidierten Nennung eines besonderen Privatisierungsmodells, das dem Land Berlin die unentgeltliche Aufstellung zahlreicher WC-Anlagen mittels eines werbefinanzierten Kompensationsgeschäfts in Aussicht stellt. Ein solches Modell aber wird bis dato allein von den Firmen der Außenwerbung angeboten. Es ist daher nicht zufällig, dass am 19. November 1993 schließlich der erste Toilettenvertrag zwischen der BSR, der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe und einem Außenwerbeunternehmen, der Wall Verkehrsanlagen GmbH, geschlossen wird. Dieser war gegenüber weiteren Bietern der Vorzug eingeräumt worden, weil sie eine der wenigen Firmen war, „die die Anforderungen der Ausschreibung erfüllt hat und die zudem in Berlin ansässig ist.“514 Die Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Firma Wall beinhaltet ein zwei Phasen-Modell (Tab. 4). Zunächst ist das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren 111 Toilettenanlagen der BSR durch die gleiche Anzahl vollautomatischer Container zu ersetzen, was einem Investitionsvolumen von 20 Mio. DM entspricht. Der geschäftige Unternehmer Hans Wall hatte für diesen Vertrag bei knapp einem Dutzend Banken vorstellig werden müssen, um die Finanzierung zu sichern.515 Für jede behindertengerechte Anlage sind elf Werbeflächen (elf Seiten auf Stadtinformationsanlagen) vorzuhalten, um Finanzierung für den Abriss und Neuaufbau für eine Laufzeit von 25 Jahren inklusive Wartung, Pflege und Reparaturen zu gewährleisten.516 Darüber hinaus leistet der Senat zu den 200.000 DM teuren Exemplaren der City Toilette 2000 im „Clochemerle-Format“, von denen das Unternehmen in Berlin mehr als 100 aufgestellt hat, einen Zuschuss von 60.000 DM pro Stück.517 In späteren Verhandlungen mit den Bezirken unterbreitet die Firma Wall das Angebot, anstelle von sechs Werbeflächen im CLP-Format jeweils ein Billboard zu errichten.518 Das eröffnet eine räumliche Alternative, da ein Großteil der SIA in zentralen Bereichen, die Billboards jedoch vorrangig an Ausfallstraßen außerhalb der Zentren genehmigt wird. In der Zeit nach Vertragsabschluss regt sich herbe Kritik an der Verfahrensweise. So wird bemängelt, dass der WC-Besuch nun kostenpflichtig ist (50 Pfennig). Dies sei jedoch mit dem Abgeordnetenhaus vertraglich geregelt worden, denn die Stadtmobiliarfirmen brauchten die Münzeinnahmen, da hieraus Strom und Wasser der Toiletten sowie Abriss, Entsorgung und Finanzierung der Restbuchwerte der zu privatisierenden Altanlagen der BSR finanziert werden
512 513 514 515 516 517 518
Protokoll der Hauptausschusssitzung Nr. 12/57 vom 10.03.93, BerlAbgH. Drs 13/870, Kleine Anfrage Nr. 1000 vom 18.08.96, BerlAbgH. Drs 12/4406, Kleine Anfrage Nr. 5265 vom 31.03.94, BerlAbgH. Handelsblatt vom 22.06.94. DS 568/94 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 13.01.94. Interview B.14.d vom 04.07.07. Süddeutsche Zeitung vom 03.01.98. Tagesspiegel vom 15.02.97.
151
solle.519 Der verantwortliche Wirtschaftssenator Haberkorn teilt die Kritik an den Eintrittsgeldern, denn auch ihm verursachten diese ein Grummeln im Bauch, schließlich habe nicht jeder fünf Groschen zur Hand, und Obdachlose und Kinder sowieso nicht. Er wolle daher bei der 2. Phase der Toilettenprivatisierung Druck auf den Stadtmöblierer ausüben, den WC-Zugang für nur einen Groschen zu gewähren.520 Auch in einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen kommt diese Problematik zum Ausdruck. Da unstrittig sei, dass die Firma Wall ihre bisherigen Investitionskosten für neue Toiletten wie auch ihre Gewinne nicht ansatzweise aus den Gebühren für die Benutzung der Toiletten, sondern fast ausschließlich aus den Werbeeinnahmen durch vertraglich vereinbarte Werbetafeln bestreite, sei ein symbolisches Eintrittsgeld von 10 Pfennig ausreichend. Der Antrag wird jedoch auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Betriebe abgelehnt.521 Im Herbst 2001 kommt es in diesem Zusammenhang zu einer konträren Entwicklung, denn das Abgeordnetenhaus stimmt einer Preiserhöhung für Toilettenbesuche auf 50 Cent im Rahmen der Euroanpassung zu. Im Gegenzug verpflichtet sich Wall, sechs weitere WC-Anlagen im Stil der Cafés Achteck zu sanieren.522 Hier wird deutlich, dass Kosten, die normalerweise durch die lokale Verwaltung aus Steuergeldern bereitgestellt werden, auf den Nutzer der WC-Anlage verlagert werden, und das in zunehmendem Maße. Lediglich die PDS hatte grundlegende Kritik an der Logik des Kompensationsmodells geäußert. So bekräftigte der Abgeordnete Pewestorff während einer Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Betriebe vom 27. Januar 1993, dass öffentliche Bedürfnisse auch öffentlich zu befriedigen und nicht in letzter Instanz zu privatisieren seien. Seine kritische Argumentation hinsichtlich der Ambivalenz des Kompensationsmodells spitz pointierend bedient er sich eines Vergleichs: Wenn man den Dienstwagen des Bundeskanzlers mit Werbeflächen bepflastere, dann könne man sich die öffentlichen Mittel dafür sparen. Es wird deutlich, dass neben der Kompensationslogik auch noch andere Kriterien der Bewertung solcher Modelle mit einbezogen werden müssen. Pewestorff erörtert weiter, dass es der Firma nicht nur darum gegangen sei, Werbeträger an den öffentlichen Bedürfnisanstalten anzubringen, sondern weiteren Straßenraum für Werbezwecke zu bekommen. Hier sei mit einer Milchmädchenrechnung Politik mit „einem ernsten, drängenden Bedürfnis“ gemacht worden.523 Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Bezirke dazu genötigt worden sind, die Rahmenvereinbarung zwischen der Senatsverwaltung und der Wall AG ohne Mitspracherecht zu implementieren. Vorhandene WCs müssen also entweder aus Mangel an Ressourcen geschlossen oder durch die Firma Wall werbefinanziert saniert und übernommen werden, es sei denn, die Bezirke tun andere Wege der Finanzierung auf.524 In den Folgejahren (1996) wird im Bezirk Mitte bemängelt, dass die Versorgung mit Toiletten im Bezirk noch immer nicht zufriedenstellend sei. Während der ersten Etappe wurden hier von den 111 für das gesamte Stadtgebiet vorgesehenen Bedürfnisanstalten allein sieben installiert, jedoch seien an einigen Orten die Touristenströme so groß, dass der Bezirk punktuell unterversorgt sei.525 Ein Nachteil der Toi519 Drs 13/870 vom 18.08.96, BerlAbgH. 520 Tagesspiegel vom 29.10.97. 521 Drs 13/2225 vom 25.11.97, BerlAbgH. 522 FAZ vom 08.01.02. Tagesspiegel vom 10.09.01. 523 Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Betriebe Nr. 12/40 vom 27.01.93, S.14, BerlAbgH. 524 Im Bezirk Mitte von Berlin (alt) werden die Toiletten Alexanderplatz, Spandauer Straße, Ecke Rathausstraße, Gendarmenmarkt, Unter den Linden Nähe Schadowstraße, Platz vor dem neuen Tor, Parkplatz 2 Alexanderstraße, Köllnischer Park, Ecke Rungestraße, Marx-Engels Forum durch die Firma Wall weiter betrieben (vgl. DS 177/IV der BVV Berlin-Mitte vom 11.05.00). 525 Standorte sind: Platz vor dem Neuen Tor, Köllnischer Park/ Rungestraße, Rosenthaler Platz, Parkplatz Diercksenstraße/ Alexanderstraße (Parkplatz II), Spandauer Straße/ Rathausstraße, Pappelplatz/ Invalidenstraße, Mohrenstraße (zwischen Mauerstraße und Wilhelmstraße).
152
lettenkabinen sei nämlich, dass sie pro Stunde von etwa nur fünf Personen genutzt werden können, weil das technische Selbstreinigungsprogramm nach jedem Besuch sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Diese Situation verschärfe die Unterversorgung speziell bei Frequentierung zentraler öffentlicher Straßen und Plätze durch Großgruppen und Bustourismus.526 Nach Einschätzung des Bezirksamtes Mitte von Berlin (alt) würden nach Erfüllung des ersten Wall-Toilettenvertrages genügend behindertengerechte Anlagen zur Verfügung stehen, und auch die Zahl der Werbeflächen habe dann das städtebaulich verträgliche Maß erreicht, so dass man nicht einfach weitere Kabinen bei Wall anfordern könne.527 Der Bezirk Mitte demonstriert sich daher gegenüber potenziellen Angeboten anderer Sponsoren offen, jedoch könnten weitere Werbeflächen als Äquivalent einerseits aus Gründen des Denkmalschutzes nicht vergeben werden, andererseits deswegen nicht, weil die Werberechte für ein bestimmtes Format durch das Land Berlin bereits vertraglich an die Firma Wall vergeben wurden.528 Wie aus einer Diskussion um die ehemalige Toilette am U-Bahnhof Hansaplatz deutlich wird, resultiert aus derlei Toilettenverträgen eine weitere, explizit raumbezogene Problematik: das überaus große Interesse der Werbeunternehmen an qualitativ hochwertigen Standorten. Die Toilette am U-Bahnhof Hansaplatz war im Einvernehmen mit den zumeist kommerziellen Anliegern und der Firma Wall geschlossen worden, da sie praktisch ausschließlich von Drogenabhängigen genutzt wurde, „mit all den daraus resultierenden Problemen für das Umfeld“.529 Die Arbeitsgemeinschaft Hansaplatz verweist darauf, dass eine öffentliche (Ersatz)Toilette dringend notwendig sei.530 Das Bezirksamt versucht infolge, zwischen der Arbeitsgemeinschaft Hansaplatz, der zuständigen Polizeidienststelle und der BSR zu vermitteln, um durch eine Erhöhung von Kontroll- bzw. Reinigungsstufen für mehr Sauberkeit und Sicherheit im Gebiet zu sorgen. Die Polizei reagiert nicht auf die Anfrage und die BSR lehnt die Hochstufung des Hansaplatzes in eine bessere Reinigungsstufe ohne explizite Begründung ab. Es deutlich, dass die Diskussion um die Ausstattung des Stadtgebietes und der Stadträume in bezirklicher Obhut maßgeblich bestimmt ist von einem kondensierenden Blick auf bestimmte opportune Standorte bei gleichzeitiger Vernachlässigung eher problematischer Standorte nicht nur durch die Werbewirtschaft, sondern ebenfalls durch Institutionen des öffentlichen Sektors. Als Ersatzstandort für die Toilette am Hansaplatz wurde das Brandenburger Tor ausgewählt. Ein weiteres Dilemma tritt in der Diskussion um den Einsatz eines Produktnovums zutage, dem Wall City Pissoir, das ebenfalls vor dem Reichstag aufgestellt werden soll. Diese Planung ruft den Einspruch hervor, man dürfe planerisch keine implizite Benachteiligung für Frauen akzeptieren, außerdem seien die City Pissoirs auch für Behinderte nicht geeignet. Man einigt sich schließlich darauf, bei zukünftigen Planungen eine Gleichberechtigung von Frau und Mann zu garantieren, jedoch das City Pissoir als Ausnahme zuzulassen, wie das nachfolgende Zitat verdeutlicht: „Das Bezirksamt wird ersucht, bei der Genehmigung neuer Toilettenanlagen (nicht gemeint sind die City-Pissoirs) im öffentlichen Raum darauf zu achten, dass sie von Männern und Frauen genutzt werden können.“ (Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (neu) vom 17. Februar 2005) 526 Interview B.13.d vom 31.05.07. 527 Der Bezirk Mitte von Berlin (alt) umfasste vor der Verwaltungsreform allein den Stadtteil Mitte. Seit dem 01.01.2001 hat sich dies mit Inkrafttreten der Berliner Verwaltungsreform verändert: Dem Bezirk Mitte von Berlin (neu) gehören nun die Stadtteile Mitte, Tiergarten und Wedding an. 528 DS 198/96 der BVV Berlin-Mitte (alt) vom 18.06.96. Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 51, Landesarchiv Berlin, S. 2. 529 DS II/385 und DS II/400 der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 24.01.03. 530 DS II/385 11.06.02 und DS II/400 vom 24.01.03 der BVV Berlin-Mitte. Vorlage des Bezirksamtes Mitte zur Kenntnisnahme durch die BVV Mitte von Berlin vom 24.01.03.
153
City Pissoirs werden vom Bezirksamt als Zusatzangebot für die männliche Bevölkerung gewertet, die potenzielle Entscheidung zu ihrer Verwendung erfolgt jedoch nachweisbar nicht, weil es mehr Bedarf an Einrichtungen für Männer gibt, sondern aus dem Grund, dass für City Pissoirs keine externen Werbeanlagen als Kompensation, die auf dem Pissoir angebrachten genügen als Kompensation.531 Hier wird der Zwiespalt, in dem die bezirklichen Implementierer und Genehmigungsgeber hinsichtlich dieser neuen urbanistischen Praxis stecken, voll und ganz deutlich: Einerseits ist das Stadtbild mit attraktivem Stadtmobiliar entsprechend der im Rahmen des Toilettenvertrages bereits zur Verwendung kommenden Designlinien auszustatten, andererseits möchte man keine weiteren Werbestandorte mehr ausweisen. Deswegen werden Stadtmöbelstücke favorisiert, die zwar dem hohen Designanspruch genügen, jedoch aufgrund funktionaler Einbußen preislich in der Kompensation viel günstiger kommen. Aufgrund des Akzeptierens funktionaler Einbußen jedoch entsteht das Dilemma, den ästhetischen Argumenten für mehr Design und den ökonomischen Argumenten gegen mehr Werbeflächen grundsätzliche planerische Prämissen der gleichwertigen sozial-räumlichen Planung – egal ob für Mann, Frau, Kind, egal ob für Menschen mit oder ohne Behinderungen – unterzuordnen. Dieses Exempel illustriert, dass die durch die Werbewirtschaft induzierte Kompensationslogik erfolgreich Einzug in das Denken der öffentlichen Entscheidungsträger gehalten hat, ja, das Modell werbefinanzierter Kompensation hat sich schlichtweg verselbständigt. Doch auch positive Kritik wird vermerkt: Vielfach sind die politischen Kämpfe um Toilettenstandorte Gegenstand langwieriger Erörterungen auf Bezirksebene gewesen, wie etwa folgendes Beispiel zeigt: Im Januar 1993 etwa lehnt das Bezirksamt Mitte die Aufstellung von drei Toilettencontainern der Firma Wall am Pariser Platz ab, nachdem im ersten Halbjahr 1992 zahlreiche Anträge in der BVV die Dringlichkeit der Bestückung dieses Standorts verschärft hatten.532 Pro Toilettenanlage seien ein knappes Dutzend Werbeträger im Stadtraum zu installieren, dies widerspreche einerseits dem Berliner Straßengesetz, wonach Werbeträger auf öffentlichem Straßenland nicht zu genehmigen seien, andererseits würde das Stadtbild nachhaltig beeinträchtigt.533 Preiswerte Toilettencontainer (z.B. Typ Dixi) seien aus Gründen des Denkmalschutzes an einem solchen Ort nicht vertretbar, so dass das Bezirksamt sich entschließt, eine ohne Kompensation bereitgestellte Litfaßsäulen-Toilette der Firma JCDecaux im Gehbahnbereich der Otto-Grotewohl-Straße aufstellen zu lassen. Mit diesem Angebot versucht auch die Firma JCDecaux im Vorfeld der Ausschreibung der 2. Tranche einen Fuß in die Prozesse der Berliner Stadtentwicklung, und faktisch in den Berliner Stadtraum zu bekommen.534 Die vielfach auftretenden Schwierigkeiten auf Bezirksebene liegen darin begründet, dass die Besitz- von den Betreiberverhältnissen der Altanlagen abweichen und oftmals nicht allein ein Akteur zuständig ist, sondern eine unübersichtliche Vielzahl entscheidungsbefugter Akteure und Institutionen. Wie etwa an der Diskussion um die WC-Anlage am S-Bahnhof Unter den Linden deutlich wird, konnte hier die Restauration über Jahre nicht realisiert werden, da sich die Deutsche Reichsbahn als Besitzer gegen eine Kostenübernahme wehrte.535 Durch die Aufstellung von mobilen Containern auf öffentlichem Straßenland schuf man eine grundsätzliche Alternative zu langwierigen, teilweise festgefahrenen Diskussionen um die Zuständigkeiten für 531 DS 1519/II der BVV Berlin von Mitte (neu). 532 DS 49/92 sowie DS 69/92 vom 10.09.92. Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 5, Landesarchiv Berlin, S. 8ff. 533 DS 182/93 der BVV Berlin-Mitte. Zwischenbericht des Bezirksamtes Mitte von Berlin (alt) vom 14.01.93. 534 Interview B.13.d vom 31.05.07. 535 DS 413/93 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 09.09.93, Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 17, Landesarchiv Berlin, S.3. DS 568/94 der BVV Berlin-Mitte vom 13.01.94, Zwischenbericht des Bezirksamtes Mitte von Berlin.
154
die Restauration existierender, teils unterirdischer Toilettenanlagen.536 Ein weiterer Aspekt der positiven Beurteilung des neuen Modells wird im nachfolgenden Zitat veranschaulicht: „Die neue City-Toilette ist gewiss (...) gewöhnungsbedürftig. Materialien wie Keramik, Fliesen, Granit, Edelstahl, Sicherheitsglas und modernste Mikroprozessorensteuerung muten futuristisch an. (…) Gegensatz zu Behinderten, die mit einem Schlüssel kostenlos Zugang haben, kostet Nichtbehinderten das Toilettenerlebnis mit Air Condition, musikalischer Untermalung und indirekter Beleuchtung 0,50 Mark (...). Ergonomische Haltegriffe, unterfahrbare Handwaschbecken und eine Zeitverlängerungstaste von 20 Minuten bieten .. viel Komfort. In Notfällen sorgt eine Notruftaste für das Aussenden akustischer Signale nach außen. Bei der Ausstattung im Innern der City-Toilette wurde sogar an Blindenschrift gedacht.“ (TAZ vom 05.06.93)
Neben der High-Tech Performance weicht der vormalige Charakter der Stillen Örtchen jetzt einer akustischen Untermalung durch die Radiosender ‘Rias 2’ oder ‘Hundert, 6’. Für die Berieselung der Geruchsorgane ist gesorgt, entfalten sich doch bei Besuch Duftnoten der Deodorierung und Desinfektion.537 Die Qualität der Produkte und des entsprechenden Pflege- und Wartungsservices des Berliner Stadtmöblierungsunternehmens wird als positivste Errungenschaft des Kompensationsmodells zur Privatisierung öffentlicher Bedürfnisanstalten gewertet.538 In 1996 wird die Privatisierung der öffentlichen Bedürfnisanstalten Berlins schließlich noch einmal nachdrücklich durch das im Abgeordnetenhaus verabschiedete Haushaltsnachtragsgesetz beschleunigt, indem das Budget für die öffentlichen Bedürfnisanstalten von 22 Mio. DM auf 5 Mio. DM gekürzt wird.539 Im Vorfeld kommt es insbesondere zu Streitigkeiten zwischen der BSR, der Senatsverwaltung und den Berliner Bezirken hinsichtlich der Zuständigkeitszuweisungen. Denn die BSR will die Pflege der Toiletten, für deren Sanierung Wall (bisher noch) nicht verantwortlich ist, auf die Bezirke abwälzen, nachdem der Senat ihr die Mittel weiter drastisch gekürzt hat. Die Bezirke jedoch widersetzen sich, indem sie androhen, der BSR die Sondergenehmigung für die Nutzung öffentlichen Straßenlands zu entziehen. In diesem Fall hätte die BSR die verbleibenden Toilettenanlagen abreißen und das Straßenland wieder herstellen müssen. Schließlich lenkt sie ein und kündigt an, die verbleibenden 5 Mio. DM für die Pflege von rund 100 noch bestehenden Anstalten aufzuwenden.540 Drei Jahre später schließlich wird das Landesbudget für die Bedürfnisanstalten Berlins durch Parlamentsbeschluss gegen Null gefahren. In der Retrospektive kann konstatiert werden, dass es sich bei dem hier beschriebenen Prozess um eine systematische, politisch motivierte Privatisierung handelt, anders können die systematischen Budgetkürzungen von 15 Mio. Euro auf Null innerhalb von sieben Jahren (1992 bis 1999) nicht bewertet werden (Tab. 3). Jahr Ausgaben in € Tabelle 3:
1992
1993
1995
1996
1999
15.000.000
13.000.000
7.000.000
2.556.000
0.000.000
Kürzungen im Landeshaushalt Berlins bei den Zuschüssen an die BSR für Bedürfnisanstalten, Quelle: Eigene Zusammenstellung. 541
536 Interview D.3.d vom 27.06.06. 537 Süddeutsche Zeitung vom 02.10.95. 538 Interviews D.3.d vom 27.06.06, B.13.d vom 31.05.07 und B.14.d vom 04.07.07. 539 Drs 13/870, Kleine Anfrage Nr. 1000 vom 18.08.96, BerlAbgH. 540 Tagesspiegel vom 15.02.97. 541 Beruhend auf einem Schreiben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen – III B 1 – „Werbeerlöse aus Verträgen mit der Wall AG“ an den Vorsitzenden des Hauptausschusses BerlAbgH vom 02.11.95. URL: http:// 64.233.161.104/search?q=cache:CLNL-bU9C6UJ:www.parlament-berlin.de/ados/Haupt/vorgang/h15-3578-v.doc+ Werbeerl%C3%B6se+aus+Vertr%C3%A4gen+mit+der+WALL+AG&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=1 (letzter Zugriff am 16.10.06).
155
Datum Toilettenvertrag 19.11.93/ 22.12.93 (1. Wall-Toilettenvertrag)
Toilettenvertrag Nachtrag zum Vertrag vom 19.11.93, datiert auf den 01.07.98 (2. Wall-Toilettenvertrag)542
Toilettenvertrag Nachträge aus 2001 und 2004 bezüglich des Abrechnungsverfahrens
Tabelle 4:
Gegenstand
Kompensation
Bauabschnitt: Abriss, Neubau und Betrieb von 111 öffentlichen Bedürfnisanstalten, bei denen weder technische noch größere bauliche Schwierigkeiten bestehen, inkl. Bereitstellung der City Toiletten durch das Privatunternehmen an vertraglich festgelegten Standorten einschließlich Wartung, Unterhaltung, Betrieb und Instandhaltung
11 CLP Kompensation pro behindertengerechter Toilettenkabine, 9 CLP pro nicht behindertengerechter Kabine
2. Bauabschnitt: Übertragung weiterer 174 technisch oder baulich schwieriger Bedürfnisanstalten auf das Stadtmöblierungsunternehmen. Diese sollen durch VollautomatikWCs ersetzt werden. Wo dies nicht möglich ist – etwa bei unterirdischen WC-Anlagen – ist die Wartung, Reinigung und Unterhaltung auf privater Grundlage fortzuführen. Beinhaltet auch 23 gusseiserne Anstalten des Typs „Café Achteck“.
Insgesamt 110 CLB als Kompensation im Stadtgebiet, jedoch außerhalb der Innenstadt bzw. der bezirklichen Zentren. Frühestens im vierten Jahr des Vertrags sind 25% von Wall abzuführen, 12,5% davon an die Senatsverwaltung und 12,5% davon an die Bezirke entsprechend der Anzahl der Billboards im Bezirk. Erlaubnis, Nutzungsgebühren in Höhe von 50 Pfennig zu erheben, diese wird mit der Euroumstellung auf 50 Cent erhöht.
Gesamtwerbefläche 111x11x ca. 2m²/Stück = 2442 m²
Erlaubnis, Nutzungsgebühren in Höhe von 50 Pfennig zu erheben, diese wird mit der Euroumstellung auf 50 Cent erhöht.
110 x ca. 9,5 m²/Stück = 1045 m² 543
Abrechnungsanpassung für CLP: Ab 2001: 66.784,15 € Basiszahlung + Anpassung an Lebenshaltungskostenindexes und der Entwicklung der Werbepreise Abrechnungsanpassung für CLB: 2001-2003: insgesamt 30.000 €. Ab 2004: 30.000,00 € Basiszahlung + Anpassung an Lebenshaltungskostenindexes und der Entwicklung der Werbepreise
Übersicht über die ersten beiden Toilettenverträge zwischen dem Land Berlin, vertreten durch die BSR und die Firma Wall zwischen 1993 und 2004. Quelle: Eigene Zusammenstellung.544
542 Es gibt noch einen 3. Toilettenvertrag, der sich aber auf das Gebiet des ehemaligen Bezirks Wedding bezieht, und deswegen hier nicht näher beleuchtet wird (Interview B.13.d. vom 31.05.07). 543 Bei Rotationssystemen kann ein CLB mehrfach belegt werden. Demnach multipliziert sich die Werbefläche entsprechend der Anzahl der Mehrfachbelegungen. 544 Schreiben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen – III B 1 – „Werbeerlöse aus Verträgen mit der Wall AG“ an den Vorsitzenden des Hauptausschusses BerlAbgH vom 02.11.95. URL: http://64.233.161.104/sear ch?q=cache:CLNL-bU9C6UJ:www.parlament-berlin.de/ados/Haupt/vorgang/h15-3578-v.doc+Werbeerl%C3%B6s e+aus+Vertr%C3%A4gen+mit+der+WALL+AG&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=1 (letzter Zugriff am 16.10.06).
156
Die Ursachen und Motive für diese Privatisierungsbestrebungen sind vielfältig: Es geht um die Behebung eines akuten Missstandes, um das technisch-funktionale Aufrüsten des Stadtraums entsprechend sich durchsetzender gesellschaftlicher Ansprüche an Behindertengerechtigkeit und schließlich auch um die Aufwertung der städtischen Erfahrung beim Besuch öffentlicher Bedürfnisanstalten. Genauso geht es darum, Kosten öffentlicher Dienstleistungen per Konzessionsmodell auf Nutzer zu übertragen, und darum, Orte, die auch von den durch die Mehrheitsgesellschaft gemiedenen marginalisierten Gruppen gezielt angesteuert wurden, für andere Zielgruppen herzurichten. Diese potenziell sozial selektiven Wirkungen der Stadtpolitik haben jedoch ihre Wirkung zum Teil verfehlt, denn die als unerwünscht deklarierten Gruppen widerstehen dieser Verdrängungspolitik partiell, suchen sich andere oder eben die neu entstandenen Orte, um ihren zusätzlichen Bedürfnissen neben dem eigentlichen Bedürfnis nachzugehen. Am 1. Juli 1998 wird mit einem Nachtrag zum ersten Toilettenvertrag die zweite Phase der Toilettenprivatisierung, die durch Sanierung baulich schwieriger und denkmalgeschützter Bedürfnisanstalten gekennzeichnet ist, eingeläutet (Tab. 4). Hier geht es nicht allein um das Aufstellen der vollautomatischen Toilettenkabinen, sondern vorrangig um baulich schwierige Fälle, die einer Komplettsanierung unterzogen werden sollen. Unter diese fallen ebenfalls gut zwei Dutzend gusseiserne Café Achteck. Der der 2. Phase zugrunde liegende 2. Toilettenvertrag wird diesmal nicht zwischen dem Berliner Stadtmöblierungsunternehmen und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sondern der Senatsverwaltung für Wirtschaft geschlossen.545 Die Rede ist etwa von den unterirdischen Toilettenanlagen an zentralen Plätzen in der Stadt (Abb. 14b). Die erste dieser Spezies wird zu Beginn des neuen Jahrtausends am Spandauer Marktplatz für 1,3 Mio. DM in Stand gesetzt.546 Am 20. September 2001 beauftragt auch die BVV Mitte von Berlin das Bezirksamt, Verhandlungen mit der Wall AG hinsichtlich der Restaurierung der Standorte am Roten Rathaus und am Alexanderplatz aufzunehmen.547 Im Gegenzug wird die Aufstellung von drei weiteren Billboards für einen Zeitraum von zehn Jahren im September 2002 genehmigt.548 In diesem Jahr wird auch bereits der Standort Rotes Rathaus bei Investitionskosten von 410.000 Euro fertig gestellt und pünktlich vor Beginn der Feierlichkeiten anlässlich der Fußballweltmeisterschaft im Mai 2006 eröffnet die für 750.000 Euro restaurierte Anlage am Breitscheidplatz (Abb. 14b). Sie ist ausgestattet mit einer Meeresflächenprojektionsanlage und drapiert mit einem Golflochdesign als Accessoire im Herrenpissoir.549 Im Juni 2003 wird darüber hinaus das Café Achteck am Gendarmenmarkt, Ecke Französische Straße/ Markgrafenstraße, mit großer Festzeremonie wieder eröffnet. Dies ist die zehnte Anlage ihrer Art, deren Restaurierung ca. 105.000 Euro gekostet hat.550 Am 27. August 2007 eröffnet der Regierende Bürgermeister Wowereit die für 750.000 Euro restaurierte Anlage am Alexanderplatz, die noch aus Zeiten Döblins herrührt (Abb. 14c). Das Design hat das Berliner Büro Ion-Design für die Wall AG realisiert. Eine Treppe führt um eine zentrale Fotobildsäule herum, an der zunächst Bilder des Künstlers Thomas Wille ausgestellt werden.551 Das Verfahren hatte sich um zwei Jahre verzögert, weil bis 2004 die Planungen der Senatsverwaltung für die Freiflächengestaltung des Alexanderplatzes noch nicht vorlagen. Es war jedoch nicht ohne Probleme abgelaufen, denn die Wall AG wollte zunächst die unterirdischen Strukturen schließen und oben die bewährten Container aufstellen. 545 546 547 548 549 550 551
Interview B.13.d vom 31.05.07. Tagesspiegel vom 21.08.02. DS I/279 der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 20.09.2001. DS 1244/II der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 20.08.2002. Tagesspiegel vom 08.05.06 und vom 04.05.06. Die Welt vom 12.06.03. Die Welt vom 26.05.07.
157
Diese Lösung erschien für die öffentliche Hand jedoch unzumutbar, so dass es zu einem „jahrelangen“ Streit zwischen dem Bezirk und dem Stadtmöblierungsunternehmen kam.552 Es bedurfte einiger Krisengespräche innerhalb der gestaltwirksamen Koalition, um zu neuen Verhandlungsergebnissen zu kommen.553
Abbildung 14: Toilettenrestaurationen in Berlin durch die Wall AG realisiert und betrieben. Abb 14a. (links): Öffentlichkeitsarbeit der Wall AG während einer Toilettensanierung. Breitscheidplatz. Abb. 14b. (mittig): Toilettenanlage Breitscheidplatz. Abb. 14c. (rechts): Toilettenanlage. Alexanderplatz. Quelle: S. Knierbein.
Die Toilettenverträge können neben dem als Initialfunke für das Zustandekommen der ersten gestaltwirksamen Koalition geltenden Wartehallenvertrag als die wichtigste Errungenschaft des ehemals badischen Unternehmens in Berlin gewertet werden, schafft es die Wall AG doch hiermit, sich das exklusive Monopol auf das CLP-Format auf öffentlichem Straßenland in Berlin zu sichern.554 Denn im 1. Toilettenvertrag wird eine Ausschließlichkeitsklausel vereinbart, die besagt, dass „keinem Dritten das Recht einzuräumen ist, Anlagen mit der Möglichkeit zur Vorführung von Werbung auf öffentlichem Straßenland zu errichten und/oder zu vermarkten.“ Gegen die Vereinbarung einer solchen Klausel hatten sich Tiefbauamtsleiter und Bezirksstadträte in Berlin ausgesprochen, jedoch wurde die Klausel, die sich speziell auf das CLP-Format bezieht, schließlich nicht gestrichen, um die Finanzierung der von der Firma Wall zu tätigenden Investitionen über die Werbeflächen langfristig nicht zu gefährden. Diese Ausschließlichkeitsklausel bescherte der Wall AG bereits eine Monopolstellung bezüglich der Vermarktung von CLPs auf öffentlichem Straßenland in Berlin, die sich beispielsweise über lange Zeit darin bemerkbar machte, dass die BVG selbst das marktgängige Standardformat in ihren Wartehallen nicht mehr verwenden darf, und auf ein ähnliches, aber weniger marktfähiges Ersatzformat ausweichen muss. Mit derlei Ausschließlichkeitsklauseln – eine Praxis, die in der Out-of-Home Branche Gang und Gebe ist – werden Marktzugangsschranken für andere Unternehmen der Branche oder Restriktionen auf bestehenden Märkten für die Unternehmen des öffentlichen Sektors geschaffen, die sich maßgeblich auf nachfolgende Versuche der medialen Bespielung öffentlichen Straßenlands auswirken sollen. Man stelle sich vor, ein Unternehmen hätte im Internet, etwa auf allen deutschsprachigen Seiten den Zugriff auf das Werbeformat Pop-Up-Fenster und könnte diese exklusiv vermarkten.555 Ein erster Schritt in Richtung einer gegenwärtigen Version des Litfaß’schen Monopolmodells gilt mit Hilfe der Toilettenverträge als vollbracht. Denn das Toilettenmonopol sichert in diesem Falle ebenfalls das Formatmonopol im Stadtgebiet (Tab. 4, Abb. 15).
552 553 554 555
158
Interview A.11.d vom 31.01.07. Die Welt vom 26.05.01. Tagesspiegel vom 28.02.02. Drs 12/4406, Kleine Anfrage Nr. 5265 vom 31.03.94, BerlAbgH. Kleine Anfrage Nr. 5265 vom 31.03.94, BerlAbgH.
Abbildung 15: Anzahl der im Rahmen der Toilettenverträge in den Bezirken aufgestellten, erneuerten oder restaurierten WC-Anlagen, für die mittels Werbung kompensiert wurde. Quelle: Eigene Darstellung.556
Durch die Rahmenvereinbarung zwischen dem Land und der Wall AG entstehen darüber hinaus bürokratische Erleichterungen für das Stadtmöblierungsunternehmen, denn Sondernutzungserlaubnisse müssen nicht mehr für einzelne Standorte beantragt werden.557 Darüber hinaus geht das Hausrecht auf den Privatunternehmer über,558 was die Senatsverwaltung von weiteren Regulierungs- und Kontrollverantwortungen entbindet. Jedoch ist auch anzumerken, dass die Erfüllung der Verträge in den unterschiedlichen Bezirken ganz unterschiedlich vonstatten geht und die Gebietsreform noch einmal grundlegende Anpassungen der Verträge notwendig machte. Aber auch aus ganz anderen Gründen erwächst die Notwendigkeit, weitere Anpassungen der Verträge an die realen Gegebenheiten in Berlin vorzunehmen: erstens, aufgrund der veränderten Bedarfslage infolge der Wiedervereinigung beider Stadthälften und zweitens, angesichts erforderlicher technischer Neuerungen, die neue Formate marktfähig werden lassen und damit eine Auf- und Umrüstung der Werbeträger erfordern.559 Schließlich wird auch bemerkt, dass die erstmalig geforderten Unmengen an Werbestandorten letztlich auch durch die Stadtmöblierungsunternehmen selbst in Frage gestellt werden, da es im neuen Bezirk Mitte in den 1990er Jahren zu einer exorbitanten Zunahme an Außenwerbestandorten kommt, die die jeweilige Wirkung, und damit die Renditeaussichten einzelner Standorte zu schmälern imstande ist. So wird erst im Jahr 2005 zwischen dem Bezirk Mitte und der Wall AG eine Abschlussvereinbarung über die Erfüllung der Verträge geschlossen, der Deal umfasst summa summarum für etwa 50 Toiletten ein Kompensationsvolumen von etwa 500 Werbeflächen im Bezirk Mitte von Berlin (neu). 560 556 557 558 559 560
Basierend auf Datenmaterial aus Drs 15/13360 vom 24.05.06, BerlAbgH. Interview A.11.d vom 31.01.07. Interview B.13.d vom 31.05.07. DS 177/IV der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 11.05.00. Interview B.14.d vom 04.07.07.
159
Toiletten bestimmen fortan den Mythos des Stadtmöbelfabrikanten nachhaltig, so wird Hans Wall etwa als „Toilettenkönig von Berlin“, als „Herr der Klobalisierung“ sowie Berlin als „Toilettenhauptstadt“ bezeichnet.561 Dass dieser Mythos, entgegen den Erwartungen, vor allem aus kommunikationsstrategischen Gründen im Interesse der Wall AG liegen dürfte, wird im anschließenden Kapitel veranschaulicht (Kap. 4). Die Interventionen gestaltwirksamer Koalitionen sollten jedoch noch in ganz andere Bereiche der Stadtproduktion vordringen. Denn neben Wartehallen und Bedürfnisanstalten wird die stadtentwicklungspolitische Agenda zu Anfang der 1990er Jahre etwa von Bestrebungen geprägt, den Boulevard Unter den Linden ästhetisch aufzuwerten, insbesondere durch Stadtmobiliar. Unter den Linden – Kleihues, Wall und ein Wettbewerb Die Straße Unter den Linden ist zweifellos Berlins wichtigster Boulevard, der seit seiner baulichen Fassung ab 1668 verschiedene Phasen der Erneuerung erlebt hat. Besondere städtebauliche Aufwertungen des vergangenen Jahrhunderts hatte es etwa mit dem Umbau des Straßenprofils von 1902 gegeben, die als Grundlage dafür galten, dass die Linden in den 1920er Jahren zur Bühne des gesellschaftlichen und geschäftlichen Lebens Berlins avancierten. Anlässlich der Olympischen Spiele wurde die Prachtmeile erneut umgerüstet, man orientierte sich hier an den durch Schinkel 1814 angesichts der siegreichen Heimkehr preußischer Truppen gesetzten Standards der Via Triumphalis. Die radikalste der Umgestaltungen war ohne Zweifel die von 1936, da auch das Straßenprofil den Anforderungen des steigenden Fahrzeugverkehrs angepasst wurde, die Linden wurden abgeholzt, eine vierreihige Silberlindenallee neu gepflanzt, die in der Schlacht um Berlin bereits ein knappes Jahrzehnt später, durch den Granatenhagel vom April 1945 den Angriffen zum Opfer fiel. Doch bereits zwei Jahre später schaffte man es im kriegszerstörten Berlin, die Lindenreihen anlässlich des 300. Geburtstags des Boulevards neu mit Linden zu bestücken. In der Nachkriegszeit wurde das Lindenstatut im Jahr 1949 ausgearbeitet, jedoch wurden Bürgersteige und Mittelpromenade der Flaniermeile rigoros umgebaut. Auch vor den Schmuckpflasterstreifen aus der Kaiserzeit machte die Anpassung des Boulevards an die Standards des modernen Städtebaus der DDR nicht halt, Bürgersteige wurden mit Betonplatten ausgelegt und Beton-Pflanzkübel sowie Bänke moderner Art aufgestellt.562 Die letzte grundlegende städtebauliche Nachverdichtung erfuhr die populäre Promenade in den Jahren nach der deutsch-deutschen Wende mit der Rekonstruktion des Pariser Platzes und des anschließenden Straßenzugs.563 Auch die Debatte um die Schließung des Brandenburger Tors und die verkehrsplanerische Bestimmung des Boulevards beschäftigen den Senat und das Bezirksamt Mitte eine geraume Zeit, bis sich ein politisch opportuner Moment ergab und Senator Strieder die Schließung des Brandenburger Tors für den Kraftfahrzeugverkehr durchsetzte.564 Schließlich wendete man sich gegen Ende der 1990er Jahre erneut den Detailfragen der städtebaulichen Kür zu: Für den Boulevard sollte mittels der Gestaltung und Vereinheitlichung der Ausstattungsgegenstände eine neue Ära der Stadtmöblierung eingeläutet werden, um so an städtebauliche Traditionen Berlins aus dem 19. Jahrhundert anzuknüpfen. Denn die Ausstattung des Freiraums mit eigenwillig gestaltetem Stadtmobiliar kann Unter den Linden bis 1797 zurückverfolgt werden, als David Gilly für Friedrich Wilhelm den III. 561 TAZ vom 14.10.06, vom 25.08.06, vom 12.12.05 und vom 07.12.00. Süddeutsche Zeitung vom 14.11.01 Der Spiegel vom 25.10.99. Tagesspiegel vom 29.10.97. 562 Krosigk 2002. 563 Konter (et. al.) 2005. 564 Interview B.14.d vom 04.07.07.
160
„Barrieren aus Steinkegeln mit Eisenverstrebungen sowie pyramidenförmige Konstruktionen zur Einhängung von Öllampen“ entwarf.565 Später prägten insbesondere eigens entworfene Buden den täglichen Alltag Unter den Linden, und nach und nach wurden die ersten Holzbuden ersetzt durch eigens gestaltete Trinkhallen und Kioske, allen voran die Entwürfe von Albert Grenander und Martin Gropius. Letzterer machte mit seinem Trinkhallenmodell derart Furore, dass diese im Jahr 1867 schließlich auf den neuen Boulevards in Paris errichtet wurden. Auch im Bereich der Kioske fanden sich – ähnlich wie bei den Toiletten und den Werbesäulen – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfinderische Entrepreneure, die die Versorgung des öffentlichen Raumes mit Kiosken privatwirtschaftlich realisierten. Und auch hier gingen die Stadtmöbelstücke nach Ablauf der Verträge im Jahr 1924 in staatliches Eigentum über, der Fiskus kümmerte sich nun um deren Verpachtung.566 Der Boulevard Unter den Linden wurde mit der Teilung Berlins seiner zentralen Funktion als historischer Straßenzug im Kernbereich der Stadt enthoben, der Pariser Platz lag in Trümmern und man kümmerte sich städtebaulich vor allem um das Herrichten des östlichen Teils der ehemaligen Via Triumphalis. Während der städtebaulichen Moderne war – Form Follows Function – dem Stadtmobiliar nicht die Bedeutung beigemessen worden, die ihm noch im 19. Jahrhundert und während der Weimarer Republik zuteil wurde. Denn ornamentale Gestaltung von Stadtmöbelstücken galt in Zeiten eines erstarkenden Bürgertums als Baukultur und Baukunst, die dem Zweck diente, den Stadtraum eben auch für breite gesellschaftliche Gruppen wohnlich zu machen, die gute Stube der Stadt herzurichten und gleichzeitig einen einer erstarkenden Metropole entsprechenden städtebaulichen Stil zu etablieren (Kap.1). „Die Straße Unter den Linden bietet in ihren Freiräumen ein überwiegend desolates Bild: unpassende Beschilderung und Möblierung, geschädigte Bäume, in Auflösung befindliche Schmuckpflasterungen, restaurierungsbedürftige und fehlende Denkmäler, holprige Plattenbahnen und Pflasterungen. Dies soll sich nun ändern.“ (Auszug aus den Ausstellungsmaterialien „350 Jahre Unter den Linden“.567)
Nach dem Fall der Mauer wurde, wie das Zitat illustriert, seitens der vorrangig westdeutsch besetzten Stadtentwicklungselite Berlins der verwahrloste Zustand des einstigen Prachtboulevards beklagt. Um die Missstände abzuwenden und Berlins zentralen Straßenzug wieder zu einer der Hauptstadt würdigen Prachtallee zu entwickeln, ließ die Senatsverwaltung für Bauund Wohnungswesen 1992 ein Gutachten zur Erarbeitung von Gestaltungsgrundsätzen anfertigen. Dieses „Konzept zur Neugestaltung des Straßenzugs Unter den Linden“ sollte der Vorbereitung von Planungsunterlagen dienen und wurde von Bappert & Wenzel sowie von Kuntzsch und Spath & Nagel erstellt. Sinn und Zweck des Gutachtens war es, einmal mehr den sanierungsbedürftigen Zustand der Straße fachlich zu fundieren, um anschließend daraus stadtentwicklungspolitische Interventionen zur Vorbereitung des 350-jährigen Jubiläums des Boulevards (1997) abzuleiten. Das Gutachten betont die herausragende Rolle des Straßenzugs Unter den Linden gegenüber dem Kurfürstendamm und der City West und konstatiert, dass die spätere Gestaltung unter den Prämissen ‘Schlichtheit im Einzelnen’ und ‘Gediegenheit im Ganzen’ zu erfolgen habe.568 Auch formuliert es Anforderungen für die Stadtmöblierung und zeigt mögliche Standorte für Stadtmobiliar auf. Für den historischen Berliner Boulevard hatte man festgelegt, dass diverse Ausstattungselemente einheitlich farblich gestaltet werden sollten. Konkret sollte die Farbe anthrazit (Eisenglimmer) als zusammenfassendes Element der Stra565 Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr 1998a, 22. 566 Burkard 1998. Klünner 1983. 567 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz u. Technologie, Landesdenkmalamt Berlin, Gartendenkmalpflege, 1997) 568 DS 327/96 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 30.06.92.
161
ßenausstattung dienen.569 Unter den Elementen befinden sich: Beleuchtungskörper, Bänke, Abfallkörbe, Fernmeldeanlagen, Kioske, behindertengerechte Aufzüge, Schutzgitter für Bäume und Schächte, Fahrradabstellanlagen, Hinweisschilder, Informationseinrichtungen, mobile Ausschankvorrichtungen, Uhren, Baumgitter, Poller, Trafos und Schaltschränke für städtische Infrastruktur, ferner die Pfosten von Lichtsignalanlagen und Verkehrszeichen. 1996, also vier Jahre später erst, setzt man sich im parlamentarischen Ausschuss für Bauen und Wohnen erneut mit dem Thema auseinander, nachdem im Jahr zuvor eine Wohnungsbauausstellung auf dem Mittelstreifen Unter den Linden durchgeführt worden war. Auf Anregung des damaligen Staatssekretärs Hans Stimmann wird ein Wettbewerb zur Ausstattung des Boulevards mit Stadtmobiliar eingeläutet.570 Auch in der BVV Mitte von Berlin (alt) kommt es zeitgleich zur Erörterung eines Diskussionspapiers zum Thema, in dem vorgeschlagen wird, die Straßenmöbel durch ein konkurrierendes Verfahren festzulegen, an dem die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr federführend, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie und das Bezirksamt Mitte nachgeordnet beteiligt sind.571 Zwei Monate später findet eine weitere Besprechung im parlamentarischen Kulturausschuss statt, in der Senator Strieder die Bedeutung der Stadtmöblierung für die Stadträume Berlins unterstreicht. Urbanes Flair würde, so Strieder, durch die Vielfalt an Nutzungsmischung und Urbanität entstehen, nicht aber durch Stadtmöblierung, die diesem Flair allenfalls etwas hinzufügen, es aber nicht hervorbringen könne. Obwohl es in einigen historisch sensiblen Bereichen durchaus erwünscht sei, denkmalpflegerisch originalgetreu zu arbeiten, solle jedoch Berlin nicht den Eindruck des vorherigen Jahrhunderts erwecken. Denn bedeutende Straßen seien immer auch die Visitenkarte der Stadt und deswegen müssten dort in heutiger Zeit ebenfalls technologischer Fortschritt, Modernität und ökologische Rücksichtnahmen sichtbar sein. Strieder betont ferner, dass über Berlin keine „Blaupause des Stadtmobiliars“ gelegt werden solle, vielmehr solle die polyzentrale Struktur der Bezirke gestalterisch verfestigt werden. Die „Lebensaltersringe“ der Stadt sollten auch am Straßenmobiliar erkennbar werden.572 Im Folgejahr 1997 werden zunächst eine „Baugestaltungsverordnung Unter den Linden“ sowie „Ausführungsvorschriften zu §7 und §11 des Berliner Straßengesetzes für den Boulevard Unter den Linden“ auf den parlamentarischen Weg gebracht. Neben Festlegungen bezüglich des Querschnitts der Straße und der Fassadengestaltung soll nachgeschaltet der Wettbewerb durchgeführt werden, um das prägnante historische Erscheinungsbild der Straße durch eigens entworfenes Stadtmobiliar zu verfeinern. Verschiedene, den Raum verstellende Elemente wie Werbeflächen, Verteilerkästen und Schilder sollen harmonisch in die Stadtmöbelstücke integriert werden, eine Praxis, die schon mit den historischen Litfaßsäulen betrieben wurde, deren Innenleben dem Flaneur oftmals nicht im Mindesten bekannt war. „(...) die Urbanität, das Leben und die Gestaltungskraft werden nicht nur durch die Fassaden geprägt, sondern auch durch Straßenmöbel, eben all das, was in den Straßenraum hineinwirkt. Heute müssen wir feststellen, dass manches ausgesprochen qualitätslos, banal, ärmlich wirkt. Uns geht es darum, einen einheitlichen Maßstab anzulegen, es geht nicht darum, jegliche Werbung aus dem Straßenraum zu verbannen, (...) sondern sie qualitätvoll zu gestalten – dafür dieser Wettbewerb.“ (Klemann, Berliner Senator für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus573)
569 DS 327/96 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 14.11.96. Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 54, Landesarchiv Berlin, Anlage S. 2. 570 Protokoll des Ausschusses für Bauen und Wohnen, Nr.13/18 vom 11.09.96, BerlAbgH. 571 Diskussionspapier der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen vom 05.09.96 aus der Sitzung der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 11.09.96. 572 Protokoll des Ausschusses für Kultur, Nr.13/14 vom 11.11.96, BerlAbgH. 573 Plenarprotokoll Nr. 13/42 vom 12.03.98, BerlAbgH.
162
Im Frühjahr 1998 schließlich lobt der durch die Senatsverwaltungen für Bauen, Wohnen und Verkehr vertretene Berliner Senat einen offenen, zweiphasigen Realisierungswettbewerb ‘Straßenmöbel Unter den Linden’ aus. Das Wettbewerbsareal umfasst ein Gebiet zwischen Schlossbrücke und Beginn des Pariser Platzes, und schließt den Bebelplatz, die Platzfläche um die Neue Wache und das Kastanienwäldchen ein. Verklärtes Ziel der Ausschreibung ist, „die städtische Identität“ wiederzufinden, da sie nach 1945 die Bedeutung verloren habe, die die „beliebte Flaniermeile“ Ende des 19. Jahrhunderts hatte erlangen können. Wie auch bei anderen städtebaulichen Wettbewerben in Bereichen gesamtstädtischer Bedeutung des ehemaligen Ost-Berlins werden die (goldenen) Metropolenzeiten Berlins positiv konnotiert, wohingegen die durchaus sehr markante Nutzung als Chaussee des hitlerschen Heeres während des 2. Weltkriegs vollkommen ausgeklammert wird. Schließlich werden die Ursachen des Bedeutungsverlustes auf den sozialistischen Städtebau der DDR projiziert, wie die Sentenz illustriert: „Nach dem Krieg wurde der Straßenzug Unter den Linden als Flaniermeile bedeutungslos, so dass er im Vergleich mit großen Boulevards der Welt bis heute, sechs Jahre nach der Wiedervereinigung, nicht standhält.“ (Auszug aus der Baugestaltungsverordnung Unter den Linden574)
Derartige Geschichtsverklärung ist jedoch hinsichtlich der Ausstattung des öffentlichen Boulevards nicht ganz neu in Berlin, so hatte bereits die Gestaltung des Boulevards gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschichtsverklärende Momente erlebt, als sich der durch Schupmann entworfene, an Gestaltelementen des Biedermeiers angelehnte Entwurf für eine mindestens zehn Meter hohe Lampe, den Schupmann-Kandelaber durchsetzte, der anlässlich der Neugestaltung des Boulevards auch heute wieder stadtpolitische Diskussionen um den Pariser Platz prägt. Die Ausschreibung sieht Ende der 1990er Jahre vor, dass die Teilnehmer in einer ersten Phase bis Ende März 1998 ihre Gesamtidee für den Straßenraum inklusive Beleuchtung darstellen, auch ein Entwurf eines Kiosks sowie weiterer Elemente zur Darstellung der Produktfamilie sind einzureichen. Für die zweite Phase, die im April und Mai 1998 realisiert werden soll, ist dieser Entwurf zu detaillieren, auch Modelle von den Einzelelementen der Serie sind dann einzureichen. Hinsichtlich der Werbung setzt die Ausschreibung den erlassenen Ausführungsvorschriften folgend fest, dass Werbung nur auf Wartehallen, Toilettenhäuschen und Uhren erlaubt ist.575 Alle großformatigen Werbeträger werden untersagt, ferner sind Sondernutzungen durch kommerzielle Werbeträger wie Tafeln und Säulen unzulässig. Weitere Informationen weniger kommerzieller Natur, wie Hinweise auf Kulturveranstaltungen werden auch an anderen Stadtmöbelstücken gestattet. Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit wird vorgegeben, dass die Realisierbarkeit der Entwürfe anhand der Kriterien Herstellungskosten, Betriebsund Unterhaltungsaufwand, Ersatzkosten nebst langfristiger Ersatzsicherung sowie Handhabung für die Auswahl des Gewinners von Belang sind. Die Umsetzung erfolge dann über Konzessionsverträge, aber auch über private Betreiber. Im Denkmalpflegeplan wird schließlich festgelegt, dass die das Erscheinungsbild der Prachtstraße mitbestimmenden Ausstattungen nicht historisierend nachzuempfinden sind, sondern dass die Teilnehmer diese in einem beschränkten Wettbewerb auf hohem künstlerischem Niveau neu zu entwickeln haben.576 Am 6. Juni 1998 präsentiert Senator Klemann die Ergebnisse des Wettbewerbs. In der ersten Phase hatten sich zunächst Architekten, Landschaftsarchitekten, Stadtplaner und Designer mit 114 Entwürfen beteiligt, 25 davon erreichten die zweite Phase. Eine Jury unter
574 Vgl. Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr 1998a. 575 Die neuen Kioske Unter den Linden werden schließlich zu Informationsträgern mit integrierten Werbeflächen. 576 Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr 1998a.
163
Vorsitz des Berliner Architekten Christoph Sattler wählt fünf Preisträger und drei Ankäufe aus:577
1. Preis: Josef Paul Kleihues, Berlin, Beteiligte: Wall AG, Berlin 2. Preis: Wolfgang Keilholz, Berlin 3. Preis: Topothek 1 % Friends – Mettler, Berlin 4. Preis: Höhne und Rapp, Berlin 5. Preis: Bernhard Winking und Martin Froh, Berlin
Ankauf 1: Amenzgement Recherche et poles d’echzuges - Etienne Pricaud, Christian Desomaps, Pascal Petit, Stephane de Kindt, Andreas Heym Ankauf 2: Kolbe & Sekles Ankauf 3: Pysall, Ruge Architekten
Das Verfahren ruft ebenfalls Kritiker auf den Plan, infolge wird die Besetzung der Jury vorwiegend mit Architekten etwa von Landschaftsarchitekten beanstandet. Denn obwohl es sich dezidiert um eine Freiraumgestaltung handelt, befindet sich eine Landschaftsarchitektin jedoch erst unter den stellvertretenden Fachpreisrichtern. Auch wird kritisiert, dass Stadtmöblierung in diesem Falle auf Produktdesign für Kioske reduziert wurde und dass die Jury sich regelrecht auf die Kioske fixiert habe. Zu offensichtlich erscheint die Verbindung zwischen dem Berliner Architekten Kleihues und seinem im Wettbewerb als „Sonderfachleuten“ angeführten Partnerbüro, der Wall AG, und ihrem Schwerpunkt auf Kioskdesign. Denn Kleihues hatte bereits zuvor ein Straßenmöbelprogramm, das wie der Entwurf für Unter den Linden auf dem Gestaltprinzip des „sphärischen Dreiecks“ und der Verwendung der gleichen Materialien beruhte, für die Wall AG entworfen. Man wollte damit bei einer Ausschreibung in New York punkten, die die Berliner jedoch nicht für sich entschieden hatten. So lag es nahe, den bereits bestehenden Entwurf zu überarbeiten, und sich insbesondere auf die Kioske zu spezialisieren, die gleichsam nach den Wartehallen und Bedürfnisanstalten den dritten Vorstoß des Stadtmöblierungsunternehmens auf ihrer Suche nach städtischen Werbestandorten einläuten sollten.578 „Die schmalen elliptisch geformten Pavillons in dezentem Grün bestehen aus tragenden Strangpressprofilen mit Aluminium-Panelen und Glasdächern mit bündig eingelegten Photovoltaik-Elementen. Die horizontal umlaufenden Profile erinnern an die 1920er Jahre. Die ersten seit zwei Jahren aufgestellten Kleihues-Kioske machen deutlich, dass die Lindenpromenade durchaus auch im 21. Jahrhundert klug disponierte, gestalterisch anspruchsvolle, keineswegs nostalgisch oder gar rekonstruierend wirkende Pavillons verkraftet.“ (von Krosigk 2002, 82)
Erst später wird das Ergebnis dieses Wettbewerbs im Parlament diskutiert, als etwa Staatssekretär Stimmann bestätigt, dass die Straßenmöbel nach dem Muster von Kleihues entwickelt würden. Jedoch sei es aufgrund bereits bestehender Werbeverträge mit der Wall AG nicht möglich gewesen, weniger Werbung zu installieren, was auch ihm selbst, Stimmann, nicht gefalle. Jedoch sei die Senatsverwaltung aufgrund von Geldmangel auf Werbung angewiesen. Es bestehen Rückfragen, ob denn öffentlich ausgeschrieben worden sei, schließlich sei der Vertrag mit Wall den Abgeordneten vorher nicht gezeigt worden. Stimmann dementiert die Zweifel und betont, es sei alles satzungskonform gelaufen, ohne jedoch näher auszuführen, welches Verfahren genau als ‘satzungskonform’ zu verstehen ist.579 577 Ibid. 1998b. 578 Schröder 1999. 579 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt, Nr. 14/11 vom 27.09.00, BerlAbgH.
164
In den folgenden Jahren kommt es zwischen der Wall AG und dem Bezirk Mitte zu Streitigkeiten, so hatte der Bezirk sich etwa öffentlich darüber beschwert, dass zwischen Vertragsunterzeichnung 1998 und dem Sommer 2001 die Möblierungsvereinbarung der Wall AG nicht eingelöst worden war. Als Grund hierfür werden Probleme im Genehmigungsverfahren aufgrund bereits laufender Verträge zwischen der Wall AG und dem Bezirk Mitte etwa bezüglich der Toilettenanlagen am Alexanderplatz genannt. Erst im Sommer 2001 werden fünf weitere Kioske auf dem Boulevard aufgestellt. Die 300.000 DM teuren Möbelstücke für den Freiraum werden unentgeltlich von der Wall AG bereitgestellt, das Werbeunternehmen bekommt dafür zusätzliche Werbestandorte in exponierter Lage. Die Pächter der Kioske jedoch sehen sich mit monatlichen Mietzahlungen von anfänglich rund 5000 DM an die Wall AG konfrontiert, was bei ihnen großen Unmut aufgrund der außerordentlichen Höhe des Entgelts hervorruft.580 Die Wall AG kommentiert, man hätte die Kioske den Wirten bei Genehmigung von ganz wenigen zusätzlichen Werbestandorten viel preisgünstiger anbieten können, dieser Vorschlag sei aber bei den öffentlichen Akteuren nicht auf Gegenliebe gestoßen. Das Werbeunternehmen hatte summa summarum 5 Mio. DM in die Ausstattung des Berliner Boulevards mit Elementen des Vorläufers der Designfamilie Streetline investiert.581 Dies wirkt umso erstaunlicher bei einem explizit durch öffentliche Akteure ausgelobten Wettbewerb für öffentliche Räume und lässt Rückschlüsse darauf zu, dass es neben der Gestaltqualität bei der Bewertung der eingereichten Entwürfe schließlich auch maßgeblich um die Art der Finanzierung, also das dem Vorschlag von Kleihues und der Wall AG zugrunde liegende Wirtschaftsmodell, gegangen sein muss. Das Zustandekommen einer gestaltwirksamen Koalition basiert in diesem Falle nicht auf der bei den Wartehallen und den Klokabinen angewendeten Konzessionierungspraxis als Beschaffungsweg, sondern auf dem traditionellen städtebaulichen Instrument des Gestaltwettbewerbs, an dem allein Architekten, Landschaftsarchitekten und Designer teilnehmen konnten. Durch eine bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen dem Büro Kleihues und der Wall AG wurde letztere unter dem Prädikat Sonderfachleute mit ins Boot geholt. Letztendlich setzte sich jedoch hier – genau wie zuvor bei den Wartehallen und den öffentlichen Bedürfnisanstalten – die Kompensationslogik des Out-of-Home Mediensegments Stadtmöblierung erneut durch. „Der Boulevard Unter den Linden gehört praktisch ihm, überall steht sein Name, auf den Kiosken, den Wartehäuschen für die Busse, ja sogar auf den Toilettenhäuschen. Wall. (...) Heute trägt der berühmteste Boulevard der Republik seinen Namen – „Wall Street“ nennen die Berliner die Straße Unter den Linden.“ (Frankfurter Rundschau vom 10. September 2003)
Wie das Zitat anklingen lässt, stellt der Stadtmöblierungswettbewerb Unter den Linden für die Wall AG eine ganz besondere Möglichkeit dar, einen der symbolträchtigsten Freiräume Berlins mit innovativem Stadtmobiliar zu bestücken, ihn quasi zum authentischen Showroom im zentralen Bereich der deutschen Hauptstadt werden zu lassen. Darüber hinaus kooperiert das Unternehmen im Oktober 2002 bei der Restaurierung der Neuen Wache mit der Stiftung Denkmalschutz Berlin und verhüllt das historische Gebäude mit einer Werbeplane. Auch die Ehrung der zehnmillionsten Besucherin einer Wall Toilette wird – ausgerechnet – auf dem Boulevard antizipiert und medial inszeniert. Die ehemalige Via Triumphalis, die Schinkel anlässlich der Rückkehr der preußischen Truppen 1826 prachtvoll herrichten ließ, war in der Folge des durch Kleihues gewonnenen Stadtmöblierungswettbewerbs zum Ort eines weiteren stadtmöb-
580 Tagesspiegel vom 13.07.01. 581 Tagesspiegel vom 10.09.01. Tagesspiegel vom 09.04.01.
165
lierenden Triumphzugs der Wall AG in Berlin geworden, bei dem insbesondere die Produktentwicklung von Kiosken eine zentrale Rolle spielte.582 Diesem zentralen Boulevard ein der Hauptstadt entsprechendes Gesicht im Sinne eines Metropolendesigns zu geben, erscheint verklärtes Ziel der Senatsverwaltung, denn „der Charakter des Untersuchungsgebietes in seiner historischen Prägung als Teil der Stadterweiterung des 17. und 18. Jahrhunderts, Zentrum der Reichshauptstadt, Weltmetropole (...) soll sich auch in der Gestaltung seiner Straßen- und Platzräume widerspiegeln.“583 Unabhängig vom Wettbewerb mit konkretem stadträumlichem Bezug wird deutlich, dass Kioskdesign zum dritten Element auf der die Stadt Berlin möblierenden politischen Agenda seit 1984 avancierte. Dieser neuerliche Vorstoß des Außenwerbesektors wird von der Tatsache flankiert, dass die deutschen Pressegrossos ein Kiosksterben wegen der rückläufigen Zeitungskäufe attestiert hatten. Infolge eruiert die Wall AG gemeinsam mit zwei Berliner Pressevertrieben, welche Standorte für die Aufstellung von Kiosken geeignet sind. Schnell wird die Zahl notwendiger Kioske für Berlin von der Wall AG mit 200 beziffert, die Pressevertriebe halten dies jedoch für überzogen und konstatieren einen Bedarf von etwa 90 Stück. Schließlich bietet Wall nicht nur Berlin, sondern allen deutschen Städten an, ihnen eine vierstellige Zahl an Kiosken unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Was die Art der Refinanzierung betrifft, gibt sich das Unternehmen flexibel: Neben Pacht oder Vermietung käme ebenfalls die Kompensation über das Vermarkten von Werbung in Frage. Jedoch scheint die Kiosk-Avance sich nicht in der Art durchzusetzen, in der es bereits bürgerliche und politische Dringlichkeiten erfüllende Stadtmöbelstücke wie Wartehallen oder Bedürfnisanstalten zuvor getan haben, da der erneute Expansionsruck in zentrale öffentliche Räume mittels der Produktentwicklung von High-Quality-Design-Kiosken nur mittelmäßig angenommen wird. Denn von 3000 Kiosken, die das Unternehmen deutschen Städten anpreist, verkaufen sich zunächst nur 100, davon 20 allein in Berlin.584 Die 1990er Jahre gelten aber nicht nur der Errichtung von Kiosken als Exponaten des Wall’schen Real-Life-Showrooms in einem der geschichtsträchtigsten Bereiche Berlins, sondern es finden parallel noch andere Themen den Weg auf die politische Agenda, die unter die Kategorie Stadtmöblierung fallen, etwa Touristenleitsysteme.585 Die alleinige Eroberung diverser Bereiche der Bestückung zentraler öffentlicher Räume mit Außenwerbeträgern in Form von Stadtmobiliar durch das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen wird gegen Ende der 1990er Jahre durch einen Vorstoß eines anderen Stadtmöblierers in Frage gestellt, dessen Strategie nicht primär darauf abzielt, Stadtmobiliar zu entwickeln, zu installieren, zu pflegen und zu warten. Diesem Außenwerbeunternehmen sollte es viel mehr um einen anderen Bereich der Stadterneuerung gehen: um die Sanierung von Denkmalen. Furore machte diese Firma mit der kongenialen Idee, die Realisierung eines urbanistischen Vorzeigeprojektes mittels eines Kompensationsgeschäftes finanziell zu fördern: Die Sanierung des Strandbades Wannsee.
582 Die Welt vom 17.10.06, vom 05.10.02 und vom 30.08.02. 583 Auszug aus dem Regelwerk zur Straßenraumgestaltung 1995, zitiert in Burkard 1998, 24. 584 TAZ vom 09.12.00. Tagesspiegel vom 23.05.00. Die Welt vom 28.05.99. Tagesspiegel vom 28.05.99. Handelsblatt vom 28.05.99. 585 Knierbein 2008b, 170ff.
166
Denkmalrestaurationen – 50 zentrale Megaflags für ein Strandbad in der Berliner Peripherie „Exklusiver Auftritt in bester Lage: MegaFlags sind die Eintrittskarten zu begehrten, oftmals werbefreien Plätzen im Herzen der Metropolen.“ (Homepage des Unternehmens Ströer Megaposter GmbH586)
Abbildung 16: Mega-Flag Standorte in Zentrum als Kompensationsdeal für Restaurierung des peripher gelegenen Strandbad Wannsees. Abb. 16a. (links): Mega-Flag Standort, S-Bahn Eingang Potsdamer Platz. Abb. 16b. (mittig): Aufschrift Holzplattform mit Nennung des Sponsors Megaposter (Ströer Gruppe), der eine Spendenaufruf organisiert. Rathausstraße. Abb. 16c. (rechts): Mega-Flag Standort, Werbung für Restaurierung des Stadtbades Oderberger Straße, S-Bahn Eingang Potsdamer Platz. Quelle: S. Knierbein.
Politischen Wirbel um Außenwerbung an Denkmalen verursachen im Berlin der 1990er Jahre zwei Pionierbeispiele, die allerdings nicht direkt den Bereich der Stadtmöblierung, sondern den der großflächigen Fassadenwerbung tangieren: erstens, die Verhüllung des Brandenburger Tors durch eine Außenwerbefirma587 (Hauptsponsor: Die Deutsche Telekom), und zweitens, die Einfassung der Marienkirche mit einer Evian-Außenwerbekampagne der Firma Fubac. Mit der Verhüllung des Brandenburger Tors durch die Deutsche Telekom in den Jahren 2000 bis 2002 findet die Berliner Debatte um den Unterschied zwischen Sponsoring, Werbung und ihrem Einsatz zur Restauration öffentlicher Denkmäler ihren Ausgangspunkt. Im Parlament hatte man entsprechend eine Debatte um den baurechtlichen Begriff der Außenwerbung geführt, die mit der Einigung endete, dass es sich beim Brandenburger Tor nicht um Werbung, sondern quasi „um eine künstlerische Gestaltung plus Baustellenschild“ handele. Auf letzterer beharren die öffentlichen Entscheidungsträger eindringlich, so dass im Resultat schließlich verschiedene Motive des Brandenburger Tors auf der Baugerüstplane abgebildet werden. Als der Sponsor, die Deutsche Telekom, darüber hinaus auf der Plane auch Produktwerbung anbringen will, wird ihr dies mit der Begründung untersagt, dass lediglich der Firmenname im Sinne einer Eigenwerbung, nicht aber Produktwerbung innerhalb der Sponsoringvereinbarung gestattet sei. Heftige Kritik ergibt sich aber auch wegen der Vergabemodalitäten, an denen die Stiftung Denkmalschutz gemäß ihr durch den Senat übertragener Bauherrschaft federführend beteiligt ist. Als erstes Experiment der postfordistisch geprägten Berliner Stadtentwicklungspolitik auf diesem Terrain bezeichnet erntet das Verfahren fortan speziell von den Experten des Vergaberechts grundlegende Missbilligung. Der Vorgang – nachträglich ebenfalls von Transparency International überprüft – wird jedoch von den konservativen Fraktionen des Parlaments
586 Siehe Internetauftritt der zuständigen Ströer-Gruppe. URL: http://www.megaposter.de/de/megaflag.html (letzter Zugriff am 19.03.08). 587 Realisiert durch die Firma Megaposter, die heute der Ströer-Gruppe angehört.
167
mehrheitlich befürwortet, wohingegen insbesondere Bündnis 90/Grünen eine derartige Stadtentwicklungspraxis scharf kritisieren, wenngleich dies folgenlos bleibt.588 Im Fall der Marienkirche führt der damalige Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) ein Streitgespräch mit dem Superintendenten der Marienkirche Kupehl, das durch den Sender Freies Berlin (SFB) organisiert wird. Zum Konflikt kam es im Vorfeld, weil die Firma Fubac, die mit dem Bezirk Mitte andernorts aufgrund ihrer rabiaten und rigorosen Werbestrategien in Rechtsstreitigkeiten verwickelt war, nach Absprache mit der Kirchenleitung ein Megaposter illegal an der Marienkirche hochgezogen hatte. Dies wurde mit der Notwendigkeit begründet, das Kirchengebäude sei dringend sanierungsbedürftig und weder Kirche noch Staat hätten die entsprechenden Gelder, um die Restauration zu finanzieren. Kirche, Bezirksamt und Außenwerbefirma einigen sich schließlich, so dass infolge die Marienkirche nahezu drei Jahre durch Werbeplanen bedeckt wird. Das Außenwerbeunternehmen steuert insgesamt 70.000 Euro zur Sanierung bei, der Rest der Gesamtsumme von 375.000 Euro wird durch die deutsche Stiftung Denkmalschutz und das Landesdenkmalamt getragen. Beide Debatten markieren den Beginn eines Wandels hinsichtlich der Genehmigungsprozesse für großflächige Außenwerbung in Berlin, vor allem deswegen, weil hier noch grundsätzliche Einwände diskutiert werden.589 Beide Beispiele veranschaulichen auch, dass es in Berlin bereits seit Beginn der 1990er Jahre eine Debatte um großflächige Außenwerbung im Zusammenhang mit Denkmalrestaurationen mit Ausstrahlkraft auf zentrale öffentliche Straßen und Plätze gegeben hat. Hier ging es aber in der Regel um Fassadenwerbungen, die an den zentral gelegenen Bauwerken selbst und an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet in den vergangenen Jahren zu sehen waren.590 Diese erste Phase wird jedoch mit einem neuerlichen Vorstoß der Out-Of-Home Medien durch eine zweite Phase abgelöst: Hier beruht das Kompensationsmodell darauf, die Restauration eines in der städtischen Peripherie gelegenen populären Bauwerks mittels der Kompensation durch Werbeträger im Strand-Look in zentralen öffentlichen Räumen zu refinanzieren (Abb. 16). „Dieses System Strandkörbe ist nicht in einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt worden, sondern ist eine Idee von Einem. Ich gehe davon aus, dass so ein Projekt, wenn man es machen würde, ausgeschrieben werden müsste, schon aus Wettbewerbsgründen. Das müssen Sie sich mal vorstellen, welche Diskussionen wir allein über die Wall-Tafeln hatten. Nun müssen Sie sich einmal vorstellen, an 50 Standorten in der Stadt, in einer Größenordnung von 12 Metern Höhe Werbeflächen einfach so freihändig zu vergeben. Also, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Da muss es schon mal eine Ausschreibung geben. Aber es muss auch grundsätzlich erörtert werden, ob das zur Finanzierung dieser Maßnahme richtig und zulässig ist. Es gibt Werbeflächen in der Stadt, die werden bezahlt, auch als Miete. Und hier wird das einfach zur Verfügung gestellt, auch eine Wettbewerbsfrage. Ich habe bei diesem Projekt selbst noch Bedenken. Das sage ich ganz deutlich. Auf der anderen Seite müssen wir versuchen, Möglichkeiten zu finden, die dringende Sanierung des Strandbades Wannsee vorzunehmen. Es ist aber ein qualitativer Unterschied zu den bisherigen Projekten. Ob es im privaten Bereich, so z. B. bei der Gedächtniskirche, bei den Universitäten oder aber bei dem Brandenburger Tor oder Stadthaus gewesen ist, hat es sich immer um Werbung am Objekt gehandelt, bei der das Gerüst verhüllt wurde. Jetzt hat es aber eine neue Qualität bekommen. (...) man kann dann auch auf die Idee kommen, für die notwendige Sanierung von Schulen Werbeflächen am Ku’damm zur Verfügung zu stellen. Das bekommt dann eine andere Dimension, die gründlich überlegt werden muss, und da sind die Bezirke zurzeit nicht diejenigen, die sich sperren, sondern es muss erörtert werden. Ich bitte, auch bei dem vernünftigen und nachvollziehbarem Interesse der Stiftung Denkmalschutz vorsichtig zu sein: Sie haben Partner, und die haben sie uns auch vorgestellt. Es müssen aber nicht diese Partner sein.“ (Wowereit, Regierender Bürgermeister Berlins 2003591)
588 Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Nr. 14/15 vom 29.11.00, BerlAbgH. Plenarprotokoll Nr. 15/84 vom 06.04.06, BerlAbgH. Interview D.12.d vom 23.03.07. Zu einer anderen Auffassung kommt Lehmann (2008, 106), die die Werbemaßnahmen am Brandenburger Tor als ‘gelungen’ bezeichnet, und sich damit wohl auf die Kampagneninhalte bezieht, wenngleich die Vergabemodalitäten in dieser Bewertung keine Berücksichtigung finden. 589 Wortprotokoll der 8. Versammlung der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 08.06.99. Berliner Zeitung Online vom 19.02.03. URL: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0219/berlin/0021/index. html (letzter Zugriff vom 03.06.08). 590 Siehe die Diskussion um die Fassadenwerbungen in Berlin bei Lehmann 2008. 591 Plenarprotokoll Nr. 15/30 vom 08.05.03, BerlAbgH.
168
Ähnlich wie beim Brandenburger Tor übernimmt auch bei der Restaurierung des Strandbades Wannsee die Stiftung Denkmalschutz die Bauherrenschaft für den Prozess der Restaurierung. In den Jahren 2002 und 2003 verhandelt sie mit dem Kölner Out-of-Home Medienunternehmen Ströer über ein Kompensationsangebot des Unternehmens: Für die Aufstellung von 50 Megaflags – das sind de facto bis zu sieben Meter hohe, als Bootsstege, Segel oder Strandkorb garnierte Werbeträger, deren segelförmige Sonderformate jeweils rund 40qm Werbefläche bieten – soll ein fixer Betrag gezahlt werden, um die Kosten der Restauration partiell zu decken. Am 15. Mai 2003 schließlich setzt sich der Rat der Bürgermeister (RdB) mit einer dort eingebrachten Vorlage des federführenden Bezirkes Steglitz-Zehlendorf mit dem „Aufstellen von Werbeanlagen im öffentlichen Raum“ auseinander und verweist die Debatte schließlich in den RdB-Unterausschuss Bauen, Wohnen und Verkehr. Im Ergebnis sprechen sich die Entscheidungsträger der Bezirke, ausgenommen Treptow-Köpenick, dafür aus, für die Realisierung des Vorhabens öffentliches Straßenland zur Verfügung zu stellen. Ein Gespräch zwischen dem Senatsbaudirektor und den zuständigen Baudezernenten der Bezirke hinsichtlich der Bestimmung möglicher Standorte wird für Juni 2003 terminiert.592 Ab dem 01. September 2004 werden zehn Standorte im Bezirk Mitte für die Vermarktung durch das Bezirksamt freigegeben, jedoch beginnt das Kölner Unternehmen erst im Folgejahr damit, die Standorte einzurichten. Die dargestellten Standorte (Abb. 17) enthalten die mit der Stiftung Denkmalschutz abgestimmten Orte im Bezirk Mitte, jedoch werden einzelne davon wegen Baustellen in der Zwischenzeit stark verändert und andere, wie etwa einige der für das Regierungsviertel (!) vorgesehenen Megaflags gar nicht erst genehmigt, so dass Alternativstandorte eruiert werden müssen. Seit dem 1. September 2007 hätten diese Standorte aufgrund des nach drei Jahren erfüllten Vertrags geräumt werden müssen, jedoch ist dies nicht umgehend geschehen. Experten führen dies auf zwei mögliche Gründe zurück: einerseits auf weitere Verhandlungen zwischen der Stiftung Denkmalschutz Berlin und dem Senat hinsichtlich weiterer Projekte, andererseits darauf, dass die Werbeunternehmen den angestrebten Gewinn aufgrund mangelnder Auslastung nicht in den vereinbarten drei Jahren haben erwirtschaften können. Zwischenzeitlich war etwa Werbung für die Restauration des Stadtbads Oderberger Straße auf den Megaflags geschaltet worden und es bleibt bisher unklar, ob hier nicht vielleicht die Gelegenheit genutzt worden ist, den nächsten Vorstoß der werbefinanzierten Denkmalrestaurationen mit externer Kompensation in zentralen öffentlichen Räumen anzupreisen. Dass die Werbeanlagen nicht unverzüglich nach Ablauf der Dreijahresfrist abgeräumt worden sind, verursacht außerdem ein Dilemma beim Bezirksamt Mitte von Berlin (neu), an das nun verstärkt andere Werbeunternehmen mit entsprechenden Begehrlichkeiten herantreten und ihr Recht auf Gleichbehandlung im Sinne der wettbewerblichen Chancengleichheit einfordern. Erneut wird hier die freihändige Vergabepraxis über eine Verlagerung der Verantwortung auf die private Stiftung Denkmalschutz im Nachhinein kritisiert.593
592 Drs 15/20125 vom 22.05.03, BerlAbgH. 593 Interview B.14.d vom 04.07.07.
169
Abbildung 17: Geplante Megaflag-Werbestandorte zur Sanierung des Strandbades Wannsee im Bezirk Mitte von Berlin (neu). Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Bezirksamtes Mitte von Berlin (neu).
Die Ströer Gruppe vermarktet die Berliner Megaflags laut eigenen Angaben ab 9.700 € für einen Zeitraum von 14 Tagen.594 Rechnet man dies ohne Abzüge von Provisionen als Basispreis hoch auf 50 Standorte und eine Belegung von 3 Jahren, so käme ein gerundeter Wert von etwa 37.830.000 Euro Umsatzerlös für eine Dreijahreskampagne mit 50 Standorten als grober Richtwert der finanziellen Gewichtung eines solchen Werbevorhabens heraus.595 Nur ein Bruchteil dieses im Stadtraum potenziell erwirtschaftbaren Wertes wären also notwendig, um die durch die Ströer Gruppe zugesagte Übernahme eines Anteils von 3,7 Mio. Euro zu begleichen.596 Der Berliner Senat finanziert eine Summe von rund 4 Mio. Euro der auf zwischen 8 und 12 Mio. geschätzten Restaurationssumme, den Rest finanziert die Stiftung Denkmalschutz über Gelder aus Kompensationsgeschäften mit dem Werbemarkt, aus Spenden und über Sponsoren.597 Am 8. Mai 2007, dem 100. Geburtstag des Strandbad Wannsee, wird dies nach Abschluss der Restaurationsarbeiten neu eröffnet.
594 Siehe Preisangaben Internetauftritt der Ströer AG. URL: http://www.stroeer.de/index.php?id=772 (letzter Zugriff am 20.03.08). 595 9700 € x 26 Wochen x 3 Jahre x 50 Standorte = 37.830.000 €. Diese Angaben zu den Umsatzerlösen sind hypothetisch und hängen zwingend von der Auslastung aller 50 Werbeträger sowie sich nicht verändernden Preisen ab. Rabatte, Mehrwertsteuer und Abzüge für Mittlerprovisionen sowie andere Risikofaktoren wurden bei dieser Berechnung nicht hinzugezogen. Der Gewinn nach Steuern liegt demnach wesentlich tiefer, wobei nicht zwingend davon ausgegangen werden muss, dass der Listenpreis den realen Umsatzerlösen entspricht. 596 Berliner Morgenpost vom 24.09.05. 597 Tagesspiegel-Online vom 02.09.05. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,1921175 (letzter Zugriff am 20.03.08).
170
In einer weiteren Kompensationskoalition zwischen der Stiftung Denkmalschutz und der Kölner Ströer Gruppe wird auch das Charlottenburger Tor restauriert.598 Auf beiden Seiten der Fahrbahn an der Straße des 17. Juni verdecken 28 Meter hohe Stahlbauten historische Lichtmasten aus dem Jahr 1905, die im 2. Weltkrieg zerstört worden waren. Der Unterschied zur Strandbad-Kampagne ist, dass hier die Kompensation wieder direkt am Objekt erfolgt, gleichzeitig ist die Kooperation jedoch auf einen Werbetreibenden, das Telekommunikationsunternehmen Hansenet mit seiner Marke Alice, fixiert. Alice kann während der 36-monatigen Restaurationszeit allein Werbung am Charlottenburger Tor platzieren, was man im weiteren Sinne als Denkmal- oder Kultur-Branding bezeichnen könnte. Ein weiteres Beispiel ist das BebelplatzBranding etwa durch eine Kampagne, die parallel an der ‘Kommode’ und an der Hedwigskirche geschaltet wird: Hier wirbt ein US-amerikanischer multinationaler Konzern mittels eines Stadtplatz Brandings für seine Produkte (Abb. 18).
Abbildung 18: Bebelplatz – Ort des Stadtplatz-Brandings durch Multinationals und des Mahnens im Gedenken an die Bücherverbrennung. Abb. 18a. (links): Restaurierung Hedwigskirche kompensiert durch Out-of-Home Medien. Abb. 18b. (mittig): Restaurierung der sogenannten Kommode kompensiert durch Out-of-Home Medien. Abb. 18c. (rechts): Stadtplatz-Branding Hewlett Packard. Quelle: S. Knierbein.
Die Kooperation zwischen Senat und der Ströer Megaposter GmbH wird in beiden Fällen, ähnlich wie bei der Restauration des Brandenburger Tores, über einen intermediären Akteur als Bauherren abgewickelt: die Stiftung Denkmalschutz Berlin. Dazu der Rechnungshof: „Baudienststellen Berlins haben ohne vorherige Ausschreibung einer gemeinnützigen privaten Stiftung die Restaurierung von Baudenkmalen übertragen oder dies beabsichtigt. Nach den Vertragskonzeptionen erhält die Stiftung statt einer Entgeltzahlung vom Land Berlin das Recht, Außenflächen zu Werbezwecken zu vermarkten. Eine Abrechnung der Werbeerlöse ist nicht vorgesehen. Die Vergabeverfahren waren intransparent und vergaberechtswidrig.“ (Rechnungshof zu Berlin, Jahresbericht 2008, 139599)
Auch Angebote, die die Stiftung Denkmalschutz der Humboldt-Universität bezüglich einer werbefinanzierten Restauration der ehemaligen königlichen Bibliothek (Kommode) am Bebelplatz gemacht hat, sind scharf kritisiert worden, sodass die Humboldt-Universität von einer freihändigen Vergabe Abstand genommen hat. Schaut man sich die Zusammensetzung des Kuratoriums und des Vorstands der Stiftung an, so fällt ins Auge, dass hier sowohl bekannte Namen vergangener Berliner Stadtentwicklungspolitik vertreten sind (Senator a. D. Hassemer, Senatsbaudirektor a. D. Dr. Stimmann, Senator a. D. Dr. Flierl, RBm a. d. Walter Momper) als auch die der Berliner Außenwerbebranche (etwa Dr. Karl-Heinz Knauthe, ehemaliges Aufsichtsratmitglied der Wall AG). Mit Vertretern des Landespresserates sind ebenfalls Vertreter 598 Dazu auch Lehmann 2008, 106f. 599 URL: http://www.berlin.de/imperia/md/content/rechnungshof2/jahresbericht_2008.pdf (letzter Zugriff am 15.11.08).
171
aus den Medien vertreten. An dieser Stelle soll auf eine weitere Blindstelle übermäßiger personeller Verstrickungen in der Denkmalrestaurationspraxis Berliner Stadtforschung verwiesen werden, deren Aktualität und Relevanz insbesondere im jüngsten Rechnungshofbericht 2008 sichtbar wird.600 Festzuhalten bleibt für den Bereich der Denkmalrestaurationen: Es ist zu einer zweiten Hinwendung des Out-of-Home Mediensektors zu Denkmalrestaurationen gekommen, bei der nicht durch die Errichtung von Werbeträgern an der Fassade des entsprechenden Objektes, sondern in zentralen öffentlichen Räumen unabhängig von der räumlichen Lage des zu restaurierenden Objekts im Stadtgebiet kompensiert wird. Auch ist hier, wie mit dem Wowereit-Zitat bereits angedeutet, erneut ein Ausnahmetatbestand geschaffen worden, denn die Entscheidung, mittels Werbung zu kompensieren, wird nicht mehr aus dem naheliegenden Grund getroffen, dass die Werbung direkt am Objekt angebracht ist, sondern die Kompensationslogik der Out-of-Home Medien-Praxis hat sich losgelöst vom ursprünglichen Legitimationsargument eines direkten räumlichen Bezugs. Das erneute Akzeptieren dieses Ausnahmetatbestands kann als weitere Möglichkeit des Marktzugriffes auf die medialen Potenziale zentraler öffentlicher Räume gewertet werden. Dabei hat sich ein zweites deutsches Außenwerbeunternehmen mit strategischem Potenzial, die Kölner Ströer Gruppe, als neuer Protagonist der postfordistisch geprägten Stadtproduktion in Berlin vorgestellt. Die bis dato unangefochtene Monopolposition der Berliner Wall AG als Aufmerksamkeitslogistiker in zentralen öffentlichen Räumen Berlins ist durch die kreative Einführung eines neuen Formats und einer neuen Facette der Kompensationslogik durch die Ströer Gruppe ins Wanken geraten. Ob es aber zu einer generellen Marktöffnung hinsichtlich des öffentlichen Straßenlandes in Berlin kommt, wird insbesondere am Beispiel der Brunnendebatte deutlich. “Brunnensponsoring” – Berliner Bezirke unter Marktöffnungsdruck „Die Wall AG wollte die Berliner Brunnen betreiben und dafür einige Werbeflächen aufstellen. Tatsächlich hat jedoch das finanziell angeschlagene Land Berlin mit ein paar hunderttausend Mark die Brunnen finanziert. Eine Frechheit zu Lasten der Steuerzahler.“ (H. Wall im Streitgespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, Tagesspiegel vom 30.Juli 2001)
Ein sehr geschichtsträchtiges Thema der Ausstattung öffentlicher Straßen und Plätze sind Stadtbrunnen und öffentliche Wasserstellen. Waren Brunnen noch im 20. Jahrhundert wichtig für Hygiene und ein funktionierendes Stadtleben der sich zunehmend industrialisierenden Großstädte, so erfuhr ihre Bedeutung mit zunehmender Grundversorgung der Bevölkerung mit gereinigtem Trinkwasser einen Wandel hin zu ihrer Rolle als historische oder repräsentative Zierbrunnen. Berlin verfügt heute über eine Fülle an Wasserspielen, Brunnenanlagen und Kinderplanschen, für die seit Anfang der 1980er Jahre – ähnlich wie bei den Bedürfnisanstalten – zunehmend weniger öffentliches Kapital und zunehmend weniger öffentliche Arbeitskraft bereit gestellt wurden. Zunehmend weniger wurde investiert in die notwendige Wartung der Anlagen, in daraus entstehende Folgeschäden und schließlich flossen auch weniger öffentliche Mittel in den Substanzerhalt der teils unter Denkmalschutz stehenden Anlagen. Die politische Debatte um eine mögliche (Teil)Privatisierung dieses Bereichs der Stadterneuerung wird in Berlin sporadisch seit Mitte der 1990er Jahre geführt, so schlägt bereits 1996 der CDU600 Ibid. 2008, 139ff. Interview A.20.d vom 17.06.08. Um insbesondere die jüngeren Koalitionsvereinbarungen der 2. Phase der (partiell) werbefinanzierten Denkmalrestaurationen als neue Phänomene der Berliner Stadtentwicklungspolitik, die sich zwischen Denkmalschutz, Privatwirtschaft und Stadtraum bewegt, auf der Akteursebene akribisch erklären zu können, wären weitere empirische Studien notwendig, die im thematischen Kontext dieser Arbeit nur am Rande behandelt werden können.
172
Abgeordnete Zippel vor, die Zuständigkeiten für die Berliner Zierbrunnen in die Hände der Wasserwirtschaft zu geben. Jedoch wird dieser Vorschlag durch Senator Strieder abgelehnt, da es auch einige zu lösende Aufgaben geben müsse, an denen die Politiker in den Bezirken gemessen werden müssen, nicht im Abgeordnetenhaus, und die Brunnen gehörten zu solchen. Außerdem habe die Wasserwirtschaft weder finanzielle noch personelle Kapazitäten frei.601 Im Bezirk Mitte von Berlin stellt sich die Situation der Brunnen wie folgt dar: Noch 1992 werden Bundessondermittel freigestellt, um strukturerhaltende Restaurationen zu finanzieren, die auch der Brunnensanierung zu Gute kommen.602 Nachfolgend werden jedoch notwendige Unterhaltungsmaßnahmen für viele der wasserspeienden Artefakte zunehmend eingestellt. Brunnen werden aufgrund mangelnder finanzieller und personeller Ressourcen der öffentlichen Hand schlichtweg trocken gelegt, oder in verkürzten jahres- oder tageszeitlichen Intervallen geschaltet. 1996 fertigt das Büro Hoffmann ein detailliertes Gutachten für alle 131 im Besitz des Bezirksamts Mitte befindlichen Denkmale, Brunnen, Plastiken und Ehrengräber an, das anschließend durch Hochbau- und Grünflächenamt modifiziert als Grundlage für eine stadtentwicklungspolitische Dringlichkeitsliste verwendet wird. Für die Brunnenanlagen im Bezirk Mitte wird ein Restaurationsbedarf von rund 4 Mio. DM ermittelt, im Bereich der Denkmale im öffentlichen Raum liegt der Restaurationsbedarf sogar noch weitaus höher, bei ca. 10 Mio. DM.603 Unter großen finanziellen Schwierigkeiten bestreiten noch im Jahr 1998 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie der Bezirk Mitte die Unterhaltung eines Großteils der Brunnen im Bezirk.604 Probleme der Finanzierung ergeben sich aus den globalen, also nicht zweckgebundenen Budgetzuweisungen durch den Senat, da die Zuordnung entsprechender Gelder durch politische Prioritätensetzung im Bezirk erfolgt. Dies drückt sich etwa dadurch aus, dass die Unterhaltung der erst in der Mitte der 1990er Jahre fertiggestellten Brunnenskulptur des Invalidenparks zugunsten des Betreibens von Brunnenanlagen mit größerer politischer Bedeutung auf dem Pariser Platz, dem Alexanderplatz und dem Spittelmarkt im Jahr 1999 eingestellt wird.605 Das Bezirksamt Mitte von Berlin (alt) bemüht sich angesichts dieser Problematik erfolglos darum, zweckgebundene Zuweisungen zu erhalten. Die Suche nach privaten Spendenmitteln erweist sich ebenso als müßig, so dass man seit 1999 objektbezogen nach Sponsoren sucht, um so auch Anrainer in die Unterhaltung von öffentlichen Brunnenanlagen einzubinden.606 Um die Jahrtausendwende schließlich spitzt sich die Lage zu, denn im Bezirk können allein 17 von 23 Brunnen aus Kostengründen nicht mehr in Betrieb genommen werden.607 Im Jahr 2001 schließlich eskaliert die Situation: Nicht allein im neuen Bezirk Mitte von Berlin stehen die Brunnen aufgrund der Haushaltssperre des Senats komplett still, sondern auch in anderen Bezirken. Infolge entflammt eine in Teilen bezirksübergreifende politische Debatte, weil die Wall AG allen Berliner Bezirken offeriert, sämtliche Brunnen mehrjährig zu unterhalten – gegen Bereitstellung von Werbeflächen versteht sich.608 Als erstes greift der Bezirk Schö601 Plenarprotokoll Nr. 13/8 vom 09.05.96, S. 481f, BerlAbgH. 602 DS 905/94 vom 08.12.94 der BVV Mitte von Berlin (alt), Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 32, Landesarchiv Berlin, S. 3. 603 DS 593/97 vom 12.06.97 der BVV Mitte von Berlin (alt), Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 62, Landesarchiv Berlin, S. 4f. Schreiben des Bezirksamtes an die BVV Mitte von Berlin (alt) vom 07.05.98. 604 DS 1110/98 vom 18.12.98 der BVV Mitte von Berlin (alt). 605 Kleine Anfrage Nr. 21 vom 23.09.99, BerlAbgH. 606 DS 1355/99 vom 08.07.99 der BVV Mitte von Berlin (alt). 607 DS 1164/99 vom 21.01.99 der BVV Mitte von Berlin (alt), Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 79, Landesarchiv Berlin, S. 5. 608 TAZ 05/99.
173
neberg zu und stimmt nach einem internen Streit zwischen Bezirksbürgermeisterin Ziemer und Baustadtrat Lawrentz wegen der erheblichen Bedenken des Rechtsamtes einem Vertragskonstrukt zu, das vorsieht, 20 Brunnen für eine Dauer von 25 Jahren durch die Wall AG betreiben zu lassen. Im Rahmen dieser vertraglichen Vereinbarung wird ein entsprechendes Volumen an genehmigten Werbeflächen in den öffentlichen Räumen des Bezirks durch die Wall AG vorausgesetzt. Es werden zunächst vier Standorte für Billboards gebilligt.609 Auch in der BVV Mitte von Berlin (neu) kommt es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Angebot der Wall AG bezüglich des ‘Brunnensponsorings’, wie das nachstehende Zitat veranschaulicht: „Bei der Fa. Wall handelt es sich leider um kein wirkliches Sponsoring-Angebot. Die Fa. Wall bietet ihre Dienste im Gegenzug zur Genehmigung von Werbeanlagen im öffentlichen Straßenraum an. Damit reagiert sie auf das akute Finanzierungsproblem, der Unterhaltung des öffentlichen Stadtraums mit Brunnen, Denkmalen und Grünanlagen. Die aggressive Angebotspolitik der Fa. Wall trägt zur Lösung dieses Problems nicht unbedingt bei. Es erscheint der Eindruck, dass sich die Bezirke die Genehmigungen für Leistungen abkaufen lassen sollen. Dies ist nicht nur rechtlich unzulässig, sondern auch umso irritierender vor dem Hintergrund, dass die Firma Wall bereits über Verträge mit dem Senat umfangreichen Zugriff auf Werbeflächen im öffentlichen Straßenraum erlangt hat. Nach Ansicht des Bezirksamtes darf hier nicht die Inaussichtstellung von Leistungen die Genehmigungsfähigkeit von Standorten bestimmen, sondern eine Analyse möglicher Standorte. Angesichts der Attraktivität von Standorten in Mitte wäre es angebracht, den Gesichtspunkt der notwendigen Konkurrenz zu berücksichtigen, Monopolstellungen sollten gerade in Mitte nicht zugelassen werden.“ (T. Flierl, Bezirksstadtrat für Ökologische Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Bezirksamts Mitte, Antwort auf die Große Anfrage der SPD zum Angebot der Wall AG zum Brunnensponsoring“610)
Aufgrund der aus dem Zitat deutlich werdenden Diskrepanzen nimmt das Bezirksamt Mitte von Berlin zunächst keine Verhandlungen bezüglich des Brunnensponsorings auf, was bei der Wall AG Unverständnis auslöst.611 Doch bereits im Mai 2000, ein Jahr später, wird das Bezirksamt durch die BVV trotz erheblicher Bedenken seitens des Rechtsamtes und des Hochbauamtes beauftragt, die Möglichkeit, einige der Planschen und Brunnen durch die Wall AG restaurieren und betreiben zu lassen, zu sondieren. Denn aufgrund des Formatmonopols auf öffentlichem Straßenland und der kaum mehr zur Verfügung stehenden weiteren Standorte für großformatige Werbeflächen sieht sich der Bezirk gezwungenermaßen an die Firma Wall gebunden und unterbreitet ihr im Frühjahr 2000 einen Vorschlag, der jedoch zu keinem einvernehmlichen Ergebnis führt.612 Dies stößt beim Berliner Stadtmöblierer auf Unverständnis, denn aus den Einnahmen der angeforderten Werbeträgerstandorte habe man die dringend notwendige Renovierung der viel besuchten Toilettenanlagen auf dem Alexanderplatz und vor dem Roten Rathaus finanzieren wollen. Man verlange für den Betrieb von 44 Brunnen, für die das Unternehmen rund 800.000 DM zusteuern möchte, „im Grunde gar nichts“. Denn der Brunnenbetrieb sei nur das „Zusatzangebot“, damit der Bezirk fünf weitere Standorte für City-LightBoards genehmigt, deren Errichtung an den Ausfallstraßen vorgesehen ist. So wolle man also die Toilettensanierung finanzieren, und sofern dabei ein Minus entstünde, würde dies von der Wall AG getragen.613 Die Diskussionen um das Brunnensponsoring, so wird deutlich, erweisen sich als stark mit bereits bestehenden Koalitionshandlungen zwischen dem Bezirksamt und dem Berliner Stadtmöblierer verwoben, bei denen der Betrieb der Brunnen lediglich ein weiteres Argument darstellt, um die öffentlich-rechtliche Legitimation von Werbestandorten und deren Aufrüstung im öffentlichen Raum voranzutreiben.
609 Tagesspiegel vom 11.04.00. Tagesspiegel vom 15.07.99. 610 DS 1326/99 vom 10.06.99 der BVV Mitte von Berlin, Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 84, Landesarchiv Berlin, S. 4. 611 Siehe Eingangszitat von Hans Wall. 612 DS 177/IV vom 11.05.00 der BVV Mitte von Berlin (alt). Wortprotokoll der Sitzung, S. 9-13. 613 Tagesspiegel vom 05.04.01.
174
Am 20. September 2001 beauftragt die BVV Mitte von Berlin (neu) angesichts der desolaten Brunnensituation das Bezirksamt erneut, Verhandlungen mit der Wall AG hinsichtlich der Unterhaltung der bezirklichen Brunnen aufzunehmen.614 Man entscheidet sich nun dafür, ein offizielles Interessenbekundungsverfahren durchzuführen. Unterlagen werden zunächst von drei Interessenten angefordert: der Enterprise Bau Technik Umwelt GmbH, der Wall Aktiengesellschaft und der Ströer City Marketing GmbH.615 Nach erfolgter Abgabe am 13. August 2002 entschließt sich das Bezirksamt im Folgejahr, den entsprechenden Vertrag zur Bewirtschaftung von insgesamt 30 Brunnen nicht mit der Wall AG, sondern mit der Ströer Gruppe für eine Vertragsdauer von 10 Jahren abzuschließen.616 Ströer verpflichtet sich zudem, acht der genannten Brunnen vor der Bewirtschaftung instand zu setzen (Anlage 10).617 Zuvor waren zahlreiche Versuche, einzelne Mäzene oder Sponsoren für die Brunnen im Bezirk zu finden, lediglich für die touristisch attraktiven Brunnen am Pariser Platz, im Lustgarten und auf dem Alexanderplatz von Erfolg gekrönt gewesen, und auch die Unternehmen der Außenwerbung sind mäzenatisch anmutenden Schenkungen nicht abgeneigt.618 So schenkt etwa die Wall AG dem Bezirk eine Komplettreinigung des Engelbeckens im Jahr 2003. Im Folgejahr jedoch beantragt sie die Genehmigung zur Aufstellung einer Kommunikationssäule als Kompensation für die laufende Reinigung des Engelbeckens, da der Schenkungsstatus allein nur für das erste Jahr gegolten habe. Es kommt zu neuerlichen Abstimmungsnotwendigkeiten zwischen dem Bezirksamt und dem Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Kompensationsgeschäften, Sponsoring und Spenden (Kap. 4).619 Es wird deutlich: Die Zustände im Rahmen des so genannten „Brunnensponsorings“ sind diffus. Der Bezirk muss nach neuen Wegen der öffentlichen Beschaffung suchen, weil ihm aus verschiedenen Gründen zwei grundlegende Ressourcen abhanden gekommen sind: Kapital und Arbeitskraft. Erst versucht man, die Misere durch die Suche nach Sponsoren, Spendern und Mäzenen für einzelne Objekte abzuwenden. Als diese Strategie unter anderem aufgrund des mangelnden Know-hows der öffentlichen Akteure bezüglich der verschiedenen Instrumente der Aktivierung bürgerschaftlichen und unternehmerischen Engagements nicht in durchschlagendem Maße fruchtet, ringt man sich dazu durch, die Sanierung der bezirklichen Zierbrunnen als Paket auszuschreiben, ein Modell, das etwa von Immobiliengeschäften in großem Maßstab bekannt ist.620 Nach welchem Muster wird diese Neuerung im Bezirk Mitte von Berlin umgesetzt? Bis hierher ist noch kein Wort darüber verloren worden, dass das Interessenbekundungsverfahren – speziell im Hinblick auf das Ergebnis eines werbefinanzierten Kompensationsgeschäftes – erneut als Novum der neueren Stadtentwicklungspolitik der Hauptstadt verstanden werden kann. Es ist zwar erneut ein erster Impuls seitens des Marktes eingebracht worden, über ein werbefinanziertes Brunnensanierungsmodell nachzudenken. Die sich aber bereits in den angesprochenen Handlungsfeldern etablierende Kompensationslogik wurde dieses Mal explizit durch diverse Berliner Bezirke im Rahmen eines wettbewerbsgerechten Interessenbekundungsverfahrens implementiert. Die über lange Jahre realisierte Praxis der Ausnahmetatbestände hinsichtlich eines einzigen an Monopolwirkung gewinnenden Unternehmens sowie einer zweiten in den Berliner Markt eintretenden Firma hat sich angesichts der sich stetig meh614 DS I/279 vom 20.09.01 der BVV Mitte von Berlin (neu). 615 DS I/279 vom 20.09.01 und 1244/II vom 20.08.02 der BVV Mitte von Berlin (neu). 616 DS 24/99 vom 23.12.99 der BVV Mitte von Berlin (alt). 617 DS 1244/II (neu) vom 18.03.04 der BVV Mitte von Berlin (neu). 618 DS 327/II vom 16.05.02 bzw. 10.06.02 der BVV Mitte von Berlin (neu). 619 Protokoll der 34. öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bebauungspläne und Verkehr vom 27.09.04 der BVV Mitte von Berlin (neu). 620 DS 327/II vom 16.05.02 und Protokoll IV/Nr. 7, S.15-17 vom 11.05.00 der BVV Mitte von Berlin (alt).
175
renden ‘Ausnahmen’ nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Senat und Bezirke sind unter Marktöffnungsdruck geraten, was nichts anderes bedeutet, als dass man auch die Beschaffungswege für die städtische Dienstleistung ‘Brunnensanierung’ an wettbewerbsgerechte Prozeduren angepasst hat, die sich jedoch bisher noch im Grenzbereich bestehender Rechtslagen abspielen. Dies wird etwa durch die Aussage des Bezirksamts Mitte von Berlin bestätigt, dass das Vertragswerk des Brunnensponsorings unter Verschluss gehalten wird, da es sich um ein kompliziertes Vertragsnovum handelt.621 Der dubiose Charakter dieses neuen Beschaffungswegs für Brunnensanierungen wird auch in der parlamentarischen Perspektive angesprochen: „Während der Schöneberger Baustadtrat seine gesamten Brunnen über das Sponsoring betreibt, macht der Kollege Mendiburu davon überhaupt keinen Gebrauch, weil er der Auffassung ist, dass das rechtlich völlig unzulässig sei.“ (Goetze, CDU-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus622)
Das Resultat im Bezirk Mitte lautet schließlich: Das Kölner Außenwerbeunternehmen Ströer hat trotz der unumstritten starken Position der Wall AG erneut Werbeterrain im Berliner Bezirk Mitte ergattern können. Die genaue Anzahl der im Gegenzug von durch den Bezirk zu genehmigenden Werbeflächen liegt – laut Aussage des damaligen Stadtentwicklungssenators Strieder – bei vier Billboards für 15 zu unterhaltende Brunnen im Bezirk Mitte.623 In der gesamtstädtischen Perspektive sind rund 260 der in Berlin existierenden 290 öffentlichen Brunnen seit dem Jahr 2000 in die Obhut des Out-of-Home Mediensektors geraten (Abb. 19), ein Ergebnis, das zehn Jahre zuvor noch undenkbar gewesen wäre. Skizziert man den derzeitigen Stand der werbebasierten Brunnenverträge in Berlin für den Zeitraum 2005/2006, so unterhält die Wall AG gut 80 Brunnen, Wasserspiele und Kinderplanschen in vier Berliner Bezirken mit einem Budget von 400.000 €, wohingegen die Kölner Ströer Gruppe für die Unterhaltung von 180 Brunnen in sieben Bezirken etwa 1 Mio. Euro bereitstellt.624 Auch diese privatwirtschaftliche Übernahme des Managements von Brunnen gegen Werbung wird mit einer Kommunikationspolitik verknüpft, bei der die Eventisierung des Kompensationsgeschäftes eine große Rolle spielt: Alljährlich etwa zelebriert die Wall AG ein großes Brunnenfest auf dem ViktoriaLuise Platz in Schöneberg zur Eröffnung der Brunnen(sponsoring)saison.625 Eine der jüngeren werbewirksamen Interventionen im Rahmen der Brunnensanierung stellt die Verhüllung der Wasserspiele am Strausberger Platz dar (Abb. 20). Hier liegt die Kostenschätzung für den Sanierungsaufwand bei etwa 300.000 Euro. Werbung soll hier anlässlich der Einrüstung zwischen dem 1. Dezember 2007 und dem 31. Mai 2008 geschaltet werden, dafür entrichtet ein Außenwerbeunternehmen für einen Halbjahreszeitraum 156.000 Euro, für jeden verlängerten Monat weitere 26.000 Euro. Die Großflächenwerbung war im August 2007 durch den Bezirk ausgeschrieben worden. Hier jedoch übernimmt das Werbeunternehmen nicht gleichzeitig die Restauration, sondern der Bezirk ist federführende Instanz, die ein Architekturbüro für weitere Leistungen beauftragt hat.626 An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine Ausdifferenzierung in der Akteursbesetzung gestaltwirksamer Koalitionen stattfindet, denn das Werbeunternehmen zeichnet sich allein für die mediale Bestückung eines durch den Kraftver621 Interview B.13.d vom 31.05.07. 622 Drs 14/371 vom 12.07.00, BerlAbgH. Siehe auch Wortprotokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz 14/09, BerlAbgH. 623 Vortrag Senator Strieder während des 3. Symposiums „Lebendige Stadt“ in Leipzig am 10.10.03, Folie 10. URL: http://www.lebendige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/praesentation_strieder.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 624 Tagesspiegel vom 11.04.06. 625 Die Welt vom 24.03.07. Die Welt vom 21.03.05. Tagesspiegel vom 21.03.05. TAZ vom 12.03.04. Die Welt vom 29.03.03.Tagesspiegel vom 21.04.99. 626 Drs 16/11516 vom 05.12.07, BerlAbgH.
176
kehr hoch frequentierten öffentlichen Raumes aus, ist jedoch nicht für Restaurationsarbeiten und -management der Ausstattung desselben verantwortlich.
Abbildung 19: Stand des Brunnensponsorings in den Berliner Bezirken 2005/2006. Quelle: Eigene Darstellung.627
Abbildung 20: Werbefinanzierte Brunnenrestauration: Nike Werbekampagne anlässlich der Fußball-Europameisterschaft. Strausberger Platz/Karl-Marx-Allee. Abb 20a. (links): Gerüstwerbung als Dekoration und Kompensation. Abb 20b. (mittig): Aufmerksamkeitsgewinnung durch Überdimensionierung. Abb. 20c. (rechts): Raumgreifende Out-of-Home Intervention. Quelle: S. Knierbein. 627 Anmerkung: Hier werden hauptsächlich Abkommen mit den Außenwerbeunternehmen aufgeführt, es gibt darüber hinaus aber weiterhin noch einzelne Spender und Sponsoren wie etwa für den Brunnen der Völkerfreundschaft auf dem Alexanderplatz, für den Tanz auf dem Vulkan auf dem Nettelbeckplatz in Wedding und für den Pfauenbrunnen in der Holzmarktstraße im Bezirk Mitte. Die Zahlen können nur ungefähr für den Zeitraum zwischen März 2005 und März 2006 datiert werden. Da sich Brunnen-Koalitionen erst in einem Zeitraum zwischen 2000 und 2007 etablieren konnten, kann eine solche Graphik nur exemplarisch als Momentaufnahme verwendet werden, um die qualitative Veränderung der Koalitionslandschaft darzustellen. Datenquellen: Die Welt vom 19.03.05. Berliner Zeitung vom 19.03.05. Berliner Morgenpost vom 14.07.02. Webauftritt Ströer DSM. URL: http://www.stroeer.de/presse. 1143.0.html?newsid=928 (letzter Zugriff am 22.03.08).
177
Das Beispiel wird insbesondere durch Bündnis 90/Die Grünen und durch den Berliner Rechnungshof als positives Exempel erklärt, weil hier die freihändige Vergabe durch ein ordentliches Ausschreibungsverfahren ersetzt wurde. Dem vorangegangen war eine neuerliche – am Beispiel der jüngeren Hamburger Praxis orientierte – Hinwendung der parlamentarischen Debatte zu einer grundlegenden Revision der Vergabepraxis für Außenwerbung in Berlin. Zum ersten Mal wird hier öffentlich darauf hingewiesen, dass die von der Verwaltung veranschlagten Preise um ein Vielfaches unter den von den Außenwerbeunternehmen veranschlagten liegen, und dass das Land Berlin jährlich auf Einnahmen zwischen 20 und 50 Mio. Euro verzichtet. Das Beispiel Strausberger Platz veranschaulicht auch, dass Außenwerbung zunehmend als systematische Beschaffungsvariante für fehlende Ressourcen, in diesem Fall fehlendes Kapital, eingesetzt wird, wovon auch eine weitere Initiative der CDU in der BVV Mitte zeugt.628 Es ist deutlich, dass die verschiedenen Phasen des Eroberungsfeldzugs der Out-of-Home Unternehmen – es war die Rede von Wartehallen, Bedürfnisanstalten, Kiosken, Touristenleitsystemen, Denkmalen und Brunnen – im Berlin der 1990er Jahre zunächst verschiedene Bereiche der Stadtmöblierung, schließlich ebenfalls der Stadtsanierung von Artefakten in öffentlichen Räumen oder öffentlichen Bauwerken umfassten. Der Blick auf die Marktaktivitäten der jüngeren Praxis nach der Jahrtausendwende zeigt jedoch, dass verschiedene Akteure am grundlegenden Markterschließungsinstrument der werbefinanzierten Kompensationsgeschäfte in der Stadtentwicklung festhalten. Der nächste Abschnitt illustriert einen Vorstoß der Stadtraummedien in besonders sensible städtische Bereiche: öffentliche Grünflächen und Spielplätze. Laternenmuseum – Ein Vorstoß auf öffentlich gewidmete Grünflächen „Die zehn Jahre der Eile sind vorbei. Das merken auch die Landschaftsplaner, Architekten, Stadtplaner. Nach dem spekulativen Boom lässt die problematische Haushaltslage der Stadt neue Privatisierungsträume reifen. Energie- und Wasserversorgung, ebenso privatisiert wie öffentliche Toiletten und Brunnen. Grünversorgung – noch nicht. Doch wer gewährleistet in Zukunft Anlage und Pflege des Freiraumes? Die öffentliche Hand wird Auswege suchen. Schon heute hat man sich von qualitativen Zielen weitgehend verabschiedet und auf Grundsicherung umgeschaltet. Wie viel Freiflächenvorsorge ist fürsorglich, wie viel finanzierbar?“ (Schröder 2000, 9f.)
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass neben dem öffentlich gewidmeten Straßenland auch öffentlich gewidmete Grünflächen in der auf fundamentalen Legaldefinitionen des deutschen Planungsrechts beruhenden Formalsprache der Stadtplanungsämter als öffentliche Räume verstanden werden. Die Differenzierung erweist sich im Verwaltungsalltag als belangreich, da beide Konzepte auf unterschiedlichen rechtlichen Rahmenwerken basieren. Bezüglich der Außenwerbung ist der ungleiche Rechtsstatus wegweisend für eine mögliche Bestückung öffentlicher Räume mit Werbeträgern, denn: Auf öffentlichem Straßenland können Bauwerke und spezielle Sondernutzungen für das Aufstellen von Werbeträgern durch die öffentlichen Ämter genehmigt werden. Diese ganz gebräuchliche Sondernutzungspraxis regelt Ausnahmetatbestände, denn im Berliner Straßengesetz ist das Errichten von Außenwerbung auf öffentlichem Straßenland prinzipiell untersagt, kann jedoch im Einzelfall gestattet werden. Dieser Regelung wurde nach der Jahrtausendwende per Gesetz geändert. In öffentlich gewidmeten Grünanlagen ist Außenwerbung bis heute grundsätzlich untersagt. Der Unterschied zwischen beiden Gesetzesauslegungen – zumindest bis 2006 – bestand darin, dass – bezogen auf die Grünflächen – keine Baugenehmigungen für Werbeträger erteilt werden, weil diese per se einen Affront auf den Erhalt und Schutz städtischer Grünanlagen 628 DS 0735/III der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 08.04.08, Berliner Morgenpost vom 16.02.08.
178
darstellen. Werbung wird daher in öffentlichen Grünanlagen genauso wenig gemäß der Berliner Bauordnung toleriert und genehmigt, wie andere Bauwerke. Unter dem Vorzeichen der Haushaltsnotlage Berlins wird jedoch immer öfter auf den heruntergewirtschafteten Zustand des öffentlichen Raumes in beiden Bereichen verwiesen,629 obgleich sich aufgrund der skizzierten bau- und planungsrechtlichen Ungleichheiten sehr unterschiedliche Möglichkeiten bürgerschaftlichen und privatwirtschaftlichen Engagements ergeben. Dabei erkennt der OutdoorMedien Sektor nach der Eroberung öffentlichen Straßenlands in den öffentlich gewidmeten Grünflächen bisher noch gar nicht oder wenig umkämpfte Marktpotenziale und versucht, mittels diverser Markterschließungsstrategien Zugriff auf werbefreie urbane Landschaftsräume zu erhalten, wie aus folgendem Zitat ersichtlich wird: „[D]as ist mehr oder weniger hinter den Kulissen (...) passiert, da waren gar nicht viele Leute eingebunden. Plötzlich standen da drei Werbeanlagen mitten in der Grünfläche (...). Das (...) erzeugt natürlich (...) erst einmal einen Riesenärger, (...) so geht es (...) nicht, (…) was ist denn hier eigentlich los? Und das Agreement war (...), die Werbung wurde dann herausgenommen. Es verbleibt nur noch ein Hinweis. Zwar in der klassischen Werbeform, das sind Stadtinformationsanlagen, die dort stehen, ja, mit dem Laternenmuseum. Gut, darüber kann man noch streiten, ob so eine moderne Werbeform mitten in einer Grünfläche (...) Sinn macht, oder ob man da nicht mit anderen Formen von Hinweistafeln das eigentlich schöner gestalten würde. (...). Aber auch da stehen mittlerweile jetzt in Grünanlagen (...) zumindest die Werbeformen, wenn auch der Inhalt der Werbeformen in dem Fall jetzt nur die Geschichte des Laternenmuseums erläutert.“ (Interview Nr. B.14.d vom 04. Juli 2007)
Die Installation von Stadtinformationsanlagen im Bereich des westlichen Tiergartens/Straße des 17. Juni ist Resultat einer im Frühjahr 2006 durchgeführten Kooperation zwischen der Nuon Stadtlicht GmbH, der GASAG und der Wall AG, die sich als Sponsoren bei der technischen Wiederherstellung der Masten, Galgen und Kandelaber des Laternenmuseums im Tiergarten sowie bei der detaillierten Beschilderung und Bestückung der Museumsanlage mit Stadtmobiliar mit einem Budget von 100.000 Euro eingebracht haben.630 Das Laternenmuseum war 1978 von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen in Zusammenarbeit mit der GASAG AG eröffnet worden. Das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen hatte die Gunst der Stunde genutzt und auch Werbung auf den eigens von ihnen zur Verfügung gestellten Stadtinformationsanlagen angebracht. Dies löst eine verwaltungsinterne Debatte aus und schließlich musste die Werbung wieder entfernt werden, die aufgestellten Stadtinformationsanlagen verbleiben jedoch als Werbeträger in der Grünfläche, wenngleich die hier ausgestellte Information nun einen direkten inhaltlichen Bezug zum Gaslaternen-Freilichtmuseum aufweist. Hier ist versucht worden, einen ‘Ausnahmetatbestand’ ähnlich den bereits seit 1984 für das öffentlich gewidmete Straßenland bestehenden Ausnahmetatbeständen zu schaffen, durch die das Vorhandensein von Außenwerbung etwa an Bushaltestellen, Bedürfnisanstalten oder Infostelen als Ausnahme entgegen der Bestimmungen des Berliner Straßengesetzes toleriert wird. Unabhängig von dieser Kritik bleibt festzuhalten, dass das Laternenmuseum derzeit wieder in einen qualitativ guten Zustand zurückversetzt worden ist. Dieses Resultat ist das Ergebnis einer gestaltwirksamen Koalition zwischen drei privatwirtschaftlichen Unternehmen und der öffentlichen Hand. Erneut wird hier auch der ambivalente Beigeschmack solcher Interventionen deutlich: Es werden gemeinschaftlich qualitative Verbesserungen im Stadtraum initiiert und realisiert, aber unter welchen Rahmenbedingungen? Dass ein solches Vorgehen nicht ganz weit entfernt von den Realitäten der stadtentwicklungspolitischen Diskussion im Berliner Abgeordnetenhaus ist, zeigt ein bereits sechs Jahre 629 Drs 15/1518 vom 03.04.03 und Plenarprotokoll 15/29 vom 10.04.03, BerlAbgH. Siehe zum besorgniserregenden Zustand der Berliner Straßen Jahresbericht 1999, zum Zustand der Berliner Grünflächen Jahresbericht 2001 des Rechnungshofes zu Berlin. 630 Die Welt vom 27.04.06.
179
zuvor eingebrachter Beitrag des damaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann, der im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz dafür plädiert, die bereits geführte Brunnendebatte der vergangenen Jahre zugunsten einer Stärkung bürgerschaftlichen und wirtschaftlichen Engagements auch hinsichtlich der Berliner Grünflächen zu führen.631 Auch was den internationalen Kontext betrifft, gehen die in der Branche tätigen Experten davon aus, dass öffentliche Grünflächen in Zukunft ebenfalls zu einem hart umkämpften Terrain der Werbewirtschaft werden könnten.632 Dass solche Gedankenspiele gerade im letzten Jahr politische Wirklichkeit geworden sind, zeigt etwa die Haltung des Charlottenburger Baustadtrats Gröhler (CDU): „Falls sich die Finanzsituation weiter verschlechtert, könne er sich vorstellen, dass auch in Parkanlagen, die nicht denkmalgeschützt sind, geworben werden könnte. Warum sollte man nicht im Eingangsbereich statt Stiefmütterchen zu setzen, nicht zum Beispiel der Deutschen Bank erlauben, die Pflanzen in Form ihres Signet anzuordnen? Natürlich müsse die Werbung dezent erfolgen. Eines geht selbst Gröhler zu weit: Firmen dürften im Park keine Lautsprecher aufstellen, aus denen tönt: ‘Kaufen Sie unser Produkt!’“ (Spiegel-Online vom 05. Dezember 2007633)
Von Bedeutung erscheint hier auch der Zusammenhang zwischen Sponsorships im Bereich der Ökologie (Kap. 4) oder die Tatsache, dass die Wall AG ebenfalls seit dem Jahr 2002 die Grünflächenpflege für den Boulevard Unter den Linden übernommen hat.634 Dies ermöglicht dem Bezirk Mitte einerseits, 33.000 Euro im Pflegebudget für öffentliche Grünflächen zu sparen oder schlichtweg als Haushaltsposition gänzlich zu streichen, andererseits führt dies zum Abbau von ABM-Stellen des öffentlichen Sektors.635 Auch sei hier auf erste Anzeichen eines weiteren Vorstoßes verwiesen, der im Jahr 2007 noch in den Kinderschuhen zu stecken scheint: Die Finanzierung von Spielplätzen über Werbung und Sponsoring, ebenfalls forciert durch den Baustadtrat Gröhler im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.636 Resümierend kann festgehalten werden, dass die Werbewirtschaft sich mit Wartehallen, Klosetts und Kiosken zunächst auf klassische Stadtmöbel konzentriert hatte. Diese erste Phase wird ergänzt um eine zweite, in der es weniger um Stadtmöblierungen als vielmehr um Stadtsanierungen – Denkmale, Krankenhäuser, Brunnen – geht. Hier setzt sich in zunehmendem Maße eine Lockerung in der Raumlogik durch, da Dienstleistungen im Bereich der Denkmalrestaurationen jetzt etwa andernorts medial kompensiert werden können, vorrangig in zentralen öffentlichen Räumen. Schließlich eröffnet sich mit dem Vorstoß auf Grünflächen und Kinderspielplätze eine dritte Handlungssphäre im Bereich der Stadtunterhaltung in ökologisch und sozial äußerst sensiblen Bereichen. Aus der bisher erfolgten Darstellung dieses kontinuierlichen Eroberungsfeldzug der Aufmerksamkeitsökonomie in verschiedenste Bereiche der Stadtproduktion ist bisher jedoch noch nicht deutlich geworden, wie sich diese ständige Expansion auf das vermarktbare Werbeträgernetz der Privatwirtschaft auswirkt. Es wurden also bisher aus der Logik der öffentlichen Verwaltung heraus verschiedene Phasen identifiziert. Es erscheint vorübergehend erforderlich, ebenfalls die Perspektive der Werbewirtschaft einzunehmen, denn für sie ist von zentraler Bedeutung, wie sich die Kompensationsgeschäfte verschiedener Art dazu verwenden lassen, ihr Werbeträgernetz in zentralen öffentlichen Räumen auszubauen. 631 Debatte im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz 14/09 vom 12.07.00, BerlAbgH. 632 Interview Nr. D.7.b vom 16.10.06. 633 Spiegel Online vom 05.12.07. „Werbung auf Kinderspielplätzen. Mitspieler mit Verkaufsabsichten.“ URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-519030,00.html (letzter Zugriff am 03.06.08). 634 Handelsblatt vom 26.11.03. 635 TAZ vom 02.10.02. 636 Tagesspiegel-Online vom 19.11.07. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Spielplaetze-Char lottenburg-Wilmersdorf;art124,2422940 und Spiegel-Online vom 05.12.07. URL: http://www.spiegel.de/politik/deut schland/0,1518,druck-519030,00.html (letzter Zugriff am 03.06.08).
180
Zentrale öffentliche Räume als virtuelle Handlungssphäre gestaltwirksamer Koalitionen Out-of-Home-Kampagnen multimedial inszeniert Es ist bereits angesprochen worden, dass sich der Sektor der Stadtraummedien auf gewisse Standardformate spezialisiert hat (Anlage 3). Dabei konnten als Resultat der ersten Vertragswerke hinsichtlich der Wartehallen zunächst das kleinformatige Werbeformat des City Light Posters in Berlin durch das Handeln der Wall AG langfristig etabliert werden. Zusätzlich erhielt das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen spätestens ab dem 2. Toilettenvertrag die Möglichkeit der externen, also stadträumlich unabhängigen Kompensation, die sich in der Aufstellung großformatiger City Light Boards an den hochfrequentierten Ausfallstraßen des inneren Stadtgebiets räumlich manifestierten. Der Fall der werbefinanzierten Restauration des Strandbades Wannsee zeugt von einer Einführung eines neuen Werbeträgers, dem so genannten Megaflag, das erstens als Konkurrenz zu den standardisierten Werbeträgerformaten, zweitens als Ergänzung derselben verstanden werden kann. Speziell seit der Jahrtausendwende ist ein weiterer Werbeträgertyp im Stadtraum Berlins vorzufinden: die virtuelle Plattform in Gestalt von E-Terminals oder virtuellen Stadtinformationsanlagen. Am Beispiel einer Kampagne der Firma Henkel aus dem Jahr 2007 wird nun veranschaulicht, wie neben Posterplakaten auch virtuelle Werbeträger zunehmend in die Netzvermarktung von Stadtraumstandorten einbezogen werden. Netzweise bezieht sich hier einerseits auf die Möglichkeit der flächendeckenden, stadtweiten Verbraucheransprache, andererseits auf das sich zunehmend etablierende Netz aus untereinander verknüpften unterschiedlichen Werbeträgerformaten. Anlässlich des 100. Geburtstags ihrer Marke Persil bucht die deutsche Firma Henkel für den Januar 2007 eine Kombination aus verschiedenen Werbeträgern im Berliner und im Düsseldorfer Stadtraum bei der Wall AG. Mittels einer Kombination aus ganzflächiger Haltestellenwerbung und der so genannten Bluetooth-Technik an exponierten Standorten werden potenzielle Verbraucher per SMS eingeladen, sich die Musik aus einem Persil TV-Spot herunterzuladen.637 Von einem Bewegungsmelder gesteuert erklingt aus den Lautsprechern der ETerminals ebenfalls diese neue Persil-Symphonie. An Wartehallen im Bereich des Kurfürstendamms und der Tauenzienstraße soll die Aufmerksamkeit der Passanten darüber hinaus nicht allein mit visuellen und akustischen Reizen gewonnen werden, sondern ebenfalls mittels einer Berieselung durch stimulierende Düfte. Ein Kriterium, dessen Bedeutung für den Waschmittelkauf immer wieder betont wird. Auch die Internet-Terminals sind neben der Kundenansprache über die so genannte Bluetooth-Technologie in die Werbekampagne eingebunden. Bei Berührung des Touchscreens erscheint als Bildschirmschoner der Persil-TV-Spot, außerdem wird der im öffentlichen Raum surfende direkt mit der virtuellen Warenwelt der Marke verbunden.638 Doch damit nicht genug, denn die visuelle Ansprache der Verbraucher setzt gezielt auf eine Emotionalisierung durch Images: Neben einer Mutter mit Baby (‘100 Jahre reine Nähe’) werden ein kleines Mädchen mit Kuscheltier-Maus (‘100 Jahre reine Liebe’), ein Kleinkind (‘100 Jahre reine Zukunftv) und ein Paar (‘100 Jahre reines Gefühl’) dargestellt.639 Anhand der Persil-Kampagne wird deutlich, dass durch die Verknüpfung verschiedenster Werbeträger ebenfalls eine komplexe persuasive Sinnesansprache der Verbraucher im Stadt637 Handelsblatt vom 17.08.07. 638 Internetauftritt der Henckel-Marke Persil, URL: www.persil.de (letzter Zugriff am 24.03.08). 639 Siehe Internetauftritt von Henkel bezüglich der Beschreibung der Kampagne, URL: http://www.henkel.com/ cps/rde/xchg/SID-0AC8330A-0BC0F983/henkel_de/hs.xsl/7932_7995_DED_HTML.htm (letzter Zugriff am 24.03.08).
181
raum möglich geworden ist. Eventisierung und Emotionalisierung konnten hier gerade dadurch strategisch in der Außenwerbung eingesetzt werden, dass die neuen E-Terminals nicht nur das Potenzial eröffnen, einen Rückgriff auf die klassischen Instrumente der Internetwerbung zu ermöglichen. Nein, die Intelligenten Wartehallen sind deart schlau konzipiert worden, dass hier ebenfalls Hör- und Geruchssinn neben dem Sehsinn für eine kommerzielle Verbraucheransprache gleichzeitig aktiviert werden können. Je unterschwelliger solche Kampagnen daherkommen, desto weniger kann sich der an einer Haltestelle wartende potientielle Konsument ihnen entziehen. Das rationale Nicht-Wahrnehmen des komplexen Reizangebots erscheint ebenso unvermeidlich wie das Verhindern der emotionalen Ansprache. Die Aufmerksamkeitsökonomie umgarnt den Konsumenten vielfach, und gibt ihm darüber hinaus die Möglichkeit, sich interaktiv in die virtuellen Welten der Unternehmen leiten zu lassen, nicht nur umgarnt zu werden, sondern mit zu bestimmen, bis zu welchem Punkt diese Umgarnung im Stadtraum auch im virtuellen Raum stattfinden wird. Welche virtuellen Wege der Ansprache aber sind es, welche virtuellen Formate schließlich tragen zu dieser Verbraucheransprache im Stadtraum im Postfordismus bei? Der nachfolgende Abschnitt gibt exemplarisch Auskunft über marktgängige Formate der virtuellen Werbewelt. E-Terminals, Bluespot und Bluetooth – Seismographen einer herannahenden digitalen Wende „Das Plakat ist ein erster Impuls, um mobile Zielgruppen zu erreichen – das Einfallstor, durch das die Kunden in die digitale Welt der Unternehmen geführt werden.“ (Jan Hadorp, Ströer Geschäftsführer im Bereich Sales & Services, Interview mit dem Handelsblatt vom 17. August 2007)
Gegenwärtig lässt sich eine verstärkte Digitalisierung der Medien im Stadtraum erkennen und es ist zu konstatieren, dass die Stadt Berlin hier erneut als Experimentierfeld für eine Weiterentwicklung der Branche fungiert. Denn mit der Einführung des elektronischen Plakates steht die Außenwerbebranche in Deutschland in den kommenden Jahren vor dem Durchbruch eines neuen Mediums, so Udo Müller, Geschäftsführer der Ströer Gruppe.640 Wie können solche Prognosen vor dem Hintergrund Berlins verstanden werden? Welche Interventionen der virtuellen Werbewelt haben sich hier bereits etablieren können, welche sind gerade im Berliner Stadtraum auf dem Vormarsch? Im Mai 2000 trumpft die Wall AG mit ihrer neuesten Produktinnovation auf: Für die Intelligente Wartehalle, die das Unternehmen den Berliner Verkehrsbetrieben angeboten hatte, waren zuvor bereits ca. 500.000 DM in die Entwicklung des Produkts investiert worden. Als besonderes Highlight der Intelligent Series werden die so genannten E-Terminals vorgeführt (Abb. 21), die als Altäre umfassender Kommunikation betitelt werden. Jedoch erst drei Jahre später, im Mai 2003, werden die ersten mit modernster Kommunikationstechnik ausgestatteten Wartehallen an der Friedrichstraße festlich übergeben. Im Folgejahr gibt es in Berlin bereits 28 Standorte an zentralen Plätzen, zwölf weitere sind am Breitscheidplatz und am Flughafen Tegel geplant.641 Das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen ereifert sich aber nicht nur in der Bereitstellung der mit Informations- und Kommunikationstechnologie bestückten Stadtmöbelstücke – in diesen Terminals sind Telefonie, Internet, Printvorrichtungen, eine Webcam sowie Vorrichtungen für bargeldlosen Zahlungsverkehr integriert – , nein, die Wall AG geht einen Schritt weiter und versucht sich darin, diese Terminals mit medialen Inhalten auszustatten. Im Juli 2004 präsentieren Wall und Wirtschaftssenator Wolf den gemeinsamen Service für Arbeitssu640 Der Spiegel vom 04.03.07. Handelsblatt vom 27.12.04. 641 Tagesspiegel vom 23.05.05 und vom 13.05.03. FAZ vom 23.05.00, vom 16.11.04. Die Welt vom 28.07.04.
182
chende, die an den Terminals eine täglich durch die Arbeitsagenturen aktualisierte Liste freier Arbeitsplätze anbieten. Im November 2004 werden die Wartehallen durch die Wall AG zudem mit Nachrichten des Senders N-TV bestückt, die durch die Nachrichtenmanufaktur aufbereitet werden. Newsticker sind in der Karl-Liebknecht-Straße, der Potsdamer Straße/Ecke VarianFry-Straße sowie der Ecke Kastanienallee/U-Bahn Eberswalder Straße installiert. Mittels der E-Terminals wird also ein zusätzlicher öffentlicher Zugang zu Informationen in zentralen öffentlichen Räumen Berlins geschaffen. Doch das Informationsangebot der E-Terminals besteht nicht allein aus Bürgerinformationen und kostenlosen Angeboten, nein, es werden hier ebenfalls kommerzielle Informationen vermarktet, vom Screensaver über Bannerwerbung bis hin zu Pop-Up Werbeflächen, nahezu alles, was die klassische Internetwerbung zu bieten hat. Als dritte Säule des an den Terminals abrufbaren Informationbündels gilt www.bluespot.de, das digitale Kunden- und Stadtinformationssystem der Wall AG (Abb. 21).642
Abbildung 21: Informationen zum Bluespot-System an einer Tram-Wartehalle. Friedrichstraße. Abb. 21a. (links): Leitsystem mit dem Verweis auf kostenlose Nutzung. Abb. 21b. (mittig): Leitsystem auf dem Pflaster als Aufmerksamkeitsfaktor. Abb. 21c. (rechts): E-Terminal mit Kreditkartenschlitz. Quelle: S. Knierbein.
Einmal per Angabe seiner persönlichen Mobilfunknummer und mittels eines SMS-Bestätigungscodes eingeloggt, bietet das ‘Bluespot’-System eine soziale Kommunikationsplattform ähnlich wie Facebook o. ä., nur weitaus schlichter und mit direktem Stadtraumbezug. Die interaktive Kommunikationsplattform ermöglicht verschiedene Aktivitäten wie etwa das Anlegen eines persönlichen Nutzerprofils, das Filmen und Fotografieren mit der im Terminal eingebauten Webcam, das Drucken diverser Informationen mittels des integrierten Druckers sowie den Zugriff auf Online-Spiele, Handy-Bilder und Handy-Games, deren kostenpflichtiger Download erneut per Eingabe persönlicher Daten abgefordert werden kann. Auch Chatforen und Suchmaschinen für Bekanntschaften werden im Rahmen von Bluespot bereitgestellt, neben touristischen Informationen kommerzieller Natur. Jedoch kann sich der Stadtraumbesucher ebenfalls über seinen Standort mittels einer digitalen Stadtkarte informieren, die er sich auf sein tragbares Kommunikationsgerät (Handy, Palm, I-Book, etc.) senden lassen kann. Der Versand von E-Mails oder SMS sowie die Nutzung von W-LAN wird in der Regel für die ersten Minuten kostenlos angeboten, um potenzielle Benutzer der Angebote nicht zu vergrämen, denn schließlich geht es bei diesem Angebot auch dezidiert um das übergeordnete Ziel der individuellen Kundenansprache für die vielen kommerziellen Anbieter. 642 Siehe Internetauftritt des Bluespot Systems der Firma Wall, URL: http://www.bluespot.de (letzter Zugriff am 24.01.06).
183
Der Vorteil des Bluespot-Systems für den Outdoor-Mediensektor ist, dass derart die Kommunikation zwischen Händlern und Kunden revolutioniert werden kann, insbesondere, weil man sich nun im Stande sieht, den interaktiven Verbraucherkontakt im direkten räumlichen Umfeld des Verkaufsortes herzustellen, so Daniel Wall während der Inbetriebnahme von dreizehn weiteren Standorten am Kurfürstendamm im Mai 2005. Diese Art des lokalen Marketings kann durch zusätzliches Anbieten von digitalen Coupons, gefördert werden, die sich die Verbraucher auf ihr Handy senden lassen können. Mit dem Coupon lassen sich Rabatte in den zumeist im Umfeld gelegenen Geschäften des Einzelhandels beim Produktkauf einstreichen. Letztendlich funktioniert das System, wie die Wall AG als Betreiber der Bluespot-Homepage versichert, nach dem On-Demand-Prinzip, das heißt ohne Vertrag, ohne Abonnement und ohne Werbung. Der individuelle Konsument muss also willentlich den Download von diversen Informationen bestätigen. Viele der angebotenen Services sind jedoch nicht kostenlos (Tab. 5). Bluespotvorrichtungen findet man in den zentralen öffentlichen Räumen Berlins in Säulenform Unter den Linden, als E-Stadtinformationsanlage am Potsdamer Platz sowie als E-Terminal an der Friedrichstraße, sie sind also nicht auf ein Stadtmobiliarelement beschränkt.643 Das Berliner Pilotprojekt des Bluespot-Systems hat eine große Bedeutung für das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen, gilt es als Einstieg in die interaktive elektronische Außenwerbung, so Daniel Wall. Der Tagesspiegel jedoch prüft die W-LAN-Komponente des BluespotSystems mittels einer Recherche und befindet: Empfindliche Störungen durch andere Netze und Beeinträchtigungen, für die Arbeit nicht geeignet!644 Service
Preise in €
Service
Preise in €
Bilder und Fotos
0,99
Sehenswürdigkeiten
0,99
Klingeltöne
1,99
Stadtplan
0,99
Animationen und Screensaver
1,99
Partybilder
0,99
Spiele
2,99
Grußkarten und Webcam
0,99
Tabelle 5:
Preisliste für angebotene Bluespot-Services. Quelle: www.bluespot.de (letzter Zugriff vom 24.03.08). Quelle: Eigene Darstellung, beruhend auf Preislisten der Wall AG.
Die Wall AG bietet neben den mit dem Bluespot-System ausgestatteten E-Terminals auch noch weitere Möglichkeiten der interaktiven Kundenansprache mit ähnlichem Produktnamen an: ‘Bluetooth’.645 Bluetooth fungiert als digitale Schnittstelle, über die mobile Kleingeräte wie Mobiltelefone oder kleine Taschencomputer sowie Computer kabellos miteinander kommunizieren können. Dabei wird der Kontakt über die räumliche Nähe zwischen den über Mobiltelefone verfügenden Passanten und einem Mikrochip mit Sensor, der durch die Firmen am Stadtmobiliar angebracht wird, hergestellt. Die jeweiligen Handys oder vergleichbare Geräte müssen über eine integrierte Bluetooth-Schnittstelle verfügen, die aktiviert sein muss. Viele Schnittstellen sind jedoch automatisch bei Inbetriebnahme bereits aktiviert, ohne dass der Verbraucher davon weiß. Dies impliziert gewisse Risiken, denn über Bluetooth können beispielsweise Handyviren übermittelt werden. Im Herbst 2005 werden in Berlin zunächst Tests 643 Ibid. 644 Tagesspiegel vom 01.07.05. 645 Siehe Wall-Preisliste Deutschland 2008, S.27ff. URL: http://www.wall.de/imperia/md/content/wallde/mediasa les/7.pdf (letzter Zugriff am 24.01.06).
184
mit dem Bluetooth-Kommunikationssystem am Hackeschen Markt, am Potsdamer Platz sowie an drei weiteren Orten durchgeführt, bei denen 26.000 Handys mit aktivierter BluetoothSchnittstelle gezählt werden. 1200 davon (ca. 4,6%) laden sich nach erfolgter Testansprache eine Testreklame herunter. Zum Frühjahr 2006 schließlich werden 40 solcher Sender in BVGWartehallen und anderen Medien in zentralen öffentlichen Räumen der Hauptstadt geschaltet, deren Reichweite im Stadtraum etwa 50 Meter beträgt. Im September 2007 sind es bereits 100 Standorte in Deutschland, davon mindestens 50 in Berlin.646 Bluetooth-Elemente im Bereich der Außenwerbung werden – ähnlich wie ihre Namensschwestern, die Bluespot-Systeme – in der Außenwerbung eingesetzt, um interaktive Verbraucheransprache nahe den Points-of-Sale (POS) realisieren zu können. Oftmals sind die Funksender in Plakatvitrinen oder Billboards integriert, die beim Passieren eines Mobiltelefonbesitzers mit aktivierter Schnittstelle eine erste SMS an das geortete Gerät versenden. Daraufhin hat der Passant ein weiteres Download zu akzeptieren, um die Werbebotschaft zu erhalten. Ein ähnliches Angebot stellt ein dritter Weg der digitalen Kundenansprache im öffentlichen Raum namens ‘Poster to Mobile’ dar, der Passanten auffordert, ein auf dem Poster angegebenes Schlüsselwort per SMS an eine Nummer sendet, woraufhin – wie in der Persil Kampagne – ein Song downgeloaded werden kann. Mit den drei vermarktbaren virtuellen Werbeformaten Bluetooth, Bluespot und Poster to Mobile sind nur einige wenige der derzeit im Testbetrieb laufenden digitalen Avancen der Outof-Home Medienbranche vorgestellt worden, die bereits in Berliner zur Anwendung kommen. Diese stellen lediglich einen Vorgeschmack auf eine mögliche Beschleunigung der Marktentwicklungen dar, die gemeinhin der monatlich erwarteten Einführung digitaler Plakate beigemessen wird. Einige dieser Technologien sind bereits in Asien flächendeckend und in Europa punktuell im Einsatz. Sowohl die Wall AG als auch die Kölner Ströer Gruppe verweisen darauf, dass man sich innerbetrieblich auf die Umrüstung bestehender nicht-digitaler in digitale Werbestandorte vorbereitet, bisher jedoch noch mit technischen Schwierigkeiten kämpfe.647 Anhand dieser Perspektiven wird ein anderer Aspekt der territorialen Erschließungsstrategie des Out-of-Home Mediensektors der letzten zwei Dekaden in Berlin deutlich: Nachdem man zuerst darum bemüht war, Genehmigungen für das Aufstellen von Werbeträgern auf öffentlichem Straßenland zu erlangen, ist man nach dieser ersten quantitativen Herangehensweise darauf bedacht, die bereits genehmigten Standorte umzurüsten. Dies kann plastisch am Beispiel der CLPs und CLBs erklärt werden: War anfangs nur ein statisches Motiv für einen gewissen Zeitraum vermarktbar, so wurde mittels später installierter Wechseltechnik der einzelne Standort aufgerüstet, an einem Standort sind demzufolge jetzt täglich mehrere Kampagnen vermarktbar. Die Werbekunden lassen sich in der Regel auf diese Neuerung ein, da durch die Wechselbewegung zusätzlich ein Aufmerksamkeit bindender Aspekt entsteht und somit die Reichweite ihrer Kampagne trotz verringertem Zeitraum der Disponierung erhöht werden kann. Einzelne Standorte können daher also mehrfach vermarktet werden. Mit der Aussicht auf eine weitere Umrüstung einzelner Standorte von der manuellen Informationsanbringung hin zu einer digitalen Datenübermittlung kann diese bereits geschehene Wertsteigerung pro Standort noch einmal vervielfacht werden. Einschränkender Faktor hier ist die Knappheit der Ressource Aufmerksamkeit (Kap. 2). Denn mit zunehmender medialer Ausbeute eines Standortes erübrigen sich andere Standorte, so dass es in Einzelfällen zum Rückbau kommen kann. Gerade aber die zuletzt beschriebene Facette der stadträumlichen Erschließungsstrategie des Out-of-Home Sektors unterscheidet sich qualitativ von den bisherigen, da es nicht allein darum geht, mittels der Verquickung von Stadtmöbeln und Werbeträgern Standorte für die 646 Tagesspiegel vom 24.01.06. 647 Interview C.10.d vom 13.12.06. Handelsblatt vom 17.08.07.
185
Vermarktung zu akquirieren. Darüber hinaus wird hier vor allem die Vernetzung zwischen medialer Rezipientenansprache im Stadtraum und in der virtuellen Welt des Internets realisiert. Hier stellen die Out-of-Home Profis nicht allein den Werbeträger, sondern gleichzeitig auch einen Großteil des zusätzlichen Informationsprogramms bereit, wie etwa das unter Bluespot beschriebene Informationsbündel zu Kunst, Kultur und Konsum, zu Restaurants, Hotels und Ämtern, und schließlich zu Informationsabfrage, Informationsteilnahme und Informationsaustausch im und über den physischen Stadtraum Berlins, darüber hinaus und damit verschränkt im virtuellen Stadtraum Berlins. Ähnlich wie in anderen Mediensparten muss dieses Zusatzangebot so zugeschnitten sein, dass die Zuschauer und Zuhörer im Stadtraum Interesse daran finden, es wahrzunehmen und anzunehmen. Dadurch stellen sie selbst interaktive Ansatzpunkte neuer Möglichkeiten (kommerzieller) Kommunikationspolitiken dar. Zwei Jahrzehnte werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte – Ausnahmetatbestände Bisher wurde dargestellt, wie es die Akteure der Aufmerksamkeitsökonomie im Bereich des werbewirtschaftlichen Marktsegments Stadtmöblierung vermocht haben, sich auf vielfältige Weise in unterschiedlichste Bereiche der Stadtproduktion einzubringen. Mal geschah dies über Impulse seitens des Marktes, mal über klassische Ausschreibungsverfahren wie Gestaltwettbewerbe. Mal wurde direkt am bereitgestellten Objekt kompensiert, mal diente das Stadtmöbelstück nur dazu, andernorts Werbestandorte zu legitimieren. Mal wurde allein Werbung bereitgestellt, und eine Abgabe an den Fiskus dafür entrichtet, mal ging die Kompensation bis hin zu Komplettpaketen für Wartehallen und Bedürfnisanstalten, bei denen nicht nur das Produkt geliefert und errichtet wird, sondern auch für einen langfristigen Zeitraum zwischen zehn und dreißig Jahren gepflegt, gewartet und repariert wird. Dass das Kompensationsmodell erfolgreich ist, zeigen insbesondere die Beschäftigtenzuwächse bei den Unternehmen im Bereich der Stadtmöblierung: Die Wall AG etwa hat sich innerhalb von etwa zwei Dekaden zu einem mittelständischen Multinational entwickelt, das über die Grenzen Deutschlands hinaus vor allen Dingen in Osteuropa, aber auch andernorts Wirkungsmacht entfalten konnte, wohlgemerkt nahezu immer in Form von gestaltwirksamer Koalitionen mit öffentlichen Akteuren und Institutionen.648 Vor allem durch Marktimpulse wurde die Kompensationslogik überhaupt erst stadtpolitisch salon- und wandelhallenfähig gemacht, um im Anschluss daran verschiedene Phasen der Verselbständigung zu durchlaufen. In der Summe dieser Fälle wurden über einen Zeitraum von etwa zwei Dekaden immer wieder Ausnahmetatbestände praktiziert, die oftmals im Graubereich des geltenden Vergaberechtes lagen.649 Diese Grauzone wurde durch die starke Alleinstellung der Berliner Wall AG seit 1984 hinweg zusätzlich vernebelt, bis es schließlich zur ersten strukturell bedeutenden Marktöffnung im Zusammenhang mit der Sanierung von Brunnen und Denkmalen gekommen ist. Dieser Phase folgt schließlich im Jahr 2006 eine Anpassung rechtlicher Regulierungsinstrumente, die im folgenden Abschnitt erläutert werden soll.
648 Siehe Internetauftritt der Wall AG hinsichtlich der Beschäftigtenzuwächse. URL: http://www.wall.de/de/com pany/facts/employees/index.asp (letzter Zugriff am 27.06.08). 649 Handelsblatt vom 26.11.03.
186
Planerische Fehlstarts und die Deregulierungserfolge einer wirtschaftsfreundlichen Stadtentwicklungspolitik in Berlin „Die staatlichen Aufgaben müssten ebenso definiert werden wie die Bereiche, aus denen sich der Staat zurückziehen [muss], um die Aufgabenwahrnehmung Privaten zu überlassen.“ (Statement der Staatssekretärin Dunger-Löper, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin im Jahr 2005 bezüglich der geplanten Änderung der Berliner Bauordnung650)
Unschwer lässt sich aus dem Zitat die politische Hinwendung zu Mechanismen der Deregulierung und der Privatisierung im Berlin des gerade begonnen 21. Jahrhunderts erkennen. Wie jedoch manifestiert sich ein programmatischer Wechsel in Richtung des staatlichen Rückzugs auf seine Kernaufgaben in einschlägigen Instrumenten der Stadtentwicklungspolitik, etwa im Baurecht? Inwiefern berühren gesetzliche Änderungen die Handlungssphäre gestaltwirksamer Koalitionen der werbefinanzierten Stadtproduktion in Berlin zentrale öffentliche Räume? Nachfolgend werden zunächst erste zaghafte Versuche der regressiven Steuerung der Stadtmöblierung und Außenwerbung im Stadtraum und ihr (stilles) Scheitern dargestellt. Anhand zweier klassischer Instrumente der fordistisch geprägten Berliner Stadtentwicklungspolitik – der Berliner Bauordnung (Baurecht) und dem Berliner Straßengesetz (Baunebenrecht) – wird nachfolgend dargestellt, ob und wie sich daran anschließend ein stadtentwicklungspolitischer Paradigmenwandel vollzieht, und wie die zuvor beschriebenen Ausnahmetatbestände im Bereich der Stadtraummedienkonzessionen in diesen Zusammenhang eingeordnet werden können. Schließlich wird mit dem Hinblick auf Rahmenpläne erneut der Blick auf die Bedeutung der Senatsebene für die Realisierung werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte gelenkt, bevor beschrieben wird, wie die Einführung veränderter Richtlinien auf Europäischer Rechtsebene im Bereich der Konzessionen, speziell der Dienstleistungskonzessionen, für veränderte Vorzeichen der lokalen Stadtentwicklungspraxis sorgt. Ein verunglückter Rahmenplan Werbeanlagen, ein unveröffentlichtes Handbuch Stadtmobiliar und ein verschollener StEP Öffentlicher Raum „Ich bin sehr für Wettbewerb, auch bei der Außenwerbung in den Städten. Wir werden demnächst Standorte für die großen City Light Boards in der Stadt ausschreiben, wir ziehen das von den Bezirken an uns, denn die Genehmigung dort ist, wie ich gezeigt habe, ja ein Problem. Wir werden Stellen definieren in der Stadt, an denen wir es für richtig oder für verträglich halten, dass geworben wird. Ich weiß nicht, ob das 1000 Standorte sind oder 2000 in einer so großen Stadt wie in Berlin. Das muss man sich anschauen. Dann wird es ein Wettbewerbsverfahren geben. Und wir werden sehen, wer der Stadt was dafür bietet.“ (Strieder, ehemaliger Berliner Senator für Stadtentwicklung 2003651)
An dieser Stelle stehen Worte des ehemaligen Senators Strieder, die einen Einblick in die Denkweise politischer Protagonisten zu Zeiten postfordistischer Transformationen geben. In diesen Zeitraum fallen drei Versuche der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Entwicklungen öffentlicher Räume allgemein und speziell ausgerichtet auf die Problematik der Außenwerbung zu steuern. Es sei vorangestellt: Alle drei scheiterten, mehr oder minder still. Seit dem Jahr 2000 arbeitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an einem Werbeanlagenkonzept, dem Rahmenplan Werbeanlagen, der als übergreifende Planungs- und Entscheidungshilfe für Werbewirtschaft und Genehmigungsbehörden dienen soll. Als wesentliche 650 Sitzung Nr. 15/49 des Ausschusses für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Informationstechnik vom 25.08.05, BerlAbgH. 651 Podiumsdiskussion „Moderne Medien im öffentlichen Raum“, 3. Symposiums „Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“ der Stiftung Lebendige Stadt, am 10.10.03 in Leipzig. URL: http://www.lebendigestadt.de/shared/nps/symposium2003/podiumsdiskussion_moderneme.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08).
187
Inhalte eines solchen Konzeptes werden die Bestimmung von öffentlichen Räumen mit unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit (werbefreie Zonen), Reglementierungen bezüglich der Häufung und Form der Anlagen, entsprechende Rechtsgrundlagen sowie eine Auflistung der Anforderungen verschiedener Akteure an die jeweiligen Standorte genannt. Die Arbeit an diesem Rahmenplan wurde bereits bis 2002 aufgrund von Personalmangel (!) das erste Mal eingestellt.652 Im Frühjahr 2004 schließlich erhalten die Berliner Bezirke ein Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hinsichtlich der Ausstattung öffentlichen Straßenlandes mit Billboards. Es informiert darüber, dass ein stadtweit geltender Rahmenplan in Arbeit sei, um durch eine einheitliche Regelung in den Bezirken Mehreinnahmen für die Genehmigung solcher Werbeträger zu erzielen.653 Dieser Rahmenplan ist auch acht Jahre nach der Aufnahme der Arbeit an ihm nicht in Kraft getreten. Heute wird dieses Vorhaben als gescheitert angesehen, denn letztlich hat dieser Vorstoß der regressiven staatlichen Regulierung weder unter Senator Strieder noch unter seiner Nachfolgerin Senatorin Junge-Reyer planungspolitische Relevanz erlangt. Als zentrales Argument für das Scheitern des Projekts wird angeführt, dass für seine Durchsetzung bisher die breite politische Unterstützung fehlte.654 Erst im Frühjahr 2008 scheint die Debatte um ein solches Instrument der Regulierung der Aktivitäten der Werbewirtschaft in öffentlichen Räumen neu entfacht zu werden, denn mittlerweile erkennt auch die Stadtpolitik die ökonomische Tragweite der medialen Bespielung öffentlicher Räume.655 Etwa in der gleichen Zeitspanne entsteht in der Architekturwerkstatt der Senatsverwaltung von Berlin ein reichlich bebildertes Handbuch Berliner Stadtmobiliar. Darin werden alle verschiedenen Typen von Stadtmobiliarelementen kartiert und charakterisiert, und per Fotodokumentation systematisiert. Jedoch kann auch diese knapp 100-Seiten starke Publikationsvorlage als erfolgloser Versuch, die planerische Debatte über die Stadtmöblierung nachhaltig zu befruchten, gewertet werden. Selbst der damalige Senatsbaudirektor Stimmann weist dem Werk zu geringe Aussagekraft für planerische Empfehlungen zu. Das mag dadurch bedingt sein, dass es in der Publikationsvorlage eher um ein kulturhistorisches Verständnis von Stadtmobiliar geht, aber nicht mehr als vier der rund hundert Seiten des angedachten Buches der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadtmöblierung, geschweige denn ihrer Akteure, gewidmet sind. Ergebnisse des mehrjährigen Projektes, das 2004 fertiggestellt wird, erlangen keinen planungsrelevanten Status. Das Werk ist bisher nicht veröffentlicht worden.656 Mit dem Stadtentwicklungsplan (StEP) Öffentlicher Raum wird seit 1999 im Kontext des ‘Planwerk Innenstadt’ versucht, die städtebauliche Ausrichtung des Planwerks mittels eines sektorialen Plans auf das Netz öffentlicher Räume zwischen Alexanderplatz und Breitscheidplatz zu übertragen. Die Kriterien für die Entwicklung eines solchen Netzes sind vorrangig städtebaulicher Natur, so werden etwa Sichtachsen im Stadtraum ausgemacht, die es zu schützen gilt. Der Ansatz beinhaltet drei systematische Ebenen: erstens, die Bestandsaufnahme der Stadtstruktur nach den Kriterien Nutzung, Nutzerdichte, Bebauung und Stadtkörper sowie deren Interpretation im Sinne eines Vorrangnetzes öffentlicher Räume in den Kategorien Funktionsräume, Gestalträume und Verkehrsräume. Als Instrument wird hier etwa die 3DSimulation von Großprojekten angeführt. Als zweiten Schritt sieht der StEP Öffentlicher Raum die Definition von Problemen und Zielen auf stadtweiter Ebene vor. Hier sollen städtische Räume priorisiert werden, um gezielte räumliche Vorgaben für die Stadtpolitik zu schaffen. Konkret bedeutet dies, dass mittels des Erstellens von Steckbriefen von einzelnen Orten 652 653 654 655 656
188
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2002, 34. Drs 15/20304 vom 17.03.04, BerlAbgH. Interviews A.11.d vom 31.01.07 und B.14.d vom 04.07.07. Drs 16/1118 vom 15.01.08, BerlAbgH. Interview A.11.d. vom 31.01.07. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2002, 34.
Handlungsbedarf für städtebauliche Interventionen definiert werden soll. Drittens soll das Erarbeiten globaler Leitlinien und -bilder sowie Strategien und Konzepte dazu dienen, den sektorialen Plan in übergeordnete Planwerke einzupassen oder Verbindungen zu anderen sektorialen Planungen herzustellen. In Projekten und Programmen sollen öffentliche und private Maßnahmen wirkungsvoll koordiniert und gekoppelt werden. Hier geht es um Ressourcen und Instrumente der Entwicklung öffentlicher Räume. Zusammenfassend werden Thesen für eine nächste Phase der planerischen Konkretisierung verfasst. Und obwohl man an der Multidimensionalität der Thesen bereits erkennen kann, dass ansatzweise versucht wird, der Komplexität zentraler öffentlicher Räume auch im Sinne eines veränderten Raum- und Planungsverständnisses gerecht zu werden, wird der StEP Öffentlicher Raum heute als weiterer vergeblicher Versuch der Senatsverwaltung betrachtet.657 Er vermag es als stockend entwickeltes, statisches Planwerk nicht, der real existierenden rasanten Transformation zentraler öffentlicher Räume auch nur annähernd zu entsprechen.658 Im Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020 findet das mehrjährig erarbeitete sektoriale Planungswerk nicht einmal mehr Erwähnung. Bis zum Jahr 2008 können diese drei jüngeren Ansätze staatlicher Regulierung der Entwicklung öffentlicher Räume als – mehrjährig bearbeitete – Fehlstarts der öffentlichen Stadtplanung gewertet werden. Ob dies daran liegt, dass man versucht, neue Phänomene mit altem Handwerkszeug zu bearbeiten, also komplexe Raumdynamiken mit als statisch beschriebenen, vorrangig an einer städtebaulichen Dimension von öffentlichem Raum orientierten Planwerken beizukommen, oder ob die Gründe für das Versagen planerischer Vorstöße gar im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Planung und Stadtentwicklungspolitik zu suchen sind, darüber geben die Veränderungen der entsprechenden Instrumente der Stadtentwicklungspolitik, konkret des Straßen- und des Baurechtes Auskunft. Man darf sich aber, und das sei vorangestellt, sicher sein, dass es auch hier wieder vielfältige Gründe sind, die zur Blockade der Stadtplanung in Bezug auf das Handeln sich herausbildender gestaltwirksamer Koalitionen beitragen. Die radikale Verschlankung des Berliner Straßengesetzes Das gegenwärtige Berliner Straßengesetz, das die Sondernutzungen öffentlichen Straßenlands (§11) inhaltlich regelt, ist am 13. Juli 1999 erlassen worden und tritt noch im selben Monat in Kraft.659 Es wird zuletzt durch Artikel I des Zweiten Gesetzes zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung vom 14. Dezember 2005 durch das Berliner Abgeordnetenhaus geändert.660 Diese letzte Änderung hat im Bereich der Sondernutzungen öffentlichen Straßenlandes gravierende Umwälzungen in der planerischen und straßenrechtlichen Praxis mit sich gebracht. Denn Sondernutzungserlaubnisse sind nun nicht mehr generell zu versagen (repressives Verbot mit Bewilligungsvorbehalt), sondern generell zu erteilen, sofern dem kein öffentliches Interesse entgegensteht (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Dies spiegelt sich in der Änderung zentraler Formulierungen wieder: Steht in der Version von 1999 noch, dass „die Erlaubnis nach Absatz 1 (...) zu versagen [ist], wenn öffentliche Interessen der Sondernutzung entgegenstehen und diesen nicht durch Nebenbestimmungen Genüge getan werden kann“661, so ist in der bis dato letzten Änderung davon die Rede, dass „die Erlaubnis (...) in der Regel erteilt werden [soll], wenn überwiegende öffentliche Interessen der Sondernutzung nicht entgegenstehen oder 657 658 659 660 661
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Lehmann (2008, 105). Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Lehmann (2008, 105). Gesetzesbeschluss vom 13.07.99, veröffentlicht im GVBl. Nr. 29, vom 13.07.99, S. 380ff. Gesetzesbeschluss vom 14.12.05, veröffentlicht im GVBl. Nr. 43, vom 24.12.05. Gesetzesbeschluss vom 13.07.99, veröffentlicht im GVBl. Nr. 29, vom 13.07.99, S. 380ff.
189
ihnen durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis entsprochen werden kann.“662 Diese Änderung kann dadurch erklärt werden, dass die Berliner Bezirksämter und die Senatsverwaltung seit den 1990er Jahren mit einer zuvor nicht da gewesenen Vielfalt an neuen Sondernutzungsformen konfrontiert gewesen sind, die öffentliche Räume in Berlin in den letzten Jahren geprägt haben. Diese sind jedoch nicht allein auf zunehmende Eventisierung und Festivalisierung zurückzuführen, sondern auch auf neue kommunikationsstrategische Ansprüche verschiedener gesellschaftlicher Akteure und Institutionen an zentrale öffentliche Räume (Kap. 4). Denn auch andere gesellschaftliche Akteure und Institutionen wie etwa Scientology – diese Vereinigung ist gesetzlich nicht verboten, wird aber durch den Verfassungsschutz beobachtet – haben vor der Änderung begonnen, die sich neu darbietenden Navigationsräume der Öffentlichkeitsarbeit auszuspähen.663 Die Vereinigung hatte im Juni 2004 im Rahmen einer umstrittenen Informationsveranstaltung ein gelbes Zelt an einem besonders symbolträchtigen Ort direkt gegenüber dem Berliner Dom auf dem Schlossplatz beantragt. Der Bezirk Mitte erlaubt die siebentägige Veranstaltung schließlich, da das Straßenrecht „kein geeignetes Mittel“ sei, um „Informationsveranstaltungen (...) von verfassungsmäßig nicht verbotenen Organisationen zu unterbinden.“664 Außerdem hatte sich die Vereinigung ein Jahr zuvor das Aufstellen eines Zeltes auf dem Alexanderplatz gerichtlich erstritten. Es kommt zu vehementer Kritik dieser Erlaubnis in der Presse, in der Politik sowie durch die Verantwortlichen der Domgemeinde.665 Auch aufgrund weiterer Fälle im Grenzbereich bestehender rechtlicher Regulierungsinstrumente, die langwierige Rechtsverfahren nach sich gezogen hatten, entschließt sich das Land Berlin, Bürokratie durch die Verschlankung des Berliner Straßengesetzes abzubauen und die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes zu deregulieren. Somit hat der Stadtstaat seine eigene Wirkungsmacht dezidiert verringert, er reguliert jetzt reaktiv, kaum noch vorbeugend. Trotz umstrittener Einzelfälle kann die Öffnung des Berliner Straßengesetzes zunächst als gesellschaftlich gewinnbringend gewertet werden, denn nach heutiger Gesetzeslage wird verschiedensten Akteuren aus dem Non-Profit-Sektor sowie aus der Wirtschaft grundsätzlich ein Recht zum Erhalt einer Sondernutzungserlaubnis und damit zur legalen Beanspruchung öffentlicher Räume in Aussicht gestellt. Ein Stück mehr Demokratie in der Praxis, wie es scheint. Denn für Bürger, Besucher oder Bewohner ebenso wie für Event-Entrepreneure, Stadtmöblierer und Gastwirte entstehen neue Handlungsräume, die durch weniger bürokratische Verfahren erschlossen werden können. So reagiert Stadtpolitik schließlich im Jahr 2005 auf veränderte gesellschaftliche Muster, auf die Veränderungen zentraler öffentlicher Räume der vergangenen Dekaden, konkret auf die Vielfalt der kaum noch durch die Verwaltung zu bewältigenden Anfragen, und auf die Vielseitigkeit der Gegenstände der Anträge. Sondernutzungen werden nun auch zunehmend auf mehrere Jahre befristet erteilt, was den routinemäßig mit Sondernutzungen befassten Akteuren, den Gastwirten, Event-Entrepreneuren und werbenden Stadtmöblierern den alljährlichen Gang zum Bezirksamt erspart. Jedoch sind diese Veränderungen ebenfalls kritisch zu bewerten. Denn die staatliche Regulierung öffentlicher Räume hatte vor allem dem Zweck gedient, Partikularinteressen gegeneinander abzuwägen, und im Sinne eines normativ formulierten Gemeinwohls zu entscheiden, welche Arten von Handlungen genehmigt werden können. So fungierte der Staat (in seiner idealisierten Form) auch in der Rolle, eine Balance zwischen den schwächeren, weniger durchsetzungsmächtigen Interessen des Non-Profit Sektors gegenüber den durchsetzungsstarken 662 663 664 665
190
Gesetzesbeschluss vom 14.12.05, veröffentlicht im GVBl. Nr. 43, vom 24.12.05, S. 754ff. DS 1375/II der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 17.06.04. DS 1375/II der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 28.09.04. Berliner Morgenpost vom 23.06.04, vom 04.06.04 und vom 03.06.04.
Interessen der Privatwirtschaft im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Gebrauchswertes dieser Räume zu etablieren. Dass die nun realisierte Art der Deregulierung vor allem aber als Anpassung der Stadtpolitik an die Bedürfnisse der Wirtschaft verstanden werden kann, geht unmittelbar aus der Begründung der Gesetzesvorlage hervor: „Im Interesse am Wirtschaftsstandort Berlin und an einer umfassenden Verwaltungsvereinfachung gibt es keine Alternative zu diesem Gesetzentwurf, der für bestimmte Bereiche dringend notwendige Vereinfachungen vorsieht.“ (Auszug aus der Begründung der Gesetzesvorlage für die Änderung des Berliner Straßengesetzes666)
Dennoch hat die erfolgte Deregulierung einige ihrer Ursachen gar verschärft. So hat sich seit ihrem Inkrafttreten erneut eine weitere Antragswelle mit einer erneut wachsenden Vielfalt der Genehmigungsgegenstände ergeben. Dies wird als durchaus problematisch bewertet, denn für jede Erlaubnis „neuer Nutzungen“ statuiert man ein Exempel und damit auch Begehrlichkeiten bei anderen Nutzern.667 Die Beweislast ist jetzt umgekehrt, so muss die Verwaltung bei Versagen einer Genehmigung aufzeigen, warum eine beantragte Individual- oder Kollektivnutzung nicht im Sinne eines Gemeinwohls ist.668 Es wird deutlich, dass die Berliner Stadtpolitik die Vormachtstellung der öffentlichen Verwaltung gegenüber den Nutzern eingeschränkt hat, was impliziert, dass die mit der Implementation befassten öffentlichen Akteure nicht mehr den Prinzipien einer antizipierend-steuernden, sondern einer reaktivregulierenden öffentlichen Stadtpolitik folgen. Aufgrund der Fülle neuer Probleme, die diese Regelung bereits in den ersten Jahren hervorgebracht hat, versucht man mittlerweile, diesem ersten Schritt der radikalen Deregulierung einen nächsten der vorsichtigen Re-Regulierung folgen zu lassen.669 Staatlichen Akteuren sollen demnach erneut größere Entscheidungsspielräume eingeräumt werden.670 Die Umwälzungen im Bereich des Berliner Straßengesetzes werden von einer grundlegenden Neuordnung der Gebührenordnung für Sondernutzungen öffentlichen Straßenlandes flankiert (Abb. 22), die sich der neuen Genehmigungsvielfalt als erweiterter Einnahmequelle bedient.671 Zuerst ersetzt man das Entgeltsystem durch ein Gebührensystem, um zukünftig bei Streitigkeiten nicht mehr in den gerichtlichen Arenen des privaten, sondern des öffentlichen Rechts zu fechten. Auch für die Bemessung der Gebühren seit der Novelle ist nicht allein der wirtschaftliche Vorteil des Antragstellers ausschlaggebend, sondern bemessen wird ebenfalls hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Dauer der jeweiligen Sondernutzung (Anlage 11).672 Erste Anzeichen für eine Reform der Gebührenordnung der Sondernutzungsgebühren für öffentliches Straßenland zeichnen sich bereits zuvor, im Jahr 1995 im Altbezirk Mitte ab: Hier verändert der Bezirk die damalige Berechnungspraxis, weil man sich bei zunehmendem Haushaltsdefizit eine Einnahmeerhöhung von 2,2 Mio. DM für den kommunalen Haushalt 1997 verspricht.673 Dies soll mittels einer qualitativen Klassifizierung der Lagewerte über das Kriterium des wirtschaftlichen Vorteils realisiert werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die Entgeltsätze in attraktiven Hauptgeschäftsstraßen höher angesetzt werden als die in Geschäftsstraßen mittlerer oder geringerer Attraktivität.674 Diese Klassifizierung orientiert sich – so sieht 666 Drs 15/ 3584 vom 17.01.05, BerlAbgH. 667 Interview B.14.d vom 04.07.07. 668 Interview D.21.d vom 24.06.08. 669 Drs 16/1118 vom 16.01.08, BerlAbgH. 670 Interview A.11.d vom 31.01.07. 671 Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Sondernutzung öffentlicher Straßen vom 12.06.06 (Sondernutzungsgebührenverordnung), veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 24.06.06. 672 Vgl. §11 (9) BerlStrG. 673 DS 356/96 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 21.11.96, S.1ff., Aktenbestand D-Rep 050-01 „Bezirksverwaltung Mitte von Berlin“, Nr. 55, Landesarchiv Berlin. 674 DS 162/96 der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 24.05.96.
191
es zumindest ein parlamentarischer Antrag der FDP-Fraktion vor – am Zentrensystem des Flächennutzungsplans und des Stadtentwicklungsplans Zentren und Einzelhandel. Als Anlass für die realisierten Änderungen wird vor allem das erwartete Außerkrafttreten alter Ausführungsvorschriften des Berliner Straßengesetzes von 1985 gesehen. Kurzum, die Wertigkeiten öffentlichen Straßenlandes sind bereits vor der Novelle des Berliner Straßengesetzes im Bezirk Mitte von Berlin revidiert worden. Mittels der Verschlankung des Berliner Straßengesetzes wird diese Klassifizierung in verfeinerter Form für das gesamte Berliner Stadtgebiet eingeführt. Diese Entwicklung kann als Indikator für eine neue politökonomische Hinwendung zum öffentlichen Raum gewertet werden, die – nebenbei erwähnt – bereits durch die Standortpolitik der Außenwerbeunternehmen langjährig im Vorfeld ähnlich praktiziert worden ist, denn auch sie sind es, die die Bemessung des Wertes einzelner Standorte anhand ihrer konkreten Frequentierung durch kaufkräftige Gruppen vornehmen. Seit Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung wird je nach Lage preislich differenziert, wo zuvor ein stadtweiter Einheitspreis von 15,34 Euro pro Quadratmeter Werbefläche/Monat zu zahlen war, so liegt das Preisspektrum nun zwischen 15 Euro und 19,50 Euro (Tab. 6). Die Ausdifferenzierung der ökonomischen Bewertung öffentlichen Straßenlands kann jedoch nicht allein auf die Standort-Klassifikationen aus dem Bereich der Außenwerbung, sondern gleichermaßen auch auf die ungleichmäßige Nachfrage nach Veranstaltungsorten und Schankvorgärten in den zentralen und nicht zentralen öffentlichen Lagen der Stadt zurückgeführt werden. pro Monat/m² Werbefläche alt neu Wertstufe I
€ 19,50
Wertstufe II Wertstufe III Wertstufe IV Tabelle 6:
€ 15,34
€ 18,00 € 16,50 € 15,00
Veränderungen der Gebühren für Sondernutzungserlaubnisse bei Werbeflächen im öffentlichen Straßenland. Quelle: Eigene Darstellung.675
675 Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Sondernutzung öffentlicher Straßen vom 12.06.06 (Sondernutzungsgebührenverordnung), veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 24.06.06.
192
Abbildung 22: Wertstufenklassifizierung für Sondernutzung im Bezirk Mitte von Berlin (neu) nach dem 12. Juni 2006. Quelle: Eigene Darstellung.676
Die geplante Zuständigkeitszentralisierung für Sondernutzungserlaubnisse auf Senatsebene steht im Zusammenhang mit der Änderung der Gebührenordnung: So fallen öffentliche Räume von gesamtstädtischer Bedeutung, für die Erlaubnisse zukünftig auf Senatsebene erteilt werden sollen, durchgängig in die obersten Kategorien, sind quasi in der volkswirtschaftlichen Betrachtung die Filetstücke, mit denen sich der Globalsummenhaushalt des Landes bevorzugt aufstocken lässt. Die Bezirke befürchten im gleichen Atemzug herbe Verluste in den Bezirkskassen, denn für sie ist die Vergabe von Sondernutzungen im Verlauf der letzten Dekade eine zunehmend ertragreiche Einnahmequelle geworden.677 Die geplante Zentralisierung kann als Verweis verstanden werden, dass die Bewirtschaftung des öffentlichen Raumes sich in einer Übergangsphase von räumlich undifferenzierten, flächendeckenden zu qualitativen, an selektiven Standortqualitäten orientierten Genehmigungsverfahren und Gebührensystemen befindet. Neben dem Ziel, die Gebührensituation neu zu ordnen, hat die Verschlankung des Berliner Straßengesetzes ebenfalls zum Ziel, das bürokratische Genehmigungsverfahren zu straffen. So muss die Verwaltung binnen vier Wochen auf Sondernutzungsanträge reagieren, ansonsten gilt der Antrag – sofern es nicht zu einer schriftlichen Notiz über eine Fristverlängerung kommt – als widerruflich genehmigt. Auch musste man früher zwei Genehmigungen – eine beim Tiefbauamt sowie eine bei der Straßenverkehrsbehörde – einholen. Damit soll nun 676 Ibid. 677 Interview B.14.d vom 04.07.07.
193
Schluss sein, gemäß dem Prinzip ‘One-Face-to-the-Costumer’ soll sich der ‘Costumer’ nur noch an eine Genehmigungsbehörde wenden müssen. Denn durch den neu eingeführten §11 (13) des Berliner Straßengesetzes entfällt die Genehmigungspflicht für all diejenigen Sondernutzungen, für die auch eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung beantragt werden muss, hier wird sich die Behörde verwaltungsintern mit den entsprechenden Ämtern auf Bezirksebene abstimmen. Auch für alle weiteren Antragsteller gilt, dass sie sich nur noch an eines der Ämter wenden müssen, das wiederum weitere Instanzen wie etwa das Stadtplanungsamt und das Denkmalschutzamt intern einbinden kann. Dies hat jedoch bisher in der Praxis noch nicht zu großen Erfolgen, sondern vielmehr zu großer Verwirrung geführt, was jedoch als generelle Nebenwirkung jeglicher bürokratischer Veränderungen gewertet werden kann.678 Bezogen auf die Außenwerbepraxis bedeuten diese Änderungen, dass die Out-of-Home Medien-Unternehmen wesentlich besser rechtlich aufgestellt sind als zuvor, und somit größeren Druck mittels rechtlicher Verfahren ausüben können, sollte die Erlaubnis auf Sondernutzung des Straßenlandes für einen Werbeträgerstandort, eine Toilettenanlage oder eine Hundeservicestation versagt werden. Denn das jeweilige Bezirksamt muss nun den Nachweis erbringen, warum der Antrag einem öffentlichen Interesse entgegen steht. Die Neue Berliner Bauordnung – Lex Wall?679 Weitere Verfahrenserleichterungen für die stadtmöblierende Außenwerbepraxis konnten im Zuge der Novelle der Berliner Bauordnung im Jahr 2005 durchgesetzt werden (Anlage 12). Nahezu parallel zur Verschlankung des Berliner Straßengesetzes beschließt das Berliner Abgeordnetenhaus Ende 2005 die Novelle der Berliner Bauordnung. Die Novelle tritt am 1. Februar 2006 nach einer langwierigen politischen Debatte mit dem Ziel in Kraft, die Realisierung von Bauvorhaben in der Hauptstadt durch eine wesentliche Verschlankung der Vorschriften zu beschleunigen. Auch diese ist für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen von Bedeutung, weil Außenwerbeunternehmen neben den zu beantragenden Sondernutzungen in der Regel ebenfalls Baugenehmigungen für ihre zahlreichen Werbeträgerstandorte einholen müssen, was in der Praxis ein oftmals langwieriges und minutiöses Verfahren darstellt. In der Neuen Berliner Bauordnung sind drei Verfahrensalternativen geregelt, denen die unterschiedlichen Baunutzungen entsprechend zugeordnet werden. Viele der kleineren Vorhaben, darunter auch Anlagen der Außenwerbung, bedürfen Kraft dieses Gesetzes keiner traditionellen Baugenehmigung mehr, sie fallen in den Bereich der Genehmigungsfreistellung und müssen dem Bauamt daher lediglich angezeigt werden. Das Amt kann sich innerhalb von vier Wochen dazu äußern, geschieht dies nicht, darf mit dem Bau begonnen werden.680 Auch hier ist es also zu einer drastischen Deregulierung gekommen, die bestehende rechtliche Hürden für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen minimiert (Anlage 12). 678 Interview B.13.d vom 31.05.07. 679 Gesetzeserlass vom 29.09.05, veröffentlicht im GVBl. Nr. 34, S. 495ff vom 08.10.05, zuletzt geändert durch Artikel V des Gesetzes vom 07.06.07, veröffentlicht im GVBl. Nr.15 vom 16.06.07, S. 819ff. 680 Neben der Genehmigungsfreistellung gibt es noch die vereinfachte Baugenehmigung, bei der allein die planungsrechtliche Zulässigkeit der Bauvorhaben geprüft wird. Die Baugenehmigung im vollständigen Regelverfahren ist zukünftig nur noch für die Errichtung von Sonderbauten, wie z. B. Hochhäusern, Hotels, Schulen, Krankenhäusern, größeren Restaurants und Gewerbegebäuden erforderlich. Internetauftritt der IHK zur Veränderung des Berliner Baurechts, URL: http://www.berlin.ihk24.de/produktmarken/standortpolitik/Stadtentwicklung/Planungsgrundlagen _und_oeffentliches_Baurecht/Neue_Bauordnung_fuer_Berlin_vorgelegt.jsp (letzter Zugriff am 26.03.08). Diese sind für die Regulierung der Außenwerbung nicht von Bedeutung.
194
Der parlamentarischen Entscheidung war im Vorfeld eine erhitzte Diskussion vorausgegangen, speziell die Bezirke hatten sich gegen die geplante Deregulierung stark aufgelehnt, weil sie konfliktträchtige Umwälzungen im Bereich der Werbung im Stadtraum geradezu antizipiert: „Die Problematik ergibt sich ..aus der erfahrungsgemäß mangelhaften Einsicht vieler Werbeträgerfirmen, dass Fremd- und Wechselwerbung vielfach verunstaltend ist oder in störender Häufung auftritt oder dass (...) die Ausweisung des Anbringungsstandortes als allgemeines Wohngebiet, in dem Fremdwerbung unzulässig ist, entgegen ihrer Auffassung nicht obsolet .. ist. Im Rahmen zahlreicher Baugenehmigungsverfahren sowie in nachfolgenden Verwaltungsrechtsstreitverfahren wurden und werden diese Fälle fundiert geklärt. Wenn die Errichtung solcher Anlagen künftig verfahrensfrei ist, es aber materiell-rechtlich bei den bisherigen Anforderungen und Zulässigkeitskriterien bleiben soll, ist die repressive Verfolgung entsprechender Verstöße, deren erheblicher Umfang (...) damit vorprogrammiert ist, äußerst problematisch. Es wird daher gefordert, (...) nur Werbeanlagen in Gewerbe- und Industriegebieten an der Stätte der Leistung, andere bis zu 1m² Ansichtsfläche sowie vorübergehend angebrachte und Hinweisschilder (...) in den Katalog der verfahrensfreien Vorhaben zu übernehmen.“ (Auszug aus den Schreiben der Bezirksbürgermeister Zeller und Band an den Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, verwendet als Diskussionsgrundlagen im Rat der Bürgermeister, Herbst 2003681)
Auch der Fachverband der Bauingenieure der Berliner Bauaufsicht e. V. äußert sich kritisch darüber, dass eine Übervorteilung von Fremdwerbung auf öffentlichem Straßenland gegenüber der auf Privatgrundstücken durch die Novellierung der Bauordnung stattfinden würde: „Diese Regelung stellt eine völlige Aufgabe der bisherigen Rechtspraxis dar, die Kleinsiedlungs-, Dorfgebiete und die Gebiete der reinen und allgemeinen Wohngebiete von Fremdwerbetafeln freizuhalten. Nur durch die bisherige Regelung war gewährleistet, dass Berlin als Stadt wieder erkennbar war. Mit der völligen Freigabe (die Aufstellung von Fremdwerbeanlagen wird für zulässig erklärt) wird sich Berlin zu einer von der Werbung dominierten Stadt entwickeln. Schon die bisherige Praxis der Zulassung von Riesenplakaten und Postern zeigt, dass die Verbreitung über Hand nimmt und auch zu Kritik im politischen Bereich führt (...). Von der Freigabe wird Berlin auch nicht finanziell besonders profitieren, denn Gebühreneinnahmen fallen bei der Bauaufsicht nicht mehr an. Ein Zurückdrehen der gesetzlichen Regelungen bei zukünftig offensichtlich stadtgestalterischen Fehlentwicklungen wird kaum mehr möglich sein, denn die bis dahin aufgestellten Werbetafeln wird man nicht mehr ohne weiteres entfernen können. Die Freigabe sollte daher noch einmal einer kritischen Bewertung, auch hinsichtlich der Auswirkung auf das Erscheinungsbild der Stadt und der möglichen und dann kaum noch steuerbaren Auswüchse, unterzogen werden. Außerdem möchten wir auf eine Ungleichbehandlung hinweisen. Während nach den zukünftigen gesetzlichen Regelungen die Aufstellung von Fremdwerbetafeln auf den öffentlichen Straßen für zulässig erklärt wird, dürfen auf den oft nur wenige Meter entfernten Baugrundstücken keine Fremdwerbeanlagen an Gebäuden angebracht oder aufgestellt werden.“ (Auszug a. d. Stellungnahme des Fachverbandes der Bauingenieure der Berliner Bauaufsicht682)
Trotz dieser vehement vom Rat der Berliner Bezirksbürgermeister und dem Fachverband der Bauingenieure vorgebrachten Zweifel verabschiedet das Abgeordnetenhaus im Herbst 2005 die Neue Berliner Bauordnung, ein Schritt, der vollkommen konträr zu den noch wenige Jahre zuvor verteidigten Prämissen der Werbe- und Verunstaltungsfreiheit öffentlicher Räume ist. Aus der Begründung der Neuen Bauordnung wird deutlich, mittels welcher argumentativen Instrumente Werbung im Stadtraum zukünftig vom Verunstaltungsverbot befreit werden kann: „(...) Werbeanlagen, mit deren Inhalt vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgt werden, [sind] nicht vom Verunstaltungsverbot erfasst. Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses hat die Behörde eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall zu treffen. Die Privilegierung gilt für den Fall, dass mit dem Inhalt der Werbung im öffentlichen Interesse liegende Zwecke verfolgt werden. Hier ist eine Vielzahl von Fällen denkbar, die nunmehr zulässig sein sollen. Entscheidend wird in jedem Fall sein, ob die Werbung einen deutlichen Bezug auf öffentliche Belange aufweist. So können z. B. Werbeanlagen auch dem Zweck dienen, die Sanierung von Baudenkmalen zu ermöglichen.“ (Siehe Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin. Begründung zur Neuen Bauordnung für Berlin, S.23.683)
681 Vgl. Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bebauungspläne und Verkehr Nr. II/26 der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 24.11.03. 682 Stellungnahme des Fachverbandes der Bauingenieure der Berliner Bauaufsicht zu der geplanten Novellierung der Berliner Bauordnung vom 26.08.04, Anlagen, S.2, URL: http://www.fbbb.de/download/20040826_Stellungnahme_m it_Anlage.pdf (letzter Zugriff am 27.03.08). 683 URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzestexte/de/download/bauen/20050929_bauobln_b egruendung.pdf (letzter Zugriff am 27.03.08).
195
Eindeutig wird hier die Natur werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte angesprochen, die nunmehr zulässig sind, wenn mit ihnen „vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke“ verfolgt werden. Diese wiederum werden politisch definiert. Anhand dieser Änderung kann plastisch dargestellt werden, wie das durch den Out-of-Home Medien-Sektor eingebrachte Novum der werbefinanzierten Kompensationsgeschäfte von einem über Jahrzehnte hinweg stark kritisierten Ausnahmestatus zum (weiterhin stark kritisierten) Regelfall der Berliner Stadtentwicklung avanciert ist schließlich rechtlich durch die Landesebene im Stadtstaat Berlin etabliert wird. Die grundsätzlichen Implikationen also, die speziell die Änderung der Berliner Bauordnung für werbefinanzierte Kompensationsgeschäfte in zentralen öffentlichen Räumen hat, sind gewichtig. Vor dem Hintergrund der überaus starken Besetzung des Handlungsbereiches Außenwerbung auf öffentlichem Straßenland in Berlin durch die Wall AG wird die neue Berliner Bauordnung in kritischen Kreisen auch süffisant als „Lex Wall“ bezeichnet.684 Rahmenverträge auf Senatsebene als vertragliche Stützen des koalitionären Handelns Die Phase der Herausbildung der Koalitionen aber, um noch einmal einen Schritt zurück zu den Anfängen gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin Anfang der 1980er Jahre zu gehen, wurde maßgeblich von so genannten Rahmenverträgen auf gesamtstädtischer Ebene determiniert. Denn Stadtmobiliar war plötzlich aufgrund der Frage nach einheitlicher Gestaltung und aufgrund des Verlangens nach einer systematischeren Ausbeute des ökonomischen Potenzials öffentlicher Räume zu einem stadtentwicklungspolitischen Handlungsfeld der Senatsverwaltung geworden. Erneut wird im Spannungsfeld zwischen Senats- und Bezirksinteressen deutlich, dass grundlegende finanzpolitische Entscheidungen in Berlin auf Senatsebene getroffen werden.685 In diesem Fall waren zentrale öffentliche Räume zum neuen Handlungsfeld der Berliner Finanzpolitik auf Landesebene geworden. Für die Berliner Verträge wird von verschiedenen involvierten Akteuren konstatiert, dass die öffentliche Hand in der Regel keinen Einblick in die realen Gewinne der Stadtmöblierungsunternehmen habe, laut Vertrag seien in der Regel Fixsummen oder aber eine Berechnung nach Listenpreisen gegeben, die ab und an aufgrund von Anpassungen an Inflation oder Konjunktureinbrüche modifiziert würden. Diese Art von Verträgen im Bereich der werbefinanzierten Stadtmöblierung werden gemeinhin als überaus lukrativ für die Werbewirtschaft gewertet, nicht wenige der Befragten bezeichnen sie sogar als „Lizenz zum Geld drucken“.686 Ganz klar erscheint der Initialfunke für diese Entwicklung im institutionellen Schnittbereich zwischen dem Land Berlin und den Unternehmen zu liegen. Zum einen macht dies Sinn, weil städtische Institutionen so alles aus einem Guss erhalten, zum anderen aber konnte sich deswegen auch die brisante Ausnahme etablieren, dass auch alles aus einer Hand angeboten wird. Dabei hängt es von den konkreten Rahmenvertragswerken ab, ob es sich hier allein um eine politische Absichtserklärung oder um einen detaillierten öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. Die Rahmenverträge erscheinen deswegen als Instrument der Etablierung der Wall’schen Position in Berlin so wichtig, weil sie, erstens eine stadtweite Bewirtschaftung des öffentlichen Raumes gewährleisteten, zweitens oftmals bürokratische Erleichterungen wie etwa die Befreiung von Sondernutzungserlaubnissen mit sich bringen und drittens, dazu genutzt 684 Das Grundeigentum (GE) 17/06 vom 12.09.2006, S. 1056. Online veröffentlicht unter URL: http://www.dashauseigentum.de/ge-01.02-f.php3?id=2283 (letzter Zugriff am 10.03.08). 685 Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 2001. 686 Interviews A.20.d vom 17.06.08, B.14.d vom 04.07.07, A.11.d vom 31.01.07 und D.3.d vom 27.06.06.
196
werden, Formatmonopole durchzusetzen. Die Bezirke hingegen können sich den Bestimmungen der Rahmenverträge nur noch zum größten Teil beugen und Unterverträge mit den bereits determinierten Unternehmen abschließen. Auch die Möglichkeit einer politischen Einflussnahme durch die Stadtmöblierungslobby auf Landesebene ist nicht unterzubewerten.687 Wettbewerbspolitische Determinanten – Dienstleistungskonzessionen als vergaberechtlicher Sonderfall der EG Spätestens seit der Verhüllung des Brandenburger Tores hat man in Berlin die Effizienz vergaberechtlicher Innovationen entdeckt. Und auch für den Bereich der auf Stadtmobiliar drapierten Stadtraummedien und für verwandte Entwicklungen weist dieses Beispiel darauf hin, dass es erkenntnisverpflichtend ist, sich mit den vergaberechtlichen Rahmenbedingungen solcher Kompensationsgeschäfte auseinanderzusetzen, um die Komplexität gegenwärtiger Stadtentwicklungsprozesse verstehen zu können. Denn werbefinanzierte Kompensationsgeschäfte im Bereich des Stadtmobiliars werden meistens in Form von Dienstleistungskonzessionen, manchmal auch in Form von Baukonzessionen vergeben.688 Hier geht es explizit darum, dass der private Unternehmer für die Erbringung hoheitlicher Aufgaben, die bisher im Verantwortungsbereich des Staates lagen, nunmehr das volle Risiko übernimmt. Er darf dieses jedoch über den Nutzer dieser Anlagen in Form von Gebühren oder von Entgelten wieder einnehmen. Plastisch und klassisch: Ein Toilettenkonzessionär finanziert die ihm entstehenden Kosten über Eintrittsgelder für den Besuch der Bedürfnisanstalten. Schaut man darauf, welche Merkmale die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kennzeichnen, wird deutlich: Dienstleistungskonzessionen können als vergaberechtliche Sonderfälle des Europarechts verstanden werden. Wo Bauleistungen und Dienstleistungen sowie Baukonzessionen dem förmlichen Vergabeverfahren unterliegen, reicht es bei Dienstleistungskonzessionen aus, Bieterverfahren durchzuführen, die freihändig vergeben werden können.689 Dies ist historisch begründet, da während der 1980er Jahre – in der Phase der Definition der europaweiten Ausschreibungsverfahren – viele Staaten Bedenken angemeldet hatten, ihre Versorgungsmärkte (Energie, Transport, Verkehr, etc.) und damit wichtige Säulen der öffentlichen Daseinsvorsorge gänzlich den sich globalisierenden Versorgungs- und Finanzmärkten zu öffnen. In der konkreten Anwendung bedeutet diese Sonderstellung, dass durch die ausschreibende öffentliche Institution eine Einladung zu einem Interessenbekundungsverfahren im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden muss. Es reicht dann aus, mindestens drei der Bieter, die ihr Interesse bekundet haben, zur Angebotsabgabe aufzufordern. Dienstleistungskonzessionen kennzeichnen gegenüber Baukonzessionen, dass der Hauptgegenstand des Vertrags die Erbringung einer Dienstleistung ist. Im Bereich des Stadtmobiliars liegen mit ‘Design-Build-Operate and Finance’-Modellen (Kap. 5) jedoch oftmals Mischformen aus Bau- und Dienstleistungskonzessionen vor, oder manchmal besteht ein Stadtmöblierungsvertrag – ähnlich wie in Frankfurt – aus zwei gekoppelten Dienstleistungskonzessionen.690 Im Bereich der Stadtmöblierung wird diese Voraussetzung, eine Konzession als Dienstleistungskonzession zu definieren, durch lange Vertragszeiträume geschaffen. Würden etwa in Berlin 1000 Wartehallen gebaut, die dann nur ein Jahr lang betrieben würden, so könnte man davon ausgehen, dass hier eher das Beschaffen und der Aufbau der Wartehalle, weniger aber 687 Interviews D.21.d vom 24.06.08 und A.11.d vom 31.01.07. 688 Interview D.12.d vom 23.03.07. 689 Dienstleistungskonzessionen fallen nicht unter die Europäische Vergaberichtlinie 92/50/EWG, werden seit gut zwei Jahren jedoch in der Richtlinie 2004/17/EG erfasst. 690 Höfler 2005, 19.
197
die Dienstleistung um das Produkt eine Rolle spielt. Bei langjährigen Laufzeiten aber kann sich das Verhältnis zwischen Bauanteil und Dienstleistungsanteil ändern, so dass dies rechtlich als Dienstleistungskonzession eingestuft werden kann.691 Da die Stadtmöblierer ihr Angebot ständig durch neue Prototypen und Leistungen erweitern, wird der Bieterwettstreit in der Regel als mehrstufiges Verhandlungsverfahren organisiert. Daher ist es ein zentrales Merkmal von Dienstleistungskonzessionen, dass ihr Ergebnis nicht von vornherein durch exakte Leistungsbeschreibung determiniert ist, sondern dass dieses sich erst durch mehrfache Verhandlungsphasen während des Bieterverfahrens konkretisiert. Damit besteht ein gravierender Unterschied zu traditionellen öffentlichen Ausschreibungen: Hier muss nicht dem günstigsten Angebot der Zuschlag erteilt werden, sondern in der Regel erhält der Bieter den Zuschlag, dessen Angebot qualitativ und quantitativ gegenüber der Offerten der (auf zwei weitere Bieter beschränkten) Konkurrenz überzeugt. Im Gegensatz zu den durch die Annahme des Mindestgebots orientierten öffentlichen Ausschreibungen sind Bieterverfahren stärker von einer Wachstums- und Wettbewerbslogik geprägt, weil mehr investiert werden und im Gegenzug mehr Umsatz mit Werbeträgern erwirtschaftet werden kann. Im Vergleich zu den förmlichen Vergabeverfahren kann die öffentliche Hand durchaus freier entscheiden, welcher Bieter den Zuschlag erhält. Jedoch müssen aufgrund jüngerer Veränderungen der EUGesetzgebung in den letzten zwei Jahren ebenfalls die grundlegenden Gebote der Transparenz, des Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung bei der Erteilung von Dienstleistungskonzessionen beachtet werden.692 Das soll vor allen Dingen einer korrumpierenden Praxis entgegenwirken, bei der geforderte Leistungen so auf einen Bieter zugeschnitten werden, dass es am Ende logisch erscheint, dass er – und kein anderer – den Auftrag bekommt.693 Weitere Beweggründe für eine Konzessionserteilung können etwa die ästhetische oder funktionale Qualität von Stadtmöbeln sein, oder aber auch der Umfang der Kompensation. Geben zwei Firmen vergleichbare Angebote ab, so kann durchaus die Menge der als Kompensation eingeforderten Werbeflächen darüber entscheiden, wer den Vertrag letztlich gegenzeichnen darf.694 Schließlich aber geht es bei den hier angesprochen Kompensationsgeschäften nahezu immer auch um eine Einnahmequelle für die Kommunen, die einen Prozentanteil des jährlichen Umsatzes als Konzessionsabgabe erhalten. Dieser wird entweder nach Offenlegung der Jahresumsätze durch den entsprechenden Konzessionär berechnet, oder aber über eine Standardkalkulation nach Listenpreisen für die Vermarktung. In vielen Fällen einigt man sich auch auf eine jährliche Fixsumme, die nicht den Folgen der Konjunkturschwankungen der Werbebranche ausgesetzt ist. In einem solchen Fall verzichtet der Konzessionsgeber jedoch oftmals auf den Anspruch, im Falle der Erwirtschaftung höherer Einnahmen im öffentlichen Raum entsprechend höher beteiligt zu werden.
691 692 693 694
198
Interview D.12.d vom 23.03.07. Siehe Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 13.10.05 und vom 06.04.05. Interview D.12.d vom 23.03.07. Interview B.13.d vom 31.05.07.
Abbildung 23: Dienstleistungskonzessionen als ein mögliches Vertragsmodell des Public Private Partnership – Risiko- und Aufgabentransfer. Quelle: Höfler 2005, 6. Eigene Modifikation.
Dienstleistungskonzessionen werden deswegen als eines der letzten Stadien vor der reinen Privatisierung angesehen, weil das Risiko der Erbringung der Leistung nahezu vollends auf den privaten Bieter übertragen wird (Abb. 23). Das heißt, er muss selbst dafür sorgen, dass seine Werbeflächen entsprechend ausgelastet sind, um damit etwa Produkte und Services aus Kompensationsgeschäften finanzieren und noch Unternehmensgewinne einstreichen zu können. Mit der Verlagerung des Risikos geht gleichermaßen eine Verlagerung der Verantwortung für das Erbringen der Leistung einher. Jedoch wird hier in der Regel nicht voll privatisiert, da sich die öffentliche Hand eine letzte Möglichkeit staatlicher Autorität – immerhin geht es um die private Erbringung von Dienstleistungen zur öffentlichen Versorgung – offen halten will. Fühlt ein Bieter sich im Verlauf des Wettbewerbsverfahrens ungerecht behandelt, so hat er die Möglichkeit, zunächst bei der Vergabekammer Beschwerde einzulegen. Fruchtet dies nicht, so besteht die Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Kommission anzuzeigen – so geschehen im Rahmen der Frankfurter Toilettenausschreibung. Aufgrund der bereits geschilderten rechtlichen Änderungen im Bereich der Dienstleistungskonzessionen kann dieses Rechtsinstrument beispielsweise von Stadtmöblierungskonzernen in Anspruch genommen werden, um Strategien der Marktöffnung, um das Aufbrechen von aus ehemaligen öffentlichen Quasi-Monopolen hervorgegangenen Verbindungen zwischen Außenwerbeunternehmen und Stadtverwaltungen, voranzutreiben. Denn dieses Instrument aktiviert juristische Mechanismen auf der politischen Ebene der Europäischen Gemeinschaft und wendet sich zunächst in der Anklage gegen die Ebene des Nationalstaats, also der Bundesrepublik Deutschland, die dann wiederum nach Rücksprache mit der entsprechenden nachgeordneten Instanz der öffentlichen Verwaltung Stellung gegenüber der Kommission nehmen muss. Dies kann geschehen, sofern dieser vorgeworfen werden kann, dass mindestens eines der drei zentralen Gebote Transparenz, Nichtdiskriminierung oder Wettbewerb nicht eingehalten worden ist. Im Falle Frankfurts etwa hatte das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen anlässlich eines Vertragsverletzungsverfahrens am Ende Recht bekommen. Die augenscheinlich lokale Entscheidung über die Errichtung von 11 Toiletten in öffentlichen Räumen Frankfurts wurde so zu einer sehr komplexen Multi-Level-Policy, die vier administrative Ebenen 199
überspannte, und die nicht zu unterschätzende Bedeutung von Rechtsstreitigkeiten als Strategie der Marktöffnungspolitik der Aufmerksamkeitsökonomie aufzeigt. Auf den Punkt gebracht: Wettbewerbsverfahren basieren in der Regel auf einer demokratischen Legitimierung der Entscheidung, wohingegen Verhandlungsverfahren das Negativpotenzial beigemessen wird, Nepotismus, also Vetternwirtschaft, zu begünstigen. Hier geht es nicht um die anonyme Beurteilung einer fachlichen Leistung, sondern es wird direkt mit dem Bieter verhandelt, daher ist eine verstärkte personenbezogene Einflussnahme möglich, was jedoch nicht zwangsläufig zu informellen Beeinflussungen von Entscheidungsträgern führen muss.695 Auffällig ist für die Branche der werbefinanzierten Stadtmöblierung aber die als strukturell wichtig angesehene Nähe zur Kommunalpolitik.696 Die scheinbar demokratischere Realisierung von Wettbewerbsverfahren soll hier jedoch nicht überidealisiert werden, genügend wissenschaftliche Arbeiten haben darauf verwiesen, dass es auch hier in der Praxis zu personenbezogenen Verzerrungen kommt.697 Ein anderer Aspekt ist die Konzentrationstendenz auf dem werbebasierten Stadtmöblierungsmarkt: Denn es gibt wenige kapitalkräftige Konzerne, die als potente Bieter bei stadtweiten Paketausschreibungen in Frage kommen, so dass es zukünftig für kleinere und neue Firmen schwerer werden wird, an solchen Verhandlungsverfahren erfolgreich teilzunehmen. Erfahrungen mit Bieterverfahren im Vergleich zur klassischen öffentlichen Auftragsvergabe bei der werbefinanzierten Stadtmöblierung sind letztlich noch nicht hinreichend von den forschenden Kollegen aus dem juristischen Lager ausgewertet worden und können daher im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend diskutiert werden. Implikationen rechtlicher Umwälzungen für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen Im Rückblick auf die grundlegenden Prämissen der früheren, fordistisch geprägten Stadtpolitik, die von einer rigiden Verbotspraxis gegenüber der Außenwerbewirtschaft geprägt war, zeichnet sich ein Paradigmenwandel ab. Mit der systematischen Einführung von werbefinanzierten Wartehallenverträgen und werbefinanzierten Toilettenverträgen werden zu Anfang der 1980er Jahre landesweit Ausnahmetatbestände geschaffen. Diese Praxis wird über gut zwanzig Jahre hinweg systematisch auf unterschiedliche Bereiche der Stadtproduktion ausgeweitet. Durch kontinuierliches Zulassen derartiger Ausnahmetatbestände seitens der öffentlichen Hand werden Instrumente der fordistisch geprägten Politik, wie etwa das Verunstaltungsverbot, aufgeweicht und schließlich durch neue Regelwerke der postfordistisch geprägten Stadtproduktion ersetzt. So führt die Verstetigung von Ausnahmen im Bereich der Außenwerbung – begleitet von anderen Verstetigungen, etwa im Bereich der Sondernutzungen für Großveranstaltungen – zur Entkräftung klassischer Konventionen. Kurzum: Straßengesetz und Bauordnung sind so lange und hartnäckig aufgeweicht worden, bis sie dem Druck gesellschaftlichen Wandels und demnach veränderter gesellschaftlicher Anforderungen nicht mehr standhalten konnten. Auch verschärfte Kriterien im Bereich des europäischen Vergaberechts tragen schließlich dazu bei, dass die Verwendung der Instrumente der Stadtentwicklungspolitik zunehmend in rechtliche Schieflage geraten. Denn vor den Gesetzesnovellen mehren sich die Stimmen unzufriedener Konkurrenten aus der Wirtschaft, man dürfe mittels solcher Ausnahmen nicht wenige 695 Siehe Gegenüberstellung Wettbewerbs- und Verhandlungsverfahren auf der Homepage der Architektenkammer Baden-Württemberg. URL:http://www.akbw.de/artimg/pt_9299_m_5_Abbildung_4_WETTBEWERBversusVERH ANDLUNGSVERFAHREN_050805.pdf?SESSID=a3c13734d4293db969d244ee18a9d2e7 (letzter Zugriff am 01.04.08). 696 Interview C.10.d vom 13.12.06. 697 Lenhart 2001.
200
Unternehmen begünstigen, sondern müsse durch wettbewerbsfördernde Vergabeverfahren dafür sorgen, dass die grundlegenden Kriterien zur Einhaltung von Nichtdiskriminierung, Transparenz und Wettbewerb eingehalten werden, gerade im Bereich der DienstleistungsKonzessionen.698 Den noch während der ersten Jahre dieses Jahrtausends erfolglos gebliebenen Ansätzen der repressiven Regulierung der Außenwerbung folgt eine komplette Kehrtwende: Die durchdringende Deregulierung des Bau- und des Straßenrechtes des Landes Berlin. Zieht man hier Vergleiche zur parlamentarischen Debatte aus dem Jahr 1984, so bleibt festzuhalten, dass Stadtpolitik sich hier noch für eine generelle Unzulässigkeit von Werbetafeln ausgesprochen hatte und nur Zirkus-, Politik – und Gewerkschaftswerbung als Ausnahme duldete.699 Deregulierung für den Bereich der Außenwerbung war also damals explizit politisch nicht gewollt. Heute bleibt zu konstatieren, dass die politisch gewollte Erleichterung der Außenwerbepraxis Realität geworden ist. Die bis dato jüngsten Verschlankungen stadtentwicklungspolitischer Instrumente kann, wenn man einen Schritt weiter geht, als gezielte Forcierung einer wirtschaftsfreundlichen Bespielung zentraler öffentlicher Räume gewertet werden. Wie die Berliner Entwicklungen im Hinblick auf andere Städte, andere Experimente und andere stadtpolitische Kulturen zu bewerten sind, kann hier nur annähernd, jedoch nicht systematisch beantwortet werden. Der nachfolgende Blick auf weitere stadtmöblierende Experimente dient vielmehr dazu, zukünftige Entwicklungsperspektiven für Berlin aufzuzeigen und die untersuchten Geschehnisse mit dem exemplarischen Verweis auf herausragende Beispiele weiterer Schauplätze und anderer gestaltwirksamer Koalitionen zu diskutieren. Von jüngeren Experimenten und weiteren Schauplätzen „Mit der Frage, ob Kühe als Werbeflächen genutzt werden dürfen, hatte sich 1968 das Amtsgericht Leiden bei Amsterdam zu beschäftigen.“ (Kreutzer 1993, 65)
Wie das obige Zitat andeutet, ist die Innovationsfreudigkeit der Branche der Stadtraummedien seit jeher ungebremst. Neben den bereits dargelegten Vereinbarungen zur Ausstattung und Unterhaltung öffentlicher Straßen und Plätze mit Wartehallen, Bedürfnisanstalten, Kiosken und Touristenleitsystemen sowie schließlich ganzen Stadtmöbelserien (1. Phase: Stadtmöblierung), neben der Finanzierung von Denkmalrestaurationen und dem Betreiben von Brunnen (2. Phase: Stadtsanierung), der Eroberung von Grünflächen und Spielplätzen (3. Phase: Stadtunterhaltung) und schließlich dem Verlinken von virtuellen und physischen Handlungssphären mittels Installation neuer Formen der Informations- und Kommunikationstechnik im Stadtraum (4. Phase: Stadtkommunikation) werden weitere Experimente ausprobiert, um den städtischen Wirkungsradius der Outdoor-Medien bis in die letzten werbefreien Bereiche städtischen Lebens auszuweiten. Dog-Dirt-Disposal, Timescope und rollende Werbewände in Berlin „In Berlin haben sie in den vergangenen Jahren alles Mögliche probiert, um den Menschen, den Hundebesitzer zu erreichen. Der Hund im Allgemeinen hat zwei Problemzonen, die eine ist vorn, die andere hinten. Für vorn gibt es den Maulkorb. Für hinten die Tüte. Aber das Tüten-Bewusstsein war nicht da. Es gab vielleicht eine Katzenklo-Tradition, aber keine Hundetüten-Tradition, nirgendwo im Land.“ (Der Spiegel vom 26. November 2007)
698 Interviews D.12.d vom 04.07.07 und B.14.d vom 23.03.07. 699 Drs 09/1820 vom 17.05.84, BerlAbgH.
201
Statistisch gesehen sammeln sich täglich auf Berliner Straßen 55 Tonnen Hundekot, produziert von 103.000 registrierten und einer unbestimmten Unzahl unregistrierter Vierbeiner. Dies ist – im Vergleich zu anderen Metropolen – eine Unmenge, so produzieren Pariser Hunde täglich lediglich 15 Tonnen. Obwohl diese Problematik schon seit langem bekannt ist, setzt sich das Berliner Abgeordnetenhaus erst seit 2002 mit ihr auseinander, ohne das diese anfängliche politische Debatte jedoch in der weiteren gesellschaftlichen Debatte Entsprechung findet. Im Jahr 2006 aber, als Hans Wall die Debatte um die Hundekotproblematik in Berlin neu entfacht, erobert das Thema schlagartig erneut die politische Agenda in Berlin. Denn da der Bedarf an Haltestellen, Klohäuschen und Kiosken in Berlin mittlerweile gedeckt ist, müssen per medial gestütztem Agenda-Setting neue Gegenstände auf die politische Agenda gebracht werden, um die Maschinerie werbefinanzierter Kompensationsdeals auch für die Zukunft weiter in Schwung zu halten.700 So werden diskursstrategisch städtische Bedürfnisse benannt, für wichtig verklärt oder neu erzeugt, die an traditionellen städtischen Problemzonen ansetzen, um eine neue Dienstleistung, in diesem Fall für Städte und Hunde, zu schaffen. So wurde nicht nur diskursiv Interesse an der Problematik des Berliner Hundekotdilemmas erweckt, sondern das Stadtmöblierungsunternehmen hat im gleichen Atemzug ebenfalls eine Lösung parat. Die heißt ‘Dog Dirt Disposal’: Hundeservicestation mit zusätzlichem Saugroller. Letztere werden mit Personal bemannt und mit Schwefel betrieben, der es ermöglicht, Hassos unangenehm riechende Hinterlassenschaft zu vereisen, so wird der direkte Kontakt obsolet und die Reinigung zumutbarer. Die Servicestation besteht aus einer Stele, an der Hygienebeutel für Hundekot durch Hassos Herrchen entnommen und nach Eintüten des Unangenehmen ebenfalls entsorgt werden können. Das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen stellt die Produktinnovation im Rahmen der Ausschreibung in Hamburg vor, und bietet es im Herbst 2006 ebenfalls der BSR und der Berliner Senatsverwaltung an. Gleichzeitig veranstalten die Berliner Bezirke eine „Aktionswoche Hundekot“, um die Problematik tiefer im Bewusstsein der Bürger zu verankern und auf die Einführung finanzieller Sanktionen aufmerksam zu machen, die sich aber aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten und Nachweisbarkeit letztendlich nicht durchsetzen.701 Auch das Berliner Projektbüro Stadt+Hund stimmt in den Tenor des Zitats ein, so konstatiert etwa der Gesellschafter Michael Krockauer, dass der verdreckte Zustand der Berliner Straßen und Plätze ein typisches Großstadtproblem ist, da die Menschen hier keine Verantwortung für den öffentlichen Raum übernehmen würden.702 Nach einem Jahr der Diskussion startet im Oktober 2007 schließlich ein Pilotprojekt zwischen der Wall AG und der BSR auf dem George Grosz Platz am Kurfürstendamm. Es ist vorgesehen, insgesamt 50 orangefarbene Hundeservicestationen für ein Jahr versuchsweise in den zwei Testbezirken CharlottenburgWilmersdorf und Schöneberg-Tempelhof zu installieren, wobei die BSR die Reinigung übernimmt.703 Die Senatsverwaltung jedoch scheint sich bisher noch nicht für die Produktinnovation begeistern zu können. Eine Senatssprecherin betont, dass man keine zusätzlichen auf Gehwegen herumfahrenden Roller im öffentlichen Raum gebrauchen könne.704 Und auch in Hamburg konnte man mit diesem Angebot bisher nicht punkten. Ob das Dog Dirt Disposal als weiterer Vorstoß werbefinanzierter Kompensationsdeals erfolgreich sein wird, werden zukünftig vor allem Berlins Hunde und ihre Herrchen zeigen. Neben derartigen Innovationen zur pragmatischen Pflege und Unterhaltung öffentlicher Räume mehren sich in der Hauptstadt zunehmend Vorschläge, die an ganz anderen Bereichen 700 701 702 703 704
202
Tagesspiegel vom 12.11.06. Spiegel vom 26.11.07. TAZ vom 14.10.06. Tagesspiegel vom 11.10.06. TAZ vom 14.10.06. Spiegel vom 26.11.07. TAZ vom 20.11.07. Tagesspiegel vom 18.09.07. Tagesspiegel vom 18.09.07.
von Stadtentwicklung, speziell an den Schnittstelle zwischen Design, Historie und Kultur ansetzen. Ein solches Projekt ist das Zeitreise-Fernrohr ‘Timescope’, das im Juli 2007 in Berlin vorgestellt wurde. Mit dem Timescope wird eine visuelle Zeitreise mittels eines in Realität betrachteten Bildausschnittes ermöglicht. Binokularoptik in Kombination mit einer Livecam macht es möglich. An ausgewählten Standorten wie etwa dem Schlossplatz, dem Ku’damm oder auch der Straße Unter den Linden können auserwählte Perspektiven auf den gegenwärtigen Zustand gewonnen werden. Gegen einen Obolus von 50 Cent kann der Flaneur fünf Minuten lang den Echtzeit-Blick per Webcam und die schwenkbare historisch anmutende Animation in 3D bewundern. Das 14.000 Euro teure Produkt ist gemeinsam vom Büro Art+Com AG (Kap. 2) und der Wall AG über einen Zeitraum von acht Jahren hinweg entwickelt worden. Gewinne verspreche man sich von diesem Produkt nicht zwangsläufig, so der Tagesspiegel in einem Interview mit dem Agenturchef von Art+Com Sebastian Peichl, es könne eher als Prestigeobjekt für das Unternehmen verstanden werden.705 Zwischen der Art+Com AG und der Wall AG herrscht eine klare Arbeitsteilung, so zeichnen sich die Entwickler neuer Medien für die mediale Bestückung des jeweiligen Standortes verantwortlich, wohingegen es Aufgabe der Wall AG ist, das Produkt in ihre Vermarktungsaktivitäten zu integrieren, indem sie verschiedene Bezugswege für das Timescope anbieten und abwickeln. Ebenso wie bei den Kiosken sind hier verschiedene Varianten denkbar, neben einem werbefinanzierten Kompensationsgeschäft sind Kauf- und Mietoptionen ebenso verhandelbar. Im Juli 2007 wird das erste Timescope auf dem Schlossplatz installiert, das der Bezirk Mitte von der Wall AG als Geschenk erhält. Jedoch hoffe das Stadtmöblierungsunternehmen als Gegenleistung auf attraktive Plakatflächen. Die Einnahmen gehen an die Wall AG, jedoch erhält der Bezirk eine kleine Pacht für den Quadratmeter Boden, auf dem das Gerät steht. Der damalige Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) lobt den Hersteller, der sich „solche schönen Dinge ständig neu ausdenkt“.706 Das Fernrohr verfüge über verschiedene Funktionen: Es könne traditionell als Touristenattraktion, oder in innovativer Weise als Instrument der Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung verwendet werden, um stadtplanerische Absichten und Ziele plastischer zu vermitteln. Als potenzielle Standorte für das Timescope im Rahmen der Bürgerbeteiligung benennt Gothe Alexanderplatz, Spittelmarkt und Molkenmarkt sowie die Museumsinsel. Auch im Naturkundemuseum soll eines eingerichtet werden. Das Gerät ist fest installiert, ermöglicht aber wechselnde Perspektiven in einem definierten Schwenkradius. Jedoch stellt das Projekt ebenfalls einen Eingriff in den öffentlichen Raum dar, so Beate Stoffers, die Pressesprecherin der Wall AG. Dies wird jedoch damit legitimiert, dass sich hier Informationen zur Stadtgeschichte am besten vermitteln lassen. Die Produktinnovation Timescope kann also als Vorstoß in einen weiteren Bereich an der Schnittstelle zwischen Denkmalschutz, Tourismus und Kultur sowie Stadtplanung verstanden werden. Die Initiative der Berliner Akteure profitiert erneut von der Bespielung zentraler öffentlicher Räume mit medial aufbereiteter Information.707 Bisher waren die auf Stadtmöbelstücke drapierten Außenwerbeträger an mobile Rezipientengruppen gerichtet, jedoch – anders als bei Verkehrsmittelwerbung – selbst meist fix installiert. Da jedoch Bewegung aufmerksamkeitsfördernd wirkt, experimentieren die Stadtmöblierer intensiv mit neuen, mobilen Elementen wie etwa ‘Rollenden Werbewänden’. Im Frühsommer 2007 konnte man in Berlin ein dreistes Experiment beobachten (Abb. 24): Auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof zirkulieren zwei oval geschnittene CLP705 Tagesspiegel vom 27.03.07 und vom 18.03.07. 706 Tagesspiegel vom 10.07.07. 707 Tagesspiegel vom 10.07.07, vom 27.03.07 und vom 18.03.07. Siehe ebenfalls Internetauftritt Timescope, bereitgestellt durch die Wall AG, URL: http://www.timescope.de/offers.asp?lang=de (letzter Zugriff am 25.03.08).
203
Werbewände, beidseitig bestückt mit einer Werbekampagne der Marke Puma. Die Bewegungen der mobilen Werbeträger werden von einer Person im Hintergrund (Abb. 24e) intentional so gesteuert, dass sie den Weg der Passanten versperren, kreuzen oder begleiten, was zu höchsten Kontaktraten und zur radikalen Bewusstmachung der beworbenen Marke führt. Per Funktechnik werden verbale Provokationen auf die Lautsprecher der Plakatwände übermittelt, die gezielt von der in einer Platzecke sitzenden, als Reisender getarnten, Person inszeniert werden. Die Stadtmöblierungsfirma tritt hier nicht in Erscheinung, und auf Nachfrage bei der öffentlichen Verwaltung wird geantwortet, dass eine solche Aktion, die an mindestens zwei Tagen über mehrere Stunden hinweg zwischen Hauptbahnhof und der Brücke zum Regierungsviertel stattfand, nicht bekannt und demnach nicht genehmigt worden sei.708 Diese Strategie zeichnet sich durch ihre provokativen, bisweilen aggressiven Charakter aus, da Bewohner und Besucher Berlins bewusst in ihren täglichen Bewegungsabläufen im öffentlichen Raum gestört werden. Der Stadtraumwerbung bereits enorm begünstigende ‘NoZapping-Effekt’ (Kap. 2) wird durch solche Strategien ad absurdum geführt. Denn man kann einer solchen Marketingkampagne nur noch dadurch ausweichen, dass man die entsprechenden Orte der Kundenansprache, also zentrale öffentliche Räume, langfristig meidet.
Abbildung 24: Fotosequenz einer Werbeintervention mit mobilen Stadtinformationsanlagen. Washingtonplatz. Abb 24a-d (links und mittig): Eine rollende Werbewand verstellt den Passanten den Weg. Abb24e. (rechts): In der Ecke des Platzes sitzt getarnt der Inteventionssteuerer, der die Wege der Werbewand per Joystick steuert und per Headset entsprechende provokante Botschaften an die Passanten entsendet, die über die rollende Werbewand ausgestrahlt werden. Quelle: T. Mannewitz.
Da es sich bisher lediglich um ein Experiment handelt, ist noch offen, inwieweit sich solch aggressive Interventionen in zentralen öffentlichen Räumen politisch durchsetzen lassen, da die wenigsten Wähler sich für eine vollkommene Vereinnahmung durch die Aufmerksamkeitsökonomie begeistern lassen werden. Entgegen solcher durch Passanten eher negativ bewerteter Vorstöße der Aufmerksamkeitsökonomie scheinen aber gerade die Innovationen von Erfolg zu sein, die von Bürgern und Wählern aktiv angeeignet und daher zumeist positiv bewertet werden. Ein derartiges Gegenbeispiel, das bewusst auf eine positive Erweiterung der Möglich-
708 Interview B.13.d. vom 31.05.07. Beobachtungen vom 14.04.07 und vom 20.05.07.
204
keiten breiter gesellschaftlicher Aneignungen zentraler öffentlicher Räume setzt, sind die im vergangenen Jahr eingeführten Fahrradleihsysteme. Furore machende Fahrradleihsysteme – Die nächste Etappe werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte Seit 2007 macht das Beispiel der stadtweiten Fahrradleihsysteme in Frankreich Furore: Mit seinem Fahrradleihsystem ‘Cyclocity’ unternimmt der französische Stadtmöblierer JCDecaux erste Versuche in Paris und Lyon, werbefinanzierte Dienstleistungen und Fahrräder in der Stadt zu kombinieren.709 Der neue Vorstoß der Out-of-Home Branche findet seinen Beginn mit dem Programmen ‘Vélo’v’ in Lyon und mit ‘Vélib’ in Paris.710 In der französischen Hauptstadt werden anfänglich 750 Ausleihstationen mit rund 10.000 angedockten Fahrrädern durch JCDecaux bereitgestellt und betrieben. Es ist angedacht, diese Zahl bis Dezember 2007 zu erhöhen, so dass schließlich zirka 20.000 Fahrräder an knapp 1500 Ausleihstationen zur Verfügung stehen. Das Angebot der Franzosen an die Städte ist deshalb so populär wie spektakulär, weil es gezielt das mobile Verhalten von Bewohnern und Besuchern in öffentlichen Räumen erhöht und auf der Idee beruht, dass möglichst viele Menschen auf möglichst viele Fahrräder zugreifen können. Dies wird über eine preisliche Begünstigung kurzer Ausleihzeiten gefördert. Das System ist flexibel nutzbar, da man die Zweiräder an jeder Station beliebig ausleihen und abgeben kann. Voraussetzung für die Nutzung in Paris ist die sogenannte Carte Vélib, die man für einen Jahrespreis von 29 Euro erstehen kann, kürze Abonnements speziell für Touristen werden ebenfalls angeboten. Die ersten 30 Minuten Fahrradnutzung sind frei, die zweite halbe Stunde kostet einen Euro, und die folgenden 30 Minuten bereits zwei weitere Euro. Die Beträge werden vorher auf der Karte geladen, und automatisch abgebucht. Verstößt ein Nutzer gegen die Bedingungen, wird ein als Sicherheit hinterlegter (Teil-)Betrag eingezogen. Was die Kompensation für dieses neue Instrument der medialen Erschließung metropolitaner Stadträume angeht, ist das Vorhaben ebenfalls spektakulär: Die Stadt Paris stellt der Firma 1.628 städtische Standorte für Billboards für eine Nutzungsdauer von 10 Jahren exklusiv im öffentlichen Raum zur Verfügung. Um die Kalkulation in Grundzügen nachvollziehen zu können, muss man sich über den Wert der angebotenen Fahrräder und Leistungen Klarheit verschaffen: Der durchschnittliche Angebotspreis pro Fahrrad und Jahr beträgt 2500 Euro, so dass im Fall von Paris vorsichtig von einem Wert von 500 Mio. Euro bei 20.000 Fahrrädern und 10 Jahren ausgegangen werden darf. Doch wird aus dem Wert nicht klar, ob es sich hierbei vorrangig um einmalige Investitionskosten oder um einen globalen Wert zur Abdeckung der Kosten des ganzen Systems, umgelegt auf die Vertragsdauer, handelt. Das zu erwartende Werbevolumen dürfte darüber liegen, erste Schätzungen gehen von rund 600 Mio. Euro für 10 Jahre aus. Erzielt das Außenwerbeunternehmen etwa durch die gegebenen Exklusivrechte höhere Vermarktungspreise oder kann es die Dienstleistung günstiger realisieren, so kann es zusätzliche Gewinne einstreichen.711 709 Siehe Flashvideo „Vélib Paris JCDecaux” über das von JCDecaux implementierte Fahrradleihsystem in Paris. URL:http://fr.youtube.com/watch?v=kzDzZVIxmTA (letzter Zugriff 10.03.08) und vgl. Flashvideo „Cycling CityFrance” über das von JCDecaux implementierte Fahrradleihsystem in Lyon. URL: http://fr.youtube.com/watch?v= AQGqpFqgEKg (letzter Zugriff 10.03.08). 710 Der Begriff Vélib setzt sich zusammen aus Velo und Libre Service. 711 Spiegel-Online-Artikel „Vive la Vélorution. Paris Rental Bike Scheme Goes Global“ vom 02.11.07, URL: http:// www.spiegel.de/international/europe/0,1518,515104,00.html (letzter Zugriff am 26.03.08). Spiegel-Online-Artikel „Paris startet Fahrrad-Offensive” vom 15.07.07, URL:http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,494357,00.html (letzter Zugriff am 26.03.08). Virtuelles Fahrradportal des Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, URL: http://www.nationaler-radverkehrsplan.de/neuigkeiten/news.php?id=1910 (letzter Zugriff am 26.03.08).
205
Im Gegensatz zu Dog Dirt Disposals hat die Firma JCDecaux mit dem Konzept der Fahrradleihsysteme scheinbar den richtigen Riecher für derzeit gewünschte Innovationen im öffentlichen Raum gehabt. Das Fahrradmodell zumindest hat bereits in der internationalen Presse durchaus positive Stimmung erzeugt und viele Städte haben Interesse an der jüngsten Handlungssphäre werbefinanzierter Dienstleistungen im öffentlichen Raum gefunden. Jedoch ist JCDecaux nicht der einzige Anbieter, sein US-amerikanischer Konkurrent Clear Channel International Inc.Ltd. ist ebenfalls bereits in Barcelona und andernorts in das werbefinanzierte Radgeschäft eingestiegen (Abb. 25). Im Jahr 2008 zanken sich beide in gegenseitigen gerichtlichen Auseinandersetzungen bezüglich der Ausschreibungsmodalitäten in Paris und Barcelona vor den jeweiligen Gerichtshöfen.712 In Hamburg hatte JCDecaux das Leihsystem ebenfalls mit angeboten, jedoch wurde dies schließlich aus der Ausschreibung für stadtweite Stadtmöblierung ausgegliedert, weil die öffentlichen Entscheidungsträger und das Bundeskartellamt den Zweifel geäußert, man würde Firmen aus anderen Bereichen diskriminieren, wenn man nur werbefinanzierte Angebote berücksichtigen würde. Dies sei dann ein rechtlich nicht zulässiges Kopplungsgeschäft von Fahrradleihsystemen und Werbung und würde zur Diskriminierung anderer Wettbewerbsteilnehmer beitragen. Dieser Teilbereich soll unabhängig ausgeschrieben werden, aber den Stadtmöblierern ist es natürlich nicht versagt, ihr Angebot in einer abgekoppelten Ausschreibung erneut vorzustellen.713
Abbildung 25: Fahrradleihsystem Biking des global agierenden Out-of-Home Unternehmens Clear Channel International Inc. Ltd. In Barcelona. Quelle: B. van Dyck.
Stadtentwicklungspolitische Erfahrungen aus anderen Städten Nachdem nun zunächst verschiedene Experimente in Berlin, und schließlich der bereits in Paris und Barcelona Fuß fassende Fall der werbefinanzierten Fahrradleihsysteme dargestellt wurde, soll nachfolgend ein exemplarischer und explorativer Exkurs den Blick auf ausgewählte internationale Beispiele lenken. Dieses Vorgehen dient einer inhaltlichen Kontextualisierung des Extremfalls Berlin, außerdem können existierende strategische Konvergenzen oder Divergenzen, die das Handeln verschiedener Akteure in gestaltwirksamen Koalitionen maßgeblich 712 Barceloca. La ciudad del ocio. Artikel vom 01.07.07. „La gestión del Bicing enfrenta a dos gigantes multinacionales. JCDecaux acusa a Clear Channel de incumplir el pliego de condiciones. Las dos empresas fueron a juicio para disputarse el contrato de las bicis de París“. URL: http://www.barceloca.com/dataDetails-12842/es-ES/La-gestiondel-Bicing-enfrenta-a-dos-gigantes-multinacionales-%C2%B7-El-Periodico-barcelona.aspx (letzter Zugriff am 09.06.08). 713 NDR Online vom 28.06.07. URL: http://www1.ndr.de/nachrichten/hamburg/fahrradsystem2.html (letzter Zugriff am 25.06.08).
206
prägen, dargestellt werden. Dieser Exkurs zielt nicht auf eine quantitativ-geographische Einordnung des Berliner Beispiels in einen regionalen oder europäischen Kontext, nein, es geht vielmehr um qualitative Eigenarten der einzelnen Beispiele. Es wird aufgezeigt, dass sich durch einen auf wenige Protagonisten reduzierten internationalen Markt zwar einerseits Muster der ökonomischen Globalisierung in lokalen öffentlichen Räumen durchsetzen, andererseits wird nachdrücklich darauf verwiesen, dass diese Muster lokal unterschiedlich sedimentieren.714 Nachfolgend wird mit dem Verweis auf Boston, St. Petersburg, Moskau und Istanbul zuerst das Wirken der Berliner Firma im supranationalen Kontext kurz angerissen, danach geht es in den Beispielen aus Paris und Toronto darum, aufzuzeigen, wie sich gestaltwirksame Koalitionen in anderen Städten entwickeln. Schließlich wird mit dem Blick nach Hamburg und Frankfurt der Fokus auf Besonderheiten in Vergabeverfahren gelenkt, im Falle São Paulos wird dargestellt, wie Stadtverwaltungen sich zunächst aller bestehenden Koalitionsvereinbarungen entledigen, um den Markt zu bereinigen. USA: Im Jahr 1999 hatte es die Wall AG geschafft, den ersten Großauftrag in den USA zu erhalten. Stolz verweist das Unternehmen noch heute, dass man als erster deutscher Anbieter Fuß auf dem nordamerikanischen Markt habe fassen können, andererseits sind die Berliner jedoch auch mit enormen Schwierigkeiten im Vorfeld des Bieterverfahrens konfrontiert gewesen. Zunächst jedoch war Boston zur Modellstadt für ein neues Bietermodell geworden, in dem das Auftragsvolumen ein aus Kiosken, Klo-Containern und Informationssystemen bestehendes Komplettpaket umfasste, welches laut Hans Wall mit einem geschätzten Werbevolumen von 400 Mio. US-Dollar innerhalb eines 20-Jahresvertrags kompensiert werden sollte. In anderen Quellen wird ein weitaus geringeres Budget angeführt, nämlich 130 Mio. US-Dollar, von denen das Unternehmen ein Viertel an die Stadt abführen müsse. Die Wall AG nimmt für den Auftrag in Boston ein sehr hohes Investitionsvolumen von ca. 20 Mio. US-Dollar in Kauf und geht deswegen eine strategische Partnerschaft mit dem US-Global Player der Außenwerbung, Clear Channel International Inc. Ltd., ein, der im Jahr 2001 Mitaktionär beim Berliner Außenwerber wird. Die US-Amerikaner steigen jedoch kurzfristig aus dem Geschäft aus, so dass die Berliner plötzlich mit dem Problem konfrontiert sind, für die Vorfinanzierung allein aufkommen zu müssen, was das Unternehmen zeitweilig in akute Finanzschwierigkeiten bringt. Die Situation wird verschärft durch technische Probleme hinsichtlich eines kleinen Produktdetails, nämlich behindertengerechter Griffe in den zu liefernden High-Tech Toiletten. Diese entsprechen zwar den deutschen Standards der Barrierefreiheit, fallen jedoch gemessen an USamerikanischen Standards ein paar Zentimeter zu kurz aus. Der Architectural Access Board des Staates Massachusetts verweigert dem Design der Wall AG, auf dem die Kalkulation basiert, daher zunächst seine Zustimmung. Mit Unterstützung mehrerer Behindertenorganisationen gelingt es dem amerikanischen Tochterunternehmen des Berliner Stadtmöblierers schließlich, das Board zur baulichen Freigabe des Millionenvertrages zu bewegen.715 Das Exempel Boston illustriert die hohen Anforderungen, denen Stadtmöblierungsunternehmen im Rahmen metropolenweiter Kompensationsgeschäfte gerecht werden müssen: Technische Perfektion, hohe Investitionsbereitschaft im Vorfeld sowie die Behauptung als mittelständischer Akteur in einer sich zunehmend global konzentrierenden Branche. Der Fall Boston hat der Berliner Wall AG darüber hinaus ihren schärfsten Konkurrenten als neuen Teilhaber beschert, der sich zunächst im Dezember 2001 ohne vorherige Kenntnis der Berliner Zugriff auf das von einer Beteiligungsgesellschaft der Bankgesellschaft Berlin namens Berlin Capital Fund gehaltene Aktienpaket von 11,1% verschafft. Mit einem weiteren finanzstrategi714 Knierbein 2006. 715 FAZ vom 06.01.04. Tagesspiegel vom 09.04.01. Die Welt vom 06.10.00.Tagesspiegel vom 23.05.00.
207
schen Schachzug sichern sich die Franzosen im Jahr 2003 auch die von der Clear Channel Limited Inc. Ltd. gehaltenen Wall-Aktien, so dass JCDecaux ungefähr 35% der Wall AGAktien hält.716 Der französische Stadtmöblierer ist demnach indirekt auf dem Berliner Markt in nicht unerheblichem Maße vertreten und damit den sensiblen Informationen neuer Produktinnovationen der Berliner Pioniere strategisch etwas näher gekommen.717 Neben Boston belieferte die Wall AG die Stadt St. Louis seit 1998 mit Buswartehallen und Plakatwerbung, nachdem man bereits 1996 zu Anlass der olympischen Spiele die Stadt Atlanta mit City-Toiletten beliefert hatte. Auch an New York war der deutsche Stadtmöblierer schon seit 1990 interessiert: Ein erstes Sortiment an Toilettenhäuschen war 1990 von den New Yorkern bestellt, dann schließlich wieder abbestellt worden. Schon zuvor hatte man in Deutschland anklingen lassen, dass in New York ein äußerst kompliziertes Planungs- und Genehmigungsverfahren bestehe, was die Ausschreibungsverfahren für Stadtmöblierung zukünftig erschweren könne. Ende der 1990er dann beteiligt sich die Wall AG an der großen Ausschreibung für 3500 Wartehallen, 400 Zeitungskioske und ungefähr 100 City-Toiletten, die mit rund 8000 Plakatflächen kompensiert werden sollten. Geschätztes Investitionsvolumen 100 Mio. US Dollar, geschätztes Werbevertragsvolumen ein bis zwei Milliarden Dollar, immenses Imagesteigerungspotenzial, so die Verheißung des Auftrags, der schließlich nicht an die Europäer vergeben wird. Jedoch zeugt auch heute noch eine durch die Firma Wall gratis installierte automatische City Toilette vor der New Yorker City Hall von den ersten Annäherungsversuchen der europäischen Stadtmöblierer an den arg umworbenen nordamerikanischen Außenwerbemarkt, seine Dependance hat das Unternehmen jedoch mittlerweile von New York nach Boston verlegt.718 Dass das Unternehmen jedoch nicht nur am US-amerikanischen Markt interessiert ist, wird in folgendem Zitat reflektiert: „Ich glaube, wenn ich nur 10 Minuten mit Putin sprechen dürfte, wäre Moskau viel schöner.“ (H. Wall, Süddeutsche Zeitung vom 14. November 2001)
Russland: Neben dem US-amerikanischen Außenwerbemarkt sind daher vor allem der osteuropäische und der russische Markt für die Firmen für die Branche der Stadtraummedien seit dem Fall des Eisernen Vorhangs interessant geworden. Unerschlossene Märkte bei gleichzeitigem rasantem Wachstum der Konsumbereitschaft und damit der Konsumgüterindustrien bedeuten eine mögliche Anwendung von Tabula-Rasa-Strategien in großem Stil. Nachdem etwa die Ströer Gruppe zum Experten für ostdeutsche Städte verschiedenen Maßstabs avancierte, spezialisierte sich die Wall AG im Verlauf der 1990er Jahre auf bekannte osteuropäische Metropolen wie etwa Budapest und Sofia. Dabei ist das Tagesgeschäft der Auftragsakquise geprägt von raffinierten Strategien einer einfallsreichen Angebotspolitik, so lässt etwa die Wall AG im Januar 2006 über Nacht eine City-Toilette vor dem Düsseldorfer Hotel platzieren, in dem der Moskauer Bürgermeister logiert, um den laufenden Verhandlungen auf kreative Weise einen größeren Spielraum zu verleihen.719 In Russland hatte die Wall AG zunächst Wartehallenverträge für je 50 Exemplare mit den beiden wichtigsten Städten – Moskau und St. Petersburg – abgeschlossen. Doch auch hier kommt es zu Adaptationsproblemen, es fehlen etwa Stromanschlüsse zur Hinterleuchtung der Stadtinformationsanlagen im öffentlichen Straßenland. Schließlich jedoch fließen die Werbeeinnah716 Stand vom Oktober 2008. 717 Die Welt vom 16.03.04. Süddeutsche Zeitung vom 24.10.03. FAZ vom 19.12.01. 718 Die Welt vom 07.02.00. Die Welt vom 08.10.99. Die Welt vom 06.10.99. Handelsblatt vom 11.12.98. Süddeutsche Zeitung vom 03.01.98. Tagesspiegel vom 12.06.97. Handelsblatt vom 07.01.94. 719 Tagesspiegel vom 06.01.06.
208
men für 500 genehmigte Werbestandorte. Durch Vereinbarungen mit den einschlägigen USWerbegroßkunden, die strategisches Interesse an der Erschließung des wachstumsträchtigen russischen Konsumgütermarktes zeigen, gelingt es dem Unternehmen, die Werbeflächen direkt an sie zu vermarkten, was dazu führt, dass die Preise für CLP-Formate auf einen – damaligen – Rekordpreis von 20 DM pro Tag und Fläche gesteigert werden können. Zum Vergleich: In Düsseldorf bekommt man damals 16 DM.720 Jedoch ist die Marktstruktur der Außenwerbewirtschaft in den letzten Jahren extrem volatil, denn im Rahmen des Asset Swap, einem Tausch von Tochterfirmen, werden die russischen Wall-Städte innerhalb kürzester Zeit zu russischen Decaux-Städten. Türkei: Neben Russland ist in den vergangenen Jahren auch der türkische Werbemarkt interessant für deutsche Stadtmöblierer geworden. Bereits im Jahr 1996 schließt die türkische Tochtergesellschaft des Wall-Konzerns mit der Stadt Istanbul einen Vertrag über ein Investitionsvolumen von 20 Mio. DM, für das 800 Buswartehallen, 150 Plakatsäulen, 350 Stadtinformationsanlagen und 30 City-Toiletten durch die Wall AG geliefert und für 20 Jahre unterhalten werden sollen. Der Auftrag umfasst ein geschätztes Werbevolumen von rund 100 Mio. Euro für die Megastadt am Bosporus und beschert dem türkischen Außenwerbemarkt die Einführung des CLP-Formats. Istanbul stellt für die Wall AG jedoch nicht allein eine sehr imageträchtige Vertragsakquise sondern auch die Eintrittskarte zum gesamten türkischen Werbemarkt dar. Die partnerschaftlichen Verbindungen zwischen der Stadt am Bosporus und der Spreemetropole scheinen die Türkeiexpansion des Berliner Unternehmens zu begünstigen. Im Jahr 2005 etwa nutzt der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, einen Besuch in Istanbul auch dazu, sich politisch für das Berliner Unternehmen zu verwenden. Der Vertrag zwischen der türkischen Stadt und dem mittelständischen Unternehmen aus Berlin wird ein Jahr später um weitere 10 Jahre verlängert. Die Wall Gruppe vermarktet mittlerweile 2700 Werbevitrinen und 280 Billboards in der Metropole im Kultureinfluss zwischen Orient und dem Abendland. Zum 1. Januar 2008 erwirbt sie darüber hinaus 90% der Anteile des eingesessenen türkischen Außenwerbers „Era Outdoor“ und ist nun ca. 46 Städten der Türkei als Protagonist der Außenwerbung mit 10.000 Plakatflächen präsent.721 Deutschland: Auf dem deutschen Heimatmarkt jedoch findet die Wall AG schwierige Rahmenbedingungen vor, die auf die Existenz ehemals öffentlicher Quasi-Monopole zurückzuführen sind. Seit 1998 existiert in Frankfurt am Main, einer Stadt die jährlich rund 4 Mio. DM für die Unterhaltung der rund 60 Bedürfnisanstalten gezahlt hatte, eine politische Debatte um die Aufstellung moderner Toilettenhäuschen.722 Da man den öffentlichen Haushalt entlasten will, wird zunächst ein Kompensationsgeschäft – Toilettenhäuschen gegen Werbeflächen – ins Visier genommen. Dies ist in Frankfurt jedoch nicht gänzlich neu, denn bereits Mitte der 1990er Jahre hatte die damalige Deutsche Städte Reklame (DSR), die später als Deutsche Städte Medien (DSM) firmierte und schließlich durch die Ströer Gruppe übernommen wurde, der Stadt im Tausch für 100 Billboards angeboten, die Innenstadt mit Stillen Örtchen zu bestücken. Dieser Deal tritt so jedoch nie in Kraft, denn ab 1997 werden die Einnahmen aus den Konzessionsverträgen nicht mehr für die Bedürfnisanstalten, sondern für einen Fonds zur Förderung der lokalen Wirtschaft verwendet. Außerdem werden lediglich 19 der 100 geplanten Standorte genehmigt, von denen jedes der Stadt jährlich 18.000 DM beschert. Der Frankfurter 720 Handelsblatt vom 22.06.94. 721 Tagesspiegel vom 14.11.07, vom 06.01.06 und vom 16.11.95. Handelsblatt vom 06.12.95. (Anmerkung: In einigen Zeitungen variieren die Angaben für die Stadtinformationsanlagen/Werbevitrinen zwischen 200 und 350 Stück). Siehe Internetauftritt der Wall AG, URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01485.asp (letzter Zugriff am 31.03.08). 722 FAZ vom 11.11.99.
209
Wirtschaftsförderung kommen infolge summa summarum 342.000 DM aus den Einnahmen für Out-of-Home Medien im öffentlichen Straßenland pro Jahr zu Gute. Zur Jahrtausendwende beginnt sich jedoch eine neue politische Hinwendung zur Toilettenproblematik im Frankfurter Römer abzuzeichnen. Speziell die Produkte der Wall AG scheinen bei den Entscheidungsträgern Anklang zu finden, die DSM lehnt jedoch eine Kooperation mit dem Spandauer Stadtmöblierer allein deswegen ab, weil ihre Unternehmenszentrale mit rund 400 Mitarbeitern in Frankfurt angesiedelt ist und das gegen eine Vermarktung der Flächen durch die Berliner spricht. Das Berliner Unternehmen hingegen rät den Frankfurter Stadtvätern, den Vertrag mit der DSM zu kündigen, und engagiert einen bekannten PRFachmann, um Lobbyarbeit in Frankfurt zu betreiben. Im Jahr 2004 schließlich wird die Ausschreibung der Sanierung der Bedürfnisanstalten durch die Stadt Frankfurt initiiert. Die Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) erhält nach dem Bieterverfahren den Zuschlag für den werbefinanzierten Betrieb von elf öffentlichen WC-Anlagen. Da das halbstädtische Unternehmen als Spezialist für Abfallentsorgung und Straßenreinigung, nicht aber als Experte im Toilettensanierungsgeschäft, geschweige denn für die Vermarktung von Außenwerbung gilt, bittet die FES den Wall-Konzern und die Ströer-Gruppe um Angebotsabgabe. Nach erteilter Auftragsvergabe an die FES entscheidet sich diese, mit der mittlerweile privatisierten Ströer DSM zusammen zu arbeiten, woraufhin die Berliner Wall AG gerichtliche Schritte bei der hessichen Vergabekammer einleitet. Denn laut ihrer Aussage habe zwischen der FES und der Wall AG bereits während des Bieterwettbewerbs eine fest verabredete Kooperation bestanden, was die FES dementiert.723 Im September 2005 reicht die Wall AG zusätzlich beim Gerichtshof der Europäischen Union in Brüssel eine Vertragsverletzungsklage wegen Wettbewerbsverhinderung ein. Und gewinnt. Mittlerweile hat auch die Frankfurter FDP eine parlamentarische Überprüfung insbesondere deswegen beantragt, weil Wall der Stadt 300.000 Euro mehr Einnahmen in Aussicht gestellt hatte als die DSM, die als Frankfurter Lokalmatador durch den Zuschlag zum Monopolisten in Frankfurt avancierte.724 Das Beispiel Frankfurt verdeutlicht, dass juristische Verfahren in der Stadtmöblierungsbranche vielfach als Instrument der Unternehmenspolitik genutzt werden, um etwa die verstrickten und verschmolzenen Verbindungen alter (halb)öffentlicher oder mittlerweile privatisierter Quasi-Monopole zu lösen. Paradoxerweise hatte zu Beginn der Ausschreibung die Ströer Gruppe erfolglos bei der Vergabekammer des Regierungspräsidiums Klage eingereicht, da ihrer Meinung nach die Vergabe der Werbeflächen eine Dienstleistungskonzession, die Bereitstellung von Toiletten jedoch ein Beschaffungsvorgang sei, für den die Stadt eine klare Gegenleistung durch klares Ausweisen und Genehmigen von potenziellen Werbestandorten in Qualität und Quantität präsentieren müsse.725 Die Klage bleibt erfolglos, da der Magistrat der Stadt darauf verweist, dass es sich um zwei gekoppelte Dienstleistungskonzessionen handele. Der Fall Frankfurts ist daher aus zwei weiteren Gründen für die Arrondierung der Ergebnisse dieser Arbeit wichtig, weil er, erstens, die besondere rechtliche Situation der Dienstleistungskonzessionen im Bereich Stadtmöblierung/Außenwerbung auf europäischer Ebene verdeutlicht und weil er, zweitens, die hohe Komplexität des Entscheidungsfindungsprozesses hinsichtlich der Ausschreibung verdeutlicht, weil hier – ähnlich wie in Berlin – ebenfalls ein ortsansässiges Außenwerbeunternehmen, und damit standortpolitische Argumente, in der Diskussion eine maßgebliche Rolle spielen.
723 FAZ vom 05.05.00. 724 FAZ vom 20.12.07 und vom 05.12.07. 725 FAZ vom 21.08.03.
210
Im Jahr 2007 avanciert nach Berlin und Frankfurt ebenfalls Hamburg zu einem Schauplatz eines Bieterwettstreits der Außenwerber der zweiten Ausschreibungsgeneration. Die Berliner Wall AG hatte versucht mit der für ihre exklusive Gestaltqualität gelobten Stadtmöbelfamilie Landmark aufzutrumpfen, die von der Hadi Teherani AG entwickelt worden war. Wall bietet der Hansestadt außerdem 500 Exemplare seiner Produktneuerung Dog-Service Station an, die von 30 Mitarbeitern betreut werden sollten. Als es in der Zwischenzeit in Berlin zum Verkauf der VVR Berek an den französischen Konkurrenten JCDecaux durch das Land kommt, bringt Wall kurzerhand eine standortpolitische Option ins Spiel, indem er andeutet, dass er bei Auftragserteilung durch die Hamburger gewillt sei, seinen Produktions- und Managementstandort von der Spree an die Elbe zu verlegen.726 Die Konkurrenten in Hamburg sind Ströer und JCDecaux, beide sind bereits in der ersten Vertragsgeneration der Stadtmöblierung mit dem Senat der Hansestadt ins Geschäft gekommen, Ströer verfügt sogar über ein im Zuge der Privatisierung der Hamburger Außenwerbung (HAW) erstandenes Vorkaufsrecht. Inhaltlich versuchen die drei Firmen, sich über Produktfeinheiten voneinander abzusetzen, so punktet die Ströer Gruppe, mit Haltestellen aus Glas und Stein von James Irvin, wohingegen JCDecaux der Stadt sein bereits in Paris installiertes Leihfahrradsystem offeriert. Letzteres, so wird schließlich durch die Entscheidungsträger beanstandet, sei eine Leistung, die nicht notwendigerweise an Kompensation durch Werbung gekoppelt sei, deswegen müsse diese auch unabhängig davon ausgeschrieben werden. Die Vertragspartner der Hamburger Außenwerbe-Konzessionen sind schließlich dieselben Akteure, die auch im Vorfeld bereits den Hamburger Außenwerbemarkt im Bereich des Stadtmobiliars systematisch bewirtschaftet hatten: die Ströer-Gruppe und JCDecaux, die der Stadt in den kommenden Jahren Einnahmen in einer Höhe von 508 Mio. Euro bescheren sollen.727 Das Exempel Hamburg ist aus zwei Gründen richtungsweisend: Zum einen geht es hier um eine Professionalisierung der Ausschreibungsverfahren, die selbst vom Verlierer Wall als „europaweit vorbildlich“ gelobt wurden.728 Zum anderen könnten nicht in ihrer Totalität im Rahmen dieser Arbeit erforschbare Blindstellen hinsichtlich der These, die neue Praxis gestaltwirksamer Koalitionen führe langfristig zur Ausprägung von ‘Urban Regimes’, am Beispiel Hamburg vorzüglich untersucht werden, da hier beide Gewinner der Ausschreibung bereits zuvor auf dem Hamburger Außenwerbe- und Stadtmöblierungsmarkt eine Ko-Existenz fristeten und Hamburg als eine der ersten deutschen Städte bereits die 2. Generation der privatwirtschaftlichen Bereitstellung von Stadtmobiliar in der gleichen Konstellation einer doppelten gestaltwirksamen Koalition erlebt. Von der Betrachtung zweier deutscher Beispiele, bei denen sich der Berliner Stadtmöblierer – zumindest in großen Teilen – nicht gegen die lokal ansässige oder lokal bereits etablierte Konkurrenz durchsetzen konnte, überleitend weisen die nächsten drei Beispiele auf stadtentwicklungspolitische Tendenzen im Ausland hin. Eines der gegenwärtigen Beispiele für eine radikale Stadtentwicklungspolitik hinsichtlich des Stadtmöblierungssegments ist die brasilianische Megastadt-Region São Paulo. Seit dem 1. Januar 2007 hat die Stadt jegliche Außenwerbung sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Stadträumen verbannt, also ein Exempel statuiert, das durch die internationale Presse vielfach dokumentiert wurde. Die Effekte dieser politischen Entscheidung sind weitreichend, zumindest, was die Ästhetik der Stadt betrifft. Als erstes waren jegliche Eigen- und Fremdwerbungen in den Straßen der rund 18 Millionen Ein726 Handelsblatt vom 02.09.06. Tagesspiegel vom 25.08.06. Süddeutsche Zeitung vom 25.08.06. FAZ vom 25.08.06. Die Welt vom 24.08.06. 727 Tagesspiegel vom 10.10.06. Hamburger Abendblatt vom 16.10.07. 728 Hamburger Abendblatt vom 25.10.07.
211
wohner beherbergenden brasilianischen Megastadt zu entfernen. Dies gilt nicht allein für private Grundstücke, sondern ebenfalls für öffentliches Straßenland. So werden bauliche Strukturen freigelegt, die seit Jahrzehnten hinter Werbeschildern und Billboards verborgen waren, kurz: Es wird eine neue Phase der stadtkosmetischen Hinwendung zur Stadterneuerung eingeläutet. Doch das ist nicht alles. São Paulo’s Gesetz mit dem Namen ‘Cidade Limpa’ (‘Saubere Stadt’) zwingt sogar auch große multinational agierende Konzerne wie Mc Donald´s, ihre überdimensionierten Eigenwerbeschilder nun den neuen restriktiven Normen für Werbeanlagen im Außenraum anzupassen. Beugen sich diese der staatlichen Regulierung nicht, wird nach einer Übergangsfrist von drei Monaten eine Geldbuße verhängt, die für den ersten Monat 10.000 brasilianische Real – ca. 3370 Euro – plus 1000 Real für jeden überdimensionierten Quadratmeter beträgt. Kommen die Privaten dieser Verpflichtung nicht nach, potenziert sich diese Summe mit jedem verstrichenen Monat. Eine sehr wirksame Art und Weise, einem stadtplanerischen Instrument Schlagkraft zu verleihen.729 Was aber bedeutet ein solcher herber Einschnitt in gängige Stadtentwicklungspraktiken für die lokale Ökonomie? – Läuft man heute durch die Straßen von São Paulo, kann man beschäftigte Menschen beobachten, die Fassaden, Balkone und Erker in Stand setzen, neu anstreichen. Auch eigens gestaltete Ladenschilder werden angebracht, wohingegen Fremdwerbung weiterhin im öffentlichen und privaten Raum verboten ist. Die Megastadt ist dabei, ein neues Image durch den Wandel ästhetischer Merkmale zu kreieren, jedoch ist dieser Versuch eher als Facelifting, denn als Neudefinition der Stadtgestalt zu verstehen. Was aber bedeuten diese Veränderungen für die Aktivitäten im Bereich der Stadtmöblierung und Außenwerbung? Zuvor hatte es eine Unmenge an illegal errichteten Billboards und anderen Werbeträgern gegeben, Regulierung erschien hier aufgrund der Fülle der Interventionen sowie aufgrund ihres temporären Charakters schier unrealisierbar. Auch hatte eine Vielzahl an Anbietern einen fragmentierten, aber durchaus prosperierenden Markt unter sich aufgeteilt. Mittels der Einführung des neuen Gesetzes werden, erstens, bisherige Regelungen mit Außenwerbefirmen nichtig. Durch das gleichzeitige Ausschalten konkurrierender Werbeträger in öffentlichen und privaten Stadträumen kann der öffentliche Raum, zweitens, nun als ökonomisches Asset veredelt werden, denn sein Wert im Sinne von Aufmerksamkeit als knappe Ressource kann nun von Grund auf neu verhandelt werden.730 Auch die beiden großen Stadtmöblierer aus Frankreich und den USA stellen sich ebenso wie ihre spanische Konkurrentin Cemusa in regelmäßigen Abständen bei den öffentlichen Entscheidungsträgern vor, um eine stadtgebietsweite Ausschreibung für werbefinanziertes Stadtmobiliar zu initiieren. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass Außenwerbung auf Stadtmobiliar durch Cidade Limpa nicht verboten worden ist. Im Gegenteil: Die Stadtverwaltung bekennt sich öffentlich dazu, dass es eines der Ziele von Cidade Limpa ist, Außenwerbung auf das Stadtmobiliar zu verlagern, sozusagen eine Konzentration von Außenwerbeflächen im öffentlichen Straßenland vorzunehmen. Noch aber lässt sich die Verwaltung der Megastadt Zeit mit der Durchführung ihres nächsten strategischen Schachzugs und stellt Forderungen an die Unternehmen des Out-of-Home Mediensektors. Ob letztendlich ausgeschrieben wird und wer den (alleinigen oder geteilten) Zuschlag erhalten wird, wird erst die Zukunft zeigen. Eins jedoch ist klar: Es werden nicht unbedingt die kleinen Lokalmatadore im Bereich der Außenwerbung sein, die das unternehmerische Potenzial mit bringen, eine solche investi729 Gesetz Nr. 14.223, São Paulo, Brasilien. Diese und weitere Studien zu Stadtmobiliarkonzessionen in Brasilien hat die Autorin im Rahmen des binationalen Forschungsprojektes ProBral (DAAD/CAPES) im Jahr 2006 und 2007 in Brasilien durchgeführt. Teilergebnisse sollen Ende 2008 in Brasilien und ggf. später in Russland veröffentlicht werden. 730 Interview D.15.b vom 20.11.07.
212
tionsschwere Ausschreibung stemmen zu können. Die Stadt als Unternehmen aber wird sich durch die monopolistische oder oligopolistische Vergabe an multinational agierende Konzerne sicherlich eine größere finanzielle Ausbeute versprechen.731 Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Stadtmobiliarausschreibungen bietet die Stadt Toronto in Kanada. Dies dient dazu, anhand der Analyse zweier konträrer Statements der Stadtentwicklungspolitik das Augenmerk an dieser Stelle auf die politische Ambivalenz des Gegenstands zu lenken. Es diskutieren der Abgeordnete De Baeremeker und die Abgeordnete Davies: Der Abgeordnete De Baeremaeker bezieht sich auf den öffentlichen Raum, der für das Unternehmen Stadt ein Asset, also ein Wirtschaftsgut, darstellt, welches man dazu einsetzen könne, für die Finanzierung öffentlicher Belange in der Stadt zu sorgen. Dem entgegen steht die Position der Abgeordneten Davis, die auf die fehlende gesellschaftspolitische Grundlagendiskussion hinweist und den Vorstoß De Baeremakers kritisiert, den öffentlichen Raum vermarkten zu wollen. Sie weist darauf hin, dass man sich prinzipiell damit befassen müsse, welche Implikationen der Ausverkauf des öffentlichen Raumes für sich genommen bereits habe, speziell im Kontext einer sich mehr und mehr durchsetzenden Konsumkultur.732 So polarisiert beide Beiträge daher kommen, so treffend illustrieren sie das Dilemma, in dem sich stadtentwicklungspolitische Diskussionen hier und dort bewegen: Zwischen einer Betrachtung des öffentlichen Raumes als eines ideellen und institutionellen Schutzraums für diverse öffentliche Nutzungen und der ökonomischen Perspektive auf den öffentlichen Raum als Wirtschaftsgut. Dieses Dilemma existiert auch in Berlin, wobei Grundsatzdiskussionen, wie sie durch die kanadische Abgeordnete Davis gefordert wird, immer stärker von den Argumenten der effektiven Ausschöpfung des Wirtschaftspotenzials öffentlicher Räume verdrängt werden. Neben dieser grundlegenden Verschiebung des politischen Diskurses hin zu ökonomischen Argumenten sind es aber noch ganz andere Faktoren, die die Ambivalenzen dieser neuen urbanistischen Praxis unterstreichen, allen voran die Kommunikationsstrategien der Unternehmen der Außenwerbung, ebenso wie die Bedeutung dieser Firmen für die Inszenierung der Stadt als Marke. Bevor diese Aspekte jedoch im nachfolgenden Kapitel erörtert werden sollen, schließt sich ein Exkurs zu den bis dato jüngsten Entwicklungen der Berliner Außenwerbelandschaft über den Bereich der Stadtmöblierung, Stadtsanierung, Stadtunterhaltung und Stadtkommunikation hinaus an. Denn es fanden nicht nur grundlegende Gesetzesänderungen statt, die die Entwicklung der lokalen Außenwerbemarktes vorangetrieben haben, sondern es ist in den Jahren 2006 und 2007 zu einer Umstrukturierung der Machtverhältnisse auf dem Berliner Außenwerbemarkt gekommen, die gemeinhin im Kontext der gesamtdeutschen Reorganisation der Branche interpretiert werden können.733 Marktkonzentrationen – VVR Berek. VVR Decaux. VVR Wall! Im Jahr 1929 entstand aus einigen kleineren Unternehmen die Vereinigte Verkehrsreklame (VVR), die 1934 in die Berliner Verkehrsbetriebe (heute BVG) eingegliedert wurde und die Konzession für die Werbung an deren Verkehrsmitteln erhielt. Das unter der Regie des Landes geführte Unternehmen, das infolge unter dem Namen VVR Berek firmiert, übernimmt 1992 zudem die ortsansässige Plakat- und Außenwerbung GmbH Berlin und erwirtschaftet bereits neun Jahre später das beste Ergebnis in der Betriebsgeschichte. Im Jahr 2002 vermarktet die 731 Interview A.16.b vom 23.11.07. Siehe Internetauftritt der Stadtverwaltung Prefeitura do São Paulo, URL: http:// www.prefeitura.sp.gov.br/portal/a_cidade/noticias/index.php?p=10200 (letzter Zugriff am 31.03.08). 732 Interview A.16.b vom 23.11.07. Siehe Internetauftritt der Stadtverwaltung Prefeitura do São Paulo, URL: http:// www.prefeitura.sp.gov.br/portal/a_cidade/noticias/index.php?p=10200 (letzter Zugriff am 31.03.08). 733 Interview B.14.d vom 04.07.07.
213
VVR Berek in Berlin rund 3600 Litfaßsäulen und 2500 Wartehallen.734 Gegen Ende 2003 gründet die BVG die BVG Media Holding GmbH mit dem Ziel, die gesamten Außenwerbeaktivitäten der BVG und ihrer Werbetochter VVR Berek zu bündeln. Infolge werden die langfristig zwischen dem Land Berlin und der BVG bestehenden Werbeverträge neu verhandelt und auf die immer noch als BVG-Abteilung geführte VVR Berek übertragen, um die letzten rechtlichen Hürden gegen die Privatisierung der Außenwerbeaktivitäten aus dem Weg zu räumen. Im Folgejahr schließlich wird das knapp 80 Jahre zuvor gegründete Unternehmen von seinem Status als Abteilung der BVG enthoben und in eine eigenständige Außenwerbegesellschaft überführt. Dies kann realisiert werden, in dem sie zur 100-prozentigen Tochtergesellschaft der BVG-Tochter Media Holding GmbH & Co KG umfirmiert wird. Ähnlich wie bereits bei der DSM und der DERG hat die Privatisierungswelle staatlicher Werbeunternehmen also auch die Hauptstadt kurz nach der Jahrtausendwende erreicht: Am 21. März 2006 wird mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union die europaweite Ausschreibung für den Verkauf der VVR Berek initiiert, nachdem vorab intern der Bereich Verkaufseinrichtungen von dem der Außenwerbung innerhalb der VVR Berek getrennt worden war. Ersterer, bei dem es maßgeblich um das Betreiben von Verkaufseinrichtungen auf U-Bahnhöfen geht – fungiert heute als Urbanis GmbH, die weiterhin Bestandteil der BVG bleibt. Der Außenwerbebereich firmiert temporär als neue GmbH unter dem altbekannten Namen der VVR Berek weiter. Während des Ausschreibungsverfahrens, an dem neben der Wall AG und der Ströer Gruppe auch JCDecaux teilnimmt, stellt der CDUAbgeordnete Marcus Weichert – seines Zeichens ehemaliger Pressesprecher der Wall AG – eine Anfrage hinsichtlich eines möglichen Ausschlusses der Wall AG von der Ausschreibung. Als Grund wird der Verdacht angeführt, dass die Sponsoring-Aktivitäten der Wall AG bezüglich des Handball Zweitligisten und Betriebssportvereins der BVG 49 im Kontext der Ausschreibung als Wettbewerbsbeeinträchtigung zu bewerten seien. Ein Zusammenhang wird jedoch seitens der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen dementiert, sodass ein Verfahrensausschluss des Berliner Stadtmöblierungsunternehmens nicht realisiert wird. Im September 2006 schließlich veräußert die BVG Media Holding GmbH sämtliche Anteile der VVR Berek GmbH für 103 Mio. Euro an JCDecaux. Im Bieterwettstreit waren die Franzosen am Ende allein noch gegen die Wall AG angetreten, die mit ihrem Gebot von 80 Mio. Euro darunter gelegen hatte.735 „Nachdem wir uns seit über 20 Jahren um den Markt Berlin bemühen, freuen wir uns als neuer Partner der VVR Berek, sowohl das größte Werbesäulennetz der Welt als auch die Transportwerbung inklusive U-Bahn in der Hauptstadt Deutschlands Berlin modernisieren zu können. Diese Modernisierung wird dazu beitragen, dass Berlin weltweit ein Schaufenster der Stadtmöblierung und Transportwerbung wird. Dies sichert nicht nur die bestehenden Arbeitsplätze, sondern schafft Arbeitsplätze, weil wir Berlin als ‘Center of Competence’ für unsere weitere Expansion in Osteuropa nutzen wollen. Darüber hinaus wird es zum ersten Mal möglich sein, hochwertige Werbeträger in den größten Städten Deutschlands gleichzeitig, u.a. in Hamburg, Köln, München, Stuttgart, Leipzig, Dresden, Düsseldorf usw. aus einer Hand zu buchen, worüber sich nationale und internationale Werbekunden freuen werden.“ (Pressemitteilung JCDecaux vom 26.09.06736)
Ein gutes halbes Jahr später jedoch, im Frühjahr 2007, treten die Wall AG und ihr französischer Teilhaber und Konkurrent JCDecaux mit einer Neuigkeit an die Presse: Die Firmen sind übereingekommen, einen ‘Asset Swap’, also eine Finanzmarkttransaktion die aus dem Tausch von Tochterunternehmen besteht, zu realisieren. Diese Transaktion beschert der Wall AG den 734 Die Welt vom 16.11.02. 735 Drs 15/13359 vom 14.03.06 und Drs 15/13590 vom 16.06.06, BerlAbgH. 736 URL: http://www.JCDecaux.de/uploads/media/JC De-caux_uebernimmt_VVR_Berek_01.pdf (letzter Zugriff am 23.03.08).
214
Vorteil, ihre Marktvorherrschaft in Berlin und Düsseldorf durch Übernahme der VVR Decaux und der Düsseldorfer Zacharias GmbH ausweiten zu können, Decaux hingegen erhält die russische sowie die niederländische Tochterfirma und ein weiteres Zehntel der Anteile an der amerikanischen Tochterfirma der Wall-Gruppe. Unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Freigabe kann diese Transaktion langfristig zu einer völligen Neugliederung des deutschen bzw. europäischen Außenwerbemarktes führen.737 Pikanterweise hat sie bereits eine nur durch wenige Ausnahmen geschwächte Monopolstellung der Wall AG in Berlin generiert. Zwischenfazit: Erdung der Annahmen im Antlitz der Empirie In Kapitel 1 wurde eine generelle kontextuelle und konzeptuelle Einführung in die Betrachtungen zu Gegenstand und Thematik dieser Forschungsarbeit gegeben: Es ging um das Verstehen von öffentlichen Räumen, es ging um die postfordistisch geprägte Stadtproduktion in Berlin und es ging um Urban Governance. Das zweite Kapitel diente infolge dazu, den fallstudienbezogenen Kontext zu den gestaltwirksamen Koalitionen im Bereich der werbefinanzierten Stadtmöblierung in Berlin herzustellen und Determinanten für die vermuteten Entwicklungen zunächst deskriptiv zu erfassen. Erst aber mit dem dritten Kapitel wurde ein Einblick in erste Ergebnisse hinsichtlich konkreter stadträumlicher Interventionen der gestaltwirksamen Koalitionen ermöglicht, diese waren vorrangig baulicher und virtueller Natur. Dieser Einblick gestaltete sich vielleicht an manchen Stellen zu kurz, an anderen zu umfangreich, spiegelt aber in der Regel die Gewichtung der einzelnen Bereiche der gestalterischen Stadtproduktion auf der stadtentwicklungspolitischen Agenda des Abgeordnetenhauses, des Bezirks Mitte von Berlin sowie in der medialen Berichterstattung wider. Es wird bereits deutlich, dass grundlegende Annahmen, gestaltwirksame Koalitionen würden vorrangig im Bereich der Stadtmöblierung agieren und eigentlich sei ja alles allein einer Veränderung eines impulsfreudigen Marktsegments geschuldet, dringend der Revision bedürfen. Diese soll nachfolgend geschehen. Erstens wird das Handeln von gestaltwirksamen Koalitionen neben den bereits beschriebenen veränderten Vorzeichen für die Werbewirtschaft im Bereich der Stadtraummedien maßgeblich auch vom Wandel der Werte öffentlicher Akteure bestimmt. Dieser erscheint als tiefgehend verwoben mit der postfordistischen Transformation des Staates auf städtischer Ebene. Zweitens hat die werbefinanzierte Stadtmöblierung dazu gedient, ein Kompensationsmodell im Bereich der Stadtraummedien in den 1980er und 1990er Jahren in der Berliner Stadtpolitik zu etablieren. Die einschlägigen Firmen haben aber längst das Entstehen neuer oder die Erweiterung alter gestaltwirksamer Koalitionen forciert, und konnten so ihr Handeln von der Stadtmöblierung auf weitere Bereiche der Stadtsanierung, der Stadtunterhaltung und der Stadtkommunikation ausweiten. Drittens sind lokale öffentliche Räume zum Spielfeld für einen sich zunehmend globalisierenden und konsolidierenden Aufmerksamkeitsmarkt im Bereich der Stadtraummedien geworden. Dieser ist bisweilen oligopolistisch verstrickt, gleichermaßen entsteht etwa auf europäischer Ebene ein sich zunehmend konkretisierender Rechtsrahmen, der für mehr Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb sorgt. Quasi-Monopole und Quasi-Oligopole sind aber – gerade was die Stadtmöblierung betrifft – seither eines der prägnantesten Merkmale der Branche, und können also nicht allein auf gegenwärtige Globalisierungstendenzen zurückgeführt werden, sondern waren dem Gegenstand bereits historisch immanent. Berlin ist diesen Ent737 Pressemitteilung der Wall AG vom 07.05.07. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01420. asp (letzter Zugriff am 01.06.08). Tagesspiegel vom 28.05.07.
215
wicklungen wie jede andere Stadt ausgesetzt, die nachgezeichneten Entwicklungen zeugen aber davon, dass sich aufgrund der speziellen Situation der wiedergewonnenen Hauptstadt andere Möglichkeitsfenster, andere Entwicklungsrhythmen als in anderen Städten, sei es in Deutschland oder andernorts, auftun. Viertens reicht eine Betrachtung baulicher und virtueller Dimensionen der Verstrickung von Stadtpolitik und Aufmerksamkeitsökonomie im Sinne des akteurszentrierten Institutionalismus, die nur auf der Untersuchung materieller Aspekte fokussiert, nicht aus. Denn mit zunehmender Charakterisierung postfordistischer Stadtentwicklungsprozesse durch Informationen, durch Wissen und durch immateriell-symbolische Aspekte von Politik und Ökonomie erscheint es erforderlich, die kommunikationsstrategische Dimension zentraler öffentlicher Räume ebenfalls zu untersuchen (Kap. 1). Denn auch (Außen)-Werbung heißt in der postfordistischen Stadt nicht mehr Werbung, sondern ‘Integrierte Kommunikation’, und umfasst ein vielschichtiges Spektrum (unternehmerischer) Kommunikationspolitiken sowie städtischer Imagepolitiken, die gleichermaßen von der Knappheit der Ressource Aufmerksamkeit bestimmt werden. Diese vier erweiterten Statements lassen anklingen, dass eine gegenseitige Durchdringung klassischer Institutionen unter dem Vorzeichen vollkommen pervertierter Rollenzuschreibungen geschieht. Slogans wie ‘Unternehmen Stadt’, die ‘Stadt als Marke’ sowie ‘Der Unternehmer als Staat’ und ‘Corporate Social Responsibility’ lassen Vermutungen aufkommen, dass neue Graubereiche einer komplexen politischen Symbolik im Entstehen sind, die insbesondere den demokratisch legitimierten Akteuren ein Dilemma bescheren: Sich bei steigender Komplexität und geringer werdenden Transparenz von alten Handwerkszeugen zu verabschieden und gleichzeitig neue Bewertungsmaßstäbe anzulegen, die gesamtgesellschaftlich tragbar und verträglich sind. Zunächst aber soll konkret gefragt werden, welche Instrumente unternehmerischer Kommunikations- und städtischer Imagepolitik existieren, wie diese zur Anwendung kommen und inwieweit die kommunikativen Strategien der Unternehmen und der Stadt mit zentralen öffentlichen Räumen zusammenhängen. Nachdem die Durchdringung der baulichen Arrangements öffentlicher Räume mit virtuellen, digitalen und gestalterischen Rauminterventionen vorangehend beschrieben wurde, gibt das nachfolgende vierte Kapitel Einblick in die kommunikationsstrategische Dimension des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume.
216
4
Gestaltwirksame Koalitionen und das kommunikationsstrategische Streben nach Aufmerksamkeit
“(...) the understanding of the advertising industry is based on changes in its structure and relationships in the larger business sphere, and on changes in advertising thought and practice within the industry itself. The advertising industry is depicted as responding to shifts in the market or to broader conceptions of man and society.“ (Leiss et. al. 1990, 151)
In dem Maße, in dem Werbung in umfassendere Konzepte strategischer Kommunikationspolitiken integriert wird, verändert sich die Rolle der als Außenwerbesegment bezeichneten Wirtschaftsbranche, die im Stadtraum baulich-räumlich und virtuell interveniert (Kap. 2 und 3). Auch das Land Berlin sowie die Bezirke entwickeln andere Ansprüche an städtische Imagepolitik und auch sie bedienen sich in gesteigertem Maße unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente, um ein verändertes Selbstverständnis kommunikativ in die Gesellschaft zu tragen. Dabei herrscht hinsichtlich der zur Anwendung kommenden privatwirtschaftlichen Impulse eine kaum mehr zu überblickende Begriffsvielfalt vor, die sich darin widerspiegelt, dass das Spektrum traditioneller Konzepte wie ‘Mäzenatentum’, ‘Spendenwesen’ und ‘Öffentlichkeitsarbeit’ durch eine Fülle bekannter Konzepte aus anderen Bereichen wie etwa ‘Sponsoring’, ‘Public Relations’ oder ‘Public Affairs’ ergänzt und um neue wie ‘Corporate Social Responsibility’ – Soziale Verantwortung von Unternehmen –, oder ‘Corporate Citizenship’ – das Unternehmen als Bürger – erweitert wird. Wie aber unterscheidet sich bürgerschaftliches Engagement von unternehmerischem und: Kann sich ein Unternehmer nicht sowohl als Firmeninhaber, als auch als Bürger engagieren? Diese ersten Fragen möchten vorwegnehmen: Der Bereich kommunikationsstrategischer Instrumente ist in der Stadtentwicklungspraxis ein begrifflicher Flickenteppich. Speziell öffentliche Akteure und Institutionen betreiben zunehmend Ressourcenakquise, widmen sich also, erstens, der Beschaffung finanzieller sowie weiterer Ressourcen (Know-how, Informationen, Aufmerksamkeit etc.) außerhalb der eigenen Sphäre und bemühen sich, zweitens, um eine ständig positive Darstellung der eigenen Stadt in der Außenperspektive. Deswegen sind ihre Kenntnisse hinsichtlich unternehmerischer Kommunikationsinstrumente, über ihre Chancen sowie ihre Tücken, von zentraler Bedeutung für ihre Möglichkeiten, steuernd auf Prozesse der Stadtentwicklung einzuwirken. Gestaltwirksame Koalitionen, deren zentrale Aufgabe es ist, neue Medien, also Träger von Werbung und Information im weiteren Sinne, systematisch im Stadtraum einzubinden, stellen vorzügliche Experimentiersphären für diese neue Vielfalt und Verschiedenheit kommunikationspolitischer Strategien dar. Welche Rolle die kommunikationsstrategische Dimension zentraler öffentlicher Räume für diese zunächst immateriell erscheinenden Interventionen der Akteure der gestaltwirksamen Koalitionen spielt, darüber informiert das folgende Kapitel. Denn „nicht nur Personen, sondern auch Organisationen, Unternehmen und Institutionen versuchen, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und durch das geschickte Management von Themen ein möglichst positives Image aufzubauen und zu erhalten.“738 Bei einer Untersuchung von kommunikationsstrategischen Interessen ist dem Dualismus der Aufmerksamkeitsökonomie Rechnung zu tra738 Dahinden 2001, 46.
217
gen: Es geht hier, erstens, um die mehr oder minder kalkulierbare Vermarktung von Aufmerksamkeitsressourcen (über die Kontaktzählungen), und zweitens, auch um das Erregen von Aufmerksamkeit, also konkret um neue Wege der Ansprache von Verbrauchern, von Wählern und von potenziellen Zuzugskandidaten. Diese zweite Dimension wird gemeinhin auch mit der „zunehmenden Verlagerung von der Leistungs- und Preiskonkurrenz hin zum Kommunikations- und Akzeptanzwettbewerb“ oder hin zum „Image- und Reputationswettbewerb“ bezeichnet, und stellt damit ebenfalls ein Merkmal strategischer Kommunikations- und Imagepolitik innerhalb postfordistisch geprägter Stadtentwicklungsprozesse dar.739 Im ersten Teil dieses Kapitels wird der Blick auf die Bedeutung von Kommunikation für das Handeln von staatlichen Akteuren gelenkt, wohingegen der deutliche Schwerpunkt auf dem zweiten Teil, der neuen Fülle kommunikationsstrategischer Instrumente liegt, die durch die in Berlin seit 1980 involvierten Stadtmöblierungsunternehmen – vorrangig durch die Wall AG – ermöglicht und umgesetzt werden. Es soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass allein dieses Unternehmen derartige Kommunikationsstrategien realisiert, vielmehr gilt das Handeln des Unternehmens als Beispiel für neue Praktiken einer heranwachsenden postdisziplinären Branche der Stadtraummedien, deren zugehörige Unternehmen vergleichbar arbeiten. Der Fokus auf die Strategien der Wall AG ist also dem empirischen Datencorpus der Stadtentwicklungsprozesse in Berlin geschuldet, in Paris würde sich hier JCDecaux anbieten und in Köln vermutlich die Ströer AG. Dieses Kapitel abschließend wird resümierend dargestellt, dass Kommunikation im Stadtraum alles andere als allein ein weicher Faktor der Stadtentwicklung, sondern vielmehr ein zunehmend an Bedeutung gewinnender ökonomisierbarer Weg der materiellen Wertschöpfung ist. In einer Zusammenschau wird abschließend die Rolle gestaltwirksamer Koalitionen als kollektive Akteure mit dem Ziel der Wertschöpfung in zentralen öffentlichen Räumen illustriert, wobei noch einmal ein detaillierter Überblick über den Zusammenhang der einzelnen kommunikationsstrategischen Instrumente, Strategien und Programmatiken für beide Akteursgruppen innerhalb gestaltwirksamer Koalitionen ermöglicht wird. Stadtbezogene Imagepolitik: Zentrale öffentliche Räume und das politische Streben nach Aufmerksamkeit „Wie in jeder großen Metropole wird von den öffentlichen Räumen der Stadtmitte erwartet, dass sie nicht nur verkehrlich funktionieren, sondern ein angenehmes, anregendes Umfeld für den Stadtbummel (...) bieten, und insofern einen Beitrag zur Selbstdarstellung ihrer Stadt, zu ihrem ‘Image’ leisten.“ (Burkard 1998, 24)
Im Zuge von Stadtmarketing, City Branding und der Maschinerie urbaner Imageproduktionen ist vereinzelt auch auf die Rolle der Aufmerksamkeitsökonomie hingewiesen worden.740 In diesem Zusammenhang scheint nicht allein privatwirtschaftlichen Akteuren ein Interesse an der imagefördernden Wirkung zentraler öffentlicher Räume inhärent zu sein. Insbesondere Städte, Stadtverwaltungen und Stadtmarketing-Agenturen plädieren zunehmend dafür, sich der Produktion städtischer Images und Botschaften, die auf belebte Plätze, Promenaden und Parks zurückgreifen, wesentlich strategischer als bisher zuzuwenden.741 Hier zeichnet sich auch eine kommunikationsstrategische Hinwendung zu zentralen öffentlichen Räumen ab. Welche Rolle
739 Buß 2008, 232, Zerfaß 2008, 22f. 740 Hauser 2002. 741 Kavaratzis 2004.
218
diese für die Imagepolitik in der Hauptstadt allgemein, und speziell im Kontext gestaltwirksamer Koalitionen für die Stadtpolitik spielen, wird dieses Kapitel zu klären wissen. Hauptstädtische Medienästhetik – Erweiterung der Politik der Sichtbarkeit zur Politik der Aufmerksamkeit „Deregulierungen von etablierten Formen des Umgangs mit (Lebens)Zeit und Raum sind für die Städte spürbar relevante Tatsachen insofern, als erwünschte soziale Bedingungen und ökonomische Verhältnisse auf einem flexiblen, mindestens nationalen, meist internationalen Markt umkämpft sein wollen. Auf diesem Markt aber geht es zunächst um positiv gestimmte Aufmerksamkeit für eine Stadt. Es ist deshalb nicht ein Fehler oder eine unverständliche Verirrung in Zeichen- und Bilderwelten, wenn die Steigerung der städtischen Attraktivität und ihre Vermittlung über möglichst viele Medien eine der zentralen Aktivitäten geworden ist, der sich europäische Städte in den letzten Jahrzehnten verschrieben haben.” (Hauser 2002, 205f.)
Im Kontext der im Zitat angesprochenen Hinwendung städtischer Bestrebungen zur Logik der Aufmerksamkeitsökonomie spricht Susanne Hauser von “Politiken der Sichtbarkeit”.742 Dazu ein Beispiel: Wenn ein US-amerikanischer Präsidentschaftskandidat den Wunsch äußert, seine einzige Wahlkampfrede in Europa in Berlin, und zwar vor dem Brandenburger Tor durchzuführen, dann ist das nicht nur für ihn eine Politik der Sichtbarkeit, sondern auch für die Stadt Berlin, die sich an einem ihrer symbolisch wertvollsten Orte ganz bewusst als weltoffen, medial avantgardistisch und politisch provokant in Szene setzen lässt. Der Medienwert einer solchen Kampagne erscheint immens, ein Grund, die äußerst wohlwollende Haltung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit gegenüber diesem Vorhaben sowie seine prinzipielle Bereitschaft nachzuvollziehen, eine solche Eventisierung und Medialisierung743 der Politik an einem derart sensiblen Ort der deutschen Geschichte auch gegen die Bedenken der Bundesregierung, speziell gegen die des Kanzleramtes, durchsetzen zu wollen.744 Auch wenn die Veranstaltung schließlich nicht direkt am Brandenburger Tor, sondern in sichtbarer Nähe an der Siegessäule stattgefunden hat, so wird deutlich, wie wichtig der örtliche Bezug zur Symbolik des Brandenburger Tors und zum Regierungssitz der Berliner Republik dem designierten US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten für die mediale Bildproduktion erscheint. Diese wird durch das Kreieren diskursiver Bilder flankiert, denn die Debatten um den Standort des Brandenburger Tors werden schließlich ebenfalls um eine kontroverse Diskussion hinsichtlich der politischen und historischen Symbolik der Siegessäule (Sieg der Deutschen über Frankreich, Überformung der eigentlichen Symbolik durch die Versetzung der Säule durch Hitler...) von verschiedenen Fraktionen im Bundestag erweitert.745 Ein solches Event verspricht eine hohe Auflage an Medienprodukten, man erinnere sich an ähnliche Beispiele wie etwa die ersten Eindrücke, die die EU-Ratspräsidentschaft der deutschen Bundeskanzlerin prägten: Die Kanzlerin und ihre europäischen Kollegen vor dem Brandenburger Tor, sowie die Gatten und Gattinnen der politischen Führungsspitzen Europas Unter den Linden flanierend. Dass diese Medienprodukte vom symbolischen Wert zentraler öffentlicher Räume in der Hauptstadt zehren, wird – zurückkommend auf das Beispiel des US742 Vgl. Hauser 2002, 208. 743 In dieser Arbeit werden die Begriffen Medialisierung und Mediatisierung unterschieden: Der erste Begriff meint die Ausweitung von Informationsträgernetzen, wohingegen sich der zweite sowohl aus der mikro- als auch aus der makrosoziologischen Perspektive mit der Durchdringung der Gesellschaft durch Medien bezieht. Demnach ist die Medialisierung nur ein (funktionaler) Teilaspekt der Mediatisierung. Eine Definition des Prozesses der Mediatisierung findet sich bei Krotz (2001, 201), auf die Medialisierung geht Beck (2001, 29) ein. 744 Spiegel-Online vom 10.07.08 “Obama Rede. Wowereit legt im Streit mit Kanzleramt nach.” URL: http://www.s piegel.de/politik/deutschland/0,1518,564953,00.html (letzter Zugriff am 11.07.08). 745 Spiegel-Online vom 20.07.08 “Obamas geplante Rede an der Siegessäule stößt auf Kritik.” URL: http://www.spi egel.de/politik/deutschland/0,1518,566899,00.html (letzter Zugriff am 26.08.08).
219
amerikanischen Präsidentschaftskandidaten – klar, wenn man sich fragt, warum ausgerechnet der Pariser Platz zuerst als Schauplatz politischer Statements anvisiert worden ist: Im Gegensatz etwa zum Platz vor dem Schöneberger Rathaus oder zum Flughafen Tempelhof ist das Bild vom Brandenburger Tor und seine vielschichtige Symbolik in den Vereinigten Staaten weitaus bekannter und durch die jüngeren Umwälzungen in der deutsch-deutschen Geschichte äußerst positiv belegt. Auch die spätere Wahl der Siegessäule am Großen Stern gilt als ein medialer Streich erster Güte, da sich hier friedlich lauschende Menschenmassen hervorragend inszenieren lassen. Es wurde eigens ein Kamerakran hinter der Säule errichtet, um bezeichnende Bewegtbilder der jubelnden Massen zwischen dem Großen Stern und dem Brandenburger Tor produzieren zu können.746 Und schließlich verschafft der wenige Monate später, im November 2008, zum US-Präsidenten gewählte Barack Obama selbst dieser ausgefeilten medialen Inszenierung zentraler öffentlicher Räume Berlins noch einmal zusätzlich Gewicht, indem er öffentliche Plätze wortgewandt als Sinnbild für Freiheit, Offenheit und Demokratie erklärt: “(...) indeed, every language is spoken in our country; every culture has left its imprint on ours; every point of view is expressed in our public squares.“ (Obama, jr., designierter US-Präsident, während seiner Wahlkampfrede in Berlin am 24.07. 2008747)
Mit diesen Metaphern verleiht er nicht nur einzelnen Aspekten und Assoziationen seiner Präsidentschaftskampagne Nachdruck, sondern er legitimiert hiermit erstens im rhetorischen Akt selbst die Wahl des Ortes seiner Rede zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor und, zweitens, in Berlin, einer als weltoffen, multikulturell und demokratisch angesehenen Metropole der ‘Weltbürger’, die in historischer Betrachtung erst kürzlich zum Sinnbild des Sieges der Demokratie und der Freiheit der Bürger Deutschlands und des Ende des Kalten Krieges avancierte. Zentrale öffentliche Räume Berlins sind damit zur schillernden Kommunikationsfläche für internationale Wahlkampfkandidaten geworden, eine Dimension, die nicht nur den USamerikanischen Demokraten zu Gute kommt, sondern auch der Berliner Republik und der Stadt Berlin sowie ihren politischen Protagonisten. Denn auch für den regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, birgt dieses internationale Polit-Event – speziell im Hinblick auf seine zukünftige Positionierung in der politischen Landschaft über Berlin hinaus – Reputationsgewinne, schließlich könnte er sich mit dem jungen, charismatischen Präsidentschaftskandidaten der Vereinigten Staaten beim Durchschreiten eines der bekanntesten baulichen Wahrzeichen Deutschlands ablichten lassen. An dieser Stelle wird deutlich: Städtische Imagepolitik und die selbstreferenzielle Imagepolitik städtischer Politikprotagonisten sind eng miteinander verwoben und unterliegen oftmals einer keineswegs zufälligen medialen Strategie im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie. Denn: „Die Leistung von Medienunternehmen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und zu lenken kann (...) auch von politischen Parteien (...) herangezogen werden. Diese verfolgen das .. Ziel, durch Werbebotschaften die Entscheidungen der Wähler zu beeinflussen und damit öffentliche Abstimmungen zu ihren Gunsten zu entscheiden (...). Dabei fragen politische Akteure nicht nur für formell gekennzeichnete Wahlwerbespots Aufmerksamkeit nach, vielmehr benötigen diese Akteure ein permanentes Forum der öffentlichen Aufmerksamkeit. (...) die Bereitstellung von Aufmerksamkeit an Politiker und politische Institutionen wird regelmäßig nicht [über] konkrete Entgelte wie etwa Tausenderpreise entgolten, sondern durch politische Tauschgeschäfte.“ (Große Hohlfort 2001, 128)
Zentrale öffentliche Räume stehen in diesem Kontext als mediale Vehikel für eine städtische Imagepolitik zur Verfügung, die sich nicht allein auf die bildliche Verwertung ihrer baulichen Arrangements, sondern gezielt auf ihren Symbolgehalt als Orte kontroverser politischer State746 Siehe Tagesschau Online vom 24.05.08. URL http://www.tagesschau.de/inland/obamarede104.html (letzter Zugriff am 26.08.08). 747 Siehe Berichterstattung CNN Politics.Com. URL: http://www.cnn.com/2008/POLITICS/07/24/obama.words /index.html (letzter Zugriff am 26.07.08).
220
ments sowie auf ihre Potenziale als Ausdrucksraum für kulturelle Werte des neuen Berlins und seiner Republik, also auf diskursive, emotional gefärbte Bilder und Werte stützt. Und schließlich sind da heute tagtäglich die Menschenscharen der Bürger, Bewohner und Besucher, die nunmehr frei flanieren können und den genannten Orten erst durch ihre große und kontinuierliche Präsenz die Attribute Weltoffenheit und Freiheit verleihen.748 Unter Rückgriff auf diese vielschichtigen kommunikationsstrategischen Werte zentraler öffentlicher Räume werden medial verwertbare Bild-, Text- und Tonsequenzen produziert. Die Betonung der Bedeutung der medialen Macht des Bildes in der gegenwärtigen Literatur ist daher durchaus nachzuvollziehen,749 denn medial konstruierte Botschaften müssen klar und schnell vermittelbar sein, und Bilder sind subtiler und eingängiger als textuelle oder akustische Botschaften.750 Eindrücke, die eine solche ortsbezogene Eventisierung der Berliner Politik und der Politik der Berliner Republik hinterlässt, gehen jedoch über Bilder hinaus, weil sie in den benannten Fällen stark mit politischen und kulturellen Assoziationen hinsichtlich der jeweiligen Orte verwoben sind. Es geht also nicht allein darum, dass die politischen Akteure sich die zentralen öffentlichen Räume der Landes- und Bundeshauptstadt als bildliche Repräsentationsszenarien aneignen, sondern es ist von grundlegender Bedeutung, wo genau sie dies tun, wie sie dies tun und welche Emotionen und Symbolik damit angesprochen werden können, kurz: Welche diskursiven Bilder emotional gezeichnet werden. Durch medial vermittelte politische Kontroversen über die Standorte aber kommen diskursive Bilder überhaupt erst zustande. Ein weiteres Beispiel: In der durch die massenmediale Rolle des Radios als gekennzeichneten Ära Kennedys hat man weniger stark das Bild des jungen amerikanischen Präsidenten in Berlin, sondern vielmehr seinen Ausspruch “Ich bin ein Berliner!” im Gehör, und – wohlgemerkt – weniger vor Augen. Ob er dies nun vor dem Schöneberger Rathaus, vor der Berliner Mauer oder andernorts kund tat, erscheint zweitrangig. Der auf die visuelle Bildproduktion begrenzte theoretische Begriff der Politik der Sichtbarkeit muss unter diesen Vorzeichen erweitert werden zu einer an den jeweils geltenden medienästhetischen Kriterien ausgerichteten Politik der Aufmerksamkeit, bei der der medial inszenierten Sichtbarkeit der Stadt im frühen Postfordismus eine überaus große, nicht aber die einzige wichtige Rolle zuteil wird. Es bleibt festzuhalten, dass im Zeitalter diskursmächtiger Bilder und der wachsenden Bedeutung emotionaler Ansprache von Informationsverbrauchern (Kap. 2) dem vielfach mit kontroverser Symbolik geschwängerten Stadtraum Berlins in seiner momenthaften Verfasstheit eine besondere Bedeutung in der Aufmerksamkeitsökonomie zukommt. Hier wird im Sinne einer Politik der Aufmerksamkeit versucht, den Geschwindigkeiten medialer Imageproduktion entsprechend ein attraktives Bild der deutschen Hauptstadt zu inszenieren oder inszenieren zu lassen, für das Wünschenswertes heraus geputzt und der Blick weg von den imagevernebelnden Aspekten hauptstädtischen Lebens gelenkt wird. In dem Maße, in dem sich die Spreemetropole zunehmend als Stadtmarke definiert (Kap. 3), öffnet sich ein Repertoire imagepolitischer Instrumente, Strategien und Programmatiken ähnlich der für die Privatwirtschaft relevanten kommunikationspolitischen Interventionen. So ringt die deutsche Hauptstadt derzeit 748 Wie Welch Guerra (2006) festgestellt hat, ist die Qualität des neuen deutschen Regierungsviertels vor allen Dingen an den mit lokalen, nationalen und internationalen Öffentlichkeiten geführten Debatten zu bemessen, die im Ergebnis das Konzept der offenen, bürgerfreundlichen und nicht das der sicheren, abgeschotteten Hauptstadt hervorgebracht haben. Berlin ist damit nicht nur zu einem herausragenden Beispiel politischer Architektur und Landschaftsarchitektur geworden, sondern die Vielfalt der in die Prozesse der Hauptstadtplanung involvierten Akteure hat auch dazu geführt, dass das neue Berliner Regierungsviertel gleichermaßen attraktiv für Bürger, Bewohner und Besucher geworden ist, und durch diese zahlreich frequentiert wird. 749 Hauser 2002. Zur Bedeutung von Bildern für den Stadtumbau Berlin siehe Roost 2005a. 750 Frey 2005.
221
um die Ansprache ganz bestimmter Zielgruppen, um eigentumsfähige Mittelschichten, kreative Nachwuchsentrepreneure sowie um die Ansiedlung technologiebetonter Wissenschaftssparten, für die akademische Talente aus aller Welt rekrutiert werden sollen. Nicht zu vergessen sind die vielen Touristen aus anderen Ländern, aus Deutschland und aus der Region, die das Vehikel städtischer Kulturproduktion antreiben und beschleunigen sollen.751 Die bundes- und stadtpolitisch forcierte Politik der Aufmerksamkeit wird desweiteren durch gegenwärtige Trends der internationalen Filmindustrie verstärkt, die sich in historisierender Manier auf die Produktion epischer Darstellungen wie etwa der Ermordung Claus Schenk Graf von Stauffenbergs im Berliner Bendlerblock und dem Untergang Hitlers und des deutschen Reiches stützt, um mediale Authentizität an den ursprünglichen Schauplätzen zu erlangen.752 Der gegenwärtige cineastische Rückgriff auf die baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume durch die US-Filmindustrie, der die staatsmilitärische Stärke der USStreitmächte durch die wiederholte Betonung vergangener Siegeszüge erneut hervorhebt (Abb. 26), findet in den jüngst inszenierten Akten staatsrepräsentativer Symbolik der Bundesrepublik Deutschland ein gegenwartsbezogenes Pendant: Am 20. Juli 2008 marschieren erstmalig deutsche Soldaten anlässlich ihres Gelöbnisses auf dem Platz der Republik, ein Akt militärischer Repräsentation der Berliner Republik, der direkt zu Füßen des Reichstags, zu Füßen der Macht des deutschen Parlaments und des symbolisch über ihnen in der Foster’schen Kuppel platzierten deutschen Volkes stattfindet.753
Abbildung 26: Dreharbeiten zum US-Kinofilm Valkyrie vor der temporär mit rot-weißen Hakenkreuzfahnen behängten Längsfassade des derzeitigen Finanzministeriums an der Leipziger Straße, Ecke Behrenstraße, Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Auch im Spreebogen ist die bundespolitische Symbolik der Produktion zentraler öffentliche Räume ein vielfach umstrittenes Thema, so sahen sich bisher weder die Bundesregierungen unter den Kanzlern Kohl und Schröder, noch die unter ihrer Nachfolgerin Merkel in der Pflicht, dem deutschen Volke das kläglich dahin darbende, zur Verkehrsverlegenheit verkom-
751 Roost 2005c. Häußermann und Colomb 2003. 752 Der Ehrenhof des Bendlerblocks diente zwei Regisseuren als Filmkulisse: Im Jahr 2004 drehte Jo Baier den Fernsehfilm Stauffenberg mit Sebastian Koch in der Hauptrolle und im Jahr 2007 dreht der Regisseur Bryan Singer den Kinofilm Valkyrie (Rubicon), in dem Tom Cruise den Oberst Stauffenberg spielt. 753 Siehe Internetauftritt der Bundesregierung diesbezüglich. URL: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/ Artikel/2008/07/2008-07-21-gel_C3_B6bnis.html (letzter Zugriff am 23.07.08).
222
mene Bundesforum gleich neben dem Platz der Republik als solches ernsthaft herzurichten.754 Der Bezirk Mitte verbietet zudem das Fußballspielen auf dem Platz der Republik aus Gründen der Überbeanspruchung des Rasens, was die politischen Entscheidungsträger auf Landesebene wenige später nicht davon abhält, ein komplettes Bauwerk, die Adidas World of Football zu Zwecken der medialen Verbreitung des kommerziell gesponserten Fußballs zu errichten.755 Ein weiterer Deutungsversuch – die deutsche Bundeswehr marschiere zwar symbolisch betrachtet zwischen Parlament und Kanzleramt, die weiteren Instanzen demokratischer Kontrolle wie etwa der Bundesrat mit Sitz an der Leipziger Straße und das Bundesverfassungsgericht, dessen Hauptsitz weitab von der deutschen Hauptstadt in Karlsruhe liegt, spielen jedoch keine instrumentelle Rolle im symbolisch dargestellten Dreiklang aus Parlament, Regierungssitz und Militär – soll darstellen, dass es hinsichtlich der medialen Ausschöpfung der reichhaltigen symbolischen Facetten zentraler öffentlicher Räume in Berlin vielfache Deutungsmöglichkeiten und demnach zahlreiche Kontroversen gibt. Gerade aber von diesen Kontroversen nährt sich die städtische Imagepolitik, weil mittels kontroverser Sachverhalte und Diskussionen vorzüglich Aufmerksamkeit für die Metropole erzeugt werden kann. Das Beispiel par excellence für ein derartiges durch langjährige kontroverse Debatten symbolisch angereichertes bauliches Arrangement ist das Denkmal für die Ermordeten Juden Europas, das aufgrund der internationalen Debatte bereits vor der Eröffnung hohe Bekanntheitsgrade verzeichnen konnte.756 Erneut wurde hier ein diskursives Bild im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie geschaffen, bevor das eigentliche bauliche Bild existierte. Denn durch die Verquickung von baulich-gestalterischen und diskursiven Bildern können medienökonomische Potenziale für die Aufmerksamkeitsmärkte geradezu multipliziert werden. Neben der Bedeutung der stadtbezogenen Imagepolitik der bundesrepublikanischen Akteure ist die Bedeutung der stadtbezogenen Imagepolitik für die zentralen politischen Akteure des Stadtstaates ebenfalls unumstritten, wie das Beispiel der Positionierung Wowereits bei der Standortwahl für die Obama-Rede veranschaulicht. Jedoch zeichnet sich erst während der vergangenen Dekade eine zunehmende Professionalisierung des auf zentrale öffentliche Räume bezogenen kommunikationsstragischen Handelns auf Landesebene ab. Demnach können gegenwärtige Versuche, das kontroverse symbolische Potenzial zentraler öffentlicher Räume und ihrer baulichen Arrangements als symbolischen Wertschöpfungsfaktor zu begreifen, als erste Anzeichen einer zunehmend strategisch ausgerichteten, mehrere Ebenen überspannenden staats-, landes- und bezirkspolitischen, in jedem Falle aber stadtbezogenen Imagepolitik gedeutet werden, bei der zentrale öffentliche Räume nicht allein als sichtbare bauliche Kulissen verwertet werden, sondern ebenfalls als symbolische Ressourcen für diskursive Bilder und als facettenreiche Medienkanäle für postfordistische Aufmerksamkeitsmärkte fungieren. Auf der anderen Seite der städtischen Aufmerksamkeitsmärkte jedoch stehen gegenwärtig die Gebiete, die sich (bisher) kaum medial verwerten lassen. Dies war bis vor kurzem der Fall der Neuköllner Rütli-Schule, deren Name nicht einmal bei einem Großteil der Berliner bekannt war. Im März 2006 schließlich ändert sich dies schlagartig, als das Lehrerkollegium der Senatsverwaltung einen Brandbrief mit der Bitte der Auflösung der Schule angesichts stetig steigender Missstände sendet. Die Rütli-Schule wird in der gegenwärtigen be Berlin-Kampagne (Kap. 3) als herausragendes Beispiel jüngerer Entwicklung der Berliner Bildungslandschaft 754 Interview mit Axel Schultes und Charlotte Frank vom 01.07.05. Das Interview führten Elise Meincke, Max Welch Guerra und Sabine Knierbein. 755 Für das Bauwerk wurden 52 Bäume und 5000 Heckenpflanzen dem Erdreich enthoben, die Rasennarbe wurde abgeschält um die Fläche mit 3800 Tonnen Asphalt zu bedecken. Die Firma Adidas kam für die minutiöse Wiederherstellung des Ausgangszustands auf (Berliner Morgenpost vom 22.11.06). 756 Welch Guerra 2006, Bezug nehmend auf Aperçu (o.J.).
223
dargestellt.757 Da die Rütli-Schule zwar im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie zunächst rote Zahlen geschrieben, aber durch den Skandal überhaupt erst große Aufmerksamkeitspotenziale generiert werden konnten, bietet es sich aufmerksamkeitsstrategisch geradezu an, ein solches Beispiel mittels medialer Hilfe positiv umzudeuten. Damit wird aber Rütli nicht allein zu einer neuen imageprägenden Ressource für die Aufmerksamkeitsökonomie in Berlin, sondern avanciert zum Politikum derselben. Es ist also eine zentrale Fragestellung gegenwärtiger Politik in Berlin, welche Gegenstände, welche Orte sich aufmerksamkeitsökonomisch in ihrer materiellen, symbolischen und medialen Qualität gewinnbringend ausschöpfen lassen. Akteure wie etwa die Agentur Partner für Berlin und die ihnen nach- und beigeordneten Instanzen des Stadtmarketing forcieren im Kontext der be Berlin-Kampagne eine medienästhetisch überhöhte Umdeutung negativer Aufmerksamkeitspotenziale und werden somit zu Drehbuchautoren städtischer Imagepolitik. Ihre politischen Auftraggeber, ihres Zeichens vor allem die Träger landespolitischer Entscheidungen,758 versprechen sich aus derartigen symbolischen Umdrehungen und Überhöhungen nicht nur einen Imagegewinn für die Stadt in der internen und externen Perspektive, sondern ebenfalls symbolische Reputationsgewinne hinsichtlich ihres eigenen politischen Handelns. Daher kann von einer politisch forcierten städtischen Ökonomie der Aufmerksamkeit gesprochen werden, denn Berliner Politiker leisten derzeit legislativen und bürokratischen Vorschub für die Entfaltung der Aufmerksamkeitsökonomie in verschiedensten Bereichen des Stadtmarketings, der Stadtentwicklung und schließlich auch der Stadtpolitik, und werden somit nach und nach selbst zu Regisseuren derselben. Dass die symbiotisch vorangetriebene Aufmerksamkeitspolitik jedoch nicht erst durch be Berlin als strategisches Instrument von diesen Regisseuren und Bühnenbildnern eingesetzt wird, darauf verweist folgendes Zitat: “In May 1998, a massive outdoor advertising campaign was launched by Partner for Berlin on the walls of major buildings under construction and on buses and taxis, to celebrate the forthcoming election of the federal president of the Reichstag and the new capital city status for Berlin.” (Häußermann und Colomb 2003, 204)
Nach diesem in Ansätzen über das Handlungsfeld zentraler öffentlicher Räume hinausreichenden Exkurs, dessen Ziel es war, auf die strukturelle Verquickung politischer und ökonomischer Motive städtischer Imagepolitik im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie hinzuweisen, wird nachfolgend der Fokus auf weitere Instrumente städtischer Imagepolitik gesetzt, die explizit zentrale öffentliche Räume betreffen. Anschließend wird das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen innerhalb dieser postfordistischen Handlungsfelder des Stadtmarketings dargestellt. Eventbezogene Imagepolitik - Zentrale öffentliche Räume als temporäre Aktionskulissen Der gegenwärtige Versuch, Berlin als Brand zu positionieren wird jüngst vorrangig auf der Ebene des Senats vorangetrieben, die Bezirke erscheinen dagegen wenig in die Bestrebungen postfordistischer Symbolproduktionen, und in ihre partielle Logik, eingebunden. Auch deswegen kommt es bei Entscheidungen hinsichtlich der imagepolitischen Inszenierung zentraler öffentlicher Räume seitens der öffentlichen Hand oder der Legitimation von Inszenierungen durch öffentliche Instanzen wiederholt zum Eklat zwischen der Hauptverwaltung und den 757 Siehe “Neukölln. Rütli Wear. Sei Straße. Sei Laufsteg. Sei Berlin”. URL: http://sei-berlin.mobi/geschichte1.php. (letzter Zugriff am 14.07.08). 758 Inhaltsprotokoll des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg 16/22 vom 12.03.08, BerlAbgH, S. 2ff.
224
Bezirken, speziell dem Bezirk Mitte, da die Handlungslogik der Senatsverwaltung vielen Akteuren auf Bezirksebene fremd bleibt. Würde man hier wirtschaftliche Ansprüche an integrierte Kommunikationspolitik – nämlich, eine real existierende Kohärenz zwischen Innen- und Außenperspektive vermitteln zu wollen – als Maßstab zugrunde legen, so kann durchaus ein – nicht gänzlich unbeschriebenes – Defizit derzeitigen Stadtmanagements festgestellt werden. Denn es scheint wenig Kohärenz zwischen dem Innenbild der chronisch zerstrittenen öffentlichen Verwaltung in Berlin und dem angestrebten Außenbild zu geben. Auf diese mögliche Erweiterung der Dimensionen von Stadtmarketing, das heißt, die Stadt erstens, als kulturelle, politische und soziale Einheit, zweitens, als medial-symbolisches Konstrukt und, drittens, als eine glaubwürdig intern sowie extern funktionierende und dementsprechend kommunizierende Institution darzustellen, hat man sich in Berlin jedoch bisher nur partiell eingelassen. Andererseits kann die Positionierung der Stadt als Brand quasi als Strategie interpretiert werden, eine solche Kohärenz diskursiv zu konstituieren, um quasi ex-ante Reformprozesse anzustoßen. Obgleich vom 2007 neu entflammten Streit über die Zuständigkeitskonzentration für Sondernutzungserlaubnisse auf Landesebene überschattet, zeichnet sich in der vergangenen Dekade jedoch eine Art vorsichtiger Konsens im Hinblick auf die Ausschöpfung der kulturellen und medialen Potenziale zentraler öffentlicher Räume zwischen dem Senat und den inneren Berliner Bezirken ab. Man einigt sich etwa auf die Festlegung eines Ortes für die Festivalisierung von Populärkultur, den als Fan-, Bier- oder Veranstaltungsmeile bekannt gewordenen Streckenabschnitt der Straße des 17. Juni zwischen dem Brandenburger Tor und der Siegessäule, auf Public Viewings während der Fußballweltmeisterschaft 2006, für die der Platz der Republik wie beschrieben kurzfristig zur Adidas-Arena und das Bundesforum zur Bundestagsarena aufgerüstet werden.759 Im Juli 2007 wird der Pariser Platz, ein Jahr später der Bebelplatz zur Mercedes Benz-Fashion Week stilisiert (Abb. 27). Für letzteren sowie für den Gendarmenmarkt dürfen sich ebenfalls die Vertreter von Schubert, Vivaldi und anderen musikalischen Größen vermarktbarer Klassik bewerben.
Abbildung 27: Daimler-Benz Werbeveranstaltung für die Fashion-Week 2007. Diese privatwirtschaftlich organisierte und landespolitisch unterstützte kommunikationspolitische Intervention ist ein Beispiel für die selektive Imagepolitik Berlins. Pariser Platz und Platz des 18. März, Berlin. Quelle: J. Mannewitz.
Selling Berlin geschieht hier in einer stark selektiven Art und Weise, die gewissen Bereichen gewisse Arten kultureller Nutzungen und damit ebenfalls Potenziale medialer Verwertung zuschreibt. Denn letztendlich, und darum geht es bei dieser an der Verwertungslogik der Aufmerksamkeitsökonomie ausgerichteten Genehmigungspraxis für städtische Events, entsteht 759 Welch Guerra 2006.
225
hier ein kommunikativer Wert derartiger Ereigniskultur, der in engem Zusammenhang zu den jeweils projizierten symbolischen Werten zentraler öffentlicher Räume steht und diese im Ergebnis erneut symbolisch anreichert. Damit fungieren zentrale öffentliche Räume als Katalysatoren für die jeweils ganz bestimmte Zielgruppen ansprechenden Maßnahmen einer medial gestützten Imagepolitik der gesamten Stadt. Aus der Perspektive der Hauptverwaltung betrachtet geht es im Rahmen städtischer Imagepolitik einerseits darum, ein wirtschaftsfreundliches Bild von Stadt und Stadtentwicklungspolitik in die Welt zu tragen, durch das Finanzinvestoren, Wirtschaftsunternehmen und andere kapitalkräftige Akteure sowie talentierte Arbeitskräfte auf die vielversprechenden Facetten der Spreemetropole aufmerksam gemacht werden sollen.760 In diesem Sinne kann die mediale Verwendung zentraler öffentlicher Räume auch als Botschaft verstanden werden: Schaut her! Wir offerieren nicht nur einen attraktiven Standort, sondern auch das kommunikationsstrategische Potenzial der symbolträchtigen Orte im Herzen der Hauptstadt als kommunikative Ressource des Standorts Berlin. Eine Art Gegengewicht zu derartigen, in Richtung der Wirtschaftsunternehmen ausgestrahlten Botschaften stellt der bereits beschriebene strategische Einsatz einer auf der Inszenierung von Populärkultur abzielenden weiteren Facette der Berliner Imagepolitik dar: Die Bereitstellung des Tiergartens für städtische Orgien, als Ort der Festivals und der Sportereignisse, der Musikhappenings und der Szenarien kultureller Berauschung – die immer wieder kontrovers diskutiert wird.761 Doch kann hier von Zwangsbespaßung keine Rede sein, vielmehr scheint die Politik auf ein gesellschaftliches Bedürfnis nach derartigen städtischen Schaubühnen populärer und touristischer Spaßkultur – sei es von Seiten der Besucher, Bewohner und Bürger oder von Seiten der Gastwirte und Eventveranstalter – zu reagieren. Darüber hinaus dient das ehemalige Jagdgebiet der Brandenburger Kurfürsten vielen Ortsansässigen, etwa türkischen Immigranten, als Naherholungsraum und wird damit in der Summe den Ansprüchen verschiedener Teilöffentlichkeiten gerecht. Die Ansprüche an die auf eine ungefähr fünfhundertjährige Geschichte zurück blickende zweitgrößte innerstädtische Parkanlage Deutschlands haben in der letzten Dekade grundlegend verändert. Immer öfter jedoch treten die verschiedenen Nutzungsansprüche in Konflikt miteinander, wenn sich etwa die beschriebenen kulturellen Berauschungsszenarios nachteilig auf die unter Schutz stehende historische Qualität der Anlage, speziell auf ihren Vegetationsbestand, auswirken.762 Hiermit kann einmal mehr auf den in der Theorie betonten Charakter öffentlicher Räume als Konfliktraum per se am Beispiel der alltäglichen stadtentwicklungspolitischen Praxis in Berlin verwiesen werden. Jedoch lässt sich bisweilen die steuernde Hand der Landesverwaltung spüren, nämlich genau dann, wenn sich etwa die imagefördernde Wirkung von im jährlichen Turnus stattfindenden Großevents aufgrund von negativer Publizität in eine imagemindernde verkehrt, wie es sich etwa bei der Loveparade mit ihren alljährlichen auf hedonistischem Körperkult sowie auf Berauschung beruhenden Musik- und Sexszenarios abgezeichnet hat. Die Verlagerung eines zwar über die Grenzen der Stadt hinaus beliebten, jedoch letztlich potenziell für die Stadt imagemindernden Events ins Ruhrgebiet wird daher in Kauf genommen. Schließlich bleibt der städtischen Imagepolitik in der Hauptstadt weiterhin der Christopher-Street-Day erhalten, um speziell der Zielgruppe der homosexuellen Entrepreneure, Financiers und Kulturschaffenden das Angebot einer attraktiven Alltags- und Arbeitsatmosphäre medial gestützt zu unterbreiten. Städtische Imagepolitik durch kulturelle Events baut also auf die Segmentierung von Öffent-
760 Vgl. Roost 2005c, 394. 761 Interview B.13.d vom 31.05.07. 762 Kleine Anfrage Nr.15/189 vom 11.03.02, BerlAbgH.
226
lichkeiten im Sinne eines Diversity Marketing763 – in letztgenannten Fall vor allem in bestimmte lebensstilkonforme Wähler- und Besucherschaften – die es mittels kultureller Stimuli anzulocken gilt. Bringen diese zunächst erwünschten kulturellen Events jedoch eine Eigendynamik hervor, die die Realisierung imagepolitischer Ziele langfristig beeinträchtigen könnte, so entledigt sich die Stadtpolitik dieser Events, indem sie etwa weitere Unterstützung für die wiederholte Durchsetzung verweigert und ordnungspolitischen Maßnahmen Priorität gegenüber den Interessen der Veranstalter einräumt. Gestaltwirksame Koalitionen als Vehikel einer langfristig inszenierten Imagepolitik Zentrale öffentliche Räume bieten daher vielseitige Möglichkeiten, verschiedene Facetten städtischer Imagepolitik zu kommunizieren, sei es kultureller, ökonomischer oder politischer Natur. Neben der kurzfristige Aufmerksamkeitspotenziale generierenden Event- und Ereigniskultur stellt das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen – erstens, ein Informationsträgernetz über das zentrale Stadtgebiet zu spannen, und, zweitens, diese Räume mit zum Teil futuristisch anmutenden Stadtmöbelstücken auszustatten – eine Handlungssphäre der Aufmerksamkeitsökonomie dar, in der (haupt)städtische Imagepolitik effektiv langfristig betrieben werden kann. Dies geschieht – ganz traditionell – durch Plakatkampagnen der Selbstdarstellung der Stadt und ihrer kulturellen Ereignisse auf den Informationsträgern, die einen der vielfältigen Kommunikationskanäle darstellen, derer sich städtische Imagepolitik bedient. Die Stadt Berlin hat hier die Möglichkeit, innerhalb der Verträge mit den Stadtmöblierungsunternehmen festzulegen, dass jährlich eine gewisse Anzahl an Flächen für eigene Zwecke kostenlos belegt werden können. Diese Flächen werden in der Regel für das Anbringen von Stadtplänen genutzt, es können hier aber auch Plakatkampagnen im Sinne des Stadtmarketings realisiert werden.764 Ist das Kontingent erschöpft, können die Kommunen entweder als gewöhnliche Kunden der Plakatwerbung kostenpflichtige Verträge abschließen oder sie verhandeln den bestehenden Konzessionsvertrag nach oder bitten den Stadtmöblierer, sich im Rahmen eines Sponsorships an der Kampagne zu beteiligen. Ein weiteres Beispiel ist die Imagewerbung, die die Wall AG der Stadt anlässlich ihres 20-jährigen Firmenjubiläums in Berlin im Jahr 2004 schenkte. Das Unternehmen ließ 5000 historische Plakate, die der Designer Richard Blank in den 1950er Jahren entworfen hatte, neu drucken und platzierte sie auf firmeneigenen Flächen in 20 deutschen und 40 ausländischen Städten. Mediawert nach Firmenangaben: Rund 3 Mio. Euro.765 Diese postfordistischen Annonciers gelten als immer wieder bemühte Ansprechpartner öffentlicher und intermediärer Akteure, wenn es darum geht, z.B. ‘Franzosen aus New York’ in die deutsche Hauptstadt zu bringen. Mit der aus dem New Yorker Metropolitan Museum of Art zeitweise entliehenen Sammlung französischer Impressionisten wird im Sommer 2007 ein international beworbenes Kunstevent inszeniert, das der Neuen Nationalgalerie einen exorbitanten Besucherandrang von 680.000 Besuchern in nur vier Monaten beschert.766 Da aber von 763 Diversity Marketing ist gezielte Berücksichtigung von Marktvielfalt unter bewusster Einbeziehung unterschiedlicher Marktteilnehmer zur besseren Abdeckung des Gesamtmarktes und zur Erlangung optimaler Kundennähe. Siehe Internetauftritt Diversity-Marketing. URL: http://www.diversity-marketing.de (letzter Zugriff am 21.11.08). 764 Bei wissenschaftlichen Untersuchungen in Rio de Janeiro wurde von Experten in der Stadtverwaltung berichtet, dass die Städte selbst die Belegung dieser Flächen mit Stadtplänen ablehnten, um diese anstelle dessen für städtische Imagekampagnen zu nutzen. Interview A.5.b vom 09.10.2006. 765 Die Welt vom 17.08.04. 766 Siehe Internetauftritt der Ausstellung. URL: http://www.metinberlin.org/de/exhibition/ (letzter Zugriff am 15.07.08).
227
den Veranstaltern bemängelt wird, die Neue Nationalgalerie sei schlecht an die gegenwärtigen von Touristen aufgesuchten Orte wie etwa den Potsdamer Platz und die entsprechenden Uund S-Bahnhöfe angebunden,767 wird der Mittelstreifen der Potsdamer Straße kurzerhand in eine sequenzierte mediale Botschaft verwandelt: Auf zwei bis drei Dutzend hintereinander geschalteten, mobilen Plakatvitrinen prangt das Plakat der Franzosen aus New York.768 Dieses Prinzip der Errichtung von städtischen Leitsystemen mittels medialer Sequenzen auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße kommt alljährlich anlässlich wiederkehrender Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie zur Berlinale wiederholt zur Anwendung. Andernorts wird etwa zur gleichen Zeit eine Kunstsammlung zum Thema „Schmerz/Pain” nach ähnlichem Muster im Medizinhistorischen Museum auf dem historischen Campus der Charité sowie im Hamburger Bahnhof an der Invalidenstraße realisiert. Die räumlich-mediale Vernetzung zwischen beiden Ausstellungsorten wird auch hier durch die Wall AG sichergestellt, die gut zwei Dutzend mobile Plakatträger in der Invalidenstraße und auf der gerade neu eingerichteten Promenade am Humboldthafen installiert. Diese mediale Sequenz schafft es zudem, die neu geschaffene Wegeverbindung zwischen dem Hamburger Bahnhof-Areal, dem historischen Campus der Charité und dem Regierungsviertel ins Bewusstsein der Berliner und der Besucher Berlins zu rücken.769 Eine bedeutende Facette städtischer Imagepolitik im Rahmen gestaltwirksamer Koalitionen ist – neben traditionellen Plakatkampagnen – die Art des ästhetischen Anspruchs an die Stadtmöbelstücke und Informationsträger, die mit dem sorgfältigen Hinweis auf die neue Qualität privater Dienstleistungen durch Sauberkeit flankiert wird.770 Das in der Nachkriegszeit traditionell als verstaubt und provinziell wahrgenommene Image Berlins als Stadt der Punks, der Alternativen und der sprießenden Gänseblümchen ist mittels gestalterischer Interventionen in die baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume gründlich gestutzt, geputzt und poliert worden. An den als intelligent bezeichneten Haltestellen sitzen – zumindest in den bebilderten Szenarios der Stadtmöblierer – nun Dinks und Yuppies771, die mittels Mac und per PC kommunizierend ihren virtuellen Umwelten Stadterleben mitteilen. Der ästhetische Eingriff in die baulichen Arrangements kommt also der Arbeit von städtischen Bühnenbildnern gleich, deren langfristige Aufgabe es ist, grundlegende gestalterische Anforderungen für eine auf einer Politik der Aufmerksamkeit beruhende städtische Imagepolitik materiell zu schaffen, das heißt, eine veränderte Gestaltungskultur für die ästhetische Aufwertung baulicher Arrangements zu etablieren, auf die wiederum die Produzenten visueller und diskursiver Bilder zurückgreifen. Eine dritte das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen in zentralen öffentlichen Räumen berührende Dimension städtischer Imagepolitik ist die Inszenierung des Koalitionsprozesses an sich. Denn Stadtentwicklungsprozesse können per se als mediale Botschaft eingesetzt werden, um die Reputation einer Stadt aufzuwerten. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist der Schau- und Baustellentourismus der 1990er Jahre.772 Im Falle gestaltwirksamer Koalitionen geht es hingegen um die Darstellung kooperativ mobilisierter Innovationskraft in imagerelevanten städtischen Räumen. Mit medial gestützten Aktionen zur Einführung von neuen Haltestellen, Dog-Dirt Disposals und mit volksfestähnlichen Einweihungszeremonien für öffent767 Interview B.14.d vom 04.07.07. 768 Knierbein 2008b, 451 769 Knierbein 2008b, 452 770 Süddeutsche Zeitung vom 14.11.01. 771 Der Begriff DINKs bezieht sich auf eine Bewohnergruppe, die sich durch “Double Income no Kids” auszeichnet, wohingegen Yuppies “Young Urban Professionals” bezeichnet werden, zu Deutsch gemeinhin junge Erwachsene mit Kaufkraft und Konsumneigung. 772 Häußermann und Colomb 2003.
228
lich zugängliche Toilettentempel werden ebenfalls mediale Bilder produziert, um den Akt des Handschlages zwischen der Wirtschaftselite Berlins und dem politischen Establishment zu dokumentieren. So wird ein jüngerer Trend der Berliner Stadtentwicklung, nämlich die privat realisierte und öffentlich legitimierte Ausstattung der baulichen Arrangements öffentlicher Räume als eine weitere Facette der unternehmerischen Ausrichtung der zentrumsbezogenen Stadtumbaupolitik zur medialen Botschaft,773 die das Innovationsgebahren der öffentlichen Hand versinnbildlicht. Schließlich geht es hier um die Demonstration von kollektiver Handlungsfähigkeit bei begrenzten finanziellen Spielräumen gemäß der Devise: Seht her! Selbst in einer der wichtigsten Bastionen öffentlicher Stadtentwicklung, der Produktion öffentlicher Räume, zeigen wir uns für Kooperationen mit (lokal ansässigen, prosperierenden) Wirtschaftsunternehmen aufgeschlossen! Vorangehend wurden nur wenige Facetten der städtischen Imagepolitik Berlins und der Imagepolitik der politischen Protagonisten dargestellt, die – bis auf den Exkurs der RütliSchule – gemein haben, dass sie auf ein mediales Vehikel zurückgreifen, dessen Wirkung in der postfordistischen Politikvermittlung wieder entdeckt worden ist: das Potenzial zentraler öffentlicher Räume als Massenmedium. Dieses wird verstärkt im Rahmen politischer Showdowns auf der internationalen Bühne der Außenpolitik, aber, und das prägt die Imagepolitik in der Hauptstadt gegenwärtig ebenso stark, ebenfalls für die Bedienung populärer Interessen lokaler und bundesrepublikanischer Wähler- und Besucherschaften in Anspruch genommen. Im Gegensatz zu den vorrangig punktuellen imagepolitischen Rückgriffen auf Events und Einzelprojekte – auf das Flagship-Store Niketown im westlichen Zentrum der Berliner Kommerzkultur oder auf das Sony-Center als Urban-Entertainment-Typologie des Potsdamer Platz Areals774 – stellen gestaltwirksame Koalitionen einen Grundbaustein für eine langfristige Inszenierung und Übermittlung städtischer Imagepolitik dar. Ein Blick auf die Selbstdarstellung der Wall AG, die dem im Juli 2008 neu organisierten Internetauftritt des Konzerns zu entnehmen ist, unterstreicht diese Erkenntnis:775 „Stadtentwicklung und Gestaltung des öffentlichen Raumes ist eine komplexe Aufgabe. Die Wall AG sieht sich dabei als Partner von Städten und Stadtentwicklern. Wir möchten zu einem intakten Stadtbild beitragen und die Stadt mit unseren Produkten sanft, langfristig und nachhaltig modernisieren.“ – (Neuer Internetauftritt der Wall AG, Exzerpt776)
Da es im Rahmen des langfristigen Zusammenwirkens gestaltwirksamer Koalitionen darum geht, das Image der Stadt als Ort und als Prozess systematisch aufzubauen, zu beeinflussen oder zu verändern, tun sich für die Regisseure dieser Imagepolitik, die Politiker auf verschiedensten administrativen Ebenen, sowie für ihre Drehbuchautoren, allen voran die Stadtmarketing- und Kommunikationsagenturen, zwei Möglichkeiten auf: Entweder sie forcieren (mehr oder weniger bewusst) eine Veränderung des Meinungsgegenstandes, indem sie beispielsweise auf eine Deregulierung des Berliner Straßengesetzes mit dem Ziel hinwirken, zentrale öffentliche Räume als de facto vielfältiger und intensiver gelebte Räume vermarkten zu können oder aber sie investieren in das Erscheinungsbild des Meinungsgegenstands, indem sie die baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume gestalterisch aufwerten oder ihre kulturelle Dimension symbolisch durch Festivals und Events ausschöpfen. Doch diese Tendenz ist derzeit (noch) weniger als Teil einer von A bis Z organisierten medialen Strategie der Drehbuchautoren und der Regisseure städtischer Imagepolitik zu ver773 Altrock und Schubert 2005, 371. 774 Roost 2008. Borries 2004. 775 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG seit dem 15.07.08. URL: http://www.wall.de/de/press/news/www_ wall_de_neuer_webauftritt_der_wall_ag (letzter Zugriff am 26.07.08). 776 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG seit dem 15.07.08. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/ city_marketing (letzter Zugriff am 08.09.08).
229
stehen, da diese selbst in dem Maße mehr und mehr inkrementalistisch in ihre Rolle hineinwachsen, in dem ihnen die kommunikationsstrategischen Potenziale zentraler öffentlicher Räume im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie bewusst werden. Auch ist davon auszugehen, dass nicht angestrebt wird, ein einziges homogenes Bild der Stadt zu vermarkten, sondern entsprechend der Vielfalt der Zielgruppen viele Bilder Berlins im Sinne eines Diversity Branding vermarkten zu können, die sich in Grundzügen entsprechen. Hierzu sind Fähigkeiten und Fertigkeiten verschiedener Akteure gefragt, deren kollektives, zum großen Teil unverbundenes Handeln erst die Hinwendung der Berliner Stadtentwicklungspolitik zu Aspekten der Aufmerksamkeitsökonomie darstellt. In dieser weiterhin diffusen Konstellation aus Akteuren in alten und neuen Disziplinen spielen gestaltwirksame Koalitionen eine zentrale Rolle. Denn die Unternehmen der Stadtraummedienbranche bieten nicht allein ihre Dienste als städtische Bühnenbildner über Stadtmobiliar hinaus, sondern ebenfalls als Gestalter diskursiver Stadtbilder im Sinne des kommunizierenden Stadtmarketings sowie als Provider von Stadtraummedien an, also als Logistiker für das Verbreiten derartiger diskursiver Stadtbilder.777 Diese Aspekte sind für das Verstehen der Rolle gestaltwirksamer Koalitionen überaus wichtig, denn für die erfolgreiche Realisierung städtischer Imagepolitik ist in jedem Fall mediale Vermittlung von Nöten, sprich: Imagepolitik ist immer auch Medienpolitik. Folgt man den Worten von Manuel Puppis, so versucht Medienpolitik, über die Medienstruktur indirekt auf Medieninhalte einzuwirken. Sie wird definiert als “jenes Handeln, welches auf die Herstellung und Durchsetzung allgemeiner Regeln und Entscheidungen über Medienorganisationen und die massenmediale öffentliche Kommunikation abzielt”.778 Dass aber ein solches medienpolitisches Handeln nicht allein der Imagepolitik (haupt)städtischer Politikprotagonisten eigen ist, sondern per se in den vielfältigen kommunikationsstrategischen Maßnahmen von Wirtschaftsunternehmen, speziell von Medienmarken selbst, Entsprechung findet, wird im nachfolgenden Abschnitt erläutert. Unternehmerische Kommunikationspolitik: Zentrale öffentliche Räume und das ökonomische Streben nach Aufmerksamkeit Die Mechanismen wirtschaftlicher Kommunikationspolitik haben sich ähnlich wie die städtischer Imagepolitik in den vergangenen Dekaden zunehmend diversifiziert, wobei die Gründe für diese Entwicklung vielfältig sind: Den Unternehmen wird etwa im Rahmen der ökonomischen Globalisierung eine bedeutendere Rolle für gesellschaftliche Entwicklungen als noch zu Zeiten unangezweifelter nationalstaatlicher Stärke beigemessen. Darüber hinaus verhalten sich Verbraucher zunehmend informierter und selektiver, jedoch gleichermaßen unberechenbarer in ihrem Konsumverhalten. Als generelle Tendenz lässt sich festhalten, dass Unternehmen und Marken von Strategien des rationalen Massenmarketings zu solchen des individuellen, auf emotionale Ansprache abzielenden Beziehungsmarketings übergehen, was zur Folge hat, dass auch die tradierte Rolle, die privatwirtschaftliche Werbung zu Zeiten des Massenkonsums inne hatte, zunehmend als überkommen angesehen wird (Kap. 2). Diese veränderten Rahmenbedingungen zwischen Produktion und Konsum spiegeln sich in drastischer Weise ebenfalls in den kommunikationsstrategischen Instrumenten des Marktes wieder: 777 Darauf weist auch eine neue Kategorie des Neuen Internetauftritts der Wall AG hin. URL: http://www.wall.de/ de/street_furniture/city_marketing (letzter Zugriff am 08.09.08). 778 Puppis 2007, 35. Eine ausführliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe Medienpolitik und Kommunikationspolitik findet sich ebenfalls bei Puppis (2007, 33ff).
230
„Der Inszenierung von Unternehmen, ihren Vorständen, Marken, Produkten und Dienstleistungen scheinen also kaum Grenzen gesetzt. Mit großer Kreativität werden intelligente Darstellungsformen umgesetzt und neue Kommunikationskanäle genutzt. (Zerfaß 2008, 22, Bezug nehmend auf Mast 2006 und Bruhn 2005.)
Weitere Gründe für die Neuordnung und die Zunahme kommunikationspolitischer Maßnahmen – in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden jährlich zweistellige Milliardenbeträge in Unternehmenskommunikation investiert779 – ist neben hochtourigem Wirtschaftswettbewerb auch die Tatsache, dass Branchen und Märkte sich in Zeiten des Postfordismus grundlegend transformieren und neue postdisziplinäre Märkte in einem zunehmend global aufgestellten Wettkampf um Talente, Standorte und Aufmerksamkeit entstehen. Kurze Produktlebenszyklen, kritische Verbraucher und eine hohe Informationsdichte prägen die veränderten Rahmenbedingungen für unternehmerische Kommunikationspolitik zunehmend. Mit diesen nicht alleinstehenden Aspekten lässt sich veranschaulichen, dass die Ausdifferenzierung kommunikationsstrategischer Instrumente und Strategien speziell im Hinblick auf die Interessen der Akteure der Aufmerksamkeitsökonomie notwendigerweise auch stadtentwicklungspolitisch sedimentiert. Dies zeigt sich etwa darin, dass die stadtentwicklungspolitischen Agenden zunehmen von Begriffen aus dem Repertoire unternehmerischer Kommunikationspolitik wie ‘Sponsoring’, ‘Corporate Citizenship’ oder ‘Corporate Social Responsibility’ geprägt werden. Infolge wird daher das kommunikationsstrategische Verhalten der in Berlin tätigen postfordistisch agierenden Annonciers mit Hilfe grundlegender Begriffe aus den oben angesprochenen Bereichen untersucht. Dabei geht es nicht um eine kommunikations- und medienwissenschaftliche Analyse von unternehmerischem Marketing, sondern um die Auswirkungen der Diversifizierung kommunikativer Programmatiken, Strategien und Instrumente auf die kommunikationsstrategisch-diskursive Dimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume, die als eine der grundlegenden Merkmale der Aufmerksamkeitsökonomie angesehen wird. Die postfordistisch agierenden Annonciers sind deswegen für die Betrachtung der kommunikationsstrategischen Dimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume von Belang, da sie Kommunikation zum einen als Facette ihrer eigenen Positionierung im Wettbewerb, zum anderen in ihrer Natur als Medienunternehmen als Geschäftszweck per se betreiben.780 Sie haben daher nicht nur ein unternehmerisches Eigeninteresse an der Ausschöpfung medialer Potenziale städtischer öffentlicher Räume, sondern auf derselben beruht die genuine Geschäftsidee des Marktsegments, in dem sie prosperieren. Hinzu kommt, dass speziell Medienmarken eine ausgefeilte unternehmerische Selbstbeschreibung betreiben.781 In diesem Kontext bietet der Betrachtungswinkel der unternehmerischen Kommunikationspolitik Hilfestellung bei der Beantwortung der Frage, warum sich Stadtraummedien in den vergangenen Jahren einen neuen Platz als Protagonisten der Stadtentwicklung erkämpft haben. Es herrscht jedoch aufgrund der neuen Vielfalt an Instrumenten und Strategien Chaos hinsichtlich der genauen Bedeutungen der einzelnen Begriffe vor. Im Hinblick auf die theoretische Einordnung der kommunikationsstrategischen Maßnahmen ist anzumerken, dass Kommunikationspolitik in der Fachliteratur der Marketing-, Kommunikations- oder Medienwissenschaften ganz unterschiedlich verortet wird.782 Betrachtet man wirtschaftliche Kommunikationspolitik im Zusammenhang mit Markenbranding, so zielt diese darauf ab, den Informationsstand über 779 Zerfaß (2008, 21f) weist darauf hin, dass der Wert nicht genau ermittelbar ist, da viele Ausgaben noch nicht systematisch in den Bilanzen der Unternehmen erscheinen. Als Indikatoren für die monetären Entwicklungen gelten daher stetig steigende Umsätze der Kommunikationsagenturen und -dienstleister. 780 Zerfaß 2008. 781 Siegert 2001b. 782 Für die weitere systematische Lektüre empfiehlt sich Piwinger und Zerfaß 2008. Eine kritische Perspektive findet sich bei Gazdar und Kirchhoff 2004.
231
die Marke oder die emotionale Beziehung des Verbrauchers zur Marke zu verändern.783 Es geht also nicht allein um eine Betrachtung von Kommunikationspolitik als einem Instrument des Marketing-Mixes im Sinne der Perspektive der Marketingwissenschaften, sondern im Sinne eines kommunikationswissenschaftlichen Ansatzes darum, dass Marken Chiffren eines integrierten Beziehungsmarketings und einer integrierten Unternehmenskommunikation darstellen, und demnach sozusagen als symbolische Basis der Pflege unternehmerischer Kommunikationsbeziehungen verstanden werden können.784 In der Literatur zeigen sich aber gewisse Schwierigkeiten, viele der für kommunikationsstrategische Instrumente, Techniken und Strategien einschlägigen Begriffe miteinander in Verbindung zu setzen oder sauber gegeneinander abzugrenzen, was, wie oben angesprochen, an den verschiedenen Blickwinkeln sowie an der „mangelnden Trennschärfe der Materie an sich“ liegt.785 Der nachfolgend vorgenommene Differenzierungsversuch in verschiedene kommunikative Werkzeuge und Strategien kann daher allein auf abstrakter theoretischer Ebene erfolgreich sein, denn in der Praxis scheint man es mit hochgradig ambivalenten Akteuren und ihren multiplen Akteursrollen zu tun zu haben, die sich den fließenden Übergang zwischen den Instrumenten und Strategien zu Nutze machen, um damit verschiedenste Intentionen gleichzeitig zu verfolgen. Traditionelle kommunikationspolitische Instrumente – Alter Wein in neuen Schläuchen? Sponsoring – Vom Ideal des altruistischen Mäzens zur Vermarktlichung des Spendenwesens „Berlins Großspender gehen in die Offensive. Die Zusage des Unternehmers Hans Wall, aus seinem Privatvermögen 20 Millionen Euro für den Aufbau der Bauakademie zu stiften, sprengt die bislang üblichen Dimensionen. Sie zeigt, dass in Berlin große Mäzene immer mehr an Bedeutung gewinnen, wie traditionell in Hamburg oder seit jüngster Zeit auch in Potsdam.“ (Tagesspiegel vom 26. März 2008)
Nach Berichten des Tagesspiegels hat sich Hans Wall dazu bereit erklärt, aus seinem Privatvermögen Geld für die Restaurierung der gegenüber dem täglich mehr dahin schwindenden Skelett des Palastes der Republik am Schlossplatz gelegenen Schinkel’schen Bauakademie zu spenden. Ein Mäzen, in diesem Fall Hans Wall, ist demnach ein Gönner, der gibt, ohne zu fordern. Wer also mäzenatisch handelt, ist nicht darauf bedacht, eine Forderung nach Gegenleistung, etwa in Form eines kommunikativen oder aber eines steuerlichen Vorteils, zu stellen. Im Hinblick aber auf die mäzenatische Praxis in der Geschichte wird deutlich, dass auch hier die Realität mancherorts vom Ideal abwich, so galten im Italien des 15. Jahrhunderts die Medici als die größten Mäzene ihrer Zeit, jedoch vollbrachten sie Wohltaten vor allem, um ein positives Bild ihres Wirkens in der Öffentlichkeit zu erlangen. Heute werden aber – abgesehen von solcherlei Ausnahmen – dem Mäzenatentum weiterhin primär altruistische Motive beigemessen, deswegen werden Mäzene auch in der Regel als ‘stille Spender ‘ bezeichnet, da sie keinen großen Wert auf die Herstellung von Öffentlichkeit hinsichtlich ihres Wohlwollens legen. Aus dem obigen Zitat wird auch ersichtlich, dass Mäzenatentum in der Tradition Berlins historisch nicht derart verankert ist, wie das etwa in Hamburg der Fall ist oder in jüngster Zeit auch aus Potsdam berichtet wird. In Hamburg macht derzeit etwa das Projekt der Elbphilharmonie Furore und in Potsdam engagiert sich ein prominenter TV-Moderator zunehmend als Gönner für die Restaurierung von Bauwerken.786 Dass Berlin in punkto Mäzenatentum eher als 783 784 785 786
232
Siegert 2001b. Ibid. 2001b, 74. Bentele 2007, 15. Tagesspiegel vom 26.03.08.
rückschrittlich bezeichnet wird, liegt an der fehlenden kapitalkräftigen Bewohnerschaft, die mit der neuen Potsdamer Prominenz oder mit der alten Hamburger Kaufmannselite in benachbarten Städten gegeben ist. Gerade diese Gruppen sind es klassischerweise, die oftmals aus der Tradition wohlhabender Familien heraus als Gönner für Kunst, Kultur und andere Zwecke auftreten. Demnach kann das fehlende Mäzenatentum in Berlin vor allen Dingen als strukturelles Defizit verstanden werden. Wie aber der jüngeren Medienberichterstattung zu entnehmen ist, gibt es durchaus einige Neu-Berliner wie etwa Hans Wall, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, eine postfordistische Mäzenatenkultur in Form einer „Kultur der Verantwortlichkeiten und nicht allein des Geldes“ sowie eine „Allianz der Vernunft zwischen Wirtschaft, Verwaltung, Kunst und Kultur“ in der deutschen Hauptstadt zu etablieren.787 In der gegenwärtigen Stadtentwicklungspraxis sind die Übergänge vom Mäzenatentum zu anderen Wegen, Geld oder geldwerte Mittel zu Förderzwecken bereit zu stellen, fließend. Heute werden Mäzene oftmals in Form einer Spende gönnerisch tätig, so dass sie durchaus einen wirtschaftlichen Vorteil als Privatperson verbuchen können, dies aber nicht zwangsläufig anstreben. Denn beim Spendenwesen entsteht für den Spender in der Regel eine steuerliche Entlastung, da Spenden sich aus dem Privatvermögen zum Teil absetzen lassen. Ein derartiger steuerlicher Vorteil einer solchen Sonderausgabe kann indes nur geltend gemacht werden, wenn die Spende einem kulturellen, karitativen, religiösen oder wissenschaftlichen und durch die Finanzbehörde anerkannten gemeinnützigem Zweck zu Gute kommt.788 Auf der anderen Seite dürfen zwischen dem Spender und dem Empfänger keinerlei wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Der Vorteil von Spenden ist, dass der Empfänger diese aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit nicht versteuern muss. Auch das Spendenwesen kann für den Spender einen kommunikativen Nutzen haben, jedoch geht dieser in der Regel nicht über die Verwendung des Logos oder die (einmalige) Nennung des Spenders hinaus. Beim Sponsoring, auf das derzeit in Deutschland ungefähr 16,6 % des unternehmerischen Kommunikationsbudgets entfällt, handelt es sich ganz klar um eine ganz andere Gewichtung, wenngleich jüngere Standardwerke zur Stadtpolitik dies immer noch im gleichen Atemzug mit Mäzenatentum anführen, ohne aber auf die Unterschiede hinzuweisen.789 Denn obwohl das Konzept aus dem Mäzenatentum heraus erwachsen ist, geht es beim Sponsoring um eine klare vertragliche Abmachung: Förderleistungen gegen einen kommunikativen Vorteil mit Aufmerksamkeitspotenzial, wenn man so will, ein kommunikatives Kompensationsgeschäft.790 Sponsoring soll also dem Sponsor einen kommunikativen Vorteil bescheren, um so dessen Wahrnehmung in der Gesellschaft zu verbessern und um dadurch im Optimalfall die unternehmerische Positionierung am Markt durch als weich bezeichnete Faktoren zu festigen oder zu verbessern. Oftmals existieren daher Klauseln in Sponsoringverträgen, in denen sich der Gesponserte dazu verpflichtet, dass sponsernde Unternehmen positiv in der medialen Berichterstattung darzustellen. Weitere Gegenleistungen des Gesponserten liegen etwa in der Vergabe des Prädikats Offizieller Sponsor oder von Lizenzen zur Nutzung von Logos oder Emblemen sowie im aktiven oder passiven Einbinden des Gesponserten in die Kommunikation des Sponsors. Sponsoring unterscheidet sich etwa vom Spendenwesen auch steuerlich dadurch, dass es lediglich aus Betriebsausgaben geltend gemacht wird.791
787 Tagesspiegel vom 31.12.06 und vom 17.01.03. 788 § 10b EStG. 789 Vgl. Häußermann et. al. 2008, 267ff. Für eine differenzierte Auseinandersetzung siehe Gazdar u. Kirchhoff 2004. 790 Siehe Studie “Sponsoring Trends 2008”. URL: http://www.pleon.de/fileadmin/user_upload/pleonkk/studien/ SponsoringTrends2008Web.pdf (letzter Zugriff am 31.08.08). 791 §4 Abs.4 EStG.
233
Die kommunikativen Vorteile von Sponsoring werden in der Platzierung von persuasiven Botschaften in nicht direkt kommerziell anmutenden Situationen gesehen, etwa dann, wenn ein Unternehmen den Bau einer Vitrine in einem Museum unterstützt. Im Jahr 2004 etwa bietet die Wall AG dem Berliner Naturkundemuseum 80.000 Euro an, um für die Ausstellung eines wertvollen Exponats wie dem Urvogel Archaeopteryx, für den Hans Wall die Patenschaft übernommen hat, eine Sicherheitsvitrine bauen zu lassen.792 Durch ein derartiges Sponsoring in einem medial wenig besetzten Bereich werden Erinnerungswerte bei den Rezipienten unterschwellig aufgebaut (Mere-Exposure-Effect, Kap. 2). Der Besucher des Museums kann die Unterscheidung zwischen informativer und persuasiver Kommunikation oftmals nicht treffen, da Sponsoring beides miteinander verschränkt. Dies führt aus einer Marketingperspektive betrachtet zu optimalen Transferbedingungen für die kommunikationspolitische Botschaft. Ein anderer Vorteil des Sponsorings wird darin gesehen, dass im Falle des Museums oder etwa bei der Restauration des Strandbades Wannsee mit Hilfe von Sponsorengeldern der Ströer Gruppe Konkurrenten ausgeschlossen werden können. Im Zusammenhang mit dem Naturkundemuseum wird sich daher der Rezipient an das Berliner Unternehmen, im Zusammenhang mit dem Strandbad Wannsee an das Kölner Unternehmen erinnern. Und auch die Werbekunden des Kölner Unternehmens punkten bei der Restaurierung des Strandbades mit Akzeptanzwerten, da ihre Werbebotschaft als wohlwollende Unterstützung für den Erhalt einer beliebten Berliner Sehenswürdigkeit dargestellt wird, nicht aber zwingend als Teil einer PR-Strategie.793 Für stadtraumbezogene Werbung kann dieser Vorteil noch einmal verstärkt werden, da sich die Umfelder, in denen die Botschaft übermittelt wird, zielgruppenspezifisch auswählen lassen. Das heißt, dass unter Rückgriff auf Frequenz- und Konsumstudien die Möglichkeit besteht, vorab zu eruieren, welche Standorte, Aktivitäten und Events für die konkurrenzlose Übermittlung eines Sponsorships geeignet erscheinen. Gegenüber der klassischen Werbung, die oftmals zum Ziel eine Steigerung des Absatzes eines Produktes oder eines Services hat, zielt Sponsoring daher vor allem auf kommunikative Wettbewerbsvorteile durch Aufwertung des Images, also auf Differenzierung von den werblichen Auftritten der Konkurrenz ab. Der Werbung gegenüber in der Regel kritisch eingestellte Zielgruppen – Vertreter des Denkmalschutzes etwa – können durch Sponsoring im Bereich der Denkmalrestaurationen angesprochen werden. Schließlich können durch Sponsoring auch andere Zielgruppen als allein Verbraucher erreicht werden, für die hier untersuchte Branche sind das Politiker auf Landes- und Bezirksebene, Fachexperten der öffentlichen Verwaltung, potenzielle Kapitalgeber, Werbekunden sowie Lieferanten, Handelspartner und Mitarbeiter. Eine ganz besondere Rolle kommt bei den Unternehmen, die Profit in öffentlichen Räumen erwirtschaften, den städtischen Öffentlichkeiten im weiteren Sinne zu, denn Sponsoring ermöglicht einerseits das Stimulieren ganz charakteristischer, andererseits aber auch ganz neuer Imagedimensionen eines Unternehmens. Und da gerade ökonomisches Handeln in öffentlichen Räumen von der Gesellschaft recht argwöhnisch beäugt wird, leisten die Unternehmen der Branche hier kommunikationspolitischen Vorschub, indem sie bereits im Vorfeld versuchen, über gezielte kommunikationspolitische Maßnahmen ein äußerst positives Bild des Unternehmens in die Stadtgesellschaft zu kommunizieren. Im Falle eintretender Glaubwürdigkeitsverluste durch unternehmerische Handlungen, die nicht mit dem kommunizierten Unternehmensimage vereinbar erscheinen, kann direkt auf die ansonsten als wohlwollend dargestellte Haltung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft hingewiesen werden. Strategisch 792 Die Welt vom 14.02.04. Tagesspiegel vom 04.12.04. 793 Siehe Internetauftritt Ströer Megaposter. URL: http://www.stroeer.de/Megaposter.megaposter0.0.html (letzter Zugriff am 19.03.07).
234
dient also regelmäßiges Sponsoring ebenso wie andere PR-Maßnahmen im Vorfeld bereits als Abfederungsmechanismus für potenzielle Imageschäden. Schließlich, und dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, birgt Sponsoring auch den Vorteil, rechtliche Kommunikationsbarrieren zu überwinden, denn im Gegensatz zu Außenwerbung unterliegt Sponsoring bisher keiner baurechtlichen Regulierung. Einschränkend kann hier jedoch auf den Fall der Verhüllung des Brandenburger Tors verwiesen werden, wo es schließlich zu einer direkten Regulierung seitens des Landes Berlin gekommen ist, denn hier wurde allein das Publizieren des Namens des Sponsors gestattet, Hinweise auf seine Produkte durfte er jedoch nicht platzieren (Kap. 3). Regulierungen von Sponsoringaktivitäten hängen also stark von den vertraglich vereinbarten Konditionen des jeweiligen Sponsorships und dem politischen Klima ab, und sind daher einzelfallabhängig und kontextspezifisch. Generell wird in der Fachpresse von einer überdurchschnittlichen Steigerung der Investitionen in Sponsoring in Deutschland in den letzten Jahren gesprochen. Einschlägige Fachverbände prognostizieren für das Jahr 2008 Gesamtinvestitionen in Höhe von 4,6 Milliarden Euro in Sponsoringaktiviäten.794 In diesem Zusammenhang wird konstatiert, dass Sponsoring zunehmend in vielen Bereichen das altruistische Mäzenatentum ablöse, was einer Vermarktlichung des Spendenwesens gleich kommt. Denn Sponsoring funktioniert im Gegensatz zum Mäzenatentum durch Geben und Nehmen. Hier wird eine weitere Dimension von Kompensationsgeschäften beansprucht, bei denen vorrangig mit kommunikativen Leistungen bezahlt wird.795 Siegert etwa konstatiert, dass beim Sponsoring „den Sponsoren als Gegenleistung oder Vergütung für ihr Engagement Aufmerksamkeit, mindestens aber ein Aufmerksamkeitsforum, garantiert” wird. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass sich der Gesponserte zwar verpflichtet, gewisse kommunikative Leistungen zu erbringen, der Sponsorer aber (noch) keinen Anspruch auf Erfüllung hat. Es gibt jedoch derzeit bundesweite Bestrebungen, die Rechte von Sponsoren über Interessenverbände stärker gegenüber der Politik zu vertreten.796 Die bisher populärste und investitionsstärkste Form des Sponsorings stellt das Sportsponsoring dar, auf das in den letzten Jahren knapp die Hälfte der Ausgaben des gesamtdeutschen Sponsoringetats entfiel.797 Hier sind bisher vor allem Sportarten wie Fußball, Radsport oder Formel Eins, die medial in großem Stil transportiert werden können, ins Interesse der förderwilligen Geldgeber gerückt. Daran wird ein grundsätzliches Merkmal von Sponsoring deutlich, denn “die Nutzenerwartung des Sponsors wird häufig maßgeblich durch das Interesse der Medien an der Tätigkeit des Gesponserten geprägt. Das hat zur Folge, dass primär solche Ereignisse, Institutionen und Personen gesponsert werden, die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Medien fungieren in diesem Fall als (...) Multiplikatoren.“798 SportSponsoring kann auch indirekt realisiert werden, so geschehen bei der Unterstützung der Leipziger Olympiabewerbung durch die Wall AG und durch andere Unternehmen. Im diesem Fall tritt das Berliner Unternehmen direkt mit der Kommune in Kontakt, um den – am Ende erfolglosen – Versuch der sächsischen Stadt als Sponsoringpartner zu unterstützen, ein Sportsponsoring, dass in ein Stadtentwicklungssponsoring eingebettet ist.799
794 Siehe Internetauftritt Fachverband für Sponsoring. URL: http://www.faspo.de/ (letzter Zugriff am 23.07.08). 795 Siegert 2001a, 115. 796 Siehe Internetauftritt des Interessenverbandes “S20. The Sponsorer`s Voice”. URL: http://www.s20.de/ (letzter Zugriff am 31.08.08). 797 Siehe Studie Sponsoring-Tendenzen 2008. URL: http://www.pleon.de/fileadmin/user_upload/pleonkk/studien /SponsoringTrends2008Web.pdf (letzter Zugriff am 31.08.08). 798 Kloss 2007, 464. 799 FAZ vom 03.04.04.
235
Zunehmend werden jedoch kommunikationsstrategische Nachteile von Sponsorings festgestellt, so hat etwa die Überlastung einzelner Bereiche mit diversen Interessen zur Bewusstmachung des zweipoligen Charakters von Sponsoring in der Gesellschaft geführt und die Glaubwürdigkeit dieses vergleichbar jungen Kommunikationsinstruments in Frage gestellt. Schließlich trägt die zunehmende Informationsüberflutung zur Relativierung des Einflusses von Sponsoringmaßnahmen bei. Hier liegt eine folgenschwere Parallele zur traditionellen Werbung vor: Ebenso wie sich Werbung anfangs zunehmender Beliebtheit erfreute, wurde diese zum Sisyphos-Prinzip, das zunächst die steigende Nachfrage nach zusätzlichen Werbemaßnahmen ankurbelte und sich schließlich selbst die Grundlage, also möglichst uneingeschränkte Aufmerksamkeitspotenziale, entzog. Wo Sponsoring noch 1995 als „letzte Stufe der durch Werbung und durch Public Relations entwickelten Öffentlichkeitsarbeit” verstanden wurde800, zeichnet sich ein gutes Jahrzehnt später bereits ab, dass auch dieses kommunikationsstrategische Instrument die Phase fulminanter Durchschlagkraft aufgrund seiner eigenen Beliebtheit, aufgrund der daraus resultierenden exorbitanten Steigerung von Sponsoringaktivitäten in kürzester Zeit und schließlich infolge seiner Konventionalisierung bereits passiert hat. Dies wiederum scheint eine Tücke jeglicher kommunikationsstrategischer Maßnahmen zu sein, denn mit Blick auf die Kurzlebigkeit erfolgreicher kommunikationsstrategischer Werkzeuge erklärt sich der kurze Lebenszyklus von kommunikationsstrategischen Produkten selbstredend als weitere Facette postfordistischer Aufmerksamkeitsmärkte. Denn weil Aufmerksamkeit eine begrenzte Ressource ist und kommunikationsstrategische Innovationen schnell zur Konvention degradieren, führt gerade erst die Beliebtheit neuer kommunikationsstrategischer Instrumente zur Reiz- und Informationsüberflutung der Bereiche, in denen sie eingesetzt werden, und relativiert daher langfristig ihren kommunikationsstrategischen Effekt. Infolge dieses Prozesses sinkt ihre Beliebtheit schnell, der Sisyphos’sche Stein rollt den Berg wieder hinunter, den er heraufgeschoben worden war. Es erscheint nachvollziehbar, warum sich jüngst der Fokus auf das medial umgarnte Sportgeschäft zugunsten anderer Bereiche wie dem Kultur-Sponsoring verschiebt, schließlich ist das Erstgenannte anfällig für risiko- und skandalträchtige Nachrichten (Doping, Korruption, etc.) und damit für negative Publizität. Neben dem neuen Fokus auf kulturelle Förderziele wird Sponsoring im Bereich der Stadtentwicklung (Stadtentwicklungssponsoring) als zunehmend an Bedeutung gewinnende Beschaffungsvariante für Städte und Kommunen angesehen. Beschafft werden können also finanzielle, jedoch ebenfalls kommunikative Ressourcen. So unterstützt die Wall AG im Jahr 2004 die Berliner Senatsverwaltung beim Marketing für die sogenannte Gartenstadt Atlantic, eine in der Nähe des Bahnhofs Gesundbrunnen liegende Wohnanlage aus den 1920er Jahren, die als herausragendes Exempel des ReformWohnungsbaus gilt und darüber hinaus ein wichtiges städtebauliches Handlungsfeld für die Aufarbeitung deutsch-jüdischer Beziehungen darstellt. 300 Plakatstandorte werden unentgeltlich für eine Woche im Sommer desselben Jahres zur Verfügung gestellt, um die Plakataktion für die seit 1995 in ihrer Gesamtheit unter Denkmalschutz stehende Anlage realisieren zu können. Es wird deutlich, dass der Berliner Stadtmöblierer sich auch für Belange der hauptstädtischen Stadtentwicklung einsetzt, die nicht direkt sein Handlungsfeld berühren, und als Bereitsteller geldwerter Leistungen – etwa der eigenen Kommunikationsflächen in zentralen öffentlichen Räumen oder der eigenen Arbeitskräfte – die Landesverwaltung bei der Verbreitung von stadtentwicklungsrelevanten Informationen unterstützt. Auf positive mediale Resonanz stoßen auch die jüngeren Wall’schen Sponsoringaktivitäten im Bereich des Wissenschafts- und des Bildungssponsoring. Mit der ‘Wissensfabrik – Unterneh800 Degen 1995, 195.
236
men für Deutschland’ wird seit 2005 ein Kooperationsprojekt von mehr als dreißig deutschen Unternehmen aus der Wiege gehoben, das Bildungsprojekte und Existenzgründungen fördern will. Ziel des Projektes ist es Lernkultur, Erfindergeist und Unternehmertum zu fördern und zirka tausend Schulprojekte bis Mitte 2006 in Deutschland zu initiieren, um speziell Jugendliche durch Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenz an die Wirtschaft heranzuführen. In diesem Kontext hat die Wall AG sich mit dem Projekt Rechenfix und Wortgewandt an der Jens-Nydahl Schule in Kreuzberg verdient gemacht. Das Projekt richtet sich an leistungsstarke Schüler nichtdeutscher Herkunft in den dritten bis fünften Klassen. Knapp drei Dutzend Schüler besuchen einmal wöchentlich nachmittags für drei Stunden den Förderunterricht. Mit dem Sponsoring der Wall AG werden zwei Lehrkräfte finanziert, das Konzept wurde vom Kollegium der Schule in Rücksprache mit dem Unternehmen entwickelt, und bindet auch die Eltern der Förderkinder sowie Wall-Mitarbeiter mit ein, die in die Schulen gehen und von der Alltagspraxis eines Berliner Wirtschaftsunternehmens berichten.801 Eine weitere Dimension des Sponsorings, die in Deutschland noch in den Kinderschuhen zu stecken scheint, ist das Mediensponsoring. In diesem Zusammenhang fördert das Berliner Unternehmen – ähnlich wie der Kölner Konkurrent – etwa Veröffentlichungen wie den „Stadtführer für alle Fälle – Berlin und seine öffentlichen Toiletten“, die kulturwissenschaftliche Hommage „Ernst Litfaß und sein Erbe – eine Kulturgeschichte der Litfaßsäule” und den Ausstellungskatalog „An jeder Ecke – Berliner Straßenmöbel“.802 Vertreter beider Unternehmen, allen voran der Geschäftsführer der Ströer Gruppe, Udo Müller, publizieren auch in einem durch die Ströer AG gesponserten Buchwerk zum Public Design.803 Der Sinn eines derartigen als Mediensponsoring zu verstehenden Publikationssponsoring kann darin gesehen werden, das gegenwärtige Handeln der hier betrachteten Unternehmen in einen historischen Zusammenhang zu stellen und gesellschaftliches Bewusstsein sowie Image-Gewinne durch ein verbessertes Informationsangebot hinsichtlich der Entstehung der Branche und ihrer gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung zu schaffen. Andererseits soll hier Wissen über die Branche und die jeweiligen Unternehmen systematisiert und allgemein verständlich vermittelt werden. Ähnlich wie bei der Erstellung von Gutachten bezüglich des Zustands von Denkmalen und Brunnen kann derart generiertes Wissen – etwa über den besonderen lokalhistorischen Wert der gusseisernen Toilettenanlagen namens Café Achteck – später auch als Legitimationsgrundlage für Prozesse der politischen Thematisierung (Agenda-Setting), und damit der politischen Durchsetzung weiterer notwendiger Kompensationsmaßnahmen verwendet werden. Gemeinhin dient Publikationssponsoring ebenfalls der grundsätzlichen Informationsvermittlung für die weitere Gesellschaft. Manchmal aber wird der mediale Bogen im Rahmen von Sponsoring überspannt, so hagelt es im Kontext der bereits genannten Publikation zur Kulturgeschichte der Litfaßsäule herbe Kritik an den Autoren Damm und Siebenhaar, und ihrem Sponsor: „Willig und mit manchmal übertriebenem Eifer zum Gegenwartstransfer destillieren die Autoren aus Litfaß´ Wirken das Vokabular der aktuellen Marketingsprache und ziehen daraus eine fragwürdige praktische Lektion: Dass sich ihr Buch am Ende in allgemeinen Auslassungen über Stadtraumgestaltung in der Gegenwart unter auffällig häufiger und stets positiver Erwähnung der Berliner Wall AG verliert, überrascht nicht länger, wenn man im Impressum den gleichlautenden Namen seines Sponsors liest. Von ihrem Thema gänzlich unaufgefordert, rufen Siebenhaar und Damm den Unternehmenspatron Hans Wall zum legitimen Erben von Ernst Litfaß aus, verklären sein stadtmöblierendes Wirken und gewähren ihm in einem Nachwort den Raum zu ungenierter Selbstdarstellung. Kulturgeschichten auf diese Weise zu PR-Plattformen für ästhetisch überhöhte Unternehmensdarstellungen verkommen zu lassen, ist ein häufiger und abstoßender Gedanke zugleich.“ (FAZ vom 09. September 2005)
801 FAZ vom 15.04.06. TAZ vom 19.11.05. Süddeutsche Zeitung vom 27.01.05. 802 FAZ vom 09.09.05. Tagesspiegel vom 21.08.02. TAZ vom 21.08.02. 803 Erlhoff et. al. 2008.
237
Das Spektrum der Sponsoringmaßnahmen der Wall AG wird durch eine neuere, durchaus nicht unumstrittene Art des Mediensponsorings, das so genannte Programmsponsoring, erweitert: „Vor 2005 sponserte die Wall AG unter anderem Brunnen, Kirchen und Weihnachtsbeleuchtung für drei Millionen Euro jährlich, nie zuvor aber politische Talkshows. Mit Friedman scheint die Firma auf den Geschmack gekommen zu sein: Seit kurzem sponsert sie auch ‘Was erlauben Strunz’ auf N24.“ (Süddeutsche Zeitung vom 23.Juni 2006)
Mit diesem neuen Fokus im Bereich des Sponsorings erschließt sich jedoch auch die Dimension der möglichen Geschäftsaktivitäten des Berliner Unternehmens, da sich hier tendenziell eine Hinwendung zu anderen Mediensparten abzeichnet. Ähnlich wie in den USA also dürfte sich hieraus eine Prognose ableiten lassen, dass die Verquickung von Stadtraummedien, die auf Stadtmobiliar drapiert sind, mit anderen Mediensparten zukünftig zunehmen wird, und sei es lediglich in der Form eines anfänglichen Programmsponsoring. Neben den aufgezeigten kommunikationsstrategischen Interventionen der Wall AG im facettenreichen Feld des Sponsorings befassen sich auch öffentliche Akteure zunehmend mit dessen Dimensionen, Chancen und Potenzialen. Denn mit Einführung von neuen Sponsoringpraktiken entstehen aus Sicht der Verwaltung ebenfalls Probleme. Dies wird an den langwierigen politischen Debatten um das Brunnensponsoring deutlich (Kap. 3). Die Diskussionen erfahren im Mai 2000 einen Höhepunkt, als der damalige Baustadtrat Thomas Flierl gegenüber der BVV Mitte von Berlin (alt) politische Unterstützung für die Professionalisierung der Verwaltung im Umgang mit Sponsoring fordert.804 Diese Forderung gründet auf der Tatsache, dass die Mitarbeiter der Verwaltung dem Einsatz postfordistischer Kommunikationsstrategien und ihrem Potenzial, als Beschaffungsvariante für erforderliche Ressourcen einer dynamischen Stadtentwicklung fungieren zu können, noch nicht mit dem entsprechenden Know-how zu begegnen vermögen. Entsprechend meint hier das Wissen, das die Verwaltung befähigt, ausgewogene Verhandlungen mit den Informationslogistikern derartiger Kommunikationsstrategien – der Wall AG, der Ströer Gruppe und ihren Wettbewerbern – führen zu können. Denn die Verwaltung hat weiterhin mit einem Wissensdefizit zu kämpfen, zudem sind die Praktiken im Bereich des Sponsorings noch nicht derart institutionalisiert, dass man über genügend rechtliche Routine oder stadtplanerische Erfahrungswerte in Verhandlungen verfügt. Die gegenseitige Durchdringung der Konzepte Mäzenatentum, Spendenwesen und Sponsoring mit weiteren Facetten unternehmerischer Kommunikationspolitik erschwert den gesponserten Akteuren oftmals das Anlegen klarer Bewertungsmaßstäbe. Daher wird nachfolgend eine Übersicht über die Eigenschaften des Mäzenatentums, des Spendenwesens sowie des Sponsorings gegeben (Tab. 7). Diese begrifflichen Trennungen sind allein analytischer Natur, da es in der Praxis oft – bewusst oder unbewusst – zu Vermengungen und begrifflichen Fehlverwendungen kommt, wie folgendes Zitat im Zusammenhang der Debatten um die offensichtlichste begriffliche Täuschung, dass so genannte Brunnensponsoring anprangert: „Sponsoring unterscheidet sich (...) deutlich sowohl von Spenden als auch von anderen bekannten Geschäften, die dem Bezirksamt immer wieder erfolglos angetragen werden, etwa dem Tausch von Zuwendungen gegen die Genehmigung von Werbeflächen.“ (Heuer, Finanzstadtrat des Bezirks Mitte von Berlin (neu), Schreiben an die BVV Mitte von Berlin 2003805)
Sofern also im Rahmen eines Brunnensponsorings auch vermarktbare Werbeflächenstandorte genehmigt werden, ist der Begriff des Sponsorings vollkommen unangebracht. An dieser Stelle wären weitere wissenschaftliche Studien aus dem Lager der juristischen Forschung von Nöten, 804 DS 179/IV der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 11.05.00. 805 DS 1121/II der BVV Mitte von Berlin (neu) vom 29.12.03, S.1f.
238
um die Eigenheiten der für das öffentliche Fundraising gegenwärtig geltenden Rechtssituation im Bereich des Sponsorings sowie ihre oftmals überstrapazierten Grenzen aufzuzeigen. Nachdem zuvor dargestellt wurde, dass sich Sponsoring ähnlich wie Werbung nur einer recht kurzlebigen Beliebtheit im Dschungel der kommunikationspolitischen Instrumente erfreut, wird nachfolgend der Blick auf weitere unternehmerische Aktivitäten im Bereich der Public Relations, auf ihren Wandel und ihren Bezug zu Stadtentwicklung gelenkt. Art der Förderung Mäzenatentum
Spendenwesen
Sponsoring
Art des Geldgebers
Privatpersonen, Stiftungen
Privatpersonen Unternehmen
Unternehmen
Motive der Förderung
ausschließlich Fördermotive (altruistisch)
Fördermotiv dominant, ev. Steuervorteile (Gemeinnutz)
Fördermotiv und Erreichung von Kommunikationszielen (Eigennutz)
Zusammenarbeit mit Geförderten
teilweise (über Förderbereiche)
nein
ja (zur Durchführung von Sponsorships)
Medienwirkung
nein (eher privat)
kaum
ja (öffentlich)
Einsatz im Bereich Sport
sehr selten
selten
dominant
Einsatz im Bereich Kultur
dominant
häufig
zunehmend
Einsatz im sozialen/ ökologischen Bereich Kultur
häufig
dominant
eher selten
Einsatz im Medienbereich
nicht existent
nicht existent
dominant
Einsatz im Stadtraum
existent
existent
steigend
Entscheidungsträger im Unternehmen
Unternehmer
Finanzwesen
Vorstand, PR, Marketing, Werbung
Tabelle 7:
Mäzenatentum, Spendenwesen und Sponsoring im Vergleich. Quelle: Kloss 2007, 462 (Eigene Modifikation).
Werbung out! Public Relations passé? Die Rede ist von Integrierter Kommunikation „In Analogie zu den Aufgaben organisierter PR (...) benötigen individuelle und korporative Akteure die Aufmerksamkeit einzelner Menschen, Gruppen oder Massen, um bekannt zu werden, Öffentlichkeit für die eigenen Belange herzustellen, Interessen zu artikulieren, sich darzustellen, für die eigene Sache zu werben oder Goodwill für die eigene Person und Position zu erzeugen.” (Siegert 2001a, 111)
Tue Gutes und lasse andere darüber reden! ist ein Grundsatz unternehmerischer Öffentlichkeitsarbeit, die auch mit dem Begriff der Public Relations (PR), also der Pflege der öffentlichen Beziehungen eines Unternehmens umschrieben wird. Es existieren mindestens zwei generell voneinander abzugrenzende Vorstellungen von PR: Die eine deutet Public Relations als ein der 239
Werbung gleich gestelltes Marketinginstrument in einem ökonomisch-technischen Umfeld. Wo (direkte) Werbung demnach in bestimmten bezahlten Anzeigen erfolgt, etwa in einer Tageszeitung, wird PR als Beeinflussung der meinungsbildenden Akteure etwa durch das Vorformulieren von Pressemeldungen verstanden, die dann im Optimalfall (aus der unternehmerischen Perspektive) unverändert als Presseartikel erscheinen. Ziel von unternehmerischer PR gemäß einer solchen Definition wäre demnach die indirekte Werbung. Dieser einfachen Bestimmung des Charakters von PR als indirekter Werbung wird gegenwärtig eine differenziertere entgegen gestellt, nach der PR nicht als Marketinginstrument, sondern vielmehr als Informations- und Kommunikationsmanagement von Organisationen mit ihren Umwelten verstanden wird.806 Daher spricht man heute zunehmend von Integrierter Kommunikation oder Orchestrierung, die als strategische Planung des Einsatzes verschiedener kommunikationspolitischer Werkzeuge zu verstehen ist. Diesem Ansatz wird nachfolgend Vorrang eingeräumt. Wenn also von PR gesprochen wird, dann im Sinne von Orchestrierung. PR erscheint insbesondere deswegen notwendig für eine gelungene Kommunikationspolitik, weil die Meinung der Öffentlichkeit gegenüber einem Unternehmen von verschiedenen Aspekten beeinflusst wird, die zum Teil außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen. Als Teil der Gesellschaft ist jedes Unternehmen jedoch auf das Vertrauen der Öffentlichkeit, oder vielmehr bestimmter Teilöffentlichkeiten angewiesen. Denn Vertrauensbildung soll Entscheidungsprozesse im Umfeld des Unternehmens begünstigen, beispielsweise auf den Beschaffungs- oder Absatzmärkten.807 Die strategische Vorstrukturierung heterogener Öffentlichkeiten in Zielgruppen oder relevante Teilöffentlichkeiten ist daher im Rahmen wirtschaftlicher Kommunikationspolitik grundsätzlich notwendig, um Zielgruppen und Ansatzpunkte für PRStrategien zu bestimmen. Es geht hier vorrangig darum, zentrale Meinungsbildner, speziell Journalisten und Politiker, und nachgeordnet weitere Anspruchsgruppen aus dem gesellschaftlichen Umfeld der Unternehmen anzusprechen und zu überzeugen. PR ist also langfristig ausgerichtet und zielt daher nicht unmittelbar auf die direkte Beeinflussung ökonomischer Größen wie Profitmaximierung ab, sondern will den wirtschaftlichen Handlungsspielraum eines Unternehmens ausbauen und absichern, und so ökonomische Größen indirekt und langfristig beeinflussen.808 Es gibt verschiedene PR-Strategien wie etwa Produkt-PR, Image- und Reputations-PR oder Personality-PR. Klassische Werkzeuge von PR sind Pressemitteilungen, Mappen und Pressekonferenzen sowie Betriebsbesichtigungen, Jubiläumsveranstaltungen und Informationsbroschüren, Newsletter sowie Geschäftsberichte. Diese werden durch viele neuere Strategien komplementiert, von denen ein Bruchteil – jene mit Bezug zu den Prozessen der Produktion öffentlicher Räume – nachfolgend erläutert wird. Gleichermaßen ist zu beachten, dass sich die PR-Perspektive auf Teilöffentlichkeiten immer aus Sicht von Unternehmen und Institutionen darbietet, die versuchen, die für ihr Wirken relevanten Adressatengruppen näher zu bestimmen, um einen akteursbezogenen Ansatzpunkt für Kommunikationsstrategien zu erhalten. Diese Perspektive ist also nicht mit der hier gewählten wissenschaftlichen Perspektive auf öffentliche Räume vereinbar, weil sie (andere Teile von) Öffentlichkeiten im schlichtweg nicht beinhaltet. Sie ermöglicht aber zunächst, die Logik und die Motive, die den Handlungen der benannten Unternehmen und Institutionen im Stadtraum zugrunde liegen, nachzuvollziehen und wird daher in die Betrach806 Bentele 2007, 15. Zerfaß 2008, 41 (siehe Anlage 13) unterscheidet hier feiner: PR sei nur der Teilbereich externer Unternehmenskommunikation, der die License to operate, also gesellschaftliche Legitimation und Handlungsfähigkeit sichert. Er grenzt diesen Begriff von der Marktkommunikation, die der Anbahnung oder Verhinderung von Verträgen dient, ab. Marktkommunikation und PR zusammen stellen die externe Unternehmenskommunikation dar, die Zerfaß der internen gegenüberstellt. 807 Vgl. Kloss 2007, 158f. 808 Ibid.
240
tungen zur kommunikationsstrategischen Dimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume einbezogen. Noch 1987 sprach Korff von einem kommunikationspolitischen Defizit in der Außenwerbebranche, die Firmen kämpften nicht allein gegen Ressentiments bezogen auf ästhetische Verunstaltungen, nein, das Ansehen der durch aggressive Angebotspolitik bekannt gewordenen Branche galt als grundsätzlich beschädigt (Kap. 2). Zwei Dekaden später bietet sich ein vollkommen anderes Bild, wie das nachfolgende Zitat veranschaulicht: „Wenn es hier überhaupt einen ‘Gewinner’ gibt, dann bei der Wall AG, die sich mal wieder, wie beim Sponsoring für ein sauberes Engelbecken, für ‘City-Pissoirs’ und für Brunnen, in die Medien geschmuggelt hat. And the winner is: die PR-Abteilung von Hans Wall.“ (TAZ vom 25. Juli 2003)
Das Zitat illustriert, dass gegenwärtig speziell die Bereitsteller der Stadtraummedien ausgefeilte PR-Strategien realisieren. So engagiert sich die Wall AG für Orte des Gedenkens und des Mahnens an die Judenverfolgung809: Aus Wartehallen an historisch bedeutsamen Stätten werden temporäre oder langfristige Gedenkorte, die an die Verbrechen und die Stätten der Täter des Holocaust erinnern. Ein Beispiel ist die Wartehalle in der Kurfürstenstraße, wo Adolph Eichmann das Judenreferat leitete, ein weiteres die Bushaltestelle direkt vor der Philharmonie, die anlässlich des Gedenkens an die dem Genozid zum Opfer der Aktion T4 gefallenen Musiker mit zusätzlichen Informationen ausgestattet wurde. Im Grunewald erinnert eine umgestaltete Haltestelle an eine Synagoge, die dort in unmittelbarer Nähe gestanden hatte.810 Auch realisiert das Berliner Unternehmen gemeinsam mit der Stiftung Topographie des Terrors verschiedene Sponsoringprojekte, zu denen die Errichtung von Standorten mit Plakaten von Berliner Künstlern zählt. Vor dem Eingang des heutigen Bundesamtes für Bauwesen und Raumplanung errichtet, erinnern weitere Plakate an die Verbrechen, die im früheren SSWirtschafts-Verwaltungshauptamt besiegelt wurden.811 Auch der DGB stellt anlässlich des Gedenkens an den Reichstagsbrand am 7./8. Mai 2005 gemeinsam mit der Wall AG ein temporäres Mahnmal an der Bushaltestelle vor dem Kanzleramt auf. In Kooperation mit dem American Jewish Committee ruft Wall zudem eine Initiative zum Gedenken an Varian Van Fry ins Leben. An der gleichnamigen Haltestelle am Potsdamer Platz wird dem kaum bekannten US-Amerikaner, der verfolgte Intellektuelle aus Deutschland evakuierte, gedacht.812 Neben der unternehmerischen Hinwendung zu derart ernsthaften Themen der deutschen und speziell der Berliner Geschichte erschließen die Wall’schen Aktivitäten im Bereich Public Relations gleichsam ganz andere gegenwartsbezogene Aspekte städtischen Lebens: So geht aus einer Kooperation der Arbeitsagenturen und der Wall AG im August 2004 ein Projekt hervor, das vorsieht, an den E-Terminals eine digitale Jobbörse einzurichten.813 Ebenfalls in Szene gesetzt wird die zehnmillionste Erleichterung an einer Wall-City-Toilette, so erwartet im September 2002 ein Gremium ausgerechnet die Jubiläumsbesucherin auf dem Boulevard Unter den Linden in der Hauptstadt, die an einem augenscheinlich nicht zufällig gewählten Ort als zentrales Sujet einer ausgefeilten PR-Strategie instrumentalisiert wird. Hochrangige Politiker aus Berlin und Brandenburg hingegen lassen sich zum medial transportierten Besuch der Klokabinen im Wall’schen Produktionswerk in Velten hinreißen: Wo Manfred Stolpe bereits 1995 809 TAZ vom 24.08.04. 810 Tagesspiegel vom 26.10.07. Berliner Morgenpost Online vom 31.12.05. URL: http://www.morgenpost.de/print archiv/berlin/article336113/Ich_will_ein_Vorbild_fuer_andere_Unternehmer_sein.html (letzter Zugriff am 04.07.08). TAZ vom 17.08.04 und vom 12.08.04. 811 Die Welt vom 25.05.05. 812 TAZ vom 07.05.05, 12.07.04 und vom 23.06.04. 813 Tagesspiegel vom 26.07.04.
241
das Vergnügen hatte, erkundet eine Dekade später der Berliner Wirtschaftssenator Wolf die innovativen Örtlichkeiten. Und schließlich erhält auch der derzeitige brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghans einen Universalschlüssel für die Wall-Toiletten, und darf demnach das gleiche Wall-Privileg weltweit genießen, wie Menschen mit Behinderungen.814 Mit diesen Beispielen soll für den Fall der Bedürfnisanstalten darauf hingewiesen werden, dass die geschickt eingesetzte PR-Arbeit des Berliner Unternehmens langfristig dazu geführt hat, ein vormals nicht medientaugliches Thema neu zu kodieren. Was bei den anfänglichen Besuchen von Stolpe noch in den damaligen Leitmedien wie dem Spiegel süffisant kommentiert wird, avanciert im Verlauf der Professionalisierung der PR-Arbeit der Wall AG mehr und mehr zur stadtentwicklungspolitischen Etiquette. So tragen Medien ebenfalls dazu bei, dass Thema innovativen Toilettendesigns auch für die Meinungsbildner der Politik debattenfähig zu machen. Kaum eine Eröffnung umgebauter unterirdischer WC-Anlagen wird ohne Präsenz des Regierenden Bürgermeisters Wowereit oder seiner Kollegen in den jeweiligen Bezirken durchgeführt und in den Medien zunehmend positiv und im abnehmenden Maße süffisant reflektiert. Die restaurierten stillen Örtchen am Alexanderplatz werden in der jüngeren Medienberichterstattung gar zu „Kathedralen menschlicher Bedürfnisse“ verklärt.815 Ein weiteres Thema, das sich das Berliner Unternehmen öffentlichkeitswirksam auf die Fahnen geschrieben hat, ist das Gedenken an Ernst Litfaß (Kap. 2). So setzt sich Wall 2001 erfolgreich dafür ein, dass die Ruhestätte des Berliner Konzessionärs zum Ehrengrab ernannt wird.816 Auch restauriert die Wall AG das Grab aus eigenen Mitteln und trägt die Pflegekosten.817 Die durch die Medien geisternde Information, das Berliner Stadtmöblierungsunternehmen wende jährlich für die Pflege des Grabes von Ernst Litfaß 125.000 Euro auf818, bedarf jedoch genauerer Präzisierung. Denn beim Besuch des Litfaß’schen Grabes auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in der Berliner Chausseestraße findet man schließlich nichts anderes als eine große Beton-Grabesplatte vor, die durch eine gusseiserne Zaunanlage eingefasst ist (Abb. 28). Diese kann schwerlich einen derartig hohen Pflege- und Materialaufwand jährlich erforderlich machen. Es erscheint vielmehr, dass die Information hinsichtlich Investitionssumme sich auf eine einmalige Finanzspritze zur Instandsetzung des Grabes (z.B. die Anfertigung der Zaunanlage) bezog, die sich nachfolgend kommunikationspolitisch verselbständigt hat. Die Frage kann in dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden, das Beispiel macht jedoch klar, dass eine Kontrolle der Richtigkeit kommunizierter PR-Botschaften in der Praxis oftmals gar nicht stattfindet.
814 Tagesspiegel vom 06.01.06 und vom 12.06.05. Die Welt vom 30.08.02. Der Spiegel vom 24.07.95. TAZ vom 15.07.95. 815 Die Welt vom 26.09.07 und vom 26.05.07. Tagesspiegel vom 28.08.03. 816 Interview C.9.d vom 13.12.06. 817 Damm und Siebenhaar 2005, 163. 818 Handelsblatt vom 26.11.03.
242
Abbildung 28: Grab des Berliner Unternehmers Ernst Litfaß als Beispiel für sich verselbständigende PR-Informationen. Dorotheenstädtischer Friedhof, Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Die enge symbolische Verzahnung der Wall’schen PR-Strategie mit Ernst Litfaß tritt auch an anderer Stelle zutage, so bietet das Berliner Unternehmen etwa an, alle 50 noch verbliebenen historischen Säulen in Berlin zu restaurieren, um darauf Kultur- und Theaterwerbung anzubieten. Bei der damaligen VVR Berek wundert man sich indes über dieses wohlwollende Angebot, weil es, erstens, nicht 50, sondern nur noch 25 restaurierungsbedürftige Originalsäulen im Stadtgebiet gibt, und weil die VVR Berek, zweitens, selbst beabsichtigt, diese übrigen Säulen im gleichen Jahr in Stand zu setzen. Erneut tritt hier eine inhaltliche Diskrepanz zwischen zwar wohlwollend gemeinten, jedoch an der städtischen Realität vorbeilaufenden kommunikationsstrategischen Versprechen zutage, die zunächst in den Tagesmedien transportiert werden, in diesem Fall aber durch eine differenzierte Berichterstattung konterkariert werden konnten.819 Ein Fall, bei dem Kritik in eine ähnliche Richtung geht, ist die vermeintliche ‘Rettung’ der vor dem Bankrott stehenden Musikalienhandlung Riedl durch die Wall AG. Was zunächst als kurzfristig inszeniertes „Märchen nach Noten“ bezeichnet wird, entpuppt sich schließlich als nicht funktionierender Zauberspruch. Hintergrund: Das alteingesessene Berliner Musikhaus Riedl gerät in eine finanzielle Bredouille und steuert dem Konkurs entgegen. Die den drohenden Skandal begleitende Berichterstattung generiert Aufmerksamkeitspotenziale. Umgehend meldet sich Wall im Januar 2007 mit dem Angebot, eine Gesamtwerksausgabe aller deutschen Komponisten für 100.000 Euro erstehen zu wollen, mit der Riedl die Pleite abwenden soll. Aus dieser Kultur-Sponsoring-Aktion entwickelt sich schlussendlich jedoch ein PR-Märchen. Weil der Musikalienhändler dem Stadtmöblierer keine Garantie geben kann, dass er mit Hilfe des in Aussicht gestellten Geldes den Ruin de facto abwenden kann, sieht Hans Wall keine Perspektive. Er verschenke sein Geld ja nicht „mit einer Gießkanne“.820 Aus der PR-Strategie wurde eine an Bedingungen geknüpfte, gescheiterte Geschäftsverhandlung. Neben diesen kritisch betrachteten Situationen gibt es auch Sponsoringfälle, die der breiten Berliner Bevölkerung und dem Tourismus zu Gute kommen, wie das Sponsoring der Berliner Weihnachtsbeleuchtung auf dem Ku’damm, das die Wall AG der Stadt anlässlich ihres 20-jährigen Firmenjubiläums ‘geschenkt’ hat und auch in den Folgejahren fördert.821 Man beachte hier die Wortwahl, denn
819 Die Welt vom 21.06.02. 820 Tagesspiegel vom 17.11.07 und vom 08.01.07. 821 Die Welt vom 16.08.04.
243
unter der Rubrik Geschenk würden ihres Charakters nach Spenden und mäzenatische Taten, weniger aber das auf kommunikative Gegenleistungen beruhende Sponsoring fallen. Neben den benannten Werkzeugen bedient sich das Berliner Unternehmen auch kerniger PR-Slogans, die zumeist auf Plakaten im Stadtraum sowie in der virtuellen Welt des Unternehmens vermittelt werden. Neben den stadtbekannten Leitideen ‘Für Städte. Für Menschen’ und ‘Sauberkeit beginnt mit Ästhetik’822 hat die Wall AG ihre Bekanntheitswerte speziell durch provokante, situationsbezogene Kampagnen unternehmerischer Selbstdarstellung in Berlin forcieren können, allen voran die Wallstreet-Kampagne. Selbstbewusst war diese durch das Unternehmen nach Gewinn des Wettbewerbs zur Möblierung des Boulevards Unter den Linden an den Haltestellen desselben geschaltet worden. Plakat-Motiv: Der gleiche Boulevard, möbliert mit den innovativen Produkten der Wall AG und gerahmt durch das Brandenburger Tor, die „Wall Street“ eben.823 Eine weitere Plakatkampagne, die auf die Internationalität des Unternehmens hinweist, ist die ‘Welcome to the United States of Wall’-Kampagne (Abb. 29b). ‘Immer einen Schritt voraus. Intelligente Produkte für urbanes Leben’ sowie ‘Natürlich sauber. Intelligente Produkte für urbanes Leben’ sind PR-Botschaften, die sich durch ihre Orientierung an produkt- und servicebezogenen Alleinstellungsmerkmalen und damit operativen Wettbewerbsvorteilen des Unternehmens, also durch ihren absatzorientierten Charakter auszeichnen (Abb. 29a, Abb. 29c). Speziell an den zu erst genannten Kampagnen sowie an den vielfach gedruckten Pressemeldungen fällt weiterhin auf, dass darauf abgezielt wird, Begriffe zu verwenden, die den Eindruck von Grandiosität und Vormachtstellung erwecken wie etwa United Nations of Wall, Weltneuheit oder Weltpatent.824
Abbildung 29: Auf Internationalität und Grandiosität hinweisende Plakat-PR der Wall AG. Abb. 29a.(links): “Immer einen Schritt voraus. Intelligente Produkte für urbanes Leben”-Kampagne. Abb. 29b. (mittig): “Welcome to the United States of Wall”-Kampagne. Abb. 29c (rechts): “Natürlich sauber”-Kampagne. Potsdamer Platz und Rathausstraße, Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Im Rückblick auf die genannten kommunikationsstrategischen Interventionen im Stadtraum lässt sich festhalten: Wenn integrierte Kommunikation als strategische Ausrichtung diverser Kommunikationsinstrumente auf der Ebene des Unternehmensmanagements verstanden werden kann, so darf für den Fall der Branche der Stadtraummedien konstatiert werden, dass diese sich innerhalb von nur zwei Dekaden von einem etwas unbeholfen mit Methoden des Marketing umgehenden grauen Mäuschen zu einem schillernden Paradiesvogel der Public Relations entwickelt hat. Der Facettenreichtum der kommunikationsstrategischen Aktivitäten, die allein 822 TAZ vom 24.08.04. 823 Scheinschlag 06/99. URL: http://www.scheinschlag.de/archiv/1999/06_1999/texte/stadt1.html (letzter Zugriff am 18.03.08). 824 Tagesspiegel vom 25.08.06. Die Welt vom 24.05.00.
244
nur das Berliner Unternehmen an den Tag legt, um seine Beziehungen zu den für sie relevanten Öffentlichkeiten zu pflegen, findet seinesgleichen schwerlich in einer derart ausgeprägten Form, wie im Berliner Fall. Denn als Bewirtschafter von zentralen öffentlichen Räumen, einem sehr sensiblen gesellschaftspolitischen Thema, scheint es für die Unternehmen der Stadtraummedien von zentraler Bedeutung, über verschiedenste kommunikative Kanäle und mittels unterschiedlichster Fördervorhaben ein äußerst positives Unternehmensbild in den Medien zu präsentieren oder präsentieren zu lassen und somit direkt sowie indirekt auf Prozesse der Meinungsbildung in der Stadtgesellschaft hinzuwirken. Die Öffentlichkeiten rezipieren jedoch lediglich das mediale Endprodukt, ohne notwendigerweise Informationen oder Wissen über die diesem Endprodukt zugrunde liegende Kommunikationsstrategie und Motivation zu erhalten. Mittels einer positiven Grundstimmung in der Berliner Bevölkerung lassen sich die der Branche eher kritisch gegenüberstehenden gesellschaftlichen Akteure wie etwa Politiker des linken Spektrums mittelbar milder stimmen, da ihre Sachargumente wie etwa das der ästhetischen Verunstaltung (Kap. 2) sich kaum mehr gegen breite Unterstützung und wachsenden öffentlichen Druck einer durch erfolgreiche PR-Arbeit emotionalisierten Stadtgesellschaft durchsetzen lassen. Immer wieder aber wird im Zusammenhang mit derartigen Interventionen der Begriff des bürgerschaftlichen Engagements bemüht. Aber ist ein Unternehmen ein Bürger? Bürger oder Unternehmer? Facetten gesellschaftlichen Engagements Bürgerschaftliches Engagement – Vom Wesen eines begrifflichen Platzhalters In politischen Debatten wird bürgerschaftliches Engagement als Platzhalter für vielerlei Inhalte verwendet, so wird die Sponsoringaktion der Deutschen Telekom zur Verhüllung des Brandenburger Tors ebenso als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet, wie der ehrenamtliche Einsatz zivilgesellschaftlicher Akteure in Stadtentwicklungsprozessen. Dies kritisiert der damalige Bezirksstadtrat Thomas Flierl, indem er fordert, dass man zwischen dem Aktivismus der Bürger, die die Stiftung Denkmalschutz ins Leben gerufen haben und nun als (Zu)Stifter auftreten, und anderen Akteuren, die große Summen als Sponsoren aufbringen, unterscheiden müsse. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Telekom der ideelle Gesamtbürger sei, den die staatlichen Rufe nach verstärktem bürgerschaftlichen Engagement ansprechen wollten. Es komme auf eine Verbindung von bürgerschaftlichem mit wirtschaftlichem Engagement an und die Maßnahmen der Telekom seien eindeutig letzterem zuzuordnen.825 Im Falle der Wall AG jedoch ist bürgerschaftliches nicht so klar von unternehmerischem Engagement zu unterscheiden, da das Familienunternehmen ortsansässig ist und da sich Hans und Daniel Wall sowohl als wirtschaftliche Akteure als auch als Privatpersonen in der Stadt engagieren. Immer wieder wird betont, dass die Wall AG in ihrer Eigenschaft als Familienunternehmen dem kurzfristigen Wachstumsinteresse internationaler Aktieninhaber nicht so stark ausgesetzt sei, wie andere Konzerne. Jedoch sind auch von Familien geleitete Konzerne jüngst verstärkt in die Kritik geraten, sich hinter dem überkommenen Bild des Familienunternehmens zu verstecken, obwohl auch sie entsprechend sich neu etablierender Regeln und Mechanismen
825 Siehe Statement des BzStR Thomas Flierl anlässlich der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Nr. 14/15 vom 29.11.00. DS 179/IV der BVV Mitte von Berlin (alt).
245
zunehmend internationaler funktionierender Märkte kaufen und zerschlagen.826 Daher ist nachdrücklich auf die mögliche Rollenvielfalt der Stadtmöblierer hinzuweisen, die etwa anhand des Beispiels von Walls Engagement als Vorsitzender der Bürgerinitiative „Denk mal an Berlin“ illustriert werden kann,827 die sich für den Erhalt und die Restaurierung von Berliner Denkmalen in städtischen Freiräumen einsetzt. Hier leistet der Berliner Unternehmer als Berliner Bürger persönlichen Einsatz für eine Angelegenheit von stadtentwicklungspolitischer Bedeutung und generiert damit eher beiläufig Sympathiewerte für sich und sein Unternehmen. Ob Findelkind oder Kriminalopfer, der Berliner Unternehmer versteht es über Denkmalvereine hinaus, umgehend auf Themen von dringendem gesellschaftspolitischen Interesse, die die Hauptstadt kurzfristig aus dem Trott des Alltagslebens zu reißen vermögen, mit einem umgehenden Förderangebot zu reagieren. So setzt sich das Unternehmen mit einer Spendensumme von rund 40.000 Euro für einen vor einen Zug geworfenen jungen Berliner ein, um diesem einen behindertengerechten Golf zur Verfügung zu stellen. Ähnlich wie dieser erhält auch ein Berliner Findelkind ein Ausbildungsplatzangebot vom postfordistischen Annoncier, nachdem letzteres an einer Wall-Bushaltestelle ausgesetzt aufgefunden worden war. Hans Wall bietet dem Jugendamt an, sämtliche Kosten für den Jungen bis zum 21. Lebensjahr zu übernehmen.828 Diese beiden Beispiele zeigen, wie intensiv sich Hans Wall um soziales Engagement bemüht. Das beherzte Eingreifen des Stadtmöblierers wird jedoch auch im Kontext der raffinierten Wall’schen PR gedeutet, so lobt etwa die TAZ das herausragende Engagement des Unternehmers, stellt aber die Frage, ob die Leiden der Skandalopfer nicht im Rahmen von smart formulierten Image-Kampagnen medial ausgebeutet werden.829 „Kann man so etwas kritisieren? Man kann. (...) Das einer, der viel Geld hat, andere daran teilhaben lässt, ist eine prima Sache. Nur auf das PR-Gesäusel könnte man künftig verzichten.“ (TAZ vom 01. Februar 2007)
Was hier kritisiert wird, sind also nicht die unternehmerischen Wohltaten, die ohne Zweifel als solche herausragenden Charakter haben, sondern die Art, wie persönliche Schicksale von Menschen medial inszeniert und somit in einen aufmerksamkeitsökonomischen Wert verwandelt werden, der der Aufwertung des unternehmerischen Images nicht abträglich ist. Denn ähnlich wie beim Sport-Sponsoring oder bei der Rütli-Schule hatten diese beiden aus gesellschaftlichen Tragödien hervorgegangenen, menschlichen Schicksale vorab große Aufmerksamkeitspotenziale überhaupt erst generiert, was an der sich überschlagenden Berichterstattung vor allen Dingen in den lokalen Tagesmedien festgemacht werden kann.830 Die Wall AG hat es verstanden, mittels ihrer Ad-hoc-Spendenaktion, genau diese bereits entstandenen Aufmerksamkeitspotenziale für sich zu multiplizieren. Die Kritik setzt also keineswegs am bürgerschaftlichen Engagement Hans Walls an, sondern an der auf der Erzielung von Sympathiewerten abzielenden Tonalität und medialen Inszenierung der kommunikationspolitischen Maßnahmen bei gleichzeitigem strategischen Rückgriff auf die bereits generierten Aufmerksamkeitspotenziale, die derartige menschliche Tragödien mit sich bringen. Ein derartiger Show-down bürgerschaftlichen Engagements trage “zu einer (...) einseitigen Lenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit” 826 Siehe FAZ-Online Artikel vom 27.07.08. URL: http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52 B6E1D9/Doc~EA3326AC089B249DEB4BF6EDBD6F43670~ATpl~Ecommon~Scontent.html (letzter Zugriff am 08.09.08). 827 Tagesspiegel vom 19.12.06 und vom 04.10.05. 828 Die Welt vom 31.01.07, vom 19.04.03 und vom 03.01.03. Tagesspiegel vom 31.01.07 und vom 18.06.03. 829 TAZ vom 01.02.07. 830 Die Zeit vom 06.04.06. URL: http://www.zeit.de/2006/15/Schule, RBB-Online vom 30.03.06. http://www.rb b-online.de/_/themen/beitrag_jsp/key=teaser_4034428.html und Spiegel-Online vom 31.03.06. URL: http://www. spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,409011,00.html (letzter Zugriff am 16.11.08).
246
auf Kosten der Opfer bei.831 Auch den ethischen Prämissen des Opferschutzes entsprechen derartige kommunikationsstrategische Interventionen ungeachtet der Frage, ob sich die Opfer mit der medialen Ausbeutung ihrer Tragödie einverstanden erklärt haben, nicht. Neben Beispielen bürgerschaftlichen Engagements mit einem derart ambivalenten Motivcharakter bleibt der überdurchschnittliche Einsatz der Familie Wall in Berlin faktisch unumstritten, dem Unternehmer wurde 1999 das Bundesverdienstkreuz für sein ehrenamtliches Engagement in der Hauptstadt verliehen. Im Jahr 2004 erhielt er darüber hinaus eine Auszeichnung von der Jüdischen Gemeinde für seinen Einsatz gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz. Im Jahr 2005 wurde er von zehntausend Lesern der Berliner Morgenpost und Hörern des Berliner Rundfunks noch vor seiner CDU-Kollegin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, zum Berliner des Jahres 2005 gewählt.832 Damit liegt die Wall AG ganz im Trend der bereits an den Kapitalmärkten notierten Unternehmen, auch wenn sie selbst den Schritt an die Börse bisher trotz mehrfacher Ankündigungen nicht vollzogen hat. Denn soziale Verantwortung – sei es in Form von bürgerschaftlichem oder unternehmerischem Engagement – steht derzeit hoch im kommunikativen Kurs transnational agierender Unternehmen, da viele ihrer Praktiken durch zunehmend kritische Medienberichterstattung und durch zunehmend international organisierte Verbraucherschutzorganisationen in gesellschaftliche Ungnade gefallen sind. In diesem Kontext kommt der Aufmerksamkeitsökonomie eine besondere Rolle zu, denn wichtig erscheint es nicht allein, Informationen an die entsprechenden Publika (Zielgruppen) zu bringen, sondern besonders ansprechende Programmatiken, Strategien und Formate zu finden, um die gelieferten Informationen mit Sympathiewerten zu versehen. Denn schließlich folgt der Aufmerksamkeit die Akzeptanz und im besten Falle die Sympathie eines nicht allein rational, sondern vor allen Dingen emotional überzeugten Verbrauchers, Politikers oder Financiers. Eine Kommunikationsstrategie, die insbesondere eine emotionale Symbolik transportieren soll und mittels Image und Reputation gestützt wird, ist Corporate Social Responsibility. Corporate Social Responsibility – Ein viel versprechendes Kommunikationsprogramm „Soziales Engagement und gemeinwohlorientierte Aktivitäten in der Region sind für Wall gelebte Realität. Unsere strategischen Unternehmensziele verfolgen wir daher stets verantwortungsvoll gegenüber der Gesellschaft. (...) Corporate Social Responsibility ist im Rahmen der Unternehmensstrategie ein entscheidendes Element, um Nachhaltigkeit zu erzielen. Als Familienunternehmen besitzen wir große Handlungsfreiheit für gemeinnütziges Engagement, da wir uns keinen, oft kurzfristig orientierten Anteilseignern gegenüber verantworten müssen.“ (Neuer Internetauftritt der Wall AG, Exzerpt833)
Berlin galt bisher nicht als Exzellenzbeispiel für die Einbindung unternehmerischen Engagements in die Prozesse der Stadtproduktion. Was aber genau wird mit ‘unternehmerischen Engagement’ assoziiert und wie etwa wird es als kommunikationsstrategische Programmatik in gegenwärtigen Strategien zur Positionierung unternehmerischer Marken eingesetzt? Gegenwärtige theoretische Beiträge stützen sich auf Anglizismen wie Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC), wobei sich ersteres primär auf die soziale Verantwortung im Sinne bestimmter ethischer Werthaltungen des Unternehmens oder des Unternehmers, letzte831 Interview A.11.d vom 31.01.07. 832 Interview C.9.d vom 13.12.06. Berliner Morgenpost Online vom 31.12.05. URL: http://www.morgenpost.de/ printarchiv/berlin/article336115/Hans_Wall_ist_Berliner_des_Jahres.html (letzter Zugriff am 04.07.08). Damm und Siebenhaar 2005, 163. 833 Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Unternehmen. Engagement. URL: http://www.wall.de/de/ company/engagement (letzter Zugriff am 23.09.08).
247
res auf die Rolle des Unternehmens als Bürger, also als Teil der Gesellschaft für die lokale Gemeinschaft bezieht.834 Hoffjann versteht unter CSR die strategische Ausrichtung unternehmerischen Handelns an den dreifältigen Prämissen nachhaltigen Wirtschaftens, der so genannten Triple-Bottom-Line, die für eine Gleichberechtigung und Gleichbehandlung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte steht. Corporate Citizenship hingegen setzt er mit gesellschaftlichem Engagement von Unternehmen gleich.835 Im selben Übersichtswerk aber finden sich auch genau umgekehrte inhaltliche Zuweisungen zu beiden Begriffen, was darauf schließen lässt, dass sich selbst die Experten in der Theorie noch nicht einig sind, welche Assoziationen genau welchem Konzept beizumessen sind.836 Andere Übersichtswerke aus der Kommunikations- und Medienpraxis weisen darauf hin, dass Corporate Citizenship nur eine von mehreren strategischen Facetten der übergeordneten Programmatik von Corporate Social Responsibility darstellt, eine Herangehensweise, die nachfolgend zur Anwendung kommt, indem dem weiter gefassten Begriff der Corporate Social Responsibility Vorrang eingeräumt wird.837 Die Kommunikationsprogrammatik der Corporate Social Responsibility (CSR) wird zunehmend von Unternehmen eingesetzt, um die Aufmerksamkeit verschiedener ‘Stakeholder’ – so die aus der Managementtheorie entwendete Bezeichnung für gesellschaftliche Akteure, die für die jeweilige Unternehmensumwelt relevant sind – zumeist in positiver Weise zu erregen. Marktakteure möchten, erstens, Vorurteile gegen das ihnen oftmals zugeschriebene Primat des Profitstrebens abbauen, zweitens möchten sie gerade durch die Demonstration eines derart veränderten Bewusstseins ihr Image steigern und damit Gewinn maximieren. Diese scheinbar unvereinbare Krux aufzulösen sind die Vertreter des CSR-Ansatzes angetreten. Sie gehen davon aus, dass glaubhaftes gesellschaftliches Engagement von Konzernen sich sowohl in der Innenperspektive des Betriebes als auch in der Außenperspektive zeigen muss und definieren daher das Image eines Unternehmens als Differenz zwischen den Erwartungen der Anspruchsgruppen und ihrem tatsächlichen Bild eines Unternehmens. Das tatsächliche Bild aber könne allein durch Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit in einem Ansatz ganzheitlich ausgerichteter Unternehmenskultur langfristig und nachhaltig vermittelt werden, so die Prämisse.838 Daher sind zunächst die Stakeholder eines Unternehmens klar zu identifizieren: Hier geht es neben Mitarbeitern, Lieferanten, neben Kunden und Konkurrenten ebenso um Finanzinvestoren, Aktieninhaber sowie Journalisten, Politiker und Verwaltungsakteure. Für Prozesse, die in den Bereich der Entwicklung zentraler öffentlicher Räume fallen, sind ebenfalls Bürger, Besucher und Bewohner gemeint. Und zwar in ihrer dreifachen Rolle: Erstens, als Stadtrauminformation rezipierende Determinanten des wirtschaftlichen Erfolgs, die das messbare Aufmerksamkeitspotenzial eines Ortes bestimmen, zweitens, als Nutzer der Produkte und Dienstleistungen rund um das Handlungsfeld der Stadtraummedien und, drittens, als Kritiker von kommerziellen Interventionen im Stadtraum, und somit als potenzielles Geschäftsrisiko. Konzerne versprechen sich von den Investitionen in CSR Aktivitäten einen loyalitäts-, image- und motivationssteigernden Impetus, sprich: Sie erhoffen sich einen kommunikativen Nutzen vom Investment in gesellschaftliche Belange. In diesem Punkt ähnelt der Ansatz der 834 Scherer und Baumann (2008, 860) betonen auch, dass ein solches Verständnis des Bürgers ein republikanisches sei. Hier wird die konfliktträchtige Doppelrolle des Bürgers als Bourgeois (Privatbürger) sowie als Citoyen (Staatsbürger) deutlich. 835 Hoffjann 2007, 35. 836 Rieksmeier 2007, 24. 837 Johanssen und Kretscher 2008. Es sei angemerkt, dass auch hier Unklarheit besteht, denn Scherer und Baumann (2008, 860ff.) konstatieren mit dem Verweis auf Definitionen des UN Economic und Social Council das Gegenteil. 838 Vgl. Johanssen + Kretschmer 2006a, 7.
248
CSR dem des Sponsorings, in vielen weiteren Punkten jedoch nicht. Wo nämlich Sponsoring als bloßes Instrument erfolgreicher Unternehmenskommunikation vorrangig auf die plakative Darstellung einzelner Projekte abzielt und darstellen will, wie Unternehmensgewinne in prestigeträchtige Projekte investiert werden können, verwendet der CSR-Ansatz Unternehmenskommunikation als strategisches Instrument, um die interne Unternehmenskultur nach außen hin zu kommunizieren und schlussendlich aufzuzeigen, wie Profit auf eine sozial und ökologisch verträgliche Art und Weise erwirtschaftet werden kann. Bei CSR geht es also um die Darstellung der Grundausrichtung und der gesellschaftspolitischen Haltung eines Unternehmens mit dem Ziel der Reputationsaufwertung oder der Minderung von Reputationsrisiken.839 Daher setzt die Programmatik an der strategischen Ausrichtung der Unternehmenskultur an.840 Grundlegende Motive, CSR-Ansätze zu realisieren sind verbessertes Krisenmanagement durch die langfristige Etablierung so genannter Stakeholder-Dialoge, darüber hinaus möchten Unternehmen mit CSR öffentliche und politische Zustimmung erringen und somit unternehmerisches Handeln gesellschaftlich legitimieren. Risiken einer fehlinszenierten CSR sind mangelnde Glaubwürdigkeit und daraus resultierend Imageverluste sowie Ineffizienz, wenn die Strategie nicht eng am unternehmerischen Leitbild angesiedelt ist. So erscheint in der Welt der integrierten Kommunikationspolitik derzeit nichts fataler als Sponsoring zur Aufforstung von Tropenwäldern im Rahmen von Bierkampagnen oder Vielfliegerprogrammen, da sie der fundamentalen Kritik des ‘Greenwashing’ – des Kaschierens unternehmenspolitischer Motive mittels eines durch PR-Strategien vorgetäuschten grünen Images – nicht standhalten. Jedoch ergibt sich auch im Umkehrschluss ein Dilemma, denn zu nah am eigentlichen unternehmerischen Kerngeschäft sollten CSR-Projekte nicht angesiedelt sein, weil sie dann als Investment in gesellschaftliche Belange nicht mehr glaubhaft erscheinen, sondern zur Strategie eines listigen Beschaffungsmarketing verkommen. Ein solcher Fall wäre es, wenn ein Unternehmen der Stadtraummedien sich als gesellschaftlich engagiert im Bereich der Unterhaltung von Brunnenanlagen oder Grünflächen ausgibt, da dies auf direkte wirtschaftliche Absichten hinsichtlich der Erschließung neuer, werbefreier Märkte, also der Ausweitung des Kerngeschäftes, zumindest dann schließen lässt, wenn im Gegenzug für ein solches Engagement die Bereitstellung von Informationsträgerstandorten auf öffentlichem Straßenland eingefordert werden. Hier täte sich aus der Perspektive der CSR-Vertreter die Grauzonengefahr auf, solche Initiativen als elaborierten Ausdruck von Bestechung und Korruption deuten zu können. Gerade wegen dieser Risiken herrscht beim CSR das Gebot weitestgehender Transparenz. Neben der Prämisse, dass Unternehmen im Rahmen ihrer CSR-Aktivitäten wirtschaftliche Vorteile durch Imageaufbau und alle damit verbundenen Implikationen in der indirekten Umgebung ihres Alltagsgeschäftes genießen dürfen, gilt zusammengefasst der Grundsatz, dass diese jedoch explizit losgelöst vom eigentlichen Kern desselben angesiedelt sein sollten. Diese doppelte Prämisse kommt einem ständigen Balanceakt gleich, an dem jede CSR-Aktivität ausgerichtet wird: Engagiert sich ein Unternehmen aus der Branche der Stadtraummedien etwa wie die Wall AG in der Bildungs- oder Wissenschaftsförderung in Bereichen, die auch sein Wirkungsfeld etwa durch die Befähigung späterer potenzieller Mitarbeiter oder die Einbindung der Wissenschaft in die strategische Ausrichtung des Unternehmens indirekt betreffen, erscheint dies glaubwürdiger, als die Beschaffungsaktivität des sogenannten Brunnensponsoring, die von der Wall AG und von der Ströer AG und diversen Berliner Bezirken realisiert wird (Kap. 3). Für die Branche der Stadtraummedien waren gegen Mitte der 1980er Jahre noch unternehmerische Nachzügler beobachtet (Kap. 2). Innerhalb von nur zwanzig Jahren haben sich 839 Steinert 2007. 840 Vgl. Johanssen + Kretschmer 2006b, 13.
249
die Out-of-Home Medienunternehmen einer kompletten kommunikationsstrategischen Metamorphose unterzogen, indem sie aus der Nachzügler-Rolle in die Vorreiter-Rolle geschlüpft sind.841 Die Vorreiter im Bereich des CSR kennzeichnen, dass sie mit verantwortungsbewusstem Verhalten gegenüber Umwelt und Gesellschaft ausdrücklich auch ökonomische Ziele verfolgen. Damit ist in die Debatte um gesellschaftliches Engagement von Unternehmen der Stadtraummedien ein kommunikationspolitischer Realismus eingekehrt, der von wirtschaftlichem Pragmatismus flankiert wird. Denn Vorreiter wenden die kommunikationsstrategische Programmatik des CSR als Instrument für Innovation und als Werttreiber an.842 Die Fragestellung, wie erwirtschafteter Profit in soziale und ökologische Maßnahmen investiert werden kann, wird dahin gehend verschoben, dass man danach fragt, auf welche Art es zur Steigerung des Gewinns kommt, und wie diese sozial und ökologisch verträglicher gestaltet werden kann, weil sich ein solcher Ansatz langfristig positiv auf die Prosperität des Unternehmens auswirkt. Dass CSR als eines der jüngsten und wohl auch als eines der anspruchsvollsten Instrumente von kommunikationsstrategisch ausgerichteten Aufmerksamkeitsmärkten verstanden werden kann, wird an den angestrebten Zielen klar. Im Optimalfall kann ein Konzern durch glaubwürdige Ausrichtung unternehmensseitig (Finanz-)Investoren sowie talentierte Mitarbeiter gewinnen oder die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter steigern. Die Programmatik kann aus unternehmerischer Sicht auch dazu verwendet werden, Hochpreispolitik zu legitimieren, Krisenmanagement zu optimieren oder die Marktpositionierung voranzutreiben. Gesellschaftsseitig können positive Ergebnisse von CSR darin bestehen, potentiellen Imagerisiken vorzubeugen oder diese bei Risikoeintritt besser managen zu können. Dazu soll ein langfristig angelegter Dialog mit den Anspruchsgruppen, speziell mit den kritischen, gepflegt werden. Hier sind etwa die Lifestyle of Health and Sustainability Consumers (LOHAS) zu nennen, an einem gesunden Lebensstil orientierte und nachhaltig konsumierende Verbraucher.843 Die Tatsache, dass die CSR-Programmatik zunehmend institutionellen Charakter bekommt, wird seit 2001 an der Hinwendung der europäischen Politik zur kommunikationspolitischen Programmatik fest gemacht, die im ‘Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen’ dokumentiert wird. Zudem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Ausarbeitung einer “nationalen CSR-Strategie” angekündigt, um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen über ihre gesetzlichen Pflichten – „Eigentum verpflichtet“ – hinaus zu fördern.844 Dass ein nationalstaatliches CSR-Siegel für die Firmen interessant erscheint, wird mit dem Blick auf die ständig wachsenden CSR-Aktivitäten Dax-notierter Unternehmen klar, denn schließlich ist es globales Ziel von Corporate Social Responsibility, glaubwürdig Vertrauen und Reputation bei den relevanten Stakeholdern zu erlangen und somit den symbolischen Markenwert des Unternehmens zu erhöhen, wozu sich ein institutionalisiertes Siegel seitens eines Nationalstaates vorzüglich eignet. Ist Corporate Social Responsibility also mehr als nur eine Affäre?845 – PR tauglich formuliert birgt diese Frage Anlass, sich mit der Kritik an der neuen kommunikationsstragischen Programmatik des CSR auseinanderzusetzen. Schon genannt wurde das Greenwashing. Ähnli841 Zur Kategorisierung von CSR-Nachzüglern und CSR-Vorreitern siehe Glombitza 2003. 842 Johanssen und Kretschmer 2008. 843 Siehe Newsletter DPRG Intern Nr. 4/2008, 7. URL: http://dprg.enpress.de/Datei.aspx?InDID=1608&G=1404 696&a=a (letzter Zugriff am 21.07.08). 844 Siehe Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. URL: http://www.csr-in-deutschland.de (letzter Zugriff am 21.07.08) und siehe Art 14 Abs. 2 GG. 845 Diese Frage stellte sich die Agentur Johanssen + Kretschmer anlässlich eines Einführungsvortrags zum Thema CSR während des Tages der offenen Tür “Seitensprünge. Einblicke ins Herz der politischen Kommunikation” der Berliner Kommunikationsagenturen. URL: http://www.seitenspruenge-berlin.de/ (letzter Zugriff am 01.07.08).
250
ches könnte für die soziale Dimension konstatiert werden, da speziell die so genannten Stakeholder-Dialoge unter dem Verdacht stehen, als taktische Inklusion der ärgsten Kritiker eingesetzt zu werden, deren Resultate jedoch keinerlei verbindliche Implikationen für das noch folgende unternehmerische Handeln haben. Denn obgleich postuliert wird, es gehe bei CSR nicht um Abwehr und Konfrontation, sondern um Kooperation und Dialog, sind solcherlei Aussagen stets empirisch im Einzelfall zu überprüfen. Suggerierte Bereitschaft zu Kooperation und Dialog können so zumindest als kommunikationsstragische Weichspüler dienen, um Risikofaktoren in der Aufmerksamkeitsökonomie weitestgehend auszumerzen. De facto Bereitschaft zu Kooperation und Dialog hingegen kann Lernprozesse auf beiden Seiten auslösen. Suggerierte Bereitschaft funktioniert nur kurzfristig. Denn ob eine CSR-Strategie ernst gemeint ist, zeigt sich langfristig daran, wie kohärent ein Unternehmen nach innen und außen agiert. In der Praxis lässt sich eine trügerische Verwendung von Stakeholder-Dialogen daran fest machen, wie mit den Verhandlungsergebnissen umgegangen wird. Werden diese nur nach innen, in die Unternehmen kommuniziert, oder setzt sich das Unternehmen offen(siv) und konstruktiv mit ihnen auseinander? Auch gilt der Merksatz, dass nicht aus dem Kern des unternehmerischen Handelns abgeleitete CSR-Aktivitäten zwar einen Beweis für unternehmerische Großzügigkeit liefern, nicht aber für unternehmerische Verantwortung. Erstere ist gut und wünschenswert, trägt aber nicht zur reputationsrelevanten Beantwortung der Frage bei, welche gesellschaftlich und ethisch relevanten Grenzen und Grundsätze ein Unternehmen beim Geldverdienen (also bei der Verfolgung seiner Kernziele) anerkennt und umsetzt.846 Positive Resonanzen erfährt das Konzept wegen des Vorteils, auch die Verbraucher partiell in Prozesse einzubinden. Diese können nun etwa über Verbraucherschutzorganisationen oder ähnliche Institutionen politischen Druck auf Unternehmen ausüben und somit zu einer verträglichen Konsumkultur beitragen.847 Gleichzeitig wird den Vertretern des CSR-Ansatzes zugebilligt, dass sie diesen durchaus ehrgeizig formulieren. Erst, wenn der Erwartungshorizont der relevanten Stakeholder hinsichtlich der gesellschaftlichen Pflichten des Unternehmens erfüllt erscheint, kann aus der marktlichen Pflichterfüllung die unternehmerische Kür werden. Allein durch unternehmerisches Engagement, das über den Einsatz der Pflichtaufgaben hinaus geht, entstehen Reputationsgewinne und verbesserte Aufmerksamkeitspotenziale. Es sei jedoch an dieser Stelle auf eine der CSR-Programmatik immanente Diskrepanz verwiesen: Denn die kommunikationsstrategische Programmatik der CSR berührt nur einen Bruchteil gesamtgesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Die für das gesellschaftliche Umfeld des Unternehmens wichtigen Stakeholder werden von den CSR-Vertretern nicht selten gleichgesetzt mit Gesellschaft, eine Zuordnung, die Gefahr läuft, selektiven Interessenausgleich als gesamtgesellschaftlichen Konsens der Interessen darzustellen. Der aber ist er faktisch nicht. Im Fall der vorrangig durch persuasive Werbung finanzierten Stadtraummedien käme diese Diskrepanz einer Bevorteilung der Interessen konsumfreudiger Urbaniten gleich, wohingegen die Bewohner, Besucher und Bürger, die dem Kult des Konsums abgeschworen haben oder letztendlich nicht in der Lage sind, ihn zu zelebrieren, schlichtweg ignoriert werden. Es ist fein zu unterscheiden zwischen einem Versuch, von unternehmerischer Seite aus Unternehmenskultur an die Erwartungen der engeren gesellschaftlichen Umwelt, in die das Unternehmen eingebettet ist, anzupassen und einem demokratischen Interessenausgleich, für den die Politik sich als Kollektiv der Träger demokratischer Mandate verantwortlich zeichnet. Mit diesem Statement soll der Fokus von gegenwärtigen kommunikationspolitischen Programmatiken der Aufmerksamkeitsökonomie wieder auf Berlin, auf gestaltwirksame Koalitio846 Vgl. Steinert 2007, 47. 847 Grünewald 2004, 39.
251
nen und auf zentrale öffentliche Räume gelenkt werden: Der Berliner Wall AG kann in punkto CSR die Rolle der avantgardistischen Vorreiterin beigemessen werden, schließlich engagiert sich das Unternehmen wie kein anderes für Belange des gesellschaftlichen Lebens in der Hauptstadt. Die Ambivalenz dieses Engagements zeigt sich jedoch an vielen, zuvor angesprochenen Beispielen: Anlässlich des 200. Geburtstags des Alexanderplatzes fördert das Unternehmen die temporäre Installation einer Ausstellung von Studierenden und stellt zwanzig mobile Werbewände für nicht kommerzielle Zwecke zur Verfügung.848 Zweieinhalb Jahre später jedoch gerät das Unternehmen in die gesellschaftliche Kritik, da es infolge der Übernahme der VVR Decaux die Vermarktungsaktivitäten im unterirdischen Labyrinth des U-Bahnhofs Alexanderplatz neu regelt, was zum Eklat zwischen den Kulturschaffenden und dem Unternehmen wegen des geplanten Station-Brandings führt.849 Die theoretischen Ausarbeitungen zum CSR-Ansatz können als Matrize für die Bewertung verschiedener unternehmerischer Aktivitäten verwendet werden. Denn wenn CSRAktivitäten des Unternehmens gerade an gesellschaftlich äußerst kontroversen und symbolisch aufgeladenen Orten einbrechen, dann ist das ein Verweis dafür, dass hier mittels einer Angleichung der internen und der externen Unternehmensziele noch daran gearbeitet werden muss, mit Kohärenz zu brillieren. Wenn eine strategische Kommunikationsprogrammatik für unternehmerisches Engagement immer dann vernachlässigt wird, wenn es sich – wie im Falle des UBahnhof Alexanderplatzes – um ein Filetstück der Aufmerksamkeitsökonomie handelt, dessen Wert durch ein komplettes Station-Branding potenziert werden kann, dann lösen sich die Imageerfolge vorher betriebener CSR-Strategien aufgrund ihres Seifenblasencharakters kurzerhand auf, Glaubwürdigkeitsverluste und Reputationseinbußen folgen. Diese aber können sich – folgt man der CSR-Logik stringent – langfristig in ökonomischen Verlusten auswirken, die ggf. größer sind als die durch das Station-Branding zu erwartenden Umsatzsteigerungen. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, die im Einzelfall betrachtet werden müssten, um die Glaubwürdigkeit der komplexen Wall’schen CSR-Strategie langfristig zu bewerten. Es besteht weiterhin Empiriebedarf, der hier nur annähernd gedeckt werden kann. Wie kohärent und damit glaubwürdig das Unternehmen dem postulierten CSR-Zielen entgegeneilen wird, verbleibt Frage für zukünftige Beobachtungen. Mit den Auszeichnungen Hans Walls und dem Förderpreis Soziale Marktwirtschaft, den das Unternehmen im Jahr 2004 vom Wirtschaftspolitischen Club Deutschland erhielt, sind bereits erste symbolische und medial verwertbare Schritte in diese Richtung getan.850 Ob sich dies langfristig in der Unternehmenskultur etablieren kann, dass wird sich in der Sphäre zeigen, in der sich die zum Teil widerstrebenden unternehmerischen Interessen hinsichtlich der wirtschaftlichen Profitsteigerung und der überzeugenden Demonstration von gesellschaftlichen Engagement am häufigsten konfliktiv gegenüber stehen: In den Interventionen des Medienunternehmens in zentralen öffentlichen Räumen, in denen Aufmerksamkeitspotenziale für die Befriedigung beider Interessen gegeben wären. Die sozial verträgliche Umsetzung wirtschaftlicher Interessen wird also ein ständiger Balanceakt bleiben und eine Herausforderung für diesen avantgardistischen Vorreiter unternehmerischer Kommunikationspolitiken darstellen, nicht nur überzeugend zu kommunizieren, sondern durch eine verbesserte Kohärenz zwischen Kommunikation und Inhalten zu brillieren.
848 TAZ vom 16.09.05. 849 Tagesspiegel vom 14.12.07. Die Welt vom 12.12.07. TAZ vom 08.12.07. 850 Die Welt vom 16.05.04.
252
Politische und ökonomische Intentionen unternehmerischer Kommunikationspolitik Lobbying und Public Affairs – Das Weichspülen der Werkzeuge politischer Kommunikation „Das Wechselspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Medien prägt in unserer heutigen Gesellschaftsform in besonderem Maße die Regeln unseres Miteinanders. Das Zustandekommen politischer Entscheidungen, die Gesetzmäßigkeiten von Medien und öffentlicher Meinung sowie die Funktionsweisen des Wirtschaftslebens gehören deshalb zum Einmaleins der politischen Interessenvermittlung.” (Riecksmeier 2007, 11)
Wenn es um die Vermittlung politischer Interessen geht, wird vorrangig der Begriff des Lobbying bemüht, der die interpersonale Kommunikation unter verschiedenen Akteuren aus Politik und Wirtschaft, meist mit dem Ziel des Informationsaustausches und der vorrangig wirtschaftsseitigen Beeinflussung von (politischen) Entscheidungen, beschreibt. Der Begriff des Lobbying ist in Deutschland negativer als in anderen Ländern besetzt und wird häufig mit mangelnder Transparenz und fehlenden demokratischen Kontrollmöglichkeiten des Zustandekommens der durch politische Kommunikation beeinflussten Prozesse gesehen. Aufgrund dieses negativen Beigeschmacks kommen in der Politikwissenschaft sowie in den Medien- und Kommunikationswissenschaften die neutraleren Begriffe ‘politische Kommunikation’ und ‘Public Affairs’ verstärkt zur Verwendung, die jedoch nicht mit dem Lobbying gleich zu setzen sind, sondern übergeordnete Kategorien darstellen.851 Als politische Kommunikation wird das Management der kommunikativen Beziehungen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgefasst.852 Diese weite Definition kann mit dem Verweis darauf präzisiert werden, dass politische Kommunikation nicht allein die Kommunikation parteipolitischer Interessen oder die Kommunikation von politischen Akteuren darstellt, sondern gleichermaßen etwa die kommunikationsstrategischen Interventionen von Wirtschaftsunternehmen oder weiteren Akteuren bezüglich politischer Themen. Politische Kommunikation ist daher Kommunikation von Inhalten, die Bedeutung für politische Prozesse haben. Sie ist „der zentrale Mechanismus bei der Formulierung, Aggregation, Herstellung und Durchsetzung kollektiv bindender Entscheidungen. Insofern ist politische Kommunikation nicht nur Mittel der Politik. Sie ist selbst Politik".853 Der Begriff Public Affairs (PA) bezeichnet innerhalb der politischen Kommunikation speziell die (diskreten) Kommunikationsprozesse und -strategien, die aus Richtung der Unternehmen in die politische Landschaft getragen werden und auf verschiedene Kommunikationswerkzeuge wie etwa das Lobbying zurückgreifen. Hier geht es speziell darum, politische Entscheidungsträger über die Bedürfnisse der Wirtschaft zu informieren, denn politisches Handeln berührt in vielfältiger Weise die Wirtschaft und ihre Interessen. Den Trägern eines politischen Mandats bleibt es dann überlassen, im Spannungsfeld der von der Wirtschaft geäußerten Interessen, der Bedürfnisse anderer Akteure und Institutionen sowie ihrer eigenen partikularen und gesellschaftspolitischen Interessen Position zu beziehen. Im normativen Idealfall entspricht diese Position einer Orientierung an einem konsensual definierten Allgemeinwohl. Public Affairs umfassen also entgegen der genuinen Begriffsbedeutung in der Praxis ganz diskrete Angelegenheiten. PA-Maßnahmen zielen daher nicht auf die kommunikationsstrategischen Beziehungen zu Öffentlichkeiten, sondern vielmehr zu den Akteuren, die über die res publica, die öffentlichen Angelegenheiten entscheiden, ab. Diese werden zwar oftmals öffentlich debattiert, jedoch diskret entschieden.854 Die Zuordnungen, ob Public Affairs als Unterbereich von 851 852 853 854
Althaus 2008. Vgl. Johanssen + Kretschmer 2006c, 10. Jarren und Donges 2002. Althaus 2008.
253
oder aber als Pendant zu Public Relations verstanden wird, divergieren in der Fachmeinung regelmäßig und hängen auch nicht zuletzt davon ab, zu welcher PR-Definition abgegrenzt wird. In Abgrenzung zum Lobbying bewegt sich Public Affairs „in einer Arena des gesamten vorstaatlichen, vorpolitischen Raumes der Willensbildung. Dazu kann prinzipiell alles an externen Beziehungen des Unternehmens beigeordnet werden, was sich in der Nähe der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Recht und Medien befindet.“855 Im Mittelpunkt der Aktivitäten von politischer Kommunikation, von Public Affairs und Lobbying steht aus Sicht der Wirtschaftsunternehmen der gemeinsame Aspekt des Ausbaus und der Pflege von persönlichen Kontakten und Netzwerken zur (legalen) Einflussnahme auf Politikprozesse. Vorteile von derartigen kommunikationsstrategischen Interventionen von Wirtschaftsunternehmen werden darin gesehen, dass die Arbeit von Politikern und Politikerinnen bei steigender Komplexität der heutigen volkswirtschaftlichen Prozesse ohne die Informationen aus den Verbänden und Unternehmen erschwert wird. Aus Sicht der wirtschaftsorientierten PR-Agenturen bedeutet politische Kommunikation ein kooperatives Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft in einem Verhältnis von „potenter Inkompetenz” (Politik) zu „impotenter Kompetenz” (Wirtschaft), das zustande kommt, um Fehl-Allokationen von Informationen, die dem Wirtschaftsgebaren abträglich sein könnten, zu vermeiden.856 Dieser Aspekt wird von den einen als Stärke, von den anderen als demokratisches Defizit angesehen, da aufgrund des engen persönlichen Kontakts im diskreten vorpolitischen Raum demokratische Kontrolle schwerlich ausgeübt werden kann und Möglichkeiten persönlicher Einflussnahme gegeben sind. Lobbyisten stehen daher oftmals „unter dem Verdacht undemokratischer Strippenzieherei“.857 In der Politikwissenschaft wird der politischen Kommunikation zwar weiterhin ein dubioser Charakter, jedoch auch eine gewisse Existenzberechtigung beigemessen, da in vielen Fällen nur durch ein gewisses Maß an Diskretion und Vertraulichkeit Handlungsfähigkeit überhaupt erst hergestellt werden kann.858 Eine weitere Kritik an der Praxis der politischen Kommunikation setzt an der Durchsetzungsmacht und am Ressourcenvorteil der Wirtschaftsunternehmen an, etwa an ‘PublicAffairs-Rechtsberatung’ oder an ‘Agenda-Setting Prozessen’. Im Rahmen einer Public AffairsRechtsberatung können Wirtschaftsunternehmen während der Phase der Ausarbeitung von Gesetzen gezielt (fach)politischen Einfluss nehmen, indem sie legislatives Lobbying betreiben,859 sprich: Sie schicken exzellent ausgebildete und kommunikativ brillierende juristische Experten mit entsprechenden Informationsvorsprüngen zu den politischen Protagonisten, um die Vorzüge der Interessen, die sie durchgesetzt sehen wollen, anzupreisen und um die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen, sollten die Durchsetzung nicht realisiert werden können, aufzuzeigen. Lobbyisten werden daher auch als „Informationsmakler“ bezeichnet, die in erster Linie „externen Sachverstand“ anbieten.860 Lobbying ist legitim, kann jedoch aufgrund von mangelnder Transparenz nicht breit gesellschaftlich rezipiert und diskutiert werden. Kritiker eines solchen legislativen Lobbying erzürnt also die Tatsache, dass die diskrete Äußerung der Interessen gerade von den Akteuren betrieben wird, die von Haus aus durchsetzungsmächtiger und ressourcenstärker erscheinen als andere. Gerade diese jedoch sollten sich in der Lage se855 Ibid. 2008, 798. Entgegen der hier zur Anwendung kommenden, in den gegenwärtigen kommunikationswissenschaftlichen Standardwerken vertretenen Meinung gibt es jedoch vereinzelt Ansätze, die die begriffliche Zuordnung genau andersherum vornehmen und Public Affairs als Teilbereich des Lobbying auffassen. 856 Johanssen und Kretschmer 2006c, 18. 857 Althaus 2008, 799. 858 Bentele 2007. 859 Burholt und Reulecke 2007. 860 Vgl. Althaus 2008, 298.
254
hen, ihre Argumente und Logiken der Prüfung in Form einer breiteren Diskussion in der Gesellschaft auszusetzen. Ein solcher Prozess würde jedoch das Erreichen wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit zunächst zeitlich verlangsamen und wird in vielen Fällen mit dem kurzsichtigen Argument, bei fehlender Diskretion würde den konkurrierenden Unternehmen ein wettbewerblicher Vorteil entstehen, verunmöglicht. Ein weiteres Werkzeug der Public Affairs ist das Agenda-Setting: Hier werden im Gespräch mit den politischen Entscheidungsträgern oder über gezielte PR-Arbeit Themen und Werte in der öffentlichen Diskussion besetzt, wie anhand der Dog-Dirt-Disposals veranschaulicht wurde (Kap. 3). Das Agenda-Setting ist den Aktivitäten einer Beschaffungs-Lobby, weniger denen einer legislativen Lobby zuzuordnen. Nun könnte man sich fragen, was gestaltwirksame Koalitionen der Stadtmöblierung und politische Kommunikation miteinander zu tun haben? – Da sich hinter dem Deckmantel der Stadtmöblierung ein alltäglicher Wettbewerbskampf um zwischen zehn und zwanzig Jahren währende Konzessionen für Stadtraummedien im Dunstkreis weniger potenter Bieter verbirgt, der für den Ausbau ihrer Marktposition von fundamentaler Bedeutung ist, sind lokale, politische Prozesse im Vorfeld der Ausschreibungen und im Vorfeld der Konzessionsvergabe der strategische Ansatzpunkt politischer Kommunikation der postfordistischen Annonciers. Denn „(...)[d]as Geschäft (...) im Kampf um langfristige Verträge um Plakatstandplätze und beleuchtete Wartehallen mit Städten [ist hart]. Die Nähe zur Kommunalpolitik ist unvermeidlich.“861 Gründe können darin gesehen werden, dass die Unternehmen, erstens, mit jeder gewonnenen Ausschreibung ihr Informationsträgernetz in den Bezirken, im gesamten Stadtgebiet und in ihrem städte- und länderübergreifenden Vermarktungsnetz vergrößern (Kap. 5). Mittels des wachsenden Pools an verfügbaren Informationsträgernetzen werden sie, zweitens, auch für die Kommunikationskunden interessanter. In einem nahezu oligopolistisch beherrschten Markt ist Marktführerschaft von zentraler Bedeutung. Diese lässt sich über gezielte Kommunikationsaktivitäten im Vorfeld von Gesetzesänderungen oder Ausschreibungen zweckmäßig verfestigen oder vergrößern. Auch Aktivitäten im Bereich des Agenda-Setting können als informelle Phase der Anbahnung gestaltwirksamer Koalitionen verstanden werden. Mit dem Blick auf die Strategien der Marktanbahnung der postfordistischen Annonciers auch in anderen Städten lässt sich feststellen, dass viele der Unternehmen wenige Jahre im Vorfeld der Ausschreibungen Firmendependancen in den Städten eröffnen, so etwa die Wall AG in Frankfurt oder in New York anlässlich bevorstehender Konzessionsvergaben.862 Zusätzlich holt das Berliner Unternehmen im Rahmen der Frankfurter Ausschreibung den prominenten Frankfurter Anwalt, Politiker und Showmaster Michel Friedman ins unternehmerische Boot und bekräftigt, dass er nicht als Lobbyist, sondern als Aufsichtsrat bestellt worden ist. Als Strategen im Bereich der politischen Kommunikation engagiert das Berliner Unternehmen „den für seine Lobby-Arbeit bekannten PR-Fachmann Moritz Hunzinger (...), um für seine Interessen zu werben.“863 In beiden Fällen sind die strategischen Kenntnisse und Kontakte der Frankfurter von Vorteil für die Berliner, wenngleich die Ausschreibung nicht gewonnen wird (Kap. 3). So lassen sich bereits im Vorfeld Ausschreibungen für werbefinanzierte Kompensationsgeschäfte überhaupt erst anregen (Agenda-Setting) und schließlich können – wie zuvor dargelegt – vor der Ausschreibung bereits wichtige politische Weichen gestellt werden, etwa in Form des legislatives Lobbyings oder aber der mittelbaren Einflussnahme auf die inhaltliche Ausgestaltung der Ausschreibungstexte (Kap. 3).864 Public Affairs stellen im Bereich der hier unter861 Handelsblatt vom 23.04.03. 862 Interview D.3.d vom 27.06.06. FAZ vom 21.12.05. 863 FAZ vom 07.12.99. 864 Zerfaß (2008, 51) bezeichnet Maßnahmen des legislativen Lobbying als strukturierende Rechtskommunikation, die der Weiterentwicklung der Rechtsordnung dient.
255
suchten Branche folglich einen strategisch äußerst wichtigen Kommunikationskanal dar, um, erstens, werbefreie Bereiche der Stadtentwicklung und damit neue Märkte kurzfristig erschließen zu können, und um, zweitens, dafür zu sorgen, dass bürokratische Prozesse an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst werden, um derartige Innovationen langfristig zu etablieren. „Auf diese Weise können weitere Teilbereiche der regulativen Beziehungen gesetzlich normiert (Verrechtlichung) oder auch von bisherigen Vorgaben befreit werden (Deregulierung).“ (Zerfaß 2008, 51)
Von weiterem Interesse erscheint mit dem Blick auf die Akteursstrukturen auch die gegenseitige Durchdringung von individuellen Akteurserfahrungen in der hier behandelten Teilsphäre zwischen Staat und Märkten: So verfügt etwa die derzeitige Sprecherin der Wall AG, Beate Stoffers, über strategisches Wissen, über Kontakte und Netzwerke hinsichtlich der politischen und administrativen Entscheidungsträger in Berlin, da sie für das Land Berlin, speziell für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und für die Interessenvertretung des Landes Berlins in Brüssel vor ihrem Unternehmensbeitritt tätig gewesen ist.865 Einer ihrer Vorgänger bei der Wall AG hingegen, Marcus Weichert (CDU), hatte bis 2006 einen Sitz als Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus inne.866 An anderer Stelle wird kritisch bemerkt, „dass der Aufsichtsratsvorsitzende von Wall, Lothar Wackerbeck, auch im Aufsichtsrat der BVG und im Vorstand der Landesbank sitzt“.867 Und schließlich lässt sich im Sommer 2008 feststellen, dass der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Wall AG, der Berliner Advokat Karl Heinz Knauthe, einen Posten im Kuratorium der Stiftung Denkmalschutz Berlin, einer privatrechtlichen Stiftung, die ihre Projekte in großem Maße über Kooperationen mit der Branche der Stadtraummedien finanziert, bekleidet. Mit Michel Friedmann, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, hat die Wall AG die wohl prominenteste Personalakquisition getätigt, und aufgrund des Skandals, in die dieser vorher verwickelt war, wohl auch die umstrittenste.868 Das neue der CDU nahestehende Aufsichtsratsmitglied moderiert nun bei N24 eine politische Talkshow, die von der Wall AG im Rahmen eines Programm-Sponsorings seit 2005 gefördert wird.869 Friedman ist außerdem Kolumnist der Zeitung Die Welt, in der auch schon vor seinem Unternehmensbeitritt bisweilen übereifrig über die Wall AG berichtet worden ist. Er ist auch Herausgeber für den Programmbereich Politisches Buch im Aufbau Verlag. Hier wird eine weitere Dimension multipler Akteurserfahrungen deutlich: Denn neben der reziproken Durchdringung in den Sphären Staat und Markt weisen speziell die Akteure der Stadtmöblierungsunternehmen zunehmend Kenntnisse in den Bereichen Medien und Politikvermittlung auf. Unbestritten ist auch die Sympathie von Hans Wall für die CDU.870 Dies wird etwa in der parlamentarischen Debatte an dem Verweis der Abgeordneten Frau Freundl (PDS) auf das Wahlprogramm der Berliner CDU von 1999 anlässlich des anstehenden Wahlkampfes illustriert: Auf den Abschnitt „Sauberkeit beginnt mit Ästhetik“ des parteipolitischen Programms der CDU rekurrierend, in dem sich die Partei der Problematik der Bedürfnisanstalten in Berlin annimmt, verballhornt Freundl das Wahlkampfprogramm der Berliner CDU polemisch zum „Wallkampfprogramm“ sowie die Klokabinen zu „Wallkampfzentren“.871 Desweiteren finden
865 Frankfurter Rundschau vom 10.09.03. Siehe Kurzportofolio auf http://buch.interne-kommunikation.net/node /4 (letzter Zugriff am 07.07.08). 866 Tagesspiegel vom 26.08.06. TAZ vom 08.01.02. 867 Berliner Zeitung vom 10.11.01. 868 Süddeutsche Zeitung vom 25.07.03. 869 Süddeutsche Zeitung vom 23.06.08. 870 Interview D.3.d vom 27.06.06. 871 Plenarprotokoll Nr. 13/56 vom 11.12.98, S.4135, BerlAbgH.
256
sich eindeutigere Verweise der Nähe des Unternehmens zur CDU etwa in den Spenden Hans Walls an die Partei und in der Berichterstattung der Tagesmedien wieder.872 An die unterschiedlichen Facetten der strategischen unternehmerischen Maßnahmen im Bereich der politischen Kommunikation werden oftmals Vorwürfe an Korruption und Schieberei im Bereich der Stadtraummedien geknüpft.873 Ein solcher Befund kann im Rahmen dieser Arbeit nicht gemacht werden, es sei demnach auf eine weitere zukünftige Blindstelle der Stadtforschung hingewiesen, die sich explizit mit den informellen Beziehungsgeflechten der in gestaltwirksamen Koalitionen involvierten Akteure auseinandersetzt. Es ist jedoch Konsens, dass Lobbying schließlich ein Instrument der politischen Kommunikation von Wirtschaftsunternehmen ist, mit dem versucht wird, staatliche Regulierungsbestrebungen im Sinne einer wirtschaftsfreundlichen Politik auf rechtlich verankerte, legale Art und Weise zu beeinflussen.874 Es verbleibt in diesem Kontext Aufgabe weiterer politikwissenschaftlicher Studien, mögliche Zusammenhänge zwischen der Deregulierung des Berliner Straßengesetzes und der Berliner Bauordnung und einer potenziellen mittel- oder unmittelbaren Einflussnahme der Unternehmen der Branche der Stadtraummedien für Berlin zu untersuchen. Da kommunikationsstrategische Interventionen jedoch nicht allein der strategischen Absicherung der politischen Ressource Legitimation, sondern gleichermaßen der wirtschaftlichen Absicherung des operativen Tagesgeschäfts der postfordistischen Annonciers dienen, wird nachfolgend der Blick auf spezifische kommunikative Strategien für das operative Tagesgeschäft geworfen. Finanzkommunikation – Die raffinierte Pflege der Beziehungen zu Investoren “If you run a (...) company and want your stock value to rise, you’ve got to attract the attention of investors and analysts. In other words, it is not sufficient to be a a solid, competent organization; you have to stir the brain cells – and the hearts – of your intended audience.” (Davenport und Beck 2001, 8)
Das A und O der Kommunikationspolitik vieler Unternehmen ist die Finanzkommunikation, die nicht dem Bereich der Public Relations, sondern dem der Investor Relations zugeordnet wird. Schließlich will man mit den zuvor aufgeführten Maßnahmen nicht allein ein gutes Firmenimage bei Bürgern, Mitarbeitern und politischen Entscheidungsträgern pflegen, sondern ein positives Unternehmensbild soll sich letztlich auch positiv auf die Entscheidungsträger der Finanzmärkte – etwa auf die Finanzanalysten und Kreditgeber – auswirken. Davon ist die Branche gerade im Bereich der Stadtmöblierung sehr stark abhängig, da hier immense Vorinvestitionen getätigt werden müssen, die sich erst langfristig rentieren. Ende 1992 etwa hatte das Berliner Unternehmen allein aus den bestehenden Inlandsverträgen „ein Investitionsprogramm von 40 Mio. DM zu bewältigen“, im Jahr 2007 wurden im Vorfeld der später verlorenen Hamburger Ausschreibung laut Presseberichten 2 Mio. Euro investiert.875 Auch bei den privatwirtschaftlichen Übernahmen der ehemals teilstaatlichen Unternehmen wie etwa der DSM waren die 872 Frankfurter Rundschau vom 18.02.00. Interview D.3.d vom 27.06.06. Die Wall AG unterstützt die CDU in 2005 mit 43.000 Euro. Politische Datenbank für Parteifinanzierung. URL: http://www.parteispenden.unklarheiten.de/?seite =datenbank_show_k&db_id=2886&kat=3&sortierung=zahl1 (letzter Zugriff am 08.09.08). 873 Solche Vorwürfe wurden insbesondere im Rahmen öffentlicher Diskussionen, die an Expertenvorträge der Autorin in Leipzig, Aachen, Neapel und andernorts anknüpften, von Praktikern aus den Stadtverwaltungen vorgebracht und betrafen die Praxis der so genannten Stadtmöblierungsunternehmen allgemein. Die Stichhaltigkeit der Vorwürfe konnte im Rahmen dieser Debatten nicht überprüft werden. 874 Althaus 2008. 875 Die Welt vom 26.09.07. Handelsblatt vom 06.12.95.
257
bietenden Unternehmen auf die Akquise von Fremdkapital angewiesen, so konnte die Ströer AG den 270 Mio. Euro Coup nur mit einer Finanzspritze des New Yorker Beteiligungsgesellschaft Cerberus European Investment stemmen. Das begründet letztlich auch unternehmerische Schritte in Richtung Börse, um benötigtes Investitionskapital zu beschaffen. Denn neben Aufmerksamkeitspotenzialen als strategischer Ressource für eine erfolgreiche Unternehmensführung darf der Blick auf die Notwendigkeit operativer Ressourcen nicht getrübt werden: Schließlich ist Liquidität für die Unternehmen der Branche ein zentraler Überlebens- und Wachstumsfaktor.876 Die Wall Verkehrsanlagen GmbH wurde deswegen bereits 1999 in eine AG umgewandelt und auch die Kölner Ströer-Gruppe zog 2002 nach, der französische Konkurrent JCDecaux ist bereits 2001 an der Börse gelistet.877 Bisher haben die beiden deutschen Unternehmen zwar die Voraussetzungen für einen Börsengang geschaffen, dessen Realisierung jedoch noch nicht vollzogen. Die Wall AG hat in diesem Kontext immer wieder betont, dass ein bevorstehendes Börsendebüt von der erfolgreichen Akquise eines weiteren Großauftrags abhänge, für den dann ein enormes Investitionsvolumen notwendig werden würde, das durch den Zugang zur Börse und damit zu den internationalen Kapitalmärkten gewährleistet werden könne.878 Bisher scheint ein solches Geschäft jedoch noch nicht in greifbare Nähe gerückt zu sein, darüber hinaus hat sich der französische Konkurrent immer wieder finanzierungswillig ins Spiel gebracht, und damit letztlich stetig ihren Anteil an der Berliner Wall AG peu à peu erhöhen können. Bei der Finanzkommunikation des Berliner Stadtmöblierers sowie bei der seiner Mitstreiter fällt im Detail auf, dass Firmenaktivitäten im Bereich des Sponsorings oftmals mit beeindruckenden Zahlen finanziellen Engagements bespickt werden, kaum ein Bericht erscheint ohne Nennung des mindestens vier bis fünfstelligen numerischen Wertes: 10.000 Euro für den Jugendverein FIPP Treffpunkt-Mitte, mehr als 40.000 Euro für ein Berliner Unfallopfer, 750.000 Euro für die Fassadensanierung des Hauptgebäudes der Gedächtniskirche, 50.000 Euro für Flutopfer in Jakarta, 320.000 Euro für die Weihnachtsbeleuchtung am Ku’damm und am Tauentzien. Gemeinsam mit der Nuon-Stadtlicht Gmbh und der GASAG bezahlt Wall 100.000 Euro für die Restaurierung des Laternenmuseums und übernimmt die Pflege zweier Denkmäler in Friedrichshain und Kreuzberg für 25.000 Euro. Schließlich hat die Imagekampagne, die das Unternehmen der Stadt Berlin anlässlich des Firmenjubiläums 2004 schenkt, einen Wert von 3 Mio. Euro. 80.000 Euro kostet Hans Wall die Patenschaft für das Fossil im Naturkundemuseum, wohingegen das Bildungsprojekt Rechenfix und Wortgewandt 18.000 Euro im ersten Jahr erhält. Für die Glasplatte des Denkmals der Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz investiert das Unternehmen jährlich 4000 Euro.879 Diese aufmerksamkeitsökonomisch relevanten Nennungen runder und in der Regel hoher Zahlenbeträge können als kommunikationsstrategisches Signal an die Öffentlichkeiten im weiteren Sinne verstanden werden, machen aber hinsichtlich der spähenden Blicke der Analysten und Financiers sowie der Wirtschaftsjournalisten Sinn, die überprüfen wollen, wie prosperierend ein Unternehmen ist, in das zukünftig investiert werden soll. Da sich in der Regel vor allem die Unternehmen in herausragendem Maße spendenbereit zeigen, die entsprechend hohe Gewinne einfahren, kann eine medial gestützte Dokumentation unternehmerischen Engagements durchaus als ein Verweis hergenommen werden, um positive Rückschlüsse auf ein wohl funktionierendes und gleichsam an der Gesellschaft interessiertes Unternehmen zuzulassen. 876 Zerfaß 2008. 877 Handelsblatt vom 16.08.02 und vom 22.06.01. FAZ vom 01.07.02. Tagesspiegel 22.01.99. 878 Die Welt vom 23.08.06 und vom 15.03.06. Handelsblatt vom 06.06.01 und vom 28.05.99. 879 Die Welt vom 13.11.06, vom 27.04.06, vom 12.05.05, vom 14.12.04, vom 05.08.04 und vom 03.01.03. Tagesspiegel vom 18.05.06, vom 15.12.05, vom 05.01.05 und vom 04.12.04.
258
Wenden sich die Unternehmen der Branche der Stadtraummedien darüber hinaus dezidiert und öffentlich den CSR-Ansätzen zu, kann dies ebenfalls zu einer positiveren Wahrnehmung durch Analysten, Financiers und Wirtschaftsjournalisten führen, da (aus Marktsicht) nicht mehr der philantropische Charakter von Spendenbereitschaft betont werden soll, sondern Sponsoring und Spendenwesen als Instrument der unternehmerischen Wertschöpfung eingesetzt werden. Darüber hinaus gilt es in der Welt der Marken schließlich als Prämisse einer guten Finanzkommunikation, die Braut vor dem Börsengang entsprechend zu schmücken.880 Die Finanzkommunikation der Wall AG kann im Sinne der Zerfaß’schen Definition als Marktkommunikation verstanden werden, bei der es darum geht, Handlungsfähigkeit im Wettbewerb zu sichern, Transaktionsbeziehungen zu pflegen und gesellschaftliche Legitimation ständig zu erneuern.881 Mit der zunehmenden Hinwendung der postfordistisch agierenden Annonciers zu globalen Kapitalmärkten rückt diese Facette unternehmerischer Kommunikationspolitik in den Vordergrund, und wird verstärkt durch ihren wertschöpfenden Charakter. Im nächsten Schritt sollen die kommunikationsstrategischen Instrumente dargestellt werden, die lokal gezielt eingesetzt werden, um die potenziellen Rezipienten der Stadtrauminformation sowie politische Entscheidungsträger vor Ort in den zentralen öffentlichen Räumen und in den jeweiligen Städten kommunikativ zu erreichen. Wie ersichtlich wird, geht es hier einerseits um Kommunikationsstrategien, die der Anbahnung und Perpetuierung von gestaltwirksamen Koalitionen dienen (Exploration des Marktfeldes), andererseits auch um die Strategien, die im Rahmen des Übergangs von der Dauer- zur Kampagnenwerbung als Vermarktungsformat dienen (genuine Marktaktivität nach erfolgter Exploration). Dazu gehören Showtrucks und Showrooms. Begonnen wird jedoch mit einem der wichtigsten Instrumente, das sowohl örtlich als auch unabhängig vom jeweiligen Ort eingesetzt werden kann: dem Internet. Vielfalt der Verräumlichungen unternehmerischer Kommunikationsstrategien Virtuelle Welten – Die Ambivalenz unternehmerischer Selbstdarstellung im Internet Zu einem der wichtigsten Instrumente unternehmerischer Kommunikationspolitik ist in den vergangenen Dekaden das Internet avanciert. Hier werden ständig Produkt- oder Preisinformationen platziert, außerdem stehen die virtuellen Oberflächen dem Besuch diverser Zielgruppen zur Verfügung. Dazu zählen: Werbekunden, Kommunen sowie interessierte Bürger. Ebenso wie aufmerksamkeitsbindende Maßnahmen im Stadtraum gelten die neuen Medien, speziell das Internet, als aufmerksamkeitsstarke Kommunikationsinstrumente.882 Die Homepage der Wall AG (http://www.wall.de) dient auch der unternehmerischen Selbstdarstellung im nationalen wie internationalen Kontext. Sie fungiert als Eintrittspforte für die der Vermarktung dienende digitale Software sowie für die Presse. Gezielt werden hier Pressemitteilungen über die gegenwärtige Entwicklung des Unternehmens sowie über dessen Geschichte präsentiert. Jedoch hat das Internet als Publizitätsmedium und damit als (begrenzt) öffentliche Kommunikationssphäre durchaus Nachteile gegenüber der Presse: Denn auf unternehmerischen Homepages wird vorrangig die Information dargeboten, die die Glaubwürdigkeit und Seriosität der Unternehmen verstärkt. Unternehmerische Kommunikationsstrategien im Internet führen 880 Siehe Vortrag “IR und Kommunikation beim Börsengang”, Handout der Kirchoff Consult AG 2006, 12. URL: http://www.kongress-finanzkommunikation.de/data/Rainer_Kirchhoff_Praesentation.pdf (letzter Zugriff am 21.07.08). 881 Zerfaß 2008. 882 Proksch 2002.
259
also in vielen Fällen zur einseitigen medialen Belieferung von Informationsverbrauchern und müssen daher bewusst und mit Vorsicht rezipiert werden. Darin liegt die besondere Ambivalenz unternehmerischer Informationen im Internet begründet. Unternehmerische Homepages erscheinen jedoch hilfreich, um die Merkmale unternehmerischer Selbstdarstellung aufzuzeigen und ihre Entwicklung nachzuzeichnen. Im Juli 2008 etwa realisiert das Unternehmen einen Relaunch der firmeneigenen Homepage. Stärker als zuvor treten neue Begriffe in den Vordergrund, allen voran Engagement, Innovation, Medien und Städtemarketing. Erstere werden sogar als Kernbegriffe und als Erfolgsfaktoren des unternehmerischen Handelns deklariert.883 In diesem Sinne dient das Internet in besonderer Weise der kommunikationsstrategischen Aufbereitung der symbolischen Dimension des Unternehmens im virtuellen Raum.884 Auf Stadtplätzen und Straßen hingegen werden gezielt andere Kommunikationsinstrumente der produktbezogenen Kommunikationspolitik eingesetzt, allen voran Showtrucks. Showtrucks – Mobiles Kommunikationsinstrument für mobile Zielgruppen „Im Beisein von Klaus Wowereit (...) und in Anwesenheit von hunderten Gästen präsentierte Hans Wall (...) am 30. August 2006 auf dem Platz des 18. März am Brandenburger Tor den Wall-Showtruck (...). Mit ihm geht die preisgekrönte, interaktive Stadtmöblierungsfamilie, die Intelligent Series (...) auf Reisen. Die Roadshow der Wall AG führt durch deutsche und europäische Großstädte, damit sich Stadtvertreter und Bürger von der hohen Qualität der Wall-Produkte überzeugen können.“ (Neuer Internetauftritt der Wall AG, Exzerpt885)
Zur Einweihung des neuen Showtruck sorgt die Wall AG im August 2006 eigens dafür, dass ihr neues kommunikationsstrategisches Werkzeug auf Rädern an einem angemessenen Ort im Stadtraum vorgestellt wird, wovon symbolträchtige Bilder mehrerer Dutzender Wall’scher Firmenfahrzeuge zeugen, die im Halbrund geparkt und mit jeweils nebenstehendem Chauffeur den Platz des 18. Juni einrahmen. In dessen Mitte thront vor dem Sockel des Brandenburger Tors der Wall-Showtruck mit den Produkten der Intelligent Series.886 Aufgrund ihrer flexiblen Einsatzfähigkeit in Stadträumen unterschiedlicher Metropolen verfügen mittlerweile nahezu alle die Branchenunternehmen über so genannte Showtrucks. Mit diesem Gefährt lassen sich kurzfristig Präsentationen an verschiedenen Orten realisieren. Der Einsatz von Showtrucks birgt den Vorteil, direkt vor Ort in zentralen öffentlichen Räumen realisiert werden zu können und demnach in der Marktsphäre des Unternehmens, den zentralen öffentlichen Räumen, selbst als Kommunikationstool zu fungieren. Experten der jeweiligen Stadtverwaltungen, städtische Politiker sowie alle weiteren mobilen Zielgruppen können die auf dem Truck installierten Originalprodukte inspizieren und sich ein Urteil über ihre Qualität bilden. Showtrucks dienen in diesem Sinne zunächst einmal der Produkt-PR. Bei Produkt-PR geht es darum, die Aufmerksamkeit öffentlicher Kommunikation auf die Produkte und Services eines Unternehmens zu lenken und zu binden. Wichtig ist hier, dass die Produkte möglichst allein gestellt und positiv bewertet werden, etwa durch Meinungsführer oder potenzielle Kunden. Auch kann Produkt-PR auf Showtrucks als Überprüfungsmechanismus dienlich sein, 883 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/company/philosophy (letzter Zugriff am 11.11.08). 884 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/company/engagement (letzter Zugriff am 23.09.08). 885 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/showtruck (letzter Zugriff am 03.08.08). 886 Ibid.
260
um herauszufinden, welche Informationsbedürfnisse bei den verschiedenen Stakeholdern hinsichtlich der Produktneuheiten bestehen. Schließlich werden durch Produkt-PR ebenfalls Kaufwillige am Kaufort direkt angesprochen.887 Showtrucks können zudem dafür eingesetzt werden, um Maßnahmen der politischen Kommunikation wie das Agenda-Setting oder die Anbahnung von Kontakten im Vorfeld möglicher Ausschreibungen zu flankieren, da hier direkte Face-to-Face Interaktionen mit (geladenen) politischen Entscheidungsträgern oder den lokalen Fachexperten initiiert werden können. Auch dienen derartige Showtrucks der Imagepflege des Unternehmens etwa dann, wenn sich namhafte Politiker oder Persönlichkeiten dort medienwirksam vorstellen. Der kommunikationsstrategische Vorteil von Showtrucks liegt prinzipiell darin, dass sie einen direkten temporären Bezug zu zentralen öffentlichen Räumen vor Ort herstellen können, und damit die Produktinnovationen bereits vorübergehend an die möglichen Orte ihrer Bestimmung bringen. Ein anderes Kommunikationsinstrument, das sowohl indirekte als auch direkte Bezüge zu städtischen Freiräumen ermöglicht, sind Showrooms. Vom Showroom zum Urban Showroom – Explizite Verräumlichungen „Der interaktive Showroom der Wall AG wurde beim diesjährigen Wettbewerb des Art Directors Clubs geehrt. Das multimediale Herzstück der Berliner Unternehmenszentrale erhielt den silbernen Nagel als höchste Auszeichnung in der neugeschaffenen Kategorie ‚Kommunikation im Raum’. Die begehrte Medaille ging an die ausführenden Projektentwickler des Wall-Showrooms Triad Berlin Projektgesellschaft GmbH und Art + Com AG.“ (Neuer Internetauftritt der Wall AG, Exzerpt888)
Viele Unternehmen betreiben Showrooms als mediale Präsentationsflächen der firmenspezifischen Produkte und Leistungen in ihren Unternehmenszentralen. So hat sich – wie dem Zitat zu entnehmen ist – auch die Wall AG einen Showroom im Unternehmenshauptsitz in der Berliner Friedrichstraße eingerichtet. Kunden und Besucher des Unternehmens werden hier direkt in die medial inszenierte Markenwelt des Unternehmens geführt. Je nach Zielgruppenzugehörigkeit präsentiert sich dem Besucher ein minutiös und multimedial inszeniertes Verkaufs- und Imageinstrument. In diesem Sinne hat der Showroom indirekte, strategische Wirkung auf Stadträume hinsichtlich ihrer facettenreichen Inszenierung und möglicher Bespielungsarten. Die Lage der Unternehmenszentrale in der Friedrichstraße kommt der Beziehungspflege zu lokalen, überregionalen, nationalen und internationalen Entscheidungsträgern strategisch zu Gute, da zwischen den Orten des Lobbyings, der Landes- und Bundespolitik und der Fachverwaltungen und einem spontanen oder geplanten Besuch des Showrooms im Optimalfall nur ein kurzer Spaziergang auf der Friedrichstraße liegt. Mit dem Verweis, man könne sich die Produkte beim Stadtbummel Unter den Linden oder am Potsdamer Platz in einer authentischen Atmosphäre anschauen, wird der In-House-Showroom auf zentrale öffentliche Räume in nächster Umgebung zunächst diskursiv ausgeweitet.889 Denn für ein Unternehmen, das sich unter anderem der Möblierung der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume verschrieben hat, ist der optimale Showroom nicht ein artifiziell eingerichteter und medial hochgerüsteter Vorzeigesaal, sondern Stadtraum per se. Und wenn es Stadtraum in der sich gerade neu definierenden deutschen Hauptstadt Berlin, im symbolischen Herz der Stadt vor den Sockeln des Brandenburger Tors ist, um so optimaler erscheint dieser natürliche Showroom im Hinblick auf die Aufmerksamkeitspotenziale, die in 887 Szyszka 2008, 742. 888 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/showtruck (letzter Zugriff am 03.08.08). 889 Interview C.9.d vom 13.12.06.
261
erster Instanz den Produkten und Dienstleistungen und in zweiter Instanz dem Unternehmen selbst zuteil werden. Für ein Unternehmen, das sich über Stadtmöblierung hinaus der Ausstattung zentraler öffentlicher Räume mit Informationsträgernetzen und der Vermarktung derselben verschrieben hat, dienen Stadträume primär im Hinblick auf die Absatzmärkte – also auf die Kommunikationskunden – als Showroom, um die Eventisierung, Emotionalisierung und Erweiterung unternehmerischer Kommunikationspolitik am Paradebeispiel der eigenen vorzuführen. In diesem Zusammenhang dient speziell der Boulevard Unter den Linden dem Unternehmen einerseits als zwanzigjährige Ausstellungsmöglichkeit für Produktneuheiten, andererseits wird hier zusätzlich zu derartigen materiell direkt ablesbaren Interventionen symbolisches Kapital erwirtschaftet: An der Alten Wache etwa betreibt das Unternehmen Denkmalsponsoring und auch die Produktneuheit Dog-Dirt Disposal wird im Beisein von Politikern und Journalisten der Öffentlichkeit vorgestellt (Kap. 3). Schließlich wird auch die Ästhetisierung der Fäkalienfrage als PR-Gag unter Einbezug der Jubiläumsbesucherin einer Wall-Toilette auf dem Mittelstreifen der Prachtstraße inszeniert. Nicht zu vergessen die unbestritten souveräne unternehmerische Selbstdarstellung im Rahmen der Wall-Street-Kampagne. Berlins berühmter Boulevard wird daher zum authentischen Premium-Showroom für das Unternehmen und zwar im Rahmen einer absatzorientierten Produkt- und Dienstleistungs-PR sowie für image- und reputationsrelevante Kommunikationsmaßnahmen. Freilich wird die Bandbreite der Wall’schen Kommunikationsmaßnahmen nicht allein räumlich auf Berlins berühmten Boulevard beschränkt, sondern je nach Anlass erweitert sich das Spektrum der Orte medialen Interesses für Showroompräsentationen. Aufgrund der marktlichen Vormachtstellung des Berliner Unternehmens in der Hauptstadt fungiert nahezu das gesamte Netz (zentraler) öffentlicher Räume in Berlin als Showroom für die Produkte und Dienstleistungen der Wall AG. Wirtschaftssenator Wolf unterstreicht diese Rolle Berlins, als er 2006 postuliert, dass Berlin Showroomfunktion für die Produkte aus Berlin und Brandenburg besäße.890 Auf den Handlungsradius der Wall AG bezogen muss dieses Statement im Hinblick auf die Adressaten erweitert werden: Denn mit dem Verweis auf die Prozesse der Stadtmöblierung, Stadtsanierung, der Stadtkommunikation und der Stadterhaltung dient Berlin ebenfalls als Showroom auf einer europäischen Bühne, die auch international Beachtung findet.891 Auf der Ebene der Bezirke werden Showrooms der Bürokratieüberwindung diskursiv inszeniert. So werden die Praktiken im als wirtschaftsfreundlich geltenden Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wiederholt angeführt, um indirekte Kritik an der als übermäßig bürokratisch dargestellten Zurückhaltung des Bezirks Mitte zu üben.892 Und schließlich dienen selbst die innovationsträchtigen Interventionen auf der stadträumlichen Mikroebene, etwa die luxuriös sanierten und unter pompösem Zeremoniell eingeweihten WC-Anlagen auf dem Alexanderplatz, dem Breitscheidplatz oder dem Spandauer Markt dazu, die Innovationskraft des Berliner Unternehmens nach außen im Marktumfeld zu signalisieren. Weitere Vorteile dieses multiple Dimensionen umspannenden Showrooms Berlin erschließen sich mit dem durchaus positiven, avantgardistisch-alternativen Image, dass die deutsche Hauptstadt außerhalb des eigenen Landes genießt. Potenzielle Neukunden können so sowohl auf der Seite der internationalen kom-
890 Tagesspiegel vom 06.01.06. 891 So zeigten sich etwa die für die Stadtmöbelausschreibung in Rio de Janeiro verantwortlichen Experten sichtlich von der in den öffentlichen Räumen Berlins installierten Wall’schen Produktpalette beeindruckt. Experten der Prefeitura de Rio de Janeiro führten daher im Vorfeld der ersten brasilianischen Stadtmobiliarausschreibung Gespräche mit dem Berliner Unternehmen, welches sich allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht für die Eroberung lateinamerikanischer Märkte begeistern ließ. Interview A.5.b vom 09.10.06. 892 Interview C.10.d vom 13.12.06 und Interview B.14.d vom 04.07.07.
262
munalen Konzessionsbereitsteller als auch auf der Seite der internationalen Werbekunden auf das Produkt- und Servicespektrum der Wall AG aufmerksam gemacht werden. An dieser Stelle tritt die direkte Verwebung der kommunikationsstrategischen Dimension zentraler öffentlicher Räume mit ihren baulichen Arrangements mehr als deutlich zutage: Zentrale öffentliche Räume dienen sowohl als direkte Absatzsphäre für die Produkte zur Ausstattung ihrer baulichen Arrangements mit Informationsträgern, als auch als Orte der Akquise von Kommunikationskunden, an denen symbolisches Kapital für das Unternehmen hinsichtlich seiner kommunikationsstrategischen Ausrichtung generiert werden kann. Station-, Stadtplatz- und schließlich Stadtraum-Branding – Extreme der Verräumlichungen Es wird deutlich, dass die Unternehmen der Stadtmöblierung explizit vorleben, wie man stadtraumbezogene Werbung und Öffentlichkeitsarbeit operativ gestaltet. Ihre eigene Art der integrierten Kommunikation ist daher selbst Anschauungsbeispiel für ihre Werbekunden und dient als Impulsgeber für neue, innovative Strategien. Ein Beispiel: Während der Berlinale bestückt die Wall AG in den letzten Jahren für gewöhnlich zwischen Leipziger Platz und Kulturforum den Mittelstreifen der Potsdamer Straße mit mobilen Plakatvitrinen, um sowohl die Berlinale zu bewerben als auch Raum für die Interessen der Sponsoren zu schaffen. Im Jahr 2008, knapp eine Woche nach Beendigung der Berlinale stehen 30 Vitrinen weiterhin auf dem Mittelstreifen. Die hier platzierte Kommunikationsstrategie ist durchdringend: Alle Vitrinen tragen das gleiche Plakat, und selbst die mit Wechseltechnik wechseln synchron zwischen ein und demselben Plakat mit der Aufschrift „Um in Berlin alle zu erreichen bedarf es nur einer richtigen Entscheidung. (…) Wer in Berlin unterwegs ist, kommt an Wall nicht vorbei!“ (Kap. 6). Hier wird deutlich, dass es der Wall AG nicht allein darum geht, die Werbeflächen an Dritte zu vermarkten, sondern dass die eigene Kommunikationspolitik des Unternehmens gleichermaßen über den Stadtraum als Medium konstruiert wird. Dies geschieht in einer Art und Weise, die neue Maßstäbe setzt. Knapp drei Dutzend Vitrinen, positioniert in einem von kaufkräftigen Verbrauchergruppen vielfach frequentierten Berliner Quartier, platziert in Sequenz für ein paar aufeinanderfolgende Wochen. Derartig allumfassende BrandingKampagnen der Medienmarken kündigen an, wie Stadtraum zukünftig medial bespielt werden kann: Ähnlich wie in den heutigen Fußballstadien kommt es auch hier nicht nur zu Konzentrationen von Informationsträgerstandorten, sondern auch zu Konzentrationen der Botschaften, die hier übermittelt werden. Der Vielseitigkeit der Werbebotschaften zu Zeiten des Fordismus weicht eine zunehmende Reduktion der Anzahl der medialen Botschaften zugunsten einzelner, die massiv an einzelnen ausgewählten Standorten oder eben über einige zentrale Orte der Stadt verteilt gestreut werden. Ein anderes Beispiel ist die Kampagne im Frühjahr 2007 entlang der insbesondere von Yuppies und Dinks abends und am Wochenende frequentierten Strecke der Tram M10. Diese die östlichen Erlebnisorte der jungen Berliner Nachtkultur in Prenzlauerberg (Kastanienallee, Kulturbrauerei, Helmholtzplatz, etc.), Friedrichshain (Boxhagener Platz, Simon-Dach Straße, etc.) und indirekt auch Kreuzberg (Schlesische Straße, Oranienstraße, etc.) beliefernde TramStrecke wurde an den Haltestellen mit jeweils drei abgestimmten Produktkampagnen ausgestattet. Auf der Fahrt von der Warschauer Straße bis zum Nordbahnhof wurde das zumeist junge, konsumfreudige Publikum hier an nahezu jeder Haltestelle mit den gleichen Markeninformationen umgarnt. Beispiele für solcherlei Kampagnen, bei denen es um die Konzentrationswirkung von Sequenzen geht, findet man im Berliner Stadtraum zuhauf. Mit der Übernahme der
263
VVR Decaux etwa eröffnen sich für die Wall AG neue Möglichkeiten der kombinierten, sequenzierten Standortvermarktung. Ein neues Instrument der seit Mai 2007 unter VVR Wall firmierenden ehemaligen BVGTochter ist das sogenannte Station-Branding. Hier sollen bekannte und überdurchschnittlich frequentierte Hubs des Berliner ÖPNVs wie etwa der U-Bahnhof Alexanderplatz kurzerhand zur Handlungssphäre für konzertierte Kampagnen des monopolistischen Brandings im Sinne einer medialen Vereinnahmung städtischer Orte ausgebaut werden.893 Die Diskussion gewinnt im Dezember 2007 an Brisanz, weil die Interessen der Wall Gruppe als unvereinbar mit denen der bereits seit fünfzig Jahren am Alexanderplatz ausstellenden Künstler, darunter die seit dem Mauerfall dort aktive ‘Neue Gesellschaft für Bildende Kunst’ (NGBK), erscheinen. Diese hatte bereits während der 1990er Jahre mit Kampagnen wie ‘Kunst statt Werbung’ Position bezogen, und berief sich darüber hinaus auf die schon vor der Wende gewachsene Berliner Tradition künstlerischer Interventionen, die nicht allein ostdeutsche und internationale Künstler aus dem sozialistisch verfassten Ausland, sondern bereits in den frühen 1980er Jahren ebenfalls WestBerliner Künstler in die Katakomben des Alexanderplatzes gebracht hatte. Die Interventionen galten als eine künstlerische Form des zunächst subtilen und später expliziten politischen Widerstands gegen das DDR-Regime.894 Die Kunstschaffenden selbst hatten jedoch nach der Wende unbeabsichtigterweise den Grundstein für das Station-Branding gelegt, da sie – mit Fördergeldern des Senats unterstützt – ein Kunstprogramm entwickelt und realisiert hatten, das alle vorhandenen Plakatwände auf dem U-Bahnhof einbezogen zu einer flächendeckenden Kunstausstellung zusammenzog.895 Auch im Falle der Aufmerksamkeitsökonomie lassen sich also bereits bekannte Muster wie die den Kunstpionieren folgende Gentrification festmachen. Die Wall AG beharrt nichtsdestotrotz auf der Ankündigung, den gesamten U-Bahnhof Alexanderplatz, in dessen Windungen täglich bis zu 70.000 Fahrgäste zirkulieren,896 für mehrwöchige Zeiträume im Jahr für gezielte Kommunikationspolitik einzelner Unternehmen oder Marken auf bis zu 32 Tafeln vermarkten zu wollen, erklärt sich aber bereit, den U2Streckenabschnitt für ein paar Monate jährlich in den Pausen zwischen dem so genannten Station-Branding zur Verfügung zu stellen. Die Pressestelle des Unternehmens kommentiert: „Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, das sich in der Stadt stark als Sponsor engagiert – beispielsweise bei der Weihnachtsbeleuchtung auf den Kurfürstendamm und den Brunnen. Das muss aber im Gleichgewicht passieren.”897 Die Kunstschaffenden lehnen das Angebot ab, da man sich nicht dem Diktat des Kommerzes unterwerfen und als Accessoire der Kommerzialisierung von Stadt in den Werbepausen instrumentalisieren lassen werde. Über Ersatzstandorte, so die Wall AG, wolle man mit den Künstlern, die im übrigen in den vergangenen Jahren mit rund 80.000 Euro jährlich durch die Senatsverwaltung für Kultur gefördert worden waren, weiter verhandeln. Dies hat jedoch scheinbar bisher nicht zu einer Lösung zwischen den Non-Profit Akteuren und dem Wirtschaftsunternehmen geführt, denn erstere postulieren in einer Zigarettenwerbung persiflierenden Kampagne: „Werbung kann tödlich sein. Nach 50 Jahren verdrängt der Kommerz die
893 Tagesspiegel vom 14.12.07. 894 Die Welt vom 12.12.07. TAZ vom 08.12.07. 895 Interview D.22.d vom 21.11.08. 896 Angaben der BVG vom 03.04.07. URL: http://www.bvg.de/index.php/de/Bvg/Detail/folder/301/rewind action/Index/archive/1/year/2007/id/149704/name/Bauarbeiten+bei+der+Stra%DFenbahn (letzter Zugriff am 16.11.08). 897 Die Welt vom 12.12.07.
264
Kunst vom U-Bahnhof Alexanderplatz.“898 und bespielen jetzt auf Wunsch des Senates die Transitbahnhöfe der Linien U8 zwischen dem hochfrequentierten Verkehrshub und den Stätten des neuen Mauer-Tourismus postwende an der Bernauer Straße. Die Vorteile derartiger Station-Branding-Kampagnen für die Werbekunden auf der anderen Seite der Kommunikationskette sind Aufmerksamkeit und Unausweichbarkeit der Kampagnen bei hoher Kontaktfrequenz (Kap. 2). Desweiteren findet beim Branding eine enge Bindung an den symbolischen Ort der Werbung, in diesem Falle an den Alexanderplatz, statt, was den Wert der Kampagne um ein vielfaches erhöhen kann. Wenn die Entwicklung in den öffentlichen Räumen ähnlich verläuft wie derzeit in den Sportarenen, so dürfte es nicht erstaunlich sein, wenn zukünftig vom Allianz- oder Becks-Platz denn vom Alexander- oder Breitscheidplatz gesprochen würde. Im Frühjahr 2008 war auch zu beobachten, wie der historisch sensible Bebelplatz temporär zum Hewlett-Packard-Platz umgewandelt wurde, wenngleich seine offizielle Benennung unverändert blieb (Kap. 3). Bevor aber an dieser Stelle unnötigerweise in Zukunftshysterie oder visionären Kulturpessimismus verfallen werden soll, muss gleichermaßen angedeutet werden, dass die empirischen Belege bereits heute andeuten, dass solche Entwicklungstendenzen zukünftiger Stadtentwicklung in Berlin gar nicht abwegig und zukunftsfern erscheinen. Denn sie sind längst präsent. Kommunikationspolitik als unternehmerische Selbstbeschreibung Personality PR – Die Führungskraft als Multiplikator von Aufmerksamkeitspotenzialen „Hans Wall. Aushängeschild. Galionsfigur der Firma. (...) Die Marketingstrategie der Firma werde sich ändern, wirft Beate Stoffers ein. Sie hätten Hans Wall als Firmenchef mit Absicht so in der Öffentlichkeit positioniert, sagt sie.“ (Tagesspiegel vom 31. Dezember 2006 anlässlich des Führungswechsels bei der Wall AG)
Berliner des Jahres, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Gönner von Kunstausstellungen, Retter von Findelkindern, Wohltäter für Kriminalopfer, all diese Attribute schmückten Hans Wall in den vergangenen Jahren. Was aber ist authentisch an diesen Einschätzungen des Eigenbildes, was davon ist letztlich auf eine raffiniert ausgetüftelte Personality-PR, also auf die symbolische Konstruktion eines Fremdbildes zurückzuführen? Denn wie das oben stehende Zitat illustriert, hat die PR-Abteilung der Wall AG ganz bewusst ein kommunikationsstrategisch gewünschtes Bild von Hans Wall in der Öffentlichkeit skizziert. Erst mal ist festzuhalten, dass seit der Jahrtausendwende ein genereller kommunikationsstrategischer Trend zu verzeichnen ist: Unternehmerpersönlichkeiten, Chief Executive Officers (CEOs) und Vorstandsvorsitzende erhalten wieder stärkeres Gewicht in der Unternehmenskommunikation, der Verantwortungsträger wird hier selbst zur Personenmarke stilisiert.899 Wesentliche Treiber für diese Prozesse sind etwa die Hinwendung mittelständischer Unternehmen zu den globalen Finanzmärkten, sprich, der geplante Gang an die Börse macht Personality-PR notwendig. Auch für die Pflege der Investor Relations gilt diese Art der Unternehmenskommunikation als Pflichtübung. Als weiterer Multiplikator dieser Entwicklung werden die Medien selbst angesehen, denn ihr Interesse konzentriert sich immer mehr auf die Charaktere und Handlungen der Personen, die an der Spitze von Unternehmen stehen. Mit dem Bedeutungs898 Siehe Internetpräsenz der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. URL: http://u2-alexanderplatz.ngbk.de/h ome.html (letzter Zugriff am 01.06.08). Hier sind auch eine ausführliche Dokumentation der künstlerischen Interventionen und eine Liste ausstellender Künstler seit 1958 abrufbar. 899 Nessmann 2008.
265
gewinn der CEOs für die Unternehmenskommunikation steigt jedoch gleichermaßen das Risiko, dass das Firmenimage bei deren Fehlverhalten Imageverluste einbüßt. Bei der Wall AG kündigt sich eine solche Situation im August 2006 an, als Hans Wall aufgrund des Verkaufs der VVR Berek an die französische Konkurrenz entrüstet verkündet, er werde mit seinem gesamten Unternehmen nach Hamburg umsiedeln und Berlin den Rücken zukehren. Nur wenige Tage später wird dieses Ad-hoc-Statement revidiert, eine Situation, die zu Glaubwürdigkeitseinbußen des Unternehmens in der öffentlichen Wahrnehmung führt. Nicht zuletzt waren kurzfristig Mitarbeiter verunsichert, Lieferanten irregeführt und Financiers auf den Plan gerufen worden. Gerade letztere nämlich kann ein derart leichtfertiges Statement dazu bewegen, ihr Kapital weniger impulsiv agierenden Unternehmensführungen anzuvertrauen. Auch die Politiker in Berlin und Brandenburg zeigten sich alarmiert, die Telefondrähte zwischen den politischen Protagonisten Berlins und Brandenburgs Platzeck und Wowereit und der Wall’schen Unternehmenszentrale wurden durchaus beansprucht. Doch wird Hans Wall diese übereilte Geste der Entrüstung öffentlich verziehen, schließlich kennt ihn die Öffentlichkeit bereits als forschen, nicht zögernden und überaus eifrigen Geschäftsmann mit badischen Wurzeln. Man kennt auch seinen Werdegang aus einfachen Verhältnissen zum Überflieger, seine Einstellungen zur Rolle seines Unternehmens in der Gesellschaft und man hat seine zahlreichen Initiativen mit verfolgt, in denen er sich für die finanziell gebeutelte Hauptstadt der Berliner Republik und ihre Bewohner – „Für Städte. Für Menschen” – eingesetzt hat.900 Kann eine solche Reaktion der milde gestimmten Öffentlichkeiten das Ergebnis einer brillant inszenierten Personality-PR sein? – Es sind gerade diese Reaktionen, die ein Unternehmen langfristig hervorrufen möchte, nämlich Akzeptanz durch das Verbessern von Sympathiewerten und Verständnis für das Verhalten von Unternehmen in Krisensituationen. Bei einer derartigen emotionalen Ansprache der näheren Marktumgebung und der Öffentlichkeiten im weiteren Sinne spielt die unternehmerische Galionsfigur eine zentrale Rolle. Am größten scheinen die Sympathiewerte zu sein, wenn die Handlungen der CEOs mit ihren Aussagen und Werthaltungen übereinstimmen. Demnach ist die Reaktion Hans Walls zwar kohärent in Wort und Werthaltung mit seinem Anspruch, ein sozialer Unternehmer zu sein, der sich für seine Stadt einsetzt und dafür entsprechende Anerkennung erreichen möchte, jedoch lässt sich diese Kohärenz in Wort- und Werthaltung in diesem Fall nicht in seiner Handlung erkennen, sonst wäre das Unternehmen kurzerhand nach Hamburg umgesiedelt. Da aber auch ein emotional emphatischer und rhetorisch brillierender Unternehmer wie Hans Wall ökonomischen Grundregeln zu folgen hat, wäre ein solcher Umzug betriebswirtschaftlicher Unfug. Seine Reaktion ruft nicht zuletzt herbe Kritik etwa seitens des Berliner IHK-Präsidenten Eric Schweitzer hervor, da das entscheidende Gremium nicht gewillt gewesen sei, derartige strategisch beeinflusste Haltungen der Bevölkerung gegenüber formal und korrekt durchgeführten Ausschreibungsverfahren in die Beurteilung einfließen zu lassen.901 Zurückkommend auf die Rolle einer Unternehmerpersönlichkeit für die Reputation und die Wertschöpfung des Unternehmens, soll darauf hingewiesen werden, dass in kommunikationswissenschaftlichen Studien Kausalitäten zwischen Aktienkäufen und der Reputation des Unternehmensvorstandes fest gestellt wurden. Karl Nessmann etwa kommt zu dem Schluss, dass, erstens, das Image und die Reputation der Führungskraft und das Unternehmensimage sowie die unternehmerische Reputation symbiotisch miteinander verwoben sind. Image und Reputation der CEOs wirken sich über das Unternehmensimage hinaus auf die Wahrnehmung und Beurteilung des Unternehmens, die Medienberichterstattung, das Kauf- und Verkaufsver900 Tagesspiegel vom 25.08.06. FAZ vom 25.08.06. 901 Die Welt am Sonntag vom 27.08.06.
266
halten von Aktien, den Börsenkurs und, schlussendlich, auf den Unternehmenswert selbst aus. Die kommunikationsstrategische Positionierung einer Führungskraft ist damit ein werttreibender Faktor im wirtschaftlichen Wettbewerb.902 Impression Management, Mythenbildung und die Corporate Story – Die multiplen Rollen eines vielseitig versierten Wirtschaftsakteurs Nachdem nun eine Auswahl einzelner Instrumente unternehmerischer Kommunikationspolitik im Antlitz des empirischen Materials erläutert worden ist, erscheint es angebracht, die bereits mehrfach angesprochene Ambivalenz und Rollenvielfalt des wichtigsten postfordistischen Annonciers in Berlin aus einer umfassenden Perspektive zu betrachten. „Seine Biographie und sein unternehmerisches Wirken bieten Stoff genug für lehrreiche Kapitel deutscher wie Berliner Wirtschafts-, Kultur- und Mediengeschichte. (...) Den guten Unternehmer zeichnen drei zentrale Eigenschaften aus: Er ist „Eroberer“, „Organisator“ und „Händler“. Dahinter verbergen sich eigenschöpferische geistige Freiheit, fein gestimmte Sinnesorgane, Durchsetzungskraft, strategisches und planerisches Geschick sowie soziale und kommunikative Kompetenz.“ (Damm und Siebenhaar 2005, 7f.)
Die Aussage, die hier für Ernst Litfaß getroffen wurde, lässt sich in gewissem Maße nicht nur auf Hans Wall, sondern auch auf das durch ihn gegründete Unternehmen übertragen. Denn das Handeln dieses an Bedeutung gewinnenden Berliner Wirtschaftsakteurs liefert ebenfalls genug Stoff für lehrreiche Kapitel der jüngeren Berliner Wirtschafts-, Kultur- und Mediengeschichte. So hat es die Wall AG geschafft, sich als zentraler Akteur bei der Entwicklung der Hauptstadt schier unentbehrlich zu machen. Sie hat sich nicht allein deswegen unabkömmlich gemacht, weil sie es als Wirtschaftsakteur verstanden hat, in knapp 25 Jahren über 320 Arbeitsplätze in Stadt und Region zu schaffen, sondern weil sie nicht nur in der Stadt, sondern auch an der Stadt und mit der Stadt arbeitet und Ressourcen offeriert und mobilisiert, die tief in die Prozesse der Stadtproduktion einfließen. Außerdem versteht es das Unternehmen, die Spreemetropole als strategisches Experimentierfeld für verschiedene Innovationen zu nutzen. Als Logistiker der medialen Bewirtschaftung zentraler öffentlicher Räume in verschiedenen Bezirken kooperiert sie nicht nur ständig mit den verantwortlichen Politikern und Fachexperten der Bezirke, sondern ebenfalls mit denen des Landes Berlin. Das Unternehmen hatte dem Land Berlin zum Beispiel gemeinsam mit dem an Gewicht gewinnenden Teilhaber JCDecaux in Aussicht gestellt, zukünftig ein gemeinsames Vermarktungszentrum für Stadtraummedien in Osteuropa von Berlin aus zu betreiben.903 Die beabsichtige Gründung der geplanten Vertriebsgesellschaft kommt jedoch nicht zum erfolgreichen Abschluss, da laut Aussagen der Wall AG einerseits das Bundeskartellamt zahlreiche Auflagen präsentiert hatte, und andererseits die Meinungen der beiden Unternehmen über eine gemeinsame Strategie auseinander liefen.904 In der Branche wird bereits länger darüber spekuliert, ob die Wall AG den Übernahmeversuchen des französischen Teilhabers langfristig widerstehen wird. Doch es wäre fahrlässig und zu kurz gegriffen, die Rolle, die die Wall AG in Berlin spielt, auf allein diese Aktivitäten zu beschränken. Denn aus der Untersuchung der verschiedenen kommunikationspolitischen Instrumente, Strategien und Programmatiken wird deutlich, dass die Stärke des Unternehmens gerade darin liegt, verschiedene Akteursrollen im Optimalfall zur 902 Nessmann 2008, 836 903 Die Kapitalbeteiligung des Pariser Unternehmens war im Rahmen des Asset Swaps auf 40% erhöht worden. Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/company/facts (letzter Zugriff am 23.09.08). 904 Siehe Neuer Internetauftritte der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/press/news/verhandlungen_ueber_ vertriebsgesellschaft_beendet (letzter Zugriff am 26.08.08).
267
gleichen Zeit einzunehmen, ja diese raffiniert inszenierte Ambivalenz, gleichzeitig Verfechter wirtschaftlicher Neuerungen und unternehmerischer Prosperität zu sein sowie als Protegé medialer, kultureller und sozialer Interessen aufzutreten, strategisch für sich zu nutzen. Gleichermaßen wird diese Ambivalenz von Wall’s wiederholtem Ruf nach einem Wandel in der unternehmerischen Kultur und nach einem Mentalitätswechsel in der Berliner Verwaltung überlagert.905 Denn es scheint der Unternehmerfamilie auch um eine neue Stadtbaukultur, um eine neue Medienkultur, also kurz: um eine avantgardistische unternehmerische Kultur mit zentralem Einfluss auf die Berliner Stadtentwicklung zu gehen. Durch seine unverzagte Art, sich einen Mythos als neuer Berliner Mäzen zu erstreiten, hat Hans Wall die in den Medien ausgetragene Debatte über großbürgerliches Mäzenatentum sowie über die Rolle der sozial verantwortlichen Entrepreneure in einer Stadt angefacht, die nicht auf eine schon seit Jahrhunderten verankerte Mäzenatenkultur zurückblickt. So hat der postfordistische Berliner Annoncier für sich und für seine Firma das Potenzial erkannt, ähnlich wie sein Idol Ernst Litfaß zum Mythos des wiedervereinigten Berlins zu avancieren und in dieser Art und Weise seine eigene Corporate Story zu schreiben. Den Beweis dafür, dass die Figur Litfaß dabei zur kommunikationsstrategischen Leitfigur seines eigenen Mythos verkehrt wird, liefert Hans Wall selbst: „Es erfüllt mich mit Respekt, einer der Erben Litfaß’ zu sein, der dessen Ideen aufgreift und weiterentwickelt.“906 Derartige Mythen und Legenden gelten ebenfalls als kommunikationsstrategische Instrumente, da sie Sinn stiften und Bedeutungszusammenhänge vermitteln, darüber hinaus gehen sie in der Regel aus Sehnsüchten hervor und zeichnen verbale Wunschbilder. Besonders nachhaltig wirken sich Mythen und Legenden aus, die um den Ursprung des Unternehmens und um die Aufstiegssituation seines Gründers kreisen.907 An dieser Stelle aber eröffnet sich die Krux für die Bewertung des Handelns ambivalent agierender Akteure. Denn die kommunikationspolitischen Strategien des Berliner Mittelständlers scheinen derart überzeugende Wirkungen zu entfalten, dass man – ähnlich wie bei Litfaß – nur schwerlich auseinander halten kann, inwieweit der Unternehmer den Mythos selbst medial inszeniert hat oder inwieweit die Mythenbildung wirklich auf dem faktischen Engagement der Walls, ihrer Mitarbeiter und schließlich ihres Unternehmens zurückzuführen ist. Vielleicht aber ist die Suche nach Antworten auf diese Frage von nicht so großer Bedeutung im Kontext dieser Arbeit, wie die Intention, die hinter ihr steht: Ein Bewusstsein hinsichtlich der multiplen Rollen einer vielseitig versierten Wirtschaftsakteurin zu schaffen, die sich zunehmend strategisch sowohl als mächtige Medienmarke als auch als gönnerische gesellschaftliche Protagonistin im Berlin des beginnenden 21. Jahrhunderts positioniert. „Unter Impression Management oder Selbstdarstellung verstehen wir Inszenierungsstrategien zur Herstellung eines bestimmten Ansehens in der öffentlichen Meinung (positives Image, guter Ruf, Beachtung). Es geht um die Inszenierung eines gewollten Selbst. Selbstdarstellung ist (...) selten Selbstzweck. Personen und Unternehmen planen ihre Selbstdarstellung, um sich in der Umwelt Anerkennung, Einfluss, Ansehen und einen Namen zu verschaffen. Das ist ein Grundmotiv.“ (Ebert und Piwinger 2008, 206)
Ein Blick in die kommunikationswissenschaftliche Literatur zu den Themen Impression Management, Image und Reputation untermauert die Befunde: Unternehmen, die heute dauerhaft erfolgreich am Markt auftreten wollen, müssen eine „Ästhetik der Selbstinszenierung“ entwickeln, um die allgemeine Vertrauenskrise, in der Unternehmen trotz einer intensiven Pflege der Themen Ethik und soziale Verantwortung gegenwärtig stecken, zu überwinden.908 Mittels eines strategischen Impression Managements können ‘richtige Eindrücke’ nach außen hin vermittelt wer905 906 907 908
268
Tagesspiegel vom 17.01.03. Hans Wall (2005, 161) in seinem Nachwort an Ernst Litfaß. Vgl. Bazil 2008, 438. Ebert und Piwinger 2008, 223f.
den, um ein gewünschtes Image zu produzieren. Neben dem Identitätsaufbau geht es um Identitätspflege und Identitätsverteidigung, schließlich ist die kontinuierliche Pflege der Ansehenswerte wesentlich ökonomischer, als ein Image verteidigen oder neu etablieren zu müssen.909 Denn nicht Fakten, sondern Vorstellungen steuern das Bild der Öffentlichkeiten. Maßnahmen des Imageaufbaus und der Imagepflege führen auch dazu, Vertrauenseindrücke in gegenwärtigen durch ‘gesichtslose’ Interaktionen geprägten Massenmärkten zu stiften. Daher wird der Sinn von Imagemanagement darin gesehen, eine strukturelle Rückbettung von global geprägten Marktbeziehungen in lokale Zusammenhänge zu ermöglichen, indem man auf zentrale Personen verweist, die die Grundausrichtung des Unternehmens symbolisieren. 910 Von einer Unvereinbarkeit der multiplen Rollen des Berliner Wirtschaftsakteurs ist jedoch nicht zwangsläufig auszugehen, wenngleich sich an vielen Stellen Reibungswiderstände zwischen den verschiedenen Ansprüchen, die das Unternehmen formuliert, auftun. Gleichzeitig ist es in der strategischen Lage, eben diese Divergenzen, Diskrepanzen und Dilemmata durch die gezielte mediale Beeinflussung der Öffentlichkeiten sowohl prophylaktisch als im Verlauf von Krisenmomenten aufzufangen und auszubalancieren. Denn postfordistische Markenkommunikation, deren Charakteristikum es ist, die werttreibende Funktion von Kommunikation zu untermauern und auszuschöpfen, bedient sich aller verfügbaren Kommunikationskanäle sowie der erfolgversprechenden Vielfalt an Kommunikationswerkzeugen, um die gesellschaftlich relevanten Stakeholder der Marke langfristig emotional und rational an die Marke zu binden. Als Kommunikationskanal für die Markendarstellung der Wall AG und anderer Unternehmen bieten sich zentrale öffentliche Räume an, weil sie sich neben dem Internet hervorragend für kommunikationspolitische Strategien eignen und weil so die für die postfordistische Konsumwelt als prägend herausgestellten gesichtslosen Interaktionen bei Kommunikationsmaßnahmen durch ortsansässige Unternehmen in lokalen öffentlichen Räumen vermieden werden können. Allein in ihrem Zusammenwirken vermögen die exemplarisch angesprochenen Instrumente, Strategien und Programmatiken die besondere kommunikationsstrategische Bedeutung zentraler öffentlicher Räume für die Positionierung von (Unternehmens-) Marken zu begründen. Daher sollten hinsichtlich einer Bewertung unternehmerischen Engagements eine nostalgisch-verklärte Perspektive, die danach fragt, ob ein Unternehmer, ob ein Unternehmen gut handelt, oder nicht, zugunsten eines Interpretationsmodus aufgegeben werden, der multiple Motivationslinien unternehmerischer Interventionen in stadtgesellschaftliche Prozesse anerkennt: Erstens, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten und, zweitens, die gesellschaftliche Legimitationsbasis (‘License to operate’) hinsichtlich der Wertschöpfungspotenziale von unternehmerischer Kommunikation zu verfestigen.911 Drittens können Unternehmen kommunikativ dafür eintreten, in sozialunternehmerischer Manier für einen Paradigmenwandel der städtischen Gestalt-, Medien- und Wirtschaftskultur einzutreten. Unternehmenskommunikation kann daher die laufende Leistungserstellung operativ unterstützen und somit zum unternehmerischen Erfolg direkt beitragen, indem Wettbewerbsvorteile, Rentabilität und Liquidität hergestellt werden. Sie kann auch dazu beitragen, immaterielles Kapital diskursstrategisch aufzubauen, also Erfolgspotenziale indirekt zu generieren, indem sie die gesellschaftliche License to operate sicherstellt. Das operative Potenzial kommunikationspolitischer Maßnahmen kann in allen Phasen der unternehmerischen Wertschöpfungskette zum Tragen kommen und zu direkten Umsatzerhöhungen oder Kostenminimierungen beitragen, wohingegen eine Betrachtung ihrer strategischen Potenziale die Natur immaterieller Kapi909 Ibid. 2008, 216. 910 Buß 2008, 228ff. 911 Zur License to operate siehe auch Zerfaß 2008, 25.
269
talressourcen im Sinne eines Kommunikationskapitals anerkennt.912 Kommunikationskapital wird gegenwärtig als zentraler Treiber für den Unternehmenserfolg betrachtet, da ein Unternehmen von diesen symbolischen und immateriellen Werten langfristig zehren und sie immer wieder in konkrete Wettbewerbsvorteile ummünzen kann.913 Damit ist der nächste Aspekt angesprochen: Der wirtschaftliche Wert von Image und Reputation. Denn Image ist ein grundlegendes Ordnungs- und Wertschöpfungsprinzip der Wirtschaft und dient daher als wichtiger ökonomischer Bewertungsmaßstab für Organisationen und Institutionen. Ein guter Ruf ermöglicht Zugang zu Absatz-, Lieferanten- und Kapitalmärkten in Form von Lieferantenkrediten, Legimitation von Hochpreispolitik und von Bonitätseinschätzungen. Ein gutes Image beeinflusst die Verbesserung von Aufmerksamkeitspotenzialen. Gleichermaßen ist das unternehmerische Image ein Ergebnis öffentlicher Deutungsprozesse, auf die die Medien maßgeblichen Einfluss haben. Buß etwa konstatiert, dass die Reputation immer stärker die Rolle produktiven Kapitals übernehme.914 Mit dem Verweis auf die intrinsische Natur von Medien- und Kommunikationsmarken muss daher gefragt werden, wer kreativer mit Impression Management und mit Strategien zum Aufbau von Image und Reputation, und damit mit dem Generieren produktiven kommunikativen Kapitals umzugehen weiß, als diese selbst? „Die Medienorganisationen nutzen im Rahmen ihrer Kommunikationspolitik die ureigene mediale Kompetenz, also die Herstellung von Kontakten zu Aufmerksamkeitsgemeinschaften, für ihr eigenes Angebot und für eigene Belange. (...) ‘Im Zuge der wachsenden Konzentration im Mediensektor verstärkt sich dieser Mechanismus noch (...). Daraus resultiert .. ein immer kompakterer Werbeverbund der Medienkultur für sich selbst.’ “ (Siegert 2001b, 178, Bezug nehmend auf Saxer 1998, 22)
Wertschöpfung durch kommunikationsstrategische Interventionen in zentralen öffentlichen Räumen Es ist demnach ein Trugschluss zu glauben, dass die immateriellen, weichen Werte, die mit den kommunikationsstrategischen Potenzialen in zentralen öffentlichen Räumen assoziiert werden, nicht monetär fassbar sind. Ganz im Gegenteil kann aufgrund des empirischen Materials von der Tendenz ausgegangen werden, dass zentrale öffentliche Räume gerade deswegen zu derart beliebten Handlungssphären für städtische Imagepolitik und für unternehmerische Kommunikationspolitik avancieren, weil sich ihr medialer Wert mit zunehmendem Wissensstand über die Aufmerksamkeitspotenziale einzelner Standorte mehr und mehr monetär fassen, wenn auch (noch) nicht determinieren, wohl aber verhandeln lässt. Auf Unternehmensseite können mittels eines strategischen Kommunikationsmanagements mittlerweile Kosten und Nutzen einzelner kommunikativer Leistungen ermittelt werden, die bisher zwar noch nicht systematisch in den unternehmerischen Bilanzen erfasst werden, jedoch bereits in Form von wirtschaftlichen Reputations- und Wissensbilanzen quantifiziert und qualifiziert werden können.915 Die Auseinandersetzungen mit städtischer Imagepolitik sowie mit unternehmerischer Kommunikationspolitik haben dem gegenwärtigen Facettenreichtum kommunikationsstrategischer Instrumente, Strategien und Programmatiken Ausdruck verliehen. Diese kommen in der 912 Zerfaß 2008, Bezug nehmend auf Will 2005. 913 Vgl. Zerfaß 2008, 29. Die Trennung zwischen operativen und strategischen Potenzialen von Unternehmenskommunikation ist analytischer Natur, in der Praxis berühren Strategien der Unternehmenskommunikation oftmals mehrere Dimensionen gleichzeitig. 914 Buß 2008, 237. 915 Vgl. Zerfaß 2008, 29.
270
wirtschaftlichen Betrachtung, erstens, vielfach in zentralen öffentlichen Räumen zur Anwendung und bedingen daher ihren Charakter als postfordistisches Medienvehikel. Zweitens werden sie eingesetzt, um die Prozesse der Produktion zentraler öffentlicher Räume voranzutreiben, etwa im Rahmen des Anbahnens von Stadtmöblierungskonzessionen, um die mediale Restrukturierung öffentlicher Räume überhaupt erst durch-, um- und fortzusetzen. Drittens, können kommunikationsstrategische Instrumente in vorbeugender Manier als Auffangmechanismus eingesetzt werden, um mögliche Krisen und gesellschaftliche Kritik hinsichtlich des Handelns einzelner Akteure bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume abzufangen und damit Imageverluste für die Unternehmen, die sich negativ auf Imagewettbewerb oder Markenpositionierung auswirken könnten, zu vermeiden. In der politischen Perspektive sind die kommunikationsstrategischen Interventionen durch einzelne Akteure und durch gestaltwirksame Koalitionen ebenfalls von zentraler Bedeutung: Erstens dient die ästhetische Aufwertung ihrer baulichen Arrangements als Grundlage für die Produktion materieller und diskursiver Bilder, die ein wesentlicher Bestandteil der postfordistisch geprägten Politik der Aufmerksamkeit darstellen. Auch politische Protagonisten und Parteien verschiedener administrativer Ebenen üben sich im Rückgriff auf die vielschichtige Symbolik zentraler öffentlicher Räume in Berlin und verfolgen dabei ganz unterschiedliche Ziele wie etwa die Befriedigung populärer Interessen der lokalen Besucher- und Bewohnerschaften, die gezielte Ansprache lebensstilkonformer Zielgruppen für den Arbeitsmarkt oder aber die wahlkampfstrategische Positionierung auf der Bühne der internationalen Politik, etwa als Weltbürger an der Siegessäule. Kurzfristig werden zentrale öffentliche Räume zu Kulissen für die staatliche Repräsentation durch cineastische oder militärische Events, die entweder auf Assoziationen mit vergangenen Siegeserlebnissen zurückgreift oder aber gegenwärtige Exempel neuerer militärischer Symbolik der Berliner Republik statuiert. Das Handeln der Koalitionspartner ist für die Politiker und Parteien besonders im Sinne einer langfristigen, nachhaltigen Imagepflege von Bedeutung, da die Partner zum einen medial sequenzierte Verbindungen zwischen unterschiedlichen Bauwerken und Institutionen schaffen können, andererseits dabei helfen, diskursive Bilder in der Stadt und über die Stadt hinaus zu verbreiten. Die Schnittmengen der kommunikationsstrategischen Intentionen der wirtschaftlichen und der politischen Akteure sind – um ein erstes Resümee zu ziehen – vielfältig und komplex. Festzuhalten bleibt, dass allein mit ihrem Einsatz in zentralen öffentlichen Räumen Kommunikationskapital hier überhaupt erst generiert werden kann. Damit wird das kommunikationsstrategische Streben gestaltwirksamer Koalitionen nach Aufmerksamkeit zu einem Wertschöpfungsinstrument gestaltwirksamer Koalitionen per se. Alte wie auch neuere kommunikative Instrumente, Strategien und Programmatiken kommen zur Anwendung, von denen viele der benannten Konzepte zukünftig größeren Niederschlag auch im Handeln öffentlicher Akteure finden werden, da sie zum Teil bereits jetzt als postfordistische Beschaffungsvarianten für verschiedene Handlungsfelder der Berliner Stadtpolitik fungieren. Die gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der kommunikationsstrategischen Dimensionen der Produktion zentraler öffentlicher Räume werden nachfolgend noch einmal in einer Zusammenschau systematisiert (Abb. 30). Gestaltwirksame Koalitionen als kollektive Akteure der Wertschöpfung durch strategische Kommunikation Die Zusammenschau (Abb. 30) besteht aus zwei Teilgraphiken hinsichtlich des kommunikationsstrategischen Handelns der beiden in gestaltwirksame Koalitionen involvierten Institutio271
nen: des Staates und des Marktes. Zunächst wird der Blick auf kommunikationsstrategische Interessen, Instrumente, auf Strategien und Programmatiken von staatlichen Akteuren gerichtet (Abb. 30a), wohingegen diese Aspekte im Hinblick auf die Unternehmen der Stadtraummedien nachfolgend dargestellt werden (Abb. 30b). Viele der für diese Branche detektierten Kommunikationsbeziehungen spiegeln sich auch im Handeln anderer Marktakteure wider, so dass diese Unternehmen als Muster für marktwirtschaftliche Kommmunikationsstrategien in zentralen öffentlichen Räumen schlechthin verwendet werden können, mit der notwendigen Adaptation an den jeweiligen Kontext etwa im Hinblick auf branchenspezifische Kommunikationsroutinen, versteht sich. Zunächst wird der Blick auf die Wertschöpfung durch städtische Imagepolitik gerichtet: Für die Stadtmarke Berlin sind neben der internen Kommunikation drei generelle Felder der externen Kommunikation – Wirtschaftskommunikation, Parteipolitische Kommunikation sowie Kommunikation mit dem gesellschaftspolitischen Umfeld – von Bedeutung, wobei Wertschöpfung durch externe Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen erwirtschaftet wird. Ziel dieses Wertschöpfungsprozesses der Stadtmarkenkommunikation im Sinne eines Kommunikationskapitals ist es, das institutionelle Image aufzubauen, um letztendlich positive Stimuli für die langfristige Veränderung der institutionellen Identität etwa durch den Zuzug von Neuberlinern oder durch das Anziehen kaufkräftiger Touristenströme zu bewirken oder aber den Bewohnern der Stadt Identifizierungsanreize zu offerieren. Dabei umfasst die Wirtschaftskommunikation in zentralen öffentlichen Räumen, den Kommunikationskanälen der Stadtmarke Berlin, alle kommunikativen Beziehungen zu investitionswilligen Akteuren insbesondere in den Bereichen wirtschaftliche Angebotspolitik, Standortpolitik und Stadtraumpolitik (Kap. 5). Speziell Medienprodukte, die auf die Darstellung von Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft sowie auf die Schaffung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen etwa durch Deregulierungen verweisen, werden in zentralen öffentlichen Räumen produziert. Auch Gespräche mit Verbänden und Lobbyisten lassen sich bei Stadtmobiliarausstellungen in öffentlichen Räumen arrangieren. Zentrale öffentliche Räume in Berlin fungieren außerdem für die (partei)politische Kommunikation auf den Wählermärkten, hier sollen kommunikative Beziehungen zu potentiellen Wählerschaften auf kommunaler, auf Landessowie auf Bundesebene gepflegt werden, oder – wie im Falle von Barack Obama – auf der internationalen Bühne politischer Showdowns. Auch kontroverse politische Statements über diese Räume können auf der symbolisch-diskursiven Ebene Sympathiewerte bei Wählern generieren, die sie mit Orten in der Stadt oftmals nicht allein eine rationale, sondern gleichermaßen Sympathie oder Antipathie verbinden. Es bleibt festzuhalten, dass strategische Kommunikation in Richtung der Wählermärkte in zentralen öffentlichen Räumen sowohl über diskursive Interventionen, als auch über die gestalterische Aufwertung baulicher Arrangements mittels Design vorangetrieben wird. Schließlich lässt sich in zentralen öffentlichen Räumen hervorragend Personality-PR für politische Protagonisten umsetzen. Im Rahmen der strategischen Kommunikation mit dem gesellschaftspolitischen Umfeld werden Beziehungen zu weiteren gesellschaftlichen Adressatengruppen in zentralen öffentlichen Räumen gepflegt. Hier ist generell zu unterscheiden zwischen der Kommunikation mit möglichen Zuzugskandidaten auf den Talentmärkten und mit Besuchern auf den Tourismusmärkten sowie der generellen Kommunikation mit Bürgern, Bewohnern und Besuchern als weiteren Öffentlichkeiten. Beide Strategien unterscheiden sich dadurch, dass im ersten Fall Branding zum Aufbau vorrangig externer, im zweiten vorrangig interner Imagedimensionen verwendet wird. Für beide Strategien ist neben der diskursiven Aufmerksamkeitspolitik ebenfalls die materielle Form derselben durch gestalterische Aufwertung baulicher Arrangements mittels Design von Bedeutung. Die Kommunikation 272
auf den Wählermärkten ist für politische Akteure von ganz besonderem Interesse, denn sie sichert langfristig ihre Existenzberechtigung. Daher sind insbesondere die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Adressatengruppen von Bedeutung. Wirtschaftsfreundliche Politik, sowie Talent- und Tourismuspolitik haben ebenso wie die Ansprache genereller Öffentlichkeiten Nebenwirkungen auf die kommunikativen Beziehungen zu den Wählerschaften. Erfolgreiche Kommunikation in Richtung der Wirtschaft, der Talente und des Tourismus beeinflussen sich ebenfalls gegenseitig. Auf der Seite des Marktes können die Adressatenfelder Marktkommunikation im ökonomischen Bereich und Kommunikation mit dem gesellschaftspolitischen Umfeld, die sich auf regulative Beziehungen im nicht-ökonomischen Bereich beziehen, differenziert werden. Zur Marktkommunikation im ökonomischen Bereich gehören kommunikative Beziehungen mit den Finanzmärkten (Kapitalgeber), den Verbrauchermärkten (Werbekunden, Kommunen und Rezipienten) sowie mit den Zulieferermärkten (Lieferanten). Hier kommen je nach Adressatengruppe verschiedene Strategien und Instrumente zur Verwendung. Von zentralem Interesse für die in öffentlichen Räumen kommunizierenden Akteure des Marktes sind aber die extraökonomischen Beziehungen einerseits im politischen Bereich, andererseits hinsichtlich weiterer relevanter Stakeholder, denn diese haben starken Einfluss auf die regulativen Beziehungen und stellen damit gesellschaftliche Determinanten ökonomischen Handelns, also einen Einflussfaktor für die Wertschöpfungskette dar. Im Fall des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen sind intrinsische Verstrickungen zwischen den Adressaten politischer Kommunikation und den Kommunen auf den Absatzmärkten gegeben. Für Marktunternehmen ist in zentralen öffentlichen Räumen zudem die Kommunikation mit weiteren (Teil)Öffentlichkeiten bedeutsam. Hier lässt sich die License to operate sicherstellen, die sich auf Politik, Zulieferer, Werbekunden, Rezipienten, Kommunen sowie Kapitalgeber bezieht. Beim gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen ist jedoch zwischen unternehmerischem und bürgerschaftlichem Engagement strikt zu trennen: Wo das eine ehrenamtliche Handlungen von Unternehmerpersönlichkeiten und Unternehmerfamilien als Privatleuten bezeichnet und in der Regel in Form von Mäzenatentum oder Spenden zum Ausdruck gebracht wird, (und damit indirekt zur Ausprägung der institutionellen Identität beiträgt,) ist unternehmerisches Engagement eindeutig der strategischen Kommunikation mit dem Ziel der Wertschöpfung in zentralen öffentlichen Räumen, und damit der strategischen Arbeit am institutionellen Image, zuzuordnen. In der Summe ermöglichen gestaltwirksame Koalitionen auf der Seite des Staates eine Politik der Aufmerksamkeit, auf der Seite des Marktes hingegen ein Impressionmanagement im kommunikationsstrategischen Wettbewerb der nachfordistischen Aufmerksamkeitsökonomie. Zentrales Scharnier der vielfältigen Ansprache beider Ziele sind zentrale öffentliche Räume, die als strategische Kommunikationskanäle der Wertschöpfung fungieren. Nachdem nun im dritten Kapitel die baulich-gestalterischen und im vierten Kapitel die kommunikationsstrategischen Interventionen von gestaltwirksamen Koalitionen und ihren Akteuren, ihre Motivlagen sowie die verschiedenen strategisch anzusprechenden Kommunikationsmärkte angesprochen worden sind, geht es nachfolgend um eine Analyse der inneren Dynamiken des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen (Kap. 5). Abschließend findet eine Interpretation ihres Wirkens hinsichtlich der aufmerksamkeitsökonomischen Logik von Kompensationsgeschäften seit 1980 statt (Kap. 6). Abbildung 30: (Folgeseiten) Gestaltwirksame Koalitionen als kollektive Akteure der Wertschöpfung durch strategische Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen Berlins. Abb. 30a. Wertschöpfung aus städtischer Imagepolitik. Abb. 30b. Wertschöpfung aus unternehmerischer Kommunikationspolitik. Quelle: Eigene Darstellung.
273
274
275
5
Merkmale des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen
Das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen im Bereich der Stadtmöblierung im Kontext der Produktion zentraler öffentlicher Räume nachzuzeichnen, die jeweiligen Intentionen, Interventionen und Interessen der beteiligten Akteure vor allem des Marktes und des Staates zu verstehen – so lautete das Eingangsinteresse im frühen Stadium dieser Arbeit. Die Erkenntnisse der darauf folgenden empirischen Forschungsarbeit wurden in den zwei vorangegangen Kapiteln ausführlich dargestellt. Sie gaben Aufschluss darüber, dass das grundlegende Forschungsinteresse an Stadtmobiliar aufgrund der Entwicklung der Markt- und damit der Koalitionsaktivitäten auf weitere mögliche Bereiche der Produktion von Stadt gelenkt werden musste, um die volle Breite und Logik der gegebenen Entwicklungen in ihrer Tiefe zu verstehen. Dabei ging es um das Produzieren baulicher, virtueller und kommunikationsstrategischer Arrangements zentraler öffentlicher Räume durch gestaltwirksame Koalitionen. Die Struktur der Darstellung der empirischen Ausbeute liefert einen Verweis darauf, dass die drei zur Analyse öffentlicher Räume herangezogenen Kategorien nicht gleichwertig nebeneinander stehen. An der virtuellen Dimension etwa kann bildhaft die Rolle des technischen Fortschritts auf den Wandel zentraler öffentlicher Räume abgelesen werden, der sowohl die baulichen als auch die kommunikationsstrategischen Arrangements durchdringt. Es ist jetzt möglich, die virtuellen Welten der Unternehmen von einem E-Terminal abzurufen, das Teil eines baulichen Arrangements ist. Auch virtuelle Kommunikationsstrategien, die im World Wide Web geschaltet werden, können so die Bürger, Bewohner und Besucher, die die gesellschaftliche Zentralität öffentlicher Räume bedingen, erreichen. Einerseits scheint sich nicht wie oftmals postuliert dadurch eine Enträumlichung, also ein Bedeutungsverlust konkreter Orte in der Stadt zu ergeben, ganz im Gegenteil: Zahlreiche Befunde verweisen vielmehr auf mögliche Tendenzen einer komplexeren Verräumlichung, bei der die virtuelle Dimension sowohl im baulichen als auch im kommunikationsstrategischen Raum eine große Rolle spielt, weil sie dazu beiträgt, beide Dimensionen vielfältig miteinander zu verweben.916 Andererseits wurde festgestellt, dass vormals weiche Faktoren wie kommunikationsstrategische Vorteile durch wachsendes Know-how über Aufmerksamkeitspotenziale gewisser Orte dingfest gemacht werden können. Sie sind zunehmend – wenn auch noch nicht absolut – messbar und damit inwertsetzbar. Harte Faktoren hingegen wie die bauliche Form werden durch Einsatz hochwertiger Designs stärker mit emotionalen, auf ästhetischer Formensprache beruhenden Wahrnehmungspotenzialen versehen und daher mit weicheren Aspekten wie Lebensstil und Stadtkultur assoziiert. Dies sind aber zunächst nur einige wenige der ersten Erkenntnisse über die Merkmale des facettenreichen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen, die bisher gewonnen werden konnten. Das folgende Kapitel gibt systematischen Aufschluss über weitere. Dabei kommen verschiedene Betrachtungswinkel der Analyse zum Tragen, die sich im Verlauf des dreijährigen Forschungsprozesses als besonders markant erwiesen haben:
916 Siegert (2001b, 25) konstatiert, dass digitale Kommunikationstechnologien eine perfekte Verbindung von Raumund Zeitkräften aufweisen, weil durch sie Transport und Speicherung gleichermaßen leicht geworden sind. Implikationen dieser Entwicklung sieht sie darin, dass räumliche Konstrukte einer universellen Redefinition ausgesetzt seien.
277
Erstens, wird das strategische Handlungsmuster der werbefinanzierten Kompensationsgeschäfte charakterisiert, denn dies ist zentrales Element der unternehmerischen Angebotspolitik, das sich nicht nur in Berlin, sondern auch andernorts mit zunehmendem Erfolg den Weg der Unternehmen der Stadtraummedien in öffentliche Räume bahnt. Dann wird, zweitens, dargestellt, wie sich werbefinanzierte Stadtmöblierung im Verlauf der letzten drei Dekaden zu einer Praxis der aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäfte in der postfordistischen Stadtproduktion entwickelt hat, bei der zentrale öffentliche Räume als strategische Handlungsressource genutzt werden, wenngleich sich der räumliche Bezug dieser Praxis zunehmend verändert.917 Diese Transformation des räumlichen Bezugs ist, drittens, veränderten Konzeptionen von Raum geschuldet, die die Handlungsmotivationen der marktwirtschaftlichen Akteure innerhalb der Koalition begründen: Denn neben einer Multi-Level-Governance-Perspektive auf öffentliche Räume im Sinne einer Glokalisierung sind Out-of-Home Unternehmen nicht notwendigerweise an öffentlichen Räumen als Morphologiecontainern, sondern als Sozialräumen interessiert. Weil das Kompensationsmodell ein derart starkes Gewicht in der jüngeren Stadtentwicklung Berlins erhält, ergeben sich mannigfaltige Interessen an Überformungen von traditionellen sowie an der Erschließung von neuen öffentlichen Räumen in ihrer Natur als Sozialräume. Diese veranschaulichen die veränderte Verräumlichung des strategischen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen. Viertens streiten im Wettbewerb um die kommunikationsstrategische Ressource öffentlicher Raum allein wenige Firmen um Image, um Marktleaderpositionen im strategischen und um Aufträge in Form gewährter Konzessionen im operativen Tagesgeschäft. Daher kann die Überformung traditioneller sowie die Erschließung neuer öffentlicher Räume (Kap. 1) im Sinne einer Vergrößerung des Marktwertes dieser strategischen Ressource allein dann (aus Marktsicht) erfolgreich vorangetrieben werden, wenn man sich im Wettbewerb von den Mitstreitern abhebt. Daher wird Innovation zum strategischen Instrument aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte. Da durch Kreativität und Innovation ebenfalls Handlungsfähigkeit erreicht werden kann, wird, fünftens, abschließend beleuchtet, welchen Governance-Typus gestaltwirksame Koalitionen darstellen. Ob und wie hat sich dieser Governancetypus seit seiner Initiierung verändert hat? Inwieweit erweisen sich die Koalitionen in der internen Perspektive als lernfähig? Abschließend werden die Merkmale gestaltwirksamer Koalitionen als strategischer Handlungszusammenhang herausgestellt. Im Gegensatz zum abschließenden sechsten Kapitel, wo es um eine generelle Interpretation der Analyse des Fallbeispiels im Hinblick auf die postfordistische Produktion zentraler öffentlicher Räume geht, stehen also koalitionsbezogene Merkmale in der Innen- sowie in der Außenperspektive im Fokus dieses fünften Kapitels. Dabei geht es um die grundsätzliche Beobachtung, dass sich das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen von einem anfänglichen evolutionären Stadium zu einem strategischen Handlungsrahmen entwickelt hat. In diesem Kontext liegt die Betonung des folgenden Kapitels auf verschieden stark auftretenden Nuancierungen strategischen Handelns. Die eingangs gesetzte stärkere Gewichtung der Motivlagen der Marktakteure innerhalb der Koalition – sie sind als Impulsgeber für einen neuen Typus und veränderte Akteurskonstellationen der Stadtproduktion auch im Sinne der Transformationstheorien um den Postfordismus eine erkenntnisversprechende Eingangsperspektive – wird die anschließend nachfolgende Analyse ebenfalls stärker die privatwirtschaftlichen Handlungsmotivationen beleuchten, als die der öffentlichen Akteure. 917 An dieser Stelle soll der Begriff der werbefinanzierten Kompensationsgeschäfte durch den an die Gegebenheiten der postfordistisch geprägten Aufmerksamkeitsmärkte angepassten aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäftes ersetzt werden, womit explizit ein an das Vermarkten von Aufmerksamkeitspotenzialen gebundenes Kompensationsgeschäft gemeint ist, das sich nicht allein auf Werbung und Finanzierungen reduziert.
278
Kompensationsgeschäfte als strategisches Handlungsmuster – Angebotspolitik „Hinter diesen luxuriösen Angeboten für Städte steckt ein harter Wettkampf um Straßenwerbung.“ (Handelsblatt vom 03. Juni 2003)
Mehrfach ist ein Aspekt betont worden, dem das Zitat noch einmal Nachdruck verleiht: Der in den vergangenen Jahren entstandene Markt für Stadtraummedien ist ein äußerst hart umkämpfter. Gerade deswegen entsteht für die Unternehmen die Notwendigkeit, den Städten mittels einer hochwertigen Angebotspolitik attraktive Gebote zu unterbreiten. Zu den Gründen, warum der Wettkampf derart hart ist, lassen sich verschiedene Aspekte anführen, wie etwa die geringe Zahl der möglichen Anbieter. Nur wenige Firmen haben die Kapitalkraft, große Summen für ganzheitliche Stadtmobiliar-Ausschreibungen vorzufinanzieren oder können entsprechende Sicherheiten geben, um Kapitalressourcen anderweitig zu beschaffen. Auch verfügen nur wenige Unternehmen über die Produktionskapazitäten und das Know-how, um die verschiedenen Segmente, die dieser Markt verbindet, gleichermaßen zu bedienen. Ein dritter Aspekt ist die durchschnittlich lange Vertragsdauer von Konzessionen, die zwischen zehn und fünfundzwanzig Jahren liegt und den Konzessionären etwa für stadtweite Ausschreibungen ganzer Stadtmobiliarpools in Metropolen in der Anfangsphase eine große Investitionsbereitschaft abverlangt, wohingegen sich das Geschäft erst nach wenigen Jahren amortisiert. Je höher jedoch die Investition, desto höher der Logik nach ebenfalls die Möglichkeit der Kompensationen durch Bereitstellung von Informationsträgerstandorten, über die sich ein Unternehmen langfristig Marktanteile und im Optimalfall die Marktführerschaft sichern kann. Je kleiner also der Markt auf der Seite der Anbieter, desto höher der Performanzdruck der Unternehmen, um sich durch Alleinstellungsmerkmale voneinander abzuheben und um im Ergebnis Ausschreibungen für sich zu entscheiden. Mit jeder gewonnenen Ausschreibung kann ein Unternehmen wiederum auch auf der Seite der Kommunikationskunden punkten, da sich durch qualitative und quantitative Verbesserungen der Informationsträgernetze speziell Werbegroßkunden zu gewichtigen Vertragsabschlüssen bewegen lassen. Diese versprechen sich Einsparungen und einen verringerten operativen Aufwand, wenn sie bei nur einem Anbieter eine bundes- oder europaweite Netzschaltung ihrer Kampagne beauftragen können. Vertragsabschlüsse mit Werbekunden führen schließlich zu einer verbesserten Auslastung der Netze und sichern kontinuierlich die Unternehmensgewinne der Provider von Medien in zentralen öffentlichen Räumen. Es liegt auf der Hand, warum die unternehmerische Angebotspolitik gezielt verbessert worden ist, um Kompensationsgeschäfte anzubahnen und um den vertraglichen Abschluss von Stadtmobiliarkonzessionen als eines der wichtigsten Elemente in der Wertschöpfungskette des Unternehmens systematisch im Vorfeld zu begünstigen (Kap. 4). Ein zentrales Merkmal derartiger Konzessionen ist, dass die Kompensation oftmals in Form von Sachleistungen oder rechtlichen Privilegien erfolgt (Kap. 3). Speziell das gestattete Recht des Gebrauchs zentraler öffentlicher Räume stellt die Ressource dar, über die die Bezirke oder auch das Land mittels ihres hoheitlichen Zugriffs auf Flächen im Besitz des Staates verfügen. Im Gegenzug gilt die Prämisse, je höher die Investition seitens des Unternehmens, je höher ebenfalls sein Anspruch auf Kompensation. Der Wert kann etwa in quantitativer Hinsicht hoch getrieben werden, in dem man ein ganzes Stadtgebiet, vor allem auch die für die Kommunikationskunden aufmerksamkeitsökonomisch nicht so lukrative Peripherie, mit Produkten oder Dienstleistungen versorgt, oder aber bei einer Konzentration auf allein die zentralen Bereiche dafür sorgt, dass die Kompensationsgegenstände derart funktional und gestalterisch veredelt werden, dass sie den Gesamtpreis des Angebotspakets in die Höhe treiben.
279
Die Politik der Premiumprodukte an Premiumstandorten „Wir wachsen mit Qualität und sind auf dem Weg zum Porsche unter den Außenwerbern.“ (H. Wall in der Süddeutschen Zeitung vom 11. Januar 2005)
Unverkennbar weist der Ausspruch von Hans Wall auf die Wall’sche Firmenphilosophie hin, die durch einen besonderen Anspruch an Produktqualität und Dienstleistungen geprägt ist. Denn man will zu dem werden, was Apple unter den Computern versinnbildlicht, oder Toblerone unter den Schokoladenriegeln: Zur Edelmarke, oder – wie Hans Wall es formuliert – zum „Porsche unter den Außenwerbern“918. Den Vergleich mit Apple hat Daniel Wall selbst bemüht: Man habe sich Apple aufgrund seines guten Designs, seiner perfekten Produkte und wegen seines tollen Marketings zum Vorbild auserkoren.919 Mit einem derartigen gehobenen Anspruch, der sich in der Eleganz der (jüngeren) Stadtmöbelstücke und der offerierten Verlässlichkeit und Sauberkeit bei der Realisierung der Dienstleistungen manifestiert, versucht das Unternehmen, den Kommunen im übertragenen Sinne Kaviar aufs Brot zu streichen. Denn diesen ist es in der Regel ganz und gar nicht egal, wie die Stadtmöbelstücke aussehen und über welche Zusatzfunktionen sie verfügen, denn die Ausstattung der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume ist ein nicht zu vernachlässigendes strategisches Instrument von städtischer Imagepolitik (Kap. 4). Die kreative Arbeit am städtischen Bühnenbild wird einerseits von ästhetischen Kriterien bestimmt, so sollen sich die Stadtmöbelstücke harmonisch in den baulichen Stadtraum einpassen, andererseits soll die Stadtmöblierung auch dazu dienen, öffentliche Räume für die Anforderungen der Informationsgesellschaft funktional aufzurüsten. Infrastrukturen der Vermittlung von Informationen zu schaffen, ist also Teil des Interesses von Stadtverwaltungen und auch Bewegmotiv, qualitativ hochwertigeren Stadtmöblierungsserien wie etwa der Intelligent Series den Vorzug gegenüber schlichteren Angeboten einzuräumen. Die durch eine pragmatische Funktionalästhetik geprägte Massenware der 1970er und 1980er Jahre (Kap. 2), die den innerstädtischen Freiräumen keine besonderen und augenscheinlichen Aufmerksamkeitspotenziale zuschrieben, können nun durch Produkte ersetzt werden, für deren Entwicklung technischer Fortschritt sowie ästhetischer Anspruch maßgebend sind. In hochwertige Produkte, die zur ästhetischen Veredlung baulicher Arrangements beitragen, muss jedoch bereits in der Produktentwicklungsphase erheblich investiert werden, eine Vorleistung, die für die Kommunen bisher eine schier unrealisierbare Aufgabe darstellte. Zurück zur Betrachtung der Beweggründe des Berliner Unternehmens: Bei dieser ‘KaviarStrategie’ – damit ist Hochpreispolitik in Kombination mit hoher Produktqualität gemeint – ist es unerlässlich, neben der Etablierung ihrer eigenen Unternehmensmarke ebenfalls neue Standards durch die Entwicklung neuer Produkte zu setzen, die z. B. als die schlaueren Stadtmöbel zur Marke stilisiert werden (Kap. 2). Hier wird Produktdesign auf hohem Niveau zum strategischen Instrument der Produktpolitik. Genereller formuliert: Die Wall’sche Unternehmensphilosophie zeichnet sich ähnlich wie die der Ströer AG durch ein strategisches DesignManagement aus.920 Wie aber zuvor beschrieben, dient die funktionale und ästhetische Veredlung von Stadtmobiliar gleichzeitig für die Unternehmen als Wertschöpfungsprinzip, weil größere Investitionssummen in Stadtmobiliar Forderungen nach höheren Kompensationsleistungen legitimieren. Als Beispiel hierfür kann der erste Toilettenvertrag, bei dem eine nicht behindertengerechte Klokabine mit neun, eine behindertengerechte Klokabine mit elf Werbeflächen kompensiert wurde, herangezogen werden. 918 Süddeutsche Zeitung vom 11.01.05. 919 Handelsblatt vom 23.02.07. 920 Zum Begriff des Design-Managements siehe Brauer 2007.
280
Ein deutliches Kennzeichnen des Qualitätsanspruchs der Wall AG im Vergleich mit ihren Mitstreitern lässt sich auch hinsichtlich der Angebotspolitik an die Kommunikationskunden feststellen. So hat das Unternehmen in Berlin bisher weitestgehend darauf verzichtet, im Segment der großflächigen Außenwerbung aktiv zu werden.921 Denn dieses stellt in der Regel einen signifikanten Bruch mit dem Stadtbild, und damit mit der Wall’schen Prämisse der „stadtverträglichen Lösungen” dar, für die das Unternehmen eigens „Analysen des Stadtbildes und des Charakters einer Stadt” anbietet.922 Auch in den Verhandlungen um die Übernahme der DSM (Kap. 2) betonen Vertreter des Unternehmens, man sei allein an den hochwertigen Werbeflächen der DSM interessiert, was sich ebenfalls darin reflektiert, dass die Wall AG im Gegensatz etwa zur Ströer AG keine verwitterungsanfälligen Holzwände beklebt.923 Auch verweist diese Aussage auf einen weiteren zentralen Aspekt einer solchen Kaviar-Strategie unternehmerischer Angebotspolitik: den Fokus des Unternehmens auf hochwertige Standorte in der Stadt. Die Wall’sche Investitionsbereitschaft, gepaart mit dem ästhetischen Anspruch und die bewusste qualitative Hinwendung zu Orten mit den größten Aufmerksamkeitspotenzialen dienen letztlich auch dazu, ggf. eine Hochpreispolitik des Unternehmens gegenüber den Kommunikationskunden zu legitimieren und in den Verhandlungen mit den Kommunen die Höhe der Konzessionsabgaben zu drücken. Denn für besonders exklusives und hochwertiges Stadtmobiliar, das intensiv gewartet wird, müssten die Städte laut Wall bereit sein, im Gegenzug nicht die höchsten Konzessionsabgaben zu verlangen.924 Dieser Ansatz der „Premiumprodukte an Premiumstandorten“ wird 2003 mit dem Deutschen Preis für Wirtschaftskommunikation in der Kategorie „Beste Innovative Einzelmaßnahme“ gewürdigt.925 Die dreifache Relevanz von Lebenszyklusmodellen Neben der Politik der Premiumprodukte an Premiumstandorten prägen Lebenszyklusansätze die Angebotspolitik der Stadtraummedien-Unternehmen zunehmend. Lebenszyklusansätze haben im Rahmen von PPP-Modellen in den letzten Jahren jedoch nicht allein Bedeutung in der Angebotspolitik vieler Unternehmen, sondern in der Beschaffungspolitik vieler öffentlicher Auftraggeber erlangt. Dabei ist kritisiert worden, dass der Lebenszyklus in vielen Fällen ein Vertragszeitzyklus sei und die Zeit nach Ablauf von Bau- oder Dienstleistungskonzessionen in der Wirtschaftlichkeits- und Nachhaltigkeitsberechnungen nicht berücksichtigt werde.926 Aus Sicht der Wirtschaftsunternehmen tragen Lebenszyklusmodelle, erstens, der Verkürzung von Produktentwicklungszeiten, von Markt- und Technologiezyklen Rechnung. Mit ihrer Zuhilfenahme kann außerdem die Wahl des optimalen Zeitpunktes für den Einstieg in neue Märkte und neue Technologien bestimmt und somit die Dynamik von Branchen, Technologien oder Produkten analysiert und abgebildet werden.927 Produktlebenszyklen dienen daher für Einschätzungen hinsichtlich des Verlaufs von neuen Produkten am Markt (Produktinnova921 Interview C.9.d vom 13.12.06. 922 Siehe Relaunch des Internetauftritts der Wall AG. Rubrik Städtemarketing. URL: http://www.wall.de/de/street_ furniture/city_marketing (letzter Zugriff am 03.08.08). Nicht erläutert wird, was genau überhaupt mit letzterem gemeint ist und wie ein derart ambivalent erscheinendes Konzept wie der ‘Charakter einer Stadt’ bestimmt werden kann. 923 Die Welt vom 20.06.02. 924 FAZ vom 15.04.98. 925 Siehe Relaunch des Internetauftritts der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/press/news/deutscher_preis_fu er_wirtschaftskommunikation_ (letzter Zugriff am 04.08.08). 926 Rügemer 2008. 927 Höft 1992.
281
tion), der Anpassung von Produkten an sich ständig verändernde Marktverhältnisse (Produktvariation), der Ergänzung von Produktlinien (Produktdifferenzierung), der Aufnahme neuer Produktlinien (Produktdiversifizierung) sowie der Herausnahme von Produkten aus dem Markt (Produktelimination). In der Regel werden mindestens vier Phasen eines Produktlebenszyklus unterschieden: Entwicklung und Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung sowie Schrumpfung und Degeneration. Der Produktlebenszyklusansatz lässt sich beim Angebot der Wall AG beispielhaft an der Genese und Fortentwicklung der Bushaltestellentypologien darstellen. Aufgrund des gesteigerten interstädtischen Standortwettbewerbs weisen die Modelle, die noch während der 1990er Jahre entstanden, heute kaum mehr Marktpotenziale auf. Schaut man über die Grenzen Berlins und über das Thema der Haltestellen hinweg, so lassen sich Produktinnovationen – der Begriff meint sowohl produkt- als auch dienstleistungsbezogene Innovationen – vor allen Dingen anhand der jüngeren gegenwärtigen Experimente der Fahrradleihsysteme und der Dog-Dirt Disposals festmachen (Kap. 3). An Haltestellen kann auch die Produktvariation und -diversifizierung verdeutlicht werden, etwa bei der Serie Helios mit ihrem Standard und ihrem ClassicWartehallenmodell (Kap. 2). Außerdem versucht man, zeitlose Produkte wie die klassische Litfaßsäule durch technische Zusätze wie einen Beleuchtungskranz dem Marktgeschehen anzupassen.928 Produktvariation tritt aber auch dort auf, wo Stadtinformationsanlagen (SIA) nachträglich mit Wechseltechnik aufgerüstet werden. So wird dem Stadtmöbelstück ein neues Feature hinzugefügt, mit dem gleichzeitig die mediale Wertschöpfung eines einzelnen bereits bestehenden Standorts vervielfacht werden kann. Lebenszyklusmodelle sind, zweitens, aber nicht nur auf der Ebene einzelner Produkte oder Marken, also hinsichtlich der Genese, Weiterentwicklung oder Elimination eines einzelnen Stadtmöbelprodukts, hilfreich für betriebswirtschaftliche Prognosen, sondern es wurde im Kontext der Kurzlebigkeit kommunikationsstrategischer Instrumente bereits angesprochen, dass lebenszyklische Betrachtungen sich durchaus auch für Kommunikationsdienstleistungen und Medienprodukte anbieten, wenn auch hier die Standardkurve einen ganz anderen Verlauf aufzeigen würde. Kommunikations- und Medienprodukte stellen für die Medien- und Kommunikationsunternehmen selbst Dienstleistungen dar, mit denen sie Gewinn erwirtschaften. Wie an den Beispielen der Werbung und des Sponsoring veranschaulicht werden konnte, gehorcht die Logik dieser kommunikationsstrategischen Produkte dem Primat der Aufmerksamkeit. Denn mit steigender Beliebtheit graben sich derartige auf der Logistik von Information beruhende Produkte nach und nach eigens exklusive Aufmerksamkeitspotenziale im Stadtraum ab, sodass sie zur Konvention werden und deswegen irgendwann keine Gewinne im Sinne von Kommunikationskapital einbringen. Sie werden dann in der Regel von neuen Instrumenten, Strategien und Programmatiken flankiert, komplementiert oder ersetzt (Kap. 4). Lebenszyklusansätze sind, drittens, hinsichtlich des Konzessionsmanagements im Sinne eines Betreiber- oder Teilhabermodells von großer Relevanz für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen. Denn in der Regel kommen so genannte Design-Build-Finance-Operate-Modelle (DBFO), Design-Build-Own-Operate (DBOO) oder Design-Build-Own-Operate-TransferModelle (DBOOT) zum Einsatz. Diesen Wortungetümen ist gemein, dass die Firmen sich darauf spezialisiert haben, in die Entwicklung neuer Stadtmobiliar-Prototypen und ähnlicher Produkte zur Ausstattung baulicher Arrangements zu investieren, also privatwirtschaftliche Ressourcen schon im Vorfeld zur Verfügung zu stellen. In einem zweiten Schritt bringen sie 928 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/products?product_ link=http%3A//www.wall.de/de/street_furniture/products/patentierte_Litfaßsaeule%3Fcat_or_dl_name%3Dadverti sing_pillar%26ml_context%3Dcategory%26product_page_id%3D35119 (letzter Zugriff am 23.09.08).
282
das Produkt an den Markt und errichten es nach Konzessionserteilung im Stadtraum, wo sie es für die Dauer der Konzession ebenfalls betreiben. Der Unterschied zwischen den Modellen kann am Beispiel der Toilettenanlagen verdeutlicht werden: Wo sich die City-Toiletten in Containerform in der Regel im Besitz des Unternehmens befinden (DBOO), verbleiben die unterirdischen WC-Anlagen im Besitz der Städte, weil sich sonst Grundbesitzprobleme nach Ablauf der Konzession ergeben würden. Sie werden jedoch durch die Privatunternehmen finanziert, öffentliche Beteiligungen sind jedoch nicht ausgeschlossen (DBFO). Eine grundsätzliche Frage bei der ersten Variante ist, ob die Stadt oder Kommune nach Ablauf der Konzession ein Interesse daran hat, die zwischen 15 und 30 Jahre alten Modelle zu übernehmen. Im Hinblick auf deren Imagewirkung und auf die Möglichkeit der Installation des neuesten Status Quo als Folge erneuter Konzessionsausschreibungen ist davon auszugehen, dass die Transferfrage, also die Umwidmung des privaten Produkts in öffentliches Eigentum, hier lediglich von geringerer Relevanz ist. Der Transfer des Konzessionsgegenstandes erscheint also bei Konzessionsvergaben für relativ leicht austauschbares Stadtmobiliar und für Informationsträger geringere Bedeutung zu haben als bei Baukonzessionen für Autobahnen oder Schulgebäude. 929 Aus der Perspektive der öffentlichen Beschaffungspolitik wird Lebenszyklusmodellen vor allen Dingen zu Gute gehalten, dass neben Produkten ebenfalls so genannte lebenszyklusbegleitende Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur und Pflege angeboten werden. Gerade aufgrund der hohen Vandalismusschäden bietet das Modell im Bereich der Stadtmöblierung auch den Vorteil, dass die Privatwirtschaft sich dazu verpflichtet, derartige Schäden kurzfristig zu beheben oder beschädigte Teile auszutauschen, sodass die ästhetische Wirkung und die Funktionsfähigkeit nicht dauerhaft beeinträchtigt bleibt.930 Für die Kommunen bedeutet jedoch nicht nur die Beseitigung von Vandalismusschäden einen immensen Aufwand, sondern man möchte sich in Zeiten knapper kommunaler Kassen der Pflege und Unterhaltung öffentlicher Freiräume entledigen, da diese – scheinbar – nur die Ausgabenseite belastet, nicht aber die Seite der Einnahmen verbessert. Der Lebenszyklusansatz begünstigt in diesem Kontext nicht allein eine (Teil)Privatisierung der Beschaffung notwendiger Produkte zur Ausstattung baulicher Arrangements zentraler öffentlicher Räume, sondern die (Teil)Privatisierung der Aufgaben der langjährigen Unterhaltung derselben. Bereits zuvor wurde auf den massiven Stellenabbau bei den bezirklichen Grünflächen-, Straßen- und Tiefbauämtern verwiesen (Kap. 1), der die Kehrseite dieser veränderten öffentlichen Beschaffungspolitik für Produkte und Dienstleistungen darstellt. Am Beispiel der Bushaltestellen (Kap. 3) hat in Berlin schon während der frühen 1980er Jahre die Übernahme von derlei Modellen in die Vergabepraxis und damit die Teilprivatisierung ehemals öffentlicher Produkte und Leistungen stattgefunden. Auch die Konzessionsvergabe hinsichtlich der öffentlichen Bedürfnisanstalten in Berlin zeugen von der weiteren Herausbildung dieser Tendenz (Kap. 3) Welche Variante genau bei anderen Kompensationsgeschäften zum Tragen kommt, kann mit Gewissheit meist nur mit dem Blick auf die jeweiligen Vertragskonstruktionen der Konzessionen geklärt werden. Lebenszyklusansätze werden oft als Grundmerkmal zur bauwirtschaftlichen Definition von Public Private Partnership herangezogen.931 Aus der Perspektive der Politikwissenschaft können sie hingegen als Privatisierungsmechanismus per se verstanden werden, denn infolge eines derartigen Konzessionsmanagements werden ehemals unter öffentlicher Regie ausgeführ929 Rügemer 2008. 930 Im ersten Halbjahr 2003 wurden etwa Schäden im Wert von 114.000 Euro an Wartehallen und im Wert von 100.000 Euro an Toilettenanlagen in Berlin durch die Wall AG behoben (Die Welt vom 07.07.03). 931 Siehe Internetauftritt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur PPP-Task Force. URL: http://www.bmvbs.de/Bauwesen/Public-Private-Partnership-PPP-,1521.1044725/Public-Private-PartnershipsPP.htm (letzter Zugriff am 23.09.08).
283
te Dienstleistungen nun vorrangig privatwirtschaftlich erbracht. Viele der PPP-Vorhaben sind von Steuern befreit oder anderweitig staatlich subventioniert, sodass sie die Sachzwanglogik der kommunalen Krise einmal mehr langfristig verstärkten, als sie ihrer Zielsetzung gemäß zu lindern.932 Es bleibt zunächst dahingestellt, ob die öffentliche Hand nach Ablauf einer Konzessionsdauer von zehn bis 30 Jahren gekürzte Stellen erneut schaffen wird. Für die Gegenthese, alles werde privatisiert, was einer endgültigen Aushöhlung des Staates und schließlich seiner Auflösung gleich komme, können jedoch mit dem Verweis auf historische Verläufe derzeit ebenso wenig Indizien gefunden werden. Denn schließlich wäre eine erneute Überführung mittlerweile privatwirtschaftlich realisierter Aktivitäten in öffentliche Regie nicht die erste im Bereich der Stadtraummedien und des Stadtmobiliars, die die Stadtentwicklungsgeschichte Berlins seit den Zeiten von Litfaß geprägt hätte. Damit ist im regulationstheoretischen Sinn angedeutet, dass sich die gegenwärtigen Transformationen durch gestaltwirksame Koalitionen zwar in ihrem Anfangsstadium befinden, dass aber auch diese letztlich aufgrund der Instabilität des Kapitalismus nur von vorübergehender Dauer sein werden. Die Beantwortung der Frage, ob der Staat vorübergehend oder endgültig oder überhaupt ausgehöhlt wird, kann im Rahmen dieser Studie nicht geklärt werden. Wohl aber kann der gegenwärtige Stand der Entwicklungen als solcher evaluiert werden, wobei davon ausgegangen werden darf, dass es am Ende Grauzonen und Ambivalenzen sind, die die Bewertung prägen werden. (Kap. 6) Die Mär vom eindeutigen Risiko-Transfer Ein weiteres grundlegendes Merkmal derartiger Konzessionsverträge ist das von der öffentlichen auf die privatwirtschaftliche Institution verlagerte Nutzerausfallrisiko. In der Regel soll dies dadurch gemindert werden, dass die Konzessionäre Benutzungsentgelte (z. B. Autobahnmaut oder Toilettenentgelt) einfordern dürfen, damit das Risiko des Nutzenausfalls (z. B. leere Autobahnen oder unbenutzte öffentliche Toiletten bei laufender Unterhaltung) langfristig aufgefangen wird. Wie in jüngeren Publikationen eindrucksvoll veranschaulicht wurde, werden nutzerbasierte Modelle somit zu handelbaren Finanzprodukten, da – etwa beim Schulgebäudebau – zukünftig zu erwartende Mieten durch die öffentliche Hand vom privaten Konzessionär an Banken oder Finanzinstitute verkauft werden.933 So dienen nutzerbasierte Modelle den Privatunternehmen zur schnellen, unkomplizierten Wertschöpfung ad hoc im Rahmen von Forfaitierungen. Das Resultat aber ist nicht ein Einbringen von Privatkapital als Ressource, sondern allein eine Quasi-Kreditaufnahme durch die per se schon finanziell angeschlagenen öffentlichen Partner.934 Weitere Erleichterungen zur Abmilderung der privaten Risikoübernahme können jedoch auch in anderer Form, etwa im Ausklammern formaler bürokratischer Wege, gewährt werden. Dies ist in der Stadtmöblierungspraxis Gang und Gäbe, so wurde die Wall AG im Rahmen der Toilettenausschreibung etwa davon befreit, Sondernutzungserlaubnisse für das Aufstellen von Klokabinen für jeden Einzelfall einzuholen (Kap. 3). Um aber die Bedeutung und die Ambivalenz des Risiko-Transfers bei derartigen Kompensationsgeschäften verstehen zu können, muss eindringlich auf die Rolle von Risiko als einem der Grundbausteine ökonomischen Handelns hingewiesen werden. Aus Sicht der Unternehmerperspektive erscheint die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Risikoüber932 Rügemer 2008. 933 Ibid. 934 Inwieweit derartige Praktiken bei den Konzessionsvergaben der Stadtmöblierung zur Anwendung kommen, verbleibt Gegenstand weiterer Studien.
284
nahme bei aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften äußerst aufschlussreich, da Risikotransfer nicht allein innerhalb eines Marktes, sondern innerhalb der neu entstehenden Sphäre der hier verschmolzenen Märkte realisiert werden kann. Was sich zunächst abstrakt anhört, wird konkreter, wenn man sich etwa den Risikotransfer bei aufmerksamkeitsökonomischen Toilettengeschäften vor Augen führt: Würde allein eine Design-Build-Operate und Finance-Konzession für öffentliche Toiletten ausgeschrieben, so könnte der Konzessionär sein ökonomisches Risiko über die Eintrittspreise abzumildern versuchen. Bei werbefinanzierten Kompensationsgeschäften aber muss er dies gar nicht, da sein ökonomisches Risiko durch die Vermarktung der ihm zur Verfügung gestellten Informationsträgerstandorte auf öffentlichem Grund aufgefangen wird. Das wirtschaftliche Risiko von Stadtmöblierern wäre also wesentlich größer, wenn sie auf Refinanzierung über die Vermarktung von Medienprodukten verzichten würden. Im Umkehrschluss muss die Frage gestellt werden, ob für die Unternehmen bei aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften überhaupt ein nennenswertes ökonomisches Risiko entstünde, wenn Bedürfnisanstalten oder E-Terminals ungenutzt blieben? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Erkenntnis, dass der Erfolgsfaktor des aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsmodells gerade in der Verschiebung des wirtschaftlichen Risikos zwischen den verschränkten Märkten liegt. Das bedeutet, dass die Firmen zwar bei der Teilprivatisierung vormals öffentlich bereitgestellter Produkte und Dienstleistungen Risiken auf sich nehmen, diese jedoch an ganz anderer Stelle, auf einem ganz anderen Markt abfedern können, nämlich durch die Vermarktung von Premiuminformationsflächen an Premiumstandorten. Folgt man dieser Wirtschaftslogik derartiger Geschäfte für Stadtmöblierung, so erscheint es bis auf wenige Ausnahmen – wie etwa die an Haltestellen wartenden ÖPNVTeilnehmer – vollkommen belanglos, wenn nicht gar trivial, ob Stadtmöbelstücke durch diverse Öffentlichkeiten aktiv benutzt werden, oder ob letztere allein passiv an ihnen (und ihren Informationsträgern auf den Außenfassaden) vorbeiflanieren. Es erscheint nur dann nicht belanglos, wenn Informationsflächen direkt auf dem Stadtmöbelstück angebracht sind (Bushaltestellen, WC-Anlagen) oder wenn über die Nutzung des Stadtmöbelstücks ein funktionierender interaktiver Kontakt zum hybriden Konsumenten hergestellt werden kann (E-Terminals).935 Es geht also nicht darum, ein potenzielles Ausfallrisiko bei der Nutzung öffentlich zugänglicher Toiletten kalkulieren zu müssen, sondern darum, ein mögliches Ausfallrisiko bei den Aufmerksamkeitspotenzialen der Informationsrezipienten im Stadtraum einzuschätzen. Dies aber ist allein dann gegeben, wenn öffentliche Räume ihre gesellschaftliche Zentralität verlieren, konkret, wenn Straßen und Plätze im Herzen Berlins nicht mehr oder schlichtweg weniger frequentiert werden. So lange sich aber eine Fortsetzung des Trends einer breiten gesellschaftlichen Hinwendung zu öffentlichen Straßen und Plätzen abzeichnet, dürfte das Nutzerausfallrisiko für die Unternehmen äußerst gering bleiben.936 Einen einschränkenden Faktor stellt jedoch die zunehmende Sättigung zentraler öffentlicher Räume mit Informationen und kommunikationsstrategischen Maßnahmen und Zugängen zu virtuellen Welten dar. Alles, was die Ressource Aufmerksamkeit verknappt, kann das wirtschaftliche Risiko derartiger Kompensationsgeschäfte demnach vergrößern. Daher pochen viele der Unternehmen auf Exklusivklauseln für bestimmte Bereiche und Informationsträgerformate, um Konkurrenz im Vorfeld ausschließen zu können, so geschehen bei der Ausschrei935 Es erscheint nur dann nicht belanglos, wenn Werbeflächen direkt auf dem Stadtmöbelstück angebracht sind (Bushaltestellen, WC-Anlagen) oder wenn über die Nutzung des Stadtmöbelstücks ein funktionierender interaktiver Kontakt zum hybriden Konsumenten hergestellt werden kann (E-Terminals). 936 Das unternehmerische Gewinnausfallrisiko hinsichtlich der Werbeeinnahmen ist aufgrund der Konjunkturanfälligkeit der Branche gegeben, wenngleich die Out-of-Home Branche als stabiler im Vergleich zu anderen Werbebereichen gilt und mit Oligopol- und Monopolstellungen Gewinnausfallrisiken weitestgehen minimiert werden können.
285
bung öffentlicher Bedürfnisanstalten in Berlin (Kap. 3). Folglich muss die Konkurrenz entweder neue Wege finden, um Zugriff auf die Aufmerksamkeitspotenziale zentraler öffentlicher Räume zu erhalten, wie etwa die Ströer AG mit dem durch 50 Megaflags kompensierten Sponsoring zur Restaurierung des Strandbades Wannsee (Kap. 3). Die wirtschaftlichen Konkurrenten können sich desweiteren an private Grundeigentümer wenden, deren Parzellen in Bereichen mit hohen Aufmerksamkeitspotenzialen liegen. Hier jedoch ist der Nachteil gegeben, dass diese in der Regel nicht über stadtweite und untereinander verbundene Flächenpools verfügen, wie die öffentliche Hand mit dem System öffentlich gewidmeter Platz- und Straßenräume. Resümierend kann festgehalten werden, dass diese Stadträume, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Zentralität als zentrale öffentliche Räume verstanden werden und allein deswegen vermarktbare Aufmerksamkeitspotenziale aufweisen, mit zunehmender medialer Aufrüstung in aufmerksamkeitsökonomisch uninteressante Orte verwandelt werden können. Sie sind trotz des Vorhandenseins aufmerksamkeitsspendender Zielgruppen nicht mehr derart wirtschaftlich interessant wie zuvor, weil der Anspruch des exklusiven Zugriffs auf ihre Aufmerksamkeitspotenziale nicht mehr gewährleistet ist. Das ökonomische Risiko bei Stadtmobiliar-Konzessionen muss als Wirtschaftsrisiko von Medien, speziell von Stadtraummedien verstanden werden muss. Für Stadtverwaltungen bedeutet diese Erkenntnis, dass sie sich, um adäquate Verhandlungen führen zu können, explizit mit der medienökonomischen Bedeutung zentraler öffentlicher Räume in einem Verständnis derselben als soziales Konstrukt auseinandersetzen müssen. Es erscheint der Logik dieser Erkenntnis folgend und mit dem Blick auf die exorbitanten Umsatzsteigerungen der Unternehmen trivial, überhaupt Eintrittsgelder für privat bereitgestellte Bedürfnisanstalten zu erheben. Die Intention, die hinter einer derartigen Füllung der Portokassen der postfordistischen Annonciers und hinter der Zustimmung ihrer öffentlichen Koalitionspartner liegt,937 scheint im Bereich der selektiven Eingrenzung erwünschter und der willkürlichen Ausgrenzung unerwünschter Nutzergruppen zu liegen, die sich übrigens nur bedingt durch derartige Zugangsschranken verdrängen lassen. Im Rahmen der Euroerhöhung wurde der Eintritt um das Doppelte erhöht (Kap. 3). Es ist letztendlich Ergebnis einer politischen Verhandlung, wie viel den Toilettenbesuchern in zentralen öffentlichen Räumen zugemutet wird. Dies scheint im Berlin im Jahr 2008 mehr zu sein, als im Boston desselben Jahres.938 Das wirtschaftliche Risiko der Unternehmen der Stadtraummedien wird jedoch auf der Seite der Informationsträgervermarktung nicht allein durch den exklusiven Zugriff auf Aufmerksamkeitspotenziale, also von der Präsenz mobiler Rezipienten im Stadtraum bestimmt, sondern ebenfalls von der Art der inhaltlichen Auslastung der Informationsträgernetze, die an die erfolgreiche Akquise von Kommunikationskunden gebunden ist. Den Unternehmen der Stadtraummedien kommt hier im Gegensatz zu anderen Mediensparten zugute, dass sie im Vergleich weniger abhängig von der konjunkturellen Dynamik sind und bei vergleichsweise niedrigen Preisen eine verhältnismäßig große Reichweite erzielen (Kap. 2). Oft werden von den Unternehmen jedoch Einnahmeausfälle aufgrund von zu geringer Auslastung angeführt, um etwa eine Verlängerung vertraglich festgelegter Zeiträume für Werbeflächen gegenüber den Kommunen durchsetzen zu können (Kap. 3). In der Regel fehlt den öffentlichen Akteuren jedoch das Wissen, das sie in die Lage versetzen würde, nachzuvollziehen, ob diese Ausfälle de facto statt gefunden haben und auf welcher Auslastungsannahme sie beruhen. Schließlich kann eine unrealistische Auslastungsannahme im Vorfeld eine fehlende Auslastung überhaupt erst generieren, nämlich genau dann, wenn die kommunizierte Auslastungsannahme von der real zu erwartenden Auslastungsprognose abweicht. So können die Unternehmen mögliche wirtschaft937 Interview D.3.d vom 27.06.06. 938 Zum Vergleich: Der Eintritt in eine Wall-Toilette in Boston kostet lediglich 0,25 Dollar, also weniger als 20 Cent.
286
liche Risiken des Vermarktungsgeschäftes minimieren. Größere Transparenz über die Bemessungsgrundlagen erscheint hier von Nöten, ebenso wie eine Professionalisierung des Handelns öffentlicher Akteure, die im bürokratischen Tagesgeschäft mit der vertraglichen und finanziellen Abwicklung von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften betraut sind. Was aber bedeutet Risikotransfer für den öffentlichen Koalitionspartner, vor allen Dingen, wenn man die ökonomische Betrachtung des Risikotransfers erweitert auf eine Perspektive, die auch das Risiko der Verantwortungsverlagerung einbezieht? Konzessionsverträge werden als einer der letzten Schritte vor der Vollprivatisierung öffentlicher Aufgaben wahrgenommen (Abb. 23), bei der für die Kommunen der mögliche Transfer ökonomischer Risiken auf die Marktakteure von Bedeutung ist. Gleichzeitig entsteht für die öffentliche Hand im Vergleich zu weniger radikalen Formen der Teilprivatisierung das erhöhte Risiko des Kontrollund des Know-how-Verlustes, denn bei Konzessionen handelt es sich in der Regel auch um den Verantwortungstransfer für die Erbringung ehemals hoheitlicher Leistungen. Mit Abschluss langjähriger Konzessionsverträge lassen sich öffentliche Akteure auf große Zeitfenster bis zur nächsten Verhandlungsrunde über Preise, Erwartungen und Tabus ein. Gleichzeitig sind sie aufgrund der langen Vertragslaufzeiten in abnehmendem Maße in der Lage, genau diese realistisch einschätzen zu können, da ihnen mit zunehmendem Abstand vom Kerngeschäft Grundlagenwissen über Materialien, flexible Produktionsweisen, die Rationalisierung von anspruchsvollem Design, sowie über Vermarktungspotenziale von Informationsflächen, sozialwissenschaftlich fundierte Standortbewertungen und schließlich auch strategische Kontakte zu Kommunikationskunden abhanden kommen. Ganz zu schweigen von entstehenden Wissensdefiziten hinsichtlich jüngerer Erkenntnisse über die kommunikationsstrategischen Potenziale zentraler öffentlicher Räume in der postfordistischen Aufmerksamkeitsökonomie. Die genannten Argumente sind nur einige der wichtigsten, um zu begründen, dass mit dem Transfer ökonomischer Risiken von den öffentlichen auf die privatwirtschaftlichen Institutionen im Fall der aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäfte gerade bei langjährigen Vertragszeiträumen ein struktureller Steuerverlust für die öffentliche Hand einhergeht. In einem zumindest in Deutschland derzeit prosperierenden Außenwerbemarkt, dem auch in den Folgejahren noch gute Wachstumschancen zugeschrieben werden, können sich darüber hinaus konjunkturabhängige Renditeerwartungen nicht für zehn bis 25 Jahre abschätzen lassen, so dass prinzipiell jährlich oder in Abständen von wenigen Jahren vereinbarte Preise und Kompensationsleistungen nachjustiert oder neu verhandelt werden müssten. Hinsichtlich des Risikotransfers herrscht also innerhalb der Koalition eine Disbalance vor, die auf Wissens- und damit Informationsasymmetrien zurückzuführen ist. Weitere Merkmale von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften, die ebenfalls als Bestrebungen gelten können, wirtschaftliche Risiken sowohl für öffentliche als auch für privatwirtschaftliche Akteure abzufedern, sind Paketangebote, die auf Mischkalkulationen beruhen. Paketangebote versus Filetstückstrategien – Mischkalkulationen „Natürlich ist es irgendwann immer leichter, sie machen ein Paket draus, das ist wie mit Grundstücksverkäufen: Wenn sie die Filetstücke verkauft haben, dann bleibt der Rest über. Und den Rest werden sie eigentlich in der Regel nie los, also .. machen sie einen Paketverkauf. Da pack ich noch zwei, drei gute Sachen rein, und die zehn schlechten Sachen, die muss man im Paket mit verkaufen. Das muss er mitnehmen. (...) Dann stellt sich (...) die Frage, warum man das nicht .. dauerhaft regelt. Also, nicht nur für ein Jahr, sondern .. für mehrere Jahre (...). Es werden ja mittlerweile schon Sondernutzungsgenehmigungen für mehrere Jahre (…) erteilt, (...), um nicht jedes Jahr wieder den Aufwand zu haben. Warum nicht?“ (Auszug aus Interview B.14.d vom 4. Juli 2007)
287
Speziell die postfordistischen Annonciers haben es zu verstehen gewusst, attraktive Pakete für Städte zu schnüren. Die erste Generation dieser Pakete bestand darin, ganze Stadtgebiete mit ein und demselben Möbelstück auszustatten. So wurden etwa Haltepunkte von Bussen und Straßenbahnen per einheitlichem Mobiliar erkennbar zu einem stadtweiten System zusammengefügt, auch wenn in einigen Fällen mehr als nur ein Wartehallenprodukt zur Verwendung kam. Auch das spätere Angebot Hans Walls an Berlin, alle Brunnen in der Stadt als aufmerksamkeitsökonomisches Kompensationsgeschäft sanieren und betreiben zu wollen, stellt ein Paketangebot dar. Aufgrund der bezirklichen Zuständigkeiten für Brunnen wird diese Idee schließlich in kleinere, bezirksbezogene Paketvergaben umgemünzt. Dies führt dazu, dass die erste Avance, ein weiteres landesbezogenes Kompensationsmonopol für Brunnen zu etablieren, einem bezirksbezogenen Oligopol weichen muss. Denn schließlich sind es die beiden deutschen Firmen Ströer AG und Wall AG, die mit verschiedenen Bezirken Verträge über aufmerksamkeitsökonomische Kompensationsgeschäfte abschließen (Kap. 3), und zwar als Paketangebot, das in der Regel einen Großteil der bezirklichen Brunnenanlagen umfasst. Die Paket-Logik wird also von den Städten begrüßt, weil im Paket weniger interessante Gegenstände und entsprechende lebenszyklusbezogene Dienstleistungen ausgelagert und damit öffentliche Beschaffungsvorgänge vereinfacht und ausbalanciert werden können. Merkmal dieser Pakete ist auch, dass sie sowohl kommunikationsstrategisch wertvolle Standorte mit potenziell großen als auch weniger wertvolle mit weniger großen Aufmerksamkeitspotenzialen beinhalten. Weil dies so ist, findet sich das Prinzip des Paketangebots auch auf der Anbieterseite der Unternehmen an die Kommunikationskunden wieder. Die Informationslogistiker im Stadtraum fassen die ihnen genehmigten Werbeflächenstandorte zu vermarktbaren Netzen zusammen und vereinfachen so privatwirtschaftliche Beschaffungsvorgänge für die Bespielung der Medien im Stadtraum durch eine gezielte Steuerung der Angebotspolitik an die Kommunikationskunden. Dies geschieht dadurch, dass der exklusive Zugriff auf beliebte Informationsträgerstandorte im Stadtraum für ein Gros der Werbekunden mit dem Argument versagt wird, dass Aufmerksamkeitspotenziale über eine systematische, netzweise Streuung von Informationen über das ganze Stadtgebiet sinnvoller ausgeschöpft werden. Also werden die Kunden davon überzeugt, dass ihre Informationen über das Buchen eines stadtweiten Informationsträgernetzes im Stadtraum am effektivsten vermittelt werden, was einer relativ behutsamen medialen Bespielung öffentlicher Räume in der Stadt über zentrale öffentliche Räume hinaus entspricht.939 Jüngst zeichnet sich jedoch ein vollkommen konträrer Trend in der Angebotspolitik der Informationslogistiker ab, denn einige Premiumstandorte werden nun gezielt von der Netzvermarktung abgekoppelt und mit dem gegenläufigen Argument vermarktet, man könne durch die Monopolisierung jeglicher Information an einem Ort, etwa über das Branding eines U-Bahnhofs, eines Stadtplatzes oder eines Sportstadions wesentlich größere Aufmerksamkeitspotenziale absorbieren (Kap. 3 und 4). Dieser Trend der exklusiven Vermarktung kompletter zusammenhängender Premiumbereiche kommt einer radikalen medialen Avance gleich. Betrachtet man diese beiden schier gegenläufigen Trends aus der wirtschaftlichen Perspektive des Unternehmens hinsichtlich der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie, so ist jedoch nicht das entweder- oder entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg, sondern die Kombination eines ausbalancierten Basisangebots zur wirtschaftlichen Grundabsicherung mit der an höchstmöglicher Rendite orientierten Vermarktung von Premiumkampagnen. Mit einer derartigen auf Premiumprodukten beruhenden Angebotspolitik wird zwar ad hoc ein größeres Ausfallrisiko in Kauf genommen, dafür sind jedoch die zu erwartenden Renditen aus StationBranding-Aktivitäten wesentlich höher als die der Netzvermarktung. Oftmals werden beide – 939 Tagesspiegel vom 05.03.02. Interview C.9.d vom 13.12.06.
288
die Balance sowie das Extrem – miteinander kombiniert, so dass ein Unternehmen, welches Station-Branding am Alexanderplatz mit dem Ziel der Gewinnung größtmöglicher Aufmerksamkeitspotenziale betreibt, ebenfalls ein stadtweites CLP-Netz dazu buchen kann, um Erinnerungswerte zu generieren. Die Gleichzeitigkeit und die Möglichkeiten der flexiblen Kombination schließlich begründen als zwei von mehreren Aspekten die Prosperität des Geschäftsmodells, die sich in den jährlich steigenden Konzernumsätzen widerspiegelt.940 Mit derlei Mischkalkulationen werden vielfältige Ansprüche befriedigt und unterschiedliche Wirtschaftspotenziale ausgeschöpft. Immer aber geht es um eine nuancierte Orchestrierung der Informationsdarbietung in öffentlichen Räumen, eine Leistung, die die logistische Aufgabe der Unternehmen der Stadtraummedien darstellt. Im Falle des Handelns der Wall AG kann von derzeit etwa 4000 Stadtmöbelstücken und einer entsprechenden Zahl an Informationsträgerstandorten in Berlin ausgegangen werden, die zu großen Teilen über Paketangebote akquiriert worden sind.941 Aggressive Angebotspolitik. Reine Nebenwirkung attraktiver Angebotspolitik? Mit der bereits angerissen Notwendigkeit attraktiver Angebotspolitik in hart umkämpften oligopolistisch geprägten Märkten ergibt sich für die Unternehmen ein weiteres Dilemma: Denn sie selbst vermarkten nicht allein Aufmerksamkeit, sie müssen als Medienmarken gleichsam Aufmerksamkeit erregen, um in einem zunehmend von globalen Konzentrationstendenzen geprägten Geschäft dauerhaft überleben zu können. (Kap. 4) Daher werden alle schier erdenklichen Kommunikationskanäle und kommunikationspolitischen Strategien eingesetzt, um sich die Aufmerksamkeit auf den beiden Beschaffungsmärkten – bei den Kommunen sowie bei den Kommunikationskunden – zu sichern. Welche Ausmaße ein solches Vorgehen annehmen kann, veranschaulicht folgendes Zitat: „‘So etwas habe ich in meiner langjährigen Praxis noch nicht erlebt.’ (...) Er sei in den vergangenen Wochen unter anderem von ‚einem früheren Bundestagsabgeordneten, einem Berliner Senator sowie einem Marketingprofessor aus Augsburg angerufen worden, die sich für Wall eingesetzt hätten. Zudem habe die Wall AG einen Großteil der Ratsmitglieder angeschrieben, und für ihr Angebot geworben.“ (Schmalstieg (SPD), Oberbürgermeister von Hannover über das hartnäckige Werben der Wall AG hinsichtlich der anstehenden Hannoveraner Toilettenausschreibung, FAZ vom 07.Dezember 1999).
In Hannover war es um die Ausschreibung von 45 öffentlichen Toiletten im Vorfeld der EXPO 2000 gegangen. Das aggressive Werben des Berliner Unternehmers ist vor dem Hintergrund zu deuten, dass die Stadt Hannover ebenfalls Anteilseigner an der DSR gewesen war, die ebenfalls als Bieter im Ausschreibungsverfahren auftrat. Hier ging es also um einen weiteren Präzedenzfall im deutschen Stadtmöblierungswettbewerb, um auf die Existenz bestehender halböffentlicher Quasi-Monopole und auf die ambivalenten Verflechtungen hinzuweisen, in die die Städte als Auftraggeber sowie als Auftragnehmer verstrickt waren. Es ging aus Sicht der Wirtschaft auch wettbewerbsrechtlich darum, diese Praxis öffentlich in Frage zu stellen. Die Angebotspolitik der Außenwerbebranche ist auch an anderer Stelle und bezüglich anderer Firmen als ‘aggressiv’ und als klassisches Merkmal der Branche bezeichnet worden (Kap. 3). Das erklärt sich durch die Bieterselektion, denn es treten jeweils nur maximal drei bis fünf Bieter auf, die sich nahezu in allen Fällen – zumindest in Deutschland – wiederholen: Die Ströer AG, die Wall AG und JCDecaux. Denn oftmals sind nur sie es, die die Ressourcen 940 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL. http://www.wall.de/de/company/facts (letzter Zugriff am 23.09.08). 941 Die Welt am Sonntag vom 15.06.03.
289
haben, bei stadtweiten Ausschreibungen der Groß- und Mittelstädte mitzuwirken, und oftmals sind nur sie es, die sich den Kuchen der Stadtmöblierung zu teilen haben. Wenn also einer von ihnen gewinnt, bedeutet das einen Schritt in Richtung Marktführerschaft, und diese ist ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Wahl der Anbieter durch die Kommunikationskunden. Aus diesem Grund verklagt die Wall AG im Jahr 2005 die Ströer AG, weil diese eine irreführende Alleinstellungsbehauptung, sie sei die bundesweite Nummer eins in allen Außenwerbesegmenten, geführt hatte (Streitwert 150.000 Euro).942 Speziell die Wall AG und JCDecaux treten verstärkt für eine Öffnung des (zwar mittlerweile privatisierten) Quasi-Monopols in Westdeutschland ein, weil der Konkurrent Ströer mit der Übernahmen der DSM auf langjährig etablierte personelle Kontakte zwischen den Konzessionsgebern und den Konzessionären, auf ihre Erfahrungswerte und Bindungen zurückgreifen kann. Die bisweilen mit Begriffen wie ‘Raubrittermanieren’ beschriebene aggressive Stimmung unter den Bietern der Branche greift bisweilen daher auch in Form der kommunikationspolitischen Avancen auf die Kommunen über,943 die speziell durch Lobbying und die (legalen) Möglichkeiten der persönlichen Einflussnahme im politischen Bereich geprägt sind. Ist also die bisweilen als aggressiv bezeichnete Angebotspolitik der Unternehmen der Stadtraummedien lediglich eine Nebenwirkung einer ansonsten attraktiven Angebotspolitik? Mitnichten. Im Kampf um Medienstandorte in öffentlichen Räumen arbeiten die postfordistischen ähnlich wie die Annonciers zu Zeiten vor und während des Fordismus systematisch mit Grenzüberschreitungen, etwa in Form nicht legitimierter medialer Vorstöße auf öffentlich gewidmete Grünflächen (Kap. 3). Schließlich lebt ihr medialer Explorationsdrang vom ständigen Überschreiten gesellschaftlicher Tabus, vom ständigen Aufweichen der Grenze einer vormals rigiden Regulierungspraxis gegenüber der Außenwerbung. So werden minimale Ausnahmen geschaffen und später konventionalisiert. Letzteres geschah im Rahmen der Deregulierung des Berliner Straßengesetzes und der Bauordnung (Kap. 3). Die bisweilen aggressive Tonalität der facettenreichen Angebotspolitik der Unternehmen sowie ihre nicht minder aggressiven Avancen, Werbung und Stadtraummedien in gesellschaftlichen Tabubereichen zu platzieren, ist Teil der unternehmerischen Explorationsstrategie in zentralen öffentlichen Räumen, und demnach keineswegs allein eine Begleiterscheinung, die auf den harten Bedingungen eines sich globalisierenden Marktsegments beruht. Davon zeugt auch die Vielzahl an Gerichtsstreitigkeiten, in die Unternehmen Konkurrenz, Kommunen oder Kritiker verwickeln.944 Nachdem nun die Natur von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften hinsichtlich ihrer charakteristischen Aspekte als strategisches Handlungsmuster betrachtet wurde, werden nachfolgend die Merkmale zentraler öffentlicher Räume als strategische Handlungsressource veranschaulicht. Es ging also rückblickend, erstens, um das bei den baulichgestalterischen sowie bei den kommunikationsstrategischen Interventionen angewendete Prinzip der Kompensationsgeschäfte als strategisches Handlungsmuster. Zweitens wird nunmehr der Blick auf die Veränderungen des Raumbezugs dieser Geschäfte mittels einer Politik, die die Standortverhandlungen mit Bezirks- oder mit Stadtgebietsbezug zum Gegenstand hat, gelenkt. Diese wird nachfolgend als Stadtraumpolitik bezeichnet, um sie von der allgemeineren Standortpolitik zu unterscheiden. Stadtraumpolitik meint das Aushandeln der Bereitstellung und Nutzung von zentralen öffentlichen Räumen als strategische Handlungsressource. 942 FAZ vom 08.11.05. Zum Urteil des Kölner Landgerichts vom 14.06.05. Siehe URL: http://www.kanzlei.biz/W erbung_mit_Spitzenstellung_II.452.0.html (letzter Zugriff am 12.09.08). 943 Frankfurter Rundschau vom 17.11.00. 944 Interview A.11.d vom 23.03.07. FAZ vom 29.03.07 und vom 08.11.05. Süddeutsche vom 23.11.06. Handelsblatt vom 03.06.03. Die Welt vom 29.12.02.
290
Zentrale öffentliche Räume als strategische Ressource – Stadtraumpolitik Viel ist bisher über die Branche der Stadtraummedien, über die ihr immanenten Merkmale, über kommunikationsstrategische, virtuelle und bauliche Interventionen in zentrale öffentliche Räume gesagt worden. Es erscheint jedoch an der Zeit, erneut einen scharfen Blick auf den Gegenstand des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen zu lenken: zentrale öffentliche Räume. Dies soll zunächst in einem Schritt erfolgen, der nachvollziehen will, welche Bedeutung öffentliche Räume genau als strategische Ressource in den beschriebenen Kompensationsgeschäften haben. Dabei kristallisierten sich im Verlauf der empirischen Erhebung drei Phasen von Kompensationsgeschäften heraus, die vom konkreten Ortsbezug von Stadtmöbelstück und Kompensationsgegenstand, dem Informationsträgerstandort, zu einer Situation führen, in der die Kompensation vom direkten Ortsbezug entgrenzt worden ist. Wie sich diese Entwicklung genau ausgeprägt hat, wird nachfolgend konkretisiert. Wie alles anfing: Kompensationen am gleichen Ort Zu Beginn der 1980er Jahre, als die West-Berliner Stadtentwicklungspolitik mit dem neuen Geschäftsmodell der Stadtmöblierung konfrontiert wurde, ging es tatsächlich um die Ausstattung der Straßen und Plätze mit Stadtmöbeln. Ein neues Privatisierungsmodell, das der werbefinanzierten Bereitstellung von Wartehallen und Klokabinen, hielt Einzug in die baulichen Prozesse der Stadtproduktion (Kap. 3). Da das Modell die öffentliche Hand von vielen Pflichten und Kosten befreite, bot sich auch in Bezug auf die Ausstattung des Stadtraums mit Bedürfnisanstalten an, es als Alternative im Reigen anderer Möglichkeiten der Teilprivatisierung der Bereitstellung öffentlicher Bedürfnisanstalten anzuführen. Schlagkräftiges Argument war hier die Behindertengerechtigkeit der Anlagen, mit der letztlich die Entscheidung für die werbefinanzierte Variante gerechtfertigt schien, zumal das Unternehmen mittlerweile in Berlin ansässig war und durch einen derartigen Großauftrag gleichsam Arbeitsplätze in der Stadt generiert würden. Hinsichtlich des ersten Toilettenvertrags war auch hier der Ortsbezug des Kompensationsgegenstands noch teilweise gegeben. Denn die City-Toiletten sollten vorrangig in Innenstadtlagen der jeweiligen Bezirke errichtet werden, und die Informationsträgerstandorte zur Kompensation waren teilweise direkt auf den Klocontainern, teilweise summarisch in den Innenstadtlagen des jeweiligen Bezirks zu kompensieren. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Ort der Kompensation jedoch das Stadtmöbelstück selbst gewesen. Wie es weiter ging: Abkopplungen vom Ortsbezug Es wird deutlich, dass sich eine Lösung des Kompensationsgegenstands vom Produkt, für das kompensiert wird, vollzieht und damit auch ein erstes Lösen des Kompensationsgeschäftes vom direkten Ortsbezug. Diese Tendenz wird noch deutlicher, wenn man sich das Verhandlungsergebnis des zweiten Toilettenvertrags anschaut: Hier wird für den privatwirtschaftlich realisierten Umbau und die langjährige Pflege und Unterhaltung von ortsgebundenen Anlagen nicht mehr das leicht in vorhandene Strukturen integrierbare CLP-Format für die Kompensation verwendet, sondern es wird mit der Wahl des CLB-Formats der grundlegende ortsbezogene Zusammenhang zwischen eigentlicher Leistung und Kompensationsgegenstand aufgelöst: Der Informationsträger ist nicht mehr baulicher Teil des zu liefernden Produkts, sondern hier 291
wird gezielt eine Politik hinsichtlich anderer Kompensationsstandorte in der Stadt anvisiert: Denn mit der Entscheidung für die Wall AG erhält diese im Gegenzug die Möglichkeit, eine entsprechende Anzahl an Billboards an den Ausfallstraßen der jeweiligen Bezirke zu errichten. Diese zunehmende Ablösung aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte von der zunächst ortsgebundenen Logik ist auch auf den Protest der Bezirke zurückzuführen, die ihre innerstädtischen Straßen und Plätze bereits mit Erfüllung des ersten Toilettenvertrags überfrachtet sehen. Nichtsdestotrotz wird weiterhin ein geringer Teil der notwendigen Standorte direkt am Produkt selbst oder am originären Ort der Leistung kompensiert. Es zeichnet sich jedoch bereits in dieser Phase ab 1998 die Tendenz zu einer veränderten Stadtraumpolitik ab. Hier geht es darum, innerstädtische Lagen, die für die Unternehmen der Stadtraummedien interessant sind, als strategische Ressource zu nutzen, mit deren Bereitstellung das privatwirtschaftliche Erbringen ehemals hoheitlicher Aufgaben kompensiert werden kann. Dies geschieht in dieser frühen Phase der Abkopplung zunächst im Affekt, um der Überfrachtung innerstädtischer Räume entgegenzuwirken, stellt gleichermaßen jedoch den ersten Schritt in Richtung einer ortsunabhängigen Kompensation dar. Damit aber wird das Geschäft um den öffentlich-rechtlich legitimierten Zugriff auf mögliche Standorte für Stadtraummedien überhaupt erst systematisch in Gang gebracht, da man sich zunehmend von der Sachzwanglogik, Außenwerbung sei ja verboten und deswegen dürfte man derartige Geschäfte nur einmal und als Ausnahme realisieren, entfernt. Denn jetzt müssen die Unternehmen nicht mehr zwangsläufig darauf achten, welche Produkte Städte für die Ausstattung baulicher Arrangements zentraler öffentlicher Räume brauchen, und wie Stadtraummedien harmonisch in diese Produkte integriert werden können. Jetzt wird danach gefragt, welche Bedürfnisse die Stadt Berlin generell befriedigt sehen möchte, oder aber welche neuen städtischen Bedürfnisse geweckt werden können, um weitere aufmerksamkeitsökonomische Kompensationsgeschäfte anzuregen. Mit dieser Fragestellung lässt sich auch die Fokusverlagerung von der Kommunikationspolitik der Anpreisung von Produkten mit lebenszyklusbezogenen Dienstleistungen zur Anpreisung von städtischen Services, die in manchen, nicht in allen Fällen auch mit der Entwicklung von Produkten verbunden sind, nachvollziehen. Charakteristisch für diese Phase ist, erstens, dass insbesondere die durch die Wall AG angebotenen Produkte und Leistungen auf Berlin, auf die Anforderungen, denen Stadtstaaten und Kommunen heute ausgesetzt sind, zugeschnitten sind. Ein zweites Merkmal ist, dass es zu systematischen Abkopplungen vom originären Ort des Produktes oder der Dienstleistung als Ort der Kompensation gekommen ist. Kompensationsgeschäfte haben sich also in der Berliner Stadtproduktion zunehmend etabliert, indem der Rechtfertigungsrahmen für die weitere mediale Erschließung des Stadtraums aufgeweitet worden ist. Damit aber beginnt die Logik werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte, sich emanzipatorisch zu verstetigen. Wie es ist: Entgrenzungen und Kompensationen allerorten Mit der Genehmigung der Megaflags für die Restaurierung des Strandbades Wannsee (Kap. 3) wird ab 2003/2004 gleich mit zwei der zentralen Merkmale der vorherigen Phase gebrochen, nämlich mit dem Prinzip der stadtbezogenen Produkte und Dienstleistungen und mit dem zumindest zuvor noch teilweise vorhandenen Ortsbezug der Informationsträger im Hinblick auf den Grund der Kompensation. Denn das Kölner Unternehmen erbringt hier keine bauliche Leistung, die mit der Restaurierung des Strandbades Wannsee zu tun hat, sondern offeriert eine kommunikationsstrategische Leistung in Form eines Denkmalsponsoring. Dieses wird vom Land Berlin als Beschaffungsvariante für fehlende monetäre Ressourcen gesehen, an die 292
jedoch seitens des Medienunternehmens ein Kompensationsgeschäft gekoppelt wird: Das Geld, das die Ströer Gruppe im Rahmen des Sponsorings zur Verfügung stellen möchte, soll erst auf Stadtgrund erwirtschaftet werden, und zwar durch das Aufstellen von 50 Informationsträgern an anderer Stelle, in zentralen öffentlichen Räumen Berlins. Erneut tritt hier – wie im Fall der Brunnenanlagen – eine Vermischung von Sponsoring mit aufmerksamkeitsökonomischen Kommunikationsgeschäften auf. Versteht man Sponsoring als vermarktlichtes Mäzenatentum, das auf kommunikativen Gegenleistungen beruht, so ist der Gegenstand, für den Kompensation in Form von Informationsträgerstandorten geschaffen werden muss, hier kein materielles baulich-räumliches Produkt und auch kein an den Bedürfnissen der Stadt orientierter City Service, sondern schlichtweg ein kommunikationsstrategisches Produkt, mit dem im Tausch gegen die Ressource der öffentlichen Hand, nämlich den öffentlich-rechtlich legitimierten Zugriff auf zentrale öffentliche Räume als Kommunikationsräume, gehandelt wird. Die Kompensationslogik hat sich nicht nur komplett entgrenzt, ihr Gegenstand ist darüber hinaus von einer materiellen in ein auf die immateriellen Qualitäten öffentlicher Räume bezogenes Sponsoring übergegangen. Damit sind drei grundlegende Phasen eines sich wandelnden Ortsbezugs des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen skizziert worden, die einen Wandel in der Stadtraumpolitik hinsichtlich des strategischen Einsatzes von Standorten in zentralen öffentlichen Räumen begründen. Die zunehmende Entbindung der Kompensationsgegenstände vom direkten Ortsbezug sowie die zunehmende Abkopplung der Leistungen, für die kompensiert werden soll, vom ursprünglichen Gegenstand, der Stadtmöblierung, der Stadtsanierung und der Stadterhaltung hin zu den Bereichen der Stadtkommunikation, gelten als Ursachen dafür, dass innerhalb von zwei Dekaden eine systematische Stadtraumpolitik um einzelne Kompensationsstandorte überhaupt erst etabliert werden konnte. Im nächsten Schritt wird der charakterisierende Blick, der zentrale öffentliche Räume als strategische Ressource gestaltwirksamer Koalitionen erfasst hat, auf die Merkmale einer veränderten Logik räumlichen Handelns oder, wenn man so will, einer neuen Verräumlichung des strategischen Handelns gelenkt werden. Mit dem Begriff der Standortpolitik ist jedoch nicht so sehr die klassisch auf den Staat bezogene wirtschaftsfreundliche Wachstumspolitik von Städten gemeint, sondern die strategischen Standortbezüge der Unternehmen der Stadtraummedien auf vielen räumlichen Ebenen in ihrer Summe. Diese erschließen sich dann, wenn man verschiedene Blickwinkel auf Mikro-, Meso- und Makroebene der Prozesse der Produktion zentraler öffentlicher Räume gleichzeitig einnimmt. Nachfolgend geht es also generell um die Implikationen, die das Erkennen zentraler öffentlicher Räume als strategische Ressource ausgelöst hat. Dabei werden bewusst Skalensprünge im Verständnis zentraler öffentlicher Räume als Räume gesellschaftlicher Zentralität zugelassen: Es geht genauso um die traditionelle Mikroebene eines Stadtplatzes wie um die neuere eines Flughafens oder eines Flughafenbusses. Es geht auf der Mesoebene um die gesamtstädtische Summe intraurbaner öffentlicher Räume sowie auf der Makroebene um eine aus marktwirtschaftlicher Sicht vorangetriebene Vernetzung interurbaner Systeme öffentlicher Räume zu einer überlokalen Handlungssphäre. Neue Zentralitäten und die komplexe Verräumlichung strategischen Handelns – Standortpolitik „Wenn wir das sooft zitierte Mantra ernst nehmen, dass sich das Lokale und das Globale ‘gegenseitig konstituieren’, dann sind lokale Orte nicht einfach ‘Opfer’ und nicht einmal nur die Produkte des Globalen. Im Gegenteil: Sie sind auch die Momente, durch die das Globale konstituiert wird, das heißt, es gibt nicht nur globale Konstruktionen des ‘Lokalen’, sondern auch lokale Konstruktionen des ‘Globalen’.“ (D. Massey 2006, 29)
293
Es wäre in Anbetracht eines zunehmend interurban ausgefochtenen städtischen Positionierungswettbewerbs und sich zunehmend globalisierender Märkte zu kurz gegriffen, die Betrachtung der Produktion zentraler öffentlicher Räume mit dem eindimensionalen Blick auf die Mikroebene eines Platzes oder einer Promenade bewenden zu lassen (Kap. 1). Gleichzeitig darf, und darauf weist die obige Sentenz hin, genau diese Perspektive nicht gänzlich aus den Augen verloren werden, sie ist jedoch ständig durch Betrachtungen auf übergeordneten räumlichen Ebenen zu ergänzen, um weder dem deterministischen Blick des Voluntarismus noch dem des Strukturalismus nachzugeben. Nachfolgend wird daher die zuvor beschriebene Stadtraumpolitik, die durch eine Veränderung der räumlichen Logik von einer Ortsbindung in Richtung einer ortsunabhängigen Realisierung von Kompensationsgeschäften bedingt ist, eingeordnet in die Prozesse der auf verschiedenen territorialen Ebenen stattfindenden Standortpolitik. Dabei soll die vielschichtige räumliche Perspektive des Marktes beleuchtet werden, da die einschlägigen Wirtschaftsunternehmen derzeit viel stärker als die kommunalen Institutionen auf diesen Ebenen agieren und schließlich, so wird sich zeigen, von einer strategischen Verbindung eben dieser Ebenen profitieren. In der gegenwärtigen Literatur wird davon gesprochen, dass Akteure die in der Lage sind, derartige Skalensprünge zu vollziehen, strategische Vorteile gegenüber denjenigen haben, die nur eine oder wenige territoriale Skalen als Bezugsrahmen haben.945 Überformungen traditioneller und die Ausprägung neuer öffentlicher Räume Im ersten Kapitel ist eine Übersicht über verschiedene Thesen hinsichtlich der Entwicklung öffentlicher Räume vorgestellt worden. An dieser Stelle erscheint es angebracht, von den genannten speziell die nach Sichtung des empirischen Materials als relevant erscheinenden in die Betrachtungen einzubeziehen. Es ist – wie bereits konstatiert – von einer Gleichzeitigkeit, Verschränkung und Überlagerung verschiedener Entwicklungsmuster, weniger aber von ihrer gegenseitigen Ausschließlichkeit oder gar von einer Gegenläufigkeit auszugehen. Hier wurden zunächst klassische öffentliche Räume, also belebte Straßen und Plätze, betrachtet. Schon bald musste der Denkrahmen mit Blick auf die Raumlogik der Wirtschaftsunternehmen hinterfragt und erweitert werden. Denn es sind eben nicht nur die traditionellen hochfrequentierten Boulevards und Plätze, die in den Fokus der medialen Erschließung durch den neu entstehenden Aufmerksamkeitsmarkt gerückt sind. Es sind nicht bestimmte bauliche Arrangements, sondern es ist vielmehr die gesellschaftliche Zentralität verschiedenster Stadträume, die diese zu Sphären der Expansion eines vorpreschenden Marktsegments machen. Folgt die forschende Perspektive also im Umkehrschluss der räumlichen Logik der Akteure der Aufmerksamkeitsökonomie, so stellt man fest, dass die Sphären ihres Interesses bedingt als Verweise für die gegenwärtige Ausprägung zentraler öffentlicher Räume gewertet werden können. Diese verändert sich entsprechend der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesse fortlaufend. Derzeit findet man diese in Shopping-Centern genauso wie in Bahnhöfen und Flughäfen. Man findet gesellschaftliche Zentralität in Supermärkten, an den für Volksfeste hergerichteten Orten ebenso wie in Schulen oder Krankenhäusern. Letztere sind jedoch bisher noch Sphären, an denen Medien- und Werbeunternehmen per staatlicher Regulierung weitestgehend daran gehindert werden, ihrem Explorationsdrang nachzueifern. Jedoch zeugen auch die Diskussionen um Werbung an Schulen und um die monatelang am Hochhaus der Berliner Charité angebrachte Fassadenwerbung davon, dass es auch Avancen seitens der postfordistisch agierenden Annon945 Swyngedouw 2005.
294
ciers gibt, in diese bisher weitestgehend unerschlossenen, besonders geschützten gesellschaftlichen Sphären vorzudringen. Denn gerade, weil sich diese Orte – gemäß der Prämisse des aufmerksamkeitsökonomischen Exklusivanspruchs – geradezu jungfräulich darbieten, sind sie von zentralem Interesse für die Pioniere unter den postfordistischen Annonciers. Gemäß der Belebungsthese findet man gesellschaftliche Zentralität immer noch, wieder oder neuerdings auf belebten städtischen Promenaden und Plätzen. Die ortsgebundenen baulichen Arrangements dieser unterschiedlichen Räume gesellschaftlicher Zentralität, die durch gestaltwirksame Koalitionen in ihrer Formensprache und Komposition verändert werden, sind gebaute Momentaufnahmen einer gegenwärtigen Verfasstheit gesellschaftlichen Wandels. Als solche haben sie keinesfalls an Bedeutung verloren, ganz im Gegenteil. Es kann – mit dem Blick auf den direkten Fokus der Aufmerksamkeitsökonomie auf zentrale Straßen und Plätze – vielmehr die These einer Überformung traditioneller öffentlicher Räume vertreten werden. Wenngleich jedoch viele dieser Räume massenmedial genutzt werden können, stehen sie nicht gleichermaßen zur interaktiven Ansprache und Kommunikation mit potenziellen Informationsrezipienten (postfordistische Verbraucher) zur Verfügung. Dies kann am Beispiel der Ausfallstraßen veranschaulicht werden: Diese bieten sich zwar als kommunikationsstrategisch inwertsetzbare Orte aufgrund der Tatsache an, dass die im Auto vorbeifahrenden Rezipienten massenmedial angesprochen werden, sie bieten jedoch aufgrund der beschleunigten Mobilität der Massen und der räumlichen Trennung zwischen verschiedenen Individuen in ihren PKWs und ihrem baulich-räumlichen sowie sozialen Umfeld, im Gegensatz etwa zu Stadtplätzen oder Wartesälen in Flughafenterminals geringere Möglichkeiten der interaktiven Verbraucheransprache sowie des kommunikationsstrategisch gestützten Beziehungsmarketings. Hier offenbart sich ein spezielles Merkmal der traditionell als öffentliche Räume bezeichneten Orte, insbesondere der Stadtplätze: Denn diese haben eine kommunikationsstrategische Doppelfunktion, weil sie als Massenmedium sowie als Möglichkeitsräume eines interaktiven und individuellen Beziehungsmarketings funktionieren können. Damit stehen sie dem Internet in nichts nach. Aufgrund der beginnenden Durchdringung klassischer öffentlicher Plätze mit digitaler Infrastruktur offeriert der konkrete Ort, der funktional an die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft angepasste Stadtraum, als vielschichtiger Kommunikations- und Marketingkanal per se Vorteile gegenüber dem Internet als Massenmedium, gerade weil er letzteres schlichtweg integriert. Andererseits finden sich virtuelle Repräsentationen dieser Orte im Internet, in Plattformen wie Second-Life etc., so dass im wahrsten Sinne des Wortes von einer gegenseitigen Durchdringung virtueller und baulich-räumlich materialisierter Kommunikationskanäle gesprochen werden kann. Wie am weiteren Beispiel, der durch den viel zitierten Marc Augé benannten Un-Orte (z.B. belebte Flughafenbusse oder ICEs) veranschaulicht werden kann, sind zentrale öffentliche Räume nicht zwingend ortsgebunden.946 Stadtraummedien befinden sich an Orten und UnOrten, als Out-Of-Home oder Transportmedien, als Ambient oder Environmental Media. Sie befinden sich deswegen dort, weil diese (Un-)Orte als öffentliche Räume durch gesellschaftliche Zentralität gekennzeichnet sind. In bestimmten Situationen spielt die Ortsgebundenheit jedoch eine wichtige Rolle, wie am Beispiel der Imagepolitik des US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Berlin im Juli 2008 veranschaulicht wurde (Kap. 4). Die Erkenntnis aus diesen Beispielen lautet daher: Zentrale öffentliche Räume entstehen durch soziale Handlung an lokalen Orten und Un-Orten, was nicht bedeutet, dass der indirekte Ortsbezug keinen Einfluss auf ihre Ausprägung hat. Nimmt man die Raumlogik der Unternehmen der Stadtraummedien als Verweis für das Vorhandensein zentraler öffentlicher Räume, so wird klar, dass der indirekte Ortsbezug aufgrund der symbolischen Werte einzelner Orte eine große Bedeutung 946 Augé 1994.
295
auch bei der medialen Bespielung von Un-Orten hat. Das Beispiel des mit Werbeplanen versehenen Linienbusses, der durch das ansonsten von Werbung freigehaltene Regierungsviertel fährt und entsprechende Aufmerksamkeitspotenziale exklusiv zu binden vermag, belegt dies. Die speziell von der Wall AG vorangetriebene Erschließung der Berliner Straßen und Plätze mit den kleinen Posterformaten kann daher als gezielter Erschließungsversuch zur Ausschöpfung der kommunikationsstrategischen Doppelfunktion zentraler öffentlicher Räume gewertet werden. Diese findet sich auf städtischen Plätzen sowie in den Wartehallen der Flughäfen und Bahnhöfe, und ist stärker auf die Bindung der Aufmerksamkeiten von Fußgängern ausgerichtet. „Die hochwertigen Premium-Werbeträger mit Wechslertechnik und Online-Überwachungssystemen sind strategisch so positioniert, dass Ihre Werbebotschaft nicht zu übersehen ist. Je nach Flughafen von der Zufahrt über das gesamte Areal inklusive der Parkplätze bis hin zum Innenbereich mit den Wartezonen, dem Terminalbereich und den Gepäckbändern.“ (Neuer Internetauftritt der Wall AG, Exzerpt947)
Jedoch wird die Strategie der kleinen Formate oftmals mit einer Strategie der Großformate kombiniert, denn man möchte die Aufmerksamkeit der PKW-Fahrer und der Teilnehmer des Busnahverkehrs bereits während ihrer Anreise binden. Auch hier gilt, dass das interaktive Beziehungsmarketing wiederum erst im Fußgängerbereich ansetzt und gerade hier den strategischen Vorteil hat, dass die potenziellen Rezipienten interaktiv nahe den Points of Sale, den Shopping Centern der Airport City oder der Bahnhöfe, erreicht werden. Neben der These hinsichtlich der Überformung traditioneller öffentlicher Straßen und Plätze mit neueren Raumarrangements, die ihrem Charakter als zentrale öffentliche Räume nicht entkräftigen, sondern umdeuten und gegenwärtig erneut stärken, scheint gleichermaßen die Verlagerungsthese aktuell zu sein. Beide können als Ausprägungen der übergeordneten These der komplexeren Verräumlichung verstanden werden. Orte spielen bei Prozessen der komplexen Verräumlichung de facto weiterhin eine wichtige direkte und indirekte Rolle für die medialen Erschließungsstrategien der Branche der Stadtraummedien, die erkannt hat, dass Aufmerksamkeitspotenziale an besonders symbolischen, kontroversen oder geschichtsträchtigen Orten und Un-Orten, die einen indirekten Bezug zu diesen oder zu den hochfrequentierten Hubs des gegenwärtigen Berlins aufweisen, äußerst effektiv vermarktet werden können. Intraurbane Medienträgernetze Denn die Charakteristika zentraler öffentlicher Räume weisen nicht nur traditionelle (oder auch neue) Stadtplätze auf, sondern eben auch Flughafenhallen oder Bahnsteige. Hier hängt es dann für das Anbahnen medialer Erschließungsvorstöße strategisch betrachtet davon ab, wer die Verfügungsgewalt über diese Räume hat. Erneut zeigt sich hier eine Auffälligkeit, wenn man sich die Strategien der Unternehmen der Stadtraummedien anschaut: Denn sie verhandeln prinzipiell mit den Akteuren und Institutionen, die die Verfügungsgewalt über ganze Netze einzelner Orte in der Stadt (oder in mehreren Städten) haben, die die Merkmale zentraler öffentlicher Räume aufweisen: Mit Stadt(staat)verwaltungen, Flughafenbetreibern, Entwicklern von Shopping-Centern sowie mit den Betreibern von Bahnhöfen. So können die postfordistische Annonciers neben den klassischen Netzen auf innerstädtischen Straßen und Plätzen gleichsam Netze in den neu entstehenden Shopping-Cities an Flughäfen, Bahnhöfen oder in 947 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/outdoor_advertising/networks_and_lo cations?city=26 (letzter Zugriff am 11.09.08).
296
Einkaufszentren direkt vermarkten. In Bezug auf die Verfügungsgewalt unterscheiden sich diese Orte maßgeblich: Denn Stadtplätze und Straßenzüge werden in der Regel über öffentliche Akteure akquiriert, wohingegen die Unternehmen bei Shopping-Centern, Bahnhöfen oder Flughäfen Verhandlungen mit privatwirtschaftlichen oder quasi-öffentlichen Betreibern führen. Nur für öffentliches Straßenland müssen daher öffentlich-privatwirtschaftliche Koalitionen mit den Städten und Kommunen eingegangen werden, die in ihrer Natur gestaltwirksam sind. Dieser Unterschied und seine weitreichenden Folgen für die aufmerksamkeitsbezogene Stadtproduktion werden an späterer Stelle eingehend diskutiert (Kap. 6). Berlin war lange Zeit von einem durch drei Anbieter geprägten Markt im Bereich der Stadtraummedien bestimmt: Die dem Land Berlin zugehörige VVR Berek als (halb)staatliches Unternehmen war für die Transportwerbung an U- und S-Bahnhöfen sowie auf Bussen und Straßenbahnen verantwortlich, wohingegen die Deutsche Eisenbahn Reklame (DERG) als Subunternehmen der der Bundesregierung unterstellten deutschen Bahn Kommunikationsflächen an den Berliner Bahnhöfen vermarktete. Das Informationsträgernetz auf Plätzen und Straßen hatte sich nach und nach die Wall AG als privatwirtschaftlicher Informationslogistiker gesichert, später kam auch ein Vertrag für die gemeinsame Vermarktung der Informationsträger an den Berliner Flughäfen hinzu.948 Diese Situation änderte sich mit der Konsolidierung des deutschen und des Berliner Außenwerbemarktes rasant innerhalb von nur zwei Jahren: Zunächst übernahm die Kölner Ströer Gruppe die DERG und erhielt somit medialen Zugriff auf die Berliner Bahnhöfe. Dann sicherte sich das französische Unternehmen JCDecaux mit der Übernahme der VVR Berek den medialen Zugriff auf die ehemals BVG eigenen Transportmedien in Berlin. Das marktbezogene Machtdreieck der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume veränderte sich von einer heterogenen aus (halb)öffentlichen Akteuren und Institutionen des Landes sowie des Bundes und einem privatwirtschaftlichen Akteur bestehenden Konstellation in kürzester Zeit hin zu einer homogenen, allein aus Wirtschaftsunternehmen bestehenden Akteurskonstellation. Diese in Deutschland firmierenden Wirtschaftsakteure agieren alle als Multinationals in der Sphäre aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte.949 Diese Situation währte allerdings noch nicht mal ein Jahr, denn im Folgejahr 2007 bereits übernahm die Wall AG die VVR Decaux vom französischen Konkurrenten und Teilhaber (Kap. 3). Somit hat die Wall AG einen Großteil der verfügbaren Konzessionen für Werbung auf öffentlichem Straßenland in Berlin inne, und kann diese starke Stellung durch eine vertikale Expansion in den Bereich der Verkehrsmittelwerbung nahezu unanfechtbar ausbauen. Diese neue, den Berliner Außenwerbemarkt mit einem Schlag konsolidierende Marktumstrukturierung wird treffenderweise durch die Wall Gruppe selbst medienwirksam inszeniert (Abb. 34, Kap. 6). Wenig später zogen die scheinbar neu versöhnten Kontrahenten Decaux und Wall die Gründung einer gemeinsame Vermarktungsgesellschaft für ihre in Deutschland positionierten Werbeflächen mit Hauptsitz in Berlin in Erwägung. Obgleich dieses Projekt nicht zustande kam, bleibt zukünftig abzuwarten, ob die Wall AG dem Druck des zunehmend stärker in ihr Unternehmen eindringenden Global Players standhalten können wird. 948 Wenn man sich auf Informationsträgerstandorte in den benannten Standardformaten, vor allem auf das CLP beschränkt, die innerhalb von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften akquiriert werden. Es gibt in einigen Bezirken auch CLB auf öffentlichem Straßenland, die nicht die Wall AG, sondern die Ströer Gruppe betreibt. Diese wurden im Rahmen des Brunnensponsorings genehmigt. Außerdem gibt es einen lokal fragmentierten Markt von Anbietern von Außenwerbung in Berlin, der jedoch nicht auf dem Konzept von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften beruht und daher auch keine derart flächendeckende Verbreitung, und damit Durchschlagkraft entwickeln konnte. Zu Anbietern von Großflächenwerbung in Berlin siehe Lehmann 2008. 949 JCDecaux hat eine deutsche Tochter, die JCDecaux Deutschland GmbH mit Sitz in Köln.
297
Aus dem Machtdreieck dreier Wirtschaftsunternehmen ist damit ein polares Verhältnis zwischen der Wall AG und der Ströer AG geworden, wobei letztere derzeit lediglich Kommunikationsflächen an Berliner Bahnhöfen und in einigen Fällen Fassadenwerbungen und Billboards in Zusammenarbeit mit öffentlichen Akteuren auf öffentlichem Straßenland betreibt.950 Sieht man von diesen Ausnahmen ab (Abb. 31., Feld C), lässt sich feststellen, dass die Berliner Wall AG jüngst zum Quasi-Monopolisten bei der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume in Berlin avanciert ist.
Abbildung 31: Strukturelle Veränderungen der Akteurskonstellation der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume in Berlin zwischen 2005 und 2007. Abb. 31a. (links): Mediale Erschließung öffentlichen Straßenlandes, der Berliner ECEShopping Center und der Berliner Flughäfen. Abb.31b. (mittig): Mediale Erschließung der Berliner Fernbahnhöfe. Abb. 31c. (rechts): Mediale Erschließung der Berliner Transportmedien an U- und S-Bahnhöfen sowie an Bussen und Straßenbahnen. Nur für öffentliches Straßenland müssen gestaltwirksame Koalitionen mit Städten und Kommunen eingegangen werden. VVR Wall und die Ströer DERG Media GmbH müssen höchstens mit inhaltlichen Vorbehalten seitens der Betreiber auf Bundes- und Landesebene (Deutsche Bahn oder BVG) rechnen, wenn sich öffentliche Kritik oder Beanstandungen an den Inhalten ergeben. Quelle: Eigene Darstellung.
Zwar entstehen in den drei genannten Bereichen – öffentliches Straßenland, Shopping-Center und Flughäfen, Verkehrsmittelwerbung (Abb. 31) – Koalitionen zwischen den einschlägigen Unternehmen und öffentlichen, halböffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren mit Verfügungsgewalt über zentrale öffentliche Räume, diese Koalitionen sind jedoch nicht zwangsläufig gestaltwirksam. Der Fokus auf die ästhetische Verbesserung baulicher Arrangements durch die mediale Erschließung etwa in Form von anspruchsvoll gestalteten Stadtmöbelstücken scheint speziell bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Akteuren und hinsichtlich einer angestrebten medialen Erschließung von Räumen, über die die Kommunen Verfügungsgewalt haben, von großer Bedeutung zu sein (Kap. 6). Betrachtet man die Gesamtsituation der medialen Erschließung in Berlin, so wurden zunächst auf der Ebene der Stadt Berlin verschiedene Medienträgernetze etabliert. Das Verhandeln mit Partnern, die die Verfügungsgewalt über ganze Stadtplatz- oder Airport-City-Netze haben, bedeutet zunächst operative Vorteile, weil durch Paketangebote nicht ein einzelner Ort, sondern ganze Systeme relevanter Informationsträgerstandorte akquiriert werden können.
950 Weitere Standorte auf Privatgrund finden in diesen Betrachtungen keine Berücksichtigung.
298
Gleichermaßen bedingt dieser Fokus auf die mediale Erschließung intraurbaner Netze zentraler öffentlicher Räume den Marktausschluss der Konkurrenz, wenn in den Koalitionsvereinbarungen entsprechende Ausschlussklauseln für Gebiete und Formate vereinbart werden. In kommunikationsstrategischer Hinsicht werden durch die Vernetzung einzelner Orte gesellschaftlicher Zentralität zum System zentraler öffentlicher Räume dieselben erst zum Massenmedium, weil über eine gleichmäßige Streuung von Informationen über das Stadtgebiet erst gewisse Reichweiten der medialen Botschaft erzielt werden kann. Durch netzweise Vermarktung können gezielt unterschwellige Erinnerungswerte geschaffen werden, da die mobilen Individuen und Zielgruppen auf ihren täglichen Wegen in der Stadt im Optimalfall der gleichen Information gleich mehrfach begegnen, dies aber noch nicht einmal bewusst wahrnehmen. Der mediale Wert zentraler öffentlicher Räume erhöht sich also speziell dadurch, dass nicht auf der Mikroebene eines Stadtplatzes verhandelt wird, sondern auf der Mesoebene ganzer intraurbaner Systeme zentraler öffentlicher Räume. Das führt langfristig dazu, dass Vermarktungsaktivitäten in verschiedenen Sphären zusammengeführt werden können, und man schließlich anstelle eines Shopping-, Airport-, Station- oder Stadtplatznetzes ein berlinweites City-Netz buchen kann. Dies muss jedoch nicht zwingendermaßen vorteilhaft sein, da sich in Shopping Centern andere Zielgruppen ansprechen lassen, als an Flughäfen oder auf Stadtplätzen. Und auch Flughafenpublikum ist nicht gleich Flughafenpublikum, man erinnere sich hier an den hauptsächlich von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern genutzten ehemaligen Flughafen Tempelhof im Vergleich zum ganz besonders intensiv von LowCost-Airlines genutzten Berliner Flughafen Schönefeld. Eine Einschätzung, welches Mediennetz Sinn für gezielte Zielgruppenansprache macht, hängt letztlich von den Kommunikationsstrategien der Unternehmen und Marken sowie von der Verfügbarkeit frei buchbarer Netze ab. Die Leistung, Informationsträgerstandorte zu einem vielschichtigen System der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume zu verflechten und so erst ihre Potenziale als Massenmedium erneut zu generieren, kann als das Resultat des rund dreißigjährigen Handelns der Unternehmen der Stadtraummedien in Berlin gewertet werden. Speziell der Wall AG kommt in diesem Kontext eine Pionierrolle zu. Denn sie verspricht sich durch die mediale Verflechtung verschiedenster öffentlicher Räume ein Mehr als die bloße Addition einzelner Aufmerksamkeitspotenziale, schlichtweg eine neue Qualität im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie. Mit dem durchschlagenden Erfolg der postfordistischen Medienpioniere setzt jedoch auch die Kritik an ihrem Geschäftsmodell ein. Insbesondere in Berlin setzt es von mehreren Bezirkspolitikern herbe Kritik, sieht man dort das Monopol entstehen. Bezogen auf das ganze Stadtgebiet wird die Zahl der Wall’schen CLP-Flächen auf 1200 Stück geschätzt. Zum Zeitpunkt 2003 betreibt der Konzern ungefähr 4000 Wartehallen, Toiletten, Kioske, Stadtinformationsanlagen und Info-Terminals im Rahmen von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften in Berlin, davon im Jahr 2007 allein im Bezirk Mitte 500 SIA-Formate.951 Die Kehrseite dieser stadtweiten Verflechtung, die offensichtlich das Ergebnis struktureller Verflechtungen zwischen wenigen Akteuren, Akteursgruppen und Institutionen ist, sind die Tendenzen Konzentration, Oligopolisierung und Monopolisierung, also Marktversagen (Kap. 6). Diese Tendenzen lassen sich nicht nur ablesen, wenn man das Herausbilden intraurbaner Medienträgernetze in zentralen öffentlichen Räumen als Ergebnis eines sich zunehmend lokal konzentrierenden Marktsegments versteht (Kap. 3), sondern auch dann, wenn man auch den Blick auf die supralokalen Handlungsebenen der Unternehmen wirft. (Kap. 2)
951 Interview B.14.d vom 04.07.07. Die Welt vom 15.06.03. Tagesspiegel vom 05.04.01. Der Spiegel vom 25.10.99.
299
Interurbane Verknüpfung lokaler Aufmerksamkeitspotenziale Strategisches Verhandeln mit Akteuren, die Verfügungsgewalt über ganze Netze zentraler öffentlicher Räume haben, wirkt sich nicht allein darin aus, dass ein Unternehmen der Stadtraummedien sich über verschiedene Möglichkeitsfenster die intraurbane mediale Erschließung der Aufmerksamkeitspotenziale dieser Räume sichert, sondern es tut sich ebenfalls in Abhängigkeit vom Verhandlungspartner die Möglichkeit der interurbanen Vernetzung auf. So hat sich das Berliner Unternehmen im Jahr 2001 in erfolgreichen Verhandlungen mit der Hamburger ECE-Gruppe die Rechte zur Vermarktung von ungefähr 1000 Plakatvitrinen in rund 40 ECEShopping Centern in 30 deutschen Städten sichern können (Anlage 14).952 Auch möbliert das Unternehmen Plätze im Besitz der Kommunen in diversen ost- und mitteleuropäischen Städten sowie in den USA mit Informationsträgern. Mit zunehmender medialer Erschließung neuer Städte, mit zunehmender Generierung von kompensationsbasierten Ausschreibungen sowie mit zunehmender struktureller Marktkonsolidierung können intraurbane Netze durch städteübergreifende Verflechtungen in interurbanen Medienträgernetzen zusammengefasst werden. Erst diese Vernetzung von Standorten mache ein Medium aus dem Plakat, so betonte etwa der Geschäftsführer der Ströer Gruppe, Udo Müller.953 Auf diese Art und Weise werden analoge oder digitale Plakate dazu verwendet, um lokale Aufmerksamkeitspotenziale in zentralen öffentlichen Räumen in verschiedenen Metropolen und Mittelstädten zu bündeln, die dann aus einer Hand vermarktet werden können. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht automatisch, dass die Informationsdistributionsbedürfnisse lokaler Kunden nicht mehr geschaltet werden können, ganz im Gegenteil. Einige der Unternehmen verwenden auch hier Mischmodelle, in dem sie sowohl supralokale Netze an Großkunden vermarkten, als auch Agenturen gründen, deren Aufgabe es ist, speziell für die Befriedigung lokaler Kommunikationswünsche und kleinerer Medienbudgets Sorge zu tragen. Die Wall AG hat im Jahr 2008 eigens für die lokale Vermarktung die Agentur „Die Draussenwerber“ gegründet, die gezielt Kunden aus Kunst, Kultur und lokalem Einzelhandel ansprechen soll. 954 Im Vergleich zum Handeln der Annonciers zu Litfaß’schen Zeiten, die auch zu ihrer Zeit bereits imstande waren, Berliner Kioske nach Paris zu liefern, wird deutlich, dass das Neue an der Situation darin liegt, dass erstmalig ein stadt- und nationenübergreifender Markt zur Ausschöpfung von lokalen Aufmerksamkeitspotenzialen in zentralen öffentlichen Räumen überhaupt erst durch die Herausbildung des Marktsegments der Stadtraummedien generiert werden konnte. Der Verdienst der postfordistischen Annonciers ist es, die ganz lokalen Aufmerksamkeitspotenziale einzelner städtischer Orte zu einem im wirtschaftlichen Optimalfall global vermarktbaren Paket zusammenzuschnüren. Am Beispiel der Stadtplätze, die sowohl baulich-materiell als auch virtuelle Möglichkeiten der strategischen Kommunikation bieten, kann die These der komplexeren Verräumlichung demnach dahingehend erweitert werden, dass von einer Glokalisierung der Verhältnisse der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume gesprochen werden kann. Damit ist die marktwirtschaftliche Bedeutung der Stadt als Terrain für die Bündelung von Aufmerksamkeitspotenzialen und damit zentraler öffentlicher Räume als genuines Interaktionsfeld dieses speziellen supralokalen Aufmerksamkeitsmarktes de facto gegeben. Auffällig an den Strategien der gezielt lokalen medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume ist daher die zunehmende ökonomische Globalisierung dieses von gestaltwirksa952 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.com.tr/de/company/news/article/news00955. asp und URL: http://www.wall.de/de/press/news/wall_ag_vermarktet_den_leipziger_hauptbahnhof?count=10&pag e=26 (letzter Zugriff am 11.09.08). 953 FAZ vom 12.01.04. 954 Siehe Internetauftritt des Wall’schen Tochterunternehmens Die Draussenwerber. URL: http://www.draussenwer ber.de/ (letzter Zugriff am 15.11.08).
300
men Koalitionen systematisch angewendeten Erschließungsmusters. Unternehmen der Stadtraummedien bewältigen den Spagat zwischen Verhandlungen über die Aufstellung eines lokalen Toilettenhäuschens mit Fachplanern in Bezirken, mit lokalpatriotischen Bürgermeistern und Senatorinnen bis hin zu den über den Aktionsradius einer einzelnen Stadt hinaus agierenden Developern von Shopping Centern und zu den Institutionen, die vormals (halb)öffentliche Quasimonopole im Bereich der Außenwerbung auf Landes- oder Bundesebene ausübten. Und schließlich kämpft etwa das mittelständische Berliner Unternehmen auf der Rechtsebene der Europäischen Union gegen die wettbewerbsgerechte Ausgestaltung lokaler Konzessionsvergaben (Kap. 3), um sich langfristig gegen die wachsende Prosperität des auf die monetären Ressourcen der globalen Finanzmärkte zurückgreifenden französischen Unternehmens oder gegen die durch einen US-Investor gestärkte deutschen Konkurrenz Ströer behaupten zu können. Glokalisierung der marktlichen Erschließung zentraler öffentlicher Räume Die als Modus einer komplexeren Verräumlichung sozialer Handlungen verstandene Glokalisierung kann im Sinne des Porter’schen Standortparadoxes gedeutet werden,955 in der die spezifische Wettbewerbssituation transnational agierender Unternehmen zunehmend von der spezifischen Einbettung oder Rückbettung in die jeweiligen städtischen oder regionalen Zusammenhänge abhängig ist.956 Es geht bei dieser gezielten supralokalen Strategie jedoch nicht allein um spezifische, an den lokalen Ort gebundene Wettbewerbsvorteile im Sinne dieses Standortparadoxes, wie etwa das Vorhandensein von hochqualifizierten Arbeitskräften. Das ist nur ein zweitrangiger Aspekt. Es geht vielmehr um die systematisch vorangetriebene, marktwirtschaftliche Inwertsetzung der lokalen Orte gesellschaftlicher Zentralität in ihrer supralokalen Summe: den in interurbanen Netzen systematisch zusammengefassten Aufmerksamkeitspotenzialen der kommunikationsstrategischen Dimension zentraler öffentlicher Räume. Im Sinne von Logan und Molotch könnte man bezogen auf die Unternehmen der Stadtraummedien daher von städtischen Place Entrepreneurs sprechen, speziell von denen, die als strukturellen Spekulanten (structural speculators) in einem kosmopolitan geprägten Feld operieren und demnach in zunehmendem Maße transnational handeln.957 Der Unterschied zwischen den Stadtraummedien-Unternehmen und den Place Entrepreneurs ist jedoch, dass erstere explizit auf die Erhöhung des Gebrauchswertes des Felds, in dem sie wirken, abzielen, wohingegen letztere dies in der Regel nicht tun (Kap. 6). Die Unternehmen der Stadtraummedien haben es innerhalb von wenigen Dekaden zu verstehen gewusst, die Fertigung einer CityKlokabine im brandenburgischen Velten, die später auf sechs Quadratmetern Fläche als Teil eines baulichen Arrangements lokal etwa im Bezirk Mitte errichtet wird und den Kompensationsgegenstand für ein gutes Dutzend aufmerksamkeitsbezogener Informationsträger im gleichen Bezirk darstellt, mit den Rechtsmechanismen der Europäischen Union und dem Cash Flow internationaler Finanzmärkte zu verzahnen. Damit haben die wettbewerbsbestimmende Europäisierung und die ökonomische Globalisierung last but not least auch eine der letzten durch die Stadtpolitik protegierten gesellschaftlichen Domänen erreicht: Öffentliche Räume.
955 Tomadoni 2007, 52ff. Braun-Thürmann (2004, 14) verweist in diesem Kontext auf den Glokalitätsbegriff von Robertson (1995), der bezeichnet, dass der Prozess der Globalisierung nicht zum Verschwinden von Lokalität, sondern zu deren Neubestimmung führe. 956 Siehe hierzu Häußermann et. al. 2008, 169f. Bezug nehmend auf Porter 1998, 236 und 1999, 52ff. 957 Vgl. Logan und Molotch 2007 (1987), 30ff.
301
Doch bei genauerem Hinschauen bedarf ein solches Statement einiger Differenzierungen: Denn weder die Wall AG noch die Ströer Gruppe haben bisher den vielfach angekündigten Schritt an die Börse vollzogen. In Berlin muss demnach der kulturpessimistische Blick der „Heuschrecken im öffentlichen Raum”958 mit dem Blick auf die empirischen Befunde auf den ersten Blick zum jetzigen Zeitpunkt entkräftigt werden. Jedoch hält – auf den zweiten Blick – das börsennotierte Unternehmen JCDecaux derzeit bereits 40% der Wall’schen Aktien, was bedeutet, dass auch die Wall AG derzeit schon mittelbar mit den globalen Cashflows der Weltmärkte in Verbindung steht. Sollten die Franzosen schließlich die Mehrheit der Aktien am Berliner Unternehmen erlangen, könnte zukünftig von einem direkten Einfluss der globalen Kapitalmärkte auf die Produktion lokaler öffentlicher Räume in Berlin ausgegangen werden. Auf diese Erkenntnis folgende Kassandrarufe, der öffentliche Raum sei demnach zur Disposition gestellt und würde seiner vielfältigen lokalen Potenziale beraubt (Kap. 1), erscheinen jedoch derzeit noch vorschnell und unangebracht, weil das strategische supralokale Modell der aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäfte etwa in Berlin ganz anders lokal sedimentiert als in Rio de Janeiro, in São Paulo und vermutlich auch in Rostock. Denn die Wall AG, die zwar in multinationaler Manier ganze Netze lokaler öffentlicher Räume erschließt, pflegt in Berlin gezielt eine besondere Unternehmenskultur. Es ist anzunehmen, dass es auch für JCDecaux ähnlich wie für die Wall AG in Berlin einen Unterschied macht, ob man mit Paris oder einer weiteren beliebigen Stadt verhandelt. In diesem Kontext sei jedoch auch auf deutliche Diskrepanzen verwiesen, die die geplante Fusion der Vermarktungsaktivitäten beider Firmen in Deutschland sowie langfristig auch in Mittel- und Osteuropa infolge des Asset Swaps (Kap. 3) zum Scheitern brachten.959 Die Presseabteilung der Wall AG betont, dass man als Familienunternehmen großen Handlungsspielraum für gemeinnütziges Engagement habe, da man sich keinen kurzfristig orientierten Anteilseignern gegenüber verantworten müsse.960 Für Berlin wird es im Hinblick auf die Umwälzungen, die sich allein während der Zeit des Entstehens dieser Arbeit zwischen 2005 und 2008 auf dem lokalen und nationalen Markt der Stadtraummedien ergeben haben, zukünftig weiterhin eine Frage der Empirie verbleiben, wie stabil oder labil die gegenwärtigen Konstellationen sind. Auch wird es letztlich das Resultat einer weiteren Marktbeobachtung in diesem Bereich verbleiben, inwieweit der Einfluss globaler Finanzströme auf die Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin ein indirekter in Form etwa von konzessionsbezogenen Equity-Fonds oder einer Unternehmensbeteiligung eines Global Players bleibt, oder inwieweit die Unternehmen direkt vom Input der globalen Finanzmärkte zehren, und damit ihren Unwägbarkeiten ausgeliefert sind. Auch erscheint eine weitere Beobachtung anderer Player im Kommunikations- und Medienmarkt von Nöten, um – neben dem mittelständischen Unternehmen Wall – auf ganz andere mögliche Monopole oder Oligopolbildungen in der sich reorgansierenden Medienlandschaft hinzuweisen. Das neue Interesse der Deutschen Telekom am Stadtmöblierungsmarkt zeugt davon.961 Und schließlich würde auch letzteres nicht automatisch bedeuten, dass öffentliche Räume in Berlin zur globalen Ware verkommen. Denn es hängt von der lokalen unternehmerischen Kultur, und darüber hinaus von lokalen politischen Positionierungen ab, wie die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren in gestaltwirksamen Koalitionen zukünftig ausgehandelt wird. Andererseits gehorcht die Marktsphäre, in der mit gebündel958 Rügemer 2008. 959 Tagesspiegel vom 23.07.08. 960 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/company/engagement (letzter Zugriff am 23.09.08). 961 FAZ vom 29.09.08.
302
ten Aufmerksamkeitsressourcen zentraler öffentlicher Räume in einem Bezirk, in einer Stadt oder über eine einzelne Stadt und einen einzelnen Nationalstaat hinaus gehandelt wird, zunehmend internationalen Strukturmustern. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Weltweite das Lokale abschafft oder dass Raum im Verlauf von Wachstum und Entwicklung verschwindet.962 Vielmehr haben wir es bei der beobachteten medialen Erschließung der Aufmerksamkeitspotenziale in lokalen öffentlichen Räumen mit Glokalisierungstendenzen zu tun. Gerade in einer glokalen Bündelung der Aufmerksamkeitspotenziale einzelner lokaler Standorte – Swyngedouw spricht in diesem Kontext von governancebezogenen Skalensprüngen963 – in intraurbanen und interurbanen Städtenetzen liegt letztlich das Erfolgsrezept der postfordistischen Annonciers. Dieses Fazit lässt sich auch aus der Perspektive der Medienforschung untermauern: Mit dem Begriff des Transnational Media Flow wird gemeinhin auf die Internationalisierung der Medienbranchen verwiesen, denn im Zuge der ökonomischen Globalisierung wird neben den Aspekten kultureller, ökonomischer, politischer sowie machtbezogener Konvergenzen ebenfalls die Rolle der Technik und der Medien betont. Den Medien wird hinsichtlich dieser Entwicklungen vorrangig die Rolle einer „globalen Imaginationsindustrie, als Transporteure und Konstrukteure globaler Identifikationsangebote” zugeschrieben. Als kulturelle Konsequenz wird die Genese einer globalisierten Medienkultur proklamiert, da sich nicht nur das geschäftliche Wirken von Medienorganisationen zunehmend globalisiert, sondern dementsprechend ebenfalls mediale Inhalte.964 Bevor hier aber die Gefahr aufkommt, in eine globalistische Falle zu tappen, sei angemerkt, dass Out-of-Home Unternehmen weiterhin auf den lokalen Mikround Mesoebenen handeln müssen, um Informationsträgernetze zu etablieren, die sich sowohl lokal als auch ortsübergreifend bespielen lassen. Das bedeutet letztlich, dass sie speziell von der Regulierungspraktiken der jeweiligen lokal verankerten politischen Kultur hinsichtlich öffentlicher Räume abhängig sein werden, also vom jeweils aktuellen Governance-Arrangement. Bevor jedoch der hier entstandene Governancetypus als strategischer Handlungszusammenhang einer postfordistischen Transformation in seinen Feinheiten beleuchtet wird, erscheint es in Anlehnung an Hans Walls folgende Aussage angebracht, sich mit einem, wenn nicht dem Instrument der unternehmerischen Markenpositionierung zu befassen: Innovation. Denn im Wettbewerb um die kommunikationsstrategische Ressource öffentlicher Raum streiten allein wenige Firmen um Image, Marktführerpositionen und um Aufträge in Form gewährter Konzessionen im operativen Tagesgeschäft. Dieser Wettbewerb kann dann (aus Marktsicht) erfolgreich gewonnen werden, wenn man sich von den Wettbewerblichen abhebt. Daher wird Innovation zum strategischen Instrument aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte.
962 Vgl. Lefebvre 1998, 86. 963 Swyngedouw 2005, 2001. Mit Bezug auf Hajer (2003, 179) hält er fest, dass derartige Skalensprünge (Scale Jumping) eine vitale Strategie darstellen, um Macht oder Einfluss in durch mehrschichtige relationalen Organisation geprägten Governance Netzwerken zu gewinnen. 964 Vgl. Siegert 2001b, 23.
303
Innovationen als strategische Instrumente der Anbahnung von aufmerkamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften „Aber Innovationen, die Rahmenbedingungen für Innovation, die müssen [durch] die Kommunalpolitiker (...) dann auch umgesetzt werden, ohne Ausschreibung in Berlin gäbe es heute keine Wall AG.“ (H. Wall während des 3. Symposiums Lebendige Stadt in Leipzig im Oktober 2003965)
In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche erscheint der Blick auf Innovationen produzierende Akteure und Institutionen weiterführend, da sich an Innovationen neue Marktlogiken erkennen lassen. Wie die Worte von Hans Wall anklingen lassen, stellen Innovation eine zentrale Säule des unternehmerischen Handelns der Wall AG dar. Innovation erscheint jedoch nicht allein aus wirtschaftlicher Perspektive von zentraler Bedeutung, sondern es ist zentrale Rolle von Politik, entsprechende Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen. Für die Sozialwissenschaften hat speziell Josef Schumpeter den Begriff der Innovation geprägt.966 Genau bei letzterem wird auch die Schnittstelle mit der Stadtforschung gesehen, da sich ähnlich wie Schumpeters frühe Perspektive auf technischen, volkswirtschaftlichen Fortschritt auch die Ansätze der interdisziplinären Stadtforschung mit Implikationen von gesellschaftlichem Wandel auseinander setzen. Dabei gilt es, so die Prämisse der sozialwissenschaftlich orientierten Innovationsforschung, Innovationen weder a priori mit positiver, noch mit negativer Nuancierung, also nicht normativ, zu interpretieren oder ihnen eine prinzipiell positive Mystik zuzuweisen. Ähnlich wie die These der Wachstumskoalitionen im Rahmen der Urban-Policy Forschung geht auch die gegenwärtige Innovationsforschung davon aus,967 dass durch Innovationen forciertes ökonomisches Wachstum sowohl Sieger als auch Verlierer hervorbringt. Innovation erfordert demnach eine differenzierte Betrachtung. Was die Charakterisierung von Innovationsprozessen betrifft, so sind diese weder mittels eindeutiger Ursache-Wirkungs-Mechanismen zu erklären, noch kann man ihren Verlauf vorhersagen, sie planerisch oder volkswirtschaftlich vorab determinieren oder politisch steuern.968 Dabei werden unter Innovationen aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive materielle oder symbolische Artefakte verstanden, welche als neuartig und als Verbesserung gegenüber dem Bestehenden wahrgenommen werden, wobei der Begriff Artefakt darauf verweist, dass Innovationen Produkte gesellschaftlicher Praktiken und Strukturen sind. Ökonomisches Entscheiden wird damit untrennbar in den Kontext von politischen, wissensgenerierenden und massenmedialen Praktiken gestellt.969 Tuomi definiert Innovation ”as something that defines and generates and facilitates change in social practice“.970 Er weist auch darauf hin, dass Innovationen Erfindungen verfeinern und diese marktfähig machen. Weitestgehender Konsens in der Innovationsforschung ist, dass die an Innovationen beteiligten Akteure im Verlauf von Innovationszyklen Lernprozesse durchlaufen, die dazu führen „Produkte, Design, Vorstellungen etc. zu ändern“, um sie der erfahrenen Wirklichkeit anzupassen.971 Im Hinblick auf den Zusammenhang von Innovation und Stadtentwicklung wird oftmals auch von Creative Governance, von Kreativität als Motor für die Weiterentwicklungen in allen 965 Podiumsdiskussion „Modernen Medien im öffentlichen Raum“ während des 3. Symposiums „Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“ der Stiftung Lebendige Stadt, am 10.10.03 in Leipzig. URL: http://www.leben dige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/podiumsdiskussion_moderneme.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 966 Vgl. Braun-Thürmann 2004, 10f., Bezug nehmend auf Schumpeter 1964. 967 Logan und Molotch 2997 (1987). 968 Vgl. Braun-Thürmann 2004, 12ff. 969 Vgl. Ibid. 2005, 6. 970 Tuomi 2002, 10. 971 Ibid. 2004, 12.
304
gesellschaftlichen Bereichen oder von der städtischen Kreativgesellschaft (Creative Industries, Creative Milieus) gesprochen. Für letztere gilt Innovation als eines der zentralen Elemente neben weiteren wie etwa Emotionalität, Vernetzung und Lernen.972 Eine weitere Herangehensweise der Erforschung von Innovationen existiert in den Wirftschaftswissenschaften. Diese wird aber gerade deswegen in den Gesellschaftswissenschaften kritisiert, weil eine Innovation hier erst dann als solche gilt, wenn sie auf dem Markt bestehen kann, wenn sie einen wirtschaftlichen Vorteil generiert.973 Dies werde jedoch einer komplexen Einbettung von innovatorischem Handeln in weitere gesellschaftlichen Beziehungen und Prozesse nicht gerecht. Als konstituierendes Moment von innovatorischem Handeln wird ständige Unsicherheit angesehen. Denn innovatorisches Handeln sei einerseits dynamisch und von multiplen Ideen, Rückschlägen und Möglichkeiten geprägt, verlaufe andererseits jedoch auch nicht vollkommen zufällig.974 Innovationen werden daher in unsicheren Bedingungen gesellschaftlich hervorgebracht und müssen in ihrem Ausmaß von der Gesellschaft gleichermaßen bewältigt werden. Diese Ambivalenz von Innovation wird oftmals mit dem Rückgriff auf die Schumpeter’sche Metapher der „schöpferischen Zerstörung“ bebildert. Denn die Janusköpfigkeit von Innovationen zeigt sich speziell in ihren wirtschaftlichen Implikationen: Durch sie werden bestehende Wirtschaftsstrukturen unaufhörlich zerstört und neu geschaffen. Braun-Thürmann spricht zudem vom “ubiquitious innovating“, dem permanenten Eindringen von Innovation in diverse Sparten des Arbeits- und Alltagslebens.975 Helbrecht findet für die Erforschung gesellschaftlichen Wandels unerlässlich, Marktinnovationen zu identifizieren und zu ergründen,976 wenngleich in der jüngeren raumbezogenen Innovationsdebatte auch öffentlichen Akteuren innovatorisches Potenzial beigemessen wird.977 Innovatorisches Handeln in öffentlichen Räumen durch gestaltwirksame Koalitionen erscheint daher ein Verweis auf die durchschlagende räumliche Wirkung gesellschaftlicher Umbrüche im Übergang zu Zeiten postfordistischer Transformation zu sein.978 Bezogen auf die Praxis gestaltwirksamer Koalitionen stellen Innovationen, erstens, zentrale Triebkräfte ihres Handelns dar. Neben Innovationen im Produkt- und Servicedesign haben es die Akteure gestaltwirksamer Koalitionen, zweitens, vermocht, speziell die kommunikationsstrategische Dimension zentraler öffentlicher Räume kreativ zu erschließen. Dabei ist die Verwebung von baulichen und kommunikationsstrategischen Arrangements auch dem technischen Fortschritt, speziell der Einführung von Mobiltelefonen und dem Internet geschuldet, die öffentliche Räume zu Zugangsorten virtueller Welten und zu Ansatzpunkten interaktiver Marktkommunikation gemacht haben. Drittens konnte sich erst durch das Handeln der Akteure innerhalb der Koalitionen über einen Zeitraum von mehreren Dekaden hinweg eine auf Konzessionsmodellen beruhende Kompensationspraxis etablieren. Es kam zu einer Innovation in den Verfahrensweisen zur Bereitstellung öffentlicher Güter und Leistungen. Und schließlich, so schreiben die Unternehmen selbst, sind nicht zuletzt öffentliche Räume in Berlin zu
972 Schäfers 2007. Damit ließe sich der Ansatz auch im Rahmen der gegenwärtigen Creative City-Forschung oder der Creative Governance-Forschung deuten. Dieser Interpretationsweg kann jedoch an dieser Stelle aus forschungsökonomischen Gründen nicht weiter verfolgt werden. Darüber hinaus scheint es, dass die Betrachtung des Merkmals Innovation dem Gegenstand angemessener erscheint, weil die gesamte Praxis der gestaltwirksamen Koalitionen auf Innovationen beruht. 973 Braun-Thürmann 2005. 974 Ibid. 2005, 64. 975 Ibid. 2005, 10. 976 Helbrecht 1994. 977 Selle 2005. 978 Braun-Thürmann 2005, 8ff. und 94.
305
Innovationslaboren ihrer Praxis geworden, in denen sie eine Matrize suchen, auf deren Basis sich die gewonnenen Erfahrungen in anderen Städten gewinnbringend reproduzieren lassen. Neben Kreativität und Innovation darf jedoch ein drittes Merkmal postfordistischen Marktdesigns – hier liegt eine weitere Innovation vor – nicht vergessen werden: Flexibilität. Denn insbesondere die avantgardistisch vorpreschenden Annonciers schaffen es immer wieder, ihre Praktiken den sich verändernden staatlichen Regulierungsmodi anzupassen oder darauf hinzuwirken, dass diese – im Umkehrschluss – durch Veränderungen in der Politik angepasst werden. Nicht selten leben diese Anpassungsversuche von der Experimentierfreudigkeit des aus der Wiege gehobenen Marktsegments der Stadtraummedien, dessen beteiligte Unternehmen zum Teil aus strategischen Gründen zu Grenzüberschreitungen und damit zum Überkommen von Konventionen neigen. Selle spricht in diesem Kontext von „kreativer Zweckentfremdung“.979 Denn schließlich hängen Innovationen immer vom lokalen Kontext, speziell vom jeweiligen politischen Klima ab. Und von den Akteuren, die sie voranbringen, da Neuerungen durch entscheidungsfreudige, kreative Menschen, die ihr eigenes Handlungspotenzial mitbringen oder zu beschaffen in der Lage sind, organisiert werden.980 Sie tun dies, indem sie bestehende Regulierungen wie etwa Werbeverbote ignorieren oder bewusst überwinden. Dies soll schließlich zu neuen Formen der Regulierung und damit zu marktfreundlicheren Mechanismen sowie zu einer Erweiterung des marktwirtschaftlichen Wirkungsradius in zentralen öffentlichen Räumen, kurz: zu prozeduralen Innovationen in bürokratischen Verfahren führen. Innovative Produkte und Services „Außenwerber Wall sucht sein Heil in Produktinnovationen“ (FAZ vom 06. Januar 2004)
In konsolidierten Märkten, so wurde bereits angerissen, müssen sich Unternehmen über ihre spezifische Angebotspolitik von ihren Mitbewerbern abheben. Ein maßgeblicher Aspekt dieser Angebotspolitik ist die Produktpolitik der Out-of-Home Medienunternehmen. Bereits in der frühen Phase der Stadtmöblierung in Berlin konnte sich die Wall AG vor allem deswegen durchsetzen, weil sie im Stande war, schneller als die Konkurrenz entsprechende Produktinnovationen anzubieten. Die Innovation durch unternehmerische Produkt- und Servicepolitik begann mit der Anfang der 1980er Jahre durch den damaligen BVG-Direktor Piefke vorgebrachten Bitte, ein ganz besonderes Produkt für Berlin zu entwickeln und nicht allein die bereits in anderen Städten installierte Konfektionsware zu liefern. Hans Wall bewies Flexibilität und präsentierte dem BVG Direktor ein spezielles Modell für Berlin. Innovation wurde infolge mit einem Auftrag belohnt, der die Firma nach Berlin lockte (Kap. 3). Auf den ersten Blick lassen sich damit Veränderungen im Bereich der Stadtmöblierung als technisch-naturwissenschaftliche Innovationen verstehen. In der gesellschaftswissenschaftlichen Betrachtung von Innovationen wird gleichsam darauf verwiesen, dass technologische Innovationen einerseits gesellschaftlich eingebettet sind und dass soziale Innovationen nahezu immer von technischen Neuerungen flankiert werden. Es ist also von einer Bedingung und Durchdringung sozialer und technischer Innovationen auszugehen, wenngleich diese oftmals in der Forschung als komplementär gegenübergestellt werden.981 Das folgende Beispiel wird diese Durchdringung versinnbildlichen: Knapp zehn Jahre nach der Wartehallenausschreibung ging es mit dem Ruf nach behindertengerechten Toiletten 979 Vgl. Selle 2005, 305. 980 Ibid. 981 Braun-Thürmann 2005, 28f.
306
in die zweite Innovationsrunde der Berliner Stadtmöblierung. Die Privatisierung wurde wieder und wieder hinausgezögert, weil weder Staat noch Markt in der Lage waren, dem lauter werdenden gesellschaftspolitischen Ruf nach Barrierefreiheit öffentlicher Bedürfnisanstalten ad hoc nachzukommen. An dieser Stelle wird klar, dass sich technische Innovation aufgrund von veränderten gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen über Nachfragemechanismen ergeben hat. Die Wall AG bewies hier Handlungsstärke und setzte sich am schnellsten mit ihrer Produktinnovation, der schwenkbaren Toilettenschüssel, durch. Was damals einem neuen Avantgardismus in der Außenwerbung gleichkam, ist heute tägliche Routine. Denn Unternehmen auf postfordistisch geprägten Märkte müssen anders als ihre fordistischen Vorgänger ständig und in schnellen Rhythmen Innovationen produzieren, weil diese den Takt des wirtschaftlichen und auch des politischen Handelns gegenwärtig viel stärker bestimmen als damals. Innovatorisches Handeln ist damit zum Tagesgeschäft erfolgreicher Unternehmen geworden.982 Es verwundert nicht, dass nahezu alle Unternehmen eigene Produktentwicklungsabteilungen etabliert haben. Sie sind auf der Suche nach den Produkten, die Städte brauchen oder aber von denen Städte noch nicht einmal annehmen, dass sie sie zukünftig brauchen könnten. Durch Produktinnovationen wie etwa die behindertengerechte Klokabine mit schwenkbarer WC-Schüssel wird im Optimalfall eine erhöhte Nachfrage bei den Verbrauchern erzeugt. So sind dem Beispiel Berlins, öffentliche Toiletten nur noch barrierefrei neu zu errichten oder umzubauen, mittlerweile viele Metropolen gefolgt. Ein weiteres Exemplum sui generis ist das im Jahr 2007 eingeführte werbefinanzierte Fahrradleihsystem (Kap. 3). Sowohl JCDecaux als auch Clear Channel Ltd. haben diese bereits in ihr Produktportofolio aufgenommen. Während das französische Unternehmen mit dem bewirtschafteten Fahrradleihsystem explizit Produktsysteminnovationen, die von postfordistischen Dienstleistungen flankiert werden, für Menschen in den Fokus der Akquiseaktivitäten stellt, hat die Wall AG – zumindest, was die Hamburger Ausschreibung betrifft – mit ihren hundebezogenen Produktinnovationen bisher keinen derartig fulminanten Erfolg verbuchen können. Erfolg scheinen demnach die Produktinnovationen zu haben, die dem Gebrauchswert öffentlicher Räume entsprechen oder diesen zu erhöhen vermögen. Produktinnovationen wirken sich nicht nur als Neuerungen von Produkten und Dienstleistungen aus, sondern sie implizieren die Einführung von neuen Produktionsmethoden (z. B. große bedruckbare Folien) und das Erschließen neuer Absatzmärkte (z. B. Kommunen als Partner für werbefinanzierte Kompensationsgeschäfte). Neue Bezugsquellen auf den Beschaffungsmärkten (z. B. der Kontakt zur ECE-Gruppe) und die Schaffung von neuen Organisationen (z. B. Die Draussenwerber), werden im Dunstkreis von Produktinnovationen forciert. Kommunikationsstrategische Innovationen als aufmerksamkeitserregende Mechanismen983 “Innovation is (...) as much about creating new meanings as it is about creating novel material artefacts.” (Tuomi 2002, 13)
Dass technisch-materielle (Produkt-)Innovationen oftmals mit symbolisch-kommunikativen korrespondieren, kann im Fall des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen veranschaulicht werden: Denn diese bringen nicht allein Innovationen in die baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume, sondern sie verknüpfen diese baulich-technischen Innovationen strate982 Ibid. 2005. 983 Der Begriff der „kommunikationsstrategischen Innovation” ist nicht zu verwechseln mit dem der „Innovationskommunikation” (Zerfaß und Huck 2008), der sich auf die kommunikative Vermittlung von Informationen bezieht. Nichtsdestotrotz muss aber eine kommunikationsstrategische Intervention kommunikativ als solche vermittelt werden, um sie erfolgreich im Markt zu etablieren.
307
gisch mit einer ganzen Bandbreite kommunikationsstrategischer Neuerungen.984 Symbolischkommunikative Innovationen und ihre Bedeutung für die Erschließung zentraler öffentlicher Räume sind im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie die Leitinnovation. Denn diese ist es, die als primärer Mechanismus der Erschließung neuer Märkte dient und gleichzeitig alte Märkte restrukturiert. Flankierende Innovationen sind in diesem Sinne die baulich-materiellen, um den technisch-ästhetischen Vorschub für die Einrichtung eines interstädtischen Medienträgernetzes zu leisten. Diese neuen Märkte entstehen, weil die Ressource Aufmerksamkeit mit zunehmendem Informationsdistributionsbedürfnis verknappt wird. Die Bedeutung von symbolisch-kommunikativen Neuerungen wird deutlicher, wenn man das Verhältnis von Innovation und Aufmerksamkeit eingehend betrachtet. Das ständige Generieren von Innovationen wird, erstens, als Folge einer veränderten gesellschaftlichen Kommunikationsweise verstanden.985 Kommunikationsstrategische Innovationen sind in diesem Sinne als aufmerksamkeitserregende Mechanismen der Informations- und Mediengesellschaft zu verstehen. Auch erklärt dies zumindest partiell den beschleunigten Takt, mit dem Innovationen den Verlauf von Ökonomie und Politik bestimmen. Ausschlaggebend für das Wechselspiel aus Produktion und Konsum ist neben Geld als monetärer Ressource ebenfalls Aufmerksamkeit. Diese Verlagerung wird simultan von einer zweiten flankiert: Dem Übergang von vorrangig rationalen zu emotionalen Vorentscheidungsmomenten der Verbraucher bei andauernder Informationsüberflutung und Überlastung ihres Wahrnehmungssystems: „Wenn Aufmerksamkeit knapp wird, dann ist das Achtgeben zwangsläufig selektiv. Was immer in den Sinn kommt ist dann schon vorentschieden oder, um es noch deutlicher zu sagen, voreingenommen. Wenn jeder bewussten Entscheidung nun aber eine vorbewusste – damit intuitive bzw. emotionale – Auswahl vorausgeht, dann hat die Rationalität der ökonomischen Entscheidung eine – wie immer kleine, doch systematische – Lücke.“ (Franck 1998, 70)
Zweitens spielen Massenmedien für die Verbindung von Aufmerksamkeit und Innovation eine zentrale Rolle. Denn diese möchten durch innovative Berichterstattung und Berichterstattung über Innovatives möglichst hohe Aufmerksamkeitspotenziale an sich binden und konzentrieren sich daher reflexartig auf Innovationen.986 Hier wird erneut der Doppelcharakter der Unternehmen der Stadtraummedien deutlich, die einerseits als Akteure in einem neuen Marktsegment Innovationen mit dem Ziel produzieren, die Markterschließung voranzutreiben und ihre eigene Marktpositionierung abzusichern. Andererseits sind diese als Hauptakteure eines stadtraumbezogenen Aufmerksamkeitsmarktes strategisch dafür gewappnet, Innovation und die kommunikativen Strategien emotionaler Ansprache systematisch dazu einzusetzen, Aufmerksamkeitspotenziale nicht allein zu bündeln, sondern diese auch zu binden. Damit sind Unternehmen der Branche der Stadtraummedien hinsichtlich der Beschaffungsmärkte sowie hinsichtlich der Absatzmärkte aufmerksamkeits-, und damit innovations- und emotionsaffine kollektive Akteure. Die zunehmende Emotionalisierung von Konsumentscheidungen wird auch darin reflektiert, dass symbolisch-kommunikative Innovationen materielle Produktinnovationen bedingen. Ein Beispiel hierfür ist das an Megaflags gekoppelte Sponsoring der Restaurierung des Strandbades Wannsee (Kap. 3). Die Ströer AG kommuniziert gegenüber ihren potenziellen Kunden, dass sich bei dieser kommunikationsstrategischen Innovation ganz besondere Sympathiewerte für diejenigen Kunden ergeben, die auf den Megaflags werben. Die symbolisch-kommunikative Innovation des postfordistischen Annonciers ist es in diesem Fall, mittels Stadtentwicklungssponsoring bei den potenziellen Rezipienten Sympathiewerte zu generieren, die die Werbe984 Braun-Thürmann 2004. 985 Ibid 2005. 986 Ibid 2005, 12.
308
intervention – 50 Megaflags in zentralen öffentlichen Räumen – in einen positiv emotionalen Zusammenhang setzen. Die Werbekunden der postfordistischen Annonciers profitieren von dieser symbolisch-emotionalen Aufladung des Informationsträgers und vom Handeln seiner Bereitsteller, weil trotz des offensichtlich fehlenden Zusammenhangs zwischen Werbebotschaft und dem Strandbad Wannsee eine emotionale Verknüpfung zwischen wohltätigem Zweck und Flag-Format, und damit auch kommunizierten Inhalten, suggestiv hergestellt wird. Kurz: Wenn etwa die Marke ‘Babynahrung xyz’ auf diesen Flags wirbt, dann wird ein emotionaler sowie kognitiver Spagat geradezu angeregt, da an den Standorten für jedermann lesbar die Botschaft angebracht ist, dass mit dieser Aktion ein gutes Werk unterstützt wird, wenngleich das Strandbad Wannsee und Babynahrung de facto keinerlei Berührungsmomente haben. Das innovatorische Vermögen, eine Information mit vollkommen fremden Emotionswerten erfolgreich semiotisch zu überblenden, ist die Zusatzleistung der postfordistischen Annonciers. Hier wird nachdrücklich versucht, nicht nur mögliche Aufmerksamkeitspotenziale anzuregen, sondern diese auch gezielt über emotionale Kundenansprache zu binden. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass diese Intervention in Anlehnung an die Logik der Aufmerksamkeitsökonomie vor allem aufgrund der symbolisch-kommunikativen Innovation wertschöpfend ist, die von einer baulich-materiellen Innovation (dem Megaflag Format) und einer Prozessinnovation (entgrenztes Kompensationsgeschäft) flankiert wird. Prozessinnovationen „Meine Leute müssen alle paar Monate neue Designs realisieren. Ich brauche Leute, die das gern machen. Wenn mal weniger Produktion da ist, gehen die in den Wartungsdienst, und zwar gerne.“ (H. Wall in der TAZ vom 12. August 2004)
An den Praktiken gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin lassen sich eine Vielzahl von Prozessinnovationen festmachen. Prozessinnovationen verbilligen in der Regel die Produktion. Werden sie mit Produktinnovationen kombiniert, können die Gewinnmargen des Unternehmens erhöht werden. Damit öffnet sich eine Wachstumsspirale, da sich mittels erhöhter Gewinne erneut unternehmerischer Spielraum für Neuinvestitionen in Innovationsforschung und Marktbeobachtung oder zur Verbilligung von Produkten eröffnet, was wiederum den Absatz stimuliert.987 Prozessinnovationen können also Produktionsverfahren betreffen oder sie können sich, wie im obigen Zitat dargestellt, in der Flexibilisierung von Arbeitsweisen reflektieren. Sie können aber auch politisch-planerischer Natur sein, wie die Ausführungen über die Etablierung von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften in der Berliner Stadtentwicklungspolitik verdeutlichen (Kap. 3). Grundlegende Neuerungen im Bereich von Produkten und Dienstleistungen entfalten Innovationspotenziale, indem die Wege zwischen Produktion und Konsum neu sortiert werden, etwa durch Planung, Politik, den Markt oder Kooperationen. In diesem Zusammenhang hat seit dem Beginn der 1980er Jahre das Verfahren der aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäfte Einzug in die Prozesse der Stadtentwicklung halten können, und zwar nicht allein in den Bereichen der Stadtmöblierung, der Stadtsanierung, sondern schließlich auch in die Stadtunterhaltung und die Stadtkommunikation (Kap. 3). Demgemäß stellt das gesamte Modell per se eine Innovation dar, die allerdings ihre Wurzeln in historischen Modellen findet. Die vielfältigen Impulse, die durch die Unternehmen der Stadtraummedien wieder und wieder in die Prozesse der Stadtproduktion eingebracht worden sind, initiieren schließlich auch 987 Ibid. 2005, 48.
309
bei öffentlichen Akteuren reaktive Lernprozesse. So wird seit dem Jahr 2007 das Computersystem der Erfassung von Sondernutzungen des Straßenlandes im Bezirk Mitte von Berlin (neu) von Grund auf erneuert, um den Verwaltungsangestellten im Anschluss an eine über 20 Jahre hinweg improvisierte Verfahrenspraxis und nach erfolgter rechtlicher Institutionalisierung des Kompensationsmodells durch die Neue Bauordnung Berlin ein schnelleres, flexibleres Monitoringsystem an die Hand zu geben, das auch auf die Temporalität von Außenwerbestandorten reagiert.988 Ob es an dieser Stelle lediglich zu einer Reform oder zu einer grundlegenden Innovation des Verwaltungshandelns kommt, kann noch nicht hinreichend beurteilt werden.989 Es bleibt auch Aufgabe zukünftiger Forschung, zu klären, inwieweit Prozessinnovationen pfadabhängig sind, inwieweit öffentliche Akteure in der Lage sein werden, sich auf ein neues dominierendes Paradigma einzustellen. Denn speziell bei computergesteuerten Verfahrensinnovationen wurde mit dem Verweis auf Kompatibilitätsprobleme und dominierende Verwendungsroutinen der Nutzer das Beispiel der Umstellung von Software-Systemen von Windows hin zu Linux angeführt. Die Windows-Linux Metapher wird zukünftig an Bedeutung für die Entwicklungen des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen gewinnen, weil in Berlin und weiteren europäischen Städten die digitale Revolution, das heißt die Umstellung der Medienträger vom analogen auf das digitale Plakat, bevorsteht (Kap. 2). In dem Moment also, in dem die Behörden gerade damit beginnen, ihre Systeme nach zwei Jahrzehnten an die systematische mediale Erschließung öffentlichen Stadtraums mit dem Printmedium Plakat anzupassen, gilt dies für die Privatwirtschaft schon längst veraltet. Diese Diskrepanz findet ihre Begründung jedoch nicht allein in dieser immer noch währenden Veränderungsmüdigkeit der öffentlichen Verwaltung (Kap. 3), sondern gleichermaßen in anderen Ursachen. Denn für Innovationen im Bereich der materiellen sowie der kommunikativ-symbolischen Stadtentwicklung per se gilt, dass beide Entwicklungskulturen – die materielle sowie die immaterielle – vollkommen unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten aufweisen.990 Diese Diskrepanz spiegelt sich etwa auch in den äußerst kurzen Lebenszyklen von Kommunikationsdienstleistungen im Vergleich zu denen von baulichen Produkten und Dienstleistungen wider, die wiederum den jeweiligen Innovationsrhythmus bestimmen und durch diesen bestimmt werden. Das bedeutet, dass etwa die mediale Erschließung von Stadtraum durch Informationsträger viel langsamer über Jahre hinweg geschieht, wohingegen der Fortschritt im Bereich kommunikationsstrategischer Instrumente und Programmatiken wesentlich rasanter abläuft. Und schließlich zeugen die Novellierung der Bauordnung und die Überarbeitung des Berliner Straßengesetzes auch von rechtlichen Innovationen, die zur Institutionalisierung aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte beitragen. Auch die Veränderung stadtentwicklungspolitischer Regulierungsmechanismen kann ebenfalls als Verweis darauf verstanden werden, dass sich die politische Kultur hinsichtlich medialer und kommunikationsstrategischer Praktiken innerhalb von rund zwei Dekaden Jahren radikal ins Gegenteil verkehrt hat, so dass man auch in diesem Fall von grundlegenden Veränderungen in den Politikstilen sprechen kann. So zeigte sich die Berliner Senatsverwaltung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zunehmend aufgeschlossen für die Aktivitäten eines zuvor zunächst umstrittenen Marktsegments. Dies führte langfristig auch dazu, dass zentrale öffentliche Räume zunehmend als Sphäre verstanden worden sind in der Innovationen generiert werden können, die sich positiv auf Wähler und Wirtschaft auswirken.
988 Interview B.14.d vom 14.07.07. 989 Zur Unterscheidung zwischen Reformen und Innovationen siehe Braun-Thürmann 2005, 20. 990 Ibid. 2005, 18f.
310
Schließlich bilden sich Prozessinnovationen ebenfalls im Raumverständnis der Unternehmen ab, diese haben eine ganze Maschinerie von Sozialstudien in Gang gesetzt, um die Mediawerte einzelner Standorte bestimmen zu können, die sich an den hypothetischen Aufmerksamkeiten orientieren. Die Innovation im Raumverständnis der Stadtmedienunternehmen ist darin zu sehen, dass diese an Räumen gesellschaftlicher Zentralität, und erst nachgeordnet, an deren baulichen Arrangements interessiert sind. Das heißt, im Umkehrschluss, dass die Orientierung an Aufmerksamkeit als knapper Ressource – im Übrigen eine wissenschaftliche Innovation – per se als Brutkasten für Innovationen betrachtet werden kann. Soziale Innovationen? “All innovation is social innovation. Innovation does not happen ‘out there’ in the world of objects, but in the society and in the minds.“ (Tuomi 2002, 5)
Viele der gegenwärtigen Wissenschaftsdebatten über soziale Innovationen betonen im Hinblick auf Governance-Prozesse und Untersuchungen erstarkter Handlungsfähigkeit ebenfalls die Prozessdimension im Gegensatz zur Produktdimension.991 Darüber hinaus wird soziale Innovation vor allen Dingen mit Initiativen aus dem Non-Profit Sektor assoziiert, weniger mit dem Handeln privatwirtschaftlicher Akteure. Da es sich bei einer analytischen GovernancePerspektive immer um die Untersuchung von Prozessen handelt, und da das Konzept institutionellen Wandel quasi impliziert, wird in der jüngeren Literatur ebenfalls von GovernanceInnovationen gesprochen. Doch Klaus Selle etwa hat darauf hingewiesen, dass der Begriff Innovation für alles Mögliche verwendet wird und erspart sich vielleicht deswegen eine Auseinandersetzung mit planungstheoretischen Ansätzen aus der angloamerikanischen Forschung oder mit der soziologischen Innovationsforschung.992 Eric Swyngedouw etwa übt eine ganz anders zu verortende Kritik an GovernanceInnovationen, mit denen allzu oft soziale Innovation und das Potenzial größerer gesellschaftlicher Inklusion assoziiert seien. Obwohl in dieser Arbeit derartige demokratietheoretische Untersuchungen nicht in ihrer erforderlichen Tiefe angestellt werden können, soll dennoch kurz auf den Ansatz Swyngedouws eingegangen werden, weil seine Perspektive den Blick auf die Ambivalenz von Innovationen schärfen soll. Swyngedouw konstatiert, dass neue GovernanceArrangements neue Institutionen hervorbringen, die neue Handlungsfelder und Durchsetzungspotenziale für neue Akteure mit sich bringen, wenngleich sie die Teilhabe für andere nicht ermöglichen. In diesem Kontext spricht er von der Janusköpfigkeit von “governancebeyond-the-state” und bezeichnet den Begriff der sozialen Innovationen als „Trojanisches Pferd”.993 Andere definieren soziale Innovationen im Gegensatz zu Swyngedouw dezidiert normativ als ”changes in governance institutions and agency that intend to or have the effect of contributing to improving quality-of-life experiences in a socially inclusive and socially just way.”994 Hier ist also generell zu unterscheiden zwischen sozialer Innovation als politischer Rhetorik zur Abfederung der Folgen des sozioökonomischen Wandels und soziale Innovation als ernst zu nehmendes wissenschaftliches Konzept im Spannungsfeld zwischen Cohesion und Competition, wenngleich auch mit der normativen Färbung, dass sich soziale Innovationen notwendigerweise inklusiv und gerecht auf die gesamte Gesellschaft auswirken. Mit dem Verweis auf diese Diskrepanz soll bei der weiteren Analyse von Governance-Innovationen davon aus991 992 993 994
Vgl. Moulaert et. al. 2005, 1972. Selle 2005, 307. Swyngedouw 2005. González und Healey 2005, 2055.
311
gegangen werden, dass wir es – um dem Begriff positive sowie negative Mystik zu nehmen – mit Neuerungen zu tun haben, die neben den Verbesserungen, die sie (für einen Teil der Gesellschaft) mit sich bringen, immer auch gesellschaftliches Konfliktpotenzial bergen. Es kommt daher auf die Betrachtung der empirisch vorgefundenen Qualitäten von GovernanceArrangements an, um ihren Charakter als soziale Innovation in seiner Ambivalenz – und damit sind wir erneut bei der schöpferischen Kreativität Schumpeters – bestimmen zu können. Betrachtet man zunächst die beiden in gestaltwirksamen Koalitionen vertretenen gesellschaftlichen Sphären Staat und Markt, so wird deutlich, dass die Akteure des Marktes innovatorisches Potenzial für das Soziale mit sich bringen. Soziale Innovationen entstehen etwa auf privatwirtschaftlicher Seite dadurch, dass mit Hans Wall eine neue Kohorte von Unternehmerpersönlichkeiten in die Wirtschaftselite Berlins hineingewachsen ist, die sich dezidiert für die Stadt einsetzen und dementsprechende Prämissen auch auf das Handeln ihrer Unternehmen als kollektive Akteure übertragen. Damit öffnen sie neue Möglichkeitsfenster für Stadtentwicklungsprozesse in der erneuerten deutschen Hauptstadt. Hans Wall etwa gilt in Berlin als einer der schärfsten Verfechter einer postfordistischen Spenderkultur, was sich darin widerspiegelt, dass er immer wieder an seine Kollegen appelliert, ihre Unternehmen stärker in das lokale und gesellschaftliche Umfeld einzubetten. Wenn man der Berichterstattung deutscher Leitmedien Glauben schenkt, dann kann er auch in der Innenperspektive als Vorreiter in punkto soziales Unternehmertum gelten, denn: „mittags isst er mit seiner Familie in der Kantine, das Essen kostet 2 Mark 50, der Kaffee 20 Pfennig, Obst gibt es kostenlos. [Er] bezahlt .. sogar ungelernten Reinigungskräften 5000 Mark im Monat.“995 Nach der Wende habe er direkt ostdeutschen Entwicklungsingenieuren die Chance gegeben, ihr Talent zu beweisen, ohne dabei den Fehler zu begehen, ihnen 30% weniger zu zahlen als seine westdeutschen Kollegen im Osten.996 Wo zuvor in der raumbezogenen Debatte hinsichtlich sozialer Innovationen speziell den Non-Profit-Organisationen das Potenzial sozial-innovatorischen Handelns zugebilligt wurde, kann anhand dieses Beispiels ebenfalls die Notwendigkeit dargestellt werden, zukünftig auch in der stadtbezogenen Governance-Forschung verstärkt das Handeln privatwirtschaftlicher Akteure auf soziales Innovationspotenzial hin zu untersuchen. Denn mit dem Ankommen der Wall AG sind in Berlin eine ganze Serie von Prozessen mit Innovationscharakter initiiert worden ist, die dauerhaft in Politik und Stadtkultur diffundieren. Das Beispiel sui generis für soziale Innovation, die durch die Wall AG und das Land Berlin generiert wurden, kann darin gesehen werden, dass Behindertenverbände in die Entwicklung barrierefreier Toiletten eingebunden worden sind. Infolge konnte die Spreemetropole im Resultat in den 1990er Jahren zum Vorreiter einer behindertengerechten Stadtentwicklungspolitik in Europa werden. Man könnte viele derartiger Beispiele nennen, doch schließlich ist nicht jede Einbindung von Non-Profit Akteuren in das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen automatisch eine soziale Innovation. Vor allem, weil die hier dargestellten Ansätze mit innovativem Charakter vorrangig temporärer Natur sind. Bürgerschaftliche oder intermediäre Akteure werden zwar immer mal wieder in das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen eingebunden, dies geschieht jedoch allein punktuell. Eine systematische Einbindung des Non-Profit Sektors in die Aktivitäten gestaltwirksamer Koalitionen aber findet de facto nicht statt. Sollte diese in einem normativen Sinn von Innovation als Verweis auf das Vorhandensein sozialer Innovationen gelten, so ist davon auszugehen, dass das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen ohne systematische Teilhabe der Zivilgesellschaft noch weit davon entfernt ist, eine soziale Innovation zu sein.
995 Süddeutsche Zeitung vom 14.11.01. 996 TAZ vom 12.08.04.
312
Resümierend ist festzuhalten, dass soziale Innovation durch das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen – im Sinne Swyngedouws – in ihrer konfliktbehafteten Ambivalenz, einerseits aufgrund eines veränderten Verständnisses von gesellschaftlicher Aushandlung de facto geschehen sind. Denn die Lebensqualität in zentralen öffentlichen Räumen konnte speziell für die vormals strukturell benachteiligte gesellschaftliche Gruppe der Menschen mit Behinderungen, aber auch für weitere Teile der Mehrheitsgesellschaft verbessert werden. Andererseits hat gerade diese soziale Innovation neue Konflikte erst hervorgebracht, weil mit Ausnahme eben dieser vormals benachteiligten Gruppe ein neuer Zugangsrestriktionsmechanismus für andere Gruppen fernab der Mehrheitsgesellschaft geschaffen wurde. Denn der Eintritt in eine solche öffentliche Toilette wird jetzt nicht mehr kostenfrei gewährt. Aufgrund der Komplexität und tiefgreifenden Ambivalenz von Innovationen kann eine umfassende Beurteilung des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen hinsichtlich eines normativen Verständnisses von sozialer Innovation im Rahmen dieser Arbeit nur angerissen, nicht aber in ihrer notwendigen Detailliertheit geführt werden. Den wenigen angeführten Beispielen ist jedoch in der Summe betrachtet bereits zu entnehmen, dass der ambivalente Charakter sozialer Innovationen auch im Falle des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin empirisch aufscheint. Es erscheint daher angebracht, eine analytische Betrachtung des Governance-Arrangements an sich vorzunehmen. Bevor dies geschieht, soll jedoch abschließend ein weiterer, dezidiert raumbezogener Betrachtungswinkel von Innovation im Spannungsfeld der Produktion öffentlicher Räume eingenommen werden. Zentrale öffentliche Räume als Lead-Märkte für innovatorisches Handeln „Es ist häufig zu beobachten, dass Innovationen in bestimmten nationalen oder regionalen umgrenzten Märkten schneller heranreifen als anderswo. Solche Märkte, deren Nachfragestruktur Bedingung dafür ist, dass Innovationen sich schneller entwickeln als anderswo in der Welt, werden ‘Lead-Märkte’ genannt (...) Die Gegebenheiten eines lokalen Marktes werden zum wichtigen Test- und Experimentierfeld, um globale Absatzmärkte zu erschließen.“ (Braun-Thürmann 2004, 15)
Wie die Wall AG betont, stellt die Stadt Berlin – die von dem Unternehmen auch als „Hauptstadt der Stadtmöblierung” bezeichnet wird – ein wichtiges Innovationslabor dar.997 Entsprechend der Definition, die im obigen Zitat vorgestellt wurde, stellen zentrale öffentliche Räume in Berlin den Lead-Markt des Handelns der Wall AG dar. Zentrale öffentliche Räume jedoch als gesellschaftliche Sphären zu verstehen, in denen Innovationen produziert werden können, ist neu. Berlin fungiert in diesem Zusammenhang bereits spätestens seit Anfang der 1990er Jahre als Vorreiterstadt, schließlich hatte ein Wandel in der politischen Kultur auf nationalstaatlicher Ebene mit der Einführung der Partei der Grünen dafür gesorgt, dass den Belangen und Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen in den 1980er Jahren größere Aufmerksamkeit beigemessen wurde, als dies noch in den 1970ern der Fall war. Im Berlin der späten 1980er Jahre verschafft sich dieser neue gesellschaftspolitische Anspruch auch lokal Gehör und die Forderung nach der Barrierefreiheit öffentlicher Bauten gewinnt derartige Schlagkraft, dass schließlich neue Standards für die öffentliche Bedürfnisanstalten gesetzt werden. Das Berliner Unternehmen hatte bereits in den Jahren zuvor an der Entwicklung entsprechender Prototypen gearbeitet. Es hatte also bereits vor und während der langwierigen öffentlichen Debatte ein feines Gespür für notwendige Veränderungen in den zentralen öffentlichen Räumen entwi-
997 Siehe Neuer Internetauftritt der Wall AG. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/case_studies/berlin (letzter Zugriff am 23.09.08).
313
ckelt und diese infolge auch zukünftig als Sphäre verstanden, in der Innovationen aufgrund des bestimmten räumlichen Bezugs schneller heranreifen als anderswo. Kurzum, politische Diskussionen, speziell veränderte politische Haltungen um die Ausstattung der baulichen Arrangements öffentlicher Räume generierten ein Innovationsmoment, das der Markt bereits antizipiert hatte. Viel stärker noch als bei den Debatten um die Berliner Wartehallen sollte diese Form des auf sozialer Innovation beruhenden Kompensationsgeschäftes in Form von rund 300 neu installierten und restaurierten Berliner Bedürfnisanstalten prozedural nachhallen. Schließlich wurde der Mechanismus bisweilen umgedreht, so dass bewusst öffentliche Debatten um bestimmte Themen stimuliert wurden, um die Notwendigkeit für weitere Innovationen im Bereich der Produkte und Prozesse der medialen Erschließung öffentlicher Räume abzuleiten. Es ist eindeutig, dass hier erneut symbolisch-kommunikative Debatten, die auf Veränderungen von gesellschaftspolitischen Haltungen fußten, mit Forderungen nach materiellen Innovationen in den baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume einhergingen. Zentrale öffentliche Räume in Berlin können daher sowohl als materielle als auch als immaterielle Sphäre der lokalen Anbahnung von innovatorischem Handeln verstanden werden, das über lokale Grenzen hinweg Bedeutung erlangt. Letzteres spiegelt sich darin wieder, dass die Wall AG das Weltpatent City-Toilette einige Zeit später etwa am Ort der olympischen Spiele im nordamerikanischen Atlanta installierte (Kap. 3). Weitere Städte und Metropolen folgten. Die innovatorische Leistung der Wall AG ist, zusammen gefasst, darin zu sehen, dass sie ständig Konventionen erkennt und überwindet, um sich als erfolgreiche Informationslogistiker in von Dynamik und kurzen Lebenszyklen geprägten Aufmerksamkeitsmärkten durchzusetzen. Diese ‘Just do it! Mentalität’ beginnt bei der kreativen Entwicklung von Produkten und ihrer Flankierung durch umfangreiche Dienstleistungsbündel und endet nicht zuletzt bei kreativen Vorschlägen im Hinblick auf mögliche Privatisierungsmodelle oder im Hinblick auf die Verquickung von ehrenamtlichem Engagement und Markterschließungsstrategien, die den jeweiligen Entscheidungsträgern unterbreitet werden. Aus dem Wechselspiel zwischen Innovation und Aufmerksamkeit ergibt sich die Frage nach der Diffusion von Innovation, nach den nachfragenden Konsumenten. In jüngeren Studien ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Unterscheidung zwischen Produzenten und Experten auf der Produktionsseite und Konsumenten und Laien auf der Verbraucherseite bei der Beurteilung von Innovationen in Frage zu stellen ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Kunden und die Orte der Anwendung maßgeblich zur Entwicklung von Innovationen beitragen.998 Das bedeutet, erstens, dass öffentliche Räume als Orte der Anwendung und Vermarktung von Informationen einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg von Innovationen durch gestaltwirksame Koalitionen haben. Zweitens gilt der Belebtheitsgrad als taktgebende Determinante für die Vermarktung von Aufmerksamkeitspotenzialen der Innovationen. Die gesellschaftliche Zentralität bedingt folglich die Eigenschaft zentraler öffentlicher Räume, als innovatorische Sphären funktionieren zu können. Die Ambivalenz einer neuen innovationsstrategischen Ressource Mit der Produktion öffentlicher Räume sind vielschichtige Innovationen verbunden, ein Verweis darauf, dass eine Innovation kein singuläres Ereignis ist, sondern oftmals ganze Bündel von Veränderungen unterschiedlichster Natur in Gang setzt.999 Neu ist jedoch, dass mittels 998 Vgl. Braun-Thürmann 2005, 15. 999 Braun-Thürmann 2005, 24.
314
gestaltwirksamer Koalitionen das innovatorische Potenzial des Handelns in zentralen öffentlichen Räumen wieder entdeckt worden ist. Dies wird zwar in grundlegenden Zügen vom Marktakteur innerhalb der Koalition bestimmt, jedoch lässt sich auch eine Ausdifferenzierung der beteiligten öffentlichen Akteure festhalten. Nachdem der Facettenreichtum dargestellt wurde, mit dem Innovationen das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen vorangetrieben und flankiert haben, sollen die zentralen Aspekte in einer Rückschau kompakt zusammengefasst werden: Erstens vermag es der Markt, Innovationen hinsichtlich der Prozesse der Stadtproduktion zu generieren. Die Impulse, die durch die Unternehmen der Stadtraummedien wieder und wieder in die Prozesse der Stadtproduktion eingebracht worden sind, lösen ebenfalls bei den öffentlichen Akteuren reaktive Lernprozesse aus. Es bleibt für Berlin festzuhalten, dass die politische Kultur der späten 1990er Jahre sich zunehmend aufgeschlossen für die Aktivitäten eines zuvor zunächst umstrittenen Marktsegments gezeigt hat, weil zentrale öffentliche Räume zunehmend als Sphäre verstanden worden sind, in der Innovationen geschaffen werden können, die sich positiv auf Wähler und Wirtschaft auswirken. Bezogen auf öffentliche Räume, deren bauliche Arrangements sich in staatlicher Hoheit befinden, bedarf es, zweitens, der Herausbildung von gestaltwirksamen Koalitionen, um diese Innovationen katalysieren zu können. Mit dem innovativen Netzzugriff auf ganze Systeme öffentlicher Räume, der erst innerhalb der Koalitionen ermöglicht wird, findet eine strategische Ressourcenbündelung en Gros statt. Diese wird sowohl von Innovationen im Bereich von Produkten und Dienstleistungen flankiert, die mit symbolisch-kommunikativen Innovationen des Gebrauchs zentraler öffentlicher Räume korrespondieren. Innovationen begünstigen, drittens, das Binden von Aufmerksamkeit. In diesem Kontext wird das ständige Generieren von Innovationen auch als Folge einer veränderten gesellschaftlichen Kommunikationsweise verstanden, „die das Neue mit der knappen Ressource Aufmerksamkeit belegt und es dadurch selektiv zuungunsten des Bekannten wahrnimmt.“1000 Bei dieser Verquickung der Themen Aufmerksamkeit und Innovation spielen Massenmedien eine zentrale Rolle, da diese sich reflexartig auf Innovationen konzentrieren. Auch öffentliche Akteure erkennen durch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft zunehmend die innovatorischen Potenziale zentraler öffentlicher Räume, in denen diverse Arten von Neuerungen überhaupt erst generiert werden können. Damit schließlich übernehmen Orte von gesellschaftlicher Zentralität in der Stadt eine neue Rolle in der Ökonomie der Stadt, der sich ebenfalls die Stadtentwicklungspolitik zuwendet. Schließlich kommt es im Rahmen des institutionellen Wandels zur Verfestigung neuer GovernanceArrangements, die als solche per se innovatorisches Potenzial in sich bergen. Einer Beurteilung, ob gestaltwirksame Koalitionen zu sozialen Innovationen im normativen Sinne führen, kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht in der erforderlichen Tiefe erbracht werden. Die derzeitige Einschätzung, dass auf das bereits in den frühen 1980er Jahren prognostizierte Staatsversagen im Falle gestaltwirksamer Koalitionen knapp zwanzig Jahre später zunehmend Marktversagen durch Monopolisierung- und Konzentrationstendenzen folgt, lässt anklingen, dass die Praxis gestaltwirksamer Koalitionen zwar in vielerlei Hinsicht als innovativ bezeichnet werden kann, dass sie aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive jedoch nennenswerte Probleme und Benachteiligungen generiert. Warum dies so eingeschätzt wird, wird jetzt mittels genauerer Betrachtungen der Qualitäten und Risiken, die diese neuen GovernanceArrangements mit sich bringen, dargestellt. Nachdem zuerst mit den aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften die strategischen Handlungsmuster, mit zentralen öffentlichen Räumen die strategische Ressource sowie mit veränderten Raumbezügen neue Verräumlichungen strategischen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen charakterisiert worden sind, diente dieser Abschnitt dazu, die Bedeu1000 Ibid. 2005, 12.
315
tung von Innovation als strategischem Instrument in seiner Vielfältigkeit und Ambivalenz herauszustellen. Diese Merkmale werden schließlich durch die Frage nach der politikwissenschaftlichen Einordnung des Kooperationsmodells abgerundet, die im ersten Kapitel aufgeworfen wurde (Kap. 1). Dabei ist es Sinn und Zweck des folgenden Abschnitts, gestaltwirksame Koalitionen als strategischen Handlungszusammenhang zu charakterisieren. Im anschließenden sechsten Kapitel werden die Erkenntnisse, die für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen im Bereich der Stadtraummedien im Extremfall Berlins gewonnen werden konnten, zurück auf die theoretische Ebene, zurück auf die ursprüngliche Forschungsfrage nach der Auswirkung institutioneller Veränderungen auf die postfordistische Produktion zentraler öffentlicher Räume gebracht. (Kap. 6) Gestaltwirksame Koalitionen als strategischer Handlungszusammenhang in der Aufmerksamkeitsökonomie „In konzeptioneller Hinsicht knüpft der Governance-Begriff an die Einsicht an, dass gesellschaftliche Entscheidungs- und Steuerungsprozesse nie unter der Bedingung vollständiger Information, kaum je vollständig zweckrational und äußerst selten unbeeinflusst von Partikularinteressen verlaufen.“ (Nuissl und Heinrichs 2006, 62)
Am Anfang dieser Arbeit stand eine konzeptuelle Diskussion zu Möglichkeiten einer Analyse öffentlicher Räume, aus der im Verlauf des ersten Kapitels ein Untersuchungsansatz destilliert wurde, der auf dem politikwissenschaftlichen Forschungsansatz der Urban Governance beruht. Hiermit sollten der kontextuelle Blick auf Institutionen und Strukturen sowie gleichermaßen auf die handlungsorientierte Perspektive der beteiligten Akteure ermöglicht werden. Die Produktion zentraler öffentlicher Räume, so die Prämisse dieses Ansatzes, sollte von mehreren, ausgewählten Ebenen gleichzeitig betrachtet werden können, die auf dem Grundverständnis beruhen, dass Raum sozial konstituiert wird und es keine nicht räumliche soziale Realität gibt. Es wurde mit dem Verweis auf die vorrangig induktive Vorgehensweise der Arbeit ein erster Ausblick auf mögliche Bewertungsrahmen im theoretischen Spannungsfeld der Urban Governance-Forschung gegeben.1001 An dieser Stelle soll die Frage nach möglichen Bewertungsrahmen nun hinsichtlich der empirischen Befunde erneut aufgegriffen werden. Dabei ist es keinesfalls die Absicht der Autorin, Diagnose und Handlungsrezept ineinanderfließen zu lassen, eine Situation, die häufig bei Fallstudien im Rahmen von Urban Governance auftritt und Probleme mit sich bringt.1002 Es geht hier also zunächst allein um die Diagnose. Urban Governance im kooperativen Staat basiert auf einer Ausdifferenzierung der Konstellationen und Motivlagen öffentlicher Akteure sowie auf einer veränderten Positionsbestimmung des öffentlichen Sektors.1003 Wo etwa in der ersten Tranche der Toilettenverträge noch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig war, übernahm die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen die Abwicklung der 2. Tranche der Stadtmöblierung. Das heißt, dass nicht mehr prinzipiell Planer, Städtebauer und Architekten primär zur Entscheidung über Stadtgestaltung beitragen, sondern vordergründig Betriebswirte und Juristen. Aufmerksamkeitsökonomische Stadtproduktion wird zunehmend eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsverwaltung, wohingegen weitere Ressorts nachgeordnet beteiligt werden können. Ambivalenzen in internen Beziehungen des öffentlichen Sektors lassen sich am Konflikt infolge des geplanten Station-Brandings festmachen: Denn die Senatsverwaltung für Wissenschaft, 1001 Knierbein 2009. 1002 Nuissl und Heinrichs 2006. 1003 Ibid. 2006, 54.
316
Forschung und Kultur hatte dieses Projekt mehrere Jahre mit Unterstützung der BVG und der VVR-Berek gefördert,1004 wohingegen die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, der die BVG untersteht, federführend die Privatisierung der BVG Tochter VVR Berek initiiert und realisierte (Kap. 3). Diese wollte mit dem Verkauf die BVG entschulden. Weitere Ambivalenzen sind auf die politisch-legislative Verfügungsgewalt des Stadtstaates zurückzuführen, wo legislative Kompetenzen und exekutive ordnungspolitische Befugnisse auf der gleichen administrativen Ebene angesiedelt sind. Eine Lex Wall (Kap. 3) mit direktem Einfluss auf die Ordnungspolitik in der Stadt wäre in den Flächenstaaten nicht möglich. Schließlich ist auch auf die ständigen Konflikte zwischen dem Land Berlin und den Bezirken, in diesem Fall dem Bezirk Mitte, zu verweisen: Wo die Fachexperten im Bereich der Stadtplanung versuchen, eine nachvollziehbare und kohärente Linie hinsichtlich der fachlichen Beurteilung einzelner Anträge für Sondernutzungen öffentlichen Straßenland zu etablieren, sind diese Kriterien bei den Senatsentscheidungen – etwa hinsichtlich der Fashion Week – allein von nachgeordnetem Interesse, denn auf Landesebene prägen vor allen Dingen stadtentwicklungspolitische Handlungsmotivationen das operative und strategische Tagesgeschäft. Außerdem kann die Senatsverwaltung durch wirtschaftliche Anreize Steuerungsmechanismen für das Gebiet der gesamten Stadt forcieren, um etwa mittels eines gesteuerten Oligopols plakativen Wildwuchses zu vermindern. Dass es heute nicht mehr Litfaßsäulen sind, sondern CLP-, CLBund CLS-Formate, die von Einem oder Wenigen vermarktet werden, kann ebenfalls als eine wirtschafts- und ordnungspolitische Regelung des städtischen Out-of-Home Medien-Marktes gedeutet werden. Die öffentliche Hand ist also alles andere als ein kollektiv – im Sinne von konsensual – handelnder Akteur, sondern vielmehr ein stark ausdifferenziertes Akteursgeflecht, in dem unterschiedliche Motivlagen strategisches Verhalten prägen. Für die Unternehmen der Privatwirtschaft, so wurde bereits im ersten Zwischenfazit angedeutet (Kap. 3), tun sich neuartige Möglichkeitsfenster auf, ihre eigene Positionierung unter veränderten gesellschaftlichen Vorzeichen voranzutreiben. Der Kontext, in dem beide Akteure in gestaltwirksamen Koalitionen handeln, ist auf beiden Seiten von Unsicherheit, Veränderung und der Hoffnung auf neue Möglichkeiten geprägt. Wie aber ist das Governance-Arrangement zwischen der Wall AG und dem Land Berlin und seinen Bezirken, wie sind die neuen verfestigten Verbindungen zwischen der Branche der Stadtraummedien und den öffentlichen Institutionen aus politikwissenschaftlicher Perspektive im Hinblick auf ihre interne politische, ökonomische und soziale Dynamik zu verstehen? Gegenwärtig sehen sich auch deutsche Städte zunehmend gezwungen, „Initiativen zur Förderung des Wachstums zu unterstützen oder selbst anzustoßen. Die Stadtpolitik übernimmt stärker als zuvor eine aktive Rolle in der ökonomischen Entwicklung der Stadt und wird zugleich zu einer stärkeren Anpassung an ökonomische Interessen privater Akteure gezwungen.”1005 Das lässt – entgegen der noch Mitte der 1990er Jahre attestierten, vergleichbar geringen Hinwendung europäischer Städte zur Notwendigkeit einer forcierten wirtschaftlichen Standortentwicklung1006 – den Schluss zu, dass einige Facetten der US-amerikanischen Stadtpolitik aufgrund der geschwächten Position Berlins nach dem Wegfall der doppelten staatlichen Subventionen und den gleichzeitig vergrößerten Möglichkeitsfenstern für die Wirtschaft auch
1004 Siehe Pressemitteilung Neue Gesellschaft für Bildende Kunst. Ausstellung „Arbeiten am Gleisbett”. URL: http:/ /www.sledztilp.de/media/pressemappe_sledz_tilp.pdf (letzter Zugriff am 22.11.08). 1005 Häußermann et. al. 2008, 350. 1006 Mossberger und Stoker 2001, 820.
317
für deutsche Untersuchungen Relevanz erhalten könnten, obgleich weiterhin von sehr unterschiedlichen stadtpolitischen Kulturen in Deutschland und in den USA auszugehen ist.1007 Die empirischen Befunde hinsichtlich der internen Dynamik gestaltwirksamer Koalitionen zwischen Staat und den Unternehmen der Stadtraummedien in Berlin weisen aufgrund verschiedener Merkmale in Richtung von Urban Regimes als Governance-Arrangements. Gerade aber der Urban Regime-Ansatz hat in der Europäischen Stadtforschung einen Hagel an Kritik geerntet, so werden ihm gleich dreifach Verzerrungen beigemessen: Er vernachlässige die Bedeutung städtischer Politik (im Sinne von Policy), den vielschichtigen Charakter von Governance-Prozessen über Städte hinaus sowie die Regulationsmacht staatlicher Institutionen.1008 Bei regimetheoretisch angeleiteten Forschungen seien zudem empirische Resultate oftmals das Ergebnis eines normativen Regime-Verständnisses, mit dem implizit danach verlangt werde, Koalitionen zu schmieden, „die Handlungsfähigkeit durch bewusste Verengung des Akteursrahmens der Entscheidungsfindung“ erzielen.1009 Möglichst enge Koalitionen mit möglichst wenig Beteiligten und wenig Entscheidungsträgern sind allerdings zwar entscheidungsfähiger und damit kurzfristig effektiver, die eindeutig selektive Entscheidungsatmosphäre verhindert aber einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs über die Akzeptanz und Auswirkungen der Entscheidung, die – im Vorfeld geführt – eine ‘Power to’ Koalition auch gesellschaftspolitisch absichern und damit zu langfristiger Effektivität beitragen könnte. Aufgrund dieser Kritiken, die sich vor allen Dingen auf die Anwendung von Urban Regime Theory als analytischem Werkzeug beziehen, wurde für die Analyse gestaltwirksamer Koalitionen ein offenes Governance-Tool für die Erforschung der Produktion öffentlicher Räume entwickelt, das es, erstens, erlaubt, konkret politische Entscheidungsprozesse (Kap. 3) nachzuvollziehen, das, zweitens, explizit Struktur und Handlung in der analytischen Betrachtung verschiedener Governance-Ebenen verbindet (Kap. 1) und das, drittens, mit dem Rückgriff auf regulationstheoretische Ansätze das regulierende Potenzial staatlicher Institutionen speziell in europäischen Städten berücksichtigt (Kap 6). Der Kritik an der weiteren inkonsequenten Verwendung der mit Urban Regimes assoziierten Begriffe wird dadurch begegnet,1010 dass mit städtischen Regimen infolge Governance-Arrangements mit Regimecharakter gemeint sind, die allein für ganz bestimmte Politikfelder Bezug haben. Hiermit soll klar gemacht werden, dass die Regime Theory nicht a priori als analytischer Ansatz, sondern allein als Instrument der Charakterisierung von gestaltwirksamen Koalitionen im Rahmen eines Urban Governance-Analyseansatzes verwendet wird. Denn für die genaue Charakterisierung der horizontalen Dynamiken gestaltwirksamer Koalitionen, die sich als besonders langfristige Governance-Arrangements ausbilden, erscheinen Regimeansätze weiterhin gewinnbringend: “[Their] strengths is providing an ability to understand the fine grain of urban politics in a period of changing forms of urban governance.“1011 1007 Häußermann et. al. 2008. 1008 Vgl. Giersig 2008, 65ff. Weitere kritische Auseinandersetzungen mit der der Urban Regime Theory finden sich bei Altrock 2001, 47ff und bei Häußermann 2008, 355ff. Genuine Kritikpunkte sind: Vermischung von Diagnose und Handlungsrezept bei der Analyse von Regimes, Normativer Missbrauch des Konzepts zur wissenschaftlichen Herausdestillation ‘effektiver’ Koalitionen, Inadäquate Übertragung lokalspezifischer empirischer Ergebnisse aus USamerikanischen Städten, Kontextschwäche aufgrund der Nichtbeachtung überlokaler Rahmenbedingungen, fehlende Möglichkeiten alternativer Interpretationen. Probleme bei der Anwendung der Regimetheorie werden in Parochialism (Erfinden neuer Begriffe oder falsche Benutzung des Begriffs etwa für jegliche Art von Public Private Partnership), Misclassification (falsche Klassifizierung,) Degreeism (verfeinerte Betrachtungsweise, die neue, teils falsche Kategorien hervorbringt) oder Concept Stretching (Überdehnung des Konzepts) gesehen (Mossberger und Stoker 2001). 1009 Altrock 2001, 49f. 1010 Vgl. Giersig 2008, 69. 1011 Stoker und Mossberger 1994, 199.
318
In jüngeren regimetheoretischen Abhandlungen werden verschiedene Aspekte betont:1012 Die Analyse von Regimen geht von einer Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt aus, da Macht fragmentiert sei und da Ressourcen, die die Bedingungen für politische Handlungsfähigkeit seien, nicht allein in der Hand der politischen Akteure, sondern auch in der Wirtschaft gebündelt seien. Kurz: ”Regimes bridge the divide between popular control of government and private control of economic resources.“1013 Es geht in der Regimeforschung also nicht um die Frage, wer Macht oder soziale Kontrolle über wen ausübt (Power over), sondern wie Macht unter fragmentierten Umständen zusammengeführt werden kann, um politische Handlungsfähigkeit (Power to) zu erlangen. Durch die Herausbildung von Regimen stellen lokale Regierungen und privat(wirtschaftliche) Akteure Handlungsfähigkeit her, ohne dass dabei zivilgesellschaftliche Akteure notwendigerweise eingebunden werden. Auch wird der Regimebegriff in der gegenwärtigen deutschsprachigen Stadtentwicklungsforschung weniger normativ und viel eher pragmatisch-deskriptiv verwendet, indem langfristig stabile Governance als Regime bezeichnet wird.1014 Als stabil erscheint eine Koalition dann, wenn sie langfristig Handlungsfähigkeit herstellen kann, also zur Governamentality, zur Regierbarkeit einer Stadt beiträgt. Für die Herausbildung von städtischen Regimes gibt es verschiedene Gründe wie etwa demografischen Wandel, ökonomische Restrukturierung, staatliche Förderpolitik oder politische Mobilisierung. Wo den Städten in der New Urban Politics-Forschung aufgrund der komplexeren Steuerungsanforderungen bei gleichzeitig verminderten eigenen Ressourcen zunächst Handlungsunfähigkeit zugeschrieben wurde, akzeptiert die Regimetheorie das Unsicherheits- und Komplexitätsparadigma als gegeben und fragt danach, „wie im Strudel von Verschiedenheit und Komplexität in einem politischen System dennoch die Möglichkeit zu regieren entsteht”.1015 Das bedeutet, dass Politikstile wie die autoritative und die pluralistisch-vermittelnde Entscheidungsfindung nunmehr von heterarchischen Mustern sozialer Organisation und politischer Entscheidungsfindung flankiert oder überlagert werden.1016 Stabile Regimes müssen insoweit dynamisch bleiben, als dass sie sich bei veränderten Anforderungen, Interessen und Ressourcenlagen anpassungsfähig erweisen müssen, um etwa auch politische Umschwünge zu überdauern. Wie also sind gestaltwirksame Koalitionen als städtisches Regime entstanden, wie haben sie sich verstetigt und welchen Veränderungen unterlagen sie während des mittlerweile mehr als zwei Dekaden andauernden Prozesses? Das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin basierte bereits früh auf der Notwendigkeit, fragmentierte Ressourcen zusammenzubringen, um politische Handlungsfähigkeit bei der Produktion öffentlicher Räume zu Zeiten eines postfordistisch geprägten Strukturwandels (Kap. 3) herzustellen. Der öffentlichen Hand fehlten Anfang der 1980er Jahre Ressourcen wie Informationen, Know-how und Kapital, um die baulichen Arrangements entsprechend der neuen gesellschaftlichen Ansprüche herzurichten, symbolische Arrangements imageprägend anzureichern oder aber ganz konkret den Mediawert der Aufmerksamkeitspotenziale in zentralen öffentlichen Räumen zu messen.1017 Dem Markt hingegen fehlte von Anfang an die gesellschaftliche Legitimation, zentrale öffentliche Räume, über die der Staat hoheitlich waltet, medial zu erschließen. Insbesondere aufgrund von Impulsen des Marktes konnten diese fragmentierten Ressourcen in verschiedenen Ausprägungen gestaltwirksamer Koalitionen zusammengeführt werden, ein Vorgang, der als Pooling bezeichnet wird. Das Handeln der gestaltwirksamen Koalitionen drehte sich dabei immer um das 1012 Vgl. Mossberger und Stoker 2001, 810ff. 1013 Ibid. 2001, 813. 1014 Vgl. Häußermann et. al. 2008, 350. 1015 Ibid. 2008, 352. 1016 Ibid. 1017 Einschränkend gilt, dass das Land Berlin bei der Toilettenausschreibung eine Privatisierung politisch forciert hat.
319
Poolen genau dieser Ressourcen, das in Form von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften institutionalisiert wurde (Kap. 3). Gestaltwirksame Koalitionen haben demnach ganz dezidiert bestimmte Gegenstände auf der stadtentwicklungspolitischen Agenda abgearbeitet, aber auch neue hervorgebracht. Sie waren zunächst nur auf ein ganz bestimmtes Feld der Stadtentwicklungspolitik, das der aufmerksamkeitsökonmischen Stadtmöblierung, fokussiert, haben mittlerweile jedoch ihre Aktivitäten auf andere Politikfelder erweitert, so etwa die Stadtsanierung, die Stadtunterhaltung und die Stadtkommunikation (Kap. 3). Gerade diese Tatsache ist es, die einmal mehr untermauert, dass das sich hier herausbildende GovernanceArrangement Regimecharakter hat. Aus der Perspektive der Regimetheorie kann sich keine vereinzelte Elite in der Stadtentwicklungspolitik durchsetzen, weil die kollektiven Akteure der jeweiligen Koalitionen wechselseitig voneinander abhängig sind. Diese Prämisse trifft, wie oben veranschaulicht, auf den Fall gestaltwirksamer Koalitionen zu. Denn der Staat hat sowohl als Grundeigentümer die Verfügungsgewalt im operativen Sinne, als auch die Möglichkeit, den Zugriff der Unternehmen der Stadtraummedien auf zentrale öffentliche Räume rechtlich zu de- oder zu re-regulieren. Der Markt hingegen bringt die Ressource Know-how hinsichtlich des technischen Fortschritts, ästhetischer Anforderungen sowie hinsichtlich der Messung der Aufmerksamkeitspotenziale in öffentlichen Räumen ein. Und die Akteure des Marktes vermögen es, finanzielle Ressourcen in die Gestaltung und postfordistische Aufrüstung von Straßen und Plätzen zu investieren. Wie aber ist dieses veränderte Kräfteverhältnis zwischen Markt und Staat hinsichtlich der horizontalen Dynamiken zu deuten? Für das Herausbilden von Kooperationen der lokalen Wirtschaftsentwicklung wurde festgehalten, dass es in Europa, speziell in England postThatcher wahrscheinlicher ist, dass diese Kooperationen vom Staat stärker gelenkt werden, als dies etwa in den USA der Fall ist. In regimetheoretischen Ansätzen, die auf dem Grundsatz beruhen, dass städtische Regime eine “informal yet relatively stable group with access to institutional resources that enable it to have a sustained role in making governing decisions“ darstellen,1018 wird also eine relativ starke Position oder gar eine Dominanz der Wirtschaft in Governance-Arrangements impliziert, die soweit gehen kann, dass Wirtschaftsunternehmen direkten oder indirekten Einfluss auf die Gestaltung lokaler Politik nehmen können.1019 Hier wird die Besonderheit gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin deutlich: Ein indirekter Einfluss des privatwirtschaftlichen Koalitionspartners ist im untersuchten Fall nicht von der Hand zu weisen, denn maßgebliche Impulse für die Veränderung der Prozesse und Produktionsverhältnisse gingen von Anfang an vom Markt aus. Dies bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der Staat automatisch unterhöhlt wird. Er erschwerte in den 1980er Jahren zwar noch die Ausprägung gestaltwirksamer Koalitionen durch seine Rechtsinstrumente der rigiden Regulierung, tolerierte die Praxis aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte jedoch über zwei Dekaden hinweg informell und etablierte schließlich eine neue Regulierungsform durch DeRegulierungen der entsprechenden rechtlichen Rahmenwerke. (Kap. 3) Stellt also letztendlich die Koalition zwischen der Wall AG und dem Land Berlin und den Berliner Bezirken ein gestaltwirksames Regime dar? – Die ersten empirischen Befunde der Arbeit lassen den Schluss zu, dass sich ein städtisches Regime zwischen der Wall AG und den öffentlichen Akteuren in Berlin herausgebildet hat, jedoch wird bei genauerem Blick ersichtlich, dass sich dieses enge gestaltwirksame Regime gerade in der vergangenen Dekade ausdif1018 Stone 1989, 4. 1019 Obwohl hier der größte Kritikpunkt aus Sicht der europäischen Stadtforschung liegt, muss etwa auf die Arbeiten von Mossberger und Stoker (1994, 2001) verwiesen werden, die dezidiert daran gearbeitet haben, regimetheoretische Ansätze vom Bias der US-Bezogenheit zu lösen.
320
ferenziert hat. Man kann also gegenwärtig vielmehr von einem Regime zwischen öffentlicher Hand und den Unternehmen der Stadtraummedien generell sprechen, denn es erhalten neben der Wall AG auch die wenigen Mitbewerber der Branche Zugangsmöglichkeit durch die erfolgte Deregulierung zu den Prozessen der Stadtproduktion, wie etwa die Ströer AG. Die Deregulierung hat im Hinblick auf die Wettbewerbsbeziehungen regulierende Wirkungen entfaltet, da jetzt Grundsätze der Gleichbehandlung aller Unternehmen bei aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften rechtlich etabliert und damit einklagbar geworden sind. Hinzu zu zählen zu den Ansätzen einer indirekten Regulierung ist auch der missglückte Versuch seitens des Landes Berlin, mit JCDecaux einen weiteren Akteur ins Boot zu holen, was sich positiv auf die lokale Wettbewerbslandschaft der Stadtraummedien und explizit gegen eine zunehmende Monopolisierung durch ein alleiniges Unternehmen hätte auswirken können. Aufgrund der intrinsischen Verstrickungen beider Unternehmen jedoch war vorab von der Möglichkeit eines möglichen Marktversagens (Kap. 6) auszugehen, und es verwundert im Nachhinein nicht, dass die Wall AG fast gänzlich ein Anbietermonopol auf öffentlichem Straßenland und öffentlichen S- und U-Bahnhöfen in Berlin ausbilden konnte. Ob dies der letzte Schritt der glokalen Zusammenballung dieses Monopols sein wird, wird sich daran messen lassen, ob die Wall AG den Übernahmeversuchen der Franzosen weiterhin trotzen wird. Für die Existenz eines engen gestaltwirksamen Regimes zwischen der Wall AG und den öffentlichen Akteuren gibt es demnach an vielen Stellen Verweise, die Öffnung hin zum Marktwettbewerb und der zunehmende Erfolg der Kölner Konkurrenz im Rahmen der Denkmalrestaurationen und des Brunnensponsoring weisen jedoch darauf hin, dass dieses zugunsten eines weiten gestaltwirksamen Regimes gerade kürzlich Ausdifferenzierungen erfahren hat. Das weitere gestaltwirksame Regime umfasst prinzipiell politische – gelegentlich auch fachliche – Akteure der Landes- und Bezirksverwaltungen sowie die benannten Protagonisten der Branche der Stadtraummedien, die sich aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften verschrieben haben und immer wieder als Ansprechpartner mit potenziellen Ressourcen zur Realisierung von Stadtentwicklung aufwarten. Des Weiteren gehören ihm intermediäre Akteure (Mittler) wie die Stiftung Denkmalschutz an, auf die im Rahmen der Strandbadrestaurierung hingewiesen wurde (Kap. 3). Nicht immer arbeiten alle dieser Akteure zusammen, die Einzelkoalitionen bilden sich entsprechend des jeweiligen Agendagegenstandes immer wieder neu heraus, rekrutieren sich jedoch weitestgehend aus dem Akteurs- und Institutionenpool des gestaltwirksamen Regimes. Resümierend: Der Befund, gestaltwirksame Koalitionen als sich seit gut 20 Jahren in Berlin herausbildende Governance-Arrangements mit Regimecharakter, oder prägnanter als gestaltwirksames Regime, zu kennzeichnen, wird dadurch untermauert, dass es zu langfristigen Aushandlungsstrategien für politischen Konsens, zu einer Verstetigung des Kompensationsmodells in den Verfahren der lokalen Stadtentwicklung und zu einer Affirmation dieser neuen Praxis durch die Politik gekommen ist. Darauf verweisen speziell die grundlegenden Gesetzesänderungen zugunsten dieser neuen Praxis. Die Koalition hat Handlungsfähigkeit erzeugen können, weil sie es vermag, grundlegende Ressourcen neu zu organisieren. Das Herstellen von Handlungsfähigkeit geschieht nicht zwangsläufig im Rahmen von Interessenkoalitionen, in denen Werthaltungen oder Überzeugungen von beiden Akteursgruppen geteilt werden, sondern durch das Zusammenbringen entscheidender Ressourcen, die infolge durch die Regime reorganisiert werden. Jedoch sind Kooperationswillen und -fähigkeit nicht vorausgesetzt, sie müssen erst hergestellt werden. Konsens wird in der Regel über Interaktion und das Strukturieren von Ressourcen sowie über das Ausnutzen von kleinen Möglichkeiten sowie selektiven Impulsen erreicht. Vorherige gemeinsame Kooperationserfahrungen tragen dazu bei, politischen Konsens in der Koalition langfristig zu etablieren. Dies geschieht jedoch in den geringsten Fällen in direktem Einvernehmen, denn politische Konsensfindung ist ein langer, von 321
Konflikten zwischen den beiden Akteursgruppen (und ihren Mittlern) geprägter Weg. Diese Konflikte entstehen aufgrund unterschiedlicher Werthaltungen und Überzeugungen, hinsichtlich der Verunstaltung baulicher Arrangements oder aber des Schutzes besonders sensibler Orte, an denen eine privatwirtschaftliche Medialisierung aus Staatssicht nicht in Frage kommt. Zwei Marken und eine widerspenstige Symbiose – Konflikte. Kongruenzen. Kompromisse „Ein weiteres Thema, das hier angesprochen worden ist, ist die Gestaltung und die Qualität dessen, was wir so alles in den öffentlichen Raum hineinstellen – Herr Wall, ich nenne das jetzt mal ganz vorsichtig Stadtmöblierung. Sie haben, das will ich hier ausdrücklich sagen, Qualität in die Stadt gebracht. Die Frage ist aber, wo die Grenze ist? Wo wird auch (...) [die] Stadt möglicherweise wieder verwechselbar, weil das schöne, leuchtende, glitzernde Taubengrau ihrer Stadtmöbel inzwischen an vielen anderen Stellen zu sehen ist und sich die Kommerzialisierung der Möblierung des öffentlichen Raumes durchsetzt? Wodurch werden Städte schöner und besser und welche Grenzen müssen wir in diesem Bereich ziehen, damit aus dieser Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes kein Bumerang-Effekt entsteht?“ (Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer während des Stadtforums „Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum“ am 9. Dezember 2005 in Berlin1020)
Ebenso wie dieses verweist auch das nächste Zitat darauf, dass die koalitionären Verflechtungen zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Elite keinesfalls als Interessengemeinschaft, sondern vielmehr als Handlungsfähigkeit herstellendes Governance-Arrangement, dessen Akteure ganz unterschiedliche Interessen und Motive haben, zu verstehen sind: „Unser Verhältnis zur Firma Wall ist äußerst getrübt: Zur Zeit läuft ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Wall, weil auf dem Mittelstreifen der neuen Potsdamer Straße seit dem 02. Februar zwei Lightboards illegal betrieben werden. Zudem warten wir bisher vergebens auf die 1998 zugesagte Belebung des Mittelstreifens Unter den Linden durch die Firma Wall. (...) Darüber hinaus ist der Bezirk bereits vollgestopft mit Werbung. Allein Wall betreibt hier 395 Plakatflächen. Das reicht!“ (Baustadtrat Lamprecht, Bezirk Mitte von Berlin (neu), Interview mit dem Tagesspiegel vom 05. April 2001)
Die Äußerungen führender Politiker lassen anklingen, dass Out-of-Home Medienunternehmen und das Land Berlin und seine Bezirke zwar unterschiedlichste Stadtentwicklungsinterventionen gemeinsam vollziehen, diese Symbiose ist aber nicht oft von Harmonie und bisweilen auch von internem Widerstand geprägt. Genau dieser Aspekt stellt für Stoker und Mossberger ein grundlegendes Differenzierungskriterium unterschiedlicher Regimetypen dar: “It is useful .. to draw a distinction between coalitions based on high congruence of interests (...) and coalitions where the congruence of interests is low and a substantial and explicit degree of compromise is required from the various partners. (...) internal politics of coalition building is likely to be more implicit and unproblematic in the first case and explicit and problematic in the second.”1021 Gemäß der Regimeklassifizierung, die Stoker und Mossberger 1994 getroffen haben, entsprächen die hier untersuchten gestaltwirksamen Koalitionen gegenwärtig am ehesten symbolischen Regimen, speziell den Stadterneuerungs-Regimen.1022 Für die Charakterisierung nennen die Autoren vier Kriterien, darunter Mechanismen der Akteursmobilisierung, die Art und Weise wie gemeinsame Ziele bestimmt werden, die Qualität der Regimeformation speziell im Hinblick auf Regimekohäsion sowie weitere Strategien des Regimes, mit dem lokalen und
1020 Dokumentation der Veranstaltung Stadtforum Berlin 2020: Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum. 09.12.05. Dbb-Forum Berlin, S. 37. URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/forum2020/downloads/do ku_oeffraum_bild.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 1021 Stoker and Mossberger 1994, 206. 1022 Da die Klassifizierung von Stone im Gegensatz zu der von Stoker und Mossberger allein aus dem US-Kontext heraus entwickelt wurde, wird der Stone’sche Ansatz nachfolgend vernachlässigt.
322
supralokalen politischen Umfeld zu interagieren.1023 Diese Aspekte erscheinen sehr hilfreich, um gestaltwirksame Koalitionen in Berlin näher zu charakterisieren.1024 Zunächst wurden gestaltwirksame Koalitionen in Berlin vor allen Dingen für die Ad-hocVerbesserung der damaligen städtischen Bedingungen initiiert: Es ging um einzelne Projekte wie etwa um Wartehallen oder um Bedürfnisanstalten. Immer wieder brachten die Unternehmen selektive Impulse ein und setzten damit mehrfach Prozesse der Koalitionsanbahnung in Gang. Dieser Beschreibung nach zu urteilen, nahmen gestaltwirksame Koalitionen in Berlin gegen Anfang der 1980er Jahre zunächst ungefähre Merkmale eines Instrumentellen Regimes (Anlage 15) an, dessen Ziel es ist, konkrete Projekte zu realisieren, um materiell vorzeigbare Resultate kurzfristig zu erwirken. Mittlerweile haben sich grundlegende Ziele der Zusammenarbeit mit zunehmenden Erfahrungen und neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit geändert. Dies ist neben koalitionsinternen Dynamiken vor allem auf den historischen Umbruch in der vormals geteilten deutschen Metropole zurückzuführen. Denn erst mit dem Umbruch tut sich ein Moment multipler Möglichkeiten für weitere Facetten des koalitionären Handelns auf. Die Stadt muss sich nicht allein aus den Wirrungen des ökonomischen Niedergangs herauskatapultieren, nein, es prallen nunmehr grundsätzlich verschiedene Weltanschauungen zweier politischer Hemisphären aufeinander, die mittels ideologie- und imageprägenden Interventionen vor Ort bewältigt werden wollen. Im Verlauf der Stadtentwicklung des vereinten Berlins erkennen sowohl die Wirtschaftsakteure als auch die Politikakteure der Koalition daher ganz neue Möglichkeiten der Ressourcenverquickung, mit denen ganz neue Ziele erreichbar werden: die baulich-räumliche Reorganisation zentraler öffentlicher Räume, die parallel zum institutionellen Verantwortungstransfer vom öffentlichen auf den privaten Sektor verläuft. Zunehmend gehen materiell-gestalterische Leistungen in symbolisch-diskursive Impulse über (Kap. 4). Es geht also nicht mehr allein um vorzeigbare baulich-materielle Resultate politischen Handelns, sondern um stadtraummedial gestützte Politiken der Aufmerksamkeit1025, denn “politics and policymaking are about saying as well as doing things. They are about communicating values, intentions and symbolic rewards”.1026 Das instrumentelle Regime nimmt zunehmend die Form eines symbolischen Regimes an, dessen Ziel es ist, einen Wandel der städtischen Ideologien oder des städtischen Images zu forcieren:1027 „Symbolic regimes occur in cities striving to change direction: in ‘progressive’ cities concerned with changing the ideology of local governance, or in cities attempting to revitalize their fortunes with a change in image as well as in circumstance.”1028 Spezielle Regime, die Imageverbesserungen anstreben, um Investoren, kaufkräftige Mittelschichten oder investitionsstarke Oberschichten anzuziehen, sind die so 1023 Knierbein 2008, 455 1024 Der kausale Zusammenhang zwischen den Indikatoren erscheint im Sinne einer diagnostischen Klassifizierung jedoch nicht gewinnbringend, schließlich weisen Stoker und Mossberger (1994, 208) selbst darauf hin, dass in den wenigsten Fällen die Typologien in ihrer reinen Form auftreten. Daher habe die vorgeschlagene Klassifizierung eher den Vorteil, zur Charakterisierung von Regimen beizutragen, weniger zu einer genauen Diagnose gleicher Typen. Im Hinblick auf die Veränderungsfähigkeit von Urban Regimes wird auch darauf hingewiesen, dass diese im Verlauf von Stadtentwicklungsprozessen unterschiedliche Merkmale aufweisen, und daher im historischen Verlauf mehreren Typen entsprechen können. Da dies aber immer eine Frage des empirischen Befundes verbleibt, werden nachfolgend die in Anlage V.2 und V.3 genannten Kriterien verwendet, um das hier vorliegende Regime näher zu charakterisieren. 1025 Freie Übersetzung der Autorin für den von Stoker und Mossberger benutzten Begriff der ‘Expressive Politics’. 1026 Stoker and Mossberger 1994, 203. 1027 Stone hatte zwar bereits 1989 die grundsätzliche Relevanz immaterieller Faktoren bei der Regimeformation betont, diese jedoch mit dem Blick auf die vorrangig durch materielle Impulse geprägte US-amerikanische Stadtentwicklungspolitik heruntergespielt. In einer länderübergreifenden Betrachtung von städtischen Regimen erscheint es allerdings zunehmend notwendig, auf derartige immaterielle Faktoren bei der Analyse der Herausbildung städtischer Regime Wert zu legen. Vgl. Stoker and Mossberger 1994, 204. 1028 Ibid. 1994, 200.
323
genannten Stadterneuerungs-Regime.1029 Ihr Ziel ist es, Haltungen, weniger aber faktische Beteiligungen (in) der Bürgergesellschaft, zu mobilisieren. Im Falle gestaltwirksamer Koalitionen geht es um gestalterische Aufwertungen und um diskursive Prägungen des Images der Stadt Berlin, ohne dass die Koalition systematisch zivilgesellschaftliche Akteure in die Prozesse der Produktion öffentlicher Räume aktiv einbindet. Wohl aber müssen gestaltwirksame Regime nach der Aufmerksamkeit von Bürgern, Bewohnern und Besuchern fragen, denn “progressive regimes need to mobilize popular support, and revitalizing regimes must affect popular as well as elite attitudes“.1030 Gerade also für die Praxis von symbolischen Regimes ist ein (passives) Einbeziehen der weiteren Stadtgesellschaft zu Zwecken der politischen Affirmation und damit das Erreichen gesellschaftlicher Legitimation zwingend notwendig, sie geht aber nur sporadisch in eine selektive Beteiligung gesellschaftlich marginalisierter Gruppen wie etwa der Behindertenverbände über. Dieser Logik weiter folgend wird deutlich, warum das zentrale Instrument symbolischer Regime eine systematische Politik der Aufmerksamkeit ist. Denn gestaltwirksame Regime wollen in einer Stadt wie Berlin, die vor vollkommen neue Herausforderungen gestellt ist und in der erforderliche Lösungen zur Bewältigung des Strukturwandels kaum erreichbar erscheinen, mit ihrer diskurs- und imageprägenden Botschaft große Reichweiten in der Gesellschaft erlangen. Dabei kommt es speziell in krisengerütteten Städten und in Kommunen, die von rasanten historischen Umbrüchen geprägt sind, wegen der pressenden Dringlichkeiten des Strukturwandels und dem Ruf nach Quick-FixSolutions zur Herausbildung städtischer Regime, in denen die Interessen der Regimeakteure nur manches Mal und mancherorts in Einklang gebracht werden können. Mit dem Blick auf die Relevanz lokaler oder supralokaler Einbettungen stellt das untersuchte Beispiel einen Sonderfall dar. Denn prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen der Stadtraummedien ungleich ihrer jeweiligen politischen Partner zwar Interesse an der medialen Erschließung zentraler öffentlicher Räume in Mittelstädten und Metropolen haben, dass sie aber nicht zwingendermaßen einen bedeutsamen Wirtschaftsbezug zur jeweiligen Auftraggeberstadt haben, der über die Vertragsvereinbarungen hinausgeht. Das ist in Berlin anders. Das Regime könnte daher hinsichtlich dieses Aspektes als HeadquarterRegime bezeichnet werden. Denn aufgrund der vielschichtigen Bedeutungen, die die Stadt Berlin als solche für den Aufschwung speziell der Wall AG hat, muss davon ausgegangen werden, dass das Handeln des Regimes nicht vorrangig durch die vertraglichen Konditionen, sondern darüber hinaus in vielfacher Weise örtlich beeinflusst wird. Es wäre zu untersuchen, ob ein solches Headquarter-Regime-Merkmal etwa auch für JCDecaux und die Stadt Paris oder für die Ströer AG und die Stadt Köln zutrifft. Auch könnte etwa am Beispiel Hamburgs untersucht werden, ob und wie sich gestaltwirksame Koalitionen auch in der 2. Konzessionsgeneration verstetigen, die keinen direkten Bezug zur Stadt als Sitz des Firmenhauptsitzes haben. Über diese Fälle können in dieser Arbeit jedoch keine weiteren Aussagen getroffen werden. Lernendes Regime zweier Marken Wichtig erscheint es auch, einen Blick auf die Qualität des Regimes zu werfen: Stoker und Mossberger führen die Aspekte Konflikt, Kongruenz sowie Kompromiss an, um zu beschreiben, wie und inwieweit es zu einem Interessenkonsens und damit zur langfristigen Kohäsion von Koalitionen kommt. Die Kohäsionsfähigkeit gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin ver1029 Stoker und Mossberger nennen diesen speziellen Typ symbolischer Regimes ‚urban revitalization regimes’. 1030 Ibid. 1994, 207.
324
ändert sich mit zunehmender Professionalisierung und Hartnäckigkeit der jeweiligen Koalitionspartner und mit größerer Einbindung weiterer Mitbewerber von politischen Partnerschaften hin zu wettbewerblichen Vereinbarungen. Erstere waren etwa die Vereinbarungen zwischen der BVG und der BSR und der Wall AG, wohingegen beim Brunnensponsoring eindeutig wettbewerbliche Grundlagen als Verhandlungsbasis eingeführt worden sind. Hieran kann auch veranschaulicht werden, dass sich im Verlauf der Koalition auch öffentliche Akteure lernfähig erweisen, in dem sie neben informellen auch formelle Verhandlungsmechanismen etablieren, in diesem Falle bezirksweite Ausschreibungen für Brunnensponsoring. Darüber hinaus können Versöhnungsstrategien dazu führen, dass spezielle Konflikte in einer für beide Seiten akzeptablen Art und Weise gelöst werden können. Ein Beispiel hierfür ist der längere Streit um die Toiletteninstallation am Alexanderplatz, in dem die Wall AG schließlich die Forderung der öffentlichen Hand erfüllte und anstelle der geplanten oberirdischen WC-Container die unterirdischen WC-Anlagen komplett sanierte. Infolge wurden ihr zusätzliche Werbeflächen durch die öffentliche Hand genehmigt. Die Lernfähigkeit von Akteuren in Regimen verweist darauf, dass Regime nicht allein mittels eines Rational-Choice Modells von Macht erklärt werden können, in dessen Interpretationsschema Regime als natürliche Antworten auf den Prozess der wirtschaftlichen Umstrukturierung verstanden werden.1031 Vielmehr müssen gestaltwirksame Regime als reflexiv konstruierte politische Phänomene verstanden werden, deren Akteure Lernprozesse durchlaufen.1032 Dazu Painter: “However, it is important to appreciate that learning of this sort takes place among all participants (...) in the urban regime. Indeed one of the knowledges that must be learned is how to participate in the regime.” (Painter 1998, 269)
Im Verlauf der Regimeausprägung kommt es zu neuen Institutionalisierungsprozessen, wie sie durch die Deregulierungen der maßgeblich die Koalitionspraxis einschränkenden Gesetze reflektiert werden. Der Übergang zu wettbewerblichen Vereinbarungen ist jedoch im Falle der gestaltwirksamen Koalitionen fließend und hängt von den jeweiligen politischen Kulturen in den Bezirken und der Zusammenarbeit mit einzelnen Akteuren ab. Wo die Wall AG z. B. die Zusammenarbeit mit dem Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) aufgrund seiner äußerst wirtschaftsfreundlichen Attitüde lobt, wird die vormalige Baustadträtin Dorothea Dubrau (Bündnis 90/Grüne) des Bezirks Mitte von Berlin aufgrund ihrer kritischen Position von dem Unternehmen mehrfach öffentlich kritisiert. Es wird deutlich, dass einzelne Akteurspersönlichkeiten maßgeblichen Einfluss auf die Kohäsion des jeweiligen Governance-Arrangements haben.1033 Nachdem nun dargestellt wurde, wie sich aus zunächst an der Umsetzung orientierten sporadischen Governance-Arrangements, denen es an der baulichen Produktion fassbarer Resultate gelegen war, im Verlauf der Zeit städtische Regime entwickelt haben, die darüber hinaus an Politiken der Aufmerksamkeit und an symbolischen Resultaten orientiert sind, werden nun die grundsätzlichen Motivationen beider Seiten in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit beleuchtet. Ein wesentlicher Faktor, der diese Motivationen maßgeblich zusammenführt, ist die zunehmende Positionierung beider Akteure als strategisch zu entwickelnde Marken. Dabei stellt die Wall AG eine unternehmerische Marke, der Stadtstaat Berlin hingegen eine Stadtmar1031 Painter (1998) kritisiert in diesem Zusammenhang den Regimeansatz von Stone. 1032 Siehe hierzu Painter 1998, 259. 1033 Um an dieser Stelle Fehlinterpretationen zu vermeiden: Regimekohäsion trägt zwar dauerhaft zum langfristigen Erhalt von städtischen Regimes bei, dieses ist jedoch nicht per se gut oder schlecht. Denn letztlich sagt der politikwissenschaftliche Blick auf Regime allein nur aus, welche Akteure wie Handlungsfähigkeit herstellen. Weitere gesellschaftliche Implikationen von handlungsfähigen Regimes im Sinne einer Kritischen Politischen Ökonomie liegen nicht im primären Fokus der Regimetheorie.
325
ke dar. Der Markenbegriff impliziert nicht zwangsläufig, dass sich auch die Stadt Berlin komplett unternehmerisch verhält. Es geht vielmehr um das Etablieren von Imagedimensionen. Denn aufgrund von prinzipiellen Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld von Marken nehmen Markenstrategen zunehmend image- und damit aufmerksamkeitspolitische Aspekte des Brandings in Betracht. Die Marke wird demnach im Endergebnis zu einem bedeutungstragenden Zeichen stilisiert, dessen Sinn es ist, die über die kognitive Komponente im Kopf hinaus gehende emotionale Ansprache des Verbrauchers zu garantieren. Dies geschieht vor allem über die symbolische Verdichtung der gesamten kommunikativen Maßnahmen.1034 Ziel der Markenpositionierung ist es, eine Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher zu sichern.1035 Trotz der benannten internen Konflikte und Interessenkollisionen gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin hat sich demnach mit der zunehmenden Positionierung beider Akteure als Marken ein gemeinsames Grundmotiv entwickelt, dass als Verweis dafür genommen werden könnte, eine weitere Veränderung des Governance-Arrangements in Richtung einer zukünftigen Interessenkoalition anzudeuten: Die Hinwendung zur kommunikationsstrategischen Dimension zentraler öffentlicher Räume, die sie sowohl als baulich-gestalterische als auch als symbolisch-diskursive Arrangements berührt. Diese Hinwendung dient dem strategischen Erzeugen von Markenverbundenheit bei den jeweiligen Anspruchsgruppen, dient der Genese von Brand Loyality mit der Stadt Berlin als politische Unternehmung sowie mit einem mittelständischen Unternehmen der Berliner Wirtschaft. Für beide Motivationen ist der Bezug zur Spreemetropole als Ort der Repräsentation, als de-facto Handlungssphäre, als Kommunikationskanal sowie als symbolische Matrize essentiell. Mit der Arbeit an der Stadt und in den Beziehungsgeflechten der Berliner Stadtentwicklungspolitik werden zentrale öffentliche Räume zum Scharnier der Positionierungsambitionen zweier Marken. Die Arbeit an der Stadt im Sinne von Stadtmöblierung, Stadtkommunikation, Stadtunterhaltung und Stadtsanierung dient dazu, Wissen über beide Marken zu erzeugen sowie Sympathiewerte zu generieren, um langfristig die Präferenz für die Stadtmarke Berlin oder die Medienmarke Wall zu schaffen.1036 Stadtentwicklung zählt demnach „zu den wichtigen ‘Begleitumständen’ von Markenkonzeptionen, weil nur Städte mit ihren vielfältig vernetzten Kommunikationsprozessen und verfeinerten Status- und Zeichenkulturen Marken eine alltagskulturelle Basis verleihen können.”1037 Um die tiefere Logik des impulsgebenden engeren städtischen Regimes zweier Marken nachzuvollziehen, werden nun die wechselseitige Bedingung der Akteursmotivationen auf Markt- und Staatsseite und ihr Bezug zu Berlin aus beiden Perspektiven beleuchtet. Berlin: Experimentierfeld, Schmuckschatulle und Kommunikationsraum einer Medienmarke „Obwohl Wall (…) eher ein klassischer Mittelständler denn ein Konzern ist, so ist er an der Spree doch so etwas wie ein gefühltes Schwergewicht. Einer der immer irgendwie auf dem Berliner Parkett anzutreffen ist, wenn es um Geschäfte geht, die mit Außenwerbung zu tun haben und Berlin zugleich etwas Facelifting versprechen. Ging es um Toilettenhäuschen für den Kurfürstendamm oder die neueste Generation von Internet-Terminals bestückten Bushaltestellen. Wall war fast immer da, stellte schicke Stadtmöbel auf und spendete für gute Zwecke. Mal für die Oper, mal für eine Kita. Im Gegenzug bot ihm die Hauptstadt eine Bühne. Eine Plattform, die es ihm erlaubte, ohne nennenswerte Konkurrenz seine Produkte auf den Straßen Berlins aufzustellen.” (Die Welt am Sonntag vom 27. August 2006)
1034 Siegert 2001b. 1035 Vgl. Domizlaff 1982, 118. 1036 Begriffsklärungen und Zuordnungen der Begriffe Markenwissen (Brand Knowledge), Markenbekanntheit (Brand Awareness), Markenimage (Brand Image), Präferenz für die Marke (Brand Preference) sowie Verbundenheit mit der Marke (Brand Loyality) finden sich bei Siegert 2001b, 39. 1037 Siegert 2001b, 16, Bezug nehmend auf Horx 1995, 30ff.
326
Das in Berlin entstehende weite Regime zwischen den öffentlichen Akteuren und den Unternehmen der kompensationsbasiert akquirierten Stadtraummedien ist maßgeblich auf das sich zunächst herausbildende enge Regime zwischen der Wall AG und den öffentlichen Akteuren zurückzuführen. Zuvor wurde bereits darauf verwiesen, dass zentrale öffentliche Räume in der deutschen Hauptstadt dem vormals badischen Unternehmen sowohl als Innovationslabor, als Schmuckschatulle (Kap. 3) und als Kommunikationsraum dienen (Kap. 4) und dass das Governance-Arrangement aufgrund des speziellen Bezugs des Wirtschaftsakteurs zu der Stadt als Headquarter-Regime dargestellt werden kann. Denn das Wirtschaftsinteresse der Wall AG an Berlin geht weit über die lokalen Verträge mit der Stadt hinaus und wird flankiert von Repräsentationsinteressen, deren Durchsetzung sich positiv auf die Wertschöpfung des Unternehmens auswirken kann. Im Optimalfall kann sich das Unternehmen in Berlin als international agierende Marke in einem progressiv erscheinenden städtischen Umfeld positionieren. An dieser Stelle ist die Perspektive, aus dem das Marktsegment und das Unternehmen beäugt wurden, erneut eingehender zu betrachten. Denn schließlich hat sich das Berliner Unternehmen Wall AG mittlerweile von einem Stadtmöblierungsunternehmen zu einer Medienmarke entwickelt, deren primäre Strategie zur Akquise von Informationsträgern Stadtmöblierung ist. Medienmarken-Strategien können sich auf bestimmte Formate und Programme (z. B. Spiegel, Tagesschau) beziehen, sie können aber auch auf die hinter dem Medienangebot stehenden Unternehmen fokussieren.1038 Dies ist im Segment der Stadtraummedien wichtiger als in anderen Medienbereichen, da es entscheidend von der Unternehmenspositionierung abhängt, ob langfristige Konzessionsverträge geschlossen werden können, oder nicht. Es besteht also bisher weniger eine Programm- oder Format-Konkurrenz unter den Wettbewerbern, als vielmehr eine Konkurrenz in der grundsätzlichen, technisch-ästhetischen Erschließung zentraler öffentlicher Räume mit Informationsträgern. So lange die mediale Stadtraumerschließung noch auf dem Vormarsch ist, wird es also für Unternehmensmarken wichtiger sein, Markenverbundenheit bei kommunalen Entscheidungsträgern und Kommunikationskunden mittels Markenbranding-Strategien strategisch zu erzeugen, um überhaupt rechtlichen Zugriff zu bekommen. Es zeichnet sich jedoch in der Detailvielfalt der jüngeren Produkt- und Serviceinnovationen ab, dass mit zunehmender Sättigung metropolitaner Stadträume mit Informationsträgern eine Strategie der Ausdifferenzierung der Inhalte und Formate an Bedeutung gewinnt. Der Mediencharakter der so genannten Out-of-Home Medienbranche ist jedoch nicht auf eine technisch-orientierte Sichtweise, die Medien als Kommunikationskanäle versteht, zu reduzieren. Die Wall AG und ihre wettbewerblichen Mitstreiter können vielmehr deswegen als Medienmarken verstanden werden, weil ihr Wirken über den technischen Charakter eines Kommunikationskanals hinausgeht. Wenn Medien als institutionalisierte Systeme gelten, die sich um einen organisierten Kommunikationskanal von spezifischem Leistungsvermögen mit gesellschaftlicher Dominanz organisieren,1039 dann können Unternehmen der Stadtraummedien, die Informationsträger in verschiedenen Städten auch nationenübergreifend zusammenführen, die mit jeder gewonnenen Ausschreibung ihre Leistungsfähigkeit erhöhen und die aufgrund ihres Handlungsfeldes in zentralen öffentlichen Räumen per se große Reichweiten in der Stadtgesellschaft erreichen, ohne Zweifel als institutionalisierte Medienmarken verstanden werden. Doch Medien gelten in der Kommunikationswissenschaft nicht nur als Institution, die „die Gesellschaft immer engmaschiger durchdringt und mehr gesellschaftliche Anerkennung erfährt, sondern auch als Akteure, die Eigensinn und eine spezifische Handlungslogik entsprechend ihren ökonomischen Verpflichtungen entwickeln“.1040 Das heißt, dass Medienunterneh1038 Vgl. Siegert 2001b, 97. 1039 Vgl. Siegert 2001b, 17, Bezug nehmend auf Saxer 1980, 532. 1040 Siegert 2001b, 18, Bezug nehmend auf Jarren 1996, 79ff.
327
men als gesellschaftliche Akteure unter dem Einfluss von Konvergenz, Konzentration, Privatisierung, Liberalisierung und weiteren wettbewerbsbeeinflussenden Rahmenbedingungen stehen und sich daher sowohl im makroökonomischen als auch im mikroökonomischen Umfeld mittels Markenpositionierung behaupten müssen. Ein weiteres Bestimmungskriterium für Medien ist, dass ihnen eine journalistische bzw. künstlerische Produktionsweise zugemessen wird: In der Regel stellen sie Themen für die öffentliche Kommunikation bereit. Dieser Punkt ist bei der Charakterisierung von Außenwerbeunternehmen als Medienmarken der kritische. Denn diese finanzieren sich zu großen Teilen allein über Werbung. Erstens tun dies jedoch auch Privatfernsehsender, deren Programm bisweilen zu mehr als drei Vierteln aus Werbung besteht, zweitens konnte vielfach belegt werden, dass Kommunikationskunden aus allen gesellschaftlichen Sektoren kommen und drittens zeigt sich insbesondere mit Einführung der digitalen Medien im Stadtraum, dass die Wall AG über Dritte auch Programminhalte bereitstellen lässt. In Klokabinen läuft Lokalradio, an der Bushaltestelle am Hauptbahnhof und andernorts laufen Newsticker eines Nachrichtensenders und an E-Terminals wurde eigens ein Stadtinformations- und Stadtkommunikationsportal als Software für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im Rahmen von Programmsponsoring hat das Unternehmen kürzlich auch indirekten Zugang zu anderen Medienbereichen erhalten. (Kap. 4) Medienmarken leben von der Überzeichnung symbolischer Bedeutungen und von der vielschichtigen Informationslogistik in möglichst allen verfügbaren Kommunikationskanälen. Ihr Handeln unterliegt der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie, die nachdrücklich Informationsverbraucher auf emotionale Art und Weise ansprechen möchte.1041 Aus diesem Grund bietet sich Berlin die Stadt der Kontroverse als emotionale Matrize der Marke geradezu an, denn hier kann Markenkult mit den, vielfältig mit der Spreemetropole assoziierten, Emotionen verlinkt werden. Wie die Wall AG betont, ist Berlin für das Unternehmen nicht irgendeine beliebige Stadt. Nein, hier geht es vielmehr darum, nicht nur Stadtraum als Mediainstrument für die Kommunikationspolitik des Unternehmens einzusetzen, hier geht es gezielt darum, dass Image der Firma mit dem Image eines lebendigen, kreativen und innovativen Berlins symbolisch zu verquicken. Das bedeutet, dass die Aufmerksamkeit, die der Wall AG gezollt wird, erhöht werden kann, wenn sich das Unternehmen bewusst mit der erneuerten deutschen Hauptstadt assoziiert und demnach zusätzlich Aufmerksamkeiten erregen kann. Im übertragenen Sinne funktioniert dies wie die aufmerksamkeitsstrategisch orientierte Welt in Hollywood, wo sich weniger bekannte Akteure im Schatten der Celebrities über ein Hindeuten auf Beziehungen zu den wirklichen Stars in deren Aufmerksamkeitsüberschuss sonnen.1042 Wenn auf der Mikroebene das einzelne Stadtmöbel, eine vereinzelte Sponsoringaktivität als Medium für die Mikro-Kommunikationspolitik hinsichtlich eines Teilbereiches, eines einzelnen Produktes oder einer unternehmerischen Dienstleistung instrumentalisiert werden kann, so kann eine ganze Stadt mit all ihren symbolischen Werten als Matrize für das holistische Markenbranding des Unternehmens fungieren. Multiplikatoreffekte solch kommunikativer Symbolik mit Berlin-Bezug sind groß, zumal im Absatzgeschäft immer wieder Stadtverwaltungen von der Qualität und Einzigartigkeit des Angebots der Stadtmöblierer überzeugt werden wollen. Mit dem vorkämpferischen Berlin wird also infolge auch der bahnbrechende Charakter eines umtriebigen Unternehmens assoziiert: Innovationskraft, Kreativität und Progressivität, flankiert von unternehmerischer Tatkraft. 1041 Franck 2004. 1042 Davenport und Beck (2001, 96) bemühen als Beispiel das aufmerksamkeitsstrategische Verhalten des BasicInstinct Drehbuchautors Joe Estherhas, der sich mittels zweideutiger Bekenntnisse über eine Liäson mit Sharon Stone deren Aufmerksamkeitsgemeinschaften zur eigenen Selbstdarstellung zu Eigen machte.
328
Das stadtraumbezogene Branding der Stadtmarke Berlin und ihre kreative Komplizin „(...) Hans Wall verteilt ‚aus Liebe zu Berlin’, wie er sagt, noble Geschenke an die Stadt. Am heutigen Montag übergibt er dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein Plakat mit dem Slogan ‘Berlin sehen, kennen, lieben’. Das Poster soll als Imagekampagne und Liebeserklärung auf 1500 Plakatflächen in der Hauptstadt prangern. Außerdem wird es in zwanzig deutschen und vierzig ausländischen Städten in sieben Ländern auf drei Kontinenten plakatiert, in denen die Wall AG mit ihren Produkten präsent ist. Den Werbewert für Berlin gibt Wall selbst mit rund drei Millionen Euro an.“ (Die Welt vom 16. August 2004)
Auch wenn die Unternehmen der Stadtraummedien schon früher begonnen haben, das psychologische Potenzial von Markenbranding-Strategien zu erkennen, so wurde bereits festgestellt, dass eben auch Städte selbst Markenbranding für Imageaufbau und wettbewerbliche Positionierung verwenden. In dem Maße, in dem sich Berlin als politische Unternehmung verschiedener Markenbranding-Strategien bedient (Kap. 3),1043 erhält der Stadtstaat dabei eine kreative Verbündete: die Wall AG. Der oftmals unaufgeforderte Einsatz des Koalitionspartners ist für den Bereich des Stadtmarketing von nicht zu unterschätzender Relevanz, denn die Wall AG ist es, die sich der Beseitigung negativer Images der Stadt annimmt, zum Beispiel dem Hundekotproblem, dem verwahrlosten Zustand öffentlicher Bedürfnisanstalten oder dem ständigen Kampf um externe finanzielle Ressourcen bei der Errichtung, Entwicklung und Erhaltung öffentlicher Straßen und Plätze. Auf der einen Seite bieten die Stadtmöblierer die Logistik, um Stadtmarketingkampagnen (siehe Zitat) auch auf Plakatwerbeträgern auszuführen, zum anderen wirken sie beständig darauf hin, die die städtische Realität prägenden negativen Imagefaktoren zu beseitigen, zu bekämpfen oder schlicht und einfach symbolisch neu zu chiffrieren. So kann das Unternehmen auch als kreative Komplizin eines aufmerksamkeitsökonomischen Stadtmarketing verstanden werden, weil es einerseits auf der strategischen Ebene Stadt vermarkten hilft, andererseits auf der operativen Ebene die Unebenheiten des Stadtbildes ständig ästhetisch zu glätten vermag. Kurz: Auch für die Metropole Berlin als Stadtmarke sind die Erfahrung und die Unterstützung des Regimepartners vielfach förderlich. Dieser macht sich gleichzeitig als aktiver Gehilfe bei der Positionierung der Hauptstadt als Stadtmarke unabkömmlich. Welche Rollen spielen bei dieser Positionierung genau die baulich-gestalterischen, welche die symbolisch-diskursiven Interventionen der Medienmarke? – Es wurde feststellt, dass physische Markierungen von Stadt nicht möglich seien. 1044 Dieses Argument erscheint mit dem Blick auf die vielfachen empirischen Resultate entkräftet. Gerade nämlich die Produkt- und Servicepalette der Unternehmen aus dem Bereich der Stadtraummedien bietet das Potenzial, Stadt sichtbar (materiell) als auch unsichtbar (immateriell) zu markieren. Es wäre in diesem Zusammenhang vermessen, es dem Zufall zuzuschreiben, dass hypermoderne E-Terminals speziell in den touristisch und geschäftlich besonders hoch frequentierten öffentlichen Räumen der Stadt positioniert werden. Denn ästhetische und funktionale Produktinnovationen in öffentlichen Räumen lassen auch Rückschlüsse auf das Innovationspotenzial der Stadt als Anbieter eines kulturellen, sozialen, ökonomischen und politischen Lebensraums zu, egal, ob diese nun auf öffentlichem Wege oder durch die Privatwirtschaft bereitgestellt worden sind. Es ist also sehr wohl möglich, in die Markenpolitik der Stadt als Provider von Dienstleistungsbündeln ebenso eine stadtgestalterische Dimension zu integrieren. Dies erscheint sogar zwingend notwendig, da sich ein negativ behaftetes äußeres Erscheinungsbild in den seltensten Fällen positiv auf die symbolische Imagekonstruktion auswirkt. Dieses Argument greift auch die Wall AG auf, die 1043 Siehe Internetauftritt des Berlin Boards. URL: http://www.berlin.de/stadtdeswandels/markenkampagne/index.h tml (letzter Zugriff am 12.03.08). 1044 Balderjahn 2004.
329
öffentlich kund tut, dass sie weiter dafür ‘kämpfen’ werde, dass Berlin wie eine internationale Metropole in Erscheinung tritt.1045 Jedoch ist das Alleinstellungspotenzial von Stadtmobiliarserien in diesem Kontext anzuzweifeln. Denn wie schon die gegenwärtige Stadtentwicklungssenatorin Berlins, Ingeborg Junge-Reyer, während eines Stadtforums zum öffentlichen Raum spitz bemerkte, präge das taubenblau der Wall’schen Stadtmöbelstücke ja nicht mehr allein Berlin, sondern sei ebenfalls zum fraglichen Alleinstellungsmerkmal von Istanbul und diversen anderen Städten geworden.1046 So entstehe ein Paradoxon, denn es wird das Gegenteil von dem erreicht, was man durch die Homogenisierung von Stadtmobiliar als urbanem Ausstattungsgegenstand erreichen möchte. Es entstehen ungewollte Effekte gestalterischer Angleichung verschiedener Metropolen anstelle gewünschter Alleinstellungsmerkmale durch ein einheitliches Ausstattungsrepertoire für öffentliche Räume einer Metropole. So darf also davon ausgegangen werden, dass Stadtmöblierung innerhalb der Interessenkoalition der gestaltwirksamen Regime als Medien- und Stadtmarken nur eine nachgeordnete Rolle spielt. Die Rolle der kreativen Komplizin der Stadt Berlin liegt vielmehr darin, dass diese sich ständig und immer wieder als Butler bei der innovativen baulich-gestalterischen Präsentation der neuen Hauptstadt- und Metropolenfunktion Berlins bemüht und sich gleichermaßen für die „kommunikationsstrategische Realisierung des Markenbrandings der Spreemetropole“1047 quasi unabkömmlich macht. Die postfordistisch geprägte Aufmerksamkeitspolitik greift in der Spreemetropole auf postfordistische Instrumente der Kommunikationspolitik zurück, speziell auf den Kommunikationskanal Stadtraum. Das ist zwar nicht neu, jedoch im Fall gestaltwirksamer Regime zwischen öffentlichen Akteuren und der Branche der Stadtraummedien wird deutlich: Hier arbeiten nicht nur Regisseure von Imagepolitik und städtische Bühnenbildner, also gestaltorientierte Produktentwickler von Stadtmobiliar zusammen am Erscheinungsbild des Gegenstandes, sondern es entsteht eine Interessenkoalition respektive der medialen Nutzung von Stadtraum, die diesen beidseitig als Kanal der eigenen Markenbranding-Strategien beansprucht. Das bedeutet, dass in diesen Koalitionen nicht nur Regisseure mit Bühnenbildnern zusammengeführt worden sind, sondern dass die Koalition gleichzeitig auch Übertragungsrechte und möglichkeiten der Inszenierung gemeinsam realisiert. Die hier untersuchten gestaltwirksamen Regime sind also ein Exemplum sui generis für ein langfristiges, derzeit stabiles GovernanceArrangement der kooperativen Realisierung städtischer Aufmerksamkeitspolitik, gerade weil sie über mehr als zwanzig Jahre hinweg Anpassungsfähigkeit erwiesen haben, und sich von instrumentellen über symbolischen Regimen hin zu Interessenkoalitionen der Aufmerksamkeitsökonomie entwickelt haben. Wie aber letztendlich ist das Regime in den weiteren gesellschaftlichen Kontext eingebettet? Bewertung von gestaltwirksamen Koalitionen als Governance-Arrangements „Bei der Beschreibung und Bewertung von Governance ist es daher zentral, danach zu fragen, wer dazu gehört bzw. ausgeschlossen wird.” (Häußermann et. al. 2008, 350)
1045 Tagesspiegel vom 05.04.01. 1046 Zitat der Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer während einer Podiumsdiskussion. Dokumentation der Veranstaltung Stadtforum Berlin 2020: „Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum“. 09.12.05. DbbForum Berlin, S. 37. URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/forum2020/downloads/doku_oeffraum_bi ld.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). 1047 Flecken 2005.
330
Governance als neuer Modus der heterarchischen Steuerung von gesellschaftlichen Prozessen läuft strukturell gegen die konstituierenden Prämissen repräsentativer und parlamentarischer Demokratien, darauf verweist auch die oben im Zitat angedeutete Frage nach den Hegemoniemechanismen.1048 Dabei sind Governance-Prozesse geprägt durch einen improvisatorischen, dispersen, kooperativen und temporären, projektorientierten Politikstil.1049 Hier tut sich allerdings die Frage auf, ob der temporäre, fast fragmentarische Charakter von Urban Governance deswegen auftritt, weil in einer Phase des Umbruchs vom Fordismus zum Postfordismus ganze Bündel von neuen Institutionalisierungsprozessen angestoßen werden, die sich mit der Zeit verfestigen, oder ob Governance-Arrangements per se nicht dazu geeignet sind, als langfristige Koalition zu überdauern? Für den Fall gestaltwirksamer Koalitionen und ihrer aufmerksamkeitsökonomisch Kompensationspraktiken gilt, dass diese zwar anfänglich durchaus als instrumentelle Regime temporärer Natur waren, sich jedoch mit zunehmenden Kooperationsprojekten zunächst informell verfestigen und schließlich formal verstetigen konnten, sodass jetzt ein relativ stabiles städtisches Stadterneuerungsregime mit Headquarter-Charakteristik besteht. Der Ansatz der Regimetheorie als Bewertungstool im Sinne eines GovernanceArrangements mit Regimecharakter hat sich daher als gewinnbringend hinsichtlich der internen Dynamiken gestaltwirksamer Koalitionen erwiesen, er enttäuscht jedoch aufgrund seiner fehlenden Einbettung von strukturellen Einflüssen, speziell in der Makro-Perspektive. Mit Blick auf die älteren Leitartikel zur Regimetheorie wird auch klar, dass dem Ansatz von Stone (1989) und von Stoker und Mossberger noch in der Mitte der 1990er Jahre eine stark normative Haltung zugrunde lag, die den Regimen größere Effectiveness zuschrieb. Mit dem theoretischen Schift von Power over zu Power to kann also zwar einerseits die interne Logik und Funktionsweise von gestaltwirksamen Koalitionen im Sinne des Erreichens von Governability erläutert werden, jedoch wird gleichermaßen die Frage nach Hegemoniemechanismen umgeleitet in eine Frage nach Effizienz, Fortschritt und Handlungsfähigkeit. Diese Erkenntnis entspricht einem generell beobachteten politischen Diskurswechsel, der etwa auch mit der Einführung von Public Private Partnership einhergegangen ist.1050 Infolge könnte, und darauf wurde bereits hingewiesen,1051 Urban Regime Theory normativ dazu verunglimpft werden, vermeintliche Erfolgsgeschichten wissenschaftlich herzuleiten. Es geht hier aber nicht um eine Handlungsanleitung im Sinne von Best Practices. Ganz im Gegenteil, es geht um eine kritisch-distanzierte Ex-Post Betrachtung von Stadtentwicklungsprozessen, um eine Diagnose, die gestaltwirksame Regime als eine mögliche Facette der Ausbildung von Governance-Arrangements begreift. Da aber nicht allein eine Diagnose der internen Dynamiken auf der Mikroebene einer aus Akteuren bestehenden Koalition notwendig erscheint, muss diese zwangsläufig durch eine MakroBetrachtung der politischen und ökonomischen Dynamiken im Sinne einer Kritischen Politischen Ökonomie, die die Frage nach den Hegemoniemechanismen explizit stellt, komplementiert werden (Kap. 6). Nur so kann der Governance-Diskurs auch in der Stadtforschung als neuer Anstoß der Politisierung des Denkens über mögliche Steuerungsformen räumlicher Entwicklung verstanden werden.1052
1048 Jessop (2007, 149) bezeichnet als Hauptfunktion von Hegemonie die Absicherung der wechselseitigen Beziehung zwischen den außerökonomischen und den ökonomischen Bedürfnissen der Wachstumsweise im Sinne der Konstituierung von Akkumulationsregime und Regulationsweise. 1049 Vgl. Giersig 2008, 55ff. 1050 Darauf hat die Autorin bereits an anderer Stelle hingewiesen. 1051 Altrock 2001. 1052 Nuissl und Heinrichs 2006, Bezug nehmend auf Uwe Altrock o. J.
331
6
Zentrale öffentliche Räume als Medium der Aufmerksamkeitsökonomie
Welche Rolle spielt schließlich, so die Fragestellung dieses letzten Kapitels, das Beispiel des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin im Übergang von der fordistisch zur postfordistisch geprägten Stadtentwicklung? – Eine Charakterisierung des Handelns gestaltwirksamer Koalitionen – so wurde veranschaulicht – eröffnet viele mögliche Interpretationsfenster der Prozesse auf der Mikroebene, die auf die Bedeutung gestaltwirksamer Koalitionen bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume verweisen: Über das Benennen von neuen Impulsen und Instrumenten der heterarchisch organisierten räumlichen Steuerung von Stadtentwicklung hinaus wurden zahlreiche Blickwinkel auf multidimensionale Raumlogiken, nuanciertes standortpolitisches Verhalten, die Bedeutung von gestalterischen, technischen und kommunikationsstrategischen Innovationen sowie schließlich auch auf die horizontale Dynamik innerhalb der Koalitionen eröffnet. Früh wurde dargelegt, warum eine genauere Bestimmung der Merkmale des institutionellen Arrangements bei vorrangig induktivem Forschungsprozedere erst nach Darstellung des empirischen Materials stattfinden kann (Kap. 1). Schließlich ist die Autorin nicht angetreten, Theorie zu testen, sondern Erkenntnisse aus der empirischen Stadtforschung – speziell an der Schnittstelle zwischen Public Space-Forschung und Urban Governance-Forschung in Kombination mit dem Ansatz der Stadtproduktion – zu Hilfe zu nehmen, um gegenwärtige Stadtentwicklungstenzenden hinsichtlich öffentlicher Räume theoretische genauer fassen und Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen aufzuzeigen. Ziel dieses letzten Kapitels ist es nun, den Blick zurück von der Mikroebene des Handelns auf die Mesoebene der Institutionen zu lenken, auf der kontextspezifische Prozessmerkmale mit strukturellen Determinanten verwoben sind. Auf dieser Mesoebene der kritischen Stadtforschung wird versucht, das Wesen jüngerer institutioneller Arrangements, veränderter Regulationsweisen und territorialer Rekonfigurationen zu ergründen. Dabei kommt den Prozessen der Kommodifizierung, der Kapitalakkumulation und der staatlichen Regulation eine Schlüsselrolle im Kontext zunehmender weltweiter Verstädterung zu.1053 Dieser maßstäbliche Perspektivwechsel soll dazu dienen, die Erkenntnisse dieser Arbeit für weitere Forschungen in anderen Kontexten fruchtbar zu machen. Inwieweit haben sich also die institutionellen Rollen des Staates und der Märkte bei der im Übergang von der fordistisch zur postfordistisch geprägten Produktion zentraler öffentlicher Räume verändert? Deutlich sticht hervor, dass Berlin einen Sonderfall in einer außergewöhnlichen Situation darstellt, in der die Weichen für die Rollen von Staat und Märkten bei der Stadtproduktion neu kalibriert werden. Da die Produktion zentraler öffentlicher Räume als eine der wesentlichen Agenda-Gegenstände der Berliner Stadtentwicklungspolitik spätestens seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gelten kann, lassen Entwicklungen in diesem Politikfeld ggf. weitere Schlüsse hinsichtlich sich zukünftig ergebender lokaler Agenden in anderen Bereichen zu. Jedoch ist auch möglich, dass sich Stadtpolitik im Hinblick auf andere Agendagegenstände vollkommen anders darbietet, denn sie kann nicht nur von einem, sondern gleichzeitig von verschiedenen 1053 Brenner 2004.
333
Governance-Arrangements in verschiedenen Politikfeldern geprägt werden.1054 Auch bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume ist dieses Governance-Arrangement nur eines von vielen, wenn auch ein langfristiges und systematisch in diesen gesellschaftlichen Räumen agierendes. Zu klären, inwieweit sich Parallelen aus den Beobachtungen ziehen lassen, wird auch zukünftig Aufgabe der empirischen Stadtforschung verbleiben. Ein weiteres Argument für eine sinnstiftende Verallgemeinerung der Ergebnisse ist die Tatsache, dass aufmerksamkeitsökonomische Kompensationsgeschäfte im Rahmen der Erschließung zentraler öffentlicher Räume mit Informationsträgern auch andernorts, etwa in Brasilien sowie in anderen europäischen Städten, aufgrund von Marktimpulsen durch die einschlägigen Unternehmen der Branche initiiert worden sind (Kap. 3). Bezogen auf eine Übertragbarkeit derartiger Ergebnisse wurde jedoch gleichermaßen angemerkt “[that] the goals and agendas of seemingly identical coalitions of actors might vary decisively in the light of different prevailing political systems, cultures and other path-shaping framework conditions.”1055 Auf diesen Aspekt wurde bereits für den Fall gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin und in Rio de Janeiro nachdrücklich verwiesen, es ist also keinesfalls davon auszugehen, dass das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen in anderen Kontexten gleich verläuft.1056 Dennoch erscheinen die Erkenntnisse der empiriegeleiteten Untersuchung in Berlin gewinnbringend für andere Städte und andere Forschungskontexte, weil sich aus einer Analyse unter extremen Bedingungen innovatorische Muster und Mechanismen abzeichnen, die in vielen Fällen andere Städte mit zeitlicher Verzögerung und in anderem Ausmaß erreichen. Daher lässt die Fallstudie in Berlin aufgrund ihres Facettenreichtums grundlegende Rückschlüsse auf das Handeln anderer gestaltwirksamer Koalitionen in anderen Städten – über Berlin hinaus – zu. Es geht schließlich darum, das immanente Wesen des neuen Paradigmas der Aufmerksamkeitsmärkte, die (zentrale) öffentliche Räume als Hauptsphäre der Wertschöpfung erschließen, zu verstehen. Denn Mittel- und Großstädte sind per se von Interesse für die Branche der Stadtraummedien, sei es in Asien, Amerika oder in Europa.1057 Nachfolgend wird der Blickwinkel erneut weg von der detaillierten Betrachtung der Fallstudie hin auf grundlegende Veränderungen der Produktion zentraler öffentlicher Räume und demnach der Stadtproduktion gerichtet. Dabei wird verdeutlicht werden, dass Neuerungen zwar von staatlichen Akteuren in Berlin ebenso initiiert wie realisiert und fortgeführt wurden, der grundlegende Impuls für die Herausbildung des gestaltwirksamen Regimes jedoch mit der Einführung veränderter wirtschaftlicher Rationalitäten einherging. Es muss also die Frage nach der intrinsischen Marktlogik von aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsmodellen und nach der Rolle von Stadtpolitik bei der Durchsetzung dieser Rationalitäten gestellt werden. Daher werden, erstens, gegenwärtige Interpretationspfade hinsichtlich der stadtpolitischen Bedeutung von Governance-Arrangements und ihre Probleme angesichts ihres schwachen Fokus auf mikroökonomische Phänomene benannt. In einem zweiten Schritt erscheint es notwendig, die gesellschaftliche Einbettung dieser neuen Akkumulationsstrategie, den institutionellen Kontext, nachzuzeichnen. Es werden daher die Prozesse der Institutionalisierung dargestellt, die den Kontext der Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen prägen. Der Fokus liegt also auf der mesotheoretischen Einbettung der untersuchten GovernanceArrangements und der durch sie vorangetriebenen Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume. Denn wie deutlich wurde, agieren die Unternehmen der Stadtraummedien nicht vor1054 Giersig 2008, 103. 1055 Ibid. 2008, 70. 1056 Knierbein 2010. 1057 FAZ vom 29.09.08.
334
rangig punktuell und sporadisch in öffentlichen Räumen, sondern systematisch und strategisch. Drittens wird das grundlegende Merkmal der Gestaltwirksamkeit – es wurde in dieser Arbeit durchgehend der Begriff der gestaltwirksamen Koalitionen verwendet – im Kontext der Restrukturierungsaktivitäten erneut beleuchtet. Denn dieses scheint von übergeordneter Bedeutung für die formalpolitische Affirmation der Kompensationspraxis zu sein und fungiert damit als Determinante für die (aus Marktsicht) erfolgreiche ökonomische Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume. Diese ästhetisch-ökonomische Restrukturierung wird, viertens, in den Kontext einer Erkenntnis gestellt, die sich überhaupt erst durch den induktiven Forschungsprozess ergeben hat: die mediale Dimension öffentlicher Räume. Mit zunehmender Hinwendung zu den Implikationen, die das Erkennen dieser Dimension für das Verstehen der Produktion zentraler öffentlicher Räume verheißt, schließt sich der Bogen hin zu den diese Arbeit durchziehenden aufmerksamkeitsökonomischen Betrachtungen. Fünftens und abschließend wird daher veranschaulicht werden, warum die gegenwärtige Produktion zentraler öffentlicher Räume im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie als neues Phänomen der Stadtproduktion entstehen konnte, und welche Implikationen sich hieraus ergeben. Governance-Arrangements im Licht neostrukturalistischer und neoweberianischer Deutungsansätze Stadt als Möglichkeitsraum der Überwindung des postfordistischen Umbruchmoments Mit dem Umbau des Staates und seiner Verantwortungen gehen vielfältige Implikationen für die Produktion zentraler öffentlicher Räume einher. Diese Erkenntnis zeichnet sich in Berlin – entgegen der vielerorts geäußerten Meinung, alles sei der deutsch-deutschen Vereinigung und dem neuen Hauptstadtstatus geschuldet – bereits seit Anfang der 1980er Jahre ab. Auf diesen Zeitraum wird in vielen der gegenwärtigen Theorien zur Einbettung von Urban GovernanceStudien als Beginn der Krise von Fordismus und Keynesianismus, als Akkumulations- und Regulationsregime,1058 als “the era post-1970s” rekurriert.1059 Speziell das Zusammenführen zweier Stadtverwaltungen schuf Freiräume für innovatorisches wirtschaftliches Handeln. Es ist in diesem Kontext nicht von der Hand zu weisen, dass die Ankunft der Wall AG in Berlin just in die Phase zu Beginn der 1980er Jahre fiel, in der sich erste Anzeichen des ökonomischen Strukturwandels in West-Berlin als räumliche Narben des industriellen Niederganges verfestigten. Die Versprechen, die mit der Konzessionserteilung für Wartehallen an die damalige Firma Wall einhergegangen waren, bezogen sich daher vorrangig auf die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in der Stadt. Diese wurden mit der Ansiedlung der Firma in Spandau zunächst mit zeitlichem Verzug erfüllt, doch nach der Wende folgte das Unternehmen dem Sog attraktiver Ansiedlungspolitik in den regionalen Speckgürtel im benachbarten Bundesland Brandenburg, wo ihm Steuererleichterungen, der Aufbau Ost und schließlich auch ein niedrigeres Lohnniveau in Aussicht gestellt wurden. Die Umwälzungen, die die deutsch-deutsche Wende auslösten, machten Berlin nichtsdestotrotz gegen Ende der 1980er Jahre zu einem Katalysator für eine ganze Serie neuer Experimente der kooperativen Stadtentwicklung. Daher besann sich die Unternehmensführung schnell der Tatsache, dass sich die Nähe zu den Entscheidungsträgern und den Koalitionspart1058 Wenn nachfolgend von Akkumulations- oder Regulationsregimen gesprochen wird, dann bezieht sich der Regimebegriff nicht auf die Urban Regime Theorie, sondern auf regulationstheoretische Ansätze. 1059 Brenner 2004, 3.
335
nern in Berlin als äußerst wichtig für das Geschäftsgebaren erwiesen hatte. Infolge wurden Produktions- und Management-Standort getrennt, und die Firmenzentrale zurück in das geschäftliche Herz der mittlerweile wiedervereinten deutschen Hauptstadt verlagert. Es scheint also, dass Berlin als Stadt Vorteile offerierte, die man im benachbarten Brandenburg trotz des staatlich subventionierten Umzugs gemisst hatte. Denn als trendorientierte Medienmarke war das Unternehmen darauf angewiesen, am Puls der Zeit zu sitzen und ein feines Ohr sowie Augenmaß für gesellschaftliche Veränderungen und die Potentiale, die sich daraus für die Medienwirtschaft ergeben, zu entwickeln. Stadt, speziell Berlin, stellte sich damit erneut als Möglichkeitsraum heraus, in dem man wie unter dem Brennglas Konsumverhalten sowie Aufmerksamkeitsmärkte bis hin auf die räumliche Mikroebene eines Kiezplatzes zurückverfolgen konnte. Auch hinsichtlich der stadtentwicklungspolitischen Arena bot Berlin ein fruchtbares Versuchsfeld für Governance-Versuche. Neoweberianische und neostrukturalistische Ansätze als Erklärungshilfen Aus diesen Gründen erscheint es angebracht, den deskriptiv-analytischen Ansatz von Governance nachfolgend in umfassendere Theorien der Stadtpolitik zu integrieren, die sich dezidiert mit der Rolle von Stadt im Kontext von Governanceprozessen auf einer Ebene beschäftigen, die zukünftig auch systematische Vergleichsstudien oder aber Einzelfallstudien zur Genese weiterer Merkmale ermöglichen. Nico Giersig hat zu diesem Zweck neostrukturalistische und neoweberianische Ansätze mit dem Ergebnis gegenübergestellt1060, dass diese nicht – wie bisher oftmals vermutet – als theoretische Deutungsrahmen konträr zueinander, sondern ganz im Gegenteil einander komplementierend verwendet werden können. Es sei also generell von einer überwiegenden Konvergenz beider Denkschulen auszugehen, obwohl weiterhin manifeste Unterschiede in Teilaspekten bestünden.1061 Neostrukturalistische sowie neoweberianische Ansätze mit dem Bezug zu Urban Governance widmen sich im Grunde in sehr ähnlicher Art und Weise der gleichen Fragestellung aus Sicht der kritischen politischen Ökonomie, wie folgendes Zitat veranschaulicht: “(...) the decisive distinction can [not] be made found in the divergent disciplinary backgrounds neostructuralists and neo-Weberians fall back upon, nor in the stress they put on different levels of emphasis (i.e. structure, intermediate institutions and agency). (...) these distinctions only represent a difference in emphasis between neostructuralist and neo-Weberian thinking rather than a difference in essence. (...) both (...) in the end remain united in their commitment to a non-deterministic, complex, multilevel and context-sensitive agenda for urban governance analysis.” (Giersig 2008, 88 (Emphase im Original))
Auch wenn beide Gedankenschulen im Bereich der Analyse von Governanceprozessen diverse Ähnlichkeiten zeigen, ergibt sich Dissens in der Art und Weise, wie die Qualität, die grundlegenden Muster sowie der grundlegende Anschub derartiger Veränderungen zu bewerten sind. Wo Neostrukturalisten wie Bob Jessop, Neil Brenner oder Eric Swyngedouw davon ausgehen, dass Stadtentwicklung sich zunehmend dem Diktat der an ökonomischen Determinanten oder am Wettbewerbsparadigma ausgerichteten wirtschaftlichen Standortpolitik unterordnet, verweisen neoweberianische Ansätze – zu nennen wäre etwa Patrick Le Galès oder Enrico Gualini – auf die die Stadtpolitik prägenden idealtypischen Merkmale der (west)europäischen Stadt. Denn aufgrund der starken Stellung staatlicher Akteure und Institutionen schaffe es die (west)europäische Stadt als kollektiver Akteur, Handlungsfähigkeit nicht allein im Politikfeld 1060 Vgl. Giersig 2008, 100. 1061 Ibid. 2008, 71ff.
336
Standortpolitik (Economic Competetion) zu erreichen, sondern auch auf gesellschaftlichen Zusammenhalt (Social Cohesion) hin zu wirken. Eine zentrale Aussage hinsichtlich der neoweberianisch inspirierten Bewertung von Governance-Arrangements ist, dass Europa einen Unterschied macht.1062 Neostrukturalisten hingegen argumentieren, dass sich auch westeuropäische Städte zunehmend dem Diktat einer wirtschaftsfreundlichen Standortpolitik im Sinne einer Entrepreneurial City unterordnen, dass sich also eine „Amerikanisierung der Stadtpolitik” aufgrund der manifesten strukturellen Schlagkraft internationaler Märkte durchsetzen wird.1063 Welche Aspekte der neostrukturalistischen, welche der neoweberianischen Deutungsansätze erscheinen nun hilfreich bei der Einordnung diesen neuen Typus der Stadtproduktion in die Governance-Debatte, welche Aspekte erscheinen eher hinderlich? Das in Berlin detektierte Kompensationsmodell hat in den vergangenen Dekaden weltweit Furore gemacht.1064 Es wurde im Frankreich der 1960er Jahre sowie in den USA nach dem Krieg als bereits im 19. Jahrhundert existierendes Konzessionsmodell wiederbelebt, sodass man mit dem Blick auf die jüngeren kulturellen Ursprünge keine Differenzierung im Sinne neostrukturalistischer oder neoweberianischer Ansätze a priori vornehmen kann. Es muss also weniger von einer Dominanz des ‘Market led urban Development’, noch von einer idealtypisch inspirierten Betrachtung der besonderen politischen Rolle europäischer Städte bei der Betrachtung der Initiierung derartiger Koalitionen ausgegangen werden. Denn einerseits könnte man mit dem Blick auf die Berlin in der Regel beigemessene starke Position zivilgesellschaftlicher Initiativen bei der Stadtentwicklung und demnach auch einer Politisierung der Planung davon ausgehen, dass hier die Stadt per se als kollektiver Akteur politische Handlungsfähigkeit in vielen gesellschaftlichen Feldern herbeiführen kann. Andererseits wurde nachgewiesen, dass marktorientierte Privatisierungsbestrebungen bereits im Berlin der frühen 1980er Jahre dezidiert öffentlich initiiert und vom wachsenden Durchsetzungspotenzial gewisser Marktinteressen beeinflusst worden sind und dass die Berliner Stadtgesellschaft daran bisher wenig Anteil genommen hat, was andererseits als normaler Grad an Politikarmut gedeutet werden kann. Wie würden also Neostrukturalisten, wie würden Neoweberianer diesen neuen Typus der Stadtproduktion in Berlin charakterisieren? Bevor diese Frage dazu verleitet, bestehende Theorie zu testen, soll vielmehr danach gefragt werden, welche Bedeutung die grundlegende Diskrepanz beider Denkschulen bei der Bewertung des Mesokontextes einer induktiv angelegten einzelfallbasierten Arbeit einnehmen kann. Will man also Theorie aus induktiven Forschungsprozessen überhaupt erst generieren, sollte man zunächst fragen, ob derartige Betrachtungen für den Zusammenhang zwischen Handlung, Institutionen und Struktur der Produktion zentraler öffentlicher Räume weiterführend erscheinen? Veränderte Wertschöpfungsmechanismen auf der Mikroebene Was ist also den benannten Positionen im Hinblick auf die Veränderungen der Mikroebene durch gestaltwirksame Koalitionen abzugewinnen? Weder Le Galès noch Brenner oder Jessop skalieren auf die Mikroebene eines Stadtplatzes herunter, um intermediäre oder strukturelle Einflüsse bei der räumlichen Produktion desselben zu verstehen. Jessop jedoch bezeichnet die Durchdringung mikrosozialer Verhältnisse hinsichtlich ihrer Inwertsetzung als ein Kennzei-
1062 Giersig 2008, 88f. 1063 Häußermann et. al. 2008. 1064 Knierbein 2009.
337
chen des Postfordismus.1065 Das Bild, was sich auf dieser Mikroebene zeigt, scheint weniger enthusiastisch als der neoweberianische, weniger pessimistisch als der neostrukturalistische Ansatz. Wo sowohl neoweberianische als auch neostrukturalistische Ansätze die – scheinbar bekannte – Logik wirtschaftlichen Stadtwachstums voraussetzen und in theoretischen Debatten Entwicklungen einer derartigen Logik in US-Städten mit denen Europas konterkariert wird, fragen viele dieser Studien nicht nach empirisch informiertem Wissen hinsichtlich veränderter Wertschöpfungsmechanismen. Das Dilemma, die Koalition weder eindeutig dem Hauptpostulat der Ansätze der einen, noch dem der anderen Denkschule zuordnen zu können, liegt genau in dieser veränderten Art der aufmerksamkeitsbezogenen Wertschöpfung: Denn hier haben wir es mit einem Koalitionstypus zu tun, dessen Interessen dezidiert wachstumsorientiert und im selben Moment an der Erhöhung der Lebensqualität in zentralen öffentlichen Räumen interessiert ist. Das bedeutet aber für die Produktion öffentlicher Räume, dass die Koalition mittels ihrer Nutzerorientierung darauf abzielt, gesellschaftliche Haltungen zu beeinflussen, und zwar sowohl elitäre, als auch populäre (Kap. 5). Nutzerorientierte Modelle der Wertschöpfung bedeuten demzufolge in zentralen öffentlichen Räumen automatisch, dass verschiedene Öffentlichkeiten mittels der vielfältigen Interventionen vom Handeln der Koalitionen profitieren sollen, damit die Koalition, im Umkehrschluss, überhaupt erst Wirtschaftswachstum mittels nun vorhandener Aufmerksamkeitspotenziale generieren kann. Beide Denkschulen – der auf die Dominanz des Wettbewerbsparadigmas der Standortpolitik hinweisende neostrukturalistische Ansatz Neil Brenner’s sowie der auf die historisch stark verwurzelte Rolle staatlicher Institutionen bei der Durchsetzung von sozialer Kohäsion in der (west)europäischen Stadt hinweisende Ansatz von Patrick Le Galès – können hier also wertvolle Erklärungshilfen liefern. Denn von der intrinsischen Marktlogik her wären gestaltwirksame Koalitionen vorrangig den neostrukturalistischen Positionen, von ihrem gesellschaftlichen Output jedoch in der Summe eher neoweberianischen Ansätzen zuzuordnen. Während Vertreter dieser sich noch um die mehr oder weniger stark bestimmende Natur von wirtschaftlicher Standortpolitik streiten, wird auf der Mikroebene eines Stadtplatzes deutlich, dass Staat und Markt in Berlin gegenwärtig ein Modell gefunden zu haben scheinen, das Wachstum aufgrund seiner Ausstrahlung in weite Gesellschaftsbereiche überhaupt erst erreichen kann. Kurz: Aus der medientypischen Orientierung an zunächst weit gefassten gesellschaftlichen Publika ergibt sich die Wachstumslogik im Sinne einer Qualitätssteigerung dieser Räume als Räume des Medienkonsums. Im Falle gestaltwirksamer Koalitionen kann daher die Entscheidung für oder gegen neoweberianische oder neostrukturalistische Interpretationsansätze gar hinderlich sein, weil durch gestaltwirksame Koalitionen endogene und exogene Potenziale in Gang gebracht werden, die sowohl die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen als auch in die Gesellschaft gerichtete Stimuli mit sich bringen. Städtischer Standortwettbewerb spielt daher genauso eine Rolle wie die Erhöhung der Gebrauchsqualität zentraler öffentlicher Räume. Umverteilungsmechanismen erfolgen partiell durch Paketangebote, um einen partiellen Ausgleich zwischen peripheren und zentralen öffentlichen Räumen herzustellen. Andererseits werden grundlegende Debatten über Redistributionsmechanismen und Zugangshürden beim Informationsverbrauch in zentralen öffentlichen Räumen überhaupt nicht geführt. Ändert sich also der Wertschöpfungsmechanismus, müssen sich entsprechend auch die Regulierungsdebatten mit neuen Gegenständen vertraut machen, die es entsprechend der neuen Logik zu regulieren gilt. Dieses Kapitel tritt an, die Wertschöpfungslogik gestaltwirksamer Koalitionen im Kontext institutioneller und struktureller Einflussfaktoren zu erklären, um die bisherigen auf der Mikroebene gewonnen Erkenntnisse hinsichtlich der Handlungslogiken auf 1065 Jessop 2007, 270.
338
der Mesoebene zu ergänzen. Dabei können aufgrund der möglichen Hinderlichkeit der Diskrepanz neostrukturalistischer und neoweberianischer Erklärungsansätze Positionen beider Denkschulen als Interpretationsstützen verwendet werden, um nicht in die Falle theoretischer Grabenkämpfe beider Schulen zu tappen. Außerdem erscheinen die jeweiligen Fokusse einzelner Autoren auf verschiedenen Ebenen angesiedelt zu sein, ein weiterer Grund, um sie vielmehr als komplementär zueinander zu verstehen und zu verwenden.1066 Nachfolgend wird der Prozess der Institutionalisierung aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsmodelle durch gestaltwirksame Koalitionen im Kontext der Mesotheorien nachgezeichnet. Ein neues Phänomen der Stadtproduktion und institutioneller Wandel Vom Ausnahmetatbestand zum Regelfall Im dritten Kapitel wurde eingehend beschrieben, wie aufmerksamkeitsökonomische Kompensationsgeschäfte zunehmend als Mechanismus der öffentlich-privat realisierten Stadtentwicklung durch den Markt initiiert und schließlich auch bezüglich anderer Agendathemen unter Zustimmung öffentlicher Akteure reproduziert wurden. Die Praktiken hatten im anfänglichen Stadium Ablehnung von Seiten öffentlicher Planungsabteilungen erfahren, wurden jedoch bereits ab den frühen 1990er Jahren zunehmend in den politischen Gremien des Landes und der Bezirke toleriert. Planungsinstrumente zur staatlichen Regulierung der Bereitstellung von Informationsträgern auf öffentlichem Straßenland erlangten entweder nie Planungsreife oder verschwanden in (öffentlichen) Schubladen, weil das politische Klima für derartige Ambitionen nicht günstig stand. Flankiert von den stärker werdenden Begehrlichkeiten seitens des Marktes und wegen der immer attraktivere Formen annehmenden Angebotspolitik der Unternehmen wurde der Ausnahmefall schließlich zur Konvention: Nachdem aufmerksamkeitsbezogene Kompensationsgeschäfte über zwei Dekaden hinweg als gesetzliche Ausnahmen geduldet worden waren, kam es schließlich im Jahr 2006 zur Deregulierung zweier zentraler ordnungspolitischer Rechtsinstrumente – der Berliner Bauordnung und des Berliner Straßengesetzes. Mit diesen Beschlüssen war die Praxis aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte legitimiert und innerhalb eines formellen Rechtsrahmens institutionalisiert worden, der das Errichten von Informationsträgern auf öffentlichem Straßenland dann gut hieß, wenn „mit deren Inhalt vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgt werden (...).“1067 Aus einer werbegebundenen Marktnische hatte sich damit eine Brutkolonie für Koalitionsarrangements entwickelt, die allesamt der gleichen Logik unterlagen: Aufmerksamkeitsgemeinschaften potenzieller Konsumenten in zentralen öffentlichen Räumen konsumwirksam anzusprechen. Wo zu Zeiten des Fordismus öffentliche Räume noch als Nullsummenspiel oder Minusfaktor in den Bilanzen der Stadtwirtschaft angesehen worden waren, hatten wachsame Unternehmer im Verlauf der anfänglichen postfordistischen Transformationen festges-
1066 Le Galès ist vorrangig an einer Governancesoziologie mit Schwerpunkt auf Akteure und Institutionen interessiert, wohingegen sich die Perspektive Brenners aus dem Grund anbietet, weil er den Bezug zwischen multiplen Ebenen von Staatlichkeit (mikro-, meso-, makro-) zur Stadtentwicklung herstellt. Die Perspektive von Jessop erscheint deswegen gewinnbringend, weil er Erklärungsstützen für Institutionalisierungsprozesse mit den Theorien von Staatlichkeit verbindet. Letztlich erscheint auch der Ansatz von Swyngedouw nicht unbedeutend für die Erklärung der Logik der Kapitalakkumulation und der institutionellen Rolle des Staates bei Prozessen derselben. 1067 Siehe Begründung zur Neuen Bauordnung für Berlin, S.23, URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ service/gesetzestexte/de/download/bauen/20050929_bauobln_begruendung.pdf (letzter Zugriff am 27.03.08).
339
tellt, dass diese Räume – ausgestattet mit Informationsträgern – als strategische Ressource zur Ansprache eben dieser Aufmerksamkeitsgemeinschaften eingesetzt werden konnten, denn: „Die Werbewirtschaft benötigt die Medien .. nicht nur als Werbeträger, sondern vor allem als Hersteller von Aufmerksamkeitsgemeinschaften. Da die RezipientInnen sich zunehmend in selektiver Aufmerksamkeitszuwendung üben, .. wird es wichtig, die werblichen Botschaften möglichst nahtlos mit anderen inhaltlichen Programmbestandteilen zu verknüpfen. Insgesamt wird das Publikum in seiner Quantität, in seiner Differenziertheit und konsumbezogenen Qualität ein Zwischenprodukt, oder ( …) ‘coin of exchange’.” (Siegert 2001b, 119)
Eine Politik der Accessoires ebnete sich infolge den Weg: Zusätzliche Boni wie Design, HighTech-Funktionen – zum Beispiel energiesparende oder -generierende Features – sollten den gewinnbringenden Aufmerksamkeitsflow speziell der anspruchsvollen und kaufkräftigen Medienkonsumenten stimulieren. Das Produktdesign des eigentlichen Informationsträgers wurde als elegant anmutendes Stadtmöbelstück realisiert, wohingegen das Programm – organisiert in Form von zusätzlich angebotenen Dienstleistungsbündeln – die zielgerichtete, Kommunikation flankieren sollte. Mit dem Blick auf Strategien in anderen Mediensparten kamen die Anbieter von Kommunikationswegen – die Stadtmöblierer – auf die Idee, weitere mediale Angebote zu machen. Schließlich begann man im Zuge der Digitalisierung, zentrale öffentliche Räume mit Zugängen zu virtuellen (öffentlichen) Räumen auszustatten und legte somit den Grundstein für das interaktive Beziehungsmanagement zwischen Marke und Konsumpublikum. Darüber hinaus ersann man sich weiterer Potenziale zentraler öffentlicher Räume als Orte einer kommunikationsstrategisch gestützten Wertschöpfung durch Markenmanagement. Wo zunächst die Marktakteure mit Know-how und brillant ausgearbeiteten Kommunikationskampagnen aufwarteten, gaben sich seit der Jahrtausendwende zunehmend auch öffentliche Institutionen ein kommunikationsstrategisches Stelldichein. Marktakteure hingegen zeigten mehr und mehr Interesse an akuten lokalpolitischen Problemlagen, und reagierten ein ums andere Mal ad hoc, wenn es um die kreative Erarbeitung von Lösungsansätzen für städtische Problemlagen ging. Staatliche Akteure lernten die Logik des Marktes bezüglich ihrer eigenen Ressource bis zu einem gewissen Grad verstehen und schickten mit zunehmender Institutionalisierung ihre Scouts in öffentliche Räume, um auszuspähen, ob es noch medienökonomisch inwertsetzbare Standorte gäbe. Schließlich erschien daran mittlerweile die weitere Realisierung von gestalterischen und medialen Aufwertungen zentraler öffentlicher Räume gekoppelt. Mit der Legalisierung des Kompensationsmodells hatte man letztendlich die außerökonomischen Bedingungen für eine ganz bestimmte Wachstumsweise in Gang gesetzt: Eine Strategie zur Wertschöpfung und Kapitalanhäufung (Akkumulation) in zentralen öffentlichen Räumen im Sinne eines wie auch immer definierten allgemeinen Interesses. Die staatlichen Deregulierungen dienten in diesem Kontext als Stützen der Realisierung, um einen über 20 Jahre hinweg tolerierten Kompromiss letztendlich zu institutionalisieren. Diese Institutionalisierung sollte zukünftig dazu dienen, den Mechanismus der Kapitalakkumulation – die Akkumulationsstrategie – möglichst lange aufrechtzuerhalten.1068 Im regulationstheoretischen Interpretationsschema kann diese Genese und Verstetigung gestaltwirksamer Koalitionen als der „lokalpolitische Ausdruck einer gesellschaftlichen Umbruchsituation, die sich als Wandel vom Fordismus zum Postfordismus beschreiben lässt” verstanden werden.1069 Oder eben als institutionalisierter Kompromiss.1070
1068 Siehe hierzu Jessop 2007, 263, Bezug nehmend auf Jessop 1990a, 193-247. 1069 Helbrecht traf 1994 (37ff.) eine ähnliche Aussage für das Stadtmarketing. 1070 Der Begriff wurde von Jessop (2007, 246) geprägt.
340
Der Rückzug der öffentlichen Hand als Determinante der Entstehung eines Nischenmarktes „Nischen entstehen auch durch politische Regulierungen.“ (Braun-Thürmann 2005, 47)
Versteht man den Rückzug der öffentlichen Hand als Folge der Krise des Staates, die sich in Berlin auch als besondere Haushaltsnotlage auswirkte, so ist nach dem Bezug zwischen Raumentwicklung und Finanz- sowie Steuerungskrise zu fragen. Dabei hängen „die Möglichkeiten der Steuerung der Raumentwicklung über das Instrument der öffentlichen Haushalte ab von der Höhe der zur Verfügung stehenden Gelder, von der Art der Verteilung aber wesentlich auch von den Bedingungen und Kriterien, die für die Verteilung der Mittel vom politischadministrativen System formuliert werden.”1071 Stadtpolitik kann also staatlich unbeabsichtigt als auch infolge politischer Entschlüsse, also staatlich intendiert, Auswirkungen auf räumliche Entwicklung entfalten, wenn Gelder für notwendige Maßnahmen nicht mehr verfügbar sind, wenn vorhandene Mittel nicht den politischen Engpässen entsprechend bereitgestellt werden oder wenn die Verteilungskriterien nicht zur Veränderung struktureller Probleme beitragen.1072 In diesem Zusammenhang ist auch das Zitat zu deuten. Denn die Nische für die Genese des Aufmerksamkeitsmarktes in zentralen öffentlichen Räumen ergibt sich überhaupt erst, weil Außenwerbung in vielen westeuropäischen Städten zu Zeiten des Fordismus rigide reguliert worden war. Ökonomisch betrachtet fehlte während des fordistischen Akkumulationsregimes eine systematische wachstumsorientierte Kapitallogik bei der Bewirtschaftung zentraler öffentlicher Räume gänzlich, weil der Staat es als wichtig ersah, diese Räume gegen ökonomischen Wachstumsdruck zu protegieren. Durch diese Regulierung aber wurden öffentliche Räume zu jungfräulichen Terrains ökonomischer Restrukturierung in Zeiten postfordistischer Transformationen, zu renditeträchtigen Orten der postfordistischen Kommodifzierung des Öffentlichen. Parallele Entwicklungen werden auch aus anderen Bereichen berichtet, wie etwa dem Bau öffentlicher Schulen, Autobahnen und Gefängnisse.1073 Das heißt also, dass der Markt zu Zeiten revolutionärer Transformationen und damit städtischer Restrukturierungen – ausgelöst durch die stets in neue Bereiche vordringende sich gleichermaßen wandelnde Logik der Kapitalakkumulation – offensichtlich die Bereiche aufsucht, die vorher besonders gesellschaftlich reguliert wurden. Da diese in der Regel als gesellschaftliche Schutzgüter galten, heißt das auch, dass es der Logik des Kapitals immanent ist, sich zu Zeiten des Umbruchs das Öffentliche anzueignen. Mit dem Bröckeln des fordistischen Akkumulations- und des Regulationsregimes wurden öffentliche Räume daher in Berlin als Sphäre für radikale Innovationen, für Lernprozesse für Politik und Verwaltung sowie, und darin liegt das grundlegende Novum, als neues Territorium der Kapitalakkumulation im Postfordismus (wieder) entdeckt. Auch wenn der Einsatz virtueller Medien bereits aus asiatischen und amerikanischen Städten bekannt ist, sticht das Berliner Beispiel hervor, weil sich hier das Out-of-Home Medienunternehmen dezidiert und in vielfältiger Weise in Prozesse der Stadtproduktion eingebracht hat, die auf den ersten Blick wenig mit ihrem eigenen Marktfeld zu tun haben. Der zweite Blick offenbart jedoch, dass gerade mit diesem Vorstoß die Transformation der Außenwerbebranche in eine StadtraumMedienbranche erklärt werden kann. Sich die Wirtschaftsentwicklungen in Berlin in Erinne1071 Dortmunder Beiträge zur Raumentwicklung 2001, 25. 1072 Nach Häußermann et. al. (2008, 282) ist die Finanznot der Städte neben Globalisierung und Europäisierung ein vielfach genanntes Sachzwangargument, um Privatisierung und Deregulierung zu legitimieren. Die Finanznot der Städte ist eindeutig Ergebnis politischer Entscheidungen des Staates (auf anderen territorialen Ebenen), die direkte oder Kollateralschäden insbesondere auf städtischer Ebene hervorgebracht haben. Damit kann der Sachzwang auf kommunaler Ebene etwa durch Landes- oder Bundespolitik forciert werden, so geschehen etwa bei den Kürzungen der Mittelzuweisungen des Senats an die Bezirke, infolge derer das Brunnensponsoring notwendig wurde (Kap. 3). 1073 Rügemer 2008.
341
rung rufend (Anlagen 5 bis 8), kann konstatiert werden, dass es zwar hier statistisch zu einem Rückgang des sektoralen Anteils des Baugewerbes am Gesamtprodukt gekommen ist, jedoch wird am Beispiel aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte ein maßgebendes Merkmal dieses postfordistisch geprägten Marktes deutlich: Bauleistungen in Kombination mit Dienstleistungen zu erbringen, die statistisch gesehen nicht mehr dem Baugewerbe, sondern dem öffentlichen und privaten Dienstleistern zugeordnet werden (Kap. 3). Was aber geschah genau mit den zentralen öffentlichen Räumen in Berlin? Bei zunehmender Zuspitzung der Steuerungs- und Finanzkrise drohte auch die Stadtentwicklungspolitik Mitte der 1990er Jahre in prekäre Umstände abzudriften. Dabei erschien es doch gerade zu diesem Zeitpunkt immens wichtig, Signale politischer Tatkraft in zentralen öffentlichen Räumen zu setzen, um zu veranschaulichen, dass trotz verminderter Handlungsfähigkeit im Sinne der Belange der Bürger, Bewohner und Besucher investiert würde. Doch die Hände, dies in innovatorischer und progressiver Weise zu tun, schienen den Bezirks- und Senatsverwaltungen bereits im Laufe der 1980er Jahre zunehmend gebunden. Der Ausweg, über Ausnahmen in der Regulierung der lokalen räumlichen Entwicklung Stadtraum gestalterisch ansprechend und gleichzeitig ohne direkte monetäre Belastung für öffentliche Haushalte zu entwickeln, wurde von staatlichen Akteuren in Erwägung gezogen. Erst einmal als Ausnahme. Ein zweites Mal. Als zweite Ausnahme. Denn schließlich beeinträchtigte diese Form der Stadtproduktion nicht notwendigerweise die Wählergunst: Man merkte ja als Wähler nicht, dass man den Teil der Steuer, der vormals in die Entwicklung dieser Stadträume floss, nun nicht mehr über die Steuer, sondern mit seiner Aufmerksamkeit bezahlte. Man merkte es nicht, da dieser Prozess einer stillen Verlagerung der Verantwortung auf die Nutzer öffentlicher Räume als Informationsverbraucher oder als rezipierende Kommunikationsadressaten gleichkam. Diese Verlagerung der Kosten war anders als bei vergleichbaren Konzessionsmodellen, wie etwa der Autobahnmaut, bei dem die Wähler die Privatisierung bei direktem Raumbezug zur privat bereitgestellten Dienstleistung unmittelbar in ihrem Portemonnaie spüren, nicht direkt wahrnehmbar. Öffentliche Straßen und Plätze wurden mit Unterstützung der Stadtmöblierer wieder vorzeigbar gemacht, um zumindest politischen Fortschritt baulich-gestalterisch suggerieren und so trotz planerischer Lähmung politische Tatkraft signalisieren zu können. Schließlich, so war man sich auf Staatsseite sicher, diente jede im öffentlichen Raum investierte Münze als Multiplikator für Privatinvestitionen im direkten Umfeld. Man musste nicht einmal mehr öffentliche Gelder in öffentliche Infrastruktur investieren, um öffentlich Aufmerksamkeit zu erregen und Wachstum zu stimulieren. Das Dilemma staatlicher Akteure – stadtentwicklungspolitischer Handlungsdruck, gepaart mit drohender Handlungsunfähigkeit aufgrund fehlender Ressourcen bei gleichzeitiger räumlicher und institutioneller Restrukturierung im von vielfachen Transformationstendenzen gekennzeichneten Berlin – wurde in gestaltwirksamen Koalitionen, die das operative Tagesgeschäft zunächst in evolutionärer Weise zu erleichtern wussten, aufgefangen. Auf der anderen Seite, der des Marktes, witterten kluge Köpfe Anfang der 1980er zögerlich, dass die kommunale Krise ein Eldorado für neue marktwirtschaftliche Strategien generieren würde. Im rasante Umschwünge erlebenden Berlin lagen die Fakten um die Situation der Stadt seit Mitte der 1990er Jahre allerdings derart klar auf der Hand, dass man sich als innovatorisches, mittelständisches und an der Gestaltung öffentlicher Räume in zentralen Lagen orientiertes Wirtschaftsunternehmen hätte anstrengen müssen, die Potenziale der Krise als Motor für die eigenen Chancen, die quasi direkt vor der Tür auf der Straße lagen, nicht zu erkennen. „Auf die Frage, ob die Berliner Haushaltsnöte gut sind für’s Geschäft, grinst der 61-jährige und antwortet umstandslos mit: Ja.“ (Handelsblatt im Interview mit H. Wall vom 26. November 2003)
342
Der Rückzug der öffentlichen Hand erfolgte demnach parallel zum Einzug des Marktes zunächst im Bereich der Stadtmöblierung. Einst vom Sachzwangargument, Werbung dürfe schließlich nur auf dem Objekt der öffentlichen Begierde untergebracht werden, befreit, löste sich das Kompensationsmodell vom Stadtmobiliarbezug und wanderte als Schulterschlussmodell zwischen öffentlichen und privaten Akteuren in die Bereiche der Denkmalrestaurationen, der Stadtkommunikation und jüngst in gesellschaftlich sensible Bereiche der Stadtunterhaltung. Dabei halfen die Stadtmöblierer dem Land Berlin nicht allein beim gestalterischen Aufpolieren von Plätzen und Promenaden als Aufmerksamkeitsfaktor, sondern sie agierten immer am Puls der Zeit der Privatisierung und das bereits bei den ersten Großaufträgen. Denn den ersten beiden Konzessionsvergaben waren Grundsatzdebatten um die Privatisierung der Erbringung öffentlicher Leistungen vorausgegangen. Immer warteten die Unternehmen mit neuen Produkten, neuen Leistungsbündeln und schließlich neuen Vertragsmodellen auf. Wiederholt bot sich das Berliner Unternehmen bei den unterschiedlichsten Agenda-Gegenständen unaufgefordert an, eigene Ressourcen für die Bewältigung der anstehenden Erfordernisse in die Prozesse der Stadtproduktion einfließen zu lassen, wenn im Gegenzug die Stadt lernen würde, ihre eigenen noch vorhandenen Ressourcen – zentrale öffentliche Räume – sinnvoll einzusetzen. Denn mit der Neugewichtung der staatlichen Aufgabenfelder räumlicher Entwicklung aufgrund der Steuerungs- und Finanzkrise sowie dem Austarieren neuer Möglichkeiten haushaltspolitischer Steuerungen ergaben sich veränderte Blickwinkel auf zuvor relativ unbeachtete Potenziale eigener staatlicher Ressourcen. Das Kapital hatte sich ein neues Territorium erschlossen, um das staatliche Akteure nun zögerlich erste regulierende Fäden sponnen. Dies geschah zunächst mittels einer besonderen Form der Regulierung: der Deregulierung. Schließlich erschien eine gänzliche Marktüberlassung der Produktions- und Bereitstellungsprozesse für eben diese öffentlichen Räume nicht realisierbar, wenngleich der Staat eine Chance sah, sich aus der Kernaufgabe der Bereitstellung baulicher Arrangements dieser Sozialräume zurückzuziehen. Dieser Rückzug stellte jedoch keinesfalls allein eine Konsequenz verminderter Ressourcenkapazität und Steuerungsfähigkeit des Staates, sondern genauso seine Steuerungsreaktion dar. Dieser Rückzug kann in diesem Sinne als strategischer verstanden werden, um das Generieren von Einzelinnovationen bis hin zur Entstehung neuer Märkte durch Deregulierungen traditioneller territorialer Felder in (ehemaliger) staatlicher Hoheit zu forcieren.1074 Innovationspolitik in der Stadtentwicklung treibt demnach grundsätzlich Deregulierungen voran, um Innovationen und wirtschaftliche Prosperität am Standort zu begünstigen. In Berlin kamen beide Tendenzen zum Tragen: Zum einen forcierte das Land Berlin zu Beginn der Herausbildung gestaltwirksamer Koalitionen Privatisierungsbestrebungen aktiv und deregulierte jüngst die entsprechenden rechtspolitischen Rahmengebungen, womit im ersten Fall ein Markteintritt und im zweiten Fall eine Marktöffnung initiiert wurden. Zum anderen können diese Bestrebungen als Konsequenz der der erneuerten deutschen Hauptstadt durch das föderalistische deutsche System versagten Unterstützung erklärt werden. Denn auf dem Gipfel der Erkenntnis hinsichtlich der fiskalischen Notlage versuchte das Land gleichermaßen, sich Ressourcen bei der traditionell den schützenden Schirm aufspannenden nationalen Ebene deutscher Staatlichkeit zu suchen. Ohne Erfolg. Damit ist einmal mehr die Rolle des Staates in Frage gestellt, denn “the ‘myth of the powerless state’ represents a misleading basis for the understanding of contemporary political dynamics.”1075 Demnach versuchte man, sowohl über die Ausnutzung eigener – endogener – Ressourcen sowie durch die Attraktion externen Kapitals die politische Lähmung zu umgehen. Eine Stra1074 Brenner 2004, 194. 1075 Brenner 2004, 60.
343
tegie, die sich hervorragend in die seit Mitte der 1990er Jahre initiierte Politik des öffentlichen Raumes1076 integrieren ließ und der Stadt ermöglichte, endogene Potenziale mit globalen Kapitalströmen zu vernetzen, war die mediale Inwertsetzung zentraler öffentlicher Räume durch gestaltwirksame Koalitionen. Dabei spielten diskursprägende Begriffe wie Innovationen und Design, und in der Folge Innovationspolitik und Designpolitik eine zentrale Rolle. Den Wirtschaftsakteuren indes, allen voran der in Berlin hauptsächlich wirksamen Wall AG, war klar geworden, dass sich die Spreemetropole in außergewöhnlicher Weise als Experimentierfeld für die Genese eines neuen aufmerksamkeitsökonomischen Marktes darbot. Mit Einführung neuer Techniken und mit dem Zugriff auf neue Erkenntnisse aus der Konsumund Rezipientenforschung wurde eine ganze Serie an Innovationen in Gang gesetzt, die, flankiert von Designanspruch und Baukultur, in großen Teilen zum Selbstläufer wurde. Der Durchbruch des rund 25 Jahre zuvor etablierten Kompensationsmodells resultierte in einem Prozess der formalen Institutionalisierung durch die Anpassung staatlicher Regulierungsinstrumente an die Marktlogik. Für den Quasi-Monopolisten in Berlin, die Wall AG, bedeutete das jedoch auch die Infragestellung seiner Vormachtposition, denn: Durch die Deregulierung entsprechender Gesetze war nicht nur der Regulierungsrahmen gelockert, sondern vielmehr ein neuer Markt rechtlich anerkannt worden. Ein langjährig geduldeter Kompromiss mit dem Resultat der Quasi-Monopolbildung wurde institutionalisiert. Zentrale öffentliche Räume stellten die genuine Sphäre dieses Institutionalisierungsprozesses dar, wie nun erläutert wird. Öffentlicher Raum als Schauplatz institutioneller Transformationen „In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche gerät die Beziehung zwischen den verschiedenen Foren von Öffentlichkeit in Bewegung. Umgekehrt könnte man die Veränderung dieser Beziehung als Indikator gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse werten.(...) ‘Umbrüche sind Modernisierungsschübe, die Umstrukturierungsprozesse auslösen und neue Gesellschaftskonstruktionen, eine neue Selbstbeschreibung der Gesellschaft ermöglichen.’” (Theis-Berglmair 2008,130f.)
Die im Zitat charakterisierten Transformationen werden hinsichtlich der Produktion zentraler öffentlicher Räume also immer auch durch Institutionalisierungsprozesse geprägt. Bob Jessop, der sich mit Wendepunkten im Verlauf von institutionellen Transformationen und Institutionalisierungsprozessen aus einer regulationstheoretischen Perspektive mit Raumbezug auseinandersetzt,1077 beschreibt in seinem viel zitierten Artikel “Institutional (Re)turns” drei Dimensionen institutioneller Transformationen: die thematische institutionelle Wende (Thematic Turn), die methodische institutionelle Wende (Methodological Turn) und die ontologische institutionelle Wende (Ontological Turn). Im Sinne von Jessop wird die Unterscheidung deswegen für notwendig gehalten, um das Bewusstsein für verschiedene Interpretationsmöglichkeiten – und damit die Ursachen für institutionelle Transformationen – zu schärfen:1078 Der Thematic Turn ergibt sich aus thematischen Veränderungen wie etwa der Betrachtung von Institutionen als rationalökonomisch erklärbaren Objekten, die sich anhand von Vertragsveränderungen rational konstituieren. Für Jessop ist ein solcher Ansatz trivial und partiell sogar oberflächlich, da er die Einbettung von Institutionen in ihre soziale Umwelt missachtet und 1076 Fessler Vaz et. al .2006. 1077 Zur Verwendung des Begriffs Wende (Turn) hat Jessop (2001, 1219) klar gestellt: ”The meaning of the term ‘turn’ .. varies with the context in which it occurs. Thus the phrase ‘institutional turn’ can be applied to conversions, ruptures, and reversals as well as to progressive or regressive modifications in a given approach. My .. view is that there should be a significant element of continuity in discontinuity if ‘turn’ is to be used rather than ‘paradigm shift’, ‘epistemological break’, ‘methodological break-through’, and so forth.”. 1078 Vgl. Jessop 2001, 1215ff.
344
den Institutionen kaum die Möglichkeit der Eigendynamik zubilligt, da sie als Ergebnis vorrangig struktureller Zusammenhänge interpretiert werden. Derlei Ansätze negieren auch, so Jessop, dass ökonomische Identitäten, Interessen und Berechnungen ebenfalls davon abhängig sind, wie Märkte in institutionelle Arrangements und sozioökonomische Prozesse eingebunden sind, die Informationen und Verhalten prägen. Die zweite Dimension institutionellen Wandels, der Methodological Turn, bezieht sich auf eine methodische Perspektive, die eine intermediäre Ebene zur Überwindung ontologischer Widersprüche ermöglicht, die zwischen Makrologik und Mikrologik, Struktur und Handlung, zwischen Notwendigkeit und Eventualität sowie zwischen Abstraktem und Konkretem, Einfachem und Komplexen, zwischen beschreibenden Bildern oder gesetzesgebenden Kausalitäten und schließlich zwischen empirischer Beschreibung und Makrotheorie verortet werden kann. Weitere Dimensionen des methodischen institutionellen Wandels ergeben sich aus den Dilemmata zwischen Top-Down und Bottom-Up-Ansätzen und zwischen Forschungen, die globale und lokale Einflussfaktoren auf räumliche oder skalare Phänomene zu verstehen angetreten sind. Der methodische Institutional Turn wird nach Jessop als Perspektive deswegen angewendet, weil Institutionen als angemessene methodische Zugangsdimension, als Entry Points für das Verstehen gesellschaftlicher Entwicklungen hergenommen werden können, egal, ob man von ihnen aus herunter auf die individuellen Handlungen oder herauf zu den übergeordneten Strukturen blickt. Dies versteht Jessop als methodischen Pragmatismus, der aber manches Mal ontologischer Richtungsentscheidungen entbehrt. Für Jessop birgt der methodische Institutional Turn jedoch enorme heuristische Potenziale. Die dritte Dimension institutionellen Wandels, der Ontological Turn, ist hingegen die radikalste, denn sie basiert auf der Annahme, dass Institutionen und Institutionalisierungen die Hauptachse kollektiven Lebens und sozialer Ordnungen im Kapitalismus sind, wie Jessop im folgenden Zitat herausarbeitet: “Thus, institutions matter because they are seen, inter alia, as the points of crystallization of social forms, as defining the rules and resources of social action, as defining opportunity structures and constraints on behaviour, as shaping the way things are to be done, as path dependent path-defining complexes of social relations, as the macrostructural matrices of societies and social formations, and so on.” (Jessop 2004, 29)
Polanyi’s Ausarbeitung zur Ökonomie als einem institutionalisierten Prozess führt Jessop als ein Musterbeispiel des ontologischen Verstehens von institutionellem Wandel an: “The instituting of the economic process vests that process with unity and stability; it produces a structure with a definite function in society; it shifts the place of the process in society, thus adding significance to its history; it centers interest on values, motives and policy. Unity and stability, structure and function, history and policy spell out operationally the content of our assertion that the human economy is an instituted process’’ (Polanyi 1992, 34)
Jessop bestätigt mit dem Verweis auf Polanyi die von diesem vertretene Position, dass ökonomisches Handeln durch Institutionen organisiert wird, die gesellschaftlich eingebettet sind und ökonomisches Verhalten im Bezug zur Gesellschaft zu regulieren versuchen. Mit dem Blick auf diese theoretische Perspektive auf Institutionen und Institutionalisierungsprozesse ist demnach zu fragen, inwieweit die Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin als gesellschaftlicher Institutionalisierungsprozess im Sinne des Ontological Turn verstanden werden kann?1079 Inwieweit sind demnach öffentliche Räume (Teil einer) Institution, die eine der gesellschaftlichen Hauptachsen kollektiven Lebens und sozialer Organisation in der gegenwärtigen Ausprägung des Kapitalismus darstellt? 1079 Vgl. Jessop 2001, 1230.
345
Es muss auf die grundlegende Bedeutung von Institutionalisierungsprozessen hingewiesen werden, um die ontologische Dimension institutionellen Wandels im hiesigen Fall zu beleuchten: Institutionalisierungsprozesse tragen dazu bei, Institutionen als Handlungszusammenhänge und Akteure als deren institutionellen Rückhalt zu verstehen. In diesem Sinne bieten das Land Berlin, die Berliner Bezirke ebenso wie die Wall AG und ihre wettbewerblichen Mitstreiter innerhalb gestaltwirksamer Koalitionen den institutionellen Rückhalt für einen Teilbereich der Produktion zentraler öffentlicher Räume, die den Handlungszusammenhang konstituiert. Welcher Stellenwert kann in diesem Kontext zentralen öffentlichen Räumen beigemessen werden? – Wie schon Henri Lefebvre feststellte, rufen der Staat und seine zugehörigen Institutionen nach Räumen, die sie entsprechend spezifischer Anforderungen organisieren. Genau aus diesem Grund mache es keinen Sinn, Raum allein als a priori-Bedingung für diese Institutionen und die Staaten, die über diese walten, zu verstehen.1080 Wenn also Prozesse der Produktion zentraler öffentlicher Räume Momentaufnahmen sich ständig wandelnder Gesellschaftsformationen unter besonderer Beachtung der sich verändernden Rolle von Staatlichkeit im Zuge sich transformierender ökonomischer Rationalitäten sind, dann sind zentrale öffentliche Räume als soziale Prozesse eine Institution. Die Sichtweise, Institutionen auch innerhalb einer raumzeitlichen Dimension zu betrachten, wird von Jessop bekräftigt, der konstatiert, dass der raumzeitliche Charakter Institutionen inhärent ist.1081 Wenn zentrale öffentliche Räume eine Institution im ontologischen Sinne sind, dann sind grundlegende Veränderungen ihrer baulich-gestalterischen (ebenso wie ihrer symbolisch-diskursiven oder etwa ihrer szenischkulturellen) Arrangements der immanenten Natur des Gegenstandes entsprechend ein Verweis auf institutionelle Umwälzungen, verstanden als Adaptationsversuch von Staatlichkeit, sich veränderter Logiken des Kapitals anzupassen. Das heißt, dass sich hiermit eine veränderte Eingangsperspektive der gegenwärtigen Stadtforschung eröffnet, nämlich, grundlegende Veränderungen in der ästhetischen Stadtproduktion als Verweis auf gesellschaftliche Umbrüche im Zuge des sich wandelnden Kapitalismus zu deuten. Zu einer derart veränderten Eingangsperspektive gehört notwendigerweise die Bereitschaft zu einem empirischen Spagat z. B. zwischen dem ästhetischen Ornament an einer Berliner Bedürfnisanstalt und der Marktlogik internationaler Finanzmärkte, zwischen den Stadtmobiliar für Berlin entwerfenden Entwicklern und Fabrikarbeitern der Wall AG im brandenburgischen Velten und den Decaux-Fahrräder für Paris produzierenden bulgarischen Arbeitern. Und letztlich auch zwischen den irgendwo verorteten Star-Designern dieser Branche, die mit kreativem und ästhetischem Geschick Bauliches mit weichen und emotionalen Aspekten anreichern, und den Aufmerksamkeits-Maklern, die mit rationalem Kalkül die emotionale Überzeugung der Psyche zu ökonomisieren versuchen. Gänzlich neu ist die daraus abgeleitete Perspektive, mittels Kritik an Stadtgestalt Gesellschaftskritik zu üben, nicht. Es sei einmal mehr die Arbeit „Zur gesellschaftlichen Funktion von Kritik und Theorie der Stadtgestaltung” von Werner Durth erwähnt (Kap. 1). Vermutlich ahnte jedoch Durth in den 1970er Jahren noch nicht, welches Fundament er mit seiner Kritik an der Stadtgestalt legen würde, und wie es in den nachfolgenden Jahrzehnten aufgrund rasanter gesellschaftlicher Umbrüche zunehmend an Relevanz gewinnen sollte. Hier wird daher anregt, den Durth’schen Weg unter heutigen Vorzeichen fortzuschreiben. Die anfangs aufgeworfene grundlegende Frage nach dem Zusammenhang zwischen der grundlegenden ästhetischen Veränderung von Stadtgestalt, ihren Produktionsbedingungen und dem institutionellen Wandel kann demnach umgeleitet werden in folgende These: Grundlegende Veränderungen von Raum, speziell von Stadtgestalt, können – versteht man sie denn als Prozess der Stadtproduktion – als Indikatoren hergenommen werden, um institutionelle Umwälzungen, und demnach ihre gesellschaftlichen Implikationen, zu untersuchen. 1080 Lefebvre 1998, 85. 1081 Jessop 2001, 1226.
346
Zentrale öffentliche Räume sind – um eine Quintessenz zu formulieren – nicht allein Schauplätze staatlichräumlicher Organisation und Repräsentation, sondern stellen eine strategische Sphäre für marktliche und staatliche Restrukturierungen dar, die langfristig neue institutionalisierte Kompromisse hervorbringen. In ihnen und mit ihrer Hilfe wird konsekutiv und untereinander verstrickt Staatsumbau und Marktumbau betrieben. Gestaltwirksame Koalitionen fungieren in diesem Zusammenhang als Momentum der Institutionalisierung. Diese Institutionalisierung wird notwendig, um Kapitalakkumulation in einem Feld der Stadtwirtschaft zu ermöglichen, dem diese zu Zeiten des Fordismus kaum ökonomische Beachtung schenkte. Ökonomische Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume Warum aber erscheint die ökonomische Restrukturierung von zentralen öffentlichen Räumen überhaupt notwendig? Im Zuge der Krise des Fordismus seit Beginn der 1970er Jahre wurde festgehalten, dass Restrukturierung als Antwort des Systems der kapitalistischen Ökonomie verstanden werden kann, eine Lösung für die jeweilige Krise des Kapitalismus zu finden.1082 Dazu Jessop: „Die Entstehung und Konsolidierung eines neuen Akkumulationsregimes und der entsprechenden Regulationsweise geht immer mit einer ‘Kulturrevolution’ und radikaler Innovation im Bezug auf Institutionen einher. (...) Wenn das Kapital diese Krise bewältigen will, muss es eine Umstrukturierung der Ökonomie, des Staates und Zivilgesellschaft mit jeweils gleich weit greifender, umfassender Reichweite anstreben. Daher gehen die Kämpfe, die auf die Umstrukturierung des Ensembles gesellschaftlicher Verhältnisse und deren Neuordnung zielen, auf einer Vielzahl von Ebenen einher.” (Jessop 2007, 150)
Da die Reproduktion des Kapitals partiell, temporär und instabil ist, wird dem Kapitalismus daher per se ein provisorischer, instabiler und widersprüchlicher Charakter beigemessen.1083 Daher wird jedes Akkumulationsregime – wie etwa der Fordismus – begleitet von verschiedenen Regulationsweisen – wie etwa dem Keynesianismus. Letztere haben die Aufgabe, die widersprüchliche Natur des Kapitalismus durch inner-, mehr noch aber durch außerökonomische Stützen auszubalancieren. Dem Staat wird hier eine gewisse Eigenständigkeit zugeschrieben, um das durch die kapitalistische Akkumulationsstrategie generierte gesellschaftliche Konfliktpotenzial durch die Verbesserung der Lebensbedingungen, zum Beispiel in Form von bereitgestellter Bildungs-, Infrastruktur- und Sozialpolitik, zu mindern. Damit sichert er das Kapitalverhältnis für eine gewisse Zeit ab und sorgt für Loyalität der Arbeiter und Konsumenten. 1084 Zumeist wird mit städtischer Restrukturierung ein sektoraler Umbau des Arbeitsmarktes in den Städten hin zu wissens- oder informationsbasierten Wirtschaftsbranchen bezeichnet, der jedoch nur wenige Rückschluss zulässt, wie sich die Beziehung zwischen städtischen Eigentumsverhältnissen und bodenmarktbezogenen Restrukturierungsaktivitäten in öffentlichen Räumen auswirkt. Denn im Gegensatz zu fordistischen Zeiten erscheint es nun möglich, in öffentlichen Räumen über Bodenwerte Kapital zu generieren. Das liegt an der bereits erwähnten territorialen Bindung von Kapital, denn “no matter how rapidly turnover times [of capital] are accelerated, the moment of territorialization still remains endemic to capital, a basic structural feature of its circulation process”1085 Kapitalakkumulation – als grundlegender Mechanismus kapitalistischen Wachstums – wird also entgegen der vielen Debatten um die Castell’schen Spaces of Flows als ‘place sticky’ bezeichnet.1086 Die Krise des fordistischen Akkumu1082 Vgl. Logan and Swanstrom 1990, 7. 1083 Jessop 2007. 1084 Häußermann et. al. 2008, 348f. 1085 Brenner 2004, 57. 1086 Brenner 2004.
347
lationsregimes hat zunächst Deterritorialisierungen des Kapitals in den traditionellen Sphären der Akkumulation ausgelöst, die in einem zweiten Konsolidierungsschritt nach dem Abflauen des ersten Umbruchmomentes eine qualitativ andere Raumlogik des Kapitals produzierten.1087 Durch Reterritorialisierungen auf verschiedenen Raumebenen ergeben sich neue Möglichkeitsräume der Kapitalakkumulation, wohingegen alte partiell neu organisiert werden: “As capital strives to jump scale, it is forced to reconstitute or create a new viable sociospatial infrastructures for its circulation process at other scales – whether through the reorganization of existing scales or throughout the construction of qualitatively new ones.“ (Brenner 2004, 59)
In Städten wird dieser Prozess mit Spatial Restructuring, räumlicher Restrukturierung oder Stadtumbau begrifflich gefasst. Eindeutig tritt hier die intrinsische Verwobenheit zwischen gesellschaftlichen, ökonomischen und räumlichen Phänomenen, kurz, ihre Untrennbarkeit, zu Tage. Was aber haben diese Eigenschaften von Kapital, einerseits place sticky zu sein und andererseits Skalensprünge vollziehen zu können, mit der Produktion zentraler öffentlicher Räume durch gestaltwirksame Koalitionen zu tun? – Es wurde bereits beanstandet, dass politökonomische Betrachtungen öffentliches Straßenland während des fordistisch geprägten Städtebaus oftmals nur fokussierten, wenn von Spill-Over Effekten der Aufwertung öffentlicher Räume auf benachbarte Privatparzellen die Rede war. Diese Betrachtungsweise steht mit der Hinwendung zum Paradigma der postfordistischen Aufmerksamkeitsmärkte zur Disposition. Die Gründe, warum Betrachtungen im Sinne der Kritischen Politischen Ökonomie Einzug in die Betrachtung der Produktion zentraler öffentlicher Räume halten müssen, sind in einer Veränderung der kapitalistischen Logik hinsichtlich ihrer Inwertsetzung zu suchen. Wie bereits festgestellt, geht es hier um vermarktbare Aufmerksamkeitspotenziale, die den gegenwärtigen Mediawert etwa von Informationsträgerstandorten bedingen. Diese zeichnen sich zwar durch einen Standort-, und damit einen Flächenbezug aus, ihre ganz spezifischen Charakteristika können jedoch mit auf Flächen und Funktionen basierenden Raumkonzeptionen kaum begriffen werden. Auch wenn man Aufmerksamkeitspotenzial als Funktion eines flächenbezogenen Standortes begreifen würde, so hätte man damit noch längst nicht geklärt, warum denn dieser an einem Standort größer, andernorts geringer ausfällt. Sobald es um kommunikationsstrategische Erschließungen durch netzweises Etablieren und Vermarkten von Stadtraummedien geht, muss der Mensch, und damit soziales Handeln, explizit in eine Herangehensweise an Raum einbezogen werden. Denn die veränderte Grundlage des kapitalistischen Tauschgeschäftes bei der postfordistisch geprägten Produktion öffentlicher Räume ist ihre gesellschaftliche Zentralität und damit soziales Handeln im Sinne von Aufmerksamkeitserbringung per se. Die Aufwertung ihrer baulichen Arrangements dient vorrangig dazu, diese gesellschaftliche Zentralität durch Anreize in der materiellen, städtischen Lebensumwelt zu erhöhen. In der Kritischen Politischen Ökonomie werden Orte (im Sinne von Places) generell als wertvolle Ressourcen angesehen, die eine ganz besondere Bedeutung für die Nutzer haben und sich deswegen nicht einfach als Ware (Commodity) erfassen lassen: “Places have certain preciousness for their users that is not part of the conventional concept of commodity. A crucial initial difference is that space is indespensable; all human activity must occur somewhere. Individuals cannot do without place by substituting another product. They can, of course, do with less place and less desirable place, but they cannot do without place altogether.“ (Logan und Molotch 2007 (1987), 17, Emphase im Original)
Wenn demnach Orte nicht als Ware zu erfassen sind, die abstrakt und analytisch nicht von sozialer Handlung zu trennen sind, sondern gleichermaßen als Grundlage, Bedingung und 1087 Brenner 2004.
348
Resultat derselben fungieren, dann sind wir im Herzen der Lefebvre’schen Theorie zur Produktion des Raumes. Orte dürfen daher nicht in ihrer Raumdimension auf die Flächenressource Land verkürzt werden, sondern ebenso wie die Lefebvre’sche Theorie bedingt es das Paradigma der Aufmerksamkeitsökonomie, sie als komplexe soziale Konstrukte zu verstehen, um die neue Hinwendung zur Aufmerksamkeitsökonomie nachzuvollziehen. Allein so ist hier das veränderte Verhältnis von Gebrauchswert und Tauschwert neu zu bestimmen (Kap. 1). Zukin und Kirchberg haben in diesem Kontext auf die Bedeutung der Kultur für die politische Ökonomie der Stadt hingewiesen.1088 Wo gemeinhin auf die Rolle der Immobilienwirtschaft innerhalb von öffentlich-privaten Wachstumskoalitionen eingegangen wird, weisen beide Autoren auf den zunehmenden Wandel zu einem quartären oder quintären Wirtschaftssektor hin, der Ökonomie der Symbole. Innerhalb dieses Sektors spielen Immobilienwirtschaft, Projektentwickler, Staat sowie Medien eine zentrale Rolle, wenngleich sie vorrangig an einer kulturellen Aufladung städtischer Orte interessiert sind, um die Wertsteigerung des städtischen Bodens und damit eine Erhöhung des Tauschwertes zu erreichen. Dieser Gruppe steht in der Regel antagonistisch die Gruppe der Stadtakteure gegenüber, für die diese städtischen Orte „Zweckmäßigkeit, Ortsbezogenheit und lokale Lebensqualität“1089 beinhalten. Damit ist der Gebrauchswert öffentlicher Räume beschrieben. Selten erscheinen beide Interessen, die an der Erhöhung des Tauschwertes und die an der Erhöhung des Gebrauchswertes, miteinander vereinbar, oftmals stehen sie sich konträr oder einander ausschließend gegenüber. Beide Werte beeinflussen die Entwicklung des realen Bodenpreises eines Ortes und damit Stadtentwicklung, wobei der Bodenpreis als sozialer, weniger als ökonomischer Indikator aufgefasst und die Urban Political Economy als ‘Soziologie der städtischen Bodenverhältnisse’ gedeutet wird.1090 Kirchbergs kritisches Argument gegenüber dieser traditionellen Kritischen Politischen Ökonomie ist, dass sie auf einem vorrangig materiellen Erklärungsansatz von Stadtentwicklung beruht, und kulturelle Dimensionen der Ökonomie der Symbole, und damit eine ökonomische Materialisierung kulturellen Kapitals, nicht berücksichtigt. Daher müsse eine Cultural Urban Political Economy kulturellen Markierungen ebenfalls das Potenzial beimessen, (immateriell erscheinende) Auswirkungen auf Tausch- und Gebrauchswert, und damit auf die Ökonomie der Stadt zu haben. So werden kulturelle Artefakte als im öffentlichen Raum vergegenständlichte Produkte vorherrschender Meinungen verstanden, die auch als Topographien der Macht oder Landscapes of Power verstanden werden. Die Ökonomie der Symbole bestimmt zudem die Ästhetik der baulichen Arrangements öffentlicher Räume, sie schafft wirtschaftliches Wachstum und sie konstruiert für die Wachstumskoalition eine öffentliche Identität durch die Ausbildung pseudo-öffentlicher Kommunikationsräume in innerstädtischen Zentren.1091 So nah an dieser Stelle der Ansatz der Cultural Urban Political Economy den jüngeren Stadtproduktionsprozessen in zentralen öffentlichen Räumen in Berlin kommt, so weit ist er jedoch vom Paradigma gestaltwirksamer Koalitionen, die vorrangig im Medienbereich agieren und quasi als Nebenprodukt Kultur hervorbringen, entfernt. Wenn auch, wie eingehend dargestellt, die Politik der Aufmerksamkeit insbesondere von (bau)kulturell aufgewerteten baulichen Arrangements und den medialen Bildern, die sich in ihnen produzieren lassen, profitiert (Kap. 4), so muss für den Fall der aufmerksamkeitsökonomisch beeinflussten Stadtentwicklung konstatiert werden, dass diese Kultur allein als einen strategischen Strang integriert.
1088 Zukin 1998. Kirchberg 1998. 1089 Kirchberg 1998, 41. 1090 Vgl. Kirchberg 1998, 41f. 1091 Kirchberg 1998. Zukin 1998.
349
Die Aufmerksamkeitsökonomie ist zwingend darauf angewiesen, den Gebrauchswert für diverse Öffentlichkeiten systematisch zu erhöhen, um den Tauschwert steigern zu können. Im Fall der aufmerksamkeitsorientierten Akteure ist der Gebrauchswert also maßgebliche Determinante für die Erhöhung des Tauschwerts. Vereinfacht gesagt: Gesellschaftliche Zentralität öffentlicher Räume (Kap. 1), ist de facto Grundlage für die Wertschöpfung in diesen städtischen Räumen. Oder anders, pragmatisch formuliert: Auf leeren Promenaden, in nicht besuchten Parks oder auf unbelebten Stadtplätzen, also Räumen, verstanden als in diesem Falle leere Morphologiecontainer, ist kein Umsatz im Sinne der Aufmerksamkeitsmärkte zu erwirtschaften. Die Marktvorstöße der Aufmerksamkeitsökonomie geschehen einerseits nicht ohne Kampf um die Durchsetzung verschiedenster Interessen innerhalb aufmerksamkeitsbezogener Koalitionen, jedoch setzt Konflikt und Kampf zunächst überhaupt ein Bewusstsein für das neue Aufmerksamkeitsparadigma und damit den veränderten Wertschöpfungsmechanismus voraus. Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich zentrale öffentliche Räume während der vergangenen Jahrzehnte ständig durch weitere gesellschaftliche Gruppen und Individuen aktiv umkämpft darboten, schließlich hatte das etatistisch geprägte staatliche Versorgungsmodell während des Fordismus für den Schutz des allgemeinen Gebrauchswertes gesorgt. Zivilgesellschaftliche Individuen und Gruppen hatten sich daher oftmals recht passiv in ihrer Rolle verhalten. Der Etatismus, so wie er sich während der Zeit des Fordismus durchgesetzt hatte, ist jedoch im Wandel begriffen, speziell das komplexer werdende Netz aus staatlichen und staatlich beauftragten Akteuren sowie das Schmieden neuer Bündnisse mit Privaten verweist auf die Rollenveränderung von Staatlichkeit, die sich bei der ganz lokalen Produktion zentraler öffentlicher Räume abzeichnet. Konflikt und Kampf könnten mit dem Sedimentieren dieser neuen Machtkonstellationen jedoch zukünftig stärkere Bedeutung bei der zivilgesellschaftlichen Interessendurchsetzung in der Stadt erhalten. Für den Fall gestaltwirksamer Koalitionen ist bisher jedoch gesellschaftliches Bewusstsein hinsichtlich der aufmerksamkeitsökonomischen Motivlagen ihrer Akteure aufgrund intransparenter Prozesse und Informationsrückhalt nicht vorhanden, wohingegen Sharon Zukin bereits 1995 im Kontext der Cultural Urban Political Economy durch die empirische Stadtforschung auf die manifesten Auswirkungen städtischer Gentrifizierungsprozesse für die Zivilgesellschaft hingewiesen wurde.1092 Trotz der Unterschiede zwischen kulturökonomischen und aufmerksamkeitsökonomischen Betrachtungen, weisen sie in der Logik verblüffende Ähnlichkeiten auf, denn beide können nur nachvollzogen werden, wenn man neben dem traditionellen Fokus auf die Bodenwerte physischer städtischer Infrastruktur immaterielle Werte, die durch Kultur im ersten oder durch Medien im zweiten Fall generiert werden, in die Betrachtungen der Produktion des Raumes einbindet. Wenn also für den ersten Fall die Erkenntnis maßgebend ist, dass von einer gegenseitigen wertsteigernden Zirkulation ökonomischen und kulturellen Kapitals gesprochen werden muss,1093 so gilt für den zweiten Fall, dass von einer gegenseitig wertsteigernden Zirkulation von ökonomischen Kapital und Aufmerksamkeitskapital auszugehen ist. Sowie es in der Zukin’schen Ökonomie der Symbole eine historische Synergie zwischen Gebäudesanierung und Kulturkonsum gibt,1094 lassen sich Synergien zwischen der Sanierung baulicher Arrangements öffentlicher Räume und Medienkonsum feststellen. Dem Ausgangspunkt dieser Arbeit folgend wird nun zunächst die baulich-gestalterische Dimension der ökonomischen Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume beleuchtet, bevor diese gerade beschriebene wertsteigernde Zirkulation zwischen ökonomischen Kapital und 1092 Zukin 1995. 1093 Kirchberg1998. Zukin 1998. 1094 Vgl. Zukin 1998, 31.
350
Aufmerksamkeitskapital im Detail ausgebreitet wird. Denn neben der Verwebung von Finanzmärkten mit Aufmerksamkeitsmärkten ist das zentrale gemeinsame Interessenfeld der Koalition ihr kollektives gestaltwirksames Handeln. Warum dieses einen Legitimationsmarkt geschaffen hat, wird infolge dargestellt. Ästhetisch-ökonomische Restrukturierung baulicher Arrangements „Wall hat eine Mission: ‘Ich will die Städte schöner und reicher machen.’“ (Die Welt vom 21. Januar 2006)
In Anlehnung an die Arbeit von Werner Durth von 1976 hat sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt, grundlegenden Veränderungen bei der Gestaltung baulicher Arrangements zentraler öffentlicher Räume auf den Grund zu gehen. Es wurde dargestellt, dass sich wenige Studien explizit ästhetischen Veränderungen als Indikator für gesellschaftliche Veränderungen zuwenden (Kap. 1). Mit dem Ansatz der gestaltwirksamen Koalitionen sollte dieser Erkenntnis Rechnung getragen werden, wobei die Gestaltwirksamkeit im Verlauf der Arbeit vom engen Fokus auf ästhetische Veränderungen der materiellen Stadt (Kap. 3) erweitert wurde auf aufmerksamkeitsästhetische Rekonfigurationen der immateriellen Stadt als medialem Kommunikationsraum (Kap. 4). In diesem Zusammenhang war der Ausgangspunkt der Forschung die Frage nach Sinn und Zweck von Public Design, speziell von Produktdesign bei Stadtmöbelstücken, dass einem manifesten Gestaltwandel seit Beginn der 1980er Jahre unterlag (Kap. 2). Es wurde dargestellt, dass der Begriff Design – im Gegensatz zur Ästhetik – oftmals mit normativen Bedeutungsgehalten assoziiert wird, und dass Aufwertungen durch Design durchaus ein ambivalenter Charakter beizumessen ist (Kap. 1). Mit den – rhetorischen – Fragen nach designaffinen Nutzergruppen oder – dem entgegengestellt – danach, ob Design-Genuss oder Distinktion durch Design allein im Hochkulturschema möglich seien oder ob man gegenwärtig vielmehr von einer Popularisierung von Design sprechen müsse, sollte eine Sensibilität für diesen ambivalenten Charakter von Design erzeugt werden. Aus diesen Ausführungen ergab sich die Teilhypothese, dass Design einen argumentativen Mechanismus innerhalb stadtentwicklungspolitischer Diskurse darstelle, der sich anbietet, neue flexible Märkte im Bereich der Gestaltung öffentlicher Räume zu entwickeln und schließlich mittels ständiger Designinnovationen zu etablieren. Die nachfolgenden Ausführungen werden nicht nur veranschaulichen, dass sich diese These als haltbar erwiesen hat, sondern sie weisen auf die maßgebliche Rolle hin, die Design bei der ökonomischen Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume spielt. Innovationen und Aktualisierungen in der Stadtgestaltung sind bereits in den 1970er Jahren als Humanisierung der unwirtlichen Städte in den Massenmedien propagiert worden (Kap. 1), was Durth scharf kritisierte. Denn Stadtgestaltung ist in vielerlei Hinsicht politisch bedeutsam: Erstens werden damit in Zeiten kommunaler Finanzknappheit günstig Zeichen gesetzt, die ihrerseits, zweitens, als Anregung für Privatinvestitionen sowie Instrument des Anlockens kaufkräftiger Gruppen eingesetzt werden. Daher sei die Vergabe öffentlicher Mittel eng an den Maßstab ökonomischer Rationalität geknüpft. Drittens, soll Stadtgestaltung zur wettbewerblichen Positionierung im interurbanen Standortwettbewerb durch politisch motivierte Verschönerung der Stadt beitragen. Stadtgestaltung soll, viertens, identitätsstiftende Wirkungen im Stadtraum forcieren, weil die Ästhetik der Stadtgestalt neben den Köpfen vor allen Dingen die Herzen der Wähler und ihre Verbundenheit mit dem lokalen Ort anspricht. Daher kann heute zu den Motiven, Stadtgestalt als politische Strategie zu verwenden, eine weitere hinzugerechnet werden, die im Verlauf dieser Arbeit mehrfach Beachtung erlangt hat: die Konstruktion städtischer Images mittels Design. In den jüngeren Publikationen zu „Design 351
als Rhetorik“ sowie „Erfolgsfaktor Design Management“ findet sich jedoch schwerlich eine Referenz zur Bedeutung von Design als diskursivem Argument in politischen Prozessen.1095 Städtisches Image durch Designqualität „Design muss so kraftvoll sein, dass es zur Imagebildung der Kommunen beiträgt.” (Exkurs zum Designanspruch der Ströer AG, Brauer 2007, 54)
Design stellt gegenwärtig einen, wenn nicht den zentralen Schlüsselfaktor zur Differenzierung und Wertschöpfung dar und zwar gerade wegen seiner Eigenschaft, Verbraucher emotional anzusprechen. Daher dient der strategische Einsatz von Design der Profilierung der Stadt als unternehmerisch ausgerichteter Institution, ihrer Differenzierung im städtischen Wettbewerb und untermauert die Prozesse städtischer Markenbildung. Berlin hat sich sogar im November 2005 durch die UNESCO zur ersten europäischen Stadt des Designs küren lassen. Ist nun aber eine Stadt des Designs eine Creative City, also eine Stadt der Kreativwirtschaft und der Kreativen oder wird dieses Image gezielt mittels Stadtgestaltung konstruiert? Wie bereits anhand anderer Beispiele erläutert, kann ein Image sowohl über die Änderung der Diskurse über die Stadt als auch über eine Veränderung der Stadt(gestalt) selbst vorangetrieben werden. Beide Argumente treffen demnach zu. Das obige Zitat weist darauf hin, dass städtisches Image und damit City Branding mittlerweile die zentrale Aufgabe darstellt, der sich die Stadtmöblierer spätestens seit den 1990er Jahren verschrieben haben. Die wiederholte Betonung von Design in der Stadtentwicklungspolitik ist demnach auch der gesteigerten Hinwendung zu städtischer Imagepolitik geschuldet, speziell dann, wenn es um das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen geht. Dem geht die durchaus streitbare Prämisse voraus, “(...) that better-looking cities are also better cities.”1096 Gestaltwirksame Koalitionen nehmen sich zunehmend nicht nur der traditionellen materiellen Interventionen im Stadtraum an, sondern auch der symbolischen. Mittels Design ist beides möglich. Dies geschieht – wie veranschaulicht – zum einen über medienästhetische Grundierungen innerhalb von Diskurskonstruktionen, und hier speziell über die Produktion symbolischer Bilder und Visionen, zum anderen über baulich-gestalterische Interventionen. Öffentliche Räume bieten sich in diesem Zuge sowohl als materiell-ästhetische sowie ästhetisch-diskursive Prägeflächen an, um der materiellen und symbolischen Visitenkarte der Stadt ein neu designtes Layout zu geben. Design wird in gegenwärtigen Strategien des Stadtmarketings oder des City Brandings auch in Berlin dazu verwendet, Orten mittels gezielter gestalterischer Stimuli einen gewünschten Charakter zu verleihen (Design as Character).1097 Gestalterische Veredelungen der baulichen Dimension öffentlicher Räume können als melodische Grundakkorde eines stilistischen Brandings auf verschiedenen Ebenen gewertet werden: Zunächst ist es die Stadt Berlin, die ihr Image über die visuelle Umdeutung des Stadtbildes neu bestimmen will. Der urbane Stil, der durch den Einsatz multimedialer Stadtmöbelstücke mit High-Tech-Funktionen geprägt werden soll, ist zweifelsohne ein semiotisches Element, das bei Bewohnern sowie Besuchern positive Assoziationen und Konnotationen erwecken soll. Durch einen derart materialisierten Designstandard der Stadtpolitik Berlins wird ein hoher baukultureller Anspruch zumindest suggeriert. Damit dient Design hier einerseits der (baulichen oder diskursiven) Formulierung eines Images, aber auch der Kommunikation desselben. Wenn aber ein Image das Resultat verschiedener 1095 Joost und Scheuermann 2008. Brauer 2007. 1096 Fainstein 1994, 2. 1097 Kavaratzis 2004.
352
und oftmals konfligierender Botschaften, die von der Stadt gesendet werden sowie deren subjektive Wahrnehmung in den Köpfen der Imagerezipienten ist,1098 dann können mittels auserwählter Designs ebenfalls ein, wenn nicht sogar mehrere institutionelle Botschaften gesendet werden, wie etwa: Wenn wir als lokale Ebene von Staatlichkeit in Berlin nicht in der Lage sind, unsere Visitenkarte entsprechend zu gestalten, dann geben wir diesen Prozess des City Brandings auf materieller sowie auf diskursiver Ebene ab in professionelle, privatwirtschaftliche Hände. Öffentliche Räume werden daher ebenfalls zu institutionalisierten Botschaften einer privatwirtschaftlich realisierten städtischen Imagepolitik. Wie aber bereits angedeutet wurde, ist Imagepolitik immer auch Medienpolitik und damit eine Politik der Aufmerksamkeit. Und die wird allein aufgrund des Wissensvorsprungs der Stadtmöblierer derzeit in Berlin eindeutig privatwirtschaftlich orchestriert. In diesem Kontext werden öffentliche Räume systematisch durch ein oder zwei Stadtmobiliarfirmen unter öffentlicher Aufsicht ästhetisch restrukturiert, gleichzeitig bieten dieselben Unternehmen die Möglichkeit, die Imagekonstruktion der Stadt ebenfalls diskursästhetisch voranzutreiben. Gezahlt werden muss dafür von den Kommunen nichts. So der Trugschluss! Denn im Streben nach mehr Aufmerksamkeit für die Spreemetropole bezahlt die Berliner Politik mit den Aufmerksamkeitspotenzialen ihrer Bürger, Bewohner und Besucher. Die hier betriebene Image- oder Aufmerksamkeitspolitik ist daher nichts anderes als ein janusköpfiges Nullsummenspiel: Aufmerksamkeiten sollen für die eigene Sache im Sinne der Stadt gebunden werden, und gleichzeitig teilt man die im Stadtraum – über den staatliche Institutionen bereits hoheitlich walten – verfügbaren Aufmerksamkeiten mit Millionen anderer strategischer Kommunikationskampagnen aus anderen gesellschaftlichen Sphären. Das Gros der hieraus entstehenden Gewinne streichen sich die Unternehmen der Stadtraummedien ein. Der Staat realisiert Imagepolitik demnach zwar in seinen eigenen Räumen, dies geschieht jedoch durch von ihm mit den Aufmerksamkeiten der Nutzer dieser Räume bezahlte Unternehmen der Privatwirtschaft. Gleichzeitig ist mit dem Verweis auf die Tendenzhaftigkeit derartiger Transformationen anzumerken, dass der Staat aufgrund des Innovationsvorsprungs des Marktes und aufgrund seines fehlenden Bewusstseins bezüglich der postfordistischen Potenziale zentraler öffentlicher Räume vermutlich nicht in der Lage gewesen wäre, öffentliche Räume ästhetisch und damit auch ökonomisch zu restrukturieren. Mittlerweile jedoch ist dieser Prozess formalrechtlich institutionalisiert worden, was darauf verweist, dass sich knapp drei Dekaden nach der Einführung des Marktmodells auch bei den entscheidungsmächtigen staatlichen Akteuren und Institutionen Berlins ein Bewusstseinswandel vollzogen haben muss. Zusätzlich ist auf einen weiteren Aspekt zu verweisen, der diesen Wandel des Bewusstseins nachdrücklich forciert: der Tourismus, dessen Bedeutung für die städtische Imageproduktion nicht zu unterschätzen ist. ”In Berlin, private investors, the city government, urban marketing professionals, the media and cultural institutions have formed a coalition geared towards the proactive extension of tourism in the city. This coalition was responsible for the construction and promotion of an image for ‘The New Berlin’ through carefully designed image policies (...). It can be argued that urban marketing policies have played a crucial economic, ideological, and cultural role in processes of urban restructuring and transition to a post-Fordist urban economy.“ (Häußermann und Colomb 2003, 215 f.)
Es wird deutlich, dass Imagekonstruktion mittels Design nicht nur ein Werkzeug ökonomischer Restrukturierung durch gestaltwirksame Koalitionen im öffentlichen Raum ist, sondern prinzipielle Strategie derselben. Die semiotische Umrüstung des städtischen Raumes im postfordistischen Raummodell „in Form einer hyperrealen Welt von Symbolen, Zeichen und Design” dient letztlich veränderten Motiven ökonomischer Inwertsetzung.1099 Die für die jüngere Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin geltende Imageaufwertungsthese 1098 Vgl. Kavaratzis 2004, 62. 1099 Vgl. Hasse 1988, 20.
353
(Kap. 1) muss daher ergänzt werden durch eine These der ökonomischen Restrukturierung durch ästhetische Aufwertungen. Dabei geht es nicht allein um das neueste Update thematischer Designs, sondern um einen grundlegend neuen Anspruch an Stadtgestalt und Stadtkultur im öffentlichen Raum durch Public Design (Kap. 1): „Die Täfelchen-Aufsteller und Plakatkleber wollten das schnelle Geld“, sagt Wall, „ich aber wollte eine neue Werbe- und Stadtkultur.“ (H. Wall in der Süddeutschen Zeitung vom 03. Januar 1998)
Wie der Ausspruch von Hans Wall verdeutlicht, dient diese neue Stadtkultur keineswegs allein einem Selbstzweck, sondern geht einher mit einer neuen Medienkultur in öffentlichen Räumen. Stadtkulturelle Interventionen, forciert durch verändertes Design, dienen also in gestaltwirksamen Koalitionen nicht (vorrangig) der humanistischen Lebensqualitätsverbesserung,1100 sondern (vielmehr) der Umsetzung ökonomischer Interessen von Medienunternehmen. Wenn Public Design also als zentrales Merkmal der postfordistischen Produktion baulicher Arrangements zentraler öffentlicher Räume gedeutet werden kann (Kap. 1), dann ist dieser These eine weitere hinzuzufügen, die betont, dass ökonomische Motive bei diesen Prozessen eine wesentlich gewichtigere Rolle spielen, als das noch zu Zeiten der fordistisch geprägten Entwicklung zentraler öffentlicher Räume der Fall gewesen ist. Die diskursive Seitentür: Von der angebotsoffenen Politik des öffentlichen Raumes zur selektiven, designorientierten Politik „Der Bedeutungsgewinn der ‘Raumbilder’ (...) zieht eine Ästhetisierung der Politik nach sich. Stadtentwicklungspolitik steht in der Gefahr, mit den Mitteln der Symbolik eine ideelle Entschädigung für real ausgebliebene Verbesserungen zu leisten (...).“ (Helbrecht 1994, 36, Bezug nehmend auf Ipsen 1986)
Wenn ökonomische Motive eine stärkere Rolle beim systematischen ästhetischen Umbau zentraler öffentlicher Räume durch Design spielen, dann muss die Rolle der Berliner Stadtentwicklungspolitik sowie der räumlichen Entwicklungspolitik in den Bezirken als gewichtige bei der Realisierung dieser veränderten Motivlagen anerkannt werden. Prinzipiell geht es daher auch um die institutionelle Botschaft von lokaler Staatlichkeit, die sich etwa im Resultat in veränderten Regulierungsformen ausdrückt. Denn mit der planerischen Betonung der sozialen Funktion öffentlicher Räume speziell während des fordistisch geprägten Städtebaus war auch eine institutionelle Botschaft verbunden: Planungsoffenheit für etwaige Kollektiv- oder Parallelnutzungen, gepaart mit einer weitestgehenden Freihaltung dieser Räume von Konsumbotschaften und anderen wirtschaftlichen Einflussgrößen. Dies jedoch ist spätestens seit den 1980er Jahren nicht mehr der Fall. In diesem Zusammenhang beschreibt das Maß und die Art der staatlichen Regulierung zentraler öffentlicher Räume schlechthin die Bedeutung, die der Staat diesen öffentlichen Räumen als Institution beimisst. In Berlin hat die Landesregierung auf die veränderten Raumlogiken und Rauminteressen hinsichtlich der Produktion zentraler öffentlicher Räume mit der Deregulierung rechtlicher Rahmenwerke reagiert. Diese Regelwerke waren zu Zeiten fordistisch geprägter Stadtentwicklungspolitik als planungswirksames Rechtsinstrument etabliert worden, um eine Balance zwischen den allgemeinen Gebrauchswertinteressen und den spezifischen Tauschwertinteressen dieser Räume herzustellen. Mit den jüngeren rechtlichen Umwälzungen ist zwar einerseits eine Steigerung des allgemeinen Gebrauchswertes ad hoc ermöglicht worden, da viele Nutzungen nun nicht mehr per se untersagt sind, gleichzeitig wurden neue Möglichkeitsfenster für durchsetzungsmächtige 1100 Durth 1977.
354
Interessen hinsichtlich öffentlicher Räume eröffnet, die – um den Bogen zu schließen – an der Erhöhung des allgemeinen Gebrauchswertes aus dem Grund interessiert sind, weil dadurch der Tauschwert erhöht werden kann. In diesem Sinne kann der ironischen Bezeichnung Lex Wall (Kap. 3) einmal mehr Bedeutung beigemessen werden, denn es ist in diesem Machtspiel zwischen Tauschwert- und Gebrauchswertinteressen gerade das Berliner Unternehmen, das von der erfolgten staatlichen (De-)Regulierung aufgrund seiner durchsetzungsmächtigeren Position im Gegensatz zu Akteuren mit anderen Nutzungsinteressen profitieren kann. Damit sind grundlegende Prämissen einer sozial ausgerichteten angebotsoffenen Politik des öffentlichen Raumes, wie sie in Berlin während der fordistisch geprägten Stadtentwicklungspolitik zwar nicht immer vollkommen stringent durchgesetzt, jedoch über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich etabliert worden waren, ersetzt worden durch eine selektive, designorientierte Politik des öffentlichen Raumes. Sie ist selektiv, weil sie im Resultat die Deregulierung hervorgebracht hat und damit den staatlichen Schutz allgemeiner Gebrauchswertinteressen in öffentlichen Räumen soweit gelockert hat, das individuelle Tauschwertinteressen Überhand zu nehmen imstande sind. Warum sie designorientiert ist, wird an nachfolgendem Rückgriff auf empirische Ergebnisse im Stadtraum veranschaulicht: Die Reduzierung politischer Argumente auf die gestalterische Qualität öffentlicher Räume, mittels derer grundlegende Prämissen der angebotsoffenen Planung wie etwa im Fall der City Pissoirs in Frage gestellt worden sind (Kap. 3), hat planerische Implikationen ausgelöst, die in der Governancetheorie wie folgt beschrieben werden: “[G]overnance implies ‘a linguistic coding of problem definitions and patterns of action’ (...). This view parallels recent post-modern theories of political consensus formation (...) [and] implies a reliance on the formation of discursive constructions (through the mobilization of discourse alliances) that produces an image, if not an ideology, a representation of a desirable good, while, at the same time, ignoring or silencing alternatives.“ (Swyngedouw 2005, 2001)
Ist demnach die neue politische und ökonomische Hinwendung zu den ästhetischen Qualitäten zentraler öffentlicher Räume automatisch ein sich nachteilig auswirkender Hegemoniemechanismus oder eine diskursive Verdrängung anderer Themen? Nicht notwendigerweise, denn letztendlich kommt es auf kontextspezifische Politikstile, deren Resultate und auf die Art der Politikvermittlung an, ob ästhetische Veredelungen nicht allein dem in öffentlichen Räumen Einzug haltenden wirtschaftlichen Umbau der Stadt ein Alibi bieten, sondern auch die Lebensqualität dieser städtischen Räume für die Allgemeinheit verbessern. Viele der betrachteten Interventionen gestaltwirksamer Koalitionen bergen im Kern das Potenzial, Aufenthaltsqualität für die Mehrheitsgesellschaft zu schaffen, in manchen Fällen auch für Minderheiten. Ein Computerterminal an einer Tramhaltestelle etwa kann prinzipiell von allen genutzt werden. Auf der einen Seite tun sich durch Kooperationen mit dem Arbeitsamt Möglichkeiten für Akteure am Rande der Mehrheitsgesellschaft auf, von den neuen Funktionen und der neuen Ästhetik des Public Designs in öffentlichen Räumen ebenso zu profitieren, wie die Menschen, deren Genussschema die ästhetischen Codes der neuen, eleganten Stadtmöbelstücke viel eher zu entsprechen scheinen. Diese Interventionen sind ein guter Ansatz, werden jedoch bisher nur sporadisch realisiert. Schaut man sich die medialen Inhalte etwa der E-Terminals an, so offerieren diese zwar einerseits generelle Stadtinformationen, jedoch zu großen Teilen vor allen Dingen persuasive Information in Form von digitaler Bannerwerbung, um Touristen oder wartende Konsumenten entweder in die virtuellen Welten der Unternehmen oder an die materiellen Points of Sale, die Filialen in den städtischen Konsumquartieren zu locken. Obwohl das gesamte Angebot an den E-Terminals inklusive der kommunikationstechnologischen Vorzüge für wenige Minuten kostenlos ist, muss ab einer Zeit, die jeder ernsthaft suchende Surfer braucht, um sich überhaupt auf der virtuellen Oberfläche zurecht zu finden, per Kreditkarte virtuell monetär für die angebotenen Dienste bezahlt werden. Welche 355
Teile von Gesellschaft aber verfügen über eine Kreditkarte? Der Arbeitssuchende an der Haltestelle vielleicht? Kinder? Alte Menschen? Warum ist überhaupt für die kommunikativen Dienstleistungen an E-Terminals zu bezahlen, wenn sich über die Vermarktung von EMedienprodukten (etwa dem E-Voucher) an den Terminals noch zusätzlich Aufmerksamkeitspotenziale abgreifen und damit privatwirtschaftlicher Profit zusätzlich steigern lässt? Auch müssten weitergehende Studien klären, nach welchen weiteren Kriterien – außer dem Aspekt möglichst großer Aufmerksamkeitspotenziale – etwa E-Terminals im Stadtgebiet verteilt werden? Wie Durth bereits für die vermutlich letzte fordistische Runde ästhetischer Aufwertungen von Stadtzentren formulierte, muss nachgefragt werden, „[w]arum .. es nur in den Einkaufszentren Fußgängerbereiche und Straßenmöblierungen geben [soll] (...)? Warum soll Stadtgestaltung nur dort konzentriert sein, wo sie der Anlockung zahlungskräftiger Käufer und Mieter dient?“1101 Dient Design, dienen ästhetische Aufwertungen und Innovationen also vorrangig dem ästhetischen Feinschliff bereits gentrifizierter Bereiche oder gibt es diese auch in entsprechender Anzahl in städtischen Bereichen mit geringer Kaufkraft wie etwa dem Wedding, Neukölln oder Marzahn? Wenn man ästhetische Qualität baulicher Arrangements als ‘Bedürfnis im öffentlichen Interesse’ definiert, werden Interventionen gestaltwirksamer Koalitionen dann auch in den Gegenden eingesetzt, die ästhetisch benachteiligt erscheinen? All diese Fragen verweisen einerseits auf die Besonderheit, dass aufmerksamkeitsbezogene Marktstrategien auf einer Erhöhung des Gebrauchswertes basieren, um den Tauschwert zu mehren. In der Logik der Aufmerksamkeitsmärkte zählen jedoch vorrangig diejenigen angesprochenen Teilöffentlichkeiten, die über Konsuminteresse und Kaufkraft verfügen.1102 Einer baukulturellen Ausrichtung der ästhetischen Aufwertung baulicher Arrangements im Sinne ihrer symbolischen Codes und Interessen aber stehen die kritischen Verfechter der Cultural Political Economy äußerst skeptisch gegenüber: „Durch die neue Verknüpfung von öffentlicher und kommerzieller Kultur in städtischen Räumen wird heute mehr denn je bestimmt, wer städtische Räume wie nutzen darf. Die Stadt wird zum parzellierten Aktionsraum zielgruppenspezifischer Konsumenten im Sinne der gestaltenden Immobilienwirtschaft, und in ihren nach Marktsegmenten unterscheidbaren Parzellen wird der öffentliche Raum durch die Nutznießer der Ökonomie der Symbole ertragreicher genutzt. (...) Mit der symbolischen Raumaneignung werden territoriale Zeichen installiert, durch die bestimmte Bevölkerungsgruppen sich angezogen und andere sich abgestoßen fühlen!“ (Kirchberg 1998, 50)
Wo hier jedoch immer noch auf die Interessen von immobilienwirtschaftlich tätigen Akteuren verwiesen wird, muss die gegenwärtige Kritische Politische Ökonomie hinsichtlich der Produktion öffentlicher Räume unter dem Aufmerksamkeitsparadigma anerkennen, dass ein viel größeres Gewicht dem Sektor der Stadtraummedien zuzubilligen ist, der den öffentlichen Raum nicht aufgrund seiner ‘Spill-Over-Effekte’ auf benachbarte Immobiliengrundstücke ertragreicher nutzen kann, sondern als Sphäre für die mediale Ansprache von (marktwirtschaftlich relevanten) Teilöffentlichkeiten an sich. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Kritik der Cultural Urban Political Economy zwar aufgrund der Gestaltwirksamkeit des Handelns der Koalitionen zutrifft, den Kern des Problems, nämlich das Ausgangsmotiv gestaltwirksamer Koalitionen, jedoch nur zum Teil erfasst.1103 Denn die beschriebene Vernachlässigung der angebotsoffenen zugunsten einer selektiven, designorientierten Planungspolitik weist eindeutige Parallelen zu einem bereits beschriebenen 1101 Durth 1977, 24. 1102 Puppis 2007. Siegert 2001a. 1103 Obwohl die Autorin die in der angloamerikanischen Critical Urban Theory vertretene Kritik (Smith 1996, Mitchell1997 und Zukin 1998) an derartigen repressiven Ästhetisierungsmaßnahmen teilt, betont sie weniger die kulturökonomischen als vielmehr die medien- und damit aufmerksamkeitsökonomischen Motive dieser Ästhetisierungen.
356
stadtpolitischen Diskurswechsel auf, der in Berlin seit Mitte der 1990er Jahre politisch forciert worden ist: Es geht also nicht allein um gemeinwohlorientierte Motive der Lebensqualitätsverbesserung in öffentlichen Räumen, es geht um Zeichen politischer Tatkraft bei verminderten Ressourcen in der erneuerten Hauptstadt der Berliner Republik. Dieser Diskurswechsel wurde durch das Planwerk Innenstadt zu Zeiten, in denen die Krise Berlins ihr volles Ausmaß entfaltete, initiiert. „Mangels realer Entscheidungs- und Problemlösungskompetenz versuchen sich die Planwerker mit der medialen Mobilisierung der Öffentlichkeit vor allem Legitimation zu verschaffen. (...) Die Politik der Bilder verdrängt damit empirische stadtplanerische Wirkungsanalysen, also mögliche Kriterien für eine nicht bloß normative und ästhetisierende ‘Stadtidee’.“1104 Auch an anderer Stelle wird festgehalten, dass die Sprache des Planwerks vor allem ästhetische Formulierungen enthält.1105 Dieter Hoffmann-Axthelm hat in diesem Zusammenhang von der „beauftragten Ästhetik“ des Planwerk Innenstadts gesprochen.1106 Andere Gründe für die Abwendung von der angebotsoffenen Stadtpolitik können darin gesehen werden, dass die Verantwortlichkeiten für öffentliche Räume, die während des Fordismus von Grünflächen- und Straßenbau- und Ordnungsämtern und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie den von ihnen beauftragten Landschaftsarchitekten und Städtebauern, zunehmend in Wirtschafts- und Rechtsressorts verlagert wird. Die öffentliche Hand ist also ein von ganz unterschiedlichen Akteursmotivationen durchdrungenes Netz sozialer Beziehungen.1107 Oftmals ist es nicht die planerische Entwicklung der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume an sich, sondern die Privatisierung oder Verschlankung ehemaliger Unternehmen der Stadtwirtschaft wie etwa der BVG oder der BSR, die dazu beigetragen hat, dass Aufgaben der Entwicklung baulicher Arrangements nun durch die postfordistisch organisierte Branche der Stadtraummedien organisiert werden. Dies kann als eindeutiger Verweis gewertet werden, dass – versteht man den Raum als gesellschaftliches Konstrukt – wirtschaftliche Restrukturierungen ebenfalls institutionelle nach sich ziehen, die in diesem Falle auch eine ästhetische Neuorganisation der baulichen Arrangements hervorbringen. Aus diesen unterschiedlichen, teilweise parallelen, teilweise untereinander verbundenen Tendenzen resultiert eine selektive, designorientierte Stadtpolitik. Beim ästhetikorientierten Agenda-Setting, mit all seinen politischen Setzungen muss daher immer auch gefragt werden, welche Themen im gleichen Atemzug nicht auf der politischen Agenda erscheinen, und zwar vor allem dann, wenn Städte offensichtlich mit stadtwirtschaftlichen Krisen ringen.1108 Design und ästhetische Aufwertungen dienen im Falle der jüngeren Stadtentwicklung Berlins als diskursives Ausweichmanöver, um zu Zeiten politischer Lähmung und der fiskalischen Notlage des Stadtstaates nicht realisierte Debatten und Entscheidungen hinsichtlich brisanter Themen wie etwa der Implikationen der demografischen Umwälzungen, der sozialen Folgen von Korruption und Klüngel sowie der zunehmenden Verarmung weiterer Stadtteile diskursiv zu überblenden. Denn in der Situation von politischer Handlungsunfähigkeit will man sich nicht auch noch der Gefahr aussetzen, Wählerstimmen durch das Wälzen von Problemen, für die man keine handfesten Lösungen anbieten kann, zu vergrämen. Gleich1104 Sewing 2003, 188f. 1105 Hain 2001, 72. 1106 Statement von Hoffmann-Axthelm während der Veranstaltung „Stadtentwicklung in turbulenten Zeiten. Ansätze der Stadtplanungspolitik in Berlin, Warschau und Prag“ am 06.11.08 in Berlin. 1107 Da der Fokus innerhalb der Koalition hier auf der multidimensionalen Untersuchung der Intentionen, Interventionen und Strategien der Marktakteure liegt, wird es Aufgabe weiterer Forschungen verbleiben, die hier angerissene Ambivalenz der Handlungsmotivationen und institutionellen Constraints öffentlicher Akteure herauszuarbeiten. 1108 In diesem Zusammenhang verweisen Häußermann et. al. (2008, 346), dass Macht auch darin bestehen könne, bestimmte Themen nicht zum Gegenstand öffentlicher Debatten werden zu lassen.
357
zeitig wird dieser Diskurswechsel mit dem Slogan ‘Öffentliches Geld für öffentliches Bauen’ als ein sparsamer und für die Öffentlichkeit gewinnbringender dargestellt. Aus Angst vor Konsens als knapper politischer Ressource wird daher seit Mitte der 1990er Jahre diskursprägende Lateralpolitik in Berlin betrieben, untermalt durch das Schlagwort Design. Eine diskursive Seitentür ist mittels dieser Depolitisierung der Diskurse um den öffentlichen Raum geöffnet wurden, um das Berliner Dilemma Mitte der 1990er Jahre politisch möglichst glimpflich zu überdauern. Dabei darf ein grundlegendes Hauptmotiv des Planwerk Innenstadts nicht vernachlässigt werden: Den Berliner Begriff des Bürgers erneut an Eigentum zu knüpfen, um damit den Umbau der Mieterstadt in die Eigentümerstadt und somit den Übergang von einem öffentlichen zu einem privatwirtschaftlich realisierten Stadtumbau voranzutreiben.1109 Design als Argument einer Depolitisierung „[Es] (…) ist zu beobachten, wie in der Politik der Begriff ‘Innovation’ in ähnlicher Weise wie ‘Gerechtigkeit’ oder ‘Freiheit’ dazu verwendet wird, normative Urteile über Sachverhalte abzugeben, wobei das Innovative mit dem Wünschenswerten und das Bestehende mit dem Veränderungswürdigen assoziiert wird. Es ist zu vermuten, dass in einer historischen Phase, in der die Ambitionen, den gesellschaftlichen Wandel politisch zu steuern oder wenigstens zu moderieren, nicht mehr an einem kollektiv bindenden Leitbild ausgerichtet sind (...), [dass] Innovationen stattdessen die verwaiste metaphysische Leerstelle besetzen, ohne jedoch das Sinnstiftungspotenzial vorheriger Leitbilder zu erreichen. Innovation wird zum ‘Mana’ (...), in dem sie als Deutungsvokabel dazu dienstbar gemacht wird, politische Entscheidungen zu legitimieren und mit symbolischem Wert aufzuladen. Der Begriff gewinnt spätestens dann ideologische Züge, wenn mit ihm suggeriert wird, dass (staatliche) Interventionen und Pläne wissenschaftlich optimal, technisch machbar und zugleich sozial erwünscht sind.“ (Braun-Thürmann 2005, 12f.)
In diesem Zitat benennt Holger Braun-Thürmann den depolitisierenden Charakter, den der Begriff Innovation im Zuge gesellschaftlicher Umbrüche in politischen Diskursen entfalten kann. Man könnte gleiches auch für den Begriff Design behaupten. Was aber genau ist mit Depolitisierung gemeint? „Der zugrundeliegende Politik-Begriff entspricht ethymologisch dem klassisch griechischen ta politiká und meint das Gemeinschaftliche, das Öffentliche. (...) Depolitisierend ist nach diesem Verständnis jeder Akt, der die gemeinschaftlichen Dinge der gemeinsamen, öffentlichen Regelung entzieht.“ (Welch Guerra 1992, 5)
Auch in den Prozessen der Stadtproduktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin, für die sich gestaltwirksame Koalitionen federführend verantwortlich zeichnen, ist es zu einer Depolitisierung der Politikdebatten gekommen. Denn die stadtpolitische Debatte um zentrale öffentliche Räume in Berlin ist immer stärker durch zwei Sachzwangargumente geprägt worden: dem der leeren kommunalen Kassen und dem der Notwendigkeit ästhetischer Restrukturierungen im Zuge des interstädtischen Standortwettbewerbs. Wenn bei Verhandlungen von diversen Gegenständen auf den politischen Agenden des Landes Berlin oder der Berliner Bezirke aber politische – und damit gesellschaftliche – Argumente durch vorrangig an ökonomischem Wachstum oder an ästhetischer Aufwertung orientierte Kriterien ersetzt werden, dann spricht man von einer Depolitisierung (stadtentwicklungs)politischer Diskurse. Als einzige logische Lösung wird als politische Quintessenz das Eingehen aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte aus diesen Sachzwängen abgeleitet. Immer weniger werden politische Debatten von einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen solch nichthinterfragter, einseitiger Argumentationsstränge für eine breite sozialverträgliche Entwicklung dieser über Jahrhunderte hinweg gewachsenen, symbolisch aufgeladenen städtischen Strukturen charakterisiert. Eine solche Versachlichung der Ökonomie und der Ästhetik mittels des Herleitens 1109 Goebel 2002. Bodenschatz 2005.
358
ökonomischer oder ästhetischer Zwänge führt aber vor allem zur Entsachlichung der Politik, und somit zur Depolitisierung der Stadtpolitik gegenüber einem ihrer vormals zentralen Handlungsfelder: der angebotsoffenen gestalterischen Bereitstellung und Vorhaltung von baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume. Warum konnte es aber in einem gesellschaftlich vormals derart geschützten und staatlich dementsprechend rigide regulierten Politikfeld zu einer solchen Depolitisierung kommen? Denn im Hinblick auf die vielfach wissenschaftlich beschriebene und durch zivilgesellschaftliche Akteure immer wieder verteidigte gesellschaftspolitische Bedeutung städtischer Räume erscheint eine Depolitisierung gerade der Debatten um öffentliche Räume auf den ersten Blick als surreal, unvorstellbar oder schlichtweg grotesk. Andererseits prägt diese Depolitisierung den spürbaren Übergang von fordistisch zu postfordistisch geprägter Politik des öffentlichen Raumes vermutlich deswegen so stark, weil mit den gesellschaftlichen Umwälzungen infolge der Studenten- und Bürgerrechtsproteste der 1968er gegen Ende des Fordismus ein Momentum der Politisierung Raum gewonnen hatte. Die Antwort für das Ausmaß und die Gründe der Depolitisierung scheinen aber an anderer Stelle, nämlich auf Marktseite zu suchen zu sein: Denn die Depolitisierung der Diskurse um öffentliche Räume dient stadtmöblierenden Wirtschaftsakteuren als Voraussetzung für den marktwirtschaftlichen Einzug in eine neue Marktsphäre, ermöglicht diesen überhaupt erst und verstärkt diesen infolge. Hätten die Berliner Politiker Anfang der 1980er Jahre die Grundsatzgedanken um den öffentlichen Charakter dieser Räume im Antlitz wachsender Begehrlichkeiten der Werbeindustrie weiter im Sinne eines Werbeverbots aufrecht erhalten, so hätte sich ein neuer flexibler Markt in öffentlichen Räumen Berlins nicht entwickeln können. Mit dem Blick auf die Durchschlagkraft dieses Marktsegments auch in anderen europäischen und nichteuropäischen Mittel- und Großstädten ist davon auszugehen, dass dieser privatwirtschaftlich forcierte Impuls-Urbanismus eine Grundbedingung erfüllen musste, um Aufmerksamkeitsgemeinschaften in städtischen öffentlichen Räumen systematisch medial binden zu können: Er musste die Protagonisten der Stadtpolitik davon überzeugen, eine auf soziale Kohäsion und damit auf die gesellschaftspolitischen Qualitäten öffentlicher Räume abzielende Politik zugunsten einer asset-orientierten Politik des öffentlichen Raumes zu vernachlässigen. Exakt diese erfolgreich durch vielfältige Marktimpulse durchgesetzte Depolitisierung der Diskurse um öffentliche Räume in Berlin und über Berlin hinaus spiegelt sich quasi in Präzedenzmanier in den beiden beschriebenen Positionen der stadtpolitischen Diskussion in Toronto wieder (Kap. 3). Marktwirtschaftliche Mechanismen im Bereich der Stadtraummedien haben demnach in Berlin seit Beginn der 1980er Jahre dazu beigetragen, die Produktion zentraler öffentlicher Räume zu depolitisieren.1110 Die wichtigste Strategie bei dieser systematischen Durchdringung lokalpolitischer Diskurse mit markwirtschaftlichen Argumenten ist Designpolitik. Designpolitik als Erfolgsfaktor auf einem Legitimationsmarkt Bei der Suche nach der Erklärung, warum das wichtigste Argument dieser Depolitisierung der politischen Diskurse um die Produktion zentraler öffentlicher Räume Design ist, muss die Frage gestellt werden, warum es notwendigerweise bei der Medialisierung zentraler öffentlicher Räume zur systematischen Hinwendung öffentlich-privater Koalitionen zu gestaltwirksamen Handlungen gekommen ist? Zur Klärung soll folgende Beobachtung beitragen:
1110 Welch Guerra (1992) hat Depolitisierungsprozesse bereits in der Berliner Stadtentwicklungspolitik der 1980er Jahre für die Wohnbaupolitik festgestellt. Auch hier spielten Marktmechanismen eine wesentliche Rolle.
359
Neben dem Teilmarkt Stadtmöblierung gibt es im Bereich der Stadtraummedien auch den der Blow-Up-Fassadenwerbungen.1111 Hier jedoch wird in der Regel ein Werbeträger an einer Hausfassade errichtet, ohne diesen notwendigerweise besonders ästhetisch oder harmonisch in das städtische Umfeld einzupassen. Wo also liegt der Unterschied zwischen der Medialisierung öffentlicher Räume durch Stadtmobiliar und Fassadenwerbung? Und: Was sagt dieser Unterschied über die Bedeutung der Gestaltwirksamkeit des hier beobachteten koalitionären Handelns aus? – Der Unterschied liegt darin, dass Fassadenwerbungen sich in der Regel mit Privatbesitzern privatrechtlich regeln lassen.1112 Diese müssen zwar öffentlich genehmigt werden, es geht hier allerdings nicht um eine Sondernutzung öffentlichen Straßenlands, also um eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Im Unterschied dazu wird das Teilsegment Stadtmöblierung gezielt für die medienökonomische Exploration öffentlichen Straßenlandes angeboten. Gestaltwirksamkeit wird also für den privatwirtschaftlich vorangetriebenen ImpulsUrbanismus zur Strategie, wenn man mit öffentlichen Vertretern über öffentlich-rechtliche Konzessionen verhandeln will. Diese haben ein zentrales Interesse, die Gestaltung ihrer Stadträume mittels eines neuen Designs aufzubessern, wobei ihnen seit Beginn der Krise des Fordismus die finanziellen Ressourcen dafür scheinbar abhanden gekommen sind. Gleichzeitig heg(t)en sie Ressentiments gegen privatwirtschaftliche Medieninteressen in öffentlichen Räumen, weil diese mit ästhetischen Verunstaltung konnotiert werden. In diesem Sinne dient die privatwirtschaftliche Design-Offensive dazu, einen kleinsten gemeinsamen Nenner im Spannungsfeld ihrer eigenen und der Interessen öffentlicher Mandatsträger zu definieren, um überhaupt erst Zugang zu zentralen öffentlichen Räumen zu erhalten. Marktexploration in zentrale öffentliche Räume – das wurde schon mehrfach betont – bedarf also öffentlicher Legitimation. Deswegen kann der Stadtmöblierungsmarkt als Legitimationsmarkt verstanden werden, um weitere Absatz- und Beschaffungsmärkte überhaupt erst aus der Wiege heben zu können. Zugespitzt würde das bedeuten: ohne Designqualität auf dem Legitimationsmarkt keine ökonomische Restrukturierung öffentlicher Räume und kein wirtschaftlicher Profit. Ästhetische Restrukturierung ist also Voraussetzung für den Erfolg ökonomischer Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume, wobei Design den Firmen der Branche der Stadtraummedien, die hauptsächlich auf öffentlichem Straßenland interagieren, in diesem Kontext als zentrales Instrument dient, um Zugriff auf die Ressource Legitimation zu erhalten. Anhand der Wall’schen Kaviar-Strategie der Premium-Produkte an Premium-Standorten (Kap. 5) lässt sich außerdem veranschaulichen, dass Design neben der Funktion des Eroberns neuer Standorte ebenfalls dazu eingesetzt wird, die Produktdifferenzierung im Sinne der anschließenden ökonomischen Veredelung der jeweiligen Einzelstandorte voranzutreiben. Das belegt das nachstehende Zitat: „Das Wachstumspotenzial für größere Unternehmen wie Ströer (...) steckt in Deutschland allein darin, den Umsatz pro Plakatwand zu steigern.“ (Handelsblatt vom 05. April 2002)
In diesem Kontext kann die Kapitalakkumulation mittels nachträglicher gestalterischer Aufrüstung verstärkt werden, weil größere Investitionssummen in Stadtmobiliar Forderungen nach höheren Kompensationsleistungen legitimieren (Kap. 5). Denn durch ästhetische Aufwertungen erhöht sich der Tauschwert der einzelnen Informationsträgerstandorte, dies kann etwa an den geringen Preisen für Plakatvermarktung an althergebrachten Litfaßsäulen veranschaulicht werden, die im Verlauf des gemeinschaftlichen Handelns gestaltwirksamer Koalitionen oftmals durch verglaste und hinterleuchtete City Light Columns ersetzt wurden. Für letztere lassen sich 1111 Lehmann 2008. 1112 Alternativ werden auch Fassaden an öffentlichen Gebäuden bespannt, die dann zumeist im Kompensationsmechanismus als ‘Denkmalsponsoring’ durch die öffentliche Hand legitimiert werden (Kap. 3).
360
höhere Vermarktungspreise am gleichen Standort erzielen.1113 Es gilt also die These, je mehr Gestaltqualität durch ausdifferenziertes Design in die baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume eingebracht wird, desto höher fällt im Gegenzug die Forderung nach oder die Möglichkeit der Kompensation durch Informationsträgerstandorte aus. In der Konsequenz bedeutet dies: Je gestaltwirksamer die Intervention der Koalition, desto höher ihr Wert und desto besser die Ausschöpfung der Aufmerksamkeitspotenziale, kurz: die Kapitalakkumulation.1114 Ästhetische Restrukturierung stellt also die notwendige Bedingung für die ökonomische Restrukturierung zentraler öffentlicher Räume in Berlin dar. Erstens dient sie dazu, (professionsethisch bedingte) Markteintrittsbarrieren seitens staatlicher Akteure zu überwinden und damit zentrale öffentliche Räume überhaupt ökonomisch zu erschließen, zweitens trägt sie zur ökonomischen Aufwertung einzelner Standorte durch Erhöhung des jeweiligen Wertes eines Medienstandortes bei. Entgegen der anfangs vorgestellten Hypothese (Kap. 1) muss jedoch klar gestellt werden, dass die grundlegende Triebkraft des Paradigmenwandels bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume nicht deren ästhetische Aufwertung, sondern ihre mediale Restrukturierung ist. Diese wird im Moment ihrer Legitimierung von einer ästhetischen Aufwertung begleitet, um Konzessionsverhandlungen für städtische Bodenverhältnisse in Besitz der öffentlichen Hand (aus Sicht des Medienmarktes) erfolgreich zum Abschluss zu bringen und die Marktexploration in Gang zu setzen. Wie aber entsteht der Bogenschluss zu den Aufmerksamkeitsgemeinschaften in zentralen öffentlichen Räumen, wenn die ästhetische Restrukturierung allein einer öffentlichen Legitimierung veränderter medialer Praktiken im Stadtraum dient? Wie also hängt der ästhetisch grundierte Stadtumbau im Detail mit seinem Grundmotiv – der medienökonomischen Restrukturierung durch die Branche der Stadtraummedien – zusammen? Die mediale Dimension der ästhetisch-ökonomischen Restrukturierung Im ersten Kapitel wurde mit dem Hinweis, die genaue Arbeitsteilung zwischen neuen Medien und städtischen öffentlichen Räumen sei noch nicht ausreichend untersucht worden, auf die exorbitanten Umsatzsteigerungen eines Unternehmens der werbefinanzierten Stadtmöblierung hingewiesen. Wie sich infolge der empirischen Erhebungen herausstellte, ist dies auf den Einzug aufmerksamkeitsökonomischer Rationalitäten in die Prozesse der zunehmend kommunikationsstrategisch orientierten Stadtproduktion zurückzuführen, denn wie Susanne Hauser treffend bemerkt hat, steht das „Spiel mit Ökonomien der Aufmerksamkeit auf einem Markt der Aufmerksamkeit (...) nicht ad libitum zur Wahl, es definiert [bereits] eine wichtige Ebene der städtischen Entwicklung, auf der längst gehandelt wird.”1115 Nachfolgend wird der Versuch unternommen, darzustellen, wie genau das medienökonomische Handeln auf Aufmerksamkeitsmärkten in den zentralen öffentlichen Räumen Berlins funktioniert. Dazu kommen wir zunächst zurück auf die Betrachtung von Gebrauchswert und Tauschwert, die infolge in den Bezug zur Logik der Aufmerksamkeitsmärkte gestellt wird.
1113 Interview B.14.d vom 04.07.07. 1114 Diese Kausalkette ist stark vereinfacht und kann durch externe Faktoren wie etwa die Menge konkurrierender Informationen am jeweiligen Ort beeinträchtigt werden. 1115 Hauser 2002, 212.
361
Aus Aufmerksamkeit Kapital schlagen Denn wie genau ist das beschriebene veränderte Verhältnis zwischen Gebrauchs- und Tauschwert, das die postfordistische Produktion zentraler öffentlicher Räume als Leitmotiv bedingt, zu verstehen, wenn festgestellt wurde, dass diese Aufmerksamkeitsökonomie die Besonderheit aufweist, den Tauschwert weitestgehend an den Gebrauchswert zu koppeln? – Die grundsätzliche Leistung von Mediensystemen besteht darin, Informationen in Form von zu kommunizierenden Themen mit Publizität auszustatten,1116 „was letztendlich nichts anderes als den vorgestellten Mechanismus der Aufmerksamkeitsbündelung beschreibt. (...) Sie ermöglicht den kontinuierlichen Transfer von Publizität in Geld und umgekehrt, und sorgt damit letztendlich für den ungehinderten Fluss von Aufmerksamkeit.“1117 Ein wiederholt angebrachtes Argument in den theoretischen Debatten zur Aufmerksamkeitsökonomie ist, dass man zwischen der (individuellen) Produktion von Aufmerksamkeit und der strategischen Produktion aufmerksamkeitserregender Mechanismen differenzieren müsse, denn das mentale Kapital oder die individuelle soziopsychische Leistung, die Aufmerksamkeit als Voraussetzung produziere, stehe der Bedeutung von (strategisch erregter) Aufmerksamkeit als Ziel gegenüber.1118 Die Leistung der Medien ist es, genau die Verbindung von gegebenen Aufmerksamkeitspotenzialen (Voraussetzung) und aufmerksamkeitserregenden Intentionen (Ziel) über Publizität herzustellen. Wenn über Gebrauchswert, über Tauschwert von Orten in den Ansätzen der Kritischen Politischen Ökonomie gesprochen wird, dann bezieht sich dies oftmals auf den Immobilienmarkt, also gemeinhin auf städtisches Land in privatwirtschaftlichem Besitz, für das öffentliche Akteure Regulierungsmacht besitzen.1119 Oftmals werden Konflikte zwischen Mietern und Vermietern hergenommen, um aufzuzeigen, dass bei einer Dominanz des Tauschwertes gegenüber dem Gebrauchswert in der städtischen politischen Ökonomie notwendigerweise Konflikte entstehen, weil Orte für menschliche Existenz unabdingbar sind. In diesem Fall werden etwa die Place Entrepreneurs mit ihrem ganz besonders großen Interesse am Tauschwert, und ganz geringem Interesse am Gebrauchswert, als Hauptkatalysatoren von wirtschaftsfreundlichen Standortpolitiken im Sinne einer Wachstumskoalition beschrieben.1120 Einer solchen Beschreibung folgend würden die hier präsenten privatwirtschaftlichen Koalitionspartner nicht unter diese Rubrik fallen, gerade weil der Gebrauchswert grundlegende Bedeutung für ihr Handeln hat. Eher kommt den gegenwärtigen Aufmerksamkeitsmaklern in Berlin wie der Wall AG die Charakterisierung der Einzelhandelskaufleute (Retailer) innerhalb der Critical Urban Political Economy nahe.1121 Denn die Retailers weisen sowohl Tauschwert- als auch Gebrauchswertinteressen auf. Wenn das räumliche Umfeld ihrer Läden durch einen hohen Gebrauchswert gekennzeichnet ist, lässt sich der Einzelhandelsabsatz steigern, und damit die städtischen Bodenpreise. Die Forcierung derart gemischter Interessen der kommerziellen Anrainer liegen z. B. den stadtentwicklungspolitischen Ansätzen rund um die Business Improvement Districts (BID) zugrunde, bei denen lokale Händler daran beteiligt werden, den Gebrauchswert benachbarter öffentlicher Räume zu erhöhen, weil sie damit ihren eigenen Umsatz steigern können. Im Fall der Aufmerksamkeitsmakler verhält sich das im übertragenen Sinne ähnlich, wobei es einen manifesten Unterschied gibt: Aufmerksamkeitsmakler investieren in die Aufwertung zentraler öffentlicher Räume, weil diese selbst als Marktsphäre dienen, und nicht allein die 1116 Beck und Schweiger 2001. 1117 Proksch 2002, 80. 1118 Thorngate 1998. 1119 Logan und Molotch 2007 (1987). 1120 Häußermann et. al. 2008. 1121 Siegert 2001a.
362
benachbarten Parzellen im Privatbesitz. Denn Aufmerksamkeitsmakler haben ein großes Interesse daran, öffentliche Räume qualitativ aufzuwerten, weil damit im Optimalfall gestalterische Impulse mit dem Ziel der Erhöhung ihrer gesellschaftlichen Zentralität ausgesendet werden können. Wenn also das räumliche Umfeld ihrer Informationsträgernetze einen hohen Gebrauchswert aufweist, können entsprechend größere Publika in öffentlichen Räumen erreicht, kann damit der Informationsabsatz im Sinne erfolgreicher Kommunikation vergrößert werden. „Zu den Voraussetzungen erfolgreicher Kommunikation zählt vor allem der Umstand, dass die Erzeugung von Aufmerksamkeit als notwendige Bedingung zur kognitiven Erreichung der Empfänger der Kommunikation vorliegen muss. (...) Aufmerksamkeit ist damit das Ergebnis selektiver Wahrnehmung und muss als notwendige Bedingung für erfolgreiche Kommunikation vorliegen.”1122 Im Resultat kann daher – vereinfacht dargestellt – aus einer größeren Menge zur Verfügung stehender individueller Aufmerksamkeitspotenziale mehr Kapital geschlagen werden. Schließlich ist es das grundlegende Geschäftsmodell der Unternehmen der Stadtraummedien, Aufmerksamkeitsmärkte mit Kapitalmärkten zu verschränken. Mittels dieser Verschränkung wird Aufmerksamkeit in öffentlichen Räumen zur vermarktbaren Ware, sie kann auf Werbemärkten in Rezipientenkontakten gehandelt werden. In einer abstrakten und stark vereinfachten Annäherung können den zentralen Aspekten der Industriegesellschaft Rohstoffe, Arbeitsprozesse und Kapital daher in der Informations-, Wissens- oder Mediengesellschaft Informationen, Kommunikationsprozesse und Aufmerksamkeit gegenüber gestellt werden. Dabei stellen Information in der Abstraktion die Rohstoffe dar, die in gesellschaftlichen Produktionsprozessen, in diesem Falle Kommunikationsprozessen, in Güter umgewandelt werden, die auf einem Markt, dem der Aufmerksamkeiten, gehandelt werden können. Aufmerksamkeit wird in diesem Kontext auch als das „knappe Gut der Informationsgesellschaft“ bezeichnet.1123 Aufgrund derartiger Entsprechungen, die in ihrer vereinfachenden Überzeichnung nur als Annäherung dienen sollen, wird zunehmend die Frage gestellt, ob Aufmerksamkeit allein als Tauschwährung einer weiterhin als Geldökonomie funktionierenden Wirtschaft verstanden werden muss oder ob dauerhaft Geld durch Aufmerksamkeit als Währung abgelöst werden wird. Ein Flügel der Vertreter aufmerksamkeitsökonomischer Ansätze – allen voran Georg Franck und Michael Goldhaber1124 – verweist auf das Herannahen einer nicht-materialistischen Ökonomie (Kap. 2). Für sie wird Geld nur noch in der Übergangszeit des Strukturwandels eine Rolle spielen, ähnlich wie dies mit dem feudalistischen Prestige und Landbesitz zu Zeiten des Übergangs zur Industriegesellschaft der Fall gewesen sei. Hier hatten zunehmend Industrielle, die zwar nicht über Renommee oder Prestige ähnlich dem der Noblesse verfügten, Ressourcen der neuen Ökonomie erlangen können: Kapital, mit dem sie sich Prestige, die Ressource der alten Ökonomie, verschaffen konnten.1125 Goldhaber hat darüber hinaus, um es anders zu formulieren, die Metapher des „Autokaufs per Aufmerksamkeit“ geprägt, die jedoch anderen Vertretern aufmerksamkeitsökonomischer Ansätze als reine Utopie erscheint.1126 Diese kritisieren die vorstehende Deutung deswegen derart stark, weil in der Aufmerksamkeitsökonomie Tauschwert und Tauschmittel nicht dasselbe sind. Aufmerksamkeitspotenziale tauscht man gegen Geld, das man dazu einsetzen kann, neue Aufmerksamkeit zu erregen. Die Loslösung des Tauschmittels vom Individuum
1122 Große Holforth 2001, 123. 1123 Goldhaber 1997, zitiert durch Siegert und Brecheis 2005, 84. 1124 Franck 1998. Goldhaber 1997. 1125 Siehe Goldhaber 1997 „Die Aufmerksamkeitsökonomie und das Netz - Teil II” URL: http://www.heise.de/tp/ r4/artikel/6/6200/1.html (letzter Zugriff am 25.10.08). 1126 Vgl. Proksch 2002, 75.
363
und damit seine Objektivierung erfolgen demnach vermittelt durch das Medium Geld.1127 Pointiert kommt diese Aussage auch im folgenden Zitat von Davenport und Beck zum Tragen: “I’m just wondering how my family will react when I come home one day saying ‘No paycheck this week, gang, but don’t worry: I got five minutes of CEO attention in the elevator!’“ (Davenport und Beck 1998, zitiert durch Proksch 2002, 75)
Wenngleich also Aufmerksamkeit bei der individuellen Kommunikation noch den Status einer Naturalwährung hat, bricht das Tauschsystem in sich zusammen, sobald es um ein „globales Gewebe von Aufmerksamkeitstransaktionen und -verträgen geht“.1128 Anders verhält es sich beim Geld, denn es habe die angenehme Eigenschaft, von seiner eigenen Geschichte unabhängig zu funktionieren und ist damit selbstbezüglich und universell einsetzbar.1129 Dass Aufmerksamkeit nicht die notwendigen Kriterien einer Währung erfüllt, bedeutet nach Proksch jedoch nicht, dass sie nicht als „symbolisch generalisiertes Tauschmedium“ geeignet sei.1130 Jedoch folgt aus seinen Untersuchungen zur Integration der Aufmerksamkeitsökonomie in die Gesellschaftswissenschaften, dass von einem „Währungswechsel“ zwischen Geld und Aufmerksamkeit bisher weder aus soziologischer, noch aus ökonomischer Perspektive die Rede sein kann, da Aufmerksamkeit „weder die traditionellen Währungsfunktionen übernehmen kann, noch ein symbolisch generalisiertes Tauschmedium darstellt, geschweige denn weitere Währungsvorteile bietet.“1131 Jedoch weist Proksch auf eine bereits vollzogene Kopplung von Aufmerksamkeitsökonomie und Geldökonomie hin. Demnach kann man Aufmerksamkeit als ‘mediales Geld’ bezeichnen. Wie aber wird Aufmerksamkeit in Geld umgemünzt, oder: Von wem? „Die grundlegende Funktion von Medienmarken ist es, (...) die weitgehende Immaterialität des dienstleistungsdominierten Medienangebots zu kompensieren, und (...) die Unsicherheit, die den medialen Produktionsprozess auszeichnet, und den Mangel an Information in Bezug auf die Rezeption medialer Inhalte zu verringern.“ (Siegert 2001b, 121)
Betrachtet man etwa die Wall AG als unternehmerische Medienmarke, so ist es genau ihre Leistung, die mit der Black Box beschriebene Unsicherheit zwischen kommunizierter und rezipierter Information durch eine ganze Maschinerie empirischer Studien, also durch neu generiertes Wissen, weitestgehend auszumerzen. Angebot und Nachfrage lassen sich jedoch weiterhin nicht klar bestimmen, denn bezogen auf die „Aufmerksamkeit für Medieninhalte muss festgestellt werden, dass Aufmerksamkeit nur mittels aufwändiger Mediennutzungsstudien quantifizierbar ist im Sinne von Personen- und Zeiteinheiten. Diese Aufmerksamkeitsindikatoren (Reichweiten, Nutzungsdauer, Diffusion in bestimmten Zielpublika) können als Preissignale verstanden werden, die aber im Gegensatz zu Marktpreisen nicht natürlich anfallen aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sondern durch zeit- und kostenintensive Prozesse der Mediennutzungsforschung erhoben werden müssen.“1132 In der Essenz ist damit die Aufmerksamkeitsökonomie immer zugleich eine Geld- sowie eine Zeitökonomie.1133 Zentrales Scharnier, um die Interessen von Medienunternehmen als Medienmarken durchzusetzen, ist aufmerksamkeitsbezogene Medienpolitik. Dazu Manuel Puppis: „Medienpolitik wird dominiert von ökonomischen und politischen Akteuren. Insbesondere die Medienunternehmen selbst verfolgen wirtschaftliche Eigeninteressen. Das Publikum hingegen ist kein Akteur.“ (Puppis 2007, 44)
1127 Beck 2001, 24, zitiert durch Proksch 2002, 74. 1128 Proksch 2002, 74. 1129 Vgl. Proksch 2002, 74, Bezug nehmend auf Bolz 1993, 93. 1130 Proksch 2002, 75. 1131 Proksch 2002, 78. 1132 Dahinden 2001, 44. 1133 Dahinden 2001.
364
Aus dem Zitat ist zu entnehmen, dass nach Puppis die Rezipienten von Medien, die er als „Publikum” bezeichnet, nicht als Akteur gelten, weil sie nicht strategisch wie ein Akteur am politischen Prozess teilnehmen können und weil sie sich ihrer eigenen Rolle nicht bewusst sind. Welche genaue mikroökonomische Rolle spielen daher zunächst erstmal undifferenziert betrachtet die Publika, die städtischen Bürger, Bewohner und Besucher, wenn sie kein strategisch handelnder Akteur sind? Wie bei den BIDs die Nutzer bestimmter Orte mit in deren Finanzierung eingebunden werden– in diesem Fall die Grundeigentümer, die dies wiederum auf Wohnmieter und Einzelhändler umlegen – so geschieht dies beim Straßeninfrastrukturbau über Mautzahlungen und beim Bau von öffentlichen Einrichtungen über Mieten.1134 Die Realisierung dieser Aufgaben wird also indirekt oder direkt an den Gebrauchswert gebunden und demnach über die Nutzer refinanziert, anstelle deren Steuern durch staatliche Aufträge indirekt in die Hände der Privatwirtschaft zu geben. Steuergelder werden allerdings nicht reduziert, sondern für andere Aufgaben des Staates ausgegeben, wie etwa für Imagepolitik. Monetäre Maut oder Miete sind bei aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften, die auf einer ähnlichen Logik der Refinanzierung durch Nutzer basiert, nicht zu zahlen. Gezahlt wird durch die Prädisposition zentraler öffentlicher Räume, als Informations-, Kommunikationsund Aufmerksamkeitsräume fungieren zu können. Das heißt, obwohl noch nicht einmal eine kausale Verbindung zwischen der kommunizierten Informationsdarbietung in öffentlichen Räumen und dem soziopsychischen Prozess der Aufmerksamkeitsbindung nachweisbar ist, reicht das generelle Vorhandensein kaufkräftiger und -freudiger Konsumentengruppen in möglichst großer Zahl aus, um aufmerksamkeitsökonomisch Profit zu erwirtschaften. Dabei bieten sich zentrale öffentliche Räume im Übergangsmoment des Fordismus zum Postfordismus geradezu an, beide Logiken – die flächen- und funktionsorientierte Bodenlogik des Fordismus, der auch heute noch ein Großteil der Steuerungssysteme räumlicher Entwicklung gehorcht und die auf Raum als sozialem und symbolischem Konstrukt beruhende postfordistische Logik zentraler öffentlicher Räume als kommunikationsstrategische Räume, in denen sich immaterielle Ressourcen wie Aufmerksamkeit binden lassen – zu verweben. Wie aber erfolgt die Bezahlung dieses Herstellens von Publizität in öffentlichen Räumen, wer bezahlt und wie genau? Sind es die Kommunikationskunden, die auf den Werbeproduktmärkten für abstrakte Aufmerksamkeitsbündel (Publikakontakte) zahlen oder sind es vielmehr die Verursacher von Aufmerksamkeiten, die rezipierenden Bürger, Besucher und Bewohner im Stadtraum? – Zwischen Information und Aufmerksamkeit liegen immer Kommunikationsprozesse, ohne die Information nicht aufbereitet und Aufmerksamkeit nicht erregt werden könnte. Aus kommunikationstheoretischer Perspektive bezahlen daher sicherlich beide Pole des Kommunikationsprozesses: die Kommunikationskunden sowie die Informationsrezipienten. Denn ohne kommunizierende Absender keine Botschaft und ohne rezipierende Adressaten keine Notwendigkeit, öffentliche Räume als strategischen Kommunikationskanal zu nutzen. Da Geldmärkte über den in Gang gesetzten sozialwissenschaftlichen Bemessungsapparat mit den Aufmerksamkeitsmärkten verbunden werden konnten, bezahlen die Kommunikationskunden Geld auf den Geldmärkten und die Rezipienten Aufmerksamkeit auf den Aufmerksamkeitsmärkten. Erstere realisieren dies aufgrund einer strategischen Absicht, wohingegen letztere oftmals noch nicht einmal bewusst wahrnehmen, dass sie dies tun. Weil es Aufmerksamkeit jedoch an Zirkulationsfähigkeit mangelt – sie kann nicht wie Geld von Hand zu Hand weitergereicht werden1135 – besteht die besondere Leistung der Unternehmen der Stadtraummedien darin, die abstrakte Naturalwährung Aufmerksamkeit in lokalen öffentlichen Räumen 1134 Rügemer 2008. 1135 Proksch 2002.
365
in die Logik transaktionsfähiger Geldmärkte umzurechnen, den Schlüssel des Profits durch Aufmerksamkeit zu decodieren und in den Code der Geldmärkte umzuchiffrieren. Dabei kann Aufmerksamkeit derzeit noch als stille Miete (Silent Rent) einer bisweilen informationshungrigen und trendgierigen städtischen Gesellschaft verstanden werden, denn ob und wie diese von passiv rezipierenden Menschen in Kaufentscheidungen für das jeweilige Produkt oder die jeweilige Dienstleistung umgewandelt wird, bleibt vage Spekulation. Diese scheint aber ausreichend zu sein, in nur drei Dekaden einen milliardenschweren, postfordistischen Medienmarkt aus den Trümmern der überkommenen Medienstrukturen des Fordismus zu erbauen. Die marktimmanente Logik aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte liegt also prinzipiell in veränderten Mechanismen der Wertschöpfung begründet, die scheinbar un(an)fassbares zu großen Teilen berechenbar macht. Städtisches Land stellt die im Sinne des fordistischen Fokuses auf Bodenmärkte in der städtischen Ökonomie ein Transferinstrument zwischen der traditionellen Geldökonomie und der postfordistisch geprägten Aufmerksamkeitsökonomie dar (Abb. 32).
Abbildung 32: Verschränkung von (materiellen) Geldmärkten mit (immateriellen) Aufmerksamkeitsmärkten in zentralen öffentlichen Räumen Berlins durch Out-of-Home Medienunternehmen: Kunden mit Informationsdistributionsbedürfnis aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen können ihre Themen mittels diverser Kommunikationsstrategien, für die sie traditionell auf Geldmärkten bezahlen, über die zentralen öffentlichen Räume als Kommunikationskanäle mit Publizität versehen lassen. Diese Räume werden konstituiert durch (zielgruppenspezifische) Publika, die ein Informations- und Orientierungsbedürfnis haben. Mittels Medien- und Publikumsforschung werden deren Aufmerksamkeitspotenziale von den Unternehmen der Stadtraummedien in auf Geldmärkten handelbare Publikakontakte umgemünzt. Quelle: Eigene Darstellung.
Das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen dient zunächst der Kopplung dieser beiden Märkte in zentralen öffentlichen Räumen. Dies geschieht, wie beschrieben, über die Konvertierungsinstanz der empirischen Medien- und Publikumsforschung, die auch als Wechselstube zwischen
366
monetarisierten und nicht-monetarisierten Märkten bezeichnet wird.1136 Dadurch erscheint der besondere Stadt- und Ortsbezug der Aufmerksamkeitsökomie begründet, denn Aufmerksamkeit ist dezidiert an Menschen gebunden und kaufkräftige Gruppen lassen sich zuallererst in gehäufter Form in Mittel- und Großstädten aufgrund ihrer institutionellen, sozialen und kulturellen Dichte ansprechen. Mit Ausnahme des Internets als Sphäre für die virtuell agierende Aufmerksamkeitsökonomie kann also festgehalten werden: You need places to track down attention and you need urban places to track down attention of affluent consumers. Kommodifizierung und Kundenansprache im Kontext medialer Kommunikation “What is a commodity? (...) The enigma of the commodity is entirely social. It is the enigma of money and property, of specific needs and the demand-money-satisfaction cycle. (...) Who has produced it? Who will buy it? Who will profit from its sale? Whose, or what purpose, will it serve? Where will the money go?“ (Lefebvre 1998, 340)
Zu Beginn der Krise des Fordismus erschien noch lange nicht klar, dass man in zentralen öffentlichen Räumen von Metropolen zukünftig Aufmerksamkeitspotenziale handeln können würde. Dies ist erst durch zunehmenden technologischen Fortschritt – in Form von neuen Digitaltechniken – sowie durch eine Verfeinerung der Instrumente empirischer Sozialforschung im Verlauf der letzten Dekade möglich geworden. Deswegen können nun auch öffentliche Flächen, die im Berechnungssystem für öffentliche Sondernutzungserlaubnisse zentralen öffentlichen Räumen zugeordnet werden, positive Wirkungen auf die fiskalische Haushaltsplanung entfalten. Denn für die Gestattung der systematischen Wirtschaftsaktivitäten der Aufmerksamkeitsvermarktung erhält der Staat als Grundeigentümer eine Abfindung. Dies geschieht entweder durch monetäre Konzessionsabgaben oder in Form von nichtmonetär ausgewiesenen Leistungen, die auch als „politische Kompromisse” bezeichnet werden.1137 Das verweist auf die ursprüngliche Ausgangsperspektive der Critical Political Economy, die neben dem Markt dem Staat Eigeninteressen und Hegemonieansprüche bei der Stadtproduktion beimisst. Denn der Staat ist einerseits in seiner Funktion als Grundeigentümer an einer Erhöhung des Tauschwerts interessiert, anderseits hat er – folgt man einem normativen Staatsverständnis – eine hoheitliche Pflicht, den Gebrauchswert dieser Räume im öffentlichen Sinne zu schützen. Mit wachsender Bedeutung aufmerksamkeitsökonomischer Potenziale zentraler öffentlicher Räume wird der Gebrauchswert jedoch dem Tauschwert zunehmend untergeordnet. Warum aber treten gesellschaftliche Konflikte oder bürgerschaftliche Proteste – wie etwa bei vergleichbaren Entwicklungen in der Wohnungspolitik Berlins während der 1980er Jahre – nicht oder kaum auf oder an die Öffentlichkeit? – Die Antwort liegt in einem Legitimationsumlenkungsmanöver von Kompensationsgeschäften und in der nichtmateriellen Verankerung der Aufmerksamkeitsökonomie. Denn in der Berliner Stadtmitte flanierende Menschen müssen nicht ihr Portemonnaie zücken, um den Preis der Kommodifizierung zentraler öffentlicher Räume zu zahlen, sie erfahren oftmals auch keine unmittelbar spürbare Beeinträchtigung. Sie zahlen im Optimalfall mit ihrer Aufmerksamkeit und das unaufgefordert, unbewusst und unreflektiert. Sie müssen nicht, wie Mautzahler auf Autobahnen eine Sperre passieren, die sie wissen lässt, dass sie für den Bau und die Erhaltung gewisser (materieller und immaterieller) städtischer Räume nun selbst wirtschaftliche Verantwortung tragen. Sie wissen in der Regel wenig oder nichts darüber, dass ihre reine Präsenz an diesen Orten ausreichende Wirkungen zu entfalten scheint, um millionenschwere Märkte aus der Wiege zu heben. 1136 Proksch 2002. Dahinden 2001. Siegert 2001a. 1137 Große Holforth 2001.
367
Und trotzdem haben sie Einfluss auf die Ausgestaltung der Medieninhalte und der die Medialisierung öffentlicher Räume begleitenden Gestaltprogramme, etwa durch Erhöhung der Konsumneigung für gewisse Produkte oder Dienstleistungen oder durch die Erhöhung ihrer Sympathien für eine Imagekampagne, und damit für ein Unternehmen, eine Partei oder eine Stadt.1138 Dieser Einfluss ist jedoch aufgrund der sublimem Funktionsweise des Geschäfts ein unbewusster,1139 er setzt sich vorrangig aus der Summe vielfältig stimulierter individueller soziopsychischer Prozesse zusammen und ist daher „nicht trennscharf und (...) innerhalb des Publikums ungleich verteilt, weil die RezipientInnen auf Grund ihres Konsumverhaltens und ihrer Kaufkraft für die Medienorganisationen unterschiedliche Bedeutung haben.”1140 Publikumsmarkt und Werbemarkt sind jedoch bereits bei den traditionellen Medien derart stark vernetzt, dass sie in der Marketing- und Kommunikationspraxis oftmals nicht getrennt werden.1141 Im Fall der Stadtraummedien-Unternehmen ist es so, dass der Medienmarkt erst langsam aus dem Werbemarkt hervorgegangen ist. Neben persuasiven Konsuminformationen, wie etwa Produkt- oder Firmenwerbung, findet man in zunehmendem Maße eine Bespielung mit Zusatzinformationen im Stadtraum. Diese soll Leerlauf der Informationsträgernetze vermeiden helfen, und dem Publikum Annehmlichkeiten verschaffen,1142 damit dessen Aufmerksamkeitsflow ununterbrochen und ungestört Kapitalakkumulation ermöglichen kann. Jedoch ist es ein Trugschluss zu glauben, dass mit der Darstellung der Verschränkung von Aufmerksamkeits- und Geldmärkten die in den zentralen öffentlichen Räumen institutionalisierte Kompensationspraxis ausreichend erklärt worden ist. Denn die Unternehmen der Stadtraummedien haben, wie bereits angerissen noch einen weiteren von ästhetischen Aufwertungen geprägten Legitimationsmarkt mit den beiden zuvor genannten Märkten verschränkt. Die Verschränkung dreier Märkte zu einem postfordistischen Medienmarkt „(...) obwohl von getrennten Märkten für ‘Werbung’ und ‘Publikum’ auszugehen ist, sind die beiden Märkte für die Produktion und den Absatz .. einer gänzlich auf Werbegelder angewiesenen Medienorganisation untrennbar miteinander verbunden, ja voneinander abhängig.” (Siegert 2001b, 117)
Denn die Marktnische befindet sich nicht, wie mit den Worten Siegerts hinsichtlich klassischer Medienmärkte veranschaulicht, allein zwischen Informations- und Rezipientenmarkt als Beschaffungs- und Absatzmärkten. Dieser Markt führt einen weiteren Beschaffungsmarkt für legitimatorische Ressourcen ein: Stadtmöblierung bzw. städtische Dienstleistungen (Abb. 33). Mit diesem erhalten Marktakteure ein schlagkräftiges Argument, um Kommunen in ihrer Rolle als Grundeigentümer zu bestärken, indem sie ständig Anreize erhalten, den Tauschwert dem Gebrauchswert öffentlicher Räume überzuordnen.
1138 Siegert 2001b. 1139 Große Holforth 2001. 1140 Siegert 2001b, 119. 1141 Siegert 2001b. 1142 Hierzu kommentiert Siegert (2001a, 118), dass es aufmerksamkeitsökonomisch durchaus Sinn machen kann, seine Produkte und Leistungen zu verschenken, um die Zahl der aufmerksamen Teilnehmer zu erhöhen (Netzeffekte).
368
Abbildung 33: Verschränkung dreier Hauptmärkte, auf denen die Unternehmen der Branche der Stadtraummedien interagieren: Für die Medialisierung zentraler öffentlicher Räume verhandeln die Unternehmen mit staatlichen Institutionen auf dem Legitimationsmarkt, um Konzessionen zur privatwirtschaftlichen Aufstellung und Vermarktung von Informationsträgern im Stadtraum zu erhalten. Auf dem Informationsmarkt bieten die Unternehmen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren Kommunikationsdistributionsdienstleistungen an, um deren Informationsbedürfnis im Mediamix mittels des Kommunikationskanals öffentlicher Raum stillen zu können. Dazu bündeln und strukturieren die Unternehmen Aufmerksamkeitspotenziale der zivilgesellschaftlichen Publika in zentralen öffentlichen Räumen zu zielguppenspezifischen Aufmerksamkeitsgemeinschaften. Weitere Märkte, auf denen die Unternehmen interagieren, sind Finanz-, Technologie-, Inhalts- und Personalmärkte (Siegert 2001b, 114). Quelle: Eigene Darstellung.
Die unbestrittene Genialität dieses Konzeptes, um es noch einmal festzuhalten, ist, dass sich der Tauschwert in gewissem Maße parallel zum Gebrauchswert erhöht. Sind also Stadtmöbelstücke oder stadtgestalterische Interventionen in zentralen öffentlichen Räumen erfolgreich, indem sie etwa neue Nutzungsmöglichkeiten dieser Räume anbieten und diese somit attraktiver machen, so finden sich – ebenfalls im Idealfall und ohne baulichen Determinismus annehmen zu wollen – mehr Menschen an diesen Orten ein. Mehr Menschen erhöhen die vermarktbaren Aufmerksamkeitspotenziale, so dass der Wert des Informationsträgers, und damit der Tauschwert, steigt. Man könnte, würde man diese scheinbare Beschleunigungsspirale weiter denken, von einer sich selbst verstärkenden Hyperkommodifizierung zentraler öffentlicher Räume ausgehen, die davon abhängt, wie belebt diese Orte sind. Diese Gleichung hakt jedoch aufgrund des Vorhandenseins einer weiteren Determinante: Der Qualität und Quantität der vorhandenen Informationen am jeweiligen Ort. Denn: Die individuelle Aufmerksamkeitsressource eines Menschen ist begrenzt und nicht vermehrbar. Mehr Menschen bringen folglich zwar mehr Aufmerksamkeitsressourcen ins Spiel, mehr Informationen am gleichen Ort verknappen jedoch die individuelle Ressource Aufmerksamkeit 369
und damit auch die kollektive Aufmerksamkeitsgemeinschaft als Summe der individuell verfügbaren Aufmerksamkeitspotenziale. Daraus folgt: Je mehr Menschen und je weniger Informationen vorhanden sind, desto höher die mögliche Kommodifizierung eines einzelnen Standortes aufgrund der dort vorhandenen ungeteilten Aufmerksamkeitspotenziale. Das Aufmerksamkeitsgeschäft in zentralen öffentlichen Räumen funktioniert also nur dann als Quelle der Wertschöpfung und damit langfristig als Fluss der Kapitalakkumulation, wenn systematisch möglichst wenig Informationen an möglichst belebten städtischen Orten vermarktet werden. Bei möglichst vielen Informationen an möglichst belebten gesellschaftlichen Orten ist der Tauschwert äußerst reduziert. Der Aufmerksamkeitsökonomie ist damit eine immanente Bremsfunktion für die Vermarktung des knappen Gutes Aufmerksamkeit eingeschrieben, nämlich die der nur begrenzt aufnahmefähigen menschlichen Psyche. Und diese lässt sich eben nicht allein rational stimulieren, sondern will vor allen Dingen sinnlich angesprochen werden: “For something to inspire economic activity, it must be more than scarce; it must be desirable.” (Goldhaber 1997, 1)
Ökonomischer Determinismus erscheint also deswegen als erklärendes Prinzip für das Handeln aufmerksamkeitsorientierter Akteure nicht haltbar, weil das Aufmerksamkeitsgeschäft allein nur dann funktioniert, wenn man sich in die Tiefen seiner inhärenten soziopsychologischen Logik begibt, wenn man akzeptiert, dass es gesellschaftlich eingebettet sein muss, um langfristig funktionieren zu können. Ein Beispiel: „Soweit kann gefolgert werden, dass neue Aufmerksamkeitsmärkte keine zusätzliche Aufmerksamkeit bereitstellen, sondern diese nur soweit generieren und zur Verfügung stellen können, wie das Publikum aus anderen Mediennutzungen abwandert.” (Große Holtforth 2001, 136)
Das Zitat verweist darauf, dass klassische Medien des Fordismus – Radio und Fernsehen – tendenziell durch neue Medien wie Internet oder zentrale öffentliche Räume ergänzt werden, weil sich auch auf der gesellschaftlichen Ebene postfordistischer Transformation einschneidende Veränderungen ergeben haben: Denn mehr Menschen verbringen mehr Zeit in städtischen Freiräumen. Dies wiederum führt zur notwendigen Veränderung des politischen Handlungsgebahrens, denn „die Stadt als mediales Vehikel bedarf nicht nur neuer Imagestrategien, sondern auch veränderter Politikformen, die die Konsum- und Freizeitsucht hedonistischer Lebensentwürfe ebenfalls materiell bedienen.“1143 Öffentliche Räume als mediales Vehikel: Zwischen Massenmedium, Internet und Face-to-Face Kommunikation „In den Arenen dieses Forums befinden sich die Öffentlichkeitsakteure, die zu bestimmten Themen Meinungen von sich geben oder weitertragen: Sprecher (‘Quellen’) und Vermittler (Medien). Auf den Galerien versammelt sich eine mehr oder weniger große Zahl von Beobachtern: das Publikum.“ (Neidhardt 2001, 502)
Dienen also zentrale öffentliche Räume, verstanden als „mediales Vehikel”1144 demnach als postmoderne Kommunikationskanäle, weil sie sich als Massenmedien anbieten, oder weil in ihnen interaktive Face-to-Face Kommunikation mittels physisch-räumlicher Interaktionen an Bedeutung gewinnt? Beide Argumente sind zutreffend. Denn zentrale öffentliche Räume werden erst überhaupt für neue Medien interessant, weil sich in ihnen einerseits (lebensstilbezogen extrovertierte) Menschenmassen, vor allem unterschiedlich segmentierte Publika ansprechen lassen, andererseits wird ihre weiterhin äußerst wichtige Bedeutung als Massenmedium durch 1143 Helbrecht 1994, 36f. 1144 Hasse 1988, 21.
370
ihre neue Rolle beim interaktiven Beziehungsmanagement zwischen Informationsanbietern und Informationsverbrauchern komplementiert. Damit ist jedoch noch nichts zum bedeutenden Aufschwung virtueller Kommunikationskanäle gesagt. Handy, Internet und digitale Funktechniken machen interaktives Beziehungsmanagement möglich. Welche zusätzlichen Funktionen also eröffnet ein Stadtplatz aus kommunikationsstrategischer Sicht, die das Internet nicht bietet? – Das Internet offeriert zunehmend Möglichkeiten der Nutzerselektion. Der Informationsverbraucher kann also bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, welche Informationsangebote er überhaupt erst virtuell ansteuern will, er wird „seine Bereitschaft, den Medien Aufmerksamkeit zu widmen, davon abhängig machen, inwieweit deren Angebote seinen persönlichen Interessen entgegenkommen.“1145 Wo Marie-Luise Kiefer noch postuliert, dass bei Beachtung der drei Eigenschaften Geschwindigkeit, Gleichzeitigkeit und Konnektiviät herausragenderweise das Internet allen bisherigen Werbe- und Informationsmedien – man setze die Akzeptanz beim Konsumenten voraus – den Rang ablaufe,1146 zeichnet sich im Handeln gestaltwirksamer Koalitionen ein paralleler Trend ab, der an Bedeutung gewinnt, weil er zunächst unabhängig von der Akzeptanz des Konsumenten wirkt: Denn Informationsdarbietung im Stadtraum dient oftmals primär dem Ziel, überhaupt erst Akzeptanz beim Informationsverbraucher zu schaffen. Denn „Aufmerksamkeit ist (…) ein Gut, das (...) weiterverarbeitet wird zu Interesse, zur Generierung neuer Bedürfnisse, zu Einstellungsänderungen und letztlich zu Kauf- oder Wahlentscheidungen.”1147 Daher werden Informationen – im Falle der kleinformatigen Strategie der Berliner Wall AG – möglichst harmonisch in die visuelle Stadtlandschaft eingepasst, um als (unterschwellige) Stimuli die Psyche des Menschen zu erreichen. Branding-Strategien erscheinen daher vor allem dann fruchtbar, wenn man die Vorteile neuer digitaler Medien mit denen unausweichbarer öffentlicher Räume kombiniert. Natürlich – so nun der Einwand vieler informierter Verbraucher – sei man sich dessen bewusst und könne dann schon rational einschätzen, wie man mit derartigen unterschwelligen Informationen umzugehen habe. Doch in einer derartigen Selbstüberschätzung gerade der informierten Verbraucher – Kaufen Sie nicht auch Ritter Sport, Milka oder Lindt-Schokolade? – liegt die Chance der auf emotionale Stimuli abzielenden Aufmerksamkeitswirtschaft. Damit wird deutlich, warum zentrale öffentliche Räume Vorteile gegenüber dem Internet bieten: Hier ist, erstens, Massenkommunikation, zweitens, Face-to-Face Kommunikation, und drittens, computergebundene Kommunikation möglich. Wo der Aufmerksamkeitsflow in den virtuellen Informationswelten selektiv ausgerichtet werden kann oder sich ad hoc – etwa per Mausklick – ablenken lässt, ist in zentralen öffentlichen Räumen ein Ausweichen vor dargebotenen Informationen nur schwerlich zu realisieren. Denn wie bereits betont wurde, sind städtische Orte in ihrer Ausprägung als bauliche Arrangements eine notwendige Bedingung menschlicher Existenz in der Stadt. Bürger, Bewohner und Besucher können daher den Kontakt mit Information im Stadtraum nicht umgehen, es sei denn, sie nutzen diese Räume schlichtweg nicht mehr passierend, flanierend oder zu Zwecken der Erholung. Gleichzeitig, und diese Qualität scheint in den politischen Debatten der letzten Jahre zunehmend in den Hintergrund getreten zu sein, darf ihre genuine Bedeutung als gesellschaftlicher Artikulationsraum nicht außer Acht gelassen werden, denn tagtäglich wird in zentralen öffentlichen Räumen Öffentlichkeit als lokaler Handlungszusammenhang hergestellt (Kap. 1):
1145 Wehner 1997, 131. 1146 Kiefer 2004, 178. 1147 Siegert 2001a, 111.
371
„Heute verweisen unterschiedliche Bedeutungszuweisungen [für den Begriff Öffentlichkeit] vor allem auf verschiedene Disziplinen und Praxisfelder: Juristen interessiert der Aspekte der allgemeinen Zugänglichkeit, Politologen fragen nach den Partizipationschancen, Soziologen problematisieren Mitgliedschaften (...), Meinungsforscher suchen nach Mehrheiten und Kommunikationswissenschaftler denken an konkrete oder potenzielle Publika. Folglich meint der Begriff hier Offenheit, dort Wähler, Kunden oder Klienten, hier Gesellschaft, dort Publizität oder gar ‚die Presse’. In dieses von den Medien beherrschte System fügt sich auch die Politik. Dort, wo sie öffentlich ist, das heißt wahrnehmbar kommuniziert wird, nimmt sie (...) eine medienförmige Gestalt an. Politische Öffentlichkeit (...) ist folglich kein Akt der Politik, die in den Medien Themen setzen und diskutieren würde, sondern ein Produkt der medialen Konstruktion politischer Wirklichkeiten, die für vermittlungswürdig gehalten werden.“ (Merten und Westerbarkey 1994, 188ff.)
Eine im Zitat angedeutete medien- und demokratietheoretische Diskussion im Spannungsfeld der Produktion städtischer öffentlicher Räume und ihrer Rolle als medial durchsetzte, bisweilen durch Medien instrumentalisierte, politische öffentliche Sphäre, die dringend von Nöten erscheint, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht annähernd in ihrer erforderlichen Tiefe geführt werden. Festgehalten werden kann jedoch, dass die empirischen Ergebnisse dieser Arbeit klar in die Richtung weisen, auf die Setha Low und Neil Smith hingewiesen haben: Denn in zentralen öffentlichen Räumen überlagern sich mit dem Einzug medialer Interessen Forschungsmöglichkeiten, um die Diskrepanz zwischen der scheinbar ortsungebundenen öffentlichen Sphäre – “the public sphere [which] is rarely if ever spatialized“1148 – und der vom Sozialen entkernten Räumlichkeit vieler architektonischer Diskurse hinsichtlich öffentlicher Räume zu überwinden. Das Streben nach Öffentlichkeit im Sinne von Publizität – verstanden als Grundbaustein der öffentlichen Sphäre – sedimentiert mit zunehmender Medialisierung zentraler öffentlicher Räume erneut lokalräumlich. Mit dieser Feststellung sei ebenfalls auf die konfliktreichen Implikationen, die diese Art der privatwirtschaftlich forcierten und durch staatliche Legitimation flankierten Medialisierung für die Ausprägung einer kritischen politischen Öffentlichkeit, und damit einer politischen Sphäre gemäß der Habermas`schen Definition haben wird, verwiesen. Es sei hier auf weiteren Forschungsbedarf verwiesen, bei dem normative theoretische Positionen zu der gegenseitigen Bedingung öffentlicher Räume und politisch konstituierter Öffentlichkeit im Sinne sozialphilosophischer Diskurse um den Charakter der öffentlichen Sphäre in den Kontext der Ergebnisse dieser Arbeit gestellt werden müssen. Denn sobald Medienunternehmen und medienunternehmerische Oligopole oder Monopole als öffentlichkeitskonstituierende, -prägende und -strukturierende Institutionen erneut Relevanz bei der Produktion städtischer öffentlicher Räume gewinnen, geht es immer um die Frage nach den Implikationen, die das auf Prozesse der Meinungsbildung, mögliche Meinungsmanipulationen oder schlichtweg auf den Charakter dieser Räume als lebensraumspezifischer Kontext für das Handeln lokaler Öffentlichkeiten hat. In diesem Sinne erscheint die theoretische Perspektive von Low und Smith, öffentliche Räume als Geographie der öffentlichen Sphäre zu verstehen (Kap. 1), erneut gerechtfertigt, weil sie Medien, staatliche und korporative Akteure und Institutionen in ihre Betrachtung öffentlicher Räume integrieren und zugespitzt formulieren: “An understanding of public space is an imperative for understanding the public sphere.”1149 Die postfordistische Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie „Medien kämpfen schon seit längerem gegen die Aufmerksamkeitsverknappung, die sich mit jeder Ausweitung des Medien- und Informationsangebots als Problem verschärft. (...) Die sich im Postfordismus ankündigenden gesellschaftlichen Veränderungen (...) werden zudem für Massenmedien die Aufmerksamkeitsgewinnung, vor allem bei den werblich interessanten Zielgruppen, nicht erleichtern.“ (Kiefer 2004, 175)
1148 Low und Smith 2006, 5. 1149 Low and Smith 2006, 6.
372
Diese Worte verweisen auf Veränderungen der Medienlandschaft im Zuge postfordistischer Transformationen. Selten jedoch wird die in den Kommunikations- und Medienwissenschaften geführte Debatte zur Aufmerksamkeitsökonomie explizit räumlich oder stellt Verbindungen zwischen der Entwicklung von Städten und kommunikativen und medialen Veränderungen, die gemeinhin mit der Aufmerksamkeitsökonomie assoziiert werden, her. Wie also wirkt sich institutioneller Wandel als Teilmoment des Umbruchs hin zur derzeitigen historischen Figuration des Postfordismus auf die Produktion zentraler öffentlicher Räume aus? Wie sedimentiert ein Aufkommen dieser beschriebenen Tendenzen in seiner Mannigfaltigkeit und Ungleichzeitigkeit hinsichtlich der Produktion zentraler öffentlicher Räume? – Drei Tendenzen der postfordistischen Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin wurden bereits dargestellt: die ökonomische, ästhetische und mediale Restrukturierung, und ihre wechselseitige intrinsische Verstrickung. Wie aber lässt sich diese mit dem Perspektivwechsel von der Mikroebene veränderter Wertschöpfungsmechanismen auf die makrosoziale Dimension der Produktion zentraler öffentlicher Räume deuten? Verschiedene Feststellungen helfen dabei, die jüngere Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie zwischen verschiedenen Teilphänomenen postfordistischer Transformationen zu lokalisieren: Anna-Maria Theis-Berglmair hat festgehalten, dass derartige Umbruchphasen immer auch mit Glaubwürdigkeitsverlusten etablierter Massenmedien einhergehen.1150 Sharon Zukin dagegen hat mit dem Blick auf städtischem Raum darauf verwiesen, dass dieser „nicht nur Medium und Gegenstand ökonomischer Akkumulation [ist], sondern auch diskursives Element der öffentlichen Sphäre.“1151 Schließlich kommt bei Siegert und Brecheis der Begriff der Mediatisierung ins Spiel, der zunächst auf der makrosozialen Ebene Anpassungshandlungen verschiedenster gesellschaftlicher Akteure an die sich wandelnde Logik von Mediensystemen aufzeigt.1152 Auf der mikrosozialen Ebene hingegen beschreibt er „eine Veränderung sozialen und kommunikativen Handelns der Menschen (...). Mediatisierung heißt dementsprechend, dass immer mehr Menschen ihr soziales und kommunikatives Handeln immer häufiger und immer differenzierter auf immer mehr ausdifferenzierte Medien und mediale Inszenierungen ausrichten und dass dies vielfältige Auswirkungen auf soziale Beziehungen und Identitätsstrukturen, auf Kultur und Gesellschaft hat.“1153 Gabriele Siegert hebt diesbezüglich hervor, dass die Mediatisierung vieler Lebensbereiche als Gegentrend zur Ökonomisierung in der janusköpfigen Aufmerksamkeitsökonomie verstanden werden muss, da „es vermehrt zur Verflechtung der beiden Systemrationalitäten Geld und Publizität, zur wechselseitigen Durchdringung der Leistungsanforderungen, zu Interpenetrationszonen (...) zwischen Medien und Ökonomie kommt, (...).“1154 Es ist die Frage aufzuwerfen, ob die Mediatisierung wirklich als ‘Gegentrend’ zu verstehen ist oder ob sich Mediatisierung und Ökonomisierung nicht vielmehr gegenseitig befruchten, durchdringen und beschleunigen? Ohne diese Frage im Rahmen dieser Arbeit beantworten zu wollen, geschweige denn zu können, soll der Blick zurück auf das Beispiel Berlin gelenkt werden. Zentrale öffentliche Räume sind als Sphäre der Mediatisierung von Stadtgesellschaft (wieder) entdeckt worden. Es geht schon längst nicht mehr um Außenwerbung, um die bezahlte Bereitstellung persuasiver Informationen für Kommunikationskunden, sondern gerade durch den in Berlin zum Grundmodell avancierten Austausch von Sachleistungen – etwa auf politischen Märkten im Tausch 1150 Vgl. Theis-Berglmair 2008, 130f. 1151 Zukin 1998, 33. 1152 Vgl. Siegert und Brecheis 2005, 85. 1153 Krotz 2001, 201. 1154 Siegert 2001a, 119f.
373
gegen politische Protektion – hat der noch in den 1980er Jahren existierende Außenwerbemarkt sich hin zu einem Medien- und damit zu einem Aufmerksamkeitsmarkt entwickelt.1155 Die Aufgabe der Stadtraum-Medienunternehmen ist es, so wurde bereits betont, Themen mit Publizität in öffentlichen Räumen auszustatten.1156 Mit einer derartigen medienökonomischen Inwertsetzung von Stadtraum soll die Wahrscheinlichkeit des Kommunikationserfolgs ihrer Kunden erhöht werden. Wenn man Medien also im Hinblick auf die Aufmerksamkeitsökonomie weniger als „Aufmerksamkeitsproduzenten im Wortsinn“ sondern vielmehr als Aufmerksamkeit bündelnde und steuernde Akteure versteht, die diese „damit in einen ökonomischen Kreislauf einbinden und vermarktbar machen“ , dann sind Unternehmen wie die Wall AG sowie JCDecaux und ihre Mitstreiter definitiv als Medienunternehmen einzustufen. Es wird deutlich, dass diese Entwicklung von einem fordistischen Außenwerbemarkt zu einem postfordistischen Stadtraum-Medienmarkt nicht als Ersatz eines Marktsegments durch ein neueres zu deuten ist, sondern vielmehr als Erweiterungstendenz. Denn die Bündelung von Aufmerksamkeiten, die von Medienunternehmen vorgenommen wird, ist weiterhin selektiv,1157 weil nicht die Publika, sondern die Werbewirtschaft den relevanten Marktpartner für die Aufmerksamkeitsmakler darstellt. Hieraus resultiert, „dass Medien ihre Inhalte in erster Linie nach den Präferenzen der werbetreibenden Wirtschaft ausrichten müssen. (...) Mit publizistischen Inhalten sollen werbefinanzierte Medienunternehmen ein (...) werbliches interessantes Publikum und ein geeignetes Umfeld für Werbung schaffen (...) Sind Medien auf dem Werbemarkt tätig, so erhält die werbetreibende Wirtschaft einen Einfluss auf die Medieninhalte.“1158 Das bedeutet, dass die selektive Bündelung von Aufmerksamkeiten im Resultat zur Ansprache selektiver Aufmerksamkeitsgemeinschaften, zur selektiven Strukturierung der medial-diskursiven Arrangements städtischer öffentlicher Räume und damit zu einer Beeinflussung ihres Charakters als politische öffentliche Sphäre führt. Wenn Gabriele Siegert im Jahr 2001 bereits gefordert hat, dass für den Bereich der Online-Anbieter im Kontext der Aufmerksamkeitsökonomie die Frage diskutiert werden müsse, „inwieweit sich die Definition von Medienorganisationen verändert und inwieweit diese Anbieter dann als Medienorganisationen zu verstehen sind“,1159 dann muss diese Diskussion mit all ihren Implikationen für das Verhältnis zwischen Medien, Information und Öffentlichkeit auch in Bezug auf städtische öffentliche Räume und auf das Wirken der so genannten Stadtmöblierer, oder – genauer gesagt – auf die Unternehmen der Stadtraummedien, geführt werden. Öffentlichkeit zwischen Medienproduktion und Kulturkonsum Erste Anlässe für derartige Debatten ohne Bezug zu öffentlichen Räumen hat es bereits seit 1977 gegeben, als der damalige schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg den Staatsvertrag zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zum Betrieb der gemeinsamen Rundfunkanstalt zum Jahr 1980 aufkündigte. Damit wurde privatwirtschaftlichen Anbietern eine Tür in die deutsche Rundfunklandschaft geöffnet. Speziell Stoltenberg und sein niedersächsischer Kollege Albrecht versuchten zudem, mittels einer Entpolitisierung stärkere Einwirkung auf die Zusammensetzung der Programmräte und damit auf
1155 Diese Kriterien (monetäre Vermarktung von Werbung versus das Vermarkten von Sachleistungenz. B. auf politischen Märkten) führt Große-Holforth (2001, 124) zur Unterscheidung von Werbe- und Medienmärkten heran. 1156 Siegert 2001a, 112. 1157 Ibid. 1158 Puppis 2007, 76ff. 1159 Siegert 2001a, 113.
374
die inhaltliche Ausgestaltung der in ihrer Perspektive linkslastigen Programme zu nehmen.1160 Infolge wurde ein Privatisierungsprozess in der deutschen Medienlandschaft ausgelöst, der von einer Ausdifferenzierung der indirekt oder direkt an der massenmedialen Produktion von Öffentlichkeit beteiligten Akteurs- und Institutionskonstellationen, und gleichzeitig von einer allgemeinen Depolitisierung der Medienpolitik geprägt worden ist.1161 Das Mediensystem hat, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, durch einen jüngeren Explorationsgang neuer Akteure und Institutionen öffentliche Räume als Sphäre des Produzierens und Vermarktens von Publizität wieder entdeckt. Bei dem hier untersuchten Vorstoß ist auf die besondere Doppelrolle von Städten als Orten des (Medien-)Konsums hinzuweisen: Diese konsumieren und sind Orte des Konsums. “The contemporary city is the product of the post-industrial consumer economy created through a fundamental shift between production and consumption – where the balance of power between producer and consumer has changed in favour of the latter.” (Jayne 2006, 3)
Aufbauend auf dieser Argumentationslinie von Marc Jayne ist im Bezug zu medialen Umbrüchen hinzuzufügen, dass sich das Verhältnis von Produktion und Konsum in der Informations-, Wissens- oder Mediengesellschaft speziell hinsichtlich der Produktion und des Verbrauches von Informationen, Wissen oder Medien maßgeblich verändert hat. Infolge dieser beschriebenen Bedeutungsverlagerungen hinsichtlich des Verhältnisses von Produktion und Konsum in der städtischen Informations-, Medien- oder Wissensgesellschaft kommt dem Medium Stadtraum bei der gesellschaftlichen Ausgestaltung desselben eine fundamentale Rolle zu. Es geht also, kurzum, nicht allein um das Rezipieren oder den Verbrauch der von wirtschaftlichen Produzenten kommunizierten Informationen, sondern um die neue Bedeutung von Informationsverbrauch in der sich zunehmend verstädternden Gesellschaft per se. Es lässt sich aus diesen Tendenzen die Quintessenz ziehen, dass zentrale öffentliche Räume in Städten und Metropolen erneut zentrale Relevanz für die mediale und damit für die kulturelle Produktion bekommen haben, weil sich hier informationsorientierte, konsumfreudige und trendgierige gesellschaftliche Gruppen als rezipierende Verbraucher ansprechen lassen. Entsprechend der (materiellen oder virtuellen) räumlichen Konsumpräferenzen dieser gesellschaftlichen Gruppen organisieren Aufmerksamkeitsmakler ihre Medienträgernetze sowie die Muster ihrer Medienproduktion, sofern Ihnen nicht rechtliche oder anderweitige Barrieren im Wege stehen. Die im Stadtraum agierenden Aufmerksamkeitsmakler haben es in nur knapp drei Dekaden vermocht, zentrale öffentliche Räume zu einer medialen Institution zu strukturieren, in dem sie bei den Sozialforschungsinstituten Studien über die genaue Art der Informationsorientierung, der Konsumneigungen sowie der Trendvorlieben der Besucher von Straßen und Plätzen nachgefragt haben. Damit konnten vormalig bestehende Glaubwürdigkeitsverluste, die ihnen vormalig einen Nachteil gegenüber den traditionellen Medien beschertet hatten, beseitigt werden und Unsicherheiten hinsichtlich des Wertes „der neuen Währung ‘Aufmerksamkeit’ kontinuierlich nachgewiesen werden, um das Vertrauen in sie zu stabilisieren.“1162 Mittels dieser neu eruierten empirischen Wissensbasis haben Unternehmen der Stadtraummedien Anschluss an die an Rezipientenkontakten und Reichweiten, an Kaufkraft und Konsumneigungen ausgerichtete Wettbewerbslogik des bestehenden Mediensystems gefunden und erlangen damit zunehmend Anerkennung als Teil desselben. Hinzu kommt, dass der intermediale Mix im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus auf
1160 Der Spiegel vom 26.06.1978, 88. 1161 Vgl. Theis-Berglmair 2008, 127. 1162 Siegert 2001a, 116.
375
der Seite der Kommunikationskunden zunehmend an Bedeutung gewinnt1163, schließlich müssen möglichst alle verfügbaren Kommunikationskanäle aktiviert werden, um Aufmerksamkeit zu erlangen (Kap. 4). Merkmal gegenwärtiger strategischer Kommunikation in Zeiten postfordistischer Transformationen ist daher, dass Medienmärkte zunehmend pluralistisch genutzt werden. Bei dieser Art der Orchestrierung im Rahmen der integrierten Kommunikation schneidet das postfordistische Medium Stadtraum aufgrund seiner bereits genannten Vorteile überdurchschnittlich gut auf der Seite der Aufmerksamkeitsnachfrager ab. Resümierend kann festgehalten werden, dass Umbrüche in der Medienlandschaft daher genauso wie Veränderungen in der baulich-gestalterischen Stadtlandschaft Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen sind. Im Falle der jüngeren Stadtentwicklung Berlins konvergieren beide Entwicklungstendenzen in zentralen öffentlichen Räumen. Aufmerksamkeit dient im Verlauf dieses Konvergenzprozesses als „operativer Code des Systems Öffentlichkeit“, wobei das Herstellen von Publizität deswegen zunehmend zu einer marktwirtschaftlichen Herausforderung wird, weil sich aufgrund der postfordistischen Ausdifferenzierung des Mediensystems eine Informationsflut und Reizüberlastung ergeben.1164 Frühe Transformationstendenzen in der Medienlandschaft haben daher in einer Folgephase zur Suche nach neuen Sphären, die sich für die kommunikationsstrategische Ansprache von Informationsverbrauchern eignen, geführt.1165 Äußerst probat erscheinen die Bereiche, die möglichst unerschlossen sind und den veränderten Mobilitätsrhythmen, Freizeitansprüchen und Konsummustern städtischer Gesellschaften im Postfordismus entsprechen: zentrale öffentliche Räume in Mittelstädten und Metropolen. Dabei wird zunehmend auf den Doppelcharakter von Medien hingewiesen, die einerseits ein autonomes soziales Subsystem als auch ein Metasystem zur Vermittlung zwischen anderen Subsystemen darstellen.1166 Medien können dabei alle Themen des umfassenden Sozialsystems Gesellschaft kommunizieren, da sie aber gleichermaßen selbstreferenziell und von anderen strukturellen Einflüssen wie etwa Werbeeinnahmen oder staatlichen Regulierungen und Fördermaßnahmen abhängig sind, „gaukelt“ das Mediensystem dem Publikum ständig vor, über wirkliches Geschehen zu berichten, und dabei sachlich, unbeeinflusst und objektiv zu bleiben, obwohl es nur ein strukturiertes und selektiertes Abbild empirischer Wirklichkeit anbietet.1167 Dieser kurze systemtheoretische Exkurs weist darauf hin, dass die Umwälzungen nicht allein technisch-funktioneller Natur sind, sondern dass aufgrund der diskurstrukturierenden Natur von Medien zukünftig eine ganz neue Debatte bezüglich der Meinungsbildung in öffentlichen Räumen geführt werden muss. Speziell in einer Stadt, deren öffentliche Straßen und Plätze noch keine hundert Jahre zuvor der Inkarnation des Nationalsozialismus dienten, erscheint dies eine äußerst dringliche Notwendigkeit. Diese Inkarnation wurde bekanntlich gestützt durch massenmediale Propaganda und monopolhaft inszenierte Kulturalisierung zentraler öffentlicher Räume, durch Zurschaustellung vermeintlich arischer Kultur. Mit diesem Verweis auf ein besonders dunkles Kapitel der Geschichte der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin soll, erstens, auf die weiterhin konfliktträchtige, interdependente Beziehung von Medien und Staat verwiesen werden. Zweitens sei auf einen weiteren Aspekt der gegenwärtigen Produktion zentraler öffentlicher Räume aufmerksam gemacht: Kultur. Denn gestaltwirksame Koalitionen fungieren nicht allein als Governance-Arrangements der Mediatisierung und der Ökonomisierung in ihrer gegenseitigen Verwebung, sondern sie stiften Symbolik, indem sie dezidiert neue baukulturelle 1163 Dahinden 2001. 1164 Proksch 2002, 81. 1165 Siegert und Brecheis 2005. 1166 Vgl. Siegert 1996, 46. 1167 Proksch 2002, 84, Bezug nehmend auf Kübler 1998, 24.
376
und medienkulturelle Standards in zentrale öffentliche Räume einbringen. Auf die Bedeutung von Kulturproduktion und -konsum ist im Hinblick auf öffentliche Räume vielfältig hingewiesen worden.1168 Von öffentlich-privaten Koalitionen, die sowohl Anreize für Kulturkonsum bieten, als auch Medienproduktion und Informationsverbrauch in ihnen vorantreiben, war jedoch bisher nicht die Rede. Ihr Wirken ist explizit postdisziplinär, denn das künstlerische Programm, welches die Unternehmen der Stadtraummedien bisweilen liefern, um den Aufmerksamkeitsflow zu unterstützen und mögliche Regulierungen auszuhebeln, besteht aus kulturangereicherten Interventionen sowohl in die baulich-gestalterischen als auch in die symbolischen Arrangements zentraler öffentlicher Räume. Damit sei auch darauf verwiesen, dass die postfordistisch geprägte Produktion zentraler öffentlicher Räume nicht nur von Ästhetisierung, Kommodifizierung und Mediatisierung, sondern von einer Ausrichtung der stadträumlichen Interventionen an Kulturkonsum, und damit durch Kulturalisierung geprägt ist. Damit ist auch die Verbindung zu den theoretischen Debatten hergestellt, die mit der postfordistischen Stadt gemeinhin eine Art von Konsum assoziieren, der weniger von funktionalen und zunehmend von ästhetischen Mustern geprägt ist.1169 Design nimmt bei Prozessen der Realisierung der Kulturalisierung des Konsums daher eine zunehmend wichtige Rolle ein. Wenn, wie Bob Jessop festgehalten hat, die vorherrschende Form postfordistischer Restrukturierung das abstrakt formelle Moment des Tauschwerts auf Kosten des konkreten Gebrauchswertes verstärkt,1170 dann kann diese Aussage auch als weiterer Verweis auf die zunehmende Orientierung kapitalistischer Logik an den Gewohnheiten der Verbraucher und damit am Gebrauchswert, den Stadt für ihn Konsumenten hat, gedeutet werden. Bezogen auf kapitalistisch verfasste westliche Staaten wurde bereits Ende der 1960er Jahre mit dem Bild des Affluent Worker auf die Konsumorientierung des Kapitals hingewiesen.1171 Bei Ausbalancierung von Lohnverhältnissen scheint also Lohn nicht mehr das bestimmende Merkmal zu sein, das gegenwärtige Wirtschaftsprozesse in einer Zeit der Produktausdifferenzierung und der Verbilligung durch Me-too-Plagiatprodukte bestimmt. Bei zunehmend günstigeren Vergleichsangeboten, einer wachsenden Anzahl von Anbietern sowie nicht abebben wollenden Informationsströmen müssen Produzenten dafür sorgen, dass Informationen hinsichtlich ihres Anliegens an den Verbraucher gelangen. Hiermit soll seine Konsumentscheidung nicht allein rational, sondern vor allem emotional beeinflusst werden. Das wiederum begründet das gesteigerte Bedürfnis nach strategischer Kommunikation und damit die Umstrukturierung der Medienlandschaft mithilfe kultureller Stimuli, allen voran Design. Auf diese Logik wird auch verwiesen, wenn auf den Übergang vom fordistischen Versorgungsparadigma zum postfordistischen Attraktivitätsparadigma Bezug genommen wird.1172 Für Städte wird festgehalten: “Hence the economy of the postmodern city is less based on production and consumption of goods, more on the production and consumption of culture. The significance of culture is linked to the rise of a symbolic economy concerned with making and distributing images (...). In the postmodern city, the projection of image lies at the heart of the attractiveness of style in the city. In contrast to modern cities, where function shaped appearance and where products and buildings were mass-produced and generally standardised, in the postmodern city style, design and appearance rule.“ (Jayne 2006, 58)
In gegenwärtigen Debatten um die ökonomische Restrukturierung der Stadtzentren durch kulturelle Stimuli wird vorrangig auf die symbolischen Potenziale von Orten und Lagen mit einem Impetus hingewiesen, der – wie das Zitat – suggeriert, dass lebensstilorientierte Kon1168 Jayne 2006. Mitchell 2000. Kirchberg 1998. Zukin 1998 und 1995. 1169 Jayne 2006, 12. 1170 Jessop 2007, 268. 1171 Jayne (2006, 11) rekurriert hier auf Goldthorpe et. al. 1969. 1172 Altrock und Schubert 2005, 376.
377
sumangebote symbolischer Natur ausreichend seien, um die Produktion von materiellen Gütern und damit die vormaligen Determinanten der städtischen Ökonomie zu ersetzen. Dies ist im Falle der gestaltwirksamen Koalitionen in Berlin mitnichten der Fall. Denn Aufmerksamkeitsmakler organisieren den Markt, den sie für ausschöpfungsfähig halten, rund um Medienproduktion und Kulturkonsum auf beiden Ebenen – der materiellen sowie der immateriellen. Ihre Hinwendung zu Stil, Design und dem Erscheinungsbild von Städten sowie zu deren Visitenkarten, den zentralen öffentlichen Räumen, dienen in der Regel zwar der emotionalen Ansprache möglicher Talente, Zuzugskandidaten oder Wähler, gleichermaßen leben diese Städte de facto jedoch weiterhin davon, dass diese Talente, Zuzugskandidaten und Wähler – wie gewohnt – materielle Produkte und Services konsumieren. Das Attraktivitätsparadigma dient also vor allem dem Ziel, Prozesse individueller sowie kollektiver Entscheidungen, die oftmals nicht zweckrational verlaufen, zu begünstigen. Aufmerksamkeit ist dann notwendig, wenn der Konsument multiple Optionen hat, und damit eine Wahl treffen muss. “The [attentional] investments will be minimal when habits dictate our choices, or when obligation or circumstance constrains our attentional alternatives. They may become laughable whenever we invest far more attention choosing what we attend to than in attending to what we choose.“ (Thorngate 1988, 251)
Es wird deutlich, dass dem Prozess der Auswahl oftmals de facto mehr Bedeutung beimessen wird als der Umsetzung der Kaufentscheidung oder der Konsumhandlung. Damit würde das (Stil, Design sowie kulturelle Stimuli umfassende) Attraktivitätsparadigma der strategischen Anpassung von Stadt an eine Veränderung von Wertschöpfungsmechanismen hin zu immateriellen Werten entsprechen, wohingegen etwa Funktionserweiterungen durch technische Innovationen dem Versorgungsparadigma im Sinne einer operativen Ausrichtung der postfordistisch geprägten Stadt entsprächen. Mittels gestaltwirksamer Koalitionen, die der Logik der Aufmerksamkeit folgend in zentralen öffentlichen Räumen Berlins agieren, wird beides miteinander im Aufmerksamkeitsparadigma kombiniert. Immaterielle Interventionen dienen als strategische, wohingegen materielle Interventionen als operative Codes der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Zeiten postfordistischer Veränderungen fungieren. Denn gestaltwirksame Koalitionen verbinden technischen Fortschritt mit symbolischer Umdeutung des Stadtraums, bauliche Interventionen mit gesellschaftspolitischen Stimuli und schlagen die Brücke zwischen immateriellen und materiellen Wirtschaftskreisläufen. Dabei verweist gerade die wechselseitige Durchdringung virtueller und baulicher Arrangements (Kap. 5) auf den Umstand, dass städtische Plätze und Straßen multiple kommunikative Funktionen haben. Diese sind vom Marktsegment der Stadtraum-Medien erkannt, hervorgebracht und vernetzt worden. Das heißt aber auch, dass Staat hier über eine Ressource verfügt, über die er sich scheinbar noch nicht im Klaren ist: Denn es geht hier nicht um die – physische – Genehmigung von Sondernutzungen öffentlichen Straßenlandes, es geht um die Bereitstellung medialer Infrastruktur und damit um eine grundlegende Beeinflussung gesellschaftlicher Kommunikation in öffentlichen Räumen mit all ihren möglichen politischen Implikationen. Damit schließt sich der Bogen nach der Frage von Öffentlichkeit zwischen Medienproduktion und Kulturkonsum. Denn strategische Kommunikation stellt das zentrale Scharnier zwischen der Bewältigung der Konsumerfordernisse der Wirtschaft (in Bezug auf Information und auf materielle Güter) und der Bedürfnisse der allseits und allerorten konsumierenden und nach Konsumorientierung verlangenden Stadtgesellschaft dar und dringt in gesellschaftlich besonders symbolische und kontroverse Sphären vor, um Aufmerksamkeit und Themen zu binden, zu bündeln und zu strukturieren. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass Medien nicht nur Wirtschaftsgüter, sondern ebenfalls auch Kulturgüter darstellen und demnach nicht nur wirtschaftliche, sondern ebenfalls auch kulturelle gesellschaftliche Leistungen erbringen müssen.1173 1173 Vgl. Puppis 2007, 82.
378
Ob damit automatisch eine aktive Teilnahme an der Öffentlichkeit durch Mitmachen aufgrund der Gefahr einer Förderung passiver Konsumentenhaltungen ins Hintertreffen gerate1174 oder „die soziale Dimension der Stadt, das Leben und Lernen im öffentlichen Raum .. um so mehr [verschwindet], je mehr die Stadt auf die neuen Kommunikationsmedien zugeschnitten wird“,1175 verbleibt schließlich eine Frage des weiteren gesellschaftlichen Umgangs mit diesen veränderten Vorzeichen postfordistisch geprägter Stadtentwicklung. Ein immanenter Exklusionsmechanismus in der (materiellen sowie immateriellen) Konfektionierung zentraler öffentlicher Räume auf die Bedürfnisse konsumfähiger Gesellschaftssegmente erscheint zumindest in der Theorie gegeben. Es werden diejenigen zurückgelassen, deren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sind, denn “the most vulnerable participants in place markets are those with the fewest alternatives.“1176 Sie werden zurückgelassen, weil das Herstellen von Öffentlichkeit (im Sinne von Publizität) von den Gesetzen der Aufmerksamkeit sowie von der marktaffinen Vorstrukturierung von Information und Kommunikation durch Wirtschaftsverflechtungen bestimmt wird. Deswegen ‘zahlen’ auch die nicht konsumwilligen oder konsumfähigen Gruppen mit ihrer Aufmerksamkeit, gleich wenn ihre Rezipientenkontakte für die Aufmerksamkeitsmakler1177 und ihre Kommunikationskunden allein nur dann von Wert sind, wenn sich diese Verbraucher – entgegen der rationalen Einschätzung ihrer Situation oder im Widerspruch zu ihren rationalen Überzeugungen – emotional beeinflusst zur Konsumhandlung bewegen lassen. Gleichermaßen wird das Gesamtmaß an möglicher Publizität durch kommunikative Strategien zur wirtschaftlich motivierten Anregung des Konsums bestimmt, wohingegen andere Themen sich mit den Pausen persuasiver Information und Kommunikation zufrieden geben müssen.1178 Hiermit eröffnet sich also die Frage nach ortsgebundenen Aufmerksamkeitskontingenten, über die privatwirtschaftliche Aufmerksamkeitsmakler in Berlin derzeit relativ frei verfügen können. Aufmerksamkeitsbezogene Produktion öffentlicher Räume als postfordistische Akkumulationsstrategie „Postfordistische Schlüsselindustrien entwickeln sich insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (...). Sie ermöglichen einen Schub der Durchkapitalisierung und Kommodifizierung gesellschaftlicher Sektoren, die sich Kapitalverwertungsinteressen bisher entzogen. (...) Kennzeichen dieser Schlüsselindustrien ist, dass sie Rationalisierungsprozesse im Bereich der immateriellen Arbeit ermöglichen, (...). Kennzeichen ist weiter die weitgehende Entmaterialisierung dessen, was den eigentlichen ökonomischen Wert darstellt.” (Kiefer 2004, 171)
Wenn während der mit dem Zitat beschriebenen Transformationsphasen im Übergang zwischen verschiedenen Akkumulationsregimen insbesondere die Beobachtung sich verändernder Marktstrukturen richtungsweisend erscheint (Kap. 1), so darf für den Bereich der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin nicht nur festgehalten werden, dass sich neue Marktstrukturen zunächst eine kleine und infolge zunehmend an Größe gewinnende Nische gesucht haben, sondern dass bei diesem Prozess der ökonomischen Umorganisation – Restrukturierung – auch dezidiert neue Räume der Kapitalakkumulation ins Auge gefasst worden sind. In zentralen öffentlichen Räumen Berlins lässt sich das Amalgam struktureller, institutioneller sowie handlungsbezogener Veränderungen erkennen, das auf eine veränderte mikroökonomische Logik der Kapitalakkumulation hinweist: die Verwebung von nichtmateriellen Aufmerksamkeitsmärkten mit monetären Kapitalmärkten. Weil aber die ökonomische Bewirtschaftung noch zu Zeiten des Fordismus derart stark staatlich 1174 Bahrdt 2006, 23. 1175 Häußermann und Siebel 1987, 226. 1176 Logan and Molotch 2007 (1987), 23. 1177 Siegert 2001a. 1178 Genau letzteres war das Argument der NGBK, ihre Kunstinterventionen am Alexanderplatz zu beenden.
379
reguliert war, wird diese duale Verschränkung ergänzt um einen dritten Legimationsmarkt, auf dem urbane Produkte und Dienstleistungen gehandelt werden. Damit sind nicht allein Produkte und Leistungen im Bereich städtischer Infrastruktur, sondern gleichermaßen symbolische Leistungen im Bereich der Kommunikation und des City Branding gemeint, die die Urbanität von Stadt als gesellschaftliches Konstrukt betreffen. Dabei folgen die Prozesse der materiellen Produktion von Stadt und die ihrer symbolischdiskursiven Produktion zunehmend den Prämissen der Aufmerksamkeitsökonomie. Gerade die seit rund einer Dekade entstandenen akademischen Kontroversen um Aufmerksamkeitsmärkte, Aufmerksamkeitslogiken und schließlich um den Begriff der Aufmerksamkeitsökonomie, die speziell in den Medien- und Kommunikationswissenschaften ohne Raumbezug geführt wird, sind für die Erforschung zentraler öffentlicher Räume unerlässlich. Wenige Stadtforscher jedoch haben sich mit der Auswirkung dieses Phänomens auf Städte befasst.1179 Das Wirken gestaltwirksamer Koalitionen zwischen Marktakteuren und dem Staat in Berlin hat nicht nur veränderte Muster der Verräumlichung produziert, weil öffentliche Räume als nahezu aufmerksamkeitsökonomisch unerschlossene Terrains möglicher Kapitalanreicherung entdeckt worden sind, nein, das Wirken gestaltwirksamer Koalitionen hat auch einen neuen Wertschöpfungsmechanismus in die Produktion von Stadt eingebracht. Wenn aber Märkte, ihre Wege, Kapital zu generieren und zu akkumulieren sowie die Orte, an denen dies geschieht, sich verändern, dann entsteht nicht nur ein neuer Typus von Stadtproduktion, der durch das Paradigma der materiell sowie immateriell intervenierenden Aufmerksamkeitsökonomie an Relevanz gewinnen konnte, sondern dann bedarf es einiger Reaktionszeit auf Seite der staatlichen Akteure und Institutionen, um, erstens, auf diese Veränderungen aufmerksam zu werden, zweitens, ihre inhärente ökonomische Logik zu verstehen sowie, drittens, neue Definitionen und Standards hinsichtlich der Regulierung materieller und immaterieller öffentlicher Güter zu entwickeln. Entwickelt sich also als Tendenz nicht nur eine veränderte Akkumulatiosweise, sondern auch ein an diese neue Logik angepasster Regulationsmodus, dann kann die jüngere Produktion zentraler öffentlicher Räume durch gestaltwirksame Koalitionen, die als Strategie mit aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäften arbeiten, als postfordistische Akkumulationsstrategie verstanden werden. Erste Anzeichen für derartige Reaktionen des Staates sind mit den beschriebenen Prozessen der Institutionalisierung aufmerksamkeitsökonomischer Kompensationsgeschäfte gegeben. Es geht um die räumliche Eingebundenheit des Kapitals, die Herstellung des Bewirtschaftungskontextes für lokalräumlich generiertes Kapital erfolgt aufgrund des HeadquarterregimeCharakters in Berlin ortsbezogen, in anderen Städten durch ortsunabhängige Unternehmen. Dass durch Öffentlichkeit bereitgestellte Aufmerksamkeitskontingente in zentralen öffentlichen Räumen der deutschen Hauptstadt als öffentliches Gut gelten müssen, und dass sich von einer derartigen Definition völlig neuartige Schutzgüter oder Konfliktdimensionen ableiten lassen, liegt auf der Hand, wenn man sich auf normative, demokratietheoretische Perspektiven auf die Produktion von Stadt einlässt. Diese Arbeit hat empirische und theoriezusammenführende Vorarbeit für derartige Studien geleistet, indem Veränderungen konkreter Stadtentwicklungsprozesse in Berlin über knapp 30 Jahre hinweg aufgezeigt, analysiert und interpretiert worden sind. Denn schließlich müssen auch Lehre und Forschung einen Mittelweg zwischen alten Hüten und neuen Moden finden, um als staatliche Institution ihren Beitrag zur wirklichkeitsgerechten Erfassung städtischer Entwicklungsprozesse zu leisten. Dabei stellt die Erforschung der Produktion zentraler öffentlicher Räume einen kleinen Mosaikstein dar, mithilfe dessen es mittlerweile möglich ist, Stadt als Schmelztiegel strukturalistischer, institutioneller sowie handlungsbezogener Dimensionen aufzuzeigen. Ähnlich wie bei anderen Politikfeldern der Stadtforschung bieten sich lokale öffentliche Räume an, insbesondere den in der Grand Theory und in den Theorien mittlerer Reichweite oftmals fehlenden Link zur konkreten Aufdeckung 1179 Eine Ausnahme stellen die Überlegungen von Susanne Hauser (2002) dar.
380
der Veränderung von Wertschöpfungsmechanismen auf der mikroökonomischen Ebene städtischen Territoriums herzustellen. Stadt, Gestalt und Orte verbleiben also weiterhin empirische Eingangsfenster der erkenntnisgenerierenden Erforschung gesellschaftlichen Wandels zu Zeiten postfordistischer Transformationen. Diese mikroökonomische Ebene ist jedoch mehr als allein ein vernachlässigtes Feld der Erforschung von Stadt im Sinne einer Kritischen Politischen Ökonomie, sie ist die Ebene der städtischen Erfahrung und des alltäglichen stadtgesellschaftlichen Zusammenlebens, die Ebene gelebter Räume. Hier besteht dringender Forschungsbedarf, um auf Implikationen, die das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen für kaum bis gar nicht in Prozesse der Stadtproduktion eingebundene zivilgesellschaftliche Akteure und Institutionen hat und haben wird, in ihrer neuen Fülle und Ausdifferenzierung hinzuweisen. Welche Rolle Märkte, und welche Rolle verschiedene Instanzen von Staatlichkeit zukünftig bei der Produktion zentraler Felder gesellschaftlichen Zusammenlebens in der Stadt einnehmen werden, bleibt ungewiss. Nun wird daher eine Einschätzung der gegenwärtigen Situation beider gesellschaftlicher Segmente, die zentraler Gegenstand dieser Untersuchungen sind, vorgenommen. Markt: Gestaltungsmacht, Monopol und Konzentrationen „Der bauliche Zustand der Städte macht nicht den Eindruck, als seien hier so starke, ordnende Hände tätig gewesen wie etwa beim Aufbau der Großunternehmen. Die Industriestädte bleiben dem Qualm und der Kleinlichkeit einer Kommunalpolitik überlassen, die ohne Zweifel durch konstruktive Mitarbeit weitblickender und mächtiger Wirtschaftsleute gewinnen könnte, wenn diese sich kontinuierlich für das Gemeinwohl der Stadt interessierten. (...) In Deutschland (...) stand der Unternehmer von vorneherein zwischen der alten, erstarrten Städteordnung und der relativ modernen, rationalen Ordnung des Staates. Und er hielt sich an letzteren, wenn er ihn auch umzugestalten gedachte.“ (Bahrdt 2006 (1961), 149)
Was ist dieser Überzeugung Bahrdts aus den 1960er Jahren angesichts gegenwärtiger Stadtentwicklungsprozesse in der deutschen Hauptstadt noch abzugewinnen? Welche Rolle spielen Unternehmen, Unternehmer und damit Marktkräfte bei der gegenwärtigen Produktion zentraler öffentlicher Räumen in den Städten, in Berlin? – Folgt man dem neostrukturalistischen Duktus, so könnte die aufmerksamkeitsökonomische Produktion öffentlicher Räume auf der Makroebene als Penetrierung staatlicher Aufgabenbereiche durch marktwirtschaftliche Logik, also als Paradebeispiel der Neoliberalisierung der jüngeren Stadtentwicklungspolitik gedeutet werden, die speziell in Berlin durch die Wall AG Auftrieb gewinnen konnte. Jedoch verweist das empirische Material auf zahlreiche Graustufen einer derartigen Bewertung, die die Denklogik der Neostrukturalisten entkräftigen könnten und daher Kontextualisierung erfordern. Besonders hervor sticht in diesem Zusammenhang die (inszenierte und reale) Rolle Hans Walls als sozialer Entrepreneur, die durch den Firmenethos der ursprünglich süddeutsch sozialisierten Unternehmerfamilie komplementiert wird. Diese interagiert zwar auf einem Spielfeld internationaler Medialisierungen zentraler öffentlicher Räume, hat jedoch im Sinne des Headquarter-Regimes an Berlin und der Region Brandenburg ganz andere Interessen, als ein nicht ortsansässiges Unternehmen. Andererseits wird auch zunehmend darauf verwiesen, dass der Mythos von Familienunternehmen zu Zeiten ökonomischer Globalisierung ins Wanken gerät.1180 Gleichwenn das Unternehmen im Jahr 2008 bereits zu mehr als einem Drittel der börsennotierten französischen Konkurrenz Decaux gehört, dessen Fertigungsorte und -methoden von denen der Wall AG grundlegend zu differieren scheinen, ist die überaus gewichtige Rolle, die die Wall AG als lokales Unternehmen auch für die sozial orientierte Entwicklung der Hauptstadt der Berliner Republik inne hat, nur einer der argumentativen Stolper1180 FAZ-Net Online „Wie sie kaufen, so zerschlagen sie. Die Mär vom guten Familienkonzern” vom 27.07.08. URL: http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~EA3326AC089B249DEB4BF6EDB D6F43670~ATpl~Ecommon~Scontent.html (letzter Zugriff am 09.11.08).
381
steine, die die logische Abwägung des Für und Wider hinsichtlich einer in voller Breite durchschlagenden Entfaltung neoliberaler Praktiken in der Stadtentwicklungspolitik Berlins derzeit erschwert. Obwohl es immer wieder zu Konflikten, Gerichtsstreitigkeiten und langwierigem Dissens zwischen dem Unternehmen und den staatlichen Akteuren in Berlin kommt, erweist sich die Wall AG wiederholt in verschiedenen Handlungsfeldern verhandlungsoffen und lernbereit. Sie bringt ständig den Gebrauchswert erhöhende Innovationen in die Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin ein und stellt viele der Angebote nicht allein für die Mehrheitsgesellschaft, sondern ebenfalls für marginalisierte Gruppen zur Verfügung. Sie verfolgt nicht nur eine Hochpreis-, sondern auch eine Hochlohnpolitik. Andererseits wird die ambivalente Rolle des Unternehmens mit dem Blick auf seine Tauschwertinteressen, auf sein zunehmendes Interesse an politischen Entscheidungen sowie auf seine strategischen Mechanismen der Depolitisierung der Politik der öffentlichen Räume durch Design in Berlin nur allzu deutlich. Hilfreich erscheint an dieser Stelle die von Leborgne und Liepitz getroffene Unterscheidung zwischen defensiven (neoliberalen) und offensiven (neokorporatistischen) Formen der Flexibilität, des „Spielraums städtischer Akkumulationsstrategien“.1181 Aufgrund der genannten Facetten können die Aktivitäten der Wall AG in Berlin vorrangig den offensiven Formen der Flexibilität zugeordnet werden, weil das Unternehmen versucht, einen qualitativ hochwertigen Entwicklungspfad der Restrukturierung zu etablieren, “der verhandelte Kompromisse zwischen Kapital und Arbeit, relativ stabile Lohnverhältnisse, das Erhalten verschiedener Formen sozialer Absicherung und die Anwendung neokorporatistischer Mechanismen sektoraler und territorialer Interessensvermittlung miteinschließt“.1182 Dem entgegen steht die nunmehr realisierte staatliche Hinwendung zu marktvermittelter Versorgung der Bevölkerung mit gestalterisch-funktional aufgewerteten Arrangements öffentlicher Räume. Wie jedoch Heeg und Brenner klarstellen, kommt es in europäischen Städten oftmals zu einer Kombination von offensiven und defensiven Formen. Daher kann für das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen in Berlin festgehalten werden, dass sich hier Facetten von defensiver sowie offensiver Flexibilität bei städtischen Restrukturierungsstrategien abzeichnen. Grundlegendes Kennzeichen der neokorporatistischen Akkumulationsstrategien ist die Tendenz, „das Soziale bei dem Versuch, den städtischen Raum als Produktivkraft zu mobilisieren, zu instrumentalisieren”, wohingegen bei denen der defensiven Flexibilität die Frage des Sozialen der Thematisierung von Stadt als Produktivkraft untergeordnet wird.1183 Beiden Ansätzen ist jedoch gemein, dass Stadtregierungen im Sinne einer unternehmerisch ausgerichteten Stadtpolitik versuchen, stärker marktbezogene Politikformen einzuführen. Postfordistische Transformationen ermöglichen dabei eine Strategie der aktiven Mobilisierung städtischer Produktivkräfte, bei der städtische öffentliche Räume zu einer strategischen Zielscheibe staatlicher sowie marktlicher Interventionen in ihrer wechselseitigen Verstrickung werden. Berlin stellt im Kontext der aufmerksamkeitsökonomischen Kompensationsgeschäfte einen Schlüsselstandort dar. Es kommt zur modellhaften Herausbildung stadtentwicklungspolitischer Eliten als gestaltwirksame Koalitionen. Hinzu kommt neben diesen regulationstheoretischen Einordnungen marktlichen Handelns ein weiterer, äußerst kritisch zu beäugender Aspekt: Denn die Wall AG verfügt aufgrund der für Berlin festgehaltenen Herausbildung des weiten gestaltwirksamen Regimes (Kap. 5) nunmehr als Medienunternehmen über Gestaltungsmacht hinsichtlich der Medieninhalte und
1181 Brenner und Heeg 1999, 107, Bezug nehmend auf Leborgne und Liepitz 1991. 1182 Ibid. 1999, 108. 1183 Ibid 1999, 109.
382
der Logistik von Aufmerksamkeitskontingenten – also einem immateriellen Allmendegut1184 – in öffentlichen Räumen. Dies stellt einen Konflikt dar, denn „wenn in einer Stadt an allen Plakatwänden ein Sujet angeschlagen wird, ist das von öffentlichem Interesse.“1185 Das Unternehmen weiß diese Gestaltungsmacht im Hinblick auf seine eigenen kommunikationspolitischen Motive strategisch einzusetzen und nutzt bewusst die eigenen und weitere Medienkanäle, um ein äußerst positives Unternehmensimage in der Stadtgesellschaft zu verankern (Kap. 4). Mit dem Blick auf die jüngsten Veränderungen der Monopolherausbildung in Berlin und der Konzentrationstendenzen im Bereich der Branche der Stadtraummedien auf globaler sowie auf nationaler und lokaler Ebene gewinnt diese unternehmerische Gestaltungsmacht an Schlagkraft. Es muss auf das der Medienbranche immer wieder zugeschriebene Merkmal des Marktversagens hingewiesen werden1186: Im Mediengeschäft sind Oligopol- und Monopolbildungen aufgrund der einzigartigen Fixkostendegression an der Tagesordnung, denn Monopolisten produzieren in Medienmärkten aufgrund von Größen- und Verbundvorteilen am billigsten. Ein Medienakteur also den Gewinn durch Outputrestriktion, indem er weniger für mehr produziert. Hinzu kommen der Verdrängungswettbewerb und die Zusammenschlüsse im Outof-Home Medienmarkt (Economies of Scale). Kurz: Je größer das Werbeträgernetz ist, desto höher ist die Zahl der erreichten Rezipienten, und desto geringer sind die Stückkosten der Medienproduktion pro Rezipient.1187 Das beschriebene Marktversagen der Medien wird flankiert von verschiedenen Konzentrationstendenzen in der Medienlandschaft, deren Ursachen jedoch nicht allein im Marktversagen begründet liegen:1188 Dem Zusammenschluss von Medienunternehmen in einem Markt im Sinne von Fusionen (horizontal) oder auf vor- oder nachgelagerten Märkten (vertikal) sowie dem Zusammenschluss von Medienunternehmen verschiedener Märkte (multimedial) oder mit Unternehmen außerhalb des Mediensektors (Konglomerat, branchendiagonal). Im Fall des Berliner Unternehmens kann weniger von einer Fusion, denn von einer partiellen Übernahme durch den französischen Konkurrenten JCDecaux gesprochen werden, wohingegen durch die Privatisierung der DSM eine horizontale Konzentration der Wirtschaftsaktivitäten bei der Ströer AG realisiert wurde. Kürzlich hat die Wall AG sich bei Ion-Design eingekauft, was eine vertikale Konzentrationstendenz darstellt, weil das Unternehmen einen Teil der ästhetischen Vorleistungen der stadtraummedialen Produktionskette im Markt übernimmt. Sie kaufte kürzlich ebenfalls ein Unternehmen, welches Autobahn-Außenwerbung betreibt und forcierte in diesem Sinne multimediale Konzentrationen. Schließlich wäre – sofern der geplante Kauf der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur realisiert worden wäre – es ebenfalls nahezu zu branchendiagonalen Konzentrationen gekommen. Letztere erscheinen speziell während der gegenwärtigen postfordistischen Transformationsphase wahrscheinlich, weil so neue postdisziplinäre Märkte entwickelt werden können. Aufgrund der gegebenen Anreize für Medienkonzentrationen – Puppis nennt Fixkostendegression, Anzeigen-Auflagen-Spirale, Einsparung von Transaktionskosten, Verbundvorteile 1184 Puppis (2007, 68ff.) definiert ein Allmendegut als ein Gut, bei dem Konsumrivalität (wegen des begrenzten, nicht teilbaren Kontingents an verfügbaren Aufmerksamkeitspotenzialen) sowie Nicht-Ausschließbarkeit besteht, d.h. Nichtzahler können nicht von der Nutzung des Gutes ausgeschlossen werden, wie etwa bei der Atemluft oder bei Aufmerksamkeit. In Bezug auf Medien als öffentliche Güter hält er fest, dass zwischen Medieninhalten und den Trägern der Inhalte unterschieden werden müsse: Informationen bezeichnet er als partiell öffentliche Güter, wobei für die Einschätzung der Träger vom Distributionskanal und vom Zahlungssystem abhängt. Im Fall aufmerksamkeitsökonomisch erschlossener zentraler öffentlicher Räume trifft die Charakterisierung als öffentliches Gut für beide Aspekte zu. 1185 Degen 1995, 106. 1186 Große Holforth 201, 129. 1187 Puppis 2007. 1188 Vgl. Puppis 2007, 78ff.
383
sowie Risiko-Streuung1189 – und aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit des Versagens von Medienmärkten ist staatliche Regulation hier besonders wichtig, speziell, wenn es um städtische öffentliche Räume in der Verfügungsgewalt des Staates geht, der die Nutzungsrechte an Private weitergibt. Derartige Entwicklungen generieren Probleme wie etwa ökonomische Folgen für die Gesellschaft als Ganzes, da der Wettbewerb nicht funktioniert.1190 Dass diese negativen Folgen in Berlin bereits aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Rahmen des Asset Swaps zwischen der Wall AG und JCDecaux im letzten Jahr eingetreten sind, davon zeugen die seitdem exorbitant erhöhten Preise für beide Standardformate, für die das Unternehmen seitdem in großen Teilen des Stadtgebiets das Monopol hält: Die Listenpreise für beide Formate legten allein innerhalb des letzten Jahres in Berlin um ca. 9,6 Prozentpunkte zu,1191 der Zuwachs im Vorjahr betrug nur rund 2,8 Prozentpunkte (Anlage 16 und 17). Bezogen auf die CLB-Vermarktung, für die in Berlin weiterhin ein Oligopol besteht, ließen sich die Preise nur um 4 Prozentpunkte steigern, nachdem sie im Vorjahr um rund 4,5 Prozentpunkte gefallen waren (Anlage 18). Bezeichnend ist mit dem Blick auf die Summe der Berliner WallInformationsträger hinsichtlich der drei gängigen Standortformate, dass das CLP-Format rund 77 Prozent (1500 Stück) und das CLB-Format rund 14 Prozent (275 Stück) davon ausmacht (Anlage 19). Entsprechend der durch das Unternehmen veröffentlichten Listenpreise ließe sich im Jahr 2008 bei Vollauslastung der drei Standardformate auf öffentlichem Straßenland auf ca. 5760 Quadratmetern Wall-Medienfläche (Anlage 20, ausgenommen Verkehrsmittelwerbung) in öffentlichen Räumen Berlins hypothetisch ein Umsatz von rund 18,8 Mio. Euro erwirtschaften, davon allein rund 10,7 Mio. Euro mit dem CLP-Format (Anlage 21). Zentrale öffentliche Räume in Berlin sind aber nicht allein wegen des Monopols bzw. Oligopols für die Wall AG eine üppig sprudelnde Einnahmequelle, sondern deswegen, weil das Unternehmen das Gros seiner Umsätze auf dem deutschen Stadtraummedienmarkt in Berlin erwirtschaftet (Anlagen 22 bis 24). Damit ist einmal mehr die Bedeutung Berlins als wirtschaftlicher Schlüsselstandort der Herausbildung eines Headquarter-Regimes und die besondere Rolle, die die Wall AG innerhalb dieser heterarchischen Strukturen spielt, begründet.1192 Einseitige Gestaltungsmacht, Marktversagen sowie Konzentrationstendenzen in den Berliner Medienmärkten mit Bezug zum Stadtraum haben nicht allein ökonomische Folgen für die Gesellschaft als Ganzes, sondern es besteht die reale Gefahr, dass ökonomische Vormachtstellung in publizistische und politische Macht umschlägt.1193 Konzentrierte Besitzstrukturen können auf Motive fernab der Profitmaximierung verweisen, etwa auf wachsende politische Gestaltungsmacht.1194 Schließlich haben „Medienstrukturen (...) einen entscheidenden Einfluss darauf, wie Medieninhalte entstehen und welche Medieninhalte entstehen. (...) Eine Vielzahl von Medienorganisationen ist .. noch keine Garantie, .. aber eine Chance für inhaltliche Vielfalt.“1195 Dabei beziehen sich Medienstrukturen auf die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Medienorganisationen und die
1189 Puppis 2007, 80. 1190 Puppis 2007. 1191 Der Preis pro Tag und Werbefläche stieg (a) für das CLP-Format in Berlin in nur einem Jahr von 18,25 Euro (2007) auf 20 Euro (2008), für das (b) CLS-Format von 36,50 Euro (2007) auf 40 Euro (2008). 1192 Ibid. 1999, 112. 1193 Vgl. Puppis 2007, 81. In der Volkswirtschaftslehre wird der Begriff des ‘Marktversagens’ noch stärker differenziert. Bezogen auf staatlich intendierte Versorgungsmonopole wäre Marktversagen erst zum Zeitpunkt des Umschlagens ökonomischer in politische Vormachtstellung gegeben. In den medienbezogenen Kommunikations- und Publizistikwissenschaften wird jedoch generell bei Oligopol- und Monopolbildung mit dem Begriff Marktversagen gearbeitet, eine Perspektive, die auch in dieser Arbeit Verwendung findet. 1194 Vgl. Doyle 2002, 126. 1195 Puppis 2007, 30.
384
Art, wie Medien organisiert sind.1196 Denn ”the social effects of the media will vary as the system of ownership and control varies.”1197
Abbildung 34: Wall-Branding Kampagne „Um in Berlin alle zu erreichen, bedarf es nur einer richtigen Entscheidung. Von der historischen Litfaßsäule bis zum hochmodernen, digitalen Bluespot, vom CLP bis zum Doppeldecker: Wall bietet in Berlin die ganze Bandbreite leistungsstarker Außenwerbung. Wer in Berlin unterwegs ist, kommt an Wall nicht vorbei.“ Diese war im Anschluss an die Berlinale 2008 für ein paar Wochen auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße auf etwa 30 CLP geschaltet. Die Botschaft des Unternehmens ist nicht nur ein Signal an Kommunikationskunden und Rezipienten, sondern kann als Persiflage auf den Verkauf der BVG-Tochter VVR Berek an JCDecaux und somit auf eine Entscheidung des Landes Berlin gegen die Wall AG verstanden werden. Potsdamer Straße, Berlin. Quelle: S. Knierbein.
Diesen Eindruck verstärkt das Unternehmen durch eine Stadtraum-Branding-Kampagne in eigener Sache, die als mediale sequenzierte Persiflage im Anschluss an die Berlinale 2008 die Mittelpromenade am Potsdamer Platz/Potsdamer Straße für mehrere Wochen prägt (Kap. 4). Denn „[u]m in Berlin alle zu erreichen, bedarf es nur einer richtigen Entscheidung“1198, schließlich bestehen aufgrund der (nahezu vervollständigten) Monopolstellung nunmehr keine Alternativen für Kunden, die in zentralen öffentlichen Räumen in Berlin strategisch kommunizieren wollen. Auch für die mobilen Bürger, Bewohner und Besucher gibt es nunmehr kaum noch Alternativen als die durch die Wall AG bereitgestellte Informationen im Stadtraum. Wer also „in Berlin unterwegs ist, kommt an Wall nicht vorbei“ (Abb. 34). Resümierend wird festgehalten, dass sich Parallelen zu den gegenwärtigen Entwicklungen auf dem Berliner Markt der Stadtraum-Medien im Bereich der Transport-, Telekommunikations-, Energie- und Wasserunternehmen finden, wo durch die Überführung ehemals öffentlich wahrgenommener Aufgaben in private Obhut in vielen Fällen ein „kompliziertes Geflecht neuartiger Regulierungsbeziehungen zwischen Behörden und den beaufsichtigten, häufig monopol- oder oligopolistischen Leistungsanbietern“ entsteht.1199 Hinzu kommt, dass derartige Märkte im Fall der ortsbezogenen Kapitalakkumulation durch die Stadtraummedien, als „inherently monopolistic“ bezeichnet werden können,1200 vor allem dann, wenn die Handlungssphären dieser Märkte sich allesamt im Besitz eines einzigen gesellschaftlichen Segmentes, des Staates, seiner Institutionen und seiner Akteure befindet. 1196 Vgl. Puppis 2007, 28. 1197 Lazarsfeld und Merton 1965, 465, zitiert durch Puppis 2007, 27. 1198 Emphase nicht im Original. 1199 Schröter und Wollmann 2005, 69. 1200 Logan and Molotch 2007 (1987), 23ff.
385
Staat: Gralshüter öffentlichen Interesses oder Instanz der Kommodifizierung des Kollektiven? „Der originäre Sinn staatlichen Handelns ist es, einen politischen Willen, der sich an den Grundwerten des demokratischen Gemeinwesens mißt, gegenüber einer Realität durchzusetzen, die diese Wert nicht aus sich selbst produziert. Wenn man dies dem Markt überlassen könnte, bedürfte es keines staatlichen Handelns.“ (Häußermann et. al. 2008, 300)
Mit diesen Worten soll auf ein normatives Verständnis von Staat hingewiesen werden, das dem bisher vertretenen regulationstheoretischen Ansatz gegenüber steht, der Staat als Instanz der gesellschaftlichen Einbettung von Marktinteressen im Sinne einer möglichst lange aufrecht zu erhaltenden Akkumulationsstrategie, und damit als Absicherungsinstanz kapitalistischen Wachstums, versteht. Denn offensichtlich steckt Staatlichkeit – konkret die stadtstaatliche und die städtische Ebene – mit dem Blick auf die gegenwärtige Produktion zentraler öffentlicher Räume im Aufmerksamkeitsparadigma in einem fundamentalen Dilemma: In der äußerst ambivalenten Rolle des Staates bei dieser Wachstumsweise tritt ein maßgeblicher struktureller Widerspruch zwischen derartigen demokratietheoretischen und regulationstheoretischen Auffassungen der Motive von Staatlichkeit zutage. Da der Staat einerseits selbst die hoheitliche Verfügungsgewalt über die aufmerksamkeitsökonomisch inwertzusetzenden Stadträume hat und selbst über Konzessionsabgaben von deren Inwertsetzung profitiert, sind ihm maßgebliche Tauschwertinteressen beizumessen, die politische Haltungen bei Entscheidungen hinsichtlich der Produktion zentraler öffentlicher Räume beeinflussen. Der groteske Charakter des Modells der monopolistisch oder oligopolistischen realisierten Konzessionspraxis in zentralen öffentlichen Räumen ist, dass der Staat aufgrund dieser Entwicklungen, die überdurchschnittliche Umsatzzuwächse generieren, höhere Abgaben von den Unternehmen verlangen kann. Kurz: Der Staat kann als Grundeigentümer und Legitimationsinstanz von dem beschriebenen Marktversagen bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume profitieren. Ebenso kann er – wie zu Zeiten Litfaß’scher Aktivitäten – ein inhaltliches Interesse daran haben, ein Monopol für die Informationsversorgung zu forcieren, um illegalem plakativen Wildwuchs in regulierender Manier ordnungspolitisch entgegenzusteuern und damit den Ökonomisierungsdruck auf zentrale öffentliche Räume zu kanalisieren. Er hat zudem einen Versorgungswunsch, nämlich das Bereitstellen von Informationen in öffentlichen Räumen sowie von Stadtmobiliar. Dieser wird erweitert auf das Erfüllen genereller Versorgungswünsche in weiteren genannten Bereichen. Gleichzeitig zieht er aber wirtschaftspolitischen Nutzen aus der renditeträchtigen Bewirtschaftung zentraler öffentlicher Räume durch die Unternehmen der Stadtraummedien, da er an genau dieser kanalisierten Ökonomisierung sowohl steuernd als auch als Empfänger eines Teils der Gewinne teilnimmt. Mit dem Blick auf die veränderte Entgeltordnung hinsichtlich der Sondernutzungen öffentlichen Straßenlandes ist festzuhalten, dass staatliche Institutionen in Berlin zwar mittlerweile von einer quantitativen Bewirtschaftungslogik durch Legitimationserteilungen zu einer qualitativen Wertstufenklassifizierung übergegangen sind (Tab. 6), jedoch mit 15 Euro bis 19,50 Euro monatlich pro Quadratmeter Werbefläche nur einen Bruchteil dessen erheben, was sich in Berlin de facto privatwirtschaftlich erwirtschaften lässt. Zum Vergleich: Für ein CLPFormat mit rund zwei Quadratmetern Werbefläche führt die Wall AG als Listenpreis täglich 20 Euro an. Damit stehen 39 Euro staatlicher Einnahmen rund 600 Euro privatwirtschaftlicher Umsatz im Monat bei einem CLP-Standort (einseitig) in der Wertstufenklasse I (Abb. 22) gegenüber, das ohne Wechslertechnik funktioniert.1201 Dafür, so wird politisch argumentiert, 1201 Es ist dabei zu beachten, dass die Gewinne staatlicherseits leistungslose Gewinne sind, für die Wall AG stellt der Listenpreis, auf dem die Berechnungen in dieser Arbeit beruhen, hypothetisch (!) den Umsatzerlös dar. Zudem müssen konjunkturelle Schwankungen bedacht werden. Der bilanzielle Unternehmensgewinn nach Steuern liegt damit einerseits wesentlich niedriger als die gegenübergestellten Zahlen, andererseits besteht keine Transparenz hinsichtlich der real erwirtschafteten Umsätze der Out-of-Home Medienunternehmen. Das heißt, dass anzunehmen ist, dass diese in
386
erhält der Staat ästhetisch-funktionale sowie diskursiv-symbolische Aufwertungen zentraler öffentlicher Räume geschenkt. Doch es wurde bereits darauf verwiesen, dass dies eine unverlässliche Rechnung ist, da er diese Leistungen nicht im Mindesten geschenkt bekommt, sondern mit den Aufmerksamkeiten der Publika in zentralen öffentlichen Räumen bezahlt. Schließlich verkaufen die Stadtraum-Medienunternehmen der Wirtschaft Zugangschancen zu den Aufmerksamkeiten des Publikums in zentralen öffentlichen Räumen. Das Publikum, das diese Räume als Sozialräume konstituiert, ist damit nichts anderes als eine Ware, dessen Aufmerksamkeit verkauft wird.1202 Somit kann der Staat in diesem Fall aus der regulationstheoretischen Perspektive als Instanz der – intendierten oder unintendierten – Kommodifizierung des Kollektiven bezeichnet werden. In der beschriebenen Doppelrolle des Staates liegt das derzeitige Dilemma begründet. Sie verweist auf die aus anderen Bereichen bekannte Entwicklung, dass das Marktversagen auf Medien- sowie auf Versorgermärkten durch Staatsversagen im Sinne eines einseitig ausgetragenen Interessenkonflikts bei den regulierenden Instanzen, also dem Staat, flankiert wird. Diese Dualität von Staatsversagen und Marktversagen kennzeichnet die Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin zu Zeiten postfordistischer Transformationen. Aus einer idealtypischen Perspektive heraus, die mit dem Eingangszitat skizziert wurde, werden den Formen der Staatlichkeit auf städtischer Ebene in der Regel ganz andere Motive beigemessen: Staatliche Akteure und Institutionen seien schlechthin die Gralshüter eines konsensual definierten öffentlichen Interesses und schützten in diesem Sinne die Produktion öffentlicher Räume durch Regulierungsmechanismen, denen das Ziel zugeschrieben wird, den allgemeinen Gebrauchswert dieser Räume als Orten gesellschaftlicher Kohäsion aufrecht zu erhalten. Degen konterkariert diese Rolle mit den Worten: „Was .. Unternehmen tun, auf welche Art und Weise sie ihre Produkte auf dem Markte führen und mit welchen Botschaften und Motiven sie (...) die Öffentlichkeit ansprechen, ist scheinbar für die Gralshüter der öffentlichen Meinung nicht von öffentlichem Interesse.”1203 Und auch Puppis merkt an, „dass (...) Partikularinteressen häufig mit einem öffentlichen Interesse kaschiert werden, um die eigennützigen Ziele als vorteilhaft für die Gesellschaft erscheinen zu lassen. Politische Rhetorik muss – auch bei den staatlichen Akteuren – immer kritisch hinterfragt werden.”1204 Und schließlich konstatiert Jessop, dass „Versuche zur Lösung von Konflikten zwischen den Bedürfnissen des Kapitals ‘im allgemeinen’ und bestimmten Kapitalien zur Konstruktion eines ‘imaginären’ Allgemeininteresses notwendigerweise andere Kapitalinteressen [marginalisieren ] (...). Das ‘Allgemeine des besonderen Interesses’ entgrenzt spezifische Interessen und Identitäten gegenüber anderen und begrenzt die räumlichen und zeitlichen Horizonte, innerhalb derer sie auftreten. (...) So privilegiert die Konzeption eines allgemeinen Interesses bestimmte Identitäten, Interessen, raumzeitliche Horizonte und marginalisiert oder sanktioniert andere. Sie strukturiert vor, was für die Sicherung eines institutionalisierten Klassenkompromisses und gesellschaftliche Kohäsion erforderlich ist.”1205 Wie also lässt sich mit diesen Ausblicken auf die ambivalente Definition des allgemeinen öffentlichen Interesses die Rolle des Staates bei der gegenwärtigen Produktion zentraler öffentlicher Räume deuten? Wo zuvor festgehalten wurde, dass sich neostrukturalistischer Pessimismus in der Interpretation dieses neuen Typs der Stadtproduktion in Berlin nicht zwangläufig bewahrheitet, besteht mit dem Blick auf die genannten drastischen Dilemmata derzeit genau so zentralen öffentlichen Räumen der deutschen Hauptstadt durch Kampagnenvermarktung deutlich über den genannten Listenpreisen liegen, zumal durch Wechslertechniken einzelne Standorte gleich mehrfach belegt werden. Die Angaben gelten für das Jahr 2008. 1202 Siehe hierzu die generellen Aussagen ohne Stadtraumbezug von Manuel Puppis (2007, 75ff.). 1203 Degen 1995, 107. 1204 Puppis 2007, 43. 1205 Jessop 2007, 251f.
387
wenig Anlass zu idealtypisch inspiriertem Optimismus im Sinne neoweberianischer Denkansätze. Denn die Folgen des kürzlich erfolgten Umbaus der Landes- und Bezirksverwaltungen in Berlin, speziell ihre neue Sichtweise auf die Definition von Kernaufgaben (Kap. 3) lassen neue Akkorde anklingen, die bisher allein ein äußerst diffuses Bild der zukünftigen Stoßrichtung der Berliner Stadtpolitik erzeugen. Schließlich verlaufen postfordistische Transformationen in der Stadt erst seit knapp drei Dekaden und ein neuer Modus der Produktion von Stadt, speziell von zentralen öffentlichen Räumen, hat sich gerade erst zu verfestigen begonnen. Daher wäre es einerseits zu weit vorausgegriffen, die jüngst erfolgten Deregulierungen seitens des Staates allein als Zeichen einer sich in lokalpolitische Prozesse einfressenden wirtschaftlichen Standortlogik zu bewerten. Andererseits ist mit der hier skizzierten ambivalenten Rolle des Staates bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume aufgezeigt worden, dass dieser derzeit maßgeblich an der Kommodifizierung des Kollektiven beteiligt ist. Es wird schlussendlich eine Frage weiterer empirischer Informierung verbleiben, wie die Berliner Stadtpolitik, speziell auf der Landesebene, sich der neuen Situation langfristig anzunehmen gedenkt. Es kann also – in regulationstheoretischer Manier resümierend – nur von einem Tendenzcharakter der gegenwärtigen Produktion zentraler öffentlicher Räume, nicht aber von politischen, ökonomischen, ästhetischen oder medialen Determinismen ausgegangen werden. Jedoch darf konstatiert werden, dass sich derartige stadtentwicklungspolitische Praktiken des Dritten Weges dadurch auszeichnen, dass der Einsatz von marktwirtschaftlichen Instrumenten den politischen Charakter von Stadtentwicklung trübt, in dem die Transparenz der staatlichen Steuerung diffuser und das Bewusstsein für die Ursächlichkeiten ihrer Auswirkungen ambivalenter werden. Auch sei an dieser Stelle auf Positionen verwiesen, die von verschiedenen historischen Wellen der Liberalisierung sprechen. Diese Art der historischen Interpretation des gegenwärtigen Aggregatzustands des Kapitalismus in den nordwestlichen Demokratien erlangt im Bereich der Stadtmöblierung dann an Bedeutung, wenn man die derzeitige Entwicklung nicht als neue, sondern als erneuerte Praxis versteht, die bereits Vorläufer in dem Litfaß’schen Modell in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte. Deswegen sollte als Bewertungsmaßstab nicht allein der Rückgriff auf die planerischen und stadtpolitischen Traditionen des räumlichen Keynesianismus zu Zeiten des Fordismus gelten,1206 auch wenn dieser in unser aller Gedächtnis noch historisch präsent ist und aus dem heutigen Blickwinkel zu Recht als die wohl demokratischste Etappe öffentlicher Planung interpretiert wird.1207 Verlässliche Aussagen hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung des tendenziellen Charakters gegenwärtiger Governance-Arrangements bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume sind daher derzeit noch nicht möglich. Es wird kritisch zu beobachten sein, wie politische Entscheidungsträger in Berlin mit dem neuen Erkenntnisstand bezüglich der Rolle zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie umzugehen gedenken. Letztlich wird es eine Frage der Reaktionen von Bürgern, Bewohnenr und Besuchern Berlins verbleiben, ob sich Widerstand gegen die systematisch vorangetriebene Kommodifizierung zentraler öffentlicher Räume und die damit verbundene Kommerzialisierung des Öffentlichen in der Stadt durch das Handeln gestaltwirksamer Koalitionen überhaupt entwickeln wird oder sich Gehör zu verschaffen vermag. Damit dies möglich wird muss die politische Debatte hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen zentraler öffentlicher Räume erneut popularisiert, und damit politisiert werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist Transparenz. Ein zweiter Wettbewerb. Ein dritter nicht nur örtlich gewährter Zugang zu öffentlichen Stra-
1206 Vgl. Giersig 2008, 77: Mit Spatial Keynesianism bezeichnet Brenner die Verräumlichung des Keynesianismus, die von einem Top-Down gerichteten Steuerungsansatz der Nationalstaaten sowie durch dementsprechenden bürokratisch organisierte undplanungsfixierte stadtpolitische Agenden im Sinne eines Urban Managerialism geprägt war. 1207 So befand Eric Swyngedouw während des Annual Meeting of American Geographers in Boston im April 2008.
388
ßen und Plätzen, sondern politisch forcierter Zugang zu den diskursiven, symbolischen und materiellen Prozessen ihrer Produktion. Mit der Wahl einer regulationstheoretischen Deutung der Geschehnisse soll jedoch von einer Idealisierung der demokratischen Rolle des Staates bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume abgesehen werden. Vielmehr zeigt sich hier, wie auch in Zeiten der Litfaß’schen Markterfolge, dass die Berliner Stadtentwicklungspolitik erneut von einer Verflechtung staatlicher und wirtschaftlicher Interessen geprägt ist. Ein Prozess, der der breiten Menge der bürgerschaftlichen Akteure und Akteursgruppen nicht bekannt oder bewusst ist, obwohl er in der städtischen Sphäre gesellschaftlicher Begegnungen, also in einem, wenn nicht dem zentralen städtischen Lebensumfeld stattfindet. Unangezweifelt bleibt, dass zunächst Wissensdefizite hinsichtlich dieses neuen Phänomens der Stadtproduktion aus dem Weg geräumt werden mussten. Denn im politischen Spiel um das interessengeleitete Aushandeln von Ressourcen der Stadtentwicklung dienen Wissensasymmetrien dem Markt sowie dem Staat als strategischer Vorteil, um neue Akkumulations- und Regulationsstrategien zu generieren und zu etablieren. Die Mehrheitsgesellschaft kann jedoch Einfluss auf diese Prozesse nehmen, sofern sie über Wissen – verstanden hier als strategische Ressource – verfügt, wenngleich es ihr an anderen ihre schwache Durchsetzungsfähigkeit möglicherweise stärkenden Ressourcen fehlt. Über eine Bewusstmachung dieser Prozesse zwischen Markt und Staat hinsichtlich der Produktion öffentlicher Räume ist daher ein erster, Schritt in Richtung Transparenz getan. Ob Bürger, Bewohner und Besucher auf die neuen Herausforderungen, die die veränderte Produktion von Stadt gerade an sie als Produzenten von Aufmerksamkeit stellt, aktiv reagieren werden, wird sich letztendlich in ihren kulturellen und medialen Konsummustern, in ihren ästhetischen Präferenzen sowie in ihren politischen Wahlentscheidungen manifestieren.
389
Konklusion
Deskriptive Eingangsperspektiven Im Fokus dieser Arbeit stand die Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin im Zuge postfordistischer Transformationen. Dabei war die Frage erkenntnisleitend, wie sich speziell die gestaltwirksame Produktion zentraler öffentlicher Räume durch Veränderungen der institutionellen Rollen des Staates und der Märkte im Übergang von der fordistisch zur postfordistischen Stadtproduktion ausprägt. Die Prozesse der Raumproduktion wurden mittels eines relationalen Raumverständnisses untersucht. Ein eigens erarbeiteter Analyseansatz kombinierte raumbezogene Positionen zu öffentlichen Räumen mit Ansätzen aus der sozialwissenschaftlichen Urban Governance Forschung, und verortete diese Verknüpfung als Analysegerüst innerhalb eines regulationstheoretischen Ansatzes der Stadtproduktion. Dabei ging es weniger um projizierte öffentliche Räume im Sinne der Planung oder um ein normatives Verständnis von öffentlichen Räumen im Sinne soziophilosophischer Positionen. Ziel war es vielmehr, die konkrete Entwicklung von Räumen gesellschaftlicher Zentralität, die nachfolgend als zentrale öffentliche Räume bezeichnet wurden, mittels eines deskriptiven Forschungsansatzes ex-post nach zu zeichnen. Analysen, Bewertungen und Interpretationen folgten. Vorab galt es, den forschenden Blick innerhalb des schier unübersichtlichen Akteurs- und damit Beziehungsgeflechts der Produktion öffentlicher Räume in der deutschen Hauptstadt aus Gründen der Forschungsökonomie auf eine ganz bestimmte Akteurskonstellation zu richten: gestaltwirksam handelnde Koalitionen zwischen der Out-of-Home Medienbranche, dem Land Berlin und den Berliner Bezirken. In einer nachgeordneten, fallstudienbezogenen Forschungsfrage ging es daher darum, welche Bedeutung diese Koalition bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume in Berlin inne hat, die dezidiert gestaltorientiert und systematisch in den bezeichneten städtischen Räumen interveniert. Auf eine veränderte Bedeutung wirtschaftlichen Handelns in öffentlichen Räumen verwies gleichermaßen die Steigerung der Umsatzerlöse, die stadtmöblierende Out-of-Home Medienunternehmen seit Beginn der Krise des Fordismus in zentralen öffentlichen Räumen hatten erzielen können. Daher wurde die Forschungsfrage ein zweites Mal verfeinert, in dem innerhalb der gestaltwirksamen Koalition der wirtschaftlichen Raumaneignungsstrategie der Marktakteure besonderes Gewicht beigemessen wurde. Mit dem Blick auf die Wirtschaftsentwicklung in Berlin seit der Wiedervereinigung wurde im bundesdeutschen Vergleich auch deutlich, dass es zu starken Einbrüchen im Baugewerbe und zu einer überdurchschnittlichen Zunahme öffentlicher und privater Dienstleistungen gekommen war. Gebaut und gestaltet wurde hingegen weiterhin in der Hauptstadt, jedoch scheinbar weniger von den klassischen Baubranchen, als vielmehr von Dienstleistern aus eher artfremden Bereichen, wie etwa der Berliner Wall AG. Diese Feststellung war ausschlaggebend, die raumbezogene Aneignungsstrategie eines Dienstleistungsunternehmens in postfordistischen Zeiten unter dem Brennglas zu betrachten.
391
Die postfordistisch geprägte Produktion zentraler öffentlicher Räume Mittels werbefinanzierter Kompensationsgeschäfte im Bereich der Stadtmöblierung bahnte sich aufgrund von Impulsen der gegen Anfang der 1980er Jahre noch Außenwerbung betreibenden Wirtschaftsakteure ein Tauschmodell den Weg in die Berliner Stadtproduktion, das zunächst im operativen Tagesgeschäft der Ausstattung städtischer Räume mit Wartehallen, Bedürfnisanstalten und Kiosken Wirkungsmacht entfaltete. Zumeist ging der Übergang von vormals öffentlich bereitgestellten Dienstleistungen auf diese privatwirtschaftlichen Akteure mit einer Privatisierung landeseigener Tochtergesellschaften oder mit der Abschlagung ihrer Geschäftsbereiche einher. Zu Beginn traf es die BSR und im weiteren Verlauf die BVGAußenwerbetochter VVR Berek. Entschlüsse bezüglich der systematischen Ausstattung der baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume mit Werbeträgern in Toiletten-, Kioskoder Wartehallenform fielen also im Zuge wirtschaftspolitischer Restrukturierungsentscheidungen auf Landesebene. Nur in Einzelfällen wurden dezidiert gestaltorientierte Verfahren, wie etwa ein Wettbewerb zur Stadtmöblierung, durchgeführt. Auf beiden genannten sowie auf zusätzlichen Wegen verschaffte sich insbesondere die Berliner Wall AG staatlich legitimierten Zugriff auf zentrale öffentliche Räume als Standort für Informationsträgerinstallationen, indem sie Koalitionen mit verschiedenen öffentlichen Akteuren einging, die den Einsatz von gestaltetem Stadtmobiliar im Stadtraum verhießen. Dies geschah unter den Vorzeichen institutioneller Restrukturierung auf beiden Seiten der Koalition, denn sowohl staatliche Institutionen als auch Märkte sahen sich seit Beginn mit internen sowie externen Transformationen konfrontiert: In Berlin trafen verschiedene Transformationsmomente für staatliche Akteure und Institutionen aufeinander: Die der deutschen sowie der städtischen Wiedervereinigung, die des Umbruchs von einer geteilten und fragmentarischen deutschen zu einer gespaltenen gesamtdeutschen Hauptstadt sowie die von einer geförderten zu einer geforderten Stadt, die lernen musste, sich den gegebenen Herausforderungen mit reduzierten nationalstaatlichen Zuwendungen zu stellen. Zusätzliche Transformationsmomente bescherten Europäisierung und Globalisierung, die in weiterer Folge grundlegende Rahmenbedingungen für die Stadt Berlin veränderten. Berlin musste sich nun verstärkt europaweit und international nicht nur als Metropole, sondern auch als erneuerte Hauptstadt der Berliner Republik behaupten. In der Innenperspektive hatte man gegen Schrumpfungstendenzen und später Bevölkerungsstagnation sowie gegen die zunehmende Verarmung von Teilen der Gesellschaft anzukämpfen. Auch für die Märkte, speziell für den Außenwerbemarkt, standen die Weichen auf Wandel: Denn mit zunehmender Professionalisierung des Geschäftsgebahrens der Werbelogistiker im Stadtraum ergab sich für diese die Chance, Anschluss an die sich im Umbruch befindende postfordistische Medienlandschaft zu finden. Seit den 1990er Jahren veränderten sich nicht nur die Angebote, mit denen über Kompensationsmechanismen Medien auf öffentlichem Straßenland errichtet werden konnten, sondern technisch-soziale Innovationen begünstigten auch die Herausbildung eines postfordistisch geprägten Marktes der Stadtraum-Medien, der nun begann, fundiertes Wissen hinsichtlich kaufkräftiger und konsumfreudiger Rezipienten im Stadtraum zu generieren. Damit war der Anstoß für eine Integration der Außenwerbebranche in die Medienlandschaft gegeben, wenngleich das gelieferte inhaltliche Programm zur Untermalung – ein designtes Stadtmöbelstück, ein restaurierter Brunnen oder eine von einem Unterhaltungsversprechen flankierte Hundekotbeseitigungsanlage – sich zunächst vorrangig auf die sinnesansprechende Ausgestaltung baulicher Arrangements zentraler öffentlicher Räume bezog.
392
Auf Staatsseite zeichneten sich derweil zwei generelle Entwicklungen mit gegenläufigem Charakter ab: Das Versagen der bekannten Instrumente formeller wie informeller Planung sowie an Schlagkraft gewinnende politische Entscheidungen im Berliner Stadtstaat: Einem verunglückten Rahmenplan Werbeanlagen, einem unveröffentlichtem Handbuch Stadtmobiliar sowie einem verschollenen Stadtentwicklungsplan Öffentlicher Raum standen in der Zeit nach der Jahrtausendwende maßgebliche Deregulierungen des Berliner Straßen- und Baurechts entgegen, die ihrerseits Auswirkungen auf die Wettbewerbslandschaft in der Out-of-Home Branche entfalteten. Werbegebundene Kompensationspraktiken ‘im Sinne des Gemeinwohls’ wurden infolge legislativer Machtausübung seit 2005/2006 nicht mehr rigoros abgewehrt, sondern – ganz im Gegenteil – explizit und gesetzlich verankert begrüßt. Merkmale einer wirtschaftlichen Aneignungsstrategie Im Verlauf von zweieinhalb Jahrzehnten nahm die Aneignungsstrategie der werbeorientierten Wirtschaftsakteure ganz unterschiedliche Ausprägungen an: Zunehmend charakterisierten eine Premiumpolitik an Premiumstandorten, dreifach relevante Lebenszyklusmodelle, ambivalente Risiko-Transfers sowie Mischkalkulationen, die Paketangebote mit Filetstückstrategien verknüpften, derartige Kompensationsgeschäfte. Diese Ausdifferenzierung wurde flankiert vom Dilemma der Dualität aggressiver und attraktiver unternehmerischer Angebotspolitik. Die stadtraumorientierte unternehmerische Kommunikationspolitik verwies gleichermaßen auf veränderte Möglichkeiten des Einsatzes einer neuen strategischen Ressource in Berlin: zentraler öffentlicher Räume. Unter Einbezug von Stadtmöbelstücken als Werbeträgern mit zumeist direktem örtlichen Kompensationsbezug vermochten es die Out-of-Home Medienunternehmen, die werbefinanzierte Kompensationspraxis schließlich zu genuin an Aufmerksamkeit orientierten Kompensationsgeschäften zu erweitern, die – einmal losgelöst vom ortsverhafteten Kompensationsbezug – in Bereichen der Stadtsanierung, der Stadtunterhaltung und schließlich der Stadtkommunikation Fuß fassten. Innovationen und Design spielten für den Erfolg des räumlichen Emanzipations- und Explorationszugs derartiger Kompensationsgeschäfte eine entscheidende Rolle. Somit hatte sich aus einer ständig als Ausnahmetatbestand perpetuierten Koalition, die an der gesellschaftlichen Raumproduktion ursprünglich nur hinsichtlich eines Teilbereiches – gestaltetes Stadtmobiliar – federführend beteiligt gewesen war, ein weites Bündel aus verschiedenen koalitionären Arrangements entwickelt, die in immer neue Bereiche der Stadtproduktion vordrangen: Denkmalrestaurationen. Weihnachtsbeleuchtungen. Grünflächenpflege. Fahrradleihsysteme. Brunnensponsoring. Mit dem Wandel des räumlichen Bezugs der Kompensation und demnach der unternehmerischen Stadtraumstrategien kristallisierte sich heraus, dass zentrale öffentliche Räume per se als Kompensationssphären für gestaltwirksame Interventionen, die ganz andere städtische Bereiche bis hin in die Peripherie betrafen, Bedeutung erlangt hatten. Als Verweis auf sich verändernde Raumlogiken kapitalgenerierender Akteure gedeutet, stellte sich die Frage nach dem Standortbezug der beteiligten Wirtschaftsakteure. Die Berliner Wall AG und ihre Mitstreiter agierten seit Anfang der 1990er Jahre auf verschiedenen territorialen Ebenen gleichzeitig, und stellten von diesen immer Stadtbezüge, speziell strategische Bezüge zu zentralen öffentlichen Räumen her. Sie verkehrten geschäftlich mit verschieden Kommunen, Städten und Stadtstaaten in Deutschland und Europa und über Europa hinaus, und vermochten es, regulierende Ebenen seitens des Nationalstaates für ihre rechtliche Interessenvertretung zu aktivieren. Es interessierten sie die ganz lokalen Potenziale eines Stadtplat393
zes oder einer Flughafenwartehalle, es interessierte sie hingegen auch der systematische Zugriff auf ganze Netze öffentlicher Räume, die Publizität versprachen. Innerhalb weniger Jahre bündelten sie Informationsträgernetze stadtweit in verschiedenen Metropolen, und verflochten diese zu einem interurbanen Medienmarkt. Demnach war die kommunikationsstrategische Dimension zentraler öffentlicher Räume im Verlauf eintretender postfordistischer Transformationen erneut in das Interesse der Informations- und Kommunikationsmärkte gerückt. Ein Phänomen, das sich mit dem Blick auf ähnliche Praktiken des Ernst Litfaß während des 19. Jahrhunderts in Berlin nicht als gänzlich neu erwies. Und doch hatte dieses Phänomen einen anderen Charakter als sein Vorläufermodell, denn auffällig erschienen die bereits in Europa, Deutschland und Berlin feststellbaren Konzentrations- und Konsolidierungstendenzen auf dem Markt der Out-of-Home Medien. Diese Transformationen bestimmten marktseitig das Verhalten der in Berlin agierenden Stadtmöblierer, die sich einen angestrengten Wettbewerb um die Vormachtstellung in der deutschen Hauptstadt lieferten. Die Wall AG hatte sich in den Jahren zuvor bereits einen Positionierungsvorsprung in der Spreemetropole erarbeitet, der jedoch durch die Privatisierung der VVR Berek und daraufhin durch den Eintritt des französischen Konkurrenten in den Berliner Markt sowie durch die wettbewerbsbegünstigenden Deregulierungen des Berliner Straßen- und Baurechts in den Jahren 2005 bis 2007 in Frage gestellt wurde. Weil intrinsische Verstrickungen dieser von wenigen unternehmerischen Protagonisten dominierten Branche sowie der auf internationalen Märkten agierenden Medienlandschaft immanent sind, wendete sich das Blatt jedoch ein Jahr später grundlegend: Seit März des Jahres 2007 positionierte sich ein QuasiMonopolist für die Informationsbewirtschaftung in zentralen öffentlichen Räumen in der Hauptstadt: Die in Berlin ansässige Wall AG, an der weder werbewillige Kunden, noch die Passanten im Stadtraum unaufmerksam vorbei gelangen würden. Das Streben nach Aufmerksamkeit war im Zuge der 1990er Jahre per se in den Fokus des zunehmend strategischer werdenden Handelns gestaltwirksamer Koalitionen gerückt. Aus dem anfänglichen Governance-Arrangement mit instrumentellem Charakter hatte sich unter Einfluss der genannten Transformationen ein Stadterneuerungsregime herausgebildet, dessen Ziel es nunmehr war, sowohl den baulichen als auch den diskursiven Gegenstand des koalitionären Handelns – zentrale öffentliche Räume innerhalb der Stadt – materiell und immateriell zu gestalten. Dabei diente die Stadt der Wall AG als Kommunikationsraum ihrer unternehmerischen Selbstbeschreibung im strategischen Imagewettbewerb, als Schmuckschatulle ihrer produkt- und serviceorientierten Angebotspolitik im operativen Absatzwettbewerb sowie als Experimentierfeld für neue institutionelle Kooperationen mit öffentlichen Akteuren im Hinblick auf zukünftige Felder der Kapitalakkumulation in vormals staatlich protegierten Stadträumen. Das Land Berlin und seine Bezirke hingegen nutzten ihrerseits das vertraute Koalitionsarrangement für die Realisierung von image- und brandingorientierten Kommunikationsstrategien, bei der ihnen neben der Wall AG als Prinzipal auch andere Out-of Home Medienunternehmen als kreative Komplizen zur Seite standen. Staatliche Akteure profitierten vom kommunikationsstrategischen Know-How der Privatwirtschaft in einem Bereich, in dem sie selbst nur geringe Erfahrungen hatten sammeln können. Die Out-of-Home Medienunternehmen unterstützten die jüngeren Ambitionen der lernenden Image-Regisseure in Politik und Verwaltung, und sicherten darüber hinaus die mediale Übertragung über ihre eigenen supralokalen Informationsträgernetze ab. So trugen sie zur zunehmend strategischen Realisierung einer berlinbezogenen Politik der Aufmerksamkeit bei. Doch nicht allein die Berliner Hauptverwaltung hatte das Instrument des Markenbrandings und die medialen Möglichkeiten, die zentrale öffentliche Räume für die Anwendung dieses Instruments boten, für sich entdeckt. Zentrale 394
öffentliche Räume waren auch in den Fokus anderer bundesrepublikanischer Akteure sowie internationaler Politikprotagonisten gerückt. Davon zeugte im Jahr 2008 das erstmalig wieder auf dem Platz der Republik stattfindende Soldatengelöbnis ebenso wie der Wahlkampfbesuch des damaligen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. In den Jahren seit Mitte der 1990er Jahre, in denen grundlegende rahmengebende Umwälzungen in der Gesellschaft sowie in Berlin der wirtschaftlichen Aneignungsstrategie zum Durchbruch verhalfen, unterzog sich diese selbst einer maßgeblichen Transformation: Das Spektrum klassischer Konzessionsverträge im Bereich der Dienstleistungskonzessionen wurde erweitert um Stadtentwicklungssponsorings und weitere kommunikationsstrategische Interventionen, die als privatwirtschaftlich erbrachte kommunikative Leistungen durch die Bereitstellung von Informationsträgerstandorten in öffentlichen Räumen seitens des Staates kompensiert wurden. Klassische Bereiche der institutionellen Kommunikation wie etwa das Spendenwesen und das Sponsoring wurden erweitert und überlagert durch neue kommunikationsstrategische Programmatiken, z. B. Corporate Social Responsibility. Diese Ausdiffernzierungen veranlassten Wirtschaftsunternehmen dazu, mittels Interventionen in Prozesse der Stadtproduktion Sympathie und Akzeptanz bei ihren relevanten Stakeholdern zu generieren. Schlichtweg überfordert von der neuen Vielfalt kommunikationsstrategischer Mechanismen zeigten sich öffentliche Akteure der Verwaltung des Stadtstaats unsicher in der normativen Handhabung dieser neuen in ihrer Natur zunächst immateriellen Felder der Stadtproduktion. Hinzu kam, dass für viele dieser Bereiche kein gültiger Rechtsrahmen bestand, so bahnte sich insbesondere das Sponsoring als neue Beschaffungsvariante seinen Weg in Bereiche, die vormals durch rechtlich institutionalisierte Konzessionierungen versorgt worden waren. Im Zuge dieser Fokusverlagerung von materiellen auf immaterielle Raumdimensionen experimentierten Out-of-Home Medienunternehmen am eigenen Leibe, denn einerseits sahen sie sich beharrlichen gesellschaftlichen Ressentiments gegen die durch ihre vorherige Geschäftspraxis ausgelöste Verunstaltung und Kommerzialisierung des Stadtraums ausgesetzt, die es zu minimieren galt, andererseits stellten sie sich selbst als Pioniere strategischer Unternehmenskommunikation in die vermarktungsfördernde Vitrine Stadtraum ein. Gänzlich neue Instrumente, Strategien und Programmatiken prägten die Unternehmenspolitik hinsichtlich der Produktion zentraler öffentlicher Räume: Einerseits zielte die Out-of-Home Medienbranche nun in verstärktem Maße darauf ab, die gesellschaftliche Legitimation für einen nahezu ausschließlich in öffentlichen Räumen Gewinn erwirtschaftenden Markt ständig zu erneuern. Andererseits galten eben diese Strategien als anschauliches Beispiel für mögliche Vermarktungsformate kommunikationsstrategischer Dienstleistungen, die an Werbe- und weitere Kommunikationskunden adressiert waren. Nachdem sich also zunächst Marktakteure der strategischen Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen zugewendet hatten, entdeckten auch staatliche Akteure auf verschiedenen Ebenen diese als Instrument von Imagepolitik im städtischen Positionierungswettbewerb. Imagebezogenes Stadtmarketing entwickelte sich gegen Ende der 1990er Jahre zum City Branding, wohingegen Imagepolitik zunehmend zu einer multimedial und multiple Kanäle verwendenden Politik der Aufmerksamkeit stilisiert wurde. Ebenso wie die Unternehmen der Außenwerbung im Begriff waren, sich in unternehmerische Medienmarken zu verwandeln, versuchte nun auch die Stadt Berlin mittels Markenpositionierung Sympathiewerte für die eigene Sache zu generieren. Dabei ging es neben den Kommunikationsambitionen politischer sowie wirtschaftlicher Protagonisten immer auch um übergeordnete institutionelle Kommunikationsabsichten auf Markt- sowie auf Staatsseite.
395
Gleichermaßen veränderte sich das kommunikative Verhalten der gewünschten Adressatengruppen im Stadtraum, der aufmerksamkeitsspendenden Rezipienten, zunehmend. Der Einzug von E-Terminals – ihres Zeichens materialisierte Zugangspunkte zu den virtuellen Welten des Internet – flankierte die Etablierung des Mobiltelefons, das nunmehr eine zentrale Rolle für interaktives Beziehungsmarketing in zentralen öffentlichen Räumen einnahm. Dieses wurde von einer wachsenden wechselseitigen Durchdringung materieller und virtueller Welten begünstigt. Aufgrund des mittlerweile in den Taschen der Flaneure seriell vorhandenen HandyMikrochips ergaben sich gänzlich neue Möglichkeiten strategischer Verbraucheransprache im Stadtraum. Informationsträger waren zwar weiterhin durch die traditionelle Werbewirtschaft beansprucht worden, zunehmend gesellten sich jedoch auch andere gesellschaftliche Gruppen, wie etwa Think Tanks oder NGOs in die Liste der Kunden, die sich für strategische Kommunikation in zentralen öffentlichen Räumen systematisch zu interessieren begannen. Es wird deutlich, dass sich nicht nur die Motive der Akteure und Institutionen, die an gestaltwirksamen Koalitionen mitwirken, aufgrund des wechselseitig bedingten Lernprozesses innerhalb der Koalition verändern, sondern dass die soziale Umwelt und damit die genuinen Bewegmotive, die diese Akteure überhaupt veranlasst haben, Koalitionen gemeinsam zu formen, sich in einer Phase beschleunigten Wandels befinden. Während sich staatliche Akteure im Stadtstaat Berlin der Aufbereitung der Imagedimensionen von Stadt zuwenden, müssen sich Akteure und Institutionen aus dem Bereich der Out-of-Home Medien gänzlich neuen gesellschaftlichen Ansprüchen an ihre Tätigkeit stellen, da Kommunikationsprozesse und damit auch die Verbreitung von Informationen über Kommunikationsmittel in der Informationsgesellschaft per se eine neue strategische Rolle für alle gesellschaftlichen Sphären erlangt haben. Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie Was aber begründete diese starke Hinwendung zu den kommunikationsstrategischen Potenzialen, die zentrale öffentliche Räume boten? Welches war das Ausgangsmotiv der Raumaneignungsstrategie des Wirtschaftsakteurs Wall AG, das später von staatlichen Akteuren und Institutionen im Stadtstaat für ihre eigenen Zwecke akzeptiert und angepasst wurde? Mit stärkerer Hinwendung postfordistisch geprägter Märkte zum Image- und Reputationswettbewerb gewann strategische Kommunikation tendenziell an Bedeutung für die aufmerksamkeitsökonomische Wertschöpfung in zentralen öffentlichen Räumen. Gestaltwirksame Koalitionen dienten demnach als Handlungszusammenhang dieser raumbezogenen Wertschöpfung, und damit der ökonomischen Restrukturierung öffentlicher Räume. Wenn das Kapital sich neue Sphären der Akkumulation sucht, geht das immer mit institutionellen, und im Fall der gestaltwirksamen Koalitionen ebenfalls mit ästhetischen Veränderungen einher. Denn die Gestaltwirksamkeit übernahm eine maßgebliche Rolle auf dem Legitimationsmarkt, auf dem Out-of-Home Medienunternehmen strategisch um Sympathien und Akzeptanz bei Städten und Kommunen, und operativ um neue Aufträge werben mussten. Ästhetik und Innovation waren neben der immer wieder ins Feld geführten Finanzkrise des Fiskus Argumente, mit denen die Stadtmöblierer ihren Explorationsgang in zentrale öffentliche Räume initiieren, verfestigen und schließlich mittels einer rechtlichen Institutionalisierung verstetigen konnten. Dabei lassen sich Parallelen zu einem ebenfalls ästhetisch beauftragten stadtentwicklungspolitischen Diskurswechsel aufzeigen, der mit Einführung des Planwerks Innenstadt auf die Agenda des Berliner Stadtstaats geriet.
396
Mit dem Blick auf stadtpolitische Debatten in anderen Städten kann postuliert werden, dass die Gestaltwirksamkeit unternehmerischen Handelns als strategisches Instrument auf eben diesen stadtpolitischen Legitimationsmärkten fungiert, um stadtpolitische Debatten dahingehend zu depolitisieren, dass eine an sozialem Ausgleich orientierte, etatistisch geprägte Politik, mittels der der Gebrauchswert dieser Räume durch verschiedene staatliche Regulierungen in starkem Maße protegiert worden war, nun in zunehmendem Maße einer asset-orientierten Politik wich, mittels derer staatliche Institutionen neue Ambitionen an der Teilhabe des gesteigerten Tauschwertes zentraler öffentlicher Räume entwickelten. Diese war ihnen durch die Unternehmen der Branche der Stadtraummedien wiederholt in Aussicht gestellt worden. Ästhetische Restrukturierung war demnach zwingende Voraussetzung für den Explorationsgang der Outof-Home Medienunternehmen in zentralen öffentlichen Räumen, über die der Staat hoheitlich waltete, jedoch war sie nicht die Grundmotivation der Restrukturierung. Diese lag vielmehr in den vielfältigen kommunikativen Potenzialen, die städtische öffentliche Räume in Zeiten postfordistischer Umbrüche offerieren: Heute fungieren sie als Massenmedium, Ort der Face-to-Face Kommunikation sowie als lokalisierbare Sphäre der virtuellen Ansprache zu gleich. Sie integrieren Telekommunikationsmittel wie Mobiltelefone und das Internet. Sie stellen gleichermaßen kulturelle und symbolische Werte dar, mit der sich bereits bestehende Aufmerksamkeitswerte potenzieren lassen. In ihnen passieren, flanieren und erholen sich im Zuge der Extrovertierung der Lebensstile Bürger, Bewohner und Touristen täglich und in hohen Frequenzen. Sie sind Rezipienten, und ihre Aufmerksamkeit wird gegen Stadtmöbelstücke, Brunnenrestaurierungen und Hundekotbeseitigungsanlagen eingetauscht. Viele von ihnen sind konsum- und kauforientiert, und zunehmend informationshungrig. Sie haben ein Orientierungsbedürfnis in einem zunehmend mit Informationen geschwängerten Stadtraum, das sie als Adressaten ans Ende der Prozesse strategischer Kommunikation in der Aufmerksamkeitsökonomie stellt. Öffentliche Räume sind im Übergang zum Postfordismus zu Sphären der Kapitalakkumulation geworden, ein Prozess, der immer auch mit institutionellen Transformationen einher geht. Das bedeutet, dass öffentliche Räume in Berlin im ontologischen Sinne als Institution fungieren, in der Staats- und Marktumbau als Anpassungserscheinung an neue ökonomische Rationalitäten betrieben wird. Die Herausbildung und Etablierung gestaltwirksamer Koalitionen verweist auf den Institutionalisierungsprozess aufmerksamkeitsökonomischer Wertschöpfung. Out-of-Home Medienunternehmen, die mittels der Genese aufmerksamkeitsökonomisch relevanter Kaufkraft-, Konsum- und Frequenzdaten medienökonomische Relevanz erlangen konnten, fungieren im Zuge dieser Institutionalisierung als Transformationsinstanz zwischen den traditionellen bodenbezogenen Kapitalmärkten des Fordismus und den innovativen, an immateriellen Werten orientierten Aufmerksamkeitsmärkten des Postfordismus. Wie aber ist das Zusammenspiel von Staat und Markt bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume letztendlich gegenwärtig zu bewerten, wenn sie zentrale öffentliche Räume nicht allein ästhetisch und ökonomisch, sondern gleichsam auch medial restrukturieren? Welche Konsequenzen könnte das nunmehr etablierte Quasi-Monopol der Wall AG nach sich ziehen, eines Unternehmen, das gleichzeitig zu einem der bedeutendsten privatwirtschaftlichen Dienstleister mit vielfältigen Interessen an Prozessen der Stadtproduktion in Berlin avanciert ist? Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint eine Debatte im Sinne neoweberianischer und neostrukturalistischer Deutungsansätze (noch) nicht ausreichend erkenntnisfördernd, um den stadtpolitischen Charakter des Phänomens eindeutig zu bestimmen, zur früh noch ist der Prozess der Restrukturierung und zu gering ist das Bewusstsein und die Reaktionsfähigkeit bei staatlichen Akteuren und in der Stadtgesellschaft. Gleichzeitig weist gerade die Wall AG, deren Interven397
tionen aufgrund ihrer Dominanz für das Berliner Beispiel im Fokus dieser Arbeit standen, multiple Facetten als gesellschaftliche Akteurin in Berlin auf, die sowohl mit einer ausgefeilten unternehmensstrategischen Hinwendung zum Aufmerksamkeitswettbewerb, als auch mit dem gesellschaftspolitischen Interesse einer mit dem Preis für soziale Marktwirtschaft ausgezeichneten badischen Unternehmerfamilie erklären werden kann, deren Steckenpferd es ist, eine neue hauptstädtische Mäzenatenkultur zu etablieren. Diese Arbeit hat dazu beigetragen, derartige Graustufen und Ambivalenzen, die sowohl Risiken aufzeigen als auch Möglichkeitsräume eröffnen und die die postfordistisch geprägte Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie eindeutig bestimmen, differenzierter bewerten zu können. Denn im gegenwärtigen Moment zeichnet sich Marktversagen im Sinne der Monopolisierung der Besitzverhältnisse von Informationsträgern in öffentlichen Räumen ab, das von Staatsversagen flankiert wird, denn der Stadtstaat Berlin trägt derzeit in gestaltwirksamen Koalitionen zur Kommodifizierung des Kollektiven bei. Seine idealisierte Rolle im Hinblick auf eine seiner ehemaligen Kernaufgaben ist zur Disposition gestellt. Gleichsam lassen sich anhand erster regulierender Fäden, die er um diese neue aufmerksamkeitsökonomisch grundierte Akkumulationsstrategie zu spinnen beginnt, vorsichtige Tendenzen einer ersten Steuerungsreaktion erkennen. Denn wie bereits zu Zeiten des Litfaß wäre ein staatlich toleriertes Versorgungsmonopol nicht das erste, das die Informationsversorgung der Stadtgesellschaft in den zentralen öffentlichen Räumen Berlins prägt. Gleichsam sei daran erinnert, dass die monopolistische Informationsbewirtschaftung zentraler öffentlicher Räume in Berlin bereits unter den Nationalsozialisten ganz andere, verheerende Ausmaße angenommen hat. Denn ein Monopol, sei es wirtschaftlich oder staatlich, über Medien, das sich in Form einseitiger Besitzverhältnisse und Verfügungsgewalten an Medienträgern auswirkt, birgt immer auch die Gefahr, in einen Einfluss auf die Medieninhalte, und damit in ein politisches Monopol umzuschlagen. Die Frage nach möglichen Hegemoniemechanismen bei der Produktion zentraler öffentlicher Räume muss demnach immer an den Tausch- und Gebrauchswertinteressen nicht allein des Marktes, sondern gleichermaßen des Staates ansetzen. Denn zentralen öffentlichen Räumen – verstanden als Räumen gesellschaftlicher Zentralität im Sinne Lefebvres – ist gesellschaftlicher Konflikt zu Zeiten, in denen sich das Kapital erneut das Kollektive aneignet, immanent, wenngleich manches Mal dem Konflikt die Bewusstmachung des Konfliktiven zunächst vorauszugehen hat.
398
Folgerungen
Ausgangsperspektiven An dieser Stelle wären unterschiedliche normative Statements notwendig: Praxishinweise für Planer und Gestalter im Sinne neuer Planungs- und Gestaltungsaufgaben im Aufmerksamkeitsparadigma, politische Empfehlungen für den Umgang mit derartigen Phänomenen im Sinne einer dringend anzuratenden Medienpolitik und Medienregulierung des öffentlichen Raumes nicht nur hinsichtlich der Stadt produzierenden Out-of-Home Medienbranche, sowie Aufforderungen an staatliche Akteure und Institutionen, ihrer idealtypischen Aufgabe als Gralshüter des Öffentlichen durch eine Politisierung der Stadtgesellschaft im Sinne einer Popularisierung der Prozesse der Produktion öffentlicher Räume nachzukommen. An dieser Stelle hingegen wird nur eine dezidiert normative Position vorgestellt, die den Erkenntnisprozess dieser Arbeit maßgeblich beeinflusst hat: Die Auseinandersetzung mit der Frage nach den Implikationen, die derartige Erkenntnisprozesse über die konkrete Raumproduktion für Lehre und Forschung an raumgestaltenden und sozialwissenschaftlichen Universitäten haben. Wie kann man also diese ambivalenten, konfliktträchtigen ‘öffentlichen Räume’ in der empirischen Stadtforschung sowie in den gestaltenden und planenden Disziplinen dingfest machen? Fokus auf die Produktion öffentlicher Räume Am Anfang dieser Arbeit stand eine Kritik, die sich auf weiterhin unausgefochtene Dilemmata in der Erforschung öffentlicher Räume im Spannungsfeld zwischen Planung, Gestaltung, Politikwissenschaft und Soziologie bezog. Es wurde konstatiert, dass es ebenso forschungshemmend sein kann, am physischen Raum zu verharren, wie es bei der Umsetzung gewonnener Erkenntnisse in die Praxis hinderlich sein kann, an abstrakten gesellschaftswissenschaftlichen Raumkonstruktionen festzuhalten. Was also ist zu tun? Was soll den Studierenden an Planungs- und Architekturfakultäten, was denen an sozialwissenschaftlichen Instituten beigebracht werden? Wie kann der zwischen empirischer Stadtforschung und raumgestaltender Lehre notwendige Brückenschlag fruchtbar vollzogen werden? Wenn, wie gezeigt wurde, städtische Räume zunehmend multidimensional durch sich tendenziell aufweitende soziale Handlungszusammenhänge, durch individuelles, unverbundenes sowie durch kollektives, verbundenes Handeln konstituiert werden, dann müssen sich auch raumbezogene Fakultäten an den Universitäten stärker der Lehre von multidimensionalen Herangehensweisen verschreiben. Ohne die Existenz einzelner Disziplinen genuin in Frage stellen und ohne eine Raumkonzeption als richtig gegenüber einer anderen überbelichten zu wollen, muss vor allem die Frage nach der Diskrepanz und gleichzeitig nach dem intrinsischen Zusammenhang von Raumprojektionen und konkreten Raumentwicklungsprozessen wieder aktiver und nachdrücklicher diskutiert werden.
399
Und zwar in der Hinsicht, dass sich mit zunehmender Ausdifferenzierung der Akteursbeziehungen auch eine zunehmende Vielfalt an in der Praxis verbreiteten Raumlogiken und in der Theorie gängigen Raumkonzeptionen ergibt, die ihrerseits entsprechend des Grads der Durchsetzungsmacht ihrer Verfechter maßgeblichen strukturierenden Einfluss auf die Prozesse der Stadtproduktion haben. Das heißt konkret, wenn ein Out-of-Home Medienunternehmen zunehmend Gestaltungsmacht in diesen Prozessen gewinnt, dann werden seine aufmerksamkeitsökonomisch geprägten Rationalitäten eben diese Prozesse sowie ihr gestalterisches Sedimentieren entsprechend (mit)bestimmen. Dieser Fall ist aber nur einer von vielen. Man könnte nun verschiedene Forschungszugänge, gebauten Raum verstehen zu wollen, gegenüber stellen. Da ist einmal der, der mit lange erprobten Instrumenten innerhalb traditioneller Disziplinen städtische Plätze, ihre Form und die an der Herstellung dieser Form beteiligten Akteure sowie ihre Handlungsmotivationen untersucht. Eine solche Vorgehensweise ist – bis zu einem gewissen Grad – erkenntnisfördernd, zumindest, wenn sich der Forscher auf diese Art und Weise der baulichen Ausprägung gesellschaftlicher Veränderungen aus einer phänomenologischen Perspektive zuwendet. Sie kann jedoch zur Hürde im Verlauf des Erkenntnisprozesses werden, weil dem Forscher zu Zeiten intensiver gesellschaftlicher Transformationen mit dem auf wahrgenommene Räume abgestellten Blick Veränderungen von Raumlogiken – und damit eine kritische Reflexion des dem Forscher eigenen Denk- und Wahrnehmungsschemas im Sinne konzipierter Räume – entgehen können. Ein anderer Forschungszugang wäre die radikale Abwendung von traditionellen Perspektiven mit morphologischem Raumbezug, die neue methodische Zugänge entwickelt und auf das Soziale, auf gelebte Räume, fokussiert. Auch ein solcher Zugang kann erkenntnisfördernd sein, weil man über die Betrachtung der Prozesse automatisch zu gestaltwirksamen Intentionen, Interventionen und Interessen gelangen kann, wenn man dies beabsichtigt. Oftmals stellen sich diese Ansätze, die zwar vielfältige neue Facetten von Phänomenen hervorbringen, jedoch nicht die Frage der Umsetzung. Denn ein Anwendungswunsch könne schließlich die Forschung einseitig leiten und deswegen müsse sich der Forscher frei von derartigen Ambitionen machen. Die Schnittstelle zwischen empirischer sozialwissenschaftlicher Stadtforschung und raumgestaltenden Disziplinen eröffnet hingegen Möglichkeiten, die Vorteile beider Sichtweisen miteinander zu kombinieren, ohne ihren Nachteilen anheim zu fallen. Bezogen auf Raumkonzeptionen in akademischen Curricula bedeutet eine derart verschränkte Perspektive aber, das angemessene Instrumente hervorgebracht werden müssen, mit denen man gebauten und gestalteten Raum als Prozess in seiner Multidimensionalität und Akteursvielfalt verstehen kann. Derartige Werkzeuge, die als Analysegerüste für die Forschung und als Inspirationen für die Überarbeitung akademischer Curricula brauchbar sein sollen, müssen so flexibel sein, dass sich möglichst viele Seiten der Produktion öffentlicher Räume in ihnen erforschen und veranschaulichen lassen. Gleichzeitig sind sie postdisziplinär zunächst eng zu fassen, um eine gewisse Reichweite entfalten zu können. Wenn sich wie in dieser Arbeit zeigt, dass institutionelle Transformationen unter Einfluss von staatlichen und wirtschaftlichen Rationalitäten das Wesen der gestaltwirksamen Produktion zentraler öffentlicher Räume verändern, und damit Wirkungen auf Stadtgesellschaft entfalten, dann sind sowohl die sozialwissenschaftlichen als auch die raumgestaltenden Disziplinen, deren Arbeits- und Untersuchungsfeld diese Räume darstellen, gefragt, mittels veränderter Ansätze, die Altes mit Neuem kombinieren, auf veränderte Gegenstände zu reagieren. Daher setzt der hier vorgeschlagene Ansatz der Produktion öffentlicher Räume mit Nachdruck an der Schnittstelle zwischen empirischer Stadtforschung und raumbezogener Planung und Gestaltung an und versucht, die beiden Richtungen entspringenden Herange400
hensweisen an Verstehen und Entwickeln von Raum als wechselseitige und iterative Momente der disziplinenübergreifenden Inspiration zu begreifen. Nachfolgend wird ein sowohl lehr- als auch forschungstaugliches Werkzeug vorgestellt. Lehre und Erforschung der Produktion öffentlicher Räume Eingangsperspektiven: Räumliche und institutionelle Arrangements INSTITUTIONELLE ARRANGEMENTS (Akteure, Institutionen, Strukturen) Zivilgesellschaft1208
Staat
Markt
Lokale öffentliche Räume RÄUMLICHE ARRANGEMENTS (ortsgebunden, ortsungebunden, materiell-virtuell)
Intrastädtisches Netz öffentlicher Räume Interstädtisches Netz öffentlicher Räume
Interdependente Durchdringung ...baulich-gestalterischer Arrangements ...medial-diskursiver Arrangements ...symbolisch-kultureller Arrangements ...szenisch-temporärer Arrangements ...etc.
ERKENNTNISSE ÜBER DIE PRODUKTION ÖFFENTLICHER RÄUME (EX-POST) Reflexion über das Verhältnis von gelebten, wahrgenommenen und konzipierten Räumen im Sinne des Ansatzes der Raumproduktion Tabelle 8:
Normative und idealtpyische gesellschaftswissenschaftliche Ansätze zu Öffentlichkeit
Ansatz zur Lehre und Erforschung der Produktion öffentlicher Räume an der Schnittstelle zwischen empirischer Stadtforschung und raumbezogener Planung und Gestaltung. Quelle: Eigene Darstellung.
Es dient dazu, gestalterische Veränderungen von baulich-gestalterischen Arrangements zentraler öffentlicher Räume ebenso als Sediment gesellschaftlichen Handelns zu verstehen, wie kommunikationsstrategische Transformationen ihrer medial-diskursiven Arrangements. Diese Aufzählung ist rein exemplarisch und bezieht sich eng auf die hier präsentierte Fallstudie, sie kann gleichermaßen keinen Vollständigkeitsanspruch erfüllen, wenn man Raum neben seiner Prozessnatur ebenfalls das Merkmal der Multidimensionalität zuschreibt. Sie ist jedoch ein Verweis, dass man über einen relationalen Raumbegriff eine Eingangsperspektive auf Akteure und Institutionen, also auf institutionelle Arrangements, und damit genuin auf gesellschaftliche Veränderungen bekommen kann. Dieser Ansatz beruht auf diesem raumtheoretischen Bezug. Demnach werden öffentliche Räume von zwei grundlegenden Eingangsperspektiven aus analysiert: Ausgehend von ihren räumlichen Arrangements werden Prozesse ihrer Produktion einerseits auf verschiedenen territorialen Raumebenen betrachtet (analytischer Multi-LevelGovernance Ansatz mit vertikalem Raumbezug). Hier wird gefragt: Auf welcher raumbezogenen Ebene wird verhandelt? Wo wird entschieden? Über welche Räume oder Netze von Räumen wird entschieden? Andererseits können eben diese Prozesse der Produktion öffentlicher Räume im Hinblick auf die institutionellen Arrangements betrachtet werden, eine Möglichkeit, horizontale raumbezogene Dynamiken unter Akteuren und Institutionen und ihren individuellen sowie 1208 Die hier zur Anwendung kommende Perspektive verwendet ein deskriptives Governance Gerüst als Strukturelement. In diesem Zusammenhang wird der Begriff der Zivilgesellschaft nicht normativ, sondern deskriptiv verwendet (Kap. 1).
401
kollektiven Handlungen nachzuzeichnen (analytischer Multi-Level-Governance Ansatz mit horizontalem Raumbezug). Hier ist zu erfragen: Wer entscheidet? Mit wem? Für wen? Um welche Ressourcen wird gepoolt und welche Interessen werden individuell sowie kollektiv geäußert? Stimmen die geäußerten Interessen mit den de facto umgesetzten Resultaten überein? Behindern sich Akteure in neuen Bündnissen gegenseitig oder lernen sie voneinander? Wer wird nicht an Entscheidungsprozessen beteiligt? Welche Strategien entwickeln die Akteure im wechselseitigen Umgang miteinander? Diese Herangehensweise kann speziell mit dem Fokus auf Stadt als institutionell reichhaltiges Forschungsfenster realisiert werden, weil sich hier derartige Veränderungen bis auf die Ebene eines Stadtplatzes verfolgen lassen. Sie ist jedoch nicht auf Stadt allein notwendigerweise reduziert, schließlich gilt es auch, das Funktionieren öffentlicher Räume in peripheren gesellschaftlichen Bereichen nicht gänzlich zu vernachlässigen. Die Kombination beider Eingangsperspektiven erscheint für die Erforschung der Produktion zentraler öffentlicher Räume fruchtbar, wenngleich innerhalb der jeweiligen Betrachtungen den Gegenständen entsprechend Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Dieser Ansatz kann etwa im Hinblick auf die Gestaltorientierung von Akteuren verfeinert werden, denn wie veranschaulicht wurde, bieten ästhetische Veränderungen in den baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume einen ertragreichen Ansatzpunkt für Forschung und Lehre, um zunächst phänomenologisch auf gesellschaftliche Umbrüche aufmerksam zu werden. Über welche Art von Gestaltung wird also mit welchem Raumbezug entschieden, und warum? Für wen wird wo und wie gestaltet? Welche Durchsetzungsmechanismen gibt es auf den verschiedenen räumlichen Ebenen hinsichtlich gestalterischer Fragen, und welche territorialen Ebenen werden von den beteiligten Akteuren besonders beansprucht? Auch für die Lehre, und damit wird der Bogen zu den Überlegungen zu Raumkonzeptionen und Raumprojektionen geschlossen, erscheint ein derart verknüpfter Ansatz der Produktion öffentlicher Räume im benannten Schnittstellenbereich sinnvoll, weil die Studierenden zurück zum Verstehen sozialer Handlung geleitet werden, die in Form von baulichen Arrangements zentraler öffentlicher Räume sedimentiert. Diesen Handlungen und ihren baulichen Sedimenten liegen ganz unterschiedliche Raumpräferenzen und Raumaneignungsstrategien zu Grunde, die es zu verstehen gilt, um die eigenen Präferenzen und Professionalisierungsstrategien selbstkritisch hinterfragen, und damit auch optimieren und in weitere gesellschaftliche Prozesse einordnen zu können. Dabei erscheint es sinnstiftend, die Ergebnisse von deskriptivanalytisch angelegten Forschungsprozessen in einem zweiten, dezidiert von der Forschungsarbeit getrennten Schritt, mit normativen Positionen zu konfrontieren. Denn im Zeichen postfordistischer Transformationen in einem Aufmerksamkeitswettbewerb müssen sich auch angehende Planer und Gestalter sowie Gesellschaftswissenschaftler neuen Herausforderungen stellen, wollen sie einerseits Aufträge akquirieren, andererseits auf Prozesse der Stadtproduktion entsprechend bestimmter gestalterischer und planerischer Wertvorstellungen steuernd Einfluss nehmen. Auf einer raumtheoretischen Ebene würde sich hier anbieten, erneut die dem Raum immanente Verflechtung gelebter, wahrgenommer und konzipierter Räume im Sinne Lefebvres heranzuziehen, um zurück zu einer Betrachtung zu kommen, die auf die Vielzahl der auf Stadtproduktion konzentrierten Raumlogiken gerichtet ist. Die postdisziplinären Rolle von Planern, Gestaltern und Stadtforschern wird darin liegen, sich gerade diese multiplen Betrachtungsweisen hinsichtlich des Raumes als Werkzeug anzueignen, und sich damit eine Vorrangstellung als fachlich geschulte und professionsethisch geprägte Transformationsinstanzen räumlicher Wünsche, Präferenzen und Notwendigkeiten verschiedener gesellschaftlicher Akteure, die über ganz unterschiedliche Durchsetzungschancen verfügen, zu eigen zu machen. 402
Anlagen
Anlage 1 – Generische Definition zum öffentlichen Raum bei Goodsell (normativ). Democratic public space (pragmatic definition) (F) Democratic public space (pure definition) (E) Extended public space (D) Electronic public space (C) Place-bound public space (B) Generic definition of public space (A) A space-time continuum for connected and interactive political discourse. A. when consisting of face-to-face interaction in a single physical location. B. when achieved at dispersed geographic locations through information technology. C. when broadcast by television, radio, internet, or other means. D. when open to all, unrestricted as to conduct, and unconditional as to participation. E. when public access is encouraged, the status of state authority is muted, berriers between governors and governed are minimized, staging is arranged by the people as well as officials, and conditions conductive to deliberation are fostered.
Abbildung 35: Generischer Definitionsansatz bei Goodsell. Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Goodsell 2003, 370.
Anlage 2 – Kodierung des Interviewschlüssels. A = Öffentlicher Akteur auf gesamtstädtischer Ebene B = Öffentlicher Akteur auf Bezirksebene C = Privatwirtschaftlicher Akteur aus dem Bereich Außenwerbung/ Stadtmöblierung D = Externer Experte/ Externe Expertin 1 - 22 = Reihenfolge des Interviews in der chronologischen Sequenz d = in Deutschland geführt (lokale bis nationale Relevanz) b = in Brasilien geführt (internationale Kontextualisierung) Interview A.1.d vom 21.11.05. Interview A.2.d vom 14.02.06. Interview D.3.d vom 27.06.06. Interview D.4.b vom 05.10.06. Interview A.5.b vom 09.10.06. Interview D.6.b vom 10.10.06. Interview D.7.b vom 16.10.06. Interview D.8.b vom 17.10.06. Interview C.9.d vom 13.12.06. Interview C.10.d vom 13.12.06. Interview A.11.d vom 31.01.07.
Interview D.12.d vom 23.03.07. Interview B.13.d vom 31.05.07. Interview B.14.d vom 04.07.07. Interview D.15.b vom 20.11.07. Interview A.16.b vom 23.11.07. Interview D.17.b vom 03.12.07. Interview A.18.b vom 06.12.07. Interview D.19.b vom 10.12.07. Interview A.20.d vom 17.06.08. Interview D.21.d vom 24.06.08. Interview D.22.d vom 21.11.08.
403
Anlage 3 – Übersicht über standardisierte Werbeträgerformate. Werbeträger
Merkmale
Großfläche
nicht verglast nicht hinterleuchtet geklebt
Posterformat/ Werbemittel1209
18/1 City-Light Board
verglast hinterleuchtet gehängt
Allgemeinstelle
mehrere Bögen pro Werbeträger nicht verglast nicht hinterleuchtet geklebt
Ganzsäule
1 Bogen pro Säule, geklebt
City Light Column
1 Bogen pro Säule verglast hinterleuchtet rotierend gehängt
City-Light Poster
verglast hinterleuchtet gehängt
Abmessungen Werbeträger Werbemittel
Beispiel
252 x 356 cm² ~ 9,5 m² 260 x 360 cm²
1/1 2/1 4/1 6/1 8/1 115 x 243 x cm² ~ 4 m² 168 x 238 cm²
Tabelle 9:
6/1 oder 8/1
4/1
115 x 171 cm² ~ 2 m² 118,5 x 175m²
Übersicht über standardisierte Werbeträgerformate. Quelle: Eigene Darstellung.
1209 Das Plakatgrundmaß 1/1 erklärt sich über den traditionellen DIN A1 Bogen der Größe 594 cm x 841 cm. Bei einem Format 8/1 werden 8 Druckbögen á 1/1 geliefert und vor Ort zusammengesetzt.
404
Anlage 4 – Frequenzatlas, G-Wert, Tausend-Kontaktpreis – Begriffsklärungen. Frequenzatlas für Deutschland Auf Basis jüngerer Erfahrungen aus der Werbeträger- und Werbewirkungsforschung und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich Kaufkraftpotenzial an Konsumorientierung unterschiedlicher sozialer Milieus hat der FAW einen „Frequenzatlas für Deutschland“ bei der Fraunhofer AIS in Auftrag gegeben. Nach den drei Verkehrsarten Fußgänger, Autofahrer und Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aufgeschlüsselt gibt der Frequenzatlas die Anzahl der Passanten als Durchschnittswert pro Stunde für einzelne Straßenabschnitte an. Ungefähr 150.000 standortbezogenen Frequenzzählungen sind nach einem standardisierten Verfahren der Gesellschaft für Konsumforschung eruiert worden. Daran anschließend hat Fraunhofer AIS ein statistisches Data-Mining-Modell entworfen, das weitere Informationen aus zusätzlichen Datenquellen heranzieht. Verkehrsmessungen in Echtzeit und kommunale Frequenzpläne sichern die Ergebnisse ab. Erstmals ist es damit seit 2003 mit dem FAW-Frequenzatlas möglich, Anzahl und Art der Nutzer von Verkehrswegen in deutschen Städten nahezu punktgenau zu ermitteln. In 2003 wurden zunächst die Werte für die 84 Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern vorgestellt, in der darauffolgenden Phase war die Erweiterung auf alle Städte über 50.000 Einwohnern bundesweit geplant. 1210
G-Wert/ G-Wert2 Der G-Wert ist die von der GfK-Marktforschung entwickelte Kennzahl für Aufmerksamkeitswerte bei Werbemitteln. Bewertet werden beispielsweise Ablenkungsgrad, Dauer der Kontaktchancen, Beleuchtung, Sichthindernisse, Aufstellwinkel des Werbeträgers zum Verkehr. Der bisher zur Anwendung gekommene Plakatleistungswert (G-Wert) sollte mittels des Frequenzatlas überprüft werden. Er gibt den Akteuren im Bereich der Medienplanung Auskunft über die Anzahl der Personen, die sich pro Stunde an ein durchschnittliches Plakat erinnern können. Durch die Erstellung des Frequenzatlas wurde dieser G-Wert neu bestimmt, und wird seit 2003 als G-Wert2 für die Berechnungen verwendet. 1211 Dieser beruht auf der Veränderung, dass nun zur Ermittlung der Passantenfrequenz der ‘Frequenzatlas für Deutschland’ gilt, der zukünftig die Frequenzbasis für das System darstellt und das vorherige Videoverfahren ablöst.
Tausend-Kontakt Preis (TKP)
TP
Preis der Schaltung x1000 Bruttoreichweite
Der TKP ist eine Kennzahl aus der Mediaplanung, die benennt, welcher Geldbetrag bei einer Werbemaßnahme eingesetzt werden muss, um 1000 Personen einer Zielgruppe per Sichtkontakt (im Radio Hörkontakt) zu erreichen. Dabei wird üblicherweise von der Bruttoreichweite – hier werden auch Mehrfachkontakte einer Person mitgerechnet – eines Mediums ausgegangen. Im Onlinebereich, etwa bei Bannerwerbung – gilt eine Ad-Impression als Kontakt. Werbekampagnenplaner haben also mittlerweile die Möglichkeit, bei der Auswahl der entsprechenden Mediengattungen den Tausend-Kontakt-Preis als Richtschnur bei der Entscheidung zu verwenden, wie und auf welche Medien verteilt geworben werden soll (Mediamix). Der Mediamix ermöglicht es, ein gleiches Leistungsbündel, nämlich das Erreichen von 1000 Kontakten, im Preisvergleich zu betrachten. Bei dieser rein quantitativen Betrachtung wird jedoch weder die Kontaktqualität, noch die des Mediums beim Transport der Werbebotschaft berücksichtigt. 1212
1210 Siehe Internetauftritt FAW. URL: https://www.faonline.de/mapsphere/faonline/ (letzter Zugriff am 24.11.08). 1211 Bei Informationsblatt der M.A.I.S Marketing Information Systems GmbH; URL: http://www.mais-agentur.de/si tes/service/download/frequenzatlas_mobilitaet%20_08-05-06_mais.pdf (letzter Zugriff 02.07.08) und Pressemeldung, Fachverband für Außenwerbung: „Frequenzatlas vorgestellt“, 14.11.2005; URL: http://www.fawev.de/de/faw/presse/pressemeldungen/index.nid.14.html (letzter Zugriff am 02.07.08), Aufschlüsselung der Zusammensetzung des G-Wertes siehe Kloss 2007, 366 und Koschnick 1995, 721ff. 1212 Kloss 2007, 278f.
405
Anlagen 5 bis 8 – Übersicht über die Wirtschaftsentwicklung in Berlin und Deutschland zwischen 1991 bis 2007. Quelle: Statistisches Bundesamt Berlin. Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Wiesbaden 2008. Berechnungsstand August 2007/Februar 2008.
Anlage 5 – Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1991.
Abbildung 36: Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 1991. Berlin und der Bund im Vergleich. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 6 – Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2007.
Abbildung 37: Sektorialer Anteil an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 2007. Berlin und der Bund im Vergleich. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.) Erläuterung zu Anlagen 5 und 6: Die Stadt Berlin hat im Vergleich zum Bund zwischen 1991 und 2007 eine stärkere Tertiärisierung zu verzeichnen: Die Anteile von Produzierendem Gewerbe und Baugewerbe gehen zurück, wohingegen öffentliche und private Dienstleistungen und Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen zunehmen, die Anteile von Handel, Gastgewerbe und Verkehr bleiben ungefähr gleich. Auf Bundesebene ist eine stärkere Tertiärisierung zu verzeichnen, jedoch ist der Trend in Berlin wesentlich stärker als im nationalen Durchschnitt. Damit kann für Berlin bezogen auf die Wirtschaftsentwicklung zwischen 1991 und 2007 eine beginnende postfordistische Transformation festgehalten werden.
406
Anlage 7 – Sektoriale Entwicklung der Bruttowertschöpfung in Berlin (1991 bis 2007).
Abbildung 38: Sektoriale Entwicklung der Bruttowertschöpfung in Berlin von 1991 bis 2007. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 8 – Veränderung des Anteils der Sektoren am Gesamtprodukt (1991 bis 2007).
Abbildung 39: Sektoriale Veränderung des Anteils einzelner Sektoren am Gesamtprodukt von 1991 bis 2007. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.) Erläuterung zu Anlagen 7 und 8: Auffällig ist, dass in Berlin trotz des starken Stellenabbaus im öffentlichen Sektor eine starke Zunahme an öffentlichen und privaten Dienstleistern festgestellt werden kann. Damit liegt die deutsche Hauptstadt stärker als der bundesdeutsche Durchschnitt im Trend postfordistischer Entwicklungen. Der stärkste Rückgang hingegen zeichnet sich im Baugewerbe ab. Setzt man diese beiden Entwicklungen – also Zunahme bei öffentlichen und privaten Dienstleistungen im Gegensatz zu besonderen Abweichungen in der Entwicklung des Baugewerbes – in den Kontext zur Stadtmöblierungspraxis, so kann die Hypothese aufgestellt werden, dass nicht etwa Bauleistungen in Berlin zurückgegangen sind, sondern dass diese nur nicht mehr in den traditionellen Baubranchen, sondern in der als privater Dienstleister zu kategorisierenden Stadtmöblierungsbranche und anderen postmodernen Wirtschaftszweigen erbracht werden, die Dienstleistungen und Bauleistungen kombinieren.
407
Anlage 9 – Barrierefreiheit als gesellschaftspolitische Anforderung an Bedürfnisanstalten. Entsprechende baurechtliche Vorlagen, wie etwa die Senatsvorlage Nr. 2830/88 vom 19. April 1988, verpflichten öffentliche Auftraggeber, öffentliche Bauten – darunter auch explizit Toiletten – barrierefrei zu bauen. Auch die Einführung baulicher DIN-Normen zur Barrierefreiheit wie die DIN 18025 im Jahr 1992 und die DIN 18024 im Jahr 1996, die teilweise auch in den Landesbauordnungen verankert wurden, verstärkten einen generellen Paradigmenwandel in der Produktion öffentlicher Bedürfnisanstalten. Schließlich wurde mit der Einführung der neuen Verfassung für das geeinte Deutschland am 15. November 1994 in Artikel 3 Absatz 3 der Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ angefügt. Da dieser jedoch nur ein Benachteiligungsverbot, jedoch kein Gleichstellungsgebot darstellte, trat zunächst am vom 01.05.2002 das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und schließlich im Rahmen der nationalen Anpassung an eine EU-Richtlinie am 18. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft. In Berlin wurde das Landesgleichberechtigungsgesetz bereits 1999 verabschiedet.1213
Anlage 10 – Brunnensponsoring im Bezirk Mitte von Berlin (neu). Der Vertrag zwischen dem Bezirksamt Mitte von Berlin und der Ströer Marketing GmbH umfasst nachstehend genannte Brunnenanlagen: Brunnenbetrieb Historischer Brunnen: Pariser Platz Moderner Brunnen: Lustgarten Scholle Eiserne: Lustgarten Überlaufstein Kupfergraben: Lustgarten Neptunbrunnen: Freifläche Fernsehturm Wasserkaskade: Freifläche Fernsehturm Wasseranlage von Girot: Invalidenpark Spindlerbrunnen: Spittelmarkt Geldzählerbrunnen: Pappelplatz Invalidenstraße Indischer Brunnen: Rosengarten Luisenstädtischer Kanal Brunnen der Völkerfreundschaft: Alexanderplatz Historischer Brunnen: Hausvogteiplatz Triton: Großer Tiergarten Froschbrunnen: Englischer Garten im Großen Tierpark Granitschale: Rosengarten im Großen Tierpark Pferdetränke: Magdeburger Platz Kieselwaschbeton: Lützowplatz Natursteinanlage: Waldstraße Ammonitenbrunnen: Olof-Palme Platz Brunnenschale mit Fontäne: Brunnenplatz Flache Brunnenanlage: Vinetaplatz/ Stralsunder Straße Tabelle 10:
Brunnenbetrieb mit zusätzlichen Instandsetzungsarbeiten Tanz auf dem Vulkan: Nettelbeckplatz Historische Pumpe: Arkonaplatz Pfauenbrunnen: Holzmarktstraße Bärenbrunnen: Werderscher Markt Wappenbrunnen: Nikolaikirche Lessing-Denkmal: Lennéestraße Rathenaubrunnen: In den Rehbergen Trinkbrunnen am Paddenwirt: Nikolaikirchplatz
Brunnensponsoring im Bezirk Mitte von Berlin (neu). Quelle: DS 1244/II. Bezirksamt Mitte von Berlin (neu) vom 18.03.04. Vorlage zur Kenntnisnahme.
1213 Drs 11/1022 vom 24.07.90, BerlAbgH sowie entsprechende Gesetze.
408
Anlage 11 – Veränderungen des Berliner Straßengesetzes (BlnStrG). BerlStrG (alt) vom 13. Juli 1999
BerlStrG (geändert) vom 14. Dezember 2005
(1) Jeder Gebrauch der öffentlichen Straßen, der über den Gemeingebrauch hinausgeht, ist eine Sondernutzung und bedarf unbeschadet sonstiger Vorschriften der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.
(1) Jeder Gebrauch der öffentlichen Straßen, der über den Gemeingebrauch hinausgeht, ist eine Sondernutzung und bedarf unbeschadet sonstiger Vorschriften der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.
(2) Die Erlaubnis nach Absatz 1 ist zu versagen, wenn öffentliche Interessen der Sondernutzung entgegenstehen und diesen nicht durch Nebenbestimmungen Genüge getan werden kann. Ein öffentliches Interesse ist insbesondere dann gegeben, wenn die Sondernutzung den Gemeingebrauch nicht unerheblich einschränken würde, von der Sondernutzung schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen würden, städtebauliche oder sonstige öffentliche Belange beeinträchtigt würden; dies ist auch anzunehmen beim Nächtigen, Lagern und beim Niederlassen zum Alkoholverzehr außerhalb zugelassener Schankflächen, Straßenbaumaßnahmen oder Versorgungsanlagen beeinträchtigt oder gefährdet würden.
(2) Die Erlaubnis nach Absatz 1 soll in der Regel erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen der Sondernutzung nicht entgegenstehen oder ihnen durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis entsprochen werden kann. Die Erlaubnis soll versagt werden, wenn behinderte Menschen durch die Sondernutzung in der Ausübung des Gemeingebrauchs erheblich beeinträchtigt würden. Über die Erlaubnis ist, außer in den Fällen des Absatzes 3, innerhalb eines Monats nach Eingang des vollständigen Antrags bei der zuständigen Behörde zu entscheiden. Kann die Prüfung des Antrags in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden, ist die Frist durch Mitteilung an den Antragsteller um einen Monat zu verlängern. Die Erlaubnis gilt als widerruflich erteilt, wenn nicht innerhalb der Frist entschieden wird."
alt
neu
(9) Für Sondernutzungen kann der Straßeneigentümer Entgelte erheben. Bei ihrer Bemessung soll der wirtschaftliche Vorteil der Sondernutzung berücksichtigt werden.
(9) Für Sondernutzungen können Sondernutzungsgebühren erhoben werden. Bei ihrer Bemessung sind Art, Umfang, Dauer und der wirtschaftliche Vorteil der Sondernutzung zu berücksichtigen.
Tabelle 11:
Veränderungen des Berliner Straßengesetzes. Quelle: (alt): Gesetzesbeschluss vom 13.07.99 (GVBl. Nr. 29, vom 13.07.99.). (geändert): Gesetzesbeschluss vom 14.12.05, (GVBl. Nr. 43, vom 24.12.05.)
Anlage 12 - Novelle der Berliner Bauordnung (BauOBln). BauOBln (alt) vom 03.09.97, geändert 1999
BauOBln (neu) vom 25.09.05, geändert 2006 u. 2007
§ 10 Gestaltung (1) … (2) Bauliche Anlagen sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßenbild, Ortsbild oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören. Auf die erhaltenswerten Eigenarten der Umgebung ist Rücksicht zu nehmen.
§ 9 Gestaltung (1) Bauliche Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. (2) Bauliche Anlagen sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßenbild, Ortsbild oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören. Auf die erhaltenswerten Eigenarten der Umgebung ist Rücksicht zu nehmen.
§ 11 Werbeanlagen und Warenautomaten (1) Anlagen der Außenwerbung (Werbeanlagen) sind alle ortsfesten Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Hierzu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Lichtwerbungen, Schaukästen sowie für Zettelanschläge und
§10 Anlagen der Außenwerbung, Warenautomaten (1) Anlagen der Außenwerbung (Werbeanlagen) sind alle ortsfesten Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Hierzu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Lichtwerbungen, Schaukästen sowie für Zettelanschläge und
409
BauOBln (alt) vom 03.09.97, geändert 1999
BauOBln (neu) vom 25.09.05, geändert 2006 u. 2007
Bogenanschläge oder Lichtwerbung bestimmte Säulen, Tafeln und Flächen. (2) Für Werbeanlagen, die bauliche Anlagen sind, gelten die in diesem Gesetz an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen. Für Werbeanlagen, die keine baulichen Anlagen sind, und für Warenautomaten gilt § 3 Abs. 1 sinngemäß. Die störende Häufung von Werbeanlagen und Warenautomaten ist unzulässig. (3) In Kleinsiedlungsgebieten, Dorfgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sind nur Werbeanlagen zulässig an der Stätte der Leistung sowie Anlagen für amtliche Mitteilungen und zur Unterrichtung der Bevölkerung über kirchliche, kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen; die jeweils freie Fläche dieser Anlagen darf auch für andere Werbung verwendet werden. In reinen Wohngebieten darf an der Stätte der Leistung nur mit Hinweisschildern geworben werden. Auf öffentlichen Strassen und an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs können auch andere Werbeanlagen zugelassen werden, soweit diese die Eigenart des Gebietes und das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigen. In Naturschutzgebieten und Landschaftsschutzgebieten, in öffentlichen Grünanlagen und Erholungsanlagen sowie auf Friedhöfen sind Werbeanlagen unzulässig.
Bogenanschläge oder Lichtwerbung bestimmte Säulen, Tafeln und Flächen. (2) Für Werbeanlagen, die bauliche Anlagen sind, gelten die in diesem Gesetz an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen. Werbeanlagen, die keine baulichen Anlagen sind, dürfen weder bauliche Anlagen noch das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild verunstalten oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährden. Die störende Häufung von Werbeanlagen ist unzulässig. (3) Das Verunstaltungsverbot im Sinne des § 9 Abs. 2 und des Absatzes 2 gilt nicht für Werbung, 1. die an Baugerüsten oder Bauzäunen angebracht wird oder 2. die vorübergehend angebracht wird und mit deren Inhalt vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgt werden, wenn andere überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. (4) Außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile sind Werbeanlagen unzulässig. Ausgenommen sind, soweit in anderen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, 1. Werbeanlagen an der Stätte der Leistung, 2. einzelne Hinweiszeichen an Verkehrsstraßen und Wegabzweigungen, die im Interesse des Verkehrs auf versteckt liegende Betriebe oder versteckt liegende Stätten aufmerksam machen, 3. Schilder, die Inhaberinnen oder Inhaber und Art gewerblicher Betriebe kennzeichnen (Hinweisschilder), wenn sie vor Ortsdurchfahrten auf einer Tafel zusammengefasst sind, 4. Werbeanlagen an und auf Flugplätzen, Sportanlagen und Versammlungsstätten, soweit sie nicht in die freie Landschaft wirken, 5. Werbeanlagen auf Ausstellungs- und Messegeländen, 6. Werbeanlagen auf öffentlichen Straßen und an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs. (5) In Kleinsiedlungsgebieten, Dorfgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sind Werbeanlagen nur zulässig an der Stätte der Leistung sowie Anlagen für amtliche Mitteilungen und zur Unterrichtung der Bevölkerung über kirchliche, kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen; die jeweils freie Fläche dieser Anlagen darf auch für andere Werbung verwendet werden. In reinen Wohngebieten darf an der Stätte der Leistung nur mit Hinweisschildern geworben werden. Auf öffentlichen Straßen und an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs können auch andere Werbeanlagen zugelassen werden, soweit diese die Eigenart des Gebietes und das Orts- oder Landschaftsbild nicht beeinträchtigen. (6) ... (7) ...
Tabelle 12:
410
Novelle der Berliner Bauordnung. Quelle: Gesetzeserlass der Novelle vom 29.09.05 (GVBl. S. 495ff). Alte Fassung: Gesetzeserlass vom 03.09.97 (GVBl. S. 421, 512)
Anlage 13 – Unternehmenskommunikation und ihre Teilbereiche.
Abbildung 40: Unternehmenskommunikation und ihre Teilbereiche. Quelle Zerfaß 2008, 41 (Eigene Modifikation).
Anlage 14 – ShoppingNet-Orte der Wall AG als Einkaufscenter-Standorte der ECE Group (Nielsen-Gebiet, Besucherzahl/Tag). Augsburg, City-Galerie Augsburg ( IV, 30.000) Bad Oeynhausen, Werre-Park Bad Oeynhausen (II, 25.000) Berlin, Allee-Center Berlin ( V, 15.000) Berlin, Eastgate Berlin ( V, 35.000) Berlin, Gesundbrunnen-Center Berlin (V, 30.000) Berlin, Linden-Center Berlin (V, 30.000) Berlin, Märkische Zeile / Märkisches Zentrum (V, 25.000) Berlin, Ring-Center Berlin (V, 25.000) Bochum, City-Point /Drehscheibe Bochum (II, 20.000) Braunschweig, Schloss-Arkaden (I, 50.000) Bremen, Roland-Center Bremen (I, 20.000) Chemnitz, Vita-Center Chemnitz (VII, 20.000) Dessau, Rathaus-Center Dessau (VI, 25.000) Dresden, Altmarkt-Galerie (VII, 65.000) Essen, Allee-Center Essen-Altenessen (II, 25.000) Essen, Limbecker Platz° (II, keine Angabe) Frankfurt /M., Hessen-Center Frankfurt (IIIa, 25.000) Frankfurt /M.-Sulzbach, Main-Taunus-Zentrum (IIIa, 40.000) Hamburg, Alstertal-Einkaufszentrum (I, 40.000) Hamburg, Billstedt-Center Hamburg (I, 45.000) Hamburg, Elbe-Einkaufszentrum (I, 30.000) Tabelle 13:
Hamburg, Herold Center (I, 35.000) Hamburg, Phoenix-Center (I, 35.000) Hamm, Allee-Center Hamm (II, 35.000) Hannover-Laatzen, Leine-Center Laatzen (I, 25.000) Karlsruhe, Ettlinger Tor Karlsruhe (IIIb, 45.000) Kassel, DEZ Kassel (IIIa, 25.000) Köln, City-Center Köln-Chorweiler (II, 30.000) Köln, Rhein-Center Köln-Weiden (II, 25.000) Leipzig, Allee-Center Leipzig (VII, 25.000) Leipzig, Promenaden im Hauptbahnhof (VII, 110.000) Lüdenscheid, Stern-Center Lüdenscheid (II, 48.200) Magdeburg, Allee-Center Magdeburg (VI, 45.000) München, Olympia-Einkaufszentrum (IV, 50.000) München, Einkaufs-Center Neuperlach (IV, 30.000) Neu-Isenburg, Isenburg-Zentrum (IIIa, 30.000) Neunkirchen, Saarpark-Center Neunkirchen (IIIa, 40.000) Nürnberg, Franken-Center Nürnberg (IV, 40.000) Oberhausen, CentrO Oberhausen (II, 70.000) Potsdam, Stern-Center Potsdam (V, 30.000) Schwedt, Oder-Center Schwedt (VI, 20.000) Stuttgart-Leonberg, Leo-Center (IIIb, 25.000) Viernheim, Rhein-Neckar-Zentrum (IIIa, 35.000)
ShoppingNet-Orte der Wall AG als Einkaufscenter-Standorte. Quelle: Neuer Internetauftritt der Wall AG. 1214
1214 URL: http://www.wall.de/de/outdoor_advertising/networks_and_locations?city=Potsdamer+Platz (letzter Zugriff am 03.08.08).
411
Anlage 15 – Regimetypen nach Mossberger und Stoker (2001). Regimetypen nach Stoker und Mossberger (2001) Organic Regime
Based on tradition and local cohesion to maintain the status quo (purpose). Includes Stone’s Caretaker Regime. Characterized by local dependence. Political communion as quality of coalition. Exclusive orientation locally while being nonlocally rather independent.
Likely to occur in cities with a tightly knit social fabric, with a shared history and with a sense of place, homogeneous populations with high degree of consensus.
Instrumental Regime
Selective incentives and tangible results are very important for regime maintenance. Purpose of regime is project realization. Characterized by selective incentives. Political partnership as quality of coalition. Exclusive orientation locally while being nonlocally dependent.
Predominates US literature. Stone’s description of Atlanta.
Symbolic Regime
The main purpose of the regime is redirection of the ideology or image. Includes Stone’s Progressive Regime. Characterized by purposive incentives in the form of expressive politics. Strategic use of symbols as common purpose. Competitive agreements as quality of coalition. Inclusive orientation locally while being nonlocally dependent.
Symbolic regimes are likely to be found in cities that strive for change: progessive cities busy with changing the ideology of local governance, on cities trying to revitalize their fortunes with a change in image as well as a change in circumstance.
Tabelle 14:
Regimetypen nach Mossberger und Stoker 2001. Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Mossberger und Stoker 2001, 810ff.
Anlage 16-24 (Folgeseiten). Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Listenpreisen der Wall AG für die Jahre 2006, 2007 und 2008. Internetauftritt der URL: www.wall.de (letzte Zugriffe am 01.12.06 (für 2006), am 01.12.07 (für 2007) und am 22.11.08 (für 2008)). Die Listenpreise geben nur einen hypothetischen Aufschluss über mögliche Umsatzerlöse, die realen Einnahmen können de facto abweichen.
412
Anlage 16 – Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 4/1).
Abbildung 41: Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 4/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 17 – Preisveränderungen in Wall Städten 2006 bis 2008 (CLS-Format 8/1). 1215
Abbildung 42: Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 8/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 18 – Preisveränderungen in Wall Städten 2006 bis 2008 (CLB-Format 18/1).
Abbildung 43: Preisveränderungen in Wall-Städten 2006 bis 2008 (CLP-Format 18/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
1215 City Light Column (CLC) ist die englische Übersetzung für den Begriff City Light Säule (CLS).
413
Anlage 19 – Anzahl verschiedener Wall-Außenwerbeträger in Berlin 2008.
Abbildung 44: Anzahl verschiedener Wall-Außenwerbeträger. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 20 – Anteil der Formate an der Gesamtwerbefläche der Wall AG in Berlin in qm.
Abbildung 45: Anteil einzelner Formate an der Gesamtwerbefläche der Wall AG in Berlin in qm. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 21 – Wall Netzpreis in Berlin aufgeschlüsselt nach Werbeträgerformaten in Stk.
Abbildung 46: Wall Netzpreis in Berlin aufgeschlüsselt nach Werbeträgerformaten in Stück. Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
414
Anlage 22 – Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLP-Format 4/1).
Abbildung 47: Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 4/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 23 – Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLS-Format 8/1).
Abbildung 48: Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 8/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
Anlage 24 – Verteilung der Wall Werbeflächen auf dt. Städte 2008 (CLB-Format 18/1).
Abbildung 49: Verteilung der Wall-Werbeflächen auf deutsche Städte 2008 (CLP-Format 18/1). Quelle: Eigene Darstellung (s. o.)
415
Quellenverzeichnisse
Literaturverzeichnis Aguirre, Adalberto, Eick, Volker und Reese, Ellen (2006) Introduction: Neoliberal Globalization, Urban Privatization, and Resistance. Social Justice. 33.3, 1-5. Althaus, Marco (2008) Public Affairs und Lobbying. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 797-816. Wiesbaden. Gabler. Altrock, Uwe (2005a) Kult des öffentlichen Raums. In: Bodenschatz, Haral (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 349-356. Berlin. Verlagshaus Braun. Altrock, Uwe (2005b) Partnerschaften und Koalitionen. In: Bodenschatz, Harald (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 385-390. Berlin. Verlagshaus Braun. Altrock, Uwe (2005c) Spektrum der Akteure. In: Bodenschatz, Harald (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 377-384. Berlin. Verlagshaus Braun. Altrock, Uwe (2005d) Merkmale des nachmodernen Zentrumsumbaus. In: Bodenschatz, Harald (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 336-403. Berlin. Verlagshaus Braun. Altrock, Uwe (2004) Innovationen und Planungstheorie. In: Altrock, Uwe, Güntner, Simon, Huning, Sandra und Peters, Deike (Hrsg.). Planungsrundschau 9. Berlin. Verlag Uwe Altrock. Altrock, Uwe (2003) Von der Stadterneuerung zur Bestandspflege. In: Altrock, Uwe, Kunze, Ronald, Von Petz, Ursula und Schubert, Dirk (Hrsg.). Jahrbuch Stadterneuerung 2002. 17-38. Berlin. TU Berlin. Altrock, Uwe (2001) Büroflächenpolitik in Berlin 1981-1999. Akteure, Ziele, Entscheidungen. Dissertationsschrift ander Technischen Universität Berlin. Fakultät VII. Berlin. Technische UniversitätBerlin. Altrock, Uwe, Güntner, Simon, Huning, Sandra und Peters, Deike (2004). Perspektiven der Planungstheorie. Berlin. Leue. Altrock, Uwe und Schubert, Dirk (2005) Wandel der Stadtplanung. In: Harald Bodenschatz (Hg.) Renaissance derMitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 370-377. Berlin. Verlagshaus Braun. Altrock, Uwe und Schubert, Dirk (2003) Öffentlicher Raum – Einige Klarstellungen und Entwicklungsperspektiven. In: Altrock, Uwe, Kunze, Ronald, Von Petz, Ursula und Schubert, Dirk (Hrsg.). Jahrbuch Stadterneuerung 2003. Berlin: Universitäts-Verlag der Technischen Universität Berlin. Ashworth, Gregory J. (2001) The communication of brand images of cities. Paper presented at the Universidad International de Menendez Pelayo Conference „The construction and communication of the brand images of cities“. Valencia. Spanien. Atkinson, Rowland (2003) Domestication by Cappuccino or a Revenge on Urban Space? Control and empowerment in the Management of Public Spaces. Urban Studies. 40.9, 1829-1843. Augé, Marc (1994) Orte und Nicht-Orte. 2. Auflage. Frankfurt a. M. Fischer. Bailey, Nick, Barker, Alison und Macdonald, Kelvin (1995) Partnership Agencies in British Urban Policy. London. UCL Press. Balderjahn, Ingo (2004) Markenführung für Städte und Regionen. In: Bruhn, Manfred (Hg.).Handbuch Markenführung. Band 3. 2. Auflage. Wiesbaden. Gabler. Bardt, Hans-Paul (2006 (1998, 1969, 1961)) Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. In: Herlyn, Ulfert (Hg.). 2. Auflage. Opladen. VS Verlag. Barz-Malfatti, Hildegard und Welch Guerra, Max (2005) Straßen, Wege, Plätze. Die Erneuerung des öffentlichen Raumes in Thüringen: Städtebauförderung 1991-2003, Arbeitsblätter für Städtebauförderung Nr. 11. In: Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr (Hg.). Weimar. Baur, Ruedi (2008) Zivilgesellschaftliche Räume und Design. In: Erlhoff, Michael, Heidkamp, Philipp und Utikal, Iris (Hrsg.). Designing Public. Perspektive für dieÖffentlichkeit. 91 – 95. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Bazil, Vazrik (2008) Redemanagement. Worte schaffen Werte. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 429-440. Wiesbaden. Gabler. Beck, Klaus (2001) Aufmerksamkeitsökonomie. Die Funktion von Kommunikation und Medien. In: Beck, Klaus und Schweiger, Wolfgang (Hrsg.). Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. 19-37. München. Reinhard Fischer.
417
Beck, Klaus und Schweiger, Wolfgang (2001) Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. München. Reinhard Fischer. Bentele, Günther (2007) Legitimität der politischen Kommunikation. In: Rieksmeier, Jörg (Hg.). Praxisbuch. Politische Interessenvermittlung Instrumente – Kampagnen – Lobbying. 13-21. Wiesbaden. VS Verlag. Berding, Ulrich und Selle, Klaus (2005) Öffentlich ist öffentlich ist …? Garten + Landschaft . 8/2005. 12-14. Berding, Ulrich, Kuklinski, Oliver und Selle,Klaus (2003) Städte als Standortfaktor. Öffentliche Räume. Forschungsvorhaben im Rahmen des Forschungsprogramms Experimenteller Wohnungs- und Städtebau. Abschlussbericht. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hg.). Bonn. Selbstverlag des BBR. Bernd, M. Michael und Vardakis, Alexander (2003) Unternehmens-Marken im Zeitalter des Corporate Citizenship. Werkbuch M wie Marke. Bieling, Marc (2008) Individuelles Design von Stadtmöbeln. In: Erlhoff, Michael, Heidkamp, Philipp und Utikal, Iris (Hrsg.) Designing Public. Perspektiven für die Öffentlichkeit.100 -104. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Bihler, Michael A. (2004) Stadt, Zivilgesellschaft und Öffentliche Räume. Das Beispiel Berlin-Mitte. Münster. LIT. Bodenschatz, Harald (2005) Renaissance der Mitte: Zentrumsumbau in London und Berlin. Berlin. Verlagshaus Braun. Bogumil, Jörg, Grohs, Stephan, Kuhlmann, Sabine und Ohm, Anna K. (2007) Zehn Jahre neues Steuerungsmodell. Eine Bilanz kommunaler Verwaltungsmodernisierung. Berlin. Edition Sigma. Bolz, Norbert (1993) Am Ende der Gutenberg-Galaxis. Die neuen Kommunikationsverhältnisse. München. Wilhelm Fink Verlag. Borries, von, Friedrich (2004a) Die Markenstadt. Marketingstrategien im urbanen Raum. Dissertation an der Universität Karlsruhe. Borries, von, Friedrich (2004b) Wer hat Angst vor Niketown. Rotterdam. Episode Publishers. Brauer, Gernod (2007) Erfolgsfaktor Design-Management. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Braun-Thürmann, Holger (2005) Innovation. Bielefeld. Transcript. Braun-Thürmann, Holger (2004) Zum sozialwissenschaftlichen Verständnis von Innovationen. In: Altrock, Uwe, Güntner, Simon, Huning, Sandra und Peters, Deike (Hrsg.). Innovationen und Planung. Planungsrundschau 2004, 9. 9-17. Cottbus. Verlag Uwe Altrock. Brenner, Neil (2004) New State Spaces. Urban Governance and the rescaling of statehood. New York. Oxford University Press. Brenner, Neil und Heeg, Susanne (1997) Lokale Politik und Stadtentwicklung nach dem Fordismus: Möglichkeiten und Beschränkungen. Kurswechsel. Zeitschrift für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen. Wien: Möglichkeiten und Grenzen einer alternativen Stadtpolitik. 02/99. 103-119. Bruhn, Manfred (2005) Unternehmens- und Markenkommunikation. München. Vahlen. Bryman, Alan (2004) Social Research Methods. 2. Auflage. Oxford University Press. Burholt und Reulecke (2007) Public Affairs- Rechtsberatung zum frühest möglichen Zeitpunkt. In: Rieksmeier, Jörg (Hg.). Praxisbuch. Politische Interessenvermittlung Instrumente – Kampagnen – Lobbying. 106-111. Wiesbaden. VS Verlag. Burkard, Wilfried (1998) An jeder Ecke – Berliner Straßenmöbel. In: Bezirksamt Mitte von Berlin (Hg.), Berlin. Museum Mitte von Berlin. Buß, Eugen (2008) Image und Reputation – Werttreiber für das Management. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 227 – 244. Wiesbaden. Gabler. Castells, Manuel (1996) The Rise of Network Society. The Information Age. Economy. Society. Culture. Malden, Oxford. Blackwell Publishers. Czygan, Marco (2004) Marktversagen im Hörfunk. In: Siegert, Gabriele und Lobigs, Frank (Hrsg.) ZwischenMarktversagen und Medienvielfalt. Baden-Baden. Nomos. Dahinden, Urs (2001) Informationsflut und Aufmerksamkeitsmangel. Überlegungen zu einer Sozialökonomie der Aufmerksamkeit. In: Beck, Klaus und Schweiger, Wolfgang (Hrsg.) Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. 39-55. München. Reinhard Fischer. Damm, Steffen und Siebenhaar, Klaus (2005) Ernst Litfass und sein Erbe. Eine Kulturgeschichte der Litfasssäule. Leipzig Davenport, Thomas und Beck, John C (2001) The attention economy. Boston, Massachussets. Harvard Business School Press. Degen, Kurt Markus (1995) Werbung für übermorgen. Zürich. Ringier. Designautonome (2008) Designautonomie. In: Erlhoff, Michael, Heidkamp, Philipp und Utikal, Iris (Hrsg.). Designing Public. Perspektiven für die Öffentlichkeit. 18-21. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Diaz-Bone, Rainer (2004) Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschumg. Forum Qualitative Sozialforschung. 5. 2. 05/2004. URL: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04diazbone-d.htm#g5 (letzter Zugriff am 25.11.08). Diepgen, Eberhardt (1984) Eine Stadt mit Zukunft. Die Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin vom 23. Februar 1984 . In: Presse-und Informationsamt des Landes Berlin. Berliner Forum 1/84. Berlin.
418
Domizlaff, Hans (1982) Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik. Neu zusammengestellte Auflage (1. Auflage 1939). Hamburg. Marketing Journal. Donges, Patrick und Jarren, Otfried (2005) Politische Kommunikation. Akteure und Prozesse. In. Bonfadelli, Heinz, Jarren, Otfried und Siegert, Gabriele (Hrsg.) Einführung in die Publizistikwissenschaft. 2. Auflage. 359-385. Berlin. Stuttgart. Wien. Haupt Verlag. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung (2001) Berlin – Ansätze zur Lösung der Finanz- und Planungskrise. In: Institut für Raumplanung Universität Dortmund (Hg.). Dortmund. IRPUD. Doyle, Gillian (2002) Understanding Media Economics. London. Sage. Durth, Werner (1977) Die Inszenierung der Alltagswelt – Zur Kritik der Stadtgestaltung. In: Conrads, Ulrich (Hg.). Bauwelt Fundamente. 47. Braunschweig. Vieweg Verlag. Durth, Werner (1976) Zur gesellschaftlichen Funktion von Kritik und Theorie der Stadtgestaltung. Dissertation an der TH Darmstadt. Darmstadt. Ebert, Helmut und Piwinger, Manfred (2008) Impression Management: Die Notwendigkeit der Selbstdarstellung. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 205-226. Wiesbaden. Gabler. Eckel, Eva-Maria (1998) Individuum und Stadtraum: öffentliches Verhalten im Wandel. Wiesbaden. Deutscher Universitätsverlag. Eick, Volker (1998) Neue Sicherheitsstrukturen im neuen Berlin. „Warehousing“ öffentlichen Raums und staatlicher Gewalt. PROKLA. 110. 95-118. Elander, Ingemar (2002) Partnerships and Urban Governance. International Social Science Journal. 54/172. 191-204. Oxford. Blackwell Publishers. Engelmann, Gerhard (1986) Der baurechtliche Verunstaltungsbegriff bei den Anlagen der Außenwerbund. Dissertationsschrift an der Universität Erlangen. Erlangen. Erlhoff, Michael, Heidkamp,Philipp und Utikal, Iris (2008) Designing Public - Perspektiven für die Öffentlichkeit. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Evers, Adalbert und Laville, Jean-Louis (2004) The Third Sector in Europe. Cheltenham. Edward Elgar. Faccioni Mendes, Camila (2006) Paisagem urbana - uma mídia redescoberta. São Paulo. Editora Senac. Fainstein, Susan (1994) The City Builders. Property, Politics & Planning in London and New York. Cambridge. Blackwell. Fessler Vaz, Lilian, Knierbein, Sabine and Welch Guerra, Max (2006) Der öffentliche Raum in der Planungspolitik. Studien aus Rio de Janeiro und Berlin. Weimar. Verlag der Bauhaus-Universität. Flecken, Ursula (2005) Bekenntnis zu Tradition und Demonstration von Innovation. In: Bodenschatz, Harald (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 336-403. Berlin. Verlagshaus Braun. Flecken, Ursula (1999) Zur Genese der Nachmoderne im Städtebau. Entwürfe 1960-1975 in Westdeutschland. Berlin. Arbeitshefte des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin. Flick, Uwe (2004a) Design und Prozess qualitativer Forschung. In: Flick, Uwe, Kardorff, Ernst von und Steinke, Iris (Hrsg.) Qualitative Forschung: ein Handbuch. 3. Auflage. 251-265 Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Flick, Uwe (2004b) Triangulation. Eine Einführung. 1. Auflage. Wiesbaden. VS Verlag. Flick, Uwe (2004c) Triangulation in der qualitativen Sozialforschung. In: Flick, Uwe, Kardorff, Ernst von und Steinke, Iris (Hrsg.). Qualitative Forschung: ein Handbuch. 3. Auflage. 309-318. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Flick, Uwe, von Kardorff, Ernst und Steinke, Iris (2004) Qualitative Forschung: ein Handbuch. 3. Auflage. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Franck, Georg (2008) Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 159-168. Wiesbaden. Gabler. Franck, Georg (2004) Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München. Carl Hanser Verlag. Franck, Georg (2002) The scientific economy of attention: A novel approach to the collective rationality of science. Scientometrics. 55.1. 3-26. Franck, Georg (1999) The economy of attention. Telepolis. 06. 99. URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/5/5567/ 1.html (letzter Zugriff am 25.11.08). Franck, Georg (1998) Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München. Carl Hanser Verlag. Frey, Siegfried (2005) Die mediale Macht des Bildes. 2. Auflage. Bern. Hans Huber Verlag. Gazdar, Kaevan und Kirchhoff, Klaus Rainer (2004) Unternehmerische Wohltaten- Last oder Lust? Von Stakeholder Value, Corporate Citizenship und Sustainable Development bis Sponsoring. Neuwied. Luchterhand. Giersig, Nico (2008) Multilevel urban governance and the ‘European City’. Discussing Metropolitan Reforms in Stockholm and Helsinki. Wiesbaden. VS Verlag. Gläser, Jochen und Laudel, Grit (2004) Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. 1. Auflage. Wiesbaden. VS Verlag. Glombitza, Anna (2003) Corporate Social Responsibility in der Unternehmenskommunikation: ein Vergleich der Chemie-/Pharmaunternehmen. Diplomarbeit Technische Universität Illmenau/ Berlin.
419
Goebel, Benedikt (2002) Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum. Berlin. Verlagshaus Braun. Goldhaber, Michael (1997) Attention Economy and the Net – Part II. Canadian Psychology/Psychologie Canadienne. 31. 3. 262-271. Goldthorpe, John H., Lockwood, David, Bechhofer, Frank und Platt, Jennifer (1969)The Affluent Worker: Industrial Attitudes and Behaviour. Cambridge. Cambridge University Press. González, Sara und Healey, Patsy (2005) A sociological institutionalist Approach to the Study of Innovation in Governance Capacity. Urban Studies. 42/11. 2055-2069. Goodsell, Charles T. (2003) The Concept of Public Space and its democraticmanifestations. American Review of Public Administration 33.4 361-38 Graham, Stephen und Healey, Patsy (1999) Relational concepts of space and place: Issues for planning theory and Practice. European Planning Studies. 7(5). 623-646. Große Holforth, Dominik (2001) Die Entstehung von Aufmerksamkeitsmärkten in Online-Medien. In: Beck, Klaus und Schweiger, Wolfgang (Hrsg.). Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. 121-138. München. Reinhard Fischer. Grünewald, Markus (2004) Corporate Social Responsibility. Konsumenten als Treiber für mehr gesellschaftliche Verantwortung in Unternehmen? In: Freimann, Jürgen. Akteure einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung. 3955. München. Hampp, Mering. Gualini, Enrico (2005) Reconnecting space, place and institutions: Inquiering into „local“ governance capacity in urban and regional research. In: Albrechts, Louis und Mandelbaum, Seymour. The network society: a new context for planning. London. Routledge. Habermas, Jürgen 1990 (1962) Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. 1. Auflage der Neuauflage (1962). Frankfurt a. M. Suhrkamp. Hain, Simone (2001) Struggle for the Inner City – a Plan becomes a Declaration of War In: Neill, William J. V. und Schwedler, Hans-Uwe. Urban planning and cultural inclusion: lessons from Belfast and Berlin. 69-84. Palgrave. Houndsmill. Hain, Simone (2000) Urbanistik und Architektur beim neoliberalen Ausbau der Zitadelle Berlin. Ein Fall revanchistischer Stadtentwicklungspolitik. Berlin: Global City oder Konkursmasse? Eine Zwischenbilanz zehn Jahre nach dem Mauerfall. 111-128. Berlin. Karl-Dietz Verlag. Hainer, Wolfgang (2004) Medienpolitische Aspekte der Markenführung . In: Bruhn, Manfred. Handbuch Markenführung. Band 3. 2. Auflage. Wiesbaden. Gabler . Hajer, Marten (2003) Deliberative Policy Analysis: Understanding governance in the network society. Cambridge. Cambridge University Press. Harvey, David (2006) The political economy of public space. In: Low, Setha and Smith, Neil. The politics of public space. 17-34. New York. Routlegde. Harvey, David (1989) The Condition of Postmodernity. An inquiry into the origins of Cultural Change. Oxford, Cambridge. Blackwell. Hasse, Jürgen (1988) Die räumliche Verortung des Menschen in der Postmoderne. Hatzfeld, Ulrich (2006) Stadtmarketing – Erfahrungen, Folgerungen. In: Selle, Klaus und Zalas, Lucyna (Hrsg.). Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung. 177-189. Dortmund. Verlag Dorothea Rhon. Haus, Michael und Heinelt, Hubert (2004) Politikwissenschaftliche Perspektiven auf den Stand der Planungstheorie. In: Altrock, Uwe, Güntner, Simon, Huning, Sandra und Peters, Deike (Hrsg.). Perspektiven der Planungstheorie. Berlin. Leue Verlag. Hauser, Susanne (2002) Ökonomien der Aufmerksamkeit – Zur Sichtbarkeit der Städte. In: Bauer, Lydia und Sievernich, Gereon (Hrsg.). Reden über die Stadt. 203-221. Berlin. Dreieck Verlag. Häußermann, Hartmut, Läpple, Dieter und Siebel, Walter (2008) Stadtpolitik. 1. Auflage. Frankfurt a. M. Suhrkamp. Häußermann, Hartmut und Siebel, Walter (2004) Stadtsoziologie. Frankfurt a. M. Campus. Häußermann, Hartmut und Colomb, Claire (2003) The New Berlin: Marketing the City of Dreams. In: Hoffmann, Lily M., Fainstein, Susan und Judd, Dennis R. (Hrsg.). Cities and Visitors: Regulation People, Markets and City Space. 200-219. Malden, Oxford Blackwell. Häußermann, Hartmut und Siebel, Walter (1987) Neue Urbanität. Frankfurt a.M. Suhrkamp. Healey, Patsey (2006) Transforming Governance: Challenges of Institutional. Adaptation and a New Politics of Space. European Planning Studies. 14.3. 299-320. Hegemann, Werner (1979) Das steinerne Berlin. Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt. Braunschweig. Verlag Vieweg & Sohn. Heinelt, Hubert (2005) Vom Verwaltungsstaat zum Verhandlungsstaat In: Blanke, Bernhard, Von Bandemer, Stephan, Nullmeier, Grank und Wewer, Göttrik (Hrsg.). Handbuch zur Verwaltungsreform. 3. Auflage. 10-17. Wiesbaden VS Verlag. Heinz, Werner (1993) Public-private partnership. Ein neuer Weg zur Stadtentwicklung? Berlin. Kohlhammer.
420
Helbrecht, Ilse (1994) „Stadtmarketing“. Konturen einer kommunikativen Stadtentwicklungspolitik. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Hofe, Klaus G. und Rost, Martina (2005) Außenwerbung. 3. Auflage. Freiburg. Creativ Collection Verlag. Hoffjann, Olaf (2007) Von der Pflicht zur Kür – integriertes Corporate Citizenship. In: Rieksmeier, Jörg (Hg.). Praxisbuch: Politische Interessenvermittlung Instrumente – Kampagnen – Lobbying. 34-43. Wiesbaden. VS Verlag. Höfler, Heiko (2005) Gestaltungsmöglichkeiten im Vergabeverfahren für PPP-Modelle. Handout zum Vortrag. 03.06.2005. URL: https://www.unimuenster.de/imperia/md/content/agfortbildung/20605_hoefler_1.pdf (letzter Zugriff am 27.02.07). Höft, Uwe (1992) Lebenszykluskonzepte: Grundlage für das strategische Marketing- und Technologiemanagement. Berlin. E. Schmidt. Hölscher, Barbara (1998) Lebensstile durch Werbung? Opladen/Wiesbaden. Westdeutscher Verlag. Horx, Matthias (1995) Einleitung. Trendmarken. Markentrends . In: Horx, Matthias und Wippermann, Peter (Hrsg.). Trendbüro Markenkult. Wie Waren zu Ikonen werden . Düsseldorf. Econ. Hubbard, Phil und Hall, Tim (1998) The entrepreneurial city: Geographies of Politics, Regime and Representation Chichester. Whiley & Sons. Huning, Sandra (2006) Politisches Handeln in öffentlichen Räumen. Edition Stadt und Region. Band 14. Berlin Leue. Huning, Sandra (2003) Sind Shopping Malls die besseren öffentlichen Räume? In: Altrock, Uwe, Kunze, Ronald, Von Petz, Ursula und Schubert, Dirk (Hrsg.). Jahrbuch Stadterneuerung 2003. 109-123. Berlin Verlag der Technischen Universität Berlin. Ipsen, Detlev (1986) Raumbilder. Zum Verhältnis des ökonomischen und des kulturellen Raums. Informationen zur Raumentwicklung. 11.12. 921-931. Jann, Werner (2005) Neues Steuerungsmodell. In: Blanke, Bernhard, Von Bandemer, Stephan, Nullmeier, Grank und Wewer, Göttrik (Hrsg.). Handbuch zur Verwaltungsreform. 3. Auflage. 74-83. Wiesbaden. VS Verlag. Janson, Alban und Bürklin, Thorsten (2002) Auftritte: Interaktionen mit dem architektonischen Raum: die Campi Venedigs. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Jarren, Otfried (1996) Auf dem Weg in die „Mediengesellschaft“. Medien als Akteure und institutionalisierter Handlungskontext. In: Imhof, Kurt und Schulz, Peter (Hrsg.). Politisches Raisonnement in der Informationsgesellschaft. 79-96. Zürich. Seismo. Jarren, Otfried und Donges, Patrick (2002) Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung. Wiesbaden. Westdeutscher Verlag. Jayne, Mark (2006) Cities and Consumption. Oxon, New York. Routledge. Jessop, Bob (2007) Kapitalismus, Staat, Regulation. Ausgewählte Schriften. In: Röttger, Bernd und Diaz, Victor Rego (Hrsg.). Hamburg. Argument. Jessop, Bob (2004) Institutional (Re)turns and the Strategic-relational approach. In: Wood Andrew and Valler, David (Hrsg.). Governing local and regional economies. Institutions, Politics and Economic Development. 23-56. Aldershot. Ashgate. Jessop, Bob (1998) The Narrative of Enterprise and the Enterprise of Narrative: Place marketing and the entrepreneurial city. In: Hubbard, Phil und Hall, Tim (Hrsg.) The entrepreneurial city: Geographies of Politics, Regime and Representation. 77-99. Chichester. Whiley & Sons. Johanssen + Kretschmer (2008) Handout zur Präsentation „CSR – mehr als nur eine Affäre?“ vom 26.06.08 (unveröffentlichtes Manuskript). Johanssen + Kretschmer (2006a) Handout zur Präsentation „CSR – Macht`s gut“ vom 30.05.06 (unveröffentlichtes Manuskript). Johanssen + Kretschmer (2006b) Handout zur Präsentation „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“ vom 30.05.06 (unveröffentlichtes Manuskript). Johanssen + Kretschmer (2006c) Handout zur Präsentation „Lobbying und Public Affairs“ vom 30.05.06 (unveröffentlichtes Manuskript). Joost, Gesche und Scheuermann, Arne (2008) Design als Rhetorik: Grundlagen, Positionen, Fallstudien. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Jordan, Anne (2008) Ein neues Stück Paris. Planungsdiskurse, Referenzen und die Formierung eines urbanenImages im städtebaulichen Großprojekt Paris Rive Gauche. Unveröffentlichtes Dissertationsmanuskript an der Bauhaus Universität Weimar. Weimar. Kavaratzis, Michaelis (2004) From city marketing to city branding: Towards a theoretical framework for developing cityBrands. Place Branding. 2004.1. 58-73. Kiefer, Marie Luise (2005) Medienökonomik. München. Oldenbourg. Kiefer, Marie Luise (2004) Medien und neuer Kapitalismus. In: Siegert, Gabriele und Lobigs, Frank (Hrsg.). Zwischen Marktversagen und Medienvielfalt. Baden-Baden. Nomos. Kirchberg, Volker (1998) Stadtkultur in der Political Economy. In: Kirchberg, Volker und Göschel, Albrecht (Hrsg.)Kultur in der Stadt. 41-54. Opladen. Leske + Budrich. .
421
Kloss, Ingo (2007) Werbung. Handbuch für Studium und Praxis. 4. Auflage. München. Franz Vahlen. Klünner, Hans-Werner und Ullmann, Gerhard (1983) Straßenmöbel in Berlin. In: Senator für Bau- und Wohnungswesen(Hg.). Berlin. Enka-Druck GmbH Berlin. Knierbein, Sabine (2006) Die Produktion öffentlichen Raums als planungspolitischer Prozess. In: Fessler Vaz, Lilian, Knierbein, Sabine und Welch Guerra, Max (Hrsg.) Der öffentliche Raum in der Planungspolitik.Studien aus Rio de Janeiro und Berlin. Weimar: Verlag der Bauhaus-Universität. Knierbein, Sabine (2008a) Central public spaces in European cities in transition. In: Cidre, Elisabeth, Cotella, Giancarlound Nunes, Richard (Hrsg.). Central and Eastern Europe in the Face of European Enlargement: NewChallenges and Opportunities for Urban Environments. Alfa Spectra – Central and European Journal of Architectureand Planning. 08.1.50-58. Knierbein, Sabine (2008b). Die Produktion zentraler öffentlicher Räume in der Aufmerksamkeitsökonomie. Ästhetische, ökonomische und mediale Restrukturierungen durch gestaltwirksame Koalitionen in Berlin seit 1980. Dissertationsschrift. Bauhaus-Universität Weimar. Knierbein, Sabine (2009) Shaping central public spaces – design-related partnerships in Berlin.In: Eckardt, Frank und Elander, Ingemar (Hrsg.). Urban Governance in Europe Berlin. Berliner Wissenschaftsverlag. 173-202. Knierbein, Sabine (2010) Mobiliário urbano e publicidade em espaços públicos centrais – os casos de Berlim e de Rio de Janeiro. In: Da Silva Andrade, Luciana, Fessler Vaz, Lilian und Welch Guerra, Max (Hrsg.). Rio de Janeiro. Editora Prourb (Drucklegung in Kürze). Konter, Erich (et. al.) (2005) Das Zentrum von Berlin. In: Bodenschatz, Harald (Hg.). Renaissance der Mitte. Zentrumsumbau in London und Berlin. 166-335. Berlin. Verlagshaus Braun. Kooiman, Jan (1993) Modern Governance. London (u.a.). Sage Publications. Korff, Guido (1987) Marketing für Außenwerbeträger Frankfurt a. M. Lang. Kreutzer, Dietmar (1993) Aussenwerbung im Stadtraum. Dissertationsschrift an der Bauhaus-Universität Weimar. Weimar. Kreutzer, Dietmar (1995) Werbung im Stadtraum. Berlin. Verlag für Bauwesen. Kristahn, Heinz-Jürgen (1987) Kunst im Wettbewerb In: Wall, Hans (Hg.) City-line.Berlin Wall Verkehrswerbung GmbH. Kröninger, Birgit (2007) Der Freiraum als Bühne: Zur Transformation von Orten durch Events und Inszenierungen. München. Martin Meidenbauer Verlag. Krosigk, von, Klaus (2002) Unter den Linden, Berlin. Topos. 2002/41. 78-83. München. Callwey. Krotz, Friedrich (2001) Die Übernahme öffentlicher und individueller Kommunikation in die Privatwirtschaft. Über den Zusammenhang von Mediatisierung und Ökonomisierung. In: Karmasin, Matthias, Knoche, Manfred und Winter, Carsten (Hrsg.). Medienwirtschaft und Gesellschaft. Band 1. Medienunternehmen und Medienproduktion. 197217. Münster. LIT. Kübler, Hans-Dieter (1998) Vor »Implosionen« des Wissens? Einige medientheoretische Überlegungen. In: Jochum, Uwe und Wagner, Gerhard (Hrsg.). Am Ende – das Buch. Semiotische und soziale Aspekte des Internet. 15- 54. Konstanz. Kuklinski, Oliver ( 2003) Öffentlicher Raum – Ausgangslagen und Tendenzen in der kommunalen Praxis. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Städte als Standortfaktor – Öffentlicher Raum. Informationen zur Raumentwicklung. 1./2.2003. 39-46. Lamnek, Siegfried (1993) Qualitative Sozialforschung. Band 2. Weinheim. Beltz Verlag. Läpple, Dieter (1992) Essay über den Raum. In: Häußermann, Hartmut (Hg.). Stadt und Raum: soziologische Analysen. 1. Auflage. 157-207. Pfaffenweiler. Centaurus-Verlag-Gesellschaft. Lazarsfeld, Paul F. und Merton, Robert E. (1965) Mass Communication, Popular Taste and Organized Social Action. In: Rosenberg, Bernard, White, David Manning (Hrsg.). Mass culture. The popular arts in America. 457- 473. New York. Free Press. Le Galès, Patrick (2006) Gouvernement et gouvernance des territoires Paris. La documentación française.Le Galès, Patrick (2004) Private Sector Interests and Urban Governance. In: Bagnasco, Arnaldo und Le Galès, Patrick Cities in Contemporary Europe. 78-197. Cambridge. Cambridge University Press. Le Galès, Patrick (2002) European Cities – Social Conflicts and Governance. Oxford. Oxford University Press. Le Galès, Patrick (1998) Regulations and Governance in European Cities. International Journal of Urban and Regional Research. 22.3. 482-506. Leborgne, Daniele und Lipietz, Alain (1991) Two social strategies in the production of new industrial spaces. In: Benko, George und Dunford, Mick (Hrsg.) Industrial change and regional development: the transformation. 27-49. London. Wiley and Sons. Lefebvre, Henri (1998) The production of space. Übersetzung ins Englische Donald Nicholson-Smith (1991). 9. Auflage. Oxford. Blackwell. Lehmann, Franziska (2008) Public Space – Public Relations. Großformatige Werbung als ein Beispiel des Umgangs mit öffentlichen Räumen. In: Schriftenreihe Lebendige Stadt. Band 6. Frankfurt a. M. Societätsverlag.
422
Lehmann, Franziska und Ache, Peter (2004) Branded spaces. Werbung im öffentlichen Raum. DISP. 159.04. 20-30. Leiss, William, Kline, Stephen and Jhally, Sut (1990) Social Communication in Advertising. London. Routledge. Lenhart, Karin (2001) Berliner Metropoly: Stadtentwicklungspolitik im Berliner Bezirk Mitte nach der Wende. Opladen. Leske + Budrich. Lethovuori, Panu (2005) Experience and Conflict. The dialectics of the production of public urban space in the light of new event venues in Helsinki 1993-2003. Helsinki. Helsinki University of Technology. Centre for Urban and Regional Studies. Libbe, Jens, Tomerius, Stephan und Trapp, Martin (2002) Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung – soziale und umweltpolitische Perspektiven im Zeichen des Wettbewerbs. Difu-Beiträge zur Stadtforschung. Berlin. Deutsches Institut für Urbanistik. Liedtke, Dirk (2002) Muss es immer Größe sein? - Der Markt für Außenwerbung in Deutschland. M & A Intern. 3335. Locke, Katja (2005) Die Entwicklung typisierter Wartehallen in Berlin. Diplomarbeit Produktdesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. URL: http://www.khb-archiv.de/khbneu/projekt/theorie/katja_locke_berliner_ wartehallen. pdf (letzter Zugriff am 25.11.08). Lofland, Lyn (1998) The Public Realm. Exploring the cities quintessential social territory. New York. Aldyn de Gruyter. Logan, John R. and Molotch, Harvey L. (2007 (1987))Urban Fortunes. The political economy of place. 20th anniversairy edition. Berkeley. University of California Press. Logan, John R. and Swanstrom, Todd (1990) Beyond the city limits: Urban Policy and Economic Restructuring in a Comparative Pespective. Philadelphia. Temple University Press. Löw, Martina, Steets, Silke und Stoetzer, Sergej (2007) Einführung in die Stadt- und Raumsoziologie. Opladen und Farmington Hills. Verlag Barbara Budrich. Low, Setha und Smith, Neil (2006) The Politics of Public Space. New York. Routlegde. Lowndes, Vivian (2001) Rescuing Aunt Sally: Taking Institutional Theory Seriously in Urban Politics. Urban Studies. 38.11. 1953-1971. Lucht, Dietmar (1991) Entwicklungslinien der Wirtschaftsstruktur in Ost-Berlin. In: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin. Arbeitsgruppe Gewerbeplanung (Hrsg.). Wirtschaftlicher Wandel und räumliche Entwicklungsplanung im Großraum Berlin. 33-37. Berlin. ISR Diskussionsbeitrag Nr. 30. Lütz, Susanne (2006) Governance in der politischen Ökonomie: Struktur und Wandel des modernen Kapitalismus. Wiesbaden VS Verlag. MacLeod, Gordon (2004) Beyond soft institutionalism: Accumulation, Regulation and their Geographical Fixes. In: Wood, Andrew und Valler, David Governing Local and Regional Economies: Institutions, Politics and Economic Development. Aldershot. Ashgate. Madanipour, Ali (2003) Public and private spaces of the city. London. Routlegde. Marx, Karl (1872) Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Ungekürzte Ausgabe nach der 2. Auflage von 1872. Paderborn. Voltmedia. Massey, Doreen (2006) Keine Entlastung für das Lokale. In: Berking, Helmuth (Hg.). Die Macht des Lokalen in einer Welt ohne Grenzen. 25.31. Frankfurt a. M. Campus. Massey, Doreen (1999) On Space and the City. In: Massey, Doreen, Allen, John und Pile, Steve (Hrsg.). City Worlds. London und New York. Routledge. Massey, Joanne (2003) Public consumption: a private enterprise? In: Decroly, Jean-Michel (Hg.). Privatisation of urban spaces in contemporary European cities. 63-78. Bruxelles. Société Royale Belge de Géographie. Mast, Claudia (2006) Unternehmenskommunikation. 2. Auflage. Stuttgart. Lucius + Lucius. Mayntz, Renate (2004) Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie? MPIfG Working Paper 04/1. Mayntz, Renate (1993) Governings Failures and the Problem of Governability. Some Comments on a Theoretical Paradig In: Kooiman, Jan (Hg) Modern Governance. 9-20. London. Sage Publications. Meinefeld, Werner (2004) Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Sozialforschung. In: Flick, Uwe, Kardorff, Ernst von und Steinke, Iris (Hrsg.). Qualitative Forschung: ein Handbuch. 3. Auflage. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. Merten, Klaus und Joachim Westerbarkey (1994) Public Opinion und Public Relations. In: Merten, Klaus, Schmidt, Siegfried J. und Weischenberg, Siegfried (Hrsg.). Die Wirklichkeit der Medien.188-211. Opladen. Westdeutscher Verlag. Merton, Robert K. (1948) The bearing of empirical research upon the development of social theory. American Sociological Review. 13.5. 505-515. Mitchell, Don (1997) The Annihilation of Space by Law: The Roots and Implications of Anti-Homeless Law in the United States. Antipode. 1997. 29. 303-335. Mitchell, Katheryne (2000) The culture of urban space. Urban Geography. 21. 5. 443–449
423
Molotch, Harvey (1976) The City as a Growth Machine: Toward a Political Economy of Place.The American Journal of Sociology. 82. 2309-2332. Mossberger, Karen und Stoker, Gerry (2001) The evolution of urban regime theory. The challenge of conceptualization Urban Affairs Review. 36.6. 810-835. Moulaert, Frank, Martinelli, Flavia, Swyngedouw, Eric and González, Sara (2005) Towards alternative model(s) of local Innovation. Urban Studies. 42/11. 1969-1990. Müller, Udo (2008) Interaktive City. In: Erlhoff, Michael, Heidkamp, Philipp und Utikal, Iris (Hrsg.). Designing Public. Perspektiven für die Öffentlichkeit. 140-141. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Musil, Andreas und Kirchner, Sören (2007) Das Recht der Berliner Verwaltung. Unter Berücksichtigung kommunalrechtlicher Bezüge. 2. Auflage. Berlin. Heidelberg. New York. Springer. Musil, Jiri (2005) Fünfzig Jahre Stadtsoziologie. In: Genov, Nikolai (Hg.). Die Entwicklung des soziologischen Wissens - Ergebnisse eines halben Jahrhundert. 317-351. Wiesbaden. VS Verlag. Nagler, Heinz, Rambow, Riklef und Sturm, Ulrike (2004) Der öffentliche Raum in Zeiten der Schrumpfung. Berlin. Leue. Neidhardt, Friedhelm (2001) Öffentlichkeit. In: Schäfers, Bernhard und Zapf, Wolfgang (Hrsg.). Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. 2. erweiterte und aktualisierte Auflage. 502-510. Opladen. Leske + Budrich. Nessmann, Karl (2008) Personality-Kommunikation. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 833-846. Wiesbaden. Gabler. Nuissl, Henning und Heinrichs, Dirk (2006) Zwischen Paradigma und heißer Luft: Der Begriff der Governance als Anregung für die räumliche Planung. In: Altrock, Uwe, Güntner, Simon, Huning, Sandra , Kuder, Thomas, Nuissl, Henning und Peters, Deike (Hrsg.). Sparsamer Staat – schwache Stadt? Planungsrundschau 13. 51- 73. Kassel. Verlag Uwe Altrock. Ort, Markus und Schwankl, Andreas (2008) Orientierung im Wandel der Informationsangebote. In: Erlhoff, Michael, Heidkamp, Philipp und Utikal, Iris (Hrsg.). Designing Public. Perspektiven für die Öffentlichkeit. 142-149. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Painter, Joe (1998) Entrepreneus are made, not born: Learning and urban regimes in the production of entrepreneurial cities. In: Hubbard, Phil und Hall, Tim (Hrsg.). The entrepreneurial city: Geographies of Politics, Regime and Representation. 259-273. Chichester. Whiley & Sons. Petit, Pascal (1999) Structural forms and growth regimes of the Post-Fordist Era. Review of Social Economy. 57.2. 220-243. Polanyi, Karl (1992) The economy as instituted process. In: Granovetter, Mark und Swedberg, Richard (Hrsg.). The sociology of economic life. Boulder. Westview Press. Porter, Michael E. (1999) „Unternehmen können von regionaler Vernetzung profitieren“. Harvard Business Manager. 3.1999. 51-63. Porter, Michael E. (1998) On Competition. Boston. Harvard Business Review Book. Preisler-Holl, Luise (2004) Freiflächenmanagement. Aspekte der Finanzierung, der Sicherung von Qualitätsstandards und des Unterhalts. Informationen zur Raumentwicklung. 11.12. 679-686. Profé, Beate and Plate, Elke (2004) Die zukünftigen Strategien öffentlicher Freiraumentwicklung in Berlin. Informationen zur Raumentwicklung. 11./12. 659-667. Proksch, Stefan (2002) Neue Medien – neue Aufmerksamkeit. Zur Integration der "Attention Economy" in die Soziologie.Bonn. Grin-Verlag Puppis, Manuel (2007) Einführung in die Medienpolitik. Konstanz. UVK Verlagsgesellschaft. Rhodes, R.A.W. und March, David(1992) New directions in the study of policy networks. European Journal of PoliticalResearch. 21. 181-205. Riecksmeier, Jörg (2007) Praxisbuch: Politische Interessenvermittlung. Instrumente. Kampagnen. Lobbying. Wiesbaden. VS Verlag. Robertson, (1995) Glocalization: Time-Space and Homogenity-Heterogenity. In: Featherstone, Lash Scott und Robertson, Roland. Global Modernities. 15-30. London. Sage. Robinet, Karin (1991) Entwicklungslinien der Wirtschaftsstruktur in Berlin (West). In: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin. Arbeitsgruppe Gewerbeplanung (Hg.) Wirtschaftlicher Wandel und räumliche Entwicklungsplanung im Großraum Berlin. 27-32. Berlin. ISR Diskussionsbeitrag Nr. 30. Ronneberger, Klaus, Lanz, Stephan und Jahn, Walter (1999) Die Stadt als Beute. Bonn. Dietz Verlag. Roost, Frank (2008) Branding Center. Über den Einfluss globaler Markenkonzerne auf die Innenstädte. Wiesbaden. VS Verlag. Roost, Frank (2005a) Bilder als Verheißung eines besseren Zentrums. Bodenschatz, Harald (Hg.). 366-368. Berlin Verlagshaus Braun. Roost, Frank (2005b) Festivalisierung des Städtebaus. Bodenschatz, Harald (Hg). 369-370. Berlin. Verlagshaus Braun.
424
Roost, Frank (2005c) Soziale Adressaten des Zentrumsumbaus. Bodenschatz, Harald (Hg). 391-397. Berlin. Verlagshaus Braun. Roost, Frank (2000) Die Disneyfizierung der Städte. Großprojekte der Entertainmentindustrie am Beispiel des New Yorker Times Square und der Siedlung Celebration in Florida. Opladen. Leske und Budrich. Rügemer , Werner (2008) Heuschrecken im öffentlichen Raum. Bielefeld. Transcript. Saxer, Ulrich (1998) Zur Theorie von Medien-Kulturkommunikation. In: Saxer, Ulrich (Hg.) MedienKulturkommunikation. Publizistik Sonderheft. 98.29. Opladen. Westdeutscher Verlag. Saxer, Ulrich (1980) Grenzen der Publizistikwissenschaft seit 1945. Publizistik. 980.25. 525 -543. Schäfers, Eduard (2007) Die Kreativgesellschaft. Eine soziologische Untersuchung zur Zukunft der Gesellschaft. Göttingen. Cuvillier Verlag. Schalk, Willi, Thoma, Helmut und Strahlendorf, Peter (2007) Jahrbuch der Werbung 2007. Berlin. Ullstein. Scharpf, Fritz W. (2000) Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. 1. Auflage. Opladen. Leske + Budrich. Scherer, Andreas Georg und Baumann, Dorothé (2008) Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 859-873. Wiesbaden. Gabler. Scheufele, Bertram (2008) Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 89-122. Wiesbaden. Gabler. Schmid, Christian (2005) Stadt, Raum, Gesellschaft. Henri Lefebvre und die Theorie des Raumes. Stuttgart. Franz Steiner. Schmidt, Klaus (2008) Design als strategischer Erfolgsfaktor. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 487-498. Wiesbaden. Gabler. Schnierer, Thomas (1999) Soziologie der Werbung. Opladen. Leske und Budrich. Schröder, Thies (2000) Blickpunkt Berlin. Garten+Landschaft. 07/00. 8-11. Schröder, Thies (1999) Möblierung für Berlins Prachtboulevard. Garten + Landschaft 10/99. URL: http://www.garte nlandschaft.de/index.php?Navi=15&Subnavi=19&do=artikel&id=1645 (letzter Zugriff am 25.11.08). Schröter, Eckardt und Wollmann, Hellmut (2005) New Public Manangement. In: Blanke, Bernhard, Von Bandemer, Stephan, Nullmeier, Grank und Wewer, Göttrik (Hrsg.). Handbuch zur Verwaltungsreform. 3. Auflage. 63-73. Wiesbaden. VS Verlag. Schubert, Herbert (2003) Ein neues Verständnis von urbanen öffentlichen Räumen. In: Selle, Klaus (Hg.). Was ist los mit öffentlichen Räumen. Analysen. Positionen. Konzepte. 141-146. Dortmund. Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur. Schubert, Herbert (2001) Grundlagen für die Erneuerung des öffentlichen Stadtraumes. In: Arbeitskreis Stadterneuerung an Deutschsprachigen Hochschulen und dem Institut für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin . Jahrbuch Stadterneuerung. Berlin. Unversitätsverlag der Technischen Universität Berlin. Schubert, Herbert (2000) Städtischer Raum und Verhalten. Zu einer integrierten Theorie des öffentlichen Raums. Opladen . Leske und Budrich. Schulze, Gerhard (2001) Stadtkultur in der Erlebnisgesellschaft. In: Flagge, Ingeborg und Pesch, Franz (Hrsg.). Stadtund Kultur. 216-221. Wuppertal. Müller und Busmann. Schulze, Gerhard (1997) Die Erlebnis-Gesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart. 7. Auflage. Frankfurt a. M. Campus. Schulze, Gerhard (1992) Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. 2. Auflage. Frankfurt a. M. Campus. Schumpeter, Joseph Alois (1964) Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin. Dunker & Humblot. Selle, Klaus (2005) Planen. Steuern. Entwickeln: über den Beitrag öffentlicher Akteure zur Entwicklung von Stadt und Land. Dortmund. Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur. Selle, Klaus (2003) Was ist los mit öffentlichen Räumen? Analysen, Positionen, Konzepte. 2. erweiterte und aktualisierte Auflage. Dortmund. Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur. Selle, Klaus (2001) Öffentlicher Raum – Von was ist die Rede? In: Arbeitskreis Stadterneuerung an Deutschsprachigen Hochschulen und dem Institut für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin. Jahrbuch Stadterneuerung 2001. Selle, Klaus, Berding, Ulrich und Kuklinski, Oliver (2003) Städte als Standortfaktor: Öffentliche Räume: Forschungsvorhaben im Rahmen des Forschungsprogramms Experimenteller Wohnungs- und Städtebau; Abschlussbericht In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hg.). Bonn. Selbstverlag des BBR. Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr (1998 a) Ausschreibung “Straßenmöbel ‘Unter den Linden’. Offener zweiphasiger Realisierungswettbewerb“, Ausschreibung. In: Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hg.). Berlin. Grimm.
425
Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr (1998b) Ausschreibung “Straßenmöbel ‘Unter den Linden’ Offener zweiphasiger Realisierungswettbewerb“, Ergebnisprotokoll. In: Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hg.) Berlin.Grimm. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2004) Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020. Statusbericht und perspektivische Handlungsansätze. Berlin. Kulturbuch-Verlag. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2002) Stadtentwicklungsplan Öffentlicher Raum Berlin (unveröffentlichtes aktualisiertes Manuskript der veröffentlichten Version von 1999). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2001) Alexanderplatz Berlin, Geschichte, Planung, ProjekteBerlin KulturbuchVerlag Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Architektur-Werkstatt (2004). Handbuch Berliner Stadtmobiliar (unveröffentlichte Digitalversion). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie (1999a) Handbuch zur Gestaltung von Straßen und Plätzen. Berlin. Kulturbuch-Verlag. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie (1999b) Stadtentwicklungsplan Öffentlicher Raum: Materialien. Berlin. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie und Landesdenkmalamt Berlin, Gartendenkmalpflege ( 1997) Ausstellungsmaterialien ‘350 Jahre Unter den Linden’. Katalog. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (2004) Zentrenatlas Wirtschaftsstandort Berlin. In: Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (Hg.) 2. Auflage. Berlin. Regioverlag. Sennett, Richard (2000) Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: die Tyrannei der Intimität. Frankfurt a. M. Fischer. Sewing, Werner (2003) Bildregie. Architektur zwischen Retrodesign und Eventkultur. In: Conrads, Ulrich und Neitzke, Peter (Hrsg.). Bauwelt Fundamente 12. Basel, Boston, Berlin. Birkhäuser. Sewing, Werner (2000) Große Gesten in Ost und West. In: Architekten und Ingenieurverein zu Berlin (Hg.). Visionen einer besseren Stadt: Städtebau und Architektur in Berlin 1949-1999. Katalog. Berlin. AIV Berlin. Siegert, Gabriele (2001a) Der Januskopf der Aufmerksamkeit. In: Beck, Klaus und Schweiger, Wolfgang (Hrsg.). Attention please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit. 109-120. München. Reinhard Fischer. Siegert, Gabriele (2001b) Medien. Marken. Management. Relevanz, Spezifika und Implikationen einer medienökonomischen Profilierungsstrategie. München. Reinhard Fischer. Siegert, Gabriele (1996) Die Beziehung zwischen Medien und Ökonomie als systemtheoretisches Problem. In: Mast, Claudia (Hg.). Markt. Macht. Medien. Publizistik im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und ökonomischen Zielen. 43-55. Konstanz. UVK Medien. Siegert, Gabriele und Brecheis, Dieter (2005) Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft. Wiesbaden. VS Verlag. Simon, Herbert (1971) Designing Organizations for an Information-Rich World. In: Greenberger, Martin. Computers, Communication, and the Public Interest. 37-72. Baltimore. The John Hopkins University Press. Smith, Neil (1996) The revanchist city. London. Routledge. Spiegel, Erika (1987) „Identität und Identifikation“. In: Bericht der Kommission „Architektur und Städtebau. Stadt, Kultur, Natur. Chancen zukünftiger Lebensgestaltung, beauftragt durch die Landesregierung Baden-Württemberg. 166-170. Stuttgart . Städtebaubericht 1975 der Bundesregierung (o.J.) Bonn-Bad-Godesberg. Stahn, Günter (1970) Probleme der räumlichen Umgestaltung großstädtischer Zentrumsbereiche im Prozess der Herausbildung der sozialistischen Lebensweise dargestellt am Beispiel der Friedrichstraße in Berlin. Berlin. Typoskript. Steinert, Andreas, (2007) Reputation durch Corporate Social Responsibility. In: Rieksmeier, Jörg (Hg.). Praxisbuch Politische Interessenvermittlung Instrumente. Kampagnen. Lobbying. 44-50. Wiesbaden. VS Verlag. Stoker, Gerry (1998) Public private partnerships and urban governance. In: Pierre, John (Hg.). Partnerships in Urban Governance. European and American Experiences. Houndsmill. Palgrave Macmillan. Stoker, Gerry und Mossberger, Karen (1994) Urban Regime Theory in a Comparative Perspective. Environmental Planning C: Government and Policy. 1994.12. 195-212. Stone, Clarence (1989) Regime politics: governing Atlanta, 1946 – 1988. Lawrence. Univ. Press of Kansas. Süchting, Wolfgang und Weiss, Patrick (2001) A New Plan for Berlin`s Inner City: Planwerk Innenstadt. In: Neill, William J. V. und Schwedler, Hans-Uwe. Urban planning and cultural inclusion. Lessons from Belfast and Berlin. 57-68. Basingstoke. Palgrave. Swyngedouw, Eric (2005) Governance Innovation and the Citizen: The Janus Face of Governance-beyond-the-state Urban Studies. 42/11. 1991-1968. Szyszka, Peter (2008) Kommunikation mit dem Kunden. Marken-PR und Produkt-PR als Instrumente der Markenkommunikation. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) Handbuch Unternehmens-kommunikation. 741756. Wiesbaden. Gabler.
426
Szyszka, Peter (2005) PR-Verständnis im Marketing. In: Bentele, Günther; Fröhlich, Romy und Szyszka, Peter (Hrsg.). Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. 241-253. Wiesbaden. VS Verlag. Taipale, Kaarin (2006) From Piazza Navona to Google or from local public space to global public sphere. URL: http:/ /153.1.6.41/laitokset/tacs/papers0506/Paper_PUBLIC_SPACE_UTA_conference_May06_taipale.pdf (letzter Zugriff am 01.11.08). Theis-Berglmair, Anna-Maria (2008) Meinungsbildung in der Mediengesellschaft. Grundlagen und Akteure öffentlicher Kommunikation. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 123136. Wiesbaden. Gabler . Theis-Berglmair, Anna-Maria (2001) Aufmerksamkeit und Wahrnehmen. Mediale Strategien zur Sicherstellung zentraler Voraussetzungen für Kommunikation. In: Beck, Klaus/Schweiger, Wolfgang (Hrsg.). Attention please! OnlineKommunikation und Aufmerksamkeit. 57-67. München. Reinhard Fischer. Thorngate, Warren (1998) The Economy of Attention and the Development of Psychology. Canadian Psychology/Psychologie Canadienne. 31.3. 262-271. Tomadoni, Claudia (2007) A propósito de las nociones de espacio y territorio. Revista gestion y ambiente. 10.04. 53-6.5 Tomadoni, Claudia (2004) Lógica metodológica: las estrategias y los instumentos. In: Tomadoni, Claudia La reestructuración industrial en la region metropolitana Córdoba. El caso del sector automotriz. Unveröffentlichtes Dissertationsmanuskript. Tomczak, Torsten und Kernstock, Joachim (2004) Unternehmensmarken. In: Bruhn, Manfred (Hg.). Handbuch Markenführung. Band 1. 2. Auflage. Wiesbaden. Gabler. Tonkiss, Fran (2005) Space, the city and social theory. Cambridge (u.a.) Polity Press. Trieb, Michael (1974) Stadtgestaltung. Theorie und Praxis. Gütersloh. Weltbild Verlag. Tuomi, lIkka (2002) Networks of Innovation: Change and Meaning in the Age of the Internet. Oxford. Oxford University Press. Ullrich, Wolfgang (2006) Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur. Frankfurt a. M. Fischer. Wall, Hans (2005) Gelebte Welt. Nachwort von Hans Wall. In: Damm, Steffen und Siebenhaar, Klaus (Hrsg.). Ernst Litfass und sein Erbe. Eine Kulturgeschichte der Litfasssäule. Leipzig. Bostelmann und Siebenhaar. Wehler, Hans-Ulrich ( 2006) „Der Deutsche Fetisch“. Spiegel Spezial: Die 50er Jahre. Vom Trümmerland zum Wirtschaftswunder. 1.06. 108-109. Wehner, Josef (1997) Medien als Kommunikationspartner. Zur Entstehung elektronischer Schriftlichkeit im Internet. In: Gräf, Lorenz und Krajewski, Markus (Hrsg.) Soziologie des Internet. Handeln im elektronischen Web- Werk. 125-149. Frankfurt a. M. Campus. Weinzen, Hans Willi (2005) Berlin und seine Finanzen. Von der Bundeshilfe in den Finanzausgleich. 2.Auflage. Berlin. Hitit. Weiske, Christiane (2004) Straße und Platz. Die politische Verfassung von Öffentlichkeiten. In: Heinz Nagler, Heinz, Rambow, Riklef und Sturm, Ulrike Sturm (Hrsg.). Der öffentliche Raum in Zeiten der Schrumpfung. Berlin. Leue Verlag. Welch Guerra, Max (2006) Öffentliche Räume im neuen bundesrepublikanischen Regierungsviertel. In: Fessler Vaz, Lilian, Knierbein, Sabine and Welch Guerra, Max (Hrsg.) Der öffentliche Raum in der Planungspolitik. Studien aus Rio de Janeiro und Berlin. 113-130. Weimar. Verlag der Bauhaus-Universität Welch Guerra, Max (2005) Las recientes transformaciones urbanas y su estudio. In: Welch Guerra, Max. Buenos Aires a la deriva. Transformaciones urbanas recientes. Buenos Aires. Editorial Biblos. Welch Guerra, Max (1999) Hauptstadt einig Vaterland. Planung und Politik zwischen Bonn und Berlin. Berlin. Verlag für Bauwesen. Welch Guerra, Max (1992) Vermieterstruktur und Depolitisierung der Wohnungspolitik. Die Politik des CDUgeführten Senats gegenüber der Anbieterseite des Wohnungsmarktes in Berlin (West) von 1982 bis 1988. Arbeitshefte des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin, Bd. 44. Berlin Verlag der Technischen Universität Berlin. Werlen, Benno (1995) Sozialgeographie alltäglicher Regionalisierungen. Band 1. Zur Ontologie von Gesellschaft und Raum. Stuttgart. Franz Steiner Verlag. Will, Markus (2005) Public Relations aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften. In: Bentele, Günther, Fröhlich, Romy und Szyszka, Peter (Hrsg.) Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. 62-77. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wohlfahrt, Norbert und Zühlke, Werner (1999) Von der Gemeinde zum Konzern Stadt: Auswirkungen von Ausgliederung und Privatisierung für die politische Steuerung auf kommunaler Ebene. Dortmund ILS. Wollmann, Hellmut, Röber, Manfred und Schröter, Eckhard (2002) Moderne Verwaltung für moderne Metropolen – Berlin und London im Vergleich. Stadtforschung Aktuell 82. Opladen. Leske und Budrich.
427
Wouters, Cas (1999) Informalisierung. Norbert Elias’ Zivilisationstheorie und Zivisationsprozesse im 20. Jahrhundert. Wiesbaden. Opladen. Wouters, Cas (1979) Informalisierung und der Prozess der Zivilisation. In: Gleichmann, P.R., Goudsblom, J. und Korte, H. (Hrsg.) Materialien zu Norbert Elias’ Zivilisationstheorie. 279-298. Frankfurt a. M. Suhrkamp. Yin, Robert K. (1994) Case study research. Design and Methods. 2. Auflage. Thousand Oaks. Sage. Zerfaß, Ansgar (2008) Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement. Grundlagen, Wertschöpfung und Kommunikation. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.). Handbuch Unternehmenskommunikation. 21-70. Wiesbaden. Gabler. Zerfaß, Ansgar und Huck, Simone (2008) Innovationskommunikation: Neue Produkte, Ideen und Technologien erfolgreich positiionieren. In: Piwinger, Manfred und Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) Handbuch Unternehmenskommunikation. 847-858. Wiesbaden. Gabler. Zukin, Sharon (1998) Städte und die Ökonomie der Symbole. In: Kirchberg, Volker und Göschel, Albrecht (Hrsg.). Kultur in der Stadt . 27-40 . Opladen. Leske + Budrich. Zukin, Sharon (1995) The Cultures of Cities. Oxford, Cambridge, u.a. Blackwell.
Internet-Quellenverzeichnis 1. Stars Journal 2007. Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH Aachen. URL: http://www.pt.rwth- aachen.de/dokumente/forschung/stars/stars_journal_01_2007.pdf (letzter Zugriff am 29.04.08). Adbusters Media Foundation. URL: http://www.adbusters.org/about/adbusters (letzter Zugriff am 23.06.08). Architektenkammer Baden-Württemberg,. Wettbewerbs- und Verhandlungsverfahren. URL: http://www.akbw.de/artimg/pt_9299_m_5_Abbildung_4_WETTBEWERBversusVERHANDLUNGSVERFAHREN_050805.pdf?SESSID=a3c13734d4293db969d244ee18a9d2e7 (letzter Zugriff am 01.04.08). ARD. Tagesschau Online vom 24.07.08. „Massenandrang bei Obama-Rede Bejubelt wie ein Popstar“. URL http://www.tagesschau.de/inland/obamarede104.html (letzter Zugriff am 26.08.08). Art+Com. URL: http://www.artcom.de/ (letzter Zugriff am 23.05.08). Art+Com. Showroom. URL: http://www.artcom.de/index.php?option=com_acprojects&page=6&id=3&Itemid=115&details=0&lang= (letzter Zugriff am 23.06.08). Barceloca. La ciudad del ocio. Artikel vom 01.07.07. „La gestión del Bicing enfrenta a dos gigantes multinacionales. JCDecaux acusa a Clear Channel de incumplir el pliego de condiciones. Las dos empresas fueron a juicio para disputarse el contrato de las bicis de París“. URL: http://www.barceloca.com/dataDetails-12842/es-ES/La-gestion-del-Bicing-enfrenta-a-dos-gigantes-multinacionales-%C2%B7-El-Periodico-barcelona.aspx (letzter Zugriff am 09.06.08). Bartlett School. London. Informationen zum Space Synthax Verfahren. URL: http://www.spacesyntax.com/ (letzter Zugriff am 20.05.08). Berlin Board. URL: http://www.berlin.de/stadtdeswandels/markenkampagne/index.html (letzter Zugriff am 12.03.08). Berliner Kommunikationsagenturen. Tag der offenen Tür “Seitensprünge. Einblicke ins Herz der politischen Kommunikation”. URL: http://www.seitenspruenge-berlin.de/ (letzter Zugriff am 01.07.08). Berliner Morgenpost Online vom 31.12.05. „Hans Wall ist Berliner des Jahres“. URL: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article336115/Hans_Wall_ist_Berliner_des_Jahres.html (letzter Zugriff am 04.07.08).
428
Berliner Morgenpost Online vom 31.12.05. „Ich will ein Vorbild für andere Unternehmer sein". URL: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article336113/Ich_will_ein_Vorbild_fuer_andere_Unternehmer_sein.html (letzter Zugriff am 04.07.08). Berliner Zeitung Online vom 19.02.03. „Vom Kirchturm regnet es Geld Die Riesenposter brachten 70 000 Euro für die Reparatur des Gebäudes“. URL: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0219/berlin/0021/index.html (letzter Zugriff vom 03.06.08). Bluetspot. Wall AG. URL: http://www.bluespot.de (letzter Zugriff am 24.01.06). Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. PPP-Task Force. URL: http://www.bmvbs.de/Bauwesen/Public-Private-Partnership-PPP-,1521.1044725/Public-Private-Partnerships-PP.htm (letzter Zugriff am 23.09.08). Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Virtuelles Fahrradportal. URL: http://www.nationaler- radverkehrsplan.de/neuigkeiten/news.php?id=1910 (letzter Zugriff am 26.03.08). Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. BRD. URL: http://www.csr-in-deutschland.de (letzter Zugriff am 21.07.08). Bundesregierung. Pressemitteilung vom 21.07.08. „Feierliches Gelöbnis vor dem Reichstag“. URL: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2008/07/2008-07-21-gel_C3_B6bnis.html (letzter Zugriff am 23.07.08). BVG vom 03.04.07. Frequenzangaben U-Bahnhof Alexanderplatz. URL:http://www.bvg.de/index.php/de/Bvg/Detail/folder/301/rewindaction/Index/archive/1/year/2007/id/149704/name/B auarbeiten+bei+der+Stra%DFenbahn (letzter Zugriff am 16.11.08). Clear Channel. URL: http://www.clearchannel.com/ (letzter Zugriff am 20.11.08). CNN Politics. Com vom 24.07.08. „Full script of Obama’s speech“. URL: http://www.cnn.com/2008/POLITICS/07/24/obama.words/index.html (letzter Zugriff am 26.07.08). Das Grundeigentum (GE) 17/06 vom 12.09.2006. URL: http://www.das-hauseigentum.de/ge-01.02-f.php3?id=2283 (letzter Zugriff am 10.03.08). Die Draußenwerber. Wall AG. URL: http://www.draussenwerber.de/ (letzter Zugriff am 23.09.08). Die Zeit vom 06.04.06. „Dossier Ist die Rütli noch zu retten?“. URL: http://www.zeit.de/2006/15/Schule (letzter Zugriff am 16.11.08). Diversity-Marketing. URL: http://www.diversity-marketing.de/ (letzter Zugriff am 21.11.08). DPRG Intern. Newsletter Nr. 4/2008. URL: http://dprg.enpress.de/Datei.aspx?InDID=1608&G=1404696&a=a (letzter Zugriff am 21.07.08). Expertenkommission Staatsaufgabenkritik.Abschlussbericht. URL:http://www.berlin.de/imperia/md/content/verwaltungsmodernisierung/publikationen/abschlussberichtstaatsaufgabenkritik.pdf (letzter Zugriff am 28.05.08). Fachverband der Bauingenieure der Berliner Bauaufsicht. Stellungnahme zur geplanten Novellierung der Berliner Bauordnung vom 26.08.04. URL: http://www.fbbb.de/download/20040826_Stellungnahme_mit_Anlage.pdf (letzter Zugriff am 27.03.08). Fachverband für Außenwerbung (FAW). OMGOutdoor. Nielsen Media Research. Januar 2008. Pressemitteilung „Top-Kunden“. URL: http://www.faw-ev.de/media/download/marktdaten/Nielsen%20Top%20Kunden_2007.pdf (letzter Zugriff 22.05.08).
429
Fachverband für Außenwerbung (FAW). OMGOutdoor. Nielsen Media Research. Januar 2008. Pressemitteilung „Top-Branchen“. URL: http://www.faw-ev.de/media/download/marktdaten/Nielsen%20Top%20Branchen_2007.pdf (letzter Zugriff 22.05.08). Fachverband für Außenwerbung (FAW). Pressemitteilung vom 14.11.05. „Der erste Frequenzatlas für Deutschland liefert fundierte Daten zur Verkehrswegenutzung“. URL: http://www.faw-ev.de/de/faw/presse/Pressemitteilungen/index.nid.14.html (letzter Zugriff am 20.05.08). Fachverband für Außenwerbung (FAW). Pressemitteilung. ma 2007. Plakat. URL: http://www.faw-ev.de/c02bbe3798dfea14c4e1595aa4ddf970/de/faw/presse/Pressemitteilungen/index.nid.43.html (letzter Zugriff am 20.11.08). Fachverband für Außenwerbung. (FAW). Pressemitteilung vom 06.01.08. ma 2007. Plakat - Beginn einer neuen Ära in der Mediaplanung. URL: http://www.faw ev.de/ab41fdfff23f680740187086a8f36768/de/faw/presse/Pressemitteilungen/index.nid.37.html (letzter Zugriff am 20.05.08). Fachverband für Außenwerbung (FAW). Stellenbestand der Außenwerbeträger ab 1975 URL: http://www.faw-ev.de/media/download/marktdaten/7stellenbestand_aw_seit_1975.pdf (letzter Zugriff am 10.03.08). Fachverband für Sponsoring (FASPO). URL: http://www.faspo.de/ (letzter Zugriff am 23.07.08). FAZ-Online Artikel vom 27.07.08. „Wie sie kaufen, so zerschlagen sie Die Mär vom guten Familienkonzern“. URL:http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~EA3326AC089B249DEB4BF6E DBD6F43670~ATpl~Ecommon~Scontent.html (letzter Zugriff am 08.09.08). Fraunhofer Institut. Informationen zum Frequenzatlas. URL: http://www.ais.fraunhofer.de/tp/faw.html (letzter Zugriff am 20.05.08). Globaler Fonds.Org. URL: http://www.theglobalfund.org/de/ (letzter Zugriff am 17.05.08). Goldmedia und Screen Digest. Studie "Digital Signage in Europe - Opportunities for digital Out-of-Home advertising". Digital Signage in Europe: Prognostizierte Entwicklung in Deutschland. Harts & Rankings. URL: http://www.horizont.net/marktdaten/charts/pages/show.prl?id=4477 (letzter Zugriff am 26.08.08). Goldmedia und Screen Digest. Studie "Digital Signage in Europe - Opportunities for digital Out-of-Home advertising". Pressemitteilung „Anteil digitaler Außenwerbung wird stark wachsen“ URL:http://www.horizont.net/aktuell/medien/pages/protected/showNewsletter.php?id=78413&utm_source=Newsletter&utm_me dium=Newsletter (letzter Zugriff am 26.08.08). Hauptstadtkampagne. be Berlin. URL: http://www.sei.berlin.de/index.php?id=3 (letzter Zugriff am 29.05.08). Hauptstadtkampagne. be Berlin. URL: http://www.sei.berlin.de (letzter Zugriff am 27.05.08). Hauptstadtkampagne. be Berlin. “Neukölln. Rütli Wear. Sei Straße. Sei Laufsteg. Sei Berlin”. URL: http://sei-berlin.mobi/geschichte1.php (letzter Zugriff am 14.07.08). Horizont.Net. Pressemitteilung vom 02.01.08 „Wall-Tochter heißt Die Draussenwerber“. URL: http://www.horizont.net/aktuell/medien/pages/protected/show-73882.html (letzter Zugriff am 23.09.08). IHK. Berlin. Pressemitteilung zur Novelle der Berliner Bauordnung. URL:http://www.berlin.ihk24.de/produktmarken/standortpolitik/Stadtentwicklung/Planungsgrundlagen_und_oeffentliches_Baurec ht/Neue_Bauordnung_fuer_Berlin_vorgelegt.jsp. (letzter Zugriff am 26.03.08) Ion Design GmbH. URL: http://www.iondesign.de/ (letzter Zugriff am 23.06.08).
430
JCDecaux. Annual Report 2006. URL: http://media.corporate-ir.net/media_files/irol/12/129877/reports/AR_DocRef2006_UK_Web.pdf (letzter Zugriff am 19.05.08). JCDecaux. Cycling City-France. Lyon. Flashvideo. URL: http://fr.youtube.com/watch?v=AQGqpFqgEKg (letzter Zugriff am 10.03.08). JCDecaux. Pressemitteilung vom 26.09.06. URL: http://www.JC Decaux.de/uploads/media/JC Decaux_uebernimmt_VVR_Berek_01.pdf (letzter Zugriff am 23.03.08). JCDecaux. Vélib Paris. Flashvideo. URL:http://fr.youtube.com/watch?v=kzDzZVIxmTA (letzter Zugriff am 10.03.08) kanzlei.biz. Anwaltskanzlei Hild & Kollegen.Landgericht Köln vom 14.06.05. Urteil vom 14.06.2005. Az. 33 O 97/05. URL: http://www.kanzlei.biz/Werbung_mit_Spitzenstellung_II.452.0.html (letzter Zugriff am 12.09.08). Kirchoff Consult AG. Vortrag 2006. “IR und Kommunikation beim Börsengang”. URL: http://www.kongress-finanzkommunikation.de/data/Rainer_Kirchhoff_Praesentation.pdf (letzter Zugriff am 21.07.08). Land Berlin. Pressemitteilung vom 19.06.07. „Neuregelung der Zuständigkeit für Veranstaltungen in zentralen Bereichen“. URL: http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2007/06/19/80115/ (letzter Zugriff am 03.06.08). Land Berlin. Strukturreformen und Verwaltungsmodernisierung im öffentlichen Sektor des Landes Berlin. Bilanz 2001 bis 2006. URL:http://www.berlin.de/imperia/md/content/verwaltungsmodernisierung/publikationen/politische_bilanz_verwaltungsmodernisier ung.pdf (letzter Zugriff am 28.05.08). Locke, Katja. Diplomarbeit. 2005. URL: http://www.kh-berlin.de/khb-neu/projekt/theorie/katja_locke_berliner_wartehallen.pdf (letzter Zugriff am 10.03.08) Media Facades Festival Berlin 2008. URL: http://www.mediaarchitecture.org/mediafacades2008/exhibition/ (letzter Zugriff am 02.11.08). Medienhandbuch.de.Pressemitteilung „Durchblick in intransparenten Markt Bundeskartellamt ermittelt in der Außenwerbung“. URL: http://www.medienhandbuch.de/news/bundeskartellamt-ermittelt-in-der-aussenwerbung-11397.html (letzter Zugriff am 23.09.08). NDR Online vom 28.06.07. „Hamburg Pläne für Fahrrad-Leihsystem liegen auf Eis“. URL: http://www1.ndr.de/nachrichten/hamburg/fahrradsystem2.html (letzter Zugriff am 25.06.08). Neue Nationalgalerie. Ausstellung Met in Berlin. „Die schönsten Franzosen kommen aus New York“ URL: http://www.metinberlin.org/de/exhibition/ (letzter Zugriff am 15.07.08). Neue Gesellschaft für Bildende Kunst. Ausstellung “Arbeiten am Gleisbett”. URL: http://www.sledztilp.de/media/pressemappe_sledz_tilp.pdf (letzter Zugriff am 22.11.08). Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. „Werbung kann tödlich sein. Nach 50 Jahren verdrängt der Kommerz die Kunst vom UBahnhof Alexanderplatz“. URL: http://u2-alexanderplatz.ngbk.de/home.html (letzter Zugriff am 01.06.08). Persil. Henckel-Marke URL: http://www.persil.de (letzter Zugriff am 24.03.08). Persil. Henckel-Marke. Beschreibung der Werbekampagne anlässlich des 100. Geburtstag. URL: http://www.henkel.com/cps/rde/xchg/SID-0AC8330A-0BC0F983/henkel_de/hs.xsl/7932_7995_DED_HTML.htm (letzter Zugriff am 24.03.08). Pleon. Events + Sponsoring. Studie “Sponsoring Trends 2008”. URL: http://www.pleon.de/fileadmin/user_upload/pleonkk/studien/SponsoringTrends2008Web.pdf (letzter Zugriff am 31.08.08).
431
Politische Datenbank für Parteifinanzierung. URL: http://www.parteispenden.unklarheiten.de/?seite=datenbank_show_k&db_id=2886&kat=3&sortierung=zahl1 (letzter Zugriff am 08.09.08). Prefeitura do São Paulo. Pressemitteilung vom 08.06.06. „Projeto Cidade Limpa: Prefeitura apresenta proposta de lei para acabar com a poluição visual na cidad“. URL: http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/a_cidade/noticias/index.php?p=10200 (letzter Zugriff am 31.03.08). Pressebox. Wall AG Jahrespressekonferenz. Geschäftsjahr 2007: Spitzenwachstum in Deutschland. URL: http://www.pressebox.de/Pressemitteilungen/wall-ag/boxid-160680.html (letzter Zugriff am 22.05.08). RBB-Online vom 30.03.06.“Berliner Senat lehnt Schulschließung ab“. URL: http://www.rbb-online.de/_/themen/beitrag_jsp/key=teaser_4034428.html (letzter Zugriff am 16.11.08). Rechnungshof zu Berlin, Jahresbericht 2008. URL: http://www.berlin.de/imperia/md/content/rechnungshof2/jahresbericht_2008.pdf (letzter Zugriff am 15.11.08). Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Rede anlässlich des Starts der City-Branding Kampagne Be Berlin. URL: http://www.sei.berlin.de/index.php?id=20 (letzter Zugriff am 28.03.08). Robinson Liste. URL: http://www.erobinson.de/info-listen.htm (letzter Zugriff am 20.05.08). Scheinschlag 06/99. „Wenn man mal muß WCs und andere Stadtmöbel sind gut fürs Geschäft“. URL: http://www.scheinschlag.de/archiv/1999/06_1999/texte/stadt1.html (letzter Zugriff am 18.03.08). Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Berlin. Informationen zur Verwaltungsmodernisierung im Land Berlin. URL: http://www.berlin.de/verwaltungsmodernisierung/ (letzter Zugriff am 28.05.08). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin. Begründung zur Neuen Bauordnung für Berlin. URL:http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzestexte/de/download/bauen/20050929_bauobln_begruendung.pdf (letzter Zugriff am 27.03.08). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin. Stadtforum Berlin 2020 vom 09.12.05. „Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum.“ Dokumentation. URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/forum2020/downloads/doku_oeffraum_bild.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin. Stadtforum Berlin 2020 vom 09.12.05. „Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum.“ Ergebnispapier des Beirats. URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/forum2020/downloads/ergebnispapier_beirat_oeffentlraum.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin. Stadtforum Berlin 2020 vom 09.12.05. „Belebt, beklebt, beschmutzt: Der öffentliche Raum.“ Folgerungen der Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer. URL: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/forum2020/downloads/oeffentlicher_raum_folgerung.pd (letzter Zugriff am 18.03.08). Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Berlin. „Werbeerlöse aus Verträgen mit der Wall AG“. Schreiben an den Vorsitzenden des Hauptausschusses des BerlAbgH vom 02.11.95. URL: http://64.233.161.104/search?q=cache:CLNL-bU9C6UJ:www.parlament-berlin.de/ados/Haupt/vorgang/h15-3578v.doc+Werbeerl%C3%B6se+aus+Vertr%C3%A4gen+mit+der+WALL+AG&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=1 (letzter Zugriff am 16.10.06). Senatswerwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Industrie in Berlin URL: http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/politik/industrie.html (letzter Zugriff am 20.11.08). Senatswerwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Kohärente Innovationsstrategie des Landes Berlin. URL: http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/politik/kompetenzfelder.html (letzter Zugriff am 20.11.08). Sinus-Milieus.de URL: http://www.sinus-milieus.de (letzter Zugriff am 20.05.08).
432
Sinus Sociovision. URL: http://www.sinus-sociovision.de/ (letzter Zugriff am 20.05.08). Spiegel Online vom 05.12.07. „Werbung auf Kinderspielplätzen. Mitspieler mit Verkaufsabsichten.“ URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-519030,00.html (letzter Zugriff am 03.06.08). Spiegel-Online vom 10.07.08. “Obama Rede. Wowereit legt im Streit mit Kanzleramt nach.” URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,564953,00.html (letzter Zugriff am 11.07.08). Spiegel-Online vom 20.07.08. “Obamas geplante Rede an der Siegessäule stößt auf Kritik.” URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,566899,00.html (letzter Zugriff am 26.08.08). Spiegel-Online vom 31.03.06. „Porträt einer Lehranstalt. Der Abstieg der Rütli-Schule“. URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,409011,00.html (letzter Zugriff am 16.11.08). Spiegel-Online-Artikel vom 15.07.07. „Paris startet Fahrrad-Offensive”. URL: http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,494357,00.html (letzter Zugriff am 26.03.08). Spiegel-Online-Artikel vom 02.11.07. „Vive la Vélorution. Paris Rental Bike Scheme Goes Global“. URL: http://www.spiegel.de/international/europe/0,1518,515104,00.html (letzter Zugriff am 26.03.08). Sponsoring-Interessenverband. “S20. The Sponsorer`s Voice”. URL: http://www.s20.de/ (letzter Zugriff am 31.08.08). Stiftung Lebendige Stadt. Symposium „Moderne Medien im öffentlichen Raum. Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“. 10.10.03. Leipzig. Podiumsdiskussion. URL: http://www.lebendige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/podiumsdiskussion_moderneme.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). Stiftung Lebendige Stadt. Symposium „Moderne Medien im öffentlichen Raum. Stadtgestaltung: Innovativ, Intelligent, Kostengünstig“. 10.10.03. Leipzig. Präsentationsvorlage Senator Strieder. URL: http://www.lebendige-stadt.de/shared/nps/symposium2003/praesentation_strieder.pdf (letzter Zugriff am 18.03.08). Ströer AG. Megaflag: Produkt- und Servicedaten. URL: http://www.stroeer.de/index.php?id=772 (letzter Zugriff am 20.03.08). Ströer Megaposter. URL: http://www.stroeer.de/Megaposter.megaposter0.0.html (letzter Zugriff am 19.03.07) Ströer Megaposter. Megaflag. URL: http://www.megaposter.de/de/megaflag.html (letzter Zugriff am 19.03.08). Tagesspiegel-Online vom 02.09.05. „Millionenspende für das Wannseebad Privatfirma sponsert Sanierung. Bis zum hundertjährigen Jubiläum im Jahr 2007 soll Europas größtes Binnenseebad wieder wie neu sein“. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,1921175 (letzter Zugriff am 20.03.08). Tagesspiegel-Online vom 10.08.07. „Stadtmarketing Experten sollen die Marke "Berlin" stärken“. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Stadtentwicklung;art270,2355292 (letzter Zugriff am 27.05.08). Tagesspiegel-Online vom 10.08.07. „Werben für Berlin Eine Marke für die Hauptstadt“. URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Berlin-Board;art270,2355540 (letzter Zugriff am 27.05.08). Tagesspiegel-Online vom 19.11.07. „Sponsoring Bezirk sucht Werbepartner für Spielplätze.“ URL: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Spielplaetze-Charlottenburg-Wilmersdorf;art124,2422 (letzter Zugriff am 03.06.08). Timescope. Produkthomepage bereitgestellt durch die Wall AG. URL: http://www.timescope.de/offers.asp?lang=de (letzter Zugriff am 25.03.08). Toronto Public Space Committee. Parlamentarischen Diskussion. Flashvideo. YouTube. „Councillor De Baeremaeker Gets It Wrong ”.
433
URL: http://www.youtube.com/watch?v=JoeG3TSIa8s&feature=related (letzter Zugriff am 31.03.08). Toronto Public Space Committee. Parlamentarischen Diskussion. Flashvideo.YouTube. „Councillor Davis Gets It Right ”. URL: http://www.youtube.com/watch?v=aMJzbyKiddg&NR=1 (letzter Zugriff am 31.03.08). Wall AG. URL: http://www.wall.de (letzter Zugriff am 26.06.08). Wall AG. Pressemitteilung vom 06.03.06. „Wall AG ist Sponsor und Medienpartner der ‘Spreebirds’ “. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01141.asp (letzter Zugriff am 25.03.08). Wall AG. Beschäftigtenzuwächse. Unternehmen. Umsätze. Beschäftigte. URL:http://www.wall.de/de/company/facts/employees/index.asp (letzter Zugriff am 27.06.08). Wall AG. Bluespot. URL: http://www.bluespot.de (letzter Zugriff am 24.01.06). Wall AG. Die Draussenwerber. URL :http://www.draussenwerber.de/ (letzter Zugriff am 15.11.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Außenwerbung. Netzwerke und Orte. URL: http://www.wall.de/de/outdoor_advertising/networks_and_locations?city=26 (letzter Zugriff am 11.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 24.03.03. „ADC Preis 2003 geht an den WallShowroom“. URL: http://www.wall.de/de/press/news/adc_preis_2003_geht_an_den_wall_showroom (letzter Zugriff am 03.08.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 15.07.08. „www.wall.de – neuer Webauftritt der Wall AG“. URL: http://www.wall.de/de/press/news/www_wall_de_neuer_webauftritt_der_wall_ag (letzter Zugriff am 26.07.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 16.06.03. „Deutscher Preis für Wirtschaftskommunikation“. URL: http://www.wall.de/de/press/news/deutscher_preis_fuer_wirtschaftskommunikation_ (letzter Zugriff am 04.08.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 19.12.02. „Wall AG vermarktet den Leipziger Hauptbahnhof“. URL: http://www.wall.de/de/press/news/wall_ag_vermarktet_den_leipziger_hauptbahnhof?count=10&page=2 (letzter Zugriff am 11.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 22.07.08. „Verhandlungen über Vertriebsgesellschaft beendet“. URL: http://www.wall.de/de/press/news/verhandlungen_ueber_vertriebsgesellschaft_beendet (letzter Zugriff am 26.08.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Pressemitteilung vom 25.10.04. „Wall AG punktet mit Qualität“. URL: http://www.wall.com.tr/de/company/news/article/news00955.asp (letzter Zugriff am 11.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Städtemarketing. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/city_marketing (letzter Zugriff am 03.08.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Stadtmöblierung. Produkte. Patentierte Litfasssäule. URL:http://www.wall.de/de/street_furniture/products?product_link=http%3A//www.wall.de/de/street_furniture/products/paten tierte_litfasssaeule%3Fcat_or_dl_name%3Dadvertising_pillar%26ml_context%3Dcategory%26product_page_id%3D35119 (letzter Zugriff am 23.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Straßenmöblierung. Fallstudien. Berlin. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/case_studies/berlin (letzter Zugriff am 23.09.08).
434
Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Straßenmöblierung. Städtemarketing. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/city_marketing (letzter Zugriff am 08.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Unternehmen. Engagement. URL: http://www.wall.de/de/company/engagement (letzter Zugriff am 23.09.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08.Straßenmöblierung. Showtruck. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/showtruck (letzter Zugriff am 03.08.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08.Unternehmen. Philosophie. URL: http://www.wall.de/de/company/philosophy (letzter Zugriff am 11.11.08). Wall AG. Neuer Internetauftritt seit dem 15.07.08. Außenwerbung. Orte und Netze. Shopping Net. URL: http://www.wall.de/de/outdoor_advertising/networks_and_locations?city=Potsdamer+Platz (letzter Zugriff am 03.08.08). Wall AG. Preisliste Deutschland 2008. URL: http://www.wall.de/imperia/md/content/wallde/mediasales/7.pdf (letzter Zugriff am 24.01.06). Wall AG. Pressemitteilung vom 03.06.08. „Wall AG und IONDESIGN schmieden Allianz“. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01571.asp (letzter Zugriff am 23.06.08). Wall AG. Pressemitteilung vom 07.05.07. „Wall AG übernimmt die VVR Decaux GmbH“. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01420.asp (letzter Zugriff am 01.06.08). Wall AG. Pressemitteilung vom 12.12.06 „Chicago prämiert Wartehalle für Hamburg”. URL: http://www.wall-eg.org/de/company/news/article/news01325.asp (letzter Zugriff am 17.05.08). Wall AG. Pressemitteilung vom 13.11.2007 „Wall AG expandiert in der Türkei“. URL: http://www.wall.de/de/company/news/article/news01485.asp (letzter Zugriff am 31.03.08). Wall AG. Städtemarketing. Produktlinien Intelligent Series. URL: http://www.wall.de/de/city_marketing/product_lines/desIgnview.asp?design=hh$hhIntelligenthh$hhSeries (letzter Zugriff am 10.03.08). Wall AG. Städtemarketing. Produktlinien. URL: http://www.wall.de/de/city_marketing/product_lines/index.asp (letzter Zugriff am 24.06.08). Wall AG. Stadtmöblierung. Designlinien. URL: http://www.wall.de/de/street_furniture/designlines (letzter Zugriff am 04.08.08). Wall AG. Unternehmen. Fakten. Umsätze. URL: http://www.wall.de/de/company/facts/revenues/index.asp (letzter Zugriff am 29.04.08).
Verzeichnis der recherchierten Tages- und Wochenmedien Berliner Morgenpost 14.07.02, 03.06.04, 04.06.04, 23.06.04, 24.09.05, 22.11.06, 04.07.07, 16.02.08, 14.03.08. Berliner Zeitung 10.11.01, 16.11.04, 19.03.05. Der Spiegel 26.06.78, 16.01.89, 24.07.95, 25.10.99, 02.08.03, 04.03.07, 26.11.07. Die Welt/ Die Welt am Sonntag 28.05.99, 06.10.99, 08.10.99, 07.02.00,24.05.00,06.10.00, 07.02.02, 21.03.02, 20.06.02, 21.06.02, 30.08.02, 05.10.02, 16.11.02, 24.11.02, 09.12.02, 29.12.02, 03.01.03, 29.03.03, 19.04.03, 13.05.03, 12.06.03, 15.06.03, 16.06.03, 09.09.03, 16.03.04, 16.05.04, 05.08.04, 16.08.04, 17.08.04, 16.11.04, 14.12.04, 19.02.05, 19.03.05, 21.03.05, 25.04.05, 12.05.05, 25.05.05, 15.03.06, 27.04.06, 27.06.06, 12.08.06, 23.08.06, 25.08.06, 17.10.06, 13.11.06, 31.01.07, 24.03.07, 27.03.07, 26.05.07, 13.08.07, 26.09.07, 12.12.07.
435
Die Zeit 06.04.06 FAZ 15.04.98, 22.01.99, 11.11.99, 07.12.99, 05.05.00, 23.05.00, 19.12.01, 01.07.02, 15.11.02, 08.06.03, 21.08.03, 06.01.04, 12.01.04, 03.04.04, 16.11.04, 09.09.05, 08.11.05,15.04.06, 25.08.06, 29.03.07, 05.12.07, 20.12.07, 29.09.08. Frankfurter Rundschau 18.02.00, 10.09.03, 17.11.00. Handelsblatt 09.06.89, 05.07.90, 07.01.94, 22.06.94, 06.12.95, 11.12.98, 28.05.99, 06.06.01, 22.06.01, 05.04.02, 16.08.02, 23.04.03, 03.06.03, 26.11.03, 22.12.03, 27.12.04, 22.06.06, 23.02.07, 17.08.07. Rheinischer Merkur 06.04.06 Süddeutsche Zeitung 02.10.95, 03.01.98, 03.01.98, 14.11.01, 25.07.03, 24.10.03, 27.01.05, 23.06.06, 23.11.06. Tagesspiegel 05.05.83,29.10.94, 16.11.95. 15.02.97, 12.06.97, 29.10.97, 22.01.99, 21.04.99. 28.05.99, 15.07.99, 11.04.00, 23.05.00, 05.04.01, 09.04.01, 13.07.01, 30.07.01, 10.09.01, 28.02.02, 05.03.02, 20.06.02, 21.08.02, 17.01.03, 13.05.03, 18.06.03, 28.08.03, 08.09.03, 26.07.04, 28.07.04, 12.08.04, 08.09.04,04.12.04, 05.01.05, 21.03.05, 23.05.05, 12.06.05, 01.07.05, 04.10.05, 15.12.05, 06.01.06, 24.01.06, 11.04.06, 04.05.06, 08.05.06, 18.05.06, 25.08.06, 26.08.06, 11.10.06, 12.11.06, 19.12.06, 31.12.06, 08.01.07, 31.01.07, 18.03.07, 27.03.07, 04.04.07, 28.04.07, 10.07.07, 18.09.07, 26.10.07, 14.11.07, 17.11.07, 14.12.07, 27.01.08, 26.03.08, 26.05.08, 23.07.08. TAZ 05.06.93, 15.07.95, 05.11.96, 01.05.99, 07.12.00, 09.12.00, 08.01.02, 21.08.02, 02.10.02, 25.07.03, 12.03.04, 23.06.04, 12.07.04, 12.08.04, 17.08.04, 24.08.04, 16.11.04, 12.01.05, 07.05.05, 16.09.05, 19.11.05, 12.12.05, 25.08.06, 14.10.06, 01.02.07, 01.02.07, 28.08.07, 20.11.07, 08.12.07.
Verzeichnis der recherchierten Drucksachen und Protokolle Senatsverwaltung zu Berlin Diskussionspapier der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen vom 05.09.96 Drucksachen (Drs) des Berliner Abgeordnetenhauses (BerlAbgH) Drs 09/1820 vom 17.05.84, Drs 10/1296 vom 06.02.87, Drs 11/1022 vom 24.07.90, Drs 11/266 vom 21.06.89, Drs 11/1223 vom 30.08.90, Drs 11/1377 vom 28.11.90, Drs 12/1356 vom 26.03.92, Drs 12/1715 vom 17.06.92,Drs 12/2209 vom 10.11.92, Drs 12/2218 vom 04.12.92, Drs 12/4406 vom 31.03.94,Drs 13/870 vom 18.08.96, Drs 13/870 vom 18.08.96, Drs 13/870 vom 18.08.96, Drs 13/2225 vom 25.11.97, Drs 14/371 vom 12.07.00, Drs 15/10037 vom 04.09.02, Drs 15/10037 vom 28.11.02, Drs 15/3584 vom 17.01.05, Drs 15/13360 vom 14.03.06, Drs 15/13359 vom 14.03.06, Drs 15/13360 vom 24.05.06, Drs 15/13590 vom 16.06.06, Drs 15/1518 vom 03.04.03, Drs 15/20125 vom 22.05.03, Drs 15/20304 vom 17.03.04, Drs 16/1118 vom 15.01.08, Drs 16/1118 vom 16.01.08, Drs 16/11507 vom 04.12.07, Drs 16/11516 vom 05.12.07, Drs 16/20210 vom 13.03.08. Plenarprotokolle des Berliner Abgeordnetenhauses Plenarprotokoll Nr. 09/37 vom 20.01.83, Plenarprotokoll Nr. 12/21 vom 06.12.91, Plenarprotokoll Nr. 12/32 vom 18.06.92, Plenarprotokoll Nr. 13/8 vom 09.05.96, Plenarprotokoll Nr. 13/42 vom 12.03.98, Plenarprotokoll Nr. 13/56 vom 11.12.98, Plenarprotokoll Nr. 15/29 vom 10.04.03, Plenarprotokoll Nr. 15/30 vom 08.05.03, Plenarprotokoll Nr. 15/84 vom 06.04.06 Ausschussprotokolle des Berliner Abgeordnetenhauses Protokoll des Ausschusses für Betriebe 9/28 vom 31.05.83 Protokoll des Ausschusses für Verkehr und Betriebe, Nr. 10/2 vom 27.01.87 Protokoll des Ausschusses für Verkehr und Betriebe Nr. 12/23 vom 18.03.92 Protokoll des Ausschusses für Stadtplanung und Stadtentwicklung 12/21 vom 10.06.92 Protokoll des Hauptausschusses Nr. 12/43 vom 23.09.92 Protokoll des Hauptausschusses Nr. 12/50 vom 04.11.92 Protokoll des Hauptausschusses 12/50 vom 04.11.92 Protokoll des Ausschusses für Verkehr und Betriebe Nr. 12/40 vom 27.01.93 Protokoll der Hauptausschusssitzung Nr. 12/57 vom 10.03.93 Protokoll des Ausschusses für Bauen und Wohnen, Nr.13/18 vom 11.09.96 Protokoll des Ausschusses für Kultur, Nr.13/14 vom 11.11.96 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz 14/09 vom 12.07.00
436
Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt, Nr. 14/11 vom 27.09.00 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Nr. 14/15.vom 29.11.00 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bebauungspläne und Verkehr Nr. II/26 vom 24.11.03 Protokoll des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bebauungspläne und Verkehr vom 27.09.04 Protokoll der Sitzung Nr. 15/49 des Ausschusses für Verwaltungsreform, Kommunikations- und Informationstechnik vom 25.08.05 Protokoll des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg 16/22,vom 12.03.08 Anfragen des Berliner Abgeordnetenhauses Kleine Anfrage Nr. 1384 vom 30.05.90 Mündliche Anfrage Nr. 23 vom 21.02.91 Kleine Anfrage Nr. 5265 vom 31.03.94 Kleine Anfrage Nr. 21 vom 23.09.99 Kleine Anfrage Nr.15/189 vom 11.03.02 Protokolle des Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (alt, neu) Protokoll IV/Nr. 7 vom 11.05.00 Protokoll der 8. Versammlung der BVV Mitte von Berlin (alt) vom 08.06.99 Schreiben des Bezirksamtes an die BVV Mitte von Berlin (alt) vom 07.05.98 Drucksachen (DS) der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte von Berlin (alt, neu) DS 49/92 vom 10.09.92, DS 69/92 vom 10.09.92, DS 347/93 o.D., DS 413/93 vom 09.09.93, DS 327/96 vom 30.06.92, DS 182/93 vom 14.01.93,DS 568/94 vom 13.01.94, DS 905/94 vom 08.12.94, DS 1167/95 vom 08.06.95, DS 118/96 vom 09.05.96, DS 162/96 vom 24.05.96, DS 198/96 vom 18.06.96, DS 327/96 vom 14.11.96, DS 356/96 vom 21.11.96 DS 593/97 vom 12.06.97, DS 1110/98 vom 18.12.98,DS 1164/99 vom 21.01.99, DS 1326/99 vom 10.06.99, DS 1355/99 vom 08.07.99, DS 1357/99 vom 08.07.99,DS 24/99 vom 23.12.99, DS 177/IV vom 11.05.00, DS 179/IV vom 11.05.00,DS I/279 vom 20.09.01, DS 327/II vom 10.06.02, DS 327/II vom 16.05.02, DS 1244/II vom 20.08.02, DS II/303 vom 29.08.02, DS II/3030 vom 25.05.02, DS II/385 vom 24.01.03, DS II/400 vom 24.01.03, DS 1121/II vom 29.12.03, DS 1244/II vom 18.03.04, DS 1375/II vom 17.06.04, DS 1375/II vom 28.09.04, DS 1519/II o.D.,DS 0057/III vom 24.05.07, DS 0735/III vom 08.04.08
437