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So freundlich wie an diesem Nachmittag hatte man die Männer der „Isabella VIII.“ schon la...
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Seewölfe 232 1
Roy Palmer 1.
So freundlich wie an diesem Nachmittag hatte man die Männer der „Isabella VIII.“ schon lange nicht mehr begrüßt. Am felsigen Ufer der Insel, die knapp zweihundert Seemeilen nördlich des Wendekreises des Steinbocks mitten im Atlantik lag, stand ein Mann und winkte ihnen zu. Damit nicht genug — er schwenkte sogar ein großes Tuch über seinem Kopf und benahm sich etwa so, als freue er sich über die Rückkehr sehr guter alter Freunde. Sämtliche Einzelheiten, die seine Person betrafen, waren durchs Spektiv zu erkennen, so zum Beispiel seine große und kompakte Statur, sein breites, angenehmes, lachendes Gesicht und sein langes Gewand aus buntem und offenbar sehr teurem Stoff. Zu den Füßen des Fremden — auch dies vermochten Philip Hasard Killigrew und seine Kameraden beim Heransegeln deutlich zu sehen — standen eine geöffnete Kiste und ein Tonkrug. Außerdem lagen noch ein paar Ballen Tuch auf den Uferfelsen, als habe man sie dort eben gerade kunstvoll drapiert. Old O'Flynn und Ben Brighton standen mit dem Seewolf auf dem Achterdeck der „Isabella“ und beobachteten den Fremden interessiert durch ihre Fernrohre. Sie blickten über das Backbordschanzkleid, denn noch segelte die Galeone nördlichen Kurs mit achterlichem Wind, aber die kleine Gruppe von Inseln, die Bill vor etwa einer Stunde vom Großmars aus entdeckt hatte, befand sich im Nordwesten, also Backbord voraus. Old O'Flynn verzog griesgrämig das Gesicht und ließ das Spektiv sinken. „Der Kerl gefällt mir gar nicht“, sagte er. „Um den schlagen wir am besten einen großen Bogen.“ Ben lachte. „Typisch Donegal! Etwas anderes als dieses vernichtende Urteil war von dir wohl nicht zu erwarten, was?“ „Natürlich nicht“, sagte Big Old Shane, der eben zu ihnen trat. „Aber wir kennen die Leier ja schon, Ben. Wir müssen es eben lernen, damit fertigzuwerden.“
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Der Alte warf ihm einen schrägen Blick zu. „Dir fällt es schwer, mich zu ertragen, was, Shane, du blinder Aal? Ich bin mal wieder der Geisterseher und Schwarzmaler, der von vornherein alles im falschen Licht sieht, oder? Aber denk mal an die Insel Tristan da Cunhas zurück, die jetzt mehr als tausend Seemeilen hinter uns liegt. Da hätten wir uns auch eine Menge Ärger sparen können, wenn alles auf mich gehört hätte.“ Jetzt griff Hasard ein und sagte: „Dafür haben wir jetzt aber auch wieder genügend Trinkwasser an Bord, Donegal, was sonst nicht der Fall gewesen wäre.“ Der alte O'Flynn setzte ein schiefes Grinsen auf. „Es soll ja auch keine Kritik an deiner Entscheidung sein. Ich muß mich nur gegen diesen Armleuchter verteidigen, der wie alle anderen immer wieder meine gut gemeinten Warnungen in den Wind schlägt.“ Shane lachte. „Eins ist mal sicher — wenn statt des Kameraden mit dem komischen Gewand dort drüben am Ufer ein paar handfeste Ladys ständen, würde deine Begeisterung keine Grenzen mehr kennen.“ „Kann schon sein“, sagte der Alte. „Aber nach Frauen kannst du dir hier, in dieser gottverlassenen Ecke Welt, die Augen aus dem Kopf starren, du findest keine.“ Ben Brighton hatte inzwischen nicht aufgehört, das Tun des Fremden zu verfolgen. „Hilfe scheint der Mann nicht nötig zu haben“, meinte er. „Er sieht nämlich rundum zufrieden aus. Was will er also von uns?“ „Ich frage mich, was er in seiner Kiste hat“, brummte Old O'Flynn. „Und was, zum Teufel, steckt in dem merkwürdigen Topf?“ „Das müßtest du doch eigentlich wissen“, sagte Shane. „Du bist der einzige von uns, der von sich behauptet, hellsehen zu können.“ Der Alte wollte aufbrausen, aber Hasard trat zwischen ihn und den graubärtigen Riesen, ehe ein richtiger Streit entflammen konnte.
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„Wahrscheinlich handelt es sich um irgendwelche Waren, die er zum Kauf feilbieten will“, sagte er. „Mir erscheint es zwar auch ein wenig eigenartig, ausgerechnet hier einen Händler anzutreffen, aber ich werde das Gefühl nicht los, daß er sich ein gutes Geschäft von einer Begegnung mit uns verspricht.“ „Dem husten wir was“, murmelte Donegal Daniel O'Flynn senior zornig. „Auf jeden Fall ist er ein Europäer“, stellte Ben fest. „Der Himmel mag wissen, was ihn hierher, auf die Martin-Vaz-Inseln, verschlagen hat:' Auch der Seewolf spähte nun wieder durch sein Spektiv und versuchte, sich ein klares Bild von der Erscheinung des Fremden zu verschaffen. „Sir!“ rief Bill plötzlich aus dem Großmars. „Ich sehe eine Gruppe Menschen, die sich zwischen den Felsen hinter dem Ufer bewegt! Vielleicht sind das Wilde!“ „Und vielleicht versucht man, uns eine Falle zu stellen“, meinte Old O'Flynn mit hartnäckigem Mißtrauen. „Danach riecht mir das Ganze nämlich.“ Bill konnte von seinem erhöhten Standort aus mehr sehen als die Männer auf dem Oberdeck der „Isabella“, und so erkannte er die Gestalten, die gewandt in den Felsen abstiegen, eher als sein Kapitän und seine Kameraden. Während er die schwankenden Schiffsbewegungen, die im Großmars doppelt und dreifach zu spüren waren, durch Beinarbeit auszugleichen trachtete, versuchte er, den Kieker so ruhig wie möglich zu halten. Mit einemmal glaubte er, seinen Augen nicht mehr zu trauen. „Ach, du meine Güte“, sagte er. Diese Bemerkung war eigentlich nicht für die Crew bestimmt, doch Bill sprach sie immerhin noch so laut aus, daß sie auf der Kuhl zu verstehen war. Carberry stemmte prompt die Fäuste in die Seiten und blickte zu dem Moses hoch. „Hölle und Teufel, was ist los, Bill, du Satansbraten?“ brüllte er zum Großmars hinauf. „Du stehst ja da, als hätte dich aus heiterem Himmel ein Blitz getroffen! Ist
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dir der Wind in die Hosen gefahren, oder hast du auf der verdammten Insel Menschen mit drei Beinen und zwei Köpfen gesichtet? Antworte!“ „Das da — das sind ja Frauen“, stammelte Bill. „Frauen“, wiederholte der Profos verächtlich. „Da hört sich doch alles auf. Der Kerl will uns verulken. Na warte, komm du bloß runter auf die Kuhl, Moses, dann kannst du was erleben.“ „Ho!“ schrie jetzt jedoch Blacky, der mit dem Kieker am Backbordschanzkleid des Hauptdecks stand. „Holla, Leute, das ist ja nicht zu fassen! Da versammelt sich wirklich eine Schar von Weibern rings um den bunten Heini! He, seht euch das an!“ Zweimal brauchte er das nicht zu sagen. Alles, was auf der „Isabella“ Beine hatte, stürzte jetzt ans Backbordschanzkleid und spähte mit erwartungsvollen Mienen zu der Insel hinüber. Selbst Arwenack eilte den Männern nach und erklomm die Hauptwanten, und auch Sir John, der karmesinrote Arancanga, flatterte seinem Herrn und Gebieter Edwin Carberry nach. Er ließ sich auf dessen linker Schulter nieder, als dieser zu Blacky und zu Matt Davies trat, die sich fast um Blackys Kieker gebalgt hätten, sandte einen trüben Blick zur Küste des Eilandes und brabbelte unverständliches, griesgrämiges Zeug vor sich hin. Die Stimmung an Bord der Galeone, die eben noch gespannt und argwöhnisch gewesen war, schlug jetzt wie durch Zauberei um. Carberry bedauerte es, von einer „verdammten Insel“ gesprochen zuhaben. Er hob selbst den Kopf und reckte den Hals, um einen günstigen Blick auf die Insel zu erhaschen. Die Crew stieß Hurra- und andere Jubelrufe aus, Bill lachte und rieb sich die Hände, und auch auf dem Achterdeck konnte man gar nicht ausgiebig genug zu dem Mann mit dem Gewand und seinem ,,Harem“ hinüberäugen. Sogar Old O'Flynns Miene hellte sich merklich auf, und das glich schon fast einem Wunder.
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„Donnerkeil“, sagte Ferris Tucker, der sich gerade bei Pete Ballie auf dem Quarterdeck befand. Er hatte auch ein Spektiv zur Hand genommen und stellte gerade die Optik durch langsames Drehen der kleinen Augenlinse scharf. „Hat denn der Mensch da noch Worte? Pete, du alter Schwerenöter, das sind keine Eingeborenen, sondern weiße Mädchen. ein ganzer Schwarm niedlicher Weiberhintern, so frisch und knackig, wie du sie noch nicht gesehen hast.“ „Gib mal den Kieker her“, sagte Pete. „Warte, jetzt muß ich erst mal genau die Lage peilen!“ Pete stieß einen verächtlichen Laut aus. „Hol's der Henker - ich glaube sowieso kein Wort von dem, was du sagst.“ Ferris wandte verblüfft den Kopf und musterte den Rudergänger der „Isabella“, als hätte der etwas Verdammenswertes gesagt. Mit einer ruckartigen Bewegung reichte er ihm das Spektiv. „Da, nimm und überzeuge dich selbst, daß es wahr ist, du Stint“, sagte er aufgebracht. Pete grinste. „Danke. Mehr wollte ich ja nicht.“ Er hob das Rohr vors Auge - und dann stieß er einen Seufzer aus, der alles ausdrückte, wonach sein Herz verlangte. Carberry hatte die Crew mit ein paar barschen Worten zur Ordnung gerufen, und natürlich war sofort Ruhe eingetreten. Doch Blacky wandte jetzt den Kopf und sprach auf den Profos ein, wie der Seewolf vom Achterdeck aus verfolgen konnte. Carberry drehte sich daraufhin um und marschierte auf den Backbordniedergang zu, der die Kuhl mit dem achteren Deck verband. Ferris Tucker und Pete Ballie warfen ihm fragende Blicke zu, aber Carberry äußerte nichts - er enterte das Deck und steuerte geradewegs auf den Seewolf zu, der jetzt lächelnd das Achterdeck verließ. „Ich weiß schon, was du willst, Ed“, sagte er. „Deshalb will ich es dir erleichtern, denn ich kann mir vorstellen, daß es dir nicht so recht über die Lippen geht.“ Der Narbenmann grinste flüchtig. „Ja, Sir, denn das Anliegen, das die Crew hat, ist so ein Ding mit einem Haken.“
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„Die Männer wollen an Land“, sagte Hasard. „Und das kann ich gut verstehen. Wir gehen also vor der Insel vor Anker.“ „Man könnte uns dort in einen Hinterhalt locken“, gab der Profos zu bedenken. „Wir werden eben die Augen offen halten“, sagte der Seewolf. „Für gebalgt hätten, sandte einen trüben Blick zur Küste des Eilandes und brabbelte unverständliches, griesgrämiges Zeug vor sich hin. Die Stimmung an Bord der Galeone, die eben noch gespannt und argwöhnisch gewesen war, schlug jetzt wie durch Zauberei um. Carberry bedauerte es, von einer „verdammten Insel“ gesprochen zuhaben. Er hob selbst den Kopf und reckte den Hals, um einen günstigen Blick auf die Insel zu erhaschen. Die Crew stieß Hurra- und andere Jubelrufe aus, Bill lachte und rieb sich die Hände, und auch auf dem Achterdeck konnte man gar nicht ausgiebig genug zu dem Mann mit dem Gewand und seinem ,,Harem“ hinüberäugen. Sogar Old O'Flynns Miene hellte sich merklich auf, und das glich schon fast einem Wunder. „Donnerkeil“, sagte Ferris Tucker, der sich gerade bei Pete Ballie auf dem Quarterdeck befand. Er hatte auch ein Spektiv zur Hand genommen und stellte gerade die Optik durch langsames Drehen der kleinen Augenlinse scharf. „Hat denn der Mensch da noch Worte? Pete, du alter Schwerenöter, das sind keine Eingeborenen, sondern weiße Mädchen. ein ganzer Schwarm niedlicher Weiberhintern, so frisch und knackig, wie du sie noch nicht gesehen hast.“ „Gib mal den Kieker her“, sagte Pete. „Warte, jetzt muß ich erst mal genau die Lage peilen!“ Pete stieß einen verächtlichen Laut aus. „Hol's der Henker - ich glaube sowieso kein Wort von dem, was du sagst.“ 'Ferris wandte verblüfft den Kopf und musterte den Rudergänger der „Isabella“, als hätte der etwas Verdammenswertes gesagt. Mit einer ruckartigen Bewegung reichte er ihm das Spektiv.
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„Da, nimm und überzeuge dich selbst, daß es wahr ist, du Stint“, sagte er aufgebracht. Pete grinste. „Danke. Mehr wollte ich ja nicht.“ Er hob das Rohr vors Auge - und dann stieß er einen Seufzer aus, der alles ausdrückte, wonach sein Herz verlangte. Carberry hatte die Crew mit ein paar barschen Worten zur Ordnung gerufen, und natürlich war sofort Ruhe eingetreten. Doch Blacky wandte jetzt den Kopf und sprach auf den Profos ein, wie der Seewolf vom Achterdeck aus verfolgen konnte. Carberry drehte sich daraufhin um und marschierte auf den Backbordniedergang zu, der die Kuhl mit dem achteren Deck verband. Ferris Tucker und Pete Ballie warfen ihm fragende Blicke zu, aber Carberry äußerte nichts - er enterte das Deck und steuerte geradewegs auf den Seewolf zu, der jetzt lächelnd das Achterdeck verließ. „Ich weiß schon, was du willst, Ed“, sagte er. „Deshalb will ich es dir erleichtern, denn ich kann mir vorstellen, daß es dir nicht so recht über die Lippen geht.“ Der Narbenmann grinste flüchtig. „Ja, Sir, denn das Anliegen, das die Crew hat, ist so ein Ding mit einem Haken.“ „Die Männer wollen an Land“, sagte Hasard. „Und das kann ich gut verstehen. Wir gehen also vor der Insel vor Anker.“ „Man könnte uns dort in einen Hinterhalt locken“, gab der Profos zu bedenken. „Wir werden eben die Augen offen halten“, sagte der Seewolf. „Für alle Fälle machen wir Klarschiff zum Gefecht, schaden kann es nicht.“ „Danke, Sir“, sagte Carberry, dann kehrte er um und trat an die Schmuckbalustrade, die den Querabschluß zum Hauptdeck hin bildete. „Männer!“ rief er. „Hasard ist einverstanden! Wir laufen die Insel an!“ Jetzt war auch der letzte Bann gebrochen, der für kurze Zeit über der „Isabella“ geschwebt hatte — die Männer brachen in begeistertes Johlen und Pfeifen aus. Sie warfen ihre Mützen hoch und winkten ihrem Kapitän zu. Hasard lächelte immer noch. Er wußte zwar, daß er ein Risiko einging, aber bedenklich wäre die Situation erst recht
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geworden, wenn er die Inseln gemieden hätte. In den letzten Tagen war es immer wieder zu kleinen Reibereien an Bord der „Isabella“ gekommen, nicht nur zwischen Old O'Flynn und Big Old Shane, die sich gern mal „kabbelten“, sondern auch zwischen anderen Männern. Die lange Reise um den afrikanischen Kontinent herum und quer durch den Atlantik war beschwerlich, aber auch eintönig gewesen, und das zeitigte jetzt seine Folgen. Die Männer brauchten dringend Abwechslung, sonst wurden sie nervös und aggressiv. Hasard kannte diesen Zustand an Bord von früheren Überfahrten her, und er wußte auch, was die beste Medizin gegen Gereiztheit und Unmut war: Landgang bis zum Wecken. * Die „Isabella“ luvte an und ging auf Nordwestkurs. Nach Ablauf von knapp einem Glas, also weniger als einer halben Stunde, erreichte sie die Insel, an deren Ufer der Fremde mit dem bunten Gewand und die Schar von Mädchen sich inzwischen als Lotsen betätigten: Durch zahlreiche Gesten wiesen sie den Seewolf und seine Crew auf eine im Südosten der Insel liegende, schattige Felsenbucht hin. Sie liefen am Ufer entlang und näherten sich selbst dieser Bucht, während die Galeone noch höher an den Wind ging und sich zum Einlaufen anschickte. Hasard und seine Männer hielten die Augen nach allen Seiten hin offen. Gary Andrews war in den Vormars aufgeentert, um Bill als Ausguck zu unterstützen. Dan O'Flynn, der Mann mit den allerschärfsten Augen an Bord, war ganz nach vorn auf die Galionsplattform geklettert und spähte von dort aus mit dem Kieker zum Ufer. Auf den Gefechtsstationen kauerten die Männer hinter den schweren Culverinen, bereit, jedem möglichen Angreifer sofort einen Warnschuß vor den Bug zu setzen. Längst waren die Stückpforten geöffnet und die 17pfünder ausgerannt. Auch auf der Back und auf dem Achterdeck waren die Drehbassen geladen worden. Dort
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standen Al Conroy und Smoky, Ben Brighton und Shane klar bei Lunten. Doch alle diese Vorsichtsmaßnahmen erschienen dem Seewolf überflüssig, als die „Isabella“ durch die breite Einfahrt in die Bucht glitt. Keine fremden Schiffe lagen hier, keine bewaffneten Besatzungen warteten darauf, über die „Isabella“ herzufallen. Auch an Land waren nirgends etwaige Gegner zu sehen. Selbst wenn sie sich versteckt und hervorragend getarnt hätten, hätten Bill, Gary und Dan den einen oder anderen doch entdecken müssen. Nein, dies schien keine Falle zu sein. Von der Insel ging eine Aura des Friedens und der Freundlichkeit aus. Hier, in ruhigem Wasser und unter stahlblauem Himmel, schien es sich wahrhaftig zu lohnen, für einige Zeit zu verweilen. Hoch waren die Felswände der Bucht nicht, und hier und dort gab es sanft geschwungene Aussparungen, die mit hellem Sand ausgefüllt waren. Auf einem solchen Stückchen Strand liefen jetzt die Mädchen zusammen, und wenig später erschien auch der Buntgekleidete. Zwei Mädchen setzten die Kiste, die sie mitgeschleppt hatten, auf dem Sand ab, eine andere placierte dicht daneben den Krug mit solcher Sorgfalt, als befände sich ein höchst kostbares Gut darin. Wieder andere betteten die Tuchballen auf den Strand. Dann erhoben sie sich und winkten wieder den Seewölfen zu. „Ich werd verrückt“, stöhnte Ferris Tucker, der immer noch bei Pete Ballie auf dem Quarterdeck stand. „Das ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Pete, sag mir, daß es nur ein idiotischer Traum ist.“ „Soll ich dir auch in den Arm kneifen?“ fragte Pete grinsend. „Das kannst du dir für die Ladys aufsparen“, meinte der rothaarige Riese. „Sicher, aber dann werde ich sie natürlich nicht am Arm, sondern ganz woanders zwicken.“ Sie lachten beide und merkten nicht, daß der Seewolf hinter sie trat. Erst als Ferris sich zufällig umdrehte, gewahrte er den großen schwarzhaarigen Mann mit den
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eisblauen Augen hinter sich. Ferris kratzte sich ein wenig verlegen am Kinn. Selbstverständlich war dem Seewolf nicht entgangen, was Pete und er gesprochen hatten. „Mal herhören“, sagte Hasard. „Ich weiß ja, welcher Notstand bei euch Kerlen herrscht, aber das heißt noch lange nicht, daß wir wie die Wilden über die Mädchen herfallen. Erstens Wissen wir noch nicht, wer sie sind, wir dürfen sie also nicht mit irgendwelchen billigen Hafenflittchen verwechseln, verstanden?“ „Aye, Sir“, antworteten die beiden. „Zweitens gehört es sich für englische Freibeuter, daß sie sich gesittet und diszipliniert benehmen. Ich habe vor, euch allen Landurlaub zu geben, aber ich will keinen aus der Reihe tanzen sehen. Verstöße gegen meine Befehle werden wie üblich bestraft.“ Ferris war ernst geworden. „Das ist klar, und du kannst dich natürlich auf uns verlassen.“ „Gut, in Ordnung.“ Der Seewolf wandte sich von ihnen ab und stieg auf die Kuhl hinunter, um den gleichen Appell an die Crew zu richten. Wenig später lag die „Isabella“ mit auf gegeiten Segeln vor Anker, und die Beiboote wurden an der Steuerbordseite abgefiert und bemannt. Der Seewolf setzte mit einer starken Abordnung von Männern zum Ufer über. Dort klatschten die Mädchen begeistert in die Hände, und der Buntgekleidete winkte wieder mit seinem großen Tuch. 2. Die beiden Jollen schoben sich durch die flache Brandung und wurden vom Ufersand gestoppt. Knirschend rammten sich ihre Bugpartien fest, und gleich darauf stiegen ihre Insassen aus: allen voran Hasard, dann Ben, Shane, Ferris, Smoky, Dan O'Flynn, Blacky, der Profos und der größte Teil der Crew. Old O'Flynn war an Bord der „Isabella“ zurückgeblieben und hatte für die Zeit von Hasards Abwesenheit das Kommando an
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Bord übernommen. Bei ihm waren nur noch Will Thorne, Stenmark, der Kutscher und Batuti. Philip und Hasard junior, die Söhne des Seewolfs, hatten diesmal mit ihrem Bitten Erfolg gehabt. Ihr Vater hatte sie mitgenommen. Auch Bill, der Moses, war mit bei dem Trupp, der recht erwartungsvoll am Ufer landete. Zuerst sah es so aus, als wollten sich die Mädchen mit offenen Armen den Männern entgegenwerfen, doch der Buntgekleidete rief ihnen etwas zu, und so blieben sie artig, wenn auch nach wie vor verheißungsvoll lächelnd, bei den Stoffballen, der Kiste und dem Krug stehen, während sich der Mann würdigen Schrittes den Besuchern näherte. „Was war das für eine Sprache?“ fragte Philip junior seinen Vater. „Italienisch.“ „Was, hier — so nah bei Südamerika, Dad?“ sagte der Junge überrascht. „Hier müßten die Leute doch eigentlich Portugiesisch oder Spanisch sprechen.“ „Sei nicht so vorlaut“, wies sein Vater ihn zurecht. Dann löste er sich mit drei Schritten von der Gruppe seiner Männer und trat vor den Buntgekleideten hin. Dieser blieb dicht vor ihm stehen und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. „Gestatten Sie, Senor?“ sagte er — diesmal im besten Kastilisch. „Mein Name ist Augusto Sabatini, und ich heiße Sie im Namen aller Bewohner der Insel Martin Vaz willkommen — herzlich willkommen. Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt und freuen uns darüber, endlich einmal wieder Gäste zu haben.“ Hasard ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie fest. „Ich heiße Philip Hasard Killigrew“, sagte er. „Danke für die freundliche Begrüßung. Darüber haben wir uns sehr gefreut.“ „Wie, Sie sind kein Spanier?“ stieß Sabatini verblüfft aus. „Haben Sie mich dafür gehalten?“ „Ja, jedenfalls schien mir Ihre Galeone, die ich schon sehr früh von der höchsten Erhebung der Insel aus entdeckte, spanischer Bauart zu sein.“
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„Weit gefehlt“, sagte Hasard lächelnd. „Wir sind Engländer — und Sie stammen aus dem schönen Land Italien, nicht wahr?“ „Aus Genua, um es genau zu sagen.“ „Leben Sie schon lange hier?“ „Seit Jahren“, sagte der“ Genuese lachend. „Aber all das können wir uns doch viel besser in unserem kleinen ,Paese`, in unserer Siedlung erzählen, finden Sie nicht auch, Senor Killigrew? Kommen Sie, ich führe Sie und ihre Männer hin. Das Dorf liegt nur zwei Meilen von hier entfernt am nördlichen Ufer.“ Hasard zögerte. Sabatini wies an seiner Schulter vorbei auf die „Isabella“. „Ich sehe, Sie haben Ihre Geschütze ausrennen lassen. Eine Vorsichtsmaßnahme, die bei Seefahrern durchaus üblich ist. Aber hier ist sie nicht angebracht,. glauben Sie mir, Senor Killigrew.“ Der Seewolf nickte ihm lächelnd zu und sagte: „Gut. Aber wie ist die Ankermöglichkeit am nördlichen Ufer? Vielleicht sollten wir mit unserer ‚Isabella' dorthin verholen.“ „Hier in der Bucht liegt sie geschützter. Am Nordufer haben wir nur eine kleine Pier für unsere wenigen Boote, und es gibt kein Hafenbecken oder eine Reede, auf der Segler zu ankern vermögen.“ „Dann wäre es doch sinnvoller gewesen, die Siedlung hier zu errichten“, sagte Hasard. Sabatini schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ganz gewiß nicht. Sie werden gleich noch sehen, warum. Kommen Sie, und vertrauen Sie mir, Sie werden sich bei uns wohl fühlen.“ „Daran zweifle ich nicht. Und ich glaube Ihnen auch, daß Sie ein redlicher und unbescholtener Mann sind, Senor Sabatini“, sagte Hasard. „Aber wie steht es mit dem viel zitierten genuesischen Geschäftsgeist? Sagen Sie nur nicht, daß es Ihnen daran mangelt.“ Hasards Männer begannen zu lachen, und Sabatini schnitt eine vergnügte Grimasse. „Richtig, richtig“, entgegnete er. „Ich bin ein geborener Händler, ein Kaufmann an
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Leib Und Seele. Hier, sehen Sie, Senor Killigrew, diese wertvollen Stoffe habe ich herbringen lassen, um sie zum Verkauf anzubieten.“ Er wies mit einer großartigen Gebärde auf die Ballen, dann fuhr er fort: „Aber ich habe auch ein Geschenk für Sie und Ihre Kameraden, werter Gast. Von den Genuesen heißt es immer, sie wären geizig und würden jeden Heller dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Das ist eine schändliche Lüge.“ Er drehte sich zu den Mädchen um und sagte: „Portatemi il coccio - bringt mir den Tonkrug!“ Eine hübsche Blondine, die ein weißes Leinenkleid trug, und eine Dunkelhaarige, deren glutvolle Augen sich immer wieder auf den Seewolf richteten, trugen den Krug heran und setzten ihn zwischen Hasard und Augusto Sabatini im Sand ab. Auf einen Wink des Genuesen hin traten sie wieder ein paar Schritte zurück. Hasard blickte in die Öffnung des Kruges, und auch seine Männer versuchten festzustellen, was das Gefäß denn nun eigentlich enthielt. Sabatini bückte sich und griff mit der Hand in den Krug. Was er zum Vorschein brachte, war nicht dazu angetan, bei den Seewölfen Jubel auszulösen. Es waren schwarze, ovale Gebilde, die so ähnlich wie Kirschen aussahen und doch keine waren. „Oliven“, sagte Hasard ohne Begeisterung. Sabatini erhob sich und reichte ihm vier, fünf ölige Früchte auf der Handfläche. „Es gibt grüne und schwarze Eßoliven“, erklärte er. „Aber die schwarzen sind meiner Meinung nach die besten. Olive in salamoia - Oliven in Salzlake, eine Spezialität meiner Heimat. Es ist mir gelungen, hier auf der Insel Martin Vaz Ölbäumchen anzupflanzen, die inzwischen größer geworden sind und einen recht guten Ertrag bringen. Sie kosten uns also keinen Centesimo - bitte, probieren Sie doch!“ Hasard wollte nicht unhöflich sein. Er nahm eine Olive aus Sabatinis Hand, steckte sie sich in den Mund und kaute darauf herum.
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Der Genuese schritt an Hasard vorbei auf die anderen Männer zu und bot ausgerechnet dem Profos eine der schwarzen, fettig glänzenden Oliven an. „Nun nehmen Sie schon, Senor“, sagte er aufmunternd. „Nur keine falsche Bescheidenheit.“ „Hölle“, brummte Carberry. „Warum hat er uns denn nicht einen Packen Stoff oder die verdammte Kiste geschenkt?“ Vorsichtshalber sprach er englisch, damit der Buntgekleidete ihn nicht verstand. „Du hast doch gehört, was Hasard über ` den sprichwörtlichen Geschäftsgeist der Leute von Genua gesagt hat“, flüsterte Ben Brighton ihm zu. „Und auch das mit dem Geiz stimmt natürlich, obwohl der Mann es abstreitet. Die Oliven kosten ihn nichts, deshalb schenkt er sie uns.“ Mit grimmiger Miene nahm Carberry eine Olive zwischen Zeigefinger und Daumen. Er blickte sie nachdenklich an, und fast hatte es den Anschein, als wolle er sie samt ihrem Kern zerquetschen. Doch auch er wollte die ungeschriebenen Gesetze der Höflichkeit nicht verletzten. Darum schob er sich die Olive zwischen die Zähne. Sein großer Unterkiefer bewegte sich mahlend hin und her — und dann krachte es verdächtig zwischen den Profos-Zähnen. Jetzt war es mit den guten Manieren und dem Anstand bei Carberry doch vorbei. Er stieß einen saftigen Fluch aus und spuckte die Reste der Olive in den Sand. „Beim Henker“, sagte er wütend. „Daran beißt man sich ja die Zähne aus.“ Die Mädchen kicherten und hielten sich die Hände vor die Münder. Auch Sabatini war sichtlich amüsiert. „Oliven sind nicht jedermanns Sache“, sagte er. „Das nicht!“ rief Dan O'Flynn. „Aber ich mag sie gern. Geben Sie mir eine, Senor, ja, gut, danke schön.“ Er verzehrte eine Olive und dann gleich noch eine und blickte dabei zu Carberry hinüber, um ihn zu ärgern. „Elender Verräter“, sagte der Profos. „Fein“, sagte der Genuese nun.. Er gab der Blonden und der Schwarzhaarigen durch eine Gebärde zu verstehen, sie sollten den
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Krug mit den Oliven zu den Jollen tragen. „Wenn wenigstens einige Ihrer Männer Gefallen an dem Geschenk finden, so ist der Zweck erfüllt, Senor Killigrew.“ „Herzlichen Dank. Wir werden Ihre Großzügigkeit zu schätzen wissen.“ Hasard sprach diese Worte, ohne eine Miene zu verziehen. „Oh, das ist doch nicht der Rede wert“, meinte Sabatini. „Nur eines noch — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihrem Koch oder Proviantmeister sagen würden, er solle der Inhalt des Kruges in ein anderes Gefäß entleeren und mir den Krug zurückerstatten, ehe Sie wieder davonsegeln.“ „Ich werde dafür sorgen, daß es geschieht“, versprach Hasard. Carberry blickte Ben Brighton von der Seite an und raunte — wieder auf englisch: „Langsam geht der Kerl mir auf die Nerven. Weißt du, wohin er sich seinen verdammten Tontopf von mir aus stecken kann?“ „Ja“, erwiderte Ben und grinste. Hasard sagte : „Also schön, wir gehen mit Ihnen in Ihr Dorf, Senor Sabatini. Nur verraten Sie mir eines: Wer sind diese netten jungen Mädchen?“ Der Genuese deutete auf die Blonde und die Schwarzhaarige, die den Tonkrug unter den Blicken der Männer der „Isabella“ in einer der Jollen verstaut hatten. „Die Dunkle ist Sabrina, die andere heißt Stefania“, erklärte er voll Würde. „Beide sind meine Töchter.“ Er drehte sich um und wies auf das übrige halbe Dutzend Mädchen. „Diese dort sind die Töchter meiner italienischen und portugiesischen Freunde auf dieser Insel. Wir sind eine einzige große Familie von Kolonisten, Senor Killigrew, und wir Genuesen sind mit den Freunden aus Portugal, die wir seinerzeit hier schon angetroffen haben, eine echte - nun, Symbiose eingegangen. Wir verstehen uns hervorragend.“ „Was ist eine Symbiose?“ wollte der Profos von Ben Brighton wissen. „In diesem Fall das friedliche Zusammenleben zweier verschiedener Nationalitäten“, erwiderte Ben.
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„Zum Teufel damit“, zischte Ferris Tucker hinter ihnen. „Wie mir scheint, dürfen wir uns an die lieben, -braven Mädchen nicht heranpirschen, denn die sind für solche Zwecke nicht bestimmt.“ Dan O'Flynn trat vor und sagte: „Ich habe auch noch eine Frage, Senor Sabatini. Was verbergen Sie in Ihrer Kiste? Ist das ein Geheimnis?“ „O nein, o nein“, versicherte der Genuese eilfertig. Er setzte eine bedeutsame Miene auf, beugte sich über die kleine Truhe, öffnete ihren Deckel und. richtete sich Wieder auf, damit alle den Blick auf den Inhalt frei hatten. Die Kiste schien vor lauter Perlenketten, Diamantbroschen, Diademen und Ringen, mit denen sie bis obenhin angefüllt war, überzuquellen, und auf den ersten Blick schien dies ein Schatz von unermeßlichem Wert zu sein - aber nur auf den ersten Blick. Hasard, Ben, Shane, Carberry und ein paar andere Männer näherten sich der Truhe, und der Seewolf sagte: „Man könnte wirklich meinen, das seien Gold, Silber und Diamanten.“ „Dabei ist es alles nur Katzengold“, sagte der Profos abfällig. „Wertloser Plunder“, sagte Shane. “Der reinste Tand.“ Zum Glück sprach auch er englisch, so daß Sabatini ihn nicht verstehen und sich wegen seiner Bemerkungen beleidigt fühlen konnte. „Meine Herren“, sagte der Genuese, und seine Stimme klang jetzt geradezu salbungsvoll. „Ich kaufe den Seeleuten, die bei uns einkehren, alle Waren ab, die sie entbehren können und wollen. Dann veräußere ich diese Güter an andere Männer weiter, die unsere Insel besuchen, ganz gleich, welcher Herkunft sie sind. Ich komme mit allen gleichermaßen gut aus, wie es sich für einen Kaufmann gehört. Fast alles kann ich wieder absetzen - nur für echten Schmuck hätte kein Mensch das nötige Kleingeld, glauben Sie mir. Die liebe Mutter oder die Braut zu Hause nimmt aber auch gern eine Kette oder einen Reif dieser Art an, wenn der lange
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erwartete Seefahrer endlich in seine Heimat zurückkehrt.“ „Talmi“, sagte Matt Davies zu Luke Morgan. „Herrgott, ich dachte, das Zeug schenken die Dons nur den Eingeborenen, wenn sie sie friedlich stimmen wollen.“ Augusto Sabatini lächelte den Männern der „Isabella“ auffordernd zu. „Nur zu, greifen Sie zu und betrachten Sie sich alle Stücke vielleicht ist das eine oder andere dabei, das Ihnen gefällt. Ich räume Ihnen einen Sonderpreis ein.“ „Besten Dank“, sagte Ferris Tucker. „Aber wir sind Besseres gewohnt.“ Hasard warf ihm einen warnenden Blick zu, doch es war zu spät. Ferris sah zwar ein, daß er einen Fehler begangen hatte, aber zurücknehmen konnte er seine Äußerung nicht. Sabatini sah den Schiffszimmermann der „Isabella“ aufmerksam an. „Wie denn?“ fragte er. „Sie sind mit echtem Gold und Silber, mit Rubinen und Smaragden vertraut? Das kennt man doch sonst nur von den Spaniern, die aber leider recht selten hier vorbeisegeln. Haben Sie etwa eine kostbare Ladung an Bord? Santo Cielo, dabei hatte ich Sie für ganz harmlose Kauffahrer gehalten.“ „Das sind wir auch“, entgegnete der Seewolf an Ferris' Stelle. „Wir haben Bauhölzer nach Ormuz gebracht, denn unsere Landsleute versuchen, dort Fuß zu fassen. Leider müssen wir leer nach Plymouth, unserem Heimathafen, zurückkehren, weil es keine Rückladung für uns gab.“ „Ach“, sagte der Genuese gedehnt. „So ist das.“ Es entging Hasard nicht, daß er einen prüfenden Blick zur „Isabella“ hinüberwarf, so, als wolle er ihren Tiefgang abschätzen. Sabatini sah ihn wieder an und erkundigte sich: „Und wegen der Windverhältnisse haben Sie den Kurs gewählt, der Sie an der östlichen Spitze Südamerikas vorbeiführt, Senor Killigrew?“ „Ja.“ Sabatinis Miene wurde traurig. „Und Sie sind nicht einmal an meinen schönen Stoffen interessiert?“
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„Doch“, erwiderte der Seewolf vorsichtshalber. „Im Dorf sehen wir sie uns genauer an, einverstanden?“ „Voll und ganz“, sagte der Genuese, und seine Züge hellten sich wieder auf. „Wir kommen also doch noch ins Geschäft miteinander - wunderbar! Wollen die Senores mir jetzt bitte folgen?“ „Ja.“ Hasard wandte sich zu seinen Männern um und sagte: „Ferris, Luke und Bob, ihr kehrt mit dem einen Boot zur ,Isabella` zurück. Jeff und Bill, ihr haltet hier bei der zweiten Jolle Wache, bis ihr einen anders lautenden Befehl erhaltet.“ „Aye, Sir“, antworteten die Männer. Fünf Männer blieben also bei den Booten, die anderen schritten hinter dem Genuesen her, der sich jetzt an die Spitze der acht Mädchen setzte und den Uferfelsen zustrebte. Ärgerlich fuhr sich Ferris Tucker mit der Hand über den Nacken. „Verdammt noch mal“, sagte er. „Geschieht mir ganz recht, daß ich nicht mit ins Dorf gehen darf. Das hat man davon, wenn man sein Maul zu weit aufreißt.“ 3. Sie stiegen in den Felsen auf und erreichten ein Plateau, von dem aus man einen guten Ausblick auf das nördliche Ufer der Insel hatte. Hasard, Ben Brighton, Carberry, Smoky, Blacky, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies, Al Conroy, Dan O'Flynn, Sam Roskill, Big Old Shane und die Zwillinge verharrten eine Weile und sahen auf die grünen Hügel, die sich, von silbrig schimmernden Bäumen bestanden, bis zur Küste hin erstreckten. In einer Mulde standen eng zusammengerückt weiße, kastenförmige Häuser jener Art, wie man sie aus den Mittelmeergebieten kannte - etwa zwei Dutzend an der Zahl. Zwei Hügelketten schützten sie gegen Sturm, Springflut und andere Unbilden der Natur. Am Nordufer war deutlich die kleine Pier zu erkennen, an der ein paar Schaluppen und Pinassen dümpelten.
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„Der Standort der Siedlung ist wirklich hervorragend gewählt“, sagte Hasard anerkennend. „Einen besseren Platz hätten die Kolonisten nicht finden können.“ „Ob die Leute auch wirklich harmlos sind?“ fragte Gary Andrews. „Ich finde, wir sollten auf jeden Fall unsere Musketen und Pistolen feuerbereit halten.“ „Ja, natürlich“, sagte der Seewolf. Er nahm seinen Radschloß-Drehling von der Schulter und prüfte, ob er ordnungsgemäß geladen war. „Dieser Genuese scheint mir ein gerissener.. Bursche zu sein“, meinte Shane. „Auf den müssen wir ein waches Auge haben. Vielleicht ahnt er, daß die Frachträume unserer alten Lady nicht leer sind. Teufel, daß Ferris aber auch so große Töne spucken mußte.“ „Das hätte jedem von uns rausrutschen können“, verteidigte Dan O'Flynn den rothaarigen Riesen. „Außerdem ist es nicht mehr rückgängig zu machen.“ Augusto Sabatini schritt immer noch seinen acht Begleiterinnen voran, die wieder die Kiste und die Stoffbällen trugen. Er hatte sich mit ihnen schon ein beträchtliches Stück von den Seewölfen entfernt, blieb plötzlich aber an dem sanft aufsteigenden Hang eines Hügels stehen und wandte sich zu seinen „Gästen“ um. „Senor Killigrew!“ rief er. „Dio Santo, wo bleiben Sie denn?“ Hasard hängte sich den Drehling wieder am Riemen über die Schulter umging weiter. „Vorwärts“, sagte er. „Sonst wird unser Freund womöglich noch misstrauisch.“ Rasch schlossen sie wieder auf, und der Seewolf setzte sich mit ein paar langen Schritten neben den Genuesen. „Wir haben einen Blick in die Runde geworfen“, sagte er. „Diese Bäume mit den silbrig glänzenden Blättern sind doch die Olivenbäume, nicht wahr?“ „Ja.“ „Gibt es sie auf den Nachbarinseln auch?“ „Nein, Senor“, erwiderte Sabatini. „Denn dort lebt kein Mensch, und keiner von uns Kolonisten hat je einen Grund darin gesehen, überzusetzen und dort Bäume
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oder Sträucher anzupflanzen. Die MartinVaz-Gruppe besteht aus insgesamt sechs Inseln, doch diese hier ist diejenige mit den meisten Süßwasserquellen und der üppigsten Vegetation.“ „Meine Männer haben mich gefragt, warum Sie keine Mauer rund um das Dorf errichtet haben und warum an der Pier nicht wenigstens ein gut armiertes Segelschiff liegt“, sagte Hasard, um den kurzen Aufenthalt seiner Gruppe auf dem Plateau zu rechtfertigen. „Wir brauchen uns hier gegen niemanden zu schützen“, erwiderte der Genuese. „Kein Mensch greift uns an, denn bei uns gibt es kein Gold und kein Silber zu holen. Wir sind friedliebende Menschen, an denen auch die gierigsten und blutrünstigsten Freibeuter nicht interessiert sind. Deshalb hat unser ,Paese`, unser Dorf, keine Schutzmauer. Die Schaluppen und die Pinassen genügen uns für den Fischfang. Alles andere bietet uns die Insel. Ein größeres Schiff würden wir nur brauchen, wenn wir zur Neuen Welt segeln wollten, aber warum sollten wir. auch nur das Verlangen danach haben? Wir fühlen uns hier sehr wohl. Auf dem Festland aber erwarten uns Streit und Mißgunst, überhaupt, die ganze Schlechtigkeit der Menschen. Hinzu kommen unzählige gefährliche Krankheiten, die wir hier nicht kennen, und — nicht zu vergessen — die Raubtiere, die uns anfallen und zerfleischen könnten. Auch die haben wir hier, auf Martin Vaz, nicht.“ „Nehmen Sie meinen Männern ihre Neugierde und ihre Fragen nicht übel“, sagte Hasard lächelnd. „Sie tragen manchmal ein bißchen zu dick auf, wissen Sie?“ Sabatini lachte auf. „So wie mit dem Gold, dem Silber und den Juwelen, an die sie offenbar gewöhnt sind?“ „Ja, genauso.“ „Ich dachte schon, jeder trägt einen Sack voll Schmuck mit sich herum.“ „Das wäre schön“, sagte Hasard. „Aber Sie wissen ja selbst, wie es den Engländern auch nach dem Sieg über die Armada ergeht. Noch nagen wir alle am
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Hungertuch und können froh sein, wenn wir uns durch redliche Arbeit ein bißchen Geld verdienen dürfen.“ Sabatini schien sich damit zufrieden zu geben, jedenfalls stellte er keine Fragen mehr. Hasard legte dieses Mal Wert darauf, daß keiner von den Inselbewohnern erfuhr, wer er und seine Männer in Wirklichkeit waren. Er wollte das Idyll, das hier zu herrschen schien, nicht zerstören. Erfahrungsgemäß gab es Verdruß, wenn jemand herausfand, daß sie Freibeuter im Dienst der englischen Königin waren — entweder weil man sie haßte oder ihnen die Beute ihrer zahlreichen Raids abnehmen wollte. Sie waren jetzt fast in dem „Paese“ angelangt, und Sabatini wies voll Stolz auf die weißgetünchten Steinbauten. „Sehen Sie, Senor Killigrew“, sagte er. „Als wir Genuesen hier vor drei Jahren mit einem spanischen Schiff landeten, dessen Kapitän uns die Überfahrt bewilligt hatte, waren die portugiesischen Kolonisten bereits seit fünf Jahren hier, aber es stand noch nicht einmal die Hälfte der Häuser, und was an Gebäuden errichtet worden war, befand sich in einem erbarmungswürdigen Zustand.“ Hasard ließ seinen Blick über die neckischen eckigen Häuser wandern, die alle nicht sonderlich groß waren. „Ich glaube, ich weiß, woran das lag. Die Portugiesen wurden seinerzeit zwangsweise hier wie auch in der Neuen Welt angesiedelt, denn für die Spanier waren sie so etwas wie Menschen zweiter Garnitur, die gerade gut genug dafür waren, die harte Aufbauarbeit in den neuen, noch menschenleeren Kolonien zu leisten. Verständlich, daß es den Portugiesen, die sich hier wie Entwurzelte und Ausgestoßene fühlten, dabei an dem nötigen Pioniergeist und Enthusiasmus mangelte. Sie taten eben nur das, was lebensnotwendig war, und es war ihnen fast egal, ob sie in Hütten oder Häusern ihr Dasein fristeten.“ „Das haben Sie sehr treffend ausgedrückt, Capitan Killigrew“, sagte Sabatini
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anerkennend. „Sie scheinen aus Erfahrung zu sprechen.“ „Ja. Vor Jahren hatten wir einmal in Bahia, drüben an der Ostküste von Südamerika, mit portugiesischen Kolonisten zu tun. Die armen Teufel hatten Schiffbruch erlitten und brauchten dringend Hilfe.“ „Hier war es ähnlich“, erklärte der Genuese. „Aber wir Italiener.— insgesamt fünf Familien — hatten aus freien Stücken unser Land verlassen, um in einem ganz neuen Gebiet Fuß zu fassen. Eine Insel wie diese war uns gerade recht, und so verbündeten wir uns brüderlich mit den portugiesischen Freunden und schufen die notwendigen Verbesserungen. Bitte, sehen Sie sich an, was daraus geworden ist.“ * Als sie in das Dorf einmarschierten, öffneten sich überall die Türen und die Fenster. Männer, Frauen, Kinder und alte Leute erschienen, um die Fremden zu begrüßen. Während Hasard und seine Männer Hände schüttelten und geduldig viele neugierige Fragen beantworteten, hatten sie Gelegenheit, hier und da in die Häuser zu schauen, die alle mustergültig sauber waren und augenscheinlich mit viel Fleiß instand gehalten wurden. Augusto Sabatini zog eine kleine, ziemlich dralle Frau zu sich heran, die schätzungsweise fünfundvierzig Jahre alt sein mochte. Sie war keine Schönheit, aber doch von der Natur mit weiblichen Attributen ausgestattet, auf die manche andere neidisch geworden wäre. „Das ist Angela, meine Frau“, sagte er. „Die beste Frau, die es auf dieser Welt gibt. Angela, cara mia, behandle diese Männer mit Respekt, sie sind ehrbare englische Kauffahrer.“ Angela Sabatini sprach kein Wort, gab aber den Männern der „Isabella“ nacheinander die Hand und lächelte ihnen zu. Hasard glaubte, in ihrem Blick etwas mehr als bloße Freundlichkeit zu lesen, aber er fragte sich im stillen, ob er sich nicht täuschte.
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Weitere Überlegungen wurden durch die stürmische Entwicklung unterbunden, die die Dinge jetzt nahmen. In Sabatini schien sich das südländische Temperament voll zu entfalten. „Folgen Sie mir!“ rief er den Seewölfen zu. Aufgeregt begann er zu gestikulieren und deutete zu einem Haus hinüber, das ganz am nördlichen Rand des „Paeses“ stand. „Ich lade Sie in mein bescheidenes Heim ein, Sie alle, Senores! Ich bitte Sie, von meinem selbstgezogenen Wein zu kosten, Sie werden nicht enttäuscht sein!!“ Hasard blickte seine Männer der Reihe nach an. „Wie ist es? Da sagen wir doch nicht nein, oder?“ „Ganz bestimmt nicht, Sir“, gab der Profos zurück. „Und es läßt sich doch auch mit der Disziplin vereinbaren, was, wie?“ „Natürlich. Solange keiner sturzbetrunken unter den Tisch fällt“, sagte der Seewolf trocken. Der Blick, den Carberry den Mitgliedern der Crew zuwarf, ließ keinen Zweifel offen: Er würde jedes Vergehen gegen die Regeln des ordentlichen Benehmens streng ahnden. Mit anderen Worten, wer aus der Rolle fiel, der landete unweigerlich bis zum Auslaufen im Kabelgatt oder gar in der Vorpiek, wo auch ein total benebelter Mann innerhalb kürzester Zeit wieder stocknüchtern wurde. Sabatini schritt geradewegs auf sein Haus zu. Seine Frau und seine Töchter sowie zwei andere Mädchen folgten ihm und nahmen die Stoffballen und die Kiste mit dem Glas- und Messingschmuck mit. Auf dem kleinen Versammlungsplatz inmitten der weißen Bauten blieb eine dichte Menschentraube zurück, die italienisch und portugiesisch durcheinander schnatterte. Ben Brighton schritt jetzt neben dem Seewolf her und sagte: „Weißt du was'? Man hat hier gar nicht mehr das Gefühl, sich in Übersee zu befinden. Mir erscheint es, als wären wir schon daheim in Europa.“ „Und? Ruft das bei dir so etwas wie Rührseligkeit hervor?“ „Ehrlich gestanden, ja.“
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„Wir sollten weiterhin vorsichtig bleiben“, sagte Hasard auf englisch, laut genug, daß es auch die anderen verstehen konnten. Augusto Sabatinis Haus hatte einen schalen, niedrigen Eingang, bei dessen Passieren man sich ein wenig bücken mußte, um nicht mit dem Kopf an den Türpfosten zu stoßen. Dahinter aber öffnete sich eine Wohnküche, die erstaunlich geräumig war und allen Besuchern wider Erwarten Platz bot. Der Genuese rückte ein paar Sitzgelegenheiten zurecht. Seine Frau und seine Töchter verschwanden unterdessen in einem Nebenzimmer. Hasard, Ben, Shane, Smoky und der Profos nahmen mit ihrem Gastgeber zusammen Platz, die anderen Männer aber mußten stehen bleiben. Die vermeintliche Schatzkiste war unter den klobigen Holztisch in der Mitte des Raumes gestellt worden, die Stoffballen lagen jetzt auf der Platte. Hasard untersuchte sie etwas genauer und stellte fest, daß solides Leinen in den Farben Weiß und Grau darunter war. Er legte die Hand darauf und sagte: „Das könnten wir wirklich gebrauchen, Senor Sabatini. Die meisten meiner Männer haben dringend einmal wieder neue Kleidung nötig, und unser Segelmacher Will Thorne wird sie ihnen aus diesem Leinentuch schneidern.“ Der Genuese hob die rechte Hand in einer gleichsam huldvollen Geste. „Aber, aber, ich bitte Sie! Sie sollen sich mir und meiner Familie gegenüber in keiner Weise verpflichtet fühlen. Niemand zwingt sie dazu, etwas zu kaufen.“ „Sie haben mich falsch verstanden. Wir haben tatsächlich Bedarf an diesem Material“, sagte der Seewolf. Ben Brighton beugte sich über die von Hasard näher gekennzeichneten Ballen und erklärte: „Das ist wirklich erstklassige Ware. Ich verstehe genug davon, um es beurteilen zu können.“ Sabatini lachte. „Senor, Sie sind ein schlechter Händler. Sie müßten die Stoffe als miserabel bezeichnen, um einen guten Preis zu erzielen. Dem Käufer sollte immer daran gelegen sein, Fehler und Mängel an den Gütern zu finden, die er erstehen will.“
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„Mit anderen Worten, Ihnen ist daran gelegen, kräftig um das Zeug zu feilschen?“ fragte Smoky. Sabatini rieb sich die Hände. „Jawohl, genau das, mein Freund. Ohne dies fehlt es einem guten Geschäft doch an der rechten Würze.“ Hasard lächelte ihm zu. „Also gut. Mal sehen, ob wir uns nicht doch als gerissene Partner erweisen. Senor Sabatini. wenn Sie mir einen vernünftigen Preis einräumen, kaufe ich Ihnen die komplette Partie Tuch ab, wenn nicht, nehme ich nur die paar Ballen Leinen.“ „Sehr gut!“ rief der Genuese aus. „So gefallen Sie mir, Senor! Jetzt haben wir einen zündenden Diskussionsstoff. Nun, was Ihr Angebot betrifft, so könnte man selbstverständlich zu einer Einigung gelangen. Aber wie viel bieten Sie?“ „Das hängt davon ab, wie viel Sie verlangen.” „Der Kunde hat immer das erste Wort, vergessen Sie das nicht.“ „Aber wer die Ware hat, hat auch das Geld und kennt seine Preise“, sagte der Seewolf unbeirrt. Sabatini schlug begeistert die Hände zusammen. „Phantastisch! So gut habe ich mich schon lange nicht mehr vergnügt. Nun, Senor Killigrew, wenn Sie wollen, daß ich Ihnen wirklich die Preise für dieses hochwertige Tuch nenne, müssen Sie mir zuerst verraten, in welcher Währung sie zu zahlen gedenken.“ Er sah den Seewolf erwartungsvoll an, doch ihre Verhandlungen wurden durch Angela Sabatini und deren Töchter Sabrina und Stefania unterbrochen, die soeben wieder mit bauchigen Krügen und großen Bechern in den Händen eintraten. Die Männer wandten die Köpfe. Carberry stöhnte: „Heiliger Seesack, es gibt schon wieder diese verdammten Oliven.“ „Unsinn“, zischte Big Old Shane ihm zu. „Hast du nicht gehört, daß der Genuese von selbstgezogenem Wein gesprochen hat?“ Jetzt hob der Profos den Kopf und beobachtete gespannt, wie die Frau und die
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beiden Mädchen aus den Tonkrügen rubinrote Flüssigkeit in die Becher füllten. „Es ist wahr“, sagte Carberry. „Das ist echter Wein, und dabei dachte ich, dieser alte Geizpinsel wollte uns schon wieder reinlegen.“ Rasch wurden die Becher ausgeteilt. Sabatini beugte sich vor und fragte den Seewolf: „Was sagen Ihre Männer? Ich verstehe die englische Sprache leider nicht.“ „Sie sagen, es sei schon eine halbe Ewigkeit her, daß wir richtig guten Wein wie diesen hier getrunken haben“, entgegnete der Seewolf. „Trotzdem ist es unhöflich, sich einer Sprache zu bedienen, die Sie nicht beherrschen, Senor Sabatini. Ed!“ „Sir?“ „Von jetzt an wird nur noch spanisch gesprochen. Das ist ein Befehl.“ „Aye, Sir“, sagte Carberry, der inzwischen schon von dem Wein gekostet hatte. In seinem immer noch recht holprigen Spanisch fügte er hinzu: „Also, das hier ist wahrhaftig ein guter Tropfen. Gibt's davon jede Menge Fässer?“ „Im Keller meines bescheidenen Heims“, antwortete der Genuese lachend. „Später haben Sie alle noch Gelegenheit, die Cantina zu besichtigen. Aber jetzt - auf Ihr aller Wohl!“ Hasard mußte zugeben, daß der Rotwein wirklich vorzüglich schmeckte. Er fragte sich unwillkürlich, ob der dunkelrote, starke Trunk vielleicht ein Schlafmittel enthalte. Auch das war ihm und seiner Mannschaft schon passiert - man hatte ihnen einmal ein Pülverchen in den Wein getan, um sie zu betäuben und dann die „Isabella“ zu überfallen. Er setzte seinen Becher daher gleich wieder ab und fuhr fort, mit dem Genuesen zu feilschen, der dabei ein wirklich königliches Vergnügen zu empfinden schien. Im Verlauf dieses Preisgesprächs wurde es allmählich dunkel, und Angela Sabatini zündete zwei Talglichter im Raum an. Hasard gelangte zu dem Schluß, daß sein Argwohn bezüglich des Weines
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unbegründet gewesen war. Seine Männer saßen und standen alle noch aufrecht da, und auch er verspürte keine Anzeichen einer beginnenden Einschläferung oder gar Vergiftung. Du tust diesen Leuten unrecht, sagte er sich, eigentlich solltest du dich schämen. Mit dem Italiener wurde er bald handelseinig, und sie besiegelten den Abschluß durch einen kräftigen Handschlag. Hiermit verpflichtete sich Hasard, fünfzehn spanische Piaster, die er angeblich in Ormuz erhalten hatte, für die gesamte Partie Stoff zu bezahlen. Sabatini versicherte seinerseits, die Ballen von seinen Leuten an Bord der „Isabella“ bringen und dort auch fachgerecht stauen zu lassen. Er stand auf und sagte: „Aber das können wir später erledigen. Jetzt laßt uns alle nach draußen gehen, meine lieben Freunde, und dort ein Weingartenfest feiern, zu dem alle eingeladen sind. Bitte, Senor Killigrew, lehnen Sie nicht ab.“ „Ich akzeptiere nur unter einer Bedingung.“ Hasard erhob sich ebenfalls und grinste. „Hört, hört.“ Der Genuese setzte eine verdutzte Miene auf. „Und die wäre?“ „Daß Sie mir nach dem Fest und vor unserem Auslaufen aus der Ankerbucht ein paar Fässer von Ihrem herrlichen Wein verkaufen. Er wird uns die Heimreise nach England ein wenig angenehmer gestalten.“ Sabatini lachte und hielt sich seinen Bauch, der auch von dem langen Gewand nicht ganz verborgen wurde. „Hervorragend! Sie könnten es mit jedem echten Genuesen aufnehmen, Senor Killigrew! Aber ja doch, auch über einen Weinhandel läßt sich reden.“ „Dann gehen wir“, sagte Hasard. „Zeigen Sie uns Ihren Weingarten.“ „Sabrina und Stefania!“ rief Sabatini seinen Töchtern zu. „Führt unsere Freunde schon auf die Terrasse hinaus, Mutter und ich räumen hier nur noch schnell auf und kommen dann nach!“ „Ja, Papa“, sagte die blonde Stefania. Sabrina sah den Seewolf aus ihren dunklen Glutaugen an und sagte: „Senor, bitte
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folgen Sie mir. Es ist nett, Sie bei uns zu haben. Sie werden es nicht bereuen, eine Nacht mit uns zu verbringen.“ Sie drehte sich um und schritt voran. Hasard hob verwundert die Augenbrauen und überlegte, wie er diese Worte auszulegen habe. 4. „Rasch!“ zischte Angela Sabatini ihrem Mann über den Holztisch hin- weg zu. „Sag mir, was ich tun soll, ehe sie einen Verdacht schöpfen.“ Sie benutzte den Dialekt ihrer Heimatstadt Genua, den selbst in den benachbarten italienischen Regionen kaum ein Mensch zu verstehen vermochte. „Avanti“, sagte er laut. „Legen wir die Stoffballen hier auf die Truhe — und daß sie ja keiner anrührt!“ Dann senkte er seine Stimme zu einem Flüstern. „Du läufst jetzt hinüber zu den Falchis und sagst Fulvio und seinen Söhnen Bescheid. Sie sollen noch ein paar andere Männer mit zur Bucht nehmen. Dort haben sie es am Ufer nur mit zwei Männern zu tun, von denen der eine blutjung ist.“ „Bist du sicher?“ fragte sie ihn. „Ja. Dieser Killigrew hat seine Befehle auf spanisch gegeben, ehe wir von dort weggingen. Drei seiner Kerle sollten zum Schiff pullen, nur zwei haben die Order, bei dem anderen Boot an Land Wache zu halten und weitere Anweisungen abzuwarten.“ „Sehr gut. Die werden sich wundern“, sagte die Frau. „Aber gibt es an Bord ihrer Galeone denn wirklich eine fette Beute zu holen?“ Augusto Sabatini grinste. „Du hast also nicht begriffen, wer dieser Killigrew ist, wie? Nun, er selbst glaubt, daß ich ihn nicht durchschaut habe. Er nimmt wohl an, daß wir hier auf Martin Vaz weitab vom Schuß sitzen und kaum Neuigkeiten erfahren. Deswegen gaukelt er uns vor, er sei ein biederer Kauffahrer.“ „Und wer ist er wirklich?“ raunte sie. „Die Spanier nennen ihn ,el Lobo del Mar' - den Seewolf.“
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Ihre Augen weiteten sich. „Der gefürchtete Feind der Spanier und Portugiesen? Unsere portugiesischen Freunde hier im Paese schlagen den Hund und seine Spießgesellen tot, wenn sie das erfahren.“ Sabatini schüttelte den Kopf. „Das tun sie nicht, denn sie kennen keine patriotischen Gefühle.“ „Aber auf Geld und Wohlstand sind sie genauso aus wie wir.“ „Erst wir haben es ihnen beigebracht, was Ehrgeiz bedeutet“, sagte der Genuese gedämpft. „Hör zu, das Schiff des Seewolfs - es heißt übrigens ,Isabella' muß bis unter die Ladeluken vollgestopft sein mit Gold und Silber, mit Juwelen und Perlen, die die Kerle den Spaniern abgenommen haben. Mit dieser Galeone haben wir den Weg zum Reichtum gefunden, meine Liebe.“ Er setzte eine verschlagene Miene auf. „Aber das ist noch nicht alles. Auf den Kopf dieses Killigrew hat die spanische Krone eine Prämie ausgesetzt. Nach allem, was ich von den Seefahrern gehört habe, die hier in den letzten Monaten vorbeigesegelt sind, muß es sich um eine hohe Summe handeln - und auch die werden wir einsacken, Angela, Tesoro, mein Schätzchen, mein Täubchen.“ „Überschlag dich nur nicht“, flüsterte sie. „Noch haben wir sie nicht in der Falle. Wenn sie die Teufelskerle sind, von denen man all diese wilden Geschichten vernommen hat, werden sie sich nach Kräften wehren.“ „Du vergißt den Wein - und die Mädchen.“ Plötzlich lächelte sie ebenfalls. „Ja. Beides läßt auch . einen zählebigen, verwegenen Korsaren zu einem willenlosen Lamm werden, dem man den Todesstoß versetzen kann. Geh jetzt zu ihnen, Augusto, und laß mich nur machen.“ Sie wies auf die Stoffballen. „Warum benutzen wir das Tuch nicht als Vorwand, um uns den Posten an der Felsenbucht zu nähern?“ „Das geht nicht“, zischte er. „Ich habe doch schon gesagt, daß wir es später an Bord der ,Isabella' schaffen. Killigrew wird mißtrauisch, wenn ich meine Anordnungen widerrufe und er die Ballen plötzlich
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verschwinden sieht. Es muß einen anderen Weg geben, um die Kerle zu übertölpeln.“ „Ich weiß schon, wie wir sie überlisten können“, raunte sie ihm zu. „Überlaß das nur mir. Ich habe bereits einen Plan. Es ist ja auch nicht das erstemal, daß wir so ein Schiff erobern.“ Sabatini kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund. „Wenn Killigrew wüßte, wie wir es mit den Gepflogenheiten der ehrbaren Kaufleute halten - per Dio, ich mag es mir gar nicht ausmalen.“ „Genug jetzt“, flüsterte die Frau. „Was sollen wir mit den Männern des Schiffes tun, wenn wir sie überrumpelt haben?“ „Zunächst laßt ihr sie am Leben“, murmelte ihr Mann. „Wir brauchen sie als Geiseln.“ „Wird Killigrew sich denn auch wahrhaftig erpressen lassen?“ „Er kann nicht zusehen, wie wir seine Männer töten.“ „Aber er wird ahnen, daß sie dennoch sterben müssen”, gab sie zu bedenken. Der Genuese zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon. Deswegen kann er nicht seine Crew niedermetzeln lassen. Wir werden ihn dazu zwingen, sich zu ergeben.“ „Und dann?“ „Du erinnerst dich doch an den spanischen Verband, der eigentlich schon längst hier bei uns eintreffen sollte?“ „Ja. Er ist seit Tagen überfällig, und ich zweifle daran, daß die Seefahrer aus Bahia, die vor zwei Wochen hier waren und das Erscheinen des Verbandes ankündigten. überhaupt die Wahrheit gesprochen haben.“ Sabatini fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, dann wisperte er: „Die Schiffe kommen ganz bestimmt, verlaß dich darauf - vielleicht sind sie schon morgen hier. Dem Kommandanten übergebe ich unseren wertvollsten Gefangenen, el Lobo del Mar, und lasse mir schriftlich versichern, daß ich Anspruch auf das Kopfgeld habe.“ „Gut. Und was wird aus den anderen Männern der ,Isabella'?“ Sabatini strich sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand
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in einer Geste über die Gurgel, die keiner näheren Erläuterung bedurfte. Er nickte seiner Frau noch einmal zu, dann wandte er sich ab und ging durch die Tür, die nach hinten hinausführte, auf die Terrasse hinaus, auf der es inzwischen recht laut geworden war. * Angela Sabatini eilte durch die Dunkelheit. Sie brauchte nur zwei Häuser weiter zu laufen, dann war sie bei der Familie Falchi angelangt und klopfte verhalten gegen die Eingangstür. Der schnauzbärtige Mann, der ihr daraufhin öffnete, war Fulvio Falchi persönlich. Er ließ sie wortlos eintreten und beschrieb eine einladende Gebärde zu dem Tisch hin, an dem seine Söhne Marcello und Sirio saßen. Sie hatten die gleichen grauen Augen und auch den harten Blick ihres Vaters, und sie waren genauso groß und muskulös wie er. Im Hause Falchi gab es keine weibliche Person, denn Fulvios Frau war vor anderthalb Jahren gestorben. Sie war die einzige gewesen, die bestimmte gefährliche Tendenzen in der Entwicklung der Charaktere ihrer Söhne zu bremsen versucht hatte. Fulvio Falchi hingegen förderte diese Neigungen, indem er den beiden selbst eine Lebensform vorexerzierte, die keinen Moral- und Ehrenkodex kannte. Mit anderen Worten: Die drei waren Strauchdiebe und Galgenstricke der übelsten Sorte. Sie blickten Angela Sabatini auf eine Weise an, die darauf schließen ließ, daß sie bereits wußten, was sie von ihnen verlangte. „Ich will mich nicht lange aufhalten“, sagte sie. „Hört zu.“ Kurze Zeit darauf verließen die vier das Haus, und Angela kehrte an ihren heimischen Herd zurück, um sich der Bewirtung der Seewölfe zu widmen. Sirio Falchi lief über den Dorfplatz zum Haus der Ambrogios, der dritten genuesischen Familie. Sein Vater und sein
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Bruder schritten unterdessen langsam zum südlichen Ausgang des Paeses. Sirio brauchte seine Landsleute nicht erst von dem zu überzeugen, was zu tun war. Telio, das Familienoberhaupt, wies seine Frau Flavia mit wenigen barschen Worten zurecht, als sie sich weigerte, auch ihre Tochter Maria Teresa mit fortzuschicken. Flavia schwieg daraufhin. Sie wußte, daß es letzten Endes keinen Sinn hatte, gegen die Komplotte aufzubegehren, die in diesem Dorf geschmiedet wurden. im stillen aber schimpfte sie ihren Mann einen Frevler und Verbrecher und nannte das Dorf von Martin Vaz ein Dorf des Schreckens. Telio, Maria Teresa und deren Bruder Paolo folgten Sirio Falchi in die Dunkelheit. Am Ausgang der Siedlung schlossen sie sich Fulvio und Marcello Falchi an, die dort auf sie gewartet hatten. Durch den Olivenhain wanderten sie zur Südbucht, in der die „Isabella VIII.“ ankerte. Die Männer waren mit Pistolen, Schiffshauern und langen scharfen Messern bewaffnet. Maria Teresa, die von dem Plan begeistert war, hoffte, ihre weiblichen Waffen zum Einsatz bringen zu können. Sie war von der Natur mit einem üppigen Busen, einem prachtvollen Hinterteil und einem aufregenden Paar langer, gerader Beine beschenkt worden. Diese Bestien werden die Augen aufreißen, dachte sie, und allein die Vorstellung dessen, was nun passieren würde, versetzte sie in eine seltsame Art der Erregung. * Auf der Terrasse an der Nordseite von Augusto Sabatinis Haus waren im Handumdrehen Tische und Stühle aneinandergerückt worden, und jetzt setzten die Männer der „Isabella“ umgeben von den lachenden und kichernden Mädchen - die begonnene Weinprobe im Freien fort. Stefania und Sabrina schenkten immer wieder die Becher voll, und ihre Freundinnen aus dem Dorf halfen mit, die
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Trinkgefäße zu leeren. Immer mehr Leute gesellten sich zu der Versammlung, unter anderem auch ein paar junge Männer und einige Greise, die verständnisvoll lächelten und auf einer langen Bank an der Mauer Platz nahmen. Über der Terrasse rankten sich um dicke Balken die Rebstöcke einer sogenannten Pergola, und man brauchte nur aufzustehen, wenn man sich ein paar der noch nicht ganz reifen Trauben pflücken wollte. Sabatini hatte vier Öllampen in das Gebälk der Laube gehängt. Deren Licht reichte bis in den Weingarten, der sich über den nördlichen Hang ausdehnte, auf den das Haus hinunterblickte. Sabatini war zur Stelle und sorgte dafür, daß auch die Gäste aus dem Dorf ausreichend mit Wein versorgt wurden. Auch seine Frau erschien jetzt wieder. Sie brachte Brot, Schinken und Salami, breitete alles auf einem Tisch aus und begann, große Scheiben davon abzusäbeln. Hasard, Den Brighton, Shane, Carberry, Dan O'Flynn und die Zwillinge hatten sich an einen runden Tisch gesetzt und verfolgten das Treiben. Der Wein ist in Ordnung und nicht mit Pülverchen angereichert, dachte der Seewolf, sonst würden ihn die Mädchen nicht trinken. Herrgott, wann legst du endlich dein verdammtes Mißtrauen ab? Sabatini war im Haus verschwunden und kehrte mit vollen Weinkrügen zurück, die er geschickt zwischen seinen Besuchern hindurchbalancierte. Er stellte die Krüge auf den Tischen ab und rief: „Von jetzt an bedient sich jeder selbst, Freunde! Einverstanden?“ „Ja!“ tönte es im Chor zurück, und einer der Portugiesen rief: „Mach nur weiter so, Augusto!“ Zwei alte Männer begannen, auf einer Leier und auf einer Flöte zu spielen. Sie entlockten ihren Instrumenten einfache, heitere Melodien. Eins der Mädchen ging zu ihnen hinüber, drehte sich um, breitete die Arme aus und sang mit etwas heiserer Altstimme ein Lied ihrer Heimat. „Wunderschön“, sagte Dan.
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„Wer — das Mädchen oder das Lied?“ wollte Shane wissen. „Das kannst du dir doch wohl denken“, erwiderte Dan. „Und ich frage mich, ob diese entzückenden Wesen wirklich allesamt so brav und anständig wie Klosterjungfrauen sind.“ „Halt“, sagte der Seewolf. „Alle weiteren Überlegungen in dieser Richtung behältst du am besten für dich. Vergiß nicht, daß wir Kinder hier bei uns am Tisch haben.“ „Kinder?“ fragte Philip junior verblüfft. „Welche Kinder denn, Dad?“ Er schaute sich nach hinten um. Ben Brighton lachte. „Also, die richtige Bezeichnung für euch Lümmel ist wohl Jungs, oder?“ „Bengel — das ist das treffende Wort“, sagte Carberry. „Sir, sollten wir die beiden Rübenschweinchen nicht lieber zurück an Bord der ,Isabella` schicken?“ „Gleich — mit der Wachablösung, die ich als Ersatz für Donegal, Ferris, Will, Stenmark und die anderen einteile.“ „Dad, bitte, laß uns noch ein bißchen länger hier bleiben“, bettelte Hasard junior. „Nur noch eine halbe Stunde.“ „Dad“, sagte Philip junior. „Was hat Dan eigentlich eben sagen wollen, als er von Klosterjungfrauen gesprochen hat?“ „Ruhe“, sagte ihr Vater. „Ihr seid entschieden zu neugierig. Ich hätte euch doch besser gleich an Bord zurückgelassen.“ Die Zwillinge schwiegen beleidigt. „Dan O'Flynn“, sagte der Profos grollend. „Wenn du dein verdammtes Maul nicht halten kannst, stopfte ich dir eines Tages noch ein Pfund Kabelgarn hinein. Willst du die Bengel ganz und gar verderben? Wein hast du ihnen auch zu trinken gegeben.“ „Aber doch nur einen Schluck“, verteidigte sich Dan O'Flynn. „Davon sterben sie ganz bestimmt nicht. Als ich noch so klein war wie sie, habe ich schon ganz andere ...“ „Ja“, unterbrach ihn der Narbenmann. „Und man sieht ja, was daraus geworden ist.“ „Eins verstehe ich nicht“, sagte Shane, um von dem Thema abzulenken. „Wieso ist unser Freund Sabatini mit einemmal so
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großzügig? Er geht ja mit seinem kostbaren Wein um, als sei es Wasser.“ „Ganz einfach“, erwiderte der Seewolf. „Wir haben ihm seine Stoffe abgekauft und werden ihm auch noch ein paar Fässer Wein abnehmen. Darum gibt es das Fest jetzt als Zulage — sozusagen als eine Art Mengenrabatt, wenn du so willst.“ Shane grinste. „Oder wir kriegen nachher eine Rechnung vorgelegt für alles, was wir verzehrt haben.“ „Oder der Himmelhund will uns bloß besoffen machen“, sagte Carberry mit grimmiger Miene. „Aber wenn er glaubt, er könnte uns nachher eins über die Rübe hauen, hat er sich schwer getäuscht: Ich passe hier auf wie ein Wachhund.“ „Der Vergleich ist nicht schlecht“, meinte Dan O'Flynn. Hasard blickte an seinen Männern vorbei zu dem Mädchen, das den Gesang angestimmt hatte. Inzwischen war der Takt der Begleitmusik schneller geworden, und ein zweites Mädchen lief mit trippelnden Schritten zu der Sängerin. Beide begannen zu tanzen. Der Rhythmus wurde treibend, und die Bewegungen der Mädchen waren so aufreizend, wie es sich für einen reinen Volkstanz eigentlich schon nicht mehr gehörte. „Dan“, sagte der Seewolf. ,.Du brichst jetzt mit Gary, Matt, Al und den Zwillingen zur Ankerbucht auf. Dein Vater soll fünf Männer auswählen, die er für die Zeit der nächsten Wache hier ins Dorf herüberschickt. Ich kann nicht allen Urlaub bis zum Wecken geben, denn ich will, daß die ‚Isabella' ausreichend bewacht bleibt.“ Dan wußte, daß er diesem Befehl auf keinen Fall widersprechen durfte. „Aye, Sir“, sagte er nur, dann stand er sofort auf. Auch die Zwillinge erhoben sich. Sie folgten Dan - mit gesenkten Köpfen zwar, aber ohne jeden Einwand. Wenn sie sich zu aufmüpfig zeigten, konnte es massiven Ärger mit ihrem Vater geben. Im schlimmsten Fall kassierten sie eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Er behandelte sie nicht besser und nicht schlechter als jeden anderen der Crew.
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Dan war bei Matt und Al am Nachbartisch angelangt. Sie winkten Gary zu, der einen Tisch weiter ganz nah bei den tanzenden Mädchen saß. Mit einem lang gezogenen Seufzer erhob sich auch Gary, und dann marschierten alle sechs von der Terrasse in die Wohnküche. Augusto Sabatini hatte sich hier gerade wieder mit seiner Frau getroffen, die ihm tuschelnd mitgeteilt hatte, was sie im Hinblick auf ihr geplantes Attentat veranlaßt hatte. Jetzt fuhren sie auseinander, und Sabatini blickte überrascht zu den vier Männern und den beiden Jungen. „Aber, aber, Senores, Freunde“, stieß er in gut gespieltem Erstaunen aus. „Wohin wollen Sie denn, jetzt, da es gerade anfängt, richtig gemütlich zu werden?“ „An Bord unserer Old Lady zurück“, erwiderte Matt Davies mit säuerlicher Miene. „Befehl vom Kapitän.“ Er wies auf die Stoffballen. „Die nehmen wir gleich mit. Schon gut, schon gut, Sie wollten es ja übernehmen, das Zeug zu stauen, aber wir erledigen das schon.“ Damit griffen sie alle zu, klemmten sich die Ballen unter die Arme oder hievten sie sich auf die Schultern und verließen das Haus. Sabatini sah entsetzt seine Frau an. „Was jetzt?“ zischte er. „Sie dürfen die Bucht nicht erreichen“, flüsterte Angela Sabatini. Weder der Seewolf noch die übrigen Männer der „Isabella“, die auf der Terrasse unter der Pergola zurückgeblieben waren Ben, der Profos, Shane, Smoky, Blacky, Pete Ballie und Sam Roskill -, hatten dieses kleine Intermezzo verfolgen können. Sie alle blickten in einer Mischung aus Verwunderung und Begeisterung auf die Mädchen, die zu der schneller und schneller werdenden Musik tanzten und sich immer entfesselter, ja, geradezu ekstatisch benahmen. Sabrina Sabatini näherte sich dem Tisch des Seewolfs mit stark betontem Hüftschwung. Sie schritt an Ben und Carberry vorbei, blieb dicht vor Hasard stehen und lächelte ihm zu. „Senor
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Killigrew, laß uns miteinander trinken“, sagte sie. „Oder hast du etwas dagegen, mit mir anzustoßen?“ „Ganz und gar nicht“, entgegnete er. „Ich hatte eigentlich auch nicht damit gerechnet, daß du mich wieder wegschickst“, sagte sie. Mit diesen Worten ließ sie sich auf seinem Schoß nieder und griff nach seinem Becher, der bis zum Rand mit Rotwein gefüllt war. 5. Jeff Bowie und Bill hatten sich auf einen großen Stein gesetzt, der ein Stück landeinwärts am Rand des schmalen Sandstrandes lag. Ab und zu blickten sie zur Jolle, die mit einer Leine an einem in den Sand gerammten Pflock vertäut war, dann wieder zur „Isabella“, auf der jetzt, im endgültigen Anbruch der Nacht, die Hecklaterne angezündet worden war. Manchmal malte Jeff mit dem Absatz seines Stiefels irgendwelche Muster in den Sand, und auch Bill rührte hin und wieder mit seinen nackten Füßen im Untergrund herum. Sie hielten sich an ihren Musketen fest, deren Kolben sie auf den Boden gestellt hatten, und sprachen kaum ein Wort miteinander. Schließlich aber sagte Bill: „Jeff, ich finde, wir haben das allerschlechteste Los gezogen. Sogar Ferris Tucker und den anderen, die auf der ,Isabella` geblieben sind, geht es besser als uns, denn sie können wenigstens einen ordentlichen Schluck Whisky oder Rum zur Brust nehmen.“ Jeff grinste. „Nun hör sich einer an, was für große Sprüche unser Moses von sich gibt. Würdest du denn auch gern einen heben?“ „Na klar.“ „Aber noch lieber würdest du die Mädchen der Insel reihenweise beglücken, oder?“ „Kannst du das nicht anders sagen?“ „Hör mal, ich bin es gewohnt, die Dinge beim Namen zu nennen. Also los, raus mit der Sprache. Du würdest den jungen Dingern schon zeigen, was ein echter Seemann ist, was?“
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„Traust du mir das etwa nicht zu?“ „O doch, ganz bestimmt sogar“, sagte Jeff. „Aber ich hab so den Eindruck, man muß den kleinen Ladys erst mal die Grundbegriffe der Seefahrt beibringen. Die wissen anscheinend noch nicht mal, was ein Fockmast ist.“ „Ich glaube, da täuschst du dich, Jeff.“ Jeff wandte den Kopf und sah ihn offen an. „Wer von uns beiden ist eigentlich der Moses - du oder ich?“ „Ich natürlich, aber ...“ „Folglich habe ich mehr Erfahrung als du“, schnitt Jeff dem Moses das Wort ah. „Und gegen meine Worte gibt es nichts anzustinken, klar?“ „Aye, Sir. Weißt du, was mich wundert? Hasard hat seine Söhne mitgenommen, dabei sind sie für bestimmte Dinge doch noch viel zu jung.“ „Bill“, sagte der Mann mit der Eisenhakenprothese. „Die tollen Dinge, die du dir ausmalst, spielen sich in dem Dorf dieser merkwürdigen Kolonisten bestimmt nicht ab. Das sind die reinsten Puritaner, sage ich dir. Denen geht's höchstens um ein gutes Geschäft, um weiter nichts, und ihre Töchter behüten sie wie rohe Eier.“ Bill hob lauschend den Kopf. „Hörst du das?“ „Musik“, brummte Jeff. „Na, das ist wohl so eine Art Begrüßungsweise, die Hasard und die anderen über sich ergehen lassen müssen.“ „So? Sehr puritanisch hört die sich aber nicht an.“ „Mann“, sagte Jeff. „Hasard hätte dich doch lieber mitnehmen sollen. Du fällst mir langsam auf die Nerven.“ „Ich wäre lieber an Bord der ,Isabella` als hier, Jeff.“ „Das hast du schon mal gesagt, aber glaub bloß nicht, daß Old O'Flynn es der Mannschaft genehmigt, auch nur einen Tropfen Schnaps zu schlürfen. Der ist geiziger als dieser Genuese. Höchstens verteilt er ein paar von den Oliven, die Ferris, Luke und Bob in der zweiten Jolle mit rüber genommen haben.“ „Du willst mich bloß auf den Arm nehmen“, sagte Bill. „Aber das ist mir auch
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egal. Bis zur nächsten Wachablösung holt uns von hier ja doch keiner weg.“ Jeff legte ihm plötzlich die Hand auf den Unterarm. Bill sah ihn fragend von der Seite an, und unwillkürlich packte er seine Muskete fester. „Was ist'?“ flüsterte er. Jeff antwortete so leise, daß Bill Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Da ist jemand. Zwischen den Felsen. Los, in Deckung!“ Sie glitten von dem großen Stein und legten sich dahinter flach auf den Boden. Während Bill noch etwas umständlich seine Muskete in Anschlag auf die Richtung brachte, in die Jeff gedeutet hatte, überlegte Jeff Bowie, was er als erstes tun solle: die Gestalt, die da zwischen den Felsen herumkletterte, anrufen oder das Gesehene der „Isabella“ melden, um Old O'Flynn zu alarmieren? Plötzlich schien sich aber beides zu erübrigen. Jeff, der vorsichtig hinter seiner Deckung hervorspähte, glaubte zwar, einer Halluzination zu erliegen, doch auch Bill, der ebenfalls gespannt Ausschau hielt, blickte jetzt so verdutzt drein, daß es wohl doch keine Täuschung sein konnte. Das weißliche Licht des Mondes reichte gerade aus, um die Konturen der Gestalt hervorzuheben, doch dies genügte den beiden Beobachtern vollauf. Es gab keinen Zweifel darüber, daß es sich um ein Wesen weiblichen Geschlechts handelte – nicht den allergeringsten Zweifel, denn die Fremde war splitterfasernackt. Eben hatte sie den letzten Fetzen Kleidung abgeworfen und schickte sich an, zum Strand hinunter zu steigen. „Du bleibst hier“, zischte Jeff dem Moses zu. Er erhob sich und ging ein Stück auf das Mädchen zu, wobei er die Muskete sinken ließ. Ihre Figur war atemberaubend schön, und selbstverständlich verfehlte dieser Anblick nicht seine Wirkung. Jeff geriet um ein Haar ins Stolpern. „Sie“, sagte er heiser und kam sich ein bißchen dumm dabei vor. „Was tun Sie denn da?“ „O Dio mio!“ stieß das Mädchen aus, dann preßte sie schnell die Hände gegen ihre
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Blößen. Es gelang ihr aber nur sehr unzureichend, sie zu verbergen. Als sie noch einen Schritt tat und dann abrupt stehen blieb, konnte Jeff ganz deutlich ihre schweren Brüste wackeln sehen. Trotz seiner Verwirrung rief Jeff sich ins Gedächtnis zurück, daß man auf dieser Insel die englische Sprache nicht verstand. Auf spanisch sagte er deshalb: „Senorita, Sie haben uns einen ganz schönen Schreck eingejagt. Fast hätten wir auf Sie geschossen.“ „Herrje“, hauchte sie entsetzt. „Und ich dachte - ich - ich wäre hier allein. Wissen Sie, ich wollte ein Bad nehmen, das tue ich oft und ...“ „Aber Sie wußten doch sicher von Ihren Freundinnen aus dem Dorf, daß wir hier gelandet sind, oder?“ Er schob sich noch etwas näher an sie heran, um sie besser erkennen zu können, und befand sich jetzt zwischen den Felsen. „Ja.“ Sie nickte hastig. „Ich nahm jedoch an, daß Sie alle das Schiff verlassen haben und - o Himmel, es ist mir ja so furchtbar peinlich. Verstehen Sie, dies ist meine Lieblingsbucht, wo man sonst ganz ungestört ist. Allmächtiger, wo ist denn bloß meine Bluse?“ Jeff räusperte sich und wies auf den hellen Fetzen Stoff, der zwischen den Steinen zu sehen war. „Da liegt sie. Warten Sie, ich hebe sie für Sie auf.“ Er kletterte zu ihr hinauf und wollte sich nach der Bluse bücken, aber plötzlich geriet sie ins Wanken. Sie stieß einen kleinen ängstlichen Ruf aus, taumelte auf ihn zu und klammerte sich an ihm fest. Jeff Bowie war ein willensstarker Mann, der selten die Beherrschung über seine Sinne verlor, aber das war selbst für ihn zuviel. Die ganze Pracht ihres weichen, warmen Körpers lehnte sich gegen ihn, und ihre Arme schlangen sich um seine Schultern. Er mußte selbst aufpassen, daß er nicht das Gleichgewicht verlor. Fast war er versucht, ihre Umarmung zu erwidern. Ihr Mund war seiner Wange ganz nahe, er konnte ihren Atem spüren. Für einen Mann, der so lange der Einsamkeit und den Entbehrungen des Lebens auf See
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ausgesetzt gewesen war, war die Versuchung überwältigend groß. Ihre rechte Hand fiel auf seinen Unterarm, und er ließ aus Versehen die Muskete los. Die Waffe polterte auf die Steine. Jeff war nur froh, daß er den Hahn noch nicht gespannt hatte, sonst wäre sie jetzt losgegangen. „Seemann“, flüsterte Maria Teresa. „Wie stark du bist.“ Alles andere ging sehr schnell. Jeff sah die beiden Schatten, die sich etwa einen halben Yard über ihm aus .einer Felsspalte hervorschoben und Anstalten trafen; sich auf ihn zu stürzen. Er wollte sich wehren, doch das Mädchen riß ihn mit sich zu Boden, wobei sie erstaunliche Kraft entwickelte. Jeff vermochte weder seine Pistole noch seinen Säbel aus dem Gurt zu ziehen. Sie waren über ihm, ehe er Maria Teresa von sich stoßen konnte. Ein Hieb traf ihn zwischen die Schulterblätter, der nächste gegen den Hinterkopf, und das reichte auch schon, um ihm die Sinne schwinden zu lassen. Er fühlte sich in einen schwarzen Strudel gerissen, der in unauslotbare Tiefen führte. Bill hatte die bedrohliche Entwicklung verfolgt und wollte aufspringen, um dem Kameraden zu helfen, aber auch seine Reaktion erfolgte zu spät. Lautlos hatten sich die drei anderen Männer von hinten an ihn herangepirscht Fulvio Falchi und seine beiden Söhne. Während die üppige Maria Teresa die Seewölfe abgelenkt und in ihren Bann gezogen hatte, hatten sie einen Bogen durch die Felsen geschlagen und sich von Westen her angeschlichen. Sirio warf sich als erster auf Bill und entriß ihm die Muskete. Marcello hieb mit dem Knauf seiner Radschloßpistole nur einmal kräftig zu und traf sogleich den Hinterkopf des Moses. Fulvio stand somit vor vollendeten Tatsachen und brauchte sich nur noch zu bücken, um Bill auf den Rücken zu drehen und ihm die restlichen Waffen aus dem Gurt zu ziehen. Er gab den Ambrogios einen Wink. Maria Teresa streifte sich hastig ihre Bluse und
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den einfachen Rock aus dunklem Stoff über und genoß dabei die Blicke, die Sirio und Marcello ihr zuwarfen. Telio und Paolo packten die schlaffe, reglose Gestalt von Jeff Bowie und schleppten sie zum Strand hinunter. „Pfui Teufel“, sagte Maria Teresa plötzlich. „Der hat ja eine Hakenhand. Mein Gott, wenn ich das eher gesehen hätte, hätte ich ihn vor Ekel nicht anfassen können.“ „Halt doch den Schnabel“, zischte ihr Bruder. „Du Weißt ganz genau, daß es dir völlig gleichgültig gewesen wäre. Dir ist doch jeder Kerl recht, Hauptsache, er hat alles, was ...“ „Still!“ fuhr sie ihn an. „Wage bloß nicht weiterzusprechen, du dreckige Kanaille.“ „Seid ihr wahnsinnig?“ sagte ihr Vater. „Ihr macht die Kerle, die an Bord der Galeone sind, noch vor der Zeit auf uns aufmerksam.“ Die Brüder Falchi grinsten und verfrachteten Bill, den sie jetzt gleichfalls vom Boden aufgehoben hatten, in die Jolle. Sie lösten die Leine und warteten auf ihre Kumpane, die Jeff herbeitrugen und zwischen die Duchten zu dem Moses packten. ,Marcello“, sagte Fulvio Falchi leise zu seinem Sohn. „Du bleibst mit Maria Teresa hier zurück und schießt sofort, wenn irgendjemand versucht, sich euch zu nähern, verstanden?“ „Ja.“ Marcello warf dem Mädchen wieder einen gierigen Blick zu. „Paolo, du leistest den beiden Gesellschaft“, befahl Telio. „Sicher ist sicher.“ Marcello grinste anzüglich. „Wieso, hat jemand Angst, daß ich dem armen Täubchen etwas nehme, das sie nicht mehr hat?“ Paolo Ambrogio trat dicht vor ihn hin und musterte ihn drohend. „Du kannst dir einiges herausnehmen, aber ich lasse nicht zu, daß du meine Schwester beleidigst.“ „Schon gut“, sagte Marcello einlenkend. „Ich nehme es ja auch schon zurück.“ „Dein Glück“, murmelte Paolo. „Aber ich warne dich. Wegen deiner lockeren
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Redensarten kriegst du noch mal ernste Schwierigkeiten.“ Marcello erwiderte darauf nichts. Er half mit, die Jolle in die Brandung zu schieben. Fulvio, Sirio und Telio sprangen hinein. Sobald sie im flachen Wasser dümpelte, griffen sie zu den Riemen und pullten an. Telio Ambrogio ließ sich auf der Heckducht nieder, packte die Ruderpinne und drückte sie so herum, daß das Boot auf die „Isabella“ zuglitt. * Old O'Flynn stand neben Ferris Tucker auf dem Achterdeck der „Isabella“ und hob plötzlich argwöhnisch den Kopf. „Da hat jemand gerufen“, sagte er. „Am Ufer. Ferris, ich sage dir, da stimmt was nicht.“ „Wenn Jeff und Bill uns warnen wollten, würden sie so laut schreien, daß es bis zu den Nachbarinseln hin zu verstehen wäre“, meinte der rothaarige Riese lächelnd. „Nun bereite dir doch keine unnötigen Sorgen, Donegal.“. „Die Sorgen, die ich ab und an habe, sind erwiesenermaßen nie unnötig“, sagte der Alte verdrossen. „Ich gehe jetzt auf die Kuhl runter und kontrolliere noch einmal die Gefechtsstation. Sicher ist sicher.“ Ferris hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Gut, dann überprüfe ich die Ladung der achteren Drehbassen.“ Old O'Flynn trat etwas näher an ihn heran und fixierte ihn, als könne er in den Augen des Schiffszimmermanns die Antwort auf seine Fragen und Ahnungen finden. „Ferris“, sagte er leise. „Mir war so, als hätte ich auch eine Mädchenstimme vernommen. Hast du wirklich nichts gehört?“ „Nein, nichts.“ Der Alte ließ einen Laut der Unzufriedenheit vernehmen, dann drehte er sich um und stieg zur Kuhl hinunter. Mit jedem Schritt, den er tat, wuchsen seine Unruhen und sein Unbehagen. „Sir“, sagte Batuti, der sich am Backbordschanzkleid des Hauptdecks
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befand, plötzlich. „Da nähert sich was — ein Boot.“ „Unsere Jolle?“ fragte Stenmark in der Dunkelheit, die über der Kuhl und der Back lag. „Ja“, gab der schwarze Herkules aus Gambia zurück. Old O'Flynn hatte die Kameraden fragen wollen, ob denn keiner von ihnen die Stimmen an Land gehört hätte, aber jetzt verzichtete er darauf und eilte zu Batuti an das Schanzkleid. Im Nu waren auch die anderen heran — Will Thorne, Stenmark, der. Kutscher, Luke Morgan und Bob Grey. Nur Ferris Tucker war noch im Schein der Hecklaterne damit beschäftigt., die beiden achteren Drehbassen zu überprüfen Und neu zu justieren. „Wahrschau!“ rief Old O'Flynn zu dem Boot hinüber, dessen Konturen sich jetzt deutlich aus der Finsternis hervorhoben. „Jeff und Bill, seid ihr's?“ Er erhielt keine Antwort. „Ich hab's ja gewußt“, sagte er zornig. „Es gibt noch Verdruß auf dieser verdammten Genuesen-Insel. Los, alle Mann auf Gefechtsstation. Da will uns jemand durch einen dämlichen Trick hereinlegen, so wie man MacLeod, den Schotten, auf der Insel Tristan da Cunhas überrumpelte.“ Nur allzu deutlich hatte er noch das Abenteuer vor Augen, das sie auf jener Insel erlebt hatten. Den Ereignissen, die nun schon über zwei Wochen zurücklagen, hatte es an Schaurigkeit nicht gemangelt. Fast hätte man meinen können, ein Geist hätte auf dem Eiland sein Unwesen getrieben. Hier aber lagen die Dinge ganz anders, das erkannte Old Donegal Daniel O'Flynn in diesem Moment. Sehr realistisch und beinah wie zum Greifen nahe erhoben sich fremde Gestalten von den Duchten der Jolle. Und Jeff Bowie — der gerade ins Bewußtsein zurückgekehrt war — rief unter dem Zwang der Widersacher: „Donegal, nicht schießen! Wir sind's, Bill und ich. Diese Kerle hier haben uns übertölpelt wie zwei blutige Anfänger!“
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„Hölle!“ stieß Old O'Flynn wutentbrannt hervor. „Jetzt ist es soweit, jetzt stecken wir ganz tief drin im Schlamassel. Diese Hurensöhne steigen zu uns an Bord und kapern die ,Isabella' - und wir können nichts dagegen unternehmen!“ „Herhören!“ rief jetzt Fulvio Falchi von der Jolle aus. „Wenn auch nur einer von euch englischen Bastarden den geringsten Widerstand leistet, geht es diesen beiden Narren hier dreckig. Als ersten nehmen wir uns den jungen Burschen vor. Aber ich glaube nicht, daß ihr sein Geschrei ertragt, wenn ich ihn mit meinem Messer kitzle.“ „Nein“, sagte Old O'Flynn erschüttert. „Das ganz bestimmt nicht.“ Er hätte am liebsten die Jakobsleiter gekappt, die an der Bordwand hing, doch er wußte, daß er sich von jetzt an gewaltig beherrschen mußte. Er und seine wenigen Gefährten an Bord der „Isabella“ waren zur Tatenlosigkeit verdammt, denn jede unbedachte Geste konnte das Leben von Jeff und Bill gefährden. 6. Auf dem Rückweg zur Ankerbucht der „Isabella“, der zunächst quer durch den Olivenhain führte, fielen Dan O'Flynn und seinen fünf Begleitern eine Reihe winziger Lichtpunkte auf, die im Westen der Insel schimmerten. „Was, zum Teufel, ist das jetzt wieder?“ fragte Al Conroy. „Wieder so eine Erfindung des Genuesen? Hat er dort drüben vielleicht eine Weinkaschemme aufgemacht?“ „Wenn du mich fragst, sind das Totenlichter“, entgegnete Gary Andrews. „In den Mittelmeerländern ist es doch üblich, auf den Friedhöfen Kerzen und Talglampen anzuzünden, die die ganze Nacht über brennen.“ „Richtig“, sagte Dan. „Und es ist gut möglich, daß dieser Brauch hier fortgesetzt wird.“ „Können wir uns das nicht mal näher ansehen?“ fragte Matt Davies. „Ich weiß, wir haben den Befehl, schnurstracks zur Ankerbucht zu marschieren. Aber ein
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großer Umweg ist es nicht, und irgendwie habe ich das dämliche Gefühl, daß wir die Insel so gut wie möglich auskundschaften sollten. Diesem Sabatini trau ich nämlich nach wie vor nicht über den Weg.“ „Nach wie vor ist gut“, sagte Dan. „Wir haben doch alle hier landen wollen. Nur mein Alter war wieder mal dagegen.“ „Was ist nun?“ brummte Al Conroy. „Sehen wir uns den Kirchhof an oder nicht? Meinetwegen können wir ruhig hingehen.“ Sie einigten sich darauf, einen Bogen durch das Hügelland zu schlagen und die Herkunft und Bedeutung der Lichter zu erforschen - vorsichtshalber. So trafen sie nach knapp einer Viertelstunde Marsch bei den matt glitzernden Lichtern ein und stellten fest, daß es sich tatsächlich um einen Friedhof handelte. „Na bitte“, sagte Gary. „Ich habe also recht gehabt. Die Talglichter sind in Zinngefäßen mit hohen Rändern befestigt, damit der Wind sie nicht ausblasen kann, und hier, in diesen schlichten kleinen Gräbern, scheinen die Verstorbenen der Insel-Dynastien bestattet zu sein.“ Dan hatte sich über einige Gräber gebeugt und die Aufschriften der Steine und Kreuze gelesen. „Wenn du mit den Dynastien die fünf genuesischen Familien meinst, die offenbar die Insel Martin Vaz fest im Griff haben, dann hast du dich getäuscht. Hier liegen auch in friedlicher Eintracht mit den Italienern Portugiesen zur ewigen Ruhe gebettet.“ „Na, ist ja fein“, sagte Matt Davies völlig unbeeindruckt. „Und was können wir uns dafür kaufen?“ „Nicht mal einen Topf voll Oliven“, erwiderte Philip junior. „Halt du bloß den Schnabel, du Rübenschweinchen“, sagte Matt. „Hast du nicht gehört, was dein Vater gemeint hat? Du und dein Bruder — ihr seid zu vorlaut geworden.“ „Los, hauen wir ab“, drängte Al Conroy. „Wir haben jetzt alles gesehen und inspiziert. Was wollen wir hier noch? Vielleicht ein Gebet sprechen?“
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„Moment mal“, sagte Dan O'Flynn, der mit dem Lesen der Grabinschriften nicht aufgehört hatte. „Hier ist etwas Merkwürdiges.“ „Was denn?“ erkundigte sich Matt Davies. „Ein Skelett? Ein kleiner Dämon oder Wurzelzwerg?“ „Hier sind ein paar Gräber ohne jeden Hinweis darauf, wer darin beerdigt liegt“, erwiderte Dan. „Nein, nicht nur ein paar — eine ganze Menge sogar. Bis jetzt habe ich mehr als ein Dutzend gezählt.“ Er schritt zwischen den leicht flackernden Talglichtern auf und ab und schnitt eine verblüffte Miene. „Meiner Ansicht nach ist die Erklärung dafür sehr einfach“, sagte Gary Andrews. „Sabatini, dieser schlaue Bruder, betätigt sich hier natürlich auch als Totengräber, und er verscherbelt den Familien der lieben Verstorbenen Särge, Kreuze und Grabplatten. Das ist ein zusätzliches Geschäft für ihn. Aber natürlich gibt es einige arme Teufel — vorwiegend sind es wohl die Portugiesen auf der Insel —, die sich so einen Luxus nicht leisten können, also verscharren sie ihre Toten sang- und klanglos.“ „Apropos Sang und Klang“, sagte Al Conroy. „Hört ihr, wie im Dorf gefeiert wird? Die Musik wird ja immer wilder. Hölle, ich würde was drum geben, jetzt noch dabei sein zu können. Diese Mädchen — o Mann, wenn ich an diese niedlichen jungen Dinger denke, wird mir ganz schwach.“ Hasard junior war neben Dan O'Flynn getreten und fragte: „Dan, was hast du vorhin gemeint, als du von Klosterjungfrauen gesprochen hast?“ Dan gab ein verhaltenes Stöhnen von sich. „Da hab ich mir vielleicht was eingebrockt. Ihr Bengel vergeßt natürlich immer das, was ihr euch merken solltet, aber was euch eigentlich nicht interessieren sollte, das vergeßt ihr garantiert nicht, oder?“ „Klar“, sagte der Junge vergnügt. Dan schritt weiter und sah immer mehr Gräber ohne jede Inschrift, ohne jeden Hinweis auf die, die hier ruhten. Ein Verdacht stieg in ihm auf. Man hätte sie
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auch einfach in die See werfen können, dachte er, aber das mochte man wohl nicht tun. Hasard junior eilte Dan O'Flynn nach, um seine Frage zu wiederholen. Er hatte sich geradezu starrsinnig darin verbohrt, eine richtige Antwort zu erhalten. Plötzlich stolperte er über etwas und dachte, es handele sich um einen Stein oder um eine Wurzel. Zu spät stellte er fest, daß ihm jemand aus der Deckung eines wuchtigen Grabsteines ein Bein gestellt hatte. Hasard junior stürzte und riß die Hände nach vorn, um sein Gesicht zu schützen. Hart prallte er auf, wolle sich aber gleich wieder hochrappeln. Doch jemand, der hinter ihn getreten war, packte ihn bereits an den Armen und zerrte ihn zu sich hoch. Hasard junior wehrte sich gegen den brutalen Griff, doch er hörte auf, nach dem Schienbein des Fremden zu treten, als dieser ihm ein langes, scharfes Messer vor die Kehle hielt. Dan O'Flynn hatte die Bewegung hinter seinem Rücken registriert. Er fuhr herum und griff in einer instinktiven Geste zur Pistole, doch er ließ sie im Gürtel stecken, als er sich der Lage bewußt wurde, in die sie mit einem Schlag geraten waren. „Keine Bewegung!“ rief der Riese von Mann, der Hasard junior festhielt. „Ich töte den Bengel nicht, aber ich lasse ihn bluten, wenn auch nur einer von euch Hundesöhnen einen Finger rührt!“ Dan stand wie erstarrt da. Nicht anders verhielten sich Gary, Matt, Al und Philip junior. In ohnmächtiger Wut blickten sie auf die Szene, die sich ihnen zwischen den Grabsteinen bot, und sie konnten nichts weiter tun, als die Hände zu Fäusten zu ballen. Hinter den Gräbern wuchsen jetzt wie auf ein stummes Kommando hin die Gestalten weiterer Männer hoch. Sie hielten Pistolen und Musketen in ihren Fäusten und richteten sie auf die Männer der „Isabella“. „Wer seid ihr?“ fragte Dan den Riesen. „Mein Name ist Ettore Caneva“, antwortete dieser. „Ich habe meinen
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Bruder und meine Söhne mitgebracht, um euch in Schach halten zu können, wenn wir in unser Paese zurückkehren. Wir Canevas sind die vierte Familie von Genuesen auf der Insel Martin Vaz, und nach uns folgen als fünfte die Lauzis, die dort drüben stehen.“ Er wies auf vier Männer, die sich an der Südseite des Friedhofs aufgebaut hatten, um den Seewölfen den Fluchtweg zur „Isabella“ zu versperren. „Ihr habt hier alles in der Hand, nicht wahr?“ erkundigte sich Dan. „Und ihr habt auch die Leute umgebracht, die hier anonym begraben liegen.“ „Sehr klug“, sagte Ettore Caneva höhnisch. „Soviel habt ihr Bastarde also schon herausgekriegt? Nun, uns soll es nicht kümmern. Wir haben euch jetzt gepackt, und ihr werdet keine Chance haben, zu fliehen und anderswo zu erzählen, was wir hier tun.“. Matt Davies wollte aufbegehren, doch Dan stoppte ihn durch eine Geste. „Was habt ihr mit uns vor?“ rief Al Conroy. „Bei uns gibt es nichts zu holen.“ Caneva lachte verächtlich. „Für wie dumm haltet ihr uns eigentlich? Augusto Sabatini hat erkannt, wer ihr seid. Das Gold und Silber, die Perlen und die Juwelen der Seewölfe gehören jetzt uns.“ „Das bildest du dir ein!“ schrie Gary. „Unsere Kameraden von der ,Isabella' werden die Insel runden und euer verdammtes Dorf befeuern, wie ihr es noch nicht erlebt habt.“ Der große Mann schüttelte den Kopf. „Nein, das werden sie nicht tun. Du kannst es mir glauben, du Narr.“ Entsetzt blickten sich die Männer der „Isabella“ untereinander an. Sie ahnten, was diese Bemerkung zu bedeuten hatte. Auch an die Ankerbucht hatten die Genuesen sich also inzwischen herangepirscht. Allem Anschein nach hatten sie sehr schnell einen Plan ausgeheckt, der sich bei der Umsetzung in die Tat nun als sehr erfolgreich erwies. „Herrgott, Jesus und Maria“, sagte Al Conroy. „Dieser Hund von einem Genuesen hat uns ganz schön eingeseift und wir haben uns wie die Trottel und
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Idioten benommen, nur, weil wir ein paar dämliche Weiber-hintern gesehen haben.“ „Sprecht nicht mehr englisch miteinander!“ rief Caneva. „Glaubt nicht, daß ihr irgendwelche Tricks versuchen könnt! Werft eure Waffen weg Und hebt die Hände!“ Sie befolgten den Befehl, ohne an Widerstand zu denken. Caneva hatte Hasard junior zu fest im Griff, und es war nicht daran zu zweifeln, daß er seine Drohung erfüllen würde. Für Dan, Al, Gary, Matt und Philip junior gab es nicht die geringste Chance, an eine Befreiung des Jungen zu denken. Von allen Seiten rückten die Genuesen jetzt auf die Männer der „Isabella“ zu. „He!“ schrie Matt Davies. „Was wird mit den verfluchten Ballen Stoff, die wir hier mit uns herumschleppen? Sollen wir die auch wegschmeißen?“ „Nein“, erwiderte Caneva kalt. „Augusto will nicht, daß sie schmutzig werden. Ihr tragt sie jetzt brav wieder ins Dorf zurück. Augusto wird sie an jemand anders verkaufen, nachdem er euch Dreckskerle den Spaniern ausgeliefert hat.“ „Und wem hat er das Tuch abgenommen?“ wollte Dan wissen. „Einem spanischen Ostindienfahrer“, sagte der Riese. „Ein Sturm hatte die Mannschaft des Schiffes dezimiert, und halbtot landeten die überlebenden ausgerechnet hier auf Martin Vaz. Nun, wir haben mit ihnen nicht viel Federlesen gemacht. Viel kam dabei nicht heraus, denn von ihrer Ladung war nur noch wenig zu gebrauchen. Ich wollte die Toten dem Meer übergeben, aber Augusto war dagegen. Er sagt, ein Christenmensch habe zumindest das Anrecht auf ein ordentliches Begräbnis.“ „Sehr human“, sagte Dan. „Und wo habt ihr das Schiff versenkt?“ „In der Felsenbucht. Es liegt mit anderen Kähnen zusammen genau unter eurer ‚Isabella', denn das Wasser ist dort ziemlich tief.“ Grinsend fügte der Genuese hinzu: „Und eure Galeone wird den abgesoffenen Kähnen bald Gesellschaft leisten.“
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Das Fest auf der Terrasse von Sabatinis Haus hatte seine Harmlosigkeit verloren. Nur noch eine Öllampe brannte, und auch deren Docht hatte Stefania Sabatini so weit heruntergedreht, daß das Licht einen dämmrigen Schein verbreitete, in dem kaum noch etwas von dem Geschehen zu verfolgen war. Die Mädchen, die vorher getanzt hatten, saßen jetzt bei den Seewölfen an den Tischen, umarmten sie und drückten ihnen Küsse auf. Die Musik spielte weiter. Sabrina Sabatini saß immer noch bei Hasard auf dem Schoß. und forderte ihn zum drittenmal dazu auf, Brüderschaft mit ihr zu trinken. Zunächst hatte der Seewolf sie mit sanfter Gewalt auf einen Stuhl zu seiner Linken befördern wollen, denn er hatte angenommen, daß sie nur ein bißchen zuviel von dem Rotwein getrunken hätte und ernst zu nehmende Konsequenzen ihrer Koketterie später sicher bereuen würde. Dem war aber nicht so, die Dinge schienen ganz anders zu liegen. Die Mädchen, die von ihren Familien so wohl behütet zu sein schienen, zeigten sich jetzt doch sehr viel bereitwilliger, als Hasard ursprünglich angenommen hatte. Niemand schien dem etwas entgegenzusetzen zu haben, und so waren auch die Verhaltensmaßregeln hinfällig, die der Seewolf seinen Männern vorher erteilt hatte. Denn hier verhielt es sich mit der Strategie und Taktik fast wie bei einem Seegefecht: Eröffnete der, mit dem man es zu tun hatte, das Feuer, so durfte man es auch erwidern. Das Spiel der Flöte wurde schrill und mischte sich mit dem Lachen und Kreischen der Mädchen. Sam Roskill stimmte ein rauhes Lied an, und die Italienerin und die Portugiesin, die er auf seinem Schoß festhielt, versuchten mitzusingen. Augusto Sabatini schien verschwunden zu sein, doch seine Frau, die sich vorher wieder eine Zeitlang im Haus aufgehalten
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hatte, erschien jetzt auf der Terrasse und setzte sich mit zu Sam, Pete und Smoky an einen Tisch. Auch sie schien keinen Einwand zu haben, daß Stefania beispielsweise mit Pete herumschmuste und Sabrina Hasard die Arme um den Hals schlang und ihn küßte. „Du bist so abweisend“, flüsterte Sabrina dem Seewolf ins Ohr. „Was ist mir dir? Bist du verheiratet? Hast du deine Frau an Bord deines Schiffes?“ „Nein“, erwiderte er. „Aber ich frage mich die ganze Zeit über, wie alt du wohl bist.“ Sie drohte ihm scherzend mit dem Zeigefinger. „So was fragt man eine Senorita doch nicht — oder eine Lady, wie ihr Engländer sagt. Bringst du mir deine Sprache bei? Wie sagt man für — Liebe?“ Hasard verriet es ihr, aber er hörte nicht auf, seine Umgebung scharf zu beobachten. Er konnte seine Männer nicht zur Ordnung rufen, wollte es in diesem Fall auch nicht tun, aber andererseits verspürte er immer noch ein ungutes Gefühl, das ihn zu warnen schien. Sabrina sprang plötzlich auf und zerrte an seinem Arm. „Komm“, sagte sie. „Ich zeige dir die Cantina. Du wolltest doch sehen, wo Vater seinen Wein aufbewahrt, nicht wahr? Ich zeige es dir — und dort unten sind wir ungestört.“ Er stand auf und folgte ihr. Seinen Radschloß-Drehling ließ er am Tisch zurück. Für den Fall, daß er wirklich noch eine Waffe brauchen sollte, hatte er die doppelläufige sächsische Reiterpistole, die in seinem Gurt steckte, und seinen Degen. Sie betraten die Wohnküche des Hauses. Hier hielt der Seewolf nach Augusto Sabatini Ausschau, konnte ihn jedoch nicht entdecken. „Wo ist dein Vater?“ fragte er sie. Sie lachte verschmitzt und legte den Finger auf die Lippen. „Vielleicht im Keller?“ raunte sie ihm zu. „Sehen wir doch nach.“ Sie nahm ein Talglicht zur Hand und zündete es an. Sie führte ihn durch eine niedrige Verbindungstür in einen Nebenraum, der offensichtlich als Durchgangszimmer diente. Von hier aus ging es auf einer
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steilen Holztreppe in die „Cantina“ hinunter, aus der ein verführerischer Duft von Wein, Öl, Schinken und Salami aufstieg. Vorsichtig kletterte sie die Stufen abwärts. Er folgte ihr wieder, fragte sich aber, ob es ratsam war, es zu tun und seine Männer auf der Terrasse allein zu lassen. Doch er erlag ihren weiblichen Reizen und der ganzen Verführung, die in ihrem Gebaren lag. Als sie unten in dem erstaunlich großen Kellerraum standen, stellte sie das Talglicht auf einem kleinen Tisch ab. Der Schein beleuchtete die bauchigen Holzfässer und fiel auch auf die Batterie von großen Korbflaschen, die aneinandergereiht an der einen langen Wand standen. Von den Deckenbalken baumelten die Schinken und die Würste, deren Geruch den eigentümlichen Duft abrundete, der hier unten herrschte. Sabrina nahm einen Zinnkrug von einem Wandregal, trat an eins der Fässer und öffnete den Zapfhahn. „Dies ist ein besonders guter Jahrgang“, sagte sie. „Vater rückt ungern etwas davon heraus, laß dich nur nicht von der Großzügigkeit täuschen, die er heute abend an den Tag legt. Es ist gut, daß er nicht hier ist, sonst hätte er bestimmt lauthals protestiert.“ Der Wein strömte mit leisem Gluckern in den Zinnkrug. Sabrina schloß den Hahn, trat vor eine Tür aus dicken Holzbohlen, die Hasard erst jetzt entdeckte, und flüsterte: „Dort, ich zeige dir unsere kleine Probierstube. Du wirst staunen.“ Sie öffnete die Tür. Hasard hob das Talglicht etwas an und schritt damit zu ihr hinüber. Der rötliche Schein fiel durch die Öffnung der Tür auf einen quadratischen Raum, in dem ein Tisch, vier Stühle, eine Bank und ein großes, mit blütenweißem Leinentuch bezogenes Bett standen. „Hier schlafe ich manchmal“, sagte sie. Dann ließ sie ihn an sich vorbei in den Raum treten, schloß die Tür und reichte ihm den Zinnkrug. Hasard stellte das Talglicht auf den Tisch. Er nahm den Krug entgegen, hob ihn an den Mund und ließ einen großen Schluck
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von dem dunkelroten Wein durch seine Kehle rinnen. Tatsächlich war dieser Jahrgang noch um einiges besser als der, den sie oben auf der Terrasse gekostet hatten. Sabrina öffnete mit der größten Selbstverständlichkeit ihr Kleid und ließ es zu Boden gleiten. Sie ging zu ihm und preßte ihren heißen, verlangenden Körper gegen seinen Leib. „Du kannst mich haben, wenn du willst“, sagte sie. „Du bist genau mein Ideal, hart, mutig und sehr groß.“ Sie drückte ihm ihre Lippen auf den Mund, und er konnte gerade noch den Krug auf dem Tisch absetzen, ehe er den Kuß erwiderte. 7. Angela Sabatini hatte den Tisch gewechselt und saß jetzt bei Ben Brighton, Carberry und Shane. Immer wieder schenkte sie die Becher mit Wein voll, prostete den Männern zu und schien sich dabei so hervorragend zu amüsieren wie ihr Mann, wenn er um seine Waren feilschte. Ben Brighton sah sich nach Hasard um. Es behagte ihm nicht, daß dieser mit dem dunkelhaarigen Mädchen verschwunden war. Und wo steckte Augusto Sabatini? Seit mehr als einer halben Stunde schien er sich in Luft aufgelöst zu haben. Carberry hatte im Grunde nichts gegen das fröhliche Treiben einzuwenden, das jetzt mehr und mehr ausartete. Es mißfiel ihm auch nicht, so viel wie möglich von Sabatinis Wein zu trinken, um diesen nach bestem Können zu schädigen. Was ihm. aber ganz und gar gegen den Strich ging, war die Tatsache, daß ihm die mollige Angela immer dichter auf den Leib rückte und ihn mit ihren Blicken fast verschlang. Big Old Shane fiel auf, daß die meisten Männer aus dem Dorf inzwischen gegangen waren. Praktisch waren jetzt nur noch die Musikanten und zwei, drei Greise da, die auf der Bank hockten und vor sich hin starrten, als ginge sie dies alles nicht das geringste an.
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Eins der Mädchen rief plötzlich: „He, wir wollen den Weingarten besichtigen! Auf was wartet ihr noch? Es ist so herrlich kühl dort unten — und schattig!“ Alle lachten, und niemand fand etwas Schlechtes dabei, sich jetzt zu erheben und von der Terrasse zu den Spalieren mit den Rebstöcken hinunterzulaufen. Pete und Stefania Sabatini gehörten mit zur Spitze der ausgelassenen Gesellschaft. Sie eilten Hand in Hand hinunter und waren mit allen anderen alsbald in der Dunkelheit untergetaucht. Auch Angela Sabatini war aufgestanden. „Bitte“, sagte sie zu dem Profos der „Isabella“. „Seien Sie doch Kavalier, Senor Carberry. Begleiten Sie mich. Ich werde Sie über die Fruchtbarkeit der Weihtrauben aufklären.“ Sie kicherte, und Carberry wurde es mulmig zumute. Shane grinste und sagte: „Na, was ist, Ed? Du willst doch wohl nicht kneifen, was? Ein Profos wie du sollte vor nichts zurückschrecken.“ „Das tu ich auch nicht“, sagte Carberry grollend. Er nahm noch einen gewaltigen Schluck Wein aus seinem Becher, dann nickte er der Frau zu und stieg mit ihr den Hang hinunter. Dabei wankte er um keinen Zoll, obwohl er inzwischen sicherlich mehr als eine Gallone Wein getrunken hatte. Carberry konnte enorme Mengen Bier oder Wein in sich aufnehmen, und er konnte auch geradezu erschreckend viel harte Getränke vertragen, mehr als die meisten anderen Männer. Angela Sabatini hakte sich bei ihm ein, als sie zwischen den dicht an dicht mit Trauben und Blättern behängten Spalieren voranschritten. „Weinberge liegen in unserer Heimat meistens an den südlichen Hängen“, erklärte sie ihm heiter. „Weil dort mehr Sonne ist. Aber hier haben wir unseren Rebengarten an der Nordseite eingerichtet. Wissen Sie warum, Senor Carberry?“ „Sicher“, gab er nicht besonders freundlich zurück. „Wir befinden uns hier südlich des Äquators, und da ist die am besten beschienene Seite die Nordseite.“
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„Bravo!“ rief sie aus. „Sie sind nicht nur ein bärenstarker, sondern offenbar auch intelligenter Mann.“ Carberry wäre am liebsten auf die Terrasse zurückgekehrt, als er das vernahm. Verdammt, sollte das ein Kompliment sein? Noch keine Frau hatte ihm etwas Derartiges gesagt, und deshalb begann er sich zu fragen, ob sie es ernst meinte oder ihn nur verschaukeln wollte. Überhaupt — was war dies nur für eine Situation? Er marschierte hier neben einem drallen Frauenzimmer her, als führe er seine Gemahlin zum Kirchgang. Das war doch schon mehr als grotesk und lächerlich! Rings um sie herum war das Lachen und Kichern der Mädchen, das dunkle, eindringliche Reden der Männer, ja, und irgendwo schien jetzt auch Shanes Stimme zu erklingen, der mittlerweile wohl auch in die Rebstöcke hinunter gestiegen war. Carberry sagte sich, daß seine Kameraden gewiß schon ein paar Schritte weiter waren als er — nicht, was die räumliche Entfernung, sondern was die Annäherung zwischen ihnen und den Mädchen betraf. „Sehen Sie, Amigo“, sagte Angela Sabatini. „Hier sind die Spaliere zu Ende, und jetzt beginnen die Büsche, die den Wein gegen den Wind von der See schützen. Werfen wir doch mal einen Blick hinein, wer weiß, wen wir darin finden.“ Sie kicherte. Carberry wurde es jetzt zu bunt. „Also gut, dann nichts wie los, machen wir Nägel mit Köpfen“, brummte er auf seine unvergleichlich charmante Art. Er tat noch zwei Schritte und war zwischen den Büschen. Sie hatte sich von seinem Arm gelöst, und er wollte sich gerade umdrehen, um nach ihr zu greifen, da versetzte ihm von hinten jemand einen Schubs. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Er stolperte und fiel. Mit einem dumpfen Laut landete er im dichten Gesträuch. Hinter ihm waren hastige Bewegungen, es raschelte in den Zweigen und Blättern. Zweifellos war das die willige Angela, die jetzt Anstalten traf, sich auf ihn zu werfen.
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„Na warte“, sagte er. „Dir werde ich's zeigen.“ Er drehte sich um, gerade noch rechtzeitig genug, um die Gestalt abzufangen, die über ihm war und sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn stürzte. Aber jetzt, im allerletzten Augenblick, wurde er sich seines fatalen Irrtums bewußt. Dies war nicht mehr Angela Sabatini — diese Gestalt, die sich drohend auf ihn herabsenkte, hatte ganz und gar keine Ähnlichkeit mit einem weiblichen Wesen, sondern eher mit einem bulligen Mannsbild. Carberry glaubte, einen der Portugiesen wieder zu erkennen, die vorher artig auf der Terrasse beim Weinfest mitgefeiert hatten, aber diese Erkenntnis durchzuckte ihn nur für den Bruchteil eines Moments. Zeit, sie genauer zu verarbeiten und das ganze Ausmaß des Verhängnisses zu ahnen, hatte er nicht. Er rollte sich mit einer Geschwindigkeit, die ihm erfahrungsgemäß Fremde nicht zutrauten, zur Seite und konnte dem Angreifer zwar nicht ausweichen, vermochte die Wucht des Aufpralls jedoch mit seiner linken Schulter zu dämpfen. Der Portugiese stöhnte auf, als er auf dem mächtigen Profos-Leib landete, denn die Schulter, mit der sein Brustkasten jetzt nähere Bekanntschaft schloß, war so hart wie Eisen. Für kurze Zeit war er benommen — und diese Chance nutzte Carberry weidlich aus. Er riß das linke Bein hoch und traf den Gegner mit dem Knie. Er wälzte sich noch ein Stück weiter herum und schüttelte den Kerl ab, dann war er sehr flink auf den Beinen und schoß einen Boxhieb mit der rechten Faust auf den anderen ab, der sich auch gerade wieder aufzurappeln versuchte. Der Seewolf hatte mal gesagt, Carberrys Rechte könne so hart zuhauen wie ein Vorschlaghammer. Ben Brighton war der Meinung, wenn man diese Pranke voll' zu spüren kriege, müsse man das Gefühl haben, von einem Gaul getreten worden zu sein. Der übrige Teil der Besatzung der
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„Isabella“ war der Meinung, daß beides nicht um einen Deut übertrieben war. Carberrys Faust erwischte das Kinn des Gegners, und dieser sackte mit einem erstickten Röcheln in sich zusammen. Der Profos glaubte auch, ein Knacken im Kiefer des Mannes vernommen zu haben, war sich dessen aber nicht ganz sicher. Angela Sabatini war plötzlich wieder hinter ihm. Sie hatte einen alten Pfahl aufgehoben, der einmal zum Richten der Spaliere gedient hatte, und mit dieser Waffe – solidem Kastanienholz – schlug sie jetzt zu. Carberry war jedoch auf der Hut. Er duckte sich und hob abwehrend beide Hände. So traf der Knüppel nicht wie beabsichtigt sein Haupt, sondern nur seinen Rücken – und es bedurfte schon einer massiveren Attacke, um einen Riesen wie den Profos zu fällen. Er stöhnte zwar ein bißchen auf, aber dann fuhr er auch schon herum, riß der Frau den Pfahl aus der Hand und gab ihr eine schallende Ohrfeige, die sie bis in die Rebstöcke zurücktrieb. Sie schrie entsetzt auf. Dann ließ sie einen Schwall von Flüchen vom Stapel, von denen Carberry kaum ein Drittel verstand, denn sie waren alle im genuesischen Dialekt gesprochen. Daß es sich um sehr unflätige Verwünschungen handelte, konnte er sich aber gut vorstellen. „Shane!“ rief Carberry. „Smoky, Blacky, Pete und Sam! Wo steckt ihr?“ Im Weingarten war plötzlich Aufruhr, überall knackte und prasselte es, und man konnte die Männer der „Isabella“ fluchen hören. Ein Spalier geriet bedenklich ins Wackeln, dann knickte es ganz zusammen, und eine Gestalt rollte darüber hinweg auf den Profos zu, die sich bei näherem Hinsehen als Sam Roskill entpuppte. Zwei gedrungene Gestalten stürmten Sam nach. Sie hielten lange Messer in den Fäusten. Carberry stellte jetzt keine Fragen mehr. Er setzte sich ebenfalls in Bewegung und zückte den Cutlass, den er im Waffengurt trug.
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Die Lage hätte eindeutiger nicht sein können: Man hatte sie in den Weingarten gelockt, um sie zu überrumpeln. Solange dies aber noch durch einen soliden Faustkampf geschehen sollte, verstand der Profos bis zu einem gewissen Maße noch Spaß. Doch jetzt, als er die Waffen der Angreifer im schalen Mondlicht blinken sah, schien in seinem Inneren etwas überzukochen. Mit einem seiner schlimmsten Flüche warf er sich den Kerlen entgegen. Angela Sabatini zog sich erschrocken immer tiefer in den Weinberg zurück. Sie hielt sich die Wange, die wie Feuer glühte, und blickte mit wachsender Panik zu dem Narbenmann, der jetzt wie ein Berserker zu kämpfen begann. „Al diavolo“, flüsterte sie. „Teufel, wir haben uns doch getäuscht. Diese Hunde sind uns um ein paar Längen voraus, und jetzt beziehen wir eine blutige Lektion. Verdammt, o verdammt.“ Carberry hieb dem einen Verfolger Sam Roskills das Messer durch einen Streich seines Cutlass' aus der Hand. Mit einem zweiten heftigen Ausfall trieb er den anderen ein Stück zurück. Ehe der erste die Pistole zücken konnte, die er im Hosenbund stecken hatte, fuhr der Profos wieder zu ihm herum und rammte ihm den Knauf seiner Waffe gegen das Brustkreuz. Der Mann prallte zurück, als wäre er gegen ein Schott gelaufen. Sam war inzwischen wieder auf den Beinen. „So“, keuchte er wütend. „Auf die laue Tour hat diese Schweinebande uns also einwickeln und fertigmachen wollen. Na wartet, ihr Kanaillen, euch werden wir's schon geben.“ Er riß seinen Säbel aus dem Gurt. Der zweite Angreifer nahm Reißaus, als er Carberry und Sam auf sich zumarschieren sah. Er kriegte es jetzt mit der Angst zu tun, die Furcht kroch ihm in die Beine und ließ seine Knie schwach werden. Augusto Sabatini hatte ihn und seine portugiesischen Landsleute beiseite genommen, als sie die Terrasse verlassen hatten, und er hatte ihnen ein gutes Stück
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Geld versprochen für den Fall, daß sie die Männer der englischen Galeone überwältigten. Jetzt aber zeigten sich die Engländer von dem Überraschungsangriff nicht im mindesten beeindruckt, und der Portugiese ließ wie die meisten seiner Kumpane jeden Heldenmut fahren. Er rannte Angela Sabatini und den Mädchen nach, die kreischend in Richtung auf das Haus flüchteten. Carberry stieß einen grimmigen Laut des Triumphes aus und stapfte zu seinen anderen Kameraden, wobei er die Weinspaliere mit Tritten niederwalzte. Er erschien gerade noch rechtzeitig, um Shane beizustehen. Shane hatte sich mit dem Säbel eines Angreifers entledigt, aber jetzt hatte sich ein anderer von hinten an ihn herangeschlichen. Meuchlings wollte er den graubärtigen Schmied von Arwenack töten. Er hatte sein langes Messer schon gehoben. Carberry hieb mit dem Cutlass zu und traf den Arm des Kerls. Ein furchtbarer Schmerzensschrei gellte durch die Nacht. Das Messer fiel zu Boden. Ben Brighton wollte gerade die Terrasse verlassen, um seinen Kameraden zu helfen, da trat ihm der Portugiese entgegen, der vor Carberry und Sam die Flucht ergriffen hatte. Ben wollte zur Waffe greifen, doch der andere richtete bereits seine Pistole auf ihn. „Keine Dummheiten, Senor“, sagte er. „Oder ich schieße dir ein Loch durch den Kopf.“ Etwas hatte sich der Portugiese, der noch sehr jung war, wieder gefaßt, und er wollte jetzt, ehe alles zu Ende war, doch noch einen Pluspunkt zu seinen Gunsten verbuchen. Angela Sabatini, ihre Tochter Stefania und die anderen Mädchen liefen nicht auf die Terrasse, weil sie Angst hatten, dort Hasard und Ben zu begegnen. Sie hasteten an der Pergola vorbei zur Ecke des Gebäudes und versuchten, die Vorderseite zu erreichen. Im Weingarten kämpften jetzt der Profos, Shane und Sam Seite an Seite mit Smoky, Blacky und Pete Ballie gegen die letzten
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Portugiesen, die es noch mit ihnen aufzunehmen wagten. Hart klirrte der Waffenstahl aneinander. Alle hörten den Schuß, der plötzlich über der Ankerbucht der „Isabella“ aufpeitschte. 8. Fulvio Falchi enterte als erster an der Jakobsleiter der „Isabella“ auf, um wie der Sieger einer glorreichen Schlacht die Kapitulation des Gegners anzunehmen und das Schiff in seinen Besitz zu bringen. Er malte sich bereits aus, welche Schätze er in den Frachträumen der Galeone vorfinden würde. Allein der Gedanke daran nahm ihm schon fast den Atem, denn Angela Sabatini hatte, beeinflußt durch die Schilderungen ihres Mannes, schier Unglaubliches über die Besitztümer der Seewölfe zu berichten gewußt. Old O'Flynn und die anderen an Bord der „Isabella“ brauchten gar nicht erst zu versuchen, den Genuesen anzugreifen und zu entwaffnen. Gleich unter Fulvio mußte Jeff Bo- Wie die Sprossen hinaufklettern, und denn folgte Sirio, Fulvios Sohn, der eine Pistole auf Jeff gerichtet hielt. Telio Ambrogio war noch in der Jolle und paßte auf Bill auf, der gerade zu sich kam. Fulvio Falchi kletterte über das Schanzkleid und stand auf der Kuhl. „Na?“ sagte er höhnisch. „Wollen die Senores mich nicht begrüßen, wie sich das gehört, wenn ein neuer Kapitän an Bord kommt?“ „Alles kannst du Sack von uns verlangen, nur das nicht“, erwiderte Old O'Flynn, ohne eine Miene zu verziehen. „Ich persönlich reiße mir lieber selbst den Hintern auf, ehe ich vor dir zu Kreuze krieche, du Ratte.“ Selbst in der Dunkelheit war es zu sehen, wie Falchi um eine Nuance blasser im Gesicht wurde. „Das merke ich mir“, sagte er. „Das Wirst du noch bereuen, du häßlicher alter: Krüppel.“ „He!“ rief Sirio. „Alles in Ordnung da oben?“ „Ja“, erwiderte sein Vater. „Entert nur auf.“
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Sirio schien durch den kurzen Wortwechsel oben auf Deck etwas irritiert zu sein. Jeff sah darin seine Chance. Jetzt oder nie, dachte er. Er trat mit dem rechten Fuß zu, traf Sirios Arm und sah die Pistole durch die Nacht wirbeln. Mit einem Klatscher landete sie zwischen dem Bug der Jolle und der Bordwand der „Isabella“ in den Fluten. Jeff bückte sich und hieb mit der Eisenhakenprothese zu, die an seinem linken Arm befestigt war. Wieder erwischte er sein Ziel. Sirio schrie auf, ließ seinen Halt los und fiel in das Boot, das heftig zu schwanken begann. Oben auf der Kuhl fluchte Fulvio Falchi los. Telio Ambrogio brüllte etwas, das weder Jeff noch dessen Kameraden verstanden, und am Ufer schrien Maria Teresa, Marcello und Paolo. Jeff wollte hinter dem wimmernden Sirio herspringen, um Bill zu befreien, doch Telio riß jetzt seine Pistole hoch und legte auf Jeff an. Fulvio beugte sich seinerseits übers Schanzkleid, hatte seine Pistole in der Faust und zielte ebenfalls auf ihn. Jeff wußte, daß sein Leben keinen Copper mehr wert war, wenn er auch nur einen Augenblick länger auf der Jakobsleiter blieb oder in die Jolle zu springen trachtete. Er stieß sich ab, hechtete über das Boot weg und tauchte mit vorgestreckten Armen in das Wasser. Telio Ambrogio drückte ab. Der Schuß der Pistole hallte durch die Nacht, der Mündungsblitz erhellte für einen Moment die Szene im Boot: Bill hatte versucht, über' Bord zu springen, doch der Genuese hatte ihm bereits den freien linken Arm um den Hals geschlungen und hielt ihn fest. Sirio Falchi kauerte zwischen den Duchten und hielt sich stöhnend den blutenden Arm. Ambrogio steckte die Pistole weg, zückte sein langes, scharfes Messer und hielt Bill die Schneide direkt vors Gesicht. Ferris Tucker pirschte über das Achterdeck der „Isabella“. Bislang hatte ihn Fulvio nicht entdeckt. Ferris wollte jetzt eine Muskete zur Hand nehmen, die im
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Ruderhaus stand, und damit auf den Kerl zielen, doch Old O'Flynn verhinderte das. Er zog blitzschnell seine alte Steinschloßpistole aus dem Hosenbund und richtete sie auf den Genuesen. „Das wirst du nicht tun, du Hund“, sagte Fulvio Falchi, ohne den Kopf zu wenden. „Denn wenn ich krepiere, fängt Telio an, dem Burschen da unten das Gesicht zu zerschneiden. Telio!“ „Ich bin bereit, Fulvio“, sagte Ambrogio. Old Donegal Daniel O'Flynn ließ die Pistole sinken. Ferris Tucker wollte jetzt eingreifen, entschied sich dann aber anders. Auch er hätte durch sein Handeln nur Bill gefährdet. So zog er es vor, sich im Ruderhaus zu verstecken und die weitere Entwicklung abzuwarten. Fulvio hielt seine Pistole auf das Wasser gerichtet und suchte mit dem Blick nach Jeff Bowie, doch Jeff tauchte nicht wieder auf. „Wo steckt der Bastard?“ rief er. ..Er kann doch nicht ewig unter Wasser bleiben.“ „Ich glaube, ich habe ihn getroffen“, sagte Ambrogio, der Bill immer noch festhielt. „Er dürfte also abgesoffen sein. Geschieht ihm recht. Sieh doch, was er mit deinem Sohn angestellt hat. Er hat ihm seinen verdammten Eisenhaken in den Arm gehauen.“ Fulvio sah zu seinem Sohn Sirio, dann drehte er sich um und blickte die Seewölfe mit unverhohlenem Haß an. „Das zahle ich euch heim“, zischte er. „Ich werde hier ein Exempel statuieren, damit ihr endlich wißt, woran ihr bei mir seid.“ Der Kutscher trat entschlossen einen Schritt vor. Daß der Genuese sofort mit verzerrter Miene die Waffe auf ihn richtete, störte ihn wenig. „Senor“, sagte er ruhig. „Ihr Sohn braucht Hilfe, und zwar sofort. Nur ich kann ihn verbinden, ehe er eine Menge Blut verliert, und ich nehme kaum an, daß Sie ihn zum Dorf zurückschaffen wollen. Dadurch würden Sie nur Zeit vergeuden. Ich bin der Feldscher an Bord dieses Schiffes, und ich verpflichte mich, die Wunde fachgerecht zu verarzten, wenn Sie meine Kameraden
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in Ruhe lassen. Bitte seien Sie vernünftig, und lassen Sie sich nicht zu unüberlegten Aktionen hinreißen. Damit ist auch Ihnen letzten Endes nicht gedient.“ Falchi dachte angestrengt nach. Dann entspannten sich seine Züge ein wenig. „Also gut. Ich will dir glauben, Hund von einem Feldscher. Aber wehe dir, wenn du einen Trick versuchst wie dein Freund, der Hakenmann.“ „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich es nicht tue“, sagte der Kutscher. „Laßt eure Waffen fallen“, befahl Falchi. „Werft alles auf die Planken, was ihr in euren Gurten und Stiefeln stecken habt.“ Die Waffen polterten auf die Planken. Falchi nickte, drehte seinen Kopf halb nach vorn und rief: „Telio, enter jetzt mit dem jungen Burschen auf. Paß auf, daß er dir nicht entwischt!“ „Mir ganz bestimmt nicht“, sagte Ambrogio grimmig. „Sirio!“ rief Fulvio Falchi. „Kannst du an der Jakobsleiter aufentern?“ „Ja“, erwiderte sein Sohn gepreßt. „Das schaffe ich.“ ,,Dann folge Telio, du Narr. Über deinen Leichtsinn und deine Dummheit, dich von dem Kerl übertölpeln zu lassen, reden wir später noch.“ Falchi hob seine Stimme und schrie zum Ufer hinüber: „Ihr da Marcello, Paolo und Maria Teresa! Hier ist soweit alles in Ordnung, aber einer der Hunde ist uns entwischt! Paßt auf, ob er irgendwo ans Ufer kriecht! Wenn er es versucht, gebt ihm den Fangschuß, verstanden?“ „Ja, Vater!“ rief Marcello Falchi zurück. Paolo Ambrogio und er begannen, nach beiden Seiten des Ufers hin Ausschau nach Jeff Bowie zu halten - wie Jäger, die auf ihre Beute warteten. Maria Teresa befeuchtete mit ihrer Zunge immer wieder die Lippen und versuchte ebenfalls, den Mann im Wasser zu entdecken. Sie fand dies alles wahnsinnig aufregend. Fulvio Falchi warf noch einen Blick über das Wasser der Bucht, doch er vermochte Jeff nirgendwo zu entdecken. Der Hund wird wohl doch ertrunken sein, dachte er.
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„Du kannst mich haben, ganz- für dich allein“, hatte Sabrina Sabatini dem Seewolf noch einmal zugewispert. „Aber dafür mußt du mir auch etwas geben. Nur eine Kleinigkeit. Ich bin die ganze Nacht über für dich da, wenn du willst, aber ganz umsonst ist das natürlich nicht, denn wir müssen uns das Schweigen meiner Mutter und meines Vaters erkaufen, die andernfalls bestimmt erscheinen, um nachzusehen, ob jemand hier in unserem kleinen Liebesnest ist.“ „Gibt es denn keine anderen Kammern im Haus?“ hatte er sie leise gefragt. „Doch - im Obergeschoß“, sagte sie kichernd. „Doch das sind Zimmer, die heute nacht bestimmt von meinem Schwesterchen und vielleicht auch von meiner Mama benutzt werden. Du weißt schon, wie ich das meine.“ „Natürlich“, sagte er und dachte: Hölle, das ist ja eine feine Familie! Augusto Sabatini hat nichts dagegen, daß sich seine Frau und seine Töchter als Prostituierte betätigen. Hauptsache, es springt genug dabei heraus - und genauso verhält es sich mit den Familien der anderen Mädchen. Aber waren diese Mädchen von Martin Vaz wirklich nur darauf aus, die Seewölfe in ihre Betten zu locken - oder steckte noch mehr dahinter? „Was hättest du denn am liebsten?“ fragte er Sabrina. „Spanische Piaster oder englische Münzen?“ „Ein paar von den vielen Perlen, die du besitzt“, sagte sie - und damit hatte sie sich auch schon verraten. Hasard packte ihre Unterarme und schob sie ein Stück von sich fort. „Wer hat dir gesagt, daß .ich Perlen habe? Los, heraus mit der Sprache, ehe ich wütend werde.“ Sie erschrak vor der Veränderung, die mit seinem Gesicht vorging, wollte zurückweichen, wurde aber von ihm gestoppt. „Ich - ich habe gehört, wie Vater und Mutter darüber gesprochen haben“,
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stammelte sie. „Ist das schlimm? Himmel, sieh mich doch nicht so an, Lobo del Mar.“ „Auch das haben sie gesagt? So haben sie mich genannt?“ „Ja.“ Hasard stieß sie von sich und eilte zur Tür. Ihm war klar, daß Sabatini in seiner grenzenlosen Habgier - die selbst einen Verkauf der Körper seiner Frau und seiner Töchter mit einbezog – nicht davor zurückschrecken würde, seinen Männern eine Falle zu stellen. Er lief durch die „Cantina“, als im Weingarten das Rufen der Männer und das Kreischen der Mädchen einsetzte. Er erreichte die steile Holztreppe, hastete sie hinauf, stürmte durch den Nebenraum und gelangte in die Wohnküche, da fiel in der Ankerbucht der „Isabella“ der Pistolenschuß. Was das zu bedeuten hatte, hätte auch der größte Narr zu ergründen gewußt. Hasard schimpfte sich einen Hornochsen. Er hätte sich am liebsten selbst in Grund und Boden verdammt, aber das nutzte jetzt auch nichts mehr. Mit zwei langen Sätzen war er auf der Terrasse und sah im schwachen Schein der letzten noch brennenden Öllampe, wie der junge Portugiese seine Pistole auf Ben Brighton richtete. Hasard hatte die Doppelläufige in diesem Moment bereits gezückt. Er zögerte nicht, zu schießen. Ehe der Portugiese die neue Situation erfaßte und sich darauf einstellte, hatte der Seewolf bereits abgedrückt. Donnernd brach der Schuß unter der Pergola. Die Kugel strich so tief über den Kopf des Gegners, daß dieser aufschrie und sich entsetzt in Deckung warf. Ben Brighton bückte sich und griff nach dem Radschloß-Drehling Hasards, der an einem der Tischbeine lehnte. Hasard lief zu ihm. Sie wollten beide in den Weingarten hinunterstürmen, da ertönte hinter ihrem Rücken eine wohlbekannte Stimme. „Senor Killigrew, Senor Brighton! Keinen Schritt weiter, oder es geschieht ein großes Unglück !“ Sie blieben wie angewurzelt stehen und drehten sich nach Sabatini um, der jetzt wie durch Zauberei erschienen unter dem
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Türpfosten des Hauses stand. Er war nicht allein: In seiner Begleitung befanden sich ein gutes Dutzend Männer, darunter Dan O'Flynn, Al Conroy, Gary Andrews, Matt Davies und die Zwillinge, die von den anderen Mitgliedern der Gruppe mit Waffen in Schach gehalten wurden. Ein Riese von Mann hielt Hasard junior ein Messer gegen den Hals und schrie: „Weg mit den Waffen!“ „Tun Sie, was er sagt“, riet Augusto Sabatini. Seine Stimme klang immer noch salbungsvoll, aber sie hatte jetzt einen unverkennbar harten, drohenden Unterton. „Ettore Caneva ist unberechenbar, wenn man seine Anweisungen nicht befolgt. Ehrlich, es würde mir sehr leid tun, wenn dieser Junge auch nur einen Kratzer erhielte. Er ist doch Ihr Sohn, nicht wahr, Killigrew?“ Hasard schwieg. Sein eisiger Blick schien den Buntgekleideten durchbohren zu wollen, und Sabatini hielt diesem Blick nicht stand. Seine Augen wichen aus. Doch das änderte nichts an dem Stand der Dinge. Hasard und Ben mußten die Doppelläufige und den Drehling auf die Terrasse werfen, sie hatten keine andere Wahl. Danach mußten sie sich auch ihrer Degen und Messer entledigen, die klirrend neben den Schußwaffen landeten. „Sabatini“, sagte der Seewolf. „Ich habe ganz entschieden etwas gegen Geiselnahme, besonders dann, wenn es um meine Söhne geht. Wir werden uns darüber noch ausführlich unterhalten, schätze ich.“ Der Genuese lachte verächtlich auf. „Wirklich? Das glaube ich kaum, mein Freund. Wir werden nämlich nicht mehr die Gelegenheit haben, miteinander zu plauschen. Heute nacht wandert ihr alle in meinen privaten Kerker, ihr Hunde, und morgen oder übermorgen erscheint hier ein Verband spanischer Schiffe, der euch mitnehmen wird. Was meinst du, Lobo del Mar, ob Philipp II., Spaniens glorreicher König von Gottes Gnaden, wohl glücklich ist, wenn er endlich deinen Kopf rollen sieht?“ „Ich denke, er wird sich darüber freuen“, erwiderte der Seewolf gelassen. „Aber
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meine Männer werden mich rächen, verlaß dich darauf.“ Sabatini wedelte verneinend mit der Hand. „Wieder ein Irrtum. Gar nichts werden deine Bastarde von Kerlen unternehmen, denn auch sie wandern ins Gefängnis.“ Seine Stimme wurde laut und scharf. „Ruf diesen Narren im Weingarten jetzt zu, daß sie aufgeben sollen. Sie haben schon genug Schaden angerichtet.“ Hasard drehte sich nach Norden um und rief: „Ed, Shane, Smoky, Blacky, Fete und Sam! Kommt rauf! Wir haben die Partie verloren! Sabatini läßt die Zwillinge als erste töten, wenn ihr nicht augenblicklich gehorcht!“ „Aye, Sir!“ schrie Big Old Shane. „Wir streichen die Flagge — aber wir haben wenigstens drei von diesen heimtückischen Hunden ins Jenseits befördert!“ Sabatini hob eine verzierte Radschloßpistole und legte damit auf Hasard an. „Was hat der Kerl auf englisch gerufen? Übersetze es sofort wahrheitsgemäß, Killigrew, und wehe dir, du lügst mich an. Früher oder später kriege ich heraus, was er dir gesagt hat — und dann werden die Spanier nur noch deine Leiche mitnehmen, was fast aufs selbe herauskommt.“ Hasard teilte ihm Wort für Wort mit, was Big Old Shane gesagt hatte. Sabatinis Miene verfinsterte sich. „Dafür bezahlt ihr noch, ihr Galgenstricke. Zwar waren es nur Portugiesen, die ihr niedergemetzelt habt, aber wir werden ihren Tod trotzdem rächen.“ „Sieh mal an“, sagte Hasard. „Das ist also die großartige Symbiose, von der du gesprochen hast, Sabatini. Du hältst es wie die Spanier, für dich sind die Portugiesen Menschen zweiter Ordnung. Dafür werden sie sich eines Tages noch herzlich bei dir bedanken, schätze ich.“ „Das soll dich nicht kümmern“, zischte der Genuese. „Ich an deiner Stelle würde das Maul nicht so weit aufreißen.“ Hinter der Terrasse hatte sich der junge Portugiese, der vorher Ben Brighton bedroht hatte, wieder aufgerichtet. Er steckte die Pistole in den Gürtel und
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blickte mit nachdenklicher Miene zu Augusto Sabatini. Sabatini bemerkte es nicht. Er sah auf die Männer, die jetzt aus dem verwüsteten Weingarten traten. Shane, Carberry, Smoky, Blacky, Pete Ballie und Sam Roskill ließen auf Hasards Zeichen hin die Waffen zu Boden fallen. 9. Marcello Falchi und Paolo Ambrogio hielten angestrengt Ausschau, mal nach Westen, mal nach Osten. „Meinst du, daß wir den Kerl, der abgehauen ist, wirklich zu fassen kriegen?“ fragte Marcello. „Sicher“, erwiderte Paolo. „Er muß doch irgendwo an Land — und dann schnappen wir ihn.“ „Schön, aufs offene Meer wird er nicht . hinausgeschwommen sein. Aber kann er überhaupt schwimmen? Soweit ich den Rufen deines Vaters entnehmen konnte, ist der jüngere von den beiden, die wir hier am Ufer überwältigt haben, immer noch in unserer Hand. Also ist es der andere, der getürmt ist - der mit dem Eisenhaken. Mit dem Ding gelangt er doch im Wasser überhaupt nicht voran.“ „Da magst du recht haben“, sagte Paolo Ambrogio. „Außerdem ist mein Vater der Meinung, daß er ihn angeschossen hat. Ich weiß, das klingt alles recht überzeugend, aber trotzdem sollten wir nach wie vor die Augen offen halten.“ Marcello Falchi wandte plötzlich ruckartig den Kopf nach links und raunte: „Augenblick - da ist doch was! Dort drüben, in den Felsen an der Westseite der Bucht!“ „Verdammter Mist“, flüsterte Paolo zurück. „Sag bloß; er versucht, sich ausgerechnet dort zu verkriechen. Das sind doch die steilsten Uferfelsen in der ganzen Bucht, und zwei Spalten sind so tief, daß man sich in ihnen das Genick brechen kann.“ „Gerade deshalb nimmt der Kerl an, daß er dort vor uns sicher ist“, zischte Marcello. „Los, nichts wie hin. Wir steigen von hier aus auf und schlagen einen Bogen, dann
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erwischen wir ihn, bevor er sich zum Friedhof oder zum Olivenhain hin absetzen kann. Er wird wohl versuchen, zu seinen Kumpanen im Paese zu stoßen. Das müssen wir vereiteln.“ „Ja. Beeilen wir uns.“ Maria Teresa hatte bislang unweit der Brandung gestanden und nachdenklich auf die schwärzlichen Fluten hinausgespäht. Jetzt drehte sie sich abrupt zu den beiden jungen Männern um und sagte: „Was? Ihr wollt fort? Und ich? Ihr könnt mich doch hier nicht allein lassen.“ Marcello sah sie an und grinste. „Die Felsen dort drüben sind zu gefährlich für dich, Mädchen, du könntest dir dort den Hals oder einen wertvolleren Teil deines Körpers brechen. Im übrigen muß einer von uns hier am Strand bleiben, falls Vater oder Signor Ambrogio etwas zu uns herüberrufen, verstehst du?“ „Ja. Aber ich habe Angst.“ „Ich lasse dir mein Messer hier“, sagte ihr Bruder. „Damit kannst du dich verteidigen, falls der verschwundene Engländer wider Erwarten auftaucht. Wenn du etwas siehst, schreist du sofort, so laut du kannst.“ „Gut“, sagte sie. „Gib das Messer her.“ * Alle Mutmaßungen der Falchis und der Ambrogios, die Jeff Bowie betrafen, waren grundlegend falsch. Erstens war Jeff von der Kugel, die Telio Ambrogio von der Jolle aus auf ihn abgefeuert hatte, nicht verletzt worden. Zweitens verstand er mit seiner Eisenhakenprothese durchaus zu schwimmen, sehr gut sogar. Er war gleich nach seinem Eintauchen in die Bucht unter dem Kiel der „Isabella“ hindurch geschwommen und hatte auf der anderen Seite des Schiffes wieder den Kopf aus dem Wasser gesteckt. Da keiner seiner Gegner auf die Idee verfallen war, an dieser Seite nach ihm zu suchen, hatte er Zeit genug gehabt, zu verschnaufen und tief Luft zu holen. Er hatte sich reiflich überlegt, ob es richtig war, die „Isabella“ beispielsweise vom
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Heck aus zu entern. Natürlich konnte er es schaffen, am Ruder aufzuentern, die Heckgalerie zu erklimmen und von dort aus durch das Achterkastell bis zum Hauptdeck vorzudringen. Wie aber sollte er dort die Genuesen überwältigen? Sie hatten Old O'Flynn, Ferris, Bill und alle anderen als Geiseln und damit alle Trümpfe in der Hand. Jeff irrte sich zwar, was die Person Ferris Tuckers betraf, doch sein Entschluß war im Hinblick darauf, daß er nicht wußte, was im Dorf der Kolonisten vorgefallen war, unbedingt richtig: Er tauchte wieder und schwamm zum Ufer hinüber, denn er wollte Hasard und den Landtrupp als Verstärkung herbeiholen, um die „Isabella“ zurückzuerobern. Wenn er Luft holen mußte, schob er seinen Kopf nur ganz knapp über die Wasseroberfläche hinaus, so daß die Kerle und das Mädchen am Ufer ihn nicht zu sehen vermochten. Auch die Vermutung von Paolo Ambrogio und Marcello Falchi, Jeff könnte versucht haben, in den Felsen des westlichen Buchtufers hochzuklettern, sollte sich als Denkfehler erweisen. Doch das merkten sie erst, als sie dort anlangten. Eine Möwe, die dort ihr Nest hatte, war etwas verspätet zwischen dem Gestein auf und ab geflattert und hatte die Bewegung verursacht, die Marcello registriert hatte. Jeff bewegte sich vorsichtig auf das nördliche Ufer zu. Als er dicht davor war, bemerkte er Maria Teresa, die verlassen nahe der Brandung stand und etwas in der Hand hielt, das wie ein langes Messer aussah. Na warte, dachte Jeff wütend, du wirst dich noch wundern. Wenig später kroch er durch die leise rauschende Brandung auf das Mädchen zu. Er erhob sich und sprang auf sie zu, als sie gerade das Gesicht nach Westen wandte und nach ihrem Bruder und Marcello Falchi Ausschau hielt. Ehe sie etwas von dem Widersacher bemerken konnte, war er bei ihr und rang sie nieder. Er preßte ihren Körper auf den Sand, hielt ihr den Mund mit der rechten
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Hand zu und holte ihr mit seiner Prothese das Messer aus der Faust. Dann drückte er ihr die Spitze des Eisenhakens nur ganz leicht gegen die Gurgel und raunte ihr auf spanisch ins Ohr: „Du stirbst, wenn du auch nur einen Laut von dir gibst. Versprichst du, daß du nicht schreist?“ Sie nickte hastig. Er riskierte es, die rechte Hand von ihrem Mund zu nehmen. Maria Teresa zitterte vor Angst und wagte tatsächlich nicht, auch nur einen Schrei auszustoßen. Niemals hätte Jeff es fertig gebracht, ihr ernstlich etwas zuleide zu tun — aber das wußte eben nur er. Er nahm das lange Messer mit der gesunden Hand auf, hielt es ihr drohend an den Hals und zischte: „Los, aufstehen. Du führst mich jetzt ins Dorf.“ Er hätte sie als Geisel benutzen können, um die Genuesen zur Herausgabe der „Isabella“ zu zwingen. Doch er war nicht sicher, ob sie sich so leicht dazu hätten bewegen lassen. Immerhin hatten sie mit der Crew der Galeone ein größeres Faustpfand in Händen — es hätte auf jeden Fall eine nervenzermürbende Zerreißprobe gegeben, auf die Jeff sich nicht einlassen mochte. Er hielt an seinem ursprünglichen Plan fest und drängte die üppige Maria Teresa Ambrogio vor sich her, hinauf auf das Plateau und dann durch den Olivenhain zum „Paese“ der Italiener und Portugiesen. Maria Teresa fand, daß mit einemmal alles gar nicht mehr so aufregend und abenteuerlich war, um Freude daran zu haben. Sie hatte nur noch Angst, blanke Angst vor dem Tod, die ihr die Kehle zuschnürte und sie heftig schlucken ließ. * Elf Männer der „Isabella“ waren in die „Cantina“ von Augusto Sabatini gesperrt worden: Ben Brighton, Ed Carberry, Big Old Shane, Smoky, Blacky, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies, Al Conroy, Dan O'Flynn und Sam Roskill. Mit hämischem Lachen hatte der Genuese oben die Tür zugerammt und abgeriegelt, die die
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steile Holztreppe von dem Durchgangszimmer abschloss. Da saßen sie also und sahen sich im Schein des Talglichtes, das Hasard und Sabrina hier gelassen hatten, an. „Beim Donner“, sagte Ben Brighton. „Wie konnte uns das nur passieren?“ „Darüber nachzugrübeln, hat jetzt wohl keinen Sinn mehr“, versetzte Shane. „Versucht lieber, euch zu beruhigen, Leute, und fangen wir dann an, einen Plan zu unserer Befreiung zu schmieden.“ „Hier gelangen wir nicht mehr raus“, sagte Blacky. „Es gibt nur den einen Ausgang, und der wird natürlich von Sabatinis Leuten bewacht. Den Nebenraum dieses verteufelten Kellers haben wir ja schon untersucht. Er mag für andere Zwecke hervorragend geeignet sein, nicht aber zur Flucht aus diesem Verlies, denn er hat nur die eine Tür.“ „Wir stecken bis zum Hals in der Jauche“, brummte der Profos. „Aber das eine sage ich euch: einen Weg muß es geben. Erstens dürfen wir diese Schande nicht auf uns sitzen lassen, und zweitens wird uns der Hurensohn von einem Genuesen bestimmt der Reihe nach abknallen und einkuhlen lassen, ehe der spanische Verband eintrifft. Ihm genügt es, wenn er Hasard den Dons übergibt.“ „Richtig“, sagte Smoky. „Warum, zum Teufel, hat er Hasard eigentlich von uns getrennt?“ „Vielleicht genau aus dem Grund“, erwiderte Ben. „Weil Hasard das Morgengrauen erleben soll, wir aber nicht. Ein paar Schüsse von der Holztreppe aus genügen, um uns alle ins Jenseits zu befördern.“ „Hör auf“, sagte Blacky. „Mal nicht den Teufel an die Wand.“ „Ben hat nur die Dinge beim Namen genannt“, sagte Dan O'Flynn. „So und nicht anders wird es geschehen, aber verdammt noch mal, auch ich hatte mir mein Ende anders vorgestellt.“ „Wo sind bloß die Zwillinge?“ fragte Sam Roskill. „Vielleicht irgendwo oben, im Obergeschoß des Hauses“, entgegnete Al
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Conroy. „Mir scheint, da hat Sabatini sie in einem der Räume eingesperrt. Möglich, daß er sie verschont.“ „Ja“, sagte Dan. „Er ist ein guter Christ, der selbst seinen Mordopfern noch ein ordentliches Begräbnis zuteil werden läßt.“ „Wißt ihr was?“ sagte Pete Ballie. Er klopfte hart gegen eines der Weinfässer. „Ich hätte nicht übel Lust, mich sinnlos zu besaufen. Das scheint ja wohl das einzige zu sein, was wir noch tun können.“ „Untersteh dich“, sagte Ben. „Diese Schwäche dürfen wir uns nicht geben. Wir müssen klar bei Verstand sein, wenn die Kerle aufkreuzen.“ „Ja“, murmelte Pete. „Ich hab das ja auch nur so gesagt, aus reinem Galgenhumor, verstehst du?“ Carberry blickte den Rudergänger der „Isabella“ an, als sähe er ihn gerade zum erstenmal in seinem Leben. „Was, wie? Was hast du eben gesagt, Pete?“ „Daß es der reinste Galgenhumor ist, wenn ich ...“ „Nein — das andere, Mann, das von vorher!“ „Daß ich mich am liebsten sinnlos vollschlauchen würde?“ „Ja.“ Der Profos blickte jetzt vom einen zum anderen. „Prächtig. Das bringt mich auf eine Idee. Du brauchst mich nicht so anzusehen, Dan O'Flynn, mir ist es höllisch ernst.“ „Mir auch, Ed“, sagte Dan. „Gut. Dann hört jetzt mal alle gut zu.“ Die Männer rückten wie eine Gruppe von Verschwörern zusammen, und Carberry begann, ihnen seinen simplen Plan auseinanderzusetzen. * Augusto Sabatini hatte etwas schräg unterhalb seines Hauses eine kleine weiße Gartenlaube errichtet, in der er seine landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte aufbewahrte. Nach der Gefangennahme von Hasard und den anderen Männern der „Isabella“ hatte Sabatini das Häuschen ausräumen lassen und den Seewolf hineingestoßen.
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Hasard hockte auf dem Lehmboden des winzigen Baus und blickte zu dem massiven Holzgatter, das den Weg in die Freiheit verbarrikadierte. Draußen, keine zehn Schritte entfernt, hielt Ettore Caneva, der Riese von einem Kerl, Wache. Er hatte Hasards RadschloßDrehling und ließ das Häuschen nicht aus den Augen. Fast schien es so, als warte er nur darauf, daß der Seewolf einen Ausbruchsversuch unternahm. Nach allem, was er bisher gesagt hatte, würde er dann nicht zögern, ihn „auf der Flucht“ zu erschießen. Ihm schien es egal zu sein, ob man den Kapitän der „Isabella“ lebendig oder tot an die Spanier auslieferte. Hasard hatte den Bau eingehend untersucht. Es gab kein Fenster, und keiner der Steine, aus denen die Wände zusammengefügt waren, ließ sich lockern. Die hölzerne Gittertür war mit einem Eisenriegel und einem starken Vorhängeschloß abgesichert, und Sabatini hatte kein einziges Werkzeug dagelassen, mit dem Hasard das Schloß aufbrechen oder die Bohlen zersägen konnte. So gesehen, schien es keine Fluchtmöglichkeit zu geben. Und doch verfiel der Seewolf auf die letzte winzige Chance, die ihm blieb. Der Mut der Verzweiflung trieb ihn dazu an. Große Aussichten auf einen Erfolg hatte er dabei nicht, aber dennoch versuchte er es, denn es gab bei diesem Unternehmen einen winzigen Lichtblick — daß nämlich die menschliche Habgier wie immer größer war als alle Umsicht und Vernunft. An alles hatte Sabatini gedacht, nur nicht daran, ihm auch den kleinen Beutel mit Perlen und Goldstücken abzunehmen, den Hasard am Gürtel befestigt an der Innenseite seiner Hose trug. Vorsichtig kroch Hasard bis zur Tür, holte den Lederbeutel hervor und verteilte Goldmünzen und Perlen auf dem Boden. Ein paar große Perlen ließ er ins Freie rollen. Sie schimmerten mattweiß im Mondlicht. Er kauerte sich neben die Tür, ließ sich auf seine linke Körperseite sinken und tat so, als schlafe er. Glaubwürdig war das
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immerhin, denn der Wein, den er getrunken hatte, mochte durchaus seine Wirkung getan haben, und der Schlummer war ein Zeichen der Resignation für einen Mann, der keinen Ausweg mehr aus seiner Lage sah. Gut eine Viertelstunde mußte Hasard warten, bis sich ihm Ettore Caneva näherte. Das Knirschen der Schritte war auf dem Untergrund deutlich zu vernehmen. Hasard öffnete die Augen spaltbreit und versuchte, Ettores Gestalt zu erkennen. Plötzlich schob sie sich vor die Tür und deckte die wenigen Streifen Mondlicht ab, die vorher durch das Holzgitter gefallen waren. „Killigrew?“ sagte der Genuese. Hasard antwortete nicht und regte sich nicht. Ettore schob den Radschloß-Drehling zwischen zwei Bohlen hindurch und stieß den Kolben gegen Hasards Schulter. Hasard bewegte sich nur ein wenig und gab undeutliche, murmelnde Laute von sich. „Madonna Santa“, brummte Ettore. „Der Kerl ist wirklich eingeschlafen. Den Nerv möchte ich auch mal haben. Warte, du Hundesohn, dich wecke ich gleich auf. Ich lasse es doch nicht zu, daß du bis in den Morgen hinein einfach pennst und … Er unterbrach sich. Sein Blick war auf den Boden gefallen, und er hatte die Perlen entdeckt, die außerhalb des Gitters lagen. Ganz langsam zog er den RadschloßDrehling zu sich zurück, lehnte ihn gegen die Tür und bückte sich nach den Perlen und Münzen, die er jetzt im Inneren des Häuschens sah. Hasard rührte sich immer noch nicht. Er hätte den Kolben des Drehlings packen können, doch er hatte darauf verzichtet, weil Ettore sicherlich zu brüllen und zu toben angefangen hätte. Ettore stieß leise, verblüffte Worte aus und begann, die Perlen und die Goldstücke einzusammeln. Seine Finger, die die kleinen Kostbarkeiten sehr geschickt auflasen, folgten der Spur, die bis auf eine Armlänge ins Innere des Gefängnisses reichte. Auch die letzten Münzen und
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Perlen wollte der Mann noch aufsammeln und das wurde ihm zum Verhängnis. Hasard war blitzschnell auf den Beinen und packte den Arm, der gierig in die Laube langte. Er riß ihn mit voller Wucht zu sich heran, und Ettores Kopf prallte gegen die Bohlen. Noch zweimal vollführte der Seewolf das gleiche Manöver, dann brach der Riese bewußtlos vor dem Gitter zusammen. Lange konnte seine Besinnungslosigkeit nicht dauern. Hasard griff mit beiden Händen zwischen den Stäben hindurch, tastete die schlaffe Gestalt ab und entdeckte den Schlüssel in der Tasche von Ettores Wams. Er zog ihn heraus, drehte ihn um und steckte ihn in das Schloß. Ziemlich mühsam bewegte er den Schlüssel, seine Finger befanden sich in einer ungünstigen Position. Aber dann klappte es endlich. Das Schloß sprang auf. Er konnte es abnehmen und den Riegel nach rechts ziehen. Hasard drückte die Tür auf. Auch das war nicht leicht, denn Ettores schwerer Leib drückte dagegen. Durch einen schmalen Spalt schlüpfte der Seewolf ins Freie, griff nach dem Drehling, der jetzt umgekippt und zu Boden gefallen war, und versetzte dem Riesen noch einen Hieb über den Schädel, nicht zu heftig, aber doch kräftig genug, um ihn für die nächste halbe Stunde im Reich der Träume zu belassen. Die Perlen und Münzen nahm er ihm wieder ab, dann hetzte er geduckt zum Haus der Sabatinis hinüber. 10. Jeff Bowie hatte das Dorf der Kolonisten erreicht, wußte aber nicht, wohin er sich wenden solle. Er zerrte Maria Teresa in einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern und zischte ihr zu: „Wo sind meine Kameraden? Vorhin haben wir sie singen und lachen hören. Was ist los? Warum ist es jetzt so still?“ „Sie haben sie — gefangen genommen — ich glaube es jedenfalls“, stammelte sie. „Wer? Herrgott, und das sagst du mir erst jetzt?“
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„Mein Vater wird mich schlagen, wenn ich es dir verrate“, flüsterte sie entsetzt. „Er wird es nicht erfahren, daß du mir gesagt hast.“ „Die Sabatinis — Augusto und An haben schon viele Seefahrer in die Falle gelockt“, hauchte sie. „Zeig mir, wo sie wohnen“, sagte Jeff. „Dann lasse ich dich frei, und dir wird nichts geschehen, wenn du nur nicht' versuchst, mich hereinzugen.“ Sie nickte und schritt wieder vor ihm her. Das Dorf lag wie ausgestorben vor ihnen, aber plötzlich waren dumpfe Laute. zu vernehmen, die Jeff zunächst nicht zu deuten wußte. Dann aber, als er ein paar englische Worte wie aus weiter Ferne vernahm, flüsterte er: „Jetzt verstehe ich. Da scheint jemand stinkvoll zu sein, aber das paßt nicht mit dem zusammen, was du mir eben erzählt hast.“ „Ich weiß nicht, was geschehen ist“, sagte sie weinerlich. „Wirklich nicht. Ich war doch an der Bucht.“ Jeff stutzte. Jemand rückte eiligen Schrittes genau auf sie zu. Ihm blieb keine Möglichkeit mehr, sich mit dem Mädchen zu verstecken. Er konnte sich nur noch mit ihr gegen die Mauer des Hauses pressen, vor dem sie gerade standen, und hoffen, daß man sie nicht vorzeitig entdeckte. Dann aber erkannte er zwei der vier Gestalten, die sich aus der Dunkelheit lösten. Er stieß einen überraschten Laut aus. „Himmel“, sagte er. „Das sind ja unsere Zwillinge — Philip und Hasard junior. He, Jungs, hier bin ich!“ Sie blickten verblüfft zu ihm herüber. Dann erhellte ein Grinsen ihre Züge. „Mister Bowie“, sagte Philip junior gedämpft. „Ist denn das die Möglichkeit? Was tust du denn hier?“ „Das wollte ich euch auch gerade fragen.“ Sie traten auf ihn zu, und jetzt konnte er auch die beiden anderen Gestalten identifizieren. Sie entpuppten sich als zwei der Mädchen, die schon' bei dem Empfang
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an der Bucht dabei gewesen waren — Sabrina und Stefania Sabatini. „Hör zu, Jeff“, raunte Hasard junior. „Sabrina und Stefania haben uns aus der Kammer rausgeholt, in die ihr Alter uns gesperrt hatte. Jetzt wollen wir zur Bucht laufen, um Hilfe zu holen.“ Sabrina schob sich neben ihn. „Senor“, sagte sie zu Jeff. „Wir haben genug von den Machenschaften unseres Vaters, wir wollen keine Mordkomplicen sein. Als erstes haben wir die beiden armen Jungen aus ihrem Gefängnis befreit, ohne daß es jemand bemerkt hat, aber jetzt wollen wir auch helfen, El Lobo del Mar und die anderen herauszuholen. Hasard hat sich in mir getäuscht. Ich bin zwar käuflich, aber ich lasse es nicht zu, daß er an die Spanier ausgeliefert wird.“ „Das ist ein Wort“, sagte Jeff. „Erzählt mir, was los ist, und dann zeige ich euch, wie schnell wir Hasard und die anderen heraushauen. Bei der Wut, die ich im Bauch habe, wird das ein Handstreich, der es in sich hat.“ * Der Kutscher hatte die Blessur an Sirio Falchis Arm desinfiziert und gewaschen, jetzt legte er dem jungen Mann einen Verband aus Streifen weißen Leinens an. Sie saßen beide auf der Kuhlgräting. Fulvio Falchi stand unterdessen mit Bill vor der Querwand des Achterkastells und hielt den Moses mit einer Pistole in Schach. Telio Ambrogio war an das Schanzkleid der Kuhl getreten und spähte zum Ufer hinüber, ohne etwas erkennen zu können. „Da stimmt doch was nicht“, sagte er. „Ich habe Rufe gehört.“ „Das bildest du dir nur ein“, sagte Falchi. „Los, fangen wir lieber mit der Durchsuchung der Laderäume an, ich will wissen, ob sich wirklich Schätze an Bord dieses Kahns befinden.“ „Einen Augenblick noch“, brummte Ambrogio. Im nächsten Moment war ganz deutlich zu vernehmen, wie sein Sohn vom
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Ufer aus herüberrief: „Padre - Maria Teresa ist verschwunden!“ „Verschwunden? Bist du wahnsinnig? Was soll das heißen?“ schrie sein Vater zurück, indem er die Hände als Schalltrichter an die Mundwinkel legte. „Wir können sie nicht mehr finden!“ brüllte Paolo Ambrogio. „Und der Kerl mit der Hakenhand, habt ihr den?“ „Nein.“ „Verdammter Mist“, sagte Telio. „Ich pulle an Land und sehe nach, was das zu bedeuten hat. Diese beiden Idioten taugen zu nichts.“ Er kletterte über das Schanzkleid, ohne eine Antwort seines Kumpanen abzuwarten, enterte an der Jakobsleiter ab und stieg in die Jolle, die an der Bordwand dümpelte. Er legte ab und bewegte die Bootsriemen mit schnellem Schlag. Am Ufer konnte Marcello sich wieder einmal eine spöttische ''Bemerkung nicht verkneifen, die Maria Teresa betraf. „Weißt du was?“ sagte er zu Paolo Ambrogio. „Der Kerl ist aus dem Wasser gestiegen, und dein Schwesterchen ist mit ihm in den Olivenhain gegangen. Sie hat zwar behauptet, sie könne ihn wegen seiner Hakenhand nicht ausstehen, aber vielleicht nimmt sie an, er habe auf anderem Gebiet Qualitäten.“ Paolo packte ihn beim Hemd. „Sag so was nicht noch mal!“ stieß er zornig hervor. „Ich will das nicht von dir hören und warne dich zum letztenmal!“ „Wieso?“ rief Marcello Falchi aufgebracht. „Vorhin hast du uns doch selbst zu verstehen gegeben, was für ein Luder Maria Teresa ist. Und jetzt...“ Paolo schlug zu. Marcello ging zu Boden. Paolo warf sich auf ihn, und dann balgten sie. sich verbissen, bis Telio Ambrogio eintraf und sie von, einander trennte. Auf der „Isabella“ reckte nun auch Fulvio Falchi den Hals und versuchte, etwas von den Vorgängen am Ufer zu erkennen. Doch er kam nicht mehr dazu, seine Betrachtungen zu vervollkommnen. Über ihm war eine Gestalt, die Gestalt eines rothaarigen Riesen, der sich über die
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Schmuckbalustrade des Quarterdecks schwang und schwungvoll auf den Genuesen fiel. Sirio Falchi war zu sehr damit beschäftigt, die Arbeit des Kutschers zu kontrollieren. Er starrte auf seinen Verband, als habe er Angst, daß der Feldscher der „Isabella“ ihm doch noch Schmerzen bereiten könne. Ferris Tucker landete auf Fulvio Falchis Rücken und riß den Mann mit sich zu Boden. Bill reagierte gedankenschnell und brachte sich durch einen Sprung zum Großmast 'hin in Sicherheit. Old O'Flynn, Stenmark, Will Thorne, Batuti, Luke Morgan und Bob Grey wurden plötzlich auch aktiv und wandten sich den Kämpfenden zu. Sirio wollte aufspringen, aber der Kutscher hatte plötzlich eines seiner scharfen Skalpelle in der Hand und hielt es ihm gegen die Kehle. „Eine Bewegung nur, mein Freund“, sagte er in seinem astreinen Spanisch. „Dann bringe ich dir eine Wunde bei, gegen die die Armverletzung ein harmloser Kratzer ist.“ Sirio blieb stocksteif sitzen. Ferris hieb Fulvio Falchi die Faust gegen die Schläfe, aber der konnte trotzdem noch seine Pistole abfeuern. Krachend fuhr der Schuß zur Großrah hoch, aber die Kugel verlor sich wirkungslos in der Nacht. Ferris schlug noch einmal zu, und diesmal bäumte sich der Gegner nur noch einmal auf, sank dann zusammen und blieb reglos liegen. „Heda!“ schrie Telio Ambrogio vom Ufer herüber. „Was ist denn jetzt wieder los?“ Old O'Flynn war bei dem Kutscher und bei Sirio und zielte mit der Spitze seines guten alten Säbels, den er sich soeben wiedergeholt hatte, auf die Brust des jungen Mannes. „Sag ihm, daß einer von uns versucht hat, zu fliehen. Sag ihm, daß dein Vater ihn erledigt hat. Sag ihm, daß jetzt alles in Ordnung ist. Dann verlangst du, daß die drei Kerle zu uns herüberpullen - und wir bereiten ihnen hier einen herzlichen Empfang.“ „Ja“, sagte Sirio und schluckte zweimal heftig. „Ja, ich werde gehorchen.“
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Aus der „Cantina“ drangen so urwüchsige Laute, daß selbst Augusto Sabatini und seine Frau Angela erschienen waren und sich einen Weg durch die Menschenmenge bahnten, die sich inzwischen in dem Durchgangszimmer versammelt hatte. Da waren die Canevas bis auf Ettore, der ja den Seewolf draußen im Freien bewachte, die Lauzis und einige Portugiesen, welche die Aufgabe übernommen hatten, die im Keller Eingesperrten die Nacht über zu bewachen - oder zumindest so lange, bis Sabatini entschieden hatte, was mit ihnen werden sollte. In der „Cantina“ wurde gegrölt und brüllend gelacht, und irgendjemand stimmte auf spanisch ein sehr schmutziges Lied an. Die Einrichtungsgegenstände schienen hin und her befördert zu werden, es krachte und rumpelte. „Ja, sind die Kerle denn verrückt geworden?“ schrie Sabatini. „Wahrscheinlich haben sie jede Menge von dem Wein getrunken“, entgegnete einer von der Lauzi-Familie. „Das war ja zu erwarten.“ „Bringt sie zum Schweigen!“ rief Sabatini. „Ich kann ihr Gekläffe nicht länger ertragen!“ „In Ordnung“, sagte einer von Canevas Söhnen, öffnete die Tür und streckte seine Muskete vor. „Ruhe!“ schrie er. „Seid still, oder wir schießen auf euch, bis ihr eure Mäuler nicht mehr aufreißen könnt!“ Der Lärm nahm nur noch zu, doch man wußte nicht, auf wen man zielen sollte, denn Ben Brighton hatte das einzige Talglicht gelöscht, und im ganzen Keller herrschte tintenschwarze Finsternis. Canevas Sohn stieg zwei Stufen der steilen Holztreppe hinunter. Sein Onkel folgte ihm. Dem Geschrei nach zu urteilen, wurde dort unten eine wüste Orgie gefeiert. „Gebt uns eine Lampe!“ rief Ettore Canevas Bruder. Er wollte noch etwas hinzufügen, kam aber nicht mehr zum Sprechen, denn aus der Dunkelheit heraus packten ihn jetzt
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kräftige Fäuste und zerrten ihn mit seinem Neffen zusammen in die Tiefe. Die Fäuste hieben zu, die beiden Männer brachen zusammen und schlossen enge Bekanntschaft mit dem harten Steinboden des Kellers. Ben Brighton hatte eine der Musketen an sich gebracht und feuerte auf die Lampe, die jetzt oben von Hand zu Hand gereicht wurde. Klirrend zerbrach die Lampe. Die Wächter der Cantina schrien auf und wichen zurück. Augusto Sabatini wollte sich in die Wohnküche zurückziehen, um eine Waffe zu holen, aber auf halbem Weg wurde er durch etwas sehr Hartes gestoppt, das sich ihm in die Seite bohrte. Er erstarrte vor Schreck. Nur langsam vermöchte er sich umzudrehen, und dann erkannte er den Mann, der hinter ihm stand. „Killigrew“, flüsterte er. „Hölle, das kann nicht wahr sein.“ „Und doch ist es so“, sagte der Seewolf. „Ich könnte dich töten, ich könnte dich nach Strich und Faden verprügeln, Sabatini, aber daran ist mir nicht gelegen. Sag deinen Männern, sie sollen sich ergeben.“ „Nein. Ich habe deine Söhne. Du wirst es nicht wagen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen!“ „Die Zwillinge sind hier!“ rief Jeff Bowie auf spanisch aus der Wohnküche. „Und ich habe auch deine Frau und deine Töchter bei mir, Sabatini!“ „Schießt sie nieder!“ schrie Augusto Sabatini außer sich vor Wut seinen Helfern zu. „Bringt sie alle um, und nehmt keine Rücksicht auf meine Familie!“ „Nein!“ rief hinter seinem Rücken ein junger Mann. Es war der Portugiese. der auf der Terrasse Ben Brighton mit der Pistole bedroht hatte. Er wich einen Schritt zurück und war genau in der Ecke des Durchgangszimmers. Er richtete seine Muskete auf die Italiener und sagte: „Jetzt ist endgültig Schluß mit dem Irrsinn. Wir Portugiesen nehmen das Ruder in die Hand. Ihr Genuesen habt lange genug das Kommando geführt.“
Die Kolonisten
Die Lauzis und der eine Caneva-Sohn, der noch hier oben stand, wollten aufbegehren, doch auch die übrigen Portugiesen zielten jetzt mit ihren Waffen auf sie. „Morgen früh verschwindet ihr von hier“, sagte der junge Mann. „Wir überlassen euch die Schaluppen und Pinassen, aber ihr wendet der Insel Martin Vaz für immer den Rücken zu.“ „Nein!“ sagte Sabatini. „Mein Weingarten, meine Oliven! Meine Besitztümer! Das könnt ihr mir nicht antun!“ „Wenn du sonst keine Sorgen hast“, sagte jetzt eine andere Stimme von der Verbindungstür her. „Bitte, da sind deine heißgeliebten Oliven. Ich will sie nicht und kann damit ohnehin nicht viel anfangen.“ Es war der Kutscher. Er war plötzlich wie ein Gespenst erschienen und schleuderte dem Genuesen den Krug mit den Oliven vor die Füße. Das Gefäß zerbrach, und Sabatini stand mit einemmal in einer Lache aus Salzlake und darin schwimmenden schwarzen Eßoliven. Erschüttert beugte Sabatini sich darüber und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Er stöhnte, als habe man ihn eines Schatzes beraubt. „Sir“, sagte der Kutscher zu Hasard. „Ich habe ganz schön laufen müssen, um rasch hier zu sein. Aber ich wollte nur melden, daß wir auf der ,Isabella` das Kommando wieder in der Hand haben.“ „Sehr gut“, sagte der Seewolf trocken. „Dann können wir uns jetzt ja wieder der Weinprobe widmen, oder?“ „Herrgott, nein“, entgegnete Ben Brighton, der eben die steile Treppe hochstieg. „Davon haben wir jetzt die Nase voll.“ * Am nächsten Morgen verließ die „Isabella VIII.“ die Bucht der Insel Martin Vaz und segelte mit Backstagswind nach Norden ab. Ihr folgten in einigem Abstand die Schaluppen und Pinassen, auf denen sich die fünf genuesischen Familien befanden. Sie würden versuchen, das südamerikanische Festland zu erreichen. Hasard war davon überzeugt, daß sie es bei anhaltend guten Wetterbedingungen
Roy Palmer
Seewölfe 232 43
schaffen konnten – trat eine Verschlechterung ein, würden sie auf einer der Nachbarinseln Station einlegen. Der angekündigte spanische Schiffsverband traf tatsächlich auf den Martin-Vaz-Inseln ein, allerdings erst zwei Tage später. Der Kommandant und seine Begleiter fanden bei einem ersten Rundgang über die größte Insel ein friedliches, von Portugiesen bewohntes
Die Kolonisten
Dorf vor, in dem nie menschliche Niedertracht und Mordgier geherrscht zu haben schienen. Nur ein verwüsteter Weingarten an einem der nördlichsten Hänge der Hügel wurde gerade wieder hergerichtet. Ein Sturm schien die Spaliere umgeweht zu haben, wie das aber genau passiert war, wollten die Portugiesen nicht in allen Einzelheiten berichten...
ENDE