Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 613 Anti-ES - Xiinx-Markant
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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 613 Anti-ES - Xiinx-Markant
Die GedächtnisLöschung von Peter Griese Atlans Suche nach der Quelle des Vergessens Die Verwirklichung von Atlans Ziel, das schon viele Strapazen und Opfer gekostet hat – das Ziel nämlich, in den Sektor Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen, scheint nun außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu liegen. Denn beim einschneidenden Kampf gegen Hidden-X wurde Atlan die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrages entzogen: das Wissen um die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Doch Atlan gibt nicht auf! Im Bewußtsein, sich die verlorenen Koordinaten wieder zu besorgen, folgt der Arkonide einer vagen Spur, die in die Randgebiete der Galaxis Xiinx-Markant führt, wo die SOL in erbitterte Kämpfe verwickelt wird, die auf das unheilvolle Wirken der sogenannten »Mental-Relais« zurückzuführen sind. Inzwischen herrscht durch die Ausstrahlung einiger Relais im Umfeld der SOL Ruhe. Dafür aber ist in der SOL selbst der hoffnungslos anmutende Kampf gegen das Manifest C entbrannt, das das Schiff völlig zu übernehmen und in die Vernichtung zu führen droht. Um sich die Handlungsfähigkeit und die Chance zur Rettung der SOL zu bewahren, verläßt Atlan nebst einer Anzahl von Getreuen mit zwei Beibooten das Schiff. Dabei kommt es für den Arkoniden wieder zu einem »temporären Reinkarnationseffekt«. Seine Vergangenheit in der Namenlosen Zone ersteht vor ihm neu – und sein Kampf richtet sich gegen DIE GEDÄCHTNIS-LÖSCHUNG …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan - Der Arkonide im Kampf gegen das Vergessen. Kik - Bewohner der Basis des Ersten Zählers. Born - Der positive Teil von Anti-ES. Rico - Ein Roboter. Laupertyn - Ein Super-Hypno.
1. Zwei Eindrücke wirkten nachhaltig auf mich ein, als ich die Augen aufschlug. Fürchterliche Kopfschmerzen plagten mich. Und es war ringsum stockdunkel. Ich hockte auf einem festen Untergrund, der sich wie warmes Metall anfühlte. Die Luft war atembar, und die Gravitation entsprach dem gewohnten Wert. Das war alles, was ich als normal bezeichnen konnte, und das war sehr wenig. Ich tastete mich über den Boden, bis ich gegen eine Wand stieß. Sie war aus dem gleichen Material und merkwürdig warm. Wenige Minuten später hatte ich den Ort meines Aufenthalts so weit untersucht, wie es mir möglich war. Ich befand mich in einer quadratischen Kammer, deren Seiten etwa acht oder neun Meter lang waren. Das umgebende Material wies keine Besonderheiten oder Unregelmäßigkeiten auf. Ich entdeckte keine Tür, keine Lichtquelle oder etwas anderes von Bedeutung. Die Decke war so hoch, daß ich sie nicht ertasten konnte. Die Kopfschmerzen hämmerten ununterbrochen weiter. Das war mehr als unangenehm, denn es durfte normalerweise nicht sein. Mein Zellschwingungsaktivator sorgte dafür, daß alle Körperzellen pausenlos regeneriert wurden und daß sich keine Krankheitsherde bilden konnten. Woher rührten also diese peinigenden Schmerzwellen? Ein unbestimmtes Gefühl sagte mir, daß ich irgendwie den Anschluß an die Realität verloren hatte. Ich versuchte, mich an
irgendeine Kleinigkeit zu erinnern, die etwas mit dem Zeitpunkt meines Einschlafens zu tun hatte, aber das gelang mir nicht. In meinem Kopf spürte ich nur Leere und die Schmerzen. Der Logiksektor, mein zweites Bewußtsein, schwieg beharrlich. Ich spürte kaum seine Anwesenheit. Auch er schien unter den fremden Eindrücken und den Kopfschmerzen zu leiden. Ich hockte mich wieder auf den Boden und begann, in den Taschen meiner Kombination zu kramen. Mir fiel nichts ein, was meine Lage erklären konnte. Selbst der Anzug, den ich trug, war mir unbekannt. Die Taschen waren leer. Ich besaß keinerlei Ausrüstung, Waffen oder Ähnliches. Schließlich entdeckte ich in einer Brusttasche etwas, was sich wie ein Konzentratwürfel anfühlte. Ich probierte davon, und als das Zeug tatsächlich schmeckte, biß ich ein großes Stück davon ab und kaute es langsam. Dann versuchte ich, mich gezielt zu erinnern. Die Hauptschwierigkeit dabei waren neben dem Dröhnen in meinem Kopf die undefinierbaren Gefühle, die mich beherrschten. Mir war, als hätte ich zehn oder hundert Jahre verschlafen. Die Leere in mir war schlimmer, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich besaß keinen Bezug mehr zur Wirklichkeit. Mein Verstand rebellierte gegen diese Meinung. Ich stützte den Kopf in beide Hände. Die eigene Berührung meiner Schläfen hatte etwas Beruhigendes zur Folge. Erste Bilder von Deutlichkeit schälten sich aus dem Nebel meiner Gedanken. Ich war irgendwo mit Perry Rhodan und dessen riesigem Raumschiff in einer fernen Galaxis und wartete darauf, mit dem Roboter Laire durch eine Materiequelle zu den Kosmokraten zu gehen. Dort sollte ich im Auftrag … Hart mußte ich diese Erinnerung verdrängen. Sie war zwar richtig, aber zwischen den Schmerzwogen spürte ich klar, daß diese Ereignisse einer fernen Vergangenheit angehörten. Zwischen diesen Ereignissen und dem Jetzt lag … nichts! Es war mehr als eine empfundene Leere. Es war eine grausame
Hilflosigkeit, eine endlose Schwärze, die Trennung von allem, was ich je gekannt und gespürt hatte. Panik griff nach mir. Fast hätte ich die gerade verspeisten Teile des Konzentratwürfels wieder herausgewürgt. Ich besaß keinen noch so kleinen Hinweis auf das Schicksal, das mir widerfahren war. Meine Hände fuhren unbewußt durch die Luft, als könnten sie irgend etwas erhaschen, was mir in meiner Hoffnungslosigkeit eine Hilfe sein konnte. Ich fühlte nichts, und ich hörte nichts. Ich mußte meinen ganzen Willen aufbringen, um nicht wahnsinnig zu werden. Stunden hockte ich regungslos da, um in meinen Gedanken einen konkreten Anhaltspunkt zu finden, aber ein Erfolg war mir nicht beschieden. Ich kämpfte gegen die Schwärze der Umgebung und gegen die Schmerzen in meinem Kopf mit aller verbliebenen Energie an, bis ich mich etwas beruhigte. Eins stand fest. Dies war nicht der Ort, an den ich aus freiem Willen gegangen wäre. Und dies war nicht ein Ort, der etwas mit den Kosmokraten gemeinsam haben konnte. Richtig! Endlich meldete sich mein Extrasinn. Seine lautlose Stimme klang bedrückt und verunsichert. Wahrscheinlich suchte er auf seine Weise nicht minder energisch nach klaren Anhaltspunkten, ohne welche zu finden. »Ich kann mich an nichts erinnern«, sagte ich halblaut. In dem kleinen Gefängnis war kein Echo zu vernehmen. Die Wände schienen meine Worte gierig zu verschlucken. »Da ist nur ein unbestimmtes Gefühl, das besagt, daß ich eine lange Zeit geschlafen habe.« Ich habe deinen Zustand überprüft. Geschlafen ist sicher falsch. Die Schmerzen in deinem Kopf deuten eher darauf hin, daß du eine schwere Vergiftung erlitten hast oder einem anderen Druck ausgesetzt wurdest. »Einem anderen Druck?« Vielleicht ein Mentaldruck. Oder eine Überdosis hypnotischer Strahlung. »Ich bin besser mentalstabilisiert als jeder andere.«
Alles ist nur eine Frage der Intensität. Ich neige immer mehr zu der Überzeugung, daß die Kopfschmerzen eine Art Hypnosekater sind, an dem der Zellaktivator ganz schön zu knabbern hat. Ich widersprach nicht, denn diese Erklärung war insofern logisch, als sie auch meine fehlende Erinnerung erklärte. Umgekehrt, behauptete der Logiksektor. Die Leere in deinen Gedanken ist der einzige konkrete Hinweis auf das, was wahrscheinlich geschehen ist. »Könnte es sein, daß dies in der Absicht der Kosmokraten lag?« Ich bekam keine Antwort. Offensichtlich konnte der Extrasinn mit dieser Frage nichts anfangen. »Ich bin ratlos«, gestand ich ein. Wieder schlug mir nur Schweigen entgegen. »Und hilflos«, fügte ich grimmig hinzu. Auf irgend etwas mußte der Logiksektor doch reagieren. Oder spürte er nicht, daß er mit seinem Schweigen alles nur noch schlimmer machte? »Sag etwas!« Ich muß dich zornig machen, denn nur so kannst du deine Ängste und die wachsende Panik überwinden. Verstehst du das nicht? Nun war ich es, der schwieg. Die knappe Antwort des Extrasinns machte die ganze Lage aber nicht besser, denn sie zeigte mir deutlich, mit welch bescheidenen Mitteln mein zweites Ich mir helfen wollte. Klar ausgedrückt bedeutete das, daß mir der Logiksektor in dieser Lage überhaupt nicht helfen konnte. Auch diese Überlegung blieb im Raum stehen, ohne daß ich eine Antwort bekam. Meine Schlußfolgerung war einfach. Ich konnte gar nichts anderes tun, als auf Hilfe warten. Dabei wußte ich nicht einmal, ob ich überhaupt jemanden hatte, der mir helfen konnte oder wollte. Oder jemanden, der von meiner katastrophalen Lage wußte.
*
Als die Kopfschmerzen endlich abgeklungen waren, begann ich noch einmal mit der Überprüfung meines Gefängnisses. Das Ergebnis unterschied sich nicht von dem vorangegangenen. Der Extrasinn hatte sich vollständig abgekapselt, so daß ich mit meinen Gedanken allein war. Ich fragte mich, was an der Theorie mit dem Hypnosekater stimmen konnte. Dabei fand ich verschiedene Widersprüche. Eine wichtige Frage war, warum ich jetzt nichts mehr von einer äußeren Beeinflussung spürte. Eine Antwort fand ich nicht. Mit aller Konzentration versuchte ich, Licht in die Leere meiner Erinnerungen zu bringen. Einzelne Figuren tauchten kurz vor meinem geistigen Auge auf, aber sie ergaben weder einen Sinn noch einen erkennbaren Zusammenhang. Für Sekunden grinste mich ein Haluter mit seinem mächtigen Gebiß an, dann sah ich sprühende Kaskaden aus rotem und grünem Wasser, und schließlich tanzte ein leuchtendes Ei in meinem Kopf herum. Die Bildfragmente verschwanden wieder, und ich war noch verwirrter als zuvor. Ich habe eine Erklärung für das fehlende Spüren der Hypnose gefunden, meldete sich etwas überraschend der Extrasinn. Die Beeinflussung wirkte nur, während du geschlafen hast. »Heißt das, daß sie auch auf dich wirkte?« fragte ich zurück. Davon gehe ich aus, denn meine Erinnerung unterscheidet sich nicht von deiner. Im übrigen bin ich auf dich angewiesen, was Erinnerungen generell betrifft. Allerdings vermeine ich bisweilen Dinge zu erkennen, an die du keine Erinnerung hast. »Welche?« Ich kann dazu nichts sagen, denn die Bilder sind unlogisch und absurd. »Du meinst, du willst nichts sagen.« Nach dieser Feststellung hüllte sich der Logiksektor wieder in Schweigen. Ich aß den Rest des Konzentratwürfels. Als ich damit fertig war,
legte ich ein Ohr an die warme Wand, um etwas zu hören. Manchmal vermeinte ich, aus der Ferne leise Geräusche zu vernehmen. Es klang, als ob sich Metall auf Metall bewegte. Deuten konnte ich die leisen Töne jedoch nicht. Meine Versuche, eine der umgebenden Wände einzudrücken, scheiterten ausnahmslos. Da ich auch nirgends eine Fuge oder einen Vorsprung entdeckte, gab ich diese Ausbruchsversuche schließlich wieder auf. Ich spürte Hunger und vor allem Durst. Auch hier konnte ich nicht für Abhilfe sorgen. Da ich mich an jeden kleinen Fingerzeig klammern mußte, fragte ich mich, woher ich den Konzentratwürfel besaß, der mein einziger Nahrungsvorrat gewesen war. Auch in diesem Punkt versagte meine Erinnerung völlig. Schließlich hockte ich mich noch mutloser in eine Ecke und schloß die Augen. Zu sehen gab es ja sowieso nichts. Das solltest du nicht tun, bemerkte der Extrasinn. »Was?« Schlafen. Nach meinen Überlegungen erwachst du dann irgendwann mit den gleichen Kopfschmerzen und mit dem gleichen Nullwissen. Nur besitzt du dann gar keine Nahrungsmittel mehr. Obwohl ich froh war, in dem Logiksektor so etwas wie einen Gesprächspartner in dieser Öde zu haben, wies ich seine Worte wegen des unsinnigen Inhalts weit von mir. Fast war ich geneigt anzunehmen, daß er seine logischen Fähigkeiten eingebüßt hatte. Sein folgendes Schweigen erklärte nichts. So hing ich weiter meinen Gedanken nach, die sich jedoch nur im Kreis bewegten. Es gab keinen Ausweg aus dieser Situation, die ich nicht einmal annähernd beurteilen konnte. Öffne deine Gedanken! Ich hörte kaum auf die Worte des Extrasinns. Er sollte mich in Ruhe lassen. Öffne deine Gedanken! Wieder dieses Drängen, das hohl und aus einer unbestimmten Entfernung in mein Bewußtsein vorstieß.
Hörst du das nicht, du Narr? Diesmal klangen die Worte des Extrasinns ganz nah und klar. »Laß mich in Ruhe!« erklärte ich halblaut, aber mit deutlicher Härte. Atlan! Das war ein Flehen. Ich habe mich nicht gemeldet. Etwas anderes hat dich gerufen. Ich fuhr wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe. »Ist da wer?« Die Stimme aus der Ferne antwortete: Ja, Born. Aber ich kann dich nicht finden. Öffne deine Gedanken, damit ich die Richtung feststellen kann, in der du dich befindest. Ich habe nicht viel Zeit. Vorsicht, warnte der Extrasinn. Das kann eine Falle sein. »Unsinn!« entgegnete ich barsch. »In meiner Lage ist mir jede Hilfe recht.« Als mein zweites Ich daraufhin schwieg, dachte ich intensiv an den Unbekannten, der sich Born genannt hatte. Den Namen hatte ich noch nie gehört, aber irgend etwas in mir wollte mir weismachen, daß ich ihn kannte. Die gedankliche Steuerung meiner persönlichen Abschirmung war nicht ganz einfach. Ich war das nicht gewohnt, und meine Nervosität kam noch hinzu. Dennoch schien es zu klappen, denn Born antwortete prompt: So ist es gut, Atlan. Ich weiß, daß alles für dich sehr verwirrend sein muß. Außerdem drängt die Zeit. Kannst du mir vertrauen? »Das spielt keine Rolle, Fremder. Ich muß dir vertrauen, denn ich habe keine Alternative. Weißt du, in welcher Lage ich mich befinde?« In etwa. Das ist jedoch weniger wichtig. Im Unterschied zu dir weiß ich, was geschehen ist. Außerdem ist für dich wichtig, daß ich unter keinen Umständen zu dir kommen kann. »Ich will wissen, was geschehen ist. Wo bist du, Born?« Selbst wenn ich dir meinen augenblicklichen Aufenthaltsort beschreiben
könnte, würde das dir nichts nützen. Es genügt, wenn du weißt, daß ich sehr weit von dir entfernt bin. Es genügt wirklich, denn jeder falsche Gedanke von mir könnte unseren gemeinsamen Feind auf meine Spur lenken. Das aber würde auch dein Ende bedeuten. Ich verarbeitete die Information in Sekundenschnelle, aber ich fand keinen Zusammenhang. Auch wußte ich nichts von einem Feind. Verständlich, Atlan. Die Stimme Borns klang besorgt. Auch hatte ich das Gefühl, daß der Fremde gehetzt war. Du mußt mir jetzt gut zuhören. Was ich dir sage, entscheidet über deine Zukunft und über dein Überleben. Du wirst sehr wahrscheinlich einen Schock erleben, wenn du Erfolg haben solltest. »Erfolg?« Die Sache kam mir nicht minder mysteriös vor als meine Gefangenschaft in dieser dunklen Zelle aus Metall. Du willst wissen, was geschehen ist. Dabei will ich dir gern helfen. Es würde dir jedoch nichts nützen, wenn ich dir jetzt lange Erklärungen geben könnte. Abhilfe ist nur möglich, wenn du deine eigene Erinnerung zurückerlangst. Darauf mußt du deine ganzen Anstrengungen konzentrieren. Bist du dazu bereit? »Eigentlich ja.« Mir kam die fremde Stimme immer verrückter vor. »Ich gestehe allerdings, daß ich weder weiß, wie ich das machen soll, noch ob es überhaupt richtig ist.« Ich kann dir nur sehr bedingt helfen, die Ursache zu finden, die deine Erinnerung ausschaltet. Vermutlich handelt es sich um eine Art Dauerhypnose in schärfster Form, die sich direkt nur während der Zeit auswirkt, in der du schläfst. Auch kenne ich den Urheber nur indirekt. Veranlaßt wurde alles von unserem gemeinsamen Gegner, aber der selbst muß einen Hilfsmechanismus eingeschaltet haben, der die MnemoLöschung bewirkt. Ich habe keine Vorstellung darüber, was dieser Mechanismus ist. Im Augenblick sehe ich nur eine Lösung. Du mußt diese Quelle finden und ausschalten. Ich bin fest davon überzeugt, daß du dich dann wieder an alles erinnern wirst. Dann wirst du auch wissen, wer ich bin und wer unser gemeinsamer Gegenspieler ist.
»Ich gehe davon aus, Born«, antwortete ich halblaut, weil dies immer noch die beste Methode war, um Gedanken klar zu formulieren, »daß du die Wahrheit sagst. Allerdings kann ich mit deinen allgemeinen Erklärungen nur wenig anfangen. Vor allem sehe ich keinen Weg aus meinem Gefängnis, und ich weiß nicht einmal, wo ich bin.« Ich verstehe deine Lage. Viel kann ich nicht für dich tun. Daher in aller Eile folgende Fakten: Du befindest dich an einem Ort außerhalb deines angestammten Universums. Und dort wiederum bist du ein Gefangener unseres gemeinsamen Gegners. Der Ort deiner Gefangenschaft heißt die Basis des Ersten Zählers. Es spricht viel dafür, daß in deiner Nähe auch die Ursache deiner Mnemo-Löschung ist. Sie mußt du finden und ausschalten. Ich kann dir mit zwei Maßnahmen aus der Ferne behilflich sein. Die eine besteht darin, daß ich eine Handvoll Fremdwesen mobilisieren will, die die Basis überfallen sollen. Das könnte unseren Feind ablenken und auch einen weiteren Freund, den wir haben, der sich allerdings passiv verhält, weil er andere Probleme hat. Dieser andere Freund ist die Lichtquelle oder die Quelle der Jenseitsmaterie. Die, die den Überfall durchführen werden, sind die Vakuumatmer. Meine zweite Hilfe besteht darin, daß ich dir alle Macht gebe, über die ich im Augenblick verfüge. Das sind drei kleine Kugeln aus Jenseitsmaterie. Sie werden auf deine Anweisungen reagieren. Unter dem Begriff »Jenseitsmaterie« konnte ich mir nichts vorstellen. Ich hatte das Wort noch nie in meinem Leben gehört. Wahrscheinlich ein Irrtum. Der Extrasinn schaltete sich ein. Du mußt davon ausgehen, daß du die Ereignisse der letzten Tage durch einen äußeren Einfluß vergessen hast. Es könnte sein, daß dir dort die Jenseitsmaterie schon begegnet ist. Das klang logisch, aber es trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Alles war zu verrückt und ohne klaren Zusammenhang. Welch übles Spiel wurde da mit mir getrieben? Born schien meine Verzweiflung zu spüren. Du mußt durchhalten, Atlan, flehte er mich an. Was mein … ich meine dein Logiksektor sagt, ist grundsätzlich richtig. Vertraue ihm. Er ist besser und wohlwollender als
du … Der Fremde brach ab, und für Sekunden hing ich einer Überlegung nach. Was bedeutete dieser unbewußte Versprecher? Was hatte dieser fremde Born mit meinem zweiten Ich zu tun? Ich bekam von keiner Seite eine Erklärung auf diese Frage. Jenseitsmaterie ist ein besonderer Stoff. Born meldete sich wieder. Er gehorcht seinem wirklichen Besitzer. Du wirst mit den drei winzigen Körpern nicht viel erreichen können, aber sie werden dir helfen, wenn du sie richtig einsetzt und dich an das hältst, was ich dir gesagt habe. »Ich verstehe nur Worte.« Da ich keinen Grund sah, etwas zu verheimlichen, teilte ich dem Fremden offen mit, was ich empfand. »Aller Sinn bleibt mir verschlossen. Ich weiß nicht einmal, wer du bist.« Du weißt es. Deine Erinnerung ist nur blockiert. Beseitige diese Sperre! »Du weichst meinen Fragen aus. Vielleicht beantwortest du mir diese: Welchen Tag schreiben wir heute?« Eine Pause entstand. Dann vernahm ich die Stimme Borns wieder in meinem Kopf. Sie klang besorgt. In der Namenlosen Zone werden keine Tage geschrieben, Atlan. »Vielleicht. Aber auf Terra oder Arkon oder auf Perry Rhodans BASIS!« Die du im Jahr 3587 verlassen hast, Atlan. »Das weißt du?« Natürlich. Ich tue dir keinen Gefallen, wenn ich dir sage, welches Jahr man jetzt auf der Erde schreibt. Es würde deine Befreiung gefährden. »Ich will es trotzdem wissen. Ich werde es ertragen. Wenn ich dir vertrauen soll, dann mußt auch du mir vertrauen.« Wie du willst, Atlan. Aber es ist die letzte Information, die ich dir jetzt geben kann. Unser gemeinsamer Feind hat mich aufgespürt, und ich muß wieder fliehen. Auf Terra zählt man jetzt den März des Jahres 3601. »3601?« Ich schrie die Zahl heraus, aber ich bekam keine Antwort mehr. Born hatte den Kontakt zu mir unterbrochen. Was mochte das
für ein Wesen sein, daß sich so sehr irrte. Er hat sich nicht geirrt, meinte der Logiksektor lakonisch. Ich habe ihn erkannt. »Nicht geirrt?« Ich taumelte durch die Schwärze meines Gefängnisses. Mir schwindelte. Ich verlor den Boden unter den Füßen und torkelte in dem Dunkel gegen eine Wand. »Das würde ja bedeuten, daß mir fast 14 Jahre meiner Erinnerung fehlen! Das ist purer Wahnsinn!« Vielleicht. Ich kann deine aufkeimende Bewußtlosigkeit kaum verhindern. Vielleicht hilft es dir, wenn du dir vor Augen führst, daß du dann alles wieder vergißt, was Born dich soeben hat wissen lassen. Du mußt wach bleiben! Wach! Vor meinen Augen tanzten bunte Figuren und fremde Gestalten. Sie führten einen Höllenreigen auf, kreischten und tobten und lechzten mit ihren feurigen Fingern an meinem Verstand. Du mußt bei voller Besinnung bleiben, flehte der Logiksektor. Ich verwünschte ihn in die tiefste Hölle des Universums. 14 Jahre! Welch ungeheuerliche Dinge mochten geschehen sein! Bleib wach! schrie es in mir. War ich das? Oder der Extrasinn? Oder dieser geheimnisvolle Born? Oder eine der höhnischen Spukgestalten? Ich sank zu Boden.
2. »Wo ist er?« Der sonst so gelassene Bjo Breiskoll brüllte die Worte durch den Hauptkorridor im Oberdeck der CHYBRAIN. Dann hetzte er mit unheimlicher Geschwindigkeit durch den Gang und packte den Solaner, der vor der Kabinentür stand, an den Schultern. Der verdutzte Mann war zu keiner Antwort fähig, aber das bedeutete dem Katzer nichts. In einem Sekundenbruchteil lagen die Gedanken des Mannes offen vor ihm.
»Entschuldigung«, murmelte Breiskoll. »Die kosmischen Ausstrahlungen dieser Umgebung machen auch mich nervös.« »Schon gut.« Der Mann strich seine Kombination glatt. »Atlan hat darum gebeten, nicht gestört zu werden. Er meinte, du wüßtest warum. Er hat nur ein Wort gesagt: Wöbbeking-Nar'Bon. Du weißt, was das bedeutet. Erinnere dich an Hidden-X. Und dann hat er darum gebeten, daß man die Aufzeichnungsgeräte mit der Bordpositronik verbindet. Als das geschehen war, hat er sich eingeschlossen. Die TAUPRIN muß noch etwas warten.« »Ich verstehe.« Bjo Breiskoll starrte die Kabinentür nachdenklich an. Seine normale Gelassenheit hatte wieder von ihm Besitz ergriffen. Er esperte durch die Wand, aber er spürte nichts. Nicht einmal die Anwesenheit Atlans vermochte er zu lokalisieren. Er zweifelte nicht an den Worten des Solaners, und das konnte nur bedeuten, daß Atlan wieder entrückt war. Entrückt aus der Realität in seine Vergangenheit, um diese durch den von WöbbekingNar'Bon bewirkten temporären Reinkarnationseffekt noch einmal zu erleben. »Ich muß zu ihm«, erklärte der Mutant. Der Solaner zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist.« »Aber ich.« Breiskolls Stimme klang unwahrscheinlich sanft, aber das besagte wenig. »Es geht nicht nur um uns, Mann. Es geht um die SOL. Wenn wir keinen Erfolg haben, rast unsere Heimat in die Vernichtung. Bei der Geschwindigkeit der SOL stellt die Dunkelzone ein härteres Hindernis dar als eine Terkonitstahlwand gegenüber einem Dickschädel.« Die Tür glitt geräuschlos zur Seite, als der Katzer den Schließkontakt berührte. Atlan hing schlaff in einem Sessel. Die Aufnahmegeräte waren auf seinen Körper gerichtet und nahmen jede Regung und jedes Wort auf. Bjo Breiskoll zuckte zusammen, als er sah, in welchem Zustand sich der Arkonide befand. Speichel floß aus seinem Mund, und alle
Glieder zuckten unkontrolliert. Der Atem ging flach. Die Hände waren zu Fäusten geballt, in denen sich das Blut staute. »Wöbbeking! Hörst du mich?« dachte und sprach der Katzer zugleich. Er bekam keine Antwort. Er trat auf den Arkoniden zu und rüttelte ihn an den Schultern. Schon Sekunden später schlug der die Augen auf. Erst blickte er Bjo verständnislos an, dann entspannte sich sein Körper. »Es ist alles in Ordnung, mein Freund«, sagte Atlan leise. »Alles. Aber es ist noch nicht zu Ende.« »Was …«, begann der Mutant, aber als Atlan rasch abwinkte, hielt er inne. »Bitte schweig«, ersuchte ihn der Arkonide. Dann lauschte dieser mit halb geschlossenen Augen auf eine unhörbare Stimme. Breiskoll verstand, daß Atlan mit Wöbbeking in Kontakt stand. Obwohl der Arkonide kein Telepath war, brachte es dieses unfaßbare Wesen fertig, seinen geistigen Kontakt auf eine Person zu konzentrieren, während ein erfahrener Telepath wie ein Tauber unbeteiligt daneben stehen mußte. Nicht ein Hauch der Worte Wöbbekings erreichte den Katzer. Minuten vergingen, ohne daß einer der beiden Männer ein Wort sprach. Schließlich flog ein leichtes Lächeln über Atlans Gesicht. »Wir müssen uns noch ein wenig gedulden, Bjo. Je mehr ich über die Vergangenheit weiß, über Anti-ES, über Born, der letztlich nichts anderes sein kann als die Vorphase von Wöbbeking, über die Geschehnisse in jener Zeit, seit ich Perry Rhodan verließ, um so leichter können wir hier in Xiinx-Markant bestehen.« »Das sehe ich ein, Atlan. Dein Zustand weckte jedoch heftigste Bedenken in mir.« »Ich kann das verstehen, denn während des Nacherlebens fehlt mir jeder Bezug zur jetzigen Wirklichkeit. Dann ist die andere Szene wirklich, und ich durchlebe sie mit allen Umständen. Das ist unbegreiflich, aber so ist es. Ich muß es akzeptieren. Mehr noch, wir müssen Wöbbeking für jede Phase dankbar sein, die er mich wissen
läßt. Es kann uns nur helfen.« »Das klingt irgendwie überzeugend. Aber ich habe meine Zweifel. Wir haben sozusagen mit Tauprin einen Pakt geschlossen. Wir wissen, daß er ein Manifest ist, und diese Manifeste sind Instrumente unseres Feindes Anti-ES. Das bereitet mir Sorge. Ich spüre das Ungute überall.« »Tauprin oder die TAUPRIN sind harmlos gegenüber den Qualen, die ich eben erlitten habe. Es ist schrecklich, in dieser anderen Existenz zu leben. Ich weiß dann nicht nur nichts vom Jetzt. Ich weiß auch nichts vom Damals. Ich kenne die Vergangenheit nicht und noch weniger die Zukunft meiner Vergangenheit. Mein einziger Trost ist die Rückkehr in die Realität. Dadurch weiß ich, daß ich alles überlebt habe und letztlich doch Erfolg gehabt haben mußte. Dem gegenüber stehen die Gefahren, denen ich damals entkommen konnte. Und diese Gefahren sind heute mächtiger und geheimnisvoll verstrickter als je. Das bereitet mir Sorge. Es ist nicht einfach, alles miteinander in Einklang zu bringen.« Bjo Breiskoll nickte. »Du hast nichts dagegen, wenn wir auch diese Aufzeichnungen eines Nacherlebens studieren und an die SOL übertragen?« »Natürlich nicht, mein Freund. Ich erlebe diese Dinge nicht nur für mich. Ich muß durch sie hindurch, um ein paar Wissenslücken zu schließen, die uns jetzt helfen. Jeder soll wissen, welches die Hintergründe des Geschehens sind.« Atlan lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. »Du bist noch nicht am Ende?« wollte Breiskoll wissen. »Ich?« Atlan lachte. »Ich bin nicht am Ende. Aber das zählt nicht. Du meinst wohl, das Riesenei aus Jenseitsmaterie ist noch nicht am Ende. Dann hast du recht. Es unterbrach das Nacherleben, weil ich in der Vergangenheit einen Tiefpunkt erlebte, der sich sogar im Jetzt auf meine Psyche hätte auswirken können. Das war der Grund meines Erwachens. Und nun, Bjo, bin ich wirklich neugierig, ob es mir gelungen ist, in der Vergangenheit wach zu bleiben.«
Der Mutant starrte Atlan verständnislos an. »Sei ein lieber Junge, Bjo«, bat Atlan. »Ich weiß nicht, ob Wöbbeking noch viel Zeit hat. Er ist nicht hier. Er hat die Gedankenbrücke und die temporäre Reinkarnation aus der Ferne aufgebaut. Er wird seine Gründe dafür haben. Ich muß noch einmal zurück in die Namenlose Zone, zur Basis des Ersten Zählers, zu Born, zur Quelle der Jenseitsmaterie und zu Anti-ES.« »Anti-ES ist auch hier.« »Ich weiß, Bjo. Und deswegen muß ich zurück, solange Wöbbeking-Nar'Bon mir die Gelegenheit dazu gibt. Die TAUPRIN muß warten.« Bjo Breiskoll kniff die Lippen zusammen und lächelte. »Wir warten. Bitte komm gesund aus der Vergangenheit zurück.« »Das muß ich wohl.« Atlan schloß die Augen. »Sonst wäre ich jetzt nicht hier.« Der Katzer legte eine Hand an die sich schließende Tür, obwohl das völlig überflüssig war, denn Geräusche wurden sowieso nicht erzeugt. Das letzte, was er hörte, war Atlans Stimme. »Rote und grüne Bälle! Sind das Bonbons?«
* Die Erinnerung an die kurze Unterbrechung verblaßte spurlos in einem Sekundenbruchteil. Ich empfand das Erleben in der Vergangenheit wieder als reale Gegenwart. Das Metall unter meinen Händen war plötzlich eiskalt. Erschrocken zog ich meine Hände zurück. Diese Reaktion riß mich jedoch aus meinem traumartigen Zustand. Sofort beendete der Extrasinn sein Drängen, denn er spürte, daß ich wieder hellwach war. Die Spukgestalten verwehten fast alle in der Schwärze. Nur ein halbes Dutzend winziger Lichtpunkte blieb erhalten. Die kleinen
Kugeln glänzten wie selbstleuchtende Süßigkeiten vor meinen Augen. Erst als ich eines der Dinger schärfer fixieren wollte, merkte ich, daß mein Gesichtssinn mir einen Streich gespielt hatte. Ich hatte die Kugeln doppelt gesehen, und es waren nur drei. Sie besaßen einen Durchmesser von etwa knapp einem Zentimeter und glänzten in hellroten und blaß grünen Farben. Die Zahl Drei alarmierte mich. Born, das fremde Wesen, das gedanklich zu mir gesprochen hatte, hatte drei Kugeln aus Jenseitsmaterie erwähnt. Sollten diese bonbonähnlichen Objekte diese Hilfsmittel sein? Ich streckte eine Hand aus und faßte nach einer Kugel. Ich spürte eine undefinierbare Masse, aber kein Gewicht und keine Temperatur. Zweifellos leuchtete das Kügelchen, aber es war eine mir unbekannte Art Licht. Meine Hand blieb dunkel. Die beiden anderen Kugeln bewegten sich nun selbständig in meine Hand. Dort legten sie sich locker aneinander. Nun erkannte ich, daß sie eine dünne Hülle besaßen, die unsichtbar war und durch die hindurch in einem scheinbar zufälligen Wechsel die roten und grünen Farbtöne schimmerten. Ich versuchte, eine der Kugeln zwischen meinen Fingern zusammenzupressen, aber die Jenseitsmaterie war so fest wie Terkonitstahl. Was hatte Born mir mitgeteilt? Die Jenseitsmaterie würde auf meine Anweisungen reagieren. Das klang nicht schlecht, aber ich hatte keine Vorstellung davon, wie dies geschehen sollte. Ausprobieren, meinte der Extrasinn. Ich zweifle nicht daran, daß dies die erwähnten Kugeln aus Jenseitsmaterie sind. Irgendwie kommen sie mir sogar bekannt vor, aber genau kann ich das nicht sagen. Wahrscheinlich gehören deine Erfahrungen mit Jenseitsmaterie auch in die Zeitspanne, an die du dich nicht erinnern kannst. Mir fuhr es wieder siedendheiß in den Kopf, als ich daran denken mußte, daß angeblich über 13 Jahre seit der Trennung von Perry Rhodan vergangen sein sollten. Ich wollte das einfach nicht glauben. Finde dich damit ab, verlangte der Logiksektor. Das macht die Sache
leichter. Auch wird es helfen, den Schock der Erkenntnisse leichter zu überwinden, vorausgesetzt, du schaffst es überhaupt, die Mnemo-Löschung zu beseitigen. Die letzte Mitteilung lenkte mich wieder auf meine aktuellen Probleme. Ich mußte hier heraus und die Ursache des Vergessens finden. Noch während ich überlegte, wo und wie ich die drei Kügelchen am besten verstauen konnte und dabei an die Tasche meiner Kombination dachte, in der ich den Konzentratwürfel gefunden hatte, schwebten die leuchtenden Objekte aus meiner Hand. Ich sah sie seitlich in meiner Hüfte verschwinden. Sie durchquerten den Stoff und meine Körpermasse für ein Stück und wurden unsichtbar. Der Vorgang lief so schnell ab, daß ich zu keiner Reaktion fähig war. Als meine Hand in die bewußte Tasche glitt, spürte ich die drei Kugeln wieder. Sie reagieren allein auf deine Gedanken. So habe ich Born auch verstanden. »Nun gut«, stellte ich fest. »Dann muß ich noch in Erfahrung bringen, zu welchen Leistungen die Jenseitsmaterie fähig ist.« Ich tastete mich durch das Dunkel auf die nächste Wand zu. »Ich möchte, daß eine der Kugeln herauskommt«, erklärte ich, »und irgendwo ein Loch in einer Wand erzeugt, durch das ich dieses Gefängnis verlassen kann und in Freiheit gelange. Dabei ist darauf zu achten, daß mein Körper keinen Schaden erleidet.« Und mein Bewußtsein, ergänzte der Logiksektor. Tatsächlich löste sich eine der Kugeln aus der Tasche. Sie glitt durch meine Hand und leuchtete dabei in der bekannten Weise auf. Zielstrebig bewegte sie sich von mir fort. Obwohl die Entfernung zu ihr rasch größer wurde, wurde die Kugel immer größer. Zuerst glaubte ich an eine optische Täuschung. Dann aber erkannte ich, daß sie nicht nur wuchs. Sie veränderte auch ihre Form. Als sie die gegenüberliegende Seite erreicht hatte, glich sie in ihren Umrissen etwa meinem Körper.
Das Leuchten wurde intensiver. Die roten und grünen Farben wechselten noch schneller hin und her. Das Licht erhellte jetzt auch mein Gefängnis. Ich erkannte, daß ich den Raum richtig abgeschätzt und untersucht hatte. Er besaß keinerlei Besonderheiten. Die Höhe der Decke betrug etwa fünf Meter. Rasch konzentrierte ich mich wieder auf die unbegreifliche Jenseitsmaterie. Sie drang in die Metallwand der anderen Seite ein. Funken sprühten auf. Ein helles Prasseln klang an meine Ohren. Flüssige Gluten tropften zu Boden, und Hitze breitete sich aus. Vorsichtig näherte ich mich der Stelle. Das Loch in der Wand war schon zehn oder mehr Meter tief. Noch war kein Ende abzusehen. Die Jenseitsmaterie arbeitete sich zügig voran und hinterließ einen unregelmäßigen, mannshohen Stollen. Schließlich glühte sie noch einmal hell auf. Vor mir polterten Metallplatten zu Boden. Dann löste sich die Erscheinung auf. An ihrer Stelle schimmerte eine künstliche Beleuchtung durch die entstandene Öffnung. Ich wartete noch ein paar Minuten, bis sich die glühenden Teile abgekühlt hatten. Während dieser Zeit ruhte meine Hand auf der Außenseite der Kombination und fühlte die beiden verbliebenen Kügelchen aus Jenseitsmaterie. Dann eilte ich durch den entstandenen Gang und gelangte in eine riesige Halle, die mit völlig fremdartigen Geräten und Maschinen gefüllt war. Nirgends entdeckte ich Lebewesen oder Bewegungen oder Geräusche. Trotzdem wirkte hier alles wie neu oder wie in einem fehlerfreien Betriebszustand. Vorsichtig bewegte ich mich durch die Maschinenblöcke, die silbern im Licht einiger Leuchtstreifen an der hohen Decke leuchteten. Ich entdeckte Durchgänge in benachbarte Räume. Die Basis des Ersten Zählers, hatte Born gesagt. Ich hatte den Eindruck, in einem Raumschiff einer Fremdrasse zu sein. Meine Gedanken schweiften kurz zur BASIS Perry Rhodans ab und zu jenem Zeitpunkt, an dem meine Erinnerung endete.
Vergiß dein Ziel nicht, mahnte der Extrasinn. Irgendwo gibt es eine Ursache für die Erinnerungslöschung. Das hat Born gesagt. Diese Quelle mußt du finden. Dann wird alles ganz anders sein. »Es kann Tage oder Wochen dauern«, antwortete ich unsicher, »bis ich einen Hinweis auf diesen Ort finde. Ich weiß nicht einmal, wie groß diese Basis ist.« Tage oder Wochen? Das spielt nach 13 Jahren ohne Erinnerung doch keine Rolle. Ich erreichte das Ende der Halle. Von hier aus gab es mehrere Möglichkeiten, meinen Wog fortzusetzen. Noch während ich grübelte, was ich am zweckmäßigsten tun sollte, hörte ich ein leises Scharren in meiner Nähe. Und bevor ich den Urheber entdecken konnte, meldete sich dieser zu meiner Verblüffung. »Hallo, Atlan! Dir geht es gut, nicht wahr?«
* Das Wesen hockte mit seinem Hauptkörper auf einem niedrigen Maschinensockel und ließ seine fünf Arme oder Beine locker nach unten baumeln. Es mochte etwa einen Meter groß sein, und es erinnerte mich unwillkürlich an einen zu groß geratenen Seestern. Als es von dem Sims rutschte, sah ich, daß es sich tatsächlich auf den fünf Extremitäten gleichzeitig fortbewegen konnte. Der Körper bestand ansonsten fast nur aus dem Kopf, der sich an der Stelle befand, wo die fünf Beine zusammenliefen. Ich erkannte ein großes Augenpaar, das mich treuherzig und aufmerksam beobachtete. Darüber hinaus war die Haut des Kopfes sehr dicht mit roten Haaren bedeckt, die strähnig nach allen Seiten standen. Die blanken Extremitäten waren von dunkelbrauner Farbe. Bekleidung oder Ausrüstung entdeckte ich nicht. Zweifellos ein intelligentes Wesen, stellte der Extrasinn fest. Außerdem kennt es dich, denn es weiß deinen Namen.
»Du hast wieder einen totalen Blackout, Atlan. Nicht wahr?« Während der Seestern sprach, benutzte er abwechselnd eines seiner Beine, um damit seine Worte gestenreich zu unterstreichen. Sein Interkosmo klang fremdartig. In seiner Stimme vermeinte ich Kummer und Sorge zu hören. »Wer bist du?« fragte ich zurück. »Kik, Atlan. Nicht wahr?« »Du mußt doch wissen, wie du heißt.« Das Nichtwahr irritierte mich. »Natürlich weiß ich es. Aber du weißt es nicht. Nicht wahr?« Kik machte sich entweder über mich lustig, oder aber er besaß nur eine geringe Intelligenz. Er schauspielert, behauptete der Logiksektor. Als ich ihm heftig widersprach, lenkte er ein: Es könnte zumindest so sein. Du mußt hier mit allem rechnen. »Du heißt also Kik«, wandte ich mich an den Fünfbeiner. »Und du kennst mich. Schön und gut. Ich kann mich jedoch an nichts erinnern. Vielleicht kannst du mir helfen, meine Erinnerungslücken zu schließen.« »Vielleicht. Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Mein Auftrag ist es in erster Linie, dich mit Nahrung zu versorgen.« Er faßte in das dichte Haar und brachte ein Päckchen Konzentratwürfel zum Vorschein und dazu einen Plastikbehälter mit einer Flüssigkeit. Ich nahm die Sachen an und bedankte mich. Während ich den Fruchtsaft mit Genuß trank, brannten mir tausend Fragen auf der Zunge. Ich wußte nicht, wo ich beginnen sollte. »Wer hat dir den Auftrag gegeben, mich zu versorgen?« fragte ich schließlich. »Das weiß ich nicht. Nicht wahr?« »Warum fügst du jedem Satz ein Nichtwahr an, Kik?« »Weil ich mir in nichts absolut sicher bin. Außerdem habe ich diese Formulierung erstmals von dir gehört, und mir gefällt sie.« »Verzichte darauf, Kik. Seit wann kennst du mich?« »Schon sehr lange. Du hast einmal nach einer längeren
Wachperiode ermittelt, daß es viele Jahre sein müssen. Ich weiß jedoch nicht, was ein Jahr ist.« Ich überdachte das Gehörte. Was Kik sagte, bestätigte die Theorie des Extrasinns. Ich verlor tatsächlich während meiner Schlafzeiten die Erinnerung an das vorangegangene Geschehen. Damit mußte ich mich nun abfinden. Damit hast du dich schon einige hundert oder tausend Male abgefunden, bemerkte der Logiksektor. Ist dir das klar? Es war mir klar. Um so erstaunlicher war es, daß ich überhaupt noch lebte oder daß ich nicht wahnsinnig geworden war. »Okay, Kik. Dann berichte mir, was du gemeinsam mit mir erlebt hast.« »Das werde ich nicht tun«, lehnte das dunkelbraune Lebewesen entschieden ab. »Warum nicht?« platzte ich heraus. Neues Mißtrauen keimte in mir auf. »Weil Born es nicht will. Er hat mir das gesagt. Alles hat für dich nur dann einen vernünftigen Sinn, meint er, wenn du aus dir selbst heraus eine Lösung für dein Vergessen findest.« »Du bist also ein Verbündeter von Born«, stellte ich laut fest. »Wer ist Born?« »Ich bin mit niemand verbündet.« Kik stellte sich für einen Moment auf ein einziges seiner fünf Beine und gestikulierte wild mit den vier anderen. Ich spürte seine Empörung. »Und wer Born ist, weißt du genau. Auch wenn du dich nicht erinnern kannst.« Logisch klang das nicht, aber ich verstand, was Kik meinte. Alles lief letzten Endes auf ein Problem hinaus, auf das, das mir der Unbekannte mit der Mentalstimme so sehr ans Herz gelegt hatte. Ich muß die Ursache der Mnemo-Löschung finden und die Angelegenheit irgendwie bereinigen. »Ich verstehe, Kik«, lenkte ich ein. »Das ist gut«, antwortete der kleine Kerl freundlich. »Ich verstehe nämlich nichts.«
»Kannst oder willst du mir in gar keiner Weise behilflich sein? Gibt es Hinweise darauf, wie und von wo die Mnemo-Löschung bewirkt wird?« Kik schwankte leicht mit seinem Körper, bevor er antwortete. »Ich bin dir in jeder Hinsicht behilflich, Atlan. Es ist wohl nur so, daß du die Hilfe in der falschen Form erwartest. Allgemeine Informationen in Bruchstücken würden dich nur verwirren. Alles weiß ich bei weitem nicht. Und über die Quelle der Erinnerungsauslöschung weiß ich fast nichts. In der Angelegenheit unterliege ich jedoch keinen Hemmungen.« »Dann sage mir, was du darüber weißt.« »Es ist nicht viel.« Kik hockte sich wieder auf den Maschinenblock. Seine großen Augen strahlten etwas Trauriges aus. »Sie betrifft fast alle Lebewesen der Basis des Ersten Zählers. Beyl Transot wurde von ihr so betroffen wie du und alle anderen. Ich spüre sie nicht. Auch dann nicht, wenn ich einmal geruht habe. Du hast einmal dazu gefolgert, daß ich wohl einen ganz anderen Metabolismus habe, aber ich weiß nicht, was ein Metabolismus ist. Die Roboter oder Janvrin oder der Erste Zähler sind sicher auch dagegen immun. Aber der Erste Zähler ist wohl verschwunden. Da fällt mir übrigens ein, daß Born möchte, daß du auch ihn findest und befreist. Das ist schon fast alles. Auffällig ist noch, daß die Mnemo-Löschung erst begann, als du hier aufgetaucht bist. Sonst weiß ich nichts darüber.« Erneut drängten sich tausend Fragen in mein Bewußtsein. Ich fragte nach dem Wesen, das Beyl Transot hieß, nach dem Zähler und nach anderen Dingen, aber Kik meinte stets, das sei entweder unwichtig, oder er wisse nichts darüber. Der Logiksektor schlug sich auf die Seite Kiks. Es ist wirklich angebracht, wenn du dich an die Ratschläge Borns und Kiks hältst. Mach dich auf die Suche nach der Ursache der MnemoLöschung. Und denk daran, daß Born einen Überfall der Vakuumatmer angekündigt hat. »Wo geht es hier nach draußen, Kik?«
»Komm!« Der Fünfbeinige stieg wieder von dem Sockel. »Ich führe dich nach oben.« Schweigend schloß ich mich ihm an. Unser Weg führte durch eine Reihe ähnlicher Hallen mit einer unverständlichen Technik. Ich registrierte jede Einzelheit, die ich sah, und dabei ertappte ich mich immer wieder bei dem Gedanken, daß ich möglicherweise das alles schon einmal gesehen hatte. Immerhin weckte das nun eine echte Überzeugung in mir, nach der Ursache des Vergessens zu suchen. Der Gedanke, daß ich nur so einen Schritt voran käme, wurde immer stärker. Über intakte Antigravschächte gelangten wir auf höhere Ebenen. Einmal blieb Kik in einer Halle stehen, die mich an eine gigantische Reparaturwerkstatt erinnerte. In einer Ecke lagen die Trümmer von mehreren Robotern. Aus den Bruchstücken konnte ich mir ein ungefähres Bild vom ursprünglichen Aussehen der Maschinen machen. Den Typ kannte ich nicht, aber zweifellos handelte es sich um ähnliche Formen, wie wir sie auch auf den terranischen Schiffen verwendeten. Kik blieb neben mir stehen, als ich sinnend auf die Trümmer starrte. »Atlan«, sagte er leise. »Erinnerst du dich?« Ich schüttelte den Kopf. »Das war Janvrin, als du dich mit den Robotern verbünden wolltest. Vor Janvrin mußt du dich hüten, obwohl er wohl nicht daran interessiert ist, dich zu töten. Denn das hätte er tausendfach gekonnt.« »Weiter!« drängte ich, denn mit Kiks Erklärungen vermochte ich nichts anzufangen. Noch nicht! machte mir mein Extrasinn Hoffnung. Wir eilten durch einen langen Gang, der künstlich beleuchtet war wie alle Hallen und Räume, durch die wir gekommen waren. »Dort geht es an die Oberfläche der Basis.« Kik deutete auf eine Wendeltreppe, die in die Höhe führte.
Als ich meinen Fuß auf die unterste Stufe setzen wollte, krachte eine schwere Metallplatte von oben herab und versperrte mir den weiteren Weg. Im letzten Moment konnte ich den Fuß zurückziehen, sonst hätte es mir glatt die Zehen abgeschlagen. »Was nun, mein kleiner Freund?« fragte ich. »Weiß nicht.«
3. Wir brauchten nicht lange zu warten. Durch den Korridor, durch den wir an diesen Ort gelangt waren, stampften mehrere Roboter heran. Allein durch ihre vielen Körper machten sie es unmöglich, den Weg zurück zu fliehen. Die Maschinen waren von der Bauweise, die ich an den Trümmern festgestellt hatte. Sie waren nicht bewaffnet. Als sie heran waren, bildeten sie einen engen Kreis. Dann trat eine von ihnen vor. Ich wunderte mich schon nicht mehr, daß sie ein fehlerfreies Interkosmo sprach. »Wir sind erfreut, Atlan«, begann der Roboter, »dich endlich wieder zu sehen. Viele Tage sind vergangen, und nichts ist geschehen. Du warst unerreichbar für uns. Wir sind hier, um dein Versprechen zu erneuern. Mein Name ist übrigens Rico.« »Rico?« Ich schrie meine Verblüffung offen heraus. Die Erinnerung an meinen Wartungsroboter aus der Überlebenskuppel auf dem Grund des Atlantischen Ozeans brach schlagartig durch. Das war etliche Jahrtausende her. Dieser brave Roboter war von mir Rico genannt worden. »Das kann nicht wahr sein«, fügte ich schweratmend hinzu. »Natürlich ist es nicht wahr«, entgegnete der Roboter gelassen. »Mein richtiger Name ist Spyk14, aber du hast mich Rico getauft.« Ich atmete auf. Das erklärte unter dem dürftigen Wissen, das ich
besaß, diesen Namen. Du hast dir selbst Hilfsmittel geschaffen, erläuterte der Logiksektor, um dir bei einer erneuten Begegnung darüber im klaren zu sein, daß du bestimmte Dinge oder diese Roboter schon einmal erlebt hast. So mußte es sein. »In Ordnung, Rico. Leider kann ich mich an dieses Versprechen, das du erwähnt hast, nicht erinnern.« »Das ist uns bekannt. Es entbindet dich auch von jeglicher Schuld. Auch weiß ich, daß du das Versprechen schon mehrere Male wiederholt hast. Darum geht es uns primär auch nicht. Wir wollen, daß du es endlich einlöst.« Die Komplikationen, mit denen ich automatisch beim Auftauchen der Maschinen gerechnet hatte, lagen also auf einem ganz anderen Gebiet. »Dann sage mir, was ich euch versprochen habe, Rico.« Der Stahlkoloß brachte eine Folie zum Vorschein und reichte sie mir. Ich erkannte meine Handschrift und ein Zeichen, das ich als Unterzeichnung zu verwenden pflegte. Dann las ich: Ich, der Arkonide Atlan, versichere den Robotern der Basis des Ersten Zählers, alles in meinen Kräften Stehende zu tun, um den Ersten Zähler aus der Gefangenschaft von Anti-ES zu befreien. Ich las das noch einmal, aber da stand tatsächlich »Anti-ES«. Schweiß trat auf meine Stirn. Ich war zu keiner klaren Überlegung mehr fähig. Das bedeutet, folgerte mein Extrasinn lakonisch, daß du jetzt deinen Feind wieder kennst. Es bedeutet aber auch, daß du viel tiefer in diese Sache verstrickt bist, als ich es bei meinen kühnsten Berechnungen bislang angenommen hatte. Die Roboter warteten schweigend. Nur auf Ricos Stirn blinkte unruhig ein Leuchtdiode. Neben mir hörte ich Kik atmen. Ich brauchte den Logiksektor nicht, um eine Folgerung zu ziehen. Wenn mein Gegner in diesem grausamen Geschehen die verbannte Superintelligenz Anti-ES war, dann stand ich auf
verlorenem Posten. Auch Wesen wie Born oder Kik oder diese Roboter konnten mir dann nicht helfen. Irrtum! der Extrasinn schloß sich nicht der Panik an, die in mir tobte. Da du schon über dreizehn Jahre in diesem Kampf überstanden hast, hast du eine Chance. Vielleicht sogar mehrere. Es muß etwas geben, das dich schützt. Bedenke, was Kik über Janvrin gesagt hat, der dich längst hätte töten können. Als Rico fortfuhr zu sprechen, glaubte ich für einen Moment, er hätte die Gedanken des Extrasinns mitgehört. »Du weißt, obwohl du dich nicht erinnerst, daß nur du allein etwas gegen Anti-ES und seine Helfer ausrichten kannst. Deswegen brauchen wir dich, und deswegen möchte wir, daß du dich an deine Zusage hältst.« »Wieso gerade ich?« wollte ich wissen. »Nicht nur wir brauchen dich, Atlan. Nach dem, was wir in Erfahrung gebracht haben, braucht auch Anti-ES dich. Das ist sicher der Grund, weswegen dein Leben geschont wird.« Das war keine logische Erklärung, denn sie ließ alles offen, aber sie paßte in das löchrige Bild, das ich bisher gewonnen hatte. »Ich stehe zu meinen Versprechen, Rico.« Ich reichte dem Roboter die Folie zurück. »Es könnte sein, daß du sie noch einmal oder mehrmals brauchst.« »Ich weiß.« Rico verstaute die Notiz. »Nun kannst du gehen. Wir wünschen dir viel Erfolg.« Hinter mir erklang ein scharrendes Geräusch, als die Metallplatte den Weg wieder frei machte. Ich atmete erneut auf. »Warum begleitet ihr mich nicht?« fragte ich die Roboter. »Gemeinsam würden wir eher etwas erreichen.« »Das bezweifle ich. Jeder, der von uns an die Oberfläche ging, wurde von Janvrin zerstört. Abgesehen davon verbietet uns unsere Programmierung, das Innere der Basis zu verlassen. Nur der Erste Zähler könnte uns eine solche Anweisung erteilen.« Ich machte eine Geste des Einverständnisses. »Eine letzte Frage
noch, Rico. Ich muß etwas suchen, das die Ursache dafür ist, daß ich im Schlaf alle vorangegangenen Dinge vergesse. Was könnte das sein? Wo bekomme ich einen Hinweis darauf?« »Diese Frage hast du noch nie gestellt«, wunderte sich der Roboter. »Das zeigt zumindest, daß du trotz des ständigen Vergessens Fortschritte machst. Allerdings können wir dir kaum helfen. Die Vergessenswirkung trat erst ein, nachdem du auf die Basis gekommen warst. Wenn sie von deinem Feind nicht selbst und direkt bewirkt wird und wenn du sie nicht selbst mitgebracht hast, dann kann es nur etwas sein, was schon immer auf der Basis war, aber nie zuvor aktiviert wurde. Die Lichtquelle scheidet aus. Andere Hinweise können wir dir nicht geben, aber es ist sicher, daß nach dir nichts Körperliches mehr hier ankam. Wir überwachen ständig den Außenraum über unsere technischen Einrichtungen. Und nun geh! Bevor du wieder schlafen mußt, und alles erneut beginnt.«
* Ich stand inmitten einer fremden Landschaft. Die Oberfläche der Basis enthielt kaum Hinweise auf die umfangreiche Technik in ihrem Innern. Sie glich weitgehend einer normalen Landschaft. Nur drei Gebäudekomplexe in der Ferne verrieten, daß hier auch künstliche Dinge zum Normalen gehörten. Kik weigerte sich, mir irgendeine Frage zu beantworten. Er behauptete, ich würde das alles zur Genüge kennen. Jede Beschäftigung mit diesen Dingen würde mich zudem nur von der vordringlichsten Aufgabe abhalten. Ich mußte mit diesen Erklärungen zufrieden sein. Die seltsamen Lichtverhältnisse machten mich dennoch nachdenklich. Ich sprach Kik darauf an. »Das Licht kommt aus der Quelle der Jenseitsmaterie. Das ist jenes Leuchten dort in der Talmulde unter dem offenen Kuppelbau. Du
solltest dich aber von der Lichtquelle fernhalten. Man weiß nie, wie sie reagiert. Außerdem war sich Rico sicher, daß sie nichts mit dem von dir gesuchten Objekt zu tun hat.« Mehr war von dem Fünfbeiner in dieser Sache auch nicht zu erfahren. Ich kletterte durch dichtes Buschwerk auf eine Anhöhe, um einen besseren Überblick zu gewinnen. In einigen hundert Metern wurde ein bizarres Felsmassiv sichtbar, das zuvor von den Bäumen verdeckt gewesen war. Eine einzelne Felsnadel, die dazu gehörte, zeigte wie ein Finger hinaus in die umgebende Schwärze der Namenlosen Zone. Das Firmament war von einer gleichmäßigen Lichtlosigkeit, und ich fühlte die Andersartigkeit dieses fremden Raumes. Born! dachte ich. Wo soll ich hier mit der Suche beginnen? Das ist schlimmer als die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Ich bekam keine Antwort. Als ich mich weiter umsah, stellte ich fest, daß Kik verschwunden war. Mir war wohl entgangen, daß er mir gar nicht auf den Hügel gefolgt war. Konzentriere dich auf dein Vorhaben! mahnte mich wieder der Extrasinn. Er hatte gut reden. Ich war kein Telepath, aber nicht nur deswegen war es unmöglich, die vermutete Hypnosestrahlung wahrzunehmen, denn diese wirkte sich offensichtlich nur aus, wenn ich schlief. »Ich lege mich schlafen«, schlug ich dem Logiksektor vor. »Du bleibst wach und paßt auf. Wie wäre es damit?« Eine Antwort verbietet sich, entgegnete er unfreundlich. Du weißt, daß ich in dieser Beziehung an dich gebunden bin. Laß dir etwas Besseres einfallen. »Wozu hast du deine ARK-SUMMIA-Existenz? Laß du dir etwas einfallen.« Ich will dir gern helfen, aber in den meisten Fällen hörst du ja doch nicht auf mich.
»Ich mache eine Ausnahme.« Mein Extrasinn antwortete nicht sofort. Ich spürte jedoch seine gedankliche Aktivität. Außergewöhnliche Situation verlangen außergewöhnliche Mittel, teilte er mir dann mit. Ich muß etwas tun, was mir zuwider ist und was meinem Bewußtseins-Ego eigentlich widerspricht. Der Grund dafür ist, daß ich unzureichende Basisdaten habe. »Sprich dich ruhig aus!« Ich erkenne keinen Grund, warum deine Beeinflussung nur im Schlaf wirken soll. Das kann an den fehlenden Daten liegen. Wenn ich aber annehme, daß es einen anderen Grund hat, so spricht einiges für folgende Theorie: Du wirst ständig überwacht. »Weiter!« Noch erkannte ich nicht, was mein zweites Ich sagen wollte. Wenn man dich ständig überwacht, weiß man nun auch, daß du auf der Suche nach der Quelle des Vergessens bist. Und nun denke etwas Belangloses, damit unser heimlicher Zuhörer abgelenkt wird. Allmählich dämmerte es mir, aber ich würgte diese Überlegung sofort wieder ab. »Wenn die Unterscheidung sich auf den Wach- und Schlafzustand bezieht«, sagte ich, »können wir ruhig offen miteinander denken.« Vielleicht. Aber jedes Vielleicht, das wir mit einbeziehen, macht die Sache noch fragwürdiger. Deshalb ist Vorsicht besser. Ich dachte an ein Mädchen namens Ania Dena, das ich einmal auf dem Planeten Mars flüchtig kennengelernt hatte. Dann schwenkte ich in meinen Überlegungen auf meine hoffnungslose Lage. Beide Gedanken verband ich miteinander und sprach dann den intensiven Wunsch aus, schnell zu sterben, zuvor aber noch einmal Ania in meinen Armen zu halten. Denke jetzt klar und stark, daß du weißt, wo die Ursache der Vergessensstrahlung liegt. Ein geheimnisvolles und unnahbares Wesen namens Laire hat es dir soeben mitgeteilt. Dann wähle zielstrebig irgendeine Richtung und denke, daß du die Überwachung in die Irre
führen willst. Ich führte die Ratschläge meines Extrasinns exakt aus. Als ich den Hügel hinabstieg, behielt ich diese Überlegungen bei und verbreitete dabei ein gedankliches Gefühl der Überlegenheit und Sicherheit. Gut! Folge weiter meinen Anweisungen, ohne darüber nachzudenken. Wir müssen irgend etwas aus der Reserve locken. Ich verzichtete darauf, etwas zu antworten und weitete meine Gedanken über die frevelhafte Quelle des Vergessens und deren Vernichtung weiter aus. In wenigen Minuten würde ich meinen Feind vernichten. Schwenk nach rechts! Automatisch gehorchte ich. So legte ich eine Strecke zurück, aber nichts geschah. Die Konzentration auf meine Überlegenheit (die ja gar nicht vorhanden war!), erforderte alle innere Kraft. Denke: »Genug in die Irre geführt. Langsam in Richtung des Zieles« und schwenke noch einmal nach rechts! Ich hielt nun genau auf das Felsmassiv zu. Durch einen Einfluß, den ich nicht näher lokalisieren konnte, wurde mir schwindlig. Vielleicht waren es meine Konzentrationsbemühungen, vielleicht etwas anderes. Ich ließ aber nicht von dem einmal eingeschlagenen Weg meiner Füße und meiner Gedanken ab. Mehr als schiefgehen konnte dieser Versuch ja nicht. Etwa zehn Grad nach links. Und nach einer Minute dann zwanzig Grad nach rechts! Ich mußte mich innerlich weiter aufbäumen, nicht daran zu denken, was das bedeuten sollte. Die Schwindelgefühle nahmen zu. Mein Zellaktivator begann heftiger zu pulsieren und stellte sich damit auf meine Anstrengungen ein. Nach der zweiten Richtungsänderung wurde das Umfeld frei. Gestein und niedriger Bewuchs erlaubten mir ein schnelleres Ausschreiten. Das Felsmassiv kam nun rasch näher. Der Extrasinn meldete sich zunächst nicht. Dann vernahm ich
seine nächste Anweisung, die ich sofort in die Tat umsetzte: Denke: »Ein gutes Täuschungsmanöver war das!« Was? wollte ich fragen und denken, aber der Impuls des Logiksektors lenkte mich sehr schnell wieder in die alten Bahnen. Ich setzte ein zufriedenes Lächeln auf, das der Ausdruck meiner künstlichen Überlegungen sein sollte. Schon mußte ich die Zweifel über mich selbst unterdrücken und die Gedanken, nur lächerlich zu wirken. Bei jeder geringen Abweichung umklammerte mich der Logiksektor mit ungewohnter Härte. Am schlimmsten war die Unterdrückung der eigenen logischen Ideen. Gut so, Arkonidenfürst! Jetzt versuchte er es mit einem positiv wirkenden Aufmöbelungsmanöver. Ich ließ auch das gedankenlos über mich ergehen. Nur das Klappern von Gestein ließ mich herumfahren. Etwa hundert Schritte hinter mir erkannte ich Kik, der auf einen einzelnen Gesteinsbrocken geklettert war. Er gestikulierte wild mit vier Armen oder Beinen. Seine Stimme klang bis zu mir herüber. »Atlan! Was machst du? Paß doch auf! Dort vorn ist er. Janvrin! Vielleicht wird er dich diesmal töten. Ich verschwinde lieber, nicht wahr?« Sekunden später erblickte ich ihn nicht mehr. Er war irgendwo zwischen den Büschen untergetaucht. Egal, dachte ich intensiv. Erst vernichte ich die Quelle der MnemoLöschung, und dann kümmere ich mich um ihn. Ein Fauchen in meiner unmittelbaren Nähe ließ mich zusammenzucken. Nun handelte ich wie ein Automat. Etwas fetzte über mich hinweg. Ich erkannte für einen Moment eine gewaltige schwarze Pranke und hechtete zur Seite. Dann sah ich das Untier. Wenige Meter von mir entfernt kauerte sich ein riesiger Panther mit pechschwarzem Fell auf seine vier Beinpaare nieder und setzte zum Sprung an. Die Bestie war über zwei Meter lang, und ihre überlangen Eckzähne sprachen eine furchterregende Drohung aus. Janvrin! durchzuckte mich ein Gedanke, der von einem
unverständlichen Triumphgefühl meines Extrasinns vermischt wurde. Wieso ein Triumphgefühl? Ich konnte diese Überlegung nicht zu Ende führen, denn die mächtigen Muskeln Janvrins spannten sich. Als ich den Augenblick gekommen sah, in dem das Untier losschnellen würde, geschah etwas ganz anderes. Janvrin teleportierte! Ohne Zeitverlust war er über mir und riß seine geifernden Kiefer so weit auf, daß ich die Knochen knacken; hörte. Heißer Atem schlug mir in das Gesicht.
4. Auch meine weitere Reaktion war eher instinktiv als überlegt. Was sich in Sekundenbruchteilen abgespielt hatte, wurde gedanklich in noch kürzerer Zeit von mir beantwortet. Jenseitsmaterie! Heraus! Vernichte das Ungeheuer! Es erfolgte eine Explosion. Fetzen flogen in alle Richtungen, schwarze Fetzen, die mit Blut getränkt waren. Ich lag halb auf dem Rücken und verfolgte das grausame Schauspiel, das Janvrins Teile in alle Winde zerstreute. Irgendwann mußte ich in meinen Gedanken auch noch an meinen Schutz gedacht haben (oder war es der Extrasinn gewesen? Oder handelte die Jenseitsmaterie aus sich heraus so planvoll?), denn ich wurde von keinem Bruchteil des Panthers getroffen und auch nicht von den aufgewirbelten, glühenden Gesteinsbrocken. Meine zweite Kugel aus Jenseitsmaterie hatte ich für dieses Ungeheuer geopfert. Als ich mich wieder beruhigte und das Geschehene überlegte, stieß ich auf einen Punkt, der mich sehr nachdenklich stimmte. Gut, ich hatte diese Ausgeburt der Hölle vernichtet. Aber etwas war dennoch falsch. Ich wunderte mich, daß mein Extrahirn sich nicht dazu äußerte. Nach den Dingen, die ich erfahren hatte, stellte Janvrin für mich
keine lebensbedrohende Gefahr dar! Dennoch hatte ich ihn instinktiv dahin geschickt, wo er nach meinen Gefühlen hingehörte, in die Hölle! Hatte ich sinnlos die zweite Waffe oder den zweiten Helfer vergeudet? Hatte ich die Hilfe Borns nicht unlogisch und falsch eingesetzt? Oder hätte dieses Untier, das ich schließlich bewußt erstmals erlebte, mich diesmal ausradiert? Ich brauchte den schweigsamen Logiksektor nicht, um zu wissen, daß dies nicht die erste Konfrontation mit Janvrin gewesen war. An Kiks Worten hegte ich keine Zweifel. Hatte ich also falsch und zu überhastet gehandelt? Oder richtig und instinktiv? Richtig! sagte der Extrasinn. Wenn ich so wäre wie du, würde ich jetzt lachen. Mir fiel das seltsame Triumphgefühl wieder ein, das er mich im Augenblick der größten Gefahr hatte spüren lassen. Da stimmte noch mehr nicht! Es stimmt alles! Die ganze Sache war ein Erfolg, denn jetzt wissen wir, in welcher Richtung du nach der Ursache der Mnemo-Löschung zu suchen hast. Ich stutzte und richtete mich auf. »Es liegt mir fern, dich zu beschimpfen. Aber vielleicht hättest du die Güte, dich etwas deutlicher auszudrücken.« Güte? Das hat nichts mit Logik zu tun. »Dann erkläre dich ohne Güte. Äußere dich sachlich. Schließlich habe ich wie ein Gehirnloser deine Anweisungen befolgt.« Bis du in die Gefahr geraten bist und nach deinen Gefühlen gehandelt hast. »Ist das ein Vorwurf?« Absolut nicht. Das war einkalkuliert. Der Ausgangspunkt meiner Gedanken war eine verschwommene Erinnerung, die ich hatte, als du noch in dem Gefängnis im Innern der Basis warst. Ich sagte dir, daß ich mich an unlogische Dinge erinnere, zwar nur in Bruchstücken und zusammenhanglos, aber dennoch real. Darin spielte das Felsmassiv vor dir eine Rolle. Ich weiß zwar nicht, welche, aber ich tippte in meinen
unerlaubten Spekulationen einfach darauf, daß du durch deine Gedanken in Richtung des Felsmassivs am ehesten eine Reaktion der Gegenseite bewerkstelligen würdest. Ich wußte, daß alles nur eine gewagte Annahme war, und deshalb brauchte ich einen Beweis. Janvrins Auftauchen war der Beweis. Daher mein Triumphgefühl, das natürlich nachgeahmt war, denn derartig absurde Emotionen sind mir fremd. Da ich sie aber von dir kenne, zur Genüge, nebenbei bemerkt, baute ich darauf meinen Plan auf. Und da ich dich kannte, war es klar, daß du die Jenseitsmaterie einsetzen würdest. »Janvrin konnte teleportieren. Er war ein anderes Geschöpf.« Den guten Geistern des Kosmos sei Dank. Wenn es nicht so gewesen wäre, wäre mein Beweis unvollständig. Allmählich ging mir auf, was der Logiksektor errechnet hatte. »Ist der Preis nicht zu hoch?« fragte ich. »Die vorletzte Kugel aus Jenseitsmaterie habe ich geopfert, obwohl die Gefahr wahrscheinlich nur fiktiv war. Und andererseits die Gefahren und Strapazen, denen ich mich aussetzen mußte?« Du wirst dich wundern, aber ich widerspreche dir nicht. Ich nenne dir aber den Grund. Born, wer oder was das immer auch sein mag, hat dir unschätzbare Hilfsmittel gegeben. Das zeigt, daß er Vertrauen in dich gesetzt hat. Und die Roboter der Basis haben es auch getan. Selbst der merkwürdige Kik hat in letzter logischer Konsequenz eine klare Linie verfolgt, auch wenn ich sie noch nicht durchschaue. Und Born hat gesagt, was du versuchen sollst, nämlich die Mnemo-Löschung zu beseitigen. Es ist nicht so, daß nur die Roboter dich brauchen oder Anti-ES. Auch Born braucht dich! Es war besser für mich, nicht zu antworten, denn mein zweites Ich sprach in einer ungewohnt sanften Weise zu mir. Vielleicht lag es am Ernst der Lage. Wenn ein Wesen wie Born – und ich habe berechnet, daß du ihn kennst –, wenn ein solches Wesen dir drei fast ultimate Hilfsmittel gibt und dazu sagt »Viel kann ich nicht für dich tun«, dann ist es gerechtfertigt, auch für sein Drängen alles einzusetzen, was man besitzt. Das gilt nicht nur für eine Kugel aus Jenseitsmaterie oder die Beseitigung eines Wesens, das
vielleicht nur einen Scheinkampf geführt hat. Es gilt sogar für mich in dem Punkt, in dem ich versuchsweise ein auf nicht abschätzbaren Risiken und Vermutungen und Unwahrscheinlichkeiten aufgebautes Spiel mit dir getrieben habe. Und das alles nur, um die Richtung zu erfahren, in der du suchen mußt. Ich sagte nichts. Ich hockte da, schlang zuerst beide Arme um meine Unterschenkel, und als ich merkte, daß ich mich wie ein Baby im Mutterleib krümmte und nach Wärme und Zuspruch suchte, tastete ich kurz an die Brusttasche der fremden Kombination, wo ich die letzte Kugel aus Jenseitsmaterie fühlte. Dann klammerte ich mich wieder an die angezogenen Knie. Ich spüre deine Gedanken nicht, strömten die Worte des Extrasinns zu mir. Aber du darfst nie vergessen: Ich bin du. Aber du bist nicht ich. Ohne zu überlegen, stand ich wieder auf. Von Kik war weit und breit nichts zu sehen. Das Felsmassiv lag in Rufweite. Lag dort die Lösung? Konnte ich dort die Ursache des grausamwiderlichen Geschehens beseitigen, das mich meiner Erinnerung beraubte? Aus mir heraus bekam ich nichts zu hören. Ich nahm einen Stein auf und warf ihn, nur um irgend etwas zu tun, in Richtung des Felsmassivs. Ich hörte den Stein aufprallen, aber ich sah gleichzeitig, wie er in der Luft verharrte und sich verformte. Er bildete ein Ei von Kopfgröße, das mit Sechsecken überzogen war, die in den Farben der Kügelchen aus Jenseitsmaterie schimmerten. Als ich noch einmal auf diesen Punkt starrte, was alles verschwunden. Das habe ich gesehen, sagte mein Logiksektor zögernd. Ich habe dir das Bild zugespielt. Aber deuten kann ich es nicht. Eine Vision, beruhigte ich mich. Bei den Geschehnissen ist es nicht verwunderlich, wenn selbst der Logiksektor etwas von seiner Logik verliert. Sein Schweigen machte mich auch nicht schlauer. Ich ging langsam weiter in Richtung der einen Felsnadel, die wie ein Finger mit einem zweiten, nach innen gebogenen, in die Höhe ragte. Als
nach einem guten Stück des Weges hinter dem Hauptmassiv eine zweite fingerförmige Nadel auftauchte, erkannte ich den Unterschied. Warum ich ihn erkannte, konnte ich nicht sagen: Ich spürte ihn. Es mußte der zuerst gesehene Finger sein. Du hast recht. Endlich meldete sich wieder mein zweites Ich. Aber für mich war es in der Vergangenheit das Felsmassiv selbst. Das weiß ich jetzt. »Träumereien«, antwortete ich abfällig, ohne es bösartig zu meinen. Stimmt. Ich war überrascht, das zur Antwort zu bekommen. Es war ein Traum. Aber im Sinn deiner Worte und deiner Gefühle. Ich wußte, daß ich den Logiksektor nicht wirklich verletzten konnte, aber dennoch schwieg ich. Erst wenn ich wieder alles wissen würde, würde ich vielleicht unterscheiden können, was Phantasie und Wirklichkeit war. Mein Blick ging in die Höhe, wo ich etwas sah, was ich schon nach dem Verlassen der Innenwelt der Basis des Ersten Zählers bemerkt hatte. Über dieser teils künstlichen, teils natürlich wirkenden Kleinwelt wölbte sich ein schwach erkennbarer Schutzschirm. Oder war es nur ein energetischer Vorhang, der die Atmosphäre hielt? Beides. Ich erkannte Born sofort wieder. Ich verlasse die Unrealität für Sekunden. Ich sehe, was du getan hast. Ich bin sehr zufrieden und danke dir. Du bist auf dem rechten Weg, und du hast mein Vertrauen. Es war eigentlich logisch, daß es in etwa den gleichen Ort gewählt hat wie ich und du für … ich schicke die Vakuumatmer, damit… … es kommt schon wieder. Halte durch! Ich muß weg! Ich verstand kaum etwas, obwohl ich die Worte klar vernahm. Als ich eine Frage in meinen Gedanken formulierte, wußte ich im gleichen Augenblick, daß es keine vernünftige Frage war. »Ich und du für … für wen?« Ich vernahm einen verwehenden Gedankenfetzen, der seltsam fremd und doch nah und warm klang: Tscheibrejn! Genau das. Die Mentalstimme meines Extrasinns klang seltsam.
Aber es heißt anders, sein Name ist … … lassen wir das. Du mußt die Ursache deiner Dummheit finden. Oder die deines fehlenden Wissens. Die Mnemo-Löschung. Alles andere ist unwichtig! »Einverstanden. Aber was ist Chybrain? Gefällt dir diese gedankliche Buchstabenfolge besser?« Sie gefällt mir besser, denn ich weiß, daß sie richtig ist. Ich weiß nicht, warum ich das weiß. Oder warum sie richtig ist. Das Felsmassiv. Der schlanke Stein, der Finger mit dem gekrümmten dicht daneben. Ich brauche Ruhe, denn ich weiß plötzlich, daß ich nahe diesem Ort Visionen gehabt habe, die nicht in meine Logik passen und die Wahrheit wurden. »Wahrheit wurden?« Ja! Das war Vergangenheit, nein, es ist Vergangenheit. Was viel verwirrender ist, ist meine jetzige Vision. Es wird auch noch eine Zukunft geben, in der du … wir … nein, du, in der du Chybrain erleben wirst … du, ich, wir … ich brauche Ruhe … Ich verstand meinen Extrasinn nicht mehr. Während sich meine Gedanken immer geordneter bewegten, schien er einen regelrechten Logikeinbruch zu erzielen. Zweifelte er an sich selbst? War das Spiel, das er mit mir abgezogen hatte, über seine Kräfte gegangen? Sein Schweigen war beängstigend und beruhigend zugleich. Ich ließ davon ab, meine Überlegungen gezielt an ihn zu richten, und konzentrierte mich auf meine eigene Logik. Aber war er nicht auch ein Teil meiner Logik? Vielleicht sogar der bessere, wie die jüngsten Ereignisse bewiesen hatten? Das Felsmassiv kam schnell näher, denn ich legte ein gutes Tempo vor. Etwas trieb mich an, vielleicht nur die Angst, trotz meines Zellaktivators müde zu werden und dann jede Chance auf eine Veränderung vertan zu haben. Danke, Atlan! Das war eine gänzlich neue Stimme! Sie klang weise und alt. Und verzweifelt. Mit der Vernichtung von Janvrin hast du eine wichtige Hälfte von mir freigesetzt. Danke.
»Was?« fragte ich. »Wer bist du?« »Janv-Zount, der Erste Zähler. Du hast mir schon einmal geholfen. Damals habe ich dir kein Vertrauen geschenkt. Heute tue ich's. Du bist auf unserer Seite.« »Zähler? Der Herr der Basis? Gibt es noch mehr von deiner Sorte?« Wahrscheinlich stellte ich wieder eine unpassende Frage. Als die Stimme wieder antwortete, merkte ich erst, daß sie realer war, als es die Borns gewesen war. Und näher als die meines Extrasinns. »Die Anzahl der Zähler wird bestimmt«, hörte ich, »aber das ist unwichtig, zumindest im Augenblick. Meine mechanischen Helfer haben dir geholfen. Du hast ihnen ein Versprechen gegeben, das du nie erfüllen kannst, denn du kannst mich nicht befreien. Die Macht von Anti-ES ist bewußt so stark. Ich kenne die Pläne meiner Schöpfer auch nicht. Aber damit du deinen Weg gehen kannst, sage ich dir das Schlüsselwort für Rico und seinesgleichen … Es kommt wieder! Es ist da, das Böse! Suche das Spinar! Vielleicht kannst du dort noch etwas erreichen, was die Intensivgedanken der … aah … erfüllt…« »Das Schlüsselwort, Janv-Zount«, brüllte ich mit aller gedanklicher Kraft. »… der Schlüssel ist Bars-2-Bars …« Wieder waren es nur Gedankenfetzen, die mich erreichten. »Und die Basis … der Herr der Basis ist … das Kodewort dafür … aah … ich will es dir sagen, Atlan … wir brauchen dich … die anderen auch … du mußt zu Rico nur das sagen, was du wei…« Es war wie ein Schwert, das alles zerschlug. Die Verbindung war unterbrochen. Der Herr dieses Ortes, der Erste Zähler Janv-Zount, mußte schweigen. Ich spürte, daß ich etwas von der Macht dessen gehört hatte, der unbegreiflicherweise jetzt und hier mein Feind war: Anti-ES. Was hatte Janv-Zount mir sagen wollen? Bars-2-Bars war nichts, das direkt mit dem zu tun hatte, was mir den wirklichen Zugang zu den Robotern der Basis erlaubt hätte.
»Was du wei …«, murmelte ich und starrte auf das Felsmassiv. Die Einflüsse häuften sich. »Eigentlich konnte das nur heißen: Was du weißt.« Bedeutete das nun, das, was ich im Augenblick wußte oder das was ich wissen würde, wenn ich die Sperre in meinen Erinnerungen beseitigt haben würde? (Wenn mir das gelingen sollte!). Mein Extrasinn schwieg noch immer. Ich spürte ihn dennoch und fühlte, daß er zu sich selbst, zu seinem alten Ego, finden wollte. Also konnte ich von dort keine Hilfe und keine guten Ratschläge erwarten. »Wei …«, sagte ich mir, »ist weiß.« Also meinte Janv-Zount die reale Gegenwart. Der Erste Zähler mußte ein mächtiges Wesen sein, und, so folgerte ich, aus einem Teil von ihm hatte Anti-ES Janvrin geformt. Gab es eine Garantie, daß Anti-ES das nicht noch einmal tun würde? Das Kodewort, um Rico zu überzeugen. Mir fiel nichts Rechtes ein, aber vielleicht würde der Extrasinn sich überwinden und mir helfen. Ich bin du, hatte er gesagt. Aber du bist nicht ich! Das klang gut. Es weckte Vertrauen in mir selbst. Nicht nur die dreizehn Jahre ohne Erinnerung konnten das auslöschen. Da war auch noch die Zeit davor! Der Weg durch die Materiequelle, gemeinsam mit Laire, dem einäugigen Roboter der Kosmo … Es sind nicht dreizehn Jahre! Der Logiksektor hatte seine unpersönliche Kühle wiedergefunden. Das hörte ich heraus. Es sind mindestens dreizehn Jahre und sieben Monate. Ich reagierte empfindlich, weil ich zu brutal aus meinen Gedanken gerissen wurde. »Etwas Blöderes hast du nicht zu bemerken?« Doch. Ich bin du. Aber du bist nicht ich. Und da gerade ein Felsbrocken auf dich herabstürzt, spielt es eigentlich keine Rolle mehr, wer wer ist. Es sei denn, du benutzt deine Muskulatur, um dem Untergang auszuweichen. Wenn nicht, gibt es weder dich noch uns. Auf Hilfe von anderer Stelle brauchst du nicht zu warten. Das haben meine logischen Überlegungen
längst ergeben. Das obere Drittel des Felsenfingers hatte sich schon geneigt. Es durchmaß etliche zehn Meter, meinte ich, und ich würde ihm nicht mehr ausweichen können. Irgend etwas in mir weckte meinen Trotz. Ich wollte das letzte Kügelchen aus Jenseitsmaterie hier nicht einsetzen. Dafür war mir die Gefahr zu profan. Vielleicht lag es auch daran, daß ich die letzte Kugel zu leichtsinnig verschwendet hatte. Ich rannte los, seitlich zur ursprünglichen Richtung und damit außerhalb der Gefahrenzone. Der riesige Gesteinsbrocken donnerte in meiner Nähe auf die Oberfläche der Basis, so daß die Funken aufsprühten und die Trümmer durch die Gegend flogen. Einer davon traf mich an der Brust und riß ein Loch in mein einziges Kleidungsstück. Die Brusttasche auf der linken Seite wurde zerfetzt. Die kleine Kugel mit ihrem roten und grünen Leuchten kullerte heraus und verschwand irgendwo zwischen dem Gestein und den Trümmern. Aus! dachte ich. Ein anderer Brocken flog gegen meinen Kopf und fügte mir einen unerträglichen Schmerz zu. Blut spritzte an meinen Augen vorbei, mein Blut. Bleib drin! dachte ich die letzte Kugel aus Jenseitsmaterie an. Ich finde dich wieder! Wenn du dann noch lebst, meinte der Logiksektor relativ ruhig. Wollte er mich beeinflussen? Nichts anderes habe ich je getan. Du blickst in die falsche Richtung. Schau in die Höhe. Ich kämpfte mit der Besinnungslosigkeit und dem furchtbaren Gedanken, ich könnte bewußtlos werden und in einen schlafähnlichen Zustand eintreten, in dem ich alles vergessen würde. Vielleicht hatte ich das schon einmal erlebt? Vielleicht einmal, vielleicht mehrmals? Nach oben!
Meine Augen drehten sich unter den Schmerzen und unter dem Willen, nicht aus dieser Realität zu verschwinden. Der Aufprall des riesigen Felsbrockens war verklungen. Ich lebte noch, aber es war ein Dasein am Rand der Bewußtseinsschwelle. Nach oben! Ich lag verkrümmt auf der linken Seite meines Körpers, aber ich wußte nicht, wie ich in diese Lage gekommen war. Unter Schmerzen wälzte ich mich zur Seite. Meine Augen erblickten den Energieschirm, der sich über der Basis des Ersten Zählers wölbte. Der silbrige Glanz gefiel mir. Das war schön. Ich erinnerte mich an Arkon und … Idiot! Die Worte bereiteten mir Schmerzen, aber ich wußte, daß ich mich in diesem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Logiksektor und mir, zwischen Namenloser Zone und heimatlichem Universum sehr gut wehren konnte. Ich wußte plötzlich mit aller Deutlichkeit, wer der Urheber meiner verteufelten Schmerzen war. Der Extrasinn! Das Produkt der ARK SUMMIA! Aha! Und ich wußte, wer mich von diesen logischen Überlegungen ablenken wollte. Nicht Anti-ES, nicht der Erste Zähler, nicht Beyl Transot, nicht Kik, nicht Tscheibrejn, nicht ein schäbiger Felsbrocken … … nur einschlafen durfte ich nicht! Nicht bewußtlos werden! Er war der Übeltäter, der Verräter! Der Extrasinn, der Logiksektor! Mein zweites Bewußtsein, das schäbige Produkt der ARK SUMMIA. Du spinnst einfach, gab er mir zur Antwort. Es war etwas viel für dich. Ich bin du. Und du siehst nicht, was sich dort oben in dem Energieschirm der Basis wirklich ereignet. Es entstehen Löcher. Große Quallen kommen herab, und keiner weiß, was sie wirklich wollen. Ich habe keinen Zweifel darüber, daß sie wissen, was sie wollen. Und ich habe keine Zweifel darüber, daß das die von Born angekündigten Vakuumatmer sind, denn sie kommen aus dem Vakuum.
Ich sah die Felsnadel, der die Spitze fehlte. Ich sah die Löcher in dem Schirm der Basis. Ich sah das Aufglühen unten im Tal, wo die Quelle der Jenseitsmaterie war, vor der mich Kik eindringlich gewarnt hatte. Ich sah die Fäden an den Quallen, die nach irgend etwas lechzten. Und ich sah, daß ich mich unter den Schmerzen in hirnlose Phantastereien verstiegen hatte. Ich schickte ein Dankeswort an den Extrasinn, und ich bekam, wie erwartet, keine Antwort. Dann wurde ich hellwach. Ich vergaß den Schmerz und das Blut an meinem Körper. Es mußte weitergehen! Mnemo-Löschung! Vakuumatmer! Kik, Überleben, Anti-ES, mein Ziel jenseits der Materiequellen, das ich verfehlt hatte, die Ursache der Mnemo-Löschung, alles war unwichtig. Born hatte die Vakuumatmer geschickt. Helfer waren das nicht, eher Wesen, die mir durch die angestiftete Verwirrung helfen sollten. Born hatte wohl keine andere Wahl, meldete sich der Extrasinn. Einverstanden. Mein Ziel – und davon war ich inzwischen innerlich überzeugt – war die Beseitigung der Quelle, die mein Vergessen verursachte. Aber jetzt, da die Vakuumatmer die Basis angriffen, wollte ich wissen, was sie wollten. Konnte Born »Vakuumatmer« manipulieren? Unwichtig, behauptete der Extrasinn. Aber es ist richtig, daß du dich wieder auf die aktuellen Dinge besinnst und deine Phantastereien vergißt.
5. Eins der Dinger, die durch einen konzentrierten Einsatz Lücken in dem Energieschirm der Basis des Ersten Zählers schafften, landete nur wenige Meter von mir entfernt. Ich spürte eine starke mentale Ausstrahlung, die ich nicht sofort
deuten konnte, aber ein Begriff tauchte immer wieder auf: ZeppZounter. Ich glaubte, daß ich dieses Wort schon einmal gehört hatte. Zumindest in Teilen mußte dies der Fall sein. Trotz eines fotografischen Gedächtnisses fiel mir jedoch der Zusammenhang nicht ein. So kauerte ich mich zunächst hinter einen Felsbrocken und studierte das fremde Wesen. Es ähnelte einer abgeflachten Riesenqualle. Der Hauptkörper durchmaß etwa zehn Meter. Er lag jetzt flach auf dem Boden. Er war fast durchsichtig und schillerte in allen denkbaren Farben. Ich wurde dabei an Seifenblasen erinnert, wie sie terranische Kinder gern zum Spielen benutzten. Nur die rund zwei Dutzend Tentakel, die aus dem Rumpf wuchsen, paßten nicht in dieses Bild. Die kopfgroßen Saugnäpfe wirkten furchterregend. Was mochten das für Wesen sein, fragte ich mich. Und warum hatte gerade sie Born aktiviert? Zweifel kamen in mir auf, daß sie überhaupt eine Unterstützung sein könnten. Der Name Vakuumatmer und die Art des Erscheinens über der Basis, ohne Raumschiff oder ein vergleichbares Transportmittel, ließ mich vermuten, daß diese Wesen buchstäblich im totalen Nichts lebten. Andere Zepp-Zounter, die in der Nähe herabschwebten, verstärkten diesen Eindruck, denn sie bewegten sich auch außerhalb des Energieschirms zielrichtig und ohne äußere Hilfsmittel. Nur die Tentakel wurden schlagend bewegt. Der eigentliche Kopf der Quallenwesen, der etwa drei Meter durchmaß, lag in der Flugrichtung vorn. Erst kurz bevor die Vakuumatmer die Oberfläche der Basis erreichten, schwenkten sie ihre Körper herum, um mit den Tentakeln voran zu landen. Als ich noch einmal in die Höhe blickte, erkannte ich, daß sich die Öffnungen in dem Energieschirm wieder geschlossen hatten. Dahinter und darunter waren auch keine weiteren Vakuumatmer mehr zu entdecken. Also mußte die ganze Armee gelandet sein. Ich
schätzte nach meinen Beobachtungen, daß es sich um etwa 150 Wesen handeln mußte. Ich fand allmählich Gefallen an den Farben der Zepp-Zounter. Da sie es offensichtlich nicht auf mich abgesehen hatten, richtete ich mich wieder ganz auf und beobachtete das Treiben genauer. Verschwindet! warnte eine unbekannte Mentalstimme. Ich vermochte sie nicht zu identifizieren. Es war mir auch ziemlich gleichgültig, wer da sprach. Die Vakuumatmer hatten ein klares Ziel. Das war aus den koordinierten Bewegungen zu erkennen, mit denen sie sich nun bewegten. Daß sie dabei die Richtung von mir fort in Richtung des Mittelpunkts der Basis wählten, machte mich noch sorgloser. Ich folgte ihnen in etwa fünfzig Metern Abstand. Schon bald erkannte ich das Ziel. Es war die strahlende Kuppel in der Talmulde, die Kik die Quelle der Jenseitsmaterie genannt hatte. Jenseitsmaterie? Auch dieses Wort kam mir merkwürdig bekannt vor, aber ich hatte den Sinn wohl vergessen, weil er nicht wichtig war. Auf den Tentakeln kamen die Zepp-Zounter nur langsam voran. Größere Hindernisse, etwa Felsen oder dichtstehende Bäume, umgingen sie nicht. Sie schlangen entweder ihre Extremitäten darum und zerrten sie zur Seite. Wenn das nicht funktionierte, lösten sie die Materie auf. Ich vermutete, daß sie dabei eine Substanz aus ihren Saugnäpfen absonderten. Ich schritt über eine Fläche, die mit dichtem Gras bewachsen war. Der Boden war federnd und weich. So beschloß ich, mich ein wenig auszuruhen. Was die Vakuumatmer beabsichtigten, würde ich auch später noch beobachten können. Als ich mich gerade hinlegen wollte, tauchte eine andere Gestalt neben mir auf. Sie kam mir auch irgendwie bekannt vor, aber ich sagte mir, daß das wohl ein Irrtum sein mußte. Auch verspürte ich keine Lust, mich mit dem kleinen braunen Fünfbeiner zu befassen. Das war eher ein Fall für die Mutanten, vielleicht für Gucky, denn
der wandelnde Seestern besaß etwa die Größe des Mausbibers. »Atlan«, sagte der Fünfbeiner. »Was ist mit dir los?« »Nichts, Kik.« Durch einen Zufall fiel mir der Name des Fremdwesens ein. »Ich will mich nur ein wenig ausruhen, bis die anderen kommen.« »Welche anderen?« »Na, Perry, Ras, Gucky oder was weiß ich wer.« »Du redest im Delirium!« »Werde nicht frech, du Witzfigur!« Ärgerlich stand ich wieder auf. Kik stieß einen Seufzer aus. »Dann war es also diesmal wieder nichts«, erklärte er bedauernd. »Weiß Anti-ES, was nun wieder geschehen ist?« Anti-ES? Der Name elektrisierte mich! Er stach mir wie ein feuriger Spieß in meinen Kopf. Tatsächlich schmerzte mir der Schädel plötzlich bis in die letzten Fasern, aber die Pein war erträglich. Zudem besaß sie eine befreiende Wirkung. Schatten, Verwirrung und Unwissenheit fielen in einer Sekunde von mir ab. Ich stand wie versteinert da, als ich erkannte, welchen Unsinn ich teilweise gedacht und gemacht hatte, wie ungerecht und idiotisch ich mich gegenüber dem Logiksektor verhalten hatte und daß ich nahe daran gewesen war, mich schlafen zu legen. Dann hätte ich all die mühsam erworbenen Kenntnisse wieder vergessen. Es gab nur eine logische Erklärung. Ich war beeinflußt worden, und ich hatte nichts gemerkt. Wahrheit und Wahnsinn waren miteinander vermischt worden, um mich von meinem Ziel abzubringen, die Quelle der Mnemo-Löschung zu finden. Ich tastete über die Brusttasche meiner Kombination und fühlte nichts. Die letzte verbliebene Kugel aus Jenseitsmaterie, das kostbare Geschenk von Born, war verschwunden. Natürlich, sie lag irgendwo in einem Felsspalt einige Meter von hier entfernt. Nun galt es schnell zu handeln, damit ich nicht einen neuen Rückschlag erlitt, der meinen Plan gefährden würde. Endlich, sagte mein Extrasinn. Ich hatte dich schon aufgegeben.
* Meine miese Lage war mir wieder bewußt, aber mein Verstand funktionierte wieder richtig. Meine Folgerungen, die der Logiksektor auch bestätigte, waren einfach. Da Janvrin mich nicht von meinem Vorhaben hatte abbringen können, war eine andere Aktion gegen mich begonnen worden. Mein unbekannter Gegner hatte mich verwirrt und dann dazu getrieben, mich schlafen legen zu wollen. Nur in diesem Zustand konnte er ja seine Kräfte voll entfalten und meine Erinnerungen auslöschen. Kik hatte mit dem Stichwort »Anti-ES« dieses Netz zerschlagen. Irgend etwas in mir war wieder angesprungen und hatte mich erkennen lassen, in welches Verhängnis ich mich stürzen wollte. Die Vakuumatmer waren jedoch verdammt real. Sie hatten sich inzwischen in einem großen Kreis um die Quelle der Jenseitsmaterie geschart, die noch heller als gewohnt leuchtete. »Was haben diese Quallen vor?« fragte ich Kik, der abwartend und unsicher schwankend neben mir stand. Als er mir keine Antwort gab, fügte er rasch hinzu: »Keine Sorge, Kleiner. Ich bin wieder normal. Etwas hat versucht, mich zu beeinflussen und mir etwas vorzugaukeln. Jetzt, wo ich es erkannt habe, kann ich den Zwang abwehren.« »Ich kenne diese Dinger nicht, Atlan«, behauptete Kik. »Ich habe sie noch nie gesehen. Es hat den Anschein, daß sie es auf die Quelle der Jenseitsmaterie abgesehen haben. Alle haben sich dort versammelt, außer einem.« »Sie heißen Vakuumatmer oder Zepp-Zounter. Wohin ist der eine von ihnen verschwunden?« Kik hob einen Arm und deutete auf das Felsmassiv in meinem Rücken, das zuvor mein Ziel gewesen war.
Born kann diese Dinger nicht ohne Grund geschickt haben, behauptete der Logiksektor. Ich stimme Kik zu, daß sie es auf die Jenseitsmaterie abgesehen haben. Der eine Zepp-Zounter, den er beobachtet hat, ist auf ein anderes Signal angesprungen. Und das kann nur dein Ziel sein, die Ursache der Vergessensstrahlung. Ich schließe daraus, daß dieses in irgendeiner Form auch etwas mit der Jenseitsmaterie zu tun hat. Ich nickte, und dann wünschte ich mir, daß ich meine verlorengegangene letzte Kugel wieder in meinem Besitz hätte. Das kleine leuchtende Ding schwirrte so schnell heran, daß ich es fast übersehen hätte. Es glitt wieder durch meine Kombination hindurch und erzeugte eine winzige Ausbeulung in meiner Brusttasche. Das Problem war bereinigt. »Ich kann mich nicht um die Vakuumatmer dort unten kümmern«, sagte ich zu Kik, und der Logiksektor pflichtete mir sofort bei. »Mein Ziel ist die Ursache der Mnemo-Löschung. Der eine Zepp-Zounter ist ein weiterer Beweis, daß diese irgendwo dort hinten in den Felsen zu finden sein muß.« »Ich werde dich begleiten.« Kik schritt voraus, ohne eine Antwort von mir abzuwarten. Ich folgte ihm und warf noch einen Blick zurück. Wenn ich es aus der Entfernung richtig erkannte, dann begannen die Vakuumatmer, sich zu allen Seiten der Quelle in das Erdreich vorzuarbeiten. Teile eines flachen Gebäudes, das ihnen dabei wohl im Weg war, hatten sie schon aufgelöst. Vorsichtig näherte ich mich dem Felsmassiv. Der Brocken, der mich um ein Haar zerschmettert hätte, war mir noch zu gut in Erinnerung. Auch Kik schien davon zu wissen, denn er drängte sich ängstlich an meine Seite. Zepp-Zounter und Janv-Zount, überlegte ich, während meine Augen die Umgebung absuchten. Janv-Zount und Janvrin und die Mitteilung des Ersten Zählers. Das Bild rundete sich zumindest theoretisch ab. Janvrin war ein willenloser Teil des Herrn dieser Basis gewesen. Ich zweifelte nicht daran, daß Anti-ES der
Verursacher dafür war. Keine Antwort fand ich auf die Frage, warum mein Leben geschont worden war. Wenn die Mnemo-Löschung beseitigt ist, vermutete mein Extrahirn, wirst du es wissen. »Da!« Kik wedelte aufgeregt mit drei Extremitäten und richtete sich dabei auf den beiden anderen hoch auf. Unterhalb des abgebrochenen Felsmassivs erkannte ich jetzt auch den einzelnen Vakuumatmer. Er arbeitete sich wie ein Wilder in das Gestein hinein und hatte bereits einen Gang von mehreren Metern Breite und Tiefe erzeugt. Er macht dir den Weg frei, vermutete der Logiksektor. Folge ihm unauffällig. »Warum so vorsichtig? Die anderen Zepp-Zounter haben mir auch nichts getan.« Zu der Zeit warst du nicht im Besitz der Jenseitsmaterie! Diese Warnung war von zwingender Logik. Ich blieb in sicherer Entfernung von der immer größer werdenden Höhle. Zusätzlich verbarg ich mich hinter mehreren Felsbrocken. Der Zepp-Zounter arbeitete wie besessen. Ob er Augen besaß oder mich orten konnte, wußte ich nicht. Ich spürte seine schwachen Gedanken und vermochte daraus eine Gier zu lesen. Es war, als ob das Wesen einen unstillbaren Hunger hätte. Aber auch der Druck in meinem Kopf war noch vorhanden. Ich konnte ihn jedoch relativ leicht unterdrücken. Immerhin bedeutete das, daß mein unbekannter Feind noch immer versuchte, mich zu beeinflussen. Der Vakuumatmer verschwand hinter einer Krümmung, die er selbst geschaffen hatte. Ich verließ mein Versteck und kletterte über Felsen und Steine zu dem Eingang des Stollens. »Ich warte hier auf dich, Atlan. Nicht wahr?« rief Kik mir nach. Seine letzten Worte wurden von einem schrecklichen Gebrüll übertönt, das aus dem Stollen kam. Ich zögerte einen Moment, dann stürmte ich los. Der Logiksektor erhob keine Einwände. Sekunden
später war ich am Ende des Felsgangs angelangt. Dieser mündete in eine Höhle, in der grelle Blitze zuckten. Ich kauerte mich nieder, um genau zu erkennen, was hier geschah. Zuerst erkannte ich den Vakuumatmer. Er war es, der das unwirkliche Gebrüll ausstieß. Sein Körper leuchtete auch hier schwach in allen Farben. Die Blitze selbst kamen von oben. Sie waren so grell, daß ich ihre Ursache nicht ausmachen konnte. Der zurückgedrängte Druck in meinem Kopf war verschwunden. Dann erkannte ich das zweite Wesen in dem Wechsel aus Dunkelheit und grellem Licht. Es war etwa zwei Meter groß und lehnte sich an eine Felswand. Ich sah hundert dünne Arm- und Beinpaare an ihm und einen fast menschenähnlichen Kopf mit Fühlern und einem großen Maul. Überlange Zähne ragten daraus hervor. Sie hatten sich in den Kopf des Zepp-Zounters verbissen, der seinerseits mit den Tentakeln seinen Gegner umschlingen wollte, aber immer wieder an ihm abglitt. Halte dich erst einmal heraus, riet mir mein Extrasinn. Der Vorschlag entsprach meinen eigenen Wünschen. So begnügte ich mich damit, den seltsamen Kampf zu verfolgen, der ohne erkennbare Vorteile für eine Seite weitertobte. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die ungewohnten Lichtverhältnisse. Als die zuckenden Blitze schwächer wurden, bemerkte ich ein konisch geformtes künstliches Gerät unter der Decke, aus dem die Entladungen kamen. Dann bemerkte ich ein weiteres, das mir das Blut in den Adern erstarren ließ. Das vielbeinige Wesen war an die Felswand gekettet. Überall dort, wo die dünnen Beine in den Rumpf mündeten, waren Energiefesseln angebracht und zusätzlich stählerne Bänder. Ich empfand Mitleid mit der Kreatur und spielte mit dem Gedanken, ihr zu helfen. Auf keinen Fall! drängte mein zweites Ich. Es könnte sein, daß seine Tötung die Mnemo-Löschung beseitigt. Ich zweifelte an der Richtigkeit dieser Worte, aber ich wartete das
weitere Geschehen ab. Das Gebrüll des Vakuumatmers wurde leiser, seine Bewegungen langsamer. Der angekettete Vielbeiner schien mit seinem scharfen Gebiß eine empfindliche Stelle gefunden zu haben. Schließlich erstarb das Geheul. Das Quallenwesen sank schlaff in sich zusammen. Es sah aus, als ob man die Luft aus einem Ballon ließ. Nur eine undefinierbare Masse, halb flüssig, halb fest, blieb zurück. Sie sickerte langsam in den Felsboden. Zu meiner Verwunderung zuckten weitere Blitze herab, unter denen sich das gefesselte Wesen krümmte. Ich verließ meinen Platz und schritt auf es zu, wobei ich die Blitze genau verfolgte, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können. Schon nach wenigen Schritten wurde der Druck in meinem Kopf stärker. Ich wehrte ihn mit aller Energie ab, aber als ich gegen ein unsichtbares Hindernis prallte, begann ich zu taumeln. »Ich erfülle meine Aufgabe«, krächzte das Wesen an der Wand. »Laupertyn ist treu und ergeben. Und du, Atlan, hast keine Chance gegen mich. Schon seit einer Ewigkeit.« Ich streckte eine Hand vor, um das Hindernis zu betasten. »Es ist kein Hindernis von draußen, Atlan.« Laupertyn kicherte und krächzte zugleich. »Es kommt aus dir heraus. Ich habe es in dir erzeugt. Ich bin der größte Hypno, den die Schlafenden Mächte der Namenlosen Zone je geboren haben.«
6. Ich wich an den Ausgang zurück und starrte verständnislos auf den gefesselten Laupertyn. War das die Quelle der verhängnisvollen Mnemo-Löschung? »Ich bin es«, antwortete die kratzende Stimme. Also konnte er meine Gedanken lesen. »Nein, Atlan. Das macht die Maschine dort oben, die mich mit ihren Blitzen quält. Sie läßt mich wissen, was du denkst und machst.
Ich sorge nur dafür, daß du im Schlaf alles vergißt, denn so hat es der Herr befohlen.« »Der Herr?« fragte ich laut und unterdrückte das quälende Summen in meinem Kopf. »Ich denke, du sprichst von Anti-ES.« »So ist es. Wissen nützt dir nichts. Der Überwachungsmechanismus hat nichts dagegen, wenn ich dich informiere, denn er weiß, daß du es schon bald wieder vergessen haben wirst.« »Ich sehe deine Fesseln, Laupertyn. Daraus folgere ich, daß du deine Aufgabe nicht freiwillig erfüllst. Und die Blitze …« »So ist es, Atlan. Wenn Anti-ES sein Ziel erreicht hat, werde ich befreit und belohnt. Dann werde ich der Beherrscher der Basis sein. Und da Anti-ES vorsichtig taktiert, sorgt seine Maschine dafür, daß ich nicht von meinem Versprechen abweiche.« Ich erkannte die Grausamkeit dieser Vorgehensweise und schwieg betreten. Gleichzeitig brachte ich Laupertyns Denkweise kein Verständnis entgegen. Das gequälte und gefesselte Wesen schien mit seiner absurden Lage sogar noch zufrieden zu sein. Meine rechte Hand glitt über die Ausbeulung der kleinen Kugel aus Jenseitsmaterie. Hier hatte ich die Möglichkeit, die Situation in meinem Sinn zu bereinigen. Und in Borns Sinn, meldete sich der Logiksektor. Nur befürchte ich, daß das nicht funktioniert. »Warum?« Die Antwort gab mir Laupertyn. »Die Jenseitsmaterie, die du besitzt, ist auf dich eingestimmt. Sie wird jedoch versagen, denn ihre Masse ist zu gering. Dort oben in der Maschine befindet sich ein viel größerer Brocken, der den ganzen Vorgang überwacht und der die Folterblitze erzeugt. Du bist machtlos gegen sie und mich.« Ich wollte das nicht glauben, weil ich so kurz vor meinem Ziel nicht zu resignieren bereit war. So gab ich den gedanklichen Befehl, diese Anlage zu zerstören und Laupertyn zu befreien. Das Kügelchen verließ seinen Platz. Es glitt schräg nach oben auf
den konischen Körper zu, der seine Blitze einstellte. Laupertyn kicherte hohntriefend auf. Meine Jenseitsmaterie blähte sich auf, aber sie wurde langsamer. Dann schrumpfte sie wieder zusammen und kehrte zu mir zurück. »Bist du nun überzeugt, Atlan?« Laupertyn lachte schauerlich. »Wenn du etwas für mich tun willst, dann sage es.« »Was soll ich für dich tun, wenn du dich gegen mich stellst?« »Ich habe keine andere Wahl, Fremdling. Ich will es auch gar nicht anders, aber das verstehst du nicht. Du kannst etwas für mich tun. Verlaß diesen Ort. Geh hinaus und lege dich irgendwo schlafen. Wenn du schläfst, stoppt die Maschine ihre Blitze.« Die Fühler Laupertyns bewegten sich neugierig hin und her, aber ich war nicht in der Lage, eine Antwort zu formulieren. So war es für mich wie eine Erleichterung, daß ich durch einen anderen Umstand aus meinen gedanklichen Qualen abgelenkt wurde. Kik kam in die Höhle gerannt. »Du lebst!« brüllte er so laut, wie ich es noch nie bei ihm gehört hatte. »Das ist gut. Aber draußen nähern sich zehn oder zwanzig Vakuumatmer. Das Gebrüll muß sie angelockt haben. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat.« »Danke, Kik. Und nun verschwinde wieder. Beobachtete die anderen Zepp-Zounter, damit du mir später sagen kannst, was sie mit der Lichtquelle angerichtet haben.« »Später?« Kik wendete und strebte wieder dem Ausgang zu. »Wenn du dann noch lebst.« Ich konzentrierte mich, meine Gedanken vor der Überwachungsmaschine abzukapseln, aber ich konnte nicht sagen, ob dies gelang. Es ist fraglich, meinte der Extrasinn. Es steht aber fest, daß ich nicht belauscht werde. Daher mache ich dir den Vorschlag, unser Spiel noch einmal zu wiederholen. Ich denke und befehle. Und du spielst nur den willenlosen Körper, der ohne bewußtes Denken reagiert. »Das war verdammt anstrengend, und es hat letztlich dazu
geführt, daß ich die Kontrolle über mein persönliches Bewußtsein verlor.« Dein Einwand ist berechtigt. Ich sehe aber keine andere Lösung. Außerdem hast du die Kraft, dich zu widersetzen, ohne Schaden zu erleiden. Ich willigte ein, und meine Überlegungen konzentrierten sich wieder auf Ania und andere Frauen, die meinen langen Lebensweg gekreuzt hatten. Mit solchen Dingen konnte die Gedankenüberwachung sicher am wenigsten anfangen. Dann ließ ich meine Gedanken mehr und mehr verflachen, womit ich versuchte, mich in eine Art Wachtraum zu versetzen. Ausgezeichnet, stellte der Extrasinn sachlich fest. Nun gib deiner Jenseitsmaterie den Befehl, von hier zu verschwinden und sich irgendwo zu verbergen. »Warum …« Still! der Gedanke war wie der Biß einer Schlange. Ich krümmte mich zusammen und dachte an Su, Mory, Demeter … Der Befehl an die Jenseitsmaterie! Hau ab, und laß dich nicht erwischen, Bonbon, dachte ich. Und zwar schnell. Als ich dann eine Bewegung und ein rotgrünes Leuchten vor mir sah, dachte ich an die Kugeln eines Weihnachtsbaums, an Murmeln und Seifenblasen. Hinaus! Ich brüllte: »Ich will mein Bonbon wiederhaben!« und rannte los. Weit kam ich nicht. Auf der halben Strecke ins Freie waren die Vakuumatmer schon da. Sie fegten heran, ohne mich zu beachten. Ich wurde von einem Tentakel getroffen und zur Seite geschleudert. Der Schmerz auf meiner Brust war höllisch. Ich sah, wie sich der Anzug handbreit aufgelöst hatte und darunter die Haut Blasen schlug. Der Zellaktivator war zur Seite gerutscht. Er preßte sich unterhalb des Herzens in den Brustkorb, wo dieser noch unversehrt geblieben war. Die riesige Wunde breitete sich wie ein Feuer immer
schneller aus. Allein der Anblick ließ mich taumeln, von den Höllenqualen ganz zu schweigen. Hinaus! Der Schrei des Logiksektors mobilisierte noch einmal meine letzten Kräfte. Ich preßte meine Hände auf die offene Wunde und stürmte weiter. Mehr torkelnd als rennend verließ ich den Felsstollen. Draußen stolperte ich über das Geröll und schlug der Länge nach hin. Wildes und infernalisches Geheul drang an meine Ohren. Der Felsfinger wankte. Einzelne Gesteinsbrocken polterten neben mir herab, aber ich besaß nicht mehr die Kraft, ihnen auszuweichen. Noch ein Stück weg von hier! Los! Ich wurde im Rücken getroffen und spürte warmes Blut an der rechten Hüfte. Auf allen vieren kroch ich weiter, angetrieben von dem einmal flehenden und einmal befehlenden Extrasinn. Schließlich nahte die Bewußtlosigkeit. Ich spürte, wie sie mich zu übermannen drohte. Die Folgen waren mir so bewußt wie nie, aber nichts im ganzen Kosmos hätte mich dazu gebracht, gegen sie anzukämpfen. Ich sah meine Hände. Sie waren blutig. Ich schloß die Augen. Nun würde ich wieder alles vergessen! Schlafe! befahl der Extrasinn. Schlafe! Ich hörte ein Donnergrollen. Zog da ein Gewitter auf? Seltsam, in NATHANS Wetterbericht war davon nicht die Rede gewesen. Warum kam niemand, um mir »Gute Nacht« zu sagen? Wahrscheinlich nahm man Rücksicht darauf, daß ich so müde war. Bevor ich endgültig versank, kam wieder der stechende Gedanke, der mich meine Träumereien erkennen ließ. Anti-ES!
* Das Erwachen war eine Folge von vielen tausend Gedanken, die
mich in den ersten Sekunden des Wachseins durchrasten. Es war wie ein Höllenfeuer. Und es war befreiend wie nach einer jahrelangen Gefangenschaft. Es war, als ob ich als Ertrinkender aus einem Sumpf gerissen und auf ein sicheres Eiland gesetzt wurde. Es war wie die Wiedergeburt des Universums, über das man sogleich ein neues Damoklesschwert gehängt hatte. Es war wie die erste Wärme nach dem Erklimmen eines eisigen Gipfels, und doch auch so, daß mir der Abstieg ins Tal erst bevorstand und drohende Unwetter und überhängende Schneewände, die sich in jeder Sekunde in tödliche Lawinen verwandeln konnten, alles wieder zunichte machen konnten. Es war wie das Erlöschen des Fegefeuers im Anblick der wütend verzerrten Fratze des Teufels, dessen Gesicht sich erst änderte, als er in seinem Fell ein Päckchen Streichhölzer fand und triumphierend in die Höhe hielt. Es war Triumph! Triumph trotz manch schmerzlicher Erkenntnis. Triumph macht stark, wenn man ihn mit dem richtigen Maßstab mißt. Und dreizehn Jahre und sechs oder sieben Monate sind ein Maßstab, mit dem man Qualen und Erniedrigungen, Fehlschläge und Verluste, aber auch Erfolg für das Gute, Siege über das Böse und letztlich das eigene Überleben messen kann. Ich atmete trotz der unüberschaubaren Menge von Erinnerungen, die in diesen Sekunden in mir explodierten, als seien sie nie dagewesen, auf. Zwei völlig gegensätzliche Gedanken dominierten alles. Der eine war: Du liegst schlecht und hart auf kantigem Gestein. Ich stand auf. Der andere war: Die Mnemo-Löschung ist weg. Ich lachte! Ich lachte, obwohl ich wußte, daß meine Probleme dadurch eigentlich noch umfangreicher geworden waren, denn jetzt wußte ich wieder … alles! Dann schickte ich einen Impuls des Dankes an meinen Extrasinn, weil er mich in diesen Sekunden allein ließ.
* Die Felsnadel mit der Höhle Laupertyns war nicht mehr vorhanden. Ich konnte mir ausmalen, welcher Kampf dort getobt hatte, und es war mehr als Glück, daß ich nicht tödlich getroffen worden war. Was für mich zählte, war das Ergebnis. Die Mnemo-Löschung war beseitigt, und das bedeutete, daß die Vakuumatmer diesmal Sieger über den Tausendfüßler gewesen waren. Ich hatte gewonnen, auch wenn ich es letztlich dem Einsatz der Zepp-Zounter zu verdanken hatte, die Born geschickt hatte. Der Extrasinn schwieg noch immer. Die Lage auf der Basis des Ersten Zählers war unklar, aber das würde ich klären können. Kik, treu und zuverlässig (er hatte mich über zehn Jahre mit Nahrung versorgt!), würde beobachten. Schlimm war die Erkenntnis, in einer Mission für Perry Rhodan und die Terraner gescheitert zu sein. Der vorgesehene Wechsel durch die Materiequelle zu den Kosmokraten war fehlgeschlagen. Selbst Laire mußte versagt haben, auch wenn ich diese Einzelheiten nicht kannte. Aber in der Erinnerung seit dem Jahr 3587 bis heute, wo nach meinem Wissen und nach meinem eigenen Zeitgefühl bereits das Jahr 3601 geschrieben wurde, war Laire oder ein Einwirken der Kosmokraten nie dagewesen. Das war betrüblich, und der Gedanke, daß die Kosmokraten eben nach anderen, für mich unverständlichen Gesetzen handelten und dachten, war nur ein schwacher Trost. Ich durchlebte in Sekunden meine Entführung durch Anti-ES, dessen sinnlose Versuche, mich als Geisel zu benutzen, meine Flucht von dem Planetoiden, die Grenzwächter, die erste Begegnung mit Kik auf der Basis Janv-Zounts (obwohl ich seinen Namen bereits bei dem Grenzwächter Eppletonn gehört hatte! Also war er auch einmal dort!), die jahrelange erneute Gefangenschaft ohne Fortschritte,
dann das tausendfache Erwachen auf der Basis unter ganz unterschiedlichen Bedingungen, das Tappen durch die Unwissenheit, den Kontakt mit dem körperlosen Ersten Zähler, die vielen Versprechen gegenüber den Robotern, die tausend Kämpfe gegen Janvrin, der ein Teil von Janv-Zount war, die schweigsame Lichtquelle, ein Objekt mit Leben und doch eine Maschine, die Produktionsstätte der Jenseitsmaterie, meist abweisend, geizig, und nur einmal großzügig … … bei der Geburt Chybrains! Das berührte mich am meisten, denn in meinen Erinnerungen fand ich keinen Hinweis, ob dieses Wesen aus der Geisteskopulation meines Extrasinns mit dem was heute Born darstellte, überhaupt noch existierte. Auch dafür gab es keinen Hinweis und kein Wort von dem positiven Teil von Anti-ES. Ein Lächeln flog über mein Gesicht, als ich daran dachte, daß ich diesen gewachsenen Kern von Anti-ES in einem Verzweiflungskampf mit einem blanken Messer aus dessen Körper herausgeschnitten hatte, und das war nur möglich gewesen weil die Minis meinen Weg gekreuzt hatten. Ich dachte an Leitgeist, den opferwilligen, unbegreiflichen Miniaturisierer, an Ahratonn, den Zweig des Grenzwächters Eppletonn, an Beyl Transot, für dessen Anwesenheit in der Namenlosen Zone es keine Erklärung gab, an den lächerlich unfertigen und doch so gewieften Anti-Homunk (eine Neuauflage der Anti-ES-Praktiken!) und an die ÜBERZONE. Ich dachte und dachte. 5000 Tage in ein paar Sekunden nachzuerleben, wenn die geballte Erinnerung in einem Bewußtsein explodiert, das war unbegreiflich und doch schön. In einem Bewußtsein? Du hast doch mich. Es mußten Monate vergangen sein, aber jetzt meldete sich der Extrasinn wieder. Es sind Sekunden, sagte er, als ob er von den chemischen Verarbeitungsmöglichkeiten eines synthetischen Schreckwurms sprechen würde. Ich erkannte, daß sich meine Gedanken in kurzer
Zeit mit extrem vielen Dingen befaßten, und daher kam die falsche Zeiteinschätzung. Als der Logiksektor wieder schwieg, und darüber war ich froh, denn wenn er Gefühle gekannt hätte, hätte ich mich mehr als einmal bei ihm entschuldigen müssen, hing ich weiter meinen Gedanken nach. Immer wieder kehrten sie auf einen Punkt zurück, auf Chybrain. Ich hatte den Verdacht, daß der Extrasinn bei der Annäherung an das Felsmassiv durch seine eigenen, mir verschlossenen Träume bereits die Bedeutung dieses Ortes gekannt hatte. In Teilen mußte es so sein. Und obwohl zwischen Laupertyn und Chybrain keine Beziehung bestand, außer, daß Anti-ES und Born zufällig den fast gleichen Ort gewählt hatten, mußte der jetzt wieder schweigende Logiksektor etwas gewußt haben. Ich konnte ihn sogar verstehen. Meine Gedanken rasten weiter. Gyl, die Vulnurer (Unbekannte, aber die Lichtquelle hing an ihnen, und sie mußten früher einmal hier gelebt haben), die Spinnen, die Jäger von Anti-ES, die terranische Vergangenheit des Gegenspielers von ES, Paulau, das Opfer und vieles mehr … Bitte hör auf, erklang der Extrasinn. Ich bin du. »Und du bist ich«, entgegnete ich ganz ernsthaft.
* Keine Einwände. Aber was hältst du davon, wenn du dich wieder auf die aktuellen Probleme konzentrierst? »Nichts«, gestand ich. »Macht es dir keine Schwierigkeiten, in so kurzer Zeit eine solche Menge von Fakten zu verkraften?« Du meinst wohl, zu verarbeiten? Nein, das macht mir keine Schwierigkeiten, obwohl ich keine Erklärung für mein Verhalten während des innerlichen Kontakts mit dem positiven Teil von Anti-ES habe. »Gefühle!«
Ein Wort, das für mich nur als Wort existiert. Es ist etwas schwierig in ein logisches System einzuordnen. »Du hast sie bei der Zeugung Chybrains gehabt!« behauptete ich. Ich spürte Gedanken der Unsicherheit. Oder waren es rasende Berechnungen? Dann kam die Antwort. Es ergeben sich zwei Problemkreise. Wenn ich wirklich Gefühle gehabt haben sollte, dann kann ich sie nur für diese Zeitspanne, in der ich nicht in deiner Nähe und deinem Körper war, von dir mitgenommen haben. »Einverstanden. Ich fühle mich nicht nur als Zeuger von Chybrain.« Der andere Punkt, der mich viel mehr verwundert. Ich habe dir damals von dem Geschehen berichtet, aber den Namen Chybrain habe ich nie erwähnt. Ich kannte ihn nicht bis zu dem Augenblick, als du nach deiner Schlafenszeit, in der der Zellaktivator auf Hochtouren wirkte und deine fast tödlichen Wunden beseitigte, erwacht bist. »Wirklich?« Wirklich. Habe ich je gelogen? Oder bin ich zu einer Lüge fähig? »Zu einer Lüge nicht, aber zu einer kosmischen Zeugung.« Ich bin du. Woher kennst du den Namen »Chybrain«? Ich dachte in Ruhe nach, jagte mich noch einmal durch die Zeit, die ich nicht gekannt hatte, vom Wahn, in Perry Rhodan den Tyrannen Orbanaschol zu sehen, über die Entführung kurz vor der vermeintlichen Materiequelle, meine Gefangenschaft auf dem löchrigen Planetoiden von Anti-ES, dem Herausschneiden des lächerlich kleinen positiven Kerns, der Ankunft auf der Basis des Ersten Zählers bis zu den Jahren des ewigen Vergessens. Ich fand keinen Hinweis, woher ich das Wort »Chybrain« kannte, aber ich wußte, daß es so war. Auch war ich mir ganz sicher, daß es sich um keine Gedächtnislücke handeln konnte, die irgendwie »gemacht« worden war. Die Antwort, die ich dem Extrasinn gab, gefiel mir nicht nur gut, ich empfand sie auf meine Weise als logisch. Ich sagte: »Vaterinstinkt, du Teil von mir.«
Die Antwort lautete: Du hast selbst unter der Beeinflussung Laupertyns noch zu mir gesagt, daß du mich nicht beleidigen kannst. Ich weiß nun, daß du unter hypnotischer Beeinflussung sachlicher reagierst als sonst. Das klang, als ob ich ihn jetzt beleidigt hätte. Ich mußte dem Logiksektor, so sehr ich ihn brauchte und mochte, eine passende Antwort geben. »Versager! Ich habe nie von einer möglichen Beleidigung gesprochen. Ich habe gedacht, daß ich dich nicht wirklich verletzen kann. Und das war gefühlsmäßig gemeint gewesen, als ich schon von Laupertyn beeinflußt worden war.« Seine Antwort war bestechend: Die Zepp-Zounter! Die Quelle der Jenseitsmaterie! Deine letzte Kugel, die deine letzte Waffe ist! Das Kodewort für Rico, das du nicht kennst! Die Gefahr, die von Anti-ES ausgeht! Dein Versprechen, den Ersten Zähler zu befreien! – Das Spinar! Er hatte recht, aber einmal wollte ich ihn in solchen Augenblicken zum Schweigen bringen, und so sagte und dachte ich: »Stimmt! Es gibt genug zu tun. Das packe ich jetzt an.« Siehe da! Der Extrasinn blieb ganz ruhig.
7. Meine Kombination war zerfetzt, aber durch die lebensspendenden Impulse des Zellaktivators waren die schrecklichen Wunden längst verheilt. Ich schätzte, daß ich mehrere Stunden besinnungslos gewesen war. Dadurch waren mir die Einzelheiten des Kampfes der Vakuumatmer gegen Laupertyn nicht bekannt. Aber letztlich zählte auch nur das Ergebnis. Ich ordnete die Fetzen meiner Kleidung, so gut es ging. Dann machte ich mich auf den Weg zum Zentrum der Basis, wo die Lichtquelle ein deutliches Signal wies. Sie strahlte noch heller als
gewohnt. Unterwegs lenkte ich meine Überlegungen auf die naheliegenden Probleme. Kik, der kauzige Fünfbeiner, mußte hier noch irgendwo sein. Er war ein treuer Bursche, auf den ich mich trotz seiner nicht gerade überwältigenden Intelligenz verlassen konnte. Das Hauptproblem stellte jedoch mein eigentlicher Feind, die verbannte Superintelligenz Anti-ES, dar. Ich fand keine Erklärung für das Verhalten der Kosmokraten, die einerseits eine Art Verbannung verhängt hatten, die in meinem Sinn gar keine war, denn Anti-ES besaß zumindest zeitweise außergewöhnlich große Freiheiten. Mich erinnerte das nur wenig an die Rehabilitationszentren, wie sie seit langem auf Terra üblich waren. Vor allem vermißte ich jegliches Einwirken »von oben« auf die verbannte Superintelligenz. Dieses Verhalten der Hohen Mächte traf auch für mich und meine Entführung zu. Jetzt, wo ich wieder alle Zusammenhänge überblickte, erschien es mir unlogisch, daß die Kosmokraten in keiner Weise spürbar auf meine Entführung reagiert hatten. Wie fremdartig mußten sie sein, daß sie so handelten! Aus der über dreizehnjährigen Geschichte der Ereignisse in der Namenlosen Zone wußte ich, daß Anti-ES zumindest bis zu meiner Ankunft auf der Basis seinen Plan nicht aufgegeben hatte, mich als Objekt der Erpressung gegen die Kosmokraten zu verwenden. Ob die Trennung von Anti-ES in einen großen negativen Teil, das eigentliche Anti-ES, und in den kleinen positiven Born hinsichtlich dieser Handlungsweise etwas geändert hatte, vermochte ich nicht zu beurteilen. Ausschließen konnte ich es nicht, aber dafür sprach, daß Anti-ES danach nicht mehr so energisch versucht hatte, mich wieder in seine Gewalt zu bringen. Vorsichtig mußte ich auf jeden Fall sein, denn ich konnte annehmen, daß es für Anti-ES kein Geheimnis mehr war, daß die Mnemo-Löschung erfolgt war. Ich erreichte einen Geländeabschnitt, der mich nur noch knapp
einhundert Meter von dem offenen Kuppelbau der Lichtquelle trennte. Nun erkannte ich, was die Vakuumatmer inzwischen angerichtet hatten. Auch ihre Absicht wurde offensichtlich. Von den Quallenwesen selbst war kaum noch eins zu sehen. Sie waren in einem ringförmigen Graben, der die ganze Anlage der Quelle der Jenseitsmaterie umgab, verschwunden. Ich trat an den Rand heran und blickte in die Tiefe. Die Wände wölbten sich leicht von mir weg. Unten auf dem Grund, in etwa dreißig Metern Tiefe, arbeiteten die Vakuumatmer wie besessen. Sie lösten das Gestein auf. An mehreren Stellen waren sie bereits auf die technischen Einrichtungen des Unterteils der Basis gestoßen. Dort setzten sie ihr Zerstörungswerk weiter fort. Für mich stand fest, daß sie die ganze Anlage der Quelle, die auch aus einem wohl rein maschinellen Teil in der Tiefe bestand, aus der Masse der Basis lösen wollten. Warum sie das taten, war unklar. Zweifellos wollten sie die Lichtquelle in ihren Besitz bringen und an einen anderen Ort schaffen. Aber zu welchem Zweck? Ich erinnerte mich an die gierigen Impulse, die ich von den ZeppZountern vernommen hatte. Die Jenseitsmaterie mußte für sie etwas Ähnliches wie Nahrung darstellen. Die Quelle selbst reagierte auf diesen Angriff praktisch gar nicht. Das einzig Bemerkenswerte war das etwas hellere Leuchten, das ich als Panik und Angst deutete. Nicht minder klar war mir das Verhalten der Roboter der Basis, die den Überfall geschehen ließen, ohne etwas zu unternehmen. Erinnere dich an Ricos Worte, sagte der Extrasinn. Die Roboter sind wie gelähmt, weil sie keinen Herrn mehr haben. Der Lichtquelle scheint es nicht anders zu ergehen. »So könnte es sein«, entgegnete ich. »Aber logisch ist dieses Verhalten nicht.« Stimmt. Aber was in der Namenlosen Zone ist denn überhaupt mit deinen Maßstäben erklärbar? »Die Absicht von Anti-ES, sich aus seiner merkwürdigen
Gefangenschaft zu befreien.« Ein dümmeres Beispiel fällt dir wohl nicht ein. Es war dennoch irgendwie tröstlich, daß mein Logiksektor zu seinem alten Stil zurückgefunden hatte. »Ich muß zu den Robotern«, stellte ich fest. »Allein kann ich gegen diese Bande von verrückten Riesenquallen nichts ausrichten. Wie konnte Born nur solche Wesen auf die Basis hetzen!« Ohne sie wäre Laupertyn noch damit beschäftigt, deine Erinnerungen zu unterdrücken. Ich schwieg, denn dieses Argument erlaubte keinen Widerspruch. Wahrscheinlich hatte Born gar keine andere Möglichkeit gehabt. »Hallo, Atlan! Dir geht es wieder gut, nicht wahr?« Ich drehte mich langsam um, denn ich hatte Kik schon an seiner Stimme erkannt. »Ja, mein Freund. Es geht mir wieder gut. Laupertyn, der Hypno, existiert nicht mehr. Ich besitze wieder meine gesamte Erinnerung. Nur ein paar Kleinigkeiten sind in ihrer Herkunft verschwommen, aber das ist wohl Born zuzuschreiben.« Kik wackelte mit seinem Körper, aber er antwortete nichts. Ich glaubte, Verlegenheit zu spüren. Oder hatte er etwas zu verbergen? »Die Zepp-Zounter graben systematisch die Lichtquelle aus«, fuhr ich fort. »Ich denke, das sollten wir nicht einfach dulden.« »Wir?« fragte Kik. »Was willst du unternehmen?« »Darüber bin ich mir noch nicht ganz im klaren«, gestand ich. »Das verstehe ich. Du solltest sie fragen, Atlan.« »Wen? Die Quallen?« Kik stieß ein Geräusch aus, das wohl ein Lachen darstellen sollte. »Die Lichtquelle meine ich, nicht wahr?« »Wie soll das geschehen?« »Sie hat sich doch schon einmal bei dir gemeldet. Nur hast du ihr da wohl nicht geantwortet.« Die Merkwürdigkeiten rissen nicht ab. Ich erinnerte mich aber an die Stimme, die beim Erscheinen der Zepp-Zounter
»Verschwindet!« auf mentaler Ebene ausgestrahlt hatte. Ich war da bereits unter der Nahbeeinflussung Laupertyns gewesen und hatte die weiteren Worte nicht mehr registriert. Das mußte der Moment gewesen sein, in dem sich die Lichtquelle an mich gewandt hatte. Kik wußte davon. Das gab mir zu denken, denn es stand im Widerspruch zu seiner Einfalt. In Anbetracht der Lage war es aber nicht klug, weitere Fragen an ihn zu richten. So stand ich auf und starrte zu den leuchtenden Kaskaden hinüber. Dann konzentrierte ich meine Gedanken und rief die Quelle. Eine Antwort bekam ich nicht. »Ich will dir helfen«, brüllte ich. »Aber ich weiß nicht, wie das geschehen könnte.« Ganz zaghaft meldete sich etwas mit einer undefinierbaren Stimme. Atlan! Sie werden mich erst rauben und dann an einem schrecklichen Ort vernichten. Niemand kann mir helfen. »Unsinn! Du bist die Quelle der Jenseitsmaterie. Mit deiner Substanz ist alles möglich. Stelle mir genügend von deinem Zeug zur Verfügung, und ich zerstreue die Zepp-Zounter in alle Winde.« Es sind Zepp-Zounter? Die Lichtquelle schien wirklich überrascht zu sein. Das erklärt ihre Immunität gegen die Jenseitsmaterie. Sie sind die Veteranen, die verstorbenen Zounter. Es ist nur zu natürlich, daß ihr ganzes Trachten nach der Jenseitsmaterie geht. Aber selbst wenn sie nicht immun wären, würde die Jenseitsmaterie meiner Quelle nur wenig nützen, denn sie läßt sich nicht zu meinem eigenen Schutz verwenden. Wenn die Vulnurer noch da wären, wäre alles anders. Aber so gibt es nur einen Weg. Ich folge dem Ersten Zähler in den Untergang. »Abgelehnt«, widersprach ich wütend. »Du mußt kämpfen. Ich helfe dir, wo immer es geht.« Du bist ein Unwissender aus einer anderen Welt, Atlan. Du verstehst nichts. Wie kannst du das Ansinnen stellen, ich müßte kämpfen? »Manchmal muß man kämpfen, um das Böse zu vernichten.« Was ist gut? Was ist böse? Ist es nicht so, daß meine Ausschaltung dem
Guten zum Sieg verhelfen könnte? Willst du Winzling das wissen? »Ich verstehe dich nicht.« Ich dich auch nicht. Und damit wollen wir es bewenden lassen. »Wenn du mir nicht hilfst, versuche ich es auf eigene Faust, Lichtquelle!« Ich bekam keine Antwort mehr. Der Kontakt war unterbrochen, und es stand nicht in meinen Möglichkeiten, ihn zu erneuern. Das Verhalten der Lichtquelle hatte mich wütend gemacht, aber dennoch blieb ich Herr meiner Sinne. Die Basis des Ersten Zählers stellte im Augenblick den einzigen Ort dar, an dem ich existieren konnte. Ich wollte weder ihn noch eine seiner Einrichtungen verlieren. Ein Blick in die Tiefe des Grabens ließ mich zu der Vermutung kommen, daß die Vakuumatmer ihr Werk in weniger als zwei Stunden beendet haben würden. Wenn sie dann mit der Lichtquelle die Basis verlassen würden, hätte ich gar keine Chance mehr. Ich wünschte mir, daß sich Born noch einmal meldete, aber es herrschte Schweigen. »Komm, Kik!« Ich winkte dem kleinen Kerl. »Ich will sehen, ob ich nicht die Roboter mobilisieren kann. Vielleicht sind sie weniger stur als die Quelle der Jenseitsmaterie.« »Du kennst das Kodewort, nicht wahr?« Kik wedelte freudig mit dreien seiner Arm-Beine. »Ich kenne es nicht«, gab ich zu. »Kannst du mir helfen?« »Ich?« Meine Frage schien auf Kik wie eine Zumutung zu wirken. Er schloß sich mir schweigend an, als ich durch das Buschwerk auf den mir bekannten Eingang in das Innere der Basis zueilte. Ich kletterte an einer Metalleiter in die Tiefe und wechselte dann in einen Antigravschacht, der mich auf eine Ebene brachte, in der ich schon mehrmals die Roboter getroffen hatte. Kik folgte mir behend. »Rico!« brüllte ich aus Leibeskräften. »Wo steckt ihr?« Es dauerte nur wenige Minuten, dann waren mehrere Dutzend Roboter zur Stelle. Sie bildeten schweigend einen Halbkreis. Schließlich trat Spyk14, den ich als Erinnerungsstütze Rico getauft
hatte, nach vorn. Seine unruhig flackernden Lichter verrieten nichts Gutes. »Ich begrüße dich«, sagte ich und hob eine Hand. »Es haben sich ein paar wesentliche Dinge ereignet. Die Ursache der MnemoLöschung, ein Wesen namens Laupertyn, wurde beseitigt. Ich besitze wieder meine vollständige Erinnerung.« »Dann weißt du diesmal auch über dein Versprechen Bescheid?« Rico schwenkte seine Folie. »Natürlich. Was Janv-Zount betrifft, den Herrn der Basis, so kann ich euch leider keine guten Nachrichten übermitteln. Er steckte zu einem Teil in Janvrin, den ich vernichten konnte. Janv-Zount gelangte dadurch für kurze Zeit in Freiheit. Er teilte mir ein paar Dinge mit, bevor Anti-ES ihn wieder unterjochte. Dabei erwähnte er ein Schlüsselwort, mit dessen Hilfe ich euch dazu bringen könnte, mir zu helfen. Ohne eure Hilfe bin ich machtlos gegen die ZeppZounter, die drauf und dran sind, die Quelle der Jenseitsmaterie zu rauben. Und ohne eure Hilfe kann euer Herr nicht befreit werden. Janv-Zount erwähnte das Spinar, wobei es sich vermutlich um den Ort handelt, an dem er jetzt ist. Er sagte weiter, der Schlüssel sei Bars-2-Bars, aber das eigentliche Kodewort konnte er mir nicht mehr nennen.« Rico antwortete nicht sofort. Ich vermutete, daß er sich lautlos auf technischer Ebene mit den anderen Robotern unterhielt. Mehrmals wechselte er seine Blickrichtung. Die Versammlung der stählernen Kolosse wirkte nervös. Das schien sich auch auf Kik zu übertragen, der unruhig auf und ab schlich. »Eure Beratung kostet uns nur Zeit«, drängte ich schließlich. »Wollt ihr nichts unternehmen, um die Lichtquelle zu retten?« »Wir wollen schon.« Rico drehte seinen Kopf wieder in meine Richtung. »Wir können nur nicht, denn das Betreten der Oberfläche der Basis ist ohne autorisierten Befehl unmöglich. So lautet unsere Grundprogrammierung, geschehe da immer, was auch denkbar ist. Wir haben zunächst deine Angaben überprüft. Du hast die Wahrheit
gesagt. Allerdings ist uns von einem Schlüsselwort nichts bekannt. Immerhin hält es Ursig2 für möglich, daß so etwas existiert. Genannt hast du es bestimmt nicht.« Ich biß mir auf die Lippen. So war das also! Janv-Zount hatte mich bestimmt nicht falsch informiert. Er hatte aber auch nicht erwähnt, daß seine Roboter von dem Schlüsselwort gar nichts wußten! Meine Hoffnungen, die Roboter könnten mir helfen, waren damit geschwunden. Es lag also allein an mir, hier einen Ausweg zu finden. Ich denke, sagte der Logiksektor lautlos für die anderen, das ist eine Aufgabe für mich. Wie sagte Janv-Zount? Du mußt das sagen, was du weißt! Die Betonung lag dabei auf dem »Du«! Das Schlüsselwort muß also etwas sein, was dir allein bekannt ist, etwas, was in keiner direkten Beziehung zu den hiesigen Ereignissen steht, etwas, das Rico und seine Brüder noch nie gehört haben, aber auch etwas, was mit der tieferen Bedeutung deines Hierseins zu tun haben muß. »Das klingt reichlich weit hergeholt«, antwortete ich kaum hörbar. Es muß etwas Unwahrscheinliches sein, behauptete der Extrasinn weiter. Etwas, was dir geläufig ist, von dem du aber annehmen mußt, daß Janv-Zount es gar nicht kennen kann. Nur das hätte dem Ersten Zähler die Sicherheit gegeben, daß nicht jemand anders zufällig Einfluß auf seine Roboter nimmt. »Wenn das stimmt, dann kann der Kode nur ein Begriff sein, der nichts mit der Namenlosen Zone und mit Anti-ES zu tun hat.« Mit Anti-ES schon, denn es ist die Ursache deines Hierseins. »Dann kann der Zähler es nicht wissen.« Du weißt nichts über die Funktion der Zähler. Du weißt nicht einmal, wie viele es davon gibt. Ich wußte nicht weiter, aber ich sprach all die Begriffe aus, die der Extrasinn nun nannte: »Terra, ES, Perry Rhodan, Materiequelle, Erranternohre, Bardioc, Laire.« Die Roboter zeigten keine Reaktion, und der Extrasinn meinte:
Es muß etwas aus diesem Bereich sein, das Schlüsselwort, das dich bei dem gescheiterten Wechsel durch die Materiequelle begleitet hat, der Anfang deines Untergangs aus dem richtigen Raum in die Namenlose Zone … Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke. Ein unlogisches Gedankenfragment! Etwas, was hier praktisch nur ich wußte, ich selbst. »Orbanaschol!« kam es über meine Lippen, und ich dachte an die Wahnvorstellungen, die ich kurz vor dem Verlassen Perry Rhodans gehabt hatte. Die flackernden Lichter der Roboter erloschen. Für ein oder zwei Sekunden war alles dunkel. Dann glommen sie in einer beruhigenden Gleichmäßigkeit wieder auf. »Wir erwarten deine Befehle, Atlan«, erklärte Rico steif. »Bis zum Zeitpunkt der Rückkehr des Ersten Zählers betrachte dich als autorisierten Führer der Basis. Ich bin angewiesen, dir zu sagen, daß sich deine Weisungsbefugnis jedoch nicht auf die Quelle der Jenseitsmaterie bezieht.« Ich pfiff durch die Zähne und atmete gleichzeitig auf. Du fragst dich, meinte der Extrasinn, woher Janv-Zount den Namen Orbanaschol kannte? Ich frage mich das auch, aber ich weiß die Antwort nicht. Es ist jedoch klar, daß du die Funktion des Zählers bislang unter einem gänzlich falschen Licht gesehen hast. Ich dachte schon wieder an die Zepp-Zounter. Und an die Lichtquelle. »Alles, was ihr an Waffen und Möglichkeiten habt, Rico«, erklärte ich, »ist zu mobilisieren. Das Betreten der Oberfläche ist für alle Roboter erlaubt. Ziel unserer Aktion ist es, die Zepp-Zounter zu vertreiben, bevor sie die Lichtquelle entführen.« »Verstanden«, antwortete der Roboter. »Ich nehme an, daß du nichts einzuwenden hast, wenn ich vorerst in deiner Nähe bleibe, denn dann hast du einen Kommunikationspunkt, über den du alle Roboter und Einrichtungen der Basis ansprechen kannst.«
»Einverstanden!« Die Roboter spritzten in alle Richtungen auseinander. Ein seltsames Summen erfüllte plötzlich das Innere der Basis, als sei diese zu neuem Leben erwacht. »Atlan«, sagte Kik fast väterlich. »Ich bin sehr zufrieden mit dir, nicht wahr?« Er schloß sich mir auf dem Weg nach oben an.
8. Das Leuchten der Quelle war nun fast völlig verschwunden. Ich interpretierte dies als ein Zeichen der Selbstaufgabe. Mit dem Fünfbeiner stand ich unweit des Grabens, den die ZeppZounter in die Basis gewühlt hatten. Sie schienen dabei Schwierigkeiten zu haben, denn im Gegensatz zu den früheren Beobachtungen häufte sich nun das Gestein und das Erdreich, vermischt mit Trümmerstücken der technischen Anlagen, neben der kreisrunden Aushöhlung. »Wer übernimmt die Gesamtplanung?« fragte ich Rico, der wenige Schritte hinter mir wartete. »Gibt es eine zentrale Positronik?« »Ja, aber die ist für die von dir vorgesehene Aufgabe denkbar ungeeignet. Du kannst entweder selbst entscheiden, was geschehen soll. Oder du überläßt es uns Robotern.« Ich brauchte nicht lange zu überlegen, denn ich kannte die Möglichkeiten der Basis viel zu wenig. »Ich überlasse es euch, Rico. Ich möchte allerdings nicht, daß unnötige Zerstörungen angerichtet werden.« Der Roboter nickte und zog mich aus der Nähe des Grabens fort. Nun sah ich, daß aus vielen verborgenen Öffnungen in der Oberfläche die Maschinen ins Freie kletterten. Sie führten Geräte verschiedener Größe mit, die mir allesamt unbekannt waren.
Innerhalb von wenigen Minuten bildete das Roboterheer einen Ring um den Graben. »Wir versuchen es zunächst mit der Steuerung der Gravitation«, erläuterte mir Rico. »Da wir nicht genau wissen, welche inneren Zerstörungen bereits angerichtet worden sind, kann es zu unvorhersehbaren Auswirkungen kommen. Paß auf!« Kik, der noch näher an dem Graben stand, schrie plötzlich auf und rannte auf mich zu. Dabei bewegte er sich, als ob er durch einen zähen Brei laufen würde. »Die Gravo-Konstante in dem Graben wird jetzt erhöht.« Ich folgte aufmerksam den Erklärungen des Roboters. »Das greift allerdings auch teilweise die nähere Umgebung an.« Ich sah, wie ein paar mächtige Bäume unter der plötzlichen Last zusammenknickten. »Und jetzt«, Rico hob einen Arm, »jetzt polen wir das Feld um.« Er hielt mich fest, denn ich fühlte mich mit einem Mal federleicht. Kik wurde regelrecht in die Höhe gewirbelt. Wütende Schreie klangen an meine Ohren. Oder wurden sie direkt in meinem Kopf erzeugt? Wahrscheinlich traf beides zugleich zu. Der Boden wölbte sich auf. Von den Schuttbergen steigen Staubwolken hoch, bildeten Wirbel und senkten sich dann langsam wieder zu Boden. »Sie sind ziemlich hartnäckig«, sagte Rico. »Sie klammern sich fest. Wir müssen noch höhere Werte wählen.« Ich wich aus der bedrohlichen Zone zurück, näher an den Ring der wartenden Roboter heran, die sogleich eine Gasse bildeten, durch die ich mich noch weiter entfernen konnte. Kik hielt sich in meiner Nähe auf. Er hatte behutsam einen Arm um meine Schulter geschlungen. »Da!« quietschte er los. »Schön, Atlan. Nicht wahr?« Ich blickte zurück. Die Vakuumatmer kamen in hellen Scharen aus der Tiefe. Teilweise hatten sie sich an Felstrümmer und metallene Gestänge geklammert, die aber aus ihrem festen Halt gerissen
worden waren. Die Schreie der Quallenwesen schmerzten in meinem Kopf. Rico gab ein Zeichen an seine Roboterscharen. Es entspann sich ein Gerangel aus unsichtbaren Kräften. Die Maschinen verwendeten unsichtbare Waffen, die die Zepp-Zounter zu merkwürdigen Verformungen brachten. Daß dies keine Waffen im herkömmlichen Sinn waren, wurde mir schnell klar, denn ich sah keine Flammenbahnen, Detonationen oder energetische Entladungen. Rico war zu beschäftigt, als daß ich ihn hätte fragen können. Die aus dem Graben herausgeholten Vakuumatmer orientierten sich jedoch schnell. Noch bevor einer von ihnen einen wirklichen Schaden erlitten hatte, formierten sie sich zum Gegenangriff. Sie sammelten sich in zwei Pulks, die links und rechts von mir auf die Roboter eindrangen. Dabei stießen sie ihre Tentakel nach vorn. Mich beschlich ein ungutes Gefühl, als ich sah, wie die Roboter bei der ersten Berührung erstarrten und in mehrere Teile zerfielen. Die Quallenwesen setzten ihre zersetzenden Saugnäpfe nun schnell und koordiniert gegen meine Helfer ein. In wenigen Minuten hatten sie sich an zwei Stellen durchgekämpft. Die nicht betroffenen Roboter begannen unterdessen mit einer Tätigkeit, die mir die Haare zu Berge stehen ließen. Sie schoben ihre seltsamen Geräte vor sich her, hoben damit das entfernte Erdreich in die Höhe und kippten es in den Graben. Die ganze Auseinandersetzung verlief also völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Das Ende war jetzt schon absehbar. Die Roboter würden trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit den kürzeren ziehen. Ich rief Rico zu mir und erläuterte ihm meine Bedenken. Dabei hatte ich das Gefühl, daß der Roboter mich nicht recht verstand. »Du hast das Kommando«, meinte er stur. »Und du hast uns in diesen Kampf geschickt. Wir sind nicht für solche Aktionen erschaffen worden. Unsere normalen Aufgaben liegen in der
Wartung und Erhaltung der Einrichtungen der Basis.« »Es muß doch hier auch richtige Waffen geben«, behauptete ich, »mit denen man fremde Angreifer abwehren kann. Die solltet ihr gegen die Zepp-Zounter einsetzen und sie damit vertreiben.« »Es existieren solche Systeme«, meinte Rico unsicher. »Sie sind gegen äußere Feinde verwendbar. Die Zepp-Zounter sind aber schon auf und in der Basis.« »Ich habe das Gefühl, ihr versteht wirklich nicht, wie man einen Angreifer abwehrt. Ihr müßt diese Waffen direkt gegen die Quallen einsetzen. Wo sind sie?« »Es würde wenig nützen, dir das zu sagen. Solche Waffen arbeiten auf dem Prinzip der Jenseitsmaterie. Sie können daher nicht gegen etwas auf der Basis verwendet werden.« Um mich herum tobte der sinnlose Kampf weiter. Die Roboter fielen in Scharen, aber das schien weder Rico noch einem anderen Koloß etwas auszumachen. Bei jedem körperlichen Kontakt mit einem Vakuumatmer verging eine Maschine. »Impulsstrahler«, forderte ich. »Desintegratoren und solche Sachen. Habt ihr nichts davon da?« »Du sprichst von Primitivenergien«, wunderte sich Spyk14. »Glaubst du wirklich, damit könnte man gegen die verstorbenen Zähler etwas erreichen?« »Natürlich«, behauptete ich. »Zumindest ist es einen Versuch wert.« »Der Umgang mit solchen Dingen ist uns unmöglich, aber wenn du eine solche Waffe haben möchtest, können wir sie dir geben. Wir verwalten verschiedene Beutestücke, die die Fremden mitbrachten, die zur Basis kamen.« Ich mußte die Fragen, die sich mir bei diesen Worten aufdrängten, wieder zurückstellen. Wahrscheinlich würden Ricos Antworten mich auch nur noch mehr verwirren. »Dann besorge mir eine solche Waffe, Rico«, erklärte ich. Die Anweisungen des Roboters waren für mich unhörbar, aber da
er mir keine Antwort mehr gab, ging ich davon aus, daß mein Befehl befolgt wurde. Es dauerte auch nicht lange, da schleppte ein Roboter einen schweren Kombistrahler herbei. Ich hatte Mühe, ihn in beiden Händen zu halten. Beim näheren Hinsehen erkannte ich ein Modell, wie es der Haluter Icho Tolot verwendet hatte. Ich mußte an Beyl Transot denken, der zweifellos ein Haluter gewesen war, der auf unerklärliche Weise in die Namenlose Zone verschlagen worden war. Möglicherweise stammte die Waffe von ihm.. Die Energiemagazine waren fast vollständig gefüllt. Ich überprüfte die Funktionen und forderte dann Rico auf, den Kombistrahler locker zu halten. Wortlos befolgte er meine Anweisung. Als ich zielte, konnte er doch eine Bemerkung nicht unterdrücken. »Das kann nie funktionieren«, behauptete er unsicher. »Halt die Waffe still!« verlangte ich ungewollt barsch. »Sonst kann ich nicht richtig zielen.« »Solche Energien sind hier noch nie eingesetzt worden«, maulte er weiter. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß dies im Sinn des Ersten Zählers ist.« Als einer der Zepp-Zounter direkt in die Visierlinie flog, drückte ich ab. Ein heller Flammenstrahl jagte heraus, und das Quallenwesen zerplatzte wie eine Seifenblase. »Siehst du!« stieß ich triumphierend aus. »Ich sehe nichts«, stöhnte Rico. »Ich habe meine Linsen zu spät geschlossen.« Er ließ die Waffe einfach zu Boden fallen. Ich mußte zur Seite springen, sonst wäre sie mir auf die Füße geknallt. »Idiot!« entfuhr es mir. Dann drehte ich den Kombistrahler herum und legte ihn auf einen kopfgroßen Felsbrocken. Wieder schlugen die gebündelten Energien in die Zepp-Zounter. Ich stellte eine breitere Fächerung ein, bis ich die Dosis gefunden hatte, die gerade noch wirkte. Kik kauerte sich neben mir hin, und auch Rico wurde wieder
funktionsfähig. Er fragte mich, wie er mir helfen könne. »Haltet mir den Rücken frei«, antwortete ich. »Deine Roboter sollen ihre Gravoschilder benutzen, um sich und mir die Quallen vom Leib zu halten. Alles andere mache ich selbst.« »Wird gemacht.« Allmählich schien Rico zu verstehen, daß meine Taktik die zweckmäßigere war. Ich sollte aber sehr bald merken, daß auch die Vakuumatmer diese Schlußfolgerungen zogen. Sie ließen von den Roboterscharen ab und konzentrierten ihre weiteren Vorstöße geschlossen auf mich. »Besorge mir auch eine Waffe!« drängte Kik. Als Rico nicht reagierte, wiederholte ich die Worte des Fünfbeiners, fügte aber hinzu, daß ein kleineres Modell wohl zweckmäßiger wäre. »Auch wäre es nützlich, Rico, wenn ihr euch im Umgang mit diesen Waffen vertraut machen würdet. Dann hätten wir schnell ein Übergewicht.« »Ursig2«, entgegnete der Roboter, während ich weiter feuerte, »der einer der ältesten von uns ist, hat diesen Vorschlag auch schon gemacht. Ich verstehe das alles aber nicht.« Für weitere Diskussionen blieb mir keine Zeit, denn die Attacken der Zepp-Zounter wurden immer heftiger. Zwar warfen sich ihnen immer wieder die Roboter entgegen, aber das Vordringen war deutlich genug. Auch die Geräte, die ich als Gravoschilder bezeichnet hatte, bewirkten nur wenig. Ich mußte den überschweren Kombistrahler mehrmals herumreißen, um einen entscheidenden Durchbruch der Quallenwesen zu verhindern. Wirklich gefährlich wurde die Lage für mich, als ich sah, daß sich einige von ihnen in das Erdreich eingruben. Mir war klar, daß sie mich nun auch von unten angreifen wollten. Gehetzt blickte ich mich um. Rico war verschwunden, aber Kik hielt vier leichte Desintegratoren in den Händen. Er fummelte noch einen Moment damit herum, dann richtete er sich auf einem Bein
auf und feuerte in vier Richtungen gleichzeitig. »Sehr gut, Kleiner!« lobte ich ihn, denn so bekam ich wieder etwas Luft. »Mach nur weiter so!« So sehr der kleine Fünfbeiner und ich uns auch bemühten, das Ende kam schnell näher. Es fehlte einfach an Nachschub bei den Robotern, deren Trümmer die ganze Gegend bedeckten. Die ZeppZounter waren nun schon auf etwa zwanzig Meter heran. Sie hatten mich völlig eingekreist. Ich dachte an Born und an die Lichtquelle, aber ich bekam keine Hilfe. Denke lieber an die Quallen, die durch den Boden kommen, warnte der Logiksektor. Ich drückte noch einmal auf die Feuerknöpfe, aber der Kombistrahler schwieg. In dem Getümmel aus kreischenden ZeppZountern und zertrümmerten Robotern konnte ich nicht mehr feststellen, ob die Waffe leergeschossen oder defekt war. Es war auch egal. Mit einem Satz war ich auf den Beinen und riß einen der leichten Strahler Kiks an mich. Im gleichen Moment wölbte sich neben mir der Boden auf. Ein mächtiger Quallenkopf wurde sichtbar. Mehrere Tentakel schoben sich aus dem Erdreich und schlangen sich um mich. Die Waffe polterte zu Boden. Ich war zu keiner Gegenwehr mehr fähig.
* Schlagartig verstummte das wirkliche und das mentale Geschrei der Zepp-Zounter. Ich benötigte ein paar Sekunden, um zu erkennen, daß mir nichts geschehen war. Ein durchdringender Gedanke peitschte in mein Gehirn. Tabu! Tabu!
Der Vakuumatmer löste seine ekelerregenden Extremitäten von mir und schwebte neben mir in die Höhe. Ringsum verklang der Lärm der irrsinnigen Kämpfe. An mehreren Stellen sammelten sich die überlebenden Quallenwesen zu kleinen Pulks. Sie vereinten sich zu einem geordneten Knäuel, das senkrecht nach oben steuerte. In dem blaß schimmernden Energieschirm der Basis entstand ein Loch. Der Schwarm glitt, während er immer mehr beschleunigte, durch die Öffnung hindurch und war keine Minute später an dem pechschwarzen Firmament der Namenlosen Zone verschwunden. Ich hob die Waffe auf, starrte sie verständnislos an und suchte dann nach Kik. Der kleine Bursche stand wenige Meter von mir entfernt und blickte nach oben, wo sich das Loch in dem Energieschirm wieder schloß. Über das Trümmerfeld kam Rico auf mich zugestapft. Ich suchte nach einer Erklärung, aber ich fand keine. Der Logiksektor schwieg, also wußte er auch nichts. »Du hast es geschafft, Atlan«, stellte Rico mit ehrlicher Bewunderung fest. »Ob ich es war«, gab ich zu, »weiß ich nicht. Ich hörte eine Stimme, die von einem Tabu sprach, als mich der Zepp-Zounter berührte. Ich nehme an, daß diese Stimme unser wirklicher Retter war. Allerdings habe ich keine Ahnung, wer diesen Befehl gab, den die Quallen widerspruchslos und umgehend befolgten.« »Ich habe nichts gehört«, meinte Kik, und Rico konnte mir auch keinen Hinweis liefern. Möglichkeiten, die du nicht kennst, teilte mir der Extrasinn mit, kann ich bei allen Überlegungen ausschließen. Folglich war es entweder Born, der den entscheidenden Einfluß ausübte, oder die Quelle der Jenseitsmaterie oder du selbst. »Ich selbst?« fragte ich zurück. Ja. Du hast viele Erlebnisse in der Namenlosen Zone überstanden, bei denen du eigentlich nie hättest gewinnen dürfen. »Ein Schutzengel?« Ich lachte verlegen.
Nein. Der Extrasinn brachte mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Du bist nicht so vermessen anzunehmen, daß die Kosmokraten dich schützen. Also bleibt nur eine Antwort: Es war Anti-ES. »Eine Vermutung, aber kein Beweis.« »Mit wem sprichst du?« fragte mich Rico. »Mit mir selbst«, entgegnete ich wahrheitsgemäß. »Dann ist es wohl an der Zeit, dich an dein Versprechen zu erinnern. Der Erste Zähler muß gefunden und befreit werden. Überlege dir, wie das geschehen soll, während wir hier aufräumen und die zerstörten Roboter nachbauen oder reparieren.« »Wo und was ist das Spinar? Nach allem, was ich weiß, können wir nur dort eine Spur eures Herrn finden.« Darauf wußte Rico nichts zu sagen. Ich erinnerte mich an das Gefängnis in der Gondel an dem hohen Turm, in das Anti-ES JanvZount gesteckt hatte. Vielleicht fand ich dort eine Spur, die mir half. Ich erklärte Rico mein Vorhaben, und er war bereit, sich mir anzuschließen. Kik zauberte ein paar Konzentratwürfel und einen Becher mit klarem Wasser hervor. Nach einer kurzen Stärkung machte ich mich auf den Weg zu dem Turm am Heck der Basis. Schon von weitem sah ich, daß die seitlich angebrachte Gondel, in der ich dem körperlosen Ersten Zähler begegnet war, nur noch aus Trümmern bestand. Dennoch setzte ich meinen Weg fort. Unterwegs konnte ich beobachten, worin die Stärke der Roboter lag. Ihre Aufräumarbeiten vollzogen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wir passierten die Quelle der Jenseitsmaterie, die wieder in ihrer früheren Form und Helligkeit ihre rotgrünen Kaskaden emporschleuderte. Ich bemühte mich um einen gedanklichen Kontakt, bekam aber keine Antwort. Am Fuß des Turmes kam uns ein anderer Roboter entgegen, dem ich in einer der Phasen des Vergessens ebenfalls schon begegnet war. Gyl war sein Name. Ich begrüßte ihn.
»Atlan«, antwortete die Maschine traurig. »Du hast nicht viel erreicht, aber dennoch muß ich dir danken.« »Wo ist der Erste Zähler Janv-Zount?« Ich deutete in die Höhe auf die zerstörte Gondel. »Wer war das?« »Nicht die, die die Lichtquelle rauben wollten. Der Herr wurde geteilt. Einem Teil bist du dort oben begegnet, der andere war bereits von einer fremden Macht unterjocht. Nun sind beide Teile verschwunden.« »Janvrin.« Ich nickte verstehend, obwohl mir die Zusammenhänge letztlich nicht ganz klar waren. »Und nun hat Anti-ES Janv-Zount vollständig in seiner Gewalt. Womöglich kann es aus ihm jederzeit einen neuen Janvrin schaffen.« Die Roboter antworteten nichts. Sie wirkten betreten, was sich auch an dem unsicheren Flackern ihrer Lichter erkennen ließ. Ich wollte gerade umkehren und meine Begleiter auffordern, mir zu folgen, als etwas in meinem Kopf rumorte. Wieder tastete sich eins der unbegreiflichen Wesen in mein Bewußtsein, und ich hatte keine Möglichkeit, es abzuwehren.
9. Es wird nur ein kurzer Kontakt sein, Atlan, ließ Born mich wissen. Daß sich nun der positive Teil von Anti-ES an mich wandte, ließ mich neue Hoffnung schöpfen. Meine Ablenkungsmanöver haben dir sicher ein wenig geholfen, denn ich habe Anti-ES auf meine Spur gelockt, während du durch die Zepp-Zounter von der Mnemo-Löschung befreit wurdest. Einzelheiten meiner Aktionen sind für dich unwichtig. »Danke, Born!« antwortete ich. »Es ist gut zu wissen, daß ich hier nicht allein bin. Auch Dank für die Rettung vor den Quallen.« Du irrst dich in doppelter Hinsicht, Atlan. Du wirst in nächster Zeit und vielleicht für viele lange Perioden ohne meine Unterstützung auskommen müssen, denn ich bin zu geschwächt. Ich kann nur
überdauern, wenn ich mich für eine lange Zeit vollkommen verberge. Selbst das ist keine Garantie dafür, daß Anti-ES mich nicht findet und mich wieder in sich aufsaugt und damit für alle Zeit unterdrückt. Das ist der eine Irrtum. Der andere ist, daß nicht ich es gewesen bin, der dich vor der Vernichtung durch die Vakuumatmer bewahrt hat. »Wer aber war es dann?« Ich weiß es nicht. Das klang ehrlich. Es spielt nun auch keine Rolle mehr. Anti-ES hat gemerkt, daß es abgelenkt wurde. Laupertyn wurde ausgeschaltet. Du besitzt dein ganzes Wissen wieder. Damit bist du ein Gefahrenmoment für Anti-ES. Es wird das Geschehene nicht einfach hinnehmen, Atlan. Es wird dich wieder in seine volle Abhängigkeit zwingen wollen, um so seine schmutzigen Pläne zu verwirklichen. Ich muß dich daher warnen, auch wenn ich für dich nichts direkt tun kann. Wahrscheinlich kehrt Anti-ES schon sehr bald, wenn es eine relativ freie Periode hat, zur Basis des Ersten Zählers zurück. Ich weiß den Zeitpunkt nicht, aber so wird es kommen, denn … Der Gedankenstrom brach abrupt und ohne jeden Hinweis auf die Ursache ab. Ich wartete noch ein paar Minuten, aber Born meldete sich nicht mehr. Schließlich teilte ich Rico und Gyl mit, was sich ereignet hatte. Die Roboter schienen darüber nicht verwundert, allerdings konnten sie wohl auch mit meinen Erklärungen wenig anfangen. Ich hatte gehofft, sie zu neuen Aktivitäten reizen zu können, aber Gyl meinte nur, er müsse sich jetzt um die Reparatur der Gondel kümmern. Kik hielt sich aus dem ganzen Gespräch heraus. »Du mußt wissen«, drängte ich schließlich Rico, »daß der erwähnte Gegner Anti-ES identisch ist mit jenem Wesen, in dessen Gewalt sich Janv-Zount befindet.« »Das weiß ich wohl, aber ich weiß nicht, ob Anti-ES ein Gegner ist. Mit derartigen Begriffen hat der Erste Zähler nie gearbeitet.« »Da liegt ein Problem«, räumte ich ein. »Ich sehe einige Dinge etwas anders als ihr, und ich spreche sie zudem auch anders aus. Wenn es tatsächlich Anti-ES war, der uns vor den Zepp-Zountern
bewahrt hat, dann bedeutet dies, daß es der Basis schon viel näher ist, als es bislang den Anschein hatte.« »Anti-ES kann es nicht gewesen sein«, behauptete der Roboter stur. »Anti-ES kann keine Macht über die Veteranen der Namenlosen Zone besitzen.« »Ich bin mir da nicht so sicher. Wenn meine Befehlsbefugnis noch gilt, dann macht jetzt die Basis klar für eine Abwehr des zu erwartenden Feindes.« »Gern, Atlan. Aber wie soll das geschehen?« »Es muß doch Defensivsysteme geben, Schutzschirme, Fluchtsysteme, Abwehrwaffen und dergleichen.« Rico überlegte einen Moment. »Fliehen können wir immer. Für den dimensionsinternen Flug können wir auf deine Anordnung den Egotransmitter I aktivieren. Den Egotransmitter II darf selbst JanvZount nur auf Anweisung benutzen.« »Auf wessen Anweisung?« »Das wissen wir Roboter doch nicht.« Rico war empört. »Wir können die Schutzschirme bis zur Belastungsgrenze mit Energie versorgen. Das ist dann aber alles, denn die Jenseitsenergieschleuder kannst du selbstverständlich nicht verwenden. Die Lichtquelle würde dir keinen Tropfen geben.« »Und diese Schleuder ist die einzige Aktivwaffe?« »So könnte man sagen«, meinte Rico unsicher. »Gibt es hier eine Zentrale, von der aus man alles lenken kann? Dort möchte ich hin. Zuvor sorge dafür, daß der umgebende Raum auf jede Veränderung hin überwacht wird und daß alle Abwehrschirme voll aktiviert sind.« Ein Lichtsignal an dem Roboter, das immer dann blinkte, wenn er sich mit seinen Artgenossen in Verbindung setzte, leuchtete auf. »Ich habe alles veranlaßt«, erklärte Rico dann. »Folge mir jetzt bitte zur Zentrale. Sie befindet sich in der Nähe des Bugteils.« Ich fragte nicht nach einem Transportsystem, weil ich noch nie
etwas Derartiges bemerkt hatte. Dabei war ich mir durchaus bewußt, daß ich über dieses Objekt der Namenlosen Zone eigentlich fast nichts wußte, das Basis des Ersten Zählers genannt wurde. Wir passierten wiederum die Quelle der Jenseitsmaterie. In der kurzen Zeit, die seit dem Überfall der Zepp-Zounter vergangen war, hatten die Roboter schon nahezu alle Schäden behoben. An einigen Teilen wurde die Oberfläche nur mehr eingeebnet und mit neuen Pflanzen versehen. Mein fotografisches Gedächtnis ließ mich erkennen, daß alle Einzelheiten wieder dem früheren Aussehen angepaßt wurden. So war ich auch nicht verwundert, als ich die Felsnadel, unter der Laupertyn gewirkt hatte, wieder in ihrer ehemaligen Form sah. Die Zentrale lag etwa 100 Meter unter der Oberfläche nahe der Bugschräge. Sie war eher wohnlich als, wie im stillen erwartet, übertechnisch eingerichtet. An einer Seite liefen auf verschiedenen Großbildschirmen die Ortungsergebnisse zusammen. Zwei Roboter versahen hier ständig ihren Dienst, aber jetzt akzeptierten sie Rico als kompetenten Gesprächspartner für mich. Kik wurde kaum beachtet. Er hielt sich meistens still zurück, als würde er nur heimlich beobachten. »Die Defensivsysteme sind in Ordnung und aktiviert.« Rico erklärte mir die Bedeutung der Symbole auf den Monitoren. »Ob das etwas gegen Anti-ES hilft, bezweifle ich. Nach unseren bisherigen Erfahrungen kann dieses Wesen zu einer bestimmten Zeit, die wir allerdings nicht kennen, unbemerkt auf die Basis gelangen.« Rosige Aussichten waren das nicht, aber was sollte ich tun. Ich fragte Rico nach Einzelheiten über Anti-ES und den Ersten Zähler, mußte aber erfahren, daß die Roboter noch dürftiger informiert waren als ich. Ich wollte mir noch eine Ruhepause gönnen, aber dazu kam es nicht mehr. Gerade hatte ich mir eine neue Kombination übergezogen, die Rico in irgendeiner Werkstatt hatte anfertigen
lassen, als Kik einen spitzen Schrei ausstieß. Er deutete auf einen Ortungsschirm. Dort war ein verschwommenes Gebilde ohne klaren Körper und feste Umrisse auszumachen. Es wirkte wie durchsichtig, was sich aber bei dem gleichmäßigen Hintergrund nicht eindeutig sagen ließ. »Was ist das, Rico?« fragte ich den Roboter. »Anti-ES«, kam die Antwort. »So sah es immer aus. Nur scheint es mir diesmal wütend zu sein.«
* Das seltsame Gebilde prallte auf die äußeren Energieschirme und durchquerte sie mühelos. Zielstrebig hielt es auf die Basis zu. Die Geschwindigkeit ließ sich aus den Ortungsergebnissen ablesen. Sie lag eindeutig um den Unterlichtbereich. »Bist du sicher«, fragte ich noch einmal den Roboter, »daß dies Anti-ES ist?« »Für dich ist es dieses Wesen. In Wirklichkeit mag es jedoch ganz anders aussehen oder gar nicht aussehen. Das läßt sich aus der Ortung nicht ermitteln. Es bremst ab und hält.« Tatsächlich verharrte das verschwommene Ding. Nur noch zwei Schutzschirme trennten es von der Basis. Ich befahl volle Last, und die Roboter gehorchten widerspruchslos. Hallo, Atlan! Die Stimme der negativen Superintelligenz erklang nur in mir, wie ich an den Reaktionen Kiks und der Roboter erkennen konnte. Du hast tatsächlich etwas erreicht, und du könntest nun glauben, mich damit vor Probleme zu stellen. Doch du irrst dich. Nach einer kurzen Ladezeit werde ich auch die letzten Energiefelder durchschlagen. Dann werde ich dich wieder in meiner Gewalt haben. Ich werde neue Pläne entwickeln und dich darin verwenden, und du kannst nichts dagegen tun. Die Hohen Mächte haben dich aufgegeben, weißt du das?
Die selbstbewußten und ironischen Worte machten mich fast rasend, aber ich schirmte meine Überlegungen ab und reagierte nicht. Du hast keine Chance, denn Janv-Zount ist in meiner Gewalt. Er befindet sich in einem sicheren Gefängnis auf dem Spinar. Ohne ihn kannst du keine Jenseitsmaterie aktivieren, die allein in der Lage wäre, mich zu hindern. Diese Aussage stimmte mit den Informationen Ricos überein. Ich faßte mich wieder, aber ich dachte nichts Bewußtes, denn mein Plan stand längst fest. Diesmal sollte es Anti-ES nicht gelingen, mich noch einmal zu entführen. »Es setzt seinen Flug fort«, meldete Rico. »Jetzt können wir nichts mehr tun. Lebe wohl, Atlan.« Ich dachte an Belanglosigkeiten, wie ich es von meinem Logiksektor gelernt hatte. Zweifellos konnte Anti-ES meine Gedanken überwachen. Also kreisten diese um Dinge, mit denen es nichts anfangen konnte. Du bist verwirrt in deiner Hoffnungslosigkeit. Anti-ES lachte und raste durch den letzten Energieschirm. Du bist nicht groß, dachte ich nun mit aller Intensität. Aber du bist mein einziger Trumpf, du Kügelchen aus Jenseitsmaterie, denn du bist auf mich programmiert. Du hältst dich irgendwo verborgen. Komm heraus und verjage oder vernichte diesen bösen Geist, der soeben die Basis erreicht hat! Meine Blicke huschten über die Bildschirme. Dort war plötzlich nur noch gleißende Helligkeit. Ein mentaler Wutschrei klang auf, der sogar von den Robotern verstanden wurde. Draußen blähte sich etwas auf, verband sich mit der verschwommenen Gestalt von AntiES und raste mit diesem davon. Meine letzte Kugel aus Jenseitsmaterie hatte ihre Aufgabe erfüllt. Ein letzter Gedanke erreichte mich aus unendlicher Ferne: Ich kriege dich noch! »Oder ich dich!« antwortete ich. Dann war alles vorbei. Rico bat um eine Erklärung, und ich gab sie
ihm. Er war es zufrieden und lenkte meine Aufmerksamkeit auf ein schwaches Echo. »Eine verwehende Spur«, erklärte der Roboter, »hinterlassen von Anti-ES und deiner vergangenen Jenseitsmaterie. Wohin sie wohl führt?« »Zum Spinar«, folgerte ich, ohne auf eine Reaktion des Logiksektors zu warten. »Wir werden ihr folgen, denn noch dürfte Anti-ES geschwächt sein. Wirf den Egotransmitter I an, Rico!«
Epilog Die Rückkehr in die Wirklichkeit dauerte mehrere Minuten. Atlan richtete sich während dieser Zeit mehrmals in dem Kontursessel auf und ließ sich wieder zurücksinken. Seine Gedanken rasten noch einmal durch das Nacherlebte. Die Fülle der Erkenntnisse war überwältigend, und sie mußte mit der Realität in Einklang gebracht werden. Er war froh, daß ihn niemand von seinen Leuten in diesen Minuten störte. Besonders wirkte sich die Tatsache aus, daß er nun dreizehn Jahre seines früheren Lebens wieder »besaß«. Demgegenüber stand die traurige Tatsache, daß diese Zeitspanne nur einen Bruchteil der Periode ausmachte, die weiterhin im dunkeln lag. Schließlich stand Atlan auf und schaltete die Aufzeichnungsgeräte ab. In der Zentrale der CHYBRAIN würde man nun merken, daß sein Kontakt zu Wöbbeking-Nar'Bon beendet oder zumindest unterbrochen war. Bjo Breiskoll, der auf dem Schwanenschiff TAUPRIN wartete, würde davon erfahren. Der Hauch von der Anwesenheit oder der geistigen Nähe Wöbbekings war verweht. Das mächtige Wesen hatte den Kontakt über den temporären Reinkarnationseffekt plötzlich und ohne eine weitere Aussage beendet. Aber Atlan war sich darüber in klaren, daß es sich wieder melden würde. Wöbbekings Interesse an dem Geschehen um die SOL war zu vordergründig. Dahinter verbarg
sich etwas anderes als Neugier oder Hilfsbereitschaft. Atlans insgeheime Erwartung, etwas über die Manifeste zu erfahren, war nicht erfüllt worden. Das neue Wissen war zu bruchstückhaft. Wöbbeking-Nar'Bon hatte andere Teile der Vergangenheit aufgedeckt, die ihm, aus welchen Gründen auch immer, bedeutsamer erschienen waren. Immerhin war sich Atlan nun darüber im klaren, daß jener Janvrin, der ihnen nach der Ankunft in Xiinx-Markant so sehr zu schaffen gemacht hatte, zu einem Teil jener Janv-Zount gewesen sein mußte, den er aus seiner Vergangenheit in der Namenlosen Zone kannte. Wenn er diese Gedanken folgerichtig fortführte, so bedeutete das, daß auch die anderen Manifeste – und somit auch TAUPRIN! – aus der Namenlosen Zone stammten. Und mit diesem Schiff und Manifest sollte er den Vorstoß in die Innenzone von Xiinx-Markant wagen? Zweifel über die Richtigkeit seines Handelns kamen in ihm auf. Aber dann lenkte er seine Überlegungen wieder auf die SOL, die in einer hoffnungslosen Lage war, denn ein anderes Manifest, Erfrin, beherrschte über den unterjochten SENECA das Generationenschiff der Solaner. Auch die offensichtliche Widersinnigkeit, mit einem Boten des Bösen gegen einen anderen zu kämpfen, also mit der Hilfe Tauprins gegen Erfrin, bereitete Atlan Kummer. Es gab keine zwingende Erklärung für die Fäden, die Anti-ES im verborgenen spann. Vielleicht waren sie alle, er, Breckcrown Hayes, Sanny, Bjo und die ganze SOL nur Figuren in einem kosmischen Intrigenspiel, dessen Ziel und Ausgang nicht erkennbar waren. Was nützte da die Erfahrung, daß die Vulnurer, denen man mit der GESTERN, der HEUTE und der MORGEN nahe der Zone-X begegnet war, ganz offensichtlich von der Basis des Zählers JanvZount stammten? Nichts, denn selbst wenn ihn Wöbbeking noch einmal in die Vergangenheit versetzen würde, so würde er dort nichts von dem wissen, was sich real in der Zwischenzeit ereignet
hatte. Die Vakuumatmer, unerklärliche Wesen, besaßen eine entfernte Ähnlichkeit mit den Staubfliegern, denen Nockemann, Blödel und Glogg begegnet waren. War diese Parallele zwischen dem Diesseits und den Jenseits zufällig? Wo lagen die wirklichen Verbindungen, vom Hier in die Namenlose Zone? Welche Absichten verfolgte AntiES jetzt? Existierte es überhaupt noch in der Verbannung? Waren die zehn Relativ-Einheiten abgelaufen? Oder hatte sich die negative Superintelligenz gegen die Kosmokraten doch noch durchsetzen können? Fragen über Fragen. Wöbbeking-Nar'Bon würde vielleicht einige, bestimmt aber nicht alle beantworten können. Und ob er es tat und wann, das war schon wieder eine andere Frage. Selbst die Absichten des mächtigen Eies aus Jenseitsmaterie waren nicht klar erkennbar. Atlan baute sich eine andere Gedankenkette auf. Sie führte von dem ausgeschalteten Hidden-X und dessen Gier nach Jenseitsmaterie über die Namenlose Zone mit der Basis und der Quelle der Jenseitsmaterie bis nach Xiinx-Markant. Schon früher, als er den Drang verspürte, Regionen von Pers-Mohandot oder Flatterfeld in Friedenszellen zu verwandeln, hatte er manchmal das untrügliche Gefühl gehabt, einen Weg zu gehen, der mehr als nur vage vorherbestimmt war. Sein Ziel war dabei klar. Es lautete, den Raumsektor Varnhagher-Ghynnst zu erreichen, um dort in der Form von Spoodies Hilfsmittel aufzunehmen, die er für seine zukünftige Aufgabe zum Wohl der Mächtigkeitsballung von ES und damit zum Wohl der Menschheit brauchen würde. Das, was er als Auftrag der Kosmokraten bezeichnete und was in Wahrheit sein eigener Wille war, war klar umrissen und im Augenblick undurchführbar. Er hatte im Zug des Sieges über Hidden-X die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst verloren. Damit hatte sich zugleich ein neues Zwischenziel auf diesem verschlungenen Pfad durch die Gefilde und Zeiten des Kosmos ergeben, denn Wöbbeking-Nar'Bon hatte ihn wissen lassen, wer nun im Besitz dieser wichtigen Daten war:
Anti-ES. Unbemerkt von Atlan, der in Gedanken versunken war, traten Bjo Breiskoll, Sanny und der Haawer Glogg in die Kabine. Der Katzer wartete geduldig, bis Atlan ihn registrierte. »Wird Wöbbeking sich wieder melden?« fragte er dann. »Das wird er, Bjo. Bestimmt nicht in den nächsten Stunden, aber er wird sich wieder melden. Sein Interesse an unserem Handeln ist zu groß.« »Das meine ich auch«, mischte sich die Molaatin ein. »Allerdings fehlen mir ein paar Details aus deinem geschilderten Erleben. Du besitzt zwar nun das Wissen um die dreizehn Jahre Gefangenschaft, aber es fehlt noch in unseren Speichern. Außerdem kann jede Einzelheit einmal von Bedeutung sein. Nicht ohne Grund setzte Wöbbeking deine Erinnerung aus Bruchstücken zusammen.« »Und welches ist der Grund?« »Genau weiß ich das noch nicht, aber es ist wohl so, daß du nach und nach mit all den Dingen vertraut gemacht werden sollst, die du brauchst, um hier in Xiinx-Markant zu bestehen. Das ist der erste Takt. Dahinter verbergen sich die Absichten von Anti-ES und Wöbbeking, die wir vielleicht mit unseren Maßstäben nicht ganz messen können.« »So sehe ich es auch«, gab der Arkonide zu. »Was meine dreizehn Jahre in der Gewalt von Anti-ES betrifft, so gibt es nichts Wesentliches mehr zu berichten.« »Mich interessiert dieser fünfbeinige Kik«, platzte die Paramathematikerin heraus. »Er ist oder war ein lieber Kerl.« Atlan lächelte. »Wichtig ist er jedoch für unsere Aktivitäten nicht.« »Das sehe ich anders«, widersprach Sanny. Und als Atlan die Stirn in Falten zog, fuhr die kleine Molaatin fort: »Manchmal glaube ich, ich bin ihm schon einmal begegnet.« Glogg grunzte. »Jetzt dreht sie in ihrer Paramathematik durch.« Breiskoll lenkte das Gespräch wieder in praktischere Bahnen.
»Was soll nun geschehen, Atlan?« »Es bleibt bei unserem Entschluß. Informiert die SOL und überspielt die Aufzeichnung. Wir sehen uns in wenigen Minuten auf der TAUPRIN. Die FARTULOON und die CHYBRAIN bleiben hier. Du, Bjo, übernimmst das Kommando. Federspiel wird mich begleiten, damit wir im Notfall noch eine Telepathiebrücke über dich zu Sternfeuer auf der SOL aufbauen können. Ich vertraue zwar Tauprin nicht, weil ich die Absichten von Anti-ES nicht durchschauen kann. Aber das Schiff TAUPRIN ist unsere einzige reale Chance, zum Kern von Xiinx-Markant vorzustoßen. Und dort liegen nach meiner Meinung die Ursachen der hiesigen Verhältnisse. Nur wenn wir sie in den Griff bekommen, können wir die SOL von der Herrschaft Erfrins befreien.« »Ich weiß.« Der Katzer nickte. »Und ohne die SOL kommst du nicht an die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst.« Sie verließen die Kabine. Breiskoll gab vom nächsten Interkom aus die notwendigen Anweisungen an die Besatzungsmitglieder. Noch immer schweigsam und nachdenklich, bestieg Atlan mit Sanny und Glogg die kleine Raumlinse, die sie zu dem wartenden Schwanenschiff des Manifests Tauprin bringen sollte. Das Schiff schwenkte dem kleinen Boot seinen langen Hals entgegen, als würde es es wie ein lebendes Wesen neugierig verfolgen. Ich bin ein lebendes Wesen, meldete sich Tauprin. Und ich werde alles tun, um euch sicher durch die Tücken der Dunkelzone zu bringen. Die Schleuse ist geöffnet. Wenn ihr an Bord seid, kann ich starten. Sanny, die auf Atlans Knie hockte, zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich kann dieses lebende Schiff nicht berechnen, aber ich bin davon überzeugt, es meint, was es sagt.«
ENDE
Mit Atlan-Band 614 kehren wir wieder zurück in die Realzeit des Jahres 3807. Mit dem intelligenten Raumschiff, das das Manifest J beherbergt, dringt der Arkonide in die Dunkelzone der Galaxis Xiinx-Markant vor – in die ZONE DER GEFAHREN … ZONE DER GEFAHREN – unter diesem Titel erscheint auch der Atlan-Band der nächsten Woche. Der Roman stammt von Falk-Ingo Klee.